Hans H. Hinterhuber/Kurt Matzler (Hrsg.) Kundenorientierte Unternehmensführung
Hans H. Hinterhuber/Kurt Matzler (Hrsg.)
Kundenorientierte Unternehmensführung Kundenorientierung – Kundenzufriedenheit – Kundenbindung
5., überarbeitete und erweiterte Auflage Mit Beiträgen von: Bernd Adamaschek, Rainer Christian Beutel, Wolfram Bremeier, Jochen Dieckmann, Leonhard Ermer, Raimund Hirschfelder, Manfred Jung, Lydia Kyas, Martin Lepper, Ingrid Nümann-Seidewinkel, Harald Plamper, Marga Pröhl, Willi Schmöller, Rolf Sebelin, Heide Simonis, Rüdiger Staib, Dietmar Talkenberg, Wolfgang Tiefensee, Armin Töpfer, Hans-Josef Vogel
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber ist Vorstand des Instituts für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck. Email: [email protected] Tel. +43-512-507-7181 Univ.-Prof. Dr. Kurt Matzler ist Vorstand des Instituts für Internationales Management an der Johannes-Keppler-Universität Linz. Email: [email protected] Tel. +43-732-2468-9449
1. Auflage 1983 2. Auflage 19853. Auflage 1991 1. Auflage März 1999Nachdruck 1992 .4. Auflage 1995 . 5. Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Barbara Roscher / Jutta Hinrichsen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0227-6 ISBN-13 978-3-8349-0227-6
Vorwort der Herausgeber We want a company that focuses on nothing but serving customers. Jack Welch, CEO, General Electric Company
In der Wirtschaft unserer Zeit lassen sich zwei Konstanten ohne Unsicherheit erkennen: 1. die Beschleunigung des Wandels und 2.
die mnehmende Komplexitat aller menschlichen Einrichtungen.
Die Probleme, die durch die Beschleunigung des Wandels und die Zunahme der Komplexitat hervorgerufen werden, machen die Fiihrung einer Unternehmung dadurch schwieriger, dass Fuhrende geneigt sind sich an das zu halten, was in der Vergangenheit den Erfolg verburgt hat, was bekannt ist und sich als nutzlich und wirksam f i r die Unternehmungsentwicklung erwiesen hat. In der Vergangenheit konsolidierte und bewahrte Verhaltensmuster konnen in Zeiten der Unsicherheit und des ~ b e r g a n g jedoch s gefahrlich f i r die langfristige und nachhaltige Wertsteigerung der Unternehmung sein. Das Anhaften an Vergangenem, das Fortschreiben von Strategien und Mafinahmen, die erfolgreich waren, lassen das Wesen des Neuen nicht erkennen und verhindern, dass die Grundlinien und die schwachen Zeichen der neuen Herausforderungen und Moglichkeiten erkannt werden, die die Unternehmung nutzen kann. Eine Unternehmung fihren, heifit in der Gegenwart leben, im Hier und Jetzt Entscheidungen treffen, die wohl durch das Erbe der Vergangenheit gepragt sind, gleichzeitig aber auch auf der Antizipation der Zukunft und der Vorwegnahme der haufig nicht artikulierten Bedurfnisse der Kunden beruhen. Die Basis jeder erfolgreichen Unternehmung sind die Kunden. Eine Unternehmung ohne Kunden geht zugrunde. Je mehr treue und zufriedene Kunden eine Unternehmung hat, desto grofier ist die Chance, dass sie erfolgreich uberlebt und ihren Wert nachhaltig und langfristig steigert. Daher ist die erste Prioritat der Kunde. Die Fuhrungskrafte und die Mitarbeiter mussen sich in erster Linie um die Kunden kiimmern, damit alle anderen Stakeholder zufriedengestellt werden konnen. Nach dem Pareto-Prinzip machen etwa 20 % der Kunden 80 % des gesamten Deckungsbeitrages der Unternehmung aus. Die prioritare Aufgabe der Fuhrungskrafte und Mitarbeiter ist es, diese 20 % der Kunden - die Kerngeschaftspartner - zu kennen, ihre Wansche und Sorgen zu erforschen und in den Prozess der Weiterentwicklung der Unternehmung einzubinden. Es gibt genugend Beispiele, wie dank dieser Vorgehensweise Unternehmungen wertsteigernd in die Zukunft gefiihrt wurden.
In gesattigten Markten besteht die Gefahr, dass sich die Unternehmungsleitung damit begniigt, die Fruchte vergangener Pionierphasen zu ernten. Das Problem einer jeden Unternehmung in der Reifephase besteht deshalb darin, laufend neue Pionierphasen einzuleiten, die neue Impulse und beschleunigende Momente f i r die Weiterentwicklung der Unternehmung geben. Dies gelingt auf finf Wegen: durch kontinuierliche Verbesserung und durch Innovation, durch die Akquisition neuer Kunden, durch das Halten der alten Kunden, durch die Ruckgewinnung abgesprungener Kunden sowie dadurch, dass die Unternehmung schneller und besser lernt als ihre Konkurrenten. Werte f i r die Kunden zu schaffen, sie zu begeistern und vielleicht zu Botschaftern der Unternehmung zu machen, ist eng mit Leadership verbunden. Leadership ist die Fahigkeit, Fuhrungskrafte und Mitarbeiter zu bewegen, freiwillig und initiativ immer wieder neue Pionierphasen einzuleiten. Leadership heiRt deshalb auch, Mitarbeiter und Innovationen fdrdern. Je wirksamer es gelingt, eine Atmosphare des Vertrauens und ein Umfeld zu schaffen, in dem jeder sich kreativ fir die Zufriedenstellung der Kunden entfalten kann, desto besser sind die Bedingungen f i r innovative Leistungen, fir die Sicherheit des Arbeitsplatzes und f i r die nachhaltige und langfristige Wertsteigerung der Unternehmung. In diesem Band skizzieren wir die Eckpfeiler einer kundenorientierten Unternehmensfihrung. Dazu werden im ersten Teil die theoretischen Grundlagen diskutiert. Der zweite Teil stellt Instrumente und Methoden vor und im dritten Teil untermauern schlieBlich praktische Erfahrungen die Notwendigkeit und Wirksamkeit einer konsequenten kundenorientierten Unternehmensfihrung. Die nun vorliegende finfie Auflage dieses Buches wurde wesentlich iiberarbeitet. Einige neue Aspekte werden beleuchtet und neue Erfahrungen aus der Praxis geben weitere Impulse.
Die Beitrage in diesem Band Kurt Matzler, Heinz K. Stahl und Hans H. Hinterhuber begriinden im einfihrenden Beitrag eine ,,Customer-based View" der Unternehmung. Ihr liegen die markt- bzw. kundenorientierte, die wertorientierte und die ressourcenorientierte Sicht zugrunde. Diese drei Sichtweisen werden zu einem evolutiven Entwicklungsmodell zusammengefihrt, das auf folgenden vier Hypothesen beruht: (1) Der Unternehmenswert ist eine Funktion der Kundenzufriedenheit, (2) Kundenzufriedenheit ist eine Funktion des ,,Customer Value", (3) die Fghigkeit, Wertangebote fir den Kunden zu schaffen, wird von den Kernkompetenzen der Unternehrnung bestimmt und (4) um Kernkompetenzen aufbauen zu kBnnen, bedarf es einer wertsteigernden Fuhrung der Unternehmung.
Manfred Bruhn bettet Kundenorientierung in ein umfassendes Konzept der Unternehmensfihrung ein. Er zeigt die Entwicklungsphasen der Unternehmensfihrung und verdeutlicht die Notwendigkeit einer Kundenorientierung in der heutigen Wettbewerbssituation. Sein Prozess der kundenorientierten Unternehmensfihrung gibt einen Uberblick iiber Instrumente, Methoden und Einstellungen, die notwendig sind, um Unternehmungen erfolgreich in die Zukunft zu fiihren. Dies verlangt haufig - so Bruhn - eine Umorientierung im Vergleich zum traditionellen Marketing. Der Zusammenhang zwischen Produktqualitat, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg wird vom Autorenteam Frank Huber, Andreas Herrmann und Christine Braunstein hinterfragt. Nicht-lineare und asymmetrische Zusammenhange werden dabei festgestellt und dies sei haufig auch der Grund dafir, dass eine ,,beachtliche Zahl von Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsprogrammen scheitern". Heinz K. Stahl betrachtet in seinem Beitrag die Kundenloyalitat kritisch. Er argumentiert, dass Kundenloyalitat aus drei verschiedenen Schichten besteht: einem inneren Kern, der die belastbare Form der Kundenloyalitat darstellt und in Anlehnung an die Beziehungsforschung "Commitment" genannt wird, einer mittleren Schicht, die eine an konkrete Bedingungen geknupfte, also "bedingte" Kundenloyalitat beinhaltet und somit eine freiwillig eingegangene "Kundenbindung" darstellt und einer Bufieren Schicht, die dadurch entsteht, dass an die Kundenloyalitat lediglich der Mafistab des "Wiederkaufverhaltens" angelegt wird, was "einer oberflachlichen" oder gar "triigerischen" Kundenloyalitat entspricht. Diesen drei Auspragungen der Kundenloyalitat wird jeweils ein bestimmtes theoretisches Konzept zugrunde gelegt. Heinz K. Stahl diskutiert dariiber hinaus drei Konzepte, die, je nach Blickwinkel verschiedener Autoren, f i r die Absicherung und Verstarkung der Kundentreue empfohlen werden: Kundenintegration, die Kundenbindung und das Management von Kundenbeziehungen. Torsten Tomczak, Sven Reinecke und Sabine Dittrich argumentieren f i r eine differenzierte Sichtweise der Mafinahmen zur Kundenbindung in verschiedenen Markten, da viele Unternehmungen die Erfahrung gemacht haben, dass die im Bereich der Kundenbindung gesetzten MaRnahmen haufig nicht zu den erwarteten Wirkungen gefiihrt haben. Es sind sogar potentiell negative Effekte, wie zum Beispiel Flexibilitats- und Informationsverluste, unrentable Investitionen in die Kundenbeziehung, Widerstand beim Kunden oder eine Vernachlassigung anderer Kunden, zu beobachten. Tomczak, Reinecke und Dittrich zeigen wie Strategien der Kundenbindung zu Folgekaufen fihren, wie Kundenbindung durch einen optimalen Mix faktischer und psychologischer Bindungen erreicht wird und wie Kundenbindung in unterschiedlichen Geschaftstypen venvirklicht werden kann. Sie diskutieren dann, wie die wichtigsten bekannten Kundenbindungsmafinahmen die Strategien der Kundenbindung untersttitzen konnen. Die Hypothese "Wie Kundenbindungskonzepte f i r bestimmte Markte zu gestalten sind, hangt hauptsachlich von der Neuartigkeit des Marktes und den Marktcharakteristika ab!" wird im Beitrag von Michael Laker, Alexander Pohl und Denise Dahlhoffuntersucht. Die drei Autoren vertreten die Auffassung, dass durch eine Typologisierung alter und
VIII neuer MBrkte Unterschiede bei den Kunden in Bezug auf bestimmte Merkmale aufgedeckt werden, die einen Einfluss auf die Ziele der Kundenbindung in diesen Markten und die Art der jeweils geeigneten KundenbindungsmaRnahmen haben. Anhand zahlreicher Beispiele werden diese Unterschiede dargestellt und Schlussfolgerungen f i r die Kundenbindung in neuen Mbkten gezogen. Die Lernfahigkeit bildet eine wichtige Saule des kundenorientierten Unternehrnens, damit neues Wissen iiber Kunden und Markte laufend erworben und in bestehende Strukturen integriert werden kann. Gernot Handlbauer und Birgit Renzl diskutieren die Zusammenhange zwischen Kundenorientierung und Wissensmanagement, unterschiedliche Ebenen des "kundenorientierten Wissens", den Zyklus der Wandlung des Wissens und schlieRlich die Verantwortung und Aufgabe der Unternehmensleitung in der kundenorientierten Unternehmung. Customer Relationship Management (CRM) hat sich in den letzten Jahren zu einem der bedeutendsten Managementtools entwickelt. Allerdings liegen die Erfolgsraten laut mehrerer Studien unter 50 %. Sonja Grabner-Krauter und Alexander Schwarz-Musch stellen in ihrem Beitrag die konzeptionellen Grundlagen und Komponenten von CRM dar und diskutieren dann die zentralen Erfolgsfaktoren von CRM-Projekten. Diese liegen - so die Autoren - in der Durchfiihrung differenzierter Kundenanalysen, in der Entwicklung einer klaren Kundenstrategie und in der adaquaten Anpassung der Organisationsstruktur. Die internetbasierte Einbindung der Kunden in die Innovationsprozesse stellt ein vie1 versprechendes Customer Relationship Management Instrument dar, argumentieren Johann Fuller, Hans Miihlbacher und Michael Bartl. Sie zeigen in einer empirischen Studie, dass engagierte Kunden, die aktiv in die Produktentwicklung eingebunden werden, das Unternehmen kundenorientiert wahrnehmen, sich ernst genommen fiihlen, Vertrauen entwickeln und an einer weiteren Zusammenarbeit auch interessiert sind. Zudem steigen durch die virtuelle Kundenintegration auch das Produktinteresse und die Kaufabsicht. Der zweite Teil dieses Bandes - Instrumente und Methoden - wird durch den Beitrag von Heinz K. Stahl, Hans H. Hinterhuber, Stephan A. Friedrich von den Eichen und Kurt Matzler ,,Kundenzufriedenheit und Kundenwert eingeleitet". Die Tatsache, dass zwar zahlreiche Unternehmungen die Zufriedenheit ihrer Kunden messen, die Kehrseite der Zufriedenheit, der Kundenwert, weitgehend der MutmaRung iiberlassen wird, nehmen Stahl et al, zum Anlass, verschiedene Methoden zur Berechnung des Kundenwertes darzustellen. Die Schwachen der am haufigsten eingesetzten Methoden sprechen f i r die Berechnung eines aus mehreren - auch qualitativen - Teilwerten resultierenden Kundenkapitalwertes. Als Fazit wird ein Portfoliomanagement mit den Dimensionen Kundenzufriedenheit und Kundenwert vorgeschlagen Kurt Matzler und Franz Bailom zeigen auf, welche Probleme vor allem in der Praxis bei der Messung von Kundenzufriedenheit entstehen und wie diese vermieden werden kBnnen. Die Autoren sprechen von "proaktivem Kundenzufriedenheitsmanagement" in dem Sinne, dass es nicht ausreicht, durch ein einfaches Messen der Zufriedenheit auf aufge-
tretene Probleme zu reagieren, sondern dass es notwendig sei, Probleme und Wunsche zu antizipieren und aktiv zu gestalten. Es wird ein mehrstufiges Verfahren vorgeschlagen, in dem qualitative und quantitative Instrumente integriert sind und als praktischer Leitfaden zur gezielten Messung und zum Management von Kundenzufriedenheit verstanden werden kann. Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativem Charakter stellen besondere Anforderungen an die Messung von Kundenzufriedenheit. Diese werden von Eva Thelen, Oliver Koll und Hans Miihlbacher herausgearbeitet. Als Antwort wird eine prozessorientierte Messung der Zufriedenheit durch den kombinierten Einsatz mehrerer Methoden vorgeschlagen. Anhand eines Beispiels aus dem Business-to-Business-Bereich wird die Anwendung illustriert und diskutiert. In Theorie und Praxis beginnt sich die ijberzeugung durchzusetzen, dass es nicht mehr ausreicht, Mindestanforderungen an Produkte und Dienstleistungen zu erfillen um Kunden zuffieden zu stellen. Es sei notwendig, den Kunden mit Leistungen zu uberraschen und zu begeistern, die er sich nicht erwartet hat. In diesem Zusammenhang wird vielfach von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren gesprochen. Kurt Matzler, Elmar Sauenvein und Christian Stark diskutieren in ihrem Beitrag mehrere Methoden zur Identifikation dieser Zufriedenheitsfaktoren. Beschwerdezufriedenheit khrt zu Kundenzufriedenheit und damit zu hoherer Kundenbindung. Bernd Stauss weist darauf hin, dass dieser Zusammenhang bislang kaum theoretisch erklart wurde und versucht diese Erkenntislucke in seinem Beitrag "Beschwerdemanagement als Instrument der Kundenbindung" zu schlieflen. Er betrachtet Beschwerdezufriedenheit zunachst auf theoretischer Ebene und zeigt dann anhand empirischer Daten die Zusammenhange zwischen Beschwerdezufriedenheit und Kundenbindung. Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen bieten Ansatze, wie mit Hilfe des Beschwerdemanagements Beschwerdezufriedenheit und Kundenbindung positiv beeinflusst werden konnen. In ihrem Beitrag "Kundenbindung durch Discovery" stellt Antonella Mei-Pochtler ein von der Boston Consulting Group entwickeltes Verfahren vor, mit dessen Hilfe Wachstumspotentiale in Geschaftsbeziehungen neu entdeckt oder besser ausgeschopft werden konnen. In einem strukturierten, analytischen Prozess werden dabei die Erfolgsfaktoren und "Economics" des Geschafts gemeinsam mit dem Kunden erforscht, um neue Losungen, Ideen, Produkte und Dienstleistungen zum beiderseitigen Vorteil zu schaffen. Excellence-Modelle, die im Kontext von TQM-Konzepten entwickelt wurden, stellen brauchbare Ansatze zur ganzheitlichen Unternehmensbewertung und zur Unterstiitzung der Unternehmenssteuerung dar. Den wichtigsten dieser - der Malcolm Baldrige National Quality Award, der Australian Quality Award und das Europaische Model1 f i r Business Excellence - ist eine konsequente Kundenorientierung gemeinsam. Klaus J. Zink, Thomas Bauerle und Ulrich Steimle stellen in ihrem Beitrag dar, wie erfolgreiche Unternehmungen, die die Ideen dieser Excellence-Konzepte verwirklicht haben, dadurch eine
konsequente Kundenorientierung erreicht und eine hohe Kundenzufriedenheit realisiert haben. Die zahlreichen Best-Practice-Beispiele verdeutlichen, dass die Orientierung an diesen Excellence-Modellen helfen kann, einen systematischen und zielorientierten Verbesserungsprozess einzuleiten und dass deren Grundsatze branchen- und unternehmensgr613enunabhangig sind. Kundenclubs basieren auf ubenviegend nicht-monetaren Vorteilen f i r die Clubmitglieder. Dies ist eines der wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale zu anderen Instrumenten der Kundenbindung. Hunderte dieser Clubs haben bereits unter Beweis gestellt, dass es vor allem emotionale, weiche Faktoren und nicht Preisvorteile sein ksnnen, die den Weg zu Kundenloyalitat ebnen. In Deutschland gibt es heute mehr als 300 Kundenclubkonzepte. Stephan A. Butscher und Lars R. Muller diskutieren wie dieses klassische und zunehmend wichtiger werdende Instrument der Kundenbindung erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden kann. Die Integration des Kunden in den Innovationsprozess wird vielfach als ein zentraler Erfolgsfaktor betrachtet. Dafiir stehen zahlreiche Methoden zur Verfiigung. Andrea Hemetsberger und Johann Fuller bringen Ordnung in die Vielfalt und geben wertvolle Hinweise dafir, wie und vor allem wann welche Methoden sinnvoll in den Innovationsprozess eingebaut werden konnen. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur richtigen Auswahl der Werkzeuge, deren fachgemafien Anwendung und in der Folge zur ,,kundenorientierteren" Innovation. Johann Fuller, Gregor Jawecki und Michael Bart1 legen in ihrem Beitrag uber ,,Prod&und Serviceentwicklung in Kooperation mit Online Communities" ihren Schwerpunkt auf ein neues und vie1 versprechendes Thema: der Nutzung der Online-Communities als Wissens- und Innovationsquelle. Die in diesem Beitrag diskutierten Methoden und Beispiele zeigen wie wertvoll und zugleich spannend Online-Communities fiir kundenorientierte Innovationen sein kbnnen. Giinther und Martina Botschen stellen in ihrem Beitrag Methoden vor, die eine direkte Kundenintegration in den Innovationsprozess von Dienstleistungen erlauben. Diese Methoden ermoglichen es, konkrete Erfahrungen, Anspriiche und Ideen von Kundenseite zu erfassen und haben gegenuber den traditionellen, standardisierten und attributorientierten Marktforschungsmethoden den Vorteil, nicht nur auf hohem Abstraktionsniveau bereits Bekanntes zu erheben, sondern erlauben es, neue Inhalte zu erfassen. Die Anwendung der hier prbentierten Methoden wird durch erfolgreiche Beispiele aus der Praxis unterlegt.
Kundenorientierte Fuhrung endet nicht an den Grenzen der eigenen Unternehmung. In diesem Sinne erweitert der Beitrag von Stephan A. Friedrich von den Eichen, Hans H. Hinterhuber, Kurt Matzler und Heinz K. Stahl den bisherigen Betrachtungsfokus um eine wichtige Dimension - die der kooperativen und ko-evolutiven Wertschopfung. Am Beispiel der ,,Efficient Consumer Responsea-Bewegung zeigen sie, auf welche Weise Konsumguterindustrie und Einzelhandel gemeinsam Mehrwert fiir den Konsumenten
schaffen und wurdigen die Initiative vor dem Hintergrund der aktuellen Markt- und Wettbewerbsbedingungen. Obwohl die Preisgestaltung einen deutlichen Einfluss auf die Kundenzufiiedenheit und den Untemehmenserfolg hat, wird dieses Thema sowohl in der Theorie als auch in der Praxis eher stiefinutterlich behandelt. Andreas Hinterhuber zeigt in seinem Beitrag unter anderem, dass PreishBhe und Marktanteil durchaus kompatibel sein konnen und dass die Preissensitivitat der Kunden haufig uberschatzt wird. Das in seinem Beitrag vorgeschlagene Rahmenmodell sol1 es erlauben profitable Preise zu bestimmen, die sowohl Kunden zufiieden stellen als auch Unternehmensgewinne garantieren. Nikola Glusac leitet mit seinem Beitrag uber die Wirkung von Bonusprogrammen den dritten Teil des Bandes ein. Zurecht stellt er sich die Frage, ob Bonusprogramme tatsachlich effektiv in der Kundenbindung sind, haben sie doch in den letzten Jahren den Markt iiberschwemmt und werden oft als unwirksam dargestellt. Die empirischen Ergebnisse seiner Arbeit beweisen das Gegenteil. Franz Bailom, Markus Anschober, Kurt Matzler und Alexander Kausl prasentieren Ergebnisse einer empirischen Studie iiber Preis- und Innovationswettbewerb, die sie bei FuhrungskrBften in Osterreich, Deutschland und der Schweiz durchgefiihrt haben. Dabei gehen sie vor allem der Frage nach, worin sich jene Unternehmen unterscheiden, die im schhfer werdenden Customer-Value-Wettbewerb gewinnen. Kundenzufiiedenheit ist seit Jahren ein zentrales Thema in der Theorie und in der Praxis. Doch welche Bedeutung hat ein Zufiiedenheitsmanagement in der Praxis tatsachlich? Wie wird mit Ergebnissen von Zufiiedenheitsbefiagungen, die mittlerweile von fast jedem Unternehmen in irgendeiner Form durchgefiihrt werden, umgegangen? Diesen und ahnlichen Fragen gehen Bernd Stauss, Frank Dornach und Christian Coenen in einer branchenubergreifenden Studie nach. Die Ergebnisse zeigen, um mit den Autoren zu sprechen, ,,ein interessantes, aber auch erniichterndes Bild." ,,Kundenbindung ist das Ergebnis einer Kette von langjahrigen Erfahrungen, die der Kunde mit dem Fahrzeug und dem Autohaus macht" schreibt Heinrich Holland. Er diskutiert Griinde und Ziele von Kundenbindungsstrategien, Kaufentscheidungprozesse beim Automobilkauf und Ansatzpunkte einer >Kundenorientierung. Das Kundenbindungsprogramm der Porsche AG zeigt wie durch ein systematisches Kundenkontaktprogramm die Beziehung zum Kunden gepflegt und seine Loyalitat zur Marke aufiechterhalten werden konnen. Von diesen Erfahrungen kann man auch in anderen Branchen lemen. Der Beitrag von Martin Wieder beschaftigt sich mit geeigneten Kundenbindungsinstrumenten, die besonders fiir den Handel relevant sind. Die Erkenntnisse stutzen sich dabei auf Interviews und Recherchen bei Handelsunternehmen verschiedener Branchen sowie bei Industrieunternehmen und Dienstleistern. Martin Wieder vergleicht den Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten mit einem Eisbergphanomen: Alle Instrumente werden in ihrer Wirkung abgeschwacht, wenn das innere Bild vom Kunden von negati-
ven Einstellungen und schlechter Service- und Qualitatsorientierung determiniert wird. Marjgeblich verantwortlich f i r eine konsequente Kundenorientierung eines Handelsunternehmens ist die Fiihrungskultur. Eine Service- und Dienstleistungsmentalitat l b s t sich nur dann umsetzen, wenn sie ,,von oben", d.h. von Personen aus dem Fuhrungskreis, glaubhaft und kontinuierlich vorgelebt wird. ,,AlegriaC'nennt sich das ehrgeizige Programm der Bank fir Tirol und Vorarlberg (BTV) mit dem Ziel ,,einen spiirbaren Unterschied zu anderen Finanzdienstleistern zu schaffen, Kunden zu begeistern". Christine Kittinger-Rosanelli zeigt den Weg zu begeisterten Kunden im Rahmen eines Qualitatsmanagementprozesses in einer Bank. Das Potential steckt dabei in den Mitarbeitern. Sie sind auch - so erkennt man an den Erfahrungen der BTV Dreh- und Angelpunkt bei der Implementierung. Nur durch Whzeitige und umfassende Einbindung in die Veriinderungsprozesse erreicht man die ~nderungenin den Einstellungen und Werthaltungen, die fiir eine erfolgreiche Implementiemng Voraussetzung sind. Der Wunsch als individuelle Person und nicht als Masse angesprochen und auch als Person wahrgenommen zu werden, fordert nach einen neuen Bezugsrahrnen fiir das Marketing: Micro-Marketing statt Massenmarketing. Manfred Kohl und Christine Siege1 schildern in ihrem uberaus lesenswerten Beitrag wie Beziehungsmarketing im Tourismus und als Basis fiir eine erfolgsversprechende Profilierung genutzt werden kann. Der Beitrag ist gespickt mit Beispielen erfolgreicher Praktiken um Gaste zu uberraschen und zu begeistern. Leser aus allen Branchen finden hier zahlreiche Impulse fiir das eigene Unternehmen. In Frankreich haben - so beobachtet Alexander Pohl- Kundenbindungsprogramme eine grorjere Verbreitung als in Deutschland. Dies nimmt der Autor zum Anlass, einige erfolgreiche und weithin bekannte Kundenbindungsprogramme naher ins Visier zu nehmen. Mehrere Beispiele vermitteln einen interessanten Einblick und geben wertvolle Anregungen. Reinhold Karner schlierjt diesen Band mit einem Beitrag uber kundenorientierte Unternehmensfihrung bei einem Tiroler Paradeunternehmen, der KTW Software & Consulting. Eines der Herzstiicke ist das Anreizsystem f i r Mitarbeiter, das an ein kunden- und erfolgsorientiertes Pramien- und Bonussystem geknupft ist. Auch in diesem Beitrag finden sich zahlreiche Anregungen f i r die praktische Ausgestaltung der kundenorientierten Unternehmensfiihrung.
Die Herausgeber danken allen Autoren, die trotz ihrer hohen Arbeitsbelastung die Zeit gefunden haben, ihre Erkenntnisse und Einsichten mit einem grorjen Leserkreis zu teilen. Besonderer Dank gilt Birgit Kuntner und Manuela Potzlberger f i r die sorgfaltige Bearbeitung des Manuskripts. Wir alle wiirden uns freuen, wenn das vorliegende Buch den Leserinnen und Lesern bei der Kundenorientierung Orientierung bieten konnte. Hans H. Hinterhuber und Kurt Matzler Universitat Innsbruck und Johannes Kepler Universitat Linz, im Juni 2006
Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber ...........................................................................
V
Teil 1: Grundlagen Kurt MatzledHeinz K. Stahl/Hans H. Hinterhuber
Die Customer-based View der Unternehmung .............................................................
3
Manfved Bruhn
Das Konzept der kundenorientierten Unternehmensfiihrung ......................................
33
Frank Huber/Andreas Herrmann/Christine Braunstein
Der Zusammenhang zwischen Produktqualitat, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg ...................................................................................................
67
Heinz K. Stahl
Kundenloyalitat kritisch betrachtet ............................................................................... 85 Torsten TomczaWSven Reinecke/Sabine Dittrich
Kundenpotenziale ausschopfen - Gestaltungsanstitze f i r Kundenbindung in verschiedenen Geschaftstypen .................................................................................... 105 Michael Laker/Alexander PohUDenise Dahlhoff
Kundenbindung auf neuen Markten ............................................................................ 13 1
Gernot Handlbauer/Birgit Renzl
Kundenorientiertes Wissensmanagement ................................................................... 145 Sonja Grabner-Krauter/Alexander Schwarz-Musch
CRM - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. ...............................................................
173
Johann Fiiller/Hans Miihlbacher/Michael Bart1
Beziehungsmanagement durch virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess .................................................................................................. 193
Teil2: Instrumente und Methoden Heinz K. Stahl/Hans H. Hinterhuber/Stephan A. Friedrich von den Eichen/Kurt Matzler
Kundenzufi-iedenheit und Kundenwert .................... ...
............................................. 22 1
Kurt Matzler/Franz Bailom
Messung von Kundenmfi-iedenheit ............................................................................ 241 Eva Thelen/Oliver Koll/Hans Miihlbacher
Prozessorientiertes Management von Kundenzufi-iedenheit ....................................... 271 Kurt Matzler/Elmar Sauerwein/Christian Stark
Methoden zur Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren ....... 289 Bernd Stauss
Beschwerdemanagement als Instrument der Kundenbindung ....................................3 15 Antonella Mei-Pochtler
Kundenbindung durch Discovery .............................................................................
335
Klaus J. Zink/Thomas Buuerle/Ulrich Steimle
Kundenorientierung und -mfi-iedenheit in Excellence-Konzepten ............................ 353
Stephan A. Butscher/Lars R. Miiller
Kundenbindung durch Kundenclubs .........................................................................
383
Andrea Hemetsberger/Johann Fuller
Qua1 der Wahl - Welche Methode flihrt zu kundenorientierten Innovationen? ......... 399 Johann FillledGregor JaweckUMichael Bart1
Produkt- und Serviceentwicklung in Kooperation mit Online Communities .............435 Giinther Botschen/Martina Botschen
Kundenintegrierte Neuproduktentwicklung von Dienstleistungen .............................455 Stephan A. Friedrich von den Eichen/Hans H. Hinterhubed Kurt MatzledHeinz K. Stahl
Durch Kooperation den Kundenwert steigern ............................................................ 473 Andreas Hinterhuber
Pricing und Kundenzufiiedenheit .............................................................................. 493
Teil3 : Praktische Erfahrungen Nikola Glusac
Bonusprogramme - ein wirkungsvolles Kundenbindungsinstrument? ....................... 5 13 Franz Bailom/Markus Anschober/Kurt Matzler/Alexander Kausl
Preis- und lnnovationswettbewerb: Ergebnisse einer Fiihrungskraftebefragung ........525 Bernd Stauss/Frank Dornach/Christian Coenen
Zufriedenheitsmanagement
-
Konzept und Realisierung ........................................ 543
Heinrich Holland
Kundenbindungsmanagement in der Automobilbranche ............................................ 56 1
Martin Wieder Kundenbindungsinstrumente im Handel - Erfolgspotentiale und Umsetzungsvoraussetzungen .................................................................................
577
Christine Kittinger-Rosanelli
,,Alegria6'- Der Weg der Bank fir Tirol und Vorarlberg (BTV) zu begeisterten Kunden im Rahmen eines Qualitatsmanagementprozesses ........................................ 593 Manfred Kohl/Christine Siege1
Beziehungsmarketing im Tourismus .......................................................................... 609 Alexander Pohl
Kundenbindungsprogramme in Frankreich: Bedeutung und Fallstudien.. .................. 6 2 1 Reinhold Karner
Kundenorientierte Unternehmensfihrung - Fallbeispiel KTW Software & Consulting, Tirol ......................................................................................................... 633
Teil 1
Grundlagen
Kurt MatzlerIHeinz K. StahlIHans H. Hinterhuber
Die Customer-based View der Unternehmung
1. Einleitung
2. Die Customer-based View 2.1 Unternehmenswert als Funktion der Kundenzufriedenheit 2.1.1 Kundenzufiiedenheit und Wiederkauf 2.1.2 Kundenzufiiedenheit und Cross-Selling 2.1.3 Kundenzufiiedenheit und Preissensibilitat 2.1.4 Kundenzufiiedenheit und positive Mundwerbung 2.1.5 Kundenzufiiedenheit und Unternehmenswert: Art und Starke des Zusammenhanges 2.2 Kundenzufiiedenheit als Funktion des ,,Customer Value" 2.2.1 ,,Customer Value" als Wettbewerbsfaktor 2.2.2 Das Kano-Model1 der Kundenzufiiedenheit 2.3 Customer Value als Funktion der Kernkompetenzen 2.4 Ein ,,Denken in Investitionen" als Voraussetzung fiir den Aufbau von Kernkompetenzen 3. Zusammenfassung
1. Einleitung Betrachtet man die jiingere Literatur w r strategischen Unternehmensfihrung und zum Marketing, so lassen sich drei wesentliche Schwerpunkte identifizieren: @ Arbeiten zur wertorientierten Unternehmensfuhrung, welche die Interessen der Kapitalgeber in den Vordergrund riicken und in der Maximierung des Unternehmenswertes die zentrale ZielgrBRe sehen; @ die ressourcenorientierte Sicht der Unternehmung, welche unterstellt, dass weniger die Attraktivitat und Struktur der Branche sowie die Positionierung am Markt, sondern vielmehr die Ressourcenausstattung der Unternehmung erfolgswirksam ist; und H Arbeiten zum Zusammenhang zwischen Marktorientierung, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg, die belegen, dass die Ausrichtung an der Zufriedenheit des Kunden einen wesentlichen Teil der Performanceunterschiede zwischen Unternehmen zu erklaren vermag. Im Rahmen der wertorientierten Unternehmensfuhrung, die vor allem durch Rappaport (1986) und Copeland/Koller/Murrin (1994) gepragt wurde, riicken die Interessen der Kapitalgeber verstarkt in den Vordergrund der Unternehmensfiihrung. Die Maximierung des Unternehmenswerts wird dabei zur zentralen ZielgroRe (HahnlHintze 1998) und der Beitrag einzelner Unternehmensbereiche, Strategien und Konzepte zur Wertsteigerung der Unternehmung zum MaRstab unternehmerischer Effizienz (Hinterhuber 1996). Aus Sicht des Ressourcenansatzes, der die Strategielehre seit etwa Mitte der 80er Jahre pragt, ist fiir den Unternehmenserfolg nicht so sehr die Attraktivitat und die Struktur der Branche sowie die Positionierung im Markt, als vielmehr die Veregbarkeit von einzigartigen Ressourcen des Unternehmens entscheidend. Ressourcen sind d a m Quellen okonomischer Renten, wenn sie konvertierbar (um im Wettbewerb m r Nutwng von Chancen oder Abwehr von Gefahren eingesetzt zu werden), knapp, nicht imitierbar und nicht ersetzbar sind (Wernerfelt 1984, AmitJShoemaker 1993, HuntIMorgan 1995). In der Literatur zurn Marketing wurde seit etwa Anfang der 90er Jahre eine ganze Reihe von Arbeiten vorgelegt, die den Zusammenhang zwischen Markt- bzw. Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg untersuchen (z.B. NarverISlater 1990, ReichheldISasser 1990, Jaworski/Kohli 1993, Anderson/Fornell/Lehmann 1994, IttnerILarcker, 1998, MatzlerIStahl, 2000). Die Ergebnisse dieser Arbeiten zeigen sowohl theoretisch als auch empirisch, d a s ~Umfang und die Qualittit der Kundenbeziehungen in erheblichem MaR die Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmungen beeinflussen. Zufriedene Kunden liefern eine hohere Wiederkaufrate, sind weniger preisempfindlich, empfehlen Produkte und Dienstleistungen weiter und kaufen vermehrt auch andere Produkte und Dienstleistungen des Anbieters (cross-buying).
In dieser Arbeit wird die Ansicht vertreten, dass sich diese drei Forschungsstromungen in eine ,,Customer-Based View" (CBV) der Unternehmung integrieren lassen (siehe Abb. 1). -
Markt- bzw. kundenorientierte Sicht der Unternehmung Na~er/Skiter,1990 ReichheldISasser, 1990 JaworskiIKohli, 1993 Anderson/Fornell/Lehmann, 1994 IttnerlLarcker, 1998 MatzlerIStahl, 2000
Wernerfelt, 1984 PrahaladIHamel, 1990 Amiffshoemaker, 1993 HunffMorgan, 1995 Customer Based View
Rappaport, 1994 Copeland/KollerlMurin, 1994
Wertorientierte Sicht der Unternehmung
Abbildung 1: Theoretische Grundlagen der Customer-Based View Es wird eine ,,Customer-based View" der Unternehmung begriindet, die von folgenden Annahmen ausgeht (in Anlehnung an ValdaniiBusacca 1999 und ValdaniIBusacca 2000): Annahme 1: Der Unternehmenswert ist eine Funktion der Kundenzufriedenheit Annahme 2: Kundenzufkiedenheit ist eine Funktion des wahrgenommenen Wertes der angebotenen Produkte und Leistungen (,,Customer Value") Annahme 3: Die Fahigkeit, solche Wertangebote, also ,,Customer Value", zu schaffen, wird bestimmt a) durch die Ressourcenausstattung der Unternehmung und b) durch die Effizienz (definiert als Verhaltnis von 1st-Output zu 1st-Input) und die Effektivitat (definiert als Verhaltnis von 1st-Output zu SollOutput), mit der Ressourcen in f i r Kunden wertvolle Outputs umgesetzt werden (Kernkompetenzen). Annahme 4: Kernkompetenzen konnen nur entwickelt werden, wenn die Unternehmung in der Lage ist, die finanziellen Anspriiche der Stakeholder insgesamt und der Kapitalgeber im Besonderen zufiieden zu stellen und dadurch das notwendige Kapital zu generieren.
Diese drei Annahmen lassen sich in einen kausalen Zusammenhang bringen (siehe Abb. 2), der in den folgenden Abschnitten naher begriindet wird.
Kundenzufriedenheit
Customer Value
CBV
Unternehmenswerl
Kernkompetenzen
Abbildung 2: Die kausalen Zusammenhange der ,,Customer-based View" der Unternehmung
2. Die Customer-based View 2.1 Unternehmenswert als Funktion der Kundenzufriedenheit Zahlreiche Arbeiten belegen, dass ein hohes Ma13 an Kundenzufi-iedenheit den Untemehmenserfolg positiv beeinflusst. Unternehmenserfolg - zumeist gemessen als ROI - bewirkt aber nicht automatisch eine Erhohung des Untemehmenswertes (vgl. Rappaport 1986). Gewinne und Rentabilitatskennzahlen sind wenig geeignet, den Unternehmenswert zu messen, da die Verfahren mit der Art des Rechnungswesens variieren, Risiko- und Zeitfaktoren oft unberiicksichtigt sowie Investitionserfordernisse ausgeschlossen bleiben. Fiir die Untersuchung des direkten Zusammenhanges zwischen Kundenzufi-iedenheit und Unternehmenswert muss daher f%r letzteren eine eigenstandige Grundlage gewahlt werden.
Srivastava/Shervani/Fahey (1998) behaupten nun, dass die (neue) SteuerungsgrBRe "Unternehmenswertsteigerung" die traditionellen Annahmen des Marketingkonzepts auRer Kraft setze. MaRstabe zur Bewertung von Marketingaktivitaten seien nicht mehr Umsatze, Marktanteile, Kundenzufriedenheit usw., sondern die aus den einzelnen Marketingaktivittiten resultierenden, auf den Gegenwartszeitpunkt abgezinsten Zahlungsstrome (Discounted Cash-flow, DCF). Dies entspricht der Idee, Marketingaktivitaten als Investitionen zu betrachten. Um den Beitrag von Marketing-Investitionen zur Unternehmenswertsteigerung zu bewerten, muss man zuerst untersuchen, inwieweit Marketing-
Aktivitaten den Untemehmenswert beeinflussen. Die vier wichtigen Treiber des Unternehmenswerts sind: Die Hohe des Cash-flow: Der okonomische Wert einer Investition orientiert sich am erwarteten diskontierten Zahlungsmitteliiberschuss. Allerdings ist dieser allein nicht aussagefahig genug, da auch der Zeitwert des Geldes, das Investitionsrisiko und der Residualwert einer Investition am Ende der Prognoseperiode zu beriicksichtigen sind. Der Zeitpunkt des Cash-flow: Zeitlich fiber anfallender Cash-flow fiihrt zu einem hoheren Unternehmenswert. Weiter in der Zukunft liegende Zahlungsstrome werden sttirker diskontiert, weil sie einer hoheren Ungewissheit unterliegen und weil zeitlich fitiher anfallender Cash-flow auch fitiher wieder ertragbringend angelegt werden kann. P Die Volatilitat des Cash-flow: Je hoher die Volatilitat des Cash-flow einer Investition ist, desto hoher muss auch die entsprechende Risikopramie sein, die in den Diskontsatz einzubauen ist, und desto niedriger wird auch der Unternehmenswert sein. B Der Residualwert der Investition: Da meist auch nach der Betrachtungsperiode Cashflow aus der Investition generiert wird, muss die RestgrB13e der Investition in die Berechnung des Unternehmenswerts einflieben. Wir ziehen diesen Analyse-Rahmen heran, um den Beitrag der Kundenzufriedenheit auf die Unternehmenswertsteigerung herauszuarbeiten. Dabei stehen folgende vier Fragen im Vordergrund: Beeinflusst das Ma13 der Kundenzufriedenheit die HBhe des Cash-flow durch niedrigere Kosten oder hohere Erlose? B Beeinflusst das Ma13 der Kundenzufi-iedenheit den Zeitpunkt des zukiinftigen Cashflow, d.h., fihrt hohe Kundenzufi-iedenheit zu einem schnelleren Zahlungsmittelriickfluss aus den Investitionen? n Beeinflusst das Ma13 der Kundenzufriedenheit die Volatilitat des Cash-flow und damit die Hohe der Kapitalkosten? P Beeinflusst das Ma13 der Kundenzufriedenheit den Residualwert einer Investition? Die gesamte Wirkungskette von der Kundenzufriedenheit bis zur Untemehmenswertsteigerung ist in Abbildung 3 dargestellt. Sie bildet auch die Grundlage fiir die folgenden Uberlegungen.
Abbildung 3: Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert (Quelle: Matzler/Stahl2000)
2.1.1 Kundenzufriedenheit und Wiederkauf Zahlreiche empirische Arbeiten untersuchen die Wirkungen von Kundenzufriedenheit auf das Wiederkaufverhalten des Kunden (Homburg/Giering/Hentschel 1999). Die aktuelle Diskussion konzentriert sich vorwiegend auf die Art des Zusammenhanges. Hierfiir bietet die von Woodruff/CadottelJenkins (1983) vorgeschlagene Indifferenzzone einen brauchbaren Ansatz: Innerhalb der Indifferenzzone fihren Wahrnehmungen beim Kunden zu Assimilation und haben keine verhaltenswirksamen Folgen. Erst das Uberschreiten einer bestimmten Wahrnehmungsschwelle fiihrt zu Verhaltensanderungen des Kunden, was auch empirisch belegt ist. Homburg/Giering/Hentschel (1999, S. 185) kommen nach einer Sichtung der Literatur zum Schluss, "(dass) sich die Diskussion uber die funktionale Form des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung im Wesentlichen auf einen progressiven oder einen sattelformigen Verlauf konzentriert, ohne dass eine klare Tendenz im Hinblick auf einen der beiden Funktionsverlaufe erkennbar ware." Wiederkauf hat in erster Linie zwei wesentliche Auswirkungen: (1) Eine hohere Wiederkaufrate senkt Akquisitions- und Beziehungskosten: Eine hohe Wiederkaufrate stellt nicht nur die Ruckfliisse aus geleisteten Beziehungsinvestitionen sicher, sie setzt auch Ressourcen frei, die fir eine Kundenakquisition verwendet werden konnen. Je htiher die Wiederkaufrate einer Unternehmung ist, desto niedriger sind die Kosten fir die Akquisition von Neukunden. Diese Fixkosten fir die Anbahnung und den Aufbau einer Geschaftsbeziehung verteilen sich dann auch auf langere Zeitspannen. Die
Beziehung zwischen Wiederkauf und Akquisitionskosten wurde in Abbildung durch einen Pfeil dargestellt. Eine weitere Wirkung hoher Wiederkaufiaten besteht in sinkenden Akquisitionskosten. Unter diesen werden jene Informations- und Kommunikationskosten verstanden, die durch die Kontrolle und Anpassung von wechselseitigen Leistungsbeziehungen entstehen. Die Wahrscheinlichkeit hoherer Wiederkaufiaten und sinkender Beziehungskosten steigt mit dem Sicherheitsbediirhis des Geschaftspartners sowie der Anzahl, Frequenz und Spezifitat von Transaktionen. Homburg/Rudolph (1995, 43 ff) fanden z.B, bei einem Hersteller von Industriewaagen, dass die Marketing- und Vertriebskosten "junger" (hochstens zwei Jahre wahrender) Geschaftsbeziehungen etwa das Achtfache jener der "reifen" (mit uber acht Jahren Dauer) betrugen. ( 2 ) Eine hohere Wiederkaufratefuhrt zu einer stabilen Kundenbasis. Eine stabile Kundenbasis fihrt zu einer Beschleunigung des Cash-flow, da beispielsweise neue Produkte bei hoher Loyalitat zum Lieferantenunternehmen rascher akzeptiert werden. Sie resultiert auch in einer Erhohung des Cash-flow, da sich die Fixkosten f i r Anbahnung und Aufbau von Kundenbeziehungen uber eine langere Zeitspanne verteilen. AuDerdem sinkt die Volatilitat des Cash-flow, da ein hoherer Anteil des Gesamtumsatzes mit Stammkunden erzielt wird und loyale Kunden weniger stark auf Konkurrenzmal3nahmen reagieren. SchlieDlich fiihrt eine hohere Wiederkaufiate zu einem hoheren Residualwert der Unternehmung, da Kundenzufriedenheit Umfang, Festigkeit und Qualitat der Kundenbasis erhoht.
Wir konnen nun auf der zweiten Ebene unseres Modells (vgl. Abb. 3) folgende Zusammenhange fiir den Unternehmenswert postulieren: (1) Eine hohere Wiederkaufratefiihrt zu hoherem Cash-flow
Akquisitions- und Beziehungskosten sinken, die Fixkosten fur Anbahnung und Aufbau von Kundenbeziehungen verteilen sich uber eine langere Zeitspanne. (2) Eine hohere Wiederkaufratefuhrt zu einer Beschleunigung des Cash-flow
Neu angebotene Produkte und Dienstleistungen werden bei hoher Loyalitat rascher akzeptiert werden. (3) Eine hohere Wiederkaufratefuhrt zu einer geringeren Volatilitat des Cash-flow
Es wird ein hoherer Anteil des Gesamtumsatzes mit Stammkunden erzielt und loyale Kunden reagieren weniger stark auf KonkurrenzmaDnahmen. (4) Eine hohere Wiederkaufratefiihrt zu einem hoheren Residualwert der Unternehmung
Umfang, Festigkeit und Qualitat der Kundenbasis werden erhoht.
2.1.2 Kundenzufriedenheit und Cross-Selling Kundenzufriedenheit kann auch zu einer besseren Ausschopfung des "Cross-SellingMPotenzials (Diller 1996, S. 8lff) fiihren und die Einfihrung neuer Produkte oder Dienstleistungen erleichtern. Das Cross-Selling-Potenzial einer Unternehmung besteht aus den Deckungsbeitragen, die durch den Verkauf zusatzlicher, allerdings auf denselben Kernkompetenzen des Herstellers beruhenden Leistungen generiert werden k6nnen. Die vielfaltigen, zufiiedenheitsstiftendenEpisoden einer noch dazu auf Iangere Sicht aufgebauten Kundenbeziehung konnen beim Kunden folgende Wirkungen erzielen: B einen hohen Grad an Konsens, d.h., die Meinungen uber den Dienstleister stimmen innerhalb des Kunden (z.B. der Familien- oder Unternehmensmitglieder) uberein; einen hohen Grad an Distinktheit, d.h., es entsteht beim Kunden ein besonderes oder sogar einzigartiges Bild des Anbieters von Dienstleistungen; B und einen hohen Grad an Konsistenz, d.h., Konsens und Distinktheit sind bestandig und nicht nur voriibergehender Natur. Diese drei Wirkungen bilden die Grundlage einer stabilen Kompetenzzuschreibung, oder "Stimulusattribution" nach Kelley, d.h., der Kunde hat Vertrauen in die Fahigkeiten des Anbieters gefasst, was die Akzeptanz zusatzlicher Dienstleistungen erhohen kann (SrivastavdShervanilFahey 1998). Damit wirkt sich Cross-Selling hauptsachlich auf eine Erhohung der Umsatze und eine schnellere Marktpenetration bei niedrigeren Beziehungskosten aus. Dies bedeutet auf der zweiten Ebene unseres Modells (vgl. Abb. 3): (1) Cross-Selling fuhrt zu einem hoheren Cash-flow
Es erhohen sich die Umsatze aus einer Kundenbeziehung, da das Kerngeschaft auf andere Leistungen ausgedehnt wird. Und da es sich um bestehende Kundenbeziehungen handelt, sind gleichzeitig die Akquisitions-, Beziehungs- und Bindungskosten niedriger. (2) Cross-Selling fuhrt zu einer Beschleunigung des Cash-flow
Durch die Erweiterung von Kundenbeziehungen entfallen Akquisitionszeiten. Bei hoher Zufriedenheit mit dem Kerngeschaft werden die Informations- und Entscheidungszeiten kiirzer sein, da komplexe Kaufentscheidungen durch Vertrauen vereinfacht und beschleunigt werden. Somit ist mit einer schnelleren Marktpenetration zu rechnen. (3) Cross-Sellingfuhrt zu einer geringeren Volatilitut des Cash-flow
Durch eine Diversifikation uber das Kerngeschaft hinaus konnen zyklische Nachfrageschwankungen im Sockelgeschaft ausgeglichen werden.
2.1.3 Kundenzufriedenheit und Preissensibilitat ~ Anbieters. Es Hohe Kundenzufriedenheit erhoht das "akquisitorische ~ o t e n z i a l "des vermag den Dienstleister gegen die preispolitischen Wirkungen aus eigenen Preiserhohungen und aus Preissenkungen der Konkurrenz innerhalb eines bestimmten Preisintervalls abzuschirmen. Dieser Effekt ist in Arbeiten, welche die Beziehung zwischen Qualitat und Preissensibilitat sowie Loyalittit und Preissensibilitat untersuchen, hinreichend dokumentiert. Eine der umfassendsten empirischen Analysen des Zusammenhanges zwischen Qualitat und Preissensibilitat wurde im Rahmen der PIMS-Studien (BuzzelliGale 1987) durchgefiihrt. Der Vergleich von mehr als 3.000 strategischen Geschaftseinheiten uber einen langeren Zeitraum ergab, dass Geschaftseinheiten mit einer hiiheren relativen Qualitat einen hoheren relativen Preis erwarten konnen, wobei die direkten Kosten aufgrund geringerer Fehlerkosten nicht steigen mussen. Insbesondere Reichheld/Sasser (1990) verweisen auf eine sinkende Preissensibilitat bei hoher Loyalitat. Sie argumentieren, dass Unternehmungen mit einem festen Kundenstamm hohere Preise f i r bewiesene Vertrauenswurdigkeit fordern konnen. Die Wirkungskette Qualitat + Zufriedenheit + Loyalitat verringert also die Reagibilitat der Kunden, d.h. die Geschwindigkeit und das AusmaR, mit denen die Kunden auf Preissenkungen der Konkurrenz reagieren. Fur die Treiber des Unternehmenswerts bedeutet dies: Niedrigere Preissensibilitat fiihrt zu einem hoheren Cash-flow
Einerseits lassen sich hohere Preise leichter durchsetzen, andererseits reagieren Kunden nicht so schnell auf kurzfiistige Preisaktionen der Konkurrenten. Bei hoher Zufriedenheit ist damit die Gefahr ruinoser Preiswettbewerbe erheblich niedriger.
2.1.4 Kundenzufriedenheit und positive Mundwerbung Mundwerbung, verstanden als direkte, private, verbale Kommunikation zwischen Personen uber einen Anbieter bzw, dessen Angebot mit positiver, neutraler oder negativer Richtung (CornelsenISchober 1997), ist mehr als nur ein bloRer Nebeneffekt von Marketingbemuhungen. Durch ihr verhaltenssteuerndes Potenzial kann sie als aktives Marketinginstrument eingesetzt werden: H Mundwerbung hat als "Face-to-faceu-Kommunikation einen groReren Einfluss auf die Wahrnehmung als schriftliche oder Massenkommunikation ("message effect").
Nach Gutenberg verschrnelzen die Qualitat der Waren, das Ansehen des Unternehmens, sein Kundendienst, die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen und gegebenenfalls auch sein Standort zu einer Einheit, "( ...) die das akquisitorische Potential eines Unternehmens genannt sei". Vgl. ders. 1968, S. 237 ff.
I Mundwerbung ist personlicher und daher glaubhafter als (anonyme) Marketing-
Kommunikation ("source effect") und kann das "Versickern" einer Botschaft ("sleeper effect") wirksam verhindern (Levitt 1965). @! Positive Mundwerbung hangt von der Zufriedenheit des Kunden, seinem Involvement, der Kauf- bzw. Nutzungshaufigkeit ("light" vs. "heavy consumers") und der letzten Kauf- oder Beziehungsepisode ("recency effect") ab. I Negativer Mundwerbung wird im Allgemeinen gr6Rere Aufmerksamkeit geschenkt als positiver (Mizerski 1982). Nach den Ergebnissen der TARP-Studien teilen zufriedene Kunden ihre Erfahrung im Durchschnitt drei weiteren Personen mit, wahrend unzufriedene Kunden durchschnittlich neun bis zehn Personen uber ihre negativen Erfahrungen berichten ( T A W 1986, zitiert in Schiitze 1992, 14). Auch nach den Untersuchungen fiir das Deutsche Kundenbarometer hangt das Weiterempfehlungsverhalten, z.B. von Autokaufern, stark vom AusmaR der Zufriedenheit ab. Etwa 60 % der uberzeugten Kunden wurden die Automarke bestimmt weiterempfehlen, wahrend nur etwas uber 30 % der zufriedenen Kunden angeben, ihre Automarke mit Sicherheit an Freunde oder Bekannte weiterzuempfehlen (MeyeriDornach 1995). Die Wirkungen positiver Mundwerbung auf die Treiber des Unternehmenswerts sind nun folgende:
( I ) Positive Mundwerbung fuhrt zu einem hoheren Cash-flow Da positive Mundwerbung die eigenen Kommunikationsbemiihungen verstbkt, konnen Akquisitionskosten f i r Neukunden eingespart werden, was sich in einem hoheren Cashflow niederschlagt. (2) Positive Mundwerbung fuhrt zu einer Beschleunigung des Cash-flow Die Bereitschaft, neue Dienstleistungen zu testen oder gar zu akzeptieren wird durch positive Mundwerbung unterstiitzt, wodurch die Zahlungsstrome beschleunigt werden konnen. (3) Positive Mundwerbung fuhrt zu einer niedrigeren Volatilitat des Cash-flow
Die Bereitschaft, neue Dienstleistungen zu testen oder gar zu akzeptieren wird durch positive Mundwerbung unterstiitzt, wodurch die Zahlungsstrome stabilisiert werden konnen.
(4) Positive Mundwerbung fuhrt zu einem hoheren Restwert der Unternehmung Positive Mundwerbung vermag die Unternehmensreputation zu erhohen, was wiederum in den Restwert der Unternehmen einflieRt.
2.1.5 Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert: Art und Starke des Zusammenhanges Zunachst geht es um die Frage, welcher Art der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert ist. Im Einzelnen scheinen folgende Argumente auf einen nichtlinearen, sattevormigen Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswertsteigerung hinzudeuten, wie dies z.B. in den empirischen Arbeiten von Matzler et al. (2004), IttnerILarcker (1999) und EklBf/Hackl/Westlund (1999) zum Ausdruck kommt (vgl. auch Abb. 4): B die vermutlich sattelfdrmige Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und Loyalitat, wie sie vor allem von FinkelmanIGoland (1990), Conye (1989) und OlivalOliverlMacMillan (1992) herausgestellt wird; !@ der vermutlich nichtlineare Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Mundwerbung, auf die z.B. MeyerIDornach (1995) hinweisen; H die geringere Preissensibilitat, die bei hoher wahrgenommener Qualitat und Zufriedenheit beobachtet werden kann (z.B. Buzzel/Gale 1987, ReichheldISasser 1991, KrishnamurthilRaj 1991, KalyanaramILittle 1994) und wofiir Homburg/ Koschate (2001) einen sattelformigen Zusammenhang behaupten; H die plausible, wenn auch empirisch nicht ausreichend untersuchte Annahme, dass auch Cross-Selling bei Zufriedenheit jenseits der Indifferenzzone zunimmt; !@ der abnehmende Grenznutzen einer "Kundenbegeisterung" bei gleichzeitig ansteigenden Grenzkosten, die anfallen, um sie hervormfen oder gar aufrecht zu erhalten, was die Existenz einer "Zone der Ubertreibung" ("Overservicing") vermuten lasst. Neben der Art der Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswertsteigerung stellt sich auch die Frage nach der Starke der Beziehung. Fornell (1992) fand anhand der Daten des Schwedischen Kundenzufriedenheitsbarometers grol3e branchenmal3ige Unterschiede in der Beziehung zwischen Zufriedenheit und Loyalitat heraus. Ein Sihnliches Bild ergeben die Zahlen des Deutschen Kundenzufriedenheitsbarometers (MeyerDornach 1995, zitiert in Herrmann/Johnson 1999). Diese Unterschiede lassen sich auf Differenzen in der Wettbewerbsintensitat zuriickfiihren. Je intensiver der Wettbewerb, umso starker wirken sich enttauschte Erwartungen auf die Kundenloyalitat aus. Der schwachste Zusarnmenhang besteht sicherlich in Branchen mit monopolahnlichen Strukturen. Die geringe Anzahl von Alternativen zwingt hier Kunden trotz niedriger Zufriedenheit bei einem Anbieter zu bleiben. Als weitere beeinflussende Faktoren sind das Kunden-Involvement, (BloemerKasper 1995, HomburgIGieringiHentschel 1999, HerrmandHuber 1997), soziodemographische Merkmale wie Alter und Einkommen (HerrmandHuber 1997, HomburgIGieringlHentschel 1999), Motive des Variety-Seeking (HomburglGieringiHentschel 1999) und die Wechsekosten zu erwahnen.
++
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E ubertroffen
Abwesenhe~tvon Zufr~edenhe~t
--
Hohe Unzufnedenhert
Hohe Zufr~edenhe~t
b Kelne Unzufnederhelt
Abbildung 4: Vermuteter Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert (Quelle: MatzlerlStahl2000) Eine Untemehmensfiihrung, die Anspruch auf Wertsteigerung erhebt, darf sich nicht mit einer periodischen Priifung von Umsatz und Gewinn begnugen. Sie muss vielmehr auf die Zusammenhange achten, die etwa zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalitat und dem Unternehmenswert bestehen. Diese Zusammenhange sind allerdings komplex und es ist nicht zu envarten, dass es gelingen wird, sie in einer einfachen mathematischen Form auszudriicken. Fur die Fiihrung bedeutet dies, alle Aktivitaten auf die vier GroBen Kundenloyalitat, Cross-Selling, Preissensibilitat und positive Mundwerbung auszurichten und mit einer "Cash-flow-Mentalitat" zu verbinden.
2.2 Kundenzufriedenheit als Funktion des ,,Customer ~alue"' "Value is the consumer's overall assessment of the utility of a product based on perceptions of what is received and what is given" (Zeithaml1988, S. 14)
Der vom Kunden ("Customer") einem Produkt oder einer Dienstleistung zugeschriebene Wert ("Value") resultiert aus der Wahrnehmung zweier Faktoren: der wahrgenommenen Qualitat und dem wahrgenommenen Preis. Kunden haben sowohl hinsichtlich Preis als auch Qualitat Erwartungen vor dem Kauf. Werden diese besser erfiillt als durch Konkurrenzangebote, entsteht Zonen mit unterschiedlichem Customer Value und damit unterschiedlicher Zufriedenheit (siehe Abb. 5). Die Gerade stellt eine Gleichgewichtslinie dar, bei der der wahrgenommene Customer Value immer gleich hoch ist. Unternehmungen bzw. Angebote, die links der Geraden positioniert sind, bieten niedrigen Customer Value, Unternehmungen rechts der Geraden hohen Customer Value.
125 13-
?,IS Niedriger Customer Value 1,10-
.-m
1,05-
2 P k 1,'J -
-
.-
-
$
0,9S
0 Hoher Customer Value
0,900,850,80I
I
I
I
0,80 0,85 0,90 0,95
I
I
I
I
I
1,05 1,lO 1,15 1,20 1,25
1,o Relative Qualitat
Abbildung 5: Customer Value Map (Quelle: Gale 1994)
1
Wir verwenden hier den englischen Begriff, urn den Wert aus Kundensicht, eben den "Customer Value", von dem Wert zu unterscheiden, den eine bestimmte (aktuelle oder potenzielle) Kundenbeziehung fur das anbietende Unternehmen darstellt, also den "Kundenwert".
2.2.1 ,,Customer Value" als Wettbewerbsfaktor Anbieter positionieren sich auf der Gleichgewichtslinie auf unterschiedliche Weise (Valdani 2000). Es wird Qualitatsfiihrer am oberen Ende und Preisfihrer am unteren Ende geben. Auch kann es sein, dass einzelne Anbieter sich zwischen diesen Extremen positionieren. Urn einzelne Kundensegmente werden sich entlang der Gleichgewichtslinie strategische Gruppen positionieren (Abb. 6). In Zeiten zunehmender Wettbewerbsintensitat unterliegen diese Positionen einer besonderen Dynamik. Der Eintritt eines neuen Wettbewerbers oder eine neue Strategie eines Anbieters fiihrt zwangslaufig zu Reaktionen bei den anderen. Langerfristig gesehen werden die MaRnahmen zur Erhohung des Customer Value dazu fihren, dass sich alle Anbieter in der "Customer Value Map" sukzessive nach rechts bewegen (D'Aveni 1994).
1,25131,15-
,,@ .-"7
1,OS
?
Niedriger Customer Value
Strategsiche Gruppen
P
$ 190
.-*
-
2
-
0,95 0,9@ 0,85
Hoher Customer Value
0,8@
3. I
I
I
I
0,80 0,85 0,90 0,95
I
I
I
I
I
1,05 1,lO 1,15 1,20 1,25
1>o Relative Qualitat
Abbildung 6: Customer Value-Wettbewerb (Quelle: Valdani 2000)
Urn den Customer Value zu erhdhen, kann beispielsweise ein Anbieter der strategischen Gruppe A versuchen, bei gleich bleibendem Preis die Qualitat zu erhohen oder bei gleich bleibender Qualitat den Preis senken. Auch eine Kombination dieser Strategien ist denkbar. Andere Anbieter, die sich in der Nahe positioniert haben und dieser strategischen Gruppe angehdren, miissen unmittelbar nachziehen, da sie sonst ihre Kunden verlieren. Als Ergebnis zieht langerfiistig die gesamte Gruppe nach rechts.
Als Folge verschlechtert sich das Wertangebot der nachsten strategischen Gruppe auf der Gleichgewichtslinie. Hier wird es mnachst Reaktionen eines einzelnen oder weniger Anbieter geben, die, ahnlich wie im ersten Fall, dann die gesamte strategische Gruppe in Bewegung bringen. Es besteht ein Zwang entweder den Preis bei gleich bleibender Qualitat zu senken oder die Qualitat bei gleich bleibendem Preis m erhohen. Schlierjlich betreffen diese Positionsveranderungen auch die links unten positionierte Gruppe. Auch hier ist eine Bewegung nach rechts unumganglich, wollen die einzelnen Anbieter wettbewerbsfsihig bleiben.
125-
Gleichgewichtslinie 1
1201,16
Niedriger Customer Value
l,l0-
.-m e! a
2
1,OS
& 190 -
.-
-
0,9S 0,90-
Hoher Customer
0,85 0,80I
I
I
I
0,80 0,85 0,90 0,95
1
I
I
I
I
I
1,05 1,lO 1,15 1,20 1,25 130 Relative Qualitat
Abbildung 7: Die Verschiebung der Gleichgewichtslinie (D'Aveni 1994) Dadurch bildet sich eine neue Gleichgewichtslinie, die solange Bestand hat, bis dieses Wettbewerbsspiel wiederholt wird. Es entsteht ein Customer-Value-Wettbewerb (D'Aveni 1994), der jene Anbieter vom Markt eliminiert, die nicht bestandig den Customer Value erhohen.
Im Hyper-Wettbewerb (D'Aveni 1994), in dem Unternehmungen extremer Wettbewerbsdynamik und -intensitat unterliegen, fihren so kontinuierliche Veranderungen der Positionen zu einer schrittweisen Verlagerung der Gleichgewichtslinie ("fair value line") nach rechts (Abb. 7).
Fiir einzelne Anbieter bedeutet dies, dass die kontinuierliche Verbesserung des Customer Value Voraussetmng fir das Bestehen im Wettbewerb ist. Dies erfordert entweder die Fahigkeit laufender Vorwegnahme kiinftiger Bediirfnisse und Innovation oder schnelle Imitation und Reaktion auf neue Wettbewerbsbedingungen. Der Gewinner dieses Wettbewerbs mit dem Customer-Value ist schliefllich der Kunde, dessen Nutzen laufend erhoht wird.
2.2.2 Das Kano-Model1 der Kundenzufriedenheit Im Hinblick auf die Entstehung des Customer Value erhebt sich die Frage nach der Faktorstruktur der Kundenzufriedenheit. Das Kano-Model1 der Kundenzufriedenheit unterscheidet dabei folgende Faktoren (vgl. Bailom et al. 1996, Matzler 2000b): "Basisfaktoren": Diese umfassen jene Produktattribute, die Unzufriedenheit auslosen, wenn sie nicht den Erwartungen entsprechend wahrgenommen werden. Auch wenn die Erwartungen iibertroffen werden, fihrt dies nicht zu Zufriedenheit, sondern lediglich zu ,,NichtunzufriedenheitU. Die Basisfaktoren sind also Mindestanforderungen und stellen damit die Kernleistungen eines Produktes oder einer Dienstleistung dar. Die Erfillung von Mindestanforderungen ist f i r die Entstehung von Kundenzufriedenheit zwar notwendig, reicht aber hierfiir nicht aus. H "Leistungsfaktoren": Dies sind jene Produkteigenschaften, die sowohl zu Zufriedenheit fiihren, wenn die Erwartungen des Kunden iiberh-offen werden, als auch zu Unzufriedenheit, wenn die Erwartungen des Kunden nicht erfillt werden. Sie bilden damit ein Kontinuum ohne Schwellenwerte. "Begeisterungsfaktoren": Werden sie angeboten, so losen sie Zufriedenheit aus, verursachen aber nicht notwendigerweise Unzufriedenheit, wenn sie nicht vorhanden sind. Begeisterungsattribute werden vom Kunden nicht ausdriicklich erwartet und erhohen deshalb den wahrgenommenen Nutzen einer Kernleistung. Sie konnen jedoch nicht gegen fehlende Basisfaktoren aufgerechnet werden. Begeisterungsattribute stellen einen Ansatzpunkt fir die Differenzierung im Wettbewerb dar. @
Tabelle 1 und Abbildung 9 zeigen die Ergebnisse einer empirischen Studie bei 259 Kunden eines Zulieferers in der Automobilindustrie (Matzler et al. 2004). Die Wichtigkeit der einzelnen Attribute und die Gesamtzufriedenheit wurden anhand einer 10-PunkteSkala gemessen.
Kunde sehr zufrieden, begeistert Leistungsfaktoren
lndifferenzzone
Erwartungen nicht erfullt
Erwartungen ubertroffen
Kunde sehr unzufrieden, enttauscht
Abbildung 8: Kano-Model1 der Kundenzufriedenheit (in Anlehnung an Kano 1984) Eine Regressionsanalyse zeigt, dass der Einfluss der einzelnen Variablen eine Funktion deren Zufriedenheit ist.Die unabhangigen Variablen (Zufriedenheit mit den einzelnen Attributen) wurden dichotomisiert und die Gesamtzufriedenheit als abhangige Variable verwendet. Damit ergaben sich f i r jedes Attribut zwei Regressionskoeffizienten: Einen der den Einfluss des Attributs bei hoher Zufi-iedenheit und einen der den Einfluss bei niedriger Zufriedenheit anzeigt. Die Qualitat der Produkte beispielsweise hat einen starkeren Einfluss auf die Unzufi-iedenheit, wenn sie niedrig bewertet wird, sie kann als Leistungseigenschaft bewertet werden. "Customer Care" hingegen ist eine Begeisterungseigenschaft, da sie einen starken Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit hat, wenn Kunden damit zufrieden sind und unwichtig ist, wenn Kunden damit unzufrieden sind. Die Innovationsfahigkeit ist in diesem Fall ein Basisfaktor mit hoher Wichtigkeit, wenn sie schlecht bewertet wird und mit keinem signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit, wenn sie gut bewertet wird.
Regressionskoeffizienten Attribut Low Performance Qualitat der Produkte -0,160*** Funktionalitat des Design -0,136*** Customer care -0,095* Beschwerdemanagement -0,120** Projektmanagement -0,143*** Innovationsfahigkeit -0,122** R2= 0.500 ***p < .01, ** p < .05, *p <<.lo,n.s.= not significant
High Performance 0,120** 0,120** 0,131** 0,036 ",', -0,O 18 "" -0,028 ""'
I
Tabelle 1: Wichtigkeit von Attributen in Abhangigkeit von der Zufi-iedenheit
1
Abbildung 9: Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren Diese Zusammenhange bedeuten, dass das in der Praxis vie1 verwendete Zufi-iedenheitsportfolio (die sog. "Importance-Performancef'-Analyse) zur Formulierung von Prioritaten im Zufi-iedenheitsmanagement zu falschen Empfehlungen fiihren muss, weil immer
I
dam, wenn sich die Kundenmfriedenheit mit einem bestimmten Attribut andert, sich mgleich auch die Wichtigkeit dieses Attributs andert. Die Rolle von Begeisterungseigenschaften wird haufig unterschatzt, wenn die Zufriedenheit damit niedrig ist (unwichtiglunzufrieden). Deren Wichtigkeit steigt mit der Zufriedenheit mit diesem Attribut. Bei Basiseigenschaften ist es genau umgekehrt. Sie sind wichtig, wenn sie nicht erfillt sind, werden aber unwichtig, wenn sie gut erfillt sind. Die Bedeutung von Basiseigenschaften wird damit tendenziell iiberschatzt. Eine Verbesserung ihrer Qualitat fihrt zu abnehmender Wichtigkeit. Abbildung 10 zeigt diese Zusammenhange.
r + .-
O o I
a,
Quadrant 4: unwichtig
Quadrant 1: wichtig
c C
A
a, U
"-E .-
B
0
.p
a
B.-
z
1 Quadrant 3: wichtig
Quadrant 2 : unwichtig
Basisfaktoren
Begeisterungs -faktoren
Abbildung 10: Konsequenzen aus dem Kano-Modell f i r Attributwichtigkeit (Quelle: Matzler et al. 2002)
Bemerkenswert ist, dass zwar die wahrgenommene Qualitat einheitlich als mehrdimensionales Konstrukt definiert wird, dass man aber den wahrgenommenen Preis stillschweigend als eindimensional annimmt. Dem widerspricht Diller (2000) in seiner explorativen Studie m r Preiszufriedenheit bei Dienstleistungen. ~ h n l i c hwie die Zufriedenheit mit einem Produkt oder einer Dienstleistung eine Funktion mehrerer ,,Teilmfriedenheiten" sei, konne man sich Preismfriedenheit als mehrdimensionales Konstrukt vorstellen. Es wirkten mehrere ,,PreisattributeC'auf die Preiszufriedenheit. Interessant ist die Frage, ob auch hier asymmetrische Zusammenhange im Sime des Kano-Modells zu finden sind. Die Ergebnisse einer empirischen Studie m r Preiswahrnehmung der Kunden einer KFZ-Werkstatte deuten darauf hin (siehe hierzu den Beitrag von MatzlerlPramhas in diesem Band).
Fiir das Management des Customer Value bedeutet dies: (1) Sowohl die wahrgenommene Qualitat als auch der wahrgenommene Preis sind mehrdimensional zu verstehen und (2) der Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Wichtigkeit ist nicht-linear und asymmetrisch. Daher gilt es, jeweils die Treiber dieser zwei Komponenten des Customer Value zu identifizieren, deren Wichtigkeit in Abhangigkeit von der Veranderung der Zufriedenheit zu bestimmen und darauf aufbauend Mafinahmen zur Erhohung des wahrgenommenen Kundenwertes zu formulieren.
2.3 Customer Value als Funktion der Kernkompetenzen Die ressourcenorientierte Sicht der Unternehrnung ist aus der Kritik an der neoklassischen Wettbewerbstheorie entstanden, deren Annahme eines vollkommenen Wettbewerbs sich als zu rigoros envies (siehe z.B. HuntMorgan, 1995). Aus einer ressourcenorientierten Sicht sind fiir den Unternehmenserfolg nicht so sehr AttraktivitBt und Struktur einer Branche sowie die Positionierung im Markt (Market-based View, vgl. z.B. Porter, 1980 und 1985) als vielmehr die Verfiigbarkeit von kritischen Ressourcen des Unternehmens entscheidend (vgl. z.B. Wemerfelt, 1984, PrahaladMamel, 1990, Hinterhuber, 1996). Die Begriindung liegt darin, dass Ressourcen weitgehend heterogen sein konnen und Ressourcenmlkte nicht vollkommen sind. Unternehmen konnen sich hinsichtlich ihrer Ressourcenausstattung wesentlich unterscheiden, was wiederum eine Quelle okonomischer Renten darstellt. Die strategische Herausforderung liegt in der Entwicklung von Technologien, Know-how, Prozessen und Einstellungen, die fir den Kunden erkennbar wertvoll, im Vergleich zur Konkurrenz einmalig und fiir die Konkurrenz schwer imitierbar sind und die den Zugang zu einer Vielzahl von M&kten eroffhen (sprich Kernkompetenzen, siehe z.B. Hinterhuber 1996, Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 1997). Unternehmen kommen also nicht umhin, zunachst ihre Kernkompetenzen zu diagnostizieren, urn diese anschliefiend mit den Kundenanforderungen zu vergleichen. Tabelle 2 zeigt beispielhaft den Weg auf, wie von Ressourcen auf Kernkompetenzen geschlossen werden kann. Die Basis fir die Schaffung eines hohen Customer Value liegt somit in den Kernkompetenzen der Unternehmung, also in einer idiosynkratischen und langfiistig robusten Kombination bestimmter Ressourcen. Diese Kernkompetenzen sind den Erwartungen der Kunden, operationalisiert als Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren, gegeniiberzustellen, wie die Abbildung 12 zeigt.
1st die Ressource wertvoll?
1st die Ressource selten?
1st die Ressource unersetzbar? Nein
Folge fiir den Wettbewerb
Auswirkung auf den Erfolg
Nein
1st die Ressource schwer zu imitieren? Nein
Nein
Wettbewerbsnachteil
Ja
Nein
Nein
JaINein
Ja
Ja
Nein
JaINein
Kopf-An-KopfRennen Zeitweiser Vorteil
Ja
Ja
Ja
Ja
Unterdurchschnittliche Rendite Durchschnittliche Rendite uberdurchschnittlichel durchschnittliche Rendite Uberdurchschnittliche Rendite
Kernkornpetenz dauerhafter Wettbewerbsvorteil
-
Tabelle 2: Bestimmung von Kernkompetenzen (Quelle: Hitt/Ireland/Hoskisson 1996) Die Dimension "Kundenzufriedenheit" spiegelt die Auspragung der Produkt- bzw. Leistungseigenschaften als Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsfaktoren wider. Die "relative Kompetenzsttirke" ist eine aggregierte GroDe, die den Kompetenzvorsprung oder Nachholbedarf gegenuber dem stbksten Konkurrenten zum Ausdruck bringt. Aus einer Kundenzufriedenheits-Kompetenz-Matrix lassen sich Anhaltspunkte fir das Schaffen von Customer Value gewinnen, z.B.: Reichen die vorhandenen Kompetenzen nicht aus, um die Basisanforderungen zu erfillen, werden alle Bemuhungen zur Schaffung eines Customer Value wahrscheinlich bereits an der "Eintrittshurde" scheitern. B Relative Kompetenzschwtichen bei den Leistungs- oder Begeisterungsfaktoren stellen ein Warnsignal fir mangelnde Wettbewerbsfahigkeit dar. B Wo eigene Kompetenzstbken auf Leistungs- und Begeisterungsfaktoren treffen, bieten sich Chancen f i r Differenzierung im Markt. B
Schlechter
Gleich
Besser
Relative Kompetenzstarke Abbildung 12: Die "Kundenmftiedenheits-Kompetenz-Matrix"(Quelle: Hinterhuberl HandlbauerIMatzler 2003)
2.4 Ein "Denken in Investitionen" als Voraussetzung fur den Aufbau von Kernkompetenzen ,,Das Kapital fliel3t zu den ErtrBgen" (CopelandKoller/Muwin 1997). Der Aufbau von Kernkompetenzen erfordert langfristige Investitionen. Das dafiir notige Kapital wird nur dam zur Verfigung gestellt, wenn die Geldgeber " . .. durch eine faire Rendite fir ihre Risikobereitschaft entschadigt werden." (Copeland/Koller/Murrin 1998, S. 58). Als MaRstab fir "faire" Renditen sind Gewinne und verschiedene Rentabilitatskennzahlen weniger geeignet (Rappaport 1986). Der okonomische Wert einer Investition bestimmt sich vielmehr dadurch, dass die zukiinfiig erwarteten Cash-flows aus einer Investition mittels eines Kapitalkostensatzes diskontiert werden. Die Maximierung des Unternehmenswertes wird zunehmend als die zentrale ZielgroRe betrachtet (HahdHintze 1998). Hinterhuber (2004) sieht darin den Manstab der unternehmerischen Effizienz.
Gelingt es dem Management nicht, ausreichend Cash-flow zu erwirtschaften und den Unternehmenswert zu steigern, wird das Kapital zum Aufbau von Ressourcen und FC higkeiten fehlen. Der Zusammenhang zwischen Kernkompetenzen und Unternehmenswert gleicht einem evolutiven Prozess (siehe Abb. 13; vgl. HinterhuberlMatzlerlHandlbauer 1998, in Anlehnung an DeWoot 1994). Die Entwicklung von Kernkompetenzen ist die Grundlage zur Schaffung von Wertangeboten f i r den Kunden und zur Kundenzufriedenheit Diese wiederum generiert Zahlungsmitteluberschusse, die die Grundlage zur Investition in Kompetenzen und Fahigkeiten, neuen Markten, Technologien, Entwicklungen usw. bilden und damit weitere Entwicklungsperspektiven ermoglichen.
b
Ausreichende finanzielle Mittel zur Nutzung neuer Chancen
7 Ausbau und Entwicklung von Kernkompetenzen
~berdurchschnittliche Kapitalrendite
A Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch 4 "superior customer value"
Abbildung 13: Die Customer-based View als evolutionares Entwicklungsmodell
3. Zusammenfassung Die Customer-based View beruht auf (1) der ressourcenorientierten Sicht der Unternehmung, (2) der wertorientierten Unternehmensfihrung und (3) auf Erkenntnissen der Forschungen zur Kunden- bzw. Marktorientierung. In der Customer-based View der Unternehmung sind Ressourcen und spezifische Fahigkeiten dann Quellen f i r okonomische Renten, wenn sie in f i r Kunden erkennbare, einzigartige und wertvolle Angebote munden. Die "Customer-based View" lasst sich als evolutiven Prozess darstellen.
Unter Annahme 1 wurde gezeigt, dass die Kundenzufriedenheit Grundlage und Voraussetzung zur Erwirtschaftung kiinftiger Zahlungsstrome ist. Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert. Die Kundenzufriedenheit ist eine Funktion des Customer Value (Annahme 2) und der Customer Value wird bestirnmt von der Fahigkeit spezifische Ressourcen und Fahigkeiten zu Kernkompetenzen zu bundeln (Annahme 3). Unternehmungen mussen in der Lage sein, laufend Informationen uber Kunden und deren Wiinsche und Bedurfnisse zu generieren und in einem unternehmensweiten Lernprozess Kompetenzen und F2higkeiten zu entwickeln, um dadurch hoheren Wert fbr den Kunden zu schaffen als die Konkurrenten. Voraussetzung f i r solche langfristige Investitionen ist, dass die Kapitalgeber eine angemessene Rendite dafiir erhalten. Hier schlieljt sich der Kreis der "Customer-based View": Durch die Schaffung von Kundenzufriedenheit wird der Unternehmenswert gesteigert. Dies ermutigt zu Investitionen in Ressourcen und Fahigkeiten und damit den Aufbau von Kernkompetenzen (Annahme 4), die wiederum die Grundlage der Wertangebote f i r den Kunden und damit deren Zufriedenheit bilden.
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Univ.-Prof: Dr. Kurt Matzler Institut fur Internationales Management Johannes Kepler Universitat Linz Altenberger Str. 69 A-4040 Linz www. imgmt.jku. at Univ.-Pro$ Dr. Dip1.-Ing. Hans H. Hinterhuber Institut fur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Universitat Innsbruck Universitatsstr. 15 A-6020 Innsbruck Ao. Univ.-Prof: Dr. Heinz K. Stahl Indisziplinare Abteilung fur Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management Wirtschaf2suniversitat Wien, Althanstr. 51 A-1090 Wien
Manfred Bruhn
Das Konzept der kundenorientierten Unternehmensfuhrung
1. Grundlagen der kundenorientierten Unternehmensfiihrung 1.1 Entwicklungsphasen der Unternehmensfiihrung 1.2 Begriff der Kundenorientierung 1.3 Kundenorientierung und Relationship Marketing 1.4 Prozess der kundenorientierten Unternehmensfiihrung
2. Analysephase der kundenorientierten Unternehmensfiihrung 2.1 Situationsanalyse und Zielplanung 2.2 Kundensegmentierung als Basis der kundenorientierten Unternehmensfiihrung 3. Steuerung der Kundenbearbeitung 3.1 Strategische Steuerungsphase 3.2 Operative Steuerungsphase 4. Implementierung der Kundenorientierung 4.1 Kundenorientierte Organisationsstrukturen 4.2 Kundenorientierte Managementsysteme 4.3 Kundenorientierte Unternehmenskultur 5. Kontrolle der Kundenorientierung 5.1 Ansatzpunkte zur Kontrolle der Kundenorientierung 5.2 Marktbezogene Kontrolle der Kundenorientierung 5.3 Unternehmensbezogene Kontrolle der Kundenorientierung 6. Zukunftsperspektiven der kundenorientierten Unternehmensfiihrung
1. Grundlagen der kundenorientierten Unternehmensfuhrung 1.1 Entwicklungsphasen der Unternehmensfuhrung Mit den Veranderungen der wirtschaftlichen und wettbewerblichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten wurde auch eine Neuausrichtung der Unternehmensfiihrung erforderlich. So unterlagen die Aufgaben und Analyseinstrumente der strategischen Unternehmensfiihrung einem permanenten Anpassungsprozess. Bei einer groben Vereinfachung lassen sich die in Abbildung 1 wiedergegebenen Entwicklungsphasen der Unternehmensfuhrung unterscheiden (Bruhn 2002a; vgl. Abb. 1): 1. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war dadurch gekennzeichnet, dass keine Engpasse am Markt vorhanden waren, so dass die Nachffage das Angebot iibenvog. Dernnach waren die Unternehmensaktivitaten durch eine Produktorientierung gekennzeichnet, da hauptsachlich jene Unternehmen erfolgreich waren, die eine Massenproduktion ihrer Produkte ermoglichen konnten. Eine Unternehrnensplanung auf der Basis der vorhandenen Produkte, das Denken in der Produkt-Markt-Matrix, der Einsatz von Portfolioanalyse u.a. waren das Kennzeichen der fiinfziger und sechziger Jahre. 2. In der Folge war ein grundlegender Wandel vom Verkaufer- m m Kaufermarkt zu beobachten. Angesichts eines Uberangebotes an Waren in den Handelsregalen und allgemeinen Sattigungserscheinungen wurde zunehmend der Endverbraucher zum Engpass. Infolge dieser Entwicklungen erkannten viele Unternehmen die Notwendigkeit einer Marktorientierung, um die Bedurfnisse spezifischer Zielgruppen anzusprechen und diese zum Kauf der Unternehmensleistungen zu bewegen. Der Einsatz von Methoden der Marktforschung zur Segmentierung von Markten, Positionierung von Unternehmensleistungen u.a. konnte in den siebziger Jahren beobachtet werden.
3. Bei zunehmend gleichgerichteten Marketingaktivitaten und homogenen Leistungen wurde es immer schwieriger, durch die alleinige Ausrichtung auf den generellen Kundenwunsch erfolgreich zu agieren. Die Problematik und Herausforderungen im Absatzmarkt erweiterten sich insofern, dass die Protilierung und Abgrenzung des eigenen Angebotes gegenuber den Wettbewerbern im Rahmen einer Wettbewerbsorientierung eine zentrale Bedeutung erlangte. Hier standen in den achtziger Jahren Verfahren zur Identifizierung von strategischen Wettbewerbsvorteilen, wie etwa die Konkurrenzanalyse, Wertkettenanalyse u.a., f i r die strategische Ausrichtung von Unternehmen m r Verfiigung. 4. In den neunziger Jahren haben die umfeldbezogenen Faktoren vermehrt an Bedeutung gewonnen (Phase der Umfeldorientierung). Mit zunehmendem Einfluss okologischer Faktoren (z.B. Umweltschutz), politischer Entwicklungen (z.B. Europaischer Binnenmarkt), technologischer Tendenzen (z.B. Computerisierung) sowie gesellschaftlicher Veranderungen (z.B. Wertewandel) sind jene Unternehmen erfolgreich,
die diese Entwicklungen schnell erkennen und darauf reagieren konnen. Reaktionsfahigkeit und Flexibilitat werden zu den zentralen Erfolgsfaktoren exzellenter Unternehmen. Kundenbarometer und flexible Qualitatsmanagementsysteme helfen dabei, das Umfeld zu analysieren und zielgerichtet handeln zu konnen. 5. Schlieljlich ist die Situation der Unternehmen aktuell durch eine starke Globalisierung und zunehmende Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien gekennzeichnet, die in naher Zukunft erwarten Iasst, dass die Unternehmen in einen Hyperwettbewerb eintreten, der durch noch aggressiveren und komplexeren Wettbewerb gekennzeichnet sein wird. Fur die Unternehmensfihrung wird in dieser Situation vor allem die Bildung strategischer Netzwerke zu einem Erfolgsfaktor, um den dynamischen und vielschichtigen Veranderungen der Wettbewerbskonstellation gerecht zu werden. GroRunternehmen und KMUs mussen im Rahmen der Netzwerkorientierung strategische Partnerschaften zur Know-how-Stbkung aufbauen, um am Markt bestehen zu konnen.
A Methoden .............. ................................................................................................
.
Netzwerkubergreliende Anwendung von Methoden
............................................................................................................. .........................................................................................
..
Qualltatsmessung Kundenbarometer
..... + ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ...... ... ......................................
.....................................................................
.
Konkurrenzanalyse Wenkenenanalyse
orientierung
.....................................................................
................................................
Marktorientierung
Marktsegmentlerung
. Posltlonlerung
................................................
..........................
-.
Produkt-Markt-Matnx Ponfol~oanalyse
orientierung
..........................
50erlGOer Jahre
70er Jahre
80er Jahre
9Oer Jahre
ab 2000
Abbildung 1: Entwicklungsphasen der Untemehmensfiihrung (Quelle: in Anlehnung an Meffert 2000, S. 5 ; Bruhn 2002a) Im Zusammenhang mit den beschriebenen Entwicklungen der Untemehmensfihrung wandelte sich das Marketingverstandnis in den letzten beiden Jahrzehnten von einer transaktions- zu einer beziehungsorientierten Sichtweise. Dieser Paradigmenwechsel hin
zu einer kundenorientierten Unternehmensfihrung wird damit begriindet, dass sowohl
die bisherigen Ansatze zum strategischen Marketing als auch die klassischen operativen Marketinginstrumente (Product, Price, Promotion, Place) primar auf die Initiierung von Einzeltransaktionen zielen. Infolge der zunehmenden Heterogenitat der Kundenerwartungen und der Hybridisierung des Konsumentenverhaltens hat die Kundenorientierung bereits seit den neunziger Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Der Grundgedanke, die Aktivitaten der Unternehmen an den spezifischen Bedurfnissen des einzelnen Kunden ausmrichten, ist insbesondere im Industriegiitermarketing (z.B, interpersonale Beziehung zwischen Verkaufer und Kunde) sowie im Dienstleistungsmarketing (z.B. die Integration des Kunden bei der Dienstleistungserstellung) intensiv diskutiert worden. So erstaunt es auch nicht, dass zentrale wissenschaftliche Impulse fir eine kundenorientierte Unternehrnensfihrung vom Industriegiiter- und Dienstleistungsmarketing ausgegangen sind (Bruhn 2001).
1.2 Begriff der Kundenorientierung Im Hinblick auf die begriffliche Abgrenzung der Kundenorientierung ist insbesondere eine Abgrenzung zum Begriff der Marktorientierung vorzunehmen. Die beiden Begriffe unterscheiden sich beziiglich der Anspruchsgruppen, nach denen die Untemehmensaktivitaten ausgerichtet werden. So steht bei der Kundenorientierung die Fahigkeit eines Unternehmens im Vordergrund, die Anforderungen an Leistungen aus Kundensicht kontinuierlich zu erfassen und in Untemehmensleistungen umzusetzen. Basis der Kundenorientierung ist somit die Beriicksichtigung der Kundenperspektive in samtlichen Wertschopfungsprozessen (MeyerISchaffer 2003). Dahingegen werden bei einer Marktorientierung die Unternehmensaktivitaten an samtlichen f i r das Unternehmen relevanten Markten und den jeweiligen Anspruchen der Marktteilnehmer, das heiRt neben den Anspriichen der Kunden auch an denjenigen der Konkurrenz, Absatzmittler, Mitarbeiter, Anteilseigner oder Fremdkapitalgeber, ausgerichtet (Bruhn 2003). Ausgehend von dieser Abgrenzung bedeutet Kundenorientierung die grundsatzliche Ausrichtung der Unternehmensaktivitaten an den Kundenbediirfhissen, die bei der Planung und Erstellung der unternehmerischen Leistungen Beriicksichtigung finden, mit dem Ziel, langfiistig stabile und okonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren (Bruhn 2003). In Abhangigkeit des Subjektes der Kundenorientierung lassen sich zwei generelle Interpretationsformen der Kundenorientierung differenzieren (in Anlehnung an Kiihn 1991; Bruhn 2003):
1. Die institutionelle Kundenorientierung betrifft das Gesamtunternehrnen. Hierbei ist die Kundenorientierung der Strukturen, Systeme und Kultur des Unternehmens auf der einen Seite und der bereitgestellten Leistungen auf der anderen Seite Gegenstand des Kundenorientierungsbegriffs. 2. In zahlreichen Branchen, insbesondere im Dienstleistungsbereich, werden die Unternehmensleistungen im direkten Kunden-Mitarbeiter-Kontakt erstellt, so dass das Mitarbeiterverhalten Teil der Leistung ist. Insbesondere in diesen Bereichen tritt die personelle Kundenorientierung neben die institutionelle.
1.3 Kundenorientierung und Relationship Marketing Zentrales Ziel der Kundenorientierung ist die Sicherstellung profitabler Kundenbeziehungen. Dieses Ziel kann nur durch eine Orientierung an den individuellen Wunschen und Bedurfkissen der Kunden realisiert werden. Der Grundgedanke, Kundenbeziehungen individuell zu steuern, ist eng verbunden mit dem Konzept des Relationship Marketing. Somit ist zur Gewahrleistung einer ausgepragten Kundenorientierung die Umsetzung eines Relationship Marketing erforderlich, das dem Aufbau, der Erhaltung und der Verbesserung profitabler Kundenbeziehungen dient (Gronroos 1994; Bruhn 2001). Die Beurteilung der Profitabilitat einer Kundenbeziehung kann anhand des Kundenwertes vorgenomrnen werden, der den langfristigen Wert eines Kunden fir das Unternehmen zum Ausdruck bringt, indem die zukunftigen Ein- und Auszahlungen der Kunden abgezinst und einander gegeniiber gestellt werden (Bruhn et al. 2000; Schirmeisterl Kreuz 2003). Bei der Bestimmung des Kundenwertes ist also von der okonomischen Gesamtbedeutung eines Kunden auszugehen, das heifit, es muss sein gegenwartiger Erfolgsbeitrag sowie sein zukunftiges Entwicklungspotenzia1 beriicksichtigt werden (Tomczakl Rudolf-Sipotz 2003). Die wesentliche vorokonomische ErfolgsgroDe des Relationship Marketing stellt die Bindung der profitablen Kunden an das Unternehmen dar. Unter Kundenbindung werden samtliche psychologischen Bewusstseinsprozesse bzw, beobachtbaren Verhaltensweisen eines Kunden verstanden, in denen sich die intentionale bzw. faktische Erhaltung bzw. Intensivierung seiner Beziehung zum Unternehmen - aufgrund von bestimmten Bindungsursachen - manifestiert (Keaveney 1995; Bruhn 1998). Zur Beeinflussung der Kundenbindung ist die Sicherstellung einer hohen Kundenzufriedenheit notwendig, die sich aus Kundensicht durch den Abgleich der erhaltenen Leistungen mit den Kundenerwartungen ergibt (Oliver 1996; Stauss 1999; Homburg/Stock 2003; f i r einen Uberblick uber verschiedene Definitionen der Kundenzufriedenheit vgl. Stock 2001). Hierbei wird die Verbindung zwischen Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit ersichtlich. Wahrend Kundenorientierung die umfassende Beriicksichtigung der Kundenerwartungen bezeichnet, zeigt die Kundenzufriedenheit auf, inwiefem der
Kunde seine Erwartungen durch das Unternehmen erhllt sieht. Eine hohe Kundenorientierung ist somit die Voraussetzung fir eine hohe Kundenzufriedenheit. Aus diesen ijberlegungen resultiert eine Wirkungskette mit den Gliedern Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Kundenwert, die als Erfolgskette der Kundenorientierung bezeichnet wird (in Anlehnung an HeskettlSasserISchlesinger 1997; vgl. Abb. 2). Diese Kette wird von externen und internen moderierenden Faktoren determiniert (Bruhn 1998; Homburg/Bruhn 2003), so dass die Realisierung von Kundenorientierung eine umfassende Steuerung dieser Erfolgsgroljen der Kundenorientierung erfordert. Das wesentliche Merkmal der Erfolgskette ist das Denken in Wirkungsbeziehungen. Nicht der direkte Zusammenhang beispielsweise zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung steht im Vordergrund, sondern die gesamte Wirkungskette in ihren Interdependenzen im Hinblick auf die Optimierung des letzten Gliedes in der Kette: den Kundenwert als okonomische GrBDe der Unternehmenssteuerung.
Unternehmensexterne rnoderierende Faktoren 1
Heterogenitat der Kundenetwartungen Marktbezogene Dynamlk Marktbezogene Komplexitat
.
Variety-Seeking-Motive Alternatlvenzahl Bequemiichkeit der Kunden
..
Wechselbarr~eren Mogllchkelt vertragllcher Blndungen Funktlonaler Verbund der angebotenen Le~stungen
lnd~vldual~tat der Lelstung Heterogemtat des Lelstungsspektrums Le~stungskomplexltat
,
,
.. .-
-
Ertragspotenzial der Kunden Leistungsbediirfnls der Kunde Preisbereltschaft Kundenfluktuation
Ausgestaltung des Kunden~nformat~onssystems M~tarbe~terfIuktuat~on Restr~kt~onen be1 der Pre~siestlegung Brelte des Le~stungsangebots
I
Unternehmensinterne rnoderierende Faktoren
lbbildung 2: Erfolgskette der Kundenorientierung (Quelle: in Anlehnung an Bruhn 1998, S.7)
Abbildung 3: Prozess der kundenorientierten Unternehmensfiihrung (Relationship Marketing) (Quelle: Bruhn 2001, S. 79)
1.4 Prozess der kundenorientierten Unternehmensfuhrung Zur systematischen Sicherstellung von Kundenorientiemng im Unternehmen empfiehlt es sich, eine entscheidungsorientierte Vorgehensweise anzuwenden, die die Verantwortlichen in die Lage versetzt, das Entscheidungsproblem zu strukturieren und systematisch zu analysieren (Bruhn 2002a). Dam ist es zweckrnaljig, die Marketingaufgaben anhand eines Managementprozesses zu strukturieren (vgl. Abb. 3). In Analogie zu den klassischen Managementfunktionen hat sich in diesem Zusammenhang eine Vierteilung in Analyse-, Steuerungs-, Implementierungs- und Kontrollphase bewahrt (z.B. Kotler 2003). Die vier Phasen stellen einen prozessorientierten Ablauf des Marketingmanagements dar. Das Kernstuck des Managementprozesses ist die Marketingstrategie. Sie tragt dam bei, die okonomischen Ziele des Unternehmens moglichst effizient zu realisieren, indem sie als Steuerungsmechanismus samtliche kundenorientierten Aktivitaten des Unternehmens koordiniert und in eine gemeinsame Zielrichtung bringt. Idealtypisch besteht der Marketingmanagementprozess aus zeitlich und inhaltlich aufeinander folgenden Phasen, die inhaltlich allerdings nicht unabhangig voneinander sind, sondern Interdependenzen aufiveisen.
2. Analysephase der kundenorientierten Unternehmensfuhrung 2.1 Situationsanalyse und Zielplanung Ausgangsbasis ftir ein strategisches Marketingmanagement ist die Analyse der spezifischen Situation, in der die kundenorientierte Unternehmensfiihrung umzusetzen ist sowie darauf aufbauend die Definition und Systematisierung von prazise formulierten Zielen, die als Grundlage f i r die Steuerung der kundenorientierten Aktivitaten notwendig sind. Im Rahmen der Situationsanalyse kommt aufgrund des Primats der Kundenorientierung insbesondere der Kundenanalyse eine zentrale Bedeutung zu. Die Kundenanalyse dient der Untersuchung von Chancen und Risiken im Hinblick auf die aktuellen und potenziellen Kundenbeziehungen des Unternehmens. Im Laufe der gesamten Kundenbeziehung sind verschiedene Daten bezuglich eines Kunden zu erheben, die aus der Erfolgskette der Kundenorientierung abgeleitet werden konnen und die Kundenzufkiedenheit, die Kundenbindung sowie den Kundenwert betreffen. Durch eine Analyse der Kundenzufriedenheit konnen Informationen beziiglich der Umsetzung von Kundenorientierung aus Kundensicht gewonnen werden. Ausgehend von der Konzeptionalisiemng der Kundenzufkiedenheit betreffen diese Informationen die
gelieferte Leistungsqualitat auf der einen Seite und die Kundenenvartungen im Hinblick auf die Leistungen des Unternehmens auf der anderen Seite. Eine Analyse der Kundenbindung dient der Identifizierung derjenigen Kunden, die langfristige Beziehungen mit dem Unternehmen anstreben und deswegen fir das Unternehmen potenziell attraktiv sind. Ausgehend von der Definition der Kundenbindung sind hierbei Daten zu erfassen, die zurn einen die Erhaltung von Kundenbeziehungen und zurn anderen die Intensivierung der Beziehungen betreffen (Bruhn 1998). Im Hinblick auf die Beziehungserhaltung sind Informationen hinsichtlich der Wiedenvahl des Unternehmens durch den Kunden zu erheben. Beziiglich der Beziehungsintensivierung sind Informationen zum Cross Buying, zur Preissensibilitat der Kunden und zum Kommunikationsverhalten gegenuber anderen (potenziellen) Kunden von Relevanz (Weiterempfehlungsabsicht). Die Beurteilung der Profitabilitat einer Kundenbeziehung erfolgt uber den Kundenwert, der die auf den aktuellen Zeitpunkt abgezinsten Gewinne mit einem Kunden reprasentiert (Bruhn et al. 2000). Somit stellen die relevanten Daten die aktuellen und zukunftigen Kosten sowie Erlose mit einem Kunden dar. Zur Ermittlung der zukunftigen Kosten und Erlose werden h5iufig Fortschreibungen der aktuellen Daten vorgenommen. Gerade vor dem Hintergrund der Mbglichkeit einer Intensivierung von Kundenbeziehungen greift dieser Ansatz allerdings zu kurz. Vielmehr sollten die vorBkonomischen Infonnationen, die beziiglich der Kundenbindung gewonnen werden, genutzt werden, um die zukunftige Entwicklung von Kosten und ErlBsen auf Kundenebene abzuschatzen. Neben dem direkten Ertragswert (Umsatz, Deckungsbeitrag) eines Kunden hangt die Bedeutung einer Kundenbeziehung auch von anderen GrBRen, wie Referenz-, Informations-, CrossBuying-Potenzial usw. ab (AndoniBaxterlBradley 2003; Tomczak/Rudolf-Sipotz 2003). Auf Basis der Kundenanalyse lassen sich Ziele fiir die Gestaltung einer systematischen Unternehmensfihrung ableiten. Als grundlegende Zielkategorien kommen kundenbezogene psychologische, verhaltensbezogene und okonomische Ziele in Betracht (Bruhn 2001, S. 88ff.). Zu den kundenbezogenen psychologischen Zielen zWen GrB13en wie Image, Kundenzufi-iedenheit oder Vertrauen. Das Erreichen der kundenbezogenen psychologischen Ziele ist eine Grundvoraussetzung zur Realisierung von Kundenverhaltenszielen (Oliver 1996). Diese unterscheiden sich in Kaufverhaltensziele (2.B. Kauf, Wiederkauf, Kauffi-equenzsteigerung, Cross Buying), Informationsverhaltensziele (2.B. Einschrankung des Kundenbedurfnisses, nach Konkurrenzinfonnationen zu suchen), Integrationsverhaltensziele (2.B. starke Beteiligung des Kunden an der Leistungserstellung) und Kommunikationsverhaltensziele (2.B. positive Mund-zu-MundKommunikation). Letztlich ist es erforderlich, die okonomischen Oberziele auch f i r die Einzelkunden- bzw. Kundengruppenebene zu formulieren. Zu den kundenbezogenen okonomischen Zielen gehoren beispielsweise der Kundendeckungsbeitrag, kundendeterminierte Einzelkosten oder der Customer Lifetime Value (GierVKurbel 1997; Dwyer 1997; Krafft 2002).
2.2 Kundensegmentierung als Basis der kundenorientierten Unternehmens fuhrung Zur Gewahrleistung einer kundenspezifischen Aktivitatenfestlegung bedarf es einer systematischen Kundensegmentierung. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, die Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus und die idealtypische Erfolgskette zu beriicksichtigen (Bruhn 200 1, S. 8 1ff.). Dem Kundenbeziehungslebenszyklus liegt die Uberlegung zugrunde, dass eine Kundenbeziehung in verschiedene Phasen unterteilt werden kann, die Anhaltspunkte f i r eine Steuerung dieser Kundenbeziehungen liefern. Hierbei existieren verschiedene Phasenkonzepte (Ford 1980; Dwyer/Schurr/Oh 1987; Stern 1997; StrandviWTornroos 1997; Stauss 1997, 2000), aus denen sich drei zentrale Kernphasen ableiten lassen: die Kundenakquisition, die Kundenbindung und die Kundenriickgewinnung (vgl. Abb. 4). In der Kundenakquisitionsphase interessiert sich ein Kunde fir die Leistungen eines Unternehmens. Auf Basis von verschiedenen Informationen des betreffenden Unternehmens, aber auch von anderen Marktteilnehmern, vergleicht er diese Leistungen mit Konkurrenzangeboten. Halt er das Angebot des Unternehmens fir vie1 versprechend, wird der Kunde die Leistung erstmalig in Anspruch nehmen. Seine Bindung an das Unternehmen ist zu diesem Zeitpunkt noch gering. Aufgrund der Unsicherheit im Hinblick auf die weitere Inanspruchnahme der Leistungen durch den Kunden und den teilweise hohen Akquisitionskosten fallt der Kundenwert in dieser Phase relativ gering aus. Kann der Kunde bei iXhen Nutzungen der Unternehmensleistungen zufiieden gestellt werden, wird seine Loyalitat zum Unternehmen steigen, und er tritt in die Kundenbindungsphase ein. In dieser Phase nimmt der Kundenwert kontinuierlich zu. Im Laufe einer Kundenbeziehung konnen auf der Erlosseite ein vermehrtes Cross Buying und eine hohere Preisbereitschaft realisiert werden. Auf der Kostenseite treten sowohl beim Kunden als auch beim Unternehmen Erfahrungseffekte auf, die Kostensenkungen zur Folge haben. In einer Kundenbeziehung besteht jedoch auch die Gefahr, dass ein Kunde aus bestimmten Griinden (2.B. wiederholte Transaktionsfehler, attraktives Konkurrenzangebot) die Beziehung zum Unternehmen reduziert oder abbricht. Da die Hauptaufgabe f i r das Unternehmen dann in der Kundenriickgewinnung besteht, wird diese Phase als Kundenriickgewinnungsphase bezeichnet, in der die Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und der Kundenwert entweder sprunghaft oder kontinuierlich abnehmen. Es ist jedoch nicht immer vorteilhaft fir Unternehmen, alle abgewanderten bzw. gehhrdeten Kunden zuriickzugewinnen. Im Rahmen einer Kundensegmentierung sind Informationen dariiber einzuholen, ob eine Riickgewinnung f i r bestimmte Kundensegmente fir das Unternehmen sinnvoll, das heifit profitabel ist (Michalski 2002).
Starkellntensitat der Kundenbeziehung
Dauer der Kunden-
Abbildung 4: Kundenbeziehungslebenszyklus (Quelle: in Anlehnung an Stauss 2000, S. 16; Bruhn 2001, S. 48) Aufgrund der verschiedenen Phasen einer Kundenbeziehung ist es zur Umsetzung einer spezifischen Kundenbearbeitung erforderlich, Kundenbeziehungen nach den Kriterien der Erfolgskette zu segmentieren. Auf der Grundlage des Portfoliogedankens konnen drei Ebenen der beziehungsorientierten Kundensegmentierung unterschieden werden (Bruhn 1999): Segmentierung nach Zufriedenheitspotenzialen von Leistungsmerkmalen, Segmentierung nach Bindungspotenzialen von Kunden und Segmentierung nach Erfolgspotenzialen von Kunden (vgl. Abb. 5). Durch die Gegeniiberstellung des Erfiillungsgrades durch einzelne Leistungsmerkmale und der Kundenzufriedenheit mit diesen Merkmalen lasst sich eine Segmentierung nach Zufriedenheitspotenzialen von Leistungsmerkmalen vornehmen. Hierbei werden die Zusammenhange zwischen den entsprechenden Leistungsmerkmalen und der Kundenzufriedenheit dargestellt. Die resultierenden Typen von Leistungsmerkmalen implizieren unterschiedliche Schlussfolgerungen f i r die MaRnahmenplanung. Beispielsweise sind ,,prioritare Leistungsmerkmale" dadurch gekennzeichnet, dass sie bei den Kunden Zufriedenheit hervormfen und vom Unternehmen erfiillt werden. Diese ,,satisfaction drivers" miissen auf diesem Leistungsniveau weiter aufrechterhalten werden.
Chancenreiche
Weiterhin lasst sich eine Segmentierung nach Bindungspotenzialen von Kunden in Abhangigkeit von ihrer Kundenzufriedenheit und Kundenbindung umsetzen. Diese Vorgehensweise dient der Identifizierung von Kunden, bei denen weitere Mafinahmen m r Steigerung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sinnvoll sind. Beispielsweise weisen ,,eingesperrte Kunden" eine hohe Kundenbindung auf, obwohl sie nicht zufrieden mit den Leistungen des Anbieters sind. Somit existieren andere Griinde fiir die Bindung der Kunden (z.B, der Mangel an Alternativen oder eine technologische Abhangigkeit). Schlierjlich wird im Rahmen der Segmentierung nach Erfolgspotenzialen von Kunden analysiert, bei welchen Beziehungen eine hohe Kundenbindung auch zu einem hohen Kundenwert fihrt. Die sich ergebenden Typen von Kundenbeziehungen verdeutlichen, bei welchen Beziehungen MaDnahmen zur Steigerung der Kundenbindung auch zu einer Steigerung des Kundenwertes gefihrt haben bzw, fiihren konnen. So ist beispielsweise bei Kunden in ,,gesattigten Beziehungen" zu priifen, ob der Kundenwert noch gesteigert werden kann (z.B. durch ein verstarktes Cross Selling). Bei ,,chancenreichen Beziehungen" ist eine verstarkte Kundenbindung (z.B. durch Klubsysteme) anzustreben, urn diese Kunden dauerhaft zu halten.
3. Steuerung der Kundenbearbeitung 3.1 Strategische Steuerungsphase In der strategischen Steuerungsphase legt das Unternehmen die grundlegende StoRrichtung des Marketings fest. Die kundenorientierte Ausrichtung eines Unternehmens bedingt die Koordination einer Vielzahl von unternehmerischen Aktivitaten. Dies kann nur d a m effizient gelingen, wenn dem unternehmerischen Handeln ein Steuerungsmechanismus in Form von Strategien zugrunde liegt. Grundsatzliche Aufgabe ist hierbei vor allem die Festlegung von schwerpunktmarjigen Storjrichtungen beziiglich Kundenakquisition, -bindung und -riickgewinnung (Bruhn 200 1, S. 115ff.). Bei der Kundenakquisitionsstrategie steht die Gewinnung von Neukunden als zentrales Ziel im Mittelpunkt. Eine Kundenakquisitionsstrategie bietet sich beispielsweise an, wenn das Unternehmen im Vergleich zu den Wettbewerbern relativ wenige Neukunden hinzugewinnt oder ein noch recht junges Unternehmen mit einem kleinen Kundenstamm ist. Eine Konkretisierung der Kundenakquisitionsstrategie kann durch eine Stimulierungsstrategie oder eine ~berzeugungsstrategievorgenommen werden. Im Rahmen der Stimulierungsstrategie versuchen Unternehmen, dem Kunden Anreize zu liefern, eine Beziehung mit dem Unternehmen einzugehen (z.B. Preisvorteile). Durch eine Uberzeu-
gungsstrategie dokumentiert das Unternehmen seine Fahigkeit, die Bedurfnisse und Erwartungen der Kunden zu erfiillen. Im Rahmen der Kundenbindungsstrategie geht es um die Intensivierung der Bindung des aktuellen Kundenstamms zum Unternehmen. Diese Strategie kann beispielsweise verfolgt werden, wenn das Unternehmen generell eine hohe Anzahl von Wechselkunden aufweist oder nur in geringem Malje Cross-Selling-Potenziale realisieren kann. Als Typen von Kundenbindungsstrategien lassen sich Verbundenheits- und Gebundenheitsstrategien differenzieren (BliemelIEggert 1998) Die Verbundenheitsstrategie strebt eine Kundenbindung uber psychologische Determinanten an (z.B. Beziehungsqualitat, Kundenzuffiedenheit), wahrend bei der Gebundenheitsstrategie Kundenbindung durch den Aufbau von Wechselbarrieren realisiert werden soll (z.B. technologische Wechselbarrieren). Die Kundenriickgewinnungsstrategie dient der emotionalen Ruckgewinnung abwanderungsgefahrdeter bzw. bereits abgewanderter Kunden. Dieser Strategietyp wird vor allem verfolgt, wenn das Unternehmen eine hohe Kundenfluktuation aufweist, die Griinde fir die Kundenabwanderung in Fehlern des Unternehmens liegen oder die Ruckgewinnung ehemaliger Kunden profitabler erscheint als eine Neukundenakquisition. Bei der Ruckgewinnungsstrategie gilt es zu entscheiden, wie das Ziel der Kundenruckgewinnung generell verfolgt werden soll. Hierbei ist zu differenzieren, ob die Ruckgewinnung - im Sinne einer emotionalen Ruckgewinnung - abwandernde Kunden oder - im Sinne einer faktischen Ruckgewinnung - bereits abgewanderte Kunden betrifft. Dariiber hinaus ist zu entscheiden, ob die Ruckgewinnung uber eine Wiedergutmachung oder eine Verbesserung als Reaktion auf die zur Abwanderung fiihrenden Probleme erfolgen soll. Die Herausforderung des Ruckgewinnungsmanagements besteht nun darin, fiir jeden Kunden die richtigen Ruckgewinnungsanreize zu gewahren, das heifit, abgewanderten bzw. abwanderungsgeahrdeten Kunden geeignete Angebote zu machen, die die Wiederauhahme der Geschaftsbeziehung ermoglichen (Michalski 2002).
3.2 Operative Steuerungsphase Vor dem Hintergrund des klassischen produkt- oder marktorientierten Marketing hat sich die Strukturierung der Marketinginstrumente gemaI3 der 4Ps - Leistungspolitik (product), Preispolitik (price), Kommunikationspolitik (promotions) und Distributionspolitik (place) - durchgesetzt (Bruhn 2002a). Allerdings konnen einige Nachteile einer ausschlieJlichen Orientierung an den 4Ps identifiziert werden. Zunachst erlaubt eine solche Vorgehensweise keine konsequente Ausrichtung der Marketingaktivitaten an den individuellen Bedurfnissen der Kunden (Gronroos 1994; Gummesson 1994). Weiterhin fihrt eine ausschlieRliche Orientierung an den 4Ps zu einer Isolierung der Marketingaktivitaten, indem in Unternehmen Marketingabteilungen existieren, die - zum Teil sehr isoliert von anderen Abteilungen - mit Aufgaben im Zusamrnenhang mit der Erallung von Kundenbedurfnissen betraut sind
(Gronroos 1994). Prinzipiell sollten Marketingaktivitaten zur Sicherstellung einer kundenorientierten Unternehmensfihrung auf der obersten Organisationsebene des Unternehmens verankert werden (Meffert 1994). Ferner wird zumeist nicht berucksichtigt, ob ein Kunde die Leistungen des Anbieters bereits genutzt hat und somit mit dem Unternehmen und seinen Leistungen vertraut ist. Demnach werden auch Kunden, die schon Kontakt mit dem Anbieter hatten, jeweils ,,neu akquiriert". Die Vernachlassigung einer Verkniipfung von Unternehmen-Kunde-Transaktionen und -1nteraktionen fihrt zu einer unwirtschaftlichen Allokation von Marketingaktivitaten (Bruhn 1999). Diese Uberlegungen werden durch Studien gestiitzt, deren Ergebnisse fiir zahlreiche Branchen belegen, dass Kunden haufig erst nach einer gewissen Kundendauer profitabel werden, und die Bindung aktueller Kunden profitabler als die Gewinnung neuer Kunden ist (Reichheldlsasser 1990; BlattbergJDeighton 1996). Hinsichtlich des Anwendungsbereichs ist schlieRlich festzustellen, dass das transaktionsbezogene Marketing f i r den Konsumguterbereich entwickelt wurde und eine ~bertragungder 4Ps auf den Investitionsguter- und Dienstleistungsbereich nur unzureichend moglich ist (Gummesson 1994). Vor dem Hintergrund dieser Kritik wird seit einigen Jahren ein Paradigmenwechsel im Marketing kontrovers diskutiert (Brodie et al. 1997; Backhaus 1998). Unabhangig davon, ob es sich bei der Neuausrichtung des Marketings an Kundenbeziehungen tatsachlich um einen Paradigmenwechsel handelt, erfordert diese Neuausrichtung eine Neustrukturierung der Marketinginstrumente. Hierbei miissen die 4Ps nicht vollkommen negiert werden, da sie eine hohe Nachvollziehbarkeit und in der Folge eine hohe Anerkennung in der Praxis aufweisen. Vielmehr l a s t sich die Funktionalitat des Einsatzes der Marketinginstrumente durch eine Orientierung an den Phasen einer Kundenbeziehung erhohen. Folglich werden die Marketinginstrumente zum Management der Kundenakquisition, Kundenbindung und Kundenriickgewinnung eingesetzt (vgl. Abb. 6). Kundenakquisitionsphase In der Akquisitionsphase werden durch MaBnahmen der Beziehungsvorbereitung und -anbahnung Grundlagen fir eine erfolgreiche Ansprache von potenziell profitablen Kunden geschaffen. Aufgaben im Rahmen der Akquisitionsphase bestehen somit in der Gestaltung und Visualisierung eines fir den Kunden attraktiven Leistungsangebots sowie der Schaffung von Moglichkeiten eines Kontaktes des Kunden mit dem Unternehmen und seinen Leistungen (Bruhn 1999). Im Rahmen der Leistungspolitik lassen sich beispielsweise Leistungsinnovationen zum Wecken von Interesse beim Kunden einsetzen. Weiterhin konnen Individualisierungspotenziale fir den Kunden zu dessen ~berzeugung beitragen, dass die Leistungen ihm einen spezifischen Nutzen liefern kbnnen. Durch MaBnahmen der Preispolitik lassen sich sowohl das Interesse des Kunden wecken als auch eine Nutzenvisualisierung vornehmen. Durch die Bereitstellung von Niedrigpreisangeboten konnen Kunden auf die Leistungen des Unternehmens aufinerksam gemacht werden. Dariiber hinaus stellt der Preis einen Qualitatsindikator dar, so dass er eine indirekte Nutzenvisualisierung bewirken kann. Im Hinblick auf die Kommunikationspolitik
konnen Mafinahmen der klassischen Werbung und des Direct Marketing zum Wecken von Interesse beitragen. Ebenfalls mit Hilfe der klassischen Werbung lasst sich eine Nutzenvisualisierung fiir den Kunden vornehmen. In der Distributionspolitik wird die Kontaktanbahnung durch den Kunden ermoglicht. So hat die Standortwahl einen starken Einfluss auf die erstmalige Inanspruchnahme der Unternehmensleistungen durch den Kunden. Eine konsequente Nutzung neuer Informationstechnologien kann dariiber hinaus eine unpersonliche Kontaktanbahnung gewahrleisten. Kundenbindungsphase In der Kundenbindungsphase geht es darum, eine Verbundenheit des Kunden zum Unternehmen aufmbauen und ihn zu Folge- sowie ErweiterungskBufen zu stimulieren. Neben einer psychologischen Steuerung der Kundenbindung iiber die Kundenzufiiedenheit stellen hierbei aurjerdem technisch-funktionale, vertragliche und okonomische Bindungsursachen Steuerungsparameter dar (MeyerIOevemann 1995; Bruhn 1998). Durch Maonahmen der Leistungspolitik gilt es, zur Realisierung von Kundenzufiiedenheit eine hohe Leistungsqualitat sicherstellen. Somit treten hier Aktivitaten des Qualitatsmanagements in den Vordergrund. Eine gewisse Leistungsstandardisierung unterstutzt die Gewohnung des Kunden an die Unternehmensleistungen und somit ebenfalls eine psychologische Kundenbindung. Zusatzdienstleistungen, so genannte Value Added Services, konnen dariiber hinaus zu einer technisch-funktionalen Kundenbindung beitragen, da sie es einem Anbieter ermoglichen, seine Leistungen gegenuber homogenen Wettbewerbsprodukten zu differenzieren. Sie tragen dam bei, dass Kunden einer Geschaftsbeziehung einen erheblich hoheren Nutzen beimessen (Beutin 2003). MaRnahmen der Preispolitik haben eine psychologische und vor allem eine okonomische Kundenbindung m r Folge. Eine psychologische Kundenbindung kann beispielsweise durch die Dokumentation von Fairness iiber die Preisfestlegung (2.B. Preisgarantien) erreicht werden. Eine okonomische Kundenbindung wird durch Bonus- und Rabattprogramme erzielt. In der Preispolitik gilt es dariiber hinaus, hohere Preisbereitschaften von gebundenen Kunden durch eine individuelle Preisfestlegung zu realisieren. Die Kommunikationspolitik dient im Rahrnen eines Kundenbindungsmanagements vor allem der kontinuierlichen Interaktion mit dem Kunden, um das Vertrauen in das Unternehmen sowie seine Produkte aufiecht zu erhalten bzw. auszubauen (Bruhn 2002b). Sie tragt insbesondere auch zur Schaffung einer psychologischen Kundenbindung bei, z.B. durch Kundenclubs, -karten oder -zeitschriften. Mit Hilfe der Distributionspolitik konnen sowohl eine technisch-funktionale als auch eine vertragliche Kundenbindung erreicht werden. Eine technisch-funktionale Kundenbindung Iasst sich beispielsweise durch die Erofhung neuer Distributionskaniile fir aktuelle Kunden realisieren (z.B. uber das Internet). Dariiber hinaus fihren beispielsweise Liefervertrage zu einer vertraglichen Kundenbindung. Im Rahmen der Distributionspolitik muss weiterhin danach differenziert werden, ob sich die Maonahmen der Kundenbindung an die Endkunden oder die Absatzmittler richten (Bruhn 2002b).
Kundenriickgewinnungsphase
SchlieDlich lassen sich die Instrumente der vier klassischen Marketingmixbereiche im Rahmen der Kundenruckgewinnungsphase einsetzen. Hierbei gilt es, bereits verlorene Kunden zuriickzugewinnen oder sog. gefahrdete Kunden an ihr altes Bindungsniveau zuriickzufiihren (Stauss 2000; Michalski 2002; StaussFriege 2003). Im Rahrnen der Leistungspolitik geht es darum, ob und welche Leistungsdefizite bei der negativen Entwicklung der Kundenbeziehung eine Rolle spielen. Hierzu sind Qualitatsmessungen einzusetzen, auf deren Basis eine individuellere Leistungsgestaltung zur Ruckgewinnung der Kunden beitragen kann. Dariiber hinaus ist es moglich, die Organisation der Wechselformalitaten zu ubernehmen (2.B. Kontenauflosung bei einer Konkurrenzbank) oder einmalige Geschenke (2.B. Konzertkarten, Bucher) zu uberreichen. Hinsichtlich der Preispolitik konnen kundenspezifische Rabatte oder Sonderkonditionen im Falle einer Wiederaufnahme der Beziehung durch den Kunden zu einer Ruckgewinnung fihren. Weiterhin konnen preispolitische Anreize geschaffen werden, indem einmalige Zahlungen geleistet oder Gebuhren erstattet werden. Der Einsatz von Ruckgewinnungsangeboten innerhalb einer Kompensationsstrategie beschrankt sich auf Kunden, die einen finanziellen Verlust erlitten haben (Michalski 2002). Ein besonderes Gewicht kommt Maonahmen der Kommunikationspolitik zur Kundenriickgewinnung zu. So kann eine proaktive, persbnliche Kommunikation die direkte Wiederakquisition verlorener Kunden zur Folge haben. Auch das Angebot eines personlichen Ansprechpartners und Beraters kann ein Anreiz zur Wiederaufhahme einer Geschaftsbeziehung sein. Ein aktives Beschwerdemanagement tragt zur Riickfiihrung des Kunden an sein altes Bindungsniveau bei (Stauss/Seidel2002). Die Distributionspolitik hat Unterstutzungsfunktionen im Hinblick auf die Ruckgewinnung, indem durch sie Wechselbarrieren geschaffen werden konnen, die dem Kunden eine endgultige Abwanderung erschweren. Hierzu zahlen beispielsweise die Sicherstellung von Ubiquitat und der Abschluss von Exklusivvertragen. Bei der Planung von MaRnahrnen, die die Wiederherstellung der Bindungsintensitat verfolgen, ist jedoch zu bedenken, dass diese Mafinahmen auch Kosten verursachen. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass vor der Durchfiihrung dieser MaRnahmen gepriift wird, ob eine abermalige Bindung der abgewanderten Kunden rentabel ist (BruhnlMichalski 2003; StaussIFriege 2003).
- Sonderangebote - Preistransparenz
ne Kornmunikatton
- Kundenkarternit
Prelsgestaltung - Preisbundelung
- Ausschopfung der Prelsbereitschafl
kornrnunikation
4. Implementierung der Kundenorientierung Das Hauptproblem einer kundenorientierten Unternehmensfihrung besteht nicht in einer Konzeptionierung der Kundenorientierung, sondern vielmehr in der Implementierung der Konzepte im eigenen Unternehmen und im Markt. Der internen Implementierung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sol1 eine konsequente kundenorientierte Strategie innerbetrieblich um- und durchgesetzt werden, ist eine entsprechende Anpassung der Organisationsstrukturen, Managementsysteme sowie Unternehmenskultur notwendig.
4.1 Kundenorientierte Organisationsstrukturen Die Implementierung der Kundenorientierung erfordert zunachst eine Anpassung der Unternehmensstrukturen. Dabei bestehen verschiedene Ansatzpunkte, eine kundenorientierte Unternehmensstruktur zu realisieren. Hierzu zahlen beispielsweise die Bildung dezentraler Einheiten, eine verstarkte Prozessorientierung, eine Forderung der funktionsubergreifenden Zusammenarbeit sowie eine Erweiterung von EntscheidungskompetenZen (Bruhn 2003). Eine Bildung dezentraler Einheiten basiert auf der ~berlegung,dass komplexe Organisationen durch den Aufbau von ,,KleinheitU besser zu steuern sind (Schumacher 1977). Hiermit verbunden ist ein Abbau der Hierarchiestufen, um einen besseren Informationsfluss und somit eine hohere Flexibilitat zur Losung der Kundenprobleme sicherzustellen. Eine Steigerung der Kundenorientierung kann ferner durch eine verstarkte Prozessorientierung gewahrleistet werden. Hierbei werden die organisatorischen Ablaufe unter dem Aspekt der Wertschopfungskette betrachtet, in der vom Zulieferer uber die verschiedenen Stufen innerhalb des Untemehmens hinweg bis zum Abnehmer samtliche kundenbezogenen Prozesse definiert und optimiert werden. Aufgrund der Tatsache, dass in jedem Unternehmen mehr oder weniger stark ausgepragte Subkulturen existieren, ist eine Forderung der funktionsubergreifenden Zusammenarbeit mit dem Ziel anzustreben, vorhandene Bereichsegoismen und Schnittstellenkonflikte bei der Befi-iedigung des Kundenwunsches aufzuldsen. Zur Losung dieser Aufgaben miissen in einem ersten Schritt die zentralen Problemfelder (i.d.R. Kommunikationsdefizite) identifiziert und anschlieljend geeignete Maljnahrnen zur Problemlosung ergriffen werden. Die Anpassung der Unternehmensstrukturen geht relativ haufig mit einer Veranderung der Fiihrungsstrukturen einher. Dies auiuRert sich in einer Erweiterung der Entscheidungskompetenzen auf den unteren Hierarchiestufen des Unternehmens im Sinne des ,,Empowerment~"von Mitarbeitem (Stewart 1997; Blanchard/Carlos/Randolph 1999).
4.2 Kundenorientierte Managementsysteme Neben der Anpassung von Strukturen muss zur erfolgreichen Implementierung der Kundenorientierung gleichzeitig eine Anpassung der Managementsysteme erfolgen. Fur die Durchsetzung der Kundenorientierung nehmen das Informations- und Kontrollsystem eine Schlusselfunktion ein (Bruhn 2003). Innerhalb des Informationssystems ist eine Anpassung in der Form erforderlich, dass das Unternehmen ein System realisiert, das sgmtliche Daten fiber die aktuellen Kunden erheben und verarbeiten kann. Ein kundenorientiertes Informationssystem sollte beispielsweise die Ableitung von Kundenstrukturanalysen, kundenbezogenen Rentabilitatsrechnungen oder Kundenportfolios gewahrleisten (HomburgIDaum 1997). Ferner muss das Informationssystem den Informationsaustausch mit vor- und nachgelagerten Parhlern beispielsweise uber Electronic-Data-Interchange (EDI) - sicherstellen. Es ist folglich ein System aufzubauen, das die internen und externen kundenbezogenen Informationsanforderungen erfiillen kann, um auf einer fundierten Informationsbasis die abnehmergerichteten Strategien planen und realisieren zu kiinnen. Hinsichtlich des Kontrollsystems mussen zur Steigerung der Kundenorientierung zum einen innengerichtete Kontrollsysteme, wie zum Beispiel Systeme zur Messung der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, vermehrt etabliert und auch in die bereits bestehenden Controllingkonzeptionen integriert werden. Zum anderen ist die Erweiterung des traditionellen Kostenrechnungssystems um kundenbezogene Erfolgsgrorjen als zentrale Anforderung zur Realisierung der Kundenorientierung hervorzuheben. Die individuelle Zurechnung von Kosten und Nutzen einzelner Kunden muss mbglich werden, um den Kundenwert ermitteln zu konnen (HartIHeskettlSasser 1990; Bruhn et al. 2000). Neben der Einrichtung eines Informations- und Kontrollsystems empfiehlt sich weiterhin die Implementierung kundenorientierter Anreizsysteme, insbesondere eines Vergutungssystems. Als Zielsetzung kunden(wert)orientierter Anreizsysteme konnen insbesondere die angestrebte Steigerung des Kundenwertes sowie die Erzielung kundenorientierten Verhaltens der Mitarbeiter herausgestellt werden (Hamel 2003, S. 480). Zur Steuerung der Mitarbeitermotivation in Richtung eines qualitatsorientierten Verhaltens sind sog, kundenorientierte Vergutungssysteme besonders geeignet (Tuzovic 2004). Dem Vergutungssystem kommt in diesem Zusammenhang die zentrale Rolle als langfristiges Fuhrungsinstrument zu, um die Zufriedenheit der Kunden zu steigern (Jensen 2003, S. 3 15). Die Besonderheit gegenuber traditionellen Anreiz- und Vergutungssystemen liegt bei diesen in der Ausrichtung auf kundenorientiertes Verhalten. Wahrend herkommliche Anreiz- und Bonussysteme sich auf finanzielle Grorjen beziehen (z.B. Umsatz), werden im Rahmen kundenorientierter Vergutungssysteme kundenorientierte Grorjen, wie z.B. Kundenzufriedenheit, als Bemessungsgrundlagen herangezogen.
Abbildung 7: Vorgehensweise bei der E i n f i h n g kundenorientierter Anreiz- und Vergiitungssysteme (Tuzovic 2004)
4.3 Kundenorientierte Unternehmenskultur Neben der Gestaltung von Strukturen und Systemen ist schlienlich die Unternehmenskultur ausschlaggebend fiir die Implementierung der Kundenorientierung. Ausgangspunkt einer (kundenorientierten) Untemehmenskultur sind zunachst eine Reihe grundlegender Orientierungs- und Wertvorstellungen iiber die Umwelt, das Unternehmen oder menschliches Verhalten in Bezug auf die Kundenorientierung eines Unternehmens (Bruhn 2002b). Die Realisierung einer kundenorientierten Unternehmenskultur kann vereinfachend in drei Schritten beschrieben werden: Analyse der IstUntemehmenskultur, Kulturveranderungsprozess und Kontrolle der Kulturveranderung. Zunachst muss eine Analyse der Ist-Unternehmenskultur vorgenommen werden, die die vorhandene Kulturstarke in Bezug auf das Kriterium Kundenorientierung beurteilt (DeshpandelFarleylWebster 1993). Das Ergebnis der Situationsanalyse ist die Ableitung von charakteristischen Merkmalen der vorhandenen Unternehmenskultur, auf deren Basis die Zuordnung zu einem bestimmten Kultuvtyp moglich ist. Beispielsweise konnen die Clan-, Adhocracy-, Markt- und Hierarchie-Kultur unterschieden werden (Quinnl Rohrbaugh 1983; DeshpandCIFarleylWebster 1993). Forschungsergebnisse in diesem
Bereich zeigen, dass Unternehmen mit einer Adhocracy-Kultur die hochste Kundenorientierung realisieren (Homburg 2000). Zur Initiierung eines Kulturveranderungsprozesses kann der Einbezug zweier Personengruppen sinnvoll sein (DierkesEIahnermaske 1996). Zum einen konnen einzelne Personen (z.B. Fiihrungspersonlichkeiten mit starker Vorbildfunktion), die eindeutige Zielvorstellungen in Bezug auf die anzustrebende Unternehmenskultur haben und diese auch entsprechend vorleben, den gewiinschten Wandel der Unternehmenskultur einleiten. Zum anderen kann der Veranderungsprozess auch partizipativ von samtlichen Mitarbeitern des Unternehmens vorangetrieben werden. Letzteres geht haufig mit der Erarbeitung eines neuen Unternehmensleitbildes und der Umsetzung von Corporate-Identity-Konzepten einher. Zur Veranderung und Gestaltung der Unternehmenskultur konnen verschiedene Instrumente zur Kulturbeeinflussung eingesetzt werden. Dies sind Instrumente, die die Veranderung des SelbstverstSindnisses beabsichtigen (z.B. Leitsatze und Artefakte), weiterhin Motivations- und Kommunikationsinstrumente (z.B. Plakate, Broschuren und Veranstaltungen) sowie Schulungen und Seminare zur Forderung der aktiven Mitarbeit wahrend der Veranderungsprozesse (Bruhn 2002b, S. 236f.). Hierbei ist selbstverstandlich zu beachten, dass geeignete MaRnahmen m r Beeinflussung der Unternehmenskultur jeweils unternehmensspezifisch eingesetzt werden mussen. In einem letzten Schritt ist im Rahmen einer Kontrolle der Kulturveranderung zu priifen, ob die angestrebte Soll-Unternehmenskultur annaherungsweise erreicht werden konnte. Hierbei ist der Begriff ,,Kontrolle" als Prozesskontrolle zu verstehen, das heifit als eine Art von permanenter Priifung, ob die Kulturveranderung tatsachlich greift oder stagniert.
5. Kontrolle der Kundenorientierung 5.1 Ansatzpunkte zur Kontrolle der Kundenorientierung Die konsequente Kontrolle aller mit der kundenorientierten Unternehmensfiihrung verbundenen Aktivitaten ist Aufgabe der Kontrollphase. Auch wenn die Kontrolle der letzte Schritt des dargestellten Planungsprozesses darstellt, hangt der Unternehmenserfolg in entscheidendem MaRe von einer kontinuierlichen ~berwachungder kundenorientierten Aktivitaten sowie insbesondere deren Wirkungen ab. Die Kontrollergebnisse flieRen direkt in die Planung zukunftiger Aktivitaten ein. Konnen die mit der Kundenorientierung angestrebten Wirkungen nicht erzielt werden, so mussen die Ziele uberdacht und ggf, neu definiert werden. In Abhangigkeit der zugrunde liegenden Perspektive lassen sich marktbezogene und unternehmensbezogene Ansatzpunkte zur Kontrolle der Kundenorientierung differenzieren (vgl. Abb. 8).
Der zentrale Unterschied zwischen den beiden Erscheinungsformen liegt in den unterschiedlichen Erfolgsgropen, die Gegenstand der jeweiligen Kontrollaktivitaten sind. Die ErfolgsgroRen der marktbezogenen Kontrolle sind die von den externen Kunden wahrgenommene Kundenorientierung sowie die Auswirkungen dieser Kundenorientierung, das heifit die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung und der Kundenwert. Die ErfolgsgroRen der unternehmensbezogenen Kontrolle sind in der internen Kundenorientierung und der intern wahrgenommenen externen Kundenorientierung zu sehen. Die interne Kundenorientierung zeigt an, inwiefern bei den internen Unternehmensprozessen das Prinzip der Kundenorientierung erfiillt wird. Die intern wahrgenornmene externe Kundenorientierung beschreibt den Grad der Kundenorientierung, die aus Sicht der Unternehmensmitglieder gegeniiber den externen Kunden des Unternehmens gelebt wird.
ErfolgsgrdBen
Erscheinungsforrn
Wahrgenommene Kundenorientierung oAuswirkungen der Kundenorientierung
Marktbezogene Kontrolle der Kundenorientierung
/
-
Unternehmensbezogene Kontrolle der Kundenorientierung
I
Intern wahrgenommene externe Kundenorientieruna .Interne Kundenorientierung
Methoden zur Kontrolle Messung der wahrgenommenen Kundenorientierung Messung der Auswirkungen der Kundenorientierung .Interne Messung der externen Kundenorientierung
.Messung der internen Kundenorientierung
Methoden zur Steuerung
I
.Kundenbezogene lndexsysteme
.Kundenbarometer Interne Servicebarometer
.Qualitatsmanagementsysteme
Abbildung 8: Ansatzpunkte zur Kontrolle der Kundenorientierung Diese Erfolgsgrofien gilt es, mit Hilfe geeigneter Methoden (vgl. Abb. 7) zu kontrollieren und entsprechende Steuerungsmafinahmen abzuleiten. Eine Kontrolle der externen Kundenorientierung und der Auswirkungen der Kundenorientierung wird durch die Messung der durch den Kunden wahrgenornmenen Kundenorientierung sowie der Auswirkungen der Kundenorientierung vorgenommen. Die Kontrollergebnisse werden beispielsweise im Rahmen kundenbezogener Indexsysteme oder Kundenbarometer zur Steuerung der externen Kundenorientierung genutzt. Zur Kontrolle der internen Erfolgsgrofien werden eine Messung der internen Kundenorientierung sowie eine interne Messung der extemen Kundenorientierung durchgefiihrt. Die Kontrollergebnisse werden im Rahmen von Qualit~tsmanagementsystemenund internen Servicebarometem zur Steuerung genutzt.
I
5.2 Marktbezogene Kontrolle der Kundenorientierung Im Zentrum der marktbezogenen Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensfiihrung steht einerseits die Evaluierung der okonomischen und andererseits der vorokonomischen Wirkungen. Relevant fiir die Bewertung des Erfolges der kundenorientieren Unternehmensfiihrung sind jedoch bei einer profitabilitatsorientierten Ausrichtung primar die Bkonomischen Erfolgsgroljen, wie Kundendeckungsbeitrag oder Customer Lifetime Value. Dariiber hinaus bestehen Ansatze einer integrierten Kontrolle, bei denen vorokonomische und okonomische Wirkungen gemeinsam und interdependent untersucht werden. Im Rahmen der vorokonomischen Wirkungskontrolle wird die Zielerflillung jener vorokonomischen Groljen iiberpriift, die einen zentralen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Hierzu zahlen vor allem die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung. Zur Messung der Kundenzufriedenheit stehen zahlreiche Verfahren zur Verfiigung, die eine merkmals- oder ereignisorientierte Messung ermoglichen (Stauss 1999; Bruhn 2000). Bei der merkrnalsorientierten Messung wird die Kundenzufiiedenheit hinsichtlich einzelner Leistungsmerkmale erhoben. Auf diese Weise konnen sowohl die Leistungsqualitat als auch die Kundenerwartungen explizit erfasst werden. Dahingegen lassen sich die Kundenerwartungen durch eine ereignisorientierte Messung, die die Identifizierung aus Kundensicht relevanter Einzelereignisse zum Gegenstand hat, nur implizit erheben. Eine Messung der Kundenbindung kann intentional und faktisch erfolgen. Bei der intentionalen Messung werden Verhaltensabsichten gemessen, wahrend durch die faktische Messung tatsachliches Kundenverhalten erfasst wird (Homburg/FaBnacht/Werner 2003). Eine Steuerung der vorBkonomischen GroBen innerhalb der Erfolgskette der kundenorientierten Unternehmensfiihrung dient einer Optimierung der Bkonomischen ZielgroBen. Im Rahrnen der Bkonomischen Wirkungskontrolle gilt es, die Realisierung dieser okonomischen ZielgroBen zu iiberpriifen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Kundenwert als Erfolgskriterium zu beriicksichtigen. Die Analyse des Kundenwertes kann heuristisch oder quasi-analytisch erfolgen (Bruhn et al. 2000). Bei der heuristischen Analyse werden grobe Richhverte zur Beurteilung des Wertes eines Kunden fir das Unternehmen herangezogen (z.B. im Rahmen von Kundenportfolios), ohne eine mathematisch-statistische Optimierung vornehmen zu konnen. Als Ergebnis erhalt man eine Naherungslosung, aber kein Optimum. Ziel der quasi-analytischen Analyse ist der Einsatz eines quantitativen Losungsalgorithmus, der zu einem Optimum fiihrt, z.B. die Ermittlung eines monetlen Kundenwertes, wie ehva in Form des Customer Lifetime Value. Der Leitgedanke des Customer-Lifetime-Value-Ansatzes besteht darin, den Wert eines Kunden uber die gesamte Dauer der Geschaftsbeziehung zu analysieren (Dwyer 1997; Andon/Baxter/Bradley 2003). Der Betrachtung wohnt eine investitionsorientierte Perspektive inne, das heat Kundenbeziehungen werden grundsatzlich als Investitionsfelder verstanden, die effizient und ressourcenbewusst zu bearbeiten sind. Jedoch stellt die Erfassung und Bewertung des intellektuellen Kapitals, bei dem Kunden und Kundenbeziehungen als immaterielle Vermogensgegenstande betrachtet werden, immer noch zu den
schwierigen Problemstellungen der Betriebswirtschaftslehre (MeyerISchaffer 2003). Eine langfristige Kundenbindung wird in der Regel nur d a m angestrebt, wenn den zu envartenden Auszahlungen entsprechende Einzahlungen bzw. Uberschiisse gegeniiberstehen. Neben dem direkten Ertragswert (Umsatz, Deckungsbeitrag) eines Kunden hangt die Bedeutung einer Kundenbeziehung auch von anderen GroRen, wie Referenz-, Informations-, Cross-Buying-Potenzial usw. ab (Tomczak/Rudolf-Sipotz 2003). Welche GroRen bei der Berechnung des Kundenwertes relevant sind und wie sie zu gewichten sind, ist letztlich unternehmensindividuell zu bestimmen. Die Daten, die im Rahmen der Messung der Kundenorientierung und ihrer Auswirkungen gewonnen werden, konnen in kundenbezogene Indexsysteme einfliel3en (Bruhn 2000), deren Vorgehensweise auf der Methodik Nationaler Kundenbarometer basiert (BruWMurmann 1998). Solchen Indexsystemen liegt in der Regel ein Kausalmodell zugrunde, in denen die Erfolgskette der Kundenorientierung abgebildet ist. Neben der Messung der Zusammenhange zwischen den Kettengliedern mit Hilfe der Kausalanalyse (vgl. hierzu HildebrandtIHomburg 1998) lassen sich Indexwerte fiir die Kettenglieder bestimmen. Auf diese Weise wird eine dynamische Kontrolle und Steuerung der Auswirkungen der Kundenorientierung unter Beriicksichtigung der WirkungsinterdependenZen ermoglicht.
5.3 Unternehmensbezogene Kontrolle der Kundenorientierung Der unternehmensbezogenen Kontrolle der Kundenorientierung dienen die Messung der intemen Kundenorientierung, die interne Messung der (extern wahrgenommenen) Kundenorientierung, interne Servicebarometer sowie QualitSitsmanagementsysteme. Im Rahmen der Messung der internen Kundenorientierung geht es d a m , eine Bewertung der untemehmensintemen Prozesse aus Sicht von Unternehmensmitgliedern vorzunehmen. Zu den Dimensionen der internen Kundenorientierung, anhand derer diese gemessen werden kann, gehoren beispielsweise die Kategorien Arbeitsplatz/Arbeitsumfeld, Klimalvertrauen, interne Interaktionsprozesse und Wertschatzung als Person (Grund 1998). Bei der internen Messung der externen Kundenorientierung wird aus Sicht von Unternehmensmitgliedem erfasst, inwiefern Kundenorientierung durch das Unternehmen dem Kunden gegeniiber gelebt wird. Ausgehend von der Unterscheidung einer institutionellen und personellen Kundenorientierung lassen sich hierbei zwei generelle Messansatze differenzieren. Eine Messung der institutionellen Kundenorientierung kann beispielsweise anhand der Umsetzungsdimensionen Strukturen, Systeme und Kultur erfolgen (vgl. Abb. 9). Bei der Messung der personellen Kundenorientierung stellt die Selbstbeurteilung der Mitarbeiter im Hinblick auf den Grad der Kundenorientierung ihres Verhaltens den Analysegegenstand dar (SaxeIWeitz 1982). Eine weitere Moglichkeit stellt die Fremdbewertung z.B. durch das Management dar. Zu diesem Zweck konnen beispielsweise standardisierte Skalen oder Checklisten herangezogen werden, um die kundenori-
entierte Einstellung der Mitarbeiter zu erfassen (HomburgIStock 2000). Das tatsachliche Verhalten der Mitarbeiter im Kundenkontakt kann durch Beobachtung erfolgen. Es versteht sich von selbst, dass die Fremdbewertung bessere Ergebnisse liefert als die Eigenbeurteilung durch die Mitarbeiter selbst. Interne Sewicebarometer sind methodisch an die kundenbezogenen Indexsysteme angelehnt. Die Daten, die im Rahmen der internen Kundenorientierungsmessungen gewonnen werden, bilden die Basis ftir ein Kausalmodell, das die Kundenorientierung als ZielgroDe hat. Durch die Schatzung der Zusammenhange zwischen der intern wahrgenommenen Kundenorientierung und ihrer Einflussfaktoren lassen sich Ansatzpunkte fir eine interne Steuerung der externen Kundenorientierung generieren. Mit Hilfe von Qualitatsmanagementsystemen konnen die Unternehmensaktivitaten vor dem Hintergrund einer Ausrichtung an den Kundenbedurfnissen gesteuert werden. Im Rahmen des sog. Regelkreises des Qualitatsmanagements (Bruhn 2004) werden die Kundenerwartungen erfasst, analysiert und in Leistungsstandards umgesetzt (Qualitatsplanung) sowie durch entsprechende MaDnahmen zu erfillen versucht (Qualitatslenkung). AuRerdem wird uberpriift, inwiefern sie durch das Unternehmen erftillt werden konnen (Qualitatspriifung). Schlieljlich wird durch die Qualitatsmanagementdarlegung die Qualitatsfsihigkeit des Unternehmens dokumentiert.
6. Zukunftsperspektiven der kundenorientierten Unternehmensfuhrung Aufgrund der zunehmenden Diversitat der Kunden und ihres Verhaltens gegenuber den Unternehmen ist die Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensfihrung fir die Mehrzahl der Unternehmen unerlasslich, die mit einer Umorientierung im Vergleich zum traditionellen Marketing einhergeht. Viele Unternehmen haben diesen Sachverhalt erkannt und verfolgen eine verstarkte Kundenorientierung als explizites Ziel. Dennoch lassen sich in der unternehmerischen Praxis haufig noch vielfsiltige Mange1 hinsichtlich der Implementierung feststellen. Haufig ist festzustellen, dass die Umsetzung kundenorientierter Strategien nur sporadisch und nicht konsequent erfolgt (Bruhn 2002b). Hinsichtlich der Kundenanalyse mussen Unternehmen ihre Analyseaktivitaten auf die gesamte Kundenbeziehung ausdehnen. Dies hat zur Folge, dass produktorientierte Analysen gegeniiber kundenorientierten Analysen in den Hintergrund treten. Eine Herausforderung f i r die Unternehmenspraxis ist daher eine intensivere Auseinandersetzung mit iiberlegungen im Hinblick auf ein ,,Denken in Kundenbeziehungen". Als Folge sollten die Phasen einer Kundenbeziehung die Grundlage fir eine systematische Kundenbearbeitung darstellen. Auch wenn die klassischen 4Ps eine anschauliche Strukturierung der
Marketinginstrumente liefern, sollten sich Unternehmen verstarkt damit auseinander setzen, welche Instrumente sie spezifisch zum Management der Kundenakquisition, Kundenbindung und Kundenriickgewinnung nutzen konnen. In diesem Zusammenhang liefern die Konzepte und Methoden des Relationship Marketing hilffeiche Unterstutmng. Wie bei anderen Konzepten auch, besteht das Hauptproblem einer kundenorientierten Unternehmensfhhrung allerdings in der unternehmensweiten Umsetzung von Kundenorientierung. Unternehmen sind dementsprechend gefordert, funktionsiibergreifend die notigen Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Kundenorientierung im Unternehmen zu schaffen (Bruhn 2002b). Daher haben Unternehmen nicht vereinzelte Anstrengungen zur Realisierung von Kundenorientierung einmleiten, sondern die aufeinander abgestimmte Anpassung der Unternehmensstrukturen, -systeme und -kultur sicherzustellen. Auf die Verknupfung der externen und der internen Kundenorientierung ist in diesem Zusammenhang besonders m achten.
Kundenorientierte Struktur
Ubergre~fendeZusammenarbelt Kontaktstellen fur KundenanfragenIBeschwerden Flache Hlerarchien Dezentrale Einheiten
Kompetenzewelterung
Bedeutung der Kundenorlentierung verlnnerllcht
/L
/L
fi
lnnovatlonsorlentlerung als Wert der Kultur vor Top-Manager leben Kundenor~ent~erung ~ohe Identiflkation der M~tarbeitermit dem Unternehmen
Intensitat des Kundenkontaktes sehr hoch
Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess (Customer Integration)
1 Kundenorientierte Kultur
Abbildung 9: Interne Messung der Kundenorientierung (Quelle: in Anlehnung an HomburgIWerner 1998) Das Prinzip einer kundenorientierten Unternehmensfiihrung kann nur dann okonomisch sinnvoll angewandt werden, wenn eine Konzentration auf langfristig profitable Kundenbeziehungen vorgenommen wird. Um effiziente von weniger effizienten oder gar ,,wertvernichtenden" Kundenbeziehungen unterscheiden zu konnen, empfiehlt es sich, eine Segmentierung der Kunden auf Basis des Customer Lifetime Value vormnehmen.
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Pro$ Dr. Manfred Bruhn Lehrstuhl fur Marketing und Unternehmensfuhrung Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum (WWZ) der Universitat Basel Petersgraben 51 CH-4051 Basel
Frank HuberIAndreas HerrrnadChristine Braunstein
Der Zusammenhang zwischen Produktqualitat, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg
1. Grundidee und empirische Behnde
2. Der Wirkungszusammenhang zwischen den Elementen 2.1 Produktqualitat und Kundenmfriedenheit 2.2 Kundenzufriedenheit und Kundenbindung 2.3 Kundenbindung und Unternehmenserfolg
3. Unternehmenspolitische Implikationen
1. Grundidee und empirische Befunde In der Diskussion um den Erhalt bzw. die Steigerung des Unternehmenserfolgs erfahren die Produktqualitat (Bediirhisgerechtigkeit bzw. Zwecktauglichkeit) und die Kundenzufriedenheit grolje Aufmerksamkeit. So belegen zahlreiche empirische Untersuchungen, dass eine Verbesserung der Produktqualitat die Zufriedenheit der Kunden erhoht (vgl. fur Bryant 1996, AndersoniSullivan 1993, einen ~berblickFornelllJohnsoniAnderson~Everitt Anderson/FornelllRust 1997). Da die Kundenzufriedenheit wiederum als die entscheidende Determinante des zukunftigen Untemehmenserfolgs gilt (vgl. Anderson/FomelllLehmann 1994; RustlZahoriWKeiningham 1995; HomburgIRudolph 1997), liegt die Relevanz bediirhisgerechter Leistungen f i r die Existenzsicherung des Anbieters auf der Hand. Die Griinde f i r den vermuteten Zusammenhang zwischen Produktqualitat, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg lassen sich mit Hilfe von Abbildung 1 verdeutlichen. Zufriedene Kunden weisen eine beachtliche Loyalitat gegenuber einer einmal erworbenen Leistung eines bestimmten Anbieters auf. Die damit verbundene Wiederkaufrate sichert dem Unternehmen eine dauerhafte Absatzbasis, und die loyalen Kunden verkorpern somit einen bedeutsamen immateriellen Wert (vgl. AndersoniSullivan 1993; Bloemerllemmink 1992, PattersoniJohnsonlSpreng 1997, Zeithaml/BenylParasuraman 1996). Dies sei anhand eines Beispiels dokumentiert: Mit Hilfe der Kapitalwertmethode lasst sich zeigen, dass der Barwert des Umsatzes, den zum Beispiel ein Restaurant mit 100 loyalen Besuchem, die an 200 Arbeitstagen pro Jahr jeweils ein Menii f i r 8 DM verzehren, bei einem Zinssatz von 8 % und einem Zeitraum von finf Jahren etwa 640.000 DM betragt. Ein weiteres Argument, das ins Feld gefihrt werden kann, bildet die mit einer hohen Zufriedenheit einhergehende Reduziemng der Preiselastizitat der Kunden. Zufriedene Nachfrager zeigen eine hohere Bereitschaft, mehr f i r eine Leistung zu bezahlen und wandern dementsprechend bei einer Preiserhohung nicht sofort zu einem Wettbewerber mit einem preisgunstigeren Angebot ab. Diese niedrige Preissensibilitat erofhet dem betreffenden Anbieter eine Fiille preispolitischer Aktionsmoglichkeiten und reduziert gleichzeitig die taktischen Optionen der Konkurrenten (vgl. Reichheld 1996a und 1996b, Reichheld/Sasser 1991). Haufig reichen beachtliche Preisabschlage und unentgeltliche Zusatzleistungen, wie kostenlose Zulieferung und Wartung, nicht aus, um einen zufriedenen Nachfrager abzuwerben. Dariiber hinaus erhoht die Kundenzufriedenheit auch das cross selling-Potential eines Anbieters, da zufriedene Kunden eher geneigt sind, groRere Mengen zu beziehen und unter Urnstanden auch zu anderen Leistungen aus dem Sortiment zu greifen. Dies belegen Studien in der Automobilbranche, aus denen hervorgeht, dass Kunden mit sehr hohen Zufriedenheitswerten in starkem Mane zum Kauf anderer Erzeugnisse des Her-
stellers neigen. Dagegen zeichnen sich Kunden mit sehr niedrigen Zufriedenheitswerten durch eine sehr geringe Neigung zum cross buying aus. Schliefllich entsteht ein weiterer positiver Effekt auf den Unternehmenserfolg durch die verstarkte Neigung zufriedener Kunden, die Vorteile eines Produkts und moglicherweise die Nachteile des Konkurrenzangebots anderen Konsumenten m vermitteln. Die Mundpropaganda zeichnet sich durch ein hohes Malj an Glaubwiirdigkeit aus und erleichtert dadurch die Akquisition von Neukunden (Yi 199 1, S. 103 ff.). Zusatzlich tragt die damit einhergehende gute Reputation des Unternehmens dam bei, neue Giiter erfolgreich am Markt zu platzieren, die entscheidenden Absatzkanale zu besetzen und leistungsfahige Zulieferer zu gewinnen.
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Produktqualitat, Kundenzufiiedenheit, Kundenbindung und Unternehmenserfolg Ein Blick auf die Ergebnisse umfassender marketingpolitischer Aktivitaten von Unternehmen zeigt jedoch, dass sich der erlauterte Zusammenhang zwischen Qualitat der angebotenen Leistung, Zufriedenheit, Bindung und Unternehmenserfolg haufig so nicht bestatigt. Drei typische Beispiele verdeutlichen diesen Sachverhalt: Ein Unternehmen im regionalen Personennahverkehr unternahm erhebliche Anstrengungen, um die Punktlichkeit seiner Ziige nachhaltig zu verbessern. Obgleich hierflir beachtliche finanzielle Mittel bereitstanden, stieg die Zufiiedenheit der Kunden nur unwesentlich. Dies ist verwunderlich, da Unpunktlichkeit im groljen Stil den geballten Arger der Reisenden hervorrief. Dagegen bewirkte die mit sehr wenig Aufivand verbundene Einfiihrung eines park and ride-Angebots eine deutliche Erhohung der Zufiiedenheit. Von Bedeutung ist, dass dieser Service von den Kunden nie verlangt wurde und bei Wegfall kaum zu Verargerung fiihrte.
Einer Fluggesellschaft gelang es immer wieder die Zufriedenheit von Kunden, die das Angebot in einer Periode als durchschnittlich bis gut einstuften (2.B. 3 und 4 auf einer 7er-Skala), durch eine Leistungsverbesserung in der Folgeperiode zu erhohen. Allerdings ergaben Untersuchungen, dass die gestiegene Zufriedenheit in vielen Fallen nicht mit der Bereitschaft einherging, sich starker als bisher an die Fluggesellschaft zu binden. Im Unterschied dazu fiihrte die Verbesserung der Zufriedenheit von verbgerten Kunden, die die Leistung 2.B. mit einer 1 oder 2 beurteilten, zu einer deutlichen Verstarkung der Bindung. Ein Automobilunternehmen war bestrebt, mit vielfiltigen marketingpolitischen Aktivitaten die Kundenbindung zu verbessern. Hierzu setzte es zahlreiche Instrumente ein, wie etwa die Kundenkarte, eine Kundenzeitschrift sowie regelm5iRige Veranstaltungen bei Handlern. Obgleich die Kundenbindung bei allen Baureihen des Fahrzeuganbieters auf diese Weise anstieg, lieR sich feststellen, dass der Gewinn pro Kunde bei einigen PkwModellen deutlich zuriickging und bei anderen nur geringfiigig erhoht werden konnte. Obwohl diese Beispiele aus drei unterschiedlichen Branchen stammen, ist ihnen eines gemeinsam: Der Wirkungszusammenhang zwischen zwei Elementen der in Abbildung 1 dargestellten Kette ist in der Regel weder linear noch symmetrisch, sondern nicht-linear und asymmetrisch (vgl. HerrmanniHuberlBraunstein 2000, Stauss 1999, Krafft 1999, Kriiger 1997, RustIZahornik 1993). Diese nicht-linearen und asymmetrischen Beziehungen zu erkennen, ist f i r ein Unternehmen unerlbslich, das die Verbesserung der Produktqualitat, die Erhohung der Zufriedenheit und die Verstarkung der Bindung nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern als Voraussetzung zur Verbesserung des Gewinns undloder der Rentabilitat. Insofern zielen die folgenden Ausfihrungen darauf ab, die Relationen zwischen den interessierenden Elementen zu analysieren und Handlungsmoglichkeiten f i r die Marketingpolitik abzuleiten.
2. Der Wirkungszusammenhang zwischen den Elementen 2.1 Produktqualitat und Kundenzufriedenheit Im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen Produktqualitat und Kundenzufriedenheit postulieren zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Praxis ein lineares Wirkungsgefige (BoltonIDrew 1991). Abweichend von diesem Linearitatspostulat zeigen allerdings die Ergebnisse der Studie von AndersoniSullivan (1993) ein anderes Bild. Die Autoren dieser Beitrage ermitteln allesamt eine nicht-lineare Beziehung zwischen den interessierenden Konstrukten. Zur Erklarung dieses Phtinomens liefert die Literatur zahlreiche Ansatze (2.B. Mittal et al. 1998). Aufgrund der Klarheit des Konzeptes und der bereits mehrfach erfolgreich durchgefihrten Anwendung (Bailom et al. 1996;
Herrmann 1998) richtet sich jedoch im Folgenden das Augenrnerk auf die Idee von Kano. Den ijberlegungen des japanischen Wissenschaftlers liegen die theoretischen Erkenntnisse des Motivationspsychologen Herzberg zugrunde. Als Ergebnis seiner Forschungsarbeiten konstatiert letztgenannter, dass die Zufriedenheit kein eindimensionales, sondern ein mehrdimensionales Konstrukt verkorpert. Im Einklang mit diesem Ansatz unterteilt Kano die Anforderungen der Kunden an die Unternehmensleistung. Hiernach existieren Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen, deren Erfiillung durch den Anbieter in unterschiedlicher Weise auf die Zufriedenheit wirkt (vgl. Abb. 2). Basisanforderungen (must be) verkorpern Musskriterien, die ein Gut unbedingt befriedigen sollte. Die Nicht-Erfiillung dieser Anspriiche bewirkt eine grol3e Unzufriedenheit, wohingegen die Erfiillung dieser Erwartungen lediglich zu einer Nicht-Unzufriedenheit fiihrt. Ein Kunde setzt haufig ohne explizites Bekunden voraus, dass das Erzeugnis den Basisanforderungen gerecht wird. Gelingt es einem Unternehmen, durch eine neue Technologie ein Basisbedurfnis besser zu erfiillen als dies bislang der Fall war, ist eine deutliche Steigerung der Kundenzufriedenheit die Folge. Dariiber hinaus reprasentiert die neue Problemlosung sehr schnell den technologischen Standard in der Branche. Diese Norm pragt die Kundenerwartungen beziiglich der Art und Intensitat der Erfiillung von Basisanforderungen. Alle Wettbewerber, die noch die alte Technologic offerieren, erleiden erhebliche Nachteile im Kampf um Umsatz- und Absatzanteile. Ein Kunde stuft diese Konkurrenten als fiir ihn irrelevante Anbieter ein, da ihre Erzeugnisse nicht mehr dem vorherrschenden technologischen Niveau entsprechen. Bei den Leistungsanforderungen (one dimensional) verhalt sich die Zufriedenheit proportional zum Erfiillungsgrad. Je hoher das AusmaR der Leistungserfiillung erscheint, desto zufiiedener ist der Kunde und umgekehrt. Solche Anspriiche werden in aller Regel vom Kunden ausdriicklich verlangt und dem Anbieter vorgetragen. Zu den Begeisterungsanforderungen (attractive) gehoren jene Kriterien, die einen besonders grol3en Effekt auf die Zufriedenheit ausuben. Diese Wunsche werden vom Kunden im Allgemeinen nicht explizit formuliert und auch nicht erwartet. Die Erfiillung solcher Erwartungen erhoht die Zufriedenheit ganz erheblich, wahrend bei einer NichtErfiillung kein Gefiihl der Unzufriedenheit aufkommt. Diese Klassifikation der Kundenanforderungen liefert bedeutsame Hinweise fiir die Produktgestaltung. Beispielhaft seien einige dieser Anhaltspunkte im Folgenden diskutiert: Aus der Unterteilung in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen resultieren Prioritaten ftir die Produktentwicklung. Es ergibt keinen Sinn, in die Erfiillung von Basisanforderungen zu investieren, sofern diese bereits zufrieden stellend erfiillt sind. Vielmehr ist in diesem Fall das Augenmerk auf die Leistungs- und Begeisterungsanspriiche zu richten, da von diesen ein beachtlicher Effekt auf die Zufiiedenheit ausgeht. Dariiber hinaus liefert dieser Ansatz wertvolle Hilfestellung zur Losung von trade offs in der Produktkonzeption. Lassen sich zwei Produktanforderungen aus technischen oder Kostengriinden nicht gleichzeitig erfiillen, ist jener Anspruch zu beriicksichtigen, der den
groaten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit aufweist. Ferner unterscheiden sich Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen in Abhangigkeit der Produktverwendungszwecke und der Nutzenerwartungen in verschiedenen Segmenten. Auf dieser Basis lassen sich mangeschneiderte Leistungspakete entwickeln, die einen hohen Grad an Zufriedenheit in den unterschiedlichen Gruppen ermoglichen.
Zufriedenheit
Begeisterungsleistung
Leistungsanforderung
Erwartung nicht erfiillt
Unzufriedenheit
(Punktlichkeit)
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Produktqualitat und Zufriedenheit Ausgehend von Abbildung 2 lasst sich zeigen, dass die Vorstellung vieler Manager, es existiere ein linearer Zusammenhang zwischen Produktqualitat und Zufriedenheit, zu einer Fehlallokation der begrenzten finanziellen und personellen Moglichkeiten des Unternehmens fiihrt. Es ist nicht ratsam, bei einer nahezu vollstandig erfiillten Basisanforderung durch umfassende Maanahmen einen Erfiillungsgrad von 100 % anzustreben, wahrend die Befriedigung moglicher Leistungs- und Begeisterungsanforderungen vollig iibersehen wird. Da die Auswirkung einer solchen Aktion auf die Zufriedenheit vernachIassigbar ist, verschwendet der Manager erhebliche Ressourcen, die zur Erfiillung von Leistungs- oder Begeisterungsanforderungen benotigt werden. Dies ist der Grund dafiir, dass es dem Transportunternehmen in Beispiel 1 nicht gelingt, die Zufriedenheit der Fahrgaste durch eine mit sehr vie1 Anstrengung betriebene Verbesserung der bereits ausreichend erfiillten Basisanforderung Piinktlichkeit zu steigern. Dagegen bildet das ,,park and ridec'-System eine Begeisterungsanforderung, die mit einem iiberschaubaren Aufwand verbunden ist und die Zufriedenheit der Kunden entscheidend zu erhohen vermag.
2.2 Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Vergleichsweise unbestritten ist auch der vermutete Zusamrnenhang zwischen Kundenzufiiedenheit und Kundenbindung (vgl. Yi 1991, Homburg/Giering/Hentschel 1998), der in verschiedenen empirischen Studien bereits eine ~berpriifungerfahren hat (vgl. Anderson/Sullivan 1993, Bauer/Huber/Betz 1998, Diller 1996, Joho 1996). Zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Kundenmfriedenheit und Kundenbindung liefern Stauss und Neuhaus (1997) einen geeigneten Ansatz, der die in der Realitat beobachtbaren Kombinationen zwischen unterschiedlichen Auspragungen der Zufiiedenheit und verschiedenen Auspragungen der Bindung zeigt. Ausgangspunkt f i r den Ansatz von Stauss und Neuhaus sind die theoretischen Uberlegungen von Bruggemann zur Arbeitszufiiedenheit. Da zur Erklarung des Wirkungsgefiges zwischen Kundenmfiiedenheit und Kundenbindung das Konzept schon eine ausfihrliche Erorterung erfuhr (Stauss/Neuhaus 1996 und 1997), beschrwen wir uns nachfolgend auf die kaufverhaltenstheoretisch relevanten Uberlegungen. Hierbei lassen sich relevante Auspragungskombinationen kennzeichnen (vgl. auch Bloemer/Lemmink 1992): Die Loyalen sind mit der Unternehmensleistung sehr zufrieden und beabsichtigen das fiagliche Erzeugnis bei der nachsten Gelegenheit erneut nachzufiagen. Bei diesen Individuen besteht keine Gefahr der Abwanderung, da es dem Anbieter offenbar gelang, eine sehr stabile Geschaftsbeziehung aufmbauen. Zu den Terroristen gehoren jene Abnehmer, die mit dem Produkt des Herstellers unmfrieden sind und aus diesem Grund einen Wechsel der Marke vornehmen. AuRerdem tendieren diese Konsumenten dam, anderen Personen iiber ihre Erfahrungen mit dem Produzenten zu berichten. Bei den Soldnern fallt der Wunsch nach einem Markenwechsel auf, obgleich sie mit dem Erzeugnis des Anbieters durchaus zufiieden sind. Trotz der Zufiiedenheit mit einer angebotenen Leistung erreicht die Unternehmung nur niedrige Kundenbindungsraten. Hinter diesem Verhalten steht vor allem das Bedurfnis nach Abwechslung in Anbetracht einer breiten Angebotspalette in einem umkampften Markt, wie etwa der Automobilbranche. Die Gefangenen zeichnen sich durch eine permanente Unzufriedenheit mit der Leistung des Unternehmens aus. Gleichwohl besteht fir sie keine Moglichkeit zum Markenwechsel, da entweder die Wechselbarrieren sehr hoch sind oder ein Monopolist als Anbieter agiert, wie zum Beispiel im offentlichen Transportsektor. Wie internationale Studien zeigen, ist die Kundenzufiiedenheit im Automobilsektor, dem Paradebeispiel einer wettbewerbsintensiven Wirtschaftsbranche, in Schweden, Deutschland und den USA sehr hoch. Im Unterschied dam rangieren die Monopolisten, wie die Deutsche Post AG, die Deutsche Bahn AG oder in einigen Landern auch die Telefonanbieter und Fernsehsender, auf der Zufriedenheitsskala ganz unten. Insofern mussten in der Automobilbranche die Loyalen und die Soldner dominieren, wohingegen im Nahverkehrssektor die Gefangenen und die Terroristen vorherrschen. Aus diesem Grund findet sich in wettbewerbsintensiven Wirtschaftszweigen eine nicht-lineare Beziehung zwischen Zufiiedenheit und Bindung (vgl. Anderson/Fornell/Rust 1997). Die Loyalitat steigt uber mittlere und groRe Zufriedenheitswerte geringfigig an (hier tauchen die
Soldner auf) und erhoht sich deutlich am Ende des Kontinuums (hier kristallisieren sich die Loyalen heraus). Bleibt noch die Frage zu beantworten, ob sich die Bindung mit steigender Zufriedenheit stetig erhoht oder ob ein asymptotischer Verlauf des Zusammenhangs zwischen diesen Variablen zu erwarten ist. Es liegt auf der Hand, letzteres zu vermuten, da nahezu alle Verbraucher genug Griinde kennen, die f i r einen Markenwechsel sprechen. Kaum ein Individuum erklart sich angesichts attraktiver Alternativen bereit, einem Erzeugnis auf unbegrenzte Zeit die Treue zu halten. Dariiber hinaus konnen sich auch Veranderungen in den Lebensumstanden eines Abnehmers ergeben, wie Ortswechsel oder VergroBerung der Familie, die diesen veranlassen, zu einem anderen Produkt zu greifen. Auf der Datenbasis des US-amerikanischen Kundenzufriedenheitsbarometers l a s t sich der in Abbildung 3 dargestellte Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Bindung rekonstruieren. Liegen niedrige und mittlere Werte f i r die Zufriedenheit vor, fihrt eine Erhohung der Zufriedenheit nur zu einer geringfiigigen Steigerung der Bindung. Dagegen bewirkt eine Steigerung der Zufriedenheit bei hohen Werten f i r die Zufriedenheit eine beachtliche Erhohung der Bindung. Bei sehr hohen Werten f i r die Zufriedenheit geht eine Anhebung der Zufriedenheit lediglich mit einer vernachlassigbaren Verbesserung der Bindung einher. Im Kern handelt es sich um drei verschiedene Marktsegmente, die sich dadurch auszeichnen, dass eine Veranderung der Zufriedenheit nicht in gleichem MaBe auf die Bindung wirkt (vgl. HerrmadJohnson 1999).
Bindung
Zufriedenheit
Abbildung 3: Der Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Bindung Mit Hilfe von Abbildung 3 lasst sich zeigen, dass die ijberzeugung, es gabe einen linearen und symmetrischen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Bindung, zu einer
Fehlallokation von Ressourcen fiihrt. Zahlreichen empirischen Untersuchungen zufolge sind in vielen Branchen die meisten Nachfrager in der Zufriedenheitszone angesiedelt, so dass wie in Beispiel 2 eine Erhbhung der Zufriedenheit nicht zwingend zu einer Steigerung der Bindung fiihrt. Dies ist der Grund fiir das haufige Scheitern von Kundenzufriedenheitsprogrammen und den daraus resultierenden Schluss von Managern, die Zufriedenheit habe keine Wirkung auf die Bindung. Als Konsequenz ist die Verlagerung von marketingpolitischen Aktivitaten zu beobachten, mit der Folge, dass die Nachfrager in die Abwanderungszone abrutschen. Dariiber hinaus verschlieflt diese Sichtweise den Blick dafir, dass Kunden aufgrund von entsprechenden absatzwirtschaftlichen Anstrengungen auch in die Vertrauenszone wandern und ihre Treue zum Unternehmen erheblich steigern (vgl. auch Bailom et al. 1998, Bolton/Lemon 1999, Bauer/Huber/Br2utigarn 1997).
2.3 Kundenbindung und Unternehmenserfolg Bei der Analyse der Wirkung der Kundenbindung auf den Unternehmenserfolg erscheinen drei Arten von Zielen relevant, namlich Sicherheit, Wachstum und Gewinn. Die unmittelbare Wirkung, die fiir einen Anbieter aus einer starkeren Kundenbindung resultiert, besteht in einem hbheren Ma0 an Sicherheit, das eine langfristige vertragliche Vereinbarung oder lediglich die zunehmende Habitualisierung des Kauf- bzw. Konsumverhaltens von Abnehmern gewahrten. Zur Begriindung lassen sich die folgenden Argumente anfiihren: Unabhangig von der Art der Bindung verstarkt sich mit zunehmender Dauer einer Geschaftsbeziehung die gegenseitige Toleranz. Dies impliziert beispielsweise, dass sich das Verhaltnis zu einem Stammkunden, der mit der Begleichung einer Rechnung im Verzug ist, nicht unrnittelbar verschlechtert. Umgekehrt bleibt ein solcher Kunde seinem Stammlieferanten in der Regel auch dann treu, wenn dieser einmal eine nicht zufrieden stellende Leistung erbringt. Die grbflere Toleranz hangt insbesondere mit einem hbheren MaR an Interaktion zusammen, die bei einer langer andauernden Relation zwischen den Partnern entsteht. Dieses intensive Miteinander schlagt sich unter anderem in einer verstarkten gegenseitigen Auskunfts- und Beschwerdebereitschaft nieder. Unternehmen, wie die Lufthansa AG und die Deutsche Bahn AG, nutzen dieses kooperative Verhalten ihrer Klientel, indem sie Kundenforen einrichten. Auf diese Weise lassen sich die Produktqualitat laufend kontrollieren und innovative Giiter und Dienste generieren. Ein weiterer die Sicherheit des Herstellers verstkkender Effekt der Kundenbindung besteht in der Verringerung verschiedener Risiken, wie Bonitats-, Transport- und Wahrungsrisiken. Dariiber hinaus vermindert sich das Produktinnovationsrisiko, da der Anbieter die Kundenbediirfnisse besser kennt. Eng damit verbunden ist die Reduktion des
Investitionsrisikos durch eine starker an den Erfordernissen des Absatzmarkts ausgerichtete Innovationspolitik des Managements. Neben der Gewahrleistung von Sicherheit birgt eine langfristige Kundenbindung auch erhebliche Wachstumschancen fiir ein Unternehmen. Diese Facette erscheint in Anbetracht der zu beobachtenden SSittigung in vielen Konsum- und InvestitionsgutennLkten von zentraler Bedeutung. Folgende Uberlegungen sind an dieser Stelle relevant: Eine Intensivierung der Kontakte fihrt oftmals m einer verstarkten Kundenpenetration, das heifit, die Kauffrequenz sowie das Kaufvolumen steigen mit zunehmender Dauer der Geschaftsbeziehung. Hinzu treten cross buying-Effekte, da die Kunden auch zu anderen Angeboten aus der Leistungspalette des angestammten Lieferanten greifen. Unternehmenswachstum resultiert nicht nur aus einer starkeren Kundenpenetration, sondern auch aus einer Ausweitung der Menge der treuen Nachfrager. Dazu tragen ganz besonders die Referenzbereitschaft und Empfehlungsneigung der Stammkunden bei. Bekannterweise gilt die Mundwerbung als besonders glaubwiirdig, weil sie vom Anbieter nicht beeinflusst ist. Dieser Zusammenhang zwischen Kundenbindung und Weiterempfehlungsbereitschaft geht auch aus den Daten des Deutschen Kundenbarometers hervor. Dort zeigt sich eine nahezu lineare Beziehung zwischen den beiden GroRen in der Automobilindustrie. Enge Beziehungen zur Klientel erleichtern auch die Gewinnung von Neukunden, wie dies seit langer Zeit beispielsweise in der Zeitungsbranche verbreitet ist. Es gilt als erwiesen, dass Personen, die aufgrund einer Empfehlung von Bekannten kaufen, eher zu loyalem Verhalten tendieren, als jene, die zum Beispiel uber eine Anzeige vom Angebot des Produzenten erfuhren. Insofern tragt die Mundpropaganda mafigeblich zum Aufbau eines Kundenstamms bei. Zahlreiche Studien belegen den positiven Effekt der Kundenbindung auf den Unternehmenserfolg (vgl. Baharadwaj 1996, ButzIGoodstein 1995, KalwaniNarayandas 1995). Bei 100 Unternehmen aus verschiedenen Dienstleistungszweigen lien sich feststellen, dass zwischen dem Grad der Kundenbindung und der Gewinnhohe ein enger Zusammenhang besteht. Hiernach steigt der Gewinn pro Kunde mit zunehmender Dauer der Beziehung zum jeweiligen Anbieter, wenn auch in unterschiedlich starkem MaRe je nach Branche. Wie Abbildung 4 veranschaulicht, belauft sich beispielsweise der Gewinn pro Pkw-Fahrer bei einer Autowerkstatt im vierten Jahr der Beziehung auf mehr als das Dreifache des Ertrags, den jener im ersten Jahr erbringt. Eine Kreditkartenorganisation verzeichnet erst im zweiten Jahr der Geschaftsbeziehung uberhaupt einen Gewinn, der aber stetig steigt. Die mit zunehmender Beziehungsdauer steigende Rentabilitat ist auf die Bereitschaft zur Weiterempfehlung, geringere Verwaltungs- und Vertriebskosten, eine hohere Kauffrequenz und gestiegene RechnungsbetrBge mruckzufiihren. Als Ergebnis einer von Sharp und Sharp (1997) durchgefiihrten Studie, bei der 745 Kunden von Tankstellen, Warenhausern und Supermarkten befragt wurden, konstatieren die Untersuchungsleiter, dass die Teilnahme von Kunden an einem Bonusprogramm zu einer
erhohten Kaufhaufigkeit bei unveranderter Penetration fihrt, so dass es nach Einfihrung der Kundenbindungsmaljnahme zu einem Ruckgang des Umsatzes pro Einkauf kommt. Nicht unerwahnt bleiben sol1 daher die Moglichkeit der Gewinneinbulje durch ein falsch initiiertes Kundenbindungsmanagement. Anlass fiir diesen nicht erwiinschten Effekt kann sein, wenn den durch die hohere Kauffiequenz entstehenden Kosten keine Ertrage in zumindest gleicher Hohe gegenuberstehen. Die von vielen Managern postulierte Vorstellung, der Zusammenhang zwischen Kundenbindung und Unternehmenserfolg sei linear und symmetrisch, fihrt wie in Beispiel 3 zu einer gravierenden Fehlallokation von finanziellen und personellen Ressourcen. Gemalj Abbildung 4 ergeben sich f i r unterschiedliche Branchen unterschiedliche Zusammenhange zwischen den initiierten Kundenbindungsmaljnahmen und dem Erfolg, die allerdings keinesfalls auf eine Linearitat hindeuten. Ohne Zweifel begriiljen die Kunden alle Anstrengungen des Anbieters zur Verbesserung der Bindung. Ob die Aktionare die Wirksamkeit einer Allokation von BindungsmaBnahmen nach dem Gieljkannenprinzip als geeignet einstufen, ist jedoch zu bezweifeln. Die Asymmetrie und Nicht-Linearitat geht auch aus den Daten des schwedischen Kundenzufiiedenheitsbarometers hervor. Hiernach bewirkt eine Erhohung der Zufiiedenheit um 1 % eine Steigerung der Rentabilitat um 2,4 %. Umgekehrt fiihrt eine 1%-ige Verminderung der Zufriedenheit zu einer 5,1%-igen Senkung der Rentabilitat.
Kreditkartenanbieter
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Autowerkstatl
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1
Jahr
2
3 4 Jahr
5
Abbildung 4: Gewinnentwicklung in Abhangigkeit der Dauer einer Geschaftsbeziehung im Kreditkartensektor und der Pkw-Branche
3. Unternehmenspolitische Implikationen Der nicht-lineare und asymmetrische Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen der in Abbildung 1 dargestellten Wirkungskette bildet den Gmnd dafir, dass eine
beachtliche Zahl von Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsprogrammen scheitern. Diese Erkenntnis darf jedoch nicht dam fiihren, auf Aktivitaten dieser Art grundsatzlich zu verzichten. Vielmehr besteht die Herausfordemng darin, den Wirkungszusammenhang zwischen Produktqualitat, Zufriedenheit, Bindung und Unternehmenserfolg aus einer Gesamtschau heraus zu untersuchen. Ein solcher Ansatz ist unerlasslich, um aus den Untersuchungen wirkungsvolle marketingpolitische Handlungsmoglichkeiten abzuleiten, deren Ertrag den damit verbundenen Aufwand rechtfertigt. Zur Verdeutlichung dieser Idee seien die wichtigsten Analyseschritte dargestellt: Wie aus den voran stehenden Ausfiihrungen hervorgeht, bilden die Nachfrager keine homogene Einheit, sondern unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einschatzungen und Verhaltensweisen. Insofern verkorpert der Absatzmarkt ein differenziertes Gebilde, das aus mehreren Kundentypen besteht, die jeweils ein bestimmtes Muster der Wahrnehmung und Beurteilung von Leistungen aufweisen. Fur den erfolgreichen Einsatz der absatzwirtschaftlichen Instrumente ist es erforderlich, die Nachfrager im Hinblick auf ihre Reaktionen bei Produktqualitatsmodifikationen sowie VerSinderungen der Zufriedenheits- und Bindungsmafinahmen in Gruppen zu unterteilen. Beispielsweise ergaben Studien in der Versicherungsbranche, dass bis zu 30 % der Kunden eines Unternehmens treu bleiben, unabhangig vom AusmaR ihrer (Un-) Zufriedenheit. In der Pkw-Branche treten Nachfrager auf, die mit der Leistung eines Anbieters sehr zufrieden sind, aber beim nachsten Fahrzeugkauf mit Sicherheit die Marke wechseln. Im Anschluss an die Segmentierung ist es erforderlich, die Kunden hinsichtlich ihres Werts fiir das Unternehmen zu klassifizieren. Hierbei geht es vor allem darum, jene Nachfrager zu identifizieren, die mit erheblichen Mehrkaufen oder einer intensiveren Mundpropaganda auf Zufriedenheits- und Bindungsmafinahmen reagieren. Besteht ein starker Zusammenhang zwischen diesen beiden Grofien, so leistet die Kundenzufriedenheit als Indikator fur die Kundenbindung wertvolle Dienste. Wird die Kundenzufriedenheit erhoht, fiihrt dies zu einer Erhohung der Kundenbindung. 1st einem Unternehmen dieser Zusammenhang bekannt und besteht noch Verbesserungsbedarf, dann sind zufiiedenheitssteigernde Mafinahmen ein effizientes Mittel zur Erhohung der Kundenbindung. Besteht ein nur schwacher Zusammenhang, ist es sinnvoll, Mafinahmen zur Kundenbindung zu forcieren. Diese mussen so konzipiert sein, dass sie den Kunden einen Zusatznutzen iiber das eigentliche Kernangebot hinaus liefern und damit die Bindung der Kunden an das Unternehrnen erhohen. Daruber hinaus interessieren auch die Kauf- und Konsumhistorien sowie das Ausmafi des Produktinvolvement und der Meinungsfihrerschaft der Nachfrager. Diese Kriterien geben Auskunft uber Umsatzpotential des einzelnen Kunden sowie dessen Moglichkeiten, in seinem sozialen Umfeld andere Personen zum Kauf einer bestimmten Marke zu bewegen. Alle Faktoren zusammen ermoglichen dem Anbieter eine mehrdimensionale Einstufung der Nachfiager in A-, B- und C-Kunden und damit eine Verteilung der finanziellen und personellen Ressourcen in Abhangigkeit der Attraktivittit der Abnehrner.
Eine zentrale Voraussetzung f i r die segment- bzw. kundenspezifische Allokation von Zufriedenheits- und BindungsmaRnahmen bildet das data-base-Marketing Hierbei geht es darum, die Kauf- und Konsumgewohnheiten jedes Nachfragers zu erfassen und somit auf individueller Basis den Zusammenhang zwischen Produktqualitat, Zufriedenheit, Bindung und Unternehmenserfolg zu rekonstruieren. Firmen, die mit einem System dieser Art arbeiten, konnen ihre finanziellen und personellen MBglichkeiten entsprechend den Wunschen und Vorstellungen der Nachfrager sowie deren individueller Reaktion auf Zufriedenheits- und Bindungsaktivitaten einsetzen. Zur Erfassung von Individualdaten bieten sich beispielsweise Kundenkarten oder auch Rabattsysteme, wie etwa die miles and more-Karte der Lufthansa AG, an. Nahezu alle Zufriedenheitsfragebogen sind so gestaltet, dass sie eine sukzessive Verbesserung der betrachteten Leistung ermoglichen. Was jedoch zumeist aus solchen Befragungen nicht hervorgeht, sind grundlegend neue Leistungsfacetten, die beim Kunden Begeisterung erzeugen. Daher bedarf es einer Erganzung der itemspezifischen Befragung um ereignisorientierte Ansatze. Solche Techniken erlauben die ungestiitzte Erfassung von Eindriicken und Empfindungen im Rahmen einer konkreten Kauf- bnv. Konsumsituation. Auf diese Weise lassen sich Hinweise fir substantielle Produktverbesserungen oder sogar f i r vollig neue Leistungen gewinnen. Diese Erweiterung der Befragung ist erforderlich, um das Augenmerk nicht ausschlieRlich auf die bestehende Produktpalette zu richten, sondern standig nach neuen Produktkonzepten Ausschau zu halten. Die Erfassung des nicht-linearen und asymmetrischen Zusammenhangs zwischen den in Abbildung 1 dargestellten Elementen reicht f i r die Verbesserung des Unternehmenserfolgs nicht aus. Hierzu ist es unerlasslich, die gewonnenen Erkenntnisse in konkrete marketingpolitische Aktionen umzusetzen. Dies lasst sich am besten mit einer Priorittitenliste erreichen, aus der hervorgeht, welche Kundensegmente mit welchen marketingpolitischen MaRnahmen zu bearbeiten sind. In diesen Prozess der Prioritatenbildung sollten moglichst viele Funktionsbereiche integriert sein, damit die ausgewahlten Aktivitaten wirkungsvoll sind. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass jene MaDnahmen ergriffen werden, die besonders erfolgsversprechend erscheinen, und alle Bereiche des Unternehmens die gleichen Ziele verfolgen. Zur konsequenten Umsetzung der Erkenntnisse uber den Zusamrnenhang zwischen Produktqualitat, Zufriedenheit, Bindung und Unternehmenserfolg ist es unerlbslich, interdisziplinare Teams zu bilden. Es reicht nicht aus, dass die Marketingabteilung uber den Wirkungsverbund der betrachteten Elemente wein. Vielmehr sind diese Erkenntnisse den Verantwortlichen in Produktion sowie in Forschung und Entwicklung zu vermitteln. Nur so ist es moglich, Markterfordernisse in konkrete Anforderungen an die Unternehrnensleistung zu ubertragen. Hierzu bietet es sich an, interdisziplinare Teams einmrichten, die einen unmittelbaren und schnellen Austausch der haufig divergierenden Vorstellungen insbesondere von Marketing-, Vertriebs- und Produktionsmanagern erlauben.
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Prof: Dr. Andreas Herrmann Institut fur Medien- und Kommunikationsmanagement Universitat St. Gallen Blumenbergplatz 9 CH-9000 St. Gallen Dr. Frank Huber, Dip1.-Kfl Christine Braunstein Center for Market-Oriented Product and Production Universitat Mainz Welderweg 0-55099 Mainz
Heinz K. Stahl
Kundenloyalitat kritisch betrachtet
1. Zur Klarheit der Begriffe 2. Die drei Schichten der Kundenloyalitat 2.1 Die ,,triigerischeUKundenloyalitat 2.2 Die ,,bedingtea Kundenloyalitat 2.2.1 Die Zweiseitigkeit der ,,bedingtend'Kundenloyalitat 2.2.2 Typische Wechselbarrieren 2.2.3 Vorsicht vor der Reaktanz 2.2.4 Hinweise auf die Starke der ,,bedingten" Kundenloyalitat 2.3 ,,Commitment" 3. AbschlieRende Bemerkungen
1. Zur Klarheit der Begriffe Man spricht ublicherweise von Produkt-, Marken-, System-, Handler-, Ladentreue usw., wenn die Treue des Kaufers gegeniiber dem Produkt, der Marke, des Ladens usw. gemeint ist. Setzt man nun statt Produkt, Marke usw, den Lieferanten ein, d a m ware der sprachlogisch richtige Begriff "Lieferantentreue" oder "Lieferantenloyalittit" (engl.: "source loyalty"). In der einschlagigen Literatur ist jedoch uberwiegend von der "Kundentreue" die Rede. Wenn ich daher in diesem Beitrag meinen puristischen Neigungen widerstehe und ebenfalls die Begriffe Kundentreue oder Kundenloyalitat verwende, dann aus rein praktischen Griinden. Heute werden die meisten Markte von der "Nachfrage" dominiert und die spannende Frage ist nicht die Treue des Lieferanten, sondern vie1 mehr die des Kunden. Es ist der Kunde, der im Mittelpunkt des Geschehens steht und auf den sich somit alle Wortschopfungen automatisch beziehen, wie etwa die Kombinationen mit Zufriedenheit, Bindung, Nahe, Orientierung usw. belegen. Konnen Loyalitat und Treue ohne weiteres als Begriffe mit derselben Bedeutung verwendet werden? Nun der erste, weniger schwerwiegende Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass Treue eher mit gefiihlsbetontem Verhalten in Verbindung gebracht wird als der sachlichere Begriff der Loyalitat. Das sol1 heisen, dass bei der Loyalitat mehr das "Gesatzte", der Vertrag, die Interessen anderer zum Ausdruck kommen, wahrend die Treue eher an "Sitte", Moral oder Tugend erinnert. Beide beinhalten das Risiko des Bruches und sind dadurch mit dem Phanomen des Vertrauens verknupft. Vertrauen ist ja nichts anderes als eine riskante Vorleistung, die mir Handlungsmoglichkeiten erschliest, die ohne Vertrauen unwahrscheinlich geblieben oder gar nicht erst zum Zuge gekommen waren (vgl. Luhmann, 1989, S. 25f.). Dessen ungeachtet geht die Treue einen Schritt weiter als die Loyalitat. Sie erzeugt neben dem Vertrauen auch Hoffnung. Dieser zweite Unterschied zwischen Loyalitat und Treue ist gravierender: Wer vertraut, ist sich der Unsicherheit des Ergebnisses bewusst und stellt sich ihr; wer hofft, verdrangt die Unsicherheit einfach durch Zuversicht. Oder anders ausgedriickt, wer auf Loyalitat baut, nimmt in Kauf, dass es auch anders kommen kann; wer auf Treue setzt, klammert diese Moglichkeit zumindest ein. Ich mochte mich nicht dem Vorwurf der Haarspalterei aussetzen. Dennoch: Beide Unterschiede zusammengenommen erscheinen mir bedeutsam genug, um fur die hier interessierenden Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten dem Begriff Loyalitat den Vorzug zu geben. Dieses Votum verkennt nicht, dass die Grenze zur Treue unscharf ist - etwa wenn blind vertraut wird oder wenn die Beziehung auf einer oberfliichlichen (und daher schwankenden) Begeisterung beruht. Abgesehen von diesen Randerscheinungen wird die "Gefolgschaft" des Kunden gegeniiber "seinem" Lieferanten doch eher einem loyalen Verhalten ahneln.
2. Die drei Schichten der Kundenloyalitat Wann wird nun ein Kunde f i r loyal gehalten? Fragt man Praktiker, so erhalt man hochst unterschiedliche Antworten. "Ich sehe das sofort aus der Kundenkartei: wer regelmaRig wiederkommt, ist loyal." "Ach, das kommt an sich sehr selten vor: Wenn die Konkurrenz dem Kunden die Bude einrennt, wir auljerdem noch Mist gebaut haben und er trotz allem zu unserer Beziehung steht." "Im Geschaft gibt es keine "Nibelungentreue"; wir studieren unsere Kunden bis ins kleinste Detail; mit diesem Wissen ausgeriistet machen wir ihnen den Wechsel so schwer wie moglich." Typisch f i r diese ausgewahlten Antworten sind die verschiedenen Perspektiven, die sie widerspiegeln: @
8a
(a) die "triigerische", nach dem Motto, wer offensichtlich nichts auszusetzen hat, ist loyal; (b) die "eng gefasste", die fast schon an Anhangerschaft erinnert, weil man fest zum Lieferanten halt und dies vielleicht auch noch "8ffentlich" macht; und (c) die dazwischen liegende, die Loyalitat als grundsatzlich machbar und formbar ansieht.
Man kann sich so die Kundenloyalittit aus drei verschiedenen Schichten bestehend (vgl. Abb. 1) vorstellen: einem inneren Kern, der die belastbare Form der Kundenloyalitat darstellt und in Anlehnung an die Beziehungsforschung "Commitment" genannt werden soll; M einer mittleren Schicht, die eine an konkrete Bedingungen gekniipfte, also "bedingte" Kundenloyalittit beinhaltet und somit eine freiwillig eingegangene "Kundenbindung" darstellt; und iBs einer auljeren Schicht, die dadurch entsteht, dass an die Kundenloyalitat lediglich der MaRstab des "Wiederkaufverhaltens" angelegt wird, was "einer oberfllchlichen" oder gar "triigerischen" Kundenloyalitat entspricht. 8a
Diese drei Auspragungen der Kundenloyalitat sollen im folgenden ausfihrlich behandelt werden, wobei jeder ein bestimmtes theoretisches Konzept zugrunde gelegt wird: das Instrument der Kundenstrukturanalyse f i r das Wiederkaufverhalten; die Idee eines Gleichgewichtes zwischen Anreizen und Beitragen als Erklarung f i r die Kundenbindung; und, f i r das Commitment, die Idee eines Gleichgewichtsstrebens, das auf einer subjektiven Umwertung einer bestehenden Beziehung beruht.
I
/ Wiederkaufverhalten \
"trugerische" Kundentreue
"belastbare" Kundentreue
I f--
"bedingte" I Kundentreue
I
Abbildung 1 : Ein Schichtenmodell der Kundenloyalitat
2.1 Die "triigerische" Kundenloyalitat Das Wiederkaufverhalten ist beobachtbar und kann damit "gemessen" und statistisch erfasst werden. Es besagt allerdings zunBchst nichts iiber die dahinter liegenden Motive, ihre Belastbarkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass sie aufrechterhalten wird. Der Kunde kann aus Bequemlichkeit, mangelndem Involvement, liefertechnischen Griinden, Versehen usw. Folgekaufe tatigen, die beim Lieferanten den Eindruck einer Loyalitat erzeugen. Ob sie aus einem gewohnheitsmafiigen oder anerzogenen Verhalten resultiert oder weil der Kunde das Risiko des Unbekannten scheut, bleibt unerkannt. Bei dieser Loyalitat spielt auch die zufallgesteuerte Auswahl eine wichtige Rolle. Steht z.B. eine Kaufentscheidung an, die nur eine geringes Involvement des Kunden verlangt, so wird aus einer bestimmten Anzahl gedanklich eingegrenzter und im Gedachtnis als beachtenswert verankerter Marken, Produkte oder Lieferanten eine MSglichkeit spontan, d.h, ungeplant und ohne formale Vorgangsweise, ausgewahlt. Wird fir die Einschatzung der Kundenloyalitat ausschliefilich das Wiederkaufverhalten herangezogen, so ist das Ergebnis zwangslaufig eine "triigerische" Art der Kundenloyalitat. Sie kann nur nominal klassifiziert werden, d.h. der Kunde ist entweder loyal, weil er kauft, oder nicht loyal, weil er nicht mehr kauft.
So naiv diese Vorgehensweise auch erscheinen mag, so sehr lassen sich einige gewichtige Punkte zu ihrer Ehrenrettung vorbringen. Zunachst gehort es auch heute noch keineswegs zur guten praktischen Routine, das Kaufverhalten seiner Kunden systematisch zu beobachten. Noch vor kurzem wurde z.B. der Kenntnisstand deutscher Unternehmen hinsichtlich ihrer Kundenstruktur als "volliges Desaster" bezeichnet (vgl. Homburg1 Daum 1997, S. 57). Nach wie vor richtet man sich vorzugsweise am (anonymen) Umsatzvolumen aus und unterstiitzt das Ganze noch mit Anreizsystemen, die einseitig das Wachstum (ohne Beriicksichtigung des Gewinnbeitrages) und die Neukundengewinnung (ohne Beriicksichtigung des Potentials) belohnen. Insofern ist jede Hinwendung zum Objekt der Kundenbeziehung, und sei es auch nur in Form einer statistischen Verfolgung des Wiederkaufverhaltens, bereits ein Fortschritt. Eine solche Vorgehensweise ebnet auch den Ubergang zur Kundenbindung. Sie weckt erfahrungsgemafl das Interesse an einer hoheren Transparenz der Kundenbeziehungen. So wird man z.B. versuchen, auch qualitative Informationen uber die Kunden zu sammeln, die Kundenbeziehungen zu klassifizieren und die eigenen Strategien danach auszurichten. Im Massenkundengeschaft wird dies allerdings schwer einzufiihren und noch schwerer durchzuhalten sein. Anders als bei der Prognose der Wiederkaufrate spezieller Produkte oder Marken, wo stochastische Prozessmodelle (z.B. das Parfitt-Collins-Modell; vgl. Parfitt/Collins 1972) eingesetzt werden konnen, bewegen wir uns bei der Einschatzung der triigerischen Kundenloyalitat auf wesentlich einfacherem Niveau. So liefert z.B. eine Gruppierung samtlicher Kundenbeziehung nach ihrer Dauer die Altersstruktur und damit die "Umschlagshaufigkeit" des Kundenstamms. 1st diese im Vergleich zum Branchendurchschnitt hoch, so wird das Unternehmen stark auf die Gewinnung von Neukunden ausgerichtet sein. Ob eine solche Strategie auch Bkonomisch sinnvoll ist, enthullt die Gegeniiberstellung der Altersstruktur mit den erwirtschafteten Deckungsbeitragen. Abbildung 2 zeigt das Beispiel eines Unternehmens aus der Verbrauchsguterbranche. Das Umfeld ist gekennzeichnet durch Kontinuitat ohne groflartige technologische Veranderungen sowie geringes Involvement und eher auf Sicherheit bedachtes Kaufverhalten der Verbraucher. Umso iiberraschender ist die hohe Abwanderungsrate im zweiten und dritten Jahr. Sie signalisiert eine schwache Kundenloyalitat. Andererseits gibt es einige "hartnackige" Kunden, die ungewohnlich lange "bei der Stange bleiben". Das Lieferantenunternehmen verspielt hier offensichtlich ein groaes Loyalitatspotential. Tatsachlich ist in diesem Beispielfall die Produktion das Paradesttick, der Kundendienst hingegen der Schwachpunkt des Unternehmens. Die Provisionssatze des AuRendienstes sind auflerdem stark auf die Akquisition von Neukunden ausgerichtet. Und: der neu gewonnene Kunde gilt allgemein als "Jagdtrophae". Wie notwendig es ist, sich mit der Kundenabwanderung als Kehrseite des Wiederkaufverhaltens zu beschaftigen, zeigt Abbildung 3.
-
1
2
3
4 5 6 7 8 Bez~ehungsdauer(Jahre)
9
10
Anzahl der Kunden Deckungsbeitrag pro Jahr pro Kundengruppe
Abbildung 2: Beispiel fiir die Alters- und Deckungsbeitragsstruktur von Kundenbeziehungen Eine angenommene weitere Zunahme der Abwanderungsrate um ein Viertel des gegenwartigen Niveaus wiirde sich im Laufe der Jahre zu einem betrachtlichen Deckungsbeitragsverlust summieren. Umgekehrt konnten mit einer Verbesserung der Loyalitatsrate um 25 % erhebliche Deckungsbeitragszuwachse realisiert werden. Die Griinde dafiir sind vielfaltig. Zum Beispiel konnen die hohen Aufivendungen fiir die Neukundengewinnung zumindest zum Teil in die Pflege und Entwicklung bestehender Kundenbeziehungen investiert werden. Dies lohnt sich unter der in der Praxis erharteten Annahme, dass die Deckungsbeitrage um so starker steigen, je langer die Beziehung besteht: Die Einmalkosten der Neukundenakquisition verteilen sich auf einen langeren Zeitraum; "Querverkaufe" aus anderen Unternehmensbereichen ("Cross-Selling") erhohen den Umsatz je Kunden; mit zunehmender Beziehungsdauer sinken die Routinekosten; Kunden sind auch oft bereit, fiir Bekanntes und damit Bewahrtes hohere Preise zu zahlen; Langzeitkunden betreiben positive Mundwerbung fiir den Lieferanten usw. (vgl. auch ReichheldISasser 1991). Eine "mitlaufende" Investitionsrechnung je Kundenbeziehung wiirde sehr rasch offen legen, dass Kundenabwandemng das Unternehmensergebnis weitaus starker beeinflussen kann, als die klassischen Wettbewerbsfaktoren wie UnternehmensgroBe, Marktanteil oder Arbeitsproduktivitat.
%'
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-8 C 3
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3
a 6
b -. 9 L
3
7
8
0
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9
10
Jahre Aktuelle Abwanderungsrate Abwanderungsrate sinkt auf 75% des gegenwartigen Niveaus Abwanderungsrate steigt auf 125% des gegenwfirtigen Niveaus
Abbildung 3: Projektion des Deckungsbeitrags auf der Basis unterschiedlicher Abwanderungsraten (in Anlehnung an PageIPittlBerthon 1996, S. 826) Im Kreditkartengeschaft entspricht z.B. eine zweiprozentige Verringerung der Abwanderungsrate einer etwa zehnprozentigen Senkung der kundenbezogenen Kosten. Daraus wird deutlich, welchen strategischen Stellenwert die Kundenabwanderung einnehmen sollte. Kundenbeziehungen sind Investitionsobjekte (vgl, z.B. Plinke 1989) und eine Kundenabwanderung kommt meist einem Substanzverlust des Unternehmens gleich. Umso notiger ist es daher, die Loyalitat der Kunden - oder im Massenkundengeschaft zumindest von geeigneten Kundengmppen - iiber das blolje Wiederkaufverhalten hinaus zu untersuchen.
2.2 Die "bedingte" Kundenloyalitat Eine verlorene Kundenbeziehung sollte unbedingt als "Lernobjekt" behandelt werden. Wamm fallt das vielen Unternehmen so schwer? Dafiir gibt es mehrere Griinde: Der Zusammenhang zwischen Kundenverlust und Gewinn oder Cashflow ist zu wenig bekannt. Viele Firmen reagieren, wenn iiberhaupt, zu spat auf eine Kundenabwanderung, denn Misserfolge zu thematisieren ist fiir die Betroffenen weder angenehm noch karrierefordernd. Eine einseitige Fixiemng auf die Kundenzufriedenheit wiegt das Management oft in der Sicherheit, ohnedies alles Notwendige gegen Kundenabwanderung zu unternehmen. Der Wert zuriickliegender Ereignisse ("Wir haben doch immer so vie1 fiir
den Kunden getan") wird uberschatzt und jener jungster Episoden ("Solche Pannen konnen eben passieren") unterschatzt. Die Ursachen f i r Kundenabwanderung liegen meist nicht in einem bestimmten Ereignis oder bei einer bestimmten Person. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Kunde das Gleichgewicht zwischen den erhaltenen Anreizen, die Beziehung aufrechtzuerhalten, und den Beitragen, die er dafir geleistet hat, als fundamental gestort empfindet. Der Kunde bleibt also so lange loyal, wie aus seiner Sicht innerhalb gewisser Schwellen - die Bedingung der Balance zwischen Anreizen und Beitragen gewahrleistet ist.
2.2.1 Die Zweiseitigkeit der "bedingten" Kundenloyalitat Diese "bedingte" Kundenloyalitat ist somit enger gefasst als das Wiederkaufierhalten. Erstens besteht hier eine konkrete Absicht wieder zu kaufen; zweitens, beruht diese Absicht auf einem erworbenen Wissen uber die Leistungsfahigkeit und Vorziige des Lieferantenunternehmens; und drittens spielen auch Empfindungen, wie etwa Sympathie, Bewunderung, Achtung usw., eine Rolle. Die klassische Produkt- oder Markentreue fallt daher nicht unter die Kundenbindung, weil hier der Lieferant ohne weiteres anonym bleiben kann. Die "bedingte" Kundenloyalitat ist immer das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen Kunde und Lieferant. Der Kunde bleibt "treu", solange dieses Ergebnis besser zu sein scheint als das von anderen Lieferquellen in Aussicht gestellte. Die "bedingte" Kundenloyalitat ist zweiseitig: Der Kunde bindet sich freiwillig an den Lieferanten, wenn die Bedingungen "stimmen"; und der Lieferant kann den Kunden an sich binden, wenn er diese Bedingungen zu schaffen und erhalten vermag. Der Kunde (und natiirlich auch der Lieferant) wird, mehr oder weniger regelmaljig, den durch die Anreize gestifteten Nutzen mit seiner Beitragsleistung vergleichen. "Erwirtschaftet" (was sich nicht nur auf rein materielle Aspekte bezieht) die Beziehung fiir ihn hohere Anreize als zur Kompensation seiner Beitrage notwendig sind, so entsteht ein ~berschussoder "slack" (vgl. Steffenhagen 1975, S. 52). Dieser wirkt als Puffer f i r den Fall, dass sich die Beitrage des Kunden im Zeitablauf erhbhen und so das Mindestanreizniveau immer naher ruckt. Neben dem Wissen, welche Anreize am wirkungsvollsten, wirtschaftlichsten und dauerhaftesten den Kunden zu Beitragen veranlassen konnen, gibt es also noch einen zweiten f i r die Kundenloyalitat entscheidenden Kenntnisfaktor: die "Schwelle der Zumutbarkeit". Sie stellt gleichzeitig einen der wunden Punkte des Kundenmanagements in der Praxis dar. Die Schwelle der Zumutbarkeit wird namlich wesentlich von der Verfahrensweise beeinflusst, durch den Anreize und Beitrage ausgehandelt werden. Wird der Prozess als fair und gerecht, also "angemessen" empfunden, so liegt die Schwelle haher als im umgekehrten Fall. Arger und Konflikte in sowie die spontane Abwanderung aus Kundenbeziehungen haben sehr oft ihre Ursache in einer verletzten "Verfahrensgerechtigkeit" (vgl. auch Bierhoff 1992). Es fehlt einfach der Vertrauenspuffer einer empfundenen Fairness.
Eine solche typische Verletzung stellt die Art und Weise dar, wie Unternehmen haufig mit dem "Widerspruch" des Kunden umgehen. Aufgabe des Widerspruchs - als Alternative zur Abwanderung - ist es ja, "(eine) Firma oder Organisation auf ihre Fehler aufmerksam zu machen", so Albert 0. Hirschman, einer der grorjen sozialwissenschaftlichen Umdenker (vgl. ders. 1974, S. 27). Im deutschen Sprachgebrauch scheint der "Widerspruch" allerdings die ausschliel3liche Form der "Beschwerde" angenornmen zu haben." Das ist mehr als nur eine Pedanterie der Worte, denn "(alle) im Unternehmen hassen Beschwerden" (StaussISeidel 1996, S. 13). Die Mitarbeiter des Lieferanten flihlen sich auf diese Weise unzulassig kritisiert und in ihren Aufgaben blockiert. Daher ist es heute Mode geworden, sich personlich bei Mitgliedern der GeschSiftsleitung zu "beschweren". Dies lost jedoch innerhalb des Unternehmens genau jene Verteidigungsmechanismen aus, die man durch eine wohlgemeinte Kundenorientierung auszuschalten suchte: die Schuld moglichst anderen zuweisen, Informationen unterdriicken, verkurzen und verzerren, sich einigeln, eine "Mauer" um das Unternehmen bauen. Eine "Verfahrensgerechtigkeit" wird hingegen nur erreicht werden konnen, wenn sich der "Widerspruch" ubende Kunde als Beteiligter im Verfahren fiihlen darf.
2.2.2 Typische Wechselbarrieren Die "bedingte" KundenloyalitBt ist ein Wechselspiel zwischen den Versuchen des Lieferanten, die Beweglichkeit des Kunden einzuschranken, und der Bereitschaft des Kunden, dafiir gewisse Vorteile einmtauschen. Abgesehen von einer mBglichen Tragheit oder Risikoscheu des Kunden, gibt es typische Barrieren, die seine Beweglichkeit einschranken konnen. Je grorjer die Marktmacht des Kunden ist, desto eher und intensiver wird der Lieferant versuchen mussen, solche Wechselbarrieren aufzubauen. Diese konnen materieller, wissensma~iger,emotionaler oder rechtlicher Natur sein. Eine materielle Wechselbarriere liegt vor, wenn der Kunde z.B. in Sachguter, Personal, Ausbildung, Training, Organisation investiert, um die Beziehung zum Lieferanten aufzubauen undloder zu erhalten. Da diese Investitionen ausschlierjlich flir die Beziehung getatigt und daher bei einem Abbruch der Beziehung wertlos werden, ist die Beweglichkeit des Kunden eingeschrankt. Bei einer wissensrna$igen Wechselbarriere gelingt es dem Lieferanten, durch besondere Fahigkeiten und Fertigkeiten ("Kompetenz") in Verbindung mit einer gelungenen Selbstdarstellung ("Impression Management"), eine bevorzugte Position im GedBchtnis der Einfluss besitzenden Personen des Kunden zu erlangen. So kBnnen z.B. nicht oder nur schwer kopierbare Dienstleistungen durch ihren Charakter der Einzigartigkeit die Bindungsbereitschaft des Kunden erhohen. Materielle und wissensm~rjigeBarrieren fiihren zu einer "Zweckbindung" (vgl. Diller 1996a), d.h. die Beziehung beruht auf vornehmlich sachlichen Erwagungen. Eher "kalt" und daher besonders bruchanfallig ist die "Beziehung auf Absprung"; hier konnen enttauschte Kundenerwartungen immer nur mit Muhe und im letzten Augenblick durch zusatzliche materielle Anreize kompensiert werden. Oder die "Beziehung auf Vorbehalt", in der auf
beiden Seiten die Bereitschaft fehlt, in Vertrauensvorschiisse zu investieren, wodurch eine Patt-Situation entsteht und sich die Partner auf die absolut notwendigen Beitrage beschranken. So wichtig die Beachtung der sog. "Muss-Faktoren" (Faktoren, deren Vernachlassigung ausgepragte Unzufriedenheit hervormfen) fir die Kundenbindung auch sein mag, sie fihrt lediglich zu gewohnheitsmayigen Wiederkaufen. Um mehr zu erreichen, muss Gleichgiiltigkeit abgebaut und 2.B. ein Gefihl der Zugehorigkeit oder Anhangerschaft erzeugt werden. Eine "kalte" Bindung wird erst "warm", wenn der Lieferant die Beziehung emotional unterlegt und 2.B. Stirnmungen zu beeinflussen, Begeisterung zu wecken oder Beziehungsepisoden als Erlebnisse zu gestalten versteht (vgl. Diller 1996a). Das Wesen einer emotionalen Wechselbarriere besteht einmal darin, dass das Spektrum an Anreizen und Beitragen wesentlich enveitert wird, wodurch z.B. Sympathie, Anerkennung, Dankbarkeit, Bewunderung usw. ins Spiel kommen. Zum anderen beeinflussen Emotionen das Wahrnehmen, Erinnern, Urteilen und Problemlosen des Beziehungspartners. Deshalb sollte die Ritualisierung von Beziehungen in ihrer Wirkung nicht unterschatzt werden. Vorsicht ist allerdings beim Konzept des Kundenklubs geboten: Die Brauchbarkeit dieses Instruments liegt eher darin, die Selbstauswahl und Ansprache von Kunden zu erleichtern. Der erfolgreiche Aufbau eines Kundenklubs setzt im Allgemeinen schon bindungsbereite Kunden voraus (vgl. Diller 1996b). Eine rechtliche Wechselbarriere stellt schliefilich den offenkundigsten Bindungsversuch des Lieferanten dar; sie wird bei einem Machtgefiille zugunsten des Kunden nur teuer zu erkaufen und im Konfliktfall kaum zu halten sein.
2.2.3 Vorsicht vor der Reaktanz Zurzeit ist ein zunehmender Bindungswettbewerb zu beobachten. Unternehmen versuchen, sich durch Innovation und Imitation eventuelle Bindungspotentiale streitig zu machen. Dies stellt eine entscheidende Hiirde f i r eine Gestaltung langfristiger Beziehungen dar. Der Druck dieses Wettbewerbs lasst der Idee von Beziehungen als fairen, gegenseitig verpflichtenden Austausch wenig Spielraum. An eine "Beziehungsatmosphare" ist unter solchen Bedingungen kaum zu denken. Das Ergebnis sind d a m haufig hochst unbefriedigende Beziehungsformen. So wird etwa der "gefesselte" Kunde die erstbeste Gelegenheit nutzen, um sich aus der Bindung zu befreien, was haufig mit "Reaktanz" verbunden ist. Der Psychologe Jack W. Brehm hat sich besonders mit diesem Phanomen beschaftigt. In seiner Theorie der psychologischen Reaktanz behauptet er u.a., dass Personen auf die Einengung ihrer Verhaltensfreiheit mit einer Abnahme der sozialen Orientierung, mit Aggressionen oder einer Aufwertung der nicht wahlbaren Alternative reagieren konnen (vgl. auch DickenbergerIGniechlGrabitz 1993, S. 245). Der Begriff Reaktanz wurde ursprunglich in der Elektrotechnik fir bestimmte Arten des Widerstandes gebraucht. Sozialpsychologisch bedeutet er einen erregten Gefiihlszustand, der vor allem in Aggressionen
miinden kann. Reaktanz entsteht dam, wenn sich Personen in ihrer Freiheit blockiert fiihlen. Sie wird umso hoher sein, je mehr Alternativen durch die Bindung ausgeschlossen werden und je wichtiger die eingeengte Freiheit fiir die Person erscheint (vgl. Abb. 4).
A
steigende Wahrscheinlichkeit
steigende Anzahl ausgeschlossener Altemativen
der Reaktanz
-... * -.
mogliche Folgen: Abwanderungsversuch Aggression Aufwertung der Altemativen negative Mundwerbung
......... C
steigende Bedeutung der eingeengten Freiheit
Abbildung 4: Reaktanz und ihre moglichen Folgen Reaktanz motiviert dam, den drohenden Freiheitsverlust zu verringern oder etwas dagegen zu unternehmen. Der entsprechende Oberbegriff ist die Frustration, bei der einem ein bestimmtes Gut vorenthalten oder genornmen wird. Im Fall der Reaktanz ist dieses Gut die Freiheit, besonders die Entscheidungsfreiheit. Kundenbindung kann so leicht m m Bumerang werden. Wahrend der sich freiwillig bindende, "loyale" Kunde bei storenden Auaeneinfliissen die aktuelle Beziehung aufivertet und zur Beziehung steht, kann es durch die Empfmdung einer einseitigen Bindung zu einem Urnkippen der Bewertung kommen: Bisher nicht gewahlte Lieferanten werden plotzlich attralctiver. Es entstehen Spannungen, die nach Auflosung drangen: in Form von Aggressionen, solange die Bindung noch besteht; durch negative Mundwerbung, wenn die Bindung aufgelost wird.
2.2.4 Hinweise auf die Starke der "bedingten" Kundenloyalitat Um die Starke der bedingten Kundenloyalitat it bestimmen, miissen mehrere Indikatoren herangezogen werden. Die Kontaktintensitat gibt einen Hinweis auf die "Inputu-Seite der Beziehung. Sie ist eine notwendige, aber sicherlich nicht ausreichende Bedingung fLir das Entstehen von Kundenloyalitat. Die Kontaktintensitat h h g t aurjerdem vom Grad der Erklarungsbediirftigkeit und der Hohe des Dienstleistungsanteils der Produkte ab. Und sie
wird in der Aufbauphase einer Beziehung und bei lebhafiem Widerspruch des Kunden hoher sein als z.B. in der Reifephase einer Beziehung oder wenn der Kunde vor lauter Unzufiiedenheit resigniert hat. 1st die Kontaktintensitat hoch, dann stellt sich die Frage nach der "OutputM-Seite der Beziehung. Die Kaufbestiindigkeit ist ein einfach zu bestimmender Indikator, vorausgesetzt, es lasst sich so etwas wie ein kunden- oder branchentypisches Kaufverhalten feststellen, z.B.: 1st Lieferanten-Rotation iiblich? Gibt es einen Innovationswettlauf in der Branche? Sind die Produkte und Leistungen leicht substituierbar? Aussageahiger ist die Kundenpenetration. Sie entspricht dem Verhaltnis von Absatz (bei gleichartigen Giitem) oder Umsatz zurn gesamten Bedarfsvolumen (Menge oder Wert) eines Kunden in einer bestimmten Periode. Je hoher dieser Wert, umso wichtiger ist es ftir den Lieferanten, moglichst vievaltige Anreize zu setzen und danach zu trachten, dass der Kunde die Einengung des Verhandlungsspielraums nicht als "Fesselung" empfindet. Eine Befragung (bei Mehrpersonenbeziehungen ist auf die verschiedenen Rollen innerhalb der Beziehung zu achten) durch einen neutralen Dritten kann Aufschluss dariiber geben, ob, mit welcher Haufigkeit und in welcher Rangfolge im Vergleich zu Wettbewerbern der Lieferant zurn "evoked set", also zur spontan geaul3erten engeren Auswahl des Kunden, gerechnet wird. Bei einem nicht eindeutigen Befiagungsergebnis wird der Lieferant eventuell nur zurn "awareness set" der als bekannt geltenden Lieferanten zu zahlen sein. Haufig iiberschatzen Lieferanten ihre Bedeutung fir den Kunden ebenso wie das Ansehen, das sie beim Kunden geniel3en. Sie stellen dann fest, dass sie statt Kundenloyalitat lediglich eine Mischung aus Akzeptanz, Neutralitat und Ablehnung produziert haben, also nur zurn "inert set" des Kunden gehdren. Noch krasser ist die Fehleinschatzung, wenn der Kunde bereits eine "stille" Abwanderung vollzogen hat und dem Lieferanten resignierend negativ gegenubersteht, ihn also in den "inept set" verbannt hat.
2.3 "Commitment" Nimmt man gedanklich eine zusatzliche Einengung der Kundenloyalitat vor, so gelangt man zu ihrem Kern, dem "Commitment" (vgl. Abb. 1). Der geschatzte Leser moge diesen englischen Ausdruck akzeptieren, denn er gehort mittlerweile zum Sprachschatz der rasch FuR fassenden Disziplin des "Beziehungsmanagement". Er ist nur mit Einschrankungen ins Deutsche zu ubersetzen. Commitment umschlieflt die Selbstverpflichtung auf der Bewusstseinsebene und damit die Selbstverantwortung auf der Handlungsebene (vgl. Sprenger 1997, S. 38). Commitment enveitert das Spektrum der Motive, welche die Absicht eines Wiederkaufs beeinflussen, um das, was man gewohnlich mit Moral und PJIicht in Verbindung bringt. Zu beiden gehoren jene gewachsenen Lebensformen, die iiber die blol3e Gewohnheit und den Brauch hinausgehen und deren Abweichen mit Tadel geahndet wird. Commitment im Sinne einer eingeengten Kundenloyalitat beschreibt das bewusste Verhalten des Kunden, die Abwanderung aus einer Beziehung hinauszuschieben. Der Zusatz "bewusst" ist wichtig, da es durchaus moglich ist, dass fur einen Beobachter zwar Grunde fir eine Abwanderung vorliegen konnen, der Kunde jedoch trotz attraktiver anderer
Moglichkeiten "zur Beziehung steht". Der Kunde nimmt bewusst in Kauf, dass seine Wahlfreiheit und die seiner HandlungsmBglichkeiten eingeschrankt sind. Von der MBglichkeit der Reaktanz ist er jedenfalls weit entfernt, denn er bewertet das Gleichgewicht zwischen Anreizen und Beitragen anders. Fiir den Lieferanten entsteht so eine belastbare Form der KundenloyalitFit. Ein solches vom Standpunkt einer einmaligen Transaktion "unlogisch" erscheinendes Hinausschieben der Abwanderung kann aus verschiedenen Motiven heraus erfolgen, von denen mir vier besonders wichtig erscheinen: die Selbstkontrolle, die Reputation, die geringere Diskontierung zukiinftiger "Gewinne" und der Abbau "kognitivev Dissonanzen". Selbstkontrolle wird durch psychische "Kosten" ausgelost (vgl. hierzu auch Frank 1992, S. 75 ff.). Gemeint sind z.B. Schuldgeftihle, die aus dem Einschalten des Gewissens im Falle einer nicht eingehaltenen Verpflichtung entstehen konnen. Diese Kosten reduzieren gewissermaflen den Wert der eigenen Beitrage und verschieben so das Anreiz-BeitragsGleichgewicht zunachst zugunsten des Lieferanten, ohne dass der Kunde dies als Opfer, Entbehrung oder gar "Selbstgeiflelung" empfindet. Die Reputation wirkt umgekehrt. Sie stellt ein Kapital dar, das sich im Lauf der Zeit durch Verzicht auf allzu eigennutziges oder gar betriigerisches Verhalten angesammelt hat. Sein Wert liegt darin, dass es Hand1ungsmBglichkeiten eriiffnet, die ansonsten nur mit hohen "Kosten" oder uberhaupt nicht zustande kamen. Dieses Kapital und seine vorteilhaften Wirkungen zu erhalten wirkt als zusatzlicher Anreiz und auflert sich als Commitment zur Beziehung. Je "offentlicher" die Beziehung ist, etwa durch Publikation in Firmen- oder Kundenzeitschriften, durch die Einbindung von Handelspartnern, Instituten, Beratern, Verbanden, Kommunen usw., desto mehr wird der Kunde auf seine Reputation achten mussen. Die Selbstkontrolle bewirkt auch, dass Menschen sich nicht so auf den Augenblick bezogen verhalten, wie man es aufgrund gewohnlicher Alltagserfahrung erwarten sollte. Das Festhalten an einer Beziehung trotz attraktiver Alternativen ist daflir ein Beispiel. Der Gewinn liegt beim Eingehen einer neuen Beziehung noch in der Zukunft. Der abwagende Geschaftspartner wird daher diesen unsicheren Gewinn ohnedies, je nachdem wie weit der Zeitpunkt der "Auszahlung" entfernt ist, "diskontieren". Das "Entsprechungsgesetz" des Psychologen Richard Herrnstein postuliert ja u.a., dass die Wertschatzung einer (handfesten oder ideellen) Auszahlung zu ihrem Aufschub umgekehrt proportional ist. (Es besagt auflerdem, dass Menschen ihre Anstrengungen zwischen rivalisierenden TC tigkeiten so aufteilen, dass deren Nutzen pro Anstrengungseinheit etwa gleich sind oder einander "entsprechen", daher der Name "Entsprechungsgesetz"). In einer unsicheren Welt ist eben der Spatz in der Hand mehr wert als die Taube auf dem Dach. Das "Entsprechungsgesetz" geht jedoch uber diese bekannte Weisheit hinaus. Es legt nahe, dass die Attraktivitat einer Auszahlung mit dem Naherrlicken der Auszahlung nicht allmahlich, sondern fortschreitend grofler wird, wie der konkave Kurvenverlauf der Abbildung 5 zeigt (vgl. auch Frank 1992, S. 72 ff.). Der Kunde mit "Commitment" hat jedenfalls "gelernt", anders zu diskontieren. Erstens, die psychische Belastung durch ein verletztes Commitment ist fir ihn ein zus5tzlicher
Aufwand, der noch dazu sofort, namlich im Zeitpunkt der Entscheidung, anfallt. Zweitens, er vertraut auf die Realisierung zukunftiger Auszahlungen und wird sie daher maRiger diskontieren als jemand, der auf den Augenblick fixiert ist. Dadurch verschiebt sich das Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht zugunsten des Verbleibens in der Beziehung. Es bedarf also eines uberaus groRen Attraktivitatsvorsprungs alternativer Lieferquellen, um in die Nahe des Mindestanreizniveaus zu kommen.
Attraktivitat der "Auszahlung"
Falligkeit der
zeitliche Annllherung an den Zeitpunkt der "Auszahlung"
Abbildung 5: Die fortschreitende Attraktivitat &her riickender "Auszahlungen" Neben den Aspekten der Selbstkontrolle, der Reputation und der Diskontierung spielt die Attraktivittitsveranderung von Alternativen aufgrund sog. "kognitiver Dissonanzen" eine wichtige Rolle. Der Kunde, der sich aus mehreren Alternativen f i r den gegenwartigen Lieferanten entschieden hat und plotzlich neue Informationen erhalt, welche die Attraktivitat des gewahlten Lieferanten in Zweifel ziehen, erlebt eine Storung seines "kognitiven Gleichgewichts". So wie etwa jemand, der gesundheitsbewusst ist und trotzdem raucht, eine Spannung verspiirt. Zwei Kognitionen, also Meinungen oder ein bestimmtes Wissen iiber etwas, ("Ich bin Raucher" und "Meine Gesundheit ist mir wichtig") stehen nicht in Einklang miteinander, sondern erzeugen Dissonanz. Nach der von Leon Festinger (vgl. z.B. FreyJGaska 1993) aufgestellten (und spater von anderen modifizierten) "Theorie der kognitiven Dissonanz" kann eine Person die Dissonanz auflosen oder verringern, indem sie ihr Verhalten andert (also nicht mehr raucht), ihre Kognition andert ("Ich will doch kein Gesundheitsfanatiker sein") oder eine zusatzliche Kognition sucht und findet ("Es gibt viele Raucher, die trotzdem alt geworden sind"). Der Kunde konnte die entstandene Dissonanz durch Abwanderung auflosen. Dies wiirde jedoch zusatzlichen psychischen Aufwand und somit nur neue Spannungen verursachen. Einfacher ist es daher, die eigenen Kognitionen der getroffenen Entscheidung anzupassen. Der Kunde fiigt zu seinem Bild uber den gegenwartigen Lieferanten positi-
ve Aspekte hinzu und entfernt negative. Mit dem Bild des oder der alternativen Lieferanten verfahrt er genau umgekehrt. Er verzerrt also seine Kognitionen, um zu seiner urspriinglichen Hypothese - "meine Entscheidung f i r die gegenwartige Beziehung ist die richtige" - zuriickkehren zu konnen. Dies gelingt allerdings nicht gesetzmafiig, sondern erzeugt oft nur neue Widerstande und Dissonanzen, ~ h n l i c hwie der Grad der "Offentlichkeit" die Schuldgefihle versthken kann, hat auch hier der Lieferant die Moglichkeit, den kognitiven Anpassungsprozess des Kunden zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Man denke z.B, an Mundwerbung, die Wirkung von meinungsbildenden Personen, an Resonanzen von Messen und Kongressen, Berichte uber Innovationen, usw.
3. AbschlieBende Bemerkungen Kundenloyalitat ist also ein hochst unsicheres und schwer vorhersehbares Phanomen. Ob und wie sehr der Kunde im entscheidenden Moment Selbstkontrolle ubt, einen weiten Zeithorizont einnimmt, Dissonanzen durch eine Aufwertung der aktuellen Beziehung aufzulosen versucht, die geleisteten Investitionen tatsachlich als Wechselhemmnis empfindet, ein auf iibereinstimmung aufbauendes Beziehungsklima als schwer ersetzbaren Wert einschatitzt und schliefilich so zufiieden ist, dass er keinen Wechsel in Betracht zieht, hangt von vielen Faktoren ab: von den jeweiligen Umstanden, Erfahrungen und Verhaltensmustern der beteiligten Personen sowie den Machtverhaltnissen und ausgeiibten Rollen ab. Es ist daher nur zu verstandlich, dass der Lieferant versuchen wird, den Kunden uber die unsichere Form der Selbstverpflichtung hinausgehend an sich zu binden. Zieht man die einschlagige Literatur zu Rate, so sttjfit man im Prinzip auf drei Konzepte (nicht eingerechnet die oft mit einem Markennamen versehenen "Patentrezepte"), die, je nach Blickwinkel der Autoren, f i r die Absicherung und Verstarkung der Kundentreue empfohlen werden, ohne dass in den meisten Fallen auf eine Abgrenzung grofien Wert gelegt wird. Es sind dies die Kundenintegration, die Kundenbindung und das Management von Kundenbeziehungen. Abbildung 6 zeigt, wie man die drei Konzepte am zweckmaRigsten auseinander halten kann. Die Kundenintegration (vgl. Stahl 2001) baut auf einer verstarkten Mitwirkung des Kunden auf, wobei sich diese Mitwirkung auf einen einzelnen Auftrag, ein gemeinsames Projekt oder auch auf eine Zusammenarbeit iiber eine lange, unbegrenzte Zeitspanne beziehen kann. Die Kundenbindung zielt hingegen von vornherein auf eine moglichst lange Zeitdauer ab, innerhalb welcher der Kunde moglichst regelmaig und moglichst "treu" beim selben Lieferanten ordern soll. Das kann eine htjhere Mitwirkung des Kunden bedeuten, muss es aber nicht.
Kundenintegration M
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5
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Interesse an der Zeitdauer der Verbindung
Abbildung 6: Zusammenhang zwischen Kundenintegration, Kundenbindung und Kundenbeziehung Wo sich hohe Mitwirkung des Kunden und lange Zeitdauer treffen, entsteht die klassische Geschaftsbeziehung oder kurz Kundenbeziehung. Aufbau und Gestaltung solcher Beziehungen konnen unter den heute vorherrschenden Bedingungen hoher Wettbewerbsintensitat, mnehrnender Transparenz und abnehmender Differenzierungsmoglichkeiten nur dann gelingen, wenn Konzepte wie Kundenorientierung, Kundennahe oder eben Kundenloyalitat zunachst kritisch hinterfiagt und erst dann mit der gebuhrenden Bescheidenheit angewendet werden.
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Ao. Univ.-Pro$ Dr. Heinz K. Stahl Indisziplinare Abteilung fur Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management Wirtschaftsuniversitiit Wien, Althanstr. 51 A-1 090 Wien
Torsten Tomczak/Sven ReineckeISabine Dittrich
Kundenpotenziale ausschopfen Gestaltungsansatze fur Kundenbindung in verschiedenen Geschaftstypen
2. Strategien der Kundenbindung: Folgekaufe erzeugen 3. Kundenbindung durch optimalen Mix faktischer und psychologischer Bindungen 4. Kundenbindung in verschiedenen Geschaftstypen 4.1 Kundenbindung im Produktgeschaft 4.2 Kundenbindung im Anlagengeschaft 4.3 Kundenbindung im Systemgeschaft 4.4 Kundenbindung im Zuliefergeschafi 5. Gestaltungsansatze fir Produkte und Dienstleistungen
1. Einfuhrung Das Thema Kundenbindung hat sowohl in der Praxis als auch in der Literatur deutlich an Bedeutung gewonnen, wenn auch in letzter Zeit prima unter dem Schlagwort ,,Customer Relationship Management" (Day 2000; Verhoef 2003; Anderson~Fornell/Mazvancheryl 2004). Verfolgt man die Publikationen zu diesem Gebiet etwas genauer, so entsteht der Eindruck, dass Marketing jeglicher Art zu Kundenbindung oder langfristigen Geschaftsbeziehungen fiihrt. Eine echte ,,Unique Selling Proposition" (USP; RiesITrout 1982) kann Konkurrenzangebote verdrangen und verursacht sicher die starkste Kundenbindung. Allerdings werden solche Vorspriinge oft sehr schnell von der Konkurrenz eingeholt, und somit sind Wettbewerbsvorteile immer mehr auf der Ebene langerfristiger Beziehungen zum Kunden anzustreben. Positive Wirkungen der Kundenbindung auf den Anbieter sind beispielsweise (z.B. Diller 1996, Tomczak/Dittrich 1997, S. 11 ff.; Dittrich 2002, S. 15 ff.): genauere und aktuelle Kundeninformationen uber den Zeitablauf und dadurch zunehmend Kenntnisse dariiber, wie der Anbieter sich am besten auf seine Kunden und deren Anforderungen einstellen kann, B mit der Zeit profitablere Kunden, indem durch Cross Selling und hohere Preisbereitschaft die Umsatze gesteigert und die Kundenbetreuungskosten mit der Dauer einer Beziehung verringert werden konnen (ReichheldlSasser 1990, S. 106 ff.), sinkende allgemeine Geschafisrisiken und damit positive Auswirkungen auf den Unternehmenswert durch niedrigere Kapitalkosten, hohere Weiterempfehlungs- und Wiederkaufabsichten (MeyerlDornach 1995, S. 4341, H groJ3ere Toleranz der Kunden gegenuber Fehlern sowie Kunden als aktive Mitgestalter (MiillerIRiesenbeck 199 1, S. 69) und loyale Mitarbeiter, die ihren personlichen Erfolg auch in der Zufriedenheit und Loyalitat der Kunden sehen, was wiederum ihre eigene Motivation und Treue erhohen kann (ReichheldIKenny 1990, S. 2 1). @
Trotz aller Bemiihungen von Unternehmen im Bereich der Kundenbindung treten die oben aufgefiihrten positiven Wirkungen nicht immer auf oder sind nicht eindeutig nachweisbar. Gefahrlicher sind zudem potentielle Negativeffekte, wie zum Beispiel Flexibilitats- und Informationsverluste (MacDonald 1996, S. 97 ff.), Widerstand beim Kunden (Reinecke 1996, S. 121 ff.), eine Vernachlassigung anderer Kunden (Fournier/Dobscha/ Mick 1998) oder unrentable Investitionen in die Kundenbeziehung (EngelhardtIFreiling 1996). CarrollIRose (1993, S. 8 ff.) verweisen beispielsweise auf die grolje Gefahr einer ,,Zero Defection" im Retailbanking, wenn alle Anstrengungen allein darauf abzielen,
Kunden zu halten, nur um eine geringe Migrationsrate zu erreichen. So wiirden nichtprofitable Kunden nicht per se aufgrund einer langeren Zeitdauer m profitablen Kunden werden. Kundenbindungsdauer fiihrt nicht automatisch zu einem hoheren Kundenertragswert, denn es gibt auch viele Kleinkunden, mit denen Unternehmen Beziehungen aufrechterhalten, die einerseits hohe Kosten verursachen und andererseits kaum Umsatz generieren (ReinartzIKrafft 2001, S. 1263 ff.).Aus diesem Grund ist eine differenziertere Sichtweise notwendig, die beriicksichtigt, in welchen Situationen zusatzliche MaDnahmen zur Kundenbindung uberhaupt effektiv und effizient sind und auf welche unterschiedlichen Arten Kunden gebunden werden konnen. Generell ist davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit in Form einer langerfristigen Geschajhbeziehung d a m gewahlt wird, wenn Transaktionen mit hohen spezifischen Investitionen verbunden sind, eine grolje Unsicherheit aufweisen sowie sehr haufig auftreten (insbesondere Williamson 1985; Picot 1982; Jackson 1985). Eine Geschaftsbeziehung als Folge von Transaktionen, zwischen denen eine ,,innere Verbindung" existiert (Plinke 1989, S. 307 f.), erfordert in der Regel zusatzliche finanzielle und personelle Ressourcen, kann andererseits aber auch beispielsweise Koordinations- und Kommunikationskosten erheblich verringern. Fiir Spotgeschafie, bei denen in erster Linie nur der Preis undloder die Verfiigbarkeit zahlen, sind Beziehungen dagegen teuer und somit weder effektiv noch effizient. Man denke zum Beispiel an ein Ausflugslokal oder an Rohstoffmarkte. Der Kundennutzen pro Transaktion ist hier kaufentscheidend. Der Kunde will keine Partnerschaft eingehen, Wiederholungskaufe sind weder geplant, noch versprechen sie einen zusatzlichen Nutzen.
2. Strategien der Kundenbindung: Folgekaufe erzeugen Unternehmen konnen grundsatzlich mit neuen undloder mit bestehenden Kunden wachsen und hohere Gewinne erzielen (TomczaWReinecke 1996, TomczaWReinecke1Muhlmeier 2002). In stagnierenden Markten mit starker Wettbewerbsintensitat und hohen Akquisitionskosten riicken Wachstum und Gewinn mit bestehenden Kunden immer starker in den Mittelpunkt. Demgegenuber gibt es aber auch Mhkte, in denen Kundenbindung Voraussetzung und Ergebnis kunftiger Austauschprozesse ist (Zuliefergeschaft, Systemgeschaft; Backhaus 2003, S. 28 1 ff.). Dass neben der Kundenbindung jedoch die Kundenakquisition nicht vernachlassigt werden darf, verdeutlicht die bildliche Vorstellung eines ,,Weinfasses mit Lochern". Nicht nur unzufriedene Kunden verlassen das Unternehmen, sondern auch illiquide, verstorbene Kunden oder Kaufer nach Ortswechsel. Aber auch ein Outsourcing bestimmter Produktionsbereiche beim Kunden fiihrt dam, dass dieser hierfiir mkunftig keine Maschinen beim bisherigen Anbieter bestellen wird.
Zur Kundenbindung sind zwei Strategien zu verfolgen: Sicherstellen, dass 1. Kunden beim Unternehmen bleiben bzw. nicht abwandern undloder 2. Kunden vermehrt beim Unternehmen kaufen. Die erste Strategie strebt nach einer moglichst niedrigen Migrationsquote sowie einer permanenten Prasenz beim Kunden auch zwischen Kauf und Wiederkauf. Kontinuierliche Wiederholungskaufe sind eine besondere Herausforderung vor allem fiir Unternehmen in Markten mit langen Kaufiyklen (Auto, Waschrnaschine, Kraftwerke usw.), bei Leistungen, die aus Kundensicht in ihrer Art und Beschafhng homogen sind (beispielsweise einzelne Bank- und Versicherungsleistungen) sowie in Markten, in denen das Motiv des ,,Variety seeking", also das Bediirfnis nach Abwechslung, stark ausgepragt ist, beispielsweise in modetangierten Markten (Bansch 1995, S. 35 1 ff. und die dort zitierte Literatur). Erfolg hat diese Strategie dann, wenn sich die Kundenbetreuungskosten mit der Dauer einer Geschaftsbeziehung verringern, ohne dass der Anbieter durch diese Kunden zukiinftig mehr Umsatze erzielen muss. Die bereits oben erwahnte Studie von MiilIerIRiesenbeck (1991) zeigte, dass die Pflege aktueller Kundenpotenziale lediglich 15 bis 20 % jener Aufivendungen erfordert, die eingesetzt werden miissen, um neue Kunden zu gewinnen; Kundenzufriedenheit bewirkt zum Beispiel Einsparungen bei Gewahrleistungs-, Produktverbesserungs- und Kornmunikationskosten. Obwohl Lage und Form der Migrationskurve von Branche zu Branche variieren, illustrieren ReichheldISasser (199 1, S. 1 10) an verschiedenen Beispielen aus dem Dienstleistungssektor, dass die Gewinne betrachtlich steigen, wenn die Migrationsrate sinkt. Abbildung 1 zeigt verschiedene Auspragungen kontinuierlicher und vermehrter Folgekaufe. Als Ausgangssituation wird ,,A" angenommen. Der Kunde kauft hin und wieder beim Anbieter. Diese Situation kann auch so aussehen, dass Kunden einmal in TI kaufen und dann nicht mehr. Bei B erreicht der Anbieter kontinuierliche Wiederholungskaufe (Strategie 1). Die zweite Strategie geht einen Schritt weiter. Im Endeffekt sollen Umsatz und Deckungsbeitrage pro Kunde erhoht werden. Hierzu sind verschiedene Varianten moglich, die beispielsweise abhangig vom Leistungsprogramm eines Anbieters und vom Kunden selbst sind. C, D, E und F in Abbildung 1 sind Situationen, in denen sich die Umsatze des Kunden erhohen (Strategie 2). C betrifft den Kauf einer groReren Menge; die Kaufintensitat steigt. In D kaufen die Kunden haufiger; die Kauffrequenz wird erhoht. Situation E entspricht im Modell der Situation B, doch wird eine vorhandene hohere Preisbereitschaji des Kunden ausgenutzt, was sich auf Nettopreis und somit Umsatz und Deckungsbeitrag auswirkt. Situation F zeigt, dass erstmalig in Periode 4 eine Leistung zusatzlich zu bestehenden Leistungen gekauft wird (Cross Buying).
Durch Kundenbindung konnen Anbieter kontinuierliche bzw, vermehrte Folgekaufe erreichen. Dies ist eine sehr pragmatische Definition, die beim Kunden gewisse Einstel-
lungen zur Leistung, zum Anbieter und zur Langfristigkeit der Beziehung sowie auch bestimmte Kaufabsichten voraussetzt (siehe zur Abgrenzung des Begriffes Kundenbindung auch Diller 1996; Bruhn 1998, S. 21 1 f., Dittrich 2002, S. 36 ff.).
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Transaktionen
Abbildung 1 : MBglichkeiten kontinuierlicher oder vermeh-ter Folgektiufe
3. Kundenbindung durch optimalen Mix faktischer und psychologischer Bindungen Kundenbindung ist dann vorhanden, wenn spezielle Barrieren bzw. Wechselkosten (switching costs) die Abwanderung zur Konkurrenz erschweren oder - zumindest kurzfristig - verhindern. Klemperer (1987, S. 375 f.) unterscheidet folgende Wechselkosten: M Direkte Wechselkosten, die auch beim Wechsel zu einem identischen Produkt der Konkurrenz anfallen wiirden. Der Kunde muss die Alternative suchen, beurteilen und letztlich auch kaufen, was zeitaufwendig sein und beispielsweise Fahrtkosten verursachen kann. Lernkosten, die anfallen, wenn das Wissen und die gesammelten Erfahrungen im Umgang mit dem bisherigen Produkt und Anbieter nach dem Wechsel nicht mehr genutzt
werden konnen. Beispielsweise sind Schulungen notwendig, um mit einem neuen Textverarbeitungsprogrammumgehen oder die neue Maschine bedienen zu konnen. ,,Kiinstliche" oder vertragliche Wechselkosten, die ein Unternehmen selbst kreiert, um seinen Kunden den Wechsel zu erschweren. Hierm gehoren Bonusprogramme wie beispielsweise Frequent Flyer-Programme der Fluggesellschaften oder Bonusoder Rabattsysteme im Handel. Vertragliche Wechselkosten wiirden mit einer vorzeitigen Kundigung von Vertragen (beispielsweise Vertragsstrafen) anfallen. s Psychologische Wechselkosten, die dazu fiihren, dass der Kunde nicht aufgrund rein okonomischerlmonet~rer~berlegungenwiederholt kauft, sondern aus Gewohnheit oder infolge Zufriedenheit. Ob ein Wechsel stattfindet, hangt erstens von der Beziehung zwischen Anbieter und Kunde bzw. den dort bestehenden Bindungen ab, als auch zweitens davon, welche Wechseloptionen dem Kunden tatsachlich zur Verfiigung stehen: Erstens: Innerhalb der Beziehung zwischen Anbieter und Kunden sind zwei grundsatzliche Arten von Bindungen zu erkennen. Zum einen fihren Bindungen dam, dass der Kunde in der Beziehung bleiben ,,muss"; er ist bzw. fiihlt sich abhangig. Diese ,,MussBindungen" entstehen vorrangig dadurch, dass infolge spezifischer Investitionen der Kunde nur mit Verlust den Anbieter wechseln kann. Zum anderen konnen Bindungen dam fuhren, dass der Kunde in der Beziehung bleiben ,,willa (siehe Abb. 2). Durch die Matrix kann f i r jeden einzelnen Kunden dessen Position innerhalb der Geschaftsbeziehung beschrieben werden. Ein Kunde, der den Wiederkauf weder ,,will6' noch ,,muss", wird keine Geschaftsbeziehung eingehen (Transaction Buying). In der Fan-Position sind die Kunden, die in der Beziehung bleiben wollen, aber - zum Beispiel bei Unzufriedenheit - jederzeit den Anbieter wechseln konnen. Diese Position ist sehr typisch fiir das klassische (konsumtive) Dienstleistungs- und Konsumgutergeschaft. Die ausgeglichene Position enthalt sowohl Will- als auch Muss-Bindungen. Beispiele sind zufriedene Kunden mit dem proprietaren Apple-Betriebssystem, zufriedene Jahresabonnenten eines Fitnessclubs oder zufriedene Abnehmer von Zubehorteilen durch Just in Time-Lieferung. 1st der Kunde in einer ,,locked in"-Situation und unzufrieden, so befindet er sich in einer ,,Ausbeutungsl'-Position. Diese Situation existiert in monopolistischen Markten sowie kurz- und mittelfristig vor allem im Business to Business-Bereich, wenn vom Anbieter und Kunden spezifische Investitionen nicht gleichzeitig undloder nicht in gleichem Umfang getatigt werden.
Kunde bleibt in der Beziehung, weil er es "will"
I
I
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Kunde bleibt in der Beziehung,
I
I
Abbildung 2: Kundenpositionen nach Art der Bindung (Quelle: in Anlehnung an Plinke 1997, S. 50) Langfristig betrachtet birgt diese Position Gefahren, sobald sich das Umfeld verandert: Vergangene und aktuelle Beispiele sind die Deregulierungen in der Telekommunikations- und Luftverkehrsbranche oder der Eintritt japanischer und europaischer Konkurrenten in den US-Automobilmarkt. Zudem laufen Vertrage und Patente ab (Versicherungsbzw. Pharmabranche), oder Technologieentwicklungen fiihren zu neuen Standards. In konkurrenzintensiven Markten ist es daher haufig ein Ziel von Unternehmen, bei vielen Kunden die beschriebene ausgeglichene Position zu erreichen und dernnach einen ausgewogenen Mix sowohl aus psychologischen als auch faktischen Bindungen zu erstellen. Fur den Anbieter ist es bedeutend, die Arten und Starken der nachfragerseitigen Bindungen zu identifizieren. Je nach Situation muss er versuchen, diese zu erhohen oder auch, im Falle negativ wahrgenommener Bindungen, diese zu reduzieren bzw. entsprechenden Gegennutzen zu offerieren. Loyale Kunden wollen beim Anbieter bleiben, obwohl sie es nicht mussen, weil sie im Idealfall sehr mfrieden sind und dem Anbieter vertrauen. Andere Phanomene, die auch unter die psychologischen Bindungen fallen, sind eine ,,innere Verpflichtung" dem Anbieter gegeniiber, beispielsweise aufgrund eines ethisch-moralischen Dankbarkeitsempfindens, einer Sammlerleidenschaft oder auch aus Nationalstolz (beispielsweise Kauf nationaler Automarken). Die ersten drei der oben genannten Arten von Wechselkosten verursachen so genannte faktische Bindungen. Es sind vor allem materielle Kosten (im weiteren Sinne Be-
1ohnungenISanktionen) okonomischer bzw. technologischer sowie vertraglicher Art. Kundenbindung beriicksichtigt beide Aspekte (siehe Abb. 3).
psychologische Bindungen
Zufriedenheit Kundenloyalit3t Vertrauen \ "innere Verpflichtung" "immaterielle" Sammeltrieb, Nationalstolz Wechselkosten
Kundenbindung faktische Bindungen
"materielle" okonomische Bindungen / Wechselkosten (aufgrund direkter, Lern- und kiinstlicher Wechselkosten) Belohnungenl vertragliche Bindungen Sanktionen 1
Abbildung 3: Psychologische und faktische Bindungen (Quelle: in Anlehnung an Tomczak/Dittrich 1997, S. 14)
Pt
\ \
\ \
Nutzen
$
Kosten \ \ \
Anbieter
Abbildung 4: Der Wirkungsrahmen der Kundenbindung Zweitens: Unternehmen agieren nicht isoliert im Markt. Kunden beurteilen Anbieter und Leistungen immer in Relation zu den bestehenden Optionen. Voraussetzung flir einen
Wechsel ist mindestens eine weitere Option; das bedeutet, dass kein Monopol existiert. Zudem muss der Kunde die alternativen Angebote kennen und beurteilen konnenAul3erdem sollte seine Beurteilung letztlich zugunsten einer Alternative ausfallen. Im Extremfall wird ein Kunde trotz Unzufriedenheit und fehlender anderer Barrieren bei seinem jetzigen Anbieter bleiben, weil alle Angebote der Konkurrenten einen noch geringeren Nutzen stiften. Das betreffende Unternehmen ist d a m Quasi-Alleinanbieter. Abbildung 4 stellt nochrnals den beschriebenen Wirkungsrahmen dar. (Zur kennzahlengestutzten Messung der Kundenbindung siehe Reinecke 2004, S. 276 ff.) Wird vereinfacht angenommen, dass der Kunde K zu einem bestimmten Zeitpunkt to seine Praferenzen PKiAgegenuber Anbieter A bewertet, ohne den bisherigen oder kunftigen Verlauf der Geschaftsbeziehung sowie nur einen einzelnen alternativen Anbieter B zu beriicksichtigen, so entsteht folgende Gleichung (siehe auch Plinke 1989, S. 3 11 ff.):
PWA
= Praferenz
NA-KA
= Nettonutzen
NB-KB
= Nettonutzen
WKNB
des Kunden K gegenuber Anbieter A
bei A, das heifit, die Differenz aus Nutzen und Kosten bei Anbieter A
bei B, das heifit, die Differenz aus Nutzen und Kosten bei Anbieter B
= Kosten
des Wechsels von A nach B
Wenn auch diese Gleichung die grundsatzlichen Beurteilungskriterien erfasst, so sind die Bewertungsprozesse in der Realitat sehr vie1 komplexer und stark durch die jeweiligen Entscheider (beispielsweise innerhalb des Buying Centers) gepragt. Ein Anbieter A kann diesen Beurteilungsprozess direkt beeinflussen, indem er den offerierten Nettonutzen A gegenuber Konkurrent B erh6ht (im Sinne von Nutzen NA erhohen, Kosten KA senken) oder den Wechsel zur Konkurrenz WKm erschwert (siehe Abb. 5).
Fokus: Nutzen steigern Qual~tatssteigerungim Laufe der Beziehung zusatzl~chesKnow-how, Erfahrungen Prozessopt~m~erung vlelfPltlge E~nsatzmogllchkelterworbener Le~stungen (Baukastensystem) zusatzllcher After Sales S e ~ ~ c e
. -
Fokus: Kosten reduzieren Preisreduzierung im Laufe der Beziehung Folgekaufe mlt erhebl~cherPre~sredukt~on Rabatt- und Bonussysteme (fre~eLe~stungbe1 x-mallgem Bezug, Frequent Flyer Programme)
-
Hohe fixe E~ntr~ttskosten und Ermasslgung der Folgekosten (Bahncard, F~tnessklubs)
Fokus: Wechselkosten erh6hen
-
Anre~zefur weltere spez~fischelnvest~t~onen Austr~ttsgebuhren(Kontoauflosungbe1 der Bank) Verlust von finanz~ellenVorte~lenbe1 Austr~tt Vertragsstrafe
Abbildung 5: Sicherung von Folgekaufen durch Erhohung des Nettonutzens und/oder der Wechselkosten (Quelle: in Anlehnung an TomczakDittrich 1997, S. 25)
4. Kundenbindung in verschiedenen Geschaftstypen Eine differenzierte Sichtweise der Kundenbindung ermtjglicht der Geschaftstypenansatz, welcher fiir Industriegiiter entwickelt wurde (Backhaus/Aufderheide/Spath 1994; Backhaus 2003, S. 281 ff.; Backhaus/Baumeister 2003) (siehe Abb. 6 ) . Anbieterseitige Bindungen entstehen vor allem, wenn Unternehmen spezifische Investitionen in eine Geschaftsbeziehung mit Einzelkunden tatigen, zum Beispiel eine kundenindividuelle Auftragsfertigung im Anlagen- und Zuliefergeschaft. Kundenseitige Bindungen entstehen insbesondere dam, wenn der Erstkauf unmittelbar zu Folgekaufen fiihrt, das heifit, ein zeitlicher Kaufverbund entsteht, beispielsweise die Entscheidung eines Kunden fiir eine spezielle Systemtechnologie (Systemgeschaft) oder fir eine einmal entwickelte und vertraglich abgesicherte Losung eines bestimmten Zulieferers im Automobilbereich (Zuliefer- bzw. auch OEM-Geschaft).
Das Angebot im Produktgeschaft ist auf den anonymen Markt ausgerichtet. Es kann vom Kunden isoliert nachgefragt werden, das heifit, es existiert - wie auch beim Anlagengeschaft - kein zeitlicher Kaufverbund (Backhaus 2003, S. 324 ff.). Zum Produktgeschaft gehoren auch klassische Konsumgiiter und konsumtive Dienstleistungen.
Abbildung 6: Geschaftstypenansatz (Quelle: in Anlehnung an Backhaus 2003, S. 324)
4.1 Kundenbindung im Produktgeschaft Im Gegensatz zum System- und Zuliefergeschaft entsteht Kundenbindung im Produktgeschaft nicht per se, sondern wird insbesondere durch aktive, anbieterseitige Mafinahmen erzeugt. Die Entwicklungen gehen soweit, dass klassische Produktanbieter zu ,,Systemanbietern" werden (beispielsweise Hotels, Restaurants, Handler, Banken, Versicherungen, AutowerkstSitten oder Fluggesellschaften durch Bonus- und Rabattsysteme oder modulare Gesamtangebote, Produzenten von Rasierapparaten mittels nichtkompatibler Rasierklingen, Porzellanhersteller mittels des Geschirrdesigns). Zum Teil streben sie auch eine ,,One to One-Beziehung" im Massenmarkt an (Mass Customization), zum Beispiel durch individuelle CDs oder Gluckwunschkarten (Pine 1994, Kreuzer 2005). Andere Anbieter nutzen bestimmte Kaufverhaltensphanomene, beispielsweise den Sammeltrieb (Swatch, Briefmarken, Barbie-Puppen in Sondereditionen) oder binden Kunden iiber Vertrage (Fitnessstudio). Eine besondere Stellung innerhalb der Bindungsinstrumente nimmt die Marke ein. Insbesondere im Konsumgiiterbereich bestatigen dies Untersuchungen zur Markentreue (Weinberg 1977; Kroeber-RielIWeinberg 2003 und die dort zitierte Literatur). Auch Dienstleister erkennen zunehmend deren Bedeutung (2.B. Stauss 1995; TomczaMSchBgeVLudwig 1998; Fassnacht 2004), nicht zuletzt aufgrund des hohen Anteils an Vertrauenseigenschaften bei Dienstleistungen. Mit all diesen Aktionen werden vor allem die von Klemperer (1987, S. 376) benannten ,,kiinstlichenb' Wechselkosten erzeugt. Inwieweit diese Wechselbarrieren langfiistigen Erfolg gegenuber Konkurrenzangeboten haben, ist sehr unterschiedlich zu bewerten. Mit anderen Worten: Nicht allen Anbietern gelingt es, im wettbewerbsintensiven Produkt-
geschaft zusatzlich zu den ,,Will"-Bindungen auch echte ,,Mussu-Bindungen zu schaffen. Die Kundenzufiiedenheit als psychologische Wechselbarriere ist deshalb oft das einzige und entscheidende Kriterium, ob der Kunde bleibt oder geht (Reichheld/Sasser 1990; Reichheld 1996).
4.2 Kundenbindung im Anlagengeschaft In diesem Geschaftstyp werden Kraft- und Walzwerke sowie andere groRindustrielle Anlagen, aber auch kleine Projekte fir Einzelkunden in der Handwerks- und Baubranche vermarktet. Der Anbieter entwickelt und produziert nach der Auftragsvergabe meist eine sehr kundenindividuelle Leistung, die er nicht mehr an andere Kunden weiterverkaufen kann, und bindet sich dementsprechend stark. Kunden konnen ihren nachsten Auftrag auch an andere Unternehmen vergeben und sind beziiglich Folgekaufen - nicht an den gleichen Anbieter gebunden (Backhaus 2003, S. 481 ff.).
-
Die groRe Unsicherheit hinsichtlich der technischen Funktionsfahigkeit einer Anlage und das finanzielle Engagement fihren zu einem hohen Abstimmungsbedarf zwischen den Beteiligten, der oft iiber Jahre geht und vertraglich sehr ausfihrlich festgelegt wird. Personliche Bindungen spielen eine bedeutende Rolle. Zudem entscheidet sich der Kunde mit der Vergabe des ,,Letter of Intent" fir einen Anbieter bzw. eine Anbietergemeinschaft und wird im Laufe des Gesamtprojektes immer starker auch von deren Entscheidungen abhangig. Hauptansatzpunkt der Kundenbindung ist der Ersatz von Komponenten oder Subsystemen von Anlagen. Da zudem jedes Projekt f i r mogliche Folgeauftrage als Referenzanlage anzusehen ist, bestimmt insbesondere die Kundenzufiiedenheit mit der Projektabwicklung und Gewahrleistung die Erfolgschancen neuer Auftrage beim gleichen Kunden sowie die Bereitschaft zur Weiterempfehlung (z.B. TrawicWSwan 1981, S. 28). ReferenZen sind aufimbauen und standig m aktualisieren. Viele Anbieter im Anlagengeschaft streben ferner danach, dieses zu einem Zuliefergeschaft zu entwickeln. Insbesondere in industriellen Mlkten erfolgt die Wertschopfung zunehmend im Dienstleistungsbereich. Daher bieten Anlagenbauer verstarkt Betreiberund umfassende Outsourcingkonzepte an (Belz et al. 1997; Reinecke 1996); aus Transaktionsgeschaften werden dadurch Beziehungsgeschafte.
4.3 Kundenbindung im Systemgeschaft Entscheidet sich ein Kaufer fiir die sukzessive Beschaffung einzelner Teilkomponenten (-technologien) einer Systemarchitektur (z.B, im Tele- oder Biirokommunikationsbereich),
so liegt ein Systemgeschaft vor (Weiber/Beinlich 1994, S. 120). Beispielsweise entscheidet ein Kunde, sich sukzessive mit neuen Biiromobeln des gleichen Modells ausmstatten. Der Kauf einer geschlossenen, das heat mit Konkurrenzleistungen inkompatiblen Systemarchitektur sowie organisatorische Anpassungen in der Organisation des Kunden fihren zu seiner Bindung an den Systemlieferanten. Allerdings bedarf es in der Regel f3ir den Initialkauf eines gewissen AusmaJ3es an Vertrauen. Ferner ist f i r die weiteren Folgekaufe ein mstitzlicher Ausbau der psychologischen Bindungen erforderlich, insbesondere der Kundenzufriedenheit. Um zu verhindern, dass der Kunde fruhzeitig bzw, nach Ablauf des Systemlebenszyklus den Anbieter wechselt, werden beispielsweise eine wirksame Preannouncement-Politik (HeR 199 1) betrieben oder alte Systemkomponenten beim Kauf eines neuen herstellerbezogenen Systems in Zahlung genommen. Interessant ist hier der Funktionswechsel der psychologischen Bindungen im BindungsMix: Wahrend im Produktgeschaft die Kundenmfriedenheit wahrscheinlich das ausschlaggebende Kriterium f i r Folgekaufe ist, dient sie und andere Sicherheitsinstrumente (z.B. Garantien, Vertrage, glaubhafte Zusicherung, ,,Exit-Optionen") weniger der tatsachlichen Bindung, sondern insbesondere der Reduzierung von Abhangigkeitsgefahren und somit der langfristigen Stabilitat von Geschaftsbeziehungen (WeiberiBeinlich 1994, S. 123 f.; Backhaus 1999, S. 586 f.). So strebte beispielsweise IBM in den durch priorittire Informationssysteme gekennzeichneten siebziger und achtziger Jahren mit Hilfe der eindeutigen Strategie ,,Customer Satisfaction is Number 1" danach, die GeschBftsbeziehungen langfristig abzusichern.
4.4 Kundenbindung im Zuliefergeschaft Fur das Zuliefer- oder OEM-Geschaft ist typisch, dass sowohl auf Anbieter- als auch auf Kundenseite mmeist hohe Bindungen existieren. Hier wird insbesondere das Management von Geschaftsbeziehungen, deren Aufbau und Absicherung sowie gegebenenfalls ihre Beendigung relevant. Der Kunde, meist ein so genannter Original Equipment Manufacturer (OEM), entscheidet sich in einer relativ When Phase fir einen bestimmten Zulieferer. Er wird diesem alle fir die Losung seines Problems notwendigen Konstruktionsunterlagen zukommen lassen (Know-how Transfer). Der Zulieferer richtet sein Leistungsprogramm nach diesen Anforderungen aus (beispielsweise spezifische Forschungsanstrengungen, Kauf von Spezialmaschinen oder Verlagerung von Produktionsstandorten in die Nahe des Kunden). Mitarbeiter beider Partner beteiligen sich am Entwicklungsprozess der kundenspezifischen Leistung, die d a m f i r die Dauer des Produktlebenszyklus produziert und geliefert wird (Backhaus 2003, S. 705 ff.). Im Gegensatz zum System- und Produktgeschtift steht f i r den Anbieter nicht das einseitige Management der Kundenbindung im Mittelpunkt, sondern das Management von Abhangigkeiten. Je ungleicher die spezifischen Investitionen, beispielsweise in Mitarbei-
ter, Maschinen und Werkzeuge, von beiden Seiten getatigt werden, desto asymmetrischer sind die Bindungen (Sollner 1993, S. 488; KleinaltenkampIPlinkelSollner 1996; Reinecke 1996). Ein typisches Beispiel ist hierfir die Automobilindustrie: Kundenbindung muss dann vom Zulieferer forciert werden, wenn das ungleiche Bindungs- bzw. Machtverhaltnis zugunsten des OEM zu einer instabilen Beziehung fuhrt. Mit Hilfe gewisser Anreize sind die Bindungswiderstande beim Abnehmer abzubauen und gegenseitige Abhangigkeiten zu schaffen (Freiling 1995, S. 18 1 ff.). Zum Aufbau von Bindungen fihren beispielsweise: vertragliche Regelungen, B Insourcing: Mitarbeiter des Zulieferers arbeiten beim Abnehmer direkt vor Ort, @ organisatorische Kopplungen wie beispielsweise Just in Time, Simultaneous Engineering (Pfohl 1996, S. 12; WeiberlJacob 2000, S. 584 ff. und die dort zitierte Literatur), B informationstechnische Vernetzung, zum Beispiel die Unterstiitzung der informationellen Kommunikation durch elektronischen Datenaustausch (MonseIReimers 1994) und B so genannte Selbstbindungsmaljnahmen (z.B. Garantien, Akzeptanz von Konventionalstrafen) (Rossl 1996, S. 3 11 ff.). @
5. Gestaltungsansatze fur Produkte und Dienstleistungen So vielfaltig wie die einzelnen Anbieter-Kundenbeziehungen sein konnen, so grolj ist auch das Spektrum der Kundenbindungsmaljnahmen (siehe auch Dittrich 2002, S. 144 ff.). Anbieter im Produktgeschaft stehen vor einer besonders groBen Herausforderung, da Endkunden in der Regel aus einer Vielzahl nahezu homogener Produkte oder Dienstleistungen wahlen konnen und ihnen der Wechsel nur geringe Kosten verursacht. Vertikale Markte machen es zudem erforderlich, dass Hersteller und Handel Kundenbindung als gemeinsames Ziel betrachten. Gerade aus diesem Grund ist es aber wichtig, dass Unternehmen, welche die Kundenbindung f i r relevant halten, samtliche Entscheidungen aus Effizienz- und Effektivitatssicht bewerten: 1. Welche Kunden sind so wertvoll, dass es sich lohnt, zusatzliche Bindungsmaljnahmen zu konzipieren und die Folgekosten (Treuegeschenke, Rabatte, Abwicklungskosten) zu tragen (Dittrich 2002, S. 117 ff. und die dort zitierte Literatur)? Der Schritt der Kundenbewertung und -segmentierung bildet das Fundament einer erfolgreichen Kundenbindung. Diese Basis ist in der Praxis allerdings haufig noch mangelhaft: In vielen Un-
ternehmen fehlen aussagekraftige Informationen uber Kunden, -potenziale und Wettbewerber; somit ist auch kein Beziehungsmanagement moglich. 2. Welche Strategien der Kundenbindung sind sinnvoll, und welche Mafinahmen fiihren dazu, dass Kunden kontinuierlich oder sogar vermehrt kaufen? Nachfolgend sollen einige bekannte Kundenbindungsrnarjnahmen untersucht werden, inwiefern sie geeignet sind, die beiden Strategien aus Kapitel2 umzusetzen. 1. Kundenzufriedenheitsmanagement
Die Kundenzufriedenheit nimmt eine iibergeordnete Stellung im Bindungs-Mix ein. Die Zusammenhange zwischen Kundenzufriedenheit und ihren Bestimmungsfaktoren (Engagement, Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter sowie Zufriedenheit mit dem Verkaufsgesprach) gelten als empirisch gut belegt (SchuckeVHussmann 2000, S. 186). Mehrere Untersuchungen weisen eine positive Korrelation zwischen Kundenzufriedenheit und -loyalitat nach (Burmann, 1991; MullerIRiesenbeck 199 1; Fornell 1992; Joneslsasser 1995). Zufiiedene Kunden, deren Erwartungen an die Leistung erfiillt oder ubertroffen werden, sind eher bereit, den Kauf zu wiederholen bzw, an einer Geschaftsbeziehung festzuhalten. Hier bestehen sicher grorje Potenziale fir viele Unternehmen. Es geht um die eingangs zitierte ,,Unique Selling Proposition", wobei das Unternehmen versucht, die Bedurhisse der Kunden besser als die Konkurrenz zu befriedigen. Doch zufriedene Kunden mussen nicht zwangslaufig loyal sein; fiir eine Kundenabwanderung trotz Zufriedenheit sind die unterschiedlichen Intensitaten und Qualitaten von Kundenzufriedenheit mafigebliche Griinde (JonesISasser 1995, S. 9 1 ff.; Stauss 1997). Zum Beispiel wechselt zwischen 60 und 80 % der Kunden ihre Automarke, obwohl sie zufrieden oder sogar sehr zufiieden sind ((Schwertfeger 1997 , S. 17)). Insgesamt lasst sich eine grundsatzlich positive Beziehung zwischen Zufriedenheit und Kundenbindung jedoch mit Hilfe unterschiedlicher Theorien begriinden (Homburg1 BeckerIHentschel 2003, S. 100 ff.). Sie ist jedoch nur einer von mehreren Einflussfaktoren auf die Kundenbindung (GerpottIRams 2000 S. 750). 2. Beschwerdemanagement
Wahrend es beim Zufriedenheitsmanagement vor allem darum geht, das Entstehen von Unzufriedenheit von vornherein zu vermeiden, dient das Beschwerdemanagement (StaussISeidel 2002) zur Stabilisierung gefahrdeter Beziehungen. In der branchenubergreifenden Studie ,,Best Practice in Marketing" der Universitat St. Gallen zeigte sich, dass dieses Instrument zu den bedeutendsten Kundenbindungsmarjnahmen gehBrt, es aber derzeit in Relation zu anderen Instrumenten wenig zum Einsatz kommt (Tomczak et al. 1998).
Etwa 82 % der Kunden, deren Reklamationen schnell gelost wurden, wiirden wieder beim gleichen Anbieter kaufen (HansenIJeschke 1995, S. 539). Aufinerksamkeit verdienen aber auch Kunden, bei denen eine grorje Gefahr des Wechsels besteht, die sich aber noch nicht beschwert haben (Friihwarnsysteme). 3. Das ,,Bediirfnis nach Abwechslung" gezielt steuern
Wenn Konsumenten nicht vom Wechsel abzuhalten sind, sollte dieser durch eigene Angebote aufgefangen werden. Leistungsinnovationen und eine flexible Leistungsprogrammplanung, die auch Kombinationspakete offeriert, spielen hier eine bedeutende Rolle. Eine breite Auswahl an verschiedenen Varianten und Parallelangeboten zielt darauf ab, dass wechselli-eudige Kaufer trotzdem beim gleichen Anbieter bleiben. Auch ein temporBer Ausstieg aus dem Markt kann die Produkte vor Reizabnutzung bewahren. Gute Beispiele bietet hier der Surjwarenhersteller Ferrero mit seinen Produkten Mon Cherie oder Ferrero Rocher, wenn dies auch vomehmlich aus Qualitatsgrunden geschehen mag. Dem Motiv ,,Variety seeking" konnen Anbieter auch kommunikativ begegnen, indem sie auf die Risiken des Wechsels oder auf Tradition und Bestandigkeit hinweisen (Bansch 1995, S. 361). Die Slogans ,,Da weirj man, was man hat" bzw. ,,Das hat schon meine Mutter mir damals als Kind gegeben" sind Beispiele dafiir. Wahrend die bisher beschriebenen Marjnahmen darauf zielen, den Wechsel zu verhindem, so konnen auch Bedarfssteigerungseffekte ausgenutzt werden. Die Moglichkeit zur abwechselnden Verwendung bestimmter Produkte kann zu haufigerem Kauf und damit hoherem Umsatz fuhren. Klassische Beispiele finden sich in der Mode (mehrere mogliche Farben, Muster, Materialien), Parfiims oder bei Uhren (Bansch 1995, S. 355). 4. Bonussysteme
Bonusprogramme steuern die Kundenbindung aktiv, indem sie Folgekaufe ihrer Kunden unter Beriicksichtigung zeitlicher und okonomischer Kriterien - insbesondere auch des Preises - belohnen. Dabei liegt die Betonung auf ,,Konzepta und nicht isolierten ,,Sonderaktionen bei Starnrnkunden". Ziel ist es, ein System von Belohnungen zu entwickeln, das den Kunden motiviert, sich weitere Anerkennung verdienen zu wollen (O'BrierdJones 1995, S. 98 ff.; Dittrich 1998a; TomczaWReinecke/Dittrich 2005). Vorrangig konnen diese Systeme kontinuierliche Kaufe beeinflussen. Kein Geschaftsreisender bucht einen weiteren oder Iangeren Flug, nur damit ihm die Meilen gutgeschrieben werden (Frequent Flyer-Programme). Ein Kreditkartennutzer kauft nicht mehr oder ofter ein, nur weil er dafir Bonuspunkte erhalt (beispielsweise beim Key Club der schweizerischen Bank UBS). Allerdings wird eine Awareness geschaffen, so dass die potentiellen Boni in die Kaufentscheidung einflierjen konnen. Am Beispiel der Kreditkarte ware das in erster Linie die Entscheidung, nicht mit Bargeld zu zahlen, in zweiter Uberlegung diejenige Kreditkarte mit dem ,,bessernU Belohnungssystem zu wahlen (zu Kriterien eines Bonussystems siehe auch Dittrich 2002, S. 16 1 ff.).
Andere Beispiele basieren vor allem auf preispolitischen ~berlegungen,wie Sockelpreissysteme, bei denen der Kunde einen Basisbetrag bezahlt, um dann bestimmte Leistungen giinstiger zu erhalten (Halbtax-Abo der Schweizerischen Bundesbahnen, Bahncard) oder Umsatzboni fiir das Erreichen bestimmter Umsatzziele auf Handlerebene (Lebensmittelindustrie, IT-Hersteller, Reiseveranstalter). Bonussysteme sind dann wertvoll, wenn sie ein Programm der Konkurrenz ,,neutralisieren", die Verfigbarkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung erhohen (durch Boni gegeniiber Handlern) oder direkt den Wert der (Kern-)Leistung steigern (Dowling~Uncles1997, S. 81). 5. Kontinuitat fordern - Leistungen pflegen
In diesen Bereich fallen sehr vielseitige Maonahmen, die darauf gerichtet sind, die Beziehung zu stabilisieren, nicht unbedingt auszubauen. Sie sind vor allem in anonymen Markten, ohne notwendigen personlichen Kontakt und langen Kaufzyklen empfehlenswert. Hierzu gehoren das gesamte Marken- als auch ein umfassendes Distributions- und Multi-Channel-Management (Schogel 1997) - eine gleich bleibende Qualitat, hohe Verfigbarkeit und stabile Preise. Insbesondere Dienstleistungsunternehmen sehen hier noch grol3e Hurden, da die konkrete Auspragung immaterieller Qualitatsindikatoren wie Freundlichkeit, Kompetenz und Vertrauenswiirdigkeit wechselseitig durch beteiligte Mitarbeiter und Kunden beeinflusst wird. Weiterhin ist oft eine hohe Anpassungsflexibilitat und Improvisationsfahigkeit der Mitarbeiter erforderlich. Deshalb ist eine Vielzahl von Leistungsfaktoren nicht standardisierbar und die Qualitat nur schwer zu garantieren. Eine kontinuierliche und individuelle Kommunikation auch in der Phase zwischen Kauf und Folgekauf ist sehr bedeutend. Instrumente dafiir sind beispielsweise Hotlines, Kundenforen, Kundenkontaktprogramme, Events oder Kundenzeitschriften und -clubs (TomczakIReineckelDittrich 2005). Die Face-to-face-Kommunikation bietet das grol3te Potenzial f3r personliche und emotionale Bindungen. Sie verursacht jedoch einen hohen Kosten- und Zeitaufwand. Das Direkt-Marketing nutzt die technologischen Entwicklungen, um sowohl dem Anspruch der Effektivitat als auch der Effizienz gerecht zu werden (Belz 2003). 6. Buy in-Follow on-Strategien
Ein oft genanntes Erfolgsbeispiel ist Accu Call: Mittels spezieller Sensoren, die auf dem Boden und den Begrenzungslinien des Tennisplatzes angebracht sind, konnen gultige und ungiiltige Balle wahrend eines Spiels identifiziert werden. Die Installationskosten betragen nur etwa 5000 Dollar. Den eigentlichen Gewinn erzielt der Hersteller durch den Verkauf der Tennisb3lle, die Metallfasern enthalten und somit den Kontakt zu den Sensoren herstellen (Weigand 1991, S. 29). ~ h n l i c h eBeispiele gibt es viele: spezielle Rasierklingen fir den Rasierapparat, Systemspielzeug (LEGO, Modelleisenbahnen; Dittrich 1998b), Modullosungen bei Wohnungs- und Biiroeinrichtungen, Geschindesign, das preisgunstige Angebot eines Bestsellers fiir den Eintritt in einen Club mit Buchern zu
regulben Preisen oder relativ teure Filme f i r die bei der Anschaffung recht preisgunstige Polaroid-Kamera. Die meisten dieser Strategien basieren auf vertraglichen undloder technologischen Bindungen. Da sich in der Regel erst das Follow on-Produkt rentiert, ist diese Strategic nicht ohne Risiko und muss langfiistig ausgerichtet sein. Zudem ist (z.B. durch ein Patent) dafiir zu sorgen, dass die Verbindung zwischen den beiden Produkten moglichst lange bestehen bleibt und die Konkurrenz das rentable Follow on-Produkt nicht unmittelbar kopieren kann (ausfiihrlicher: Weigand 1991). 7. Bundling Produktkombinationen kbnnen die Wechselkosten erhbhen, wenn die Konkurrenz nur eines oder zwei der Produkte aus dem Biindel in einem besseren Preis-Leistungsverhaltnis anbietet (DeSouza 1992, S. 28; Priemer 1999). Pakete konnen Leistungen enthalten, die nicht separat erhaltlich sind. Andere Pakete werden zu einem geringeren Preis als die Summe der Einzelleistungen angeboten. Wieder andere bieten dem Kaufer zusatzlich exklusive Nutzungsrechte, zum Beispiel fiir bestimmte Serviceleistungen (EppedHansonIMartin 199 1, S. 7). Beispiele hierfiir sind die Kontopaketstrategien einiger Banken. Kreditkartenfirmen bieten zusammen mit der Karte ein groRes Servicepaket, wobei nicht alle Leistungen vom Kunden auch genutzt werden. Restaurants offerieren parallel zu einzelnen Speisen preiswertere Meniivorschlage. Besonders erfolgreich kann Bundling sein, wenn dadurch der Produktnutzen insgesamt steigt (Leistungssysteme; Belz et al. 1997; BeldBieger 2004). Beispielsweise verkauft der Fahrstuhlproduzent Otis seine Produkte in Verbindung mit einem Servicepaket an (Wartung, Notfallbereitschaft usw.), welches uber die Halfte der Gesamtumsatze erbringt (EppedHansonMartin 1991, S. 11). Vorsicht ist d a m geboten, wenn im Laufe der Zeit besonders erfahrene Kunden bestimmte Leistungsbestandteile des Pakets nicht mehr honorieren (z.B. Scheiterminder 1992). 8. Informationstechnologie sinnvoll einsetzen
Fur eine effiziente Kundenbindung ist es unerlasslich, Informationen erfolgreich zu managen sowie Technologien intelligent und sinnvoll einzusetzen (Day 2000, S. 4). Die modernen IT-Losungen unterstiitzen Unternehmen dabei, Kundensegmentierungen vorzunehmen, Kundenprozesse abmbilden sowie kundengerichtete MaRnahmen zu koordinieren. Richtig eingesetzt erleichtern sie es, Teilaspekte einer umfassenden Kundenorientierung zu standardisieren und zu multiplizieren. Ein isolierter und primar technikorientierter Einsatz von so genannten ,,Customer Relationship Management (CRM)"Systemen wird allerdings die Kundenbindung nicht erhbhen (Rese 2002).
Durch Kundenbindung konnen Anbieter kontinuierliche oder sogar vermehrte Folgekaufe realisieren. Ziel sollte es sein, bei den aus Anbietersicht besonders attraktiven Kunden eine Position zu erreichen, in der sie trotz einer gewissen Abhangigkeit zufrieden sind. Fiir einen ausgewogenen Bindungs-Mix sind gegebenenfalls die Vorteile der Bindung zu erhohen undoder die Nachteile zu verringern (gestrichelte Linien; siehe Abb. 7).
ProduktivitMsvorteile: *YT
,."'
Kostensenkungen Risikominimierung m
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Abhangigkeit: Inflexibilitat Entscheidungsdruck I-zwang hohe Abstimmungskosten
.. .
Abbildung 7: Die beiden Seiten der Kundenbindung Ein derartiges Kundenbindungskonzept ist in der Lage, Kundenpotenziale ausmschopfen, ohne dass sich der Kunde tatsachlich in negativer Weise ,,gebundenUfiihlt. Dies ist Voraussetzung flir ein langfi-istig effektives und effizientes ,,Customer Relationship Management".
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Prof: Dr. Torsten Tomczak, Prof: Dr. Sven Reinecke, Dr. Sabine Reinecke geb. Dittrich Universitat St. Gallen (HSG) Institutfur Marketing und Handel Dufourstr. 40a CH-9000 St. Gallen
Michael LakerIAlexander PohlIDenise Dahlhoff
Kundenbindung auf neuen Markten
1. Relevanz von Kundenbindung auf neuen Markten 2. Abgrenzung neuer Markte
3. Kundencharakteristika im Hinblick auf die Kundenbindung 3.1 Unterschiede zwischen Kunden alter und neuer Markte 3.2 Unterschiede zwischen Kunden aufbrechender und junger Mbkte 4. Ziele der Kundenbindung auf neuen Markten
5. Schlussfolgerungen fir Kundenbindung in neuen MLkten
1. Relevanz von Kundenbindung auf neuen Markten In Branchen wie der Telekommunikation, der Energieversorgung oder der Fracht- und Zustelldienste sind die Zeichen auf Wettbewerb gestellt. Die Liberalisierung dieser Branchen wirbelt die eingefahrenen Marktverhaltnisse durcheinander und zwingt die ehemaligen Monopolisten zur Neugestaltung bzw. zum Aufbau von Kundenbeziehungen. Das Schlagwort Kundenbindung macht die Runde. Markte, die ihre traditionellen Regeln durch den Ruckzug staatlicher Eingriffe verandern, zahlen wir zu neuen Markten. Dariiber hinaus konnen neue MBrkte aufgrund von Produktinnovationen entstehen (z.B. Post-it, Red Bull, dynamische Kfz-Navigationssysteme oder Online-Dienste). Ebenso generieren Produkte, die eine massive Weiterentwicklung herkommlicher Produkte darstellen wie z.B. Carving-Ski, die A-Klasse oder APS-Kameras, neue Mbkte. Besondere Relevanz haben in jungster Zeit Internetbezogene Firmen und Angebote erlangt. Ganzlich neue Dienstleistungen sind entstanden, wie zum Beispiel Ersteigerungen einer Breite an Produkten durch Firmen wie Priceline.com oder eBay und Dienstleistungsbundel aus Information, Nachrichten, Recherche, Redaktion etc. wie Yahoo sie anbietet. Warum hat die Kundenbindung fiir neue MPkte einen besonderen Stellenwert? Auf den ersten Blick scheint die Akquisition von Kunden zunachst vie1 drangender zu sein. Die spezifische Situation von Anbietern auf neuen Markten zeigt jedoch, dass mogliche Maonahmen zur Kundenbindung bereits beim Marktstart geplant werden sollten. Dabei ist zwischen verschiedenen Rollen der Anbieter auf neuen Markten zu unterscheiden: Fur Unternehmen, die in der Verteidigungsrolle sind, wird Kundenbindung bereits vor dem Markteintritt neuer Wettbewerber zur unausweichlichen Herausforderung. Schliel3lich gilt es, sich von den Newcomern nicht die "Butter vom Brot nehmen zu lassen", sondern die eigenen Kunden zu halten. Aber auch die Angreifer, die in die Traditionsmarkte einbrechen und die Anbieter auf vollig neu entstehenden Markten mussen das Thema Kundenbindung in friihen Marktphasen angehen - wenn auch auf andere Weise als die Verteidiger. Die Marktentwicklung verlauft haufig rasant, so dass Kundenbindungskonzepte zum Teil fYiih gefragt sind und rasch umgesetzt werden mussen. Bis dahin sollte die Konzeption von Bindungsmaonahmen abgeschlossen sein. Fur die neuen Anbieter ist es zudem extrem wichtig, die neu gewonnenen Kunden zu halten, um eine negative Mundpropaganda zu verhindern. Immerhin muss bei der Zielgruppe die Skepsis gegenuber dem eigenen Unternehmen als neuem Anbieter bzw. gegeniiber innovativen Produkten oder Dienstleistungen abgebaut werden. Das beste Mittel d a m ist in der Regel die personliche Empfehlung von zufriedenen Kunden.
2. Abgrenzung neuer Markte Wie Kundenbindungskonzepte fiir bestimmte Markte zu gestalten sind, hangt hauptsachlich von der Neuartigkeit des Marktes und den Marktcharakteristika ab. Was ist ein neuer Markt oder wie kann die Neuartigkeit eines Marktes charakterisiert werden? Grundsatzlich sprechen wir von einem neuen Markt, wenn sich durch neuartige Produkte neue Angebots-Nachfiagekonstellationen ergeben, die klar vom bisherigen Marktgeschehen abgegrenzt und insbesondere durch eine eigene Preisbildung gekennzeichnet sind. Dies kiinnen einerseits viillig neuartige Produkte sein, die erst einen Markt generieren (2.B. Inline-Skates, Post-it), andererseits aber auch neue Produkte in bestehenden Marktsegmenten (2.B. Carving-Ski, APS-Kameras, A-Klasse). So ist der Ersteigerungsmarkt erst durch Priceline.com gegriindet worden. Amazon hat den Buchkauf per Internet insbesondere in den USA zur Normalitat werden lassen. Im weiteren Sinne entsteht ein neuer Markt, wenn die Spielregeln auf vorhandenen Markten durch den Eintritt neuer Anbieter oder neuer Kunden nachhaltig verandert werden. Die Charakterisierung eines neuen Marktes wird maageblich durch die individuelle Sichtweise eines Anbieters undloder Kunden bestimmt. So ist z.B, der Markt fir Verkehrstelematik aus Sicht aller Kunden und aller Anbieter neu. Der Markt fir Festnetz-Telekommunikation ist fin die neuen Anbieter Arcor, o.te1.o etc. neu, nicht jedoch fir die Deutsche Telekom. Die individuelle Sichtweise ist insbesondere bei Markten wichtig, die sich im Ubergang von einem monopolistischen zu einem oligopolistischen Markt befinden, wie dies gegenwartig in Deutschland auf den liberalisierten Markten der Telekornmunikation oder der Energieversorgung der Fall ist. Aus Kundensicht kiinnen neue Markte somit sowohl durch neue Produkte als auch durch neue Anbieter begriindet werden. Bei einem Markteintritt neuer Anbieter sprechen wir jedoch nur dann von einem neuen Markt, wenn durch diese das Marktgeschehen - also zum Beispiel die Preisbildung, die Wettbewerbsintensitiit oder die Kundennahe - f i r den Kunden spurbar verandert wird. In Abbildung 1 ist die Marktabgrenzung durch die beiden Spalten der Kundensicht dargestellt. Aus Sicht eines Anbieters gibt es zwei Situationen, in denen von einem neuen Markt gesprochen werden kann: Entweder er bietet entsprechende neue Produkte an, die einen neuen Markt begrunden, oder er erschlieat mit bestehenden Produkten fiir ihn neue Kunden (vgl. Abb. 1). Dies kiinnen neue Kundengruppen oder Kunden in neuen Regionen sein. Ein Beispiel hierfiir stellt der Pharmamarkt nach der Gesundheitsreform 1993 dar. Die Hersteller konzentrieren sich seitdem starker auf den OTC-Markt mit freiverkauflichen Arzneimitteln. Manche Praparate waren vielleicht f i r die Kunden nicht neu, doch entwickelten sich die Patienten jetzt neben den Arzten zu einer Hauptzielgruppe.
Alte Markte
Neue Mlrkte
Perspektive eines Anbieters
Kundensicht
Abbildung 1 : Typologisierung alter und neuer Mhkte Nimmt man den Blickwinkel der Kunden ein, kann im ersten Schritt zwischen neuen und alten Markten differenziert werden. Die neuen Markte konnen noch einmal unterteilt werden in junge Markte, die sowohl f i r den Anbieter als auch f i r den Kunden neu sind, und in aufbrechende Markte, in denen die Anbieter undloder Produkte f i r den Kunden neu sind. Es ergeben sich die folgenden drei Falle: 1. Etablierte Markte
Auf etablierten Markten vermarktet ein Anbieter bisherige Produkte seinem angestammten Kundenkreis. Das Wettbewerbsumfeld ist klar definiert, d. h, die Konkurrenten sind bekannt. Aus Kundensicht ergibt sich eine ahnliche Marktbeurteilung. Mit neuen Anbietern oder radikalen Innovationen ist nicht zu rechnen. Die Marktverhaltnisse bleiben konstant. Fur etablierte Markte gibt es zahlreiche Beispiele. GroBe Teile der Konsumguterindustrie, wie zum Beispiel Nahrungs-IGenussmittel, Haushaltsgerate oder Sportschuhe, sowie der Automobilmarkt zahlen dam. In der Automobilindustrie wird es immer neue Folgemodelle und Generationswechsel (z.B. Golf IV) geben, jedoch sind diese Produktverbesserungen normalerweise nicht so massiv, dass die Produkte und Kunden als vollig neu angesehen werden konnen. 2. Aufbrechende Markte
Wie in etablierten Markten agiert in aufbrechenden Markten ein Anbieter mit bisherigen Produkten bei seinen Kunden. Er sieht sich jedoch neuen Konkurrenten gegeniiber, die
in den Markt eintreten. Dieser Markteintritt neuer Anbieter wird in Abbildung 1 durch die Kundensicht verdeutlicht, die neue Anbieter wahmehmen. Diese neuen Anbieter konnen sowohl mit herkommlichen als auch mit neuen Produkten aktiv werden. In dieser Situation befinden sich zum Beispiel alle Unternehmen, die bisher die Vorteile ihrer Monopolstellung in regulierten Markten nutzen konnten und durch Liberalisierungsprozesse neuerdings Wettbewerbern ausgesetzt sind. Fiir die Deutsche Telekom beispielsweise sind weder der Markt noch die Kunden neu. Aus Sicht der Kunden bestehen jedoch entscheidende Marktveranderungen, da nun eine Auswahl an Anbietern zur Verfigung steht. Gleiches trifft f i r die traditionellen Energieversorger wie RWE, PreussenElektra oder Bayernwerk zu. In- und auch auslandische Energieversorger durfen fortan in den ehemals unantastbaren deutschen Gebietsmonopolen Kunden akquirieren. Auch die Deutsche Post AG spiirt die neue Konkurrenz bei Zustelldiensten (FedEx, UPS, TNT etc.).
3. Junge Markte Bietet im Gegensatz zu den ersten beiden Fallen ein Anbieter neue Produkte an oder vemarktet bekannte Produkte an f i r ihn neue Kunden, handelt es sich um einen jungen Markt. Diese Konstellation stellt die ausgepragteste Form eines neuen Marktes dar. Hierm ztihlen der Telekommunikationsmarkt aus Perspektive der neuen Anbieter, der Markt f i r Verkehrstelematik, der Direktbankenmarkt oder virtuelle Marktplatze. Die vierte Kombination in der Matrix ist ausgeschlossen, da nicht gleichzeitig Anbieter und Produkte f i r die Kunden alt und die Kunden undloder die Produkte f i r den Anbieter neu sein konnen. Die vorgestellte Systematik verdeutlicht, dass sich durch die Kundensicht alte und neue Markte voneinander abgrenzen lassen. Dabei kann eine Zuordnung zu aufbrechenden oder jungen Markten immer nur in Abhangigkeit von der Perspektive eines konkreten Anbieters erfolgen. Der Telekommunikationsmarkt ist zum Beispiel fiir die Deutsche Telekom ein aufbrechender, f i r o.te1.o ein junger Markt. Jedes Unternehmen muss sich somit in die vorgestellte Matrix jeweils individuell einordnen.
3. Kundencharakteristika im Hinblick auf die Kundenbindung Die Kunden auf neuen und alten sowie auf jungen und aufbrechenden Markten weisen beziiglich bestimmter Merkmale Unterschiede auf. Diese Unterschiede haben Einfluss auf die Ziele der Kundenbindung in den verschiedenen Markten und die Art der jeweils
geeigneten Kundenbindungsmarjnahmen. Die Kundenunterschiede beziiglich verschiedener Merkrnale lassen sich folgendermarjen veranschaulichen:
4 gerlng
w Y
Wechselbereitschaft hoch
Aufmerksamkeiff lnformationsbedarf +gerIng
hoch
P:
:a z
w
02
lnformationsbeschaffung seltenlnach Bedari
' '5 :a '
intenslv'
W
Angebote und Kundenansprache Segmentausr~chtung moglich
4
w 3
undifferenziert'
Image der Anbieter etabllert
Melst (noch) nicht etabliert
'
.(............... ,..... .'... ........ .).....'.. ...',....' ....o .... .... Erfahrung mit ProdukffDienstleistung hoch
gerlng
W
k
Beurteilungskriterien fur Angebote nicht vorhanden'
vorhanden
P:
:a
Erfahrung mit Anbieter In der Regel hoch
in der Regel gering
Art der Entscheidung fur einen Anbieter bleiben oder wechseln
Erstentscheidung
:a E
' wz '2 (3
BMOOXOOZP-1
Abbildung2: Merkmale von Kunden in alten und neuen sowie jungen und aufbrechenden Markten
3.1 Unterschiede zwischen Kunden alter und neuer Markte Generell ist die Wechselbereitschaft von Kunden auf neuen Markten vergleichsweise hoch einzuschatzen. Das ist damit zu begriinden, dass auf neuen Markten vie1 in Bewegung ist und die Kunden uber keinerlei Erfahrung mit den Anbietern verfiigen. Beispielsweise kommen neue Wettbewerber auf den Markt, die an den eingefahrenen Strukturen des Marktes riitteln, wie es zum Beispiel der Paketzusteller UPS vormacht. UPS hat sich Schnelligkeit, Punktlichkeit und Zuverlassigkeit auf die eigenen Fahnen geschrieben und
trifft damit genau eine Schwache der Deutschen Post AG beirn Paketdienst. In der Regel werben neue Wettbewerber vor und wahrend ihres Markteintritts ausgiebig, um die Kunden auf sich und ihr Angebot aufmerksam zu machen. Zudem sind entscheidende Marktveranderungen oder das Entstehen neuer Markte haufig Gesprachsstoff unter Bekannten, und die Presse berichtet in der Regel ebenfalls uber die Neuheiten. Weitere Charakteristika von Kunden auf neuen Markten sind die hohere Aufmerksamkeit und der Informationsbedarf der Zielgruppe. Der Nutzen und die Funktion der neuen Carving-Ski zum Beispiel mussten den Kunden zunachst kommuniziert werden. Die Internet-basierten Firmen kampfen insbesondere gegen Sicherheitsbedenken (Angabe der Kreditkartennummer) der Kunden und Zuverlassigkeit und Schnelligkeit der Lieferung. Interessierte Kunden sind von sich aus starker in die Thematik involviert und suchen aktiv nach Informationen. Ihre Aufmerksamkeit ist vergleichsweise hoher als bei weniger involvierten Kunden. Im Gegensatz zu alten Miirkten, bei denen die Anbieter die Kunden relativ gut kennen und iiber eine gute Kunden-Database verfiigen, konnen neue Anbieter ihren Kunden in der Regel keine differenzierten, auf Segmente abgestimmte Angebote machen. Daher erfolgt zunachst eine einheitliche Kundenansprache. Ein extremes Beispiel maogeschneiderter Angebote fir einzelne Kunden sind die Ritz-Hotels. Weltweit sammeln die einzelnen Hauser der Kette Informationen uber jeden Kunden, die in eine Datenbank eingestellt werden. Dazu gehoren unter anderem Angaben zu Essens- und Schlafgewohnheiten. Mit diesen Informationen kann auf spezielle Kundenbedurfhisse eingegangen werden. In neuen Markten lernen die Kunden neue Anbieter erst kennen. Ein festes Image hat sich anders als bei alten Markten noch nicht etabliert. Im Direktbankenmarkt zum Beispiel hat Advance Bank mit ihrem Start-Claim "Banking fiir Fortgeschrittene" anfangs durchaus Kunden abgelehnt, die nicht in das definierte Raster (z.B. bestimmtes Mindesteinkommen oder -vermBgen) passten. Viele andere Direktbanken positionierten sich demgegenuber eher als Discounter ohne Beratung.
3.2 Unterschiede zwischen Kunden aufbrechender und junger Markte Bei Gegenuberstellung der Eigenschaften von Kunden aufbrechender und junger Mhkte treten vor allem Unterschiede hervor, die auf die Unerfahrenheit der Kunden mit Produkten undoder Anbietern zuriickzufihren sind. So verfiigen Kunden alter Markte bereits uber Kenntnisse und Erfahrungen beziiglich der Produkte undoder Anbieter. Des Weiteren haben sich beim Kunden Beurteilungskriterien gefestigt, nach denen er Angebote bewertet. So wissen Kunden bei Zustelldiensten oder Frachtunternehmen (aufbrechender Markt), worauf sie bei der Kaufentscheidung achten mussen. Kunden von Preisagenturen (junger Markt), die fiir genau spezifizierte Produkte das gunstigste Angebot heraussuchen, konnen Angebote erst d a m beurteilen, wenn sie einmal die Leistung einer
Preisagentur in Anspruch genommen haben. Ebenso verhalt es sich mit Online-Kaufen per Internet. Hier bilden sich Beurteilungskriterien sogar marktiibergreifend, d. h. Kunden von Bekleidungsfirmen wie The Gap oder Nike transferieren ihre Erfahrungen z.B. auf Buchkaufe bei Amazon. Nicht zuletzt bildet die Art der Entscheidung des Kunden fir einen Anbieter ein Unterscheidungsmerkmal. In jungen Markten treffen Kunden eine Erstentscheidung, in der Regel eine JaNein-Entscheidung oder zumindest eine (vorlaufige, revidierbare) Entscheidung f i r einen bestimmten Anbieter. Das trifft unter anderem f i r Online-Dienste zu. Demgegenuber hat sich der Kunde bei aufbrechenden Markten meistens einem Unternehmen zugeordnet. So sind die Privatkunden von Energieversorgern derzeit aufgrund der alten Gebietsmonopole noch einem bestimmten Versorger zugeordnet. Fur die neuen Anbieter bedeutet das, dass sie Neukunden aus langjahrigen Geschaftsbeziehungen mit Wettbewerbern herauslosen miissen.
4. Ziele der Kundenbindung auf neuen Markten Die Ziele von Kundenbindung lassen sich differenziert fir junge und aufbrechende Markte angeben (vgl. Abb. 3). Auch hier ist immer die jeweilige Perspektive des einzelnen Anbieters zu beriicksichtigen: Die Kundenbindungsziele eines Altmonopolisten wie z.B. die Deutsche Telekom AG oder die Deutsche Post AG, deren bisherige "Furstentumer" anderen Mitstreitern geoffnet werden, sind die Verhinderung des Abwanderns der "Rosinen"-Kunden und im Endeffekt die Erhaltung des Unternehmens. Gleiches gilt fir andere Markte, auf denen es etablierte Anbieter gibt und auf die neue Anbieter eintreten. Beispiele sind unter anderem Markte, in denen plotzlich auslandische Unternehmen aktiv werden wie in der Versicherungsbranche, im Bekleidungshandel oder bei Kinobetreibern. Das englische Kaufhaus Marks & Spencer oder der amerikanische Filialist The Gap lehren die deutschen Bekleidungseinzelhandlerseit Mitte 1996, wie man mit Serviceorientierung, Freundlichkeit und gutem Preis-/Leistungsverhaltnis auch in engen, schrumpfenden Markten positive Ergebnisse erzielen kann. Auf eine ahnliche Erfolgsgeschichte kann der amerikanische Bekleidungsversender Lands' End verweisen: Seit dem Markteintritt 1996 in Deutschland hat das uber 30 Jahre alte Unternehmen mit einem ungewohnlichen Service f i r Furore gesorgt. Auch nach Jahren noch kann man Kleidung zuruckgeben und erhalt anstandslos Ersatz. Die erste Phase, nachdem neue Anbieter auf den Markt gekommen sind, ist fir die Traditionsunternehmer kritisch: in dieser Anfangsphase gilt es, die Angreifer - idealenveise dauerhaft - abzuwehren, indem man den eigenen Kunden besondere Anreize bietet, treu zu bleiben, und damit Wechselbarrieren aufbaut. Gezielte Bindungsprogramme wie Treuerabatt-Systeme, Kundenclubs oder Bonusprogramme wie z.B. Miles & More sind
hier zweckmaRig. Den Neulingen wird auf diese Weise die Etablierung im Markt erschwert oder gar unmoglich gemacht. Die alteingesessenen Anbieter durfen allerdings nicht den Fehler machen, alle Kunden binden zu wollen. Vielmehr miissen sie sich auf die lukrativen bzw. profitablen Kunden beschranken. Das sollten sich insbesondere die Energieversorger in ihr Pflichtenheft schreiben, da bei vielen der Irrglaube besteht, samtliche Kunden halten zu miissen, statt sich beispielsweise lukrative Geschaftskunden herauszupicken. Etablierte Anbieter auf aufbrechenden Markten
Anbieter auf jungen Marktenl Eintretende Anbieter auf aufbrechenden Markten
Erhaltung des Unternehmens
Verhindern von Hopping bei Neukunden zur Vermeidung dauerhafter lmageschaden
Halten der lukrativenlprofitablen Kunden bzw. Senken der Akquisitionskosten pro Neukunde Verhinderung des Rosinenpickens anderer Anbieter Dauerhafte Abwehr von Angreifern
Erreichen einer "kritischen Masse" (2.B. ausreichende Zahl von Nutzern eines Mobilfunknetzes)
Aufbau von Wechselbarrieren fur Stammkunden durch gezielte Bindungs~rOgramme wie Treuerabatt-Systeme, Bonusprogramme, VIP-Status etc.
Abbau von Kaufunsicherheiten bei der Zielgruppe Aufbau cines positiven Image zur Akquisition weiterer Kunden Vermeidung eines negativen Abstrahleffekts auf Stammkundschaft in anderen Markten (2.B. andere Region, anderes Produkt) ErhohunglHalten von Cross-Selling-Potential System- statt Produktentscheidung
Abbildung 3: Ziele von Kundenbindung in neuen Markten Sowohl fur die Neulinge auf aufbrechenden MLkten als auch f i r Unternehmen auf vollig neuen Markten - z.B. Online-Dienste wie T-Online, AOL, Internet-Marktplatze oder der Markt der Navigationssysteme - sind andere Ziele relevant: Es gilt, vom Start weg ein positives Image aufmbauen und ein Hopping der Neukunden zu verhindern, um eine Basis f i r die weitere Akquisition zu schaffen. Spricht sich namlich erst einrnal herum, dass einem neuen, bisher unbekannten Anbieter die Kunden in Scharen weglaufen, entstehen nachhaltige Imageschaden und GewinneinbuRen. Fur Anbieter, die noch in anderen Mbkten prasent sind, z.B. in anderen Regionen oder mit anderen Produkten, steht dariiber hinaus auch der Ruf in den anderen Mhkten auf dem Spiel. Wird das Internet zum Beispiel als zusatzlicher Distributionskanal genutzt, ist auf die gleiche Positionierung sowie die Einhaltung der etablierten Geschaftspraktiken zu achten. Insgesamt legt die "Probezeit" den Grundstein fiir den langfristigen Erfolg von Neulingen am Markt. Schliisselfaktoren f i r die Newcomer sind eine Top-Leistung und eine Top-Qualitat.
In jungen Mbkten ist die Anfangsphase vor allem deshalb kritisch, weil der "Kuchen" im Gegensatz zu etablierten Branchen noch nicht verteilt ist. Der rasche Aufbau eines Kundenstarnrns ist eine wichtige Voraussetzung zur Erreichung der Marktfiihrerschaft. Wenn sich die Strukturen erst einmal gefestigt haben, ist es in der Regel schwierig, dem Marktfiihrer seinen Platz streitig zu machen. Besonders wichtig wird die M e Marktfihrerschaft, wenn es um die Etablierung eines Systems als Branchenstandard geht. Das betrifft z.B. Software, deren Nutzen fiir die Anwender mit der Verbreitung des Systems steigt. Die Austauschbarkeit von z.B. Microsoft-Dateien ist problemlos moglich, da Microsoft-Produkte weltweit Standard sind. Ahnliches gilt fiir das Videosystem VHS, das beim Marktstart gegen die Konkurrenten Beta und Video 2000 angetreten ist. Obwohl Beta zunachst eine bessere Marktposition innehatte, avancierte VHS aufgrund einer konsequenteren und aktiveren Marktbearbeitungsstrategie zum Marktfihrer. Gleiches trifft fir Internet-Ersteigerungen zu: Als Pionier setzt Priceline.com den Standard, was vor allem den Ablauf- und Abwicklungsprozess und rechtliche Fragen angeht. Auch beim Mobilfunk kommt dieser Effekt zum Tragen: Es muss eine "kritische Masse" erreicht werden, damit die Nutzer eines bestimmten Netzes (Dl-, D2- oder E-Netz) entsprechende Vorteile haben, z.B. durch giinstige Telefonate innerhalb desselben Netzes. Ein weiteres Beispiel hierzu ist die Zukunftsvision des digitalen Fernsehens. Bertelsmann und die Kirch-Gruppe wollen das System in den nachsten Jahren zunehmend popular machen. Hierzu sind mindestens einige Millionen Abonnenten erforderlich. Experten schatzen, dass dem digitalen Fernsehen in den nachsten Jahren noch keine Massenverbreitung beschieden sein wird, dass aber mittelfristig ein Boom des digitalen Fernsehens und der interaktiven Medien zu erwarten ist. Die Kunden treffen in den genannten Fallen eine System-, statt eine Produktentscheidung. Das Cross Selling-Potential wird somit erhoht. Gleiches triffi f i r viele Teilnehmer an Frequent Traveller-Programmen zu: Um Meilen von der "eigenen" Airline zu sammeln, bucht man immer bei dieser Airline, ohne langere Preisvergleiche anzustellen.
5. Schlussfolgerungen fiir Kundenbindung in neuen Markten Zusammenfassend sind folgende Aspekte festzuhalten: Keine klassischen Kundenbindungsinstrumente fur neue Markte
Anbietern auf neuen Markten ist von klassischen Kundenbindungskonzepten wie Kundenclubs, Bonusprogrammen oder Kundenkarten strikt abzuraten. Das sofortige Angebot
von Kundenbindungsprogramrnen kbnnte von den Kunden als "Koderversuch" missverstanden werden. Bei neuen Anbietern undloder neuen Produkten wird Kundenbindung in erster Linie uber eine Top-Leistung und einen guten Service erreicht. Hier ist Kundenbindung die Konsequenz eines gesamten Leistungspaketes, das das Unternehrnen den Kunden anbietet: Qualitat, ZuverlBssigkeit, Image, Marke, Betreuung, der Venveis auf Referenzkunden und eine deutliche Besserleistung als die Konkurrenz bei mindestens einem f i r den Kunden wichtigen Merkmal. Der Wettbewerbsvorteil von UPS ist beispielsweise die hohe Zuverlassigkeit und Termintreue. Den Kunden ist diese Leistung extrem wichtig, so dass sie den im Vergleich zur Deutschen Post hoheren Preis akzeptieren. Erfolg versprechend sind Test- oder Einstiegsangebote. Direktbanken z.B. bieten ihr Girokonto in der Regel ein halbes oder ein Jahr zum Nulltarif an. Der Kunde geht hier kein Risiko ein. Er hat Gelegenheit, Anbieter und Produkte kennen zu lernen. Das Einstiegsprodukt von o.te1.0 zum Beispiel ist die Calling Card ohne Grundgebuhren. In dieser Phase ist eine Spitzen-Performance extrem wichtig, um eine nachhaltige Kundenbindung zu erzielen. @
Kundenbindungskonzepte auf neuen Markten fruhzeitig konzipieren, aber erst spater einfuhren
Auf neuen Mhkten ist es wichtig, Kundenbindungskonzepte bereits fiiihzeitig zu entwickeln, jedoch erst spater einzufihren. Unter Umstanden konnen Bindungsprogramme schnell gefiagt sein. Sind die Grundziige f i r das Bindungskonzept klar, konnen zudem Kundendaten, die fiir die Gestaltung des Programms (z.B. Kundenclub, Kundenkarte, Bonusprogramm) erforderlich sind, bis zur Einfihrung der Mafinahme gezielt gesammelt werden. Ein grofier Vorteil von fiiihzeitig vorbereiteten Kundenbindungskonzepten, die in der "Schublade" liegen, ist, dass man als erster ein fir den Kunden attraktives Konzept bieten bzw. auf entsprechende Aktionen der Wettbewerber schnell reagieren kann. Die erste Marktphase ist grundlegendfur den langfiristigen Erfolg Insbesondere auf vollig neu entstehenden Markten muss die "Probezeit", also die anfangliche kritische Marktphase, mit Bravour absolviert werden. Hier bildet sich das Image, und letztlich werden die Marktpositionen, insbesondere die Marktfihrerrolle, unter den Anbietern verteilt. Anbieter in der Verteidigungsrolle mussen friihzeitig professionelle Kundenbindungsinstrumente einsetzen. Ziel muss sein, die Kunden bereits vor dem Eintritt neuer Kunden an sich zu binden und Wechselbarrieren zu errichten. Die Deutsche Telekom hat diese Chance regelrecht verschlafen. Marke und Image bieten Wege aus der Homogenitut
Insbesondere auf neuen Markten, in denen die Marktstrukturen noch nicht gefestigt sind und noch vie1 in Bewegung ist, sind ein guter Name und ein gutes Image beim Aufbau
einer entsprechenden Marktposition forderlich. Das gilt vor allem, wenn es sich um innovative Produkte oder Dienstleistungen handelt, bei denen zuerst die Skepsis der Kunden abgebaut werden muss, oder bei neuen, den Kunden unbekannten Anbietern z.B. aus dem Ausland. Ziel der Akteure auf neuen M l k t e n muss es deshalb sein, eine konsequente Markenpositionierung zu verfolgen und ein konsistentes Image - u. a. durch entsprechende KommunikationsmaRnahmen - aufmbauen.
Dr. Michael Laker, Dr. Alexander Pohl, Dr. Denise Dahlhoff SIMON, KUCHER & PARTNERS Strategy & Marketing Consultants Haydnstr. 36 0-531 15 Bonn
Gernot HandlbauerIBirgit Renzl
Kundenorientiertes Wissensmanagement
2. Kundenorientierung - ein schillernder Begriff 3. Mit dem Kunden lernen 3.1 Kundenwissen 3.2 Kundenorientierte Wissensbasis
4. Customer Knowledge Management 4.1 Kundenwissen erschlienen 4.2 Kundenwissen integrieren 5. Kundenorientierte Leadership
1. Einfuhrung Die Vielfalt der Beitrage - auch zu diesem Band - spiegelt zweifellos die Vielschichtigkeit und den hohen Anspruch wider, den die Kundenorientierung an die Unternehmensfiihrung stellt. Einerseits verlangt das Konzept von jedem einzelnen, dass er sich entsprechend seiner funktionalen und hierarchischen Position personlich in die Auseinandersetzung mit dem Kunden einbringt, andererseits fordert es ein interdisziplintires Vorgehen, das individuelle zu kollektiven Potenzialen abnehrnerbezogen zusammenfiihrt. Das zweite Spannungsfeld der Kundenorientierung resultiert aus dem Aufeinandertreffen von Hard-Facts und Soft-Facts. Die zentralen Aussagen beziehen sich nicht nur auf konkrete materielle GroBen, sondern betreffen vor allem auch qualitative Faktoren, die intuitiv erfasst werden mussen. Daher gehort die intensive Auseinandersetzung mit Zahlen, Daten und Fakten ebenso in diesen Bereich wie die Anerkennung der analytisch nicht greifbaren, aber essentiellen Elemente der lebendigen Begegnung mit dem Gegeniiber. Lebendigkeit ist miiglicherweise das zentrale Merkrnal der Kundenorientierung. Sie fordert standig zurn (un-)geplanten Experiment, zum Hinterfragen bestehender Annahmen und Werte und damit zurn (Ver-)Lernen heraus. Nicht zuletzt deshalb ist das Wissensmanagement untrennbar mit der Kundenorientierung verbunden. Bevor Wege zur ErschlieBung und Integration von Kundenwissen im Detail betrachtet werden konnen, muss klargestellt werden, was Kundenorientierung eigentlich bedeutet.
2. Kundenorientierung - ein schillernder Begriff Seit sich die Verhaltnisse auf den meisten Absatzmarkten zu Ungunsten der Anbieter verschoben haben, erlebt der Stammkunde eine Renaissance und gilt Kundenzufriedenheit als wettbewerbspolitisches Erfolgspotenzial (vgl. Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003). Kundenorientierung stellt ein strategisches Gesamtkonzept dar, in dessen Mittelpunkt die iiberlegene Befriedigung der Bedurfnisse der Abnehmer steht. Dabei mussen zunachst drei Missverstandnisse ausgeraumt werden: Erstens geht es um mehr als nur um ein Nett-Sein zurn Kunden: ,,Sag niemals nein!" oder: ,,Tu' immer alles, was der Kunde verlangt!" lauten die Slogans eines grundlegend falschen Verstandnisses, das den Kunde zum Kiinig und die Mitarbeiter zu seinen Sklaven macht. Diese Philosophie erzeugt Anforderungen, die die Kompetenzen und Kapazittiten des Unternehmens iibersteigen. Die Mitarbeiter ftihlen sich den Launen der Kunden ausgeliefert und begegnen ihm dementsprechend abweisend. Somit wird nicht hoch-
wertiger Service bereitgestellt, sondern eine Plattform f i r Unzufriedenheit innerhalb und auRerhalb des Unternehmens geschaffen. Grundlage dieses Missverstandnisses ist die ftilschliche Annahme, ein Mehr an Unternehmensleistung wiirde immer auch ein Mehr an Kundenzufriedenheit und damit an Kundenorientierung bedeuten. Betrachtet man den Begriff Kundenorientierung aber einmal aus der Sicht des Betroffenen, des Kunden, so beinhaltet er nicht nur ein sich am Kunden orientieren, sondern auch ein den Kunden orientieren. Statt hinter dem Kaufer herzuhetzen, ihn wahllos mit Angeboten zu uberhaufen und damit zu desorientieren, gilt es, gezielt Wissen aufzubauen, um ihm beratend zur Seite stehen zu konnen (siehe Abbildung 1).
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Kundenorientierung
Kundendesorientierung Unternehmen
Unternehmen
Abbildung 1: Kundenorientierung und Kundendesorientierung Zweitens ist Kundenorientierung keine Aufgabe, die von oben nach unten delegiert werden kann. Die Initiative zur Gestaltung des Unternehmens und seiner Leistungen kann nicht Bottom-up erfolgen, vielmehr mussen die obersten Fuhrungskrafte als Vorbild demonstrieren, was Kundenorientierung konkret heiljt. Dies verlangt ein Fuhrungsverstandnis, das vor allem Werten wie personlicher Integritat und Verantwortungsbewusstsein f i r das Unternehmen, seine Kunden und seine Mitarbeiter verbunden ist. Kundenorientierte Fuhrung hat nichts mit dem Erteilen von Weisungen oder mit Vorschriften zur Herstellung von Kundenzufriedenheit zu tun. Fuhrungskrafte, die auf derartige Disziplinarmannahmen zuriickgreifen mussen, haben wohl noch ein gutes Stiick Arbeit an sich selbst und mit ihren Mitarbeitern vor sich, bevor Kundenorientierung umgesetzt werden kann. Drittens gilt es, das Verhaltnis zwischen dem (traditionellen) technischen und einem ganzheitlichen Qualitatsbegriff zu klhen (vgl. Abbildung 2). Ersterer bezieht sich auf objektiv messbare Kriterien, mit deren Hilfe die Funktionalitat des Produkts oder der Dienstleistung beurteilt werden soll. Der Qualitatsbegriff wird nur als rein physikalisches und technisches Charakteristikum gesehen, das auf DIN, I S 0 und anderen Normen beruht (vgl. Hillen 1992, S. 29).
technischer QualitatsBegriff
Abbildung 2: Technischer und ganzheitlicher Qualitatsbegriff Dabei handelt es sich allerdings um eine allgemeine Betrachtung, die keinerlei Verbindlichkeit fiir die Einschatzung der Unternehmensleistung durch den einzelnen Kunden hat. Vielmehr nimmt dieser die Leistung vor dem Hintergrund seiner Erwartungen wahr und beurteilt seinen Gesamteindruck von der Begegnung mit dem Unternehmen. Dieser umfasst neben der eigentlichen Leistung eine Reihe weiterer interpersoneller Elemente wie beispielsweise Zuverlassigkeit, Reaktionsbereitschaft und Einfiihlungsvermogen (vgl. ZeithamllParasuraman/Beny 1990, S. 20ff). Kundenorientierung bezieht sich also auf das Gesamtpaket an wahrgenommenen Leistungen, die das Unternehmen fiir den Kaufer erbringt. Deshalb steht Kundenorientierung hier zunachst allgemein fiir die bestmogliche Annaherung an die Komplexitat des Menschlichen. Im Detail bedeutet Kundenorientierung auf der Ebene des einzelnen Mitarbeiters die Bewusstseinsbildung fir ein sich fortwahrend stark veranderndes Subjekt, den Kunden. Der anonyme Kaufer wird zu einem Bundel von lebenden, sich verandernden Gefiihlen, Einstellungen, Erwartungen und Bediirhissen, die es zu erfassen und in die Erstellung von kundengerechten Leistungen mit einzubeziehen gilt. Kundenorientierung ist allerdings eine ganzheitliche Aufgabe, die in allen MaRnahmen, die das Top-Management setzt, zum Ausdruck kommen muss (vgl. StaussIFriege 1996, S. 20ff; Gouillart/Sturdivant 1994, S. 34ff). Auf der Ebene des Gesamtunternehmens gilt es daher, Strukturen zu schaffen, die dem einzelnen Mitarbeiter die Umsetzung der Kundenorientierung in seinem Arbeitsbereich ermoglichen. Das betrifft sowohl die Strukturen der Arbeitsteilung und der Koordination als auch den Informationsfluss und die Fuhrungssysteme. Diese miissen nicht nur genugend Freiraum bieten, um auf individuelle Kundenbediirfnisse eingehen zu ki)nnen, sondern sollten unter einem evolutionaren Aspekt betrachtet werden: Um den raschen Willens-, Bediirhis- und Bewusstseinsanderungen des Kun-
den, gerecht werden zu kiinnen, brauchen einfuhlsame, kreative und unternehmerisch denkende Mitarbeiter Unterstutzung durch Fuhrungskrafte, die flexible Strukturen schaffen und die Strategie als ein mit dem Kunden lernen verstehen.
3. Mit dem Kunden lernen Kundenorientierung bedeutet Bewegung in einem sich standig verandernden Umfeld. Sie ist kein Zustand, sondern ein Prozess, der jeden einzelnen Mitarbeiter und das gesamte Unternehmen laufend dazu herausfordert, Fahigkeiten, Fertigkeiten und Technologien, aber auch Werte, Normen und Denkhaltungen, die uber Jahre hinweg aufgebaut wurden und als gut galten, laufend zu uberpriifen und (oft kurzfiistig) zu andern. Die Fahigkeit zu lernen bildet deshalb eine wichtige Saule des kundenorientierten Unternehmens, damit neues Wissen uber Kunden und Markte laufend erworben und in bestehende Strukturen integriert werden kann. Dieses Lernen ist aber nicht nur ein bloRes sich anpassen. Langffistig kann der uberdurchschnittliche Wert der Produkte nur dann gesichert werden, wenn das Unternehmen durch laufende Interaktionen gemeinsam mit dem Kunden den Veranderungsprozess gestaltet. Zur kundenorientierten Fuhrung mussen Unternehmen also nicht nur wissen H welche artikulierten und nicht artikulierten Wunsche und Bedurfnisse ihre Kunden !##
haben, wie wichtig die einzelnen Wunsche und Bedurfnisse sind und wie und warum sich diese Wunsche und Bedurfnisse im Zeitverlauf verandern.
Vielmehr gilt es, die eigenen Lern- und Veranderungsprozesse vor dem Hintergrund des wechselseitigen Zusammenhangs zwischen den Entwicklungen auf Seiten der Abnehmer und dem Verhalten des Unternehmens zu sehen und beispielsweise auch folgende Fragen zu stellen: @
Welche artikulierten und nicht artikulierten Wunsche und Bedurfnisse weckt das Verhalten des Unternehmens bei seinen Kunden? In welchem Zusammenhang stehen das Unternehmen und seine Kunden rnit anderen Faktoren, die eine Veranderung von Wunschen und Bedurfnissen beeinflussen (z.B. Technologien, Substitutionsprodukte, Konkurrenten usw.).
Die kundenorientierte Entwicklung von Wissen ist also vie1 mehr als nur ein Prozess der passiven Informationsgewinnung rnit Hilfe der Marktforschung. Vielmehr geht es um ein aktives Gewinnen von neuen Einsichten, um ein kreatives Entwerfen von neuen Produkten und Mbkten. Dieser Prozess kann sich im Rahmen einer unmittelbaren Zu-
sammenarbeit gemeinsam mit den Kunden vollziehen oder indirekt ablaufen, indem von Kundenseite AnstoBe kommen, die im Unternehmen aufgenommen und auf der Basis des bestehenden oder durch die Entwicklung neuen Wissens in innovative Produkte und Dienstleistungen einfliel3en. Dabei ist die Tatsache, dass in vielen Unternehmen, deren Erfolg auf der Schaffung von Kundenzufriedenheit beruht, die Verantwortlichen aus allen - auch marktfernen - Bereichen, regelmaBig direkte Kontakte zu den Abnehmern pflegen, kein Zufall: Mit dem Begriff Kundenorientierung ist ein umfassender Anspruch verbunden, der ein Lernen mit dem Kunden durch unrnittelbare Erfahrungen und direkten Informationsaustausch verlangt. Der Kunde ist nicht nur der Wurmfortsatz des Verkaufs, sondern rund um das Unternehmen ein potenzieller Partner aller Abteilungen und aller Hierarchieebenen. Mit dem Kunden zu lernen kann weder alleinige Aufgabe des Verkaufs sein noch uber Reports des Vetriebscontrolling vollzogen werden. Fur ein vertieftes Verstandnis von kundenorientierten Lernprozessen ist es daher notwendig, die Auspragung und Bedeutung der Ressource Wissen - vor allem auch im Hinblick auf die Abnehmer - naher zu betrachten. Im folgenden Abschnitt mbchten wir auf den Begriff des Kundenwissens eingehen und auf die kundenorientierte Wissensbasis, wo dieses Wissen verankert ist.
3.1 Kundenwissen Die Bedeutung von Wissen f i r Unternehmen ist unbestritten. Wissen lost die klassischen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital ab und wird zum ausschlaggebenden Wettbewerbsfaktor. Denn der Wert des Wissens ubersteigt jenen von Bodenschatzen, Fabrikhallen und Bankkonten. Erfolgreich sind diejenigen, die uber ein groRes Wissenspotenzial verfligen und dieses bestmoglich nutzen, unabhangig von Branche und Unternehmensgrofle (Stewart 1998, S. 7). Peter Drucker spricht vom 21. Jahrhundert als dem Zeitalter der Knowledge Economy: wir haben uns von einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft entwickelt (Drucker 1998), in der Wissen als der zentrale Wettbewerbsfaktor erachtet wird. In der Wissensgesellschaft wird kiinftig nicht mehr der Zugang zu Rohstoffen wie Arbeit und Kapital, sondern vielmehr der Zugang zu Wissen iiber den Erfolg bzw. Misserfolg von Unternehmen entschieden. Der Begriff der Knowledge-based Economy und einer Knowledge-based View des Unternehmens wurde gepragt (Grant 1996). Wissen, Information, Know-how sind grundlegend f i r Innovationen und die Wettbewerbsfihigkeit von Unternehrnen. Kundenwissen als Grundlage f i r kundenorientiertes Handeln nimmt hier eine zentrale Stellung ein. Kundenwissen wird grundsatzlich unterschieden in: Wissen uber den Kunden: Wissen uber bestimme Kunden, Kundensegmente und potenzielle Kunden, das auch externe WissenstrBger besitzen konnen, beispielsweise die Kunden der Kunden, andere Lieferanten und Dienstleister etc.
B Wissen des/der Kunden: uber Produkte und Produktgruppen deren Starken und
Schwachen, alternative Angebote etc., welches das Entscheidungs- und Kaufverhalten des Kunden wesentliche beeinflusst. Wissen als ,,das Vermogen zu Handeln" (Sveiby 1997, S. 37) versetzt das Unternehmen in die Lage, sich entsprechend den Bedurhissen der Kunden zu verhalten. Dabei h e a t Wissen uber den Kunden nicht, die absolute Wahrheit uber ihn erkannt zu haben, sondern in einer gegebenen Situation Wege und Moglichkeiten zu finden, um seine Bedurfnisse besser erfiillen zu konnen als die Konkurrenz. Ganz allgemein weist die Ressource Wissen eine Reihe von Besonderheiten auf, die fur die Kundenorientierung von grofier Bedeutung sind. Anders als beim materiellen Vermogen teilt sich das Unternehmen diesen Produktionsfaktor mit seinen Mitarbeitern, die fiei uber ihr Eigentum verfiigen konnen. Das Unternehmen an sich kann nicht wissen, sondern ubernimmt die Rolle einer integrierenden Institution, die durch strukturelle Vorgaben einerseits die individuelle Wissensentwicklung beeinflusst und andererseits die zielgerichtete Nutzung von individuell envorbenem Wissen organisiert (vgl. Grant 1996, S. 1lOff). Es handelt sich somit um eine zwangslaufig dezentral verteilte Ressource, die von Natur aus unbestimmt ist und sich im Zeitablauf dynamisch verandert (vgl. Tsoukas 1996, S. 13). Das gilt im Besonderen f i r Wissen uber den Kunden, das niemals komplett ist oder richtig, sondern den augenblicklichen Stand an Handlungsmoglichkeiten vor dem Hintergrund einer bestimmten Erlebniswelt darstellt. Jede neue Erfahrung verandert diesen Stand, eroffhet neue Wege und l b s t andere als ungangbar erscheinen. Ein wesentliches Merkmal von Wissen ist, dass es veraltet. Aktuelle Erkenntnisse von heute konnen morgen langst uberholt sein. Ausschlaggebend f i r den Erfolg und das Wachstum eines Unternehmens ist die Fahigkeit, Wissen standig weiterzuentwickeln, das vorhandene Wissen bestmoglich zu nutzen und in fiir den Kunden wertvolle Produkte und Dienstleistungen zu uberfiihren. Eine weitere Besonderheit ist, dass Wissen durch dessen Nutzung nicht aufgebraucht wird und durch seine Verbreitung sogar noch an Wert gewinnt. Entscheidend ist, aus der Fulle von vorhandenen Informationen und Wissen, das richtige auszuwtihlen und daraus fiir den Kunden wertvolles Wissen zu generieren. Es ist nicht moglich, die Entwicklung des Wissens im Vorhinein detailliert festzulegen, noch kann uber die Venvenddung von Wissen innerhalb des Unternehmens entschieden werden. Gerade die Handhabung von kundenorientiertem Wissen ist an den jeweiligen Kontext gebunden und entzieht sich weitgehend dem traditionellen Begriff des Managements, der sich uberwiegend auf die Lenkung materieller Guterstrome bezieht. Deutlich wird dies vor allem, wenn eine Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen getroffen wird (NonakaITakeuchi 1995): iiatr Explizites Wissen ist in kodierter Form verfiigbares und damit leicht ubertragbares
Wissen. Es handelt sich typischerweise um Inhalte, die in Reports, Kundendatenban-
B
ken oder Marktforschungsberichten vermittelt werden. Explizites Wissen hat insofern weitgehend interindividuellen Charakter, da es fir jeden, der Zugang zum Ubertragungsmedium hat, grundsatzlich verfigbar ist. Implizites Wissen beruht dagegen weitgehend auf individuellen Erfahrungen, die zwar beschrieben werden konnen, aber dennoch nicht ohne ein aktives Vollziehen erfassbar sind. Es ist daher nur sehr beschrankt oder indirekt - z.B. uber Bilder - kodierbar und lasst sich niemals vollstandig ubertragen, weil es auf Learning by Doing beruht und an einen spezifischen Kontext gebunden ist. Implizites Wissen uber den Kunden entsteht nur durch personlichen Kontakt mit ihm.
Dabei ist anzufigen, dass die explizite Dimension nur die Spitze des Eisbergs ist, die aus dem Wasser ragt. Der uberwiegende Anteil des Wissens liegt im Verborgenen und ist unsichtbar. Wissen, wie man Ski fdhrt oder wie man schwimmt, heiRt noch nicht, dass man sagen, d.h. artikulieren kann, wie man das macht; wie man sich beim Skifahren auf den Beinen oder beim Schwimmen iiber Wasser halt. Wir erkennen auch ein Gesicht einer Person unter tausenden Menschen heraus, obwohl wir nicht sagen kijnnen, wie wir das bekannte Gesicht erkannt haben. Wir konnen die Einzelheiten, an denen wir es erkennen, nicht benennen (Polanyi 1969). Wissen ist vielmehr ein Prozess, in dem implizite und explizite Teile des Wissens in Bezug auf einen bestimmten Kontext integriert werden (Polanyi 1985; TsoukasNladimirou 200 1). Hier wird auch der Unterschied von Wissen und Information deutlich. "[I]nformation is a flow of messages, while knowledge is created by that very flow of information, anchored in the beliefs and commitment of its holder. . .. knowledge is essentially related to human action." (NonakalTakeuchi 1995, S. 580. Werte und Einstellungen der beteiligten Personen und ihre personlichen Erfahrungen sind entscheidend dafir, wie Information bewertet und dann zu neuem Wissen verknupft werden. Wissen beinhaltet eine sehr personliche Komponente, auch wenn dies nicht immer offensichtlich und bewusst ist. Wir wissen oft mehr, als wir imstande sind zu sagen (Polanyi 1985). Die gesamte Bandbreite des Vermogens kundenorientiert zu handeln umfasst mindestens flinf Dimensionen, die jeweils auf einer Kombination beider Wissensarten beruhen. Dabei zeigt sich, dass implizites Wissen wesentlich dam beitragt, das Unternehrnen zum kompetenten Partner fiir den Kunden machen (vgl. Quinn/AndersoniFinkelstein 1996):
s Wissen, was der Kunde will, entspricht der hndamentalen Kenntnis der Bedurfnisse des Kunden: Welches Produkt in welcher Menge und Qualitat innerhalb welches Zeitraums, etc. @ Wissen, wie der Kunde das Produkt verwendet, bezeichnet die Fahigkeit, die Wertkette des Kunden als Ganzes und die Stellung der Leistung des eigenen Unternehmens in diesem System zu erkennen.
Wissen warum der Kunde das Produkt verwendet, umfasst zus2tzlich das Verstandnis der komplexen Zusammenhange, in die der Kunde eingebettet ist. Dazu gehort neben den allgemeinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Wettbewerbssituation in der Branche des Abnehmers, die Ressourcenversorgung, etc. Die Produkt- wird durch eine Problemorientierung ersetzt: Die Frage lautet weniger: Was erwartet der Kunde von unserem Produkt? Sondern: Welches Problem versucht der Kunde mit Hive unseres Produkts zu losen? (vgl. Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003) Aus diesem Wissen entsteht die Moglichkeit, die bestehende Problemlosungskompetenz des Unternehmens zu erkennen, sie weiterzuentwickeln und so grundlegend innovative Leistungen zu erbringen. B Wissen, mit wem der Kunde zusammenarbeitet, setzt die Fahigkeit voraus, das Netzwerk, in dem der Kunde agiert, zu erkennen und sich nach Bedarf in dieses Netzwerk integrieren zu konnen. Dies betrifft vor allem die Entwicklung eines Verbunds von Zulieferern, der es ermoglicht, dem Kunden nicht blol3 einzelne Komponenten, sondern Gesamtlosungen anzubieten. Wissen, dass Kundenorientierung innerhalb des eigenen Unternehmens gangbar ist. In vielen Unternehmen ist es leichter, die Fragen nach dem Was, Wie, Warum und mit Wem zu beantworten, als diese Antworten innerhalb des Unternehmens umzusetZen. Kundenorientierung beruht aber nicht nur darauf, zu wissen, was der Kunde will, sondern setzt voraus, dass intern der Rahmen f i r die Befriedigung der Kundenwunsche geschaffen wird.
Ohne diesen Rahmen gibt es entweder keinen Grund, sich kundenorientiert zu verhalten oder ein solches Verhalten ist mit ubermal3ig hohem personlichem Einsatz verbunden, der von Seiten des Unternehmens nicht ausreichend honoriert wird. Nur wenn Kundenorientierung mit den individuellen Zielsetzungen ubereinstimmt oder sich mit diesen mmindest vereinbaren Itisst, entsteht aus der Lust an einer personlich befriedigenden Arbeit der Wille, die Motivation und die Anpassungsfahigkeit, Neues zu schaffen.
3.2 Kundenorientierte Wissensbasis Eine weitere wichtige Unterscheidung stellt jene des individuellen und kollektiven Wissens dar. Handelt es sich um Wissen einer einzelnen Person oder um kollektives Wissen einer Gruppe von Personen; wenn beispielsweise eine bestimmte Kauferschicht gemeinsame Erfahrungen teilt, sich dariiber austauscht und dabei gemeinsam Wissen entwickelt. Als Kunden werden alle potenziellen Kunden aus Sicht eines Unternehmens erachtet, dazu gehoren sowohl die aktuellen Kunden als auch die ehemalige und zukunftige Kunden. Ein Kunde kann ein einzelner Konsument sein oder auch ein anderes Unternehmen bestehend aus mehreren Personen, die iiber Prozesse und Strukturen miteinander verbunden sind.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen individuellem und kollektivem Wissen hinsichtlich des Bezugsrahmens. Wenn Wissen als Prozess verstanden wird, bei dem bestehendes explizites und implizites Wissen integriert wird, ist es wichtig zu unterscheiden, wer an diesem Prozess beteiligt ist. Es kann sich um eine einzelne Person handeln oder eine Gruppe von Personen. Beispielsweise wenn sich Kunden uber Probleme mit einem Produkt austauschen und gemeinsam eine Lbsung entwickeln, wie etwa die Kunden von Nike iiber Basketball Schuhe. Erwahnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass aus Unternehmenssicht nicht nur das Wissen, sondern auch das Nicht- Wissen der Kunden eine Rolle spielt (Stauss 2002). Das Wissen bzw. Nichtwissen des Kunden uber das Produktangebot, Venvendungsmoglichkeiten, alternative Produkte etc. beeinflusst das Kaufverhalten des Kunden. Das Unternehmen sollte daher uber die Wissensdejizite beim Kunden Bescheid Wissen und entsprechendes Wissen zur Verfigung stellen. Es geht dabei also um Wissen f i r den Kunden. Die Austauschbeziehung zwischen Kunde und Unternehmen ist reziprok. Es findet eine Interaktion mit dem Kunden statt, in der der Kunden gleichzeitig als Quelle und Adressat von Wissen betrachtet wird. Die kundenorientierte Wissensbasis des gesamten Unternehmens umfasst jedoch mehr als die Surnme des Wissens der einzelnen Mitarbeiter (vgl. Abbildung 3). Auf der Ebene von Gruppen ist Wissen auf zweierlei Arten enthalten: Einerseits erfordert Kundenorientierung meist zu viele Kenntnisse, als dass einzelne Mitarbeiter sie umsetzen konnten. In Gruppen wird komplementare Sachkenntnis gebundelt, um uber das gesamte erforderliche Wissen verf3igen zu konnen. Andererseits entwickeln sich in Gruppen personliche Beziehungen zwischen den Mitgliedern, aus denen sich bestimmte Routinen und Rollen herausbilden. Kundenorientierung ist also gleichsam in die soziale Struktur innerhalb der Gruppe eingebettet und beginnt damit innerhalb der kleinsten sozialen Einheit des Unternehmens.
Individuum Gruppe
Untemehmen Untemehmensnetzwerk
implizites Wissen explizites Wissen komplementare Sachkenntnis Communities of Practice Struktur Organisationsprizipien Wissen mit wem Sozialkompetenz
Abbildung 3: Ebenen des Wissens im Unternehmen
Besondere Aufmerksamkeit bei dieser kollektiven Entwicklung von Wissen in den kleinsten sozialen Einheiten des Unternehmens gebiihrt den so genannten Communities ofPractice (vgl. WengerISnyder 2000). Dabei handelt es sich um - haufig informale Gruppen, deren Mitglieder sich durch ihr gemeinsames, leidenschaftliches Interesse an einer bestimmten Aufgabe miteinander verbunden fihlen. Im Gegensatz zu traditionellen Projekt- und Arbeitsgruppen definieren sie sich nicht iiber Ihre Arbeitsaufgabe, sondern entstehen spontan, wenn interne und externe Fachkrafte ihre Begeisterung f i r und Identifikation mit einem bestimmten Wissensgebiet teilen. Communities of Practice entwickeln sich also haufig grenziiberschreitend und konnen Mitarbeiter des eigenen Unternehmens und Vertreter des Kunden aus verschiedenen Bereichen und Ebenen der Hierarchie ebenso umfassen wie professionelle Berater und Consultants. Vor allem dort, wo Experten des eigenen Unternehmens mit denen eines Kunden gemeinsam nach Problemlosungen suchen und dabei die Faszination fir Spitzenleistungen teilen, entsteht eine solche gemeinsame Lern- und Erfahrungswelt. Diese beschleunigt nicht nur die Entwicklung von ProblemlBsungen, sondern bildet vor allem auch den Nahrboden, auf dem innovative Produkte und Dienstleistungen entstehen, wie weiter unten in diesem Beitrag gezeigt wird. Allerdings sind diese Wissensgemeinschaften auiunerst empfindliche Gebilde, die leicht an storenden Einflussen der formalen Organisationsstruktur zerbrechen und sich - aufgrund ihrer emotionalen Basis - den konventionellen Zugriffsmechanismen des Managements entziehen (vgl. North/Romhardt/Probst 2000). Hier wird deutlich, dass Wissen nicht als Information missverstanden werden darf, sondern als lebendiger Fluss das Unternehmen durchzieht. Selbst mit den machtigsten Datenbanken und den raffiniertesten Expertensystemen lasst sich namlich eine wesentliche Kluft nicht uberwinden: The "gap between what people think they do and what they really do" (BrownIDuguid 2000, S. 76). Communities of Practice stellen dagegen einen lebendigen Schauplatz dar, auf dem konkrete Erfahrungen unmittelbar anschaulich gemacht und geteilt werden. Auch die Maonahmen zur Strukturierung des Unternehmens, mit deren Hilfe die Aufgaben verteilt bzw. koordiniert werden stellen Bereiche mit Wissens- und Lernpotenzialen dar. Bestimmte Fachbereiche, etwa Markforschung oder Investor Relations bilden ein Reservoir des entsprechenden Wissens. Dariiber hinaus bilden gemeinsame Organisationsprinzipien gleichsam die gemeinsame Sprache und den gemeinsamen Interpretationsund Selektionsrahmen, innerhalb dessen die Mitarbeiter interagieren. Dieser Rahmen ist haufig heterogen und spiegelt die unterschiedlichen Erfahrungswelten und -werte einzelner Mitarbeiter, Gruppen, Funktionsbereiche oder Unternehmenseinheiten wider. Kundenorientierung auf dieser Ebene zu verankern macht es daher erforderlich, die unmittelbare Konfrontation mit dem Kunden zum Erlebnis zu machen, das alle Mitarbeiter teilen und als gemeinsamer Erfahrungshintergrund zur Identitatsstiftung des Unternehmens maogeblich beitragt.
Schliefllich ist kundenorientiertes Wissen nicht nur intern, sondern auch in Beziehungen zu externen Partnern eingebettet. Auf Grund der Tatsache, dass praktisch jedes Produkt in einem Venvendungszusarnmenhang mit anderen Produkten steht, macht Kundenorientierung eine ganzheitliche Betrachtung der Unternehmensleistung erforderlich. Diese Betrachtungsebene knupfi unmittelbar an das Wissen mit wem an, weil im Beziehungsnetzwerk des Unternehmens das Wissen um diese Verbundwirkung gleichsam gespeichert ist. Sowohl die beiden Wissensarten implizit und explizit als auch die verschiedenen Ebenen stehen miteinander in gegenseitigem, dynamischem Zusammenhang: Implizite Inhalte auf individueller Ebene werden im Rahmen der Arbeit im Netzwerk explizit gemacht, losen auf Gruppenebene eine Anderung der Rollenstruktur aus und eroffnen so dem Individuum neue Erfahrungs- und Lernpotenziale. Andererseits konnen Veranderungen der Organisationsstruktur zum Wegfall von Handlungsmoglichkeiten und damit zur Schrumpfung des individuellen und organisationalen Bestandes an Wissen fihren. Wissen ist also eine dynamische Ressource, seine Nutzung bedeutet Veranderung, wird es nicht angewandt, verkummert es. Prozesse des Lernens und Verlernens sind daher untrennbar mit Wissen verbunden. Im Rahmen Customer Knowledge Management (CKM) wird versucht Kundenorientiertes Wissensmanagement im Unternehmen umzusetzen, um das Kundenwissen gezielt zu erschlieflen und in die Unternehmensprozesse zu integrieren.
4. Customer Knowledge Management Das dynamische technologische Umfeld, die globale Vernetzung und damit die Verfligbarkeit von weltweit vorhandenen Informationen haben Wissen zum bedeutendsten Wettbewerbsfaktor der Unternehmen gemacht. Die Errungenschaften der Informations- und Kommunikationstechnologie ebneten den Weg in die Wissensgesellschaft. Informationen miissen jedoch erst kanalisiert und zu relevantem Wissen verarbeitet werden. Unternehmen versuchen mit Hilfe von Datenbanken, Inter- und Intranetlosungen und Wissensmanagementsofhvare die Informationsflut zu bewaltigen und einzigartiges Wissen zu entwickeln. Das Management von Wissen wird zur zentralen Herausforderung. Wissensvorsprung ist entscheidend f i r die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Wichtig ist, Wissen zu biindeln und in flir den Kunden wertvolle Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Gleichzeitig zeigen die veranderten Rahmenbedingungen der Globalisierung auch Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen. Die steigende Informationsdichte und -reichweite fihren zu hoherer Transparenz der MSirkte und zu gesteigerten Kundenanforderungen. Der Kunde fordert nicht nur mehr Informationen in quantitativer Hinsicht, sondern er envartet sich auch eine individuelle Beriicksichtigung seiner Bediirfnisse. Die Pflege der Kundenbeziehungen ist wichtig, um die Anforderungen des Kunden zu kennen und mit entspre-
chenden Mafinahmen an das Unternehmen zu binden. Denn enviesenermal3en senkt die Kundenbindung die Kundenfluktuation und erhoht Ertragspotenzial und Preisbereitschaft, aber auch das Leistungsbediirfnis der Kunden; insgesamt steigert sie den Kundenwert (Bruhn 1998). Die Beziehung zum Kunden und die Kundenbindung stellen aber auch ein bedeutendes Potenzial fiir die Erschlieaung des Kundenwissens dar. Der Kunde ist fiir das Unternehmen als Wissensquelle auRerordentlich wertvoll. Denn das Wissen uber die Verwendung der Produkte und Dienstleistungen und damit verbunden Probleme entsteht beim Kunden. Erfahrungen im taglichen Gebrauch und daraus abgeleitete Verbesserungsvorschlage kann das Unternehmen n w uber den Kunden erschlieaen. Im Rahmen des Customer Knowledge Management (CKM) geht es darum, das Kundenwissen in die Erstellung der Produkte und Dienstleistungen einflieaen zu lassen. CKM ist Wissensmanagement mit besonderem Fokus auf das Kundenwissen. Das Wissen der Kunden steht im Mittelpunkt. CKM geht einen Schritt weiter als das Customer Relationship Management, das sich um eine langfristige Beziehungen mit dem Kunden bemuht, und integriert den Kunden in die Unternehmensprozesse. Die Gegenuberstellung in Abbildung 4 bietet eine Abgrenzung von Wissensmanagement, Customer Relationship Management und Customer Knowledge Management. Wissensmanagement beschaftigt sich mit der gezielten Steuerung von Wissen in Unternehmen. Es geht dabei urn das Wissen einzelner Mitarbeiter, Teams, des Unternehmens und uber die Unternehmensgrenzen hinaus auch um das Kundenwissen. Eine Aussage bringt die Aktivitaten des Wissensmanagements auf den Punkt: ,,wenn wir nur wiissten was wir wissen", d.h. das vorhandene Wissen identifizieren, weiterenhvickeln und in f i r den Kunden wertvolle Produkte und Dienstleistungen uberfiihren. Das vorhandene Wissen sollte bestrnoglich genutzt werden, nicht so wie Dow Chemical, ein US amerikanisches Pharmaunternehmen, das ein Patent anmelden wollte und am Patentamt erfahren hat, dass es dieses Patent bereits seit manzig Jahren besitzt. Aufgabe des Wissensmanagements ist, Maanahmen zu ergreifen, damit das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss. Der Nutzen des Wissensmanagements liegt in fiir den Kunden erkennbaren, verbesserten Produkten und Dienstleistungen. Dam mussen optimale Rahmenbedingungen geschaffen werde, die den Mitarbeitern einen optimalen Wissensaustausch ermoglichen.
Die Pflege und der Aufbau einer langfiistigen Kundenbeziehung stehen fiir das Customer Relationship Management im Mittelpunkt der Betrachtung, um den gesteigerten Anforderungen der Kunden gerecht werden zu kbnnen. Dam ist es notwendig, das Wissen uber den Kunden bestrnBglich zu venvalten. Die Informations- und Kommunikationstechnologie bietet hier hervorragende Moglichkeiten, die Kundenbasis m pflegen. Eine gute Beziehung zum Kunden ist die Grundlage fiir weitere Mal3nahmen des Customer Knowledge Management. Mit Hilfe des CKM wird versucht, das Wissen des Kunden zu erschliefien und in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Es geht urn die wertvollen Erfahrungen der Kunden, ihre Kreativitat und Faktoren der (Un)Zufriedenheit mit den Produkten und Dienstleistungen. Mit ,,wenn wir n w wiissten, was unsere Kunden wissen", konnte man das CKM auf den Punkt bringen.
Wissensmanagement
Customer ship Management (CRM)
Customer Knowledge Management (CKM)
Wissen kommt von . ..
Mitarbeiter, Teams, Unternehmen, Unternehmens-Netzwerke
Kundendatenbank
Kunden und ihre Erfahrungen, Kreativitat und (Un)zufriedenheit mit Produkten1Dienstleistungen
Wissensphilosophie
,,Wenn wir nur wussten, was wir wissen."
,,Kunden halten ist gunstiger als neue akquirieren."
,,Wenn wir nur wussten, was unsere Kunden wissen."
Wissensstrategie
Das Wissen der Mitarbeiter uber Prozesse, Produktel Dienstleistungen und Kunden entschlusseln und integrieren.
Wissen uber die Kunden in Unternehmensdatenbanken verwalten.
Das Wissen der Kunden gewinnen, nutzen und weiterentwickeln.
Ziele
Das Rad nicht immer wieder neu erfinden und Wert schaffen.
Kundenbasis pflegen und halten.
Gemeinsam mit dem Kunden Wert schaffen.
Nutzen
Kundenzufriedenheit
Kundenbindung
Kundenwert und Innovation
Rolle des Kunden
Passiver Partner im Wertschopfungsprozess
Datenlieferant
Aktiver Partner im Wertschopfungsprozess
Aufgabe des Untemehmens
Mitarbeiter bestarken, ihr Wissen auszutauschen.
Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen
Mit dem Kunden lernen und Kundenintegration
Abbildung 4: Wissensmanagement, Customer Relationship Management und Customer Knowledge Management (Quelle: in Anlehnung an Gibbert/Leibold/Probst 2002, S. 461) Der Nutzen des CKM liegt darin, dass das Unternehmen mit dem Kunden in einer Austauschbeziehung steht und gemeinsam mit dem Kunden lernt. Der Kunde ist aktiver Partner im Wertschopfungsprozess und bringt seine Ideen ein. Idealenveise werden gemeinsam mit dem Kunden neues Wissen und Innovationen entwickelt und somit der Kundenwert gesteigert. Das Kundenwissen ist fiir die Unternehmen von grol3er Bedeutung oder wie
Davenport (1998) es formuliert ,,If knowledge is power, customer knowledge is highoctane power". Zwei Ansatzpunkte sind Fur das CKM entscheidend, erstens, Mafinahmen das Kundenwissen zu erschliel3en und meitens, MaRnahmen das Kundenwissen in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Im Folgenden beleuchtet werden diese beiden Ansatzpunkte beleuchtet und gezeigt, welche Instrumente dafiir eingesetzt werden.
4.1 Kundenwissen erschliefien Kundenorientiertes Wissensmanagement h e a t in einem ersten Schritt, Transparenz uber das Kundenwissen zu schaffen. Zunachst gilt es das Kundenwissen zu identifizieren bevor es im Untemehmen verteilt und genutzt werden kann. Mit Bezug auf die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen sowie Wissen uber den Kunden und Wissen des Kunden lauten die Kemfiagen folgendermafien: Wo ist Wissen uber die Kunden im Unternehmen bereits vorhanden? @ Wo entsteht das Wissen des Kunden? Wie konnen wir dieses Wissen ins Unternehmen erschliefien, d.h. handelt es sich um implizites oder explizites Wissen? Im Gegensatz zu implizitem Wissen, kann explizites Wissen in Form von Berichten und Symbolen artikuliert und kodifiziert werden. Explizites Wissen ist daher auch einfacher zu transferieren (ZanderlKogut 1995). Implizites Wissen ist starker an den Kontext gebunden. Der Kontext stellt den Bezugspunkt dar, vor dessen Hintergrund neues Wissen entwickelt wird. Dabei wird Wissen immer von einem Kontext in einen anderen ubertragen. Da sich der implizite Anteil des Wissens nicht in Worte fassen lasst, ist er auch schwierig zu artikulieren und zu kodifizieren. Je schwieriger dieses Wissen zu artikulieren ist, d.h, je hoher der Anteil des impliziten Wissens ist, umso langsamer und aufwandiger gestaltet sich dieser Prozess (KogutlZander 1992; Grant 1996; von Krogh 2002). Das in den Kontext eingebettete Wissen lasst sich oft nur schwer losen und in einen anderen Kontext transferieren (Szulanski 1996). Implizites Wissen ist daher eine bedeutende Quelle von Wettbewerbsvorteilen. Die Abbildung 5 zeigt beispielhaft Moglichkeiten Kundenwissen zu erschliefien mit der Unterscheidung zwischen Wissen uber die Kunden beim Unternehmen und das Wissens des Kunden und explizitem und implizitem Wissen.
rmplrrrfes Wissen des Kunden
-
Customer Knowledge Groups
Kunde
explrzrtes Wrssen des Kunden
Kundenanfragen
Kundenbeirate
Branchenrepons
Kundenportale
Lead User Konzept
Vertnebs-1 Sewicebenchte Kundenbefragungen
Commun~tiesof Innovation
Kundendatenbank
Beschwerden~Reklamationen
Statistiken
implrzrres Wrssen iiber den Kunden Unternehmen
explrzrtes Wissen iiber den Kunden
Abbildung 5: Beispiele fiir die ErschlieRung von Kundenwissen (Quelle: in Anlehnung an Schloen/Aslanidis/Korell2004,S. 6) Es gibt viele Moglichkeiten und Ansatzpunkte, Kundenwissen zu erschliefien. Wichtig ist, dass die Methoden und Instrumente die Besonderheiten des Wissens beriicksichtigen. Explizites Wissen wie Branchenreport und Statistiken konnen relativ leicht erschlossen und in Kundendatenbanken verwaltet werden. Wichtige Quellen des Kundenwissens stellen auch Kundenanfragen, Kundenportale, Vertriebs- und Serviceberichte und Kundenbefragungen dar. Beschwerden und Reklamationen beinhalten neben dem offensichtlichen expliziten Aussagen haufig auch implizites Wissen der Kunden in Form von Erfahrungen und Problemen. Gruppenbasierten Ansatze wie Communities of Innovation, Customer Knowledge Groups, Kundenbeirate ermoglichen schliefilich die personliche und kontextabhangige Komponente des impliziten Wissens zu beriicksichtigen. Beim impliziten Wissen liegt der Fokus auf der Gestaltung der Austauschbeziehung zwischen den beteiligten Personen (CabreraICabrera 2002; von Krogh 1998). Die MaRnahmen zielen darauf ab, den Personen den Wissenstransfer zu erleichtern und sie zu motivieren ihr Wissen weiterzugeben. Es sol1 eine wissensfieundliche Kultur geschaffen werden, d.h. eine Kultur, in der Wissen in einem ausgewogenen Geben und Nehmen flieRt. Diese Kultur ist gekennzeichnet durch eine offene Atmosphare, in der Lernen wichtig ist und das auch seitens der Unternehmensfiihrung vorgelebt wird. Der Nutzen, Wissen weiter zu geben, sollte offen kommuniziert werden und klar ersichtlich sein. Gegenseitiges Vertrauen ist hier eine wichtige Komponente (vgl. MooradianlRenzl1Matzler 2006). Wissenstransfer ist in entscheidendem MaBe von der Bereitschaft der Personen abhangig, dieses Wissen weiterzugeben. Vertrauen reduziert die wahrgenommene Unsicherheit und das Risiko einer Situation, beispielsweise mit dem Wissen sorgsam umzugehen oder auch zuzugeben, dass man etwas nicht weiR und deshalb auf das Wissen anderer zuriickgreifen mochte oder muss. Eine vertrauensvolle Be-
ziehung ist Voraussetzung daftir, dass Wissen moglichst effektiv ausgetauscht werden kann. Dies gilt jedoch nicht nur f i r die implizite Wissenskomponente sondern auch f i r den Transfer expliziten Wissens.
4.2 Kundenwissen integrieren Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Management der Ressource Wissen teilweise die Grenzen des traditionellen Verstandnisses der Unternehmensfiihrung sichtbar werden 18sst. Dieses Verstandnis bezieht sich uberwiegend auf Guter, die in Form von physikalischen oder monetaren Mal3groDen abstrakt abgebildet werden konnen. Diese mehrheitlich materiellen Faktoren sind durch ein relativ niedriges Ma0 an Systemabhangigkeit gekennzeichnet: Kapital beispielsweise ist eine Ressource, die weitgehend unabhangig von konkreten betrieblichen Prozessen betrachtet und sehr leicht von einem Unternehmen in ein anderes verschoben werden kann. Dagegen kann implizites Wissen weder abstrakt dargestellt, noch unabhangig von konkreten Erfahrungen vermittelt oder angewandt werden Es lasst sich nicht berechnen, seine Entwicklung vollzieht sich nach eigenen Gesetzen und kann auf der eindimensionalen Gewinn-Nerlust-Skala nicht abgebildet werden. Wissensmanagement kann daher nur indirekt eingreifen, indem versucht wird, durch das Setzen von Impulsen die Eigendynamik der Wissensentwicklung zu beeinflussen.
,/ \ Handeln
%+ Wissen
UQ
Lernen
4
Entw icklung Abbildung 6: Lernzyklus Die Unternehmensfiihrung muss in diesem Zusammenhang also einen Paradigmenwechsel vollziehen: Vom Steuern zum Orientieren. Das sich Zurechtfinden im Bereich des objektiv Nicht-Messbaren gehort dabei ebenso zu dieser Kernaufgabe des kundenorientierten Wissensmanagement wie der Umgang mit Gegensatzen und Vielfalt, denn Widerspriiche innerhalb des Unternehmens resultieren zwangslaufig aus den wider-
spriichlichen und gegensatzlichen Forderungen, die die Kunden an das Unternehrnen stellen. Nur wenn dieses Spannungsfeld offen gelegt wird, resultiert aus konstruktiven Konfliktlosungen neues Wissen. Bei der Entwicklung von neuem Wissen stehen implizite und explizite Anteile miteinander in einer standigen Wechselbeziehung. Dabei stellt praktisch jeder Lernprozess das Resultat eines Kontaktes zwischen Individuum und Umwelt dar, wobei sich Wissen, Lernen und Handeln aufeinander wechselseitig beziehen: Wissen ist die Grundlage der Entscheidung fin eine bestimmte Handlungsalternative, deren Durchfihrung Erfahrungen mit sich bringt, die durch Lernprozesse die Wissensbasis weiterentwickeln (vgl. Abbildung 6). Dadurch werden in der Folge neue Entscheidungen angestosen, usw. Kundenorientierung ist ein Lernprozess, bei dem soziale Interaktionen sowohl innerhalb wie auch auserhalb des Unternehmens von besonderer Bedeutung sind. Dabei ist das Spannungsverhaltnis zwischen implizitem und explizitem Wissen entscheidend fir die Weiterentwicklung des Unternehmens. Das Kundenorientierte Wissensmanagement steht nun vor der Herausforderung in diesen Lernzyklus das Kundenwissen zu integrieren. Gibbert/Leibold/Probst (2002) haben zahlreiche Unternehmen untersucht und in folgende finf Typen des Customer Knowledge Management identifiziert: Prosumerismus, Team-basiertes Lernen, Gemeinsame Innovationen, Communities of creation und gemeinsames Intellektuelles Eigentum, siehe Abbildung 7. Der Begriff Prosumerismus wurde erstmals von Toffler (1980) verwendet und charakterisiert die Doppelrolle des Kunden, der neben der Kauferrolle auch die Funktion des CoProduzenten ubernimmt, indem der Kunde wie etwa bei IKEA das Produkt, ein Mobelstiick, selber bei sich zuhause aufbaut. Diese Art der Co-Produktion ist also nicht neu. Neu ist die Art und Weise und die Intensitat wie es heute gemacht wird, etwa bei Quicken, die dem Kunden ermoglichen, mehr uber verfigbare Finanzdienstleistungen zu lernen. Quicken lernt gleichzeitig die Praferenzen und Neigungen seiner Kunden im Detail kennen und kann ihnen kunftig spezifischere Angebote unterbreiten. Als Beispiel f i r das Team-basierte Lernen mit dem Kunden ware Amazon.com nennen. Amazon.com hat es geschafft, die Kundenbeziehung neu zu strukturieren und zu systematisieren. Lernen mit dem Kunden wird durch die vielen Querverbindungen innerhalb der Kundendatenbasis ermoglicht. Diese Art der Kundenintegration ist mittlerweile auch fir andere Unternehmen interessant geworden und Amazon.com hat seine Produktpalette Iangst iiber den Buchhandel hinaus erweitert. ~ h n l i c hdam ware auch die Entwicklung von Xerox vom ,,KopiermaschinenhersteIler" zur ,,Document Company" zu nennen. CKM war ausschlaggebend dafir, dass das gesamte System des Dokumentenmanagements neu gestaltet wurde, die Prozesse wurden um ein vielfaches erweitert. Bestehende Wertschopfungsketten wurden aufgebrochen und neu strukturiert.
Prosurnerisrnus
Teambasiertes Lernen
Gerneinsame Innovation
Comrnunities of creation
Gerneinsarnes lntellektuelles Eigenturn
Fokus
Tangible Produkte und Nutzen entwickeln
Unternehmensweites Soziales Kapital entwickeln
Neue Produkte und Prozesse entwickeln
Aufgabenspezifisch, Expertenwissen
lntellektuelles Eigentum der Kunden integrieren
Ziel
Verbesserte Produkte, Nutzen
Lernen im Team fordern (Change Management)
Max. Ertrag aus neuen ldeen
Expertenwissen erschlienen und umsetzen
Max. Ertrag aus Intellektuellem Eigentum
Prozesse
Integrationdes Kunden vor, wahrend und nach der Produktion
Arbeiten in Teams, Qualitatsprogramme
Ideenmessen, Brainstorming, Kundeninkubation
Expertennetzwerke, Cornmunities of Practice, Best Practices
Schulungen, betriebliche Weiterbildung
Systerne
Planung, Kontrollund Entscheidungsunterstutzungssysteme
Digitale Systeme, Kundenbesuche bei den Teams
Systeme zur Unterstutzung der Ideengenerierung
Expertensysteme, Gruppengestutzte Systeme
Gruppengestutzte Systeme
BeispieC unternehrnen
Quicken, IKEA
Amazon.com, Xerox, Holcim, Mettler, Toledo
Silicon Graphics, Ryder
Microsoft, Sony, eBay, Holcim
Skandia
Relativ gering
Gering bis hoch
Relativ niedrig
Relativ hoch
Relativ hoch
Eher explizit
Explizit und implizit
Eher implizit
Eher implizit
Eher implizit
Interaktionsintensitat Form des Wissens
Abbildung 7: Fiinf Typen von CKM (Quelle: in Anlehnung an GibbertLeiboldProbst 2002, S. 465)
Gemeinsame Innovationen weist in Anlehnung and das Lead-user-Konzept von Eric von Hippel (1986) darauf hin, dass die meisten Produktinnovationen nicht aus dem Unternehmen, sondern haufig vom Benutzer oder Endverbraucher kommen. Die Kunden werden als Co-Innovatoren an der Entwicklung neuer Produkte beteiligt. Fur Silicon Graphics beispielsweise waren die Lead-customer der Filmindustrie eine bedeutende Quelle f i r neue Ideen und Innovationen. Die besten Entwickler von Silicon Graphics wurden nach Hollywood geschickt um dort vor Ort zulernen, was die kreativen Nutzer ihrer Produkte sich fir die Zukunft wunschen. Nur die Kunden zu fragen, welche Produkte sie sich fir die Zukunft wiinschen, ist aber in den meisten Fallen zu wenig. GroRe Durchbriiche kommen h5iufig aus Entwicklungen, die gemeinsam mit dem Kunden stattfinden (Von Hippel 2004). Open Innovation (Chesbrough 2003) als Ausdruck fiir die Einbeziehung interner und externer Ideenquellen wird zur neuen Herausforderung im Innovationsmanagement.
Eine weitere wichtige Moglichkeit, Kundenwissen zu integrieren, stellen die Communities of creation dar. Ahnlich wie Communities of Practice bestehen sie aus einer Gruppe von Gleichgesinnten, die zu einem bestimmten Themenfeld fir eine bestirnmte Problemstellung gemeinsames Wissen entwickeln. Es geht dabei also um Kundengruppen, die sich nicht nur mit dem Unternehmen sondern auch untereinander austauschen und Innovationen entwickeln (SawhneylPrandelli 2000; SawhneylPrandellilVerona 2006). Die beteiligten Personen mussen nicht notwendigerweise in personlichem Kontakt miteinander stehen. Eine betrachtliche Anzahl an Innovationen wird von Communities of creation online uber das Medium Internet entwickelt. Fuller/Jawecki/Muhlbacher (2006) zeigen wie in online Basketball Communities ein Nike Basketballschuh entwickelt wurde. Interessant ist, dass sich zwar viele Mitglieder der Community online an den Diskussionen zur Verbessemng der Basketballschuhe beteiligen und ihre Meinung BuOern, aber nur einige wenige Personen die Fahigkeiten und Motivation zur Innovation besitzen und wirklich einen neuen Basketballschuh entwickeln. Das Beispiel beweist jedenfalls, dass in diesen Communities durch die Vielseitigkeit des vorhandenen Wissens, aber auch durch die hohe Qualitat des Wissens das Potenzial fir vie1 versprechende Innovationen liegt. Aufgabe des CKM ist es, das Wissen dieser Communities zu erschlienen und zu integrieren. Eine relativ enge Verstrickung zwischen Kunde und Unternehmen besteht im Fall des gemeinsames geistigen Eigentums, wo der Kunde zum Mit-Eigentumer wird. Das schwedische Versicherungsunternehmen Skandia und Kooperativa Forbundet (KF) beispielsweise fihren ihre Daseinsberechtigung zunehmend auf den Kunden zuruck, d.h. sie sind f i r und wegen dem Kunden im Geschaft. Das intellektuelle Kapital liegt nicht im Unternehmen, sondern zu einem Groateil beim Kunden. KF entwickelte sich beispielsweise zum Pionierunternehmen hinsichtlich der Weiterbildung von Kunden und leitete ein Umdenken dahingehend ein, dass Kunde und Unternehmen auch rechtlich gemeinSam uber das zusammen entwickelte Wissen verfiigen. Es findet hier also nicht nur eine Co-Produktion statt, sondern Unternehmen und Kunden entwickeln das zukiinftige Ge-
schaft gemeinsam. Kundenerfolg ist damit gleichbedeutend mit Geschaftserfolg und umgekehrt. Flir ein erfolgreiches Customer Knowledge Management und damit die Umsetzung des Kundenorientierten Wissensmanagements im Unternehmen sind folgende Punkte in Anlehnung an Davenport/Harris/Kohli (2001) zu beachten: I Konzentration auf die geschdtzten Kunden, die den Aufwand auch wert sind. @ Ziele definieren und Prioritaten festlegen: Die Geschaftsstrategien mit den Kundenorientierten Strategien abgleichen und die CKM MaBnahmen darauf abstimmen @ Ausgewogenheit der Datenbasis: Einfaches verdrangt oft Komplexes und Quantitat schlagt Qualitat; aber die qualitativen Kundendaten unbedingt mit einbeziehen H Kreativitat bei der Sammlung von qualitativen Daten, z.B.: Kundenforen, Aufzeichnung der Kundenservice Gesprache, Nutzung der Produkte durch Mitarbeiter, um Erfahrungen aus erster Hand sammeln zu kdnnen Horizont nicht zu sehr einschranken: zu engen produktspezifischen Fokus vermeiden, aber auch keine begrenzte Sichtweise hinsichtlich bestehender Kundengruppen; CKM sollte der Verwirklichung der Ziele auf der Ebene des gesamten Unternehmens dienen. a Verankerung der Kundenorientierung im Unternehmensprozess: Einsatz geeigneter Werkzeuge und Methoden zur Umsetzung der einzelnen MaBnahmen.
5. Kundenorientierte Leadership Das bisher skizzierte Konzept der Kundenorientierung wirft eine wesentliche Frage auf: Wie macht die Unternehmensleitung dem einzelnen Mitarbeiter diese fiir ihn bisher oft nur als leere Worte erscheinenden, aber essentiellen Elemente und deren Bedeutung verstandlich und lebenswert? Offensichtlich vollzieht sich Kundenorientierung im Spannungsfeld einer Dreiecksbeziehung zwischen Kunde, Mitarbeiter und Fiihrungskraft, siehe Abbildung 8.
Fuhrungskraft
Kunde
Mitarbeiter
Abbildung 8: Dreiecksbeziehung der Kundenorientierung if@ Fuhrungskraft
- Kunde
WBhrend die Frage der mangelnden Kundenorientierung in funktional marktfernen Abteilungen im Rahmen der Diskussionen iiber Innovations- und Prozessmanagement h8ufig besprochen wird, steht dasselbe Problem im Zusammenhang mit marktfernen Ebenen der Organisationshierarchie noch weitgehend im Hintergrund: Gerade die oberste Fuhrungsebene verfigt in vielen Unternehmen kaum uber authentische Erfahrungen mit dem Kunden. Es kann sich aber nur derjenige ein Bild von den Faktoren machen und die Anspriiche der Kunden und ihre kunftige Entwicklung bestimmen, der vor Ort die Probleme des Kunden kennen gelernt hat und von den Umstanden weirj, unter denen die Leistung des Unternehmens angewandt wird. Zwar fungieren vor allem die Mitarbeiter an den Randern des Unternehmens als Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und der Umwelt, dennoch stehen letztlich alle Entscheidungstrager mit einem Furj im Unternehrnen und mit dem anderen gleichzeitig aunerhalb. Jede Fuhrungskraft muss nicht nur als Impulsgeber Anpassungen und neue Problemlosungen anregen, sondern auch durch ihr Verhalten die Voraussetzungen dafiir schaffen, dass er bei der Interaktion mit dem Kunden Qualitat produziert wird. Nur auf diese Weise bildet die Fuhrungskraft das fiir eine kundenorientierte Strategic notwendige Vorbild und nur auf diese Weise wird es moglich sein, auf der Grundlage der Kombination von implizitem und explizitem Wissen uber Kunden und Mhkte rnit neuen, uberraschenden Produkteigenschaften den Kunden zu begeistern. Anders ausgedriickt: Wenn die Strategien als nicht-delegierbare Aufgaben der obersten Fuhrungskrafte aufgefasst wird (Hinterhuber/Krauthammer 2001), d a m muss dahinter eine Auffassung von Leadership stehen, die dem direkten und regelmarjigen Kontakt zwischen Unternehmensfiihrung und Kunden einen hohen Stellenwert einraumt. Freilich geht es dabei nicht um den eigentlichen Verkauf, sondern um ein Key-Account-Management in Projekten von strategischer Prioritat.
Fiihrungskraft - Mitarbeiter
Im Kontakt zwischen Unternehmen und Kunde spiegelt sich die Beziehung zwischen Fiihrungskraft und Mitarbeiter wider. Wie sol1 Kundenorientierung in einem Unternehmen venvirklicht werden, in dem die Mitarbeiter ihre menschlichen Zuge unterdriicken mussen, wenn sie ihren Kollegen, Vorgesetzten oder eben den Abnehmern gegenubertreten? Autoritke Strukturen und Handeln nach genau formulierten Gesetzen zerstBren Flexibilitat, Individualitat und schaffen Starrheit und Unsicherheit im Verhalten sowie Unzufriedenheit der Mitarbeiter und somit auch der Kunden. Der einzelne Mitarbeiter muss als ein VermBgenspotenzial gesehen und behandelt werden, er bringt seine fruchtbaren Ideen, seinen Enthusiasmus und seine Motivation in interne, spezifische Unternehmensprozessen ein, damit die Gesamttatigkeit des Unternehmens mit den Kundenerwartungen ubereinstimmt. Auferlegte Vorschriften und Regeln, wie der Mitarbeiter sich beim Verkauf und beim Erbringen von Dienstleistungen dem Kunden gegenuber zu verhalten hat, machen ihn zwar kontrollierbarer, verdrangen jedoch menschliche Gefiihle und Empfindungen. Genau im emotional-intellektuellen Grenzbereich liegt aber wohl ein wesentlicher Grundstein zur Entwicklung eines Bewusstseins f i r den Kunden als ein sich gemaR der Zeit stark veranderndes Subjekt. Deshalb miissen alle Mitarbeiter, von den obersten Fuhrungskraften bis zu den Hilfskraften das hBchstmBgliche Man an Vertrauen, Akzeptanz und Selbstandigkeit erfahren, damit das Unternehmen als ganzes offen auf den jeweiligen Kunden zugehen und sich ihm individuell widmen kann. I&Prl
Mitarbeiter - Kunde
Dennoch darf Kundenorientierung nicht nur als ein Phanomen gesehen werden, das von innen, allein vom Unternehmen bzw. seinen Mitarbeiter her, entwickelt und gelebt wird. Denn wie kann ein Mitarbeiter jeden Tag freundlich und motiviert in die Arbeit gehen, wenn Kunden ihre Stellung als absolutistische Konige bewusst ausnutzen? Kundenorientierung entsteht deshalb nicht nur allein beim Hersteller einer Dienstleistung oder eines Produkts, sondern wird auch durch das Verhalten des einzelnen Kunden bestimmt. Im wirtschaftlichen Gesamtrahmen ist jeder Leistungserbringer und Leistungsempfanger zugleich. Kundenverhalten und Mitarbeiterverhalten stehen in einer standigen Wechselwirkung miteinander. Es herrscht daher offensichtlich eine wechselseitige, aber nicht zwingende Beziehung zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufiiedenheit (siehe Abbildung 9).
f \ Kunde
Mitarbeiterzufriedenheit
\
Kundenzufriedenheit
/
Mitarbeiter
Abbildung 9: Das Wechselspiel zwischen Kunden- und Mitarbeiterverhalten Unzufriedene Kunden machen Mitarbeiter unzufrieden, die d a m wiederum noch mehr Kunden unzufrieden machen. Kundenorientierung schlieRt somit gleichzeitige Mitarbeiterorientierung von Seiten des Top Management mit ein (BergmanrdKlefsjo 1994, S. 280ff). Konkret bedeutet eine kundenorientierte Mitarbeiterorientierung aber, dass sich die Fiihrungskrafte mit einer Reihe unangenehmer Fragen auseinandersetzen mussen: Wie sol1 die Unternehmensleitung auf Beschwerden uber das Verhalten der Mitarbeiter reagieren? Wann mussen sich Vorgesetzte schutzend vor die Mitarbeiter stellen, f i r die sie die Verantwortung tragen? Wie werden berechtigte von unberechtigten Beschwerden unterschieden? Wie werden Problemkunden behandelt? Fragen, die in der haufig nicht aufgeworfen werden, zweifellos in der Praxis aber die eigentliche Herausforderung darstellen. Das hier skizzierte Konzept eines kundenorientierten Wissensmanagement beruht im Wesentlichen auf der Annahme, dass es in erster Linie personliche bzw. soziale Faktoren sind, die iiber das Durchsetzen oder Scheitern von Kundenorientierung entscheiden. So sehr es notwendig ist, sich eine gut funktionierende Tool-Box im Rahmen des Customer Knowledge Management zurechtzulegen, so sehr steht und fallt der Erfolg aber letztlich mit der Ftihigkeit der Fuhrungskrafte, auf ihre Kunden, ihre Mitarbeiter und letztlich auf sich selbst offen zuzugehen.
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Mag. Gernot Handlbauer Regulatory Policy - GTSupport UBS AG Corporate Center CH-8098 Zurich Dr. Birgit Renzl Institutfur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Universitat Innsbruck Universitatsstr. IS A-6020 Innsbruck
Sonja Grabner-KrauterIAlexander Schwarz-Musch
CRM - Grundlagen und Erfolgsfaktoren
1. Einleitung
2. Konzeptionelle Grundlagen und strategische Zielsetzungen des CRM 2.1. Sichtweisen des CRM 2.2. Grundiiberlegungen des CRM 2.3. Zielsetzungen des CRM 3. Komponenten von CRM-Systemen 3.1. Kommunikatives CRM 3.2. Operatives CRM 3.3. Analytisches CRM 4. Ausgewahlte Erfolgsfaktoren von CRM-Projekten 4.1. Durchfiihrung differenzierter Kundenanalysen 4.2. Entwicklung einer Kundenstrategie 4.3. Anpassung der Organisationsstruktur 5. Zusammenfassung
1. Einleitung Customer Relationship Management ist ein Schlagwort, das in den letzten Jahren in Wissenschaft und Praxis verstbkt an Bedeutung gewonnen hat. Die Griinde dafiir sind insbesondere in den aktuellen Marktbedingungen zu fmden, die es Unternehmen erschweren, sich erfolgreich vom Wettbewerb m differenzieren und Kunden zu binden. Dies gilt insbesondere f i r jene Branchen, die durch hohen Wettbewerbsdruck, Stagnation und aus Kundensicht austauschbaren Leistungen gekennzeichnet sind. Auf gesattigten Markten, in denen sich QualitSit und Preis der einzelnen Anbieter angleichen, wird eine Profilierung uber die Kernleistung zunehmend schwieriger. Verscharft wird diese Situation durch neue Anbieter von Preisvergleichen, die den Markt f i r Konsumenten mit Hilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien transparenter machen. Diese Entwicklungen erhohen einerseits die Preissensibilitat der (potentiellen) Kunden und verbessern andererseits auch deren Wissenstand uber die Leistungen der einzelnen Anbieter. Sind Kunden jedoch in der Lage, die Leistungen einzelner Unternehmen genauer zu vergleichen, reduziert sich ihr subjektiv empfundenes Kaufrisiko. Dies kann sich wiederum negativ auf die Kundenloyalitat auswirken und sich letztendlich in hoheren Abwanderungs- bzw. Migrationsraten niederschlagen. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Kosten der Neukundengewinnung - die je nach Branche und Marktumfeld zwischen 3 bis 7mal hoher sein konnen als das Halten eines Bestandskunden (Pepels 2003) - als besonders problematisch. Eine Reihe wirtschaftlicher Vorteile - u.a. Wiederkauf, Mehrkauf, Cross-Selling Effekte, positive Mundpropaganda, geringere Preissensibilitat (Homburg/Becker/Hentschel 2005) - lassen sich erst im Laufe einer langerfristigen Kundenbeziehung realisieren. Entsprechend wird in der Literatur bereits seit langem darauf verwiesen, dass das Ertragspotenzial eines Kunden erst im Rahmen einer langfristigen Kundenbeziehung ausgeschBpft werden kann (Reichheld/Sasser 1991). In diesem Zusammenhang muss beriicksichtigt werden, dass auch die Pflege bestehender Kunden mittlerweile erhebliche Budgetmittel in Anspruch nimmt. Zudem gilt in vielen Fallen die Paretoregel, wonach Unternehmen mit 20 % der Kunden 80 % des Deckungsbeitrages bzw. Gewinns erwirtschaften (ReineckeISausen 2002). Unternehmen stehen demnach vor der Herausforderung, jene Kunden zu identifizieren, deren Ertragspotenzial den Betreuungsaufwand rechtfertigen. Um diese Kunden identifizieren und ihren spezifischen Bediirfnissen nach differenziert bearbeiten zu kbnnen, sind umfassende Kundeninformationen erforderlich (HippnerIWilde 2005). In der Unternehmenspraxis fehlten dazu bis vor kurzem jedoch noch die notigen infonnationstechnischen Grundlagen. Technisch ausgefeilte CRM-Tools versprechen nun aber die Zusammenfiihrung und Aufarbeitung aller hierfir relevanten Kundeninformationen (BauerlGrether 2002).
2. Konzeptionelle Grundlagen und strategische Zielsetzungen des CRM 2.1 Sichtweisen des CRM Wie die bisherigen Ausfihrungen zeigen, sol1 CRM einen Beitrag leisten, die Wettbewerbssituation von Unternehmen zu verbessern. Dabei muss jedoch beriicksichtigt werden, dass eine einheitliche Definition, was unter dem Begriff Customer Relationship Management zu verstehen ist, zurzeit noch aussteht. Ein Blick in die aktuelle CRMLiteratur zeigt, dass je nach Sichtweise unterschiedliche Facetten von CRM betont werden. Zum einen wird CRM unter Hervorhebung strategisch-konzeptioneller Aspekte als kundenorientierte Unternehmensphilosophie betrachtet, zum anderen wird CRM als ITKonzept aufgefasst, das durch Applikationen wie Sales Force Automation, Call-CenterSoftware, Web-Reporting-Tools und Anwendungen aus den Bereichen DataWarehousing und Business-Intelligence den Aufbau und die Pflege langfristiger Kundenbeziehungen unterstutzt. Aus konzeptioneller Marketingsicht wird letzterer Standpunkt haufig als IT-getrieben und wenig strategisch fundiert kritisiert, da dabei nicht die Gestaltung von Kundenbeziehungen, sondern die Implementierung von Software im Vordergrund steht (StaussISeidel 2002). Die erfolgreiche Realisierung von CRM-Projekten gelingt jedoch in der Regel nur, wenn beide Aspekte beriicksichtigt und aufeinander abgestimmt werden: erforderlich sind demnach eine kunden(beziehungs)orientierte Ausgestaltung der Unternehmensstrategie und der Einsatz von integrierten Informationssystemen zur Zusammenfihrung aller kundenbezogenen Informationen sowie zur Synchronisation der Kommunikationskanale. Im Folgenden wird daher zunachst ein Uberblick uber die konzeptionellen Grundlagen und strategischen Zielsetzungen des CRM gegeben, bevor auf die zur informationstechnologischen Unterstutzung notwendigen Komponenten einer CRMLosung eingegangen wird.
2.2 Grundiiberlegungen des CRM Die konzeptionelle Basis des CRM bezieht sich sehr stark auf Grundiiberlegungen des Relationship Marketing - gemeinsam ist beiden Ansatzen der strikte Fokus auf Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung (vgl. 2.B. Bruhn 2001, HennigThuradHansen 2000, Sin et al. 2005). CRM befasst sich mit dem Aufbau, der Entwicklung und Intensivierung individualisierter Kundenbeziehungen mit sorgftiltig ausgewahlten Kunden und Kundengruppen, wobei der Entwicklung eines strategischen Konzepts als Bemgsrahmen fiir die (spatere) Erfolgskontrolle eine zentrale Bedeutung zukommt (Grabner-KriiuterIMBdritscher 2002). Die kundenzentrierte Ausrichtung der Unterneh-
mensstrategie sol1 - in Kombination mit einer differenzierten Bearbeitung ausgewahlter Kunden und Kundengruppen - in einem hoheren Kundenwert (vgl. hierzu z.B. Anderson et al. 1994 und Krafft 2002) und damit langfristig in profitableren Kundenbeziehungen resultieren (PayneIFrow 2005).
Die Kundenzufriedenheit ist und bleibt demnach auch im CRM eine notwendige - wenn auch nicht hinreichende - Voraussetzung f i r eine langftistige und profitable Kundenbeziehung. Noch starker betont wird im CRM jedoch, wie bereits angesprochen, die Bedeutung der Kundenbindung aus Anbietersicht. Maljnahmen der Kundenbindung sollten sich auf die wirtschaftlich interessanten Kundengruppen konzentrieren, um insbesondere mit Angehorigen dieser Kundensegmente langfristige Geschaftsbeziehungen aufzubauen (ReineckeISausen 2002). Fur besonders attraktive Zielgruppen wird eine konsequente Ausrichtung aller Marketingaktivitaten an den individuellen Bedurfnissen und Besonderheiten des einzelnen Kunden gefordert. Hier wird eine enge Schnittstelle zu einem anderen ,,neuerena Marketing-Ansatz deutlich, dem Konzept des One-to-one Marketing (PeppersIRogers 1997), das ebenfalls eine Abkehr von der aggregierten Marktbetrachtung zugunsten einer kundenindividuellen Perspektive des Marketingmanagements verlangt, die in allen strategischen und operativen Marketingaktivittiten zum Ausdruck kommen sol1 (Grabner-KrauterILessiak 2001). Die irn Rahmen des One-to-one Marketing angestrebte Individualisierung von Kundenerfahrungen lasst sich am besten in einer intensiven, ,,lernendenG Kundenbeziehung realisieren, die durch entsprechende Kundenbindungsmaljnahmen gepflegt und intensiviert werden kann. Zusammenfassend Iasst sich festhalten, dass die konzeptionellen Grundlagen des CRM keineswegs neu sind. CRM verlangt eine umfassende Beriicksichtigung von Marketingprinzipien, die zumindest bis zu einem gewissen Ausmalj schon seit vielen Jahren im Dienstleistungsmarketing und im beziehungsorientierten Business-to-Business Marketing formuliert und auch in die Praxis umgesetzt werden (vgl. 2.B. Diller 2000, ShethParvatiyar 2000, Palmer 2002, Sieben 2003, Sin et al. 2005):
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Kundenorientierung und Marktsegmentierung: Attraktive Kundengruppen (oder einzelne Kunden) mit ihren spezifischen Bediirslissen und Problemen sind der zentrale Fokus von Unternehmensaktivitaten und Ansatzpunkt f i r die Entwicklung von Marketingstrategien zur Schaffung kundenspezifischer Problemlosungen. Umfassende Kundeninformationen: Unternehmen miissen verlassliche und aussagekraftige Informationen uber ihre (potentiellen) Kunden beschaffen und eine Kundendatenbank einrichten, die geeignet fUr den Aufbau und die Pflege langfristiger Kundenbeziehungen ist. Kundeninteraktion und -integration: Auf intensive Interaktion mit und verstarkte Integration von Kunden ist besonderer Wert zu legen, da kooperative und kollaborative Beziehungen zu einer erhohten Wertschopfung fiihren.
If Prirnat der Wirtschaftlichkeit: Kundenwert und Profitabilitat der Geschaftsbeziehung
sind ausschlaggebend f i r die Gestaltung und angestrebte Intensitat der Beziehung zum Kunden.
2.3 Zielsetzungen des CRM Die Zielsetzung aller CRM-Aktivitaten besteht letztendlich in der Steigerung der Kundenprofitabilitat, was zum einen durch eine verbesserte Kundenselektion und gewinnung und zum anderen durch Effizienzsteigerungen in den CRM-Prozessen erreicht werden sol1 (Alt et al. 2005). Dariiber hinaus sollen der Aufbau und die Stabilisierung profitabler Kundenbeziehungen in einer verstarkten Kundenbindung und der Gewinnung von Wiederholkaufern resultieren und sich in einem hoheren okonomischen Erfolg widerspiegeln. Der ErhShung des Marktanteils wird demnach eine geringere Bedeutung beigemessen als dem ,,Share of Wallet" eines einzelnen Kunden (das ist der Anteil der Kaufkraft eines Kunden, der bei einem bestimmten Unternehmen verbleibt). Die Konzentration auf die Erhohung des Share of Wallet ist mit der Zielsetzung des Aufbaus und der Festigung langfristiger Beziehungen zu Kunden mit einem hohen zukunftigen Potential eng verbunden, da ein Unternehmen zwar kurzfristig auch durch eine intensive Bearbeitung von ,,Schnappchenjagern" mit geringer Firmentreue bei diesen einen hohen Share of Wallet erzielen kann, der jedoch durch die hohen Akquisitionskosten relativiert wird (HippnerIWilde 2003). Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, wie sie im Rahmen von CRM-Projekten implementiert werden, erleichtern zunachst die Aufgabe der Selektion bislang undloder in der Zukunft voraussichtlich profitabler Kunden bzw. attraktiver Zielgruppen (Rese 2002), die durch die kundenspezifische Ausgestaltung der Geschaftsbeziehung und das Angebot kundenindividueller ProblemlBsungen langfristig an das Unternehmen gebunden werden sollen. Die Individualisierung der GeschajZsbeziehung zu besonders wertvollen Kunden spiegelt sich dabei in zwei Aspekten wider: einerseits konnen die Interaktionsprozesse zwischen Kunden und Unternehmen individualisiert, andererseits auch das Leistungsangebot in seinen Merkmalen besser den spezifischen Kundenbedurfnisse angepasst werden. Diese Aufgaben werden durch die Einfiihrung eines CRM-Systems wesentlich vereinfacht. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien dienen also gewissermaflen als ,,Enabler" f i r eine direkte und personalisierte Kommunikation und Interaktion zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden und ermoglichen auf diese Weise, das Paradigma des Beziehungsmarketing auf Situationen zu iibertragen, in denen ein Unternehmen eine Vielzahl von Kunden differenziert ansprechen mochte.
3. Komponenten von CRM-Systemen Die Umsetzung von CRM als kunden(bindungs)orientierte Unternehmensphilosophie wird, wie bereits erwahnt, in der Regel durch die Implementierung eines integrierten CRM-Systems wesentlich vereinfacht. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass - insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen mit einer gut iiberschaubaren Anzahl von Kunden - nicht immer der Einsatz von komplexen CRM-Tools erforderlich ist, um umfassende Kundeninformationen zu gewinnen und Kunden individuelle Problemlijsungen anzubieten.
Front
Office
I
I
Back Office
1
Supply Chain Management
CRM
/
Abbildung 1 : Komponenten eines CRM-Systems (Quelle: HippnerIMartinlWilde 2002, S. 14, leicht modifiziert) Ausgangspunkt fir die Initiierung von CRM-Projekten ist haufig eine IT-Landschaft, die dadurch gekennzeichnet ist, dass in verschiedenen Systemen oder Datenbanken Informationen iiber die Kunden des Unternehmens gespeichert sind (HippnerIMartinlWilde 2002). Das Vorhandensein von Kundendaten in den einzelnen, historisch gewachsenen Systemen (z.B. Aufzeichnungen von Aufiendienstmitarbeitern, Call Center Applikatio-
nen, Web-Anwendungen etc.) kann zu unvollstandigen und teilweise veralteten oder sogar falschen Informationen uber den Kunden fihren und eine einheitliche Sicht auf den Kunden verhindern, die jedoch f i r die Entwicklung und Umsetzung einer langfristigen, konsistenten und Erfolg versprechenden Kundenbindungsstrategie unerlasslich ist. Investitionen in CRM-Software zahlen sich (zusatzlich zu Investitionen in Personal, Beratungsleistungen und Schulungen) insbesondere f i r Unternehmen mit einer groRen Anzahl von Kunden mit eher heterogenen Bedurfnissen aus, die f i r eine differenzierte Bearbeitung der Kundensegmente umfassende Informationen uber ihre (potentiellen) Kunden benotigen. Integrierte CRM-Systeme stellen dem Anwender in Aussicht, die einzelnen Insellosungen zusammenzufihren und eine abteilungsubergreifende Kundenschnittstelle zu schaffen, die auf einer einzigen, unternehmensweiten Datenbank aufsetzt und eine einheitliche Sicht auf die vorhandenen Kundendaten ermoglicht (BauerlGrether 2002). CM-Systeme umfassen grundsatzlich drei zentrale Aufgabenbereiche oder Subsysteme (vgl. Abbildung I), die miteinander in engem Zusammenhang stehen (vgl. hierzu z.B. HippnerlMartiniWilde 2002 und BauerIGrether 2002)
3.1 Kommunikatives CRM Das kommunikative CRM umfasst das Management aller Kommunikationskanale zum Kunden (AuRendienst, Telefon, Direct Mailings, E-Mails, Internet, etc.). Die verschiedenen Kommunikationskanale werden gesteuert, synchronisiert und zielgerichtet eingesetzt, um eine bidirektionale Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden zu ermoglichen und ein uber alle Kommunikationskanale hinweg moglichst einheitliches Erscheinungsbild und Auftreten des Unternehmens bestimmten Kunden gegenuber (,,One Face to the Customer" als haufig genanntes CRM-Ziel) zu erreichen. Zur Integration der verschiedenen Kommunikationskanale wird verstarkt die Einbindung eines so genannten Customer Interaction Centers in das CRM-System empfohlen, das eine Weiterentwicklung des ,,traditionellen'' Call Centers darstellt und gewahrleisten soll, dass der Kunde unabhangig davon, iiber welchen Kommunikationskanal er mit dem Unternehmen Kontakt aufnimmt, eine adaquate, kompetente und schnelle Antwort bzw. Reaktion auf seine Anfrage erhalt.
3.2 Operatives CRM Das operative CRM steht in enger Beziehung zum kommunikativen Subsystem und umfasst Anwendungen des Front-Office-Bereichs, die im direkten Kundenkontakt stehen. Es werden darin Losungen zur Marketing-, Vertriebs- und Service-Automation integriert, die den Dialog zwischen Unternehmen und Kunden sowie die hierfir erforderlichen Geschaftsprozesse unterstiitzen. Als Kernbereich der Marketing Automation, deren Aufgabe die Gestaltung der Kundenkontakte ist, wird das Kampagnenmanagement
angesehen, das dem richtigen Kunden das richtige Informations- und Kornmunikationsangebot im richtigen Kommunikationsstil uber den richtigen Kommunikationskanal zum richtigen Zeitpunkt vermitteln sol1 (HippnerIMartinlWilde 2002). Im Rahmen der Sales Automation werden Routine- und Administrationsaufgaben des Vertriebs unterstutzt; dazu gehoren z.B. Termin- und Routenplanung, Besuchsbericht-Erstellung, Spesenabrechnung, Verkaufsubersichten, Unterstiitzung bei der Angebotserstellung und Budgetierung. Die Service Automation hat die Aufgabe, den Kundenservice im AuRendienst sowie den Service-Innendienst zu unterstiitzen. Da sich viele Aufgaben von Vertriebs- und Service-AuDendienstmitarbeitern iihneln, konnen die entsprechenden Funktionen vom Sales Automations-System auch zur verbesserten Erfiillung von Kundendienstleistungen genutzt werden. Um dem Kunden gegeniiber verlassliche Aussagen beispielsweise uber die Verfiigbarkeit bestimmter Produkte oder mogliche Liefer- und Servicetermine machen zu konnen, ist es des weiteren erforderlich, das operative CRM an vorhandene Back-Office Losungen wie Enterprise Resource Planning oder Supply Chain Management anzubinden.
3.3 Analytisches CRM Das analytische CRM bildet gewissermanen das Fundament fir das operative und das kommunikative CRM. Es besteht vor allem aus einer untemehmensweiten Datenbank (Customer Data Warehouse), in der alle kundenbezogenen Informationen (typischerweise Stammdaten von Kunden, Kaufhistorien, Aktionsdaten und Reaktionsdaten) aus unterschiedlichen Quellen in eine einheitliche Systemumgebung integriert und mit Hilfe spezieller ,,WerkzeugeU wie Online Analytical Processing (OLAP) und Data Mining analysiert werden. Ausgedriickt in Marketing-Terminologie werden im analytischen CRM Kundenkontakte und Kundenreaktionen systematisch aufgezeichnet und zur Unterstiitzung kundenbezogener Geschaftsprozesse wie z.B. Verkaufsgesprache oder die Bearbeitung von Kundenanfi-agen ausgewertet und aufbereitet. Uber Schnittstellen des Customer Data Warehouse zu anderen Back-Office Losungen ist auch ein Zugriff auf andere Datenbestande - beispielsweise des Supply Chain Management oder des ERPSystems - gewahrleistet. Zentrale Aufgabe eines integrierten CRM-Systems ist letztlich die unternehmensweit einheitliche Sammlung, Speicherung, Aufbereitung, Auswertung und Abrufung von Kundendaten (BauerIGrether 2002). Die von zahlreichen Software-Firmen angebotenen CRM-Tools, deren Anzahl und Verschiedenartigkeit kaum noch uberschaubar ist, sind jedoch mit vielfaltigen unterschiedlichen Funktionalitaten ausgestattet und in ihrer Anwendung oft so komplex, dass Marketing-Mitarbeiter haufig uberfordert sind und die CRM-Software nur mit einer umfassenden Einschulung und laufenden Betreuung durch IT-Experten nutzen kdnn(t)en. Dies fihrt dazu, dass CRM-Systeme haufig nur zur Vertriebsunterstutzung eingesetzt werden und das eigentliche Ziel der verstarkten Kundenorientierung und Kundenbindung aus den Augen verloren wird.
4. Ausgewahlte Erfolgfaktoren von CRM-Projekten Eine unter deutschen Dienstleistungsunternehmen durchgefihrte CRM-BenchmarkingStudie deckte Defizite auf, die als Griinde dafiir angesehen werden konnen, warum 55 75 % der CRM-Projekte (ReineckeJSausen 2002) in der Praxis scheitern. So wurden insbesondere Schwachstellen bei der Kundenwertanalyse und deren Beriicksichtigung in der Marketingplanung identifiziert (ReineckeJKiihlerJRoos 2002). Die Betonung der strategischen Zielsetmng von CRM-Initiativen, das Gelingen von organisationaler Integration und Akzeptanz, die Losung von technologischen Implementationsproblemen und der Nachweis von Wirtschaftlichkeitsiiberlegungen bei CRM-Einfiihrungen konnen als zentrale Erfolgsfaktoren im CRM angesehen werden (Alt et al. 2005). Im Folgenden werden drei ausgewahlte Aspekte naher beleuchtet, die - neben der Auswahl der ,,richtigen" Software - als Gmndvoraussetzungen fir eine erfolgreiche Einfihrung von CRM betrachtet werden konnen: (1) Durchfiihrung einer differenzierten Kundenanalyse, (2) Entwicklung einer Kundenstrategie, (3) Anpassung der Organisationsstruktur.
4.1 Durchfuhrung differenzierter Kundenanalysen Die zentrale Erfolggrolje des CRM ist ,,[...I die Profitabilitat der Kundenbeziehung, die neben der Wertigkeit und Stabilitat ... der Beziehung den Ressourceneinsatz des Unternehmens iiber den gesamten Kundenlebenszyklus beinhaltet." (HomburgJSieben 2005, S. 438).
Zuordnung
lndlvlduelle Darstellung
Bewermng
.
-
-
..Klass~sches Scorlng-Portfol~o Kundenponfol~o
Qualltat~ve
e~nd~mens~onal
mehrdlmens'onal
kumul~erte Darstellung
Qualltatlves Ranklng
Segment'eNng .Kundendeckungsbeitrag.AallerB Kunden C . A ~ ~ ~ ~ ~ ~ Rechnung .Customer L ~ f e n m eValue
Sconng-Ansatze (z B RFM) Radarchart be Kunde)
Abbildung 2: Ansatze zur Segmentiemng von Kunden (Quelle: Krafft 2002, S. 57)
Um die Ressourcen effizient einsetzen zu konnen, sind jedoch detaillierte Kundenanalysen unerlasslich, in denen Kundenbediirfnisse analysiert und jene Kunden(gruppen) identifiziert werden, die aus Unternehmenssicht den hochsten Kundenwert aufweisen. Trotz der Bedeutung, die der Identifizierung der ,,richtigenC'Kunden beigemessen wird, mussen hier in der Unternehmenspraxis massive Defizite festgestellt werden. Fast die Halfte der Unternehmen uberpriift ihre Marktdefinition nicht, beinahe ein Viertel der Firmen fiihren keine ABC-Analysen ihrer Kunden durch (Schroder et al. 2002). Im Widerspruch zu dieser unbefriedigenden Situation steht eine breite Palette an Analyseinstrumenten, die Unternehmen zur Kundensegmentierung zur Verfigung stehen (vgl. Abbildung 2).
4.1.1 Eindimensionale Ansatze Kundensegmentierungsverfahren, die auf der Basis eines einzelnen Kriteriums arbeiten, bieten den Vorteil einer einfachen Handhabbarkeit. Aus diesem Grund werden Ansatze zur qualitativen Segmentierung (2.B. Einteilung der Kunden in Lead-User, ,,Strategische Kunden" oder Innovatoren) haufig im Investitionsgutersektor und der Dienstleistungsbranche eingesetzt (Krafft 2002). Diese Kriterien kbnnen auch als Grundlage fir ein qualitatives Ranking aller Kunden (kumulierte Darstellung) dienen (2.B. Erstellung einer Rangliste nach dem Kriterium ,,Innovationskraft"). Diese Ansatze zeichnen sich zwar durch hohe Praktikabilitat aus, allerdings leidet diese Vorgehensweise darunter, dass keine monetare Konkretisierung der Wertigkeit von Kunden erfolgt. Dieses Problem wird durch den Einsatz einer Kunden-Deckungsbeitrags-Rechnung (KDBR) gelost (individuelle Darstellung) bzw. durch die Einteilung des gesamten Kundenbestands anhand einer ABC-Analyse nach Umsatz undloder Deckungsbeitragen (kumulierte Darstellung) (Stahl et al. 2004). Als Nachteil erweist sich bei diesen Segmentierungsansatzen der Umstand, dass der Beobachtungszeitraum in der Regel auf ein Jahr beschrankt ist (HomburgISieben 2005), wodurch dem Grundgedanken des CRM der Berucksichtigung des Ertragspotenzials mit einem Kunden iiber die gesamte Kundenlebenszeit - nicht Rechnung getragen werden kann. Einen moglichen Lbsungsansatz dafir stellt der Customer-Lifetime-Value-Ansatz dar, wobei der Customer Lifetime Value (CLV) als Differenz aus dem Barwert der Erlose abziiglich des Banvertes der Investitionen in eine Geschaftsbeziehung zu verstehen ist (WeiberiWeber 2002). Die Quantifizierung des Kundenwertes stellt sich fiir Unternehmen in der Praxis jedoch als schwierig dar, da die Bestimmung der Dauer der ,,KundenlebenszeitN- insbesondere bei nicht vertraglich geregelten Kundenbeziehungen - problematisch ist (Krafft 2002), @ ! nicht-monetare Bestimmungsgrol3en (2.B. Weiterempfehlungswert, Cross-BuyingWert, Informations-Wert, Gegengeschafts-Wert, Synergiewert (WeiberIWeber 20002) nur schwer quantifiziert werden konnen und
if@die
Entwicklung relevanter direkter (monetPer) BestimmungsgroDen (wie z.B. Umsatze, Ertrage) geschatzt werden muss und dies mit allgemeinen Prognoseproblemen verbunden ist.
Die dadurch bedingten Schatmngenauigkeiten konnen auch als Grund dafir gesehen werden, warum sich die CLV-Rechnung bisher in der Praxis nicht durchsetzen konnte (Krafft 2002).
4.1.2 Mehrdimensionale Ansatze Um der Komplexitat der Segmentierung von Kunden besser Rechnung m tragen, konnen parallel mehrere Kriterien berucksichtigt werden (mehrdimensionale Ansatze), wobei jeder Kunde anhand einer einheitlichen Bewertungsskala (z.B. von 1 = sehr gut bis 5 = sehr schlecht) hinsichtlich der aus Unternehmenssicht relevanten Kriterien beurteilt wird. Die unternehmensspezifische Beriicksichtigung unterschiedlicher Kriterien, die - gewichtet - ihren Eingang in eine Gesamtbewertung finden, ist einer der wesentlichen Vorziige der Scoring-Methode (Krafft 2002). In der Praxis werden unterschiedliche Groflen in die Bewertung einbezogen. So etwa im Rahmen des RFM-Verfahrens die Faktoren vergangene Zeitspanne seit der letzten Auftragserteilung (,,Recency of last purchase"), die Auftragsanzahl (,,Frequency of purchase") und die Auftragshohe (,Nonetary Value"). In einem weiteren Verfahren (FRAT) werden neben der Auftragsanzahl und der vergangenen Zeitspanne seit der letzten Auftragserteilung zusatzlich der Rechnungsbetrag im Geschaftsjahr (,,Amount of purchase") und die Art der bezogenen Produkte (,,Type of Merchandise") einbezogen (Pepels 2003). So konnte im Versandhandelsbereich festgestellt werden, dass haufiger und in hoheren Bestellwerten geordert wird, je naher der letzte Bestellvorgang liegt, je haufiger der Kunde bestellt hat und je mehr Umsatz in der bisherigen Geschaftsbeziehung oder den letzten Jahren zu verzeichnen war (Krafft 2002). Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird jede Kundenbeziehung mit Punkten bewertet, wobei die Hohe der Gesamtpunkteanzahl die Wertigkeit des Kunden widerspiegelt. Aufbauend auf den individuellen Scorings konnen im Unternehmen Scoring-Portfolios (kumulierte Darstellung) f i r alle Kunden erstellt werden, wobei Kunden anhand der Dimensionen Kundenwert und Kundenzufriedenheit mit Hilfe der Portfolio-Technik dargestellt werden (Stahl et al. 2004).
4.2 Entwicklung einer Kundenstrategie Die Bedeutung der Entwicklung von kundenorientierten Strategien wird als einer der Schlusselfaktoren f i r den Erfolg eines CRM-Systems angesehen (Krafftmiiller 2002). Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer Studie von Sapient und dem Lehrstuhl Marketing & Handel der Universitat Essen, wonach uber ein Drittel der befragten Unternehmen nicht iiber eine schriftlich fixierte CRM-Strategie verfigt
(Schroder et al. 2002). Gleichzeitig belegen die Ergebnisse der Studie, dass jene Unternehmen, die sich intensiv mit ihrer CRM-Strategie beschaftigen und im Zuge der Strategieentwicklung auch ihre Unternehmensstrategie uberpriiften, die CRM-Einfihng besser bewaltigten und insgesamt gesehen auch bei der Zielerreichung bessere Ergebnisse erreichten (Schroder et al. 2002). Um Strategien zum effektiven und effizienten Einsatz der CRM-Tools entwickeln zu konnen ist es sinnvoll, zwischen den drei zentralen Elementen des CRM-Systems zu unterscheiden: der Kunden(-ruck)gewinnung, der Bindung/Intensivierung und der Beendigung von Kundenbeziehungen (KrafftiMiiller 2002).
4.2.1 Strategien zur Kunden(-riick)gewinnung Die Basis dafir stellen die bereits beschriebenen detaillierten Kundenanalysen dar, bei denen die aus Unternehmenssicht attraktiven Kunden(gruppen) identifiziert werden. Hier steht das Unternehmen in einem ersten Schritt vor der Aufgabe, potentielle Neukunden zu akquirieren, die - unter Beriicksichtigung der spezifischen Unternehmens- und Branchensituation - als besonders attraktiv beurteilt werden. Im Bankensektor beispielsweise handelt es sich hier um ,,[...I ertragsstarke Kunden ..., die optimalerweise iiber hohe Kapitalriicklagen verfigen und dabei einen vergleichsweise geringen Beratungsaufwand erfordern" (KrafftIMuller 2002, S. 5). Diese Kunden kbnnen gezielt kontaktiert und individualisierte Angebote gelegt werden. In einem zweiten Schritt sind dariiber hinaus auch Maanahmen zur Ruckgewinnung verlorener Kunden zu entwickeln. Auch dafiir ist eine exakte Analyse der Kundenstruktur Voraussetzung, mittels derer die (rentablen) verlorenen Kunden sowie deren Griinde fir den Abbruch der Geschaftsbeziehung zu identifizieren sind.
4.2.2 Strategien zur Bindung attraktiver Kunden(gruppen) bzw. Intensivierung der Geschaftsbeziehung Im Zusammenhang mit der Bindung von Kunden bzw, der Intensivierung von Geschaftsbeziehungen stehen drei Teilaufgaben im Mittelpunkt der Betrachtung: das Loyalitatsmanagement, Cross- und Up-Selling sowie die UnterstiitzungIForcierung von Kundenempfehlungen. Um im Rahmen des Loyalitatsmanagements attraktive Kunden(gruppen) zu binden, steht dem Unternehmen eine breite Palette an Instrumenten zur Verfigung, die in der Literatur zur Kundenbindung ausfihrlich diskutiert wird: so werden Kundenclubs bzw. Kundenkarten in unterschiedlichen Branchen erfolgreich eingesetzt, wobei der Schwerpunkt hier iiberwiegend auf der Preisgestaltung und der (direkten) Kommunikation liegt (Tomczak/Reinecke/Dittrich 2005). Eine wichtige Rolle spielen insbesondere die Erstellung von kundenindividuellen Angeboten, das loyalitatsabhangige Pricing (Si-
mon/Tacke/Buchwald 2005), aber auch ,,klassischeL'Instrumente wie beispielsweise das Beschwerdemanagement (Stauss 2004). Um die im Zusammenhang mit einer erhohten Kundenbindung diskutierten wirtschafilichen Vorteile realisieren zu konnen, mussen Cross-Selling- und Up-Selling-Potentiale ermittelt werden. Hierzu kbnnen Bestandskunden hinsichtlich ihres Produktnutzungsverhaltens analysiert und die Ergebnisse dann auf Neukunden bzw. auf Kunden, die noch in keiner intensiven Beziehung zum Unternehmen stehen, ubertragen werden (Hippner/Wilde 2005). So werden beim Cross-Selling jene Kunden ermittelt, die Produkt A (2.B. eine Kfz-Versicherung) und Produkt B (2.B. eine Lebensversicherung) gekauft haben und deren Profil mit jenem von Kunden, die zwar Produkt A, nicht jedoch Produkt B gekauft haben, verglichen. Letzteren kann dann gezielt ein Angebot gelegt und so die Cross-Selling-Rate erhoht werden. Beim Up-Selling wird hingegen uberpriift, inwieweit einem Kunden, der ein bestimmtes Produkt des Unternehmens besitzt (2.B. VW Golf) ein hoherwertiges Produkt des Unternehmens (2.B. VW Passat oder Audi A 6) angeboten werden kann. Loyale Kunden, die das Unternehmen selbst positiv beurteilen, stellen dariiber hinaus eine wichtige (potentielle) Informationsquelle f i r andere Konsumenten dar. Mund-zuMund-Propaganda stellt eine auRerordentlich effiziente Form der Kommunikation dar (MatzlerIStahllHinterhuber 2004), da der Kommunikator (Kunde) vom Empanger der Botschaft (potentieller Kunde) als neutrale Informationsquelle eingestuft wird und dessen Urteil als glaubwiirdig beurteilt wird. Aus diesem Grund kommt Kundenempfehlungen eine bedeutende Rolle bei der Neukundenakquisition zu und sollten daher vom Unternehmen auch aktiv gefordert werden. So erhalten beispielsweise so genannte ,,Active Members" des Kundenclubs des osterreichischen Fertighausspezialisten Griffner-Haus AG f i r auf ihre Empfehlung hin zustande gekommene Kaufvertrage Vergiitungen durch das Unternehmen.
4.2.3 Exit-Management - Beendigung unprofitabler Kundenbeziehungen Der Bereich des Exit-Managements - die Beendigung unprofitabler Kundenbeziehungen wird in nahezu allen Branchen vernachlassigt (KrafftJMuller 2002). Dies kann nicht zuletzt darauf zuriickgefiihrt werden, dass die aktive Beendigung einer Kundenbeziehung durch das Unternehmen zu negativer Mund-zu-Mund-Propaganda fiihren kann. Dies ist - in Kombination mit einer unzureichenden Analyse der Kosten-ErtragsRelation von Kundenbeziehungen - ein Grund dafiir, warum von Unternehmen auch unrentable Kunden weiter betreut werden. Die Sensibilitat dieses Themenbereichs verdeutlicht den Bedarf an Richtlinien, die eine klare und nachvollziehbare Kommunikation von Griinden ermoglichen, weshalb das Unternehmen beispielsweise Konditionen zum Nachteil eines Kunden verandert, Vertragsverlangerungen verweigert oder Vertrage gekiindigt werden.
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4.3 Anpassung der Organisationsstruktur Die Einfiihrung eines CRM-Systems ist in der Regel mit Veranderungen in den Prozessen und Strukturen in der Unternehmung (u.a. Marketing, Vertrieb, Kundenservice) verbunden. Eine wesentliche Voraussetzung fir eine erfolgreiche operative Durchfihrung von CRM-Aktivitaten stellt mnachst das Ersetzen funktions- oder produktorientierter Unternehmensstrukturen durch eine an Kundensegmenten ausgerichtete Aufbauorganisation dar (Alt et al. 2005). Des Weiteren sind im Rahmen einer Prozessanalyse ClientFacing-Prozesse - d.s, jene Prozesse, bei denen das Unternehmen in direkten Kontakt mit dem Kunden tritt - und Backoffice-Prozesse der Kundenbearbeitung aufeinander abmstimmen sowie entsprechende Informationsflusse und Work-Flows zu definieren (HelmkeIDangelmaier 2003). Da die notwendigen Veranderungen zu Widerstanden im Unternehmen fiihren konnen, kommt der Einbindung der Mitarbeiter eine zentrale Rolle zu (Reinecke et al. 2002). Dementsprechend stellt das Commitment des gesamten Unternehmens auch einen wesentlichen Erfolgfaktor dar, wobei der Geschaftsleitung eine iiberragende Bedeutung zukommt. Diese kann einerseits uber den Ressourceneinsatz bestimmen, andererseits muss sie aber auch die Voraussetzungen daflir schaffen, dass sich alle betroffenen Bereiche konstruktiv an der Einfihrung engagieren wollen und konnen. Ein Vergleich von Unternehmen, die CRM erfolgreich implementiert haben mit weniger erfolgreichen zeigt auch, dass die ,,[...I am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen ... die unterschiedlichen Stufen der Wertschopfungskette durch die Bildung funktionsiibergreifender Verantwortlichkeiten (integrieren)." (KrafftIMuller 2002, S. 3). Die Bedeutung, die einer entsprechenden Beriicksichtigung interner Gegebenheiten bei der CRM-Einfiihrung mkommt, wird durch die Ergebnisse einer von Sapient und der Universitat Essen durchgeflihrten Studie belegt, wonach Unterschiede in der Unternehmenskultur, im Fuhrungsverstandnis und der Tradition der Kundenorientierung wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der CRM-Implementierung haben. So ist es beispielsweise in klassisch-funktional gepragten Unternehmen schwieriger, die fir die erfolgreiche CRM-Einfihrung und -anwendung erforderliche Prozesssicht sicherzustellen als in jenen Unternehmen, die starker auf Kunden(-segmente) ausgerichtet sind (Schroder et al. 2002). Eine Reduktion der CRM-Implementierung auf rein technische Aufgabenstellungen - die Auswahl der Software und Verbindung mit bestehenden EDV-Losungen des Unternehmens - greift zu kurz und gefahrdet die erfolgreiche Einflihrung von CRMSystemen.
5. Zusammenfassung Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung, attraktive Kunden(gruppen) m identifizieren und durch individuelle Betreuung an das Unternehmen zu binden. Der
Einsatz moderner CRM-Systeme kann dabei als wesentlicher technologischer ,,EnablerG fir eine direkte und personalisierte Kommunikation und Interaktion zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden angesehen werden. Da unterschiedliche Unternehmensbereiche durch die Einfihrung von CRM-Systemen betroffen sind (u.a. Marketing, Vertrieb, Kundenservice, EDV), erfordert die erfolgreiche Implementierung das Commitment des gesamten Unternehmens sowie die Uberpriifung und Anpassung bestehender Organisationsstrukturen und -prozesse. Ihr volles Potential konnen CRM-Systeme erst dann entfalten, wenn das Unternehmen detaillierte Kundenanalysen durchfiihrt, auf deren Basis Strategien f i r die zentralen Bereiche des CRM-Systems - die Kunden(riick)gewinnung, die Bindung/Intensivierung und die Beendigung von Kundenbeziehungen - entwickelt werden. Unter Beriicksichtigung dieser Vorgaben kann CRM Marketing-Verantwortliche bei der Umsetzung dieser Aufgaben unterstiitzen. Die bloRe Implementierung eines CRM-Systems ist jedoch kein Ersatz fir eine fehlende Marketingstrategie.
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a. o. Univ.-Pro$ Dr. Sonja Grabner-Krauter, Univ.-Ass. Dr. Alexander Schwarz-Musch Abteilungfur Marketing und Internationales Management Institut fur Wirtschaftswissenschafte Universitut Klagenfurt Universitatsstr. 65 - 67 A- 9020 Klagenfurt
Johann FullerIHans MuhlbacherIMichael Bart1
Beziehungsmanagement durch virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess
1. Zusammenfassung 2. Einleitung
3. Grundkonzept der virtuellen Kundeneinbindung in den Innovationsprozess 4. Auswirkungen der virtuellen Kundeneinbindung auf das Beziehungsmanagement 4.1 Virtuelle Kundeneinbindung und Kundenorientierung 4.2 Virtuelle Kundeneinbindung und Kundenzufiiedenheit 4.3 Virtuelle Kundeneinbindung und Kundenbindung
5. Empirische Untersuchung 6. Schlussfolgerungen f i r die Unternehmensfihrung
1. Zusammenfassung Die internetbasierte Einbindung von Kunden in Innovationsprozesse stellt ein neuartiges und vie1 versprechendes Customer Relationship Management (CRM) Instrument dar. Ergebnisse der hier vorgestellten Studie zeigen, dass engagierte Kunden, die aktiv an der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen mitwirkten, das Unternehmen, mit dem sie virtuell interagieren, als kundenorientiert einschatzen, sich ernst genommen fbhlen, Vertrauen entwickeln und einer wiederholten aktiven Zusammenarbeit zustimmen. Dies spricht insbesondere dafir, die Moglichkeiten des Internets auszuschBpfen und eine intensivere und bereits in den friihen Phasen des Innovationsprozesses beginnende Beziehung mit einer Vielzahl - im Konsumgiitermarkt haufig anonymen Zahl von Kunden aufzubauen. Es handelt sich hierbei um eine Beziehung im Sinne einer virtuellen Entwicklungskooperation, in der die Bediirfnisse, das Anwendungswissen und die Kreativitat innovativer Kunden in den Leistungserstellungsprozess von der Ideenfindung bis hin zur Markteinfiihrung integriert werden konnen und somit als Voraussetzung f i r eine konsequente Kundenorientierung stehen. Dariiber hinaus konnte gezeigt werden, dass die virtuelle Kundeneinbindung im Innovationsprozess eine positive Wirkung auf das Produktinteresse und die Kaufabsicht der partizipierenden Kunden hat und dies, obwohl die in Entwicklung befindlichen Produkte haufig nur als virtueller Prototyp und nicht als physische Produkte existierten.
2. Einleitung Treue und zufiiedene Kunden stellen heutzutage einen wichtigen Unternehmenswert dar (Reichheld und Sasser 1990; Reichheld und Schefter 2000). Kundenorientierte Unternehmen versuchen ihre Kunden zufrieden zu stellen und langfristige stabile, okonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren (Bruhn 1999). Um eine konsequente Kundenausrichtung zu erreichen und profitable Kundenbeziehungen aufzubauen, zu erhalten und zu intensivieren ist die Realisierung eines Customer Relationship Marketings erforderlich (Gronroos 1994). Customer Relationship umfasst die Analyse, Planung und Steuerung der Kundenbeziehungen. Werden f i r das Beziehungsmanagement verstarkt neue Medien eingesetzt, insbesondere das Internet, spricht man von electronic CRM oder kurz eCRM (Eggert und Fassot 2001). Bei der praktischen Umsetzung eines Beziehungsmanagements, das durch individuell auf den jeweiligen Kunden abgestimmte Interaktionen, ein nachhaltig Werte stiftendes Austauschverhaltnis schaffen sol1 (Piller et al. 2003), klaffen Theorie und Praxis allerdings stark auseinander (Fournier et al. 1998). Eine Gartner-Studie besagt, dass 60 % aller CRM-Initiativen, die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfillen und jeder finfte Kunde sogar verargert wird (Bierach 2002). Dies
ist haufig auf ein reduziertes Verstandnis und eine eingeschrankte Nutzung des CRM in Form des elektronischen Aufbaus von Kontaktdatenbanken zur Durchfiihrung von Werbemaljnahmen zuruckzufiihren. Solche Aktionen mogen unter Urnstanden zu kurzfristigen Ertragssteigerungen beitragen. Eine nachhaltige Kundenbeziehung setzt hingegen voraus, dass beide Seiten - Unternehmen wie Kunde - von einer Austauschbeziehung profitieren und gegenseitiges Vertrauen entwickeln (Geyskens et al. 1998; Moorman et al. 1993; Morgan und Hunt 1994; Schurr und Ozanne 1985). Kundenseitiges Vertrauen entsteht beispielsweise dam, wenn das Unternehmen in der Lage ist, die gewonnen Informationen, wie Verbesserungsvorschlage, Modell- und Produktwiinsche oder Anwendungsprobleme, tatsachlich in passende Losungen umzusetzen. Der Kunde sammelt hierbei Erfahrungen hinsichtlich des Leistungswillens und der Leistungsfahigkeit des Unternehmens, die den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung forcieren (Kleinaltenkamp 1999). Die virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess wird derzeit in verschiedenen Forschungsvorhaben untersucht. Unterschiedliche Moglichkeiten zur virtuellen Kundeneinbindung, deren Anwendbarkeit und Auswirkung auf den Innovationserfolg stehen dabei meist im Vordergrund (Dahan und Hauser 2002b; Ernst et al. 2004; Hippel und Katz 2002). Die Wissenschaftler versprechen sich davon eine Reduzierung des Marktrisikos, eine gronere Ideenvielfalt und das zeitige Erkennen zukunftiger Bedurfnisse und Anforderungen der Anwender. Die Kundeneinbindung lasst sich in die drei grundlegenden Interaktionsformen ,,Design for", ,,Design with" und ,,Design by" unterteilen (Kaulio 1998). Die Instrumentarien reichen von virtuellen Konzepttests (Dahan und Hauser 2002b), virtuellen Borsen (Spann und Skiera 2003) uber Toolkits (Thomke und von Hippel 2002) bis hin zu community-basierten Ansatzen (Fuller et al. 2004; Fuller und Miihlbacher 2004). Da die Interaktion mit involvierten Kunden auf einem intensiven und beiderseitig Nutzen bringenden Dialog beruht, ist die virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess auch als vie1 versprechendes Anwendungsgebiet des eCRM zu betrachten. Dieser Beitrag beleuchtet diese neue und bisher noch nicht untersuchte Facette der virtuellen Kundeneinbindung und stellt die Auswirkungen der virtuellen Kundeneinbindung auf das Beziehungsmanagement in den Vordergrund der Betrachtung. Die vermuteten Effekte der virtuellen Kundeneinbindung auf die Elemente der Erfolgskette der Kundenorientierung (Bruhn 2004; Heskett et al. 1994; Homburg und Bruhn 1999) werden aufgezeigt und mit empirischen Erkenntnissen unterlegt. Dartiber hinaus gehen die Autoren auf die Herausforderungen ein, mit denen sich die Unternehrnensftihrung bei der moglichen Etablierung der virtuellen Kundeneinbindung als eCRMInstrument konfrontiert sieht.
3. Grundkonzept der virtuellen Kundeneinbindung in den Innovationsprozess In Anbetracht der hohen Flopraten (Booz et al. 1982; Crawford 1987), dem zunehmendem Innovationsdruck sowie den immer kurzer werdenden Entwicklungszyklen (Cooper 2002; Dahan und Hauser 2002a) erscheint eine intensive Kooperation mit den spateren Nutzern neuer Produkte und Dienstleistungen im Konsumbereich bereits wahrend der Entwicklung als sinnvoll (Hansen und Raabe 1991; Prahalad und Ramaswamy 2000; Solomon 2003; Thomke et al. 1998; Ulwick 2002; Wikstrom 1996). Das Internet bietet eine Reihe neuer Moglichkeiten, um auf rasche und kostengunstige Weise Kundeninformationen und -wissen in den Entwicklungsprozess einflieRen zu lassen. ~ b e das r in der klassischen Marktforschung geforderte Urteilsvermogen hinaus, werden Kunden durch eine interaktive Gestaltung des Dialogs dam animiert, sich mit ihrer Kreativitat und Problemlosungskompetenz einzubringen. Mit den richtigen Werkzeugen ausgestattet sind Kunden in der Lage Ideen zu generieren, Konzepte zu entwickeln und zu bewerten, Losungsvorschlage zu evaluieren, Varianten zu kreieren und neue Produkte und Dienstleistungen zu testen (Dahan und Hauser 2002b; Hippel 2001; Nambisan 2002; Thomke und von Hippel 2002; Urban et al. 1996). Moglich wird diese aktive Kundenkooperation im Innovationsbereich unter anderem durch: r die Verfigbarkeit neuer (Internet-) Technologien, die eine reichhaltige, multimediale Darstellung von virtuellen Produkten und Dienstleistungen ermoglichen (Dahan und Hauser 2002b). R die Existenz von Online-Communities, in denen sich innovative und motivierte Anwender zu den unterschiedlichsten Themenbereichen und mit unterschiedlichsten PersBnlichkeitsprofilen identifizieren lassen. Mitglieder solcher Online-Communities sind bereit und fdhig sich an Innovationsprozessen zu beteiligen und wertvolle Beitrage zu liefern (Fuller und Muhlbacher 2004; Kozinets 1999; Kozinets 2002). B den Wandel des Konsums. Konsumieren impliziert nicht mehr nur Passivitat und Empfangen, sondern aktives Handeln und Arbeit (Rosenkranz 2000). Verantwortlich fir diese Entwicklung ist der Wertewandel (2.B. der Wunsch nach Selbstverwirklichungl -entfaltung oder das Bedurhis nach Kreativitat und Freiheit anstelle von Tradition und Konformitat) (Gartner und Riessmann 1978); die fehlende Erwerbstatigkeit (nicht bezahlte Arbeit als Ersatz, zum Erhalt von Anerkennung) (Gershuny 1981); gesellschaftliche Veranderungen (2.B. in der Familie, der Medienausbreitung, bei den Arbeitszeiten, etc.) (Toffler 1980); Kostenvorteile und objektiv bessere Losungen durch das Mitwirken (Joerges 1981) und zunehmend professionelles Kundenwissen durch ein hohes Ausbildungsniveau (Joerges 1981).
Die virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess wird im Folgenden anhand eines idealtypischen dreistufigen Prozesses, bestehend aus den Phasen der ,,Ideengenerierung und Konzeption", ,,Design und Entwicklung" sowie ,,Test und Markteinfiihrung", dargestellt. In der Phase der Ideengenerierung und Konzeption ist es moglich von einer sehr grorjen Zahl innovativer Nutzer neue Ideen oder Bediirfhisse einzuholen, die d a m in einem nachsten Schritt von Experten oder anderen Nutzern evaluiert werden. Der Ansatz, zunachst einrnal moglichst viele Ideen anzuregen und zu sammeln, um d a m die besten auszuwahlen, verspricht mehr Kreativitat. Laut Cooper (2003) benotigt man namlich ca. 60 unterschiedliche Produktideen, um eine einzige Innovation zu realisieren, die am Markt Erfolg hat. Von den 60 Ideen schaffen es sieben bis acht in die Konzeptphase, vier in die Entwicklungsphase und eineinhalb werden auf den Markt gebracht. Somit ist es fbr ein Unternehmen nahe liegend von einem moglichst grorjen Pool an Ideen auszugehen, um daraufhin die vie1 versprechendsten auszuwahlen. Dementsprechend sind automatische Filter- und intelligente Evaluationsmechanismen notig, um mit minimalem Aufwand die guten Ideen von den weniger guten trennen zu konnen.
Abbildung 1 : BMW Customer Innovation Lab Ein Anwendungsbeispiel stellt die vom Automobilkonzern BMW initiierte Ideenplattform zur Findung von neuen Telematik- und Onlinediensten (BMW 2003) dar. Das
,,Customer Innovation Lab" (siehe Abbildung I), ein multimediales ~ o o l k i t l ,half den BMW Fans, sich inspirieren zu lassen und neue Ideen in strukturierter und detaillierter Konzeptform zu kreieren. Die Kundenbeitrage wurden sowohl vom Ideengeber selbst als auch von anderen teilnehmenden Kunden hinsichtlich Kundennutzen, Marktpotenzial, Innovationshohe und technischer Realisierbarkeit beurteilt. Als Ergebnis prasentierten die Teilnehmer den BMW-Entwicklern eine Reihe von Aspekten, die fir sie neu waren und lieferten Anregungen fiir weitere innovative Dienste. Des Weiteren regten viele Teilnehmer dazu an, die Plattform auch auf andere Fahrzeugbereiche auszudehnen, um weitere ihrer Ideen zurn Fahrzeug einbringen zu konnen. In der Design- und Entwicklungsphase evaluieren Kunden bereits existierende, intern und extern entwickelte Konzepte, bringen sich mit Anregungen und Verbesserungsvorschlagen zu Details in die Entwicklung ein und wahlen die von ihnen bevorzugte Designvariante aus. Der Sportartikelhersteller Adidas prasentierte zurn Beispiel einer ausgewahlten Gruppe von Laufern das Konzept eines Sportschuhs im Baukastenprinzip. Das Innovationsteam hatte zum Ziel herauszufinden, ob die Sportler ihren Schuh, zumindest bestimmte Teile davon, wie zum Beispiel die Sohle, passend zum jeweiligen Untergrund oder das Dampfungssystem entsprechend dem eigenen Kbrpergewicht eigenstandig modular zusammenstellen mochten. Die Anwender zeigten sich sehr interessiert, wahlten die von ihnen bevorzugte Varianten aus und auRerten sich zusatzlich dam, welche Komponenten am Schuh sie fiir besonders wichtig hielten und welche konkrete Anpassungen sie vornehmen wiirden. Die Mitwirkung der Kunden fiihrte dam, dass das Schuhprojekt in leicht modifizierter Form zur Marktreife weiterentwickelt wurde. In der Phase der Test und Markteinfuhrung haben Kunden die Moglichkeit, das Leistungsangebot individuell anzupassen. Kunden machen sich spielerisch mit dem virtuell dargestellten Produkt bzw. der Leistung vertraut, lernen den Nutzen kennen und geben ihr Feedback nach einem virtuellen Test ab. Durch die fruhzeitige Ankiindigung der Innovation im Internet entsteht aufgrund elektronischer Mund-zu-Mund-Werbung gegebenenfalls ein friihzeitiger Marktsog. Auf diese Weise diskutierte die Ski- und Snowboarderszene uber einen neuartigen Rucksack mit integrierter Lawinenschaufel und Ruckenschutz namens ,,DiGGiT". Das Interesse der Community war enorm groR. Die Insider verbreiteten die Nachricht in Foren f i r Snowboarder, Tourenskifahrer und Telemarker, tauschten sich weltweit - ohne Zutun der Erfinder - uber die angebotenen Funktionen aus und erorterten die Vor- und Nachteile des innovativen Rucksacks, bevor dieser uberhaupt am Markt erhaltlich war. Die Kundeneinschatzung lieferte wertvolle Anhaltspunkte fUr die Preisgestaltung und Markenkommunikation. Zudem sorgte die virtuelle Interaktion fiir einen gesteigerten Bekanntheitsgrad und fiihrte zu 74 Bestellungen (Fiiller und Schmidt-Gabriel 2003). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kunden wertvolle Kooperationspartner fir innovierende Unternehmen bei der Initiierung, Entwicklung und Markteinfiih-
vgl, von Hippel 2001; Thornke und von Hippel 2002
rung neuer Produkte und Dienstleistungen darstellen konnen. Die Rolle der Kunden variiert dabei in Abhangigkeit von den Aufgaben, an denen sie mitarbeiten, vom Ausarbeitungs- und Selbstandigkeitsgrad, mit denen sie die Aufgaben erledigen, von der Intensitat, mit der sie teilnehmen (von der einmaligen Einbindung f i r eine spezifische Aufgabenstellung bis hin zur kontinuierlichen, projektiibergreifenden Prozessbegleitung) und dern subjektiven Kundenverstandnis des Entwicklungsteams vom Nutzer bis hin zum eigentlichen Innovator bzw. vom Kunden bis zum Entwicklungsmitarbeiter auf Zeit (Brockhoff 1998; Foxall und Johnston 1987; Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002).
4. Auswirkungen der virtuellen Kundeneinbindung auf das Beziehungsmanagement Ziel des Beziehungsmanagements ist es, langfristige und okonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen aufzubauen. Eine vertrauensvolle Kundenbeziehung entsteht durch regelmal3ige und vor allem gehaltvolle Kommunikation in Form von personlichen Treffen, Telefonaten oder internetbasierten Interaktionen. Nehmen Kunden die Interaktion mit dern Unternehmen als lohnend wahr und ergibt sich f i r sie ein materieller oder immaterieller Nutzen, entsteht kundenseitiges Vertrauen und Commitment als ein Geflihl der Verpflichtung bzw. der emotionalen Bindung (Morgan et al. 2000; Morgan und Hunt 1994). Um mit Kunden regelmaflig, d. h. nicht nur wahrend des jeweiligen Kaufs, zwischen dern oft Jahre vergehen, in Kontakt zu treten und diese gezielt anmsprechen, bedarf es Inhalte, die Kunden naturgemal3 interessieren und diese dazu anregen mit dern Unternehmen in intensiven Dialog zu treten. Die virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess ist fir den Aufbau einer Kundenbeziehung geeignet, die nicht erst mit dern Kauf bzw. der geaul3erten Kaufabsicht des Kunden einsetzt, sondern bereits mit der Produktidee, lange bevor das Produkt tatsachlich auf dern Markt eingefiihrt wird (Friedrich von den Eichen et al. 2004; Kleinaltenkamp 1999; Wikstrom 1996). Grundsatzlich ist es aufgrund inhaltlicher und kostenbedingter Aspekte weder sinnvoll noch moglich mit allen Kunden in Kontakt zu stehen. Fournier et al. aul3ern sich hierzu: ,,We can't expect to develop intense, devoted relationships with every consumer of every product or brand we offer" (Fournier et al. 1998 S.49). Zum einen miissen die Kosten der Initiierung und Pflege einer Kundenbeziehung dern Nutzen gegeniibergestellt werden, zum anderen eignen sich nicht alle Kunden fur die Zusammenarbeit in den jeweiligen Phasen des Innovationsprozesses, da diese unterschiedliche FertigkeitenIFahigkeiten voraussetzen. Zudem sind nicht alle Kunden an einer Einbindung interessiert. Die virtuelle Kundeneinbindung in den Innovationsprozess zielt besonders auf die Gruppe der hoch involvierten und an Veranderungen interessierten engagierten Kunden ab. Dazu
zahlen Heavy user1, Pilotkunden (Brockhoff 1998) insbesondere Lead User (Hippel 1986), Kunden mit hoher Markenaffinitat sowie Kunden, die ein personliches Hobby mit innovativen Tatigkeiten verbinden und dadurch neben der entsprechenden Qualifikation auch die notwendige Bereitschafi zur Teilnahme besitzen. Einer differenzierten Sichtweise des eCRM im Innovationsprozess entsprechend sind unterschiedliche Kundengruppen durch unterschiedliche Austauschinhalte/ Entwicklungsaufgaben individuell anzusprechen (Holz 1997), zur Mitarbeit zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden (Tomczak und Dittrich 1999).
Virtuelle Kundeneinbindung In den lnnovatlansprozess
.
-
Kundenorientietung
0 Kundenzufnedenheit
0 Kundenbindung
Abbildung 2: Einfluss der virtuellen Kundeneinbindung auf die Erfolgskette der Kundenorientierung Dholakia und Morwitz (2002a; 2002b) wiesen nach, dass sich allein die Teilnahme von Bankkunden an einer Kundenzufriedenheitsumfrage positiv auf die Zufriedenheit und Bindung der Teilnehmer auswirkte. Die Teilnahme an der Umfrage reichte zwar nicht zur unmittelbaren Auslosung einer Kaufhandlung aus, sorgte aber dafiir, dass die Teilnehmer im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit einer dreifach hoheren Wahrscheinlichkeit neue Konten eroffneten, profitabler als andere Kunden waren und eine 50 % geringere Wechselbereitschafi aufwiesen. Diese positive Wirkung kann nach Morowitz et al. (1993) auf den so genannten ,,Pure-Measurement Effekt" mriickgefiihrt werden, Kunden, die ein Produkt oder eine Leistung besonders intensiv nutzen und beanspruchen.
der auch als ,,Self-Prophecy Effekt" (Spangenberg und Greenwald 1999) bezeichnet wird. Die Teilnahme an der Umfi-age fiihrte bei den Kunden dam, dass sie sich ernst genommen und betreut fuhlten, sich die positiven Gefiihle der Bank gegenuber verstarkten, ihnen das Leistungsgebot bewusst wurde und sie dieses aufinerksam verfolgten (Dholakia und Morwitz 2002a). Ahnliche Effekte sind bei der virtuellen Kundeneinbindung zu vennuten. Aufgrund der freiwilligen und aktiven Kundenmitwirkung sowie der uber mehrere Episoden hinweg andauernden Interaktion, ist sogar von einem starkeren positiven Zusammenhang auszugehen. Abbildung 2 zeigt den Einfluss der virtuellen Kundeneinbindung auf die Elemente der Erfolgskette der Kundenorientierung, die zu einer nachhaltigen Kundenwertsteigerung fiihren (Homburg und Bruhn 1999). Bruhn hebt hervor, dass nicht der direkte Zusammenhang zwischen der Kundenorientierung, der Kundenzufi-iedenheit und der Kundenbindung im Vordergrund der Erfolgskette stehen, sondern das Denken in Wirkungsbeziehungen, das Beachten gegenseitiger Interdependenzen und die Berucksichtigung externer und interner moderierender Variablen (Bruhn 2002). Die virtuelle Kundeneinbindung als eCRM Instrument kann somit sowohl einen direkten Einfluss auf die Kundenorientierung, -mfriedenheit und -bindung haben als auch einen indirekten, durch die Beeinflussung der moderierenden Variablen, wie z.B. Image oder Vertrauen.
4.1 Virtuelle Kundeneinbindung und Kundenorientierung Kundenorientierung bedeutet unter anderem, das Leistungsangebot des Unternehmens an den Problemen, Erwartungen und Anspriichen der Kunden auszurichten. Dies setzt voraus, diese bereits bei der Produktentstehung hinreichend genau einschatzen zu konnen und auch in den Leistungserstellungsprozess konsequent einflieRen zu lassen (Kleinaltenkamp 1999). Damit Unternehmen hierzu in der Lage sind, mussen sie iiber geeignete Mittel zur Beschaffung der benotigten Kundeninformationen verfligen. Die virtuelle Kundeneinbindung versorgt Unternehmen mit dem entsprechenden Wissen aus erster Hand und ermoglicht dariiber hinaus, das Produkt oder die Dienstleistung in Kooperation mit den spateren Kaufern m entwickeln. Nach Kleinaltenkamp (1999) dient die Kundenintegration zur wirklichen Kundenausrichtung eines Unternehmens. Der direkte Kontakt zwischen Entwicklern und Kunden verhindert, dass die Bediirfnisse der Kunden aufgrund der Problematik von internen Schnittstellen, zum Beispiel zwischen Marketing und Entwicklung, gefiltert oder verfalscht bei der Entwicklungsabteilung eintreffen (Griffin und Hauser 1996). Die durch die virtuelle Einbindung ermoglichten unmittelbaren Einblicke in die Bedurfniswelt der Kunden erlauben den am Innovationsprozess Beteiligten, marktgerechte Produkte zu entwickeln und Verbesserungsvorschlage sowie Anregungen der Kunden bereits wahrend der Produktentstehung zu beriicksichtigen.
4.2 Virtuelle Kundeneinbindung und Kundenzufriedenheit Die Kundenzufriedenheit gibt Aufschluss dartiber, inwiefern das Unternehmensangebot tatsachlich den Erwartungen der Kunden entspricht (Oliver 1997; Stauss 1999). Werden die entscheidenden Erwartungen der Kunden erfillt oder gar ubertroffen, stellt sich Zufiiedenheit ein. Kundenzufriedenheit besteht aus der Zufriedenheit mit dern Leistungsergebnis und der Zufriedenheit mit dern Prozess der Leistungserbringung (Stauss 1999; Thelen et al. 2004). Die Zufriedenheit mit dern Prozess und rnit dern Ergebnis flieRt wiederum in die Beurteilung der Gesamtzufriedenheit rnit dern Unternehmen ein. Vor diesem Hintergrund werden die Zufriedenheit rnit der virtuellen Teilnahme an der Entwicklung und die Zufriedenheit rnit dern daraus resultierenden Innovationsergebnis im Folgenden gesondert betrachtet. Zufriedenheit mit dem Prozess
Bagozzi (1995) zeigt, dass bestimmte Kunden den Dialog rnit Unternehmen als lohnend empfinden. Kunden engagieren sich in der Entwicklung, weil sie die Marke schatzen, sich fir das Produkt, den Service oder die Beschaftigung damit begeistern, sich auf den anstehenden Kauf vorbereiten oder von der kreativen Tatigkeit an sich fasziniert sind (Fuller et al. 2003). Entspricht die Mitwirkung den Erwartungen der Kunden, oder werden diese gar ubertroffen, stellt sich Zufriedenheit rnit dern Prozess der Teilnahme ein. Um eine Unter- bzw. ~berforderungund damit mogliche Unzufriedenheit zu vermeiden, gilt es, die Fghigkeiten der Kunden richtig zu antizipieren (Corsten 1997; Meyer 1994) und den Interaktionsprozess an die Beweggrtinde und Fahigkeiten der teilnehmenden Kunden anzupassen. Die Self-Serving und die Do-it-yourself Literatur unterstreichen, dass das ,,Selbermachen" Zufriedenheit stiftet. Manche Konsumenten bevorzugen Selbstbedienungsrestaurants, auch wenn sich kein direkt erkennbarer Nutzen daraus ergibt (Bateson 1985). Kunden bauen ihre Mobel nicht unbedingt aufgrund der geringeren Kosten selber zusammen, sondern eher, weil sie Span daran finden und eine lohnende Freizeitbeschgftigung darin sehen (Puhe 1986; Schreier 2003). Fiir Kunden, die virtuell an einer bestimmten Entwicklung mitwirken, wird diese Entwicklung zur eigenen Kreation (Piller et al. 2003). Sie verbinden einen subjektiven Wert mit der Leistung, weit uber deren objektiven Nutzen hinaus (Belk 1988). Die virtuelle Entwicklung gemeinsam rnit dern Hersteller hat das Potenzial zu einem neuen Hobby zu avancieren, vergleichbar mit dern Heimwerken oder Kreuzwortr~tsellBsen.Kunden, denen die virtuelle Teilnahme keinen Spa0 macht, nehmen selten teil, da sie dazu nicht genotigt werden, und brechen die Teilnahme eher friihzeitig ab, als sie als storend zu empfinden und sich uber das jeweilige Unternehmen zu argern.
Zufriedenheit rnit dem Ergebnis
Die Einbindung der spateren Nutzer fihrt zu verbesserten, hochwertigeren Losungen, die den individuellen Bediirhissen der Kunden sehr vie1 eher entsprechen (von Hippel 200 1; Wind und Rangaswamy 2000). Zudem fihrt die Mitwirkung zu einer besonders starken Identifikation mit dern Produkt oder der Dienstleistung. Gelingt die Innovation, sind die Kunden namlich besonders Stolz auf ,,ihreGLeistung (Schreier 2003). Mit der Teilnahme an der Entwicklung steigen aber auch die Erwartungen der Kunden. Innovationen, an denen Kunden mitwirken, miissen deshalb mehr bieten als erhaltliche Standardlosungen, um der gesteigerten Erwartungshaltung zu entsprechen und den Teilnahmeaufwand zu rechtfertigen. Bendapudi und Leone (2003) zeigen, dass sich die Zufriedenheit mit dern Hersteller unter Mitwirkung der Kunden bei gleichbleibender Ergebnisqualitat sogar verringert. Erklaren lasst sich die verminderte Kundenzufriedenheit mittels der Attributionstheorie. Glauben die an der Innovation mitwirkenden Kunden, einen erheblichen Teil an der Leistung selbst beigesteuert zu haben, schmalert dies die wahrgenommene Unternehmensleistung und somit die Zufriedenheit mit dern Unternehmen. Im Allgemeinen neigen Personen dam, den eigenen Beitrag am Erfolg zu iiberbewerten, wohingegen sie den Beitrag am Misserfolg gerne verdrangen und anderen Beteiligten zuschreiben (Folkes 1988; Wolosin et al. 1973). Gehen Hersteller sorgsam mit den erhaltenen Kundeninformationen um und halten sie sich auch an die kornrnunizierten Vereinbarungen, ist mit einer positiven Wirkung der virtuellen Kundeneinbindung sowohl auf die Kundenzufriedenheit mit dern Innovationsergebnis als auch mit dern Hersteller zu rechnen. Da die Innovation meist nicht sofort realisiert wird, ist die Zufriedenheit mit dern Innovationsergebnis zum Zeitpunkt der Einbindung jedoch nicht messbar und zunachst ungewiss (Kleinaltenkamp 1999). Abschlierjend sei erwahnt, dass unterschiedliche Kontextfaktoren das empfundene Zufriedenheitsniveau beeinflussen. Matzler (1997) hebt beispielsweise den Zusammenhang von Zufiiedenheit und Involvement hervor. Demnach hangt das Zufiiedenheits-/ Begeisterungsniveau wesentlich von der Hohe des Involvements der Teilnehmer ab. Je mehr sich Kunden fir die Innovation, den Hersteller oder die innovative Tatigkeit interessieren, desto hoher ist deren erlebbares Zufiiedheitsniveau.
4.3 Virtuelle Kundeneinbindung und Kundenbindung Der Begriff Kundenbindung umfasst samtliche psychologischen Bewusstseinsprozesse und beobachtbaren Verhaltensweisen eines Kunden, die im Zusammenhang mit dern Auf- oder Ausbau einer Beziehung zum Unternehmen stehen (Bruhn 2002; Keaveney 1995). Unternehmen mochten von den positiven bkonomischen Auswirkungen, wie 2.B. Wiederkauf, geringere Preissensibilitat, Zusatzkauf oder Weiterempfehlung durch treue
Kunden profitieren. Die virtuelle Kundeneinbindung tragt nicht nur mittelbar durch ihre Wirkung auf die Kundenorientierung und die Kundenzufiiedenheit zur Kundenbindung bei, sondern beeinflusst moderierende Variablen der Kundenbindung, wie zum Beispiel Identitat oder Vertrauen. Folgende Aspekte sprechen f i r die positive Beeinflussung der Kundenbindung durch die virtuelle Kundeneinbindung: f# Vertrauen: Die virtuelle Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess bietet Unternehmen die Moglichkeit, mit engagierten Kunden in Dialog zu treten. Stellt die Unternehmung ihre Leistungsfahigkeit und ihren Leistungswillen wahrend der Interaktion unter Beweis, fordert dies das Vertrauen der Kunden in das Unternehmen (Kleinaltenkamp 1999; Tomczak und Dittrich 1999). a ,,Word of mouth": Einen wichtigen Indikator fir die emotionale Bindung von Kunden an Unternehmen stellt deren Weiterempfehlungsverhalten dar. Kunden, die sich f i r eine bestimmte Marke oder ein bestimmtes Unternehmen begeistern, empfehlen es in ihrem Bekanntenkreis weiter. Diese Art der Mund-zu-Mund-Propaganda ist eine giinstige und zugleich effektive Form der Werbung. Kunden, die an der virtuellen Entwicklung mitwirken, konnen die Teilnahme an Freunde und Bekannte weiterempfehlen und weisen innerhalb ihrer Community auf entsprechende Internetseiten hin. Elektronisches ,,word-of-mouth" fihrt zur raschen Ausbreitung und Bekanntheit der Innovation und ist Ausdruck fir die emotionale Bindung der Teilnehmer an die Entwicklung und an die Marke. Matzler et al. (2004) weisen auf die Wirkung des positiven ,,word-of-mouth" auf den Unternehmenswert hin. Markenidentitat: Die Identitat eines Unternehmens wirkt sich auf die Kundenbindung aus (Kapferer 1998). Die finktionalen und emotionalen Attribute, die Kunden mit einem Unternehmen oder einer Marke assoziieren, bestimmen deren Identitat. Unternehmen versuchen, durch ihr Handeln und ihre Kommunikation eine positive und unverwechselbare Identitat zu erlangen, die eine starke Anziehungskraft auf die Kunden hat. Die virtuelle Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess bietet fir die teilnehmenden Kunden, die Moglichkeit das Unternehmen naher kennen zu lernen und eine Beziehung zur Marke aufzubauen (Fournier 1998). Eine den Erwartungen der Kunden zumindest entsprechende virtuelle Einbindung in Innovationsprozesse tragt daher zum Aufbau einer kundenorientierten und innovativen Identitat bei. @ Gewecktes Interesse: Kunden, die sich wahrend ihrer Teilnahme an der Entwicklung mit einer spezifischen Innovation auseinandersetzen, finden lnteresse an dieser Innovation. Ihr Interesse aunert sich darin, dass sie iiber den weiteren Entwicklungsverlauf informiert werden mochten und manche sich sogar vorstellen konnen, die Innovation, an der sie mitwirkten, zu kaufen, so bald diese am Markt erhaltlich ist. Hat den Kunden das Mitwirken an der Entwicklungsaufgabe an sich Span gemacht, so fordert die erstmalige Teilnahme das Interesse, erneut an Entwicklungsprojekten mitzuwirken.
5. Empirische Untersuchung Erste Ergebnisse einer derzeit laufenden empirischen Untersuchung zur virtuellen Kundeneinbindung in den Entwicklungsprozess aus dem Blickwinkel teilnehmender Kunden geben Aufschluss uber die Einschatzung unterschiedlicher Elemente der Erfolgskette der Kundenorientierung und damit uber die Zweckrnafligkeit der virtuellen Kundeneinbindung als Beziehungsmanagement-Instrument. Befiagt wurden Kunden, die bereits an virtuellen Entwicklungsprojekten aus den Bereichen Sport, Automobil, Spielwaren, Kinderausstattung, Mobel und Accessoires teilgenornmen hatten. Voraussetzung fir die Ansprache der Kunden war, dass sie sich nach der Teilnahme an dem jeweiligen virtuellen Entwicklungsprojekt f i r eine wiederholte Kontaktierung und Einbindung bei Innovationsvorhaben bereit erklarten. Der fir die Online-Studie verwandte Fragebogen wurde einem mehrstufigen Pretest-Verfahren unterzogen. Die Anmerkungen der Testpersonen und Experten hinsichtlich inhaltlicher Aspekte, Verstandlichkeit, Eindeutigkeit, Usability und technischer Probleme wurden in den finalen Fragbogen eingearbeitet. Daraufhin erfolgte die Kontaktierung von 2200 Kunden, die durch E-Mail zur Teilnahme an der Online-Befiagung eingeladen wurden. Bis zum 15. Oktober 2003 konnten genau 548 vollstandig ausgefiillte Fragebogen gesammelt werden. Dies entspricht einer Rucklaufquote von 24,9 %. Zur ijberpriifung der Stichprobenreprbentativitat wurde das Antwortverhalten der Friihantworter mit dem der Spatantworter verglichen. Anhand eines t-tests konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Mittelwerte festgestellt werden. Im Zusammenhang mit der Erfoglskette der Kundenorientierung wurden die in Tabelle 1 aufgefihrten Fragestellungen verwendet. Fur die ubergeordneten Konstrukte wurde auf bewahrte Operationalisierungen zuriickgegriffen, die sich aufgrund der in Kapitel 4 aufgezeigten Beziehung zwischen virtueller Kundeneinbindung und Beziehungsmanagement als sinnvoll herausgestellt haben.' Die Berechnung der Gutekriterien auf Basis der verwendeten Datengrundlage fihrte zu Werten, die meist weit uber den geforderten Mindestwerten (vgl. beispielsweise (Homburg und Giering 1996)) lagen.
Die Reliabilitzlts- und Validit8,tsbeurteilung der vorliegenden und z. T. leicht modifizierten theoretisch konzeptualisierten Konstrukte erfolgte mit Gutekriterien der so genannten ersten Generation (vgl. hierzu (Homburg 1995). Im Rahmen dieser Beurteilung kamen die Ans8,tze exploratorische Faktorenanalyse, Itemto-total-Korrelation und das Combachsche Alpha zur Anwendung. Aufgrund der z. T. geringen Zahl an Mess-Items wurde auf eine weitergehende inferenzstatistische Uberpriifung der GutemaBe verzichtet. Dies beruht auf der Tatsache, dass ein konfirmatorisches Modell bei den hier anzufinden Operationalisierungen mit drei Indikatoren (siehe Tabelle I ) keine Freiheitsgrade besitzt und somit eine Berechnung dieser MaDe nicht sinnvoll ist.
Die Teilnahme an der virtuellen Neuproduktentwicklung fuhrte dazu, dass ich an der weiteren Entwicklung dieses Produktes interessiert bin.
4,08
Die Teilnahme an der virtuellen Neuproduktentwicklung fuhrte dazu, dass ich mir vorstellen kann dieses Produkt zu kaufen, sobald es erhaltlich ist.
3,53
,,,,
Ja
Neln
80%
20%
Erneute Teilnahme Mochten Sie erneut an virtuellen Entwicklungsaufgaben teilnehmen? * = Reversed skaliert
0,96
** = eliminierte lndikatoren
Tabelle 1 : ~bersichtrelevanter Fragestellungen zum Beziehungsmanagement Somit konnten die Konstruktmessungen nach Elimination von Indikatoren mit unbeftiedigenden Item-to-total-Korrelationen in der in Tabelle 1 dargestellten Form voll bestatigt werden und gingen in die weitere Analyse ein.
Fur die in Abbildung 3 dargestellten deskriptiven Ergebnisse wurden die verwendeten Indikatoren durch Mittelwertbildung zu GesamtgroBen verdichtet, welche die jeweiligen Konstrukte reprasentieren (es wurden 5-Punkte-Skalen verwendet). Die Ergebnisse spiegeln eine insgesamt sehr positive Gesamteinschatzung der virtuellen Kundeneinbindung aus Perspektive der teilnehmenden Kunden wieder. Dies zeigt sich insbesondere in der hohen Bereitschaft, erneut an Entwicklungsprojekten teilzunehmen. Durchschnittlich stimmen 80 % der Teilnehmer einer erneuten Mitwirkung an weiteren virtuellen Entwicklungsprojekten zu. Kundenorientierung
Diese hohe Bereitschaft der Kunden, mit Unternehmen wahrend des Innovationsprozesses in Dialog zu treten und ihr Wissen zur Verfigung zu stellen, zeigt die Moglichkeiten f i r innovierende Unternehmen auf, entwicklungsrelevante Informationen direkt vom Kunden zu erhalten. Werden die zusatzlichen Kundeninformationen bei der Neuproduktentwicklung beriicksichtigt, tragt dies m r Kundenorientierung in der Unternehmung bei. Zudem nehmen die teilnehmenden Kunden diejenigen Unternehmen, die Kunden virtuell in den Innovationsprozess einbinden, auch in hohem MaRe als kundenorientiert wahr (Mittelwert: 4,14; Standardabweichung: 0,82). Die virtuelle Kundeneinbindung tragt demnach zumindest zu einer kundenorientierten Unternehmensidentitat bei. Ob die virtuelle Kundeneinbindung tatsachlich zu erhohter Kundenorientierung beitragt, kann durch die Befiagung der Kunden nicht unmittelbar gemessen werden, da Kundenorientiemng gewohnlich unternehmensseitig erhoben wird. Zufiiedenheit rnit der Teilnahme / Teilnahmeerlebnis
Die virtuelle Teilnahme am Innovationsprozess hat den teilnehmenden Kunden insgesamt sehr gut gefallen. Die Zufi-iedenheit rnit der Teilnahme wurde rnit affektiven Einstellungsvariablen hinsichtlich des Teilnahmeerlebnisses gemessen (siehe Tabelle 1). Das Teilnahmeerlebnis wurde positiv empfunden (Mittelwert: 3,93; Standardabweichung: 0,82). Die Zufiiedenheit rnit dem Prozess der virtuellen Kundeneinbindung wird rnit dem Unternehmen in Verbindung gebracht und tragt somit letztendlich zur Kundenbindung bei. Die Zufiiedenheit rnit dem Entwicklungsergebnis konnte zu diesem Projektstadium nicht beurteilt werden, da sich samtliche Produkte nach wie vor in der Entwicklungsphase befinden und noch nicht am Markt eingefihrt sind. Kundenbindung
Die Dimensionen ,,Erneute Teilnahmebereitschaft", ,,VertrauenU,,,Gewecktes Produktinteresse", ,,Word of mouth" und ,,Markenidentitat'' sind wichtige Indikatoren, die die Voraussetzungen bzw. Konsequenzen der Kundenbindung als Bestandteil der Erfolgskette der Kundenorientiemng (siehe Abbildung 3) rnit dem letztendlichen Ziel messen, Kundenwert zu generieren (Heskett et al. 1997). Samtliche Dimensionen wurden positiv eingestuft und sprechen f i r das bestehende Potenzial, Kundenbindung durch die virtuelle Kundenintegration in den Innovationsprozess aufzubauen.
Kundenbereltschjft zur vlrhlellen Efnbrndung
Wahrnehmungsdfmenslonenund Kundenelnschtzung dervlrtuellen Elnblndung
Abbildung 3: Kundeneinschatmng der virtuellen Kundeneinbindung in den Innovationsprozess
a Vertrauen: Das Ergebnis zeigt, dass sich die teilnehmenden Kunden aktiv in den Entwicklungsprozess eingebunden fbhlten (Aktive Teilnahme: Mittelwert: 3,33; Standardabweichung 1,05). Die empfundene aktive Einflussnahme deutet auf einen tatsachlich stattfindenden Dialog zwischen Kunden und Unternehmen hin, der als Voraussetzung fir den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung gilt (HennigThurau et al. 2000). Die teilnehmenden Kunden schenken dem Unternehmen mit dem sie virtuell interagieren ihr Vertrauen (Mittelwert: 3,90; Standardabweichung: 0,82). Geschaffenes Vertrauen ist Voraussetzung f i r den Aufbau einer Kundenbeziehung. B ,,Word of Mouth": Bestarkt wird der positive Einfluss der virtuellen Kundeneinbindung auf die Kundenbindung durch die Absicht einer Mund-zu-Mund-Werbung durch die Teilnehrner (Mittelwert: 3,5 1; Standardabweichung: 1,O1) und somit der mutmal3lichen Erweiterung des Kundenkreises fir das Beziehungsmanagement im Innovationsprozess. Markenidentitat: Neben dem unmittelbaren Nutzen der Informationsbeschaffbng tragt die virtuelle Kundeneinbindung zur Bildung einer positiven Markenidentitat bei. Teilnehmende Kunden nehmen Unternehmen, mit denen sie interagieren, als aul3erst kundenorientiert (Mittelwert 4,14; Standardabweichung: 0,82) und innovativ (Mittelwert: 3,43; Standardabweichung: 0,95) wahr. Eine positiv belegte Marke tragt zur emotionalen Kundenbindung bei.
P
Gewecktes Produktinteresse: Wie der Wert (Mittelwert: 3,72; Standardabweichung: 1,08) f i r das geweckte Interesse zeigt, bauen die teilnehmenden Kunden eine Beziehung zur Innovation auf, lange bevor diese tatsachlich auf dem Markt eingefiihrt wird. Dieser Effekt spricht dafir, dass die virtuelle Kundeneinbindung zur frithzeitigen Marktaufbereitung und zum Erzeugen eines Marktsogs eingesetzt werden kann. Unter Umstanden sind Kunden sogar dam bereit, den anstehenden Kauf solange hinauszuzogern, bis die Innovation, an der sie mitwirkten, am Markt erhaltlich ist. Die hohe geauljerte Teilnahmebereitschaft von durchschnittlich 80 % verdeutlicht, dass bei den Kunden nicht nur das Interesse an der einzelnen Innovation, an der sie unmittelbar mitwirkten, geweckt wurde, sondern auch ein Interesse am Mitwirken an Innovationsaufgaben generell. Kunden haben Spalj bei der Losung von Entwicklungsaufgaben. Sie nehmen den virtuellen Dialog positiv wahr und finden Gefallen an der kontinuierlichen Interaktion mit innovierenden Unternehmen.
Die hier vorgestellten ersten empirischen Ergebnisse deuten die Verwendbarkeit der virtuellen Kundeneinbindung als Beziehungsmanagement-Instrument an. Sie sind ein deutlicher und anregender Ausgangspunkt fir weitere Untersuchungen hinsichtlich des Einflusses und der Verwendung der virtuellen Kundeneinbindung im Zusammenhang mit dem Beziehungsmanagement.
6. Schlussfolgerungen fur die Unternehmensflihrung Die virtuelle Kundeneinbindung dient den Anwendern als Plattform zur Entwicklung und Evaluierung neuer Produkte und Produktideen. Innovierende Unternehmen wiederum konnen diese Beitrage unmittelbar in den Neuproduktentwicklungsprozess einflieljen lassen oder gezielt fiir entdeckende sowie testende Marktforschung einsetzen. Wie in diesem Beitrag gezeigt, ergeben sich dariiber hinaus enorme Potenziale zur Nutmng der intensiven Kundeninteraktion fiir das eCRM. Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass die Effekte der virtuellen Kundeneinbindung eine positive Wirkung auf den Auf- und Ausbau einer Kundenbeziehung haben. Sie verringert die traditionell groRe Distanz zwischen Hersteller und Kunden im Konsumguterbereich und tragt zur Kundenbindung bei. Sie stellt somit eine wertvolle Erggnmng zu klassischen CRM Instrumenten, zu Kundenclubs, zu Internet-Communities und zu Aktivitaten im Bereich der Mass Customization dar. Fernerhin kann die internetbasierte Kundenintegration als idealer Ankniipfungspunkt m m Aufbau eigener Innovations-Communities sowie zur Beziehungspflege mit Online-Communities, die fir das Marketing eine mnehmend wichtige Rolle spielen (Armstrong und Hagel 1996; Kozinets 2002), dienen (Fuller und Muhlbacher 2004). Wie die lctirzlich unternehmensseitig durchgekhrte ,,VKE-Studie" zur Kundeneinbindung in den Entwicklungsprozess zeigt, stehen Innovationsmanager aus der Konsumguterbranche dem fruhen Kundendialog sehr positiv gegenuber. Dennoch besteht eine gewisse Zuruckhaltung seitens des Managements, neue Methoden zu imple-
mentieren, die den virtuellen Dialog fdrdern. Diese Zuriickhaltung beruht auf der subjektiven Einschatzung der Manager, dass die Akzeptanz beim Top Management sowie die konkrete Durchfihrbarkeit im Unternehmen mitunter nicht uneingeschrankt gegeben und problemlos durchzufihren sei (Bartl et al. 2003). Bis Kunden als ernstzunehmende Partner im Innovationsprozess und vie1 versprechende Quelle fir innovative Gestaltungsideen wahrgenommen werden, ist also noch intensive Aufklarungs- und Uberzeugungsarbeit zu leisten. In vielen Unternehmen ist nur geringes Bewusstsein f i r die Leistungsfihigkeit und -bereitschaft der Kunden vorhanden. Meist fehlt die f i r den Kundendialog notwendige fachiibergreifende Organisationsstruktur, bestehend aus Forschung und Entwicklung, Marketing und Design, das notwendige Know-how fiir die virtuelle Interaktionsgestaltung sowie die Bereitschaft vieler Manager, etablierte Arbeitsprozesse zu hinterfi-agen und neuartige Methoden dem obersten Management gegeniiber zu vertreten. Fur die Einfiihrung ist Know-how bezuglich der verfbgbaren Interaktionsinstrumente und ihres Einsatzes in den verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses aufzubauen. Des Weiteren bedarf die Gewinnung interessierter Kunden f i r die Zusammenarbeit einer intensiven Auseinandersetmng mit deren Interessen und Verhalten. Somit konnen sich die Potenziale der virtuellen Kundeneinbindung f i r das Beziehungsmanagement nur auf Basis einer gelebten und urspriinglichen Kundenorientierung als ubergreifendes Unternehmensprinzip entfalten.
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Dr. Johann Fuller, Univ.-Pro$ Dr. Hans Muhlbacher Institut fur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Arbeitsbereich Marketing Universitat Innsbruck Universitatsstrasse 1.5 A-6020 Innsbruck Dip1.-Kfm. Michael Bart1 Lehrstuhl fur Technologie- und Innovationsmanagement Wissenschaftliche Hochschulefur Unternehmensfuhrung Otto-Beisheim-Hochschule Heerstr. 61 0-561 79 Vallendar
Teil2
Instrumente und Methoden
Heinz K. StahlIHans H. HinterhuberIStephan A. Friedrich von den EichenJKurt Matzler
Kundenzufriedenheit und Kundenwert
2. Kostenfalle Kundenbegeisterung? 3. Die wichtigsten Methoden zur Berechnung des Kundenwertes 3.1 ABC-Analyse auf Basis Umsatz und Nettoerfolg 3.2 Kundendeckungsbeitragsrechnung 3.3 Kundenorientierte Prozesskostenrechnung 3.4 Berechnung des Kundenkapitalwerts (KKW) 4. Portfoliomanagement als Fazit
1. Einfuhrung Eine Studie in der deutschen Investitionsgiiterindustrie (JSrafftlMarzian 1997) zeigt, dass uber 50 % der untersuchten Unternehmungen regelmarjig und systematisch die Zufriedenheit ihrer Kunden abfiagen und weitere 20 % entsprechende Befragungen vorbereiten; 40 % ermitteln die Zufriedenheit f i r jeden Auftrag und etwa ein Drittel der deutschen Investitionsguterunternehmungen fiihren Kundenzufriedenheitsanalysen im jahrlichen Rhythmus durch. Kundenzufriedenheit wird offensichtlich sehr ernst genommen. So erfreulich eine solche vermehrte Zuwendung zu den Kunden auch sein mag, so iiberraschend kommt doch die Beobachtung, dass die Kehrseite der Kundenzufriedenheit, namlich der Kundenwert, weitgehend der MutmaBung uberlassen bleibt. So komrnen die Autoren der genannten Studie zu dem Schluss, dass ,,obwohl die meisten Befragten dem Kundenwert hohe Bedeutung beimessen, (...) es fast uberall an gesichertem Wissen [fehlt]." (Kraffthlarzian 1997, S. 105). Nur ein sehr geringer Teil der untersuchten Unternehmungen venvenden zur Berechnung des Kundenwertes aussagekrtiftige Instrumente, noch dam in systematischer Weise. Dabei ist in Wissenschaft und Praxis unbestritten, dass Kundenzufriedenheit und Kundenwert erst in ihrer Verbindung die Grundlage f i r ein effektives Kundenmanagement bilden. Im Folgenden sol1 daher auf diese beiden Faktoren ngher eingegangen werden.
2. Kostenfalle Kundenbegeisterung? In jungster Zeit scheinen jene Stimmen mehr Gehiir zu finden, die behaupten, dass der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg keineswegs so einfach sei, wie vor allem die triviale Managementliteratur zu suggerieren versucht. So wird z.B. argumentiert, dass sich hinter scheinbar zufiiedenen Kunden "indifferente" Kunden verbergen kiinnten. Indifferente Kunden betrachteten Produkte und Dienstleistungen, die ihre Erwartungen "lediglich" erfillten aber nicht ubertrafen, als austauschbar. Danach richte sich ihr Verhalten: Sie wechselten trotz Zufriedenheit den Anbieter, lieRen sich leicht von Konkurrenzangeboten verfihren und empfdhlen die Produkte und Dienstleistungen auch nicht weiter. Zufriedenheit fihre nicht automatisch zu Kundentreue. Dass dies empirisch belegbar ist, darauf venveisen insbesondere Stauss/Neuhaus (2004). Auch Gierl (1993, S. 90ff) stellt fest, dass ein groBer Teil der Kunden, die sich als grundsatzlich markentreu bezeichnen, trotz Zufriedenheit ihre Stammmarke wechseln. FinkelmanIGoland (1990, S. 4) wiederum stellen in ihrer Studie f i r Autohauser eine Loyalittitsrate von nur 40 % (Ford) b m . 58 % (Chrysler) bei sehr zufriedenen Kunden fest. Reichheld (1993, S. 64ff) behauptet, dass zwischen 65 % und 85 % der abgewan-
derten Kunden, nach Befragungen zu urteilen, als zufrieden oder sogar sehr zufrieden einzustufen waren. ,,Kundenzufriedenheit ist daher kaum ein verltisslicher Indikator fir das zukiinftige Verhalten von Kunden", meinen schliel3lich Reichheld/Aspinall (1994). Ein weiteres Argument lautet, dass immer dann, wenn es gelange, die Erwartungen des Kunden zu ubertreffen und Begeisterung zu entfachen, mit einem sprunghaften Anstieg der Loyalitat zu rechnen sei. Xerox stellt z.B. fest, dass begeisterte Kunden ungefahr sechs Mal so loyal sind, als zufriedene Kunden (Heskett et al. 1994). Die Daten des deutschen Kundenzufriedenheitsbarometers zeigen, dass "uberzeugte" Kunden wesentlich haufiger Produkte weiterempfehlen als blol3 "zufriedene" (MeyerJDornach 1995). Die Beziehung zwischen Zufriedenheit und LoyalitM scheint nicht linear zu sein. Empirische Studien zeigen, dass erst dam, wenn eine bestimmte (individuell verschiedene) Wahrnehmungsschwelle uberschritten wird, der Kunde von Beliebigkeit in der Wahl zu loyalem Wiederkaufverhalten oder gar zu Commitment und Anhangerschaft ubergeht (ALDI und DM sind Beispiele f i r eine solche Loyalitilt). Homburg/Giering/Hentschel (1999, S. 185) kommen nach einer Sichtung der Literatur zum Schluss, "(dass) sich die Diskussion uber die hnktionale Form des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung im Wesentlichen auf einen progressiven oder einen sattelformigen Verlauf konzentriert, ohne dass eine klare Tendenz im Hinblick auf einen der beiden Funktionsverlaufe erkennbar ware." Diese Erkenntnisse unterstutzen die Forderung nach ,,KundenbegeisterungC'. In diesem Zusammenhang gewinnt das KANO-Model1 der Kundenzufriedenheit (Bailom et al. 1996, Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003) an Bedeutung. Es werden drei Zufriedenheitsfaktoren unterschieden: LBLI Basisfaktoren: Sie umfassen jene Produkt- bzw. Leistungsattribute, die Unzufiiedenheit auslosen, wenn sie nicht oder nicht den Erwartungen entsprechend wahrgenommen werden. Nimmt sie der Kunde wahr, so fihrt das noch nicht zu Zufiiedenheit, sondern lediglich zu ,,Nicht-Unmfriedenheit". Dies gilt auch dam, wenn die Erwartungen des Kunden ubertroffen werden. Die Basisfaktoren beziehen sich also immer auf die grundlegenden Merkrnale eines Produktes oder einer Dienstleistung. @ Leistungsfaktoren: Dies sind Produkt- oder Dienstleistungseigenschaften, die einerseits beim Kunden Zufriedenheit stiften konnen, wenn seine Erwartungen ubertroffen werden, andererseits auch Unzufiiedenheit hervormfen konnen, wenn die wahrgenommenen Eigenschaften hinter den Erwartungen zuriick bleiben. LBLI Begeisterungsfaktoren: Sie umfassen jene Leitungskomponenten, die Zufiiedenheit auslosen, wenn sie angeboten werden, aber nicht notwendigerweise Unzufriedenheit verursachen, wenn sie nicht vorhanden sind. Der Kunde, der durch solche Begeisterungsfaktoren "uberrascht" wurde, wird dam neigen, den gesamten Produkt- oder Leistungsnutzen spontan aufzuwerten. Die Struktur der einzelnen Faktoren ist hierarchisch: Die Erfillung von Basisanfordenmgen ist eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung fiir Kundenzufriedenheit. Der Kunde erlebt lediglich den Zustand der "Nicht-Unzufriedenheit". Erst im Anbie-
ten von Leistungs- und Begeisterungsfaktoren besteht die Chance, ihn auf die Ebene der "Zufriedenheit" zu hieven, was sich auch auf seine Loyalitat positiv auswirken wird. Ein progressiver Verlauf der Loyalitatskurve fur den Bereich zwischen den Polen "Hohe Zufi-iedenheit" und "Abwesenheit von Zufriedenheit" scheint plausibel. Bei niedriger oder abwesender Zufi-iedenheit wird sich ein weiteres Absinken der Zufriedenheit kaum auf die Kundentreue auswirken. Hingegen kann man annehmen, dass steigende Unzufriedenheit zwischen den Polen "Hohe Zufriedenheit" und "Nicht-Unzufriedenheit" ein progressives Absinken der Loyalitat m r Folge hat. Dies ist auf das Nicht-Erfiillen von Basisanforderungen mriickzufiihren. Wahrend bei "Nicht-Unzufriedenheit" Wiederkaufe, gleichsam getarnt als "triigerische Kundentreue", etwa durch Versehen, mangelndes Involvement, Bequemlichkeit, liefertechnische Griinde usw, durchaus moglich sind, fiihrt starke Unzufriedenheit zu einer bewussten Ablehnung des Produktes oder der Dienstleistung.
tt
C
E w
5 C
2
Abwesenheit von
--
Hohe Unzufnedenheit
Hohe
Keine Unzufriedenhelt
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert (Quelle: Matzler/Stahl2000) Hinter der Forderung nach Kundenbegeisterung und der standigen Suche nach Begeisterungsfaktoren verbirgt sich allerdings haufig eine Kostenfalle. Sowohl das 1. Gossensche Gesetz des abnehmenden Grenznutzens als auch das Gesetz der Anspruchsanpassung lassen vermuten, dass im Lauf der Zeit eine absinkende Kundenbegeisterung bei gleich-
zeitig steigenden Aufwendungen des Lieferanten in Kauf zu nehmen ist. In der "Zone der iibertreibung" ("Overservicing") wird sogar Kundenwert vernichtet, trotz wohlgemeinter "Nahe" zum Kunden (Abb. 1).
A
Reaktionsfahigkeit, Zuverlassigke~t, Wertschatzung, Kommunikation
c
-a, : : 0 2 .-a, C N
E
&'n
Produktdesign Zeit
Abbildung 2: Zufriedenheitskriterien auf Produkt-, Service- und Beziehungsebene (Quelle: MatzlerIBailom 2004) Die Gefahr eines solchen ,,OverservicingUentsteht insbesondere dam, wenn die Bemuhungen urn Kundenbegeisterung zu ehrgeizig sind. Zentrales Ziel der Kundenorientierung ist der Aufbau und der Erhalt profitabler Kundenbeziehungen (Bruhn 2004). Daher ist die Frage der Kundenbegeisterung unmittelbar mit der Frage des Kundenwertes verbunden. Nur bei jenen Kunden oder Kundengruppen, die eine entsprechende Profitabilitat aufweisen, lohnen sich Bemuhungen zur Kundenbegeisterung und Kundenbindung. Begeisterungsfaktoren lassen sich meist auf der Service- und Beziehungsebene finden (Abb. 2). Dies bedeutet (a), dass sie nicht unbedingt zum Kern des Angebots gehoren, sondern als werterhohende Zusatzleistungen zu betrachten sind, und (b), dass sie kundenspezifisch sind. Werden diese Zusatzleistungen jedoch nicht dem einzelnen Kunden zugerechnet, sondern durch einen einheitlichen Preis gedeckt, so fiihrt eine solche Quersubventionierung zu einer Verzerrung der tatsachlichen Kostenstruktur. Daher ist eine fortschreibende Feststellung des Wertes einzelner Kunden bzw. Kundengruppen, in die alle kundenspezifische Kosten und Erlose einflieoen, notwendiger Bestandteil kundenorientierter Unternehmensfiihrung.
Ziel einer Kundenbewertung ist u.a. die Beantwortung folgender Fragen: @ Welchen Beitrag leisten einzelne Kunden oder Kundengruppen m m Unternehmensergebnis? B Welche Kunden sollen langfiistig gebunden werden? B Anhand welcher Leistungen solllkann dies geschehen? Zu diesem Zweck wurde eine Reihe von Verfahren mit unterschiedlicher Aussagekraft und unterschiedlichem Aufwand entwickelt. Diese Verfahren werden im folgenden Abschnitt diskutiert.
3. Die wichtigsten Methoden zur Berechnung des Kundenwertes 3.1 ABC-Analyse auf Basis Umsatz und Nettoerfolg Die ABC-Analyse auf Basis des Umsatzes ist die in der deutschen Investitionsgiiterindustrie am haufigsten verwendete Methode zur Bewertung der Kunden (KrafftIMarzian 1997). Sie folgt der PARETO-Regel:20 % der Kunden machen 80 % des Umsatzes aus. Die Darstellung erfolgt anhand der Lorenzkurve, deren Steigung das Ausmafi der Umsatzkonzentration darstellt, die dann nach Faustregeln interpretiert wird: A-Kunden sind die wichtigsten Kunden, da sie den hochsten Anteil am Umsatz haben und somit eine intensivere Betreuung rechtfertigen. C-Kunden werden dann als ,,Mitnahmegeschaft" betrachtet und der Betreuungsaufwand wird moglichst klein gehalten. Die B-Kunden stellen eine Differenzgrofie dar, an der sich haufig die Geister scheiden. Eine ABC-Analyse ist zwar einfach und rasch zu erstellen, kann aber aus folgenden Griinden leicht zu falschen Schlussfolgerungen fiihren: B Die ABC-Analyse beriicksichtigt zwar den derzeitigen Umsatz, nicht aber das Entwicklungspotenzial eines Kunden. Wird ein C-Kunde "nur so am Rande" mitbetreut, kann er kaum zum A-Kunden wachsen. Zudem ist bei nicht wenigen Produkten und Dienstleistungen ein zyklischer Bedarf festzustellen, woflir der momentane Umsatz keine Hinweise liefert (vgl. z.B. Stahl 2000). Auch das Entwicklungspotenzial der ganzen Branche spielt eine Rolle, die von einer statischen ABC-Analyse nicht erfasst wird. Schliefilich ist noch die Lieferantenposition in Betracht m ziehen. Wer sich mit einer Position als C-Lieferant begniigt, muss auch mit einem groljen Bestand an CKunden rechnen. @ Die ABC-Analyse beriicksichtigt nur die Umsatze, nicht aber die kundenspezifischen Kosten. Eine genaue Zuordnung der Kosten auf die einzelnen Kunden bzw. Kunden-
gruppen verandert haufig das Bild. B-Kunden sind dann die profitabelsten Kunden, da A-Kunden aufgrund ihrer hohen Verhandlungsmacht Niedrigpreise und Sonderkonditionen durchsetzen kBnnen und C-Kunden m a r den vollen Listenpreis bezahlen, dafiir aber aufgrund ihrer Auftragsstruktur Komplexitatskosten verursachen (vgl. Abb. 3).
C-Kunden
j
-5 Q
E 2
g 2
d
140
/
-6
~ u m u l l e r t e r ~ n tam e ! ~Kundenbestand (%)
120
m e
Zm %BP 33
;P
I00
v m u =
;j
Elnzelner Kunde
Abbildung 3: ABC-Analyse und Kunden-Nettoerfolg
Die ABC-Analyse ist daher denkbar ungeeignet, den tatsachlichen Wert verschiedener Kunden adgquat zu berechnen. Um den Nettoerfolg von Kunden zu bewerten, werden haufig den ErlBsen samtliche im Unternehrnen anfallenden Kosten zugerechnet, unabhangig davon, welche Kosten von welchen Kunden verursacht werden. Da die Kundeneinzelkosten in der Regel nur unzureichend bekannt sind, miissen Fixkosten in erheblichem Umfang proportionalisiert und anhand eines Umsatzschliissels auf die Kunden verteilt werden. Eine KundenNettoerfolgsrechnung spiegelt daher hBchst unrealistische Verhaltnisse wider. Dies umso mehr, je hoher der Grad der Kundenorientierung ist, da dies, zumindest vom Konzept her, mit einer Individualisierung der Leistungen verbunden sein sollte.
3.2 Kundendeckungsbeitragsrechnung Die Kundendeckungsbeitragsrechnung erlaubt eine genauere Berechnung des Wertes einer Kundenbeziehung, da den UmsatzerlBsen Kosten gegeniibergestellt werden kBnnen, die auch von dieser Kundenbeziehung verursacht werden. Das Priifkriterium der zurechenbaren Kosten lautet: Welche Kosten entstehen durch eine Beziehung und welche wiirden entfallen, wenn der Kunde abwanderte (vgl. Haag 1992).
Bruttoerlose zu Listenpreisen minus kundenbezogene Erlosschmalerungen wie z.B. Rabatte, Skonti, Boni = Nettoerlose minus Herstellkosten als Standard oder auftragsweise nachkalkuliert = Kunden-Deckungsbeitrag I minus dem Kunden zurechenbare Marketingkosten wie z.B. Mailings, Kataloge = Kunden-Deckungsbeitrag II minus dem Kunden zurechenbare Verkaufskosten wie z.B. Besuche, Abwicklung = Kunden-Deckungsbeitrag Ill minus dem Kunden zurechenbare Service- und Transportkosten = Kunden-Deckungsbeitrag IV
Abbildung 4: Struktur der Kundendeckungsbeitragsrechnung (Quelle: Stahl2000)
Zwar liefert die Kundendeckungsbeitragsrechnung ein genaueres Bild als eine ABCAnalyse auf Basis Umsatz, dennoch sind einige Schwachen festzuhalten: Auch hier gibt es Positionen, die dem Kunden nur geschliisselt zugeordnet werden konnen (z.B. Innendienst-Kosten). il4 Wie die ABC-Analyse stellt auch die Kundendeckungsbeitragsrechnung eine statische Sichtweise dar, die das Entwicklungspotenzia1 eines Kunden, z.B. durch ,,Cross Buying", nicht beriicksichtigt. r Es flieRen nur monetare GroBen ein. Qualitative Faktoren wie z.B. Referenz- und Lernpotenzial bleiben ausgeklammert.
xl
3.3 Kundenorientierte Prozesskostenrechnung Die Prozesskostenrechnung (Activity Based Costing) ermoglicht es am ehesten, fixe und variable Gemeinkosten dem Kunden verursachungsgerecht zuzuordnen. Ausgangspunkt sind dabei (a) die kundenbezogenen Prozesse (z.B. Besuch, Besuchsauswertung, Auftragsbearbeitung, Reklamationsbearbeitung, Fakturierung, Mahnverfahren als Teilprozesse des Hauptprozesses Kundenbetreuung, vgl. Abb. 5) und (b) die entsprechenden Kostentreiber.
HauptprozeE: Kundenbetreuung
Besuch
Besuchsvorberellung
Besuchsauswertung
Auftragsbeahellung
Reklamationsbearbeltung
Fakturienrng
Mahnverfahren
Tatigkeiten der Teilprozesse
- Rtjcksprachen
-
Uberpnifung der Produktleistung mil Marketing, Technik, Log~stik. Kontakte mit Rechnungswesen Entscheidern, Beelnflussem, Anwendern usw.
-
- Rucksprachen - P ~ f u n g ,
-
-
-
PrDfung, Ersatz, Rechnung Mahnung rnlt Marketing. Bestatigung, Beaheitung erstellen verstenden Techn~k,Logistik Fre~gabeund durch Technik Zahlungselngang und iibemachung des - Ruckmeldung an prufen Rechnungswesen Auftrages Kunden
Abbildung 5: Teilprozesse des Hauptprozesses ,,KundenbetreuungU (in Anlehnung an Stahl2000) In der kundenorientierten Prozesskostenrechnung wird der Kunde zum Kostentrager und zur BezugsgroRe der Gemeinkostenverteilung. Die einzelnen Prozesse werden in kostenverursachende Tatigkeiten aufgegliedert und hierfir die Kostentreiber bestimmt (vgl. Abb. 6). Die Behandlung von Kosten solcher Tatigkeitsbereiche, die vom Kunden nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden, bereitet hier allerdings Probleme. Als pragmatische Losung wird in diesen Fallen haufig der Umsatz als Kostentreiber gewahlt (Kohler 1998, Knobel 1995). Im Vergleich zur Kundendeckungsbeitragsrechnung weist
die Prozesskostenrechnung zwei wesentliche Vorteile auf (a) Kundennahe Vertriebsgemeinkosten werden iiber die in Anspruch genommenen Prozessstufen und nicht durch Zuschlagsbasen bestimmt; (b) die Komplexitat von Kundenprozessen wird transparent (Stahl 2000). Eine Prozessbetrachtung fordert damit Ineffizienzen und Rationalisierungspotenziale zu Tage.
1 Aktivitat Eingabe von Auftragen Vertriebsprovisionen SpeditionNersand Rechnungsstellung BonitLtsprufung Gebuhren fur Eilzustellung Vertriebsmanagement Seaments~ezifischesMarketina Marketing Office Management
1
/ Kostentreiber
I 1
Anzahl Bestellungen Umsatz Anzahl Sendungen Anzahl Rechnungen Anzahl offener Rechnungen > 60 Tage Anzahl Eilzustellungen Umsatz Umsatz Schatzung des Managements Umsatz
Abbildung 6: Prozesse und Kostentreiber am Beispiel eines PC-Herstellers (Quelle: Knobel 1995, S. 10) Der ABC-Analyse auf Basis Umsatz, der Kundendeckungsbeitragsrechnung und der kundenbezogenen Prozesskostenrechnung ist gemeinsam, dass sie nur von quantitativen Griiljen ausgehen und z.B. das Referenzpotenzial eines Kunden ausklammern; ifd eine statische Betrachtung darstellen und das Entwicklungspotenzial des Kunden bzw, die Lieferantenposition nicht beriicksichtigen; die Veranderung des Kundenwertes im Zeitablauf nicht einbeziehen. Reichheld (1997) stellt z.B. fest, dass der Wert eines Kunden mit der Bindungsdauer steigt (vgl. Abb. 7). Dafiir seien mehrere Faktoren verantwortlich: Zunachst ist bei jedem Kunden unabhangig von seiner Bindungsdauer mit einem "Basis-Deckungsbeitrag" zu rechnen. Umsatze mit bestehenden Kunden steigen in der Regel mit zunehmender Beziehungsdauer, z.B. durch den Ubergang in die nachste Phase des "Lebenszyklus" oder durch ,,Cross Buying". Weiters sinken die Transaktionskosten bei hoherer Bindungsdauer. Zudem agieren loyale Kunden oft als ,,BotschafterGdes Lieferanten und tragen durch Weiterempfehlungen zu Gewinnsteigerungen bei. SchlieDlich nimmt die Preisempfindlichkeit mit zunehmender Bindungsdauer in der Regel ab (nahme sie zu, so ware dies als ernstzunehmendes Signal des "Kundenwiderspruchs", - einer moglichen Vorstufe zur "Abwanderung", zu werten). Eine zuverlassige Ermittlung des Kundenwertes sollte daher nicht nur die Deckungsbeitrage aufgrund der derzeitigen Kosten- und Erlossituation, sondern auch zukiinftige Entwicklungen und qualitative GroDen wie Referenz- und Lernpotenzial beriicksichtigen.
Kreditkarten
GroRhandel
Abbildung 7: Gewinnmuster im Verlauf des Kundenlebenszyklus (Quelle: Reichheld 1993, S. 53)
3.4 Berechnung des Kundenkapitalwertes (KKW) Die Idee, Kundenbeziehungen als Investitionsobjekte m betrachten, legt es nahe, dynamische Investitionsrechnungen heranzuziehen, um den Wert von Kunden oder Kundengruppen zu bestimmen. Dabei wird der Wert des Kunden uber die gesamte Dauer der Geschaftsbeziehung betrachtet. Dam ist eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, die sich nach Bruhn et al. (2000) darin unterscheiden, ob sie den Wert von Einzelkunden oder in aggregierter Form berechnen, inwieweit sie die Wiederkaufwahrscheinlichkeit als Risikofaktor miteinbeziehen und ob sie nur monetare oder auch andere Komponenten in Betracht ziehen (fir einen ijberblick vgl. Bmhn et al. 2000). Der KKW ergibt sich durch Abzinsung aller kunftig aus einer Geschaftsbeziehung zu erwartenden Zahlungsstrome auf den Gegenwartszeitpunkt. Anhand der Kapitalwertmethode wird so der Gegenwartswert der Kunden berechnet (vgl, 2.B. HomburgiWerner 1998, S. 140):
el
= e o - a , + -+
Kapitalwert =
- a,
I+i
e, - a, - + ..... + (I +i),
en - a" -
(I +i)"
t=O e, a, i t n
= (ewartete) Einnahmen aus der Geschaflsbeziehung in der Periode t = (ewartete) Ausgaben aus der Geschaflsbeziehung in der Periode t
= KalkulationszinsfuR zur Abzinsung auf einen einheitlichen Referenzzeitpunkt = Periode (t = 0,1,2, ..., n) = Dauer der Geschaftsbeziehung
Die Berechnung des KKW in dieser Weise ist zwar theoretisch elegant, aber praktisch nicht ohne Probleme. Zum einen werden unsichere Schatzwerte eingebracht, wie z.B. die Beziehungsstabilitat. Als Ausweg wird hier die Venvendung einer ,,Retention Rate" (Dwyer 1997, Bruhn et al. 2000) vorgeschlagen, welche die wahrscheinliche Wiederkaufsabsicht des Kunden in den nachsten Jahren wiedergibt. Zum anderen fallt der KKW immer dann zu niedrig aus, wenn nur monetare Grorjen herangezogen werden. Da auch Faktoren wie Referenz- und Lernpotenzial zur Steigerung des Kundenwertes beitragen konnen, sollten sie in der Rechnung mitberiicksichtigt werden. Der KKW in dieser umfassenderen Form setzt sich d a m aus mehreren Teilwerten zusammen (vgl. Abb. 8): tk3 Das Sockelgescha~stellt die gegenwartigen und zukiinftig erwarteten Umsatze an Produkten und Dienstleistungen dar, die den primaren Gegenstand der Geschaftsbeziehung bilden. Zu beriicksichtigen sind hier auch Veranderungen des Umsatzes im Lebenszyklus des Kunden und die sich verandernden Transaktionskosten, welche die Hohe der Zahlungsiiberschiisse pro Periode beeinflussen. @ Das Erweiterungspotenzial durch Cross Selling besteht aus den Deckungsbeitragen, die durch den Verkauf zusutzlicher, allerdings auf denselben Kernkompetenzen des Lieferanten beruhenden Produkte und Leistungen generiert werden konnen. "CrossSelling" wird z.B. betrieben, wenn eine Bank ihren Kunden auch Versicherungen, ein Warenhaus auch Reisen oder ein Gebaudereiniger auch Sicherheitsdienste verkauft. Die Bereitschaft der Kunden zu einem "Cross Buying" sinkt allerdings mit der Anzahl der vom selben Lieferanten gekauften Produkte (Stahl 2000). Cross SellingPotenziale lassen sich in der Regel schwer schatzen. Einen Naherungswert liefert die Multiplikation der Zahlungsiiberschiisse aus Cross Selling pro Periode mit der Wahrscheinlichkeit der Realisierung. Dies entspricht dem Gedanken der ,,Retention Rates" zur Beriicksichtigung der Beziehungssicherheit (Dwyer 1997). H Der Wert von Kunden oder Kundengruppen wird weiters auch vom Referenzpotenzial beeinflusst. Ausdriickliche Weiterempfehlungen konnen ebenso zum Gewinn von Neukunden fiihren wie Kunden mit hoher positiver Reputation, die z.B. aufgrund ihrer Kompetenz oder Meinungsfiihrerschaft andere Kunden in ihren Beziehungs-
entscheidungen beeinflussen konnen. Dieser Teilwert kann z.B. als Summe der abgezinsten Kundenwerte, die innerhalb einer Periode durch das Referenzpotenzial gewomen wurden, ermittelt werden (vgl. Stahl2000). B SchlieBlich tragt auch das Lernpotenzial zum Kundenwert bei. Es stellt die Gesamtheit aller venvertbaren Informationen dar, die dem Lieferanten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes aus einer Kundenbeziehung mflienen. Dam ztihlen z.B. das Aufzeigen von Produktmangeln und Leistungsdefiziten, Anregungen zu Produkten, Leistungen und Prozessen, Verbesserungsvorschlage, Informationen uber die Branchen- und Konkurrenzentwicklung usw. Von besonderem Interesse sind hier Kunden, die als "Lead-User" fungieren, da diese erfahrungsgemaa besonders hohe Anforderungen an eine Problemlosung stellen und damit reichhaltige Informationen ffir Produkt- und Prozessinnovationen liefern kbnnen. Fiir die Berechnung des Lernpotenzials ist es am zweckmaBigsten die Situation mit und ohne Beriicksichtigung der venvertbaren Informationen gegenuberzustellen und monetar zu bewerten (vgl. Stahl2000).
erwartete Ausgabenl Periode
envartete Einnahmenl Periode
erwartete Ausgabenl Periode
erwartete erwartete Einnahmenl Ausgabenl Periode Periode
erwartete erwartete Einnahmenl Ausgabenl Periode Periode
erwartete Einnahmenl Periode
Abbildung 8: Teilwerte des Kundenwerts (in Anlehnung an Stahl 2000 und Cornelsen 1996) Die Beriicksichtigung dieser Teilwerte einer Kundenbeziehung f i h t zu einer umfassenderen und realistischeren Bestirnmung des KKW, als dies die anderen erwahnten Methoden mlassen. Allerdings muss das Verfahren noch weiterentwickelt werden, um seine
Praxistauglichkeit zu erhohen. Bruhn et al. (2000) weisen darauf hin, dass mit den bisherigen Verfahren zur Berechnung des KKW auf der Basis der Investitionsidee vor allem Zeit-, Qualitats- und Kostenprobleme verbunden sind. Vordringlich notwendig sind Ansatze zur adaquaten Bewertung von nicht-monetaren GroRen.
4. Portfolio-Management als Fazit Trotz einiger Unzulanglichkeiten der Methode zur Berechnung des KKW kann behauptet werden, dass sie den statischen Methoden wie ABC-Analyse, Kundendeckungsbeitragsrechnung und kundenbezogene Prozesskostenrechnung, durch ihre groRere Realitatsnahe uberlegen ist. Ein Nachteil besteht in dem hohen Aufwand, der mit ihrer Anwendung verbunden ist. Der Einsatz wird sich nur lohnen, wenn der Nutzen die bessere Bewertung der Kunden auch zu einer besseren Allokation von Ressourcen auf einzelne Kunden oder Kundengruppen fihrt. Der Kundenwert ist kein vom Markt vorgegebenes Datum, sondern durch gezielte MaRnahmen steuerbar. Insbesondere wenn es um kundenindividuelle Zusatzleistungen mit dem Ziel einer Kundenbegeisterung geht, ist es ratsam den Kundenwert genau zu berechnen, um nicht in die Kostenfalle ,,Overservicingfi zu geraten. Ein professionelles Kundenmanagement wird die beiden Dimensionen Kundenwert und Kundenzuftiedenheit als Richtschnur benutzen (vgl. Abb. 9), um die Ertragssituation des Unternehmens uber eine Optimierung des Kundenportfolios zu verbessern. Kombiniert man die Dimensionen Kundenwert und Kundenzuftiedenheit in einer Matrix (Abb. 9), lassen sich folgende 4 Felder mit den entsprechenden Implikationen f i r ein Kundenmanagement ableiten: S ,,Schlusselkunden": Kunden mit hoher Zuftiedenheit und gleichzeitig hohem Potenzial f i r stetige Riickflusse aus den Investitionen in die jeweilige Beziehung. Solche Kunden beanspruchen haufig Zusatzleistungen, f i r die sie auch bereit sind einen angemessenen Preis zu bezahlen. Entscheidend ist, dass sich bei diesen Kunden die Anstrengungen des Lieferanten nicht in der ("intervenierenden") Variablen Kundenzufriedenheit erschopfen, sondern sich letztlich in der ("abhangigen") Variablen Kundenwert widerspiegeln. ,,Potenzialkunden": Kunden, die m a r ebenfalls hohe Zufiiedenheit aufweisen, jedoch mit ihrem Kundenwert hinter den Schliisselkunden zuriick bleiben. Dies kann mehrere Griinde haben: Ihr Sockelgeschaft wirft zu geringe Deckungsbeitrage ab, weil die Erlose unbefriedigend undloder die Beziehungskosten zu hoch sind; die Moglichkeiten zum "Cross-Selling" erscheinen nicht attraktiv genug; Position und Ansehen deslder Kunden im Branchennetzwerk lassen kein nennenswertes Referenzpotenzial erwarten, usw. Um die Beziehungskosten offen zu legen, sollte eine Pro-
zesskostenanalyse vorgeschaltet werden. Mit ihrer Hilfe konnen Ineffizienzen an den Schnittstellen der Kundenprozesse aufgedeckt werden. Es gilt vor allem zu untersuchen, welche Kosten und Nutzen die einzelnen Leistungskomponenten verursachen bzw. generieren. Diejenigen, die keinen Beitrag zur Kundenzufriedenheit leisten, sind zu eliminieren. Beispiel: eine Bank stellte fest, dass die Kosten f%r die Kundenbetreuung im Schalterbereich unverhaltnismafiig hoch waren, obwohl die Kunden das Kriterium ,,personliehe Betreuung" als eher unwichtig einstuften und Routineleistungen zunehmend von selbst wahrnahmen. Durch Umschichtung des Personals in den beratungsintensiven ,,gehobenen Privatkundenbereich" konnten die Betreuungskosten im Schalterbereich gesenkt und damit der Wert dieser Kundengruppe erhoht werden. Gleichzeitig stieg die Zufriedenheit der gehobenen Privatkunden, da jetzt mehr Mitarbeiter fir intensivere Beratungen zur Verfugung standen. Natiirlich ist auch das Preis- und Konditionensystem zu uberprtifen. Insbesondere bei Dienstleistungen sollten die Moglichkeiten einer nichtlinearen Preisbildung voll ausgenutzt werden (vgl. hierzu Skiera 1999). ,,Risiko-Kunden": Solche Kunden, die zwar einen hohen Wert fir den Lieferanten besitzen, deren Zufriedenheit jedoch hinter jener der Schlussel- und Potenzialkunden zuriick bleibt. Das Risiko, diese Kunden zu verlieren, ist dreistufig. Die hochste Risikostufe bilden die Kunden, die keinen "Widerspruch" leisten, also bestenfalls indifferent oder schlimmstenfalls resignativ unzufrieden eingestellt sind. Das Risiko der "stillen" Abwanderung liegt hier auf der Hand. Mit diesen Kunden in einen Dialog einzutreten (Traditionalisten wurden sagen, ein "Beschwerdemanagement" einzurichten), w P e ein Gebot der Stunde. Auf der mittleren Risikostufe finden sich jene Kunden, bei denen der Einsatz von "Begeisterungsfaktoren" wirkungslos verpufft, weil der Lieferant seine Hausaufgaben in Form der "Basisfaktoren" vernachlassigt hat. Eine grundliche Analyse der einzelnen Faktoren vorausgesetzt, sollten Ressourcen immer zuerst dort eingesetzt werden, wo die "Beziehungshygiene", also z.B. Liefertreue, Fachkompetenz, Freundlichkeit, zu wunschen ubrig lasst. Auf der dritten Risikostufe sollte dann versucht werden, auf einer soliden "Beziehungshygiene" aufmbauen und den Kunden zu iiberraschen, zu begeistern usw., ohne dabei zu ubersehen, dass der Kunde mit jeder Uberraschung, Begeisterung usw. auch sein Anspruchsniveau nach oben schraubt. B ,,Ballastkundeng sind schliefilich jene Kunden, die nur unterdurchschnittliche Zufriedenheit demonstrieren und zugleich nur einen unterdurchschnittlichen Wert fur den Lieferanten darstellen. Ballastkunden sind z.B. Kunden, die nicht bereit sind, einen angemessenen Preis fir eine Gegenleistung zu bezahlen oder die haufig nur durch Preisnachlasse undloder intensive Betreuung gehalten werden konnen. Wenn Kundenmanagement sowohl den Aufbau und Erhalt als auch die Beendigung von Kundenbeziehungen bedeutet, dann sind die "Ballastkunden" eindeutig die Kandidaten fir letztere. So trivial dies auch klingen mag, so sehr wird in der Praxis dagegen verstofien, weil sich das Management gegen eine (machtbewusste) Aufiendienstorganisation nicht durchzusetzen vermag.
Begeisterungseigenschaften suchen
c c 0
Risiko-Kunden
Starkunden b
0
%
Kundenbezogene Kosten senken (ProzeRkostenrechnung)
2
-a
3
zufriedenheitsneutrale Leistungskornponentenelirninieren
f.-
0
Preis- und Konditionensystem uberprufen
C
"Ballastkunden" niedrig
0
kritische Kunden
Kundenzufriedenheit
hoch
Lieferantenposition
Abbildung 9: Kundenmanagement Durch ein auf die Dimensionen Kundenwert und Kundenzufriedenheit aufbauendes Kundenmanagement kann die Ertragssituation bei einzelnen Kunden oder Kundengruppen besser gesteuert werden. Die kontinuierliche Bewertung dieser beiden Groaen stellt somit sicher, dass die Ressourcen der Unternehmung im Rahmen des Kundenmanagements effizient und effektiv eingesetzt werden.
Literatur Bailom F./Hinterhuber H. H./Matzler K./Sauerwein E. (1996): Das Kano-Model1 der Kundenzufiiedenheit, in: Marketing ZFP, Nr. 2, S. 117 - 126. Bruhn M. (2002): Das Konzept der kundenorientierten Untemehrnensfiihrung, in diesem Band. Bruhn M./Georgi D./Treyer M./Leumann S. (2000): Wertorientiertes Relationship Marketing: Vom Kundenwert zum Customer Lifetime Value, in: Die Unternehmung, 54. Jg., Nr. 3.
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Univ.-Pro$ Dr. Dip1.-Ing. Hans H. Hinterhuber Institut fur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Universitat Innsbruck Universitatsstr. 15 A-6020 Innsbruck Univ.-Pro$ Dr. Kurt Matzler Institut fur Internationales Management Johannes Kepler Universitat Linz Altenberger Str. 69 A-4040 Linz www.imgmt.jku.at Ao. Univ.-ProJ Dr. Heinz K. Stahl Indisziplinare Abteilung fur Verhaltenswissenschajilich Orientiertes Management Wirtschaftsuniversitat Wien, Althanstr. 51 A-1090 Wien
Dr. Stephan A. Friedrich von den Eichen Partner & Managing Director ADL Academy Arthur D. Little Gusto-Stresemann-Ring I 0-651 89 Wiesbaden
Kurt MatzlerIFranz Bailom
Messung von Kundenzufriedenheit
1. Einfihrung 2. Ein Programm zur Messung von Kundenzufi-iedenheit 2.1 Phase 1: Festlegung der Zielgruppe 2.2 Phase 2: Entwicklung eines Verstandnisses der Kundenprobleme 2.2.1 Systematische Analyse von Beschwerden 2.2.2 Fokusgruppeninterviews 2.2.3 Die Opus-Analyse 2.2.4 Das Lead-User-Konzept 2.2.5 Die Critical-Incident-Technique 2.2.6 Die Kundenprozessanalyse 2.3 Phase 3: Entwicklung des Messinstrumentariums 2.3.1 Kundenzufkiedenheitskriterien 2.3.2 Skalen zur Messung von Kundenzufriedenheit 2.3.3 Die relative Wichtigkeit von Kundenerwartungen 2.3.4 Die Bestimrnung von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen 2.4 Phase 4: Durchfihrung der Kundenzufriedenheitsmessung 2.5 Phase 5: Auswertung, Interpretation und Entwicklung von MaRnahmen
1. Einfuhrung Dass Kundenzufriedenheit ein aussagekraftiges Markt-Feedback, eine zuverlassige Leistungsbeurteilung aus der Sicht der Kunden und damit auch ein geeigneter Indikator fiir den zukunftigen Erfolg darstellt, ist weithin bekannt und kaum umstritten. Trotzdem ist es erstaunlich, dass nur wenige Unternehmen die Zufriedenheit ihrer Kunden ermitteln und zielgerichtet managen. Diejenigen, die es tun, tun dies oft unsystematisch, nur fallweise und haufig mit ungeeigneten Methoden. Damit verlieren die Ergebnisse an Aussagekraft, Relevanz und Bedeutung f i r ein effizientes Management. Zur Messung von Kundenzufriedenheit existieren verschiedene Ansatze. Sie konnen nach Andreasen (1982, dargestellt auch in Schutze 1992 und HomburgRudolph 1995) anhand mehrerer Kriterien klassifiziert werden (siehe Abb. 1). Objektive Verfahren basieren auf der Annahme, dass Kundenzufriedenheit durch verschiedene Indikatoren, die mit Kundenzufriedenheit eng korrelieren (z.B. aggregierte Groljen wie Umsatz, Marktanteil, Wiederkaufrate usw. oder Qualitatskontrollen), ausreichend gemessen werden kann. Zwar unterliegen diese Verfahren nicht subjektiven Wahrnehrnungsverzermngen, der Nachteil bei aggregierten Groljen besteht aber darin, dass sie erstens nur zeitlich verzogert als Konsequenz von Kundenzufriedenheit messbar sind, zweitens auch andere Einflussfaktoren eine erhebliche Rolle spielen kBnnen. Qualit~tskontrollensind deshalb problematisch, da die vom Kunden subjektiv wahrgenommene Qualitat in vielen Fallen stark von der "objektiven" Qualitat der Produkte abweicht und nicht die subjektiven Erwartungen des Kunden beriicksichtigt. Subjektive Verfahren hingegen messen "interindividuell unterschiedlich ausgepragte psychische Sachverhalte" und die damit verbundenen Verhaltensweisen (Schutze 1992). Sie werden weiter unterteilt in implizite und explizite Messverfahren. Beschwerdeanalysen, Problem-Panels - bei denen Kundenprobleme analysiert werden - und Einschatzungen von Mitarbeitern mit Kundenkontakt oder von Absatzmittlern zahlen zu den haufigsten impliziten Verfahren. Ihr Nachteil besteht vor allem in der Unvollstandigkeit. Es ist beispielsweise weithin bekannt, dass nur ein relativ geringer Anteil der unzufriedenen Kunden sich beschwert. Nach einer Studie in den USA beschweren sich nur 5 % der unzufriedenen Kunden beim Hersteller, 45 % beim Handler, und 50 % der unzufriedenen Kunden beschweren sich iiberhaupt nicht (Goodman 1989). Die expliziten Verfahren zur Messung von Kundenzufriedenheit schlieljlich ermitteln das Ausmalj der Zufriedenheit direkt durch Befragungen - entweder durch Zufriedenheitsskalen oder durch die Messung des Erfillungsgrades von Erwartungen. Da diese Verfahren - sofern nicht nur die Gesamtzufriedenheit ermittelt wird - auch Teilzufriedenheiten mit einzelnen Leistungsmerkmalen erheben, lassen sie brauchbare Ruckschlusse auf die Grunde von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit ziehen und sind damit ein nutzliches Steuerungsinstrument f i r Verbesserungsmaljnahmen.
Verfahren zur Messung von Kundenzufnedenheit Objektive Verfahren
Subjekt~veVerfahren
Aggregierte GrbUen
.
-
Umsatz Marktantell W~ederkaufrate etc Qualitatskontrollen
lmpl~ziteMessung
-
-
Beschwerdeanalysen
Explizite Messung
-
Kundenproblemanalysen
Messung des Erfullungsgradesvon Erwartungen
Crltlcal lnc~dentTechnique
ex antelex post
Kundenprozessanalyse
ex post
etc
-
Messung mlt Zufr~edenhe~tsskalen mult~attr~but~v generelle Zufrledenhe~t
Abbildung 1: Verfahren zur Messung von Kundenzufriedenheit (Quelle: Andreasen 1982, dargestellt auch in Schutze 1992 und Homburg/Rudolph 1995) In diesem Beitrag versuchen wir aufzuzeigen, welche Probleme in Zusammenhang mit der Messung von Kundenzufriedenheit entstehen und wie diese vermieden werden konnen. Wir schlagen ein mehrstufiges Verfahren vor, das aus mehreren Instrumenten besteht und als praktischer Leitfaden zur gezielten Messung von Kundenzufriedenheit verstanden werden kann.
2. Ein Programm zur Messung von Kundenzufriedenheit Im Wesentlichen stehen bei einem Programm zur Messung von Kundenzufriedenheit folgende zwei Themen im Mittelpunkt: 1. Entwicklung eines tiefen Verstandnisses von Kundenwunschen und -bediirfnissen. Dabei reicht es nicht aus, sich auf vom Kunden artikulierte und klar umrissene Erwartungen zu beschranken, sondern es geht auch darum, latente, nicht-artikulierte Probleme und Erwartungen zu eruieren, da dies erst ein proaktives Kundenzufriedenheitsmanagement ermoglicht und 2. die Wahrnehmung der Produkte und Dienstleistungen durch den Kunden und seine Zufriedenheit im Vergleich zur Konkurrenz. Viele Projekte zur Messung von Kundenzufriedenheit leiden unter einer straflichen Vernachlassigung des ersten Punktes. Ohne sich intensiv mit Erwartungen, Problemen und Wiinschen der Kunden auseinanderzusetzen, wird ein "fragwiirdiger" Fragebogen mehr oder weniger in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" erstellt, dann wahllos an irgendwelche Kunden gesandt, und bei einem Riicklauf von 10 % fragt man sich dann zurecht, ob und was nun mit den Ergebnissen uberhaupt angefangen werden kann. Damit die Ergebnisse einer Kundenzufriedenheitsuntersuchung brauchbar sind und als Grundlage f i r zielgerichtete Marketing- und Produktverbesserungsmal3nahmen verwendet werden konnen, ist es unerlasslich, dass man an das Projekt ebenso systematisch wie kreativ herangeht. In unserer Erfahrung hat sich ein aus mehreren Phasen bestehendes Programm bewahrt, das
durch einen kombinierten Einsatz verschiedener Instrumente vielseitig einsetzbar ist und bei wiederholtem Einsatz gute Grundlage f i r ein Kundenzufriedenheits-Controlling darstellt. Es ist gekennzeichnet durch eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden.
- lnaktive Kunden - Verlorene Kunden - Konkurrenzkunden
Verstandnisses der
Entwicklung eines
Befragungsart Durchfiihrung der
Auswertung, Interpretation und
- Basis-ILeistungs-IBegelsterungsanf. - Zufriedenheitswerte und -index - Konkurrenzvergleich - Zufriedenheitsportfolio - MaBnahmenplanung
Abbildung 2: Phasen-Schema zur Kundenzufriedenheitsanalyse
2.1 Phase 1: Festlegung der Zielgruppe Gmndsatzlich stellt sich die Frage, wer in die Zufriedenheitsanalyse miteinbezogen werden soll. Diese Entscheidung ist essentiell, da bereits hier haufig einfache aber fol-
genreiche Fehler gemacht werden. Es ist zwar sinnvoll, wenn man eine saubere, statistisch einwandfreie Zufallsstichprobe bei den Kunden aus der eigenen Kartei macht, aber in vielen Fallen ist dies nicht ausreichend (siehe z.B. Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003 u. MatzlerlHinterhuberiHandlbauer 1997). Wir empfehlen neben den eigenen Kunden auch inaktive Kunden, Konkurrenzkunden, verlorene Kunden, Kundenkontaktpersonal bzw. Absatzmittler mit einzubeziehen. Auf diese Weise konnen Schwachstellen besser aufgedeckt und Ansatze fiir effektives Kundenzufiiedenheitsmanagement erarbeitet werden. Wenn sich eine Untersuchung auf die eigenen Kunden begrenzt, konnen Ansatze zur Beseitigung von Unzulanglichkeiten erreicht werden - wir bezeichnen dies als reaktives Kundenzufiiedenheitsmanagement. Proaktives Kundenzufriedenheitsmanagement geht dariiber hinaus: Es werden durch die Verwendung von vielseitigen Informationsquellen und den entsprechenden Instrumenten grundlegende Neuerungen und Verbesserungen gesucht. Abbildung 3 zeigt die verschiedenen Adressaten einer Analyse und die jeweils generierbaren Informationen.
Aktuelle Kunden
- Quellen von Zufriedenheit - margbnale Anslltze zur Verbesserung - lnnovatlonsquellen be1 enger
alnaktive Kunden
Kooperation
- Hinweise auf Substitutlonsprodukte
-
grundlegende Anslltze zur Vsrbesserung
-
grundlegende Ansiltze zur Verbesserung
- Absatzmittler als Kunde lnformatlonsbasls fur proaktives Kundenzufrledenheitsmanagement
Abbildung 3: Informationsbasis f i r proaktives Kundenzufriedenheitsmanagement Da in den meisten Fallen die Kunden bzw. verschiedene Kundengruppen einer Unternehmung hinsichtlich Erwartungen, Problemen, Nutzenanforderung und der relativen Wichtigkeit einzelner Leistungskomponenten nicht als homogen zu betrachten sind, ist eine gut iiberlegte Festlegung der Zielgruppe erforderlich. In vielen Fallen sind die in der Marketingstrategie festgelegten Kundensegmente brauchbar. Allerdings empfehlen wir
eine etwas genauere Betrachtung dieser Segmente, da haufig eine weitere Unterteilung in verschiedene Kundengruppen sinnvoll sein kann. Besondere Beachtung muss in diesem Kontext der Tatsache gewidmet werden, dass einzelne Kunden oder Kundengruppen auch einen unterschiedlich starken Einfluss auf den gegenwartigen und zukunftigen Erfolg des Unternehmens haben konnen (Bailorn/Tschemernjak 1998). Folglich ist es besonders wichtig, jene Anforderungen, Erwartungen und Anregungen zu kennen, welche die Gruppe der Top-Kunden zufrieden stellen und begeistern. Dariiber hinaus bedienen die meisten Unternehmen eine so groRe Zahl von Kunden, dass die Einbindung samtlicher Kunden in die Kundenzufiiedenheitsanalyse aus Kostengriinden nicht sinnvoll erscheint. Bei genauerer Kundenprofitabilitatsanalyse stellt man immer wieder fest, dass bestimmte Kundensegmente im Grunde kaum profitabel sind. In einem ersten Schritt gilt es dementsprechend, die Kundenstruktur des Unternehmens systematisch zu analysieren, um zu erkennen, welche Kundengruppe welchen Einfluss auf den gegenwartigen und den mkiinftigen Erfolg des Unternehmens hat. In einem zweiten Schritt kann d a m entschieden werden, wie viele Kunden aus den jeweiligen Gruppen befragt werden mussen, um aussagekraftige Ergebnisse flir das Unternehmen zu erhalten. Viele Unternehmen verfolgen weiterhin das Ziel der Umsatzmaximierung. Die Beurteilung der einzelnen Kundenbeziehungen erfolgt konsequenterweise ausschlieDlich uber den erzielten Umsatz pro Kunde. Wie unzahlige Untersuchungen belegen, birgt die Reduktion des Kundenwertes auf den erzielten Umsatz aber die Gefahr in sich, dass der erzielte Umsatz den tatsachlichen Wert einer Kundenbeziehung nicht wiedergibt. Strategische Fehlentscheidungen auf der Basis unzureichender Ergebnisse sind die unausweichliche Folge. Konsequenterweise erfordert deshalb eine fundierte ABC-Kundenanalyse die Verwendung zusatzlicher BewertungsgroDen. Einen guten Uberblick geben Stahl (2000) und Stahl et al. (2004). Sind die Kunden auf der Basis einer fundierten Kundenstrukturanalyse der jeweiligen Kategorie zugeordnet, stellt sich die Frage, wie viele Kunden aus welcher Kategorie beffagt werden sollen. Vor allem in Industrieguterunternehmungen 12sst sich die Frage ohne konkrete Datenbasis nur insofern beantworten, als dass empfohlen werden muss, samtliche A-Kunden in die Analyse aufzunehmen. Diese Empfehlung basiert zum einen auf Untersuchungen, die belegen, dass sehr haufig nur ca. 20 % der Kunden f i r 80 % des Unternehmenserfolges verantwortlich sind. Zum anderen verdeutlichen die neuesten Ergebnisse aus verschiedensten Zufriedenheitsanalysen, dass sich gerade die A-Kunden eines Unternehmens hinsichtlich ihrer Anforderungen, Erwartungen und Anregungen stark voneinander unterscheiden. Mittels einer Vollerhebung ist es moglich, diese Unterschiede zu erkennen und bis zum einzelnen Kunden nach zu verfolgen. Nur diese Variante bildet folglich auch die Chance, spezifische MarketingmaDnahmen flir die einzelnen Kunden abmleiten.
Umsatz
C)
steigende Anspriiche an Datenerfassung und Datenzurechnung
Nettoerfolg Deckungsbeitrag
+
ProzeRkosten Kundenbeziehungen Lebenszyklus
steigende Aussagefah~gkeit
Kundenwert Kundenportfolio
v
Abbildung 4: Die Bewertung von Kundenbeziehungen (Stahl2000, S. 203) Fur die Kundenkategorien B und C schlagen wir vor, eine reprasentative Anzahl (Stichprobe) von Kunden f i r die Kundenzufi-iedenheitsanalyse auszuwtihlen. Die Zahl der Befi-agungen muss statistisch gesicherte Riickschlusse auf die Zufiiedenheit der gesamten Kategorie zulassen. Aber nicht nur die Analyse der aktuellen Kunden ist notwendig. Durch die Analyse inaktiver Kunden konnen Griinde f i r die Nicht-Verwendung von Produkten und Hinweise auf Substitutionsprodukte eruiert werden. Besondere Beachtung erhalten verlorene Kunden. Die hier erfassbaren Informationen sind tiurjerst wertvoll. Erstens konnen Hinweise auf grundlegende Schwachstellen erhalten werden. Zweitens sind verlorene Kunden gute Informationslieferanten fhr Benchmarking, und drittens lassen sich in den meisten Fallen gezielte Marjnahrnen f i r die Re-Akquisition von verlorenen Kunden ableiten. Kunden der Konkurrenz, Kundenkontaktpersonal und Absatzmittler sind fur Kundenzufriedenheits-Benchmarking hilfreich. Eine Analyse der Absatzmittler ist schlierjlich immer dann aufschlussreich, wenn nicht direkt an den Endkunden verkauft wird.
2.2 Phase 2: Entwicklung eines Verstandnisses der Kundenprobleme Viele Unternehrnen legen in einem Programm zur Messung der Kundenmfriedenheit zu wenig Augenmerk auf die Entwicklung eines Verstandnisses der Kundenprobleme. Es werden Kundenenvartungen, Gewichtungen, Beurteilungen usw., die als Basis f i r die quantitative Hauptstudie dienen, ohne Einbindung des Kunden festgelegt. Eigensicht und
Kundensicht konnen aber meilenweit auseinanderklaffen. Im Rahmen eines Marktforschungsprojektes wurden in einem ganztagigen Workshop, an dem Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen teilnahmen, die Kundenenvartungen und deren Gewichtung sowie eine Beurteilung der eigenen Produkte und der Produkte der Konkurrenz erarbeitet. Mit dem Ergebnis war man - nach einem intensiven Arbeitstag - sehr zufrieden, bis man Kundenbefragungen durchfihrte und feststellen musste, dass die Meinung des Managements mit jener des Kunden herzlich wenig zu tun hatte: Kunden beurteilten die Wichtigkeit einzelner Produkt- und Serviceeigenschaften vollig anders. Die Manager des Unternehrnens schatzten die Qualitat der eigenen Produkte durchwegs um einiges besser und jene der Konkurrenzprodukte um einiges schlechter ein als die Kunden (Hinterhuberl HandlbauerIMatzler 2003). Solche Ergebnisse sprechen fir eine friihzeitige Integration der Kunden in ein Programm zur Messung von Kundenzufriedenheit. In einer explorativen Phase geht es darum, ein gemeinsames Verstandnis der Kundenprobleme, Wiinsche und Erwartungen zu enhvickeln. Ziel der explorativen Vorstudie ist es, ein mbglichst umfassendes Bild der zu losenden Kundenprobleme, der artikulierten und ,,verstecktenL' Kundenerwartungen sowie der Anwendungsbedingungen und des Produktumfeldes zu erhalten. Daraus ergeben sich aufschlussreiche Informationen fir erfolgsversprechende Produktentwicklungen. Wir empfehlen hier den kombinierten Einsatz mehrerer qualitativer Marktforschungsmethoden: beispielsweise systematische Analysen von Beschwerden, Fokusgruppeninterviews, die Opus-Analyse, das Lead-User-Konept, die Critical Incident Technique und die Kundenprozessanalyse.
2.2.1 Systematische Analyse von Beschwerden Die in Beschwerden enthaltenen Informationen sind fir das Unternehrnen von hoher Relevanz, da die fir den Kunden besonders gravierenden Probleme zum Vorschein kommen. Die auf diese Weise erhaltenen Informationen sind zudem von hoher Aktualitat und sehr eindeutig, da Beschwerdefihrer in der Regel ein klares Problemverstandnis haben und die Sachverhalte ganz konkret beschreiben konnen. Beschwerdeinformationen geben allerdings kein vollstandiges Bild iiber die Leistungen des Unternehmens (StaussIHentschel 1990). Ob sich unzufriedene Kunden beim Anbieter beschweren oder nicht, hangt mehr von personlichkeitsspezifischen und situativen Faktoren ab - wie die Art des Problems, die angenommene Erfolgswahrscheinlichkeit -, als vom AusmaR der erlebten Unzufriedenheit (siehe auch Matzler/HinterhuberlHandlbauer 1997b und 1997~).Da sich nur ein geringer Teil der unzufriedenen Kunden beim Hersteller beschwert, muss man davon ausgehen, dass die Informationen unvollsttindig sind und die Ergebnisse eines Beschwerdemonitoring nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen; man konzentriert sich auf eine relativ kleine Gruppe von Unzufriedenen. Informationen dariiber, welche Leistungskomponenten eine besonders positive Resonanz hervormfen, konnen nicht ermittelt werden.
Insgesamt betrachtet sind Beschwerdeanalysen ein brauchbares Instrument in der explorativen Vorstudie einer Kundenzufiiedenheitsuntersuchung, da sie kostengunstig und ohne besonders groRen Aufwand einsetzbar sind. Beschwerdeanalysen sollten aber in jedem Fall noch durch andere Instrumente und Informationsquellen erganzt werden (siehe auch Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003).
2.2.2 Fokusgruppeninterviews Eine empfehlenswerte Methode zur Ermittlung von Kundenenvartungen sind F o h s gruppeninterviews, in denen Produktentwickler - Techniker wie Marketingleute gemeinsam mit Kunden uber Probleme, Wunsche und Erwartungen diskutieren. Fokusgruppen haben in der Regel acht bis zwolf Teilnehmer und werden von einem Moderator geleitet. Der Durchfiihrung von Fohsgruppeninterviews liegt die Annahme mgrunde, dass die Diskussion in der Gruppe aufgrund ihrer eigenen Dynamik dazu geeignet ist, Motivationen und Motivationsstrukturen, ,,tiefereL'Bewusstseinsschichten und emotionale Zusammenhange zutage zu fordern, die durch Einzelinterviews nicht sichtbar gemacht werden konnten. Durch gruppendynamische Effekte kann in relativ kurzer Zeit ein breites Spektrum an Kundenproblemen und -wiinschen entdeckt werden. Durch die Teilnahme von Technikern und Marketingleuten sol1 sichergestellt werden, dass alle am Produktentwicklungsprozess Beteiligten ein gemeinsames Verstandnis der zu losenden Kundenprobleme entwickeln und die konsequente Beriicksichtigung der Kundenwiinsche wahrend des gesamten Produktentwicklungsprozesses gewahrleistet wird. Der Moderator hat die Aufgabe, eine angeregte Diskussion in einer entspannt-lockeren AtmosphPe anzufachen, um so mehr und differenziertere Kundenbedurfnisse zu ,,entdecken", als dies in Einzelinterviews moglich ware. Fokusgruppeninterviews gehoren zu den qualitativen Marktforschungstechniken, die Ergebnisse sind in der Regel nicht quantifizierbar und reprbentativ, sie geben aber einen tiefen Einblick in die Forschungsfragen (siehe hierzu Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003, Dutka, 1993 und Botschenl Botschen 2003).
2.2.3 Die Opus-Analyse Umfangreiche Untersuchungen verdeutlichen, dass Kunden vielfach nicht imstande sind, sich konkret zu ihren Bedurfnissen und Wunschen in einer Produktgruppe bzw. beziiglich eines Dienstleistungsangebotes zu auRern: In ihren Aussagen geben sie haufig lediglich das wieder, was bereits allgemein bekannt ist. Erfolgreiche Weiterentwicklungen bzw. innovative Neuentwicklungen konnen aus solchen Ergebnissen nicht abgeleitet werden. Mittels der OPUS-Methodik (deren Name auf die Beratungsfirma Opus Development AG zuriickgeht, die diese Methode entwickelt hat) ist es moglich, dieses Dilemma auf-
zubrechen (Winiger 1986). Anstatt nach Wunschen zu fiagen, konzentriert man sich bei dieser Methodik zunachst darauf, in personlichen Gesprachen mit Verwendern alle tatsachlich aufgetretenen und potentiellen Probleme bei Produkten bzw. in Anspruch genommen Dienstleistungen herauszufinden. In einem nachsten Schritt gilt es, die ,,gesammelten" Probleme in eine Rangreihenfolge zu bringen. Die Reihung der Probleme sollte auf der Basis statistisch gesicherter Ergebnisse (StichprobengroRe) fir die anvisierte Zielgruppe zustande kommen. In der Folge gilt es, fir die wichtigsten Problemfelder innovative Losungen zu entwickeln. Dabei ist es empfehlenswert, ausgewahlte Kunden in den Prozess der Ideenfindung einzubinden (vgl. Lead-User-Konzept). ErfahrungsgemaR werden fir die wichtigsten Kundenprobleme bis zu 200 Ideen entwickelt. Konsequentenveise gilt es nun, diese Ideen nach ihrer Qualitat und ihrem Innovationsgrad zu bewerten. Die besten Ideen werden im Anschluss daran in einzelnen Fachgruppen weiterbearbeitet. Wie artikulierte Kundenwiinsche laut traditioneller Marktforschung sich von tatsachlichen Problemen unterscheiden, zeigt nachstehendes Beispiel (siehe Winiger 1986). Ein Farbenhersteller beschloss, seine Aktivitaten auf dem Gebiet der AuRenanstriche neu zu uberdenken. Die Durchfihrung einer traditionellen, sehr aufivendigen Kundenbefiagung brachte folgende Wunsche und Erwartungen der Kunden zutage: @ lange Haltbarkeit, s gute Wetterbestandigkeit, R gutes HaftungsvermBgen, @ ein Verschlussdeckel, der auch nach dem Wiederverschlierjen dicht halt, B gut deckend, r eine starke Oberflache bildend. Der Farbenhersteller war aufgrund der erzielten Ergebnisse nicht imstande, tatsachlich neues Wissen von seinen Kunden zu generieren, um darauf aufbauend eine effektive Marketingstrategie zu entwickeln. Die nachfolgende OPUS-Analyse lieferte vollkommen anders gelagerte Informationen. Die wichtigsten 5 Problemfelder aus Sicht der Kunden waren: Die Vorbehandlung ist muhsam. Die Vorarbeit braucht vie1 Zeit. B Es ist schwierig, die alte Farbe wegzubekomrnen. s Es ist langweilig, die Vorarbeiten zu erledigen. e Es gibt keine praktischen Werkzeuge, um die alte Farbe wegzubekommen. Die Kunden sahen in den Vorarbeiten die groRten Probleme. Hier galt es also konkrete Ansatzpunkte fir die Marktbearbeitung abzuleiten. In der Phase der Ideenfindung wurde deshalb besonderes Augenrnerk darauf gelegt, ein ganzes System arbeitssparender AuRenanstriche zu entwickeln. Beispielsweise wurde ein Anstrich entwickelt, der die Grun-
dierung uberflussig macht, indem die Farbe sowohl die Grundierung als auch die Deckfarbe enthalt. Ein anderer Anstrich kann auf bereits bemalte Flachen aufgetragen werden.
2.2.4 Das Lead-User-Konzept Wie schwierig es ist, Kunden mit neuen L6sungen/Entwicklungen zu begeistern, verdeutlichen Untersuchungen, die belegen, dass sich weniger als 10 % aller Neu- oder Weiterentwicklungen in der Gunst der Kunden durchsetzten. Die Griinde dafiir sind ohne Zweifel vielschichtig, doch vielfach wird einfach an den Wiinschen des Marktes konsequent vorbei entwickelt. Eine sehr interessante Hilfestellung f i r die Losung dieses Dilemmas stellt das Lead-User Konzept dar. Wahrend die traditionelle Marktforschung in ihrem Grundverstandnis davon ausgeht, dass die befragte Gruppe ein reprasentatives Abbild der Grundgesamtheit darstellen muss, zielt das Lead-User-Konzept darauf ab, eine ganz bestimmte Gruppe von Kunden - die so genannten ,,Innovatorenu - zu befragen und sie unmittelbar in den Prozess der Produktentwicklung einzubinden". Herstatt und Hippel (1992) haben namlich gezeigt, dass: M erfolgreiche Innovationen insbesondere auf Ideen basieren, die Personen bei der unmittelbaren Anwendung von Produkten in schwierigen Situationen generieren und H Personen, die von neuen Entwicklungen in ihrer taglichen Anwendung besonders profitieren, bereit sind, ihre Ideen sehr gezielt und detailliert weiterzugeben. Rogers (1962) hat eine der Normalverteilung gleichenden Kurve der Innovationsfreudigkeit von Kunden festgestellt:
L
Frbhadoptierer
frijhe Mehrheit
Zeit bis zur Adaption von Innovationen
Abbildung 5: Diffusion von Innovationen (Rogers 1962)
Diese Diffusionskurve von Innovationen kann man sich im Management von Kundenmfriedenheit zunutze machen. Innovatoren (ca. 2,5 %) sind unternehmenslustig und risikobereit. Friihadoptierer ubemehmen neue Ideen frtihzeitig, sind aber vorsichtiger und haufig auch Meinungsfihrer. Aus diesem Grund ist es zweckmarjig sich mit neuen Ideen an diese Gruppen zu wenden, um erstens neue Ideen zu testen und zweitens diese auch bekannt m machen. Folglich gilt es jene Kunden zu identifizieren, die zur kleinen Gruppe der Innovatoren zu zahlen sind. Als Innovator werden insbesondere Personen bezeichnet, die @ sich bereits heute Produkte und Dienstleistungen wiinschen, die die grorje Mehrzahl der Kunden erst Monate oder Jahre spater nachfragen wird und die gleichzeitig von diesen neuen Entwicklungen in ihrem Aufgabengebiet besonders profitieren wurden. Herstatt und Hippel schlagen fir die Umsetzung des Lead-User Modells folgende Vorgehensweise vor (fiir eine detaillierte Darstellung siehe Herstattlvon Hippel 1992, S. 213 ff., siehe auch BotschenIBotschen 2003): 1. In einem ersten Schritt gilt es, sich den bestm6glichen ijberblick iiber die neuesten Markt- und Technologietrends beziiglich der jeweiligen Produktgruppe bzw. Dienstleistung zu verschaffen. Besonderes Augenmerk muss darauf gelegt werden, dass die aus diesen Trends resultierenden Nutzenpotentiale fir die Kunden erkannt werden. 2. In einem zweiten Schritt gilt es potentielle Lead-User zu identifizieren. Neben den in der ,,BrancheC' bekannten Experten fir bestirnrnte Produktanwendungen konnten solche Innovatoren auch aus der Beschwerdekartei ausfindig gemacht werden. Untersuchungen haben namlich gezeigt, dass gerade jene Personen, die sich direkt beim Hersteller iiber ein Produkt bzw. eine Produktentwicklung beschweren, vielfach ausgezeichnete VerbesserungsvorschlSige in die Entwicklung einbringen konnen. 3. In der Folge gilt es, die identifizierten Lead-User mit den Experten des eigenen Untemehmens aus der Entwicklung, der Produktion und des Marketings zusammenzubringen. Hippel und Herstatt schlagen in diesem Zusammenhang einen mehrtagigen Workshop vor, wo entweder gemeinsam ein vollig neues Produktkonzept entwickelt wird oder im Team uber Verbesserungen bzw. Weiterentwicklungen am Produkt oder an der Dienstleistung nachgedacht wird. 4. In einem vierten Schritt muss das neue Produktkonzept bzw. die Weiterentwicklung dem ,,gewohnlichen" Kunden vorgestellt werden und auf seine Attraktivitat f i r den eigentlichen Markt abgetestet werden.
2.2.5 Die Critical-Incident-Technique Die Critical Incident Technique eignet sich vor allem bei Dienstleistungen als Instrument zur Ermittlung von Kundenenvartungen und -problemen. Sie ist aber grundsatzlich auch
bei Produktionsunternehmen einsetzbar, geht man davon aus, dass Zufiiedenheit nicht nur durch die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens erzeugt wird, sondern durch den gesamten Transaktionsprozess zwischen Kunde und Anbieter. Kritische Ereignisse sind Vorfalle, die von den Kunden als adergewohnlich positiv oder adergewohnlich negativ wahrgenommen und irn Gedachtnis behalten werden. Sie werden im Rahmen miindlicher Befiagungen mittels standardisierter, direkter, offener Fragen ermittelt. Stauss/Hentschel (1 992) demonstrieren die Anwendung der Critical Incident Technique in einer Studie im Automobilhandel. Die Critical Incident Technique als ereignisorientiertes Verfahren eignet sich besonders gut, da sie ein umfassenderes und konkreteres Bild der wahrgenommenen Dienstleistungsqualitat liefert: B Dienstleistungen konnen als Prozesse verstanden werden. Die Wahrnehmungen der Dienstleistungsqualitat sind daher ,,episodisch" und nicht ,,merkrnalsorientiert". Dienstleistungen sind intangibel. Aus diesem Grunde ist die Transformation von Erlebnissen in merkmalsorientierte Bewertungen schwieriger als bei Produkten. II Der Kunde ist zumindest teilweise in den Prozess der Dienstleistungsproduktion involviert. Seine Beteiligung erfahrt er als eine Sequenz von Ereignissen und nicht als eine Menge von Merkmalen. B Personliche Kommunikation zwischen Kunden spielt bei Dienstleistungen eine groBere Rolle. Inhalte dieser Kommunikation sind nicht abstrakte Dienstleistungsmerkmale, sondern konkrete Ereignisse. Die Kunden werden zunachst gebeten, sich an besonders positive und besonders negative Erfahrungen in Zusammenhang mit dem Autohandler zu erinnern. Typisch ist folgende Frageweise: "Denken Sie bitten an Ihre Erfahrungen mit dem Autohandler X!" "Konnen Sie sich an Ereignisse erinnern, die Ihnen ganz besonders positiv oder ganz besonders negativ bei Ihrem Besuch in Erinnerung geblieben sind?" "Beschreiben Sie diese Vorfiille bitte genau! Geben Sie bitte alle Einzelheiten an, damit ich mir ein genaues Bild machen kann!" Die Auswertung erfolgt in mehreren Schritten. Zunachst sind jene kritischen Ereignisse auszuwahlen, die ausfiihrlich und detailliert genug sind, um sich ein klares Bild von der jeweiligen Situation zu machen, die sich auf eine Transaktion beziehen und eine starke Zufiiedenheits-Nnzufriedenheitsreaktionbeim Kunden hervorgerufen haben. Daraufhin werden verschiedene Kategorien gebildet und die einzelnen Ereignisse zugeordnet. Das Ergebnis sind jene Dimensionen der Dienstleistungsqualitat, die einen starken Einfluss auf die Zufiiedenheit bzw. Unzufiiedenheit der Kunden haben. Auf diese Weise konnten Stauss/Hentschel 599 brauchbare kritische Ereignisse eruieren, die transkribiert und aufgrund einer Inhaltsanalyse kategorisiert wurden. Die Ereignisse wurden zunachst als positiv oder negativ klassifiziert und anschlieBend in einem mehr-
stufigen Verfahren fiinf Hauptkategorien (Tangibles, Reliability, Responsiveness, Assurance, Empathy) und 30 Subkategorien zugeordnet. Der besondere Vorteil der Critical Incident Technique liegt darin, dass vor allem jene Ereignisse geschildert werden, die eine besondere Relevanz fir den Kunden haben, als Mindestleistung erwartet oder als WerterhBhungsleistung honoriert werden.
2.2.6 Die Kundenprozessanalyse Gegenstand der Kundenprozessanalyse sind jene Prozesse, die der Kunde im Rahmen einer Geschaftsbeziehung mit dem Anbieter wahrnimmt und die einen Einfluss auf seine Zufiiedenheit haben. Sie decken sich in der Regel nicht mit den dahinter liegenden Geschaftsprozessen, da diese einerseits Tatigkeiten enthalten, die fiir den Kunden nicht sichtbar sind, und andererseits Kundenprozesse vor oder nach der eigentlichen Kaufhandlung Tatigkeiten beinhalten, die iiber die Geschaftsprozesse hinausgehen. Ziel der Kundenprozessanalyse ist es, jene Kontaktpunkte und Aktivitaten zu analysieren und zu visualisieren, die die Kunden im Rahmen einer Geschaftsbeziehung oder Transaktion erleben. Dadurch konnen Probleme, die einen Einfluss auf die Zufriedenheit haben, im Prozessablauf identifiziert und auf ihre Ursachen hin weiter untersucht werden. Bei der kundenorientierten Prozessanalyse geht es ebenfalls um das Erkennen konkreter Problembereiche und Ansatzpunkte fiir Verbesserungen aus der Sicht der Kunden. Man bildet in einem ersten Schritt samtliche Phasen, die ein Kunde bei Inanspruchnahme einer Dienstleistung oder beim Kauf und Venvendung eines Produktes durchlauft, ab.
Abbildung 6: Prozessstufen eines Bankkunden In der Folge wird auf der Basis qualitativer Einzelinterviews analysiert, welche Ablaufe sich in den einzelnen Phasen aus Sicht der Kunden tatsachlich abspielen. Ideal ist die Verkniipfung mit der Critical Incident Technique. Diese Ergebnisse liefern bereits ein gutes Phasenverstandnis, und haufig lassen sich bereits aus diesen Phasenberichten konkrete Ansatzpunkte f i r das Management von Kundenzufriedenheit ableiten. Viele Her-
steller konnen sich namlich bis zu diesem Zeitpunkt kein konkretes Bild iiber die tatsachlichen Ablaufe in den jeweiligen Phasen machen. In einem nachsten Schritt wird gemeinsam mit den Kunden auf der Basis der detaillierten Phasenberichte jede einzelne Phase hinsichtlich aufgetretener Probleme bzw. anzuwendender Verbesserungsvorschlage analysiert. ~ h n l i c hder OPUS-Analyse gilt es die erarbeiteten Vorschlage und Ansatzpunkte in eine Reihenfolge zu bringen und konkrete Umsetmngsprojekte zu initiieren.
2.3 Phase 3: Entwicklung des Messinstrumentariums 2.3.1 Kundenzufriedenheitskriterien Nachdem ein Verstandnis fir Kundenprobleme entwickelt wurde, besteht der nachste Schritt darin, die ermittelten artikulierten und latenten Kundenerwartungen, Wiinsche und Probleme und deren Erfiillung bzw. Losung zu messen.
A z.B. Vertrauenswurdigkeit, Einfuhlungsvermogen,Freundlichkeit, Reaktionsfahigkeit,Zuverlassigkeit, Wertschatzung, Kornmunikation
C
-a, Se~icebene:
5: 0 2
.-N
eBe!
Kundenberatung, Instandsetzungl-haltung,sonstige Dienstleistungen
Produktebene:
Zuverlassigkeit. Instandsetzbarkeit,Styling, Produktdesign
b Zeit
Abbildung 7: Zufriedenheitskriterien auf Produkt-, Service- und Beziehungsebene
1. Wie zufrieden sind Sie mit den Produkten... a) Technische Eigenschaften der Produkte b) Zuverlassigkeit der Produkte c) Preis-Leistungsverhaltnisder Produkte d) Kosteneffizienz im gesamten Produktlebenszyklus e) Nutzerfreundlichkeit der Produkte 2. Wie zufrieden sind Sie mit dem Verkaufspersonal . . . a) Wissen uber Anwendungsbedingungen in lhrem Unternehmen b) Produktwissen des Verkaufspersonals c) Unterstutzung bei Problemlosungen d) Freundlichkeit e) Kontinuitat des Verkaufspersonals, das mit lhnen zusammenarbeitet f) Zeit, welche das Verkaufspersonal fur lhrer Anliegen verwendet g) Haufigkeit der Besuche 3. Wie zufrieden sind Sie mit produktbezogenen lnformationen ... a) Informationen durch die technische Dokumentation b) Verfugbarkeit technischer Dokumentation c) Brauchbarkeit der Anweisungen fur die Produkte d) sonstige lnformationen (Broschuren, Prospekte, etc.) 4. Wie zufrieden sind Sie mit der Auftragsbearbeitung ... a) Schnelligkeit der Auftragsbestatigung b) Zuverlassigkeit der Auftragsbearbeitung c) Lieferzeiten aus der Auftragsbestatigung d) Einhalten der Lieferzeiten 5. Wie zufrieden sind Sie mit dem technischen Service a) Schnelligkeit, mit der das Personal verfugbar ist b) Qualitat des technischen Service c) Preis-Leistungsverhaltnisdes technischen Service 6. Zufriedenheit mit den intemen Mitarbeitern a) Erreichbarkeit der Mitarbeiter b) Reaktion bei telefonischen Anfragen c) Reaktion bei schriftlichen Anfragen 7 . Zufriedenheit mit der Beschwerdebearbeitung a) Reaktion bei produktbezogenen Beschwerden innerhalb der Gewahrleistungsperiode b) Reaktion bei produktbezogenen Beschwerden auRerhalb der Gewahrleistungsperiode c) Beschwerdereaktion auf allgemeine Beschwerden
Sehr unzufrieden (1) (2)
Sehr zufrieden (3)
(4)
(5)
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
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0 0 0 0 q 0 0
0 0 0 0 q 0 0
0 0 0 0
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0
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0
0
0
Abbildung 8: Zufriedenheitskriterien im Industriegiitermarkt (Quelle: Homburg/Rudolph 200 1)
In der Literatur wurden viele Ansatze und Kriterienkataloge vorgeschlagen, die die vom Kunden wahrgenommene Qualitat messen sollen (siehe z.B. die 8 Dimensionen der Qualitat von Garvin 1987 oder SERVQUAL von ZeithamllParasuraman/Beny 1990). Ein gutes Beispiel liefert die von Homburg/Rudolph (2001) entwickelte Skala zur Messung der Kundenzufriedenheit in Industriegutermarkten (siehe Abb. 8). Grundsatzlich sind solche Kriterienkataloge brauchbar, jedoch in den meisten Fallen zu allgemein. Es besteht die Notwendigkeit, diese auf die jeweilige Branche, das jeweilige Unternehmen und das jeweilige Produkt anzupassen. In Industriegiiterunternehmungen ist es beispielsweise sinnvoll, die Kundenzufriedenheitskriterien in folgende drei Gruppen einzuteilen: Produkteigenschaften, Serviceleistungen und Beziehungen. Kundenzufriedenheit lasst sich sinnvoll auf diesen drei Ebenen messen. Diese Reihenfolge ist bewusst gewahlt: Es l a s t sich ein Trend der Verlagerung des Wettbewerbes von Produkteigenschaften uber Serviceleistungen hin zu einem Beziehungswettbewerb feststellen.
2.3.2 Skalen zur Messung von Kundenzufriedenheit Zur Messung von Kundenzufriedenheit ist eine uniiberschaubare Fulle von Skalen entwickelt worden. Douglas Hausknecht (1990) fand mehr als 40 verschiedene Skalenarten und Ansatze, die auf zwei Kontinua dargestellt werden konnen: 1) von kognitiv zu emotionallaffektiv und 2) von verbal zu graphisch. Folgende Abbildungen zeigen eine ~ b e r s i c h tdieser Skalen (eigene ~bersetzung).Eine ausfQhrliche Darstellung findet sich auch in Vavra (1997). Die Vielfalt der vorgeschlagenen Skalen macht die Auswahl schwierig. Von numerischen Skalen spricht man, wenn die Werte auf einer Skala durch Zahlen reprasentiert sind, verbale Skalen beinhalten wortliche Bezeichnungen der einzelnen Abstufungen auf der Skala, und graphische oder visuelle Skalen sind jene, bei denen die Antwortkategorien durch Zeichnungen vorgegeben sind. Haufig sind auch Mischformen zu finden. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass die Anzahl der Antwortkategorien pro Item so gewahlt ist, dass die Befragten in Bezug auf eine Unterscheidungsfahigkeit einerseits nicht iiberfordert sind und andererseits doch kein Informationsverlust durch zu grobe Skalen auftritt. Das Optimum liegt vermutlich zwischen 7 +I- 2. Ein zweites Problem stellt die Wahl zwischen geraden und ungeraden Skalen. Bei ungeraden Skalen ist im Nachhinein nicht feststellbar, ob der mittlere Wert der Skala als "weil3 nicht" oder als tatsachlich mittlerer Wert zu interpretieren ist. Bei einer geraden Zahl von Antwortmoglichkeiten gibt es zwar fiir unsichere Befragte keine Ausweichmoglichkeit, andererseits aber auch keine Antwortmoglichkeit f i r jene Personen, die tatsachlich die Mitte ankreuZen mochten. Einen Ausweg stellt die Verwendung einer Antwortkategorie "Ich weil3 nicht" dar (Miihlbacher 1995).
a) Evaluative/kognit~veSkalen Verbal: Messung der Erwartungsd~skonfirmat~on
1) Melne Erwartungenwaren Zu hoch X war schlechter als lch dachte
Gerade richt~g X war genau so wle lch dachte
Zu n~edr ~g X war besser als ~ch dachte
0 0 0 0 0 2) -war vlel besser (schlechter) als erwartet Ja sehr v~el besser
Ja v~el besser
0
3)
0
V~elbesser als erwartet
Ja
?
0
0
Etwas besser als erwartet
d
0
NelllThr
Nein Ne~nvie1 schlechter schlechter
0
Ungefahr so wie erwartet 3
;I
0
schlechter
0
0
Etwas schlechter als erwartet
;1
q
V ~elschlechter als erwartet 5
q
Verbal Messung des Zufr~edenheitsausmaRes
4) Wie zufrieden waren Sle lnsgesamt mlt 7 100%
90
80
70
80
50
Vollkommen zufr~eden
5) Wle zufrieden waren Sle mlt Sehr un-
zufr~eden
0
40
30
20
10
0%
uberhaupt n~cht zufrieden
tellslte~ls 7
ziemllch
lelcht
weder noch
0
0
0
fil'd"frieden unZu,i
lelcht zlemllch sehr zufr~eden zufr~eden zufr~eden
0
0
0
6) Waren Sie zufr~edenlunzufr~eden? (bltte auswahlenl)
7) Ich bin lmmer oder fast lmmer zufr~edenmlt
Ich b ~ n manchmal zufr~edenmlt
q )'
Sehr zufr~eden
d
Ich b ~ n manchmal unzufr~edenmlt
q Etwas zufr~eden 2
Ich bin ~mmer oder fast lmmer unzufrieden mil
q Weder zufr~eden noch unzufr~eden 3
q
q Etwas unzufrleden 4
q
Sehr unzufr~eden
;I
q
9) Ich b ~ zufr~eden n mlt -
S"mme ZU
q
q
q
q
q
q
q
q ;:;
Abbildung 9: Evaluativekognitive-verbale Skalen Folgende Abbildung enthalt einige evaluativkognitiv-graphische Skalen und emotionaliaffektiv-verbale Skalen.
a) Evaluatlvelkognltive Skalen Graphlsch 1) Stellen Sle s ~ c hvor, folgende Kreise reprdsentleren die Zufrledenheit verschledener Kunden m l t . Kreis 0 beinhaltet lauter Minuszeichen und stellt elnen Kunden dar, der mit v6111g unzufr~edenist. Krels 9 beinhaltet lauter Pluszelchen und stellt elnen Kunden dar, der mlt -vollkommen zufrieden 1st. Dle anderen Krelse llegen dazwischen
@ @ @ @ @ @ & @ @+ . . . + . + + + .
. -
.
. -
. -
- +
+ +
+ +
+ +
+ +
Welcher dieser Kreise stellt am ehesten lhre Zufrledenheit mlt -dar7 Notieren Sle dle Numrner des Kre~sesh~er.
-(Produkt einnsehen), das -. das Sle s ~ c hvorstellen kbnnen
2) Hler sehen Sie das Bild elner Lelter Ganz unten 1st das schlechteste Sie s~chvorstellen ktinnen An der Sp~tleder Lelter ist das beste An welcher Sprosse wurden Sle -elnstufen? 9 Das beste, das ~ c hrnir vorstellen kbnnte
8 7 6
5
,
3 2 1 Das schlechteste, das ~ c hrnlr vorstellen kbnnte B
4
a) EmotlonallAffektlve Skalen Verbal 1) Likertskalen. 2.0. a) Ich b ~ n zufrieden mit -. b) Wenn ~ c es h noch einmal irberdenkenlentscheiden mORte, wurde lch C) Me~neWahl furwar eine gute Wahl. d) Ich habe kein gutes Gefijhl bei der Entscheldung e) Ich glaube, daR ~ c h das nchtige tat, als lch mich furentschied.
-
-
Tr~fftvollkomrnenzu
. . ... Trifft uberhaupt nicht zu.
2) Blne kreuzen Sle auf folgender Skala an, welches Kdstchen am besten lhre Zufnedenheit rnit ausdruckt! habe nie Ziemllch Ziemllch daruber Begeistert Elfreut zufneden gemlscht unzufneden unglilckllch schrecklich neutral nachgedacht
0
0
0
0
0
0
0
3) Skalen zur Messung verschiedener Emotlonen Bltte geben Sie an, lnwlefern jedes der foigenden Wdrter lhre Gefuhle !n bezug auf ausdrucktl 1 Kaum oder tiberhaupt nicht
2 ieicht
3
4
elnlgermaRen
Sehr
0
0
-
5 sehr stark
Emot~onen,dle auf 10 verschledene Dlmenslonen "laden": Interesse, Freude, Uberraschung. Kummer - Schrnerz. Zorn, Ekel, Geringschdtzung, Furcht, Scham, Schuldgefuhl
Abbildung 10: Evaluativ~kognitiv-graphischeSkalen und emotionallaffektiv-verbale Skalen
a) EmotionalIAffektive Skalen Graphisch 1) Gefuhlsthermometer
Wo wurden Sie
- + 40"
I
- + 30" - + 20" - + 15' - + 10"
auf diesem Gefuhlsthermometer einordnen? HeiR oder angenehm Sehr warm oder angenehm Warm oder angehehm Etwas warm oder angenehm Kein Gefuhl
- + 5'
Etwas kalt oder unangenehrn
- - 0" - - 10' - - 20"
Ziemlich kalt oder unangenehm
Kalt oder unangenehm Sehr kalt oder unangenehm
2 ) Hier sind einige Gesichter, die verschiedene Gefuhle ausdriicken. Welches Gesicht driickt am besten Ihr Gefuhl aus?
Abbildung 1 1: Emotional/Affektiv-graphische Skalen
2.3.3 Die relative Wichtigkeit von Kundenenvartungen Offensichtlich sind nicht alle Kundenerwartungen gleich wichtig. Im Kundenzufiiedenheitsmanagement ist es daher notwendig zu wissen, welche Erwartungen wichtiger und welche weniger wichtig sind, um entsprechend wirksame Maanahmen zur Erhohung der Gesamtzufriedenheit abzuleiten. Beispielsweise kann eine leichte Unzufi-iedenheit bei unwichtigen Erwartungen vernachlassigt werden, wahrend eine Unzufriedenheit bei wichtigen Leistungskomponenten einen Marktanteilsverlust bedeuten konnte. Es wird deshalb vorgeschlagen, die relative Wichtigkeit von Leistungskomponenten bzw. Erwartungen in Beziehung zur Kundenzufriedenheit zu setzen (siehe z.B. Homburg/Rudolph 1995). Trifft hohe Kundenzufriedenheit auf eine hohe Wichtigkeit einer Produkteigenschaft, hat die Unternehmung strategische Vorteile, die es zu halten bzw. auszubauen gilt. Hohe Kundenzufiiedenheit bei niedriger Wichtigkeit von Produkteigenschaften stellen "irrelevante" Vorteile dar. Strategische Nachteile, die mit Prioritat verbessert werden mussen, entstehen bei der Kombination von hoher Wichtigkeit und niedriger Kundenzufi-iedenheit. "Akzeptable" Nachteile liegen schliefllich dann vor, wenn die Kundenzufriedenheit bei unwichtigen Produkteigenschaften niedrig ist. Um dieses Kundenzufi-iedenheitsportfolio zu erstellen, muss die relative Wichtigkeit der einzelnen Erwartungen bzw. Leistungskomponenten ermittelt werden. Dazu gibt es mehrere Ansatze mit verschiedenen Vor- und Nachteilen.
Zur Berechnung der Wichtigkeit einzelner Leistungskomponenten kann man grundsatzlich Rangordnungsskalen (z.B. Paarvergleich, Rangordnungsverfahren, Konstantsummenskala) oder Ratingskalen venvenden (zu den einzelnen Skalen siehe z.B. Muhlbacher 1995). Beim Paawergleich werden die Kunden gebeten, jede einzelne Produkteigenschaft bzw. Erwartung jeder anderen paanveise zu vergleichen, wobei keine Gleichheitsurteile zulassig sind. Eine Prozentmatrix zeigt die relativen Anteile an, mit denen das Zeilenelement das Spaltenelement dominiert und ist damit ein Indikator fiir die relative Wichtigkeit. Problematisch ist der Paarvergleich allerdings bei einer groljen Anzahl an zu iiberpriifenden Produkteigenschaften. Das Rangordnungsverfahren stellt eine gleichzeitige Beurteilung aller Produkteigenschaften dar, wobei Kunden gebeten werden, alle Produkteigenschaften je nach Wichtigkeit in eine Rangordnung zu bringen. Allerdings sind Kunden bei einer hohen Anzahl von Produkteigenschaften schnell uberfordert, und sie werden zur Wahl gezwungen, wenn zwei Produkteigenschaften als gleich wichtig wahrgenommen werden. Die Konstant-Summen-Skala umgeht das Problem der "Anspruchsinflation" bei RatingSkalen der relativen Wichtigkeit. Die Kunden werden gebeten, eine bestimmte Anzahl von Punkte (z.B. 100 Punkte) je nach wahrgenommener Wichtigkeit den einzelnen Produkteigenschaften zuzuordnen. Damit besitzt diese Methode noch einen weiteren Vorteil gegenuber dem Rangordnungsverfahren: Es wird nicht nur eine Reihung nach Wichtigkeit ermittelt, sondern auch die Abstande der wahrgenommenen Wichtigkeit zwischen den einzelnen Produkteigenschaften. Auch bei dieser Methode besteht allerdings der Nachteil, dass Kunden bei vielen Produkteigenschaften in ihrer Beurteilungs- und Diskriminanzfahigkeit leicht uberfordert werden. Rating-Skalen schlieljlich messen die subjektiv wahrgenommenen Wichtigkeiten der einzelnen Produkteigenschaften anhand von Wichtigkeitsskalen fiir die einzelnen Produkteigenschaften. Das Problem darin besteht haufig in der so genannten "Anspruchsinflation", wenn plotzlich alle Produkteigenschaften als wichtig angekreuzt werden. Fiir diese direkt erfragten Wichtigkeiten gelten allerdings einige Einschrankungen (MatzlerISauerwein 2002). Sie sind hgufig schwer interpretierbar, da oft nicht nachvollziehbar ist, wie sie zustande gekommen sind. Beispielsweise ist nicht immer klar, ob der Kunde die Wichtigkeit fur hohe oder niedrige Qualitat des Kriteriums angibt oder ob die Eigenschaft vorhanden ist oder nicht. Die Bremsen des Autos sind dann wichtig, wenn sie nicht finktionieren, aber unwichtig, wenn sie nicht funktionieren. Dariiber hinaus kann auch strategisches Antwortverhalten vorliegen, vor allem, wenn man zum Beispiel die Wichtigkeit und Zufriedenheit des Preises oder des Preis-Leistungsverhaltnisses abfragt. Dementsprechend vorsichtig sind auch Kundenzufriedenheitsportfolios zu interpretieren, da sich die Wichtigkeit einer Eigenschaft mit deren Zufriedenheit andern kann. Weitere haufig eingesetzte Methoden sind die Regressionsanalyse und die ConjointAnalyse. Bei der Regressionsanalyse wird die Zufriedenheit mit den einzelnen Produkteigenschaften erhoben und zugleich ein Gesamtmafi der Zufriedenheit ermittelt. Durch eine
Regressionsanalyse, bei der die Gesamtzufriedenheit die abhangige Variable darstellt und die "Teilzufriedenheiten" die unabhangigen Variablen reprasentieren, sind die Regressionskoeffizienten ein Indikator fir die relative Wichtigkeit der einzelnen Produkteigenschaften fir die Gesamtzufriedenheit. Die Conjoint-Analyse schlieRlich als dekompositionelles Verfahren multiattributiver Analysemethoden erlaubt es, aus Gesamtnutzenurteilen von Kunden die Teilnutzenwerte der einzelnen Produkteigenschaften zu berechnen. Diese Teilnutzenwerte sind ein Indikator fir die relative Wichtigkeit der einzelnen Produkteigenschaften. Die Conjoint-Analyse - auch Trade-off Analyse genannt - berechnet damit zuverlassig das Gewicht, mit dem einzelne Eigenschaften eines Produktes von Kunden im Entscheidungsprozess bewertet werden und beriicksichtigt die gegenseitigen Austauschbarkeiten (Trade-offs) der verschiedenen Auspragungen dieser Eigenschaften.
2.3.4 Die Bestimmung von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen Die Kenntnis der relativen Wichtigkeit einzelner Kundenenvartungen bzw. Produkteigenschaften allein ist jedoch nicht ausreichend. HSiufig sind Produkteigenschaften, die vom Kunden beispielsweise auf Ratingskalen als ziemlich unwichtig angegeben werden, kaufentscheidend. Eine differenziertere Betrachtung ist notwendig. Kundenanforderungen konnen in drei verschiedene Gruppen unterteilt werden, die einen unterschiedlichen Einfluss auf die Entstehung von Zufriedenheit haben: Basisanforderungen, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen. B Basisanforderungen umfassen all jene Leistungskomponenten, die der Kunde voraussetzt. So genannte Basiseigenschaften konnen zwar Unzufriedenheit verhindern, werden vom Kunden aber nicht als ein die Kaufentscheidung beeinflussender Vorzug des Produkts wahrgenommen. B Dagegen spielen die Begeisterungseigenschaften eine wesentliche Rolle, weil sie dem Kunden als wichtiger Qualitatsvorteil erscheinen. Es sind dies jene Produkteigenschaften, die in der Lage sind, den Kunden zu begeistern. Dies sind jene Leistungskomponenten, die er sich nicht erwartet, deren Bereitstellung aber den Wert eines Produktes erhoht und die einen uberproportional starken Einfluss auf die Zufriedenheit mit einem Produkt oder einer Dienstleistung haben. Werden diese Leistungskomponenten nicht angeboten oder erfillt, hat das aber keinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit. Begeisterungsanforderungen werden vom Kunden in der Regel nicht explizit verlangt und auch nicht erwartet. r Dazwischen liegen die Leistungseigenschaften, bei denen der Kunde einen unmittelbaren Vergleich mit Konkurrenzangeboten anstellt. Es sind dies die erwarteten und in der Regel auch vom Kunden messbaren Leistungskomponenten. Werden diese nicht den Erwartungen entsprechend erfillt, entsteht Unzufriedenheit, werden sie ubertroffen, steigt die Zufriedenheit. Leistungsanforderungen werden vom Kunden explizit verlangt.
Nach unseren Erfahrungen werden Begeisterungseigenschaften vom Kunden bei direkter Befragung im Vergleich zu Basis- und Leistungseigenschaften meist als unwichtig eingestuft. Allerdings konnen Begeisterungseigenschaften haufig als ein kaufentscheidender Vorzug betrachtet werden, wenn Basis- und Leistungseigenschaften gleich gut erfillt sind wie bei Konkurrenzprodukten.
A Kunde sehr zufrieden,
4
4
b
Erwartungen nicht erfullt
Erwartungen iibertroffen
Basisanforderung Kunde unzufrieden, enttauscht
r
Abbildung 12: Das Kano-Model1 der Kundenzufriedenheit Was vom Kunden als Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsanforderung betrachtet wird, hangt wesentlich von seinen personlichen Pradispositionen ab und kann stark zwischen verschiedenen Segmenten differieren. Auch verandert sich diese Klassifizierung im Zeitverlauf. Was heute den Kunden noch begeistert, kann morgen f i r ihn schon eine explizite Erwartung sein und iibermorgen bereits vorausgesetzt werden. Basisanforderungen, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften sowie Produktanforderungen, denen der Kunde indifferent gegeniibersteht, konnen anhand mehrerer unterschiedlicher Methoden klassifiziert werden (siehe MatzlerlSauerweiniStark in diesem Band).
2.4 Phase 4: Durchfuhrung der Kundenzufriedenheitsmessung Die wichtigsten Erhebungsmethoden in Kundenzufriedenheitsuntersuchungen sind das telefonische Interview und die schriftliche Befragung. In letzter Zeit haufen sich auch Online-Befragungen. Persanliche Interviews kommen haufig aus Zeit- und Kostengrunden nicht in Frage, da man zumeist auf externe Unterstutzung bei der Durchmhrung angewiesen ist. Folgende Ubersicht stellt die wichtigsten Vor- und Nachteile der einzelnen Befragungsformen fir Zufriedenheitsuntersuchungen einander gegenuber.
Antwortrate
Objektivitat Flexibilitat der Erhebung Erhebbare Datenmenge Kosten pro Erhebungsfall Zeitbedarf Externe Validitat Interaktionsm6glichkeit Durchfiihrungsprobleme
Personliche BefraQung Hoch
Telefonische Befragung Hoch
Problematisch (Interviewereinfluss) Sehr hoch Sehr groR Hoch GroR Sehr hoch Sehr groR Zahlreich
Problematisch (Interviewereinfluss) Hoch Eher gering Gering Mittel Hoch GroR Gering
Schriftliche Befragung Tendenziell niedriger, aber beeinflussbar Hoch
Online-Befragung
Gering Mittel Gering Eher groR Gering bis hoch Gering Gering
Gering Eher gering Gering Mittel Gering bis hoch Gering bis mittel Gering bis mittel
Eher niedrig
Keine
Abbildung 13: Vor- und Nachteile verschiedener Befragungsarten (in Anlehnung an Homburg/Kromer 2003)
2.5 Phase 5: Auswertung, Interpretation und Entwicklung von Maonahmen In der ersten Analysestufe wird die Wichtigkeit der einzelnen kaufentscheidenden Kriterien aus Kundensicht analysiert. Abbildung 14 zeigt die relative Wichtigkeit verschiedener Produkteigenschaften anhand eines Beispiels. Kunden eines Industrieguterherstellers wurden dabei gebeten, die Kriterien entsprechend ihrer relativen Wichtigkeit in eine Reihung zu bringen (vgl. Abb. 14, rechte Spalte). In der zweiten Analysestufe gilt es die Starken und Schwachen des eigenen Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerb m ermitteln. Die Spalte 3 spiegelt das Kundenurteil der eignen Leistung pro Kriterium auf einer 10er-Sakala wider (0 = Leistung ist nicht vorhanden; 10 = Leistung ist exzellent). Die Spalte 4 stellt das Kundenurteil des Leistungspotentials des Wettbewerbs dar. Aus dem Vergleich der beiden Bewertungen werden die Starken und Schwachen des eigenen Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerb aus der Sicht der Kunden offensichtlich.
Abbildung 14: StarkenISchwachen-Profil Aus diesen Starken-ISchwachenanalysen konnen ohne Zweifel wichtige Erkenntnisse f i r notwendige Verbesserungsmaflnahmen abgeleitet werden. Eine Schwachstelle besteht darin, dass aus der Kriterienreihung zwar die Unterschiede hinsichtlich der Wichtigkeit der einzelnen Leistungskomponenten abgelesen werden kiinnen, welche Leistungskomponenten aber tatsachlich imstande sind, die Zufiiedenheit der Kunden zu erhohen, kann damit nicht beantwortet werden. Entsprechend der Kano-Analyse gilt es deshalb herauszufinden, welche der kaufentscheidenden Kriterien aus Kundensicht Basisanforderungen, welche Leistungsanforderungen und welche Begeisterungsanforderungen darstellen. Erst diese Analysestufe ermoglicht letztlich das Ableiten effektiver und effizienter Verbesserungsstrategien. Es gilt in einem ersten Schritt die Schwachen im Bereich der Basisleistungen zu beseitigen. Gelingt dies nicht, muss mit mittelffistig massiven Marktanteilsverlusten gerechnet werden. Bei Basiseigenschaften muss das Anspruchsniveau des Kunden erftillt werden. In der Folge gilt es jene Leistungskriterien in Angriff zu nehmen, die iiber die griiljten Wirkungspotentiale in beide Richtungen verfigen (Zuffiedenheit und Unzufriedenheit). Bei diesen Kriterien muss es gelingen, bessere Leistungen anzubieten als dies die Wettbewerber imstande sind zu tun. Erst dann gilt es dariiber nachzudenken, auf Basis welcher Begeisterungseigenschaften die Kunden iiberrascht werden sollen.
Begeisterungseigenschaften
Leistungsanforderungen
Basisanforderungen
Abbildung 15: Implikationen der Kundenzufriedenheitsanalyse Abbildung 15 stellt die hier kurz angesprochenen wichtigsten Implikationen der Kundenzufriedenheit im Vergleich zum Konkurrenten in Bezug auf Basis-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften dar. Dabei ist allerdings die Hierarchie der Produktanforderungen zu beriicksichtigen. Die Aussagen in der Zeile "Begeisterungsanforderungen" gelten unter der Voraussetzung, dass Basisanforderungen erfiillt sind und die Unternehmung bei den Leistungsanforderungen mit der Konkurrenz gleichzieht. Die Aussagen in der Spalte "Leistungsanforderungen" gelten unter der Voraussetzung, dass die Basisanforderungen erfiillt sind. Fur die strategische Fuhrung der kundenorientierten Unternehmung ergibt sich also folgender strategischer Imperativ: 1 .) Erfiillung der Basisanforderungen; 2.) Sicherstellung der Wettbewerbsfahigkeit bei den Leistungseigenschaften;
3.) Differenzierung durch Begeisterungseigenschaften!
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Univ.-ProJ Dr. Kurt Matzler Institut fur Internationales Management Johannes Kepler Universitat Linz Altenberger Str. 69 A-4040 Linz www. inzgnzt.iku. at Dr. Franz Bailom IMP - Innovative Management Partner Rennweg 23 A-6020 Innsbruck
Eva TheledOliver KollIHans Miihlbacher
Prozessorientiertes Management von Kundenzufriedenheit
1. Kundenzufriedenheit und deren Messung 2. Anforderungen an ein Mess-Instrument
3. Methodenmix 3.1 SOP1 (Sequence-Oriented Problem Identification) 3.2 CA (Conjoint Analyse) 3.3 TOMA (Top-of-Mind-Associations) 4. Fallbeispiel aus dem Business-to-Business-Sektor 4.1 Identifikation zufiiedenheitsbestimmender Kriterien 4.2 Bestimmung der Bedeutung der Zufriedenheitskriterien 4.3 Identifikation von DifferenzierungsmBglichkeiten 5. Implikationen fhr das Management von Kundenzufriedenheit
1. Kundenzufriedenheit und deren Messung Die Bedeutung der Kundenzufiiedenheit fir den Geschaftserfolg ist unbestritten (Simon1 Homburg 1995). Anderson und Sullivan (1993) betrachten Investitionen in die Kundenzufriedenheit sogar als eine Art Versicherung: ,,Investing in customer satisfaction is like taking out an insurance policy. If some hardship temporarily befalls the firm, customers will be more likely to remain loyal"(p. 140). Die ijkonomische Sinnhaftigkeit von Steigerungen der Kundenzufiiedenheit ist von einigen Autoren hervorgehoben worden (Phillips/Chang/Buzzell 1983, BuzzellIGale 1987, Anderson et a1 1993). Diese aurjerordentliche Bedeutung hat bei Akademikern und Praktikern zu einer intensiven Beschaftigung mit der Messung und Steuerung von Kundenzufiiedenheit gefihrt. Die Forschungsbeitrage konzentrieren sich vor allem auf den Bereich der Konsumguter und Dienstleistungen (Boulding et al. 1993, BoltonIDrew 199 1, Brown/Swartz 1989, Cadotte/Woodruff/Jenkins 1987, ChurchillISurprenant 1982, Oliver 1980). Peterson and Wilson (1 992) berichten von 15000 Artikeln, die zur Messung von Kundenzufiiedenheit in der Zeit von 1972 bis 1992 publiziert wurden. Bei der Untersuchung von Kundenzufiiedenheit im Konsumguterbereich wird uberwiegend von der Betrachtung einzelner Transaktionen ausgegangen. Zufiiedenheit wird dabei als das Resultat dieser Transaktion verstanden und wird zu einem beliebigen Zeitpunkt nach Abschluss der Transaktion gemessen. Sobald eine Transaktion aber uber einen langeren Zeitraum andauert und mehrere Kontaktsituationen zwischen Anbieter und Nachfrager inkludiert, ist eine nur auf das Ergebnis dieser Transaktion beschrankte Messung unzureichend. Solche Beziehungen zeichnen sich laut Engelhard und Freiling (1995) durch einen hohen Grad an Integrativitat aus. Auf diese Betrachtungsweise sol1 im Weiteren kurz eingegangen werden, da sie zu weit reichenden Konsequenzen fir die Messung der Kundenzufiiedenheit fiihrt. Jedes Leistungsbundel kann sowohl durch die Art der Leistungserstellung als auch durch den Charakter des Leistungsergebnisses bestimmt werden. Integrativitat - d.h. die Einbeziehung von externen Faktoren - und Immaterialitat sind hier die zentralen Dimensionen (Engelhardt et al. 1993). Dabei ist es wohl miiglich, dass ein Leistungsbundel ausschlierjlich auf der Basis integrativer Prozesse erbracht wird, nie aber erfolgt die Erstellung allein durch autonome Prozesse. Ein Mindestmalj integrativer Prozesse kennzeichnet jedes Leistungsbundel, da es spatestens beim Absatz zum Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager und dabei zur Integration von externen Faktoren kommt. Die Intensitat der Integrativitat eines Leistungsbiindels ist bei der Messung der Kundenzufriedenheit zu beriicksichtigen, da bei zunehmender Integrativitat nicht allein das Leistungsergebnis, sondern in zunehmendem MaRe auch der Leistungserstellungsprozess zur Zufiiedenheit bzw. Unzufriedenheit fiihrt. Wie weit die Einflussnahme geht, hangt sowohl vom Anteil integrativer Teilprozesse im Vergleich zu autonomen Teilprozessen
wahrend der gesamten Leistungserstellung als auch von der Art der Mitwirkung des Kunden ab. Je intensiver sich die Mitwirkung des Kunden gestaltet, desto starker ist das ,,Prozesserleben" des Nachfiagers und desto starker schlagen sich diese Eindriicke auf die Zufriedenheit des Nachfragers mit dem Anbieter nieder. Dariiber hinaus beeinflusst das Prozesserleben des Nachfragers auch die Erwartungen, mit denen er in Folgetransaktionen geht. Im Konsumgiiterbereich dominieren Geschaftsbeziehungen mit niedriger Integrativitat. Konsumenten kommen meist nur beim Absatz der Produkte kurzzeitig mit dem Anbieter in Kontakt. Eine Einflussnahme des einzelnen Konsumenten ist nicht gegeben, es werden in der Regel nur die Anspriiche von Segmenten in der Leistungserstellung beriicksichtigt. Eine resultatsbezogene Messung der Kundenzufriedenheit erscheint unter diesen Umstanden unproblematisch. Bei einer hoheren Intensitat der Integrativitat, wie zum Beispiel im Business-to-Business Bereich, wiirde ein rein resultatsbezogenes Messverfahren zu verfalschten Ergebnissen fiihren. Durch die fehlende Beriicksichtigung des ,,ProzesserlebensL'bleiben wesentliche Zufriedenheit stiftende Kriterien aus der Messung ausgeschlossen. Man kann daher nicht sagen, welche Phase fiir die Begriindung von ZufiiedenheitNnzufriedenheit verantwortlich ist. Uberdurchschnittliche Zufiiedenheit mit der Freundlichkeit des AuDendienstes kann m m Beispiel Ergebnis von uberdurchschnittlich fieundlicher Betreuung wahrend aller Phasen der Transaktion sein. Der gleiche Grad an Zufiiedenheit kann aber auch Resultat einer extrem freundlichen Betreuung in einer Phase und schlechter Betreuung in anderen Phasen der Transaktion sein, wobei die schlechte Betreuung durch die auDergewBhnlich positive Erfahrung iiberkompensiert wird. Ein solches Resultat ist daher zu ungenau, um konkrete Ansatzpunkte zur Verbesserung der Leistung und damit der Kundenzufriedenheit zu finden. @ Eine effektive Messung von Kundenzufiiedenheit in Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter muss daher den Prozesscharakter bei diesem Typ von Transaktionen beriicksichtigen. In den einzelnen Phasen kilnnen moglicherweise unterschiedliche Kriterien zu Zufiiedenheit bzw. Unzufiiedenheit fiihren. Ein GroDteil der Forschung auf dem Gebiet der Kundenzufriedenheit folgt dem Diskonfirmationsparadigma (Oliver 1980, 1997, ChurchillISuprenant 1982; Hill 1986, Cadotte et al., 1987). Dabei entsteht Zufriedenheit bzw. Unzufiiedenheit als Konsequenz auf die vom Nachfrager wahrgenommene Lucke zwischen angebotener und erhaltener Leistung. Daher erfolgt Zufiiedenheitsmessung durch multiattributive Beurteilung auf Erwartungen undloder Leistung. In der Tradition der Gap-Analyse werden sowohl Erwartung als auch wahrgenommene Leistung erhoben (Parasuraman et al. 1985, 1988, 1991) und Zufiiedenheit dementsprechend als Differenz zwischen diesen Auspragungen definiert, wahrend der leistungsbezogene Ansatz nur die wahrgenommene Leistung erhebt (CroninITaylor 1992, 1994). Beide Ansatze gehen davon aus, dass der Konsument bei seiner Beurteilung die Leistung auf vorgegebenen Kriterien einschatzt und dass Gesamtzufriedenheit aus der Zufriedenheit mit diesen Einzelkriterien entsteht.
Allerdings hat sich gezeigt, dass die Ermittlung eines solchen Kriterienpools nicht unproblematisch ist (Bitner et a1 1990, Oliver 1997). Sowohl empirische Studien (Hentschel 1992; Stauss 1995) als auch die Theorie der episodischen Informationsverarbeitung haben uberzeugend dargelegt, dass Konsumenten nicht uber eine vordefinierte Liste von Evaluationskriterien verfigen. Vielrnehr sind diese Kriterien in Ereignissen und den spezifischen Inhalten dieser Ereignisse abgespeichert. aal Eine effektive Messung von Kundenzufriedenheit in Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter muss daher auf kontext-basierenden Methoden beruhen, um die relevanten Kriterien, die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit auslosen, zu identifizieren. Da kein Unternehmen uber unbegrenzte Ressourcen verfigt und unterschiedlichste Aktivitaten zur Steigerung von Kundenzufriedenheit fihren konnen, mussen jene Aktivitaten identifiziert werden, wo eine Leistungsverbesserung die Kundenzufriedenheit am positivsten beeinflusst. Gebrauchliche Methoden, die die relative Wichtigkeit von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit stiftenden Kriterien bestimmen, haben verschiedene Nachteile: So werden Interaktionseffekte zwischen diesen Kriterien meist nicht beriicksichtigt und die festgestellte Relevanz der einzelnen Kriterien konnte aufgrund der Anspruchsinflation ein Messartefakt sein (Hemmasi et al. 1994). aal Eine effektive Messung von Kundenzufriedenheit in Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter muss daher Interaktionen zwischen den Evaluationskriterien erlauben. Da Zufriedenheit nicht nur Ergebnis der Interaktion mit einem bestimmten Anbieter ist, sondern auch durch Vergleich dieser Leistung mit der Leistung anderer entsteht, sollte Zufriedenheitsmessung immer auch eine Beurteilung des Wettbewerbs beinhalten. Wissen uber die Leistung des Wettbewerbs auf den fiir den Nachfrager relevanten Kriterien ermoglicht erst die Identifikation von Differenzierungspotential. aal Eine effektive Messung von Kundenzufriedenheit in Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter muss das Wettbewerbsumfeld des relevanten Marktes beriicksichtigen.
2. Anforderungen an ein Mess-Instrument Aufgrund der oben angefiihrten Uberlegungen wollen die Autoren ein Instrument zur Messung von Kundenzufriedenheit in Geschiiftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter vorstellen, das E jene Kriterien identifiziert, die im Laufe von Transaktionen zu Zufriedenheitl Unzufriedenheit mit dem Leistungsanbieter fiihren konnen.
die Wichtigkeit dieser Kriterien durch eine performance-orientierte Methode feststellt, die auch eine Interaktion zwischen den erhobenen Kriterien erlaubt. H dem Verwender Verbesserungsschwerpunkte in Abhangigkeit von StbkenISchwachen bei den einzelnen Kriterien im Vergleich m r Konkurrenz aufzeigt. M
3. Methodenmix Urn diese Zielsetmng zu erreichen, schlagen wir ein Messinstrument POMS (Process Oriented Measurement of Customer Satisfaction) vor. Dabei werden verschiedene Forschungsmethoden kombiniert. Es wird in drei Schritten vorgegangen:
3.1 SOP1 (Sequence-Oriented Problem Identification) Zur Identifikation von Zufriedenheit bzw. Unzufiiedenheit stiftenden Kriterien in Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter (Ziel a) miissen "Momente der Wahrheit" analysiert werden. Da Zufriedenheit nicht durch Leistung des Anbieters auf vordefinierten Kriterien entsteht, sondem diese im Kontext von Ereignissen abgespeichert werden, miissen diese entscheidenden Erlebnisse identifiziert werden. Sequenceoriented problem identification (SOPI) scheint dafir die geeignetste Methode zu sein (WoodsideIBstielerlBotschen 1995). SOP1 kombiniert die Vorteile des "blueprinting" (Shostack 1982) - bei dem ein Prozess geistig in seine Teilprozesse zerlegt wird - und der Critical-Incident-Technik (CIT) (Flanagan 1954, Bitner/Booms/TetreauIt 1990), die kritische (nicht typische) episodische Information zu allen Teilprozessen identifiziert. Studien, die mit SOP1 gearbeitet haben, fihrten zu anderen Ergebnissen als jene, die nur die CIT einsetzen. Durch die Zerlegung in Teilprozesse wurden Erlebnisse erinnert, die bei den Befragten f i r eine Erwahnung in der CIT nicht prbent genug waren (Woodsidel BstielerlBotschen 1995). Daher bietet SOP1 detailliertere Informationen f i r alle Phasen eines Kaufprozesses.
3.2 CA (Conjoint Analyse) Etablierte Methoden zur Kundenzufriedenheitsmessung verlangen vom Befragten, ein bestimmtes Szenario - sei es ein wirklich erlebtes oder ein hypothetisches - anhand unterschiedlicher Kriterien zu evaluieren. Dies erscheint in Geschaftsbeziehungen mit hohem integrativen Charakter problematisch, da die Leistung des Anbieters, aber auch die Erwartung des Nachfragers wahrend unterschiedlicher Phasen des Kaufprozesses durch situative Faktoren variieren kann. Eine MBglichkeit, die Zufriedenheit des Befiag-
ten bei unterschiedlichen Auspragungen der relevanten Kriterien zu erheben, bietet die Conjoint Analyse (CA) (GreedRao 197 1). CA ist die beste Methode, um den Trade-Off zwischen den Kriterien, die zu ZufriedenheitNnzufriedenheit fihren, zu erheben (Greedsrinivasan 1978, 1990). Die Conjoint Analysis wurde urspriinglich vor allem im Bereich der Neuproduktentwicklung eingesetzt (GreenlSrinivasan, 1978), hat aber in letzter Zeit auch Anwendungen im Servicebereich zur Qualitats- und Zufriedenheitserhebung gefunden (Neslin 1983, DeSarbo 1994, Ostrom/Iacobucci 1995, DanaherIMattson 1994). Die meisten dieser Studien bedienen sich dabei Kriterien, die in theoretischen Modellen zur Kundenzufriedenheit wie zum Beispiel SERVQUAL (Parasuraman et al 1988) identifiziert wurden. Danaher (1997) war der erste, der eine Prozessorientierung in die Conjoint Analyse einflieBen lassen wollte. Allerdings venvendet er nur eine geringe Zahl von prozessbasierenden Attributen und durch die fehlende Einordnung in unterschiedliche Phasen des Kaufprozesses ist eine Bestimmung der Relevanz einzelner Attribute fiir die entsprechenden Phasen nicht moglich. Eine Unterteilung der Conjoint Aufgaben nach den typischen Phasen ermoglicht dariiber hinaus die normalerweise aufgrund der Rechenkapazitat geringe Zahl an verwendeten Attributen zu erhohen. Huber (1987) argumentiert, dass Wahlaufgaben realitatsnaher sind als Reihungen oder Bewertungen. Daher empfehlen wir CBC (Choice Based conjoint) als geeignetste Methode f i r den Untersuchungszweck. CBC entspricht nicht nur den in Wirklichkeit gegebenen Rahmenbedingungen in einem Wettbewerbsmarkt (wo ja auch eine Entscheidung fiir einen Anbieter und kein Ranking aller Anbieter durch den Konsumenten erfolgt), es ermoglicht auch die Beurteilung der Kundenzufriedenheit anhand phasenspezifischer Szenarien: Den Befragten werden hypothetische Kombinationen von Anbietereigenschaften fir die einzelnen Phasen eines typischen Kaufprozesses vorgelegt und sie werden d a m ersucht, den Anbieter zu wahlen, mit dem sie sich in dieser Phase am ehesten eine zufrieden stellende Beziehung vorstellen komten. Wie in der Realitat haben sie auch die Moglichkeit, keinen der hypothetischen Lieferanten zu wahlen.
Unterschiedliche Forscher (Cohen 1966; Fazio 1986; FazioffowelVHerr 1983; Fazioffowell/William 1989; HoldenLutz 1992; WoodsideITrappey 1992a, 1992b; Thelenl Woodside 1997) haben betont, wie wichtig es f3r die Erklarung von Entscheidungsverhalten in spezifischen Einkaufssituationen ist, die Verfiigbarkeit von Wissen iiber mogliche Alternativen aus dem Langzeitgedachtnis der Konsumenten zu untersuchen. Eine automatisch aktivierte Einstellung ist mit grbljerer Wahrscheinlichkeit verhaltensrelevanter als eine, die erst durch interne Suchprozesse aus dem Gedachtnis hervorgemfen werden kann (Fazioffowell,/Williams 1989). In mehreren Untersuchungen in der Konsumgiiterbranche zeigte sich, dass Spontanassoziationen von Alternativen zu gesuchten Benefits besser in der Lage sind, tatsachliches Entscheidungsverhalten zu erklaren als Multiattributmodelle, die
rnit Ratingskalen arbeiten (WoodsideITrappey 1992a, 1992b; TheletdWoodside 1997). TOMA scheint den kognitiven Prozessen beirn tatsachlichen Entscheidungsverhalten bei wiederkehrenden Kauf- bzw. Entscheidungssituationen besser zu entsprechen. Auch wenn die Wahl unter verschiedenen Lieferanten bei Transaktionen rnit hohem integrativen Charakter moglichenveise systematischer und rnit starkerer strategischer Informationsverarbeitung erfolgt als bei Transaktionen rnit niedrigem integrativen Charakter, kann man gleichwohl davon ausgehen, dass Zufriedenheitsbeurteilungen aus den Erfahrungen mit dem jeweiligen Anbieter resultieren und auf Basis von im Gedachtnis gespeicherten Informationen erfolgen. Daher erscheint TOMA auch in diesem Bereich eine geeignete Methode, die Position eines Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz anhand einer Reihe relevanter Kriterien zu bestimmen. Dabei werden die top-of-mind Assoziationen von Anbietern zu unterschiedlichen positiv bzw. negativ formulierten Eigenschaften erhoben.
4. Fallbeispiel aus dem Business-to-Business-Sektor Fur den Test der oben konzipierten Methode POMS wurde eine empirische Studie im Business-to-Business Bereich fir einen Lieferanten der Baubranche durchgefihrt. Transaktionen im Business-to-Business Bereich sind typischerweise durch eine hohe Integrativitat gekennzeichnet. Sie beinhalten oft technisch komplizierte und erklarungsbedurftige Produkte und Dienstleistungen (Patterson/Johnson/Spreng 1997), sie dauern uber einen langeren Zeitraum (Frazier/Spekman/O'Neal 1992, Hutt/Speh 1992, RingIvan de Ven 1992) und typischenveise besteht ein Kaufprozess aus mehreren Phasen rnit Kundenkontaktsituationen (BackhausIGunter 1976, RobinsotdFarisIWind 1967). Kundenzufriedenheit bzw. Unzufriedenheit entsteht daher schon wahrend des Leistungserstellungsprozesses. In den unterschiedlichen Phasen von Transaktionen werden unterschiedliche Kriterien Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit begriinden. Aufgrund der Bedeutung des Business-to-Business - Sektors ist eine Beriicksichtigung dieser Besonderheiten in der Kundenzufriedenheitsforschung unbedingt notwendig.
4.1 Identifikation zufriedenheitsbestimmender Kriterien Nach intensiven Gesprachen rnit Mitarbeitern und Kunden des Lieferanten wurde der typische Ablauf eines Kaufprozesses skizziert und in sieben Phasen abgegrenzt (siehe Tab. 1). In der qualitativen Vorstudie wurden mit Hilfe von SOP1 f i r jede dieser sieben Phasen jene Kriterien identifiziert, die zu Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit fihren. Zu diesem Zweck wurden 78 personliche Interviews mit Kunden des Unternehmens durchgefihrt. Diese Interviews waren relativ unstrukturiert: Der Befragte wurde f i r alle sieben Phasen eines Kaufprozesses nach besonders kritischen Ereignissen befragt, die bei ihm
in der Vergangenheit zu hoher Zufriedenheit oder zu hoher Unzufriedenheit gefiihrt haben. Die Gesprache dauerten zwischen 60 und 120 Minuten, wurden von den Interviewern aufgezeichnet und zur Ganze transkribiert. Durchschnittlich enthielt jedes Interview acht kritische Ereignisse. Die Verteilung der kritischen Ereignisse auf die einzelnen Phasen ist aus Tabelle 1 ersichtlich.
Tabelle 1: Anzahl der kritischen Ereignisse nach Phasen Zur Analyse der Inhalte wurde in einem ersten Schritt ein Kategoriensystem von zwei Personen unabhangig voneinander erstellt. Unstimmigkeiten wurden ausdiskutiert, sodass letztendlich ein Kategoriensystem mit 75 Kategorien vorlag. Die Inhalte der Ereignisse wurden dann von zwei Personen unabhangig voneinander anhand dieses Kategoriensystems codiert. Die ijbereinstimmung lag anfangs bei 85 %, Nichtubereinstimmungen wurden ausdiskutiert, sodass auch die restlichen Ereignisse codiert werden konnten. Fiir jedes Ereignis wurden einerseits alle enthaltenen Kriterien, andererseits das fir die letztendliche Gemutslage ausschlaggebende - das "kritische" - Kriterium kodiert. Zusatzlich wurde die Phase, in die das Ereignis fiel, aufgezeichnet. Diese kritischen Kriterien wurden nach ihrer Haufigkeit gereiht, wobei die zehn am haufigsten genannten Kategorien fiir Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit in 60 % aller Ereignisse verantwortlich waren (siehe Tab. 2).
Tabelle 2: ZufriedenheitfUnzufriedenheit verursachende Kriterien Diese zehn Kriterien wurden im Weiteren als Attribute fiir die TOMA und CA venvendet.
4.2 Bestimmung der Bedeutung der Zufriedenheitskriterien Funf der zehn Kriterien wurden typischerweise in den Phasen vor Kaufabschluss genannt, fiinf beziehen sich direkt auf den Kauf. Aus diesem Grund und zur Vereinfachung der Aufgabenstellung fur die Befragten in der Conjoint Analyse wurden die Phasen des Kaufprozesses f i r das conjoint design auf zwei - die Vorkaufsphase und die Kaufphase reduziert. Fur beide Phasen wurden durch Variation der jeweils relevanten Kriterien spezifische Leistungsbiindel erstellt. Die Festlegung der Auspragungen der Attribute wurde nicht willkurlich vorgenommen, sondern beruht auf den Angaben der Befragten in der explorativen Phase. Dort wurde auch die typische Schwankungsbreite der Leistung auf den jeweiligen Kriterien erhoben. Die Auspragungen sind daher insofern realistisch, als sie den tatsachlichen Leistungen am Markt entsprechen. Fur jede der beiden untersuchten Phasen wurden den Befragten vier Choices mit jeweils zwei Alternativen und einer none-Option vorgelegt. Sie wurden aufgefordert, aus den zwei fiktiven Lieferanten denjenigen auszuwahlen, mit dem sie sich am besten eine zufriedenstellende Geschaftsbeziehung vorstellen konnten (siehe Anhang f i r zwei Choice Aufgaben). Die Conjoint-Analyse wurde schriftlich per Fax bei 300 zufallig ausgewahlten Kunden durchgefiihrt. Die Ergebnisse, hier nur beispielhaft angefuhrt, zeigen sowohl die Wichtigkeit der Kriterien fiir eine zufrieden stellende Geschaftsbeziehung (siehe Abb. 1) als auch die Wirkung von Veranderungen der Auspragungen der Merkmale auf die Zufriedenheit (siehe Abb. 2). Die Verlasslichkeit ist in der Vorkaufsphase das Kriterium, das am meisten zu einer zufrieden stellenden Geschaftsbeziehung beitragt, gefolgt von Engagement und Kompetenz des Aunendienstmitarbeiters. Bei welchem der Kriterien anzusetzen ist, um die Kundenzufriedenheit in der Vorkaufphase zu erhohen, Iasst sich erst nach Betrachtung der Teilnutzenwerte der Kriterien beurteilen (siehe Abb. 2). Die Nutzenwerte wurden so geschatzt, dass ihre Summe Null ergibt. Eine Steigerung der Erreichbarkeit des Anbieters
von problemloser Erreichbarkeit zu Biirozeiten auf Erreichbarkeit auch am Wochenende und abends bringt einen Nutzenzuwachs von 0,33 auf 0,4, also eine Steigerung urn 0,07. Im Vergleich zu anderen Kriterien (vgl. Abb. 3, das die Nutzen bei der besten Auspragung auf den ftinf Attributen - "Top-Leistung" - mit den Nutzen bei durchschnittlicher Auspragung - "Durchschnitt" - vergleicht) ist hier keine wesentliche Steigerung des Gesamtnutzens und damit der Zufriedenheit in der Vorkaufphase moglich. Eher sollte hier bei anderen Kriterien wie zum Beispiel bei der Steigerung der Verlbslichkeit oder der Reaktionsgeschwindigkeit bei Anfiagen angesetzt werden, um die Zufiiedenheit in dieser Phase zu erhohen.
35 30 25 20 15 10 5 0
Erreichbarkeit meiner
E Engagement1 Kompetenz VerlaBlichkeit/ Info bei
Prozent Abbildung 1: Wichtigkeit der Kriterien in der Vorkaufphase
Biirozeiten schwer I3 zu Biirozeite problemlos t~ Wochenende und abends -1
-0,5
0
Abbildung 2: Teilnutzenwerte
0,s
1
a) Top-Leistung
Durchschnitt
b) Differenz
Erreichbarkeit
0,4
0,33
-0,07
Reaktion
0,76
0,11
-0,65
Engagement
0,63
0,42
-0,21
Verlasslichkeit
1,22
0,63
-0,59
Betreuung
0,51
0,04
-0,47
Gesamtnutzen
3,52
133
-1,99
- -
Abbildung 3: Vergleich der Gesamtnutzen
4.3 Identifikation von Differenzierungsmoglichkeiten Im Rahmen der TOMA wurde f i r diese Kriterien der Superlativ in der positiven wie in der negativen Auspragung formuliert und der Befragte ersucht, jenen Lieferanten zu nennen, der ihm spontan zu dieser Eigenschaft einfallt. Zum Beispiel sollte der Befragte spontan jenen Lieferanten nennen, der ihm zu dem Statement "der Lieferant reagiert bei Anfragen am langsamsten" oder "der Lieferant ist bei Reklamationen sehr kulant" einfallt. Positive und negative Auspragungen wurden dabei abgewechselt und andere Informationen uber den Lieferanten mischen diesen Statements erhoben, um Ermiidung und Halo-Effekte zu vermeiden. Die Befragung wurde telefonisch bei 600 Kunden durchgefiihrt. Nicht jedes Statement war bei den Interviewten gedanklich mit einem bestimmten Anbieter verbunden. Wenn nicht innerhalb von wenigen Sekunden ein Lieferant genannt werden konnte, wurde in der Befragung weitergegangen. Eine Analyse der Haufigkeiten der genannten Anbieter zu den jeweiligen Eigenschaften gibt Aufschluss uber die von den Kunden wahrgenommenen Kompetenzen der verschiedenen Anbieter. Der Marktfihrer wurde am haufigsten spontan zu den Zufriedenheit stiftenden Kriterien genannt. Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse f i r das wichtigste Kriterium in der Vorkaufphase. Der Marktfiihrer wird von 10 % der Befragten zum positiv formulierten Statement assoziiert. Nur 0,4 % assoziieren dieses Unternehmen mit dem negativ formulierten Statement. Unternehmen A liegt zwar mit 8 % positiven Nennungen nicht weit hinter dem Marktfihrer zuriick, wird aber auch von 3 % der Befragten mit Unverlasslichkeit verbunden. Die Leistung von A scheint im Hinblick auf Verlasslichkeit sehr unterschiedlich zu sein. Insgesamt gesehen ist es aber offensichtlich keinem der Wettbewerber bisher gelungen, die Position des verlasslichen Anbieters in der Branche f i r sich zu behaupten. Eine Leistungsverbesserung im Hinblick auf die Zuverlassigkeit wird auf jeden Fall zu einer betrachtlichen Steigerung der Kundenzufriedenheit fiihren und
bietet zu diesem Zeitpunkt jedem der Anbieter eine Moglichkeit, sich von den Mitbewerbem zu differenzieren, da diese Eigenschaft offensichtlich bei keinem Mitbewerber stark ausgepragt ist.
Wettbewerber E Wettbewerber D
I I
Wettbewerber C Wettbewerber B Wettbewerber A Eigenes Unternehmen
0
I
I
I
I
I
I
2
4
6
8
10
Abbildung 4: Spontanassoziationen in der Vorkaufphase
5. Implikationen fur das Management von Kundenzufriedenheit Kundenzufriedenheit ist eine der popularsten abhangigen Variablen in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und Praxis. Der vermutete enge Zusammenhang zu unternehmerischem Erfolg hat eine Vielzahl an Studien zu diesem Thema initiiert. Kundenzufiiedenheit wurde dabei meist anhand einer Skala mit mehreren moglicherweise Zufriedenheit verursachenden Kriterien gemessen. Die Autoren bemeifeln die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise bei Geschaftsbeziehungen mit starkem integrativen Charakter: Durch die Einbeziehung des Konsumenten in die Leistungserstellung ist Kundenzufriedenheit nicht nur ergebnisabhangig, sondem entsteht durch Beurteilung der Leistung des Anbieters wahrend der gesamten Leistungserstellung. Aus diesem Grund muss der gesamte Kaufprozess in der Ermittlung der Kundenzufriedenheit beriicksichtigt werden. Die Autoren stellen POMS als Instrument zur Messung von Kundenzufriedenheit in GeschBftsbeziehungen mit hoher Integrativitat vor. Das Augenmerk des Instruments liegt dabei weniger auf einer nachtraglichen Uberpriifung von Kundenzufriedenheit als vielmehr in der zukunftsorientierten Einflussnahme auf Kundenzufriedenheit. Die ~berprii-
fung dieses Instruments anhand einer Studie im Business-to-Business-Bereich zeigt folgende Vorteile: @ Der Einsatz der SOPI-Technik ermoglicht die Erhebung relevanter Kriterien, die zu Zufiiedenheit oder Unzufiiedenheit fihren. Im Gegensatz zu theoretisch hndierten Item-Batterien wie in SERVQUAL oder vergleichbaren Instrumenten werden dabei Kriterien identifiziert, die bei Konsumenten mit Sicherheit zu Zufriedenheit oder Unzufiiedenheit gefihrt haben, da sie von ihnen selbst in episodisch gespeicherter Form genannt wurden. @ Durch die SOPI-Technik ist es moglich, phasenspezifische kritische Kriterien zu erheben. Es hat sich gezeigt, dass in manchen Phasen Leistungen erwartet wurden, die in anderen Phasen irrelevant sind bzw. dass das Anspruchsniveau an ein bestimmtes Kriterium im Ablauf der Transaktion variiert. Dieses Kriterium nur einmal nach Beendigung einer Transaktion zu evaluieren, wiirde daher zu verfalschten Ergebnissen fihren, die nicht in effektive MaBnahrnen umsetzbar waren. @ Die Erhebung der Wichtigkeit der einzelnen Kriterien in jeder Phase und des Zusatznutzens fiir eine Leistungsverbesserung durch die CA erlaubt eine exakte Beurteilung, wo solche Verbesserungen vom Konsumenten auch honoriert werden. Der Lieferant kann sich nun ein Bild davon machen, ob eine Investition in eine Leistungsverbesserung bei einem bestirnmten Kriterium iiberhaupt rentabel ist. Da begrenzte Ressourcen eine Steigerung bei allen Kriterien meist unmoglich machen, ist eine punktgenaue Investition in Leistungsverbesserung moglich. Der Einsatz der TOMA bietet eine im Wettbewerb unbedingt nbtige Zusatzinformation. Natiirlich ist es wertvoll, zu wissen, wie die eigene Leistung auf bestimmten Kriterien beurteilt wird. Aber nur im Vergleich zum Wettbewerb kann festgestellt werden, wo Differenzierungspotential besteht. Differenzierung durch ein Kriterium, wo man zwar gut abschneidet, das aber von einem Mitbewerber dominiert wird, erscheint nicht sinnvoll. WSihrend Kundenzufriedenheitsmessungen Starken und Schwachen normalerweise im "luftleeren" Raum feststellen, bietet die Einbeziehung der TOMA einen klaren Hinweis auf Starken und Schwachen im Vergleich zur Konkurrenz. Wahrend die CA Hinweise auf den vom Konsumenten erfahrenen Zusatznutzen bei einer Leistungssteigerung gibt, ermoglicht die TOMA eine Beurteilung, ob diese Leistungssteigerung im Verhaltnis zum Wettbewerb iiberhaupt sinnvoll ist. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die vorgestellte Methode die Vorteile qualitativer und quantitativer Methoden verbindet. Die Erhebung relevanter Kriterien erfolgt durch episodische Information der betroffenen Konsumenten, wahrend TOMA und Conjoint quantifizierbare, direkt verwertbare Ergebnisse liefern. Die vorgestellte Methode ist im Vergleich zu herkommlicher Zufriedenheitsforschung deutlich zeitaufwendiger und schwerer administrierbar. Auch stellt sich die Frage, wo der Cut-Off bei der Auswahl relevanter Kriterien nach der SOP1 erfolgen soll. Die Komplexitat der Conjoint-Aufgabe gibt natiirlich ein Limit fir die Anzahl der verwendeten Kriterien vor, was allerdings durch die Aufteilung auf verschiedene Phasen einer typischen Transaktion keine allzu starke Beschrankung bedeutet.
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Der AuRendienst des Lieferanten besucht mich nur nach telefonischer Terminvereinbarung und informiert mich effizient uber interessante Neuigkeiten.
Der AuRendienst des Lieferanten besucht mich regelmakig, hat aber nicht jedes Mal wirklich Neues zu besprechen.
Abbildung 5: CA-Erhebungsblatt
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Kurt MatzlerIElmar Sauerweidchristian Stark
Methoden zur Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren
1. Einleitung
2. Die Faktorstruktur der Kundenmfriedenheit 2.1 Grundsatzliches 2.2 Kritische Wiirdigung der empirischen Forschung
3. Methoden zur Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen 3.1 Die Critical Incident Technique 3.2 Lob- und Beschwerdeanalyse 3.3 Regressionsanalyse 3.4 Die ,,KanoU-Methode 3.5 Das Importance Grid 4. Anwendung des Importance Grid 4.1 Die Studie 4.2 Ergebnisse 4.3 Schlussfolgerungen
1. Einleitung Die Literatur zum Thema Kundenzufiiedenheit ist zwar in den letzten Jahren rasant angestiegen, allerdings beschaftigen sich nur wenige Arbeiten mit der Faktorstruktur. Im Wesentlichen ist dies auf uneinheitliche empirische Ergebnisse und auf mangelnde theoretische Fundierbarkeit zuruckzufihren. Erst in letzter Zeit haufen sich Studien zur Faktorstruktur im Dienstleistungsbereich. Dies ist vor allem auf die Wiederentdeckung der Critical-Incident-Technique und ihren haufigeren Einsatz im Rahmen der Erforschung der Dienstleistungsqualitat mriickzufuhren. Gerade diese Methode weist aber einige Mangel hinsichtlich ihrer Eignung zur Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren auf (siehe Matzler 2000, S. 13ff). Im Folgenden wird ein Uberblick uber die am haufigsten eingesetzten Methoden gegeben. Eine kritische Diskussion zeigt, dass es an einfach handhabbaren Methoden fehlt, mit denen die Zufiiedenheitsfaktoren identifiziert werden konnen.
2. Die Faktorstruktur der Kundenzufriedenheit 2.1 Grundsatzliches Obwohl die theoretische Fundierung einer Mehr-Faktor-Struktur noch nicht eindeutig gelungen ist (vgl. Stauss 1999 und Matzler 2000), konnten in mehreren empirischen Arbeiten unterschiedliche Faktoren der Zufiiedenheit identifiziert werden (fir einen ~berblicksiehe Matzler 2000 und 1997). Wahrend sich in einem fiuhen Stadium der Kundenzufiiedenheitsforschung mehrere Autoren mit dem Thema der Faktorstruktur beschaftigt haben, scheint das Thema mit einer Widerlegung der Hypothesen durch eine empirische Arbeit von Leavitt (1977) und uneinheitlichen Ergebnissen von Maddox (1981) zum Erliegen gekommen zu sein. Dass die Ergebnisse widerspriichlich ausfielen, scheint im Nachhinein betrachtet allerdings eher auf methodische Mangel zuriickzufihren zu sein. In den spaten 80er Jahren beginnen sich mehrere Wissenschaftler mit einer moglichen Mehr-Faktor-Struktur der Kundenmfiiedenheit erneut auseinanderzusetzen. Es haufen sich Arbeiten, die empirische Belege liefern. Allen voran die Arbeiten von Brandt (1988) sowie BrandtIReffet (1989), CadotteITurgeon (1988), SilvestroIJohnston (1990), Johnston/Silvestro (1990), BitnerIBloomslTetreault (1990), MershaIAdlakha (1992), Smith et al. (1 992), StaussIHentschel (1992) und Johnston (1995). Eine zunehmende Anzahl von Wissenschaftlern geht von einer Mehr-Faktor-Struktur aus (siehe z.B. zum Beispiel Oliver 1997, Schutze 1992, Dutka 1993, Deschamps/Nayak
1996, ShibalGraharnlWalden 1993, Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003, Gale 1994, Stahl2000), die zwischen folgenden Faktoren unterscheidet: @ Basisfaktoren: Sie umfassen jene Produktattribute, die Unzufriedenheit auslosen, wenn sie nicht oder nicht den Erwartungen entsprechend wahrgenommen werden. Werden sie vom Kunden wahrgenommen - auch als die Erwartungen ubertreffend fiihrt das noch nicht zu Zufriedenheit, sondern lediglich zu ,,Nicht-Unzufriedenheit". Diese Mindestanforderungen betreffen die Kernleistungen eines Produktes oder einer Dienstleistung. B Leistungsfaktoren: Dies sind jene Produkteigenschaften, die sowohl zu Zufriedenheit fiihren, wenn die Erwartungen des Kunden ubertroffen werden, als auch zu Unzufriedenheit, wenn die Erwartungen des Kunden nicht erfillt werden. B Begeisterungsfaktoren: Sie beziehen sich auf jene Produktattribute, die Zufriedenheit auslosen, wenn sie angeboten werden, aber nicht notwendigerweise Unzufriedenheit verursachen, wenn sie nicht vorhanden sind. Begeisterungsattribute werden vom Kunden nicht erwartet und erhohen deshalb den wahrgenommenen Nutzen einer Kernleistung. Hier ist eine hierarchische Struktur der einzelnen Faktoren ersichtlich: Die Erfillung von Basisfaktoren ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung zur Entstehung von Kundenzufriedenheit. Werden Erwartungen an diese erfillt, entsteht lediglich ein Status der "Nicht-Unzufriedenheit". Erst das Anbieten von Leistungs- und Begeisterungsfaktoren fiihrt zu Zufriedenheit.
2.2 Kritische Wiirdigung der empirischen Forschung Die Ergebnisse der empirischen Forschung insgesamt gehen aber teilweise weit auseinander, sowohl methodisch als auch inhaltlich. Es konnen mehrere Kritikpunkte festgehalten werden (siehe Matzler 2000): @ Die Problematik der a-priori-Festlegung der Zufriedenheitsfaktoren: Wahrend man bei den ersten Arbeiten von der Moglichkeit einer a-priori-Festlegung der Zufriedenheitsfaktoren (Satisfiers) und Unzufriedenheitsfaktoren (Dissatisfiers) ausging, scheint sich bei neueren Arbeiten die uberzeugung durchgesetzt zu haben, dass sich eine generelle Zuordnung von Produkt- bzw. Dienstleistungsattributen zu Faktoren der Kundenzufriedenheit nicht durchfiihren lasst, sondern dass diese Zuordnung von den individuellen Nutzenerwartungen der Kunden abhangt. i8# Methodenunabhangigkeit der empirischen Belege: Erhebungsmethoden, anhand derer die Faktorstruktur bestatigt werden konnte, sind die Critical Incident Technique (2.B. Johnston 1995, StaussIHentschel 1992, Bitner/Blooms/Tetreault 1990, SilvestroIJohnston 1990, Johnston/Silvestro 1990, Maddox 1981 (teilweise), und SwanICombs 1976), eine Inhaltsanalyse von Beschwerden und Lob (Cadottei Turgeon 1988) und eine Form der Delphi-Methode und Rangordnung der Produkt-
attribute nach Wichtigkeit durch den Kunden (MershaIAdlakha 1992). Unter den Auswertungsmethoden wurden Regressions- und Faktorenanalysen angewandt. Bei Brandt (1988) konnte eine Regressionsanalyse die Struktur bestatigen. Leavitt (1977) widerlegte die Hypothesen der Faktorstruktur durch eine Faktorenanalyse, wobei die Klassifikation in intrinsische und extrinsische Faktoren anhand der Variablen des Marketing-Mix Burjerst fragwiirdig ist. Es kann vorsichtig festgehalten werden, dass die Faktorstruktur der Kundenzufriedenheit methodenunabhangig ermittelt werden konnte. Gleichzeitig ist allerdings darauf hinzuweisen ist, dass in den meisten Studien die Critical Incident Technique als Instrument verwendet wurde. Aus der Forschung zur Arbeitszufriedenheit weirj man aber, dass Herzbergs Hypothesen iiber die Faktorstruktur der Zufriedenheit nur mit der von ihm verwendeten Methode bestatigt werden konnten. Zukunftige Forschungsarbeiten sollten deshalb die Faktorstruktur des Konstrukts Zufriedenheit vorwiegend mit anderen Methoden untersuchen. ,,Dienstleistungslastigkeit" empirischer Belege: Ein Grorjteil der Studien bezieht sich auf Dienstleistungen. Dies hangt mit der Wiederentdeckung der Critical Incident Technique als Erhebungsinstrument zusammen. Als ereignisorientiertes Verfahren eignet es sich bei Dienstleistungen besser als attributorientierte Verfahren, da sie ein umfassenderes und konkreteres Bild der wahrgenommenen Dienstleistungsqualitat liefert. Damit wird die Forderung nach einer Untersuchung der Faktorstruktur bei Produkten mit anderen Methoden als der Critical Incident Technique verstarkt. @ Anzahl der Zufriedenheitsfaktoren: Wahrend in mehreren - zumeist weiter zuriick liegenden - Arbeiten von einer Zwei-Faktor-Struktur ausgegangen wurde, scheint sich die Uberzeugung durchzusetzen, dass dem Konstrukt der Kundenzufriedenheit drei Faktoren zugrunde liegen: Basisfaktoren (Unzufriedenheitsfaktoren, "Dissatisfiers"), die lediglich Unzufriedenheit verhindern, aber nicht zu Zufriedenheit W e n konnen, Begeisterungsfaktoren (Zufriedenheitsfaktoren, "Satisfiers"), die Zufriedenheit erzeugen, aber nicht zu Unzufriedenheit ftihren, wenn sie nicht angebotenl wahrgenommen werden und Leistungsfaktoren (hybride Faktoren, "criticals"), die sowohl einen Einfluss auf die Zufriedenheit als auch einen Einfluss auf die Unzufriedenheit ausuben konnen. Wenn allerdings in den weiter zuriickliegenden Studien Produktattribute sowohl Unzufriedenheit als auch Zufriedenheit auslosen konnten, wurde das als Widerlegung der Hypothesen interpretiert (Maddox 1981, S. 97ff). Mehrere neuere Arbeiten, wie die Studien von Brandt (1988 S. 35ff und 1987 S. 61ff sowie BrandUReffet 1989, S. 5ff), CadotteJTurgeon (1988, S. 74ff), Silvestrol Johnston (1990, S. 193ff) und Johnston (1995, S. 53ff) stellen drei Faktoren des Konstrukts Kundenzufriedenheit fest, wobei der dritte Faktor (,,criticals", ,,hybridsc' oder ,,dual-threshold-factors") sowohl einen Einfluss auf die Entstehung von Zufriedenheit als auch auf die Entstehung von Unzufriedenheit hat. e Mangelnde theoretische Begrundungen: In den meisten Studien wird die Faktorstruktur unzureichend oder gar nicht theoretisch begriindet. Die Faktorstruktur wird lediglich aus den empirischen Ergebnissen abgeleitet.
@
Art der Zusammenhange zwischen Erfiillungsgrad und Zufriedenheit: Eine weitere offene Frage ist jene nach dem Zusammenhang zwischen dem Erfiillungsgrad der einzelnen Produkt- bzw. Serviceattribute und der Gesamtzufriedenheit. Mehrere Autoren gehen von einem nicht-linearen Zusammenhang aus (z.B. Oliver 1997, Matzler 1997, Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 2003, Bailom et al. 1996, Schutze 1992, Kano 1984): Bei zunehmendem Erfiillungsgrad von Basisfaktoren sinkt der Einfluss auf die Gesamtmfriedenheit, je stiirker die Nicht-Erfillung von Basisfaktoren durch den Kunden wahrgenommen wird, um so sthker steigt der Einfluss aber auf die Unzufiiedenheit. Bei Begeisterungsfaktoren fihrt ein hoherer Erfillungsgrad zu einem uberproportional starken Einfluss auf die Gesamtmfriedenheit. In den empirischen Arbeiten ist dies allerdings bis jetzt kaum untersucht worden. Hier gibt es erheblichen Forschungsbedarf. Eine Identifizierung von unterschiedlichen Kundenzufiiedenheitsfaktoren konnte unter Beriicksichtigung eines moglichen nicht-linearen Zusammenhangs daher praziser ausfallen.
Die Existenz einer Mehrfaktorstruktur der Kundenzufiiedenheit scheint trotz oben angefihrter Defizite in der Forschung ausreichend belegt zu sein. Fur die Praxis stellt sich damit die Frage nach einfachen Methoden mit denen mverlassig festgestellt werden kann, was jeweils Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren sind, urn daraus Schliisse f i r das Management der Kundenmfiiedenheit ziehen m konnen. Im folgenden Abschnitt werden einzelne haufig eingesetzte Methoden kurz dargestellt und kritisiert. AnschlieRend wird das Importance Grid als bisher kaum verwendetes Verfahren anhand einer empirischen Studie dargestellt.
3. Methoden zur Identifikation von Basis,Leistungs- und Begeisterungsfaktoren In der Literatur finden sich mehrere verschiedene Methoden, die es erlauben sollten, Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren zu identifizieren (siehe Tab. 1). Sie reichen von der Critical Incident Technique, der Lob- und Beschwerdeanalyse, iiber die ,,Kana-Methode", bis zu einer Regressionsanalyse mit Dummy-Variablen. Ein relativ neues und in der Fachliteratur noch kaum diskutiertes Verfahren ist das ,,ImportanceGrid". Nach einer kritischen Darstellung der anderen Methoden, wird in dieser Arbeit die Anwendung letzterer illustriert und diskutiert, ob damit Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren ermittelt werden konnen.
Methode Critical Incident Technique (CIT)
Autoren SwaniCombs (1976) Maddox (198 1) Silvestro/Johnston (1990) JohnstonISilvestro (1990) StaussMentschel (1992) Johnston (1995) BackhausIBauer (2000)
Bewertung Eignet sich besonders f i r Dienstleistungen Haufig angewendet Validitat fraglich
Lob- und Beschwerdeanalyse
CadottelTurgeon (1988)
Validitat fraglich (siehe CIT) Reliabilitat fraglich
Kano (1984) Berger et al. (1993) Bailom et al. (1996) Bailom et al. (1998) KaapkeiHudetz (1998) Sauerwein (2000) TaniShen (2000)
Reliabilitat und Validitat nicht ausreichend untersucht Einsatz der Methode sehr umstandlich
Regressionsanalyse mit DummyVariablen
Brandt (1987) MittallRossiBaldasare (1998) AndersoniMittal (2000) Matzler et al. (2004)
Expost-Messung des Erfiillungsgrades der Erwartungen problematisch Getrennte Erhebung von Erwartung und Qualitat aufwendig und problematisch
Importance-Grid
Vavra (1 997) HomburgIWerner (1 998) MatzleriSauerwein (2002) MatzlerlSauerweinMeischmidt (2002)
Pramissen des Modells uberpruft, nicht aber Validitat Validitat fraglich Geringe Anzahl empirischer Arbeiten
Tabelle 1: Methoden zur Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren (Quelle: Matzler/Pechlaner/Siller 200 1)
3.1 Die Critical Incident Technique Die Critical Incident Technique wird als bewahrtes Verfahren zur Unterscheidung von "satisfiers" (Werterhohungsqualitat) und "dissatisfiers" (Minimumqualitat) verstanden (Stauss 1999, 1994 und Cina 1989). E s wird argumentiert, dass die wichtigsten Kategorien negativer Ereignisse Erlebnisse umfassen, in denen die grundlegendsten Erwartun-
gen an einen Dienstleister verletzt wurden (Minimumqualitat). In den positiven Ereignissen sollen sich Erlebnisse widerspiegeln, in denen Kunden uber die Kernleistung hinaus etwas erhalten, was ihre Erwartungen ubersteigt und damit den wahrgenommenen Wert der Kernleistung erhoht (Werterhohungsqualitat).
- Kern des Angebotes
nicht zufrieden _ _
Posttive kritische
- erhoht den Wert der Kernle~stung - wlrd von den Kunden nlcht grundsatzl~chelwartet - Ansatzpunkt fur Proflllerung Im Wettbewerb - be1 Lelstung "Bonuspunkte" vom Kunden
Abbildung 1: Die Critical Incident Technique und Minimum- und Erhohungsqualitat (Quelle: Cina 1989) Man nimmt an, dass Konsumereignisse, die aufiergewhhnlich positive oder aufiergewohnlich negative Ereignisse darstellen, vom Kunden lange im Gedachtnis behalten werden (Stauss 1994). Nachdem kritische Ereignisse nach mehreren strengen Regeln (Stauss 1994) erhoben wurden, werden Hauptkategorien gebildet, denen die einzelnen Ereignisse zugeordnet werden. Eine Auswertung nach der Haufigkeit der einzelnen Ereignisse nach positiven oder negativen kritischen Ereignissen gibt Aufschluss uber Minimum- oder Werterhohungsqualitaten. Faktoren, die nur in Zusammenhang mit negativen kritischen Ereignissen genannt werden, sind als Minimumfaktoren zu verstehen, da sie im Falle einer positiven Wahrnehmung nicht als positive kritische Ereignisse erwahnt werden. Werterhohungsfaktoren werden nur als positive kritische Ereignisse erwahnt, da sie im Falle einer Nichtleistung nicht als negatives kritisches Ereignis wahrgenommen werden. Ein Beispiel ist die Studie von Johnston (1995) bei Kunden einer Bank (siehe Abb. 2). Demnach ware "integrity" eine eindeutige Minimumqualitat. Obwohl das Ergebnis plausibel scheint, ist allerdings nicht eindeutig nachvollziehbar, ob die geringe Anzahl positiver kritischer Ereignisse in Zusammenhang mit dieser Dienstleistungseigenschaft darauf zuriickzufiihren ist, dass Kunden, wenn hier die Erwartungen erfiillt werden, das als selbstverstandlich erachten und nicht als aufiergewohnliches Ereignis
wahrnehmen, oder ob die geringe Anzahl darauf zuriickzufiihren ist, dass die untersuchte Bank bei dieser Dienstleistungseigenschaft tatsachlich regelmafiig die Erwartungen des Kunden enttauscht. W b e dies der Fall, kbnnte aufgrund dieser Ergebnisse nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Minimumqualitat handelt. Es konnte sich durchaus auch um eine hybride Eigenschaft handeln. Umgekehrt ist es streng genommen nicht mlassig auf eine Werterhohungsqualitat zu schliefien, wenn beziiglich einer Dienstleistungseigenschaft (z.B. "friendliness") hauptsachlich nur positive kritische Ereignisse erwahnt werden. Hier konnte es ebenfalls durchaus moglich sein, dass der entsprechende Anbieter die Erwartungen des Kunden regelmarjig erfillt. Es ist nicht nachvollziehbar, ob die Anzahl der positiven kritischen Ereignisse deshalb mstande kommt, weil Kunden, falls die Bankmitarbeiter unfreundlich waren, dies deshalb nicht als negatives kritisches Ereignis erleben, weil sie sich Freundlichkeit nicht erwarten oder ob es ganz einfach keine oder nur sehr wenige Falle von Unfreundlichkeit gibt. Damit konnte es sich auch hier zumindest um eine hybride Dienstleistungseigenschaft handeln.
Communication
Abbildung 2: Positive und negative kritische Ereignisse in der Studie von Johnston (1995, S. 63) "Security" ware nach dieser Studie eine Dienstleistungseigenschaft, die fix den Kunden irrelevant ist (neutral), da sie weder als positives noch als negatives kritisches Ereignis
wahrgenommen wird. Auch hier ist nicht nachvollziehbar, ob es sich wirklich um eine unwichtige Dienstleistungseigenschaft handelt, oder ob es sich um eine Minimumqualitat handelt und die Erwartungen immer erfiillt werden bzw. um eine Werterhohungsqualitat, bei der die Erwartungen immer enttauscht werden. Die Konsequenzen einer Fehleinschatzung waren im Falle einer Minimumqualitat fatal. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Methode der kritischen Ereignisse als Instrument zur Ermittlung von unterschiedlichen Zufriedenheitsfaktoren angewandt auf einzelne Unternehmungen zur Fehlinterpretationen fiihren kann, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Erfiillung bzw. Nicht-Erfiillung von Erwartungen bei einzelnen Kriterien normalverteilt. Auf aggregierter Ebene (z.B, mehrere Filialen, Branche usw.) scheint die Methode eher brauchbar, da sich die Wahrscheinlichkeit erhbht, dass Erfillung bzw. Nicht-Erfillung von Erwartungen sich verteilen.
3.2 Lob- und Beschwerdeanalyse CadotteITurgeon (1988, S. 74ff) untersuchen in zwei Studien das Beschwerdeverhalten von Restaurantbesuchern und HotelgSisten und fihren eine Inhaltsanalyse von Gastebeschwerden und -lob durch. In der Restaurantstudie werden 432 Restaurantbesitzer bzw. manager aufgefordert, f i r insgesamt 26 Serviceattribute auf einer Skala von 1 (selten) bis 5 (sehr haufig) anzugeben, wie oft sie Beschwerden bzw. Lob in Bezug auf die einzelnen Serviceattribute erhalten. Die Autoren stellten fest, dass sich die Serviceattribute zwischen Beschwerdefihrern und Kunden, die Lob aussprachen, eindeutig unterscheiden. Serviceattribute konnen in vier Kategorien unterteilt werden, die folgenden Zusammenhang zwischen wahrgenommener Qualitat und Zufriedenheit aufweisen: ,,Dissatisflers " sind jene Serviceattribute, die bei Abwesenheit oder schlechter wahrgenommener Qualitat Unzufriedenheit auslosen, die zu Beschwerden fiihrt. Das Vorhandensein dieser Serviceattribute oder eine iiber den Erwartungen liegende wahrgenommene Qualitat fiihrt auf der anderen Seite nicht zu Zufriedenheit und damit zu Lob durch den Kunden. @ ,,Satisflers" sind jene Variablen, die - sofern sie als iiber den Erwartungen liegend wahrgenommen werden - zu Zufriedenheit und damit zu Lob fiihren, aber nicht zu Unzufriedenheit und zu Beschwerden, wenn sie nicht vorhanden sind oder der normalen, erwarteten Leistung entsprechen. ,,Criticalsl' sind Serviceattribute, die in der Lage sind, sowohl Zufriedenheit und damit Lob als auch Unzufriedenheit und damit Beschwerden auszulosen. ,,Neutrals" schliefilich sind jene Serviceattribute, die kaum Gegenstand von Beschwerde oder Lob sind. Sie sind entweder relativ unwichtig oder relativ leicht zu erfiillen.
The most frequent Complaints Average Rank order of rating frequency Availability of parking 1.89 1 Traffic congestion in 1.88 2 establishment Quality of service 1.85 3 Price of drinks, meals and other services Noise level
1.63
4
1.60
5
Helpful attitude of employees Food qualitylmethod of preparation Spaciousness of establishment Hours of operation
1.59
6
The most frequent compliments Average Rank order of rating frequency Quality of service 3.80 1 Food qualitylMethod 3.72 2 of preparation Helpful attitude of 3.66 3 employees Cleanliness of estab3.37 4 lishment Neatness of estab3.35 5 lishment 6 Size of portions 3.35
1.53
7
Employee appearance
3.16
7
1.50
8
Quantity of service
3.10
8
1.48
9
2.94
9
1.46
10
Responsiveness of complaints Price of drinks, meals, and other services
2.91
10
Quantity of service
Abbildung 3: Beschwerden und Kundenlob bei Restaurantbesuchem nach der Studie von CadotteITurgeon (1 988, S. 75) Auch wenn hier die Ergebnisse eindeutig sind, sind dieser Methode enge Grenzen gesetzt. Nur ein geringer Teil der unzufriedenen Kunden beschwert sich, das gleich gilt fir Lob. Die Intensitat des Beschwerdeverhaltens wurde zunachst haufig als direkt proportional zum AusmaD der Zufriedenheit angesehen. Eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen der Beschwerdeforschung zeigt hingegen, dass vor allem folgende Aspekte Determinanten dieser Verhaltensalternative nach erlebter Unzufiiedenheit sind (vgl. Stauss 1989): B Eindeutigkeit der Ursachenattributierung: je eindeutiger die Ursache der Unzufiiedenheit dem Hersteller zugeschrieben wird, urn so eher beschweren sich Kunden; B Relevanz des Konsumereignisses: die Beschwerdetatigkeit steigt, je wichtiger das Konsumereignis in finanzieller oder sozialer Hinsicht fir den Konsumenten ist; 3 Art des Problems: je eher es sich um manifeste Probleme mit geringem subjektiven Ermessens- und Bewertungsspielraum handelt, um so wahrscheinlicher sind Kundenbeschwerden; B Beschwerdekosten: je geringer die Beschwerdekosten in materieller und zeitlicher Hinsicht wahrgenommen werden, um so hoher ist die Beschwerdebereitschaft; M Erfolgswahrscheinlichkeit: Die Beschwerdetatigkeit der Konsumenten steigt mit der subjektiv eingeschatzten Erfolgswahrscheinlichkeit; s Personlichkeitsvariablen: als Determinante fiir Beschwerdeverhalten spielt die Personlichkeitsstruktur des Konsumenten eine bedeutende Rolle. Der typische Beschwerdeftihrer wird nach den Ergebnissen mehrerer Studien eher als jiinger,
mannlich, von gehobener Ausbildung und mittlerem bzw. hoherem Einkommen charakterisiert. Kunden nehmen also eine interne Kosten-Nutzen-Abschatzung vor, von deren Ergebnis die Wahrscheinlichkeit einer Beschwerde als Reaktion auf eine erlebte Unzufriedenheit abhangt. Daher liefern Lob und Beschwerden mit Sicherheit ein unvollst5indiges und verzerrtes Bild, da auch psychologische Prozesse wie kognitive Dissonanz, Kausalattributionen und Vergessen eine Rolle spielen. Dariiber hinaus gelten die gleichen Einschrankungen wie f i r die Critical Incident Technique.
3.3 Regressionsanalyse Brandt (1988, S. 35ff und 1987, S. 61ff sowie Brandtmeffet 1989, S. 5ff) verwendet eine Regressionsanalyse um drei verschiedene Kategorien von Attributen einer Dienstleistung zu identifizieren, die einen unterschiedlichen Einfluss auf die wahrgenommene Servicequalitat und die Kundenzufi-iedenheit haben: P1 Penalty-Faktoren (auch minimum requirements), deren Vorhandensein nicht aus-
reicht, um die wahrgenommene Servicequalitat zu steigern, deren Fehlen oder unzureichende Leistung aber beim Kunden Unzufi-iedenheit auslijst, @i Reward-Faktoren (auch value-enhancing features), die eine hijhere Qualitatswahrnehmung beim Kunden und damit Zufi-iedenheitssteigerung bewirken, ohne dass ihr Fehlen ein schlechtes Qualitatsurteil und damit Unzufriedenheit auslBst und hybride Faktoren (hybrids), die sowohl einen Einfluss auf die Zufi-iedenheit als auch einen Einfluss auf die Unzufi-iedenheit haben, wenn sie iiber b m . unter den Erwartungen der Kunden liegen. Brandt misst die durchschnittliche Steigerung der Gesamtzufriedenheit in Bezug auf die Wahrnehmung der einzelnen Serviceattribute iiber den Erwartungen sowie die durchschnittliche Senkung der Gesamtzufi-iedenheit in Bezug auf die Wahrnehmung einzelner Serviceattribute unter den Erwartungen. Wenn bei bestimmten Attributen die Wahrnehmung der Servicequalitat uber den Erwartungen zu einer Steigerung der Gesamtzufriedenheit fihrt, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein ,,value-enhancingL'Attribut handelt, wahrend es sich um ein ,,minimum requirement" handelt, wenn die Wahrnehmung unter den Erwartungen die Gesamtzufriedenheit sinkt.
Anmerkung: Penalty und Reward Indices sind unstandardisierte Regressionskoeffizienten
Abbildung 4: Minimum-requirements und value-enhancing elements in der Studie von Brandt (1987, S. 63, siehe hierzu auch Haller 1993, S. 27) Er bedient sich bei seiner Analyse eines Spezialtyps der multiplen Regressionsanalyse mit dem Einsatz von Dummy-Variablen, wobei je ein Set zur Ermittlung der RewardFaktoren und ein anderes zur Ermittlung der Penalty-Faktoren dient. Die Kunden werden gebeten, einmal die Gesamtzufi-iedenheit und einmal die Zufi-iedenheit mit den einzelnen Serviceattributen auf einer Likert-Skala anzugeben. Fur jede Markierung, die iiber bzw. unter dem Mittelwert der Skala liegt, wird das entsprechende Dummy-Set auf I gesetzt, das andere auf 0. Mit diesen Dummies und der Gesamtbeurteilung als abhiingige Variable wird die Regressionsanalyse durchgefiihrt (Brandt 1987, S. 62ff, siehe hierzu auch Haller 1993, S. 26f). In seiner empirischen Untersuchung uber die Zufiiedenheit mit einer Transportunternehmung kam er zu eindeutigen Ergebnissen (siehe Abb. 4).
Das ,,Dringlichkeitsbewusstsein bei der Reaktion auf Probleme" ist als ,,hybridesC'Attribut zu klassifizieren, da es sowohl einen Einfluss auf die Zufriedenheit als auch auf die Unzufi-iedenheit hat. Die anderen Serviceattribute konnen sehr klar den verschiedenen Faktoren zugeordnet werden. Das Problem der Regressionsanalyse besteht erstens darin, dass eine Expost-Erhebung der Erwartung schwierig ist. Zweitens konnen nur bestehende Produkt- oder Dienstleistungseigenschaften uberpriift werden konnen. Neue, noch nicht vorhandene Attribute, konnen nicht hinsichtlich ihrer ,,Begeistemngsfahigkeit" getestet werden.
3.4 Die ,,Kana"-Methode Basisanfordenmgen, Leistungs- und Begeistemngseigenschaften sowie Produktanforderungen, denen der Kunde indifferent gegeniibersteht, konnen auch anhand eines vom japanischen Wissenschaftler Noriaki Kano entwickelten Fragebogens klassifiziert werden. Fiir jede Produkteigenschaft werden zwei Fragen formuliert, zu denen der Befragte jeweils finf Antwortmoglichkeiten hat (vgl. Kano 1984). Die erste Frage bezieht sich auf die Reaktion des Kunden, wenn die Produkteigenschaft vorhanden ist (funktionale Form der Frage), die zweite auf die Reaktion, wenn die entsprechende Produkteigenschaft nicht vorhanden ist (dysfunktionale Form der Frage). Durch die Kombination der zwei Antworten in einer Auswertungstabelle lassen sich die Produkteigenschaften klassifizieren. Antwortet beispielsweise der Kunde auf die funktionale Form der Frage: ,,Wenn der Kantengriff Ihres Skis auf harter Piste gut ist, wie denken Sie dariiber?", mit: ,,Das wurde mich sehr freuen", und auf die dysfunktionale (negative) Form der Frage: ,,Wenn der Kantengriff Ihres Skis auf harter Piste schlecht ist, wie denken Sie dariiber?" mit: ,,Das ist mir egal", oder: ,,Das konnte ich eventuell in Kauf nehmen", ergibt sich aus der Kombination der Fragen in den Zeilen und Spalten der Auswertungstabelle die Kategorie A. Die Produktanforderung ist fur den Kunden eine Begeisterungseigenschaft. Ergibt sich aus der Kombination der Antworten die Kategorie ,,In, heil3t das nichts anderes, als dass diese Produkteigenschaft f i r den Kunden unerheblich ist. Es ist ihm praktisch egal, ob sie vorhanden ist oder nicht. In jedem Fall aber ist er nicht bereit, d a h r zusatzliches Geld auszugeben. Die Kategorie ,,M" steht f i r Basiseigenschaften. Das Feld ,,Qn steht f i r ,,questionable result". Normalerweise fallen keine Antworten in diese Kategorie. Diese Kombination entsteht nur, wenn entweder die Frage falsch gestellt wurde oder der Befragte die Frage missverstanden hat oder ganz einfach irrtumlich eine falsche Antwort angekreuzt hat.
Wenn sich aus der Auswertungstabelle die Kombination ,,R" ergibt, bedeutet dies, dass dieses Produktkriterium vom Kunden nicht erwunscht ist und sogar das Gegenteil erwartet wird. Bei Urlaubsreisen kann es beispielsweise durchaus sein, dass ein bestimmtes Kundensegment ein durchgeplantes Tagesprogramm wiinscht, wahrend andere dies hingegen als sttirend empfinden wurden.
Auswertung: 1. Fragebogen
+
FunMlonale Form
der F R g e
Wen" Sle in das Praduklentwi&lungsprogramm lhrel Lleferantsn slngebunden werden. wle denken Sle darubon
yp
wurde
,D,
aehr
.
setre ,chva,svr
0 Dar d mlr egai Das konnte
I*evtl
m Kaufnehmsn
0 Oar wurde mlch rehr stbren Wenn Sie nioht ~n d a r
Das m r d e mlch sehr heven
3. Ergebnistabelle
FaE-Progrsmm
1
Endkundenweib Etc
Abbildung 5: Kano-Methodik (Quelle: Bailom et al. 1996) Aus den Kombinationen der Antworten ergibt sich also die Klassifikation der einzelnen Produkteigenschaften in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen. Die einfachste Form ist die Auswertung und Interpretation nach den haufigsten Nennungen. Demnach ware der Kantengriff eine Basisanforderung (49,3 %), die Drehfreudigkeit eine Leistungseigenschaft (45,l %) und die Serviceleistung an Kanten und Belag eine Begeisterungseigenschaft (63,s %) (Abb. 6). Produkteigenschaft Kantengriff Drehfreudigkeit Service
A 7 10,4
63,8
0 32,3 45,l 21,6
M 49,3 30,5 2,9
I 9,5 11,5 8,5
R 0,3 1,2 0,7
Q 1,5 1,2 2,5
Gesarnt 100 % 100% 100 %
Abbildung 6: Beispiel einer Kano-Auswertung (Quelle: Bailom et al. 1996)
Kategorie M
0 A
Die Reliabilitat und Validitat dieser Methode wurde von Sauerwein (2000) uberpriift und kann als zufiieden stellend betrachtet werden. Allerdings ergibt sich eine Reihe von Problemen in der praktischen Anwendung: Bei mehreren zu uberpriifenden Attributen wird der Fragebogen sehr lang @ Es zeigen sich relativ schnell Ermudungserscheinungen beim Probanden aufgrund der zweifachen Frageweise mit jeweils 5 Antwortmoglichkeiten B Aufgrund der etwas komplizierten und uniiblichen Fragetechnik ist die Methode fiir schriftliche Befiagungen kaum geeignet. Daher ist der Einsatz haufig sehr kostenintensiv.
3.5 Das Importance Grid Vavra (1997, S.384) und Klein (1995, S. 192) stellen eine Methodik zur Feststellung verschiedener Faktoren vor, bei der aufgrund der direkt erfiagten (expliziten) Wichtigkeit einzelner Produkt- oder Dienstleistungsattribute im Vergleich zur indirekte errechneten (impliziten) Wichtigkeit Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren identifiziert werden. Es wird dabei unterstellt, dass sich explizite und implizite Wichtigkeit von Produkt- und Dienstleistungseigenschaften unterscheiden konnen. Fragt man Kunden nach der Wichtigkeit einzelner Leistungskomponenten, werden Basisfaktoren als die wichtigsten, Leistungsfaktoren als zweitrangig und Begeisterungsfaktoren als im Vergleich unwichtig erachtet. Dies deck sich aber nicht mit den Grundgedanken einer Mehrfaktorstruktur der Kundenzufiiedenheit. Fragt man beispielsweise einen Fluggast wie wichtig ihm ,,kein Verlust oder keine Beschadigung von Gepackstucken" ist, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit ,,sehr wichtig" antworten. In Wirklichkeit wird das aber seine Zufriedenheit kaum beeinflussen. Dies kann man beispielsweise anhand einer Regressionsanalyse feststellen. Faktoren wie ,,Komfort im Flugzeug", ,,Servicea usw. werden sich aufgrund der indirekt errechneten Wichtigkeit als bedeutender erweisen. Gleiches gilt beispielsweise f i r das Kriterium ,,FreundlichkeitU eines Bankmitarbeiters in Relation zu ,,Richtigkeit und ZuverlSissigkeit in der Kontoabrechnung". Freundlichkeit wird relativ unwichtig eingestuft - im Vergleich zu Richtigkeit und Zuverlassigkeit. Eine Regressionsanalyse wird allerdings zeigen, dass eine hohe Zufriedenheit stark durch Freundlichkeit der Mitarbeiter beeinflusst wird. Da Richtigkeit und Zuverlilssigkeit der Kontoabrechnung Basisfaktoren sind, beeinflussen sie auch nicht die Zufiiedenheit, sie fihren lediglich zu einem Status der ,,Nicht-Unzufriedenheit". Bei Importance Grid wird nun zum einen die Wichtigkeit der zu untersuchenden Eigenschaften direkt abgefiagt, indem der Proband gebeten wird, diese beispielsweise auf einer Skala von 1 bis 7 (aunerst unwichtig bis aul3erst wichtig) oder durch die Konstantsummen-Methode anzugeben. Ebenso werden aber die Wichtigkeiten indirekt abgeleitet, indem die Einzelzufiiedenheiten gegen ein MaB der Gesamtzufiiedenheit multipel linear
regressiert werden. Im Allgemeinen werden die standardisierten Koeffizienten der multiplen Regressionsgleichung venvendet. Diese beiden Werte pro Attribut werden dann in ein zweidimensionales Wichtigkeitsgitter eingetragen. Direkt abgefragte Wichtigkeiten werden auf der horizontalen Achse, indirekt abgeleitete werden auf der vertikalen Achse aufgetragen. Aus der Kombination beider Werte ergeben sich vier Quadranten. Attribute im Quadrant I sind als Begeisterungsfaktoren (Satisfier) zu betrachten. Sie werden vom Kunden an und fiir sich bei der direkten Wichtigkeit niedrig eingestuft, haben andererseits aber einen grol3en indirekten Einfluss auf die Zufriedenheit. 8% Performance Factors (Leistungsfaktoren) (high importance): Attribute, deren direkte und indirekte Wichtigkeit ubereinstimmen, sind als One-Dimensionals zu qualifizieren. @ Performance Factors (Leistungsfaktoren) (Low Importance): Fur diese Attribute gilt dasselbe wie fiir die Attribute in Quadrant 11, allerdings sind sie von geringerer Bedeutung f i r den Kunden. B Basisfaktoren (Dissatisfier): Diese Attribute werden vom Kunden bei der direkten Wichtigkeit als sehr wichtig eingestuft, haben allerdings keinen bzw, nur sehr geringen indirekten Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit. Die zwei Dimensionen werden anhand der Mittelwerte in ,,hoch6'und ,piedrig" geteilt.
4. Anwendung des Importance Grid 4.1 Die Studie Im Rahrnen einer Untersuchung uber die Zufriedenheit interner EDV-Dienstleistungen eines Krankenhauses wurden 171 interne Kunden uber die Zufriedenheit mit den Leistungen der EDV-Abteilung beffagt. Anhand von Fokusgruppeninterviews wurden zunBchst Zufriedenheitskriterien ermittelt, die dann anhand eines schriftlichen Fragebogens durch die Kunden bewertet wurden. Die Zufriedenheit mit den einzelnen Leistungskomponenten und die Gesamtzufriedenheit wurden anhand einer 5-Punkte-Skala gemessen. Um den Effekt der ,,Anspruchsinflation" von Wichtigkeitsskalen zu vermeiden, wurde die relative Wichtigkeit der einzelnen Zufiiedenheitskriterien anhand der Konstantsummen-Methode ermittelt. Im Folgenden wird anhand dieser Studie gezeigt, wie durch das Importance Grid Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren identifiziert werden konnen.
r
.-* m
r 8 1. Begeisterungsfaktoren
II. Leistungsfaktoren (wichtig)
Y
.-m
E
20 .N .-
-2
m
.-mC
Ill. Leistungsfaktoren (unwichtig)
IV. Basisfaktoren
niedrig
hoch
Explizite Wichtigkeit
Abbildung 7: Das Importance Grid (Vavra 1997, S. 385)
4.2 Ergebnisse Mittels einer multiplen Regressionsrechnung wurden die standardisierten Regressionskoeffizienten errechnet, die Gesamtmfiiedenheit stellte dabei die abhangige und die Zufriedenheit mit den Teilzufiiedenheiten die unabhangigen Variablen dar. Die 5 Attribute erwiesen sich als signifikant auf dem Niveau p=0.05. Das korrigierte Bestimmtheitsma13 R~ betragt 0,559.
Arithm. Mittel
20,OO
0,244
Abbildung 8: Explizite (Arith. Mittelwert) und implizite Wichtigkeit (Regkoeff. signifikant gegen p=0,05).
Project 'Management
Accessibility
+
Reliability
'
Competence
Friendliness
I
Explicit self-stated importance
I
I
Abbildung 9: Das Importance Grid
Abbildung 9 enthalt das Importance Grid, zur Trennung der Dimensionen in hoch und niedrig wurde jeweils das arithmetische Mittel verwendet. Projektmanagement ist ein Begeisterungsfaktor, Erreichbarkeit und Kompetenz sind Basisfaktoren und Freundlichkeit und Zuverlbsigkeit sind Leistungsfaktoren. Ein Vergleich mit der Penalty-Reward-Contrast-Analyse fuhrt allerdings zu einem anderen Ergebnis (siehe Abb. 10).
-
f r~endl~ness
- - - - ---
0.159*
* statistically sign. at the 95% level of confidence .
-.
project managemnt
-0,343"
-.... .---
Note: Penalty and Reward Indices are standardized regression coefficients
Abbildung 10: Klassifizierung anhand der Penalty-Reward-Contrast-Analyse (Quelle: MatzlerISauerwein 2002) In diesem Fall fihren die zwei Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen. Obwohl die hinter dem Importance Grid stehenden Annahmen gepriift und bestatigt werden konnten (MatzlerISauerwein 2002), scheint das Importance Grid zu einer anderen Klassifizierung zu fihren. Dafir werden mehrere mogliche Griinde angefihrt. MatzlerISauerwein (2002) fihren vor allem die Problematik der direkt erfiagten Wichtigkeit an, die zu schwer interpretierbaren Ergebnissen fihrt. Vor allem ist schwer nachvollziehbar, ob der Kunde sein Wichtigkeitsurteil in Bezug auf hohe oder niedrige Qualitat des Attributes gibt. Da Wichtigkeit im Kano-Modell der Kundenzufiiedenheit eine Funktion der Zufiiedenheit ist, kann es hier zu Interpretationsschwierigkeiten kommen (siehe MatzlerISauerwein 2002). Hier sind weitere empirische Arbeiten notwendig. Ein weiteres Problem ist die Grenzziehung zwischen den Probanden anhand des Mittelwertes. Das ist rein willkiirlich. Allein die Auswahl der Attribute beeinflusst die Mittelwerte und wiirde zu unterschiedlichen Interpretationen fuhren.
4.3 Schlussfolgerungen Die Drei-Faktor-Theorie der Kundenzufiiedenheit hat einige wichtige Implikationen fiir das Management von Kundenzufriedenheit. Die Attributwichtigkeit kann bei Basis- und Begeisterungsanforderungen als Funktion der Zufriedenheit betrachtet werden. Bei hoher Attributzufriedenheit ist die Wichtigkeit niedrig, bei niedriger Zufiiedenheit ist das Attribut von zentraler Bedeutung, wenn es sich um eine Basiseigenschaft handelt. Das bedeutet, dass eines der gangigsten Instrumente des Zufriedenheitsmanagements, das Zufiiedenheitsportfolio (Importance-Performance-Analyse) mit den Dimensionen Wichtigkeit und Zufiiedenheit, m uberdenken ist (siehe auch MatzlerlSauenveinl Heischmidt 2002). In diesem Instrument wird beispielsweise vorgeschlagen, dass unwichtige Attribute bei hoher Zufiiedenheit ,,irrelevante Vorteile" darstellen, auf die man verzichten kann und Ressourcen besser in wichtige Attribute investiert. Handelt es sich bei diesem Attribut um eine Basiseigenschaft, die unwichtig ist, solange man mit ihr mfrieden ist, ware die Folge fatal: Bei abnehmender Zufriedenheit stiege die Wichtigkeit. In diesem Beitrag wurden die gangigen Methoden zur Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften kritisch diskutiert. Einzelne Methoden wurden vorgestellt und es wurde gezeigt, dass auch das Importance Grid problematisch ist. Es bleiben einige Fragen offen, die in zukunftigen Arbeiten m behandeln sind. MatzIerISauerwein (2002) konnten zwar die hinter der Methode liegenden Annahmen empirisch bestatigen, die Validitat und Reliabilitat sind aber noch unter Beweis zu stellen. Ein Vergleich mit anderen Methoden ware hier wunschenswert. Als Problem stellt sich auch die Einteilung der Quadranten anhand der Mittelwerte auf Ordinate und Abszisse. Diese erfolgt willkiirlich. Die Identifizierung von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren hangt daher stark von der Wahl der Grenzziehung zwischen niedriger und hoher Wichtigkeit ab. Als weiterer Nachteil erweist sich, dass die Attribute zwar in Basis-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften klassifiziert werden konnen, aber die Kurvenverlaufe nicht bekannt sind. Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung bzw. Verfeinerung waren beispielsweise empirische Versuche, die Kurvenverlaufe anhand nicht-linearer Regressionsanalysen zu schatzen. Damit konnten die Kurvenverlaufe modelliert und iiberpriift werden. Auch wenn die Methode plausibel und nachvollziehbar scheint, sind weitere empirische Arbeiten dringend notwendig.
In diesem Beitrag wurden mehrere Methoden zur Identifikation von Basis-, Leistungsund Begeisterungsfaktoren vorgestellt. Alle Methoden verfiigen iiber spezifische Stbken
und Schwachen, so dass behauptet werden muss, dass es bisher kaum gelungen ist, einfach anwendbare Methoden zu entwickeln, die reliabel und valide die Faktoren der Kundenmfriedenheit bestimmten konnen. Das Importance Grid wurde anhand einer empirischen Studie dargestellt und getestet. Auch dieses Instrument kann nicht iiberzeugen.
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Univ.-ProJ Dr. Kurt Matzler Institut fur Internationales Management Johannes Kepler Universitat Linz Altenberger Str. 69 A-4040 Linz www. imgmt.jku. at Dr. Elmar Sauenvein Howbth & Partner Bavariaring 17 0-81 679 Munchen Mag. (FH) Christian Stark Schmiedgasse 3 A-6020 Innsbruck
Bernd Stauss
Beschwerdemanagement als Instrument der Kundenbindung
1. Problemstellung
2. Beschwerdezufriedenheit 2.1 Entstehung von Beschwerdezufriedenheit 2.2 Die Beschwerdeantwort-Toleranzzone 2.3 Determinanten der Beschwerdezufriedenheit 2.4 Gegenstand der Beschwerdezufriedenheit 3. Beschwerdezufriedenheit und Kundenbindung 4. Konsequenzen f i r eine gezielte Nutmng des Beschwerdemanagements zur Kundenbindung
1. Problemstellung Unternehmen aus vielen Branchen agieren seit Jahren auf Kaufermarkten mit niedrigen Wachstumsraten. In dieser Situation lassen sich neue Kunden oft nur durch Einsatz hoher Werbekosten gewinnen, die sich nicht durch einmalige Kaufakte, sondern erst iiber eine Folge von Transaktionen im Rahmen einer langerfristigen Geschaftsbeziehung amortisieren. Dauerhafte Kundenbeziehungen bieten zudem neben den Umsatzeffekten aufgrund von Wiederkaufen eine Reihe weiterer Vorteile, so u.a. Cross-Selling-Effekte, vermehrte Kundenempfehlungen, Kostenreduzierungen und Chancen aus einer im Zeitablauf sinkenden Preissensitivitat der Kunden (Heskett et al. 1994; Diller 1995, S. 31ff.; Peter 1997, S. 41ff.). Mit wachsender Einsicht in das Bkonomische Potential des bestehenden Kundenstamms riickt ,,Kundenbindung6' mehr und mehr in das Zentrum strategischer Zieliiberlegungen. Dabei lassen sich zwei Ansatzpunkte unterscheiden: Zufiiedenheitsmanagement und Beschwerdemanagement. Im Zufriedenheitsmanagement geht es vor allem darum, das Entstehen von Unzufiiedenheit zu vermeiden und Kundenbindung iiber eine Erhbhung des Leistungswertes (z.B. durch exklusive Vorteile als Clubmitglied oder Kundenkarteninhaber) zu erreichen. Mit Hilfe des Beschwerdemanagements wird angestrebt, Geschaftsbeziehungen, die aufgrund von Kundenunzufriedenheit briichig geworden sind, durch Wiedergutmachung und Problemlosung zu festigen. Beschwerdemanagement umfasst einen komplexen unternehmerischen Handlungsbereich, in dem Umfiiedenheitsartikulationen von Kunden angeregt, entgegengenommen, bearbeitet, beantwortet und im Hinblick auf Verbesserungspotentiale ausgewertet werden. Diese Thematik wurde bereits zu Beginn der 80er Jahre intensiv diskutiert (Hansen 1979; Bruhn 1982; Riemer 1986; Hoffinann 1991), sie hat aber gerade im Zusammenhang der Kundenbindungsdiskussion eine erneute und verstBkte Aufinerksamkeit gefbnden (Hansen/Jeschke/Schober 1995; StaussISeidel 1996). Ein wesentlicher Grund dafiir ist der in empirischen Studien vielfach belegte Sachverhalt, dass durch Beschwerdemanagement Beschwerdezufiiedenheit erreicht werden kann und dass sich diese in starkerer Kundenbindung niederschlagt. Allerdings gibt es bisher nur wenige Beitrage, die sich auf theoretischer Ebene mit dem Konstrukt ,,Beschwerdezufiiedenheit" befassen und darauf aufbauend den Zusammenhang zwischen Beschwerdezufiiedenheit und Kundenbindung genauer untersuchen (Stauss 1998b). Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, zur Reduzierung der diesbeziiglichen Erkenntnisliicke beizutragen. Zu diesem Zweck wird zunachst das Konstrukt ,,Beschwerdezufiiedenheit" theoretisch entwickelt (Kapitel2). Auf dieser Basis wird m m einen konzeptionell, zum anderen unter Verwendung empirischer Daten der Zusammenhang zwischen Beschwerdezufiiedenheit und Kundenbindung naher betrachtet (Kapitel 3). Die dort dargestellten Einsichten bilden die Grundlage fiir Handlungsempfehlungen, die aufzeigen, wie mit Hilfe des Beschwerdemanagements Beschwerdezufiiedenheit und Kundenbindung positiv beeinflusst werden konnen (Kapitel4).
2. Beschwerdezufriedenheit ,,Beschwerdezufriedenheit" ist die Zufriedenheit des Kunden mit der Antwort des Unternehmens auf seine Beschwerde. Sie ist somit zu unterscheiden von der iiblicherweise betrachteten Zufriedenheit des Kunden mit einem gekauften Produkt bzw. einer Dienstleistung, die - aus Unterscheidungszwecken - im Folgenden als ,,Leistungszufriedenheit" bezeichnet wird. Oliver (1996, S. 368) nennt die Leistungszufriedenheit auch ,,primarya, die Beschwerdezufriedenheit ,,secondarya Zufriedenheit. Damit macht er auf den wichtigen Sachverhalt aufmerksam, dass sich Leistungs- und Beschwerdezufriedenheit nicht nur auf unterschiedliche Sachverhalte beziehen, sondem dass Leistungs- und Beschwerdezufriedenheit auch in einem zeitlich sequentiellen Verhaltnis zueinander stehen. Ausgangspunkt ist die Unzufriedenheit des Kunden mit einem Aspekt der Leistung (Leistungsunzufriedenheit), die ihn dam bewegt, eine Beschwerde zu artikulieren. Die Beurteilung der untemehmerischen Antwort auf seine Beschwerde fiihrt zu Beschwerdezufriedenheit oder -unmfriedenheit, die wiederum Riickwirkungen auf die Leistungszufriedenheit hat: Die bestehende Leistungsunzufriedenheit kann verstarkt, abgebaut oder gar in Leistungszufriedenheit umgewandelt werden. Insofem ist es plausibel, dass Beschwerdezufriedenheit auch erheblichen Einfl uss auf die Bereitschaft des Kunden hat, an einer Geschaftsbeziehung festzuhalten. Um allerdings genauere Einsichten in diese Zusammenhange zu gewinnen, ist es erst einmal notwendig, das Konstrukt ,,Beschwerdezufiiedenheit" im Hinblick auf Entstehung, Veranderung, Einflussgrofien und Gegenstand naher zu betrachten.
2.1 Entstehung von Beschwerdezufriedenheit In der herkommlichen Diskussion des (Leistungs-) Zufriedenheitskonstrukts dominiert das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma. Es besagt - kurz gesagt - dass Kunden Erwartungen gegeniiber einem Produkt oder einer Dienstleistung entwickeln, wahrend der Nutzung des Gutes die tatsachliche Leistung wahmehmen und dann Erwartung und Wahrnehmung miteinander vergleichen (vgl, u.a. SasserlOlseniWyckoff 1978; ParasuramaniZeithamlIBeny 1985, 1988; Homburg/Rudolph 1997, S. 38ff.; Matzler 1997, S. 60ff.). 1st die wahrgenommene Leistung schlechter als erwartet, entsteht aufgrund der negativen Diskonfirmation Unzufriedenheit, werden die Erwartungen iibertroffen, tritt als Folge der positiven Diskonfmation Zufriedenheit auf. Werden die Erwartungen gerade so erfillt, entsteht ein Gefiihl der Indifferenz. Leistungs-Unzufriedenheit ist also das Ergebnis einer grofien negativen Differenz zwischen den Leistungserwartungen des Kunden einerseits und der tatsachlichen Leistungswahrnehmung andererseits. In dieser Situation verfiigt der Kunde iiber verschiedene Handlungsm6glichkeiten, zu denen auch die Beschwerde gehort.
Wahlt ein unzufriedener Kunde die Handlungsalternative Beschwerde, so hat er wiederum bestimmte Erwartungen in Bezug auf die Antwort des Unternehmens und die angestrebte Losung (Stauss/Seidel 1998, S. 55). Diese envartete Beschwerdeantwort ist nun der Standard, an dem er seine tatsachliche Erfahrung mit der unternehmerischen Reaktion (wahrgenommene Beschwerdeantwort) vergleicht. Werden die Envartungen iibertroffen, tritt Beschwerdezufriedenheit, liegt die wahrgenommene Beschwerdeantwort unterhalb der envarteten Beschwerdeantwort, tritt Beschwerdeunzufriedenheit ein. Wenn die auf die Beschwerdebehandlung ausgerichteten Erwartungen gerade erfiillt werden, ist weder Zufriedenheit noch Unzufriedenheit, sondern Indifferenz zu envarten. In Abbildung 1 sind diese Situationen beispielhaft durch die verschiedenen Positionen der wahrgenommenen Beschwerdeantwort illustriert.
0 C=Beschwerdezufriedenheit I I I I I
erwartete Beschwerde -antwort
h 4 I
B=Indifferenz
6A=
Berchwerdeunzufriedenheit
0
= wahrgenornmene
Beschwerdeantwort
Abbildung 1: Die Entstehung von Beschwerdezufriedenheit
2.2 Die Beschwerdeantwort-Toleranzzone In der neueren wissenschaftlichen Diskussion des Zufriedenheitskonstruktes wird differenziert erortert, welchen Erwartungsstandard Kunden anlegen und ob sie moglicherweise mehrere Standards mgleich verwenden (Cadotte/Woodruff/Jenkins 1987;
TseiWilton 1988; LiljanderIStrandvik 1993; ZeithamllBerryiParasuraman 1993). Unter Anwendung dieser Diskussion auf das Konstrukt der Beschwerdemfriedenheit ist das eben dargestellte einfache Model1 m erweitern.
0C
= Beschwerdezufriedenheit
I I
gewiinschte Beschwerde -antwort
I
I
I
Beschwerdeantwort Toleranzzone akzeptable Beschwerde
B = Indifferenz bnv. geringe Beschwerdezufriedenheit I
0 wahrgenommene Beschwerdeantwort =
Abbildung 2: Beschwerdeantwort-Toleranzzone und Beschwerdezufriedenheit Grundlage fur entsprechende Transferiiberlegungen ist das Kundenerwartungs-Model1 von Zeithaml/Berry/Parasuraman (1993). In Analogie zu diesem Modell wird davon ausgegangen, dass ein Beschwerdefihrer fir die Beurteilung einer unternehmerischen Beschwerdeantwort verschiedene Standards heranzieht. Darunter sind in erster Linie die gewiinschte und die akzeptable Beschwerdeantwort zu nennen. D Die gewiinschte Beschwerdeantwort ist die Vorstellung des Kunden dariiber, wie das
Unternehmen reagieren, d.h. wie es auf die Kritik antworten und welche Losung es anbieten sollte. Es handelt sich hier also um einen normativen, gewiinschten oder idealen Erwartungsstandard (CadotteiWoodrufflJenkins 1987; ParasuramadZeithamV Berry 1985, 1988).
@
Die akzeptable Beschwerdeantwort als niedrigerer zweiter Standard legt das Minimalniveau fest, das der Kunde gerade noch toleriert bzw. als akzeptabel ansieht (Berry/ Parasuraman 1991, S. 58 f.).
Zwischen gewiinschter und gerade noch fir akzeptabel gehaltener Antwort liegt die Toleranzzone der Beschwerdeantwort bzw. die Beschwerdeantwort-Toleranzzone. Wird der Standard der akzeptablen Beschwerdeantwort nicht erreicht, tritt Beschwerdeunzufi-iedenheit ein, da nicht einmal die Minimalanforderungen des Kunden an ein Beschwerdemanagement erfiillt wurden. Erreicht die wahrgenommene Beschwerdeantwort das Niveau der akzeptablen Beschwerdeantwort, kommt es zu Indifferenz bzw. zu einem allenfalls geringen MaR an Beschwerdezufriedenheit. Mit hoher Beschwerdezufriedenheit ist zu rechnen, wenn die unternehmerische Reaktion die vom Kunden gewiinschte Antwort noch ubertrifft. In Abbildung 2 ist dieser Sachverhalt wiedergegeben, indem wiederum unterschiedliche Positionen der wahrgenommenen Beschwerdeantwort in Relation zu den beiden Erwartungsstandards gesetzt werden.
2.3 Determinanten der Beschwerdezufriedenheit Die Hohe von gewiinschter und akzeptabler Beschwerdeantwort und ihr Verhaltnis zueinander, d.h. Lage und Breite der Beschwerdeantwort-Toleranzzone, sind selbstverstandlich nicht in jeder Beschwerdesituation und bei jedem Beschwerdefiihrer gleich. Da diese ,,Lageparametera aber dafiir verantwortlich sind, ob eine bestimmte unternehmerische Beschwerdeantwort zu Beschwerdezufi-iedenheit oder -unzufriedenheit fihrt, kommt es darauf an, deren Determinanten zu identifizieren. Zu den wichtigsten Faktoren, die die Hohe der Erwartungen und die Breite der Toleranzzone beeinflussen, gehbren: das Rollenverstandnis des Kunden, die Problernrelevanz, die wahrgenommene Schuld des Anbieters, explizites und implizites Reaktionsversprechen, Beschwerdeerfahrungen, Mundkommunikation und die vermutete Beschwerdeantwort (Stauss 1998b). Rollenverstandnis des Kunden: Der Kunde hat eine bestimmte Vorstellung von der Rollenverteilung in der Kunde-Anbieter-Beziehung, d.h, insbesondere von den Rechten und Pflichten der Geschaftspartner. Je mehr sich der Kunde als zu umwerbender Auftraggeber sieht und den Anbieter in einer eher "dienenden" Rolle, desto hoher liegen die Erwartungsstandards und desto enger riicken diese Standards zusammen. Mit zunehmender wahrgenommener ~berlegenheitin der Geschaftsbeziehung wird somit das Niveau von gewiinschter und gerade noch als akzeptabel angesehener Beschwerdeantwort steigen und zugleich enger beieinanderliegen. Problemrelevanz: Je relevanter das erlebte Problem und je bedeutsamer daher auch eine Wiedergutmachung bzw, eine Problemlosung ist, desto hoher sind die Standards in Bezug auf die gewunschte und akzeptable Beschwerdeantwort. Wenn beispielsweise der materielle Schaden groR ist (z.B. hochpreisiges Produkt mit Defekt), die Beeintrachtigung nachhaltige physische und psychische Folgen hat (z.B. Kunstfehler) oder das
Selbstwertgefihl massiv verletzt wird (z.B. Bloljstellung vor anderen Kunden), steigen die Erwartungen stark. Ebenso wahrscheinlich ist es, dass bei hoher Problernrelevanz die Toleranzzone sehr schmal ausfallt. Hat ein Kunde beispielsweise ein defektes Produkt gekauft und wiinscht er den Umtausch durch ein fehlerfreies Produkt, wird er ein ,,damnter" liegendes Angebot des Unternehmens nicht f i r akzeptabel halten. Wahrgenommene Schuld des Anbieters: Fur das Ausmalj der gewunschten und noch akzeptablen unternehmerischen Antwort kommt es wesentlich darauf an, inwieweit der Kunde den Anbieter eindeutig als Schuldigen ansieht. Wie die Ergebnisse der Attributionsforschung in Anwendung auf das Beschwerdeverhalten zeigen, steigen die Anforderungen des Kunden an die Beschwerdeantwort um so starker, je mehr er davon iiberzeugt ist, dass der Anbieter den Fehler verschuldet hat (vgl. u.a. Oliver 1996, S. 363). Wenn ihm dagegen klar ist, dass der Anbieter den Vorfall nicht zu verantworten hat (z.B. Unpunktlichkeit eines Fluges wegen Nebel), ist der Kunde in der Regel auch bereit, seine Anspriiche zu reduzieren, und die Toleranzzone wird sich ausweiten. Das gleiche gilt, wenn er sich selbst eine gewisse Mitschuld am entstandenen Problem zuweist. Dies ist etwa der Fall, wenn er einsieht, dass er sich bei der Angabe seines Wunsches (z.B. einer Hotelreservierung) geirrt oder sich missverstandlich ausgedriickt hat. Explizites Reaktionsversprechen: Auch die Versprechungen des Unternehmens gegenuber dem Kunden in der Vorkaufphase (z.B. ,,Bei Unzufriedenheit Geld zuruck!") determinieren das Niveau von gewunschter und akzeptabler Beschwerdeantwort. Je hoher die expliziten Reaktionsversprechen sind, desto hoher ist auch das Niveau von gewiinschter und akzeptabler Beschwerdeantwort. Umso eindeutiger diese Reaktionsversprechen sind, umso naher werden auch gewunschte und akzeptable Beschwerdeantwort zusammenrucken. In diesen Fallen ist die Toleranzzone somit sehr schmal, und eine Nichteinhaltung des Versprechens fihrt unmittelbar m einer Unterschreitung des noch f i r akzeptabel gehaltenen Niveaus und damit zu Beschwerdeunzufriedenheit. Implizites Reaktionsversprechen: In abgemilderter, aber analoger Weise wirken implizite Reaktionsversprechen. Diese liegen vor, wenn zwar keine definitiven Aussagen uber die zu envartende Reaktion gemacht werden, der Kunde aber aufgrund der unternehmerischen Kommunikation glaubt, eine schnelle und kulante Beschwerdereaktion erwarten zu konnen. Das ist z.B. immer der Fall, wenn Kunden offensiv aufgefordert werden, sich im Unzufiiedenheitsfall an das Unternehmen zu wenden. Je starker solche unternehmerischen Auljerungen als implizite Reaktionsversprechen verstanden werden, desto hoher ist das Niveau von gewiinschter und akzeptabler Reaktion und desto kleiner ist die Toleranzzone. Beschwerdeerfahrungen: Ein Kunde, der iiber Erfahrungen mit Beschwerden und unternehmerischen Reaktionen verfiigt, hat Lernprozesse durchgemacht, die ebenfalls die Lage von gewiinschter und akzeptabler Beschwerdeantwort und die Breite der Toleranzzone bestimmen. Positive Erfahrungen erhohen die Standards und reduzieren die Toleranzzone, negative haben die gegenteilige Wirkung.
Mundkommunikation: Kunden machen ihre Beschwerdeerfahrung zum Gegenstand der Kommunikation in ihrem sozialen Umfeld. Damit erfolgt ein Austausch uber Erfahrungen mit Beschwerdereaktionen des betroffenen Unternehmens oder anderer Unternehmen aus derselben bzw. anderen Branchen. Diese Mundkommunikation beeinflusst somit die Erwartungen (potentieller) Beschwerdefihrer. Je starker in den personlichen Diskussionen glaubhafi kommuniziert wird, dass positive (negative) unternehmerische Reaktionen ublich bzw. erreichbar sind, desto hoher (niedriger) wird der gewiinschte und fir akzeptabel gehaltene Standard ausfallen und je schmaler (breiter) ist die Beschwerdetoleranzzone. Explizites und implizites Reaktionsversprechen, Beschwerdeerfahrung und Mundkommunikation wirken nicht nur direkt auf die gewunschte und akzeptable Beschwerdeantwort, sondern auch indirekt iiber die vermutete Beschwerdeantwort, d.h. uber die Annahme des Kunden, wie das Unternehmen reagieren wird. Geht beispielsweise ein Kunde aufgrund eigener Erfahrungen oder Schilderungen anderer Kunden davon aus, dass eine Beschwerde schnell beantwortet und eine materielle Belohnung angeboten wird, dann hat dies unmittelbaren Einfluss auf die Lage der anderen Erwartungsstandards. Je hoher das Erwartungsniveau der vermuteten Beschwerdeantwort liegt, desto hoher ist auch das Niveau von gewiinschter und akzeptabler Beschwerdeantwort und desto kleiner fallt die Beschwerdeantwort-Toleranzzone aus. Abbildung 3 zeigt, wie sich bei bestimmten Auspragungen der genannten Determinanten die Toleranzzone nach oben verschiebt und verkleinert bzw. bei gegenteiligen Merkrnalsauspragungen nach unten verschiebt und verbreitert.
2.4 Gegenstand der Beschwerdezufriedenheit Bisher wurde auf hohem Abstraktionsniveau dargestellt, dass Beschwerdefihrer Erwartungen an die unternehmerische Reaktion haben und die tatsachliche Antwort an diesen Erwartungen messen. Jetzt ist zu konkretisieren, was aus Kundensicht die relevanten Qualitatsdimensionen der unternehmerischen Beschwerdeantwort sind. Grundsatzlich beziehen sich Erwartungen und Wahrnehmungen der Beschwerdefiihrer zum einen auf das Ergebnis des Beschwerdeprozesses, zum anderen auf den Beschwerdeprozess selbst. Hinsichtlich des Ergebnisses muss der Kunde den Eindruck haben, dass sich seine eigene Leistung und die Gegenleistung des Unternehmens im Gleichgewicht befinden. Dieser plausible Sachverhalt lasst sich nicht nur ,,equity"-theoretisch begriinden (Oliver 1996, S. 193ff.1, sondern findet auch in der Erforschung zur wahrgenommenen ,,FairnessG von unternehrnerischen Beschwerdeantworten seine Bestatigung (Goodwin/Ross 1990).
Beschwerdeantwort-Toleranzzone
akzeptable Beschwerdeantwort
Abbildung 3: Determinanten von Lage und Breite der Beschwerdeantwort-Toleranzzone Der Beschwerdeprozess selbst umfasst den gesamten vom Kunden erlebten Beschwerdevorgang. Beschwerdeflihrer nehmen den unternehrnerischen Umgang mit ihrer Beschwerde sequentiell an einer Reihe von Kontaktpunkten wahr. Sie erhalten z.B, durch einen Packungsaufdruck die Information iiber Existenz und Erreichbarkeit eines ,,Beschwerdetelefons", erfahren die Reaktion des Mitarbeiters wahrend des Anrufs und erhalten neben dem Endbescheid gegebenenfalls noch einen Zwischenbescheid (Stauss 1998a, S. 1258f.). Bei der Bewertung dieses Erlebens werden verschiedene Dimensionen herangezogen, namlich Zuganglichkeit, Interaktionsqualitat und Reaktionsschnelligkeit. Insgesamt und differenziert lassen sich diese Qualitatsdimensionen des Beschwerdemanagements folgendermaflen systematisieren (StaussISeidel 1996, S. 227 f., siehe auch Abb. 4): isna
Zuganglichkeit: Leichtigkeit, mit der ein unternehmerischer Ansprechpartner fiir ein Kundenproblem gefunden wird; Kenntnis der zustandigen Beschwerdeadresse; Interaktionsqualitat: Kundenorientierte Gestaltung der Interaktionen wahrend der Annahme und Bearbeitung. Diese Dimension lasst sich weiter in einzelne Qualitatsmerkmale differenzieren: isna Freundlichkeit/Hbflichkeit: Zuvorkommenheit, mit der der Beschwerdefuhrer behandelt wird; hoflicher Umgangston/Sprachstil;
Einfuhlungsvermogen/Verstandnis: Bereitschaft, die Kundenperspektive einzunehmen; Verstandnis f i r den Arger des Kunden; individuelle Behandlung des Falls; B Bemuhtheit/Hilfsbereitschaft: Erkennbares Bemiihen, das Problem im Kundensinne zu losen; H Aktivitat/Initiative: Aktive Suche des Kontaktes zum Kunden; Erkundigung nach gewiinschten Losungen; Benachrichtigung iiber Verzogerungen; Verlusslichkeit: Einhaltung von Zusagen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht; Reaktionsschnelligkeit: Schnelligkeit, mit der eine Eingangsbestatigung eintrifft; Schnelligkeit, mit der auf Kundenriickfi-agen reagiert wird; Schnelligkeit, mit der der Fall gelost wird; H Angemessenheit/Fairness: Angemessenheit der Problemlosung; Fairness der angebotenen Wiedergutmachung. H
gemnschte Beschwerdeantwort
(
Qualit5tsdimensionen des Beschwerdemanagements
BeschwerdeantwortToleranzzone
'
BeschwerdeprozeU
Zuganghchkeit Interaktionsqualitht a) Freundlichke~tiHoflichkeit
akzeptable Beschwerdeantwort
\
b) Einfihlungsvembgen/Verst~dnis c) BemiihtheiVHilfsbereitschaft d) Aktivit5VInitiative e) Verlalichkeit Reakt~onsschnelligkeit Beschwerdeergebnis
wahrgenommene Beschwerdeantwort
AngemessenheitiFaimeO
I
Abbildung 4: Gegenstand der Beschwerdezufi-iedenheit
3. Beschwerdezufriedenheit und Kundenbindung Auf der Basis dieser konzeptionellen Uberlegungen zum Konstrukt ,,Beschwerdezufriedenheit" ist es nun miiglich, den Zusammenhang zwischen Beschwerdezufiiedenheit und Kundenbindung naher zu untersuchen. Dabei wird in der weiteren Argumentation ein Verstandnis von Kundenbindung zugrundegelegt, das an beobachtbaren Transaktionsmerkmalen der Geschaftsbeziehung ansetzt. In Anlehnung an Dillers (1996, S.84) Definition sol1 von Kundenbindung dann gesprochen werden, wenn zwischen Kunde und Anbieter wiederholte Transaktionen entweder stattgefunden haben oder geplant sind. Dementsprechend kommen fiir die Operationalisierung einerseits ex-post-Indikatoren hinsichtlich des tatsachlich beobachteten Kaufverhaltens in Frage (z.B. Anzahl oder Anteil der Kaufakte eines Kunden pro Zeiteinheit - "Kaufintensitat") oder ex-anteIndikatoren iiber die Absichten des Kunden, an der Geschaftsbeziehung festzuhalten bzw. Folgekaufe zu tatigen - z.B. "Wiederkaufsabsicht" (Diller 1995, S. 14). Dariiber hinaus erscheint es sinnvoll, uber das zukunftige Kaufverhalten hinausgehende, positive anbieterbezogene Handlungsabsichten des Kunden (wie Weiterempfehlungen) als exante-Indikatoren einzubeziehen (MeyerIOevermann 1995, Sp. 1342). Zur Analyse des Zusammenhangs zwischen Beschwerdezufriedenheit und Kundenbindung ist von dem bereits oben envahnten Tatbestand auszugehen, dass Beschwerdezufiiedenheit im Erlebensprozess zeitlich auf die vorher erlebte Leistungsunzufriedenheit folgt. Nach dem Erleben eines Problems mit einem Produkt oder einer Dienstleistung und anschlierjender Beschwerdeerfahrung sind also drei Zufriedenheits-Konstellationen denkbar: 1. Fall: Leistungsunzufriedenheit + Beschwerdeunzufiiedenheit 2. Fall: Leistungsunzufriedenheit + Beschwerdeindifferenz 3. Fall: Leistungsunzufriedenheit + Beschwerdezufriedenheit. Die Folgen des ersten Falls sind vollig eindeutig. Wenn der Kunde, der schon mit dem Produkt oder der Dienstleistung nicht zufiieden ist und sich beschwert, auch noch in seinen Beschwerdeerwartungen enttauscht wird, kumuliert sich die Unzufriedenheit (,,double dissatisfaction" Oliver 1996, S. 368). Es ist demnach mit aurjerst grorjer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Kunden bei dieser Konstellation die Geschaftsbeziehung aufkiindigen. Insofern gibt es zu denken, in welchem Umfang Unternehmen beschwerende Kunden entmutigen und hstrieren. Nach den Ergebnissen des Deutschen Kundenbarometers gibt es eine ganze Reihe von Branchen, in denen uber 50 Prozent der Beschwerdefiihrer enttauscht werden (MeyerIDornach 1997, S. 61ff.). Abbildung 5 zeigt die entsprechenden Ergebnisse fiir das Branchensegment der Finanzdienstleister.
327
Uberzeugte
Zufriedengestellte
Enttauschte
Mlttel- Kunden mtt wert Beschwerden
Banken und Sparkassen
3,07
11,O%
Bausparkassen
3,47
4,5 %
Lebensversicherungen
3,71
3,3 %
Krankenkassed -versicherungen
3,77
4,4 %
Abbildung 5: Beschwerdezufriedenheit im Branchensegment Finanzdienstleister Im zweiten Fall wird die Beschwerdeerwartung gerade erfiillt, so dass keine wirkliche Beschwerdezufriedenheit eintritt. Insofern ist zu erwarten, dass die durch das Leistungsproblem aufgetretene Unzufriedenheit nicht wesentlich abgebaut werden kann. Dementsprechend ist auch in diesem Fall nicht mit einer Bindungswirkung der Beschwerdeantwort zu rechnen. Interessant ist der dvitte Fall, in dem mit der Leistungsunzufriedenheit und der Beschwerdezufriedenheit zwei gegensatzliche Einschatzungen aufeinandertreffen. In jedem Fall ist zu erwarten, dass die durch den Problemauftritt eingetretene Leistungsunzufiiedenheit verringert wird. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass diese Unzufriedenheit vollig beseitigt wird oder sich gar in Zufi-iedenheit wandelt. Abbildung 6 zeigt diese Zusammenhange in einem ~berblick. Es gibt eine Reihe von empirischen Belegen, dass Beschwerdezufriedenheit tatsachlich zu einer verbesserten Leistungszufriedenheit fiihren kann. Nach Ergebnissen des Deutschen Kundenbarometers hatte die globale durchschnittliche Leistungszufriedenheit von Beschwerdefihrern aus dem Bereich Versandhandel(1993) den Wert 2,16 (auf einer 5er Skala mit 1 = vollkommen zufrieden). Dieser Wert ist deutlich besser als der Branchendurchschnitt (2,39) und der Wert der beschwerdefreien Kunden (2,35). Die Autoren des Deutschen Kundenbarometers (MeyerIDornach 1993, S. 3 1) ziehen daraus folgenden
Schluss: "Herausragendes Beschwerdemanagement ist eine nicht zu unterschatzende Chance zur Steigerung der Kundenzufiiedenheit. Gelingt es dem Unternehmen, die Beschwerdeftihrer durch die Antwort zu uberzeugen, so kann deren Kundenzufi-iedenheit sogar uber dem Wert beschwerdefieier Kunden liegen. Beschwerdemanagement ist demzufolge auch ein ausgezeichnetes Instrument m r Kundenbindung."
:
Vorkauf
Phase.
1
Kaul: Nut~ung
.ibgabs Uesch\verde
/
Erleben \ o n
'
, Besch\verdc.pro~eO und -ergebn~s ' *
gewiinschte Leistung
oder Indifferenz
akzeptable Leistung
I I
I wahrgenommene Leistung
= Leistungsunzufriedenheit
A=Leistungsunzufriedenheit
I
OA+Bgesteigerte =
Abbildung 6: Leistungszufi-iedenheit und Beschwerdezufiiedenheit Dies belegen auch empirische Studien zum Kommunikations- und Kaufverhalten von Beschwerdefihrern. Hinsichtlich des Kommunikationsverhaltens zeigt sich iibereinstimmend, dass sowohl positive wie negative Beschwerdeerfahrungen in groBem Umfang weitererztihlt werden (Bruhn 1982, S. 58; Hoffinann 1991, S. 198). Auch wenn Vorfalle, die zu Beschwerdeunzufriedenheit fihren, in der Regel haufiger kommuniziert werden als positive Erlebnisse, so ist doch auch der Mund-Kommunikationseffekt zufiiedener Beschwerdefihrer beachtlich (GoodmanlMalechiMarra 1987, S. 176 f.; HansenlJeschke 1995, S. 539). In Bezug auf Wiederkaufsintentionen und faktisches Wiederkaufierhalten kommen Hansenlbeschke (1995, S. 539) aufgrund ihrer Untersuchung des Verhaltens beschwerender Kfz-Kunden zu dem Ergebnis, dass sich die zufiiedenen Beschwerdefiihrer durch ausgepragt hohe Geschaftsstatten- und Markentreue auszeichnen. GoodrnanlMalechi Marra
(1987, S. 173) berichten, "dass Konsumenten, die sich beschwert haben und durch das Unternehmen zufriedengestellt wurden, eine doppelt so grol3e Markentreue (70 %) zeigen, wie jene Konsumenten, die sich uberhaupt nicht beschweren". GoodwidRoss (1990, S. 54) venveisen auf Erfahrungen eines Versandunternehmens, dass Kunden, deren Beschwerden schnell gelost wurden, profitabler waren als Kunden, die sich uberhaupt nicht beschwerten. Dass diese positiven Effekte eintreten, ist aber an mindestens zwei Voraussetzungen gebunden, die gleichzeitig erfiillt sein mussen. Zum einen muss die Intensitat der Beschwerdezufriedenheit hoch sein, zum zweiten muss der Beschwerdefihrer davon ausgehen, dass das Problem zukunftig nicht wieder auftritt. Daneben kann auch die Zugehorigkeit zu einem Beschwerdezufriedenheitstyp eine Rolle spielen. Intensitat der Beschwerdezufriedenheit: In standardisierten Befragungen zur Beschwerdezufiiedenheit werden die Kunden in der Regel gebeten, die Intensitat ihrer Zufriedenheit auf einer Ratingskala, z.B. in den Intensitatsgraden "sehr zufrieden" und "zufrieden" anzugeben. Entsprechend den Ergebnissen der Zufriedenheitsforschung ist zu erwarten, dass die Bindungswirkung in Abhangigkeit von der Intensitat der Beschwerdezufriedenheit variiert. Dies belegt auch eine Studie des amerikanischen Beratungsunternehmens T A W . Danach erklarten zufriedengestellte Kunden von Finanzdienstleistungen zu 73 % ihre Wiederkaufsbereitschaft, aber nur 45 % der "beschwichtigten" Beschwerdefiihrer. Das entsprechende Zahlenverh2ltnis fir verpackte Konsumguter war 94 % zu 62 % ( T A W 1993, S. 5). Wahrscheinlichkeit des wiederholten Problemauftritts: Aus attributionstheoretischen Arbeiten wissen wir, dass Kunden auf der Suche nach den Ursachen ihrer Unzufriedenheit nicht nur eine Zuschreibung der Verantwortlichkeit vornehmen, sondern auch danach unterscheiden, ob die Ursachen des Unzufriedenheitserlebnisses als zeitlich stabil anzunehmen sind oder nicht (Folkes 1984; Oliver 1996, S. 277). Insbesondere in langerfiistigen Geschaftsbeziehungen ist der Kunde nicht nur an der Losung des aufgetretenen Problems interessiert. Er will auch sicher sein, dass das Unternehmen Anstrengungen unternimmt, um das wiederholte Auftreten des gleichen Problems in Zukunft zu vermeiden. Muss der Beschwerdefiihrer dagegen annehmen, dass das Unternehmen nur eine effektive Beschwerdebearbeitung vornimmt, aber die erhaltenen Informationen uber aufgetretene Probleme nicht m r kundenorientierten Verbesserung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen nutzt, wird die Bindungswirkung der Beschwerdezufriedenheit gering und der Kunde abwanderungsgefahrdet sein.
Neben diesen Einflussfaktoren kann auch die Zugehorigkeit zu einem Beschwerdezufriedenheitstyp eine Rolle spielen. In ihrem Qualitativen Zufriedenheitsmodell zeigen Stauss/Neuhaus (in diesem Band), dass Zufriedenheit und Unzufriedenheit mit unterschiedlichen emotionalen, kognitiven und intentionalen Komponenten verbunden sind, die unterschiedliche Qualitaten aufiveisen. Zudem wird gezeigt, dass bestimmte Kombinationen von emotionalen, kognitiven und intentionalen Komponenten zu Typen der Kundenzufriedenheit gebiindelt werden konnen und dass diese Typen unterschiedliche
Gefahrdungspotentiale im Hinblick auf die Kundenbindung enthalten. Eine iibertragung dieser Modellvorstellung auf das Beschwerdezufriedenheitskonstrukt mit den entsprechenden Anpassungen hinsichtlich Konzeptionalisierung und Operationalisierung steht noch aus. Es spricht aber vie1 fiir die Annahme, dass die genannten Typen grundsatzlich auch hinsichtlich der Beschwerdezufriedenheit bestehen und die "Stabil Beschwerdezufriedenen" eher zum Wiederkauf bereit sind als die "Fordernd" und "Resigniert Beschwerdezufriedenen".
4. Konsequenzen fur eine gezielte Nutzung des Beschwerdemanagements zur Kundenbindung Grundsatzlich liegen die Ziele des Beschwerdemanagements darin, Kundenzufriedenheit wiederhermstellen, die negativen Auswirkungen von Leistungsunzufriedenheit auf das Unternehmen zu minimieren und die in Beschwerden enthaltenen Hinweise auf betriebliche Schwachen und marktliche Chancen zu nutzen. Zur Erreichung dieser Ziele ist eine Reihe von Aufgaben zu erfiillen, die man den Bereichen der Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und -reaktion, der Beschwerdeauswertung und dem Beschwerdemanagement-Controlling zuordnen kann (StaussISeidel 1996, S. 62). Um nun die auf Kundenbindung ausgerichteten Zielsetzungen des Beschwerdemanagements zu erreichen, sind auf der Grundlage der konzeptionellen iiberlegungen konkrete Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Aufgabenerfiillung zu ziehen. Diese lassen sich folgendermanen zusammenfassen: 1. Voraussetzung fiir Kundenbindung durch Beschwerdemanagement ist die Sicherstellung der beiden Grundvoraussetzungen: hohe Beschwerdezufriedenheit und geringe Wahrscheinlichkeit des wiederholten Problemauftritts.
Urn zukunftig den erneuten Problemauftritt zu vermeiden, bedarf es einer vollstandigen und strukturierten Erfassung der vom Kunden vorgebrachten Probleme sowie deren quantitativer und qualitativer Auswertung. Im Rahrnen der quantitativen Beschwerdeauswertung miissen Umfang und Verteilung des Beschwerdeaufkommens iibenvacht und eine Priorisierung von Problemlosungsaktivit~tenvorgenommen werden. Dies ist zu erganzen durch eine systematische Analyse von Problemursachen und die Entwicklung von Losungsmoglichkeiten im Rahmen der qualitativen Beschwerdeauswertung. Dariiber hinaus sollten - soweit moglich - die beschwerenden Kunden uber eingeleitete bzw. erfolgte Korrektur- und VerbesserungsmaBnahmen informiert werden. 3. Eine hohe Intensitat der Beschwerdezufriedenheit ist nur erreichbar, wenn die ge-
wiinschte Beschwerdeantwort des Kunden ubertroffen wird. Ob und in welchem Umfang dies gelungen ist, Iasst sich ex-post durch regelmafiige Beschwerdezufrieden-
heitsbefiagungen ermitteln. Im Beschwerdefiagebogen werden die vier zentralen Qualitatsdimensionen des Beschwerdemanagements aus Kundensicht (Zuganglichkeit, Interaktionsqualit2t, Reaktionsschnelligkeit und AngemessenheitIFairness des Ergebnisses) operationalisiert und dem Beschwerdefihrer zur Bewertung vorgelegt (vgl. Beispiel StaussISeidel 1996, S. 230f.). Dabei kommt es darauf an, zusatzlich zu geschlossenen Fragen dem Kunden auch durch eine offene Kategorie die Moglichkeit zu geben, ausfihrlich zu schildern, welche Reaktion und welche Behandlung er sich gewiinscht hatte (gewunschte Beschwerdeantwort). Nur auf diese Weise lassen sich mit der Zeit die Kundenwiinsche an die unternehmerische Reaktion erfassen, beriicksichtigen und iibererfillen. 4. Das Unternehmen muss sich zu der - vor allem psychologisch schwierigen - Politik der iibererfillung von Beschwerdeerwartungen durchringen, beispielsweise bereit zu sein, mehr zu geben, als zugesagt wurde. Denn nur so ist mit hoher Beschwerdezufriedenheit und einem maageblichen Einfluss auf die Leistungszufiiedenheit zu rechnen. Die Implementierung einer solchen Politik setzt voraus, dass zum einen gangige Vorurteile uber den dadurch stimulierten Kundenmissbrauch abgebaut werden, zum anderen wirksame Barrieren gegen einen bkonomisch beachtlichen Missbrauch geschaffen werden.
5. Es ist auch wichtig, dass Unternehmen die Determinanten der Beschwerdemfiiedenheit und damit Lage und Breite der Toleranzzone ihrer sich beschwerenden Kunden kennen. Wenn Kunden beispielsweise hohe Anforderungen an die gewiinschte Beschwerdeantwort haben, weil ihnen dies aufgrund ihres Rollenverstandnisses, der Problemrelevanz, der Verantwortlichkeit des Anbieters oder dessen Reaktionsversprechen gerechtfertigt erscheint, dann kann ein ,,Beschwichtigungsangebot" des Unternehmens nur zur vollstandigen Verargerung des Kunden W e n . Das ist aber in vielen Unternehmen gangige Praxis, etwa wenn die Beschwerde eines Reiseveranstalter-Kunden uber einen durch Baularm verdorbenen Urlaub mit einer PlastikReisetausche ,,abgefunden wird", die mit dem Logo des Unternehmens auch die Erinnerung an den missratenen Urlaub wachhalt. Die durch solche Reaktionen ausgeloste Unzufiiedenheit ist wahrscheinlich groaer und nachhaltiger als die vollstandige Ablehnung des Kundenwunsches. 6. Unternehmen sollten aber nicht nur Lage und Breite der Toleranzzone beachten, sondern auch untersuchen, in welchem Umfang sie selbst fiir hohe Erwartungen und enge Beschwerdetoleranzzonen verantwortlich sind. Insbesondere sollten sie in ihrer Kommunikationspolitik explizit und implizit nur versprechen, was sie (nahezu) vollstandig einhalten konnen, und Abweichungen von diesen Versprechen mussen mit besonderen Anstrengungen kompensiert werden.
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ProJ Dr. Bernd Stauss Wirtschaftswissenschaftli& Fakultat Ingolstadt Katholische Universitat Eichstatt Auf der Schanz 49 0-85049 Ingolstadt
Antonella Mei-Pochtler
Kundenbindung durch Discovery
1. Weshalb Kundenbindung durch Discovery 1.1 Die Wiinsche der Kunden systematisch erforschen 1.2 Die Kundenbeziehung auf eine breitere Basis stellen 1.3 Discovery in der Praxis 2. Wie wird die Organisation vorbereitet? 2.1 Die wertvollsten Kunden identifizieren 2.2 Wertpotentiale ermitteln 2.3 Kundenzufriedenheit messen 2.4 Die Comfort-Zone verlassen 3. Wie wird Discovery realisiert? 3.1 Den Discovery-Partner wahlen 3.2 Den Discovery-Partner gewinnen 3.3 Die richtigen Teams bilden - unter der richtigen Leitung 3.4 Den Analyseprozess beginnen 3.5 Die Potentiale systematisch erforschen 4. Werden die entdeckten Chancen genutzt? 5. Wie k6nnen die Veranderungen im Unternehmen verankert werden? 5.1 Discovery leben 5.2 Ergebnisse messen und kommunizieren 5.3 Anreize fur alle Beteiligten schaffen 5.4 Neue Chancen auch mit anderen Partnern finden
1. Weshalb Kundenbindung durch Discovery? Bestehende Kunden sind die wertvollsten Kunden. Es kostet finfmal mehr, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen vorhandenen zufrieden zu stellen. Im Schnitt werden 65 % jedes Geschaftes rnit Stammkunden getatigt. Die numerisch kleine Kerngruppe der Vielverwender spielt fir das Ergebnis eine enorme Rolle, wird jedoch oft nicht anders angesprochen als der Durchschnitt. Stattdessen konzentrieren sich viele Firmen ubermaflig auf die Gewinnung neuer Kunden. Trifft die Geschaftsfihrung das Topmanagement eines vertrauten Kunden, ist die Vorbereitung oft nicht griindlich genug, um neue Geschaftsmoglichkeiten auszuloten. Zu wenige Untemehmen kennen etwa ihren eigenen Stellenwert fir ihre Kunden. Wachstumspotentiale in bestehenden Geschaftsbeziehungen werden deshalb nur unzureichend ausgesch6pft. Kundenorientierung und Kundenfreundlichkeit sind Schlagworte, die auf Managementseminaren, Kongressen und in einschlagigen Publikationen gebetsmiihlenartig wiederholt werden, rnit nur mafligem Erfolg, wie Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft meinen. BDI-Prasident Olaf Henkel beispielsweise beklagt, dass sich viele deutsche Unternehmen "zu sehr mit den eigenen Visionen" beschaftigen "und zu wenig mit den Visionen ihrer Kunden". Zu selten macht man aus zufriedenen Kunden begeisterte Kunden. Fur den Kunden steht die Beziehung immer wieder auf dem Priifstein, zum Beispiel bei groReren Investitionsentscheidungen oder bei f i r ihn bedeutenden Ereignissen. Diese typischen "Sollbruchstellen" einer Kundenbeziehung sind in vielen Unternehmen nur unzureichend bekannt und werden deshalb nicht aktiv genug angegangen. Im Geschaftsleben ist es - wie im iibrigen Leben - erfolgversprechender, eine bestehende Beziehung zu pflegen und zu intensivieren, als standig mit neuen Partnern von vorn anzufangen. Unter dieser Pramisse - und auf Basis betriebswirtschaftlicher Untersuchungen - hat die Boston Consulting Group ein Programm namens Discovery entwickelt. In einem strukturierten, analytischen Prozess werden dabei die Erfolgsfaktoren und "Economics" des Geschaftes gemeinsam mit dem Kunden erforscht, um neue Losungen, Ideen, Produkte und Dienstleistungen zum beiderseitigen Vorteil zu schaffen. Die Praxis hat gezeigt, dass Discovery den Partnern zu deutlichen Umsatz- und Ergebnisverbesserungen verhilft. Discovery ist nicht ein weiteres Programm zur Verbesserung der Kundenzufi-iedenheit oder des Lieferantenmanagements, sondern ein ebenso anspruchsvoller wie komplexer Prozess, der sich mit zentralen Aspekten der Unternehmensstrategie befasst. Deshalb braucht Discovery das volle Engagement des Topmanagements. Die Belohnung ist nicht nur eine deutliche Umsatz- und Ergebnisverbesserung, sondem vor allem ein Bewusst-
seinswandel in der Organisation, gepaart mit grol3erem Enthusiasmus, auf Kunden zuzugehen.
"Explo~ting"
"Exploring"
GeschaflsprozeR des L~eferanten
Neue Produkte Neue D~enstle~stungen bedurfn~sse
trleb
GeschaftsprozeR des Kunden
Die Kundenbasis
Das GeschBftssystern
Unternehmensfahigkecten
Die KundenbedClrfnisse
Abbildung 1: Discovery - Der Weg zu neuem Wachstum Was zeichnet die Discovery-Philosophie aus? Am wichtigsten ist es, sich in die Rolle des Kunden zu versetzen. Antworten auf die folgenden Fragen bringen die Partnerschaft weiter: Wie gut kenne ich Geschaft, Strategic, Optionen, Hoffnungen und Traume meines Kunden? Wie gut kenne ich meine relative Position gegenuber dem Kunden? WeiB ich, wie kompliziert oder kostspielig es f i r ihn ist, mit mir im Geschaft zu sein? Nur wenn der Wissensaustausch keine EinbahnstraRe ist, wird das Streben nach einer Partnerschaft mit dem Kunden zum Erfolg. Ohne Offenheit auf beiden Seiten geht nichts. Es gilt, eine detaillierte Kenntnis der Kosten- und Nutzenstruktur des Kunden gewinnen. Sowohl die Umsatz- als auch die Kostentreiber im Geschaft des Kunden sind zu erforschen. Womit verdient der Kunde eigentlich sein Geld? Wie gut erfillt er die Bediirfnisse seiner Kunden? Welche brachliegenden Wachstumspotentiale konnte er aktivieren? Nach und nach bringt die gemeinsame Entdeckungsreise von Kunde und Zulieferer auf der Suche nach Wertschopfungspotential eine Verzahnung der Wertschopfungsketten mit sich. Zwischen den Geschaftssystemen entwickeln sich zahlreiche Verknupfungspunkte. Systeme, Prozesse und Daten werden gemeinsam genutzt; es entstehen neue Produkte und Wachstum fiir beide Partner.
PARTNERING: SPIEL OHNE GRENZEN
... gemeinsame Wettbewerbsvorteile suchen Beispiel: Textilartlkel Vor Discovery
- Verhandlung nach Rohkosten - Pauschaleriassung der Total Supplier Costs
Nach Discovery
- Dynarntsche EriassungiKategorislerung der Lleferanten nach TSC - Nettospannenvorgabean Einkauf - TSC-Senkungsprogramrne
Abbildung 2: Gemeinsame Wettbewerbsvorteile suchen
1.1 Die Wiinsche der Kunden systematisch erforschen Viele Unternehmen glauben, ihre Kunden gut zu kennen; wenn er abwandert, ist das oft eine groRe Emuchterung. Um potentielle Beziehungskrisen &ih zu erkennen und abzuwenden, aber auch, um neue Geschaftspotentiale auszuloten, muss man tiefer in die Beziehung zum Kunden einsteigen, als dies heute vielfach ublich ist. Voraussetzung dafUr ist ein Verstandnis der Kundenwiinsche, das die klassische Marktforschung bislang nicht bereitzustellen vermag. Warum ist es so wichtig, seine Kunden zu kennen? Um das Potential abschatzen zu konnen, das in einer Geschaftsbeziehung steckt, reicht es nicht, den eigenen Marktanteil zu kennen. Vie1 aussagekraftiger ist die Antwort auf die Frage: Wie viel seines Gesamtbedarfs deckt der Kunde bei mir, wie viel bei anderen Anbietern und warum? Die Starken des eigenen Unternehmens sind meist gut bekannt - uber die Unzulanglichkeiten wird eher ungern gesprochen. Sie bilden aber den Ansatzpunkt fir zufiiedenere Kunden. Nur wenn ich weiJ3, womit mein Kunde unzufkieden ist, kann ich Verbesserungen einfihren. Grundregel im Umgang mit den Kunden sollte sein: Kunden werden individuell behandelt, nicht standardisiert; Durchschnittsleistungen reichen nicht aus. Dazu mussen nicht notwendigerweise die Produkte selbst kundenspezifisch gestaltet werden. Es
geniigt oft schon, Bedienung und Beratung individuell auf den Abnehmer zuzuschneiden, um seine Zufriedenheit zu steigern. Dieser Aufwand lohnt sich vor allem bei den wertvollen Kunden. Der beste Einstieg in ein verbessertes Kundenverstandnis ist ein tiefer Einblick in die Erfahrung des Endkunden bei der Nutzung der eigenen Produkte.
Jedes Segment kann ein anderes differenziertes Produkt erfordern
u Warum
Abbildung 3: Den Verbraucher verstehen Womit ist er zufrieden, womit unzufrieden? Gerade die Analyse der Unzufriedenheiten fihrt oft zur Entdeckung neuer Dienstleistungspotentiale oder Produktinnovationen. Eine wesentliche Quelle solcher Erkenntnisse sind "Consumer-in-Action-" und "Product-inUse-"Research, also das unmittelbare Studium des Kunden beim Einsatz des Produktes oder der Wahrnehmung der Dienstleistung selbst.
1.2 Die Kundenbeziehung auf eine breitere Basis stellen Viele wertvolle Informationen iiber den Kunden erhalt man nur durch die breit angelegte Nutzung unterschiedlicher Kontaktpunkte. Allzu oft beschriinkt sich die Kommunikation
zwischen Lieferanten und Kunden jedoch auf die Einkaufs- und Verkaufsabteilungen: Der mit Verwaltungsaufgaben iiberfrachtete Vertrieb wird zurn Nadelohr fir Informationen; sein Hauptfokus liegt zudem oft auf der Akquisition neuer Kunden. Selten dagegen bestehen regelmaflige Kontakte zu den umsatzverantwortlichen Bereichen des Kunden, zum Beispiel zu dessen Marketing, Verkauf oder Entwicklung. Dort aber werden die Anforderungen definiert, denen man als Lieferant genugen muss. Die Gesprache zwischen Kunden und Lieferanten kreisen meist um spezifische Produktoder Lieferprobleme. Selten besteht die Bereitschaft zum Austausch weitergehender Geschaftsinformationen. Die Angst vor der Schwachung der eigenen Verhandlungsposition durch die Preisgabe strategischer Informationen fiihrt zu einem oberflilchlichen Einblick in die gegenseitigen Nutzenprofile. Dadurch bleiben Geschtiftspotentiale unentdeckt. Partnerschaft zwischen Lieferanten und Kunden ist oft nicht mehr als eine leere Floskel, mit der die Kunden das Ziel verfolgen, weniger Lieferanten einem starkeren Preisdruck auszusetzen. Nur zu haufig sind deshalb die vorgeblichen Partner in Wirklichkeit Kontrahenten. Echte Partner gewinnt man durch das Aufzeigen gemeinsamer Wachstumsziele und durch das gemeinsame Verfolgen von Strategien, um diese zu erreichen. Wenn ein Lieferant normalerweise nicht als Problemloser auftritt, werden seine Kunden diese Funktion auch nicht nachfragen. Er wird nur zu Preisen und Lieferbedingungen gefragt und bleibt in der Defensive. Dieser Teufelskreis wird durch Discovery durchbrochen. Wer seine Perspektive uber Verkaufs- und Einkaufsabteilung hinaus erweitert, erkennt klarer, was der Kunde wirklich braucht und wo er ihm von Nutzen sein kann. Je enger die Verzahnung der eigenen Systeme, Strukturen und Prozesse mit denen der wichtigen Kunden gelingt, desto erfolgreicher kann die gemeinsame Wertschopfungskette optimiert werden. Und nur dies schafft dauerhaften Wertzuwachs. Die dafir erforderliche Transparenz der Geschafte ist ein sensibler Punkt. Die meisten Unternehmen reagieren zu Beginn mit Skepsis; viele sind nur zogernd bereit, ihren Lieferanten vollen Einblick in ihre Intema gewahren. Deshalb muss die Einsicht, dass Partnerschaft allen mehr bringt als das Nullsummenspiel des Preispokers, auf allen Ebenen verankert werden. Vertrauensbildung ist das eine, harte Arbeit das andere. Denn im Unterschied zu herkommlichen Kundenzufriedenheitsprogrammen, die nur einzelne Funktionen beruhren, wird im Laufe von Discovery-Prozessen an den Fundamenten der Strategien von Lieferanten und Kunden gearbeitet. Wie so haufig liegt auch hier der Erfolg im Detail. Rechnen, Zahlen und Messen sind die ersten Pflichten eines jeden Discovery-Teams: Kosten, Lagerbestande, Durchlaufzeiten und alle anderen relevanten Groflen mussen erfasst und dokumentiert werden. Im nachsten Schritt miissen die Unzufriedenheiten der Endkunden ermittelt werden, die sich in ihren offen gebliebenen Bediirfnissen manifestieren.
Als drittes muss eine gemeinsame langfiistige Vision f i r partnerschaftliche Lijsungen entwickelt werden. Der Erfolg von Discovery beruht auf gegenseitigem Vertrauen, auf strukturierten Analysen und dem gezielten Einsatz von komplementaren Fahigkeiten in gemeinsamen funktionsubergreifenden Teams. Wer in einem internen Reengineering-Programm bereits Erfolge erzielt hat, kann nun einen Schritt weiter gehen. Denn wer vor der gemeinsamen Wertschopfungskette mit dem Kunden halt macht, lasst den halben Nutzen liegen. Mit den durch Reengineering erworbenen Fahigkeiten und dem neuen Bewusstsein des Topmanagements f i r die Geschaftsprozesse sollten die wichtigen Kunden angesprochen werden, um Know-how in langfiistige Wettbewerbsvorteile umzumiinzen. Denn wer kann sich darauf verlassen, dass Mitbewerber diese Chance nicht sehen? Die Ausrichtung der gesamten Organisation auf den Kunden schlagt sich in einer gestbkten Ertragskraft und einer grol3eren Motivation im Untemehmen nieder. Das kurzfristige Wachstum wird stimuliert, langfristige Wachstumspotentiale werden erweitert, Kosten werden gesenkt und die Reaktionsgeschwindigkeit wird erhoht, neue Fahigkeiten werden ausgebaut und die Organisationsstrukturen kundenorientiert uberdacht. Die quantifizierbaren Vorteile dieser Maonahmen sind enonn, aber ebenso wichtig sind die qualitativen Effekte auf Prozesse und Gesamtorganisation.
1.3 Discovery in der Praxis Zwei Beispiele sollen die Auswirkung von Discovery-Projekten verdeutlichen. In der europaischen Bahnindustrie ist ein harter Preiskampf an der Tagesordnung. Bevor die Bahngesellschaften neue Zuge beschaffen, geben ihre technischen Abteilungen Details vor, die von den Zugherstellern umgesetzt werden miissen. Der billigste Anbieter macht in diesem Prozess ublicherweise das Rennen. Auf die gesamte Nutzungsdauer der Ziige gesehen, betragen die Zugbeschaffungskosten jedoch nur 21 % der Gesamtkosten. Viel wesentlichere Kostenfaktoren in der rund 30jahrigen Lebenszeit eines Zuges sind Betriebskosten, Instandhaltungskosten, Energiekosten und Fahrwegkosten. Wie kann nun der Bahnbetreiber seine Gesamtkosten betrlchtlich senken, ohne dies zu Lasten des Herstellers zu tun? Eine europaische Bahngesellschaft entschied sich fir ein Discovery-Projekt mit einem ihrer Lieferanten. In Teams, die aus Mitgliedern beider Unternehmen bestanden, wurden die Kostenfaktoren analysiert. Das Resultat war eine ganze Reihe von Einsparmoglichkeiten. So konnten mit dem ~ b e r g a n gzur Leichtbauweise die Energiekosten um 13 % gesenkt werden. Insgesamt lautete das verbluffende Ergebnis: Auch wenn der Zulieferer fir den grol3eren Entwicklungsaufwand eine Preispramie von 7 % erhalt, spart der Bahnbetreiber bei den Gesamtkosten 8 % ein. Die Optimierung der gemeinsamen Schnittstellen stellte sich als das grol3te Kostensenkungspotential heraus. Seitdem gibt
der Kunde die Produktspezifikationen nicht mehr vor, sondern entwickelt sie gemeinsam mit dem Hersteller. Erfolgreiches Discovery hat stets zwei Gewinner. Ein anderes Beispiel ist ein groRer Hersteller von Plastikprodukten, vor allem fiir die Kuche, der durch Discovery eine starke Expansion ausgelost hat. Das Topmanagement setzte ein ehrgeiziges Ziel: Jeden Tag sollte ein neues Produkt auf den Markt gelangen. Zu Beginn des Discovery-Prozesses stellte der Hersteller Teams zusarnmen, die die Gewohnheiten der Endkunden erforschten. Sie fragten: Wie arbeiten Menschen in der Kiiche? Welche Hilfsmittel benutzen sie? Womit konnen wir Ihnen die Arbeit erleichtern? Dieser Ansatz interessierte auch die Vertriebspartner. Die wichtigsten Vertriebskanale des Haushaltsartikel-Herstellers waren Supermarkte und Warenhausketten. Die Warenhausmanager steuerten ihre Erkenntnisse uber die Gewohnheiten der Endverbraucher zu den Recherchen des Herstellers bei. Bereits nach vier Monaten fiihrte das Pilotprojekt zu beachtlichen Produktneuheiten. Dariiber hinaus entdeckte der Hersteller bisher vemachlassigte Absatzkanale fir seine Produkte.
2. Wie wird die Organisation vorbereitet? Angesichts der eindrucksvollen Erfolge wollen viele Untemehmen eigene DiscoveryProjekte starten. Darauf muss mnachst die eigene Organisation vorbereitet werden, bevor man auf mogliche Partner zugeht. Welches sind die notigen Schritte?
2.1 Die wertvollsten Kunden identifizieren Viele Lieferanten-Kunden-Beziehungen folgen der 80120-Regel: 80 % vom Umsatz werden mit 20 % der Kunden erzielt. Der erste Discovery-Partner sollte aus diesem wichtigen Fiinftel kommen. Daher beginnt Discovery mit der Identifikation der wertvollsten Kunden. Hier stecken die groRten Wachstumspotentiale, und nur hier ist der Aufwand einer umfassenden Analyse gerechtfertigt. Die Segmentierung der Kunden nach langfristiger finanzieller Attraktivitat in Form des "Lebensertragswertes" kann dabei helfen. Dabei werden die auf den heutigen Tag diskontierten, potentiellen Ergebnisbeitrage der einzelnen Kunden oder Kundengruppen berechnet. Nicht jeder wertvolle Kunde ist jedoch ftir Discovery geeignet. Gerade fiir das schwierige erste Projekt sollte man sich an einen Kunden wenden, mit dem ein besonders enges Vertrauensverhaltnis besteht.
Abbildung 4: Mit den wichtigsten Kunden anfangen
2.2 Wertpotentiale ermitteln Zweifellos wissen die Mitarbeiter eines jeden Unternehmens ziemlich gut, welchen Wert die Abschlusse mit ihren wichtigen Kunden darstellen. Aber haben sie auch eine Vorstellung davon, welcher Wert in nicht erkannten oder brachliegenden Potentialen des Kunden steckt? Um diesen zu erkennen, muss man eine Stufe tiefer einsteigen und beim Kunden des Kunden ansetzen. Denn nur wenn man mit den eigenen Leistungen seinem Kunden zu noch mehr Geschaft mit seinen Abnehmern verhilft, wird er bereit sein, davon etwas weiterzugeben.
2.3 Kundenzufriedenheit messen Nur wenige Untemehrnen haben den Mut, ihre Kunden danach zu fiagen, wie zufiieden die mit ihrer Leistung sind. Und doch ist dies der effizienteste, schnellste und einfachste Weg zu einer besseren Lieferanten-Kunden-Beziehung. Die hierdurch gewonnenen Daten miissen in konkrete Schritte zur Erhohung der Kundendurchdringung munden. Das klingt sehr einleuchtend, doch langst nicht jedes Unternehmen verhalt sich danach. Die prazise und regelmaoige Messung der Kundenzufi-iedenheit begleitet jeden Discovery-Prozess, und schon durch die Interpretation der Ergebnisse und deren Umsetzung in zielgerichtetes Handeln kann die Untemehmensleitung erste Erfolge verbuchen. Versetzen wir uns in die Lage eines marktfihrenden Herstellers von Schmelzkase, dessen Umsatz seit geraumer Zeit jedes Jahr um 6 % mriickgeht. Billigere Handelsmar-
ken driicken seine Premium-Produkte an die Wand und gewinnen stetig Marktanteile. Was tun, um dieser Entwicklung zu begegnen? Ein konkretes Programm zur Aufdeckung des Produktnutzens fiir den Konsumenten in Verbindung mit einer detaillierten Kundenzufriedenheitsanalyse kann die Antwort bringen - etwa, indem es zeigt, ob eine feinere Segmentierung des Marktes notwendig ist. Die Erkenntnis, dass der Konsument mit der Produktperformance aller marktgangigen Produkte f i r bestimmte Verbrauchsanlasse - etwa f i r das Zubereiten von Pizza oder das ~berbackenvon Nudelgerichten - nicht zufrieden ist, konnte zum Beispiel zu neuen Produkten flihren. Die gezielte Ansprache von Unzufriedenheiten schafft die Basis f i r Innovationen und neue Geschafte.
2.4 Die Comfort-Zone verlassen Discovery setzt kreative Potentiale bei allen Mitarbeitern frei und lgsst sie iiber das traditionelle Tagesgeschaft hinaus neue Herausforderungen entdecken. Denn der DiscoveryProzess zwingt die Mitarbeiter, dariiber nachzudenken, welches ihre wertvollsten Kunden sind, was diese Kunden an ihrer Leistung besonders schatzen, wie sie die Beziehung zu diesen Kunden intensivieren konnen, @ wie sie die Marktpositionen der Unternehmen verbessern konnen, und t@d wie sie damit positiv auf Wachstum und Ertrag einwirken konnen. B
Wenn die Mitarbeiter erst einmal begonnen haben, uber diese Fragen nachzudenken, sind sie schon auf dem besten Wege, die Comfort-Zone Ihres geschutzten Buros zu verlassen - Richtung Kundenfront. Jedes Prograrnrn zur Kundenbindung ist Chefsache. Denn wenn es richtig angegangen wird, definiert es die Geschaftsbeziehungen zurn Kunden grundlegend neu, und manchma1 verandert es sie sogar dramatisch. Deshalb muss das Topmanagement sein Engagement auch uber die Anfangsphase des Prozesses hinaus unmissverstandlich zurn Ausdruck bringen. Das Projektteam muss sich der kontinuierlichen Unterstiitzung der Geschaftsleitung sicher sein. Freundschaft basiert auf Vertrauen. Vertrauen entsteht durch gegenseitige Nahe und Verstandnis. Intensives Kennenlernen ist Voraussetzung f i r gegenseitiges Verstandnis. Die "Freundschaft" zwischen zwei Unternehmen driickt sich nicht nur atmospharisch, sondern auch in harten Zahlen aus. Der partnerschaftliche Umgang miteinander motiviert die Mitarbeiter beider Unternehmen zu besseren Problemlosungen. Kostentreibende Reibungsflachen auf beiden Seiten werden dadurch reduziert.
3. Wie wird Discovery realisiert? Discovery ist ein kontinuierlicher Prozess. Wenn er erst einmal in der Organisation verankert ist, werden beide Partner immer wieder nach gemeinsamen Vorteilen in der Zusammenarbeit Ausschau halten. Wenn die Organisation vorbereitet wurde, miissen die richtigen Fragen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter gestellt werden. Wo und wie konnen wir das Geschaft mit unseren Kunden bereichern? Welche spezifischen differenzierenden Fahigkeiten konnen wir einbringen? Welche neuen Werte und Impulse konnen wir hinzufigen? Und: Passt es zu unseren strategischen Zielen, wenn wir hier aktiv werden? Nun muss exemplarisch transparent gemacht werden, wie mit wichtigen Kunden auf jeder Stufe der Wertschopfungskette zusammengearbeitet wird und wo dabei wirklich Wert entsteht. Die Schnittmenge aus den Bedurfnissen der Kunden und den Fahigkeiten des Lieferanten muss detailliert beschrieben werden, um d a m die Frage zu beantworten, wie sie mit Gewinn f i r beide vergrol3ert werden kann.
3.1 Den Discovery-Partner wahlen Wenn die wertvollsten Kunden identifiziert sind, stellt sich die Frage: mit welchem zuerst? Wertvolle Kunden mit grol3em Discovery-Potential und gleichzeitig besonderem Vertrauensverhaltnis sind die Idealpartner. Oft bieten aber gerade auch sehr konfliktgeladene Kundenbeziehungen vie1 Potential. Hier gilt es, durch Aufzeigen des potentiellen Nutzens eines Discovery-Prozesses die Konflikte sukzessive abzubauen. Einen Kunden zu wahlen heifit, andere auszuschliel3en. Hier gilt der Grundsatz "verhandeln und informieren" - also die ausgeschlossenen Kunden kontinuierlich uber laufende Projekte zu unterrichten und dabei ihr Potential als mogliche zukiinftige Partner zu pflegen.
3.2 Den Discovery-Partner gewinnen Warum sollte der Kunde von der Idee, sich auf einen Discovery-Prozess einzulassen, genau so begeistert sein wie der Lieferant? Viele Kunden stehen einer engeren Zusammenarbeit, nicht selten aufgrund negativer Erfahrungen, skeptisch gegenuber. Wenn bisher allein uber Preise und Lieferbedingungen verhandelt wurde, wird ein Kunde vielleicht stutzen, wenn nun von gemeinsamen Planen und strategischen Perspektiven die Rede ist. Wenn einer der Lieferanten um vertrauliche Daten bittet mit der Begrundung, er wolle eine engere Partnerschaft aufbauen, um so f i r beide hohere Gewinne zu erzie-
len, kann dies zunachst Misstrauen wecken. Die Einstiegshiirde in ein Discovery-Projekt ist deshalb hoch, aber doch nicht unubenvindbar. Je rascher die Fuhngsperspektive also Wachstum, Kundenentwicklung und Strategic - mit dem Topmanagement des Kunden diskutiert wird, umso eher gelingt es, den spezifischen Beitrag eines solchen Projektes zum Erfolg des Kunden deutlich zu machen. Trotzdem wird man im Laufe des Prozesses immer wieder Krisen bewaltigen mussen und viele Kunden werden weiterhin zuriickhaltend sein, wenn Einblick in ihre Karten erbeten wird. In beiden Unternehmen ist es deshalb die Aufgabe des Topmanagements, Verstandnis und Begeisterung fir Discovery zu wecken und allen Beteiligten die Schatze vor Augen zu fhhren, die mit Discovery gehoben werden konnen.
3.3 Die richtigen Teams bilden - unter der richtigen Leitung Discovery-Projekte erfordern gemeinsames Arbeiten im Team. Die Einrichtung eines Steuerungsgremiums ist der wichtigste Schritt der Teambildung. Topmanager beider Seiten lenken darin den Prozess und setzen die Meilensteine. In intensiven Diskussionen werden Ziele, Ressourcen, Arbeitsmethoden und Ergebnisse gemeinsam festgelegt. Die dafir erforderliche Zeit ist gut investiert, denn damit werden schon zu Beginn des Projektes die Weichen fir den spateren Aufbau von Kontakten auf allen Ebenen der Organisationen richtig gestellt. Ganz ahnlich wie die funktionsiibergreifenden Gruppen, die im Unternehmen an besseren Ablaufen und Prozessen arbeiten, sollten die Discovery-Teams alle derzeitigen und potentiellen Schnittstellen zwischen Lieferanten und Kunden abdecken. Und sie sollten ein ganzes Spektmm von Ftihigkeiten reprbentieren - von der Technik bis zum Marketing -, um in der Lage zu sein, ganz neue Perspektiven zu entwickeln. Mitarbeiter aus beiden Unternehmen, die bislang keinen Kontakt hatten, kommen auf diese Weise zusammen, um den gemeinsamen Fundus von Wissen, Erfahrungen und Ideen zu vergrorjern - daraus werden die neuen Losungen gewonnen. Man sollte sich jedoch trotzdem bemuhen, die Teams so klein wie moglich zu halten. Bekanntlich erleichtert dies nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Evolution neuer Denkweisen.
3.4 Den Analyseprozess beginnen Das erste Discovery-Projekt sollte nicht Ianger als drei bis vier Monate dauern. Ein enger Zeitrahmen hilft den Teams, sich auf die wichtigsten Hebel und erfolgversprechendsten Chancen zu konzentrieren und sich nicht in uberfliissigen Analysen zu verzetteln.
Als erstes muss der Lieferant herausfinden, wo sein Unternehmen die Erwartungen des Partners nicht erftillt. Auch mitten im Analyseprozess sollte bereits damit begonnen werden, an den Wurzeln seiner Unzufriedenheit zu arbeiten. Vor allen Dingen aber sollte der Lieferant einen guten ijberblick uber die grundsatzliche Geschaftsstrategie seines Kunden gewimen, denn davon hangen alle weiteren Schritte ab: Was sind die strategischen Ziele beziiglich Marktsegmenten und Produkten? R Was sind die Haupt-Kosten- und Ertragstreiber? B
@
Wo liegen aktuelle Starken und Schwachen? Was sind die groRten Wettbewerbschancen und -gefahren? Wie steht es um die Prozessqualitat von Produkt- und Leistungsentwicklung, Vertrieb, Marketing und Kundendienst?
Produkte und Dienstleistungen des Kunden sollten einer kritischen Analyse unterzogen werden. Wie groR ist der erbrachte Nutzen? Wie kann er quantifiziert und gemessen werden? Werden alle Kunden gleich behandelt, oder variiert das Angebot nach den jeweiligen Bedurfnissen der einzelnen Kunden? Muss sich der Endnutzer dem Kunden anpassen, oder passt sich der Kunde den Bediirfnissen des Endnutzers an?
3.5 Die Potentiale systematisch erforschen Noch besser als seinen Kunden muss der Lieferant Strategien und Kernkompetenzen seines eigenen Unternehmens kennen, wenn er beabsichtigt, die Erfolgswirksamkeit seiner Kompetenzen erhohen, indem er sein Know-how und seine Fahigkeiten an neuen Hebelpunkten einsetzt. In einigen Branchen wird der Wettbewerb groRtenteils uber den Preis ausgetragen. Auch in solchen Markten unterscheidet sich jedoch jedes Unternehmen durch ein spezielles Know-how von seinen Mitbewerbern. In diesem Umfeld muss jede einzelne eigene Stbke identifiziert und ausgeschopft werden. Discovery eroffnet uber die mehr unerwarteten Chancen aus der kreativen Teamarbeit hinaus mehrere spezifische Wege m r Wertsteigerung, die systematisch erforscht werden sollten: 1. Zeit sparen und Ablaufe verbessern. Interne Prozessbeschleunigungen sind wahre Fundgruben fur Ergebnisverbesserungen - gerade wenn sie die Prozesskette von mehr als zwei Unternehmen beriihren. 2. Die Suche nach neuen Produkten und Dienstleistungen intensivieren. Besondere Fahigkeiten fallen auf, wenn man nach Moglichkeiten zur Ausweitung des Kerngeschaftes sucht. Welche neuen Moglichkeiten gibt es, vorhandene Produkte oder Dienstleistungen zu kombinieren?
3. Den Blick auch auf die Kunden des Kunden richten. Was sind ihre Bedurfhisse? Wo kann der Kunde noch mehr fir den Endverbraucher tun? Wie kann man ihm dabei helfen? 4. Marketing und Kommunikation mit dem Endkunden aktivieren. In einer Reihe von Fallen brachte der Aufbau einer Datenbank uber die Kunden des Kunden erhebliche Fortschritte. 5. Bei Wettbewerbern oder im Markt Ideen aufspiiren. Gibt es auf dem Markt erfolgversprechende Ansatze, die bislang aus irgendwelchen Griinden nicht in Erwagung gezogen wurden? Wodurch werden in anderen Branchen Wettbewerbsvorteile erzielt? Was lasst sich davon auf die eigene Situation ubertragen? 6. Den Gewinn quantifizieren. Eine prazise Messung des Nutzens der angestrebten Verbesserungen liefert das beste Argument, um das Topmanagement des Kunden mit ins Boot zu ziehen. Dabei sollte auch der Zugewinn an Aktionarswert in Mark und Pfennig abgeschatzt werden. Denn gute Ideen konnen auf halber Strecke verloren gehen. Wenn aber erst die Gewinnmoglichkeiten schwarz auf weilj vorliegen, wird aus dem vagen: "Warum nicht?" des Kunden vielleicht ein drangendes: "Wann legen wir los?"
Selbst nach einer Reihe erfolgreich durchgefiihrter Discovery-Prozesse lasst sich nur schwer vorhersagen, wo man fiindig wird. Eine leichte Umsetzung und schnelle Erfolge lassen sich jedoch am ehesten erzielen, wenn man auf bisherige Starken aufbaut. Daher sollten zunachst Schlusselprodukte und -dienstleistungen in den Discovery-Prozess einbezogen werden. Radikale Veranderungen in den Beziehungen zum Kunden sollten in dieser Phase vermieden werden. Gleichwohl sollte man es nicht versaurnen, nach dem groljen Wurf Ausschau zu halten, der einen bedeutenden Wettbewerbsvorsprung erzeugt. Eine Chancenmatrix kann bei der Ideenauswahl helfen.
4. Werden die entdeckten Chancen genutzt? Erfolgreiche Discovery-Projekte zeichnen sich durch ein hohes Tempo aus, mit dem entwickelte Ideen umgesetzt werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafiir ist, dass die im Tagesgeschaft f i r die Realisierung verantwortlichen Mitarbeiter in die Umsetzungsteams eingebunden werden. Das begunstigt Losungen, die nicht nur praktikabel, sondern auch innerhalb eines iiberschaubaren Zeitraums realisierbar sind. Aus den Erfahrungen mit Discovery-Projekten lassen sich noch einige weitere Empfehlungen ableiten:
a Zuerst sollten "Quick-Hits" angegangen werden. Fast immer fmden sich leicht realisierbare Moglichkeiten zur Kostensenkung. Die schnelle Nutzung dieser Quick-Hits schafft auf beiden Seiten die Motivation, auch anspruchsvollere Ziele in Angriff zu nehrnen.
GesamtlBsungen sollten in messbare Teilelemente und individuelle Arbeitspakete unterteilt werden. Das beschleunigt LBsung und Umsetzung, ohne dass ubergeordnete Zielsetzungen aus dem Auge verloren werden. M Verantwortliche, Zeitrahmen und Meilensteine mussen exakt festgelegt werden. Wichtig ist auch eine klare Rollenverteilung im Umsetzungsprozess: Was macht der Lieferant, was der Kunde? M Anhand der Meilensteine muss laufend iiberpriift werden, ob das Programm planmaBig abgearbeitet wird. Kommunikation und Training sind wesentliche Bestandteile der Umsetzung. Die wenigsten Mitarbeiter werden Veranderungen wirklich akzeptieren, wenn sie dariiber lediglich in einem kurzfristig anberaumten Meeting informiert werden. Wie sollen sich nicht aktiv involvierte Mitarbeiter Erkenntnisse in wenigen Stunden zu Eigen machen, mit denen sich andere uber Wochen intensiv beschaftigt haben? Verhaltensanderungen werden sich ohne begleitendes Training weder einstellen noch stabilisieren. Doch ohne Verhaltensanderungen kann Discovery nicht dauerhaft erfolgreich sein. Umfassende Kommunikation entsteht nicht von selbst. Sie muss vielmehr aktiv auf die Geriichte, Sorgen und Befiirchtungen eingehen, die Veranderungen stets auslosen. Die wesentlichen Ideen mussen in sich konsistent und klar sein und vor allem standig wiederholt werden. Menschen brauchen Zeit, um Neues aufzunehmen, zu verstehen, daran zu glauben und danach zu handeln; sie werden sich umso schwerer tun, je weniger sie vom Nutzen einer Neuerung uberzeugt sind. Jede aufgenommene Idee untersttitzt die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Und nur allzu leicht vergisst die Fuhrung, dass die besten Ideen oft von der Basis kommen.
5. Wie konnen die Veranderungen im Unternehmen verankert werden? Nach dem Erfolg eines ersten Discovery-Projektes werden die gemachten Entdeckungen das Interesse an der Fortsetzung der neuen Zusammenarbeit verstarken. Viele zu Beginn des Projektes erkannte Chancen wurden in der Regel noch nicht weiterverfolgt und kBnnen den Start einer zweiten Discovery-Runde erleichtern. Vier Faktoren machen Discovery zum festen Bestandteil von Unternehmensstrategie und -kernfahigkeiten: Internalisierung des Prozesses durch die entscheidenden Mitarbeiter M Verankerung durch Messsysteme und kontinuierliche Kommunikation FBrderung durch geeignete Anreize
B Prozesskontinuitat und neue Initiativen durch Ubertragung von "Best Practices" auf andere Kunden.
5.1 Discovery leben Es sind die Mitarbeiter, die Veranderungen akzeptieren, bejahen und leben miissen. Deshalb miissen sie in die Entwicklung und Realisierung voll integriert werden. Konkrete Ergebnisse bringen Discovery erst zum Leben. Das fordert die Motivation, durchzuhalten und das Beste fiir den Kunden geben zu wollen. Und mit jedem Erfolg fallt das neue Denken und Handeln leichter.
5.2 Ergebnisse messen und kommunizieren Erfolge mussen kommuniziert werden - konkrete Erfolge, gemessen uber die gesamte Bandbreite der Veranderung: Gewinnsteigerungen, Bestandsabbau, verbesserte Lieferzeiten und -genauigkeit, geringere Anzahl an Qualit2tsmangeln, bessere Reaktionen auf Beschwerden, kurzere Einfihrungszeiten f i r neue Produkte und Dienstleistungen oder ein erhBhter Anteil neuer Produkte. Ebenso wichtig ist aber auch, die Erfolge jedes einzelnen Prozessschrittes aufzuzeigen und mit dem Stellenwert des Gesamtprojektes zu verbinden. Warum ist Discovery so wichtig? B Was sol1 der Prozess bewirken? M Was geschieht zurzeit? arat Was kommt als Nachstes? B Was wurde bereits erreicht? B
5.3 Anreize fur alle Beteiligten schaffen Die Anreize miissen mit den strategischen Zielen von Discovery ubereinstimmen und Mitarbeiter aller Funktionen - nicht nur des Vertriebs - motivieren. Alle Teammitglieder sollten an der Entwicklung neuer Geschtifte partizipieren. Spezifische Anreize sind erforderlich, um in den Teams den Blick f i r die Entwicklung langfristiger Partnerschaften zu trainieren und sicherzustellen.
5.4 Neue Chancen auch mit anderen Partnern finden Discovery kann helfen, dauerhaft neue Chancen zu entdecken, wenn es nicht bei einem einzigen Partner bleibt. Durch kontinuierliche Riickrneldungen und Prozessmessungen entwickelt sich Discovery immer mehr zur Selbstverstandlichkeit. Neue und alte Discovery-Partner sollten jeweils vom gesamten gesammelten Discovery-Know-how profitieren. Die Strategie der Konzentration auf die wichtigsten Segmente und wertvollsten Kunden sowie das Upgrading des Lieferantenprofils wird dadurch unterstutzt und beschleunigt. Einige Unternehrnen haben Discovery-Verantwortliche berufen, die Projekte koordinieren und langfristig einen effizienten Erfahrungsaustausch sicherstellen.
Im motivierenden Wettbewerb mit anderen Gruppen, angespornt durch die Anwesenheit leitender Mitarbeiter, ubertreffen die meisten Teams ihre eigenen Erwartungen weit. Und je mehr sich die Veranderungen im Unternehmen etablieren, desto starker wird jedem Mitarbeiter deutlich werden, urn was es eigentlich geht.
Dr. Antonella Mei-Pochtler Senior Vice President und Geschajisfuhrerin Mitglied des Marketing Committee BCG Wien Am Hof 8 A-1010 Wien
Klaus J. ZinkIThomas BauerleLJlrich Steimle
Kundenorientierung und -zufriedenheit in Excellence-Konzepten
1. Ausgangssituation
2. Excellence-Konzepte als Weg zu Spitzenleistungen im Wettbewerb 2.1 Bewertung der Wettbewerbsfahigkeit von Untemehmen 2.2 Die Verbreitung von Excellence-Konzepten 2.2.1 Der Malcolm Baldrige National Quality Award (USA) 2.2.2 Der Australian Business Excellence Award 2.2.3 Das Europaische Modell fir Excellence 3. Kundenorientierung und -2ufriedenheit als Bausteine von ExcellenceKonzepten 3.1 Kundenorientierung - ein (wieder) aktueller Begriff 3.2 Elemente einer Kundenorientierung 3.2.1 Die Rolle von Fiihrungskraften 3.2.2 Informationen iiber Kunden und Markte 3.2.3 Kunden- und marktorientierte Untemehmenspolitik 3.2.4 Aufbau und Pflege von Kundenbeziehungen - Kundenloyalitat 3.2.5 Beispielhafte Auswirkungen einer Kundenorientierung auf andere Bereiche 3.3 Kundenzufriedenheit 3.3.1 Errnittlung 3.3.2 Bewertung 4. Zusammenfassung und Ausblick
1. Ausgangssituation Obwohl die Diskussion um die Steigerung der Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmen schon seit Jahren intensiv gefiihrt wird, hat sie nichts an Aktualitat eingeburjt - eher das Gegenteil ist der Fall. Durch die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft wird die Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmen immer starker auf die Probe gestellt. Neben der Globalisierung der Markte hat dazu ebenso der in nahezu allen Bereichen festzustellende Wandel vom Verkaufer- zum Kaufermarkt und der damit verbundene Zuwachs an Marktmacht fiir die Kunden beigetragen. (vgl. hierzu sowie zu den weiteren Ausfiihrungen z.B. Zink 1998, S. 13 ff. und ZinldVon 1997, S. 125 ff.) Um auf den Markten bestehen zu kbnnen, darf sich das Engagement von Unternehmen nicht in der Sicherstellung ausgezeichneter Produkt- und Dienstleistungsqualitat nach traditionellem Verstandnis erschopfen, da eine wirksame Wettbewerbsdifferenzierung dartiber allein nicht mehr zu erreichen ist. Stattdessen spielen inzwischen auch der von einem Unternehrnen angebotene Service und vor allem bei konsumnahen Produkten und Dienstleistungen auch die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens - etwa hinsichtlich Umweltschutz - eine gleichermarjen wichtige Rolle. Ein Teil der Forderungen, denen sich Unternehmen stellen mussen, Iasst sich uber die Methoden und Verfahren der traditionellen Qualitatssicherung erfiillen. Dies gilt insbesondere fir die rechtlichen Anforderungen im Zusammenhang mit der Produkthaftung. Dem Zwang zur standigen Steigerung der Kundenorientierung und zur Reaktion auf die genannten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen konnen Unternehmen jedoch nur durch weitergehende, ganzheitliche Ansatze gerecht werden. Die in diesem Beitrag betrachteten Bewertungsmodelle fiir Excellence stellen einen solchen ganzheitlichen Ansatz dar. Bestandteil dieser Konzepte ist eine klare Ausrichtung auf den Kunden und das Streben nach der zufiiedenstellenden Erfiillung seiner Anforderungen mit dem Ziel, ihn als "loyalen" Kunden an das Unternehmen zu binden.
2. Excellence-Konzepte als Weg zu Spitzenleistungen im Wettbewerb 2.1 Bewertung der Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmen Unternehmen, die auf globalen und zunehmend dynamischen Markten bestehen wollen, mussen sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, in welchen Bereichen die eigene Leistung schon hohes Niveau erreicht hat, und wo die Notwendigkeit besteht, weitere
Anstrengungen zu unternehmen, um Ruckstande gegenuber anderen Unternehmen aufzuholen. Dabei kann sich dieses Vergleichen rnit anderen Unternehmen nicht ausschlierjlich auf den Bereich der finanziellen Daten einer Organisation beschranken, wie dies beim Shareholder-Value-Konzept erfolgt. Vielmehr ist eine Beschaftigung mit allen am Unternehmen "interessierten" Gruppen und mit allen flir den Erfolg des Unternehmens bedeutsamen Aspekten erforderlich. In diesem Zusammenhang wird haufig von so genannten Stakeholder-Ansatzen gesprochen. Die Bewertung und Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens kann also nur mit Hilfe eines umfassenden Konzepts erfolgen, das alle Anforderungen an eine moderne Organisation beriicksichtigt. Solche umfassenden Betrachtungsweisen wurden - unabhangig voneinander - in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und in der Industrie entwickelt: Die Forschungsaktivitaten bezogen sich dabei unter anderem auf die Weiterentwicklung des traditionellen Rechnungswesens mit dem Problem der ausschlierjlichen Finanzorientierung in Richtung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Unternehmenssteuerung unter dem Begriff der "Balanced Scorecard" (vgl. KapladJohnson 1987 und NortonIKaplan 1997). Auch in der Forschung zum Thema Organisation und Fuhrung wurden ganzheitliche Ansatze entwickelt, beispielhaft kann hier das "Konzept Integriertes Management" der St. Galler Schule genannt werden (vgl. Bleicher 2004). Unabhangig von diesen Anstrengungen wurden im Rahmen von Total Quality Management-Ansatzen Bewertungsmodelle entwickelt, die es ermoglichen sollten, die teilweise abstrakten Forderungen wie Kundenorientierung oder Mitarbeiterorientierung messbar und umsetzbar zu machen. Diese Ansatze haben eine wesentliche Gemeinsamkeit: Bewertung und Weiterentwicklung einer Organisation erfolgen nicht mehr ausschlierjlich vom finanziellen Standpunkt aus, sondern orientieren sich an einer ganzheitlichen und umfassenden Betrachtung, in der alle Interessengruppen beriicksichtigt werden. Die finanzielle Leistungsfahigkeit ist dann das Ergebnis des moglichst optimalen Zusammenspiels aller Elemente der Unternehmensfihrung und -steuerung. Stellvertretend f i r die verschiedenen Entwicklungsrichtungen werden in diesem Beitrag so genannte Excellence-Modelle betrachtet, die im Kontext von TQM-Konzepten entwickelt wurden. Inzwischen haben die Modelle auch iiber den Bereich Total Quality Management hinaus Anerkennung in Wissenschaft und Industrie als Instrument zur ganzheitlichen Unternehmensbewertung und zur Unterstutzung der Unternehmenssteuerung gefunden. Ein wesentliches Ziel, das mit einer Unternehmensbewertung (Selbst-Bewertung) verfolgt wird, ist die Forderung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (vgl. Zink 2004, S. 384).
2.2 Die Verbreitung von Excellence-Konzepten Im Rahmen dieses Beitrags steht der unternehmensinterne Einsatz von Bewertungskonzepten im Mittelpunkt. Es ist jedoch auch zu erwahnen, dass solche Bewertungen zur Vergabe von Auszeichnungen fi Spitzenleistungen im Wettbewerb herangezogen werden und nicht zuletzt fir diesen Zweck entwickelt wurden. Die Vergabe von Preisen fiir Excellence kann als Indikator fir die Bedeutung gewertet werden, die der Auseinandersetzung mit und der Anwendung von umfassenden Managementkonzepten in unterschiedlichen Landern beigemessen wird. Die Forderung der Bekanntheit umfassender Managementkonzepte steht dabei im Vordergrund. Ausgangspunkt war der japanische Deming Prize. Die Initiative zu seiner Entwicklung entstand kurz nach dem zweiten Weltkrieg, um der japanischen Industrie, die f i r Billigprodukte mit niedrigem Qualitatsniveau bekannt und damit nicht wettbewerbsfahig war, neue Impulse zu geben. Diese Bemuhungen wurden in Japan in erheblichem Ausmal3 durch die Tatigkeit amerikanischer Berater gefordert. Die Union of Japanese Scientists and Engineers (JUSE) benannte den japanischen Qualitatspreis nach einem dieser amerikanischen Berater. Das Bewertungsmodell des Deming Prize beruht auf den Prinzipien der Company-Wide Quality Control (CWQC), das dem inzwischen in den USA und in Europa verbreiteten Total Quality Management sehr nahe kommt. Fur den Deming Prize liegt kein veroffentlichtes Bewertungsmodell vor. Auch das Konzept der Selbstbewertung spielt in diesem Ansatz keine nennenswerte Rolle. Daher sol1 hier nicht weiter auf dieses Model1 eingegangen werden. Nachfolgend sollen vielmehr diejenigen Kriterienmodelle vorgestellt und in Kapitel 3 hinsichtlich der Beriicksichtigung von Kundenorientierung und -zufiiedenheit betrachtet werden, iiber die detaillierte Beschreibungen existieren und in denen die Selbstbewertung als ausdriickliches Ziel verankert ist.
2.2.1 Der Malcolm Baldrige National Quality Award (USA) Es hat mehrere Jahrzehnte gedauert, bis aul3erhalb Japans der Gedanke einer nationalen Auszeichnung fiir exzellente Leistungen aufgegriffen wurde. Die Erkenntnis, dass sich die Position der einheimischen Industrie im weltweiten Vergleich hinsichtlich Produktivitat und Qualitat drastisch verschlechtert hatte, fihrte in den USA erst Mitte der 80er Jahre zu der Verabschiedung des Malcolm Baldrige National Quality Improvement Act. In diesem Zusammenhang wurde auch die Entwicklung und Einfihrung eines nationalen Qualitatspreises angekundigt. Abbildung 1 spiegelt die Struktur des Modells wider, das dem Preis zugrunde liegt (vgl. hierzu und zu den weiteren Ausfihrungen National Institute of Standards and Technology 2005). Die Unternehmenssituation (Organizational Profile: Environment, Relationships, and Challenges) bildet den Rahmen fiir die Aktivitaten des Unternehmens. Sie ist der Aus-
gangspunkt sowohl fiir eine Selbstbewertung als auch fiir eine Bewerbung um den MBNQA und stellt den Kontext dar, in dem die Bewertungskriterien des Modells zu fiillen sind. Zur Unternehmenssituation in diesem Sinne gehbren u.a. das Leistungsprogramm, die eingesetzten Technologien, die Beschaftigtenstruktur, die Unternehmenskultur und der gesellschaftliche Kontext, in dem das Unternehmen agiert. Aufierdem werden die Schlusselbeziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen Partnern hinsichtlich der sich daraus ergebenden Anforderungen und Erwartungen an das Unternehmen betrachtet. Weitere Elemente der Unternehmenssituation sind Merkmale des wettbewerblichen Umfeldes sowie die strategischen Herausforderungen, denen sich das betreffende Unternehmen gegenubersieht. Die Anordnung von Fuhrung (Leadership) und Strategischer Planung (Strategic Planning;) sowie Kunden- und Marktorientierung (Customer and Market Focus) als "Leadership Triade" soll deren Bedeutung fiir die Unternehmensfiihrung verdeutlichen. Den oberen Fiihrungskraften kommt dabei eine besondere Vorbildfunktion zu. Mitarbeiterorientierung (Human Resource Focus), Prozessmanagement (Process Management) und Geschaftsergebnisse (Business Results) bilden die "Results Triade". Als entscheidend fiir den Unternehmenserfolg wird in dieser Struktur die Verbindung zwischen "Leadership" und "Results" Triade angesehen, da sichergestellt werden muss, dass alle Aktivitaten im Unternehmen die Erreichung des Zieles "Verbesserung der Geschaftsergebnisse" unterstutzen. Systematische Leistungsmessung, die Erhebung und Auswertung von Informationen sowie der systematische Umgang mit relevantem Wissen (Measurement, Analysis, and Knowledge Management) bilden das Fundament, auf dem Entscheidungen getroffen und Strategien festgelegt werden. Damit wird ein "Management by Fact" angestrebt. Fur alle Kriterien existieren ausfiihrliche Beschreibungen. Neben der Konkretisierung der einzelnen Kriterieninhalte ist auch die Bewertung der Kriterien eindeutig geregelt. Bei der Bewertung des Kriteriums Business Results wird ein eindimensionaler Ansatz zugrunde gelegt: die Qualitat der Ergebnisse. Diese Bewertungsdimension umfasst das realisierte Leistungsniveau sowie erkennbare Trends in den Ergebniskennzahlen. Obwohl nicht als formale Bewertungsdimension eingefiihrt, soll die Bewertung jedoch neben der Qualitat auch von der Relevanz der dargestellten Leistungsbelege f i r das Unternehmen abhangen. Die anderen Elemente werden uber einen zweidimensionalen Ansatz bewertet. "Approach" und "Deployment" stehen gleichberechtigt nebeneinander. Dadurch werden einerseits Konzepte und Mafinahmen erfasst, andererseits wird auch der Umfang der Umsetzung dieser Konzepte und Mafinahmen beriicksichtigt. Sehr gute Ergebnisse sind somit nur zu erreichen, wenn ein sinnvolles und systematisches Vorgehen im Unternehmen flachendeckend, d.h. in nahezu allen relevanten Funktionen und Bereichen, angewandt wird.
4. Informationund Analyse
Abbildung 1: Das Kriteriensystem des Malcolm Baldrige National Quality Award Die Bedeutung, die diesem Model1 (und damit dem ihm zugrunde liegenden Ansatz der Unternehmensfiihrung) in den USA beigemessen wird, spiegelt sich in der Tatsache wider, dass der Malcolm Baldrige National Quality Award jedes Jahr vom Prasidenten der USA vergeben wird.
2.2.2 Der Australian Business Excellence Award Das dem Australian Business Excellence Award (frhher Australian Quality Award) zugrunde liegende Bewertungsmodell wurde ebenfalls in den 1980er Jahren entwickelt. Seit 1988 wird in Australien ein entsprechender Preis vergeben - zumindest in Europa blieb dies weitgehend unbemerkt. Da jedoch die Inhalte des Modells und die Arbeit der zustandigen Organisationen (Australian Quality Council, Standards Australia, Business Excellence Australia) als internationales Benchmark angesehen werden konnen, fmdet der Australian Business Excellence Award an dieser Stelle Beriicksichtigung.
Abbildung 2: Das Kriterienmodell des Australian Business Excellence Award Das australische Model1 sieht die Elemente Fiihrung (Leadershipl sowie Kunden- und Marktorientierung (Customer and Market Focus) als ,,Treiberb' des gesamten Managementsystems. Planungs- und Strategieprozesse (Strategy and Planning) sowie die Einbindung und Entwicklung der Mitarbeiter (People) werden als ,,Befahiger" bezeichnet. Treiber und Befahiger bilden zusammen mit der Steuerung und Verbesserung der Geschaftsprozesse, der Qualitat der Produkte und Dienstleistungen (Innovation, Quality and Improvement) sowie der Nutmng von relevanten Informationen (Knowledge and Information) die Voraussetzungen, um dauerhaft gute Ergebnisse (Success and Sustainabilityl zu erzielen (vgl. hierzu und zu den weiteren Ausfihrungen Business Excellence Australia 2004). Der grundsatzliche Aufbau und die Inhalte des Modells zeigen sehr deutlich die Verwandtschaft mit dem Malcolm Baldrige National Quality Award. Bei der Bewertung wird nach den Bereichen ,,Approach", ,,Deploymentu, ,,Resultsu und ,,Improvement" unterschieden: ,,Approach" beschreibt die Methoden und Verfahren, die im Unternehmen eingesetzt werden. Dies bezieht sich sowohl auf die Planung der angestrebten Ziele des Unternehmens als auch auf die Strategien, die Prozesse und die Infrastruktur, um diese Ziele zu erreichen. ,,DeploymentGbeurteilt Art und Umfang der Anwendung der Methoden und Verfahren auf alle relevanten Unternehrnensbereiche und -ebenen. Hier interessiert auch die Integration in das Managementsystem und in die tagliche Arbeit.
,,Resultsu umfassen die Beurteilung der gegenwartigen Leistung sowie der erzielten Verbesserungsraten. Dabei spielt der Vergleich mit den Organisationszielen sowie mit Wettbewerbern eine entscheidende Rolle. Uberdies flieRt ein, welche Bedeutung die Leistung bzw. deren Verbesserung fir die Organisation besitzt. ,,Improvementc
2.2.3 Das Europaische Modell fur Excellence Nicht nur der Blick auf andere Kontinente, sondern auch der nach Europa offenbart eine entsprechende Entwicklung: 1988 wurde durch die Vorstandsvorsitzenden von 14 Unternehmen mit Unterstiitzung der EU die European Foundation for Quality Management (EFQM) gegriindet. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, die Wettbewerbsftihigkeit europaischer Organisationen zu steigern und die Bedeutung von Qualitat in allen Funktionsund Tatigkeitsbereichen zu fordern. Sie will Ansporn und Unterstiitzung bei der Entwicklung von MaRnahmen zur Qualittitsverbesserung geben. Zu diesem Zweck vergibt die EFQM jahrlich den European Quality Award. Sie zeichnet Unternehmen bzw. Organisationen aus, die den Nachweis erbringen, dass ihr Vorgehen zur Verwirklichung von ganzheitlichen Managementkonzepten einen betrachtlichen Beitrag zur Erfillung der Erwartungen von Anteilseignern, Kunden, Mitarbeitern und anderen Interessengruppen erbracht hat. Das dem Preis zu Grunde liegende Kriterienmodell wurde hauptsachlich von den Griindungsmitgliedern unter fallweiser Einbindung weiterer Unternehmen und von Vertretern der Wissenschaft entwickelt. Seit seiner ersten Veroffentlichung im Jahre 1992 wird es kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt. Seine aktuelle Struktur nach der letzten Modellrevision im Jahr 2002 zeigt Abbildung 3. Insgesamt werden - wie auch bei amerikanischen und australischen Modell - maximal 1.000 Punkte vergeben, die sich auf neun Elemente verteilen. Bei der Verleihung werden die Kategorien ,,Unternehmeni', seit 1996 ,,Offentliche Dienstleistungsbetriebe" und seit 1997 ,,Operationelle Einheiten" (wesentliche Unternehmensteile, die sich nicht als selbstandige Einheiten bewerben konnen: Fabrikstatten, Montagewerke, Funktionseinheiten) sowie ,,Kleine und mittlere Unternehmen" unterschieden. Das Modell geht von folgender Pramisse aus (vgl. EFQM 2003, S. 12): "Exzellente Ergebnisse im Hinblick auf Leistung, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft werden durch eine Fiihrung erzielt, die Politik und Strategie mit Hive der Mitarbeiter, Partnerschaften und Ressourcen sowie der Prozesse umsetzt. "
Abbildung 3: Das Europaische Model1 fiir Excellence Gekennzeichnet ist das Model1 durch die klare Trennung in "Befahiger" und Ergebnisse. Die Befahiger-Kriterien befassen sich mit der Frage, wie das Unternehmen beziiglich der einzelnen Kriterien vorgeht. Die Ergebnis-Kriterien beziehen sich darauf, was die Organisation erreicht hat. Hier wird untersucht, welchen Erfolg die in den Befahiger-Kriterien beschriebenen Ansatze haben. Befahiger- und Ergebnis-Kriterien unterscheiden sich im Hinblick auf die Beurteilungsdimensionen. Bei den Befahiger-Kriterien wird nach "Vorgehen", "Umsetzung" sowie "Bewertung und iiberpriifung" unterschieden, fiir die Gruppe der Ergebnisse gelten "Qualitat" und "Umfang". Beim "Vorgehen" wird bewertet, welches Konzept die Organisation m den hier angesprochenen Aspekten verfolgt. Unter dem Begriff "fundiert" wird iiberpriift, ob
B das Vorgehen begriindet ist, M defmierte und gestaltete Prozesse vorliegen und @
das Vorgehen auf die Interessengruppen ausgerichtet ist.
Das Stichwort "integriert" umfasst die Frage, ob das Vorgehen Politik und Strategie unterstiitzt und - wo zweckma8ig - mit anderen Vorgehensweisen verkniipft ist.
In der Bewertungsdimension "Umsetzung" stellt sich die Frage, in welchem Ma13 die geplanten Vorgehensweisen tatsachlich im Unternehmen angewandt werden. Insofern wird hier kritisch hinterfiagt, ob ein Unternehmen nur Konzepte entwickelt oder auch die Konsequenz zu deren Umsetzung besitzt. Weiterhin wird analysiert, wie Konzepte oder h d e -
rungen an etablierten Konzepten in einem strukturierten Einfihrungsprozess realisiert werden. AuRerdem sind alle Mafinahmen und Strukturen einer regelmafligen "Bewertung und Uberpriifung" zu unterziehen, um sicherzustellen, dass sie auch im Zeitablauf veranderten Anforderungen entsprechen. Hierbei sind eine regelmafiige Messung der Effektivitat des Vorgehens und der Umsetzung, lernorientierte Praktiken zur Identifikation von Bestpractices und Verbesserungsmoglichkeiten sowie die Verwendung von Messungen und lernorientierten Aktivitaten zur Identifikation, Priorisierung, Planung und Einfihrung von Verbesserungen nachzuweisen. Bei der Qualitat der Ergebnisse geht es darum, die dargestellten Nachweise fiir den Unternehmenserfolg zu bewerten. Ergebnisse sollten positive Trends iiber mehrere Jahre oder ein konstant hervorragendes Niveau aufweisen. Sie sollten zeigen, dass die Unternehmensziele angemessen sind und erreicht werden. Der Vergleich mit Industriedurchschnitt und anerkannt klassenbesten Unternehmen ist die nachste Stufe der Bewertung (Benchmarking). Dariiber hinaus muss glaubhaft dargestellt werden, dass die Ergebnisse nicht zufallig oder als Folge auRerer Faktoren erzielt worden sind, sondern auf das verfolgte Konzept bzw. die ergriffenen MaRnahmen zuriickzufiihren sind. Die Dimension "Umfang" beriicksichtigt, dass die Qualitat der Ergebnisse allein nicht ausreicht, um deren Aussagekraft angemessen zu bewerten. Dam muss auch die Relevanz der dargestellten Erfolge f i r das Unternehmen beriicksichtigt werden. Die Ergebnisse sollten daher nicht nur Rand- oder Einzelaspekte des Unternehmenserfolgs illustrieren, sondern ein aussagekraftiges Gesamtbild der Leistungsfahigkeit zeichnen. Untersuchungen zeigen, dass das EFQM-Modell fir Excellence in Europa und auch in Deutschland Verbreitung gefunden hat (vgl. ZinWSchmidtlVoB 1998). Dies wird durch die Tatsache belegt, dass inzwischen fast alle europiiischen Staaten dem EQA ein nationales ~quivalentzur Seite gestellt haben. In Deutschland wird seit 1997 jahrlich der "Ludwig-Erhard-Preis: Auszeichnung f i r Spitzenleistung im Wettbewerb" verliehen. Die Kriterien des Ludwig-Erhard-Preises sind identisch mit denen des Europaischen Modells fir Excellence.
3. Kundenorientierung und -zufriedenheit als Bausteine von Excellence-Konzepten 3.1 Kundenorientierung
- ein
(wieder) aktueller Begriff
Analysiert man Veroffentlichungen der letzten Jahre, so ist festzustellen, dass dem Kunden (wieder) zunehmend Aufinerksamkeit geschenkt wird. Bei naherer Betrachtung
muss jedoch konstatiert werden, dass eine einheitliche Definition des Begriffs "Kundenorientierung" nicht zu erkennen ist. Die Definitionen reichen von der Auslegung von Kundenorientierung als harte Vorgaben f i r die Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen bis zur Einordnung als Bestandteil von Fuhrungsphilosophie und Unternehmenskultur. Eine alternative Vorgehensweise zur Beurteilung der Kundenorientierung eines Unternehmens ist der Einsatz der beschriebenen Excellence-Konzepte im Rahmen einer Selbstbewertung. Vor diesem Hintergrund sollen im folgenden die zuvor beschriebenen Modelle analysiert und durch praktische Beispiele aus erfolgreichen - kundenorientierten - Unternehmen erganzt werden (vgl. zu den weiteren Ausfihrungen National Institute of Standards and Technology 2005, Business Excellence Australia 2004 und EFQM 2003).
3.2 Elemente einer Kundenorientierung 3.2.1 Die Rolle von Fiihrungskraften In allen Kriterienkatalogen wird davon ausgegangen, dass bei der Umsetzung von Kundenorientierung das Verhalten der Fuhrungskrafte eine entscheidende Rolle spielt. Der Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) konzentriert sich dabei auf die Forderung, dass Kundenorientierung im Fihrungssystem verankert wird, indem durch Fuhrungskrafte entsprechende Werte formuliert und kommuniziert werden. Auch der Australian Business Excellence Award (ABEA) fordert, dass die obersten Fiihrungskrafte einer Organisation sicherstellen mussen, dass die Interessen aller Stakeholder - und damit auch der Kunden - beriicksichtigt werden. Das Managementsystem ist dabei so zu gestalten, dass die kundenorientierten Ziele erfillt werden konnen. Der European Quality Award (EQA) geht uber diese relativ allgemeinen Anforderungen hinaus und nennt konkrete Aktivitaten, die von Fuhrungskraften angeregt und durch persiinliche Mitwirkung unterstiitzt werden sollen. Dabei handelt es sich um systematische Ansatze, durch die Fuhrungskrafte die Bediirhisse von Kunden verstehen lernen und auf diese eingehen. Ziel ist der Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen mit Kunden unter aktiver Mitwirkung der Fuhrungskrafie unterschiedlicher Ebenen sowie die Initiierung und Unterstiitzung von gemeinsamen Verbesserungsprojekten. In der praktischen Umsetzung kann dies beispielsweise bedeuten, dass Entscheidungstragern bei wichtigen Kunden eigene Top-Fuhrungskrafie als direkte Ansprechpartner zur Seite gestellt werden. Bei Texas Instruments Europe, einem der weltweit groflten Hersteller von Halbleitern und Gewinner des European Quality Award 1995, wird diese personliche Zuordnung durch Besuchsprograrnme von Fuhrungskraften verschiedener Hierarchieebenen erganzt. Der zeitliche Aufivand der TI-Fuhrungskrafte fir Kontakte
mit Kunden liegt bei ca. 20 % der gesamten Arbeitszeit. Inhalt dieser regelmafiigen Treffen ist - neben der kontinuierlichen Verbesserung der taglichen Zusammenarbeit - auch der Austausch von Informationen iiber zukiinftige Produkte, um sichermstellen, dass neue Produkte den Anforderungen der Kunden gerecht werden (vgl. Texas Instruments Europe 1995, S. 9). Aber nicht nur bei groRen Untemehmen ist ein Engagement der Fiihrungskrafte bei Kunden unerlasslich. So finden zwischen der tiirkische Firma Beksa, die mit ca. 250 Mitarbeitern Reifendraht fiir die Automobilindustrie herstellt, und ihren Kunden regelmaRige Treffen unter Leitung der FiihrungskrSifte statt. Wie Abbildung 4 zeigt, werden diese Treffen m Jahresbeginn fiir jeden Kunden geplant (vgl. Beksa 1997, S. 5).
commercial aspects
Abbildung 4: Treffen zwischen Beksa-Fiihrungskraften und Kunden (Beispiele) Nicht zuletzt aufgrund ihrer ausgepragten Kundenorientierung hat die Firma Beksa in 1997 den European Quality Award fir kleine und mittlere Unternehmen gewonnen.
3.2.2 Informationen uber Kunden und Markte Die betrachteten Modelle f i r Excellence gehen alle vom Grundsatz des "Management by Fact" aus, d.h. Basis f i r Entscheidungen - auch und insbesondere im Zusammenhang mit der Ausrichtung auf den Kunden - muss die fundierte Kenntnis relevanter und umfassender Informationen sein. Alle Modelle bieten in dieser Hinsicht einen relativ konkreten Orientierungsrahmen. Die Informationsgewinnung bezieht sich auf Trends und Entwicklungen der relevanten Markte sowie auf konkrete Anforderungen von Kunden. Marktorientierte Informationen beinhalten Aussagen iiber die grundsatzlichen Zielgruppen, an die Produkte verkauft oder fir die Dienstleistungen erbracht werden sollen. Deshalb ist in einem ersten Schritt eine eindeutige Definition der Zielmarkte eines Unter-
nehmens erforderlich. Die Abgrenzung kann beispielsweise nach Kundengruppen oder Produkten erfolgen. Fur die identifizierten Marktsegmente sind anschlieflend grundlegende, vor allem f i r die Entwicklung der Unternehmenspolitik und -strategic wichtige Informationen zu erheben. Dies kann u.a. Informationen beinhalten uber:
ifa Marktwachstum in der Vergangenheit, !tk zukunftige Marktentwicklung, M Auswirkung technologischer, demographischer, sozialer und gesellschaftlicher Entwicklungen auf den Zielmarkten, Marktposition der eigenen Organisation im Vergleich zum Wettbewerb und I Veranderung in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Einfluss auf die weitere Entwicklung des Marktes haben konnen. Diese Daten konnen aus Studien unabhangiger Einrichtungen, z.B. von Marktforschungsinstituten oder Industrie- bzw. Branchenverbanden, gewonnen werden. Eigene Untersuchungen konnen dann Aufschluss iiber die weitere Entwicklung des Marktes geben, wenn von Kunden Informationen iiber zukunftige Trends und das zu erwartende Kaufverhalten eingeholt werden.
Kundenorientierte Daten beinhalten konkrete Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen eines Untemehmens. Die relevanten Informationen miissen einerseits direkt von aktuellen, fi-iiheren oder potentiellen Kunden abgefragt werden, hierfiir ist festzulegen, wie sie erhoben werden. Andererseits sind auch interne Daten wie beispielsweise Kennzahlen zu Beschwerdeursachen und -haufigkeiten oder Kundenfluktuationsanalysen von grorjer Bedeutung. Dabei ist in der Regel eine differenzierte Vorgehensweise in Abhangigkeit der verschiedenen Markt- und Kundensegmente erforderlich. Ergebnis dieser Untersuchungen muss auch die Gewichtung der Anforderungen aus Kundensicht sein. Rank Xerox Ltd., Gewinner des European Quality Award 1992, nutzt unterschiedliche Kanale, um Kundeninformationen zu erheben. Dam zahlt neben regelmafligen Treffen der Fuhrungskrafte mit strategischen Kunden die Analyse von bis m 130.000 jahrlichen Kundenkontakten hinsichtlich Kaufverhalten (vgl. Rank Xerox, 1992, S. 9). Weiterhin werden Informationen durch strukturierte Interviews mit Benutzem, regelmaflige eigene und neutrale Umfiagen und durch eine spezielle Befragung durch das Servicepersonal 90 Tage nach Inbetriebnahme des Produktes erhoben. Die Umfragen decken die Themenfelder Produkte, Verkauf, Administration und Service ab (vgl. Rank Xerox 1992, S. 34-35). Das Untemehmen ABB Power Transmission Pty. Ltd. (Australien) gewinnt viele, vor allem f i r die langfiistige Marktentwicklung wichtige Informationen durch die Mitwirkung in entsprechenden Industrieverbanden (z.B. Australian Electrical and Electronic Manufacturers Association, Electricity Supply Association of Australia) sowie durch die Einrichtung eines zentralen Steuergremiums f i r Kundenservice, in dem strategische Kunden aktiv mitwirken (vgl. Australian Quality Awards Foundation 1993, S. 24).
Neben der Verbesserung der "taglichen" Zusammenarbeit mit den Kunden miissen die gesammelten Informationen auch bei der Erarbeitung einer kundenorientierten Unternehmenspolitik Beriicksichtigung finden.
3.2.3 Kunden- und marktorientierte Unternehmenspolitik Politik und Strategie legen die grundsatzliche, langfristige Ausrichtung des Unternehmens fest. Die betrachteten Modelle fiir Excellence fordern diesbeziiglich, dass der Formulierung von Unternehmenspolitik und -strategic Informationen aus allen relevanten Bereichen zugrunde liegen mussen (vgl. dazu auch Zink 1997, S. 108). Darin enthalten sind folglich auch Informationen uber Anforderungen und Erwartungen von Kunden und potentielle Entwicklungen auf den relevanten Markten. Weiterhin wird in allen Modellen davon ausgegangen, dass in Politik und Strategie alle relevanten Interessengruppen beriicksichtigt werden - auch hier mit der Auswirkung, dass dem Kunden eine zentrale Rolle zugedacht werden muss. Im MBNQA wird in diesem Zusammenhang von "Customer-driven Quality" als zentralem Bestandteil von Planen und Strategien gesprochen. Festzuhalten ist jedoch auch, dass keines der Modelle eine Kundenorientierung um jeden Preis vorschreibt. Politik und Strategie sollte alle Stakeholder beriicksichtigen, also beispielsweise auch Aktionare und Mitarbeiter. Bei der Ausrichtung auf den Kunden darf aul3erdem der Aus- und Aufbau von Kernkompetenzen, urn zukunftige Kundenwunsche erfiillen zu konnen, nicht vernachl2ssigt werden. Die Beriicksichtigung von Kunden (und weiteren Stakeholdern) beginnt bei der australischen Tochtergesellschaft der Firma Kodak schon auf der obersten Ebene - in der Vision (vgl. Australian Quality Awards Foundation, S. 29): "Kodak's vision is to manufacture and market quality imagingproducts and services to all Australian and export customers. In satisfiing the needs of our customers with quality products and services provided in an eflcient an cost-effective manner, we will maintain a motivating environment for our employees, be a good corporate citizen and generate superior financial return. " Der Planungsprozess der Ritz-Carlton Hotelkette beinhaltet als wichtige Elemente die Marktforschung sowie die Ermittlung der Kundenanforderungen. Diese sind - neben weiteren wichtigen Informationen, wie z.B, den Ergebnissen eines Best-ProcessBenchmarking - die Grundlage fiir die Entwicklung der Politik und Strategie von RitzCarlton. Die Daten aus der Marktforschung sowie aus der Abfrage von Kundenanforderungen fliel3en in den gesamten Planungsprozess ein und stellen sicher, dass im gesamten Unternehmen nur Ziele vereinbart werden, die die kundenorientierte Ausrichtung der Organisation unterstutzen (vgl. Ritz-Carlton 1992, S. 7).
Abbildung 5: Das Planungsmodell bei Ritz-Carlton
3.2.4 Aufbau und Pflege von Kundenbeziehungen - Kundenloyalitat H
Kundenbindung bei zufiiedenen Kunden
Dem Aufbau und der Pflege von Kundenbeziehungen mit dem langfristigen Ziel eines loyalen Kundenstamms messen alle betrachteten Modelle groBe Bedeutung bei. Diese Bedeutung wird auch durch unabhangige Untersuchungen bestatigt, die zeigen, dass es sehr vie1 einfacher ist, Kunden zu halten, als neue zu gewinnen oder gar verlorene Kunden zuriickzugewinnen (vgl. z.B. HartA-IeskettfSasser 1991, S. 129). Solche Kundenbindungsstrategien sollen die Sicherheit fir das Unternehmen erhohen, Wachstumschancen vergraBern und letztendlich auch Rentabilitiltsvorteile durch Wiederholungs- und Zusatzkaufe bewirken. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass es nicht um ein Halten von Kunden unter allen Urnstanden gehen kann. Langfristige Bin-
dungen sind in der Regel nur dort zu fdrdern, wo es sich um Kunden handelt, die profitabel sind oder in Zukunft sein werden. Excellence-Modelle sehen einen wichtigen Aspekt der Kundenbindung darin, dass es Kunden ermoglicht wird, mit relevanten Personen der Organisation einfach in Kontakt zu kommen. Voraussetzungen hierfiir sind die Identifikation grundsatzlicher Anforderungen der Kunden an den Service sowie die Definition entsprechender Service-Standards fiir alle Kundengruppen, r der uneingeschrtinkte Zugang zu kundenrelevanten Daten fiir alle Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt, ein moglichst grorjer Entscheidungsspielraum f3r diese Mitarbeiter, um direkt und unbiirokratisch auf Kundenanforderungen reagieren zu konnen, r eine kontinuierliche Aktualisierung und Analyse der Kundendaten sowie @ der Aufbau eines aussagefkhigen Kennzahlensystems fiir Unternehmenseinheiten mit Kundenkontakt. Ziel der Identifikation grundsatzlicher Anforderungen und der Definition individueller Service-Standards ist es, dem Kunden die Moglichkeit zu bieten, einfach und problemlos einen Mitarbeiter zu erreichen, der ihm Fragen zu Produkten und Service-Angeboten beantworten kann, der z.B. auch Fragen zur Rechnungsstellung klart und Beschwerden aufnimmt. Dabei konnen fiir unterschiedliche Kundensegmente durchaus verschiedene Ansatze zum Tragen kommen - entscheidend ist deshalb auch die Kompetenz und die Entscheidungsbefugnis des Ansprechpartners bei der Reaktion auf Wunsche und Anforderungen von Kunden. Der Gedanke der Evaluation und kontinuierlichen Verbesserung der Pflege von Kundenbeziehungen resultiert in der Forderung nach einem Kennzahlensystem, durch das z.B. uberpriift werden kann, ob die Service-Standards erfiillt werden. Solche Kennzahlen kBnnen sich auf die Schnelligkeit und Flexibilitat bei Kundenkontakten (z.B. Einhaltung von Terminzusagen) beziehen. Weiterhin bietet auch die Telekommunikationstechnik Moglichkeiten zur Beurteilung des Service, indem beispielsweise das Telefonverhalten gemessen und analysiert wird (z.B. Dauer bis zur Annahme eines Anrufs, Anzahl von Anrufen, die uberhaupt nicht angenommen wurden, durchschnittliche Anzahl an Weiterverbindungen aufgrund unklarer Zustandigkeiten). Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel aus der Bewerbung von Motorola um den MBNQA (vgl. Motorola 2002, S. 52). In der praktischen Umsetzung kann das Bestreben nach einem systematischen Management der Kundenbeziehungen zur Einrichtung eines Call-Centers und von Kundenzentren fiihren. Dies hat das Energieversorgungsunternehmen Integral Energy - Australian Quality Award-Gewinner 1995 - zur Betreuung seiner Privatkunden realisiert (vgl. Australian Quality Awards Foundation 1995, S. 26 ff).
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Abbildung 6 : Entwicklung der durchschnittlichen Dauer der Warteschleife im technischen Service Call-Center von Motorola Integral Energy hat durch eine Analyse festgestellt, dass diese Kunden telefonischen oder personlichen Kontakt wiinschen. Das Call-Center ist entsprechend der Inhalte der eingehenden Anrufe in zwei Bereiche eingeteilt: Der Bereich "Kundenanfkagen" bearbeitet iiber einem Zeitraum von 14 Stunden taglich Fragen hinsichtlich Rechnungen, Krediten oder Energieverbrauch. Der Bereich "Switchboard" ist 24 Stunden taglich f i r grundsatzliche Fragen oder Notfalle zustandig. Die eingehenden Anrufe werden entsprechend der gewahlten Rufnummer direkt in die Call Center-Bereiche weitergeleitet. Auf jeder Rechnung und in jedem Telefonverzeichnis ist genau zu erkennen, welche Nurnmer f i r welche Fragestellungen zustandig ist. Alle h f e sind zum Preis eines Ortsgesprachs moglich. Der personliche Kontakt zwischen Kunden und Integral Energy ist in den zahlreichen Kundenzentren moglich, die an gut erreichbaren Stellen eingerichtet wurden und vergleichbare Aufgaben haben. Integral Energy hat durch die Analyse der Praferenzen ihrer Kunden allerdings auch festgestellt, dass nicht alle Kundensegmente identische Anforderungen haben. So bevorzugen Geschaftskunden im Normalfall personlichen Kontakt und bei Notfallen ein Telefonat. Deshalb hat Integral Energy ihren 1.000 groljten Kunden einen direkten Ansprechpartner zugeordnet, der fir alle Fragen durchgangig zustandig ist. Zudem haben
diese Kunden durch eine speziell eingerichtete Rufnummer direkten Zugang zum Kontrollzentrum, um in Notfillen schnell und zuverlbsig Hilfe zu erhalten. Fiir beide Kundensegmente sind die zustandigen Mitarbeiter von Integral Energy mit weit reichenden Entscheidungsspielr~umenausgestattet, so dass sie beispielsweise bei Anfiagen hinsichtlich Zahlungsaufschub oder Nachlassen und zur Losung von Beschwerden flexibel und schnell entscheiden kbnnen, ohne in einem zeitraubenden Verfahren die Zustimmung der nachsten Hierarchieebene einholen zu miissen.
s Kundenbindung bei unzufriedenen Kunden - Beschwerdemanagement Wahrend im vorigen Kapitel diskutiert wurde, wie zufriedene Kunden gehalten werden konnen, ist die Intention des Beschwerdemanagements eine andere. Ziel ist es, aufgrund von Kundenunzufiiedenheit potentiell gefahrdete Beziehungen wieder zu stabilisieren (vgl. StaussISeidel 1996, S. 22). Aufgrund der groBen Bedeutung des Themas haben sich schon in den 70er Jahren Forschungsinstitute in den USA mit der Frage auseinandergesetzt, wie ein effizientes Beschwerdemanagement organisiert sein kann und welche Auswirkungen ein konstruktiver Umgang mit Beschwerden auf die Kundenzufiiedenheit haben kann (vgl. 2.B. TARP 1979). Diesen Aspekt greifen vor allem der MBNQA und der ABEA auf. Es wird bewertet, wie ein Unternehmen sicherstellt, dass Beschwerden schnell und zur Zufiiedenheit der Kunden geltist werden. Ziel muss es dabei sein, das Vertrauen des Kunden in die Leistungsfahigkeit der Organisation wiederzugewinnen bzw. zu erhohen. Eine zentrale Frage, die im australischen Model1 besonders thematisiert wird, ist die Stimulation von Beschwerden. Empirische Untersuchung zeigen, dass nur ein geringer Anteil von unzufiiedenen Kunden ihre Meinung direkt beim Unternehmen aul3ert. Ein nicht unerheblicher Teil wandert zur Konkurrenz ab und betreibt zudem negative Mundpropaganda. Diese Kunden miissen dazu angeregt werden, sich beim Unternehmen zu beschweren, um ihm damit die Moglichkeit zu geben, den Grund f i r die Unzufiiedenheit zu beheben. Unternehmensinterne Voraussetzung ist jedoch die Schaffung einer entsprechenden Kultur, in der Beschwerden als Chance zur Verbesserung verstanden werden. Ein weiterer Aspekt ist die Auswertung der Beschwerdefalle. Beschwerden sind eine sehr gute und einfache Informationsquelle, aus der Unternehmen lernen und damit gegen die Unzufiiedenheit zukiinftiger Kunden vorbeugen konnen. Voraussetzung hierfir ist eine systematische und regelmanige Erfassung und Auswertung geeigneter Daten, 2.B. hinsichtlich Beschwerdeanlass und Beschwerdefiihrer sowie zum Beschwerdeprozess (Bearbeitungszeit, Beschwerdekanal) (vgl. StaussISeidel S. 90 f ) . Die Firma Rank Xerox hat die Beschwerdebearbeitung europaweit einheitlich geregelt. Fester Bestandteil dieser Regelung ist, dass der Mitarbeiter, der zuerst Kenntnis von einer Beschwerde erlangt, sie annimmt und Beschwerdeverantwortlicher wird. Die fiir Kunden unbefriedigende Aussage, "dafiir bin ich nicht zustandig", ist damit ausgeschlossen.
Die Erfassung der Beschwerden erfolgt EDV-gestiitzt. Kann der Mitarbeiter, der die Beschwerde aufhimmt, sie nicht selbst losen, wird diese per EDV sofort an die zustandige Abteilung weitergeleitet. Der Eingang der Beschwerde ist innerhalb einer Stunde zu besttitigen, da sonst der Computer des Empfangers blockiert wird. Dies sol1 dam fihren, dass unmittelbar MaRnahmen zur Losung der Beschwerde eingeleitet werden. Ziel von Rank Xerox ist es, eingehende Beschwerden innerhalb von 48 Stunden zu losen. Kann dieses Ziel nicht eingehalten werden, wird iiber einen Eskalationsprozess die jeweils nachsthohere Stelle eingeschaltet (vgl. Grunwald 1996, S. 202 ff). Die beschriebenen Aktivitaten zur Informationsgewinnung und zur Pflege von Kundenbeziehungen haben unmittelbare Auswirkungen auf andere Bereiche der Unternehmenssteuerung, insbesondere auf die Gestaltung von Personalenhvicklungssystemen und Prozessen.
GESCWFTSSTELLE DIREKTER KUNDENKOMAKT VERTRIEB. SERVICE, VERWALTUNG
JA
REGIONALES ENTRUM BEREICHSMANAGEMEM
JA
JA
b
Abbildung 7: Beschwerdebearbeitungsprozess bei Rank Xerox
3.2.5 Beispielhafte Auswirkungen einer Kundenorientierung auf andere Bereiche @
Auswirkungen auf die Personalentwicklung
Geeignete Personalentwicklungskonzepte, die die Grundlage fir ein kundenorientiertes Verhalten schaffen, sind fir das effektive Management der Kundenbeziehungen erforderlich. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang @
entsprechende Auswahlverfahren fir Mitarbeiter, die in Kundenkontakt stehen,
B %r
geeignete QualifizierungsmaDnahmen fir diese Mitarbeiter, die Delegation von Entscheidungsbefugnis an Mitarbeiter, die direkt mit Kundenanfiagen und -beschwerden konfiontiert werden sowie die Gestaltung der Anerkennungs- und Entlohnungssysteme, so dass kundenorientiertes Verhalten gefdrdert wird.
Auswahlverfahren und QualifizierungsmalJnahmen f i r Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt umfassen Themen wie die Kenntnis von Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens, die Fahigkeit, dem Kunden zuzuhoren, Moglichkeiten, den Kunden zu MeinungsauDerungen zu bewegen, das Antizipieren und Losen von Problemen sowie den generellen Umgang mit Kundenerwartungen. Beispielsweise miissen die Mitarbeiter in der Beschwerdeannahme geschult werden, wie ein "aufgebrachter" und verbgerter Kunde beruhigt und das Gesprach auf eine sachliche Ebene geleitet werden kann. Mitarbeitern mit direktem Kundenkontakt ist Entscheidungsbefugnis einzuraumen, um flexibel und angemessen auf Anforderungen oder Beschwerden der Kunden reagieren zu konnen. Beispielhaft hierfir ist die Regelung der Ritz-Carlton Hotelkette: Jeder Mitarbeiter, der eine Beschwerde entgegennimmt, hat die Behgnis pro Vorfall 2000 US-$ einzusetzen, um die Beschwerde zu losen und den Kunden zufrieden zu stellen. Die Bezahlung von Ftihrungskraften orientiert sich in vielen Unternehmen noch irnmer sehr stark an kurzfiistigen, fmanziellen Kennzahlen. Excellence-Modelle haben als Ziel jedoch eine Verstarkung der langfiistigen Ausrichtung. Solange sich jedoch Entlohnungssysteme nicht dementsprechend verandern, wird auch der Wandel in eine kundenorientierte Organisation nicht nachhaltig vollzogen werden konnen. So W d e eine Anbindung von Teilen der variablen Fuhrungskrafteentlohnung an Ergebnisse der Kundenzufiiedenheitsbefiagung sowie an weitere Kennzahlen wie Kundenloyalitat - z.B. gemessen durch Zu- und Abgange von Kunden - sicherlich zu einer Kulturveranderung beitragen. Vergleichbares ist auch fir Entlohnungssysteme auf Mitarbeiterebene festzustellen. Mitarbeiter im Einkauf werden meist danach beurteilt und entlohnt, welche Einsparung erzielt wurden. Die Qualitat der gekauften Produkte oder Dienstleistungen sol1 zwar beriicksichtigt werden, da sie jedoch keine Auswirkung auf Beurteilung oder Entlohnung hat, wird sie bei der Kaufentscheidung nur eine untergeordnete Rolle spielen - moglicherweise zu Lasten des eigenen Kunden. Auswirkungen auf die Prozessgestaltung
Alle beschriebenen Modelle legen groDen Wert auf die Beriicksichtigung der Kundenanforderungen bei der Definition, Identifikation und Gestaltung der wesentlichen Prozesse in einem Unternehmen. Im Europaischen Model1 wird bewertet, wie bei der Identifikation der Prozesse eines Unternehmens deren Auswirkung auf den Geschaftserfolg und damit auf die Kundenzufriedenheit analysiert wird. Dies bedeutet, dass zur Identifikation der (Schlussel-) Prozesse zunachst die Erfolgsfaktoren eines Unternehmens zu bestimmen sind. Diese be-
schreiben diejenigen Komponenten der Unternehmensleistung, die f i r den Erfolg im Wettbewerb hauptsachlich verantwortlich sind. Erfolgsfaktoren umfassen damit die grundlegenden Anforderungen, deren Erfillung uber die Akzeptanz der Unternehmensleistung durch die Kunden und ihre Zufriedenheit entscheiden (vgl. Zink 2004, S. 113 f). Das amerikanische und das australische Model1 greifen daruber hinaus konkrete Prozesse auf. Sie bewerten u.a. den Design-Prozess, also die iibertragung von Kunden- und Marktanforderungen in Produkte bzw. Dienstleistungen. Hinsichtlich der Erstellung von Produkten und Dienstleistungen wird die dauerhafte Sicherung eines vergleichbaren und hochwertigen Prozessergebnisses gefordert, das die Erwartungen der Kunden erfillt. Die Firma Rank Xerox hat ihre Schlusselprozesse so identifiziert, dass sie einen durchgangigen Fluss von der ersten Produktidee bis hin zum Gebrauch durch die Kunden ergeben. Die folgende Abbildung zeigt die drei Schlusselprozesse mit ihren Teilprozessen (vgl. Rank Xerox 1992, S. 3 1). 1.
3.
Customer Interface Process Sales Prospect to Order + Order to Installation + Invoice to Collection
+
2.
Logistics Process + Configuration Management Inventory Planning + Supply Chain Effectiveness Order Management
+ +
Product Delivery Process Engineering + Manufacturing + Marketing + Launch + Programme Management and Planning + Maintenance
+
Abbildung 8: Schlusselprozesse und Teilprozesse bei Rank Xerox Bestandteil aller Modelle ist auRerdem die Forderung, dass Informationen von Kunden und Markten bei der Steuerung und ~berprtifungvon Prozessen sowie beim Setzen von Verbesserungszielen f i r diese beriicksichtigt werden. Alle Konzepte gehen - wie envahnt - vom Grundsatz des "Management by Fact" aus. Dies bedeutet konsequentenveise, dass der Erfolg der Aktivitaten uberpriift werden muss.
3.3 Kundenzufriedenheit 3.3.1 Ermittlung Unternehmen, die den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und dem langfristigen Geschaftserfolg ernst nehmen, stehen vor der Frage, wie sie die Zufriedenheit ihrer Kunden messen konnen - ein Aspekt, der auch im Rahmen der Excellence-Modelle bewertet wird. Betrachtet werden dabei direkte Messungen der Kundenzufriedenheit durch Befragungen oder vergleichbare Ansatze sowie indirekte MessgrBflen, die es ermoglichen, die Entwicklung der Kundenzufi-iedenheit zu beurteilen und vorherzusagen, ohne dass Kunden direkt nach ihrer Einschatzung gefragt werden. Fur alle Kennzahlen - unabhangig von Herkunft und Erhebungsmethode - gilt, dass sie einerseits bezug zu Produkten und Dienstleistungen sowie den Schlusselprozessen des Unternehmens aufweisen und andererseits eine Priorisierung von Verbesserungsmafinahmen ermoglichen miissen. Kundenbefragungen konnen durch verschiedene Ansatze realisiert werden. Die Entscheidung, welche Methode zum Einsatz kommt, ist in Abhangigkeit der Kundengruppe bzw. des Marktsegments zu treffen. Grundsatzlich denkbar sind beispielsweise telefonische oder schriftliche Umfragen, Kundenworkshops, eine Befragung durch dem Produkt beigelegte FragebBgen sowie die Befragung durch das Servicepersonal (in Anlehnung an IBM Rochester 1992, S. 14-17):
r Telefonische Umfrage durch ein unabhangiges Institut Hier wird die Wichtigkeit aktueller und geplanter Produkte aus Kundensicht untersucht. Das Verfahren gilt als sehr objektiv, da der Auftraggeber nicht genannt wird; Ergebnisse sind relativ schnell verfiigbar. ijberdies handelt es sich um ein kostengiinstiges Verfahren. Allerdings konnen in der Regel keine komplexen Sachverhalte behandelt werden.
@
Schriftliche Umfrage durch ein unabhangiges Institut Anwendungsmoglichkeiten und Bewertung decken sich prinzipiell mit der telefonischen Umfrage. Ein Vorteil liegt darin, dass auch komplexe Fragen gestellt werden konnen. Als nachteilig erweist sich die oft geringe Rucklaufquote. Kundenworkshops Kundenworkshops werden mit Schliisselkunden unter neutraler Moderation durchgefihrt. Hier besteht die Moglichkeit, sich detailliert mit Kundenproblemen auseinander zu setzen und LosungsmBglichkeiten zu erarbeiten. Allerdings entstehen bei der Durchfihrung eines solchen Workshops mitunter erhebliche Kosten. Kundenbefragung durch dern Produkt beigelegte Fragebogen Das Verfahren ist sehr preiswert und bezieht sich auf allgemeine Aussagen iiber Pro-
H
duktqualitat und Lieferprobleme. Nachteile bestehen in der geringen Rucklaufquote sowie in der schlechten zeitlichen Verfiigbarkeit von Daten. Die Ergebnisse sind haufig nicht reprlsentativ, da die Karten uberproportional haufig von unzufriedenen Kunden zuriickgesandt werden. AuRerdem konnen in der Regel komplexe Fragestellungen nicht beriicksichtigt werden. Befragung durch Servicepersonal Diese Befragung wird regelmaljig bzw. nach Erbringung einer Leistung durchgefiihrt. Das Instrument ist sehr flexibel, auch komplexe Sachverhalte konnen behandelt werden. Die Befragten konnen gezielt ausgewlhlt werden. AuRerdem werden hohe Riicklaufquoten erzielt. Allerdings gilt diese Art der Befragung als sehr kostenintensiv.
Neben der direkten Befragung der Kunden ist weiterhin ein Messsystem zu entwickeln, das durch indirekte Kennzahlen unterstiitzende Informationen uber die Zufriedenheit der Kunden liefert. Hierbei handelt es sich vor allem um MessgroRen beziiglich Loyalitat der Kunden, Qualitat der Produkte und Dienstleistungen sowie Verkaufs- und Serviceleistungen. Dariiber hinaus fordern alle Modelle die Beurteilung der eigenen Leistungen im Vergleich zur Konkurrenz ("Benchmarking"). Diese Daten sind entweder durch entsprechende Informationen von unabhangigen Instituten oder durch eigene Erhebungen zu beschaffen, z.B, indem in der eigenen Kundenbefragung eine Rubrik zur Bewertung der Konkurrenten vorgesehen wird.
3.3.2 Bewertung Die kurzfristige Zufriedenstellung, wie sie z.B. durch eine ziigige und kulante Bearbeitung von Beschwerden erreicht werden kann, reicht nicht aus, urn langfristige Kundenbindung zu erreichen. Vielmehr mussen die Produkte und Dienstleistungen einen wirksamen Beitrag zur Losung von Kundenproblemen leisten, d.h. echten Nutzen fiir den Kunden stiften. Im Rahmen einer Selbstbewertung wird deshalb in detaillierter Form die Entwicklung der Kundenzufriedenheit analysiert. Bewertet wird dabei vor allem unter folgenden Fragestellungen: E @
@
Sind positive Trends iiber einen Zeitraum von mehreren Jahren erkennbar? Wurden Ziele f i r die Kundenzufriedenheit gesetzt und erreicht? Wie ist die Leistung im Vergleich zur Konkurrenz und im Vergleich zu den weltbesten Unternehmen? Decken die Ergebnisse zur Kundenzufriedenheit alle relevanten Fragestellung sowie alle Unternehmensbereiche, Kundengruppen oder Marktsegmente ab?
Ergebnisse der Kundenbefragung miissen sich dabei sowohl auf Produkte und Dienstleistungen beziehen als auch auf die Erfahrungen im taglichen Umgang mit dem Unternehmen. Beispielhafte Themen einer Kundenbefragung sind in Abbildung 9 genannt (vgl. EFQM 2003, S. 21). Da Kundenbefragungen immer nur in gewissen Abstanden - in der Regel jahrlich durchgefiihrt werden, ist zudem ein Kennzahlensystem zu entwickeln, das erganzende Aussagen zu den in Abbildung 9 genannten Aspekten liefert. So runden beispielsweise Indikatoren zur Beschwerdeanzahl und zur Dauer der Beschwerdebearbeitung das in der Umfrage ermittelte Meinungsbild hinsichtlich Beschwerden ab. Vergleichbares gilt f i r das Thema Loyalitat: Die Informationen aus der Kundenbefragung erhalten durch Kennzahlen wie Dauer der Geschaftsbeziehungen, durchschnittlicher Anteil am Auftragsvolumen von Kunden, Wiederholauftrage oder Zahlen iiber Zu- und Abgange von Kunden noch grijflere Aussageahigkeit. Image insgesamt: Erreichbarkeit Kommunikation Transparenz Flexibilitat Proaktives Verhalten Reaktionsfahigkeit
Produkte und Dienstleistungen: Qualitat Wertschtipfung Zuverlassigkeit Innovationen beim Design Lieferung Umweltprofil
Verkaufs- und Kundendienstleistungen: FahigkeitenNerhalten der Mitarbeiter Beratung und Unterstutzung Kundenunterlagen und technische Dokumentation Behandlung von Beschwerden Produktspezifische Schulung Reaktionszeit Technische Unterstutzung Gewahrleistungs-/Garantiebestimmungen
Loyalitat: Wiederkaufsabsicht Bereitschaft, andere Produkte und Dienstleistungen bei der Organisation zu bestellen Bereitschaft, die Organisation weiterzuempfehlen
Abbildung 9: Beispielhafte Themen einer Kundenbefragung Die Modelle fordern beide Arten von Informationen, sowohl aus Umfragen als auch in Form indirekter Kennzahlen. Nur zusammen betrachtet ergibt sich ein schliissiges Bild. Die internen Leistungsmessgrijljen lassen einen Schluss zu, ob die Veranderungen in den Umfragewerten ihre Ursachen in tatsachlichen Anstrengungen des Unternehmens haben, oder ob iiberlagernde Faktoren beispielsweise vom Markt oder von Wettbewerbern zu einer Veranderungen der Kundenzufriedenheit gefihrt haben. Die Firma TNT Express (UK) Ltd. - Gewinner eines European Quality Prize 1995, 1996 und 1997 - untersucht die Zufriedenheit ihrer Kunden in eigenen Befragungen. Dabei werden alle fir die Kunden wichtigen Aspekte ermittelt und bewertet. Abbildung 10
zeigt die Zufriedenheit der Kunden in den wichtigsten Kategorien im Vergleich zu den Zielen, die TNT Express (UK) Ltd. sich selbst gesetzt hat (vgl. Jones 1997, S. 153). Erganzende Informationen erhalt das Unternehmen aus unabhangigen Studien, in denen die Leistung im Vergleich zum Wettbewerb in den meisten Kategorien sehr positiv eingestuft wird. Zudem werden indirekte Indikatoren verfolgt. So hat sich beispielsweise der Anteil termingerechter Lieferungen von 96,l % 1992 auf 98,l % 1994 erhoht. Hinsichtlich der Loyalitat bestatigen Umfrageergebnisse, dass die Mehrheit der Kunden die Zusammenarbeit mit TNT Express (UK) Ltd, trotz leicht iiberdurchschnittlicher Preise aufgrund der guten Leistungen eher ausbauen will. Delivery By Due Time
Prompt and Reliable Collection
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1 1989
1993
1994
Actual
1989
1993
1994
Target
Abbildung 10: Kundenzufriedenheitsindikatoren bei TNT Express (UK) Ltd. (1 = inakzeptabel, 5 = exzellent) AbschlielJend ist anzumerken, dass der Begriff "Kundenzufriedenheit" nur einen Teil dessen widerspiegelt, was in den Excellence-Modellen eigentlich bewertet wird. Die Zufriedenheit der Kunden ist zwar eine notwendige Voraussetzung f i r den Aufbau eines "loyalen" Kundenstammes, bedeutet aber noch nicht automatisch den Schutz vor der Abwanderung von Kunden. Deshalb wird zunehmend von Kundenloyalitat oder Kundenbindung gesprochen. Insofern erscheint eine Begriffsenveiterung in "Kundenzufiiedenheit und -loyalitatt' durchaus sinnvoll.
4. Zusammenfassung und Ausblick Auf die Notwendigkeit ganzheitlicher Managementkonzepte wird immer mehr hingewiesen. Dies wird deutlich, wenn man Entwicklungen in unterschiedlichen Forschungsfeldern wie beispielsweise m r Unternehmensfiihrung oder m m Controlling betrachtet. Auch in der Wirtschaft setzt sich diese Erkenntnis zunehmend durch, was durch das steigende Interesse an Excellence-Konzepten deutlich wird. Wesentlicher Bestandteil dieser Konzepte ist eine Ausrichtung auf die Anforderungen und Bedurfnisse des Kunden, die das Ziel verfolgt, Kundenzufi-iedenheit zu schaffen. Kundenorientierung und -zufi-iedenheit kBnnen jedoch kein Selbstzweck sein. Sie dienen einer langfristigen Stabilisierung des Geschaftserfolges. Deshalb kann die alleinige Orientierung an den Anforderungen und Wunschen des Kunden nicht das Ziel sein. Im Sinne eines Stakeholder-Ansatzes sind weitere Interessengruppen wie Mitarbeiter, Aktionare oder die Gesellschaft in die Betrachtung einzubeziehen, ebenso wie die im Unternehmen vorhandenen Kernkompetenzen eine wichtige Rolle spielen. Auch hierfir bieten die Excellence-Modelle einen konzeptionellen Rahmen. In allen Modellen wird deutlich, dass Kundenorientierung sowohl konkrete Vorgaben zur Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen beinhaltet als auch Beriicksichtigung in Fuhrungsphilosophie und Unternehmenswerten finden muss. Erfahrungen von Unternehmen zeigen, dass der Einsatz von Unternehmensbewertungsmodellen helfen kann, durch einen systematischen und zielorientierten Verbesserungsprozess sehr erfolgreich in den gewahlten Markten zu agieren. Die Best-PracticeBeispiele verdeutlichen auch, dass es dabei keine Beschrankung auf bestimmte UnternehmensgrBRen oder Branchen gibt.
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Prof Dr. Klaus J. Zink, Dr. Thomas Bauerle, Ulrich Steimle Institut fur Technologie und Arbeit Technische Universitat Kaiserslautern Kurt-Schumacher-Str. 74A 0-67663 Kaiserslautern
Stephan A. ButscherILars R. Miiller
Kundenbindung durch Kundenclubs
2. Ziele eines Kundenclubs 2.1 Entwicklung eins Kundenclubkonzeptes 2.1.1 Entwicklungsstufen eines Kundenclubkonzeptes 2.1.2 Projektteam und Clubanalyse 2.1.3 Zielgruppen 2.1.4 Clubleistungen 2.1.5 Finanzplan 2.1.6 Clubkommunikation 2.1.7 Club Service Center I Cluborganisation 2.1.8 Clubdatenbank 2.2 Die Zukunft von Kundenclubs als Marketinginstrument
1. Einfuhrung Selbstverwirklichung und Individualisierung sind Schlagworte, die unsere Gesellschaft schon seit einiger Zeit pragen. Konsumenten werden zunehmend selbstbewusster und anspruchsvoller, ihre Loyalitat zu einer bestimmten Marke ist geringer geworden. Es gibt mehr und mehr Verbraucher, die ihre Einstellung fast im Monatsrhythmus wechseln und deren Bindung an ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen minimal geworden ist. Dies ist nicht nur die Folge eines umfangreichen Produktangebotes und austauschbarer Produktqualitaten, sondern auch auf den zunehmenden Informationsgrad des (potentiellen) Kunden zuriickzuftihren. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass Massenmbkte in immer kleinere Marktsegmente zerfallen. Der Verbraucher mochte nicht mehr als Teil einer grauen Masse, sondern als Individuum gesehen werden. Auf Seite der Unternehmen ist ferner ein zunehmender Kostendruck zu verzeichnen. Marketingbudgets miissen effizienter genutzt werden. So ist es nicht verwunderlich, dass schon seit Anfang der neunziger Jahre der Trend weg von der Streuwerbung und hin zur direkten Ansprache des Kunden geht. Es muss eine Beziehung zum Kunden aufgebaut werden, ein Dialog mit ihm geftihrt werden. Beziehungs- und Dialogmarketing sind Publikumslieblinge im Marketingprogramm der Unternehmen geworden. Um diesen intensiven und personlichen Dialog mit den Kunden zu fiihren, sind die altbekannten Marketinginstrumente nur beschrankt geeignet. Neue Marketinginstrumente sind im Sog des Direktmarketings entwickelt worden. Der Kundenclub ist einer der Stars unter diesen Instrumenten, die sich besonders zum Aufbau einer langfristigen Beziehung zum Kunden gut eignen. Kundenclubs basieren auf iiberwiegend nicht-monetaren Vorteilen f i r die Mitglieder. Dies ist wohl das herausragendste Unterscheidungskriterium des Kundenclubs im Vergleich zu anderen Kundenbindungsprogrammen. Bis heute haben hunderte dieser Clubs bewiesen, dass es emotionale, weiche Faktoren und nicht Preisvorteile sind, die den Weg zur Kundenloyalitat ebnen.
2. Ziele eines Kundenclubs Zunachst ist zu kliiren, was unter einem Kundenclub zu verstehen ist: Der Kundenclub wird definiert als eine zumindest kommunikative Einheit von Personen oder Organisationen, welche von einem Unternehmen initiiert und betrieben wird, um mit den Mitgliedern in regelmal3igem, direkten Kontakt zu stehen und ihnen ein Leistungspaket mit hohem
wahrgenommenen Nutzen anmbieten. Ziel dabei ist die Aktivierung der Mitglieder und die Zunahme der Kundenbindung durch den Aufbau einer emotionalen Beziehung zu ihnen. Kundenclubs betrachten wir als ein Synonym f i r nutzen-orientierte Kundenbindungsprogramme, d.h. Programme, deren Leistungsbundel sich streng am wahrgenommenen Nutzen orientiert und ihn maximiert. Sie verfiigen uber spezielle Merkmale, die sie so besonders effektiv machen. Die wichtigsten dieser Merkrnale sind die folgenden: B Kundenclubs werden von einer Organisation und nicht von Kunden initiiert, geplant
und verwaltet. I Kundenclubs bieten echten und wahrgenommenen Nutzen fiir ihre Mitglieder durch eine optimale Kombination von monetaren und nicht-monetaren Vorteilen in einem effektiven Leistungspaket. Kundenclubs ermoglichen dialogorientierte Kommunikation mit den Mitgliedern. s Durch Kundenclubs ist es moglich, Daten zu erheben, die auch zur Leistungsverbesserung in allen anderen Bereichen des clubbetreibenden Unternehmens genutzt werden konnen. Primar werden mit einem Kundenclub vier Ziele verfolgt: 1. 2. 3. 4.
Bindung von Kunden Neugewinnung von Kunden Aufbau und Optimierung einer Kundendatenbank Erhohung des Umsatzes bzw. des Marktanteils
Neben diesen Primbzielen gibt es eine ganze Reihe von sekundben Zielen. Diese Ziele variieren je nach Art des Kundenclubs. Hier einige Beispiele: Verbesserung des Firmen- bzw. Produktimages durch die Exklusivitat eines Kundenclubs. Gezielte Ansprache der Interessierten und Informationsaustausch mit Kunden. H Belohnung der Kundentreue durch beispielsweise ein integriertes Bonusprogramm. @ Erhohung der Besucherfiequenz in den eigenen Geschaften bzw, beim Handel. M Unterstutzung der Offentlichkeitsarbeit durch die Berichterstattung uber Aktivitaten des Clubs. kt@ Nutzen der erhohten Bereitschaft der Clubmitglieder an Befiagungen teilmnehmen, bzw. Informationen herauszugeben (Marktforschungspotential).
2.1 Entwicklung eines Kundenclubkonzeptes Die Entwicklung eines Kundenclubs oder jeder anderen Form von Kundenbindungsprogrammen tihnelt in vielen Aspekten der Entwicklung eines Produktes: sie bedarf griindlicher Planung, konzentrierter Arbeit und muss vor allem sehr ernst genommen werden. Von Beginn an sollte dieser Ernsthaftigkeitscharakter sowohl bei den direkt mit der Programmentwicklung beteiligten Mitarbeitern als auch bei den indirekt das Programm unterstiitzenden Parteien, z.B. dem oberen Management, geschaffen werden. Obwohl das Beziehungsmarketing nun bereits seit Jahren zu den Hauptmarketingtrends ztihlt, scheinen erst wenige Unternehmen das grundlegende Prinzip dahinter erkannt und verstanden zu haben. Das Ziel des Beziehungsmarketings ist es, eine Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden aufmbauen, welche nicht nur auf solchen Faktoren wie gunstigen Preisen beruht, sondern vor allem auf Emotionen. Eine positive, emotional gefarbte Beziehung zu einem Unternehmen manifestiert sich z.B. in Situationen, in denen der Kunde das Gefihl hat, als etwas Besonderes behandelt zu werden, ein besonders gunstiges Angebot zu erhalten oder aber durch (gemeinsam) durchgefiihrte, erfolgreiche Projekte, durch die ein Band des Vertrauens entsteht. Das Prinzip ist nichts Neues. Erfolgreiche Key-Account-Manager arbeiten schon lange nach diesem Prinzip. Was aber ist das Geheimnis eines erfolgreichen Programms? Die Antwort liegt in einer sorgfaltigen Planung unter Beriicksichtigung der Kundenwiinsche und -bedurfnisse, ausgereiften Testphasen und in der Ernsthaftigkeit, mit der das Konzept entworfen und umgesetzt wird. Ernsthaftigkeit meint in diesem Zusammenhang, sich uber das Ausmarj der notwendigen Investition in Zeit, Muhe und finanzieller Hinsicht im Klaren zu sein. Vor allem gilt es, zu verstehen, dass man mit dem Aufbau eines Kundenbindungsprogramms ein langfristiges Commitment eingeht. Resultate zeigen sich hier nicht innerhalb der ersten Wochen oder Monate. In Abhangigkeit von der Branche kann es Jahre dauern, bis sich herausstellt, wie erfolgreich ein Programm ist. So wird ein neues Auto nur alle paar Jahre gekauft, ein neues Buch aber im Monatsrhythmus.
2.1.1 Entwicklungsstufen eines Kundenclubkonzeptes Zunachst muss ein Unternehmen aufi-ichtig und gewissenhaft die folgende Frage beantworten: t@8 1st mein Produkt sowohl absolut als auch im Wettbewerbsvergleich gut genug? 1st es
die Investition wert? Wenn das Produkt sich aufgrund wesentlicher Qualitats-, Distributions-, Design- oder Preisprobleme nicht verkauft, wird ein Kundenclub auch nicht in der Lage sein, das Produkt zu retten. Nur wenn das Produkt wettbewerbsfahig ist, macht ein Kundenclub Sinn. 1st das Ziel eines Kundenclubs die Unterstiitzung einer ganzen Produktlinie oder
sogar des gesamten Unternehmens, muss diese Frage nicht nur auf Produktebene, sondern auch auf Unternehmensebene beantwortet werden. Eine griindlichere Analyse der momentanen Unternehmenssituation undloder des Produktes wird dann notwendig. Der Produktnutzen aus der Sicht des Kunden muss bekannt sein ebenso wie die Produktmerkmale, die f i r den Verkauf des Produktes ausschlaggebend sind. Auch miissen die wesentlichen Probleme identifiziert werden, mit denen sich das Unternehmen im Markt konfrontiert sieht. Die Analyse der gegenwartigen Situation und die Klarheit uber das ,,Warurn" der heutigen Situation sind notwendige Voraussetzungen, bevor zu den nachsten Schritten in der Entwicklung eines Kundenclubs ubergegangen werden kann.
2.1.2 Projektteam und Clubanalyse Um eine reibungslose Entwicklung des Clubkonzepts sicherzustellen, sollte das Management des clubinitiierenden Unternehmens ein Projektteam zusammenstellen, welches aus Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen (Marketing, ~ffentlichkeitsarbeit, Marktforschung, Finanzabteilung) und verschiedenen Hierarchieebenen (vom TopManagement bis zu Mitarbeitern im Kundendienst) besteht. Durch die Beteiligung der verschiedenen Abteilungen kann ein einseitiger Ansatz vermieden und die Akzeptanz des Programms unternehmensweit sichergestellt werden. Nur so konnen die Vorstellungen und Meinungen aus den verschiedenen Abteilungen in den Entwurf mit einfliel3en. Die Beteiligung von Mitarbeitern verschiedener Hierarchiestufen stellt dariiber hinaus sicher, dass das Top-Management das Programm absegnet, dass die Clubmanager mit dem Entwurf, den sie umsetzen miissen, mfrieden sind und dass die Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt, die den Club fordern und bewerben, das Konzept unterstiitzen. Anstatt einer von der Unternehmensspitze eingefiihrten Entscheidung, wird der Club von allen Ebenen getragen, was seine Erfolgswahrscheinlichkeit marjgeblich erhoht. Nicht mletzt erleichtert die Teamdiversifizierung die Integration des Clubs in die Unternehmensorganisation und in den bestehenden Marketingplan. Um ein gut ausgewogenes Kundenclubkonzept mit hohem Erfolgspotential zu entwickeln, empfehlen wir zusatzlich folgenden Fragen zum Club-Benchmarking nachzugehen sowie allgemeine Clubforschung zu betreiben:
P Gibt es Kundenclubs oder ahnliche Kundenbindungsprogramme bei Wettbewerbern; wie sind diese strukturiert und organisiert? @ Wie sehen Clubs oder Kundenbindungsprogramme in anderen Branchen und anderen Landern aus? Was konnen wir von anderen erfolgreich betriebenen Kundenbindungsprogrammen lernen (Benchmarking)? Was konnen wir von Programmen lernen, die versagt haben? @ Gibt es praxisnahe Spezialliteratur (Fallstudien) zu diesem Thema?
e Gibt es externe Spezialisten, die wir befragen konnen? Der zeitliche Rahmen fiir die Entwicklung - von dem Zeitpunkt der Idee bis zur vollstandigen Implementierung - muss mit ungefihr 6 bis 12 Monaten angesetzt werden. Die Inanspruchnahme externer Hilfe mag das Vorhaben zwar geringfiigig beschleunigen, aber nicht so sehr, dass dies einen Unterschied von einem halben Jahr ausmachen wiirde. Die Gesamtinvestition in ein solches Programm und seine Bedeutung f i r die Unternehmensentwicklung ist enorm und sollte nicht unterschatzt werden. Ein Kundenbindungsprogramm sollte lieber ein Vierteljahr spater, dafiir aber mit exzellenter Qualitat und Performance auf den Markt gebracht werden, als unter Zeitdruck ein nicht ausgereiftes Konzept einzufiihren. In Abbildung 1 sind die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Konzeption eines Kundenclubs aufgefihrt, die im Folgenden naher erlautert werden.
Integration in Unternehmen und Marketingstrategie
Club Service Center
Finanzierungskonzept
Abbildung 1 : Teile eines Kundenclubkonzeptes
2.1.3 Zielgruppen Die wichtigste Zielgruppe fiir einen Kundenclub sollten diejenigen Kunden sein, mit denen das Unternehmen den Hauptteil seiner Umsatze tatigt, da die Beziehungspflege zu dieser Kundengruppe lebensnotwendig f i r den zukiinftigen Erfolg des Unternehmens ist.
Kleinere Kunden und potentielle Neukunden sollten von dem Club nicht ausgeschlossen werden, doch das Hauptaugenmerk sollte auf der Entwicklung eines Clubs liegen, welcher den Bedurfnissen der A-Kunden gerecht wird. Zwar werden auch andere Kunden von den Vorteilen des Clubs profitieren konnen, idealenveise sollten fiir sie jedoch andere Instrumente und Programme entwickelt werden, die den speziellen Wiinschen und Bediirfnissen dieser Gruppen gerecht werden. Die Entscheidung fiir eine eher weite oder enge Abgrenzung der Zielgruppe hangt weitgehend von den Clubzielen ab. Wenn das Ziel beispielsweise der Aufbau einer kompletten Datenbank ist, ist es notwendig, eine eher weite Definition der Zielgruppe anzusetZen. Wenn allerdings das Ziel in der Beziehungspflege der GrolJ- und Schlusselkundschaft besteht, ist eine engere Abgrenzung empfehlenswert. Ein weiterer zu beriicksichtigender Faktor ist die Frage, wie sich potentielle Neukunden und Kunden der Wettbewerber uber den Kundenclub erreichen lassen. Wenn Wert und Attraktivitat des angebotenen Leistungspakets stimmen, kann ein Kundenclub durchaus eine Welle Neukunden f i r das clubbetreibende Unternehmen anziehen. Eine weitergehende Segmentierung (z.B. durch Konzentration auf Schlusselkunden in bestimmten Branchen) macht nur Sinn, wenn die Zielgruppen nicht homogen genug sind, um mit einem gemeinsamen Programm angesprochen zu werden. Kundenclubs sind sehr flexible Kundenbindungsinstrumente und konnen verschiedene Zielgruppen abdecken. Wenn also einige Kunden im Laufe der Zeit ihre Gewohnheiten verandern und damit auch die Zielgruppe oder das Segment wechseln, so konnen sie dennoch weiterhin iiber den Club erreicht werden.
2.1.4 Clubleistungen Der wichtigste Teil eines Kundenclubs sind seine Clubleistungen. Nur wenn die richtigen Leistungen gewahlt und angeboten werden, kann der Club ein Erfolg werden. Die Leistungen sind also der Leib und die Seele eines Kundenclubs. In erster Linie mussen sie dem Mitglied einen hohen und wahrgenommenen Nutzen bieten. Um die optimale Kombination zwischen monetaren (harten) und nicht-monetaren (weichen) Leistungen zu finden, ist ein nutzen-orientierter Ansatz notwendig, der drei Schritte erfordert. Im ersten Schritt wird ein Brainstorming uber alle denkbaren Leistungen mit Rucksichtnahme auf die Bedurfnisse der Primarzielgruppe durchgefiihrt. Ziel ist es eine moglichst umfassende Liste von potentiellen Leistungen zusammenzustellen, die fiir die Zielgruppen interessant sein konnten. Grenze fiir die Zusammenstellung interessanter Vorteile und Leistungen ist einzig und allein die Vorstellungskraft und Kreativitat der Projektteammitglieder. Faktoren wie Kosten oder Machbarkeit sollten an dieser Stelle noch nicht beriicksichtigt werden. In einem zweiten Schritt ist eine klein angelegte Vorstudie durchzufiihren, mit der die am meisten und am wenigsten interessanten Leistungen von der im ersten Schritt erstell-
ten Liste herausgefiltert werden sollen. Dies wird erreicht, indem 2.B. einige FokusGruppen mit Kunden aus den Zielgruppen aufgefordert werden, alternative Clubleistungen nach Attraktivitat it beurteilen. Die befi-agten Personen werden zudem gebeten, eigene, neue Ideen in dieser Phase einfliefien zu lassen. So wird sichergestellt, dass keine interessanten Aspekte ausgelassen werden und die Stimme des Kunden gehort wird.
Abbildung 2: Identifizierung der Clubleistungen mit dem hdchsten Nutzen Von den als interessant beurteilten und neu vorgeschlagenen Ideen werden nun einige in Stufe drei, einer grofiangelegten Umfi-age, weiterverwendet. Hier wird eine Stichprobe im Umfang von mindestens 250 Personen interviewt. Dabei werden Methoden wie Rangskalen, Konstant-Summenskalen oder anspruchsvollere Methoden wie das zu sehr exakten Ergebnissen fiihrende Conjoint Measurement angewendet, um den Nutzen der interessantesten Leistungen zu messen. Mit diesem dreistufigen Ansatz (siehe Abb. 2) lasst sich die urspriinglich grofie Anzahl an Leistungsideen nicht nur reduzieren, sondern auch in drei Gruppen gliedern: eine relativ kleine Gruppe von Leistungen, die f i r den Kunden den groaten Nutzen haben, Leistungen mit etwas niedrigerem Nutzenwert und Leistungen mit keinerlei Nutzen aus
der Sicht des Kunden. Die endgultigen Clubleistungen sollten aus den ersten zwei Gruppen unter Beriicksichtigung von Faktoren wie Kosten, Durchfiihrbarkeit und Kompetenz des Clubs bzw. des clubbetreibenden Unternehmens gewahlt werden. Es ist wichtig, diese Aspekte erst zu diesem spaten Zeitpunkt heranzuziehen, da primares Entscheidungskriterium der Nutzenwert fir den Kunden (value-to-customer) sein soll. 1st also der Nutzenwert einer bestimmten Leistung extrem hoch, so sollten z.B. Kosten nicht ein friihes Ausschlusskriterium sein. Weiterhin konnen Kompetenzprobleme durch die Kooperation mit einem externen Partner uberwunden werden, dessen Wahl allerdings mit hochster Sorgfalt erfolgen muss, da der Partner zum Club und clubbetreibenden Unternehmen hinsichtlich Image und Qualitat passen muss. Ein Kundenclub sollte in erster Linie produktbezogene Leistungen anbieten, d.h. Leistungen, die in Zusammenhang mit dem Kernprodukt und den Kerndienstleistungen des clubbetreibenden Unternehmens stehen. Die Kooperation mit externen Partnern stellt eine gute Moglichkeit dar, um das Leistungsspektrum durch die Integration weiterer nicht-produktbezogener Leistungen zu erweitern und damit die Clubattraktivitat zu erhohen. Da die Clubmitglieder auch fiir andere als das clubbetreibende Unternehmen eine sehr interessante und oft klar definierte Kundengruppe darstellen, sind diese meist bereit, Kommissionsgelder fiir die Moglichkeit zu zahlen, die Clubmitglieder mit ihren eigenen Produkten anzusprechen. Entscheidet sich ein Club fiir die Zusammenarbeit mit einem externen Partner, sollte jedoch strengstens darauf geachtet werden, dass die Kommunikation irnrner iiber den Club und nie direkt zwischen dem Kooperationspartner und dem Clubmitglied erfolgt. Auch ein Kundenclub hat einen Lebenszyklus und muss standig aktualisiert und weiterentwickelt werden. Aus diesem Grund sollten nicht alle Leistungen mit hohem Nutzen sofort zu Beginn des Clubs angeboten werden, sondern einige dieser Leistungen fiir zukiinftige 'face lifting'- MaRnahmen zuriickgehalten werden. Solche 'face-lifts' sind notwendig, um die Dynamik und Attraktivitat des Clubs uber einen Iangeren Zeitraum sicherzustellen.
2.1.5 Finanzplan Der zweitwichtigste Schritt bei der Konzeption eines Kundenclubs neben der Wahl von geeigneten Clubleistungen, ist das Erstellen eines soliden Finanzplans. Die Qualitat eines Kundenclubs hat ihren Preis und abhangig von Art, GrBfle und Clubkonzept konnen die Kosten zwischen 5 EUR und 35 EUR fiir Verbraucherclubs und zwischen 50 EUR und im Extremfall200 EUR bei Business-to-Business Clubs pro Jahr und Mitglied liegen. Zu diesen laufenden Kosten kommen die anfanglichen Programmentwicklungskosten inklusive der notwendigen Investitionen in Technologie, Personal etc. hinzu, welche sich schnell auf einen fiinf- oder sechsstelligen Euro-Betrag belaufen konnen. Die Kostenhohe fiir die Anfangsinvestition hangt wiedemm grBRtenteils von der Qualitat und Grol3e des Clubs ab. Niedrige Qualitat, mangelhafte Technologie oder ungenugend trainiertes
Clubpersonal zahlt sich nicht aus, da dadurch die Chancen auf einen Cluberfolg deutlich eingeschrankt sind. Durch die Nutzung aller dem Club zur Verfigung stehenden Einnahmequellen kann dieser einen Groflteil, wenn nicht sogar alle seine Kosten decken. Zu den clubeigenen Einnahmequellen gehoren die Eintrittsgebuhr undloder der Jahresmitgliedsbeitrag, der Verkauf von Clubwaren und speziellen Produkten, Kommissionsgelder von externen Partnern undloder der Kreditkarte, Einnahmen aus dem Verkauf von Werbeflachen in Clubkommunikationsmedien, Eintrittsgelder fur Clubveranstaltungen oder Gebuhren und Preise f i r Clubleistungen. In Abbildung 3 sind relevante Umsatz- und Kostenelemente eines Finanzierungskonzeptes von Kundenclubs dargestellt.
c
3
8
i
I
Interne Kommunikation des Clubs
Konzept-
Rabattierung
Datenbank
V Kundenclub
- Clubmerchandise
Clubmagazin 1 auf Internet Homepage
GebUhr fur Nutzung von Leistungen
Y
2 E
3
Beitritts- 1 MitgliedsgebUhr
Provision von externen Partnernl Kreditkartenfirma
Eintritt fur spezielle Clubveranstaltungen
Abbildung 3: Finanzierungskonzept eines Kundenclubs
Abbildung 3: Finanzierungskonzept eines Kundenclubs Eine Moglichkeit f i r eine bessere Kostenkontrolle ist die Begrenzung der Mitglieder auf eine bestimmte Mitgliederzahl. Zu beriicksichtigen ist ebenfalls der Einfluss, den der Club langfiistig gesehen auf den Gewinn des clubbetreibenden Unternehmens ausubt. So wirken sich die durch ihn ausgelosten Kundenbindungseffekte positiv auf den Unternehmensumsatz aus. Um unerwunschte ~berraschungenzu vermeiden, ist es empfehlenswert, verschiedene Szenarien beziiglich der GrBrjenentwicklung des Clubs durchzuspielen. Diese Szenarien erleichtern das Schatzen der notwendigen Investitionen f i r den Fall aurjergewohnlicher
Entwicklungen, z.B. wenn nur die Halfte oder die doppelte Anzahl der envarteten Mitglieder dem Club beitreten. Im Allgemeinen sollten die Kosten eines Clubs nicht als ,,KostenUper se, sondern eher als Investition in ein Marketinginstrument angesehen werden, welches in dem heutigen Wettbewerbsumfeld eine strategische Notwendigkeit darstellt.
2.1.6 Clubkommunikation Die Kornmunikation eines Kundenclubs erfolgt haupts2chlich in drei Bereichen: intern mit den Clubmitgliedern sowie intern mit den Mitarbeitern des clubbetreibenden Unternehmens und extern mit der Clubumwelt, zu der beispielsweise die Medien gehoren. Fur die interne Kommunikation mit den Clubmitgliedern stehen dem Club eine ganze Reihe von Kommunikationsmitteln zur Verfiigung: das Club Magazin, regelmaRige Newsletter und Mailings, eine Club Hot-Line, eine Web Page im Internet, Clubtreffen und veranstaltungen oder Clubverkaufsstellen. Die Kommunikation mit den Mitgliedern sollte dabei nicht auf die Information uber spezielle Angebote und Verkaufsaktionen beschrankt sein. Das Clubgeschehen, neue Produkte sowie Beitrage zu Themen von allgemeinem Interesse gehoren ebenfalls zu den Informationen, mit denen die Mitglieder in der Regel versorgt werden wollen. Die interne Kommunikation mit Mitarbeitern und dem Management des clubbetreibenden Unternehrnens ist ebenfalls BuRerst wichtig und schlieRt alle Beteiligten vom TopManagement bis zu den Mitarbeitern mit direktem Kundenkontakt ein. Mitarbeiter und Management miissen uber den Club und seine Ziele informiert werden, um die ClubIdee voll und ganz unterstutzen zu konnen. Nur wenn der Club durch alle Hierarchieebenen hinweg unterstiitzt wird, kann er auch ein Erfolg werden. Wird beispielsweise ein Kunde wiederholt nicht zu seiner Zufiiedenheit von einem Mitglied des Servicepersonals behandelt, dann wird auch ein ansonsten noch so gut betriebener Club diesen Kunden nicht zu einem treuen Kunden machen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter die Bedeutung des Kundenclubs, den erwiinschten Kundenbindungseffekt durch den Club und ihre eigene Rolle in diesem Prozess verstehen. Nicht zuletzt hat der Club mit seiner Umwelt zu kommunizieren, um Pressewirkung zu erzielen, Werbung fiir den Club zu betreiben und Aufinerksamkeit und Bewusstsein gegenuber dem Club zu erhbhen. Positive Presse zieht nicht nur neue Mitglieder an, sondern verstarkt auch das positive Image des Clubbetreibers als ein Unternehmen, das sich um seine Kunden kummert.
2.1.7 Club Service Center 1 Cluborganisation Ein Kundenclub stellt eine komplexe Organisation dar, da diverse Parteien an ihm beteiligt sind. Darunter befinden sich das initiierende Unternehmen, das Club-Management, externe Partner, Finanzpartner und die Clubmitglieder. Auch schlieRt er eine groRe Anzahl an Vorgangen, Aufgaben und Prozessen wie beispielsweise die Logistik der Clubleistungen, das Telefonzentrum, die Clubkommunikation und diverse finanzielle Projekte ein. Um den Club ordnungsgemarj zu fihren und einen reibungslosen Betrieb zu gewahrleisten, sollte ein Club Service Center als Anlaufstelle f i r alle Clubkontakte und aktivitaten eingerichtet werden. Wegen seiner Komplexitat und dem allgemeinen Ziel der Kundenbindungssteigerung hat das Club Service Center einen hohen Qualitatsanspruch zu erfillen. Seine Mitarbeiter, die notwendige Technologic und weitere Infrastruktur mussen deshalb sorgf6ltigst ausgewahlt werden. Die Frage, ob all diese Aufgaben firmenintern durchgefihrt oder vielmehr an eine externe Agentur vergeben werden sollen, ist schwer m beantworten, da beide Wege ihre Vorteile haben. Allgemein Iasst sich sagen, dass es sinnvoll ist, die Hauptaufgaben des Clubs, bei denen direkter Kontakt mit den Mitgliedern entsteht, eher innerhalb des Unternehmens durchzufihren. Venvaltungstechnische Vorgange lassen sich outsourcen. Doch die endgultige Entscheidung hangt von der finanziellen Situation und dem gewiinschten Unabhangigkeitsgrad des clubbetreibenden Unternehmens ab.
2.1.8 Clubdatenbank Eine Datenbank, die detaillierte und genaue Informationen uber die Kunden eines Unternehmens enthalt, stellt ein wirksames Wettbewerbsinstrument dar und hat einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf den langfristigen Unternehmenserfolg. Ohne das detaillierte Wissen iiber seine Kundschaft wird ein Unternehmen im heutigen Wettbewerb nur schwer bestehen konnen. Datenbanken sollten daher als strategische und weniger als taktische Instrumente verstanden werden. Mit einem Kundenclub lassen sich auf ideale Weise Daten uber die wichtigsten Kunden in der richtigen Qualitat und Quantitat erheben. Die erhohte Bereitschaft der Clubmitglieder, Informationen m teilen und personliche Daten in groRem Umfang und Detail zur Verfiigung zu stellen, Ibst sich wiederum durch die erhohte Bindung zu Club und clubbetreibendem Unternehmen erklaren. Die erhobenen Daten lassen sich dann nicht nur clubintern verwenden, sondern sollten auch anderen Unternehmensbereichen mganglich gemacht werden. Denn auch fiir diese ist die Clubdatenbank eine wertvolle Informationsquelle f i r ihre Tatigkeit. Eine gut gefihrte Datenbank eroffnet dem Unternehmen die Moglichkeit, einem One-to-one Marketing einen Schritt naher zu kommen. Um das Potential der Datenbank auszuschopfen und ihre ganze Effektivitat it erreichen, ist eine sorgfaltige Planung und Ausfiihrung notwendig. D a m gehort die Beantwortung der Fragen, welche Daten die Datenbank enthalten soll, wie diese erhoben werden
sollen, welche technischen und personellen Ressourcen notwendig sind, wie die Daten analysiert werden und f i r welchen Verwendungszweck sie aufbereitet und zur Verfiigung gestellt werden sollen. Mit Hilfe dieser Datenbank, kann der Kundenclub auch als internes Support-Center dienen und andere Unternehmensbereiche wie Marktforschung, Produktmanagement oder F&E mit Daten, Zugang zu Informationen etc. unterstiitzen. Zudem ergeben sich auch viele SynergieeffekteiKostensenkungspotentiale in diesen Abteilungen, z.B, wenn neue Werbefilme u.a. mit Clubmitgliedern getestet werden, anstatt ausschlieljlich mit teuer zu bezahlenden Screenings der Werbeagentur.
2.2 Die Zukunft von Kundenclubs als Marketinginstrument In einem Markt, der durch steigenden Wettbewerb, schwer einzuschatzende und immer besser informierte Kunden sowie stagnierendes Wachstum gekennzeichnet ist, gewinnen Bemiihungen um Kundenbindung an Bedeutung und mogen vielleicht einer der wichtigsten strategischen Erfolgsfaktoren unserer Zeit sein. Im Zuge der allmahlichen Entwicklung des Marketings hin zu einem One-to-one Marketing darf die Bedeutung von Kundenbindungsprogrammen, die dem Aufbau starker Beziehungen mit einzelnen Kunden dienlich sind, nicht unterschatzt werden. Kundenclubs gehoren zu den anspruchsvolleren und pflegebedurftigeren MarketingInstrumenten. Sie sind uber die gesamte Zeit ihres Bestehens intensiv zu beobachten und stetig weiterzuentwickeln, der Status quo kann in der Regel nur kurzfiistig Mitglieder halten. Langfiistig muss den Mitgliedern standig etwas Neues geboten werden. Es ist nicht einfach, Kundenclubs zu entwickeln und zu fiihren, doch die Anstrengungen zahlen sich in einer Effektivitat aus, die nur selten mit anderen Prograrnmen erreicht werden kann. Ein richtig konzipierter und implementierter Kundenclub kann eine wichtige Rolle fiir den zukiinftigen Markterfolg eines Unternehmens spielen. Wichtigste Faktoren bei der Griindung eines Kundenclubs sind das Angebot von Leistungen, die dem Mitglied echten und wahrgenommenen Nutzen bieten, die Entwicklung eines soliden Finanzkonzepts, die Sicherstellung der internen Unterstiitzung von Mitarbeitern aus allen Hierarchieebenen bis hin zum Top-Management und die volle Ausschopfung des Clubpotentials in Bezug auf die unterstiitzende Wirkung fiir andere Unternehmensbereiche durch die Bereitstellung geeigneter Daten und Informationen. In Deutschland alleine gibt es heute mehr als 300 Clubkonzepte. Die Clubidee greift langsam auf andere Lander uber. Nutzenorientierte Kundenbindungsprogramme sind bereits in einigen europaischen Landern, der USA und Australien entwickelt worden. Prinzipiell konnen Clubs in jeder beliebigen Branche greifen, was die bunte Clubszene in Deutschland beweist.
In Zukunft werden Kundenclubs mehr in direktem Wettbewerb miteinander stehen. Es wird vor allem innerhalb einer Branche zu Wettbewerbssituationen kommen. Dabei werden die gleichen Mechanismen gelten, wie fir Produkte, die sich im Wettbewerb zueinander befinden.
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Stephan A. Butscher u. Lars R. Miiller Simon, Kucher & Partners Hqydnstr. 36 0-531 15 Bonn
Andrea HemetsbergerIJohann Fiiller
Qua1 der Wahl - Welche Methode fuhrt zu kundenorientierten Innovationen?
1. Einleitung
2. Ansatze zur systematischen Einordnung von Methoden zur kundenorientierten Innovation 2.1 LongitudinalILateral Framework 2.2 Customer Integration Cube 2.3 E-Customer Innogration 2.4 QLL Framework 2.5 Zuammenfassung Ordnungsrahmen 3. Kundenintegrationswerkzeuge und -methoden im ijberblick 3.1 Methoden zum Austausch von iiberwiegend explizitem Wissen 3.2 Methoden zum Austausch von explizitem und implizitem Wissen 3.3 Methoden zum Aufbau von geteiltem impliziten und expliziten Wissen 4. Die Verwendung von Kundenintegrationswerkzeugen und -methoden in der Praxis
1. Einleitung Heutzutage steht eine Vielzahl von konventionellen und virtuellen Methoden zur Verfiigung, die f i r eine optimale Kundenorientierung im Innovationsprozess sorgen sollen. Kunden werden beobachtet, befragt oder zu Workshops eingeladen und aufgefordert aktiv an der Innovationsentwicklung teilzunehmen. Je nach Frage- und Aufgabenstellung kommen dabei die unterschiedlichsten Werkzeuge zurn Einsatz, wie zum Beispiel Lead User Workshops, Brainstorming, Conjoint Analyse oder User-Design. Zielt ein Unternehrnen auf die Gewinnung neuer Ideen ab, bieten sich andere Methoden und Vorgehensweisen an als etwa zur Ermittlung von Kundenpraferenzen oder Verbesserungsvorschlagen. Wiederum andere Werkzeuge kommen zum Einsatz, wenn es darum geht die Kundenakzeptanz oder Zahlungsbereitschaft fir eine Innovation in Erfahrung zu bringen. Die Wahl des f i r die Aufgabenstellung geeigneten Werkzeuges stellt sich aufgrund der groRen Vielfalt mitunter als schwierig heraus. Und nicht selten scheitert die erfolgreiche Markteinfiihrung von Innovationen trotz der Venvendung von Methoden, die die Kundenorientierung und den Markterfolg sicherstellen sollen. Griinde hierfiir sind unter anderem die Verwendung nicht adaquater bzw. nicht funktionierender Werkzeuge und Methoden bzw. deren mangelhafte Durchfihrung (z.B. Cooper 2002). Da die Eignung des Werkzeugs vom Kontext, wie zum Beispiel der Aufgabenstellung, Innovationshohe des Neuprodukts, der einzubindenden Zielgruppe und Produktkategorie abhangig ist, ist eine sorgfaltige Beurteilung und gewissenhafte Auswahl der anmwendenden Methode notwendig. Die Autoren stellen in diesem Beitrag unterschiedliche Frameworks vor, die bei der Methoden- und Werkzeugwahl Unterstiitzung bieten und geben einen kurzen Uberblick iiber die zur Verfiigung stehenden Methoden und Werkzeuge. Auf die praktische Anwendung der Tools wird ebenso eingegangen wie auf das f i r die Anwendung erforderliche Know-how. Die Autoren hoffen mit diesem Artikel zur Auswahl des richtigen Werkzeuges, dessen fachgemaljen Anwendung und somit zur kundenorientierten Leistungsgestaltung beitragen zu konnen.
2. Ansatze zur systematischen Einordnung von Methoden zur kundenorientierten Innovation In der Literatur ist eine Reihe von Ansatzen m finden, die Hilfestellung bei der Klassifikation von existierenden Methoden zur Kundenintegration in den Innovationsprozess bieten (Dahan and Hauser 2002a; Dahan and Hauser 2002b; Hemetsberger and Godula
2005; Kaulio 1998; Meyer et al. 2000; Reichwald et al. 2004; Rudiger 2001). Haufig erfolgt die systematische Einordnung anhand der unterschiedlichen Phasen im Innovationsprozess und den zu bewaltigenden Innovationsaufgaben. Nachfolgend werden ausgewahlte neuere Ansatze vorgestellt, die Hilfestellung bei der Klassifizierung von Kundenorientierungs- und Kundenintegrationsmethoden geben.
2.1 LongitudinalILateral Framework Kaulio (1998) stellt in seiner Arbeit ein zweidimensionales Framework vor, das ermoglicht unterschiedliche Kundenintegrationsmethoden hinsichtlich ihrer Eignung zu beurteilen und miteinander zu vergleichen. Das Framework besteht aus einer longitudinalen Dimension, anhand welcher die Verwendbarkeit von Methoden entlang der Phasen des Innovationsprozesses beurteilt werden kann, und einer lateralen Dimension, die die Methoden hinsichtlich der Intensitat der Kundenintegration unterscheidet. Wahrend die longitudinale Dimension einen fiinfstufigen Innovationsprozess mit den Phasen Specification, Concept Development, Detailed Design, Prototyping und Final Product zur Einordnung verwendet, besteht die laterale Dimension aus drei Aktivitatsniveaus: Design for, Design by und Design with, die die Rolle der Kunden im Innovationsprozess beschreiben.
m' Design for: Der Kunde dient als Auftraggeber und Informationsquelle im Entwicklungsprozess. Die Entwicklung findet im Unternehmen unter Ausschluss des Kunden statt. Fokusgruppen und Interviews werden eingesetzt, um spezielle Kundendaten, -praferenzen und -verhalten zu erfassen. Design with: Der Kunde ist im Fokus des Entwicklungsprozesses. Innovationen basieren auf den Anforderungen, Praferenzen und Bedurfnissen der Kunden. Mogliche Losungen und Konzepte werden mit Kunden besprochen, und gegebenenfalls gemal3 den Kundenanregungen und -vorschlagen modifiziert. B Design by: Kunden nehmen aktiv an der Entwicklung teil und gestalten ihre eigenen Produkte. Sie werden zum temporaren Mitglied des Entwicklungsteams. Neben dem ,,Quality Function Deployment" als am haufigsten verwendete Methode des ,,Total Quality Managements" im Innovationprozess werden sechs weitere Methoden (User-oriented product development, concept testing, beta testing, consumer idealized design, lead user method und participatory ergonomics) kurz vorgestellt und in das Framework eingeordnet. In der Zusammenfassung kommt Kaulio (1998) zum Ergebnis, dass die erfolgreiche Kundenorientierung nicht von der Auswahl eines einzelnen Werkzeugs abhangt, sondern vielmehr vom Design des richtigen Methodenmix zur Kundenintegration, das unter Beriicksichtigung des Gesamtentwicklungsprozesses zu erfolgen hat.
2.2 Customer Integration Cube Mit dem ,,Customer Integration Cube'' (CIC) liefern Reichwald et al. (2004) einen weiteren Ordnungsrahmen zur systematischen Einordnung von Methoden zur Kundeneinbindung. Der CIC besteht aus drei Dimensionen anhand derer die Eignung von Kundenintegrationswerkzeugen f i r die jeweilige Aufgabestellung im Innovationsprozess diskutiert werden kann: Innovationsphase, Kundenbeitrag und Kundeneigenschaften. Die im CIC verwendeten Dimensionen basieren auf einer Literaturrecherche sowie einer Fallstudie bei einem Sportartikelhersteller. CIC teilt den Innovationsprozess in die vier Phasen Ideen-, Konzept-, Prototypen- und Marktphase ein, in die Kunden integriert werden konnen und innerhalb derer unterschiedliche Ziele der Kundenintegration verfolgt werden. Die Kundenbeitragsdimension, welche zwischen Entscheidung, Information und Kreation unterscheidet, beriicksichtigt, dass Kunden, die an der Entwicklung teilnehmen, Beitrage unterschiedlichster Art machen konnen. Die einfachste und unmiindigste Form dabei ist, dass Kunden nur nach ihrer ,,Entscheidung" gefragt werden, ob ihnen eine Innovation gefhllt oder nicht und wie sie einzelne Produktfeatures einschatzen. Dies kann mit Hilfe von geschlossenen Fragestellungen und standardisierten Fragebogen erreicht werden. Suchen Produktentwickler nach ,,Informationen", die z.B. m r Losung von bestimmten Problemstellungen beitragen oder die persbnliche Einschatmng der Innovation detailliert wieder geben sollen, so bieten sich beispielsweise Fokusgruppen, aber auch Ideenwettbewerbe an. Sollen Kunden eine ,,KreationU hervorbringen, so miissen sie mit entsprechenden Werkzeugen in die Lage versetzt werden, ihr eigenes Produkt zu kreieren oder bereits Bestehende zu verbessern. Hierm eignen sich z.B. so genannte Toolkits. Reichwald et al. (2004) weisen mit ihrer Kundeneigenschaftsdimension darauf hin, dass das Kundenintegrationswerkzeug auch wesentlich von den Eigenschaften der einzubindenden Kunden abhtingt. Sie beziehen sich dabei jedoch lediglich auf das dem Kunden zur Verfigung stehende Anwendungswissen (bezieht sich auf die praktische Erfahrung mit der Produktnutzung, die durch haufige und intensive Produktnutzung resultiert) und Objektwissen (bezieht sich auf technisches -, verfahrenstechnisches - oder Materialwissen, das f i r die (Weiter-) Entwicklung wertvoll ist). Die zwei Wissensdimensionen dienen dam, Kunden in vier Gruppen fir die Einbindung in den Entwicklungsprozess einmteilen: ,,ProH - hohes Anwendungs- und Objektwissen, ,,Nerdu - geringes Anwendungs-, hohes Objektwissen, ,,Intuitiveu - hohes Anwendungs-, geringes Objektwissen, und ,,Freshmanc' - geringes Anwendungs- und Objektwissen. Zwar ist der CIC speziell zur Klassifikation und Auswahl von internetbasierten Kundenintegrationswerkzeugen entwickelt worden, er scheint aber auch zur Beurteilung nicht webbasierter Methoden geeignet zu sein, da die Beurteilungsdimensionen nicht internetspezifisch sind, sondern sich auf die Entwicklungsaufgabe und auf die einzubindenden Kunden beziehen.
2.3 E-Customer Innogration Der ,,E-Customer-Innogration" Raum nach Riidiger (2001), bestehend aus drei Hauptdimensionen: Zeitpunkt der Kundeneinbindung im Innovationsprozess, Kundentyp, der eingebunden wird, und Einbindungsmodalitat - Gestaltungsart der Einbindung, bietet durch die Kombination der genannten Merkrnalsausprtigungen 1.728 theoretisch denkbare Kundeneinbindungsmoglichkeiten an. Die zeitliche Dimension lauft entlang der fiinf idealtypischen Entwicklungsphasen: Ideenfindung, Ideenbewertung und -auswahl, Entwicklung, Produkttest und Markteinfiihrung. Die einzubindenden Kunden werden in Kundentypen eingestuft. Die Einstufung erfolgt nach Absatzstufe - Intermediar oder Endkunden, bestehende Kundenbeziehung - potenzieller Kunde, Neukunde oder Stammkunde - und nach Aktivitatsniveau - passiver, reflektierender oder innovativer Produktnutzer. Die Einbindungsdimension ist in acht Modalitaten mit bis zu jeweils 4 AuspragungsmBglichkeiten untergliedert. Die Art der Kundeneinbindung ist hinsichtlich RegelmaRigkeit, Institutionalisierungsgrad, Kontinuitat im Innovationsprozess, Zugangsmoglichkeit, Anonymitat der Kunden, Intensitat der Interaktion, Einbindungstechnik und Interaktionsfihigkeit der Kunden zu unterteilen. Wie aus dieser Vielfalt hervorgeht, ist der ,,E-Customer Integration" Ansatz eher zur morphologischen Analyse oder als strukturierter Gesprachsleitfaden geeignet, als zur systematischen Einordnung von Methoden, die zur kundenorientierten Innovation fiihren.
2.4 QLL Framework Mit dem QLL (Qualitative - Longitudinal - Lateral) Framework stellen Hemetsberger und Godula (2005), ausgehend vom LL Framework (Kaulio 1998), einen modifizierten Ordnungsrahmen vor, der neben der longitudinalen (zeitlichen) und lateralen (Transferierbarkeit von Kundenwissen) Dimension, eine weitere qualitative Dimension m r Beurteilung und Klassifikation von Kundeneinbindungsmethoden beriicksichtigt (Abbildung 1). Die longitudinale Dimension orientiert sich am fiinfstufigen Stage-Gate-Prozess nach Cooper (1990; 2002a; 2002b) mit den Stufen: Ideenscreening und Konzeption; Analyse und Design; Entwicklung; Test und Validierung; Markteinfiihrung und ist komplettiert mit den Phasen: Ideenfindung und -spezifikation; Montage; Vertrieb, die die phasenspezifische Einordnung von internetbasierten sowie konventionellen Methoden erlauben.
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Abbildung 1: Einordnung von internetbasierten, konventionellen und face-to-face Kundeneinbindungsmethoden entlang der zwei Hauptdimensionen - Longitudinal und Lateral - des QLL Frameworks Im Gegensatz zum LL Framework von Kaulio (1998), wird die laterale Dimension nicht vom Grad der Intensittit der Kundeneinbindung definiert, sondern geht explizit auf die Art des Kundenwissens (explizites und implizites Wissen) ein, das in den Innovationsprozess einflieRen soll. Wahrend explizites Wissen als leicht in Sprache undloder Zahlen fassbar und damit leicht transferierbar gilt, ist implizites Wissen, wenn iiberhaupt, nur
schwer zu transferieren. Implizites Wissen ist stark mit der aktiven Ausiibung einer Aktivitat im spezifischen Kontext verankert (Nonaka 1994). Eine Rezeptur flir eine Speise lasst sich beispielsweise leicht in einem Kochbuch festhalten und an andere weitergeben. Um aus dieser Rezeptur jedoch ein genussliches Gourmetessen zu zaubern, ist oftmals das Wissen eines Haubenkochs erforderlich. Das aus Gespiir, Ubung, Talent und Erfahrung resultierende implizite Wissen eines Chefkochs, lasst sich nur schwer in Worte fassen, ,,klebtU1am Wissenstrager und ist nicht so einfach ubertragbar. Wie das Beispiel zeigt, werden besondere Anforderungen an Kundeneinbindungswerkzeuge gestellt, wenn Unternehmen neben dem expliziten auch auf das implizite Kundenwissen zugreifen mochten. Dariiber hinaus entsteht neues und geteiltes Wissen nur im interaktiven Erfahrungsaustausch, d.h. wenn alle Beteiligten gemeinsam an einer Problemstellung oder LBsungsmbglichkeit arbeiten. Den unterschiedlichen Wissensarten Rechnung tragend teilen Hemetsberger und Godula (2005) die laterale Dimension in drei Stufen des Wissensaustauschs: Austausch von explizitem Wissen: 2.B. durch Fragen zu Produktpraferenzen oder beabsichtigtem Wiederkauf. @ Externalisierung von implizitem und explizitem Wissen: 2.B. mit Hilfe von Prototypentests oder Toolkits, die Kunden in die Lage versetzen neue Innovationen zu ,,erleben" und ihr implizites und explizites Wissen zu transferieren. R Auflau von geteiltem implizitem und explizitem Wissen: 2.B. mittels mehrtagiger Workshops, in denen das Innovationsteam in Kooperation mit Kunden neue Losungen erarbeitet. H
Welche Art von Kundenwissen mit den jeweiligen Methoden und Werkzeugen vom Anwender in das Unternehmen transferiert werden kbnnen, scheint von zentraler Bedeutung zu sein, da Wissen die wichtigste Ressource im Innovationsprozess darstellt (Aldrich 1979; Cohen and Levinthal 1990; Leonard-Barton 1996; Sawhney and Prandelli 2000). Dennoch gehen die weiter oben genannten Frameworks nur indirekt, mittels Aktivitatsniveau, Kundenbeitrag oder Intensitat, auf die Art des mit der jeweiligen Methode transferierbaren Wissens ein. Hemetsberger und Godula (2005) gehen mit ihrem Framework einen wichtigen Schritt in Richtung Wissensmanagement. Unternehmen verfolgen mit der Kundenintegration oftmals mehrere Ziele. Mit einem Ideenwettbewerb mijchten Unternehmen zum Beispiel nicht nur neue Ideen finden, sondern auch eine Beziehung zu den besonders innovativen Kunden aufbauen und fir eine starkere emotionale Markenbindung sorgen (Miihlbacher et al. 2006). Aus dieser Pluralitat von Zielen geht hervor, dass Kundeneinbindungsmethoden und -werkzeuge zusatzlich einer qualitativen Bewertung unterzogen werden sollten, die die Zielsetzung der Kundeneinbindung wiedergibt. Nach Hemetsberger und Godula (2005) sollten folgende
Vgl von Hippel sticky information
Uberlegungen in die qualitative Dimension Eingang finden und pro Projekt genau ausdifferenziert werden: Art des Wissenstransfers: genaue Anforderungen an die Kundenintegrationsmethoden, je nach Art des transferierten Wissens z.B. Fahigkeit komplexe Grafiken und Animationen zu ubermitteln s Beeinjlussbarkeit des Wissenstransfers: Moglichkeit zur ~berpriifungder Kundenbeitrage auf Relevanz und Messfehler @ Anwendbarkeit und Kosten der Kundenintegration: Kosten der Implementierung und Eignung f i r die unterschiedlichste Kontaktpunkte des Unternehmens Geschwindigkeit der Informationsgewinnung: benijtigte Zeit f i r Werkzeugkonzeption und -atwicklung, Wissenserfassung und Auswertung Vertraulichkeit der Information: Geheimhaltungsrelevant z.B. bei patentfahigen Ideen oder erfolgsversprechenden Konzepten. Das QLL Framework scheint zur Einordnung und Auswahl von Methoden aufgrund der iiberschaubaren zwei Hauptdimensionen: Wissensart und Innovationsphase praktisch handhabbar und beriicksichtigt mit der qualitativen Dimension noch spezifische Anforderungen an die Kundenintegrationsmethoden, die eine Differenzierung von mehreren zunachst in Frage kommenden und eine Bewertung der fiir das Innovationsziel am besten geeigneten Methoden erlauben. Die 2-dimensionale Einordnung der Methoden in Abbildung 1 informiert uber die grundsatzliche Eignung existierender Methoden. Eine differenziertere Betrachtung hinsichtlich der qualitativen Sub-Dimensionen sollte die Selektion eines optimalen Methodenmix f i r ein spezifisches Innovationsprojekt eines Unternehmens ermoglichen.
2.5 Zusammenfassende Bewertung der vorgestellten Ordnungsrahmen Es ist festzustellen, dass sich die zur Verfiigung stehenden Ordnungsrahmen in ihren Dimensionen ahneln und zur Beurteilung existierender Kundeneinbindungsmethoden hilfreich sind. Leider bleibt eine Vorstellung und umfassende Beurteilung existierender Methoden aus. Lediglich Kaulio (1998) und HemetsbergerIGodula (2005) nehmen eine Einordnung vor. Wahrend sich Kaulio auf sieben Methoden beschrankt, ordnen Hemetsberger1Godula 33 webbasierte, nicht webbasierte und face-to-face Methoden ein und liefern damit einen umfangreichen Methodenuberblick ohne Anspruch auf Vollstandigkeit. Eine detaillierte Beschreibung und Beurteilung der klassifizierten Methoden erfolgt nicht. Auf die praktische Handhabung der Methoden und Bewahrung in der Praxis wird ebenfalls nicht hingewiesen. Gerade solche Informationen sind aber zur schnellen Vorauswahl notwendig. Die nachfolgenden Abschnitte sind daher einer genaueren Beschreibung der Methoden und einer Beurteilung ihrer praktischen Durchfihrbarkeit gewidmet.
3. Kundenintegrationswerkzeuge und -methoden im ~berblick Das folgende Kapitel liefert einen ~ b e r b l i c kder von Hemetsberger und Godula (2005) erwahnten und in ihrem QLL Rahmen eingeordneten Werkzeuge und Methoden. Des Weiteren beinhaltet es Hinweise iiber typische Einsatzgebiete, Einsatzhaufigkeit, Bew a h n g in der Praxis sowie Anforderungen und Anspriiche an den Verwender. Wie Sawahney et al. (2003) betonen, stellt gerade die Durchfiihrung virtueller Kundeneinbindungsmethoden oftmals Anspriiche an die Unternehmung, die aufgrund der Neuheit und Komplexitat der Methoden ,,in-house6' nicht vorhanden sind. Deshalb ist die Beauftragung von Knowledge Brokern, so genannter Innomediare, zu iiberlegen. Grundsatzlich lassen sich Kundeneinbindungswerkzeuge typischen Marktforschungsund Arbeitsfonnen wie Befragung, Interview, Beobachtung und Workshop zuordnen, die sich in ihren Interaktionsmoglichkeiten und Teilnehmerzahlen unterscheiden. Durch den Einsatz verschiedener Kommunikationsmedien wie Telefon, Internet, Papier oder direkt von Person zu Person entstehen weitere Moglichkeiten, um mit Kunden zu interagieren. Hinzu kommt, dass sich die Kundenintegration durch zu Hilfenahme bestimmter Funktionen, die im Rahmen des gewahlten Mediums m6glich sind, wie z.B. der Nutzung physischer Prototypen, intelligenter Bewertungsalgorithmen, bunter Bilder, schriftlich formulierter Fragen, animierter 3-D Darstellungen oder von Online Konfiguratoren variieren lassen. Durch die Kombination von Kommunikationsform, Medium und Funktionen entsteht eine Vielzahl von Kundeneinbindungsmoglichkeiten. Diese sind fur verschiedene Zielsetzungen und Aufgabenstellungen unterschiedlich gut geeignet. An dieser Stelle mochten wir noch auf Dahan und Hauser (2002a) sowie Hermann et al. (2000) verweisen, die weitere aktuelle Methodeniibersichten liefern.
3.1 Methoden zum Austausch von iibenviegend explizitem Kundenwissen Kundenzufriedenheits- und Beschwerdeanalysen (Satisfaction und Complaints Analysis) Zufriedenheits- und Beschwerdeanalysen werden haufig im Innovationsprozess eingesetzt, um Verbesserungspotenziale und ModifikationsmBglichkeiten f i r existierende Produkte zu identifizieren. Kunden werden beziiglich ihrer Zufriedenheit und ihrer Erfahrung mit dem jeweiligen Produkt befragt. AuBer der Gesamtzufriedenheit, werden die Teilzufriedenheiten mit einzelnen Funktionen, wie m m Beispiel Design, Preis und Qualitat erhoben. Neben dem eindimensionalen Kundenzufriedenheitskonzept kommen vermehrt mehrdimensionale Konzepte zum Einsatz, die beim Zufriedenheitskonstrukt beispielsweise zwischen gestifteter Zufriedenheit und hervorgerufener Unzufriedenheit eines Produktmerkrnals unterscheiden. Weit verbreitet ist das Kano-Modell, das zwischen Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren unterscheidet (Kano et al. 1984).
Eine Schwache von Kundenzufiiedenheitsanalysen im Innovationsprozess ist allerdings, dass Kunden nur ihre (Un-)Zufiiedenheit beziiglich der Attribute artikulieren konnen, die sie erwarten und kennen. Latente Bedurfhisse, von denen Konsumenten gar nicht wissen, dass sie diese haben, solange sie nicht stimuliert werden, kornmen mittels Kundenzufiiedenheitsanalyse nicht zum Vorschein (Fuller and Matzler 2005). Gerade jene fihren aber zu Begeisterung und damit zu einem uberlegenen Leistungsangebot. Die Durchfihrung von Kundenzufriedenheitsanalysen gehort heutzutage zum Standardrepertoir der Marketingausbildung und stellt keine allzu hohen Anforderungen an den geschulten Anwender. Trotzdem kommt es immer wieder zu methodischen Fehlern bei der Durchfihrung, die oftmals in der falschen Auswahl und Nichtbeachtung wichtiger Leistungsbestandteile von Produkten und Dienstleistungen begriindet sind. Die Beschwerdeanalyse stellt ebenfalls einen wesentlichen Input fiir die laufende Verbesserung und Modifikation von Leistungen dar. Da die Beschwerdeanalyse vom Kunden ausgeht, gibt es keine spezifische Methode der Datengewinnung, sondern allenfalls unternehmerische Mafinahmen zu Stimulierung des Beschwerdeverhaltens (Stauss and Hentschel 1990). Diese Analysen sind fiir Unternehmen enorm wichtig, da Beschwerden von Kunden geaufierte gravierende Probleme darstellen, die sehr oft zur Beendigung der Geschaftsbeziehung fihren. Werden diese Probleme nicht geaufiert, gehen wertvolle Informationen verloren, die bei der Entwicklung von Innovationen nutzbar gemacht werden kbnnen. Dennoch werden Beschwerden in der Praxis aus mangelndem Verstandnis f i r deren Bedeutung fir das Unternehmen selten systematisch erhoben und ausgewertet. Dabei geniigt oft ein real oder virtuell installierter ,Beschwerdebrie&asten'. Eine sehr ausgiebige Quelle an Beschwerden stellen diverse Foren und Listen im Internet dar. Durch das Vertrauen in die Gruppe und die Anonymitat unabhangiger Foren werden oftmals extensive Diskussionen uber Kundenprobleme gefihrt, die zuganglich sind und inhaltsanalytisch ausgewertet werden konnen. Perceptual Mapping und Multidimensionale Skalierung
Die Methode der Multidimensionalen Skalierung geht, im Unterschied zur Zufiiedenheitsmessung, nicht von der Bewertung relevanter Produkteigenschaften und -nutZen aus, sondern versucht diese indirekt uber den Ahnlichkeitsvergleich mit Konkurrenzmarken zu ermitteln (Backhaus et al. 2003). Dabei werden zum Beispiel Paare von Konkurrenzmarken prgsentiert und die Befiagten gebeten, diese auf einer neun- bis zwolfteiligen Skala in Bezug auf ihre Ahnlichkeit zu bewerten. Die Ergebnisdarstellung erfolgt in einem zwei- oder dreidimensionalen Raum, in dem alle Konkurrenzmarken so dargestellt werden, wie sie in der Wahrnehmung der Kunden zueinander stehen. Diese Darstellung ahnelt einer ,Landkarte', in der, anstatt der Entfernungen von Stadten, die aus Kundensicht wahrgenommenen ,Entfernungen' von Marken zueinander sichtbar gemacht werden. Die Dimensionen werden meist durch Expertenmeinungen oder aber auch durch Kundenbefkagung interpretiert. Damit wird klar, welche Positionierung im Vergleich mit den Konkurrenten eingenommen wird. Klar wird durch diese Darstellung
auch, welche ,Raume' bzw. Nutzen unbesetzt bleiben und eventuell fiir eine Innovation nutzbar gemacht werden konnen. Andere Erkenntnisse fiir die Produktentwicklung konnen daraus resultieren, dass die gewiinschte Position nicht erreicht wurde und man in Zukunft noch klarere Entwicklungsarbeit in diese Richtung leisten muss. Wenn zum Beispiel ein deutscher Sportwagen von japanischen Herstellern auf der Dimension ,Agressivittit / Sportlichkeit' uberholt wird, sind Produktentwickler gefordert, diese Dimension in Design, Performance und Ausstattung noch stPker zu betonen. Nachteilig an dieser Methode ist, dass Marken nur anhand weniger Dimensionen miteinander verglichen werden konnen. Auch die Durchfiihrung und statistische Auswertung verlangt professionelle Statistikkenntnisse um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Sehriftliche und telefonische Befragung (Mail und Telefone Survey) Die schriftliche Befiagung in Form von postalisch ausgesandten Fragebogen kommt sehr haufig zum Einsatz, obwohl Rucklauf und Kommunikationsmoglichkeiten beschrankt sind. Gerade bei radikalen Innovationen ist aufgrund der geringen Aussagekraft auf die klassische schriftliche Befiagung zu verzichten. Ahnliches gilt fiir die telefonische Befragung. Diese Formen der Kundeneinbindung liefern nur vage Einschatzungen von Produktideen oder moglicher Produkteigenschaften und eignen sich hauptsachlich als Screeninginstrument zur Identifikation geeigneter Kunden, die an einer Fokusgruppe, am Produkttesting, oder an einem Lead User Workshop teilnehmen sollen. Zudem sind die schriftliche und telefonische Befragung geeignet, Erfahrungen und Zufiiedenheiten mit bekannten und verwendeten Produkten zu ermitteln. Zur Gestaltung und Durchfiihrung schriftlicher und telefonischer Befiagungen existiert eine Vielzahl sehr guter, allgemeiner Literatur zu Methoden der Marktforschung (z.B. Berekoven et al. 2004). Personliehe Befragung und Interviews (Personal Survey) Strukturierte Fragebogen konnen auch in Form von personlichen Befiagungen durchgefiihrt werden (Berekoven et al. 2004). Dies ist insbesondere bei schwierig zu administrierenden Fragebogen der bessere Weg, um zu einem reprbentativen Rucklauf zu kommen. Man ist somit nicht auf eine Riicklaufquote angewiesen. Der weitaus grBRere Vorteil der personlichen Form der Befiagung liegt aber in der Moglichkeit, die Fragen offener zu formulieren und vertiefend auf ein bestimmtes Problem einzugehen, also ein nichtstandardisiertes, qualitatives Befiagungsinstrument anwenden zu konnen. Dieser Abschnitt konzentriert sich daher auf die Vorteile qualitativer Formen der personlichen Befiagung. Das personliche, problemzentrierte Interview (Froschauer and Lueger 2003) verschafft einen guten Uberblick uber Ideen, Probleme, Bediirfnisse, Anforderungen und Einschtitzungen von Leistungen, die Kunden bewegen. Sie ist f i r die kundenorientierte Produktentwicklung unerlasslich. Da es sich beim personlichen Interview aber um Einschatzun-
gen und Sichtweisen einzelner Personen handelt, Iauft der Entwickler Gefahr Losungen zu entwickeln, die von der breiten und anvisierten Masse auf wenig Akzeptanz stonen. Die Auswahl der befiagten Personen ist daher von herausragender Bedeutung und sol1 die potenzielle Zielgruppe der innovativen Losung widerspiegeln. Bei der Durchfiihrung von personlichen Interviews ist darauf m achten, dass die Beeinflussung durch den Interviewer gering ist und dass die Befiagten aus Griinden sozialer Wunschbarkeit nicht jene Aussagen treffen, die das Unternehmen gerne horen mochte. Beim personlichen Interview ist auf die entsprechende Ergebnisaufbereitung und Analyse zu achten. Damit qualitativ gute Resultate erzeugt werden, sind Fragen und Gesprachsablauf sorgfaltig vorzubereiten. Um eine einheitliche und konsistente Befiagungsreihe sicherzustellen sind detaillierte Leitfaden mit prgzisen Interviewanweisungen zu entwickeln und die Qualitat der Ergebnisse mit intensiven Interviewerschulungen sicherzustellen. 1st diese Durchfiihrungsqualitat der Interviews gewahrleistet und werden entsprechende Methoden und Techniken der Interviewfiihrung eingesetzt, schaffen personliche Interviews wertvolle und tiefe Einblicke in die Motivstruktur von Kunden, ihre Probleme, Wiinsche und Ideen, und bieten damit oftmals die Grundlage fiir neue Produktideen. Auch die Bewertung von Innovationen kann im personlichen Gesprach eine wesentlich verbesserte Tiefe und Qualitat der Bewertungen erzielen. Analytical Hierarchy Process
Der Analytical Hierarchy Prozess stellt eine Methode dar, die fiir komplexe, eine Vielzahl an Kriterien umfassende Entscheidungen zur Anwendung kommt (Saaty 1980). Dabei werden sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien in die Problemlosung miteinbezogen. Das konnen beispielsweise Wert, Preis, Praferenzen und andere Kriterien sein. Wiirde man diese Kriterien nur in eine Rangordnung bringen, so wiirde man ab einer bestimmten Anzahl an Kriterien nur schwer eine Losung erhalten. Daher werden in diesem Verfahren vorerst diese Kriterien paanveise miteinander verglichen. Die jeweiligen Werte werden in eine Matrix eingetragen. Mithilfe dieser Werte konnen Praferenzreihungen errechnet werden, die Werte zwischen 0 und 1 annehmen und die dann in eine hierarchische Struktur gebracht werden konnen. Damit steht ein Bewertungsschlussel zur Verfiigung bzw. eine Gewichtung relevanter Kriterien fiir die Bewertung von Produktkonzepten. Der Analytical Hierarchy Prozess ist ein sehr strukturierter Prozess, der gut geeignet ist, Produktkonzepte zu evaluieren, die einer Reihe von Bewertungskriterien unterliegen. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass dieser Vorgehensweise die Annahme unterliegt, dass Kunden ihre Kaufentscheidungen rational und unter Zuhilfenahme von gewichteten Kriterien treffen. Es ist also vor Anwendung der Methode zu uberlegen, ob diese Annahme auch zutrifft. Die Methode ist dafiir in der Durchfiihrung sehr einfach. Paarweise Vergleiche sind nicht schwer anzustellen, die Aufgabe fiir den Befi-agten ist daher leicht durchmfiihren. Diese Methode besticht daher auch durch ihre Strukturiertheit und einfache Durchfihrbarkeit und liefert ein wertvolles Beurteilungsinstrument. Dem steht allerdings nachteilig gegenuber, dass komplexe Trade-offs zwi-
schen Kriterien, wie sie in der Praxis oft vorkommen, nicht getroffen werden. So werden in der Praxis bei der Beurteilung auch komplexer Kaufentscheidungen oftmals drei oder mehrere Kriterien gegeneinander abgewogen, wie zum Beispiel beim Computerkauf der Preis, die Festplattenkapazitat, die Taktfiequenz und die Bildschirmauflosung. Auch andere Heuristiken kommen in der Produktbeurteilung haufig vor, die durch diese hierarchische Betrachtung nicht abgebildet werden. So kann es sogar vorkommen, dass lediglich ein Kriterium ausschlaggebend f i r eine Kaufentscheidung wird, solange ein bestimmter Qualitatslevel bei den anderen Kriterien nicht unterschritten wird. Securities Trading of Concepts (STOC) Diese virtuelle Methode erlaubt es, Produktkonzepte zu testen, indem diese Konzepte als ,securities' in einem borsenahnlichen Umfeld ge- und verkauft werden (Paustian 2001). Je hoher der Preis f k ein Produktkonzept steigt, desto besser werden seine Marktchancen eingeschatzt. Damit werden indirekt die Praferenzen der Kaufer f i r ein bestimmtes Konzept ermittelt. Diese Methode macht sich die fieien Marktmechanismen der BBrse zunutze, um Produktkonzepte auf ihre Marktreife und Marktchancen zu testen. Das prasentierte Borsenumfeld ist webbasiert und kann daher individuell gestaltet werden. Das macht die Methode auch spannend und verleiht ihr den Charakter eines Borsenspiels. Diese Methode hat weiters den Vorteil, dass die Einzelpraferenzen von den Marktpraferenzen abhangen, das heiljt, dass Kunden, wie beispielsweise im Modemarkt, auf andere Kunden, sprich Modetrends reagieren. Uberdies konnen mehrere Konzepte relativ zueinander beurteilt werden, da es f i r jedes Konzept einen ,Marktpreis7 gibt. Diese junge Methode hat allerdings den Nachteil, dass sie noch nicht auf ihre Gultigkeit und ZuverIbsigkeit getestet wurde und in der Praxis kaum zum Einsatz kommt. Conjoint Analyse, Webbased und Fast-paced Adaptive Conjoint Analysis Abhangig vom eingesetzten Medium Internet oder schriftlicher Fragebogen, der Erhebungsart und des Berechnungsalgorithmus gibt es unterschiedliche Varianten der Conjoint Analyse, wie etwa die in Abbildung 1 genannte webbasierte oder ,,fast-paced adaptive" Conjoint Analyse (Dahan et al. 2002). Die primare Zielsetzung, die mit der Conjoint Analyse verfolgt wird, ist jedoch immer die gleiche, namlich den gestifteten Gesamtnutzen einer gezeigten Produktvariante und die jeweiligen Teilnutzen einzelner Produktmerkmale in ihren Auspragungen zu ermitteln (Douglas and Craig 1983). Fur ein neues Handy will die Innovationsabteilung beispielsweise wissen, welchen Wert ein 3 Zoll Farbdisplay im Vergleich zu einem 2 Zoll Farbdisplay stiftet und was aus Sicht der Kunden wichtiger ist, ein geringeres Gewicht oder eine 10 Stunden langere Sprechzeit. Fiir welches der vorgelegten Handys entscheidet sich der Kunde und warum? Welchen Anteil an der Kundenentscheidung hat dabei das grBDere Farbdisplay oder der giinstigere Preis? Befragt man Konsumenten, welche Einzelkomponenten eines Handys, wie wichtig sind, Iauft man Gefahr zu horen, dass alle Bestandteile essentiell seien. Dies hilft dem
Entwickler nicht weiter, da ein ideales Produkt, das alles kann und nichts kostet in der Realitat nicht existiert. Dieses Problem ist mit der Conjoint Analyse gelost, da dem Konsumenten Produktvarianten vorgestellt werden, die sich in ihren MerkmalsausprBgungen 2.B. Marke, Design, DisplaygrBBe und Preis unterscheiden und zwischen denen der Konsument wahlen muss. Der Kunde muss sich zwischen zwei oder mehreren Angeboten entscheiden, was letztlich durch die Analyse, die vom Kunden gewiinschten Produktnutzen m m Vorschein bringt. Solche Informationen erlauben dem Entwickler ein nutzenoptimiertes Produkt zu entwickeln, das unter Beriicksichtigung teilweise kontrber Produktmerkmale ein Optimum darstellt. Aufgrund der genauen Ermittlung der Teilnutzenwerte ist die Conjoint Analyse ein wichtiges Werkzeug f i r die kundenorientierte Innovation. Sie gilt als das meisteingesetzte, aber auch als statistisch anspruchsvolles Verfahren im Entwicklungsprozess. Die Gestaltung der Conjoint Analyse ist zudem nicht nur in Textform als schriftlicher Fragebogen moglich, sondern kann die Leistungsbundel auch als visuelle Produktprototypen bzw. Produkte darstellen. Fur diese Darstellungsform eignet sich das Medium Internet besonders gut und garantiert eine kostengunstige und f i r die Befragten sehr ansprechende Form der Befiagung. Dennoch birgt die Conjoint Analyse auch einige Probleme- in sich. Das Design, die Durchfiihrung der Conjoint Analyse, sowie die Analyse stellen erhebliche Anforderungen an den Anwender. Zudem ist damit meist die Anschaffung einer speziellen Software verbunden, die zwar leicht zu bedienen und weit verbreitet ist, dennoch aber einen gewissen Einarbeitungs- und Beschaffungsaufwand verursacht. Weiters erlaubt diese Methode lediglich eine Bewertung bereits existierender Produktkonzepte und lasst keinen kreativen Spielraum fir den Befragten. Zudem ist die Einbindung von Produktfeatures begrenzt, da sich die moglichen Kombinationen an Leistungsbundeln mit jedem TeilnutZen potenziert. Die adaptive Conjoint Analyse (Toubia et al. 2004) bringt hier zwar einen entscheidenden Vorteil, da sie die moglichen Kombinationen and Nutzenbundel auf die Befragten verteilt und anpasst, allerdings sind auch dieser Methode Grenzen gesetzt. Diese liegen einerseits im analytischen Bereich, andererseits aber auch daran, dass ab einer gewissen Anzahl an Entscheidungen, die ein Befiagter zu treffen hat, ein Ermiidungseffekt eintritt, der die Ergebnisse verf3lscht. Information Pump
Die ,Information Pump' (Prelec 2001) ist ein sich im Entwicklungsstadium befindliches internetbasiertes Kundenintegrationsverfahren, das Kunden in spielerischer Art und Weise dazu bewegen soll, moglichst ehrliche Meinungen uber ein neues Produktkonzept abzugeben und dadurch zu den echten Erwartungen und Wiinschen der Kunden vormdringen. Diese Methode ist als interaktives Spiel gestaltet an dem mehrere Befragte teilnehmen. Das Spiel umfasst unterschiedliche Rollen wie den ,declarer' und den ,detective'. ,Declarer' machen Aussagen iiber das Produktkonzept, die sich auf alles, was das Produkt betrifft beziehen konnen, beispielsweise seinen Einsatz, seine moglichen Verwender und seine Eigenschaften. Die anderen Teilnehmer konnen gleichermaljen
Aussagen uber das Produkt treffen, die wahr oder falsch sein konnen. Die Aussagen der Teilnehmer werden von den anderen Teilnehmern als wahr oder falsch eingestuft. Der ,detective7 hat eine besondere Rolle inne. Er sieht das Produkt nicht. Er kann aber einsehen, welche Teilnehmer welche wahren bzw. unrichtigen Aussagen gemacht haben und kann daraufhin versuchen zu erraten, ob der aktuelle ,declarer', der gerade am Zug ist, gerade ein wahres oder falsches Statement uber das Produkt abgibt. Der aktuelle Spieler bekommt Incentives fir jene Aussagen, die der ,detective' nicht errat. Damit sol1 erreicht werden, dass moglichst viele neue, unkonventionelle Ideen und Aussagen uber ein Produkt gemacht werden, die dann wiederum in den Entwicklungsprozess fir das neue Produkt eingehen konnen. Ein wesentlicher Vorteil dieses Spiels ist es, dass es fir die Beteiligten einen SpaRfaktor aufweist und dass auch Vertreter des Unternehmens daran teilnehmen und damit steuernd eingreifen konnen. Damit konnen Unternehmensvertreter aus erster Hand erfahren, was ihre Kunden bewegt. Soziale Effekte, wie soziale Wunschbarkeit von Antworten und Gruppendenken konnen sich allerdings bei derartigen Methoden nachteilig auswirken. Dennoch haben erste Tests dieser Methode gezeigt, dass kreativere Losungen zustande kommen als bei vergleichbaren konventionellen Methoden. Virtual Brainstorming/WebbasedAsynchronousIdeation
Ein weiteres kreatives Verfahren zur Ideenfindung stellt das webbasierte Brainstorming dar , das in einer Art Mind Map resultiert (Dahan and Hauser 2002a). Mehrere Teilnehmer - unternehmensextern sowie -intern - konnen in einer ortlich und zeitlich ungebundenen Form an einer Problemstellung oder an einer neuen kreativen Idee arbeiten. Die Teammitglieder werden eingeladen, an einer Ideengenerierungsaufgabe teilzunehmen und ihre kreativen Ideen beizutragen. Die Teilnehmer interagieren in asynchroner Weise miteinander, das heiRt, sie sind nicht gleichzeitig online und kbnnen die Ideen der anderen Teilnehmer nicht sofort einsehen. Das erhoht allerdings die Chance iiber die Ideen der anderen nachzudenken und selbst mit einer noch kreativeren Idee aufzuwarten. Auch hier wird wiederum der positive Effekt des Spielcharakters ausgenutzt, indem man nicht fir die eigenen kreativen Ideen ,belohnt7 wird, sondern da&, wie sehr man mit seinem Input die anderen Teammitglieder zu kreativen Ideen anregt. Die Virtual Brainstorming Software organisiert die Ideen in eine Mind Map, die in iibersichtlicher Art und Weise den Ideenfluss darstellt. Die Methode wurde bisher in zwei kommerziellen Anwendungen getestet. Die Teilnehmer auRerten sich positiv uber das Incentive System. Im Vergleich zu fixen Incentives, produzierte die oben dargestellte Variante achtmal so viele kreative Ideen. Communities of Practice oder Internet Communities konnen dieses Tool auch dazu verwenden um nicht nur an Ideen, sondern auch zeitlich und ortlich unabhangig voneinander gemeinsam an einer Losung zu arbeiten. Gerade mit den neuen Moglichkeiten, die Voice over IP Tools wie Skype bieten, ist es moglich, diese Methode kunftig auch in
auditiver und visueller Weise zu untersttitzen und damit Ideen- und Kreativworkshops online auch in synchroner Weise durchzufihren.
Fokusgruppe Fokusgruppen werden in fast allen Phasen des Innovationsprozesses eingesetzt. Die Fokusgruppe ist ein qualitatives Gruppeninterview, an dem zwischen acht und zwolf Personen teilnehmen. Ein oder zwei Moderatoren steuern das Gruppeninterview und achten darauf, dass einerseits ein positiver, gewiinschter Gruppeneffekt eintritt und die Teilnehmer von den Antworten der anderen Teilnehmer angeregt werden. Andererseits liegt die Aufgabe der Moderatoren auch darin, alle Teilnehmer zu Wort kommen zu lassen und etwaige Unstimmigkeiten auszugleichen. Die Fokusgruppe zahlt zu den am haufigsten venvendeten Verfahren und findet Anwendung flir die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen. Sie dient der Identifikation von Bedurfnissen und Anforderungen genauso, wie zur qualitativen Beurteilung von innovativen Konzepten oder Prototypen hinsichtlich Akzeptanz, gestifteten Nutzen, subjektiver Wahrnehmung, damit verbundenen Assoziationen, Bedienungsfreundlichkeit und Einschatmng der Zahlungsbereitschaft. Das Gruppeninterview zeichnet sich durch seine typische Gruppendynamik aus. Der durch die Gruppe initiierte Schneeballeffekt fiihrt zu sehr intensiven und reichen Einsichten, die mit einem Einzelinterview oftmals nicht zu Tage treten. Andererseits kann die Gruppe auch hinderlich sein, insbesondere bei heiklen Themen oder bei sehr heterogener Gruppenzusammensetzung. Andererseits fihren aber sehr homogene Gruppen wiederum zu einer friihen Einigkeit der Gruppe und machen innovative Losungen unwahrscheinlich. Die Qualitat der Moderatoren ist oftmals ausschlaggebend fir den Erfolg oder Misserfolg einer Fokusgruppe. Obwohl Fokusgruppeninterviews sehr aufwandig sind in der Gestaltung, Moderation und Analyse, so sind sie andererseits auch sehr vielseitig einsetzbar und konnen mit einer Vielzahl an Kreativitats- und Befragungstechniken bereichert werden. Listening In Listening In stellt eine internetbasierte Methode dar, um Bedurfnisse zu entdecken, die bisher von keinem Produkt erflillt werden (Urban and Hauser 2004). WBhrend gewbhnliche virtuelle ,Berater' und Konfiguratoren alle auf bereits bekannten Bedurfnissen beruhen, zielt Listening In darauf ab Lucken zu entdecken und Bediirfnisse aufzuzeigen, die bislang unentdeckt geblieben sind. Diese Methode versucht, auf indirektem Wege solche Liicken zu entdecken, indem die Interaktionen zwischen einem virtuellen Berater und Kunden beobachtet werden. Der virtuelle Berater macht dabei dem Kunden eine Reihe von Produktempfehlungen, die der Kunde bewertet. Auf diese Weise versucht der virtuelle Berater, das ideale Produkt fir den Kunden zu eruieren. Ein Rechenalgorithmus im Hintergrund errechnet dabei laufend immer besser den Kundenwiinschen entsprechende Varianten und vergleicht die Bewertung mit der Vorangegangenen. Solange die Bewer-
tung der neuen Variante besser ausf2llt als die der Vorangegangenen, wird vom System immer wieder ein neuer Vorschlag generiert. Wird eine neue Variante schlechter beurteilt als die vorhergehende, schaltet sich ein virtueller Ingenieur ein, der den Kunden d a m zu der speziellen, als am besten eingestuften Variante, genauestens beii-agt. Dies erfolgt mit Hilfe geschlossener als auch offener Fragen. Diese Art der Befiagung ist sehr gut dam geeignet, spezielle Wunsche von Kunden zu ermitteln, die mit herkommlichen Methoden nicht eruierbar sind. Durch die genauen Fragen kommt man schrittweise m Produktspezifikationen, die die Kundenwiinsche am besten widerspiegeln. Allerdings ist diese Methode auch sehr aufwandig und basiert auf einem komplizierten statistischen Algorithmus. Eine genaue Validitats- und Zuverlassigkeitspriifbng steht noch aus. ~ b e r d i e shat die Methode bisher lediglich fiir technische Produkte Anwendung gefunden. Ob sie sich ebenso gut f i r Verbrauchsguter, sehr emotional besetzte Produkte und fiir Dienstleistungen eignet, bleibt zu erforschen.
Szenariotechnik Die Szenariotechnik - eine Technik aus der Trendforschung - wird dam venvendet, eine Vorstellung von der Zukunft zu bekommen und zu bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das gewonnene Bild in der Zukunft auch zur Realitat werden wird. 1st der Unternehmung bekannt wie der Markt oder die Gesellschaft in Zukunft aussehen kann, ist es gerustet, passende Leistungen hierfiir zu entwickeln. Die Entwicklung von Szenarien kann rein unternehmensintern und auch mit Experten aus allen wichtigen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen durchgefiihrt werden, um zukiinftige Entwicklungsszenarien der Makroumwelt zu generieren (von Reibnitz 1983). Dabei werden zwei Extremszenarien generiert, die das jeweils ungiinstigste und das gunstigste Szenario der Zukunft in etwa zehn Jahren skizzieren. Je weiter man in die Zukunft geht, desto unsicherer und komplexer werden die moglichen Entwicklungen. Daraus entsteht ein Szenario-Trichter, der sich in Richtung Zukunft immer mehr weitet, also immer unsicherer und komplexer wird. Aus diesem Trichter an Moglichkeiten kann d a m ein Trendszenario beschrieben werden, das zwischen den beiden Extremszenarien liegt. Zur Erstellung der Szenarien werden in einer Reihe von Vormnden Kausalitaten und wichtige Aspekte herausgefiltert, die das Unternehmen bzw. eine bestimmte Innovation ganz besonders betreffen konnten. Sowohl empirische Daten, als auch intuitiv-kreative Elemente werden in die Entwicklung dieser Szenarien eingebaut. Unter anderem werden dabei Themen beleuchtet wie beispielsweise das zukiinftige Nutzungsverhalten von Medien, die Energieversorgung, die Alterspyramide in bestimmten Landem oder die Eintrittswahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen. Trotz kreativer Elemente werden Szenarien in einem streng systematischen Prozess des rationalen Diskurses erstellt. Im Normalfall finden vier bis zehn Phasen Anwendung, die von einer genauen Beschreibung eines gesellschaftlichen Problems uber Phasen der Umweltanalyse mit Bestimmung der Deskriptoren und ,Constraints' (mogliche Einschrankungen bzw. Schadenshlle), die Entwicklung und Ausgestaltung der Szenarien bis zur Phase der Entwicklung von Strategien und
Mafinahmen zur Problemlosung reichen. Es existieren auch Softwareprogramme, die eine Szenarioanalyse unterstiitzen. Fur Unternehmen, die Grundlagenforschung betreiben und fir radikale Innovationen, ist eine regelmafiige Erforschung solcher Szenarien unerlasslich. Nachteilig ist vor allem fir kleinere Unternehmen die geringe Moglichkeit, sich hochrangige Experten ,einzukaufen'. Das kann allerdings wenigstens teilweise durch eigenstandige, intensive Recherchen wettgemacht werden. In grofieren Unternehmen werden derartige Workshops in finf bis zehn Jahresabstanden regelmafiig mit grofiem Erfolg angewandt. Delphi Methode Kann man geeignete Experten nicht an einen gemeinsamen Tisch bringen um Szenarien zu entwickeln, so eignet sich auch die Delphi Methode sehr gut, um Expertenmeinungen zu einem Meinungsgegenstand einzuholen (Chakrabarty and al. 1998). Auch die Delphi Methode befasst sich mit der Erstellung von Trendprognosen, allerdings in diesem Fall mit einem Expertenpanel. Dabei wird den Experten schriftlich eine Problemstellung ubermittelt, zu der sie eine Stellungnahme abgeben sollen. Es werden die Antworten, Schatzungen, Ergebnisse zusammengefihrt, aufbereitet (in Form einer speziellen Mittelwertbildung) und in einer zweiten Runde den Experten in dieser aufbereiteten Form prasentiert. Diese haben also die Gelegenheit, andere Expertenmeinungen zur vorgegebenen Problemstellung einzusehen und darauf zu reagieren bzw. die neuen Erkenntnisse zu verarbeiten. Die Experten werden wiederum gebeten, eine Stellungnahme abzugeben. Dieser Prozess wiederholt sich mehrere Male, bis eine Art Konsens uber die zukunftige Entwicklung erreicht ist. Endergebnis ist eine meist recht zuverltissige Expertenprognose iiber das gestellte Problem. Diese Art der Befragung kann sowohl fir quantitative Schatzungen (zum Beispiel uber die in zehn Jahren benotigte Anzahl an technisch ausgebildeten Akademikern) als auch f i r qualitative Fragestellungen verwendet werden (zum Beispiel uber den durch den Kapitalismus ausgelosten Wertewandel in China). Da diese Methode auf Meinungen beruht, kann man nicht von objektiven Informationen ausgehen. Dennoch resultiert sie in erstaunlich genauen und gut durchdachten Abhandlungen von Problemen, die auf das enorme kollektive Wissen der Experten zuruckzufihren ist. Die Vielzahl der Herangehensweisen von Experten und der durch diese Unterschiede angeregte Denkprozess ermoglicht diese Genauigkeit der Losungen. Schwierig ist allerdings manchmal in der Praxis, Zugang zu den Experten zu gewinnen und die Delphi Befkagung in einer angemessenen Zeit durchfiihren zu konnen. Das Erreichen eines Konsenses kann nicht vorhergesehen werden und oft mehrere Runden beanspruchen. Nachdem diese Methode aber der Trendprognose dient, ist Zeit nicht ganz so erheblich wie bei anderen Marktforschungen.
Problem Detecting Method
Die Problem Detecting Methode (Stauss and Hentschel 1990) stellt eine konventionelle Marktforschungsmethode dar, die darauf abzielt, einen moglichst groRen Pool an Problemen mit existierenden Produkten zu generieren. Die Logik, die sich dahinter verbirgt besteht darin, dass Kunden nur schwer ihre Bediirhisse und unerfillten Wunsche auRern konnen, aber sehr gut uber bestehende Probleme mit den von ihnen venvendeten Produkten Bescheid wissen. Aus diesem Pool an Problemen lassen sich eine Reihe von Produktmodifikationen und Neuerungen ableiten. In einer ersten Runde werden in Fokusgruppen die Probleme gesammelt. Dabei ist es nicht unublich auf uber hundert Probleme zu stoRen. Diese konnen dam in einer zweiten Runde von Kunden beurteilt werden. Dam werden alle Probleme auf Kartchen geschrieben und zurn Beispiel in Bezug auf ihre Dringlichkeit, Wichtigkeit und Haufigkeit auf einer finfteiligen Skala bewertet. Die Bewertung kann allerdings auch nach anderen Kriterien erfolgen, wie zurn Beispiel der ~rgerlichkeitdes Problems oder der Einschatzung der Befragten, ob es dem Leistungsersteller moglich gewesen wPe, dieses Problem zu vermeiden. Verbindet man zurn Beispiel die Bewertung der Haufigkeit des Auftretens des Problems mit der Argerlichkeit des Problems, so kommt man zu so genannten ,problem impact scores', die die Intensitat des Problems signalisieren. Eine Reihe zusatzlicher Analysen ist moglich, beispielsweise kann eine dynamische Komponente eingefiihrt werden durch eine Zeitreihenbefragung. Es konnen aber auch ,cluster7 von ahnlichen Problemen ermittelt werden. Sinnvollerweise wird die Problem Detecting Methode nicht bei Kunden angewandt, die keine oder nur geringe Erfahrung mit einem Produkt oder einer Dienstleistung haben bzw. bei besonders negativen Erlebnissen, die nur sehr selten vorkommen. Einer der wesentlichen Vorteile dieser Methode liegt in der umfassenden Problemsammlung, die eine Vielzahl an MBglichkeiten fir Produktverbesserungen liefert. Aufgrund der Aufgabenstellung werden insbesondere Probleme im Gebrauch und in der Verwendung der Produkte sichtbar. Damit kann die Produktentwicklung gezielt an kundenorientierten Losungen arbeiten anstatt uber Produkteigenschaften nachzudenken, die von Kunden als mehr oder weniger wichtig beurteilt werden. Die Methode eignet sich auch im Besonderen fiir die Verbesserung von Problemen in der Erstellung von Dienstleistungen. Selbstverstandlich liefert sie aber auch Anregungen fir kreative neue Losungen in Form von Produkt- aber auch Prozessinnovationen. Sie sensibilisiert fir situativ bedingte Probleme, die mit einer Zufiiedenheitsanalyse nicht ermittelt werden konnen. Die Vielzahl der zu beurteilenden Probleme kann sich bei der Anwendung dieser Methode als nachteilig herausstellen. Diesem Umstand versucht man Rechnung zu tragen, indem man die Problemkartchen in eigene Boxen mit finf Abteilungen einordnen Iasst. Damit wird die Aufgabe fir die Beffagten zurn ,Kartenspiel' und vermeidet das Auftreten eines Ermudungseffektes. Die Methode ist gut bewahrt und lasst sich in Form von kreativen Entwicklungsworkshops weiterfihren. Mit dieser Methode wurde zurn Beispiel in der Ge-
trankeindustrie an einer verbesserten Verpackungsform gearbeitet, die mit groRem Erfolg am Markt eingefiihrt wurde. Quality Function Deployment
Quality Function Deployment ist ein systematischer Ansatz um Kundenanspriiche in ein Unternehmen hineinzutragen (Griffin and Hauser 1996). Sie stellt keine direkte Form der Kundenintegration in das Unternehmen dar, verleiht aber der Stirnme des Kunden im Entwicklungsprozess prominente Bedeutung. Herausragende Bedeutung gewinnt Quality Function Deployment vor allem in den Phasen der Konzeption und Design Phase, in der die ,iibersetzung7 der Kundenwiinsche in Produktspezifikationen sehr systematisch erstellt und rigoros kontrolliert wird. Damit versucht man im Rahmen des Qualitatsmanagements die beiden Welten des Kunden und der des Ingenieurs bzw. Produktentwicklers einander anzunahern. Dies geschieht mit dem so genannten ,House of Quality'. Multifunktionale Teams arbeiten in vier Phasen an einer Serie von interaktiven Matrizen, die die Nahtstellen zwischen Kundenanspriichen und ihrer technische Ubersetzung darstellen. Diese Vorgangsweise erlaubt es, die ~bersetzungder Kundenanspriiche in technische Produktfeatures vom Anfang des Entwicklungsprozesses bis zum Ende nachzuvollziehen. Kundenanspriiche werden in einem ersten Schritt mit den jeweils geeigneten Methoden erhoben und mit den eigenen Worten der Kunden in den Entwicklungsprozess eingebracht. In einem zweiten Schritt werden diese Anspruche in gewichteter Form in das ,House of Quality' eingetragen und in Designattribute ubersetzt. Bis zur endgultigen Entscheidung uber ein Engagement in ein Neuproduktentwicklungsprojekt werden noch eine Reihe von Evaluierungsschritten, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit von Produktfeatures, die Differenzierbarkeit von der Konkurrenz und technische Machbarkeit vorgenomrnen. QFD ist eine anerkannte Vorgehensweise, um zu kundenorientierten Neuentwicklungen beimtragen. Durch den systematischen Prozess kann ein gemeinsames Bild von Kundenanspriichen in multifunktionalen Entwicklungsteams entstehen. Nachteilig kann gesehen werden, dass zwar die Kundenanspriiche Ausgangspunkt aller Entwicklungsuberlegungen sind, in allen nachfolgenden Phasen allerdings auf Feedback von Kunden verzichtet wird. Dies scheint gefahrlich angesichts des Phanomens des ,escalating commitments' in Entwicklungsteams, das dam fiihrt, einmal begonnene Projekte und Entwicklungsstufen nicht mehr aufgeben zu wollen, da sie fir die Teammitglieder zum eigenen ,Baby' werden. Eine Erganzung durch klare Feedback Mechanismen erscheint sinnvoll. Ein weiterer beachtenswerter Punkt ist jener der Unternehmens- und Entwicklungskultur. Streng systematische Prozesse konnen zwar sehr kreative Entwicklungskulturen in positiver Weise disziplinieren, in stark burokratischen Organisationen aber auch zu uberbiirokratisierten und unkreativen Projekten fiihren.
3.2 Methoden zum Austausch von explizitem und zur Vermittlung von implizitem Wissen SITI/SOPI Methode
Die Sequential Incident bzw. Sequence Oriented Problem Identification Technique kommt hauptsachlich aus dem Dienstleistungsmarketing und setzt an den einzelnen Phasen des Dienstleistungsprozesses an (Stauss and Hentschel 1990). Der Grundgedanke dieser Methode folgt dem Prinzip, dass in jedem noch so kleinen Prozessabschnitt der Leistungserstellung Verbesserungspotenzial schlummert. Der Prozess wird also in kleinste Sequenzen der Leistungserstellung beim Kunden aufgeteilt. Daraufhin wird mit Hilfe der CIT (Critical Incident Technique) jeder Teilprozess auf besonders kritische Ereignisse untersucht. Dies erfolgt in der Regel mit personlichen Interviews mit Kunden, die danach gefragt werden, an welche besonders positiven und negativen Ereignisse sie sich im Zusammenhang mit diesem Teilprozess erinnert konnen. Die Befragten werden gebeten, diese Ereignisse genau zu schildern, die beteiligten Personen zu nennen, die Reaktion des Personals und andere wichtige Faktoren. So konnen kleinste Probleme erkannt werden, die fir den Kunden ausschlaggebend, weil kritisch, fir die Beurteilung der Leistung sind. So kann ein Hiittenwirt beispielsweise dam veranlasst werden, die Stufen zu seinen Toiletten rutschsicher zu machen, wenn Kunden emport berichten, dass sie mit den Schischuhen ausgerutscht und am Hosenboden in Richtung Toiletten geschlittert sind. Solche negativen Ereignisse sind Anlass, sofort zu reagieren um Kunden nicht zu verargern, wahrend positive Ereignisse Begeisterungsfaktoren darstellen, die von der Konkurrenz differenzieren konnen. Aus solchen Ereignissen konnen in weiterer Folge auch Prozessinnovationen entstehen, wenn man die ,back office' Prozesse daraufhin analysiert, inwieweit sie zu diesen kritischen Ereignissen positiv oder negativ beitragen. Diese Methode verlangt Genauigkeit von Dienstleistungsunternehmen in Bezug auf die Definition der Teilprozesse. Dafir aber sind die erhaltenen Informationen von Seiten der Kunden sehr genau. Ermudungseffekte wahrend der Befi-agung konnen auftreten, wenn die Teilprozesse zu genau definiert werden. Weiters existiert die Moglichkeit eines ,recency Effekts', der dam fihrt, dass die jiingst gemachten Erfahrungen erwahnt werden und nicht notwendigerweise die Relevantesten. Insgesamt aber ist diese Methode sehr gut bewtihrt, gewahrt reichen Einblick in fur den Kunden kritische Erlebnisse und fihrt daher zu einer Vielzahl von VerbesserungsmBglichkeiten im Prozess der Leistungserstellung. Segmented/Customized Standardization und Tailored Customization
Die Integration des Kunden kann mit Hilfe von Mass-customization Methoden bis zur standardisierten Einzelfertigung getrieben werden. Mit diesem relativ neuen Konzept, das im Konsumguterbereich erstmals von Nike in Form seines nikelab.com angeboten
wurde, konnen Kunden in den Designprozess eingreifen und sich ihre Schuhe selbst anpassen und gestalten. So konnen zum Beispiel Anpassungen in der Farbgestaltung oder in Form von personlichen Aufdrucken vorgenommen werden. Obwohl die individuelle Gestaltung eines Produkts gemao den Kundenwiinschen mittels Massenproduktion als krasser Gegensatz erscheint, ist die Verwirklichung der Mass-customization mit heutigen Lagerhaltungs- und Produktionstechnologien dennoch realisierbar. Im Wesentlichen unterscheidet man drei Formen der Mass-customization (Gilmore and Pine 1997): Die segmented standardization integriert Kundenwunsche erst relativ spat, namlich im Distributionsprozess. Der Kunde kann entsprechend seiner spezifischen Bediirfnisse auswahlen und bestellen. Die Produkte sind allerdings bereits produziert und gelagert und werden in der gewunschten Form ausgeliefert. Diese Form der Individualisierung existiert bereits recht lange am Markt und bringt nur bedingte Vorteile fir Produktmodifikation und Kostenreduktion. Eine weitere Moglichkeit der Individualisierung liegt in der modularen Gestaltung von Produkten. In der Mobelbranche zum Beispiel ist diese Form der Integration von Kundenwiinschen gangig. Halbfertige Module werden gelagert und entsprechend der Kundenwiinsche individuell zusammengestellt. Damit erreicht man kurze Lieferzeiten und behalt dennoch die Vorteile der Massenproduktion bei. Die tailored customization, als die intensivste Form der Individualisierung, geht schon vor der Produktion auf die Kundenwiinsche ein und gestaltet das Produkt prazise nach den Wunschen seiner Kunden. Dies wird allerdings nicht, wie beispielsweise bei Luxusmarken, in Form von Einzelfertigungen produziert, sondern in einen Massenproduktionsprozess eingebunden, der flexible, computergesteuerte Fertigungs- und Umriistprozesse verlangt. Beispiel f i r diese Entwicklung sind zurn Beispiel groJ3e Sportausrustungs- und Autohersteller. Umgesetzt wird diese Art der Kundenintegration meist in Form von Produktkonfiguratoren, die auf der Unternehmenswebsite platziert werden. Kunden gestalten sich ihre Produkte mit Hilfe von webbasierten Tools selber. Die digitalen Daten mit den genauen Spezifikationen der Kunden konnen nach einer Eingangskontrolle direkt in die Produktionshallen iibertragen werden. Die Vorteile der Mass-customization zur Starkung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung liegen auf der Hand. Allerdings kann diese Form der Produktion nur bei entsprechend gesteuerten Produktionsablaufen auch letztendlich zu einem entsprechenden Return on Investment fiihren. Eine reine Massenauftragsfertigung kann Leerzeiten zur Folge haben, die mit Fixkosten verbunden sind. Modulbasierte Systeme benotigen zudem meist groRere Lagerflachen, die ebenfalls hohe Kosten verursachen. Seine Implementierung verlangt uberdies die Installation komplexer Informations- und Sicherheitssysteme. Letztendlich darf auch nicht iibersehen werden, dass eine Reihe von Kunden standardisierte, schnell verfiigbare Produkte wunschen und oft von zu groRer Auswahl im Entscheidungsprozess iiberfordert werden. Die Bedeutung von Masscustomization fir jene Kunden, die individuelle Losungen wunschen, wird aber mit dem Lernprozess der Kunden uber die neuen Moglichkeiten in Zukunft trotzdem steigen. Dennoch ersetzt es in keiner Weise die Entwicklungsarbeit fir neue Produkte, da die Kunden immer nur vorhandene Produkte modifizieren konnen.
Virtual Concept Testing Eine der herausfordernsten Entscheidungen f i r ein Produktentwicklungsteam besteht darin, aus einer Vielzahl von Produktdesigns, die zur Auswahl stehen, ein einzelnes 'bestes' Designkonzept auszusuchen, das verwirklicht werden soll. Die Entscheidung fir bzw. gegen ein bestimmtes Konzept hat weit reichende Folgen. Die Erstellung von Prototypen verursacht im Normalfall bereits hohe Kosten. Miissen mehrere Prototypen erstellt werden, um sie auf technische Funktion und Marktakzeptanz zu priifen, potenzieren sich diese Kosten. Mithilfe des Virtual Concept Testing konnen mehrere virtuelle Prototypen erstellt werden und auf Marktakzeptanz getestet werden. Diese virtuellen Konzepte konnen rasch erstellt und iiberpriift werden, noch bevor in materielle Prototypen investiert werden muss, iiberdies kann durch die webbasierte Administration dieses Tools eine weltweite Befragung durchgefihrt werden (Dahan and Srinivasan 2000). Im Vergleich zur webbasierten Conjoint Analyse hat diese Methode den Vorteil, dass das Produktkonzept visuell als Ganzes prbentiert werden kann. Die Gesamtwahrnehmung und -beurteilung ist es letztlich, die die Kaufentscheidung beeinflusst. Die Befragten geben im Rahmen des Virtual Concept Testing letztlich ihre Entscheidung bekannt, welches der vorgestellten Konzepte sie zu unterschiedlichen Preisen kaufen wiirden. ~ h n l i c hzur Conjoint Analyse werden auch hier die relativen Praferenzen der Designkonzepte zu den jeweiligen Preisen errechnet. Die Methode ermBglicht sehr rasches und prazises Feedback uber die entwickelten Produktkonzepte. Wahrend man h h e r Kunden in das Unternehmen eingeladen hat, um die Produktdesigns mit Hilfe von Videos und anderen Visualisierungstechniken vorzufihren und Feedback zu bekommen, so kommt man mit dem Virtual Concept Testing heute zu einer besseren Visualisierung und damit Beurteilbarkeit der Designs und wesentlichen Reduktion der Entwicklungszeit. Um sich diese Methode nutzbar machen zu konnen, muss allerdings in Programmierarbeit und Informationssysteme investiert werden. Dieser Aufwand reduziert sich fir jede weitere Anwendung durch Synergie- und Lerneffekte. Nutzlich ist auch der Aufbau von bereits rekrutierten online Panels, erstens um eine entsprechende Anzahl an Datensatzen zu erhalten und zweitens um eine annahernd reprasentative Kundenstruktur widerspiegeln zu konnen. Virtual User Design Mit dem Virtual User Design erhoht sich die Moglichkeit der Integration von Kunden in den Entwicklungsprozess um einen radikalen Schritt. Mit diesem Konzept geht man von der Denkweise ab, lediglich Kundenwiinsche, -bediirfnisse und -ideen in den Produktentwicklungsprozess einflienen zu lassen, sondern iiberlasst dem Kunden einen wesentlichen Schritt der eigentlichen Entwicklungsarbeit (Dahan and Hauser 2002b). Mit Hilfe spezieller webbasierter Tools lassen sich Oberflachen programmieren, die es dem Kunden ermdglichen, eigene ProduktlBsungen zusammenzustellen. Es werden unterschiedliche Designelemente prasentiert, die der Kunde in verschiedenartiger Weise miteinander
kombinieren kann. Dadurch lernt der Kunde auch seine eigenen Praferenzen besser kennen und verbessert seine eigenen Produktdesigns weiter. Die erstellten Designs werden jeweils bepreist, sodass der Kunde seine Designs auch auf seine Preisvorstellungen hin anpassen kann, bis er letztendlich sein ideales Design erarbeitet hat. Die Methode des Virtual User Designs kann mit einer online Befiagung kombiniert werden und liefert so ein umfassendes Bild von Kundenwunschen, Praferenzen, Preisvorstellungen und Tradeoffs. Im Unterschied zu Conjoint basierten Methoden konnen zwar keine Teilpraferenzen ermittelt werden. Dem steht aber gegenuber, dass wesentlich mehr Produktmerkmale in das Design eingebracht werden konnen und ein ideales Design erstellt werden kann. Das User Interface kann so ansprechend gestaltet werden, dass es den Befiagten Spa13 macht, mit unterschiedlich gestalteten Produkten zu ,spielen7. Die Methode ist besonders gut fir Produkte geeignet, deren Merkmale vielfa'ltig miteinander interagieren, also fir technisch komplexe Produkte. Insofern stellt sie auch ein Substitut fiir eine Conjoint Analyse dar, die bei komplexen Produkten schwer einsetzbar ist. Dariiber hinaus lernen Kunden mit Hilfe dieser Methode auch ihre ProduktprgferenZen besser kennen und konnen auf diese Weise auch ihre latenten Wiinsche m m Ausdruck bringen. Damit kann auch implizites Wissen der Kunden zum Vorschein gebracht werden. Sie eignet sich vor allem fiir explorative Marktforschung in fiiihen Phasen der Konzeptualisierung und in der Designerstellungsphase. Beachtet werden muss allerdings, dass die prbentierten Features die Kundenmeinung fiir spatere Befiagungen beeinflussen konnen. Auch fiir das Virtual User Design gilt, dass es in der ersten Anwendung mit erhohtem Zeit- und Programmieraufwand verbunden ist, der sich aber mit jedem neuen Produktentwicklungsprojekt bezahlt macht.
Toolkits Toolkits komplettieren virtuelle Methoden der Kundenintegration, indem sie eine M6glichkeit zur Verfiigung stellen, Kunden in einen innovativen kreativen Prozess zu involvieren (von Hippel 2001; von Hippel and Katz 2002). Mit dieser Methode verlbst man den Weg, Kundenwiinsche verstehen zu wollen, sondern man gibt dem Kunden ein Instrumentarium zur Hand, mit dem er selber kreativ und innovativ werden kann. Damit ermoglicht man dem Kunden, sein implizites Wissen in Bezug auf ein bestimmtes Produkt, Design, eine bestimmte Verwendung oder ~ s t h e t i kzum Ausdruck zu bringen. Diese virtuellen Toolkits helfen also dabei, implizites Wissen von Kunden, das sonst nur schwer generierbar ist, in den Produktentwicklungsprozess mit aufnehmen zu konnen. Mit Java Applikationen, Flash und SVG Animationen konnen User Interfaces und Tools entwickelt werden, die es dem Kunden durch einfaches ,drag und drop' moglich machen, eigene Designs zu erstellen, ahnlich wie auf einem gerasterten Zeichenblock. So konnen beispielsweise Tattoodesigns, Schuhdesigns und vieles mehr erstellt werden und die haufigsten Designwiinsche ermittelt werden. Versieht man dann umgesetzte Kundendesigns noch mit dem Namen des Kunden, der das Design erstellt hat, stellt dies einen enorm groRen Motivationsfaktor f i r kreative Kunden dar. Dort wo Produktdesign
komplex wird, konnen zwar Toolkits nur begrenzte Moglichkeiten bieten. Dennoch sind zumindest Teilaufgaben in Form von Toolkits auslagerbar. Beispielsweise konnen Autohersteller nur schwer neue Autos und neue Motorentechnologie auf diese Weise ,auslagem', jedoch ist es sehr gut moglich, Kunden ein neues Cockpitsteuerungsmodul nach ihren eigenen kreativen Ideen und Wunschen gestalten zu lassen. Die Programmierung ist zwar aufwandig und die Ubermittlung und Verarbeitung der Daten in unternehrnensinterne Informationssysteme muss gut geplant sein. Bei haufiger Anwendung entstehen allerdings hochinnovative Losungen. Zu beachten ist, dass an diesen kreativen Aufgaben nicht der ,Normalverbraucher' teilnimmt, sondern Kunden mit hohem Kreativitatspotenzial, hohem Involvement und besonderen Anforderungen an Innovationen. Die Eignung fiir den Massenmarkt muss daher mit anderen Methoden uberpriift werden. Beta Testing, Testmarkt, Joint Field Testing und Testmarkte
Beta Tests dienen dazu Fehler zu identifizieren, die Nutzerakzeptanz zu ermitteln und erste Erfahrungsberichte iiber die praktische Handhabung zu sammeln. Nachdem Kunden die Innovation uber einen bestimmten Zeitraum ausgiebig testen, werden sie aufgefordert uber ihre Erfahrungen und Probleme zu berichten und einige Fragen beziiglich der Nutzung zu beantworten. Wenn notig, werden noch vor Markteinfiihrung Verbesserungen an der Innovation vorgenommen. Bei gemeinsamen Feldtests, nehmen Kunden und Entwickler am Testing teil und verschaffen sich einen Uberblick uber die Funktionalitat und Bedienbarkeit neuer Losungen. Identifizierte Fehler werden, wenn moglich, sofort behoben und Losungsmbglichkeiten im Dialog erarbeitet. Testmarkte in ausgewahlten Shops oder Regionen konnen zur Ermittlung zu erwartender Verkaufszahlen hilfieich sein. Zudem Ibst sich die Wirksamkeit der verkaufsfdrdernden Werbemittel uberpriifen. Trotz zunehmender virtueller Testmoglichkeiten und ausgefeilter computerunterstutzter Prognoseverfahren, lassen sich Beta Tests und Testmarkte oft nicht vermeiden. Sie sind notwendig, um bereits bei der Markteinfiihrung die geforderte Qualitat sichermstellen und bose ~berraschungenzu vermeiden. Contextual Inquiry/Empathic Design
Wenn in Entwicklungsprojekten auch implizites Kundenwissen einflieBen soll, wie es zum Beispiel bei Kunden mit hoher Expertise der Fall ist, eignen sich face-to-face Methoden sehr gut. Sie haben allerdings den grol3en Nachteil, dass sie meist zeitaufwandig und teuer sind und eine entsprechende Motivation von Seiten der Kunden vorausgesetzt wird. Mit Contextual Inquiry (Beyer and Holtzblatt 1997) und Empathic Design (Leonard and Rayport 1997) stehen zwei strukturierte qualitative Methoden zur Verfiigung, die durch eine Kombination anthropologischer Methoden und Methoden des Journalismus versuchen, Kundenbediirfnisse zu eruieren, die durch quantitative Marktforschungstechniken nicht erhoben werden konnen. Durch intensive Beobachtung und
Beffagung von Kunden in ihrem eigenen Umfeld in der Nutzung von Produkten, werden Probleme und unbewusste Bedurfnisse f i r den Hersteller erfahrbar gemacht, die in einem anderen Umfeld als dem des Kunden nicht sichtbar werden. Beispielsweise konnen durch Beobachtung von Personen, die einen Staubsauger bedienen, ergonomische Probleme in der Handhabung der Produkte beobachtet werden, die dem Nutzer selber nicht bewusst werden. Im Rahmen des Empathic Designs werden diese Kundenprobleme und auch Ideen in einem fiinfstufigen Prozess ermittelt. Der erste Schritt besteht in einer genauen Beobachtung von Verwendern, die in einem zweiten Schritt durch einfache Fragen erganzt werden kann. In einem dritten und vierten Schritt werden die gesammelten Daten eingehend reflektiert, analysiert und in neue Losungen iiberfihrt. Letztlich kommt es dann in einem finften Schritt zur Entwicklung von Prototypen, die den Erkenntnisfortschritt widerspiegeln.
3.3 Methoden zum Aufbau von geteiltem impliziten und expliziten Wissen Participative Observation Die teilnehmende Beobachtung stellt einen noch intensiveren Schritt der Beschaftigung mit dem Kunden dar, indem der Forscher versucht sich durch Partizipation im Laufe der Zeit in die Rolle des Kunden zu versetzen und seine Anliegen zur eigenen Erfahrung zu machen. Mit derartigen Einblicken konnen auf Iangere Sicht Kundenprobleme ins Unternehmen getragen werden, da Entwicklungsteammitglieder selbst zu Kunden werden. Obwohl diese Methode extrem zeitaufwandig ist, bietet sie vor allem f i r Nischenmlkte, hochemotionale Produkte und stark community-abhangige Produkte enorme Vorteile oder ist sogar unabdingbar. So ist es beispielsweise im Snowboardermarkt beinahe unmoglich am Markt bestehen zu bleiben, wenn Produktentwickler sich nicht selbst in der Szene der Snowboarder bewegen. Mit Hilfe dieser Methode wird Wissen iibermittelt, das man ohne grundlegenden Einblick in die Szene nicht haben kann. Dieses Wissen ist kaum in expliziter Form artikulierbar, es driickt sich oft in Verhaltensweisen und Ritualen aus, die unausgesprochen bleiben, kann aber f i r die Entwicklung neuer Produkte ausschlaggebend sein. Gleichzeitig ,lernen' auch potenzielle Kunden auf diese Weise vom ubermittelten Know-how der Unternehmensvertreter. Die Methoden der Beobachtung und teilnehmenden Beobachtung sind zeitaufwandig, bringen aber sehr tiefe Erkenntnisse in die Produktentwicklung ein. Nicht selten entdeckt man in besonders involvierten Gruppen auch Eigenkreationen von Kunden, die man in die eigene Entwicklung mit aufnehmen kann. Co-Development, Communities of Practice and Co-Production Mit der gemeinsamen Entwicklung von Produkten wird die hochste Stufe der Kundenintegration angestrebt. Besonders in Markten, die von hohem Involvement und hoher Expertise seiner Kunden definiert sind, bietet die Investition in gemeinsame Projekte groRe
Vorteile. Das implizite Wissen der Kunden kann in einen gemeinsamen Entwicklungsprozess einflieljen, und die Kunden bekomrnen maljgeschneiderte Losungen, die sie selbst miterstellt haben. Das Communities of Practice Konzept (Brown and Duguid 200 1) geht davon aus, dass implizites Wissen nur durch gemeinsame Praxis, gegenseitiges Beobachten und gemeinsames Arbeiten ausgetauscht werden kann. Auf diesem Wege kreieren Gruppen eine eigene Lernwelt und damit geteiltes Wissen, das die Summe jenes einzelnen Expertenwissens bei weitem iibersteigt. In solchen Gruppen wird neues Wissen entwickelt und kreiert und kann in eine hoch innovative Produktlosung munden. Derartige Praktiken sind daher vor allem auch fiir so genannte ,Breakthrough1 Innovationen, also Innovationen mit groljer Innovationhohe, geeignet. Nicht selten passiert es auch, dass iiber eine solche Zusammenarbeit mit Kunden auch Talente entdeckt werden, die vom Unternehmen rekrutiert und in das Entwicklungsteam aufgenommen werden. Vor allem in Online Communities von begeisterten Verwendern des eigenen Produktes finden sich immer wieder Produktexperten und hochkreative Kunden, die einen wertvollen Beitrag m r Innovationskraft von Unternehmen beitragen (Fuller 2006). Lead User Methode
Wie bekannte Produktbeispiele im Konsum- und Investitionsguterbereich sowie zahlreiche Untersuchungen zeigen, stammen bedeutende Innovationen oft von Anwendern (von Hippel 2005). Die Lead User Methode (von Hippel 1986) nutzt die Expertise von besonders imovativen Anwendern, so genannten Lead Usern, die zu Kreativ Workshops eingeladen werden. Lead User unterscheiden sich hinsichtlich zweier Merkmale von gewohnlichen Anwendern:
r Sie haben Bedurfhisse, die ihrem Markt und ihrer Zeit voraus sind. % Sie haben einen hohen Nutzen von der Losung ihrer Bedurfhisse. Aufgrund dieser Eigenschaften ergreifen Lead User oft selbst die Initiative und entwickeln eine innovative Losung, die ihre Anforderungen erfillt. Da Lead User von der Nutzung und nicht von der Vermarktung ihrer Ideen profitieren, sind diese bereit sie mit Herstellern zu teilen, meist ohne eine monetare Gegenleistung zu erwarten (Foxall and Johnston 1987; von Hippel 2002; von Hippel et al. 2000). Die Lead User Methode besteht aus vier Schritten:
@
@
B
Bestimmung wichtiger Trends Identifikation von Lead Usern Durchfiihrung eines Lead User Workshops Uberprtifung der Lead User Ergebnisse auf allgemeine Marktrelevanz
Sie unterstiitzt bei der Identifikation relevanter Markt- oder Technologietrends. Haufig werden hierzu Experteninterviews verwendet. Mit Hilfe eines Screening-Fragebogens oder des sich Durchfiagens - ,Pyramiding' - werden Lead User identifiziert, die tiefge-
hendes Wissen in den jeweiligen Themengebieten besitzen. In Kreativworkshops generieren Lead User, gemeinsam mit Technikern und Produktmanagern, innovative Ideen, beschreiben diese in Konzepten und kreieren erste Designs. AnschlieRend wird uberpriift, ob die Lead User Innovationen auch fiir eine breite Anwenderschicht von Nutzen sind oder nur eine Marktnische bedienen. Die Studie von Lilien et al. (2002) zeigt, dass Lead User Innovationen im Vergleich zu Nicht Lead User Innovationen deutlich erfolgreicher sind. Nach der anfanglich zdgerlichen Verbreitung der Lead User Methode (Olson et al. 2001), findet sie in der Praxis vermehrt Anwendung. Firmen wie BMW, Cinet, Hilti, Johnson&Johnson oder 3M verkiinden die Lead User Methode einzusetzen. Praktiker berichten, dass die groaten Schwierigkeiten bei der Durchfihrung dieser Methode in der der Identifikation der Lead User liegen. Online Communities, in denen innovative Anwender anzutreffen sind, offerieren neue Moglichkeiten zur Identifikation.
4. Die Verwendung von Kundenintegrationswerkzeugen und -methoden in der Praxis Die vorgestellten Kundenintegrationswerkzeuge unterstiitzen bei der Entwicklung kundenorientierter Innovationen, stellen jedoch keine Wundermittel dar. Zur erfolgreichen Vermarktung eines neuen Produktes bedarf es mehr als den Einsatz einzelner Methoden und Werkzeuge. Ein auf den Gesamtentwicklungsprozess abgestimmter Methodenmix ist notwendig, um die kundenorientierte Leistungsentwicklung sichermstellen. Weitere Faktoren spielen bei der Entwicklung erfolgreicher Innovationen eine wesentliche Rolle. Die Einzigartigkeitmerlegenheit der Innovation aus Sicht der Kunden gilt als entscheidendes Kriterium. Gutes Timing, ein strukturierter Innovationsprozess, die Unterstutzung des Topmanagements, funktionsiibergreifende Innovationsteams, Managementfahigkeiten, Innovationskultur, ausreichende Ressourcen und Markattraktivitat zahlen zu den Garanten von erfolgreichen Innovationen, die im Markt bestehen (Adams and Boike 2004; Montoya-Weiss and Calantone 1994). Der Einsatz komplexer Kundenintegrationsmethoden ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie zur Losung bestimmter Aufgabenstellungen beitragen oder m r Gewinnung von Wissen, das notwendig ist fiir die Entscheidungsfindung. Eine Verwendung als blol3e Rechtfertigung, die bei Misserfolg der Innovation schiitzt und die Position absichert, ist wertlos und verfehlt sein Ziel vollig. Die Kosten, die durch den Einsatz dieser Methoden verursacht werden, miissen durch eine hohere Erfolgswahrscheinlichkeit der Innovationen kompensiert werden. Kunden, die am Entwicklungsprozess partizipieren, nehrnen Innovationsmanagern Entscheidungen nicht ab, stellen diese aber auf eine breitere Informationsbasis und erlauben einen fundierten Entscheidungsprozess. Die vorgestellten Kundenintegrationswerkzeuge befahigen Innovationsteams direkt mit den spateren Anwendern bereits wahrend der Entwicklungsphase in Kontakt zu treten
und deren Wissen zu nutzen. Der persbnliche Kontakt ist notwendig, um ein breites Kundenverstandnis und feines Gespur fir die Anforderungen des Marktes zu entwickeln. Deshalb lasst sich die Kundenintegration auch nicht outsourcen. Externe Agenturen fingieren lediglich als Vermittler, die entsprechende Skills bei der Gestaltung des Dialogs und bei der Ergebnisanalyse zur Verfigung stellen. Die in diesem Beitrag vorgestellten Methoden und Werkzeuge tragen zur Auswahl und Zusammenstellung des richtigen Methodenmix bei und sorgen fir eine systematische Kundenorientierung im Innovationsprozess. Welche Methoden und welche Werkzeuge sich fir das jeweilige Unternehmen eignen, ist abhangig vom Kontext. Innovationsmanager, die die Kundenorientierung im Innovationsprozess gewahrleisten mbchten, mussen neben einem strukturierten Innovationsprozess auch einen auf das Unternehmen zugeschnittenen Methodenmix erarbeiten und in der innovativen Organisation verankern. Defmierte Prozesse sind mit entsprechenden Kundeneinbindungsmethoden und -werkzeugen zu erganzen, urn die geforderter Kundenorientierung zu ermoglichen. Die Kriterien, die zur Auswahl eingesetzt werden, sind auf die jeweilige Branche und Besonderheiten der Unternehmung, sowie des Innovationszieles anzupassen. Aufgrund wachsender technologischer Moglichkeiten und sich standig verandernden Konsumentenverhaltens, entwickeln sich die zur Verfigung stehenden Kundeneinbindungswerkzeuge und -methoden standig weiter. Online Communities gewinnen bei der kundenorientierten Innovationsgestaltung zunehmend an Bedeutung. Die eingesetzten Integrationswerkzeuge sind deshalb standig zu iiberpriifen und anzupassen. Es ist davon auszugehen, dass Methoden, die in ihrer Anwendung noch beschrankt und gerade im Entstehen sind, bewahrte Werkzeuge in naher Zukunft ablbsen werden. Bei den vorhandenen Kundenintegrationswerkzeugen steht die Ermittlung finktionaler, technischer und rational zu beurteilender Komponenten im Vordergrund. Hervorgerufene Emotionen und irrationale Elemente, die bei der Kaufentscheidung eine immer wichtigere Rolle spielen, sind kiinftig bei der Kundeneinbindung zu erfassen um aussagekraftige Ergebnisse zu erhalten. Das Sammeln praktischer Erfahrung ist fir die effektive und effiziente Verwendung der Kundenintegrationswerkzeuge ebenso wichtig, wie das Designen und Implementieren geeigneter Organisationsformen, Prozesse und Systeme. Fur eine kontinuierliche und systematische Kundeneinbindung bedarf es bei so manchen Untenehmen ein Umdenken, da sich das Aufgabenfeld des Innovationsteams mitunter verandert (Thornke und von Hippel 2002). Das Innovationsteam ist plotzlich nicht mehr fir die Kreation der Innovation zustandig, sondern erzeugt unter Umstanden entsprechende Werkzeuge, die Kunden dam bef2higen ihre Innovationen selbst zu entwickeln. Entwickler stehen hierbei mit ihrem Fachwissen mit Rat und Tat zur Seite und sorgen dafir, dass die Kundenkreationen professionell realisiert werden. Eine bisher eher vernachlassigte Facette bei der Konzeption von Kundenintegrationswerkzeugen, namlich die Eignung und der gestiftete Nutzen aus Kundensicht, wird in Zukunft eine grol3ere Rolle spielen um an wertvolle Kundendaten zu gelangen. Der Bei-
trag, den Kunden im Rahmen des Produktentwicklungsprozesses leisten, ist ein fi-eiwilliger Beitrag. Die praktische Anwendbarkeit von Kundenintegrationsmethoden und -tools, hangt daher stark von der Fahigkeit ab, Kunden zu motivieren und zum Mitmachen zu bewegen. Virtuelle Tools bieten den Vorteil, mit Hilfe von ansprechenden User Interfaces und spielerischer Komponenten, interessierte Kunden in den Bann zu ziehen. Ein weiterer Nutzen fiir den Anwender liegt in der Moglichkeit, Teil einer virtuellen Entwicklergruppe werden zu konnen und so Wissen aufzubauen. Innovationen an denen Nutzer mitwirken und ihre Ideen und Designvorschlagen einbringen, versprechen zudem einen hoheren Nutzen f i r den spateren Anwender zu stiften. Dennoch ist die Teilnahme der Kunden hauptsachlich intrinsisch motiviert. Nicht zu vergessen in der praktischen Durchfihrung der Kundeneinbindung, ist die Rolle der unternehmensinternen Partner, seien es Mitglieder der Entwicklungsmannschaft, oder Mitarbeiter im Verkauf. Mitarbeiter definieren sich iiber ihre gelungenen Projekte und sind nicht immer bereit, den Erfolg mit unternehmensexternen Personen zu teilen. Dieses Problem ergibt sich m m Beispiel bei sehr intensiver Einbindung der Kunden in Form von Workshops oder Toolkits. Je intensiver Kunden in einen Entwicklungsprozess eingebunden werden, umso mehr ist die Zusammenarbeit eine Frage des Vertrauens. Hersteller haben immer wieder Bedenken beziiglich der Geheimhaltung ihres innovativen Know-hows. Dem kann entgegengehalten werden, dass gerade durch die Einbindung von Kunden grorje Zeitvorteile geschaffen werden kbnnen, da die richtigen Produkte schneller auf den Markt kommen. Zudem erhoht die Kundenintegration die Bindung an das Unternehmen, was Vertrauen und Geheimhaltung fdrdert. In vielen Fallen kann es aber auch von Vorteil sein, Produktneuerungen fitihzeitig am Markt m kommunizieren, um die Wahrnehmung der potenziellen Kunden in positiver Weise zu beeinflussen. In jedem Fall ist aber die Auswahl der richtigen Kunden ein wesentlicher Faktor f i r eine gelungene Zusammenarbeit.
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Dr. Andrea Hemetsberger, Dr. Johann Fuller Institut fur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Arbeitsbereich Marketing Universitat Innsbruck Universitatsstr. 15 A-6020 Innsbruck
Johann FiillerIGregor JaweckiIMichael Bart1
Produkt- und Serviceentwicklung in Kooperation mit Online Communities
1. Zusammenfassung 2. Einleitung 3. Kooperationsformen mit Online Communities
4. Netnographie
5. Community Based Innovation 6. Innovation Community 7. Implikationen fiir das Innovationsmanagement
1. Zusammenfassung Online Communities stellen f i r Unternehmen eine einzigartige Wissens- und Innovationsquelle dar, die in dieser konzentrierten und geballten Form vor dem Internetzeitalter nicht anzutreffen war. Interessierte und aktive Konsumenten treffen sich zu tausend in Online Communities, um uber ihr gemeinsames Hobby, ihre Lebenssituation oder ihre Lieblingsmarke zu diskutieren. Dabei tauschen sie ihre Erlebnisse und Sichtweisen aus, schildern ihre Erfahrungen im Umgang mit Produkten in bestimmten Anwendungssituationen, erortern Moglichkeiten zur Losung erlebter Probleme und Schwierigkeiten und arbeiten gemeinsam an Produktmodifikationen und Neuproduktideen. Zudem steht eine Vielzahl von internetbasierten Methoden und Werkzeugen zur Verfigung, die den virtuellen Dialog mit kreativen Online Community Mitgliedern ermoglichen und eine effiziente und effektive Einbindung in die Produkt- und Serviceentwicklung erlauben. Dieser Artikel stellt unterschiedliche Methoden zur virtuellen Kooperation mit Online Communities vor und erlautert deren Anwendung in der Produkt- und Serviceentwicklung anhand ausgewahlter Praxisbeispiele. Die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit mit Online Communities hangen von der Zielsetzung, aber auch von der Beschaffenheit und Kooperationsbereitschaft der jeweiligen Community ab. Die Form der Zusammenarbeit mit Online Communities ist im Wesentlichen vom Aktivitatsgrad der Einbindung - aktiv vs. passiv - und der beabsichtigten Kontinuitat - einmalig vs. kontinuierlich - gepragt. Anhand dieser Dimensionen lasst sich die virtuelle Kooperation, unabhangig von den zur Verfigung stehenden Tools, in vier Grundtypen gliedern. Unterschiedliche Interaktionsmethoden eignen sich f i r den Aufbau der gewahlten Kooperationsform. Die Netnographie Methode eignet sich zum Beispiel zur Beobachtung von Online Communities und erlaubt somit eine rein passive, beobachtende Kooperation. Netnographie ist sowohl fir die einmalige, projektspezifische Beobachtung als auch fir eine kontinuierliche Observierung von Online Communities geeignet. Fur eine aktive Kooperation irn Rahmen spezifischer Aufgabestellungen innerhalb des Innovationsprozesses stellt hingegen die Community Based Innovation Methode eine geeignete Vorgehensweise dar. Unternehmen, deren Kunden eine starke Bindung zur Marke haben, konnen eine permanente Plattform fir den aktiven Dialog in Form einer eigenen Innovation Community initialisieren.
2. Einleitung Zahlreiche Beispiele wie etwa das Snowboard, das Mountainbike oder Kleenex-Tucher (von Hippel 2005) sowie empirische Studien (Franke and Shah 2003; Luthje 2000) belegen, dass erfolgreiche Neuprodukte oft von Konsumenten entwickelt werden. Konsumenteninnovationen entstehen nicht im Alleingang sondern in Kooperation mit Gleich-
gesinnten. Freunde, Bekannte und Verwandte bringen wertvolles Know-how ein, das die Realisierung einer Idee ermoglicht. Solch innovative Konsumenten sind oftmals in Online Communities anzutreffen. Fur fast jedes Hobby (z.B. Tourengehen, Musik), jede Produktkategorie (z.B. Weine, Kameras) und Lebenssituation (z.B. Schwangerschaft, Krankheiten) existieren Online Communities, in denen sich innovative Konsumenten treffen. Tausende Gleichgesinnte kommen auf diesen virtuellen Platzen zusammen und unterhalten sich iiber ihr gemeinsames Interesse, ihre Erfahrungen und arbeiten gemeinsam an kreativen Aufgabenstellungen. Die Moglichkeit mit erfahrenen Gleichgesinnten aus aller Welt in Kontakt zu treten, machen Online Communities m einem bevorzugten Treffpunkt kreativer und innovativer Konsumenten (Bagozzi and Dholakia 2002). Mitglieder von Online Communities modifizieren existierende Produkte und generieren Ideen ftir komplett neue Produkte. Sie teilen diese mit den anderen Mitgliedern der Community, die die vorgestellte Idee wiederum diskutieren, beurteilen und Verbesserungsvorschlage erortern. Dadurch tragen sie zur Weiterentwicklung der Idee bei. Ein Beispiel f i r eine innovative Online Community ist das virtuelle Cafe ,,alt.coffeeG,in dem Kaffee-GenieDer ihre Ideen und Erfahrungen austauschen oder diskutieren wie Kaffeemaschinen und Rostgerate verbessert werden konnen, um ein optimales ,,Geschmacks-Erlebnis" zu erzielen. In der Online Community ,,outdoorseiten.net" entwickeln begeisterte Alpinisten und Wanderer ihr eigenes Equipment, z.B, hnktionale Jacken oder besonders leichte Zelte. KochEnthusiasten treffen sich hingegen in der Community ,,chefkoch.de" und iiberlegen, wie Kuchengerate und Kochutensilien verbessert werden konnen oder wie sich Gerichte geschmackschonender und gesunder zubereiten lassen. Mitglieder der "ilounge.com" Community haben sich dem Apple iPod verschrieben. Sie diskutieren Probleme und Schwachstellen, wie z.B, die kurze Lebensdauer der iPod Batterie und entwerfen neuartige Designs fir die nachste Generation des iPod. Trotz des Potenzials fiir Marketing und Entwicklung, stellen Online Communities eine von Unternehmen bislang wenig genutzte Innovationsquelle dar (Hemetsberger 2002; Kozinets 1999; Kozinets 2002; MeWilliam 2000; Muniz and Schau 2005; Prahalad and Ramaswamy 2004; Sawhney and Prandelli 2000; Urban and Hauser 2004; von Hippel 2001). Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit innovativen Online Community Mitgliedern hangt neben der Identifikation geeigneter Communities entscheidend von der Wahl der passenden Kooperationsform und Einbindungsmethode ab.
3. Kooperationsformen mit Online Communities Die Integration von Online Communities kann sowohl fir spezifische Fragestellungen im Rahmen eines einmaligen, zeitlich begrenzten Entwicklungsprojektes stattfinden als auch dauerhaft, fir die kontinuierliche Generierung von innovativen Produkten, erfolgen. Zudem konnen Community Mitglieder entweder aktiv - sie werden direkt ange-
sprochen und aufgefordert an einer bestimmten Aufgabenstellung mitzuwirken - oder passiv - sie werden beobachtet, ihre Sichtweisen und ihr Wissen flieflen indirekt in den Innovationsprozess ein - eingebunden werden. Somit Itisst sich die Form der virtuellen Kooperation, abhangig von der Kontinuitat und dem Aktivitatsgrad der Einbindung in vier Grundtypen gliedern. Je nach Kooperationstyp bieten sich unterschiedliche Methoden m m Aufbau des virtuellen Dialogs mit Online Communities im Rahmen der Produkt und Serviceentwicklung an (Abbildung 1): Netnographie, f i r eine passive Einbindung innovativer Online Community Mitglieder, sowohl f i r einzelne Fragestellungen als auch auf permanenter Ebene, Community Based Innovation, als Vorgehensweise, die es erlaubt, Mitglieder von Online Communities f i r einmalige Aufgaben in die Produktentwicklung aktiv zu integrieren und rrin Aufbau einer Innovation Community, die als permanente Plattform f i r die aktive Einbindung innovativer Konsumenten dient. Die dabei zum Einsatz kommenden verschiedenen Werkzeuge werden in diesem Beitrag anhand ausgewahlter Praxisbeispiele naher vorgestellt.
;I
Aktiv
a
Community Based lnnovation
Innovation Community
Netnographie
Netnographie
Passiv Einmalig t
b
Kontinuierlich
Kontinuitat
Abbildung 1 : Die vier Grundtypen der Kooperation mit Online Communities und geeignete Methoden
4. Netnographie Netnographie (Kozinets 1999; 2002) basiert auf den Grundziigen der Ethnographie, also der Beobachtung des Verhaltens von Gruppen und ihrer einzelnen Mitglieder durch die direkte Beteiligung des Forschers selbst. War es vor Zeiten des Internets notwendig sich in eine Gruppe einzuschleusen, erlaubt Netnographie im Zeitalter von Online Communities den Kommunikationsfluss innerhalb der Gruppe zu beobachten, ohne der Gemeinschaft selbst aktiv beizutreten. Nicht die Person selbst ist Untersuchungsgegenstand, sondern die im Internet beobachtbare Konversation und soziale Interaktion. Netnographie bietet Einblick in das Verhalten von Community Mitgliedern, die Bedeutung verwendeter Symbole und in gangige Konsummuster einer Online Community. Die Methode erlaubt das Konsumentenverhalten unaufdringlich und unbeeinflussend zu erforschen. Die Untersuchung erfolgt im gewohnten Umfeld der Gruppe und schlieRt somit das Problem der gefilterten Information oder den Einfluss einer experimentellen Umgebung aus. Kozinets hebt die Vorziige dieser Methode im Vergleich zu Fokusgruppen, Tiefeninterviews, aber auch Ethnographie hervor und unterstreicht das Potenzial fir die Produkt- und Serviceentwicklung. Mit Netnographie 1asst sich herausfinden, wie einzelne Online Communities und deren Mitglieder uber bestimmte Themen denken, was sie von einzelnen Produkten und Marken halten bzw. welche Themen der Community wichtig sind. Die von Kozinets vorgestellte Netnographie Methode teilt sich in vier Bestandteile: (1) making cultural entree; (2) gathering and analyzing data; (3) ensuring trustworthy interpretation und (4) research ethics. Sie beschreibt, wie sich Communities identifizieren lassen, was bei der Kontaktaufnahme mit Communities zu beriicksichtigen ist, wie die Beobachtung und Informationsgewinnung erfolgen kann, wie sich die Vertrauenswurdigkeit der gewonnenen Ergebnisse iiberpriifen Itisst und welche ethischen Richtlinien bei der Netnographie Forschung beriicksichtigt werden mussen. Zwei Dinge sind zur Vorbereitung der Durchfihrung eines Nethographie Projektes von Bedeutung: das Definieren einer konkreten Fragestellung sowie das Identifizieren geeigneter Online Communities. Im Anschluss besteht die Aufgabe des Forschers darin, soviel wie moglich uber die identifizierten Online Communities im Allgemeinen und deren Mitglieder im Speziellen zu lernen. Danach kann mit der Datensammlung und Analyse begonnen werden. Die gewonnenen Informationen unterscheiden sich zwischen: Daten, die der Forscher aus der Beobachtung der virtuellen Kommunikation direkt ubernimmt und Informationen, die der Forscher aufgrund seiner Beobachtung notiert. Welche Daten wichtig sind und gespeichert werden, ist von der jeweiligen Fragestellung abhangig. Kozinets spricht in diesem Zusammenhang von der Gefahr des ,,information overloads". Die Sammlung der Beitrage der Community Mitglieder ist solange fortzusetzen bis die Analyse keinen zusatzlichen Erkenntnisgewinn mehr liefert. Manche Forscher protokollierten exakt mit, wie viele Postings, Nachrichten und Beitrage von wem geschrieben bzw. gelesen wurden und wie viele Teilnehmer jeweils involviert waren. Die Auswertung der Daten lauft haufig paral-
lel zur Datensammlung. Die Online-Beitrage werden zur Analyse ,,kontextualisiert" und inhaltsanalytisch ausgewertet. Softwarepakete beschleunigen das Auswerten und erleichtern die Interpretation im Anschluss. MBchte ein Unternehmen die gewonnenen Community Erkenntnisse verallgemeinern, empfiehlt es sich die Ergebnisse mittels anderer Marktforschungsmethoden, wie zum Beispiel mittels Fokusgruppen, Interviews, Umfi-agen zu ,,triangulieren". Kozinets unterstreicht die Wichtigkeit zwischen dem Verhalten von Nischengruppen, wie sie haufig in Communities anzutreffen sind, und gemafiigteren breiteren Konsumentengruppen zu unterscheiden. Wahrend die Selbstselektion der Community Mitglieder fir die klassische Marktforschung sicherlich problematisch sein kann, ist sie f i r neue Innovationen von Nutzen. Hirschman (1980 p.289) argumentiert: "high levels of consumer creativity do not necessarily lead to increased product adoption, but rather to more competent new product evaluation". Christensen (1997) stellt fest, dass die Kooperation mit aktuellen Kunden im Innovationsprozess nur zu inkrementalen, wenig erfolgreichen Verbesserungen fiihrt. Im Zusammenhang mit dem Netnographie Ansatz weist Kozinets auf das Einhalten ethischer Grundsatze hin. Er bezeichnet Netnographen als professionelle ,,Lurkerc': ,,Netnogaphers are professional lurkers because of the uniquely unobtrusive nature of the method." Wenn mit dieser Vorgehensweise despektierlich und unverantwortlich umgegangen wird, d a m besteht Gefahr, dass dieser Ansatz durch das Schindluder-Treiben einiger ,,schwarzer Schafe" in Vermf gerat. Die Netnographie Methode zeigt, wie geeignete Online Communities identifiziert werden konnen und was beim Umgang mit diesen beachtet werden muss. Aus den gewonnenen Informationen lassen sich Trends ableiten und innovative Problemlosungsvorschl5ige entwickeln. Die passive Einbindung innovativer Online Community Mitglieder mittels Netnographie kann sowohl f i r konkrete Aufgabenstellungen im Rahmen eines einmaligen Innovationssprojekts als auch auf permanenter Ebene erfolgen. Wahrend bei der einmaligen Integration das Monitoring und die Analyse ausgewahlter Online Communities vor dem Hintergrund einer bestimmten Fragestellung erfolgt, konnen durch permanente Beobachtung innovativer Online Communities kontinuierlich Produktverbesserungsvorschl~ge und Innovationen gewonnen werden. Fur die Produkt- und Serviceentwicklung in Kooperation mit Online Communities hat sich eine leicht modifizierte Vorgehensweise der Netnographie Methode herauskristallisiert (Fuller et al. 2005). Die Netnographie-basierte Analyse innovativer Online Communities erfolgt in vier Schritten: @
Bestimmung des Teilnehmerprofils
M Identifikation geeigneter Online Communities B Observation und Datengewinnung @
Analyse und Interpretation
Die erfolgreiche Verwendung der Netnographie-Methode Iasst sich am Beispiel der Untersuchung innovativer Online Basketball Communities zeigen (Fuller et al. 2005; Jawecki et al. 2005). Ein fiihrender Sportartikelhersteller wollte Einblick in das innovative Potenzial von Online Sport Communities erhalten und konkrete Ideen f i r Produktverbesserungen und Neuprodukte im Bereich Basketballschuhe identifizieren. Das Interesse richtete sich insbesondere auf die Qualitat, Quantitat und den Entstehungsprozess innovativer Ideen in Online Communities. Nach einer verbalen Beschreibung der Community Mitglieder, die gesucht wurden - enthusiastische und kreative Basketballspieler mit umfangreichem Produktwissen - und einem Screening des Internets, bei dem mehr als 500 Online Basketball Communities identifiziert werden konnten, wurden fiinf Communities als die Vielversprechendsten Air die Fragestellung ausgewahlt. Alle fiinf Communities wurden folglich uber einen Zeitraum von sechs Monaten observiert. Schon nach einigen Wochen wurde klar, dass die Qualitat und Quantitat von Innovationen innerhalb der Online Community ,,Niketalk.comfi am Hochsten sind. Niketalk ist eine Online Community mit derzeit 46.000 Mitgliedern, die sich ausschlieDlich Basketballschuhen widmet. Gegriindet und betrieben wird die Community von privaten Basketballfans und, obwohl man angesichts des Namens anderes vermuten konnte, besteht keine direkte Verbindung zur Firma Nike. In der Niketalk Community treffen sich enthusiastische Basketballspieler aus der ganzen Welt, um sich iiber Erfahrungen in Zusammenhang mit ihren Sportschuhen zu unterhalten und gemeinsam Verbesserungsvorschlage zu entwickeln. Insgesamt wurden 240.000 Posts (Beitrage) gescreent und davon 9.000 innovations-relevante Posts identifiziert und gespeichert. Die Analyse dieser Mitteilungen lieferte sowohl einen Einblick in die Innoavtionsfahigkeit der Niketalk Community als auch zahlreiche innovative Ideen. Die Mitglieder der Niketalk Community entwickeln nicht nur Ideen zur Verbesserung und Modifikation bestehender Basketballschuhe, sondern entwerfen auch ganzlich neue Technologien und Modelle. Zu mehr als 24 Einzelkomponenten eines Basketballschuhes, wie z.B. Dampfung und Schnursystem, konnen innovative Ideen gefunden werden. Bei der Analyse der Motive zeigt sich, dass sich ein groljer Anteil der kreativen Community Mitglieder - schatzungsweise 80 % - aufgrund der Herausforderung und der inneren Freude mit innovativen Fragestellungen befassen, wahrend nur ein relativ kleiner Teil von konkreten funktionalen Bedurhissen angetrieben wird. Die ,,excitement-getriebenen" Innovatoren beschreiben ihre Ideen nicht nur verbal, sondern visualisieren sie auch in Form von eigenen handgezeichneten Designs oder dreidimensionalen Computergrafiken (Abbildung 2). Um die Herausforderung im Innovationsprozess zu steigern, veranstalten innovative Community Mitglieder selbstinitiierte Designwettbewerbe, so genannte ,,Designer's Roll Calls". In diesen fieundschaftlichen Wettbewerben bestimmt ein Mitglied eine innovations-bezogene Aufgabenstellung z.B. "zeichnet den Basketballschuh f i r das Jahr 2050" und die anderen kreativen Mitglieder versuchen die Aufgabenstellung innerhalb der vorgegeben Zeitspanne zu erfiillen. Innerhalb weniger Tage werden oft zahlreiche Designs in der Community prC sentiert. Diese Vorschlage werden dam von den anderen Mitgliedern der Community kommentiert und weiterentwickelt.
Sowohl das Feedback auf die vorgestellten Designs als auch die Tatsache, dass bereits zwei innovative Mitglieder der Niketalk Community von professionellen Basketballfrmen entdeckt wurden und mittlerweile als Designer fir Basketballschuhe arbeiten, verdeutlichen die hohe Qualitat der innovativen Ideen innerhalb der Niketalk Community. Fiir den Sportartikelhersteller, der diese Studie veranlasste, steht fest, dass Online Communities wie Niketalk eine wertvolle Innovationsquelle darstellen. Zudem zeigten zahlreiche Beispiele, dass innovative Mitglieder bereit sind ihre kreativen Ideen nicht nur innerhalb der Community sondern auch mit Produzenten zu teilen. Sie stellen ihre Innovationen auf der Fanseite Kicksguide vor, die mit ihren guten Kontakten zu den Innovationsteams der groflen Markenartikler wirbt. In der Hoffnung ihre bevormgte Freizeitbeschaftigung - das Designen von Basketballschuhen - zu ihrem Beruf machen zu konnen, schicken viele kreative Community Mitglieder ihre Designs an Firmen. Wahrend im vorgestellten Anwendungsbeispiel die Online Community nur iiber einen bestimmten Zeitraum untersucht wurde, konnte Netnographie auch zur permanenten Beobachtung von Communities wie Niketalk verwendet werden, urn sich einen kontinuierlichen Nachschub an innovativen Ideen zu sichern und die Einschatzung existierender und neuer Produkte aus Sicht der Community zu kontrollieren.
Abbildung 2: Design eines innovativen Basketball Schuhs, Inspiration: Apple iPod von Tom Rushbrook (Kicksguide 2006)
5. Community Based Innovation Fuller et al. (2006; 2004) bieten rnit Community Based Innovation (CBI) eine Vorgehensweise an, die es erlaubt, das innovative Potenzial von Online Communities durch die aktive virtuelle Beteiligung ihrer Mitglieder an Entwicklungsprozessen zu nutzen. Die Methode gliedert sich in vier Schritte, auf die im Folgenden naher eingegangen wird: Bestimmung des Teilnehmerprofils; B Identifikation geeigneter Online Communities; II Gestaltung der virtuellen Interaktion und Kontaktaufhahme und Einbindung. Community Based Innovation (CBI) beginnt mit der Entscheidung eines Unternehmens, Konsumenten virtuell in den Innovationsprozess zu integrieren und mit der Definition der Aufgabenstellung an die Konsumenten via Internet mitzuwirken. Im ersten Schritt muss nun beantwortet werden, welche Eigenschaften integrierte Kunden idealerweise haben sollten. Das Teilnehmerprofil ist abhangig von der Entwicklungsaufgabe und der Innovationsphase, an der Online Community Mitglieder mitwirken sollen, sowie von den Zielen, die das Unternehmen mit der Einbindung verfolgt. Sollen Kunden beispielsweise fir die Gewinnung innovativer Ideen integriert werden, ist es sinnvoll die so genannten ,,Insidera - erfahrene Meinungsfiihrer innerhalb der Online Community - und ,,Devoteesx - Mitglieder mit starkem Bezug zum Thema, jedoch mit nur schwachen sozialen Kontakten innerhalb der Community - einzubinden (Kozinets 1999; Kozinets 2002). Kozinets vergleicht derartige Community Mitglieder, mit Lead Usern (Urban and von Hippel 1988; von Hippel 1986). Neben der Innovationsfahigkeit und Kreativitat der zu integrierenden Konsumenten sind weitere Kriterien z.B. die Zugehiirigkeit der eingebundenen Konsumenten zur potenziellen Zielgruppe, sowie deren Fachwissen und Kommunikationsfahigkeit. Nach der Bestimmung des Teilnehmerprofils folgen im zweiten Schritt zwei wesentliche Aufgaben: das Identifizieren geeigneter Online Communities und das Kennenlernen dieser Communities. In dieser Phase gilt es herauszufinden, ob und wo sich die gewiinschten Konsumenten im Internet treffen, wie sie miteinander im Kontakt stehen, welche Inhalte sie untereinander austauschen und was sie zur Teilnahme am Innovationsprozess motivieren kiinnte. Sind die Internetadressen, auf denen sich die einzubindenden Kunden tummeln nicht bereits bekannt, so lassen sich in Frage kommende E-Mail-Verteiler, Newsgroups, Bulletin Boards, Chats und Internetseiten rnit Hilfe von Suchmaschinen wie www.google.de oder www.yahoo.de aufspuren. Eine Vorselektion der oft enormen Anzahl ausgemachter Online Communities ist anhand der Ubereinstimmung der Community Mitglieder mit dem definierten Teilnehrnerprofil, der Zugriffszahlen und Verweildauer, der Relevanz der inhaltlichen Themen, der Aufgeschlossenheit gegenuber Anfiagen von auRen und dem Interaktionsgrad der Teilnehmer
untereinander zu treffen. Das Verhalten der Mitglieder ist solange zu beobachten bis sich der Gestalter der Interaktion im Klaren dariiber ist, welche sprachlichen Eigentiimlichkeiten, Umgangsformen und Gepflogenheiten vorherrschen - wie die Communities ,,ticken". Im dritten Schritt geht es darum, eine Interaktionsplattform zu gestalten, die auf die Teilnehmer und Entwicklungsaufgabe abgestimmt ist. Selbst wenn das Thema beim ersten Hinsehen interessant wirkt - ohne auf die Teilnehmer zugeschnittene Werkzeuge, ebbt die Begeisterung schnell ab. Mehrere Parameter lassen sich bei der virtuellen Kundeneinbindung variabel gestalten und ermoglichen eine Anpassung des virtuellen Dialogs an den spezifischen Kontext: l ) Werkzeuge, wie z.B. Toolkits, Online Fragebogen, Ideenwettbewerbe oder Diskussionsforen; 2) Anreize, wie z.B. die Nennung als CoEntwickler, das Versorgen mit proprietbem Wissen oder eine Aufwandsentschadigung; 3) Intensitat der Einbindung, die sich z.B. aus der Anzahl der eingebundenen Kunden, der Frequenz und der Einbindungsdauer ergibt und 4) Kommunikationsstil, der sich z.B. durch die Vielfalt an verwendeten Medien, der informellen Ansprache oder der Nennung des Markennamens ergibt. Die maogeblichen EinflussgroRen des Interaktionsdesigns sind die zu verrichtende Innovationsaufgabe, das in Schritt eins festgelegte Teilnehmerprofil, sowie das Interaktionsumfeld, das durch den Charakter der ausgewahlten Online Communities bestimmt wird. Sind geeignete Communities identifiziert und die Interaktionsplattform erstellt und getestet, erfolgt im vierten Schritt die Einbindung der Kunden. Zur Kontaktaufnahme mit den Mitgliedern der identifizierten Online Communities bieten sich die im Internet ublichen eingesetzten Instrumente wie E-Mail, Posting, Banner, Pop-Up-Fenster oder redaktionelle Texte an, die auf die virtuelle Entwicklung aufmerksam machen. Die gesammelten Kundenbeitrtige werden dann vor dem Hintergrund der vorab definierten Fragestellungen mittels quantitativen oder qualitativen Verfahren analysiert. Zur Veranschaulichung der CBI Methode wird ein weiteres Anwendungsbeispiel aus der Sportartikelbranche herausgegriffen. Ein groRer Sportartikelhersteller entschloss sich, Sportler frtihzeitig in die Entwicklung eines neuartigen, modular aufgebauten und individuell anpassbaren Sportschuhs mittels CBI zu integrieren. Das Ziel der virtuellen Interaktion mit Sportlern, hauptsachlich Laufern und Basketballspielern, war herauszufinden, ob ein Bedarf an solch modular zusammenstellbaren und flexibel anpassbaren Sportschuhen besteht. Der Begriff Modularitat bezieht sich hierbei nicht nur auf die Moglichkeit, bevorzugte Farben, Muster und Logos zu wahlen, sondern einen Sportschuh gemlB den eigenen Bedurfnissen und Praferenzen aus mehreren Einzelteilen (z.B. Sohle, Schniirung, Ventilation, Dampfung) individuell zusammenzustellen und an die jeweilige Trainingssituation anpassen zu konnen. Die virtuelle Einbindung von Sportlern sollte zudem Auskunft geben, warum Kunden anpassbare Sportschuhe kaufen, welche Komponenten modular sein sollen und wie die Anpassung des Schuhs am Besten erfolgen kann. GemaR der CBI Methode wurde zunlchst das Teilnehmerprofil definiert: ambitionierte Laufer und Basketballspieler, die ihren Sport mindestens 3 - 5 Ma1 pro Woche ausuben. Die Sportler sollten zudem uber ein hohes MaR an Kreativitat und Produktwissen verfiigen, um das vorgestellte neue Konzept in dieser frtihen Innovationspha-
se effizient beurteilen zu konnen. Eine umfangreiche Internetsuche nach Online Communities, die eine moglichst hohe Zahl an Mitgliedern mit dem gesuchten Teilnehmerprofil aufiveisen, identifizierte zahlreiche Chats, Newsgoups und Foren. Ausgehend von mehreren Selektionskriterien wie z.B. Netiquette und Lebendigkeit der Kommunikation, wurden funf Communities ausgewahlt. Nach eingehender Beobachtung, um mit den Gepflogenheiten und Besonderheiten der Online Communities vertraut zu werden, wurde eine, in Abbildung 3 illustrierte, internetbasierte Plattform f i r die virtuelle Interaktion mit Kunden entwickelt. Als Werkzeug fir die virtuelle Kundeneinbindung diente eine Online Umfrage mit interaktiven Elementen. Zur besseren Verdeutlichung des Konzepts von modularen Schuhen, wurden das Gesamtkonzept sowie die einzelnen konfigurierbaren Teile den Teilnehmem mittels handgezeichneter Designscribbles vorgestellt. Um zu ermitteln, von welcher Marke Konsumenten modular anpassbare Sportschuhe am ehesten erwarten und wiinschen, und aufgrund von Geheimhaltungsaspekten, verzichtete das Design der Umfrage auf das Logo und entsprechende Layoutanforderungen der Corporate ldentitiy des Sportartiklers.
Abbildung 3: Ausziige der internetbasierten Interaktionsplattform (HYVE 200 1) Insgesamt nahmen mehr als 1.000 Sportbegeisterte an der Online Umfrage teil und beurteilten das vorgestellte revolutionare Schuhkonzept. Die durchwegs positive Resonanz auf das vorgestellte Konzept veranlasste den Sportartikelhersteller, die Entwicklung eines modular anpassbaren Sportschuhs fortzusetzen. Die Informationen, die durch CBI gewonnen wurden, dienten hierbei nicht nur zur Validierung des bis zu diesem Zeitpunkt angedachten Konzepts, sondern lieferten auch zahlreiche wertvolle Ideen, die bei der weiteren Entwicklung beriicksichtigt werden konnten.
6. Innovation Community Wahrend Community Based Innovation die geeignete Methode darstellt, um Online Community Mitglieder f i r einzelne Aufgabenstellungen innerhalb eines definierten Innovationsprojektes einzubinden, erlaubt der Aufbau einer ,,Innovation Community" die dauerhafte Kooperation mit innovativen Kunden. Eine Innovation Community, bestehend aus engagierten Konsumenten, bietet die Plattform f i r den kontinuierlichen Dialog mit kreativen Anwendern. Die Mitglieder der Innovation Community nehmen aktiv an Entwicklungsaufgaben teil und erganzen das Innovationsteam mit ihrem Wissen und ihren Fahigkeiten. Sie modifizieren bestehende Produkte und generieren Ideen f i r komplett neue Leistungen, beurteilen und verbessern vorgestellte Konzepte, beschaftigen sich mit der Bedienfihrung oder testen neue Innovationen. Das Unternehmen stimuliert und steuert die kreativen Aktivitaten der Mitglieder mit entsprechenden Aufgabenstellungen, Feedback und geeigneten Werkzeugen wie z.B. Toolkits und integriert die aus der Kooperation gewonnenen, wertvollen Erkenntnisse in den Entwicklungsprozess. Innovation Community Aufbau Der Aufbau einer Innovation Community erfordert ein Umdenken im ganzen Unternehmen. Es gilt, entgegen dem traditionellen R&D Ansatz, Kunden als aktive Mitentwickler im Innovationsprozess zu betrachten. Zudem erfordert der Aufbau einer Innovation Community ein langfristiges Commitment und kann nicht kurzzeitig umgesetzt werden. Einerseits miissen qualifizierte Kunden ausgewahlt und zur Teilnahme bewegt werden, andererseits braucht es - Sihnlich wie bei off-line Gemeinschaften - eine bestimmte Zeit bis aus der losen Ansammlung an Interessierten eine wahre Gemeinschaft wird. Der Grund, warum Online Communities existieren, ist nach Bagozzi und Dholakia (2002) das gemeinsame Interesse: ,,the raison d'etre of a virtual community is a distinct interest their members have in common". Daraus erwachst ein Geflihl der Verbundenheit - "consciousness of kin" - gegeniiber den anderen Community Mitgliedern. Haufig entspringen Online Communities der spontanen Initiative einer kleinen Gruppe von Enthusiasten, wie zum Beispiel von Autofans, die einen virtuellen Automobilclub griinden (MeWilliam 2000). Zum Aufbau einer Online Community sind nach Williams und Cothrel(2000) drei Aktivitaten notwendig: P Gewinnung von Mitgliedern: es gilt eine kritische Masse zu erreichen ilar Management der Plattform: z.B. Sicherstellen von interessanten Inhalten, ansprechendem Design und leistungsstarker Infrastruktur Forderung der Interaktion: es gilt den Austausch unter den Mitgliedern anzuregen und zu fordern.
Butler et al. (2002) weisen darauf hin, dass es beim Aufbau einer Community nicht auf das Management der technischen Infrastruktur ankommt, sondern auf das Management der sozialen Beziehungen. Der Aufbau einer Innovation Community ist aufwendig und risikoreich und deshalb nur in Kombination mit der Nutzung als Marketinginstrument zu empfehlen. Online Communities tragen zur Starkung der Marke bei. Zudem ermoglichen so genannte Brand Communities den Aufbau einer engen und emotional aufgeladenen Kundenbeziehung. Nutzung existierender Communities
Oft ist es geschickter mit einer existierenden Online Community zu kooperieren und deren Innovationspotenzial zu nutzen als eine eigene Innovation Community aufzubauen und zu betreiben. In fast jeder Online Community finden sich kreative Mitglieder, die Span an innovativen Aufgaben haben. Da die kontinuierliche Beobachtung tausender solcher Mitglieder mit hohen Kosten und Zeitaufwand verbunden ist, bietet es sich entweder an, Community Mitglieder gezielt an bestimmten Innovationsaufgaben mittels der CBI Methode zu beteiligen, oder vie1 versprechende Communities in die Lage zu versetZen selbst aktiv zu werden. Damit konnen diese von sich aus mit dem Unternehmen ihrer Wahl in Kontakt treten. Dies kann zum Beispiel mit Hilfe eines Link geschehen, der auf den identifizierten Online Communities platziert wird und der den Mitgliedern ermoglicht, in direkten Kontakt mit der Innovationsabteilung zu treten. Sobald die Mitglieder eine innovative Idee haben, konnen sie diese, ohne gronen Aufwand, direkt an das Unternehmen weitergegeben. In diesem Fall kommt der Community eine aktive Rolle zu. Sie bestimmt, ob sie mit einer Unternehmung in Dialog treten mochte oder nicht. Voraussetzung dafir, dass eine bereits bestehende Online Community zur Innovation Community eines Unternehmens aufgebaut werden kann, ist die Zustimmung der Community. Zudem ist die Frage zu klhen, welche Anspriiche die Community Mitglieder an die Realisierung ihrer Ideen stellen und ob die Bereitschaft besteht, die Nutzungsrechte an eventuell schutzbaren Ideen an das Unternehmen zu ubertragen. Grundsatzlich ist zu erwarten, dass Kunden eher bereit sind mit bekannten Marken zu kooperieren, die einen hohen Stellenwert im jeweiligen Produktsegment besitzen, als mit Unternehmen, zu denen keine Beziehung besteht. Ein Beispiel f i r ein Unternehmen, das im dauerhaften Dialog mit Kunden steht, fmdet sich in der Motorradindustrie. Fiir viele begeisterte Biker stellen Motorrader nicht nur ein Fortbewegungsmittel dar, sondern sind Ausdruck eines ganz besonderen Lebensstils. Der italienische Motorradhersteller Ducati hat erkannt, dass der Aufbau einer Online Ducati Community nicht nur Vorteile fir Produktentwicklung bietet, sondern ihren Kunden auch ein Gefihl der Gemeinschaft vermittelt (Sawhney et al. 2005). Aus diesem Grund entschloss sich Ducati im Jahr 2000, tiefgehende und langanhaltende Beziehungen zu seinen Kunden aufzubauen. Die Begriffe ,,KundeUund ,,Marketinga wurden systematisch durch ,,Fan6' und ,,Communityu ersetzt. Ducati versteht die ,,Fan Community"
als entscheidenden Wettbewerbsfaktor und sieht das Internet als die optimale Plattform fiir die Interaktion mit der Fan Community. Auf der Website des Unternehmens (www.ducati.com) findet ein kontinuierlicher Dialog mit Motorradbegeisterten aus aller Welt statt, die den Ducati Lebensstil und das gewiinschte Markenimage verkbrpern. Die Mitglieder der Ducati Community werden aber nicht nur auf die Rolle als Fans reduziert. Sie sind eng mit der Entwicklungsabteilung verbunden und nehmen auch die Rolle von Co-Entwicklern im Innovationsprozess ein. Sie beschaftigen sich mit kreativen Aufgaben, beurteilen neue Produktkonzepte und entwickeln innovative Problemlosungsvorschlage. So wurden die Mitglieder der Website zum Beispiel in einem Wettbewerb aufgerufen ihre Ideen fiir das Aussehen eines Ducati Motorrades der Zukunft abzugeben. Die Gewinner des Wettbewerbs wurden von einem hochrangigen Expertenteam, dem unter anderem der CEO des Unternehmens und der Leiter der Designabteilung angehorten, ausgewahlt. Neben dem Dialog mit einzelnen Kunden hat Ducati auch erkannt, dass wertvolle Ideen aus der Interaktion und Kommunikation von Kunden untereinander entstehen. Aus diesem Grund wird auf der Ducati Homepage der Dialog zwischen Kunden aktiv gefordert, indem in mehreren Foren die geeigneten Werkzeuge f i r den Austausch geboten werden. Im Bereich ,,Tech Cafe" (Abbildung 4) zum Beispiel, diskutieren Fans die Technik von Ducati Motorradern, erlautern wie Bikes individualisiert werden konnen und entwickeln Verbesserungsvorschlage fiir die nachste Generation von Ducati Motorradern. Die Entwicklungsabteilung des Unternehmens gibt den Teilnehmern im ,,Tech Cafe" regelmaRig Feedback auf ihre Ideen und zusatzliche technische Informationen. Neben dem ,,Tech Cafe" unterhalten sich Kunden auch im Technikforum der Seite. In diesem Abschnitt finden Ducati Fans, die ein spezielles Problem mit ihrem Motorrad haben, fast immer Hilfe von anderen Kunden. Sobald eine konkrete Frage gestellt ist dauert es meist nicht lange, bis andere Mitglieder, die entweder das gleiche Problem hatten oder aufgmnd ihres umfangreichen Fachwissens die Losung bereits kennen, die passende Antwort geben. Das Unternehmen Ducati profitiert von der Kommunikation im Forum in doppelter Weise. Einerseits entwickeln die Mitglieder in der gemeinsamen Interaktion oft innovative Verbesserungsvorschlage f i r bestehende Produkte. Andererseits konnte Ducati dadurch einen deutlichen Riickgang bei den Anrufen im Kundenservice-Center verzeichnen. Neben dem Betreiben der eigenen Entwicklungs-Community auf Ducati.com, findet bei Ducati auch ein kontinuierliches Monitoring von unabhangigen Online Communities statt. Auf dem Portal Yahoo! finden sich zum Beispiel 54 verschiedene Diskussionsgruppen zu Ducati Motorradern. Die Ducati Community erfkeut sich groster Beliebtheit unter Motorradbegeisterten aus aller Welt. Die Seite Ducati.com hatte im Juli 2004 mehr als 160.000 registrierte Mitglieder und konnte in den ersten sechs Monaten des Jahres 2004 mehr als 60 Millionen Page Views (Seitenaufiufe) verzeichnen. Um die personliche Beziehung der Mitglieder untereinander zu fordern, veranstaltet Ducati jahrlich die ,,World Ducati Week" in Italien. Bei diesem Treffen lernen sich tau-
sende Mitglieder der Entwicklungs-Community auch off-line kennen, unterhalten sich iiber ihr gemeinsames Interesse und zeigen ihre modifizierten Motorrader, die sie in oft monatelanger Arbeit in ihrer eigenen Garage zusammengebaut haben. Die Marke Ducati wird dadurch erlebbar und lasst sich nicht mehr auf das pure Motorrad reduzieren. Ein eigener Ducati Lebensstil entsteht. Zum Aufbau der Ducati Communitiy und zum Managen und Nutzen der grofien Informationsmengen, griindete das Unternehmen eine eigene ,,Community Abteilung". Die 19 Mitarbeiter dieser Abteilung bestimmen Aufgabenstellungen und planen Events der Community, geben Impulse fir die Kommunikation und sorgen dafiir, dass die gewonnenen Erkenntnisse im Unternehrnen genutzt werden. Community Ideen und Designs werden fiir Entwickler in Datenbanken gespeichert und sind jederzeit zuganglich.
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Abbildung 4: Das Ducati ,,Tech Cafe", (Ducati 2006)
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7. Implikationen fur das Innovationsmanagement Nach Meinung der CEOs fihrender Unternehmen stellen Innovationen die einzige Moglichkeit dar, um im globalen Wettbewerb bestehen zu konnen. Die Kooperation mit externen Partnern, im Speziellen mit Kunden, wird als wichtigste Quelle f i r neue Ideen gesehen (IBM 2006). Im Zeitalter der ,,Open Innovation", fordern sowohl Forscher als auch Berater, Kunden aktiv in die Neuproduktentwicklung einzubinden (Chesbrough 2003; Kambil et al. 1999; Prahalad and Ramaswamy 2004; Vandenbosch and Dawar 2002). Online Communities stellen nicht nur einen, sondern gleich eine ganze Ansammlung innovativer Kunden dar und sind deshalb f i r die Produkt- und Serviceentwicklung eines Unternehmens von besonderer Wichtigkeit. In diesem Artikel wurden drei Methoden vorgestellt, mit denen Online Communities in den Innovationsprozess eingebunden werden konnen. Wie die Praxisbeispiele zeigten, konnen Community Mitglieder einen wertvollen Beitrag bei der Neuproduktentwicklung leisten. Bevor ein Unternehmen mit Online Communities msammenarbeiten kann, muss es sich im Klaren sein, unter welchen Umstanden es bereit ist in virtuellen Dialog mit Konsumenten zu treten. Die Kooperation fordert ein Umdenken im ganzen Unternehmen. Es gilt, entgegen dem traditionellen R&D Ansatz, Community Mitglieder als aktive Mitentwickler im Innovationsprozess zu betrachten und ihre Vorschlage ernst zunehmen. Am besten f i r den Dialog mit Communities geeignet erscheinen engagierte Mitarbeiter, die selbst aus der jeweiligen Szene stammen. Die Gestaltung der virtuellen Interaktion muss auf die Ziele und Erwartungen der Community Mitglieder abgestimmt werden. Durch die mehrmalige Interaktion mit der gleichen Community entsteht eine Beziehung, die von gegenseitigem Vertrauen und Commitment gepragt ist. Um die intensive Kooperation mit externen Partnern anzuregen, sollte eine Innovationsabteilung kunftig nicht nur an den eigenen ldeen gemessen werden, sondern auch an ihren Fahigkeiten, innovative Konsumenten an der Entwicklung zu beteiligen und deren Know-how in die Entwicklung einflieRen m lassen. Der kontinuierliche Dialog mit kreativen Kunden in Form einer Innovation Community setzt auf Seiten des Unternehmens umfangreiche Ressourcen hinsichtlich Zeit und community-spezifischem Know-how voraus. Falls ein Unternehmen die erforderlichen Ressourcen nicht aufbringen kann oder will, bietet sich der Einsatz so genannter Knowledge Brokers an, die sich speziell auf die virtuelle Interaktion mit Kunden spezialisiert haben (Sawhney et al. 2003). Diese arbeiten als Bindeglied zwischen dem Entwicklungsteam und den Mitgliedern der Online Community. Franke und Schreier (2002) nennen in diesem Zusammenhang die Hyve AG als Unternehmen, welches bei der Gestaltung des virtuellen Dialoges mit Communities umfangreiche Unterstiitzung anbietet.
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Dr. Johann Fuller Institutfur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Arbeitsbereich Marketing Universitat Innsbruck Universitatsstr. 15 A-6020 Znnsbruck Mag. Gregor Jawecki, Dr. Michael Bart1 HYVE AG Schellingstr. 45 0-80799 Miinchen
Giinther BotschedMartina Botschen
Kundenintegrierte Neuproduktentwicklung von Dienstleistungen
2. Stand der Kundenintegration im Neuproduktentwicklungsprozess von Dienstleistungen
3. Methoden der direkten Kundenintegration im Innovationsprozess von Dienstleistungen 3.1 Sequentiell orientierte Problemidentifikation (SOPI) und Sequentielle Ereignismethode fir Innovationen (SITI) 3.2 Fokusgruppen 3.3 "Customer Idealized Design" (CID) 3.4 Lead-User 3.5 Planungszelle 4. Zusammenfassende Betrachtung
1. Einfuhrung Kundenintegration wird als wesentlicher Bestandteil in der Dienstleistungserstellung gesehen, da Dienstleistungen Aktivitaten oder Leistungen sind, die typischerweise simultan produziert und konsumiert werden. Kunden und Serviceanbieter produzieren die Dienstleistung gemeinsam, d.h. sie kooperieren, um die Dienstleistung zu erstellen (Bostroem 1995). Aufgrund ihrer Teilnahme sind Kunden daher nicht nur unverzichtbar im DienstleistungsersteIlungsprozess,sondern sie konnen auch ihre Zufriedenheit mit der Dienstleistung selbst steuern bzw, beeinflussen (ZeithamVBitner 1996). Erstaunlicherweise wird in der Serviceliteratur hinsichtlich Design und Entwicklung neuer Dienstleistungen weniger Augenmerk auf die Integration von Kunden gelegt als im Dienstleistungserstellungsprozess selbst (ScheuingIJohnson 1989). Obwohl bewusste und unbewusste Anspriiche, gesuchte Nutzen und Erwartungen von Kunden als Hauptquelle f i r die Neuentwicklung von Dienstleistungen angesehen werden konnen, konzentriert sich die Kundeneinbindung auf die Dienstleistungserstellung. Erst in der Kundenkontaktsituation, wenn die Standards fiir die Dienstleistung bereits erstellt sind, werden Kunden zum wichtigen "Faktor". Wenn in diesen Situationen Kundenerwartungen nicht mit den vorspezifizierten Standards und Charakteristika der neuen Dienstleistung iibereinstimmen, besteht jedoch die Gefahr, dass Kunden, Mitarbeiter oder beide mit Unzufriedenheit iiber die angebotene Dienstleistungsqualitat auseinander gehen. Innovationen im Dienstleistungsbereich entstehen eher zufallig, anstatt systematisch entwickelt m werden. Darauf wird die hohe Misserfolgsrate (so z.B, im Finanzdienstleistungsbereich bis zu 80 %) von neuen Dienstleistungen zuriickgefihrt (DeckerIMeissner 1997). Dienstleistungsanbietern fallt es oft schwer, Kundenerwartungen entsprechende Standards f i r neue Dienstleistungen festzulegen, denn dies bedeutet, dass die Marketingabteilung und andere Unternehmensbereiche eng mit Kunden zusammenarbeiten miissten. Dies bedeutet weiters eine Veranderung von traditionellen Prozessen und eine Abstimmung von Mitarbeitern verschiedener Abteilungen, um ein gemeinsames Verstandnis von Dienstleistungen aus Kundensicht zu erhalten (Zeithamlmitner 1996). Sehr oft fihrt das Versaumnis von Kundenintegration zur Entwicklung neuer Dienstleistungen, die schwerpunktmal3ig auf den Einschatzungen und Erwartungen einer kleinen Gruppe von "Experten" innerhalb des Unternehmens basieren und sich an internen Zielen orientieren, anstatt Probleme und Anforderungen derzeitiger und kiinftiger Kunden anzusprechen. Gerade im Dienstleistungsbereich, der sich durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Kunden und Dienstleistungsanbieter auszeichnet, konnte die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs von neuen Dienstleistungen durch die Integration von Kunden im Innovationsprozess erhoht werden. Die in der Literatur vorgeschlagenen Dienstleistungsinnovationsprozesse scheinen mehr zu einer intern orientierten Neuentwicklung von Dienstleistungen zu fiihren als zu einer kundenorientierten Entwicklung von neuen Dienstleistungen. Die meisten Ansatze bauen auf
den Erfahrungen der Konsumgiiterindustrie auf (Easingwood 1986), obwohl auch hier der Anteil erfolgreicher Implementierungen von Neuproduktentwicklungsprozessen als m5iRig bezeichnet werden kann (UrbaniHauser 1993). Die geringen Erfolgsquoten und Schwierigkeiten in der Entwicklung innovativer Produkte werden durch den schwachen Einsatz von Marktforschungsmethoden und -modellen, aber auch durch die mangelnde Eignung verfigbarer Marktforschungsmethoden erklart (Windmahajan 1997; WindIWest 1991). Wind und Mahajan (1997) bemangeln, dass - von geringen Ausnahmen abgesehen Marktforschungsmethoden und Marketingansatze nicht in der Lage sind, Aspekte wie die Zusammenarbeit mit verschiedenen Stakeholdern und integrierte Produktentwicklung zu erfassen. Idealtypische Neuproduktentwicklungsprozesse, wie sie in der Literatur dargestellt werden, stellen eine Abfolge logischer Schritte dar und beriicksichtigen nicht oder nur in geringem AusmaR die Beteiligten und die einfliefienden Informationen zur Entscheidungsfindung. Der Innovationsprozess enthalt typischerweise folgende Phasen: 1. Strategic und Initiierung neuer Dienstleistungen, darunter fallt die Ideengenerierung und Ideenprtihng 2. Dienstleistungsentwicklung, bestehend aus Konzeptentwicklung, Geschaftsplan, Prozess- und Systemdesign und Test und 3. Implementierung der neuen Dienstleistungen, dazu zahlt die Entwicklung des Marketingprogramms, Markttest und Markteinfiihrung (de BrentaniIRiesen 1997; ScheuingIJohnson 1989; CooperlKleinschmidt 1986; Johne 1984). Traditionelle, standardisierte, attributorientierte Marktforschungsmethoden sind naturgema13 auf hohem Abstraktionsniveau angesiedelt, messen Auspragungen von bereits Bekanntem und sind daher weniger geeignet, neue Inhalte zu erheben. Um konkrete Erfahrungen, Anspriiche und Ideen von Kundenseite zu erfassen, braucht es Methoden qualitativer Art, die eine Briicke zwischen Marktforschung und Mitarbeit schlagen. In diesem Beitrag werden Methoden vorgestellt, die eine direkte Kundenintegration in den Innovationsprozess von Dienstleistungen erlauben. Die vorgestellten Methoden beriicksichtigen den Prozesscharakter von Dienstleistungen und ermoglichen unterschiedliche Intensitaten der Einbindung von Kunden. Die Methoden "Sequentiell orientierte Problemidentifikation (SOPI) bnv. Sequentielle Ereignismethode f i r Innovationen (SITI)", Fokusgruppen, "Consumer Idealized Design" (CID), "Lead-user" und Planungszelle wurden ausgewahlt, da sie eine interaktive Kundenintegration erlauben und fur einzelne Phasen im Neuproduktentwicklungsprozess bereits eingesetzt wurden. Ein kurzes Fallbeispiel pro Methode zeigt jeweils ihre Einsatzmoglichkeiten auf. Bevor jedoch auf die einzelnen Methoden eingegangen wird, sol1 in einem kurzen Uberblick iiber den Stand der Kundenintegration im Neuproduktentwicklungsprozess der potentielle Erfolgsbeitrag der Kundeneinbindung diskutiert werden.
2. Stand der Kundenintegration im Neuproduktentwicklungsprozess von Dienstleistungen In der Literatur wird die Wichtigkeit, Kundeninformationen in den Neuproduktentwicklungsprozess einflieflen zu lassen, vielfach betont (Johne 1994; von Hippel 1988). Von Hippel (1984) empfiehlt, sowohl Konzeptgenerierung als auch Konzepttests mit Hauptkunden durchzufiihren. Cooper und Kleinschmidt (1986) stellten in einer ihrer Studien fest, dass in zwei Drittel aller Produktinnovationsprojekte Firmen Kundentests durchfihren. Ahnlich wie in der Neuproduktentwicklungsliteratur wird auch in der Dienstleistungsliteratur die Wichtigkeit von Kundeneinbindung betont (Cina 1990; Groenroos 1983). Edvardsson und Olson (1996) stellen fest, dass flir das Verstandnis von Kundenwiinschen und -anspriichen die Einbindung von Kunden in verschiedenen Phasen der Entwicklung einer neuen Dienstleistung notwendig ist. Attraktive und kundenfieundliche Dienstleistungen resultieren aus einem Dialog mit kompetenten und anspruchsvollen Kunden. Daher sollten Kunden in den Neuentwicklungsprozess von Dienstleistungen eingebunden werden und ein Dialog initiiert werden, der es ihnen leichter macht, Anforderungen und Wiinsche zu artikulieren. Weiters betonen Edvardsson und Olson (1996), dass in der Formulierung, beim Test eines Dienstleistungskonzepts und bei der Entwicklung eines Dienstleistungsprozesses bevormgt interaktiv mit Kunden zusammengearbeitet werden sollte. Gesprache mit Kunden werden als die wichtigste Quelle flir Neuproduktideen und als wichtigster Faktor, der erfolgreiche von nicht erfolgreichen Firmen in der Neuproduktentwicklung unterscheidet, angesehen (Soderberg/O'Halloran 1992; MeyerBliimelhuber 1998). Allerdings zeigt sich, dass Kundenintegration in der Entwicklung von neuen Produkten verbreiteter ist als in der Entwicklung von neuen Dienstleistungen (Edvardssonl HaglundlMattson 1995; MartidHorne 1994, 1992). Drei aktuell publizierte Studien geben Hinweise auf den Einfluss direkter Kundeneinbindung auf den Erfolg von neu entwickelten Dienstleistungen bzw. Neuproduktentwicklungen (Edvardsson/Haglund/Mattson 1995; MartidHome 1995, TabriziiWalleigh 1997). Die Ergebnisse der drei empirischen Studien bestatigen, dass Kundenpartizipation eine bedeutende Rolle in der Entwicklung neuer Dienstleistungen spielt. Die erfolgreicheren neuen Dienstleistungen zeigen eine signifikant hohere Kundeneinbindung, obwohl Martin und Home (1995) sowohl fir die erfolgreichsten als auch die nicht erfolgreichen Dienstleistungsinnovationen generell ein niedriges Niveau der direkten Kundenpartizipation feststellen (2.95 versus 2.23 auf einer 7-Punkt-Likert Skala). Martin und Home (1995) untersuchten weiters das Ausmafl der Information, die in den Phasen Ideengenerierung, Geschaftsanalyse, Marketingprogramm und Mitarbeitertraining verwendet werden. Aus ihrer Darstellung bleibt unklar, ob ihre Ergebnisse auch fiir die Phasen Ideenpriifung, Konzeptentwicklung und -test und Markttest gelten. Alles in allem zeigt
jedoch ein signifikanter Unterschied, dass bei erfolgreicheren neuen Dienstleistungen auf jeder Stufe der Entwicklung mehr Kundeninformationen venvendet werden. Edvardsson, Haglund und Mattson (1 995) untersuchen in zwei Studien die Entwicklung von sieben neuen Dienstleistungen in verschiedenen Firmen der schwedischen Dienstleistungsbranche und zwei grofie Entwicklungsprojekte in der Kommunikationsbranche. Auch sie fanden eine geringe Kundenpartizipation in allen Phasen des Innovationsprozesses. Obwohl in dieser Studie kein expliziter Zusammenhang zwischen Kundeneinbindung und Erfolg neuer Dienstleistungen untersucht wird, werden einige Problembereiche aufgrund geringer Kundenpartizipation hervorgehoben "... This resulted in technical and marketing problems that had to be solved parallel to the launching of the services ... There was a general lack of market information during the development processes. Including demanding customers as members of service development teams is one way to get closer to customers and their needs" (EdvardssonlHaglundlMattson 1995, S. 30ff). In dem Projekt von Tabrizi und Walleigh (1997) wurden 28 Produktentwicklungen der "next generation" in 14 Hochtechnologiefirmen untersucht. In diesen Projekten war die Kundenintegration entlang der unterschiedlichen Phasen der Neuproduktentwicklung sehr hoch. Die Autoren stellten fest, dass die Firmen, die erfolgreiche "new-platform" Leistungen einftihrten, einen kontinuierlichen offenen Dialog mit ihren Kunden iiber beinahe alle Stufen des Innovationsprozesses fbhren. Tabrizi und Walleigh (1997) fanden, dass diese Firmen sogar nach der Einfiihrung der Innovation in engem Kundenkontakt bleiben, um potentielle Anforderungen f i r Verandemngen in mkiinftigen Versionen m erhalten.
3. Methoden der direkten Kundenintegration im Innovationsprozess von Dienstleistungen Im Folgenden werden flinf Methoden vorgestellt, die eine direkte Kundeneinbindung in den Neuproduktentwicklungsprozess erlauben. Die folgenden Methoden wurden ausgewahlt: "Sequentiell orientierte Problemidentifikation (SOPI) bnv. Sequentielle Ereignismethode f i r Innovationen (SITI)", Fokusgmppen, "Consumer Idealized Design" (CID), "Lead-User" und Planungszelle. Alle Methoden sind durch eine aktive Kundenpartizipation gekennzeichnet und in unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses bereits eingesetzt worden.
3.1 Sequentiell orientierte Problemidentifikation (SOPI) und Sequentielle Ereignismethode fur Innovationen (SITI) SOP1 ist ein Ansatz, Blueprinting von Kundenkontaktsituationen (Kingman-Brundage 1989; Shostack 1984) mit der Kundenwahmehmung von kritischen Ereignissen, die in der Kundenkontaktsituation auftreten, zu verbinden (BotschenlBstieler/Woodside 1996; StaussIWeinlich 1996; Stauss/Hentschel 1990). Stauss betont, dass dieser interaktive Ansatz die Methode der kritischen Ereignisse (Flanagan 1954) enveitert und vervollstandigt. Diese Methode fihrt zu grBRerer Vollstandigkeit im Entdecken von Problemen als die Methode der kritischen Ereignisse, da sie Kundenbewertungen fir alle Stufen der Kundenkontaktsituation erhebt. Die Methode der kritischen Ereignisse erfasst nur besonders zufriedenstellende oder besonders argerliche Vorkommnisse und lbst kleinere Vorfalle, die jedoch auch die Kundenbewertung beeinflussen, auRer Acht. SOP1 bedeutet, sich mit den kleinen als auch mit den groRen Vorfdllen zu beschaftigen, die der Kunde in der Dienstleistung erlebt und bewertet (Botschen/Bstieler/Woodside 1996). Die sich daraus ergebende Liste von Problemen kann interessante Ideen fir Servicemodifikationen liefern oder als Startpunkt f i r die Kreation und die Bewertung neuer Ideen dienen. Die Ergebnisse von SOP1 konnen hilfi-eich flir die Identifikation von Details sein, die verbessert werden sollten, um die Kundenbeziehung aufrecht zu erhalten. SITI geht noch einen Schritt weiter und erhebt Vorschlage und Ideen von Kunden, um Probleme in den beschriebenen Vorfallen zu losen (DeckerIMeissner 1997). Folgende Schritte kennzeichnen die Methode(n): 1. Identifizierung der Prozessstufen der Dienstleistung, die ein Kunde erlebt (fir die Erstellung des Blueprints werden Kunden und Kundenkontaktpersonal befi-agt) 2. Sammlung kritischer Ereignisse entlang des identifizierten Blueprints (besonders erfreuliche oder besonders argerliche Vorkommnisse aus Kundensicht) 3. zusatzlich f i r SITI Bewertung der kritischen Ereignisse nach dem Grad der Zufkiedenheit bzw. Unzufriedenheit, die sie ausgelost hatten 4. Ideensammlung zur Losung von argerlichen Vorfallen. SOPI Fallstudie
In einer Studie iiber die Kundenwahmehmungen des Serviceangebotes einer Erwachsenenbildungseinrichtung hatten 54 Kunden 86 kritische Ereignisse entlang der spezifizierten Phasen des Blueprints beschrieben (Botschen/Bstieler/Woodside 1996). Einige der identifizierten Probleme reichten von fehlendem Parkplatz, unbequemer und kalter Atmosphare in der Eingangshalle, zu kleiner oder versteckter Anschlagtafeln in der Eingangs- und Orientierungsphase, gestresstem Servicepersonal und Buchungsfehler wahrend und nach dem Buchen eines Kurses bis zu "keinem Diskount" in der Zahlungsphase. Fiir einige der identifizierten negativen Vorfalle konnten Ideen f i r die zukiinftige
Vermeidung bereits in dieser Phase gewonnen werden. Die Liste von Problemen und Ideen wurde fir weitere Diskussionen mit Mitarbeitern und dem Management verwendet, um zusatzliche Ideen zu generieren und zu bewerten. Als Ergebnis wurden auf den SOP1 Daten aufbauend 50 spezifische Veranderungen und Verbesserungen im Service eingefiihrt. Die 0.a. Problembeispiele fihrten zur Einfihrung folgender ~nderungen: Fiinf Parkplatze wurden fir Kunden eingerichtet, die sich wahrend des Tages fir Abendkurse anmelden; warmes Licht wurde installiert und die Temperatur im Eingangsund Rezeptionsbereich erhiiht; die Anschlagtafeln wurden um das Dreifache vergronert und in einer Serie von der Eingangstiir bis zum Informationsschalter angebracht; ZweierTeams wurden wahrend der Hauptanmeldezeit tatig, um den Stress des Personals zu vermindern und den Kunden vermehrt Aufmerksamkeit entgegenbringen zu kiinnen; aufgrund von Kundenerlebnissen mit Tranksaktionsfehlern wurde ein On-Line-Back-up Computer Softwareprogramm installiert und Preisreduktionen fir altere Teilnehmer und Gruppen angeboten (BotscheniBstielerlWoodside 1996). Wahrend der Entwicklung und Einfihrung der spezifischen Veranderungen fand zwar keine weitere Kundenbeteiligung statt, aber laufende Ruckmeldungen des Kundenkontaktpersonals waren gegeben. (Fur die Anwendung von SIT1 im Automobilhandel siehe DeckerIMeissner 1997).
3.2 Fokusgruppen Fokusgruppen sind eine hBufig angewandte Technik in der Marktforschung und werden allgemein mit der Neuproduktentwicklung assoziiert (Churchill 1992, McQuarrieI McIntyre 1986). Die meisten Autoren denken bei der Anwendung von Fokusgruppen an die Ideengenerierung in der Neuproduktentwicklung: empirische Studien in diesem Gebiet (Fern 1982; GriffinIHauser 1993) zeigen jedoch, dass Fokusgruppen nicht mehr oder bessere Ideen liefern als die entsprechende Menge an Einzelinterviews (Morgan 1997). Es ist ihre Vielseitigkeit und Flexibilitat, die sie fir viele Einsatzbereiche mit verschiedenen Teilnehmergruppen attraktiv macht. Fiir die Ideengenerierung konnen Brainstorming-Sessions als Startaufgabe verwendet werden, um die Kreativitat zu erhohen (Stewartlshamdasani 1990). Der besondere Vorteil von Fokusgruppen (im Gegensatz zu Einzelinterviews) liegt in der Moglichkeit, die Interaktion der Teilnehmer zu beobachten (Morgan 1997). Das macht den Einsatz von Fokusgruppen besonders interessant fir die Konzepttestphase. Der Diskussionsprozess, der in Fokusgruppen stattfindet, reflektiert bis zu einem gewissen Grad den von Adoptern und Venveigerern im Markt und liefert Hinweise fir die Ausgestaltung der geplanten Dienstleistung und die Kommunikationsstrategic (McQuarrielMcIntyre 1986). Fokusgruppen Fallstudie
Zweimal im Jahr werden von Mitarbeitern und Managern einer Lebensmittelkette Fokusgruppen mit zufallig ausgewahlten Teilnehrnern abgehalten. Wahrend dieser Fo-
kusgruppen artikulieren bis zu zehn Kunden ihre Einkaufserfahrungen in dem jeweiligen Geschaft und konnen aktiv Vorschlage und Ideen beziiglich Prozesse, Produktauswahl, Prasentation von Produkten, Abverkiiufen, Verhalten des Personals, zusatzlich gewunschtem Service und der gesamten Strategie der Lebensmittelkette einbringen. Die generierten Ideen werden von der Gruppe diskutiert und gepriift. Einfache Konzepte fir die Einfiihrung von neuen Dienstleistungen, welche ein gewisses Investitionsvolumen nicht uberschreiten, werden innerhalb weniger Tage oder Wochen umgesetzt. Jeder Supermarkt hat sein eigenes Budget, das die Umsetzung von Vorschlagen innerhalb des Budgetrahmens erlaubt. Beispiele sind die Erweiterung des Angebots an biologischen Lebensmitteln, der Umbau der Zeitungsecke, um den Eingangsbereich des Supermarkts zu erweitern und die Erhohung der Anzahl von Parkplatzen f i r Behinderte. Ideen, die die Priihngsphase bestehen, aber den Budgetrahmen des einzelnen Supermarktes uberschreiten, werden von den jeweiligen Geschaftsfihrern gesammelt und zur Zentrale weitergeleitet. Dort werden die Ideen integriert und einer Kosten-Nutzenanalyse unterzogen. Vorschl%ge,die den Konzepttest bestanden hatten, in dem wieder Kunden aktiv beteiligt waren, werden weiterentwickelt und umgesetzt. Beispiele sind die Einrichtung eines Zuliefersystems fir Haushalte in bestimmten Regionen, der Einsatz einer Autobeladungsvorrichtung, die das Einladen und den Transport der eingekauften Waren erleichtert und entweder gekauft oder geliehen werden kann und eine "Geld-Zuruck-Garantie" innerhalb einer gewissen Zeitspanne fir Produkte, die den Kundenenvartungen nicht entsprochen hatten.
3.3 "Consumer Idealized Design" (CID) Diese Methode involviert eine Gruppe bestehender oder potentieller Kunden in einen Workshop, um ohne Restriktionen ihr ideales Produkt oder ihre ideale Dienstleistung zu entwerfen (CiccantellilMagidson 1993; Ackoff 1993) Die Teilnehmer werden gebeten, sich vorzustellen, dass es ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung, mit der sie vertraut sind, plotzlich nicht mehr gibt und dass sie die Moglichkeit haben, etwas vollkommen Neues an dessen Stelle zu entwickeln. Diese Aufgabenstellung fordert innovatives Denken, da sie bei "Null" beginnt. Zudem hilft die Aufforderung, verbal geauflerte Ideen in ein Design umzusetzen, zu entdecken, was sie eigentlich wollen (Ackoff 1993). Diese Technik benotigt generell einen ganzen Tag. Folgende Arbeitsschritte werden vorgeschlagen (CiccantelliIMagidson 1993):
r Brainstorming, um eine Liste von Spezifikationen zu entwickeln, die eine ideale Dienstleistung haben soll, H Gruppendiskussionen iiber die Vorteile, die jede Spezifikation mit sich bringen wurde und die Entscheidung f i r die ideale Dienstleistung, Kleingruppenarbeiten, um die ideale Dienstleistung, die so viele Spezifikationen wie mogliche beinhaltet, zu entwerfen,
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Prbentationen in der Gesamtgruppe, um die Vor- und Nachteile der einzelnen Entwiirfe zu diskutieren, Kleingruppenarbeiten, urn die Vorschlage zu uberarbeiten, mit dem Ziel, ein Design zu entwickeln, das alle idealen Spezifikationen beinhaltet.
Ciccantelli und Magidson (1993) sehen die Vorteile dieser Technik gegeniiber Fokusgruppen, dass eine Konzentration auf gewunschte und nicht auf storende Eigenschaften einer Dienstleistung stattfindet und dass das Denken uber gegenwartig Angebotenes hinaus erfolgt. "Consumer Idealized Design" Fallbeispiel Urn die ideale Tankstelle zu entwerfen, wurden zwei Gruppen rekrutiert (siehe Ciccantelli/ Magidson 1993). Beide Gruppen entwarfen detaillierte Zeichnungen einschliefilich Landschaft, Beleuchtung und Ein- und Ausfahrten, wie die ideale Tankstelle aussehen sollte. Die Gruppen entwickelten Zapfhahne und -saulen, urn die Bedienung zu erleichtern, schlugen einen Autoverleih und einen Servicedienst flir Autos vor und betonten die Wichtigkeit des Dienstleistungsaspekts vor allem hinsichtlich des Respekts und der Aufmerksamkeit Kunden gegenuber. Eine der beiden Gruppen sah die Tankstelle als Quelle fiir verlassliche Informationen, die das "gesamte Fahrerlebnis" abdecken sollte: von einem Training fiir die Automechanik, Informationen uber Benzinsorten und deren Bestandteile bis zu Versicherungsangeboten.
3.4 Lead-User Lead-User sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Erwartungen und Wunsche an Leistungen haben, die der Gesamtmarkt erst Monate oder Jahre spater haben wird und dass sie von einer Erflillung dieser Erwartungen besonders profitieren (Urbanlvon Hippel 1988). Kunden einer Versicherungsgesellschaft, die Wunsche an Produkt- oder Prozessinnovationen haben (z.B. die jederzeitige Kiindigungsmoglichkeit eines Vertrages oder die Nachfrage nach Praventionsstrategien), die der GroRteil der Kunden erst Jahre spater auRert, entsprechen Lead-Usem. Kunden mit reichhaltiger Erfahrung und an der Front von neuen Dienstleistungstrends entwickeln Erwartungen und Ideen, die Serviceanbieter analysieren sollten, da sie vom Rest des Marktes in Zukunft erwartet werden. Dariiber hinaus konnen Venvender, die hohe Anforderungen an eine ProblemlBsung stellen, die reichhaltigsten Informationen fir den Innovationsprozess liefern (Urbadvon Hippel 1988). Nach von Hippel (1978) umfassen Lead-User Anforderungen funktionale Spezifikationen und Standards fiir ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung und tragen auf diese Weise zur Generierung von Neuproduktideen bei.
Generell wird ein vierstufiges Vorgehen fir die Konzeptentwicklung mit Lead-Usem und den Konzepttest vorgeschlagen (ftir eine detaillierte Darstellung siehe von Hippel 1986; Urbanivon Hippel 1988; von Hippel 1988). Fur den Dienstleistungsbereich wurden diese Schritte leicht modifiziert: 1. Spezifikation von Lead-Usem durch das Auffinden von Markt- oder Technologietrends und die Definition von potentiellen Benefits. 2. Identifikation von Lead-Usem, z.B. durch die Analyse von negativen Kundenerfahrungen und abgeleiteten Empfehlungen von Kundenpanelen. 3. Generierung eines Dienstleistungskonzepts mit Einbindung von Lead-Usem in ein interfunktionales Team. Kreativsitmngen konnen verwendet werden, um Losungsvorschlage von Kunden zu sammeln und ein Neuproduktkonzept zu entwickeln. In manchen Fallen reprasentiert die Kundenlosung nicht nur ein Konzept sondem schon eine umsetzbare Dienstleistung. 4. Test des Lead-User Konzepts um zu beurteilen, wie die Lead-User Spezifikationen und Konzepte bei typischen Verwendern im Zielmarkt gesehen werden. Lead-User Fallbeispiel
Das folgende Fallbeispiel, computerunterstutzte Designsysteme fir industrielle Markte, wurde aus Urban und von Hippel (1988) entnommen. Mit Hilfe von einigen Ingenieuren, die Experten in der Anwendung von PC-CAD Systemen sind, wurden im ersten Schritt "wichtige Trends" in diesem Markt identifiziert. Die Auswahl erfolgte durch Telefoninterviews mit Managem, die danach befi-agt wurden, wen sie als Experten in der Anwendung von PC-CAD Systemen sehen. Die Diskussion mit den identifizierten Experten ergab, dass "density with chips and circuits placed on boards" weiterhin wichtige Trends darstellen. AnschlieRend wurde der Grad des Nutzens, den die Teilnehmer aus einer Verbesserung der PC-CAD Systeme erwarteten, eingeschatzt. Dabei wurde der Zufi-iedenheitsgrad der Anwender mit derzeitigen Systemen und der Grad der Akzeptanz der Innovation untersucht. Um Lead-User zu identifizieren, die in der Lage waren, derartige Systeme zu entwickeln, wurde eine formale Telefonuntersuchung eingesetzt. Die Stichprobe wurde aus einer Liste von Mitgliedem einer professionellen Ingenieursvereinigung und aus Kunden von groljen Zulieferfirmen gezogen. 136 von 178 der angeschriebenen Techniker nahmen an der Untersuchung teil. 23 % der Teilnehmer hatten bereits ihre hauseigenen PCCAD Hardware- und Software-Systeme entwickelt. Mittels Clusteranalysetechnik wurden die Fragebogendaten in Hinblick auf die angenommenen Lead-User Charakteristika analysiert, wobei zwei Gruppen identifiziert werden konnten. Eine davon bestand aus 38 Mitgliedern, die zu einem sehr hohen Grad den vorspezifizierten Lead-User Charakteristika entsprachen.
Um ein Lead-User Konzept zu entwickeln, wurden im nachsten Schritt Experten von finf Lead-User Firmen rekrutiert, um an einer kreativen Gruppenaufgabe teilzunehmen. Die Aufgabenstellung fiir diese Gruppe war es, zu spezifizieren, wie das beste PC-CAD System mit der bestehenden Technologie gebaut werden kann. Das Systemkonzept, das mit der Lead-User Gruppe entwickelt wurde, integrierte die Ausgabe mit numerischen Kontrollmaschinen, einfache Eingabeoberflache, Blockdiagramme, interaktive Graphiken und zentrale Datenspeicherung mit Zugriff von allen Systemen. Um zu testen, ob Lead-User und "gewohnliche" Anwender das neue Konzept praferieren, wurde es im Vergleich mit drei anderen Systemen getestet. Die Analyse zeigte, dass die Testpersonen das Lead-User System stark gegeniiber den anderen praferierten. Die Teilnehrner praferierten das Lead-User Konzept, auch dann, wenn es hochpreisiger als die anderen Konzepte angeboten wurde. Eine Untersuchung der Griinde von Praferenzen zeigte, dass Lead-User und andere Anwender die Systeme in ahnlicher Weise beurteilten, und somit konnte von einer Akzeptanz am Markt ausgegangen werden (fir eine ausfiihrliche Beschreibung der Ablaufschritte und eine Schlussbetrachtung siehe Urbanlvon Hippel 1988).
3.5 Planungszelle Planungszellen sind Gruppen von ca. 25 Teilnehrnern, die fiir eine abgeschlossene Zeitspanne an einem Entscheidungsproblem arbeiten (normalenveise 3 bis 5 Tage). Die Teilnehmer werden zufsillig ausgewahlt, da sie die Bevolkerung, die vom jeweiligen Problem betroffen ist, reprbentieren sollen. Planungszellenteilnehmer erhalten eine Bezahlung fiir ihre Tatigkeit, um ihrer Arbeit einen mitarbeiterahnlichen Status zu verleihen und den Wert ihrer Arbeit zu unterstreichen. Um Laien die Arbeit an spezifischen Fragestellungen zu ermbglichen, liefern Experten Grundlagenwissen uber technische oder soziale Rahmenbedingungen, und Prozessmoderatoren helfen, die Aufgabenstellungen zu organisieren. Die Methode wurde zur Losung regionaler Probleme als Alternative zur Entscheidungsfindung durch gewahlte Reprasentanten entwickelt. Die Ergebnisse der in Planungszellen durchgefihrten Arbeit konnen als politischer Rat interpretiert werden, der aufzeigt, wie sich der Wille der Bevolkerung darlegt (Dienel 1992; GarbeIHoffinann 1992; Reinert 1988). Die meisten bis dato durchgefihrten Planungszellen wurden f i r den offentlichen Bereich und f i r gemeinniitzige Organisationen durchgefiihrt (z.B. die Bewertung von alternativen Autobahnen, die Einschatzung eines zukunftigen Telefonsystems, die Erarbeitung von Testkriterien f i r Konsumentenschutz-organisationen, die Planung von innerstadtischen Arealen; f i r weitere Beispiele siehe Dienel 1994). Die Anwendbarkeit von Planungszellen ist jedoch nicht auf diese Sektoren beschrankt. Die potentiell hohere Akzeptanz von neuen oder veranderten Dienstleistungen aufgrund der Einbindung von existierenden und potentiellen Anwendern konnte fiir alle Dienstleistungsbereiche vorteilhaft sein.
Planungszellen Fallstudie FW die Entwicklung eines Studienprogramms einer Volkshochschule wurden zwei parallele Planungszellen durchgefiihrt (siehe Dokumentation dieser Planungszellen in Botschen/Botschen/Gutmann/Mairamhof1996). Das Ziel der Volkshochschule war es, ein Studienprogramm zu erarbeiten, das relevante soziale Themen in einer Art und Weise aufgreift, die von den derzeitigen und potentiellen Kunden akzeptiert wird. Die 41 Teilnehmer reprlsentierten die Bevblkerung der betroffenen Stadtteile nach Alter, Geschlecht, Ausbildung und Beruf. Die zwei Planungszellen arbeiteten drei Tage lang an der Umsetzung von sozialen Problemen in ein Studienprogramm. Experten trugen generelle Informationen zu folgenden vorspezifizierten Themen vor: Stadtentwicklung, MobilitSit und ihre Auswirkungen auf die Umwelt, Generationenkonflikt, Pensionssysteme und Nord-Stid-GeBlle in seinen zahlreichen Erscheinungsformen. Die Teilnehmer arbeiteten an der Relevanz der Themen fiir Wien, erhoben, wie sich diese Themen in ihrem Umfeld darstellen und entwickelten konkrete Beispiele, wie die identifizierten negativen Effekte bewlltigt werden k6nnten. Das Ergebnis der Gruppenarbeiten war eine Liste von Subthemen, die die Teilnehmer als besonders wichtig fir Wien erachteten: Stadtplanung, Verkehr, Bildung, Wohnsituation, das Gesundheitssystem, die soziale Integration von Ausllndern, Biirgerbeteiligung und Kriminalitlt. Um an einem Studienprogramm zu arbeiten, das potentielle Teilnehmer uber diese Problembereiche informiert und sensibilisiert, stellten Didaktikexperten Methoden und Instrumente des Wissenstransfers vor. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Volkshochschule arbeiteten die Planungszellenteilnehmer Studienprogramme fiir finf Themen aus: Integration von Immigranten, neue Initiativen zur Reduktion der Arbeitslosigkeit, Gesundheit Selbsthilfe durch PrSlvention, Betreuung und Reduktion des Individualverkehrs. Fur diese Studienprogramme wurden jeweils Inhalte, didaktische Elemente und ein Zeitplan ausgearbeitet. Die beschriebene Planungszelle demonstriert eine MBglichkeit, generelle Probleme in konkrete MaBnahmen umzusetzen, die von den beteiligten Personen akzeptiert werden. Einige der Vorschllge wurden von der Volkshochschule bereits angeboten, aber die Ergebnisse lieferten eine Reihe von neuen-Ideen sowohl fiir spezifische Inhalte als auch fiir Transfenvege.
-
4. Zusammenfassende Betrachtung Obwohl sich die dargestellten Methoden durch Flexibilitlt in ihrem Einsatz und in der Eignung f i r unterschiedliche Problembereiche auszeichnen, kristallisieren sich doch Schwerpunkte fiir den Einsatz im Rahmen des Innovationsprozesses von Dienstleistungen heraus. In Abbildung 1 wird die ungef8hre Position der jeweiligen Methoden
hinsichtlich EinsatzmBglichkeiten in unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses und des Grades der Kundenintegration dargestellt.
A
Markteinfuhrung Markttest Dienstleistungsdesign Konzepttest Konzeptentwicklung
Ideengenerierung Servicestrategie b
Gering
Grad der Kundenintegration
Hoch
Abbildung 1: Methodenuberblick SOP1 b m . SIT1 kann als besonders nutzlich betrachtet werden, um Kundenwahrnehmungen von kritischen und kleineren Problemen als Basis fir die Ideengewinnung einzusetzen. Da bei dieser Methode von einem derzeit bestehenden Dienstleistungsprozess ausgegangen wird, fihren die Ergebnisse eher zu Verbesserungen und kleineren Modifikationen des Dienstleistungsablaufs als zu groJ3en innovativen Durchbruchen. Das AusmaJ3 der Kundenintegration ist gering, da nicht die gemeinsame Arbeit an einem Projekt, sondern die Erfassung von Erfahrungen, die Kunden in der Inanspruchnahme einer Dienstleistung gemacht haben, im Vordergrund steht. Die Methode kann rasch und flexibel gehandhabt werden und eignet sich daher zu einer kontinuierlichen ~berpriifung des Dienstleistungsablaufs aus Kundensicht. Die Fokusgruppe ist aufgrund ihrer Vielseitigkeit fi.ir verschiedene Phasen des Innovationsprozesses geeignet. Die Ideengewinnung stellt einen traditionellen Einsatzbereich fiir Fokusgruppen dar. Fokusgruppen geben jedoch auch Hinweise zur Ideenauswahl und eignen sich als Konzepttest, da aus dem Gruppendiskussionsprozess auf die Akzeptanz von neuen Leistungen geschlossen werden kann. Die Ergebnisse fiihren am ehesten zu
Verbesserungen und Modifikationen von Dienstleistungen, sofern nicht besondere Kreativitatstechniken eingesetzt werden. "Customer Idealized Design" (CID) umfasst verschiedene Stufen des Innovationsprozesses. Die Ideengenerierung erfolgt durch Brainstorming und durch die Aufforderung, iiber Bestehendes hinauszudenken. Die Ausrichtung auf noch nicht existierende Leistungen sollte Ideen liefern, die iiber geringfiigige Verbesserungen hinausgehen. Aspekte der Ideenauswahl werden abgedeckt, da die Kleingruppen ihre Vorschlage der Gesamtgruppe prasentieren und iiber die Wichtigkeit von Spezifikationen einer idealen Dienstleistung entschieden wird. Die Konzeptentwicklung stellt das Ziel der Technik dar, namlich die Entwicklung eines Dienstleistungskonzepts, das die wichtigsten Kundenanforderungen enthalt. Die Methode sieht eine starkere Kundenintegration als die Fokusgruppe vor, da Kunden gezielt an einer neuen Problemlosung arbeiten. Der Lead-User Ansatz dient als Prognoselabor, in dem Lead-User und Neuproduktentwicklungsmitarbeiter in einem Team an neuen Problemlosungen arbeiten. Mit Hilfe der Lead-User-Technik werden hauptdchlich die Phasen Ideengenerierung, Ideentest und Konzeptenhvicklung und -test abgedeckt. In speziellen Fallen konnen Lead-User auch zu einer neuen Servicestrategie beitragen. Was den Innovationsgrad anbelangt, so liegt in dieser Methode sicherlich das hochste Potential, zu innovativen Durchbriichen zu gelangen. Die Planungszelle stellt die intensivste Einbindung von Kunden in die Entwicklung oder Veranderung von Dienstleistungen dar. Die Planungszelle beinhaltet alle Phasen des Dienstleistungsinnovationsprozesses mit Einschrankungen hinsichtlich Service Strategie und effektiver Markteinfihrung. Die Anwendung von Planungszellen kann als besonders vorteilhaft fir die Entwicklung und den Einsatz neuer Dienstleistungen gesehen werden, die kritisch in der Akzeptanz von Kunden sind. Durch die reprasentative Auswahl von Planungszellenmitarbeitern sollen die Anspriiche verschiedenster Kunden beriicksichtigt und integriert werden.
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Dr. Gunther Botschen, Dr. Martina Botschen Institute of Brand Logic Markenentwicklung GesmbH Conradstr. 5 A-6020 Innsbruck
Stephan A. Friedrich von den EichedHans H. Hinterhubed Kurt MatzlerIHeinz K. Stahl
Durch Kooperation den Kundenwert steigern
1. Kooperation im Dienste der Kundenorientierung
2. Efficient Consumer Response: Partnering-Excellence im Konsumguterbereich 2.1 Gemeinsam Mehrwert f i r den Konsumenten schaffen 2.2 ECR-Basisstrategien 2.3 Erst Supply-Chain Management, dann Category Management 2.4 Fokusverschiebung: Vom ,,E" zum ,,CUbei ECR 3. Was k6nnen wir lernen und was llsst sich auf andere Bereiche ubertragen? 3.1 Kundenbegeisterung als Wachstumslokomotive 3.2 Krlfte auf den Kunden bundeln 3.3 Arbeit neu verteilen 3.4 Kundenwert als ,,Teamleistung" 4. Paradigmenwechsel: Von der Evolution zur KO-Evolution
1. Kooperation im Dienste der Kundenorientierung Kundenorientierung hat essentielle - ja existenzielle Bedeutung. Die Basis jeder Unternehmung sind ihre Kunden. Erfolgreiche Unternehmen haben zufriedene Kunden notig: Je mehr zufriedene Kunden ein Unternehmen zahlt, desto groRer seine Chance zu uberleben. Ein (positiver) Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und (nachhaltiger) Steigerung des Unternehmenswertes lasst sich auf verschiedene Weise herstellen (vgl. MatzlerIStahl 2000) und empirisch belegen (vgl. Anderson et al. 1994; Hemnann 1995). Zufriedene Kunden ,,bezahlen6'mit Loyalitat und werden zu ,,BotschafternLLdes Unternehmens. Jene Treue zahlt sich aus. Viele erfolgreiche Unternehmen erzielen mit nur 20 % ihrer Kunden iiber 80 % des Umsatzes. Damit wird der Hebel jedes (weiteren) zufriedenen Kunden evident. Zudem verursacht die Akquisition von Neukunden ein Mehrfaches - Insider sprechen vom finffachen - jener Kosten, die fir Pflege von Altkunden aufzuwenden sind. Kosten sind das eine, die Grenzen des Wachstums ein anderer Aspekt. In dem Mafie, in dem Wachstumsraten zuriickgehen und Markte sich sattigen, verlieren offensive, auf Marktanteilszugewinn gerichtete Strategien mgunsten eines defensiven, auf Kundenbindung zielendes Verhalten an Bedeutung. Und haben Unternehmen - davon einmal abgesehen - nicht schon deshalb zufriedene Kunden nbtig, weil Kundenwert den eigentlichen Zweck und somit (unmittelbar) den Erfolg eines Unternehmens ausmacht? (zu verschiedenen ,,Weltanschauungen" des Erfolgs vgl. Friedrich et al. 2000). Alles in allem scheint der Appell mehr als berechtigt zu sein, die Prioritaten (starker) in Richtung Kunde zu verlagern. Dieses Postulat eint denn auch die Beitrage im vorliegenden Reader. Sie alle vermitteln allerdings ein Bild der Kundenorientierung als ,,isolierteLL Aufgabe einer jeden Unternehmensfihrung. Lasst sich unternehmens- bzw. wertschopfungsstufenubergrefend moglichenveise (noch) mehr fiir den Kunden bewirken? Hier setzen die AustWrungen an. Mit Wertschopfungspartnerschaji (WSP) erschlieRen sie dem Leser eine zusatzliche - und zunehmend wichtigere - Dimension kundenorientierter Fuhrung. Kapitel zwei will diese Dimension anhand eines Beispiels veranschaulichen. Unser Blick fallt auf die Konsumguterbranche, insbesondere auf die ,,Fast-Moving Consumer Goods" (FMCG). Die EfJicient Consumer Response (ECR)-Bewegung macht sie zum Vorreiter moglicherweise auch zum Vorbild. Zumindest strebt heute kein anderer Bereich mit vergleichbarer Intensitat nach kundenorientierter Kooperation. Hersteller und Handler ubenvinden althergebrachte Feindbilder und andern traditionelle Spielregeln, um auf Grundlage eines neuen Problembewusstseins ihre Krafte entlang der Wertschopfungskette zu bundeln. Augenscheinlich werden MaBnahrnen der Zeit und den Umstanden angepasst. Kapitel drei kniipft deshalb mit den Fragen an: Was konnen wir lernen und was Ibst sich auf andere Bereiche ubertragen? Mit KO-Evolution urnreat das abschlieRende Kapitel vier jenen gemeinsamen Weg, von dem wir meinen, dass er in eine bessere Zukunft fiihrt und Unternehmen uber mehr Kundenwert profitables Wachstum erschlieRt.
2. Efficient Consumer Response: Partnering-Excellence im Konsumguterbereich 2.1 Gemeinsam Mehnvert fur den Konsumenten schaffen Am Anfang jeder Veranderung steht eine Vision. Sie gibt Antwort auf ein Bedurfnis der Umwelt im Markt undloder der Gesellschaft. Das ist bei der ECR-Bewegung nicht anders. Die Vision lautet: ,,Gemeinsam Mehrwert f i r den Konsumenten schaffen" (vgl. FriedricWRodens 1996) oder in den Worten der ECR-Europe Initiative: ,,Working together to fullfill consumer wishes better, faster and at less costs". Zwei Dinge figen sich zusammen: (a) unbedingte Kundenorientierung und (b) vertikale Kooperation. Ein Blick in die Vergangenheit legt das Neue frei. Obgleich vorhanden, bleibt der Vorsatz ,,Kundenorientierung" bisweilen nur ein Lippenbekenntnis. Das Augenmerk gilt anderen Dingen, etwa den Aktionaren oder der Konkurrenz. Der Ehrgeiz, den Wettbewerber zu schlagen, kommt aber nicht unbedingt dem Kunden zugute. Wettbewerbsorientierung und Kundenorientierung sind zwei Paar Stiefel. Hersteller wie Handler - und das leitet zum zweiten Aspekt uber - verfolgen aus getrennten Blickwinkeln ihre Ziele. Jene Egozentrik gepaart mit der herrschenden Uberzeugung ,,Mein Gewinn ist dein Verlust" bedingen Konfrontation - zum Leidwesen des Konsumenten. Anfanglich dominieren die Hersteller die Szenerie: Gestutzt auf Markenmacht bestimmt die Industrie, was, wohin und zu welchem Preis geliefert wird. In der Folge verschieben sich allerdings die (Macht-)Verhaltnisse. Der Handel kontert. Informationstechnisch aufgeriistet, nutzt er seine NBhe zum Kunden. Marktsattigung, Konzentration und ein immer harterer Kampf um knappe Regalflachen untermauern seine Position. Erst zuletzt riicken beide vom zwischenzeitlichen ,,Macht/Macht-Spiel" ab. Im Lichte geringer Handelsmargen und sinkender Ertrage der Hersteller, betrachtlicher Ineffizienzen in der Versorgungskette, der Phantasielosigkeit mancher Handler verbunden mit der Tatsache, dass (Lifestyle-) Bereiche, wie Freizeit, Reise, Fitness, Gesundheit, einen immer groljeren Teil der verfigbaren Einkommen abziehen, raufen sich Hersteller und Handler zusammen. Das in der Absicht, gemeinsam mehr f i r den Kunden zu tun. Als ,,offizielle" Geburtsstunde der ECR-Bewegung gilt gemeinhin eine von der Unternehmensberatung Kurt Salmon Associates vorgelegte Studie (vgl. FMI 1993). Sie stellt betrachtliches Potential in Aussicht. Wahrend ,,Corporate America" unverzuglich mit der Umsetzung beginnt, zeigt sich ,,Corporate Europe" zwar interessiert, iibt sich aber dennoch in Zuruckhaltung und verliert wertvolle Zeit. Manche hegen Zweifel an der Ubertragbarkeit des Gedankens - zu unterschiedlich sind ihnen die Bedingungen. Anderen erscheint das Potential seiner HBhe nach geradezu ,,verdachtig". Tatsachlich korrigieren auf Europa zugeschnittene Untersuchungen (vgl. CCRGE 1994; Coopers & Lybrand 1996) das Ergebnis nach unten. Damit ist es offenbar klein genug, um glaubwurdig zu sein, weckt aber in Zeiten knapper Margen gleichwohl Begehrlichkeit. Mit etwas Ver-
spatung kommt die Bewegung auch hierzulande in Gang. Sie wird aus mehreren Quellen gespeist. Eine tragende Rolle kommt den Untemehmen zu. Besonders jenen, die mit Pioniergeist vorangehen und auch ohne die geforderten Standards den Gedanken mit Leben Ellen. Mit ECR-Europe formiert sich ein Netzwerk, das - um breite Akzeptanz bemuht - die Diffusion beschleunigt. Wichtige Impulse gehen gleichsam von der Consultingbranche aus. Namhafte Berater - die Liste gleicht dem ,,Who is who" im Managementconsulting - tragen durch umfangreiche Studien zum Wissensstand bei, forcieren die konzeptionelle Ausgestaltung und unterstutzen die Praxis bei der Implementierung. SchlieRlich nimmt sich auch die Wissenschaft der Thematik an. Vor allem ein jungst gegriindetes Forum (vgl. ECR-Europe Academic Partnership 2000) weckt Erwartungen auf tiefere Durchdringung des Themas. Mittlerweile steht ECR fir das wohl erfolgreichste Zusammenwirken verschiedener Wertschopfungsstufen. Die Bewegung driickt einen Bewusstseinswandel aus. Statt ,,Dein Verlust ist mein Gewinn" heiljt es nun ,,Dein Vorteil ist Voraussetzung fiir meinen Vorteil". Daran partizipieren beide Seiten - Hersteller wie Handler - vor allem aber der Konsument (Win-Win-Win-Situation). Wo aber verbirgt sich das errechnete Potential?
Die Diskussion kreist zunachst um vier Kooperationsfelder (vgl. grundlegend KSA 1993; CCRGE 1994; FriedrichIRodens 1996; von der Heydt 1997) (siehe Abb. 1): (1) Efficient Replenishment greift am Waren- und Informationsfluss an. Salopp ausgedriickt, geht es um ein ,,Aufiaumen" im Bestell-, Zahlungs- und Lieferverkehr. Hier liegt offensichtlich manches im argen: Ware wird durch die Kette geschoben, ganz gleich, ob der Kunde diese auch wiinscht. Enorme Werte verstecken sich in vie1 zu hohen Bestanden entlang der Kette; dennoch sind Bestandslucken zu beklagen. Schlieljlich steuem Kostendenken und technische Vorgaben, nicht aber Kundenbediirfnisse die Produktion. Mehr Information und vor allem Informationsaustausch versprechen Abhilfe. Ziel ist ein kontinuierlicher, bedarfsynchroner Warenfluss (,,Continuous Replenishment"). (2) Die mitunter etwas unbeholfene Sortimentsbildung und Verkaufsflachennutzung des Handels stellt den Ausgangspunkt fiir Efficient (Store)Assortment dar. Stellenweise fehlen Ideen, fast immer aussagekraftige Informationen und geeignete Techniken. Eine gemeinsam getragene Gestaltung der Sortimente (Regal- und Flachenoptimierung, effektive Produktplazierung und Preisfindung eingeschlossen) sol1 die Produktivitat steigern.
( 3 ) Eficient Promotion dehnt Kooperation auf das Feld der Verkaufsforderung aus. Auf diese Weise sollen die Mafinahmen hersteller- und handlerseitig besser koordiniert und harmonisiert werden. Ebenso will man vermeiden, dass Promotionsaktivittiten kurzfristigen Ertragszuwachsen halber (a) das stoRweise ,,Atmenu der Kette verstarken, und (b) das Loyalitatsziel konterkarieren und dergestalt Wert vernichten. Tatsachlich wird vie1
Geld verschwendet, um ,,Schnappchenjager" zu belohnen. Die Zeche bezahlt am Ende der loyale Kunde.
Efficient Consumer Response I
I
Replenishment
Assortment
Promotion
Demand Side
Introduction
II
Abbildung 1 : ECR-Basisstrategien (4) Raum fir Kooperation sieht man ferner bei Entwicklung und Einfiihrung neuer Produkte. Zum Hintergrund: Viele der so genannten ,,NeuprodukteU verdienen diese Bezeichnung nicht. Nahezu 90 % sind bloBe ,,Line-Extensions". Zudem meistern nur wenige der europaweit uber 500.000 Neuprodukte p.a. den Weg in die Regale, aus denen binnen Jahresfrist wiederum die Halfte verschwindet. Das bindet erstens enorme Ressourcen und verunsichert zweitens den Kunden. Ein gezielter Informationsaustausch, gemeinsame Markttests und eine fi-uhzeitige Wurdigung der Produkte (um so zu verhindern, dass ihnen der Handel spater die Akzeptanz versagt) entscharfen die Situation. Die Felder zeigen, wo der Hebel anzusetzen ist. Das kann aber nicht heinen, jeder Hersteller solle mit jedem Handler Kooperation in der gleichen Form praktizieren. Andernfalls steht ECR wohl eher f i r ,,Efficient Consultant Revenue". Bekanntlich fihrt ,,typischesa Verhalten nur zu mittelmaBigen Ergebnissen. Zudem gilt: Je transparenter die ,,Best Practices" und je engagierter Manager ihnen nacheifern, um so schneller nivelliert sich der eben erreichte Vorsprung. Die ~hnlichkeitder Unternehmen nimmt zu und mit ihr die Intensitat des Wettbewerbs (vgl. dam Friedrich 2000b). SchlieBlich verbietet ein auf Profilierung zielendes, kooperatives Marketing die bedenkenlose Multiplikation
der Inhalte mit anderen Partnern. Erfolg stellt sich (nur) dort ein, wo Kooperationsinhalte mit der Unternehmensstrategie in Einklang stehen und Fiihrungskrafte wissen, warum mit wem, in welchen Feldern wie weit zu gehen ist (vgl. FriedrichIHinterhuber 1999).
2.3 Erst Supply-Chain Management, dann Category Management Anfanglich konzentrieren sich die Aktivitaten auf die Versorgungskette. Verbesserungen sind vergleichsweise schnell und konfliktSrei zu erzielen. Via Supply-Chain Management (SCM) sollen Warenstrome billiger, besser, schneller und flexibler organisiert werden. Das Ziel ist hohere Verfigbarkeit bei reduzierten Bestanden entlang der Kette. Konkret will man vermieden, dass (a) Hersteller andere als die vom Konsumenten benotigte Ware liefern, (b) schubweise bestellt und geliefert wird und (c) Mehrfachbevorratung betrachtliche Kosten verursacht. Effizienz setzt Kenntnis dariiber voraus, welche Ware benotigt wird und wo sich welche Ware befindet. Im Kern geht es um Abbau von Informationsdefiziten. Grundlage ist die tag- und artikelgenaue Erfassung der Abverkaufe. Auf dieser Basis steuert der Handler oder - wo man zur Informationsweitergabe bereit und in der Lage ist - der Hersteller den Warenfluss (,,Vendor Managed Inventory"). Zugleich - auch das gehort zu SCM - mussen jene Anreize verschwinden, die zu Diskontinuitaten fiihren. Angesprochen sind in erster Linie Konditionenrnodelle, die den Handel zu einem schubweisen Bestellverhalten notigen. Gleichwohl sollte der Handel Preisaktionen abschworen; Dauer(niedrig)preise enveisen sich als eine sinnvolle Alternative (vgl. Rodens-Friedrich 1999). Jegliche Bemuhungen um kontinuierlichen Warennachschub bleiben allerdings erfolglos, solange die Lieferfahigkeit fehlt. Wirft die Produktion nicht aus, was der Kunde wunscht, hangt ECR in der Luft. Das fordert den Ubergang von der fertigungsdeterminierten zur bediirfnisgesteuerten Produktion. Dergestalt kommt man dem Leitbild der ,,Consumer Driven Supply Chain" naher (vgl. Rodens-Friedrich et al. 2000): Ausgangsund Bezugspunkt sind die Bedurfhisse des Konsumenten. Sie mussen die Produkte durch die Kette ziehen und bestimmen, wie vie1 und was uberhaupt produziert wird. Die Effizienz steigt mit der Verlasslichkeit der Information uber den Point of Sale (POS). Dies nimmt Handel und Hersteller gleichermafien in die Pflicht. Idealenveise verschmelzen (Umsatz-, Trend- und Saison-)Projektionen des Handlers mit denen des Herstellers zu einem gemeinsamen Bild der Zukunji (,,Collaborative Planning and Forecasting"). Unterdessen verlagern sich die Aktivitaten auf die ,,Demand-Side". Hier hangen die Friichte ungleich hoher: Um die Potentiale zu realisieren, bedarf es namlich eines abgestimmten Marktverhaltens respektive gegenseitiger Einblicke in die Unternehmensstrategie. Manch einer bangt da um seine Unabhangigkeit und/oder firchtet opportunistisches Verhalten des Partners.
Abbildung 2: Consumer Driven Supply Chain Im Zentrum steht ,,Category Management" (CM) mit der Absicht, die Performance einer Warengruppe in puncto Umsatz, Marge und Kundenzufriedenheit zu steigern. Das Sortimentsdenken des Handels (,,egal welches Produkt, Hauptsache der Kunde kauft bei uns") und das Markendenken der Hersteller (,,egal wo, Hauptsache der Kunde kauft unsere Produkte") erhalten eine gemeinsame Bezugsbasis. Die Categories und mit ihnen der ,,Point of Purchase" werden zum Kristallisationspunkt vertikaler Kooperation. Der Kunde profitiert in Form eines angenehmen Einkaufs. Der Handel profitiert von der Kompetenz der Hersteller, die in der Rolle des ,,Category Captains" kostenlos Beratungsfunktion ubernehmen am Ergebnis aber gleichermal3en partizipieren. Die Hersteller erhalten Einblick in die Ablaufe beim Handler, Information iiber die Konkurrenz und vor allem uber das Kundenverhalten am POS.
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Nur wer seine Kunden kennt, kann diese zufiieden stellen. Bislang befasst man sich primb damit, wie Verbraucher mit den Produkten zuhause umgehen und welche Eigenschaften sie an ihnen schatzen. Der Einkauf (Kundenverhalten, -motivation und einstellungen am POS) liegt weitgehend im Dunkeln (vgl. dazu Figgen 1999). Wer kauft was, wann, wo und in welcher Menge? Weichen Kunden auf andere Produkte aus, suchen sie das gleiche Produkt in anderen Einkaufsstatten oder wird der Kauf im gleichen Geschaft zuriickgestellt? Wenn Kunden der Drogeriemarktkette X nur ein Drittel ihres Gesamtbedarfes hier decken, wo kaufen sie den Rest? Um wie vie1 treuer sind Kunden bei X im Vergleich zu Y und warum? Warum kaufen Kunden ein bestimmtes Produkt lieber bei X als bei Y? Kooperatives Marketing ebnet den Weg, endlich mehr iiber den Kunden zu lernen (vgl. dam CCRGE 1997; Mei-Pochtler 1999; 2004). Insgesamt riittelt CM gehorig am bisherigen Weltbild. Es wurzelt in gegenseitigem Vertrauen und fokussiert (a) die Zusammenarbeit auf die Marktbearbeitung und (b) die Marktbearbeitung auf den Konsumenten. An die Stelle des klassischen Einkaufers tritt der Category Manager als Unternehmer im Unternehmen: Er ist verkaufsorientiert, denkt in Prozessen und greift auf die Ressourcen des eigenen Unternehmens ebenso zuriick, wie auf die der Industriepartner.
2.4 Fokusverschiebung: Vom ,,E" zum ,,C" bei ECR Trotz beachtlicher Resultate wird auch Kritik laut: Man habe zwar rationalisiert, nicht aber das avisierte Wachstum realisiert - so der zentrale Vorwurf (vgl. Hinterhuberl Friedrich 1999). Tatsachlich bleibt das Zusammenwirken hinter den Moglichkeiten zuriick. Effizienz steht im Vordergrund. Das liegt in punkto SCM in der Natur der Sache. Aber auch das marktseitige Kooperieren beschriinkt sich vielfach auf Prozessoptimierung und ein effizientes Verkaufen. Mit Consumer Value Management will man Versaumtes nachholen und die passende Antwort auf stagnierende Markte und den zunehmend harteren Wettbewerb um das verfligbare Einkommen geben. ,,Consumer Enthusiasm" wird zum Malj der Dinge (vgl. ECR-Europe 1998). Dahinter steht folgende Erkenntnis: Das Befriedigen offenkundiger (Grund)-Bedurfhisse tragt zwar zur Zufriedenheit bei, schafft aber noch keine loyale Kunden. Fortschrittliche Anbieter mussen deshalb auf ein hoheres Malj an Kundenzufriedenheit zielen. Die hochste Stufe - und sie gilt es zu erreichen - markiert ,,Kundenbegeisterung6'. Der Konsument ist (positiv) iiberrascht, von den Leistungen geradezu fasziniert. Das weckt erstens seine Konsumbereitschaft und macht ihn zweitens gegeniiber Alternativen ,,resistent". Idealerweise werden Produkt, Marke oder Unternehrnen zu substantiellen Teilen seines Lebens. In Kommunikation - sie sorgt flir emotionale Bindungen und stellt personliche Beziehungen her - und Innovation erkennt man ,,strategischeG'Hebel, um jene Begeisterung rn wecken (vgl. HausruckingerILintner 1999). Dariiber werden Ausrichtung und Inhalt der Zusammenarbeit neu belebt (vgl. Corsten 2000b): Nicht einzelne Produkte - so zeigen Untersuchungen - sondern integrierte Losungen versetzen den Kunden in den Zustand der Begeisterung. Nur eine totale, aber gleichwohl individuelle Ansprache des Konsumenten sorgt fkr Bindungen. In beiden Fallen kommt Zusammenarbeit - und zwar jenseits bloljer Prozessoptimierung - eine Schlusselrolle zu.
3. Was konnen wir lernen und was lasst sich auf andere Bereiche iibertragen? Die ECR-Bewegung macht Konsumguterhersteller und Handler zweifellos zu Vorreitern. Moglicherweise macht es sie auch zu Vorbildern fir andere Bereiche. Wir knupfen deshalb mit den Fragen an: Was lehrt uns die ECR-Bewegung? Welche Inhalte zeichnen sie als zeitgemaye Antwort auf herrschende Markt- und Wettbewerbsverhaltnisse aus?
3.1 Kundenbegeisterung als Wachstumslokomotive Einmal mehr unterstreicht ECR den Stellenwert von Kundenzufriedenheit, macht dabei aber Abstufungen deutlich. Effizienz - so arbeiten wir an anderer Stelle heraus - tragt weder zwangslaufig zur nachhaltigen Wertsteigerung bei noch schafft sie unbedingt Kundenwert (vgl. Friedrich 2000b). Vor dem ECR-Hintergrund konnen wir nun hinzufiigen: Effizienz ist wichtig, dem Kunden aber zu wenig. Zumindest begeistert sie den Kunden nicht. Ohne Begeistern findet heute aber kaum Wachstum statt. Kundenzufriedenheit entsteht durch einen Vergleichsprozess (vgl. Kano 1984 und weiter Matzler 1997; Bailom et al. 1998). Vor jedem Kauf bildet sich der Kunde bestimmte Erwartungen, mit denen er das Erlebte vergleicht. Bleiben Erwartungen unerfiillt, entsteht Unzufriedenheit. Erfhllung fihrt zu Indifferenz, ein Ubertreffen schafft wirkliche Zufriedenheit. Eine Unterscheidung in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen erlaubt differenziertere Aussagen: Basisanforderungen umfassen jene Leistungen, die der Kunde voraussetzt, ohne sie explizit zu fordem. Bleiben sie unerfiillt, entsteht starke Unzufriedenheit. Ihre Erfiillung fihrt lediglich zu ,,Nicht-Unzufi-iedenheit". Leistungsanforderungen verlangt der Kunde explizit. Werden sie nicht erfiillt, entsteht Unzufriedenheit. Erwartungsgemiifies Erfillen fiihrt zu (moderater) Zufi-iedenheit, ~ b e r treffen steigert die Zufriedenheit. Begeisterungsanforderungen sind schliefilich jene Eigenschaften, die der Konsument nicht erwartet. Nichterfiillung iibt keinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit aus. Indes erhoht ihre Bereitstellung die Zufriedenheit uberproportional. Effizienz ,,stichtUin erster Linie im Hinblick auf artikulierte (Grund-)Bedurfnisse; diese sind primar irnktionaler Natur (bspw. Preis, Verfiigbarkeit, Qualitat). Insofern sorgt Effizienz fiir ,Jicht-Unzufriedenheit" der Kunden. Damit ist Sie wichtig, begeistert aber den Kunden nicht (gleichwohl nimmt Ineffizienz allen auf hohere Zufriedenheitsstufen zielenden Maonahmen ihre Durchschlagskraft). In stagnierenden Markten resultiert Wachstum aus drei Quellen: 1. Kundentreue: Mit der Zufriedenheit steigt die Wiederkaufbereitschaft des Kunden und mit ihr der Kundenertragswert. Loyalitat ebnet einer Intensivierung und Durchdringung bestehender Kundenbeziehungen den Weg. 2. Propaganda: Zufriedenheit macht Kunden zu ,,Fans6' von Produkten, Marken undloder Unternehmen. Das teilen sie anderen mit. ,,Fanswwerden zu ,,Botschaftern" des Untemehmens. Ihre positive Propaganda vergrooert den Marktanteil. 3. Der sicherste, aber nicht eben einfache Weg zu Wachstum ist Innovation. Wachstum findet immer dort statt, wo es gelingt, neue Markte zu erfinden. Das wenig wirklich Neue ist das Lebenselixier fiir Unternehrnen und erhoht ihren Wert uberproportional.
In allen Punkten spielt Begeisterung eine Rolle. Begeisterung stimuliert den Konsumenten und weckt Konsumbereitschaft. Begeisterte Kunden ,,bezahlenU mit Loyalitut. Bindungen entstehen. Das macht passive Konsumenten zu leidenschaftlichen Partnern, sei es, dass sie sich als Co-Produzent mit in die Wertschopfung einbringen (,,Prosumer)", sei es, dass sie andere auf die Leistungen aufmerksam machen. Begeisterung wurzelt im positiven Uberraschen des Kunden. Dafiir mussen Unternehmen abseits des Artikulierten und uber das Erwartete hinaus leisten. Folgt man (nur) dem Kunden, engt dies den Handlungsspielraum stark ein (bspw, schnellerer Service, mehr Leistung etc.). Zugleich fiihrt die Befriedigung artikulierter Bedurfnisse allenfalls zu niederen Stufen der Kundenzufriedenheit. Begeisterung fordert einen gewissen Abstand und ,,Emanzipationb'von den artikulierten Bedurfnissen. Es geht um das Entdecken latenter, das Antizipieren zukunftiger und das Kreieren neuer Bedurfnisse. Ein friihes Beispiel liefert die Musikgeschichte. Beethovens Werke begeistern nicht zuletzt deshalb, weil sie die Erwartungen einer (oberflachlichen) aristokratischen Unterhaltungskultur ignorieren. In ahnlicher Manier wecken der Minivan von Chrysler, der Walkrnan von Sony oder das Handy von Motorola Begeisterung. Sie griinden auf bewusstem Ignorieren artikulierter Bediirfnisse und befreien Kunden von bisher aufgenotigten Kompromissen (bspw. Kommunikation oder Mobilitat) (vgl. StalMPecautiBurnett 1996).
3.2 Krafte auf den Kunden biindeln Generell erschlierjen Koalitionen den Beteiligten Potenzial, das dem Einzelnen verschlossen bleibt. Das ist im Kontext kundenorientierter Fuhrung nicht anders. Zusatzlich treiben schwierige Bedingungen Unternehmen in die Kooperation, sei es, dass man Kra? te bundelt, sei es, dass man die Arbeit (neu) verteilt (siehe dazu Kapitel 3.3). Die ECRBewegung legt davon in jeder Hinsicht Zeugnis ab: Via Kooperation befreien sich Hersteller und HBndler - gewissermaljen am ,,Schopf des Kunden" - aus einer prekaren Lage. Stagnation, knappe Margen, ausgereizte Rationalisierung und Alternativen, die der Branche mehr und mehr das Wasser abgraben, schaffen ein schwieriges Terrain. Hinzu treten hohe, in ihrer Auspragung neue Anspriiche des Konsumenten. Er prBsentiert sich heute aufgeklart, gut informiert, preisbewusst und erwartet mehr Qualitat, Information, Bequemlichkeit, Abwechslung und Service fiir immer weniger ,,KostenC'(in Form von Geld, Zeit undloder Risiko). Studien zufolge ist er erlebnis- und trendorientiert, serviceund losungsorientiert, preis- und leistungsorientiert sowie wert- und sinnorientiert. Ma1 strebt er nach Vielfalt, ma1 steht ihm eher der Sinn nach ,,Reduktiong und ,,SelektionL'. Das mutet aus Sicht der Unternehmen paradox an, lost sich jedoch f i r den Einzelnen durchaus schliissig auf. Dem ist durch Individualisierung und Flexibilisierung der Marktbearbeitung Rechnung zu tragen. Wo die Vereinbarkeit von Gegensatzen fiir Kundenzufriedenheit eine tragende Rolle spielt, miissen Unternehmen lernen, mit dieser Art von Komplexitat umzugehen; sie mussen Ambiguitat und Widerspruche zulassen. Eindimensionale Lbsungen erzielen allenfalls niedrige Stufen der Kundenzufriedenheit. Begeisterungsanforderungen sind eher mehrdimensional. Sie betreffen vielfach Funk-
tionalitat und Emotionalitat. Von daher schopfen ,,Best-in class" Anbieter nicht nur einen Bedurfnisbereich ab, sondern bewegen sich in mehreren, auch gegensatzlichen Wertewelten (vgl. dam Hausruckinger/Lintner 1999). Die Messlatte fiir Zufriedenheit hangt hoch; auf jeden Fall zu hoch, um entlang der Wertschopfungskette Ineffizienzen dulden undloder Kraft fiir Konfrontation verschwenden zu konnen. Vor allem f i r begeisternde Konsumerlebnisse scheint ein Bundeln der Krafte geradem unerlasslich. Anders sind die erhofften, integrierten Losungen und die totale Ansprache des Konsumenten kaum zu leisten.
3.3 Arbeit neu verteilen Krafte bundeln und bestimmte Aufgaben gemeinsam verrichten ist das eine, Arbeitsteilung ein anderer Aspekt von Wertschbpfungspartnerschaft. ECR impliziert eine Neubzw. Umverteilung der Aufgaben (vgl. dazu Kolodziej/Rodens 1992). Gleiches spiegeln andere Branchen wider. Das Zeitalter der ,,Deconstruction" 15isst griiflen. Desintegration und vertikale Migrationstrbme verwischen traditionelle Branchengrenzen. Innerhalb der Branchen wird die Arbeit neu verteilt. Das fiihrt bei Unternehmen zu einer Neukonfiguration der Wertschopfung und schafft insgesamt neue Wertschopfungsarchitekturen. Die Migration der groflen Mineralolkonzerne in den (reinen) Konsumgutereinzelhandel stellt dabei nur ein - zugegebenermaflen spektakulares - Beispiel dar. Mit der Zwischenschaltung von Handelslagern (Verteilzentren), der Einbindung von Dienstleistern, der Ansiedelung der Warendisposition auf der Herstellerstufe und dem Versuch der Hersteller, am Handel vorbei den Kunden zu erreichen (und wo das nicht gelingt, zumindest Einfluss auf den POS zu gewinnen) weist auch die ECR-Bewegung spurbare Zuge dieser Entwicklungsdynamik auf. Deconstruction markiert das Ende der vertikal integrierten Unternehmung. Zugleich bedeutet es Abschied nehmen von der Myoptik, die ahnlich konfigurierte Konkurrenz sei der einzige kompetitive Bezugspunkt. Je ausgepragter die vertikale Integration, desto grbfler die Anzahl jener Unternehmen, mit denen man entlang der Wertschopfungskette im Wettbewerb steht. Diese Situation fordert eine differenzierte, schichtenweise Betrachtung ein (vgl. Heuskel 2000). Die Performance jeder einzelnen Wertschopfungsstufe wird m m Ausgangspunkt der Suche nach Wettbewerbsvorteilen: Welche Schritte selbst gestalten, welche zweckrnafligenveise anderen uberlassen (siehe Abb. 3)? Wer weniger leistet als andere - ganz gleich ob etablierte Wettbewerber, vor- oder nachgelagerte Unternehmen oder Branchenfremde - vernichtet Wert (vgl. Friedrich 2000a). Untemehmen, die nur aus Tradition, emotionalen Bindungen oder aus Managementschwache an der historischen Aufgabenverteilung festhalten, werden die nachsten Jahre kaum uberleben.
Traditionelle Arbeitsteilung Wettbewerb zwischen Gleichkonfigurierten
Deconstruction": Wertschichtenbetrachtun g: In- versus Outsourcing
Neukontiguration der Wertschbpfung
VP: Vorproduzent HE: Hersteller H: Hiindler
Abbildung 3: Arbeit neu verteilen Das legt neue Erfolgsfaktoren frei. Erfolg hangt (auch) davon ab, wie man die Wertschopfung iiberblickt und die Aufgaben verteilt. Die (Selbst-)Ausfiihrung von Wertschopfungsschritten, beherrscht man sie noch so exzellent, reicht f i r den Erfolg allein nicht aus.
3.4 Kundenwert als ,,Teamleistunga Wer die Praxis beobachtet, stellt fest, Wertschopfung ist heutzutage kein sequenzieller Prozess, in dem einzelne, isolierte Veredelungsschritte sich zu einem Ganzen addieren. Kundenwert verkorpert vielmehr eine komplexe Interaktion zwischen Herstellern, Handlern, Branchenfiemden und nicht zuletzt auch dem Kunden selbst. Wertschopfung weist netzwerkartige Strukturen auf. Dabei interessiert den Kunden nicht, wie die Leistung entsteht. Er erfahrt die ,,TeamleistungN, die ihn begeistert oder eben nicht. Ergo entscheidet im Wettbewerb nicht mehr (nur), was der Einzelne hervorbringt. Integrierte ,,Hersteller/Handler-Tandems"stehen sich mit den Leistungen aus ihrem ,,Mannschaftsspiel" gegeniiber (siehe Abb. 4). Wer dies erkannt hat, f i r den gewinnt zunachst das
vorteilhafte Einbinden in Wertschopfungspartnerschaften, alsdann die Erhohung der eigenen ,,Kooperationstauglichkeit" hochste Prioritat, um so die Chance zu wahren, gemeinsam mit den Besten seine Ziele zu verfolgen. Damit halten wir fest: Kundenwert wurzelt im Bewusstsein f i r das Ganze. Anstatt isolierter bedarf es vernetzter Losungen. Oder anders formuliert: Kundenorientierte Fuhrung endet nicht an den Grenzen der eigenen Unternehmung. Diesbezuglich konnen wir von ECR lernen. Es reprasentiert jenes neue, gemeinsame, ganzheitliche Problemverstandnis, ohne das es keine Kundenzufriedenheit gibt. Das Bundeln von Kraften, Arbeitsteilung, um an den Leistungen anderer zu partizipieren, gepaart mit der Fahigkeit, die einzelnen Wertschopfungsbeitrage zu koordinieren, addieren sich zum kritischen Erfolgsfaktor unserer Zeit (Friedrich 2000a). Der Antrieb des Ganzen ist die Uberzeugung, dass der Nutzen einer integrierten, vertrauensvollen Zusammenarbeit die (kurzfristigen) Vorteile singularer, opportunistischer Handlungen iibersteigt.
r Vorprodurent
durent
Hersteller
Handler
Heisteller
Hmdler
Abbildung 4: Die ,,Teamleistung" zahlt
4. Paradigmenwechsel: Von der Evolution zur KO-Evolution Es gibt sie, und sie sind weiter auf dem Vormarsch: komplementiire Formen der Unternehmensentwicklung. Ein Paradigmenwechsel von der Evolution uber die Kooperation zur KO-Evolution zeichnet sich ab. Die Erwartungen einer besseren Zukunft fiir alle Stakeholder verleihen der Entwicklung ihre Dynamik. KO-Evolution ist wechselseitiger, evolutiongrer Wandel in interagierenden Systemen. Gemeinsam mit ihrer neuen Umwelt bilden die beteiligten Unternehmen ein Metasystem ,,that learns it's way into the future" (Stacey 1996, 335). Insofern geht KO-Evolution
iiber ein taktisches Bundnis zweier Koalitionare hinaus. Sie wollen nur einen ,,Job" gemeinsam erledigen. Dagegen verkorpert KO-Evolution eine andere Qualitat von Komplementaritat. Sie verknupft Unternehmen in ein Netz gegenseitiger Wertsteigerung (Stahl 1996, 320). Ihnen geht es um den gemeinsamen Weg, vor allem darum, gemeinsam ein Stuck Weg neu zu er$nden. Jene Verknupfung zweier Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, unterschiedlichen Wertschopfungsstufen oder auch von Konkurrenten (in pre-kompetitiven Bereichen) ebnet den Weg zu neuen Mbkten oder hilft, die Spielregeln in einem bestehenden Marktsegment radikal zu verandern (vgl. HinterhuberIStahl 1996). KO-Evolution verspricht dort besondere Leistungsfahigkeit, wo man den Kunden mit integrierten Losungen neue, uberraschende Konsumerlebnisse bescheren will. Das Beispiel Mercedes-Benz und Smart offenbart, wie die Verbindung zweier branchenfremder Unternehmen Innovation begunstigt. Aus der Erfahrung mit der modischen ,,Swatch" wusste N. Hayek - der geistige Vater beider Konzepte - uber den Reiz, die Farbe des Produktes wechseln zu konnen. Je nach Laune (und Geldbeutel) konnen Smart-Besitzer farbige (Austausch-) Kunststoffleile erwerben und auf diese Weise binnen kurzer Zeit die Wagenfarbe andern (vgl. dazu Corsten 2000a). Wie KO-Evolution zusatzlichen, unerwarteten Nutzen stiftet, belegt gleichsam die symbiotische Partnerschaft zwischen Del Haize - einem fihrenden belgischen Handelsunternehmen - und dem Lebensmittelhersteller Hot Cuisine. Mit gekiihlten, frisch zubereiteten Fertiggerichten zeigen sie dem Verbraucher neue Wege auf. Eine spezielle Fertigungstechnologie (,,Vakuum Cooking") und (gegenseitige) Exklusivitat untermauern den aufierordentlichen Erfolg. Ein anderes Beispiel sind die so genannten ,,Meal-Solutions" - fertig zubereitete Speisen, zum heimischen Verzehr gedacht (vgl. CCRGE 1998). Als ,,Solution-Center", im multikulturellen Sortiment angeboten, vereinen sich Produktinnovationen und neue Dienstleistung zu einem uberraschenden Konsumerlebnis. Dahinter stehen komplexe Leistungsverflechtungen oder kurzer ,,KO-Evolution". Von der einzelnen Unternehmung fordert KO-Evolution zunachst eine Bewusstseinsleistung ein. Grenzen, die Kultur, Tradition und Gewohnheit den Fuhrenden setzen, sind zu uberwinden. Eine positive wie gleichwohl proaktive Einstellung zur KO-Evolution ist genauso wichtig wie die ~berzeugung,dass fir Kundenwert und Wertsteigerung innovative Losungen entscheidender sind, als Vorhandenes nur etwas besser auszufihren, als die Konkurrenten dies tun (= Effizienz) oder die Positionen in bestehenden Marktsegmenten auszubauen. Gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und Information - als die vie1 beschworenen Wurzeln jeder Partnerschaft - behalten gleichsam f i r die KO-Evolution ihre Gultigkeit. Dariiber hinaus bedarf es eines gemeinsamen Bildes der Zukunft. KO-Evolution heist, uber die eigenen Grenzen hinaus gemeinsam in die Zukunji denken. Im Mittelpunkt steht der Entwurf eines Szenarios, das allen Beteiligten neue, weiterreichende Optionen erschlieot. Gemeinsame Strategien sind zu entwickeln. Dennoch ist die Zukunft eines ko-evolvierenden Systems nicht bestimmbar. Viele Elemente der strategischen Fuhrung
dieses kreativen, neuen Systems werden erst ,,unterwegs" festgelegt. Im Metasystem treten haufig ungeplant neue Qualitaten auf, die aus den Eigenschaften und Beziehungen seiner Mitglieder nicht zu erklaren sind. In diesem ko-evolvierenden Metasystem findet ein neuer Lernprozess auch fiir die beteiligten Unternehmen statt, die ihr Verhalten in dem MaRe andern wie sie Impulse und Ruckkoppelungen aus dem Metasystem deuten. KO-Evolution ist vielseitiges, und vielfaltiges organisationales Lemen. Die Partner sind zugleich Lehrende und Lernende, Gebende und Nehmende. Im Unterschied zum Schachspiel, zu politischen Wahlen oder zum sportlichen Wettkampf ist KO-Evolution kein Nullsummenspiel. In einer symbiotischen Partnerschaft und eine solche ist die KO-Evolution - gewinnen alle Partner, wenn auch nicht unbedingt im gleichen AusmaD. Einzig der Nutzen muss am Ende fiir alle groRer sein als zuvor; andernfalls fehlt der Anreiz zur Teilnahme und damit dem Metasystem die Stabilitat. Ergo sollte man nicht unentwegt auf den Vorteil des anderen schielen, gar nur dann zum Mitwirken bereit sein, wenn man an seinen Vorteilen partizipiert. Gleichwohl stellt sich die Frage nach der Verteilung von Kosten und Nutzen. Im Grunde haben Koalitionen seit Jahrhunderten mit ein und demselben Problem zu kampfen. Schon Moltke, ansonsten von Bundnissen durchaus iiberzeugt, konstatiert: ,,Sobald es darauf ankommt, dass zur Erreichung des grol3en gemeinsamen Zwecks einer der Teilnehmer ein Opfer bringen soll, ist auf die Wirkung der Koalition meist nicht zu vertrauen". Ein Blick in jungste Erhebungen bestatigt dieses Bild. Wieder - oder besser immer noch - weisen sie die Verteilung des ,,Value Added" als das groRte Problem aus (vgl. Schroder et al. 2000); aber wissen wir nicht auch seit Jahrhunderten, wie es sich verhalt, mit dem Baren und dem Fell ...? Fassen wir abschlierjend nochmals zusammen: 1. Erfolgreiche Unternehmen haben mfriedene Kunden notig. 2. Kundenorientierte Fuhrung endet nicht an den Grenzen der eigenen Untemehmung. 3. Kooperation schafft Mehrwert fiir den Kunden. Sie hilft zunachst, artikulierte (Grund-)Bedurfhisse in hoherem MaRe zu befriedigen. Ihre Bedeutung wachst, je hoher die anvisierte Stufe der Kundenzufriedenheit. Fur das Erreichen der Begeisterungsstufe scheint ein Zusammenwirken geradem unerlasslich zu sein. 4. Die intensivste Form des Zusammenwirkens ist KO-Evolution. Wo man gemeinsam die Zukunft erfindet und voneinander lemt, geht Kooperation in KO-Evolution uber. KO-Evolution fordert von den Fuhrenden, Grenzen und Barrieren zu uberwinden, die Tradition, das Erbe der Vergangenheit, Kultur und Gewohnheit in jeder Unternehmung und Branche errichtet haben. Ob KO-Evolution in jedem Fall in eine bessere Zukunft fiihrt, vermag niemand mit Bestimmtheit m sagen. Gleichwohl sehen wir in KO-Evolution einen Weg, der am ehesten den Unternehrnen neue Moglichkeiten erschlieflt, den Kunden iiberraschende Konsumerlebnisse in Aussicht stellt und iiber proj2ables Wachstum fiir nachhaltige Wertsteigerung sorgt.
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Dr. Stephan A. Friedrich von den Eichen Partner & Managing Director ADL-Academy Arthur D. Little Gustav-Stresemann-Ring 1 0-65189 Wiesbaden Univ.-Pro$ Dr. Dip1.-Ing. Hans H. Hinterhuber Institut fur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Universitat Innsbruck Universitatsstr. 15 A-6020 Innsbruck Univ.-Proj Dr. Kurt Matzler Institut fur Internationales Management Johannes Kepler Universitat Linz Altenberger Str. 69 A-4040 Linz www. imgmt.iku. at Ao. Univ.-Pro$ Dr. Heinz K. Stahl Indisziplinare Abteilung fur Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management Wirtschaftsuniversiti Wien, Althanstr. 51 A-1 090 Wien
Andreas Hinterhuber
Pricing und Kundenzufriedenheit
1. Einleitung 2. Preis und Preismanagement - der Stand der Forschung 3. Zwei verbreitete Mythen in Sachen Preisgestaltung 3.1 Mythos #I: ,,Ein hoher relativer Preis und ein hoher Marktanteil sind inkompatibel" 3.2 Mythos #2: ,,Kunden sind extrem preisbewusst" 4. Das Rahmenmodell zur Bestimmung profitabler Preise 4.1 Bestirnmung der Ziele der Preispolitik 4.2 Untersuchung der Schliisselelemente des Pricing-Prozesses 4.3 Bestimmung profitabler PreiseIPreisspannen 4.4 Implementierung der Preisgnderung 5. Kundenzufriedenheit und Preispolitik
1. Einleitung Die Preisgestaltung hat einen deutlichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg: Im Schnitt wirkt sich eine Preiserhohung von 5 % mit 22 % auf das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) eines Industrieunternehmens aus, wohingegen sich eine ebensogrone Umsatzerhtihung mit nur 12 % im EBIT niederschlagt. Nichtsdestotrotz hat das Thema der Preisgestaltung bis heute ein relativ geringes Interesse sowohl von Seiten der unternehmerischen Praxis als auch der akademischen Forschung auf sich gezogen. Ziel dieses Beitrags ist, ein koharentes Rahmengeriist fiir nachhaltig profitable Preisentscheidungen vorzustellen und, in einem zweiten Schritt, den Zusammenhang zwischen Pricing und Kundenzufriedenheit darzulegen. Zahlreiche Beispiele aus der unternehmerischen Praxis runden diesen Beitrag ab.
2. Preis und Preismanagement - der Stand der Forschung Unternehmen, die systematisch Fragen der optimalen Preisgestaltung nachgehen, bilden die Ausnahrne: Auch wenn Fiihrungskrafte heute verstarkt uber intensiven Preiswettbewerb und die Schwierigkeit, Preise zu erhohen klagen, beschaftigen sich doch weniger als 15 % aller Unternehmen systematisch mit Preismanagement (Clancy and Schulman, 1993). Die Frage effektiver Preisgestaltung stand bis vor kurzem auch nicht unbedingt im Zent-
rum der akademischen Forschung: Nicht nur Fuhrungskrafte, sondern auch akademische Forscher widmen der Frage der optimalen Preisgestaltung vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Veroffentlichungen auf diesem Gebiet sind nicht annahernd so zahlreich wie Veroffentlichungen zu anderen Instrumenten des Marketing-Mix, wie etwa Werbung, Distribution oder Produktgestaltung. l Selbst das Fachgebiet Marketing scheint Fragen der Preisgestaltung eher stiefmiitterlich zu behandeln: In einer empirischen Studie wurde festgestellt, dass nur etwa 2 % der in einer Reihe von Marketing-Fachzeitschriften veroffentlichten Artikel dem Thema der Preisgestaltung gewidmet sind (Malhorta, 1996).
'
In einer Recherche bei amazon.com fanden wir 3594 Biicher zum Thema ,,WerbungX, 2371 Biicher zum Thema ,,Verkaufsf~rderung/Promotion",1077 Bilcher zum Thema ,,DistributionlVertrieb, 619 Blicher zu ,,Product Management", aber nur 65 Biicher zum Thema ,Jr~cingiPreisgestaltung"- wobei 50 Titel als nicht lieferbarlout-of print erschienen (siehe wvw.amazon.com; Abfrage vom 10. Januar 2003)
Kunden zeigen ein geringes Interesse am Preis der envorbenen Produkte oder Dienstleistungen. Fiihrungskrafte scheinen davon uberzeugt zu sein, dass der Preis zumindest flir den Kunden eine entscheidende Bedeutung in der Kaufentscheidung einnimmt. Die empirische Forschung hingegen belegt, dass Kunden dem Preis nicht selten eine geringe Aufmerksamkeit schenken und dass es haufig produkt- oder dienstleistungsbezogene Faktoren sind, die die Kaufentscheidung vie1 stPker beeinflussen. Pricing hat einen signifikanten Einfluss auf den Unternehrnenserfolg. Der Einfluss von Preiserhohungen auf den Unternehmenserfolg ist deutlich hoher als der Einfluss anderer Instrumente der operativen Unternehmensfiihrung. Die folgende Grafik - basierend auf einer Stichprobe an Fortune 500-Unternehmen - illustriert den Zusammenhang:
Pre~s(+5%) Urnsatz (+5%) @ E~nflussauf EBlT
FertlgungskostenlCOGS(5%) SG&A-Kosten (-5%) F&E-Kosten (6%) 0%
5%
10%
15%
20%
25%
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Preis und Unternehmenserfolg Eine Preiserhohung von 5 % steigert den EBIT um durchschnittlich 22 %, deutlich mehr als eine gleich grolje Umsatzsteigerung (+I2 %) bzw. Senkung der Fertigungskosten (+lo %).
Angesichts der uberdurchschnittlichen Wirkung von Preisveranderungen stellt sich die Frage, warum Fuhrungskrafte und Unternehmen dem Thema eine vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit widmen. Der Grund scheint in einer Reihe von festgefahrenen ~ b e r zeugungen - Mythen konnte man dam sagen - m liegen, die unternehmerische Entscheidungen zum Thema der Preisgestaltung zu beeinflussen scheinen. Im Folgenden wollen wir zwei dieser Mythen naher untersuchen.
3. Zwei verbreitete Mythen in Sachen Preisgestaltung 3.1 Mythos # 1: ,,Ein hoher relativer Preis und ein hoher Marktanteil sind inkompatibel" Die Marketingliteratur stellt - in ihrer traditionellen Form - zwei entgegengesetzte Muster der Preispolitik bei Neuprodukten gegenuber: ,,price skimming" (d.h, eine Politik des Abschopfens) wird empfohlen, wenn das Ziel verfolgt wird, durch (relativ gesehen) hohe Preise kurz~istigGewinn und Deckungsbeitrag zu steigern. Demgegenuber wird eine Politik der Marktdurchdringung (,,penetration pricing") dann empfohlen, wenn das Ziel eines hohen Marktanteils mit - relativ gesehen - geringen Preisen verfolgt wird (Lamb, Hair, and McDaniel, 2000). Die implizite Annahme, die hinter diesen Empfehlungen steht, ist dass hohe relative Preise und ein hoher Marktanteil unvereinbar sind. Fuhrungskrafte scheinen diese Annahme verinnerlicht zu haben: Nicht selten herrscht eine gewisse Scheu, neue Produkte signifikant uber dem Preis von bestehenden Produkten zu positionieren, da gefirchtet wird, dass ein hoher Preis die Erreichung eines hohen Marktanteils erschweren konnte. In der Praxis sind hohe Preise und hoher Marktanteil lange nicht so inkompatibel wie theoretisch angenommen: In zahlreichen Branchen - von Spezialchemikalien, Automobilen, Lebensmitteln bis zu Luxusgiitern - hat der Marktfihrer auch die hochsten Preise. Dieser Zusammenhang wird im Rahmen einer eigenen empirischen Studie erlautert: Es wurden relative Preise und Marktanteile auf dem US Pharmamarkt im Jahr 2000 untersucht mit dem Ziel zu klaren, inwieweit hohe Preise und ein hoher Marktanteil miteinander kompatibel sind. Der US Pharmamarkt teilt sich in 30 Subkategorien - wie etwa Herz/Kreislaufinedikamente, Antidepressiva, etc. - auf. Fur jede dieser 30 Subkategorien wurden (1) Preise und (2) Marktanteile der 5 umsatzstarksten Produkte ermittelt. Quelle waren hier die Statistiken des National Institute for Health Care Management (NIHCM, 2001) und die Statistiken der Vereinigung forschender Arzneimittelhersteller der Vereinigten Staaten, PhRMA (PhRMA, 2001). Es wurde gezahlt in wie vie1 dieser Kategorien das teuerste, das zweitldrittteuerste, etc. und schlieljlich das billigste Medikament den absolut groljten Marktanteil innehaben. Um zu vermeiden, dass die Untersuchung durch eine grolje Anzahl mBglicherweise unbedeutender bzw. kleiner Marktsegmente verzerrt wird, ermittelten wir fir jedes Marktsegment auch dessen absoluten Wert (in Milliarden US$). Die Ergebnisse lauten wie folgt: Das teuerste Produkt war in 9 von 30 Fallen Marktfiihrer, das zweitteuerste in weiteren 8 Fallen, wahrend das billigste Produkt in 6 Fallen den
hochsten Marktanteil hat. Wertmaig fallt das Ergebnis analog aus - siehe dazu Abbildung 2.
PRElS UND MARKTANTEIL PR~~MIUMPREISE UND HOHER MARKTANTEIL KO-EXISTIEREN IN DER US PHARMABRANCHE
Most expenslve Second most product expenslve product
T h ~ r dmost expenslve product
Cheapest product
Other
Source NlHCM Foundat~on(2001)
Abbildung 2: Preis und Marktanteil in der US Pharmabranche Hohe Preise und ein hoher Marktanteil sind dann moglich, wenn Preise auch einen hohen Wert fir den Kunden widerspiegeln. Bevor wir der Frage nach dem Wert fiir den Kunden nachgehen, ist noch eine Frage zu beantworten: Sind Kunden wirklich so preisbewusst wie gemeinhin angenommen?
3.2 Mythos #2: ,,Kunden sind extrem preisbewusst" Das Preisbewusstsein und die Preissensitivitat von Kunden sind in zahlreichen empirischen Studien untersucht worden. Im Folgenden wollen wir die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen.
Dicksohn und Sawyer (1990) haben untersucht, inwieweit Supermarktkunden sich der Preise f i r Produkte, die sie soeben in den Einkaufswagen gelegt haben, bewusst sind. Sie stellen fest, dass 50 % der Kunden diesen Preis auch nicht annahernd korrekt nennen konnen; sie bemerken weiters, dass uber die Halfte der Kunden, die einen preisgesenkten Artikel kaufen, sich der Tatsache nicht bewusst sind, dass der Preis gesenkt wurde. Hoch, Dreze, und Purk (1994) untersuchen die Wirkung von Preiserhohungen auf den Umsatz in einer Kette von 86 US Supermarkten. Sie stellen fest, dass eine kategorieweite Preiserhohung von 10 % einen Umsatzruckgang von nur 3 % bewirkt, was den Schluss rechtfertigen lasst, dass die Preissensibilitat der Kunden relativ gering ist. Im Industrieguterbereich sind Avila et al. (1993) in einer Untersuchung der Einkaufsleiter und Verkaufsleiter von 200 Unternehrnen der Frage nachgegangen, inwieweit sich die Kriterien der Kaufentscheidung der Einktiufer mit den Kriterien, die Verkaufer den Einkaufern mschreiben, decken. Sie stellen fest, dass f i r Einkaufer Produktmerkmale das wichtigste Kriterium ftir die Kaufentscheidung sind, dass Servicequalitat den zweitwichtigsten Rang belegt und dass der Preis das am wenigsten wichtige Kaufkriterium ist. Verkaufer hingegen fihrten den Preis als das aus ihrer Sicht wichtigste Entscheidungskriterium ihrer Kunden an und zeigen dadurch, wie wenig sie ihre Kunden und ihre Bedurfnisse kennen. Abschlierjend l b s t sich somit festhalten, dass Fiihrungskrafte als price-setter die Tendenz haben, die Preissensitivitat ihrer Kunden deutlich zu uberschatzen.
4. Das Rahmenmodell zur Bestimmung profitabler Preise Ausgangspunkt ist die Bestimmung der Ziele der Preispolitik. In einem zweiten Schritt werden die kritischen Elemente aller unternehmerischer Entscheidungen im Sinn von Ohmae (1982) beriicksichtigt: die unternehmensinterne Perspektive, die Kundenperspektive und der Wettbewerb. Fur jede dieser drei Dimensionen werden im Folgenden kurz spezifische Instrumente vorgestellt, die bei Fragen der Preisbestimmung von Belang sind. Die Anwendung dieser Instrumente erlaubt es, profitable Preise bzw. Preisspannen zu bestimmen. Abschlierjend sind die eben ennittelten Preise gegenuber Kunden durchzusetzen und unternehmensweit zu implementieren. Abbildung 3 illustriert die wichtigsten Elemente unseres Modells.
PRICING-ENTSCHEIDUNGEN - DAS RAHMENMODELL
UNTERSUCHUNG DER SCHLUSSELELEMENTE DES PRICING-PROZESSES
!"
ECONO&C VALUE ANAL&
IMPLEMENTIERUNG DER PREISANDERUNG
....
Abbildung 3: Das Rahmenmodell m r Preisfindung (Hinterhuber, 2004)
4.1 Bestimmung der Ziele der Preispolitik Die Ziele der Preispolitik ergeben sich direkt aus den Zielen der Wettbewerbsstrategie (Hinterhuber, 2004). Offensivstrategien verlangen daher eine andere Preispolitik als Defensivstrategien. Neben den Zielen der Wettbewerbsstrategie spielen auch andere, kontextabhangige Faktoren eine Rolle: Das Unternehmen kann sich entscheiden, bestimmte Produkte unter Kosten zu verkaufen, um Kunden anzuziehen, urn dadurch andere, profitable Produkte zu verkaufen, urn das Produkt mit einem anderen zu biindeln, um den Eintritt von Wettbewerbern in ein bestimmtes Marktsegment zu verhindern, um Signale an den Markt zu senden, und so fort. Die Ziele der Preispolitik variieren im Zeitablauf und sind stark an die Gegebenheiten des jeweiligen Umfeldes gebunden. Von Compaq (heute Teil von HP) wird beispielsweise 1996 folgendes berichtet: ,, . . . [Compaq] will sacrzfice some profit in an aggressive move to build market share." Weniger als vier Jahre spater gab der Vorstandsvorsitzende in einem Interview folgendes bekannt: ,,...[we make] a conscious trade-off between
profitability and market share. For a certain time it will be more important for us to be profitable. Later on we will take back market share. " Selbst globale Unternehmen wie Coca Cola verfolgen selten eine ,,globaleL'Preispolitik: ein bestimmtes Preisniveau, das sich f i r den US Markt als profitabel herausstellt, kann sich als unhaltbar fir andere Mbkte erweisen.
4.2 Untersuchung der Schliisselelemente des Pricing-Prozesses Pricing-Prozesse lassen sich - so die Meinung, die hier vertreten wird - am besten im Licht des Strategischen Dreiecks von Ohmae (1982) untersuchen und verstehen. Einer jeden der drei Dimensionen ist ein fir den Pricing-Prozess spezifisch relevantes Instrument zugeordnet (Hinterhuber, 2004):
s
die Bestimmung des Produktnutzens aus Kundensicht (Economic Value Analysis) erfasst die Kundenperspektive P die Cost Volume Profit-Analyse erfasst die unternehmensinterne Dimension bzw. die Kostenstruktur des Unternehmens ?1%" die Wettbewerbsanalyse schliefllich bezieht den Wettbewerb und die Interaktion mit dem Wettbewerb in den Prozess der Preisgestaltung mit ein.
Die Bestimmung des Produktnutzens aus Kundensicht (Economic Value Analysis) Diese Analyse zielt darauf ab, den monetaren Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung aus Kundensicht zu quantifizieren. Nagle und Holden, die auf diesem Gebiet entscheidende Forschungsarbeit geleistet haben, definieren den Begriff des Produktnutzens (Economic Value to the Customer) dabei folgendermaflen: "A product's economic value is the price of the customer 's best alternative - reference value - plus the value of whatever differentiates the offering from the alternative - differentiation value" (Nagle and Holden, 1999). Dieser Prozess der Quantifizierung erfolgt in folgenden Schritten:
@
H @
Bestimmung des Produktesldes Prozesses, der aus Kundensicht die beste verfigbare Alternative zum Kauf des untersuchten Produktes ist Kundensegmentierung entsprechend den unterschiedlichen Referenzwerten Identifikation aller Faktoren, die das Produkt vom Referenzprodukt bzw. Referenzprozess unterscheiden Bestimmung des monetaren Wertes dieser Faktoren aus Kundensicht mit bspw. der Conjoint-Analyse
Aus der Summe aus Referenzwert und dem monetaren Wert der (positiven oder negativen) differenzierenden Faktoren ergibt sich der vom Kunden wahrgenommene Produktnutzen fiir ein bestimmtes Kunden- oder Marktsegrnent H Wird dieser Produktwert f i r die wichtigsten Kundensegmente bestimmt, ergibt sich eine Nachfiagekurve fir das untersuchte Produkt in einem bestimmten Markt.
@
ECONOMIC VALUE ANALYSIS
best alternative (,,reference value") plus the value of whatever differentiates the offering from the alternative (,,differentiation value") DIFFERENTIATION VALUE:value to the customer (positive and negative) of any differences between reference product and own product
Value ($) 120 100 80 60 40
REFERENCE VALUE: cost o f the Competingproduct or process that the customer views as best altemative
20 0 Reference Value
Positive
Negalive
Total economic
differenfiation
differenuation
value
value
value
Abbildung 3: Die Bestimrnung des Produktnutzens aus Kundensicht Diese Nachfiagekurve (oder ,,value pool") wurde empirisch fiir ein Produkt der Spezialchemieindustrie bestimmt. Graphisch lassen sich die Ergebnisse fiir die unterschiedlichen Kundensegmente folgendermaflen zusammenfassen.
ECONOMIC VALUE ANALYSIS - AN ILLUSTRATION
Abbildung 4: Fallbeispiel zur Economic Value Analysis
Cost Volume Profit-Analyse Die Cost Volume Profit-Analyse ist eine modifizierte Breakeven-Analyse, die die Frage beantwortet, wie sich Preisanderungen auf den Deckungsbeitrag auswirken (Guidry, Horrigan, and Craycraft, 1998). Die Formel lautet:
-LP DB + AP
Erf. Mengensteigerung (%) bzw. max Mengenverlust zum breakeven = ----
AP
Preisanderung (in Prozent)
DB
Deckungsbeitrag (in Prozent)
Fiir ein Produkt mit einem Deckungsbeitrag von 20 %, beispielsweise, bedeutet eine Preissenkung von 10 %, dass sich die Menge wenigstens verdoppeln muss (+lo0 %), damit der absolute Deckungsbeitrag zumindest konstant bleibt. Fiir ein Produkt mit 70 % Deckungsbeitrag hingegen ist ein Mengenwachstum von lediglich 17 % erforderlich, urn den Deckungsbeitrag absolut zu steigern. Abbildung 5 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Preissteigerung bzw. Preissenkung und erforderlichem Mengenwachstum f i r drei Produkte mit jeweils unterschiedlichem Deckungsbeitrag.
COST VOLUME PROFIT-ANALYSE
n e n d l i c h e Steigerung d e r b s a t z m e n g e erforderlic Produkt mit niedrigem Deckungsbeitrag (DB=ZO%) ET Produkt mit durchschnitllichem Deckungsbeitrag (DB=50%)
kt mil hohem Deckungsbeitrag (DB=70%)
Abbildung 5: Bestimmung der erforderlichen Mengensteigerung bei Preisveranderungen (Cost Volume ProJit-Analyse)
Wettbewerbsanalyse Das dritte Element profitabler Preisfindungsprozesse ist die Wettbewerbsanalyse. Folgende Faktoren sind zu beriicksichtigen:
B Bedrohung durch neue Wettbewerber B Preistrends in existierenden Marktsegmenten @ Wettbewerbsstrategien der Hauptwettbewerber @ Distributionskanale und Handelsspannen bei Wettbewerbern M Referenzwerte fiir Produkte von Wettbewerbern r Wahrscheinliche Reaktion auf Preisanderungen.
4.3 Bestimmung profitabler PreiseIPreisspannen Nach Durchfihrung der Kundenwertanalyse, der Cost Volume Profit-Analyse und der Untersuchung der Hauptwettbewerber lassen sich Spannen profitabler Preise bestimmen. Legt beispielsweise, die Economic Value Analyse den Schluss nahe, den Preis eines Produkts um 30 % zu erhohen, hilft die Cost Volume Profit-Analyse den maximalen erlaubbaren Mengenriickgang zu bestimmen, um den Deckungsbeitrag wenigstens konstant zu halten: fiir ein Produkt mit einem Deckungsbeitrag von 70 % liegt der maximale Mengenriickgang bei 30 %. Nun ist eine Ruckmeldung von Seiten der Marketing- und Vertriebsmannschaft, von Distributionskanalen, Schlusselkunden und gegebenenfalls externen Beobachtem erforderlich um abzuschatzen, ob der tatsachliche maximale Mengenverlust uber oder unter dem kritischen Wert von 30 % liegt. Besteht Konsens, dass sich der zu erwartenden Mengenverlust in der Grooenordnung von 15 % bis maximal 20 % bewegen wird, konnen die Preise entsprechend angepasst werden.
4.4 Implementierung der Preisanderung In dieser abschlieoenden Phase geht es vor allem darum, die Umsetzung der beschlossenen Preisanderung durch den Vertrieb nachhaltig zu gewahrleisten. Fur viele Untemehmen erweist sich der Vertrieb als Stolperstein geplanter Preissteigerungen: Im schlimmsten Fall suggeriert der Vertrieb, dass die neulich initiierte Preiserhohung nichts anderes ist als ein weiterer, zum Scheitern verurteilter Versuch der Zentrale, auf Kosten der Kunden den Gewinn zu erhBhen und Iasst erkennen, dass die geplante Preisanderung revidiert werden wird, wenn eine Reihe von Key Accounts sich weigem, Bestellungen zu unterschreiben. Folgende Maonahmen unterstiitzen die praktische Umsetzung von Preisanderungen:
@
friihes Involvieren des Vertriebs in Fragen der Preisgestaltung. Implementierung einer Festpreispolitik: Empirisch wurde nachgewiesen, dass Unternehmen, die dem Vertrieb wenig Autonomie in Preisfragen (und ihren Kunden eben-
so wenig Spielraum bei Preisverhandlungen) bieten, profitabler sind als Unternehmen, bei denen der Vertrieb Preisentscheidungen autonom treffen kann (Stephenson, Cron, and Frazier, 1979). Is Kopplung der Pramien fiir den Vertrieb an den realisierten Deckungsbeitrag und nicht an den Umsatz. lar Ausstattung des Vertriebs mit umfassenden Kompetenzen, die es erlauben, nicht nur Produkte, sondern auch Lasungen anzubieten.
5. Kundenzufriedenheit und Preispolitik Kundenzufriedenheit entsteht durch einen Vergleichsprozess (Hinterhuber et al., 2003). Kunden bilden sich vor dem Kauf bestimmte Erwartungen: Die wahrgenommene Leistung wird d a m mit der erwarteten verglichen. Werden diese nicht erfiillt, entsteht Unzufriedenheit. Werden diese erfiillt bzw. ubertroffen, entsteht Zufriedenheit und Begeisterung. Kundenzufriedenheit ist die Diskrepanz zwischen der erwarteten und wahrgenommenen Leistung des Unternehmens (Hinterhuber et al., 2003). Die vom Kunden wahrgenommene Leistung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem, was der Kunde vom Unternehmen erhalt und dem, was der Kunde dem Unternehmen gibt. Was der Kunde vom Unternehmen erhalt ist - analog der vorhin angestellten ~ b e r legungen - der Produktwert aus Kundensicht (Economic Value to the Customer). Was der Kunde dem Unternehmen gibt ist zunachst der Preis; weiters entstehen dem Kunden andere monetare und nicht monetare Kosten, die ebenfalls Teil der vom Kunden erbrachten Gegenleistung sind. Die vom Kunden wahrgenommene Leistung - die Differenz zwischen dem, was er erhalt und dem, was er gibt - kann damit auf folgende Arten erhoht werden: Steigerung des wahrgenommenen Produktwertes (Economic Value) bzw. seiner Komponenten (i.e. Steigerung des Referenzwertes und des positiven Differenzwertes, Senkung des negativen Differenzwertes) @ Verbesserung der Kommunikation des Produktwertes und seiner Komponenten gegenuber dem Kunden @ Preissenkung I I SenkungElimination anderer monetarer Kosten B Senkung/Elimination der nicht monetaren Kosten. B
Die Kundenzufriedenheit kann dann zusatzlich beeinflusst werden durch Beeinflussung der Kundenerwartungen.
PRElS UND KUNDENZUFRIEDENHEIT
LEISTUNGEN
Abbildung 6: Der Einfluss von Preis auf die Kundenzufiiedenheit Der Preis als ein wichtiger - und wahrscheinlich wichtigster - Bestandteil der vom Kunden erbrachten Leistungen iibt damit einen direkten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit aus. Einen ebenfalls direkten Einfluss auf die Kundenzufiiedenheit ubt der (subjektiv wahrgenomrnene) Produktwert aus. Diese beiden Faktoren sind verantwortlich fiir die vom Kunden wahrgenommene Leistung des Unternehmens. Je hoher diese Leistung, desto hoher die Kundenzufriedenheit. Wie vorhin angedeutet, kann Kundenzufiiedenheit auch uber Kundenerwartungen gesteuert werden. Je hoher die Erwartungen der Kunden, desto hoher muss auch die vom Kunden wahrgenommene Leistung des Unternehmens sein, um ein bestimmtes AusmaR an Zufriedenheit zu erreichen. Diese Zusammenhange werden in Abbildung 6 zusammengefasst.
Literatur Avila R./Dodds W./Chapman J./Mann K./Wahlers R. (1993): Importance of Price in Industrial Buying, in: Review of Business, 34-48. Clancy K./Shulman R. (1993): Marketing with Blinders on, Across the Board 3,33-38. Dickson P. R./Sawyer A. G. (1990): The Price Knowledge and Search of Supermarket Shoppers, in: Journal of Marketing 54, 42-53. Guidry F./Horrigan J./Craycraft C. (1998): CVP Analysis - A New Look, in: Journal of Managerial Issues 10 (I), 74-85. Hinterhuber, A. (2004): Towards Value-Based Pricing - An Integrative Framework For Decision Making, in: Industrial Marketing Management (in Druck). Hinterhuber, H. H. (2004): Strategische Unternehmensfiihrung, Band 1, 7. Aufl., Berlinmew York: Walter de Gruyter. Hinterhuber, H. H./Handlbauer G./Matzler K. (2003): Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen: Eigene Potentiale erkennen, entwickeln, umsetzen, 2. Aufl., Wiesbaden: Gabler Verlag. Hoch S./Dreze X./Purk M. (1994): EDLP, Hi-Lo, and Margin Arithmetic, in: Journal of Marketing 58, 16-27. Lamb C./Hair J./McDaniel C. (2000): Marketing, 5. Auflage, Cincinnati, Ohio. Malhorta N. (1996): The Impact of the Academy of Marketing Science on Marketing Scholarship - An Analysis of the Research Published in JAMS, in: Journal of the Academy of Marketing Science 24 (4), 29 1-298. Nagle T./Holden R. (1999): Strategy and Tactics of Pricing, Prentice-Hall, 2nd edition (1999) NIHCM Foundation National Institute For Health Care Management (2001): Prescription Drug Expenditures in 2000 - The Upward Trend Continues, Report, Washington. Ohmae K. (1982): The Mind of the Strategist - The Art of Japanese Business, McGrawHill. PhRMA Pharmaceutical Research And Manufacturers Of America (2001): Annual Survey, New York. Stephenson R./Cron W./Frazier G. (1979): Delegating Pricing Authority to the Salesforce - The Effects on Sales and Profit Performance, Journal of Marketing 43, 21-28.
Dr. Andreas Hinterhuber Global Product Management Buyer Cropscience AG Alfred-Nobel-Str. 50 0-40789 Monheim am Rhein
Teil 3
Praktische Erfahrungen
Nikola Glusac
Bonusprogramme - ein wirkungsvolles Kundenbindungsinstrument?
1. Bedeutung und Abgrenzung von Bonusprogrammen
2. Aktueller Forschungsstand und Studiendesign 3. Kernergebnisse der Studie 3.1 Bonusprogrammmitgliedschaft und Zufriedenheit 3.2 Mitgliedschaft und Kundenbindung 4. Zusammenfassende Bewertung und Fazit
1. Bedeutung und Abgrenzung von Bonusprogrammen Seit einigen Jahren riicken eine Vielzahl von Unternehmen bestehende Kundenbeziehungen starker in den Fokus ihrer Aktivitaten. Neben der vermehrt nachgewiesenen positiven Rolle von Stammkunden f i r die Unternehmensprofitabilitat (vgl. u. a. ReichheldJSasser 1990) ist diese Entwicklung auch auf diverse Marktveranderungen zuriickzufihren. So sind Unternehmen auf einer Vielzahl von Konsumgutermarkten einer steigenden Marktsattigung ausgesetzt, bzw. mit geringeren Wachstumsraten konfrontiert. Verschiedene Entwicklungen wie z.B. der erhohte Kostendruck sowie die Weiterentwicklung des hybriden Konsumenten resultieren nicht nur in einem steigenden Verteilungskampf und einer erhohten Wettbewerbsintensitat (Meffert 2003, S. 125), sondern erfordern ein Umdenken und eine teilweise Neuausrichtung des Marketing, die durch eine Verlagerung vom Akquisitionsgedanken zum Bindungsgedanken gepragt ist. Die Rolle des Erhalts einer Geschaftsbeziehung wird f i r das Erreichen der Unternehmensziele von immer starkerer Bedeutung. Um eine ErhBhung der Bindung von Konsumenten an Unternehmen zu erreichen, wurden in der Wissenschaft und der Praxis zahlreiche integrierte Kundenbindungsinstrumente entwickelt. Vor allem Bonusprogramme haben eine rasche Verbreitung gefunden (Diller 2000, S. 319) und dienen der Unterstutzung defensiver Marketingziele (vgl. SharpISharp 1997, S. 474). Der Ursprung von Bonusprogrammen liegt in der amerikanischen Luftfahrtindustrie. So fihrte American Airlines 1981 ein Programm ein, dessen Funktionsweise auch heute noch in ahnlicher Form breite Anwendung findet. In den USA gibt es insgesamt ca. 937 Mio. Mitgliedschaften (3,3 pro Einwohner) und in Grof3britannien ca. 100 Mio. (2,s Einwohner). In Deutschland befinden sich vor allem nach dem Wegfall des Rabattgesetzes im Jahre 2001 Bonusprogramme auf dem Vormarsch und erfreuen sich sowohl auf Unternehmens- als auch auf Kundenseite immer grof3erer Beliebtheit. Bereits mehr als jeder meite Deutsche sammelt Bonuspunkte (vgl. TNS Emnid, S. 2003). Insgesamt gibt es mittlerweile 62 Mio. Mitgliedschaften (0,7 pro Einwohner) (vgl. Miiller 2004). Das reine Angebot eines Bonusprogramms ist schon lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Besonders in Business-to-Consumer Branchen bieten meistens mehrere Wettbewerber solche Programme an und viele Konsumenten sind gleichzeitig Mitglieder in den Bonusprogrammen konkurrierender Unternehmen. Die starke Verbreitung - gemessen an angebotenen Programmen als auch die hohen Mitgliederzahlen - suggerieren, dass es sich bei Bonusprogrammen um ein Allheilmittel fiir den Geschaftserfolg handelt, das gleichzeitig Kunden Vorteile gewahrt. Tatsachlich aber ist trotz der weiten Verbreitung und mittlerweile sehr grof3en okonomischen Relevanz nur wenig uber die Erfolgswirkung bekannt (vgl. Roehm/Pullins/Roehm 2002, S. 202). ,,Yet even the usage of such programs has increased, their effectiveness has become a topic of debate". Das Spektrum an Meinungen ist sehr breit. Es reicht von der ~berzeugung,dass Bonusprogramme einen positiven Beitrag leisten bis hin zu der Meinung, dass sie ein Alptraum fir Unternehmen sind und sie diese am liebsten einstellen wiirden, aber nicht
tun, weil sich niemand erlauben kann, der erste zu sein (vgl. Kearney 1990, S.31 ff.). Jedoch sind diese Meinungen nur in den seltensten Fallen empirisch untermauert. Auch Unternehmen publizieren keine Ergebnisse zum okonomischen Erfolg von Bonusprogrammen. Einer der Griinde hierfiir mag daran liegen, dass aus Bonusprogrammen resultierende Pramien haufig als ,,Treuegeschenk an den Konsumenten kornmuniziert werden und die Nachricht, dass Unternehmen mit diesen Programmen dennoch Gewinne erwirtschaften sich negativ auf das Image auswirken konnte.
2. Aktueller Forschungsstand und Studiendesign Entgegen der Verbreitung in der Praxis sind Bonusprogramme noch nicht im Fokus der Wissenschaft und wurden bisher hauptsachlich in den USA untersucht. Ungefdhr die Halfte der Untersuchungen, die sich in drei Kategorien einteilen (vgl. Muller 2003) lassen, stammen aus den letzten 3 Jahren. Diese dem Beitrag zugrunde liegende Studie ist die erste, die Bonusprogramme aus dem deutschsprachigen Raum untersucht. Die Erfolgswirkung von Bonusprogrammen untersuchen die anbieterorientierten Studien. Die meisten von ihnen betrachten Verhaltensvariablen bzw. die Frage inwiefern sich Bonusprogramme auf das Wiederkaufverhalten auswirken (vgl. u, a. SharpISharp 1997, Lenheer et al. 2002, DrezeIHoch 1998, Lewis 2004, Muller 2003). Obwohl das Spektrum der Ergebnisse eine breite Spanne annimmt, induzieren die Studien insgesamt eine positive Wirkung einer Bonusprogrammmitgliedschaft auf das Wiederkaufverhalten. Ob Bonusprogramme ein geeignetes Instrument sind Kunden an das Unternehmen zu binden, konnen diese Ergebnisse nach Ansicht des Verfassers nicht belegen. Der Hauptgrund h i e r e liegt in der Tatsache, dass das Wiederkaufverhalten lediglich eine Komponente der Kundenbindung darstellt. Unbestritten ist zwar, dass das Wiederkaufverhalten eine wichtige Rolle fir die Unternehmen spielt, allerdings kann die Fokussierung auf diese Variable trugerisch sein, denn Grunde fir das Verhalten bleiben unbeachtet. So bleibt offen, ob ein Wiederkauf beispielsweise aus Gewohnheit, mangels Alternativen, aufgrund des geringsten Preises oder aus wahrer Verbundenheit zum Unternehmen erfolgt. Einzelne Untersuchungen gehen daher einen Schritt weiter und betrachten neben der reinen Verhaltensebene auch die Einstellung bzw. Zufriedenheit, versaumen aber auch das Konstrukt der Kundenbindung in vollem Umfang zu untersuchen. Um einen tieferen Einblick in die Wirkungsweise von Bonusprogrammen zu bekommen, wurde das abgebildete Wirkungsmodell entwickelt. Neben der Integration aller Kundenbindungskomponenten wird im Besonderen erstmals das Kaufverhalten in Form des
Evoked Set mit betrachtet. Dariiber hinaus findet auch das Markeninvolvement Beriicksichtigung.
Bonusprogramm
Abbildung 1 : Wirkungsmodell fiir die Teilnahme an einem Bonusprogramm (Quelle: eigene Darstellung) Untersuchungsobjekte der Studie waren zum einen das Bonusprogramm der Lufthansa (Miles & More) sowie das branchenubergreifende Programm Payback. Um eine Vergleichbarkeit der beiden Programme bzw, der Studienergebnisse zu ermoglichen, wurde Payback am Beispiel von Galeria Kaufhof untersucht. Das dem zugrunde liegende Rational basiert auf der Annahme, dass sowohl das Angebot eines eigenen als auch die Teilnahme an einem ubergreifenden Programm mit denselben Intentionen der Unternehmen verbunden ist. Insgesamt sind ca. 1.000 Konsumenten befiagt worden, die zu nahezu gleichen Anteilen Mitglieder (Testgruppe) und Nicht-Mitglieder (Kontrollgruppe) waren. ZusSitzlich wurden innerhalb der Miles & More Mitgliedschaft die verschiedenen Statusstufen zu gleichen Anteilen beriicksichtigt. Um sicherzustellen, dass die Befragten in der Lage sind die zahlreichen Fragen korrekt zu beurteilen, flossen lediglich die Fragebogen der 923 aktiven Konsumenten in die Auswertung ein.
3. Kernergebnisse der Studiel 3.1 Bonusprogrammmitgliedschaft und Zufriedenheit Die Ergebnisse der beiden Untersuchungen zeigen deutlich, dass die Mitglieder von Miles & More und Payback zufriedener sind als die jeweiligen Nicht-Mitglieder. Nach Ansicht des Verfassers, lasst sich dieses Ergebnis auf den additiven Charakter von Bonuspunkten zuriickfihren. So erhalten Bonusprogrammmitglieder beim Kauf eines bestimmten Gutes oder einer Leistung einen Bonus in Form einer Punktegutschrift, die zwar bis zum Erreichen einer Bonusgrenze keinen tangiblen Nutzen per se bringt, jedoch das Mitglied einen Schritt naher an seine gewiinschte Pramie oder die nachste Statusstufe riicken lasst. Nicht-Mitglieder hingegen erhalten diese Boni nicht, obwohl sie die gleiche Leistung und einen vergleichbaren unter Umstanden aber auch hoheren Preis bezahlen (z.B. Buchungsklassenunterschiede eines Economy Class Fluges). Die Tatsache, dass die Lufthansa verschiedene Reiseklassen und damit unterschiedliche Leistungen anbietet, legt die Vermutung nahe, dass die Unterschiede im Zufriedenheitsniveau auf die unterschiedliche Nutzung dieser Serviceklassen zuriickzufiihren sind. Die Ergebnisse der Analyse nach Reiseklassen, in der die Miles & More Mitgliedschaft ausgeblendet wurde, zeigt jedoch, dass die Mittelwerte der Kunden, die vornehmlich Economy fliegen, nahezu identisch sind mit den Werten der BusinessIFirst Class Passagiere. Dementsprechend kann der Unterschied im Zufriedenheitsniveau der Test- und Kontrollgruppe nicht hierauf zuriickgefihrt werden. Allerdings darf dieses Ergebnis nicht so interpretiert werden, dass die verschiedenen Reiseklassen als gleich wahrgenommen werden, sondern vielmehr die jeweiligen Erwartungen in gleichem MaRe erfillt werden.
3.2 Mitgliedschaft und Kundenbindung Wie der Abbildung 1 zu entnehmen ist, ist die Kundenbindung ein mehrdimensionales Konstrukt, das sich nicht direkt erheben, sondern lediglich aus den Ergebnissen der einzelnen Komponenten ableiten lbst. Obwohl sich alle Antworten auf einem hohen Niveau befmden, also alle befiagten Kunden wieder beabsichtigen bei dem betreffenden Anbieter Leistungen zu erwerben, zeigen die Mitglieder der beiden untersuchten Bonusprogramme hohere Wiederkaufabsichten als die Nicht-Mitglieder. Die Differenz zwischen der Test- und Kontrollgruppe ist bei der Lufthansa Studie hoher als bei Payback. Die irn Folgenden dargestellten Ergebnisse stellen einen Auszug eines Forschungsprojekts am Lehrstuhl fur Strategische Unternehmensfirhrung an der Universitat Innsbruck dar. Fiir n ~ e r Informationen e siehe Glusac 2005.
Das Konstrukt der Zusatzkaufabsicht umfasst sowohl den vermehrten Erwerb als auch den Erwerb bisher nicht bei dern Anbieter erworbenen oder neu entwickelten Produkte und ist h r Unternehmen damit ein wichtiger Hebel um den Share of Wallet bei bestehenden Kunden zu erhohen. Im Gegensatz zum Wiederkauf dient diese Variable weniger dern ,,Umsatzerhalt", sondem dern potentiellem Wachstum. Abermals zeigt die TestGruppe einen hoheren Mittelwert auf. Die Differenz zwischen den beiden Gruppen ist bei den Mitgliedem von Miles & More hoher als bei Payback - am Beispiel von Galeria Kaufhof. Nach Ansicht des Verfassers lassen sich verschiedene Erklarungen f i r dieses Ergebnis heranfihren. Zum einen kann wie beim Wiederkauf die konditionierende Wirkung von Bonusgutschriften herangefihrt werden, die in diesem Fall auch auf den Kauf von bisher weniger oder gar nicht gekauften Produkten ubertragen wird um das Ziel der Pramien- oder Statuserreichung schneller zu realisieren. Zum anderen konnen in bestimmten Fallen auch im Rahmen eines Programms gewahrte Sonderservices einen Grund darstellen. So ist es durchaus denkbar, dass zum Beispiel Statuskunden der Lufthansa, die bei innerdeutschen Flugen in den Genuss von besonderen Zusatzleistungen wie dern Loungebesuch oder bevorzugter Gepackausgabe kommen, auf diese auch bei anderen z.B. interkontinentalen Flugen nicht verzichten wollen. In Sondersituationen kann bei vorhandener Programmbindung das Bonusprogramm selber Motiv fiir eine erhohte Wieder- und Zusatzkaufabsicht sein, beispielsweise wenn Kunden kurz vor dern Erreichen einer Status- oder Pramienstufe stehen und nur aus diesem Grund eine Leistung erwerben, bevor die anderen Punkte verfallen (z.B. verfallen Statusstufen am Ende eines Kalenderjahres). Die Preissensitivitat ist von besonderer Bedeutung fiir Untemehmen, da sie sich bei entsprechender Preisgestaltung direkt auf die Profitabilitat auswirkt. Die Ergebnisse fiir diese Variable unterscheiden sich von den bisher genannten in mehreren Punkten. Das allgemeine Niveau, auf dern sich die Mittelwerte bewegen, ist deutlich niedriger, woraus sich der Schluss ziehen lasst, dass der Preis bei allen Befiagten ein wichtiges Kaukiterium ist. Die Ergebnisse der Lufthansa Miles & More Studie zeigen, dass die NichtMitglieder deutlich preissensitiver sind als Miles & More Mitglieder. Nach Ansicht des Verfassers Iasst sich dieses Ergebnis darauf zuriickfihren, dass Bonusprogrammmitglieder die Punktepramie in die Bewertung des Preises mit einbeziehen. Diese Annahme wird auch durch die Ergebnisse der Studie von Liston-Heyes gestutzt, die zu dern Ergebnis kam, dass der wahrgenommene Wert den tatsachlichen Wert von Bonuspunkten iibersteigt (vgl. Liston-Heyes 2002). Ein weiterer Grund fir die verringerte Preissensitivitat kann darin gesehen werden, dass die Bonusprogrammmitglieder bei bestimmten Programmen bewusst bereit sind einen hoheren Preis zu bezahlen um in den Genuss von Sonderleistungen zu gelangen. Als Beispiel eignet sich das Bonusprogramm Miles & More, bei dern beispielsweise Kunden eine bevorzugte Behandlung erhalten, die ihnen andere Airlines bei denen sie keine vergleichbare Statusstufe innehaben, nicht gewahren. Vergleicht man die beiden Studien, wird deutlich, dass sowohl die Mittelwerte, als auch die Differenz zwischen Test- und Kontrollgruppe bei Payback, am Beispiel von Galeria Kaufhof, deutlich geringer ist. Hierfiir sieht der Verfasser primar zwei verschiedene
Ursachen. Zum einen kann das auf das Geschaftsmodell zuriickgefiihrt werden. Galeria Kaufhof hat eine Handelsfunktion, im Zentrum stehen Produkte, die auch in anderen Geschaften erworben werden konnen. Es liegt die Vermutung nahe, dass Konsumenten nicht bereit sind bei Galeria Kaufhof f i r den gleichen Artikel einen hoheren Preis zu bezahlen als bei einem Wettbewerber. Zum anderen kann eine geringere Programmbindung hierfir verantwortlich sein, die sich auf eine geringere wahrgenommene Pramienattraktivitat und lange Sammelperioden zuriickfihren 18sst. Fur die Interpretation der Ergebnisse ist vor allem wichtig zu betonen, dass in beiden Studien die Preissensitivitat unabhangig von der Einkommensklasse war. So kann ausgeschlossen werden, dass es nur besser Verdienende sind, die bereit sind einen Mehrpreis zu bezahlen. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewahrleisten, wurde im Rahmen der Lufthansa Miles & More Studie zudem explizit die Preissensitivitat im privaten Reiseverhalten erfragt. Aus Anbietersicht ist ein positives Weiterempfehlungsverhalten von hoher okonomischer Relevanz und stellt ein Profitabilitatshebel dar, der seine Wirkung aufierhalb der eigentlichen Kundenbeziehung entfaltet. Als Weiterempfehlungsverhalten wurde im Rahmen der Studie nicht nur als explizite Weiterempfehlung des Anbieters verstanden, sondern zudem auch das Mitteilen positiver Erlebnisse. Die Testgruppe wies eine deutlich hohere Weiterempfehlungsrate bzw. -absicht auf als die Kontrollgruppe. Bei der Lufthansa Studie war die Differenz zwischen Test- und Kontrollgruppe f3r dieses Konstrukt deutlich groRer. Dass sich Mitglieder positiver tiURern, kann an verschiedenen Griinden liegen. So kann z.B. der Konsum von Pramien oder eine eventuelle Sonderbehandlung ebenso Anlass fix positive Kornmunikation sein, wie eine durch die Vergabe von Bonuspunkten stSirker wahrgenommene Fairness des Anbieters. Die bisher vorgestellten Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen der Testund Kontrollgruppe. Die Einstellung der Mitglieder beider Programme ist hingegen nur geringfiigig besser als bei Nicht-Mitglieder. Generell bewegt sie sich auf sehr hohem Niveau, was sicherlich mit der Ausnahmestellung und dem positiven Image der jeweiligen Anbieter zu tun hat.
4. Zusammenfassende Bewertung und Fazit Die beiden folgenden Graphiken geben einen ~berblickuber die Ergebnisse der beiden Studien und verdeutlichen, dass Mitglieder sich von Nicht-Mitgliedern hinsichtlich der untersuchten Dimensionen signifikant unterscheiden.
Einstellung
Wiederkaufabsicht
Zufriedenheit
Zusatzkaufabsich Miles & More keine Mitgliedschaft Mitgliedschaft
mp
Abbildung 2: Netzdiagramm Ergebnisse Miles & More Studie
Einstellung
Wiederkaufabsicht
Zufriedeuheit
Weiterempfehlung Preissensitivitat
Abbildung 3: Netzdiagramm Ergebnisse Payback Studie
k e i n e Mitgliedschaft
Deutlich wird auch, dass sich die Testgruppe der Lufthansa Studie starker von der Kontrollgruppe unterscheidet als im Falle von Payback - am Beispiel von Galeria Kaufhof. Eine Ursache hierfiir liegt nach Ansicht des Verfassers in der Ausgestaltung und Wahrnehmung des Programms und wurde durch eine Erhebung der Programmbindung findiert. Es stellte sich heraus, dass Miles & More Mitglieder das Programm als deutlich ,,kaufrelevanterUeinstuften bzw. auch eine starkere Bindung an das Bonusprogramm als solches zeigten. Diese Vermutung wurde mit Hilfe der Regressionsmodelle zur Kundenbindung weiter untermauert. So hatte zwar in beiden Studien die Zufriedenheit der Kunden einen starkeren Einfluss auf die Kundenbindung als die Mitgliedschaft im Programm, jedoch war abermals der Beitrag von Miles & More hoher als der von Payback. Die Ergebnisse widerlegen eindeutig den haufig vorgebrachten Vorwurf, dass Bonusprogramme keinen okonomischen Mehrwert fiir Unternehmen schaffen und zeigen auf, welche Dimensionen mit Hilfe eines Bonusprogramms positiv beeinflusst werden konnen (vgl. auch GlusacIHinterhuber 2005). Es konnte gezeigt werden, dass Mitglieder eine hohere Bindung an das Unternehmen haben. Die verringerte Preissensitivitat der Mitglieder legt die Vermutung nahe, dass mit Hilfe eines Bonusprogramms hohere Margen erzielt und dem Kunden gleichzeitig ein Vorteil gewahrt werden kann. Zudem zeigen die Ergebnisse zum Markeninvolvement, dass es Unternehmen mit Hilfe von Bonusprogrammen gelingen kann, die Marke bei der Kaufentscheidung starker in den Vordergrund zu riicken bzw. deren Relevanz zu erhohen, denn Bonusprogramme belohnen weniger den Kauf von bestimmten Produkten als den Erwerb bestimmter Marken. Eine Erhohung des Markeninvolvements ist f i r Unternehmen besonders vor dem Hintergrund einer zunehmenden Homogenisierung von Leistungen und eines steigenden Preisbewusstseins von groner Bedeutung. Allerdings sollten die geschilderten Ergebnisse nicht dahin interpretiert werden, dass Bonusprogramme ein Allheilmittel f i r den Geschaftserfolg und fiir jedes Unternehmen geeignet sind. Der entscheidende Hebel f i r den Erfolg eines Bonusprogramms ist die Programmgestaltung. Werden beispielsweise die HBhe der Punktegutschriften, die P r b mien und die mit eventuellen Statusstufen einhergehenden Sonderleistungen von den KonsumentenlMitgliedern als nicht relevant oder attraktiv und die Funktionsweise als zu kompliziert wahrgenommen, ist es aul3erst unwahrscheinlich die beschriebenen Effekte in diesem Ausmal3 zu erzielen. Das Bonusprogramm als Kundenbindungsinstrument ist nicht f i r jedes Unternehmen und auch nicht f i r jede Branche geeignet. Sind Umsatzvolumina, Margen undloder die Transaktionshaufigkeit sehr gering, bestehen kaum Chancen ein wirkungsvolles Programm zu etablieren ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen und die positiven Effektive deutlich iiberkompensieren. Daher sollte im Vorfeld einer Einfihrung geklart werden, ob diese Grundvoraussetzungen gegeben sind, um negative finanzielle Ergebnisse sowie Imageschaden zu vermeiden.
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Dr. Nikola Glusac Bain & Company Germany Inc. Karlsplatz I 0-80335 Munchen
Franz BailodMarkus AnschoberIKurt MatzlerIAlexander Kausl
Preis- und Innovationswettbewerb: Ergebnisse einer Fiihrungskraftebefragung
1. Erhohung der Marktdynamik - die Rentabilitat vieler Unternehmen ist zunehmend gefkhrdet
2. Worin sehen Top-Entscheidungstrager die zentralen strategischen Herausforderungen der Zukunft? 3. Wie erfolgreich sind die Unternehmen heute bei ihrem Kostenmanagement?
4. Welche Rolle spielt das Engagement der Mitarbeiter?
5. Wie kundenorientiert sind die Unternehmen?
6. Welche Rolle spielen Innovationen? 7. Auswege aus der Customer-Value-Competition - Was machen TopUnternehmen anders?
8. Top-Unternehmen sind andere Innovatoren 9. Top- Unternehmen und Kostensenkung 10. Top-Unternehmen haben engagiertere Mitarbeiter 1 1. Top-Unternehrnen verstehen und bearbeiten ihre Kundeniihren Markt besser
Vor mehr als zehn Jahren prophezeite Jack Welch, langjahriger CEO von General Electric, globale Preiswettbewerbe, die man sich bis dahin kaum vorstellen konnte und er meinte: "It's going to be brutal. When I said a while back that the 1980s were going to be a white-knuckle decade and the 1990s would be even tougher, I may have understated how hard it's going to get". Jack Welch prophezeite eine Entwicklung, die Unternehmen heute in nahezu allen Branchen kennen: Kunden werden immer anspruchsvoller. Sie wollen die hochste Qualitat zu den niedrigsten Preisen. Globalisierung, Deregulierung und Privatisierung zeigen ihre Wirkungen. Je intensiver der Wettbewerb, je transparenter die Markte und je niedriger die Wechselbarrieren der Kunden, umso wichtiger wird es, Kunden vom Wert der Leistung, sprich dem Customer Value, zu iiberzeugen. Der vom Kunden ("Customer") einem Produkt oder einer Dienstleistung zugeschriebene Wert ("Value") resultiert aus zwei Faktoren: der wahrgenommenen Qualittit und dem Preis. Dies Iasst sich gut in einer zweidimensionalen Matrix darstellen (Abb. l), es gibt hier Zonen von unterschiedlichem Customer Value: Die Gerade stellt eine Gleichgewichtslinie dar, bei der das Preis-Leistungs-Verhaltnis ausgewogen ist. Rechts der Geraden bietet ein Produktleine Dienstleistung hohe Qualitat zu relativ niedrigem Preis, links der Geraden ist der Preis in Bezug auf die Qualitat zu hoch. Will ein Unternehmen Marktanteile (Unternehmen A in Abbildung 1 rechts) gewinnen, so kann es dies durch Qualitatssteigerungen oder Preissenkungen erreichen. Ein unmittelbar daneben positionierter Konkurrent (Unternehmen B) kommt unter Zugzwang und muss nachziehen. Damit wird eine Kettenreaktion im gesamten Markt ausgelost. Die Gleichgewichtsgerade verlagert sich nach rechts: Die Qualitat steigt bei gleich bleibendem oder sogar sinkendem Preisniveau. Vor diesem Hintergrund ist das international tatige Beratungsunternehmen Innovative Management Partner [IMP] in Zusammenarbeit mit dem Innsbrucker Professor Hans H. Hinterhuber und Professor Kurt Matzler von der Uni Linz in einer breit angelegten Studie in Deutschland, der Schweiz und Osterreich folgenden zentralen Fragen nachgegangen: Wie schatzen Top-FiihrungskrBfte die derzeitige und zukiinftige Markt- und Wettbewerbssituation ein? s Worin sehen sie die zentralen Herausforderungen urn der Marktdynamik in Zukunft erfolgreich begegnen zu k h n e n ? Was zeichnet Unternehmen aus, die sich im Customer-Value-Wettbewerb erfolgreich durchsetzen konnen? @
Rechtsverschiebung der Geichgewichtslinie
A
z c
I :o
I :
Niedriger Customer Value
:O I
.-M E n Hoher Customer
m .-z u .-
.u .L
L
Z
Z
b Niedrig
Relative Qualitat
Hoch
Niedrig
Relative Qualitat
Hoch
Abbildung 1 : Customer-Value-Competition
1. Erhohung der Marktdynamik - die Rentabilitat vieler Unternehmen ist zunehmend gefahrdet Die Ergebnisse der Studie aus einem breiten Branchenmix mit 37 1 Top-Fiihrungskraften bestatigen, dass neben der gesamtwirtschaftlich schwierigen Situation in den letzten drei Jahren eine massive Intensivierung des Wettbewerbs eingetreten ist. Aufgebaute Qualitatsvorteile werden durch das aggressive Wettbewerbsverhalten der Konkurrenten in immer kurzeren Zeitabstanden wettgemacht. Gleichzeitig hat sich der Preiswettbewerb dramatisch verscharft. Die meisten Unternehmen sehen sich mit einer ungemein schwierigen Situation konfi-ontiert, die einer Spirale nach unten gleicht. Standig steigende Qualitatsanspriiche der Kunden und enormer Preisdruck gefahrden die Rentabilitat vieler Unternehmen. Fur uber 80 % der befragten Fuhrungskrafte hat die Verhandlungsmacht der Kunden in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen. Diese Entwicklungen werden primar durch ijberkapazitaten, Austauschbarkeit der Produke und einer stark steigenden Markttransparenz hervorgerufen. Sie machen Kunden zu gut informierten, gnadenlosen Einkaufern. Aus Sicht der befi-agten Top-Manager gelingt es gegenwartig nur mehr wenigen Unternehmen sich nachhaltig von der Konkurrenz zu differenzieren. In der Konsequenz mussen Unternehmen in beinahe allen Branchen eine dramatische Rechtsverschiebung der Gleichgewichtslinie in der Preis-IQualitatsmatrix in Kauf neh-
men. Eine Wettbewerbsdynamik, die von Richard D'Aveni bereits 1995 als ,,Hypercornpetitioncc(D'Aveni, 1995) bezeichnet wurde, ist bittere Realittit geworden. Fiir den einzelnen Anbieter bedeutet dies, dass die kontinuierliche Verbesserung des Customer Value zur Vorraussetzung fiir erfolgreiches Bestehen im Wettbewerb wird. Preis- und QualitBtsentwicklung in den letzten drei Jahren
Gestiegene Preise / niedrigeres Qualitatsniveau
Gestiegene Preise / gleiches Quaiitatsniveau
Gestiegene Preise / hoheres Qualitatsniveau
1,6%
4,8%
14,3%
Entwicklung des Qualitatsniveaus
Abbildung 2: Preis-/QualitSitsentwicklung Betrachtet man die Preis-/Qualittitsentwicklungender letzten drei Jahre (Abb. 2) dann zeigt sich: I Ftir iiber 70 % der befiagten Unternehmen hat sich das vom Markt geforderte Quali-
ttitsniveau betrtichtlich erhbht. Ein weiteres Ansteigen der Qualittitsansprliche wird in Zukunft envartet. I Fast 60 % der Unternehmen konnten trotz sttindiger Produktverbesserungen und hbherem Qualittitsniveau keine hbheren Preise am Markt realisieren. IiSber 30 % der Unternehmen mussten trotz gestiegenem Qualit&tsniveausogar mit sinkenden Preisen bei ihren Produkten/Dienstleistungenleben.
2. Worin sehen Top-Entscheidungstrager die zentralen strategischen Herausforderungen der Zukunft? Aus Sicht der befiagten Manager hangt die Zukunftsfahigkeit der Unternehmen wesentlich davon ab:
Inwieweit es den Unternehmen gelingt ihre Kostenstrukturen so zu verandern, dass sie den dramatischen Herausforderungen des Preiswettbewerbs gewachsen sind. @ Inwieweit es den Unternehmen gelingt, das Engagement der Mitarbeiter zu steigern und damit deren tatsachliche Potenziale zu nutzen, um die Organisation im internationalen Wettbewerb flexibel und schlagkraftig zu machen. B Inwieweit es den Unternehmen gelingt, trotz des enormen Kostendrucks die Kundenorientierung weiter zu erhbhen. R
Bemerkenswert erscheint aus unserer Sicht, dass der strategischen Neuausrichtung des Unternehmens sowie der erfolgreichen Einfiihrung von Innovationen, liber die Gesamtheit der befragten Unternehmen hinweg, deutlich weniger Bedeutung beigemessen wird.
3. Wie erfolgreich sind die Unternehmen heute bei ihrem Kostenmanagement? Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass es dem Grofiteil der Unternehmen nicht gelungen ist, ihre Kostenstrukturen im internationalen Vergleich nachhaltig zu verbessern. Dies ist umso bemerkenswerter, als 75 % aller befragten Manager darauf hinweist, in den letzten Jahren sehr wohl umfassende Kostensenkungsprogramme durchgefiihrt zu haben. Diese konzentrierten sich primar auf altbekannte Vorgehensweisen, wie die Gemeinkostenwertanalyse und die Prozesskostenanalyse auf Basis des Wertekettenkonzepts. Innerhalb der letzten drei Jahre hat sich die Kostensituation in den Unternehmen wie folgt entwickelt:
B B
Lediglich 32 % der Unternehmen haben es geschafft, das relative Kostenniveau nachhaltig zu senken. 29 % der Unternehmen geben an, das Kostenniveau in etwa gehalten zu haben. Bei 32 % der Unternehmen sind die Kosten weiter gestiegen.
Die Situation in den Unternehmen zeigt, dass operative Exzellenz und Kostenoptimierung nach wie vor zentrale Themen darstellen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Mafinahmen, die sich lediglich auf Prozess- und Kostenoptimierung beschranken, insgesamt gesehen vie1 zu kurz greifen, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu konnen. Dies bestatigen auch unsere Studienergebnisse. Die durchgefiihrten Kostensenkungsprogramme haben bei fast 60 % der befragten Unternehmen keine oder nur eine kurzfristige Verbesserung der Wettbewerbsposition mit sich gebracht.
4. Welche Rolle spielt das Engagement der Mitarbeiter? Die Nutzung der Potenziale der Mitarbeiter ist unbestritten ein weiterer wichtiger Schlussel zur Bewaltigung der unternehmerischen Herausforderungen. Dies zeigt auch der hohe strategische Stellenwert, den die befragten Fiihrungskrafte dem Mitarbeiterengagement einraumen. Aus ihrer Sicht beeinflusst das Mitarbeiterengagement sowohl den Erfolg von Innovationen als auch den von Kostensenkungsprogrammen mangeblich. 90 % der befragten Fuhrungskrafte gehen davon aus, dass die erfolgreiche Realisierung von Innovationen wesentlich vom Engagement ihrer Mitarbeiter abhangig ist. Fur eine nachhaltige Kostensenkung sehen 80 % der Entscheidungstrager im zielgerichteten Engagement den zentralen Erfolgsfaktor.
Gleichzeitig aber gehen die Fuhrungskrafte davon aus, dass im Schnitt 40 % ihrer Belegschaft keinen echten Beitrag zur Steigerung des Unternehmenserfolges leisten will bzw. kann.
Abbildung 3: Engagement der Mitarbeiter
Die Studienergebnisse zeigen in diesem Kontext, dass trotz eines entsprechenden Bemsstseins bei den Entscheidungstragern offensichtlich nach wie vor viele Unternehmen daran scheitern, nachhaltig wirkende Konzepte m r Steigerung des Mitarbeiterengagements zum Einsatz m bringen. Fur uns liegt ein wesentlicher Grund darin, dass sich die Mitarbeiter in vielen Fallen mit ,,ihremU Unternehmen inhaltlich (ProdukteIDienstleistungen) und emotional (Beziehungen zu Mitarbeitern/Vorgesetzten) nicht identifizieren konnen. Haufig scheint den Mitarbeitern die ,,Sinnhaftigkeitt' ihres Unternehmens bzw. ihres ,,Tuns" und damit die ,,innere Triebfeder" abhanden gekommen zu sein. Sie haben dabei das GefZhl, keinen entsprechenden Beitrag leisten m konnen. Dementsprechend schwer tun sich diese Mitarbeiter auch in der personlichen Weiterent-
wicklung im Kontext ihres Arbeitsumfeldes, ihres Unternehmens. Eine Situation, die nicht dam beitragt Motivation und Engagement zu steigern.
5. Wie kundenorientiert sind die Unternehmen? Obwohl im Bereich der Kundenorientierung in den beffagten Unternehmen in den letzten Jahren ein Umdenkprozess stattgefunden hat und teilweise groRe Investitionen getatigt wurden, stellen sich oft nur bescheidene Erfolge ein. Vielfach konnten weder die Loyalitatsraten noch die Anzahl der Neukunden erhoht werden. Nach wie vor scheitern sehr viele Unternehmen an einer systematischen Umsetzung von Kunden- und Marktorientierung in ihren Unternehmen. Es kommt nicht von ungefahr, dass fast 50 % der beffagten Fiihrungskrafte in einer Verbesserung der Kundenorientierung die zentrale strategische Herausforderung f i r ihr Unternehmen orten. Manager mussten insbesondere in den letzten Jahren die bittere Erfahrung machen, dass die angepriesenen CRM-Systeme die Kundenbearbeitung weder effektiver noch effizienter gemacht haben. Wie eine Untersuchung von Bain (Rigby et al. 2002) bestatigt, hat namlich der Groljteil dieser Unternehmen darauf vergessen, innovative Kunden- und Marktbearbeitungsstrategien zu entwickeln, bevor sie die Implementierung entsprechender CRM Systeme vorantreiben. Die Kenntnis der kaufentscheidenden Kriterien aus Kundensicht stellt dabei eine zentrale Grundvoraussetzung fiir die Entwicklung erfolgreicher Bearbeitungsstrategien dar. Unsere langjahrigen Untersuchungen und Praxiserfahrungen in diesem Themengebiet b e s t s tigen, dass die Unkenntnis vieler Unternehmen uber die kaufentscheidenden Kriterien darauf zuruckzufihren ist, dass keine adaquaten Methoden in der Kundenanalyse eingesetzt werden. Oft werden die tatsachlichen Kundenprobleme nicht entsprechend wahrgenornrnen und in nutzenstiftende Produkt-ILeistungsbiindel transferiert. Zudem zeigen sich unserer Erfahrung nach auch Defizite im Einsatz permanenter Systeme, die laufend adaquate SteuerungsgrbrJen liefern, auf deren Basis Unternehmen fundierte strategische Entscheidungen zur Kunden- und Marktbearbeitung treffen kiinnen.
6. Welche Rolle spielen Innovationen? Die Untersuchung zeigt, dass gegenwartig offensichtlich nur wenige Manager bereit sind, uberdurchschnittlich in die Innovationskraft ihrer Unternehmen zu investieren. Im Rahmen ihres Innovationsmanagements richten die Top-Fuhrungskrafie unserer Studie ihren Fokus vor allem auf die Verbesserung bestehender Produkte und die Bearbeitung neuer Kunden und neuer Markte. Gleichzeitig sind beinahe 70 % der beffagten Entscheidungstrager der Meinung, dass es nur sehr wenigen Unternehmen gelingt, sich mittels Produktinnovationen vom Wettbewerb zu differenzieren.
Die Ausrichtung des Innovationsprozesses auf die Verbesserung von Bestehendem fiihrt daher in vielen Branchen zu einer gegenseitigen Annaherung der Unternehmen. Der Handlungsspielraum wird immer kleiner. In der Folge setzen sich Fuhrungskrafte und Mitarbeiter oftmals mehr mit der Konkurrenz- und der Wettbewerbssituation auseinander, als mit der Frage, wie es gelingen kann, mittels innovativer Ltisungen einen echten Mehnvert f i r Kunden und andere Austauschpartner zu schaffen. In der Folge bleiben haufig echte Innovationen aus bzw. diese gehen an den Bediirfnissen des Marktes, der Kunden vorbei. Der Wettbewerb um die Schaffbng bzw. Neugestaltung eines Marktes durch radikale Veranderung bzw. die Neuentwicklung von ProduktenlLtisungen hat bei den befragten Unternehmen einen geringen Stellenwert. Nur ca. jeder siebte TopManager sieht in der radikalen Neuausrichtung den zentralen strategischen Erfolgfaktor fiir sein Unternehmen. Insgesamt deuten die Ergebnisse stark darauf hin, dass in den Fuhngsetagen vieler Unternehmen kurzfristige Optimierungen dominieren und der Mut f i r radikale strategische Veranderungen und Innovationen sehr eingeschrankt bleibt.
7. Auswege aus der Customer-Value-Competition - Was machen Top-Unternehmen anders? Aus der Studie lasst sich eine Gruppe von knapp 13 % an Unternehmen identifizieren, denen es wahrend der letzten Jahre erfolgreich gelungen ist, ihre Losungen am Markt zu htiheren Preisen abzusetzen. Insgesamt weisen diese Unternehmen auch eine uberdurchschnittliche Profitabilitat im Vergleich zu den anderen untersuchten Unternehmen auf. Dabei konnten sie durch ihre einzigartige strategische Ausrichtung gewisse Alleinstellungsmerkmale aufbauen, die ihnen nachhaltige Wettbewerbsvorteile garantieren. Wir bezeichnen diese Unternehrnen hier als ,,Top-Unternehmen". Uns hat in diesem Zusammenhang interessiert, was diese Top-Unternehmen auszeichnet und welche Gemeinsamkeiten sie verbindet. Um diese Fragen zu beantworten haben wir die Schwerpunkte ihrer strategischen Orientierung beleuchtet und dabei festgestellt: B
@
H
dass es Top-Unternehmen gelingt, die vermeintlichen Gegensatze von Innovationsund Kostenfiihrerschaft zu uberwinden. Sie beweisen, dass Kostensenkung und erfolgreiche Innovationstatigkeit sich nicht ausschliel3en, sondern synergetisch genutzt werden kdnnen, dass es Top-Unternehmen wesentlich besser gelingt, die Potenziale ihrer Mitarbeiter zu nutzen und deren Engagement zu steigern, dass Top-Unternehmen uber exzellente Kunden- und Marktbearbeitungsstrategien verfiigen,
M
dass Top-Unternehmen ihre Zukunft proaktiv gestalten und den Mut f i r radikale Veranderungen besitzen.
8. Top-Unternehmen sind andere Innovatoren Innovationstatigkeit nimmt bei Top-Unternehmen im Vergleich zu den restlichen Unternehmen eine vie1 zentralere strategische Herausforderung ein. Der Fokus liegt dabei wesentlich sttirker in der Neuentwicklung bzw. radikalen Verr % der Top-Unternehmen sehen darin den zentralen bzw. einen anderung. ~ b e 80 wesentlichen strategischen Erfolgsfaktor. Gary Hamel und Gary Getz (2004) empfehlen, den Anteil der radikalen Innovationen im Verhaltnis zu den schrittweisen Innovationen zu erhohen, da es einen engen Zusammenhang zwischen dem Anteil radikaler Innovationen und der Innovationsrendite gibt. Dieser Meinung ktinnen wir uns anschlieflen. Top-Unternehmen haben andere Beweggriinde fiir ihre Innovationsprozesse. 90 % der Fuhrungskrafte von Unternehmen, die Branchenstandards setzen, nennen die eigene Vision und ihre Kernkompetenzen als die zentralen Treiber. Prahalad und Hame1 haben vor mehr als einem Jahrzehnt in einem Aufsatz in der Harvard Business Review geschrieben: ,,Nur Kernkompetenzen sichern das ~berleben."(Prahalad and Hamel, 1990). Unsere Ergebnisse bestatigen, dass Top-Unternehmen ihre Kernkompetenzen systematisch dam einsetzen, um erfolgreiche Innovationsprozesse zu Iancieren. Befiagt nach weiteren Ausgangspunkten fiir Innovationen nennen uber zwei Drittel der befiagten Top-Entscheider die Probleme und Anregungen der Kunden. Auch das ist nicht uberraschend, da bahnbrechende Neuerungen in der Regel Probleme der Kunden Itisen, die ihnen selbst oft nicht bewusst sind oder die sie kaum artikulieren konnen (Hinterhuber et al., 2003) bnv. fiir die sie noch keine adaquate Losung gefunden haben. Top-Unternehmen gelingt es hier entscheidend besser, diese Kundenprobleme zu verstehen und in der Folge innovative Losungen auf allen Bereichen (vom Produkt bis m m Angebot, Nachbetreuung, etc.) anzubieten. Das erhoht die Wertwahrnehmung durch die Kundenlden Markt und l b s t gleichzeitig Erfolgsfaktoren entstehen, die vom Wettbewerb nur schwer oder zeitlich verzogert nachzuahmen sind.
Ausgangspunkte von Innovationen
Die eigene Vision und Kernkompetenzen
Probleme und Anregungen der Kunden
Ein systematischer Innovationsprozess
Top-Unternehrnen
1111 ljbrige Unternehmen Abbildung 4: Ausgangspunkte von Innovationen Zudem fiillt auf, dass jedes zweite Top-Unternehmen systematische InnovationsProzesse installiert hat, wiihrend dies bei weniger als einem Drittel der Ubrigen Unternehmen der Fall ist. @
Top-Unternehmen denken bereits bei der Entwicklung vallig neuer Produktel Leistungen Uber die effiziente Gestaltung der dahinter liegenden Prozesse nach und sichern sich somit neben der Innovationsfihrerschaft auch die Kostenfiihrerschaft. Wettbewerbsvorteile, die durch erfolgreiche Innovationen erlangt werden, kannen so verteidigt und ausgebaut werden.
9. Top-Unternehmen und Kostensenkung Kostenoptimierung ist fiir Top-Unternehmen im Gegensatz zu den Ubrigen Unternehmen unserer Studie nicht die wichtigste strategische Herausforderung. Sie rangiert bei ihnen nach der Nutzung der Mitarbeiterpotenziale, der Innovationstiitigkeit und der Verbesserung der Kundenorientierung erst an vierter Stelle. Dennoch nehmen sich TopUnternehmen dem Thema Prozess- und Kostenoptimierung auf eine wesentlich andere Art und Weise an. Bestehende Produkte und Abliiufe werden stmdig hintereagt und gegebenenfalls vallig verudert. Hier zeigt sich, dass das Hinterfragen von Bestehendem und die kreative Entwicklung von neuem auch im Bereich der Kostenoptimierung fiir die Sicherstellung einer nachhaltigen Erfolgsposition sorgen. Zudem sind in Top-Unternehmen die Bemahungen zur Kostenoptimierung deutlich erfolgreicher als bei den Ubrigen Unternehmen unserer Studie. Mehr als zwei Drittel der
Top-Unternehmen haben in den letzten drei Jahren durch die eingeleiteten Kostensenkungsprogramme ihre Wettbewerbsposition nachhaltig verbessern konnen. Im Vergleich dam gelang es nur knapp 40 % der ubrigen Unternehmen unserer Studie, trotz intensiver Bemuhungen zur Kostensenkung, die eigene Wettbewerbsposition nachhaltig zu verbessern. Unserer Ansicht nach gibt es mehrere Erklmngen dafiir. Auf zwei davon wollen wir kurz eingehen: B Bei Top-Unternehmen kommt es zu einem selbstverstlkenden Effekt zwischen
H
radikalen Innovationen und der Wirkung von Kostensenkungsprogrammen. Sie fahren einen differenzierten Ansatz und sichern sich oft die Innovations- und Kostenfiihrerschaft. Sie niitzen beide Themen synergetisch. Das Ergebnis sind Rentabilitatskennzahlen, die deutlich uber dem jeweiligen Branchendurchschnitt liegen. Top-Unternehmen gelingt es in einem vie1 starkeren AusmaB die Potenziale ihrer Mitarbeiterffartner und deren implizites Wissen zu nutzen, um erfolgreiche Veranderungen der Prozess- und Kostenstrukturen herbeizuftihren. Durch diese starkere Fokussierung und Forderung der Potenziale der Mitarbeiter haben Top-Unternehmen grundsatzlich auch ein hoheres MaB an Engagement in ihren Unternehrnen. Und dies wiederum ist entscheidend fiir die erfolgreiche Umsetzung der Kostensenkungsprogramme.
Ein Beispiel aus der Automobilbranche zeigt, was es heat, implizites Wissen fiir Prozess- und Kostenoptimierungen zu nutzen.
10. Top-Unternehmen haben engagiertere Mitarbeiter Wie bereits envahnt verdanken Top-Unternehmen ihre starke Wettbewerbsposition auch dem Umstand, dass es ihnen gelingt, die Potenziale ihrer Mitarbeiter iiberdurchschnittlich zu nutzen. In der Nutzung dieser Potenziale sehen sie auch ihre groRte strategische Herausforderung. Konkret schaffen sie es besser als andere, die Bereitschafi (das Wollen) der Mitarbeiter zu wecken, die entsprechenden Fahigkeiten der Mitarbeiter zu ent-
decken und zu fordern sowie die Moglichkeiten zu schaffen, damit sich der einzelne Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensziele engagieren kann. Mitarbeiter aus TopUnternehmen weisen demnach auch ein hoheres MaR an Engagement auf als die Mitarbeiter aus den ubrigen Unternehmen unserer Studie. Dam kommt, dass die Fiihrungskrafte in Top-Unternehmen durchwegs uber ein entsprechend hohes Ma13 an Fiihrungsqualitht verfiigen und in der Lage sind ein Klima entstehen zu lassen, indem sich Engagement entfalten kann. In solchen Unternehmen konnen sich Mitarbeiter auch starker mit ,,ihremU Unternehmen, den Produktenl Dienstleistungen sowie ,,ihremg Job identifizieren. Unsere Erfahrungen zeigen dartiber hinaus, dass Mitarbeiter in Top-Unternehmen auf der Beziehungsebene zu anderen Kollegenlvorgesetzten das Gefihl haben integriert zu sein. Dadurch wird die Identitat und Verbundenheit mit dem Unternehmen erhbht, was wesentlich zur Steigerung des Engagements beitragt. Welche Faktoren zeichnen nun Top-Unternehmen in Bezug auf Mitarbeiterengagement besonders aus? Die Studie und unsere langjahrige Beratungserfahrung zeigen: Mitarbeiter in Top-Unternehmen kennen, verstehen und identifizieren sich mit dem groRen Ziel des Unternehmens, seinem Zweck, seinen Werten. B Mitarbeiter in Top-Unternehmen kennen die strategischen Herausforderungen, vor denen das Unternehmen steht, sowie die entscheidenden Erfolgsfaktoren, auf die sich das Unternehmen konzentrieren sollte. Mitarbeiter in Top-Unternehmen kennen, verstehen und comitten die Ziele des Unternehmens, ihrer Abteilung bzw. ihre persijnlichen Ziele. Insgesamt findet sich der Mitarbeiter in einer Situation wider, in der er seine eigenen Ziele und seine eigene Personlichkeit im Kontext seines Tuns im Unternehmen weiterzuentwickeln vermag. n Mitarbeiter in Top-Unternehmen werden von Fachleuten gefiihrt, die uber ein entsprechendes Wissen verfiigen, das sie in der taglichen Fiihrungsarbeit konsequent anwenden. Damit wird verhindert, dass Mitarbeiter das Gefiihl haben, ihr direkter Vorgesetzter ware in seiner Fuhrungsarbeit uberfordert. M Mitarbeitern in Top-Unternehmen wird die Moglichkeit geboten, ihre Ideen, Verbesserungsvorschlage und Anliegen systematisch einzubringen. Zudem erhalten sie von ihren Fuhrungskraften jenes Feedback, das sie brauchen, um die Qualitat ihrer Arbeit einzuschatzen. B Mitarbeiter in Top-Unternehmen wird eine permanente Weiterentwicklung ermoglicht, damit sie sich den laufend verandernden Anforderungen erfolgreich stellen konnen. B
In letzter Konsequenz kann sich aber jeder nur dann inhaltlich und emotional mit einer Sache, mit einer Idee, mit einem Unternehmen identifizieren und weiterentwickeln, wenn er zwischen der Sache, der Idee, dem Unternehmen und seinem eigenen Tun einen Sinn erkennt (Frankl, 1997). Einen Beitrag zu etwas Sinnvollem leisten zu konnen, lost
namlich laut Frank1 jene Primarmotivation beim Menschen aus, die ungeahnte Krafte freizusetzen im Stande ist. Wenn es dementsprechend nicht gelingt, moglichst viele Mitarbeiter f i r etwas Groljes und Sinnhaftes - etwas Visionbes - zu begeistern, d a m wird es nur schwer moglich sein, den ,,Funken" f i r Innovationen, Veranderungen und Einzigartigkeit zu ziinden. Sonstige Motivationstechniken und -tricks scheinen vor einer sinnzentrierten Betrachtung obsolet zu werden.
1 1. Top-Unternehmen verstehen und bearbeiten ihre Kundenlihren Markt besser Gerade in hart umkampften und gesattigten Markten wird es f i r Unternehmen zunehmend schwerer, sich erfolgreich zu behaupten. Nicht selten begniigen sich Unternehmen zu lange damit, die Friichte vergangener Arbeit zu ernten. Gerade in solchen Phasen ist es fur Unternehmen aber besonders wichtig, den richtigen Zeitpunkt f i r einen neuen Aufschwung zu finden. Top-Unternehmen gelingt es in regelmaljigen Abstanden neue Phasen einzuleiten, die ihnen Wettbewerbsvorteile garantieren und somit neue Impulse und beschleunigende Momente f i r die Weiterentwicklung der Unternehmung geben. Sie richten ihr Unternehmen so am Markt bzw. den Kunden aus, dass sie konstant Werte f i r ihre Kunden und andere Stakeholder schaffen. Sie tun dies, indem sie diese begeistern und besser, schneller oder anders zufrieden stellen, als dies die Konkurrenz imstande ist. Damit machen sie Kunden zu Botschaftern des Unternehmens. Wir konnen feststellen, dass sich Top-Unternehmen insbesondere in folgenden Punkten von anderen Unternehmen unterscheiden: B
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Sie kennen und verstehen ihr Marktsystem, antizipieren Marktentwicklungen und versuchen im Abgleich mit ihren Kernkompetenzen jene Potenziale zu identifizieren, die ihnen neue Wettbewerbsvorteile erm8glichen. Sie entwickeln ausgehend von ihrem leitenden Gedanken, den Marktgegebenheiten und -anforderungen, sowie ihren eigenen Kompetenzen entsprechende strategische Handlungsoptionen und Positionierungen. Dabei wissen sie um den Wettbewerb bestens Bescheid und kennen die Erfolgsfaktoren, auf die es im jeweiligen Markt ankommt. Sie bringen einen Prozess ins Laufen, der Kundenorientierung in Kultur, Werthaltung und Prozessen des Unternehmens verankert. Sie fordern das Unternehmen und die Mitarbeiter laufend dazu heraus, Kenntnisse, Fahigkeiten, technologische Ermngenschaften, aber auch Denkhaltungen und Wertvorstellungen in Frage zu stellen und vermeintliche Erfolgskonzepte laufend zu iiberpriifen bzw. wenn notwendig auch zu verandern.
Sie kennen die Erwartungshaltungen ihrer Kunden und die dahinterliegenden Kundenprobleme. Top-Unternehrnen stiften Nutzen und Mehrwert, indem sie sich standig die Frage stellen, welche Eigenschaften ihre Kunden voraussetzen, uber welche Eigenschaften sie ihre Kunden besser als der Wettbewerb zufrieden stellen kdnnen und welche Eigenschaften dazu beitragen konnen, Kunden zu begeistern und langfristig ans Unternehmen zu binden (Bailom et al). B Auf Basis dieses Verstandnisses der Kundenerwartungen entwickeln sie entsprechende zielgruppenspezifische Leistungsbiindel und Marketingstrategien. @ Zudem verfigen sie uber ein laufendes Monitoring und Riskmanagement, das es ihnen ermoglicht, rasch auf Abweichungen und Veranderungen zu reagieren. @
Zusammen mit dem Engagement der Mitarbeiter kann somit ein Geschaftsmodell entwickelt werden, das zukunfts- und wachstumsftihig ist und das optimale Wertschopfung und Nutzen fir alle Stakeholder, insbesondere f i r die Kunden, ermoglicht.
Folgt man den Erkenntnissen Schumpeters, so setzt Wertentstehung im Kern ,,kreative Zerstorung" voraus. Diese Einsicht ist nicht ganz neu. Wohl aber das wachsende Bewusstsein, dass in vielen Branchen und Unternehmen Systemveranderungen wichtiger sind als blol3e Systemverbesserungen. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen eindeutig: Der Erhaltung von Bestehendem wird ein wesentlich hoherer Stellenwert beigemessen als der kreativen Schaffung von neuem. Die meisten Unternehmen streben nach kontinuierlicher Verbesserung und Optimierung und konzentrieren sich nach wie vor sehr stark auf Prozess- und Kostenoptimierung. Effizienzsteigerung wird zur obersten Maxime. Mit dieser Fokussierung mussen die Unternehmen im Regelfall aber Preissenkungen in Kauf nehmen, obwohl sie die Qualitat ihrer Leistung kontinuierlich steigern. Zudem handelt es sich dabei meist um rein defensive Mafinahmen. Es zeigen auch zahlreiche empirische Studien, dass zwischen Downsizing, Outsourcing usw, und nachhaltigem Unternehmenserfolg kaum ein Zusammenhang besteht (Kieser, 2002). Die Geschichte kennt wenige Beispiele fir Unternehmen, die durch Gesundschrumpfen grofi geworden sind. Um nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufzubauen, sind aber visionares Denken, Mut zu Radikalinnovationen, sowie eine systematische kunden- und marktorientierte Ausrichtung des Unternehmens erforderlich. Dam mussen die Potenziale der Mitarbeiter optimal genutzt werden und ein Klima geschaffen werden, indem sich Mitarbeiter engagiert und begeistert im Sinne der Unternehmensziele und ihrer personlichen Ziele weiterentwickeln konnen. Dass dies moglich ist und sich Unternehmen dadurch erfolgreich vom Wettbewerb differenzieren konnen, zeigen die Ergebnisse der von uns identifizierten
Top-Unternehmen. Knapp 13 % der von uns untersuchten Unternehmen ist es gelungen, hohere Absatzpreise zu erzielen, ihre Profitabilitat zu steigern und eine fiihrende Position mit Alleinstellungsmerkmalen in ihrer Branche aufzubauen. Unternehmen, denen es nicht gelingt die zentralen Erfolgsfaktoren zu beherrschen, werden letztendlich groBte Schwierigkeiten haben, sich im intensiven Customer-ValueWettbewerb zu behaupten. Kosten- und Prozessoptimierungen konnen dabei helfen, die Marktposition kurzfristig zu verteidigen. Keinesfalls aber werden sie dam beitragen einzigartige und nachhaltig erfolgreiche Unternehmen aufzubauen.
Literatur: Bailom, F., Tschemernjak, D., Matzler, K., Hinterhuber, H. Durch strikte Kundennahe die Abnehmer begeistern, in: Harvard Business Manager (1998), 47-56. D'Aveni, R.A. (1995) Hypenvettbewerb. Strategien fir die neue Dynamik der Markte, Campus Verlag, Frankfixt am Main. Frankl, V.E. (1997) Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, Piper, Miinchen. Hamel, G. and Getz, G. (2004) Harvard Business Manager, 10-24. Hinterhuber, H., Handlbauer, G., Matzler, K. (2003) Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen, 2. Aufl., Gabler Verlag, Wiesbaden. Kieser, A. (2002): Downsizing - eine verniinftige Strategie?, in: Harvard Business Manager, 2, 30-39. Prahalad, C. K., Hamel, G. (1990): The core competence of the corporation, in: Harvard Business Review, 3, 79-91. Rigby, D.R., Reichheld F.F., Schefter P. (2002) Customer Relationship Management. Wie Sie die vier grBBten Fehler vermeiden, Harvard Business Manager, Nr. 4, S. 5563.
Dr. Franz Bailom, Mag. Markus Anschober, DI (FH) Alexander Kausl Innovative Management Partner [IMP] GmbH Rennweg 23 A-6020 Innsbruck www.imu.at
Univ.-ProJ Dr. Kurt Matzler Institut fur Internationales Management Johannes Kepler Universitat Linz Altenberger Str. 69 A-4040 Linz www.imamt.iku. at
Bernd Stauss/Frank DornachIChristian Coenen
Zufriedenheitsmanagement Realisierung
- Konzept
1. Problemstellung
2. Der Regelkreis Zufriedenheitsmanagement 3. Die Studie ,,Zufiiedenheitsmanagement in Deutschland 3.1 Forschungsdesign 3.2 Ergebnisse zum Regelkreis des Zufriedenheitsmanagements 3.3 Ergebnisse zum Zufriedenheitsmanagement-Index 4. Diskussion
und
1. Problemstellung ~ b e rdie grundsatzliche Bedeutung der Kundenzufriedenheit fir die Erreichung der Bkonomischen Unternehmensziele besteht in unternehmerischer Praxis und Wissenschaft ein weitgehender Konsens. Viele Unternehmen haben seit Jahren aus dieser Einsicht Konsequenzen gezogen und fihren regelmarjig Kundenzufriedenheitsbefragungen durch. Auf wissenschaftlicher Seite spiegelt sich die Erkenntnis in einer anhaltend intensiven BeschBftigung mit verschiedenen Aspekten der Zufriedenheitsthematik wider. Inzwischen bietet die wissenschafiliche Forschung fundierte Einsichten in die theoretische Einordnung des Zufriedenheitskonstrukts, die Vor- und Nachteile verschiedener Messverfahren sowie die Intensitat der Bindungswirkung von Kundenzufriedenheit (Schiitze 1992; Oliver 1997; Krafft 1999; Stauss 1999; Krafft 2002; KrafftIGBtz 2004; Hinterhuber1Matzler 2006; Homburg 2006). Trotz dieser Entwicklung fehlt es bisher aber an empirisch gesichertem Wissen uber die Realitat der unternehmerischen Gewinnung und insbesondere Nutzung von Zufriedenheitsinformationen. Es herrscht Unkenntnis dariiber, welche Bedeutung ein umfassendes Zufiiedenheitsmanagement in Unternehmen hat, also welchen Stellenwert die Kundenzufriedenheit im Zielsystem von Unternehmen tatsachlich einnimmt, in welcher Weise Messungen vorgenomrnen werden und vor allem wie die Ergebnisse aus Zufriedenheitsbefragungen f i r konkrete Managementzwecke genutzt werden. Gerade was den letztgenannten Aspekt betriffi, besteht ein grones Wissensdefizit. Zwar werden vereinzelt Vermutungen ausgesprochen, dass die vielen Managerbekenntnisse zum Ziel der Kundenzufriedenheit und der breite Umfang an Zufriedenheitsbefragungen in einem gewissen Missverhaltnis zur tatsachlichen Informationsnutzung stehen konnten, aber fiir die Berechtigung dieser Vermutung gibt es keine verlasslichen Hinweise. Um dieses Wissensdefizit zu reduzieren, wurde eine branchenubergreifende Studie zum aktuellen Stand des Zufiiedenheitsmanagements in deutschen Unternehmen durchgefiihrt (Stauss/Dornach/Coenen 2006). Zielsetzung der Studie war die Beantwortung der Fragen, welche strategische Bedeutung die Kundenzufriedenheit in deutschen Unternehmen besitzt, auf welche Weise Daten zur Kundenzufriedenheit ermittelt und ausgewertet werden und in welchem Mane die Ergebnisse unternehmensintern zur Qualitatssicherung und zur Steuerung des Verhaltens von Managern, Mitarbeitern, organisatorischen Einheiten und Partnern in der Wertschopfungskette Verwendung finden. Im Folgenden ist als Grundlage zunachst das Konzept des Zufriedenheitsmanagements zu entwickeln (Kapitel2). Anschlierjend werden ausgewahlte Erkenntnisse aus der empirischen Studie zum Realisierungsgrad des Zufiiedenheitsmanagements in Deutschland prasentiert (Kapitel 3). Diese bieten die Basis fir eine abschlierjende Diskussion von Managementimplikationen (Kapitel4).
2. Der Regelkreis Zufriedenheitsmanagement Zufkiedenheitsmanagement bezeichnet alle unternehmerischen Maanahmen, die ein Unternehmen ergreift, um Kundenzufiiedenheitsziele zu planen, die Zufiiedenheit der Kunden zu messen und zu analysieren, die Ergebnisse innerbetrieblich zu kommunizieren und die Daten so zu nutzen, dass eine Erreichung der Zufiiedenheitsziele moglich wird. Zudem sind die Daten die Basis f i r die weitere Zielplanung der nachsten Periode, so dass sich ein Regelkreis des Zufiiedenheitsmanagements ergibt, der aus den Prozessphasen Zufiiedenheits-Zielplanung, Zufiiedenheits-Messung, ZufiiedenheitsAuswertung und -Controlling, Zufriedenheits-Reporting, und ZufiiedenheitsInformationsnutzung besteht (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Regelkreis des Zufiiedenheitsmanagements
Im Folgenden werden die einzelnen Prozessphasen kurz charakterisiert. Grundlage eines systematischen Zufiiedenheitsmanagements ist die ZufriedenheitsZielplanung. Generell kann mit einem Zufiiedenheitsmanagement eine Reihe unter-
schiedlicher, wenn auch miteinander verknupfter Ziele verfolgt werden. Zum einen geht es um die ~berprtifung,inwieweit es dem Unternehmen gelingt, mit den eigenen Produkten und Dienstleistungen die Erwartungen der Kunden zu erfillen bzw. diese Erwartungen zu ubertreffen, so dass beim Kunden die positive Emotion der Zufriedenheit ausgelost und seine Bereitschaft gefordert wird, auch in Zukunft an der Marke oder an der Geschaftsbeziehung festzuhalten. Damit verbunden ist zum anderen die Zielsetzung, Unzufriedenheitspotenziale, vom Kunden wahrgenommene Qualitatsdefizite und Abweichungen von Qualitatsstandards zu identifizieren, um korrigierende MaBnahmen ergreifen zu konnen. Diese und gegebenenfalls weitere Zielsetzungen sind zu beschreiben, zu gewichten und - wenn moglich - so zu operationalisieren, dass Zielerreichungen und -abweichungen ermittelt werden konnen. In der Phase der Zufriedenheits-Messung sind samtliche mit der Vorbereitung und Durchfiihrung von Zufriedenheitsbefragungen anfallenden Probleme zu ldsen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Entscheidungen uber die zu erhebenden Inhalte, die einzusetzenden Methoden und den befi-agten Kundenkreis zu fallen. Dartiber hinaus ist festzulegen, ob die Erhebung selbst oder mit Hilfe eines externen Dienstleisters durchgefihrt werden soll, und im letztgenannten Fall ist die Selektion des Marktforschungspartners vormnehmen. Im Rahmen von Zufriedenheits-Auswertung und -Controlling sind zwei Aufgaben zu erfiillen. Zum ersten sind eine statistische Auswertung der quantitativen Ergebnisse und eine Aufbereitung von KundenauBerungen aus qualitativen Erhebungen sowie eine Interpretation der Daten durchzufihren. Dariiber hinaus sind die gewonnenen Daten mit VergleichsgroBen in Beziehung zu setzen, um beispielsweise Veranderungen im Zeitablauf bzw. Unterschiede zwischen verschiedenen unternehmerischen Einheiten oder Relationen zum Wettbewerber erkennen zu kbnnen. Zum zweiten muss eine Kontrolle der Zielerreichung erfolgen. Wenn Zufriedenheitswerte als ZielgrBBen in der Kundenkarte einer Balanced Scorecard festgelegt sind, in Zielvereinbarungen mit Managern und Mitarbeitern vorgegeben werden oder Teil von Service Level Agreements sind, dann ist es Aufgabe des Zufriedenheits-Controlling, den Zielerreichungsgrad zu iiberprtifen und eine Abweichungsanalyse vorzunehmen. Das Zufriedenheits-Reporting betrifft die aktive Berichterstattung uber bzw. die Bereitstellung von Informationen uber zufriedenheitsrelevante Sachverhalte an interne Zielgruppen. Die aktive Berichterstattung bezieht sich auf die Prasentation von Ergebnissen der regelmaoigen Zufriedenheitsbefragungen. Hier ist eine Reihe wesentlicher Entscheidungen zu fallen. Zum einen ist die Frage zu klaren, welche internen Zielpersonen bzw. Abteilungen die Zufiiedenheitsinformationen erhalten sollen, damit die Ziele des Zufriedenheitsmanagements erreicht werden konnen. Dartiber hinaus ist zielgruppenspezifisch zu entscheiden, welches Segment mit welchen Informationen uber welche Medien und in welchen Zeitraumen einen Report erhalten soll. Zusatzlich gehijrt es zu diesem Aufgabenbereich, Kundenzufriedenheitsinformationen auf Wunsch interner Kunden auch individualisiert fir den eigenen Bereich bereitzustellen. Dies kann zum
einen dadurch geschehen, dass autorisierten internen Kunden ein Zugang zu den vorhandenen Zufriedenheitsdaten gewahrt und ihnen mit Hilfe von Auswertungstools die Moglichkeit gegeben wird, eigene Analysen durchzufuhren. Zum anderen konnen Sondererhebungen und -auswertungen aufgrund der individuellen Anforderungen interner Kunden vorgenommen und die Datenprasentation mit Beratungsleistungen gekoppelt werden. Die Prozessphase der Zufriedenheits-Informationsnutzung lasst sich grob in drei wesentliche Bereiche aufteilen: Zufriedenheitsdaten konnen im Bereich des Marketing zur Feinabstimmung des eingesetzten Marketing-Instrumentariums, im Qualitatsmanagement zur Verbesserung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen und dariiber hinaus zur Steuerung des Verhaltens von internen Mitgliedern des Unternehmens oder externen Partnern in der Wertschopfungskette genutzt werden. Ein erster Bereich der Zufriedenheits-Informationsnutzung umfasst die Venvendung der Ergebnisse im Marketing zur systematischen Steuerung der Erwartungshaltung der Kunden. Dieser Aspekt schlieRt die Feinjustierung von Marketinginstrumenten, z.B. anhand von Service-Garantien, den sinnvollen Einsatz von relevanter Marktkommunikation sowie ein zufriedenheitssegmentspezifisches Kundenbeziehungsmanagement mit ein. Kundenzufriedenheitsinformationen sind zudem Basis fiir das Qualitatsmanagement. Mit der Ermittlung von Kundenzufriedenheit kann die ~bereinstimmungbzw. Abweichung des erlebten Qualitatseindrucks des Kunden von dessen Erwartungen global und fir einzelne Leistungsmerkmale festgestellt werden. Insofern liegt mit der Zufriedenheitsbeffagung ein wichtiges Instrument zur Messung der vom Kunden wahrgenommenen Qualitat vor. Dies ist der Grund dafiir, dass der Kundenzufriedenheit und ihrer Messung in den relevanten Konzepten zum Qualitatsmanagement - wie der EN I S 0 9001:2000 (DIN 2000; Vavra 2002) oder dem EFQM Business Excellence Model1 (EFQM 2006) - so groRes Gewicht eingeraumt wird.
Fur die sinnvolle Nutzung von Daten aus Kundenzufriedenheitswerten im Qualitatsmanagement sind einige Voraussetzungen zu erfiillen (Stauss 1999, S. 18). So erscheint es notwendig, dass die Zufriedenheits-Messung regelmanig und in vergleichsweise knappen Zeitraumen stattfindet, um eine schnelle Reaktion zu ermoglichen. Auch miissen die Erkenntnisse konkrete Riickschlusse auf Ursachen und Verbesserungspotenziale ermoglichen. Dies setzt vielfach neben den herkommlichen merkmalsorientierten Verfahren auch den komplementaren Einsatz weiterer Methoden oder zustitzliche, ad hoc durchgefiihrte Feedback-Dialoge mit Kunden voraus (Stauss/Hentschel 1992; Siefke 1998). Selbstverstandlich muss das Qualitgtsmanagement zu den regelmaoigen Adressaten des Zufriedenheits-Reporting gehbren, und es bedarf dort institutioneller Vorkehrungen, um die regelmanige Nutzung der Ergebnisse zur planrntil3igen Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen sicherzustellen. Eine noch weitergehende Nutzung ist dann gegeben, wenn die Zufriedenheitsinformationen auch als Quelle fiir die Entwicklung neuer Qualitaten, d.h, fir zufriedenheitsorientierte Innovationen Verwendung finden.
Ein zweiter wesentlicher Handlungsbereich der Zufriedenheits-Informationsnutzung ist die Verhaltenssteuerung, d.h. die Beeinflussung des Verhaltens all derer, die ihrerseits wesentlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben. Hier ist in erster Linie an Fuhrungskrafte, Mitarbeiter im Kundenkontakt sowie Partner in der WertschBpfungskette zu denken. Wird Kundenzufriedenheit als Unternehmensziel ernst genommen, dann muss es auch integraler Bestandteil des betrieblichen Anreizsystems sein. Ein konsequenter Ansatz besteht daher darin, Kundenzufriedenheitsziele in die Zielvereinbarungen von Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchiestufen aufzunehmen und die Entlohnung zumindest partiell an die Erreichung dieser Ziele zu binden. Dies gilt in erster Linie fir Topmanager, da sie es sind, die die strategische Einbindung des Zufriedenheitsziels vornehmen und fir dessen Erreichung Verantwortung tragen. Sie haben eine entsprechende Ressourcenallokation vorzunehmen und durch unternehmenskulturelle und instrumentelle Maljnahmen dafir Sorge zu tragen, dass sich im Unternehrnen ein auf Kundenzufriedenheit ausgerichtetes Denken und Handeln durchsetzt. Dariiber hinaus sind diejenigen Fuhrungskrafte iiber Zufriedenheits-Zielwerte zu steuern, die fir bestimmte Bereiche, insbesondere dezentrale Einheiten (z.B. Filialen) eigenstandig verantwortlich sind. Auf Mitarbeiterebene ist die Aufhahme von Zufriedenheitszielen in Zielvereinbarungen vor allem dort sinnvoll, wo die Mitarbeiter mit ihrem Verhalten unmittelbar und wesentlich die Kundenzufriedenheit determinieren. Das sind insbesondere Mitarbeiter im Kundenkontakt, etwa im Dienstleistungsbereich oder Auljendienstmitarbeiter in Sachgiiterbranchen. Die Zufriedenheit von Kunden hangt aber nicht nur von der Qualitat der Produkte und Dienstleistungen und den Verhaltensweisen der eigenen Mitarbeiter ab, sondern auch vom Verhalten weiterer in die WertschBpfungskette eingeschalteter Institutionen und Personen. So kann beispielsweise die Produktzufriedenheit wesentlich durch die Zufriedenheit des Kunden mit den Leistungen des Handels beeinflusst werden (Burmann 1991, S. 253). Deshalb liegt es nahe, Kundenzufriedenheit auch f i r die Gestaltung im vertikalen Marketing als SteuerungsgrBlje einzusetzen. Hier geht es vor allem um die Verhaltensbeeinflussung unabhangiger Makler, Handler (Korte 1995), Franchisenehmer (Seidel 1997) oder externer Outsourcing-Dienstleistungs-Partner. Nach dieser konzeptionellen Vorstellung der Phasen des Regelkreises des Zufriedenheitsmanagements werden im Folgenden die Erkenntnisse zum Realisierungsgrad dieses Konzeptes in der unternehmerischen Praxis prasentiert.
3. Die Studie ,,Zufriedenheitsmanagement in Deutschland" 3.1 Forschungsdesign Um erstmalig Erkenntnisse uber den Stand des Zufriedenheitsmanagements in deutschen Unternehmen zu gewinnen, wurde eine branchenubergreifende empirische Studie durchgefiihrt. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Bereich Business-to-Consumer, der das Hauptanwendungsfeld f i r standardisierte Kundenbefragungen darstellt. Gegenstand der Befragung war der gesamte Regelkreis des Zufriedenheitsmanagements. Untersucht wurden die Ziele des Zufriedenheitsmanagements die eingesetzten Methoden zur Zufriedenheitsmessung die Formen der Auswertung der erhobenen Daten die innerbetriebliche Berichterstattung uber die Ergebnisse die Nutzung der Daten zur Qualit2tssicherung und zur Beeinflussung des Verhaltens von Managern, Mitarbeitern, organisatorischen Einheiten sowie weitere Aspekte (z.B. Anwendung im internationalen Management, organisatorische Verankerung oder Implementierungsfragen). Adressaten der Befragung waren Marketingleiter und Verantwortliche des Kundenzufriedenheitsmanagements in deutschen GroDunternehmen mit in der Regel mehr als 1000 Mitarbeitern und Jahresumsatzen von uber 500 Mio. Euro. Etwa die Halfte der Unternehrnen verfigt uber einen Kundenstamm von mehr als 100 000 Kunden. Von 2.203 verwendeten Fragebogen wurden 2 11 verwertbare Antworten zuriickgeschickt, was einer akzeptablen Rucklaufquote von 9,58 % entspricht.
3.2 Ergebnisse zum Regelkreis des Zufriedenheitsmanagements Die Ergebnisse der Studie werden strukturiert nach den einzelnen Phasen des Regelkreises des Kundenzufriedenheitsmanagements prasentiert, wobei eine eindeutige Schwerpunktsetzung auf den umsetzungsorientierten Phasen des Zufriedenheits-Reporting und der Zufriedenheits-Informationsnutzung liegt. Da es hier darum geht, gerade die uber die bloDe Erfassung hinausgehenden Aktivitaten zu betrachten, werden die Phasen Zufriedenheits-Messung sowie Zufriedenheits-Auswertung und -Controlling nur knapp gestreift.
Beziiglich der Zufriedenheits-Zielplanung zeigt sich in der Praxis die vermutete Relevanz von Zielen, die sich auf die Ermittlung der Kundeneinschatzung und die Identifikation von wahrgenommenen Schwachen beziehen. Im Vordergrund steht die Ermittlung der Zufriedenheit der Kunden mit den Leistungen des Unternehmens (Durchschnittswert 3,52 auf einer Bedeutungsskala mit 4 = ,,sehr groR"), die Analyse der Kundenanforderungen und -erwartungen (3,43) und die Ermittlung der Bedeutung einzelner Leistungsmerkmale f i r die Kunden (3,31). An vierter Stelle wird die Ermittlung von internen Schwachstellen und Aufzeigen von Verbesserungspotenzialen genannt (3,30). Dieser qualitatsrelevanten Thematik wird von 42 % der Befragten eine sehr groRe Bedeutung beigemessen. Allerdings halten nur 30 % ein friihzeitiges Erkennen von Gefahrdungsund Abwanderungspotenzialen bei Kunden fir sehr bedeutsam und nur 27 % die Verwendung von Kundenzufkiedenheitswerten fur die Uberwachung von Qualitatsstandards oder Service Level Agreements (siehe Abbildung 2).
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Abbildung 2: Ziele des Zufriedenheitsmanagements Im Bereich der Zufriedenheits-Messung werden in inhaltlicher Hinsicht von den meisten Unternehmen die Globalzufkiedenheit (86 %) und einzelne Leistungsmerkrnale (87 %) erhoben, wobei durchschnittlich weniger als 15 Merkmale beriicksichtigt werden. Methodisch dominiert der Einsatz der traditionellen Erhebungsmethoden. So gaben 72 %
der befiagten Unternehmen an, telefonische Interviews durchzufiihren. Es folgen das personliche (54 %) und das schriftliche (51 %) Interview. Demgegeniiber spielen die elektronischen Varianten noch eine nachgeordnete Rolle (Web-Formular 16 %, E-Mail 15 %). Im Rahmen von Zufriedenheits-Auswertung und -Controlling liegt der Schwerpunkt in der Durchfiihrung relativ einfacher deskriptiver Analysen. Eine Mehrheit von 57 % fiihrt einen Abgleich der erhobenen Werte mit internen Kennzahlen durch; einen Vergleich mit externen Quellen nehmen 43 % der befiagten Unternehmen vor. Die Ergebnisse zum Zufriedenheits-Reporting belegen die Relevanz der Kundenzufriedenheitsperspektive aus Unternehmenssicht, denn in 90 % der Falle gehort die Geschaftsleitung zu den Adressaten der Reports. In einer Mehrheit der Unternehmen werden auch die marktnahen Funktionen Vertrieb (78 %) und Marketing (60 %) durch gezielte Berichte informiert. Fiir andere Abteilungen gilt dies in weitaus geringerem MaDe. Das Qualitatsmanagement wird nur in weniger als der Halfte (45 %), die Produktentwicklung in weniger als einem Drittel (32 %) der beteiligten Unternehmen informiert. Der Customer-Care-Bereich, zu dessen Aufgaben wesentlich gehort, Kundenanliegen zu losen und fiir Zufiiedenheit zu sorgen, erhalt in weniger als einem Viertel der Unternehmen (24 %) Informationen iiber die Kundenzufriedenheit (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Zielgmppen des Zufiiedenheits-Reporting
Hinsichtlich der Berichtfrequenz dominiert der Jahresrhythmus. So berichten 40 % der Unternehmen einrnal im Jahr, 10 % alle sechs Monate. Nur eine kleine Minderheit von 8 % berichtet monatlich uber die Zufriedenheit ihrer Kunden. Die aktive Berichterstattung erfolgt ganz uberwiegend in Form von Prasentationen (80 %) bzw, in Papierform (78 %). Elektronische Medien spielen nur bei einer Minderheit eine Rolle: Weniger als die Halfte (43 %) versenden Reports per E-Mail, 29 % stellen die Ergebnisse in das Intranet ein. Was die Bereitstellung von Informationen f i r interne Zielgruppen betrifft, so bieten etwa drei Viertel der Unternehmen (76 %) die Moglichkeit von individuellen Sonderauswertungen an. Doch die GewSihrleistung einer Zugriffsmoglichkeit fiir andere Fachbereiche auf die Datenbank bzw. Auswertungstools ist nur von einer Minderheit realisiert (40 %). Beziiglich der Zufriedenheits-Informationsnutzung sei hier nur auf die wenig bekannte Verwendung von Zufriedenheitsdaten im Qualitatsmanagement und zur Verhaltenssteuerung eingegangen. Die Umsetzung von Zufriedenheitswerten f i r das Qualitatsmanagement wird von den Befragten nicht als besonders hoch eingeschatzt. Auf die entsprechende Frage wird auf einer Vierer-Skala (mit dem Skalenwert 4 = voll realisiert) im Durchschnitt ein Wert von 2,94 erreicht. Angesichts der dargestellten Ergebnisse zum Reporting kann dies nicht uberraschen. Zum einen erhalt nur in knapp der Halfte aller befragten Unternehmen das Qualitatsmanagement uberhaupt einen Bericht zur Kundenzufriedenheit. Zudem wird mehrheitlich in einem Zeitraum von einem Jahr (oder in noch Iangeren Zeitraumen) berichtet, was die Moglichkeit einer schnellen Qualitiitsanpassung ausschliek. Dementsprechend fallen auch die Werte fir die konkreten Maanahmen zur Nutzung von Zufriedenheitswerten im Qualitatsmanagement aus. Durchschnittlich am starksten realisiert ist noch eine systematische Ursachenanalyse der Kundenunzufriedenheit (2,90), die ~berpriifungvon internen Qualitatsstandards (2,73) und der systematische Abgleich mit weiteren qualitatsrelevanten Informationen (2,57). Noch weniger verbreitet ist es, die Nutzung von Zufriedenheitswerten institutionell im Qualitatsmanagement zu verankern, indem sie permanent in den Verbesserungsaktivitaten entsprechender Teams Beriicksichtigung finden (2,39). In besonders geringem Mal3e werden Zufriedenheitswerte als Quelle fir Innovationen im Unternehmen herangezogen (2,36) (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Zufiiedenheits-Informationsnutmng im Qualitatsmanagement
In Bezug auf den zweiten Bereich der Zufiiedenheits-Informationsnutzung, die Verhaltenssteuerung ist im Durchschnia ebenfalls kein hoher Realisierungsgrad festzustellen. Bei den Fiihrungskraften ist in gerade 20 % der Unternehmen ist die Beriicksichtigung von Zufiiedenheitswerten in Zielvereinbarungen ,,voll realisiert" und nur m 13 % ist Managerentlohnung tatsachlich an die Erreichung von Zufriedenheitszielen gekniipft. Beziiglich der Mitarbeiter im Kundenkontakt zeigt sich ein noch geringerer Umsetmngsgrad. Nur 13 % der Unternehmen integrieren Zufiiedenheitswerte in Zielvereinbarungen, eine Minderheit von 7 % verbindet die Erreichung der Zufiiedenheitsziele mit materiellen Anreizen (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Zufriedenheits-Informationsnutzungzur Verhaltenssteuerung Immerhin 57 % der befragten Unternehmen nutzen Zufriedenheitswerte fir die Steuerung unternehmerischer Einheiten. Demgegeniiber spielt die Verwendung von Kundenzufriedenheitswerten bei der Steuerung von Zulieferern (1 I %) eine untergeordnete Rolle, und sogar nur 7 % der Unternehmen setzen sie im Rahmen ihres handelsgerichteten Marketing ein.
3.3 Ergebnisse zum Zufriedenheitsmanagement-Index Um den Realisierungsgrad des Zufriedenheitsmanagements in einer GroRe auszudriicken und mit ihr Branchenvergleiche vornehmen zu konnen, wurde ein Zufriedenheitsmanagement-Index entwickelt, der wesentlich die Realisierung der dargestellten Prozessschritte beriicksichtigt, dariiber hinaus aber auch noch Aspekte der unternehrnerischen Relevanz und der Implementierung aufnimmt. Zieht man diesen Index heran, so zeigt sich, dass der Realisierungsgrad im Durchschnitt eher als gering zu bezeichnen ist. Von 100 Punkten wird durchschnittlich ein Wert von 37,73 erreicht. Ein Branchenvergleich macht deutlich, dass die Realisierungsgrade keine groRen Unterschiede aufweisen, aber innerhalb der Branchen erhebliche Differenzen bestehen. So erreichte in der Handels-
branche der ,,Championu 92,5 Punkte, der ,,Nachzugler" 12,5. Die entsprechenden Werte fir Finanzdienstleister liegen bei 77,5 und 5,O (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6: Umsetzung des Zufriedenheitsmanagements in verschiedenen Branchen dargestellt mit Hilfe des Zufriedenheitsmanagement-Index
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4. Diskussion Die Ergebnisse zeigen ein interessantes, aber auch ernuchterndes Bild. Einerseits wird das Ziel der Kundenzufriedenheit groljtenteils als wichtiges Ziel angesehen, und in den meisten Unternehmen wird Kundenzufriedenheit regelmaljig gemessen, analysiert und auch von der Unternehmensfihrung zur Kenntnis genommen. Doch von einem planmaljigen und systematischen Zufriedenheitsmanagement kann bei der Mehrheit der untersuchten Unternehmen nicht gesprochen werden. Es bestehen deutliche Defizite im Reporting, in der Nutzung von Zufriedenheitswei-ten im Qualitatsmanagement und bei ihrer Verwendung zur Steuerung von Verhaltensweisen von Fuhrungskraften, Mitarbeitern und Partnern in der WertschBpfbngskette. Wichtige fiir das Zufriedenheitsmanagement
relevante interne Zielgruppen werden nicht oder nur spat informiert. Zufriedenheitswerte werden mehrheitlich nicht systematisch in die Aktivitaten des QualitBtsmanagements eingebunden. Fiir das Verhalten der meisten Fiihrungskrafte und Kundenkontaktmitarbeiter ist die Erreichung von Kundenzufriedenheit personlich wenig bedeutsam, weil ihre individuellen Zielvorgaben und ihr Einkommen nicht davon abhangig sind. Selbst fiir den planvollen Umgang mit den unternehmerischen Partnern in der Wertschopfungskette, die wesentlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit nehmen, spielen Zufriedenheitswerte eine untergeordnete Rolle. Diese Defizite ergeben sich nicht nur dadurch, indem man die Realitat an dem - grundsatzlich zu rechtfertigenden und in Frage zu stellenden - MaRstab des vorgestellten Konzepts des Zufriedenheitsmanagements misst, sondern existieren auch in der Wahrnehmung der Befragten. In der Erhebung wurde auch die jeweilige Einschatzung der Wichtigkeit der einzelnen Aspekte des Zufriedenheitsmanagements abgefragt. Die Durchschnittswerte der Bedeutungsskala fallen zum Teil erheblich hoher als die der Realisierungsskala aus, so dass die Skalendifferenz als Indikator fiir wahrgenommene Umsetzungsdefizite angesehen werden kann. 1.
Auch heute noch wird das Handlungsfeld Kundenzufriedenheit vielfach primar als Messproblem angesehen, wahrend die damit verbundenen Managementherausforderungen nicht im Fokus der Betrachtung stehen.
2.
Verantwortlich fiir die Kundenzufiiedenheit im Unternehmen sind vielfach das Marketing oder das Subsystem Marktforschung, d.h. eine Funktion, die traditionell zwar die Kundenperspektive einnimmt, aber wenig Einfluss auf weitergehende Managemententscheidungen hat.
3. Die routinemafiige Messung erfolgt vielfach in groRen Zeitabstanden und konzentriert sich meistens auf die Globalzufiiedenheit und die wichtigsten Leistungsmerkmale. Aufgrund der zeitlichen Verzogerung, der recht groben Durchschniasbetrachtung und Mangeln im Reporting ist selbst der Einfluss auf das Qualitatsmanagement gering.
4.
Kundenzufiiedenheit wird zwar als wichtiges Unternehmensziel proklamiert, aber nur in begrenztem Umfang tatsachlich als ZielgroRe konkret definiert und in Zielvereinbarungen fir Manager und Mitarbeiter sowie in Vertragen mit externen Partnern in der Wertschopfungskette beriicksichtigt. Damit wird demonstriert, dass dem Ziel der Kundenzufriedenheit faktisch nicht das proklamierte Gewicht eingeraumt wird.
5.
Eine Andemng ist erst zu erwarten, wenn Kundenmanagement in der Unternehmensleitung verankert und Kundenzufriedenheit als strategische GrbRe im Zielsystem verankert und fir konkrete Prozesse heruntergebrochen wird (z.B. mittels einer Balanced Scorecard).
Literatur Burmann, Ch. (1991): Konsumentenzufiiedenheit als Determinante der Marken- und Handlerloyalitat, in: Marketing ZFP, 13. Jg., Nr. 4, S. 249-258. DIN (2000): Qualitatsmanagementsysteme Anforderungen (EN I S 0 9001 :2000) Berlin. EFQM (2006): http:llwww.deutsche-efqm.delinhseitenl247.htm. Hinterhuber, H.H./Matzler, K. (Hrsg.) (2006): Kundenorientierte Unternehmensfiihrung, 5. Aufl., Wiesbaden. Homburg, C. (Hrsg.) (2006): Kundenzufiiedenheit, 6. Aufl., Wiesbaden. Korte, Ch. (1995): Customer Satisfaction Measurement, FrankfurtIMain u.a. Krafft, M. (1999): Der Kunde im Fokus: Kundennahe, Kundenzufiiedenheit, Kundenbindung - und Kundenwert?, 59. Jg., Nr. 4, S. 5 11-530. Krafft, M. (2002): Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg. Krafft, M./Gotz, 0 . (2004): Der Zusarnrnenhang zwischen Kundennahe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie deren Erfolgswirkungen, in: Hippner, H./Wilde, K. D. (Hrsg.): Grundlagen des CRM - Konzepte und Gestaltung, Wiesbaden, S. 264296. Oliver, R.L. (1997): Satisfaction. A behavioral perspective on the consumer, Boston u.a. Schiitze, R. (1992): Kundenzufiiedenheit. After Sales Marketing auf industriellen Mbkten, Wiesbaden. Seidel, M. (1997): Erfolgsfaktoren von Franchise-Nehmern unter besonderer Beriicksichtigung der Kundenzufiiedenheit, Frankfurt/Main u.a. Siefie, A. (1998): Zufiiedenheit mit Dienstleistungen. Ein phasenorientierter Ansatz zur Operationalisierung und Erklarung der Kundenzufiiedenheit im Verkehrsbereich, FrankfurtIMain. Stauss, B. (1999): Kundenzufiiedenheit, in: Marketing ZFP, 21. Jg., Nr. 1, S. 5-24. Stauss, B./Hentschel, B. (1992): Messung von Kundenzufiiedenheit - Merkrnals- oder ereignisorientierte Beurteilung von Dienstleistungsqualitat, in: Marktforschung & Management, 36. Jg., S. 1 15-122. Stauss, B./Dornach, F.lCoenen, C. (2006): Zufiiedenheitsmanagement in Deutschland. Von der Messung zur Unternehmenssteuerung, Miinchen. Vavra, T.G. (2002):Customer satisfaction measurement simplified for I S 0 900 1:2000 certification, Milwaukee, Wis.
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a step-by-step guide
Pro$ Dr. Bernd Stauss Lehrstuhl fur Dienstleistungsmanagement Katholische Universitat Eichstatt-Ingolstadt Auf der Schanz 49 0-85049 Ingolstadt Dr. Frank Dornach Vorstand SewiceBarometer AG Gottfried-Keller-Str. 12 0-81245 Miinchen Dr. Christian Coenen Senior Consultant SewiceBarometer AG Gottfried-Keller-St 12 0-81245 Miinchen
Heinrich Holland
Kundenbindungsmanagement in der Automobilbranche
1. Marktbedingungen fiir die Automobilbranche
2. Griinde und Ziele von Kundenbindungsstrategien 2.1 Der Wertewandel 2.2 Das Fehlen wirklicher USPs 2.3 Die wachsende Informationsiiberlastung 2.4 Abbau von Dissonanzen 2.5 Aufbau und Sicherung von Beziehungen
3. Das Kundenkontaktprogramm (KKP) 4. Kaufentscheidungsprozesse beim Automobilkauf
5. Forderung nach langfristiger Kundenbindung 6 . Ansatzpunkte der Kundenbindung
7. Das Kundenbindungsprogramm der Porsche AG 7.1 Das Unternehmen Porsche 7.2 Organisation und Ablauf des Porsche-Kundenkontaktprogrammes 7.3 Bewertung des Porsche-Kundenkontaktprogrammes
1. Marktbedingungen fur die Automobilbranche Viele Jahrzehnte lang bestand ein Verkaufermarkt f i r Autos in Europa. Seit 1960 wuchs die Zahl der Autobesitzer wesentlich schneller als das Pro-Kopf-Einkommen. Die europaischen Automobilhersteller lebten lange Zeit in einer f i r sie sehr angenehmen Situation. Die Illusion, dass sich dieser Verkaufermarkt auch zukunftig fortsetzen wiirde, wurde jedoch spatestens Ende der achtziger Jahre zerstort. Der von den Herstellern kontrollierte europaische Automobilmarkt hat sich mittlerweile in einen Kaufermarkt gewandelt, in dem das Angebot die Nachfrage iibersteigt, und die Macht vom Nachfragenden, dem Kunden, ausgeht. Die europaischen Automobilhersteller werden sicherlich noch einige Jahre lang eine groRere Produktionskapazitat haben als der Markt aufnehmen kann. Dank der Japaner und anderer neuer Anbieter in Europa wird in allen Segmenten eine immer grBDere Auswahl an Autos angeboten. Auf der Kauferseite entwickelt sich eine klugere, besser informierte und kritische Kundschaft. Nahezu alle Automobilhersteller sind mittlerweile in der Lage, qualitativ hochwertige Produkte zu marktgerechten Preisen herzustellen (HollandIHeeg 1998, S. 39).
2. Griinde und Ziele von Kundenbindungsstrategien 2.1 Der Wertewandel Traditionelle Wertvorstellungen verlieren heute zunehmend an Bedeutung. Bedingt durch einen hoheren Bildungsstand und ein geandertes Informationsverhalten in unserer Gesellschaft sind immer mehr Menschen in der Lage, ihr Verhalten an den eigenen Wertvorstellungen auszurichten (Holland 2004, S. 12). Jeder einzelne will seine individuellen Vorstellungen im Privat- wie auch im Geschaftsleben verwirklichen. Kunden werden somit immer anspruchsvoller; die Unternehmen miissen sich standig anpassen. Kommunikation muss daher den ,,Nervb' der Kunden treffen, um langfristig erfolgreich zu sein. Die zunehmende Zersplitterung und Fragmentierung der Gesellschaft fihrt zu der Notwendigkeit einer immer individuelleren Kundenansprache. Diese Entwicklung zum ,,hybriden" Verbraucher, dessen Kaufverhalten situationsabhangig ganz unterschiedlich verlaufi, macht das ,$chubladen-Denken" Wherer Marktsegmentierungsansatze hinfallig.
m:
Griinde:
Wertewandel
=
Fehlende USPs
=,
lnformationsijberlastung
3
Kundenbindungsstrategien
= =
Aufbau von Beziehungen
a
Sicherung von Beziehungen
Abbau von Dissonanzen
Abbildung 1: Griinde und Ziele von Kundenbindungsstrategien
2.2 Das Fehlen wirklicher USPs Produkte werden immer austauschbarer, da in den meisten Branchen ausgereifte Technologien vorherrschen. Die Produktqualitat wird zur Selbstverstandlichkeit. Es besteht eine ,,technologische Pattsituation", was eine Profilierung uber das reine Produkt sehr schwierig macht. Eine Unique Selling Proposition (USP) kann somit besonders uber eine individuelle Kundenbetreuung geschaffen werden. Wo die Produktqualitaten imrner weniger zum qualifizierenden Merkmal werden, ,,kauft" der Kunde heutzutage einen vertrauenswiirdigen Partner. Die Anspriiche seitens des Kunden an den Lieferanten gehen weit uber die Produkteigenschaften hinaus. Wenn viele Konsumenten der Meinung sind, dass die Qualitat bestimmter Angebote gleich ist und es keine schlechten Produkte mehr gibt, wird die Beziehung zum Anbieter und die Qualitat der Kundenbetreuung m m entscheidenden Erfolgsfaktor.
2.3 Die wachsende Informationsiiberlastung Tagtaglich wird der Mensch mit einer Vielzahl von Informationen uber die unterschiedlichsten Medien konfiontiert. Angesichts der Informationsuberlastung muss die (Werbe-) Botschaft auf das spezifische Interesse des einzelnen ausgerichtet sein, um eine Wirkung zu erzielen. Die Zersplitterung der Medien - eine explodierende Anzahl von Zeitschriften, Femsehund HBrfunkprogrammen - hat eine abnehmende Wirkung der klassischen Kommunikation zur Folge. Die Untemehmen mussen ihre Werbebudgets standig ausweiten, um eine bestimmte angestrebte Reichweite m erreichen. In diesem Zusammenhang kommt den personalisierten und adressierten Werbemitteln im Rahmen des Direktmarketing eine immer grol3er werdende Bedeutung zu (Holland
2004, S. 18). Die Kontakthaufigkeit bzw. -regelmaljigkeit hat dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Geschaftsbeziehung mit dern Konsumenten. So ist es moglich und durchaus sinnvoll, jeden Kunden sechs bis zwblf Ma1 pro Jahr zu kontaktieren. Dies kann geschehen durch den Versand einer Kundenzeitschrift, das Verschicken des neuen Kataloges, die Einladung zu diversen Veranstaltungen sowie durch Weihnachts- bzw. Geburtstagsgriilje. Eine reprasentative Befragung zum Thema ,,Loyalty-Marketing'' zeigte, dass 64 % der Mitglieder von Kundenclubs gern Informationen von dern betreffenden Unternehmen bekommt (Holland 1999, S. 18). Mailings, die im Rahmen von Kundenbindungsprogrammen an Clubmitglieder versandt werden, werden somit nicht als ,,lastige Werbepost" angesehen sondern als willkommene Information akzeptiert.
2.4 Abbau von Dissonanzen Besonders in der unmittelbaren Phase nach einer Kaufentscheidung vor allem bei Kaufen, die mit groljeren Ausgaben verbunden oder sozial sichtbar sind, treten beim Konsumenten beinahe zwangsl2ufig kognitive Ungleichgewichte auf. Diese resultieren aus widerspriichlichen (dissonanten) Beziehungen zwischen relevanten Kognitionen und werden mit dern Begriff der Kognitiven Dissonanz erfasst. Beim Kauf eines Sportwagens beispielsweise entsteht ein Konflikt zwischen dern Wissen um die hohen Kosten der Anschaffung und des Unterhalts und dern Wissen um Leistung, Fahrvergniigen und Prestigegewinn. Je starker nun die so entstandene Dissonanz ist, desto groljer ist der Druck, diese wieder abzubauen, um zu einem neuen inneren Gleichgewicht zu finden. Der dissonante Kaufer wird daher nach Argumenten und Sachverhalten suchen, die seine Entscheidung rechtfertigen, also die positiven Aspekte des gekauften Produktes betonen, wahrend fiir die nicht gewahlten Alternativen negative Aspekte stbker hervorgehoben werden. In diesem Zusammenhang erlangen Kundenbindungsstrategien eine immens hohe Bedeutung. Der Kunde, der sich im obigen Beispiel fiir den Kauf des neuen Sportwagens entschieden hat, wird nun nach Argumenten suchen, die die Richtigkeit seiner Entscheidung unterstiitzen. Tritt ihm nun beispielsweise der Verkaufer mit der gleichen Freundlichkeit gegenuber wie vor der Vertragsunterzeichnung oder erhalt er einige Wochen nach der Fahrzeugauslieferung einen Brief, in dern ihrn der Generaldirektor des Herstellers personlich zu seinem neuen Auto gratuliert, wird dies wesentlich zu seiner Zufiiedenheit beitragen. Hat der Kunde hingegen das Gefihl, dass er wertlos fir seinen Vertragspartner geworden ist, nur weil dieser sein Ziel, sprich die Vertragsunterzeichnung, erreicht hat, wird er mit
hoher Wahrscheinlichkeit den inneren Schluss ziehen, seine Kaufentscheidung sei nicht die richtige gewesen. Dieser Kunde ist zumeist fiir das Autohaus, unter Umstanden sogar f h das Produkt (den Hersteller) verloren.
2.5 Aufbau und Sicherung von Beziehungen Aufgrund der Marktbedingungen und des wachsenden Kosten- und Ertragsdrucks in vielen Unternehmen gewinnen Aspekte der Kundenbindung als Erfolgsfaktoren im Wettbewerb mnehmend an Bedeutung. Zahlreiche Studien weisen auf die Wichtigkeit der Thematik Kundenbindung hin. Man kann davon ausgehen, dass es etwa finf bis sieben Mal soviel kostet, einen Neukunden zu gewinnen, wie eine bestehende Kundenverbindung zu erhalten. Bei vielen Unternehmen gilt die Pareto-Regel, nach der 20 Prozent Kunden 80 Prozent des Umsatzes oder Deckungsbeitrages envirtschaften. Trotzdem orientiert sich das Marketing heute noch uberwiegend an der Realisation von Erstverkaufen. Kundenzufriedenheit ist keine hinreichende Voraussetzung f i r Kundenbindung aber eine notwendige. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein sehr zufriedener Kunde erneut kauft, ist drei Ma1 hbher als bei einem nur zufriedenen Kunden. Weiterhin gibt ein uber einen langeren Zeitraum durch ein Unternehmen zufi-ieden gestellter Kunde seine positiven Erfahrungen an durchschnittlich drei Personen weiter, ein unzufriedener Kunde hingegen an durchschnittlich elf, oder er stellt seine schlechten Erfahrungen gar ins Internet. Ein Unternehmen, das seine Kunden langfristig zufrieden stellt, kann auf die Mundpropaganda als ein gezielt eingesetztes Marketing-Instrument bauen (HollandkIeeg 1998, S. 30).
3. Das Kundenkontaktprogramm (KKP) Viele Unternehmen, vor allem in der Automobilbranche, bedienen sich zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und - darauf aufbauend - einer langfristigen Kundenbindung einer Strategie, in der Kundenbetreuung und ein uberlegenes Service-Marketing in ein Kundenkontaktprogramm (KKP) munden. Bei einem Kundenkontaktprogramm handelt es sich um ein zentral entworfenes, regional umgesetztes Direktmarketing-Programm, das iiber unaufdringliche Prasenz m einer
emotionalen Verbundenheit des Kunden mit dem Produkt bzw. dem Handler fiihrt (Holland 2004, S. 194). Kundenkontaktprogramme haben meist eine lange Laufzeit (drei bis fiinf Jahre). Das Wesentliche an solchen Prograrnrnen ist: Der Beginn der Mafinahme wird durch den Kunden selbst bestimmt, beispielsweise durch den Abschluss eines Kaufvertrages. H Die weitere Kontaktpflege richtet sich nach den jeweiligen Eckdaten, beispielsweise dem Datum des Kaufiertragsabschlusses. rn Der Ablauf der zuvor festgelegten Kontaktfolge richtet sich dernnach an individuellen Daten aus, das heifit es werden Aussendungen verschiedenster Art und in wechselnder Anzahl verschickt. Ein Kundenkontaktprogramm erfordert eine zentrale Kundendatenbank mit lokaler Datenpflege, ein modulares Angebot, Kreativitat bei der Kundenansprache sowie leistungsfahige Logistikpartner. Die Abwicklung des Kundenkontaktprogrammes wird zumeist von einer externen Agentur im Auftrag des jeweiligen Unternehmens durchgefiihrt. Bei Kundenkontaktprogrammen lassen sich aktions- und zeitgesteuerte Programme unterscheiden, wobei haufig beide Moglichkeiten kombiniert eingesetzt werden.
r
Bei Aktionsprogrammen wird eine genau definierte Gruppe von Zielpersonen immer gleichzeitig zu bestimmten Zeitpunkten beispielsweise mit firmeneigenen Kundenzeitschriften angesprochen. Bei zeitgesteuerten Programmen wird der Beginn durch ein Ereignis ausgelost, das vom Kunden ausgeht. Die Kontaktfolge Iauft anschliefiend f i r jeden Adressaten individuell ab.
4. Kaufentscheidungsprozesse beim Automobilkauf Die besondere Bedeutung des Kundenbindungsmanagement in der Automobilbranche resultiert aus dem wahrgenommenen finanziellen Risiko, das mit dem hochpreisigen Konsumgut Automobil verbunden ist, und aus dessen hohem Prestigewert. Dies fihrt dam, dass das Automobil in der Skala der personlichen Wichtigkeit, also des Involvements beim Kauf, im direkten Vergleich mit anderen Produkten eine fiihrende Position einnimmt. Es handelt sich bei einem Automobil um ein langlebiges Gebrauchsgut, das vergleichsweise selten gekauft wird. Bei jedem geplanten Neukauf findet sich der Konsument vor neue Einkaufsbedingungen in finanzieller und produktspezifischer Sicht gestellt. Das Preisniveau der Automobile ist inzwischen gestiegen, und neue Modelle, Sondermodelle
und Ausstattungsvarianten erschweren die Alternativenbewertung und -auswahl. Entsprechend ist der Konsument gezwungen, eine aufwendige Informationssuche durchzufiihren, um sich einen ~berblickuber das veranderte Angebot auf dem Automobilmarkt zu verschaffen. Das Kaufentscheidungsverhalten beim Automobilkauf entspricht somit in vielen Fallen einer extensiven Kaufentscheidung, bei der eine vollstandige Kette des Entschlussprozesses durchlaufen wird. Der Konsument ist darauf angewiesen, umfangreiche Informationen uber Alternativen einzuholen und diese hinsichtlich ihrer Konsequenzen grundlich zu bewerten. Kognitive Prozesse der Informationsaufnahme und -verarbeitung stehen im Vordergrund, der Konsument benotigt fir die Verarbeitung der Informationen eine entsprechend langere Verarbeitungszeit als bei vereinfachten, habitualisierten und impulsiven Kaufentscheidungen. Der Konsument verfiigt iiber wenige oder gar keine bewahrten Entscheidungsmuster und zeichnet sich durch ein kognitiv sttirker kontrolliertes Verhalten aus als andere Kaufer (HollandhIeeg 1998, S. 49 ff.). Ein Entscheidungsmodell speziell f i r den Automobilkauf schlagt der Verlag MotorPresse Stuttgart vor (vgl. Abb. 2). Dieses Model1 zeigt die besondere Bedeutung der Zeit nach dem Kaufabschluss, die hier in drei Einzelphasen unterteilt wird. Nach dem Kauf des Automobils verspiirt der Kaufer als Resultat aus der Bewertung der an das Produkt gestellten Erwartungen und der wahrgenommenen Leistungen eine Zufi-iedenheit b m . Unzufiiedenheit (kognitive Dissonanz) mit seiner Wahl. Nach dem in Abbildung 2 dargestellten Modell sucht der Kaufer schon w2hrend der Wartezeit auf die Auslieferung des Autos, seine Entscheidung zu bestatigen, indem er weitere Informationen uber das erworbene Fahrzeug und uber den Hersteller sammelt, um somit die Kaufentscheidung vor sich und seinem sozialen Umfeld absichern zu konnen. Wegen der sozialen Auffalligkeit des Autos und mangels einer Rtickgabemoglichkeit des Produktes ist hier die kognitive Dissonanz besonders stark. Auch nach der Fahrzeugubernahme ist der Autofahrer bestrebt, etwaige Unsicherheiten und Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung auszuraumen, indem er seine nun mit dem Auto gemachten Erfahrungen mit Familie, Freunden, Kollegen und ihm nahe stehenden Meinungsbildnern austauscht. Zur Reduktion der Dissonanz sucht der Kaufer nach bestatigenden Informationen, um seine eigene Entscheidung zu rechtfertigen. Die Phase der Nachkaufbewertung ist in ihrer Bedeutung flir einen eventuellen Wiederkauf der Marke und damit den Beginn einer Markenbindung nicht zu unterschatzen. Hier wird durch die Mdnahmen des Kundenbindungsmanagements die Basis fhr die nachste Kaufentscheidung gelegt.
xaplaM vay3!sa8qe JaIlalsJaH u o - ~% y l a y ~ e p p s a ~ e s - ~sap agv u a q a u g u K apuay3a~dsluay3mp - . ~ z JajngyJaA q u o j n~e g map y3eu .IeqlaU!urun l!mos ssnm 8unp!ay3slua a!a .uazuouoss!a 8gngls8ue~zayeqaq uapung u!aq uayalslua sajney -[!qomolnV sap a.1a~y3ss8unlnapaalap pun 8unp~ayas$uass~mo~duog JasaFp punBjnv .aurgy a 8 e ~ du! aAyleruaqv slu sep 'uaqa8 1>1.1el/~map jne loqa8uv sayx[uqg y a y sa pqM lauaqas y3ou pun ua8!qala~ y q s u! uagey3sua8!3 u a l y 3 s u ~ a 8a!p 11" u a 8 a ~ n alap ~ p q uallas ~ ~ w u ~ ualsy3Eu oy me ua8un~~als.10~ uayas sup '8nazqed sauarla Jyms aloqa8
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v a p u n y u a 8 e ~ n alap~ gj!u
s d s n uapualyaj a!p pun [ q m s n ~agolf; arp y3mp G y p a a
uaipapp1addni8pq pun -uassapq
ualyadsord uon , UnipniS,, uai/ny3sraz/nw~ -ojng uon SunsnN at(aaa3 uajynr~agrsyuon uayasuv/uasa7 s a i g n ~ a g
pun -uasswW uon B u u j t i ~ajajy3i~a8un
Doch nicht nur in der unmittelbaren Nachkaufphase gilt es, den Kunden zufiieden zu stellen. Kundenbindung ist das Ergebnis einer Kette von langjahrigen Erfahrungen, die der Kunde mit dem Fahrzeug und dem Autohaus macht. Dabei ist die Kundenfiequenz in Autohausern vergleichsweise gering, da die Beschaffungsintervalle lang sind und die Servicekontakte auf Grund verlangerter Wartungsintervalle und sinkender Reparaturhaufigkeit abnehmen. Die fiir die Mehrzahl der Automobilmarken zu verzeichnende relativ geringe Markentreue einerseits und die vorherrschende Stagnation der Automobilnachfiage auf einem hohen Niveau andererseits stellen die Automobilhersteller und -htindler somit gemeinsam vor die Herausforderung, ihre Kundenbindungsmafinahmenzu intensivieren.
6. Ansatzpunkte der Kundenbindung Strategien und Mafinahmen zur Kundenbindung konnen sich grundsatzlich auf unterschiedliche Arten von Bindungswirkungen beziehen. Von einer vertraglichen Kundenbindung spricht man bei Service- oder Abonnenmentvertragen. Eine technisch-funktionale Kundenbindung liegt vor, wenn es beispielsweise bei der EDV-Ausstattung Kompatibilitatskriterien zu beachten gibt, oder das Design der Biiromobel einen bestimmten Anbieter festlegt. Okonomische Kundenbindung halt beispielsweise einen Bankkunden von einem Wechsel seiner Bankverbindung ab, da er mit KontoauflBsungsgebiihren rechnen muss. Schlienlich lasst sich eine emotionale Kundenbindung durch Kundenzufiiedenheit erreichen. Fur die Anbieter in der Automobilwirtschaft steht dabei zur Bindung ihrer Kunden lediglich der Ansatzpunkt einer emotionalen Bindung offen, da ein Wechsel nach dem erstrnaligen Kauf eines Fahrzeuges zu einer anderen Automobilrnarke im Rahmen eines Folgekaufes - zumindest bei Endverbrauchern - jederzeit moglich ist. Fiir den Automobilhandel schrhken aus der Sicht des Kunden lediglich die Garantiebedingungen der Hersteller sowie unter Urnstanden Werkstattdiagnose- und Reparatursysteme die Moglichkeiten zu einem Handlenvechsel ein.
A u f b a u und E r h a l t u n g loyaler K u n d e n p o t e n t i a l e d n r c h : A n s a t z ~ u n k t ezur Kundenb~ndune
faktische B i n d u n g
Blndunpswlrkuns
Hersteller-, Marken- oder Einkaufsstattenwechsel ist (zumindest temporar) vertraglich unzulassig technisch oder funktional ausgeschlossen bkonomisch unvorte~lhaft
Erxebnls der Kundenblndung
emotionale B i n d u n g
vertragl~cheBindung technisch-funktionale Bindung bkonomische Bindung
A u f b a u und E r h a l t u n g einer hohen Kundenzufriedenheit Hersteller-, Marken- oder Einkaufsstattenwechsel ist jederzeit mdglich Kundenzufriedenheit fiihrt zu * Herstellerpraferenz Markenpraferenz Einkaufsstattenpraferenz
.
v e r r i u g e r t e Bereitschaft z u m Herstellerwechsel Markenwechsel Einkaufsstattenwechsel hdhere Kundenloyalitat (Wiederkaufabsicht)
. .
.
Abbildung 3: Ansatzpunkte, Bindungswirkung und Erfolgsdimensionen des Kundenbindungsmanagements (Quelle: Korte 1995, S. 10)
7. Das Kundenbindungsprogramm der Porsche AG 7.1 Das Unternehmen Porsche Im Vergleich zu anderen Automobilmarken des Segments exklusiver Fahrzeuge ist der Name Porsche sehr stark emotional geladen und einem klaren Produktprofil zugeordnet. Porsche tragt und kommuniziert das Markenerbe eines unabhangigen technischen Pioniers, der seit jeher Hochleistungsautomobile flu Fahrer mit hBchsten Anspriichen entwickelt und in Qualitatsarbeit vollendet hat. Fiir die nahe Zukunft geht man bei Porsche von einer positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aus, stiitzt seine geschaftlichen Plane aber vor allem auf die eigenen Krafte. So bestimmen die intensive Entwicklung neuer Produkte und die Vorbereitung der Produktion neuer Modellreihen, eine Neuorientierung der Vertriebsaktivitaten und die Fortsetzung
der Optimierung interner Ablaufe das unternehmerische Handeln in den nachsten Geschaflsjahren.
7.2 Organisation und Ablauf des Porsche-Kundenkontaktprogrammes Nachdem bis vor einigen Jahren die Porsche-Vertragshandler in viilliger Eigenregie fir KundenbindungsmaRnahmen zustandig waren, wurde 1994 mit dem Porsche-OnlineP r o g r a m ein Instrument entwickelt, das sowohl die systematische Betreuung bereits bestehender Kunden, als auch die standige Gewinnung neuer Interessenten sicherstellen soll. Das Porsche-Online-Programm besteht somit aus einem Interessenten- und einem Kundenkontaktprogramm, die im Rahmen des Gesamtkonzeptes vollig gleichberechtigt nebeneinander ablaufen.
Monate bislab Fahrzeugauslieferung
Aktion
-3
Lieferzeituberbruckungs-Mailing (Waiting for Delivery)
-1
Kurzbedienungsanleitungs-Mailing(optional)
0
Zeitpunkt der Fahrzeugauslieferung
11
Jahreswartungs-Mailing inkl. Garantieablauf (Gebrauchtwagen)
12
SSS Fragebogen (Gebrauchtwagen)
12
Mailing ,,I.Fahrzeug-Geburtstag"
22
Mailing Gewlhrleistungsende und lnspektion (Neuwagen)
24
SSS Fragebogen (Neuwagen)
30
Leasingende-NViederkauf-Mailing
35
TUV 1 AU Mailing (wenn zutreffend)
Abbildung 4: Porsche-Kundenbindungsprogramm (Quelle: Porsche) Mit seinem Kundenkontaktprogramm verfolgt der Stuttgarter Hersteller von ExklusivAutos vorrangig zwei Zielsetzungen: B Die Loyalitat zur Marke aufrecht zu erhalten und Basr
die Kunden zu motivieren, Service- und Dienstleistungen der Porsche-Zentren verstbkt in Anspruch zu nehmen. (,,Mancher Kunde erfahrt von so mancher Dienstleis-
tung der Porsche-Autohauser nicht unbedingt und automatisch, erklart die PorscheMarketingabteilung.) Wird in irgendeinem Porsche-Zentrum in Deutschland ein Neuwagen verkauft, so ist der jeweilige Handler gehalten, alle wichtigen Kunden- und Fahrzeugdaten direkt an die zentrale Kundendatenbank weiterzuleiten. Der Verlauf des Kundenbindungsprogramms ist in der Abbildung 4 zusammengefasst. Aufgrund des iibermittelten voraussichtlichen Auslieferungsdatums veranlasst die Zentrale die Aussendung des von zwei Mailings bereits vor der Auslieferung des Fahrzeugs. Nach ca. einem Jahr nach der Neuwagenauslieferung wird der Kunde an die fallige Wartung erinnert und nach seiner Zuffiedenheit mit dem Fahrzeug befiagt. Neben den in der Tabelle genannten Aktionen gibt es die Moglichkeit, einen Geburtstagsgrul3 fiir den Kunden wie auch fiir dessen Fahrzeug zu venvenden. Zu diesem Zweck wird dem Kunden ein Jahr nach Fahrzeugkauf eine hochwertige, der Exklusivitat der Marke entsprechende, Flasche Sekt mit dazugehbrigem Sektkiihler zugestellt. Hierdurch sorgt Porsche natiirlich auch iiber Mundwerbung fiir ein positives Image im Netnverk des Kunden, der es sich in der Regel nicht nehmen lassen wird, uber diese Form der individuellen Kundenbetreuung in seinem Venvandten-, Bekannten- und Kollegenkreis zu berichten. Zusatzlich bekommt jeder Porsche-Fahrer regelmmig die Porsche-Kundenzeitschrift ,,Christophorus". Erganzt wird der kontinuierliche Kontakt per Brief durch die Telefonhotline ,,Porsche-Online", die jedoch, auch durch entsprechende Kommunikationsmdnahrnen in den klassischen Medien, ubenviegend als Instrument zur Neukunden- und Interessentengewinnung eingesetzt wird. Der einzelne Porsche-Handler hat zu jedem Zeitpunkt die Moglichkeit, die Mafinahmen selbst zu steuern, das heil3t festzulegen, wenn bestimmte Mailings nicht ausgesandt werden sollen. Zu seiner Kontrolle erhalt er dafiir monatlich eine Auflistung der Kunden mit Nennung der entsprechenden KKP-Mailings, die im jeweiligen Monat versandt werden. Die Pflege der Kundendaten obliegt ebenfalls dem Porsche-Vertragshandler. Seine Aufgabe ist es, permanent neue Informationen uber den Kunden zu sammeln und somit die Datenbank zu aktualisieren. Hierdurch wird es ermoglicht, im standigen Kundendialog die sich im Zeitablauf verandernden Kundenbediirfhisse zu identifizieren und hierfiir entsprechend individuell wirkende Problemlosungen zu entwickeln (HollandkIeeg 1998, S. 69). iiber die im Rahrnen des Porsche-KKPs sichergestellte Mindestbetreuung des Kunden hinaus stehen dem Handler zusatzlich noch weitere Aktivitaten offen (z.B. exklusive Events, die Organisation von Golfturnieren, Sicherheitstrainings, Einladung zur Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), etc.). Ein weiteres Kundenbindungsinstrument, auf das beispielsweise im ChristophorusMagazin regelmafiig hingewiesen wird, ist die Porsche-Card: Fiir einen festgelegten Jah-
resbeitrag erhalt der Porsche-Kunde eine Euro- und eine Visa-Card. Entsprechend der individuellen Bediirhisse vieler Porsche-Fahrer ist mit diesen Karten eine Wartelistenprioritat bei der Lufthansa sowie der fieie Eintritt in die Frequent-Traveller-Lounge verbunden. Diese Dienstleistungen der Porsche-Card eroffnen dem Untemehmen zahlreiche Moglichkeiten, die Partnerschaft mit dem Kunden zu pflegen und zu intensivieren.
7.3 Bewertung des Porsche-Kundenkontaktprogrammes Auch im Hause Porsche ist man inzwischen zur iiberzeugung gelangt, dass - gerade bei einer solch exklusiven Automobilmarke - der individuellen Kundenansprache eine immer grBl3ere Bedeutung zukomrnen wird. Fur sein langfiistig entwickeltes und integriert realisiertes Direktmarketing-Konzept gewann Porsche im Sommer 1996 den jdxlich ausgeschriebenen Preis fiir ,,Erfolg durch Direktmarketing", den ,,EDDIb'. Der Deutsche Direktmarketing Verband e.V. (DDV) in Wiesbaden zeichnete den Stuttgarter Automobilhersteller unter anderem wegen seiner Pionierrolle fir Auto-Direktmarketing aus, aber auch fiir die Innovationen, die Porsche im kommunikativen Bereich vorantrieb. Die beiden Saulen des Programms - also die Betreuung bestehender Kunden sowie die Gewinnung potentieller Interessenten - stehen gleichberechtigt nebeneinander. Im Jahr 2004 wurde Porsche mit dem Deutschen Marketingpreis ausgezeichnet. Wenn Porsche das sehr dunne Handlemetz als Chance zu einer intensiven Kommunikation mit den einzelnen Vertragshandlem konsequent nutzt, wird das Porsche-Online-Programm einen effizienten Beitrag zu einer individuellen und kontinuierlichen Kundenbetreuung leisten kiinnen.
Literatur Holland, H. (2004), Direktmarketing 2. Aufl., Miinchen. Holland, H.1Heeg (1998) Erfolgreiche Strategien %r die Kundenbindung - von der Automobilbranche lernen, Wiesbaden. Holland, H. (1999), Loyalty-Marketing in Deutschland - Es gibt vie1 zu tun, in: Response, Heft 9, S. 16 - 18.
Korte, C. (1995) Customer satisfaction measurement: Kundenzufriedenheitsmessung als Informationsgrundlage des Hersteller- und Handelsmarketing am Beispiel der Automobilwirtschaft, FrankfurtIMain u.a. Motor-Presse Stuttgart (2005), Autofahren in Deutschland 2005.
ProJ Dr. Heinrich Holland Fachhochschule Mainz An der Buchspitze 50 0-55122 Mainz
Martin Wieder
Kundenbindungsinstrumente im Handel Erfolgspotentiale und Umsetzungsvoraussetzungen
1. Kundenbindung im Handel: Die Dimension der Aufgabe 2. ,,Karten und Clubs": Erfolgsrezept oder Kostenfalle? 3. Die Basis fir umfassende Kundenbindung: Serviceorientierung umsetzen
1. Kundenbindung im Handel: Die Dimension der Aufgabe Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind gerade im Handel seit geraumer Zeit ein ,,Dauerbrennerg wenn es d a m geht, Rezepte zur erfolgreichen Unternehmensfiihrung zu entwickeln. Die Erklarung dafiir ist denkbar einfach: Zufriedene und geschaftstreue Kunden stellen ein sicheres und dauerhaftes Umsatzpotential dar und wirken als positive Multiplikatoren, weil sie anderen Personen von ihren positiven Erfahrungen rnit dem Unternehmen berichten. Dariiber hinaus sind sie bei ihren Einkaufen weniger preissensibel, was sich auch darin zeigt, dass sie deutlich haufiger den Abwerbeversuchen des Wettbewerbs widerstehen, wenn z.B. dieser mit Sonder- und ,,Schn&ppchenangeboten" lockt. In Zeiten eines zunehmenden Kosten- und Ertragsdrucks ist bei den meisten Handelsunternehmen das Thema Kundenbindung alles andere als Selbstzweck: Angesichts der hohen Aufwendungen, die f i r das Gewinnen neuer Kunden erforderlich sind, venvundert es deshalb keineswegs, weshalb Kundenbindung auf der ,,Hitliste" der angestrebten Unternehmensziele immer ofter einen populben Spitzenplatz einnimmt (Stippel 1997, S. 36ff.). Die Frage lautet schon lange nicht mehr, ob Mafinahmen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung wichtig und sinnvoll sind, sondern wie, d.h, rnit welchen Mitteln, das Umsatzpotential des Kundenstamms wirtschaftlich ausgeschopft werden kann. Der folgende Beitrag beschaftigt sich daher mit geeigneten Kundenbindungsinstrumenten, die besonders fiir den Handel relevant sind. Die Erkenntnisse stiitzen sich dabei auf Interviews und Recherchen bei Handelsunternehmen verschiedener Branchen sowie bei Industrieunternehmen und Dienstleistern. Bei der Darstellung und Bewertung von Instrumenten zur Steigerung der Kundenzufriedenheit besteht zwangslaufig die Gefahr, dass die Sichtweise einen zu engen Fokus auf den ,,Werkzeugkasten" zur Kundenbindung erhalt und eine rezepthafte Anwendung suggeriert. Die Dimension dieser Aufgabe wird jedoch bereits deutlich, wenn man von dem in Abbildung 1 dargestellten Verstandnis ausgeht. In den wenigsten Fallen ist von einer durchgangigen Wirkungskette in dem Sinne auszugehen, dass ein Kunde ,,zufrieden" ist, wenn ein Unternehmen es geschafft hat, ihn nicht unzufrieden zu stimmen. Die ,,GrauzoneU zwischen dem nicht-unzufrieden und nichtzufrieden-sein stellt oftmals eine sehr starke Barriere dar, wenn der Kunde ein (Kauf-) Erlebnis mit einem Handelsunternehmen nicht bewusst bewertet und ihn der Kontakt zum Unternehmen quasi kalt ]asst. Insbesondere bei Kaufprozessen von Konsumgiitern des tgglichen Bedarfs ist von diesem ,,Nicht-Involvement" auszugehen, d.h. das Ziel der Kundenbindung erhalt einen
besonderen Schwierigkeitsgrad: Nur besonders positive Erlebnisse bewirken eine emotionale Auseinandersetzung des Konsumenten mit dem Unternehmen - als Vorstufe flir eine emphndene Zufriedenheit-, wahrend Negativerlebnisse, wie z.B. die Schlange in der Kassenzone des Lebensmittelmarktes oder das vergriffene Sonderangebot, schnell das Geflihl der Unzufriedenheit erzeugen konnen.
Wo fangt Kundenbindung an ?
1
Kunde ist...
I
...unzufrieden
3
... nicht unzufrieden
zur Kundenbindung
...@
D
Kundenzufriedenheit als notwendige Bedhgung Quelle TdpferMeder 1996 S 304
Abbildung 1: Kundenzufriedenheit als notwendige Basis fir eine Kundenbindung Das Ziel einer Kundenbindung, gleichgesetzt mit Geschaftsstattentreue, wird zusatzlich durch einige Trends konterkariert, die Handelsunternehmen vor besondere Herausforderungen stellen. So ist das so genannte ,,Smart-Shopping", also die gezielte Suche nach uberzeugenden Marktleistungen zu einem gunstigen Preis, nicht nur eine Attitude jener Konsumenten, die Einkaufen und das Durchstobern verschiedener Geschafte als ultimativen Lustgewinn empfinden. Auch wenn das gezielte Suchen nach Abwechslung (variety seeking) ein durchaus haufig anzutreffendes Phanomen darstellt, ist eine abnehmende Marken- und Geschaftstmentreue bei vielen Konsumenten auch eine Zeiterscheinung, die in allgemein stagnierenden Realeinkommen und einer sinkenden Ausgabenbereitschaft fir Produkte ohne hohes Sozialprestige ihre Begriindung findet. Aus diesem Grund werden an das Nutzenpotential von Kundenbindungsinstrumenten aus Konsumentensicht und deren glaubwiirdige Umsetzung zukiinftig erhohte Anforderungen gestellt.
Bei der Auswahl von geeigneten Maanahmen zur Kundenbindung muss dieses Nutzenpotential daher genau analysiert und mit den individuellen Voraussetzungen fir eine professionelle Umsetzung in Einklang gebracht werden. Einige in der Praxis bereits gut eingefihrte Instrumente konnen dabei als Lernbeispiel dienen, um ein erfolgstrachtiges Kundenbindungssystem zu konzipieren.
2. ,,Karten und Clubs": Erfolgsrezept oder Kostenfalle? Die Kundenkarte ist unter den Kundenbindungsinstrumenten sicherlich die am weitesten verbreite Methode, um die Einkaufsstattentreue von Konsumenten zu erhohen. Angefangen im Mode- und Bekleidungsbereich gibt es mittlerweile eine kaum zu iiberblickende Vielzahl an Kartensystemen (Schlautmann 1994, S. 6ff.; TodtmannRroitzheim 1994, S. 102ff.). Um den daraus folgenden Sattigungstendenzen zu begegnen, muss zweifelsohne konstatiert werden, dass f i r die meisten Kunden von Handelsunternehmen eine reine ,,Mitgliedskarte" - als bloljer Ausweis, zum Kundenstamm zu gehoren - kaum auf Akzeptanz stoRen wird. Ein ,,Mehrwertt', der beispielsweise im Lebensmittelhandel vielfach honoriert wird, ist die Zahlungsfunktion einer Kundenkarte. So hat die Metro weit mehr als 200.000 Karten herausgegeben, mit denen der Kunde in Geschaften der Metro-Gruppe bargeldlos zahlen kann. Dieser Nutzen wird allerdings mehr und mehr durch die Tatsache kompensiert, dass in immer mehr Geschaften - darunter auch zunehmend Supermarkte - die EuroscheckKarte zur Zahlung akzeptiert wird. Daraus ergibt sich die Anforderung, die Moglichkeit zur bargeldlosen Zahlung in ein umfassenderes Nutzenpaket einzubinden. D. h. der Wert eines derartigen Instruments wird letztendlich vom Kunden klar anhand von nachvollziehbaren Vorteilen beim Einkauf bemessen: Ohne Preisvorteile oder den Zugriff auf Exklusivangebote wird die loyalitatsfordernde Wirkung mit Sicherheit ausbleiben, da sich viele Aspekte wie bargeldlose Zahlungssysteme am POS als Standard etablieren. Ein Beispiel aus England untermauert diesen Ansatz. Hier haben die Handelsketten Tesco (Southworth 1997, S. 58ff.) und Sainsbury jeweils 6 bis 8 Millionen Kundenkarten in Umlauf bringen kbnnen (im Vergleich zu Kaufhof oder Karstadt mit je 200- 300.000 Karten) und besonders Tesco ist es gelungen, das Zentralelement Kundenkarte gezielt durch weitere Leistungen zu erweitern (siehe Abb. 2). Die Tatsache, dass ahnliche Programme in Deutschland weit weniger erfolgreich sind, wird vielfach mit mentalitatsbedingten Unterschieden im Kaufverhalten und rechtlichen Rahmenbedingungen (Rabattgesetz und Zugabeverordnung) begriindet.
Daneben flirchtet man insbesondere im Lebensmittelhandel die hohen Aufwendungen durch ertragsschmalernde Zugaben - angesichts der z.T. sehr geringen Umsatzrenditen von 1 - 2 % ist dies auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbar: TESCO versendet z.B. alle 3 Monate etwa 6 Millionen Mailings an die Clubcard-Haushalte und rechnet bewusst damit, dass nicht jeder Warengutschein innerhalb der Vorlagefrist eingelost wird. TESCO Clubcard-System Ergebnis
Zielgruppenspezifische Kartenangebofe
Leistungsspektrum
Partner-Karte fur Familien
Senioren-Programm (over 60's scheme)
Mehr als 5 Mio. aktive Club-CardBonusgutschrift bei jedem Einkauf (1 % vom Einkaufswert) Nutzer in Gronbritannien = Haus30 % Promotions und Extra-Events
Clubcard-Plus fur ,,Heavy User"
fur Club-Mitglieder (2.B. Weinproben und Koch-Abende)
Clubcard fur Studenten
Bonussystem fur TESCOTankstellen Zielgruppenspezifische ClubMagazine fur sieben Kundensegmente (2.B. Singles, junge Familien)
Nach 18 Monaten mehr als E 250.000,- an Warengutscheinen und Guthaben erstattet TESCO Marktanteil von 16,2 auf % gestiegen
Clubcard-Plus: Kreditkarte mit Sparbuchfunktion (Geld abheben an der Supermarktkasse moglich)
Abbildung 2: TESCO-Clubcard-System Um nicht in eine Kostenfalle zu geraten, wird die informationstechnische Infiastruktur und die konsequente Nutzung der Kundendaten mehr und mehr zum kritischen Erfolgsfaktor zum Nutzen von Potentialen zur Effizienzsteigerung (LinklHildebrand 1994, S. 107ff.). Das quasi an der Kasse "gescannte Kaufverhalten" von Stammkunden liefert dabei die Grundlage, um das Angebotsprogramm noch besser auf die Kaufpraferenzen abzustimmen: Jeder individuelle ,,Warenkorb ist Basis flir ein effizienzsteigerndes CategoryManagement und hilft so, kundengerechte Sortimentsbereiche zu schaffen und Produkte, die infolge einer geringen Umschlagshaufigkeit nur eine schlechte Flachenproduktivitat erzielen, zu eliminieren. Segmentierte Kundendaten (TESCO erhebt iiber die Kundenkarte neben den personlichen Daten auch z.B. die HaushaltsgrBDe, die Besuchsfrequenz und den Durchschnittsumsatz) sind Basis fUr ein Direktmarketing und binden den Konsumenten in die Unternehmenskommunikation ein. Stimmt hierbei die Kontaktqualitat, hat man die Chance f i r
eine profitable Beziehung: ~ b e eine r hohere Geschaftsstattentreue und einem ,,tradingup" was die Produktwahl angeht, gelangt der Kunde in eine andere Umsatzgroljenklasse, die auch hohere Deckungsbeitrage mit sich bringt. Die Erfolgsparameter der Kundenkarte treffen in weitem Umfang auch fiir das Rabattmarkenkonzept zu, welches in einigen Bereichen im europaischen Ausland eine Art Renaissance erfahrt (Duffner 1998, S. 24ff.). Wenn auch durch das ,,Marken-Kleben" nach jedem Einkauf die Spar-Mentalitat des Konsumenten genutzt werden kann, um Praferenzen fiir die EinkaufsstZItte aufzubauen, so besitzen die Sparbiicher von Supermarktketten und anderen Einzelhandelgeschaften ein unbestritten ,,altbackenesCiImage. Die Attraktivitat ergibt sich fiir den Kunden primar auch aus einem Preisvorteil: Der niederlandische LEH-Filialist Alber Heijn honoriert z.B. ein komplettiertes Rabattmarkenheft mit einem Warengutschein, dessen Wert den Markenwert um etwa 10 % iibersteigt; die Rabattmarken hat der Kunde vorher bezahlt, in dem er die vom Einkaufswert abhangige Kaufoption wahrgenommen hat. Der recht einfach zu erreichende geldwerte Vorteil sol1 in erster Linie dam fiihren, die hoherwertigen Einkaufe in einer AlbertHeijn-Filiale zu tatigen. Das schnelle Erreichen einer Belohnung ist ebenfalls wichtig fiir die Akzeptanz dieses Instrumentes. Ein Fall - ebenfalls aus den Niederlanden - erinnert dabei mehr an eine Persiflage und weniger an ein sorgfaltig durchdachtes Konzept: Hier hat der Verbraucherverband eine Gemeinschaftsaktion verschiedener Rabattmarken-Emittenten, wie Tankstellen und Lebensmittelmarkte, daraufhin analysiert, wann der einzelne Kunde in den Genuss des proklamierten Vorteils komrnt. Vergleichbar mit VielfliegerProgrammen von Airlines, konnten die Kunden ihre gesammelten Marken in Meilenguthaben umwandeln, so dass die Frage gestellt wurde, wie vie1 Umsatz fiir einen Freiflug getatigt werden musste. Das Ergebnis: Um von Amsterdam nach New York zu fliegen, miissen ca. 180.000 Gulden umgesetzt werden - das entspricht bei durchschnittlichen Konsumgewohnheiten etwa den Ausgaben, die innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahrzehnten getatigt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Implementieren von Rabattmarken-Systemen nicht zwangslaufig zu einer Kundenbindung fiihrt, die primar auf Zuffiedenheit basiert. Isoliert eingesetzt, handelt es sich in erster Linie um eine ,,add-onu oder ,,nice-to-havea-Leistung und spricht damit prim& die Ratio-Ebene des Konsumenten an. Eine emotionale Verbundenheit aufzubauen bedarf auch hier wieder ein Einbeziehen des Kunden in einen Dialog - beispielsweise via Direktmarketing in Form von Kundenevents, wie sie TESCO durchfiihrt. Das Generieren und Nutzen von Kundendaten muss deshalb auch Bestandteil dieser Aktivitaten werden. Neben diesen beiden genannten Kundenbindungsinstrumenten gilt es, den Ansatz des Kundenclubs zu beleuchten und das Nutzenpotential zu bewerten. Wenn Kundenclubs vielfach als die ,,hohe Schule" der Kundenbindung bezeichnet werden, d a m ist das
haufig nicht nur auf die Kundenbindungseffekte sondem vielmehr auf die komplexen Anforderungen beziiglich des Umsetzungserfolges zuriickzufihren. Der Grad der Kundenbindung weist bei Clubs zweifelsohne besondere Auspragungen auf - allein die Tatsache, dass sich Kunden zu regelrechten ,,Fan-Gemeinden" zusammenschlieflen, deutet auf eine ausgepragte emotionale Verbundenheit zwischen dem Kunden und dem Unternehmen hin. Doch sollte keinesfalls der Eindruck erweckt werden, ein Kundenclub entwickelt sich im Hinblick auf die Kundenbindungseffekte zu einer Art ,,Selbstlaufer": Einige K.0.-Fragen gilt es zu priifen, bevor die Erfolgstrachtigkeit dieses Konzepts beurteilt werden kann. Entscheidend ist zunachst das Involvement-Potential der Kernleistung des Unternehmens. Mit diesem Punkt ist die Frage verbunden: ,,Was motiviert den Kunden am meisten, die Kernleistung nachzufragen?" Produkte, die per se eine starke Attraktivitat ausstrahlen und den Kunden vor allem emotional ansprechen, bieten prinzipiell einen glaubwiirdigeren ,,Au&angerUals so genannte low-involvement-Leistungen. Fur prestigetrachtige Produkte, wie Automobile oder Motorrader, die aufgrund ihrer Eignung zur sozialen Differenzierung zu einem wirklichen ,,Conversation Piece" werden - also zu einem Thema, uber das man unter Gleichgesinnten gern spricht - sind dann zentrale Club-Themen wie Erlebnis, Zeitgeist und Action denkbar. Fiir Handelsunternehmen sind diese thematischen Ankerpunkte weniger relevant: Hier zahlen eher Aspekte wie Bequemlichkeit und Service, die aber auch eine sinnvolle und argumentierbare Basis fir einen Kundenclub sind. Marktleistungen mit weniger Inszenierungspotential als Prestige-Produkte miissen daher das zweite wichtige Kriterium umso mehr erfiillen, namlich das des Zusatnutzens. Hier muss sich vor allem ein Handelsunternehmen fragen, was an konkreten Vorteilen geboten wird, damit sich Kunden in einen Club einbinden lassen. Werden hier in erster Linie Preisvorteile in Betracht gezogen, muss diese Erlosschmalerung sorgfaltig kalkuliert werden. Daher gelten auch in diesem Zusammenhang die Grundsatze, die bereits fiir die Kundenbindungsinstrumente Kundenkarte respektive Rabattmarke zutreffen. Auch muss es das Ziel sein, das Interesse des Kunden auf hohenvertige Produkte mit besseren Deckungsbeitragen zu lenken. Dies ist angesichts der nicht zu unterschatzenden Aufivendungen f i r die Mitgliederwerbung und organisatorische Betreuung sogar dringend geboten. An die Club-Organisation werden namlich besondere Anforderungen gestellt: Gemeint ist damit in erster Linie die Betreuungs- und Kommunikationsqualitat, die der Kunde im Kontakt mit dem Handelsuntemehmen erfahrt. Kaum ein Kunde wird eine beliebig definierte Clubleistung honorieren, wenn bestimmte ,,HygienefaktorenC'nur unzureichend erfillt werden. Das Negativerlebnis einer unfreundlichen personlichen Auskunft oder einer unprofessionellen Reklamationsbearbeitung wiegt hbchstwahrscheinlich vie1 schwerer als ein nach auflen kommuniziertes Leistungsspektrum, das beispielsweise ein ,,exclusives Event" zum Inhalt hat.
Gelingt es einem Unternehmen, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, sollte ein weiterer Negativaspekt nicht aul3er Acht gelassen werden. Beispielhaft sol1 hier das so genannte ,,Inselsyndrom" a n g e m werden. Hierbei handelt es sich um das Phanomen, dass zwar der Kreis der Club-Mitglieder eine homogene Gemeinschaft mit ahnlichen Interessen und Einstellungen darstellt, im Hinblick auf den ,,Durchschnittskonsumenten" unterscheidet sich diese Gruppe allerdings fundamental, so dass von erforderlichen, positiven Imageeffekten des Clubs auf andere Zielgruppen nicht unbedingt auszugehen ist. Um es mit einem Beispiel aus der Konsumgiiterindustrie zu verdeutlichen: Die Mitglieder eines ,,Back-Klubs", inszeniert von einem NahrungsmittelHersteller, sind iiberwiegend absolute ,,Prod&-Fans" und heavy-user, gleichzeitig geht das Interessenspektrum an den Motiven der breiten Zielgmppe weitgehend vorbei: Statt Backen und Braten zum Hobby zu erklaren, wird auf Qualitat zwar nicht weniger Wert gelegt, aber iiberwiegend folgt man dem Trend nach Convenience und einfacher und schneller Speisenzubereitung und fragt demnach eher Fertigprodukte nach. Diese Selektionseffekte, die den Erfolg eines Kundenclubs erheblich schmalern konnen, gilt es gerade f i r Handelsunternehmen - bei der Konzeptentwicklung sorgfaltig zu beachten. Trotz alledem kann ein Kundenclub ein geeignetes Kundenbindungsinstrument sein, da sich die Loyalitat von primar emotional involvierten Konsumenten naturgemal3 in MehrUmsatz ausdriicken lasst.
Kundenbindungsinstrumente im Verbund
Abbildung 3: Kundenbindungsinstrumente im Verbund
Aus diesen Uberlegungen zu einzelnen Instrumenten folgt zwangslaufig eine integrierte Betrachtung, um ein effizientes Kundenbindungsmanagement fiir den Handel umzusetZen. Der Ansatz geht in die Richtung, die genannten Maonahmen im Verbund zu betrachten (siehe Abb. 3). Hierbei ist es zunachst das Ziel, den Kontakt zum Kunden aufzubauen und ihn aus der Anonymitat der gesamten Kundschaft zu selektieren. Das Instrument hierzu kann eine Kundenkarte sein, mit der dern Kunden ein Exklusivitatsstatus gegeben wird. Nach dieser Selektionsstufe gilt es, dern Kunden - zum Beispiel via Rabattsystem - einen Anreiz zu bieten, um die Kauffrequenz zu erhohen oder den im Handelsgeschaft getatigten Durchschnittsumsatz zu erhtihen. Um die individuelle Geschaftsbeziehung weiter zu intensivieren, ware als dritte Stufe ein Kundenclub denkbar, der die Top-Kunden zusammenfasst und in einen Dialog mit dern Unternehmen einbindet.
3. Die Basis fur umfassende Kundenbindung: Serviceorientierung umsetzen Dieser Ansatz der Integration von Kundenbindungsinstrumenten sol1 um die Komponente Service erweitert werden. Service ist dabei nicht nur als ein weiteres eigenstandiges Gestaltungsfeld zur Steigerung der Kundenzufriedenheit zu sehen, sondern vielmehr als integrative ,,KlammerC'um samtliche Initiativen der Kundenbindung. Fuhrt man sich die grunds5itzlichen Parameter bei Kaufprozessen im Handel vor Augen, dann liegt die Annahme sehr nahe, dass besonders die vom Kunden wahrgenommene Dienstleistungsqualitat im Unternehmen fiir die Kundenzufriedenheit bestimmend ist. Angesichts der Homogenitat und damit Austauschbarkeit von Produkten sind es gerade die personlichen Kontakte im Handel, die das Qualitatsurteil des Kunden beeinflussen: Guter des taglichen Bedarfs und Lebensmittel gibt es zumeist ,,an jeder Ecke" und auch komplexere Erzeugnisse, wie technische Gebrauchsguter, sind uberwiegend breit distribuiert, so dass uber das reine Produkt kaum ein Praferenzaufbau mit dern Ziel der Geschaftsstattentreue mtiglich ist. Erfolgsbestimmend werden dann ,,Soft Factors" wie Zuvorkommendheit, Freundlichkeit sowie Kompetenz des Beratungspersonal oder ein Dienstleistungsangebot, aus dern der Kunde die fir ihn relevanten Leistungen wahlen kann. Durch diese Elemente ergibt sich fiir ein Handelsunternehmen eine echte Chance, eine Differenzierung zurn Wettbewerb aufzubauen, mit dern Ergebnis, dass der Kunde die gebotene Dienstleistungsqualitat uber die gestiegene Loyalitat honoriert. Die entscheidende Frage dabei ist jedoch, wie sich eine konstante Servicequalitat unternehmensweit umsetzen Iasst. Abbildung 4 zeigt hier einen Gestaltungskreislauf, der die verschiedenen Umsetzungsschritte enthalt.
I
Umsetzung der Servicequalitat
serungen erarbeften
Vermitteln
Trafnfngs Vorleben
sprechen fur den Kunden
Abbildung 4: Umsetzen der Servicequalitat Die Grundlage fir alle weiteren Schritte ist hierbei zunachst das Erkennen der Kundenanforderungen und -bediirfnisse. Aus diesen Erkenntnissen gilt es dann konkrete und realisierbare Standards und Leitlinien herauszubilden. Dabei ist primar die Frage zu beantworten, welches Serviceniveau generell im Unternehmen und in einzelnen Leistungsbereichen erreicht werden soll. Da diese erste Stufe vielfach bereits mit nicht unerheblichen Umsetmngsproblemen verbunden ist, zeigt Abbildung 5 eine Methode, die zum Erkennen von relevanten Zufiiedenheitsfaktoren geeignet ist. Unter den so genannten Momenten der Wahrheit sind die Kontaktpunkte zwischen Kunde und Unternehmen gemeint, die das Zufiiedenheitsurteil des Kunden mal3geblich beeinflussen (Stauss 1995, S. 379ff). In der Abbildung sind beispielsweise alle Punkte eines Supermarktes aufgeflihrt, bei denen der Kunde ein Qualitatsurteil fallt, das sich mosaikartig zu einem positiven oder weniger positiven Gesamteindruck verdichtet. Haufig sind es gerade die subtilen Wahrnehmungen des Kunden, wie etwa das Beobachten oder der direkte Kontakt mit Mitarbeitern des Unternehmens, oder aber auch Gerausche oder Geriiche, die nicht unbedingt kognitiv verarbeitet werden.
Durch diese Vielzahl der Kontaktpunkte ergeben sich demnach auch eine Vielzahl von Moglichkeiten, durch bewusste und zielgerichtete Gestaltung dieser Momente der Wahrheit die Zufiiedenheit des Kunden mit der Handelsleistung zu steigern.
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Moments of Truth Augenblicke der Wahrheit I
1. ErscheinungsbildlSelbstdarstellung des Unternehmens: Prospekte, Anzeigen, Plakate 2. Zufahrt: Hinweisschilder, Einfahii
3. Parkmaglichkeiten: Anzahl, Entfernung zurn Geschafl, Behindeiienparkplatz, Beleuchtung 4. GelBndelGebBude: AuReres Erscheinungsbild,
Bepflanzung, Beleuchtung, Fassade 5. Markt-Eingang: Tiiren, Beleuchtung, Hinweisschilder, Information, FuRboden, Decke
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6. Aufenthalt: Orientierung irn Geschafl, Ubersichtlichkeit, Breite der Gange, Zuganglichkeit von SB-Zonen, Vorratige Artikel, Preisauszeichnung, fluchtiger Kontakt rnit Personal, Horen von Betriebsgeschehen, Beluflung, Beleuchtung, Musik, Ternperatur
7. BeratunglService: BegruRung, FreundlichkeitlKornpetenz, Gesprachsverlauf, Verabschiedung 8. Verlassen des LadengeschPRes: Wartezeiten an der KasseNVarenausgabe, Beschilderung des Ausgangs, Weg zurn Parkplatz 9. Verlassen des GelBndes: Ausfahii, Beschilderung
Abbildung 5: Moments of Truth - Momente der Wahrheit Nach dem Erkennen der zufiiedenheitsrelevanten Aspekte geht es in der nachsten Stufe darum, ein anzustrebendes Leistungsniveau zu definieren. Zur Festlegung dieser wichtigen Standards bieten sich Workshops mit Fiihrungskraften und Mitarbeitern an, damit eine Einbindung von Beteiligten verschiedener Unternehmensebenen gegeben ist. Das klare Verstandnis, was geleistet werden soll und wie der personliche Beitrag jedes einzelnen aussieht, ist die Basis fir die eigentliche Umsetzung. Hierbei ist klar, dass Freundlichkeit und Engagement nicht ,,von oben" verordnet werden konnen, sondern auf einer Motivation basiert, die durch eine Vielzahl von Faktoren determiniert wird. Auf das Stichwort ,,Vorleben", das in diesem Zusammenhang eine dominierende Bedeutung hat, wird noch eingegangen. Wenn Service ein Bestandteil des Leistungsspektrums des Unternehmen sein soll, dam muss dies fir den Kunden in Form eines Serviceversprechens auch deutlich gemacht werden. Dabei steht vollig aul3er Frage, dass alles, was hier kommuniziert wird, f i r den Kunden ,,einklagbara und damit glaubwiirdig sein muss. Hierbei handelt es sich haufig
um einen schmalen Grat, denn ein Nicht-Erfiillen der proklamierten Standards fiihrt logischerweise zu massiven Irritationen und nicht selten zur nachhaltigen Verhgerung beim Kunden, wie das folgende Beispiel illustrieren soll: In einem Lebensmittel-Supermarkt wird auf groRen Plakaten mit einer maximalen Kassen-Wartezeit von 5 Minuten geworben. 1st die Schlange langer und diese Zeit wird iiberschritten, bietet das Unternehmen f i r die verlangerte Wartezeit DM 5,- an. Was sich auf den ersten Blick als faires Serviceversprechen darstellt, beinhaltet mitunter ein nicht zu unterschatzendes Unzufiiedenheits-Potential: Wie die Praxis zeigt, lasst sich die maximale Wartezeit insbesondere in den StoRzeiten haufig nicht einhalten, was vielfach darin begriindet liegt, dass nicht alle Kassen besetzt sind. Erstaunlicherweise meldet sich nur eine sehr kleine Minderheit der Kunden im Anschluss an ihren langen Kassenaufenthalt am Informationsschalter und fordert die DM 5,- ein. Die meisten verlassen das Geschaft mit dem Eindruck, nicht nur wieder einmal lange in einer Kassenschlange gewartet m haben, sondern - sensibilisiert durch groRflachige Plakate - auch noch mit dem Gefiihl, dass das Unternehmen etwas versprochen und nicht eingehalten hat. Wie dieses Praxisbeispiel zeigt, greift das Prinzip ,,weniger versprechen - mehr leisten" hier also in vollem Umfang. Deutlich wird auch, dass eine speziell ausgelobte Serviceleistung ihre Wirkung nur voll entfalten kann, wenn die Basisfaktoren erfiillt sind. In diesem Fall kann die 5-DM-Pramie das fehlende Personal im Kassenbereich in keiner Weise ausgleichen, geschweige iiberkompensieren. Eine feiner abgestimmte Personaleinsatzplanung, d.h. ausreichend besetzte Kassen mit Mitarbeitern, die aufgrund der ,,ungehetztenC' Atmosphare auch noch Zeit fiir ein Lacheln haben, wiirde hier vermutlich eine hohere Wirkung erzielen. Das letzte Glied in der Service-Kette bildet die Phase des nachhaltigen Pragens der Leistungen. Die Grundlage hierfir ist eine regelmafiige Bestandsaufhahme des bereits erreichten Leistungsniveaus. Methodisch lasst sich dieses Niveau mittels Kundenzufiiedenheitsbefiagungen oder auch so genannten ,,Mystery-Customer-Analysen" feststellen. Die Sensibilitat von Mitarbeitern und Fiihrungskraften fiir das Erkennen von Verbesserungspotentialen Ibst sich beispielsweise auch durch Videoaufhahmen im eigenen Ladengeschaft erhohen. Die Vorgehensweise ist dabei so, dass Mitarbeiter sich somsagen ,,in den Schuhen des Kunden" durch den Laden bewegen und dabei bestimmte Beobachtungen mit einer Videokamera festhalten. Dies dient keineswegs zur Uberwachung anderer Kollegen, sondern richtet den Blick ganz gezielt auf die Aspekte, die sich der taglichen routinemafligen Wahrnehmung entziehen, die jedem Kunden allerdings sofort auffallen und sein Zufiiedenheitsurteil tangieren. Aus diesen Erkenntnissen heraus lassen sich dann gezielte VerbesserungsmaRnahmen ableiten, die in den Lernzyklus zur Steigerung der Dienstleistungsqualitat einfliesen, indem genau die Momente der Wahrheit den Mitarbeitern ins Bewusstsein gerufen werden und der personliche Beitrag, hier etwas zum Positiven zu verandern, deutlich wird.
Zahlreiche Erfolgsbeispiele aus der Unternehmenspraxis beweisen die Wirksamkeit von Kundenbindungsinitiativen - den Nutzen der genannten Kundenbindungsprogramme gilt es deshalb keineswegs in Zweifel zu ziehen. Trotzdem sol1 deutlich herausgestellt werden, dass auf das Thema Kundenbindung die oft zitierte Metapher des Eisbergs mtreffen diirfte. Insbesondere bei isoliert eingesetzten Instrumenten passt das Bild des im Meer schwimmenden Eisbergs, bei dem nur der kleinste Teil sichtbar aus dem Wasser ragt und sich der weitaus grofiere Teil im Verborgenen befindet (siehe Abb. 6).
Eisbergphanornen Kundenbindung
Abbildung 6: Eisbergphanomen Kundenbindung Was bedeutet das konkret in der Praxis? Wie die Abbildung erkennen lasst, bilden die beschriebenen Instrumente nur die Spitze des Eisbergs. Alles das, was wirklich dam fihrt, dass sich eine Kundenorientierung im Unternehmen durchsetzt, befindet sich unterhalb der Wasseroberflache. Aber genau jene Aspekte, welche sich beispielsweise hinter den Fragen verbergen ,,Wie sprechen wir mit - und oft vie1 wichtiger - iibev den Kunden?" oder ,,Wie verhalten wir uns, wenn ein Kunde eine Reklamation auRert oder Kritik artikuliert?" zeigen, ob Kundenorientierung ein Lippenbekenntnis ist, d.h. Kunden im Regelfall als Storenfried gesehen und als Bittsteller behandelt werden. Alle Instrumente werden in ihrer Wirkung abgeschwacht, wenn das innere Bild vom Kunden von derartigen, negativen Einstellungen determiniert wird. Wie die Praxis zeigt, ist die Fiihrungskultur eines Handelsunter-
nehmens fir dieses innere Bild oder - anders ausgedriickt - fiir die Basis der Kundenorientierung maJ3geblich verantwortlich. Eine Service- und Dienstleistungsmentalitat Ibst sich nur umsetzen, wenn sie ,,von oben", d.h, von Personen aus dem Fuhrungskreis, glaubhaft und kontinuierlich vorgelebt wird. Die Aussage eines Vorstandsvorsitzenden eines grorjen deutschen Dienstleistungskonzerns: ,,Ich glaube, dass es nicht die primare Aufgabe eines Vorstandsmitglieds [...I ist, Kunden zu sehen.", kann dabei nur als Ausdruck unternehmerischer aerheblichkeit verstanden werden (DrostenIKnuwer 1997, S. 30ff.). Der Verdacht liegt nahe, dass diese Signale auch von Mitarbeitern dahingehend interpretiert werden, dem Unternehmen sind die Belange des Kunden nicht wirklich wichtig. Hier sind insbesondere von der Unternehmensleitung klare Positionen und glaubwiirdige Handlungen gefordert. Damit wird vermieden, dass von Seiten der Mitarbeiter Zweifel aufkommen, die Unternehmensfihrung wisse nicht (mehr), was die Kunden erwarten und was erforderlich ist, um die Kundenanforderungen zur Zufriedenheit zu erfillen. Mit einem klaren Commitment der Geschaftsleitung ist ein wichtiger Baustein zur Umsetzung einer funktionierenden Kundenbindungsinitiative gelegt. Auf dieser Basis ist es moglich, Handlungsfelder f i r alle Mitarbeiter zu schaffen und geeignete Instrumente erfolgreich zu implementieren. Dem Ziel, profitable Kundenbeziehungen zu generieren und weiterzuentwickeln, ist man damit schon einen gronen Schritt naher gekommen.
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Dip/.-Oec. Martin Wieder Miele & Cie. GmbH & Co. Produktbetreuung Hausgerate Carl-Miele-Str. 29 0-33325 Giitersloh
Christine Kittinger-Rosanelli
Alegria" - Der Weg der Bank fur Tirol und Vorarlberg (BTV) zu begeisterten Kunden im Rahmen eines Qualitatsmanagementprozesses 99
1. Hintergrund
2. Anfange eines Qualitatsmanagements in der BTV 2.1 Qualittitswettbewerb 2.1.1 Qualitatszirkel 2.1.2 Schwerpunkte 2.1.3 Messung 2.1.4 Siegerermittlung 2.1.5 FolgemaDnahmen 2.1.6 Bilanz der Aktivitaten 3. Alegria - Begeisterung Weiterentwicklung des Qualitatsmanagements 3.1 Begeisterung - Alegria 3.2 Erweiterte Aktivitaten 3.2.1 Begeisterte Mitarbeiter 3.2.2 IdeenbBrse 3.2.3 Servicestandards 3.2.4 Prozesse und Projekte 3.3 Ausbau der Messinstrumente 3.4 Qualitatsziele 4. Zusammenfassung und Ausblick
1. Hintergrund Kundenorientierung war bis vor gar nicht so langer Zeit in der Finanzdienstleistungsbranche kein Thema. Die verwaltungsahnlich hnktionierenden Banken florierten bis in die Achtziger Jahre quasi von selbst. Nicht von ungefahr kam die Bezeichnung ,,Bankbeamter". Die Kunden hatten Respekt im Umgang mit Banken und waren gewohnt m akzeptieren, was ihnen geboten wurde. Erst gegen Ende der Achtziger Jahre entstand ein gewisser Leidensdruck in der Branche. Die Bankendichte in ~sterreichwar auf einen internationalen Spitzenwert angewachsen. Neue Mitbewerber (auslandische Banken, neue Anbieter von Finanzdienstleistungen) drangen in den Markt ein. Konkurrenz- und Konditionendruck machten sich bemerkbar. Neue Technologien erforderten ein Uberdenken bestehender Strukturen, AblSiufe und Angebote. Zudem wurden die Kunden zunehmend kritischer, anspruchsvoller und sensibler. Es war keine Selbstverstandlichkeit mehr, dass laufend neue Kundschaft ,,von selbst" bei der Tur hereinkam und ein einmal gewonnener Kunde ein Leben lang ,,seinerx Bank treu blieb (vgl. Ronzal 1998; HufeldlWassiluk 1998 S. 3ff). Vor diesem Hintergrund begann die Beschaftigung mit dem Kunden und dessen Bedurfnissen in den Banken Einzug zu halten.
2. Anfange eines Qualitatsmanagements in der BTV Die Bank f i r Tirol und Vorarlberg (BTV) ist als Universalbank in den osterreichischen Bundeslandern Tirol, Vorarlberg und Wien mit insgesamt 35 Filialen und insgesamt knapp 800 Mitarbeitern vertreten.
Abbildung 1: Service statt Abwicklung
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Abbildung 2: Umsetzung einer Service- und Kundenorientierung Seit Anfang der Neunziger Jahre begann die BTV im Rahmen eines Qualitatsmanagements das Thema Kundenorientierung aufzuarbeiten und sukzessive im Bankalltag ummsetzen. Die folgenden Aufgaben galt es dabei zu erfiillen: S
Bewusstsein schaffen
Nicht allen Mitarbeitern war bewusst, dass die Veranderungen in der Bankenlandschaft auch Veranderungen ihres eigenen Verhaltens mit sich bringen mussten. Es war zunachst notwendig, eine Sensibilisierung der Mitarbeiter zum Thema Kundenorientierung und Servicequalitat zu erreichen. @
MaJnahmen setzen
Im Bankalltag der letzten Jahre gab es permanent Veranderungen, die laufend kommuniziert werden mussten. Neue Produkte, neue Ablaufe, neue Ansprechpartner und Zustandigkeiten, neue gesetzliche Regelungen, usw. sorgten fiir eine Flut an Innovationen, die permanent umgesetzt werden mussten. Das Thema Kunden- bzw. Serviceorientierung als ,,soft fact" musste ausreichend kommuniziert und in der Umsetzung durch Anreize begleitet werden, um nicht in der Fiille der Aufgaben unterzugehen. B Ergebnisse messen und interpretieren
Um Fortschritte in der Umsetzung dokumentieren zu konnen und interne Vergleichsn~oglichkeitenzu schaffen, war es notwendig, Ergebnisse zu messen. Sowohl die interne als auch die externe Kundenorientierung mussten erhoben werden.
Diesen Anforderungen wurde von 1992 bis 1998 im Rahmen eines ,,Qualitatswettbewerbs" Rechnung getragen. Promotor dieses Wettbewerbs war der BTV-Vorstand, der einerseits als Vorbild, andererseits als Trager der Bemiihungen um mehr Kunden- und Serviceorientierung einen wesentlichen Beitrag leistete.
2.1 Qualitatswettbewerb Den Rahmen f i r Aktivitaten zur Steigerung der Dienstleistungsqualit~tder BTV bildete ein Qualitatswettbewerb, in den alle Mitarbeiter (in Zentralebereichen und den Filialen) eingebunden waren. Ein Qualitatszirkel defmierte jahrlich Umsetzungsschwerpunkte. Diese wurden breit komrnuniziert. Inwieweit die Umsetzung gelang, wurde - heruntergebrochen auf einzelne Organisationseinheiten (Filialen, Zentraleabteilungen) - gemessen. Anhand von Rankings wurden Sieger ermittelt.
2.1.1 Qualitatszirkel Der Qualitatszirkel traf sich einmal jthrlich, um Defizite in der Serviceorientierung aufmarbeiten und Umsetzungsschwerpunkte fiir das Folgejahr m defmieren. Im Qualittitszirkel waren sowohl Entscheidungstrager aus Zentralebereichen (Personal, Marketing, Vertrieb) als auch aus den Filialen (Filialleiter, Kundenbetreuer) vertreten. Die Art der ijberpriifung der Qualitatsschwerpunkte wurde ebenfalls in diesem Gremium abgestimmt.
2.1.2 Schwerpunkte Es gab jeweils unterschiedliche Schwerpunkte fb Zentrale- und Filialmitarbeiter. Bei den internen Mitarbeitern wurde hauptdchlich die interne Kundenorientierung forciert. Fiir Filialmitarbeiter war es der Umgang mit Kunden. Pro Jahr hat sich eine Anzahl von 3 Schwerpunkten jeweils fiir Zentrale und Filialen bewahrt. Die jeweiligen Schwerpunkte wurden so breit wie moglich kommuniziert. Jeder Mitarbeiter hatte auf seinem Schreibtisch in einem Plexiglasstander ein Kartchen mit den jeweils ftir das Jahr giiltigen Schwerpunkten. Zusatzlich gab es A3 Poster f%r alle internen Besprechungszimmer.
BTV
3 Qualitatsnormen fur 1998 fur die interne Zusammenarbeit
@ Wir vereinbaren Termine realistisch und liefern Ergebnisse unaufgefordert und termingerecht.
@ Wir gewahrleisten, dass 1 Ansprechpartner pro Team zu Telefonkontaktzeiten erreichbar ist.
@ Unser Telefon Iautet maximal 3x.
... und vor allem Abbildung 3: Beispiel fir Kartchen mit Jahresschwerpunkten
2.1.3 Messung Gemessen wurde nach dem Prinzip ,,Kunden beurteilen die Filialen, die Filialen beurteilen die Zentrale". Die Beurteilung der Filialen erfolgte anhand einer jahrlichen Kundenbefiagung. Telefonisch wurde eine Stichprobe von ca. 1800 BTV-Kunden befragt. Die Stichprobe war eine Mischung aus Schichtung und Zufallsauswahl (Berekhoven/Ecker/Ellenrieder 1989, S. 48 ff.). Pro Filiale und Kundengruppe wurde eine definierte Mindestrnenge an Kunden befi-agt. Innerhalb der Kundengruppe pro Filiale wurden die Teilnehmer an der Befiagung nach dem Zufallsprinzip ausgewahlt (jeder x-te Kunde). Die Be&agung dauerte ca. 20 Minuten und enthielt sowohl offene als auch geschlossene Fragen nu Kundenzufiiedenheit. Die jeweiligen Qualit%tsschwerpunktewaren im Fragebogen integriert. Die Zentraleelnheiten wurden durch Filialmitarbeiter beurteilt, die anhand von Checklisten und Protokollen Wertungen ermiiglichten. Da die Beurteilung permanent wiihrend des gesamten Jahres erfolgte, gab es vierteljahrlich Zwischenwertungen. Diese bildeten gute Anlasse, Qualitat und Kundenorientierung wieder m thematisieren und boten den Abteilungen laufend die Moglichkeit, Schwachstellen auszumerzen und sich zu verbessern.
2.1.4 Siegeremittlung In einer Spezialauswertung zur Kundenbefiagung wurde ein Ranking erstellt, das nur die Fragen zu den drei Jahresschwerpunkten beinhaltete. Diejenige Filiale und Zentraleeinheit, die dabei den besten Wert erreichte, wurde als Qualitatssieger gefeiert. Sie erhielten den Wanderpokal ,,Qualitatskreisel" (eine Bronzeskulptur) und wurden vom Vorstand zu einem Abendessen eingeladen. Um einen Anreiz fiir alle zu schaffen, wurde in den diversen internen Medien (u.a. Mitarbeiterzeitung) ausfihrlich iiber ,,Erfolgsgeheimnisse" und diese ,,Siegerpramien" berichtet.
Die Ergebnisse der Kundenbefragung gaben Aufschluss iiber den Handlungsbedarf in einzelnen Filialen und auf Gesamtbankebene. Zu Tage getretene Schwachen konnten einerseits durch lokale Maljnahmen und andererseits durch eine entsprechende Schwerpunktsetzung im Folgejahr verbessert werden. Die offen gestellten Fragen (Beschwerden und Anregungen) lieferten auch eine Fulle an Anhaltspunkten f i r kleine Dinge, die oft sofort realisiert werden konnten (z.B. ein Briefoffner bei der Ausgabestelle fiir Kontoausziige). In den Zentralebereichen gab es neben der beabsichtigten Verhaltensanderung der Mitarbeiter auch Organisatorisches, das neu geregelt werden musste. So mundete z.B. der Schwerpunkt zu kundenfreundlicherem Telefonverhalten im Ankauf von neuen Telefonapparaten fir alle Mitarbeiter. Nur durch die so gewonnene technische Unterstutzung war es moglich sicherzustellen, dass jedes ankommende Telefonat spatestens nach dem dritten Lauten abgenommen wurde.
2.1.6 Bilanz der Aktivitaten Der beschriebene Qualitatswettbewerb erreichte eine deutliche Bewusstseins- und bei den gesetzten Schwerpunkten auch eine Verhaltensanderung. Einzelne Schwerpunkte mussten wiederholt werden, da sich im Laufe der Zeit wieder eine gewisse Nachlassigkeit (z.B. bedingt durch interne Umstrukturierungen) eingestellt hatte. Die Kundenorientierung hat sich deutlich gebessert. Die jahrlich bzw. alle zwei Jahre durchgefihrte Kundenbefiagung fie1 jedes Jahr besser aus. Bei der Beurteilung der Freundlichkeit der Mitarbeiter konnte 1998 sogar uber alle Filialen und Kundengruppen die beinahe ideale Durchschnittsnote von 1,01 (Benotung nach dem Schulnotensystem) erreicht werden. Nach 7 Jahren Qualitatswettbewerb war es aber aus mehreren Griinden an der Zeit, die Aktivitaten im Rahmen des Qualitatsmanagements auf neue Beine zu stellen:
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Abnutzungserscheinungen: Der Qualitatswettbewerb hatte innerhalb der Bank nicht mehr den Stellenwert, den er in den ersten Jahren hatte. Er war bereits zu sehr zum Standardprogramm geworden und die Anreizfunktion erzielte nicht mehr dieselbe Wirkung. Konkurrenz schlaft nicht: breitere Basis. Mit dem Start des Qualitatswettbewerbs und den damit verbundenen Aktivitaten zur Steigerung der Kundenzufriedenheit im Jahr 1992 war die BTV unter den Pionieren der Bsterreichischen Bankenlandschaft in der starkeren Ausrichtung ihrer Aktivitaten nach den Kundenwunschen im Sinne eines Qualitatsmanagements. Im Laufe der 90er Jahre wurde dieses Thema aber von immer mehr Banken aufgegriffen (z.B. Kundenbefragungen) sodass eine Ausweitung der Aktivitaten notwendig war, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten. Kundenzufriedenheit ist nicht genug. Im Laufe der 90er Jahre verschob sich auch die Diskussion iiber Kundenzufriedenheit hin zu Kundenbegeisterung (vgl. Gefftoy 1997, Kobjoll 1998). Zufriedenstellende Leistungen wurden als selbstverstandlich erachtet. Erst Leistungen, die Erwartungen des Kunden ubertreffen, fihren zu den erwunschten Effekten einer ausgepragten Kundenorientierung wie Kundenbindung oder Weiterempfehlungen (HinterhuberIHandlbauerl Matzler 2003).
Vor diesem Hintergrund fand Ende der 90er Jahre eine Neugewichtung (mehr Ressourcen wurden eingesetzt) und eine Neuausrichtung des Qualitatsmanagements statt.
3. Alegria - Begeisterung Weiterentwicklung des Qualitatsmanagements 3.1 Begeisterung - Alegria Die Neuausrichtung des Qualitatsmanagements sollte f i r alle Mitarbeiter spurbar und ein wichtiges Signal f i r die noch starker auszupragende Kundenorientierung der BTV sein. Ziel der Neuausrichtung war es, nicht nur Kundenzufriedenheit zu stiften sondern einen spiirbaren Unterschied zu anderen Finanzdienstleistern zu schaffen, Kunden zu begeistern. Nicht nur hin und wieder sollte eine besondere Leistung angeboten werden. In allen Situationen und flachendeckend sollte die BTV anders, besser, aufmerksamer und fantasievoller sein als die Mitbewerber. Ein wichtiger Ansatzpunkt dabei waren die Mitarbeiter, denn nur wenn die Mitarbeiter selbst begeistert ihrer jeweiligen Tatigkeit nachgehen, kann diese Begeisterung auch auf Kunden ubertragen werden. In diesem Sinne setzten die Aktivitaten gleichzeitig bei den Erwartungen von Mitarbeitern und Kunden an.
Um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter auf den Zug aufsprangen und die Botschaft erhielten, entschied sich der Bankvorstand f i r einen besonderen Auftakt zum neuen Qualitatsprozess der BTV. Alle Mitarbeiter wurden im Herbst 1998 zu einer AlegriaVorstellung des Cirque du Soleil in Zurich eingeladen. Anhand einer begeisternden und bis ins kleinste Detail perfekten Vorstellung dieses Zirkus, der mit dem Slogan ,,when a circus is not a circus" wirbt, sollten auch die BTV-Mitarbeiter begeistert und angeregt werden zu uberlegen, was getan werden muss, damit es auch von der BTV heil3t ,,when a bank is not a bank". Diese Einladung war begleitet von zahlreichen Kommunikationsmaljnahmen, die Fuhrungskraften und Mitarbeitern Grund und Zielsetzungen dieser aul3ergewohnlichen Einladung naher brachten. Fur die interne Kommunikation wurde ein eigener ,,Markenname" Alegria - mit einem eigens dafir geschaffenen Logo eingefihrt. Unter dieser Klammer sollten die einzelnen Schritte und zukunftigen Aktivitaten des Qualitatsprozesses starten.
3.2 Erweiterte Aktivitaten Um eine begeisterte und begeisternde BTV Wirklichkeit werden zu lassen, musste parallel an mehreren Strangen gezogen werden. Einerseits galt es, speziell f i r Mitarbeiter die Rahmenbedingungen der taglichen Arbeit zu verbessern b m . neu zu gestalten. Um Kundenzufiiedenheit und -begeisterung zu erreichen, musste sowohl an Aspekten gearbeitet werden, bei denen der Zufiiedenheitslevel noch nicht zufiieden stellend war (,,Pflichta) als auch daran, Dienstleistungen so zu erbringen, dass Kundenenvartungen ubertroffen werden (,,KurU). Bei allen Aktivitaten zum Ausbau der Kundenorientierung wurden moglichst viele Mitarbeiter so intensiv wie moglich eingebunden.
3.2.1 Begeisterte Mitarbeiter In Erganzung zu der bereits traditionell gut gelebten Mitarbeiterorientierung (interne Entwicklungsmijglichkeiten, flache Hierarchien, Forderung von individueller Weiterbildung, regelmaige Beurteilungs- und Forderungsgesprache, Zielvereinbarungen und leistungsbezogene Pramien) wurden speziell flir Mitarbeiter zusatzliche Aktivitaten eingefiihrt. Vor allem f i r besondere Gruppen- aber auch Einzelleistungen wurden zusatzliche Anreize eingefihrt. r Zwei Smart-City-CoupBs wurden angeschafft. Mitarbeiterteams, die besondere Leistungen erbrachten, erhielten diese jeweils f i r einen Monat zur beruflichen und privaten Nutzung. Die Vergabe erfolgte schwerpunktmaljig f i r Erfolge im Bereich Kundenorientierung (bestes Ergebnis Kundenbefiagung, Neukundenbefiagung, Telefonverhalten,. ..).
Tolle Teamleistungen wurden zustitzlich noch im Rahmen kleiner Events oder Feiern bedacht. Zum Beispiel wurde die Referententatigkeit von Mitarbeitern im internen Ausbildungsprogramm der BTV aufgewertet. Alle ,,BTV-Trainer" erhielten eine Einladung zu einer Outdoor-Adventure-Tour. Im Anschluss daran bedankten sich die beiden Vorstandsdirektoren f i r die Leistungen der Trainer und hoben dabei die Bedeutung ihrer Rolle f i r die Unternehmenskultur und das Leben von interner und externer Kundenorientierung hervor. Weiters erhielten die Trainer Unterstutzungsangebote fiir ihre Tatigkeit. sl Folgeveranstaltungen zum Besuch der Alegria-Auffihrung sind in regelmafligen Abstanden f i r alle Mitarbeiter geplant. Diese BTV-Mitarbeiter-Events werden auch in Zukunft im Gegensatz zu klassischen Betriebsausflugen motivatorischen Charakter haben und Begeisterung fordern. Neben Unterhaltung werden auch geschaftspolitische Inhalte Teil des Programms sein. H
3.2.2 Ideenborse In einer Ideenborse waren alle Mitarbeiter eingeladen, Ideen zu entwickeln, was jeder einzelne selbst dazu beitragen kann, um das Kundenservice der BTV zu verbessern. In einem Zeitraum von 4 Monaten wurden von BTV Mitarbeitern aus fast allen Filialen insgesamt 160 Serviceideen eingereicht. Die Ideen betrafen unterschiedlichste Bereiche des Bankalltages, zum Beispiel das Telefonverhalten, die Ausstattung der Filiale oder das personliche Verhalten gegenuber Kunden. Um eingereichte Ideen einerseits zu honorieren, andererseits aber auch neue Impulse zu geben, erhielten alle Einreicher einen Einkaufsgutschein. Die Mitarbeiter wurden gebeten, beim Einlosen des Gutscheins genau auf das gebotene Service zu achten und sowohl bei besonders positiven als auch negativen Erlebnissen zu uberlegen, ob diese Dinge nicht auch f i r die BTV von Bedeutung sind. Neben der Sensibilisierung aller Mitarbeiter fir das Thema Servicequalitat bildete die Ideenborse auch die Grundlage f i r BTV-weite, kundengruppenspezifische Servicestandards, die f i r die gesamte Bank eingefihrt wurden. Ca. 25 % der eingereichten Ideen finden sich in den in kundengruppenspezifischen Teams ausgearbeiteten Standards (siehe Kapitel3.2.3) wieder.
3.2.3 Servicestandards Festgeschriebene Standards f i r den Umgang mit Kunden gab es bis zu diesem Zeitpunkt in Form der jahrlichen Qualitatsschwerpunkte. Ziel der ,,Begeisterungsoffensive" war es, fiir zusatzliche Situationen Minimumstandards f i r den Umgang mit (internen und externen) Kunden als Hilfestellung f i r alle Mitarbeiter zu entwickeln und dabei auf die unterschiedlichen Zielgruppen in der Bank einzugehen. So sollte gewahrleistet werden, dass
in der individuellen Beratung des gehobenen Veranlagungs- und Finanzierungsgeschafts hohere Standards gelten als im klassischen Schaltergeschaft. In insgesamt 20 Themenblocken wurden auf breiter Basis Minimumstandards fir den Umgang mit den Kunden der BTV entwickelt. Sie sollen garantieren, dass jeder Kunde in allen Filialen ein entsprechend hohes Serviceniveau vorfmdet. Das definierte Ziel in der Umsetzung dieser Standards ist es, andere, begeisterndere und konstantere Leistungen zu erbringen als andere Banken.
Empfang in der BTV und Verabschiedung Fijr den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance
Wir begriiljen alle Kunden beim Hereinkommen freundlich unter dem Motto: Kunde, ich habe dich gesehen und ich habe dich gerne gesehen. (Wenn alle Mitarbeiter besetzt sind, gri.il3t mindestens einer trotzdem). Wo raumlich moglich, gehen wir auf unsere Kunden zu. Wo dies nicht moglich ist, unterstreichen wir die Begrukung durch Aufstehen. (zumindest 1 Mitarbeiter) Wir begruken Kunden mit Terrninen und Stammkunden rnit Namen und sprechen Kunden irn Gesprach wiederholt mit Narnen an.
Wir inforrnieren neue Mitarbeiter uber die Narnen unserer Kunden und stellen neue Mitarbeiter und Kunden einander persdnlich vor.
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Wir inforrnieren wartende Kunden "ber die voraussichtliche Wartezeit. Wir uberfallen den Betreuer nie rnit dern Kunden. Wir holen Kunden von der Wartezone ab. gleiten Beratungskunden aus der Beratungszone heraus
Bei Verabschiedung nach Schalterschluss begleiten wir den Kunden bis zum Ausgang.
Abbildung 4: Themenblock ,,Empfang in der BTV" aus den Servicestandards (die grau hinterlegten Standards betreffen das gehobene Veranlagungs- und Finanzierungsgeschikft)
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Ein Thema bildet 2.B. die Betreuung neuer Kunden. Ein kundengruppenspezifisches System wurde entwickelt, das genau regelt, wie und wann neue BTV-Kunden in den ersten Monaten angesprochen werden (personlich, brieflich, Befiagung, ...). Ein anderes Thema regelt Empfang und Verabschiedung von Kunden (siehe Abb. 4). Alle Themen wurden aufgelockert durch grafische Darstellungen, die anhand eines ,,So nicht"Beispie1s illustrierten, worum es ging (siehe Abb. 5).
Abbildung zu den Standards betreffend den ,,Empfang in der BTV"
Abbildung zu den Standards betreffend das ,,Beratungsgesprach" Abbildung 5: Darstellungen zu den einzelnen Themen der Servicestandards
3.2.4 Prozesse und Projekte Im Laufe der vergangenen Jahre wurde die Bankorganisation sehr stark prozessorientiert neu gestaltet. Oft war der Rationalisierungsgedanke dabei im Vordergrund. Bereichsiibergreifende Projekte hatten haufig das primare Ziel, Kosten zu sparen. ~ b e r l e ~ u n g e n , wie sich neu gestaltete Prozesse oder Projektergebnisse auf den Kunden auswirken,
wurden nicht immer vorab angestellt. In manchen Fallen kam es dabei fiir Kunden zu Verschlechterungen. Im Sinne von Total Quality Management wurde zur Gewahrleistung der Qualitat aus Sicht des Kunden und zur Vermeidung nachtraglicher, oft kostenintensiver Korrekturen ein System eingefiihrt, das innerhalb von Projekten und neu zu gestaltenden Ablaufen in allen Phasen ,,KundenchecksU vorsieht. Je nach Aufgabenstellung sind diese unterschiedlich umfassend. Durch die friihzeitige Einbindung von Kundeninteressen wird gewahrleistet, dass Rationalisierung und Qualitat keine gegensatzlichen Interessen sind. Steuerungsinstrumente zur Ablaufoptimierung und Messung von Produktivitat und Qualitat wurden fiir einzelne Prozesse entwickelt und eingesetzt.
3.3 Ausbau der Messinstrumente Erfolge einzelner Mafinahmen konnen nur festgestellt werden, wenn man Ergebnisse misst. Durch den Ausbau der Schwerpunkte war es notwendig, auch das Messinstrumentarium zu verfeinern. Mbglichst alle Ziele oder Standards sollten messbar gemacht werden. Zur Messung der Kundenorientierung wurden neben der bereits dargestellten telefonischen Kundenbefiagung (siehe Kapitel 2.1.3) ,,Mystery-Shopping" und eine Befi-agung der neuen BTV-Kunden eingefuhrt. Mit Mystery-Shopping (Testkaufen) ist es moglich, auf relativ einfache Weise Detailsituationen zu untersuchen, die im Rahmen von telefonischen Kundenbefragungen nicht verlasslich erhoben werden konnen (Kittinger-Rosanelli 1999 S. 76). Die Aufmerksamkeit der Mystery-Shopper kann im Auftrag gezielt auf bestimmte Sachverhalte gelenkt werden. Zudem geht durch die Aufzeichnung der Ergebnisse unmittelbar nach dem Kontakt keine Information verloren. Fur den ,,GetestetenNist der Testkaufer als solcher nicht erkenntlich, die Situation ist alltaglich und das Ergebnis wird nicht verfalscht. Fur die Beurteilung von komplexeren Sachverhalten und Details wie sie die definierten BTV-Servicestandards darstellen, hat sich Mystery-Shopping gut bewahrt (z.B, der Empfang in der Bank oder ein Beratungsgesprach). Die Befiagung neuer Kunden erfolgt je nach Kundengruppe schriftlich oder telefonisch. Sie hat das primbe Ziel, den Neukunden zu signalisieren, dass es die BTV kummert, ob sie sich wohl fiihlen oder nicht. Sie ist aber auch als Messinstrument gut geeignet, vor allem um die fir Neukunden geltenden Servicestandards zu uberpriifen. Zusatzliche, neue Messinstrumente in Form von Statistiken wurden eingefiihrt z.B. f i r das Telefonverhalten oder den Schwerpunk, die Datenqualitat bei Kundendaten zu verbessern. Damit konnen sowohl interne Vergleiche als auch Entwicklungen im Zeitverlauf aufgezeigt und durch MaRnahmen begleitet werden.
3.4 Qualitatsziele Zur Bemessung der jahrlichen Leistungspramie ist es in der BTV bereits ublich, dass mit jedem Mitarbeiter Jahresziele vereinbart werden. Welche Art von Zielen vereinbart wurden, war den jeweiligen Vorgesetzten uberlassen. Vor allem im Verkauf handelte es sich hauptsachlich um Verkaufsziele. Die besten Aktionen zur Steigerung der Kundenorientierung fruchten aber nur wenig, wenn nur anhand von Umsatz- und Volumenszuwachsen beurteilt wird. Deshalb ist ab dem Jahr 2000 vorgesehen, mit jedem Mitarbeiter mindestens ein Qualitatsziel im Sinne eines Beitrags zu einer verbesserten Kundenorientierung zu vereinbaren. Die Grundlage dafiir bildet die Messung unterschiedlicher qualitativer Aspekte des Bankgeschehens, wie 2.B. die Einhaltung der vereinbarten Servicestandards. Im ersten Jahr sollen damit Erfahrungen gesammelt werden. Ab dem Jahr 2001 wird sich auch der Erfolg bei diesen Zielen auf allen hierarchischen Ebenen in der Leistungspramie niederschlagen.
4. Zusammenfassung und Ausblick Seit Ende der 90er Jahre hat sich die BTV zum Ziel gesetzt, ihre Kunden nicht nur zufrieden zu stellen sondern zu begeistern. Das ehrgeizige Ziel, Kunden flachendeckend und in allen Situationen ein besonderes und unerwartet gutes Service zu bieten, kann nur durch die konsequente Umsetzung kleiner, ineinander greifender Teilschritte erreicht werden. Wichtiger Baustein ist die Einstellung der Mitarbeiter einerseits zu ihrer taglichen Arbeit und andererseits zu diesem Ziel. Nur begeisterte Mitarbeiter konnen auch Kunden begeistern. Durch eine ungewbhnliche Startveranstaltung (den Besuch der Zirkusvorstellung ,,Alegria" durch alle Mitarbeiter) und weitere Aktivitaten die sowohl Mitarbeiter- als auch Kundenbegeisterung anpeilten, wurden die ersten Schritte zur Realisierung einer begeisterten und begeisternden BTV gesetzt. In den kommenden ein bis zwei Jahren bildet die Umsetzung weiterer Standards einen Schwerpunkt des Qualitatsmanagements. Mit Hilfe kontinuierlicher Messungen (Mystery-Shopping, Kundenbefragungen) und Ausbildungsmafinahmen sollen die Standards in ,,Fleisch und Blut" iibergehen. Ein internes Bench-Marking sowie die Vereinbarung von Qualitatszielen sind vorgesehen. Intensiv gearbeitet werden sol1 auch an der Optimierung von Ablaufen - unter Beachtung von Produktivitats- aber vor allem auch Qualitatsgesichtspunkten. Das dam notwendige Steuerungs- und Messinstrumentarium sol1 ausgebaut und verfeinert werden.
Mittelfristig ist die Integration der beschriebenen Aktivitaten in das europaische Qualitatsmodell (Zink 1995, S. 99 ff.) bzw. die osterreichische Variante (AFQM-Modell) geplant, da dieses Model1 einen guten Raster zur umfassenden Verbesserung der Kundenorientierung bildet und ,,weil3e Flecken" oder zu wenig nachhaltige Verbesserungen aufzeigt.
Literatur Berekhoven, L./Ecker, W./Ellenrieder P. (1989): Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 4. Neu bearb. Aufl., Gabler, Wiesbaden. Geffroy, E. K.(1997): Das einzige was stort ist der Kunde, Moderne Industrie, Landshut. Hinterhuber, H. H./Handlbauer G./Matzler, K. (2003): Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen, 2. Aufl., Gabler, Wiesbaden. Hufeld, F./Wassiluk, M. (1998): in: Duvvuri/Schiifer (Hrsg.): Qualitatsmanagementreport der Banken, Manz, Wien. Kittinger-Rosanelli, C. (1999): Mit Testkaufen zu mehr Qualitat, in: Bankrnagazin 11/99, S. 76 -77. Kobjoll, K. (1998): Motivaction: Begeisterung ist ubertragbar, Orell/Fussli, Zurich. Ronzal, W. (1998): Zum Geleit, in: DuvvurilSchafer (Hrsg.): Qualitatsmanagementreport der Banken, Manz, Wien. Zink, K. J. (1995): TQM als integratives Managementkonzept: das europaische Qualitatsmodell und seine Umsetzung, Hanser, Munchen, Wien.
Dr. Christine Kittinger-Rosanelli Institut fur Strategisches Management, Marketing und Tourismus Universitat Innsbruck Universitatsstr. 15 A-6020 Innsbruck
Manfred KohlIChristine Siege1
Beziehungsmarketing im Tourismus
2. Implementierung von Beziehungsmarketing 2.1 Urndenken 2.2 Budget umschichten 2.3 Neustrukturierung der Marketing-Instrumente und -Werkzeuge
1. Einfuhrung Thema Urlaub - ,,die schonste Zeit des Jahres": Was bewegt Gaste dam, m m 5. Mal Urlaub in einem bestimmten Hotel zu machen? Warum fahren viele immer wieder in eine bestimmte Destination? Und warum verbringen sie viele Abende Ihres Urlaubs in der gleichen Bar? Gerade im Tourismus erscheint es oft ratselhaft, wie stark doch immer wieder - trotz der Mode ,,fremdzugehen" - die Stammkundentreue zu bestimmten Unternehmen bzw. Destinationen ist. Dahinter steckt mit Sicherheit mehr als Zufall oder Bequemlichkeit: Gute touristische Unternehmen haben langst erkannt, dass langjahrige treue G b t e um ein Vielfaches weniger Kosten verursachen als die Akquisition neuer Gaste. Zufriedene Kunden, die immer wieder kommen, sind das beste Kapital eines Unternehmens, sie kommen ofter und sind in der Regel weniger preissensibel. Trotzdem wird beispielsweise selbst in zeitgemaflen Destinations-Managementkonzepten noch immer auf klassische Massenwerbung gesetzt und standig mit noch mehr Geld weniger Wirkung erreicht. Kein Wunder, stammen diese Marketing-Instrumente doch aus den 80-er Jahren - sie beriicksichtigen den tief greifenden sozialen Wandel nicht, der seither stattgefunden hat. Heute stehen drei zentrale Werte im Mittelpunkt der Kundenwiinsche:
( I ) Leistung, ( 2 ) Innovationen und
(3) Individualitat. Insbesondere der Wunsch, als individuelle Person und nicht als Masse oder Zielgruppe angesprochen zu werden, und auch als Person wahrgenommen zu werden, erfordert einen vollig neuen Bezugsrahmen f i r das Marketing, ein neues Paradigma, ein ReEngineering im Marketing. Micro-Marketing statt Massenmarketing. Micro-Marketing ist die Ausrichtung eines Unternehmens bzw. einer touristischen Destination auf die Forderung des Absatzes durch total individualisierte Kommunikation, auf den einzelnen Kunden ausgerichtete Produktion und Vertrieb, sowie auf den Aufbau der menschlichen Beziehungsqualitat m r Festigung der Kundenbindung. Je starker die Technisierung, Elektronisierung und Automatisierung fortschreiten, umso wichtiger wird die emotionale Beziehungsqualitat gerade eines so sensiblen Produktes wie es Urlaub ist. Das Vorstellungsbild des Gastes iiber eine touristische Destination oder eines Tourismusbetriebes wird bereits m m Zeitpunkt der personlichen Kontaktaufnahme und sodann in der gesamten Leistungskette durch subjektive und individuelle Qualitatserlebnisse gepragt. Er sucht nach Informationen, Angeboten und Dienstleistungen, die auf seine ganz personlichen Bediirfhisse maflgeschneidert sind (,,Das ist ja wie fQr mich geschaffen!"). Dabei sind meist Detailerlebnisse ausschlaggebend: In Gaste-Focus-Gesprachen
hort man z.B, immer wieder, dass der Grund fir die Entscheidung f i r ein bestimmtes Hotel einfach ,,die nette und uberaus hilfsbereite Dame am Telefon" war. Der Gast sucht also vom ersten Augenblick nach Sicherheiten fiir einen angenehmen Urlaub und entscheidet intuitiv - wenn der Erstkontakt sehr positiv verlauft, schlieat er sofort auf ein gutes Service auch wahrend des Urlaubsaufenthaltes. Kann er den gesuchten Benefit nicht identifizieren, reagiert er mit Irritation und Ablehnung. Da im uberbordenden touristischen Angebot Betriebe und Destinationen mit einzigartigen Produktvorteilen rar werden und sich im Angebot, Preis und Prasentation kaum mehr voneinander unterscheiden, wird die individuelle Problemlosungskompetenz im Verdrangungswettbewerb immer mehr zum Instrument der Differenzierung - und damit zum Instrument der Image-Entwicklung (,,Dart kummert man sich wirklich um mich!"). Beziehungsmarketing von der ersten Sekunde an. Gelingt es einer touristischen Destination bzw, einem Betrieb, das Image des individuellen ProblemlBsers, des Spezialisten f i r personliche Beziehungen zu erreichen (,,Die losen das fiir Dich!"), dann sind bereits zwei der drei oben genannten zentralen Wunsche erfiillt: Leistung und Individualitat. Das Motto muss lauten: Wir sind die Marktspezialisten fir individuelle Gastewiinsche! Gaste sind fiir uns Einzelpersonen! Wir sind hautnah an den Bedurfnissen des einzelnen Menschen! Micro-Marketing schafft somit als individuelles Beziehungsmarketing neben dem emotionalen Markenimage einen neuen Wert. Denn emotionale Marken brauchen auch einen rationalen Mehrwert (die relevante Information, die bessere Beziehungspflege), urn sich von Konkurrenzmarken gleicher oder ahnlicher Qualitat zu differenzieren.
2. Implementierung von Beziehungsmarketing Nach langjahrigen Erfahrungen von Kohl & Partner, einem auf Tourismus und Freizeitwirtschaft spezialisierten Consultingunternehmen, mit diesem Thema hat sich eine schrittweise Vorgangsweise bewahrt: 1.
Umdenken,
2.
Budget umschichten,
3. Neustrukturierung der Marketing-Instrumente und -Werkzeuge.
2.1 Urndenken Radikales ~ n d e r nder Marketingstrategie in Richtung Kundenmarketing:
kt# kt#
Relationship-Marketing, nicht alleine Verkaufsmarketing After-sales-Marketing, nicht alleine pre-sales-Marketing Kundenbindung geht vor Neukundengewinnung
Den meisten Unternehmern und Managern fa'llt es schwer, sich eine Arbeit nach dem Massenmarketing vorzustellen - und nicht nur ihnen. Die erste Zielgruppe des Beziehungsmarketing ist namlich nicht der Gast, sondern der Mitarbeiter. Und diese Projektion des neuen Servicegedankens nach innen und danach iiber die Mitarbeiter zum Gast wird meist straflich vernachlassigt. Kundenorientierung kann man nur sicherstellen, wenn man den Sinn des Beziehungsmarketing versteht und kommuniziert - diese Identifikation gilt es, durch interne Schulungen zu schaffen. Gaste-Manager und nicht Produkt-Manager sind gefiagt!
Ein Beispiel aus einem Hotel:
Ein 4-Sterne-Ferienhotel setzt seit Jahren bewusst auf Beziehungsmarketing: 2x im Jahr werden Mitarbeiter-Workshops organisiert, an denen Mitarbeiter aus allen Abteilungen von den Kaderkraften bis hin zu den Lehrlingen teilnehmen. Zentrales Thema: ,,Der Mitarbeiter als Gastgeber - wie konnen wir unsere Beziehungen zu den Gasten verbessern? " Erstaunliche Ideen kommen meist zutage, die dann gemeinsam in einem Mafinahmenplan auch fiir die Umsetzung vorbereitet werden. So veranstaltet z.B. der Kuchenchef des Hauses in diesem Jahr einen kleinen Pilzkurs, die von den Gasten gesammelten Pilze werden gemeinsam eingelegt, die Gaste nehmen ,,ihreU Pilze mit nach Hause. Kleines Detail zum Beziehungsaufbau zu den Mitarbeitern von der ersten Minute im gleichen Hotel: Jeder Lehrling wird in der ersten Woche des Eintritts in den Betrieb fotografiert. Bei der Lehrabschlusspriifung bekommen die Lehrlinge dieses Foto schon gerahmt uberreicht.
2.2 Budget umschichten Eine der wesentlichsten Konsequenzen der geanderten Marketingstrategie in Richtung Beziehungsmarketing ist die Unschichtung des Werbebudgets: Mehr Budget fiir Gastebindung im Sinne von Beziehungsmarketing, weniger Geld f i r die Akquisition von Neugasten. Die Betriebe und Destinationen geben zuviel Geld fXir die Akquisition neuer Gaste und zu wenig fiir die Bindung bestehender Gaste aus. Die emotionale ImageBildung wird mit vie1 Geld an Agenturen delegiert. Die Imagebildung iiber individuelles
Gastemarketing erfordert jedoch eigene Anstrengungen iiber Personen, Technik und Budgetmittel, die nicht unter Administration, sondern unter Marketing zu verbuchen sind. Umschichtung vom Massenmarketing zu Micro-Marketing erscheint vor allem schon deshalb zwingend, da der Erfolg der klassischen Massen-Werbemethoden immer geringer ist. Verschiedene Studien belegen zudem, dass Betriebe mit niedriger Loyalitatsrate die hochsten Werbebudgets haben.
2.3 Neustrukturierung der Marketing-Instrumente und -Werkzeuge Radikales Infragestellen und Umbauen aller bisherigen Marketing-Instrumente im Sinne von Streichen, Ersetzen oder Umbauen hat sich bewahrt. Dies unter der Pramisse, alle Aktivitaten (von den Werbemitteln, iiber die Gasteinformation bis hin zum Mailing und zur GBstebetreuung) punktgenauer im Sinne von Micro-Marketing individueller, personlicher, kommunikations- und dialogorientierter zu gestalten. Was kann ein Betrieb, eine Destination nun alles tun, um die Qualitat der Beziehung zum Gast zu verbessern? Aujbau einer Infothek Die Grundvoraussetzung f i r individuelles Kundenmarketing ist eine sorgfaltig gepflegte Datenbank. Um individuelle, auf die Person zugeschnittene Informationen und Angebote schaffen zu konnen, sind individuelle Daten uber einzelne Personen notwendig. Alle verfigbaren Daten werden nach und nach in moglichst kleine Bediirfiisgruppen segmentiert. Eine groRe Herausforderung f i r jede Destination und jeden Betrieb. Es gilt, die Moglichkeiten der Informationstechnologie friiher und besser zu nutzen als die Mitbewerber und die notwendigen Voraussetzungen fiir das Beziehungsmarketing zu schaffen. Motto: Die wesentlichste Marktnische ist der individuelle Verbraucher! Nicht Daten, sondern Informationen sind der wichtigste Bestandteil einer Infothek. Und der Aufbau einer Infothek beginnt bereits beirn Erstkontakt am Telefon: Eine touristische Destination oder ein Tourismusbetrieb kann nur dann ein masgeschneidertes, punktgenaues Angebot legen, wenn die dam notwendigen Informationen vorhanden sind. Genere11 wird jedoch bei telefonischen oder personlichen Anfragen zu wenig nachgefragt, zu wenig in die Bediirfiisse des Gastes hineingehort und zu schlecht dokumentiert. Durch das fehlende Aufspiiren von Anfragenviinschen wird in der Folge ein anonymes Massenmailing ausgelost, das eine enorme Ressourcenverschwendung darstellt. Und das nicht nur einrnal: Auch bei der weiteren Bearbeitung der Adressen wird aufgrund fehlender Informationen der Gast anonym mit Informationen uberschwemmt, die er nicht benotigt und unter Umstanden auch gar nicht will. Alleine hier liegen groRe Micro-MarketingPotentiale - budgetar und vor allem auch in der Wirksarnkeit. Nicht zuletzt im Inhouse-Marketing ist eine gut gefihrte Infothek nicht mehr wegzudenken, von der Aufmerksamkeit des gewiinschten zweiten Kopfpolsters, der bereits ab
dern 2. Aufenthalt in einem Haus automatisch am Zimmer ist, bis hin zu einem bereits vorweg organisierten Tennisturnier, da man uber die Information uber die Gbte, die in einer bestimmten Woche im Haus sind, verfigt.
Ein Hotelier erzrlhlt von einem Erlebnis im Rahmen seines FuDballausfluges nach London:
Eine Freundesrunde ist zu einem grofien Fufiballturnier nach London gereist. Spat abends nach dern Spiel gingen sie im Hotel noch auf einen Drink, und haben mit dern Barman noch uber das Spiel diskutiert. Am nachsten Morgen wartete eine kleine ~berraschungauf sie: Auf dern Friihstiickstisch lagen sauberlich ausgeschnitten die Kommentare zu dern Spiel vom Vortag aus verschiedenen Zeitungen. Der Barman hatte die Information an den Nachtportier weitergegeben, der die Zeitungsartikel ausgeschnitten und dern Friihstiickskellner weitergegeben hatte. Dass die Freundesrunde auch seit ihrem Kurzurlaub entsprechende Mailings - auf ihr Interesse zurechtgeschnitten versteht sich - nach Hause geschickt bekommt, schatzt sie ubrigens als Serviceleistung des Hotels sehr. H Laufende Sewiceverbesserungen durch ,,Marktforschung"
Marketing ist nicht primar ein Kampf der Produkte, sondern ein Kampf der Wahrnehmungen. Und diese subjektive Wahrnehmungen gilt es genau unter die Lupe zu nehmen - denn nur derjenige, der weiR, welche Kundenbedurfnisse existieren, wird sie auch erfillen kiinnen. Gerade das Produkt Urlaub ist diesbeziiglich ein paradiesisches Produkt: Der Gast verbringt einige Tage, eine Woche in einer Region, in einem Hotel. Was liegt da naher, als ihn selbst nach seinen Bedurfnissen und dern Grad der erlebten Servicequalitat zu befragen? Die Qualitat der Geschaftsbeziehung zeigt sich in der Frage der individuellen Anerkennung: Was will der Gast wirklich?
Beziehungsmarketing und Kundenbindung am Beispiel der Schmittenbahn AG ZelllSee:
1 ,,Das Ohr beim KundenL':
Um laufend mehr iiber die Gaste- und Kundenbedurfnisse zu erfahren, und dabei auch zunehmend im engeren Kontakt mit den Besuchern des Schigebietes zu kommen, wurden folgende MaRnahmen realisiert: @ Einrichtung eines Info-Centers: Es wurden 3 Mitarbeiterinnen eingestellt, die taglich zu Beginn des Schibetriebes im Kassenbereich in spezieller Kleidung f i r Gasteanfragen zur Verfiigung stehen. Im Laufe des Vormittages wechseln diese Mitarbeiterinnen zu einem Info-Point im Schigebiet, wo sie ebenfalls h r Gasteanfragen und Informationen zur Verfigung stehen.
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Diese Info-Krafte fihren wochentlich gezielt 80 Befragungen mittels Fragebogen durch. Die Befi-agungen werden in einem Benchmark-System im Vergleich zu anderen Schigebieten ausgewertet. Kundenbeirat: Vor zwei Jahren wurde ein ,,KundenbeiratUeingefiihrt, der Einheimische und Partner des Seilbahnunternehmens gleichermaflen mit einschlieBt. Insbesondere sind folgende Zielgruppen dabei angesprochen: Vertreter von Schulen (Lehrer, Schuler) Allg. Meinungsbildner bei den Jugendlichen Kaufmannschaft/Handel Exekutive Vertreter der Senioren Vertreter von Vereinen Vertreter von Saisonkartenbesitzern Interessierte Schifahrer Schiclub und andere Sportorganisationen Es werden gezielt Fuhrungspersonen bzw. Meinungsbildner oder Sprecher solcher Gruppierungen einmal jahrlich zu einem Informationsaustausch eingeladen. M Hotelbeirat: Das Seilbahnunternehmen arbeitet mit 28 Partnerhotels im Sinne der Erstellung von gemeinsamen Angebotspaketen und verbesserten Serviceleistungen f i r Gaste zusammen. Ziel ist es, iiber die Partnerhotels die Zielgruppe der Hotelgaste enger an das Seilbahnunternehmen zu binden. Die Hotels sind dabei Mittler und Meinungsbildner. Daher wird auf einen gezielten Beziehungsaufbau und eine kontinuierliche Beziehungspflege zu dieser Zielgruppe geachtet. IMarktbetreuerin: Das Seilbahnunternehmen beschaftigt eine Marktbetreuerin, die personlich Hotels und Tourismusverbande in der Region besucht und einerseits dort Werbematerialien platziert, andererseits VerbesserungsvorschlBge abfragt und Beschwerden entgegennimmt. Gleichzeitig kann diese Marktbetreuerin auch als ,,Botschafterinb'personliche Beziehungen aufbauen und pflegen und iiber MaRnahmen im Unternehmen berichten. Ombudsfau: Im Unternehmen wurde bereits vor 3 Jahren eine Ombudsfi-au als Anlauf- und Beschwerdestelle f i r GSiste eingerichtet. Sie bemuht sich auch in erster Linie um die Einrichtungen wie Kunden- und Hotelbeirat und arbeitet eng mit Marktbetreuung und Marketingabteilung zusammen.
Beziehungsaufbau vor Ort - Emotion schlagt Preis Was kann man tun, um einen Urlaub f3ir einen Gast so unvergesslich wie moglich zu gestalten? Wovon erzahlen die GQte zu Hause? Von immer frisch geputzten Zimmern und schonen Hallenbadern meist nicht. Vielmehr von Uberraschungen, aul3ergewohnlichen Erlebnissen und auch von kleinen Problemen, die perfekt gelost wurden. Letztendlich ist es der emotionale Mehrwert, der einen Gast an ein bestimmtes Haus, an eine bestimmte Destination bindet. Und selbstverstandlich muss es jedes Jahr etwas Neues sein - wobei es oft auf die kleinen Details ankommt. Ein Gust erzahlt: ,,Jeden Tag hat die Unternehmerin eines Hotels die Gaste von neuem uberrascht: Am Golfplatz stand sie immer am 9. Loch mit einer kleinen Erfrischung. Ein Tag mit einem Eistee, einen anderen mit einem Korb voll ~ p f e l n . Und auch bei der Wanderung am vorletzten Tag des Urlaubs haben wir uns riesig gefieut. Nach immerhin 4 anstrengenden und eindrucksvollen Stunden hat uns der Wanderfihrer zu einer Lichtung im Wald gefihrt. Und dort stand am Waldrand ein wunderschtjn weil3 gedeckter Tisch mit einer Gulaschsuppe, einem riesigen ,,Reindla, einem Fass Bier und Limo. Das war die beste Brotzeit unseres Urlaubs." Individualisiertes Kontakthalten durch punktgenaue Mailings Massenmailing entspricht Massenmarketing, individualisiertes Mailing entspricht MicroMarketing. Die Informationsuberlastung der Verbraucher fiihrt dam, dass ihn auch mehrmalige Informationen nicht dam verleiten kGnnen, eine Destination zu buchen, deren Benefit sie nicht kennen. Zudem nimmt der Leser nur sehr selektiv die Inhalte von Mailings und Werbeaussendungen wahr. Ziel eines punktgenauen Mailings muss es sein, den Gasten nur jene Informationen zu iibermitteln, die sie auch wirklich interessieren. Es macht wenig Sinn, einen Nicht-Langlaufer zu einem Langlauf-Opening einzuladen. Die Botschaften mussen fiir den Empfanger relevant sein und ihn auf perstjnliche Art treffen - sonst produziert man lediglich Wegwerfinailings, die teuer sind und wenig Rucklauf erzeugen. Ziel muss es auch sein, im Rahmen eines Mailingplanes nicht nur Akquisitions-Mailings zu versenden, in denen konkrete Angebote feilgeboten werden. Jeder Gast sollte regelmal3ig auch so genannte Emotions-Mailings erhalten, in denen nicht verkauft wird, sondern lediglich an den Gast ,,gedachtC'wird. Dazu eignen sich nicht nur Geburtstage oder Weihnachten. So tragt ein Foto vom Reitlehrer mit dem gerade geborenen Fohlen an alle Kinder, die das Reitangebot eines Hauses genutzt haben, oder auch eine lustige Karte zum Tag der Frau an alle Frauen der Gastekartei eines Hotels mit Sicherheit zur Kundenbindung bei.
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Beziehungspflege auch uber den Urlaub hinaus
Personliche Kontakte mit den Gasten einer Region oder eines Hauses vor Ort - das h e a t bei ihnen zu Hause - im Sinne von Stammgbtetreffen losen meist nicht nur Emotionen und eine erhohte Buchungsresonanz aus, sie bringen oft auch neue Gaste im Sinne von Neukundengewinnung uber personliche Kontakte der bereits bestehenden Gaste.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Eine touristische Destination in Osterreich plant ein ,,Stammgbtefest fir Familien rnit Kindern" in einer deutschen Stadt. Die Tourismusbetriebe werden eingeladen, an dieser Spezialmarktaktion mitzuwirken. Ein Teil der Betriebe macht mit, insgesamt 1.500 Betten. Die Betriebe verfigen uber 4.000 Familienadressen in dieser deutschen Stadt. Fur das grorje Fest in dieser Stadt werden nun Gaste und deren Bekannte mit einem individuellen Mailing, das von den einzelnen Hotels verfasst und von der touristischen Destination versandt wird, eingeladen. Die Kosten des Mailings und die Organisation des Festes ubernimmt der Tourismusverband. Man rechnet optimistisch rnit einem Response von 10 %, also rnit ca. 400 Familien. Tatsachlich kommen 1.500 Personen! Ein GroRteil der Betriebe ist durch Vertreter anwesend, Bauernstande aus der touristischen Destination und ein erlebnisreiches Programm mit vielen Attraktionen f i r Kinder werden angeboten. Eine Analyse ergibt: iiber 20 % der Gaste sind Nicht-Stammgaste, also potentielle Neukunden! I Einsatz neuer Medien
Internet und e-mail sind nicht nur eine Herausforderung fiir ein schnelles, schlankes und total personliches Marketing der Zukunft, die Kosten fir Werbe-Kontakte sind vergleichsweise gering. Eine Anfragebeantwortung per e-mail hat gegenuber dem snail-mail nicht nur den Vorteil der Geschwindigkeit, man kann auch Bildbeilagen je nach Wunsch kostengunstig hinzufiigen. Und ein Internet-Chat mit Stammgasten eines Hotels, mit einem Skistar aus einer touristischen Destination oder auch mit einer Meinungsforscherin sind neue Moglichkeiten, den Gast noch besser kennen zu lernen und die Beziehung zu ihm zu verstarken. Denn f i r die Befriedigung der Bedurfhisse der einzelnen Kunden ist es unentbehrlich, sich seiner Mitarbeit zu versichern. Und auch eine Kundenzeitung der virtuellen Art gewinnt an Bedeutung: der newsletter. Anhand von klaren Informationen, die der Gast zur Verfiigung stellt, wird selektiert, welche News fir ihn tatsachlich von Bedeutung sind. Und diese News gelangen auf schnellstem und kostengunstigstem Weg direkt zu ihm.
M Kundenbindungs-Systeme
Die Treuesysteme von internationalen Hotelketten sichern sich bereits seit langem rund um den Erdball ein bestimmtes Gastesegment: Jede grbfiere Hotelkette halt ein BonusSystem bereit, um ihre Gaste mit Zusatzleistungen als Belohnung an das Unternehmen zu binden - meist auf Basis einer bestimmten Anzahl von Nachtigungen. Zu den haufigsten Benefits dieser ,,Hotelclubs" gehBren das ,,late-check-out", das ,,upgradingu in eine hohere Zimmerkategorie als eine Art Rabatt sowie Bonuspunkte fir das Restaurant. Meist werden finanzielle Vorteile wie Rabatte oder Ruckvergiitungen in den Vordergrund gestellt. Austauschbare Leistungen also, die von jedem Konkurrenten kopiert werden kijnnen. Erfolgreiche Clubs aller Branchen und auch im Tourismus sind durch etwas anderes gepragt: Clubleistungen, die Erlebniswerte und Beziehungen aufbauen emotionale Mehrwerte also.
Ein Beispiel eines Clubs im touristischen Infrastrukturbereich:
Eine Mafinahme zur Pflege der Beziehungen zu den Kunden ist der Club der ,,Schmittenfreunde" in Zell am See im Salzburgerland. Kaufer von Saisonkarten und andere Stammgbte sind Mitglieder dieses Clubs. Insgesamt werden 2.000 Erwachsene und 600 Kinder als Mitglieder gefihrt. Fur sie wurde eine Service-Hotline eingefihrt, sie erhalten gratis die Zeitschrift ,,Schone Aussichten" und spezielle Rabatte auf Veranstaltungstickets und Merchandise-Produkte. Kinder werden bei Kinderfesten gratis transportiert, ein Wanderbuch mit lohnenden Wanderzielen wird gratis zur Verfigung gestellt.
Beziehungsmarketing im Tourismus bedeutet Detailarbeit in jeder Phase der ,,Gastekette": Der Erstkontaktldie Buchung, die Ankunft des Gastes, der Urlaubsaufenthalt, die AbreiseIHeimfahrt und schlussendlich die Erinnerungidas Kontakt halten sollen so individuell und personlich als mtjglich gestaltet werden. Viele Tausende von Werbeschillingen werden ausgegeben, um einen Cast auf eine bestimmte Region, auf ein bestimmtes Hotel aufmerksam zu machen. Und dann gibt endlich der Gast Geld aus, er ruft ein Hotel an oder schickt ein e-mail und fragt an. Wird ihm nun die ,,schBnste Zeit des Jahres" schmackhaft gemacht? In den ersten Sekunden des Kontaktes zeigt sich bereits die Qualitat einer Kundenbeziehung. Und selbstverstandlich beginnt bereits hier der Beziehungsaufbau zum Gast, der durch emotionale Erfahrungen des Gastes wahrend seines Aufenthaltes fortgesetzt wird und ein aufierst wirkungsvolles Mittel des individuellen
Marketings darstellt. In einer Welt der konformen Angebote und der Reiziiberflutung wird es immer mehr auf emotionale Dienstleistungsqualittiten ankommen, die ,,Qualitat der Geschtiftsbeziehung" wird gerade bei einem so sensiblen und personlichen Produkt Urlaub besonders wahrgenommen. Kundenbindung durch Beziehungsmarketing ist eine Chance f i r jede touristische Destination und jedes Hotel.
Dr. Manfred Kohl, Mag. Christine Siege1 Kohl & Partner Tourismusberatung Bahnhofstr. 8 A-9500 Villach
Alexander Pohl
Kundenbindungsprogramme in Frankreich: Bedeutung und Fallstudien
1. Bedeutung von Kundenbindungsprogrammen in Frankreich
2. Ausgewiihlte Beispiele bekannter Kundenbindungsprogramme franzosischer Unternehmen 2.1 S'Miles von Galeries Lafayettes und Casino 2.2 Carte Adherent der Handelskette Fnac 2.3 Weitere Programme in Kurzform 3. Abschlieaende Bewertung
1. Bedeutung von Kundenbindungsprogrammen in Frankreich Mit Kundenbindungsprogrammen verfolgen Unternehmen die Ziele bestehende Kunden langer zu binden, mit diesen einen hoheren Umsatz zu erwirtschaften oder bessere Informationen uber ihre Kunden zu erhalten. Kundenbindung wird hauptsachlich uber das Produkt und den dazugehorigen Preis erzielt. So entscheiden sich Kunden zum Beispiel aufgrund der Produktqualitat, einem exzellenten Service, der Nahe der Einkaufsstatte, dem Produktdesign oder der Marke zum wiederholten Kauf des Produktes. Kundenbindungsprogramme erganzen das Marketinginstrumentarium und sind gezielt so ausgelegt, oben aufgefihrte Ziele zu erreichen. Beispiele fiir Kundenbindungsprogramme sind Kundenkarten, Kundenclubs oder Bonusprogramme. Bekanntestes Beispiel in Deutschland ist das Vielfliegerprogramm der Deutschen Lufthansa Miles & More. Aber auch in dem im April 2002 gestarteten Bonusprogramm der Deutschen Telekom konnen Kunden Punkte, so genannte "Digits", sammeln und gegen Pramien eintauschen. Solche Kundenbindungsprogramme nehmen in den Marketingstrategien von Unternehmen eine immer grorjer werdende Rolle ein. Hierfiir gibt es folgende Griinde:
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Ansteigende Wettbewerbsintensitat in vielen Branchen: Haufig sehen sich etablierte Anbieter neuen Wettbewerbern mit spezifischen Kompetenzen gegenuber. Diese Entwicklung resultiert aus dem Zusammenwachsen von Markten, der stbker werdenden internationalen Konkurrenz und der steigenden Marketing- und Vertriebskompetenz. Dieser Aspekt ist sehr branchenspezifisch zu beurteilen. Erhohte Wechselbereitschaft der Kunden: Die ansteigende Wettbewerbsintensitat fiihrt zu Veranderungen im Kaufierhalten der Kunden. In fast allen Kaufentscheidungssituationen konnen Kunden zwischen mehreren Produktalternativen auswahlen (vgl. PohlIDahlhoff 1998, S. 37). Dies gilt im Konsumgutergeschaft als auch im Businessto-Business-Bereich. Diese Wahlmoglichkeiten fiihren dam, dass Kunden die Alternativen kritischer priifen, was sich letztlich in einer hoheren Wechselbereitschaft aurjert. Geringer werdende Margen: Hohe Wettbewerbsintensitat fiihrt haufig zu fallenden Preisen. Der entstehende Druck auf die Margen endet in Gewinneinbruchen, wenn es nicht gelingt, den Marktanteil bzw. die Menge zu erhohen. Ein fester Kundenstamm stellt vielfach die Basis des Geschafts dar und reduziert das Risiko neben Preissenkungen auch noch fallende Marktanteile hinnehmen zu mussen. Wedall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung in Deutschland: Dieser Wegfall von rechtlichen Restriktionen eroffnet zusatzlichen Spielraum in der Konzeption von Kundenbindungsprogrammen. Diesen Spielraum werden viele Unternehmen nutzen, da die Kosten fiir Kundenbindung unter denen der Neukundengewinnung liegen. In der Begriindung m m Wegfall des Rabatt- und Zugabeverbotes verweist im Ubrigen die Bundesregierung auf die oben aufgefiihrten Veranderungen im Kundenverhalten.
Das "Interesse der [...I Verbraucher an Produktinformationen und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Warenangebot (hatten) erheblich zugenommen" (Berneke 2001, S. 617). In Frankreich sind eine starke Verbreitung und eine starke Nutzung von Programmen zur Kundenbindung zu beobachten. Insbesondere im Handel und im tertiaren Sektor nehmen Kundenbindungsprogramme eine starke Rolle in den Marketingaktivitaten der Unternehmen ein. Ein Vergleich mit Deutschland fiihrt zu der Annahme, dass in Frankreich deutlich mehr Programme existieren. Folgende Griinde konnen fir die vergleichsweise hohe Verbreitung von Kundenbindungsprogrammen in Frankreich aufgefiihrt werden: Hoher Anteil des tertiaren Sektors am Bruttoinlandsprodukt: Der fianzosische Dienstleistungssektor liegt mit einem Anteil von etwa 70 % am Bruttoinlandsprodukt ungefahr 6 Prozentpunkte oberhalb des Durchschnitts der OECD-Lander und liegt etwa gleichauf mit dem tertiaren Sektor Grofibritanniens und den USA (PohVClaessens 2002, S. 66). In Dienstleistungsbranchen finden Kundenbindungsprogramme besondere Verbreitung, was hauptsachlich in der meist hohen Leistungshomogenitat und damit an der Austauschbarkeit der Anbieter fiir den Kunden begriindet liegt. Weiterhin bedingt die oftmals hohe Kauffiequenz bzw. Wiederkaufiate bei vielen Dienstleistungen die hohe Bedeutung fiir die Kundenbindung. Aufgrund des uberdurchschnittlich ausgepragten Dienstleistungssektors sieht sich ein entsprechend hoher Anteil an Unternehmen der erhohten Bedeutung der Kundenbindungsproblematik gegenuber. Bli Starke regionale Wettbewerbsintensitiit in den Ballungszentren Paris, Lyon und Marseille: In Frankreich ist die regionale Konzentration zu beriicksichtigen. Die historisch begriindete "ijbermacht" der Hauptstadt Paris bzw. des Groljraums Ile de France kommt durch folgende Zahlen zurn Ausdruck: Gut 10 Millionen der insgesamt 60 Millionen Einwohner, also etwa ein Sechstel der Gesamtbevokerung lebt im Pariser GroRraum auf nur etwa gut 2 % der Gesamtflache Frankreichs. Ca, ein Drittel des fianzosischen Bruttoinlandsproduktes wird hier envirtschaftet. Drei Viertel aller fianzbsischen Groljunternehmen haben ihren Sitz in Paris, w5ihrend sich in Deutschland die Firmenzentralen der 100 groRten Unternehmen auf ca. 40 Stadte verteilen. Zwei Drittel des fianzosischen Biiroraums befindet sich in Paris. Gleichfalls leben hier vier Funftel der franz6sischen Forscher und Wissenschaftler und knapp 40 % der fianzBsischen Studierenden (Noin 1996, S. 131ff.). Diese starke Konzentration zieht eine hohe regionale Wettbewerbsintensitat nach sich, die in verstarkten Bemuhungen um die langfiistige Bindung von Kunden an das eigene Unternehrnen mundet. I I Loyalitat in franzosischen Gescha~sbeziehungen:Vermutlich zeichnen sich fianzosische Geschaftsbeziehungen durch eine international iiberdurchschnittlich hohe zeitliche Loyalitat der Geschaftspartner aus. Einmal getroffene Vereinbarungen haben uber einen langen Zeitraum Bestand. In der Geschaftsbeziehung ist neben den harten Fakten auch der soziale Kontakt ein ausschlaggebender Faktor. Dies spiegelt sich in der ausgepragten Netzwerkkultur wider, die bereits an den Universitaten und Grandes Ecoles sowie in verschiedenen Vereinigungen begriindet werden. Der beschriebene @
B
Effekt gilt insbesondere fir Geschaftsbeziehungen von kleineren und mittelgroflen Untemehmen. Demgegeniiber nahern sich Grofluntemehmen in ihrem Managementstil irnmer mehr den groflen internationalen Konzernen an (Deschamps et al. 2001, S. 56ff.). Bei Privatkunden ist in Frankreich eine besonders hohe Markentreue zu beobachten. Kundenbindung wird hier uber eine systematische Markenfiihrung erzielt. Entscheidend ist fir Franzosen, das Gefihl zu haben, ein gutes Geschaft, einen Plan Malin m machen. Entsprechende Internetanbieter wie comparez-les-pi-ix.k oder kelkoo.com greifen diesen Wunsch auf und ermoglichen einfache Preisvergleiche. Dies, gepaart mit eher emotionalen Werbebotschaften, fihrt zu hoher Markenloyalitat. Die haufig hohe Loyalitat ist eine starke Markteintrittsbarriere fir Newcomer. Insofern ist es aus der Sicht fianzosischer Unternehmen lohnend, in Maflnahmen zur Kundenbindung zu investieren. Einmal gebundene Kunden bleiben lange treu und Ianger andauemde Geschaftsbeziehungen bedeuten eine hohere Profitabilitat pro Kunde (PohV Jacquet~Engelmann1999, S. 24f.). Geringere rechtliche Restriktionen: Anders als vormals in Deutschland gibt es in Frankreich keine zugabe- oder rabattrechtlichen Restriktionen. Dies gilt grundsatzlich Eir alle europaische Staaten, in denen das Recht bei Zugaben und Rabatten wesentlich liberaler war als fitiher in Deutschland. Eine mit dem deutschen Rabattgesetz vergleichbare Regelung besteht in keinem anderen Land der Europaischen Union. In Frankreich konnten somit, wie in vielen anderen Landem auch, Kundenbindungsprogramme implementiert und im Zeitverlauf verfeinert und ggf. enveitert werden. Dementsprechend verfigen entsprechende franzosische Unternehrnen uber einen grofleren Erfahrungsschatz und iiber eine relativ hohe Kompetenz in der Wirkungsweise dieser Programme.
Abbildung 1: Bedeutung von Kundenbindung
Die Griinde f i r die hohe Bedeutung der Kundenbindung und fianzBsische Marktbesonderheiten, die diese Bedeutung verstarken, sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Fur deutsche Unternehmen ist es daher zweckmafiig, fi-anzosische Programme im Rahmen eines Benchmarking zu untersuchen, da entsprechende Unternehmen uber eine teilweise hohe Kompetenz auf diesem Gebiet verfiigen, die aus der mehrjahrigen Arbeit in dieser Thematik resultiert. Im folgenden Kapitel werden daher einige ausgewahlte Kundenbindungsprogramme aus Frankreich in ihren Grundziigen dargestellt.
2. Ausgewahlte Beispiele bekannter Kundenbindungsprogramme franzosischer Unternehmen 2.1 S'Miles von Galeries Lafayettes und Casino Aktuelles Beispiel ist das im M2rz 2002 neu gestartete Kundenbindungsprogramm S'Miles von Galeries Lafayettes und Casino. Beide Kaufhauser fiihren damit ihre jeweiligen Programme Points Ciel und Club Avantage zusammen. Diese Programme sind bereits seit 1994 bnv. 1997 am Markt und verfiigen zusammen uber mehr als 5 Millionen Mitglieder. In dem Programm S'Miles konnen Kunden, ahnlich den Programmen der grofien Fluggesellschaften, Punkte f i r getatigte Einkaufe sammeln. Die Funktionsweise des Programms S'Miles kann stichwortartig folgendermafien zusammengefasst werden: B
Keine Teilnahmegebiihr f i r den Kunden
H Kunde kann wahlen zwischen Kundenkarte und Karte mit Zahlungsfunktion @ ! Kunde erhtilt 1 Punkt (S'Mile) fir 3 Euro Umsatz @ @
Ab 150 Punkten werden Pramien vergeben Grofie Anzahl Partnerunternehmen
Der Relaunch der Programme wurde mit intensivem Direktmarketing und Sonderaktionen begleitet. So wurden samtliche Kunden angeschrieben und uber die Neuerungen informiert. Des Weiteren konnten in einer Promotion im April 2002 je 70 Zusatzpunkte fir einen Einkauf mit einem Volumen von uber 107 Euro erworben werden. Daruber hinaus belohnte Casino Kunden mit weiteren 10 Punkten, die zusatzliche Informationen iiber ihre Familienverhaltnisse wie Familienstand, Geburtsdaten sowie Anzahl und Geschlecht der Kinder per Fragebogen weiterleiteten.
Die Gruppen Casino und Galeries Lafayette kundigen an, das Programm in Zukunft systematisch zu erweitern. Erste Partner sind Nouvelles Galeries, BHV, Geant, Petit Casino, Casino CafetCria, Shell, Euromaster und Monoprix. Das Ziel besteht darin, dieses Kundenbindungsprogramm zum fihrenden Programm im franzosischen Einzelhandel zu entwickeln. Folgende Aussagen des Managements der Casino-Gruppe sollen den Erfolg des Programms unterstutzen: Kunden, die ihre Punkte gegen Pramien eintauschen machen einen vier bis sechs Mal so hohen Umsatz wie samtliche Kunden im Durchschnitt. a Die 30 % Top-Kunden reprasentieren 70 % des Umsatzes und 84 % des Deckungsbeitrages. Anfang 2002 befinden sich 6 Milliarden uneingeloste Punkte im Bestand. Dies entspricht einem Wert von 1,7 Millionen Flugtickets Paris - Nizza. k@ 3 bis 5 % des Wachstums im Verkaufsvolumen wird auf das Kundenbindungsprogramm zuriickgefihrt. Diese Aussagen des Managements sind zwar korrekt, sie jedoch als Erfolgsargument fir das Kundenbindungsprogramm zu verwenden, ist kritisch zu beurteilen. Es stellt sich die Frage nach der Kausalitat. Es ist nicht nachgewiesen, dass das Kundenbindungsprogramm alleiniger Grund f i r den hohen Umsatz der Kunden istl. Umgekehrt konnte man auch vermuten, dass die ohnehin umsatzstarken Kunden folglich "automatisch" eher in den Genuss von Pramien kommen, sie dabei das Bonusprogramm lediglich als Mitnahmeeffekt betrachten und der eigentliche Warenumsatz nicht durch das Programm beeinflusst wird. Zur Losung dieses Problems wird in der Regel eine Kosten-Nutzen-Analyse von Kundenbindungsprogrammen durchgeftihrt (Pohl2000). Den Programmkosten wird der Nutzen gegenubergestellt, wobei die Schwierigkeit in der Nutzenmessung liegt. Hierbei gilt es, dass Kundenverhalten mit Bonusprogramm einem simulierten Kundenverhalten ohne Programm gegeniiberzustellen, urn aus der Differenz den Nutzen des Programms ableiten zu konnen.
2.2 Carte Adhkrent der Handelskette Fnac Das Unternehmen Fnac ist Frankreichs bekannteste Handelskette fir Bucher, CDs, PCHardware und Software und elektronische Gerate wie Fernseher, DVD-Player etc. In jeder einzelnen Produktkategorie sieht sich Fnac unterschiedlichen Wettbewerbern gegenuber. Des Weiteren konnen die Wettbewerber systematisiert werden nach Kaufiausern, Spezialanbietern f i r elektronische Gerate, regionalen und virtuellen Wettbewerbern sowie neuen Anbietern, die in den franzosischen Markt eintreten (vgl. Abb. 2).
Vgl, auch die grundsatzliche kritische Haltung zur Effizienz von Kundenbindungsprogrammen: BenaventfCrielMeyer-Waarden (2000); SharpISharp (1997, S. 473ff).
Abbildung 2: Wettbewerbsumfeld der Handelskette FNAC Fiir das Unternehmen Fnac ist Kundenbindung ein hochgradig bedeutendes Thema, insbesondere aus folgenden Griinden: tti! Hauptgrund ist die differenzierte Wettbewerbssituation. Wie oben dargestellt stehen
Fnac verschiedenartige Wettbewerber gegeniiber. Kritisch sind insbesondere Spezialanbieter f i r bestimmte Produkte, die mit aggressiver Preispolitik im Markt agieren. Zusatzlich befinden sich bei zahlreichen Niederlassungen die Wettbewerber im direkten regionalen Umfeld, so dass Kunden mit geringem Suchaufwand bzw. geringen Suchkosten Angebot und Preise vergleichen konnen. s Fnac hat ein relativ schlechtes Preisimage, was zum Teil aus tatsachlich hoheren Preisen und zum Teil aus der Preiswahrnehmung der Kunden resultiert. Die Preiswahrnehmung wird durch die hochwertige Verkaufsraumgestaltung induziert, was Kunden dann zu der Annahme eines hoheren Preisniveaus veranlasst. Die Funktionsweise des Kundenbindungsprogramms lasst sich folgendermal3en charakterisieren: Das Programm ist als gebiihrenpflichtige Kundenkarte realisiert. Der Preis betragt 25 Euro fir 3 Jahre. Hierfiir werden dem Kunden folgende Vorteile angeboten: Zwei sich erganzende Punkteprogramme: Programm 1 ist kauffaktorientiert. Ein Kunde erhalt pro Tag, an dem er Kaufe tatigt, 3 Punkte bzw. 4 Punkte, falls mit der Kundenkarte bezahlt wird. Bei Erreichen von 65 Punkten konnen diese in einen Einkaufsgutschein in Hohe von 10 Euro umgewandelt werden. Programm 2 ist volumenorientiert. Die Umsatzvolumina werden pro Kunde iiber die Zeit kumuliert. Sobald ein Kunde 1500 Euro iiberschreitet, erhalt er hierflir einen "Einkaufstag", an dem er auf siimtliche Einkaufe einen Rabatt von 6 % erhalt. Der Kunde kann den Zeitpunkt dieses Tages selbst bestimmen. M Standardrabatte auf bestimmte Produktgruppen: Karteninhaber erhalten dauerhaft 6 % Rabatt auf Software, technische Produkte, Kameras und Filmentwicklung sowie
B
10 % Rabatt auf CDs, DVDs und Videokassetten. Des Weiteren gibt es zeitlich limitierte Monatsrabatte auf ausgewahlte Produkte, die im Kundenmagazin veroffentlicht werden. s Magazine: In zwei Magazinen Contact und Epok werden Karteninhaber iiber neue Produkte und technologische Entwicklungen informiert. B Zahlungsfunktion der Karte: Dies ist eine optionale Funktionalitat. Kunden erhalten bei Kartenzahlung ein Zahlungsziel von 45 Tagen. Durch dieses Programm kann es Fnac gelingen, sich bei loyalen Kunden ins Relevant Set bei einer Vielzahl von Produktgruppen zu bringen. Fnac bewegt sich damit weg von einem Wettbewerb in jeder Produktgmppe. Vielmehr sehen viele Kunden Fnac als Standardanbieter fir bestimmte Produkte an und schranken Aktivitaten hinsichtlich Angebots- und Preisvergleichen ein. In Frankreich haben ca. 1,3 Millionen Personen eine Fnac-Kundenkarte. Bei gut 10 Millionen Einkaufern betragt der Anteil an Kunden mit Kundenkarte somit ca. 13 %. Diese 13 % Kunden machen allerdings nach Unternehmensangaben iiber 50 % des Gesamtumsatzes aus, was den Stellenwert des Programms fiir Fnac zum Ausdruck bringt.
2.3 Weitere Programme in Kurzforrn Weitere Programme finden sich zum Beispiel bei den Unternehmen Air France, SNCF, Accor, Kiabi, Naf-Naf, Norauto, Novotel, PHAS, Tele 2, SFR, Cegetel, Credit Lyonnais, Kertel, Total, Societe Generale und bei quasi samtlichen Kaufhausern und Supermarkten. Eine tiefere Analyse der franzosischen Kundenbindungsprogramme fiihrt zu einer Unterscheidung in zwei Grundtypen: Programme mit und ohne Partnernetzwerk. Typ 1: Programme ohne Partnernetnverk Die Programme ohne Partnernetmerk finden sich vorwiegend im Handel. Beispiele sind die Unternehmen Carrefour, Champion, Leclerc, Fnac oder Kiabi. Der Wert der Bonifizierung liegt bei durchschnittlich ca. 0,l bis 2 % des Umsatzes, die fast ausschliel3lich als Pramien gewahrt werden. Es besteht bei vielen Anbietern in diesem Bereich gegenwartig die Tendenz, ihre Kundenbindungsaktivitaten mit anderen Anbietern zusammenzulegen (siehe Programm SfMiles von Casino) und damit "grol3e" Programme mit vielen Kunden und Partnern m etablieren. Es ist somit ein Trend von Programmen ohne Partnernetmerk hin zu Programmen mit Partnernetzwerk festzustellen. Typ 2: Programme mit Partnernetnverk Programme mit Partnernetzwerk sind vorwiegend im Servicesektor anzutreffen. So bieten Flug- und Mietwagengesellschaften, Banken und Telekommunikationsunternehmen
entsprechende Programme an. Beispiele sind Air France, Avis, SNCF oder Societe Generale. Neben dem Partnernetzwerk sind weitere Unterschiede zu Typ l feststellbar: So werden zusatzlich haufig weitere Soft Benefits wie Wartelistenprioritat oder Launches angeboten. So bietet beispielsweise SNCF in ihrem Prograrnrn Grand Voyageur den Kunden separate Warteraume in den meisten franzosischen Groljbahnhofen an, die nach dem Vorbild der Launches der groRen Fluglinien konzipiert sind. Des Weiteren erfolgt eine Kundendifferenzierung nach Status uber unterschiedliche Kartentypen.
3. Abschliefiende Bewertung Eine Analyse franzBsischer Kundenbindungsprogramme fihrt zu folgenden Erkenntnissen bzw. Vermutungen: In Frankreich sind Kundenbindungsprogramme verbreiteter als in Deutschland. Aufgrund der nun weggefallenen juristischen Rahmenbedingungen in Deutschland kann angenommen werden, dass sich entsprechende Programme auch starker als bisher in Deutschland ausbreiten werden. Franzosische Kundenbindungsprogramme folgen dem Muster internationaler, insbesondere amerikanischer Programme. Wirklich neue Merkmale sind nicht zu finden. @ Kundenbindungsprogramme franzBsischer Unternehmen zeichnen sich durch eine zum Teil hohe Komplexitat in der Struktur aus. Dies gilt insbesondere auch fhr weit verbreitete Programme mit vielen Kunden. Dies zeigt, dass nicht nur Programme mit einfacher Struktur erfolgreich sein konnen. H Ab Anfang 2002 kann ein Trend hin zu groRen Programmen mit vielen Teilnehmern identifiziert werden. Diese gronen Programme bilden sich durch den Zusammenschluss mehrerer bislang isolierter Programme oder durch die starke Vermarktung einzelner Programme. Die vorliegende Untersuchung gibt einen ersten Einblick in die Bedeutung von Kundenbindungsprogrammen in Frankreich. Erganzend zu den exemplarisch dargestellten Fallstudien miisste eine umfassendere systematische Untersuchung der verschiedenen Programme in unterschiedlichen Industriezweigen durchgefihrt werden, um gesicherte Erkenntnisse fiber die Verbreitung von Kundenbindungsprogrammen in Frankreich zu erhalten.
Literatur Berneke, W. (2001): Zum Lauterkeitsrecht nach einer Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz, in: WRP - Wettbewerb in Recht und Praxis, 612001, S. 615-625. Benavent, Ch.lCrie, D./Meyer-Waarden, L. (2000): Analysis of the Efficiency of Loyalty Programs, The 3rd AFM French-German Conference about Retailing and Distribution in Europe, St. Malo. Deschamps, P.M. et al. (2001): World Company, La voie francaise, in: Enjeux Les Echos, Novembre 2001, S. 56-82. Noin, D(1996): L'espace francais, 9e edition, Paris. Pohl, A. (2000): Kosten und Nutzen von Cards & Clubs, Vortrag beim Management Forum Starnberg, 13. Juli 2000, Miinchen. Pohl, A./Claessens, M. (2002): Strategie franzosischer Unternehmen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 27. April 2002, Nr. 98, S. 66. Pohl, A./Dahlhoff, D.(1998): Auch zufriedene Kunden werden untreu, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 14.09.98, Nr. 213, S. 37. Pohl, A.lJacquet F./Engelmann, R. (1999): Apprivoiser les clients nomades, in: Banques Strategie: FidCliser la Clientele, No. 164, Octobre 1999, S. 24-25. Sharp, B./Sharp, A. (1997): Loyalty Programs and Their Impact on Repeat-Purchase Loyalty Patterns, in: International Journal of Research in Marketing, 14, S. 473-486.
Dr. Alexander Pohl Simon, Kucher & Partners Strategy & Marketing Consultants 128, rue de Faubourg Saint Honor4 F- 75008 Paris
Reinhold Karner
Kundenorientierte Unternehmensfuhrung Fallbeispiel KTW Software & Consulting, Tirol
1. Das Unternehmen KTW
2. Bedeutung der Kundenzuffiedenheit fir KTW 2.1 Was verstehen wir unter Kundenzuffiedenheit 2.2 Bedeutung und Erfordernis der Kundenzufriedenheit f i r KTW 2.3 Kundenzufriedenheit ist zu wenig - wir brauchen vor allem loyale Kunden 2.4 Gibt es eine Grenze fir hohe Kundenzuffiedenheit und Qualitat? 3. Anreizentlohnung zur Erreichung hoher Kundenzufriedenheit 3.1 Wie erzeugt man eine moglichst hohe Kundenzufriedenheit? 3.2 Geeignete Anreizsysteme fur Mitarbeiter 3.3 Das kunden- und erfolgsorientierte KTW Pramien- und Bonussystem 4. Die Messung der Kundenzuffiedenheit bei KTW 4.1 Die Zielgruppen - Generelles zur Erhebungsform 4.2 Die Messlatte 4.3 Der Fragebogen
5. Ergebnisse sowie kontinuierliche Steigerung der Kundenzufriedenheit
1. Das Unternehmen KTW Der Name KTW Software und Consulting ist Programm. Das mittelstandische Unternehmen ist fiir den Mittelstand ein One-Stop-Shop in Sachen ERP (Unternehmenssoftware). Die KTW Group hat sich seit der Griindung 1986 auf Entwicklung, Einfiihrung und Anpassung betriebswirtschaftlicher Standardsoftware sowie Unternehmensberatung f i r mittelstandische Firmen spezialisiert. KTW berat bei der Organisation und Optimierung von Unternehmensprozessen, bei der entsprechenden Auswahl von SoftwareProdukten und betreibt ein eigenes Ausbildungszentrum, das sich an Vertreter des Topund Bereichsmanagements sowie Anwender und Fachleute richtet. Die Geschiiftsbereiche der KTW Group sind:
Entwicklung der ERPII Software Semiramis B Consulting (Organisations-, Geschaftsprozess-, Managementberatung) B Ausbildungszentrum - KTW Academy B IT-Systemservices, IT-Engineering, Softwareentwicklung und IT-Support %
Zudem unterhalt die KTW Group schon langjahrig strategische Partnerschaften mit Cognos, IBM, Intentia, Microsoft, Oracle, Lotus u, v, a. KTW ist mittlerweile eine international tatige Gruppe mit Kundenprojekten auf allen Kontinenten. Die Zentrale der KTW Group befindet sich in Kirchbichl in Tirol. Weitere Standorte sind in Hannover, Wien, Munchen, Bozen, Briinn und Malta. Die KTW Group beschaftigt uber 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. KTW erzielte in den meisten Geschaftsjahren ein kontinuierliches Wachstum. Das Unternehmen hat eine Reihe von Auszeichnungen erhalten: 1999 wurde KTW zum Shooting Star der Austrian Leading Companies gekurt und im Jahr 2001 vom dsterreichischen Kreditschutzverband als Nummer Eins der Unternehmensberater in Osterreich ermittelt. Im Jahr 2002 zghlten Wirtschafts- und IT-Studenten KTW zu den ,,50 attraktivsten Arbeitgebern ~sterreichs". 2003 wurde KTW mit dem Hansjorg-JagerZukunftspreis der Tiroler Wirtschaftskammer ausgezeichnet. Regelmaaig erhielt KTW den Award ,,IBM Partner des Jahres". In der ebenfalls zur KTW Group gehorenden C.I.S. Cross Industrie Software AG, mit Sitz in Hannover wird Semiramis@ entwickelt. Semiramis@ (www.semiramis.com) ist die UnternehmenssoftwarelBsung (ERPII) der nachsten Generation f i r mittelst5ndische Betriebe. Mit integrierten Funktionalitaten zu strategischer Unternehmensfiihrung, Vertriebsuntersttitmng, Warenwirtschaft, Produktion und Rechnungswesen deck Semiramis die Unternehmensanforderungen bracheniibergreifend und hoch skalierbar in Handel, Fertigung und Industrie ab. Als vollstandig webbasierende Losung l a s t Semiramis Un-
ternehmensmodelle, die Partner, Kunden und Lieferanten einfach iiber Internet mit einbeziehen, Wirklichkeit werden. Ein wegweisender Bedienkomfort, die zentrale Abbildung selbst internationaler Firmenstrukturen sowie Updates uber Internet senken Implementierungs-, Schulungs- und Betriebskosten. Semiramis wird ausschliel3lich indirekt vertrieben und ist in zahlreichen Sprachversionen erhaltlich. Die KTW Group verfiigt uber ein Netz von ca. 35 Vertriebspartnern mit uber 2.500 Mitarbeitern im deutschsprachigen Raum, die sich auf den Vertrieb und die Implementierung von Semiramis konzentrieren. Als Partner von Intentia vertreibt und implementiert KTW die Unternehmenssoftwarelosung Movex. Als One-Stop-Shop deckt KTW mit den UnternehmenssoftwarelBsungen Semiramis und Movex alle Anforderungen mittelstandischer Unternehmen jeglicher Grol3e und Branche in Sachen unternehmensinternes und -iibergreifendes Enterprise Resource Planning ab. Die Kunden von KTW sind u. a, namhafte FinnenIMarken, z.B. EP: ElectronicPartner, Europas grol3ter Handelsverbund fiir TV, Video, HiFi, Multimedia, Photo, Telekom und Elektro (www.clcctronic~artncr.corn), Playmobil (www.ulavmobil.dc), Nici Pliischtiere (www.nici.dc), Victorinox - Hersteller des Schweizer Messers (www.victorinox.ch), ruwido Fernbedienungen (www.ruwido.com), Maco (Tur- und Fensterbeschlage www.maco.at); Nahrungsmittel: Darbo - MarmeladenKonfitiiren (www.darbo.at), Recheis Teigwaren (www.recheis.at), Alpla Kunststoffverpackungen (www.alvla.co~n),Wietersdorfer und Peggauer Zementwerke (www.baumit.com), Steinbacher Dammstoffe (www.stcinbachcr.at), HOCHFILZER Forst-Garten-Umwelt (www.hochfilzcr.com) und viele mehr. Unsere Philosophie: ,,DAS BESTE ERSTREBEN, DAS BESSERE ERREICHEN!" Unsere Mission: Mit unseren Dienstleistungen und IT-Losungen verhelfen wir unseren Kunden zur Klarheit in den Strukturen und Prozessen ihrer Unternehmen. Dadurch kBnnen sich unsere Kunden mit Tatkraft auf den Wandel in ihrem Kerngeschaft konzentrieren. Unser Eigenverstandnis: Wir verstehen uns in erster Linie als One Stop Shop fiir Losungen im Bereich betriebswirtschaftlicher Standardsoftware (ERP). Die KTW Group liefert die dafiir notwendigen Produkte (Software und Hardware), Consultingleistungen, Dienstleistungen und Service aus einer Hand. Wir bieten unseren vonviegend mittelstandischen Handels-, Gewerbe- und Industriekunden modulare sowie komplette Software- und IT-Losungen zur Bearbeitung samtlicher Inhouse- aber auch kollaborativen Geschaftsprozesse eines Unternehmens, zur Schaffung von Informationstransparenz fiir eine effektive Betriebssteuerung und -fiihrung sowie fiir eine wettbewerbsfahige Unter-
nehmensorganisation auf allen Ebenen, und die dam erforderliche umfassende Beratung und Service-Unterstutzung. Wir wollen dem Kunden den Nutzen stiften, dass sich unsere Produkte und Dienstleistungen fiir ihn bezahlt machen und mithelfen, seine erfolgreiche Unternehmenszukunft abmsichern und erfolgreich zu gestalten. ES GIBT NUR EINES, WAS AUF DAUER SIEGT - UND DAS IST QUALITAT! Durch unsere Kompetenz und Qualitat, verantwortungsvolle und loyale Partnerschaft, unsere langjahrige Erfahrung, unsere Softwarelosungen, Services und unser Beziehungsnetzwerk fiihren wir den Kunden durch die immer komplexer werdende IT- und Organisationswelt, die im globalen Markt neben dem Kerngeschaft des Kunden zum immer starker uber den Unternehmenserfolg bestimmenden Faktor wird. Dadurch kann sich der Kunde insbesondere auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Unsere oflentlich-sozialen Engagements
Als Unternehmen sehen wir unsere Verantwortung auch in einem gewissen Beitrag f i r unsere Wirtschaftsentwicklung und soziale Einrichtungen. Dementsprechend sponsern wir diverse soziale Events und Organisationen oder unterstutzen Themen, Projekte und Institutionen. Wir sind davon uberzeugt, dass wir uns in Mitteleuropa, um auch in Zukunft in einem globalen Markt wettbewerbsfahig zu sein, unbedingt darauf konzentrieren sollten, unsere ,,menschlichen Ressourcen" durch eine hochwertige Ausbildung optimal zu nutzen. Allerdings muss dafiir moglichst rasch einiges in Bezug auf die Ausbildung und Studienmoglichkeiten verbessert werden. So ist gerade in der IT-Branche stets ein Mange1 an topqualifizierten Informatikern gegeben (ahnlich wie in den Bereichen anderer Engineeringberufe). Besonders erschreckend dabei ist, dass im deutschsprachigen Raum der Anteil von Frauen in Informatikstudien (im Engineering generell) durchschnittlich nur 13 bis 17 %, hingegen z.B. in Skandinavien und USA bereits 35 bis 45 % betragt, in der Turkei sogar 55 %. Um darauf aufmerksam und Frauen Mut fiir solch eine Karriere zu machen, haben wir den ,,KTW Software Award" ins Leben gerufen, durch den die beste(n) Diplom- und Doktorarbeiten von Informatikerinnen mit 2-ma1 10.000 Euro pramiert werden. Ein weiteres Engagement unsererseits ist die Unterstiitzung von Jungunternehmern. Hier wurde - gemeinsam mit der Jungen Wirtschaft Tirols, die JungunternehmerPatenschaft (JUP) ins Leben gerufen, bei der erfahrene Unternehmer, Manager und Leiter von offentlichen Institutionen neuen Unternehmern als Ratgeber, Coach und Pate zur Seite stehen (siehe auch www.iup-tirol.com).
2. Bedeutung der Kundenzufriedenheit f i r KTW 2.1 Was verstehen wir unter Kundenzufriedenheit? Der Begriff Kundenzufriedenheit bedarf einer genaueren Definition um ihn fassbarer zu machen. Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis einer Betrachtungsweise bzw. eines Vergleichs des Kunden zwischen seiner Erwartungshaltung und den von ihm wahrgenommenen Leistungen, Produktqualitaten etc. seines Lieferanten, Partners. Die Erwartungen des Kunden werden gepragt durch sein individuelles Anspruchsniveau, sein Wissen um Angebote, Moglichkeiten und Alternativen im Markt, durch das Leistungsversprechen des Anbieters sowie das Image des Lieferanten. Folglich definiert nicht der Anbieter bzw. Lieferant die Kundenzufriedenheit, sondern ausschlieJlich der Kunde! Das sollte allen Mitarbeitern eines Unternehmens bewusst sein. Es ist eine groRe Chance vom Kunden zu erfahren, ob, womit und warum er unzufrieden oder mfrieden ist, denn letztlich lebt ein Geschaft in erster Linie von seinen Kunden, d. h. der Kunde zahlt die Gehalter unserer Mitarbeiter, unsere Strukturkosten und Gewinne! Man sollte sich stets darum bemuhen, eine offene Meinung des Kunden zu erhalten. Es darf nicht als selbstverstandlich angesehen werden, dass man diese immer bzw. automatisch erfahrt. Die Erfahrung zeigt, dass nur ca. 5 % der unzufriedenen Kunden sich aktiv beschweren. Es ist eine Herausforderung, die richtigen Kriterien und Methoden m r Erhebung der tatsachlichen Kundenmfriedenheit zu erarbeiten. Dies kann letztlich nur in Zusammenarbeit mit einer geeigneten Anzahl und einem guten Querschnitt der Kunden zielfihrend geschehen. Gegebenenfalls kann man auch externe Unterstutmng durch erfahrene Berater beiziehen. In der KTW iiberarbeiten wir in einem Rhythmus von drei bis vier Jahren unsere Kundenzufriedenheitserhebungsmethode im Dialog mit ca. 20 unserer Kunden, bevor wir das neu angepasste System umfassend - sprich zur Abfrage der Kundenzufriedenheit bei allen Kunden - anwenden. Es gelingt nur dam, ein gutes, objektives Spiegelbild vom Kunden fiir sich zu bekommen, wenn man dies auch selbst ehrlich und innerlich will und dafir offen ist und einsteht. Alles andere fiihrt am Ziel vorbei. Beachten sollte man besonders, die Kundenzufriedenheit sehr differenziert, aus unterschiedlichen Blickrichtungen, nach unterschiedlichen Leistungs- und Produktgruppen, Hard- und Soft-Facts aufgegliedert zu erheben. Nur das erlaubt es, Schwachpunkte im Detail zu erkennen. Eine reine Gesamtbeurteilung nutzt letztlich relativ wenig. In jedem Fall ist es aber wichtig, alle Kriterien der Kundenzufriedenheit messbar zu machen, ansonsten bleibt der Freiraum an Interpretation zu groR und es wird eine Analy-
se und Entscheidung f i r die richtigen Verbesserungsmaljnahmen samt der Verfolgung der Entwicklung uber eine Zeitachse hinweg unmoglich.
2.2 Bedeutung und Erfordernis der Kundenzufriedenheit fur KTW Wir verstehen uns - alleine schon durch die Art unseres Business - als ein sehr kundenorientiertes Unternehmen. Unser Markt ist heilj umkampft, wir stehen regionalen wie auch globalen Playern im Wettbewerb gegenuber. Wir sind einerseits Anbieter von Produkten (Software und IT-Losungen), anderseits Dienstleister (Consulting und Services). Unser Kunde erwartet sich hohe Kompetenz, Know-how, Erfahrung sowie technologisch hochwertige IT-Produkte und SoftwarelBsungen. Die Entscheidung des Kunden fiir einen Anbieter bzw. Partner beruht aufgrund der Natur der Produkte und Leistungen auf einem komplexen Entscheidungsbild. Denn mit der Auftragserteilung an einen ,,LieferantenG ist in der Regel auch automatisch eine mindestens mittelfiistige Bindung an diesen geknupft, da solche umfassenden Softwareprodukte eine standige Betreuung durch Weiterentwicklung, HelpDesk, Updates, Schulung usw. erfordern. Zudem ist eine einmal eingefihrte ERP-Losung nur mit abermals sehr hohem Aufwand an Investitionen und einhergehender Arbeitsbelastung der Mitarbeiter ersetzbar, wobei, abhangig von der Betriebsgrolje und Komplexitat, diese Umstellung abermals mehrere Monate b m . durchaus auch Jahre dauern kann. Der Erfolg hinsichtlich der Einfiihrung neuer ERP-Softwarelosungen ist neben der fachlichen und technologischen Leistungsfahigkeit des ERP-Softwarepakets, verglichen zu den eigenen Anspriichen und Bediirfnissen, maljgeblich von der fir das Unternehmen geeigneten Schulung, Beratung, Einfiihrungsmethode und Projektfihrung (Projektmanagement) abhangig. Ersteres Ibst sich im Vorfeld durch entsprechende Softwarepriifungen abklaren, letzteres aber nicht - bzw. erst nach einem beim Kunden umgesetzten Einfiihrungsprojekt. Der Kunde kann somit - neben der Priifung der fachlichen Funktionalitat und des messbaren Nutzens der IT-/Softwarelosung, der Technologic, der Preise (wir nennen diese Hard-Facts) - nur mit einem zusatzlichen Mindestmalj an Vertrauensvorschuss seine Entscheidung treffen, da ihm selbst ja bis zum Zeitpunkt der Entscheidung keine eigenen Erfahrungswerte (Soft-Facts) uber eine kunftige Zusammenarbeit mit dem neuen Partnerllieferanten vorliegen. Ebenso von groljer Bedeutung ist die Vertrauensbasis an sich, da der Software- und Consultingpartner des Kunden im Laufe des Einfiihrungsprojektes und der folgenden Betreuung zwangslaufig Zugang zu internen und sehr sensiblen Informationen erhalt. Daraus kann nachvollzogen werden, dass der Kunde zur Findung seiner Entscheidung in Bezug auf den Vertrauensvorschuss (Soft-Facts) gerne eine maglichst hohe Sicherheit im Vorfeld haben mochte. Dies kann in unserem Geschaft weitgehend nur durch das
personliche Erscheinungsbild der Gesprachspartner, Referenzkundenauskunfte, finanzielle Stabilitat und Image erbracht werden. Neben dem grundsatzlich hohen Eigenbestreben unsererseits, dem Kunden eine hohe Qualitat, Top-Losungen und groRen Nutzen zu bieten, ist es f i r unseren Erfolg aber ein unabdingbares Erfordernis, dem Vertrauensvorschuss eines neu zu gewinnenden Kunden durch einen ,,Voraus-Beweis" bestmoglich entgegenzukommen und auf Referenzkundenauskunfte und -besuche zuriickgreifen zu konnen. Dies erfordert eine moglichst breite Kundenbasis mit hoher Kundenzufiiedenheit. Dariiber hinaus gilt auch in unserer Branche, dass Folgegeschafte, Cross-Selling etc., beim Bestandskunden nur dam erfolgreich zu erreichen sind, wenn der Kunde (sehr) zufiieden ist. D. h. fir KTW: Ohne hohe Kundenzufiiedenheit ist eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung und -absicherung undenkbar!
2.3 Kundenzufriedenheit ist zu wenig - wir brauchen vor allem loyale Kunden Fur unseren Eigenanspruch sind ,,zufiiedene Kunden" zwar sehr gut und schon, aber zu wenig. Wir wollen und brauchen moglichst viele loyale Kunden! Was ist ein loyaler Kunde? Ein loyaler Kunde definiert sich vor allem durch die Beantwortung der nachfolgenden zwei Fragen mit einem klaren ,,Ja6': 1. 2.
Wurden Sie sich wieder fiir uns (KTW) entscheiden? Wurden Sie uns (KTW) weiterempfehlen?
Ein loyaler Kunde muss grundsatzlich schon sehr zufiieden sein, bevor er zu einem loyalen Kunden wird. Warum ist dies fir uns von so groRer Bedeutung? Wie schon oben erwahnt, ist einer der Schlusselfaktoren f i r die Entscheidung eines Neukunden f i r uns sehr stark mit einem Vertrauensvorschuss verbunden. Diesen gibt uns der Neukunde umso leichter, wenn er von vielen unserer anderen Kunden fir eine Entscheidung ,,pro KTW" uberzeugt wird. Und genau dies tun meist nur loyale Kunden. Zudem ist ein loyaler Kunde auch gleichzeitig ein sehr treuer und damit langfiistig gebundener Kunde, weil beide Seiten davon profitieren.
2.4 Gibt es eine Grenze fur hohe Kundenzufriedenheit und Qualitat? Aus philosophischer Sicht ist die Frage mit ,,NeinUzu beantworten. Aus wirtschaftlicher Sicht lasst sich diese Frage aber mit ,,Ja" beantworten. Es gibt eine okonomische Grenze fir eine hohe Kundenzufiiedenheit und Qualitat - und m a r ist diese genau dann erreicht, wenn der KundeIMarkt die damit verbundenen Anstrengungen und Kosten m r Herstellung nicht mehr honoriert. D. h. ein wirtschaftliches Unternehmen kann die Qualitat und Kundenzufiiedenheit unmoglich in rentablem Umfeld in einen perfekten b m . ,,unendlich hohen" Bereich fihren, da es ansonsten seine wirtschaftliche Existenz gefahrdet und dies nur noch als ,,Liebhaberei" anmsehen ware. Hat man eine hohe Kundenzufiiedenheit, Loyalitgt und damit Gesamtqualitat erreicht, so ist man einerseits in einer sehr angenehmen Situation, hat aber dennoch den Rechenstift beimziehen um zu ermitteln, wo diese Grenze(n) sind und Deckelungsmal3nahmen einzuleiten. Und dennoch: Wo und wie man diese Grenzen zieht (so man iiberhaupt dorthin kommt), hangt unmittelbar mit der Zielsetzung des Unternehmens zusammen und sollte aus einem strategisch langfiistigen Blickwinkel betrachtet werden.
3. Anreizentlohnung zur Erreichung hoher Kundenzufriedenheit 3.1 Wie erzeugt man eine moglichst hohe Kundenzufriedenheit? Auf den ersten Blick ist die Antwort einfach, namlich durch: B
isagi
die richtigen Produkte und Dienstleistungen, durchgangig stimmige und hohe Qualitat (Produkte und Leistungen), ein gutes Preis-Leistungs-Verhaltnis, ein moglichst ideales Erfillen der Envartungshaltung des Kunden ...
... auf den zweiten Blick aber - namlich mit der Frage, wie man dies in der Praxis erfolgreich umsetzt - stellt sich die Materie als wesentlich schwieriger und komplexer dar. Denn: Letztlich kann hohe Kundenzufiiedenheit und damit Qualitat nur durch die darauf ausgerichtete Arbeitsleistung und vor allem die Anstrengung aller Mitarbeiter eines Unternehmens in allen Unternehmensebenen erreicht werden.
Und hier treffen - aus der Natur des Menschen - sehr oft entgegengesetzte Interessen aufeinander und erschweren diese Zielerreichung, wenn man nicht mit geeigneten Mannahmen gegensteuert. (siehe Tab. 1)
Entlohnung
Arbeitseinsatz
Arbeitnehmer
mochte moglichst vie1 verdienen
mochte sich moglichst wenig anstrengen
Arbeitgeber
mochte maglichst wenig zahlen
erwartet sich mbglichst hohe Anstrengung
Tabelle 1: Die entgegengesetzten Interessen zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern Hohe Kundenzufriedenheit kann nicht durch die ,,Anordnung oder den Befehl von oben" hergestellt werden, sondern muss aus der inneren Motivation und Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters entstehen. Hierzu gehBren neben grundstitzlich sachlich idealen Rahmenbedingungen im Unternehmen und f i r die Mitarbeiter aber meist auch finanzielle Anreize, will man dauerhaft den Erfolg gewahrleisten.
3.2 Geeignete Anreizsysteme fur Mitarbeiter Exkurs zum Thema ,,alte Denkmuster " in Sachen Entlohnung Leider ist noch zu oft die alte Denke betreffend Entlohnung verbreitet, die eher destruktiv als nutzlich im gemeinsamen Umgang in punkto Entlohnung ist. Die Grundpfeiler, auf denen diese alten Systeme basieren, sind: Arbeit ist Zwang, also Arbeit macht keinen Span, sondern Arbeit ist eigentlich das Gegenteil von Freiheit, Spal3, Freude, Verwirklichung. Arbeit ist Druck, Sklaverei. Das ist das Eine. Andererseits die Grunduberzeugung: Menschen sind von Natur aus arbeitsunwillig und man muss sie eben irgendwie dam bringen, dam zwingen, vielleicht im besseren Sinne noch: sie d a m motivieren. Das ist nichts anderes als die Umkehrung, namlich: ,,Zwing sie nicht, sondern mach's mit dem ,ZuckerbrotCnicht mit der Peitsche." Die Grundvoraussetzung ist aber dieselbe: ,,Eigentlich will der Mensch nicht arbeiten, eigentlich tut er alles, um faul zu sein!" - was nicht stimmt! Die dritte Grundvoraussetzung, die genau so falsch ist:
Der Unternehmer oder Arbeitgeber hat nichts anderes im Sinn, als seine Mitarbeiter moglichst knapp zu halten, es ihnen moglichst schwer zu machen, sie moglichst klein zu halten, sie moglichst karg auszustatten.
Und noch eine falsche Voraussetzung ist: Der gute Arbeitnehmer, der sich sozusagen als richtiger, guter von den Unteren, von den ,Kleinen Leuten' versteht, ist derjenige, der aufbegehrt, der es seinem Arbeitgeber ,zeigtt, der so richtig den sozusagen ,in die Ecke treibt', ,an die Wand nagelt', Forderungen durchsetzt, da heftig auftritt und schaut, dass er in diesem Machtkampf ,David gegen Goliath' sozusagen ein wehrhafter ,DavidGist. All dies sind falsche Voraussetzungen, die man korrigieren sollte. Also damit aufraumen, dass Leute - oder Menschen - nicht arbeiten wollen, sondern ihnen auch das klar sagen: ,,Ich in diesem Unternehmen gehe davon aus, dass sie nicht arbeiten, weil sie mussen, sondern weil sie wollen - und wenn sie es nicht wollen, dann lassen sie es bleiben, aber jedenfalls lassen sie's bei mir bleiben! Dann gehen sie woanders hin! Ich will hier nur Menschen, die arbeiten wollen! Das heiljt nicht, dass man nicht ma1 einen schlechten Tag haben kann, wo man gerade ma1 nicht so vie1 Lust hat, aber dass man eigentlich grundsatzlich gerne arbeitet - davon gehe ich aus, bei mir ist das so - und es gibt eine Menge anderer Menschen, die ich kenne, bei denen das auch so ist! Und bei wem von ihnen das nicht so ist, der sol1 bitte gehen. Ich habe keine Lust, unwillige Menschen m haben, die arbeiten, weil sie mussen, weil ich den Menschen als einen grundsatzlich ,arbeiten Wollenden' verstehe, weil Arbeiten ein Teil des menschlichen Wesens ist." Machen wir den MenschenlMitarbeitern klar: Hier geht's nicht gegeneinander, - so unter dem Motto: Der Chef beutet die Angestellten aus und die Angestellten sollen dem Chef eins auswischen - sondern hier geht's nur miteinander! Entweder sind wir ein Team, wo alle das Gefihl haben, sie tun es gern und sie kriegen auch so vie1 dafir, wie moglich ist, oder aber wir haben standig latenten Zwist (Streit, ,,Kleinkrieg6')- den keiner will und gebrauchen kann. Und: Auch das Unternehmen, der Unternehmer hat das Recht auf eine angemessene Entlohnung f i r sein Wirken, Risiko etc. Auch er braucht den Span am Unternehmertum, schliefllich schafft er auch die Plattform, auf welcher viele Mitarbeiter ihrerseits sich im Beruf verwirklichen und ihre Einkommen erzielen konnen. Erst dann kann man sich auf einer ganz neuen, gleichen Augenhohe treffen.
Die Motivation und Verantwortungserfiillung - gerade auch fiir die Erarbeitung hoher Kundenzufiiedenheit - kann man meist nur durch geeignete finanzielle Anreizsysteme fiir den einzelnen Mitarbeiter erreichen. Ein menschengerechtes Anreiz-, d. h. Bonus- bzw. Pramiensystem kann den oben angefiihrten Interessensgegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehend bzw. sogar zur Ganze aufheben. Ganz nach dem Motto fiir beide Seiten ,,you get what you pay for". Aber: Die richtige Anreizgestaltung ist eine schwierige Kunst!
Wamm? Weil jedes Entlohnungssystem bestimmte Signale des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer aussendet und es daher darauf ankommt, wie diese vom Mitarbeiter wahrgenommen werden. Ein behutsames Vorgehen und justieren ist dabei sehr wichtig. Es gibt zahlreiche Falle, wo man durch ein nicht geeignetes Anreizsystem genau das Gegenteil erreicht. Zudem ist ein einmal eingefihrtes Bonus- bzw. Pramiensystem nicht so einfach wieder abzusetzen oder gravierend veranderbar, denn d a m ware sowohl die Glaubwiirdigkeit der Unternehmensleitung als auch die Orientierung der Mitarbeiter gestort. Das Thema von variablen, erfolgs- und leistungsorientierten Entlohnungssystemen ist ein sehr komplexes und in diesem kurzen Rahmen nicht ausfihrlich abhandelbar. Zudem ist mir bewusst, dass es viele unterschiedliche Pro- und Kontra-Meinungen zu diesem Thema gibt. Nachdem wir damit aber sehr gute Erfahrungen gemacht haben, mochte ich folgende Gedanken und Ansatze fiir solche Anreizsysteme vorstellen. Ideal ist ein Entlohungssystem, welches den Mitarbeiter anreizt, von sich aus das Beste zu geben und moglichst unternehmerisch mitzudenken und sich dementsprechend zielorientiert einzubringen. Indirekt ist solch ein Bonussystem auch schon ein guter Teil eines Motivationsprogramms sowie durch die Messung und Bewertung der Einzelleistung auch schon ein Ausschnitt einer Mitarbeiterbeurteilung. Das Engagement des Mitarbeiters wird umso mehr gefdrdert und erreicht, wenn sich ein Teil seines Einkommens genau darauf ausrichtet. Denn letztlich ist, neben vielen anderen Dingen, doch auch gerade solch eine Einkommensgestaltung eine direkte Anerkennung und Honoriemng die gerne gesehen, geschatzt und durch entsprechende Gegenleistung und Anstrengung anerkannt wird. Unser Anreizsystem besteht aus mehreren Teilen. Teil 1 der Entlohnung - Grundentlohnung/Basisbezug:
Jede Mitarbeiterin bzw, jeder Mitarbeiter braucht zunhchst eine fixe Grundentlohnung, mit der jeden Monat zu rechnen ist, mit der man seine Basiskosten (Wohnung, Essen, Kleidung, Versicherungen, Telefon, Fahrzeug ...) regelmBRig abdecken kann. Diese finanzielle Grundabsicherung sollte man fair, aber auch nicht zu hoch wahlen, damit darauf aufsetzende Anreizentlohnungen auch noch ihre ,,Hebelwirkung" zeigen konnen,
d. h. diesen Basisbezug sollte man nie so hoch ansetzen, dass er den Mitarbeiter bereits wirklich ganz zufiieden stellt. Dies ist das unterste ijbliche auf dem Markt.
Teil2 der Entlohnung - die leistungs- bzw. erfolgsabhiingige Komponente: Diese Komponente wird immer danach ausgerichtet, was in diesem Beruf und in der jeweiligen Branche gefiagt ist. Wichtig sind bei solchen variablen Einkunften klare Regeln und f i r beide Seiten messbare, nachvollziehbare Grorjen - nur so kann von vorne herein Willkiir, egal f i r welche Seite, weitgehend ausgeschaltet werden. Wenn tatsachlich Ergebnisse gefiagt sind, dann sollte auch ergebnisorientiert bezahlt werden. Zum Beispiel Einhaltung oder Unterschreitung von Vorgabezeiten, Projektzeiten, von ProduktivitSitszielen, von Stiickzahlleistungen pro Zeiteinheit, von Qualitatskriterien, Umsatz, Absatzzahlen, Deckungsbeitrag eines Teams, einer Abteilung, Anzahl ausgelieferter Auftragspositionen, Erledigungszeit von Reklamationen, Anzahl bearbeiteter Auftrage, Anzahl von Buchungsvorgangen, Fehlerquoten, Anzahl und Betrage von Gutschriften aufgrund von Fehllieferungen oder Produktfehlern, Kundenmfriedenheit oder gegebenenfalls auch wie viele Stunden jemand z.B. fUr eine Wochenendhotline im Biiro ist. Wichtig ist vor allem, dass der Mitarbeiter das Ergebnis bringt, das man fordert: Termine, Qualitat, Produktivitat, Aufwand, Geschwindigkeit, Freundlichkeit etc. Wie und in welcher Zeit er dieses erreicht, ist sodann sekundb und seine Freiheit. D. h. schafft ein Mitarbeiter die geforderte Leistung, das Ergebnis in der halben Zeit, so ist das sein Verdienst und Vorteil. Dies funktioniert etwas anders z.B. bei einem Portier und Nachtwachter. Hier wird f i r die Prasenz bezahlt. Da leistet man ebenso eine Grundsicherung und dann noch die Komponente fir die Prasenz, d. h. wie viele Nachte war er zuverlassig hier, wie viele Male ist er aber zu spat gekommen, wie vie1 Ma1 friiher gegangen usw. Andere werden bezahlt fir ihre Stimmung, d, h. im Unternehmen gibt es immer wichtige Positionen als Stimmungsmacher! Zum Beispiel eine Sekretarin, eine Fuhrungskraft, Hotline-Mitarbeiter, Empfangsdamen: Diese werden fiir gute Stimmung und gute Laune bezahlt! Sie bekommen ihre variable Leistungskomponente dafir. Und so gibt es mit Sicherheit in jedem Unternehmen, in jeder Branche, ja selbst in offentlichen Diensten daflir ideal geeignete Kriterien, die messbar sind oder gemacht werden konnen und sich mit den Zielen des Unternehrnens decken b m . sich danach ausrichten lassen.
Man kann auch eine gemischte Gestaltung anstreben, bestehend aus
r personlichen Zielen (Einzelleistungen des Mitarbeiters), I einer Team-, Gruppen-, Abteilungs- oder Bereichsleistung, B
Unternehmenszielen.
Teil3 der Entlohnung - die Hochstleistung: Die Hochstleistung ist wieder etwas anderes und sollte ebenfalls bedacht werden. Sie liegt d a m vor, wenn jemand etwas vollbringt, das weit auljerhalb der guten Leistung und normalen Tatigkeit bzw. Ergebnisse liegt. Allerdings ist damit sehr vorsichtig, ja sparSam umzugehen, damit ihre Honorierung auch etwas Besonderes bleibt. Nicht jede 2.B. etwas unterhalb des Zeitrahmens erbrachte Leistung ist eine Hochstleistung! Solche echten Hijchstleistungen waren 2.B.: ein genialer Einfall - welcher 2.B. die Produktionsweise um ein Vielfaches verbessert, @ oder ein Gesprhch, ein auljergewtjhnliches Engagement, aus dem ein Millionenauftrag entsteht etc., r oder 2.B. ein Buchhalter oder eine Empfangsdame fiihrt mit all seinedihrem Charme ein Gesprach mit einem verlgerten Kunden und dieser wird dadurch wieder so besanftigt, beflugelt und begeistert, dass er einen weiteren Auflrag erteilt bzw. einen wichtigen Vertrag unterschreibt bzw. die Kundenbeziehung gerettet wird etc. &
Dann sollte fir die Hochstleistung etwas Besonderes bezahlt werden! Die Hochstleistung sollte auch vor dem versammelten Betrieb gewurdigt werden! Womit bezahlt man die Hochstleistung? Die Antwort lautet: Immer mit einem adaquaten Mehrfachangebot. Man uberlegt wie vie1 Zeit ist das als Pramie wert? Zum Beispiel eine Woche Urlaub, das entsprache einem Geldwert von x, das ware eine einmalige NettoPramienzahlung in der Hohe von y! @ Oder man bietet z.B, stattdessen eine bezahlte Fortbildung, man ubernimmt die Kosten fiir eine Ausbildung, die sich der Mitarbeiter schon langer gewiinscht hat. @ Oder man stellt z.B. dem Mitarbeiter einen Laptop zur Privatnutzung zur Verfigung (Sachleistung). I Oder man bietet entweder Bargeld, (Frei-)Zeit oder eine irgendwie geartete Sachleistung und lasst den Mitarbeiter auswahlen. Dann kann dies f i r ihn einen vielfachen Effekt haben, weil er am besten weiB, womit ihm aktuell besser gedient ist. @
Noch ein Tipp zur Mitarbeiterbeurteilung und -fiihrung: Hier ist wichtig, insbesondere die Starken zu entlohnen und keinesfalls die Schwgchen, d, h. man sollte hier ein klares
Feedback geben, wo man eventuell Schwachen sieht und dariiber offen reden: ,,Ich mochte alle Starken belohnen und ich mochte alle dazu motivieren, ihre SchwBchen ein bisschen zu korrigieren und daran zu trainieren. Starken belohne ich, Schwachen aber nicht, und die werden sozusagen auch nicht automatisch mitbezahlt! Und wenn Sie die SchwBche weiter mittragen wollen, ist das ihre Sache. Sie sind ja sozusagen auch ihr eigener Unternehmer in sich selbst! Wenn Sie sie korrigieren mochten, wunderbar, dann werde ich das, was Sie zu Starken verwandeln, mitbezahlen!" Ubrigens: Das wichtigste Fuhrungsinstrument, ob beim Mitarbeiter oder Manager, ist die klare Formulierung der Aufgabenstellung und Erwartungshaltung an ihn! Nur dann kann man auch hinterher gegensteuern bzw. fair und wirklich fundiert beurteilen, ob jemand seinen Job gut, sehr gut oder unbefriedigend erledigt!
3.3 Das kunden- und erfolgsorientierte KTW Pramien- und Bonussystem In der KTW haben wir nach den oben geschilderten Regeln unser variables Entlohnungssystem entwickelt. Im Laufe der Zeit hat sich folgendes System aus einer Kombination von Zielerreichung - sprich Erfolg - und Leistung etabliert und bewahrt: Wir haben 7 verschiedene Kategorien zur Einstufung unserer Mitarbeiter in einem Entlohnungsmodell - beziiglich ihrer Qualifikation, Senioritat und Verantwortung. Fur die Unternehrnensberater beginnt dies z.B. beim Junior-Consultant (Cl) und geht nach oben bis zum Senior-Consultant - Team-Manager (C7) mit Projekt-, Team-, Fuhrungs- und Ergebnisverantwortung. Wobei dieses Model1 sowohl eine fachliche als auch alternativ eine hierarchische Karriere unterstiitzt. Jeder dieser Levels bietet eine Basisentlohnung mit einem Grundfixum in einem RangeBereich (von-bis) verbunden mit - je nach Stufe - einer geringeren oder sehr hohen moglichen, variablen Entlohnung in Form einer Pramie bei Erfolg und Zielerreichung. Die Pramie selbst setzt sich in den unteren Kategorien aus mehreren und in den oberen Kategorien aus wenigen unterschiedlichen Komponenten zusammen. Diese sind z.B.: Mitarbeiterbeurteilung, B geleistete Arbeitsstunden - der einzelnen Person, @ Qualitat (Kompetenz, Ausbildungslevel, Professionalitat ...), M Wirtschaftlichkeit der einzelnen Teams (Gruppen-Leistung), r Kundenzufriedenheit, der dem Team zugeordneten Kunden (Gruppen-Leistung), B Erreichung der Unternehmensziele (Unternehmensebene - gilt f i r alle). H
Dadurch haben wir einen ausgewogenen Mix aus der Bewertung der Leistung des einzelnen Mitarbeiters, jedes Teams und des gesamten Unternehmens erreicht. Dies hat zur
Folge, dass einzelne Ziele bzw. Teilbereiche und Pramienhohen vom Mitarbeiter alleine bzw. direkt beeinflussbar sind, andere von der Teamleistung und wieder andere von allen gemeinsam im Unternehmen abhangen. Dies erlaubt dem Individuum noch einen gesunden Egoismus und fordert dennoch parallel das Denken und Handeln in der Gruppe und als Mitglied im Unternehmen, der Gemeinschaft. Die Kundenzufriedenheit selbst nimmt in der Bewertung ca. 113 Anteil vom Gesamtbonus ein, wobei dies einerseits ein so genanntes ,,Schwarz-Weilj-Kriterium" ist, anderseits dennoch auch nach oben offen entwickelt werden kann. Es ist sehr schwierig, das richtige Malj zu finden, und bedarf daher sehr guter Vorbereitungen, wie vie1 von einem Bonussystem den Fokus auf die Kundenzufriedenheit, die Qualitat der Arbeit einerseits und die f i r das eigene Unternehmen erzielte Wirtschaftlichkeit andererseits, legt. Wir haben die Kundenzufriedenheitsumfiage in der Bewertung in eine Skala von 1 (Minimum) bis 10 Punkten (Maximum) gegliedert. Erst wenn ein Durchschnitt von mindestens 8,O erreicht wird, gibt es eine Pramie. Alles darunter ist schlechter als die von uns erwartete Normalleistung. 1st die Kundenzufriedenheit im Durchschnitt aber z.B. 9,O oder hoher, so wird dafiir ein iiberdurchschnittlich hoher Bonus (also iiber die dafiir geplanten 100 %) an die Mitarbeiter ausgeschiittet. Dieses System der Pramiengestaltung und der defmierten Kriterien fihrt den Mitarbeiter automatisch zu einem sehr im Einklang mit der Unternehmensleitung stehenden Denken und Handeln. Einerseits hat somit jeder sehr wohl die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens im Auge, andererseits nicht minder aber auch die Qualitat und Kundenzufriedenheit, welche sich durch einen hohen Zufriedenheitsgrad letztlich auch dauerhaft in mehr Geschaft widerspiegelt. Nicht unerwahnt sollte allerdings bleiben, dass ein derartiges Instrumentarium zur Bonus-IPramienentlohnung ein sehr transparentes und ausgereiftes internes Informationssystem erfordert, das jederzeit einer Nachprtifung durch den einzelnen Mitarbeiter, das einzelne Team, standhalt. Der grorje Vorteil solcher Systeme ist ein optimales Analyse-, Steuerungs- und Entscheidungsinstrument f i r das Unternehmen sowie grol3e Transparenz der betrieblichen Realitat.
4. Die Messung der Kundenzufriedenheit bei KTW 4.1 Die Zielgruppen - Generelles zur Erhebungsform Wir unterscheiden zwei Hauptzielgruppen der Erhebung der Kundenzufriedenheit: @
Die Abfrage der Kundenzufriedenheit bei unseren Software- und ConsultingKunden, mit denen i. d. R. eine mittel- bzw. langfiistige Beziehung besteht, und
B die unverziigliche Abfi-age der Kundenzufriedenheit der Teilnehmer an Schulungen,
Veranstaltungen und Seminaren am Ende der Session (dies sind fallweise auch nur Einmalkundenl-teilnehmer). Beides erfolgt mittels eines Fragebogens, dabei ist der Aufbau bzw. die Methode der Abfi-age in seiner Art stets die Gleiche, nur mit unterschiedlichen Fragen und Umfang. Wir haben vie1 Zeit und Muhe darin investiert, in Zusammenarbeit mit einigen unserer Kunden einen umfassenden, allerdings nicht uberzogenen und somit auch auf gute Akzeptanz storjenden Fragebogen zu entwickeln. Zudem konsultierten wir die Erfahrungen unserer Partner, wie z.B. IBM und spezialisierter Qualitatsmanagementberater. Unser Fragebogen wird in regelmarjigen Abstanden (meist ca. drei bis vier Jahre) auf seine Aktualitat und weitere Niitzlichkeit uberpriift und angepasst, allerdings moglichst ,,sanft", so dass eine weitgehend kontinuierliche Vergleichbarkeit zu Vorperioden gegeben ist. Allgemein wird die Ansicht vertreten, dass man als Rhythmus m r Abfrage der Kundenzufriedenheit bei Bestandskunden mindestens den Jahresrhythmus verwenden sollte. Arbeitet man aber aktuell in neuerlichen Projekten mit dem Kunden, so ist es in unserer kurzlebigen Zeit und zwecks hoherer Genauigkeit aber meines Erachtens besser, die Erhebung zweimal jahrlich durchzufihren, bzw. falls dies den Kunden nicht zugemutet werden kann, zumindest im Abstand von neun Monaten. Mit ein Grund ist auch, dass gute Arbeit leider rasch vergessen wird, schlechte aber oft uber Jahre nicht. Auch der Zeitpunkt sollte genau gewahlt sein und hangt mit der anzunehmenden Arbeitsbelastung des Zielpublikums ab. Will man z.B, auch die Meinung eines Finanzleiters eines Unternehmens abfragen, so wird er sich vermutlich zur Bilanzierungszeit eher ungern bzw. kaum die erforderliche Murje zur aussagekraftigen Beantwortung nehmen. Selbst eine gestaffelte Kundenumfrage (z.B. IT-Leiter zu Sommeranfang, Finanzchefs im Herbst, Vertriebsleiter im Fruhjahr usw.) ist zu begriirjen, wenngleich dies Mehrarbeit fir KTW bedeutet. Auf diese Weise bekommt man auch einen besseren Querschnitt uber Saisonen, Jahreszeiten oder auch andere Gegebenheiten hinweg. Wir haben zudem gelernt, dass - bei einer zweimal pro Jahr durchgefihrten Umfrage - es von Vorteil ist, eine davon - wenn moglich - im Direktgesprach mit der Zielperson durchzufihren, um dabei noch weiteres Feedback uber den Fragebogen hinaus zu bekommen, und die andere im Postumlauf bzw. mittels E-Maillweb. Ebenso erwahnenswert ist, dass wir aufgmnd der besonderen Art unserer Kundenbeziehung keinerlei anonyme Umfragen durchfihren, sondern stets um die Namensangabe, und daher Ruckverfolgbarkeit und Riickfragemoglichkeit, ersuchen.
4.2 Die Messlatte Wir haben uns f i r einen Kundenzufriedenheitsindex, eine Skala von 1 bis 10 Punkten, entschieden. Dabei gilt 1 Punkt als Minimum (sehr schlechtlhochst unzufrieden), 10 Punkte als Maximum (sehr gutlhochst zufrieden). Diese Erkenntnis, eine 10er-Skala zu verwenden, ist im Laufe der Zeit gewachsen und hat sich als f i r uns optimal herausgestellt. Friiher hatten wir nur eine 5-stufige Skala (ahnlich dem Bsterreichischen Schulnotensystem), diese hatte aber so manche Tucke. In Deutschland z.B. ist man an ein 6stufiges Schulnotensystem gewohnt, somit war die Beurteilung f i r unsere Kunden nicht so leicht auf ein 5-stufiges System iibersetzbar. Zum anderen ist ein 5-stufiges System zu grob und ergibt eine erhebliche Ungenauigkeit, bei dem mehr die aktuelle Laune des den Fragebogen Ausfillenden zu Buche schlagt, namlich ob er bei einer Zwischenpositionierung, z.B. zwischen 3 und 4, entweder lieber die schlechtere oder doch freundlichenveise die bessere wahlt, nicht aber seinen wirklichen Eindruck passend platzieren kann. Zudem fragen wir auch noch ab, ob die jeweils im Fragebogen gestellte FrageIThematik fir den Kunden in der Bewertung sehr oder weniger wichtig ist. Hier haben wir uns auf eine ABC-Klassifizierung festgelegt. Des Weiteren bitten wir im Fragebogen bei jeder Frage noch darum, zu werten, ob sich dieser Fragepunkt nach Meinung des Kunden gegenuber dem Vorjahr gebessert oder verschlechtert hat. Hier haben wir uns auf eine Plus- und Minusdefinition fixiert. Dies ist ein insofern interessanter Punkt, als man durch den tatsachlichen Vergleich mit den Kundenumfragebogen der Vorperioden erkennen kann, inwieweit dies gegenuber seiner eigenen, damaligen Beurteilung zutrifft bzw, doch mehr die momentane Emotion mit im Spiel ist. Aus der Gewichtung aller Kriterien errechnen wir die Kundenzufriedenheit pro Kunde, der Kunden unserer zugeordneten und verantwortlichen Teams sowie zu jeder einzelnen Frage, pro Bereich, Gruppe und fiir das gesamte Unternehmen.
4.3 Der Fragebogen Abbildung 1 enthalt das Beurteilungsschema im Fragebogen. Unser Fragebogen ist in einige Hauptgruppen mit zahlreichen Unterpunkten gegliedert.
Gewichtung
Beurteilung
A B C Frage A Frage B
000
0nn
Verlnderung zum Vorjahr
- +
no 00 no
Abbildung 1: Das Beurteilungsschema des Fragebogens Beispielhaft und auszugsweise sind nachfolgend einige wenige Unterpunkte angefihrt: Beurteilung der Standardsoftware B Funktionsumfang M Bedienerfi-eundlichkeit k%l Qualitat der Handbiicher und Dokumentation
Software & Consulting Betreuung Kundenbetreuung durch Projektleiter M Qualitiit der Schulungen M Qualitat der BeratungIFachkompetenz (aufgegliedert in Fachgebiete) @
Systemtechnische Betreuung B8. Erreichbarkeit der SystemingenieureIHotline @
W
Kundenbetreuung durch Systemingenieure Soziale Kompetenz der Systemingenieure
Preis-Leistungs-Verhaltnis
e Standardsoftware, Wartung ... bai Schulungen B Beratung
Generelles zur Partnerschaft Zuverlassigkeit (Termintreue, Preise, Fehlerbehebung ...) Freundlichkeit am Telefon Ir Positionierung im Vergleich zum Mitbewerb M
Anmerkungen und Kommentare sl Was ist f i r Sie besonders positiv, was geftillt Ihnen an KTW?
Was sollte verbessert werden? Ir Was erwarten Sie von uns in der nahen und mittleren Zukunft? B
5. Ergebnisse sowie kontinuierliche Steigerung der Kundenzufriedenheit Wir konnten im Laufe der Jahre, besonders durch die Untersttitzung unserer Messung der Kundenzufriedenheit und die damit verbundene Transparenz und offene Kommunikation mit unseren Kunden, die Kundenzufriedenheit laufend verbessern. Seit dem Jahr 2002 bewegt sich die Kundenzufriedenheit kontinuierlich um den Wert 8, dies sind in Teilbereichen bereits z.B. 9,9, dafiir in anderen z.B. ,,nur" 7,8, aber im Gesamtschnitt immerhin schon meist um 8,5. Dies kann sich in unserer Branche sehen lassen und z< bereits zu den Top-Werten. Dennoch haben wir den Ehrgeiz, noch weiter an Verbesserungen zu arbeiten. Wo sollte man verbessern? Generell gilt, dass Bereiche, die zwischen 8,5 und 10,O Punkten in der Skala liegen, bereits als optimal angesehen werden kdnnen, eventuell ist hier bereits dort und da die Wirtschaftlichkeit der hohen Kundenzufriedenheit zu iiberpriifen. In Bereichen von 5,O bis 8,5 ist Handlungsbedarf gegeben, der mit zunehmendem Index abnimmt. Hier sind Handlungsbereiche zu eruieren, zu klassifizieren und Prioritaten zu bilden. Bei einem Index in der Skala von unter 5,O ist die Qualitat, die Leistung stark defizitar, d. h. es besteht akuter Handlungsbedarfl
Abbildung 2: Kundenzufriedenheitswerte KTW 2000 - 2004 1st man in der erfreulichen Situation, dass man bereits insgesamt sehr gut liegt, so kann man nur noch verbessern, indem man sich die einzelnen Punkte, die noch nicht so optimal positioniert sind, heraussucht, die Ursachen analysiert und VerbesserungsmaRnahmen erarbeitet bzw. defmiert sowie mit der Umsetmng und der Erfolgskontrolle verantwortungsbewusst fortfahrt. Dam braucht es ein konstruktives Klima, offene Gesprache und die Fahigkeit, Probleme als Chancen anzuerkennen und anzunehmen sowie den wirklichen Willen zur Verbesserung iiber alle Ebenen im Unternehmen hinweg. Um dies zu erreichen, ist die Einbeziehung aller Mitarbeiter, unserer Partner und Lieferanten sowie unserer Kunden als Inputgeber unerlasslich. Die Unternehmensleitung sollte mdem stets als Vorbild in diesem Geist einer hohen Qualitat und Kundenzufriedenheit auftreten und handeln. Ratsam ist ein parallel stets mitlaufendes Ausbildungsprogramm fir die Mitarbeiter zur Sensibilisierung fir Qualitat, Wirtschaftlichkeit und Kundenmfriedenheit - neben sonstigen fachlichen Fortbildungen.
Eine dementsprechende Zielsetzung und Motivation hierzu sind selbstverst5indlich. Nur so ktinnen wir erfolgreich im harten Wettbewerb und in der Zukunft bestehen. Was rein wirtschaftlich gedacht besonders hilft, motiviert zu sein, um beste Qualit5it und hohe Kundenzufiiedenheit zu erzielen, ist die Tatsache, dass es einen mehrfachen Aufwand kostet, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bestehenden Kunden durch entsprechende Anstrengungen zu halten. Ein unzufiiedener Kunde gibt diese Information durchschnittlich an mehr als 10 Personen, teils sogar an bis zu 20 Personen weiter! Ein zufiiedener Kunde hingegen wirbt meist ,,nur" bei 3 bis 5 Personen ftir seinen Partner und Lieferanten, aber gerade davon braucht man so viele wie mbglich.
Reinhold Karner geschaj?sfuhrender Gesellschafte, CEO Entrepreneur, Grunder KTW, KTW- Group, C.I.S. AG KTW Str. I A-6322 Kirchbichl www.ktw.com