Goetz Greve / Elke Benning-Rohnke (Hrsg.) Kundenorientierte Unternehmensführung
GABLER RESEARCH
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Goetz Greve / Elke Benning-Rohnke (Hrsg.) Kundenorientierte Unternehmensführung
GABLER RESEARCH
Goetz Greve Elke Benning-Rohnke (Hrsg.)
Kundenorientierte Unternehmensführung Konzept und Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis Mit einem Geleitwort von Geert van Kuyck
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Net Promoter, Net Promoter Score, and NPS are trademarks of Satmetrix Systems, Inc., Bain & Company, Inc., and Fred Reichheld.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: SatzReproService GmbH Jena Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2319-6
Geleitwort
Unser Weg zu mehr Kundentreue begann vor einigen Jahren und entstand in dem festen Glauben, dass Unternehmen, die einen stärkeren und loyaleren Kundenstamm aufbauen als ihre Wettbewerber, langfristig bessere Ergebnisse erzielen. Die Auswirkung stärkerer oder schwächerer Kundenbindung auf die Entwicklung von Umsätzen und Marktanteilen ist schlicht phänomenal. Im Einzelhandel oder bei schnelllebige Konsumentenartikel sind diese Auswirkungen unmittelbar zu spüren. Dagegen können Management Teams bei Gebrauchs- oder Investitionsgütern jahrelang in dem Glauben leben, ein gesundes Unternehmen zu führen, obwohl in Wirklichkeit ihre Kundenbasis langsam schwindet. Plötzlich sind sie dann nicht mehr im Geschäft oder haben zumindest eine wesentlich schwächere Marktposition. Wir leben in einer Welt, in der durch neue Vertriebswege und neue Medien Produktempfehlungen leicht zugänglich und immer relevanter sind. In dieser Welt kann ein überdurchschnittliches Kundenerlebnis, das dazu führt, dass man weiterempfohlen wird, sehr gut das einzige „kontrollierbare“ Marketinginstrument werden. Für uns als global tätiges Unternehmen war es entscheidend, uns auf nachhaltige, vergleichbare und durchgängige Art und Weise mit dem Wettbewerb zu messen. Dazu war eine Methode erforderlich, die zum einen starke Kundenempfehlungen erfasst und zum anderen bei unterschiedlichen Geschäftsfeldern und Kulturen funktioniert. Wir glauben, dass unser Einsatz des Net Promoter® Score (NPS) und vor allem des „relativen NPS“ (im Vergleich mit dem Wettbewerb) genau dazu in der Lage ist. Der NPS erlaubt es uns, jedes Management Team am Erreichen seiner Geschäftsergebnisse zu messen, während sie gleichzeitig eine stärkere und gesündere Kundenbasis für ihr jeweiliges Geschäft entwickeln. Seitdem wir diesen Weg gehen, haben wir gesehen, wie Teams sehr erfolgreich Probleme mit Kunden angegangen sind und wie starke Positionen weiter ausgebaut wurden. Noch wichtiger: wo auch immer wir uns deutlich verbessert oder starke Positionen bewahrt haben, konnten wir Marktanteile weiter steigern. Kunden waren bereit, mehr für unsere Lösungen zu investieren, wir konnten Preise und Margen besser stabil halten und haben während der jüngsten Wirtschaftskrise eine beständigere Geschäftsentwicklung verzeichnet. So gesehen war der NPS ein guter Indikator für
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Geleitwort
die zu erwartenden Geschäftsergebnisse … und strategisch eine ausgezeichnete Hilfe, um Ressourcen gezielt in erfolgreiche Geschäftsfelder zu investieren. Das größte Problem des NPS ist jedoch, dass viele komplett unterschätzen, was erforderlich ist, um erfolgreich zu sein … und uns ging es am Anfang genau so. Um den NPS richtig zu nutzen haben wir ihn zunächst auf Konzernebene als eines der grundsätzlichen Messkriterien für den Geschäftserfolg aufgesetzt – genau so wie eine Ergebnisrechnung. Weil diese Metrik um die Realität widerzuspiegeln unserer Meinung nach genauso „hart“ sein muss wie eine P&L, lassen wir durch unsere Auditoren sowohl die Untersuchung als auch das Messverfahren überprüfen und bestätigen. Dies ermöglicht es uns, Zielvorgaben und Ergebnisse als Teil unseres Geschäftsberichtes zu veröffentlichen und den NPS – auch als börsennotiertes Unternehmen – als Kriterium im Bonussystem für das Management einzusetzen. Was jedoch noch wichtiger ist: Wir haben festgestellt, dass der NPS, um echte Änderungen zu vollziehen, im Tagesgeschäft verankert sein muss – über unterschiedliche Funktionen hinweg und tief in der Organisation. Wenn wir ausschließlich das Ergebnis messen, könnte der NPS wie so viele andere Marktforschungsinstrumente in den Archiven verschwinden; ihn in das Tagesgeschäft zu integrieren verhindert dies. Deshalb haben wir den NPS an kritischen Schnittstellen in jedem Geschäftsbereich als eines der wichtigsten Erfolgskriterien verankert. Diese Schnittstellen sind nicht für jeden Geschäftsbereich gleich. Wir messen üblicherweise in drei bis fünf Bereichen, die aus unserer Sicht maßgeblich sind, damit die Organisation eine herausragender Kundenerfahrung schaffen kann. Das ermöglicht es den Verantwortlichen, Veränderungen vorzunehmen, Fortschritt voranzutreiben und – jeder für seinen Bereich – sicherzustellen, es für Kunden und Verbraucher „richtig“ zu machen. Dass wir strategisch entscheidende Bereiche auswählen, verhindert, dass wir versuchen, „alles richtig“ zu machen und Zeit, Energie und Ressourcen auf nicht relevante Aktivitäten verschwenden. Eine gute Implementierung des NPS ins Tagesgeschäft ist deshalb auch eine exzellente Hilfe, um Ressourcen effizient zu nutzen. Nach allem gesagten, möchte ich gerne daran erinnern, dass dies – egal ob man NPS oder eine andere Methode verwendet – nichts anderes ist, als eine Organisation an ihrer Qualität zu messen und an ihrer Fähigkeit bei den wichtigsten Zielgruppen besser zu sein als der Wettbewerb. Das ist eigentlich etwas Grundlegendes … aber es ist überraschend, wie wenige
Geleitwort
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Organisationen offensichtlich den Willen haben, diesen Prozess diszipliniert in allen Geschäftsbereichen voranzutreiben. Wenn Sie zu diesen wenigen gehören, wünsche ich Ihnen viel Erfolg auf einem lohnenden Weg. Und wenn Sie erfolgreich sind, freue ich mich darauf, eines Tages einer Ihrer Kunden zu sein. Geert van Kuyck Chief Marketing Officer Royal Philips Electronics
Vorwort
„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher.“ Albert Einstein
Die Kundenorientierung nimmt heute branchenübergreifend eine zentrale Position innerhalb der Strategie vieler Unternehmen ein. Dabei investieren die Unternehmen erhebliche Ressourcen in die Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung, um in Zeiten stagnierender oder gar rezessiver Märkte ihre Wettbewerbsposition zu verteidigen oder auszubauen. Dennoch ist zu beobachten, dass vielfach lediglich vereinzelte Punkte eines umfassenden Konzeptes der kundenorientierten Unternehmensführung umgesetzt werden und die vermuteten Erfolge damit nur bedingt gehoben werden können. Ursächlich dafür kann eine fehlende Steuerungsgröße sein, die es ermöglicht, Unternehmenskultur, -organisation und Mitarbeiter einheitlich auf die angestrebte Kundenorientierung auszurichten. Mit dem Net Promoter® Score bietet sich eine solche zentrale Steuerungsgröße an, die Anwendung in so gut wie jedem Geschäftsmodell finden kann. Ein methodisches Vorgehen mit dem Net Promoter® Score ist ein vielversprechender Ansatz, eine Organisation auf kundenorientierte Unternehmensführung auszurichten. Mit dem vorliegenden Buch wollen wir, die Herausgeber, die Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung mit Hilfe des Net Promoter® Score aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und Brücken zwischen Wissenschaft, Beratungskonzepten und praktischer Unternehmenserfahrung bauen. Im ersten Teil finden Sie theoretisch-konzeptionelle Grundlagen zum Verständnis der kundenorientierten Unternehmensführung, die Beiträge des zweiten Teils beschreiben das Konzept und den Einsatz des Net Promoter® Score in Unternehmen. Im dritten Teil werden Bezüge zwischen praktischen Erfahrungen und Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Psychologie hergestellt. Das Buch wird durch Erfahrungsberichte aus verschiedenen Branchen und einer empirischen Studie im vierten und fünften Teil abgeschlossen. Das Buch wendet sich gleichermaßen an Praktiker wie Wissenschaftler. Dem Praktiker soll es Erfahrungen und Anstöße für einen Einsatz des
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Vorwort
Net Promoter® Score zur Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung bieten. Dem Wissenschaftler bieten die Praxisberichte sowie die empirische Erhebung Anregungen für weitergehende Untersuchungen und Eindrücke, wie der Net Promoter® Score in der Praxis eingesetzt wird. Unser Dank gilt insbesondere dem Autorenteam aus Wissenschaftlern und erfahrenen Praktikern, die mit ihren Beiträgen einen Dialog zwischen Theorie und Praxis ermöglichen, und all denen, die uns in der Erstellung des Buches unterstützt haben. Goetz Greve Elke Benning-Rohnke
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
00 V
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX 00 Erster Teil Theoretische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kundenorientierte Unternehmensführung als Managementherausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Goetz Greve Zweiter Teil Methodische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score . . . . . . . . . . . . . . Jan Van Riet / Markus Kirsch Customer-Relationship-Management-Integration des Net Promoter® Score . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe May / Robert Asal / Marcus Hilmer
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Kundenorientierte Unternehmensführung – Funktionen und Aufgaben einer externen Beratung . . . . . . . . . . . . . . 103 Siegfried Greif / Elke Benning-Rohnke Dritter Teil Psychologische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Kundenorientierung – Warum sie oft scheitert und wie sie besser machbar ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Elke Benning-Rohnke / Siegfried Greif
XII
Inhaltsverzeichnis
Vierter Teil Praktische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Lonza Group Ltd., Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Stefan Borgas / Elke Benning-Rohnke Spreadshirt AG, Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Tobias Ebert Institut Straumann AG, Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Franz Maier / Petra Borisch Fünfter Teil Empirische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Goetz Greve Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Erster Teil Theoretische Erkenntnisse
Kundenorientierte Unternehmensführung als Managementherausforderung Goetz Greve
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Grundlagen der kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . 4
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Begriff der Kundenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff der Kundenzufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff der Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff des Kundenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen den Determinanten des Unternehmenserfolgs . .
2
Prozess der kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4
Analyse der Kundenbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung der kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung der kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen an die Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen an die Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen an die Informationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen an die Mitarbeiterführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . .
3
Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
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12 16 18 19 21 21 23 24
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Goetz Greve
Grundlagen der kundenorientierten Unternehmensführung
Unternehmen stehen in vielen Branchen in der heutigen Zeit vor der Herausforderung, den Wandel der Märkte von Verkäufer- hin zu Käufermärkten mit ihrem verschärfenden Wettbewerb sowie weiterer fundamentaler Veränderungen der politisch-gesellschaftlichen, technologischen und ökologischen Systemen erfolgreich zu begegnen. Unbestritten erscheint dabei der Grundgedanke der konsequenten Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf den jeweiligen Markt und seine Teilnehmer. In den letzten Jahren wurde diese Sichtweise der marktorientierten Unternehmensführung konsequent auf eine zentrale Marktkraft, den Kunden, fokussiert, so dass sowohl in Wissenschaft als auch in der Praxis Konzepte der kundenorientierten Unternehmensführung diskutiert werden. Mehrere empirische Untersuchungen belegen einen positiven Zusammenhang zwischen dem Grad der Markt- bzw. Kundenorientierung und dem Unternehmenserfolg (Narver und Slater, 1990; Jaworski und Kohli, 1993). Auch in der Praxis sind die tiefgreifenden Veränderungen im Marktumfeld der Unternehmen weder neu noch unbekannt. Das Akzente Trendbarometer, eine Umfrage unter 100 Managern deutscher Konsumgüterhersteller und -händler, zeigt, dass Führungskräfte bereit sind, Veränderungen umzusetzen, um die Bedürfnisse der Kunden besser zu erfüllen als ihre Wettbewerber (Breuer, von Fritsch, Prauschke und Steegmann, 2009). Die Maßnahmen zur Verbesserung der Kundenorientierung reichen dabei von der Verbesserung des Kundenverständnisses, Messungen der Kundenzufriedenheit, Konzeption von Kundenbindungsprogrammen hin zu umfangreichen Restrukturierungen und den damit verbundenen Change-Management-Prozessen. Auch haben informationstechnologische Lösungen unter den Schlagwörtern CRM, Business Intelligence oder Data Mining Eingang gefunden (Hippner, Hugel, Rühl und Wilde, 2009). Ziel all dieser Maßnahmen ist die Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten an den Kundenanforderungen. Der Erfolg dieser zumeist Insellösungen muss allerdings in Frage gestellt werden. Vielfach ist festzustellen, dass zwar Konzepte existieren, um die Unternehmensstrategie, die Prozesse sowie die Produkte und/oder Dienstleistungen auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten, dennoch erfolgt die Umsetzung eher sporadisch und unzureichend. Aus den Ergebnissen des Kundenmonitors Deutschland, einer Befragung unter mehr als 20.000 Konsumenten, wird ersichtlich, dass Unternehmen in den letzten Jahren die Kundenzufriedenheit zwar steigern konnten, allerdings immer noch auf einem relativ niedrigen Ni-
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veau agieren. Abb. 1 illustriert den Grad der Kundenzufriedenheit ausgewählter Branchen als Mittelwerte der Globalzufriedenheit von „vollkommen zufrieden“ (= 1) bis „unzufrieden“ (= 5) in den Jahren 2004 bis 2009 (ServiceBarometer AG, 2004–2009).
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Abbildung 1: Entwicklung der Kundenzufriedenheit in ausgewählten Branchen (basierend auf den Daten des Kundenmonitors Deutschland 2004–2009).
In engem Zusammenhang zur kundenorientierten Unternehmensführung stehen Begriffe, wie Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, die im folgendem definiert werden. 1.1
Begriff der Kundenorientierung
Zur Definition des Begriffs Kundenorientierung ist eine Abgrenzung zur Marktorientierung vorzunehmen. Beide Begriffe zielen auf die Betrachtung von Marktteilnehmern ab. Dabei richtet die Marktorientierung die Unternehmensaktivitäten an sämtlichen Marktteilnehmern aus, also an den Ansprüchen der Wettbewerber, Absatzmittler, Zulieferer, Mitarbeiter, Anteileigner oder Fremdkapitalgeber. Die Kundenorientierung hingegen ist fokussierter ausgestaltet: Sie ist auf eine spezielle Anspruchsgruppe des Marktes, die Kunden, ausgerichtet (Kohli und Jaworski, 1990). Basis der
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Goetz Greve
Kundenorientierung ist die Berücksichtigung der Kundenperspektive in sämtlichen Wertschöpfungsprozessen (Meyer, Kantsperger und Schaffer, 2006). Kundenorientierung ist daher zu verstehen als „die umfassende, kontinuierliche Ermittlung, Analyse und Auswertung der leistungsbezogenen Kundenerwartungen sowie deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen mit dem Ziel, langfristig stabile Kundenbeziehungen zu etablieren“ (Bruhn, 1995). Hinsichtlich dieser Begriffdefinition sind drei Dimensionen hervorzuheben. Erstens die informationsorientierte Dimension, das heißt, die Kundenorientierung wird daran festgemacht, ob kundenbezogene Informationen erhoben, analysiert, gespeichert und verfügbar gemacht werden. Zweitens, die leistungs- und interaktionsorientierte Interpretation, das heißt, die Kundenorientierung bezieht sich sowohl auf die Produkt- und Leistungsqualität als auch auf das Erfüllen der Kundenerwartungen durch ein entsprechendes Verhalten der Mitarbeiter im Rahmen der Interaktion. Diese Dimension inkludiert das Verständnis, prozessorale oder organisatorische Änderungen durchzuführen. Drittens, die kultur- und philosophieorientierte Interpretation, hierbei wird die Kundenorientierung als Bestandteil der Unternehmenskultur aufgefasst und wirkt sich auf Normen, Überzeugungen und Werte und damit letztlich auf das Verhalten der Mitarbeiter aus. 1.2
Begriff der Kundenzufriedenheit
Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis eines komplexen psychischen Vergleichsprozesses (Homburg, Koschate und Hoyer, 2005), bei dem ein Kunde vorherige Erwartungen (Soll-Leistung) mit der tatsächlich wahrgenommenen Ist-Leistung vergleicht. Als Referenzgrößen für den Vergleich können die Kundenerwartungen und Kundenbedürfnisse dienen. Schneider und Bowen (1995) definieren Kundenerwartungen als Anforderungen der Kunden an die Qualität der Produkte und Dienstleistungen (bspw. Nützlichkeit, Zuverlässigkeit, Liefersicherheit, Servicequalität) sowie die Preise, die für die Produkte und Dienstleistungen zu zahlen sind. Kundenbedürfnisse können Sicherheit, Verbesserung des Selbstwertgefühls und Fairness sein (vgl. Dritter Teil, Kapitel 1). Hinsichtlich der Konzeptualisierung des Entstehens von Kundenzufriedenheit kann das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma (Churchill/ Suprenant, 1982; Oliver, 1980), welches innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung das am häufigsten diskutierteste ist, als Grundlage
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dienen. Danach entsteht Kundenzufriedenheit bei Erreichen (Konfirmation) oder aber Übertreffen der Soll-Leistung durch die Ist-Leistung (positive Diskonfirmation). Unzufriedenheit hingegen entsteht bei einer im Vergleich zur Soll-Leistung geringeren Ist-Leistung (negative Diskonfirmation). Damit ist die Kundenzufriedenheit eine Ex-post-Evaluierung von Kauf- bzw. Nutzungserfahrungen. Allerdings weisen Schneider und Bowen (1995) darauf hin, dass insbesondere die Kundenerwartungen dieser eher vernunftgesteuerten Konzeptualisierung gehorchen. Kundenbedürfnisse hingegen sind stärker emotional verankert. Demnach ist eine Nichterfüllung der Kundenerwartungen weniger gefährlich für ein Unternehmen als die Missachtung der Kundenbedürfnisse. Somit ist die Beurteilung einer einzelnen Kauftransaktion anhand von „harten“ Kundenerwartungen eher die Ausnahme, eher ist die Geschäftsbeziehung mit der Gesamtheit ihrer Facetten Beurteilungsobjekt des Kunden (Homburg und Koschate, 2007). Damit wirkt sich die Kundenzufriedenheit auch und insbesondere auf zukünftige Entscheidungen des Kunden aus. 1.3
Begriff der Kundenbindung
Kundenbindung beinhaltet den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager (Krafft, 2007). In Abgrenzung zur Kundenloyalität kann die Kundenbindung als das allgemeinere Konstrukt aufgefasst werden, da es sowohl die anbieter- als auch nachfragerbezogene Perspektive umfasst. Kundenloyalität hingegen ist enger gefasst und betrachtet ausschließlich die nachfragerbezogene Perspektive. Gründe für die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung können sowohl kundenseitig als auch anbieterseitig vorliegen. Kundenseitige Bindung (oder Kundenloyalität) bezieht sich auf das Kaufverhalten der Nachfrager, welches in faktisches Verhalten und Verhaltensabsichten (Diller, 1996; Bruhn, 2008b) unterschieden werden kann. Faktisches Verhalten der Kundenbindung umfasst dabei das Wiederkaufverhalten des Kunden, seine Bereitschaft, weitere Produkte des Unternehmens zu erwerben (Cross-Buying), und das Weiterempfehlungsverhalten gegenüber Dritten (Homburg, Giering und Hentschel, 1999). Zusätzlich ist die Preiserhöhungstoleranz von Bedeutung, da gebundene Kunden oftmals eine geringere Preissensibilität aufweisen als ungebundene Kunden (Bayon und Wangenheim, 2005). Des Weiteren weisen gebundene Kunden vielfach geringere Betreuungskosten auf (Reichheld, 2001). Diese Größen lassen sich ex post durch das
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Unternehmen direkt beobachten; mögliche Indikatoren einer kundenseitigen Bindung sind: 1. Kaufreihenfolgen bzw. Kaufhäufigkeiten (Jacoby und Chestnut, 1978; De Wulf et al., 2001), 2. Kauf- oder Wiederkaufwahrscheinlichkeiten. 3. Kaufanteile (share of wallet) als Anteil der wertmäßigen Ausgaben eines Produktes in Relation zu den gesamten Ausgaben eines Kunden in der entsprechenden Produktkategorie (Jacoby und Chestnut, 1978; De Wulf et al., 2001), Faktisches Verhalten äußert sich in einem erhöhten ökonomischen Erfolg für das Unternehmen, welches in der Lage ist, Kunden zu binden. Abbildung 2 verdeutlicht exemplarisch die Stellhebel der faktischen Kundenbindung. $ .'"%/
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Abbildung 2: Exemplarische ökonomische Wirkungen loyaler Kunden (Reichheld, 2001).
Verhaltensabsichten stellen psychische Größen dar, die Einstellungen zum künftigen Verhalten widerspiegeln. Diese Größen umfassen die Wiederkaufsabsicht, die Cross-Buying-Absicht sowie die Weiterempfehlungsabsicht. Insbesondere die Weiterempfehlungsabsicht wird als loyales Kundenverhalten interpretiert (Giering, 2000), da sie indirekt die Zufriedenheit und emotionale Bindung eines Kunden zu einem Anbieter zum Ausdruck bringt (Reichheld, 2006). Die Verhaltensabsichten resultieren kundenseitig aus einer Verbundenheit zu dem Anbieter. Die Gründe dafür
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liegen in der Zufriedenheit oder in dem Vertrauen der Kunden zu dem jeweiligen Anbieter. Da es sich bei diesen Größen um ex-ante Betrachtungen handelt und eine tatsächliche Verhaltenswirksamkeit unsicher ist, ist die Messung dieser nicht direkt beobachtbaren Größen erschwert. Um dennoch Verhaltensabsichten von Kunden zu analysieren, bieten sich Befragungen an, die über eine Vielzahl von Fragen ein möglichst umfassendes Bild der Verhaltensabsicht der Kunden zu erheben versuchen. Andere Konzeptionalisierungen basieren auf einzelnen Dimensionen der Verhaltensabsicht wie der Weiterempfehlungsabsicht. Reichheld (2006) erkennt zwischen der Erhebung der Weiterempfehlungsabsicht und dem Unternehmenserfolg einen Zusammenhang. Demnach könnte die Erhebung der Weiterempfehlungsabsicht eine ex-ante Messung der Kundenloyalität und des resultierenden ökonomischen Erfolgs ermöglichen. Anbieterseitige Kundenbindung findet in Form von systematischen Bindungsaktivitäten des Anbieters statt. Ziel ist es, die Verbundenheit des Kunden zum Unternehmen zu entwickeln und den Kunden zu Wiederholungs- und/oder Mehrkäufen zu stimulieren. Die anbieterseitigen Kundenbindungsaktivitäten sind zu unterscheiden in Aktivitäten, die eine emotionale Bindung über die Kundenzufriedenheit initiieren und Aktivitäten, die eine Gebundenheit über technisch-funktionale, vertragliche und ökonomische Ursachen herstellen (Meyer und Oevermann, 1995; Homburg und Bruhn, 2008). Vorrangig sollten Aktivitäten das Ziel verfolgen, eine hohe Kundenzufriedenheit und damit Verbundenheit sicherzustellen, da zufriedene Kunden zumeist die Kundenbeziehung durch Wiederholungskäufe oder Cross-Buying aufrecht erhalten. Zudem ist zu bedenken, dass zufriedene Kunden grundsätzliche eine höhere Preisbereitschaft aufweisen bzw. weniger preissensibel mit Preisänderungen umgehen. Die Kundenzufriedenheit kann durch die kundenorientierte Ausgestaltung der Produktund Leistungspolitik erreicht werden. Allerdings können auch technischfunktionale Wechselbarrieren dazu dienen, sich gegenüber Wettbewerbsprodukten so zu differenzieren, dass ein Wechsel des Kunden zu einem Konkurrenten erschwert wird. Beispiele hierfür sind spezielle Individualisierungsangebote, besondere Formate oder Schnittstellen, welche die Kompatibilität zu anderen Anbietern erschweren, oder Zusatzdienstleistungen. Ein weiterer Ansatzpunkt der Bindung bietet die vertragliche Gestaltung über Abonnements, Mindestlaufzeiten u. ä. Ökonomische Kundenbindung wiederum lässt sich über die Preispolitik gestalten. Denkbar sind gezielt eingesetzte Rabattstaffelungen oder Bonussysteme für Wieder-
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Goetz Greve
käufer. Sämtliche Aktivitäten sind durch eine aktive, kundenorientierte Kommunikationspolitik zu unterstützen. 1.4
Begriff des Kundenwerts
Ein geeignetes Konzept zur Überprüfung der ökonomischen Erfolgswirkung kundenorientierter Unternehmensführung ist der Kundenwert. Der Begriff Kundenwert wird in der kundenorientierten Literatur in zwei Perspektiven unterschieden: Erstens, aus Kundensicht als Nettonutzen, den der Kunde einer Geschäftsbeziehung zu einem Unternehmen beimisst (Grisaffe und Kumar, 1998) und zweitens, aus Unternehmenssicht, um den ökonomischen Wert von Kundenbeziehungen zu beschreiben (Blattberg und Deighton, 1996). Im Weiteren wird der Kundenwert aus Unternehmensperspektive betrachtet. Der Begriff Kundenwert kann danach differenzieren werden, ob individuelle Kundenbeziehungen (Kundenwert bzw. Customer Lifetime Value), einzelne Kundensegmente oder die Gesamtheit der Kundenbeziehungen eines Anbieters (Kundenstammwert bzw. „Customer Equity“, vgl. z. B. Rust, Lemon und Zeithaml, 2000) zu bewerten sind. Grundsätzlich wird der Kundenwert als Netto-Barwert aller kundenbezogenen Ein- und Auszahlungen im Verlauf einer Geschäftsbeziehung verstanden. Um der komplexen Natur von Kundenbeziehungen gerecht zu werden, werden neben dieser eindimensionalen Betrachtungsweise zunehmend weitere monetäre und nicht-monetäre Dimensionen wie bspw. der Referenz-, der Informations- und der Cross-Selling-Wert (Cornelsen, 2000) oder das Weiterempfehlungspotenzial (v. Wangenheim, 2003) in die Kundenwertberechnung eingeführt. Ziel der Kundenwertberechnung ist allerdings nicht ausschließlich den Kundenwert als absolute Größe auszudrücken, sondern vielmehr in Rahmen der Analyse der Kundenbeziehung die Profitabilität sowie die Werttreiber hinter dem Kundenwert zu identifizieren (Rudolf-Sipötz und Tomczak, 2001). Der Kundewert als ökonomische Erfolgsgröße der kundenorientierten Unternehmensführung ermöglicht dem Unternehmen die Unterscheidung in profitable und nicht-profitable Kundenbeziehungen. Damit lassen sich auf Basis dieser Größe Investitionen in die Zufriedenstellung und Bindung von Kunden rechtfertigen und Maßnahmen zur wertorientierten Steuerung von Kundenbeziehungen einleiten (Krafft, 2007). Beispielsweise können unprofitable Kundenbeziehungen beendet werden oder überführt werden in Beziehungen mit einem positiven Kosten-/Nutzen-Verhältnis (RudolfSipötz undTomczak, 2001; Günter und Helm, 2002).
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Kundenorientierte Unternehmensführung als Managementherausforderung
1.5
Zusammenhang zwischen den Determinanten des Unternehmenserfolgs
Ziel der Kundenorientierung ist per Definition die Schaffung und Sicherung profitabler Kundenbeziehungen. Anknüpfungspunkt und Erfolgskennzahl einer kundenorientierten Unternehmensführung sollte daher die Orientierung an einer Profitabilitätsgröße sein. Diese Größe kann der Kundenwert sein, eine Gegenüberstellung der gegenwärtigen und zukünftigen, abgezinsten Ein- und Auszahlungen der Kunden (Tomczak und RudolfSipötz, 2006). Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Kundenwert nicht direkt durch die Kundenorientierung eines Unternehmens beeinflussbar ist, sondern vorökonomische Erfolgsgrößen determiniert. Ausgangspunkt für die Gestaltung profitabler Kundenbeziehungen ist wiederum die Kundenorientierung. Sie ist Voraussetzung für die Etablierung von Kundenzufriedenheit, da sie die umfassende Berücksichtigung aller Kundenerwartungen aufzeigt, während die Kundenzufriedenheit darstellt, inwiefern ein Kunde seine eigenen Erwartungen durch das Produkt- und Dienstleistungsangebot eines Unternehmens erfüllt sieht. Zufriedenheit stellt sich bei einem Kunden durch den Abgleich von Erwartungen mit den erhalten Leistungen ein (Oliver, 1996; Homburg und Stock-Homburg, 2008). Die Kundenzufriedenheit beeinflusst wiederum die Kundenbindung. Die allge " ! 3 / , 3 4 +. 5 3 4 +.,%6/
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Abbildung 3: Erfolgskette der Kundenorientierung (Bruhn, 1997; Heskett, Sasser und Schelsinger, 1997).
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meine Literatur geht davon aus, das „zufriedene“ Kunden „mehr kaufen“ und mehr Cross-Buying betreiben. Die Kundenbindung gibt an, ob und wie lange ein Kunde eine Beziehung zu einem Unternehmen unterhält und intensiviert (Keaveney, 1995). Dabei kann es sich sowohl um beobachtbare Verhaltensweisen der Kunden wie Wiederkauf oder vertragliche Bindungen als auch um psychologische Größen wie emotionale Bindungen (bspw. Markentreue) handeln. Je länger ein Kunde eine Beziehung mit einem Unternehmen aufrechterhält, unter der Prämisse der Wiederholungs- und Folgekäufe, je profitabler ist eine Kundenbeziehung zu bewerten. Abbildung 3 stellt die aufgezeigte Wirkungskette dar. Die Wissenschaft hat zudem zahlreiche interne als auch externe moderierende Faktoren identifiziert, die deutlich machen, dass nicht ausschließlich der direkte Wirkungszusammenhang zwischen Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Kundenwert im Vordergrund einer kundenorientierten Unternehmensführung zu stehen hat. Um nachhaltig die absolute kundenbezogene Erfolgsgröße, den Kundenwert, zu optimieren, muss die gesamte Wirkungskette mit ihren Interdependenzen antizipiert werden. Der Kundenwert ist damit ein zentraler Indikator für die Verbindung zwischen kundenorientierter Unternehmensführung und dem Unternehmenserfolg. Er treibt mit der Generierung von Cash Flow und Gewinn den Unternehmenswert (Gupta und Lehmann, 2008).
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Prozess der kundenorientierten Unternehmensführung
Bruhn (2009) schlägt zur Implementierung einer systematischen Kundenorientierung in Unternehmen eine prozessorientierte Perspektive vor. Basierend auf den Aufgaben eines klassischen Managementprozesses werden vier Phasen eingeführt, die Analyse-, Planungs-, Umsetzungs-, und Kontrollphase. 2.1
Analyse der Kundenbeziehung
Im Rahmen der kundenorientierten Unternehmensführung kommt der Kundenanalyse eine besondere Bedeutung zu. Die Kundenanalyse dient der Untersuchung von Chancen und Risiken in Hinblick auf die aktuellen und zukünftigen Kundenbeziehungen eines Unternehmens (Bruhn, 2009). Analysebereiche sind die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung, die
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Profitabilität sowie die Kundensegmentierung nach ausgewählten Kriterien. Durch die Analyse der Kundenzufriedenheit können Informationen bezüglich der Umsetzung der Kundenorientierung aus Kundensicht gewonnen werden, die für die weitere Steuerung der kundenbezogenen Aktivitäten eines Unternehmens von Nutzen sein können. Trotz einer Fortentwicklung der Kundenzufriedenheitsmessungen in den letzten 25 Jahren gibt es heute nicht die „eine“ Vorgehensweise der Messung. Sowohl aus wissenschaftlicher als auch praktischer Sicht stehen je nach Land, Branche, Forschungsinstitut oder Anwendungsgebiet Messansätze unterschiedlicher Komplexität und Qualität zur Verfügung (Beutin, 2008). Grundsätzlich können diese Verfahren unterschieden werden in objektive und subjektive Verfahren (Bruhn, 2006). Objektive Verfahren nutzen beobachtbare Größen, die nicht von der subjektiven Wahrnehmung des Kunden abhängen, bspw. Umsatz oder Marktanteil. Diese Verfahren haben den Nachtteil, dass eine kundenindividuelle Erhebung der Zufriedenheit nicht darstellbar ist. Subjektive Verfahren legen die individuelle Wahrnehmung des Kunden zu Grunde. Diese können wiederum in merkmalsorientierte, ereignisorientierte und problemorientierte Verfahren unterschieden werden. Merkmalsorientierte Verfahren beziehen sich auf unterschiedliche Produkt-, Serviceoder Interaktionsmerkmale, die der Kunde beurteilt. Ereignisorientierte Verfahren erheben die Zufriedenheit mit einem bestimmten Kontaktereignis mit dem Unternehmen, konzentrieren sich also insbesondere auf die Prozessperspektive. Problemorientierte Verfahren erheben zufriedenheitsrelevante Schwierigkeiten wie Beschwerden. Nachteil dieser Verfahren wiederum ist die schwierige Objektivierbarkeit der gewonnenen Kundenzufriedenheitsinformationen. Die Analyse der Kundenbindung ermöglicht die Identifikation von Kunden, die langfristige Beziehungen zu dem Unternehmen unterhalten und daher potenziell attraktive Kunden für ein Unternehmen sein können. Bei der Messung des Konstrukts Kundenbindung ist zwischen der Ex-postMessung und der Ex-ante-Messung zu unterscheiden. Im Rahmen der Expost-Messung sind zahlreiche Messansätze denkbar. Gemeinsam ist diesen Messansätzen die Erfassung und Auswertung von Daten zur Erhaltung und zur Intensivierung von Kundenbeziehungen (Bruhn, 2008c). Diese nachträglich erhobenen Daten beinhalten Informationen zu Wiederholungskäufen (Beziehungserhaltung) sowie Informationen zum Cross Buying, zur Preissensibilität der Kunden und zur Weiterempfehlungsabsicht der
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Kunden (Homburg und Bruhn, 2008), aber auch die durchschnittliche Kundenbeziehungsdauer oder die Kundenabwanderungsrate. Weniger geeignet erscheinen Daten des Marktanteils oder der Umsatzentwicklung, da sie die individuelle Kundenperspektive vernachlässigen und eine Unterscheidung in Erst- und Wiederkäufer nicht ermöglichen. Für alle Daten gilt, dass sie auf Grundlage einer ex-post-Betrachtung verwendet werden und damit nur schwerlich für eine aktive Steuerung einsetzbar sind (Meyer und Oestermann, 1995). Bei der Ex-ante-Messung hingegen handelt es sich hauptsächlich um die Messung psychischer Konstrukte wie das Beschwerdeverhalten oder die Wiederkaufabsicht (Meyer und Oevermann, 1995). Diese Messgrößen können als Indikatoren für ein zukünftiges Kundenverhalten angesehen werden, unterliegen aber vielfach einer hohen Unsicherheit hinsichtlich des tatsächlich gezeigten Kundenverhaltens in der Planungsperiode. Die Bereitstellung von Informationen über die Kundenprofitabilität stellt im Rahmen der Analyse der Kundenbeziehung einen wichtigen Bereich dar, denn sie ermöglicht die Aussage, ob eine Kundenbeziehung gewinn- oder verlustbringend gestaltet werden kann. Somit übt die Kundenprofitabilität einen Einfluss auf den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens aus. Der Kundenprofitabilität kommt bei der Wandlung des Marketings von Transaktionsmarketing hin zur kundenorientierten Unternehmensführung eine wichtige Rolle zu (Ryals, 2005). Gerade die Gruppe der hochprofitablen Kunden ist mit geeigneten Maßnahmen der kundenorientierten Unternehmensführung zu binden. Empirische Studien zeigen, dass oftmals eine relativ kleine Kundengruppe für einen Großteil des Unternehmensgewinns verantwortlich ist (Zeithaml, Rust und Lemon, 2001; Reinartz und Kumar, 2000). Verfahren der Kundenprofitabilitätsanalyse sind zum einen die klassischen, statischen Verfahren der Kostenrechnung wie die Kundendeckungsbeitragsrechnung und zum anderen die dynamischen Verfahren der Investitionsrechnung, welche die Geschäftsbeziehung mit einem Kunden als Investition auffasst und das zukünftige Ertragspotenzial des Kunden mit einschließt (Gupta und Lehmann, 2003). Diese Investitionsrechnung wird häufig in Form einer Kundenwertrechnung durchgeführt. Hinsichtlich der zukünftigen Kosten und Erlöse werden vielfach Daten aus der Vergangenheit fortgeschrieben, allerdings greifen diese Verfahren oftmals zu kurz, insbesondere in Hinblick auf die möglichen Aktivitäten eines Unternehmens zur Intensivierung einer Kundenbeziehung. Unter Einbezug der gesamten Dauer der Geschäftsbeziehung wird der Barwert als Customer
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Lifetime Value bezeichnet. In den letzten Jahren wurden verschiedene Ansätze zur Bestimmung der Bestandteile des Customer Lifetime Value diskutiert. Für eine mögliche, umfassende Darstellung vgl. die Berechnungsformel des Customer Lifetime Value von Bauer, Hammerschmidt und Brähler, 2002. Aus Praxisperspektive kann konstatiert werden, dass die Anwendung kundenorientierter Investitionsrechnungen nur sehr gering ist. Gründe hierfür können die hohen Anforderungen an die Datenhaltung und -pflege sowie der oftmals hohe Implementierungsaufwand sein. Auch zeigen Expertengespräche, dass vielfach abteilungsübergreifende Kommunikationshemmnisse zwischen Controlling, Marketing und Vertrieb vorliegen, da zum einen das Controlling vielfach eher intern orientiert denn kundenoder marktorientiert vorgeht, während Marketing und Vertrieb vielfach die Bereitschaft fehlt, sich mit Fragen der Kosten- und Investitionsrechnung auseinander zu setzen (Weber und Willauer, 2005). Demzufolge bleibt es in vielen Unternehmen bisher beim Einsatz eher einfacher Verfahren der Kundenbewertung wie ABC-Analysen oder Kundendeckungsbeitragsrechnungen (Becker, Greve und Albers, 2009). Die vorstehenden Analysen offenbaren vielfach, dass in Unternehmen hinsichtlich des Kundenstamms keine homogenen Strukturen vorliegen, vielfach ist es der Fall, dass sich Kunden hinsichtlich ihrer Präferenzen, Einstellungen, Verhaltens und Profitabilität voneinander unterscheiden. Daher bedarf es zur Konzeption und Durchführung von kundenorientierten Aktivitäten im Rahmen der kundenorientierten Unternehmensführung einer Kundensegmentierung. Unter Kundensegmentierung ist die Aufteilung eines Kundenstamms in einzelne, möglichst homogene und untereinander möglichst heterogene Käufergruppen (Kundensegmente) zu verstehen. Ziel ist es, eine kundensegmentspezifische, differenzierte Marketingpolitik zu betreiben (Krafft und Albers, 2000). Eine Segmentierung der Kunden im Rahmen der kundenorientierten Unternehmensführung geht über die klassischen Prinzipien der Marktsegmentierung hinaus, welche Segmente auf Basis allgemeiner oder spezieller Verhaltensmerkmale wie Soziodemographika, Lifestyle, Gewohnheiten, bildet (Krafft, 2007). Vielmehr sind auch hier Segmentierungen auf Basis von ökonomischen Größen wie dem Kundendeckungsbeitrag oder dem Customer Lifetime Value vorzunehmen, um die Maßnahmen an Profitabilitätskennzahlen auszurichten. Diese rein monetäre Ausrichtung ist allerdings zu ergänzen um Indikatoren, die es ermöglichen, über die verschiedenen Phasen der Kundenbeziehung hinweg bestimmte Muster im Verhalten von Kunden zu erkennen
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(Stauss und Friege, 1999). Diese Segmentierung folgt der Konzeption einer idealtypischen Erfolgskette auf Basis des Kundenlebenszyklus. Das Konzept des Kundenlebenszyklus legt verschiedene Phase der Kundenbeziehung zu Grunde, die Ansätze für eine Steuerung der Kundenbeziehung bieten. Aus den verschiedenen, in der Wissenschaft diskutierten Phasenkonzepten (Dwyer, Schurr und Oh; 1987, Stauss, 2000) lassen sich drei zentrale Phasen ableiten: Die Kundenakquisitionsphase, die Kundenbindungsphase und die Kundenrückgewinnungsphase (Bruhn, 2008c). Um einen differenzierten Blick zu erhalten, sollten Parameter wie Zufriedenheit und Bindungsdauer ergänzt werden. Bruhn schlägt eine Segmentierung der Kunden nach Zufriedenheits-, Bindungs- und Erfolgspotenzialen vor (Bruhn, 2008c). Dieser differenzierte Blick ermöglicht auf Basis der Ursache-Wirkungsbeziehungen der Erfolgskette der kundenorientierten Unternehmensführung eine spezifische Kundenbearbeitung nach den unterschiedlichen Phasen der Kundenbeziehung. 2.2
Planung der kundenorientierten Unternehmensführung
In der Planungsphase des Prozesses der kundenorientierten Unternehmensführung legt das Unternehmen die grundlegende strategische Ausrichtung des Marketings sowie die operativen kundenorientierten Marketingmaßnahmen fest. Somit ist eine strategische und eine operative Planungsphase zu unterscheiden, die zeitlich aufeinander folgen. Zur systematischen Kundenbearbeitung bedarf es einer strategischen Planung der unterschiedlichen Aktivitäten eines Unternehmens. Strategisch ist zunächst festzulegen, welche generellen Ausrichtungen bzgl. der Kundenakquisition, Kundenbindung und Kundenrückgewinnung vorzunehmen sind (Bruhn, 2008c). Die Kundenakquisitionsstrategie stellt auf die Neukundengewinnung ab. Die Kundenbindungsstrategie hat zum Ziel, die Bindung des aktuellen Kundenstamms an das Unternehmen zu intensivieren. Basierend auf einer Analyse des Wechselverhaltens der Kunden kann eine Kundenbindungsstrategie z. B. dazu dienen, die hohe Anzahl von Wechselkunden zu reduzieren. Die Kundenrückgewinnungsstrategie dient der Rückgewinnung abwanderungsgefährdeter oder bereits abgewanderter Kunden, basierend auf einer Analyse der Kundenfluktuation des Unternehmens. Insbesondere im Fall ehemaliger profitabler Kunden kann eine Rückgewinnungsstrategie
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kostengünstiger sein als die Neuakquisition. Michalski (2002) sieht als Herausforderung an, die richtigen Rückgewinnungsanreize zu setzen, um die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung zu ermöglichen. Wenn allerdings die Profitabilität eines Kunden auf Dauer nicht gewährleistet ist, so kann eine bewusste, anbieterseitige Beendigung dieser Beziehung im Rahmen einer Beendigungsstrategie sinnvoll sein. Die Strategie kann für den Kunden entweder erkennbar (z. B. durch Gespräch oder schriftliche Mitteilung) oder nicht erkennbar (z. B. durch Gebührenerhöhungen) durchgeführt werden (Bruhn, 2009). Hinsichtlich der erkennbaren Beendigungsstrategie ist die Gefahr der negativen Mundpropaganda durch den Kunden zu bedenken. Der strategische Planung folgt eine operativen Planung der Kundenorientierung. Die Literatur schlägt zumeist den Einsatz der klassischen Marketinginstrumente Leistungspolitik (Product), Preispolitik (Price), Kommunikationspolitik (Promotions) und Distributionspolitik (Place) vor (Bruhn, 2008a). Eine reine Orientierung an den 4P erscheint allerdings nachteilig, da dieses Vorgehen keine konsequente Ausrichtung der Marketingaktivitäten an den individuellen Bedürfnissen der Kunden erlaubt (Grönroos, 1994; Gummesson, 1994). Vielmehr sollten die Marketingaktivitäten durch das Top Management unterstützt werden (Meffert, 1994). Insgesamt ist festzuhalten, dass die 4P für das Transaktionsmarketing geeignet sein mögen, ein kundenorientiertes Beziehungsmarketing allerdings vielfach den Kundenlebenszyklus in die Betrachtung mit einzubeziehen hat. Die Marketinginstrumente sind also hinsichtlich ihres Einsatzes an den Phasen einer Kundenbeziehung auszurichten (Bruhn, 2009). Die 4P werden also phasenweise zur Kundenakquisition, -bindung und -rückgewinnung in unterschiedlicher Art und Weise eingesetzt, um den besonderen Anforderungen der Kunden in den jeweiligen Phasen des Kundenlebenszyklus gerecht zu werden (Greve, 2006). Meffert und Bruhn (2009) ergänzen zudem die 4P um die Personalpolitik, da der direkte Kontakt zwischen Mitarbeiter und Kunde im Rahmen der kundenorientierten Unternehmensführung an Bedeutung gewinnt. Die zentralen Aufgaben in der Kundenakquisitionsphase umfassen die Gestaltung und Visualisierung eines für den Kunden attraktiven Leistungsangebots. Kontaktmöglichkeiten zum Unternehmen sind vorzunehmen, daher kommt der Kommunikationspolitik in dieser Phase eine besondere Bedeutung zu, gefolgt von der Preispolitik und Distributionspolitik. Hervorzuheben ist, dass nach Möglichkeit durch Verfahren der Kundenwertprognose (Albers und Greve, 2005) Kunden gewonnen werden, die
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eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Etablierung einer profitablen Kundenbeziehung aufweisen. Ziel der Kundenbindungsphase ist die Verringerung der Kundenfluktuation sowie die Stimulation des Kunden zu Folge- und Mehrkäufen. Grundsätzlich kann die Kundenbindung psychologisch durch emotionale Kundenbindung aufgrund hoher Kundenzufriedenheit erreicht werden oder aber durch den Einsatz technisch-funktionaler, vertraglicher oder ökonomischer Wechselbarrieren (Meyer und Oevermann, 1995; Homburg und Bruhn, 2008). Nichtsdestotrotz ist weiterhin die entsprechende Leistungspolitik aufrecht zu erhalten. Daneben dient die Kommunikationspolitik der kontinuierlichen Interaktion mit dem Kunden, um Vertrauen in das Unternehmen aufzubauen bzw. zu erhalten (Bruhn, 2002). Zusätzlich gilt es, kontinuierlich das Untenehmen in das Gedächtnis des Kunden zu rufen, auch durch Maßnahmen der Preispolitik über die Gestaltung von Bonusund Rabattprogrammen für loyale Kunden. In der Kundenrückgewinnungsphase gilt es, abwanderungsgefährdete Kunden von dem Unternehmen wiederum zu überzeugen und bereits abgewanderte, profitable Kunden zu einer Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung zu bewegen (Stauss, 2000; Michalski, 2002; Stauss und Friege, 2006). Leistungsdefizite sind zu analysieren und zu bewerten und entsprechende Leistungsnachbesserungen für die betroffenen Kunden vorzunehmen. Auch hier kommt der Kommunikationspolitik eine entscheidende Rolle zu, um im direkten Dialog mit den verlorenen Kunden die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung zu initiieren. In die Maßnahmenplanung sind die Kosten der Rückgewinnung einzukalkulieren, andernfalls kann eine abermalige Bindung ehemals profitabler Kunden unter der Investition hoher Rückgewinnungskosten zu einer unrentablen Geschäftsbeziehung führen. 2.3
Umsetzung der kundenorientierten Unternehmensführung
Die Umsetzung der kundenorientierten Unternehmensführung folgt der strategischen Planung als Transformation eines Ist-Zustandes in einen Soll-Zustand. Nicht selten ist, dass eine Strategie in ein bereits vorhandenes System oder Umfeld unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden Umweltfaktoren implementiert wird. Als erfolgreich wird eine Umsetzung dann angesehen, wenn sie nach Abschluss aller Umsetzungsmaßnahmen den angestrebten Soll-Zustand erreicht.
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Oftmals ist zu erkennen, dass die erarbeiteten Strategien nicht in der konzipierten Form umgesetzt werden, da Widerstände und Barrieren einer ganzheitlichen Umsetzung entgegenstehen. Eine erste Analyse zur Problematik der Implementierung liefern Bonoma und Crittenden (1985) hinsichtlich der Umsetzung einer Marktorientierung. Sie unterscheiden die Implementierungsbarrieren anhand von zwei Dimensionen: Erstens, die unternehmensbezogene strukturelle Dimension, zweitens die mitarbeiterbezogene Dimension. Implementierungsprobleme entstehen insbesondere durch die Vernachlässigung der zweiten Dimension. Bezogen auf die Kundenorientierung konnten Homburg und Werner (1998) im Rahmen einer Studie bei 35 Unternehmen bestätigen, dass zwar die strukturelle Dimension vielfach zufriedenstellend berücksichtig wurde, jedoch die verhaltensorientierte Dimension erhebliche Defizite erkennen lässt. Auch Plinke (1996) kann anhand einer Top-Management-Befragung von 340 Managern aus 37 Unternehmen zeigen, dass Strukturen und Systeme, Unternehmenskultur, Marktkenntnis und persönliche Führung Barrieren der Implementierung darstellen. Zusammenfassend lassen sich vier Kernelemente der Implementierung von Marketingstrategien identifizieren, zu denen die Unternehmenskultur, Organisationsstrukturen, Managementsysteme und Mitarbeiterführung gehören (Backhaus und Voeth, 2007). 2.3.1 Herausforderungen an die Unternehmenskultur Unter Unternehmenskultur lässt sich im Allgemeinen ein System von Wertvorstellungen, Verhaltensnormen und Denk- und Handlungsweisen verstehen, welches das Verhalten von Organisationsmitgliedern bestimmt (Schein, 1965; Desphande und Webster, 1989). Die Kundenorientierung kann als Dimension der Unternehmenskultur definiert werden, also als „Grundeinstellung der Mitarbeiter einer Unternehmung zu den Kunden und Kundenbedürfnissen“ (Kühn, 1991). Innerhalb der Strategieimplementierung nimmt die Unternehmenskultur einen „weichen Faktor“ ein, im Gegensatz zu den „harten“ Faktoren der Organisationsstruktur oder des Managementinformationssystems. Folglich sind weiche Faktoren schwerer zu erfassen, eine Veränderung ist komplexer und oftmals langwieriger (Homburg und Pflesser, 1999). Die Unternehmenskultur erzeugt ein einheitliches, unternehmensweit akzeptiertes Handlungsmuster für Mitarbeiter. Folge ist eine Vereinfachung der Koordination zwischen Mitarbeitern, Reduzierung von Verhaltensunsicherheiten und Stabilisierung von Erwartungen (Bea und Haas, 2009). Die kulturelle Integration vermittelt dem
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einzelnen Mitarbeiter ein Zugehörigkeitsgefühl zur Unternehmung oder Abteilung, welches wiederum als Motivation wirkt und als Folge geringere Fehlzeiten, abnehmende Fluktuation oder zunehmende Innovationskraft haben kann. Zuletzt kann eine Unternehmenskultur das Erscheinungsbild eines Unternehmens nach außen verbessern und damit positiv auf den Erfolg wirken. Demgegenüber stehen allerdings auch mögliche negative Wirkungen wie Selbstüberschätzung und mangelnde Sensibilität gegenüber Umweltveränderungen. Eine starke Unternehmenskultur kann ebenso innovationshemmend wirken und notwendige strategische Neuausrichtungen verschleppen. Eine starke, unternehmensweit homogene Kultur kann die Lernfähigkeit der Unternehmung behindern, da das Infragestellen von bestehenden Zielen, Werten und Kulturen ausgeschlossen ist (Bea und Haas, 2009). Es gilt also insbesondere hinsichtlich der Etablierung einer kundenorientierten Unternehmenskultur einen Weg zu finden, der die positiven Wirkungen der Unternehmenskultur fördert und die negativen Wirkungen minimiert. Tabelle 1 stellt die positiven und negativen Wirkungen gegenüber. Tabelle 1: Grundlegende Wirkungen der Unternehmenskultur (in Anlehnung an Bea und Haas, 2009) Positive Wirkungen
Negative Wirkungen
– – – –
– – – –
Koordination Integration Motivation Repräsentation
Selbstüberschätzung Reduktion von Umweltsensibilität Konformitätsdruck Behinderung von: • Strategischer Neuorientierung • Struktureller Anpasung • Innovation • Organisationalen Lernen
Hierbei erscheint es besonders wichtig, die festgelegten Wertemuster bezüglich Sicherheit, Status und Hierarchie zu analysieren und Verhaltenswiderstände gegenüber den neuen Strukturen zu entschärfen. Ein Weg dazu kann der Grad und die Form der Mitarbeiterbeteiligung bei der Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmenskultur sein. Insbesondere heterogene Subkulturen können Implementierungen erschweren und den benötigen Zeitbedarf erhöhen, während homogene, starke Einheitskultur
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einer Unternehmung die Durchsetzung neuer Strategien und Kulturveränderungen positiv begleiten. 2.3.2 Herausforderungen an die Organisationsstruktur Das Verhältnis von Unternehmenskultur und Organisationsstruktur ist eng und interdependent verbunden. Die Organisationsstruktur ist für die Kundenorientierung eine Grundvoraussetzung, da sie die infrastrukturellen Voraussetzungen schafft (Frese und Werder, 1994), die Unternehmenskultur füllt sie mit Leben. Mit der Wahl einer geeigneten Organisationsform soll die Kundenorientierung in bestmöglicher Weise unterstützt werden (Grochla, 1982). Eines der zentralen Defizite bei der Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung in der Praxis liegt in der mangelnden organisatorischen Verankerung und Verantwortungszuweisung. Oftmals fehlt eine zentrale Abteilung oder Stelle, die für die Koordination der kundenorientierten Aktivitäten zuständig ist. Zudem werden in vielen Unternehmen die kundenorientierten Aktivitäten in unterschiedlichen Abteilungen realisiert. Die Folge ist eine organisatorische Trennung von für die Kundenorientierung zuständigen Abteilungen, oftmals verschärft durch eine unterschiedliche hierarchische Anordnung dieser Abteilungen (Unger und Fuchs, 2007). Gerade traditionelle Organisationsstrukturen wie die Produkt-, Spartenoder Matrixorganisation wirken aufgrund ihrer geringeren Flexibilität oftmals hemmend auf die Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung. Zur Behebung dieses Defizits werden vor allem die Bildung dezentraler Einheiten, eine verstärkte Prozessorientierung, der Ausbau der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit in Form von Teamorganisation sowie die Erweiterung der Entscheidungskompetenzen der Mitarbeiter als zielführende Aspekte behandelt. Die Organisationsstruktur gibt damit den Handlungsrahmen vor, Unternehmenskultur als Koordinationsinstrument zu begreifen und eine auf Kooperation ausgerichtete Unternehmung zu etablieren. 2.3.3 Herausforderungen an die Informationssysteme Informationssysteme werden als IT-Systeme zur Unterstützung von Entscheidungen im Management angesehen (Nieschlag et al., 2002). Zumeist enthalten diese Systeme neben den kundenbezogenen Informationen auch
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Informationen über Wettbewerber, Zulieferer, etc. und bedienen sich daher einer eher marktorientierten Sichtweise. Hinsichtlich der kundenorientierten Unternehmensführung ist eine Beschränkung auf die kundenbezogenen Daten vorzunehmen. Im Folgenden werden unter kundenorientierten Informationssystemen informationstechnologische Systeme verstanden, die der Beschaffung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung kundenbezogener Daten zum Zwecke der Entscheidungsfindung im Marketing dienen (Gregori, 2006). Ausgangspunkt dieser Systeme ist die Beschaffung kundenbezogener Informationen. Dazu zählen neben den klassischen Kundendaten wie Kontakt-, soziodemographischen, Kauf- und Verwendungsdaten auch erhobene Daten wie Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsmessungen. Durch die Speicherung der kundenbezogenen Informationen erfolgt eine strukturierte Sammlung von Informationen. Notwendig ist die Speicherung durch das zeitliche Auseinanderfallen von Informationsangebot und Informationsbedarf (Heinzelbecker, 1985). Zudem wird so eine Mehrfachverwendung der Daten ermöglicht. Allerdings sind die Datenbestände kontinuierlich zu aktualisieren. Die Informationsverarbeitung erfolgt mit Hilfe von Datenbanken, die mathematische und statistische Verfahren zur Analyse der Daten und Methoden zur grafischen Darstellung bereithalten. Ziel ist die Verdichtung und Transformation der Ursprungsdaten in Informationen, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden können. Eine intensivere Informationsnutzung kann zu einer höheren Entscheidungsqualität beitragen (Menon und Varadarajan, 1992). Die intensivere Nutzung der im Informationssystem verfügbaren kundenbezogenen Daten versetzt Mitarbeiter eher in die Lage, die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden zu identifizieren und mit entsprechenden Maßnahmen darauf zu reagieren. Schließlich dient der Teilbereich der Übermittlung der funktions- und hierarchieübergreifenden Verteilung der kundenbezogenen Informationen an die relevanten Entscheidungsträger innerhalb des Unternehmens. Untersuchungen von Managementinformationssystemen im Bereich Customer Relationship Management haben gezeigt, dass Systeme die Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Verteilung von kundenbezogenen Daten erfolgreich bewerkstelligen können und einen Erfolgsbeitrag leisten (Sinkula, Baker und Noordewier, 1997;Jayachandran, Sharma, Kaufman und Raman, 2005). Eine zentrale Herausforderung bleibt allerdings die Nutzung der Informationssysteme durch die Mitarbeiter. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Erfolgsbeitrag von Informationssystemen durch eine adä-
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quate Nutzung moderiert wird (Reinartz et al., 2004; Becker, Greve und Albers, 2009). 2.3.4 Herausforderungen an die Mitarbeiterführung Vielfach ist ein Grund für eine fehlgeschlagene Umsetzung die fehlende Einbindung der Mitarbeiter in den Planungs- und Umsetzungsprozess (Lorange, 1998) und die daraus resultierenden Widerstände. Diese Widerstände können sich in Form von Bereichsdenken und -egoismen sowie individueller Ängste vor Kompetenzverlust äußern. Folglich ist es aus Sicht der Unternehmensführung von Interesse, wie sich die Kundenorientierung der Mitarbeiter direkt beeinflussen lässt, ohne die beschriebenen Widerstände hervorzurufen. Hierzu kommt den Führungskräften hinsichtlich der Umsetzung der angestrebten Veränderungen eine besondere Bedeutung zu. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter zu integrativen Handeln motivieren und ermutigen. Dafür ist ein unterstützendes Führungsverhalten im Sinne der transformationalen Führung adäquater als traditionell hierarchische Strukturen (vgl. Dritter Teil, Abschnitt 1). Neben Aspekten der Mitarbeiterführung und -entwicklung werden Anreiz- und Vergütungssystemen eine hohe Bedeutung zugesprochen, um das Verhalten und die Leistungen der Mitarbeiter zu steuern. Sie schaffen die Grundlage für die Beurteilung und Entlohnung des Leistungsverhaltens des Personals. Anreizsysteme werden definiert als Menge von Maßnamen, die Dritte zu einem für den Anreizgewährer förderlichen Verhalten veranlassen sollen (Drumm, 2000). Anreizsysteme können aus zwei Dimensionen bestehen, zum einen aus einer Menge von Anreizen (Belohnungen, Bestrafungen) und zum anderen aus einer Menge von Bezugsobjekten (Kriterien, Bemessungsgrundlagen) (Kossbiel, 1994). Hinsichtlich der Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung ist festzuhalten, dass Unternehmen kundenorientierter sind, wenn sie ihre Mitarbeiter auf Basis der Kundenzufriedenheit entlohnen (Jaworski und Kohli, 1993). Auch die neuere Literatur weist auf die Notwendigkeit hin, im Rahmen der Kundenorientierung die Vergütungssysteme entsprechend zu gestalten (Ryals und Knox, 2001; Tiwana, 2002). Kundenorientierte Anreizsysteme enthalten somit eine eher kurzfristig ausgerichtete, abschlussbezogene Zielkomponente (die Profitabilität der Kundenbeziehung) und zusätzlich eine eher langfristig ausgerichtet Komponente, welche bspw. die Kundenzufriedenheit als Indikator für zukünftige Einzahlungen aus der Kundenbeziehung sein kann (Homburg und Schäfer, 2006). Auch sollten
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entsprechende Anreizsysteme Komponenten enthalten, die Mitarbeiter dazu bewegen, die bereit gestellten Informationssysteme zu nutzen. 2.4
Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung
In der Praxis wird unter kundenorientierter Unternehmensführung vielfach in erster Linie die Erhöhung der Kundenorientierung sowie die Verbesserung der Kundenbindung über eine Steigerung der Kundenzufriedenheit verstanden. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass dadurch die Profitabilität der Kundenbeziehung erhöht wird, geschweige denn, dass Wertbeiträge durch eine existierende Kundenbeziehung erzielt werden können. Es ist die Aufgabe des Controllings, dafür zu sorgen, dass Wirtschaftlichkeit und Wertorientierung im Unternehmen, insbesondere seitens des Marketings und Vertriebs, nicht vernachlässigt werden. Damit unterstützt das Marketing-Controlling die zielorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung. Die zentrale Aufgabe ist es, frühestmöglich auf Abweichungen vom geplanten Soll-Zustand hinzuweisen und durch Ursachenanalysen entsprechende Anpassungsstrategien beziehungsweise -maßnahmen zu entwickeln (Sander, 2004). Zur der Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung kann ein Unternehmen zum einen ökonomische Wirkungen als auch vorökonomische Wirkungen überprüfen. Von primären Interesse sind zur Bewertung des Erfolges die ökonomischen Erfolgsgrößen, bspw. Kundendeckungsbeitrag oder Customer Lifetime Value. Allerdings ist die Kontrolle der vorökonomischen Erfolgstreiber notwendig, um im Rahmen einer integrierten Kontrolle sämtliche Einflussgrößen auf den Unternehmenserfolg zu erfassen. Zur Systematisierung der Kontrolle bietet sich eine zweidimensionale Unterscheidung der Kontrollaktivitäten in die kundenbezogene und die unternehmensbezogene Kontrolle an (in Anlehnung an Bruhn, 2009): Die kundenbezogene Kontrolle umfasst die Evaluierung sowohl vorökonomischer als auch ökonomischer Wirkungen. Wenn auch primär die Bewertung des Erfolgs der kundenorientierten Unternehmensführung am zentralen, abhängigen Konstrukt, dem Kundenwert, vorgenommen wird durch Erfolgsmaße wie dem Kundendeckungsbeitrag oder dem Customer Lifetime Value, so setzen Unternehmen die Kontrolle bei den vorökonomischen Wirkungsgrößen innerhalb der Erfolgskette der kundenorientierten Unternehmensführung, der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung an, um die ökonomischen Erfolgsgrößen zu optimieren (vgl. Kapitel 1.5).
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Für die vorökonomische Wirkungskontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung werden die den ökonomischen Erfolgsgrößen vorgelagerte Konstrukte Kundenzufriedenheit und Kundenbindung einer Kontrolle unterzogen. Zur Messung der Kundenzufriedenheit können Unternehmen aus einer Vielzahl unterschiedlichster Verfahren wählen. Grundsätzlich kann zwischen merkmals-, ereignis- oder problemorientierten Verfahren unterschieden werden (Stauss, 1999). Allen Verfahren ist gemein, dass sie die Zufriedenheit hinsichtlich unterschiedlicher Merkmale aus Sicht des Kunden zu erfassen versuchen. Dabei erheben merkmalsorientierte Verfahren unterschiedliche Leistungsmerkmale, ereignisorientierte Verfahren die für den Kaufprozess relevante Einzelereignisse, problemorientierte Verfahren die negativen Ereignisse. Vorteil dieser Verfahren ist die detaillierte Erhebung der Treiber der Kundenzufriedenheit, nachteilig ist allerdings aus praktischer Anwendbarkeit die Komplexität und Bearbeitungsdauer durch den Kunden zu nennen. Die Folge sind niedrige Rücklaufquoten, die vielfach keine repräsentativen Rückschlüsse erlauben (vgl. Dritter Teil, Kapitel 1). Die Kontrolle der Kundenbindung wiederum kann über eine intentionale Messung der Verhaltensabsichten oder der faktischen Messung des tatsächlichen Kundenverhaltens abgebildet werden (vgl. Kapitel 2.1). Für die ökonomische Wirkungskontrolle ist insbesondere der Kundenwert als Messgröße zu berücksichtigen. In der Ausgestaltung eines Customer Lifetime Values wird der Wert eines Kunden über die gesamte Dauer einer Geschäftsbeziehung auf Basis einer investitionstheoretischen Betrachtung analysiert. Eine Kundenbeziehung wird damit grundsätzlich als Investition verstanden, die unter Einsatz eines effizienten Ressourceneinsatzes eine entsprechende Rendite zu erwirtschaften hat. Ziel ist es, die Kundenbeziehung profitabel zu gestalten. Neben direkten Ertragswerten wie Umsatz oder Deckungsbeitrag sind nichtökonomische Größen wie das Weiterempfehlungs- oder Cross-Selling-Potenzial in die Kontrolle einzubeziehen. Während die kundenbezogene Kontrolle extern ausgerichtet ist, dient die unternehmensbezogene Kontrolle der Messung der unternehmensinternen Kundenorientierung (Bruhn, 2009). Hierzu bietet sich eine Messung der Umsetzung der Herausforderungen an die kundenorientierte Unternehmensführung in den Dimensionen Unternehmenskultur, Organisationsstruktur, Informationssysteme und Mitarbeiterführung an. In Ergänzung zu dieser institutionellen Sichtweise kann eine Beurteilung der Kundenorientierung der Mitarbeiter eine weitere Kontrolldimension darstellen. Neben der Selbstbeurteilung durch die Mit-
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arbeiter (Saxe und Weitz, 1982) schlagen Homburg und Stock (2000) standardisierte Skalen oder Checklisten vor. Nachteil dieser Verfahren ist die geringe Ergebnisgüte bei Selbstbeurteilung und geringe Akzeptanz bei Beurteilung durch die Führungskraft. Lediglich eine Fremdbeurteilung durch die Kunden kann eine sichere Messgröße sein, allerdings stellt die Kommunikation der Ergebnisse an die Mitarbeiter die bei weitem größere Herausforderung als die eigentliche Messung dar (vgl. Dritter Teil, Kapitel 1). Sämtliche aus der Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung gewonnen Erkenntnisse fließen in das Informationssystem ein, um für die Analyse der Kundenbeziehung wiederum zur Verfügung stehen zu können. Auf diese Weise ist eine fortlaufende Kontrolle und Steuerung der Kundenorientierung möglich.
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Zusammenfassung und Ausblick
Die kundenorientierte Unternehmensführung kann als umfassendes, ganzheitliches Managementprinzip aufgefasst werden, welches sich eignet, den veränderten wettbewerblichen Rahmenbedingungen zu begegnen. Allerdings kann konstatiert werden, dass das umfassende Konzept Unternehmen vor besondere Anforderungen hinsichtlich einer unternehmensweiten, ganzheitlichen Implementierung stellt. Dennoch sollten Unternehmen Insellösungen, wie bspw. einzelne Aktivitäten der Kundenzufriedenheitsmessung oder der Kundenbindung vermeiden und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen unter Beachtung der Anforderungen an die Unternehmenskultur, der Organisationsstruktur, der Managementinformationssysteme und der Mitarbeiterführung anstreben. Hierzu ist es notwendig, die kundenorientierte Unternehmensführung als kontinuierlichen Prozess der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle zu verstehen. Dabei kommt geeigneten Schlüsselkennzahlen, anhand derer die Maßnahmen der kundenorientierten Unternehmensführung intern gesteuert werden können, eine besondere Bedeutung zu. Eine mögliche Messgröße kann dabei der von Reichheld (2006) eingeführte Net Promoter Score sein, der die Weiterempfehlungsabsicht aller Kunden abbildet. Unter Rückgriff auf branchenübergreifende, empirische Untersuchungen stellt Reichheld einen Zusammenhang zwischen dem Weiterempfehlungsverhalten und dem Unternehmenserfolg (gemessen am Umsatzwachstum) fest. Wenn auch der Zusammenhang zwischen dem NPS und dem Unternehmenserfolg durch die Replikationsstudie von Kei-
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nigham, Cooil, Andreasssen und Aksoy (2007) nicht bestätigt werden konnte und die Nutzung lediglich einer zentralen Messgröße ohne Identifikation der eigentlichen Treiber dieser Größe zu kritisieren ist (Grisaffe, 2004; Sharp, 2008), findet der Net Promoter Score aufgrund seiner Simplizität und Eingängigkeit umfangreich Anwendung in der Praxis (McGregor, 2006). Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die folgenden Ausführungen den NPS nicht als einzelne Messgröße zur Erfassung der Kundenbindung und damit nach Reichheld zur Prognose des Unternehmenserfolgs begreifen. Vielmehr soll aufgezeigt werden, dass der NPS als Steuerungsgröße eingesetzt werden kann, um den aufgezeigten Herausforderungen der kundenorientierten Unternehmensführung erfolgreich zu begegnen. 4
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Zweiter Teil Methodische Erkenntnisse
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score Jan Van Riet und Markus Kirsch
1
Einsatz einer ultimativen Kennzahl als Maßstab einer kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.1
Kundenbegeisterung als Grundlage effektiver kundenorientierter Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kundenbegeisterung messen mit der ultimativen Frage – Das Prinzip des Net Promoter® Score (NPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Wie wird der NPS ermittelt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Was ist bei der NPS-Messung zu beachten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Was bewirkt der NPS? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 41 45 47 52
2
3-Phasen-Modell zur Einführung einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4
Phase 1: Den Kunden verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Den Kunden analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Den Kunden befragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Den Kunden um Feedback bitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung eines IT-gestützten NPS-Messungs- und Auswertungssystems . . . Phase 2: Den Kunden binden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: Mit dem Kunden wachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mobilisierung kundenorientierter Wachstumsinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . Kundenorientierung als Innovationsmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kundenorientierte Verhaltensänderung der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen der Umsetzung des 3-Phasen-Modells . . . . . . . . . . . . .
3
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
55 56 61 63 65 68 73 75 76 78 79
36
1
Jan Van Riet und Markus Kirsch
Einsatz einer ultimativen Kennzahl als Maßstab einer kundenorientierten Unternehmensführung
Von 362 befragten Unternehmen glaubten 80 Prozent, dass sie ihren Kunden überlegene Leistungen anbieten. Befragt man allerdings die Kunden der Unternehmen, so sind nur 8 Prozent der Kunden ebenso von den Leistungen überzeugt (Bain & Company, 2005). Anders ausgedrückt, viele Unternehmen glauben, dass sie ihren Kunden herausragende Kundenerfahrungen bieten, aber nur wenige Unternehmen erreichen tatsächlich dieses Ergebnis. Wie entsteht eine solche Leistungslücke zwischen Unternehmens- und Kundenwahrnehmung? Diese Frage stellt sich insbesondere, da in einer im Jahre 2006 veröffentlichten Studie von Harris Interactive Kunden bestätigten, dass sie im Falle kontinuierlich überzeugender Serviceleistungen eher bereit wären, mehr Geschäfte mit dem entsprechenden Unternehmen zu tätigen. Eine Mehrheit von Kunden hatte demgegenüber aufgehört mit einem Unternehmen Geschäfte zu tätigen, mit dem sie schlechte Service Erfahrungen gemacht hatten (RightNow Technologies and Harris Interactive, 2009). In einer weiteren Studie (Thompson, 2006) wurde eine direkte Korrelation zwischen den erreichten Bewertungen der Kundenerfahrungen und den Umsatz- und Ertragsergebnissen der befragten Unternehmen festgestellt. Unternehmen bei denen die Kunden tatsächlich von den Leistungen überzeugt waren, erreichten im Schnitt ein durchschnittliches jährliches reales Umsatzwachstum zwischen 10 und 19 Prozent und gleichzeitig höhere Ertragssteigerungen, meist im zweistelligen Bereich. Demgegenüber war die Gruppe der Unternehmen, deren Selbsteinschätzung nicht mit der ihrer Kunden übereinstimmte, mit nur ein bis neun Prozent Wachstum und geringeren Ertragssteigerungen deutlich weniger erfolgreich (Thompson, 2006). Daraus ließe sich folgern, dass jedes Unternehmen, das am Markt erfolgreich sein will, ein immanentes Interesse haben müsste, herausragende Kundenerfahrungen zu erzielen, und somit ihre Kunden von ihren eigenen Leistungen zu begeistern. Das Ziel einer kundenorientierten Unternehmensführung ist die Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten an den Kundenanforderungen, um so die Kundenbedürfnisse und Erwartungen besser als der Wettbewerb zu erfüllen und langfristig stabile Kundenbeziehungen zu etablieren. Zur Erreichung dieser Zielsetzung sind drei Dimensionen der Kundenorientierung von Bedeutung: erstens die informationsorientierte Dimension, das heißt die Nutzung kundenbezogener Informationen, zweitens die leistungs- und interpretationsorientierte Dimension, das heißt die Leistungserbringung und die
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
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Erfüllung der Kundenerwartungen durch das entsprechende Verhalten der Mitarbeiter im Rahmen der kundenbezogenen Interaktionen, und drittens die Kultur- und Philosophie-orientierte Dimension, das heißt die Kundenorientierung als Bestandteil der Unternehmenskultur und der damit verbundenen Wirkung auf das Verhalten der Mitarbeiter (Bruhn, 1995). Fehlt es im Rahmen dieser drei Dimensionen an einem objektiven, leicht verständlichen und für jeden Mitarbeiter des Unternehmens nachvollziehbaren Maßstab zur Erfassung der Kundenzufriedenheit mit den angebotenen Unternehmensleistungen, wird die Kundenzufriedenheit vornehmlich nur aus der internen Sicht wahrgenommen, interpretiert und bewertet, so wie es möglicherweise für das individuelle oder auch funktionale Selbstbild passend ist. Auf diese Weise wird die Auseinandersetzung mit „Leistungslücken“ entsprechend verhindert oder anderen Zielsetzungen untergeordnet werden. Diese „blinden Flecken“ werden umso größer, um so weniger der Zusammenhang zwischen der entsprechenden Kundenerfahrung und dem daraus folgenden Kundenverhalten und dem letztlich resultierenden Unternehmenserfolg hergestellt bzw. nachvollzogen werden kann. Die für die Steigerung der Kundenzufriedenheit sehr häufig angewandten Insellösungen, wie zum Beispiel das Beschwerdemanagement, die Erfassung des Kundenkontaktverhaltens der Mitarbeiter oder der Kundenresonanz auf kritische Bearbeitungsprozesse, sowie detaillierte Marktforschungsstudien dienen mit ihren jeweiligen Ergebnissen meist nur der Optimierung einzelnen operativen Verhaltens. Ein übergreifender und einheitlicher Maßstab zur Bewertung der Qualität der Kundenbeziehungen und -erfahrungen und damit verbundene koordinierte Maßnahmen im Rahmen einer kundenorientierten Unternehmensführung sind daraus jedoch nur schwer umsetzbar. Die zur Aufhellung der blinden Flecken der Kundenwahrnehmung durchgeführten Marktforschungsstudien sollen der Analyse der Treiber der Kundenzufriedenheit dienen, um so einzelnen Verantwortlichen idealerweise Leitlinien zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit an die Hand zu geben (Vocatus, 2007). Die Bereitschaft zur Teilnahme und Beantwortung bei den Kunden ist in der Praxis jedoch teilweise niedrig, da diese Studien oft eine hohe Komplexität aufweisen und nur mit einem für viele Kunden erheblichem Zeitaufwand vollständig zu bearbeiten sind. Daraus resultiert ein geringerer Rücklauf, so dass die Korrelation mit dem tatsächlichen Kundenverhalten und damit die Relevanz innerhalb der beteiligten bzw. betroffenen Funktionen des die Studie nutzenden Unternehmens angezweifelt werden. Es kommt zur Zurückweisung der Verantwortung für die ermittelten Resultate und zu gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen
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Abteilungen im Unternehmen, wer denn nun tatsächlich für die zurück gespielte „Wahrheit“ der Kundenerfahrung verantwortlich ist (vgl. Dritter Teil). Im Ergebnis beklagen die Marktforschungsabteilungen vieler Unternehmen ihre eigene Hilflosigkeit, die operativen Bereiche von notwendigen Verbesserungen aus Sicht der Kunden zu überzeugen. Die strategische Verarbeitung der Erkenntnisse der Kundenzufriedenheitsstudien kann in dieser Konstellation in den seltensten Fällen gelingen. So gewinnt die Eigenwahrnehmung der überlegenen Leistungsfähigkeit des eigenen Angebotes wieder die Oberhand, und das Schließen der „Leistungslücke“ und somit die Verbesserungen der Kundenerfahrungen bleiben einer aus der Innensicht entwickelten Erkenntnis überlassen. In vielen persönlichen Gesprächen mit Bereichsverantwortlichen Führungskräften in Unternehmen bestätigt sich dieses gezeichnete Bild immer wieder und die unternehmensumfassende Stärkung der Kundenorientierung scheitert an der individuellen subjektiven Einschätzung der wahrgenommenen Qualität der Kundenbeziehungen und Kundenerfahrungen und der daraus abzuleitenden Maßnahmen. Zur Umsetzung einer kundenorientierten Unternehmensführung ist die Einführung einer unternehmensübergreifenden Kennzahl als Key Performance Indikator (KPI) der Qualität der Kundenbeziehungen, durch die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf die Kundenorientierung aus Sicht der Kunden objektiv ermittelt und über die Zeit verfolgt werden kann, ein effektives Führungs- und Steuerungsinstrument. Eine solche Kennzahl kann vergleichbar wie zum Beispiel die Kennzahlen Umsatz, EBIT oder Cash Flow zur Führung und Steuerung des Unternehmens eingesetzt werden, basierend auf einer einfachen, schnellen, aussagekräftigen und relevanten Erhebung auf Grundlage geeigneter Informationssysteme. Wichtige Wirkungskriterien einer solchen „ultimativen“ Kennzahl wären die direkte Verbindung 1. zur persönlichen Verantwortung der Mitarbeiter im Rahmen der existierenden Organisationsstrukturen, 2. zur Handlungsorientierung der Mitarbeiter bezüglich der kontinuierlichen Verbesserungen der Kundenerfahrungen, und 3. zur Gestaltung einer kundenorientierten Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung. 1.1
Kundenbegeisterung als Grundlage effektiver kundenorientierter Unternehmensführung
Die Aussage „Loyalität ist der Schlüssel zu profitablem Wachstum“ (Reichheld und Seidensticker, 2006) beschreibt in einem Satz das Prinzip
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
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effektiver kundenorientierter Unternehmensführung. Grundsätzlich Kunden so gut zu behandeln, dass sie aufgrund der Erfüllung ihrer Erwartungen und ihrer Zufriedenheit mit den Angeboten des Unternehmens immer wiederkommen, und außerdem das Unternehmen ihren Freunden oder Kollegen weiter empfehlen, ist die Grundlage für das Erreichen dieser Loyalität. Wird diese Goldene Regel (Reichheld und Seidensticker, 2006) – Behandele den Kunden so, wie du selbst auch behandelt werden möchtest – konsequent in allen Bereichen des Unternehmens und von allen Mitarbeitern umgesetzt, sind begeisterte Kunden, deren Bedürfnisse erfüllt und deren Erwartungen vielleicht sogar übertroffen werden, das Ergebnis. Sie entwickeln sich schnell aufgrund wiederkehrender ausgezeichneter Kundenerfahrungen zu Unterstützern oder Promotoren des Unternehmens. Damit entsteht auch ohne technisch-funktionale, vertragliche oder ökonomische Ursachen (Meyer und Oevermann, 1995; Homburg und Bruhn, 2008) eine nicht nur rationale, sondern auch emotionale und auf Vertrauen basierende Bindung. Eine derartige Kundenbindung kann verstärkt zu kontinuierlichen Wiederkäufen, zu positiven Weiterempfehlungen, zu geringerer Inanspruchnahme der Servicedienste, größerer Preiselastizität, höherem Anteil an den eigenen Ausgaben für das entsprechende Unternehmen, dem Kauf weiterer oder teurerer Produkte und sogar zu dem Interesse, mit eigenen Ideen zur Innovationskraft des Unternehmens beizutragen, führen. In Summe erhöht sich durch die Anwendung der Goldenen Regel und der daraus entstehenden Art der Kundenbindung bzw. Loyalität auf besonders kostengünstige und damit nachhaltig profitable Weise der erzielte Kundenwert, und damit der Unternehmenserfolg. Umgekehrt ist anzunehmen, dass schlechte Kundenerfahrungen das genaue Gegenteil bewirken, d. h. Kunden wenden sich vom Unternehmen ab, wechseln zu anderen Anbietern, geben ihre negative Erfahrung an dritte weiter, verursachen höhere Servicekosten und Nacharbeiten, und können schließlich z. B. nur durch höhere Rabatte oder niedrigere Preise als Kunden gehalten werden. Immer wieder kommt es allerdings vor, dass kurzfristig, um Kosten zu sparen, ein negatives Kundenerlebnis z. B. durch mangelnden Service in Kauf genommen wird, oder um den Umsatz zu steigern, der Kunde z. B. durch irreführende Preisaussagen oder unfaire Bindungsmaßnahmen getäuscht wird, und damit die Kundenbeziehung aufs Spiel gesetzt wird. Unternehmen begründen dieses Verhalten dann häufig mit der Aussage, der Wettbewerbs- und Ergebnisdruck zwänge zu solchen Maßnahmen, und schließlich könnten so die Umsätze und Gewinne gesteigert werden. Doch diese Erfolge sind nur kurzfristiger Natur, da sie auf
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Kosten der Kunden verdient werden und somit die Kundenbindung schwächen (Reichheld und Seidensticker, 2006). Effektive kundenorientierte Unternehmensführung wird, wie in Abbildung 1 dargestellt, somit erfolgreich die Erreichung dreier Ziele miteinander verbinden, die oft eher als im Konflikt zueinander stehend empfunden werden, das heißt 1. die Generierung begeisterter Kunden, 2. die Steigerung der Umsätze und 3. die Senkung der kundenbezogenen Kosten. Studien belegen, dass die Firmen, deren Kunden von den Leistungen des Unternehmens überzeugt sind und sich daher überdurchschnittlich loyal verhalten, im Schnitt ein höheres Umsatzwachstum und gleichzeitig höhere Erträge als der Durchschnitt der untersuchten Firmen erreichen (Thompson, 2006). Es lohnt sich also, ein Unternehmen in Bezug auf Umsatzwachstum und Ertragssteigerung konsequent in allen Bereichen auf eine kundenorientierte Unternehmensführung auszurichten. Begeisterte Kunden Identifizierung der treibenden Faktoren für ausgezeichnete Leistung aus Kundensicht
Erfolgreiches KundenManagement
Reduzierte Kosten
Steigende Umsätze Maximierung der Cross-/
Eliminierung der durch Unzu-
Up-Selling, Life Time Value und
friedenheit erzeugten Kosten
Weiterempfehlungspotenziale
Abbildung 1: Erfolgreiches Kundenmanagement verbindet drei Ziele miteinander
Die Schaffung ausgezeichneter Kundenerfahrungen und der daraus resultierenden positiven emotionalen Beziehung zwischen Kunde und Anbieter bedarf eines einheitlichen Lernprozesses im Unternehmen. Dieser Lernprozess beinhaltet das gemeinsame und einheitliche Verstehen der Sicht des Kunden, die fokussierte Ableitung notwendiger Maßnahmen und
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das konsequente Handeln auf allen Ebenen des Unternehmens. Der Erfolg eines solchen Prozesses basiert auf der Fähigkeit des Unternehmens und der Mitarbeiter, dem Kunden zuhören zu wollen, seine Themen aufzunehmen und diszipliniert in verbesserte Leistungen, Prozesse und Verhalten für den Kunden erfahrbar umzusetzen, und die Entwicklung des erreichten Grades der Kundenorientierung kontinuierlich im Rahmen des Prozesses der kundenorientierten Unternehmensführung zu messen. Eine der einheitlichen Fokussierung des gesamten Unternehmens und aller seiner Mitarbeiter und Managementebenen auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden dienende und allgemein akzeptierte und nachvollziehbare Steuerungsgröße, bei der sich im Gegensatz zu umfangreichen Kundenzufriedenheitsbefragungen nicht jeder Manager einen anderen Wert heraussuchen kann, wäre für diesen Prozess von Vorteil (Vocatus Feedback, 2007). 1.2
Kundenbegeisterung messen mit der ultimativen Frage – Das Prinzip des Net Promoter® Score (NPS)
Unternehmen, die ihren Umsatz, ihre Kosten, ihren Ertrag oder ihre Liquidität regelmäßig erfassen, analysieren und daraus abgeleitet handeln, tun dies, um ihren Erfolg im Wettbewerb des Marktes abzusichern oder zu verbessern. Fragt man Unternehmen jedoch, wie sie die Bindung oder Loyalität ihrer Kunden zum Unternehmen beurteilen bzw. messen, dann trifft man auf ein eher diffuses Bild verschiedenster Antworten, von umfangreichen Kundenzufriedenheitsstudien, über Reklamationsquoten bis hin zu isolierten Kennzahlen wie dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden. Die allgemeine Literatur geht davon aus, dass „zufriedene“ Kunden „mehr“ kaufen und „mehr“ Cross-Buying betreiben, desweiteren spiegelt eine höhere Kundenbindung eine längere und intensivere Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen wider (Keaveney, 1995), und je länger ein Kunde eine Beziehung mit einem Unternehmen aufrechterhält, je profitabler ist die Kundenbeziehung zu bewerten (Heskett, Sasser und Schelsinger, 1997). Das heißt, es ist nach dem Stand der Wissenschaft davon auszugehen, dass die gesamte Wirkungskette der Kundenbeziehungen mit samt ihren Interdependenzen erfasst werden muss, um nachhaltig die absolute ökonomische Erfolgsgröße, den Kundenwert zu optimieren. Trotzdem fehlt in vielen Unternehmen, unabhängig ob klein oder groß, ein zuverlässiges, in der Praxis einfach anwendbares System zur Steuerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, das genauso wie die allgemein angewandten Finanzkennzahlen von jedermann verstanden und individuellen sowie or-
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ganisatorischen Verantwortlichkeiten zugeordnet werden kann. Eine entsprechende Steuerungsgröße sollte mittels einer Kennzahl die Wirkungskette der Kundenbeziehungen, von den Kundenbedürfnissen bzw. Erwartungen, über die Kundenerfahrungen, die Kundenzufriedenheit, bis hin zur Kundenbindung oder Loyalität sowohl in ihrer rationalen als auch emotionalen Dimension möglichst umfassend und gleichzeitig einfach erfassen und mit dem Wachstum und Erfolg des Unternehmens bestmöglich korrelieren. Fred Reichheld, ehemaliger Direktor bei Bain & Company, hat erstmals im Jahre 2003 eine solche durch eine ultimative Frage ermittelte Kennzahl vorgestellt (Reichheld, Harvard Business Review, Dezember 2003). Bestechend ist die Einfachheit und damit die operative Nutzbarkeit dieser Frage: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie dieses Unternehmen einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“. Die Weiterempfehlung dient als finaler Maßstab der Wirkungen der Kundenbeziehung (vgl. Abb. 2) und ergibt die daraus abgeleitete metrische Messgröße, den Net Promoter® Score (NPS). Der aus der Weiterempfehlungsfrage abgeleitete NPS Wert reflektiert auf Basis zehnjähriger Forschungsarbeiten von Reichheld, Bain & Company und Satmetrix von allen vergleichbaren und geprüften Fragestellungen am stärksten das tatsächliche Verbraucherverhalten und korreliert damit am besten mit dem Unternehmenserfolg. Messpunkt für den Net-Promoter-Score Kundenerwartung
Kundenzufriedenheit
Weiterempfehlung Wachstum
Kundenerfahrung
Kundenbindung
Kundenwert
Abbildung 2: Der NPS misst zum Ende der Kette der Kundenwirkungsbeziehungen
Die Weiterempfehlungsfrage ist auch deshalb besonders geeignet, da sie sowohl die rationale als auch die emotionale Dimension der Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen berücksichtigt. Kunden sprechen wie in Abbildung 3 dargestellt, nur dann persönliche Empfehlungen aus, wenn sie einerseits in Bezug auf Preis-Leistungs-Verhältnis, Qualität, Funktionalität und so weiter, also den rationalen Faktoren,
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
Rational
Emotional • Sie kennen mich
• Beste Angebote • Bester Service • Bester Preis
Dimensionen der Loyalität
• Sie wertschätzen mich • Sie hören mir zu • Sie teilen meine Werte
Abbildung 3: Die beiden Dimensionen der Loyalität – Verstand und Herz
überzeugt sind. Zum anderen bedarf es eines „guten“ Gefühls, das heißt der Überzeugung, dass das Unternehmen sie kennt und versteht, ihnen zuhört und sie wertschätzt. Nur wenn Kopf und Herz des Kunden gemeinsam überzeugt sind, wird er das Unternehmen begeistert einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen (Reichheld und Seidensticker, 2006). Drei Merkmale sind als Vorteile dieser Kenngröße hervorzuheben und wecken das Interesse für den NPS als effektive Steuerungsgröße für die kundenorientierte Unternehmensführung: 1. Der NPS nutzt das ganzheitliche Feedback des Kunden zeitnah, spezifisch, personalisiert und umsetzbar; 2. Der NPS bindet möglichst Viele mit ein, das heißt wenn möglich alle Kunden mit ihren relevanten Kontakten von allen Funktionen und Ebenen auf Basis hoher Antwortraten; und 3. Der NPS ist einfach, das heißt ist schnell und direkt zu ermitteln, für jeden als metrische Kennzahl zu verstehen und einheitlich nutzbar. Nach Reichheld und Seidensticker (2006) beruht der Net Promoter® Score (NPS) auf der grundlegenden Erkenntnis, dass man Kunden drei Kategorien zuordnen kann. Unterstützer oder Promotoren sind loyale, begeisterte Kunden, die immer wieder bei dem betreffenden Unternehmen kaufen und ihre Freunde auffordern, das auch zu tun. Passiv zufriedene oder neutrale Kunden sind zufrieden, aber nicht begeistert und könnten sich auch für den Wettbewerb entscheiden. Kritiker oder Detraktoren schließlich sind verärgerte, enttäuschte Kunden, die in einer schlechten Beziehung gefangen sind.
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Promotoren sind die Wachstumsmotoren des Unternehmens, da sie unter anderem „mehr“ kaufen, „mehr“ Cross-Buying und Up-Selling betreiben und das Unternehmen aktiv an Dritte weiterempfehlen. Kritiker hingegen sind Wachstumsbremser, da sie dem Unternehmen eher den Rücken kehren, oft nur mit Rabatten zu halten sind und negative Weiterempfehlungen aussprechen (vgl. Abb. 4). Da Kunden viermal häufiger über ein negatives als über ein positives Erlebnis sprechen, und es nur einer einzigen negativen Äußerung bedarf, um eine ganze Reihe positiver Darstellungen wieder zu Nichte zu machen, verdient dieser Bremseffekt besondere Beachtung. Kundenwert
Positive Weiterempfehlung
+
Service Kosten Jährliche Ausgaben Deckungsbeiträge Bindung Durchschnittlicher Kunde (Basis)
Ökonomischer Nutzen
Durchschnittlicher Kunde (Basis)
Bindung Deckungsbeiträge Jährliche Ausgaben Service Kosten
Ökonomischer Nutzen
Negative Weiterempfehlung
-
Detraktor
Promotor
Abbildung 4: Detraktoren und Promotoren als Wachstumsbremse und Motor
Die Effizienz des Wachstumsmotors lässt sich durch die Bildung der Differenz der Prozentanteile aller Kunden, die als Promotoren (P) bzw. die als Detraktoren (D) eingestuft werden, ermitteln. Der NPS berechnet sich also aus der Formel NPS (Prozent) = P (Prozent) minus D (Prozent). Anders ausgedrückt bildet der Net Promoter® Score das auf die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung, und damit den Unternehmenserfolg wirksame Saldo der begeisternden und der schlechten Kundenerfahrungen und der daraus entstandenen Haltungen der Kunden in einer metrischen Messgröße ab. Die passiv zufriedenen oder auch als neutral bezeichneten Kunden bleiben in dieser Betrachtung als für den Unternehmenserfolg
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
neutrales Potenzial unberücksichtigt. Sie stellen aber sowohl ein wichtiges Wachstumspotenzial für zukünftige Promotoren dar als auch ein Gefahrenpotenzial für die Zunahme an Kritikern. Der NPS kann zwischen +100 Prozent, d. h. das Unternehmen besitzt nur wachstumstreibende Unterstützer als Kunden, oder –100 Prozent, d. h. das Unternehmen hat nur Kunden, die ihm kritisch gegenüber stehen und das Wachstum hemmen. Unternehmen mit hohem Wachstum als Ergebnis der Loyalität ihrer Kunden erreichen durchaus NPS Werte von 50 Prozent und höher, durchschnittliche Unternehmen liegen eher bei fünf bis zehn Prozent (Reichheld und Seidensticker, 2006, S. 19). Aber auch negative NPS-Werte sind bei vielen Firmen oder sogar Branchen zu finden. Diese Unternehmen haben also mehr Kritiker als Promotoren, und erzeugen so tagtäglich in der Interaktion mit ihren Kunden schlechte und dem entsprechend für das Unternehmen wie bereits dargestellt negativ wirkende Kundenerfahrungen bzw. verfestigen die negative Haltung der Kunden zu ihrem Unternehmen (Reichheld und Seidensticker, 2006; Anhang A). 1.2.1 Wie wird der NPS ermittelt? Die ultimative Frage der Weiterempfehlungsbereitschaft – „Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie dieses Unternehmen an Ihre Freunde oder Kollegen weiter empfehlen?“ – wird wie in Abbildung 5 dargestellt, mit „Auf einer Skala von 0–10, mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie unsere Leistungen/Angebote an Ihre Kollegen und Freunde weiter empfehlen?“ Absolut unwahrscheinlich
Extrem Neutral wahrscheinlich 10
9
8
7
6
5
4
3
2
Promotoren
minus
Detraktoren
% 9’er und 10’er
minus
% 0 bis 6’er
1
0
= Net Promoter® Score % „Wenn Sie Ihre gewählte Bewertung kommentieren möchten, dann tun Sie dies bitte in der nachfolgenden Text Box:“ (optional)
Abbildung 5: Die ultimative Frage bietet die höchste Korrelation mit Kundenverhalten und profitablem Wachstum
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einer Skalierung von null bis zehn verbunden, das heißt null absolut unwahrscheinlich, zehn extrem wahrscheinlich. Nach Reichheld und Seidensticker (2006) konnte das empirisch ermittelte Kundenverhalten der Skala logisch zugeordnet werden: Promotoren sind die Kunden mit den Wahrscheinlichkeitsbewertungen zehn oder neun, da sie zu 80 Prozent tatsächlich aktiv weiterempfehlen, Detraktoren sind die mit den Wahrscheinlichkeitsbewertungen von sechs bis einschließlich null, da sie mit über 80 Prozent für die negative Mundpropaganda verantwortlich sind. Zusätzlich zu der quantitativen Auswertung der ultimativen Frage, die den NPS Wert ergibt, wird üblicherweise wie in Abbildung 5 angegeben, eine offene Frage gestellt, die die freiwillige Kommentierung der gewählten Bewertung ermöglicht. Diese Befragung kann grundsätzlich in jeder möglichen Form, also persönlich, am Telefon, schriftlich oder online durchgeführt werden. Um die Vorteile eines sofort verfügbaren, persönlichen Feedbacks der Kunden, mit spezifischen und persönlich zuzuordnenden und somit direkt umsetzbaren Inhalten allerdings bestmöglich zu nutzen, sind die per Email online durchgeführten Erhebungen die wohl inzwischen am meisten genutzte Form. Auf diese Weise können kostengünstig und automatisiert besonders viele Kunden mit allen relevanten Kontaktpunkten befragt werden, und aufgrund der bestechenden Einfachheit der Fragestellung und der somit tatsächlich nur wenige Minuten dauernden Antwortmöglichkeit werden im Vergleich zu den Erfahrungswerten der Rückläufe herkömmlicher Kundenzufriedenheitsstudien überdurchschnittliche Antwortraten von mehr als 50 Prozent im Business-to-Business- und mindestens 20 Prozent im Business-to-ConsumerGeschäftsumfeld, durchaus aber auch mehr wie die Erfahrungen der Firma Spreadshirt (vgl. Vierter Teil, Beitrag 2) zeigen, erreicht. Die freiwilligen Kommentierungen der abgegebenen Bewertungen auf die ultimative Frage erreichen dabei ebenfalls Antwortraten von 50 Prozent oder mehr. Der Prozess einer NPS-Befragung beinhaltet im Sinne der angestrebten, möglichst direkten und unmittelbaren Verbesserung der Kundenerfahrung bzw. Beziehung zum Unternehmen sogenannte Feedback-Anrufe, um insbesondere mit den Detraktoren die Gründe ihrer Beurteilung zu besprechen, und wenn möglich direkt zu adressieren. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, unmittelbar einen konstruktiven Dialog mit den Kunden zu beginnen, um die Ursachen seiner kritischen oder auch unterstützenden Haltung zu identifizieren, und dem Kunden vor allem zu vermitteln, dass seine Stimme wahrgenommen wird, und das Unternehmen willens ist, seine Leistungen im Sinne zukünftig angestrebter positiver Erfahrungen des Kunden zu verbessern. Dieser wichtige Schritt des Schließens der Kunden-
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feedbackschleife („Close The Loop“-Prozess) sollte integraler Bestandteil jeder NPS-Erhebung sein (Markey, Reichheld, Dullweber, Harvard Business Review, Dezember 2009). Erst durch ihn wird dem Kunden die Wertigkeit seiner Stimme im persönlichen Kontakt vermittelt. Glaubwürdigkeit entsteht durch diesen Prozess allerdings erst dann, wenn auch tatsächlich für den Kunden wahrnehmbar eine Verbesserung seiner Erfahrungen mit den Leistungen des Unternehmens eintritt. Die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung werden im Wesentlichen durch zwei zu unterscheidende Arten der Kundenerfahrung beeinflusst. Einerseits sind dies die relationalen Kundenerfahrungen, das heißt die ganzheitliche rationale und emotionale Sicht des Kunden, die seine Beziehung und Bindung zum Unternehmen prägt. Dazu gehören zum Beispiel die Markenwahrnehmung, das Image des Unternehmens, die Kommunikation, die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen, die Preiswahrnehmung. Andererseits sind dies die transaktionalen Erfahrungen, das heißt die Erlebnisse im Rahmen der kundenbezogenen Prozesse und kritischen Kontaktpunkte („touch-points“) wie z. B. die Hotline bzw. das Call Center, die Kundencenter, der Kundenservice, die Bestell-, Lieferungs- oder Rechnungsabwicklungsprozesse. Beide, die relationale sowie auch die transaktionale Ebene der Kundenerfahrungen können durch den NPS erfasst und bzgl. ihres Effektes auf die Kundenloyalität bewertet werden. Im ersten Fall wird der relationale NPS in periodischen Befragungsintervallen bei allen Kunden ermittelt, im zweiten Fall ergibt sich der transaktionale NPS aus der Befragung direkt nach dem jeweiligen Kundenkontaktpunkt, also z. B. nach dem Abschluss eines Beschwerdeprozesses. So werden bei der relationalen Ermittlung des NPS vor allem die wichtigen Treiber für die Kundenbindung, also wie die Kunden an das Unternehmen gebunden werden können, ermittelt. Die Ermittlung des transaktionalen NPS dient wiederum der Verbesserung der Umsetzung spezifischer kundenbezogener Prozesse und Interaktionen und des entsprechenden Verhaltens der Mitarbeiter. Daher werden diese beiden Formen der NPS-Erhebung auch als Top-Down- bzw. Bottom-Up-NPS bezeichnet, und dienen als Grundlage eines entweder mehr strategisch oder mehr taktisch orientierten Managements der Kundenerfahrungen. 1.2.2 Was ist bei der NPS-Messung zu beachten? An dieser Stelle sollen die wichtigsten Punkte, die für das Verständnis und die Konzeption einer NPS-Messung und die Effektivität des NPS-Einsat-
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zes und Prozesses zur Steigerung der Kundenloyalität im Zusammenhang mit einer kundenorientierten Unternehmensführung relevant sind, im Überblick zusammengefasst dargestellt werden. Als erstes ist die Art der Befragung, das heißt die Einfachheit der ultimativen Frage, die verwendete Skala und die freiwillige qualitative Kommentierung von besonderer Bedeutung. Die Konzentration auf die eine ultimative Frage nach der Weiterempfehlung sichert eine hohe Beteiligung und damit das Feedback möglichst vieler Kunden. Die Skala von null bis zehn wurde international bereits von führenden Unternehmen, darunter General Electric, Allianz, American Express, übernommen. Sie bietet außerdem im Vergleich zu einer Reihe anderer möglicher Skalensysteme eine Reihe von Vorteilen: Das metrische System wird fast überall auf der Welt genutzt; es ist vielen Kunden aus dem sportlichen Kontext vertraut, und der Wert NULL wird universell intuitiv meist als niedrigster Wert und die ZEHN als höchster Wert verstanden. Darüber hinaus liefert eine null- bis zehn-er Skala eine entsprechend stärkere Differenzierung der Bereiche der Promotoren, Passiven und Kritiker (Reichheld und Seidensticker, 2006). Die Antworten auf die ultimative Frage in Verbindung mit den Einteilungen neun/zehn für Promotoren und null bis sechs für Kritiker haben sich aus den umfangreichen empirischen Untersuchungen von Reichheld und Satmetrix im Vergleich zu anderen möglichen Befragungen als mit dem tatsächlichen Verbraucherverhalten am stärksten korrelierend ergeben (Reichheld und Seidensticker, 2006, S. 26–31). Die qualitative Kommentierung dient der Diagnose der den NPSWert, und somit die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, treibenden Faktoren. Auf den Wert selbst hat sie keinen Einfluss. Fallweise mehr als 50 Prozent der die ultimative Frage beantwortenden Kunden kommentieren Ihre Bewertung. Aufgrund der Einfachheit und Schnelligkeit der Fragestellung wird umso intensiver kommentiert. Dies beinhaltet dann sowohl eine rationale Beurteilung der Leistungen des Unternehmens, also auch eine emotionale Bewertung der Beziehung und insbesondere der positiven oder kritischen „Top of Mind“-Themen, deren Nennung gleichzeitig ihre Bedeutung widerspiegelt. Dabei sind im Rahmen der von Benning & Company durchgeführten Projekte praktisch keine Unterschiede in der Intensität der Kommentierung zwischen Promotoren und Kritikern festzustellen. Dies ermöglicht, natürlich abhängig vom NPS-Wert, in der späteren Auswertung eine ausgewogene Darstellung sowohl der Stärken als auch der Verbesserungspotenziale aus Sicht des Kunden. Es ist somit zu empfehlen, die Durchführung einer NPS-Messung insbesondere zu Beginn des
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NPS-Einsatzes im Unternehmen auf die ultimative Frage und die Kommentierung zu beschränken. Erst danach kann es hilfreich sein, aufgrund dieser ersten Ergebnisse auf Basis der qualitativ genannten Treiber weitere, allerdings möglichst auf die Themen der drei Kundengruppen der Promotoren, Neutralen und Detraktoren fokussierte, skalierte Fragen hinzuzufügen, um so die wirksamen Treiber für die Verbesserung der Kundenbindung mit geringerem Aufwand und schneller ermitteln und auswerten zu können (Reichheld, 2003). Von diagnostischen Zusatzfragen sollte insbesondere zu Beginn der Einführung einer NPS Befragung abgesehen werden, da diese die Antwortraten reduzieren und eher Verwirrung hervorrufen können (Reichheld und Seidensticker, 2006). Ein weiterer wichtiger Punkt für eine effektive NPS-Messung ist die richtige Umsetzung der Befragung zur Sicherstellung unverfälschter Werte. Ein Faktor ist das mögliche „Gaming“, in dem durch die Art der Befragung oder durch die Stichprobenzusammensetzung der ausgewählten Kunden durch die Beurteilten selbst Verfälschungen der Sicht des Kunden entstehen und dadurch auch die ermittelten NPS-Werte keine realistische Bewertung wiedergeben. Um dies zu vermeiden, empfiehlt sich das Hinzuziehen eines neutralen Dienstleisters, der die Erhebung durchführt, und die Daten danach zur Analyse zur Verfügung stellt. Insbesondere bei einer Email-gestützten Online-Befragung, die auch mit anderen Kontaktwegen, z. B. Telefoninterviews gekoppelt werden kann, ergibt sich so die Möglichkeit einer objektiven und auch die eigene Organisation entlastenden, sowie wiederholbaren und damit vergleichbaren Erhebung der Kundensicht. Generell wird bei den NPS-Erhebungen systemgestützt darauf geachtet, dass kein Kunde häufiger als alle sechs Monate befragt wird, um selbst bei dieser Art der einfachen und schnellen Erhebung der Kundensicht ein Übertesten zu vermeiden. Die Auswahl, Segmentierung und Gewichtung der zu befragenden Kunden ist ein weiterer, wichtiger Qualitätsfaktor für eine effektive NPSErhebung (Owen und Brooks, 2009). Hierbei ist allerdings sowohl zwischen relationaler und transaktionaler Befragung als auch zwischen Business-toBusiness- und Business-to-Consumer-Unternehmen zu unterscheiden. Die meisten Business-to-Business-Unternehmen führen eine relationale Befragung einmal im Jahr durch, der geringere Teil nutzt ebenfalls die Möglichkeit der Messung der Kundenerfahrung bei kritischen Transaktionen. Bei relationalen bzw. periodischen Befragungen von Business-toBusiness-Kunden sollten möglichst viele oder sogar alle Kunden zu Wort kommen, daher ist die Segmentierung und Gewichtung der Stimme des
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Kunden im Sinne des Pareto-Prinzips zum Beispiel nach Umsatzklassen, Ertragsgruppen oder Geschäftspotenzialen sinnvoll, um die NPS-KundenErgebnisse später im Zusammenhang mit dem jeweils von den Kunden zu erwartenden Wertbeiträgen analysieren und einordnen zu können. Kunden mit niedrigem NPS-Wert und gleichzeitig geringem Umsatz, Ertrag und Potenzial bedürfen deutlich weniger Aufmerksamkeit bzgl. der Verbesserung der Kundenerfahrung als die Kunden, die dem Unternehmen hohe Umsätze, Erträge und Potenziale liefern, aber das Unternehmen, seine Leistungen und das Beziehungsmanagement kritisch bewerten. Bei Business-to-Business-Kunden ist darüber hinaus vor allem die Identifizierung der Promotoren und Detraktoren unter den vielen Kontaktpunkten innerhalb des Kundenunternehmens von Bedeutung. Üblicherweise wird eine Segmentierung der Kontakte in die drei Gruppen „Beeinflusser“, „Nutzer“ und „Entscheider“, vorgenommen, um so die Meinungsbildungs-, Bewertungs- und Entscheidungsprozesse des Kunden abzubilden. Mittels der NPS-Messung kann das befragende Unternehmen in jeder Gruppe ermitteln, wen es auf Seiten des Kunden als Unterstützer in Anspruch nehmen kann, und wessen kritische Haltung besonderer Beachtung und Bearbeitung bedarf, und welche Hierarchieebenen bzw. Funktionen im Kontakt mit dem Kunden tätig werden sollten. Aufgrund der hohen Antwortraten, inklusive Kommentierungen, ergeben sich auf diese Weise umfangreiche Ansatzpunkte für Verbesserungen der Kundenzufriedenheit, Beziehung und Bindung. Unternehmen mit Business-to-Consumer-Fokus nutzen den NPS entweder relational oder transaktional oder als Kombination aus beiden Verfahren. Aus der für dieses Buch durchgeführten Befragung (vgl. Fünfter Teil) ergibt sich eine große Bandbreite der Häufigkeit, von einer Messung im Jahr bis hin zu täglichen Messungen. Dementsprechend groß kann somit auch die Anzahl der befragten Kunden sein. Aufgrund der eingesetzten IT-Systeme ist es möglich, die Durchführung einer transaktionalen NPSErhebung soweit zu automatisieren, dass ausgelöst durch einen „Transaktions-Auslöser“ die Befragung des Kunden per Email initiiert wird, die skalierten Antworten sofort ausgewertet und online den Mitarbeitern in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Das System merkt sich dabei gleichzeitig die befragten Kunden, und stellt sicher, dass derselbe Kunde nicht häufiger als alle sechs Monate befragt wird. Auf diese Art und Weise wird es möglich, die erlebten Kundenerfahrungen z. B. für ein eCommerceUnternehmen tagesgenau zu verfolgen, und z. B. mit den Tagesumsätzen in Korrelation zu setzen, um anschließend insbesondere auf kritische Kun-
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den-Bewertungen operativ sehr schnell zu reagieren. Die Herstellung der Verbindung der NPS-Ergebnisse zu den operativen Verantwortlichkeitsbereichen des Unternehmens, um so Maßnahmen zur Interpretation und Verbesserung der Kundenerfahrungen einzuleiten, ist eine notwendige Voraussetzungen für den effektiven Einsatz des NPS als Steuerungsgröße einer kundenorientierten Unternehmensführung. Bei Business-to-Business-Kunden ist die Qualität der Kontaktdaten meist relativ. Bei Business-to-Consumer-Kunden kommt der Gewinnung der benötigten Kontaktinformationen eine besondere Bedeutung zu. Im Bereich e-Commerce ist die Anwendung des NPS bei großen Unternehmen wie z. B. Dell, Amazon oder ebay schon fest etabliert, und auch kleinere Unternehmen nutzen dieses Instrument bei ihrer Internet und Email affinen Kundengruppe mit Erfolg, wie die nachfolgende Fallstudie von Spreadshirt (vgl.Vierter Teil, Beitrag 2) beweist. Um die kostengünstige und automatisierte Form der Email-Befragung durchzuführen, müssen andere Unternehmen allerdings häufig auf Extra-Maßnahmen zur Gewinnung dieser Daten zurückgreifen. Dies kann z. B. durch Registrierung der Kunden bei Besuch der Unternehmens-Internetseite, eines Kundencenters oder im Rahmen regelmäßig erfolgender Transaktionen, Beispiel ZählerstandAblesung von Versorgungsunternehmen, verbunden mit weiteren Anreizen zur Teilnahme, erfolgen. Auf diese Art und Weise werden auch bei Privatverbraucher-Befragungen Antwortraten von 20 Prozent und mehr erreicht. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die „Stimme“ aller oder eines signifikanten Querschnitts der Kunden eines Unternehmens mit dem NPS regelmäßig einzuholen und den NPS so als KPI der Qualität der Kundenbeziehungen zur Steuerung der individuellen und organisationalen Verbesserungsprozesse zu nutzen (vgl. Abschnitt 1). Eine Überprüfung der NPSDaten auf ihre Übereinstimmung mit tatsächlichem Kundenverhalten anhand weiterer Kennzahlen wie zum Beispiel der Wiederkaufrate, des jeweiligen Einkaufsbetrages und der Weiterempfehlung sichert die Validität der NPS-Werte als KPI des Unternehmens weiter ab. Die weitere Verknüpfung der Einzelkunden-Ergebnisse mit Finanzkennzahlen wie zum Beispiel den ermittelten Durchschnittserträgen der Promotoren, Neutralen oder Detraktoren, zeigt die Möglichkeiten weiterer Ergebnisverbesserungspotenziale im Falle der Steigerung des NPS durch Gewinnung von zusätzlichen Promotoren und Reduzierung der Detraktoren auf, und ermöglicht die Verbindung des NPS-Kundenbindungsgeschäftsprozesses mit der zielorientierten Planung, Steuerung und Kontrolle der kundenorientierten Unternehmensführung. Auf diese Weise entsteht durch die wiederholte
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NPS Messung ein geschlossener Regelkreis bzw. eine Feedbackschleife, die eine dynamische Kontrolle und Steuerung der Kundenorientierung im Unternehmen ermöglicht. Im Falle des internationalen Einsatzes des NPS ist noch darauf hinzuweisen, dass erhobene NPS-Werte im Ländervergleich einer besonderen Bewertung bedürfen. Aufgrund der kulturellen Unterschiede verschiedener Länder – in den USA wird grundsätzlich positiver bewertet, in Japan hingegen zurückhaltender – ergibt sich ein von einander abweichender nationaler Mittelwert, zudem die erhobenen Daten in Bezug gesetzt werden können. Dieser Mittelwert sollte möglichst auf Grundlage von Branchendaten bestimmt werden, um anschließend die NPS-Länderwerte diesbezüglich miteinander vergleichen zu können (Satmetrix, 2009a). 1.2.3 Was bewirkt der NPS? Ein Ergebnis der empirischen Untersuchung aus Teil 5 dieses Buches zeigt, dass 92 Prozent der teilnehmenden und den NPS einsetzenden Unternehmen nutzen den NPS für die „objektive Aufnahme der Stimme des Kunden“ und 79 Prozent für „die Erfassung der Kundenwahrnehmung über die angebotenen Leistungen und Services“ im Rahmen einer kundenorientierten Unternehmensführung. Im Ergebnis stimmen über 90 Prozent der Unternehmen der Aussage zu, dass der NPS einen Erfolgsbeitrag sowohl für die „Verbesserung der Kundenorientierung“ als auch für die „Verbesserung der angebotenen Serviceleistungen“ liefert. Wiederum 83 Prozent der Unternehmen wenden den NPS als Führungsinstrument an, um die „Organisation einheitlich auf mehr Kundenfokus auszurichten und weiterzuentwickeln“. Somit leistet der Einsatz des NPS einen Beitrag zu allen drei Dimensionen der Kundenorientierung, d. h. zur informationsorientierten, zur Leistungs- und Interaktionsorientierten und zur Verhaltensorientierten Interpretation der Kundenorientierung. In über 80 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen hat der NPS in diesem Zusammenhang die gesetzten Ziele erreicht (vgl. Fünfter Teil). Der Einsatz und die Anwendung des Net Promoter® Score kann somit sehr viel weiter reichen als ein klassisches Marktforschungsmessinstrument zur Erfassung der Kundenloyalität. Es handelt sich um ein Führungsinstrument, auf dessen Basis ein kundenorientierter Management-Prozess mit Wirkung auf das gesamte Unternehmen gesteuert werden kann und somit die Steigerung der Kundenloyalität zu einem übergreifend wirkenden Unternehmensziel erhoben und die Schaffung ausgezeichneter Kunden-
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erfahrungen zu einer Kernkompetenz entwickelt wird. Der NPS kann somit eine wesentliche Grundlage für die Managementdisziplin der kundenorientierten Unternehmensführung darstellen (Owen und Brooks, 2009). Die Nutzung des NPS führt damit zu neuen Anforderungen an die Organisationsstrukturen und Management-Systeme eines Unternehmens (vgl. Erster Teil). War es bisher vor allem dem Vertrieb vorbehalten, die Sicht der Kunden zu vermitteln und zu bewerten, entsteht nun durch den Einsatz einer geeigneten Messgröße sowohl durch die quantitative Bewertung der bestehenden Kundenbeziehungsqualität als auch durch das qualitative Feedback des Kunden eine für alle Organisationsbereiche verfügbare und für Verbesserungen nutzbare, unmittelbare Transparenz der „Stimme des Kunden“. Dieser neuen objektivierten Sicht des Kunden stehen allerdings die bisherigen subjektiven Einstellungen und Sichten der verschiedenen Unternehmensbereiche gegenüber, die nicht so ohne weiteres aufgegeben werden, da sie schließlich der Verteidigung der eigenen Einfluss- und Wirkungsbereiche und der entsprechenden Leistungsbewertung dienen. Im Gegensatz zur eher bereichsorientierten Nutzung klassischer Marktforschungsinstrumente durch die entsprechenden Fachabteilungen, entwickelt ein wirksamer Einsatz des NPS im Unternehmen daher neue Anforderungen an die Mitarbeiterführung und verlangt eine treibenden Rolle des TopManagements (Owen und Brooks, 2009). „Executive Sponsorship“ ist unbedingte Voraussetzung, um die angestrebte Kundenorientierung und die auf Basis der Resultate des NPS auszulösenden Verbesserungen der Angebots- und Serviceleistungen und der Kundenprozesse auch tatsächlich nachhaltig umzusetzen. Die Chancen für die Erreichung ausgezeichneter Kundenerfahrungen sind dreidimensional: Die erste Dimension stellt den persönlichen Lernbzw. Verbesserungsprozess dar. Durch die Zuordnung des NPS zu operativen Verantwortungsbereichen bzw. „Touch-Points“ gibt es ein unmittelbares, zeitlich direkt zuzuordnendes Feedback des Kunden, dass im Dialog mit dem Kunden im Rahmen der Feedback-Schleife sofort in Lösungen oder Verbesserungen umgesetzt werden kann, in sogenannte „Quick Fixes“ oder „Quick Wins“. Die zweite Dimension beinhaltet den organisationalen Lern- und Verbesserungsprozess. Hier werden Abteilungsübergreifend die Ergebnisse ausgewertet, reflektiert, die Ursachen bzw. Treiber für die Kundenbewertung ermittelt und daraus operative Maßnahmen im Unternehmen zur Verbesserung der Kundenerfahrung und der Kundenloyalität abgeleitet. Die dritte Dimension besteht im strategischen und kulturellen Lern- und Verbesserungsprozess des Unternehmens. Die durch den NPS
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ermittelte Sicht der Kunden bietet gleichfalls Ansätze zur strategischen Optimierung des Geschäftsmodells und der kundenorientierten Ausrichtung des Unternehmens. Alle drei Dimensionen können ihre Wirkung aber nur dann entfalten, wenn sie in einen kontinuierlichen und im Unternehmen fest verankerten Managementprozess eingebunden sind, und der Fokus auf der Verbesserung des NPS im zeitlichen und im internen Benchmarking und wenn möglich, im Vergleich zum Wettbewerb liegt, und nicht auf seiner absoluten Höhe. Auf diese Weise wird anhand eines einfachen metrischen Maßstabs der erreichten Kundenloyalität, genutzt als unternehmensübergreifendes Steuerungsinstrument, eine auf die Verbesserung der Kundenzufriedenheit, der Kundenbindung und des Kundenwertes orientierte Unternehmensführung ermöglicht.
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3-Phasen-Modell zur Einführung einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung
Zur effektiven Einführung und Nutzung einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung setzt die Unternehmensberatung Benning & Company ein 3-Phasen-Modell ein, dass auf Grundlage der Erfahrungen durchgeführter NPS-Implementierungen entwickelt und weiter verfeinert wurde. Nachfolgend werden die Grundelemente dieses Modells und die aus seiner Anwendung gewonnenen praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse dargestellt und bezüglich ihrer Konsequenzen für eine kundenorientierte Unternehmensführung beleuchtet. Wie in Abbildung 6 zusammengefasst dargestellt beginnt der Prozess einer NPS-gestützten kundenorientierten Unternehmensführung mit dem Verstehen des Kunden, d. h. der Erfassung der Fremdwahrnehmung der Unternehmensleistungen, geht dann über in das gezielte Binden der Kunden an das Unternehmen, d. h. die Entwicklung eines gezielten Kundendialogs und die Identifikation der Treiber für Kundenbegeisterung, um dann abschließend das Wachsen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter mit und für den Kunden zu ermöglichen. Im Sinne eines revolvierenden Geschäftsprozesses werden die verschiedenen Phasen mit jeder erneuten Messung des NPS wiederum durchlaufen, um so die angestrebte kontinuierliche Verbesserung der Kundenerfahrung zu erreichen. Auf diesem Wege werden aus Detraktoren Passiv-Zufriedene und Passiv-Zufriedene werden zu Promotoren. Diese Entwicklung kann zur positiven Geschäfts-
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• • •
“Stimme des Kunden” “Momente der Wahrheit” Wahrgenommene Leistungen & Service Verstehen
Kundenbegeisterung kreieren, um Kundenloyalität zu entwickeln Wachsen
• • •
Mobilisierung Wachstumsinitiativen Wert-Innovationen Veränderung der Einstellung/Haltung
Binden
• • •
Kunden-Feedback-Schleife Verbesserte Service-Leistungen Treiber für Vertrauen & Begeisterung
Abbildung 6: Das 3-Phasen-Modell zur Einführung einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung
entwicklung beitragen, zum Beispiel durch die Verringerung der durch Kritiker verursachten Kosten wie Reklamationen, Rabattaktionen, etc., durch die Steigerung des durchschnittlichen Kundenertrages mittels mehr Cross- und Up-Sellings oder durch die Erhöhung des Umsatzwachstums durch vermehrte Weiterempfehlungen. Diese drei Phasen beinhalten dabei gleichzeitig die bereits zur Implementierung einer systematischen Kundenorientierung im Unternehmen angewandten vier Phasen – Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle – eines klassischen Managementprozesses (vgl. Erster Teil) in einer den praktischen Erwägungen und Erfahrungen eines effektiven Kundenmanagements mit Hilfe des NPS angepassten Form. 2.1
Phase 1: Den Kunden verstehen
Die Phase 1 setzt die erste informationsorientierte Dimension der Kundenorientierung um, d. h. es werden kundenbezogene Informationen erhoben, gespeichert, analysiert und verfügbar gemacht. Es geht in dieser Phase vordringlich darum, eine möglichst einheitliche, transparente, ob-
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jektive und aktuelle Perspektive im Unternehmen von der Stimme des Kunden und seiner entsprechend geäußerten Wahrnehmung der ganzheitlichen Leistungen des Unternehmens zu bekommen. Die NPS-Kennzahl und die dazu gehörigen qualitativen Kommentierungen sind der Kern einer solchen Erfassung der Kundensicht. Um allerdings die gewonnenen Erkenntnisse effektiv für die kundenorientierte Unternehmensführung zu nutzen, bedarf es einer qualifizierten Umsetzung der NPS-Messung in drei Schritten: 1. die vorausgehende Analyse der vorhandenen Kundeninformationen, 2. die für Mitarbeiter und Kunden vorbereitende Darstellung des Ziels und der Vorgehensweise der Messung, und 3. die Durchführung der Messung, die Darstellung der Ergebnisse und die Komplettierung des Feedbacks der das Unternehmen kritisch beurteilenden Kunden. Eine Einbindung aller mit den Kunden in Kontakt stehenden, der für die Erbringung der Produkt- und Serviceleistungen verantwortlichen und der mit den Kundenprozessen befassten Mitarbeiter in diesen Umsetzungsprozess von Beginn an ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Einsatzes des NPS als Schlüsselkennzahl einer kundenorientierten Unternehmensführung. Daher sollte bei jeder NPS-Einführung mit allen am Projekt beteiligten Vertretern der verschiedenen Funktionen im Unternehmen ein Kick-Off-Workshop zur Vorstellung des NPS, seiner Kundenorientierungs-Zielsetzungen und der Einführungsvorgehensweise durchgeführt werden. Nur so kann vermieden werden, dass die Ergebnisse auf Erkenntnisse ohne operativen Bezug und ohne operative Implikationen reduziert werden und somit das Ziel einer Verbesserung der Kundenorientierung verfehlt wird. 2.1.1 Den Kunden analysieren Das Ziel einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung ist die kontinuierliche und langfristige Verbesserung der Kundenzufriedenheit, der Kundenbindung und des Kundenwertes. Ausgangspunkt der entsprechenden Kundenorientierung ist „die umfassende, kontinuierliche Ermittlung, Analyse und Auswertung der leistungsbezogenen Kundenerwartungen …“ (Bruhn, 1995). Kunden sind im Unternehmen verbunden mit Zahlen, Produkten, Serviceleistungen, Namen, Kontakten, und sie sind ein Teil von zu bearbeitenden Märkten, ob international oder national. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass diese Daten auch allen mit dem Kunden beschäftigten Bereichen und Mitarbeitern präsent sind. Häufig sind sie nur bestimmten Abteilungen wie Marketing oder Vertrieb vorbe-
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halten, oder werden dort interpretiert und weiter verarbeitet. Es können einfache Gründe sein, wie zu wenig Zeit, Verfügbarkeit, geringer direkter Austausch oder der begrenzte Zugang zum Beispiel zu Customer-Relationship Management-Systemen die verhindern, dass alle Mitarbeiter, die mit dem Kunden zu tun haben, auch entsprechend über ihre Kunden informiert sind. Für die Entwicklung einer einheitlichen Kundenorientierung im Unternehmen ist jedoch eine umfassende und gemeinsame Informationsbasis der aktuellen Kundenbedürfnisse, Kundenerwartungen und der Kundenerfahrungen mit Produkten und Services eine wesentliche Voraussetzung. Zu diesem Zweck sollte mit allen am Projekt beteiligten Vertretern der verschiedenen Funktionen im Unternehmen als zweites ein UnderstandWorkshop durchgeführt werden. Im Understand-Workshop werden die vorhandenen Kundendaten gesammelt, gesichtet und für alle ProjektBeteiligten zugänglich gemacht. Die entsprechende Diskussion wird die Reflexion und das Verständnis der bestehenden Kundenbeziehungen vertiefen und ein breiteres Bild über den Wert und das Potenzial der Kunden entwickeln helfen. Insbesondere gilt es an dieser Stelle die vorhandenen objektiven Erkenntnisse und die subjektiven Sichtweisen wahrzunehmen und zu reflektieren, um sie später mit den ermittelten Kundenbewertungen und Kommentierungen im Rahmen der NPS-Messung zu vergleichen. Die individuelle Wahrnehmung über notwendige Veränderungen basiert auf der Wahrnehmung der „Leistungslücke“, das heißt des Unterschieds zwischen der aus eigener Sicht erbrachten Qualität der Kundenleistungen und der tatsächlichen, durch die NPS-Messung ermittelten Sicht der Kunden auf die Leistungen des Unternehmens (Bain & Company, 2005). Die Analyse des bestehenden Kundenportfolios dient zum einen der Auswahl der zu befragenden Kunden, um so sicherzustellen, dass die ermittelten Kundenrückmeldungen die Struktur des Geschäftes und die Geschäftsentwicklung des Unternehmens möglichst repräsentativ wiederzugeben. Zum anderen dient die Analyse dazu, ein gemeinsames Verständnis für die die Messung beeinflussenden Faktoren wie Marktdynamiken, Kunden-Performance, Kunden-Segmentierung und Kundenbedürfnisse etc. zu entwickeln, dass anschließend für die die richtige Einordnung, Interpretation und Bewertung der Ergebnisse genutzt wird. Folgende Punkte sind in diesem Schritt zu bearbeiten: Auswahl der Kunden: Im Sinne der Aussagekraft der NPS-Ergebnisse ist zuallererst eine Auswahl der zu befragenden Kunden zu treffen. Dabei sollten die wesentlichen Kriterien zur Klassifizierung der Bedeutung
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Kundenklassen z.B. nach Profitabilität
der Kunden wie zum Beispiel Umsatz, Deckungsbeitrag, Potenzial etc. sorgfältig in die Auswahlentscheidung mit einbezogen werden, um ein möglichst hohe Aussagekraft des insgesamt ermittelten NPS Wertes zu erhalten. Auch wirtschaftliche Erwägungen können hier eine Rolle spielen, wenn es darum geht die Anzahl der zu befragenden Kunden, insbesondere in Business-to-Consumer Märkten festzulegen. Die Konzentration der zu befragenden Kunden nach der 80/20-Regel, das heißt das nur die 20 Prozent der Kunden in die Befragung einbezogen werden, die für 80 Prozent zum Beispiel des Umsatzes oder des Ertrages stehen, kann ein pragmatisches Auswahlkriterium sein. Im Falle der Befragung aller Kunden ist eine Darstellung der ermittelten NPS-Werte entsprechend einer KundenSegmentierung nach Leistungsklassen eine Möglichkeit, aussagekräftige NPS-Bewertungen vornehmen zu können. Kunden-Segmentierung: Die Kunden sind nach verschiedenen Kriterien zu segmentieren, um anschließend die NPS-Ergebnisse nach Segmenten zuordnen und analysieren zu können. So kann zum Beispiel eine A, B, C-Klassifizierung nach Umsatz, Ertrag, Kundenwert, Potenzial oder eingesetzten Ressourcen erfolgen (vgl. Abb. 7). Im Falle von Business-to-Consumer-Beziehungen sind die Segmentierungen nach Bedürfnis- und/oder Zielgruppen für die spätere Nutzung der NPS-Resultate für weitergehende Marketing-Aktionen von Bedeutung. Die Segmentierung der Kunden entsprechend ihrer Zuordnung nach Produktbereichen, Organisationseinheiten, Ländern oder Regionen sind weiTier C
Tier B
Tier A
Hoch
Mittel
Niedrig
Niedrig
Hoch
Kundenklassen z.B. nach Umsatz
Abbildung 7: Segmentierung von B2B-Kunden nach Leistungsklassen
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
59
tere Möglichkeiten, anschließend die NPS-Ergebnisse operativen Einheiten zuzuordnen und danach auszuwerten. Kunden-Interaktionen: Die Erstellung einer Kunden-InteraktionsKarte ist ein wichtiges Hilfsmittel, um die einzelnen, möglichen Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden entlang des Kundenkontaktprozesses, zum Beispiel erster Verkaufskontakt, Folgetermin, Verhandlung, Auftrag, Lieferung, Rechnungsstellung/Bezahlung, Service (vgl. Abb. 8), den in jedem Schritt beteiligten Funktionen auf beiden Seiten und den wesentlichen Kommunikationskanäle zuzuordnen. Dieses Verfahren kann in jeweils leicht abgewandelter Form sowohl für Business-to-Business als auch für Business-to-Consumer Kundenbeziehungen eingesetzt werden. Im letzteren Fall beschreibt die Interaktions-Karte die Kontaktwege und Kontakterlebnisse des Verbrauchers im Rahmen seiner möglichen Transaktionsprozesskette mit dem Unternehmen.
Abbildung 8: Beispielhafte Visualisierung der Kundeninteraktionen entlang des Kundenkontaktprozesses
Eine derartige Visualisierung der Interaktionen und Kontaktwege hilft, den Prozess, dessen Komplexität, den Bedarf entsprechender Abstimmung von Einzelaktivitäten, die kritischen Kontaktpunkte mit hohem Einfluss auf den Verkaufserfolg bzw. die Kundenbeziehung und die Kontaktebenen und Beziehungen zu identifizieren, und somit die für die NPS-Befragung relevanten Kundenkontakte oder Transaktionspunkte zu ermitteln. Kundenkontaktpunkte: Im Falle von Business-to-Business-Unternehmen sind bei den zu befragenden Kunden die vorher ermittelten Kontaktpunkte der unterschiedlichen Interaktionen aufzunehmen, die üblicherweise nach Funktionen, Hierarchieebenen, Standorten etc. segmentiert werden. Die Beziehungsebenen Entscheider, Beeinflusser und Nutzer des Kunden kann dazu dienen, die Wichtigkeit der Stimme des Kunden bestmöglich für die NPS-Auswertung zu erfassen. Alle diese Daten gehen dann in eine Kundenliste ein, die als Basis der späteren Befragung dient. Die Kenntnis der Bewertungen jedes Kontaktes beim Kunden innerhalb der
60
Jan Van Riet und Markus Kirsch
jeweiligen Gruppen lässt später wiederum wichtige Rückschlüsse auf die Qualität der Beziehungsebenen und Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden zu und erlaubt eine dementsprechend angepasste Planung spezifischer Maßnahmen. Im Falle von Business-to-Consumer-Unternehmen sind die gewählten Kontaktpunkte im Sinne der möglichen Kundenerfahrungen bei den Kontaktwegen und zu untersuchenden kritischen Transaktionen zwischen Unternehmen und Kunde zu verstehen. Üblicherweise geben bestehende Marktforschungsergebnisse wichtige Hinweise, an welcher Stelle die Bewertung und Kommentierung des Kundenerlebnisses für die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung von besonderer Bedeutung sein könnte. Auswahl der Kundenkontakte: Im Sinne der Aussagekraft der NPSErgebnisse ist schließlich eine Auswahl der zu befragenden Personen im Rahmen der ermittelten Kundenkontakte zu treffen, um eine möglichst hohe Aussagekraft des insgesamt für alle Kunden ermittelten NPS Wertes zu erhalten. Auch wirtschaftliche Erwägungen können hier eine Rolle spielen, wenn es darum geht die Anzahl der zu befragenden Kunden, insbesondere in Business-to-Consumer Märkten festzulegen. Kundenkontakt-Verantwortlichkeiten: Bedeutsam für die Analyse der Kundenbeziehungen ist außerdem die direkte Zuordnung operativer Verantwortlichkeiten für den jeweiligen Kundenkontakt. Dies geschieht im Vorgriff auf die angestrebte Kunden-Feedback-Schleife, die insbesondere bei Detraktoren nach Ermittlung der NPS-Ergebnisse durch die Mitarbeiter des befragenden Unternehmens erfolgen sollte. Kundenbedürfnisse: Für die spätere Analyse der qualitativen Kommentierungen der Kundenbewertungen ist es sinnvoll, vor der Befragung ein einheitliches Bild der erwarteten Kundenbedürfnisse und Erwartungen zu entwickeln, und die erwartete Wahrnehmung des Kunden über die Leistungen des Unternehmens zu reflektieren. Dies geschieht ebenfalls am besten in dem bereits erwähnten Understand-Workshop. Auf diese Weise werden vorab Kategorien gemeinsam festgelegt, nach denen die freiwilligen Kommentierungen inhaltlich und entsprechend positiv/negativ ausgewertet und eingeordnet werden können. Die Auseinandersetzung mit der erwarteten Wahrnehmung und Priorisierung der Bedürfniskategorien durch die Kunden und das Bewusstsein über die möglichen unterschiedlichen Sichtweisen verschiedener interner Abteilungen, schafft die Grundlage, die tatsächlichen Gedanken, Wünsche und Gefühle der Kunden mit den eigenen Glaubenssätzen über die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden abzugleichen, und erhöht auf diese Weise den persönlichen Erkenntnis-
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
61
und Lerneffekt und die Bereitschaft, unternehmensübergreifend die zur Verbesserung der Leistungen notwendigen Verbesserungen in Angriff zu nehmen (Markey, Reichheld und Dullweber, 2010). 2.1.2 Den Kunden befragen Die tatsächliche NPS-Messung bedarf gleichfalls sorgfältiger Vorbereitung, um hohe Antwortraten, umfangreiche Kommentierungen und aussagefähige Ergebnisse zu bekommen. Wir gehen in diesem Fall vom Einsatz eines web-basierten Softwaresystems eines externen Dienstleisters zur weitestgehend automatisierten Durchführung der Messung aus, da dies in 78 Prozent der befragten Unternehmen der Fall ist (vgl. Fünfter Teil). Wir gehen in unseren Projekten in folgenden Schritten vor: Kundenliste: Im Falle von Business-to-Business Kunden ist eine detaillierte Kundenliste mit allen notwendigen Kontaktdaten, z. B. Email als kostengünstigste Befragungsvariante, den Segmentierungen und der Zuordnung der Kontakt-Verantwortlichkeiten zu erstellen, und an den Dienstleister zu übermitteln. Die Nutzung von Business-Warehouse- oder CRM-System-Datenquellen und die Anbindung über entsprechende Schnittstellen können diesen Prozess erleichtern. Im Falle von Business-to-Consumer-Beziehungen geschieht eine entsprechende Auswahl meist in Verbindung mit der Nutzung automatischer Verknüpfungen zu bestimmten Transaktions- oder Kontaktpunkten. Zum Beispiel wird nach jeder hundertsten Bestellung eine NPS-Befragung ausgelöst, oder bei jedem zehnten Anruf bei der Hotline, oder periodisch jeder in einem bestimmten Zeitraum aktive Kunde befragt, oder in einem Shop jedes Kundenkontaktgespräch mit der Bitte um die Aufnahme in die Befragung abgeschlossen. Kommunikation: Die Ankündigung der Kundenbefragung bei den Kunden und die Information der beteiligten Mitarbeiter im eigenen Unternehmen mit einer entsprechenden Erklärung der Zielsetzung der Befragung erhöhen sowohl die Beteiligung als auch die Bereitschaft, mit den Ergebnissen pro-aktiv zur Verbesserung der Kundenerfahrungen umzugehen. Messung: Die Umsetzung der NPS-Messung nach den Vorgaben des befragenden Unternehmens erfolgt in Zusammenarbeit mit dem ausgewählten Dienstleister. Dazu gehört auch die Einweisung in die Funktionalität des Systems zur späteren Nutzung durch die beteiligten Mitarbeiter. Im Rahmen der Messung wird nach Aussendung der Emails zur Befragung kontinuierlich die Antwortrate verfolgt und dementsprechend werden Er-
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Jan Van Riet und Markus Kirsch
innerungs-Mails zur Erhöhung der Rückläufe versandt. An dieser Stelle werden schon die Detraktoren identifiziert und als Grundlage für die Feedback-Anrufe ausgewertet. Eine „Danke für Ihr Feedback“-Email rundet den Prozess entsprechend positiv ab. Zum Abschluss werden die Ergebnisse über die Funktionalitäten der Software ausgewertet und entsprechend der gewählten Segmentierungen und Berichtsstrukturen dem befragenden Unternehmen für die interne Kommunikation zur Verfügung gestellt. Ergebnisanalyse & Kommunikation: Die sorgfältige und umfassende Auswertung der NPS-Werte und der qualitativen Kommentierungen ist eine wichtige Voraussetzung für die spätere Nutzung im angestrebten Verbesserungsprozess der Kundenerfahrungen. Auf Grundlage der Art der Befragung (relational oder transaktional), der Kundenarten (Geschäfts- oder Privatkunden), der gewählten Segmentierungen und insbesondere der Verknüpfungen zum Beispiel zu Finanzkennzahlen sind unterschiedlichste Auswertungen möglich und sinnvoll. Im Fokus der befragten Unternehmen für die Nutzung und den Erfolg des NPS stehen neben der Erfassung der „Stimme des Kunden“ bzw. der Wahrnehmung der Kunden bzgl. der angebotenen Leistungen und Services die allgemeine Verbesserung der Kundenorientierung und die Verbesserung der Produkte/Services und Kundenprozesse. Dementsprechend ergibt zum Beispiel die Analyse der NPS-Werte verschiedener Geschäftskunden, der Promotoren und Detraktoren innerhalb des Kunden in Zusammenhang mit den Kommentierungen zahlreiche HinWahrscheinlichkeit der Weiterempfehlung
Promotor „Was würden Sie jemanden
Neutral
sagen, damit er unsere
„Was bräuchten Sie,
Produkte und Services
um uns eine 10 zu geben?“
Detraktor „Was sind die Gründe für Ihre uns gegebene Bewertung?“
ausprobiert?“
Identifizieren der Stärken und
Identifizieren der Möglichkeiten
Entdecken der Bedenken und
Treiber der Kundenempfehlung
der Begeisterung
Probleme, die wichtig sind
Detraktoren über Neutrale zu Promotoren machen und zu Weiterempfehlungen motivieren
Abbildung 9: Ansätze zur Nutzung der „Stimme des Kunden“ zur Steigerung des NPS
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
63
weise auf positive und negative Treiber der Qualität der Kundenbeziehungen und der Kundenloyalität und möglicher Verbesserungen. Die Bewertung der Stärken und Schwächen der Unternehmensleistungen lassen sich aus der Verbindung der qualitativen Kommentare mit den Bewertungen der Promotoren oder Detraktoren sehr gut ableiten. Der Vergleich der Unternehmensaktivitäten für die verschiedenen Kunden ergibt ebenso Aufschluss über die möglichen Gründe positiver und negativer Wahrnehmungen. Wie in Abbildung 9 dargestellt, können durch gezieltes Nachfragen im Rahmen der Feedback-Gespräche mit den Kunden weitere Ansätze entwickelt werden, wie Detraktoren zu Neutralen oder Neutrale zu Promotoren werden könnten. Bei Privatkunden kann in der relationalen Messung die ganzheitliche Bewertung der Unternehmensleistung bzw. der Marke Ausgangspunkt für die weiteren Analysen sein, oder in der transaktionalen Messung die Beurteilung des konkreten Kundenerlebnisses am jeweiligen Kontaktpunkt. 2.1.3 Den Kunden um Feedback bitten Ein wesentlicher Schritt des Verstehens der Kunden ist die unmittelbare Reaktion auf kritische Bewertungen der befragten Kunden, das heißt die auf der NPS-Skala angegebenen Weiterempfehlungswahrscheinlichkeiten im Bereich null bis sechs. Diese muss nicht unbedingt nur die kritischen Bewertungen umfassen, allerdings ist im Falle der Detraktoren schon im Sinne der Kundenbindung oder Kundenrückgewinnung sehr wahrscheinlich Handlungsbedarf gegeben, weshalb eine Fokussierung auf diese Kundengruppe sinnvoll ist. Als erstes ist es sinnvoll festzulegen, auf welchen Grad der Bewertungen aus dem Bereich null bis sechs reagiert werden soll. Dies hängt von der Anzahl der Befragten und der Detraktoren ab, und den für die Feedback-Anrufe zur Verfügung stehenden Mitarbeiter-Ressourcen. Es ist im Sinne des persönlichen, individuellen Lernprozesses (vgl. Abb. 10) unbedingt empfehlenswert, dass die für die jeweiligen Kunden oder für die Kundeninteraktion verantwortlichen Mitarbeiter selbst den Dialog mit dem Kunden aufnehmen. Die betreffenden Mitarbeiter sollten sich im Vorfeld über diese Aufgabe im Klaren sein und auch entsprechend darauf vorbereitet werden. Es ist dieser „Moment der Wahrheit“, vor dem in der Praxis viele Mitarbeiter möglicherweise zurückschrecken werden. Im individuellen, subjektiven Erleben der Zusammenarbeit mit den Kunden wird die Neigung, unangenehme Beurteilungen zu verdrängen oder zu beschönigen, immer wieder
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Jan Van Riet und Markus Kirsch
NPS Befragung
Aktionsumsetzung
„Close the loop“ (Quick-Fixes)
Individueller Verbesserungsprozess
NPS FeedbackAnrufe (Kunde gibt eine 0–6 Bewertung)
Gesprächspartner auf Unternehmensseite
Aktionsplan
Ergebnis-Analyse und Aktions-Workshop
Abbildung 10: Der individuelle Lernprozess im Kunden-Feedback
auftreten. Die objektive Transparenz des NPS-Feedbacks fordert nun einerseits die direkte Auseinandersetzung mit den kritischen Faktoren der Kundenbeziehung, andererseits bietet es die Gelegenheit genau an dem aus Sicht des Kunden in diesem Moment wichtigsten Kritikpunkt anzusetzen. Daher sollten Feedback-Anrufe zeitnah, möglichst innerhalb von 72 Stunden nach Eingang des Kundenbefragungsergebnisses erfolgen. Eine Auswertung der jeweiligen, personalisierten Kommentare gibt die Grundlage für ein aus der praktischen Erfahrung meist sehr konstruktiv mit dem Kunden verlaufendes Gespräch (vgl. Abb. 11). Die meisten Kunden werden zudem positiv überrascht und erfreut sein, dass tatsächlich auf ihre Teilnahme an der Befragung eine Reaktion erfolgt. Wichtig für die Art der Reaktion ist der Wille, im Gespräch etwas über die Gründe des Kunden für die Bewertung zu lernen, das heißt ihn wirklich verstehen zu wollen und jede Art der Rechtfertigung zu vermeiden. Darüber hinaus bietet sich die sehr gute Gelegenheit, schnell und unkompliziert erste schnelle Lösungen („Quick Fixes“ oder „Quick Wins“) gemeinsam mit dem Kunden zu erarbeiten und sofort umzusetzen. Durch die schnelle Lösung entstandener Probleme können Kunden sowohl erfolgreich an das Unternehmen gebunden als auch in vielen Fällen wieder zurück gewonnen werden.
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
… die Gespräche sind entsprechend der Projekterfahrungen normalerweise sehr konstruktiv!
… die Kunden werden über Ihren Anruf erfreut sein!
… Sie werden eine Menge lernen!
Abbildung 11: Die „Momente der Wahrheit“ im Kunden-Feedback verstehen lernen
Eine sorgfältige Dokumentation der Ergebnisse dieser Feedback-Anrufe und die Etablierung eines definierten Arbeits-, Kommunikations- und Nacharbeitsprozesses ist eine wichtige Rahmenbedingungen, damit diese innere, auf den individuell Verantwortlichen des Unternehmens wirkende Schleife des kundenorientierten Verbesserungsprozesses effektiv im Sinne der gewünschten Verbesserung der Kundenbindung funktioniert. Im Rahmen bisheriger Erfahrungen ist diese Art von Kundendialog nach einer erfolgten kritischen Bewertung schon ein wesentlicher Schritt in Richtung Verbesserung der Kundenbeziehung und diesbezüglich für beide Seiten, verantwortlichen Mitarbeiter und Kunde ein wichtiger Lernprozess. 2.1.4 Nutzung eines IT-gestützten NPS-Messungs- und Auswertungssystems Ein Ergebnis der empirischen Untersuchung aus Kapitel E zeigt, dass zur Messung des NPS 78% der befragten Unternehmen angeben, eine extern betriebene bzw. geleaste Software einzusetzen. Diese Software-Systeme dienen wie in Abbildung 12 dargestellt der Erhebung, der Analyse und der Abwicklung des Feedback-Prozesses einer NPS-Befragung. Auf diese Weise ermöglichen sie einerseits die weitestgehend automatisierte Durchführung und Auswertung der NPS-Messung und andererseits unterstützen sie durch das auf das Unternehmen zugeschnittene Berichtswesen und die Abbildung bestimmter Arbeitsabläufe („Work Flows“), zum Beispiel des Feedback-Anruf- Prozesses, den individuellen und organisationalen kundenorientierten Lernprozess im Unternehmen. Damit unterscheiden sich die speziell auf die Umsetzung einer NPSbasierten kundenorientierten Unternehmensführung ausgerichteten Syste-
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Jan Van Riet und Markus Kirsch
Erhebung
Durchführung der Kundenbefragung Management von Kommunikationskanälen der Erhebung
Analyse
Darstellung der Befragungsergebnisse Bereitstellung vordefinierter Auswertungen
Feedback
Gesamte Abwicklung und Kontrolle des Feedback-AnrufProzesses Integration der Rückmeldungen der FeedbackAnrufe
Abbildung 12: Funktionalitäten eines IT-gestützten NPS-Messungs- und Auswertungssystems
me von den Instrumenten, die sich im wesentlichen auf die Erhebung und einfache Bereitstellung der Ergebnisse in eher unstrukturierter Form beschränken. Als Systemanbieter sei an dieser Stelle stellvertretend für einige weitere Anbieter auf dem Markt und aufgrund der Projekterfahrungen von Benning & Company die Firma Satmetrix aus San Mateo in Kalifornien genannt, die im Rahmen ihrer gemeinsamen NPS-Entwicklungszusammenarbeit mit Fred Reichheld und Bain & Company umfangreiche Erfahrungen im Markt der speziellen NPS-Software-Systeme aufweist (Satmetrix, 2009b). Satmetrix konzentriert sich auf die größeren Unternehmen ab ca. einer Milliarde US Dollar Umsatz und hat sein System in seiner Leistungsfähigkeit entsprechend auf die in diesen Firmen auftretenden Anforderungen abgestimmt. Im Falle des Einsatzes einer Email-Befragung der Kunden bieten beide Systeme eine vollautomatisierte Durchführung der Befragung auf Basis entsprechender Kundendaten, die vom befragenden Unternehmen als Datensatz oder per IT-Schnittstelle zum Beispiel mit direkter Anbindung an ein CRM-System zur Verfügung gestellt werden. Damit können EmailFallzahlen innerhalb einer periodischen Erhebung („Flight“) von einigen hundert oder tausend bis hin zu mehreren hundert Tausend im Rahmen einer transaktionalen, täglich durchgeführten Erhebung verarbeitet werden. In Abbildung 13 ist der Prozess-Ablauf zwischen Unternehmen und ITDienstleister zur Durchführung der NPS-Messung beschrieben. Die Systeme sind darauf ausgelegt, den NPS bei den ausgewählten Kundenkontakten
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
Unternehmensverantwortlichkeiten
IT-Dienstleister Verantwortlichkeiten
NPS-Prozess
Befragungsspezifikation: Kundenanalyse, Auswahl, Frage/n, Zeitpunkt, detaillierter 1. Befragungsspezifikation & Kundenliste Übermittlung der Kundendaten Kommunikationsmaterial: Anschreiben, Erinnerung, Dankes-Schreiben, Unternehmensinformation
Feedback-Gespräche, Training und Trainingsmaterial, Mustergespräche Analyse der Loyalitätstreiber, Wettbewerbslücken, Erwartungslücken; Verbindung zu Finanzkennzahlen Interne Information bzgl. NPSErkenntnisse Ursachen-Analyse Aktionsplan Adjustieren operativer Prozeduren & Kundenbeziehungskultur
2. Befragungseinladung 5. Echtzeit RücklaufÜberblick + Detractor-Alarm
Kunde
3. Befragungs- Programmierung nach System-Spezifikation Email + Erinnerung 4. Antwort
7. Dank-Email 6. FeedbackGespräch
8. NPSErgebnisse
Echtzeit-Erfassung & Darstellung der Ergebnisse Organisation des Feedback -Prozesses
Analyse-Anzeigen Berichte Visualisierungen der Ergebnisse, Bericht der Text-Antworten
9. Adjustierung der Interaktion 10. Nachhaltige Kundenbindung
Abbildung 13: Möglicher Prozessablauf einer IT-gestützten NPS-Erhebung
oder Kontaktpunkten automatisch im Falle Email, oder mit personellem Input im Falle von Telefon- oder anderen persönlichen Kontaktwegen für die Befragung, mit Hilfe der festgelegten Fragestellung zu ermitteln, und zur Steigerung der Antwortrate gleichfalls automatisch nach zu verfolgen. Die Auswertung der quantitativen Ergebnisse erfolgt anschließend automatisch und wird entsprechend der voreingestellten Segmentierungen anwenderfreundlich aufbereitet und für die weiteren Analysen bereitgestellt. Nur die qualitativen Kommentare bedürfen einer üblicherweise manuell durchgeführten Kategorisierung, um sie entsprechend weiter im Rahmen der Analyse auswerten zu können. Aus diesem Grunde bieten alle diese Systeme auch die Möglichkeit, bis zu zwanzig weitere Diagnose-Fragen in die Erhebung aufzunehmen, um so eine quantitative Analyse der Treiber der Kundenloyalität insbesondere bei hohen Fallzahlen zu ermöglichen. Als Zusatzfunktionen werden darüber hinaus weitere Analyse-Möglichkeiten und automatisierte Work-Flows angeboten. Vergleichbar mit den gängigen ERP-Systemen und ihren Data-Warehouse-Systemen dienen diese NPS-Software-Systeme insbesondere der Unterstützung der individuellen und organisationalen Lern- und Verbesserungsprozesse im Rahmen der bereits beschriebenen NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung.
68
2.2
Jan Van Riet und Markus Kirsch
Phase 2: Den Kunden binden
Ziel der NPS-basierten Kundenbindungsphase ist die Verringerung der Kundenfluktuation sowie die Stimulation der Kunden zu Folge- und Mehrkäufen. Durch eine hohe Kundenzufriedenheit kann eine emotionale Kundenbindung erreicht werden (Meyer und Oevermann, 1995) und eine entsprechende Kommunikationspolitik dient der kontinuierlichen Interaktion mit den Kunden, um so Vertrauen in das Unternehmen aufzubauen bzw. zu erhalten (Bruhn, 2002). In dieser Phase gilt es somit, die Treiber für die Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung (Reichheld und Teal, 1996), und damit auch der Kundenbegeisterung, herauszufinden und im Rahmen eines unternehmensweiten Verbesserungsprozesses in konkrete Aktionen zur Verbesserungen der Kundenerfahrungen mit den Leistungen und Services des Unternehmens umzusetzen. Gleichzeitig ist der Dialog mit den Kunden zu verstärken, um sowohl das Verständnis der Sicht der Kunden zu vertiefen als auch die geplanten Verbesserungsmaßnahmen als Rückkopplung der NPS-Erhebung der Kundenbewertung der derzeitigen Angebote den Kunden zu kommunizieren. Ausgangspunkt eines kundenorientierten, auf dem NPS basierenden Verbesserungsprozesses ist die umfassende und ganzheitliche Diagnose bzw. Analyse der Ergebnisse und damit die Identifizierung der Problemstellungen, die sich aus den NPS-Ergebnissen ableiten lassen. Daraus las-
Diagnose & Lösung
Beziehung verbessern
Identifizieren der Problemstellungen & entsprechender Aktionen
Abbildung 14: Die prozessorientierte Implementierung einer NPS-basierten Kundenorientierung im Unternehmen
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
sen sich dann die entsprechenden Lösungen und Aktionen planen und durch ihre Umsetzung können die Kundenbeziehungen verbessert und die Kundenbindung gestärkt werden (vgl. Abb. 14). Am Ende und am Anfang dieses Prozesses steht die Kontrolle der Wirkung aller Aktionen durch die erneute Messung des NPS. Dieses Vorgehen entspricht der durch Bruhn (2009) vorgeschlagenen prozessorientierten Perspektive der Implementierung einer systematischen Kundenorientierung im Unternehmen. Bei der Umsetzung dieses Prozesses ist die Trägheit der bestehenden Wahrnehmungen über die Kunden („Perception“), des gewohnten Verhaltens der Mitarbeiter („Behavior“) und der daraus gewonnenen Erfahrungen („Experiences“), die dem gewünschten Prozess der Kundenorientierung hin zu mehr Kundenfokus („Customer Focus“) entgegenwirken (vgl. Abb. 14), zu berücksichtigen und durch geeignete Maßnahmen der Mitarbeiterbeteiligung an den gewünschten Veränderungen zu verringern. Dies erfolgt durch einen unternehmensübergreifenden Prozess (vgl. Abb. 15), in den alle mit den Kunden befassten Bereiche in die Analyse der Daten und in die Planung der Aktionen mit einbezogen werden. Auch hier eignet sich die Nutzung eines moderierten Ergebnis-Analyse- bzw. Aktions-Workshops, um die objektive Darstellung und Diagnose der NPS-
NPS Befragung
Aktionsumsetzung
„Close the loop“ (Quick-Fixes) Organisationaler Verbesserungsprozess
Aktionsplan
NPS FeedbackAnrufe (Kunde gibt eine 0–6 Bewertung)
Gesprächspartner auf Unternehmensseite
Ergebnis-Analyse und Aktions-Workshop
Abbildung 15: Der organisationale Verbesserungsprozess der NPS-basierten Kundenorientierung
70
Jan Van Riet und Markus Kirsch
Ergebnisse mit der subjektiven Aufarbeitung der Unterschiede zwischen bisheriger Wahrnehmung („Leistungslücke“) und der jetzt ermittelten, transparenten Kundensicht zu verknüpfen, um so im Anschluss die geeigneten Aktionen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung gemeinsam zu entwickeln. Grundlage für einen solchen Workshop unter Teilnahme möglichst aller am kundenbezogenen Leistungs- und Service-Prozess beteiligten Funktionen im Unternehmen ist die sorgfältige Analyse der NPS-Ergebnisse, sowohl quantitativ als auch qualitativ, aus mehreren Perspektiven. An dieser Stelle hilft die in der Phase 1 bezüglich verschiedener Dimensionen der Kundenbeziehungen, Segmentierungen, Leistungsdaten sowie Bedürfnisse geleistete Vorarbeit, da hiermit Bewertungsgrundlage geschaffen wurde, um nun die Ergebnisse der NPS-Messung entsprechend sowohl objektiv zu vorhandenen Daten als auch individuell subjektiv zu existierenden Wahrnehmungen und Erfahrungen zu vergleichen und insbesondere aus den Unterschieden Schlussfolgerungen für notwendige Veränderungen abzuleiten. Dieses Vorgehen der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der „Stimme des Kunden“, den ermittelten „Momenten der Wahrheit“ und der Wahrnehmung der Kunden der eigenen angebotenen Leistungen ermöglicht sowohl die rationale Einsicht in die Handlungsoptionen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Bindung, als auch die emotionale Annahme der individuellen und kollektiven Chance, lösungs- und wachstumsorientiert die Beziehungen zum Kunden zu verbessern. Aus der Projekterfahrung haben sich verschiedene Perspektiven für die Analyse als nützlich erwiesen. Mit jeder Perspektive, zum Beispiel Marktstruktur, Kundenmerkmale, Kundenbedeutung und Loyalitätstreiber, lassen sich die NPS-Ergebnisse in Beziehung setzen, und anschließend können daraus konkrete Aktionen zur Verbesserung der Kundenerfahrungen, der Kundenzufriedenheit, der Kundenbindung und der Steigerung des Kundenwertes abgeleitet werden. Es sollen an dieser Stelle nur exemplarisch einige Schritte dieses Prozesses beleuchtet werden. Grundsätzlich sind der Tiefe und dem Umfang der Analyse und Ableitung geeigneter Maßnahmen wenig Grenzen gesetzt. Es ist allerdings zu empfehlen, sich im Sinne der 80/20-Regel auch hier zu fokussieren und vor allem schnelle, konkrete und aus Sicht der Kunden und der Mitarbeiter wahrnehmbare Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Den ersten wesentlichen Ansatzpunkt für Verbesserungen liefern vor allem die qualitativen Kommentierungen der Kunden. Einerseits kön-
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
Kunden Fehler / Qualitätsproblem Inflexibilität / Bürokratie / kein Kundenfokus Preisgestaltung / zu teuer Bestell-Hotline schwer zu erreichen Telefonischer Support (negativ) Verzögerungen in der Auslieferung
P, I, W P, C, G, T P, C P, W, G A P
Mitarbeiterqualität im Callcenter Zu früh für Bewertung In-house-Produktion bevorzugt
A, T I
Abbildung 16: Gruppierungen und Häufigkeit der NPS-Kommentierungen
nen eine Gruppierung der Einzelkommentare und die Ermittlung ihrer Häufigkeit, auch nach Kunden, vorgenommen werden (vgl. Abb. 16). Ergänzt werden kann dies durch eine Gegenüberstellung der Häufigkeit positiver und negativer Kommentare nach Gruppierungen, um so die Wachstums- bzw. die Bremswirkung der Gruppierungen zu ermitteln. Andererseits helfen die Zuordnungen der Kommentare zu den Segmenten des NPS nach Promotoren, Passiv-Zufriedenen und Detraktoren, um die Treiber bzw. Auslöser für die positiven bzw. negativen Bewertungen zu ermitteln. Die Analyse der Kommentierungen liefert weiterhin Erkenntnisse über die Qualität der Interaktionen auf den verschiedenen Kontaktebenen zwischen Kunde und Unternehmen und erlaubt die Optimierung der Kundenerfahrungen an den kritischen „Touch-Points“. Die gleichzeitige Betrachtung „lobender“ und „kritischer“ Kommentierungen bei all diesen Analysen verringert die Gefahr der einseitigen Problembetrachtung und möglicherweise daraus abgeleiteter Schuldzuweisungen, sondern erlaubt eine vor allem lösungs- und wachstumsorientierte Vorgehensweise mit dem Ziel der Verbesserung der Kundenerfahrungen und Kundenbindung und somit einer Steigerung des NPS bei der nächsten Messung.
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Der zweite wesentliche Ansatzpunkt für Verbesserungen liegt in der Analyse der quantitativen NPS-Ergebnisse. Hier besteht die Möglichkeit der vergleichenden Betrachtung zwischen verschiedenen Ländern, Geschäfts- oder Vertriebseinheiten, Produktbereichen oder auch Kontaktwegen oder Interaktionspunkten mit dem Kunden, um so bei gleichzeitiger Analyse der entsprechenden Kommentierungen und der angebotenen Leistungen die positiven und negativen Treiber des NPS und damit der Kundenloyalität zu ermitteln. Anschließend lassen sich auf dieser Basis wiederum Verbesserungsmaßnahmen gemeinsam im Team entwickeln. Die quantitative Analyse ermöglicht aber noch einen weiteren Schritt, das heißt die Verknüpfung der NPS-Ergebnisse mit den Finanzkennzahlen des Unternehmens. In Abbildung 17 ist eine solche Matrix-Darstellung beispielhaft dargestellt. Die NPS-Werte der Kunden (Business-to-Business) oder die Einstufung der Kundenbewertungen in die NPS-Segmente (Businessto-Consumer) werden zum Beispiel in Beziehung gesetzt zu dem mit dem Kunden erzielten Umsatz bzw. zu dem relativen Deckungsbeitrag II. Durch eine Einordnung niedrig-mittel-hoch und die zusätzliche Einschätzung weiterer Kenngrößen des jeweiligen Kunden kann so ermittelt wer-
Abbildung 17: Matrix zur Verbindung NPS-Resultate mit Kundenwert-Kennzahlen
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
den, welche Chancen bzw. welches Risiken mit den Kunden verbunden sind. Dieses Vorgehen bietet die Möglichkeit, sehr spezifisch den Grad der Kundenbindung mit Indikatoren des Kundenwertes in Verbindung zu setzen. Daraus können wiederum konkrete Maßnahmen für eine intensivierte Kundenbindung oder für die Vermeidung möglicher Kundenverluste oder zukünftiger Rückgewinnung abgeleitet werden, wie in Abbildung 18 dargestellt.
Kundenwert
Hoch
Niedrig
Investieren Gefährliche Gegner
Desinvestieren Unwichtige Kritiker Kritiker
Überzeugen
Halten Neutrale
Investieren/Halten Wichtige Verbündete
Beobachten/Halten Förderer mit Potential Promotoren
NPS Wert
B2C B2B
Abbildung 18: Maßnahmen aus der Verknüpfung von NPS- und Kundenwert
Den Abschluss der Phase 2 – den Kunden binden – bilden die Aufstellung eines detaillierten Aktionsplanes und dessen anschließende Umsetzung. Die Zeitintervalle dieser Prozesse in Phase 2 sind sehr individuell zu wählen und zu gestalten, abhängig von der Art der Kundenbeziehungszyklen. In jedem Fall schließt sich der Kreis des organisationalen Lernprozesses mit einer erneuten NPS-Messung zur Kontrolle der Fortschritte bei den Verbesserungen der Kundenbindung und der Kundenerfahrungen, um anschließend den Prozess wieder erneut zu beginnen. 2.3
Phase 3: Mit dem Kunden wachsen
Das Ziel der Kundenorientierung ist es, „langfristig stabile Kundenbeziehungen zu etablieren“ (Bruhn, 1995). Dies könnte auch als Minimal-Ziel angesehen werden, denn im Sinne eines angestrebten Unternehmenswachstums sollten auch „wachsende“ Kundenbeziehungen einen Beitrag leisten.
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Das Ziel der Phase 3 der NPS-basierten Kundenorientierung ist daher die sich bietenden Chancen aus den Erkenntnissen des NPS-Prozesses zu nutzen, um mit dem Kunden zu wachsen. Drei Faktoren erscheinen hierfür von besonderer Bedeutung: Erstens, die konsequente Mobilisierung aus dem Kundenfeedback ermittelter bzw. möglich erscheinender Wachstumsinitiativen, zweitens die Nutzung der NPS-gestützten Kundenorientierung als Innovationsmotor und drittens, die nachhaltige kundenorientierte Verhaltensänderung der Mitarbeiter. Alle Aktivitäten dienen einem wachsenden Grad bzw. Intensität der Kundenbindung, da diese nachweislich mit dem Unternehmenserfolg korreliert (vgl. Erster Teil). Unterschieden werden kann in diesem Zusammenhang zwischen operativen Verbesserungen der Kundenerfahrungen, die schon kurz nach der Einführung des NPS-Prozesses in ersten Teilen umgesetzt werden können („Quick-Fixes“ oder „Quick-Wins“), und den strategischen Verbesserungen, die meist erst im zweiten Jahr des NPS-Einsatzes ihre Wirkung zu entfalten beginnen (vgl. Abb. 19). Letztere haben das Potenzial, die Kundenbindung noch weit stärker zu steigern als die operativen Verbesserungen, und können somit zum Wachstum des Unternehmens maßgeblich beitragen. Voraussetzung ist hierfür allerdings die konsequente Umsetzung des „close-the-loop“-Prozesses im Unternehmen (Markey, Reichheld und Dullweber, 2009). Ergebnis der Kundenbindung
Strategische Verbesserungen
Operative Verbesserungen
Vorbereitung
Einführung
Jahr 1
Jahr 2
Abbildung 19: Die Wirkung operativer und strategischer Verbesserungen auf den Grad der erreichten Kundenbindung
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
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2.3.1 Mobilisierung kundenorientierter Wachstumsinitiativen Kunden zu begeistern, das heißt sie zu vermehrten Wiederkäufen, zu einer Steigerung des Anteils der Produkte des Unternehmens an ihren Einkäufen, und darüber hinaus zu Weiterempfehlungen zu gewinnen, beginnt dort, wo die größte Nähe zwischen Kunden und Mitarbeitern besteht. Die „Frontline“ ist der erste Ansatzpunkt für eine wachstumsorientierte Mobilisierung der Kundenorientierung (Markey, Reichheld und Dullweber, 2009). An dieser Stelle existieren die „Momente der Wahrheit“, die darüber entscheiden, ob ein Kunde wiederholt seine Beziehung zum Unternehmen positiv beeinflussende Erfahrungen macht und sich demnach eine für die Intensität der Geschäftsbeziehung förderliche Wirkung entwickelt (Thomson, 2006). Die „Frontline“-Ebene des Kundenfeedbacks ist die erste Regelkreis-Ebene zur Mobilisierung von kundenorientierten Wachstumsinitiativen. Die nächsthöhere Ebene ist die der Funktional- und Prozessverantwortlichkeiten. Aus denen im NPS-Prozess ermittelten Ergebnissen des Kundenfeedbacks werden auf dieser Ebene die möglichen und notwendigen Maßnahmen bezüglich der Produkt- und Preispolitik, der operativen Aktionsvorgaben, der Prozessgestaltung und der Organisationsstrukturen abgeleitet und umgesetzt. Auch auf dieser Ebene ergibt sich ein Regelkreis aus den vier Schritten Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle, jeweils basierend auf der Grundlage des direkten NPS-Kundenfeedbacks. Die oberste Ebene der Unternehmens-Exekutive wiederum kann die Erkenntnisse der unteren Ebenen in Verbindung mit dem erhaltenen Kundenfeedback danach bewerten, welche strategischen Implikationen daraus entstehen und für entsprechende strategische Wachstumsinitiativen genutzt werden können. Somit ergibt sich gemäß Abbildung 20 im Unternehmen ein revolvierender „Triple-Loop“-Prozess kundenorientierter Aktivitäten zur operativen und strategischen Steuerung der Kundenbeziehungen in den drei Kundenlebenszyklus-Phasen der Kundengewinnung, der Kundenbindung und der Kundenrückgewinnung (Bruhn, 2008). Um die unterschiedlichen Möglichkeiten des Frontline-, des funktionalen bzw. prozessorientierten und des strategischen Kunden-Feedbacks effektiv zu nutzen, bedarf es der regelmäßigen Erhebung und insbesondere der kontinuierlichen Analyse und Diskussion dieses Feedbacks auf den verschiedenen operativen und strategischen Ebenen des Unternehmens. Angelehnt an den organisationalen Lernprozess ist es empfehlenswert, die Schritte der Analyse, Planung und Umsetzung durch vertiefende Kun-
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Exekutive Funktionale Leitung & Prozess Verantwortliche
Kundennahe Mitarbeiter und Vorgesetzte
Abbildung 20: Die drei Ebenen eines „Triple-Loop“-Kunden-Feedback-Prozesses
dengespräche oder Markt- bzw. Kundenuntersuchungen zu ergänzen und anzureichern. Dies erlaubt sowohl eine noch genauere Identifizierung der „Momente der Wahrheit“ der Kundenbeziehung als auch eine Rückkopplung der Auswirkungen des Kundenfeedbacks an die Kunden. Die auf diesem Wege an die Kunden gegebene Wertschätzung des Feedbacks kann ebenfalls ein wichtiger Faktor zur Stärkung der Kundenbindung sein. Die Kontrolle der Effektivität der umgesetzten Wachstumsinitiativen erfolgt durch die erneute NPS-Messung und insbesondere der Feststellung, welcher Prozentsatz an Detraktoren durch die Maßnahmen zu Promotoren gemacht werden konnten. Mittels der Zuordnung durchschnittlicher Kundenwerte für Detraktoren und Promotoren (vgl. Abb. 4) kann so unmittelbar der Wachstumsbeitrag der Steigerung des NPS im zeitlichen Verlauf ermittelt und bewertet werden (Markey, Reichheld und Dullweber, 2009). 2.3.2 Kundenorientierung als Innovationsmotor Innovationen sind allgemein wissenschaftlich anerkannt als wichtige Quelle unternehmerischen Wachstums.
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Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
Die Einbeziehung der Kunden als Input-Geber (Ulwick, 2002) oder die Erstellung einer Kunden-zentrierten Innovationskarte (Bettencourt und Ulwick, 2008) sind Beispiele diskutierter Konzepte zur Nutzung des Kunden-Feedbacks für die Entwicklung entsprechender Produkt- oder ServiceInnovationen. Die NPS-basierte Kundenorientierung bietet ebenfalls Ansätze, den Kunden in die Entwicklung von Innovationen im Rahmen eines geschlossenen Kunden-Feedback-Prozesses mit einzubeziehen (vgl. Abb. 21). NPS Resultate der Zielgruppe
Implementierung
fristig Lang
Schritt 5 – ErgebnisZusammenfassung und Entwicklung der Innovationsplattformen
Schritt 1 – Identifizierung und Auswahl der InnovationsTeilnehmer auf Kundenseite
Schritt 4 InnovationsWorkshop
Schritt 2 – Input der Kunden Schritt 3 – Analyse des Kundeninputs
Abbildung 21: Der NPS-basierte „Customer-Centric-Innovation-Loop“
Ausgangspunkt ist einerseits die Hypothese, dass die Promotoren unter den Kunden sich besonders intensiv mit den Angeboten des Unternehmens auseinandersetzen und daher als mögliche Intensivnutzer weitere Ideen für zukünftige Angebote beisteuern können und wollen. Die Firma Lego hat diesen Ansatz sehr erfolgreich für die Entwicklung neuer Produktideen genutzt (Kalcher, 2008). Mittels der Identifizierung besonders begeisterter Kunden und dem Aufbau einer entsprechenden „Community“ dieser Kundengruppe wurde ein Dialog initiiert, der dem Unternehmen einige seiner wichtigsten neuen Produkte der letzten Jahre beschert hat. Auch die Gruppe der Detraktoren kann Ausgangspunkt eines solchen „Customer-Centric-Innovation-Loop“ sein. Auf der Grundlage der Kritikpunkte an den bestehenden Angeboten und Services lassen sich oftmals
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Jan Van Riet und Markus Kirsch
neue Angebote ableiten, die in der Lage sind, den kritischen Kunden ihren Bedürfnissen oder Erwartungen entsprechende neue Lösungen anzubieten, und sie somit zumindest zu Neutralen oder sogar zu Promotoren des Unternehmens zu machen. Zum Beispiel konnten Kommentare dieser Kundengruppe „die Produkte seien zu teuer“ im Rahmen eines von Benning & Company betreuten Projektes durch die Entwicklung einfacherer, und damit preisgünstigerer Produktangebote genutzt werden, um auf diese Kunden innovativ einzugehen und somit sogar zusätzliche Wachstumschancen bei diesen vorher kritisch eingestellten Kunden zu realisieren. 2.3.3 Kundenorientierte Verhaltensänderung der Mitarbeiter Die erfolgreiche Etablierung der Kundenorientierung im Unternehmen ist ohne ein entsprechendes Verhalten im Rahmen der leistungs- und interaktionsorientierten und der kulturorientierten Interpretation nicht denkbar (Bruhn, 1995). Wie bereits in diesem Kapitel ausführlich geschildert, organisiert eine effektive kundenorientierte Unternehmensführung zum Beispiel mit Hilfe des Einsatzes des Net Promoter® Scores als „ultimative“ und übergreifend eingesetzte Steuerungsgröße, einen entsprechend einheitlichen Lernprozess für alle an den kundenbezogenen Prozessen beteiligten Mitarbeiter und Führungskräfte des Unternehmens (vgl. Abb. 22). Die Schlüssel zum Erfolg dieses Lernprozesses sind aufgrund praktischer Erfahrungen: 1. der intensive Feedback-Prozess des Verstehens der Wahrnehmungen und Bewertungen der Kunden, 2. die interaktive und KundenFokus Handeln
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Fokussieren y
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Verstehen Sicht der Kunden
Abbildung 22: Der Lernprozess einer kundenorientierten Unternehmensführung
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
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schrittweise Fokussierung aller Beteiligten auf die ermittelten Bedürfnisse und Themen der Kunden, und 3. das konsequente, abgestimmte und gemeinsame Handeln im Sinne der Verbesserung der Erfahrungen und der Zufriedenheit der Kunden. Auf diese Weise werden die Mitarbeiter in einem individuellen und organisationalem Lernprozess die Fokussierung auf die erfolgreiche Bindung der Kunden mit ihrem dazu geeigneten Verhalten verbinden. Die gewünschten Verhaltensänderungen werden dabei umso eher erreicht, umso höher wiederum die Identifikation und Zufriedenheit, und damit die Bindung der Mitarbeiter an das eigene Unternehmen besteht, denn begeisterte Mitarbeiter erzeugen begeisterte Kunden. Daher ist der Einsatz des NPS zur Verbesserung der Loyalität der Mitarbeiter ebenso geeignet wie zur Steigerung der Kundenloyalität, und entsprechende Synergien im Sinne der Kundenorientierung des Unternehmens sind wahrscheinlich. 2.3.4 Herausforderungen der Umsetzung des 3-Phasen-Modells Bei der Umsetzung der kundenorientierten Unternehmensführung sind insbesondere Anforderungen an die Unternehmenskultur, die Organisationsstruktur, die Management- und Kontrollsysteme und an die Mitarbeiterführung zu beachten (vgl. Erster Teil). Nachfolgend werden die dabei entstehenden Herausforderungen bei der Implementierung der Phase eins bis drei des 3-Phasen-Modells zur Einführung einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung diskutiert. Ein Ergebnis der empirischen Untersuchung aus dem Fünften Teil zeigt, dass bei 83 Prozent der befragten Unternehmen der NPS als Führungsinstrument der einheitlichen Ausrichtung und Weiterentwicklung der Unternehmensorganisation auf mehr Kundenfokus dient. Gleichzeitig sehen 84 Prozent der Unternehmen die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter als die wesentliche Herausforderung bei der Einführung des NPS im Unternehmen an. Ein möglicher Weg zur Überwindung solcher Verhaltenswiderstände kann der Grad und die Form der Mitarbeiterbeteiligung bei der Umsetzung der NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung und der daraus abgeleiteten, gewünschten Verstärkung des Kundenfokus als Teil der zu entwickelnden Unternehmenskultur sein. Ein von Anfang im Rahmen der Projektbegleitung der ersten Phase zwischen den Ebenen der objektiven Kundendaten und der subjektiven Kundenwahrnehmung mit Hilfe vorbereitender Analyse, folgender Workshops und direktem Kundendialog integrierender Prozess kann die Identi-
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Jan Van Riet und Markus Kirsch
fikation mit den beabsichtigten Veränderungen und deren Unterstützung entsprechend fördern (Bea und Haas, 2009). So wird gleichzeitig die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur gefördert, die Verbindung zur bestehenden Organisationsstruktur hergestellt und die Führung der Mitarbeiter in Richtung verbesserter Kundenorientierung ermöglicht (vgl. Erster Teil). Mittels des Einsatzes geeigneter Informationssysteme werden außerdem die ermittelten Kundendaten innerhalb der Organisation bereitgestellt und die gewollte Transparenz der Sicht des Kunden umgesetzt. Die interaktive Auseinandersetzung mit der „Stimme des Kunden“ und den kritischen „Momenten der Wahrheit“ und damit die Schließung der „Leistungslücke“ in der Wahrnehmung der angebotenen Leistungen und Services (Bain & Company, 2005) schafft die Voraussetzungen für die zweite Phase der NPS-basierten Kundenorientierung, das heißt den Kunden aktiv durch die Verbesserungen der eigenen Leistungen zu begeistern und verstärkt an das eigene Unternehmen zu binden. Nach der Phase des „Verstehens“ der Kundensicht kommt es in den nächsten Phasen des „Bindens“ der Kunden und des „Wachsens“ mit den Kunden auf die Fähigkeit der einzelnen Beteiligten, der Funktions- oder Prozessbereiche und der gesamten Organisation an, aus den Ergebnissen zu „lernen“ und dementsprechend Veränderungen und Neuerungen zur Verbesserung der Kundenerfahrung, der Kundenzufriedenheit und der Kundenbindung umzusetzen. Eine starke, unternehmensweite homogene Kultur oder ausgeprägte, heterogene Subkulturen einzelner Bereiche können die Lernfähigkeit des Unternehmens, besonders das Double-Loop Learning, aber auch strukturelle Anpassungen, Innovationen oder strategische Neu-Orientierungen, behindern. Mögliche negative Wirkungen, die dem Ziel der kundenorientierten Veränderung entgegenstehen, sind die Neigung zur Selbstüberschätzung, eine fehlende Umweltsensibilität und ein Konformitätsdruck, der neues Denken erschwert (Beas und Haas, 2009). Diesen möglichen negativen Einflüssen einer bestehenden Unternehmenskultur kann wiederum am besten durch die intensive Beteiligung der Mitarbeiter und Führungskräfte im Prozess der Aufarbeitung der NPSErgebnisse und der Ableitung von Aktionsplänen mittels entsprechend kooperativ gestalteter und moderierter Workshops zur Integration der objektiven und subjektiven Ebenen der Wahrnehmung aller Beteiligten begegnet werden. Darüber hinaus hat die Unternehmensführung im Sinne der „Executive Sponsorship“ eine wichtige Funktion: Sie kann einerseits durch ein eindeutiges Bekenntnis zur Strategie und gewünschten Kultur der Kundenorientierung eine integrative und motivierende Rolle einnehmen, und
Konzeption und Nutzung des Net Promoter® Score
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andererseits durch Sicherstellung einer proaktiven Einbindung der Mitarbeiter in den kundenorientierten Lernprozess Widerstände in Form von Bereichsdenken oder Bereichsegoismen sowie individueller Ängste vor Kompetenzverlust abbauen (Lorange, 1998). Die im Rahmen des vorgestellten 3-Phasen-Modells angewandten Prozesse sind darauf ausgelegt, diese Herausforderungen der Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung konsequent durch eine entsprechende interaktive und iterative Vorgehensweise zu berücksichtigen. Eine weitere Herausforderung bei der Umsetzung der Phasen des „Bindens“ und „Wachsens“ liegt in den Anforderungen an die Organisationsstruktur. Die erfolgreiche Einführung der NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung hängt maßgeblich von einer positiven organisatorischen Verankerung und vor allem Verantwortungszuweisung ab. Das Ziel des NPS als unternehmensübergreifende Schlüsselkennzahl ist es, einen einheitlichen Maßstab, über alle Abteilungen und organisatorischen Trennungen hinweg, für die Qualität der Kundenorientierung im Unternehmen zu liefern. In Kombination mit dem Ausbau der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit in Form von Teamorganisationen und einer verstärkten Prozessorientierung, und letztlich der Erweiterung der Entscheidungs- und Handlungskompetenzen der Mitarbeiter kann eine NPSbasierte Kundenorientierung im Unternehmen eine Selbststeuerungswirkung erzeugen, die über Organisationsstrukturen hinweg wirkt, insbesondere sobald sie als integraler Bestandteil der Unternehmenskultur wahrgenommen und gelebt wird. Der Selbststeuerungsprozess kann darüber hinaus durch den Einsatz und vor allem die Nutzung eines entsprechenden NPS-Informationssystems durch die Mitarbeiter und das Management gefördert werden. Mit Hilfe eines solchen IT-gestützten Systems zur Erfassung der NPS-Kundendaten wird eine regelmäßige Analyse und Ableitung entsprechender Maßnahmen zur Verbesserung der Kundenerfahrungen auf allen Unternehmensebenen erleichtert und der interne und externe Kommunikationsprozess bezüglich der Ziele und Verbesserungen der Kundenorientierung gefördert. Vergleichbar zu den üblicherweise in den Unternehmen etablierten Controlling-Prozessen der Umsatz-, Kosten- und Ertragsentwicklung besteht mit Hilfe eines kundenorientierten Informationssystems auf Grundlage des NPS die Möglichkeit, auch die Kundenbeziehungen und Kundenbindung in das Unternehmens-Controllings zu integrieren und als revolvierenden Geschäftsprozess zu managen. Diese unternehmensübergreifende Integration eines kundenorientierten Managements kann durch
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Jan Van Riet und Markus Kirsch
eine entsprechende Personalentwicklung zur Stärkung der kundenorientierten Sozial-, Methoden- und Prozesskompetenz gefördert werden (Raps, 2004) und durch, auf ein für die Kundenorientierung förderliches Verhalten einwirkendes, und mit den NPS-Ergebnissen verbundenes Anreiz- und Vergütungssystem ergänzt werden. Die zu managenden Herausforderungen einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung verlangen von einer Unternehmensleitung nach allen praktischen Erfahrungen Ausdauer und Geduld, wenn das Ziel, das gesamte Unternehmen und seine Mitarbeiter auf mehr Kundenorientierung auszurichten und dies zu einem gelebten Bestandteil der Unternehmenskultur werden zu lassen, erreicht werden soll (Owen und Brooks, 2009). Eine steigende Kundenloyalität und damit höheres und nachhaltigeres profitables Wachstum für das eigene Unternehmen erscheinen jedoch ein fairer Lohn für diese Anstrengungen (Reichheld und Seidensticker, 2006). 3
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Customer-Relationship-Management-Integration des Net Promoter® Score Uwe May, Robert Asal und Marcus Hilmer
1
CRM und NPS – Status und Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2
NPS als Teil der kundenorientierten Prozesse im Unternehmen . . . . . . . . 87
2.1 2.2
Interne und externe Dimension des NPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 NPS als Grundlage für Managemententscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
3
Unterstützung von NPS mit Hilfe CRM-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3
CRM-Systeme – Status Quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Architektur von CRM-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikatives CRM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operatives CRM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analytisches CRM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemintegration (Enterprise Application Integration) . . . . . . . . . . . . . . Integration von NPS in das CRM-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuordnung der Hauptprozessbereiche des NPS zu CRM-Funktionalitäten Integration bestehender NPS-Systeme in die CRM-Lösung . . . . . . . . . . . Bewertung von CRM-Systemen im Rahmen des Net Promoter Score . . .
90 92 92 93 94 95 95 95 99 99
4
NPS schafft mehr Wert mit CRM-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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Uwe May, Robert Asal und Marcus Hilmer
CRM und NPS – Status und Möglichkeiten
Die Bedeutung ganzheitlicher Kundenorientierung für die Unternehmensführung und die Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung des NPS ergeben, sind in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich dargestellt worden. Die für die Anwendung des NPS notwendige und aus der Durchführung entstehende Datenmenge macht eine Unterstützung durch ein leistungsfähiges IT-System zwingend notwendig. Dies ist bei den ersten Überlegungen der ‚Erfinder‘ des NPS auch bereits erkannt worden und hat zur Gründung von Satmetrix (www.sat metrix.com) geführt. Hier wird die Messung des NPS auf Basis eines „Software-as-a-Service“-Konzeptes (SaaS) durchgeführt. Der Kunde zahlt eine periodische Gebühr und erhält dafür auf Basis seiner angelieferten Daten entsprechende umfassende Analysen. Für verschiedene Anwendungsbereiche (B2B, B2C, Service, HR) werden unterschiedliche Anwendungen angeboten. An dieser Stelle könnte die Untersuchung mit dem Befund enden: Ja, es gibt genug IT-Unterstützung. Doch Erfahrung schärft den Blick: – Wo überall im Unternehmen fallen kundenbezogene Informationen an? – Wer alles weiß davon und zu welcher Zeit? – Wie lange hat es von der letzten Kundenzufriedenheitsumfrage bis zur Maßnahmenumsetzung gedauert? – Ist dort wirklich etwas passiert? – Wie viel Geschäft ist aus der letzten Kampagne wirklich entstanden? – Haben alle im Kundenkontakt stehenden Personen wirklich etwas davon mitbekommen? Oft genug können auf diese Fragen keine wirklich zufriedenstellenden Antworten gegeben werden. Wichtige kundenbezogene Informationen fehlen an den richtigen Stellen im Kundenkontakt. Ganzheitliche Kundenorientierung erfordert eine umfassende Integration der kundenbezogenen Prozesse (vgl. Erster Teil). Gilt diese allgemeine Feststellung auch für den NPS? Die Betrachtung einiger Prozessdetails verschafft hier Klarheit: – NPS Umfragen sind Teil der Kundenkommunikation – wie erfolgt die Abstimmung mit anderen Maßnahmen/Kampagnen? – Im Kommentarfeld sind wichtige Informationen für das direkte Feedback – wie werden diese verwendet?
Customer-Relationship-Management-Integrationdes Net Promoter® Score
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– Detraktoren müssen ggf. sofort kontaktiert werden – erfolgt das und wie wird der weitere Prozess gesteuert? – Die analytischen Erkenntnisse müssen in Verbindung mit anderen Kunden-Analysen gebracht werden – Auswirkungen auf den Kundenwert und sich daraus ableitende Änderungen der Betreuung müssen umgesetzt werden – passiert dies und wie lange dauert es? Die oben genannten Systeme konzentrieren sich ausschließlich auf die NPS-Prozesse. Die notwendige, direkte operative Umsetzung wird mit den bestehenden Möglichkeiten daher derzeit nicht abgedeckt. Während produktions- und logistikbezogene Daten schon lange sehr intensiv integriert werden, steht diese Entwicklung bei kundenbezogenen Informationen noch immer relativ am Anfang. Obwohl es mittlerweile in vielen Unternehmen CRM-Systeme gibt, die genau diesen Bereich abdecken, finden sich in der betrieblichen Praxis immer noch eine Fülle von Zusatzsystemen und isolierten Daten. Dabei stellt jede weitere Abbildung eines Prozesses im vorhandenen CRM-System eine verbesserte Ausnutzung der getätigten Investition dar. Kann eine Prozessunterstützung für die Umsetzung des NPS mit Hilfe eines CRM-Systems erfolgen? Um diese Frage zu beantworten, werden im Folgenden die NPS-Prozesse in den Kontext der Kundenorientierung eingeordnet und untersucht, inwieweit sie sich mit Hilfe eines CRM-Systems abbilden lassen. Im Vordergrund steht dabei die Möglichkeit, zusätzlichen Nutzen aus der vollständigen Integration zu erzielen. Eine Lösung der o. a. Probleme sollte möglich sein. Ein eventuell verstärkter Effekt aus der verbesserten Nutzung bestehender Investitionen wäre eine willkommene Nebenwirkung.
2
NPS als Teil der kundenorientierten Prozesse im Unternehmen
Wie bereits erwähnt, kann der Net Promoter® Score (NPS) ein zentraler Indikator einer ganzheitlichen Kundenorientierung sein. Ziel dieser Ausrichtung ist es, eine dauerhafte und profitable Beziehung zum Kunden zu etablieren. Eingebettet in die Customer Relationship Management (CRM) Strategie eines Unternehmens unterstützt der NPS dabei, dass sowohl die Organisation als auch die kunden- und marktnahen Prozesse optimal auf den Kunden und seine Zufriedenheit ausgerichtet sind: Zufriedene Kunden verhalten sich in der Regel gegenüber den Unternehmen loyaler und bilden
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Uwe May, Robert Asal und Marcus Hilmer
durch ihr Verhalten die Grundlage für künftiges Wachstum (Reichelt, 2006, S. 109). Um diese Wachstumschance für sich zu nutzen und vollkommene Kundenorientierung leben zu können, „Total Customer Orientation“ (May, 2010) also konsequent umzusetzen, ist das Spannungsfeld Mensch, Prozess und Technologie im Unternehmen aufgelöst. Es herrscht ein Gleichgewicht der Kräfte: Die Mitarbeiter erachten es als selbstverständlich, dem Kunden die bestmögliche Betreuung und den besten Service zu bieten. Entsprechendes Verhalten und Auftreten ist in der Organisation verankert, akzeptiert und wird auch unter Kollegen aktiv eingefordert. Alle Prozesse in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service sind klar definiert, die Verantwortlichkeiten und Rollen innerhalb der Prozessschritte zugeordnet und es erfolgt eine regelmäßige Überprüfung auf Effektivität und Effizienz. Darüber hinaus können die Mitarbeiter auf technologische Unterstützung, CRM-Systeme, zurückgreifen und werden so optimal in ihrer Arbeit unterstützt. Idealerweise wird das daraus resultierende Selbstverständnis eines Unternehmens in einem CRM-Leitbild formuliert, um so eine Vergemeinschaftung der Sichtweise und des daraus abzuleitenden Handelns in der Organisation sicherzustellen. 2.1
Interne und externe Dimension des NPS
Die durch die Befragung gewonnenen Erkenntnisse stellen eine wertvolle, reichhaltige Informationsquelle dar. Sie ermöglichen es, einerseits die eigenen Produkt- und Leistungsprozesse zu analysieren, andererseits den Kunden, seine Sichtweisen und Bedürfnisse in seiner Komplexität besser zu verstehen. Das Kundenwissen aus NPS, verstanden als Wissen über den Kunden, hilft dabei, Schwachstellen im Verhalten der Organisation und in den Prozessen aufzudecken und stellt somit die interne Dimension von NPS dar. Die Anmerkungen und Kommentare der Kunden bieten die Chance, Missstände und Defizite zu beseitigen und durch Optimierung der Prozesse das Auftreten gegenüber dem Kunden weiter zu professionalisieren. Um dies leisten zu können, ist eine konsequente Abarbeitung notwendig. Nachdem das Kundenfeedback im Unternehmen vorliegt, werden die Kommentare zeitnah analysiert und intern bewertet. Die daraus resultierenden, notwendigen Maßnahmen werden gemäß einem Standardprozess bearbeitet: Je nach Wahrscheinlichkeit, mit der ein Kunde das Unternehmen weiterempfiehlt, nehmen Mitarbeiter Kontakt mit dem Kunden
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auf und versuchen, die Ursache für die Unzufriedenheit zu verstehen bzw. zu identifizieren. Auf diese Art können auch Angebote formuliert werden, um die Zufriedenheit (wieder) herzustellen. Die Schnelligkeit der Kontaktaufnahme erfordert direkte Wege, so dass im Idealfall keine zentrale Stelle, z. B. ein Call Center, mit dem Kunden kommuniziert, sondern Mitarbeiter aus den von der Rückmeldung betroffenen Bereichen. Nach dem Gespräch mit dem Kunden erfolgen die Dokumentation der Ergebnisse und die Rückkoppelung mit der Organisation. Durch diese gezielte Abarbeitung von negativem Feedback werden die internen Prozesse weiter optimiert und Fehler künftig vermieden. Aus passiv zufriedenen Kunden werden Promotoren, Detraktoren werden passiv zufriedene! Das Kundenwissen kann aber auch gezielt in Marketingkampagnen, im Vertrieb, vom Service oder auch durch die Produktentwicklung genutzt werden. Unternehmen können zielgruppenspezifisch agieren und die Kundensicht in den Vordergrund stellen. Diese Dimension des NPS wirkt extern und ermöglicht dem Unternehmen eine nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Veränderung des Konsumentenverhaltens den Markt von einem Anbieter- in einen Käufermarkt transferiert hat und die ökonomische Gesamtbedeutung eines Kunden Unternehmen zwingt, eine optimale Ressourcenallokation (monetär und personell) vorzunehmen (May, Sallach und Asal, 2005). Unter Berücksichtigung der Kategorisierung des Kunden (Promoter, passiv Zufriedener, Detraktor) werden in Unternehmen Kampagnen gesteuert: teure und aufwendige Kampagnen und Marketingmaßnahmen werden gezielt für Promotoren und passiv Zufriedene eingesetzt, günstige und einfache Kampagnen für Detraktoren. Allerdings sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass es ggf. sinnvoll ist, über entsprechende Marketingkampagnen Detraktoren anzusprechen und so zu versuchen, ihr Verhalten bzw. ihre Einstellung zu verändern. In Vertrieb und Service wird die vollständige Kundenorientierung ebenfalls durch eine differenzierte Betreuungsstrategie umgesetzt: Dies kann bedeuten, dass kritische Kunden z. B. verstärkt über kostengünstige Vertriebskanäle versorgt werden oder z. B. im Service weniger Kulanzleistungen als passiv Zufriedene oder Promotoren erhalten. Dabei steht die Annahme im Vordergrund, dass Kritiker sich in der Regel häufiger beschweren und somit mehr Servicemitarbeiter binden (Reichelt, 2006, S. 47).
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2.2
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NPS als Grundlage für Managemententscheidungen
Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem NPS und seinen Segmenten stellt auch für das Management eine wichtige Grundlage für strategische Entscheidungen dar. Sowohl mit Hilfe des transaktionalen als auch des relationalen NPS können Trends in der Kundenzufriedenheit erkannt und geeignete Maßnahmen abgeleitet werden. Somit steht ein Frühindikator zur Verfügung, der nicht nur mögliches Wachstum prognostiziert, sondern auch mögliche Abwanderungstendenzen aufzeigen kann. Durch die eingehende Analyse des Kundenbestandes können gezielt segmentspezifische Strategien entwickelt und umgesetzt werden (Reichelt, 2006, S. 115ff.). Ziel ist dabei wiederum das nachhaltige Wachstum. Die Analyse des Kundenbestandes und die erfolgreiche Umsetzung der Kundenorientierung erfordert technologische Unterstützung. Um das Potential der beiden Dimensionen des NPS zu heben, ist es aus unserer Sicht notwendig, eine Unternehmensbereich-übergreifende Integrationsplattform zu nutzen. In ihr erfolgt die Planung, Durchführung und Steuerung der Produkt- und Leistungsprozesse und auch die Erhebung und Analyse des NPS. CRM-Systeme können diese, für das Geschäft relevanten, kundenbezogenen Prozesse unterstützen. Ziel muss es dabei sein, dass das CRM-System das Problem redundanter Datenhaltungen lösen kann, die unternehmensspezifischen Prozesse weitestgehen im Standard unterstützt und im ausreichenden Maße Analysen möglich sind. Eine Untersuchung der Eignung von CRM-Systemen ist folglich notwendig. 3
Unterstützung von NPS mit Hilfe CRM-Systemen
Bevor diese Eignungsprüfung von CRM-Systemen für den Net Promoter® Score (NPS) durchgeführt wird, ist zunächst eine funktionale, prozessuale und technologische Betrachtung dieser Systeme notwendig. Im Folgenden soll daher ein kurzer Überblick über CRM-Systeme und deren Architektur gegeben werden, um anschließend aufzuzeigen, wie das Verfahren des NPS in ein CRM-System integriert werden kann (und welche Vorteile sich daraus ergeben). 3.1
CRM-Systeme – Status Quo
In der Anfangszeit des CRM, Mitte bis Ende der 90er Jahre, wurde oft versucht, durch die Einführung einer Softwarelösung Kundenbeziehungs-
Customer-Relationship-Management-Integrationdes Net Promoter® Score
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management zu betreiben. Schnell kam aber die Erkenntnis, dass erfolgreiches CRM mehr ist, als nur die Verwendung einer Software, und die Kundenorientierung Bestandteil der ganzheitlichen Unternehmensstrategie werden muss (Hippner und Wilde, 2002; Wolf, 2002). Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass die Anforderungen an eine Hard- und Softwarelösung ständig umfangreicher wurden, da die Komplexität der Daten und Prozesse ebenfalls stetig anstieg. Aus unabhängigen Insellösungen je Abteilung oder Tochtergesellschaft, in denen nur kundenspezifische, isolierte Daten gespeichert waren, entstanden zentrale CRMSysteme mit einem großen Leistungs- und Funktionsumfang. Folgende Anforderungen an ein CRM-System sind heute in der Praxis anzutreffen: – Konsolidierte und einheitliche Sicht auf Kundendaten inkl. Kontakthistorie – Einheitliche und aktuelle Produktstammdaten – Unterstützung von Marketing, Vertrieb und Service in der täglichen Arbeit – Systemgestützte Kommunikation aller Beteiligten ohne Medienbruch – Optimierung und Konsolidierung von Informationen und Prozessen – Bereitstellung aller notwendigen Informationen jederzeit und an jedem Ort – Bedarfsgerechtes Reporting auf allen Ebenen zur Steuerung von Marketing, Vertrieb und Service – Automatisierung von Prozessen und Bereitstellung von Workflows – Internationalisierung und Mandantenfähigkeit – Integration des Systems in die existierende IT-Landschaft – Zugriff über mobile Endgeräte, wie z. B. iPhone oder BlackBerry Welche Zielsetzungen dabei durch CRM und den Einsatz einer Hard- und Softwarelösung aktuell verfolgt werden, zeigt das CRM-Barometer von Capgemini (2007): – – – – – – –
Kundenbindung erhöhen Vertriebseffizienz steigern Kundenwissen aufbauen Cross-/Up-Selling Marktanteil steigern Marktverständnis aufbauen Bekanntheitsgrad erhöhen
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Die mit Abstand wichtigste Zielsetzung, die 92% der Befragten teilen, ist die Erhöhung der Kundenbindung. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie (BBDO-Consulting, 2009) unter Marketing-Entscheidern. Diese sehen die Verbesserung der Kundenbeziehung als eines der wichtigsten Ziele, wobei hier unter anderem die Analyse der Kundenzufriedenheit zu den Top-5 Maßnahmen zählt, um das Ziel zu erreichen. 3.2
Architektur von CRM-Systemen
Die bereits zuvor erwähnten Anforderungen an ein CRM-System und damit verbundenen Zielsetzungen haben dazu geführt, dass sich aus den existierenden Softwarelösungen komplexe und zentralisierte Systeme entwickelt haben, welche die unterschiedlichen Bereiche (vgl. Abb. 1) des CRM abdecken.
Abbildung 1: Architektur eines CRM-Systems
3.2.1 Kommunikatives CRM Unter kommunikativem CRM wird die Verwendung und Integration der verschiedenen Kontaktkanäle, wie z. B. Telefonie oder E-Mail, im Dialog mit den Kunden verstanden. Über das sog. Multi-Channel-Management werden alle eingehenden und ausgehenden Kontakte mit dem Kunden geführt und im System protokolliert. Hierfür werden verschiedenste Schnittstellen und Funktionalitäten zur Verfügung gestellt. Dazu zählen unter anderem: – Computer-Telephony-Integration (CTI) für die Integration von Telefonanlagen
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– Webservices für die Einbindung von Internet-Applikationen – E-Mail-Response-Management-Systeme (ERMS) für die automatisierte Analyse und Bearbeiterzuordnung von eingehenden E-Mails Diese Funktionalitäten stehen unabhängig von Prozessen zur Verfügung und können in allen Bereichen des operativen CRM angewendet werden. 3.2.2 Operatives CRM Das operative CRM ist als Kernbestandteil eines CRM-Systems für die Haltung von Stammdaten und die Verwaltung von Marketing-, Vertriebsund Service-Prozessen verantwortlich. Hierbei werden einerseits die einzelnen Aufgaben in den jeweiligen Bereichen unterstützt, auf der anderen Seite ermöglichen die vorhandenen Funktionalitäten die Automatisierung einzelner Aufgaben oder gesamter Geschäftsprozesse. Tabelle 1 gibt einen Überblick der unterstützenden Funktionen: Tabelle 1: Funktionsüberblick eines CRM-Systems Bereich
Funktionalität
Stammdaten
Haltung von Kundendaten (Gruppen, Firmen, Personen) mit Kontaktinformationen, Funktion, Status und zusätzlichen Attribute Abbildung von Beziehungen, Netzwerken und Hierarchien Haltung von Produktdaten Abbildung der Unternehmensorganisation und Mitarbeitern
Marketing
Marketing- und Kampagnenplanung Segmentierung von Zielgruppen Kampagnenausführung über alle Kanäle Verwaltung und Bearbeitung von Leads Erfassung von Kampagnenrückläufern
Vertrieb
Verwaltung und Planung von Terminen und Aufgaben Absatzplanung und Erfassung von Verkaufschancen Angebots- und Auftragsverwaltung inkl. Preisfindung und Verfügbarkeitsprüfung (Fortsetzung auf S. 94)
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Tabelle 1: Fortsetzung Bereich
Funktionalität
Service
Verwaltung von Serviceverträgen und Garantien Abwicklung von Serviceaufträgen und Garantieanträgen Kundenkontakt-Center
Übergreifende Funktionen
E-Mail Response Management Bounce Management Fragebögen Dokumentenmanagement Workflow-Management und Automatisierung Berechtigungswesen Mobile Anwendungen oder Zugang über mobile Devices
3.2.3 Analytisches CRM Im Rahmen des analytischen CRM werden die vorhandenen Informationen in Berichten oder Dashboards dargestellt. Die Anwendungsbereiche reichen von einfachen Auswertungen für einzelne Unternehmensbereiche bis hin zu Management-Reporting und Unternehmensberichten. Dazu werden die bekannten Analyse-Werkzeuge wie OLAP (Online Analytical Processing) und Data-Mining Methoden verwendet. Für das Reporting stellen die neuesten Versionen der namhaften Hersteller bereits in das CRM-System integrierte Mechanismen zur Verfügung, um schnell und einfach auf der bestehenden Datenbasis Analysen zu erstellen. Häufig handelt es sich hierbei um sog. OLTP-Reporting (Online Transactional Processing). Zusätzlich besteht aber auch die Möglichkeit, alle Daten in ein Data Warehouse (DWH) zu übertragen, um dort komplexere Abfragen zu erstellen oder Zusammenhänge mit anderen Daten, z. B. aus einem ERP-System oder externen Markdaten, zu schaffen. Hierfür stehen in der Regel bereits Schnittstellen für herstellereigene DWH oder namhafte Anbieter von DWH-Lösungen zur Verfügung. Aufgabe des analytischen CRM ist es vor allem, eine konsolidierte Sicht über die vorhandenen Daten zu geben, verdeckte Zusammenhänge aufzuzeigen und die Steuerung von Marketing, Vertrieb und Service zu unterstützen.
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3.2.4 Systemintegration (Enterprise Application Integration) Ein weiterer wichtiger Aspekt bei heutigen Lösungen des Kundenbeziehungsmanagement ist die nahtlose Integration in die bestehende IT-Landschaft. Das unter dem Schlagwort Enterprise Application Integration (EAI) bekannte Konzept zur Integration verschiedenster Systeme eines Unternehmens ist für das Beziehungsmanagement von großer Bedeutung. Nur durch diese Integration ist es möglich, die Kunden immer mit den notwendigen und aktuellen Informationen zu versorgen. Dies sollen folgende zwei Beispiele verdeutlichen: 1. Aus ERP-Systemen müssen immer aktuelle Produkt- und Produktionsinformationen abgegriffen werden können, um jedem Kunden die neuesten Produkte anzubieten und auch verlässliche Informationen über die Produktverfügbarkeit geben zu können. 2. Eine Schnittstelle zwischen Online-Shops oder einem Internet-Portal ist erforderlich, um auch über Bestellungen, die ein Kunde online getätigt hat, zu informieren oder um Feedback aus einem Kontaktformular im Unternehmen richtig zu verteilen.
3.3
Integration von NPS in das CRM-System
Wie bereits im Kapitel „NPS als Teil der kundenorientierten Prozesse im Unternehmen“ dargestellt, sollte die Messung und Analyse des NPS als Bestandteil des CRM-Leitbildes und der CRM-Strategie verwendet werden, um eine optimale Kundenausrichtung zu erreichen. Dies muss auch in den Prozessen aller relevanten Geschäftsbereiche berücksichtigt werden, und sollte daher in ein CRM-System integriert werden. Hierzu soll nun die Gegenüberstellung der einzelnen Schritte des NPSVerfahrens mit der Leistungsfähigkeit eines CRM-Systems erfolgen. 3.3.1 Zuordnung der Hauptprozessbereiche des NPS zu CRM-Funktionalitäten Die zur Messung und Analyse des NPS notwendigen Funktionalitäten, lassen sich aus dem 3-Phasen-Modell (vgl. Abb. 2) nach Benning & Company (vgl. Zweiter Teil, Beitrag 1) ableiten.
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• • •
“Stimme des Kunden” “Momente der Wahrheit” Wahrgenommene Leistungen & Service Verstehen
Kundenbegeisterung kreieren, um Kundenloyalität zu entwickeln Wachsen
• • •
Mobilisierung Wachstumsinitiativen Wert-Innovationen Veränderung der Einstellung/Haltung
Binden
• • •
Kunden-Feedback-Schleife Verbesserte Service-Leistungen Treiber für Vertrauen & Begeisterung
Abbildung 2: Das 3-Phasen-Modell zur Einführung einer NPS-basierten kundenorientierten Unternehmensführung
Phase 1 – Verstehen Kunden analysieren: Bevor eine Messung des NPS durchgeführt werden kann, sollten die Kundenbedürfnisse und die zugrundeliegende Datenbasis verstanden werden. Bereits hier bietet es sich an, auf Daten aus dem CRMSystem zurückzugreifen, da dort alle vorangegangenen Interaktionen mit dem Kunden vorgehalten werden und weitere Rückschlüsse aus dem Kaufund Kommunikationsverhalten des Kunden oder bereits vorhandenen Kundenwertanalysen gezogen werden können. Die transaktionalen Daten und analytischen Funktionen der CRM-Software unterstützen hierbei. Für die notwendige Segmentierung der NPS-Umfrage stehen ebenfalls Werkzeuge zur Verfügung, wobei hier einfache Segmentierungen über Attribute des Kunden erfolgen oder bei komplexeren Anforderungen die analytischen Funktionen zur Anwendung kommen. Zusätzlich können durch die Zuordnung der verantwortlichen Mitarbeiter auch automatisierte Freigaben eingeholt werden. Hier sollte jedoch unterschieden werden, ob eine Erhebung des transaktionalen (Variante 1) oder des relationalen (Variante 2) NPS durch-
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97
geführt wird. Die beschriebene Segmentierung bietet sich idealerweise für die Erhebung des relationalen NPS an. Für die Messung des transaktionalen NPS hingegen könnte der Schritt der Segmentierung entfallen, indem man die vorhandenen Workflow- und Automatisierungsmechanismen nutzt und die Erfüllung vordefinierter Kriterien als Trigger für eine Befragung anwendet. Messung aufsetzen: Unabhängig davon, welche der beiden genannten Varianten angewandt wird, kann die Multi-Channel-Fähigkeit der Lösung genutzt werden, um eine Erhebung durchzuführen. Ein Werkzeug, das dabei zum Einsatz kommt, ist die Kampagnenausführung, in der die Verwendung verschiedener Kanäle, wie Brief oder E-Mail, möglich ist. Die Berücksichtigung der präferierten Kontaktwege eines Kunden, die idealerweise im Kundenstamm vorgehalten werden, sollte hier stattfinden, sofern dies möglich ist. Auch für die Erfassung der Kundenantworten steht durch die InternetIntegration entsprechende Funktionalität bereit. Response-Vorgänge können durch einen integrierten Fragenbogen, der bereits in der Vorbereitung erstellt wurde, erfasst werden. Dabei können die Rückläufer über zuvor definierte Regelwerke automatisiert einem Bearbeiter zugeordnet werden. Dies kann der jeweils verantwortliche Kundenbetreuer, aber auch ein zentral für die NPS-Befragung zuständiger Mitarbeiter sein. Ergebnisse analysieren: Die Rückläufer können aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden und es lassen sich schnell erste Rückschlüsse auf das Responseverhalten (z. B. Responsequote) der Kunden ziehen und in Berichten darstellen. Durch die Integration der Daten in ein zentrales Data Warehouse (DWH) ist auch die Kombination der Umfrageergebnisse mit Daten aus anderen Systemen, wie z. B. Finanzkennzahlen aus dem Enterprise Resource Planning (ERP), möglich. Neben der Analyse der Ergebnisse sollte sowohl der transaktionale, als auch der relationale NPS eines Kunden in dessen Stammdaten-Attributen hinterlegt werden, um zu gewährleisten, dass jeder Mitarbeiter, der mit dem Kunden in Kontakt tritt, die Zufriedenheit auf einen Blick erkenn kann. Der NPS sollte hier gleichbedeutend mit anderen Kennzahlen, wie z. B. dem allgemeinen Kundenwert, behandelt werden. So ist auch sichergestellt, dass nach der Kommunikation von operativen und strategischen Maßnahmen jeder Mitarbeiter weiß, wie mit dem entsprechenden Kunden umzugehen ist. Ferner wird das Bild des Kunden mit jeder zusätzlichen Information differenzierter und dieser kann besser eingeschätzt werden.
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Phase 2 – Binden Die zur Bindung des Kunden definierten Maßnahmen können ebenfalls durch das CRM-System unterstützt werden. Vorgaben zur Verbesserung des Kundendialogs können zum Beispiel durch Segmentierungsmerkmale und eine entsprechende Kampagnenplanung realisiert und durch die Generierung von Aktivitäten (z. B. Besuchsplanung) können persönliche Kontakte des verantwortlichen Kundenbetreuers geplant werden. Mit diesen Maßnahmen kann ein intensiverer, wiederkehrender und verbesserter Kontakt zum Kunden realisiert und die Wahrnehmung des Kunden optimiert werden. Ebenso lassen sich automatisierte NPS-Erhebungen einplanen. Mit einer rollierenden Erhebung des NPS und wiederholten Bewertungen lässt sich so auch der Erfolg der operativen und strategischen Maßnahmen einfacher prüfen. Die zentrale und bereichsübergreifende Datenhaltung stellt außerdem sicher, dass Veränderungen im Kundenverhalten und die Zufriedenheit allen beteiligten Personen als Information zur Verfügung stehen und die Daten stets aktuell sind. Wichtig ist an dieser Stelle auch, dass die geplanten Maßnahmen, wie Kampagnen und Aktivitäten, durchgeführt werden. Hierbei kann das CRM-System durch Eskalations-Workflows unterstützen, die die entsprechenden Team-Leiter oder das Management informieren. Auch über das analytische CRM lässt sich der Erfolg der Maßnahmen messen.
Phase 3 – Wachsen Eine kundenfokussierte Mentalität in der Organisation lässt sich zwar nicht erzwingen, aber eine CRM-Lösung kann zum einen die Wahrnehmung für die Kundenorientierung erhöhen und zum anderen eine entsprechende organisatorische Ausrichtung fördern, indem ein einfach zu bedienendes und intuitives System die täglichen Arbeitsabläufe unterstützt. Die Realisierung der im Rahmen der NPS-Messung definierten Maßnahmen kann außerdem im System unterstützt werden. Ein Beispiel hierzu sind Incentive-Programme, die im Preismodell bei Vertriebsprozessen berücksichtigt werden. Weitere unterstützende Funktionen in Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen können das Wachstum ebenso fördern und die Kundenausrichtung unterstreichen.
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3.3.2 Integration bestehender NPS-Systeme in die CRM-Lösung Wie bereits in der funktionalen Bewertung der CRM-Systeme dargestellt, ist die Integration von weiteren IT-Systemen gängige Praxis. Dies kann auch bei der Anwendung des NPS von großem Vorteil sein, sofern ein Drittanbieter-Tool, wie zum Beispiel das von Satmetrix, für die prozessuale Abbildung verwendet wird. Anstatt alle Funktionen und Prozesse dieser bereits etablierten Systeme im Rahmen des CRM abzubilden, können diese über gängige Verfahren wie WebServices oder eine serviceorientierte Architektur in die CRMLösung integriert werden. Dies hätte zur Folge, dass jeder Mitarbeiter mit Zugang zu einem CRMSystem und der entsprechenden Berechtigung nahtlos auf die Daten der genannten Systeme zugreifen kann, ohne dabei die Plattform wechseln zu müssen. Auf diesem Weg wäre ebenso sichergestellt, dass die notwendigen Informationen über die Kundenzufriedenheit im Rahmen der kundenorientierten Prozesse zur Verfügung stehen, ohne jedoch Anpassungen am bestehenden System vornehmen zu müssen. 3.3.3 Bewertung von CRM-Systemen im Rahmen des Net Promoter Score Die Verwendung eines CRM-Systems als Integrationsplattform in einem kundenorientierten Unternehmen hat sich bereits in vielen Fällen bewährt. Nach der eben erfolgten Gegenüberstellung der drei Phasen der NPSMessung und Analyse zeigt sich, dass auch hier die Verwendung eines CRM-Systems angebracht ist, da es keine funktionalen Einschränkungen durch eine CRM-Software gibt und sich viele Mehrwerte für alle kundenbezogenen Organisationseinheiten ergeben. Ferner besteht mit dem NPS die Möglichkeit, eine weitere Dimension zur Kundenbewertung und -klassifizierung im Rahmen der bereits bestehenden und auf den Kunden ausgerichteten Prozesse und Aufgaben heranzuziehen. Dies ergibt neue Potentiale bei der ganzheitlichen Betrachtung der Kunden- und der Optimierung aller Marketing-, Vertriebs- und Serviceleistungen.
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NPS schafft mehr Wert mit CRM-Systemen
Ja, zusammenfassend lässt sich feststellen, dass man den NPS mit Hilfe eines CRM-Systems IT-seitig unterstützen kann, sei es durch die direkte
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Abbildung der notwendigen Prozessschritte oder die Integration bestehender NPS-Systeme. Warum es sinnvoll ist, CRM-Systeme zur Unterstützung der Abbildung des NPS zu nutzen, belegen die folgenden Punkte: – Die Planung von NPS-Befragungen findet im Kontext der gesamten Kundenkommunikation (Kampagnen-Management) statt. – Erforderliche Aktivitäten und Workflows erfolgen auf Basis der definierten Standardkommunikationswege – es entsteht keine Parallelwelt. – NPS-Scores können mit anderen Key Performance Indikatoren (KPIs) zur Kundenorientierung einheitlich analysiert und für die Unternehmenssteuerung genutzt werden. – Alle relevanten Kundeninformationen und Aktivitäten sind zentral verfügbar – dies erhöht die Akzeptanz der Benutzer. – Das vorhandene System ist nutzbar – es bedarf keiner Neuanschaffung. – Das vorhandene Wissen (Anwender und CRM-Systembetreuung) ist nutzbar. Voraussetzung für die Realisierung dieser Mehrwerte ist, dass es sich um ein modernes, flexibles und leistungsfähiges CRM-System handelt. Nur bei einem ausreichend flexiblen System besteht die Möglichkeit, einen solchen Ansatz umzusetzen. In vielen Unternehmen sind solche Systeme bereits im Einsatz – oft genug jedoch werden die Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt. Die Nutzung des vorhandenen CRM-Systems für die Unterstützung des NPS bietet daher ein doppeltes Wertpotential: 1. Nahtlose Integration der NPS-Prozesse in die tägliche Arbeit am und mit dem Kunden 2. Verbesserte Nutzung bereits getätigter Investitionen Das alles sollte Grund genug sein, besser heute als morgen zu starten. 5
Literaturverzeichnis
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Kundenorientierte Unternehmensführung – Funktionen und Aufgaben einer externen Beratung Siegfried Greif und Elke Benning-Rohnke
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Beratung und Begleitung durch Externe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
2
Nutzen externer Berater bei der Einführung des NPS . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.1 2.2
Erforderliche grundlegende Veränderungen bei kundenorientierten Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Gründe für externe Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
3
Anforderungen an externe Berater in NPS-Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . 107
3.1 3.2
Anforderungen und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Überwindung der Umsetzungsschwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
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Beratung und Begleitung durch Externe
Die organisationalen Entwicklungsprozesse zur Implementierung einer kundenorientierten Unternehmensführung erfordern Erfahrungen und Kompetenzen in der Durchführung und Auswertung von Befragungen mit dem Net Promoter Score (NPS). Da es nicht zu den Routineaufgaben der Führung gehört, derartige Projekte durchzuführen und daraus abgeleitete Veränderungen zu planen und umzusetzen, ist es nahe liegend, sich dafür Unterstützung durch externe Berater/innen zu holen. In der folgenden Darstellung wird dargestellt, worauf es bei der Beratung und Begleitung kundenorientierter Veränderungen durch Externe ankommt. In der Beratung von Unternehmen lassen sich verschiedene Beratungskonzepte unterscheiden. Gebräuchlich ist die Unterscheidung zwischen (1) Fach- oder Expertenberatung und (2) Organisationsentwicklung (vgl. Bamberg, Schmidt und Hänel, 2006). Die Fachberatungskonzepte berufen sich auf Pioniere im 19. Jahrhundert wie den Ingenieur Arthur D. Little (Niedereichholz, 2001, S. 5). Sie stützen sich auf strukturierte Analyseund Beratungsmethoden und vermitteln den Unternehmen fachspezifisches Expertenwissen. Die Beratungskonzepte zur Organisationsentwicklung gehen dagegen auf gruppendynamische Methoden des Sozialpsychologen Kurt Lewin und seiner Schüler und erste Seminare in den 1960er Jahren zurück (vgl. Schein, 1995). Ihr Hauptziel ist Förderung von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen in der Organisation durch Einbeziehung und Partizipation der Betroffenen. In diesem Feld sind heute systemische Beratungskonzepte aktuell (vgl. Königswieser & Exner, 2008). Ein ungelöstes großes Problem der Praxis ist, dass organisationale Veränderungen oft ihre gesetzten Ziele nicht erreichen. Als Ursachen werden Managementschwächen, vor allem aber eine Umsetzungsschwäche von Unternehmensberatern angesehen (Greif et al., 2004, S. 231ff.; Handler, 2007, S. 1ff.). Nach dem klassischen Fachberatungskonzept ist allerdings die Umsetzung allein Aufgabe der Unternehmen. Die Aufgaben der Berater liegen dagegen nur in der Durchführung und Auswertung von Analysen und in der Entwicklung von Lösungsvorschlägen. Die Kritik der Umsetzungsschwäche von Unternehmensberatern beruht deshalb nicht nur auf fehlenden Beraterkompetenzen, sondern ist zumindest teilweise konzeptionell und durch das Selbstverständnis von Beratern bedingt. In den letzten Jahren wurden aber Beratungskonzepte gefordert, die Fachberatung, Organisationsentwicklung und eine Beratung der Umsetzung der angestrebten Lösungen integrieren (Greif, Runde und Seeberg, 2004; Handler,
Kundenorientierte Unternehmensführung
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2007). NPS-Projekte erfordern grundsätzlich ein integratives Beratungskonzept, das eine Fachberatung zu den Voraussetzungen einer kundenorientierten Unternehmensführung, Interventionen zur Förderung der Organisationsentwicklung sowie die Beratung und Begleitung der Umsetzung der Veränderungen umfasst. Im Folgenden werden die Gründe für externe Beratung, allgemeine Kernfunktionen der Beratung sowie die speziellen Anforderungen bei NPS-Projekten an die Berater und ihre Kompetenzen wiedergegeben. 2
Nutzen externer Berater bei der Einführung des NPS
2.1
Erforderliche grundlegende Veränderungen bei kundenorientierten Verbesserungen
Aus den Analysen mit dem NPS lassen sich in der Regel Veränderungen der Strategie, der Aufgaben, Strukturen und Prozesse der Organisation ableiten. Für Verbesserungen der Strategie ist es erforderlich, Analysen zu den potenziellen Erfolgstreibern für Wachstum und Profitabilität durchzuführen und daraus die wesentlichen Schlüsse für die Strategieentscheidungen zu ziehen. Kundenpotenziale und -bedürfnisse müssen erfasst und so aufbereitet werden, dass eine effektive und effiziente Marktstrategie formuliert werden kann. Aus den re-formulierten Zielen ergeben sich kundenorientiere Veränderungen der Aufgaben in den Arbeitsbereichen. Wenn sich herausstellt, dass Arbeitsteilung und Strukturen nicht optimal kundenorientiert aufgestellt sind, wären strukturelle Veränderungen erforderlich. Auf der prozessualen Ebene zeigen sich Veränderungsbedarfe häufig schon aus der Beschäftigung mit dem Datenmaterial. Diese Daten werden durch die Rückmeldungen der Kunden weiter angereichert und vertieft. Wenn beispielsweise die Kunden zu lange Lieferzeiten oder Reaktionszeiten bei Beschwerden monieren, ist dies Anlass, die Prozesse zu analysieren und zu verkürzen. Erfahrungsgemäß liefert eine Kundenbefragung mit dem NPS eine Vielzahl wesentlicher Hinweise zu Möglichkeiten der Veränderungen der Abläufe und Prozesse. Werden sie mit den strategischen Zielen des Unternehmens integriert, sind grundlegende Voraussetzungen hergestellt, um die erwünschten Erfolge zu realisieren. Zusammengenommen sind die erforderlichen Veränderungen außerordentlich komplex. Dazu kommt, dass die angesprochenen Veränderungen sich im Regelfall nur umsetzen lassen, wenn die Führungskräfte und Mitarbeiter/innen selbst die Notwendigkeit der Veränderungen erkennen,
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sich die Ziele zu eigen machen und, wie in Teil drei eingehend dargestellt wurde, bereit sind, soweit erforderlich ihre Einstellungen und ihr Verhalten zu ändern. Wenn Aufgaben, Verhalten und Rollen oder Positionen neu definiert werden, ist immer damit zu rechnen, dass spontane Veränderungswiderstände entstehen (Greif, in Vorber.). Wie oben dargelegt, eröffnet aber der mit den Kunden und Mitarbeiter/innen über den NPS begonnene Dialogprozess psychologisch günstige Voraussetzungen, die Offenheit der Mitarbeiter/innen für kundenorientierte Veränderungen zu fördern. Besonders förderlich ist dabei, dass sie durch Feedback-Calls mit den Kunden über deren Wünsche sprechen, dadurch psychologisch Verantwortung für Verbesserungen übernehmen und damit auf einer anderen Ebene als dem reinen Verkaufsgespräch, als Ansprechpartner ihres Unternehmens mit dem Kunden in Kontakt treten. Oft wird die Verbesserung der Kundenorientierung funktionsübergreifend initiiert. Für diese innovativen Veränderungen gibt es in der klassischen Linienorganisation keine definierten verantwortlichen Positionen oder Arbeitsbereiche. Unternehmen entscheiden sich deshalb oft für die Durchführung mit einer zunächst temporären Projektorganisation. Die Überführung in die Linienorganisation erfolgt erst im Verlauf der Befragungen und Auswertungen, wenn Ergebnisse darüber vorliegen, welche Veränderungen notwendig sind. 2.2
Gründe für externe Begleitung
Viele Unternehmen sehen den Bedarf einer externen Begleitung der NPSProjekte. Die Gründe sind vor allem: • Integration von Erfahrung im Umgang mit dem Net Promoter Score • Verstärkung der eigenen Ressourcen in der Pilotierung oder Einführung im Projektmanagement und im Projektmarketing • Analytische Diagnose des heutigen Zustands und Ableitung von Potenzialen • Unterstützung bei der Ergebnisinterpretation • Verstärkung mit externem Wissen zu Kunden- und Marktbearbeitung und einer Outside-Perspective • Moderation und Facilitating der Projektteilnehmer • Unterstützung bei der Mobilisierung der Mitarbeiter/innen • Nutzung der Umsetzungserfahrungen der Berater • Gestaltende Begleitung nachfolgender Dialogprozesse mit den Kunden
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Wie die Liste zeigt, haben die Unternehmen konkrete Gründe, sich für NPS-Projekte Unterstützung durch externe Berater zu holen, bis sie die Routine entwickelt haben, die Fortführung und Entwicklung der Prozesse ohne externe Begleitung weiterzuführen. Nicht alle Berater sind jedoch in der Lage, die speziellen Anforderungen der Planung, Durchführung und Umsetzungsbegleitung bei NPS-Projekten zu bewältigen. Im folgenden Abschnitt werden diese Anforderungen dargestellt. 3
Anforderungen an externe Berater in NPS-Projekten
3.1
Anforderungen und Kompetenzen
Umsetzungsstarke Berater Die Planung und Durchführung von organisationsinternen Untersuchungen wie Markt- und Kundenanalysen und Segmentierungen unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation ist Leistungsangebot üblicher Beratungen. Bei NPS-Projekten erweitern sich die Anforderungen z. B. durch die Analyse von Kundenbeziehungen, organisationalen Voraussetzungen sowie die Konzeption von Kundenbefragungen und die Begleitung bei der Umsetzung der Veränderungen. Um NPS-Projekte erfolgreich durchzuführen, werden Berater mit einem integrierten Beratungskonzept und Selbstverständnis benötigt (siehe oben), die umsetzungsstark sind. Die Beratung von NPS-Projekten kann als Modell eines integrierten Beratungskonzepts gesehen werden, weil es die Begleitung bei der Umsetzung der Veränderungen umfasst und Änderungen in Einstellungen und Verhalten der Mitarbeiter vom Anfang des Projektes an berücksichtigt. Im Folgenden werden die Funktionen, Anforderungen und Kompetenzen derartiger integrierter Beratung beschrieben. Kernfunktionen der integrierten Beratung Drei allgemeine Kernfunktionen der integrierten Beratung werden in Projekten zur kundenorientierten Unternehmensführung bzw. zum NPS besonders gefordert (Greif et al., 2004, S. 214ff.): (1) Beratung des Unternehmens beim Managen der Komplexität der Analysen und Veränderungsprozesse. (2) Beratung beim Ermöglichen von zielorientierten, sich selbst organisierenden Veränderungsprozessen im Unternehmen. (3) Förderung der Selbstreflexion und des reflexiven Lernens im Unternehmen.
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Im Einzelnen bedeutet dies: (1) Komplexitätsmanagement: Das Managen von Veränderungen in Organisationen ist komplex, denn es bezieht sich auf die Untersuchung und Veränderung vieler Aufgaben und Interaktionen vieler Personen. Komplexität entsteht auch durch die Dynamiken und Prozesse im Verlauf der Veränderungen, insbesondere durch nicht vorhersehbare Probleme. Kundenorientierte Veränderungsprozesse stellen sehr hohe Anforderungen an das Komplexitätsmanagement der Berater, weil sie bereichsübergreifend in Aufgaben, Strukturen und Prozesse eingreifen und dadurch ein hohes mikropolitisches Konfliktpotenzial haben. Als theoretische Grundlage zur genaueren Beschreibung und Erklärung dieser ersten Kernfunktion verweisen wir auf Komplexitätstheorien und Konzepte zum Komplexitätsmanagement und Managen von Unvorhersehbarem (vgl. Greif et al., 2004, S. 77ff.). (2) Ermöglichen von zielorientierten, sich selbst organisierenden Veränderungsprozessen: Eine erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen kann selten einfach durch Weitergabe und Anwendung vorgefertigter Maßnahmenpläne und Kontrolle ihrer Umsetzung erreicht werden. Um Veränderungen umsetzen zu können, sind Anpassungen der Maßnahmen an Besonderheiten des Unternehmens und die Potenziale der Mitarbeiter/innen erforderlich. Erfolg versprechender und effizienter als eine klassische Fachberatung ist es, die Mitarbeiter/innen zu aktivieren, diese Anpassungen soweit wie möglich selbständig vorzunehmen. Ferner wäre es nicht nur bei NPS-Projekten unmöglich, die Umsetzung der Veränderungen durch alle Mitarbeiter/innen zu kontrollieren. Wenn sich die Mitarbeiter/innen mit den Zielen der Veränderungen identifizieren, ist Selbstkontrolle die effektivere und rationellere Möglichkeit. Abstrakt zusammengefasst besteht die zweite Kernfunktion der Beratung im Ermöglichen von zielorientierten, sich selbst organisierenden Prozessen. Wie wir dies in Anlehnung an Selbstorganisationstheorien und die Mehrebenensystemtheorie (vgl. Greif et al., 2004, S. 95ff.) formulieren, kann ein sehr hohen Zielerreichungsgrad der Veränderungen durch Nutzung der miteinander verbundenen Strukturen und Prozesse der Systemebenen Organisation, Gruppe und Individuum als Ressourcen und Potenziale sowie durch Aktivierung flexibler Selbstorganisationskompetenzen der Organisationsmitglieder erreicht werden. Eine wichtige Funktion der Berater ist demnach, der Organisation zu helfen, diese Möglichkeiten auf
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allen Ebenen der einbezogenen Bereiche unter Einbeziehung von einflussreichen Schlüsselpersonen und -gruppen in den Problemlöseprozess zu aktivieren und ihre Entwicklung zu fördern. (3) Förderung der Selbstreflexion und des reflexiven Lernens: Durch wiederholte Kundenbefragungen werden beim NPS Ist-Analysen durchgeführt und mit den angestrebten Veränderungszielen verglichen. Durch diese Soll-Ist-Vergleiche sollen Selbstreflexionen auf allen Systemebenen (Individuum, Gruppe und Organisation) aktiviert werden. Dieser Prozess darf nicht in der Reflexion der Untersuchungsergebnisse stehen bleiben, sondern soll in jedem Zyklus ergebnisorientiert zur Planung und Umsetzung von Veränderungen führen. Da beim NPS-Programm die Zyklen (Analyse – reflexive Soll-Ist-Vergleiche – Umsetzung von Verbesserungen) mehrfach wiederholt werden, wird es möglich, die Lernprozesse der Organisation und ihrer Mitglieder in diesen Prozessen zu reflektieren und zu verbessern. Die Reflexion der Veränderungs- und Lernprozesse in Organisationen mit anschließenden Verbesserungen haben Argyris und Schön (1978) als Lernen höherer Ordnung und Double-Loop-Lernen bezeichnet und in den Mittelpunkt ihrer Theorie der Organisationsentwicklung gestellt. Lernende Organisationen sind durch Double-Loop-Lernen in der Lage, aus Fehlern und Erfolgen zu lernen und Veränderungen der Kundenwünsche und Märkte, technologische oder andere Innovationen selbständig flexibel zu bewältigen. Viele heutige Theorien und Praxiskonzepte zur Entwicklung lernender Organisationen stützen sich auf diese Grundlage. Anforderungen, Fähigkeiten und Kompetenzen an Berater mit dem Anspruch einer integrierten Beratungsleistung An Berater werden heute allgemein hohe Anforderungen gestellt. Die folgende Liste gibt zusammenfassend wieder, welche Anforderungen praktisch erfahrene Experten aus Unternehmen und Beratungen häufig in Interviews genannt haben (vgl. Greif et al., 2004, S. 231ff.): • Glaubwürdigkeit • Engagement • Hilfreiche Außenperspektive • Genaue Erfassung des Problems • Großer Erfahrungs- und Wissensvorsprung im Vergleich zu unternehmensinternen Experten
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• • • •
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Genaue Kenntnisse von Abläufen und Strukturen des Unternehmens Anpassen des Vorgehens an die konkrete Situation des Unternehmens Gutes Beziehungsnetzwerk zu den Beteiligten Hilfe beim Bewältigen von Konfliktsituationen
Gerade in Projekten mit großer Wirksamkeit wie z. B. die Einführung des NPS werden Berater nicht nur von der Projektleitung, sondern von allen an den Veränderungen Beteiligten beobachtet und bewertet. Nicht jede/r erfüllt die Anforderungen und bringt für jede Organisation und Situation die erforderlichen Einstellungen, Fähigkeiten, Kompetenzen sowie Wissensgrundlagen mit. Im Folgenden werden in Anlehnung an die integrative Theorie zu Change Management fünf besonders wichtige Merkmale angesprochen (vgl. Greif et al., 2004, S. 218ff.). (1) Glaubwürdigkeit: An erster Stelle ist die von den Mitarbeiter/innen wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Berater hervorzuheben. Glaubwürdigkeit ist ein Merkmal, die einem Berater von anderen Personen zugeschrieben wird. Es zeigt die Bereitschaft der anderen Personen, den Aussagen, Ankündigungen und Versprechungen des Beraters zu vertrauen. Diese Bereitschaft steigt im Allgemeinen, wenn die Aussagen nachweislich zutreffen und Versprechungen eingehalten werden und wenn sie sich authentisch verhalten. Glaubwürdigkeit muss man sich „erst verdienen“, wie der Volksmund sagt. Kritisch ist dabei allerdings, dass die Glaubwürdigkeit stark durch informell kommunizierte Meinungen beeinflusst werden kann. Ein gewisses Maß an Misstrauen der Mitarbeiter/innen gegenüber Beratern ist heute leider durch schlechte Vorerfahrungen mit Beratern fast „normal“. Wenn Berater ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, weil sie nachweisbar grob falsche Informationen verbreitet, „schlechte Ratschläge“ gegeben, nicht eingetretene Ankündigungen oder nicht eingehaltene Versprechen gemacht haben, ist dies eine negative Hypothek für die nachfolgenden Berater. Sich durch fachkompetente Beiträge, Übereinstimmung von Worten und Handlungen und authentisches Engagement für das beratene Unternehmen und die Mitarbeiter/innen Glaubwürdigkeit zu erarbeiten und zu erhalten ist eigentlich für jeden Berater wichtig. In Veränderungsprojekten ist es die existenziell wichtige individuelle Grundvoraussetzung seines Erfolgs. (2) Professionelles Fachwissen: Berater müssen über ein sehr umfassendes und aktuelles professionelles Fachwissen verfügen. Speziell für
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NPS-Projekte müssen sie Erfolg versprechende Konzepte zum Marktund Kundenmanagement, kundenorientierte Organisationsstrukturen und Prozessverbesserungen sowie Konzepte zum Change Management und die dafür jeweils erforderlichen Methoden kennen. Wichtig sind ferner Kenntnisse über die oben angesprochenen psychologischen und sozialen Dynamiken, Widerstände, Konflikte und Interventionen zur Lösung. Ebenso unerlässlich sind Branchenkenntnisse und Erfahrungen im Anwendungsfeld. Als Wissensbasis benötigen Berater neben „Fakten- und Buchwissen“ (so genanntes „Know what“; es vermittelt Überblick, Orientierungen, Denkund Handlungsanstöße) vor allem praktisches Erfahrungswissen („Know how“ oder prozedurales Wissen; es bildet die Wissensgrundlage für praktische Handlungs- und Methodenkompetenzen). Mit ihrem branchenbezogenen Fach- und Erfahrungswissen erweitern Berater im Idealfall die Wissensbasis des beratenen Unternehmens um die so genannte „Außenperspektive“. Dadurch können sie helfen, „Betriebsblindheit“ und durch Konformitätsdruck herbeigeführte Fehlentscheidungen zu vermeiden helfen. (3) Sprachliche Fähigkeiten und soziale Kompetenzen: Kommunikation ist das Hauptmedium der Beratung. Berater brauchen deshalb sehr gute sprachliche oder kommunikative Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten bilden eine der Grundlagen der sozialen Kompetenzen (vgl. Runde, 2001), die wiederum neben anderen Merkmalen durch die Fähigkeit zur differenzierte Wahrnehmung der Gefühle und Perspektiven anderer Personen, Sensibilität und Empathie sowie Kompetenzen zur zielgruppenbezogenen überzeugenden Kommunikation gekennzeichnet sind. (4) Professionelle Methodenkompetenzen und ergebnisorientierte Problemlösefähigkeiten: Berater benötigen professionelle Methodenkompetenzen zur Planung, Durchführung und Auswertung von Analysen ökonomischer Zielkriterien, Aufgaben, Strukturen und Prozesse, sowie Befragungen von Kunden und Mitarbeiter/innen. Außerdem müssen sie in der Lage sein, Präsentationen, Workshops und Problemlösegruppen oder Führungsteams zu moderieren und aktivierende Großgruppenveranstaltungen durchzuführen sowie Interventionsmethoden zur Förderung von Selbstreflexionen, Veränderungen und Double-Loop-Lernprozessen auf allen Systemebenen kompetent einsetzen zu können. Wie Handler (2007) sehen wir in der jeweils einseitigen, richtungsorientierten Ausrichtung entweder nur an klassischen oder systemischen Beratungsmethoden eine für die komplexe Bera-
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tungsaufgabe unangemessene Begrenzung. Je nach Problemstellung und Situation sind unterschiedliche Methoden Erfolg versprechend. Methoden sind kein Selbstzweck. Durch sie sollen Probleme gelöst, Entwicklungen angestoßen oder Veränderungen umgesetzt werden, kurz die angestrebten Ergebnisse erzielt werden. Berater, die ihre Rolle lediglich in einer „neutralen“ Moderation der Aktivierung und Integration der Beiträge der Gruppenteilnehmer/innen sehen und sich nicht als (Mit-)Treiber für Ergebnisse engagieren, beschränken sich im Grunde auf umsetzungsschwaches Verhalten. Sie vermeiden zwar das Risiko, in schwierigen Prozessen Position für bestimmte erreichbare Ergebnisse zu beziehen (was keineswegs gleichbedeutend mit der problematischen Unterstützung von Meinungsfraktionen im Unternehmen ist), aber sie können dadurch in längeren Umsetzungsprozessen, weil sie sich zu sehr „heraushalten“, auch ihr Authentizität und damit Glaubwürdigkeit verlieren. Um bei der Anwendung professioneller Methoden die Möglichkeiten zur Erzielung der angestrebten Ergebnisse zu erkennen und zu fördern, benötigen die Berater praktische Problemlösefähigkeiten. Diese Fähigkeiten werden in den klassischen Intelligenzdimensionen (vgl. Jäger, 1967) nicht berücksichtig. Problemlösefähigkeiten umfassen auch kreative Fähigkeiten. In Anlehnung an Guilford (1956) kann man dabei zwischen konvergenten (auf eine Lösung) und divergenten Problemlösungen (möglichst viele Lösungsalternativen) unterscheiden. Je nach Aufgabenstellung sind diese oder andere kreative und praktische Problemlösefähigkeiten gefordert. Handler (2007, S. 391) verwendet mit ähnlichen Bezügen den Begriff der „Lösungskompetenz“. Bei den Problemlösefähigkeiten lassen sich empirisch vielfältige unterschiedliche Fähigkeiten unterscheiden. Es ist problematisch, wenn durch die Darstellung der Eindruck vermittelt wird, dass es sich hier um eine einzige oder gar neu entdeckte Kompetenzdimension handelt. Der Begriff „ergebnisorientierte Problemlösefähigkeiten“ erscheint uns zudem inhaltlich treffender. (5) Komplexitäts- und Emotionsmanagement: Die Komplexität der Veränderungen stellt hohe Anforderungen an die intellektuelle Verarbeitungskapazität. Berater müssen in der Lage sein, komplexe Informationen zu verarbeiten, z. B. komplexe Texte, Tabellen und Grafiken verstehen und auch komplexe Informationen im Gedächtnis behalten. A. O. Jäger hat die Existenz dieses Intelligenzfaktors empirisch nachgewiesen. Er kann diagnostisch durch den Berliner IntelligenzstrukturTest erfasst werden (Jäger, Süß und Beauducel, 1997).
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Um die Ungewissheit bei Veränderungen aushalten zu können, sind beim Managen von Ungewissheit als Persönlichkeitsmerkmale emotionale Stabilität und Belastbarkeit, sowie Unsicherheitstoleranz erforderlich. Sehr wichtig sind hier außerdem Selbstmanagement- oder Selbstorganisationskompetenzen (Greif et al., 2004, S. 210). Handler (2007, betont die Bedeutung der Emotionalen Intelligenz der Berater und dabei speziell eine Theorie von das vier-Faktoren-Modell von Mayer und Salovey (Mayer, Salovey und Caruso, 2004): (1) Erkennen von Emotionen, (2) Nutzung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens, (3) Verstehen von Emotionen und (4) Umgang mit Emotionen (Veränderung des eigenen emotionalen Zustands, z. B. Selbstberuhigung und Beeinflussung des emotionalen Zustands anderer Personen). Wie Untersuchungsergebnisse von Lantermann et al. (2003) zeigen, verwenden viele Führungskräfte in komplexen Planspielaufgaben problematische Strategien und scheitern beim Komplexitätsmanagement. Das ständige Managen komplexer Probleme wird von den Führungskräften im Allgemeinen subjektiv als anstrengend und gefühlsmäßig als unangenehm erlebt. Die besten Problemlöser zeichnen sich nach diesen Untersuchungen nicht durch besonderes Fach- oder Erfahrungswissen aus, sondern dadurch, dass sie sich durch die schwierigen Problemlöseanforderungen im Planspiel emotional weniger beeinträchtigen lassen. Erfolgreiche Komplexitätsmanager müssen fähig sein, sich immer wieder neu emotional positiv aufzubauen. Dadurch gewinnen sie anscheinend die innere Ruhe, für konzentriertes und gründliches Nachdenken über die komplexe Situation. Diese selbstständige „Reparatur“ negativer Affekte wird als „Emotional Repair“ oder „Selbstberuhigungsfähigkeit“ bezeichnet und wir nehmen an, dass sie für das Komplexitätsmanagement bei Veränderungen wichtig ist (Greif et al., 2004, S. 181). Erfahrungsgemäß kann die Selbstberuhigung durch individuelles Coaching gestärkt werden (Greif, 2008, S. 90ff.). 3.2
Überwindung der Umsetzungsschwäche
Wie bei Führungskräften sind die Anforderungen an Berater unerbittlich hoch. Ein Satz, den Burke (2002, S. 310) auf die Anforderungen an die Führung von Veränderungen gemünzt hat, können wir auf Berater übertragen: „Being an effective consultant is more complex and difficult than ever before, yet we need effective consultants more than ever before.“ Die Anforderungen an Berater, die NPS-Projekte durchführen, sind besonders komplex, weil sie wie beschrieben über klassische Beratungsaufgaben und
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Siegfried Greif und Elke Benning-Rohnke
-rollen hinausgehend, die systemexternen Kundenbeziehungen und die systeminternen Aufgaben, Strukturen und Prozesse, orientiert an strategischen und operativen Veränderungszielen zusammen verbessern sollen.
4
Literatur
Argyris, C. und Schön, D. (1978): Organisational Learning. A Theory of Action Perspective, Reading, MA. Bamberg, E., Schmidt, J. und Hänel, K. (2006): Beratung, Counseling, Consulting, Göttingen. Burke, W. W. (2002): Leading Organizational Change, in Chowdhury, S. (Hrsg.): Organization 21C, Upper Saddle River, NJ, 291–310 Greif, S. (2008): Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion. Göttingen. Greif, S. (in Vorber.): Kollektive Widerstände und Demokratie, profile – internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog. Greif, S., Runde, B. und Seeberg, I. (2004): Erfolge und Misserfolge beim Change Management, Göttingen. Guilford, J. P. (1956): The Structure of Intellect, Psychological Bulletin, 53, 267–293. Handler, G. (2007): Konzept zur Entwicklung integrierter Beratung – Integration systemischer Elemente in die klassische Beratung, Wiesbaden. Jäger, A. O. (1967): Dimensionen der Intelligenz, Göttingen. Jäger, A. O., Süß, H.-M. und Beauducel, A. (1997): Berliner Intelligenzstruktur – Test, Göttingen. Königswieser, R. und Exner, A. (2008): Systemische Intervention. Architektur und Designs für Berater und Veränderungsmanager (2), Stuttgart. Lantermann, D., Döring-Seipel, E. und Seip, M. (2003): Strategische Kompetenzen beim Umgang mit komplexen Problemen, 4. Zukunftsforum „Lernkultur für morgen“, 12. bis 14. März, Berlin. Mayer, J. D., Salovey, P. und Caruso, D. R. (2004): Emotional Intelligence: Theory, Findings and Implications, Psychological Inquiry, 15, 197–215. Niedereichholz, C. (2001): Unternehmensberatung Band 1 – Beratungsmarketing und Auftragsakquise, 3. Aufl., München. Runde, B. (2001): Multimodales Assessment sozialer Kompetenzen, Norderstedt. Schein, E. H. (1995): Kurt Lewin’s change theory in the field and in the classroom: Notes toward a model of managed learning, Systems Practice (Special Issue).
Dritter Teil Psychologische Erkenntnisse
Kundenorientierung – Warum sie oft scheitert und wie sie besser machbar ist Elke Benning-Rohnke und Siegfried Greif
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
1.1 1.2 1.3
Wunschbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Kundenerwartungen und Kundenbedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Zur Bedeutung von Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2
Die Psychologie des Scheiterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
2.1 2.2
Probleme der Befragung und Befragungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verarbeitung der Feedback-Informationen durch die Organisationsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Ein Fallbeispiel – Abteilungsleiter Herr Josef K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Problematisches Verhalten der Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
125 125 128
Psychologie einer erfolgreichen Entwicklung in der Organisation . . . . . . 130
3.1 Das Wichtige richtig erfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Kundenfeedback aktiv einholen und verarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Viele Kunden und kritische Mitarbeiter/innen bei den Verbesserungen einbeziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Auf negatives Kundenfeedback vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Durchführung und Auswertung von Feedback-Calls . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Nach der Messung: Maßnahmen entwickeln und den Dialog mit dem Kunden fortsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Kundenorientierte Führung der organisationalen Veränderungen und Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Transformationale Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 NPS und Incentivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
122
131 138 138 142 145 148 149 150 151
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
118
Elke Benning-Rohnke und Siegfried Greif
1
Einleitung
1.1
Wunschbilder
Unternehmen müssen auf multi-kompetitiven Märkten im Wettbewerb bestehen. Dazu ist es notwendig, dass Unternehmen ihre Produkte Dienstleistungen und Technologien sowie die Effizienz ihrer organisationalen Prozesse ständig verbessern. Die Ausrichtung auf den Kunden und seinen Bedarf ist hierfür nicht nur wünschenswert, sondern zwingend. Kundenorientierung ist zwar als Wunschbild in aller Munde und wird von allen Stakeholdern gefordert, aber sie in einem Unternehmen auf allen Ebenen und in allen Bereichen konsequent zu realisieren, ist eine schwierige Aufgabe. Es genügt nicht, Kundenbefragungen durchzuführen und die Ergebnisse den Mitarbeiter/innen mit direktem Kundenkontakt als Feedback mitzuteilen und sie mit Trainingsmaßnahmen oder technischen Verbesserungen zu verbinden. Wie die herausfordernde Aufgabe, die Einstellungen und Verhalten auf allen Ebenen der Organisation grundlegend zu verändern, bewältigt werden kann, und welche psychologischen und organisationalen Voraussetzungen dabei hergestellt werden müssen, wird im folgenden Beitrag dargelegt. Jedes Wirtschaftsunternehmen lebt davon dass Kunden ihre Produkte kaufen. Im Wettbewerb mit anderen Unternehmen geht nicht nur um Kundenzufriedenheit, sondern vor allem darum, möglichst viele profitable Kunden zu gewinnen und dann zu halten. Letzteres wird mit dem Begriff der Kundenbindung ausgedrückt. Wie bereits in Teil eins dieses Buches dargelegt definieren Meyer und Oevermann (2006, S. 3335) Kundenbindung als „bisheriges Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten, zukünftige Wiederkauf-, Zusatzkauf- (Cross-Selling) und Weiterempfehlungsabsichten (Goodwill) von Kund/innen gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen“. Kunden mit hoher Bindung kaufen, kommen wieder und werben im Idealfall vielleicht sogar für das Produkt. Im Kern geht es darum, Umsatz und Profitabilität mit dem Kunden zu erhöhen und diesem gleichzeitig ein Maximum an Wert in Form von Produkten und Dienstleistungen zu bieten. Auch Organisationen, die nicht vom Verkauf ihrer Waren und Dienstleistungen leben, stehen und fallen oft mit der Zufriedenheit und Bindung ihrer Kunden. Ein Verband, dessen Leistungen aus der Sicht potenzieller Mitglieder wenig wertvoll sind, wird nicht erfolgreich sein. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren Vorgehen entwickelt ihr Kundenverständnis zu erhöhen und viele Instrumente eingesetzt, um Informationen über Kunden-Bedürfnisse und die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten. Viel Wissen wird so in die Unternehmen gespült. Ganz selten jedoch
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gelingt es einer Organisation, die Einstellungen und das Verhalten aller Mitarbeiter/innen gegenüber Kunden tiefgreifend und in der Breite zu verändern. Die bestehenden Einstellungen und Verhaltensweisen halten sich hartnäckig. Einzelne Maßnahmen werden aufgesetzt, doch sie versanden häufig oder erzielen nicht die gewünschten Wirkungen beim Kunden. Wie aber kann es gelingen, alle an der Kundenarbeit Beteiligten dazu zu motivieren, ihre Haltungen und ihren Umgang mit Kunden zu hinterfragen und in einem kontinuierlichen Prozess immer und immer wieder verbessern? 1.2
Kundenerwartungen und Kundenbedürfnisse
Die amerikanischen Organisationspsychologen Schneider und Bowen (1995) haben eines der umfassendsten praxisorientierten „Erfolgskonzepte“ zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung entwickelt. Es bezieht sich insbesondere auf den schwierigen Dienstleistungsbereich. Sie unterscheiden zwischen Kundenerwartungen und Kundenbedürfnissen. Kundenerwartungen sind Anforderungen der Kunden an die Qualität der Waren und Dienstleistungen (z. B. Nützlichkeit, schnelle Lieferung, kompetenter Service usw.) und die Preise, die dafür gezahlt werden müssen. Als wichtige Kundenbedürfnisse nennen sie (1) Sicherheit vor Schaden beim Kauf (Beispiel: Vermeiden von Kapitalanlagen mit hohem oder nicht realistisch eingeschätztem Risiko, Lieferzuverlässigkeit d. h. Vermeiden von Produktionsausfällen), (2) Verbesserung des Selbstwertgefühls des Kunden durch den Kauf (Beispiel: Auto als Statussymbol oder Zugehörigkeit zu einer community „Lufthansa-Senatoren“ „Wella-Friseure“) und (3) Fairness (Beispiel: Eine Ware oder Dienstleistung zu einem Preis, der subjektiv nachvollziehbar ist). Kundenerwartungen beruhen nach der Theorie eher auf vernunftgesteuerten Beobachtungen und Überlegungen. Die Kundenbedürfnisse sind dagegen mit starken Gefühlen verbunden. Sie sind grundlegender und existenzieller für die Kunden und ihr Kaufverhalten. Eine der Grundannahmen der durch empirische Untersuchungen untermauerten Theorie besagt, dass es für die Kundenbindung weniger schädlich ist, wenn die Kundenerwartungen nicht erfüllt werden als wenn Kundenbedürfnisse missachtet werden. Bei nicht erfüllten Kundenerwartungen kann das Unternehmen die Kunden oft durch Nachbesserungen halten. Unternehmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen eines der genannten grundlegenden Bedürfnisse eines Kunden verletzen, verlieren ihn jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit.
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Wenn beispielsweise die Warenlieferung nach den Erwartungen eines Firmenkunden zu langsam ist, muss das Zulieferunternehmen nicht befürchten, dass es den Kunden sofort verliert, sondern kann ihn halten, wenn es die Lieferungen künftig beschleunigt. Fühlt der Kunde sich allerdings über die Lieferverzögerung schlecht oder falsch informiert, ist ein Bedürfnis verletzt und der Schaden für das Unternehmen vermutlich größer.
Bei den Kundenerwartungen hat zweifellos der Preis der Produkte und Leistungen eine kaufentscheidende Bedeutung. Nach der Theorie von Schneider und Bowen (1995) wäre jedoch ein fairer Preis noch wichtiger als die Höhe. Aktuelle Untersuchungen zur Nutzung neuer Mobilitätsdienstleistungen (Car-Sharing und Call-a-Bike der Deutschen Bahn) zeigen, dass die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung nicht durch die Höhe sondern durch die vom Kunden wahrgenommene Nachvollziehbarkeit und Fairness Verständlichkeit des Preises vorhergesagt werden kann (Hoffmann, 2010). Führungskräfte und Mitarbeiter/innen sind oft überzeugt, dass der Preis der alles dominierende Erfolgsfaktor für den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen ist und dass die Kunden die Preise als zu hoch bewerten. Das erweist sich aber nach unseren Erfahrungen sehr oft als falsch. Preiswahrnehmung kann Ausdruck eines Bedürfnisses nach einer fairen Beziehung sein. Die Preiswahrnehmung korreliert in vielen unserer Befragungen negativ mit der Beziehungswahrnehmung. Kunden, die eine gute Beziehung zu einem Unternehmen haben, betrachten eine vergleichsweise hochpreisige Ware oder Dienstleistung als „good value for money“. Kunden, die dagegen die gleiche Ware oder Dienstleistung beziehen und schlechte Beziehungserfahrungen gemacht haben, monieren den Preis als überteuert und geben diesen häufig als Begründung für eine schlechte Bewertung der Leistungen an. 1.3
Zur Bedeutung von Emotionen
Im ersten Lehrbuch der Wirtschaftspsychologie hat Münsterberg (1912, S. 160ff.) bereits hervorgehoben, dass im Grunde jedermann um die Bedeutung von Gefühlen und Bedürfnissen für Werbung und Kaufverhalten weiß. In den 1950er Jahren hat Vance Packard (1957, S. 66ff.) die Branche mit seinem provokanten populärwissenschaftlichen Buch über die „geheime Verführung“ durch Werbung aufgerüttelt und durch das Verkaufen von emotionaler Sicherheit und Selbstwertgefühl. Die Theorie von Schneider nimmt das Thema auf und stützt sie durch psychologische Motivationstheorien und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse (Schneider und Bowen, 1995).
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Die Konsumgüterindustrie hat die Bedeutung emotional geprägter Kundenbedürfnisse und der emotionalen Kundenbeziehung schon früh erkannt und versucht seitdem konsequent diese emotionale Beziehung über Markenmanagement zu bedienen (Domizlaff, 2005). In Produkttests, in denen das gleiche Produkt mal mit und mal ohne Markennennung bewertet wird, kann man feststellen, dass die emotional getönte Markenpräferenz die kognitive Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit des Produktes beeinflusst. Marken sind in so genannten Pull-Märkten geeignete Lösungen, um die Kundenbeziehungen systematisch zu managen. Im Bereich Business-toBusiness und eher Push orientierten Unternehmungen wie große Teile der Chemiebranche es zum Beispiel sind gilt ebenfalls, dass Kundenbeziehungen zu einem hohen Anteil durch emotionale Faktoren geprägt sind. Zum systematischen Managen bieten sich allerdings neben oder statt der Markenbildung Kundensegmentspezifische oder -individuelle Lösungen auf Basis gezielter Bedürfnissegmentierungen an. Erst in den letzten Jahren wurden die emotionalen Reaktionen auf Produkte und Werbebotschaften durch Methoden zur Analyse der Aktivierung von Hirnarealen untersucht. Das so genannte Neuromarketing greift Erkenntnisse der neueren Hirnforschung auf und stellt die Bedeutung von Emotionen ins Zentrum des Marketings (Scheier und Held, 2006; Zimmermann, 2006). Auch bei Befragungen gibt es Methoden, die eher geeignet erscheinen, Gefühle zu berücksichtigen. Das Thema wird uns deshalb in diesem Kapitel weiter beschäftigen. Im folgenden Beitrag möchten wir aufzeigen, wie es gelingt einen erfolgreichen Entwicklungsprozess zu organisieren, der die Bedeutung sowohl emotional geprägter Kundenbedürfnisse, als auch rational begründeter Kundenerwartungen integriert. Bevor wir Lösungen entwickeln, beginnen wir aber zuerst mit der Frage, warum in Projekten zur Verbesserung der Kundenbindung und zur kundenorientierten Unternehmensführung vermeintlich Richtiges oft scheitert.
2
Die Psychologie des Scheiterns
Die meisten Menschen in Organisationen glauben, dass sie sich gut und richtig verhalten und ihr vermeintlich Bestes geben. Allerding ist diese Selbstwahrnehmung oft nicht konform mit der Fremdwahrnehmung der Vorgesetzten und der Kunden. Eine Studie von Bain (2005) beziffert auf Unternehmensebene den Anteil derjenigen, die überzeugt sind, eine sehr
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gute Leistung für ihren Kunden zu erbringen mit 80% und stellt demgegenüber den Anteil der Kunden, die gleiches glauben mit 8%. Die Schließung dieser Wahrnehmungslücke gilt es zu managen. Viele Führungskräfte und Unternehmensführer unterstellen, dass es einen Unterschied zwischen der Zufriedenheit der Leistungsträger im Unternehmen und der Wahrnehmungen der Kunden gibt. Sie beauftragen Kundenbefragungen, um diese Differenz aufzudecken und zu spezifizieren. Der Organisation soll ein Spiegel vorgehalten und Schwächen aufgedeckt werden. Manche meinen, dass ein derartiges Feedback genügt, um die erforderlichen Veränderungen zur Überwindung der Schwächen zu stimulieren, wenn die Schwachstellen allen transparent sind. Diese Hoffnung wird allerdings nur sehr selten erfüllt. Warum scheitern Kundenbefragungen und im Anschluss geplante Veränderungen der kundenorientierten Einstellungen und des Verhaltens der Mitarbeiter/innen in Unternehmen? Was läuft falsch im Prozess, der zum Ziel haben soll, eine Organisation zum Besseren zu entwickeln? Aus psychologischer Sicht sind drei Teilprozesse für das Scheitern entscheidend, die wir im Folgenden näher beleuchten wollen: 1. Die Befragung und die Befragungsmethodik als solche, 2. die Verarbeitung der Ergebnisse und die 3. die Haltung der Führung. Zur Veranschaulichung schildern wir zunächst die Psychologie des Scheiterns wie sie uns so oder in ähnlichen Formen in Unternehmen begegnet. 2.1
Probleme der Befragung und Befragungsmethodik
Häufig wird eine Marktforschung (intern oder extern) beauftragt eine Befragung aufzusetzen. Im Idealfall erfolgt dies in Abstimmung mit dem Bereich, der untersucht werden soll. Der Kunde wird durch eine lange Liste von Fragen zu aus Unternehmenssicht relevanten Aspekten geführt. Da man viel wissen will, sind die Fragebogen lang. Das führt gemeinhin zu einer geringen Rücklaufquote. Damit die Befragung leicht ausgewertet werden kann, werden die Antwortalternativen vorgegeben oder mit notenähnlichen Zufriedenheitsskalen abgefragt. Die folgenden fünf Punkte beschreiben typische Fallstricke, wodurch Befragungen scheitern können: (1)
Verantwortungsdelegation an Spezialisten
Übernimmt die Marktforschung oder eine andere Stabsabteilung die Führung und wird zum Bestimmer, ist der erste Schritt zum Misserfolg getan.
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Dem Bereich, der sich verändern soll, wird die Verantwortung abgenommen. Vorprogrammiert werden als typische Reaktionen abwartendes, distanziertes oder ablehnendes Verhalten gegenüber der Markforschung. Die Verantwortung für die Befragung und die Veränderungen muss bei denjenigen angesiedelt werden, die sich verändern oder entwickeln sollen. (2)
Geschlossene Fragen zu rationalen Meinungen und Verhaltensbeschreibungen
Für die Kundenbefragung wird in der Regel mit dem Unternehmen eine lange Liste geschlossener Fragen zu rationalen Meinungen und Selbstbeschreibungen des Kundenverhaltens zusammengestellt. Die auf diesem Wege Ergebnisse lassen sich danach zwar eindeutig auswerten und vernünftig beschreiben, aber sind sie auch treffend und nützlich? Die praktikable Methodik birgt drei Risiken: 1. Wenn die Fragen nur aus Unternehmenssicht zusammengestellt werden, besteht die Gefahr der einseitigen Perspektive. Möglicherweise werden für den Kunden wichtige Themen vernachlässigt und so werden wertvolle Verbesserungsmöglichkeiten nie erfasst. 2. Die Konzentration auf eine Abfrage rational formulierter Meinungen vernachlässigt die grundlegende Bedeutung von Gefühlen bei Kaufentscheidungen und für die Kundenbindung. 3. Wenn den Kunden Fragen zur Beschreibung ihres eigenen Kundenverhaltens vorgelegt werden und wenn diese Selbstbeschreibungen ohne Relativierung als „Kundenverhalten“ interpretiert werden, wird unterstellt, dass die Kunden sich „objektiv“ beschreiben. Die Tendenz, sich in Befragungen sozial erwünscht oder positiv darzustellen wird vernachlässigt. Die aus Kundenbefragungen abgeleiteten praktischen Maßnahmen können durch die beschriebenen Begrenzungen der Methodik nicht sehr wirksam und nützlich werden. – Wie unten dargelegt wird, empfiehlt es sich, die Methodik grundlegend zu verändern. (3)
Anonymität
Kundenbefragungen werden meistens anonym durchgeführt und dem Unternehmen als aggregierte Werte vermittelt. Die am Kundenwert beteiligten Mitarbeiter/innen erfahren dadurch bestenfalls, dass ein einzelner oder mehrere Bereiche des Unternehmens Verbesserungsbedarf haben.
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Selten erfahren die Mitarbeiter/innen, welch positives und negatives Feedback ihre Kunden ihnen persönlich geben und welche Verhaltensänderungen sie von ihnen individuell wünschen. Die Folge der Anonymität ist eine Tendenz zur Distanzierung. Die psychologischen Voraussetzungen für Einstellungs- und Verhaltensänderungen sind dadurch ungünstig. Besser wären nicht-anonyme Befragungen und direkter vermitteltes Feedback für die Mitarbeiter/innen. Manche werden allerdings zweifeln, ob die Kunden nicht-anonyme Befragungen akzeptieren. In einer Kundenbefragung für eine Versicherung hat der Mitautor dieses Beitrags die Stichprobe per Zufall in eine anonyme und nicht-anonyme Untergruppe unterteilt. In der nicht-anonymen Gruppe wünschten und erhielten nur etwa 10% eine anonyme Befragung. In der Gruppe der namentlich bekannten Kunden haben bei sehr unzufriedenen Kunden Außendienst und Verwaltung sofort zusammen Verbesserungen eingeleitet und konnten erfolgreich ein drohendes Abwandern der Kunden verhindern. (4)
Defizitorientierung
Detaillierte Analysen der Schwächen und Benchmark-Vergleiche mit den besten Mitbewerbern können wichtige und nützliche Informationen liefern. Motivationspsychologisch betrachtet, sind sie jedoch problematisch, wenn sie vorwiegend Defizite adressieren und Stärken oder Potenziale des Unternehmens und seiner Mitarbeiter/innen vernachlässigen. Wenn Analysen auf Schwächen und Defizite konzentriert werden, wird es anschließend sehr schwer, diese Fokussierung zu überwinden. Um das Rennen um die Gunst des Kunden zu gewinnen, müssen aber Stärken und Potenziale erkannt und ausgebaut werden. In den letzten Jahren versuchen Psycholog/innen verschiedener Teildisziplinen die vorherrschende Defizitorientierung durch „Positive Psychologie“ zu überwinden. Auf empirische Forschung gestützt zeigen sie, wie sich wichtige Ziele durch Interventionen zur Aktivierung von Stärken und positivem Verhalten erreichen lassen (Eid und Larsen, 2007; Seligman, 2002). (5)
Geringe Rücklaufquoten
Ein klassisches Problem bei herkömmlichen Kundenbefragungen sind die geringen Rücklaufquoten und im Business-to-Business Bereich die geringe Anzahl Kontaktpartner beim Kunden, die befragt werden. Die Ergebnisse von Befragungen sind nicht mehr eindeutig interpretierbar, wenn die Mehrheit der Befragten die Teilnahme an der Befragung verweigert oder
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aus anderen Gründen nicht daran teilgenommen hat. – Hohe Rücklaufquoten sind unverzichtbare Anforderungen an Kundenbefragungen, die Veränderungen initiieren oder begleiten sollen, damit generalisierbare Aussagen auf Basis der Stichprobe möglich werden. Wir behaupten keineswegs, dass herkömmliche Kundenbefragungen sinnlos sind, die wie in den fünf Punkten beschrieben durchgeführt werden. Trotz der angesprochenen Probleme erhält das Unternehmen viele Informationen und weiß meistens viel mehr über die Kundenbefindlichkeit als vorher. Wenn es allerdings darum geht, Veränderungsprozesse im Unternehmen in Gang zu setzen, können die angesprochenen psychologischen Fallstricke die Risiken von Beginn an erhöhen, dass die Befragungen keine Erfolge bei der Veränderung von Einstellungen und Verhalten der Organisationsmitglieder auf allen Ebenen erzielen (vgl. Erstes Kapitel). Diese Misserfolgsrisiken zeigen sich oft sehr konkret im folgenden Prozessschritt der Verarbeitung der Informationen über die Ergebnisse durch die Organisationsmitglieder. 2.2
Verarbeitung der Feedback-Informationen durch die Organisationsmitglieder
Um die komplexen psychologischen Prozesse in der Phase der Verarbeitung der Informationen über Befragungen zu veranschaulichen, konstruieren wir ein Fallbeispiel, das auf praktischen Erfahrungen basiert. 2.2.1 Ein Fallbeispiel – Abteilungsleiter Herr Josef K. Herr Josef K. ist Leiter des Customer Services eines großen Dienstleistungsunternehmens. In seinem Unternehmen wurde eine Kundenbefragung durchgeführt. Von der Marktforschung und der Leitung des Unternehmens erhält er die Information, dass die Leistungen des Customer Services nach den Ergebnissen der Kundenbefragung als unbefriedigend angesehen werden. Mit den Feedbackinformationen hat die Marktforschung aus ihrer Sicht Herrn K. und seiner Abteilung den Spiegel ihrer kundenorientierten Leistungen vorgehalten. Für die Unternehmensleitung war die Information neu, aber sie interpretieren sie als Hinweise auf bisher nicht erkannte kritische Schwachstellen, die verbessert werden müssen. Sie wünschen, dass Herr Josef K. die Ergebnisse aktiv und effizient analysiert und selbst herausfindet, wo und wie er sich und seinen Bereich verbessern kann und da-
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nach einen Plan für die erforderlichen Verbesserungen ausarbeitet, mit ihnen abspricht und umsetzt. Wie aber verarbeitet Herr Josef K. das Feedback und was tut er? Da er wie viele Menschen Vertrauen in seine eigenen Leistungen und Kompetenzen hat und überzeugt davon ist, dass das was und wie er es tut, meistens richtig und gut ist, kam dieses negative Feedback für ihn überraschend. Selbstwertdienliche Verarbeitung der Informationen und Abwehrverhalten Die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Josef K. unter diesen psychologischen Voraussetzungen im Sinne seiner Vorgesetzten verfährt, ist eher gering. Sein positives Selbstbild des kompetenten Abteilungsleiters bestimmt seine Haltung bei der Bewertung der Ergebnisse der Kundenbefragung und somit seine Informationsverarbeitung. Da er sich und sein bisheriges kundenorientiertes Verhalten mit großem Selbstbewusstsein als kompetent einschätzt, sucht er zunächst nach Erklärungen für die negativen Ergebnisse der Befragung. Wie die meisten Menschen hat auch Herr Josef K. das Bedürfnis, ein positives und stimmiges Selbstbild aufrechtzuerhalten und seine Selbstwahrnehmung mit den neuen Informationen in Einklang zu bringen. Fachlich formuliert, versucht er seine Selbstbewertungen und die nach der Befragung vermittelten Bewertungsergebnissse konsistent zu interpretieren. Das Bedürfnis nach Konsistenz oder Vermeidung kognitiver Dissonanz hat bereits Festinger (1978) in der klassischen Theorie der Dissonanz beschrieben (vgl. Frey und Benning, 1994). Diese Theorie ist bis heute grundlegend für die Analyse des scheinbar widersprüchlichen Verhaltens von Menschen und auch für die Untersuchung des Kundenverhaltens. Wie Informationen verarbeitet werden, die im Widerspruch zu einem positiven Selbstbild stehen, haben erstmals Miller und Ross (1975) in ihrer viel zitierten Untersuchung gezeigt. Danach werden selbstwertbedrohliche Informationen allgemein durch externe, nicht von der bewerteten Person zu verantwortende Ursachen erklärt. Ein Beispiel wäre, wenn wir eine schlechte Prüfungsnote, die unserer positiven Selbstbewertung widerspricht, durch „unfaire Prüfungsfragen des Prüfers“ oder „Pech“ erklären und nicht durch unser unzureichendes Wissen. Da Untersuchungen zeigen, dass diese Beurteilungstendenz auch dann besteht, wenn die positive Selbstbewertung unberechtigt ist, wird sie als für die menschliche Informa-
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tionsverarbeitung typischer Urteilsfehler angesehen. Der Fehler dient dem Selbstschutz („self serving bias“) und entspricht einer allgemeinen, natürlichen und im Grunde psychohygienisch gesunden Reaktion. Wir alle neigen dazu, unsere Selbstbewertungen – insbesondere die guten Meinungen über uns – zu bestätigen und selektieren bestätigende Informationen, interpretieren Informationen um, schreiben Informationen bestimmten Ursachen zu und können dadurch unsere innere Konsistenz aufrechterhalten. (Frey und Benning, 1983) Abwehrverhalten Menschen sind in der selbstwertdienlichen Verarbeitung von negativen Informationen sehr erfindungsreich. Unser Abteilungsleiter Herr Josef K. hat demnach viele Möglichkeiten, das negative Feedback zum Selbstschutz abzuwehren. Die folgende, nach praktischen Erfahrungen zusammengestellte Liste typischer Abwehrreaktionen auf negative Ergebnisse von Kundenbefragungen ließe sich leicht erweitern: Der Abteilungsleiter, Herr Josef K. • stellt die Kundenbefragungen methodisch in Frage (Ansatzpunkte wären z. B. der geringe Rücklauf, die Auswahl der Fragen, Frageformulierungen oder grundsätzliche Kritik), • kritisiert die „einseitige“ Interpretation (z. B. Vernachlässigung besonderer Schwierigkeiten in seiner Abteilung), • interpretiert Ergebnisse einseitig und sucht selektiv nach Informationen, die ihn und seine Arbeit bestätigen und • macht für die schlechten Ergebnisse von ihm nicht zu verantwortende Umstände verantwortlich (z. B. zu wenige Ressourcen, die Kunden waren zum Zeitpunkt der Befragung gerade in einer besonderen nicht typischen Situation etc.). Wie die Liste zeigt, liefern die oben beschriebenen Fallstricke Argumente zur Abwehr negativer Bewertungen. Die beispielhafte Analyse der Informationsverarbeitungsprozesse verweist aber gleichzeitig auf die psychologische Funktion der Abwehr als Selbstwertschutz. Mikropolitische Einflussstrategien Wenn es für Herrn Josef K. Möglichkeiten gibt, informell Einfluss auf die Interpretation der Befragungsergebnisse und daraus abgeleitete unternehmenspolitischen Entscheidungen zu seiner Abteilung oder vielleicht sogar
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für das gesamte Unternehmen verhindern kann, nutzt er sie wahrscheinlich. Es wäre im Eigeninteresse im Grunde nur klug, dies zu tun. Negative Kundenbewertungen der Abteilung stehen ja nicht nur im Konflikt oder in kognitiver Dissonanz zu seinem persönlichen Selbstbild, sondern zwangsläufig auch im Widerspruch zu dem für seine künftige Karriere notwendigen positiven Eindruck (sein Fremdbild), den er bei der Unternehmensleitung von seiner Kompetenz und seinen Erfolgen vermitteln muss (Impression making). Statt kundenorientierte Einstellungen und Verhalten zu verändern, setzt er deshalb, wenn er keinen direkten Einfluss auf die Interpretation der Ergebnisse hat, informelle mikropolitische Einflusstaktiken ein. Typische Taktiken sind (Blickle, 2004): 1. selbstsicher Forderungen stellen („Wenn wir die Verbesserungen einführen sollen, sind erhebliche Investitionskosten erforderlich.“), 2. Blockieren (Zusammenarbeit aufkündigen, langsamer arbeiten usw.), 3. Koalitionsbildung (Unterstützung der Kollegen oder Mitarbeiter/innen anderer Abteilungen gegen die Informationen der Kundenbefragung oder die Projektleitung aktivieren), 4. Appelle an strategische Ziele, Werte oder Ideale des Unternehmens oder Gefühle der Angesprochenen („Wenn wir das Gewünschte tatsächlich umsetzen, stünde das im Widerspruch zu unseren Kostenreduktionszielen!“) Durch mikropolitische Einflusstaktiken können Veränderungen sehr wirksam verhindert werden (Greif, in Vorber.). Offizielle Stellungnahmen der Unternehmensleitung über notwendige Veränderungen werden von den Mitarbeiter/innen oft vorsichtig aufgenommen. Kritische Äußerungen informeller Meinungsführer erscheinen dagegen glaubwürdiger und verbreiten sich durch informelle Bewertungskommunikationen wie Gerüchte, wie dies in der Theorie von Greif, Runde und Seeberg (2004) über Erfolge und Misserfolge beim Change Management näher ausgeführt wird. Negative informelle Bewertungskommunikationen bremsen oder blockieren die Mitarbeit in der Umsetzung der Veränderungen und sind schwer beeinflussbar. 2.3
Problematisches Verhalten der Führung
Die ungewünschten Mechanismen der Abwehr der Veränderungen als Selbstschutz oder informelle Einflüsse können durch das Verhalten der übergeordneten Führungsebenen ungewollt weiter verstärkt werden. Wenn
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es den Vorgesetzen von Herrn K. nicht entgeht, dass dieser die Ergebnisse abwertet oder die Ursachen anderen und nicht seinem Bereich zuschreibt, wird er ihn zu einem Gespräch einladen. Es ist für beide Gesprächspartner nicht einfach, solche Feedbackgespräche konstruktiv zu führen. Naheliegend wäre, dass der Vorgesetzte den Druck auf Herrn K. erhöht. Leider führt dies aber unter den geschilderten Voraussetzungen meist zu schlechten Ergebnissen. Je mehr sein Vorgesetzter ihn mit den unangenehmen Ergebnissen konfrontiert, desto mehr Energie wird Herr Josef K. aufwenden, sein attackiertes Ego zu schützen. Vielleicht wird Herr K. am Ende unter dem Druck sogar den sprichwörtlichen Bauern opfern, einen Mitarbeiter benennen, den er für das für schlechte Ergebnis als Schuldigen benennt. Das Kundenverhalten wird dadurch nicht verbessert. Das Misstrauen im Team erhöht sich und Angst entsteht, wer als nächster dran ist. Ist Herr Josef K. ein schlechter Mitarbeiter? Nein. Die Reaktionen von Josef K. sind im Grunde ganz natürlich und „psychisch gesund“. Untersuchungen belegen, dass das Fehlen von selbstwertdienlichen Attributionen mit depressiven Krankheitsbildern korreliert (vgl. Benning, 1983). Auch der Vorgesetzte, der ihm den Spiegel vorgehalten hat und ihn für sein Abwehrverhalten kritisiert, würde sich wahrscheinlich in der gleichen Situation ähnlich verhalten. Es sei angemerkt, dass derart selbstwerterhöhende bzw. selbstwertkonsistente Attributionsmuster bei Personen mit starkem Selbstwertgefühl deutlich ausgeprägter sind als im Durchschnitt. Ein starkes Selbstwertgefühl geht gemeinhin oft einher mit starkem Durchsetzungsvermögen, welches wiederum ein gewünschtes Attribut von Führungskräften ist Wenn die Situation nun, wie geschildert, psychologisch ziemlich verfahren ist, kommen viele Führungskräfte an diesem Punkt zu dem Schluss, dass, die Abteilung durch eine externe Beratung reorganisiert werden muss. Wenn sich Herr K. nicht mikropolitisch dagegen wehren kann, wird er wahrscheinlich zunächst versuchen, sich mit seinen Perspektiven einzubringen. Wenn diese nicht konform mit denen der Berater und des Vorgesetzten sind und auch nicht besonders gewertschätzt werden, wird Josef K. irgendwann resignieren. Sofern er von seinem Job abhängig ist und er ihn nicht „hinwerfen“ kann, wird er die Empfehlungen der Berater erdulden, sie möglicherweise sogar nach außen mittragen. Wenn er aber nicht wirklich überzeugt ist und die Veränderungen nur resigniert akzeptiert, hört er auf, sich für seine Arbeit zu engagieren und sich mit den Zielen des Unternehmens zu identifizieren. Mit anderen Worten, er emigriert in die innere Kündigung. Möglicherweise werden Herr Josef K. und seine Abteilung
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sich nach einiger Zeit wieder etwas erholt haben und sich geschickt um die neuen Prozesse in den vielbeobachteten Work Arounds herum organisieren. Oder es beginnen komplizierte Diskussionen und Verhandlungen um Investitionen, Schnittstellen, Abläufe etc. Für Herrn Josef K. sind inzwischen andere Bereiche seines Lebens wichtiger geworden. Er engagiert sich z. B. im Vorstand der örtlichen Bügerstiftung. Insgesamt betrachtet, wurde ein großer Verbesserungsprozess in Gang gesetzt, viel Geld und Zeit investiert. In diesem Fall hat das Unternehmen Herrn Josef K., vermutlich einige seiner Mitarbeiter/innen und vor allem viel Motivation und Produktivität seiner Abteilung verloren. Irgendwann wird Herr Josef K. durch Herrn Gregor S. ausgetauscht. Gregor S., der durch die Beförderung in seiner Selbstwahrnehmung große Bestätigung erfährt, ist natürlich hochmotiviert. Er engagiert sich, alles klappt bestens und zwar genau so lange bis er genötigt wird, sein Selbstwertgefühl mit einer der beschriebenen Abwehr- oder Ego-defense-Strategien zu schützen In deutschen Unternehmen gibt es viele Herr Josef K.s, die am Ende das Opfer eines gut gemeinten, aber psychologisch problematisch geführten Verbesserungsprozesses sind. Unzulänglich durchgeführte Veränderungsprozesse verursachen nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung CapGemini (2008) einen Produktivitätsrückgang von durchschnittlich 21%. 77 Prozent der Firmen beobachten bewusste Opposition gegen die Veränderungen und knapp ein Viertel, dass in letzter Konsequenz auch Mitarbeiter kündigten. Die unerwünschte Fluktuation bei schlecht gemanagten Veränderungsprozessen schätzen die Unternehmen auf durchschnittlich 9%. Nach der Gallup-Erhebung aus 2006 (Geißler, 2006) haben nur 13% der deutschen Arbeitnehmer/innen eine emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber. 2001 waren es mit 16% noch etwas mehr. Im Vergleich waren es in der Schweiz immerhin 22%, und in den USA 28%. Dies sind Ergebnisse, die auf Produktivität und Shareholder Value bedachte Führungskräfte aufhorchen lassen sollten.
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Psychologie einer erfolgreichen Entwicklung in der Organisation
Keine Organisation kann auf eine bestmögliche Ausschöpfung der Kundenpotenziale verzichten. Die Frage, die sich nun stellt ist, wie sich eine Organisation hin zu mehr Kundenorientierung entwickeln kann. Wie erreichen wir alle Josef Ks mit ihren Mitarbeiter/innen? Wie bewegen wir sie
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dazu, sich auch für selbstwertdiskrepantes Kundenfeedback zu öffnen? Wie lassen sie sich zu erforderlichen Veränderungen motivieren? Wie können wir es erreichen, dass Herr Josef K. die Veränderungen als sein eigenes Anliegen ansieht, seine Einstellungen und Verhaltensweisen ändern und dabei Neues lernen will? Ideal wäre es, wenn er die Veränderungen als Entwicklungsprozess zu einem noch attraktiveren Selbst versteht. Um dies zu ermöglichen, ist es erforderlich, drei Bereiche dabei psychologisch sorgfältig zu gestalten: 1. die Kundenbefragung, 2. das Kundenfeedback und 3. die Führung der Veränderungen. Im Folgenden wird dargestellt, auf welche psychologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung der Organisation es in diesen drei Bereichen ankommt und wie sie praktisch hergestellt werden können. 3.1
Das Wichtige richtig erfragen
Mit jeder Kundenbefragung holen wir wichtige Informationen in die Organisation. Wir unterstellen, dass die Absicht dahinter steht, die Organisation in Richtung Kundenorientierung zu verbessern oder weiterzuentwickeln. Es geht dabei um Veränderungen auf den Systemebenen Individuum, Arbeitsgruppe und Organisation. Die erste Frage ist, was bei meinen Kunden zu erfragen ist? Was ist wichtig, was ist unwichtig? Bei der Einschätzung der Wichtigkeit der Fragen sollte immer bedacht werden, dass man mit der Befragung in die Kundenbeziehung eingreift. Durch jede Frage werden bei den Kunden (Veränderungs-)Erwartungen geschürt. Bedenkt man wie viele Unternehmen, lange vielschichtige Fragebögen an ihre Kunden senden, deren Ausfüllen den Kunden einiges an Zeit und Aufwand kostet und wie selten Kunden später etwas über Veränderungen zu den von ihn angemerkten Kritikpunkten hören, weiß man, dass nach dem langen Prozess einer Kundenbefragung durch enttäuschte Erwartungen oft unabsichtlich die Kundenbeziehungen belastet werden. Die in diesem Buch behandelte Methode des Net Promoter Scores löst das Problem zu langer Befragungen sehr radikal. Dem Kunden wird nur eine einzige Frage gestellt. Diese Frage bezieht sich auf die Weiterempfehlungsbereitschaft des Kunden: „Wie wahrscheinlich würden Sie X einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Für „X“ wäre dabei je nach Gegenstand der Befragung die zu bewertenden Dienstleistungen einzusetzen oder ein Produkt, bzw. eine Produktgruppe oder ein Unternehmen, bzw. eine Organisation. Die Kunden erhalten eine Bewertungsskala von
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0–10 (0 = „unwahrscheinlich“ und 10 = „äußerst wahrscheinlich“) vorgegeben und sollen damit ihre persönliche Einschätzung abgeben. Kunden mit Bewertungen von 0 bis 6 werden zur Gruppe der „Kritiker“ gezählt, von 7 bis 8 als „Passiv Zufriedene“ und von 9 bis 10 als „Promotoren“. Der Net Promoter Score ergibt sich durch den Prozentsatz der Promotoren (z. B. 35%) abzüglich der Kritiker (z. B. 25%). Der NPS kann maximal zwischen –100 und +100 liegen (im Beispiel NPS = 35–25 = 10).
Ergänzend können die Kunden ihre Bewertungen in einem freien Textfeld begründen oder kommentieren. Erfahrungsgemäß nutzt etwa die Hälfte der Befragten diese Möglichkeit zur Erläuterung ihrer Bewertung. Das Frageformat ist demnach als kombinierte geschlossene und offene Frage einzuordnen. In Kapitel zwei im ersten Beitrag werden die Formulierung der Frage, Durchführung und Auswertung eingehend behandelt. Der NPS ist viel besprochen und auch oft kritisch hinterfragt (vgl. Keiningham et al., 2007). Von manchen Marktforschern wird manchmal die einfache Befragungsmethode kritisiert, weil sie keine differenzierten Bewertungen erlaubt. Manche Veröffentlichungen zum NPS erwecken den Eindruck, dass alle Untersuchungen ausschließlich auf die einzige Frage nach der Empfehlungsbereitschaft reduziert werden könnten. Das wäre auch aus unserer Sicht problematisch. Wie wir unten erläutern und beschreiben werden, verstehen wir die NPS-Frage als Beginn eines kontinuierlichen Dialogprozesses. Je nach Ergebnis kann es sinnvoll sein ergänzendes oder vertiefende Befragungen oder Studien folgen zu lassen. Hier sollen im Folgenden nur die psychologisch wichtigen Aspekte angesprochen werden. Für einen individuellen und organisationalen Entwicklungsprozess mit dem Ziel, durch die Befragung die Kundenbeziehung und das Kundenmanagement deutlich und messbar zu verbessern, ist der Einstieg mit dem Net Promoter Score aus den folgenden Gründen sehr geeignet: (1) Die Methode ist sehr einfach und ökonomisch (2) Die Kundenbewertungen werden authentisch erfasst (3) Rationale und emotionale Bewertungen werden berücksichtigt (1)
Die Methode ist sehr einfach und ökonomisch
Die NPS-Frage ist sehr verständlich formuliert. Die Kunden beantworten sie nach kurzer Überlegung sehr schnell (erfahrungsgemäß meist in ein bis zwei Minuten). Die von den Kunden oder Mitarbeiter/innen beanspruchte Zeit ist deshalb minimal und es ist leicht, die Kunden für eine kurze Frage zu gewinnen.
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Mit der NPS-Befragung soll ein Entwicklungsprozess zur Verbesserung der Kundenbeziehung gestartet werden. Beim Start geht es nicht darum, alles zu erforschen, sondern das Wichtige zu erfassen. Außerdem sollen auf der Mitarbeiter/innen-Seite Verbesserungen angestoßen werden. Die Reduktion der Befragung auf eine Frage birgt mehrere praktische und psychologische Vorteile: Maximale Rücklaufquoten und ökonomische Einbeziehung vieler: Die Einfachheit und Ökonomie des Instruments ermöglicht hohe Akzeptanz und maximal hohe Rücklaufquoten. Nur wenige verweigern die Beantwortung einer Frage. Die Ökonomie erlaubt es, viele Personen auf Kunden-, wie Mitarbeiter/innenseite zu befragen. Dies ist vor allem für Unternehmen mit komplexen Kundenbeziehungen wichtig. Viele Unternehmen hängen von mehreren Entscheidern und Leistungsbringern an unterschiedlichen Touchpoints ab (den Punkten, an denen sich Unternehmen und Kunden begegnen). Selbst wenn die Kundenkontakte idealtypisch nach dem Prinzip „one Face to the Customer“ gestaltet werden, ist es erforderlich die Mitarbeiter/innen einzubeziehen, die im Hintergrund die Leistungen für die Kunden erbringen. Viele Verbesserungen können nur erzielt werden, wenn diese Mitarbeiter/innen ihr Verhalten ändern. Das gewährleistet der NPS über die Möglichkeit, ökonomisch viele oder sogar alle Touchpoints und die dahinter liegenden Arbeitsbereiche einzubeziehen. Durch die ökonomische Befragung vieler und den hohen Rücklauf. Durch die Akzeptanz und den hohen Rücklauf der Kunden- und Mitarbeiter/innenbefragung wird ein breiter positiver Dialogprozesses mit den Kunden gestartet, der nicht abschreckt, sondern alle Beteiligten neugierig auf die Ergebnisse macht. Das ist ein psychologisch günstiger Start eines Prozesses mit dem Ziel die Kundenbeziehungen zu verbessern. Ökonomische Wiederholung in kurzen Zeitabständen: Kundenbefragung, die einen Veränderungsprozess auslösen oder begleiten sollen, dürfen nicht nur ein einmaliges Event oder ein Einwegfeedback sein. Kundenbefragungen werden deshalb nahezu immer zunächst mit Wiederholungen in kurzen Zeitabständen nach der Einleitung von Verbesserungen geplant. Diese Pläne werden aber erfahrungsgemäß nur in wenigen Unternehmen eingehalten. Das liegt nicht nur an den hohen Kosten für lange Befragungen, sondern auch an anderen, oben in unserer psychologischen Analyse des Scheiterns von Befragungen aufgeführten Problemen. Warum sollte man eine Aktion wiederholen, deren Erfolg fragwürdig ist? Warum soll man die Kunden mit einer langen Nachbefragung beanspruchen, ohne überzeugende Verbesserungen vorweisen zu können? Wenn man eine Wiederholung
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dennoch riskiert, sinkt der Rücklauf auf Minimalwerte. Die Ökonomie und hohe Akzeptanz der NPS-Methode erlauben im Unterschied dazu Messungen in kurzen Zeitabständen und so ein kontinuierliches Begleiten des Fortschritts im Verbesserungsprozess und Kundenmanagement. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass für die Kunden wichtige Verbesserungen erzielt wurden. Wir kommen darauf zurück, wie dies erreicht wird. Schnelles Verständnis der Bedeutung der NPS-Frage: Der Net Promoter Score erklärt sich Kunden wie Mitarbeiter/innen fast von selbst. Die Meisten wissen ohne die einschlägige Fachliteratur zu kennen (vgl. z. B. Meyer und Oevermann, 2006; Töpfer, 2008), wie wichtig und nützlich eine Weiterempfehlung der Produkte und Dienstleistungen für eine Organisation ist. Die Bedeutung der Frage ist unmittelbar einsichtig, ja selbstverständlich. Das hohe Verständnis um die Bedeutung der Frage trägt nach unserer Erfahrung zur hohen Akzeptanz der Befragung bei. Durch Einsicht bzw. Selbstverständlichkeit reduzieren sich Misstrauen und mögliche Widerstände gegen die Befragung. Die oben geschilderten Widerstände gegen typische Befragungen bei den Mitarbeiter/innen, bei denen die Bedeutung vieler Fragen unklar ist, treten auf, wenn sie befürchten, dass es eine Agenda hinter der Agenda gibt. Auch das oft nerv tötende mikropolitische Machtgerangel um spezifische Aspekte und Formulierungen in der Fragestellung erübrigt sich als Quelle für Unzufriedenheit, Misstrauen und unnötige Energieverluste, da die Frageformulierung von vornherein feststeht. Hohes Interesse für zeitnahe Rückläufe: Im Regelfall können die Mitarbeiter über ein webbasiertes Log-In aktuell den Verlauf der Rückläufe verfolgen. Das ist für viele spannend und wird genutzt. Wir erleben nicht selten, dass z. B. Mitarbeiter aus der Produktion, die keinen eigenen vernetzten PC an ihrem Arbeitsplatz haben, das Büro eines Kollegen aufsuchen, um sich schnell täglich über den neuesten Stand zu informieren. Der kommunikative Aufwand, ein Thema wie Kundenzufriedenheit und -bindung breit in der Organisation zu verankern tendiert demnach fast gegen Null. Das Instrument leistet die Vermittlung des Kundenfeedbacks ohne Zusatzaufwand. Sofortige Verfügbarkeit des Kundenfeedbacks: Für den einzelnen Mitarbeiter ist das Kundenfeedback im Regelfall unmittelbar verständlich und selbsterklärend. Natürlich sind für eine genaue Analyse des Gesamtbilds nach einer Kundenbefragung eine umfassende und systematische Aufbereitung und eine Untersuchung von Zusammenhängen und Treibern erforderlich. Dennoch sind die Aktualität der Online-Informationen und ihre
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sofortige Verfügbarkeit für die Mitarbeiter/innen sehr wirksam. Ohne auf einen erklärenden Präsentationstermin warten zu müssen, fördert der zeitnahe und unmittelbare Zugang zu den Ergebnissen die Bereitschaft, sich mit dem Kundenfeedback auseinanderzusetzen. Die Mitarbeiter/innen wollen schnell wissen, wie sie von ihren Kunden bewertet werden und welche Kundenbewertungen ihre Kolleg/innen erwarten. (2)
Die Kundenbewertungen werden authentisch erfasst
Viele Befragungsmethoden verwenden ausschließlich geschlossene Fragen mit vorgegebenen Skalen und vorformulierten Antwortalternativen (so genannte Multiple Choice-Fragen). Vorteil ist eine einfache Auswertung. Bei offenen Fragen können Kunden direkt auf die von ihnen kritisierten oder gewünschten Punkte eingehen, auf das was ihnen wirklich wichtig ist und nicht zu allen denkbaren Punkten abgefragt werden. Beim NPS handelt es sich um eine Kombination einer skalierten geschlossenen mit einer offenen Anschlussfrage (Erläuterung der Bewertung auf der Skala). Wenn wir die Gedächtnispsychologie (vgl. die Einführung von Baddeley, 1997) heranziehen, unterscheiden sich die Prozesse beim Produzieren von Antworten bei geschlossenen und offenen Fragen. Bei geschlossenen Fragen aktiviert der befragte Kunde seine im Langzeitgedächtnis präsenten Assoziationen zu den Fragen und allen Antworten und vergleicht ihre Ähnlichkeit mit den vorformulierten Antworten. Der Vergleich erfordert eine sprachliche Decodierung nicht nur der Fragen, sondern zusätzlich aller Antwortalternativen. Der Prozess wird hier von den Fragen gesteuert und aktiviert das sprachliche Langzeitgedächtnis. Der NPS erfordert, dass die Kunden mit ihrem Gedächtnis die Bedeutung der Antwortskala zur Empfehlungsbereitschaft anhand bewusst knapp gehaltener Hinweise zu den Werten 0 („unwahrscheinlich“) und 10 („äußerst wahrscheinlich“) dekodieren. Derartige Bewertungen gelingen am besten, wenn sie schnell und ganzheitlich-intuitiv vorgenommen werden. Wir wissen heute, dass Menschen sehr gut intuitive Schätzungen von Größenordnungen vornehmen können. Schnelle intuitive Schätzungen sind dabei in vielen Bereichen zutreffender, als reflektierte Schätzungen (Haberstroh, Plessner, Betsch und Betsch, 2008). Wenn die Befragten aber versuchen, die Bedeutung jeder einzelnen Skalenstufe analytisch zu dekodieren, wird die Aufgabe sehr schwierig, mitunter sogar abgebrochen. Die Zahl der Abbrecher bleibt jedoch erfahrungsgemäß gering. Bei vorformulierten Multiple-Choice Antwortalternativen müssen die Befragten Vergleiche zwischen allen decodierten Antwortalternativen und
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ähnlichen, im Sprachgedächtnis nach den Erinnerungen recodierten Erfahrungen suchen. Dabei sind viele „Missverständnisse“ über das Gemeinte möglich. Leicht können Erinnerungsfehler auftreten. Wer kann sich schon genau erinnern, ob eine bestimmte Antwortalternative, wie er sie versteht, am besten zu seinen Erinnerungen passt? Ähnlich wie bei Zeugenaussagen produzieren Befragte mit voller Überzeugung auf konkrete Fragen stimmige Antworten, die keineswegs real sein müssen. Mit der typischen Frageformulierung „Wie zufrieden sind Sie mit …“ wird den Kunden ein Standardschema kognitiver Beurteilung vorgegeben. Überprüfen Sie sich selbst und beantworten Sie die Frage: „Wie zufrieden sind Sie mit der Verfügbarkeit von Geldautomaten im Stadtzentrum?“ Vielleicht wissen Sie es nicht, oder es ist Ihnen egal. Aber natürlich würden Sie zu dieser Fragestellung eine Bewertung abgeben können, die dann bei der nachfragenden Bank ein großes Projekt auslösen könnte. Wenn Sie, wie in Kundenbefragungen üblich, mit diesem Frageschema eine lange Serie von Einschätzungen vornehmen sollen, entwickeln Sie eine Antwortroutine, die sich von ihren Erinnerungen weitgehend abkoppeln kann. Wenn der Kunde bei offenen Fragen die Antworten selbst formulieren muss, sind andere Prozesse gefordert. Anders als bei vorgegebenen Antworten scannt der Kunde hier gewissermaßen selbst sein Langzeitgedächtnis nach passenden Erfahrungen und muss sie auch selbst sprachlich formulieren. Wenn er auf die offene Frage nach der NPS-Skala zur Empfehlungsbereitschaft spontan mit erläuternden Stichworten antwortet, kann man davon ausgehen, dass die damit ausgedrückten Erfahrungen nicht „konstruiert“ sind, sondern als erlebte Erfahrungen in seinem Langzeitgedächtnis präsent sind. Bei spontanen konkreten Schilderungen können wir davon ausgehen, dass es sich um wichtige Eindrücke der Befragten handelt. Psychologisch besonders bedeutsam sind konkrete Verbesserungsvorschläge. Wenn diese Kunden in ihrer Kommentierung Verbesserungsvorschläge anbieten wird implizit ein Engagement des Kunden für das Unternehmen und dadurch eine Kundenbindung hergestellt. Wenn die Bewertungen zwischen 0 und 6 liegen, werden die Kunden als „Kritiker“ eingeordnet und es erfolgt ein Feedback Call mit einem Interview, in dem weitere offene Fragen zur Klärung der Bedeutung des kritischen Kundenfeedbacks gestellt und Verbesserungswünsche erfragt werden. Dass offene Fragen bei sehr großen Stichproben praktisch nicht durchführbar sind, ist übrigens nachweislich falsch. In einer Bürgerbefragung, die von Bernd Runde und dem Mitautor dieses Kapitels in der Stadt
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Osnabrück anlässlich der Kommunalwahlen 2001 mit einem Rücklauf von ca. 28.000 Befragten (21%) haben wir offene Fragen zur Kritik und zu Verbesserungsvorschlägen gestellt. Die teilweise sehr konkreten Vorschläge konnten in wenigen Wochen mit Hilfe von Kategoriensystemen ausgewertet und an die zuständigen Fachabteilungen weitergeleitet werden. (3)
Rationale und emotionale Bewertungen
Wie bereits eingangs dargelegt wurde, beruhen Kaufverhalten von Kunden und Kundenbeziehungen keineswegs auf strikt rationalen Informationsverarbeitungsprozessen und Entscheidungen. Spitzer (2001) stützt sich auf neurowissenschaftlichen Untersuchungen, wonach langfristiges Einprägen von Informationen im Gedächtnis durch mit ihnen verbundene starke positive oder negative Emotionen beeinflusst wird. Wie er folgert, sind Emotionen keine Widersacher des Verstands, sondern „helfen uns beim Zurechtfinden in einer komplizierten und immer komplizierter werdenden Welt“. Ciompi (2002) verbindet in seiner Theorie der Affektlogik neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit Systemtheorien und postuliert, dass Affekte (elementare Emotionen) und Denken (Kognitionen und Logik) bei allen psychischen Leistungen systemisch zusammenwirken. Nach Kuhls neurowissenschaftlicher Motivations- und Persönlichkeitstheorie (Kuhl, 2001) werden die im Gedächtnis für intuitive Erfahrungen vorhandenen Erinnerungen durch die assoziierten Emotionen und Affekte organisiert. Wenn unser Gedächtnis durch Aufforderungen zu einer gefühlsmäßigen Bewertung oder eine offene Frage zu positiven oder negativen Erinnerungen aktiviert wird, scannen wir gewissermaßen unser Gehirn über die mit der Frage aktivierten Gefühle. So betrachtet, werden durch diese Frageformulierungen immer auch Emotionen aktiviert. Wenn nicht nach gefühlsmäßigen Bewertungen oder offen nach Erfahrungen gefragt wird, sondern durch die Frageformulierung und präzise formulierte Sachverhalte abgefragt werden, werden vermutlich analytische Reflexionen – und damit die linken frontalen Hirnareale für bewusstes Denken aktiviert. Diese Annahmen sind allerdings noch sehr spekulativ. Es wäre eine wichtige Aufgabe der künftigen Grundlagenforschung durch psycho-physiologische Methoden und bildgebende Verfahren der Hirnforschung herauszufinden, ob unsere Annahme stimmt, dass und inwieweit die Aktivierung von Gefühlen in Kundenbefragungen von der Frage- und Antwortformulierung abhängt.
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Kundenfeedback aktiv einholen und verarbeiten
Mit jeder Kundenbefragung initiieren wir einen Feedbackprozess. Wie in unserem Fallbeispiel des Abteilungsleiters Josef K. dargelegt, hängt es von der Vorbereitung und Einstellung der Feedbackempfänger, von der Gestaltung des Kontextes und vom Inhalt der Feedback-Informationen ab, wie sie von den Führungskräften und Mitarbeiter/innen psychologisch verarbeitet werden. Die Frage ist, wie vermieden werden kann, dass sie von den Empfängern selbstwertdienlich abgewehrt werden und zu informellem Widerstand führen. Im folgenden Abschnitt erläutern wir wesentliche Ansatzpunkte zur Förderung einer offenen Einstellung der Führungskräfte für das Kundenfeedback in NPS-Projekten und zur Aktivierung kundenorientierter Verbesserungen. 3.2.1 Viele Kunden und kritische Mitarbeiter/innen bei den Verbesserungen einbeziehen An der Schaffung von Wert für den Kunden sind gemeinhin viele beteiligt. Da sind zuvorderst die verkaufsorientierten Bereiche wie Sales und Customer Services, die Produktentwickler, aber auch die Mitarbeiter in den Rechnungsabteilungen, in den juristischen Bereichen, im Projektmanagement, in der Produktion und in der Produktionsplanung. Ein jedes Unternehmen hat seine ganz spezifische Wertschöpfungskette und hinter jedem einzelnen Glied dieser Kette stehen Personen, die ihre Anforderungen außergewöhnlich gut erfüllen müssen, um Wert für das Unternehmen und für den Kunden zu erzeugen. Die Kombination ihrer kundenorientierten Leistungsmotivation und -fähigkeiten bestimmt maßgeblich den Wettbewerbsvorteil, den ein Unternehmen zu erzielen vermag. Diejenigen, die eine Veränderung herbeiführen wollen sind gut beraten, diese Wertschöpfungskette und die Potenziale der dahinter stehenden Personen zu verbessern. Viele werden überrascht sein, wie viele Mitarbeiter/innen je Kunde daran beteiligt sind. Jeden dieser Mitarbeiter gilt es für das gemeinsame Projekt der Verbesserung der Kundenbeziehungen anzusprechen und dafür zu gewinnen. Jeder Einzelne sollte im Idealfall selbst überlegen und Anregungen dazu erhalten, in welcher Form sein Tun optimiert werden kann. Dadurch gelingt eine verbesserte Ausrichtung der Gesamtorganisation. Für die Durchführung des NPS-Projekts empfiehlt es sich, ein interdisziplinäres bereichsübergreifendes Team aufzustellen. Dabei sind die folgenden Punkte zu beachten:
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• Das Team soll möglichst Ebenen übergreifend zusammengesetzt werden (vom verantwortlichen Geschäftsführer bis zum Gabelstaplerfahrer) und im Hinblick auf die Veränderungen einflussreiche Schlüsselpersonen (Stakeholder) und potenzielle Multiplikatoren aus allen relevanten Bereichen umfassen. • Wenn in das Team nicht nur die formell „zuständigen“ Positionsträger aufgenommen werden, sondern auch kritisch eingestellte, informelle Meinungsführer und wenn ihre Kritik ernst genommen und wenn möglich konstruktiv zur Verbesserung der Maßnahmen berücksichtigt wird, erhöhen sich die Chancen, präventiv informelle Widerstände zu verringern (Greif, in Vorber.). • Offenheit für Kritik im Team fördert einen offeneren und konstruktiven Umgang mit organisationsinternen Konflikten und negativen Rückmeldungen der Kunden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Team Diskussionen durch erfahrene Moderator/innen (anfangs externe Berater/innen) geleitet werden. Erforderlich ist außerdem, dass die Teams Moderationsregeln akzeptieren, wie gegenseitiges aufmerksames und respektvolles Zuhören, Argumente ohne persönliche Angriffe und kooperative Konfliktregelung. Wenn sich die Teammitglieder gegenseitig respektvoll begegnen, werden innerhalb des Teams defensive Selbstwerterhöhungen unnötig. Es gibt dafür keinen Anlass mehr, weil anstelle persönlicher Angriffe die gemeinsame Problemlösung in den Mittelpunkt gestellt wird. Der Erwartungsdruck im Teams, dass jeder sich einzubringen sollte, ist dabei ebenfalls förderlich (Frey, 1975; Schlenker, 1975). • Wenn im Team unterschiedliche Positionen, Bereiche und Sichtweisen vertreten sind, können die Entscheidungen durch breiteres Erfahrungswissen abgesichert werden. • Der Austausch in einem Team, das sich trotz unterschiedlicher Einzelpositionen zunehmend besser versteht, schafft eine gemeinsame Sicherheit stiftende soziale Situation. Spontane Widerstände durch Verunsicherungen durch ungewisse, tief greifende Veränderungen werden im Team verringert. • Wenn die Teammitglieder als informelle Meinungsführer ihre im Team gewonnenen Einschätzungen in das Unternehmen tragen, kann die Akzeptanz der Veränderungen in der gesamten Organisation durch glaubwürdige informelle Kommunikationen erhöht werden (Greif et al., 2004). Es ist schwer multiperspektivisch und Ebenen übergreifend zusammengesetzte Projektteams konstruktiv und ergebnisorientiert zu moderieren,
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die aus formell und informell einflussreichen Schlüsselpersonen mit unterschiedlichen und konflikthaltigen Erfahrungen, Meinungen und Vorschlägen bestehen. Erfahrungsgemäß ist es wichtig, als Moderatoren vom Team anerkannte externe Berater einzusetzen. Es ist psychologisch plausibel, dass sich die Teammitglieder vor anerkannten Externen kooperativer verhalten und sich zumindest anfangs gewissermaßen „von ihrer besten Seite“ zeigen möchten. Welche hohen Anforderungen an die Kompetenzen der Berater gestellt werden, wird im Zweiten Teil dieses Buches eingehend behandelt. Förderlichen Bedeutungskontext und gemeinsames Verständnis erarbeiten (1)
Organisationaler Bedeutungskontext
Ein Feedback ist eine Rückmeldung, die, wie wir annehmen können, an Informationsbedeutung gewinnt, weil sie in einem organisationalen Bedeutungskontext steht. Bei Kundenbefragungen ist der Bedeutungskontext der Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens am Markt vor dem Hintergrund der Kommunikationsstruktur des Unternehmens. Dieser Kontext beeinflusst die Interpretation und Verarbeitung der Feedbackinformationen, insbesondere die formelle und informelle Verantwortungszuschreibung für die Erfolge und Misserfolge. In einem Unternehmen mit sehr hierarchischer Kommunikationsstruktur und strikt getrennten Bereichen sowie geringen informellen Kommunikationsaustausch zwischen den Ebenen und Bereichen wird die Verantwortung für negatives Kundenfeedback wechselseitig attribuiert, ohne dass dies erkannt werden muss. Die oben beschriebene multiperspektivische, Ebenen übergreifende Zusammensetzung des Teams fördert die Chancen für die Entwicklung eines gemeinsamen, für die angestrebten Veränderungen förderlichen organisationalen Bedeutungs- und Interpretationskontexts. (2)
Gemeinsames Verständnis schaffen
Vor der Befragung sollte in einem strukturierten Prozess mit den Beteiligten ein möglichst genaues Bild der Kundenbeziehungen entworfen werden. Dazu gehören Kundensegmentierungen, die Auskunft geben, über Dauer der Beziehung, finanzielle Attraktivität, Ressourceneinsatz und spezifische Kundebedürfnisse und wichtige Touchpoints (vgl. Zweites Kapitel, eins).
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Viele Unternehmen haben ausgereifte am Unternehmensziel orientierte Segmentierungen und verfügen über Informationen darüber, an welchen Stellen und mit welchen Ansprechpartnern es beim Kunden gelingen kann, mehr Umsatz und mehr Wert mit und für den Kunden zu generieren. Es ist immer wieder überraschend, wie unterschiedlich die Meinungen der Vertreter einzelner Bereiche zur Wichtigkeit von Kunden und Treibern des Geschäftserfolges sind. In diesem Prozessschritt besteht die Hauptaufgabe deshalb darin, die verschiedenen Beschreibungen, Interpretationen und Erklärungen der Teammitglieder über wichtige Treiber des Geschäftserfolgs und Ursachen für die Erfolge oder Misserfolge bei der Kundenbindung zu einer gemeinsam geteilten Beschreibung und Erklärung Erfolg versprechender Interventionen zur Veränderung zu integrieren. Wenn die Schlüsselpersonen gemeinsame handlungsleitende Veränderungstheorien zu erforderlichen kundenorientierten Verbesserungen entwickeln und kommunizieren, setzen sie einen wichtigen Bedeutungs- und Interpretationskontext für die angestrebte Veränderungen. Wird es versäumt diesen Kontext zu erarbeiten, besteht die Gefahr, dass ein jeder das Feedback des Kunden rein individuell und subjektiv sehr unterschiedlich interpretiert. Entsprechend individuell und möglicherweise widersprüchlich sind dann die Schlussfolgerungen, was aus dem Kundenfeedback abzuleiten ist. Deshalb ist es wichtig die handlungsleitenden subjektiven Veränderungstheorien der wichtigen Akteure zu kennen (Greif et al., 2004). Nach praktischen Beobachtungen beeinflussen diese Veränderungstheorien die Entscheidungen, Einstellungen und das Verhalten der Teammitglieder und – über sie durch informelle Kommunikationen vermittelt – die Einstellungen und das Verhalten der angesprochenen Organisationsmitglieder bei den Veränderungen. Wenn in der Situation ausgeprägte Meinungsunterschiede oder Konflikte zwischen Ebenen und/oder Bereichen bestehen, empfiehlt es sich, sie systematisch mit einem speziell entwickelten Multimethodeninstrument zu erarbeiten (Greif, 2008b). In der Praxis verzeichnen wir damit große Erfolge. Vereinbarkeit unterschiedlicher Standpunkte, positive informelle Kommunikationen im Unternehmen und das Commitment der Teammitglieder, die Veränderungen gemeinsam voranzutreiben steigen deutlich und sehr nachhaltig an. Eine gemeinsame handlungsleitende Verständigung über die Erfolgsfaktoren und Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftserfolgs und zu den Möglichkeiten der Wertschöpfung sowie Wichtigkeit von Kunden ist nach unserer Erfahrung eine conditio sine qua non.
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3.2.2 Auf negatives Kundenfeedback vorbereiten In NPS-Projekten erhalten die Mitarbeiter/innen eine Rückmeldung über den Prozentsatz der „Promotoren“ (score von 9–10) und der „Kritiker“ (oder Detraktoren, score von 0–6) und den aus der Differenz ermittelten NPS in ihrem Arbeitsbereich. Ein großer Anteil an Kritikern und wenige Promotoren wird als negatives Kundenfeedback wahrgenommen. Kunden sind mitunter nicht gerade rücksichtsvoll in ihrem Feedback. Wenn die Mitarbeiter/innen eine Zusammenfassung der Erläuterungen der Kritiker erhalten, kann dies durchaus als hart und unfair erlebt werden. Das negative Feedback kann auch trotz günstigem Bedeutungskontext individuell Selbstwert verletzend wirken und die eingangs beschriebenen psychischen Abwehr- und Selbstschutzreaktionen hervorrufen. Welche Kundenbewertungen erwarten die Mitarbeiter/innen? Bedeutung von Erwartungs-Erwartungen Zur Vorbereitung empfiehlt es sich, die Mitarbeiter/innen selbst zu den in der späteren Befragung erwarteten oder antizipierten Kundenbewertungen zu befragen. Auch bei anderen Methoden gibt es die Praxis Kundenbefragungen inside-out durchzuführen, zuerst intern als antizipierend, dann mit den Kunden. Schneider (2006) empfiehlt dieses Vorgehen, weil die Mitarbeiter/innen, wenn man sie fragt, welche Antworten der Kunden sie erwarten, diese nach empirischen Untersuchungen sehr treffsicher vorhersagen können. Da die Kunden nur ihre individuelle Bewertung abgeben, die Mitarbeiter/innen aber Erfahrungen mit Bewertungen von vielen Kunden einschätzen, werden die Ergebnisse der Untersuchungen dadurch zuverlässiger. Nach eigenen Erfahrungen fördert dieses Vorgehen selbstkritische Reflexionen der Mitarbeiter/innen und dies öffnet sie durch die Erinnerung an negative Kundenreaktionen für negative Kundenbewertungen. Die Akzeptanz der Ergebnisse der Kundenbefragung ist eine vollkommen andere, als bei Kundenbefragungen ohne diese Vorbereitung. Da sich viele selbstkritischer oder vorsichtig einschätzen, werden die meist etwas positiveren Kundenbewertungen fast wie ein positives Feedback gesehen. Die Ergebnisse von Standardbefragungen werden dagegen wie Schulnoten von Lehrern gesehen die oft unfair zensieren (wenn sie gut sind, freut man sich, sind sie schlecht, schimpft man über die Lehrer), und abgewehrt, wie oben dargestellt. Theoretisch eingeordnet, werden durch die Aufgabe, die Kundenbewertungen zu antizipieren, Erwartungen der Mitarbeiter/innen über die Erwartungen der Kunden erfragt, also so genannte Erwartungs-Erwartungen.
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Schlippe und Schweitzer (1996, S. 76f.) stützen sich auf die klassische symbolisch-interaktionistische Theorie von Mead (1980). Danach wird unser Verhalten sehr dadurch bestimmt, welche Verhaltenserwartungen an uns wir von wichtigen Bezugsgruppen erwarten (hier von den Kunden an die Mitarbeiter/innen). Mead bezeichnet diese Bezugsgruppen als „generalisierte Andere“. Nach Luhmanns (2001) Systemtheorie würden Menschen ohne Erwartungs-Erwartungen nicht wissen, wie sie sich in der Interaktion mit anderen Menschen verhalten sollen. Bezogen auf unser Thema kann man folgern, dass die Aktivierung von Erwartungs-Erwartungen eine bewusste Vorbereitung auf die Kundenbewertungen darstellt und Anschlusshandlungen ermöglicht. Vorbereitung durch die direkten Vorgesetzten Damit negatives Kundenfeedback von den Rezipienten für Änderungen ihrer Einstellungen und ihres Verhaltens produktiv genutzt wird, wäre eine psychologisch gute, individuelle Vorbereitung und Unterstützung durch die jeweiligen Vorgesetzten und Kolleg/innen nützlich. (1) Nach Argyris (1964) ist ein hohes Selbstwertgefühl erforderlich, um aus negativem Feedback lernen zu können. In der Vorbereitung auf das Kundenfeedback wäre es deshalb problematisch, das Selbstwertgefühl der Mitarbeiter/innen zu verunsichern. Wenn das Selbstwertgefühl und und die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen („Yes, we can change the customer satisfaction!“) gestärkt werden, kann die Kritik angenommen werden und die Motivation zur eigenständigen Verbesserung gefördert werden. Das Kundenfeedback soll, auch wenn es sehr kritisch ist, von selbstbewussten und veränderungsmotivierten Mitarbeiter/innen für Verbesserungen genutzt werden. (2) Optimal wäre es, wenn der Vorgesetzte seine Mitarbeiter/innen auf das negative Feedback mit so genannten „Feedforward“ vorbereitet. Darunter versteht man nach Kluger (2006) eine gedankliche Vorwegnahme künftiger positiver Gefühle beim späteren Erreichen von Zielen. Eine Führungskraft, die einen Mitarbeiter, auf negatives Feedback und schwierige kundenorientierte Verbesserungen vorbereiten möchte, kann ihn nach Kundensituationen in der Vergangenheit fragen, die ihm Kraft und Energie gegeben haben. Anschließend kann er ihn nach Möglichkeiten fragen, wie er die Kritik der Kunden in ähnlicher Weise zu Verbesserungen nutzen kann, die ebenfalls zu solchen energiespendenden Erfolgsgefühlen führen können.
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Die Untersuchungsergebnisse zur Feedforward-Technik bestätigen, dass diese Art vorweg empfundenen intrinsischen Feedbacks sehr leistungsförderlich ist. Nach Kluger (2006) soll, wenn möglich, zuerst das Feedforward und erst später Feedback gegeben werden. Feedforward kann demnach eine machtvolle Form motivierenden Feedbacks sein, um Mitarbeiter/innen anzuspornen, sich besser auf ihre Kunden einzustellen und zu lernen sich konsequent kundenorientiert zu verhalten. (3) In den 1970er und folgenden Jahren wurde negatives Feedback von den meisten Fachautoren aus der Pädagogik, Psychologie und Organisationsentwicklung strikt abgelehnt (vgl. die viel zitierten Feedbackregeln von Antons, 1973). Nach neueren Erkenntnissen der Feedbackforschung ist aber negatives Feedback keineswegs generell problematisch, sondern als Ergänzung des positiven Feedbacks wichtig und nützlich, wenn beides genau spezifiziert und lernförderlich mit erreichbaren Zielen vermittelt wird (Goodman und Wood, 2004; Kluger und DeNisi, 1996). Eine offene Problemlösehaltung ist wünschenswert und zielführend. „Es ist interessant, dass viele Kunden kritische Bewertungen abgegeben haben. Wie können wir herausfinden, welche Gründe und Erfahrungen sie mit unseren Leistungen gemacht haben und was wir tun müssen, dass wir besser werden?“ Sehr problematisch wäre, die Kritik zu personalisieren und nach Schuldigen zu suchen. (4) Die Vorgesetzten müssen ihre Mitarbeiter/innen gegen Pauschalkritik oder diskriminierende Formulierungen der Kunden organisationsintern eindeutig in Schutz nehmen. Selbst wenn die Kunden in der Sache berechtigte Kritikpunkte vorbringen können, ist es nicht akzeptabel, dass sie dies in beleidigender Form tun. Wichtig ist dabei aber, die Mitarbeiter/innen zu bitten, zwischen der unangemessenen Form und der möglicherweise dahinter stehenden berechtigten Kritik zu unterscheiden und herauszufinden, was in der Angelegenheit verbessert werden könnte. Zunächst haben wir nur angesprochen, wie die direkten Vorgesetzten ihren Mitarbeiter/innen helfen können, sich selbstbewusst, aber offen und änderungsmotiviert auf negatives Kundenfeedback einzustellen. Wenn dies top-down auf allen Führungsebenen geschieht und z. B. auch der direkte Vorgesetzte unseren Abteilungsleiter Josef K. auf negatives Feedback einstellt, wird er normalerweise kaum die oben beschriebenen Abwehroder gar Widerstandsreaktionen entwickeln können. Weitere Empfehlungen zur Führung von kundenorientierten Verbesserungsprojekten folgen unten.
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3.2.3 Durchführung und Auswertung von Feedback-Calls Eine Messung mit dem Net Promoter Score (NPS) sieht vor, dass bestimmte definierte Kunden, mit einem so genannten Feedback-Call kontaktiert werden. In der Praxis sind das oft solche, die einen Score von sechs oder geringer geben, also alle Rückläufe, die der Gruppe der „Kritiker“ zugerechnet werden. Sie werden nach dem englischen Wort für Kritiker oder „Lästerer“ auch als „Detraktoren“ bezeichnet. Bei einer sehr großen Anzahl von Kunden, etwa bei Banken oder Konsumgüterherstellern, kann oft nicht jeder einzelne befragt werden. Sinnvollerweise werden hier Stichproben oder bestimmte Segmente ausgewählt, die von besonders hohem Interesse sind. In vielen Bereichen des Businessto-Business wird es jedoch oft möglich sein, jeden aus der „Kritiker“Gruppe anzusprechen. Im Idealfall sollte die persönliche Ansprache von der Person durchgeführt werden, die das jeweilige Gegenüber des befragten Kunden im befragenden Unternehmen ist. Das heißt, der Projektmanager mit seinem Gegenüber im Projektmanagement, der Jurist mit dem Juristen und der Leiter Produktion mit dem Leiter Produktion auf Kundenseite. Ein solches Vorgehen ist ungewöhnlich im Vergleich zu anderen Befragungsmethoden, bei denen die Veränderungsimpulse über einen Ergebnisbericht oder eine Ergebnispräsentation in die Organisation geleitet werden. Deshalb wird dieser Prozessschritt vor der ersten Durchführung manchmal von den höheren Managementebenen und in Bezug auf das Vermögen und das Wollen der Mitarbeiter sowie auch von Beteiligten in Bezug auf den Sinn und Zweck hinterfragt. Einmal durchgeführt ist der Mehrwert für alle überzeugend. Psychologisch interessant ist, dass die Personen, die sich auf die Kundeninterviews einstellen, durch die Negativ-Auswahl der Kunden eher kritisches Feedback erwarten. Wie oben bei den Erwartungs-Erwartungen angesprochen, werden sie in der Vorbereitung auf das Gespräch, um anschlussfähig zu sein, ihr Verhalten an dieser Erwartung ausrichten. Optimal wäre es, wenn sie, wie oben dargestellt, durch ihre Vorgesetzten eine offene, professionelle und selbstbewusste Problemlösehaltung einnehmen und die Kunden freundlich-interessiert und nicht defensiv interviewen, um herauszufinden, was aus der Sicht des individuellen Kunden verbessern werden sollte. Dem Kunden wird dies normalerweise imponieren. Das Gefühl kompetent zu sein führt zu intrinsischer Motivation. (Deci, 1975) Deshalb gilt es Voraussetzungen zu schaffen, dass Personen sich subjektiv als kompetent erleben. Auf unsere Thematik bezogen empfiehlt es sich, neben den oben geschilderten Vorbereitungen, die speziellen Kom-
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petenzen zu stärken um freundliche, selbstbewusste und für Verbesserungsvorschläge offene Kundeninterviews durchzuführen. Optimal ist es, kurze Leittexte mit Regeln zu formulieren, wie die Gespräche geführt werden können und wie man erwartete und unerwartete Schwierigkeiten bewältigen kann. In der Praxis, trainieren wir hierzu Strategien im Umgang mit kritischen Kunden und formulieren einen verbindlichen Gesprächsleitfaden. Eine besonders herausfordernde Lernanforderung an die Mitarbeiter/innen ist, dass sie den Kunden trotz der Kritik mit Wertschätzung und Empathie begegnen sollen. Dabei, ist es förderlich, mit den Personen, die Gespräche führen ihre Rolle zu klären. Es geht ja keineswegs darum, dass sich ein Mitarbeiter „an den Pranger stellen“ soll. Er hat die für das Unternehmen höchst wichtige Aufgabe zu erfüllen, in einem vertiefenden Gespräch herauszufinden, ob die Anmerkungen des Kunden richtig verstanden wurden und welche Möglichkeiten es gibt, die Empfehlungsbereitschaft des Gegenüber zu erhöhen. Zusammengenommen bilden die Vorbereitung, die Rollenklärung, der Gesprächsleitfaden und das Kommunikationstraining normalerweise eine ausreichende Grundlage dar, um die Gespräche mit dem Kunden konstruktiv zu gestalten. Analog zur oben angesprochenen Kombination von positivem und negativem Feedback halten wir es für empfehlenswert, auch Promotoren zu interviewen, um die Mitarbeiter/innen zu motivieren und konkrete, motivierende Beispiele für sehr zufriedene Kunden im Gedächtnis einzuprägen. Sie können künftig für das energetisierende Feedforward genutzt werden. Dadurch könnte auch die problematische Defizitfokussierung abgeschwächt werden. Nach vorliegenden Erfahrungen äußern wie bereits erwähnt manche Interviewer vor dem ersten Mal ein gewisses Unbehagen. Wer setzt sich schon gern einem erwarteten negativen Feedback aus? Nach den Gesprächen zeigen die Interviewer jedoch oft positive Reaktionen. Sehr häufig berichten sie Personen von einer Art Entlastung und Erleichterung. Unterschwellige Themen, die in der Regelkommunikation nie adressiert wurden, konnten in dem kritikorientierten Gespräch endlich ausgesprochen und geklärt werden. Positiv wirkt sich auch die nicht anonyme eins zu eins Situation aus. Die meisten befragten Kunden zeigen sich daran interessiert, die Beziehung zu verbessern. Insofern stellt dies im Prinzip eine klassische Win-Win-Situation dar. Die Anregungen der Kunden sind erfahrungsgemäß meist realistisch und adressierbar. Die praktische Erfahrung zeigt, dass die Kunden oft ein Gespür für Machbarkeiten und deren Grenzen haben. So gut wie nie wurden nicht erfüllbare Wünsche zurückgespielt. Die Kombination
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beidseitig nicht anonym, sondern mit vollen Namen zu reden und das von den Interviewern authentisch demonstrierte hohe Eigeninteresse an der Verbesserung der Beziehung wirken sich sehr förderlich auf den Dialog aus. Allerdings erleben wir mitunter auch, dass Interviewer das Gespräch zwar pflichtgemäß führen, sich einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dem Kunden jedoch entziehen. Dies zeigt sich in Gesprächsdokumentationen, in denen durchgängig zu lesen ist, dass „alles nicht so gemeint gewesen“ sei, dass die Kommentare überholt oder die kritischen Punkt bereits gelöst seien. Das mag in dem einen oder anderen Fall ja durchaus zutreffen, bei Nachfragen erkennen wir jedoch fast immer verdeckte Widerstände. Dies ist oft eine Folge, wenn Personen im Vorfeld nicht ausreichend eingebunden bzw. nicht ausreichend vorbereitet wurde. Man kann die Rückläufe der Kunden grob in drei Kategorien einordnen wie in Kapitel zwei, eins beschrieben. Solche, (1) die eine strategische Relevanz haben und das Top Management erfordern wie z. B. ein verändertes Key Account Management, Wünsche nach weltweit einheitlichen Qualitätsstandards oder eine grundlegend veränderte Rolle in der Kunden-Lieferanten-Beziehung. Darüber hinaus gibt es (2) Kommentare, die Prozesse und Strukturen betreffen wie z. B. der Wunsch nach häufigerem Kontakt mit dem technischen Service, anderen Produktinformationen, die oft in der Verantwortung eines Bereichs liegen und solche (3) Kommentare, die sich auf das konkrete Verhalten einzelner Personen beziehen, wie z. B. die Leistung im Projektmanagement oder das Engagement in der Lösung eines aufgetretenen Problems. Das zuletzt genannte Problem, kann der oder die direkte Kundenverantwortliche meist eigenständig und selbstverantwortlich nach einem Austausch mit dem Kundengegenüber ändern. Vielleicht sogar, bevor das unerwünschte Verhalten bei seinen Vorgesetzten öffentlich geworden ist. So gelingt es, durch erfolgreiche Verbesserungen das Selbstkonzept professioneller Kompetenz zu wahren, indem man das eigene Verhalten im Sinne der Kundenorientierung verbessert. Die Eigenmotivation, sich zu verbessern, steigt, wenn man erwartet, dass in Kürze die Befragungen wiederholt werden. Wenn man dabei einen besseren Wert erzielen möchte, muss man etwas konkret Wirksames tun. Goodman und Wood (2009) fordern, dass das Feedback durch andere Personen möglichst schnell in einen Modus des autonomen Selbstfeedback überführt werden soll, um nachhaltige Verbesserungen im Verhalten zu erzielen. In die gleiche Richtung argumentiert Peter Block, Experte in Sachen Lernen und Leistung am Arbeitsplatz (2008). Wie er feststellt, entstehen die meisten nachhaltigen Verbesserungen, wenn Menschen ihre eige-
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nen Handlungsfähigkeiten entdecken und wenn Sie aufhören, auf Experten oder Führungspersönlichkeiten zu warten, die ihnen Anregungen geben. Nicht alle Vorschläge des Kunden wird der einzelne Mitarbeiter direkt umsetzen können. Für viele Kommentare, Unternehmensprozesse, Produktqualitäten oder strategische Komponenten, braucht es nachfolgend die Einbeziehung anderer Bereiche und Hierarchien. Dennoch ist auch hier das vertiefende Gespräch hilfreich. Der verantwortliche Mitarbeiter kann zum einen auf der Ebene des Verstehens wichtige Informationen sammeln. Das Gespräch ermöglicht ihm oder ihr auch, die Perspektive des Kundens besser zu verstehen und diese Perspektive ggf. auf den Entscheidungsebenen einzubringen. Dies erhöht seine Kompetenz und Wahrnehmung seiner Kompetenz durch Vorgesetzte und Kollegen. In allen bisher durchgeführten Umfragen und den nachfolgenden Feedback-Calls, waren es insbesondere, die offenen qualitativen Antworten, die den jeweiligen Bereichen besonderen Aufschluss gegeben haben, in welche Richtung es gilt, Leistung und Beziehung zu entwickeln. Jeweils waren die Kommentare und Aussagen klar beschreibend, oft bewertend, jedoch so gut wie nie destruktiv. Unsere Erfahrung zeigt, dass Kunden ein hohes Interesse an Beziehungen haben und deshalb gerne für Klärung bzw. Nachfragen offen und bereit sind. In keinem Fall war der Empfänger blockiert. Im Gegenteil, auch personenbezogenes negatives Feedback fand Akzeptanz und kam selten unerwartet. In den, den Kundenfeedbacks folgenden Telefongesprächen gaben die Beteiligten oft zu Protokoll, Aufschluss und Klärung über latente und aktuelle oder sich anbahnende Verstimmungen mit dem Kunden herbei geführt zu haben und so bereits maßgeblich eine Verbesserung der Beziehung eingeleitet zu haben. In Business-to-Business-Beziehungen empfiehlt es sich, den NPS in periodischen Messungen alle sechs bis zwölf Monate durchzuführen, so dass ein kontinuierlicher Dialog- und Verbesserungsprozess zwischen Kunden und Organisationsverantwortlichem in Gang gesetzt wird. Aus psychologischer Sicht, schreiben wir der Feedbackqualität und dem NPS eigenen Feedbackprozess einen hohen Lehrwert zu. 3.2.4 Nach der Messung: Maßnahmen entwickeln und den Dialog mit dem Kunden fortsetzen Das vertiefende Feedbackgespräch des Verantwortlichen mit seinem Kundengegenüber ist ein erster wichtiger Schritt in der Verarbeitung des Feedbacks und in der individuellen Weiterentwicklung. Ist die Befragung abgeschlossen und alle Feedbackcalls durchgeführt, gilt es das Wesentliche für
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das Unternehmen herauszufiltern. Das sind die üblichen sorgfältigen Analysen, das Verständnis der Wirkmechanismen hinter den Ergebnissen, die so genannten Treiberanalysen und die Entwicklung von Maßnahmen. Es gilt nachfolgend der Messung und Analyse entsprechende Prozesse und Projekte voranzutreiben. Dies ist im Anspruch nicht anders als bei anderen Befragungsinstrumenten. Die Umsetzung gestaltet sich allerdings schneller und einfacher aufgrund der Konkretheit der Kundenkommentare in Inhalt und Adressat. Was den Net Promoter Score zusätzlich auszeichnet, ist das Grunddesign des persönlichen Dialoges. Was in der Befragung per Email oder Telefon begonnen wurde, kann sehr persönlich fortgesetzt werden. In Business-to-Business-Beziehungen beginnt nicht selten ein kontinuierlicher interaktiver Verbesserungsprozess. Damit wird neben dem auf den Verkauf orientierten Prozess eine zweite Ebene der Interaktion eröffnet. Diese ist für Unternehmen, die in langjährigen Projekten mit ihrem Kunden verbunden sind besonders wertvoll und erlaubt entscheidendeWettbewerbsvorteile zu entwickeln. Unternehmen mit großen Zielgruppen haben die Möglichkeit, ihre Befragten zu segmentieren und wie z. B. das Unternehmen Phillips, Innovationspanels aufzubauen oder umfassende Cross-Selling-Programme aufzusetzen. In jedem Fall ist die Fortsetzung des Austausches jenseits der reinen NPS Befragung unbedingt empfehlenswert und eine effektive Form, Kundenbindung und -loyalität zu stärken. Schneider und Bowen (1995) widmen in ihrem Buch „Winning the service game“ ein ganzes Kapitel der Nutzung von Kundentalenten. Ziel ist es, überzeugte Kunden zu gewinnen, die den Satz unterschreiben: „we have interdependencies, shared values, and strategies to the extend that our seperate needs can best be met through longterm devotion and loyalty to each other.“ 3.3
Kundenorientierte Führung der organisationalen Veränderungen und Prozesse
Die für die Umsetzung der angestrebten Veränderungen verantwortliche Führung hat eine große psychologische Bedeutung für die Ergebnisse. Führungskräfte sind Gestalter und Vermittler eines Systems gemeinsam gewollter Ziele, Wertvorstellungen, Überzeugungen, Normen, Annahmen und Phantasien. Wenn dieses System nicht definiert ist, sind Mitarbeiter unsicher und wissen nicht, was von ihnen erwartet wird, wissen sie nicht, was sie verändern sollen.
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3.3.1 Transformationale Führung Wie können Führungskräfte ihre Mitarbeiter/innen motivieren, ihre kundenbezogenen Einstellungen und ihr Verhalten zu verändern? Wie können sie Ihre Mitarbeiter/innen überzeugen, dass sie sich diese Ziele zu eigen machen und aktiv an ihrer Umsetzung mitwirken? Nach aktuellem Erkenntnisstand ist hier ein so genannter transformationaler (Veränderungen fördernder) Führungsstil besonders geeignet (Bass und Aviolo, 1990). Er zielt auf die Übernahme von Werten und Einstellungen, aber auch auf eigenaktive Verhaltensänderungen ab. Wenn sie auf die folgenden Punkte achtet, kann die Führungskraft ihre Mitarbeiter/innen davon überzeugen, dass Veränderungen notwendig sind und dass sie daran aktiv mitwirken: • Engagierte und begeisternde Kommunikation einer kundenorientierten Zukunftsvision (an der auch die Mitarbeiter/innen teilhaben), • Verdeutlichung des Stellenwerts der konkreten, von den angesprochenen Mitarbeiter/innen zu erreichenden Ziele der zu bewältigenden Aufgaben, • Appelle, ich-bezogene Interessen und Strategien zurückzustellen und sich auf die Ziele der Arbeitsgruppe oder der Organisation zu konzentrieren und • Ansprechen höherer Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen, sich aktiv einzubringen, Einfluss auszuüben und das Unternehmen durch eigene Anstrengungen zu verändern. Ob der praktizierte Führungsstil diesen Anforderungen entspricht, kann durch eine Befragung der Mitarbeiter/innen mit dem „Multifactor Leadership Questionnaire (MLQ) von Bass und Avolio (1990; Felfe und Goihl, 2002, deutsche Übersetzung) untersucht werden. Der Fragebogen analysiert vier Führungsmerkmale (Itembeispiele in Klammern; vgl. Wegge und Rosenstiel, 2007): 1. Idealisierter Einfluss oder „Charisma“ („Er macht mich stolz darauf, mit ihm zu tun zu haben.“ „Er stellt die eigenen Interessen zurück, wenn es um das Wohl der Gruppe geht.“) 2. Inspirierende Motivierung („Er hat großes Vertrauen, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden.“ „Er spricht mit Begeisterung über das, was erreicht werden soll.“) 3. Intellektuelle Anregung („Er bringt mich dazu, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.“ „Er schlägt neue Wege vor, wie Aufgaben/Aufträge bearbeitet werden können.“)
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4. Individuelle Wertschätzung der Mitarbeiter/innen („Er hilft mir, meine Stärken auszubauen.“ „Er erkennt meine individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Ziele.“) Nach den von Judge et al. (2006) ausgewerteten Untersuchungen korreliert der Führungsstil nicht nur mit der Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen mit der Führung, sondern auch mit der Effektivität der Führung. Übertragen auf das vorliegende Problem, kommt es darauf an, Führungskräfte auszuwählen, auszubilden und durch individuelles Coaching die beschriebenen Merkmale zu realisieren und ihre Mitarbeiter/innen für kundenorientierte Werte und Verhaltensänderungen gewinnen. „Die Treppe wird immer von oben gekehrt“. Diese Alltagsweisheit gilt auch für organisationale Veränderungsprozesse. 3.3.2 NPS und Incentivierung Der Net Promoter Score mit seiner Metrik bietet sich fast augenfällig als ein Instrument an, an das Incentivierungen geknüpft werden können. Von einer sehr vereinfachten Form, die sich nur auf die Steigerung des Scores ausrichtet, der sich aus der Differenz von Promotoren zu Detraktoren errechnet, raten wir im Regelfall ab, da sie Gefahren unerwünschter Begleiterscheinungen birgt. • Auswahl und Manipulation der Stichprobe: Es gibt kulturell unterschiedliche Beantwortungsmuster. Europäische Kunden sind generell weniger enthusiastisch als Kunden aus dem US Amerikanischen Raum (Keiningham, 2007). Die Auswahl der Kunden, kann deshalb den Wert beeinflussen. Auch werden bestimmte Touchpoints je nach Geschäftsbereich generell positiver oder kritischer bewertet. Im Prinzip wäre es durch geschickte Auswahl der Regionen oder Touchpoints möglich, die Ergebnissee zu schönen. • Enger Fokus: Eine große Stärke der NPS Methodik ist seine Möglichkeit individuelle, kollektive und organisationale Entwicklungsprozesse in Gang zu setzen und die Verbesserungen kontinuierlich zu begleiten. Bei einer sehr vereinfachten Incentivierung in Form der Reduktion auf den Score an sich (Differenz zwischen Promotoren und Detraktoren), läuft das Unternehmen Gefahr den Fokus von Maßnahmen zur Verbesserung der Kundenorientierung auf das metrische Ergebnis zu verengen. Möglicherweise gehen wertvolle Möglichkeiten organisationaler Verbesserung verloren, möglicherweise werden kurzfristigen Verbesserungen aufwändigeren aber langfristig wirkungsvolleren Maßnahmen vorgezogen.
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Jedes Unternehmen sollte sorgfältig prüfen, wie es die Ergebnisse der NPS-Befragung in Zielvereinbarungen berücksichtigt. In jedem Fall spricht vieles dafür, die Kundenorientierung in den Zielvereinbarungsprozess einzubeziehen. Anders gesagt, in einem Unternehmen, in dem über Zielvereinbarungen geführt wird, muss jedes strategisch wichtige Thema Teil dieses Systems sein. Eine interessante Variante sind Gruppenzielvereinbarungen. Wegge (2004) hat dazu eine adaptierte Theorie entwickelt und empirisch überprüft. Wie seine Ergebnisse belegen, ist diese Methode sehr wirksam. Der Erfolg der Gruppenzielvereinbarungen hängt wiederum davon ab, ob es dem Gruppenleiter gelingt, die Gefühle der Gruppenmitglieder anzusprechen und sie von der Bedeutung der Ziele zu überzeugen. Im Vergleich zu Einzelgesprächen und Zielvereinbarungen mit Einzelpersonen ist diese Methode außerdem wesentlich ökonomischer. Zum Anspruch kundenorientierte Unternehmensführung passt die Methode der Gruppenvereinbarung, da so gut wie nie ein einzelner und fast immer das Zusammenspiel vieler den Erfolg beim Kunden ausmachen. 4
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Vierter Teil Praktische Erkenntnisse
Lonza Group Ltd., Basel Stefan Borgas und Elke Benning-Rohnke
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Stefan Borgas und Elke Benning-Rohnke
Herr Borgas, bitte erklären Sie uns kurz das Geschäftsfeld der Lonza Group und die Bedeutung von Kundenorientierung und Kundenmanagement. Stefan Borgas: Lonza hat zwei große Geschäftsfelder mit zwei unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Das eine ist das Pharma Customer Manufacturing Geschäft. Hier erbringen wir eine Entwicklungs- und Produktionsdienstleistung in einer 1-zu-1-Beziehung zwischen Kunde und Produkt. Wir sind unmittelbar vom Erfolg unserer Kunden abhängig. Wenn unsere Kunden ein Produkt lancieren sind wir dabei. Wenn das Produkt auf dem Weg der Zulassung in den klinischen Prüfungen oder später im Markt Probleme hat, haben auch wir ein Problem, denn der Geschäftserfolg ist hauptsächlich durch die Anlagenauslastung bestimmt. Deshalb ist Kundennähe in diesem Geschäftsfeld essentiell. Je mehr wir uns mit unseren Kunden verzahnen können, umso besser können wir mit ihnen zusammenarbeiten und umso mehr können wir dann sehr individuell differenzierte Lösungen anbieten. Es gibt zwei große Gruppen von Kunden, mit denen wir in diesem Geschäftsfeld zusammenarbeiten. Große Pharmaunternehmen, bei denen es darauf ankommt ein wirklich großes breites Beziehungsnetz zu vielen Funktionen aufzubauen und zu pflegen, also zu allen Funktionen, die an der Produktion irgendwo beteiligt sind wie Forschung, Entwicklung, Finanzwesen, Logistik, Einkauf, Qualitätsmanagement … . Wir haben große Key-Account Systeme und Netzwerke. Diese Netzwerkkunden füllen nachher auch die Anlagen und mit denen macht Lonza den meisten Umsatz. Das Geschäft wird allerdings eigentlich durch eine riesengroße Vielzahl an Pharma Start-Up-Firmen getrieben. Diese sind sehr klein und zu denen haben wir eher eine transaktionelle Beziehung, weil man natürlich nicht zu hunderten von Kunden tiefgreifende Netzwerke aufbauen kann. Das zweite Geschäftsfeld der Lonza ist vergleichbar mit dem klassischen Kataloggeschäftsmodell: wir entwickeln, produzieren und verkaufen Produkte für Industriekunden in den Märkten Ernährung und Hygiene und auch in einigen wenigen nicht Life-Science Bereichen. In einem anderen Geschäft entwickeln wir Hilfsprodukte für Life Science Forscher in Industrie und Wissenschaft. In diesem Geschäftsfeld ist das Differenzierungsmerkmal das Produkt an sich. Die Produktpalette gilt es zusammen mit Kunden ständig zu verbessern. Der eine Teil des Kataloggeschäfts ist vergleichbar mit dem klassischen Spezialchemiegeschäft. Dort haben die Produkte einen relativ lan-
Lonza Group Ltd., Basel
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gen Lebenszyklus, sind groß und bedürfen weniger Veränderungen. Im Geschäft für die Forscher und Entwickler an Universitäten oder in Life Science-Firmen kommt es auf sehr schnelle, permanente Produktinnovationen an. Hier müssen wir jedes Jahr viele neue Produkte auf den Markt bringen. Wir brauchen wirklich engen Kundenkontakt und permanente Feedbackschleifen zu den Forschern. Im Kataloggeschäft ist des Weiteren die Gestaltung der Supply Chain wichtig: wenn die Supply Chain nicht leistungsfähig ist, beliefert man entweder den Kunden schlecht oder man hat zu viel Umlaufvermögen. Erreicht werden kann diese Leistung durch konsequente Integration mit dem Kunden ähnlich wie im Customer Manufacturing. Warum hat Lonza sich für den NPS entschieden? Stefan Borgas: Wir sind uns seit einigen Jahren bewusst, dass wir im Bereich der Kundenzufriedenheit ein relativ großes Verbesserungspotenzial haben. Wir suchen seit drei bis vier Jahren nach einem System, mit dem wir systematisch die Qualität der Kundenbeziehung messen und verbessern können. In der Vergangenheit haben wir traditionell mit klassischen Kundenumfragen gearbeitet, mit denen man aber mehr oder weniger immer die gleichen Ergebnisse erhält: nämlich, dass die Qualität und die Leute super aber die Produkte zu teuer sind. Das ist ein undifferenziertes Feedback. Die Umfragen sind teuer und die Ergebnisse sind nachher nicht gut umsetzbar. Bei der Suche nach einem Messinstrument sind wir irgendwann auf den NPS gestoßen, der uns aufgrund seiner Einfachheit verblüfft hat. Wir haben ihn dann in einen Pilotprojekt ausprobiert und waren begeistert von der Art und Weise wie man misst und wie differenziert man Feedback bekommen kann. Das Feedback ist so operativ, dass man ganz konkret das, was der Kunde bemängelt oder gerne verbessert haben möchte, umsetzten kann und zwar in einer 1-zu-1 Beziehung zwischen den Menschen in der Lonza Group und den Menschen bei unseren Kunden. Deshalb haben wir die Methode ziemlich schnell in der ganzen Firma ausgerollt. Inwiefern ist das Thema Kundenorientierung, Kundenweiterempfehlung für Sie in der Rolle des CEO relevant? Warum beschäftigen Sie sich damit? Stefan Borgas: Unser Kunde bezahlt letztlich unsere Gehälter und stellt die Existenz der Firma sicher. Insofern ist der CEO natürlich irgendwie auch
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der oberste Verkäufer und Kundenverantwortliche, besonders, wenn man auf diesem Gebiet Nachholbedarf festgestellt hat. Übrigens ist die Initiative zu mehr Kundenorientierung über einen Lonza bottom-up-Prozess entstanden. In den Mitarbeiterumfragen wurde vehement mangelnde Kundenorientierung bemängelt. Damit ist der CEO gefragt, sich um das Thema Verbesserung der Kundenbeziehungen zu kümmern. So wurde ich zeitweise mal Champion des NPS, der bei uns LPS also Lonza Promoter Score heißt. Wie lange haben Sie in der Lonza Group jetzt mit dem LPS Erfahrung? Stefan Borgas: Seit Ende 2008, also ungefähr 1 1/2 Jahre. Die PilotGeschäftseinheiten haben jetzt schon drei LPS-Zyklen hinter sich. Die zweite Welle der Geschäftseinheiten haben zwei LPS-Zyklen durchgeführt und ungefähr die Hälfte der Business Units sind im ersten Zyklus. Nun ist das Instrumentarium soweit eingeführt und auch von unseren Mitarbeitern wurde anerkannt, dass wir es jetzt für das neue Jahr 2010 in die persönlichen Ziele aller unserer Mitarbeiter, vom CEO bis zum Schichtführer, integriert haben. Nun messen wir Empfehlungsbereitschaft genauso wie wir Kennzahlen wie z. B. EBITDA oder Sicherheitsleistungen messen. Wenn Sie nach den 18 Monaten ein Resümee ziehen würden, wie würden Sie die Erfahrungen mit dem LPS zum heutigen Zeitpunkt beschreiben? Stefan Borgas: Positiv zu bewerten ist die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Die Rücklaufquote auf Kundenseite von ungefähr 60% ist fantastisch. Die große Anzahl konkreter Verbesserungspotentiale ist enorm. Das sind die wichtigsten positiven Elemente unserer Erfahrungen. Problematisch ist vielleicht der Aufwand bei der Detailauswertung und bei der Ableitung der vielen Maßnahmen aufgrund der großen Anzahl der Anregungen durch unsere Kunden. Wie bei allen neuen Instrumenten herrscht die Gefahr des Totlaufens. Wir sind nun gefordert, das Momentum aufrecht zu erhalten und die Disziplin beizubehalten. Wir müssen eine emotionale Akzeptanz vor allem beim Top-Management schaffen: dabei stellt sich die Frage, wie wir in die Herzen unserer 60–80 Top-Manager hinein bekommen, dass ein hoher LPS-Wert genauso wichtig ist wie ein hohes EBIT?
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Wo sehen Sie da die Herausforderung? Warum fehlt das Buy-In der TopManager noch? Stefan Borgas: Also, ich habe nicht gesagt, dass es das Buy-In nicht gibt. Aber das ist nach meiner Einschätzung eine der Herausforderungen, die jetzt auf uns zukommen. Wir haben noch zu wenig Erfahrung mit dem LPS. Wir wissen noch nicht, was wir genau machen müssen, damit sich die Kundenloyalität im gemessenen Wert verbessert, weil wir einfach noch nicht genug LPS-Zyklen durchlaufen haben. Wie bei allen neuen Dingen, die nachher gehaltswirksam sind, herrscht immer ein gesundes Maß an Skepsis und deswegen fehlt noch die volle emotionale Akzeptanz. Wenn wir mal 12 Monate weiter sind und es uns tatsächlich gelungen ist den LPS zu verbessern und dies sich dann in einer positiven Bonuskomponente auswirkt, wird sich die emotionale Akzeptanz noch einmal erheblich verbessern. Dessen bin ich mir sicher. Aber da müssen wir eben erst hinkommen. Was würden denn die einzelnen Unit-Manager heute sagen? Stefan Borgas: Sie würden sagen, die Einführung hatte einen akzeptablen Aufwand. Sie würden sagen, sie sind total überzeugt von der Klarheit der Ergebnisse, denn an der Stimme des Kunden gibt es nichts zu interpretieren. Sie würden auch sagen, einige der Feedbacks tun weh. Einige fragen vielleicht sogar „Haben die Kunden wirklich Recht mit dem was sie sagen?“. Sie fragen sich natürlich auch „Was machen wir jetzt damit? Wie gehen wir damit um?“ Denn sie sehen, unsere Geschäftsleitung nimmt das offensichtlich sehr ernst. „Wir müssen uns also jetzt wohl oder übel darum kümmern. Es sieht so aus, als ob dieses Instrument nicht so schnell wieder verschwindet.“ Wurden Ihre Erwartungen erfüllt? Gab es Überraschungen? Und wenn ja, welche waren das bezüglich dieser Methode? Stefan Borgas: Meine Erwartungen sind eigentlich ähnlich gewesen, wie die von unseren anderen Managern. Überrascht war ich schon über die Vielzahl und die Detailliertheit des Feedbacks, das über die KommentarBox kam. Das ist ja freiwillig und ich war überrascht, wie viele Kunden davon Gebrauch machen. Das liest man so in der einschlägigen NPS-Literatur, die es bis jetzt gibt, nicht. Ansonsten hat mich das Vorgehen voll überzeugt. Nachdem der erste Pilot am Anfang kurz auf etwas Widerstand
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stieß, ging es dann relativ flott. Es gab ein paar Leute im Unternehmen, die die Absicht und das Vorgehen gut unterstützt haben. Dadurch war die Einführung eigentlich schnell, unkompliziert und relativ kostengünstig. Damit war im Prinzip auch die Managementunterstützung gewährleistet. Aber diese Vielzahl des Feedbacks ist schon eindrucksvoll und ich glaube wir sind uns noch nicht ganz sicher, wie wir damit umgehen. Sie haben eben schon die Gestaltung der Einführung beschrieben. Die Lonza Group ist mit einem Piloten gestartet und hat dann den NPS in drei Flights eingeführt. Können sie das Vorgehen noch etwas veranschaulichen? Stefan Borgas: Über den ersten Piloten haben wir in der Geschäftsleitung quasi Top-Down entschieden. Dabei haben wir uns darauf konzentriert das Messinstrument einzuführen und nicht vorab einen Change ManagementProzess anzustoßen. Wir haben versucht das Minimum analytischer Arbeit vorher zu machen und möglichst viele Daten, die wir hatten, zu nutzen. Damit war die Definition der Touch-Points und einiger Prozesse vielleicht nur zu 70% perfekt. Wir haben uns hier auf Geschwindigkeit konzentriert um schnell Ergebnisse vom Kunden zu bekommen. Wir sind der Meinung, dass nachher die Arbeit am System, also die konkrete Umsetzung, die Verbesserung bringt. Der globale Roll-Out über neun Business Units hat dann ungefähr 9 Monate gedauert. Der Roll-Out war in fast allen Business Units schnell akzeptiert. Wir hatten ein eigenständiges Team innerhalb jeder Unit mit einem Teil- oder Vollzeit-Projektleiter. Ein zentraler Projektmanager hat die Teams koordiniert. Ein kleines Beraterteam hat alle Units in den verschiedenen Phasen, also Analyse der bestehenden Daten, Set-up, Ergebnisaufbereitung und Ergebnisanalyse, unterstützt und den Prozess gecoacht. In regelmäßigen Abständen von 6–8 Wochen gab es eine Information über den Projektstatus an die Geschäftsleitung. Das Follow-Up der Ergebnisse wurde durch die verantwortlichen Leiter der Business Units übernommen. Auch hier haben wir Unterstützung durch unsere Berater bei einzelnen Aktivitäten angeboten. Manche haben das genutzt, andere nicht. Als der Roll-Out fertig war, haben wir die Ergebnisse in allen Units, sowohl in den Management Teams als auch in den einzelnen funktionalen Teams, im Detail vorgestellt. Das Projektteam hat die Ergebnisse der Geschäftsleitung und ebenso unserem Verwaltungsrat vorgestellt. Nachdem den LPS alle verstanden haben, haben wir die LPS bezogenen Ziele in die
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Bonusvereinbarung 2010 aller unserer mehr als 5000 Mitarbeiter aufgenommen und zwar mit der Hälfte des Bonusgewichts. Das ist ziemlich signifikant. Warum haben Sie dem Thema Kundenorientierung ein so hohes Gewicht gegeben? Stefan Borgas: Weil wir der Meinung sind, dass wir erhebliches Verbesserungspotential haben. Unsere Kunden haben uns das gesagt, unsere Mitarbeiter sind der gleichen Meinung. Im Durchschnitt der ganzen Firma haben wir einen LPS im niedrigen zweistelligen Bereich. Das ist absolut nicht zufriedenstellend. Dazu kam sicher, dass wir im Jahr 2009 durch die Wirtschaftskrise und verschiedene andere Dinge insbesondere auf der Sales-Seite mehr gelitten haben, als wir das eigentlich wollten. Wie verbessert man die Sales-Seite nachhaltig am besten? Naja dadurch, dass die Kunden zufriedener werden. Also messen wir der Verbesserung der Kundenloyalität das höchste Gewicht beim Erreichen profitablen Wachstums in den nächsten drei Jahren bei. Was würden Sie am Lonza LPS-Konzept als besonders gelungen bezeichnen? Stefan Borgas: Die Kosten. Die Geschwindigkeit. Die Rücklaufquote. Das Commitment der Organisation, den LPS gut einzuführen und die Einfachheit des Tools. Nachdem der Pilot nach ein paar Diskussionen akzeptiert war und klar war, dass der LPS wirklich etwas bringt, haben alle anderen Units gesagt, okay machen wir auch. Dann konnten wir zeitweise die Nachfrage nach dem Tool nicht schnell genug bedienen. Wie überall, musste man die Letzten ein bisschen aufmuntern, aber das Commitment der Teams war eigentlich sehr schnell sehr groß. Das Commitment der Kollegen der Lonza Group empfand ich auch als besonders hoch. Obwohl alle schon mit einer Vielzahl von Projekten belastet waren, kam überraschend viel Nachfrage für eine Teilnahme in der zweiten Welle. Was glauben Sie, waren die Erfolgsfaktoren für die hohe Bereitschaft? Stefan Borgas: Einer der Erfolgsfaktoren in unserer Unternehmenskultur ist die klare Begrenzung des Projektscopes mit Fokus auf die Einführung
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eines Instrumentes zur Erfassung unserer Kundenloyalität. Zweitens glaube ich, war der Wille des Top-Managements den LPS einzuführen ein entscheidender Faktor und drittens die Ergebnisse des Piloten. Die waren wirklich überzeugend und damit war eigentlich klar, es ist ein gutes Tool. Gab es Widerstände? Wie sind Sie damit umgegangen? Stefan Borgas: Ja es gab Widerstände und es gibt immer noch Widerstände. Ich würde sagen wir haben immer noch 20% in der Organisation die fragen, ob wir das unbedingt brauchen. Wir seien schließlich ja auch 110 Jahre ohne LPS ausgekommen. Ein Teil der Widerstände kommt sicherlich dadurch, dass jetzt allen bewusst wird, dass man die Qualität unserer Kundenbeziehung messen kann. Das ist jetzt keine Frage der subjektiven Einschätzung mehr, sondern eben objektiv messbar. Das ist erst einmal unangenehm. Jetzt kann man nicht mehr weglaufen. Heißt das, der Widerstand kommt aus der Transparenz, die jetzt geschaffen ist? Stefan Borgas: Ja genau. Anderer Widerstand kommt vielleicht aus einer unterschiedlichen Beurteilung von Business-Aktivitäten. Ist diese Kundenzufriedenheit wirklich so eine hohe Priorität oder sollten wir nicht lieber Kosten senken, Forschung betreiben, Anlagen sauber machen oder bauen? Unterschiedliche Einschätzungen der Prioritäten und latent vielleicht auch irgendwo eine Angst, dass wenn sich keine echten Verbesserungen einstellen, signifikante Änderungen in Strukturen und Prozessen, vielleicht auch beim Personal, irgendwann angestoßen werden. Diese Befürchtungen müssen wir im Auge behalten. Unser Management und auch unser Verwaltungsrat sind von der Fokussierung auf unsere Kunden überzeugt. Auf der anderen Seite versuchen wir Widerstände abzubauen, indem wir insbesondere den Umgang mit Daten mit viel Geduld und Ausdauer gestalten. Wir haben versucht die Ziele so zu setzen, dass sie erreichbar sind und eine gewisse Flexibilität in der Interpretation signalisiert. Es gibt auch keine Strafe aufgrund schlechter Ergebnisse. Wir haben nirgendwo … naja „Strafaktionen“ oder Diskussionsrunden gestartet, wo der Score schlecht war, sondern wir konzentrieren uns darauf, wie man den Score verbessern kann. Und da wo der Score besonders niedrig ist, kann man am meisten verbessern.
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Der andere Teil des Umgangs mit diesen Widerständen ist konsequent bleiben. Keine Ausreden gelten lassen, warum man den LPS nicht einführt oder weiterführt. Da wollen wir keine Ausreden gelten lassen. Incentiviert Lonza den LPS-Score oder das Erreichen der dahinter liegenden, angestrebten Verbesserungen? Stefan Borgas: Das kommt auf das Level an. Wir haben darüber lange diskutiert. Wir incentivieren den Score auf Gruppenebene und auf Ebene der Business Units. Unterhalb der Unit-Manager zählen dann die einzelnen Maßnahmen. Das heißt, das Top-Management hat tatsächlich zum einen den Lonza Promoter-Score als Ziel und zum anderen aber einen persönlichen Beitrag zur Verbesserung der Kundenorientierung. Beim Score fehlt uns zwar noch das Gefühl, wie viel Verbesserung in einem Jahr erreichbar ist. Sind es 5 Punkte oder 10 Punkte oder 30 Punkte? Jetzt haben wir einfach das vereinbart, was wir aufgrund des Piloten als sinnvoll erachten. Und eine gewisse Diskussionsbereitschaft am Ende des Jahres haben wir, wie gesagt, auch signalisiert. Jetzt brauchen wir Geduld, Ruhe und Ausdauer bei der weiteren Bearbeitung. Glauben Sie, dass es zu Manipulationen kommt, wenn dem Score eine hohe Bedeutung an den variablen Gehaltsanteilen beigemessen wird? Stefan Borgas: Das Risiko ist natürlich immer da. Aber das Instrumentarium ist so objektiv und die Anzahl der Touchpoints in den Kundenkontakten, die wir messen, ist so groß, dass es eigentlich schwierig zu manipulieren ist. Ich zähle auf die Vernunft, insbesondere unseres oberen Managements, das nicht zu tun. Das passt nicht in unsere Kultur. Jedenfalls auf breiter Ebene wird bei Lonza nicht manipuliert werden. Aber die Möglichkeit der unerwünschten Beeinflussung war schon einer der Gründe, warum wir mit dem reinen Zahlenziel nur im obersten Management geblieben sind. Sie haben beschrieben, dass Sie die Einführung relativ straff gehalten haben. Hat die Lonza Group in dem Prozess der Einführung dennoch bereits erste Erkenntnisse gewinnen können beziehungsweise etwas gelernt? Stefan Borgas: Die, die sich damit mehr im Detail beschäftigt haben, und auch große Teile unseres Managements, haben eigentlich schon ein paar Kernschlüsse gezogen.
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1. Unsere Kundenorientierung ist viel oberflächlicher, als wir uns das gedacht haben. 2. Insbesondere das Mittelmanagement kümmert sich um Kunden nicht in erster Priorität. Das sind alles Verallgemeinerungen und es gibt Ecken, an denen ist das natürlich anders. 3. Die Value Proposition für unsere Kunden ist nicht überall wirklich klar. Das ist eine Erkenntnis, die die meisten Business Units verstanden haben. 4. Unsere Kunden denken schlechter über uns, als wir das gedacht haben und auch als wir uns das eigentlich leisten können. 5. Auf der anderen Seite aber haben wir auch gelernt, dass unsere Mitarbeiter extrem offen sind an diesen Dingen zu arbeiten und damit umzugehen. Wir hatten eigentlich viel größere Verteidigungsarbeit erwartet, aber die Leute sind unheimlich offen mit den Kommentaren der Kunden umgegangen. Und die allermeisten unserer Mitarbeiter, jedenfalls auf der Fachebene sind begeistert, dass man jetzt Kundenzufriedenheit wirklich messen kann. Mit eindeutiger Datenlage und objektiv. Das bedeutet, dass wir eigentlich eine Stimmung in der Firma haben, die eine große Bereitschaft zeigt, das zu tun, was Kunden brauchen und zufriedenstellt. Lonza hat die Einführung extern begleiten lassen. Worin sehen Sie rückblickend den Mehrwert der externen Begleitung? Stefan Borgas: Geschwindigkeit. Es geht schneller, wenn man sich von jemandem unterstützen lässt, der den NPS schon häufiger eingeführt hat. Es hilft Betriebsblindheit zu vermeiden, wenn man jemanden hat, der einem den Spiegel vorhält und ab und zu sagt „so wie ihr es euch vorstellt, ist es nicht“. Und es hilft Tricks zu vermeiden, Ehrlichkeit im ganzen Prozess zu sichern auch dadurch, dass ein Externer reflektiert. Das sind die drei größten Vorteile. Wenn Sie anderen Unternehmen etwas raten würden, was wäre das? Stefan Borgas: Schnell einführen. Die Einführung nicht als riesiges Beratungsprojekt organisieren mit vielen langen Vorlaufaktivitäten, sondern möglichst schnell die Methode einführen. Sie ist einfach und überzeugend. Sich darauf einrichten, dass sich Verbesserungen erst nach einer längeren Zeit einstellen. Sich bewusst sein, dass man vermutlich nur dann von der
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Methode profitiert, wenn man bereit ist einen Kulturwandel zu akzeptieren, der sich aus einer konsequenteren Kundenorientierung ergibt. Das Management, insbKesondere das Top-Management, muss sich einig sein, den NPS wirklich zu wollen. Sonst ist es zu einfach für die einzelnen Projektteams den Prozess zu boykottieren. Was glauben Sie: Wird Lonza mit dem Instrument seine Geschäftsbeziehungen verbessern und wie haben Sie diesen Prozess organisiert? Stefan Borgas: Das hoffen wir natürlich, denn ansonsten haben wir eine Methode, die keinen Sinn macht. Dadurch, dass wir die Verbesserung der LPS-Werte ziemlich prominent in die Zielvereinbarungen aufgenommen haben, zeigen wir, es ist uns wirklich ernst. Wir wollen das Thema Verbesserung unserer Kundenbeziehungen jetzt wirklich angehen und reden nicht nur darüber. Wir haben etwa zehn bis zwölf Projekte gestartet. Manche Bottom-Up, manche Top-Down. Damit adressieren wir die wichtigsten Themen, die unsere Kunden bemängeln. Wir sind in einigen komplexeren Geschäften dabei, in denen auch die Kundenbeziehungen komplexer sind, uns von einer verkaufskonzentrischen Organisation zu einer vernetzten Kundenbeziehung umzustellen. Es herrscht eine ganz gute Stimmung im Mittelmanagement sich dahin zu bewegen. Ich habe eigentlich gute Hoffnungen, dass wir sogar kurzfristig, in ein bis zwei Jahren, dort einen guten Schritt weiterkommen. Auch sehe ich bessere Produkte und Dienstleistungen, weil wir das Kundenfeedback in die Produktentwicklung einarbeiten. Viel davon ist allerdings noch Zukunftsmusik. Woran wird das Board den Erfolg messen? Stefan Borgas: Steigert sich der Umsatz, können wir die Margen halten, verbessert sich die Visibilität unseres Geschäftes und die Planbarkeit. Und natürlich erhöht sich der LPS jedes Jahr. Kundenorientierung also nicht zum Selbstzweck sondern als maßgeblicher Treiber der Unternehmensperformance … Stefan Borgas: Wir hatten einen kleine Diskussion darüber, ob eine Verbesserung der Kundenorientierung bedeutet, dass unsere Finanzkennzahlen runter gehen, weil es einfach ist, Preise zu senken im Glauben damit den Kunden zufriedener zu stellen. Diese Gefahr haben wir im Auge und natürlich haben wir weiterhin andere Ziele außer dem LPS definiert. Wenn man
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allerdings ins Detail der Feedbacks des LPS schaut, steht dort ganz selten ein zu hoher Preis. Der eine oder andere Kunde erwähnt das, aber es ist nicht wirklich das Thema. Preis ist eher ein Hygienefaktor und ganz viele andere Dinge machen Kundenzufriedenheit aus. Wo sehen Sie und ihre Kollegen kommend die größten Herausforderungen? Stefan Borgas: Ausdauer … können wir es durchhalten. Können wir den Aufwand des Follow-Ups durchhalten. Oder frustrieren wir Kunden, indem wir zu wenig tun. Durch eine Befragung erweckt man immer auch Erwartungen beim Kunden. Wird sich unsere Kultur in eine Richtung größerer Kundenorientierung entwickeln oder ist unsere technologieorientierte Kultur so stark, dass sie die Entwicklung bremst? Können wir die Herzen unseres Mittelmanagements von dem Ziel Kundenorientierung überzeugen? Das sind, glaube ich, die drei größten Herausforderungen in den nächsten zwei Jahren. Wie sichern Sie die Nachhaltigkeit des Vorgehens, also das nicht Versanden von Thema, Methode und Maßnahmen? Sehen sie das durch die Zielvereinbarungen gesichert oder bedarf es weiterer Maßnahmen darüber hinaus? Stefan Borgas: Ich glaube, die Zielvereinbarung ist nur das Instrument, mit dem die Bedeutung, die wir dem LPS schenken, jetzt sichtbar ist. Wichtiger noch als die Zielvereinbarung ist zunächst die wirklich ehrliche, gute Absicht von allen Mitarbeitern in der Firma, unseren Kunden einen größeren Wert zu liefern als in der Vergangenheit. Wir haben gar keinen schlechten Score, aber viel Luft nach oben. Ich glaube diese gute Absicht, die bekommt man nicht durch Zielvereinbarungen oder durch Projekte sondern durch permanente Kommunikation und nachher durch Tatbeweis. Das zweite ist interne und auch externe Visibilität. Auch dadurch, dass wir jetzt zu diesem Interview zusammen sitzen, dadurch dass wir es in unserem Geschäftsbericht erwähnen werden, dadurch, dass wir intern darüber berichten, wer welche Fortschritte macht und Aktivitäten angestoßen hat, schafft man Nachhaltigkeit und Verankerung. Wo wünschen Sie sich Lonza in Bezug auf Kundenmanagement in 5 Jahren? Stefan Borgas: LPS über 50. Mehr als zwei Drittel aller Mitarbeiter haben einen persönlichen Kundenkontakt und Lonza wird von den Kunden als
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unverzichtbarer Partner angesehen. Sie haben ja nach meinen Wünschen gefragt! Was wünschen Sie sich diesbezüglich von der Lonza Group? Stefan Borgas: Begeisterung und Engagement für die Sache. Den Glauben daran, dass sich etwas ändern muss, wenn wir hier wirklich besser werden wollen. Den Glauben daran, dass wir etwas ändern können. Gelassenheit und Ausdauer. Eine letzte Frage, Herr Borgas. Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie den LPS, so wie Sie ihn kennen gelernt haben, an Freunde oder Kollegen weiterempfehlen? Stefan Borgas: Mit acht und zwar deshalb nicht mit 9 oder 10, weil uns dieses eine volle Jahr des ersten Follow-Ups noch fehlt. Wenn das gut gelingt, dann würden Sie zu einem Promoter? Stefan Borgas: Absolut Ja! Das Interview führt Elke Benning-Rohnke.
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
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Vorstellung Spreadshirt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
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Einführungsgründe und Ziele des NPS-Konzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
3.1 3.2 3.3 3.4
Testphase als Schlüssel zum Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung des Unternehmens-NPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Berechnung des realen Unternehmens-NPS (für Fortgeschrittene) . . . . Analysephase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Wert eines Promoters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
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Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
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Einleitung
Der folgende Beitrag beschreibt die Einführung des Net Promoter Scores in einem Internetunternehmen mit realer Produktion von Gütern. Der hier ermittelte Net Promoter Score basiert auf einer kontinuierlich durchgeführten Online-Befragung und wird vor allem als Instrument der Unternehmenssteuerung verwendet. Insbesondere dienen die NPS-Analysen dem Qualitätsmanagement, der Priorisierung von Projekten und dem Verständnis der Kunden. Diese bekommen durch den Net Promoter Score eine Stimme, die in einer anonymen Geschäftsbeziehung des Internets relevant, aussagekräftig und wahrnehmbar ist. In Kombination mit einer internettypischen Datenversorgung können umfassende und erkenntnisreiche Auswertungen, mit der Zielgröße Kundenzufriedenheit, durchgeführt werden. Die Einführung des Net Promoter Score erfolgte in einem Stufenprozess. Gewonnene Erkenntnisse führten zu weiteren Fragen, deren potenzielle Antworten wiederum mit testbaren Hypothesen überprüft werden konnten. Die Kernfragen lauteten stets: „Was begeistert die Kunden?“ „Welches Gewicht haben die einzelnen Faktoren?“ und „Wie hoch ist der finanzielle Kundenwert in den drei NPS-Segmenten?“
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Vorstellung Spreadshirt
Auf der Internetplattform www.spreadshirt.net gestalten Kunden ihr eigenes T-Shirt und Spreadshirt druckt und verschickt es innerhalb von 48 Stunden. Spreadshirt ist die Antwort auf den Wunsch nach individueller Kleidung und dem wachsenden Bedürfnis nach Personal Branding. Wer Shirts darüber hinaus mit seiner Botschaft nicht bloß kaufen, sondern auch verkaufen will, kann gleich einen kostenlosen Shop einrichten und diesen in seine Webseite einbinden. 2002 ohne Startkapital gegründet, wurde Spreadshirt innerhalb weniger Jahre zu einem Global Player im Bereich T-Shirts und individualisierter Marken. Heute sind es weltweit über 300 Mitarbeiter, 400.000 Shop-Partner und über einer Million bestellter Produkte im Jahr. Das Unternehmen inspiriert Kunden in über 40 Ländern, individuelle Kleidung zu kreieren, zu kaufen und zu verkaufen.
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Einführungsgründe und Ziele des NPS-Konzeptes
Das selbst gestaltete T-Shirt ist ein Unikat über das gesprochen wird. Die Idee ein Kleidungsstück online gestalten zu können, ist vielen Kunden sehr neu und deswegen etwas, über das sich sehr wahrscheinlich mitgeteilt wird. Neben einer Anerkennung des T-Shirts an sich, ist das Unternehmen dahinter ebenfalls potenzieller Gesprächsstoff. Weiterempfehlungen von glücklichen Kunden sind der bedeutendste Marketingkanal und bestimmen in großem Maße den zukünftigen Umsatz von Spreadshirt. Aufgrund dieser Überlegung lautete das Unternehmensziel war von Anfang an, die Erwartungen der Kunden bezüglich Lieferzeit, Qualität und Vielfalt nicht bloß zu erfüllen, sondern jedesmal zu übertreffen. In der Gründungsphase war das gesamte Handeln kompromisslos am Nutzen der Kunden bzw. der Shop-Partner ausgerichtet. Jedes kreative Design und jeder ansprechende Shop war ein Beweis für die richtige Strategie des Unternehmens. Dann stiegen eingereichte Designs, eröffnete Shops und Bestellungen exponentiell an. Spreadshirt wurde so groß, dass Erfolg besser in Konvertierungsraten und Wachstum, statt in absoluten Zahlen nur noch in Prozent gemessen wurde. Unternehmenskennzahlen (Key Performance Indikatoren – KPIs) wurden entwickelt und in allen Teilen des Unternehmens eingesetzt. Neben Umsatz, Produktionszeit und Click-Rate sollte aber auch die durch den Kunden unmittelbar wahrgenommene Unternehmensleistung erhoben werden. Da das Wachstum nicht nur einmal im Jahr, die Konvertierungsrate nicht nur in einem Markt oder die Größe des Warenkorbes nicht nur jedes zehnten Besuchers gemessen wird, sollte jeder Kunde weltweit in einer kontinuierlichen und einheitlichen Umfrage zu Wort kommen. Eine weitere Anforderung an die Erhebung bestand darin, dass in ihr neben einem qualitativen Feedback genau ein Wert enthalten sein sollte, der quantitativ die Beurteilung des Kunden erfasst, vergleichbar und einfach verständlich ist. Das Konzept des Net Promoter Scores erfüllt diese Ansprüche in sehr hohem Maße. 3.1
Testphase als Schlüssel zum Erfolg
Interne Kommunikation von Beginn an: Am Anfang der sechs monatigen Test-Phase stand die interne Kommunikation über das Konzept, die Ziele und die Inhalte der Test-Phase. Allen Mitarbeiter im Unternehmen wurde der Sinn und Zweck in Workshops vorgestellt. In offenen Diskussio-
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Tobias Ebert
nen konnten Ideen und Bedenken eingebracht werden. Durch Deklaration der ersten Monate als Test-Phase wurden Änderungen im Prozess nicht als Dementi vorheriger Entscheidungen, sondern als Verbesserungen wahrgenommen. Von Anfang an war das Top-Management eingebunden und ein großer Promoter des Konzepts. Auswahl der Testumgebung: Drei Sprachen, vier Länder und zwei der drei Business-Units wurden als Test-Umgebung nach dem Prinzip „die Größten zuerst“ ausgewählt. Dies hatte den Vorteil, dass in kürzester Zeit möglichst viele Daten erhoben wurden. Als Fragebogen wurde zunächst die Standardversion gewählt, d. h. als erstes die ultimative Frage „Wie wahrscheinlich ist es, dass du Spreadshirt einem Freund oder Kollegen weiterempfiehlst?“, zu bewerten auf einer Skala von null (= keinesfalls wahrscheinlich) bis zehn (= extrem wahrscheinlich), gefolgt von der offenen „Warum“-Kommentierungsfrage. Das weitere Umfragedesign z. B. Einladungsemail, Anreizsystem (Gutschein) oder Versandzeitpunkt entstand in einem iterativen Prozess aus testen, auswerten und optimieren. Als primäre Zielgröße diente hier die Rücklaufquote, d. h. der Anteil Teilnehmer im Verhältnis zu allen angeschrieben Kunden. Diese konnte besonders durch die Betreffzeile und den Versandzeitpunkt optimiert werden. Der Betreff: „Spreadshirt – Zwei kurze Fragen“ und der Versand der OnlineUmfrage kurz nach einem Kontaktpunkt brachten bis zu 65 Antworten auf 100 Teilnehmer. Dabei wurde für die Käufer der Kontaktpunkt Versand gewählt und die Einladung zur Befragung sieben Tage nach Versand des T-Shirts ausgelöst. Der Zeitpunkt nach sieben Tagen wurde so gewählt, dass auch bei einem Versand ins europäische Ausland, ca. 95 Prozent ihre Ware bereits bekommen haben. Um treue Viel-Käufer nicht mit Umfragen zu überhäufen, wurde eine 30-tägige Sperrfrist eingebaut. Für die ShopPartner wurde die Einladung fünf Tag nach Shop-Eröffnung versendet, allerdings nur, wenn mindestens ein Produkt im erstellen Shop angelegt war. Durch einen Gutschein im Wert von 3 “ als Dankeschön für die Teilnahme an der Befragung stieg überraschenderweise nur der NPS, nicht aber die Rücklaufquote. D. h., der Teilnehmer will sich durch einen höheren Wert für den Gutschein bedanken und den Nicht-Teilnehmer können 3 “ Gutscheinwert nicht aktivieren. Als Highlight der Test-Phase wurde die erste Auswertung der Umfrage gesehen. Die Spreadshirt-Mitarbeiter konnten auf den ersten NPS-Wert „wetten“, was der Bekanntheit und dem Verständnis des Konzepts nochmals zu Gute kam. Der vorläufige Unternehmens-NPS errechnete sich aus der Addition aller eingegangenen Antworten. Er lag mit einem Wert
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von 32 Prozent unter der vom Management erwarteten Größenordnung von 45–70 Prozent und ca. 10 Prozent-Punkte unter dem tatsächlichen späteren Wert. Grund für diesen Sprung war die zunächst ausgeschlossene dritte Business Unit, welche überdurchschnittlich begeisterte Kunden vorweisen konnte. Modifikation der „Warum“-Frage: Die offenen Antworten waren ebenso zahl- wie aufschlussreich. Ca. 70% der Teilnehmer beantworteten die „Warum“-Frage der Umfrage. Die Gründe wurden in Handarbeit kategorisiert und in Beziehung zum NPS gestellt. Ein besonderer Vorteil dieser manuellen Vorgehensweise ist die Möglichkeit, die Kundensprache, d. h. die Bezeichnungs- und Ausdrucksweise kennen zulernen. Der Nachteil dieser Methode: Bei monatlich mehreren tausend Antworten gestaltete sich diese Vorgehensweise als sehr zeitaufwendig. Die Verwendung einer Software-Lösung, um diesen Prozess zu automatisieren, wurde getestet und als unzureichend bewertet. Daher wurde die „Warum“-Frage des StandardFragebogens verändert. Auf Grundlage der meist genannten Gründe in den offenen Antworten wurden sogenannte Key-Driver, also die wichtigsten Einflussfaktoren, ermittelt. In einem erneuten Testlauf bewerteten Teilnehmer nach der Ultimativen Frage zusätzlich acht Key-Driver. Durch eine Regressionsanalyse konnten die jeweils fünf signifikantesten Faktoren mit dem größten Einfluss identifiziert werden. In der Business Unit „Endkunden“ waren dies: Lieferzeit, Gestaltungsmöglichkeiten, Qualität, Passform und das Preis-/Leistungs-Verhältnis. Diese Faktoren wurden ab sofort in geschlossenen Fragen nach der ultimativen Frage abgefragt. Ein Textfeld ermöglichte den Teilnehmern zusätzlich eine offene Antwort. 2. Wie zufrieden bist Du mit … (1 = völlig zufrieden; 6 = völlig unzufrieden)
… der Lieferzeit?* … den Gestaltungsmöglichkeiten?* … der Qualität von Textil und Druck?* … der Größe und der Passform?* … dem Preis-Leistungs-Verhältnis?*
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Abbildung 1: Quantitative Bewertung der fünf wichtigsten Treiber des NPS zur Automatisierung der „Warum“-Frage
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3.2
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Berechnung des Unternehmens-NPS
Nachdem diese Hürden überwunden waren und die ersten Auswertungen konsistente Ergebnisse, also geringe Schwankungen der NPS-Werte bzw. durch externe Einflüsse erklärbare Schwankungen zeigten, wurde die TestPhase beendet und das System in 20 Märkten, elf Sprachen und drei Business Units eingeführt. Durch automatische Aussendung der Emails, gekoppelt an die definierten Auslöser (Trigger) des Versandszeitpunkt der Bestellung und der ShopEröffnung für die Shop-Partner sowie eine programmierte Auswertung der Ergebnisse konnte der monatliche Erhebungsaufwand von zwei Manntagen auf unter eine Stunde gesenkt werden. Auch statistische Tests, welche die Unterschiede des NPS und der Key-Driver auf Signifikanz testen, laufen automatisch und werden entsprechen optisch hervorgehoben. Das die wahrgenommene Leistung von Spreadshirt in den verschiedenen Ländern deutlich unterschiedlich bewertet wird, war zunächst überraschend. Auch die Rücklaufquote der NPS-Befragung war sehr heterogen. In Nordamerika betrug der Anteil an beantworteten Fragebögen in der Gruppe „Endkunden“ nur knapp 30%, währen in Polen fast die Hälfte antwortete. Dieser Unterschied bestätigt die Auswirkungen mehrfach beobachteten Verhaltens im Web. Internetnutzer werden über die Zeit und mit der Häufigkeit von Online-Einkäufen „umfragemüde“. Druch zahlreiche Aufforderungen zu Gewinnspielen, Umfragen und Sonderangeboten sowie Spammails können Nutzer nur noch bei besonderen Einladungen aktiviert werden. Es ist anzunehmen, dass dieser Ermüdungseffekt in Nordamerika und Skandinavien schon stärker wirkt als z. B. in Polen. Dieser Effekt beeinflusst unmittelbar die NPS-Messung und deren Ergebnisse. Dazu folgende Überlegung: Begeisterte Kunden haben eine überproportional höhere Bereitschaft, an einer Umfrage teilzunehmen und sind daher in der Gruppe der Teilnehmer stets überrepräsentiert. Die über die Zeit nachlassende Bereitschaft an Umfragen teilzunehmen, verstärkt diesen Effekt. Es lässt sich schlussfolgern, dass je niedriger die Rücklaufquote ist oder über die Zeit wird, desto höher wird der gemessene NPS-Wert bei gleicher wahrgenommener Leistung. Die Rücklaufquote gehört demnach in die Betrachtung jeder NPS-Analyse. Fred Reichheld fordert daher nicht ohne Grund Rücklaufquoten von 90% und mehr. Über eine Online-Befragung können diese Werte aber kaum erreicht werden. Eine Befragung per Telefon ist, neben der rechtlichen Situation in manchen Ländern, auch aus Kostengründen für Spreadshirt keine Option. Hinzu kommt, dass der NPS sehr hohe Schwankungs-
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breiten aufweist, d. h. ein NPS von 50 Prozent, basierend auf nur 200 zufällig ausgewählten Spreadshirt-Kunden, hat ein Konfidenz-Intervall (95 Prozent) von ± zehn Prozent Punkten. Wird in einer Folgemessung ein NPS von 58 Prozent festgestellt, heißt dies, dass diese Veränderung nur zufällig eingetreten sein könnte. Selbst bei 500 Teilnehmern ist das Konfidenz-Intervall immer noch ± sechs Prozent. Eine möglichst große Basis ist demnach erstrebenswert, insbesondere wenn innerhalb der Teilnehmergruppen weiter differenziert werden soll.
Abbildung 2: Nicht-Signifikante Schwankungsbreiten des NPS je nach Fallzahl
3.3
Die Berechnung des realen Unternehmens-NPS (für Fortgeschrittene)
Externe Effekte verursachen eine unterschiedliche Zusammensetzung der Antworten und damit der Erhebungsbasis. Externe Effekte können sein: Sinkende Rücklaufquoten und Marketing-Kampagnen in einzelnen Märkten sowie saisonale Effekte. Ein Beispiel: Franzosen bewerten die Leistung von Spreadshirt signifikant höher im Vergleich zu anderen Nationalitäten. Die Gründe hierfür sollen jetzt nicht thematisiert werden, stattdessen die Auswirkungen. Im August, wenn sich viele im wohlverdienten Urlaub an der Cote d‘Azur befinden, sinken die Bestellungen und damit der Rücklauf an Bewertungen aus Frankreich überproportional und der Unternehmens-NPS fällt. In der Folge kommt es zu inkonsistenten NPS-Messungen, welche einen korrekten Vergleich erschweren.
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Die Lösung ist die Bereinigung der o. g. externen Effekte durch eine Normalisierung der Erhebungsbasis, d. h. die Berechnung des NPS auf der Verteilung der Vorperiode oder einer Referenzperiode z. B. Periode 1. 3.4
Analysephase
Die Kernfragen „Was begeistert die Kunden?“ und „Welches Gewicht haben die einzelnen Faktoren?“ sollten in diesen Phasen erörtert werden. Neben den fünf Erfolgsfaktoren (Key Drivers), deren Einfluss direkt abgefragt und getestet wurde, konnten weitere Details der Bestellung z. B. Produkt, Drucktechnik, Produktionszeit usw. in Zusammenhang mit den Kundenbewertungen gebracht werden. Diese Zusammenführung von Bewertungen durch den Kunden und Kundendaten ist für die Erklärung der Kundenzufriedenheit essenziell. Durch eine anonyme Befragung ist eine solche Zusammenführung nicht möglich, bzw. der Kunde müsste einen sehr langen Fragebogen beantworten, was dem NPS Konzept grundsätzlich widerspricht. Um einen stabilen und aussagekräftigen Produkt-NPS zu ermitteln, wurde der NPS aller Kunden, die ausschließlich und zum ersten Mal Produkt X bestellten, betrachtet. Dieser wurde dann mit dem NPS von Produkt Y, welcher ebenso ermittelt wurde, verglichen. Diese Analyse setzt eine hohe Datenbasis voraus, dass alle anderen Effekte (z. B. Produktionszeit, Land) durch den Zufall ausgeglichen werden müssen. Es wurden daher nur NPS von Produkten mit mindestens mehr als 200 Datensätzen verwendet. Als Ergebnis ergab sich eine aussagekräftige Rangfolge der Produkte, die mehr oder weniger zur Kundenzufriedenheit beitrugen. Die Ursachen wurden mit Hilfe der „Warum“-Frage (Qualität, Passform) sowie den Kommentaren aus dem Textfeld analysiert und zum Beispiel durch bessere Produktbeschreibungen auf der Webseite, detaillierte Fotos und intensivere Lieferantenkontrollen schnellstmöglich behoben. Durch ähnliche Analysen konnten weitere Faktoren wie verschiedenen Drucktechniken, Produktionsstandorte und der Einfluss des Kundenservices bewertet und verbessert werden. Der Net Promoter Score unterstützte in dieser Phase besonders die Qualitätssicherung der Produktion, die Ausrichtung des Kundenservice und die Verbesserung von Webseiten-Inhalten. Ein unfreiwilliger Test entstand durch ein außergewöhnlich hohes Bestellvolumen im Juni 2008. Es kam zu Produktionsengpässen und zur Verlängerung der Lieferzeiten von 35 auf durchschnittlich 72 Stunden. Die Graphik zeigt, wie extrem sich der Erfolgsfaktor „Lieferzeit“ auf den NPS auswirkt.
Spreadshirt AG, Leipzig
181
Abbildung 3: NPS und Erfolgsfaktor Lieferzeit
4
Der Wert eines Promoters
Wird der Unterschied, bzw. der Einfluss von Faktoren nicht nur in Prozent Punkten, sondern in Euro-Werten ausgedrückt, sind diese noch besser in Kalkulationen und Priorisierungen zu verwenden. Der Umsatz des Kunden in der Vergangenheit liegt exakt vor, die Wiederkaufrate und der zu erwartende Warenkorb lassen sich sehr genau voraussagen. Dadurch kann ein Mindestkundenwert errechnet werden. Hinzu kommt die Anzahl der ausgesprochenen Weiterempfehlungen, die durch Umfragen näherungsweise ermittelt werden können. Der tatsächliche Euro-Wert einer Weiterempfehlung kann daher ebenfalls nur näherungsweise bestimmt werden. Bereits auf Grundlage des Mindeskundenwert können Berechnungen durchgeführt werden, mit denen sich Projekte, Maßnahmen und Ressourcen priorisieren lassen. Auf dieser Grundlage lässt sich u. a. der relative Wertbeitrag eines Servicekontaktes, welcher erfahrungsgemäß zur Steigerung des NPS beiträgt, ermitteln. Der relative Wert eines begeisterten im Vergleich zu einem „nur“ zufriedenen Kunden ist aus folgender Graphik ersichtlich.
182
Tobias Ebert
Wiederkaufsrate (normiert) 148 119 87
Promoter
Passive
Detractor
Abbildung 4: Normierte Wiederkaufraten nach NPS-Segmenten
5
Fazit
Der NPS hat sich seit seiner Einführung für Spreadshirt als wertvolles Führungsinstrument zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bewährt. Darüber hinaus liefert der NPS wichtige Informationen, um kundenbezogene Prozesse zu verbessern. Die Einführung des NPS basierte auf einem iterativen Prozess des Testens und Verbesserns, um so die bestmögliche Einstellung aller Variablen herauszufinden. Inzwischen dient der NPS als Unternehmenskennzahl und als Instrument des Qualitätsmanagements der Kundenerfahrungen gleichzeitig als roter Leitfaden zur Ausrichtung der kundenorientierten Spreadshirt Strategie und zur Überprüfung des Erfolges der operativen Umsetzung. Für die Spreadshirt Unternehmensleitung ist der NPS daher ein „must-have“ der kundenorientierten Unternehmensführung.
Institut Straumann AG, Basel Franz Maier und Petra Borisch
1
Die Dentalbranche: Wachsend und kompetitiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
2
Die Dentalkunden: Facettenreich und schwer adressierbar . . . . . . . . . . . . . . . 185
2.1 2.2 2.3 2.4
Herausforderung „Segmentierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderung „Adressierbarkeit der Kunden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderung „Datenverfügbarkeit und Datennutzung“ . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung eines spezifischen Befragungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Die Ergebnisse: Inhaltlich wertvoll mit positiver Kundenresonanz . . . . . . . . . 189
3.1 3.2 3.3
Rücklauf der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Feedbackcalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Ergebnisanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
4
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
185 185 188 188
184
1
Franz Maier und Petra Borisch
Die Dentalbranche: Wachsend und kompetitiv
Das börsennotierte Unternehmen Institut Straumann AG, Basel, ist als weltweiter Zulieferer der Dentalbranche bekannt. Mit dem Versprechen „committed to simply doing more for Dental Professionals“ bietet Straumann chirurgische, restaurative und regenerative Lösungen sowie die neueste CADCAM-Technologie auf höchstem Niveau. Straumann engagiert sich für qualitativ hochwertige, wissenschaftlich fundiert erforschte Produkte, die nach biologischen Prinzipien entwickelt werden. Als Pionier und Marktführer in der Dentalimplantologie agiert Straumann als Qualitätsanbieter mit Premiumpreispositionierung. Das globale Marktvolumen für die angebotenen Produktlösungen liegt bei 5 Mrd. CHF mit regionalen Schwerpunkten in Europa und Nordamerika (Straumann AG, Geschäftsbericht 2008). Der Markt ist in den letzten Jahren dynamisch gewachsen. Trotz leichter Wachstumseinbußen aufgrund der weltweiten Wirtschaftkrise sind die Wachstumsaussichten für die Dentalbranche weiterhin positiv: Das Bestreben, die natürlichen Zähne auch bei steigender Lebenserwartung lebenslang zu erhalten, der Trend zur Ästhetik, die wachsenden Haushaltseinkommen in den Schwellenländern und der bessere Zugang zu Zahnbehandlungen werden auch zukünftig das Marktwachstum treiben (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. 01. 2010, 14). Intakte und attraktive Wachstumstrends bei zugleich vermehrt preissensitiven Patienten rufen allerdings heute auch Billiganbieter auf den Markt. Den Ärzten steht eine immer größere Auswahl an Implantatsystemen und -produkten zur Verfügung. Die Anbieter stellt dies vor neue Herausforderungen. Während das Marktwachstum der letzten Jahre durch zunehmende Verfügbarkeit implantologischer Behandlungslösungen und Produktinnovationen getrieben war, nehmen Verdrängungs- und Preiswettbewerb jetzt zu. Als Premiumanbieter mit höchstem Qualitätsanspruch sind für Straumann deshalb ein professionelles Kundenmanagement und eine hohe Kundenbindung zentrale Erfolgsfaktoren, um Wachstumschancen bei gleichzeitigem Erhalt der Premiumpositionierung nutzen zu können. Straumann wählt den Net Promoter Score als Methode aus, um diese Transformation mit einem professionellen Instrument zur Messung der Kundenbindung zu begleiten. Die Kombination einer aussagekräftigen und einfachen Kennzahl für die Kundenbindung mit der Möglichkeit, qualitative Rückmeldungen zur Leistungswahrnehmung der Kunden einzuholen, überzeugt. Straumann möchte ein spezifisches Kundenfeedback der eige-
Institut Straumann AG, Basel
185
nen Kunden erhalten, Bedürfnisstrukturen vertiefter verstehen und wirksame Maßnahmen zur Steigerung der Kundenloyalität ableiten. Ziel ist es, eine klare Standortbestimmung aus Kundensicht zu bekommen. In einem ersten Schritt wird der Net Promoter Score im Rahmen eines Projektes in einem der größten Länder, in Deutschland, eingesetzt. 2
Die Dentalkunden: Facettenreich und schwer adressierbar
2.1
Herausforderung „Segmentierung“
Das Kundenportfolio von Straumann unterteilt sich in drei übergreifende Gruppierungen: – Oral- und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen – Allgemeine Zahnärzte – Zahntechniker/Dentallabore Diese Kundengruppen arbeiten in unterschiedlichen Organisationsformen, vom einzelnen niedergelassenen Arzt über Gemeinschaftpraxen bis hin zu Zahnkliniken. Die Rolle der Kunden in der Wertschöpfungskette ist ebenfalls differenziert. So agieren Zahnärzte teilweise als „Zuweiser“ für Chirurgen und übernehmen selbst nur Teile bei der implantologischen Behandlungen ihrer Patienten, andere setzen selbst Implantate. Die Bedürfnisstrukturen und Loyalitätstreiber zwischen den verschiedenen Gruppen/Strukturen sind heterogen. Demzufolge ist die Anforderung an die Umsetzung des Net Promoter Score, möglichst viele aussagekräftige Segmentierungskriterien abbilden zu können, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erkennen. Die als relevant eingeschätzten Kriterien werden zu Projektbeginn ausführlich diskutiert und festgelegt. Neben Berufsgruppen und demographischen Kriterien werden auch ökonomische Aspekte sowie eine Zuordnung zu regionalen Vertriebsgebieten erfasst. Direkt zu Projektbeginn zeigt sich, dass eine gute Datenqualität von entscheidender Bedeutung ist. Nur wenn die als inhaltlich sinnvoll erachteten Segmentierungskriterien auf Kundenebene zur Verfügung stehen, ist eine maximal Nutzung der Auswertungsmöglichkeiten des NPS möglich. 2.2
Herausforderung „Adressierbarkeit der Kunden“
Als noch größere Herausforderung erweist sich die bestmögliche Adressierbarkeit der Kunden. Im nächsten Schritt des Projektes steht daher im
186
Franz Maier und Petra Borisch
Vordergrund, zunächst die beste Anspracheform und die Kanalaffinitäten der Kunden zu eruieren. Die hohe Sensibilität der Ärzte in Bezug auf die Kunde-Lieferanten-Beziehung macht eine sorgfältige Abwägung der optimalen Anspracheform erforderlich. Zur Diskussion steht die Durchführung der NPS-Befragung über Email oder über Telefon. Es wird präferiert, die NPS-Befragung wie im B2B-Bereich üblich über den Ansprachekanal Email abzubilden. Dieser Kanal weist die niedrigsten Kosten bzgl. Kundenansprache und Weiterverarbeitung der Ergebnisse auf, lässt neutrale Kundenantworten erwarten und ist flexibel einsetzbar. In der deutschen Dentalbranche ist die Nutzung der Email als Kommunikationsmittel jedoch noch nicht so stark ausgeprägt wie es in vielen anderen Branchen der Fall ist. Ärzte sind nur begrenzt über Email direkt erreichbar, insbesondere während der Geschäftszeiten, da sie während ihrer täglichen Berufstätigkeit nicht ausschließlich an Computern mit Internetverbindungen arbeiten. Viele Ärzte sind gar nicht an Computern tätig und lassen administrative Aufgaben durch ihr Fachpersonal abwickeln. Eingehende Emails werden häufig vom Praxispersonal empfangen und bearbeitet. Die Praxen sind so organisiert, dass eingehende Emails sorgsam auf Relevanz geprüft werden, bevor diese gegebenenfalls dem Arzt vorgelegt werden. Vor diesem Hintergrund ist unklar, welche Responsequoten bei einer Email-Befragung erreichbar sind und wie die Ergebnisqualität sein wird. Die Alternative einer telefonischen Befragung erfordert einen deutlich höheren Ressourceneinsatz. Es ist zu erwarten, dass Ärzte selten sofort beim ersten Anruf erreichbar sind, da sie tagsüber ihre Patienten behandeln. Dies erfordert Terminvereinbarungen und mehrfache Anrufe, die einen hohen Zeitaufwand verursachen. Demgegenüber steht der Vorteil, dass die telefonische Ansprache der gewohnte Kontaktweg des Kunden ist. Dies lässt eine höhere Akzeptanz der NPS-Befragung verbunden mit qualitativ besseren Feedbacks erwarten. Es wird schnell klar, dass vor Durchführung der NPS-Erhebung in der Breite eine Testkampagne zur Evaluierung des besten Anspracheweges sinnvoll ist. Kriterien sind die Erreichbarkeit, die Ergebnisqualität sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Es wird eine klassische Testmatrix aus einer Kombination von Kanälen sowie Kundengruppen aufgebaut. Getestet wird eine NPS-Erhebung mit zwei Fragen, einer Frage nach dem NPS-Score und einer qualitativen Begründung. Die Ergebnisse sind in verschiedenen Punkten richtungsweisend für das weitere Vorgehen. Über beide Kanäle wird eine hohe Antwortquote erzielt. Damit kann zunächst gezeigt werden, dass die Akzeptanz für die Befragung bei der
187
Institut Straumann AG, Basel
Zielgruppe hoch ist. Dies wird darauf zurückgeführt, dass Straumann als Anbieter über ein hohes Ansehen bei den Kunden verfügt und eine durch Straumann durchgeführte Befragung von den Ärzten mit mehr Aufmerksamkeit behandelt wird als anonyme Marktforschungsstudien. Über Email kann eine unerwartet hohe Responsequote gleichermaßen über alle Zielgruppen erreicht werden. Die qualitativen Antworten zur Begründung des NPS-Scores werden von der Hälfte der Kunden beantwortet. Die Qualität der abgegebenen Kommentare ist als sehr gut zu beurteilen. In der telefonischen Befragung können unerwartet viele Ärzte mit dem ersten Anrufversuch erreicht werden. Ein Teil der Testgruppe erweist sich jedoch als deutlich schwerer bis gar nicht erreichbar. Im Vergleich zu der über Email angesprochenen Kundengruppe weist die telefonische Befragung einen auffällig höheren NPS-Wert auf. Dies wird zurückgeführt auf den Einfluss des persönlichen Kontaktes am Telefon, der kritische Äußerungen offenbar abmildert. Auch erscheinen deshalb die abgegebenen Kommentare zur Begründung der NPS-Bewertung nicht so neutral wie über Email. Die Ergebnisse des Kanaltests lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Telefon
E-Mail
+
• •
Gewohnter Ansprechkanal Gute Datenqualität verfügbar
• • • •
Neutralität Hohe Antwortqualität Günstige Kontaktkosten Flexibler Einsatz
–
• • •
Interviewereinfluss Ressourcenbedarf Kontaktkosten
• •
Neuer Ansprachekanal Rechtliche Anforderungen an E-Mail-Nutzung zu beachten
Abbildung 1: Bewertung der Kanäle
Im Ergebnis wird aufgrund der eindeutigen Vorteile des Kanals Email entschieden, die NPS-Befragung über diesen Weg durchzuführen.
188
2.3
Franz Maier und Petra Borisch
Herausforderung „Datenverfügbarkeit und Datennutzung“
Da der Kommunikationskanal Email in der Dentalbranche noch nicht breit etabliert ist, stellen die Verfügbarkeit von Emailadressen, die rechtlichen Anforderungen an deren Nutzung sowie die personalisierte Ansprache Herausforderungen für die Umsetzung der NPS-Befragung dar. Es wir hoher Wert gelegt auf die juristisch korrekte Permission für die Email-Nutzung. Die rechtlichen Auflagen für die Kundendatenverwendung in der Dentalbranche sind in jedem europäischen Land unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Vergleich sind diese Auflagen für die Email-Permission in Deutschland recht streng. Es ist erforderlich, dass der Kunde aktiv der Verwendung seiner Email-Adresse zum Zweck einer Kundenbefragung zugestimmt. Ergänzend dazu wird im Einladungsschreiben zur Befragung zusätzlich die Möglichkeit vorgesehen, sich über eine Opt-out-Option (Button) direkt von der Befragung abzumelden. Weiterhin muss eine Lösung für die personalisierte Ansprache der Kunden gefunden werden. Viele Praxen haben nur eine allgemeine Emailadresse für die gesamte Praxisbelegschaft, so dass die gewünschte Kontaktperson nicht One-to-One über eine Emailadresse direkt angesprochen werden kann. Insbesondere wird die Gefahr gesehen, dass mehrere textgleiche Mails an eine allgemeine Praxis-Emailadresse als Irrläufer gewertet und vermeintliche Duplikate gelöscht werden. Der Formulierung und optischen Ausgestaltung der Kundenansprache kommt somit eine besondere Bedeutung zu. Insgesamt wurde im Rahmen des NPS-Projektes ein hoher Aufwand in die Evaluierung des besten Anspracheweges und die Datennutzung investiert. In datenschutzsensiblen Umfeldern sowie bei großen Datenmengen erscheint es sinnvoll, direkt zu Projektbeginn ein Daten- und Legal-Assessment durchzuführen, um schnell Klarheit über die erforderlichen Schritte zu bekommen.
2.4
Entwicklung eines spezifischen Befragungsdesigns
Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse wird das spezifische Befragungsdesign festgelegt. Die NPS-Befragung wird im ersten Schritt mit zwei Fragen durchgeführt: Die „ultimative Frage“ nach der Empfehlungsbereitschaft auf einer Zehnerskala sowie die optionale Frage nach der Begründung für die abgegebene Bewertung. Der durchgeführte Kanaltest hat bereits gezeigt, dass auf Basis dieser beiden Fragen reichhaltige Ergebnisse zu er-
Institut Straumann AG, Basel
189
warten sind. Die Kürze der Befragung wird als Vorteil gesehen, da Ärzte ohnehin mit vielen Befragungen und Studien konfrontiert sind. Die Befragung wird in „Flightform“ durchgeführt, das heißt alle ausgewählten Kunden werden zu einem Zeitpunkt befragt. Eine Befragung über einen längeren Zeitraum oder die Verknüpfung der Befragung mit bestimmten Kundentransaktionen erscheint vor dem Hintergrund der Spezifika des Geschäftes nicht sinnvoll. Umgesetzt wird somit der häufig in der Literatur benannte „relationale NPS“. Zudem wird ein Reminder für die Befragung vorgesehen. Besondere Bedeutung kommt der Kommunikation zu. Ziel ist es, bereits mit der Befragung ein Mission Statement zu senden, dass Straumann an einer hohen Kundenorientierung und dem ehrlichen Feedback seiner Kunden besonders gelegen ist. Bereits dadurch sollen die Kunden eine Differenzierung zu den Wettbewerbern spüren und ein Mehrwert gegenüber klassischen, von Instituten durchgeführten Marktforschungen soll erreicht werden. Die gesamte Befragung wird von Straumann als Absender durchgeführt und durchgängig im eigenen Corporate Design umgesetzt. Dies bezieht sich sowohl auf die Email-Anschreiben als auch auf das Look-andFeel der Web-Befragungsmaske. Um die hohe Bedeutung hervorzuheben, wird die Email-Einladung zur Befragung von der Geschäftsleitung ausgesprochen. 3
Die Ergebnisse: Inhaltlich wertvoll mit positiver Kundenresonanz
3.1
Rücklauf der Befragung
Die Befragung wird über einen Zeitraum von 14 Tagen durchgeführt. Insgesamt wird eine zufriedenstellende Rücklaufquote erreicht. Besonders hohe Antwortquoten weisen die Kunden mit einer sehr engen, intensiven Kundenbeziehung auf. Eine Korrelation zwischen Kundenzufriedenheit und Responsequote gibt es jedoch nicht – sowohl Promotoren als auch Detraktoren nehmen an der Befragung teil. Das Befragungssample wird ausführlich nach verschiedenen Kriterien analysiert, um strukturelle Unterschiede in der Responsequote festzustellen und für die Zukunft Optimierungsmaßnahmen abzuleiten. Der höchste Anteil der Rückmeldungen erfolgte innerhalb der ersten 3 Tage nach Befragungsversand. Allerdings wurde in den nachfolgenden 10 Tagen aufgrund des versendeten Reminders noch insgesamt 13% der ge-
190
Franz Maier und Petra Borisch
samten Rückmeldungen erzielt. Häufungen an bestimmten Wochentagen sind erkennbar. Dies lässt darauf schließen, dass die Ärzte erst außerhalb ihrer Geschäftszeiten die Zeit für eine Beantwortung gefunden haben bzw. ihre Bürotätigkeiten auf bestimmte Tage und Zeitfenster konzentrieren. Einen hohen Mehrwert erfährt die NPS-Befragung durch die zusätzlich abgegebenen Kommentare. Die Hälfte der Teilnehmer macht von der Möglichkeit Gebrauch, in einem Freitextfeld die abgegebene Bewertung zu begründen. Zum Teil werden sehr ausführliche und detaillierte Begründungen abgegeben. Die Möglichkeit, auf diese Weise von einer großen Anzahl Kunden „ungestützt“ zu erfahren, welche Aspekte Top-of-Mind sind, wird als wertvoll angesehen. Die Kommentare ermöglichen, die Ursachen der NPS-Ergebnisse zu analysieren sowie bei Kontaktaufnahme mit dem Arzt gezielter auf sein Anliegen und seine abgegebene Bewertung einzugehen. 3.2
Feedbackcalls
Direkt nach Vorliegen der Befragungsergebnisse werden die Detraktoren telefonisch angesprochen, um die Hintergründe der abgegebenen Bewertung zu erfragen. Diese sog. Feedbackcalls sind fester und bedeutender Bestandteil des NPS-Konzeptes von Straumann. Zwei wesentliche Ziele werden erreicht: Zum einen fühlen sich die Kunden ernst genommen, da – im Gegensatz zu vielen anderen Kundenbefragungen – sofort eine Reaktion auf die geäußerten Kritikpunkte erfolgt. Der Feedbackcall unterstreicht die Bedeutung, die eine hohe Kundenbindung für Straumann hat und ist bereits eine Kundenbindungsmaßnahme an sich. Zum anderen werden in den Feedbackcalls viele zusätzliche Informationen gewonnen. Häufig zeigt sich, dass hinter der abgegebenen Bewertung und den Kommentaren noch viel mehr steckt als auf den ersten Blick sichtbar wird. Einige Sofortmaßnahmen für adressierte Kritikpunkte können eingeleitet werden. Die Mitarbeiter, die die Feedbackcalls durchführen, werden mit einer Schulungsmaßnahme in das NPS-Konzept eingeführt. Besonders wertvoll sind die Feedbackcalls, wenn sie von den Mitarbeitern als Plattform genutzt werden, um mit dem Kundenfeedback zu lernen. Deshalb ist ein neutraler, evaluierender Dialog besonders wichtig. Diese offene und lösungsorientierte Gesprächsführung wird von den Ärzten außerordentlich positiv aufgenommen. Selbst die Ärzte, die zunächst nur wenig Zeit hatten, führten am Ende ausführliche Gespräche und gaben viele zusätzliche Informationen. Die Mitarbeiter bewerten das erhaltene Kundenfeedback als hilfreich.
191
Institut Straumann AG, Basel
3.3
Ergebnisanalyse
Im nächsten Schritt des Projektes werden alle aus der Befragung und den Feedbackcalls vorliegenden Ergebnisse ausgewertet. Es konnten für fast alle ex ante festgelegten Analysekriterien (s. Abschnitt Segmentierung) ausreichende Responsequoten und Fallzahlen erreicht werden. Für die Ergebnisanalyse wird ein Analysecockpit aufgebaut, das aus fünf Bestandteilen besteht: Kundenstruktur-Analyse Welche strukturellen Besonderheiten gibt es im Kundenportfolio?
Werthebel-Analyse Was bedeutet der NPS für die wichtigsten Werthebel unseres Geschäfts?
NPS Results
Vertriebsmanagement Wie können wir unsere Vertriebsaktivitäten optimieren?
Ursachenanalyse Wo liegen unsere wichtigsten Stärken- und Schwächenfelder?
Abbildung 2: Analysecockpit
Mit den durchgeführten Auswertungen ist es möglich, wichtige Besonderheiten aufzuzeigen und zu erklären. So ergeben sich beispielsweise bei der Betrachtung der Kundenstruktur unterschiedliche NPS-Werte für die Kundengruppen, die in Kombination mit der qualitativen Ursachenanalyse inhaltlich erklärt werden können. Auswertungen zu Werthebeln und Vertriebsmanagement ermöglichen eine Verbindung mit ökonomischen Dimensionen. Anhand des befragten Kundenportfolios kann exakt festgestellt werden, wo Umsatzrisiken bei unzufriedenen Kunden und Umsatzchancen bei besonders loyalen Kunden liegen. Diese Analysen schaffen einerseits strukturelle Transparenz über das Kundenportfolio und ermöglichen andererseits konkrete kundenspezifische Maßnahmen. Besonderer Wert wird auf die Analyse der qualitativen Kundenkommentare in Verbindung mit den geführten Feedbackcalls gelegt. Es werden vier Analysebausteine umgesetzt:
192
Franz Maier und Petra Borisch
Strategisches Grid
Quantitative Kommentaranalyse
Profiling
Steckbriefe
Strukturierung der in der Erhebung genannten Themencluster nach Wichtigkeit und Zufriedenheit
Quantitative Auswertung der in der Erhebung genannten Themencluster nach verschiedenen Analysekriterien
Quantitative Auswertung der in der Erhebung genannten Themencluster nach Promotoren/Detraktoren
Zusammenführung und Aggregation der Kommentare der Erhebung und des Feedbackcalls
Was ist wichtig?
Welche Themenfelder nennen die Kunden?
Was treibt Loyalität resp. Illoyalität?
Welche Aussagen stehen hinter den Themenfeldern?
Abbildung 3: Bausteine Ursachenanalyse
Die qualitativen Kundenkommentare werden in Themencluster codiert, so dass eine strukturelle Auswertung möglich ist. Die Kombination der Kundenkommentare mit der Information zur Empfehlungsbereitschaft der Kunden (Promotoren/Detraktoren) sowie anderer erhobener Strukturmerkmale ermöglicht ein fundiertes Profiling. Insgesamt liefert die NPS-Befragung umfängliche Ergebnisse von strategischen Treibern bis zu operativen Optimierungen. Die Ergebnisse sind wertvoll für die weitere Ausrichtung der Marktbearbeitung, da klar wird, welche Anforderungen die Kunden haben und wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Zielgruppen liegen. Wichtige Erkenntnisse können auch für das strategisch relevante Thema der Preispositionierung gewonnen werden. Direkten Eingang finden die Ergebnisse ferner in die Ausgestaltung des Kundenbindungsprogramms. Darüber hinaus wird ein Maßnahmenprogramm aus den Befragungsergebnissen abgeleitet. Dieses umfasst sowohl Maßnahmen auf der allgemeinen Ebene von Leistungen, Service und Produkten als auch auf der kundenspezifischen Ebene. Die Daten der NPS-Befragung werden in das CRM-System von Straumann eingespielt, so dass die Vertriebsmitarbeiter die Bewertung und den Kommentar ihrer Kunden direkt einsehen können. Das CRM-System erhält hierdurch eine zusätzliche inhaltliche Aufwertung.
Institut Straumann AG, Basel
4
193
Fazit
Die NPS-Methode überzeugt durch ihre konzeptionelle Einfachheit und durch die Kombination quantitativer und qualitativer Informationen. Das unmittelbare, aktuelle Feedback der eigenen Kunden trägt zum Kundenverständnis bei und ergänzt bereits vorliegende Marktforschungsstudien. Es wurden Treiber für Kundenloyalität erkannt. Leistungsstärken und Differenzierungsfaktoren wurden herausgearbeitet ebenso wie Handlungsfelder für weitere Optimierungen. Insgesamt konnten viele Erkenntnisse für eine kundenbedarfsspezifische Marktbearbeitung gewonnen werden. Die individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Befragung hinsichtlich Zeitpunkt, Fragebogen und Zielgruppenauswahl ermöglichen auch zukünftig die Generierung neuer Erkenntnisse mit hoher Relevanz für die Geschäftsentwicklung.
Fünfter Teil Empirische Erkenntnisse
Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung Goetz Greve
1
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
2
Datenerhebung und Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
2.1 2.2 2.3
Methodik der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
3
Zentrale Ergebnisse der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
3.1 3.2 3.3
Anwendung des NPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Analyse des Erfolgs des NPS-Einsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Analyse der Implementierung des NPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
4
Ausblick und weiterer Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
5
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
6
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
198
1
Goetz Greve
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die deskriptive Analyse der Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur Anwendung des Net Promoter® Score (NPS) in der Unternehmenspraxis zeigt, dass Unternehmen den NPS vielfach lediglich für die Erforschung des Kundenverhaltens und der Kundenzufriedenheit nutzen. Nur sporadisch wird der NPS ganzheitlich im Sinne einer kundenorientierten Unternehmensführung auch für Veränderungen der Unternehmenskultur, Organisationsstruktur oder der Mitarbeiterentwicklung eingesetzt. Es ist zu erkennen, dass eine konsequente, ganzheitliche Nutzung des NPS für die Ausrichtung der Aufgaben über die Phasen des Kundenlebenszyklus nicht stattfindet. Schwerpunkte der Anwendung des NPS sind insbesondere die grundsätzliche Einholung von Kundenfeedback und die daraus abgeleiteten Serviceverbesserungen. Nur vereinzelt werden abgeleitete Prozessanpassungen umgesetzt und der Kundenfokus der Mitarbeiter verbessert. Gründe für diese eher limitierende Nutzung des NPS sind vielfach in den Herausforderungen der Implementierung zu sehen. So heben Unternehmen insbesondere die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter hervor. Auch stellt der NPS erhöhte Anforderungen an die Informationssammlung, -speicherung und -auswertung. Demzufolge kämpfen Unternehmen mit der Anbindung des NPS an interne Erfolgsrechnungen und/oder CRMSysteme, um weitergehend kundenorientiert ihr Unternehmen zu führen. Der zu konzentrierte Einsatz des NPS auf Analysen des Kundenverhaltens führt dazu, dass neben der Verbesserung der Kundenorientierung insbesondere weitergehende ökonomische Verbesserungen nicht realisiert werden können, so dass das volle Erfolgspotenzial des NPS im Sinne einer kundenorientierten Unternehmensführung nicht gehoben werden kann. Die folgenden Ausführungen geben einen detaillierten Überblick über die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. 2
Datenerhebung und Datengrundlage
2.1
Methodik der Datenerhebung
Ausgangspunkt der empirischen Untersuchung zur Anwendung des NPS in der Praxis ist die Festlegung der Untersuchungseinheit. Aufgrund der relativ stochastischen Verbreitung des NPS wurde eine branchenübergreifende Untersuchung von Unternehmen, die den NPS einsetzen, angestrebt. Die Befragung schließt dabei sowohl Unternehmen ein, die den NPS auf Bu-
Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis
199
siness-to-Consumer-Märkten einsetzen, als auch Unternehmen, die auf Business-to-Business-Märkten operieren. Um valide Primärdaten über die Aktionsparameter von NPS-Implementierungen und deren Erfolgswirkungen zu erhalten, wurde eine OnlineBefragung gewählt. Dazu wurden zunächst die relevanten Kontaktpersonen, die mit der Implementierung des NPS betraut waren, identifiziert und ihnen per Email ein Link zu dem auf einem Server abgelegten Fragebogen mit der Bitte gesendet, diesen im Internet online auszufüllen. Damit wurde ein „Key-Informant-Design“ verwendet. Unter einem Key Informant wird eine Person verstanden, die generalisierbare Aussagen zu bestimmten Sachverhalten geben kann (Bagozzi und Yi, 1991). Informanten werden dabei nicht im Sinne statistischer Repräsentativität ausgewählt, sondern unter der Annahme, dass diese Personen zu dem zu untersuchenden Sachverhalt besonders gut Auskunft geben kann und will (Kumar, Stern und Anderson, 1993). Die Vorgehensweise ist umstritten, häufig ist eine geringe Validität der Angaben der Key-Informants zu verzeichnen, so dass ein systematischer Messfehler, der sogenannte Key-InformantBias eintreten kann (Campbell und Fiske, 1959). Es kann jedoch angenommen werden, dass die Informationskompetenz sorgfältig ausgewählter KeyInformants den Messfehler überwiegt. Da im Rahmen der Kontaktermittlung diejenigen Informanten identifiziert werden konnten, die sich für die NPS-Implementierung verantwortlich zeigen, wird davon ausgegangen, dass die Sachverhalte entsprechend kompetent beurteilt worden sind. Neben der Key-Informant-Problematik beschreibt der Common-Method-Bias eine weitere Fehlerquelle. Unter Common-Method-Bias wird derjenige Messfehler verstanden, der auf die Erhebungsmethodik zurück zu führen ist (Podsakoff et al., 2003). Einen Spezialfall beschreibt der Single-Source-Bias, der entstehen kann, wenn unabhängige und abhängige Variablen lediglich von einem Informanten beurteilt werden (Podsakoff und Organ, 1986). Durch die Verwendung unterschiedlicher Antwortformate für unabhängige und abhängige Variablen wurde im Rahmen der Fragebogenerstellung diesem Sachverhalt Rechnung getragen. Um sicher zu stellen, dass kein Single-Source-Bias vorliegt, wurde die Stichprobe Harman’s One-Factor-Test unterzogen (Harmann, 1967). Mittels einer explorativen Faktorenanalyse wird überprüft, ob ein Faktor einen Großteil der Kovarianz erklärt, so dass von einem Common-Method-Bias auszugehen ist. Da für diese empirische Untersuchung insgesamt 17 Faktoren mit einem Eigenwert größer als eins extrahiert werden und der erste Faktor lediglich 23,72 Prozent der Varianz erklärt, ist davon auszugehen, dass der Common-Method-Bias relativ gering ausfällt.
200
Goetz Greve
Den Abschluss der Konzeption des Fragebogens bildete ein Pre-Test. Ziel des Pre-Tests war es, die Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Fragen zu überprüfen sowie die inhaltliche Relevanz der Fragen aus Sicht der Praktiker sicher zu stellen. Es wurden insgesamt 5 Pre-Tests durchgeführt, zu denen sich NPS-Experten bereit erklärt hatten. Der überarbeitete Fragebogen wurde daraufhin für die Datenerhebung verwendet. 2.2
Datenerhebung
Grundlage der Datenerhebung ist ein Fragebogen mit insgesamt 18 Fragen (vgl. Anhang 1). Durch eine Telefonrecherche konnten 90 Unternehmen identifiziert werden, die den NPS einsetzen. Als Ansprechpartner dienten die jeweiligen für die Implementierung verantwortlichen Mitarbeiter in den Unternehmen. Die ermittelten Ansprechpartner wurden per Telefon kontaktiert, um die Bereitschaft zur Teilnahme zu überprüfen. Daraufhin mussten 11 Unternehmen gestrichen werden, die die Beantwortung von Fragebögen nicht unterstützen. Die Datenerhebung erfolgte von Oktober bis Dezember 2009 durch ein Email-Anschreiben mit einen Link zu dem auf einem Server abgelegten Fragebogen mit der Bitte, den Fragebogen im Internet online auszufüllen. Als Anreiz zur Beantwortung des Fragebogens wurde den teilnehmenden Unternehmen eine Auswertung der zentralen Ergebnisse zugesichert. Um die Rücklaufquote zu erhöhen, wurden zwei Erinnerungs-Emails im Abstand von jeweils drei Wochen versendet und an die Befragung erinnert. Letztlich wurden bis Ende Dezember 2009 insgesamt 25 Fragebögen beantwortet, was einer Rücklaufquote von 28 Prozent entspricht. In Anbetracht der Rücklaufquoten von Topmanagement-Befragungen, die bei 15 bis 20 Prozent liegen (Menon, Bharadwaj und Howell, 1996) kann die Rücklaufquote als zufriedenstellend angesehen werden. Von den 25 ausgefüllten Fragebögen wurde ein Fragebogen aufgrund einer zu hohen Zahl nicht beantworteter Fragen ausgeschlossen. Es flossen somit 24 hinreichend ausgefüllte Fragebögen in die Datenauswertung ein, was einer Quote an verwertbaren Rückläufen von 27 Prozent entspricht. 2.3
Beschreibung der Stichprobe
Die Stichprobe der 24 teilnehmenden Unternehmen setzt sich aus 18 aus Deutschland und 6 weiteren Unternehmen aus dem europäischen Ausland zusammen. Betrachtet man die Branchenzugehörigkeit der in der Stich-
201
Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis
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Abbildung 1: Verteilung der Stichprobe nach Branchen
probe vertretenen Unternehmen, so lässt sich eine weite Verteilung über die unterschiedlichen Branchen feststellen (vgl. Abb. 1). Dabei sind die produzierenden Unternehmen mit 42 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von den Dienstleistungen mit 29 Prozent (Finanzdienstleistungen 13 Prozent). Dahinter folgt die Informations- und Kommunikationstechnologie mit 21 Prozent. Nur einen kleinen Anteil der Stichprobe machen die Branchen Medien und Handel mit jeweils 4 Prozent aus. Die Aufteilung zwischen Unternehmen mit Fokus auf Business-toConsumer-Märkten (58 Prozent) und Business-to-Business-Märkten (42 Prozent) ist relativ gleich verteilt.
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Abbildung 2: Unternehmensgröße nach Mitarbeiterzahlen
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Betrachtet man die Struktur der Stichprobe nach Mitarbeitergrößenklassen (vgl. Abb. 2), so zeigt sich, dass es sich mit 52 Prozent um überwiegend große Unternehmen mit mehr als 5.001 Mitarbeitern handelt, insgesamt weisen fast 35 Prozent der Unternehmen mehr als 10.001 Mitarbeiter auf. Abbildung 3 zeigt den Verantwortungsbereich für den NPS. Es zeigt sich, dass 44 Prozent aller Unternehmen die Verantwortung für den NPS im Marketing ansiedeln, 8 Prozent der Unternehmen sogar sehr spezialisiert in der Markforschung. Im Gegensatz dazu siedeln nur 12 Prozent der Unternehmen das Thema bereichsübergreifend bei der Geschäftsführung an, obwohl der NPS als Instrument der kundenorientierten Unternehmensführung mit Anforderungen an unterschiedliche Fachbereiche umzugehen hat, um Erfolgswirkungen in vollem Umfang entfalten zu können. =
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Abbildung 3: Verantwortung für den NPS
Bemerkenswert ist zudem der hohe Anteil anderer Organisationseinheiten, die ein breites Spektrum von der Produktentwicklung über die Kommunikation bis zum Kundenmanagement abdecken. Mit der Befragung sollten Unternehmen kontaktiert werden, die den NPS in ihrem Unternehmen einsetzen. Zur Beurteilung von Erfolgswirkungen ist es notwendig, dass die befragten Unternehmen mit dem NPS bereits über einen gewissen Zeitraum arbeiten. Die Auswertung der Frage 9 (vgl. Anhang) ergibt Nutzungszeiten zwischen 1 und 60 Monaten, der Mittelwert des Einsatzes liegt mit 24 Monaten bei zwei Jahren Dauer, die Standardabweichung beträgt 15 Monate.
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Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis
3
Zentrale Ergebnisse der Befragung
Zur Ermittlung der Zufriedenheit der Verantwortlichen mit dem NPS wurde ihnen die Frage zur Ermittlung des NPS „Auf einer Skala von 0–10, mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie den NPS Ihren Kollegen oder Freunden zur Nutzung in ihrem Unternehmen weiterempfehlen“ gestellt. Mit einem Net Promoter“ Score von 46 Prozent und einem PromotorenAnteil von 63 Prozent wird ein zufriedenstellender Wert erreicht (vgl. Reichheld und Seidensticker, 2006), der allerdings noch Entwicklungspotenzial nach oben offen lässt. Angesichts dieses Ergebnisses erscheint es umso interessanter, die Hintergründe für diesen Wert zu analysieren. 3.1
Anwendung des NPS
Da der NPS als umfassendes Instrument zur kundenorientierten Unternehmensführung aufgefasst werden kann, überrascht die nicht gleichverteilte Beantwortung der Frage, für welche Aufgaben Unternehmen den NPS nutzen (vgl. Abb. 4). So nutzen die befragten Unternehmen den NPS für geradezu klassische Aufgaben der Marktforschung, wie die Einholung des Kundenfeedbacks
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Abbildung 4: Ziele des NPS-Einsatzes
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(„Stimme des Kunden“ objektiv aufnehmen/Kundenwahrnehmung der angebotenen Leistungen und Services erfassen), die Identifikation der Treiber für das Kundenvertrauen und Begeisterung oder die Identifikation kritischer Interaktionspunkte im Kundenverhalten. Über drei Viertel der Unternehmen (76 Prozent) nutzen den NPS zur Verbesserung der Produkte und Serviceleistungen. All diese Aufgaben lassen sich in der Regel auch und vielfach besser durch Aktivitäten der klassischen Kundenzufriedenheitsforschung abbilden. Aufgaben, die Bezug nehmen auf die Anforderungen der kundenorientierten Unternehmensführung an Unternehmenskultur, Organisationsstruktur und Personalmanagement weisen geringe Anwendungsgrade auf. Gut zwei Drittel der befragten Unternehmen (68 Prozent) wollen zwar den Kundenfokus der Mitarbeiter verbessern, allerdings nutzt nur lediglich die Hälfte der befragten Unternehmen den NPS zur Prozessoptimierung (52 Prozent). Auch wird der NPS kaum dazu genutzt, gezielt Weiterempfehlungsmanagement (36 Prozent) zu betreiben oder Innovationen zu generieren (16 Prozent). Vergleicht man die Unternehmen mit Business-to-Consumer-Fokus mit den Unternehmen mit Business-to-Business-Fokus, so fallen keine signifikanten Unterschiede auf. Die Ausrichtung der Nutzung des NPS auf klassische Aufgaben der Kundenzufriedenheits- und Kundenverhaltensforschung zeigen, dass Unternehmen den NPS vielfach lediglich als ein weiteres Instrument zur Marktforschung verstehen, nicht aber den NPS als ganzheitliches Instrument zur kundenorientierten Unternehmensführung anwenden. Mögliche Potenziale des NPS können so unter Umständen für die Unternehmen nicht genutzt werden (vgl. Kapitel 3.2). Neben der breiten Anwendung des NPS wird der NPS als Führungsinstrument eingesetzt, um die Organisation einheitlich auf den Kunden auszurichten (vgl. Abb. 5). Vergleicht man diesen theoretischen Anspruch mit den empirischen Befunden, so zeigt sich, dass 83 Prozent der befragten Unternehmen das Ziel verfolgen, mit dem NPS die Organisation einheitlich auf mehr Kundenfokus und damit auf eine erhöhte Kundenorientierung auszurichten und weiter zu entwickeln. Dazu sollen insbesondere (79 Prozent) kundenorientierte Strategien entwickelt werden. Somit dient der NPS als Schlüsselgröße für die Kundenloyalität (75 Prozent) und Frühwarnsystem. Der organisationalen aber auch der informationstechnologischen Perspektive der kundenorientierten Unternehmensführung wird damit Rechnung getragen. Interessanterweise wird trotz dieser Vorgaben der NPS aber wenig dazu genutzt, individuelle
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Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis
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Abbildung 5: Führungsaufgaben
Mitarbeiter-Lernprozesse zu fordern und zu fördern (25 Prozent) und damit den Anforderungen an eine Veränderung der Unternehmenskultur hin zu einem kundenorientierten Unternehmen gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund ist kritisch zu hinterfragen, ob der NPS nicht entsprechend als geeignetes Anreizsystem zur Steuerung eines kundenorientierten Mitarbeiterverhaltens genutzt werden kann. Auch scheuen sich die Unternehmen scheinbar, Investitionsentscheidungen (38 Prozent) oder die Steuerung von Ressourcen (21 Prozent) auf Basis des NPS vorzunehmen. Es kann somit auch an dieser Stelle bezweifelt werden, ob die befragten Unternehmen tatsächlich das gesamte Potenzial des NPS nutzen. 3.2
Analyse des Erfolgs des NPS-Einsatzes
Betrachtet man das Globalurteil zum Erfolg (vgl. Anhang, Frage 12), so kann konstatiert werden, dass die Zustimmung zu der Aussage „Der NPS erreicht die gesetzten Ziele“ mit einem Mittelwert von 1,00 gegeben ist, allerdings ist mit einer Standardabweichung von 0,74 eine entsprechend hohe Schwankung der Antworten zu beachten.
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Die Analyse der Erfolgsdimensionen in Tabelle 1 zeigt, dass der Einsatz des NPS entlang der Dimensionen des Kundenlebenszyklus1 kein Allheilmittel für die kundenorientierte Unternehmensführung in der Praxis zu sein scheint. Zwar erfährt die Dimension „Verbesserung der Kundenorientierung“ mit einem MW von 1,15 und einer Standardabweichung von 0,67 eine vergleichsweise hohe Zustimmung unter den Befragten. Demgegenüber wird der Verbesserung der Kundenakquisition jedoch kaum zugestimmt. Auch stehen die Befragten der Verbesserung der im Lebenszyklus nachfolgenden Maßnahmen wie der „Realisierung von Cross- und Up-Selling-Potenzialen“ eher ablehnend oder indifferent gegenüber. Die Kundenbindung hingegen wiederum erfährt mit einem Mittelwert von 1,05 und einer Standardabweichung von 1 eine deutlichere Zustimmung. Zieht man nun die unterstützenden Funktionen wie die Verbesserung der angebotenen Produkte und Serviceleistungen sowie die Entwicklung kundenorientierter Innovationen hinzu, so ist zu bemerken, dass der Kundenservice durch den Einsatz des NPS verbessert werden kann, Verbesserungen an den Produkten werden aber auf Basis dessen kaum vorgenommen. Auch die bereits als Ziel hervorgehobene Optimierung der kundenbezogenen Prozesse kann erreicht werden, anders als die angenommene Entwicklung kundenbezogener Innovationen. Tabelle 1: Bewertung des Erfolgs Erfolgsdimension
MW
Min
Max
Stab.
Verbesserung der angebotenen Serviceleistungen Verbesserung der Kundenorientierung Verbesserung der kundenbezogenen Prozesse Verbesserung der Kundenbindung Verbesserung der angebotenen Produkte Entwicklung kundenorientierter Innovationen Realisierung von Up-Selling-Potenzialen Verbesserung der Kundenakquisition Realisierung von Cross-Selling-Potenzialen
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0 0 –2 –2 –1 –2 –2 –2 –2
2 2 2 2 2 2 2 1 +1
0,55 0,67 0,97 1,00 0,88 1,17 1,03 0,83 0,97
MW = Mittelwert; Min = Minimum, Max = Maximum; Stab. = Standardabweichung Kodierung: –2 = stimme überhaupt nicht zu, 2 = stimme nicht zu, 0 = unentschieden, 1 = stimme zu, 2= stimme vollkommen zu N = 20 1
Der Kundenlebenszyklus beschreibt einen idealtypischen Verlauf einer Kundenbeziehung über die Zeit und ist gekennzeichnet durch verschiedene Phasen (bspw. Akquisition, Wachstum, Bindung).
207
Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis
Der NPS scheint damit in der Unternehmenspraxis derart verwendet zu werden, dass er insbesondere den Erfolgsmaßen der grundsätzlichen Kundenorientierung sowie der späteren Kundenlebenszyklusphase „Kundenbindung“ Rechnung trägt. Dieses Ergebnis steht in Zusammenhang mit den unter 2.1 aufgeführten Aufgaben des NPS, die im Rahmen der Kundenzufriedenheits- und Kundenverhaltensforschung liegen. Unternehmen, die den NPS ganzheitlicher nutzen, um auch Prozess-Optimierungen oder Mitarbeiterverhaltensänderungen umzusetzen, können damit zusätzliche Erfolgspotenziale in den unterstützenden Funktionen, Serviceleistungen oder Prozessen, erzielen. Neben dieser rein qualitativen Beurteilung des NPS-Erfolgs zeigt Abbildung 6 eine Abschätzung der Verbesserung anhand der quantitativen Messgröße „Verbesserung in Prozent“. Die größten Veränderungen können demnach in der Steigerung des NPS selbst festgestellt werden. Ein Viertel der befragten Unternehmen berichtet Steigerungen von 5–10 Prozent. =
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Abbildung 6: Erfolgsbeiträge des NPS
Alle anderen erhobenen Kriterien fallen massiv ab. Sowohl die Neukundengewinnung als auch die Reduzierung von Kündigern, also die Erhöhung der Kundenbindung, weisen mit 55 bzw. 60 Prozent der befragten Unternehmen keine Veränderung auf. Für die Neukundenakquisition steht dies in direktem Zusammenhang mit dem qualitativen Urteil zuvor, allerdings wurde ebenso angegeben, dass der NPS die Kundenbindung erhöht.
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Dies schlägt sich hier nur für 40 Prozent der Unternehmen in messbaren Verbesserungen nieder. Ebenso verhalten ist die Beurteilung der Steigerung des Ertrages pro Kunde, auch hier berichten 40 Prozent der Unternehmen Steigerungen. Hinsichtlich der Senkung der Kundenbetreuungskosten verzeichnen 20 Prozent der Unternehmen eine Veränderung. Vor dem Hintergrund, dass nur 4 Prozent der Unternehmen ihre kundenbezogenen Kosten senken wollten, mag dies nicht verwundern. Allerdings ist zu hinterfragen, ob die angestrebten und teilweise realisierten Prozessoptimierungen kostenseitig den Kunden in den Unternehmen zugerechnet werden. Fasst man diese Ergebnisse zusammen, so stellt sich die Frage, ob neben der anzunehmenden zu engen Anwendung des NPS die Implementierung unter Umständen zu Problemen geführt haben könnte. Die Antworten auf die Aussage „Die Implementierung verlief problemlos“ (vgl. Anhang, Frage 12) weist wie vermutet nur geringe Zustimmungswerte mit einem Mittelwert von 0,27 und einer hohen Standardabweichung von 1,20 auf. Hier gilt es zu analysieren, welche Gründe für diesen Wert verantwortlich sind. 54 Prozent der Befragten bewerten die Aussage mit „unentschieden“ oder schlechter. Aufschluss kann die Betrachtung der Herausforderungen geben. Abbildung 7 verdeutlicht, dass die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter von nahezu 74 Prozent der befragten Unternehmen als Herausforderung angesehen wird, unabhängig davon, ob die Implementierung problemlos oder problembehaftet verlief. Es folgen die Herausforderungen „Verknüpfung des NPS mit Kundenerfolgsrechnungen wie ABC-Analy =
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Abbildung 7: Herausforderungen an die Implementierung
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Die Anwendung des Net Promoter® Score in der Praxis
209
sen, Kundendeckungsbeitragsrechnungen oder Customer Lifetime ValueKalkulationen“. Ebenso zählt das Schließen der Kunden-Feedback-Schleife sowie Prozessanpassung bei nahezu jedem zweiten Unternehmen zu einer Herausforderung. Vergleichsweise niedrig fällt die Bewertung der informationstechnologischen Herausforderungen (Software, Schnittstellenprobleme zur bestehenden IT oder die Anbindung an ein CRM-System) aus. Eine Betrachtung der Korrelationen der Herausforderungen zu der Aussage „Die Implementierung verlief problemlos“ offenbart, dass jedoch die Herausforderungen „Software“ und Schnittstellenprobleme zur bestehenden IT signifikante negative Korrelationen aufweisen. Eine Regressionsanalyse der unabhängigen Variablen „Schnittstellenprobleme zur bestehenden IT“ auf die abhängige Variable „Die Implementierung der Software verlief problemlos“ zeigt im Vergleich zu den anderen unabhängigen Variablen mit einem korrigierten R2 von 0,207 einen angemessenen Erklärungsgrad und einen negativen Koeffizienten von –0,495 auf einem Signifikanz-Niveau von < 0,05.2 Die genauere Analyse zeigt demnach, dass die informationstechnologischen Herausforderungen wiederum den stärksten negativen Einfluss auf eine problemlose Implementierung ausüben. Dieser Umstand gewinnt zusätzlich an Gewicht, betrachtet man den Einsatz interner Softwarelösungen im Vergleich zu extern betriebenen/geleasten Softwarelösungen. Unternehmen, die im Alleingang eine Implementierung über eine eigene Softwarelösung versuchen, scheinen eher auf Probleme mit der Implementierung hinsichtlich der Anbindung von Kundenerfolgsrechnungen zu stoßen. Vergleicht man Unternehmen mit Business-to-Consumer-Fokus mit Unternehmen mit Business-to-Business-Fokus, so ist zu beobachten, dass Business-to-Consumer-Unternehmen stärker als Business-to-BusinessUnternehmen mit sämtlichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Dieser Umstand kann in den erhöhten Implementierungsanforderungen hinsichtlich zu verarbeitender Datenmenge, Systemanforderungen und Prozessanpassungen begründet liegen. Business-to-Business-Unternehmen hingegen bewerten die Verknüpfung des NPS mit den internen Kundenerfolgsrechnungen und dem CRM-System als größere Herausforderungen. 2
Mittels der Regressionsanalyse können Beziehungen zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen analysiert werden. Das Bestimmtheitsmaß R2 beschreibt dabei das Verhältnis der durch die Regression erklärten Streuung zur Gesamtstreuung und ist damit ein Maß für die Güte der Regressionsgleichung.
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3.3
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Analyse der Implementierung des NPS
Die vorhergehenden Ausführungen belegen die Herausforderungen an eine erfolgreiche NPS-Implementierung. Als Ergebnis dieser Erkenntnisse sind die Maßnahmen der Unternehmen zu sehen, neben einem internen Projekt auf externe Hilfe zurückzugreifen. Die Hälfte der befragten Unternehmen greifen auf externe Unternehmensberater zu, ca. 21 Prozent auf spezialisierte Marktforschungsberater. Selten werden IT- oder CRM-Berater genutzt (siehe Abb. 8). Hinsichtlich der Bewertung der Aussage „Die Implementierung verlief problemlos“ ist zu bemerken, dass 75 Prozent der Unternehmen, die einen externen Marktforschungs-Berater nutzen, Schwierigkeiten mit der Implementierung hatten. Wiederum ist anzunehmen, dass eine Konzentration des Einsatzes des NPS auf Marktforschungsaktivitäten einer erfolgreichen kundenorientierten Unternehmensführung nicht Rechnung tragen kann.
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Abbildung 8: Durchführung der Implementierung
Bei knapp 46 Prozent der befragten Unternehmen nahm die Implementierung weniger als 6 Monate ein. Gut 36 Prozent der Unternehmen haben den NPS zwischen 6 Monaten und einem Jahr eingeführt (vgl. Anhang, Frage 7). Hinsichtlich der Durchführung der Implementierung interessiert ein Vergleich von Unternehmen mit Business-to-Consumer-Fokus und Business-to-Business-Fokus. Business-to-Consumer-Unternehmen messen zumeist entweder periodisch oder transaktional, während über drei Viertel
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211
der befragten Business-to-Business-Unternehmen lediglich periodische Messungen vornehmen, ein Viertel nimmt sowohl periodische als auch transaktionale Messungen vor (vgl. Anhang, Frage 3). Die Anzahl periodischer Messungen variiert bei Business-to-Consumer-Unternehmen von einer Messung pro Jahr bis zur täglichen Messung mit einem Mittelwert von 46 Messungen pro Jahr und einer Standardabweichung von 81. Business-to-Business-Unternehmen befragen ein bis zwölfmal pro Jahr, wobei sich 70 Prozent der Unternehmen auf die einmalige Messung beschränken. Business-to-Consumer-Unternehmen weisen folglich mit 3.000 bis zu 750.000 Befragten pro Kunden ein deutlich höheres Datenvolumen auf als Business-to-Business-Unternehmen mit 250 bis 15.000 befragten Kunden, was durch die geringere absolute Kundenzahl zu erklären ist.
4
Ausblick und weiterer Forschungsbedarf
Die gewonnenen Erkenntnisse unterliegen gewissen Restriktionen. So basiert die Untersuchung auf einer branchenübergreifenden Stichprobe. Zukünftige Untersuchungen sollten branchenspezifisch durchgeführt werden, um die Ergebnisse branchenbezogen zu validieren oder entsprechend neue Erkenntnisse zu generieren. Ebenfalls wäre es wünschenswert, eine internationale Vergleichsstudie anzustreben, um länderspezifische Anwendungsunterschiede zu identifizieren. Zudem wäre eine Replikation dieser Untersuchung mit einer höheren Stichprobe wünschenswert, um komplexere statistische Auswertungen anwenden zu können, bspw. die Untersuchung von Erfolgsfaktoren von NPSImplementierungen unter Zuhilfenahme von Strukturgleichungsmodellen.
5
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Anhang
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Autorenverzeichnis
Robert Asal zeichnet bei maihiro für den Bereich CRM Business Consulting verantwortlich. Von 1996 bis 1998 arbeitete er als Berater und Projektleit er bei Kiefer & Veittinger. Von 1998 bis 2001, vor seinem Wechsel zu maihiro, war der Diplom-Kulturwirt als Sales Operations Manager bei der ATOSS Software AG tätig und leitete dort u. a. die Einführung eines CRM-Systems. Als CRM Beratungsleiter begleitet Robert Asal mit seinem Team heute Unternehmen bei Due Diligence, Leitbild- und Kennzahlenentwicklung, Kundenwertanalyse, Prozessberatung, Softwareauswahl, Organisationsentwicklung und Change Management. Elke Benning-Rohnke studierte Psychologie und Betriebswirtschaft an den Universitäten Mannheim und Kiel. Ihre berufliche Laufbahn begann sie bei Procter & Gamble in Deutschland und Kanada. 1989 wechselte sie zu dem Kaffee- und Süßwarenhersteller Jacobs Suchard (heute Kraft Europe), bei dem sie in den BtoB und BtoC Bereichen zuletzt als Marketingdirektorin für das Süßwarengeschäft verantwortlich war. 1996 wurde sie in den Vorstand der Wella AG berufen und verantwortete dort das weltweite Salongeschäft. Der Wechsel in die Beratung erfolgte zunächst als Geschäftsführende Gesellschafterin bevor sie die eigene Managementberatung Benning & Company gründete. Benning & Company ist auf das Erschließen von Potenzialen in Märkten, bei Kunden und in Organisationen spezialisiert und verfolgt einen integrierten Beratungsansatz, der Consulting und Enabling verbindet. Elke Benning-Rohnke ist zudem Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Nexus, einem Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung.
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Autorenverzeichnis
Stefan Borgas startete seine berufliche Karriere nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre/ Business Administration – Management und Marketing an den Universitäten Saarbrücken und St. Gallen bei der BASF und übernahm in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Supply Chain des Kunststoffgeschäftes in Deutschland, Irland, China und vor allem in den USA verschiedene Positionen mit wachsender Verantwortung. Im Jahre 1999 übernahm er die Führung des Bereichs Strategic Global Marketing Vitamins & Animal Nutrition und in 2001 wurde er zum Leiter Fine Chemicals (Ernährung, Kosmetik, Pharma) für Europe, dann NAFTA ernannt. Seit Juni 2004 ist Stefan Borgas Chief Executive Officer der Lonza Group Ltd., Basel. Desweiteren ist er Mitglied des Aufsichtsrates der Syngenta und unter anderem Vorstandsmitglied der Schweizer Managementgesellschaft und des Alumnibeirates der Hochschule St. Gallen.
Petra Borisch setzte nach ihrer Bankausbildung und Vertriebslaufbahn in der SEB Bank und ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre sowie Bankbetriebslehre an der Universität Münster und der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt am Main ihre Laufbahn bei der Bankgesellschaft Berlin AG fort, zunächst im Investmentbanking und in der Konzernentwicklung, zuletzt als Leiterin der Retail-Strategie. Von dort wechselte sie zur Deutschen Bank 24 AG in den Bereich Investment. Anschließend übernahm sie die Leitung des Bereichs Marketing & Vertrieb in der comdirect bank AG. Danach leitete sie den Bereich Marketing im Privatkundengeschäft der Commerzbank AG. Seit 2009 ist Petra Borisch Partner bei Benning & Company. Ihre Schwerpunkte sind marktorientierte Unternehmensführung, strategisches Marketing, Change Management, Vertrieb, Finanzdienstleistungen.
Autorenverzeichnis
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Tobias Ebert ist Diplom Kaufmann, geboren 1979 in Berlin, studierte Volks- und Betriebswirtschaft in München, New York und Leipzig. Den Net Promoter Score führte er 2007 erstmals bei Spreadshirt ein. Auf der Webseite www.net-promo ter.de hat er seine Erfahrungen, Erkenntnisse und wertvollen Tipps rund um die Einführung des NPS zusammengefasst. Zusätzlich beschreibt er hier die Strategie der guten Gewinne und plädiert mit vollem Einsatz für kundenfokussiertes Vorgehen, nicht nur im Marketing.
Prof. Dr. Siegfried Greif, seit 2004 Gesellschafter und Geschäftsführer des Instituts für wirtschaftspsychologische Forschung und Beratung GmbH (IwFB) und seit 2009 Associate Partner und wissenschaftlicher Beirat der Benning & Company GmbH. 1976–1982 Professor an der Freien Universität Berlin und Leiter des Fachgebiets Sozial- und Organisationspsychologie. 1982–2008 o. Professor an der Universität Osnabrück und Leiter des Fachgebiets Arbeits- und Organisationspsychologie. 1994–1996 von der Universität beurlaubter Berater der Firma Felix Schoeller jr. (Foto- und Spezialpapiere). Arbeits- und Forschungsbereiche: Change Management und Coaching. Neuere Buchveröffentlichungen: Erfolge und Misserfolge beim Change Management (2004, mit Seeberg/Runde), Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion (2008). Herausgeber der Reihe „Innovatives Management“ beim Verlag Hogrefe, zahlreiche deutsch- und englischsprachige Publikationen in Fachzeitschriften und Standardwerken.
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Autorenverzeichnis
Professor Dr. Goetz Greve lehrt an der Hamburg School of Business Administration Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Vertrieb. Als Leiter des Forschungsdepartments Marketing & Sales setzt Professor Greve Schwerpunkte in der Erforschung von Kundenmanagement- und Vertriebsstrategien. Zuvor war er mehrere Jahre als Unternehmensberater für Accenture und OC & C Strategy Consultants tätig. Der Fokus seiner Projektarbeit lag auf der Beantwortung von marketingstrategischen Fragestellungen sowie der Konzeption von Customer-Relationship-Management-Systemen. Neben seiner Hochschultätigkeit ist Professor Greve wissenschaftlicher Beirat der Unternehmensberatung Benning & Company.
Marcus Hilmer ist bei maihiro seit 2006 als CRM und CRM Analytics Berater und Projektleiter tätig. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker der Hochschule Deggendorf begleitet internationale Unternehmen in unterschiedlichen Industrien bei der Einführung von CRM Systemen. Darüber hinaus unterstützt er Hochschulen als CRM Workshop- und Seminarleiter. In CRM-Projekten verantwortet Marcus Hilmer insbesondere die Analyse, das Design und die Implementierung von SAP CRM und SAP NetWeaver Business Warehouse Lösungen.
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Markus Kirsch startete nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Passau, Köln, H.E.C. Paris (Frankreich) und U.C. Berkeley (USA) bei Unilever im Produktmanagement & Vertrieb. Anschließend arbeitete er bei United Distillers, Diageo im regionalen Markenmanagement bevor er zu Wella ins Internationale Marketing und Category Management wechselte. Danach leitete er bei Spectrum Brands/Varta das globale Marketing. Zuletzt übernahm er als freier Berater diverse Mandate für angesehene Kunden. Seit 2008 ist Markus Kirsch Partner bei Benning & Company. Seine Schwerpunkte sind Markt- und Kundenanalysen, StrategieEntwicklung, Strategisches Marketing, Marken- und Innovations-Management, Strategic Alignment und Change Management. Franz Maier besitzt einen Abschluss in Betriebswirtschaft der Universität Passau. Er ist heute Executive Vice President, Head of Global Sales und Mitglied der Geschäftsleitung bei Straumann, einem weltweit führendes Unternehmen im Bereich des implantatgestützten und restaurativen Zahnersatzes und der oralen Geweberegeneration. Bevor er im Juni 2007 zu Straumann wechselte, war er bei Procter & Gamble (P & G) beschäftigt, wo er am internationalen Hauptsitz in Genf für Global Export Operations Professional Care verantwortlich war. Davor war Franz Maier während 14 Jahren für die Wella Group tätig, die 2003 von P & G akquiriert wurde. In jener Zeit hatte er Führungspositionen von zunehmender Verantwortung im Produktmanagement, im strategischen Management und im Verkauf inne. Er war zwei Jahre lang als Marketing Director von Wella Frankreich und drei Jahre lang als Managing Director von P & G Professional Care in Italien tätig, bevor er zum Corporate Senior Vice President und Regional Manager von Professional Care für Süd- und Westeuropa befördert wurde.
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Autorenverzeichnis
Uwe May ist Geschäftsführer der maihiro GmbH. Die Unternehmensberatung fokussiert sich auf die Gestaltung und technologische Unterstützung von Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen – kurz Customer Relationship Management (CRM). Vor der Gründung von maihiro war der DiplomKaufmann als Berater und Projektleiter bei CSC Ploenzke für Kunden der Finanzdienstleistungsindustrie tätig und verantwortete bei Oracle das Global Key Account Management für eine weltweit führende Bank. Sein Schwerpunkt als Berater, Moderator und Seminarleiter ist die CRM Management- und Prozessberatung. Uwe May begleitet Unternehmen international zu den Themen Vertriebssteuerung, Key Account Management, Kundenwertmodelle, Organisationsentwicklung und Change Management.
Geert van Kuyck kam im Herbst 2005 als Senior Vice President Global Marketing Management zu Philips. Seit dem 1. Januar 2008 ist er Chief Marketing Officer des Unternehmens. Zuvor war van Kuyck Vice President Marketing EMEA bei der Starbucks Coffee Company. Er half beim Aufbau des Einzelhandelsgeschäftes von Starbucks in Europa und im Mittleren Osten, und verantwortete den Bereich Product Category Performance sowie Marketing, Kommunikation und Nachhaltigkeit. Vor seiner Zeit bei Starbucks arbeitete er fast 14 Jahre bei Procter & Gamble, wo er verschiedene Positionen in Belgien, Deutschland, der Schweiz und den USA inne hatte. Sein Verantwortungsbereich umfasste dabei sowohl lokale als auch europäische und globale Funktionen in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Geert van Kuyck ist Belgier, graduierte an der Universität Leuven, Belgien, und lebt mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn in Amsterdam, Niederlande.
Autorenverzeichnis
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Jan Van Riet, Dipl. Ing., studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität München, und begann seine berufliche Laufbahn bei Procter & Gamble in Deutschland und Saudi-Arabien. Nach 11 Jahren in wachsender Verantwortung übernahm er zuerst die weltweite Geschäftsführung der rotring Gruppe, war danach Mitglied der Geschäftsleitung der tesa AG und wurde 2006 Vorstandsvorsitzender der Herlitz AG in Berlin. Seit 2009 ist er in Hamburg als Managing Partner für die Unternehmensberatung Benning & Company tätig und berät Unternehmen unterschiedlichster Branchen mit dem Ziel, für sie ungenutzte Potenziale zu erschließen. Seine Schwerpunkte sind strategische Neu-Ausrichtungen, Marken- und Kundenorientierte Unternehmensführung und Change Management.