ast rninute Psychiatrie \ I
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URBAN & FISCHER
S. Frauenknecht, K. Lieb
Last Minute Psychiatrie und Psychotherapie
ln der Re ihe Last Minute ersc heinen folgende Titel:
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Last Mi nute Ana tomie Last Minute Biochemie Last Min ute Chirurgie Last Mi nute Gynäkologi und Geburt hilfe La t Minute Innere Medizi n La t Minute Mikrobiologie Last Minute eurologie La t Mi nute Pädiatrie La t Mi nute Pat hologie Last Minute Pharmakologie Las t Mi nute Phy iologi La t Minute Psychiatrie und P chotherapie
Sabine Frauenknecht, Klaus Lieb
Last Minute Psychiatrie und Psychotherapie 1. Auflage
ELSEVIER
URBAN & FISCHER
München
Zuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urba n & Fi eher Verlag, Hackerbrücke 6, !\0335 Mün hen E-Mail: medizinstud ium@elsev ier.de Wichtiger Hinweis für den Benutzer
Die Erkenntnisse in der Med izin unte rl iegen laufendem Wandel durch Fors hung und klinische Erfahrungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große orgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk g _ machten therapeutischen Angaben (insbesondere hin i.chtli h Indikation, Dosierung und unerwünschter Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da entbindet den utzer diese Werkes ab r nicht von der Verpfl ichtung, an band weitere r chriftlicher Information quellen zu überprüfen , ob die dort gema ht 11 Anga ben von denen in diesem Buch abweichen und seine Verordnung in eigener Verantwortung zutreffen. Für die Vollständigke it und Auswahl der aufgeführten Medibm nte übern immt der erlag kei ne ewähr. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in de r Regel be onder kt:nntli h gema ht ( 1 ). Aus d 111 Fehlen eines solchen Hinwei es kann jedoch nicht automatis h ge chlosse n werden, dass es sich um ein l1 freien Warennamen handelt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet die e Publikation in der D uts hcn ati onalbibliografie; d t il lierte bibliografische Daten sind im Internet über htlp://dnb.d -nb.d abr ulbar. Alle Rechte vorbehalten I. Auflage 2011 © Elsevier Gmb H. München
Der Urban & Fischer Verlag i t ein lmprint der Elsevier GmbH. 11 12 13 14 15
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Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial iehe Abbildung nac hwei . Das Werk einschließlich aller einer Teile ist urh eberrechtlich ges hützt. Jed erwertung auß rhalb der eng 11 Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zu timm ung des Verlag un zulä sig und strafbar. Da' gil t in be sondere für Vervielfaltigungen, Übe r etzungen, Mikrover.fi lrn ungen und die Ei n .1 ci ·herung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. · Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Berufs- und Personenbez i hnung n di grammatika li eh maskuline Form gewählt. elbstver tändlich sind in di en .Fällen immer Frauen und Männer ge mei nt. Planung: Chri tina Nuss baum, Katja Weimann, Dr. med. onstan Spring, EI evier Deut bland. Mün hen Lektorat: Dr. nat. med. Anke Kopacek, häfller & Kollege n mbH , ugs burg Herstell ung: Peter Surterli tte, Elsevier Deuts bland, Mün hen Satz: abavo GmbH, Buchtoe/Deut eh land; TnQ, hennai/!ndien Druck und Bindun g: Printer Trento, .lt ali n Umschlaggestaltung: p.ie zDesign, eu-Ulm Titelfotografie: Gettylmages/Kick lmages/T i H i Fung ISB 978-3-437-43013-8
Aktuelle lnformati n n finden i" im lnl rnct unter www.e\sevler.de und www.elsevl er.com
Vorwort Zur Vorbereitung auf das "Hammerexamen" ist mittlerweile eine große Stofffülle innerhalb kurzer Zeit zu bewältigen. Die Faszi nation und Lebendigkeit vieler Fächer bleibt dabei oft auf der Strecke. Auch die Psychiatrie und Psychotherapie kommt dadurch manchmal "unter die Räder". Im Alltag vieler anderer Disziplinen der Medizin sind jedoch psychiatrische Problemstellungen von Bedeutung und bilden häufig "Stolpersteine" im Umgang mit den Patienten und Patientinnen. Es ist uns ein Anliegen, auch den zunächst "U ninteressierten" auf diese Herausforderungen aufmerksam zu machen und ihm das nötige "Handwerkszeug" mitzugeben, um entsprechende Situationen zu meistern. Der Last Minute Psychiatrie und Psychotherapie bietet eine effektive und prüfungsbezogene Vorbereitung für das "Hammerexamen". Er vermit telt die klinisch bedeutsamen und prüfungsrelevanten Inhalte in lebendiger Sprache und übersichtlichen Lerneinheiten. Er kann sowohl als Lektüre für Einsteiger als auch zur Wiederholung bereits erarbeiteten Wissens verwendet
werden . Er verbindet die Stoffwiederholung im Buch mit der Möglichkeit, on-line auf mündliche und schriftliche Prüfungsfragen zuzugreifen. Für ihre wertvollen Beiträge, Kommentare und Anregungen bedanken wir uns bei Frau Dr. med. Renate Böhme, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Müllheim, Frau Dr. med. Elke Gorenflos, l~ achärztin für Psychotherapeutische Medizin, Freiburg und Herrn Dr. med. Frank Gorenflos, Facharzt für Allgemeinmedizin, Freiburg. Frau Manuela Kremerdanken wir für die sekretarielle Unterstützung bei der Manuskripterstellung. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine gute, abwechslungsreiche Prüfungsvorbereitung, viel Erfolg bei den Prüfungen im Staatsexamen und anhaltendes Interesse für psychiatrische und psychotherapeutische Herausforderungen! Freiburg und Mainz, Januar 2011 Sabine Frauenknecht und Klaus Lieb
Benutzerhinweise Prüfungsrelevanz Die Elsevier- Reihe La t Minute bietet Ihnen die Inhalte, zu denen in den Exam ina der letzten fünf Jahre Fragen gestellt wurden . Ei ne Fa rbkennung gibt an, wie häufig ein Thema gefragt wurde, d.h. , wie prüfungsrelevant es ist: • Kapitel in violett ke nn zeichnen die Inhalte, die in bisherigen Exam ina sehr häufig geprüft wurden. • Kap itel in grün kennzeichnen die Inhalte, die in bisheri gen Examin a mittel mäßig häufig geprüft wurden. • Kapitel in blau kennzeichnen die Inhalte, die in bisherigen Examina eher seltener, aber immer wieder mal geprüft wurden.
Lerneinheiten
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Da ge amte Bu h wird in Tage -Lernein heilen unterteilt. Die e ' erd n durch eine " Uhr'' darge teilt: Die Ziffer gibt an, in welcher Tag Lerneinhei t man i h befi ndet. Jede Tages -Lerne inh eit i t in se hs Abschnitte un tertei lt: Der au gefüllt Bereich zeigt, winveit ie fortges hr.itten .ind . Und online tinden Sie zum Buch • Original IMPP -Fragen • zu jedem Kapitel typ ische Frag n un d An two rten aus der mündlichen Prüfung.
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Merkekasten: Wichtige Fakten, Merkregeln.
Zu atzwi en zum Thema, z.B. zusätzliche klini he Informationen .
Adressen Prof. Dr. med. Klaus Lieb Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsmedizin Mainz Untere Zahlbacherstr. 8 55131 Mainz
Dr. med. Sabine Frauenknecht Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Schwarzwaldstr. l 79117 Freiburg
Abkürzungen SHT ADHS ADS AIDS ANA ANCA APP ApoE4 BA BDNF BGB BMI BPS BSG BSP CAG CK CO COMT CREB CRP CYP CT DSM EEG EKT EMDR 18FDG fT3 fT4 GABA GAS GOT GPT GT
5-Hydroxytryptamin Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsyndrom Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom Erworbenes Immunschwächesyndrom (acquired immune deficiency syndrome) Antinukleäre Antikörper Antineutrophile Zytoplasmatische Antikörper Amyloidvorläuferprotein (amyloid precursor protein) ApolipoproteinE Brodmann-Area Brain-derived neurotrophic factor Bürgerliches Gesetzbuch Body-Mass-Index Boder Ii ne-Persönlichkeitsstörung Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit Bandscheibenprolaps Cytosin -Adenin-Guanin Kreatinkinase Kohlenmonoxid Catechol-0 -Methyltransferase cAMP response element-binding protein ( -reaktives Protein Cytochrom P Computertomografie Diagnostic and Statistkai Manual of Mental Disorders Elektroenzephalografie Elektrokonvulsionstherapie Eye movement desensitization and reprocessing Fluordeoxyglucose freies Trijodthyronin freies Thyroxin y- Aminobuttersäure Generalisierte Angststörung Glutamat -Oxalacetat-Transaminase Glutamat-Pyruvat-Transaminase (heute: Alanin-Ami not ransferase) Glutamyltransferase
HIV ICD i. m. IPT IQ i. V.
LSD· MAO MDMA MRT Ncl. NMDA NPH NW PET PS PTBS REM RLS SAS SNDRI
SNRI SSNRI
SSRI StGB TIA TZA TSH WHO ZNS
Humanes Immundefizienz-Virus (human immunodeficiency virus) International Classification of Diseases intramuskulär Interpersonelle Psychotherapie Intelligenzquotient intravenös Lysergsäu rediethylamid Monoaminooxidase 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin Magnetresonanztomografi.e Nucleus N-Methyl-D-Aspartat Normaldruckhydrozephalus (normal pressure hydrocephalus) Nebenwirkung Positronen-Emissions-Tomografie Persönlichkeitsstörung Posttraumatische Belastungsstörung Schnelle Augenbewegung (rapid eye movement) Restless-legs-Synd rom Schlafapnoe-Syndrom Selektive Noradrenalin-DopaminWiederaufnahmehemmer (serotonin-norepinephrine-dopamine reuptake inhibitor) Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (selective norepinephrine reuptake inhibitor) Duale Seroton in- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmer (Seroton in-norepinephrine reuptake inhibitor) Selektive Seroton in-Wiederaufnah mehemmer (selective serotonin reuptake inhibitor) Strafgesetzbuch Transitorische ischämische Attacken Trizykl ische Antidepressiva Thyroidea stimulierendes Hormon World Health Organization Zentrales Nervensystem
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1 Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie Das Fachgeb iet Einteilung psychischer Erkrankungen Häufigkeit, Ursachen und Versorgung . 0
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2 Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik Grundlagen Psyc hopatho logie psychischer Erkrankungen Zusatzdiagnostik . Vom Symptom zur Diagnose 0
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3 Pharmakologische Behandlung psychischer Erkrankungen und andere biologische Therapieverfahren Antidepressiva Stimmungsstabilisierer. Antipsychotika o Anxiolytika und Hypnotika Antidement iva . Psychopharmaka bei Abhängigkeitssyndromen o Psychestimu lanzien Psychopharmakatherapie unter speziellen Gesichtspunkten Das Cytoc hrom-P450-System . Andere biologische Therapieverfahren 0
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6 Affektive Störungen Definition und Klassifikation Verlaufsformen und Epidemiologie Symptomatik Diagnostik und Differenzialdiagnostik Ätiologie, Therapie und Prognose .. 0
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5 Organische psychische Störungen Ätiologie und Klassifikation Demenzen . Organisches amnestisches Syndrom .. Delir . Organische psychische Störungen zweiten Ranges 0
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4 Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren .. . Einführung Verhaltenstherapie Psychoanalyse und tiefenpsychologisch orientierte Verfahren .... Gesprächspsychotherapie Paar- und Familientherapie Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback Supervision, Soziotherapie und Psycheedukation 0
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Inhaltsverzeichnis
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Tag2 .. . ... . . ........ ... ................. . . . . ... ... ........... . . . . . . .
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7 Schizophrenien . ...... . ... . . . . .. .. . .... . ............... . ... . . .. . ... . .
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Definition und Epidemiologie .. . ... . . . . . . . ... . . .... ...... .. .. .. ... .... . Symptomati k, Subtypen und Komorbidität. . .. . ..... ... . . ..... . ... . ... .. . Verlauf und Ätiologie . . ... . ..... . . . . . .......... . ... . ...... . ....... . . . Diagnostik und Differenz ialdi agnose . ... .. . .... . .. . . . . . ......... ... . ... . Therapi e ... . . .... . . ..... . . . .. .. . . . . .... . .. .. ........... . .......... . Prognose ... .. . ..... . ... ... ... . ... . . . . . .... .. . . ... . ..... . .. ....... . !CD-Klassifikation .. . .... . .................. . . .. .... .. ........... . .. . Schizotype Störung .. .. .. .. . . .. . .. . ... . . .. . .. . . . . ... . . .. . . . ....... . . . Anhaltende wahnhafte Störungen .............. .. .. . ....... ... . .. . . . .. . Vorübergehende akute psychot ische Störungen .. . . ... . ....... . .. .. .. . . . . Induzi erte wahnh afte Störung .. . . .. . ........... . .... .. . .......... . . . . . Schizoaffektive Störungen . . ..... . .... ... .. .. ..... . ... . .. .. . . ...... .. .
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9 Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen . ............ . . .
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8 Andere psychotische Störungen ..... . . . . . . ...... . .... ... . . .. .. .. . .. .. .
Definitionen und Grundtagen ... ........ . . .. .. .. . . . .......... . . . .... . . . 100 Störungen durch Alkohol .... . .. ....... . .............. . .... ... . .... .. . 102 Störungen durch Drogen . .. ..... ...... . . . .. . . . .. . .......... .... . . .... . 106 Medikamentenmi ssbrauch und -abhängigkeit .. ..... .. ...... .. . . . .. .... . . 108 Störungen durch Tabale ..... . ........ ... .. . . . .. ... . ... .. . . . . . ... .. .. . 109
10 Angst und Zwang, dissoziative und somatoforme Störungen ..... ..... .. . . . Der Neurosebegriff .. ... . ........... . .. .................. .. .. ..... . . . Angststörungen ... . .. . .. .. ...... . ...... . .. ..... ............... . .... . Zwangsstörungen . . . ............ .. . .. .. ............ . ...... .... ... .. . Dissoziative Störungen . .. .. . . .. . .............. . .. . . .. ............... . Somataforme Störungen ..... .. . .. .. .. . ... .. . .. ....... ......... ...... .
111 112 11 2 123 127 131
11 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen . ..... .. .. . 137 Einführung . . . .... .... .. .... . . . . . . .... .... .. ... . . ..... .. . . . . ... ... . . 138 Anpassungsstörung . .. ....... . . . ...... ...... ..... .... . . . . .... ... . .. . 138 Akute Belastungsreaktion ... . . ...... . .. ..... .. . . . . . . .. . .. ... .. . .. . . . . 140 Posttraumatische Belastungsstörung .......... . ............. . .... .. . . . . 142
12 Persönlichkeitsstörungen .. . . ...... . ... ............ .. . .. . .. . .. ... .. . . 145 Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung ......... .... . .. . ............ . 146 Ängstlich-ve rmeidende Persönlichkeitsstörung .......... . . .. . . . . ... ... . . . 149 Abhängige Persönlichkeitsstörung ............... . . .. .... . .. ...... ... . . 150 An ankastische Persönlichkeitsstörung .......... . ... . .. . .... .. ......... . 151 Dissoziale Persö nlich ke itsstörung ..... . .. .. ... . . .. . .. ... ... . .. ....... . . 151 Emotional- instabile Persönlichkeit sstörung .. .. . ... . ... ...... .. . . . ... .. . . 152 Histrionische Persönlichkeitsstörung . ..... ......... ... . .. . . . . .. .. .. ... . 155 Narzisstisch e Pe rsönlichkeitsstörung ........ . . ....... . ..... . . .... ..... . 156 Paranoide Persönli chkeitsstörung . .. . .... ... ..... ........ . ............ . 156 Schi zoide und schi zotype Persönlichkeitsstörung .. ..... ..... .. .. ... . .... . 157
@) Tag3 .. . ... .. . . ... . ... .. . . . . .......... . .. · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
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13 Störungen der Impulskontrolle und andere lang anhaltende Verhaltensstörungen ......... .. . . .. . ... . ............... ... . . ....... .
159 XI
Inhaltsverzeichnis
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Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impu lskontrolle ........ . . .. .... ADHS im Erwachsenen alte r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter. .... . ........................ . .. Sta lking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14 Sexualstörungen . ................ . .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sexuelle Funktionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Geschlechtsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Sexua lpräferenz. .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15 Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung ............. . . . ................ ....... ............. .. ... Dyssomnien ......... . ........ . ........................ . ............ Parasomnien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlafstörungen bei körperlic hen und psychischen Erkrankungen . . . . . . . . . . .
175 176 177 179 181
16 Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung .. .. ...................... . ............ .... ..... .... ..... Anorex ia nervosa .................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bulimia nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Binge eating disorder ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . ......... . .............. .... .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . Um schriebene Entwicklungsstörungen .. . ..................... . ........ . Tief greifende Entwicklungsstörungen . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ADHS im Kindes- und Ju genda lter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen sozialer Funktionen und des Sozialverha ltens ... . . . . . . . . . . . . . . . . Emotionale Störungen des Kindesalters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Essstörungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Auss cheidungsfunktion .............. ... . .... ..... ....... Dissoziative und somataforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tic -Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deprivatio n und Misshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substanzmissbrauch und Sucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychosen des schizophrenen Formenkreises und organische Psychosyndrome ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intelligenzminderung ..... . ..................................... . ....
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18 Psychiatrische Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung .... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbringungsgesetze de r Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betreu ungsrec ht ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurt eilung von Geschäfts-. Te sti er- und Einwilligungsfähigke it . . . . . . . . . . . . . Strafrecht. ...... .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozial- und versicherung smedi zinische Beguta chtun g ..................... Fahrtauglichkeit bei psychisch n Erkra nkun gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweigepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie Klaus Lieb
Das Fachgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einteilung psychischer Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Häufigkeit, Ursachen und Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie
Das Fachgebiet Das Fach Psychiatrie und Psychotherapie umfass t die Diagnostik, Therap ie und Präventi on psychischer Erkrankungen sowie deren Erfor chung und Lehre. Damit fokussiert das Fach auf Erk rankungen des zentra len Ne rve nsystem , bei denen eine psychische Symptomatik im Vordergrund der Störung steht. Im Gegensatz dazu befasst sich die Neurologie mit der Diagnostik, Therapie und Prävention organi scher Erkrankungen des ze ntralen , peripheren oder vegetativen Nervensys tems, bei denen eine psychisc he Symptomatik nicht im Vordergrund der Stör un g steht. Früher wurde n beide Fächer zum Fach "Nervenheilkunde" vereint, heu te sind die Facharztweiterbildungen jedoch getrennt - bis auf je ein Jahr verpflichtende Weiterbildung- und spezifi eh auf das jeweilige Fach ausgerichtet. Früher gab es außerdem nur einen Facha rzt für Psychiatrie. Heute heißt er Facharzt fUr Psychi· atrie und Psychotherapie, womit verdeutlicht wird, dass Psychiater nicht nur Medikamente verordn en, sondern auch psychotherapeutisch und sozia ltherapeutisch tätig sind.
In der langen Gesch ichte der Psych iatr ie gab es immer wieder Phasen, in denen - häufig auc h aus ideo logischen Gründen - biologische, psychologische oder oziale Ur ac hen psychischer Erkrankungen in den Vo rde rgrund des Forschungsin teresses rü ckten. So en tstanden Begri ffe wie" ozialpsychiatrie" oder "biologische Psychia trie". Heute wissen wir, da s be i allen psychischen Erkrankungen psychologische, neurobiologi ehe, omati ehe und soziale Faktoren in unterschiedlichem Maße beteiligt sind und deshalb grundsätzlich immer eine multi dimensionale Betrac htungsweise be i Diagnostik und Therapie psychischer Erkra nkungen gefordert is t. Das Fach Psychiatrie und Psychotherapie hat immer noch mit großen Vo rurteilen zu kämpfen. Wen n olche Vorurtei le Menschen mit psychischen Erkrankungen betreffen, pricht man auch von e.iner Stigmatisierung psychisch kranker Menschen. Gute Kenntnisse de hchs können einer Stigmat isierung entgegenwirken: Wissen schUtzt nicht nur vor Fehlurteilen, sondern auch vor Vorurteilen.
0 Worin unterscheidet sich das Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie von der Neurologie?
Einteilung psychischer Erkrankungen Triadisches System Das triadische Sy tem bietet einen leichten Ein stieg in die Eintei lung psychi eher Erkrankungen. In der I D-10 wird es jedoch nicht angewendet. Es teilt psychische Erkranku ngen nac h deren angenommener Ätiologie in drei Grup pen ein: • Psychogene Störungen : Erkrankungen, deren Ursache vornehmlich in psychologischen Faktoren zu sehen i t, z. B. abnorme Erlebnisreaktionen, "Neurosen" und Persönlich keit störungen • Endogene Psychosen : Erkrankunge n, bei d nen eine organi ehe Ursa he angenommen wird, die abe r bish r nur bruch tü k.haft aufgeklärt sind , z. B. chizophr ni n und affektive Störungen 2
• Organische Psychosen: Erkrankun gen, bei denen der p ych ischen Störung ei ndeutig eine organi ehe Ur ache zugrund e liegt. Moderne Klassifikationssysteme In den modernen Klas ifika t.ionssystemen wurd die ätiologi ehe in teilung aufgegeben. ie klassifizieren p ych ische Erkrankun gen im Wesentli hen nach phänomenologischen Gesichtspunkten wie ymptoma tik, hwer grad und Ve rl auf. In der 10. Version der International Classification of Diseases (I D-10) werden p ychi ehe Erkrankunge n in n un diagnosti. h Hauptgrup pen e i ngetei l t( ~ Tab. 1.1). Die Einteilung des tri adi hen ·y tem in "p y hogc::n , törung n' und "endogen töru ngen" wurde kompl tt auf-
gegeben, weil man davon ausgeht, dass bei allen psychischen Erkrankungen psychologische und organische Faktoren eine Rolle spielen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Die Klasse der organischen psychischen Störungen wurde mit der Diagnosegruppe FOX. X aufrechterhalten. • Das triadische System teilt psychische Er. krankungen nach deren Ätiologie in psychogene, endogene und organische Störungen ein • Die modernen Klassifikationssysteme haben diese ätiologische Einteilung aufgegeben und teilen psychische Erkrankungen nach phänomenologischen Gesichtspunkten ein, z. B. Symptomatik, Schweregrad und Verlauf.
Tab. 1.1 Diagnostische Hauptgruppen der ICD·10 Organische einschließlich somati· scher psychischer Störungen Psychische und Verhaltensstörun gen durch psychotrope Substan zen. Früher: Suchterkrankungen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen Affektive Störungen. z. B. Depression, Manie und bipolare Störung Neurotische. Belastungs- und somatoforme Störungen • Angststörungen • Anpassungsstörungen • Somataforme Störungen • Dissoziative Störungen VerhaltensauffäHigkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen oder Faktoren • Essstörungen, z. B. Anorexie und Bulimie • Schlafstörungen lntelligenzm ind eru n g Entwicklungsstörungen Verhaltens- und emotionale Stö· rungenmit Beginn in der Kindheit und Jugend
0 Nach welchen Kriterien werden psychische Erkrankungen im triadischen System und der ICD-10 eingeteilt?
Häufigkeit, Ursachen und Versorgung Häufigkeit psychischer Erkrankungen Gute Kenntnisse im Fach Psychiatrie und Psychotherapie sind fü r alle Ärzte wichtig, da psychische Erkranku ngen zu den häufigsten Erkranktmgen überhaupt gehören und die meisten Patienten mit psychischen Erkrankungen nicht von Fachärzten fü r P ych.iatrie und Psychothe rapie, sondern von Hausärzten und Ärzten anderer Disziplinen behandelt oder zumindest initialgesehen werden. Prävalenzen aller psychischen Erkrankungen: • Lebenszeitprävalenz: Ca. 43 % aller Menschen en twickeln innerhalb ihres Lebens minde tens einmal eine psychische Störung
• 12-Monatsprävalenz: Ca. 30% aller Menschen entwickeln innerhalb ei nes Jahres irgendeine psychische Störung • 1-Monatsprävalenz: Ca. 20% entwickeln innerhalb eines Monats eine neue psychische törung. Die häufigsten psychischen Störungen sind somatoforme Störungen, Phobien, Depressionen und Suchterkrankungen (-+ Abb. 1.1). • Psychische Erkrankungen sind mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 43 % sehr häufig. Am häufigsten sind somatoforme 3
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Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie
DSM-IV-Diagnosen
ln Mro. der Bevolkerung
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Ar gstst
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Somataforme
Störungen~::::==!====F===t======f==~F:__+--j Prävalenz (%] 0
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(GAE= Generalisierte Angsterkrankung)
Störungen, Phobien, Depressionen und Suchterkrankungen • Laut Berechnungen der WHO gehören weltweit von allen körperlichen und psychischen Erkrankungen Depressionen, Schizophrenien, bipolare Störungen und Alkoholerkrankungen zu den zehn Erkrankungen, die am stärksten die Lebensqualität beeinträchtigen. Ursachen psychischer Erkrankungen
Psychische Erkrankungen entstehen .immer durch ein komplexes Zusa mmenspiel von: • Biologischen Faktoren, z. B. gene ti sch~, entwicklungsbiologische und neurochemi sche Parameter • Psych ischen Ursachen, z. ß. L rnerfahrungen und Traumatisi.eru ngen • Sozialen Einflüssen, z. ß. Arbeitslosigkeit, Armut, Belastungen am Arbeitsplatz. Je nach Erkrankung haben jedoch biol.ogis he Urachen ein unterschiedlich ·tark s ew icht. Während etwa Depres ionen und Persönli hkcitsstörungen nur zu ca. 30 % dur h biologische Fakto4
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Abb. 1.1 12-Mo natspräva lenz verschiedener psychischer St örungen [V 485)
ren bedingt sind, sind es 60- 80 % in der Genese bipolarer törungen und Schizophrenien. Diese Gewichtung hat Konsequenzen für die Therapie, da bei. stärkerer biologischer Verursachung eher Medikamente und bei weniger stark ausgeprägten biologischen Faktoren eher Psychotherapien zum Einsatz kommen. Immer sollte das Behandlungskonzept jedoch bio-psycho-sozial sein. Insbesondere Patienten mit schweren Störungen profitieren von einer 111erapie, die Pharmaka-, Psycho- und oziotherapie vereint. Versorgung psychisch Kranker in Deutschland
Von den gesamten Gesundheitsausgaben werden ca. 10 %, also mehr als 20 Milliarden Euro, für psychische Erkrankungen ausgegeben. Am teuersten sind die Behandlungen von Demenzkranken und depressiven Patienten mit Erkrankungen aus der Gruppe F4, zu denen z. B. neurotische Störungen sow ie Bela tungs- und somatoforme Störungen zlihlen. Die hoh en Kosten kommen ni ht nur dur h direkte Krankheitskoste n zustand , sondern au h dur h indirekte Kosten, z. R. Arbeitsunfahigkcit.
Ca. 80 % aller psychisch Kran ke n werde n nicht von Fachärzten, sondern vo n Hausärzten behandelt. 25% der dort behandelten Patienten haben primär ein e psychische Erkrankung. Im Vordergrund stehen dabei depressive Erkrankungen, Angst- und Alkoholstörungen sowie somatafo r-
Die meisten psychisch Kranken werden ambulant behandelt. In ca. 6% der Fälle kommt es zu stationären Krankenhausbehandlungen. Die Liegedauer in den Kliniken ist konti nuierlich gesunken und liegt aktuell bei durchschnittlich 25 Tagen.
me Störungen .
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0 Wie häufig sind psychische Erkrankungen und welche gehören zu den häufigsten Erkrankungen?
0 Was lässt sich grundsätzlich zur Ätiologie psychischer Erkrankungen sagen?
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
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Sabine Frauenknecht Grundlagen
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
Grundlagen Die psychiatrisch-psycho therape utische Dia gnostik basiert im Wesentlichen auf dem Gespräch mi t dem Patienten und der Verhaltensbeobachtung. Es gibt bis heute kei nen Messpara meter wie Laborwert oder Befun d aus Bildgebungsve rfahren, mit dem ein e psychiat rische Diagnose gestellt we rden kann. Den noch gehören die körperliche Untersuch un g und die appara tive Zusatzdi agnos tik zu jeder psychiatrischen Diagnostik, da mit Hil fe dieser Verfahren andere Ursachen einer psychi schen Stö rung ausgeschlossen werden, etwa eine Schildd rüsenun terfunktion als Ursache einer Depres ion. Zu jeder vollständigen psychiatri chen Untersuch ung gehören: • An amnese • Psychischer und kö rpe rli cher Befun d, auch mit Hilfe appa rative r Zu atzdi agnostik • Stellen der Diagnose und Abwägen von Diflerenzialdiagnose n (-+ Tab. 2.1 ).
Tab. 2.1 Inha lte ei ner vo llstä nd igen psychiatrisc hen Unters uchu ng Anamnese • Aktuelle Krankheitsgeschi cht e: Vorgesc hichte und gegenwärti ge Be schwerd en • Psyc hi sc he und som atische Vo rge sc hich t e • Drogen· und Med ikamentena nam nese • Bi ografi e: kö rperl iche und psychische Entwic klung, berufli che r und sozia ler Werdega ng, Leben sgewohn heiten, Freizeitgesta ltung, chronische Kon fli kt e, Trauma ta • Fam iliena namn ese : sozia le, allgemei n· med izinische, p sych isch e und neurologisc he Familienvorges chich t e • Fremdan amnese
Befund • Psychi sc her, psychop at halogisc her Befu nd • Körpe rlich er Befu nd • App arative Diagnostik • Evtl. te stpsychologi sc her Befun d
Diagnose und Differenzialdiagnose
0 Was beinhaltet eine vollständige psychiatrische Untersuchung?
Psychopathologie psychischer Erkrankungen Psychopathalogischer Befund
Die Erhebung des psychopathalogisc hen Befunds (-+ Ta b. 2.2) stel lt das Kernstück jeder psychiatri sch-psychotherapeu ti schen Untersuchung dar. Der Befund muss immer vollständ ig erhoben we rden, da auch da l~e h le n inzelne r p y hopathologi ·eher Auffä ll igkeiteil von hoher diagno tis her Relevanz ist. Grund ätzlieh gilt zu beachten: • P ychopathologische ymptome sind nie per se krankhaft, sondern kommen in bestim mten Situatione n au h bei G unden vor. .ie mü sen dah · r immer im Kontex t des gesam ten Befunds .i nterpreti rt we rden • : s gibt kein p ychopathologi ehe · Phänomen, das i h pathognomon isch , d. h. eindeutig einer best immte n Erknnkung zuo rdnen läss t. Psy hi h Frkrankung n un terscheiden j h vielmehr dur h baraktcri ti s h Symptom gruppen, sogenann te Syn drome 8
• jedes psychopathalogische ymptorn kann auch du rch eine orga ni ehe Ursa he hervorgerufen werden . Daher i t der Ausschluss von organi chen Urs·~ch e n beso nders wichtig.
Tab. 2.2 Bestandteil e des psychopathalogisc hen Befunds
• Äuße res Ersc heinungs bild • Verh alt en i n der Untersuchun gss itu ation
• Bewu sstsei n • Ori entierung • Au fmerksam keit und Gedäc htni s • Formales und inh alt li ches Den ken Wah rn ehmungsstö run ge n • Ich-Stö ru ngen • Antrl b und Psychomotorik • A ffekti v lt~ t • Zirkadi an B on d rh it n • Suizid li tlH, Fr mdgefahrll ch keit
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Im Normalfall ist ein Mensch bewusstseinskJar, was Wachheit und Intaktheil aller perzeptiven und kognitiven Funktionen umfasst. Ist das Bewusstsein quantitativ oder qualitativ gestört, weist dies auf eine organische Ursache einer psychischen Störung hin. Quantitative Bewusstseinsstörungen Nach zunehmendem Grad der Bewusstseinsstörung werden unterschieden: • Benommenheit: Der Patient ist schläfrig, aber durch Ansprechen oder Anfassen leicht weckbar • Somnolenz: Der Patient ist so sch läfrig, dass er nur durch lautes Ansprechen oder Anfassen weckbar ist. Die Reaktion aufSchmerzreize erfolgt gezielt • Sopor: Der Patient ist nur durch starke Weckreize erweckbar. Auf Schmerzreize erfolgen ungezielte Abwehrbewegungen • Präkoma und Koma: Der Patient ist auch durch stärkste Weckrei ze nicht weckbar. Es folgen keine Abwehrbewegungen. Die physiologischen Reflexe sind erloschen. Qualitative Bewusstseinsstörungen Zu den qualitativen Bewusstseinsstörungen gehören: • Delir:(-+ Kap. 5) • Dämmerzustand: Dämmerzustände sind gekennzeichnet durch ein nach außen geordnet erscheinendes Verhalten, wobei die Bewusstseinslage des Patienten auf ein inneres Erleben verschoben ist. Die Patienten erscheinen wie "Traumwandler". Dämmerzustände gehen häufig in Schlaf über und hinterlassen eine Amnesie. Sie treten z. B. nach SchädelHirn-Traumen, ep.ileptischen Anfallen oder im pathologischen Rausch auf sowie als dissoziativer Dämmerzustand.
• Q!ientierun_gsstör~'!_g_en________ Orientierungsstörungen bestehen, wenn der Patient bezüglich Zeit, Situation, Ort oder eigener Person nicht mehr orientiert ist. Orientierung törungen weisen immer auf eine organische Ursache einer psychischen törung hin, z. B. ein Delir, ein e Demenz oder ein am nes tisches Syndrom(-+ Kap. 5).
• Orientierungsstörungen sprechen immer für eine organische Genese der psychischen Erkrankung • Je nach Schwere der Störung ist in der Regel zunächst die Orientierung zur Zeit, dann zum Ort, darauffolgend zur Situation und schließlich zur eigenen Person gestört.
• Störungen von Aufmerksamkeit und Gedächtnis ---------- ---Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration und Auffassung sind unspezifische Symptome und kommen bei einer Vielzahl psychischer Erkrankungen vor. Gedächtnisstörungen sind das Kernsymptom der Demenzen(-+ Kap. 5). Je nach Schwere der Störung ist zunächst das Kurzzeitgedächtnis gestört und dann das häufig sehr lang stabile Langzeitgedächtnis. Das Gedächtnis lässt sich klinisch leicht prüfen: • Kurzzeitgedächtnistest: drei Begriffe wie Uhr, Boot und Auto vorsprechen und diese sofort und einige Zeit später reproduzieren lassen • Langzeitgedächtnistest biografische Inhalte abfragen. Korsakow-Syndrom Von einem Korsakow-Syndrom oder amnestischen Syndrom spricht man beim Vorliegen folgender Trias: • Desorientiertheit • Merkfähigkeit störung, d. h. schwere Störung des Kurzzeitgedächtnisses • Ko nfabulationen: Erinnerungslücken des Patienten werden durch Inhalte gefüllt, die für echte Erinnerungen gehaJten werden. Ei nem am nestischen Syndrom (-+Kap. 5) liegt immer eine schwere Hirnerkrankung zugrunde, die ve rschiedenster Ätiologie sein kann, z. B. Zustand nach wiederholten Alkoholdelirien, e.iner Kohlenmonoxidvergiftung oder ein m schweren chädel-Hirn -Tra uma. Amnesien Als Amnes ie wird eine zeitlich oder inhaltlich begrenzte Eri nnerungslücke bezeichnet, die total oder partiell sein kann. Amn sien kommen bei orga ni. chen Hirnerkrankungen verschiedenster Art vor, z. B. b i 9
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
SchädeJ-Hirn -Traumen, Vergiftungen oder Enzephalitiden. Bei der retrograden Amnesie besteht eine Erin nerungslücke für die Zeit vor dem Hirnschaden . Diese Erinnerungslücke kann ei nen kurzen Zeitraum von Minuten und Stunden um fasse n, aber auch einen längeren von Tagen oder Wochen. Bei der anterograden Amnesie besteht eine Erinnerungslücke für die Zeit nach dem Hirnscha den , beziehungsweise nach dem Wiedererlangen des Bewusstseins. Eine kongrade Amnes ie liegt vor, wenn eine Erinnerungslücke für die Zeit der Bewuss tlo igkei t besteht. Paramnesien sind gef
• _Q~_!<s_t_ö_ru ngen Die Denkstörungen werden unterschieden in: • Formale Den kstörungen, bei denen der Gedankenablauf gestört ist • Inhaltliche Denkstörungen, bei denen das inhaltliche Ergebnis des Denkprozesses abnorm verändert ist. Formale Denkstörungen sind Störungen des Gedankenablaufs. Inhaltliche Denkstörungen sind Störungen des Denkinhalts. Dazu gehören der Wahn, überwertige Ideen und Zwänge. Formale Denkstörungen
Zu den Störungen des Gedankenablaufs gehören: • Verlangsamtes Denken: Der Gedankengang ist mühsam, chleppend und zäh. Vo rkom men: z. B. bei Depres ionenoder organ.i hen psychischen Erkrankun ge n • Gehemmtes Denken: Der Gedankengang ist verlangsa mt, wobei der Pa tient im Gegen atz zum verlang amten Denken dies auch selbst al störend empfindet und es auch durch offen ichtliches Bemühen nicht v rhindern kann. Vorkommen: z. B. b i Depress ionen • Eingeengtes Denken: Da Denken krei t um einige wenige Themen, auf die da Denken fi xie rt .ist. Hier be teht in fließender Überga ng zum Grübeln. Vorkommen: z. B. b i Depresionen 10
• Umständliches, weitschweifiges Denken:
Der Patient verliert si h in Einzelheiten, komm t "vom Hundertsten ins Ta usendste". Vorkommen: un spezifi sch, häufig bei Manie und Schizophrenie • Gedankendrängen und ldeenflucht: Dem Patienten drängen sich Gedan ken, Einfalle oder Ideen unwillkürlich auf. Dies kann sich bi s zu r Ideenfl ucht steige rn, bei der das Denken ständig sein Ziel wechselt und der Gedankengang durch Assoziationen abgelenkt und unterbrochen wird. Die Ideenflucht ist typ isch für die Man ie. Jm Gegen atz zum inkohärenten Denken kann der Untersucher dem Gedan kengang noch fo lgen • Zerfahrenes oder inkohärentes Denken :
Das Denken i t hie r zerri sen, bis in ein zelne scheinbar zufällig durcheinander gew ürfelte Sä tze, die ohne verständlichen oder nachvoll ziehbare n Sinnzusammenhang nebeneinan der stehen. Bei leichten Formen ist de r Satzbau noch intakt (Paralogik), bei schwereren ist er zerstört (Paragrammatismus), im schlimm ten Fall entsteht ein unvers tändli cher Wortsalat (Begriffs- oder Sprachzerfall, Schizophasie). Vorkommen: typischerweise bei chizophr nien, aber auch bei organischen psych i chen Störungen wie dem Delir. Hier wird auch vo n "verwi rrtem Denken" ges prochen • Gedankensperrungen, Gedankenabreißen, Gedankenabbrechen : Der anso nsten flüssige
Gedankengang bricht plötzli ch ohne erken nbare n Grund ab. Der Pa tient stockt und hat den "rot n Faden" verloren. ach einer kurzen Pa use nimmt der Pati ent da Gespräch unter Ums tänden mit ein em neuen Thema wieder auf. Vorkommen: typi eherweise bei chizop hr ni en • Perseveration des Denkens, Verbigeration und Neologismen: Bei de r Perseveration
haflet der Patient an Worten und danken, die vo rher gebrauch t, aber jetzt nicht mehr sinnvoll ind. W rd n si innlos wiederholt, sp ri cht man von Verbigeration. We rden da bei neue, ni ht unmittelbar ver tiindliche Wort gebi ldet, o benutzt de r Patient og nannte Neologismen. Vorkommen: z. B. b~.:i hizophr nien • Vorbeireden : bwohl der Pa tient oflenbar die Frage v rst ht. ge ht r 11i ht darauf ein, sondern brin t ander Denkinhalte he rvor. Vorkommen: typis herweise b 'i hizophr nicn.
Inhaltliche DenkstÖrungen
Bei den inhaltlichen Denkstörungen ist der Inhalt des Gedankenprozesses abnorm verändert. Dazu g~höre n Wahn, überwert:ige Ideen und Zwänge. Em Wahn ist eine inhaltlich falsche, krankhaft ent~_tandene und die Lebensführung behindernde Uberzeugung, an der der Patienttrotz Unvereinbarkeit mit dem bisherigen Erfahrungszusammenhang und der objektiv nachprüfbaren Realität unbeirrbar festhä lt Ein Wahn kommt am häufigsten vor bei Schizophrenien, wahnhaften Depressionen und organischen psychischen Störungen, z. B. im Rahmen einer Demenz.
• Organischen psychischen Störungen: Ty-
pisch sind Dermatozoen- und Eifersuchtswahn • Wahnhaften Depressionen: 1ypisch sind
hypochondrischer Wahn, Schuld- oder Versündigungswahn, Verarmungswahn, Kleinheits- oder Nichtigkeitswahn • Psychotischen Manien: Typisch ist der Größenwahn • Wahnhaften Störungen: Typisch sind Liebes- und Vergiftungswahn. Defmitionen • Beziehungs- und Beeinträchtigungswahn:
Ein Wahn ist eine unkorrigierbare, falsche Beurteilung der Realität. Wahnformen • Wahnwahrnehmung: Ei ner objektiv "richti-
gen" Wa hrn ehmung wird eine abnorme, wahnhafte Bedeutung zugemessen, meist im Sinne einer übersteigerten Ich- BezogenheiL Die Wahnwahrnehmung ist zweigliedrig: Der Patient nimmt z. B. richtig wahr, dass Autos auf der Straße Licht anhaben, ist aber wahnhaft davon überzeugt, mit diesem Licht wolle ihm jemand etwas bestimmtes mitteilen, z. B. dass er verfolgt werde. Vorkommen: typischerweise bei Schizophrenien • Wahneinfall, Wahngedanke, Wahnidee:
Hier entsteht der Wahn i.n der Vorstellung des Patienten ohne vorausgehende objektivrichtige Sinneswahrnehmung. Wahneinfalle sind eingliedrig. Typisch bei Schizophrenien z. B. als Verfolgungswahn, als Verarmungswahn bei Depressionen, als isolierter Wahn bei der wahnhaften Störung oder bei organischen psychischen Erkrankungen • Symbiotischer Wahn (Folie adeux): Ein sogenannter induzierter Wahn bei nahen Bezugspersonen von Wahnkranken, der schizophrenieähnlich aussehen kann, bei Trennung von 'dem Wahnkranken aber meist wieder verschwindet. Diese sind sehr vielfaltig und nicht pathognomoni eh für eine bestimmte Erkrankung. Dennoch kommen bestimmte Wahnthemen bei verschiedenen Erkrankungen häufiger vor. Beispiele sind: • Schizophrenien: Typisch sind Beziehung und Beeinträchtigungswahn sowie Verfol gung - und Vergiftungswahn
Wahnthemen.
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Eine Wahnwahrnehmung, bei der der Patient der wahnhaften Überzeugung ist, dies oder jenes in seiner Umgebung geschehe nur seinetwegen, beziehungsweise um ihn zu benachteiligen Verfolgungswahn : Eine Steigerung des Beeinträchtigungswah ns mit der Überzeugung verfolgt oder vergiftet zu werden Dermatozoenwahn: Die wahnhafte Vorstellung, an einer Hauterkrankung durch in die Haut eingedrungene tierische Erreger zu leiden(-+ Kap. 5) Hypochondrischer Wahn : Die wahnhafte Überzeugung, an einer schweren Krankheit zu leiden Schuld- und Versündigungswahn : Die wahnhafte Vorstellung, sich versündigt zu haben Verarmungswahn : Die wahn hafte Überzeugung in Armut zu verfallen und nichts mehr finanzieren zu können Größenwahn: Die wahnhafte überzeugung sehr reich, von besonderer Abstammung oder von Gott berufen zu sein Kleinheits- oder Nichtigkeitswahn: Di.e wahnhafte Überzeugung klein oder nichtig zu sein Liebeswahn: Die wahnhafte Überzeugung von einer anderen Person geliebt zu werden, auch ohne dass diese es weiß Eifersuchtswahn: Die unkorrigierbare Überzeugung der Untreue, me.ist des Ehepartners.
Als überwertige Ideen werden emotional stark besetzte Gedanken in halte bezeichnet, die meist negativer Art sind und die gesamte Person in unangeme sener Weise beherrschen.ln Abgrenzung zum Wahn besteht noch eine intakte Realitätskontrolle, d. h. die Patienten können sich - zuminde t zeitweise - von der Idee distanzieren. Auch ind Überwertige Ideen.
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
die e Patienten meist we niger ich-bezogen. Überwertige Ideen kommen häufig bei Depressionen vor. Zwänge. Bei einem Zwa ng drängen sich entwede r Gedanken immer wieder auf, z. B. der Gedanke, dass die Türklinken mit infektiösem Material kontaminiert sei n könnten und das Berüh ren der Klinken zu einer Infektion führt, oder e wird wiederholt Handlungs impulsen nachgegeben, wei l sie nicht unterdrü ckt oder verdrängt werden können so wie häufiges und langes Händewaschen. Patienten erleben ihre Zwänge oft als unsinnig oder unangenehm. Wird den Gedanken oder Handlungsimpulsen nicht nachgegeben , resultieren oft Angst und Unbehagen. Zwänge treten in Form von Zwangsgedanken , Zwangsimpulsen oder Zwangshandlungen auf ( ~ Kap.lO).
~ W_a~!"~~-~m_!lgsstörungen Halluzinationen Halluzinationen sind Wahrnehmungen ohn e Sinnesreiz von außen. Sie treten auf allen Sinnesgebieten auf, d. h. Patienten mit Halluzinationen sehen, füh len, schmecken oder riechen etwas, wa andere nicht wahrnehmen. Akustische HaUuzinationen. Dazu gehören zum ein en Akoasmen - Geräusche wie Knallen, Zischen oder Heulen - und zum anderen Phoneme - das Hören von Wörtern, Sätzen oder Stimmen. Da Stimmenhören tritt typischerwe ise bei Schizophrenien auf und erfolgt auf drei ve rschiedene Arten: • In J~ orm von Rede und Gegenrede al dialogisierende Stimmen • In Form von Stimm en, die die eigenen Hand lu ngen ko mmentieren, also kommentieren · de Stimmen • In Form von t·immen, die Befehle geben, also imperative Stimmen. Optische Halluzinationen. Hier werden ctalten, Figu r·n oder Szenen ohne inn esreiz gesehen. Optische Hal.luzinationen weisen immer 'Hif eine orga nische Ursa h der törung hi n, können aber au h bei Schizophrenien auftret n. Olfaktorische und gustatorisc.hc Halluzi nationen. eru h - und Ge chm a kswa hrnch12
mungen oh ne Sinnesreiz. ie kommen bei Tumoren im Riechorga n oder bei epileptischen Anfällen vor, aber auch bei Schi zophrenien oder organischen Störun gen. Taktile HaUuzinationen. Hier werden Hautempfi ndungen ha llu ziniert. z. B. das Krabbel n kleiner Tiere unter der Haut (Dermatozoenwahn oder chronisch taktile Hall uzinose ~ Ka p. 5). Taktile Halluzinationen kom men häufig bei organ ischen Psychosen vo r.
Zoenästhesien. Da run te r versteht man Störunge n des Leibempfindens, bei denen die Patienten z. B. Empfindungen haben, als ob ihre Extremi täten "versteinert" wären, ei nzelne Körperteile in ihrer Fo rm verändert sind oder in ihnen ein Stab brenne, der schwere Schmerzen hervorruft. Leibhalluzinationen. Im Gegensatz zu den Zoenäs th es ien haben diese Leibgefühlsstörun ge n den Cha rakter des von außen gemachten: Die Patienten fühlen si h dann z. B. im Körper magnetisch aufgeladen, von elektrischen Strömen durchflutet oder durch Hypnose verändert. Leibhalluzi nat ionen und Zoenästhes ien sind typisch für chizophrenien. Als hypnagoge und hypnopompe Halluzinationen werden Ein chlaf- bzw. Aufwach -Hallu zin ationen bezeichnet, die etwa bei der Na rkolepsie vo rkommen( ~ Kap. lS). Den Halluzinationen nahe stehende Phänomene Pseudohalluzinationen. Hier ist sich der Patient des Trugcharakters der Halluzinatio n bewusst. Vorko mmen: z. B. bei der chronischen Alkoholhalluzino e (-+ Kap. 9). Illusionäre Verkennungen. Etwa tatsächlich gegen täncllich Vorhandene wird für etwas anderes gehalten, al e wirkl ich ist, d. h. es wird verkannt, et1-va dan n, wenn ein Bu eh am Wegrand für ein en Räuber gehalten wird . Im Gegen atz zur Pareidolie werden Busch und Räuber jedoch ni ht glei hzeitig wahrgenommen, sondern d r Bu · h als Räuber und nur als solcher. Die illu ionären Verk nnung n sind nur sehr lurzzeitig, d. h. die V rk nnung wi rd hnell aufgeklärt. Vorko mm n: mei t bei äng tli her Anspannung. f>areidoJi.en. .ln wirk li h Vo rhandenes wi.rd ni ht Vorhandene · hineingesehen, z. B. Gesicht r in Wolken oder in die Tapete, oder c werd n Wörter aus unklar n Tä u · hcn herausgehört.
Im Gegensatz zur illusionären Verkennung bestehen hier Gegenstand und Fantasiegebilde nebeneinander.
-~J~~-~~ö~~nge~----Psychotische Ich -Störungen Ich -Störungen sind typ ische Symptome der Schizophrenie, bei denen eigene seelische Vo rgänge und Zustände nicht mehr als zum eigenen Ich zugehörig erlebt werden, sondern als von auße n und von anderen gemacht, gelenkt und beeinflusst Zu den psychotischen Ich-Störungen gehören: • Gedankeneingebung: Die Überzeugung, Gedanken wü rden von außen eingegeben • Gedankenentzug: Die Überzeugung, die eigenen Gedanken würden von anderen entzogen • Gedankenausbreitung: Die Überzeugung, die eignen Gedanken würden sich ausbreiten und von anderen mitgehört werden • Fremdbeeinflussungserleben, Willensbeeinflussung: Die Überzeugung, eigene Handlungen würden von außen gesteuert werden • Auch das Erlebnis, die eigenen Gedanken würden laut und damit für andere hörbar werden (Gedankenlautwerden), kann zu den Ich-Störungen gerechnet werden. Zu den psychotischen Ich-Störungen, die typischerweise bei Schizophrenien vorkommen, gehören Gedankeneingebung, Gedankenentzug, Gedankenausbreitung und das Fremdbeeinflussungserleben (Willensbeeinflussung). Entfremdungserleben Das Entfremdungserleben ist diagnostisch un spezifisch und kann auch im normal .psychi schen Bereich vorkommen, z. B. bei Übennü dung. Typisch für diese Wahrnehmungsstörung sind das Depersonallsationserleben, d. h. das Gefühl , selbst nur noch ein Schatten se in er selbst zu sein, alles wie im Nebel zu sehen und weit von sich gerückt zu sein sowie das Derealisationserleben, also das Gefühl, aUes wie unter einer Glocke zu erleben.
• Störungen der Affektivität und ---~ngs! ______ _ Störungen der Affektivität Störungen der Affektivität treten bei allen psychischen Störungen auf. Wichtige Formen sind:
• Affektverarmung: Mangel oder Verlus t an emotionaler Schwingungsfähigkeit und affektiver Ansprechbarkeit. Beim Verl ust der Fähigkeit, Freude zu empfinden, wird auch von Anhedonie gesprochen • Affektverflachung: verarmte Affekte bei Schizophrenien • Inadäquater oder parathymer Affekt: Gefühlsausdruck und Erlebnisinhalt stimmen nicht überein. Beispielsweise lacht ein Patient, wenn er erzäh lt, er werde mit dem To de bedroht. Vorkommen: bei Schizophrenien • Affektlabilität: Stimmungen wechseln schnell und die Affekte sind nur von kurzer Dauer. Vorkommen: bei organischen psychischen Störungen • Affektinkontinenz: Mangelnde Affektsteuerung. Die Affekte springen übermäßig schnell an, haben oft eine übermäßige Stärke und können nicht beherrscht werden. Vorkommen: häufig bei organischen psychischen Störungen.
• Störungen von Antrieb und Psychomotorik Antriebsstörungen Störungen des Antriebs können bei allen psychischen Erkrankungen auftreten_ Typischerweise ist der An trieb bei Depressionen gehemmt und bei Manien gesteigert. Katatone Symptome Bei den Schizophren ien werden Störungen von Antrieb und Psychomotorik auch als katatone Symptome bezeichnet Diese werden unterschieden in Hypo- und Hyperkinesen (-+Tab. 2.3). Tab. 2.3 Katatone Symptome Hypokinesen • Stupor, Mutismus: gänzliches Fehlen von Bewegung und Sprechen bei klarem Bewusstsein • Negatlvlsmus: Sperren gegen jede Handlung, zu der man aufgefordert wird • Katalepsie: passiv vorgegebene und auch noch so unbequeme Körperstellungen wer· den abnorm lange beibehalten • Haltungsstereotypien: Verharren in b.estimmten Haltungen Ober lange Zelt, 1m Gegensatz zur Katalepsie auch bei äußeren Versuchen der Veränderung
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
Tab. 2.3 Katatone Symptome (Forts.) Hyperkinesen • Psychomotorische Erregung Bewegungs- und Sprachstereotypien: fort· gesetztes leeres und zielloses Wiederho l:n von Bewegungen, Sätzen, Wörtern oder Sll· ben • Echopraxle, Echolalie: stän diges sinnloses Nachahmen von Bewegungen bzw. Nach· sprechen • Manierismen: sonderbare verschrobene oder bizarre Abwandlungen alltäglicher Be· wegungen und Handlungen, z. B. Grimas· sieren, wenn die Mimik betroffen ist
• Suizidalität Die Abklärung von uizida lität gehört zwingend zu jeder Erhebung des psychopathalogischen Befunds. Suizidgedanken, ·impulse, oder -absichten müssen immer konkret angesprochen und jede suizidale Äußerung muss sehr ernst genommen werden. Folgender Fragenkatalog ist zur Beurteilung von Suizidalität hilfreich: • Haben Sie in letzter Zeit daran denken müssen, dass es vielleicht besser wäre, nicht mehr zu leben? • Geschah das in letzter Zeit häufiger? • Haben Sie auchdarandenken müssen, ohne es zu wollen? Haben sich Ihnen Gedanken aufgedrängt, Ihr Leben zu beenden? • Haben Sie bereits konkrete Ideen, wie Sie es machen könnten? • Haben Sie bereits Vorbereitungen getroffen? • Haben Sie schon mit jemandem über Ihre Suizidgedanken gesprochen? • Haben ie schon mal einen Suizidversuch unternommen?
• Hat ich in Ihrer Familie oder Ihrem Freundeskreis schon einmal jemand das Leben genommen? • Was hat Sie bisher von einem Suizidversuch abgehalten? In der Betrachtung der uizidalität müs en to lgende Begriffe unterschieden werden: • Suizid: erfolgte elb ttötung • Erweiterter Suizid : eb n der Selbsttötung werden andere Personen gegen ihren Willen in die Tötung einbezogen. Nicht selten bei Müttern mit wahnhaften Depres ionenoder chizophrenen, die ihre Kinder mit "in den Tod nehmen" • Parasuizidale Handlung: Eine Handlung, die eine Methode einsetzt, die prinzipiell zum Suizid geeignet ist, z. B. Einnahme von Tabletten oder Verletzung mit Rasierklingen, wobei diese nicht mit der Intention der Selbsttötung eingesetzt wird, sondern aus anderen Motiven, etwa um pannungszustände bei einer Borderl ine-Störung abzubauen oder als "Hilferuf'. Die WHO schätzt die jährliche Zahl an Suiziden weltweit auf ca. l Million. In Deut ehland rechnen Statistiker mit ca. 11.000 Suiziden pro Jahr. Suizidver uche treten 10· bi 100-mal häufiger auf als Suizide. Suizidversuche werden dabei mehr von Frauen verübt, uizide mehr von Männern. Die höchsten und niedrig ten sozialen Schichten haben insgesa mt ein höheres Su izidrisiko. Erwin Ringel hat das sogenannte präsuizidale Syndrom beschrieben, das einer Suiz idhandlung vorausgeht. Es setzt sich au drei Komponenten zusammen: • Einengung der sozia len und p yc hi chen Lebensbereiche • Aggres ion hemmungnach au f~e n und Wendung gegen die eigene Person • Rückgang der allgemeinen Appet nz owie
erste Todesfantasien.
Nennen Sie die Inhalte des psychopathologischen Befun~.
.
. .
0 Nennen Sie fiir jede Symptomgruppe des psychopathol.og1schen. Befunds typasche BeiSpaele und erläutern Sie bei welchen Erkrankungen diese typ1scherwease vorkommen. Definieren Sie: ~nesie, Denkhemmung, Gedankenabreißen, Neologismen, Id~entlucht, Vor· beireden, inkohärentes Denken, Wahnidee und Wahnwahrnehmung, üb.erwert•g Ideen, Hai· luzinationen, Zoenästhesien, illusionäre Verkennungen, lch·Störungen, madäquater Affekt und katatone Symptome. .. . ....._ Welche Fragen stellen ie zur Abklärung von Su1z1dahtät? ---~--------...J
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Zusatzdiagnostik ~!es~psycholo~ische~~rfahren
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Testpsychologische Verfahren werden in der Psychiatrie vor allem zur Leistungsdiagnostik und zur genaueren Klassifizierung und dimensionalen Schweregradeinschätzung von klinischen Symptomen oder Erkrankungen eingesetzt. Es werden Untersuchungsverfahren verwendet, für die in Voruntersuchungen drei Kriterien erfüllt wurden: • Objektivität: Die Testergebnisse sind unabhängig von der subjektiven Sichtweise des Untersuchers entstanden • Reliabilität: Der Test misst zuverlässig und genau • Validität: Der Test bildet tatsächlich das Zielsymptom oder die relevante Leistungsdimension ab. Leistungsdiagnostik
lungsverfahren zur Erfassung psychiatrischer Störungen auf Achse I inklusive Persönlichkeitsstörungen auf Achse II • Clinician Administered PTSD Scale (CAPS): Fremdbeurteilungsverfahren für die klassifikatorische und dimensionale Erfassung der posttraumatischen Belastungsstörung • Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale
(Y-BOCS): Fremdbeurteilungsverfahren für die Schweregradeinschätzung von Zwangssymptomen • Beck-Depressions-lnventar (BDI): Selbstbeurteilungsfragebogen zur Einschätzung des Schweregrads einer Depression • Hamilton-Depressions-Skala (HAMD): Fremdbeurteilungsskala zur Einschätzung des Schweregrads einer Depression • Positive and Negative Symptoms Scale
(PANSS): Fremdbeurteilungsskala zur Erfassung positiver und negativer Symptome einer Schizophrenie • NEO-Persönlichkeitsinventar (NEO-PI-R): Selbst- und Fremdbeurteilung vo n Persönlichkeitseigenschaften.
Viele psychische Funktionen wie Aufmerksam keit, Orientierung, Gedächtnis, Intelligenz, visuell-motorische Koordination und exekutive Funktionen werden unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit beschrieben. Da viele psychiatrische Erkrankungen mit Minderungen der Leistungsfähigkeit in diesen Funktionsbereichen einhergehen, gibt die testpsychologische Quanti fizierung wichtige diagnostische und prognostische Hinweise. Eine Leistungsdiagnostik misst typischerweise: • Aufmerksamkeit: z. B. Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) oder d2-Aufmerksamkeitsbelastungs-Test • Gedächtnis: z. B. Verbaler Lern- und Merkfähigkeitslest (VLMT), Wechsler Gedächtnistest (WMS-R) • Intelligenz: z. B. Wechsler Intelligenztest fü r Erwachsene (WIE) • Exekutivfunktionen: z. B. Wisconsin Card Sorting Test (WCST).
Die apparative Zusatzdiagnostik dient vor allem dem Ausschluss organischer Ursachen psychischer Störungen. Bei organisch bedingten psychischen Störungen hilft sie die Diagnose zu sichern, z. B. PET bei Alzheimer-Demenz oder erhöhte Kupferspiegel bei Morbus Wilson. Darüber hinaus werden EKG, EEG und Labordiagnosti k auch vo r Therapiebeginn mit bestimmten Medikamenten durchgeführt, um charakteristische Nebenwirkungen zu kon trollieren, z. B. Hyponatriämie unter Carbamazepin oder EEG- Veränderungen unter Clozapi n.
Eigen- und Fremdbeurteilungsskalen
Elektrokardiografie (EKG)
Mittels validierter testpsychologischer Eigenund Fremdbeurteilungsfragebögen kann das Vorliegen von Symptomen und Erkrankungen klassifikatorisch überprüft und dimensional deren Schweregrad abgebildet werden. Bekannte Verfahren sind: • Strukturiertes klinisches Interview für das amerikanische Klassifikationssystem DSM-IV (SKID-l und -IJ): Fremdbeurtei-
• Apparative Diagnostik
Ein EKG sollte immer vor TI1erapiebeginn mit Psychopharmaka durchgeführt werden. Es dient v. a. der Erfassung von Erregungsausbreitungsstörungen am Herzen wie Verlängerungen des PR-Intervalls, z. B. bei den anticholinerg wirksamen trizyklische n Antidepressiva, oder des QTIntervalls. Eine QTc-Zeitverlängerung geht mit einem erhöhten Risiko maligner Rhythmusstörungen einher. 15
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
Eine Vielzahl von Antidepressiva, Antipsychotika, aber auch Lithium, Methadon und Methylphenidat führen zu Verlängerungen des QT-Intervalls und können folgenschwere Herzrhythmusstörungen verursachen. Besondere Vorsicht ist bei gleichzeitiger Gabe von internistischen Medikamenten geboten, die ebenfalls die Erregungsleitung beeinflussen.
• Leukopenien und Agra nulozytosen, v. a. Clozap in , Carbamazepi n • Hyponatri ämien, z. B. Ca rbamazepin und SSRis • Nierenfunktionsstörunge n und Hypothyreose: Lithium • Hyperglykämien und Hyperlipidäm ien, v. a. Antipsychotika der 2. Generation wie Olanzapin.
Elektroenzephalografie (EEG)
Bildgebende Verfahren
• Zur Erfass ung typischer EEG -Veränderungen bei Epilepsien, bei Creutzfeldt-Jakob-Erkranku ng (desorganisierte Deltaaktivität mit typischen triphasischen Wellen) oder bei En zephalitiden (langsame Wellen, z. B. über der Temporallappenregion bei Herpes-Enzephalitis) • Zur Erfassung von EEG -Veränderungen un ter Th erapie mit Psychopharmaka: z. B. In duktion epileptischer Aktivität bei Cloza pin, Grundrhythmusverlangsamung bei versch iedenen Antidepressiva und Antipsychotika und vermehrte Betaaktivität bei Benzodiazepinen.
Strukturelle Verfahren. Mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) werden struktureile Hirnverä nderungen als Ursache psychischer Störungen erfasst. Bei jeder Erstmanifestation ei ner schweren psychischen Störung empfiehlt e sich, eine strukturell e Bildgebung durchzuführen. Funktionelle Verfahren. Funktionelle blldgebende Verfahren si nd: • Positronen-Emissions-Tomografie (P ET): Klinischhaupt ächlich eingesetzt in der Alzheimer-Diagnostik zur Me ·stmg des Energietoffwec hsels im Gehirn mittels (' 8FDG) -PET (-+ Kap. 5)
Das EEG hat gegenüber den bildgebenden Verfahren als diagnosti ches Instrument an Bedeutung eingebüßt. Es wird heute in der Psychiatrie im Wesentlichen zum lherapieMonitoring eingesetzt.
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• Funktionelle MRT: Messung der Durchblu tung de Gehirn s mittels des sogenannten BOLD-Effekts, der Auskunft über di e regionale Hirnaktivität z. B. bei der Durchführung kognitiver Tests gibt. Einsatz zu wissenchaftli chen Zwecken.
Labordiagnostik
Tab. 2.4 Gegenüberstellung der Vorteile von
Indikationen: • Ausschluss organischer Ursachen psychi scher Erkrankungen • Monitaring vo n Laborveränderungen unter Medikation. Ein typi ehe Routinelabor beinhaltet: • Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) • Blutbil.d inklu ive Difrerenzialblutb.ild • Elektrolyte, vor allem Na I, K' , ci+ • Kreatinin • GOT, GPT und y- T • Blutzucker und Blutfette • S hilddrü enparam ter • Urinstatus • Evl'l. Drogenscr en ing und Liquordiagno tik. Wichtige Laborveränderung n bei Psy hopha rmaka -111erapie: • Tran ami na n-An t:i g , viele ubstanz n
CT und MRT
Vorteile CT • • • • •
Niedrigere Ko sten Schneller durch zuführen Metall keine Kontraindikation Notfalldiagnostik einfacher Durchführun g auch bei ad ipö se n und begrenzt kooperativen Patienten durch kurz e Dauer • Nachwei s von Verkalkungen und Knochen · veränderungen
Vorteile MRT • Höh ere Sensitivität • Funktione ll e Di agno stik, z. B. Liquorflu ssmessungen • K ine Strahlenbeta tun g • Wahl verschiedener Sc hichtrichtungen mögli ch • Besser Dar t llung von b sal n Hirnregio· nen, Hi rnstam m und TemporaU ppen
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0 Nennen Sie wichtige Indikationen für ein EKG oder ein EEG in der Psychiatrie. 0 Nennen Sie Vor- und Nachteile von CT und MRT.
. 0 Welche Routine-Verfahren setzen Sie zum Ausschluss einer organischen Ursache psych1scher Störungen ein?
Vom Symptom zur Diagnose • Grundsätzliche Schritte bis zur _ _Q_i~~-~os~~t~!lu_ng _______ _ Zunächst werden Symptome des psychopathalogischen Befunds erfasst und dann zu Syndromen, also überzufällig häufig gemeinsam auftretenden Komplexen von Symptomen zusammengefasst, z. B. depressives Syndrom oder paranoid-halluzinatorisches Syndrom. Wichtig ist, dass Syndrome ätiologisch unspezifisch sind. So ist etwa mit der Beschreibung eines depressiven Syndroms noch nichts darüber ausgesagt, ob es sich um einen depressiven Verstimmungszustand im Rahmen ein er afrektiven Störung, einer Anpassungsstörung oder einer organischen psychischen Störung handelt. Somit dürfen Syndrome auch nicht mit Diagnosen verwechselt werden. Bei der Diagnosestellung werden die Symptome in die Internationalen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eingeordnet. In diesen Klassifikationssystemen werden Störungen nach bestimmten Prinzipien eingeteilt wie: • Erscheinungsbild, z. B. affektive Störung • Ätiologie; z. B. organische psychische Störung • Verlauf, z. B. rezidivierende depressive Störung • Psychosozialen Faktoren, z. B. Schichtzugehörigkeit, Bildungsstand.
• Moderne Klassifikationssysteme __ _f.!_~chisch~E Erl~~ank~n~en_ __ In der Psychiatrie und Psychotherapie haben sich weltweit zwei Kla sifikationssysteme psychischer Erkrankungen durchgesetzt, mit deren Hilfe versucht wird, eine internationale Verständigung und Vereinheitlichung in_Diagnostik, Therapie und Erforsc hung psychischer Erkrankungen zu erzielen . Diese Klassifikationen sind: • ICD-10: International ta tistica l Classification of Diseases, Injurie and Causes of Death der WHO, derzeit gültig in der 10. Ver ion
• DSM-IV: Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders der American Psychiatrie Association, derzeit gültig in der IV. Fassung. Beide Klassifikationssysteme sind durch drei wesentliche Ken nzeichen zu beschreiben: • Operationalisierte Diagnostik: Für jede psych ische Erkrankung sind diagnostische Kriterien wie Ein- und Ausschlusskriterien explizit vo rgegeben • Komorbiditätsprinzip: Komorbidität bedeutet das gleichzeitige Auftreten verschiedener psychischer Erkrankungen bei einer Pers?n. Liegen neben einer oder mehre~~n psychi~ sehen Störungen auch noch zusatzliehe korperliehe Erkrankungen vor, so handelt es sich um eine Multimorbidität
Tab. 2.5 Multiaxialer Ansatz der ICD -10 Achsen
Operatlonalisierung der Achsen
1. Klinische Diagnosen
• Psychiatrische Diagnosen • Somatische Diagnosen
II. Soziale Funktionseinschränkungen
Disability Assessment Scale derWHO: • Individuelle soziale Kompetenzen • Berufliche Funktionsfähigkelten • Soziales Verhalten
• Entwicklung in der Kind111. Abnorme heit psychosoziale • Erziehungsprobleme Situationen
• Schwierigkeiten in der sozialen Umgebung • Besondere berufliche Probleme • Juristi sche und andere psychosoziale Schwierigkeiten • Fa milienanamn ese psychi · atrischer Störungen 17
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
•. Multiaxiale Diagnostik: Ziel i t
hier, de r Komplexität klinischer Bedingungen eines Patienten im Sinne eines bio-p ycho-soz ialen Ansatzes Rechnung zu tragen, in dem der Pa tient und seine Störung anhand von klinisch
bedeu tsamen Merkmalen, den sogenannten Dimensionen oder Achsen, beschri eben wird. Die ICD-10 untersche idet dabei drei Achsen (-+ Tab. 2.5), das DSM-IV fü nf Achsen.
0 Wie unterscheiden sich Symptom und Syndrom? 0 Nennen Sie die modernen KJassifikationssysteme psychischer Erkrankungen und ihre Besonderheiten.
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Pharmakologische Behandlung psychischer Erkrankungen und andere biologische Therapieverfahren Sabine Frauenknecht
Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stimmungsstabilisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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_ Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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_ Anxiolytika und Hypnotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Antidementiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Psychopharmaka bei Abhängigkeitssyndromen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Psychostimulanzien. . . .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Psychopharmakatherapie unter speziellen Gesichtspunkten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
• Das Cytochrom -P450-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Andere biologische Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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19
3
Pharmakologische Behandlung
Die medikamentöse Behandlung psychischer Erkrankungen ist immer Teil einer multimodalen Therapie, bei der in untersch iedlicher Gewichtung psychopharmakologische, psychotherapeutische und soz iotherapeutische Behandl ungsmethoden eingesetzt werden. Folgende Gruppen von P ·ychopharmaka werden unterschieden:
• Antidepressiva • Stimmungsstab ilisierer • Antip yc hotika (frü her auch euroleptika genannt) • Anxiolytika und Hypnotika • Antidementiva • Psychopharmaka bei Abhängigkeitssyndromen • Psychostimulanzien.
Antidepressiva Definition und Indikationen
Antidepressiva sind Psychopharmaka, die tim mungsaufhellend und mit versch iedener Schwerpu nktbildung antriebssteigernd oder sedierend wirken. To.leranzentwicklung und Abhängigkeit sind nicht zu befürchten. Antidepressiva we rden nicht nur zur Behandlung depre iver Störungen, sondern auch bei vielen anderen psychischen Erluank ungen eingesetzt. Dazu gehören: • Angs terkra nkungen, z. B. Panikstö rung und gene ralisierte Angststörung (-+ Kap. JO) • Zwangsstörungen (-+ Kap. 10) • Posttraumatische Belastungsstörungen (-+ Kap. ll) • Schlafstörungen (-+ Kap. lS) • Entzugssyndrome (-+ Kap. 9) • Schmerz yndrome. Klassifikation
Ant idepressiva werden allgemein in klass i ehe und neuere Antidepressiva eingeteilt oder spezi fi eher in Gruppen, di sich anband ihres Wirkmechani musunter cheiden (-+ Tab. 3.1). Wirkmechanismus
Antidepressiva wirken einerseit auf der Ebene des synaptischen palts, wo ie Neurotransmittertran porter bzw. prä - und po tsynaptische R zeptoren besetzen, und anderer eits auf der Ebene der econd-Me sengerund der enexpression in po tsynaptis hen Neuronen (-+ Abb. 3.1).
Im synaptischen palt erhö hen praktisch alle Antidepre siva die Konzentration der Transm itter Serotonin und/oder Noradrenalin und in elteneren Fällen Dopamln dur h fo lgende Mechanismen: • Bio kade der präsynaptischen RUckaufnahmetransporter fü r oradrenalin/ erotonin/ Dopamin: Daclu r h st .igt die Konzentration 20
der Transmitter im gesamten synaptischen Spalt an. Je nachdem, ob nur der eine oder andere Transporter blockiert wird, handelt es sich um selektive Serotonin- (SSRI) bzw. Noradrenalin-Wiederaufnahmehem mer (SNR! = selektiver Noradrenali n-ReuptakeIn hibitor). Duale Seroton in- Noradrenali nWiederaufnahmehemmer (SSNRJ) blockieren die Aufnahme beider Transmitter. Auch die tri - und tetrazyklischen Antidepressiva blockieren die Vliederaufna hme der Neurotransmitter Seroton in und Noradrenalin, binden aber auch an andere Rezeptoren und werden daher auch als nich t elektive Serotonin-und Norad renalin -Wiedera ufnah mehem mer bezeichnet. Dieser Wirkmechanismus begründet im We entl iehen die Hypothe e, da s Depre sionen ein Mangel an diesen Neurot ransmittern zugrunde liegt (MonoaminmangelHypothese)
• Hemmu ng der Monoaminooxidase (MAO): Die MAO-Hemmer blockieren den Abbau von Noradrenalin und/oder erotonin, wodurc h die Konzentration die er Neurotransmitter .im synaptischen Spalt ansteigt • Blockade präsynaptischer Alpha-2-Rezeptoren : Durch diesen Wirkmechanismus von Mianser.in und Mi rtazapin werden präsynapti eh Alpha-2-Autor zeptoren bio kiert, wodur h die präsynaptis he Hemmung der Noradrenalin- und Seroto ninfreisetzung aufge hoben wi rd und dadur h die Konzentration d r Neurotransm itt r im synapti hen Spalt ans teigt • Bio kadc postsynaptischer SHT 2-Rezeptoren: Dadur h fa llt po t ynapti eh di Hem mun g der s rotonergen Neurotran mis ion über cHT 1A-Rezeptor n weg und di ' croL nerg Ncu rotrans rn b 'ion wird g st;i rkt.
Tab. 3.1 Klassen von Antidepressiva und deren wichtigste Vertreter Klassische Antidepressiva Trizyklische Antidepressiva: • lmipramin (z B. Tofran ile&:l • Amitriptylin (z. B. Sarotene&:l • Nortriptylin (z. B. Nortrilene&:l • Doxepin (z. B. Aponal~ Tetrazyklische Antidepressiva: Maprotilin (z. B. Ludiomil~ Monoaminooxidase-H emmer: • Tranylcypromin (z. B. Jatrosome&:l • Moclobemid (z . B. Aurorix~
Neuere Antidepressiva Selektive Serotoni n-Wiedera ufnah mehemmer (SSRI): • Flu oxetin (z. B. Fluctin~ • Paroxetin (z. B. Seroxat~ • Fluvoxamin (z. B. Fevarine&:l • Citalopram (z. B. Cipramile&:l • Sertralin (z. B. Zolofte&:l • Escitalopram (Cipralex~ Selektive Noradrenalin -Wiederaufnahmehemmer (SNRI): Reboxetin (z. B. Edronax~ Sele ktive Noradrenalin- und Dopamin -Wiederaufnahmehemmer (SNDRI): Bupropion (Eiontril~ Duale Serotonin-und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI): • Venlafaxin (Trevilor~ • Duloxetin (Cymbalta®_} Alpha-2 -Antagonisten: • Mianserin (Tolvin~ • Mirtazapin (Remergil~ Duale Serotonin-2a-Antagonisten und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer: Trazodon (Thombran~ Substanzen mit anderem Wirkmechanismus: Trimipramin (z. 8. Stangyl~
Pflanzliche Präparate Johanniskra ut-Extrakte (z. B. Jarssin~
Da die Wirkung der Antidepressiva im Bereich des synaptiscben Spalts innerhalb von Minuten bis Stunden eintritt, die Wirkung der Antidepressiva aber frü hestens nach 8- 15 Tagen einsetzt, erklären diese Mechanismen nicht die Wirksamkeit Daher wird angenommen, dass durch die Effekte im synaptischen Spalt postsyn aptische Prozesse auf Ebene der Second Messen ger und der Genexpression induziert werden. Diese wiederum führen über eine Veränderung
der neuronalen Plastizität zu Netzwerkveränderungen, die ein Korrelat der an tidepress iven Wirksamkeit darstellen. Wichtige postsynaptische Faktoren sind der Transkriptionsfaktor CREB und der Wachstumsfaktor BDNF. Die Bindung der Antidepressiva an prä- und postsynaptische Rezeptoren kann auch Nebenwirkungen der Antidepressiva erklären, die schnell eintreten und störend sind wie Mundtrockenheit oder für die 1herapie nützlich sind wie Sedierung. Die Art der Nebenwirkung lässt sich von der entsprechenden Rezeptorblockade ableiten: • Blockade von Histamin(H 1)-Rezeptoren : Sedierung und Gewichtszunahme • Blockade von cholinergen Rezeptoren: Mundtrockenheit, Schwitzen, Tachykardie, Obstipation, Miktionsbeschwerden, Sehstörungen • Blockade von adrenergen Rezeptoren: Hypotension, Orthostase, reflektorische Tachykardien • Blockade von Serotonin(SHT2)-Rezeptoren: Reduktion von sexuellen Funktionsstörungen, d. h. diese Antidepressiva, z. B. Trazo don, führen nicht wie viele SSRis zu Erektionsstörungen, sondern können sogar einen Priapismus verursachen • Blockade von Serotonin(5HT3)-Rezeptoren: Reduktion von Übelkeit und Erbrechen, d. h. diese Antidepressiva, z. B. Mirtazapin, können Übelkeit reduzieren, die bei SSRis als wichtige Nebenwirkung häufig auftritt. Wirksamkeit
Die Erfolgsquote von Antidepressiva bei der Behandlung depressiver Störungen liegt bei einer .3- bis 6-wöchigen Therapiedauer etwa bei 6070 %. Viele plazebokontrollierte Studien konn ten eine Überlegenheit von Antidepressiva gegenüber Plazebo nachweisen, wobei jedoch die Plazebo-response-Rate bei der Behandlung depressiver Störungen mit bis zu 50% sehr hoch ist. Aus Metaanalysen lassen sich folgende klinische Empfehlungen ableiten: • Antidepressiva haben nur bei mittelschweren und schweren Depressionen eine nachgewiesene Wirksamkeit. Bei leichten Depressionen sind sie einer Plazebobehandlung nicht überlegen, sodass Antidepressiva bei leichten Störungen nur äußerst zurückhaltend gegeben werden sollten • Bei der Erstbehandlung einer Depressi.on ist aufgrunddes günstigen Nutzen -Risiko-Pro 21
3
Pharmakologische Behandlung
präsynaptisches Terminal postsynaptische Membran
/
fJ /
EJ"
postsynaptisches Neuron
•
synaptischer Spalt
rn
EnzymfTransporter
fJ Prä-/postsynaptische Rezeptoren [!] Second messenger [1] Genexpression . neuronale Plastizität Abb. 3.1 Wirkme chan is mu s von An t idepressi va au fversc hiedenen Eb ene n
filsein SSRI zu empfeh len, in erster Linie Citalopra m oder Sertralin • Führt ei n SSRI nicht zum gewünschten Erfo lg, kann auf einen dualen Seroton in - und Noradrenalin -Wiedera ufn ahmehemmer (SSNRI) wie Venlafaxin umgestellt werden • Alternativ kann bei guter Verträglichkeit ein trizyklisches An tidep re sivum gegeben werden. Amitriptylin (z. B. Saroten ) hat aufgrundder dualen erotonin-Wiederaufnah mehemmung un d der Blockade postsynapti scher 5HT 2-Rezeptoren ei n dreifaches Wirkprinzip und ist bei schweren Depressionen anderen Antidepressiva überlegen.
• Die Wirkung von Antidepressiva setzt nach ca. 8- 14 Tagen ein. Dennoch dauert es in der Regel minde tens 4- 6 Wochen bis eine vollständige Remission erreicht ist. Ein Patient:, der innerhalb der ersten 14 Tage keinerlei Veränderung der Depres ion erfahrt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im länger n Verlauf nicht von einer "Therapie profitieren, oda maJl heute häufig schon zu di em Ze itpunkt die 1l1erapie um teilt oder augmentiert • Antidepressiva w. rden haupt ä hli h bei schweren Dep ressionen eingesetzt. Eine Kombination mit Psychotherapie ist iner alleinigen Pharmakatherapie in der R g I überlegen, v. a. bei hw. r n D pre sion n.
22
• Tri- und tetrazyklische Antidepressiva
Die tri - und tetrazyklischen Antidepressiva (S ubstanzen -+ Tab. 3. 1) hemmen entweder vornehmlich die Noradrenalin -Wiederaufnahme (z. B. ortriptylin), die Serotonin -Wiederaufnahme (z. B. Clomipramin) oder beides (z. B. Amitriptylin). Da sie zusätzlich an viele andere Rezeptoren binden, entfalten ie an ticholinerge, antihistaminerge und anti adrenerge Nebenwirkungen (s.o.). Klinisch be onders relevant sind Verlänge rungen der PQ - und Q'[ -Zeiten am Herzen. Vor allem bei älteren Patienten und zerebraler Vorschädigung kann es zu an ticholinergen Delirien kommen, wesha lb diese Substanzen hier zurückha ltend oder nur in nied rigen Do en ei ngesetzt werden ollten. Aus den ebenwi rku ngenwerden die relative n Kontraindikationen abgeleitet: Prostatahyperplasie, Engwinkelgla ukom, schwere Schädigungen an Leber oder Herz. Bei Überdosierung, z. B. in suizidaler Absicht, kommt es insbesondere durch die anticholinergen EfFekte unter Umstä nden zu lebensbed rohlichen Arrhythmien, Hypotherm ie, Delir, Koma und Krampfanfä llen, die ei ne inten ivmedizinische Behand lung notwendig machen. • Monoaminooxidase-Hemmer
Der MAO -Hemmer Tranylcypromin (Jatrosom®) hemmt die Monoaminooxidase irreversibel, Moclobemid (A urorix ) reversibel. MAOHem mer werden heute in der Regel nu r bei TI1erapier iste11Z auf andere Antidepressiva eingesetzt und ollen ine über! geneW irk amkeit bei atypischer Symptomatik einer Depression (-+ Kap. 6) haben. Bei irreversibler Hemmung der MAO durch Tranylcyprom in muss die Zufuhr tyraminha ltiger ahrungsmittel wie Rotwein, Schokolade, Käse oder Salami r duziert werden, da anso nsten ein Risiko für hype rtone Blutdruckkrisen besteht. MAO-Hemmcr ·ind bei uil.idalitälund ängs tli h agitiert n Depr ss ionen wegend r An trieb · I igerung k ntraindizicrt.
• Na h d r BehandlmP nrit d m MAO-Hernmer Tranyl ypromin darffür mindestens 2 Wo _hen kein anderes Antid pressivum
/,- ----------------------------------------------------------------------------eingesetzt werden, da ansonsten ein serotonerges Syndrom mit erhöhten Serotoninspiegeln droht • Tranylcypromin darf aus dem gleichen Grund nicht mit dem trizyklischen Antidepressivum Clomipramin oder mit SSRis kombiniert werden. Auch bei Kombinationen mit Lithium ist die Gefahr eines Serotoninsyndroms erhöht.
• Selektive und duale Wiederaufnahmehemm er Diese Substanzen hemm en entweder selektiv die Serotonin-oder Noradrenalin-Wiederaufnahme oder beides (_.Tab. 3.1). Da sie im Vergleich zu den tri- und tetrazyklischen Antidepressiva andere Rezeptoren kaum beeinflussen, sind sie in der Regel besser verträglich und werden, insbesondere wenn ka rdiale Erkrankungen vorliegen, bevorzugt eingesetzt. Nebenwirkungen
Durch die Serotonin-Wiederaufnahmehemmung können serotonerge Symptome auftreten, die vo n Übelkeit bis hin zu Erbrechen, Diarrhö, Unruhezuständen, Schlafstörungen und sexuellen Funktionsstörungen reichen. Die Gefahr eines serotonergen Syndroms ist insbesondere bei Kombination mit MAO-Hemmern, Trizyklika und Lithium erhöht.
Symptome eines serotonergen Syndroms sind: • Gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhö • Bei starker Ausprägung Trias aus Fieber, neuromuskulären Symptomen wie Hyperrigidität, Hyperreflexie, Myoklonien oder Tremor und psychopathalogischen Aulfälligkeiten, z. B. Desorientiertheit, Verwirrtheit und Erregungszustände • Vitalbedrohliche Komplikationen: Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen, Koma, Multiorganversagen, Verbrauchskoagulopathie.
• Atpha-2-Antag_o nisten Mianserin und Mirtazapin erhöhen die synaptische Konzentration von Serotonin und Noradrenalin, indem sie präsynaptische Alpha-2-Autorezeptoren blockieren. Darüber hinaus binden sie an postsynaptische 5HT2- und 5HT3-Rezeptoren. Nebenwirkungen • Blockade des Histamin-(1-! 1- )Rezeptors_,. Sed ierung und Gewichtszunahme • Blockade postsynaptischer 5HT2- und 5HT3Rezeptoren _,.Verminderung von sexuellen Funktionsstörungen sowie von Übelkeit und Erbrechen, d. h. diese Nebenwirkungen, die durch erhöhte Serotoninspiegel verursacht werden, treten hier seltener auf • Mianserin und selten bei Mirtazapin -+Leukopenien und Agranulozytosen .
•
D Wie wirken Antidepressiva? 0 Nennen Sie die wichtigsten Antidepressivaklassen, ihren Wirkmechanismus und einen Vertreter.
D Was ist ein serotonerges Syndrom? Welche Substanzen können es hervorrufen?
Stimmungsstabilisierer Definition und Indikationen Stimmungsstabilisierer oder Phasenprophylaktika ind Substanzen, die primär zur Stabilisierung depressiver und/oder manischer tim mungsschwankungen im Rahmen affektiver und schizoaffektiver Störungen eingesetzt w rden
(-+ Tab. 3.2). Lithium und Valproinsäure werden vor allem zur Akutbehandlung von Manien angewendet. Auch einige Antipsychotika der 2. Generation haben e.ine Zulassung zur Akuttherapie und Phasenprophylaxe bipolarer Störungen. 23
3
Pharmakologische Behandlung
Tab. 3.2 Indikation en von Stimm ungsstabi li· sierern zur Behandlung affekt ive r Störungen
Störung
Indizierte Stlmmungsstabillsierer
Substanz
Rezid ivprophyl axe von Depressione n im Rah· men unipolarer Depressione n
Lithium
Thiaziddiu ret i- Intoxikationsgefahr durch ka verminderte LithiumausSch leifendiure- scheidung tika
Lithium , Rez idivp rop hylaxe von Depressionen im RahLamatrigin men bipolarer Stö rungen Akuttherapie eupho rischer Manien
Lithium, Valproinsäure
Aku ttherap ie dysphorisc her, ge reizte r Manien
Va!proinsäure, Carbamazepin
Therapie des Rapid Cyc tin g
Valproinsäure, Carbamazep in
Lithium Indikationen und Wirkmechanismus eben dem Einsatz wr Akutbehandlung von Man ien besteht di e Haupti ndikation für Lithi um in der Prophylaxe bipolarer, al o mani ehdepressiv verlaufender und unipolar-depres iv verlaufender affektiver törungen. Weitere Ind ikatione n sind die Behandlung schizoafTektiver Psychosen sowie die Behandlung von Depress ionen, wenn Antidepressiva alle ine ni cht ausreichen (Lith ium-Augmentation , -+ Kap. 6). Der Wirkmechanismu ist nicht vö lli g verstan den. Lithium greift vielfältig in die neuronale Si gna ltransduktion ein, z. B. über Ver'inderung von Second-Messenger- und Signal tran, duktion proze en, wodu rch Neurotransmittersysteme modu liert werden. Pharmakakinetik und Wechselwirkungen Lithium wird nach oraler Gabe voll tändig aus dem Magen-Darrn -Trakt resorbiert und erreicht nach 1- 3 Stunden maximale erumspi geL Lithium wird weder an Plas ma pro! ine g bundcn n eh metaboli iert, sondern unverändert ü.b r die Ni r au g s hieden . Die Llth iu m-Ciearance liegt bei etwa 20 % der Kr atinin - lcaran ·c. D.ie .I Ia ibwertszeit Ii gt bei a. 24 ' tund n, . odass nach etwa 5- 6 Tagen t ·ady-state-B dingu ngen err ·i ht werd n. Oahe.1· ist außer bei m Auftrel n von lnt:oxikati nSS )'!llptom n ei.nc Lithiumblut spiegelkon troll e rst na h di esem Zeitpunkt sinnvoll. Die therapeutische Breite vo n Lith ium ist kl ein, was regclmäßi c a umspicgelkon troll en notwend ig ma ht. 24
Tab. 3.3 Wi chtige Arzneimitte linteraktionen von Lithium
Kochsatzarme Diät
Einfluss auf Lithiumspiegel und Lithium-Neurotoxi:zität
Intoxikationsgefahr infolge geste igerter Resorption von Li thium mit Anstieg des Serumspiege ls
Nichtsteroidale Anstieg des Lithiu msp ieAntiph logistika, ge ls infolge verminderter z. B. Diclofenac, Lithiumaussche idun g lbuprofen, Piroxicam Tetrazykline
Erhöhte Lithiumspiegel
ACE-Hemmer, z. B. Ena lapril
Verminderte Lith iumausscheidu ng
Kalziumantagonisten
Erhöhte Neu rotox izi tät bei normalen Plasmaspiege ln
Ca rbamazep in
Erhöhte Neurotoxizitä t bei norma len Plasmaspiegeln
Phenytoin
Erhöhte Lithiumtoxizität
erumspiegelberekhe von Lithium: • Zur Lithium -Augmentation und Phasenprophylaxe: 0,6- 0,8 mmol/1 • Zur Akutbehandlung manischer Episoden: 0,9- 1,1 mmol/1 • Lithi umspiegelkontrollen müssen im I. Mo nat wö h ntli h, im l. Halbjahr monatlich und dana halle 3 Monate erfolg n. Die Blutentnahmemu · Immer genau 12 +/-eine halbe tund na h letzter Einnahme tattfmd n. Vers hi d ne Arzneimittel k"nnen die Lithium·piegcl veränd ern (-+ Tab. .3). Bei Kombinationen mit seroton erg n Sub tan zen ist die efahr in cs seroton ·rgen 'yndrotns erhöht. Nebenwirkungen und Kont1aindikatione n m h:iltf1gsl n sind lo l.g ncl Neb nwirkung n: • F in schlii ige r Tn.:mor: Behan dl un gs mögli hk it mit niedrig dos iert.cn Betabio kern, 'l.. 13. Propranolol • Initial· l olyuri und Pol dyj si
• Gastro intestina le Nebenwirkungen in Form von Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö • Strumabildung durch Hemmung der Schilddrüsenhormon-Aufnahme • Gewichtszunahme bei längerer Therapie • Verlängerung des QT-lntervalls im EKG . Kontraindikationen für Lithium sind: • Schwere Nierenfunktionsstörungen • Nebenniereninsufiizienz (Morb us Addison) • Schwere Herz- und Kreislauferkrankunge n • Störungen des Natrium-Haushalts mit koch salzarmer Diät • Psoriasis • Gravidität im l. Trimenon wegen Teratogenität • Stillperiode. Das Risiko einer Lithiumintoxikation bes teht bei Serumspiegeln über 1,2 mmol/1, in Einzelfällen können Intoxikationssymptome bereits bei therapeutischen Konzentrationen auftreten . Initialsymptome müssen immer frühzei tig erkannt werden: Schläfrigkeit, Schwindel, verwaschene Sprache und Ataxie sowie Erbrechen, Durchfall und grobsch lägiger Tremor der Hände. Später können Rigor, Reflexsteigerung und Krampfanfälle hinzukommen . Sehr hohe Lithiumspiegel können zu Bewusstlo igkeit und Tod führen. Ursachen für Lithiumintoxikationen sind Suizidversuche, eine unkontrolli erte Einnahme oder die Folge z. B. einer: • Kochsalzarmen Diät--+ verminderte Lithiumaus cheidung • Kombination mit Diuretika verminderte Lithiumausscheidung bei ver tärkter Natriurese • ierenin uffizienz • Flüssigkeitsverlust, z. B. im Rahmen vo n In fe ktionskrankheiten mit Fieber.
• Carbamazepin Ca rbamazepin is t indiziert zur Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen, wenn Lithium nicht oder nicht au reichend wirksam ist oder wenn Kontraindikationen gegen Lithium bestehen. Der therape utische Bereich liegt bei 4- 10 11gl ml. Die wichtigsten Nebenwirkungen si nd : • Sedierung, Schwind 1 • Allergische Hauters heinungen
• Leberenzymerhöhungen, Hyponatriämie und Blutb il dveränderungen wie Leukopenie oder Agranulozytose • Kardiale Überleitungsstörungen.
•-Valproinsäure --- -- - - - - - - - ----------------Va lproi nsä ure ist indiziert zur Akuttherapie ma nischer Episoden und zur Rezidivprophylaxe manisc her Ep isoden bei bipolaren Störungen. Der Wirkstoff wird auf eine Plasmakonzentration von 50- 100 11g/ml eingestellt. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind: • Tremor und Ataxie • Sedierung • Transaminasenerhöhung • Haarausfall und Gewichtszunahme.
• Lamatrigin --------Lamotrigin ist ind iziert zur Rezidivprophylaxe von Depressionen im Rahmen bipolarer affektiver Stö rungen. Um gefahrliehe Haut- und Schleimhautreaktionen wie exfoliative Dermatitis und Steven-Johnson - oder Lyell-Syndrom zu vermeiden, muss Lamotrigin sehr langsam aufdosiert we rden. Begonnen wird in der Regel mit 25 mg, danach wird die Dosis al le 2 Wochen um jeweils 25mgerhöht bis schließlich die Zieldos is von 200 mg erreicht ist. Bei therapeutischen Dosen liegen die Plasma spiegel von Lamotrigin zwischen 3- 14 ).lg/ml.
• Antipsychotika als Stimmungsstabilisierer Einige Antipsychotika wie Quetiapin, Risperidon oder Olanzapi n haben heute auch eine Indikation als Stimm ungsstabi li ierer im Rahmen bipolarer affektiver Störungen. Diese sind: • Quetiapin für mäßig bis sc hwere manische Ep isoden im Rahmen bipolarer Stö rungen und für chwere dep ressive Episoden bei bipolaren Störungen • Risperidon für die Akutbeha ndlung mäßig chwerer bis schwerer manischer Epi oden bei bipolaren Stö run ge n • Olanzapin für die Akutbehandlung mäßig schwerer bis schwerer man ischer Epi oden bei bipolaren Stö rungen und zur Phasenp rophylaxe bei Patienten mit bipolaren Störungen, deren manische Phase auf eine Behandlung mit Olanzapin angesproche n hat. 25
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Pharmakologische Behandlu ng
•
0 Nenne n Sie wichtige Stimm ungsstabili ierer, ihre Indikationen und therapeutischen Wirkbereiche.
0 Nennen Sie die wichtigsten Nebenwirkungen von Lithium und wichtige Kontraindikationen. 0 Welche Medikamente können die Pla maspiegel von Lithium erhöhen? 0 Woran erkennen Sie eine Lithiumintox ikation. Wodurch kann diese verur acht werden?
Antipsychotika Definition und Indikationen
Antipsrchotika (früher au h euroleptika gena nnt) s.incl Medikamente, die dämpfend auf psycho motor i ehe Erregtheit und agg r ives Verhalten und g gen psychoti he innestäuschungen, Wahnd enken, katatone ymp tome und Ich-Störu ngen w.i rken. Daraus las en sich die fo lgenden wichtigs ten Indika tionen ableiten: • Akutbeha ndlung un d Rezidivprophr laxe der chizophrenie • Behandlung der akuten Manie • Behand lung p ychotischer (wahnh after) Depre sionen, in Kom binati on mit Antidepres siva • Behandlung akuter Erregungszu Iände oder p yc hotisc her Symptomati k im Rahmen anderer psychischer törun gen wie orga nischer psychi eher törungen, z. B. bei Demenzen • Behandl ung von psychomot ori ·eher Unruhe und Schlafstörungen. Klassifikation
Antipsyc hotika w rden in zwei gro ße ru pp n ingeteilt: • Ant ipsychotika der 1. Gen erat ion : Kl a si ehe Neuroleptika. Die e blockieren haupt ·ä hli h Dopa min -0 2-Rezeptorcn und v rur achen häufig extrapyra mi dalmotori ehe ebenw.irkunge n. • Antipsychoti ka der 2. Gene ration: Atypiche c urolcptika. Di se binden weni ' r ta rk an D2-R zeptoren und haben daher hwäc here ex tra pyram idalm Ior i · he benwi.rkungcn. b ein Antip y hoti kum c tra pyramidalmotorih cbcnwi rk ungen hat oder ni ht, ist vo n de r Dos is abh;ingig. I ies bede utet, dass so l h Ne bcnwirkunge n bei ni dr igcr I o ic ru ng von klas sischen eu rolept ika lt n ·r auft r •tcn, ab r
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auch bei hoher Dosierung der atypischen Antip y hoti ka auft reten könn en. Die Antipsyc hotika d r I. Generation we rden weiter eingeteil t na h der hemisehen Struktur (-+ Ta b. 3.4) oder na h der neurolepti hen Potenz (-+ Tab. 3.5). Wirkmechanismus
Der Wirkmechanismus der Ant ipsychotika ist nicht völl ig aufge klärt. Früher nahm man an, das die anti p ychoti he Wirku ng im We entl iehen durch ine Dopamin -D2-Rezept.or-Biocka de erzielt wi rd. Da jcdo h das be ond r gut antipsychoti eh 1virksame lozapin kaum an den 0 2-Rczcptor bin det, müssen au h ander Rezep tor n relevant sein. Dazu g hören im We entli ehen HT2.. - und Dopamin-D1- un d -D4-Rezep toren.
Ta b. 3.4 Einteil un g der Ant ip ychotika de r 1. Ge neration nac h der chemis hen Struktur
Trizyklische Neuroleptika Phenoth iazi n-Derivat • Thioridazin • Peraz in • Levom epro maz in • Chl orpromaz in • Perphe nazin • Fl up h naz in Thi oxa nth n-D rfvat • Chlorpro ti x n • Flupentixol -
Butyrophenon-Derlvate • • • •
Halop ri dol Bromp rldol ßenp ri dol Trlfl up ridol
Dlphenylbutylplperldlne
• Plmozid • Iu plrll n
Tab. 3.5 Wirkp rofile ni ede r- und ho chpotenter
Tab. 3.6 Die wicht igsten Vertret er kl assisc her
An tipsych oti ka der 1. Generation
Neurol epti ka
Wirkung
Niederpotent Hochpotent
Substanz
Sedierung
Stark
Gering
Niedrigpotente klassische Neuroleptika
Antriebshemmung
Stark
Gering
Ch lorprot ixen
z. B. Truxa l®
Levomepromazin
z. B. Neuroc il®
Antipsychotisehe Wirkung
Gering
St ark
Melperon
z. B. Eunerpan®
Extrapyramidalmotorische NW
Pipamperon
z. B. Oip iperon®
Gering
Sta rk
Thiorid azin
z. B. Melleril®
Anticholinerge NW
Ehe r sta rk
Antiemetische Wirkung
Schwa ch
Geri ng Mi tte lstark
Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Antipsychotika, insbesondere in der Akutbehand lung prod uktiv-psychotischer Akutsymptome bei Schizophreni en , ist sehr gut belegt Die Besserungsraten liegen bei ca. 75% gegenüber einer Besserungsrate vo n 0-20 % unter Plazebo. Abgesehen von den antipsychotisch nur schwach wi rkenden niederpotenten Antipsychotika der l. Ge neration unterscheiden sich die Antipsychotika der 1. und 2. Ge neration in ihrer Wirksa mkeit auf produkt iv-p ychot.ische Symptome unwesentlich. Metaanalysen haben nur eine leichte Überlegenheit von Olanzapin, Risperidon und Amisulprid gegenüber anderen Antipsychotika gezeigt. Die Auswahl des Medi kaments erfolgt daher im Wesentlichen nach den Kriterien Wirksamkeit bei früherer Behandlung und NebenwirkungsprofiL Das einzige Antipsychotikum, das bei Therapieresistenz anderen Antipsychotika gesichert überlegen ist, ist Clozapin (Leponex ). ~~ntipsy~~~k~ der 1. Generation Substanzen und Wirkung Die Antipsychotika der 1. Generatio n (klass ische
Neuroleptika, --+ Tab. 3.6) wirke n entwede r sedierend und psychomotorisch däm pfend (sogenannte niedrigpotente klassische Neuroleptika) oder antipsychotisch (soge nan nte hochpoten te klassische Neuroleptika). Sie blockieren vor allem Dopa min-D2-Rezep toren mit Wirkung auf die folgenden vier dopaminergen Ba hnsysteme: • Mesolimbisches un d mesokorti kales dopaminerges System: Beide Systeme w rden
Handelsname
M ittelpotente klassische Neurolept ika Perazin
z. B. Tax ilan®
Sul pirid
z. B. Dogmatil®
Hochpotente klassische Neu roleptika Flu phenazin
z. B. Dapotum®, Lyogen®
Perph enaz i n
z. B. Decentan®
Haloperido l
z. B. Ha ldol®
Benperido l
z. B. Glian imon®
Bromperi dol
z. B. lmprome n®
Flupentixol
z. B. Flu anxo l®
Pim ozid
z. B. Orap®
Flus piri len
z. B. lma p
®
mit der antipsychotischen Wirkung in Verbindung gebracht • Nigrostriatales dopaminerges System: Ursache extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen aufgrundder Blockade striataler D2Rezeptoren • Tuberoi nfundi bu läres dopaminerges System: Ursächlich für die Prolaktinerhöhung auf-
grund des Wegfalls der hemmenden Wirkung von Dopamin auf dje Prolaktinfreisetzung. Nebenwirkungen
Die wichtigsten Nebenwirkungen der klassischen Neuroleptika s.ind die extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen.
Frühdyskinesien. Vor allem bei hohen Do ierungen bei ca. 20 % der Fälle. Zungen-, Schlundund Blickkrämpfe sind am häufigsten. Es treten aber auch Verkrampfungen der Kiefermuskulatu r (Trismus) oder tortikollisartige Bewegungsstörungen am Hals oder den oberen Ex tremitäten auf. Diese Symptome äußern sich fast ausschließlich zu Behandlungsbeginn und werden meist durch einschleichende Dosieru ng verhindert. Antago nisierung dur h das Anticholinergikum 27
3
Pharmakologische Behandlung
Biperiden (AkinetoniW), da im otfall auch int-
ravenös gegeben wird. Aufgrund seiner euphorisierenden Wirkung kann Biperiden abhängig machen, bei hohen Dosen kommt es unter Umständen zu einem anticholinergen Delir. Parkinsonoid. Bei ca. 20-30% der Patienten. Einschränkung der Feinm otorik und Beweglichkeit, Erhöhung des Muskelton us (Rigor), klein schritt iger Gang, Hypo- bis Amimie und Salben gesicht owie Tremor. Manifestation meist nach l- 2 Wochen Therapie. Anticholinergika wirken nur gen ng.
Akathisie. Bei ca. 30% der Patienten kommt es zu motorischer Unruhe, die ich al Unfahigke it äußert sitzen bleiben zu können (Akathisie) oder als Drang zu ständiger Bev.regung (Tasiki nes ie). Do isanpassungen und Benzodiazepine lindern evtl. die Symptomatik. Spätdyskinesien, tardive Dyskinesien. Hier ha ndelt es sich um abnorme, unwi.llkürl iche Bewegungen hauptsächlich der Mu ke in des Kopfs und der Extremitäten wie Herausstrecken der Zunge. chmatzbewegungen, Seit\ ärtsbewegu ngen de Unterkiefers, rhythmischer Lippentremor (Rabbit-Syn drom) und Grimassieren. ie entwickeln ich meist nach jahrelanger 1herapie mit klass ischen Ne uroleptika bei 3- 5% der Pati enten pro Jahr. Malignes neuroleptisches Syndrom . Verläuft in 20- 30% der Fälle tödlich. I.eitsymptome: • Extrapyramidalmotorische Symptome. v. 'L schwerer Rigor • Vegetative Störungen, v. a. hohes Fiebe r. aber auch Tachykard ien. Blut lru kerhöhung. Schw itzen und Exsikko e • Fluktuierende Bewu stseinsveränderungen bis hin zum Koma • Aufgrund d s starken Rigo rs i t in bis zu 50% der Fäl le der Serum pi gel der Kreatin kinase (CK) rhöht. eltencr kommt es zu ei ner Leukozytose und L b renzyme rh öhung. Ein e Myoglobinur i kann zu renal n Kompli kationen führen.
Therapeutis he Maß nahmen bei 1mli'n m neurolcptis hem ynd rom: • Ant ipsy ho tika s fort abs tzcn • Vita lfunktion si h rn, imen ivm 'dizi nis h i.iberwa h n 28
• Flü sigkeitsausglei.ch und Heparinisieru ng • Ggf. Dantrolen, ein die Kalziumfreisetzung hemmendes Mus kelrelaxans. in Kombination mit dem Dopaminagonisten Bromocriptin. Differenzialdiagnostisch ist eine perniziöse. febrile Katatonie häufig schwer abzugrenzen. Andere Nebenwirkungen leiten i haus dem
Rezeptorbindungsprofil der Antipsychotika ab und be ·t hen z. B. in an !ich Iinergen ebenwirkungen. die .insbesondere bei niederpotenten klassi eben eurolept ika auft reten. Wei tere wicht ige ebenwirkungens ind Verlängeru ngen der QT-Ze it mit der G fahr maligner He rzrhythmusstörungen oder e.ine Hyperprolaktinämie mit Galaktor rhö und Menstruationsstörungen aufgrundder 0 2-Rezeptor-Biockade.
• Antipsychotika der 2. Generation Substanzen und Wirkung
Da erst .,atypisc he eurolepti.kum" Clozapin (Leponexw) ist seit den l970er Jahr n auf dem Markt und stellt den Prototyp atypis her Neu ro leptika dar. da es info lge einer fast völlig fehlendenD _-Hez ptor-Bio kade keine extrapyrami dal moto rischen Nebe nwirkungen entfaltet. Ab Mitte der l990er Jahre wurden w itere atypi ehe Antipsy hotika (Antipsy hotika d r 2. G neration) entwickelt. Dazu gehören: • Ri peridon (z. B. Risperclalll\)) • Olanzap in (Zypr xa 1K') • Quet iapin ( eroquel ) • Amisu lprid ( oli an ) • Zip ra idon (Zeldoxllll) • erlindol ( crdolcct ') • Aripiprazol (Abilifyllll). Der Begrirf ))atypisc h" ist eigentli h irreführend da au h be i den .. atypischen euro leptika" ex- ' trapyram id ·ilmotori he N b nwirkungen auftret n können. v. a. b i Ri paidon, Amis ulprid und Aripiprazol, da sie au h an 0 2- R ·zeptore 11 binden. I i Wi rkstärke aufpsy hoti · he ymptome ist vcrglci hbar mit der der klassis hen · ho hpotenten eu rolep tika. Auf rund der selt _ 11Cr auftretenden ·xtrapyramidalmotori hen cb ·rnvirkun rcn w~rckn si hiiultg als Mittel der er t n Wahl eing setzt. Di • Diflerenzialindikntion rgib l si haus dem benwirkun , spek. trumund dt:m An pr hen in fri.lhcr ' n Krankhcitsphascn (...,. Tal .. 7). Nur loza1 in ha t
nachgewiesenermaßen eine bessere Wirkung als alle anderen Antipsychotika. Nebenwirkungen
Bezüglich extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen sind die atypischen Antipsychotika in der Regel besser verträglich als die klassischen Neuroleptika. Dennoch treten sehr häufig andere relevante Nebenwirkungen auf wie: • Gewichtszunahme, metabolisches Syndrom, Diabetes: vor allem Olanzapin und Clozapin • QTc-Verlängerung, Rhythmusstörungen: vor allem Sertindol • Agranulozytose: vor allem Clozapin • Prolaktinanstieg durch Dr Rezeptor-Blockade: vor allem Amisulprid und Risperidon • Sedierung: vor allem Clozapin, Olanzapin und Quetiapin • Transaminasenanstieg: vor allem Clozapin und Olanzapin. Clozapin (leponex~
Clozapin ist das einzige Antipsychotikum, das bei Therapieresistenz anderen Antipsychotika überlegen ist. Aufgrund der Gefahr einer Agranulozytose darf es nur eingesetzt werden, wenn zwei Versuche mit anderen Antipsychotika wir-
kungslos waren, oder wenn dabei schwere, nicht behandelbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftraten. Wichtige Nebenwirkungen von Clozapin sind: • Agranulozytose. Risiko -1-2 % • Sedierung (durch H(Rezeptor-Blockade) • Vermehrter Speichelfluss (Therapieversuch mit Pirenzepin möglich) • Senkung der Krampfschwelle • Anticholinerge Nebenwirkungen mit Gefahr eines anticholinergen Delirs bei schneller Aufdosierung • Gewichtszunahme.
• Clozapin hat ein Agranulozytoserisiko von 1- 2% mit Häufigkeitsgipfel in der 6.14. Behandlungswoche. Daher müssen in den ersten 18 Wochen der Behandlung wöchentliche Blutbildkontrollen erfolgen, die danach monatlich fortgesetzt werden müssen • Der Patient oder sein Betreuer müssen schriftlich in die Therapie mit Clozapin einwilligen.
•
0 Wie lassen sich Antipsychotika einteilen und welches ist ihr Wirkmechanismus? 0 Inwiefern unterscheiden sich klassische und atypische Neuroleptika? 0 Nennen Sie die wichtigsten extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen der Antipsychotika der 1. Generation. 0 Welche Nebenwirkungen treten unter Clozapin auf und welche sind lebensbedrohlich?
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Tab. 3.7 Die wichtigsten Vertreter der Ant ipsychotika der 2. Generation und deren Besonderheiten
Substanz
Handelsname Besonderheiten
Clozapin
Leponex®
Risperidon
z. B. Ris-
Olanzapin
Zyprexa® Zypadhera®
• i. m. Gabe in Akuttherapie möglich, Depotpräparat vorhanden • Gewichtszunahme, Sedierung
Quetiapin
Seroquel®
• Gute sedierende Wirkung • Geringere Gewichtszunahme
Aripiprazo l
Abil ify®
Geringe Gewichtszunahme
Amisulprid
So li an®
Häufig Steigerung der Pro laktinsekretion
Ziprasidon
Zeldox.®
• i. m. Gabe in Akuttherapie möglich • Geringe Gewichtszunahme
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Nachgewiesenermaßen auch wirksam bei Therapieresistenz • Besondere Richtlinien wegen Agranulozytosegefahr • Ausgeprägte anticholinerge NW, Gewichtszunahme
• ln höheren Dosen auch extrapyramidalmotorische Nebenwirkunperdal®, Risgen perdal costa® • Als Depotpräparat verfügbar
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3
Pharmakologische Behandlung
Anxiolytika und Hypnotika • Ben~-~~iazepine Indikationen und Wi rkmechan ismus
Benzodiazepine wirken: • Anxiolytisch un d affektiv entspann end • Sedierend und hyp noti sch, al o chlafan bahnend • M uskelrelax ierend • Antikonvulsiv. Aus di esen Eigenschaften ergeben sich d.ie wi htigsten th erapeutischen Einsa tzbereiche: • Akutbeha ndlung vo n Angstzuständen wie Panikattacken • Sedierung und Anxiolyse bei schwer ängstlich-agitierten oder sui zidal-depressiven Patienten • Sedierung und Anxiolyse im Rahmen vo n Erregung zuständen bei Schi zoph re nie oder Mani e • Akutbehandlung ei nes schizophrenen oder depress iven Stupors oder Muti mus, vor allem mit Lorazepam • Kurzzeitbehandlung von Schlaf törungen. Benzodiazepine binden an spezifi ehe Benzodiazepinrezeptoren auf GABAerge n Neuronen und ve rstärken damit deren hemmende Fun ktion. Durch die Rezeptorb indung wird die Bindu ngsfä higkeit von GABAA -Rezeptoren erh öht, wodurch es info lge eines vermehrten Chlori dioneneinstroms zu einer Hyperpolarisation und damit Minderer regbarkeit der Nervenzellen ko mmt. Bei Überd osierung. z. B. in sui zid aler Ab ich!, können Benzodiazepin wirkunge n du rc h d n Antagoni ten Flumazenil (A n xate ) entgegen gewirkt werden. Klassifikation und Substanzen
Benzodiazepi ne Ia n si h nach der truktur und nach der Halbwert zeit ei nteilen. Häufig haben sie aktive Metaboliten, di z. T. eine erh eb li ch länge re Elimin ations-Halbwertszeit haben als die Mutte rsubstanz. Einteilung na h der Struktur: • 1,4-Benzodiaz pi ne, z. 13. Diazcpam, Loraz pam und Oxaz pam • 1,5 -Benzodi az pin , z. B. 'I bazam • Jmidazoi-Benzod iaze pinc, 7.. B. Midaz lam • Triazolo-B nzo liaz · pi nc, z. ß. Alp raz.ola m.
Einteilung nach der Halbwertszeit: • Ku rze Halbwe rtszeit, z. B. Midazoiam und Oxazepam • Mittlere Halbwertszeit, z. ß. Lorazepam • La nge Halbwertszeit, z. B. ordi azepam. Nebenwirkungen und Abhängigkeitsentwicklung
Jn sge amt sind Benzodiazcp in e seh r gu t ve rträglich und haben eine sehr gro ße therapeutische Breite mit Überdo ie run g sicherheiL Wichtige Nebe nwi rkunge n ind : • Müd igkeit und Verlangsa mung de r Reak ti onszeit • Muskelrelax ierende Wirku ng • Paradoxe Ph änomene, vor allem bei älteren Menschen, mit Agitierth eit, Erregungszustände n und S hiafl o igkei t • Blutdruckabfa ll und Atemdepress ionen, vor allem bei schneller i. v. Appli kation • Hohe Abhängigkeit gefahr.
• Benzodiazepine sollten generell nur nach strenger Indikationsstellung und nicht länger als 3-4 Wochen in einer möglichst niedrigen Dosierung einge etzt werden • B i abhängigkeit gefährdeten Patienten sind sie zu verm id n und durch sedierende, niederpot nte Antip ychotika oder Antidepres iva zu er etzen. Aufgrund de r Gefahr von Ent zugssy ndromen dü rfen ßenzodiazepin , in besonde re nach läng re r Ga be, nicht ab ru pt al ge etzt w rden, sande m mü sen au geschli hen werd en (fraktionierter Entzug, -t Ka p. 9). Wi htige Entzugs symptome si nd : • leichte Entzugssymptome: inn r Unruhe, hla llosigkeit und Ang ·t, gcr izl Stimmung, Zillern, Ta hykardi e, hwitzen, Übelkeit und Erbre hen • Schwere Entzug sy mptomc: Deli rien mit psy hotis hen ' ymptom n und Krampfanfäl 1 n in bis zu 20 % de r fä ll e.
Non-Ben zodiazepin -Hypnotika Di , No n-ßcnzodiaz pi n-ll y1notika Zo1i Ion, Zolp idcm und Zaleplon - . u h /.-Substanze n ge-
30
nannt - wirken weniger stark als die Benzodi azepine, führen aber auch seltener zu Abhängigkeitssyndromen. Sie unterscheiden sich durch ih re Halbwertszeit und werden folgendermaßen eingesetzt: • Zopicl on (z. B. Ximova n®): aufgrund langer Halbwertszeit von 5 Stunden bei Ein- und Durchsch lafstörungen • Zolp idem (z. B. Stilnox ): aufgrundkurzer Halbwertszeit von 1- 3,5 Stunden bei Einschlafstörungen • Zaleplon (z. B. Sonata®): aufgrundsehr kurzer Halbwertszeit von I Stu nde auch bei nächtlichem Aufwachen.
~-~~9 ~~-~--~-xe~-~-~!~~------------ _____ _ Wenn bei Schlafstörungen sch lafhygienische Maßnahmen (-t Kap. lS) nicht ausreichen, sollten zunächst pflanzliche Präparate versucht
werden, z. B. Hopfen- un d Baldrianpräpara te. Der Effekt ist jedoch nur schwach ausgeprägt. Frei erhältliche Antihistaminika wie Diphen hydramin oder Doxylamin sind wegen anticholine rger Effekte in vor allem höheren Dosen weniger zu empfehlen . Kurzzeitig kann auc h Chloralhydrat (Chloraldurat®) versucht werden, das jedoch nur eine enge therapeutische Breite besitzt un d nach 2 Wochen einen Wirkverlust durch Enzyminduktion aufweist. Schlafstörungen können effektiv auch m it niederpotenten Neuroleptika wie Promethazin (z. B. Atos il ), Melperon (z. B. Eunerpan®) und Pipamperon (z. B. Dipiperon ) oder mit sedierenden Antidepressiva wie Mirtazapin (z. B. Remergil®), Trimipramin (z. B. Stangyl®) und Am itriptylin (z. B. Saroten®) behandelt werden. Der große Vorteil ist, dass bei diesen Substanzen kein Suchtrisiko besteht.
•
0 Welches Wirkspektrum haben Benzodiazepine und wie lassen sie sich einteilen? 0 Nennen Sie die wichtigsten Symptome eines Benzodiazepinentzugssyndroms. 0 Welche Substanzen werden sinnvollerweise zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt?
Antidementiva Zur Behandlung der Alzheimer-Demen z sind Acetylcholinesterase-Hemmer und Glut-
amatmodulatoren zugelassen (-t Kap. 5). Diese Substanzen erwiesen sich in kontrollierten Therap iestudi en zwar einer Plazebo-Behandlung als überlegen, stab ilisieren aber nur bei einigen Patienten den Verlauf für kurze Zeit. Das Voranschreiten der Krankheit verhindern sie nicht. Die Acetylcholinesterase-Hemmer inhibieren den Abbau von Acetylcholin und erh öhen dadurch dessen Konzentration im synaptischen Spal t. Damit wird versucht, einem "c holinergen Defizit" aufgrundd er Degeneration cho linerger Neuronen entgege nzuwirken. Zu den Acetylcholinesterase-Hemm err1, die zur Behandlung leichter un d mittelschwerer l"orm en der Al zheim er-Deme nz zugelassen sind, ge hören:
• Donepezil (A ricept ) • Rivastigmin (Exelon ) • Galantamin (Reminyl®). Als wesentliche Nebenwirkungen treten Durchfa ll, Übelkeit und Erbrechen sowie Muskelkrämpfe auf. Selten kann es, vor allem bei Kombination mit Betablockern, zu Bradykardien und Stürzen durch Synkopen kom men. Vorsichtig einzusetzen sind die Wirkstoffe bei schwerem Asthma, bekan nten Herzrhythmusstörungen und Prostatahyperplasie. Der Glutamatmodulator Memantin (z. B. Axura oder Ebixa®) ist zur Behan dlung mittel schwerer und schwerer l~or m en der AlzheimerDemenz zugelassen. Diese Substanz bindet an den NMDA-Rezeptor-Subtyp der Glutamatrezeptoren, wodu rch eine schädliche überst imulation glutamaterger Neuronen antago nisiert wird.
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3
Pharmakologische Behandlung
0 Nennen Sie wichtige Antidementiva und deren Indikation.
Psychopharmaka bei Abhängigkeitssyndromen Medikamente zur Behandlung des A~k~h~l~n-~z~g:s~~d-~o!"~ _ Zur Behandlu ng eine Alkoholentzugssyndroms oder -deli rs ( ~ Kap. 9) werden eingesetzt: • Clomethi azol (Distraneurin ) • Benzodiazepine wie Diazepam (z. B. Valium®) • Ant ipsychotika wie Haloperidol (z. ß. Hal dol ) bei psyc hotischen Symptomen. Clomethiazol (D istraneurin ")
Clomethiazol ist bei einem unkomplizierten Al koholentzugs yndrom Mittel der ersten Wahl. Bei Unverträglichkeit kommen auch Benzodiazepi ne in Frage. Clometh iazol verstärkt die Wirkung der inhib itorischen eurotransmitter GABA und Glycin, insbe ondere am GABAA-abhängigen Chloridionenkanal. Sein be anderer Vorteilliegt darin, dass es sedierend und hypnotisch sowie antikonvulsiv wirkt und ein Delir ve rhi ndert. Die Gabe erfo.lgt oral al Kap ein oder Mixtur. Clomethiazol ist prinzipiell sehr gut verträglich . Hauptnebenwirkung ist eine teigerung der Bronchialsek.ret ion, evtl. mit Bronchospa men , wesha lb es bei Lunge nerkrankungen kontraindi ziert ist. In hohen Dosen kann es zu Blutdruckabfall, Atemdepres ion und Bewuss tlo igkeit kommen. Da e ein hohes Abh ängigkeitspotenzial besitzt, darf es n ur station är eingesetzt werden und muss, um Entzugs ynd rome zu ve rmeiden, aussch leichend abgese tzt werde n.
• Medikamentöse Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit Zur medikamentö en Rü kfallprophylax~.: bei Alkoholabhängigkeit eignen si h 1rei SubstJ nzen (-+ Kap. 9): • Acamp rosat ( arnprJI ): ~ wi rkt dur h ant agoni tische Wirkung nrn glul amat cr en NMDA -R ze ptor al' "A nti- ra ving-Substan z''
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• Naltrexon ( emcx inll<- ): Ein ~t- Opioi d
Rezeptorantago nist, der allerdings in Deutschland nicht zur Alkoholrückf~l ll pro ph ylaxe zugelasse n ist. aber chwere Rückfäl.le vermeiden und die Trinkhäufigkeit red uzieren kann • Disu lfi ram (Antabusll > ): Hemmt die Aldehyddehydroge nase, was bei Alkoholzufuhr zu ei nem starken Anstieg von Ac t·1ldehyd führt. Dadurch entsteht eine ehr unangenehme Alkohol-Unverträglichkeitsrea ktion m it Kop f chmerzen, hwindel, Tachyka rdie, ,. belkeit, Erb rechen, Atemnot, Blu tdrucka 11 _ stieg, chwitzen und starker Angst. Bei starkem Alko holkonsum unter Therapie sind To desfälle beschrieben. Die Unve rträglichkeitsreaktion oll al Aversivtherapie den weiteren Alkoholkon um unterbinden, ist aber nur bei Patienten mi t guter ozialer Anb indung zu empfehlen .
• Substitutionstherapie bei Abhängigkeitserkrankungen Bei Opiatabhängigkeit werden die lang wirk amen Opi'ltr zc: ptorantagoni ten Methadon, Levo m tl1adon od r But renorphin als ubstit uti on medikam ent ebegleiten I. zur psy hosozialen 1l1era pie eingesetzt. · ine ub til ution verbessert die 1l1crapietreu und vc rmind rt len Drogen ko nsum . Die Abgabe lie er , ub titut ionsmedi kame nte muss streng kontro ll iert wcrd n und darf nur dur h ntspr hend qualifizi rte Einrie bt ungen erfolgen. Bei Nikotin abh ängigkel t wi rd im Rahmen von Rau he rcntwöhnungsp rogrammen Nikotin oda d ' r pa rtielle iko tinrczc.:ptora~o ni st Varen.i Iin ( hampix.x ) al· Er atzs toll eingesetzt. Damit soll da s Nikt tinent7.u •s ' )' 11 lrom - s äuBert ·i h durch Rei zbarkeit , innere nruhc, Stimmun gss ·hwanku n' ·n bis hin zu d ·prcs ivcn . yrnptomcn, Konz •nt ra tionsslörung n, App •titstci gcr utl• und i•wi ·ht szu nnhmc gemil dert wcnl ·n.
/
•
0 Weiche Psychopharmaka werden zur Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit eingesetzt? 0 Nennen Sie Symptome des Alkoholentzugssyndroms und beschreiben Sie deren Behandlung.
Psychostimulanzien Psychos timulanzien sind Psychopharmaka, di e antriebssteigernd wirken und Wachheit, Aufmerksamkeit und Konzentration fö rdern. Demzufolge sind sie beim Aufmerksa mkeits-Defi zitHyperaktivi tätssyndrom (ADHS) ( ~ Kap. 17) und Zuständen mit erhöhter Müdigkeit indiziert. Zu den Psychostimulanzien gehören: • Methylphenidat (z. B. Ritalin , Concerta®): Zur Behandlung des ADHS im Kindes- und Jugendalter zugelasse n. Unterli egt dem Betäubungsmittelgesetz • Modafinil (Vigil®): Zugelassen bei Narkolepsie sow ie exzes iver Tage müdigkeitbei Schichtarbeitersyndrom und SchlafapnoeSyndrom. Verschreibungspflichtig
• Amphetamin salze: Als Adderall®in den USA zur Behandlung des ADHS zugelassen. Psychostimulanzien wirken durch Blockade von Dopamin- und Noradrenali n-Transportern und erhöhen damit die Konzentration dieser Botensto l e im synaptischen Spalt. Dadurch sind auch die Nebenwirkungen wie Unruhe, Tachykardie, Schlafstö rungen und Appetitminderung zu erklären. Außerdem kommen Abhängigkeitsentwicklungen und eine Auslösung von Manien und Psychosen vor, v. a. bei genetischer Prädisposition. Der Effekt derAmphetamineist stärker als der von Methylphenidat, da diese auch di rekt die Freisetzung von Dopamin aus dem präsynaptischen Neuron fördern .
•
D Wie wirken Psychostimulanzien und bei welchen Erkrankungen sind sie indiziert?
Psychopharmakatherapie unter speziellen Gesichtspunkten Fahrtauglichkeit Patienten müssen immer daraufhingewiesen werden, dass Psychopharmaka die Sicherheit im Straßenverkehr und bei der Bedien ung gefahrli eber Maschin en zum Teil erh ebl ich beeinflussen. Insbesondere bei der Neueinstellung auf Psychopharmaka ist von solchen Tätigkeiten abzurate n. Da Gefährdungspotenzial ist allerd ings von Substanz zu Substanz verschieden. Ve reinfac ht gesagt ist da Gefäh rdungspotenzia l umso höher, je stärker sedierend und anti h li nerg eine ubstanz wirkt. Demnach besteht ein hohe Gefährd ung potenzial bei Benzodiazc pinen und tri zykli eben An tidepressiva, ein relativ geringes bis kein Gefährdung potem.ial d ·~gege n bei de r Gabe von SSR!s. Jeder Arzt hat: ine Aufklärungspfli ht über Risi ken von Psychopha rm aka in de r Alltags icher-
heit und muss diese Aufklärung schriftlich dokumentieren. Alter In der Regel reagieren ältere Menschen empfind licher auf Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka, was im Wesentlichen auf Ände ru ngen in der Pharmakokinetik, aber auch Pharmakady nami k zurückzuführen ist. Dazu gehören z. ß. reduzierte Metabolisierungen in der Leber und eine erminderte renale Clearance. ln der Regel sollte die niedrigste wirk ame Dosis einge etzt werden und eine Polypha rmakatherapie - wenn immer möglich - verhindert werden. Als Faustregel gilt, das alte Menschen etwa die H:ilfte der Dosi jüngerer Menschen erhalten sollten. Plasmaspiegelbes timm ungen von Medi kamenten schaffen zu ätzli h Sicherheit über die richt ige Dosieru ng. 33
-3
Pharmakologische Behandlung
Tab. 3.8 Besonders problematische Psychopharmaka in der Schwangerschaft und deren Au swirkungen
Substanz
Substanzgruppe
Auswirkungen
Benzodiaze p ine
Hypnotika
• Evtl. Lippen-Kiefer-Gaumen -Spalte • Entzugssyndrome • Perinatal evtl. Floppy -infant-Syndrom m it M uskelhypoton ie, Lethargie und gestörten Saugreflexen
-------------------------------------Lith ium
Stimm u ngsstabili sierer
• • • •
Arrhythmien Hypoton ie Hypothyreose beim Kind Eb stei n-Anomal ie
Carbamazep in
Stimmungsstab ilisie rer
Spina b ifida
Valpro insäure
Stimmungsstabi lisierer
Spina bifida
Schwangerschaft und Stillzeit
chwangcr chaft mei ten der roßteil des rs ten Trimenon , in dem di mei ten releva nten teratogenen Effekte auftre ten, bereits verst richen. Allgemein mpfiehlt sich or Beginn ei ner p ychopharmakotherapie der u sc hl u seiner chwang r ha ft. Eine wirksame Kontrazep ti on unter Therapie is t immer zu empfeh len. Di. wichtigsten teratog ncn Effek te von Psychopharmaka zeigt di e Tabell e(-+ Tab . 3. ).
Psychopharm aka soll ten in chwanger chati und Stillzeit, wenn immer möglich, vermieden w rden. Bei der Risikoabwägu ng ist aber au h zu berü k ichtigen, dass das abrup t Ab etze n in der Schwangerschaft zu einem erhö hten Risiko eines Wied erauftretens z. ß. einer Psychose ode r Dep ressionen führen kann, wa Patientin und Kind unter mständen deutl ich meh r s hädigt als ei ne fortges etzt Medikamenteneinnah me. Darüber hinaus ist bei Fes t· tcllung ei ner
Welche Psychopharmaka beeinträchtigen die Fahrtauglichkeit besander tark? Welche prinzip iellen Anpassungen der Psychopharmakabehandlung sind im Alter innvoll? Welche Psychopharmaka haben ein besonder hohe teratogenes Potenzial?
Das Cytochrom-P450-System Fas t al le Psy hophannaka - Au nahmen bilden Lithium und Am isulprid - wer len üb r da s sogenannte Cytochrom -P450-System der Lebe r vers loffwech selt. I iese Enzy msystem besteht au vers hiedene n Protein -Varianten, ogenannten Iso-Enzy m n, di rela ti spczifi h nur bes timmt e P ychopharmak't met~1boli s i e r n. Die wich tig tcn I ·o- nz mc . ind YPI , YP 9, YP2 19, 'YP2D6 und .YP3M . Klini s ·h bcdcuts·w, ind in dit:scm Zusa mmenh ang geneti sche Varianten und Medikament nint rakti Oll 11 .
Genetische Varianl ' n. t·: s r.ibt Gen arialltl:n in Ii ese n Enz m ·n, d. h. Pol m Hphi snl ·n, die dazu führe n. dass dicSL' Enz 111c ·ntwcdcr 34
sc hw·1 h arbeiten oder soga r inaktiv si nd. Gen träger di r Varian ten bauen Mcdik:Hnent.e se hr langsam ab, wa · ·chon bei klein n Dosen zu Ncbenwirkun' n fiih rL·n kann. I .iesc Genträ'Cr we rden au h Poor metabotizer (PM) genannt - im Gegensa tz zu Exten sive met abolize r (EM), die ein e no rmal Enzy maktivität und M ·tabu lisicrung bc ·it zc n. E. ibl au h so' · Ult ra-rapid metabotizer ( M). l icsc bauen Medikament e sehr s hn ' ll at, wodur h kL'inL' ausn· i ·hendl•n lla smakon ze ntration ' I I aufgeba ut w ·rden, was flir ein Thcr:rpi · crsagen V' rantworlli ·h se in I ann . Die
Genvarian t ' II
kii l llll'll
mukkularbiologi. ·h l e' 11 '•l ·n
stirnml wc rd l·n . ' erumspi ·gelkL>ntro ll
Auskun ft über den Metabolis ierungssta tus und Hinweise auf das Vorl iegen eines genetischen Polymorphismus. Medikamenteninteraktionen. Ma nche Antidepress iva wie die älteren SSRis Paroxetin , Fluoxeti n und Fluvoxamin hemmen die Akti vität von P450-I oenzymen. Dadu rch wird auch der Abbau anderer Substanzen gehemmt, was zu Intoxikation der entsprechen den Medikamente bei Kombinationstherapie führ t. And ere Medi kamente wie Carbamazepin sowie Lebensgewohnheiten, insbesondere Rauchen, induzieren diese Enzyme, sodass der Abbau vo n Medikamenten beschleunigt wird .
• Das Cytochrom-P450-System ist für die Metabolisierung der meisten Psychopharmaka wichtig. Genpolymorphismen und Enzyminduktionen bzw. -inhibitionen führen zu relevanten Arzneimittelinteraktionen, aber auch zu starken Nebenwirkungen oder Wi rkverlust bzw. Therapieresistenz • Durch Plasmaspiegelbestimmungen können poor und ultrarapid metabolizer identifiziert werden .
•
0 Nennen Sie wichtige Cytochrom-P450-Isoenzyme und deren Bedeutung für die Pharmakakinetik von Psychopharmaka.
Andere biologische Therapieverfahren • Elektrok~-~Y'':!.~~i~n~therapie Bei der Elektrokonvulsionsthera pie (EKT), frü her auch Elektrokrampft herapie oder "Schocktherapie" genann t, wird unter Kurznarkose und Muskelrelaxa tion du rc h elektrische Stimul ati on des tempo -parietalen Schädel bereichs der nichtdominanten Hemisphäre - also in der Regel rechts - ein epileptischer Krampfanfa ll ausgelöst, der 30-60 Sekunden anhält. Die EKT i t indizie rt: • Bei wahnhaften Depressio nen • Bei therap iere i tent n Dep ressionen • Selten bei therapiere istenten Manien und Schi zoph re nien, vor allem bei pern iziöser Katatonie. In de r Regel werden 6- 12 itzu nge n durchgefü hrt, wobei meist 2- 3 Sitzu nge n pro Wo he stattfinden. Fa ll s d.ie unilaterale Behandlung keinen ausr ichenden Erfolg zeigt, kann ei ne bilaterale tim ulation anges hlosscn werden. Die Elektrod n können au h bitcmp ral aufgese tzt werden, was jedoch meh r Nebenwirkungen verursa ht, vor all em kognitive. Die Therap ie ist bei bis zu 80 % de r therapie res istenten D pr ssionen erfolgreich. Sie wird !rotz der guten Erfolge h:iufig üb rhau pt ni ht oder we nn, dann sehr spät im Therapiev rlauf eingesetzt. An eine er-
folgreiche EKT kann sich eine Erhaltu ngstherapie mit EKT-Sitzungen alle 2- 4 Wochen anschließen. Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Häufige und vor übergehende Nebenwirkungen sind Kopfschm erzen, Übelkeit und Muskelkater sowie eine anterograde und retrograde Amnesie mit leichte n kognitiven Störungen, v. a. der Merkfähigkeit Bleibende Gedächtni. verluste treten bei unllateraler Sti mulation in de r Regel nicht auf, können aber bei beidseitiger Stimulation, insbesondere bei bitemporaler Stimulation, vorkomm en. Die Mortalität liegt bei I : 50.000 Behandlungen, was dem allgemeinen arkoserisiko ent pricht. Absolute Kontraind ikationen gibt es nicht. Schwere zentraln ervöse Störun ge n oder kardiale Erkrankungen sind eine relative Kontrain dikation.
• Schlafentzugstherapie Bei der Schlafentzugstherapie wi rd in der Regel der komplette chlaf einer ga nze n Nacht ntzogen. Die 'l11erapi ist indiziert bei the rap ieresist nten Depressionen, insbe ondere bei zirbdh n n Tagess hwa nkungen mit: Morgenti ef Ca. 60 % der Patien t n sp rechen 1n h kompl tlem 35
3
Pharmakologische Beha ndlung
chla fentzug mit einer Stimmungsverbe serung an. Entscheidend ist, das ie nach einem Sc hi arentzug auch ni ht für nur kurze Zeit schlafen, sondern erst am darauffolgenden Abend zu Bett gehen. Durch den erneuten nornnl en hlaf fallen aber ca. 80% der Patienten wieder in die schlechte Stimmung zurück, sodass Schlafentzüge auch seri ll angeboten werden.
Lichttherapie Bei der Lichttherapie wird - in der Regel einmal am Morgen und einma l am Aben I - fü r ca. 30120 Minuten hel les, weißes Licht mit ei ner Lichtstärke von 2.500 - 10.000 Lux appliziert. Dieses Therap ieverfah ren wi rd insbesondere bei sa i 0 _ ~al erla ufenden Depressio nen, die regelmäßig tm Herb t und Wmter auftreten, ei ngesetzt.
0 Ne_nnen Sie Indikationen und Nebenwirkungen der Elektrokonvulsionstherapie. 0 Bei welchen Formen der Depression ist die Lichttherapie indiziert?
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren Sabine Frauenknecht
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Psychoanalyse und tiefenpsychologisch orientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gesprächspsychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paar- und Familientherapie...... ..... .. .. . ... . . .. . ...... . ..... ... ...... .. .
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Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Supervision, Soziotherapie und Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
Einführung Definition Psychoth era pie ist ei n Verfahren, das körperliches oder psych isches Leiden mit psychologischen Interventionen behandelt. Die ·n1erapie erfolgt auf verbaler und nonverbaler Ebene. Die dabei verwendeten J\tleth oden werden bewusst, geplant und gezielt eingesetzt. Das th erapeu ti sche Vorgehen orient iert sich an empirisch gesichertem Wissen über da pektrum menschl ichen Erleben und Verhaltens. Patient und Therapeut gehen dabei eine therapeutische Beziehung ein.
• Therapieschulen Die Gesch ichte der Psy hotherapi e war lange davon geprägt, dass sich ver chiedene, voneina nder getrennte Psychotherapieschulen entwi ckelten. Dies nahm en fü r sich jeweil in An pruch, alle p ychischen Erk rankun gen behan deln zu könn en_ Die mittlerweil e zahlreichen einden werd en fünf Therapie-Hauptgruppen zugeordnet (na h Hohage n et al., 2009) : 1. Humanistische (erlebnisorientierte) Therapien: z. B. klienten zen triert e Ge prä h psychotherapienach Roge rs, Ges talttherapie, Psychodrama 2. Psychodynamische (= tiefen psychologische) Therapien : Psychoanalyse, tiefenpsycho logisch fundierte P yc hothera pieverfahren 3. Kognitiv-behaviorale Therapien : "kJa iehe" Methoden der V rh altens therapie, kognitive Verfa hren Interpersonelle und systemische Therapien : interperso nelle Psy hotherapie, Paar-
und Fami lienthera pi e 5. Ergänzende spezi elle Therapieverfahren : Ent pannungsverfahren, Hypnose, köq rp y hoth npeutis he Intervent ionen.
Moderne Psychotherapie ln den v rga ngenen drei Jab rz hntcn ist ei ne Entwicklung zu b oba hten, di e si ·h vom . tarrcn , schulenbezog n n Denke n lö t und i h vermehrt mit k r Wirksamkeit von Psychotherapie auf wissens haftli chl'r Basis au . ·in and ·r se tzt. Dar·ws ntstan lcn zwei S hwcrpunkle:
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• Allgemeine Psychotherapielehre: ie ge ht der Frage na h, wie P y hotherapie überhaupt c
wirkt • Spezielle Psychoth erapielehre: ie entwickelt
törungs pezifisc he Psychotherap iea nsätze und befas t si h damit, welches psychotherapeut ische Vo rgehen be i welchen Erkrankungen fü r welche Patienten wirk am ist. Überd ies .int egrieren moderne Psy hothera pieverfa hr n gleichermaßen Erkenntni se der Neu robiologie, Ge netik und Psy hoth erapieforschung. Mi ttlerweile ist unbestri tten, das psychothe rapeuti sche In tervention n Veränderungen auf körperlicher Ebene hervorrufen wie um gekehrt somati ehe erfahren wie P ·ychopharm akotherapie zu einer Li nderung psychi scher Be hwerden führen kön nen. Störungsspezifische Therapieansätze
Moderne, törungs pezifisc he P. ycho th era pie ve rst ht si h ge mäß der komplexen Ätiologie psychi eher töru ngen al · multimodale Thera pie . Sie integ riert einer eits vers hiedene Thera, piebausteine (= Module), die sich bei der jeweiligen Störung in klinischen Studie n als wirksa m er wi ese n haben. i . chließ t ande rer eits aber au h die Behandlung mit Psychopharmaka oder andere n biologischen Verfahren nicht aus. Bei piele für törungs pezifis he Psy hoth era pieverfahr n sin 1: • Di e dialekti ch-b hav ioral Th erapie (nac h Linehan) bei ßorderline-Persönli hke itsstörung (-+ Kap. 12) • Die int erperso nelle Psy hotherapie (!PT, na h Klcrman und WcisSITHln) b i Depre I onen • Di multimodale ko nit iv -behavio ral Psyh th Ta pie b ·i Zwa ng·stö rung n.
Grundlagen therapeutischen Handelns Die Qualität der th rapeutis ·hen Bezieh ung spielt eine bedeutende Ro lle für deu Erfol d r Psy -hoth crapi '. Grundbedingungen dafür si nd: • Grundsä tzli · hl' W ·rts ·hii1zu n ' Jcs Pa tient n und s ·in ·r Probkme, lkgcgnu n ' "a uf Aug nhöhc" • lloh cs Mag an EmJ athie (E infühlun nsv ' rmö gen) und Auth ·n tizit:'l (E · ht h-·it
• • • •
Fachliche Kompetenz Vermittlung emotionaler Nähe Respektieren von Grenzen Transparenz und Aufkl ärung, z. B. über verwendete Ve rfa hre n, Alternativen, mögliche unerwünschte Wirkungen • Konsensbildung, d. h. Einigung auf die zu behandelnden Problern e und Therapieziele.
Psychotherapien im Sinne eines komplexen therapeutischen Verfahrens werden durchgefüh rt vo n: • Fac härzten für Psychiatrie und Psychotherapie • Fachärzten für psychotherape utische Medizin • Anderen Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie • Psychologischen Psychotherapeuten. Setting:
• • • •
Einzelpsychotherapie Gruppenpsychotherapie Paa rbehandlung Kombination aus verschiedenen Elementen.
Finanzielle Rahmenbedingungen:
Anerkannte Verfa hren, de ren Kosten in Deutschland auf Antrag vo n der gesetzlichen
Kra nkenve rsicherun g übernommen werden, si nd: • Verhaltensthe rap ie (kognitiv- behaviorale Psycho therapie) • Tiefenpsychologische Ve rfahren. Psychotherapeutisches Handeln erfolgt aber auch durch:
• Beratung stellen, z. B. Paar-, Fa mili en-, Erziehung beratungs-, Suchtberatungsstellen, oder Anlaufste llen fü r sexuell missbrauchte Frauen • Allgemeinmediziner mit hausärztlicher Funktion, sog. Grun dversorgung psychischer und psychosomatischer Erluankunge n • Sozialarbeiter oder -pädagogen mit therapeutischer Ausbildung, z. B. in der Jugend- und Familienhilfe • Kirch liche Seelsorger • Mi tarbeiter von Langzeiteinrichtun gen, z. B. in Heimen fü r geistig behinderte Menschen oder Wohnheimen der Kinder- und Jugendhilfe. • Wesentliche Faktoren fü r das Gelingen einer Psychotherapie sind die Qualität der therapeutischen Beziehung und die fachliche Kompetenz des Therapeuten.
0 Welche "Therapieschulen" kennen Sie? 0 Nennen Sie für jede Therapieschule eine ihr zugehörige Therapieform. 0 In welchem Rahmen findet in Deutschland therapeutisches Handeln statt?
0 Welche Therapieformen werden auf Antrag von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen?
Verhaltenstherapie • Definition Psychothe rapieform, die sich sei t den 1950er Jahren aus empirischen Untersuchungen zu beobachtbarem Ve rhalten und daraus abgeleiteten Lernprozessen entwickelte. Heute werden unter dem BegriffVerh altenstherapie ei ne Vielzahl ve rsch iedener ve rhaltensth rapeuti scher und kogn itiver Te hnike n, Interventionen und Therap ieansäl:i.e zu am meng fasst. Als Verhalten werden dabei ni hr nu r be-
obachtbares Reagieren und Handeln, sondern auch intrapsychische Prozesse verstanden. Dazu gehören beispielsweise die Wa hrnehmung, Bewertung, Speicherung oder Ve rarbeitung vo n In for mationen und motio nal Reakti onen. Die moderne Verhaltens the rap ie richtet ich also nicht au chließli haufe ine Mod ifika tion des nach auß n ichtbar n Ve rhalte ns, sondern ermögli cht: au h eine Ve ränderung von intrapsychi schen Pr z s n od r Beziehungsaspekten.
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
• Historische Entwicklung Die frühe Verhaltenstherapie • Einführung des Begriff "Verhalten therapie" in denl950er hhren • Konzentri ert e sich - als Gege nbew gung zur P ychoana ly e - auf da. i htbare Verhalten, d. h. auf empirische Un tersuchun gen von Ve rh alten als Reaktion aufUmwe ltreize • Orie ntierte sich an der Lerntheorie, insbeso ndere an den Konditionierungsmodelten . Klass ische Konditionierung_ Diese r Begriff beruht auf den Unter uchungen des russischen Phys iologe n und Nobelprei träge rs lwa n Petrowit eh Pawlow (l849- 1936) zu Beginn des 20. Jah rhund ert ( ~ Abb. 4.1): Er beobac htete, da ·sein Hund auf das Da rbieten von Futter (= unkon dit ionie rt er Iimu lus) mit Speichelfl uss( = unkonditio nierte Reaktion) reagie rt. Um den Hu nd zu k o n dition i e ~en ,_ wird vor der eigentl iche n Futtergabe jeweJI 111 neut raler Reiz dargebo ten ( = Glockenton). Der Hu nd
I rnl so, dass er bei m Läute n der Gloc ke Futter bekomm t. Schli ßli h reagiert er allein auf den Glockenton (= ko ndit io nie rter 'li mulu ) mi t Speic helfl us , ohn e das überhaupt Futter ber it ges tellt wird( = ko nd it ionie rt e Rea kti on).
Operanie Konditioni erung. Das opera nte oder inst ru mentelle Kond itioni eren ge ht auf di Tierexper im en te des Ame rikaner Edward 'lhorndi ke (I '74- 1949) zurüc k, die von Bu rrhus F. kin ne r (1 04 - 1990) in de n 1920er Jahren aufgeg rifte n und m ditizi rl wu rden. Eine ze ntrale Er kenn tn.is \ ar, das Verhalten im V\ se ntlichen dur h 'eine Konsequenzen best imm t wird: Ei n Verhalten, da belohnt oder erleich tert wird, also ange nehme Fo lgen für den Orga nis mus hat oder zum \Vegfa ll ein r Bestrafung führt, wird zu künft ig hä ufiger wiede rholt. Ve rhalten, das hi ngegen bestraft wird und mi t un ange nehmen Folgen ve rbu nden ist, wird häufi ger unterdrückt. Ve rh alte n, d :.~ s intermittierend verstärk t wi rd, d. h. bei d r die Belohn ung unre-
~
ucs
UCR (Speichelsekretion und Fressen)
(Futter)
es
• CR (S peichelsekretion)
(zunächst neutraler Reiz, z.B. Glockenton)
<(
oRcs (zunächst Orie ntierungsrea ktio n auf den neutralen Reiz hin) UCS . unkondilionl rt r Stimulus CS: konditioni ert r Stlmulu
UCI~ : unkondlllonl rt
CR: OR :
R Clkll on k n 1lloni rt R kll n rl nti run sroaktlon
Abb. 4.1 Kl
nl run [V 4 40
/
gelmäßig erfolgt, ist besonders schwer wieder zu verlernen(= löschungsresistenz). Unterschieden werden vier Formen von Verstärku ng (C = Consequence): l. Positive Verstärkung (C+) =Belohnung, Bekräftigung: - Erhöht die Auftretenswahrscheinlichkei t des Verhaltens - Beispiel: Mutter ,,beruhigt" ihr ungeduldiges, schreiendes Kleinki nd an der Supermarktkasse mit dem Kauf eines Schokoriegels 2. Negative Verstärkung (t - ) =Wegfallen einer negativen Konsequenz, Erleichterung: - Erhöht die Auft retenswah rscheinlichkei t des Verhaltens - Beispiel: Vermeidungsverhalten bei Pa nikattacke n führt zur vo rübergehenden Abnahme von Angst und wird deshalb immer häufiger eingesetzt(-+ Kap. 10) 3. Indirekte Bestrafung (r/- +) = Wegfall einer positiven Konsequenz: - Verringert die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens - Beispiel: Einer stationär behandelten Anorexie-Patientin wird bei erneuter Gewichtsab nahme der Zugang zu Sportgeräten eingeschränkt 4. Direkte Bestrafung (C-): - Erniedrigt kurzfristig die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens - Ist aus eth ischer Sicht als therapeutisches oder erzieherisches Mittel abzuJehnen . Klass ische und operante Kondition ierungsprozesse können als Erklärungsmodelle für zahlreiche dysfunktionale Verhaltensweisen herangezogen werden (vgl. Zwangs törungen und Angststörungen, ~ Kap. 10). Wichtige therapeutische Techniken, die aus lerntheoretischen Überlegungen entwickelt wurden, sind: • Systematische Desensibilisierung • Operante Verfahren • Expositionsverfahren
• (vgl. Verhaltenstherapeutische Methoden und Techniken) . Die kognitive und sozialpsychologische Wende
Seit den 1960er Jahren: vermehrte Beachtung des sozialen lernens , insbesondere des Modelllernens (Bandura). ach Bandura hat die Beobachtung von "Vo rbildern" und deren Verhaltensweisen einen erheblichen Ei nflu sauf die
Entw icklung von Verhalten, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Seit den l970er Jahren: vermehrtes Einbeziehen vo n intrapsychischen Vorgängen zur Erklärung von Verhalten, sogenannte kognitive Wende. Sie geht v. a. auf die Arbeiten von Albert Ellis und Aa ron T. Beck zurück, die Kognitionen, also gedankliche Prozesse, als kontrollierende und steuernde Instanzen für emotionale, motivationale, physiologische und motorische Prozesse betrachteten. Beispiele für kognitiv orientierte Verfahren: kognitive Therapie (nach Beck), Problem Iösetrain ing, Stressbewältigungstraining. Sogenannte sozialpsychologische Wende der l970er Jahre: Sie resultiert aus der vermehrten Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Bedingungen für menschliches Verhalten. Beispiele für daraus entwickel te Therapieansätze: ElternKind-The rapien, verhaltensth erapeutische Paa rund Familientherap ie, verhaltenstherapeutische Gruppe ntherap ien. Die moderne Verhaltenstherapie
Seit denl980er Jah ren: • Trend zur gezielten und abgestimmten Kombination verschiedener Interventionen • Übergang zur sogenannten multimodalen Verhaltenstherapie, d. h. Kombination verschiedener Therapiemodule zu einem Gesamtkonzept • Entwicklung störungsspezifischer Therapiemanuale, z. B. zur Beha ndlung der Panik-
störung oder der posttraumatischen Belastungsstörung. Weitere neue Aspekte sind die vermehrte Beachtung der: • Ressourcen des Patienten • Therapeutischen Beziehung • Biographischen Arbeit • Vernetzung mit anderen Forschungszweigen wie der Neurob iologie und Genetik
• Methoden der Achtsamkeit und spiritueller Themen.
• Kennzeichen verhaltenstherapeutischen Vorgehens • TI1erapeutische Beziehung: ist die Basis für das therapeutische Vorgehen, aber nicht zentraler Fokus der Behandlung • Transparenz: Aufklärung über Methoden und mögliche unerwün hte Wirkungen, P ychoedukation 41
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
• Therapeut: bringt als Modell und Expert e sei n Fac hwi s en und ·eine Erfahrung ein • Problemorientiertes Vo rgehen : Fokus auf prädi pan ierende n, auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren • Ziel- und Hand lu ngsorientierung: Kon en über beh andlungsbedürft ige Probleme und Th rapieziele, aktive Roll e des Pati nten • Re sourceno ri ntierung: vorh andene Fähigkeiten und Bewäl tigu ng trategien werden gefördert, Ve rhalten therapiesoll " Hilfe zur Selbsthilfe" se in .
• Verhaltenstherapeutische Diagnostik Kern stück i t die de taillierte Ver haltens- und Problemanalyse. d. h. die Erfa sun g ver ch ierle ner Ebenen der ymptomatik: • Sym ptomebene: nach d m ORK -Modell ( ~ Tab .
4.1)
• f unktionalität: Folgen der mptom atik, z. ß. erm hrt Zuwen dung, einge chrän ktc berufli che Leistungsfa higkeit • Individuelle lern - und Entwicklungsgesch ichte: biograf1 eher Kontext der Problematik • Mot ivationsanalyse: ründc de Patienten für TI1 erapi e. möglic he positive und nega tive l·olgen ei ner erfo lgreichen Behandl ung.
• Verhaltenstherapeutische Methoden und Techniken Reizkonfrontation Definition : Sa mmelb gri ff für alle er fa hren, die dur h gezielt sA u suchen oder Darbi tcn typ isc her Stimuli die pr bl mat is he R akt ion auslöse n, z. B. Besteigen eines Turms bei ITöh ·n-
a ngs t. ßci wi ederboller Ko nfron tHl ion komn1t es i.iber ine V r~ind er un g emotionaler und kogni ti ver Reak ti on ·n (Habituation = Gewöh nun ) zu ei ner Reduk tion der prob lematischen Verhaiku s weis ··n. z. R. Abna hme dt:r Angstrt:akti n bl'i Höhcnang l. • nwcndung: i nsbe L)IH.krc bei n •st- und Zwangss törungcn . Sys tematische Dese nsibilisi ru ng (na h Wolpc). Ältest es Koni'ront atio nsvc rLdm.•n, eher von his toris ·herB ·d 'lll ung. Prinzi p: Pati ent !:! ril·rnt ·in Ent spa nn ung v rfahre n und cra rlwite tt:in ~.:n Stuhrplau d •r
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Tab. 4.1 Beispiet für ein e Problemanalyse an band de s SO RK-Mode tl s bei Agoraphobie m it Panikstörung Kaufhäuser, Einkaufen gehen, Straßenbah n fahren, Vorlesu ngen besuchen , Verlassen des Hauses ohne Begleitung Angst. einen Angstanfall zu bekommen, von der Panik übermann t zu werden; Überzeugu ng, keine Kontro ll e darüber zu haben Sch lafma nge l, unregelmäß iger Sch laf-Wach -Rhythmus (Kneipenjob), Koffeingenuss , belas tende Lebenss ituation (Partnerschaftskonftikt, Stress im Stud ium) Physiologisch: Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Schwi nde l Kognitiv: Me in Herz setzt gleich aus, Ich kipp' um und sterbe auf der Straße, Ic h werde verrückt Emotional: Angst, Panik, Hilflo· sigkelt, Verzweiflung Motorisch : An spa nnung, Flucht, Rückzug nach Hause, Benutze n von Hilfsmitteln (Fahrrad, Bet ablo cker) oder Begleitung durc h den Freund ~-Vermeidung von Angst und Panikgefühlen, Auseinanderset zung mit dem Partnerschaftskonflikt wird verschoben C- Eingeschränkter Aktionsrad ius, Iso lation, Abh ~ ngigkeit vom Partner, Insuffizienz rieben rt+ Aktiv Fr lz itgesta ltung und Kontakt zu Fr -undinn n und Freunden rs hwert, Fortkom men im Stud ium behind rt C+ Zuwendung durch den Partner, Arb lt ntl stung
----
lohnung (po lllv Kon -
An •s l ;111slöscnd<.:n Si tuati( nnl. Bt.·is picl Ti ··rphobil': • Stufe 1: I I und lü uft un dt.• r Leine auf dn ;lndcrl'll Stl'a f\l:nsci tc • Stuf · _: l111nd lii uft an dt'r l.c.:i nc au fd ' rsclb " n St ridkns ·i t ·
I
• Stufe 3: Hund läuft nicht angeleint in 2m Entfernung • Stufe 3: Hund läuft nicht angeleint i.n I m Entfernung • Stufe 4: Hund beschnuppert die Hand. Der Patient stellt sich im Zustand der Entspannung die entsprechenden Situationen der Angsthierarchie wiederholt vor, bis er sie angstfrei visualisieren kann. Begon nen wird mit Stufe I, bei Angstfrei heit erfolgt die Visual isierung der nächsten Stufe. Expositionsverfahren. Voraussetzung: angemessene Einbettung .in den therapeutischen
Prozess durch tragfa hige therapeutische Beziehung, gründliche Diagnostik, individuelles Krankheitsmodell, Psychoedukation sow ie Aufklärung und Einwilligung des Patienten. • Wiederhaltes Aufsuchen der gefürchteten Situationen in der Realität(= in vivo) oder gedankliches Vorstellen der Situationen (= in
• Anwendung: als 111erapieelement bei PTBS (-+ Kap.ll), oder in der ll1erap ie vo n Zwangsgedanken (-+ Kap.lO) . Operante Methoden
• Methoden , die sich auf das Modell der Opera nten Konditionierun g beziehen • Die Verände rung, d. h. der Aufbau oder Abbau von Verbalten erfo lgt durch den gezielten Einsatz vo n positiver und negativer Verstärkung • Verfahren in Fachkreisen teilweise umstritten, Vorwurf der Manipulation. Beispiele. • Stimuluskontrolle: Gezieltes Schaffen von
sensu)
• Dadurch: Auslösen der entsprechenden Reaktion, z. B. Angst • Abwarten, bis die Reaktion deutli ch abklingt (= Habituationstraining), ohne die Situation zu verlassen(= Reaktionsverhinderung).
•
Exposition in vivo:
• Aufsuchen der gefürchtete n Situation in der Realität, z. B. Kaufhausbes uch bei Panikstörung und Agoraphobie • Sehr häufig verwendetes Verfahren, z. B. bei Ago raphobie oder Zwangsstörungen • In der Regel stufenweises Vorgehen(= graduierte Exposition) , Beginn mit mäßig Angst auslösenden Situationen; 1:ach weitgehend angstfreier Durchfüh rung Ubergang zur nächst schwieri ge ren ituation • Flooding = massierte Reizkonfrontation = Implosion: Sonde rform der Exposition in vi vo, bei der nach gründlicher Vorher ii"Llllg gleich mit der mehrfachen Darbietung eines ma ximale n Reizes über ein längeres Zeitinterva ll gearbeitet wird, z. B. Wo henendkurse zur Bewältigu ng von Fluga n st.
•
•
•
Exposition in sensu: • L bhafte Vorstellen und Schildern iner Si-
tuatio n, welche di problematische Reaktion au"löst, z. B. wicderholtes, de tailliertes ch il dcrn de Unfallereigniss s bei posttraumati scher Helast un gs~ tö run g
•
Bedingunge n, die das Auftreten eines ge- .. wünschten Verhaltens fördern, z. ß_ regelmaßige Ma hlzeiten an schön gedecktem Tisch bei einer Patientin mit Bulimie oder Entfernen von ablenkenden Gegenständen auf dem Schreibtisch und in Sichtweite eines SchuiIUnds, wenn es bei Hausaufgaben leich t ablenkbar ist Shaping (="Ausformung"): Schrittweiser Aufbau komplexerer Verhaltensweisen durch Einüben, z. B. vom Vo rtrag vor dem Therapeuten bis zum Vortrag vor den Kollegen bei isolierter sozialer Phobie mit Redeangst löschung: Wegfall bestimmter positiver Verstärker, z. B. Mutter reagiert an der Supermarktkasse auf ihr nach einer Si.ißi~keit schreiendes Kind konsequent weder m1 t dem Kauf eines Schokoriegels noch mit vermehrter Zuwendung, dadurch unterl ässt das Kind nach einiger Zeit das Schreien vollständig Time-Out: Entfernen aller Verstärker durch Aufs uchen einer reizarmen Umgeb ung, z. B. Patientin mit Borderline-Störung zieht sich nach einer aggressiven Au se in a nd e rs:t~u~ g auf der tation für eine be timmte Ze1.t 111 1hr Zimmer zurück und chreiht ein Protokoll über di e Situation Kontingenzmanagement: Komplexere Vorgehenswei en mi t systematis her Da1:?ietung der Entfernung ve rschiedener Verstarker,. z. B. Kontingenzvertrag bei Anorexie, d. h. 1111 'Jherap ievertrag wird die pro Woche ver~in -. bart Gewi htszunahme bei Err ichen n11 t einer Vergünstigung verbunden, etwa l~ it_ d er Teilnahme am portprogra mmder Khmk Token-Economy: Systemat i' he Anwendung von .,Tokcns", al o Objekte mit Tauschwert, z. B. "Pu nkte". Di M thode wi rd zumeist 43
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
in Langzeiteinrichtungen verwendet. Einer eits werden erwün hte Verh alt en 'Weisen posi tiv verstärk t, z. ß. brhalt von 100 Punkten beim Geschi rrspüle n in einer Einrichtung für Jugendliche. Andererseit werden unerwünschte negativ un terd rü ckt, z. B. Abzug von 500 Punkten nach verbal aggressivem erha lten gegenüber ein em Erzieher. Die geammelt n Pu nkte können dann in at traktive Betätigungen, z. B. Tischkickern mit einem Erzieher, oder Objekte umgetausch t' erden • Aversionsverfahren: l:.th isch nicht vertretbar, da sie Verhal tensänderung durch direkt e Bestrafu ng beinhalten . Modell-Lernen
Modell -Lernen = Beoba htung lernen = Imit ati onslernen Kommt in ler Ve rhalten therap iebe i der Modifikation kompl x r Ve rh altcnswei en zur An wendung, z. B. Th erapeut fung iert als Modell beim Einüben komm un ikative r Fertigkeiten im Rollen piel. Lernen erfolgt da bei na h H lugen (2009) auf mehreren Ebenen: • Erweiterung des Verhaltensrepertoires
dur h einfa heB obachtung • Modifikation der Auftrittshäufigkeit b -
stimmt r V rh altenswei en durch Beoba htung der positiven ode r negativen Konse quenzen an and ren Mens hen mit Vorbildf1mk tion, die das jeweilige Verhalten zeigen • Di.skriminationslernen : durch Beobachtung de Verhaltens eines "Vorbil ls" unt rs beiden lernen, in wel her Sit uation wel hes Verhalten angerness n ist. Aufbau von Kompetenzen
Fehlende Kompe tenzen spielen häufig bei der En tstehun g und Aufrech terhaltu ng psychis her Störungen eine Rolle. Anwendung: D·r AufixlU besti mm ter Kompetenzen wird al zu ii tzli hc. Elemen t individuell in die Psychoth raJ ie integriert od ·r ist fcsl<'r Bestandteil. bestimmter störungs pezifis ·h r ']h'rapiekonzepte, z. 13. Tra in ing cl ·r Emotions regu!ation in der dial ·ktis ·h behav.ioral n Therap ie der Bord ·rlin ·-Störung (-t Kap. 12). B ·i. pie.le: • Training sozia ler Kompeten z: . trukturit>rtc [nt ·rvcn tioncn für di · l ~ in ze l - od r Gruppcn psy ·hothcrapit•, di<.' über Th ·oric und I ra is zur Erweiterung sozhler Kompetenzen bei trag ·n
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• Kommun ikationtraining: Modul d r ver ha l-
t nstherapeu tisc h n Gruppell -, Fami lienode r Paartherapie zur Verbesserung von Spre her- und Zu h öre r~ rtigk iten • Training zur Verbesserung der Stresstoleranz: Kombinat ion au En t pannungs te hni -
ken, kognitiven Strategien und a htsamkeits basierten Methoden, z. B. als Mod ul in der d i alektisch-behavioralen ll1erapie für Border line- tör ungen • Problemlösetraining: tmkturiertes Vo rgehen, das den BetroftC:nen dabei unters tützt, im Alltag auft ret nde komplexe Problem t Ilungen selbstständig und konst ruktiv zu bewältigen. Kognitive Verfahren
ie ge hen vo n der Gru ndannahme aus. das p Yhisch törun g n durch dysfunktionale kogni tive Prozesse au gelöst und aufre hierhalten werden. Sp zifisc he Erwa rtungen, Bewertungen und Grundei n ·tellungen wie" ! h bin ·in Versa ger'', "Mir gelingt ni e etw·ts" oder ",ch muss al 1 s perfekt ma h n' b infl u. sen motionalt R. _ aktio nenund das da raus res ult ierende Verhal ten. Umgek hrt gehen di kognitiven 1l1erap ien davon au , das eine Veränderung dysfunktionaler ko nitiver Proze se zu einer Verbesserung problemati, her erh
·rherapiekonzepte. Kognitive Therapie nach Beck:
• ßekannteste Beispiel für die kognitiven 1l1 erapien rsprüngli h i'.ur Beh:mdlu ng der .I epression konzipi ert. Weiterentwicklung ·n zur Anw ndung bei nndcren Erkran kungen fo l rten • Entsteh ung und Aufre ht ·rtwltung der Delrression ist b ·dingt durch typis hc D nkrnusl.cr 'harakl ·ristis h: kognitive Triade, d. h. n _ gellive ßcwl'rlung der eige nen Person , der Umwelt und der Zukunft . Rational-emotive Therapie nach Elli s: • En twickel t in den 11 • Ocr), hr ·n • 1h •oric, dass psy ·his ·Iw Stiirung n dur h irrat i< nn lc I cnkmuster v •mrs:1·ht w •rd ·n: Ein lhdkr ·s En·ignis (A) aktivkrtt•in Systern rau. onakr und irrationaler llcw ·rtungnt (H), die
I
zu den entsprechenden (problematischen) Emotionen und Verhaltensweisen (C) füh ren. Therapeutische Techniken . Methoden der Selbstverbalisation : Sel bstverbalisationstraining nach Meichenbaum . Es
geht davon aus, dass psychische Störungen durch eine Veränderung des internalisierten Sprechens zu sich selbst gü nstig beei nflusst werden kö nnen. Davon abgelei tete Stra tegien: • Selbstinstruktionstraining: Erlern en ein es konstru ktiven in neren Dia loges z. B. bei chron ischen Schmerze n oder bei Ängsten
• Stress-lmpfungs-Training: Kombination aus
Psychoedukation, Entspannungsverfahren und konstrukt iven Selbstverbalisationen zur besseren Bewä ltigung von Stresss ituationen. Selbst management-Verfahren: Methoden, die dazu beitragen, dass der Patient selbstständig bestimmte problematische Verhaltensweisen verändert und durch erwünschtes oder angemes enere Verhalten ersetzt, z. B. Anleitung zur Selbst trukturierung in Prüfungssituarionen, Techniken in Selbsth ilfemanualen zur Raucherentwöhnu ng.
•
D Was bildet das Kernelement der verhaltenstherapeutischen Diagnostik? 0 Welche lerntheoretischen Konditionierungsprozesse kennen Sie? Beschreiben Sie diese. 0 Welche verhaltenstherapeutischen Strategien leiten sich aus ihnen ab? D Beschreiben Sie die wichtigsten Expositionsverfahren. 0 Was bedeutet dabei Habituation?
0 Was versteht man unter einem Flooding? 0 Bei welchen psychischen Störungen spielt die Anwendung einer Exposition in vivo eine entscheidende Rolle? 0 Welches Vorgehen wird meistens bei der Reizkonfrontation in vivo gewählt? D Welche operanten Methoden kennen Sie? Beschreiben Sie diese kurz. 0 Was heißt Modell-Lernen? 0 Was verbinden Sie mit dem Sammelbegt"iff ,,kognitive Therapie'_'?_ _ _ _ _ _ _ _ ___,
Psychoanalyse und tiefen psychologisch orientierte Verfahren Definitionen
Tiefenpsychologie. Alle psychologischen Theorien, Modelle und B hand Jung ve rfa hren, die davon ausgehen, da s unbewusste Per ön lichkeitsa nteile existieren, die psychodynamisch wirksam sind und di rundlag mens hlichen Verhaltens und Erleb ns darstell en. ie basieren auf de n llleorien Sigmund FreLJds, wurd n jedoch im Lau~ der Zeit erh eblich weiterentwi ckelt (t i e ~ npsyc hologische chulcn, vgl. unten). Klassi ehe Psychoanalyse. 'i kann als p · zifi hc Fonn d r 'I iefenpsy hologie b tra ht t werden . P y hol gi eh r Denk- und Hand lungsansatz, der auf die Arb it n Sigmund h ·euds (1856- 19 9) zur .. Hysterie'' Ende dc 19. Jahrhun lerts wrü kgeht. Es hand lt si h dabei urn
eine um fassende Theorie, die folgende Kon zepte beinha ltet: • Das Unbewusste • Das St rukturmodell der Persönlichkeit • Die psychoanalytische Entwi cklungspsychologie
• Das p ychoanalytische Krankheit skonzept und • Die Behan dlungstheorie (= T chnik).
• Theoretische Grundlagen der Psychoanaly_s e Das Unbewusste Das Unbewu sste spielt: nach de r ~n1eori der
Psyc hoa nalyse eine wesentli che Rolle für das mcns hli heErleben und Verhalten. Unb ·wusst Inhalte sind d m normalen Tag sbewusst ein 45
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
nicht zugä nglich, könn en sich aber bei piel we ie als Fehllei tungenwie Ve rsprecher, al Trauminhalte oder auch al neuroti ehe ymptome zeigen. Strukturmodell der Persönlichkelt
Die mensch liche Psyche bes teht nac h Freud au drei Strukturen: • Ober-Ich: moralische In ta nz, da sind Wertvor tellungen, No rmen und Ideal • Ich : Koordinationsinstanz zwisc hen Über-Ich und Es, aber au h zwi chen dem Individuum und der Umwelt • Es: Instanz primärer emotionaler Grundbedürfni e, unbewu rer Tri ebe, Impuls owie nichtkau aler Zu ammenhänge. Psychoanalytische Entwicklungspsychologie
Grundl age der psychi schen Jntwi kJung is t die Libido (= og. Sexualtrieb), d. h. eine umfas-
ende p yc hi ehe Energie, di nac h Freud au organi chen Prozes en entsteht und die Ba i aller psychi chen Phänomene - Impulse, Affekte, Vorstellunge n - dar teilt. Si ist eng mit dem ü nbewu ten ve rbund en. Phasenmodell der psychosexuellen Entwicklung nach Freud: j na h Entwi klungspha e
pi elen bestimmte Körperregionen ine b ondere RoHe bei der Befri digung dieser Li bido. Im Laufe der psycho ex uellen Entw i klung de" Kle inkin d tehen die Körp rr gio nen im ordergru nd de r ß dü rfnisbefriedigung un d aut oerotisc hen Betätigung. In jeder der fü nf Pha cn kan n d r Entwi cklung hritt fehlge l it t oder fi xiert werden. Spätere Kr isensi tua tionen können dann b wirk n, das die betreffende Perso n auf di s früheren ·nt wi klung . tu cn zurü krallt (Regression ) und b stimmte phasc n pt: zifi he ' rh alt nsmu ter zeigt.
Qualitäten wie elbstvertra uen und S Ib stach tung -ow ie eine Vo rstellung von si h selb ·t un d vo n der Auß nwelt (sogenannte Selbst- und Objekt reprä ent anzen). Au h dieser Prozess v rläuft in bes timmten Phase n, die Iurch un gün stig lnteraktio nsproz e ge tö rt we rd n kö nn en. Dadur h wird die Ausbildung stabiler cl b t- und Objektreprä entanzen behin de rt, was sein er eil zu p )'Chi schen Problemen füh re n kann. Psychoanalytische Krankheitskonzepte • Zentral Annahme: Es existieren unbewusste innere Konflikte, die zu pathologis h 111
Erleben oder Verhalten führen • Di Ko nflikt ntstehen auf dem Boden un gi.in tiger äuß rer Bedingungen in ents heidenden Pha n d r p yc hos xuell en ntwick lung: E be tehen dabei einander widerstrebende oder unvereinbare Wün he und In tention n zwi h n d n v r hied nen intrapsy hi h n trukturen der Persönli hkeit , al o d m Es, 1 h und Über-[ h • W nn eine an gemesse ne Bewältigung der Konflikt itu ation ni ht mögli h i t, entsteht .Angst , die der Betroffene durch ver chied 11 Abwehrmechanismen "bese itigt '(-+ Tab. 4.2) . I i s führt zu in r Fixierung auf der ~:: nts prc hend n ·ntwi klungs tuf< • Ei ne Reaktivierung de un bewu ss ten Kon flikts ist zu in em späteren Zeitpunkt dur h äußere Ereignis ·e m .. gli h. Dadur h e r~ lgt eine Regression cl ' S lndi iduurns auf die ni ·ht bcwiiltigtt: Ent wi kJ ungss tuf, mit ntpr h ndem erh alt ns- unllnt ra kti nsmu t er.
Einteilung der Phasen: • Orale Phase (I. Lebensjahr) • Anale Phase
(2.- . Le bensjahr)
• Phallisc he oder ödipale Phase ( .- 5. Le
ben ja hr) • Latenzphase (6. L·b 'llsj al r bis Pubertii t) • Pubertät s-Adoleszenzphase.
Da s Modell der bjck tbai ·hunge n i!>t eine p ~ t c r · Erwei teru ng der Fr ·ud d1c n Entwi ·klungs pS)'Chologi ·. Als ( bjck t \ ird dabL'i li l.' primär · B ·z i ·hungsp ·rson verstanden, mit der das ind in ein r we hscl ·citig ' II ·mot i nale n Bindung steht. ln der lnt Taktio n mi t den pri märcn lkwgs pcr · lll •n cnt wi kelt das Kin d 46
P ychoanalytischP Behandlungsth orie • Fre uds "Standardm ethode" : die ho ·hfrc -
qucttt ' Psy ·ho, na lys , !. h. Ei nz •lbchand lttn , zw ·i - bi.s via mal pro \ o-hc ül er nPh rcrc Jahr· • Setti ng: Pati ·nt Ii •t auf ·in ·r Cnu ·h und as . :wzii crt fr ·i, wii hr 'II I de r Ps ·h latw l tikcr am KopfL·nJ • hi nter d ' m P a t i~: nl t ll sit ztund kl' in •n I Ii ·kkontakt 111 it dk sL'm ha t
Tab. 4.2 Wi chtige Abwehrmechan is men bei intrapsychi sc hen Konflikten Eigene Probleme oder Impulse, die man bei sich selbst ablehnt, werden auf andere Menschen übertragen und dort thematisiert und kriti siert. Dieser Abwehrmechanismus bildet die Grundlage für projektive Tests, z. B. das Ra rschach-Verfahren, in dem durch Interpretation und Reaktion auf Bilder unbewusste Gefühlsinhalte aufgedeckt werden sollen. Gegen sä tzliche Gefüh ls- oder Erlebensqual itäten einer Interaktion, z. B. Ge borgenheit und Ärger, können gegenüber einer Person nicht gleichzeitig wahrgenommen werden. Stattdessen werden sie der Person zeitversetzt zugeschrieben, was dazu führt, dass die Person dann als ,.nur gut" oder "nur böse" bewertet wird. Eine gleichzeitige Integration ambivalenter Gefühle gelingt nicht(= ei ngesc hrä nkte Ambivalenztoleranz). Durch Übernahm e von Eigenschaften einer anderen Person werden eigene unerwünschte Tri ebe und Bedürfnisse negiert . Eigene unangenehme Affekte we rden auf eine andere Person, z. B. den Therapeuten, projiziert und dort wahrgenommen. Fü r den Therapeuten kann dies einen wichtigen Einblick in die Erlebniswelt des Patienten geben . Durch Verdrängung werd en affektbesetzte Konflikte, Gedanken oder Triebe vom Bewusstsein ferngeh alten. Gegen die Bewusstwerdung wird ein Widerstand aufgebaut. Aufgrund von Symptombildung oder Fehlleistungen bleiben sie allerdings für das Verhalte n bzw. Kommunizi eren we iterhin wirksam . Nicht akzeptierte bzw. nicht erlaubte Verhaltensweis en wie Aggressivität oder ' Faulheit werden durch Triebumkeh r aufgehoben: Statt zu einer aggressiven Reaktion kommt es beispielsweise zur überfürsorglichen Zuwendung, statt zu Faulhei t zu einer übertriebenen Geschäftigkeit. Im pulse werden an Ersatzobjekten ausagiert, die im Vergleich zu den primä ren Bedürfnissen oder Objekten weniger gefährlich oder aversiv, leichter er· reichbar und akzeptiert sind. Regungen und Affekte werde n auf sozial und ethisch leichter zu akzeptieren de ode r höher stehende Zi ele verlegt und dort realisiert. Das ursprüngliche Zie l oder Bedürfn is wird dabei aufgegeben. Komplexe , oft auch wid ers prüchliche oder schwierige Erlebnisinhalte werden von i hren affe ktbesetzten Komponenten getrennt und dann nur noch rational thematisiert. Ei n An gst verursachender Impul s oder Gedanke wird durch eine magische Gegen han dlung oder ein Ritual neutralisiert.
• Ziel: durch Regress ion auf frühkindlic he Ent-
wicklungss tufen Aufde ku ng und Bearbeitung von unbewussten Konflikten.
Basiselemente der Psychoanalyse. • Freies Assoziieren : Der Patient soll all sa us-
prechen, wa ihm in den inn kommt, au h gerade al sinn los, unzusa mmenh äng nd oder nebensä hli h einge tufte lnhalt • Abstinenzregel: D ·r ·n1 crapcut thematisiert kein eigen n B ziehung konOikte od r gibt k in Infor matio nen zu seiner Per on. Er hat keinen Kontakt zum Pati nl n außerhalb der 'l11 ra pi e oder zu Bezugspersonen des Patient n • Gleichschwebende Aufmerksamkeit:
cmpa-
this h s Mitfü hkn lcs Analytiker un l zu-
rückhaltende, neutrale Ein tellung gegenüber all n Äußerungen und Reaktionen des Patienten.
Di"gnosti ·ehe und therapeutische Instrumente. Imlnterakl"ionsprozes zwischen Analytike r und Pali nt tret n besti mmte Phänomene auf: • Obertragung: Der Patient wiederholt nicht verarbeitete frühki ndli h Ko nflikte in der th erapeuti hen Beziehung in Form von ni ht zeit- oder ituationsgere ht·em Verhalten und Erl b n • Gegenübertragung: Gefi:thle, Gedank n und Impulse des Therapeuten gegenü.bcr d m Pati · nt n, ab r au h i rt:nc Konflikt des 1l1erapcutcn, die er ;~ u f den Patienten üb rträ t 47
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
• Widerstand : Alles , was sich dem Fortga ng der therapeutis hen Arbeit entgegenst llt , z. ß. Vermeidung von chmerzhafte n Ereigni sse n oder von als negativ erlebten Emoti onendur h chweigen, Auswahl der 1l1cmen, Verge senvon Te rminen • Obertragungsneurose: Beinhaltet die reg r ssiven frühkindli chen Anteil des Patienten, die durch die Übertragungs ituation aktu alisiert werden. ie führt zur Wiederholung nicht sit uation gerec hten Verha ltens und Erlebens in der Gegem artgegenüber dem ··lherapeuten und anderen Menschen. Diese Interaktionsphänom ene werden genutzt, um : • nbewus te frühkindl i he Konflikt. ituationen oder frühere trauma ti ehe Erlebni se aufzude ken • Dem Analytik rund dem Patient n Einbli ke in die Art de · Konflikts zu ermöglichen • Dem Patienten die Mögli chkeit zu geben. alternative, neue Bewältigung . trategien zu r Lö ung der Konfliktsi tuation zu en twickeln. In terventionstechniken in der Psychoa nalyse. • Klarifi zieren: Der ' esentliche Inhalt ei nes Konflikt wird herau gea rb itct. Vor tufe d r Interpretation • Interpretation : Dur h D utungen und Erklä rung n erarbeitet der Analytiker eine ll ypothe e zur Ents tehun g der ymp l rnatik . Er verw ndet. dafür in der 'Jherapie gewonne ne Erk nntni e, z. B. aus der Übertragungsbezi hun g, den freien A.. ozia ti oncn des Patien ten oder aus Traumbcri hten • Konfrontation : Der 1l1eropeut konfrontiert len Pati nt n mi t seinen .Int erpretationen oder mit du aufgetrct ' 11 n · I crtragu n >srcaklion • Durcharbe ite n: Der Patient vcrarb •ilet di vom nal ytik er g gebeneil Interpretationen zu r intraps his hen Konflikt situ ation . d. ll . er durchlebt den Konflil t emotional. akzep tiert unbc uss tc l ~ rfahrun g ·n und in tegriert sie in se in Erlcbl'n . Anwe ndu ng der klass isch ' II Psychoa nal r r in der Gege nwart. • Bedeutun g vorwiegend in der psyc ho.lnal ti s ·hcn Au~billung und Sd l s ll'rl;~ilnmg • ur noch sel ten Ei n ~a t z auf ihrcrn ·igc ntli hcn lndika tio nsg ·I i ·t ( n · uroti~rht: ' tllflrn
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gc n) wege n hohen Ko ·ten - und Ze itau fwand • Von größer r Bedeutung: Modifikationende klas i ·eben p ychoana l.ytis hen Ansatze s (s. u. ).
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie S nonym : dynamische Psychotherap ie. • Schwerpunkt: aktuelle ßes h\verden und ih re B zügezu r Lebensg schi hte d · Patien ten. Übertragu ng phänomene I·Ve rde n bearbeit et, Übertragung neur ,_e und tiefe Regre sion werden jedo h nicht ang trebt • Ziel: ymptomred uktion dur h Einsicht in aktuelle und früh ere Konflikte mi ttel d r Er fahr~nge? in ?er th er~pcuti h n Bezieh ung • Settmg: rm Ilzen. Blr ckkontakt, ein - bis Zl ei nlJ! pr oche, I han dhmg da uer 20- 40 tunden. Sonderform Fokaltherapie • Psychodynamischc Behandlungsan ätze mit einer Dauer von 10- 30 ·runden • Begrenzt auf den die aktuell ymptoma tik auslö nden Konflikt al · Fo ku • Indikationen : akute Kri en.itualionen bei Bez i~hungs kontlikten oder s lnver n körperli ch n Erkrankung n, uizid ersu he, L rn -
·törungen. Prüfung :ing ' ten • Beispiel: Interpersonelle Psychotherapie der Depression na h Klcrman und W is man (-+ Kap. 6).
Bekannte psychoanalytische Schulen Ve rs ·hi ·d ne S hi.il ·r unI Zei tgenos cn Fr uds haben dessen Ideen aufgcg riflcn und anband ih rer l:rkenntni ss • Wt' it~.?r ·ntwi kelt. Zu de n bekanntt'S!c.:n psy -ht analytis ·h •n S ·hukn gehören: • Ind ividu alpsyc hologie (IP) nach Alfr • 1 dlc:r • An alyti sche Ps ychologie rw ·h :1rl C.usta Jun g • Exl t nzana lyse (- Ll>gothcl'api ·) 11.1 ·h \Iik tor Fr:1nkl • N opsy hoan ly na ·h liarald Schulz 11 ·nkv, l ~ rich r:romm, Ibrry Sta · k Sulli an un I Karen ll orn • .
0 Welche Teilaspekte unterscheidet die Theorie der Psychoanalyse nach Freud?
0 Beschreiben Sie kurz deren Inhalt. 0 Welche Grundregeln der klassischen Psychoanalyse kennen Sie? Geben Sie eine kurze Be0 0 0 0
schreibung der jeweiligen Begriffe. Welche Phänomene in der [nteraktion zwischen Patient und Therapeut sind ein wesentlicher Bestandteil der Psychoanalyse? Welche therapeutischen Interventionen werden vom Analytiker im Rahmen einer Psychoanalyse angewandt? Was bezeichnet der Begriff Fokaltherapie? Was steht bei der interpersonellen Psychotherapie der Depression nach Klerman und Weissman im Zentrum der therapeutischen Arbeit?
Gesprächspsychotherapie Synonyme • Klientenzentrierte Gespächspsychotherapie • Personenzentrierte Gesprächspsychotherapie • Personenzentrierte experien tielle Psychotherapie (PEPT). Definition • Nondirektive Form der Psychotherapie, bei der di e Beziehung und da Gespräch zw ischen demlh erapeuten und dem Rat suchenden Klien ten das wesentliche Mittel für Veränderung oder Heilung bi lden • Grundlage ist ein Menschenbild, das von der "Selbstentwicklungsfähigkeit, Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung" (Bundschuh-Müller, 2009) des Menschen ausgeht. Theoretische Grundlagen Die Grund lagen cl r Ge prächspsychotherapie (GT) gehen auf die Arbeiten vo n Carl Rogers (1902- 1987) zurück. Sie beinhalt n di e folge nden wesent lichen Aspekte: • Jeder Mensch verfügt üb r die angeborene Tendenz zur Selbstverwirklichung. Die e ermögli ht Veränderung, Entw i klung und Anpassung an veränderte Um ebu ngs bed in gungen • Jn Über inst immung mit i h s lbst zu leb n, d. h. der Men eh kann das Selbst s in, das er ist (= Kongruenz von Selbst und Erfahrung), rmögl i ht persönli hcs Glü k, elbstvertrauen, Zufriedenh ei t, I rcati vit ii t und Selbstbestimmung
• Die Erfahrung von uneingeschränkter Akzeptanz in der psychischen En twicklung ermöglicht eine uneingeschränkte Selbstakzeptanz • Durch Erleben bestimmter Anteile des Selbst, z. B. Wut, als nicht akzeptabel in der Interakti on mit der Umwelt erfolgt ei ne Verdrängung der unerwünschten Anteile aus dem Bewusstsein. Die Integration dieser Aspekte in das Selbst-Konzept ist nicht mehr möglich, dadurch entwickelt ich ein e Inkongruenz von Selbst und Erfahrung • Al Folge davon entstehen interaktioneHe Schwierigkeiten, z. B. Schwierigkeiten, sich in Konflikten angemessen abzugrenzen. Diese fü hren zu einer zunehmenden Erstarrung des Selbstkonzepts und damit zu einer Verstä rkung problematischer Verhaltens- und Erlebensweisen • Ziel der Therapie: Wahrnehmung der Inkongr uenz wird gefördert, Entwicklung neuer Lösungsmöglichkeiten, Reintegration verdrängter oder verzerrter Erfahrungen. Weiterentwicklungen der Ges präc hspsychotherap ie erfolgten beisp ielsweis durch Eugene G ndlin, der v rmehrt das gegenwärtig spürbare körp rli h Erl bendes Klienten in den Mittelpun kt der ·nw -apie rückte (Experiencing). Er ntwickelt e dabei die Methode des Focussing, deren Anw ndung inen erfolgrei h n Verlauf der 1 herapie begünstigt.
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
Basisvariablen therapeutischen Verhaltens • Unbedingte positive Wertschätzung und Akzeptanz für die Per n des Klienten • Empathie: c!. h. die Fähigkeit des Therapeuten, sich in das subjektive Erleben und die Wertvorstellungen des Klienten einzufü hlen und die e zu rü kzumelden • Echtheit und Kongruenz: Der Therapeut chafft durch ehrl iche Rückmeldungen owie Kongruenz in einem Verha lten, Erleb n und Kommunizier nein v rtrauenswürdiges Arbeit bü ndni .
In der Ge prächsp y h th rapie na h Roger werden di folgenden ·igens haft: n de Th _ rapcuten (= Therap ut nvariabl n) beso.n der hervorgehoben : • Po itive Wert hätzung und Akzeptanz • Empath ie • Echth it und Kongru nz. Anwendungsberei he • Anpa ung törunge n, Iei ht depr sive ynd r me, Ang tstörung n, p · hosomatische Problem tcllungen • Durchführ·ung in Sitzungu1 a·0- 60 Min. • v irksa mkei t bei gt. Ge präch p·yc hoth ra pi e kann aber (noch ) nicht al K·1 senlei tun. abgcre hnet werd n. g
nach Carl Rogers. 0 Definieren Sie diese kurz.
Paar- und Familientherapie Definition Sammelbegriff für eine Vi !zahl paar- und fa m.ilientherapeutis her ßehandlungs kon ze pte. Gemeinsamkeiten aller paar- und familien therapeutis h n An ätze: • Paar und Familie werden al System b !Ta htet, da inen we entli. hen Einf1u _ auf die nlwi klung d s Men hcn hat • Die Mitglieder d~.:s ys t ms stehen mitt:inander in dynamischen Wechselbezie hungen • Die psychi hc Erk rankung eine Fam il ien mitglied wird z. T. als Manifestation einer gestörten Interaktion innerhalb des Syst ms bct rachtc t. Unterschiede der inz ln ·n paar- und f. milicn· therap uti hen K nzc pte: • Di theoretischen Grundlagen unter bei den ·i h v n ·in:1ndcr, z. H. psy ·hoanal ti s ·h oder verha lten thcrnp ·ut is ·h orientierte F·1· mili ntlrrupic • Es w rd n unters hiculichc äußere Rahmenbedingungen in der I ur ·hfU hrung d ·r Behandlung gnw(ihlt , z. B. lkhnndl.un" ' lnes cinz ·ln cn .F :~mili ·nrllitglic ls oder mehr ·r ·r 50
Famil ie nmit Iieder, 'lherapie mit od r obn K -111 rap~.:ut, lh ra1 ied:nrer. I l ~iuflg erfolgt in der I ehan ll.ung j doch die integrative Anwendung on Elcm nl cn und In krv nt ion te hniken verschiedener farnili nth _ rnpcut.ischer Konzep te. Famili ntherapi Charaktcristi ka f';.l m i Ii en the.rape ut isch er Behandlung ans~il ze. • Allparteillchkeit, Neutralität: De r Therap t . ' rgrei ft ni -ht flir ein b~.:stirnmt ·s Familien- lt mitglied Partei, somkrn bcmliht si ·h um in Clllf athis ·hes ·rst.ii n lnis l'iir die Situati n jede· Einzelnen • Aktive und direktive Haltung: di 'Sc um['a , t z. 13. lk g··z i ·lt ·· r1wcn lun 1 spczifi ·-!Pr In IL'rv· ntionstc ·hnikl'n( -+ Tnb . 4. ) • Kommunlkatlon sregeln: llcstinum I g ln 1 erden H t B ·gintr d ·r lhhandlung bt' ·pro·lwn ll tl I I' ·srg ·l•gt • Ressoure norlentlerung: Posi ti v~, unpr
bl ~ . .
ma tb h · sp ·k tc illl ·rll.lltcn unI in ler Org·111 isa tion der F.rrntl ic werd '11 betont or ~
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Tab. 4.3 Beispiel e für famili entherapeutische Interventionen
Intervention
Erläuterung
Joining
Spezifische Form des Arbeitsbündnisses zwischen Therapeut und Familienmitgliedern . Ziel : zu jedem Familienmitglied einen emotional tragfähigen Kontakt aufbauen, als Voraussetzung dafür, Strukturen zu verändern
Reframing
Umdeutung von Ereignissen , alternative Erklärungen zu ursächlichen Erklärungsvorstellungen der Familie geben
Paradoxe Interventionen
Kontrad iktische Handlungsanweisungen. Ziel: das Gegenteil von dem errei chen, was scheinb ar erreicht werden soll
Arbeiten an Grenzen
Grenzen als Voraussetzung der Strukturierung des familiären Systems, z. B. Stärkung einer zu schwa chen Eltern-Kind-Grenze
Zirkuläres Befragen
Aufforderung des Therapeuten an alle Famili enmitglieder, Kommen t are über die Beziehung der anderen zueinande r abzugeben
Verschre ibungen
Versuch, traditionelle Verhaltensmuster zu ändern, indem die Fami lie aufgefordert wird, etwas Neues zu tun, z. B. ein bestimmtes Symptom zu intensivieren
handene Fä higkeiten der Fa milie identifiziert und für den Veränd eru ngsprozess genutzt. Ein bekanntes Beispiel für ein e fa milientherapeutische Schule ist die systemische Familientherapie. Bestimmte lnterventionstechniken, z. B. zirkuläres Fragen, paradoxe lnterventionen oder positives Umdeuten ermöglichen, dass die Grundregeln des Zusammenlebens im jeweiligen "System Fa milie" aufgedeckt, neu bewertet und gegebenenfalls verändert werden. Indikationen.
Generell: Problemstell ungen, die eine Familie als Gesamtsystem belasten. Das können psychische Erkra nkungen ein es Familienmitgl ieds sein, z. ß. Anorex ia ne rvosa beim Kind oder Schizophrenie bei der Mutter, aber auch schwierige Lebensum stände wie Tod eines Familienmitglieds oder Entwurzelung durch Flucht oder Umzug. Paartherapie
Die Qualitä t und Stabil ität vo n Partn erschaften ist im Wesentlichen abhängig von drei Fa ktoren: • Vo n der Fähigkeit zu angemes ener Kommu nikation, v. a. der emotionalen elb töffnung • Vom Ve rfüg n über adäquate Problemlösestrategien
• Vo n vorhandenen Möglichkeiten der individuellen und gemeinsamen Stressbewältigung. Generelle Ziele von Paartherapie.
• lnformationen geben, d. h. Psychoedukation • Konflikte und andere Symptome abbauen • Kommunikation der Partner mi teinander verbessern • Kompetenzen zur Bewältigung von Problemen und Stress ve rmitteln . Wie in der Familientherapie hat sich auch in der Paartherapie eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze entwickelt. Indikation.
Allgemein dann, wenn die in einer Partnerschaft aufgetretenen Probleme durch die bereits vorhandenen Kompetenzen nicht bewältigt werden, z. B.: • Wenn die Partnerschaft einen auslösenden oder aufrechterhaltenden Faktor für die psychische Erkran kung eines Pa rtners dar teilt • Wenn die Partnerschaft durch die psychische Erkrankung eines Partners erheblich belastet ist, z. ß. durch eine bipolare affektive törung oder sexuelle Funktionsstörun g.
0 Was sind die Charakteristika familien therapeutischer Ansätze? 0 Welche fa milientherapeutischen Interventionstechniken kennen Sie?
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback • Entspannungsverfahren
• Hypnose
Sie spielen in der Behandlung vieler psyc hischer Störungen eine wi chtige Roll e. Die b kann te ten Verfa hren sind: • Progressive Muskelrelaxation (nach jacob-
Induktion eine sch lafähnlichen Zustands 111 it eingeengter Bewusstsei nslage s wie chwer _
son) • Au t ogenes Training (nach Schul z). Progressive Muskelrelaxation
Durch gezi eltes syst ema t isches Ansp annen und Entspann en b timm ter Mu kelparti en wird p ychi ehe Anspa nnung redu ziert un d ei ne Abnahm e vo n Än g tli hkeit erzielt.
und \
Anwendu ng. TI1crapieelement in de r ßeh·lnd lung von Ang t ymp tomen, hlafstörun ge n, leichten Depre si nen, omatoformen törungen , arteriell r Hrperton i , Migräne; Be landteil von tress b wältigung programm en . Kontraindikationen. Aku t p ychoti s he Zusta ndsbil ler und chwer ausg prägte psychis he Erkra nkungen, z. B. bei schwerer depress ive r Episode. Autogenes Training Autosu ggestive Ent pannung method
11111
1-
ner ve r tärkt n Konze ntratio n auf den ig nen Körper. Durchführung.
Biofeedback egetati ve Proze se werden dur h elekt: rop hysiologis he Me ung sichtbar gema ht und der Pat ient erlern t, diese willentli h zu bee inflw s 11 z. B. Herabse tz n des Tonus besti mmter Mu _ ' kelpartien od r Reduktion der Herzfr quenz. Anwendu ngsbereiche. Migräne. pannun k pfs hmerz, arteri ell e Hypert onie.
S-
• Weitere ergänzende spezielle Therapieverfahren
Wiederhol ung bes timmter
suggestiver Obungsform eln, z. ß. "Mein Arm
wird s hwer" oder ,.Mein Arm wi rd warm". um einen körperlich n und p )' his hen Entspannungszustand zu errei hen. Anwend ung. ornatoform e Störun ge n, leicht e Angstsymptomatik, Musk lvcrspannung n, hlaf törungen, M i gr ~i nc.
Kontraindikationen. ven Muskelrdaxa tio n.
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Wie bei den Entspan-
nung.ve rfa hr n.
Wie bd tkr pr grc si-
I i ·sc haben insbe onden.: in inlt: rativ n, mulr modalen 'lhenpiekonzepten, wie sie oft illl s t a t :~ onii ren I ahmen dur hgcfü hrt: w rd en, ein wi htige Fun k1i.un . : ie tra •e11 Jaw bei, intrap ·his he un i interpersonelle Prob! mstellu nge~ auf non crbalcr Ebt:n e bewusst un I erfahrbar· -z 111<1 hc n und der ' II nr;ind ' J'lll1 Zll förd rn . i ·htig, ten Beispid ' sind; • ßewc>uno,. und Ki1rp •rps hoth•rapi · • Kunst- und Gcstalt un gs thcra r il.' • [usikl hernpir.: . 1 iese 'Ihcra pien k1mmc n al hängig von d•r intlividu ·ll l'n Symptomat ik bei zahlrci ·h n p · hiatris ·h •n Erkrnn kltn 'Sbildern zur tl w udnn u-
ill
/
Supervision, Soziotherapie und Psycheedukation Supervision
Supervision ist ein wesentlicher Bestandteil psychotherapeutische r Ausbildung und Tätigkeit. Sie umfasst die kontinuierliche Begleitung des therapeutischen Prozesses in einer psychotherapeutischen Beha ndlung durch einen unbeteiligten Supervisor. Dieser berät den Tilerapeuten und trägt dazu bei, die Therapie zu verbessern, Fehler zu ve rmeiden und den Thera peuten auch emotional zu unterstützen. Die TI1erapieinhalte werden in Form mündl icher Schilderungen, besser noch durch Audio- oder Videoa ufzeichnungen eingebracht. Therapiesu pervision wird im Einzel- oder Gruppensetting durchgeführt. Unter Supervision wird aber auch die Begleitung von Teams insbesondere im sozialen Bereich verstanden, z. B. Erzieher in einer Kindertagesstätte. Sie unterstützt das Team beispielsweise in der Benennung und Kläru ng von Kon flikten oder hilft bei Kommunikationsproblemen. Eine Sonderform der Supervision teilt die Arbeit in Balint-Gruppen dar. Sie hat vor allem für die Tätigkeit von Allgemeinmedizinern an Bedeu tung gewonnen. In einer Gruppe, die sich alle 1- 2 Wochen für etwa 1,5- 2 Stunden trifft, werden "problematische" Patienten besprochen. Einer der Teilnehmer schildert ausführli ch einen "schwierigen Fall". Die übrigen Teilnehmer äußern dann ihre Eindrücke, Ideen, Gefühle oder Fragen. Im Rahmen die es kommu nikativen Prozesses ergeben sich in der Regel für den berich tenden Arz t weiterführende Erkenntnisse und Handlungsansätze in Bezug auf die Beziehungsgesraltung mit dem " chwierigen" Patient n. Soziotherapie
psychisch Kranker angewandt werden. Zu den soziotherapeutischen Verfahren zählen beispielsweise die Ergotherapie, die Beratung und Betreuung durch den Sozialdienst oder kreati ve Gruppenaktivitäten.
Grundlage. Gezielte Aktivierung und Interaktion des Patienten mit anderen Menschen als therapeutisch wirksame Faktoren. Ziel. Förderung und Unterstützung therapeutische r Prozesse. Psychoedukation
Darunter werden alle Behandlungsansätze zu sammengefasst, die das Ziel haben, Patienten und Angehörigen Informationen und Wissen über die Entstehungsbedingungen, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen zu vermitteln.
Durchführung. Gemäß psychotherapeuti scher Konzepte, z. B. Wissen über gruppenpsychotherapeutische Prozesse, Kommunikationspsychologie, Einzel- oder Gruppensetting oder über Medien. Ziele. Reduktion von Angst, Schaffen von Vertrauen, Ermöglichen von Verantwortlichkeit, Kontrolle und Aktivitätaufseiten des Patienten. Anwendungsformen • Psychoedukation als Tilerapieelement einer psychotherapeutischen Behandlung im Ein zel- oder Gruppensetting • Individuelle Beratung und Aufklärung im Rahmen einer psychiatrischen Behandlung • Patientenratgeber und Selb thilfeprogramme in Form von Büchern oder im Internet.
Überbegrifr für alle 111 rapieform n. die zusä tzlich zu den biologis hen und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen bei der Therapie
0 Wozu dient die Sup rvision? 0 Worin bestehen die therapeuti chen Ziele von Soziotherapie und Psychoedukation?
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Organische psychische Störungen Klaus lieb
Ätiologie und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Demenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Organisches amnestisches Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Delir .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. Organische psychische Störungen zweiten Ranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Organische psychische Störungen
Ätiologie und Klassifi kation Ätiologie
Die organischen psychischen Störungen sind die Gruppe von psychischen Störungen, denen eine pathophysiologisch definierte Hirnerkrankung zugrunde liegt. Früher wurden ie auch als kö rperli ch begründbare oder exogene Psychosen
oder hirnorganische Psychosyndrome bezeichnet. Auch wenn heute bekannt i t, das z. B. Schizophrenien oder bipolare Störungen zu große n Teilen genetisch und neurobiologisch bedingte Hirnerkrankungen sind - deren genaue Ursachen jedoch noch unbekan nt sind - , heißen nur solche Störungen organi ehe p ychi sche Störungen, be i denen eine konkrete organi sche Ursache die psychische Symptomatik verursacht. Die möglichen Ursachen für organische psychische Störungen si nd vielfaltig (-+ Ta b. S.l). Grundsätzlich kann von der psychischen Symp tomatik nicht au f eine spezifi ehe organi ehe Ursache geschlossen werden, d. h. das Gehirn reagiert relativ gleichförmig auf untersch iedliche organische Ursachen. Dennoch gibt es einige Kriterien, di e bei einer psychischen Symptoma tik dafür sprechen, da se ine organische Ursache zugrunde liegt: • Relevante pathologische somatische Befunde • Bewu stse in - und Orientierung Störungen • Enger zeitlicher Zusammenhang der Manifestation der psych i chen Störung mit dem Auftreten der organischen Erkran kung • Die Besserung der Symptomatik bei erfolgreicher Behandlung der organischen Grunderkran kung. Klassifikation
rn der ICD-10 werden organische psy hisehe Störungen in zwei Gruppen ei ngetei lt (-+ Tab. 5.2) : • Organ ische psychische Störungen ersten Ranges : Hier wird die Verdachtscliagno e ei-
ner orga nisc hen psychi schen Störu ng direkt auf der Basi der charakt ri ti hen klini schen ymptom atik gestellt. Dazu gehören die D menzen, das organische amncsti hc yndrom und das D lir • Organisch e psychische Störungen zweiten Ranges: Hier kan n die organi h r a h
ni ht an hand des psy hopat:hologis hcn ßilds identifizi rt w-rden. Es hand lt i h um organi eh b dingte p, y his h törungen , di 56
man oh ne Kenntn is ei nes ursäch lichen organischen Befunds fü r ein e primär p ychische Erkrankung halten würde, z. ß. für eine Depression oder chizophren ie. Dazu gehö ren z. B. eine organi ehe affektive Störung aufgr und einer Hypothyreose, ei ne organische Halluzinose bei Hirnschädigung durch chronisc he Alkoholabhängigkeit oder eine organische wahnhafte Störung als Folge ei nes Schädel-Hirn-Trauma .
Tab. 5.1 Häufige Ursac hen organisch psychischer Störungen Ätiologie
Beispiele
Neurodegenerativer Al ;z heimer·De men;z Prozess Ka rdiavaskuläre Erkrankung
• Ischäm ische Enzephalopathie • Embolien bei Myoka rditis
Metaboli sc he Störung
• Diabetes me llit us • Hyper-/Hypothyreose • Leberversa gen
Immunologische Erkrankung
• Lupus erythematodes • Encephalitis dissemi -
nata Infektion
• • • •
Hirntumor
• Hirnmetastase n • Astro zytom • Glioblastom
Hirntrauma
• Sc hädel-Hirn-Trauma • Chronisches Subduralhämatom
Enzepha liti s Meningitis AIDS Lues
------------------------------Liq uorzirkulation s· Normaldruckhydrozestörung
ph al us mit klini eher Tri as: • Demenz
• Ga ngstörung • lnkont in nz
Ep il psi • Sc hw r An ämi
• Hypoxie
-
)
Tab. 5.2 Einteilung organischer psychischer Störungen in der ICD-10 FOO Demenz bei Alzheimer-Krankheit FOO.O Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn FOO.l Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit spätem Beginn F00. 2 Demenz bei Alzheimer·Krankheit, atypische oder gemischte Form FOl Vaskuläre Demenz. FOl .O Vaskul äre Demenz mit akutem Beginn FOl.l Mu lti infarkt-Demenz F01.2 Subkortikale vaskuläre Demen z F01.3 Gemischte (kortikale und subkortikale) va skuläre Demen z
.
F02 Demenz bei sonstigen andernorts klassifizierten Kranl
Pick-Krankheit Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Huntington-Krankheit Parkinson-Krankh eit Krankheit durch HIV
F03 Nicht näher bezeichnete Demenz F04 Organisches amnestisches Syndrom F05 Delir (nicht durch All
Organische Persönlichkeitsstörung Postenzephalitisches Syndrom Organisches Psychesyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma Sonstige organische Persö nlich ke it s- und Verhaltensstörung
0 Wie werden organische psychische Störungen in der ICD-10 eingeteilt?
Demenzen Definition und Differenzialdiagnosen
Um na h der I. D-10 ein d menziell s yndrom diagno ti.zicren zu könn n, müssen fol nde drei ymptom vorli egen :
• Eine Störung des Gedä htni scs • Eine Beeinträchtigung in zumindest einem weiteren neurop. ychologischen T ilb r ich, 57
5
Organische psychische Störungen
z. B. in der Orien tieru ng, dem Sprachverständnis oder dem Lesen • Eine damit verbundene alltagsreleva nte Ein schränkung der Lebensfü hrung. Die Symptome müssen mindesten s 6 Monate bestehen. Wichtige Ku rztes ts zur Objektivierung der kognitiven Defizite und zur Verlaufsbeurteilu ng sind der Mini-Mental-Status-Test (MM T) und der Uh ren -Zeichen -Test, zum crec:ning auf Demen z eignet sich besonders der sogenann te DemTect. Häufigkeit von Demenzformen. Die hä ufigste Demenzform ist die Alzheimer-Oemenz, die
mehr als die Hälfte aller Demenzformen aus macht, bei Einschluss der mi t vaskuläre n Demenzen gemischten Formen sogar 70 % ( ~ Abb. 5. 1). Die zweithäufigste Gruppe stellen die vaskulären Demenzen dar. gefolgt von den fronto-tem poraten Demenzen -eine neuropathologisch definierte Unterform hiervo n ist der Morbus Pick - und den Demenzen bei an deren neu rologischen Erkra nkungen.
Ca. 5% der Demenzen sind sogenannte reversible Demenzen , bei denen nicht ei n neurodegenerativer Prozess Ursache des demenzieHen yndroms ist, sondern ei ne prinzipiell behandelbare andere körperliche Erkrankung, z. B. ei ne kardiale Erkrankun g mi t ze reb raler Hypoxie, ei ne Autoimmunerkra nkun g, eine zerebrale Raumforderung, eine Endokr.inopathie wie Schilddrüsenerkrankung, ein Vitamin-812- oder Folsäuremangel oder ein Normaldru kh)'droze-
reine AtzheimerDemenz
phalu . Diese Demenzfo rmen müssen immer durch eine ausführliche Diagnostik au ge chlossen und beha ndelt werden .
• Alzheimer-Demenz Epidemiologie und Verlauf
• Die Alzheimer-Demen z i t die hä ufigste Ursache ei ner kognitiven Leistungsabnahm im Alter, deren Prävalenza ufgrund der weiter teigend en Leben erwartu ng in Zukunft noch zunehmen wird • Aktuell sind ca. 5% der über 65-jährigen Men chen betroffen, bei den über SO-Jährigen si nd es ca. 20% . In Deut sch land leben chätzungsweise 1,2 I io. Alzheimer-Kranke • Charakteristisch fü r die Alzheim er-Demenz vor allem in Abgrenzung zur stufenwe isen Verschlechterung bei va kulären Demenzen - ist der lan gsam schleichende Verlauf, der konti nuierlich zu einem Verlust kognitiver Fu nktionen und nach ca. 5- 8 Jahren zum Tod fü hrt • Für die Frühphase typis h sind Merkfahigkeitsstörungen und depress ive Verstimmun ge n, die die Differ nz ialdiagnose zu ei n r D press ion ("depress ive P eud odemenz", ~ Ka p . 6) manchm al chwierig machen • Im weiteren Verlauf kommen zu den Störung n des Gedächtn isses weitere kogni tive Ein chränkungen hinzu wie Orientierungs törungen, Aphasie mit ausg prägt n Wortfindungs törungen, Apraxie, Alexie, Agraphie und Akalku lie 'Owie törunge n der Visuokon truktion
---c:~ --
vaskuläre und
At zheimar-Demenz gemischt
frontale Dem n n (Morbus Pick)
D m nz n n ur logischen ErKr nkung n
58
Abb. 5.1 Pro
ntu I H 'ufig-
k lt v r hi d n r D m nz· ur h n
/
• Im fortgeschr ittenen Stadium kö nnen neurologische ymptome sowie Harn - und Stuhli nkont inenz auftreten, die zusa mmen mit Verhaltensstörungen wie Unruhe, Wahn und Hall uzina tionen oder Umkehrung des Schlaf-Wach-RJ1ythmus zu Klin ikein weisung und meist auch zu Heimeinweisung füh ren • Di e letzten 2 Jahre gehen meist mit schwerer Pflegebedürftigkeit einher( -+ Abb . 5.2). Pathogenese und Risikofaktoren Ursächl ich für die Alzhei mer Demenz sind pathologische Ablagerungen von Proteinen : • Amyloid -ß-Peptiden, Abbaup rodukten des Amyloid -Vo rläuferprotein s (APP) • Hyperphosphorylierten Ta u-Protein en (sog. neurofib rilläre Tangels). Diese abno rmen Proteinablagerunge n führen letztendlich zum Nervenzelluntergang, der mit Lokalisierung im medialen Temporallappen, insbesondere im entorhi nalen Kortex und Hippokampus und den Assoziationskortizes zu der charakteri tischen Psychopathologie mi t Gedächtnisstörun ge n und Störungen der höheren geistigen Fähigkeiten füh rt. Betroffen sind Sprache, Visuokonstruktion und Exekutivfunktionen. Der Untergang chol inerger Zellen ist Ansatzpunkt für die 1l1erapie mit AcetylcholinesteraseHemm ern . Bei ca. 95 % der 1-älle ist die Ursache dieser Proteinablagerungen unbeka nnt. Man spricht dann von sporad isch auftretenden Fällen. Bei maxi mai S % der Patienten liegt di Ursache in autosomal domin ant vere rbten Mutationen im APPGen bzw. den Präsenili n-Genen. Diese fa miliär gehäuft auftretenden Fälle haben in der Regel einen früheren Krankh eitsbeginn , in der Regel vor dem 55. Lebensjahr ta tt nach dem 65. Lebensjahr.
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2Q) .E (.) Q)
Der wichtigste Risikofaktor ist das Alter. Weitere Risikofaktoren sind: • Fa miliäre Häufung • Ho mozygotie für die E4-Fo rm des ApoE-Gens • Vask uläre Risikofaktoren wie arterielle Hyperton ie und Hypercholesterinämie • Neurologische Vo rerkrankungen, fr ühere Hirnschädigungen • Niedrige Schulbildung. Diagnostik
Die Diagno e wird immer kl inisch gestell t, neurop ychologische Test und apparative Zusatzbefun de können die Diagnose unterstützen. Di e Alzheimer-Demenz ist damit bis heute eine Ausschlussdiagnose, was den Ausschluss an derer, insbesondere symptomatischer Demenzfo rmen mit ei nem diagnostischen Routineprogramm bedeutet (-+ Tab. 5.3). Neue diagnos tische Kr iterien befind en sich in der Entwicklung. Das Ziel ist, spezifische Biomarker und Surrogatparameter wie Liquor-Proteine oder Bi ldgebung zu identifi zieren, die die Alzheimer-Erkrankung mit hoher Sicherheit in einem frü hen Stadium feststellt, um entsprechend auch früh er therapeutisch zu intervenieren (s. Mild cognitive impairment, MC!). Für eine Alzheimer-Demenz sprechen fo lgende Befunde: • Gedächtn isstörungen und andere Störungen höherer kognitiver Funktionen stehen in den neuropsychologischen Tests im Vo rdergrund Tab. 5.3 Au sschlu ssdi agno stik bei Verd ac ht auf Alzheimer-Demen z -
Labordiagnostik • Routine labor: Bl ut bild, Bl utsenku ngsgeschwind igkeit, CRP, Elektrolyte einsc hließli ch Ca 2+, Bl utzucker, Nie renreten tions und Leberwerte • Kupfer- und Coerulop las min • ANA, AN CA und Phospholip idantikö rpe r • Vitamin B12 und Folsäu re • TSH, fT3 und fT4 • Lues-Sero logie, HIV-Te st • Liquordiagno stik Bildgebende Verfahren
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Kerns pin- und Po sitron ene missionsto mogra fie des Schäde ls
~ Zelt
Abb . 5.2 Sym ptom · ntwi klun g b i d r Al h imer-D m n im V rl ur
Erweiterte apparative Diagnostik • Doppl eru nters uchun g der hirnzufüh rend en Gefäße • EEG , KG und H rzec ho
----------------59
5
Organische psychische Störungen
und haben sich langsam progredient entwickelt • In der Kern pintomografie zeigt sich ei ne Atrophie des Hippokampus mit Erweiterung der parieto-tempora len Liquorräume bei fehlenden vaskulären Läsionen • Die Po itronenemiss ionsto mografie ('ßFDGPET) zeigt eine tempora-parietale Minderu ti lisation von Glukose • Im Liquor ist eine erhöhte Konz ntration des TAU-Proteins nachweisbar. sowoh l in seiner unphosphylierten als auch in seiner pho phorylierten Form. Die Konzentration des ß-Amyloids hingegen is t erniedrigt. Therapie
Es gibt keine kurative 111erapie. Die heutigen Medikamente halten jedoch bei ca. 20% der Patienten die kognitiven Fähigkeiten über ei nen Zeitraum von 6-12 Monaten tabil. Kein Medikament bremst den progredienten neurodegenerativen Prozess. Zur medikamentösen Behandlung sind zugelassen: • Acetylcholinesterase-Hemmer bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz (-+ Kap. 3). Dazu gehören Donepezil.. Rivastigmin und Galantamin • Der partielle NMDA-Rezeptor-Antagonist (= Gluatamatmodulator) Memantin (-+ Kap. 3) bei mittel chwerer bi s hwerer Alzhei mer-Demenz • Andere Substanzen wie Ginkgo-P räpa rate, Pira etam oder icergolin. Sie w rden au h Nootropika genannt. Da ih re Wirksamkeit al Jerding nicht ich er belegt ist, sind sie nicht zu empfeh len • Bei p yc hoti schen Symptomen wie Wahnzuständen oder Hall uzinationen und Aggre si vität werden ni drig dosierte Antipsy hotika, z. B. Ri periclon, ein gesetzt • ßei chlaf törungen und Unruhezu ständen kommen nied rpot nte Antipsychotika wie Melperon oder Pipamperon zum ·in atz. Benzod iazep in e si.nd wegen der Gefahr 1 an dox er Reaktion n zu verm iden . Zu den nichtmedikamentösen Therapieverfahren gehör n Tagesstrukturi er ung owi r ssourcuo rientierte menta le und körper.li he Akti vierung. Zur Erhaltu ng alltagspraktischt:r Hihigk iten kann di Ergoth rapie ei nge ·ctzt werd n. 60
Psychoedukation der Angehörige n zu Aspekten wie Leben mit der Erk ran ku ng, Veränderung von Ve rhalten und Kommunikation, Notwendigkeit der eigenen Entla tung durch externe Hilfen hat ich zur tab ilisieru ng der hüuslichen Verso rgung als hochwirksam erwie en. Auch Angehörigeng ruppen entlasten die Familie zusä tzli ch.
• Vaskuläre Demenzen Va kuläre Demenzen si nd Demenzen , di e auf der Bas is einer zereb ralen vaskulär n Störung mit nachfolgender Neurodegeneration ent tehen. Es handel t sich dabei um die im Sp rachgebrauch üb li he "Verka lkung''. Die ICD-10 unterscheidet fo lgende Gruppen(-+ Tab . 5.2): • Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn • Mu ltiinfarkt-Demenz • Sub kortikale vaskuläre Demenz • Gem ischte, d_ h_ kortikale und subkortikal e vaskuläre Demenz. Typisch für eine va ku läre Demenz sind: • Vaskuläre Ri ikofaktoren in der Vorgesch ich te, z. B. arterielle Hypertonie, Nikotinabhän gigkeit, Hypercholest:erinämie. Adipositas, Diabetes mellitus • Vorgeschichte ze reb raler Infarkte • Häufig plötzlicherB ginnundeine stufenweise Verschlechterung im Verlauf • Fokale ne uro logische Deftzite • Psychopatha logische Defizite entspre hend der vaskulären Läsionsste!Ie, wobei subko rtikale Störunge n von Aufmerksamkeit und Konzentration, Antrieb und Stimmung mit Affektlabilität häufig sind . Diagnostisch i t neben der klini s hen und neuropsy ho logi chen nte rsuchung die Dokumen tati on va. kulärer Lä ioncn in der Kerns pin- und omputc.:rt.omog rafie ents h idend . Therapeutisch teht di ckundärprävent ion vaskul ärer Läs ion n im Vordergrund . A et)'lho lincsterase-Hemmer und Glutamatmodula toren sin I nicht zugdas n.
• Fronto-temporale Demenz Bei der fr !H o-temporalen I emenz lnndel t s sich um ·i 11c neurod eg ne rativ Erkran ktJn g, die fol' ·nde charakteristische Merkmale aufweist: • Langsam f"orts hreit nde Demenz 111it rühcr m Beginn als bei der l zh imer-Dem •nz, häufig vor d ·m )0. l. 'b ·nsjahr
5
Organische psychische Störungen
Ätiologisch geht man davon aus, da
beim NPH der Liquorabfluss suba rachnoidal im Bereich der [ acchioni-Granulationen blockiert ist.
Tab_S-4 Klinische Symptome des Morb us
Wilson • Erhöhung de r Transaminasen • Chron ische Hepatitis • Zirrhose mit Fu lminantern Leberversagen
Trias des Normaldruckhydrozephalu : Demenz, Gangstörungen und Inkontinenz.
• Trem or und choreiforme Bewegungen • Ak inetisch -rigides Syndrom • Gangstörungen, Dysarthrie, pseudobulbäre Lähmung • Krampfanfälle und Migräneattacken
• leichte kognitive Störung und Mild cognitive impairment Während die leichte kogn itive Störung (ICD -10 F06.7) eine klinisch bedeutsame Versch lechterung der gei tigen Leistungsfahigkeit, z. B. durch organische Krankheit fakto ren wie Schädel-Hirn -Trauma oder Einnahme von Anticholinergika bezeichnet, bezeichnet der Begriff de Mild cogn itive impai rm en t (M I) ein prä demenzielles Syndrom. IC! ist damit in .. bergang vom normalen achla en der ge.i tigen Leistungsfähigkeit zur Demenz. Für das amnestische MCI , welches ich häufig im Vorfeld der Al zheimer-Demenz entwickelt, gilt: • Subj ektives oder von Dritten beobachtetes Nach lassen der Gedächtni sleistung • In einem standardisiert n Test liegt die epiod i ehe Gedächtni Ieistung (" Kurzzeitg dächtni ") 2: 1,5 Sta ndardabw ichung n unter derjenigen dn gesch lechts-, alter - und bil dungsadjustierten orm • Die Defi zite beeinträchtige n di Alltag aktivitätennicht in bedeutendem Maße • Die Kriterien iner Demenz sind ni ht erfüllt. In Kombination mit pezifi s hen Biomark rn der Alzheimer-Erkrankung ( . o.) hat si h da M I-Konstrukt in pezialisierten cdächtnisarnbula nze n als hochpdidiktiv für eine hera nnahende Alzheimcr-Demcnz erwi . en. Erste Erfahrung n mit ub tanzen, die ni ht nur symptomat i eh wirken, ondern in den Krankheitsprozes modulierend eingreifen - z. B. aktiv oder pas ive Tmmuni, ierun g g gen ß-Amyloid lege n nah , dass di . e ,. kau alcn '' Th rapien hr früh zei tig .im crlauf d r Alzhe im er-Erkrankung eingese tzt werden mii S ' ll , um zu wirken. Am nest:is-!1 M J -Pati cnt ·n, di zu . ~itz li h po. itiv 1:3iomarkcr - Befunde au fw ' iSl: ll, werdend shalb aktu ·II als Zielpopulation fü r krankhei tsmoduli rende Frü hin l ·rv ' ntion n hcra ngezogcn. 62
• • • •
Schlafstörungen Persönlichkeitsstörungen Psychotische Störungen Kognitive Störungen
• Morbus Wilson Die progressive hepatolentikuläre Degeneration i t eine eltene, au tosomal-rezess iv vererbte ~ r krankung d s Kupferm tabolismu , bei d r es vermehrt zu Kupferablagerung n ko mmt. Vn behandelt führt die · rkrankun g zu schw ren B hind erun gen und Tod. Davon b troffen sind etwa 3 von 100.000 Menschen. Die ers te kli nische Symptomati k z igt .ich meist zw i eben dem 15. und 20. Lebensjahr wo bei hepatisc he, neuro logi he, p ychia tri he und op hthalmolo i eh Kr'wkh it zeic h n vorherr h n ( ~ Tab. 5.4). Da in bis zu 50 % d r J.älle psy his he ym1 tomc als Ersts mptom auft reten, ist b i jun n Mensc h nimmer an die e DiiTercnzialdi agnosc zu denken . Diagnostisch wi htig si11 d: • Bestimmung von L ·berfun ktionen • erum spi >Je! von Kupfer und 'acrulopla min • _4 -h-Kupfc r-i\uss hcidun' im Urin. Sicherheil kann durch eine Lcl>erl>iopsk errei ·ht werden . The rapie :
• Ku1 f'rar me Di üt • Fiirdcrung der Kupferaus ·hcidun , dur ·h 1 _ Pcn i ·illamin • II ' llllll U il g der Kupferaufnahm e du rd1 Zink.
/
D Wie ist eine Demenz definiert, welche Sym ptome treten auf und welche Formen kennen Sie? D Nennen Sie die Pathogenese wichtiger Demenzformen. D Welche Therapieverfahren kommen bei der Alzheimer-Demenz zum Einsatz?
D Durch welche neurologischen und psychiatrischen Symptome ist ein Morbus Wilson gekennzeichnet?
Organisches amnestisches Syndrom Das orga nische amnes tische Syndrom oder Korsakow-Syndrom ist gekenn ze ichnet durch fo lgende Trias: l. Anterograd e Amnesie mi t schwerer töru ng des episodischen Gedächtnisses und Zeitgitterstörung. Da Immedi at-Gedächtnis, das z. B. durch di rektes Zahlennachsprechen geprüft wird, bleibt weitgehend erh alten 2. Ausgeprägte Orientierungss törun g. Häufig ist nur di e Orientier ung zur Person erhalten 3. Ko nfabu lationen (-+ Kap. 2). Diagnostisch lässt sich neben der typ ischen Kli nik in der zerebra len ~ il dge bun g häufig eine törung dienzephale r und medio-temporaler Strukturen, vor allem dem Hippokampus na chweisen .
lm Prinzip kann jede schwere Hirn- oder systemische Erkrankung zu einem organisch amnestischen yndrom füh ren. Häufigere Ursachen sind : • Chronische Alkoholabhängigkeit mit wiederholten Alkoholent zugs-Delirien (-+ Kap. 9) • Korsakow-Synd rom bei Wernicke-Enzephalopa th ie (-+ Kap. 9) • Hypoxien durch z. B. CO-Vergiftung, nach Strangulation oder Anästh esie-Zwischenfal len • Schädei-Hirn -Traumen • Zerebra-vaskuläre Erkrankungen oder schwere Infektionen des Gehirns.
•
D Was sind die häufigsten Ursachen eines organischen amnestischen Syndroms und durch welche Symptomatik ist es gekennzeichnet?
Delir Definition und Symptomatik
Ei n Deli r oder Verwirrt·heibzu tand ist eine organL he p. ychische Störung, di dur h folgend e Symptomatik gekenn le i h nct ist: • Bewu st einss törun g und Des rienticrtheit • Fo rm ale Dcnkstörun gcn: ink hären tes ... ve rwirrt " Denken • Inhaltliche D nks törun cn: Wahnide n • Wahrn hmung sl·· ruu gcn mit lllu ionenund OJ tis hcn Halluzin ationen • Psy homotoris hc törungc nmi t we hs ln d r Hypo· oder Hy] cra l tivi@ • Störu ng odt: r mkehr cks S hlaf-Wa hRh yt hmus, n ~ htli ·hc V ·rs ·hlirnmc run g de r ·ympt omati k
• Ggf. afi:ektive Stö rungen mit Angs t, Reizbarkeit oder Apathie • Zum Teil stark ausgeprägte vegetative Symptom e. Der Beginn ei nes Delirs .ist gewöhn lich akut, die ympt matik ist im Tagesverlauf fluktu ierend . in D lir ist eine organisch bedingte psychitörung. Es ist gekennzeichnet durch törungen des Bewu sts in , der Ori ntierung, der Kognition, der Wahrnehmung, d s formalen und inhaltlichen D nkcn und der zirkadian n Rhythmik.
sh
63
5
Organische psychische Störungen
Delirien treten bei bis zu 40 % aller stationären Patienten über 65 Jahre auf. Risikofaktoren f-ür die Entwicklung eines Delirs sind: • Alter: Neben alten Menschen ind auch Kleinkinder gehäuft betroffen • Vorbestehende Hirnschädi gung, z. B. Demenz oder vaskuläre Läsionen • Polypharmazie • Suchterkra nkung • Schwere körperliche Erkra nkungen • Früher bereits aufgetretenes Delir. Ätiologie und Diagnostik Die wichtigsten Ursachen eines Delir sind: • Intoxikation mit oder Entzug von zentra l wirk amen Substanze n ( ~ Tab. 5.5) • ZNS-Erkrankungen • Systemische Erkrankungen, z. B. herzchirurgische [nterve ntion, metabolische Erkrankungen, Stö runge n des Wasse r- und Elektrolyt-Haushalts mit Hyponatriämie, VitaminMangel-Syndrom e, vor all em Vitamin 8 1• Die Diagnostik besteht im Wesentli chen in der typischen Klinik und der Iden tifikation der zu gru nde liegenden Ursache mit (Fremd-)A namnese, körperli cher Unters uch ung und Zusatzdia gnostik Therapie Grundprinzip der Therapie ei ne Delirs is t die Beseitigung der zugru nde liegenden Ursache. In
Tab. 5.5 Medikame nte, di e Deii re a us lösen können • • • • • • • • • •
Antibiotika Anticholinergika Antidepressiva, v. a. trizyk lis che Antiep ileptika Antipsychotika, z. B. Clozapin Benzod iazep ine Digitalis Kortison -Präparate Narkotika Neuroleptika
der Regel erfolgt die 'Th erap ie stationär. ln der Praxis am wichtigsten si nd: • Delir fö rdernde Med ikam ente absetze n oder reduzieren • Wasser- und Elektrolyt-Haushalt sow ie Blutzucker kontrol lieren • Vitamin-Mangel-Zustände ausgleichen. • Symptomatische Therapie der Psychopa th ologie: - Wa hnsymptome und Halluzin ationen mi t An tipsychotika wie Haloperidol oder Ris peridon in niedrigen Dosierun gen - Sc hlafstör ungen mi t gut verträglichen niederpotenten Neuroleptika wie Pipamperon oder Melperon - Erregungszustände mit Haloper ido l oder niederpotenten Neuroleptika.
•
D Wie ist ein Delir klinisch gekennzeichnet? D Nennen Sie häufige Ursachen für delirante Zustände.
D Nennen Sie die Therapieprinzipien bei Delirien.
Organische psychische Störungen zweiten Ranges Zu den orga nischen psy hi chen tö rungen zweiten Ranges( -+ Tab . 5.2) gehören: • Organische Hallu zi no e • Organische katatone Störung • Organische wahnhafte ( ch izo ph reniforme) törung • Organi he affektive törung • Orga nische Angs tstörun g • Organis he dissoziat ive Störung • Organi he motionallal ilc (asthenis he) törung • Organis he Per önl i hk ·i tss törung. 64
Organische Halluzinose Organis he Halluzi nos n sind org·wis h oder medikam nt " b dingt Hall uzination n, wob~ i die e isoliert , also ohne auffäll ige affe ktiv tö ru n )en und Wah n, un d unabhängig vo n ein m kogn itiven Abbau oder ein er U wu st eins tö rung auflr t n. Am häufigs ten sind: • hronis hc takt.i lc Hnllu zinosc oder Dermatozoenwahn (Ekbom-. yndro m): llier werden I rabbelnd , l eißend ', si h l weg~: n dc ß ri'lhrun C I1 auf oder unter der Haut wa hr1
" /
genommen. Der Patient ist \·vahn haft davo n überzeugt, vo n Ungeziefer befallen zu sein. Betroffen sind meist Mä nner über 60 Jahr • Alkoholhalluzinose (-+ Kap. 9): Typischerweise bei chronischer Alkoholabhängigkeit auftretende akustische P eudo-Hall uzinationen
• Optische Halluzinose bei Überstimulation
des dopaminergen Systems bei Parkinson111erapie oder Überdos ierung von Stimulanzien • Guslatorische Halluzinose am Beginn eines komplex-partiellen Anfalls.
•
0 Wie ist ein Dermatozoenwah n klinisch gekennzeichnet? 0 Nennen Sie Ursachen fü r organische Halluzinosen.
65
,..
6
Affektive St.ö rungen Klaus Lieb
Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verlaufsformen und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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_ Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Diagnostik und Differenzialdiagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Ätiologie, Therapie und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6
Affektive Störungen
Definition und Klassifikation Definition Affektive Störungen sind gekennzeichnet durch das phasenhafte Auftreten von Verstimmungen depressiv-gehemmter (Depressionen ) und/oder man isch -erregter Art (Man ien ). ln der Regel treten diese Phasen mehrfach während de Leben s auf, und es wird zwi.schen de n Phasen eine normale psychische Ve rfassung erreicht. Heute weiß man jedoch, dass die Remission zwischen den Phasen vor allem bei bipolaren Erkrankun gen häufig nicht voll tändig ist und bi zu 20 % der affektiven Erkrankungen ei nen chronischen Verlauf nehmen. Depressio nen treten häufig komor bid mit anderen Erkrankun gen auf, wobei vor all em das gleichzeitige Auftreten von Suchterkrankun ge n und Persönlichkeitsstörunge n den Verlauf der affektiven Störung versc hlechtert. Depres ionen si nd auc h bei körperlichen Erkrankungen häufig, z. B. be.i neurologischen Erkrankungen wie Morbu Parkinsan oder multiple Sklerose, nach Schl aga nfa ll und Myokardinfarkt oder bei Diabetikern. Depressionen erhöhen da n eta bolische und kardiavaskuläre Risiko und stellen einen eigenständ igen kardialen Risikofaktor dar. Klassifikation Triadisches System
(~ Kap. I). Affektive Stö-
rungen wurden früher nach den Ätiologievorstellungen eingeteilt: • "Endogene Dep ression en", bei denen von einer genetischen oder neurobiologischen Ursache ausgegangen wird • "Reaktive oder neurotische Depres ionen ", bei denen eine p ycho -reaktive Ursac he angenommen wird. Diesen beiden Kategorien entsprechen in der ICD-10 am ehesten die Depressio n mit so mati schen Symptomen und die Dysthymia.
ICD-10. Die affektiven Störun gen werden heute nicht mehr ätiologis h, sondern nur deskri ptiv nach den Kriterien Schwercgrad, A uftreten p y hotischer Symptome, Vorliegen somatischer Symptome und dem Verlauf eing t ilt
(-t Tab. 6.1). Wie auch im triadischen System werden in der ICD-10 von den affektiven Störu n gen di e organ ischen affektiven Störungen ( ~ Kap. 5) unterschieden, also die affektiven Störunge n, denen eine bekannte organische Ursache zugrunde liegt, z. B. eine endokrine Stö rung wie ei ne Hypothyreose. Tab . 6.1 ICD·10-Klassifika tion affektiver Störungen F30 Manische Episode F30.0 Hypomanie F30.1 Manie o hne psycho ti sche Symptome F30 . 2 Manie mit psychotischen Symptomen F31 Bipolare affektive Störung F31.0 Gegenwärt ig hypomanische Episo d e F31.1 Gegenwärtig ma nisc he Episode ohne psychotische Sympt ome F31.2 Gegenwärtig man ische Ep isode mit psyc hotischen Symptomen F31.3 Gege nwärtig mitte lgradi ge oder leichte depress ive Episode F31.4 Gegenwärtig sch w ere depressive Epi sode oh ne psychotische Sym ptome F31.5 Gegenwärtig schwere depress ive Ep isode mit psyc hotisc hen Sym ptome n F31.6 Gegenwärtig gemisc hte Ep isode F31.7 Gegenwärtig remittiert F32 Depresslve Episode F32 .0 Le ichte depress ive Episode F32 .1 Mitte lgradige depress ive Ep isode F32 .2 Schwere depress ive Epi sode ohn e psy. choti sc he Symptome F32 .3 Schwere depress ive Episode mit psychotischen Sy mpto men F33 Rezidivierende depresslve Störung F33.0 Gegenwärtig leichte Episode F33.1 Gegenwärtig mittelgradige Ep isode F33 .2 Gege nwä rtig sch were Episode ohne psychotis che Symptome F33.3 Gege nwärtig sch were Epi so de mit psychoti sc hen Symptomen F33.4 Gegenwärtig rem ittiert F34 Anhaltende affel
0 Wie werden affektive Störungen in der JCD-10 eingeteilt? 68
0 Verlaufsformen und Epidemiologie Affektive Störungen verlaufen uni - oder bipolar: • Bei den unipolaren Verlaufsformen , die deutlich häufiger sind als die bipolaren, treten nur depressive oder nur manische Episoden auf • Bei den bipolaren Verläufen wechseln sich depressive und manische Episoden regelmä ßig oder unregelmäßig ab • Monophasische Verläufe - es besteht entweder eine manische oder eine dep ressive Phase - sind mit ca. 15 % eher selten • Die Regel sind polyphasische Verläufe mit wiederholten Krankheitsepisoden. Die durchschnittliche Episodenzahl ist bei den bipolaren Erkrankungen mit insgesamt ca. acht Phasen etwa doppelt so hoch wie bei den rezidivierenden depressiven Störungen mit ca. vier Episoden.
unipolare Depression
Manie
Häufigkeit. • Rezidivierende unipolare Depressionen sind mit ca. 70 % am häufigsten • Bipolare affektive Störungen machen ca. 25% aus • Am seltensten sind unipolar manisch verlaufende Erkrankungen mit ca. 5 %. Von den unipolaren Depressionen sind Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Bei den bipolaren Verläufen ist das Geschlechterverhältnis hingegen gleich( ~ Abb. 6.1 und 6.2) .
• Monophasische und rezidivierende Depressionen Epidemiologie
• Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkranku ngen{ ~ Kap. 1) • Die Punktprävalenz depressiver Episoden liegt bei 3- 7 %, das Lebenszeitrisiko, an einer depressiven Episode zu erkranken bei 16-18 % • Es gibt zwei HäufigkeitsgipfeL ei nen zwischen dem 20. und 29. sowie dem 50. und 59. Lebensjahr • Das mittlere Erkrankungsalter liegt mit 40 Jahren höher als bei den bipolaren Erkrankungen. Verlauf
bipolare affektive Störung
Abb. 6.1 Häufigkeit und Gesch lechtsverteilung affektiver Störungen
• Unipolare Depressionen verlaufen in der Regel rezidivierend, wobei die durchschnittliche Epi odenlänge unbehandelt zwischen 6 und 8 Monaten liegt • Durch die Therapie werden die Phasenlängen in der Regel deutlich verkürzt
Hypomanie
Euthymie
Oepresslon1-1- - - - 1
_
___
schwere.J.__ _ _....L__ _ _-~..-~--..J----_~_....:!L.... ___:_~_ Depression normale Oysthymla unipol re Zyklothymla Bipolar-liManie 0 pression Störung StimmungsSchwankung
__t__
_
_
_
__.
Bipolar-IStörung
Abb. 6.2 V rl uf form n ff ktiv r Störung n 69
6
Affektive Störungen
• Bei 50- 70 % der Patienten kommt es nach der er ten Depression zu einem Rezidiv, wobei das Wiedererkra nkung risikomit jeder neuen Episode ansteigt • Ca. 10- 15 % der Fälle verlaufen chronisch. ~ B!_~olare C!_~ektive Störun?e~ Epidemiologie • Da Lebenszeitrisi ko für bipolare Störungen liegt bei 1-2%
• Männerund Frauen sind gleich hä ufig betroffen • Die Patienten sind bei Erstma nifestation im Schnitt 16-18 Jahre alt und damit deut lich jünger al unipolar depressive Pa tienten • Die erste Behandlung erfolgt im Mittel jedoch erst mit etwa 22 Jahren, die er te Hospitali sierung mit 26 Jahren • Der Verlauf ist in der Regel schwerer als bei un ipolaren Depressionen • In ca. 50% der Fäll e beginnen bipolare Störungen mit einer Depression (sog. falsch unipolare Depres ion) . In diesen Fällen entwi ckelt sich die erste manische Episode innerhalb von 5 Jahren • Das Rezidivrisiko ist nach einer ersten Epi Ode mit ca. 80% sehr hoch. Verlauf
• Patienten mit bipolarer törung sind insgesamt längere Zeit depressiv als mani eh
• Durchschnittlich haben die Patienten acht Krankheitsepisoden • Bis zu 20% entwickeln mindestens einmal ein sogenannte Rapid cyclin g, bei dem mindestens vier Krankheiten epi oden in 1Jahr auftreten. rrauen sind davon hä ufiger betroffen. Die Prognose isL hier deutlich schlechter.
• D~sthy_~ia ~!ld Zyklothymia • Dysthymia und Zyklothymi a sind chronische , das heißt über mindes tens 2 Jahre verlaufende Stimmungsschwankungen, be i den en niemals die Kr iterien für eine depres sive Episode oder Manie erre icht werden • Bei der Dysthymia wechseln ich leichte Verstimmungen bi hin zum depre siven Pol mit kürzeren Phasen no rmalen Befindens ab bei der Zyklothymia eh wankt die Stirn' mung leicht in Richtung Depre sivität oder Manie • Ca. 70 % der dysthymen Patienten entwickeln mindestens eine depressive Episode. Es wird dann auch von einer Doubledepression gesproc hen • Der Begriff Zyklothym ia ist nicht mit dem Begriff der ,.Zyklothymie" zu verwechseln, mit dem früher die mani ch-depressive Erkrankung, heute bipolare tö rung, bezeichnet wurde.
Wie verlaufen affektive Störungen typischerweise? Nennen Sie die wichtigsten e idemiolo ischen Daten bei affektiven Störungen.
Symptomatik Die Symptomatik bei affektiven Störungen kann al Stimmungsau Ienkung hin zum depre iv n
bzw. mani h n Pol bes hrieben werden (-+ Tab. 6.2).
Tab. 6.2 Gegenüberstellung der Symptomatik d pressiver und mani scher Phas en -
70
Depression
Manie
Affektivität
Niedergesch lagene Grundstimmung, Verlust von Freude und Interesse
Eupho rische Stimmung Iage
Ant rieb
Gehemmt
mit vielfä ltigen lnt res en und großer Initiative Gesteigert
~-------------------------------------------------------
0
Tab. 6.2 Gegenüberstellung der Sympto mat ik depressiver und manischer Phasen (Forts.)
Depression
Manie
Formales Denken
Verlangsamt und gehemmt
Beschleunigung des Gedankengangs bis hin zum Gedankenjagen und zur Ideenflucht
Inhaltliches Denken
Synthyme Wahnideen, z. B. als Überzeugung zu verarmen, sich versündigt zu haben oder an einer unheilbaren Erkrankung zu leiden
Größenideen oder Größenwahn
Psychomotorik Gehemmt
Gesteigert
Schlaf
Meist ohne leidensdruck, Schlafbedürfnis reduziert
Meist quälende Schlafstörungen mit mor· gendlichem Früherwachen
Psychopathalogische Symptome der Depression: • Depressive Verstimmung • Verlust von Freude und lnl'ere se • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen bis hin zur Denkhemmung - Verlangsamtes und einfallsarmes Denken - Gedankensperrung - Neigung zum Grübeln • Psychomotorische Hemmung und Antriebslosigkeit oder innere Unruhe (Agitiertheit) • Leibliche Missempfindungen und Vitalstörungen • Depressive Wahnideen - Schuld- und Versündigungswahn - Verarmungswahn - Kleinheits- und Nichtigkeitswahn - Hypochondrischer Wahn • Suizidgedanken- und -absichten • Tagesschwankungen, evtl. Morgentief • Ein- und Durch chlafstörungen, morgendliches Früherwachen • Appetitlosigkeit, Gewichtw rlu t, Libidostörungen. Klini eh b deu tsambei der Psy hopathologie der Depres ion ind: • Neben der depress ive11 Ve rsti mmung mit Trauri gk it. Verzwe iflung und Hoffnung loigkeit ist für Depressionen au h d r Verlust vo n Freud und Interesse (Anhedonie) typi h sowie ein Gefühl der Gefühllosigkeit. bei d m die Pal i nt en e 1 eni.ib r n;1h stehenden Bewgspersonen keine G füh l mehr aufbring n können und s hr darunter I ' iden
• Bei Depressionen können sich Konzentra tions- und Gedächtnisstörungen so steigern, dass sie das Bild ei ner Demenz vortäuschen. Es wird dann auc h von ei ner Pseudodemenz gesprochen. Wichtigstes Unterscheidungskriterium zu einer Demenz ist die bessere Testleistung bei schlechter Selbsteinschätzung und das Verschwinden kognitiver Symptome nach antidepressiver Therapie(-+ Tab. 6.3) • Bei den formalen Denkstörungen sind Denkhemmung, Denkverlangsamung und ggf. Gedankensperrung und eine ausgeprägte Grübetneigung typisch • Psychomotorisch sind die Patienten gehemmt bis hin zum depressiven Stupor • oder unruhig-agitiert. Starke Unruhe und Angst erhöhen das Suizidrisiko • Fast alle Patienten leiden unter Ein- und Durchsch lafstörungen, häufig mit frühmorge ndlichem Erwachen. Typisch ist auch ein Appetitmangel mit Gewichtsverlust sowie Lib ido törungen • Zirkadian leiden Patienten mit schweren Depressionen häufig an einem Morgentief. Zum Abend hin bessert sich meist die Stimmung • Suizidgedanken treten bei fast allen depressiven Patienten au f. 8,6% der Patienten mit mindestens einer Hospitalisation sterben durch uizid. . Depression mit psychotischen Symptomen ß i d r P'Y hoti eben oder wahnhaften Depre sion tret n synthyme (stimmungskongruente) Wahnideen auf (nicht Wahnwahrnehmungen, di. typisch für die hiz phrenien ind). Betroffen davon sind bi zu 20% der Pati nten mit schwer n Depres ion n. Zu den typischen Wahnid en gehören: • Verarmungswahn • Hypochondri her Wahn 71
-6
Affektive Störungen
Tab. 6.3 Kriteri en zur Abgrenz ung eine r deme nzie ll en Erkranku ng von ei ner depress iven Pse udo deme nz
Demenzielte Erkrankung
Depressive Pseudodemenz
Ärztliches Gespräch
Patienten versuchen zu dissimu lieren
Patienten bekl agen die "Vergesslichkeit"
Standardisierter Test
Testleistung und Alltags lei stung entsprechen sich
Alltagsl eist ung be sser als Testleistung
Verlauf
Schleichend -progedient
Über Tage und Wochen
Orientierung
Gestört
Verhältn ism äßig intakt
Sexuelle Bedürfnisse
Eh er ungestört
Eher gestört
Hygiene
Ge stört
Eher unauffällig
Ansprechen auf anti · depressive Therapie
Keine Verbe sserung der kognitiven Eige nschaften
Verbes serung der kognitiven Symptome
• Schul dwa hn • Kleinheits- oder ichtigkei tswa hn , der sich bis zum nihilistischen Wahn ste igern ka nn. Bei psychotischen Depressionen kön nen selten auch ku rze akustische Hall uzi natio nen in Form von Stim men, die dem Patienten z. B. Ve rsagen und Schuld vorwerfen, auftreten. Atypische Depression Depress ionen mit atypisc her Sym ptomatik sind gekenn zeic hnet durch Appet itsteige ru ng (Kohlenhydrathunger), ve rstärktes Sch lafbe dürfnis und erhöhte Stimmungsreak tion auf pos itive Ereigni sse. Atyp ische Depressionen ollen häufiger bei Fra uen vo rko mmen und besser auf Mo noa mi nooxidase-Hemmer ansprechen. Saisonale Depression Bei die er Depressionsform treten die depre siven Ep isoden nicht wie normalerwei e bevorzugt im Frühjahr und Herbst auf, ondern im Spätherbst. In der Regel hält di e Dep res, io n übe r den Winter an und klingt im .Frühjahr wieder ab. Di eses Mu ter, das häufig mit eine r aryp ichen ympt ornati k einhergeht, muss mindes tens zwei Jahre bestehen. Lichttherapie oll bei diese r Depressionsform besonders wirksam sein.
• Manie P ychopathologisch ymptome der Manie: • Euphori ehe d r dy phorisch -g reiz t Stimmung • Id enflü htiges Denk n • An trieb t ig rung
72
• Fehlendes Krankheitsgefühl und Selbstüberschätzung bis hin zu Größenideen, ausgeprägte Anregbarkeit und Ablenkbarkeit • Vermindertes Schia fbedürfn is • Libidosteigerung. KJ ini eh bedeutsa m fü r di e Psychopatho logie der Ma ni e ind fo lgende Symptome: • Stimmung - Euphorische Manie: euphor isch und ansteck nd ode r - Dysphorische Manie: gereizt, streit üchtig • Fehlendes KrankheitsgefUhl: D.ie Patienten halten sich meist fü r gesund und besonders leistu ngsfä hig • Typ isch für das formale Denken i t die Ideenflucht Patient pringt von einem Thema zum ande ren. verliert sich im Unwesentlichen und bringt keinen länge ren Gedankenga ng zu Ende. Im egensatz zum ze rfa hrenen Denken kan n der Zuhöre r aber den edankengängen no h we itgehe nd fo lgen • Inhaltliche Denkstörungen treten meist in J~orm von Größcn id n auf, di e si h bei p y chotis hen Mani n bis hin zu m Größenwa hn steigern kön nen • Antrieb und Psy homo t ri k si nd hiiufig xtrem gc ' tci rt . Die Patienten haben kei n hlafbedü rfn is und ind häu.fig cnth mmt, wa , i h in Distanzlosigkcit und steigert r Lib.ido äuß~.:rt • Eigen- und Fremdgefährdung tre ten lü uflg auf. · nl r all n I · y his hcn Erkrankung 11 i s t d i , Su iz id ~ cfahrbcibipo l ar n töru ngen am höc hsten.
,.
0
/
Manie mit psychotischen Symptomen Wesentlich häufiger als bei rezidivierenden Depressionen, nämlich in ca. SO% der Fälle, treten bei bipolare n Stö runge n psychotische Symptome auf, bei denen der Realitä tsbezug in zwei wesentlichen Fo rm en gestört ist:
• Verworrene Manie: Es liegt keine Ideenflu ch t, sondern Denkzerfah ren heit vor • "Psychotische" Manie: Größenideen steigern sich zum Größenwahn, bei dem die Pati enten unkorrigierbar von ih rer Großartigkeit, Überlegenheit und Bedeutung überzeugt sind.
•
0 Nennen Sie die typische Symptomatik depressiver und manischer Episoden. 0 Nennen Sie typische psychotische Symptome bei Depressionen. 0 Was ist eine saisonal verlaufende Depression?
Diagnostik und Differenzialdiagnostik Insbesonde re in nic htpsychiatrischen Fächern werden Dep res ionen trotz ih re r Hä ufigke it oft übersehen. Aus epidemiologischen Untersuchungen ist bekannt, das nur ca. lS% aller Patienten mi t Depress ionen ad äquat diagnostiziert und behandelt werden. Das Wichtigste ist, überhaupt an das Vorliegen einer Depression zu denken. In Allgemeinarztpraxen bringen viele depre ive Patienten körperlic he oder vegetative ymptome wie Schlaf törungen und Müdigkeit, Schm erzen, Mi ssempfindungen und Druck auf der Brust, Gewichtsverlust oder Libido törun gen vo r, bei denen es nich t bei ei ner so matischen Abklärung bleibe n darf, ondern immer auch an eine Depr sion gedacht werden muss. Früher wurden Depressionen, die ic h körperlich präsen tieren, auch als larvierte Depressi onen beze ichnet. Folgende Fragen an d n Pat:i nten h lfen, das Vorliegen einer depr ssiv n Epi ode festzu stellen: • Haben ie in Ietzt r Z it hlafstörung n? • Können i i h no h üb r twa fre uen? • Fühlen ie si h grundlos mLid , s hwunglos, abges hlag n?
• Grundprinzipien d r Diagnostik • Psychopatbolo •is ·h · B s ·hr ·ibung des Syndrom s und Zuonl nu n ' zu d n ICl -10-1 rilcri n
• Ausschlu einer anderen psychischen Erkrankung als Ursache des depressiven Syndroms • Ausschluss einer organischen Erkrankung als Ursache des Syndroms.
• Diagnostik von Depressionen und Manien nach ICD-10 ----~
In der ICD-10 werden die Diagnosen von Depression und Ma nie folgendermaßen operationalisiert (-+ Abb. 6.1 und 6.2): • Beschreibung von Hauptsymptomen, die obligat vo rl iegen müssen, sowie Nebensymptomen, die zumindest bei der Depression über de n Schweregrad Auskunft geben • Einführung eines Zeitkriteriums: mindestens 2 Woc hen bei Depressionen und mindesten 1 Wo he bei Ma nien • Die Berück ich tigung vo n Verlaufsaspekten mit monophasischem oder rezidivierendem depressivem Verlaufbzw . bipolarem Verlauf. Bei leichten un d mittelschw ren depressiven Ep isoden kann zusätzlich das Be tehe n somatischer Symptome ("melancholischer Subtyp") kodie rt werden. Dabei mü senmindes tens vier der v rliegc nden Symptome erfüllt se in: • Interesse nverlust od r Verlust der Frt:ude n normal rweise angenehmen Aktivitäten • Mangelnde Fähigkeit, auf ei ne freundli he 111 •cbung emotional w r agier n • Psy h motori h H mmung oder Agitiert-
h it • Deutli her Libid ve rl ust 73
6
Affektive Störungen
Hauptsymptome • gedrückte, depressive Stimmung
;2
; 2
=3
+
+
+
=2
=3-4
• lnteressenverlust, Freudlosigkeit • Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit
r,-
Zusatzsymptome • Gestörte Konzentration und Aufme rksamkeit • Vermindertes Selbstwe rtgefühl und Selbstvertrauen • Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit • Negative und pessim istische Zukunftsperspektiven • Suizidgedankenl -handlungen • Schlafslörungen • Verminderter Appetit
J
5 0
'
5 0
~ 4
Symplome ~ 2 Wochen
mittelgradige
leichte
(
8 0J schwere
J
Depressive Episode
monophasisch F 32.xx
II II
rezidivierend F 33.xx
'
im Rahmen eines bipolaren Verlaufs F 31 .xx
Abb. 6.3 Operationalisierte Diagnostik depress iver Störungen nach der ICD -10
• • • •
Frühmorgendliches Erwachen Mo rgen tief Deutli cher Appetitverlust Gewichtsverlu t, ~ 5% de Körpergew icht im vorangegangenen Monat. Da die meisten schweren Depressionen mit einem Om at ischen yndrom einhergehen, kann ein somati ches Syndrom bei diesen I-armen nicht gesondert kod iert 1-verden. Depressionen mi t Omatischen ymptomen ähneln den Kra nkheitsbi ldern, di e früher als endogene Depr sionen bezeichnet wurden. Treten psychotische. ymptome in Form v n synth ymen Wahn idee n bei Depression n oder Größenwahn und Denkze rfahrenheit bei Manien auf, wird di Diagnose einer psychotischen Depression oder psychotischen Man ie v rg ben . Der Schweregrad von D pre i nen und Manien wird mi t Eig n- und Fremdbetut ilungsska len quantifiziert. ic wi ht ig. ten si n 1: • Beck-Depression s-lnventar (BDI) : in ~ Ei ge nb urtei lungs kala , di e di e Patienten ·Jbst ausfnl lcnund die ut -off-Werte für h ht , mittels hw ·re und s ·hwerc Dt:p r 'SSi< nen bi tel
74
• Hamitton-Depressions-Ska la (HAMD): Ein
Fremdbeurtei lungss kala , di e der Arzt ausfüllt und die eineS hweregradein schätzung ermöglic ht. Zur Beurtei lung der hwere der Dep ression und der Veränderu ng der affektiven ymptomatik im Therapieverlauf empJ1ehlt e si h, wö hentli h entspre hen lc ßeurt ilungsverfa hr 11 anzuwenden.
• Differenzialdiagnostik ln d r Diffcrenziald iagno · tik mu s man Depr ssion en und Mani n imm r g gc n an lere psy his hc Stö rungen und organis ·he psy hi ehe törung n zweiten Ranges abgrenzen. Depr ss ion • Anpassungsst örun gen : 'ie cnt teh n 'lis di-
rekteR •;tl tion auf kriti s · hc Lebensereign isse und zeige n ich dur h eine geri ng ·r ausg _ 1 rägte 'ymp toma ti k, jic die I iagnosestellu ng ·in ·r dcprcssiven Fj)isod ' ni ht Tiaubt (-t Kap. II ) • Schiz o-depressl ve Störung : I-li r treten gki lli'. ·itig S mp tome einer I eprus ion und ' incr S hi zophrcnie 11uf(-t Kap. 8)
0 Hauptsymptom
[ >1 Wocho
• abnorme, anhaltend gehobene, expansive oder reizbare Stimmung
J
8
Zusatzsymptome • gesteigerte Aktivität oder motorische Ruhelosigkeit • gesteigerte Gesprächig keit (Rededrang) • Ideenflucht oder subjektives Gedankenrasen • Verl ust sozialer Hemmungen
8
• Vermindertes Schlafbedürfnis • Überhöhte Selbstei nschätzung, Größenwahn
Halluzinationen oder Wahn? • leichtsinniges , tollkOhnes Verhalten
8
• gesteigerte Libido oder sexuelle Taktlosigkeit mit psychotischen Symptomen
ohne psychotische Symptome
Manische Episode
["\iäfi'aufsasp~ C
tcD-10
>
I monophasisch I F 30.xx
im Rahmen eines bipolaren Verlaufs
F 31.xx
Abb. 6.4 Operation ali sie rte Di ag no stik ma nisc her Epi soden nac h der ICD-10 • Post-schizophrene Depression : Damit wi rd
eine depressive Epi ode bezeichnet, die innerhalb von 12 Monaten nach eine r schi zophrenen Ep isode auftritt (-+ Kap. 7). Depressionen treten häufig auch komorb id im Verlaufa nderer psychischer Erkrankungen wie Angststörungen, Essstö runge n, somataformen Störungen oder Suchterkrankungen auf. Manie
• Schi zophrenie • Schizo-manische Störung: Gleichzeit iges
Erfüllen der Diagnosek riterien der Manie und Schi zophrenie. Organische Ursachen
Bei der Diagnos tik von Depression und Manie mü se n imm r orga nische Ursach n ausgeschlossen werden. Verursacht eine organ is he Störung die afl:e ktive Sy mptomati k so sp ri ht
man von einer organischen affektiven Störung (-+ Kap. 5). Prin zipi ell kann eine Vielzahl von orga nischen Störungen ein e depressive oder m anische Symptomatik verursachen. Klinisch relevant sind: • Medikamentennebenwirkungen, vor allem Kortikosteroide ink1. orale Kontraze ptiva , verschiedene Antih ypertensiva, z. B. Clonidin und hirngängige Betablocker sowie An tiarrhythmika, verschiedene Antibiotika und Benzodiazepine • Endokrine törun gen, vor allem Hypo- oder Hyperthyr ose • Andere somatische Erkrankungen, vor allem mul tiple Sklerose, Morbus P
0 Nennen
0 0 0
ie die Dia.gnosekritericn von Depression n und Manien in der ICD-10. Durch welche ymptome ist eine Depres ionmit somatischem Syndrom gekennzeichnet? Welche Sympt me gehör n zu einer schwer nundeiner wahnhaften Depression? Nennen Sie wichtige Dift ren~ialdiagnosen aff, ktiver Störungen.
75
6
Affektive Störungen
Ätiologie, Therapie und Prognose • Ätiologie Die Ätiologie affektiver Störunge n ist grund ätzlieh multifaktoriell, wobei immer biologische, psychologische und oziale Ursachen zusamm enw irk e n ( ~ Kap. 1). Grund ätzlieh gilt: • Affektive Störungen entwic keln sich, wenn ein e g~n~tische Prädisposition be teht, wobei diese bei bipolaren Störungen bis zu 80 % des Verlaufs erklärt, bei unipola ren Depress ionen ca. 30-4 0 % • Ei ne genetische Prädisposition wi rd durch frühe kindl iche Belastu ng fakto renwie Verlu st- und Separationsereignisse und durch epigenetische Mechanismen wie Ge nmethylierung und -demethylierung in ihrer Bedeutung potenziert oder abgeschwäch t • Krankheit episodenwerden häufig du rch körperliche Faktore n wie orga nische Erkran kungen oder durch psychosoziale und intrapsychische Konflikte ausgelö t • Vulnerabilitäts-Stress-Modell: Je höher die gene tische Prädisposit ion ist (Vuln erabilität), umso geri nger mli sen die Auslöser (S tress) sein , damit e zu einer Krankheitsepisode kommt und umgekehrt. Neurobiologische Faktoren
Hi.r die Bedeutung genetischer Faktoren prechen vor all em die Ergebnisse der Zw ill ings - und hmili.enstudien: • Affektive törungen häufen si hin Fa milien. }e nähe r man bei piel weise mit ei ner Person mit bipolar affektiver Erkrankung verwa ndt i I, um o höher ist das Erkra nkungs ri siko. Die e teigt von 1- 2% in der Norma lb vö lkeru ng auf 10- 15% b i Er tgradangehörigcn oder auf 55%, wenn beide Eitern erkran kt ind • Ein - und zweieiige Zwilli nge wei"en ei nen Konkordanzunter. chied auf, !er vor allem bei bipolare n törungcn groß isl. o liegt die Kon kordanz rat für eine bipolare Störun g be i ein eiigen Zwillingen bei a. 80 %, bei zw iciigcn b i a. 15- 20 %. Di Konko rd anzun ters hiede ze ig n zwar d tl lli h die B de11tun •en tis her Faktoren, zcig ·n nb r au h, da. s ih nen in der multi fak tor ie.ll n 1 ncs affekt iver törun en nur ine Tei ll deut ungzukommt • Die für di aR"ektive n törung '11 v rantwortlichcn n sind bisher n ·h ni ht aufg ·klärt. Genetische Faktoren.
76
Man nimm t an, da s mehrere Risikogene be, teiligt sind, und dass epigene tische Mechan ismen Genaktivitäten wä hrend der Entwicklung ve rändern. Neurotransmitte~.
Hin wei e für eine Störun g von eurotransm1tt er-Sys temen ko mmen im Wesentlichen aus Un ter uchungen zur Wirksamkeit von Antidepre siva, au denen ind irekt auf die zugrunde liegend e Neurotran mitterStörung geschlo sen wird . Die wichtigsten bio chemisch- neurobiologis hen Hypothesen sind: • Die Monoaminmangelhypothese, die von ein em Mangel an orad renalin, Seroton in und Dopamin im ynaptischen Spalt ausg ht, der durch Antidepre siva korrigie rt wird • Rezeptorhypothesen , di e davon ausgehen, dass auf der Ebene der prä- un d po tsynap tischen Rezeptoren wie der ß-Rezeptoren, der Alpha-2-ad renergen Autorezep toren oder der Seroto nin -Rezeptoren adaptive Verä nderun gen auftre ten, die auch Zielpunkt der antidepr ss iven Ph armakathera pie sind(-+ Kap. 6) törungen im Bereich postsynaptischer Second-Messenger- und Transkriptionsfaktoren mit v ränd rter Genregul ation, wobei hier der Tra nskrip ti onsfaktor REB und neuro troph e Faktoren wie BD F von be anderer B deu tung zu sein sch inen. Die e Hypothesen erklär n be er, wa rum Antide pressiv·1 früh e ten nach 8- 14 Tag n zu wirken begin nen, wa nicht durch die sehr s hnell intr _ Iend en Ve r;i nd rungen im ynapti eben palt zu erklär n i t ( ~ Kap . 6). Neuroendokrinologie. Als typis he neur ndokrinc Verände run •en wurden la ng ine Üb raktiv itäl der Hypo th·1lamu. -Hypophy enN bcnnicrenrindcn -A hs ·mit Hyp rkortisol ismus und ein mangelnd Fe dba k-J-lemmun dur h Dexam tha n im! xa methasonHemmte t al' Spez ifi s ·h für s hwer (.,111 lanholis he" ) un d p y ho tische Dcprc sioncn ang ·s ·hcn. I ie e Hypoth ese hat h ut · allcrdin •s w g n viel r wid 'I'Sprü hli h r Bcftmdc an ß _ deutu ng ·ing •büßt.
Schlafverii nderungen. Hiiufi 1 zu find en sind Ve rii nd rung n des . hh f.~. di in l~o rs hun sarbc.itcn mitt ·ls d 'f S hlaf-1olyso rnnogra fic doku lllcn li rt werden konn t ·n. Dazu ~c h örc n Ver -
/ .- ---- - - -------- ---------- -------------------------------änderungendes REM - chlafs mit einer Verkü rzung der REM-Latenz, ei ner Verlängerung der ersten REM-Phase sowie einer erhöhten Augenbewegungsdichte (REM-Intensität) . Neuere H)'POthesen auf der Basis vo n Unter uchungen mit PET und funktionelle r Kernspintomografi e gehe n davo n aus, dass affektiven törungen eine Netzwe rkstörung zerebraler Regelkreise zugrunde liegt, bei der insbesondere der dorsolaterale präfron tale Kortex und das anteriore Cingulum betroffen sein sollen. Diese Erkenntnisse sind Ausgangspunkt für modern e und noch experim entelle 'n1erapieverfa hren bei chroni schen, therapieresistenten Depressionen, bei denen überaktive Stellen des Ne tzwerk , z. B. BA25 oder Regio nen im Bereich des Ncl . accumbens, mit elektrischer Stimu lation (tiefe Hirnstimulation ) in ihrer Ak tivität modu liert werden.
Netzwerkstörung.
Psychologische und soziale Faktoren Kognitives DepressionsmodelL Psychologische Modelle zur Depressionsentstehung sind Ausgangsp unkt für die Entwicklung psychotherapeutischer Verfahren zur B handlungvo n Depres ionen . Da beka nn teste Modell ist da kognitive Depre sionsmodell nach Aaro n Beck, das davon ausgeht, dass Depressionen durch depressionstypi ehe verzerrte Kognitionen ausgelöst und aufrechterh alten w rden, die die eigene Person, Umwelt und Zukunft betreffen (kognitive Triade). Typisch sind folgende depressive Denkfehler: • Unangeb rachte Ven llgemein erung, z. B. wenn der Zugverp as t wird , wird v rallgemeinert, dass alles schief g ht • elektive Verallge meinerung, d. h. po itive Aspekte von Situationen werden über ·ehen • elbstattrib ution, d. h. ne ativ Erfahrunge n werden dem eig ·nen Ve rh alt ' n zuges hri b n, au b wenn andere daran huld tngcn • chwarz-Weiß-Denken. D.ic kognitiv 'nlerapic der I cprcssion fokussi rt auf diese D nkfehlcr und ve rsucht sie zu korr igieren (-+ KaJ . 4). Interpersonelle Kontlikt . B fu nd aus d r Llve-Event-Forschung " h •n da on iltJ , , das sich Depr ·ion n hiiulig in ol ' C interp J'soneller Konflikt e entwi k ·ln. Zu di es ' ll ''hör '11 : • Verlust- und Trau rreaktion n • Jnlcrp rsonellc Kon fl ikte, z. H. bei Eh ·part n rn
0
• Ro llenwechsel, z. B. Überga ng von Schule in Beruf oder Beruf in Berentung • Interpersonelle Defizite, z. B. Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerh alten. In der interpersonellen Psychotherapie der Depress ion (IPT) nach Klerm an und Weissman werden diese Problembereiche fokuss iert und bearbeitet. Psychodynamische Konzepte sehen entwicklungspsychologische Aspekte, z. B. Störung des Selbstwertgefü hls, narzisstische Krise oder frühkindliche Fehlentwicklung im Separationsprozess von der Mutter als ursäch li ch für Depressione n an. In der tiefenpsychologischen Therapie wird versucht, diese zu fokussieren und zu korrigieren.
Bei der Thera pie affektiver Störungen werden drei Stadien unterschieden(-+ Abb. 6.5): • Akuttherapie: Diese Phase endet mit der partiellen oder vollen Remission der Erkrankung • Erhaltungstherapie (Continuation therapy): Erfolgt 6- 12 Mona te nach Rem ission einer akuten Episode. Für diesen Zeitraum wird angenommen, dass nur die Psychopathologie remittiert, die zugrunde liegende biologische Störung aber noch nicht völlig korr igiert ist, sodass in dieser Phase die medikamentöse bzw. psychotherapeutische Behandlung fort gesetzt werden mu s. Ein Absetzten führt hier zu einer hohen Gefahr e.ines Rückfalls (Relapse) • Phase der Rezidivprophylaxe (Maintenance therapy): Phase nach Abschluss der Erhal tu ngs therap ie, in der nach be timmten Reg ln ein pha enproph ylaktische Behandlung erfolg n muss, um ein Rezidiv (Recurrence) zu v rh indern . Die wichtigsten Therapieverfahren zur Behand lu ng affektiver Störungen sind die Pharma k thcnpie und Psychoth rapie. ln Einzelindika ti n n werd n b i Depressionen auch Schlafentzugs therap ie, Lichttherapie und Elektrokonvu lsionsthcrapi (EKT) inge etzt (-+ Kap. · ). L tzlere kann au h bei hw rcn Man ien in Einzclftill ·n indiziert ein . lh rapi llts heidungen sollten, wenn immer mögli h, g m in _am mit dem Patienten ("S har d d ision making") geflillt werden. Vorauss tz,un gen sin l dab i im mcr die Vermittlung 77
6
Affektive Störungen
therapeutisches Ansprechen
partielle Remtssion
volle Remission
Rückfall (relapse)
Genesung (recovery)
Wiedererkrankung (recurrence)
Normal- - -... zustand ~
ro
E _g 0.
E >.
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1::1
Depression
2:'
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u
(/)
ca . 6-12 Monate
Behandlungsphase
Akuttherapie
Erhaltungstherapie
Rezidivprophylaxe
(con tinuation)
(main tenance)
Abb. 6.5 Terminologie fü r Verlauf und Behandlung sphasen bei rezidivierenden affektiven Störungen
einer guten Informationsbasis und die Berücksichtigung von PatientenwünscheiL Differenzialindikation antidepressiver Verfahren • Pharmakotherapie: Ein medikamentöse Behandlung muss bei schweren, vor allem psychoti chen Depressionen und sollte bei mit-
tel chweren Depressionen erfolgen. Bei leich ten Depre .ionen ist da utzen -Risiko-Verhältnis für Antidepress iva g ge nüb r Plazebo ungün stig, sodass sie hi er nur bei günstigem Ansprechen in frü heren Pha ' 11 , fr i.ih r 11 schweren Depress ionen oder bei besonderen Patientenwünschen gegeben werden sollten • Psychotherapie: Leichte und ggf. mittelschwere Depr ss ion en werden auch allein psyhoth rapeu tisch behandelt. videnzbasiert ist die 'Therapie z. ß. mit kognitiv r V rhalt nstherapie und inlerper 'on Her P y hoth rapie • Pharmakatherapie und Psychotherapie:
ßei hwer n und hronischen D pre sion n isl eine kombiniert · pharmakoth erapeu ti he un I pcy hoth rapeuti hc Beh andlung ein ' r Behandlung mit dem jewei lig n Ein zelve rfa hren überlegen • Schlafentzugstherapie: ln sbe onderc Pati en ten rni.t starken Tagcss hwankun end r 'limmung und Morgenti ef spr eh n auf in e hlaf, ntz ugsthcrapie an • Lichttherapie: Dies ist vor all m b ·.i saisonal n Ve rlaufsformen von Dep ression n indiziert 78
• Elektrokonvulsionstherapie: Einsatz vor al-
lem bei therapieresistenten und psy hotischen Depr io nen. Antidepressive Pharmakatherapie
Bei schweren Depressionen sind Antidepre ' iva ei ner Plazebobehandlung überlegen. Die An sprech rate li egt bei 60-70 %.
Auswahl eines Antidepressivums. Bei Erstman ifes tation und unkomplizierter depressiver Epi odeempfiehlt sich: • Beginn mit dem SSRI Citalopram oder ertr·:\lin , da diese das b t:e Verhältnis aus Nutzen und Nebenwirkungen haben • Bei ll1erapieresist nz Unu llung auf das du ale Antidepressi vum V nlafaxin (SSNRI), da dieses . ich in r SS RI -Behandlung als über) _ gen erwi'sen hat. All rdings mücsen hier Dosen von~ -25 mg eingesetzt werden, da i h nur in. hö h e_r e nDo se~1 das dual ~ Wirkprinzip, also cl1e w sat zl! hc No radr nal 1n-Wied raufnahmeh n•mung, en tfalte t • B i 'Iherapicr sistenz Augm ' nlierun g mit l ithium oder Umstcllun au f ein tri zyk li , hes Anlid pro.sivum, z. H. Amitr.iptylinod r ] _ mipramin . .Krilerien fiir die Auswahl.
• Früh ' r ·s A nspr · ·h ·n auf ein bes ti mn"ltes An lid 'I re. sivum • Pat ient ·nwuns h
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/
• Auswahl eines edierenden Antidepress ivums wie Mirtazapin oder trizyklische Ant idepressiva bei agitierten Depre sionen, stimulieren de An tidepressiva wie SSRI oder SSNRl bei gehemmte n Depressionen • Bevorzugte Gabe der kardi al be ser verträglichen SSRI bei internistischen Begleiterkrankungen und höherem Alter der Patie nten • Kombination mit sed ierenden Substanzen bei agitierter Depress ion und erhöhtem Suizidri siko. Frühere Leitlin ien empfahl en, ein Antidepre sivum mindeste ns 4- 6 Wochen zu geben, bevor bei erfolgloser Therapie auf ei n anderes Antidepress ivum umges tellt wird. Heu te ist bekannt, dass Patienten, bei denen sich di e Symptome nach 2 Wochen nicht um mindestens 20 o/o verbesse rt haben, im we iteren Verlauf mit se hr geringer Wahrschein lichkei t auf die Thera pie an prec hen. Dem nach lohnt es sich, die ll1erapie bereits nac h 2- 4 Wochen umzustellen. Ziel jeder Behand lung i t, eine völlige Remission zu erreichen, da un oll ständige Remi.ss ion en den Langzeitverlaufverschlechtern und Rezidive wahr chei nli cher machen . Besondere Subtypen depres iver Epi oden machen eine be andere Pharmakathera pie notwendig: • Psychotische Depress ion: Kombination eines Antidepressivums mit ein m Antipsycboti kum, evtl. EKT • Sai onal Depress ion mit: atypi scher ymp tomatik: bevorzugt abe von MAO-Hcmmern • Bei ausgeprägter Agitierth it und Sui zidalität: Kombination mit sedi erend n ub tanzen wie Benzodiaz pin n od r ni ede rpotenten Antip y hotika.
Vorgehen bei Therapieresistenz
Von 1l1erapieresistenz wird gesprochen, wenn mindestens zwei Antidepressiva in ausreichender Dosierung und für einen Zeitraum von min destens 4- 6 Wochen ohne Erfolg eingesetzt wurden. Mögliche Maßnahmen zum Vo rgehen bei 1l1era pieresistenz listet -+ Tabelle 6.4 auf. Am sinnvollsten sind diese Interventionen, wenn eine Vo rbehandlung mit einem SSRl und Ve nla faxin oder einem trizyklischen Antidep ressivum unwi rksam blieb: • Hochdosistherapie: Erhöhung der Dosis von Venlafaxin oder dem tri zyklischen Antidepress ivum, z. B. Amitriptyli n oder Clomipramin au f Maximaldosen • Augmentierung mit einer Substan z, die selbst nicht oder kaum antidepressiv wirkt, in der Kombination aber gute Effekte zeigt: zusätzliche Gabe von Lithium (Plasmaspiegel 0,60,8 mmol/1) oder - weniger wirksam- Trijodthyronin (T 3) • Zusä tzliche Anwendung von Schlafentzugstherapie und Lichttherapie • Umstellung auf den irreversiblen MAO -Hemmer Tranylcyprom in • EKT. Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe
Erhaltungstherapie. Nach Erreichen der Remission durch ein Antidepressivum muss dieses für mindestens 6- 12 .Monate weitergegeben werTab. 6.4 Maßnahmen bei Therapieresistenz
Pharmakologische Maßnahmen Überprüfung der Plasmaspiegel und Erhöhung auf Maximaldosis Wechse l auf ein anderes An tidepress ivum mit anderem Wirkprin zip Kombinationzweier Antidepressiva mit un · terschied liche n Wirkprofil en
Antidepressive Psychotherapie
Insbeso ndere fü r fo lge nde Verfahren konnte ei ne Wirksa mke it in de r Behand lung dcpres iver Ep isoden na hgcw i ·sen werden : • Kogn.itive V rhalt n s th cra~ ic (-+ Kap. 4) • Jn t rp rsonelle Psy hothcrapic (lPT) na h Kl erm an und W ·issman (-+ Ka p. 4). Die Dauer bi zum Anspr h n istmit 10- 1 Wo h n lä nge r als bei den An ti kpn:ssiva. In j dem Fall wi hti • is t di • Psychoedukatlon des Palienten mit ß ' IUIU CI' Auilliirung ül 1' Enttehun . S)'mptomatik, V Tlau fund lhcrapi • d pr si v r Ep isoden.
Kombination eines Antidepressivums mit Lithium ("Augmentlerung") Kombination eines Antidepressivum s mit Sc hilddrU se nhormonen (,.Augmentierung") Gabe d s irr versi blen MAC-Hemmers Tranylcypromin O atrosom~ in hoher Dosi erun g Ni chtph arm akologi sc he Maßnahmen -
Schlafentzugstherapie
0
rte psychosozia le 01 gno stikund
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Affektive Störungen
de n. um einen Rückfall (Relap e) in die aktuelle Depression zu verhindern. Dabei sollte die volle Dosis, die zur Remiss io n führte, beibehalten werden. Wenn innerhalb der letzten fünf)ah re zwei depressive Episoden aufgetreten sind, sollte eine rezidivprophylakti sche Therapie bego nn en werden. Diese wird entweder mit Lithium oder einem Antidepressivum durchgeführt. Auch eine fortge etzte niederfrequente Psychotherap ie, insbesondere in Kom bi nation mit ein em Ant idepres ivum, reduziert die Rückfallwahrscheinlichke it Rezidivprophylaxe.
Antidepress iva dürfen nie abrupt abgesetzt werden, sondern müssen immer ausgeschlichen werden, da bei jedem abrupten Wechsel die Rückfallgefahr besonders hoch ist. Depressive Episoden bei bipolaren Verläufen
Bei der Behandl ung von bipolaren Depressionen mit Antidepress iva besteht die grundsätzli che Gefahr der Provokation von manischen und gemischten Episoden , woraus si.ch folgende
Besonderheiten der Pha rm akath erapie ergeben: • Alleinige Gabe von stark wirkenden An tidepressiva wie Venlafaxi n und trizykli chen Antidepress iva vermeiden, da hier die Switch Gefahr besonders hoch ist. In Kombina tion mit einem Stimmungsstabilisierer, der eine Manie ve rhindert, ist die Gabe aber möglich • Keine An tidepres iva-Beha ndlung bei leich ten Depressionen, sondern Op timierung oder eubegi nn ei ner Behand lung m it stim mungsstabili ierenden Medikamenten • Therapiever uch mit dem Antipsychoti kum Quetiapin, da eine gu te antidep ress ive Wirk sa mkeit bei bipolaren Depressio nen gezeigt hat, ohne dabei eine manisc he Symptomatik zu indu zieren. Manische Episoden Akuttherapie. Medibmentös. Folgend
ub-
tanzen kommen in Frage: • Stimmungsstabilisierer:
- Lithium bei euphori ·her Manie, Valproin äure bei dy phor.i h-g reizter Manie - Medikament der 2. Wahl: arbamazepin - Bei Rapid - ycling Behandlu ngsvers uch mit Va lpro i.nsä ure
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• Antipsychotika der 2. Generation wie
Olanzapin, Risperidon, Quetiap in sind zur Aku tthe!·apie manischer Episode n zugela sen • Benzo~1azepine : Mei t we rden Stimmungs stablhSierer und Anllpsyc hotika mit Benzodiazepmen zur Sedierung kom biniert. \~eite~e wichti~e Elemente der Akuttherapie s111d dte Abschirmung von Reizen , um Erregu ngszustände nicht weiter zu fö rdern . Ak ut manische Patienten widersetzen sich einer Behandlung häufig aufgrundfehlender Krankheitseinsieht Aku te Man ien müssen in der. 1)' egel stationär behandelt werden, unter Umstän den auch gegen den Wille n des Patienten (-+ Kap. 18). Rezidivprophylaxe. Aufgrund des in der Re gel sc h.were r~ n ~erl~ufs bipolarer Störunge n wnd dte lndJkatiOn tür eine Rezidivp rophylaxe schneller als bei rez idivierenden Depres ionen gestellt. Aufjeden Fall sollte sie erfolgen, wenn inn erhal b vo n 4 Jahren zwei Episoden aufgetre ten sind. Zur Rezidivprophylaxe eignen sich: • Lithium zur Prop hylaxe depressiver und manischer Episoden • Carbamazepin zu r Prophylaxe mani scher und depressiver Episoden , vor allem wenn Li thium ni ht au r i h nd ist • lamotrigin zur Rezidivprophylaxe depressiver Episoden im Rahmen bipolarer Verläufe • Valproinsäure vor all em zur Rezidivproph ,_ · ) laxe manischer Ep i oden. Häufig müs en mehrere Medi ka mente komb iniert w.erden. Psychoth erapeutischer und psychosozia ler Unterstützung komm t in der Rezi divprophylaxe bipo.l.arcr Vcrl äufe eine besondere Bedeutung zu , da ln ufig auch ge ringe Stressfaktoren aufgrundder hohen geneti chen Vulnerabi lität zu Rü kfä llen führe n.
• Prognose • Die Progno eist bei unipolar depressiven Verläufen grundstitzli h besser als bei bipo laren t·örunge n • In de r R g I haben ältere Mens hen, sow ie Men schen mit f hlende r ozialer Unterstüt zung und chro nisc hen farnilüi ren od r berufli h n Konfliktsituationen eine hle htere Prognose • Komorbide Erkrankungen wie Angstcrkran ku ngcn, Su htcrkrankungcn, I er ön lichk itstörungc n, Zwangsstörungen ode r Essstörun -
0
/ genverschlechtern oft den Verlauf. Ge rade bei den in 20- 30 % der Depress ionen komorbid vorliegenden Angst- und Panikstöru nge n ist die Gefahr der "l11erapieres istenz und Chroni fiz ieru ng de utlich erh öht. Dies hebt die Bedeutung der in tensive n Behandlung beider Störungen hervo r. Rezidivrisiko. Während die Progno e ei ner einzelnen depressiven oder manischen Episode bezüglich de r Re titutio ad integrum als positiv zu beurteilen ist, gil t das nicht für den Langzeitverlauf: • Das Rezidivrisik o be.i Depressionen liegt bei min destens 50 %, be i bipolaren Stö ru nge n bei 80 % • Ein wichtiger Risikofaktor für Rezidive sind Residualsymptome nach einer stattgefundenen Episode, was die Zeit bis zum nächsten Rückfall um den Faktor 5 reduziert. Daher muss bei jeder Epi odenbehandlung immer eine Vollremiss ion angestrebt we rden.
Suizidrate. Die Prognose ist insbesondere durch die erhöh te Suizid rate verschlechtert: • Die Suizidrate li egt für all e Depress ionen also auch unter Berücksichtigung von leichten Fo rmen - bei etwa 2 % • Nach neuesten Untersuch ungen suizid ieren sich etwa 8,6% alle r Patienten, die mi ndesten' ei nmal wegen einer Depression hospitalisiert wurden, was in der Regel für eine schwere Depre sion spricht • 20- 60 % aller an mindestens einer depressiven Epi odeErkrankten unte rnehmen mindestens einen Suizidversuch und leide n nicht selten an dadurch bed ingten Dauerschäden • Da Sui zid risiko bei bipolaren Störungen ist mind estens genauso hoch wie bei den unipola r depressiven Verläufen, aufgrund der meist schwereren Verl äufe wahrscheinl ich sogar höher • 40- 70 % aller Suizide in der Allgemeinbevölkerung erfolgen im Rah men einer Depression .
•
0 Welche Bedeutung haben genetische Befunde bei der Entstehung affektiver Störungen? 0 Nennen Sie für Depressionen typische Störungen in der Schlaf-Polysomnografie. 0 Was ist die kognitive Triade nach Beck? Nennen Sie psychologische und soziale Faktoren zur Entstehung von Depressionen.
0 Nennen Sie die Prinzipien einer antidepressiven und antimanischen Therapie mit Psychopharmaka. Welche Maßnahmen ergreifen Sie bei Therapieresistenz auf ein Antidepressivum? 0 Welche Medikamente kommen zur Rezidivprophylaxe bei unipolaren und bipolaren Verläufen zum Einsatz?
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Schizophrenien Klaus Lieb
• Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Symptomatik, Subtypen und Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Verlauf und Ätiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8 Diagnostik und Differenzialdiagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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_ Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Prognose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schizophrenien
Definition und Epidemiologie Definition Im Gegensatz zu den affektiven Störungen stehen bei den Schizophrenien sogenannte abnorme Erlebnisweisen im Vordergrund. Dazu zählen im Wesentlichen: • lnh altliche Denkstörungen wie der Wahn • Wahrnehmungsstörungen, vor allem ak usti sche Ha lluzi nationen • Ich-Störungen. Wie die affekt iven Störunge n verlaufen auch Schizophrenien .in Phasen. Es kommt jedoch im Ve rgleich zu den affektiven Störun gen we niger oft zu einer Vollremission zwischen den Episoden. In der Regel blei ben Restsymptome (Resi dualzustände) zu rück, und es tinden sich häuti ger chronische VerUi ufe. Geschichte
Emil Kraepelin
(1856-1926). Beschrieb das Krankheitsbild erstmals 1896 als "Dementia praecox" und grenzte es vom "man isch-dep ressiven Irresein" ab. Aufgrund der damals in der Vor-Antipsychotika-Ära noch häufiger zu beobac htenden chronisch progredienten Fäl len mit ausgeprägten kognitiven Störun ge n nahm Kraepelin an, dass es bei den Schizophrenien zu ei nem "demenziellen Abbau" kommt, während manisch-depressive Erkrankun ge n ph ase nh aft: und günstiger verla ufen. Kraepelin beschrieb bereits di e drei Grundformen: • Paranoid e Schizop hrenie • Hebephrene Schizophrenie • Katatone Schi zophrenie.
Eugen BJeuler (1857- 1939). Prägte 19ll den Begriff Schizophrenie und untersch ied Grund symptome vo n akzessori chen Symptomen (s. u.). Den Begriff "Dementia praecox" hielt er für unzutreffend, da er viele l~äl l e beobachtete, die spä ter begannen und keinen progredi nten Verlauf aufwiesen . Kurt Schneider (1887- 1967). War für die moderne Diagnostik d r Sc hi zop hrenien der wich tigste P ychiater. Er beschrieb die sogenan nt en Erst- und Zweitrangsymptome der chiznphrenie (s. u. ), di e heute in abgewan Ieiter Form noch Grundlage der modernen Diagnos st.el lu ng in der JCD-10 sind.
Klassifikation und Epidemiologie Triadisches System. lm heu te nicht mehr gül tige n, ät iologisch orientierten triadi schen System( ~ Kap. I) gehörten die Schizophrenien Wie die "manisch -depressiven Erkrankungen" zu den "endogenen Psycho en".
ICD- I0-Kiassifikation. Schizoph renien werden rein deskript iv nach ymptomatik und Verlauf ~ ingeteilt ..(~ Ta b. 7.1) und vo n anderen psychotischen Storungen ( ~Kap. 8) abgegrenzt. Darüber hinaus werden sie differenziald iagnostisch von den orga nischen wahn haften (schizophreniformen) Störungen abgegrenzt, bei denen der psychotischen Symptomatik eine orga nische Ursache zugrunde li egt( ~ Kap. 5 und 7) . Epidem iologie. Die wichtig ten Daten fasst ~ Tabe ll e 7.2 zusammen. Tab. 7.1 ICD-10-Kiass ifikation der Schizophrenien
F20.X Schizophrenien F20.0 Paranoide Schi zophrenie F20 .1 Hebephrene Schizophrenie F20.2 Katatone Schizophrenie F20.3 Undifferenzierte Schizophrenie F20.4 Postschi zophrene Depression F20.5 Schizophrenes Residuum F20.6 Schizophrenia simplex Tab. 7.2 Epidemiologische Daten zu den Sc hizop hreni en Erkrankungsrisiko/Lebenszeitprävalenz 1 : 1% Punktprävalenz: 0,14- 0,4% Alter bei Erstmanlfestation 2 : • Vor dem 14. Lebensjahr: 2% • Zwischen Pubertät und 30. Lebensjahr: so o;,0 • Zwischen 30. und 40. Lebensjahr: 25% • Vor dem 40. Lebensjahr: 75% Männeru nd Frauen erkranken gleich häufig, aber: • Männer erkranken im Durchschnitt früher als Frauen - Manifestation sgipfel d: 1 5.- 25 . Lebensjahr - Manife tatlonsgipfel9: 25. - 35 . Lebensjahr • Frauen hab n im Allgemein en in e bessere Langzeitprognose 1
w hrschei nll chkeit, mind
tens einm al im Leb n an in r Schizophr nie zu rkr nk n
2 Er tmanlf t tlon vom 1.- 7. L ben jahrz hnt
möglich
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D Welcher Psychiater hat den Begriff Schizophrenie geprägt und welcher Psychiater hat für die moderne Diagnostik eine besondere Bedeutung?
0 Wie werden Schizophrenien und andere psychotische Störungen in der ICD-10 eingeteilt? 0 Nennen Sie Punkt- und Lebenszeitprävalenzen und Geschlechtsunterschiede bei den Schizophrenien.
Symptomatik, Subtypen und Komorbidität Symptomatik
Obwohl es kein psychopathalogisches Symptom gibt, das pathognomonisch fü.r die Erkrankung ist, unterscheidet sich das psychopathalogische Bild mehr oder weniger deutlich von der Symptomatik anderer psychischer Störungen. Charakteristische Sym ptome wurden von Engen Bleuler in die sogenannten Grund- und akzessorischen Symptome zusammengefasst( -+ Tab. 7.3) und von Kurt Schneider in die sogenannten Erstund Zweitrangsymptome ( ~T ab. 7.4). Zu der typischen Psychopathologie der Schizophreni en (-+Kap. 2) gehören: • Inhaltliche Denkstörungen: Wahnwahrneh mungen und Personenverkennungen sowie
Wahnideen. Typische Wahnthemen sind Verfolgungs-, Vergiftu ngs- oder Beeinträchti gungswahn, seltener Größenwahn. Typ isch ist der bizarre Charakter der Wa hnvorstellungen • Formale Denkstörungen : charakteristisch sind inkohärentes (zerfahrenes) Denken, Gedankensperrungen und Gedankenabreißen sowie Vorbeireden. Seltener zu beobachten sind Begri ffsze rfa ll (Schizophasie), Begriffsverschiebungen, d. h. Begriffe werden nicht mehr in ihrer übert ragenen Bedeutung benutzt, sondern wö rl'lich genommen (z. B. auffallend beim ErkHren von Sprichwörtern ) und Kon taminationen (un inn ige Wortkombinationen) sowie Neologism n (Wortneub ildungen) • Halluzinationen : Typis h ind akustische Halluzinationen in J~ o rm dia logisier nder, kommentierender oder imp rative r Stimm n sowie Leibh alluzina tion n. Dies haben als leiblich ß einfluss ungscrlebni sse im Gegensatz zu den Zoenästh sien d n harakter des von "a ußen ema htcn", w ~i hre nd s si h bei den Zoenä thcs ien um quali tativ eigenartige
Leibesm issempfindungen ohne den Charakter des Gemachten handelt • Ich-Störungen: Dazu gehören Geda nkeneingebung, Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung und das Phänomen der Willensbeeinflussung • Affektstörungen: Typisch sind Anhedonie, Affektverflachung, inadäquater, parathymer Affekt, Angst und Ambivalenz • Katatone Symptome: äußern sich in Form psychomotorischer Hyper- oder Hypokinesen (-+Kap. 2). Bei chronischen Verläufen kann man auch Befehlsautomatismen beobachten, entweder mi t Echopraxie, d. h. Patienten ahmen Bewegungen und Handlunge n der Umgebung stereotyp nach oder mit Echolalie, d. h. gehörte Wörter und Sätze werden vom Patienten ,.mechanisch" nachgesprochen. Insbesondere für die Langzeitrehabilitation bedeutsam sind häufig auftretende neuropsychologische Defizite, die vornehmlich Beeinträchtigungen in den Bereichen Aufmerksamkeit, z. B. Aufmerksamkeitsverlagerung und Daueraufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutiven Funktio nen zeigen. Bei den im frontalen und Tab. 7.3 Symptome der Sch izop hrenie nach Eugen Bleu ler
Grundsymptome: die 4 großen A • Assoz iationslockerung, z. B. formale Denkstö rung und Denkzerfahrenheit • Affekt störung, z. B. Parathymie • Autismus, z. B. soz ialer Rückzug und An triebsstörung • Ambivalenz -
Akzessorische Symptome • Wahrnehmungsstörungen,
z. B. Halluzina·
tionen • In ha ltlich e Störungen, z. B. Wahn
• Kataton e Störungen 85
7
Schizophrenien
Tab. 7.4 Ers t- und Zweitrangsymptom e der Sc hizophrenie nach Kurt Schneider
Symptome 1. Ranges
Symptome 2. Ranges
Sympt~me 3. Ranges
Wahrnehmungsstörungen DialogiSieren de, kommentierende, imperative Stimmen
Opti sche, olfaktorische, Sens ori sche Stö rungen taktile Halluzinationen
Gedanken lautwerden Leib lich e Beeinflussungserlebnisse (Leib halluzinationen)
Zoenästhesien
Illusionäre Verk en nunge n
Ich -Störungen Gedankeneingebung
Dep ersonalisat ion
Gedankenentzug
De realisation
Gedankenausbreitung Willen sbeeinflus sung Inhaltliche Denkstörungen Wahnwah rn ehmu ng (Personenverkennung)
Wahne infall
medio-temporalen Kortex gesteue rten Exekutivfunktionen sind v. a. Kon ze ptbildung, Problem lösen und der flexible Vlechsel zwischen verschiedenen kognitiven Aufgaben gestört. Subtypen der Schizophrenie
Die !CD- JO unterscheidet fo lgende Subtypen der Schizoph renie: • Paranoide Schizophrenie:
- Ca. 40 % der Fälle - Wahnhafte, para noid e und hall uzinatorische Erlebniswe i en so wie Ich-Störungen stehen im Vordergr und der Sympto mati k - Gutes Ansprechen auf Antipsychotika, da her eher günstige Prognose • Hebephrene Schizophrenie:
- Ca. lS% der Fälle - Trias aus Affekt-, Denk- und Ant riebsstörungen in Verbindung mit einer he.iter-läppischen GestimmtheiL Diese äußert sich in Enthemm ung mit ungeni rtem, di tanzlosem Benehmen, manierierten Ve rh al tensweisen bei gleichzeitigem, weitgehendem Fehlen schizophrener Er t- und Zweitrang ymp tome - Verlauf und Progno e eher ungünsti g, weniger gute Ansprechen auf Anti psychotika • Katatone Schizophrenie:
- Ca. 15% der Fäll e, wi rd allerdings seit Ein führung der Antipsy hotika seltener beob ach tet Klinisch tehen katato ne ymptom im Vo rdergrund 86
- Der Begi nn ist meist akut, da Ansprechen auf Antipsychot ika gut und die Prognose günstig - Eine besonders schwer ausgeprägte Katatonie heißt perniziöse oder febrile Katatonie . Hier kann es aufgrundschwerer katatoner ymptome verbunden mit vegetativer En tgle isung (Fieber) zu einem Iebens gefahrl ichen Kra nkhei tsbild kommen • Undifferenzierte Schizophrenie: Eine Schizophrenieform, _bei der ~ h i zophre n e Symptome auftreten, Jedoch .mcht die Diagnosekriterien der paranoide n, hebephrene n oder ka tatonen Form allein erfüllt sind • Postschizophrene Depression : Diese Diagnose wird gestellt, wenn innerhalb der letztez1 12 Monaf·e die Diagnosekriterien einer Schizoph reni~ erf~ Ut waren und eine depre sive Episode 1mt mindestens zweiwöchiger Dauer auftritt, die das klin ische Bild behcrr cht • Schizophrenes Residuum: Vorherrschen von Negativsymptomen nach Ablauf einer aku ten Pha e einer chi zopbren ie (s. u.) • Schizophrenia simplex: Eine sogenan nte blande Psychose, bei der Negativsymptome klar im Vordergru nd st h n und psychotische Symp tome wie Wahn, Halluzinat ionen und Ich- törungennur ·ehr kur zfristig auftreten. Die Progno eis t hier i.nsgesamt schlecht. Un·1bhängig vo n der ICD-10 w rden im kl.i nis hen Sprac hgebra uch bzw. in der Fors hung auch folgend Subtypen unt rscbieden:
• Zoenästheti sche Schizophrenie: Hier ste-
Tab. 7.5 Negativ- un d Positivsymptome bei
hen Zoenästhesien und Leibhalluzi natio nen im Vorde rgrund , wä hrend ande re produktivpsychotische Symptome wie Wahn , akustische Halluzinationen und Ich-Störungen nicht oder nur passagerauftrete n • Positiv- und Negativ-Schizophrenie: Timothy Crow schlug 1980 vo r, die Schizophreniesymptomatik in eine Negativ- und Positivsymptomatik ei nzutei len(-+ Ta b. 7.5). Sch izoph renien mit Plussymptomen (positive oder produktive Symp tome) sprechen besser auf Antipsychotika an, während Patienten mit Minussymptomen (negative Symptome) sch lechter darauf an precl1en .
de r Schizoph ren ie
Komorbide Erkrankungen
Am häufigsten und klini sch am relevantesten i t die Komorbidität der Sch izophreni en mit Suchterkrankungen , v. a. die Abhängigkeit von
Negativsymptome
Positivsymptome
• Affektverflach un g • Verarmung von Sprache, Mimik,
• • • • •
Gestik • Apathie • Anhedonie • Aufmerk samkeits· Störunge n • Sozialer Rü ckzug
Halluzinationen Wahn Ich-Störungen Bi zarres Verhalten Formale Denkstöru nge n
Alkohol, Cannabis, Koffein und Nikotin , aber auc h von Benzodiazepinen, Antipa rkinsonmittel wie Biperiden und Stimul anzien. Auch komorbide körperliche Erkrankungen sind mit 40-80 % sehr häufig und tragen zur erhöh ten Gesamtmorbidität und -mortalitätschizophre n erkrankter Patienten bei .
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0 Welche Symptome sind typisch für eine Schizophrenie? . . 0 Nennen Sie Erst- und Zweitrangsymptome sowie Negativ- und Positivsymptome emer Schizophrenie. 0 Welche Subtypen der Schiz:::O:r.P:.: hr:e:.:: ni:.:e:: n.:.:ke::n::n:.:e:: n.:; Si:.:e.:.. ?- - - - - - - - - - - - - . . . - . . . . -
Verlauf und Ätiologie • Verlauf Schizop hrenien verlaufen nicht grundsätzlich sch lecht. Vereinfachend lässt sich der Verla uf mit folgender Drittelregel be chreiben: • Y3 der Erkrankungen führen nach ei n oder mehreren Kra nkheit epi odenzur Heilung oder zu leichten Res idualzuständen • Y.J führen zu mittels hwere n und charakteristischen Residualzuständen mit gel gen tli ehe n Exazerbationen • YJ führen zu schweren Residualzu tänden oder chronischen S h.izoph renien. Bezüglich de Krankheitsverlaufs werden drei Phasen unterschieden : • Prodromalphase: Dies Phas , di Monat bis viele Jahr bes t hen kann, eht der akuten Krankheit sphase voraus und ist dur h Negativsymptome gekennzeich net. Typis h ist ein Knick in der Leben lini ', d r du r h L i " tungsabfall und ggf. ungcwöhnli hc Verha l-
tensweisen charakterisiert ist. Das Erkennen von Prodromalsymptomen ist häufig schwierig, aber umso wichtiger, um die Patienten früh therapieren und so die Langzeitprognose verbesse rn zu können • Akute Krankheitsphase: Die aktive Krankheitsphaseist in der Regel durch positive oder produktiv-psychotische Symptome wie Wa hn , Halluzinationen, Ich-Störun gen und kata tone Symptome geken nzeichnet. Die Akutphase deutet sich häufig durch Früh- . warnzeichen an wie Ruhelo igkeit, Nervosität und Ge panntheit, timmungsschwankungen, Schlafstörunge n, Überforderungsgefü hle, Konzentrations- un d Gedächtnisstörunge n wie ozialer Rü kzug • Residualphase: Etwa 2,1, der Erkrankungen geh n in mehr oder weniger schwe r ausge.prägte Res idualzustä nde über, in de nen Wieder Ne,ativsymptom dom inier n. 87
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Schizophrenien
• Frühwamsymptome einer Schizophrenie müssen mit dem Patienten individueUbesprochen werden, um rechtzeitig ein drohendes Rezidiv zu erkennen • Das größte Risiko für ein Rezidiv besteht beim abrupten Absetzen einer antipsychotischen Therap.ie.
• Ätiol
Wichtige neurobiologische Faktoren oder Konzepte sind im Folgenden beschrieben. Genetische RisikofaktoreiL Zwillings- und Adoptionsstudien haben ergeben, dass da Erkra nkungsrisiko gegenüber I % in der Gesamtbevölke rung mit dem Ve rwandtschaftsgrad zunimmt:
• Verwa ndte zwe iten Gra ds wi e Tanten, Onkel und Vettern habe n ein Ri iko von etwa 2 % • Bei Ve rwandten ersten Grads wie Geschwi ter, Kind er und Eltern vo n Sc hizop hrenen te igt da Risiko auf etwa 10% . • Kinder mit zwei . chi zo phrenen ltern teJ!en bes itze n bereits ein Ris iko vo n 40 % • Das hö hste Risiko haben ei neiige Zwillinge mit 50 o/o • Bei zwe ieiige n Zwil li ngen hingeg n v rh:ilt es sich ähn lich wie bei Er tgradangehörigen: Sie tragen ein Risiko von ca. 14 %. ~ i her fü hrt nicht ein einzelne' en zur Lrkra nkung, vie lmeh r geht man von ein em Zusam 88
menw irken ve rschiedener Risikogene aus, zu dene n z. B. Neureguli n-1, Dysbindin , DISC-1/2, RM3 und COMT7 gehören. Neurotransmitterhypoth esen. • Es wird eine dopaminerge Oberaktivität in limbisehen Hirnreg ionen und eine do pamine rge Unteraktivitä t im fronta len Ko rtex angenommen. Die Dopaminhypothese wird im Wesentl ichen dadurch ges tützt, da s Anti psychotika über eine Blockade von Dopami 11 _ D2-Rezeptoren antipsychoti eh wirken und Amphetami ne, die die dopam inerge Neurotra n missio nfördern (-+ Kap. 9) P ychosen auslö en können • Die glutamaterge Hypothese geht vo n einer glutamaterge nen Un teraktivität aus und beruh t z. B. auf der Beobachtun g, dass Glu tamat-Antagoni ten wi e die Droge Ph encycli din (PCP) zu psychoti eben Positiv- und Nega tivsymptomen führen kann und al.s be _ tes Modell für schi zoph rene Erkrankungen gilt • Eine Beteil igung de Serotonergen Systems wird aufg rundder 1 atsache angenommen, dass Antipsychotika der zwe ite n Generation auch mod ulierend auf erotoninrezeptoren wirken, vor all em auf den Sub typ der 5- HT "_ 2 Rezeptoren. NeuropatJwlogische Befu nde. Gehirne schi zophre ner Patienten zeige n im Grup penvergleich geringgrad ige Volumenminderun gen im Hippokampus, im Thala mu un d im frontalen, temporalen und parietalen Kortex, die mit ein er leichten Erweiterun g der inneren und äußeren Li quorräume ei nhergehen. Die Volumenminderun ge n sind jedoch ni ht durch ein en Nervenzellverl ust bedingt, sondern durch eine Pathologie des neuronalen Verschalt ungsapparats. Dazu gehören Veränderunge n an synapt ischen Proteinen un d dendritischen Spines, die die neuronaIe Kom munika tion stör n. HirnentwickJungsstörung. Eine Vielzahl von Befun de n spricht dafür, dass es sich bei der chizophrenie nic ht um eine neurodegenerativ Erkrank un g, sond rn um eine Hirnentwicklungsstörung ha ndelt. Au h die Befunde ein er r duzierten oder aufgeho ben n HemisphärenAsymmetr ie sowie abnorme Mu ' ler zerebraler Su l i und Gyri deu t n darauf hin. Zu einer solhe n Hirn ·ntwi kl ungsstö rung tra en n ben ge ne lis hen Fa kto ren auch perilla tale Kom pl ika ti-
/ ,- - - - - - - - - - - - - - - - - -- - - -- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - onen un d früh e In fektionen bei, die bei Schizophrenen häufiger auftreten . S~hizophrenie als Netzwerkstörung. Neueste bildgebende Untersuchungen mit PET und funktioneller Kernspintomografie legen nahe, dass es sich bei der Schizophrenie um eine Nerzwerkstörung handelt, bei der Hirnregionen wie das lin~bis~ h e System (z. B. Hippokampus, Regio entorlunahs, Gyrus tempo ralis superiorund Amygdala), Bereiche im Frontallappen, Thalamus, ?en Basalganglien und dem Kleinhirn dysfunktwnal zusammenarbeiten.
Psychologische und soziale Faktoren
Psychosoziale und Umweltfaktoren lösen ohne bestehende neurobiologische Vulnerabilität niemals eine Psychose aus. Bisher konnte kein psychosozialer Faktor identifiziert werden, der für die Auslösung von Phasen schizophrener Psychosen spezifisch wäre:
• Offenbar wirken vor Ausbruch einer akuten Krankheitsphase Funktionsei nsch ränkungen durch die Prodromalsymptomatik wie kognitive und soziale Defizite, kritische Lebensereignisse und High-expressed-emotion-Muster (HEE-Muster) in einem sich gegenseitig verstärkenden Circulus vitiosus zusammen und führen zum Ausbruch einer akuten Psychose • Die HEE-Muster beschreiben eine ungünstige Famil ienatmosphäre, die entweder durch kritische oder feindselige Haltung der Eltern oder aber durch en tmündigende Überbehütung gekennzeichnet ist • Zu den häufig beobachtbaren, aber unspezifischen kritischen Lebensereignissen gehören Ortswechsel, Ablösung vom Elternhaus, Einstieg in Studium oder Beruf, Arbeitsplatzwechsel und Beginn oder Ende einer Partnerschaft. Diegenaue Analyse psychosozialer Faktoren in der Auslösung und Aufrechterhaltung von Krankheitsphasen ist entscheidend für eine individuelle Planung psychosozialer Interventionsmaßnahmen .
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D Nennen Sie wichtige neurobiologische Hypothesen der Schizophrenieentstehung. =---~~---...1
Diagnostik und Differenzialdiagnose Diagnostik Die Diagnostik der Schizophrenien stü tzt sich im Wesentlichen auf: • Die Erhebung des psychopathalogischen Befunds • Den Ausschluss einer anderen psychischen Störung • Den Ausschluss einer organischen Erkrankung als Ursache der Symptomatik. In der ICD-10 ist die Diagnostik einer Schizophrenie operationalisiert durch das Vorhandensein bestimmter psychopathologischer Symptome und ein Zeitk riterium von mindestens 1 Monat (-+ Tab. 7.6). Dasa merikanische Klassi fikationssystem DSM-IV schlägt ein strengere Zeitkriterium von 6 Monaten vor. Für die Schweregraderfassung der chizophrenien sind die bekannte ten l"remdb urteilungsskalen:
• PANSS (Posit ive and Negative Syndrome
Scale), die sich aus zwei Skalen für die Erfassung positiver bzw. negativer Symptome zu sammensetzt • BPRS (BriefPsychia tric Rating Scale) . Differenzialdiagnose
Psychiatrische Differenzialdiagnose. • Psychotische Symptome bei organischen Erkrankungen, z. B. organische wahnhafte und schizophreniforme törungen • Drogeninduzierte Psychosen, v. a. durch Stimulanzien wie Amphetamine oder Kokain, Halluzinogene, Phencyclidin oder Cannab is • Schizoaffektive Psychosen: Hier treten gleich zeitig zu den psychotischen auch affektive ymptome wie Depression oder Manie auf • Manie mit: psychotisch n Sy.mptomen im Rahmen bipolarer affekt iver törungen
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Schizophrenien
Tab. 7.6 ICD-10 -Diagnosekriterien der Schi zophreni e Die Diagnose einer Schizophrenie l
Ich-Störungen, z. B. Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung
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Inhaltliche Denkstörungen in Fo rm von Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemach ten, Wahnwahrnehmungen
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Akustische Halluzinationen in Form kommentierender, dialogischer oder anderer Stimmen die aus einem Teil des Körpers kommen '
4
Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer (bi zarrer) Wahn, z. B. das Wetter kontrollieren zu können oder im Kontakt mit Außerirdischen zu sein
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Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität
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Formale Denkstörungen in Form von Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedan kenfluss, was zu Zerfahrenheit, Danebenreden oder Wortneubildungen (Neologismen) führt
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Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder wächserne Biegsamkeit (Flexibilitas cerea), Negativismus , Mutismus und Stupor
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"Negative" Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachter oder inadäquater Affekt, zumeist mit sozialem Rükzug und verminderter sozialer Leistungsfähigkeit
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Sehr eindeutige und durchgängige Veränderungen bestimm ter umfassender Aspekte des Verhaltens, die sich in Ziellosigkeit, Trägheit, einer "in sich selbst verlorenen Haltung" und sozialem Rückzug manifestieren
• Akute, vorübergehende psychotische Störun g und anhaltende wahnh afte Störunge n (-+Kap.8) • Wahnhafte Depressionen: Hier i t der Wahn synth ym und nicht biza rr. Organische Ursachen. Vielfä ltig: • Drogenintoxi kati onen • Medikamentennebenwirkungen von Kortikosteroiden und Anticholinergika • Entzug von Alkohol und Benzodiazepin en • Seltener: - Tumorerkrankungen - ]mmunologisc he Systemerkrankunge n wi e sy te misc her Lupus erythemarades
euroendokrin e Erkrankungen wie Schilddrüsenerkrankungen und Morbus Cushing - Metaboli sche Störun ge n mit Vitamin-B12 • oder Fo lsä uremangel - Porphyrie, Morbus Wilson (-+Kap. 5). Zu jeder Schizophreni ediag nostik gehö rt daher immer ine ausführli che Anamn ese, Fremdana mnese, körperliche Untersuchung und organi sche Ausschlu s diag nostik. Diese sollte immer neben der Labordiagno tik ein Drogensc reening, eine zerebrale Bildgebung und möglich t auch ein e Liquorpunktion beinhalten.
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0 Wie wird die Diagnose einer Schizophrenie nach der ICD-10 gestellt?
0
Nennen Sie wichtige organische Differenzialdiagnosen der Schizophrenien.
Therapie Entsp rechend der multifaktoriellen · encse der hizophrenien be ·tcht der Gesamtbehand· lungsplan in iner The rap.ie mit Ant ipsy hotika 90
sowi Psy ho- und oz iothcrapic. in hcso nder n l·ällcn (perni ziöse Ka tatonie) ist in Elck trokonvulsionsth crapic indi ziert .
/ Akute Episoden einer Schizophrenie werden häufig stationär behandelt. Wichtige Indikationen für eine stationäre Aufnahme:
• Therapieresistenz bei ambul ante r Behandlung • Schutz des Patienten oder der Umwelt bei Eigen- oder Fremdgefä hrdung. Unter Umständen Unterbringung gegen den Willen des Patienten (-+ Kap. l8) • Ausgeprägte Realitätsstörung un d desorgan isiertes Verhalten mit der Unfä higkeit de Patiente n, für sich zu sorgen, wodurch er sich selbst in Gefahr bringt. Die erste Erfahrung mit einer Psychose ist immer eine schwere Krise - sowohl für den Betroffenen als auch für seine Familie und Umwelt. Um den Patienten langfristig für eine Therapie zu gewinnen , muss das thera peutische Bündnis möglichst behutsam aufgebaut werden. Differenzialindikationen der Therapieverfahren Therapie mit Antipsychotika.
Einsatz in der Akuttherapie sowi e zur Erhaltungstherapie und Rezidivproph ylaxe.
Elektrokonvulsiontherapie. Ein atz bei schweren th erapieresistenten Verl äufen, auch bei perniziö er Katatonie. Soziotherapie. Da Schi zop hrenien prakti eh immer zu schwe ren Einschränkunge n der sozialen und beruflichen Leistungsf:'ihigkei t führen, muss so früh wie mögli ch mi t einer ozialtherapeutischen Begleitung bego nnen werden. Grö ßte Bedeutung hat die Soziotherapie in der Rehabilitation nach abgelaufener Aku tph a e der Erkrankung.
Psychoedukation. So früh wie möglich müssen Patienten und Angehörige über Ent tehung, Symptomatik, TI1erapie und Rückfallschu tz informiert un d so weit wie möglich in die Therapieentsc heidungen einbezogen w rd en. Psychotherapie. Ein atz insbeso nde re bei F~i l len, deren Symptomatik ni ht au r i hend auf Antip ychotika anspricht, z. B. kognitive Ve rha lten therap.ie bei chronischem W
leml ösetraining, sozialem Kom petenztraining und Fa mil ientherapie. Antipsychotische Akuttherapie
Se it der Einführung des ersten Antipsychoti kums Chlorp romazin im Ja hr 1955 haben sich die Behandlungs möglichkeiten für schi zophrene Pat ienten erheblich verbessert, un d die Hospitalisierun gs raten gehen deutlich zurück. Die meisten schi zophrenen Patienten müssen heute nicht mehr dauerhaft hospitalisiert werden.
Auswahl der Medikamente. In der Behandlung der Schizophrenie zeigen Antipsychotika der I. und 2. Ge neration Besserungsraten von ca. 75 %, während eine Plazebo-Behandlung nur eine Besserun gsrate von bis zu 20 %aufweist. Zwischen den einzelnen Substanze n gibt es jedoch im Wesentlichen keine Wirksamkeitsunterschiede, lediglich für Cloza pin (Leponex ) konnte bei Thera pieres istenz eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Antipsychotika eindeutig nachgewiesen werden. Kriterien für die Auswahl eines Antipsychotikums sind daher nicht eine unterschiedliche Wirksamkeit, sondern: • Früheres positives Ansprechen auf ein Anti psychotikum: Hat ein Patient bei einer früheren Episode auf di eses Medikament gut angesprochen, sollte es wieder verwendet werden • Das Nebenwirkungsprofil einer Substan z: Insbesondere bei der Initi alth erapie kommt um die spätere Medikamentencomplian ce des Patienten nicht zu gefahrden - der Vermeidung schwerer Nebenwirkungen wie schwere extrapyramidalmotorische Sympto me eine besondere Bedeutun g zu • Patientenwünsche für ein bestimmtes Medikament • Die langfristig geplante Darreichungsform als orale oder Depotgabe. Ist langfristig zur Compliance-Sicherung die Gabe eines Depotantipsychotikums geplant, empfiehlt sich die Gabe ei nes oralen Medikaments, das auch als Depot zur Verfügung steht (z. B. Risperdal un d Risperdal consta ). Bezüglich der Auswahl eines Antipsychotikums der 1. oder 2. Generation lässt sich allgemein sagen: • Zwischen d n Antipsychotika der 1. und 2. Genera tion gibt es keine we ntlichen Wirksamkeitsunt:erschiede. Die einzige Ausnahme bildet lozapin (s.o.)
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Schizophrenien
• Antipsychotika der I. Ge neration wie Ha ioperidol wurden früh er in sehr hohen Dosen gegeben, was zu schweren extrapyramidalmo torischen ebenwirkungen führte. Heute weiß man, da mit 3- 10 mg Haloperidol alle Dopamin-D1-Rezeptoren besetzt ind und höhere Dosen keinen Vo rteil bringen. ln den niedrigen Dose n sind sie auc h besser verträglich. In der Akuttherapie wird Haloperido.l heute immer noch häufig wegen seiner guten Wirksamkeit eingesetzt • Die Antipsychotika der 2. Generation haben zwa r deutlich weniger ex trapyram idalmotorische Nebenwirkungen, sind jedoch aufgrund anderer ebenwirkungen in der Anwendung häufig prob lematisch, z. B. QT-Zei tverlängerun g, Gewichtszu nahme und metabolisches Syndrom (_. Kap. 3) • Früh er gab es nur für die Antipsychotika der 1. Generation Depotpräparate, heute stehen jedoch auch für die Antipsychotika der 2. Generation wie Olanzapin und Risperidon Depotpräparate zur Ve rfügung (Zypad hera® und Risperdal consta®). Insgesa mt dauert es mindeste ns 2 Wochen, bis Patienten auf die Akutth erapie an prechen . Ein Antipsychotikum sollte jedoch fü r mindestens 4- 6 Wochen in aus reichender Dosis gegeben werden, bevor bei Nichtansprechen auf ein anderes Präparat umgestellt wird . Ei n große Problem ist, dass die Patienten ihre Medikation häufig sehr schnell aufgrundder Nebenwirku ngen wieder absetzen. Die Non-compliance-Raten nach 1 Monat einer An tipsychotika-Behandlung liegen bei 50- 70 %, wobei zwi chen Antipsychotika der I. und 2. Generation keine Unterschiede bestehen. Insbeso ndere das abrup te Ab etze n der Antipsychotika ist der häufigste Gru nd für ein Wiederau ftreten der ymptomatik und eine erneute tationäre KJi nikeinweisung.
Behandlung spezieller Zielsyndrome. • Akut psychotische und erregte Patienten :
Diese Patienten werden kombiniert behandelt mit ei nem An tipsychotikum der I. oder 2. enera tion un d einem Benzodiazepin wie Lorazepam oder Diazepam zur Sedi erung. Alternativ werden zur 'edierung au h niederpoten t Antipsy hotika der 1. Ge neration verwendet. Auch die Ga be s dierend r Antip ychoti l. a der 2. G nera tion wie Olan zapin oder Queti ap in ist häufig ohn Benzod iazepin ni ht ausreichend wirk am 92
• Katatoner Stupor und perniziöse Katatonie: Behandlung mit An tipsychotika in Korn-
bination mit dem Benzodiazepin Lora zepam. Bei lebensbedrohlichen, perni ziösen Katatonien ist eine EI ktrokonvulsionstherapie oft leben srettend • Schizophrene Negativsymptomatik: Wahrscheinlich haben hier Antipsychotika der 2. Generation eine bessere Wirksamkeit. Für Clozapin wurde eine Überlegenheil gegenüber anderen An tipsychotika gezeigt. Auch die zusä tzliche Ga be von Antidepres iva ist evid enzbas iert • Behandlung postschizophrener Depressionen : Vo r ichtige Behandlung mit Antidepre _
siva, wobei jedoch zu beachten i t, dass durch eine in tensive Antidepres ivabehandlung psychotische ymptome exazerbieren können. Vorgehen bei Therapieresistenz
Eine Therapieresistenz liegt vor, wenn zwei durchgeführte pharmakologi ehe Behandlungen mit Antipsychotika - wovon mindestens eines ein Antipsychotikum der 2. Generation sein soll te - über je 4- 6 Wochen nicht zu einer Sym ptomverbesse run g geführt haben. Bei Therapieresisten z si nd fo lgende Maßnahmen zu treffen: • Sicherstellung der Compliance : Häufig nehmen Patiente n 1-vegen ebenwirkungenihre Medikamente nur unregelmäßig, sodass kei ne ausreichenden Plasmaspiegel aufgebaut werden. Dies wird durch Plasmaspiegel-Kon trollen nachgew iesen. Bei for tgesetzten Compli ance-Problemen empfiehlt sich ein Depot Antipsychotikum • Prüfung durch Plasmaspiegel-Kontrollen, ob auch bei guter Complia nce niedrige Plasma piegel vo rliegen. Falls der Patient ein Ultrarapid metabolizer ist (-+ Kap. 3), muss die Med ikamen tendosi un ter Plasma piegel Ko ntrollen entsprechend angepasst werden. Auch ka nn der bei chizo phrenen häufige hohe ikotinkon um die Wirkspiegel von Anti p y hotika senken • Nochmalige Umstell ung auf ei n anderes An tipsychotikum mit einem möglichst and eren Rezep torbindungspr fil • Urns t llung auf Clozapin (Lepo nex ), d sen Wirksamkeit bei Th erapi resi ·tenz am b sten b legt i t, d sen Ei.n atz ab r wegen des rhöhten Ag ranulozytose-Risikos auf therap i _ r si. ten t: e Hili b, hränkt ist
/ - - - - - - - - - - - - - -- - - -- - - - - -- - - -- - - - - - - - - - • Bei nicht ausreichender Wirksamkeit von Clozapin kann Clozapin mit einem zweiten Antipsychotikum mit starker D2-RezeptorBlockade (z. B. Ri speridon, Am isulprid) oder ~inem Stimmungsstabilis.ierer (z. B. Valpromsäure) kombiniert werden. Eine Kombination mit Carbamazepin ist wegen des erhöhten Agra nulozytose-Ri sikos und der Leberenzym-Induktion nicht zu empfehlen. ln Kombination mit Lamatrigin können die Plasmaspiegel von Clozapin ansteigen • Evtl. Elektrokonvulsionstherapie. Er.haltu~gstherapie und Rezidivprophylaxe
mtt Anttpsychotika
Ohne antipsychotische Rezidivprophylaxe liegt nach Erstmanifestation die Rückfallrate im l. Jahr bei mindestens 75% und in einem 5-Jahres-Zeitraum bei mindestens 80 %. Nach zwei Krankheitsphasen liegt die Rückfallrate ohne Antipsychotika bei mindestens 80 %. Daher gelten folgende Regeln für die Rezidi vprophylaxe: • Nach schizophrener Ersterkrankung und vollständiger Remission sollte eine Erhaltungstherapie für 1- 2 Jahre mit demselben Medikament erfolgen, das zur Remission führte; das Medikament muss an chließend sehr langsam abgese tzt werden • Therapie nach einem ersten Rezidiv und vollständiger Remission: Langzeitmedikation über mindestens 5 Jahre und ansc hließend sehr langsames Absetzen der Medikation • Therapie bei chronischen Schizophrenien häufig lebenslang • Dosisreduktionen zur Feststellung der mini mal erforderlichen Erhaltungsdosis ollten stets sehr vorsichtig erfolgen, um keine Rezidive durch abrupte Dosiswechsel zu provozieren, z. B. 20% alle 3- 6 Monate. Grundsätzlieb kann die rezidivprophylaktische TI1erapie oral erfolgen. Um die Compliance zu verbessern und einen kon tanten Wirkstoffspiegel der Substanzen zu erreichen, empfiehlt ich jedoch häufig eine Depottherapie. Die wichtigsten Gründe fiir R zidive sind eine unregelmäßige Medikamenteneinnahme und ein abruptes Ab etzen der TI1 rapie. Ein Absetzversuch muss daher immer durch langsames Ausschleichen über mehrere Monate erfolgen, nie abrupt.
Psycho- und Soziotherapie
Neben der Pharmakatherapie haben psychosoziale und psychotherapeutische Interventionen einen hohen Stellenwert in der Therapie der Schizophrenien. Dazu gehören: • Frühinterve ntionsprogramme • Psychoedukation • Soziales Kompetenztraining • Ergotherap ie und kognitive Trainingsverfahren • Kognitive Verhaltenstherapie • Familientherapie • Rehabilitationsprogramme im gemeindepsychiatrischen Verbund. Basierend auf der Erkenntnis, dass eine möglichst frühe TI1erapie die Krankheitsprognose verbessert, versuchen Frühinterventionsprogramme Frühformen der Erkrankungen etwa in der Prodromalphase zu erkennen und früh Hil fen in Form von Therapie und psychosozialer Unterstützung anzuhi eten. Psychoedukation wird meist in Gruppen angeboten und informiert den Patienten und Angehörige über Entstehung, Symptomatik, 'TI1erapie und Rückfallschutz. Wichtig ist die Erarbeitung eines individuellen Krisenplans, um bei Wiederauftreten von Symptomen schnell therapeutisch einzugreifen. Im sozialen Kompetenztraining trainieren die Patienten soziale Wahrnehmung und soziale Fertigkeiten, die im Rahmen der Erkrankung häufig verloren gehen. Dazu gehören auch Problemlösetra.inings, der Einbezug von Angehörigen und die Förderung von Ressourcen, also Fördern der Kräfte, die beim Patienten noch erhalten sind. Ergotherapie und kognitive Trainingsverfahren sollen Störungen im Bereich der Wahrnehmung, der Exekutivfunktionen, des Gedächtnisses, der Daueraufm erksamkeit und verbalen Merkf
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Schizoph renien
diesen Hllfesystemen, zu denen ambulan te therape utische Dien ste, ambu lante Ei nrichtungen wie Wohnheime, betreute Wohnge meinschaften, Tagesstätten, Patientenclubs, beschützte Ar-
beitsplätze, Umschul ungse inri ch tungen und bechützende Rehabil itationseinrichtu ngen gehören, sollen die Pa ti ente n beruflich un d sozial reintegriert werden.
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0 Nach welchen Kriterien wählen Sie Antipsychotika in der Akuttherapie aus? 0 Weiche Möglichkeiten bestehen bei Therapieresistenz? 0 Wie führen Sie Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe mit Antipsychotika durch? 0 Nennen Sie wichtige Elemente der psychosozialen Behandlung Schizophrener.
Prognose Obwohl es allgemeine Prädiktaren für einen guten und schlechten Verlauf von Schizophrenien gibt (-+ Tab. 7.7), ist im indi viduellen Fall bei Erstmanifestatio n ei ner Schizophrenie ei ne sichere prognostische Einschätzung nicht möglich. Seit der Einführung der Antipsychotika und optimierter psychosozialer Th era pieangebote ist die Prognose insgesamt deutlich besser geworden. Entscheid end fü r die Langzeitprognose ist eine möglichst früh begin nende und konsequente Therapie. Das Rüc kfallrisiko ist in be ondere bei abru ptem Abse tzen von Antipsychotika erhöht. Durch eine Suizidrate vo n 10- 15 %, vermehrte Unfa lle und durch häufige komorbide körperli-
ehe Erkrankunge n, z. B. Herz- Kreislauf-E rkrankun gen oder Übergewicht - unter anderem auch als Folge der Pharmakath erapie - ist die Lebenserwartung chizophrener in sgesamt um etwa 10 Ja hre ve rkürzt. Ris ikofaktoren für Su izide bei Schizophrenie si nd unter anderem: • Junges Alter • Männ liche Geschlecht • B.i lan zierung eines psychosebedingten Leistu ngskn icks • Lange Erkra nkung mit vielen Rezidiven • Deutl iche Einschränkungen der intellektuellen und sozialen Leistungsfahigkeit • Postschizophrene Depress ionen.
Tab. 7.7 Prädikta ren für einen guten und sc hl ech ten Verl auf sch izophrener Psychosen Gute Prognose
Schlechte Prognose
Verhe iratet
Geschi eden, get rennt
Weibli ch
Männli ch
Gute Anpassung im Arbeits- und Fre izeitbe rei ch
Soz iale Isolatio n
Stress oder a ku te schwe re Leben sereignis se vo r Anpassungsprob leme während de r Ad oles zenz Kra nkh eitsaus bru ch Seltene und kurze Krank heitsphasen
La nge und hä ufige Kra nkh eitsph asen
Akuter Kran kheitsbeginn
Schleich end er Krankheits beginn
Affektive AuffäHigkeiten
Negativsymptom atik, aku stisch e Hall uzinationen, Wa hn idee n
Früh zeitige Behandlun g ein e rfloriden psychotischen Sym ptom atik, gutes In iti ales An s prechen a uf Antip sychotika
La nge ph arm akologisch unbeh a nde lte produktiv psychotisc he Symptom atik
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D Welche Faktoren sprechen für eine günstige und welche für eine schle hte Prognose von Schizophrenien? 94
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Andere psychotische Störungen Klaus Lieb
!CD-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schizotype Störung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Anhaltende wahnhafte Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorübergehende akute psychotische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Induzierte wahnhafte Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8 Schizoaffektive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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An dere psychotische Störungen
ICD- Klas sifi ka t ion Die ICD-10 beschreibt neben den Schizophrenien( -+ Kap. 7) andere psychotische Störungen. Zu ihnen gehören: • Schizotype Störung • Anhaltende wahnhafte Störungen • Vorübergehende akute psychotische Störungen
• Induzierte wahnhafte Störung • Schizoaffektive Störungen. Die -+ Tabelle 8.1 fasst die Klass ifikat ion dieser psychotischen Störu ngen nach der ICD-NomenkJatur zusammen.
Tab. 8.1 ICD-10-Klassifikat ion der anderen psychotischen Störungen F21
Schizotype Störung
F22.X
Anhaltende wahnhafte Störung
F22.0
Wahnhafte Störung
F23.X
Vorübergehende akute psychotische Störung
F23.0 F23.1 F23.2 F23.3
Akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Sch izop hren ie Akute po lymorphe psychotische Stö rung mit Symptomen einer Schizophreni e Akute schizophrenieforme psychotische Störung Andere, vorwiegend wahnhafte psychotische Störung
F24
Induzierte wahnhafte Störung
F25.X
Schizoaffel
F25.0 F2 5.1 F25.2
Schizomanisc he Störung Schizodepressive Störung Gemische schizoaffektive Störung
Welche psychotischen Störungen unterscheidet die ICD-10 neben den Schizophrenien?
Schizotype Störung Die schizolype Störung gehört mit der paranoi den und schizoiden Persö nlichkeitss törung zu den sogenannt en Schizophrenie-Spektru mStörun gen , bei denen psychosenahe Symptome auftre ten, ohne dass die Kriterien einer Schi zophrenie erfüllt sind. Von Prodromalphase n ei ner Schizop hrenie sind sie häufig schwer abgrenzbar. Zu den Symptomen einer sch izotypen Störung gehören z. B.: • Inadäquater Affekt • Exzentrisches Verhalten und gekünstelte prache
• Sozialer Rückzug • Magisches D nken und Misstrauen • Zwanghaft es Gri.ib ln und Entfremdungserleben • Sehr kurzzeitig treten auch psychotische Symptome wi e Halluzinationen und Wahn ideen auf. Die Patie nten suchen häufig keine thera peuti sche Hilfe. P ychosozial Unterstützung und niedrig dosierte Antipsychotika können wirk':1111 sein . Größere Tb rapiestudien C hlen jedo h.
Welche Symptome kennzeichnen eine schizotype Störung?
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Anhaltende wahnhafte Störungen Die anhaltenden wahnhaften Störungen, auch Paranoia genannt, manifestieren sich meist im mittleren und späteren Lebensal ter und verlaufen chronisch. Ken nzeichen ist eine chronische Wahnidee oder mehrere aufeinander bezogene Wahninhalte, ohne dass andere psychotische Symptome wi e Halluzinationen oder Ich-Störungen auftreten. Im Gegensatz zur Schizophrenie sind die Wahnthemen auch nicht biza rr, also nicht so ungewöhnlich und unverständlich. Die häufigsten Wahnthemen sind: • Othello-Syndrom : Verfolgung und Eifersucht • Liebe und Sexualität
• Größe und Bedeutung • Hypochondrie und Querulanz. Die Patienten haben in der Regel keine Krankheitseinsieht und sind nur selten bereit, sich therapieren zulassen. Antipsychotika sind häufig wi rkungslos. Supportive psychotherapeutische Verfahren können helfen. Die Ursachen sind unbekannt. Ern t Kretsch mer postulierte 1918 in sein em Buch über den ., sensitiven Beziehungswahn", dass insbesondere sensitive Persönlichkeiten mit depressiven und pessimistischen Merkmalen, die leicht zu kränken seien, dazu neigen, para noid zu werden.
0 Was sind die häufigsten Wahnthemen bei Patienten mit anhaltenden wahnhaften Störungen?
Vorübergehende akute psychotische Störungen Bei einer Schizophrenie müssen psychotische Symptome mindestens über einen Zeitraum von einem Monat bestehen. Wenn akute psychotische Symptome kürzer auftreten und organische Ursachen ausgeschlossen sind, kann die Diagnose einer vorübergehenden akuten psychotischen Störung, auch akute polymorphe psychotische Störung oder akute schizophreniforme psychotische Störung, gestellt werden. Charakteristisch sind: • Akuter Beginn • Gutartiger Verlaufm it in der Regel vollständiger Remission innerh alb vo n wenigen Tagen bis maximal4 Wochen • "Pol ymorphes", d. h. schn ell wechselndes und mit verschiedenen Symptomen ausge -
prägtes Erscheinungsbild mit fluktuierendem Symptombild • Häufig finden sich im Vorfeld akute Belastungssituationen. Die vorübergehenden akuten psychotischen Störungen haben eine viel bessere Prognose als die Schizophrenien. Sie werden meist mit Antipsychotika in Kombination mit Benzodiazepinen behandelt, wobei sie jedoch auch ohne Therapie remittieren. Aufgrund des akuten Krankheitsbilds lässt sich eine antipsychotische Pharmakatherapie meist nicht vermeiden, zumal bei auftretender Symptomatik nicht klar ist, ob eine vorübergehende psychotische Störung oder eine Schizophren.ie vorliegt.
•
0 Wodurch sind vorübergehende akute psychotische Störungen gekennzeichnet?
Induzierte wahnhafte Störung Bei der induzi rten wahnhaften Störu ng handelt es sich um die Obernahme wahnbafter oder anderer psychotischer Überzeug1Jngen eines psy-
chisch Kranken durch eine an onsten gesunde Person, die mit dem primär Wahnkranken in einer engen Beziehung lebt, also Ehepartner, Eltern 97
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Andere psychotische Störungen
oder Geschwister. In der Regel betrifft die Störung nur zwei Personen, man spricht dann von einer Folie a deux. Es kö nnen aber auch mehr Personen bet roffen sein (Folie a droit usw.) . Die häufig ten Wahnid een sind Ve rfo lgungsund/oder Größenwahn, rel igiöse Wa hninhalte und Querulantenwahn. Men schen mit induzier-
ter wahnhafter Störung leben häufig rela tiv sozial zurückgezogen, wobei die soziale Isolation und der Verlust der Realitätskontrolle Folge als auc h aufrechterhaltender Fak tor des indu zierten Wahn si nd. Nach einer Trennung gibt die Person mit der induzierten wahnhaften Störun g den Wa hn häufig wieder spo nt an auf.
•
0 Was ist eine induzierte wahnhafte Störung?
Schizoaffektive Störungen Bei den schizoatfektiven Störungen bestehen neben der schizophrenen Symptomatik auch manische und depressive Verstimmu ngen. Diese sind so ausgep rägt, dass die Diagnose einer Depression oder Man ie gestellt werden ka nn und diese affe ktiven Störu ngen- zusam men oder unabhängig von der schizophrenen Symptomatik - das Bild beherrschen. Demn ach werden folgende Subtypen schi zoaffektiver Störun gen un tersch ieden: • Schi zoaffektive Störung, gegenwärtig manisch (F25.0)
• Schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv (F25.1) • Gemischte sch izoa ffektive Störung (F25.2) . Die Prognose ist in gesamt besser als bei Schizophreni en und schlechter als bei affektiven Störungen. Die Lebenszeitprävalenz liegt mit 0,5- 0,8 % unter de r der chizoph renien. Therapie: • Antipsychotika • Stimmungsstabilisierer • In der Akutphase einer Depress ion werden auch Antidep ressiva eingesetzt.
0 Was sind schizoaffektive Störungen und wie ist deren Prognose zu beurteilen?
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Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen Klaus lieb
Definitionen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Störungen durch Alkohol. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102
Störungen durch Drogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Störungen durch Tabak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
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Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen
Definitionen und Grundlagen • Definitionen Der noch im Sprachgebrauch übliche Begriff Sucht wi rd in den modernen Kl ass ifikationen
ni cht mehr verwendet. Sucht beschreibt im Wesentlich en da starke, un widers tehliche Verlangen nach einer Substanz, also di e psych ische Abhängigkeit. Vo n der Sucht wurd e früh er der Begriff Gewöhnung abgegrenzt, mit dem die körperliche Abhängigkeit bezeichnet wurde. Auch der Begriff der Gewöhnu ng wu rde inzwischen aufgegeben. Auch wurde der frühere Überbegriff Such terkra nkungen durch Abhän -. gigkeitserkrankungen er etzt. Die Abhä ngigkeit kan n dabei kö rperlicher und/oder psychischer Art sein: • Psychische Abhängigkeit: starkes, un widertehliches Verlangen nach einer Substanz, engli sch: Craving • Körperliche Abhängigkeit: Hauptmerkmal einer körperlichen Abhängigkeit ist die Toleranzentw icklung gegenüber ein er ubstan z, die dann fortge etzt und in steigenden Dosen zugeführt we rden muss, um das Auftreten eines Entzugssyndrom s zu verhindern . In der ICD-10 werden Abhängigkeit und Missbrauch oder schädlicher Gebrauch von Substanzen unterschieden : • Vo n einer Abhängigkeit von psychotropen Substanzen wird ges prochen , wenn irgend wan n während des letzten Jahres drei oder mehr von echs Diagnosekriterien vorhanden waren( ~ Tab. 9.1). Die wichtigs ten Kriteri n sind das Auftreten vo n Entzugssymptomen, Toleranzentwicklung und Kontrollverlust • Missbrauch oder schädlicher Gebrauch:
Ein Kon umverh alt en, das zu ein er körpe rli chen oder psychisc hen Ges undh eitss hädi gung fü hrt. Beispiele sind das Auftreten von Depre sionen in Folge von Sub tanzkonsum oder körperliche Folge chäden durch den Su bstanzkon sum . Weitere Begri f~: • Toleranzentwicklung: Der K"rp r g wöh nt sich an die Zufuhr d r psychotropen ub tanz. Das passier t en t: wed rdurch Verän I run g der Rezcptor-Empfind lichkei ten, dur h schn elleren cnzym
trakt. Um denselben Effekt wie vo r der Toleranzentwi cklung zu erzielen, muss die Menge der zugefü hrten ub tanz erhöh t we rden. Damit ergibt sich aus der Tolera nze ntwickJung der Zwang zur Dosissteigerung • Entzugssymptome: Bei plötzlic hem Absetzen der Substanz kommt es häufig zu Ab serzphänomenen, die sich in körperlichen und psychischen Entzugssy mptomen äußern • Kontrollverlust Beze ichnet die ve rminderte bh igkeit, Beginn , Beendigung und Menge des Substanzkonsums zu kontrollieren • Suchtpotential: Bezeichnet die Fähigkeit einer Substanz, beim Me nschen eine Abhängigkeit zu erzeugen. Das Suchtpotenzial einer Substanz ist umso höher, je mehr Menschen davon ab hängig werd en und je schneller die Ab hängigkeitsentwickJung erfolgt. Heroin hat z. 13. ein sehr hohes Suchtpotenzial, wäh rend Alkohol ein relativ niedriges besitzt: Es sind zwar ehr viele Me nschen alkoholabhängig, im Vergleich zur Gesam tzahl der Alkoholkonsu menten ist di e Abhängigkeitsrate Tab. 9.1 ICD-10- Diagno sekrite ri en für das Vo rliegen eine r Abh ängi gke it von psychot ropen
Substa nze n Es mUssen irgendwann innerhalb des letzten Jahres mindestens drei der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden gewesen sein 1.
Ein starker Wunsch oder ei ne Art Zwang, psychot rop e Substa nze n zu konsum ieren
2.
Vermind erte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Ko nsums
3.
Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Re duktio n des Konsums
4.
Nachweis ei ner To leran z, d. h., um die ursprüngli ch durch niedrige Dosen erreichten Wi rkunge n hervorzurufen. sind zu neh mend höhere Dosen erforde rlich
5.
Fortschreitende Verna chlässig ung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten de s Substan zkon sums oder erhöhter Zeitaufwand , um die Substanz zu besc haffen od rum sich von den Folge n zu erhol n
---6.
Anh altend er Substanzkon sumtrotz des Nac hw ises eind utiger sc hädlicher Folge n
/ jedoch viel geringer als die Abhängigkeitsrate unter den Heroi nkonsumenten • Polytoxiko manie: Bezeichnet den wechseln den Geb rauch von mindestens drei Substanzgruppen( ~ Tab. 9.3) über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten.
• Formen der Abhängigkeit --- - -- --- - -------
- - - --------- -- --- --
In diesem Kapitel werden nur die substanzgebundenen Abhängigkeiten vo n psychotropen Substanzen besprochen, also Substanzen, die Effekte auf das ZNS haben. Davon abzugrenzen sind nichtsubsta nzgebundene Süch te wie Arbeits-, Sex- oder Internetsucht Die JCD-10 unterscheidet neun Gruppen psychischer Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope S ubsta n zen( ~ Tab. 9.2) sowie die Polytoxikomanie. Am häufigsten sind die Abhängigkeitserkrankungen vo n Alkohol ( ~ Abb. 9.1) . Das Ausmaß der psychi schen und physischen Abhängigkeit bei verschiedenen psychotropen Substanzen ist sehr untersch iedlich ( ~Tab . 9.3).
psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angsterkranku ngen oder Persönlichkeitsstörungen den Verla uf verschlechtern oder durch die Abhängigkeitserkrankung in ihrem Verlaufverschlechtert werden. Häufig beginnen Abhängigkeitsentwicklungen damit, dass Patienten versuchen, Symptome wie Sch laflosigkeit, Angst oder Depressionen mittels Substanzen wie Alkohol, Benzodiazepinen oder Cannabis "zu behandeln". Aufgru nd vo n Familien- und Adoptionsstudien wird geschätzt, dass die Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen zu 30- 40% genetisch bedingt ist. Eindeutige Risikogene wurden jedoch bisher nicht identifiziert, man geht von einem Zusammenwirken mehrerer Gene aus. Aus neurobiologischer Sicht wird angenommen, dass es durch den fortgesetzten Substanzkonsum und im Rahmen der Abhängigkeitsentwicklung zu Veränderungen in Netzwerken des sogenannten Belohnungssystems kom mt, das im Wesentlichen durch das dopaminerge System, das vom ventralen Tegmentum des Mittelhirns zum Nudeus accumbens des Vorderhirns zieht, moduliert wird (s . u.). Drogen
• Ätiologie Abhängigkeitserkrankungen sind immer multifaktoriell bedingt, wobei genetische Verhaltensund Lernfaktoren sowie soziale Faktoren zusam menwirken. Darüber hinaus können komo rbide
Polytoxikamanie
Alkohol
Tab. 9.2 Psychische Störungen un d Verh al-
tensstörungen durch psyc ho tro pe Substanzen nach der ICD-10 Störungen durch Alkoho l Störunge n durch Opioide Störungen durch Cannabinoide Störungen durch Sedativa od er Hypnotika
Abb. 9.1 Relative Häufigkeite n der Abhängig-
keiten Tab. 9.3 Au smaß der psychischen und physischen Abh ängigkeit bei verschieden e n psychotrop en Substanzen Substanz
Psychische Körperliche Abhängigl<eit Abhängigkeit
Störungen durch sonstige Stimulanzien ei nsch ließlic h Koffein
Opioide
+++
+++
Alkohol, Barbiturate
++
++
Störungen durch Halluzinogene Störungen durch Tabak
Kokain
++
(+)
Störungen durch flüchtige Lösungsmittel
Stimulanzien
++
(-)
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Kon s um sonstiger psycho· troper Substanzen
Cannabinoide ++
(+)
Störu ngen durch Kokain
Halluzinogene ++ 101
9
Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen
• Therapieprinzipien Die Therapie vo n Abhängigkeitserkrankungen verläuft prinzipiell in vier Stufen: 1. Kontaktphase: Motivation zur Behandlung in Am bulanz, Beratungsstelle oder beim niedergela enen Arz t 2. Entzugs-, Entgiftungsphase: Detoxifikation von der Substa nz in einer psyc hiatri sc hen oder interni tischen Klinik
3. Entwöhnungsphase: 2- bis 6-monatige 11le-
rap ie in spezialisierten Einrichtungen, um d n Pa ti enten dauerhaft ein Leben ohne Substanze n zu ermöglichen, vor allem bei Alkohol- und Opiatabhängigkeit 4. Nachsorgephase: Nachbetreuung des Patien ten bei niedergela ·senen Ärzten, Suchtberatungsstellen oder elbsth ilfegruppen.
0
Nennen Sie die Abhängigkeitskriterien nach ICD- 10. D Welche Formen der substanzbezogenen Abhängigkeiten ken nen Sie? 0 Nennen Sie die Therapieprinzipien zur BehandlW1g von Abhängigkeitserkrankungen.
Störungen durch Alkohol Epidemiologie und Ätiologie
In Deutschland neigen ca. 3,2 Mio. Menschen,
d. h. 4,9% der Gesamtbevölkerung, zu ei nem ri kanten Alkoholkonsum. Aktuell alkoholabhängig si nd 1,6 Mio. Men chen, also 2,4 % der Gesa mtbevölkeru ng. Wie alle Suc hterkrankungen entsteh t auc h die Alkoholabhängigkeit multifaktoriell, also durch Zusammenwirken genetischer, neurobiologi scher, p ychologi eher und soz iale r l·aktoren. Zwei der wichtigsten genetisc hen Faktoren si nd: • Kinder alkoholabhängiger Eltern, die von nichtabhängigen Eltern adoptiert werden, haben gegenüber anderen Adoptivkindern ein 4-fach erh öhtes Ri iko fü r eine Alkoholabhängigkeit • Die En twi cklun g einer Alkoholabhängigkeit wird wahr cheinli cher, wenn Alkohol in großen Mengen konsumiert werden kann, ohne dass unangenehme Nebenwirku ngen auftre ten. Dies wird verursacht durch ge netisch be dingte Variationen der Aktiv.ität von Enzymen des Alkoholabbau ' ie ler Alkoholdehydrogena e, CYP2El od r d r Kata lase. Diagnostik
Die Diagno e eines Alkoho lmissbr
Da Alkoholabhängigkeiten sehr häu fig auftreten und die meisten Patien ten ihren ges teigerten Alkoholko nsum dissimulieren, mus jeder Arzt auf laborchemische Parameter und körperli che Symptome achten, die auf eine Alkoholabhän gigkeit hinwei en. Zu den Laborwerten gehören: • Erhöhte y-GT- und Transaminasen -Spiegel (GOT und GPT) • Erhöhtes mittleres Etythrozytenvolurnen (MCV) • Erhöhter piegel des carbohydratdefizienten Tra nsferrins (CDT): CDT dien t in medizinischen Untersuc hu ngen mei t dem achweis von Nü hternheit oder Trunkenheit, da ein regelmäßig r Alkoholkonsum in den letzten Wochen mit einer Erhöhung des CDT einhergeht. Körperliche Symptome, die auf ei nen erhöhten Alk oholkonsum hinweis n, sind: • R duzi rter Allgemeinzustand • Inappetenz und G wi htsabnahme • Gerötete Ges ichtshau t mit Teleangiekta ien • 'p id r naevi • Mu k IJtrophien, vor allem der Waden • Gastritis sowie Mag n- und Duodenal-Ulzera • Erbrechen, Durchfäl le • Vermehrte Sch weißnei ' llng • l~eu ht e, kühl Akren • ~ hl afs törung n • Potenzstörungen • Polylleuropathien . Bis zu 60% der alkoholabhän igen Mcns hen I idcn an incr and r ' n komor·bidcn Störung,
am häufigsten an Angststö rungen, affektiven Störungen, Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeiten von anderen psychotropen Substa nzen. Häufig entwickelt sich eine Alkoholabhängigkeit sekundär, wenn z. B. Patienten trin ken, um Symptome von Angst und Dep ression zu beseitigen. Da Alkoholerkrankungen so häufig sind und die Patienten ihre Probleme häufi.g dissimulieren, muss jeder Arzt an die Diagnose denken und auf körperliche und psychische Symptome achten, die einen erhöhten Alkoholkon sum anzeigen. Jede Möglichkeit, Patienten für eine Abstinenz zu motivieren, sollte genutzt werden.
• Einfacher, komplizierter und ~~h~logischer Alkoholrausch Alkoholintoxikation : Der einfache
Alkohol -
rausch ist geken nzeichnet durch: • Psychische ymptome: gehobene Stimmung, Abbau von Angs t und Hemmungen , gesteigerter Antrieb und Psychomotorik, Gereiztheit, Störung von Aufmerksamkeit und Urteilskraft • Vegetative Symptome: Gesichtsrötung und Augen tränen, Tachyka rdie, chw itzen und übelkeit • Neurologische Symptome: zerebelläre Ataxie und Dysart hrie. Obwohl die Symptomat ik interindividuell bei gleichem Alkoholgehalt im Blut sehr stark schwankt, werden folgend e Schweregrade eines Alkoholrauschs definiert: • Leichter Alkoholra u eh: 0,5- 1,5 Promille • Mittelschwerer Alkoholrausch: 1,5- 2,5 Promille • Schwerer Alkoholrausch: 2,5- 3,5 Promille • Lebensgefahr: > 3,5 Promille • Alkohol.isches Koma: 4,0 Promi.lle • Bei 5,0 Promille liegt die Letalität bereits b i 50%. In diesem Zustand ·tcrben die meisten Patienten an einer durch ze ntrale Dämpfu ng bedingten Atemdepre sion oder Aspiration von Erb rochenem . Im Gegensatz zum einfachen Rau h i t der komplizierte Rau eh ein qt~antitat i v stärk r ausgeprägter Rauschzu tand, wie erz. B. bei zerebraler Vorschädigung auftritt . Von einem pathologischen Raus h spr icht man, wenn folgende Charakteristika vo rl iegen: • Auslösu ng des Rauschzu stands au h schon durch kleine Alkoholm engen
• Oft nur von kurzer Dauer • Komplette Amnes ie für den Rauschzustand; Dämmerzu tand, der im Schlaf endet • Persönlichkeitsfremde Verhaltensmuster, d. h. für den Betroffenen untypisches, aggressives oder gewalttätiges Ve rhalten. Pathologische Rauschzustände treten bei herabgesetzter Alkoholtoleranz in Folge von Hirnschäd igungen vor allem im Rahmen einer chronischen Alkoholabhä ngigkeit auf. Forensisch sind pathologische Rauschzustände bedeutsam, wenn Patienten in solc hen Zuständen gewalttätig werden.
~ Alkohole_~tz~g~syndrom u~d -~~e-~r Setzen alkoholabhängige Patienten den Alkohol konstun gewollt oder ungewollt - z. B. während eines Krankenhausaufenthalts nach Unfall nicht fort, entwickelt ich in der Regel ein vegetatives Alko holentzugssy ndrom, das meist 3- 7 Tage dauert. Die Symptomatik ist neu robiologisch dadurch bedingt, dass es be.i abruptem Absetzen von Alko hol zu einem Wegfall inhibitorischer Aktivität - Alkohol wirkt GABAerg und damit dä mpfend auf das ZNS - und damit zu einer kortikalen Überstimulation kommt. Zu den Symptomen eines unkomplizierten Alkoholentzugssyndroms gehören: • Gastrointestinale Symptome: Brechreiz und Durchfall • Kreislauf und Atmung: Tachykardie, Hypertonie und Tachypnoe • Vegetative Symptome: Schwitzen und Tremor • ZNS-Symptome: - Schlaflosigkeit und innere Unruhe - Depressive oder gereizte Stimmung - Angst und Schreckhaftigkeit - Konzentrationsstörung und leichte Ablenkba rkeit - Gesteiger te Empfindlichkeit für optische und akustische Reize. Be anders gefürchtet im Rahmen eines Alkoholentzugssyndrom sind generalisierte Krampfanfälle, die zu 85% innerhalb der ersten 6 Stunden nach Alkoholkarenz bei ca. 15 %der alkoholabhängigen Patienten auftreten. Daher sollten Patienten ihren Alkohol konsum nie auf eigene Faust abrupt beenden.
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9
Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen
Ca . 5-15% der Alkoholabhängigen entwickeln ein Delirium tremens (Alkoholdelir) , das in der Regel bei Alkoholverzicht, aber auch be i fortgesetztem Alkoholkonsum als Kontinu itätsdelir auftritt. Es daue rt in der Regel5- 7 Tage, gelegentlich auch länger, und ist charakteri iert durch drei Leitsymptome : l. Bewusstsei n Störungen 2. Desorientiertheil 3. Angst. In ca. 20 % der Fälle leiten epileptische Anfälle ein Delir ei n. Der Begriff Prädelir ist veraltet und bezeichn et eine quantitativ we niger stark ausgeprägte und kürzer andauernde Symptomat ik. Weitere wichtige Symptome eines Alkoholentzugsdelirs sind: • Optische Halluzinationen: z. ß. in Form von herumhuschen den kleinen Tieren oder fantas ti sch -traumhafte n Szenen • Erhöhte Suggestibilität: die Patienten lese n dann z. B. vo n ein em leeren Bla tt ab ode r neh men ei nen ve rmei ntlichen Faden von der Bettdecke • Ausgeprägte Hype rmotorik mit esteln und Herumsuchen • Vegetative Symptome mit Fieber, Sclw.ri tzen, Hype rtonie, Tachykardi e, Tremor und Schlafstörun gen. • Das unbehandelte Alkoholdelir hat eine Letalität von bis zulS %, bei optimaler Behandlung liegt sie unter 2 % • Schwere Folgeschäden sind da Korsakow-Syndrom und die Wernicke-Enzephalopathie. Therapie
Etwa 30- 50 % müssen med ikamentös behandelt werden, wobei in der Regel mit eine r der beiden folgend en GABAerg wirkende n Psychopharmaka therapiert wird: • Clomethiazol (D istraneurin ): Mittel der I. Wahl, da es sedierend, an tikonvulsiv und delirverhütend wirkt. Initial 2- 4 Kap ein und 2 we itere Kap ein all e 2- 4 Stun d n bi. zu ein er Tage höch tdo is von 24 Kapse ln. Eine i. v. Gabe i t nicht meh r verfügbar( ~ Kap . 3) • Benzodiazepine wie Diazcparn (Valium ): 4- 6 >< lOmg pro Tag, Red ukt ion um 10 % pro Tag. Alkoholentzugssyndrome.
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Muss immer medikamen tös behandelt werden, in der Regel mit Benzodiazepinen. Hinzu kommen weitere Maßnahmen: • Behandlung psycho ti eher Symptome wie Halluzinationen und Wahnideen sowie star ker Erregung durch Antipsychotika, z. ß. Hal operidol • Um die Entwicklung einer Wernicke-Enzephalopathie vo rzube uge n, sollte bei schweren Entzug syndromenund immer bei Alkohol delirien Vita min B1 (Thiamin) in einer Tages dosis von 50 - 100 mg gegeben werden • Hü ssigkeits- und Elektrolytsu bstitution: Glukose darfbei mangelernährten Patienten nur nach Ga be von Th iamin infundie rt werden da Glukose den Vitamin B1- Verbrauch stei~ gert, was die Entwicklung einer WernickeEnzep halopath ie begünstigt • Ein e Anfa llsp rophylaxe mit Carbamazepin macht wenig Sin n, da ein e Aufdosierung wirksa mer Spiegel nicht innerhalb von 12 Stunden erreicht wird und ßenzodiazepine auch antikonvulsiv wirken. Alkoholdelir.
• Langzeittherapie alkoholkranker Menschen ---
--~ ---~-
Die reine Entzugsbehandlung ("Entgiftung") geht mit hohen Rückfallrat n einher. Daher wurden ogenannte qualifizierte Entzugsbehandlungen entwickelt, die 2- 3 Wochen dauern und neben der Entzugsbehandlung auch 'TI1era- . piepragramme anbieten, die den Patienten für ein Lebe n ohne Alkohol motivieren und die Ab stinenz förd ern sollen. In besondere bei chronisch alkoholabhängigen Patienten, bei Patienten mit vielen Rückfallen sowie Patien ten mit wiede rholt en Delirie n ist eine Langzeitentwöhnungsbehandlung für 2- 6 Monate in spezialisierten Suchtkliniken indiziert Hier werden psychoth erapeutische und sozio- · therapeu tische M·1ßnahmen rgrifren , um den Pa tienten langfristig vo m Al ko hol zu entwöhnen. Medikamentös kann die Fähigkeit zu.r Abstinenz durch 3 Substanzen UJ1terstützt werden(--. Kap. 3) : • Acamprosat (Campral \ An ticraving-Sub tan z, die die Abstinenzra ten und An zahl trinkfreier Tag steigert • Naltrexon (Nemex in ): ~I- Opiat - An t agoni st, der allcrding in D uts hland nicht zur Rückfa llbelnndlung bei Alkoho labhängigkeit zulassen ist. E red uziert s hwer Rü kfulle und die Trin khäu fi.gk it
/ • Disulfiram (Antabus ): Aversiv-l11erap ie ( ~ Kap. 3). Entscheidend für die Patienten ist, da s sie nach der Langzeitentwöhnungsbehandlung intensiv ambulant nachbetreut werden. Wichtige TI1erapieelemente sind: • Teilnahme an Selbsthilfegruppen, z. B. Anonyme Alkoholiker, Blaues Kreuz oder Guttempler • Regelmäßige Besuche beim Hausarzt • Einzeltherap ie bei Psychologen, Psychiatern oder Suchtberatungsstellen, insbesondere wenn komorbide Störungen vorliegen.
• Folgeschäden bei ~~ko~~~~~-~~ng_~~~~_it_ __________ __ Atko holha lluzi nose Eine Halluzinose liegt vor, wenn Halluzinationen auf einem einzelnen Sinnesgebiet ganz im Vordergrund des psychopathalogischen Bilds stehen. Die HaJluzinationen werden dann entsprechend z. B. als akustische Halluzinose oder optische Halluzinose bezeichnet. Bei der Alkoholhalluzinose handelt es sich um eine akustische Halluzinose, die im Rahmen einer chronischen Alkoholabhängigkeit auftreten und Tage bis Monate anhalten kann. Die Patienten wissen in der Regel, dass sie hallu zi nieren (Pseudo-Halluzinationen) und zeigen ei ne ängstliche Grundstimmung. Bei Alkoholabstinenz und ggf. unter Therapie mit Antipsychotika remittiert die Alkoholhalluzinose innerhalb von Tagen bis Wochen, kann aber bei fortgesetztem Konsum auch in eine ch ronische Form überg hen. Eifersuchtswahn Bei alkoholabhäng igen Patienten treten vereinzelt isolierte Wahnbildu ngen auf, meist in Form von Eifersuchts - und Verfolgungswahn. Die Behandlung besteht in fortgesetzter Abstinenz vo n Alkohol und ggf. Gabe von Antipsychotika. Korsakow-Syndrom Ein amnestisches Syndrom (sog. KorsakowSyndrom) kann bei unterschiedlichsten Hirn-
schädigu ngenund damit auch nach chronischem Alkoholkonsum und insbesondere nach Delirien auftreten. Es ist gekennzeich net durch die folgende Trias: I. Merkfä higkeits- und Zeitgitterstörung 2. Desorientiertheil 3. Konfabulationen ( ~ Kap. 5) . Bei Abstinenz kann es sich zurückbilden, häufig kommt es zu chronischen Verläufen . Wernicke-Enzephalopathie Die Wernicke-En zephalopath ie ist die schwerste Alkoholfo lgee rkrankung, die bei 10 o/o aller chronischen alkoholabhä ngigen Patienten auftritt und auf einen Vitamin -8 1-Mangel in folge Mangelernährungzurückzuführen ist. Die klassische Symptomtrias besteht aus: L Bewusstseins- und Orientierungsstörungen ( 66 % der Fälle) 2. Blickmotorikstörungen wie Nystagmus oder bil aterale Abduzensparese (40 o/o der Fälle) 3. ZereheHäre Atax ie (51% der Fälle). Bei der neuropathologischen Untersuchung ist ein spongiöser Gewebszerfall auffällig, vor allem im Bereich um den Aq uädukt und im Höhlengrau des Ill . und IV. Ventrikels. Typischerweise sind die Corpora mamillaria betroffen, die verkleinert und rostbraun verfärbt sind. Die Therapie besteht neben intensivmedizinischen Maßnahmen in der hoch do ierten parenteralen Gabe von Vitamin B1• Als Residualzustand findet sich häufig im Anschluss ein Korsakow-Syndrom. • D.ie Wernicke-Enzephalopathie äußert sich in der Trias Orientierungsstörungen, Okulomotorikstörungen und Ataxie • Bei geringstem Verdacht auf eine Werni cke- Enzephalopathie muss hoch dosiert Vitamin B1 (Thiamin) gegeben und der Patient stationär aufgenommen werden. Andere Alkoholfolgeerkrankungen Weitere neurologische Alkoholfolgeerk rankungen si nd die alkoholische Kleinhirndegeneration, die Alkoholdeme nz, die hepatische Enzephalopathie, Polyneuropathien und Myopathien.
0 Was ist ein pathologischer Rausch? 0 Beschreiben Sie die Symptomatik von Alkoholhalluzinose, Korsakow-Syndrom und WernickeEnzephalopathie.
0 Wie werden Alkoholentzugssyndrom und Alkoholdelir behandelt? 105
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Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen
Störungen durch Drogen Der ßegri1f Droge ist unscharf, da damit toffe beze ichn et werden, die ei ne Wirkung auf das ZNS haben , also psychotrop wirken , und Abhängigkeiten erzeuge n. Da mit gehören im Prinzip auch Substa nzen wie Alkohol und Nikotin zu den Drogen. Im allgemeinen Sp rachgebra uch werden abe r mit Drogen die illega len ubstan ze n ge meint- im Gegensatz zu den legalen Substan zen Alkohol und Nikoti n. Demnach gehören zu den Störungen durch Droge n Abhängigkeiten vo n Opioiden, Cann abinoiden, Kokain und anderen Stimulanzien sowie Hall uzinogenen (-+ Tab . 9.3).
• TI1erapie: - Sicherung der Vitalfunktion und ggf. Wiederbelebungsmaßnahmen - I. v. Gabe von Naloxon (Narcanti ), das wiederholt in einer Dosis von 0,1 mg so lange gegebe n wird, bis Atemdepression und Bewuss tlo igkeit nachlassen. Die Dosis kann aufbis zu 2 mg gesteigert werden. Wegen der kurzen Halbwertszeit mu s Naloxon ggf. wiederholt appl iziert werden. Opiatentzugssynd rom
• S~~ru!!~e~_ durch Opioide In Deutschland sind ca. 150.000 Menschen heroinab hängig. eben den substanzbezogenen Wirkungen bestehen die Probleme der Heroinabhängigke it vor allem in : • Ein em erh öhten Risiko für eine Infektion mit Hl - ode r Hepati tis-Vire n durch sogenannte eedle sharing • Gesetzesve rstößen beim Erwe rb de Heroin (Beschaffungskr iminalität) • einverwiegenden ozialisatio nsproblemen. Opiatrausch und Opiatintoxikation Opioide wie Heroin (D iacetylmo rph in) werden von Drogenabhängigen überwiegend intravenös inji ziert, seltener gera ucht oder geschn upft. Sie werden aber auch, etwa zu r Sc hmerztherapic, oral genomme n. Opioide en tfa lten ihre euphori sie rende Wirkung durch Bindung an jl-ÜpiatRezeptoren. Sie führen zu einer starken psy bi schen und körperli hen Ab hängigke it, die ich vor allem beim Hero in - der Sub tanz mit dem größten Suchtpotenzial - sehr chn ell en twi ckelt. Heroin führt innerha lb von ca. 15 Minuten zu ei nem Rauschzustand mil tarke r Eupho rie, dem Gefühl des Losgelöst eins un d einem ges l igcrten elb tbewus tsein. Darauf fo lgt eine ed ierung mi t Apat·hie und g legentli eh dysphorischer ereizth eit sow ie psy homotori eher Ver langsam ung und kognitiven tör ungen.
Opiatintoxikation: • Trias Miosis, Atemd pressi n und B wusstlo igkeit
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Entzugs ynd rom e tre ten bei Heroin ca. 8 Stun den nach der letzten Dos is auf, steige rn sich von Stu nde zu Stunde und erre ichen ihr Maxi mum nach ca . l- 2 Tagen. Unbeha ndelt klingen sie nach etwa l - 2 Wochen ab, können bei lang wirksamen Opioiden wie Me th adon aber auch de utlich länger anha lten. Zu den Entzugssymp~ tomen gehören: • Starkes Craving • Depre sion, Schlafstörun g, Angs t und Unruhe • Übelkeit, Erb rechen und Diarrhö • Zitte rn, Schwit ze n und Fieber • Muskelschmerzen und Muskelkrämpfe • Pupillenerwei terun g, Träne nflu s und Rhinorrhö • Hypertonie und Tachykardi e. Entgiftung, Entwöhnung und Substitution Die Entgiftung bei Opiatabhängige n wird in
zwei Formen dur hgefü hrt: • "Kalter" Entzug: Hier werden all e Opioide abrupt abge etzt und Entzug sym ptome medikame ntö, gelindert. Dazu werden folgende Medikament verab rci ht: loni din ?ei ad~:n.ergc r Überaktivierung w1 S hw1tzen, I ran nlaufe n und Un ruh e - Do.xcpin bei Un ruh e - [buprofen bei hm crzen - M to lopramid bei Übelkeit • "Warmer" Entzug: I i ill ga len Opioidc w r den dur h piate wie Buprenorphin oder Met hadon er tzt und sc hr ittweise ·w gehl ich n. An di En tgiftungs behandllun, schli eßt: sich in der R·gcl ei ne Entwöhnungstherapie in spezialisi 'rlen Kliniken fllr mind estens 4- 6 Monate a n.
...
/ Wenn ei ne Abstinen z nicht erreicht wird, kann ei ne Substitutionsbehandlung mit ein em Opioid wie Methadon oder Buprenorphin durchgefü hrt werden. l.n Ei nzelfällen wird an Schwerstabhängige auch syn thetisch Jw·gestelltes Heroin abgege ben. Opiatantagonisten wie Naltrexon (Nemex in ) kö nn en bei abs tinenten und kooperativen Patien ten zu r Rückfa llpro phylaxe eingesetzt werden. Heroin verliert dann bei gleichzeitigem Kon sum sein en Effekt.
• Störungen durch Cannabinoide --·-· - -------
-------------- --- -·
Cannabis ist weltweit die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Ca. 0,5 % der Erwachsenen greifen täglich zu Can nabis. In den letzten 20 Jahren hat die 12-Monats-Präva lenz der Cannabiskonsumenten un te r den jungen Erwachsenen deutlich zugenomm en. Ca. 32% der 18- bis 19-Jährigen hat berei ts Cann abise rfa hrung, wobei in den letzten lO Jahren das Einstiegsalter von 17,5 aufl6,4 Jahren gesunken ist. Ca. 1020 % aller Cannabiskonsum enten sind abhängig. Der Hauptwirkstaffin Cannabis ist das THC (11-9-Tetra-Hydrocannabinol). Cannabisrausch
Cannabis wird in der Regel ge raucht (" Kiffen ") oder gegessen. Beim Rauche n treten zentralnervöse Effekte innerhalb einer Minute nach der In halation aufund erreichen ihr Maximum nach 20-30 Minuten und halte n 2- 3 Stunden an . Die Symptome des einfachen Rausches sind indivi duell sehr unterschiedlich ausgep rägt. Charakteristisch sind: • Indifferenz und Euphorie • Veränderung von Raum- und Zeiterleben • Intensivierung der optischen und akustischen Wahrnehmung • Denkstörungen, z. B. vermindertes Abstraktionsvermögen, Ideenflucht oder Denken in Bruchstücken. An körperlichen Symptomen fi nden sich adrenerge un d anticholinerge Symptome wie Tachykardie, Mydria ·is, konjunktivale Injektion und Mundtrockenheit Cannabis führt stärker zu einer psychischen als zu einer kör perlichen Abhängigkeit. Ca. 25% der Kons um en ten nehmen auch andere illegale Drogen. Echopsychosen ("Flashbacks"), d. h. das Auftreten von Symptomen bei annabisintoxikation auc h nach mehr ren Wochenn ach I tzt: m Dro-
genkonsum, sind möglich, jedoch insgesamt seltene r als bei Halluzinogenen .. Cannabis lässt sich im Urin häufig auch noch Wochen nach dem letzten Konsum nachweisen. Therapie
Ca nnabis kan n abrupt abgesetzt werden und führt in der Regel höchstens zu leichten Entzugssymptomen wie Stimmungsveränderungen oder vege tativen Symptomen. Zur Rü ckfallprophylaxe werden Kurzinterventionen mit motivationsvers tärkende n und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Elementen eingesetzt. Eine etablierte Pharmakatherapie existiert nicht. Wichtig ist psychiatrische Komorbiditäten zu behandeln, vor allem Persönlichkeitsstörungen, Psychosen, Angst- und affektive Störungen, ADHS und an dere Abhängigkeitserkrankungen. Das Ri siko, an einer Schizophrenie zu erkranken, ist bei Cannabis-Konsum enten um das 6-fache erhöht.
• Störungen durch Kokain und andere -- ---- Stimulanzien - -- - ----------- - - - - - Koka in und Amphetamine wie Metamphetamin (,.Speed") und MDMA ("Ecstasy") führen im Wesentlichen zu einer starken psychischen, aber kaum zu einer körperlichen Abhängigkeit. Sie wirken über eine Förderung der dopaminergen und noradrenergen Ne urotransmission, indem sie präsynaptisch die Wiederaufnahmetransporter für Dopamin und Noradrenalin blocb eren und Dopamin und Noradrenalin auch direkt im synaptischen Spalt fre isetzen. Die Suchtgefahr ist besonders hoch, wenn diese Substa nzen intravenös oder intranasal appliziert werden, da ie dadurch sehr schnell im ZNS an fluten und pulsartig Dopamin und Noradrenalin freise tzen, was zu einer starken Euph orie führt.
Stimulanzienrausch und -intoxikation Kokain und Stimulanzien. Es kommt zu Euphorie, Wachheit, Unterdrückung von Hunger und Ermüdungsgefüh l, Leichtsinn und Antriebssteigerung sow ie zur Verstärkung des sexuellen Erlebens. Die er Rush hält nur Minuten an. Ecstasy. Wi rkt neurotoxisch auf seroton erge Neu rone, wobei die Nervenschädigung mit der kumulierten Ecstasy-Dosis linear ansteigt. Ecsta sy hat: wiederholt zu Todesfällen geführt , di e bei lang andauerndem Ta nze n un d verminderter Hüss igkeitszu fuhr ode r starkem chwitzen zu 107
9
Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen
Rabdom yolyse mit akutem Ni erenve rsagen, Hyponatriämi e, disseminierter in travasaler Ko agulopathie, Krampfanfä ll en, Arrhyt hmi en und Koma führten .
• Störungen durch Halluzinogene -- --
-- - --
Zu den wichtigsten Hallu zinogenen gehöre n: • LSD (Lysergsäure-Diethylamid) • Meskali n • Psi locybin • PCP (Phencyclidin, "Angel Dust"): Ein NM DA-Glutamat-Rezeptor-Antagonist, der auc h
für Modellpsychosen Bedeutung erlangt hat ( ~ Kap.
7).
Im Rauschzustand treten sogenannte p yc hede lische Wi rkungen mit Pseudoha lluzinationen auf, vo r allem in Form von optischen Wahrneh mungsstörunge n, illusionären Verkennungen und in tensiveren Wahrnehmungsinhalten. Dieser auch als "Trip" bezeichnete Rauschzustand dauert ca. 6- 8 Stunden und kann beim "Herunterkom men" zu starken Depressionen führen . Bei einem "Horrortrip" kann es zu panischer paranoider Angs t, ausgeprägten Wah rn ehmungss lörungen, fremdaggressiven Handlungen und uizidalität kommeiL
0 Nennen Sie die Trias der Opiatintoxikation. 0 Nennen Sie wichtige Stimulanzien und deren Wirkmechanismus. 0 Welche Wirkungen hat Cannabis?
Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit Benzodiazepine, Barbiturate und Clomethiazol Unter den sedierenden und anxiolytischen Med ikamenten sind Benzodiaze pine der häufig ste Grund für Abhängigkeitse ntwicklun gen. Benzodiazepine werden ku rzfristig bei agitierten Depressionen, Angststör ungen, Persö nlichkei tsstörungen oder Schlafstörungen ein gesetzt. In ca. 50 % der Fälle werden sie jedoch - entgege n der Herstell erempfeh lung - länge r als 4- 8 Wochen verschrieben, was die Entwicklung von Abhängigkeitserkrank ungen för dert. Benzodiazepine fuhren häufig zu Abhängigkeiten und dürfen daher nur kurzfri tig verordnet werden . Insbesondere bei einer bereits bestehenden Suchterkrankung sind sie zu vermeiden .
In Deut chland wird die Za hl de r Benzodiazepinabhängigen au f ca. 1,2 Mio. Mens hen geschätzt. Auch Barbiturate und lomethi azol (Di tra neurin GIJ) führen oft zu Ab hängigkei tse nt wi cklungen, werden jedo h verhä ltn ismäßig elten verwendet.
108
Benzodiazepinintoxikation
Bei Überdo ierung vo n Benzodiazepinen komnn e zu Somnolenz bis hin zu m Koma, arterieller Hypotonie owie zu Atemdepress ion bis hin zum Atemstill tand . Die Therapie besteht neben der Sicherun g der Vitalfunktionen und der Giftelimination in der Gabe von Flumazenil (Anexate@), einem kom petitiven Ben zodia zepi nrezeptor-An tagon isten, der intravenös app liziert wird. Benzodiazepinentzugssyndrom
Benzodiazepin , aber auc h Barbiturate und Clomethiazol führen bei ab ruptem Absetzen zu aus geprägten p yc hischen und körperlichen Entzugssymptomen, die sich individuell jedoch ehr unterschiedlich 'lll präge n. Dazu gehören: • Psychische Symptome:
- Ängs te, Unruhe, Reizbarkeit, Schlaflos igke it - Depr ssive Verstimm un 1 - Bei s hweren Entz.ugssyndromen kommt es zu Delirien mit Verwirrthe.it und psyhotisch m Erleb n. • Körperliche Symptome:
- Erh öhter Blutdruc k un d erhöht er Puls - Zittern und hweißa usbrü he - Kopf- und Muskels hm erze n
/ '- ---------------------------------------------------- Gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall - Bei schweren En tzugssyndromen treten vereinzelt auch ep ilepti sche Anfalle auf. ßenzodiazepine, Barbiturate und Clomethiazol dürfen daher nie abrupt abgesetzt, sondern müssen immer über mehrere Wochen ausschleichend reduzie rt werden . Entzugs ymptome können mit niederpotenten Antips yc hotika oder Antidepressiva
Therapie.
abgeschwächt werden. Um einen Entzugsanfall zu verhindern, empfiehl t es sich, ein Antiepileptikum (z. ß. Carbamazepin) zu verabreichen insbesondere dann, wenn in der Vorgeschichte bereits ein Entzugsanfall aufgetrete n ist. Aufgrund der langen Plasm ahalbwertszeit der meisten Benzodiazepine kö nnen auch bis zwei Wochen nach Absetzen der letzten Dosis Entzugssymptome in klus ive Krampfanfä lle auftreten.
D Nennen Sie Symptome eines Benzodiazepinentzugssyndroms. 0 Wie führen Sie einen Benzodiazepinentzug durch?
Störungen durch Tabak In Deu tschland sterben pro Jahr etwa 110.000140.000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum. Jeder Raucher verliert im Schnitt 8 Jahre seines Lebens . Zwischen dem 35. und dem 70. Lebensjahr verursacht Rau chen etwa 35% der kardiavaskulären Todesfalle, 40 % aller Krebstodesfälle, 75 % aller chronisch obstruktiven Lun generkrankungen und bis zu 95 % aller Lungenkarzinome. Nikotin steigert über nikotinerge Acetylchol in rezeptoren die Dopaminausschüttung im Belohnungssystem und führt häufig zu Abhängigkeitsentwicklungen. Abhängige Raucher scheitern sehr häufig an Abstinenzversuchen. Die Ab -
stinenzraten nach 1 Jahr liegen daher nur bei 10-30 %. Zur therapeutischen Un terstützung wurden Einzel- und Gruppentherapieverfahren mit kognitiv verhaltenstherapeutischen Therapieelementen entwickelt. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, medikamentöse Entwöhnungshilfen wie die Nikotinersatztherapie, d. h. Nikotinsubstitution mit Pflaster, Kaugummi oder Nasenspray, mit psychotherapeutischen Ansätzen zu kombinieren. Auch das Antidepressivum Bupropion (Zyban®) i t zur Raucherentwöhnung zugelassen, ebenso wie Vareniclin (Champix®), ein partieller Agonist nikotinerger Acetylchol inrezeptorei1. Die Effekte sind jedoch mäßig stark.
•
D Nennen Sie Prinzipien der Behandlung der Nikotinabhängigkeit
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10
Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen Sabine Frauenknecht
• Der Neurosebegriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Angststörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Zwangsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dissoziative Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Somataforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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111
10 Angst und Zwang, dissoziative und somatoforme Störungen
Der Neurosebegriff Un ter den in die em Kapi tel behandelten sogenannten neurotischen Störu ngen werden Krankheitsbilder zusa mmengefasst, die in der Geschichte der P ychiatrie und Psychothera pie eng mit dem Begriff de r Neurose ve rbunden sind. Er beinh altet da psychoanalytische Verstä ndn i über die Entstehu ng dieser Störungen: Dem nac h beruh en Neurosen auf ungelösten unbewussten Konflikten der Kindheit. Unerlrägliche Wünsche, Vorstell ungen oder Impu lse werde n durch intrapsych ische Prozesse abgewehrt (-+ Kap. 4). Die neurotische Symptomatik stellt gew is ·ermaßen eine Kompromisslösung des Konflikts dar zwischen : • Trieben und Bedü rfnissen ("Es") • Kontroll ierenden Instanzen ("Über- Ich") • Der äußeren Real ität und dem ver mittel nden "Ich".
Das triadische System der Psychia trie(-+ Kap. 1) ordnete die Nemosen entsprechend ih rer vermuteten Ätiologie den psychogenen Störungen zu. Bei diesen wurde - in Abgrenzung zu den endogenen und orga nischen Psycho en - eine ausschließlich durch psychische Paktoren bedingte Entstehung angenommen. Die psychogenen Neurose n waren daher über lange Ze it ausschließlich eine Domäne der Psychotherapie.
In der zweite n Hälfte des 20. Jahrhun derts konnte das Wisse n über di e ne urotischen Stö rungen durc h die Ergebnisse intensiver bi ologischer und psyc hiatrische r Forschung sowie durch empi ri ehe Un tersuchunge n zur Ve rha ltenstherapie erheb lic h erweitert werden. Fü r viele der Störungen l i ege 1~ inzwischen ätiologisc he Modelle und Therapteansätze vo r, die psychische, biologische, genetische und 50 _ ziokulturelle Faktoren in tegrieren. In den Kla sifikationssys lemen ICD-10 und DSM -IV sch lug sich diese Ent wicklung in Fo rm operationalisie rter Diagnosek r.iter ien niede r, die sich vo rwiegend an P ychopat hologie und Ve rl aufskr iterien orienti eren, also deskriptiv sind. Der Neurosebegriff wu rde in der Neufass ung de r psychiatrischen Diagnosemanuale aufgegeben . Zu den neuro tischen Stö rungen nach der ICD- 10 zählen heute: • Angststörungen (F40, F41) • Zwangsstörungen (F42) • Dissoziative Störungen (F44) • Somataforme Störungen (F45) • Sonstige neurotische Störungen, z. B.
eu rast henie, Derealisations- und Deper nalisa tionssyndrom (F48).
0_
0 Was verstehen Psychiater und Psychotherapeuten unter einer Neurose? D Welche Erkrankungen werden nach der ICD-10 zu den ogenannten neurotischen Störungen gerechnet?
Angststörungen Definitionen Furcht: psychische
Ebene ei ne Reaktion musters in Gefahrensituatio nen (e nt pre hend ein er tress-Reaktion); sie ermögli ht ein hnelles Reagieren auf die Gefahr im inn e von Flu ht oder Angriff. Angst (lat. angustiae = Enge): psychophy iologiches R ak tion musler in einer Gefah rens.ituat ion, die als nicht zu bewältigen rscheinl. i wird auf vier Arten empfund n (häufig als "die vier Ebenen de r Angst" bez i hnet): 112
• E m~tional: ~ühl., bedrängt und in die Enge gelneben zu ei n, 111 der fa lle zu sitzen oder keinen Ausw g zu haben • Vegetativ: Sympathikus-Aktiv ieru ng mit chwitze n, H r zk l o p~ n, s hn ell em, flachem Atem und Mund tro ken h it • Kognitiv: gedankli h ·Ein ngu ng auf di Gefahr ns ir ua tio n, im Extremfall "geistige Blokad ,"
/ • Motorisch: erhöhter Muskeltonus, Fluchtreaktionen oder motorische Starre. Pathologische Angst: Qualitativ besteht kein Untersch ied zur "normalen" Angst, aber: • Sie tritt in Situationen auf, in denen real keine vitale Gefahr oder ern sthafte Bedrohu ng besteht. • Sie geht in Intensität und Dauer deutlich über als "normal" erlebte Ängste hinaus • Sie kann sich aufbestimmte Objekte oder Situationen beziehen, aber auch durch Körperempfindungen oder Gedanken ausgelöst werden • Der Betreffende empfindet seine Ängste selbst - zumindest teilweise - als irrational oder "übertrieben". Phobie: durch bestimmte Objekte oder Situationen ausgelöste Ängste, in Abgrenzung zu den nach Freud frei flottierenden Ängsten ohne äußere Auslöser. Einteilung Phobische Störungen:
• Agoraphobie • Soziale Phobie • Spezifische (= isolierte) Phobie. Andere Angststörungen:
• Panikstörung • Generalisierte Angststörung. Abzugrenzen von diesen primären Angststörungen sind die sogenannten sekundären Angstsyndrome, d. h. außergewöhnlich starke Ängste bei körperlichen Erkrankungen oder im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen. Epidemiologie und Verlauf
• Angststörungen haben mit ca. 15-25% die höchste Lebenszeitprävalenz aller psychi schen Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung. Das Ausmaß de r Beeinträchtigung im Alltag ist jedoch sehr variabel • Am häufigsten verlaufen Angststörungen chronisch mit leichter Symptomatik, oft aber auch fluktuierend mit "Schüben". Spontanremissionen kommen selten vor, maximal zu 20%
• Es besteht eine hohe Komorbidität mit weiteren Angststörungen, depress iven Syndromen und Suchterkrankungen oder Substanzm issbrauch • Eine Ch ronifizieru ng wird häufig begün tigt durch eine spä te D.iagno estellung.
Angststörungen treten von allen psychischen Erkrankungen am häufigsten auf.
-~Ät~ ologi! ____________ _ Bei der Entstehung von Angststörungen wird von einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Faktoren im Sinne eines Vulnerabilitäts-Stress-Modells ausgegangen. Genetik, Neurobiologie und Lerntheorie
Genetik. Zwillingsstudien und Fam ilienuntersuchungen belegen einen Einfluss genetischer Faktoren bei der Entstehung von Angststörungen von etwa 30-50 %. Die genetische Ausstattung mit einer Neigung zu erhöhter Ängstlichkeit gilt als prädisponierender Faktor. Neurobiologie.
Neuroanatomische und -physiologische Daten deuten auf eine Beteiligung verschiedenster Hirnregionen bei pathologi scher Angst im Sinne eines Angstnetzwerks hin. Tab. 10.1 Modell für die Entstehung von Angststörungen
Ätiologische Faktoren und Beispiele Erhöhte Vulnerabilität • Genetik, Neurob iotogie, z. B. Temperamentsfaktoren, erhöhte Ängstlichkeit, Neigung zu länger anhattenden und intensiveren Angstreaktionen • Umgebungsbed ingungen, z. B. Erziehungsstil, physikalische Umwelt faktoren • Biotogical preparedness Stress(= Auslöser) • Kö rpe rliche Faktoren, z. B. orga nische Erkran kung oder psych otrop wirksame Substanzen • Psychische Faktoren , z. B. akute oder chronische Überlastungssituation und intrapsychische oder interpersonelle Kon flikt situationen • Traumatisierung Aufrechterhaltende Faktoren • Vermeid un gsverhalten • Kognitive Prozesse • Primärer und sekundärer "Krankheitsge winn" • Umgebungsbedin gungen, z. B. Reaktionen des sozialen Umfeld s und physikalisc he Umweltfaktoren
11
10 Angst und Zwang, dissoziat ive und somataforme Störungen
Lerntheorie.
Aus lerntheoretischer Sich t wird angenommen, dass Me nschen im Sinne einer "Bio logical preparedness" auf diejen igen Objekte oder Situationen bevorzugt mit Angst reagieren, die evolutionsgeschichtlich eine Bedrohung für das Überleben der Art darstellen, z. B. Tiere, enge und geschlossene Räume, Höhe oder Gewitter. Auch ein angsterzeugender Erziehungsstil oder belastende Umgebungs bedingungen, wie das Au fwac hsen inmitten einer Kriegssituatio n, können die spätere Ents tehung einer Angststörun g begünstigen. Psychodynamische Perspektive Freud ve rmutete, dass Ph obien durch di e Verschiebung von Angst vor bedrohl ichen inn eren Impu lsen oder Konflikten au f äußere Situa tionen oder Objekte entstehen. Aus moderner psyc hodynamischer Sicht we rden Angststörun gen bei einer entsprechenden Vulnerabilität fü r Angstreaktionen durch die Aktu alisierung unbewusster Konflikte ausgelös t, z. B. ei ne ago raphobische Symptomatik bei ve rdrängten Auto nomiewünschen in ein er Partner chaft. Zur Aufrechterhaltung der Ang tsymptomatik trage n bei: • Primärer Krankheitsgewinn : durch di e ymptomen1wickl ung wird eine - wenn auch dys funktionale - Lösung de Konflikts gefunden • Sekundärer Krankheitsgewinn : Das Verhalten der Umgebung, etwa vermehrte Fürsorge un d Zuwe ndung durch den Partner ode r die Entlastung vo n Verpflichtungen unter tüt zen ein Fortbestehen der Symptomatik. Zwei-faktoren-Modell der Angst und kognitive Aspekte
Lerntheoretische Ansätze wie das Zwei-Faktoren-Modell ve rc!eutlichen die Beteiligung klass ischer und operan ter Konditionierungs prozesse an der Entstehung patho logischer Angst: • Klassische Kondition ierun gsprozesse:
- Ausgangslage: Die rst Panikattacke erfo lgte im warmen Kaufhau bei kö rperlichem Unwohl sein, z. B. bei einem gr.ippa len In fekt - Folge: Beim nächsten Besuch ein es Kaufhauses kom mt es erneut zu einer Atta ke • Opera nte Kond itio nierungs prozesse, Vermeidun gsverh alten: ang tauslö ende it uatio nen oder Objekte, z. B. Ka uflül user we rde n zu nehmend "aus Angst vo r d r Angst " gemied n. Die füh rt im lcrntheor tis hen Si nne w einer Vers tärku ng de Vermci 114
dun g ve rhaltens und damit zu einer zunehHl ende n Einengung de Aktionsradiu . Das bedeutet etwa, dass Betroffe ne Kaulllä user gar nicht mehr oder nur noch in Begleitung betreten können. • Kognitive Prozesse: Die Fehl bewert ung von Körperempfi ndunge n spielt ebenfa lls eine wichtige Rolle bei der Entstehung un d Aufrechterha ltung von Ängsten: z. ß. wird Herzklopfen nach Koffeinge nuss al s Zeichen eines drohende n Herzin fa rkts bewertet und führt dadurch zu ei ner mas iven Angs treaktion.
• Diagnostik und Differenzialdiagnose -
-- -
-----~-~
• Ge naues Erfrage n der Angstsymptomatik und Erheben des p yc hischen Befundes • Ausschl uss anderer psychischer Erkrankun gen, die mit Ang t einhergehen (-+ Ta b. 10.3) • Ausschluss einer körperlichen Ursache fü r die Angststörung (-+ 'fab. l0.2) - Körperstatus und orga nische Basisdiagnostik (-+ Kap. 2) - Evtl. weiterführende Orga ndiagnostik. Die Anamnese einer Angstsymptomatik beinhaltet folgende Aspekte: • Zeit, Ort, Dauer und Situation des Auftretens • Art des Auftretens: episodisch oder persistierend, spontan oder situationsbedingt? • Welche Reaktionen: emotional, vegetativ, kogni tiv und motorisch? • Umstä nde, die Symptome verschlimmern oder bessern.
• Die Diagnose von Angs tstörungen erfordert anfangs ine gründliche Anamneseerhebung und Organdiagno tik, damit psychische oder kö rperliche Erkrankunge n als Ursache der Beschwerden nicht übersehen werden • Andererseits besteht durch die erhöhte Ängstli hkeit der Betr ffenden oft die Gefahr) dass . i im Verlauf d r Erkrankung übertrieben häufig und au ged hnt orga· nisch abgeklärt: werden.
Tab.10.2 Körperliche Erkrankungen, die zu Angstsymptomen führen
• Pa~_i~s_!:
Endol
Definition und Symptomatik Panikattacken. Eine Panikattacke
• • • • • •
auf spezifische Situationen, Gegenstände oder Tie re bezieht und für den Betroffenen meist völlig unerwartet auftritt.
Hyper· und Hypothyreose Hyperparathyreoidismus Thyreotoxikose Phäochromozytom Cushing·Syndrom Karzinoidsyndrom
Metabolische Angstsyndrome • Hypoglykämie • Hypokaliämie • Hypokalzämie Kardiale Angstsyndrome • • • • •
Koronare Herzkrankheit Herzinsuffizienz Herzrhythmusstörungen Myokardinfarkt Postkardiotomiesyndrom
ist ein anfallsartiger, inten siver Angstzustand, der sich nicht
Somatische Symptome:
• Der Patient entwickelt im Panikanfall eine subjektiv dramatische körperliche Symptomatik. Typisch sind Zittern, Schweißausbrüche, Herzrasen, Schwindel, Schwächegefühl, Atemnot und Globusgefühl. Diese Symptome können sich bis zur Hyperventilationsteta· nie steigern. • Viele Patienten berichten zudem, ihre Umgebung während der Panikattacke als fremd und unwirklich zu empfinden (Derealisationserleben)
Zerebrale Angstsyndrome
• Kognitive Symptome: beziehen sich charak-
• • • • • • • •
teristischerweise auf einen befürchteten Kon · trollverlustoder angenommene katastrophale Konsequenzen der Körpersensationen, z. B. "Jetzt flippe ich gleich aus", .,Gleich fange ich an, herumzuschreien und zu toben", "Gleich bekomme ich einen Schlaganfall und sterbe". • Panikattacken fuhren oft dazu, dass die betroffenen Personen Notdienste oder Klinikambulanzen in Anspruch nehmen, ohne dass Ärzte einen pathologischen Organbefund erheben können.
Zerebrale Anfallsleiden Encephalamyelitis dissemlnata Vestibuläre Störungen Morbus Parkinsan Demenzielle Erkrankungen Chorea Huntington Zerebrale Vaskulitiden Morbus Wilson
Pulmonale Angstsyndrome • Asthma bronchiale • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankun· gen • Pneumothorax • Lungenembolie • Lungenödem Tab.10.3 Psychische Erkrankungen als Ursache für Angstsymptome • Affektive Störungen, insbesondere depressive Episoden • Schizophrenie, auch als Prodromi der psychotischen Symptomatik • Zwangsstörungen • Anpassungsstörungen • Posttraumatische Belastungsstörung • Persönlichkeitsstörungen, z. B. ängstlich· vermeidend und dependent • Essstörungen • Somataforme Störungen • Substanzgebrauch und -abhängigkeit, d. h. Gebrauch, Intoxikation und Entz ug
Panikattacken dauern unterschiedlich lange - durchschnittlich 30 Minuten -,wobei das Angstmaximum meist innerhalb weniger Minuten erreicht ist. Die Symptomatik kann aber auch über 1bis 2 Stunden anhalten. Synonyme: Herzneurose, hy· perkinetisches Herzsyndrom, chronisches Hyperventilationssyndrom. Eine Panikstörung liegt vor, wenn die Angstanfalle wiederholt auftreten und zu Verä nderungen im Verhalten und in der Einstellung der Betroffenen führen. Sie fürchten etwa ständig, erneut einen Panikanfall zu erleiden und dabei die Kontrolle zu verlieren oder zu terben (-+ Tab. l0.4). b kann keine organ i ehe Ursache festge teilt werden. Patienten mit .ihren subjektiv als leben · b drohlieh und quälend empfundenen Bes hwerden werden daher oft nicht ernst genom-
Panikstörung.
115
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
Tab.10.4 Diagnosekriterien der Panikstörung na ch IC D-10 (F4 1.0) Wiederholte Pan ikattacken, die nicht auf eine spezifis che Situat ion oder ein spez ifisc h es Objekt bezogen sin d und oft spontan auftreten, d. h. die Attacken si nd nic ht vo rh erse h bar. Die Pa ni kattacken sin d nicht verbunde n mit besonde rer Anstre ngung, gefährl ichen ode r lebensbedro hlichen Situationen Charakteristika einer Panikattacke • Es ist eine ei nze lne Ep isode von inte nsiver Angst oder Unbehagen • Sie beginnt ab rupt Sie erreicht innerhalb wen iger Minuten ein Maximu m und dauert mi ndestens ei nige Minuten • Min destens vi er Sy mpto me der unten angege benen Li st e müsse n vo rl iegen , davon e ines der vegetat iven Symptome Vegetative Symptome • Pa lpi tatione n, Herzklopfen ode r erhöhte Herzfrequen z • Schwe ißa usb rüc he • Fein- oder grob sch lägiger Tremo r • Mundtrocken heit, nicht infolge Medi kation ode r Exs ikkose • Thora kale un d ab do min ale Symp tome • Atembesc hwe rde n • Beklem mu ngsgefüh l • Thoraxsc hmerze n und -misse mpfindungen • Na usea ode r abdom in elle Missempfi ndu ngen , z. 8 . Un ruhegefüh l im Mage n
Psychische Symptome • Gefühl von Sch wind el, Unsic herhe it, Schwäc he oder Be nom menhe it • Gefühl, die Objekte si nd unwirklic h (Dereali sation) oder ma n se lb st ist we it en t fernt od er .. ni ch t wirkl ic h hi er" (Depersona li satio n) • Angst vor Kont ro llverlust, verrückt zu werden oder .,auszuflip pe n" • An gst zu ste rben
Allgemeine Symptome • Hi tzegefühle oder Kä ltesc hauer • Ge füh llosigke it oder Kribbelgefü hl e
Häufigstes Ausschlusskriterium Die Pan ikattacke n sind nic ht Fo lge einer körperli che n Störung, eine r organ ischen psychisc hen Stö rung (FO) oder ei ner andere n psych ischen Störung wie Sc hi zo phreni e und verwan dter Störu ngen (F2) , einer affekt iven St örun g (F3) oder ein er somat aformen St örung (F45)
men . Nach mehrfac hen Panikan fä llen entwickel t sich oft ein agoraphobisches Vermeidungsverhalten .
Agoraphobie (griech. = Angst vor dem Marktplatz; Platzangst). Bezeichnet eine massive Angst vor öffentl ichen S.iluationen mit wei ten Plätzen, gesc blo senen Räumen oder Me nschenansamml ungen, ·~l so Situa tionen , in denen eine Flucht erschwe rt ist. Charakteristische Sy mptom atik: • Phobisches Vermeidungsverhalten: Die Angst auslösenden Situati onen werden nach Mögl.ichke.it nuchtarti g ve rlas en oder ga r nicht ers t au fg su ht.. Typische Aktivit äten, die ni ht mehr ode r nur rnil größtem Unb hagen au gefü hrt werde n, sind z. B. das Stehen in ein er War te chlange, Bus, Zug oder Auto fa hre n, ins Ki no geh en, all ei ne Jas I laus verlasse n oder eine Brücke überq unren 116
• Bevo r sich das ago raphobische Vermeidungsverha lten einstellt, erlei den viele Patienten in einer oder mehreren der gena nnten Situationen zunächst Panikattacken . l m späteren Verlauf können im klinischen Bild Panikattacken völlig fehlen, da alle Angst auslösenden Situationen "erfolgreich" gemieden werden(-+ Tab. 10.5) • Erwartungsangst: die "Ang t vo r der Angst". Durch Nut zen von Begleitpersonen oder anderen H ilfsmitteln wie Notfallmedikamente in der Handt asche oder Tragen einer Sonnenbrille erleichtern si h B troffene vo rübergehend da Aufs u -hen der angstbesetzten Situa tionen • Kognitive Meidung: Die Patiente n ve rgegen \Vä rt igen si h, z. ß. während in er Be, o rgung in der Stad t, w ie lerholl der Mö li chkeit:, im
Falle eines An gs lanfa ll s eine nahe gelegene Arztprax is aufzu suchen. Die Betro fFenen sind in ih rer Mob ilitiil und ih ren Al ltagsaktivi tä-
. / Tab. 10.5 Diagnosekriteri en fü r die Agorap hobie nach ICD·10 (F40.0) Deutliche und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen: • Menschenmengen • Offentliehe Plätze • Allein Reisen • Reisen mit weiter Entfernung von zu Hause Wenigstens ei nmal nach Auftreten der Störung müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei Angstsymptome aus der unten angegebenen Liste, davon wenigstens eines der vegetativen Symptome, zu mindestens einem Zeitpunkt gemeinsam vorhanden sein Vegetative Symptome • Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz • Schweißausbrüche • Fein - oder grobschlägiger Tremor • Mundtrockenheit, nicht infolge Med ikation oder Exsikkose Thorakale und abdominale Symptome • Atembeschwerden • Beklemmungsgefühl • Thoraxschmerzen und -missempfindungen • Nausea oder abdominelle Missempfindungen, z. B. Unruhegefühl im Magen Psychische Symptome • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit • Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder "nicht wirklich hier" (Depersonalisation) • Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder "auszuflippen" • Angst zu sterben Allgemeine Symptome • Hitzegefühle oder Kälteschauer • Gefühllosigkeit oder Kri bbelgefühle Deutliche emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymp· tome; die Betroffenen haben die Einsicht, dass diese übertrieben oder unvernünftig sind Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefü rchteten Situationen oder Gedanken an sie
Häufigstes Ausschlusskriterium Die Symptome des Kriteriums A sind nicht bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen (FO), Schizo· phrenie und verwandte Störungen (F2). affektive Störungen (F3) oder eine Zwangsstörung (F42) oder sind nicht Folge einer kulturell akzeptierten Anschauung ten oft erh eblich beeinträchtigt, obwohl sie sich der Irrationa lität ihrer Ä ng t:e zumind est teilweise bewusst si nd • Reizgeneralisierung: Im Verl auf der Erkrankung w eitet sich die Angst oft au f immer mehr Situ ationen aus. !n Extremfällen sind Betroffenen nicht mehr in der Lage, all eine ihre Wohnun g zu ve rlassen oder sich dort alleine aufzuhalten. Panika ttacke: • Anfallsartiger, zeitlich begrenzter Angstzustand " aus h eiterem Himmel" • Mit einer intensiven körp rlich en und p ychischen Angs treaktion.
Panikstörung: • Wiederholte Panikattacken, nach ICD-10 mindestens vier innerhalb von4 Wochen. Agoraphobie: • Massive Angst vor dem Aufsuchen öffentlicher Situationen, in denen eine Flucht erschwert ist, z. B. Menschenmengen, öffentliche Veranstaltungen, Kassenschlan · gen oder öffentliche V erkehrsmittel • Ausgeprägte Erwartungsangst und Vermeidungsverhalten • Häufig gehen der agoraphobischen Symptomatik Panikattacken voraus.
11
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
Epidemiologie
• Lebenszeitprävalenz der Panikstörung: ca. 3 %, Ve r·hältnis 9 /cJ: etwa 2: l • Lebenszeitprävalenz der Ago raphobi e: ca. 5 %, Ve rhältni 9 /d: etwa 3- 4: 1 • Beginn beider Störungen meis tens zwisc hen dem 20. und 30 . Lebensja hr, selten vor der Pubertät oder nach dem 40. Leben jahr. Komorbidität Hohe Komorbidität mit: • Weiteren Angsterkrankungen . • Depressiven Syndromen, v. a. depress1ven Ep~oden .. . . . • Substan zmissbra uch oder -abhang1gkelt, z. B. von Benzodia zep inen oder Alkohol als Selbstmedikationsversuch".
" Therapie
..
Akute Panikattacke: beruh igendes Gesprach, evtl. Lorazepam 1- 2,5 mg als Schmelzta blette. Panikstörung, Agoraphobie :
• Erste Wah l: P ychoth erapie • Zweite Wahl: Kombination von Psychotherapie und Pharmakath era pie • Dritte Wahl: au ' Schli eßlich Pharmakotherapie. Psychotherapie. Mittel der er te·n· Wahl: störungsspezifische Formen der kogmt1ven Verhal ten therapie. Charakteristische Behandlungsei mente: • Psychoedukation • Reizkonfrontation , in der Regel graduierte Exposition in vivo (-+ Kap 4) • Kognitive Elemente: Modifikation angstverstärkender und unrealisti eher Gedanken (-+ Kap. 4). Pharmakotherapie. Erfolgt als Monotherapie insbesondere dann , wenn eine Psychotherapie nich t zur Verfügu ng steht oder di Betroffenen nicht zur P ychoth erapie motiviert sind. Sie wird zusätzlich zur Psycho therapie eingeleitet, wenn glei hzeitig ei n depre ive Sy~1 drorn besteht oder wenn die Angstsymptomatlk stark ausg prägt ist. • Erste Wa hl: RI ( italopram, E citalop rarn, Paroxet in) ode r RI (Ve n.lafax in ) • Zwei te Wahl: TZA (Clomipram in , lm ipra min ) • Dritte Wahl: B nzodiazepin (Aiprazolam , lonaz pam, Diazepa m, I.orazcpa~ll) . ~ave : r fahr der Toleranz- und Abhä ngtgke ttsen twi kJun g. 118
• Wiederholte "Notfalle" durch Panikattacken sollten durch einen psychiatrischen Facharzt abgeklärt werden. • )e früher die PanikstöruJlß und die Agoraphobie diagno tiziert und behandelt werden, desto besser ist die Prognose. • Die Symptome der Panikstörung und der Agoraphobie müssen bei längerem Verlauf der Erkrankung häufig gezielt erfragt werden, da die Betroffenen diese aus Scham lange verheimlieben und sich oft mit unspezifischen Beschwerden beim Hausarzt vorsteHen . Verlauf • Unbehandelt in der Regel chron isch-fluktuie rend, d. h. mit Wechsel vo n aku ten und symptomarmen Pha en • Dauer von der Erstmanifes tation bis zur Diagno e tellung häufig mehrere Jahre mit Risi ko der Chronifi zierung • Kognitive Verhalten therapie langfristig effekt iv mit hoher Stabilität des 1l1erapieerfolgs und geringen Ri.ickfallquoten.
• Sozia le Phobi~ _____ _ --·
--------
Defi ni tion Die sozia le Phobie bezeichnet: eine Störung, bei der di.e Angst vor und die Vermeidung von öffentlichen sozial en Situationen im Mittelpunkt der ymptomatik steht. Unterschieden werden: • Isolierte soziale Phobie: Die phobische Angst bezieht sich ausschließlich auf eine spezifiche ituation • Generalisierte soziale Phobie: Zahlreiche sozia le Akti vitäten werden gefü rchtet und gemieden. Symptomatik Oi e Angst bezieht sich r p iseherweise auf Situ ationen wie l.as E sen in ' 'eil chaft, di Teilnahme an einer Konrerenz, d r Bes uch iner Party der das pr hen vor ei ner Grupp e. D.ie BetroH~nen b flirchttn, du rch ungesc hic ktes oder peinliche · Verhalten in Anwesenheit ander r Mens h n Aufmerksamkei t: auf si h zu ziehen, i h zu blarn i renoder neg·ltiv bewertet zu we rd en. Die Ang t rc. ktion beginn t, , obald die ent prehende Situa tion aufg sucht wird, und kann ni ht unt erd rü kt w rdcn, obwohl sie den Be-
,..
troffenen unsinnig und übertrieben erscheint. Neben teilweise panikartiger Angst treten häufig auch andere Phän omene auf, wie die Angs t, zu erröten, zu zittern, zu erbrechen oder die Kornrolle über Ausscheidungsfun kt ionen zu verlieren. Je nach Schweregrad der Störung sind berufl iches und schulisches Le istungsve rmögen, Beziehungsgestaltu ng und Freizeitaktivitäten in un terschiedlichem Maße beeinträchtigt. Ätiologie Vgl. allgemeine Angaben zu Ätiologie der Angststörungen. • Genetisch bedingt zu ca. 50 % • Wahrscheinlich Dysfunktion bestimmter serotonerger Bahn en; erh öh te Reagibilität der Amygdala auf Ärger des Gegenüber bei un behandelten Patienten • Persönlichkeitsfaktoren und Verhaltensmuster: hoher Selb tanspruch mi t vermehrten Selbstzweifeln, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Kritik, erhöhte Selbstaufmerksamkeit, mangelnde soziale Kompetenz. Epidemiologie • Sehr häufiges Auft reten, Lebenszeitprävalenz in der Allgemein bevölkerung: ca. lO % • Frauen häufiger betroffe n al Mä nn er, jedoch begeben sich mehr Mä nner in Behand -
Jung, evtl. bedingt durch geschlechtsspezifische Rollenerwartungen, z. B. im Beru fs leben • Beginn meist in der Adoleszenz, selten nach dem 25. Lebensj ahr. Komorbidität • Häufige r Einsatz vo n Alkohol oder Benzodiazepinen zur Selbstmedikation (A nxiolyse), daher hohe Komorbidität mit Substan zmissbrauch oder -abhängigkeit • Depressive Synd rome • Andere Angststörungen • Bei der generalisierten sozialen Phobie: ängs tlich -vermeidende Persönl ichkeitsstörung ( ~ Kap. l2). Diagnostik und Differenzialdiagnose • Klinisch wichtig: Abgrenzung von der Panikstörung. Bei der sozialen Phobie sind die panikartigen Ängste spezifisch auf soziale Situationen bezogen und auf die Befürchtung, sich dort zu blamieren. • Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung als Differenzialdiagnose oder Komorb idität • Weitere Diffe re n z i aldiag nos en~ Tabelle 10.3.
Tab. 10.6 Diagno sti sc he Krit erie n für di e soz iale Phobie nach ICD-10 (F40.1) Entweder deutliche Furcht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten, oder deutliche Vermeidung, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich .. oder erniedrigend zu verhalten. Diese Ängste treten in sozialen Situationen auf, wie Essen oder Sprechen in der Offentlichkeit, Hinzukommen oder Teiln ahme an kleinen Gruppen, z. B. bei Partys oder Kon ferenzen oder in Klassenräumen Mindestens zwei Angstsymptome in den gefürchteten Situationen mindestens einmal seit Auftreten der Störung, wie in F40.0 (Agoraphobie), Kriterium B definiert, sowie zusätzlich mindestens eines der folgenden Symptome: • Erröten oder Zittern • Angst zu erbre che n • Miktion s- oder Defäk ation sdrang bzw. Angst davor Deutliche emotionale Belastung durch Angstsymptome od er das Vermeidungsverhalten. Einsicht, da ss die Symptom e oder das Verm eidungsverhalten übertrieben und un vernünftig sind Die Symptome besc hränken sich au sschließlich od er vornehmlich auf die gefü rchteten Situationen od er Ge danken an sie Häufigstes Ausschlusskriterium Di e Symptome des Kriterium s A sind nicht bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder and ere Symptome de r Störun gsgruppe n organische psychische Störungen (FO), Schizophreni e und verw andte Störungen (F2) , affektive Störungen (F3) oder eine Zwangsstörun g (F-4.2) ode r sind ni cht Folge ei ner kulturell akzeptierten Anschauung 11
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
Therapie
Psychotherapie. Kognitiv-behaviorale Therapieprogramme mit fo lgenden Elementen: • Beobachtung und Modifikation dysfunktionaler Kogn itionen • Erweiterung sozialer Kompetenzen • Expositions übungen. Pharmakotherapie. Wirksam und zur Behandlung bei sozialer Phobie zugelassen sind: • Erste Wahl: - SSRI (Escitalopram, Paroxetin) - SNRI (Venlafaxin) - Reversib le MAO-Hemmer (Moclobemid) • Zweite Wahl: Benzodiazepine (Cionazepam), cave: Abhängigkeitspotenzial • Oft angewandt fü r isolierte soziale Phobien, z. B. "Lampenfieber" bei Musikern, in Studien jedoch kein Wirksamkeits nachweis: ß-Blocker, z. B. Atenolol, Propranolol. Verlauf
• Unbeha ndel t: in der Regel ch roni eher Ve rlauf • Pharmakotherapie, Psychotherapie sowie Kombination aus beiden sind nach Studienlage etwa gleich gut wirksam.
Einfache Phobien Definition und Symptomatik
Definition. Bei einer einfachen oder spezifischen Phobie leiden die Patienten an einer umschriebenen Angst vor einem bestimmten Objekt oder ein er spezifischen Si tuat ion. Häufig beziehen sich die Ängste auf: • Tiere, z. B. Spinnen, Schlangen, Insekten oder Hunde • Naturelemente, z. B. Gewitter oder Wasser • Räumliche Gegebenheiten, z. ß. Höh e oder enge und geschlos ene Räume • Verletzungen, Blut und medizini ehe Interventionen, z. B. Spritzen oder Zahna rztbes uche • Seltener sind isolie rte .Äng te vor dem Ersticken oder Erbrechen. Die direkte Konfrontation mit dem entsprechen den Lebewesen oder der gefürchteten Situation fü hrt zu Angs~, die sich oft bis wr Panik steigert. Der Betroflen v rmag die e ni ht zu unterdrücken, obwohl sie ihm sel bst irrational und unangeme en erschein t. Auch die Erwart ung der gefür hteten ituation oder entsp rechend In halte in Med i n Symptomatik.
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können be rei ts eine Angstreaktion auslösen . Es entwickelt sich in der Regel ein Vermeidungsverhalten: Die Ko nfronta tion mit den angs tauslöse nden Reizen wird nach Möglichkeit gemieden. Bei einem Großteil der spezifischen Phobien ist de r subjektive Leidensdruck nicht sehr hoch, da sie die persönliche Lebensführung nur in geri ngem Maße beeinträchtigen. Schwierigke iten ergeben sich, wenn die gefürch teten Situationen im Alltag oder Berufs leben nicht zu vermeiden sind und o zu eine m Hindernis werden, z. B. Flugangst bei einem Geschäftsre isenden. Erst dann wird nach der JCD-10 die phob ische Symptomatik als psychische Erkrankung diagnosti ziert. • • • •
Akrophobie = Höhenangst Arachnophobie = Angst vor Spinnen Aviophobie = Flugangst Klaustrophobie = Angst vor engen, geschlossenen Räumen • Zoophobie = Angst vor Tieren • Dentalphobie = Angst vor dem Zahnarzt.
Ätiologie • Biological preparednes fi.ir bestimmte .Ängste als evol utionsb.iologisch sinn voller Mechanism us, der das Überleben der Spezie sichert • Phobisc he Angst mit Vermeidungsverhalten als ,.Extremvariant e" durch Zusammenwirken der biologischen Bereitschaft mit psychischen Faktoren. Epidemiologie • Sehr häufiges Auftreten, Lebenszeitprävalenz in d r Allg meinbevölkeru ng: ca. 9% • Am häufigsten sind Tierphobien und Höhen angst • Frauen häufiger betroffen als Män ner, Verhältnis etwa 2 : l. Komorbidität eh r viel seltener als bei anderen Angststörungen . Diagnostik und Differenzialdiagnose 1em1Ues E r frage1~ de r Äng te und Abgrenzung
von phobi ' hcn Angsten bei anderen psy his hen Störungen erforderli h, z. ß. phobische Äng te bei PTBS (-+Kap. II) oder bei Zwangsstöru ngcn.
/ ------------- - - --------------------------Therapie
Wegen zume ist geringer Einschränkungen im Alltag sind nur sehr wen ig Betroffene in Behandlung. Psychotherapie. Therapie der Wahl: • Kognitive Verhaltenstherapie mit Konfrontationsverfahren (Exposition .in vivo, -+ Kap. 4) • Früher: Domäne der systematischen Desensibilisierung(-+ Kap. 4) . Pharmakotherapie. Bei schweren Verlaufsformen evtl. zusätzlich Paroxetin (SSRI). Verlauf
• Beginn zumeist in der Kindheit mit hoher Tendenz zur Spontanremission bis zur Adoleszenz • Bei Persistenz bis in die Adoleszenz: unbe. handelt meist chronischer Verlauf • Sehr gute Wirksamkeit von Verhaltenstherapie. • Einfache(= spezifische) Phobien sind in der Allgemeinbevölkerung sehr häufig. In der überwiegenden Anzahl der Fälle suchen die Betreffenden jedoch keinen Arzt ?der Therapeuten auf, da Beeinträchtigung rm Alltag und subjektiver Leidensdruck bei ihnen gering sind.
• Genera~~~_!erte f',ngststörung - - - - - - --- - - Definition und Symptomatik
Patienten mit einer generalisierten Angststörung (GAS) machen sich viele Gedanken um alltägliche Angelegenheiten und leiden unter ei ner anhaltenden Ängstlichkeit. Sie sorgen sich beispielsweise ständig um ihre eigene Gesundheit oder das Wohlergehen ihnen nahe stehen der Menschen. Sie grübeln unverhältnismäßig viel über Alltagsereignisse im beruflichen oder privaten Umfeld, ohne dass eine aktuell.e Bedrohung oder Gefahr besteht. Die lohalte der Befürchtungen gleichen zwar denen gesunder Men eben, untersch eiden ich jedoch in der Häufigkeit und Intensität, mit der sie auftreten. Außerdem füh len sich die Betroffenen viel weniger als etwa gesunde Vergleichspersonen in der Lage, das Grübeln über ihre Probleme willentlich zu beenden. Sie erleben i.ch als dauerhaft angespannt oder aufgeregt. Sie klagen häufig über körperliche Symptome wie Nervosität, Einschlafstörungen, Beklemmungsgefühle, Konzentrationsschwierig-
keiten, einen "Kloß im Hals" und eine verstärkte vegetative Erregbarkeit. Die Beschwerden bestehen- mit kleineren Fluktuationen - über einen längeren Zeitraum. Fast immer sind es die körperlichen Begleiterscheinungen, die zu vielfachen Konsultationen des Hausarztes oder anderer Fachärzte führen, ohne dass die zugrunde liegende Störung diagnostiziert wird. Ätiologie
Allgemein: Vulnera bi litäts-Stress-Modell Spezifisch: übertriebenes Sich-Sorgen als dysfunktionaler Bewältigungsversuch im Umgang mit belastenden Themen und Lebensereignissen wie Verlassen -Werden oder Erkrankung. • Sich-Sorgen schwächt zunächst paradoxerweise die negativen affektiven Reaktionen ab, die bei Beschäftigung mit den oben genannten Themen auftreten, z. B. Angst, Traurigkeit oder Schmerz • Sich-Sorgen verhindert aber auch die Entwicklung adäquater, sachlicher Lösungsstrategien bzw. angemessener Verhaltensweisen • Sich-Sorgen führt zu Sorgenverhalten, d. h. Verhaltensweisen, die Sorgen vermeiden oder von Sorgen entlasten sollen, z. B. häufige Kontrollanrufe bei Angehörigen • Sich-Sorgen führt zu "Sorgen über das Sorgen ", was das Auftreten von sorgenvollen Gedanken wiederum begünstigt. Epidemiologie
• Lebenszeitprävalenz: ca. 5%, Verhältnis 9/cJ: etwa 2: 1 • Beginn meist schleichend in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter; auch späterer Beginn ab dem 40. Lebensjahr nach entsprechendem Lebensereignis möglich. Komorbidität
Häufig: • Depressives Syndrom • Weitere Angststörung. Differenzialdiagnose
Allgemeine Äng tlichkeit mit vermehrten Sorgen und Grübeln kann Ausdruck vieler psychi scher Störungen sein. Auszuschließen sind: • Depressive Episode • Dyst:hymia • omatoforme Störungen • Andere Angststörungen • Zwangsstörung • Beginnende schizophrene Psychose • uchterkrankung. 121
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
Tab. 10.7 Di agn ostisc he Krit eri en für die ge neralisiert e Ang ststöru ng nac h ICD-10 (F41 .1) Ein Zeitraum von mindestens 6 Monaten mit vorherrschender Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägl iche Ereigni sse und Prob leme
Mindestens vier Symptome der unten angegebenen Liste müssen vorliegen, davon ej, nes der vegetativen Symptome Vegetative Symptome o Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz • Schweißausbrüche o Fein- oder grobschlägiger Tremor • Mundtrockenheit, nicht in folge Medikation oder Exs ikkose Thorakale und abdominale Symptome • Atembeschwerden • Beklemmungsgefühl • Thoraxschmerzen und -missempfind un gen • Nausea oder abdom inelle Missempfind-ungen, z. B. Kribbeln im Magen Psychische Symptome • Gefühl von Schwi nd el, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit • Gefüh l, die Objekte sind unwirkli ch (Derea lisation) oder man selbst ist weit entfernt oder "n icht wirklich hier" (Depersona lisation) • Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder "auszuflippen" • Angst zu sterben Allgemeine Symptome • Hi tzegefüh le oder Kälteschauer • Gefüh llosigke it oder Kribbelgefühle Symptome der Anspannung • Muskelverspannung, akute und chron isch e Schmerzen o Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zu entspannen • Gefühle von Aufgedrehtsein, Nervosität und psychischer Anspannung • Kloßgefühl im Hals oder Sch lu ckbeschwerden Andere unspezifische Symptome • Übertriebe ne Reaktion auf kleine Überraschungen oder erschreckt werden • Konzentrationsschwierigke iten, Leeregefühl im Kopf wegen Sorgen und Angst • Anhaltende Rei zbarkeit • Einsch lafstöru ngen wegen der Besorgnis Die Störung erfüllt nicht die Kriterien für eine Panikstörung (F41), ei ne phobische Störung (F40) , eine Zwangsstörung (F42) oder eine hypochondrische Stö rung (F45.2)
Häufigstes Ausschlusskriterium Die Störung ist nicht zurüc kz uführen auf eine organische Krankheit wie ein e Hyperthy. reose, eine organische psychische Störung (FO) oder auf eine durch psychotrope Substan zen bedingte Störung, z. B. einen exzessiven Genuss von amphetami näh nlichen Sub stan zen oder einen Ben zodia ze pin entzug Therapie • Erste Wa hl: Psychoth erapie • Zweite Wa hl : Psychoth era pi e plus Pha rm aka therapie, v. a. bei komo rbider Depressio n.
Psychotherapie. • Spezifische kognitive Verh altensth erapie mit chwer punkt " Sorgen- oder Grübelex position'' • P y hodynami ehe Therapieverfahren mit hwerpunkt ,,Veränderung de. Sclbstkonzepts".
Rt (Vcnl afax in. Du loxelin) o Pregabalin ( Kalziu mkanalmodulator) • Buspiron (S HT 1A- Ago nist). ßei Vn wi r k amkei t oder Intoleranz der oben genannt n Ph arm ak a kann versucht wcrd n: • Opipramol (trizyklisch s An xiolyti kum) • Be n zo cli aze pin - Pr~ip ara t (D iazepam, Alpr azolam, Lorazepa m ) • l l ydroxyzin (A nl ihi stamin ikum).
Verlauf
J>harmako therapie.
Er. t Wah l: • B stimmte An ti dq r essiva, vo r allem b i Pa tie nten mit zu s:i tzti ch r Depr ss ion: - S RI (Es · it a l opr ·~ m . Par oxc tin )
122
• Unb hand lt h ~iu fig chro nisch • Unt r Behandlun g: na h 2 Jahren Rem issio n b i 2. % d r Pa ti enten, nach 5 Jahr n klini s he B . serung bei 40- 70 %.
/~---------------------------------
•0
Welche Angststörungen kennen Sie?
0 Was wi~sen Si~ ü~er die Ätiologie der Angststörungen im Allgemeinen? 0 Be~ch:e1ben Ste .d~e char~kter.istische Symptomatik einer Panikstörung. 0 W1e steht das khmsche Bild emer Agoraphobie aus?
0 Mit welchen psychotherapeutischen Verfahren werden Panikstörung und Agoraphobie behandelt? 0 Welche Medikamente kommen bei der Panikstörung zum Einsatz? 0 Beschreiben Sie die Symptomatik der sozialen Phobie. 0 Was ist eine isolierte(= einfache) Phobie? 0 Wie wird sie behandelt? 0 Beschreiben Sie das typische Bild einer generalisierten Angststörung. 0 Welche Behandlungsstrategien für die GAS kennen Sie?
--------------------------~------~
, Zwangsstörungen Defin itionen Früher geb räuchliche Synonyme: Zwangsneurose, anankastische Störu ng, anankastische Neurose. Zwangshandlun gen: an ich sinnvolle Verha ltensweisen wie Hände waschen oder Putze n, die in exzess iver Anzahl und Da uer ritu alisiert und wie "unter innerem Zwa ng" du rchgeführt werden, obwohl dies den Betroffenen sinnlos und irrational erscheint:. Zwangsgedanken: Vo rstell ungen oder Ideen mit als negativ ode r unangenehm empfundenem Inhalt, die ich immer wiede r aufdrängen und wieder holen, z. B. Befürchtung von Verunreini gung oder aggres ive Geda nken. Zwangsstörung: p ychi sche Erkrankung, bei der Zwa ngshandlungen ode r Zwa ng gedanken die zentrale ym ptomatik bilden. Zwangsphänomene im Alltag ohne Kra nkheitswert: • Gelegentlich auftretend Zwa ngsgeda nken, z. B. "Ohrwurm", oder Zwangs ritua lc, z. ß. mehrfaches Kontro ll ieren des Tü rschlosse bei m Verla se n der Woh nu ng • Bei Ki ndern im 2. - 3. L b nsjahr: rituali ·icrte Handlungsweisen, z. B. b im Eins hlafen oder "magis hes Denken", dass z. B. aggressi ve Vorstell ungen das ent. prechend 1es h hen r al verur, a hen • Transi toris he Zwa ngsphänomen in d r Pubertät • R ligiö Ritua le viel r Ku lturen mit dem Ziel, Angs t zu verrin 1 Cl'l1 und negative l~ rc i ,_ ni s abzuwehr n.
Eine Zwangsstörung im Sinne einer Erkrankung liegt erst dann vor, wenn die Zwangsymptome in ihrer Häufigkeit, Dauer und Intensität ein solches Ausmaß annehmen, dass die Betroffenen darunter leiden und in ihrer Beziehungsgestaltung oder Alltagsbewältigu ng deutlich beeinträchtigt sind.
Symptomatik Zwangsgedanken. Zwangsgedanken beinhalten zumeist Ideen aggressive n Inhalts oder Befü rchtunge n, die sich aufVerschmutzung, Verunreinigung oder Ansteckung beziehen, z. B.: • Aggress ive Geda nken : - Vorstellungen, das eigene Kind mit einem spitze n Me er zu verletzen oder vom Balkon fa llen zu lassen - Befür chtung, beim Autofahren unbemerkt einen Unfall verursacht zu haben • Ansteckung: - Befiirchtung, an ei ner schwere n Erkrankung wie AIDS oder Krebs zu leiden und Familienangehörige über Berührung oder Gegenstände anzustecken - Befürchtung, durch Berüh ru ng von Tü rkl ink n . elbst mit einer schweren Infekti onskrankheit angesteckt zu werden. Die Betroffenen erl eb n diese Geda nken als äußerst beäng tigend, moralisch verwer fti ch oder quäl nd. Daher versuchen sie, di e Zwa ngsgeda nk n w gzus hieb n oder sich dagegen zu weh ren, was aber meist ni cht geli ngt. 123
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
Tab.10.8 Diagnostische Kriteri en der Zwangsstörung nac h ICD-10 (F42) Entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen - oder beides - an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen Die Zwangsgedanken (Ideen oder Vorstellungen) und Zwangshandlungen zeigen sämtliche folgenden Merkmale: • Sie werden als eigene Gedanken oder Handlungen von den Betroffenen angesehen und nicht als von anderen Personen oder Einflüssen eingegeben • Sie wiederholen sich dauernd und werden als unangenehm empfunden, und mindestens ein Zwangsgedanke oder eine Zwangshandlung wird als übertrieben und unsin nig anerkannt • Die Betroffenen versuchen, Widerstand zu leisten, bei la nge bestehenden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen kann der Widerstand allerdings sehr gering sein. Gegen mindestens einen Zwangsgedanken oder eine Zwangshandlung wird gegenwärtig erfolglos Widerstand geleistet • Die Ausführung eines Zwangsgedankens oder einer Zwangshandlung ist für sich genommen nicht angenehm. Dies sollte von einer vorübergehenden Erleichterung von Spannung und Angst unterschieden werden Die Betroffenen leiden unter Zwangsgedanken und Zwangshandlungen oder werden in ihrer sozialen oder individuellen Leistungsfäh igkeit behindert, meist durch den besonderen Zeitaufwand
Häufigstes Ausschlusskriterium Die Störung ist nicht bedingt durch eine andere psychische Störung wie Schizophrenie und verwandte Störungen (F2) oder affektive Störungen (F3)
Viele Patienten entwickeln in der Folge: • Gedankliche Rituale (weitere Zwangsgedanken): Verinnerlichen bestimmter Gebete, Zäh len, leises Wiederholen einzelner Worte • Stereotyp ablaufende Handlungen (=Zwangshandlungen): Damit werden beängstigende Ideen und Impulse "neutralisiert". Zwangshandlungen. Am häufigsten werden Verhaltensweisen beobac htet, die ·ich auf da Kontrollieren, Waschen oder Reinigen beziehen : • Wiederholte , teilweise stundenlanges Kontrollieren von Elektrogeräten oder Türsch lössern vor dem Verlassen der Wohnung • Unzählige Male wiederhoJtes, stereotyp ablaufende Händewa chen • Reinigung de r Wohnung und d r Wä eh in bestimmter Abfolge, Beginn des Rituals von vorne bei verme intlich ern euter Kontamina tion . • Meistens berichten die Betreffenden, das ie vor Durchführung der Zwangsha ndlungen ein Gefühl innerer Anspannung oder Unruh empfinden, da nachlässt, nachdem die ent.prechende Handlung durchgeführt wurde. • Oft entwickeln Patienten mit Wasch- und Reinigungszwängen dur h die ständ ig l~ x position mit Wass r, R in igung, - und Desinf, ktionsrnitteln rhebli he Haut Iäsionen.
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Familienangehörige werden häufig .in die Zwa ngshandlungen einbezogen: Kinder müssen beispielsweise bei einem Reinigungszwang eines Elternteils beim Betreten der Woh nung sofort alle Kleider ablegen und sich duschen . Danach dürfen sie nur eine vorbereitete, saubere Wohnungsbekl eidung tragen. Auch Bad und Dusche müssen anschließend geputzt und desinfiziert werd en . Zwangsstörung. leitsymptome: Zwangshand lunge n oder Zwangsgeda nken. Im klini sc hen Alltag kommen Zwangsgedanken und -handlungen meisten miteinander verge eilschaft et vor. Die liegt darin begründet., dass auft retende Zwangsgedanken wie eine befürch tete Ansteckung gefahrfast "zwangsläufig" zu neutralisierend en Ritu alen, d. h. zu Zwangshandlungen fü hren, etwa zu wiederholtem Desinfizieren von Türklinken und Oberflächen. Weitere l)'pische Phänomene bei Zwangs törung: • Vermeidungsverhalten: "Reize", die Angst und Unmhe auslösen wie "ve run reinigte" Gegens tände od r pitze Messer werden vermieden, indem sie etwa ve rni chtet, nicht benutzt oder weggeworfen werd n • Reizgeneralisierung: Zwangsgedanken oder -ri tu ale werden im Laufe der Erkrankung dur h immer m hr ver hicden Situationen oder Reize ausg löst
• Ich-Dystonie der Symptomatik: Zv.ranghaft:e
Neurobiologische Modelle.
Gedanken un d Verhaltensweisen we rden von den Betroffenen als sinnlo , irrational und höchst beschä mend empfunden • Hohe Verheimlichungstendenz: Sie entsteh t aus der großen Scham über die irrationalen Ve rh altensweisen; von der Erstmanifestation bis zur Diagnosestellung vergehen im Durchschni tt 10 Jahre • Konsequenzen im Alltag: hoher Zeitaufwand für die Zwangsritua le, dadurch hohes Arbeitspensum neben den alltäglichen Verpfli chtungen; Bezieh ungsschwierigkeiten, Probleme am Arbeit platz, in der Schule, bei der Freizeitgestaltung, oft verbunden mit sozialem Rückzug.
• Familiäre Häufung von Angst- und Zwangsstörungen im Sinne eines Vulnerabilitätsfaktors • Dysfunktion ein es Regelkreises zwischen Frontalhirn, Basalganglien , v. a. Nucleus caudatus, und limbischem System • Funktionsstörung Serotonerger Systeme.
Epidemiologie
• Lebenszeitprävalenz in der Allgemeinbevö lkerung: 1- 2 o/o; Häufigkeit in verschiedenen Kulturkre isen äh nl ich hoch • Kindesalter: Jungen häufiger betroffen als Mädchen; Erwachsenenalter: Mä nner und Fra uen gleich betroffen • Beginn überwiegend in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter; extrem selten nach dem 40. Lebensjahr. Ätiologie
Wie für die Angststörungen existiert auch für die Genese der Zwa ngs törungen kein einheitli ches th eoretisches Modell. Erkenn tnisse aus der Neurobiologie und der Psychologie werd n im Sinne eines Vulnerabilitäts-Stress-Modells zu sammengefas t (-+ Ta b. LO.lO). Tab. 10.9 Typ ische Inhalte von Zwa ngsgedanke n und Zwangs handlunge n
Zwangsgedanken • Aggre ss ive Vorstel lun gen oder Impul se • Konta minat ion, d. h. An gst vor Schmutz un d Keim en • Sy mmetri e und Ord nu ng • Religiöse Vo rstellun ge n • Sexuelle Impul se oder Ge dan ken • Pathologisc he Zweife l an korrekt ausge· fUhrten Ha nd lun gen
Zwangshandlungen • • • • • • •
Kont roll ieren Wasc hen und Rei ni ge n Wi ederholen Zählen Ordn en Sa mme ln und Aufb wahren Berü hren
Psychodynamisches ErklärungsmodelL Zwangsstörung als Abwehr ei nes AutonomieAbhängigkeitskonflikts.
Lerntheoretisches Konzept. Klassische und operante Ko nditionierungsprozesse im Sinn e des Zwei-Faktoren-Modells (-+ Kap. 4 und 10): • Ein in einer angstauslösenden Belastun gss ituation, z. B. Konflikt mit den Eltern erlebter, an sich neutraler Reiz wie Schmutz, wird im Sinne des klassischen Konditionierens mit dem angstauslösenden Stimulus (Konfliktsituation) gekoppelt. Im weiteren Verla uf genügt dann die Konfrontation mit dem ursprünglich neutralen Reiz "Schmutz" allein e, um die Angstreaktion auszulösen • In einem zweiten Schritt wird die befürchtete Angstreaktion durch den Reiz "Schmutz" dadurch vermieden, dass der auslösende Stimulus mittels Waschen oder Putzen "beseitigt" wird. Das Wegfallen von Angst und Unruhe du rch die Reinigungsrituale füh rt im Sinne des operanten Konditionierens zu einer Verstärkung und damit Aufrechterhaltung der Wasch- und Putzrituale. Tab. 10.10 Faktoren bei der Entstehung von Zwangs stö runge n
Vulnerabilität • Ge netisch-biologische Dispositi on • Intrapsychische Faktoren, z. B. unbewu sste Konflikte und Perfektioni smus • Entw icklungsgesc hichtliche Aspekte, z. B. ri gider, überstrenger Erziehungs stil
Stress • Krit isc he Leb ensereignisse, z. B. Trennung, Heirat und Eintritt in s Berufsleben
Aufrechterhaltende Faktoren • Verm eidungsverh alten • Intrapsychi sc he Funktion (Abweh r von An gst und An spannung = primäre r Krankheitsgewinn) • Interperson ale Funktion (seku ndä rer Kra nkheitsgewinn) • Eige ndyn am ik du rc h Hilflo sigkeit und Kontrollverlu st
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10 Angst und Zwang, dissoziative und somatoforme Störungen
Kognitives ErklärungsmodelL Eigentlich normale, gelegentlich auftre tende agg ressive oder magische Gedanken werden als "unmoralisch", "ve rboten" oder "verwerflich" bewertet. Die dadurch verursachte emotional e Reaktion mit Anspa nnung, Angst und Unruhe wird durch neutralisierende Geda nken wi e Zählen oder neutralisierende Handlungen(= Zwa ngs rituale) vermieden. Komorbidität Sehr häufig: • Depre sive Episoden, Dysthymie • Persönlichkeitsstörunge n, v. a. dependente, selbstun ichere, zwanghafte • Soziale Phobie, generalisierte Angststör ung, einfache Phobien • Ess törungen, Alkoholproblematik • Panikstörung. Gelegentlich: Gi lles-de-la-Tou rette-Syndrom ( ~ Kap. I7). Diagnostik und Differenzialdiagnose Gena ues Erfrage n möglicher Zwa ngs ymptome ist erforderli ch, da Betroffene au cham die Symptomatik oft ver chweige n. Zwangssymptome od er zwanghaft anmutende Verhaltensweisen sind nicht spezifisch für die Zwang störunger1. ie können auch bei za hlreichen anderen psychischen ode r körperlichen Erkrankungen a uftreten( ~ Tab. 10.11). Die differenzialdiagnostisc he Abgrenzung ist nicht im mer einfach. Die Kernsy mptome der differenzialdiagnostisch erwogenen Störung ·ollte n daher genau er fragt werden. Therapie Psychotherapie. Mittel der er ten Wahl: törun g pezifische kognitiv -behaviorale TI1era pi eprogramme. Als zen trale Elemente beinhal ten sie: Expositionsverfahren: • Zwang ·handl ungen: Expo ition behandlung in vivo = Reizkon fronta tion mit Rea ktion v rh inderun g. Zum ei lmil grad uie rtem (= gestuftem) Vo rgehen. Beispi el: Ei n Patient mi t Wa chzwängen wird dazu angelei tet, die aus iner icht mit möglicherw i e g fah rli h n Vi ren ko ntaminierte Tü rkJinke mit der bloßen Hand anzufass n. Ziel i t es, die dam it verb undene inn er Anspannung bis zu dere n dcu tl.i hcn Abkl ing n auszuhalten und da · bislang prakti 7.i rte Vermeid ungsve rhalten, also das .. ncu lralisie ren cl c Händci·Vaschcn" zu unterlassen. 126
Tab. 10.11 Differenz ialdiagno se der Zwangs-
störung Psychische Erkrankungen • • • • • • • •
Depression Schizophrenie Angststörungen Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Suchterkrankungen Impulskontro llstörungen Autismus Gilles-de-la-Tourette-Syndrom (-t Kap. 17)
Organische Ursachen für Zwänge • • • • • • • • •
Chorea minor (Syden ham) Epilepsie Enzephalitis Sch ädel-Hirn-Trauma Tumoren des ZNS Hirnabszess Ischämische Hirnläsionen Medikamente Zustand nach Vergiftungen z. B. mit Kohlenmonoxid oder Manga n
Ein grad uierte Vorge hen bedeutet dabei, dass er sich zunächst mit als leicht erachte ten Situation en konfro ntiert und den Schw ierigkeitsgrad der Übunge n langsam steigert • Zwa ngsgedanken: Exposition in sensu durch detaill ierte childern der Gedanken mit Stimulu charakter, also der Gedanken, welche die äng tliche Unruhe auslösen. Die sich son t daran ansc hli e f~ende n Zwa ngsgedan ken wie Zählen oder Beten sollen willentlich unterlas en we rden. Kognitive Strategien : Überprüfen und Modifi kation dysfunktionaler Überzeugungen, z. B. der Vorstellung, ich an einer Tü rklinke mit HIV zu infi zieren, AID zu bekommen und dann einen qu alvo ll n Tod zu terben. Pharmakotherapi.e. • Zu ätzlieh zu r Psychotherapie bei: - Schwer ausgeprägter ymptomatik - Ko morbider depressive r Episode oder Dysthymia • Als Monotherapie b i fe hlender Möglichkeit oder Motivati n zu r Psychotherapie • Angewandt werden: - SRI: Fluvoxamin, Flu oxetin, Paroxetin, Es italop ram - Vorwi end erotone rg wi rksame Trizykli ka: z. B. Clom ip nm in .
Besonderheiten:
• Höhere Dosen als in der Behandlung vo n Depressionen erforderl ich • Späterer Beginn der Wirksamkeit als bei De pressionen (erst nach 6- 12 Wochen) • Oh ne Einbettung in eine Psychotherapie hohes Rückfallrisiko beim Ab etzen des Medi kaments. Niedrig dosierte atypische Neuroleptika wie Risperidon, Olanza pin oder Quetiapin bei: • Starken Befürchtungen im Sinn e einer überwertigen Idee, d. h. der Patient ka nn ich z. B. kaum mehr von der Überzeugung distanzieren, sich beim Berühren des Haltegriff in der Straße11bahn mit HTV zu infizieren • Komorbidität mit Tic-Störungen.
• Kognitive Verhaltenstherapie: deutliche und auch lang anhaltende Besserung bei etwa 60% der Pat ienten, v. a. gute Wirkung bei Zwangshandlungen • Pharmakotherapie: Besseru ng bei 20-40 %, v. a. günst ige Wirkung bei Zwa ngsgedanken. • Zwangshandlungen sprechen gut auf die Behandlung mit einer störungsspezifischen kognitiv-behavioralen Therapie an • Zvwrangsgedanken reagieren besser auf die Pharmakatherapie mit einem SSRI in hoher Dosierung.
Verlauf und Prognose
• Beginn meist schleichend • Verlauf unbehandelt in der Regel chronisch, kaum Spontanremissionen
•
0 Was ist eine Zwangsstörung? D Welche Unterformen von Zwangsstörungen kennen Sie? Beschreiben Sie deren klinisches Bild. 0 Was wissen Sie über die Entstehung von Zwangsstörungen? 0 Wie wird eine Zwangsstörung behandelt?
Dissoziative Störungen Defin ition
Erkrankungsbilder, die auf ein m teilweisen oder völligen Verlust der integrierenden Funktion des Gedächtnisses oder des Bewu t eins beruhen . Die Fähigkeit zur bewu sten Beeinnu ung und Kontrolle für bestimmte psychi h ode r körperliche Bereiche ist dabei gestört, d. h. bestimmte Gedäc htnisinh ahe, Körp rwahrnehmungen oder -bewegungen ind vom "norma len" Tagesbewusstsein abgespa lten und können nicht mehr in d·~s eigene Erleben oder die aktu ellen Erfahrungen integr iert werden.
Klassifikation Unterschieden werden in de r ICD-10: • Dissoziative Störunge n auf psychi her Ebe ne
=dissoziatlve Bewusstsei nss törungen (F44.0- F44.3, F44.Hl): - Dissoziativc Amnc ic - Dissoziat ivc Fugu
- Dissoziativer Stupor - Trance- und Bese senheilszustände - Di soziative Identitätsstörung • Dissoziative Störungen der Bewegung oder der Sinnesempfindung = Konversionsstörungen (F44.4- F44.7):
- Dissoziative Bewegungsstörung - D.issoziative Empfindungs- oder Sensibilitätsstörungen - Gemischte dissozia tive Störung - Dis oziative Krampfanfä lle • Sonstige di ssoziative Störungen (F48.1 + F44 .80): - Deper onalisations- und Derealisation sy ndrom - Ga nser- yndrom. Di e dissozia tiven törungen wie auch die oma toformen Störungen( -+ Kap. 10) und die histrianisehe Pcrsönli hkeit stö rung (-+ Kap. 12) sind diagno ti sch Konzepte, die si h im Laufe der 127
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
Psychiatriegeschichte aus dem Begri ff der Hysterie entwickelt haben. Der Begriff der Hysterie wird aufgr undde r damit verb undene n ätiologi schen Konzepte und seiner stigmatisierenden Komponente in de n neuerenA usgaben der Diagnosesysteme ICD-10 und DSM -lV nicht mehr ve rwe ndet.
rendes Ereigni s bezieht. Die Gedächtnislücke i t so sc hwerwiegend, das sie sich nicht du rch normale Ve rgesslichkei t oder Müdigkeit erklären lässt. Demgegenüber sin d die sonstige n kognitiven Leistunge n und die übrigen Gedächtn isfunkti _ onen ungestört.
Symptomatik
Charakteristika. • Betroffene ve rlasse n plötzlich, aber geord- · net ihr gewohntes Umfeld und begeben sich für Tage oder längere Zeitspa nnen an einen neuen Aufenthaltsort • Bisherige Beziehungen werden dabei abgebroc hen • Gelegen tlich rei en ie an einen Ort, der für sie mit einer bestimmten emotionale n Bedeutung verknüpft ist • Für die Zeit der Reise nehmen sie eine veränderte oder völlig neue Identität an. • Äußerl ich wirken sie meis t unauffällig und kö nn en die für die Alltagsbewältigu ng erforderlichen Handlungen orga nisiert ausführen • Für den Fuguezustand besteht danach fast immer eine mehr oder wen iger vollständige (dissozia tive) Amnesie.
Die dissoziativen Störung n und die Konversionsstörunge n beginnen meisten im Zusam menhang mi t ei nem belastenden oder traumati sierenden Ereignis, unlösba ren oder unerträglichen Konflikten oder problematisch en Beziehungen. Die Verbindung zwischen dem Beginn der Störung und ein er solchen Belastung wird von den Patienten oft ve rneint, auch we nn sie für viele Außens tehende offensichtlich erscheint. Konversionsstörungen äußern sich in verschiedenen kö rperlichen, oft scheinbar ne urologisc hen Störun ge n, ohne dass ein e orga ni ehe rsache zur ErkJärung der Beschwerden nachwei sbar ist. Aus tiefenp ychologische r Sicht können bei den Konversionsstörungen psychi sche Probleme, Konflikte oder in tolerable Fantasien nicht auf mentaler Ebene ausgetragen werden. Die körperliche Symptomatik stellt demnach einen "dysfunktionalen " Bewältigungsversuch der Problematik dar. Dem jeweilige n kö rpe rl iche n Symptom soll dabei ei ne ymbolfunktion zu kommen. Die Konversion führt nach .h eud ein er eit zu einer Reduktion vo n intrapsych ischer Spannung (= primärer Krankheitsgewinn) , andererse its aber auch zu Veränderungen im Umfeld des Patienten , wie vermehrte Zuwendung oder Entlastung von Ve rpfl ichtungen( = sekundärer Krankhei tsgewinn) . Diese Zu ammen hänge ind dem Patienten in der Regel zunäc h I nicht bewu... t. Dissoziativen Störungen i t gemeinsa m, dass ie bei einem lä ngeren Verlauf zu erheblichen psychosozialen Konsequenzen füh ren z. B.: • Subjektivem Leiden • Bezieh ungs problemen • Herabges tzt r Leis tun gs fäh igkeit • Arbeitsunfah igke it • Psychiatrischer Komorbidit ät. Typi · h ist ei ne Gedächtnislücke, die in ihr mAu maß und ih rer Voll tändigkei t variiert und di i ·h ·wf flir die Per on wcscn tli hc Eri nnerun g n od r Lebensab hnit t oder in aktuelles trauma tisicDissoziative Amnesie (f44.0).
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Dissoziative Fugue (F44.l ).
Im Stupor sind willkü rliche Beweoun gc n und normale Reakti onen aufäußere Reize wi Gerä usche, Berührung ode r Licht in erheblichem Maße eingechränkt oder fehlen ga nz. • Die Betroffenen stehen oder sitze n tei lnah 1115 _ lo da und reagieren weder auf An prache noch auf Berühru ng • Die Bewuss t einsJage de Patienten wirkt einge ngt und nach inne n gerichtet. Zumeist ergeben sich Anh alt spunkte für ein kurz zuvor aufgetretenes beh tendes -Teigni s oder erh bliche zwi henmenschli he Konflikte • Ni ht elten g ht dem tupor in Zustand extremer innerer Anspan nung mi.t überwälti genden emotion ale n Regungen oder ein Gefü hl innerer Leere und Betäubung vo raus • Ein di soziat ivc r tupor kann isoliert auftreten, ist aber au h im Rahmen ·mderer psy bi her Erkrankungen zu beobachten, z. B. einer PTBS. Dissoziativer Stupor (F44.2).
Trance- und Besessenheitszustände ind dad urch gekennzei hn t, dass (F44.3).
die B troffcncn das GefUhl fUr ihre Identität vorüberg hen l ed ieren, d. h. die 1cw is h it, die Person w s in, die sie auch bi her wa ren. Auch
diebewüsste Wahrn ehmung der Umgebung ist erheblich einge chränkt und ko nzentriert sich unter Umständen auf ein oder zwei Aspekte. Mi mik, Ges tik und Sprache wirken monoton. Die Diagnose sollte allerdings nur für tranceartige Zustandsbilder verwendet werden, die unkontrolliert und ohne bewusste Entscheidung eintreten und nicht im Rahmen kulturspezifischer Ereignisse wie religiö er Rituale wi llentlich herbeigeführt werden. Dissoziative Identitätsstörung (F44.81). Dieses Störungsbild, auch multiple Persönlichkeitsstörung genannt, wird kontrovers diskutiert. Häufigkeit und mögliche Kulturspezifität sind unklar. Hauptmerkmal ist die Unterteilung des lchs der betreffenden Person in zwei oder mehr unterscheidbare, dissoziierte ldentitäten. Diese wi rken in sich schlüssig und abgeschlossen, bein halten jedoch bei genauerer Betrachtung eher wen ig integrierte Persönlichkei tsfacetten. Für die Entstehun g der Störung sollen schwerste Traumata in der Kindheit verantwortlich sein, aber auch iatrogene Mechanismen werden diskutiert. Dissoziative Bewegungsstörung (F44.4). Die Patienten leiden unter einer Schwäche oder Läh mung bestimmter Körpe rpartien. Sie kann sich jedoch auch äußern in Form vo n: • Ataxie = Koordinationsstörung • Abasie = Unfahigke.it, ohn e fre mde Hilfe zu gehen • Astasie = Unfä higkeit, ohne fremd e Hilfe zu stehen. Außerdem treten Symptome auf wie: • übertriebene Schütteln oder Zittern vo n Körperteilen • Unspezifi ehe Symp tome wie Aphonien oder Dysarthrien. Die Symptome fo lgen oft: den subjektiven Vorstellunge n des Patienten vo n einer körperlichen Krankhe it, die häufig von anatom is hen oder physiologischen g benh .it n abwei hen. Gelegentlich finden sich au h ymptomkonstcllationen, die neurologisc he Erluankungen nahezu perfekt imiti eren, beisp i lswe ise eine Encephalomyeliti dis mi nat:a. Dissoziativc Empfindungs- und Sensibilitätsstörungen (F44.6). ind in er ter Li nie gekennzeichnet durch Dysästhesien , Hypästhesien oder Anästhesien bestimmt 'r Hautarea le,
wobei die betroffenen Partien mehr den Vo rstellungen des Patienten über die Körperfunktionen entsp rechen als neurologischem Wissen. Störungen der Sinnesorgane betreffen: • Ofr das Sehvermögen, z. B. Tu nnelsehen, Verlust der Sehschärfe oder B.lindheit • Seltener das Gehör, z. B. Taubheit • Den Ger uchssinn, z. B. Anosmie. Treten motorische und sen orische Phänomene gleichzeitig auf, z. B. als Bild einer sensornotorischen Hemiparese, soll te eine gemischte dissoziative Störung {F44.7) diagnostiziert werden. Dissoziative Krampfanfälle (F44.3). Kö nnen in ihrem Erschei nungsbild einen epileptischen Anfall imitieren, äußern sich aber auch in Fo rm vo n Synkopen (Ohnmachtsanfällen). Im Ve rgleich zum ep ileptischen Anfallsgeschehen sind die Patienten bei den sogenannten psychogenen Anfällen nicht bewusstlos, und es fehlen in der Regel Phänomene wie Zungenbiss, Einnässen, Ei nkoten, Zyanose, Hypersalivation, Sturzverletzungen und postiktale Prolaktinerhöhung. Depersonalisations- und Derealisationssyndrom (F48.1). Bei dieser Stö rung beklagen die Patienten vor allem, das ihre Umgebung phasenwei e fremd und entfernt wi rkt (Dereali ation), oder dass sich ihr Körper und das Erleben ihrer geistigen Aktivität verändert (Depersonalisa tion) . Sie entwickeln oft das Gefühl, das das Leben um sie herum oh ne Farbe, künstlich oder wie auf einer Bühne abläuft. Sie empfinden ihren Kö rper al leblos, losgelöst oder anormal. Manchmal erleben die Betroffenen, wie sie sich aus ihrem Körper entfernen und sich mit Ab sta nd selbst beobachten. Ein isoliert auftretendes Derealisations- oder Depersonalisationssyndrom ist relativ selten . Depersonalisations- oder Derealisationserleben ist häufiger im Rahmen anderer psychischer oder orga nischer töru nge n zu beobachten, z. B. bei Angststörungen, depressiven Syndromen, akuten Belastungsreaktionen, schizophrenen Psy hosen oder lntoxi kationen. Vorübergehende Deper onalisat ions - und Derea li sa tionserleb n ist auch bei psychi eh Gesu nden zu beobachten, etwa im Zustand starker Müdigkeit, beim Erwachen und Ein hlafen oder in extrem r iza rrn n Sitlntionen. Ganser-Syndrom (F44.80). törung, die dur h demonstrativ wirkendes Vorbelantworten und sy t mati eh J" heinend - Fehlh and129
10 Angst und Zwang, dissoziative und somatoforme Störungen
Iungen cha rakterisie rt ist. Ein Patient antwo rtet auf die Frage, was 3 + 4 ergibt beispielsweise mit II oder versucht, seine Kle ider zu kämmen an statt sein er Haare. In sgesamt entsteht das Bild, als ob der Palient sich bewusst als "psychotisch" oder" verrückt" darstel len wolle. Gleichzeitig treten mehre re clissoziative Symptome auf, wie ein e psychoge ne Amnesie fü r die Ereigni se und das eigene Ve rh alten. Diese Reaktionsform ist sehr selten und soll vo r allem in belastend en Situationen auftreten, z. B. be.i ein er Ve rhaftung. E hand elt sich dabei also nicht um eine Simul atio n.
Tab. 10.12 Vuln era bili täts-St re ss-Modell de r
Ätiologie
Stress
Psychodynamische Modellvorstellungen :
• Erneute Gewalterfahrungen oder in tra psychis ch e Faktoren führen zur Verselbstständigung des Reaktionsmusters "D issoziation": Es tritt imm er häufiger in verschiedensten Situa tion en psychischer Anspannung auf, ohne da ss tatsächlich bedrohli che äußere Um stände vorliegen • Modelllernen: schwere körperli che Erkrankung im soz ialen Umfeld
Dissoziation und Konversion als Abwehrmechanismen für unlösba re innere oder äußere Kon flikt e. Kognitiv-behaviorale Modellvorstellungen :
• Dissoziatio n nicht per se pathologisch, sondern im Bereich normalen men chlichen Erlebens: "lnspiration" bei Künstlern, religiös motivierte Trancezus tände, "Freezi ng" im Sinne eines Totstell reflexes mit Analgesie und Di ssoziation in extremen Gefahrens.ituatio nen • Entwicklung "pathologischer" Dissozia tion im inne eine Vulnerabili t:äts-Stre -Modells (~Tab.
10.1 2).
Epidemiologie
Genaue epidemiologische Daten zu den einzelnen Störungs bildern fehlen . • Unter stati onär neurologisch behandelten Pa tienten befinden sich ca. 8% mit dissoz iativen Störunge n • Beg inn in der Regel vor dem 30. Lebe nsjahr • Fra uen häu lige r b troffen al Männer. Komorbidität Hoch mit anderen psych ischen Störungen, in -
be ondere mit: • Depressiven yndromen • Persönlichkeitsstörungen • Ang terkrankungen • Somatofonnen tör ungen . Diagnostik
An eine dis oziative Störung lenken, we nn : • Organische Ursa hen für di ympto nntik ausge ch lo ·se n wu rden • Ein z .itli h r Zusa mm nhang zwi hcn einer B Ja tung und dem Beginn der 't""rung em ierbar .ist. 130
Entstehung dissoz iat iver Störungen Vulnerabilität o Genetische Disposition für Di ssoz iation • Persön li chke itsfaktoren • Hoh es affektives Erregungsniveau o Alexithymie-Konzept (vg l. soma taforme Störungen) • Traumatische Erfahrungen in der frühen Kindheit wie wiederholte körperliche oder sexuelle Gewalt, schwere Vernachlässigung: Disso ziati on als "Regulationsversuch" im Umgang mit einer überwä ltigenden Belastungssituation
Aufrechterhaltende Faktoren
• Entlastung von Schmerz, Angst oder Anspannung durc h Di ssoziation führt im Sinne des ope ra nten Kond itionie rens zu einer erhö hte n Wahrscheinlichkei t des Auftre tens (= Verstärkung) von Dissoziation • Dissoziation behindert ihrerseits Lernprozesse, z. B. während ein er Traumatherapie • Sozia le Folgen der disso ziativen Störu ng: vermehrte Zuwendu ng durch Bezugspersone n, Entlastung von Verpflichtungen Wichtig:
• Genaue Explorat ion der Beschwerden • Fremdanam nese ni cht vergessen o Interaktionelle Probleme berücksich ti gen, denn Patie nt en fühlen sich oft nicht ern t genommen und als ,.Simulant en" abgestempelt. Differenzialdiagnose
• Organis hc Erkran kungen, di e eine entsprehend Symptomatik au löse n können • P ychisch ·rkrankungen als Ursa he von clissoz iat iven ympto men: - PTBS - Aku te Belastung reaktion - Bor lcrlinc -Persön lichkcits 'töru ng - Aff ktiv Störun gen - Angsts törun n - ubstanzmis brau h oder -abhängigkeit
hizophr nc PS)' hosen.
Therapie Psychotherapie. Ziel: Stabili sierung und Symptomreduktion, ggf. Auseinandersetzung mit auslösenden und traumatischen Ereignissen. Verwendete Strategien: • Entwicklung von Fertigkeiten zur Verbesserung der Gefühls- und Spannung regulation, z. B. ausgewogene Ernährung, regelmäßiger und ausreichender chlaf und achtsamkeitsbasierte Methoden • Psychoedukation • Verhaltenstherapeutische Techniken zur Selbstbeobachtung, z. B. Symptomtagebuch • Kognitive Interventionen • Symptomatische somati sche Therapie, z. 8. Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie.
Pharmakotherapie. Keine zugelassenen Präparate. Anwendung nur punktuell und symptomorientiert, z. B. Behandlung von schweren dissoziativen Zuständen bei Borderline-Störung mit dem Opiat-Antagonisten Naltrexon oder intermittierende medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen mit sedierenden Trizyklika. Verlauf
• Di ssoziative Störungen mit komplexer Symptomatik wie Fugue, Krampfanfalle und multipler Persönlichkeit sollen eher chronisch verlaufen • Isoliert auftretende Amnesie oder Konversionsstörungen im engeren Sinne sollen eher episodisch verlaufen.
0 Was bedeutet Dissoziation?
0 Welche Erkrankungen werden in der ICD-10 unter dem Überbegriff der dissoziativen Störungen zusammengefasst?
0 Nennen Sie Beispiele für dissoziative Störungen auf psychischer Ebene. 0 Welche dissoziativen Störungen aufkörperlicher Ebene kennen Sie? 0 Was ist das Ganser-Syndrom?
Somatoforme Störungen Definition Unter der Gruppe der somataformen Störungen werden Erkrankungsbilder zusammengefasst, deren Charakteristika anhaltende körperliche Beschwerden oder Klagen über körperliches Befinden meist von wech einder lnten ität oder Lokalisation sind. Für das Ausmaß der Beschwerden wird trotz umfangreicher soma ti eher AbkJärung keine ausreichende organische Erklärung gefu nden. lm klinischen Alltag dafür häufig benutzte "Verlegenheitsdiagn o en ": • Funktionelles yndrom • Psychovegetatives yndrom • Psychische Üb rl age rung. Die "Verlegenheitsdiagn
n" ollten aufgrundihrer tark wertenden Kornp nente und dem damit inh rg hend n "Abstempeln" der Betroffenen zu ., imulanten" nicht verwendet werd n.
Symptomatik Körperliche Beschwerden, die vorübergehend und ohne fassbares organi ches Korrelat auftreten, sind ein häufige Phänomen. Erst Dauer Tab. 10.13 Einteilung somatoformer Störun · gennach ICD-10 und DSM -IV
ICD· l 0
DSM·IV
So m ati sierun gsstö ru n g (45.0)
Somatisierungsstörung (300.81)
Somataforme autonome Funktionsstörung (F45.3) Anhaltende somataforme Schmerzstörung (F45.4)
Schmerzstörung (307.8)
Hypochondrische Störung Hypochondrie (300.7) und dysmorphophobe Körperdysmorphe Störung (F45.2) Störung (300.7) Ko nve rs io nsstöru nge n werd en in der ICD -10 ko · diert unter di ss oziative Störungen (F44)
Konversion sstörung (300.1 1)
131
10 Angst und Zwang, dissoziative und somataforme Störungen
und Intensität der Beschwerden, das Aus maß, mit der sich das Erleben auf diese Körpe rerscheinungen einengt, sowie die darau resu ltierenden psychosozialen Folgen machen di e behand lu ngsbedürftige so mataforme Störung aus. Üblicherweise gehen betroffene Pat ienten selbst lange vo n einer organischen Genese ihrer Beschwerden aus und verlangen - trotz wiederholteruna uffä lliger Befunde - immer wiede r aufs Ne ue organdiagnostische Interve ntionen zur Abk.Järung ihre r Symptome. Eine psychische Komponente erschei nt den meisten Patienten zu nächst abwegig. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4)_ lm Vo rdergrund der törung stehen
anhaltend e schwere Schmerzen, fü r deren Dauer und Intensität kei ne ausreichen de organische Ursache fe tgestellt wird. Empfunden werden die Schmerzen auf zwei Arten: • Polymorph: d. h. oft in fluktu ierender Quali tät, Jn ten ität oder Dauer • Polytop: Schmerzen betreflen ver chiedene Körperteile oder wechse ln häufig ih re Loka lisation. Gedanklich erfolgt eine zunehmende Einengung und Aufmer ksam keitslenkung auf die körperlichen Schmerze n. in Folge der chm erzen ve rmeiden viele Pati en ten körperliche Bewegu ng und vernach lä igen lustvolle Aktiv itäten. Neben einer Beeinträchtigung der tirnmungslage kommt es häufig zu beruflichen Leistungsei nbußen und sozialer Isolation. Über lä ngere Zeit treten im mer wieder körperl i he Symp tome in we hselnder Intensi tät und Qual ität auf, für die kei ne al Erklärung ausre ichende rgani sche Ur a he gefunden wird . Die ympto matik bezieh t sich auf ver chi edene Organ ys teme. Betroffen si nd insbe. andere der Gastrointestinaltrakt und das kardiovaskuläre System . Die Patienten verbrin gen viel Zeit dami t, sich mi t ihren körperliche n Beschwerden zu be chäftigen und zi hen i h aufgrundder ubjektiv oft als ehr quälend erleb ten Beein trächtigungen auch au vielen ih rer soziale n Aktivi täten zu rück. Somatisierungsstörung (F45 .0).
Somatoforme autonome l·unklion slörung (F45.3). Hier be treffen di vo m Pat.i nr n bckJagten Bes hwe rden in er. ter Lini Symptome einer erhöhten v g tat ive n Erregung wie I [erzcnsa tion n, erh öhte r Har ndrang oder liitzewal132
Iu ngen, fü r di e ich kein organisches Ko rrelat finden lässt. In der Literat ur wird auch vielfach vo m psychovegetativen Syndrom oder vegetativer Dystonie ge prochen. Beg ri ffe, die Störunge n bestimm ter Organsysteme bezeichnen. si nd beispielsweise das Da-Cos~ ta-Syndrom für k a rdi-~le Beschwerde n oder da s p yc hogene Colon irritabile. Hypochondrische Störung (F45 .2). In der ICD-10 Üb rbegritf fi.i r zwei Störungs bilder: • Hypochondri sche Störung im engeren Sinne • Dysmo rphophobe Störung( = körperdysmorph e törung im DSM-IV) . Bei der hypochondrischen Störung im engeren inne sind die Betroffenen davon überzeugt, an einer schwe ren körperlichen Erkrankung wie AIDS ode r ein em bösartigen Tumor zu leiden : • Der Patient ka nn die Krankheit genau benen nen und schildert auch körperliche Beschwerden, die mit diese r Diagnose in Einklang zu bringen sind. Somatische Missempfindun gen oder Symptome jeder Art werden ängstlich beobachtet und als Bestätigung der ve rmuteten Erk rankun g bewertet • Es 1verden wiederholt medizin ische Institutionen und Fac hpersonal konsulti ert und eingehende diagnostische Maßnahmen ve rlangt. Obwohl die Diagnostik imme r wieder unauffä llige Befunde erbringt, lassen sich Betroffene dadu rch nicht oder nur kurzzeitig beruhi ge n. Für die törung wird auch oft der Begriff der Hy~ pochondrie ve rwendet. Bei der dysmorphophoben (= körperdys morphen) Störung erleben sich die Betroffenen als durch ei ne ver meintliche körperliche Anomalie ent teilt oder fehlge bildet. • Dysmorphophob Ängs te beziehen sich häufig aufb timmtc Ges ichtspartien, aber auch andere Kö rperte ile sind betroffen • Für d.ic Umgebung ind die Befürchtungen der Be tro~ ne nun vcrständ lich und nicht nachvoll ziehbar. icht sel ten entwickel n die Pat ient n cntgeg n all er Überze ugungsversuche den dräng nden Wunsc h, di e v rmeintliche Feh lbillung durch ein e kos meti he Operation b ceitigcn ZU Ja. s II . Die · bcrgäng zw is.. h n dysmorp hophoben und hypo hondri h n Angstcn, ei n r dy morphophoben und hypo hondris hc n Überzeugung im. . inne einer überw rti 'C n ld und incr entsprc hcnd cn W, hnbildu n 1 sind Oieß nd.
,..
• Andere somataforme Syndrome mit unklarer Genese
den Einfluss eines schlechten Raumklimas von Gebäuden zurückgeführt wird.
Neurasthenie (F48.0). Wirdaufgrund ihrer Symptomatik mit anhaltender und quälender Erschöpfung nach geringer ge istiger Anstrengung oder andauernder Müdigkeit und Schwäche nach leichten körperlichen Anstrengungen zu den somataformen Störungen gerechnet. Zusätzlich zur leichten Ermüdbar- und Erschöptbarkeit treten weitere körperliche Symptome auf wie Kopf- und Muskelschmerzen, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Diese Leitsymptome überschneiden sich auffällig mit den Beschwerden beim Fibromyalgie- und Chronicfatigue-Syndrom . Ätiologie ist unklar. Annahme eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren: • Vorausgehende körperliche Erkrankung • Belastende Lebensereignisse und Konfliktsituationen • Individuelle Persönlichkeitsstruktur.
Fibromyalgie-Syndrom (generalisierte Tendomyopathie). Betroffene beklagen Schmerzen, die zunächst lokalisiert auftreten und sich im weiteren Verlauf schubförmig oder chronisch progredient auf den gesamten Körper ausbreiten . Diagnostisches Kriterium neben den generalisierten Schmerzen von Muskeln und Sehnenansätzen: die Schmerzhaftigkeit von mindestens 11 der 18 spezifischen Druckpunkte, sogenannte Tender points. Vegetative Symptome wie Mundtrockenheit, kalte Akren, Hyperhidrosis und Tremor sind möglich. Ätiologie ist unklar. • Frauen häufiger betroffen als Männer • Beginn zumeist zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr.
Chronic-fatigue-Syndrom (CFS). Im Vordergrund steht eine über mindestens 6 Monate anhaltende Müdigkeit und leichte Ermüdbarkeit, die mit anderenunspezifischen körperli chen Beschwerden wie Hals - und Kopfschmerzen, Lymphknotenschwellungen, Muskel schmerzen, nicht entzünd lichen Arthralgien oder Konzentration - und Gedäc htnisstörun gen einhergeht. Ätiologie ist unklar. Diskutiert werden immunologische Prozesse nach vorausgegangener Virusinfektion, bislang aber kein sicherer Nachweis. • Frauen häufiger betroffen als Männer • Beginn um das 30. Lebensjahr.
folgende Formen der somataformen Störungen zu beobachten: • Andauernde somatoforme Schmerzstörung • Somatisierungsstörung • Hypochondrische Störung im engeren Sinne.
Multiple Chemical Sensitivity (MCS). Es werden multiple körperliche Beschwerden geäußert, z. B. eine verstärkte Geruchsempfind·
lichkeit, Kakosmie oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten sowie neurologisch Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzent:ntions- und Gedächtnisstörungen oder Schwindel. Die Patien ten gehen von einer Verursa hung durch Umweltfaktoren aus, etwa von einer Belastung durch Umweltgifte oder Elektrosmog. Die Ätiologie die es Syndroms ist bishng ebenfalls ungeklärt. Eine ähnli.che Symptomatik tritt beim sogenann ten Siek bullding syndrome (SßS) auf, da!i auf
Am häufigsten in der klinischen Praxis sind
Ätiologie Erhöhte Vulnerabilität durch genetische Faktoren, Traumatisierung- auch sexuell bedingt -, individuell niedrige Schmerzschwelle, erhöhte Sensibilität für interozeptive Reize, AlexithymieKonzept. • Stress:
• Organische Erkrankung oder kritisches Lebensereignis führen zur Veränderung körperlicher Reaktionen, z. B. zur Erhöhung der Herzfrequenz. • Kognitive Komponente: Be chwerden werden als "bedrohlich" bewertet, dadurch Zunahme physiologischer Erregung und Einengung der Aufmerksamkeit aufkörperliche Probleme • Dadurch Verstärkung der wahrgenommenen Phänom ne ("Herzklopfen", "Herzrasen"). Aufrechterhaltung und Verstärkung der Symptoma tik durch be timmte Verhaltenswei en wie: • Checking: ständiges Beobachten und Kontrollieren des eig nen Körpers, auch wenn die auslösenden körperli hen Beschwerden längst abgeklungen si nd 133
10 Angst und Zwang, dissoziative und somatoforme Störungen
• Übermäßige Beschäftigung mit dem TI1ema Krankheit • Wiederholte Arztbesuche und medizinische Untersuchungen • Vermeidung verhalten, z. B. Vermeiden körperlicher Belastung, sozialer Rückzug und Entlast ung von Verpflichtungen. AJexithymie "Emotionales Analphabetenturn". Konzept der psychoa nalytischen Trad ition. Beschreibt das Unvermögen einer Person, Gefühle auszudrücken, zu benennen oder emoti onale Regu ngen und körperliche Empfindungen vo nei nander zu unterscheiden. Zusätzlich: Ma ngel an Fantasie un d rationa ler DenkstiL Bedeutun g für die Entstehung somatoformer und anderer Störungen wird diskutiert. Epidemiologie
• Lebenszeitprävalenz omatoformer törungen: ca. 10 % • Häufigste Form: anhaltende so mataforme Schmerzstörung • Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer, bei der Somati sierungss törung sogar 5-mal häufiger • Beginn zumeist zw ischen 12. und 20. Lebensjahr. Komorbidität Hohe psychiatri ehe Komorbidität bei insgesamt
ca. zwei Drittel der Pa tienten mit: • V. a. depre sive n Synd romen, bis zu 50 % der Fälle • Angststörungen • Substan zmissbrau ch oder -ab hängigkeit • Persön liehkeitsstöru ngen. Diagnostik und Differenzialdiagnose • Wesentlich: wertschätzende, akzeptierende Grundhaltung; d.ie vorau gegangene
"Odyssee" an Diagnosti k und med.izinische n In terve nti onen berücksichtigen • Ausschluss organischer Erkrankungen, die al Ursa he für die jeweilig ymptomatik in Frage komm en, dabei Me hrfachuntersu hungen vermeiden • Später hin zu tretende, neue körp rli he B sc hwerden ern. t n hmen un d abkläre n • Andere psychische Erkrankungen als Urs·lche für unklare körperliche Bes hw rden ausschli ße n: - D pres . iv ynd ro me ("larvi rt e Deprcs. ") Sl011
- Ang t t ')rungen 134
-
Schizo phrene Psychosen Wa hnhaft e Störu ngen Dissoz iat ive törungen Artifiziell e Störun gen Simul ation Sogena nnte Rentenneurose Burn -out- yndrom.
Artifizielle Störungen (F68.l). Auch Münchhausen-Syndrom genannt. Bei dieser eltenen Grup pe von Erkrankungen fügen sich die Betreffenden heimlich durch Selb tverletzu nge n oder andere Man ipulationen körperliche Symptome zu mit dem Ziel, als organ isch erk ra nkt zu gelten und en tsprechend behandelt zu we r:de~. Typ ische r~ve i se werden die Symptome herm l1 ch und wemgstens teilweise in einem Zustand qualitativer Bewusstseinsänderung Wie Anspan nungszu land oder Di ssoziation erzeugt. Als erweitertes Münchhau ' en-Syndrorn oder Münchhausen-by-proxy-Syndrom wird da Vortäuschen ein er Erkrankung bei einer anderen Per on bezeichnet (typischerweise körperliche Schädigung ein es Kinds durch seine Mutter-+ Kap. 17}. Simulation (F76.5)_ Bewusstes und gezieltes Vortäuschen von Sym ptomen, um sich in ein er bes timm ten ituation wi e Haft, ßeren tung ode r Musterung einen Vo rteil zu verschaffen , z. ß. Erlange n leichterer Haftbedingungen, Zuga ng zu tllegalen Drogen und finanziellen Zuwen dunge n oder Ve rmeid en des Militärdiens ts. Rentenneurose (F68.0). Ein e tatsächli ch bet hende Kra nkheit, Folgen ei ner Verletzung oder körperli he Behinderun gen werden vom Betrel1'end n aggraviert oder halten länger an, als nach dem aktuell n organischen Befund zu .rwarten wäre. icht erfül lte Wünsche nach persönli cher Zuwend ung durch Mitarbeiter medizini eher Institutionen, Unzufr iedenheit über das med izinische Prozed re o !er den Behand lu ngse rfolg sowie die Möglichkeit einer finanzi ellen · ntschäcligung sollen bei der Entstehung d r Stör ung eine Rolle spiel n. Burn-out -Syndrom. Samrn lbegiff für Reakti onen auf anhaltend Bela Iungen und Überforderungen am Arl ·it: platz. oder im häusli chen ßc rei h. Ein Burn -out is tm it iner Viel zahl kör pcrli h ' r und psy his h r ym ptome v rbun d n. Unter d m B ·griff werd n häufig owohl
normalpsychologische Reaktionen auf schwere berufliche oder häusliche Bela tungen al auch Störungen mit Krankheitswert wie depressive Syndrome, Anpass ungsstörungen oder Angststö rungen unkJitisch zusa mmengefasst. Therapie Psychotherapie. Allgemeine Empfe hlungen zum Umgang mit an so mataformen Störungen leidenden Menschen im organmedizinischen Bereich-+ Tabelle 10.1 4. Psychoth erapie ist das Mittel de r Wahl : • Am besten überprüft: kognitiv-ve rhal tenstherap e uti sc h ~ Ansätze, wi rksam bei hypochondrischer Symptomatik und chronischem Schmerz • Psychedynamischer Ansatz bei so matofo rmer autonom er Funktio ns tö rung. Psychopharmakotherapie. • Anhaltende om ato forme Schmerzstörung: trizyklische Antidepressiva in niedriger Dosierung, z. B. 25- 75 mg Amitriptylin oder das Antiepileptikum Gabapentin • Hypochondrische Störung und körperdy morphe Störun g: S Rl, z. B. italopram • Somatisierungsstörung und somataforme autonom e Funktionsstörung: evtl. Opipramol, Johanniskraut • Bei gleichzeitigem Vo rliegen einer depress iven Symptomatik: Antidepressiva.
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Tab. 10.14 Empfehlungen zum Umgan g mit Pati enten mit somataformen Störungen im or· ganm edizi ni sc hen Setting (nach Rief, Arolt und Hennings en) • Bestätigen Sie die Glaubhaftigkeit der Be schwerden • Sprechen Sie frühzeitig an, dass die wahrscheinlichste Ursache für die Beschwerden keine schwere Erkrankung ist, sondern eine Störung in der Wahrnehmung von Kör-
perprozesse n • Explorieren Sie körperli che und mögliche psychische Symptome vollständig • Besprechen Sie mit dem Patienten die ge· planten Schritte und ihre Konsequenzen • Ve rmeiden Sie unnötige Eingriffe und Ba gatelldiagnosen • Vereinbaren Sie feste Termine für Nachuntersuchungen • Motivieren Sie zu gesunder Lebensführung und Stressabbau sowie zu ausreichender körperlicher Bewegung. Beugen Sie inadäquatem Schonverhalten vor • St ellen Sie Rückfragen und lassen Sie den Patienten Zusammenfassungen geben, um mögliche Informationsverzerrungen zu erkennen
Verlauf
• Unbehandelt zumeist chronischer Verlauf • Psychoth erapeutische Ansätze haben ein en günstigen Effekt, jedoch nicht so erfo lgreich wie bei Angsterkrankungen oder Depressionen.
Was ist unter somataformen Störungen zu verstehen? Welche Formen von somatoformen Störungen kennen Sie? Welche sind im klinischen Alltag am häufigsten? Beschreiben Sie das charakteristische Bild einer hypochondrischen Störung. Welche Symptome treten bei einer Somatisierungsstörung auf, welche bei einer somataformen autonomen Funktionsstörung?
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8 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Anpassungsstörung ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Akute Belastungsreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Posttraumatische Belastungsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13i
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Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
Einführung Vorübergehende Veränderungen auf emotio naler, soma tischer und kogni tiver bene mit Phänomenen wie Angst, Schrecken, 1-JilJlosigkeit, Appetitverlust, Herzklopfe n, Zi ttern ode r vermehrtem Grübeln teil en normale Reaktionen aufbelastende Lebensereignisse dar. Diese Reaktionen werden als Teil einer Anpa sung Iei tung an ein e veränderte Situation betrachtet. Manchmal entwickelt sich aufgrundbelastender Lebensereign is e jedoch auch ein e Symptomatik, die außergewöhnlich lange anhält und sich in erhebl ichem Maße negativ auf die Beziehungsgestaltung oder Alltagsbewältigung eine Menschen auswirkt. Das hängt zum einen von der Schwere des Traumas ab, zum anderen aber auch von der in dividuellen Belastungsgrenze der Betroffenen. Erkrank ungsbilder dieser Art werden in der ICD -10 unter dem Begriff Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen zusa mmengefas t. Für ih r Auftreten wi.rd das Einwirken eines äußeren Faktors al notwendige, ursächliche Bedingung betracht t. Das bedeutet, dass sich die rkrankung ohne das Auftreten einer entsprechenden Belastun g nicht entwickelt. Durch diese ätiologische Komponente in den Diagnosekri terien heben sie sich von den übrigen, in der ICD-10 rein beschreibend niedergelegten psychiatrischen Diagnosen des Erwach enenalte rs ab. Die ICD -10 unter cheidet die Diagnosen: • Anpa sun gs törung (F43 .2) • Akute Belastungsreaktion (H3.0)
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• Posttraumatische Belastungss törung (F43 .1). Als Belastungen gelten: • Traumata • Kritische Lebensereignisse • Biografische Übergänge. Trauma. Ereignis, das von jedem Menschen alsextrem belastend oder katas tro phal eingeordnet werden würde. Die Betroffenen erleben eine oder meh rere Situat ionen, in denen sie lebensbedrohlichen Ereign issen oder Handlungen ausge etzt ind, die sie körperlich seinver verletze n oder die ihre psychische Integrität bedro hen. Ebenso wird darunter da Miterleben der genannten ituatione n als Zeuge ve rstanden. Kritische Lebensereignisse. Damit werden Vorkommn isse bezeichnet, die den bestehenden Lebensentwurf eines Men chen bedrohen und einsch neidende Veränderungen in der alltägli _ chen Leben fü hrungmi t sich bringen, z. B. ein plötzli her Ve rlust des Arbe itsplatze , ein s hwcrer Unfall oder ein früher, unerwarteter Tod des Partners. Biografische Übergänge. Darun ter werden Lebensveränderungen ver landen, die vorh erseilbar sind oder ich über einen längeren Zeitra um en twickeln, z. B. Verlas en des Elternhauses, Heirat, Antritt der ers ten Arbe itss telle, Berentung oder altersbed ingte körperl iche Einschränkunge n.
Welche Faktoren tragen zur Entstehung einer Belastungsreaktion oder einer Anpassungsstörung bei? Welche Diagnosen unterscheidet die JCD-10 bei den Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen? Definieren Sie den Begriff Trauma.
An passu ngsstöru ng Definitfon Psy hisehe Reaktion mit Angst, dcpressiven Sym ptom n o ler Verhaltcnsaufla lligk iten, z. B. aggressivem oder dissozial ' m Verlnlt n, li e in der Folge ei n s kritis h n Lebenscrcigni scs ·m f138
tritt und , i h n ga tiv auf cl n Alltag der Betrofl: _ nen auswirkt. D;1s belast nde Ere ignis wird dabe i als notwendige Voraussetzung zur Ents teh ung de r ymptomatik betra htct. Glei hz iti 11 spielt j do hauch
die individuelle Vulnerabilität für die Genese der Störung eine wichtige Rolle. Symptomatik
Die Symptomatik beginnt nach der Defini tion der ICD-10 innerhalb eines Monats nach dem auslösenden Ereignis und hält mehrere Wochen an, in der Regel maxima l 6 Monate. Eine Ausnahme bildet die längere depress ive Reaktion mit einer Dauer von bis zu 2 Jahren. Auslösende Ereignisse für ei ne Anpassungsstörung treten akut oder chro nisch auf: • Akut: z. B. Diagnose einer schweren körperli chen Erkra nkung, Tod eines Angehörigen oder Zerbrechen einer Beziehung • Chron isch: länger an haltende Belas tungen wie Arbeitsplatz- oder Eheprobleme, die Betroffene oft als unkontrollierbar und ausweglo erleben. Die bei de n Anpassungsstöru ngen zu beobachtende Symptomatik ist sehr variabelund reicht • Vo n deprimierter Stimmung Iage, Angst, Besorgni oder Gefühlen von Übe rfo rderung und Hilnosigkeit • Bis hin zu Reizbarke it, An pannung und Aggressivität mit di sozialem Verha lten, Letzteres eher bei Juge ndlichen. Oftmals werden vegetative Symptome wie Herzklopfen, Zittern, muskuläre Anspa nnung oder Schlafstörungen beklagt. Am häufigsten sind die depressiven und ängstliche n Reaktionsformen. Zu beachten i t, da bei den Anpassungsstörun gen nicht selten Suizidgedanken oder -impulse bestehen und die törung mit einem erhöhten Risiko für Suizidver u he einhergeht.
Klassifikation
Die Anpassung stö rungenwerden in der ICD-10 abhängig von der im Vordergrund stehenden Symptomatik in verschiedene Untergruppen eingeteilt(-+ Tab. ll.l). Epidemiologie und Verlauf
Wenig verlässliche ep idemiologische Daten verfügbar, jedoch häufigste psychische Störung in der hausä rztlichen Praxis: hohe Prävalenz im Allgemeinkrankenhaus; im Liaison- und Konsiliard ienst wird die Diagnose bei etwa 10 % der gesehenen Patienten gestellt. Verlauf:
• Überwiegend günstig mit Vollrem ission nach spätestens 6 Monaten • Bei 10- 20% der Patienten mit depressiver Reaktion Überga ng in eine länger an haltende depressive Symptomatik im Sinne einer depressiven Episode oder einer Dysthymia. Bei stationä ren Patienten mit der (Erst-)Diagnose einer schweren körperlichen Erkran kung, einem großen operativen Eingriff oder zu ätzliehen Belastungen im Umfeld immer an das Vorliegen einer Anpassungsstörung denken. Ätiologie
Erklärung anband eines Vulnerabilitäts-StressModell s: • Vulnerabilität: beeinflusst durch individuell e leben geschichtliche Ereign isse, z. B. Trennungserfahrungen in der frühen Kindheit, Persönlichkeitszüge, verfügbare Bewältigungsstrategien, insbesondere die subjektive Einschätzung der Belastungssituation und
Tab.11.1 Di agnostisc he Kriteri en und Un terteilung der Anpassungsstörungen nach ICD-10 ldentifizierbare psychosoziale Belastung von einem nic ht außergewöhnlichen oder katastropha len Au smaß; Beginn der Sym ptome innerh alb ei nes Monats Symptome und Verha ltensstö run gen (außer Wahngeda nken und Halluz inationen) wie si e bei affektiven Störungen (F3), bei Störungen der Kat egorie F4 (neurotische, Belastun gs- und somatoform e Störungen) und bei Störu ngen des Sozialverhaltens (F91) vorko mme n. Die Kriteri -
en ein er einze lnen Stö run g werden aber nicht erfü llt. Die Symptome könn en in Art und Schwere varii eren F4 3.20 Kurze depressive Reaktion (nicht länger als 1 Mon at) F4 3.21 Längere depressi ve Reaktion (nicht länger als 2 Jah re) F4 3.22 An gst und depressive Reaktion gemischt F43.23 Mit vorwi eg nd r B elnträchtigung von anderen Gefü hlen F43.24 Mi t vorwiegender Störu ng d Sozia lverhaltens F4 3.25 Mit gemischte r Störu ng von G füh l n und Sozia lv rhalte n F43.28 Mit sonstig n vorwl g nd genann ten Symptom n
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11
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
Tab. 11.2 Typische Belastungsfaktoren bei
Anpassungsstörungen (in gesc hätzter Rei henfolge der Häufigkeiten)
Jugendliche • Schu lprobleme • Elterliche Zurückweisung oder Trennung der Eltern sowie Eheprobleme der Eltern und Trennung von Freu nd oder Freundin • Arbeitsplatzprob leme • Alkohol- und Drogen- sowie rechtliche Probleme • Umzug
Erwachsene • • • • • •
Ehe· und Bez iehungsp ro blem e Trennung, Sc heidung und Tod Probleme mit Kindern Arb eitsplatz- sowie finanzielle Probleme Krankheit Al ko hol- und Drogen- sowie rechtliche Pro bleme
der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten. Hat hier wah rscheinlich eine größere Bedeutung als für die Belastungsreaktion oder die PTBS • Stress: kritisches Lebensereignis oder biografischer Übergang(-. Tab. 11.2). Differenzialdiagnose
• Wich tig: Bei länger als 2 Wochen anhalten den depressiven Symptomen überprüfen, ob eine depressive Episode vorl iegt, und ob die Indikation für eine medikamentöse antidepressive Behandlung besteht
• Ande re psychiatrische Differenzialdiagnosen : z. B. akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung, Angststöru nge • Organische Ursachen: primär somati sche n Genese der Symptomatik z. B. un erwü nschte Wirkung von Medikamenten, endokrine Störungen oder zerebrale raumfordernde Prozesse. Die Abklärung einer Anpassungsstörung sollte im mer die Frage nach Suizidalität beinhalten.
Bei anhaltender depress iver Reaktion im Rahmen einer Anpass ungsstörung sollte früh zeitig an das Vorliegen einer depressiven Episode gedacht und die Diagnose entsprechend überprüft werden. Therapie • Schwerpunkte: kurzfristige Kr iseninterventi -
on und Beratung, länge rfris tig evtl. Psychotherapie, in de r Regel ambulant • Be i Suizidalität oder schwierigem psychosozi alem Umfeld, z. B. gewalttätiger Partner erfo lgt stationäre Aufnahme • Ggf. zusä tzl ich punktuell sy mptomatische medikamentöse Behand lung, z. B. zur Linderung von Schlafstörunge n oder innerer Anspann ung.
• Bei der länger anhaltenden depressiven Reaktion differenzialdiagnostisch an eine Dysthymia denken
•
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Was ist eine Anpassungsstörung? Welche Symptome treten dabei auf? Welche kritischen Lebensereignisse können die Entwicklung einer Anpassungsstörung auslösen? Welche Problematik sollte bei einer Anpassungsstörung immer erfragt werden? 0 An welche anderen Erkrankungen oder Syndrome saUte differenzialdiagnosti eh gedacht werden?
Akute Belastungsreaktion Definition
Unter ei ner akuten Bela tungsreaktion wird ein e deut lich ausgeprägte kJini ehe ymptomat ik verstanden, die innerhalb von Minuten bis eine Stunde nach e.inem außergewöhn lich b Ia 140
tende n Ereignis auftri tt und na h 8- 48 tunden wieder abkJingt. Als auslö ·ende Ereigni s c komm n sowoh l überwältigend· traumat is h G schehen wi s hwcrc Unfa lle, G wa ltv rbrc hen oder Naturkatastrophen in Frage als au h plötzli he
/ schwerwiegende Ve ränderungen de r Lebenssituation wie Todesfall in der l:amilie, unerwartetes Verlassen-Werden in einer Beziehung oder unerwarteter Arbeitsplatzve rlust. Bei Betroffenen bestand zuvor kein e manifes te psychische Erkrankung. Das Zusta ndsbild wird gelegentlich auch bezeichn et als akute Krisenreaktion, Krisenzusta nd, psychischer Schock, "Nervenzusammenbruch" oder "Nervenschock". Symptomatik Erste Phase. Cha ra kteristisch ist, dass die Betroffenen kurze Zeit nac h dem traumatischen Ereignis zunächst ein Gefühl de r "Betäubung" oder "inneren Leere" empfinden. Dieses wird meistens von weiteren körperli chen und psychischen Symptomen begleitet, z. B.: • Schwitzen und Herzklopfen • Derealisations- und Depersonalisationserieben • Verminderter Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit. Zweite Phase. Diesem Zustand fo lgt zumeist eine Phase mit: • Antriebsminderung, sozialem Rückzug und Desinteresse • Gelegentlich werden auch motorisc he Hyperaktivität, Gefühle von Verzweiflung, Angst, Panik, Wut mit verbal aggressivem Verhalten oder dissoziativer Stupor beobachtet. Dritte Phase. Danach setzt häufig ei ne Phase ein mit: • Herabgesetzter timmungslage • Anderen Symptomen eines depressiveo yndroms. • Auch Suizidgedanken oder -hand lunge n kön nen unvermittelt und drängend.auftreten. • Für alle beschriebenen Reaktionen kann teil weise eine Amnesie bestehen. Bei akuten Belastungsreaktionen und bei Anpassungsstörungen immer Lebensüberdruss und Suizidalität explorier n. Epidemiologie und Verlauf Wegen des kurzen Ve rlaufs keine verlässlichen epidemio logi chen Daten v rfügbar, Prävalenz in der Allgemeinbevölkerun g ab ·r wahrschein lich sehr hoch. • In der Regel sind nicht psy hiatrisch oder psychologisch ausgebild te HelCr als Erste mit Belastungsreaktionen konfrontiert
• Verlauf: definitionsgemäß kl ingen die Symptome innerhalb von maximal 2 Tagen ab • Bei Persistenz: Bes tehen einer anderen psychischen Störung sollte unbedingt abgeklärt werden (vgl. Differenzialdiagnose). Ätiologie • Siehe Anpassungsstörungen • Der aus lösende Faktor bei der Belastungsreaktion ist in der Regel eine außergewöhnliche Belastung, d. h. kritisches Lebensereignis oder Trauma. Differenzialdiagnose • Erregungszustand bei einer anderen psychiatrischen Erkrankung: z. B. Angststö rung, bipolare affektive Störung, Schizophrenie, Droge neinnahme; lässt sich in der Regel durch Exploration der jeweils charakteristichen Symptomatik gut abgrenzen • Erregungszustand bei einer körperlichen Erkrankung(= delirantes Syndrom): z. B. Hypoglykä mie bei Diabetes mellitus, TIA oder Intoxikation mit Medikamenten. Therapie • Bei entsprechenden Ereignissen: auf Symptome e.iner Belastungsreaktion bei den Beteiligte n achten und Erstmaßnahmen einleiten (vgl. Kasten unten) • Ggf. ambulante psychotherapeutische Kurzzeitintervention • Stationäre Krisenintervention: bei anhaltenden dissoziativen Symptomen, starker motorische r Unruhe (evtl. mit Fluchttendenzen) oder Suizidalität. Erstmaßnahmen: Betroffene vom Ort des Geschehens weggeleiten, nicht alleine lassen , von Außenreizen abschirmen, empathisches, beruhigendes Zuhören und Ansprechen, Herbeirufen von Angehörigen. Besonderheiten Die ym.ptomatik einer Belastungsreaktion kann so sta rk ausgeprägt ein, dass im forensischen inne eine tief greifende Bewusstseinsstörung vorliegt. Dies kann sich auf die spä tere Beurteilung der Schuldfähigkeit ( ~ Kap. 19) einer Person auswirken, wenn sie im Rah men einer akuten Bela tungsreaktion , im Affekt" beispiels· wei e ei nen and renM enschen verletzt oder Jn n Unfall v rursa ht hat.
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Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
•
0 Beschreiben Sie die charakteristische Symptomatik einer akuten Belastungsreaktion. 0 Welche Ereignisse können eine solche Reaktion auslösen? 0 Welche Ersthilfemaßnahmen sollten bei einer akuten Belastu ngsreaktion durchgeführt werden?
Posttraumatische Belastungsstörung Definition Englisch: Posttrauma ti c stress diso rder (PTSD). Die posttraumat ische Belas tungsstö ru ng (PTBS) ist eine Erkrankung, die einige Woc hen bis Mo nate nac h einer schwersten , katastrophalen Belastungssituation (= Trau ma) auftritt. Kernsymptome sind: • Stä ndiges Wiedereri nnern und -erleben des Traum as • Phobisches Verme idu ngsverhaIten • Abflachung der allgemeine n Reagibil.i tät mit Anhedonie • Psychophysiologische Übe rerregbarkeit Die auslösenden Ereignisse stellen nach ICD-10 ei ne außergewöhnliche Bedrohu ng oder ein katastrophales Ausmaß dar und könn ten bei fas t jedem Menschen eine tiefe Verzweifl ung hervorrufen . Sie beinhalten ei ne vitale Bedrohung fi.lr den Betroffene n selbst oder für von ihm beobachtete Menschen, ei ne schwere körperliche Verletzung ode r eine Bedrohung der psychischen Integrität der eige nen oder einer beobachteten Person. Beispiele für Tra umata ind: • Naturkatas trop hen und vo n Menschen au gelöste Katastro phen • Schwere Unfä lle • Kampfhandlungen, Folterung und Terro rismus
• Vergewal tigung und and ere Verbrechen. Symptomatik Ständiges Wiedererinn ern und -erl eben des Traumas.
• Intrusionen : Die Betrofl:enen werden vo n wiederkehre nden, ich ungewollt aufdrä ngenden Erinnerungen an das Trauma geq uält. Dabei läutl das Ereignis immer w.iecl r vor ihrern innere n Auge ab und sie erleben dabei gelegen tlich auch andere Sinnesei ndrücke wieder, z. ß. Ge rüche oder Körper~mpfindun gen. Ma nchmal ent teht dabei da , Ge füh l, 142
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da Ereig nis noch ein mal zu durchleben (= Flashbacks) Wiedererinne rungen si nd in der Regel von einer massiven Ang t und starken vege tative n Reakt ionen beglei tet ie treten spontan auf oder we rden von mit dem Trauma verbundenen Reizen ausgelöst, z. B. Vorbeifah ren am Ort des traumatischen Ereignisses oder ents prechende Presseberichte Gelegentlich treten dabei auch dissoziative Zustände oder Pseudohalluzinationen auf Auch wieder hol te, quä lende Albträume m it dem Inhalt des traumatischen Ereigni sse oe0 hören zu diesem Symptomko mplex Für einzelne Aspekte des Traumas kö nnen da bei Erinnerungslücken bestehen.
Um das ang tvolle Wiedererinnern und -erleben zu ve rhindern , versuchen die Patienten die Ko nfrontati on mit den entsprechend en Stimul i zu umgehen. So we rden bei spielsweise der Ort des traumatischen Geschehens oder Fernseh- und Presseberichte über ähn liche Ereignisse gemieden. Dies fü hrt zu einer er hebl ichen ··in chränkung der Alltags bewältigu ng und der persönlic hen Mobilität. Vermeidungsverhalten.
Einschränkung der allgemeinen Reagibilität und Anhedonie. • Das affektive Erleben is t eingeschrä nkt, so-
da, beispielsweise dem Partner oder de n Kindern gegen über keine zä rtlichen, liebevollen Gefi.i hle me hr empfunden werden • Entfremdung oder Isolation : Da mit ind Gefühl e gem int, die von de n meisten Patiente n mi r PTB be chrieben werden. I .i Betroffenen fühl n sich ni cht m hr dem "normalen" Alltagsge. h h n zugehörig und erleb n sich als verändert oder dep rimiert • Anhedonie: Das lnteress un d Vergnüge n an bisher für di Person wi htigen Aktivitäte n od r Hobbys nimmt deutli h ab
~ ------------------------------------• Vermehrtes Grübeln mit lbsrvo rwürfen, oftmals unberechtigten Schu ldgefühlen oder der Frage nach dem ,,Warum?" ind seh r hä ufig. Psychophysiologische Übererregbarkeit Diese äußert sich in Reizbarkeit, An spannung, Wutausbrüchen, Schreckhaftigkei t, dem Gefühl, ständig "auf der Hut" sein zu mü sen (=Hypervigilanz) und Konzentrationsschwierigkeiten. An haltender Ärger und Wut steigern sich im Extremfall bis zu Selbstverletzungen, selten auch bis zur Verletzung oder Tötung anderer Per onen. Auch vegetative Zeichen des erh öhten Erregungsniveaus werden be chrieben wie die eigung zu Herzklopfen, Schweißa usbrüchen, Zittern , Schlafstörungen oder die U nf~i h .igke it zu entspannen. Folgen • Erhebliches subjektives leiden und starke
Beeinträchtigu ng von All tagsbewältigung und sozialen Beziehungen • Sekundäre Traumatisierung und hronifizierung durch Unve r tändni oder unangemessene Reaktionen der Umgebung • Häufig En twicklung komorbider Störungen , die den Verlau f komplizieren, z. B. depre sive Syndrome und sekundärer Substanzm issbrauch oder -ab hängigkeit. Aufgrund starker Scham- und chuldgefühle stellen sich Men chen mit PTBS häufig wegen unspezifischer Bes hwerden wie hlafstörungen, chrnerzen, Libidoverlu t der Erschöpfung beim Allgemeinmedizin r oder bei Ärzten nichtpsychiatrischer Fachr.i htungen vor. Daher sollte b im Vorliegen ines traumatischen Ereignisse, imm r gezi lt na h Symptomen einer PTB gefragt w rd n. Epidemiologie und Verlauf • Lebenszeitprävalenz in Fu ropa bei unter 60-Jährigen: um 2%, dabei Frau n doppel t so
häufig betroffen wie Männcr • Ca. 60 % aller Mens hen crl.ebcn im Laufe ih res Leben s ein Trauma , aber: Nur ei n gerin g r Teil ntwi kclt inc PTB ' . Das Risiko für ei n PTH' ist erhö ht, w nn: • Das traumati h Er i ' IÜS s hr s lnv r war, z. B. hw r Ver! twngen. mass iv · B•drohung der körp rli hcn d r p sy - h i ~> h n nver ehrthl.: it
• Das trauma tische Ereignis mit absichtlicher Gewaltanwendung durch andere Menschen einherging, z. B. Vergewa ltigung oder Überfa ll unter Einsatz von Waffen • Die Traumatisieru ng wiederholt oder anhaltend erfo lgte, z. B. durch regelmäß igen sexuellen Missb rauch über mehrere Jahre oder wiederholte Folter in Gefangenschaft • Vor dem traumatischen Ereignis bereit eine psychische Belastung oder Erkra nku ng vorlag. Verlauf: Etwa ein Drittel der Betroffenen erlebt eine komplette Spontanremiss ion der Symptomatik in nerhalb weniger Wochen. Die Prognose ist jedoch ung ünstig, wenn die Symptomat!k . länger als 3 Monate anhält oder ein e psychmtnsche Komorbidität vorliegt. Verbe seru ng der Progno e durch Psychotherapie (s. u.) und Pharma kath erapie (SSRI). Ätiologie
l·ür di e Ents tehung einer PTBS wird das Zusam menwirken fo lgender Paktoren angenommen: • Bestimm te Charakteristika des traumatischen Ereign isses (vgl. Epidemiologie) . .. • Biologische Faktoren : geneti ehe Dispos iti on (Ge ne de serotonergen Sy tems) und n urob iologische Besonderheiten, z. B. erhöhte Reagib ilität de r Amygdalae und ver-. minderte Ak tivität frontoorbitaler sow1e hlppokampaler Strukturen • Psychologische Faktoren : z. B. Abwehrprozes e na h Rei züberflutung durch das Trauma, Konditionierungsprozesse, prätraumatisc he Persö nlichkeit und kognitive H hi gkeite n. Diagnostik und Differenzialdiagnose
• Gezielte · Erfrage n der Sym ptomatik ist erforderli h; viele Patienten empfinden cham und bringen oft nur unspezifische vege tative Beschwerden vo r • Vorliegen wei terer psy hiatri eher Erkran kungen bea hten • Üb rsc hn idungcn mit ymp tom en durch k'" rpe rli he Verletzungen berücksich tigen, z. 13. organi eh bedi ngt p ych ische ßes hwerden na h Schädel-Hirn -Trauma • Differenzialdiagnostisch v. a. denken an: and re Angst·t·· run g n, dissoz i ·~ ti ve törun ' n, Bo rd rlin -P rsön li hkei tsstörung. Therapie
Psychotherapeutische Verfahren. Effcl tstLi rken in tudicn:
1-1 ·· hste 143
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Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
• Kognitive Verhaltenstherapi e • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Besti mmte psychodynamische Ansä tze aber auch wirksam. Kogn itive Verhaltenst herapie: • Kernelement ist die Expositionsbehandlung
(-+ Kap. 4) • Expos ition erfo lgt z. T. in ensu, d. h. der Pa-
tient berichtet wiederholt über das tra umat ische Ereigni s und z. T. in vivo, d. h. der Patient mit PTBS nach Verkehrsun fa ll such t z. B. mehrfach den Unfallort auf. EMDR: Zusätzliches Ve rfa hre n, das in Kombi nation mit Expositionsverfa hren angewa ndt wird. Durchführu ng:
• Wä hren d der childeru nge n des Trau mas fixie rt der Patient den Finger des Therape uten • Der Fi nge r wird in Pendelbewegunge n vo r dem Ges icht des Patien ten so lange h in und her bewegt, bis de r Pa tient ein Nachlassen der schme rzhaften Empfind ungen angibt. Pharmakotherapie. Wirksa m sind SSRI: zu gelassen in Deutschla nd i t: nur Paroxetin; wirk sam sin d aber auch Sertrali n und Fluoxetin . Bei Therapieresti ste11Z evtl. auch atypische Neu rolepti ka oder Stimmungsstabilisierer.
•
0 Welche Ereignisse können eine posttraumatische Belastungsstörung auslösen? 0 Beschreiben Sie die charakteristische Symptomatik einer PTBS. 0 Was wissen Sie über die Epidemiologie und den Verlauf der PTBS? 0 Welche Therapieelemente haben sich in der Behandlung der PTBS als effektiv erwiesen?
144
...
12
Persön lieh keitsstörungen Sabine Frauenknecht
• Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 • Ängstlich -vermeidende Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Abhängige Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
Anankastische Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Dissoziale Persönlichkeitsstörung. .... . . . ... . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
e Histrionische Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
8 Narzisstische Persönlichkeitsstörung... . . .. ... . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8 Paranoide Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Schizoide und schizotype Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157
14!
12 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung Was ist Persönlichkeit?
D.ie Persönl ichkeit eines Menschen is t charakterisiert durch seine Wesensa rt, also seine unverwechselbare Art zu denken, zu empfinden und Beziehun gen zu gestalten. Es wird angenomm en, dass sich die Persönlich keit durch ein Zusammenspiel genetischer und psychoso zialer sowie physikalischer Umweltfaktoren entwickelt. Die Entw icklung und Reifung der Persönli chkeit an sich ist ein lebenslange r Prozess . Dabei ist zu berücksich ti gen, dass es sich bei der Vorstellung eines abgrenzbaren, kon sistenten ",chs", eines .,Selbsts" oder einer "Persönlichkeit" um theoretische Konstrukte handelt, deren tatsächliche Existen z unbewiesen ist. Was ist eine Persönlichkeitsstörung?
Von einer Persönlichkei tss törung (PS) wi rd gesprochen, wenn: • Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, Verhaltensweisen, Gefühls reaktionen oder Denkmuster so einseitig ausgeprägt sind, dass sie ein flexibles, wechselnden Situati onen und Umgeb ungsbedingungen angemes senes Verhalten beh indern
• Die genannten Ein tellunge n und Verhaltensweisen deutlich von den Erwa rtungen des soziokul turel len Umfelds abweichen • Sie stabil eit dem Kindes - oder Jugendalter über Jahre hinweg bestehen • Sie zu einem erhebli chen Leiden druck für die Umgebung oder die betrofFene Person fü hren. Meistens wird die besteh ende Symptomatik von der betroffenen Person als lc h-synton erlebt, d. h. im Einklang mit dem !eh-Erleben und als "nicht wesensfremd". Früher verwendete Begriffe si nd: "abnorme Persönl ichkeit", "Psychopa thie", "Soziopathie" oder "Charakter neu rose". Vorteile der aktuellen Theo rien zu Persönlichkeitsstörungen: • Hilfe für das Ve rstä ndnis vo n Interaktionsstilen und Verhaltensmustern • Entwicklung von spezifischen therapeutischen Interve ntionen. Nachteil: Gefahr der Stigmatisierung, d. h. die Bewertung der betroffenen Menschen als "dauerhaft gestörte Personen" mit entsprechenden gesellschaftl ic hen Konsequenzen, z. B. der sozialen Ächtung und Ausgrenzung.
Tab. 12.1 Allgemeine Kriterien für die Di ag no se einer Persö nlich ke itsstörung nac h ICD -10
· Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt deutli ch von kult urell erwarteten und akze ptierte n Normen ab. Diese Abweichu ng äußert sich in mehr als einem der folge nd en Bereiche: • Kognition, d. h. Wa hrneh mun g und Interpretation von Dingen , Menschen und Ereignissen; Einstellungen und Vo rste llu ngen von sich und anderen • Affektivität, vor allem Vari atio nsbreite, Intensität und Angemessenheit der emot ionalen An s prechbarkeit und Reaktion, Impulskontro lle und Bedürfnisbefriedigung • Zwischenmensch liche Beziehungen und Art des Umgangs mit ihnen Die Abweichung ist so ausgep rägt, dass das daraus resu ltiere nd e Verh alte n in viel en persön li chen und soz ialen Situationen unflex ibel , un angepa sst oder auch auf ande re Wei se un zweckmäßig ist. Sie ist nicht begrenzt auf einen spez iellen auslösende n Stimulus oder eine bestimmte Situation Persö nlicher Lei densdru ck, nachteiliger Einflu ss auf di e soziale Umwelt oder bei des, deu tlich dem unter G2 beschriebenen Verhalten zuzumesse n Nachwe is. dass die Abweic hung stabil , von langer Dauer ist und im späte n Kind esalter oder in der Adoleszenz begonnen hat Die Abweich ung kann ni cht durch das Vorliegen od er di e Folge einer a ndere n psychischen Störung des Erwachse nenalters e rklärt werden. Es können aber episodi sc he oder chronische Zustandsbilder de r Kategorie FO- FS und F7 neben diese r Störu ng exist ieren oder s ie überlagern Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutlic he Funktion sstörung des Gehirns müssen als mögli che Ursache für die Abweic hung ausgesc hl ossen we rden. Fall eine solc he Verursachung nachweisbar ist, soll die Katego rie F07 verwendet werden 146
Eine Über icht über die Einteilun g der Persön lichkeitsstörungen und ihre charakteristischen Symptome nach dem Diagnosemanual DSM-IV gibt ~ Tabelle 12.2. Das DSM-IV untersche id et bei den Persönlich keitsstörungen drei Hauptgruppen, die sogenannten Cluster A, Bund C. Epidemiologie und Komorbid ität • Häufigkeit in der Allgeme inbevölke run g: ca. 10% • Sehr hohe Prävalenz bei p yc hiatrischen Patienten: zw ischen 40 und 60 % • In der Allgemeinbevölkerun g häufig: dissoziale, dependente und histrionische Persönlich keitsstörun g (-+ Tab. J2.3) • Bei psychiatrischen Patienten häufig: depen dente, ängstlich-vermeidende und dissoziale sowie Borderl ine-Persönlichkeitsstörung
• Mä nn erund Frauen insgesamt gleich betroffe n. Verhältnis 1 : 1 • Bezogen auf die einzelnen PS ist das Geschlechterverhältnis jedoch unterschiedlich: - Dissoziale und zwanghafte Persönlichkeitsstörung: Männer häufiger betroffen al Frauen - ßorderline-, ängstlich-vermeidende und dependente Persönlichkeitsstörung: Frauen häufiger betroffen als Männer. Komorbidität • Häufig mit akuten psychischen Erkrankun ge n, insbesondere Angststörungen, dep ressive Syndrome, Suchterkrankungen, Essstörungen und somataforme Störungen • Häufig wird zusätzlich eine weitere Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.
Tab . 12.2 Hauptgruppen spez ifischer Persön li ch keitsst örungen und deren charak terist isc he Muster inn ere n Erl ebens und Verhaltens (nac h DSM -IV)
Cluster
Diagnose und Charakteristika
A
Paranoide PS
,.Sonderbar, seltsam, exzentrisch"
• Mis strauen und Argwohn • Interpretation der Motive anderer als böswillig
Schizoide PS • Dista nz iertheit und Isolat ion • Eingeschränkter emotiona ler Ausdruck
Schizotypische PS • Soz iales Unbehagen • Eigentümliches Verhalten • Verzerrungen des Denkens
B
Dissoziale PS
.,Dramatisch, emotional, lau nisch"
BorderUne PS
• Missachtung und Verletzung der Rechte anderer • Instabilität zwischenmenschl icher Beziehungen • Instabilität des Selbstbilds und der Affekti vität • Impulsivität und Selbstverletzungen
Histrionische PS • Übermäßige Emotionalität und Express ivität • Aufmerksamkeit heischende s Verhalten
Narzisstische PS • Gefüh l der Großartigkeit und .,Selbstverherrlichung" • Bedürfnis nach Bewunderung • Mange lnde Empathie (
Ängstlich-vermeidende PS
.,Ängst li ch"
• Sozia le Hem mung • Gefüh l der Unzulänglichkeit • Übe rempfind lic hkeit gegenüber negativer Bewertung
Dependente PS • Unterwürfiges und anklammerndes Verh alten • Übermäßiges Bedürfnis umsorgt zu werd en • Gefühl der Hilflosigkei t und Schwäche
Zwanghafte PS • Ständige Beschäftigung mit Ordnung und Perfektioni smus • Große Bedeutung von Kontro lle und ,.So llen"
---------------14:
12 Persönlichkeitsstörungen
Tab. 12.3 Häufigkeit spezifische r Persönlichkeitsstörungen in der Allgemeinbevölkerung
Art der Persönlichkeitsstörung
Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung
Paranoide PS Schizoide PS Schizotypische PS
1,5 - 3% 0,5 - 1, 5% 3%
Dissoziale PS Bord erlin e PS Hi strionische PS Narzissti sche PS
d: 3-7 %. 9: 1- 2% 0,8 -2% 1, 3-3% 0- 0,4%
Ängstlich-vermeiden- 0,9% de PS Dependente PS 1- 2% 1- 2% Zwanghafte PS
Ätiologie
Annahme eines sogenannten Diathese-StressModells: • Diathese (Zustand oder innere Verfassung):
•
•
•
•
genetische Ausstattung und andere neurochemisch -biologische Einflüsse wie prä -, peri- oder post natale Traumata bedingen die individuelle "Disposition" oder "Vulnerabilität" eines Me nschen, z. B. Neigung zu Impulsivität oder Ängstlichkeit Vulnerabilität wird durch bestimmte psychosoziale Faktoren verstärkt, z. B. durch körperliche Gewalt oder ungünstigen Erziehungsstil Als Anpassungsleistung an die schwierige Lebenssituation entwickeln sich bestimmte Verhaltensweisen, Denkmuster und emotionale Reaktionen (= Oberlebensstrategien ) Die stereotypen Oberlebensstrategien erweisen sich im Laufe der Zeit in vielen Situ ationen als nicht mehr angemessen, d. h. sie sind dyfunktional und führen zu interaktio nellen Problemen Eskalation der Problematik häufig durch Stress, d. h. zusätzliche Belastungen, insbesondere Ve ränderungen der Lebenssituation, die e.ine Adaptationsleistung erfordern, z. B. Arbeitsplatzverlust, Beförderung, Famili.en gründu ng oder Migration .
Schon aUein durch Empathie und Verständnis für die individuellen Überlebensstrategien eines Patienten mit akzentuierten Persönlichkeitszügenlassen sich im klinischen Alltag Kommunikationsstörungen und Konfliktsituationen oft deeskalieren.
148
Diagnose und Differenzialdiagnose
Für die Diagnose einer Persönli chkeitsstörung müssen erfüllt sein: I. Allgemeine Diagnosekriterien einer Persönlichkeitsstörung (-+ Tab. 12.l) 2. Spezifische Diagnosekriterien der ICD-10 bzw. des DSM -IV fur die jeweilige PersönJichkeitsstörung. Schwierigkeiten :
• In der Regel sind mehrere Kontakte mit den Betrafrenen übe r längere Zeit erforderlich • Detaillierte fremdanamnestische Angaben sind unerlässlich • Vorstellung des Patienten erfolgt häufig nicht aufgrundde r Persönlichkeitsstörung, sondern ~egen einer akuten psychischen Symptomatik oder emer eskal ierten Konfliktsituation. Aku te psychische Erkrankungen wie eine depressive Episode erschweren einerseits die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung. Sie verleiten andererseits dazu, vorschnell und f
Herausfo rderung an die Therapeuten: hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Geduld, Flexibilität und Kompetenz erforderlich. Faktoren, die eine erfolgreiche Therapie bei Persön lieh kei tsstöru ngen auszeichnen: • Hierarchisierung von Behandlungszielen, d. h. die oft in großer Zahl vorliegenden "offenen Baustellen" des Patienten werden in einer hierarchisierten Form bearbeitet (-+ Abb. 12.1), um sich im therapeutischen Prozess nich t zu "verzetteln" • Strukturmerkmale:
- Genügend Zeit für den Aufbau der therapeutischen Beziehung - Ab chluss einer Therapievereinbarung (= Behandlungsvertrag) - Soziale Kompetenzen des Betreffenden werden gefördert und weiterentwickelt - Dysfunktionale Verhaltensmuster und D nkst ile werden bearbeitet
akute Suizida lität oder akute Fremdgefährdung
therapiegefährdendes Ve rhalten (z.B. wiederholtes Versaumen oder Absagen der Therapiestlzungen)
schwere Störungen der Verhaltenskontrolle (z.B. bei Sucht, schwerer depresstver Eptsode)
schwere Störung des emotionalen Erlebens (z. B. bet Pant kattacken mit agoraphobischem Vermeidungsverhalten)
Probleme in der Lebensbewältigung (z.B . bei Partnerscha ft skonflikt, Arbeitslosigkeit)
Abb. 12.1 Hierarchisierung von Beh an dlungszielen in der Psychotherap ie von Persö nli chkeitsstörungen - Therapeutisches Vorge hen orientiert sich tark an den vorhandenen Fä higkeiten und Begabungen (= Ressourcen ) des Pa tienten - Neue Erfahrungen werde n in den Alltag übertragen (Transferleistung) - 'l11erapeuten werden kontinuierl ich supervidiert.
Fü r einzelne Persönlichkeitsstörungen liegen berci ts effektive störungsspezifische 'Therapieprogramme vo r, z. B. fü r die Borderline-Störung. Pharmakotherapie. • Keine zugelas enen Medikamente, nur Offlabel-Anwendung möglich • Medikamentöse Therapie richtet sich in der Regel symptomorientiert auf Teilaspekte der Persönli chkeitsstörung, z. B. auf das Auftreten sta rker Aggressivität oder Wut bei Borderb ne-Pe rsönhchkei tsstöru ng. Wenn ei.ne symptomorientierte Pharmakatherapie bei Persönlichkeitsstörungen erforderlich ist, sollte sie möglichst in eine Psychotherapie eingebettet sein. Verlauf • Insgesamt stark schwankend, erheblich von der jeweilige n Lebe nssituation ab hängig • Ca. 50 % aller Patienten sollen von einer Psychotherapie profitieren • Etwa ein Drittel aller Betroffenen erlebt einen ungü nstigen Verlauf mit schweren Beeinträchtigungen im Alltag • Suizidrisiko bei den Persönlichkeitsstörungen insgesamt: 2-6 %.
0 Was ist eine Persönlichkeitsstörung? 0 Welche spezifischen Per önlichkeitsstörungen kennen Sie? 0 Welche davon treten häufig auf und welche selten?
Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung Die ängstlich-vermeidende Per önlichkeitsstörung - oder im D M-JV die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung - tr itt mit in r Präva lenz von knapp l% in der Allge mei nb völkeru ng selten auf. Unter p y hiatris hen Patienten soll allerding etwa jeder Zehnte daran leiden. Die Diagno ekriterien sind in-+ Tab lle 11.4 wiedergegeben .
Charakteristisch für die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung sind überdauernde Gefühle der Unzulänglichkeit, eine Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und eine daraus resultierende soziale Hemmung.
149
12 Persönlichkeitsstörungen
Tab. 12.4 Diagnosekriterien für die ängstlich-vermeidende Persönlichkeits stö rung nac h ICD-10 (F60.6)
Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen: • Andauernde und umfassende Gefühle von An spannung und Besorgtheit • Überzeugung, selbst sozial unbeholfen, unattraktiv oder minderwertig im Vergleich mit anderen zu sein • Übertrieben e Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden • Persönliche Kontakte nur, wenn Sicherheit besteh t, gemocht zu werden • Einge sch rän kter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach körperlicher Sicherheit • Vermeidung beruflicher oder sozialer Aktivitäten, die intensiven zwisc henm enschlichen Kontakt bedingen, aus Furcht vor Kritik, Missbilligu ng oder Ablehnung
0 Welche psychische Symptomatik ist typisch für die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung?
Abhängige Persönlichkeitsstörung • Synonym in der DSM-I V: dependente Pe rsönlichkeitsstörung • Die Häufigkeit in der Allgemein bevölkerung wird mit 1- 2% angegeben • Un ter sta tion är behandelten psychiatrischen Patien ten sollen 10% betroffen ein.
führungdurch eine kompetente, überlegene Person angewiesen zu sein • Ein tatsächliches oder befürchtetes Alleinsein ist mit massiven Gefühlen von Hilflosigkeit und Schwäche verbunden . Eigene Bedürfnisse werden denjenigen des Gegenübers bereitwillig untergeordnet.
• Hauptmerkmal der abhängigen Persönlichkeitsstörung ist die Überzeugung, im Alltag stets auf die Unterstützung und
Tab.12.5 Diagno se kriterien der abhängigen Persönlichkeitsstörung nach ICD -10 (F60.7)
Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verha ltens weisen mü ssen vorliegen: • Ermunteru ng oder Erlaubnis an ande re, die mei sten wichtigen Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen • Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit be steht, und unverhältnismäßige Nac hgi ebigkeit gegenüber deren Wünschen • Mangelnde Bereitschaft zur Äußerung selbst angemessener Ansprüche gegenüber Personen von denen man abhängt ' • Unbeh agliches Gefühl, wenn di e Betroffenen all eine sind, aus übertriebener Angst, nich t für sich alleine sorgen zu können • Häu figes Besch äftigtsein mit der Furcht verla sse n zu werden und auf sich selber angewiesen zu sein • Eingeschränkte Fähigkeit, Alltagsentsc heidungen zu treffen, ohne zahlreiche Ratschläge und Bestätigungen von anderen
Welche typischen Verhaltensweisen zeigen Patienten, die an einer abhängigen Persönlichkeitsstörung leiden?
150
Anankastische Persönlichkeitsstörung Symptomatik Menschen mit anankastischer. oder nac h D MV! zwa nghafter Persö nlich keitsstö rung werden als rigide, wenig fl exibl e und pedantische Zeitgenossen beschrieben. Sie fa ll en du rch ein hohes Maß an Perfektionismus auf und neigen dazu, sich in unwesentlichen Deta il zu verlieren. Sie beschäftigen sich viel mit Regeln, Listen oder Plänen und orientieren sich an ge eilschaftliehen Normen und Regeln. Genussvolle Aktivitäten oder zwischenmenschliche Beziehungen werden zugLmsten von Arbeit und Pflichten vernachlässigt. Sie fallen oft durch übertri ebene parsa mkeit oder das Sammeln und Horten noch gebrauchsfahiger Gegenständ e auf. Häufi g haben ie Angst, "die Kontrolle" über eine Situ ation zu verlieren und dann überwältigt, funktionsunfähig und hilflos zu sein. Im Denken fa ll en eine Neigun g zu SchwarzWeiß-Denken auf ("Entweder ich mache es rich tig oder gar nicht") und das ständige Bewerten alles Erlebten in Katego rien wie "richtig" und "falsch", "gut" und "schlecht". Epidemiologie und Komorb idität • Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung: etwa 2% • Prävalenz bei tationär psychiatrisch behan delten Patienten: um 7% • Komorbidität häufig rnit depressiven Syndromen, Angststörunge n od er somataformen Störungen • Komorbidität mit Zwangsstörungen ist dagegen eher selten . Wichtige Differenz iald iagnosen • Zwangsstörungen (-+ Kap. 10)
Tab. 12.6 Diagnosekriterien der anankastisc hen (=z wanghaften) Persönlichkeitsstö· rung nach ICD-10 (F60.5) Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen: • Gefühle von starkem Zweifel und übermäßiger Vorsicht • Ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnungen, Organisation oder Plänen • Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert • Übermäßige Gewissenhaftigkeit und Skrupelhaftigkeit . • Unverhältnismäßige Leistungsbezogenhe1t unter Vernachlässigung bis zum Verzicht aufVergnügen und zwischenmenschliche Beziehungen • Übertriebene Pedanterie und Befolgung sozialer Konventionen • Rigidität und Eigensinn • Unbegründetes Bestehen darauf, dass ande re sich exakt den eigenen Gewohnheiten unterordnen, oder unbegründete Abnei · gung dagegen, andere etwas machen zu lassen • Anankastisch anmutende Verhaltensweisen bei hirnorganischen Erkrankungen wie vaskulärer Demenz oder Basalganglienerkrankungen • Zwanghafte Symptome im Rahmen eines depre siven Syndroms. Therapie • Berücksichtigung der allgemeinen Psychotherapieprinzipien für Persönlichkeitsstörungen • Wahrscheinlich wirksam: kognitive Therapie nach Beck (-+ Kap. 4).
D Beschreiben Sie die Charakteristika einer anankastischen Persönlichkeitsstörung. 0 Wie häufig ist sie? 0 Welche anderen Erkrankungen können mit zwanghaften Verhaltensweisen einhergehen?
Dissoziale Persönlichkeitsstörung Definition und Symptomatik • In der DSM -IV: antisozin ie Persön li hk itsstörung
• Veraltet: "psychopath ische" oder "soziopathis he Persönli hkeit" bzw. "P ychopathie" od r ,.Soz iopathie". 15'
12 Persönlichkeitsstörungen
Menschen mit di ssoz ialer Pe rsönlich ke itsstörung fallen durch eine eigung zu unbedachten und impulsiven Verhalten sweisen auf. Di ese werden oh ne Rücksicht auf die l~ olgen für andere oder sich selbst ausgefü hrt. Beides lässt sich mit dem Vorliegen einer gerin ge n Frustra tionstoleranz erklären, die zu ei nem oft un überlegten Streben nach kurzfristig erreichbarem Vergn ügen, Aufregu ng oder Abenteuer führt. Sie verfügen über eine hohe Risikobereitschaft bei gleichzeitig vermindertem Angstempfinden. Sie erleben di e Welt als vom "Fressen und Gefressen-Werden" regiert und holen sich das, was ihn en ihrer Meinung nach zusteht. Dabei fü hlen sie sich berechtigt, Regeln, Normen und Gesetze zu missachten. Delinquentes Verh al ten kann dabei eine Folge dissozialer Wesen züge sein, muss es aber nicht. In Beziehungen dominie ren ein Mangel an Empa thie sowie geringes Schuldbewusstsein un d Veran twortun gsgefühl. Sie verhalten sich Partnern, Kindern oder Freunden gege nüber häufig unzuverlässig und unberechenbar.
Epidemiologie und Komorbidität • Allgemeinbevölkerung: bei 3- 7% aller Män nerund 1- 2% aller Frauen • In Strafvoll zugsanstalten erheblich höhere Prävale nz • Häufig Komorbidität mit einer weiteren Per önlichkeitsstörung, vor allem Borderlinehi strionische und narzis tische Persönlich~ keitss törung • Hä utige Komorbiditär mit Alkohol- und Drogenproblemen. Wichtige Differenzialdiagnosen • Na rzissti ehe Persönlichkei tss törung • Borderlin e-Persönlichkeitsstörung • Histrioni sche Persönlichkeitsstörung • ADHS. Therapie Psychotherapie. Hochstrukturierte, kognitivbehavioral au sgerichtete störung spezifi ehe Therapiep rogramme (m ittlere Effekt tärken).
Pharmakotherapie. Off-label, symptomorien tie rt , z. B. atyp ische Neuroleptika bei unkontrollierbarer Wut.
Tab. 12.7 Diagnosekriterien der dissozialen Persönlichkeitsstörung nac h ICD -10 (F60.2) Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Ve rhaltensweisen müssen vorliegen: • Herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühl e n anderer • Deutliche und andauernde verantwortungslose Haltung und Missacht ung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen • Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehu ngen, obwohl keine Schwierigkeit besteht sie einzugehen • Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggres sives, einschließlich gewalttätiges Verhalten • Fehlendes Schuldbewusstsein oder Unfähigkeit, aus negativer Erfahrung, insbesondere Bestrafung zu lernen • Deutliche Neigung, ande re zu beschuldigen oder plausible Rationalisierungen anzubieten für das Verhalten, durch welches die Betreffen den in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten sind
0 Was sind die Hauptmerkmale einer dissozialen Persönlichkeitsstörung? 0 Wie häufig ist sie und wo kommt sie besonders häufig vor? 0 Weiche zusätzlichen psychischen Erkrankungen bestehen oft?
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Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung Synonyme und verwandte Begriffe • ICD-10: Emotional instabile Per önlichkeitsstörung vom Borderline-Typus. Unterschieden wird hi.er noch eine emotional instabile Persön152
lichkeitsstörungvom impulsiven Typus. Die kli ni, he Relevanz dieser Unterscheidung ist unklar • DSM-JV: Bord rline-P r önlichkeitsstörun g • Borderline- törung.
Aus didaktischen Gründen werden im Folg nden die Begr iffl ichkeil und die Diagnosekriterien des DSM-IV verwendet. Symptomatik • Im Mittelpun kt der Borderline-Per önlichkeitsstörung (BPS) steh en Probleme der Affektregul ation, der Impulskontrolle und des Identitätserlebens • Die genannten Symptomkomplexe bed ing n wiederum eine charakteristische Art und Weise der ßeziehungsgesta ltu ng. Störungen der Affektreguiation. • Menschen mit BPS leiden einerseits unter außergewöhnlich intensiven, bereits auf geri nge Reize anspringenden und nur langsam abklingenden emotiona len Reaktionen • Andererseits wechseln die genannten Gefü hle auch rasch oder treten als Gefühlschaos auf • In der Regel fällt es den Betroffenen clrvver, einzelne Gefühl qualitätenwie Wut, Ärger, Stolz oder Traurigkeit wahrzunehmen und zu benennen. Sie erleben stattdes en - insbesondere anstelle "negativer" Gefühlsqualitäten quälende, lang anhaltende, diffuse Anspan nungszustände • 1m Rahmen dieser Anspannung zustände treten nicht elten eine veränderte Schmerzoder Körperwahrnehmung, z. B. Analgesie oder dis oziative P h änomene( ~ Kap. 10) auf. Viele Patienten klagen auch über ein chronisches Gefüh l der "inneren Leere" oder über Depressivität.
Störungen der Impul skontroUe. • Viele Patienten machen im Laufe ihrer Erkrankung die Erfahrung, dass sie die quälenden emotionalen Spannungszustände durch starke Sinnesreize unterbrechen können • o entwickeln sie beispielsweise selbstschädigende Verhaltensweisen wie Selbstverletzungen -etwa durch Schneiden, Brennen oder Schlagen mit dem Kopf gegen die Wand - oder riskante Verhaltensweisen - beispiel sweise Fahren mit überhöhter Geschwin digkeit, promiskuitives Sexualleben oder Sitzen auf Bahnschienen • Weitereimpulshaft auftretende Verhaltenswei en, die der Emotionsregulation dienen sind impulshaftesEinkaufen und Stehlen, Störungen des Essverhaltens, z. B. Essanfalle oder gezüge.ltes Essverhalten ( ~Kap. 16) sowie Alkohol -, Medikamenten- oder Drogenkonsum. Auch aggressive Durchbrüche kommen vor • Im Zusammenhang mit den genannten emotionalen Anspannungszuständen kommt es wiederholt zu Suizidgedanken, -äußerungen und auch -handlungen . Störungen des Identitätserlebens. • Es besteht häufig eine deutlich ausgeprägte Unsicherheit hinsichtlich des körperlichen, sexuellen, p ychischen oder geistigen Selbstbilds • Hinzu kommen einzelne Symptome wie Derealisations- oder Depersonalisation erleben, Albträume, Intrusionen oder Pseudohalluzinationen, die sich häufig auf frühere trauma tisc he Erlebnisse beziehen, z. B. aufkörperliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch.
Tab.12.8 Diagnosekriterien für die Borderli ne-Persön lichkeitsstörung (DSM-IV) Mindesten s fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sei n:
Affektivität • Unangemessene starke Wut oder Schwierigkeiten, Wu t oder Ärger zu kontrollieren, z_ B. häufige Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederholte Prüge leien • Affektive In stabilität, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimm ung gekennzeichnet ist • Chronisches GefUh l der Leere
Impulsivität • Impulsivität in mindestens zwei poten ziell se lbstschäd igenden Bereichen, z. B. Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle • Wiederkehrende Suiziddrohungen, -a ndeutungen oder -versuche oder se lbstschä digende s Verh alten
Kognition • Vorübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome • ldentitätsstörungen: eine ausgeprägte Instabilität des Se lbstb ild s oder des Gefühls für sich selbst
Interpersoneller Bereich • v erzweifeltes Bemühen, reale oder imaginäres All einsein zu verhindern • Mu stervon in sta bilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen
12 Persönlichkeitsstörungen
Störungen der ßeziehungsgestaltung.
• Im zwischenmenschlichen Bereich suchen die Betroffenen ei nerseits große Nähe und fürchten nichts mehr, al vom Gegenüber verlassen zu werden • Andererseits ist die Beziehungsgestaltun g häufig auch durch schroffes, abweisendes Ve rh alten gekennzeichnet, das nicht selten in eine m Abbruch der Beziehung münd et • Sie selbs t erl eben sich häufig als .,Aii en", d. h. als ein von der Gesellscha ft als frem dart ig betrachtetes und ausgeschlossenes Wesen. Bei wiederholter Suizidalität, Selbstverletzungen, selbstschädigenden Verhaltensweisen und emotionalen Spannungszuständen im mer an eine Borderline-Persönlichkeitsstörung denken.
erneutes Erlebe n von Gewalt im Erwachsenenalter • Biologischen Komponenten , z. B. genetischer Ei nfluss auf die Affekt regulation. Das Zusam menwirken die er Faktoren wird als Motor für die En twicklung dysfunktionaler Grundannahmen wie " Ich bin ein schlechter Mensch" oder "Ich bin kompl ett wertlos'' mit de n en t prechenden kogn itiven und emotionalen Reaktionskomplexen, z. B. emotionale Anpannungszustände, betrac htet. Die dysfunktionalen Reaktionskomplexe verhin dern ihrerseits, dass förderl iche, positive Lernerfahrungen gemacht und frühere traum atische Erlebnisse verarbeitet werden. • Etwa 70 % aller Patienten mit BPS berichten über sexuelle Gewalt in der Kindheit • Das Erleben einer sexuellen Traumatisierung ist jedoc h keine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung einer BPS.
Epidemiologie und Komorbidität
• Häufigkei t in der Allgeme in bevölkerung: etwa 1- 2% • Hohe Präva lenz bei tationär psychiatrisch behandelte n Patienten: JS-20% • Suizidrisiko bei Patienten mit BP i t 50-mal höher als in der Allgemeinbevölke rung, etwa 8-!0% der BPS-Patien ten sterben durch Suizid • Geschlechterverteilung: insgesamt in etwa ausgeglichen - Psychotherapeutische Behandlung suchen überwiegend Frauen - Männer mit BPS sind aufgrundder erhöh ten Fremdaggre sivität eher in forens ischen Einrichtungen oder Justizvoll zugs anstalten anzutreffen - Selbstverletzungen kom me n bei Männern seltener vor • Komorbidität sehr häufig mit depress.iven yndromen, Angste rkrankun gen, Alkoholund Drogenkonsum, Schlaf- und Essstörungen, ADHS • Häufig werden Diagnosekriterien einer zweiten Persönlic hkeitsstörung erfüllt, in sbesondere dependente, äng tlicb -vermeidende oder paranoide Persön lichkeitsstörung. Ätiologie
Die Ätiologie der BP im Gesamten i t noch unbekan nt. Di kutiert wird das Zusam menspiel vo n: • Psychosoz ialen Risikofa ktoren, z. B. weibliches Gesch lecht, frühe Trauma tisierung,
154
Wichtige Differenzialdiagnosen
• • • • •
Dep ressive Syndrome uchte rkranku ngen Essstöru nge n ADHS Selten: artifi zielle Störung( -+ Kap. 10).
Therapie Psychotherapie.
Die bekann testen Psychotherapieverfahren zur Behandlung der BPS sind: • Dia lektis h-behavio rale Therapie (DBT, nach Linehan) • Mindfulnes Ba ed 111erapy (MBT, achtsa mkeilsbasierte 1l1erapie na h Bateman und Fonagy) • Schemafokussierte Therapie (SFT, nach Yo ung) • Übertragungsfoku iert:e Therapie (Transference focused therapy, TFT nach Kernberg). • Pharmakotherapie. Off-label: Atypische Antipsychotika, z. B. Aripiprazol oder timmung s t ·~bd~ ierer, z. B. Lamotrigin , Topi ramal, bei Wut, Arger oder Impulsivität. Prognose und Verlauf • U nbehandelt: ungünstiger Verla uf
• Etwa 50% der behandelten Patienten sprechen auf Psycho therapie an.
•
0 Beschreiben Sie die charakteristischen Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. 0 Welche Problematik führt Patientinnen mit Borderline-Störung häufig in die Notaufnahme einer chirurgischen oder internistischen Klinik?
0 Welche anderen psychischen Erkrankungen sind bei Patienten mit Borderline-Störung häufig?
Histrionische Persönlichkeitsstörung • "histrio" lat. : chauspieler • Histrionische Persönli chkeitss törung ersetzt den früher gebräuchlichen Begriff de r "hys terischen Persönlichkeit".
Symptomatik Mensche n mit einer histrio nischen Persö nlichkeitsstörung möchten immer im Mittelpunkt des Geschehens tehen, sie suchen ständ ig nach Bewunderung, Lob und Aufmerksa mkeit durch andere. Sie fallen häufig du rch ihr dra mati sc h oder t heatra li sch wirke ndes Verhal ten und eine übertr.ieben wirkende Emoti onali tä t auf. ie wirken extravertiert, aufgesch lossen und charm ant , bisweilen auch übertrieben ve rfü hrerisch. Bei näherem Kon takt ent teh t nicht selten der Eindruck, hinter de r au fregende n "Kul i e" fehle es an "Tiefgang". Der Denkst il wird häufig als im pression istisc h, d. h. als vage, sp ru nghaft oder ungenau beze ichnet. In nerl ich ist den Betroffenen die Künstlichkei l ih re r Insze nie rungen durchaus bewus t. Sie leiden in der Mehrhei t unter ei nem ti efverwurzelten Gefü hl der Unz ulä nglic hke it und des "Nicht-Gewoll t-Seins . Mit ihrem ve rzwei felten Streben nach vollkommener Bewu nderun g und Anerken nun g komp ensieren ie ihre
existenzielle Angs t, von anderen abgelehnt zu we rde n. Bei Lebe nse reignissen wie der Trennu ng vo n eine r wichtigen Bezugsperson entwickeln sich oft drama ti eh wirkende Krise n, die nicht selte n in Su iziddrohun gen und -hand lungen mü nd en. Epidemiologie und Komorbidität • Pr~iva l e n z in der Allgemein bevölkerung: 2- 3%
• Hä ufigkeit bei ambu la nt oder stationär beha ndelten psychiatrischen Patien ten: etwa 5% • Ko morbidität an1 häufigsten mit depressiven Syndromen, Angststö ru ngen oder Substanzmissb rauch. Wichtige Differenzialdiagnosen
• Trennungskrisen bei dependenter Persönlichkeitsstö rung • omatoforme Störunge n. Hauptmerkmale der histrionischen Persönlichkeitsstörung sind übermäßige Emotionalität, Expressivität, impressionistischer Denkstil und Aufmerksamkeit suchendes Verhalten mit dem Bestreben, stets im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen.
Tab 12.9 Di agnosekriteri n de r histrioni sc hen Persö nl ich keitss törun g (I CD-10) (F60. 4) Mindest en s vi er der fo lge nden Eige nsc haften ode r Verhalte nsw eise n mü ss en vorli egen: • Dramatisch e Se lbstda rstellung, th eat rali sc hes Auftreten od er übertrieb ener Au sdruck von Gefü hlen • Sugge stibilität. leichte Bee in fl ussba rkeit durch and ere od er durch Ereigni ss e (Um ständ e) • Ob erflächliche, lab ile Affek te • Ständige Su che nac h aufregend en Erl ebn isse n un d Akt ivit ät en, in dene n die Betreffend en im Mitte lpu nkt der Aufme rksa mkeit ste hen • Unangemesse n verfUhrerisc h in Ersc heinu ng und Verh alten • Übermäß ige Besc häftigun g da mit, äußerli ch att raktiv zu ersc heine n
0 Was sind die Charakteristika der histrionis hcn Persönlichkeitsstörung?
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12 Persönlichkeitsstörungen
Narzisstische Persönlichkeitsstörung Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung zeigen nach außen hin ein übertriebenes SelbstwertgefühL Im Verhalten wirken sie häufig überheblich oder arrogant. ie verhalten sich wie etwas "Besonderes" oder "Einzigartiges" und verlangen vom Umfeld eine entsprechende Sonderbehandlung. Da diese Ei nschätzung von ihrer Umgebung in der Rege l nicht oder nur begrenzt gete ilt wird, kommt es bei nicht ausreichender Wertschätzung oder Kritik zu intensiven Reaktionen von Wut. Schwierigkeiten im zwischen menschlic hen Bereich resu ltieren au einem Mangel an Einfühlungsvermögen gegenüber den Gefüh len und Bedürfnissen anderer. Andere Menschen werden nich t selten ausgenutzt, um eige ne Zie.l e zu erreichen. Innerlich bestehen oft intensive Ängs te vor Kritik, ein sozia.l es Unbehagen, chü chternheit sowie ein fragiles Selbstwerterleben .
Berufliches oder privates Scheitern führt oft zu krisenhaften Zuspi tzungen mit depressiven Reaktionen und Suizidalität. Häufigkeit: • Unklar • In der Allgemeinbevölkerung mit bis zu 0,4 % eher selten • Bei p ych iatrischen und psychosomatischen Patienten bis zu 1,3% etwas häutiger. Sehr häufig Kombination mit anderen Persön lichkei tsstö run gen, v. a. histrionische PS. Hauptmerkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind Gefühle der Großartigkeit, das Bedürfnis nach Bewunderung und "Selbstverherrlichung" sowie mangelnde Empathie für andere bei gleichzeitig fragilem Selbstwerterleben.
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0 Welches Verhalten ist typisch für Menschen mit na rzisstischer Persönlichkeitsstörung?
Paranoide Persönlichkeitsstörung Hauptmerkmal der para noiden Persönlichkeitsstörung ist ein übergroßes Misstrauen oder Argwohn gegenüber anderen Menschen. Neutrales oder freundliches Verhalten anderer wird grundsätzlich als feindselig, bösw illig oder kränkend interpretiert. Außerdem besteh t eine erhöhte Empfindl ichkeit und Kränkbarkeit h.insichtlich vermein tlicher oder tatsächlicher Rückschläge oder Zu rücksetzungen. [n ihrer Bezi.eh ungsgestaltung verhalten sich Menschen mit paranoider Persönlichkeits törung zum Teil rechthaberisch und bestimmend, teilweise auch zurückhaltend oder feindse lig. Daraus resultiert einernehr oder minder au geprägte soziale Isolation, welche die Grundan nahmen der Betroffenen wie "Die anderen sind gegen mich" oder "Die anderen wollen mich schädigen und hintergehen" wiederum verstärkt:. 156
• Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung: etwa 1,5- 3% • Ein Therap ie erfolgt nur sehr selten, da die Betroffenen misstra uisch sind und der Überzeugung, dass andere an ihren Schwierigkeiten chuld seien • Professionelle Hi lfe wird ehe r aufgrundvon Folgeproblemen ges ucht, z. B. aufgrund eines dep ressiven Syndroms, Partnerschaftkonflikten oder Alko holm issbra uch. Hauptmerkma le der paranoiden Persönlichkeitsstörung sind ein t iefes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen Menschen, deren Motive grundsätzlich als feindsel ig oder diskriminierend interpretiert werden.
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0 Welche Verhaltensweisen sind typisch fü r die paranoide Persönlichkeitsstörung?
Schizoide und schizotype Persönlichkeitsstörung • Sc~~~oide Persönlichkeitsstörung Personen mit schi zoider Persönl ichke itsstörun g fallen durch Einzelgängertum , Dis tanziertheil in soziale n Beziehun ge n und ein hohes Maß an Autonomiestreben auf. Ohne direkt unfreundlich zu wirken, werden im zwischen mensch li chen Kontakt nu r begrenzt Gefühle von Wärme, Zuneigung oder aber auch Arger ausgedrückt. Sie bevorzugen Tätigkeiten, die sie alleine durchführen können und legen nicht selten gro ßen Wert auf die EntwickJ ung ihrer geistigen Fähigkeiten. Enge menschliche Beziehungen wie eine feste Partnerschaft erscheinen ih nen wenig attraktiv. Durch ihr häufig wenig entwickeltes Gespür für soziale Normen oder die Feinheiten von lnteraktionsprozessen neigen sie dazu , sich in sozialen Situationen ohne Ab ichtunbeholfen oder unp asse nd zu ve rh alten. • Prävalenz in der Allgemei nbevölkerung: 0,5 1,5 % • Häufigkeit bei psych iatrisch behandelt n Patienten: bis zu 2 %. DifferenzialdiagnosHsch sollte gedacht werden an: • Asperger-Syndrom, Autismus des Erwachsenenalters (-+ Kap. 13): Möglicherweise besteh t zwischen der Diagnose Asperger- yndrom und der schizo ide n Pe r önli chkeit tö-
rung eine große Überschneidung. Dies ist jedoch noch nich t aus reichend gekJärt • Schizotype Persönlichkeitsstörung: Sie wird als Störung aus dem Spektrum der schi zophrenen Psyc hosen betrachtet • Andere Persönlichkeitsstörungen mit sozialem Rückzu g, z. B. paranoide, ängstlich-vermeidende oder zwa nghafte Persönlichkeitsstörung • Persön lichkeitsänderung nach länger anhaltenden organischen Erkrankungen oder bei anhaltendem Suchtmittelgebrauch.
• Schizotype Persönlichkeitsstörung - --- --------~-
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Schi zotype Per önl ichkeiten le iden unter sozialen Defiziten, die sich als Un behage n in Beziehungen oder Unfä higkeit, Bindungen einzugehen, manifestie ren. Zudem fa llen sie durch verschroben wirkende Verhaltensweisen un d einen eigenwilligen Denkstil auf Sie sind oft m.it magischen Denkinhalten oder seltsamen Uberzeugun gen beschäftigt, äußern Beziehungsideen oder paranoide Vorstellungen. Sie leben häu fi g sozial isoliert und leiden aufgrund ih rer paranoiden Ideen in der Regel unter großen sozialen Ängsten. Im lCD-10 wird diese Störung der Kategorie "Schizophrenien und andere psychotische
Tab. 12.10 Diagno se kriteri en fü r die sc hizo id e Persönlichk eitsstörung nach ICD-10 (F60.1) Mindeste ns vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweise n müsse n vo rliegen: • Wenn überhaupt, dann bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude • Zeigt emotionale Kühle, Distanz iertheit oder einen abge flach te~. Affekt • Reduzi erte Fähi gkeit, warm e, zä rtliche GefUhle für andere oder Arger auszu drücken • Ersche int gleichgü ltig gege nüb er Lob oder Krit ik von anderen • Wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit ein em anderen Menschen (unter Berücksi chtigung des Alters) • Fast immer Bevorzugun g von Akt ivitäten, di e alleine durchzuführen sind • Übermäßige Inanspruch nah me durch Fantas ien und lntrovertiertheit • Hat keine oder wUnsc ht keine enge n Freunde oder vertrauensvolle Beziehungen oder höchs tens ei ne • Deutlich mangelhaftes Ges pUr fUr ge ltend soz iale Normen und Konventionen. Wen n sie nicht befolgt werden, ge chi eht da unabsichtlich
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12 Persön lieh keitsstörungen
Störungen" zugeordnet. Dies liegt darin begründet, dass unter Verwa ndten eines Menschen mit schizoph rener Psychose eine erhöhte Häufigkeit
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der sch izotypen Persö nlichkeitsstörung beob achtet wird und umgekehrt.
0 Beschreiben Sie das klinische Bild der schizoiden Persönlichkeitsstörung. 0 Mit welcher anderen Störung gibt es hinsichtlich der Symptomatik auffallige Überlappungen? 0 Wie grenzt sich die schizotype Persönlichkeitsstörung von der schizoiden Form ab? 0 Welche Beziehung besteht bei der schizotypen Störung zu den schizophrenen Psychosen?
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Störungen der Impulskontrolle und andere lang anhaltende Verhaltensstörungen Sabine Frauenknecht
Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 ADHS im Erwachsenenalt er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Asperger-Synd rom im Erwachsenenalter ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Stalking. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 Störungen der Impulskontrolle und Verhaltensstörungen
Dieses Kapitel fasst verschiedene Kategorien von "Verhaltensa uffalligkeiten" zusammen: • Zum einen werden die in der fCD-10 unter F63 geführten .,abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle" beschrieben • Zum anderen wird auf drei Störungen eingegangen, die in den letzten Jahren in der Er-
wachsenenpsychia trie an Bedeutung gewonnen haben: - Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit und ohne Hyperaktivität (ADHS/ADS) - Der Asperger-Autismus - Das sogenannte Stalking.
Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle Unter diesem Begriffs ind Verhaltensweisen zusammengefasst, die wiederholt auftreten und die Handlungen und Impulse beinhalten, die als unkontrollierbar erlebt werden. In der Regel empfinden die Betroffenen einen unwiderstehli chen, intensiven Drang, eine bes tim mte Handlung auszuführen. Während der Handlu ng erl eben sie häufig ein en Zustand der Euphorie, Lust ode r Erleichterung. Die Handlungen werden immer wieder durchgeführt, obwohl den betroffenen Personen oder ande ren Menschen dadurch Schaden entsteht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Patienten ihr Handeln selbst als unvernün ftig und schädlich empfinden. Die ICD -10 unterscheidet vier Diagnosen: • Pathologisches Glücksspiel • Pathologische Brandst iftung(= Pyromanie) • Pathologisches Stehlen (= Kleptomanie ) • Trichotillomanie (= Haareausreißen). Es wird diskutiert, ob auch die exzessive, suchtartige Nutzung des lnternets zu den Störungen der Impulskon trolle gehört. • Die Störungen der Im pulskontroll e sind diagnostisch heterogen
• Erkrankungen, bei denen ebenfalls die Zugehörigkeit zu den Impulskon trollstörungen diskutiert wird, sind di e Essstörungen (-+ Kap. 16), die sexuellen Devia tionen (-+ Kap. 14) sowie die Persönlichkeitsstörungen des Clusters B (-+ Kap. 12). Die Pyromanie und die Kleptoman ie werden aufgrundder feh lenden IMPP-Relevanz nur kurz beschrieben. Pyromanie.
• Unwide rstehlicher Drang, Feuer zu legen mi t wiederhol ter vers uchter oder vollendeter Brandsti ftung • Häufig intensive Beschäftigung der Betroffenen mit allen Themen rund um Brand und Feuerwehr 160
• Insgesamt seh r selten, betri fft häufig sozial unterprivilegierte Männer, z. T. mit Intelli genzminderung, soziale n Defiziten oder anderen Verhaltensaultilligkeiten. Kleptomanie.
• Wiederholter Drang, Diebstäh le zu begehen, zume ist ohne das dadurc h ein persönlicher Nutzen oder eine Bereicherung entsteht • Kommt sehr sel ten vor, Frauen etwa 3-mal häufiger betroffen als Männer • Hä ufig a~sozii er t mir affektiven Störungen, Angststörungen, Essstörungen, ADHS oder Persönlichkeitsstöru ngen .
• Patholo~~~che_:;_.§!~_cksspiel - -------. -
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Symptomatik
• Die betroffenen Menschen erl eben einen unwiderstehlichen Drang zu wiederholtem Glücksspiel um Geld, z. B. Automaten- und Kartenspiel, Sportwetten oder Roulette, aber auch: riskante Börsenspekulationen • Positives Anfangsstadium : Beim Spielen erleben sie anfangs ei ne rauschhafte Euphorie und ein gesteigertes Selbstwertgefühl • Kritisches Gewöhnungsstadium : Im Laufe der Zeit entwickel t sich ein zunehmender Kontrollverlust, d. h. sie haben das Ve rlangen, mit immer höheren Einsätzen und immer häufiger zu spi.elen, um den dabei entstehenden "Kick" zu erleben. Verluste und zunehmender Zeitaufwand führen häufig zu massiven finanzie llen, beruflichen und zwischenmen chlichen Problemen • Suchtstadium: Das Verhalten wird trotz dieser Schwierigkei ten for tge etzt und verheim licht, . o lange es geht. icht selten führen Verschuldung und Schwierigkeiten der Geldbeschaffung zu kriminell en Handlung n.
Epidemiologie und Komorbidität
Verlauf
• Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung: wn 2% • Männer häufiger betroffen als Frauen: Verhältnis 2: 1 • Beginn häufig bereits in der Adoleszenz • Komorbide psychi ehe Auftall igkeiten: - Affektive Störungen - Drogenmissbrauch oder -abhängigkeit, - ADHS - Persönlichkeits törungen, v. a. dissoziale, narzisstische und Borderline-PS.
• Unbehandelt in der Regel chronisch-progredient, gelegentlich auch in Schüben • Nach einer spezifischen stationären Behandlung: Bis zu 50 o/o der Patienten sollen über einen längeren Zeitraum abstinent bleiben.
Ätiologie
Die Entstehungsbedingu ngen sind noch unklar. Es wird von einem Zusammenw irken folgender Faktoren ausgegangen: • Empfänglichkeit für die .. positiven" Auswirkungen des Glücksspiels, also dem Kick; evtl. konstitutionell bedingte erhöhte Bereitschaft zum sogenannten Sensation seeking; vermutet wird eine herabgesetzte Aktivität bestimmter zerebraler serotonerger oder dopaminerger neuronaler Systeme • Evtl. genetische Prädisposition : häufig Komorbidität mit affektiven Störungen, auch erhöhte Häu.figkeit von Erstgradangehörigen mit affektiver Störung oder Suchterkrankung • Psychosoziale Belastungen: z. B. schwere Ehekonflikte, Traumatisierung oder Migration; Pathologisches Sp ielen wird als Bewältigungsstrategie eingesetzt. Therapie
Das Behandlungskonzept für Menschen mit pathologischem Glücksspiel wurde aus der TI1erapie der Alkohol- und Drogenabhängigkeit abge leitet(-+ Kap. 9). Es gliedert sich in drei Phasen: • Kontakt- und Motivationsphase • Entwöhnungsphase • Nachsorgephase. Eine enge Zusammenarbeit ambulanter und stationärer Behandlungseinrichtungen ist dafür unerlässlich .
• Trichotillomanie ------· Symptomatik
Die Betroffenen können dem Verlangen sich Haare auszureißen nicht widerstehen, was zu einem sichtbaren Haarverlust führt. Vor dem Ausreißen erleben sie eine starke Anspannung. Sie entwickeln ein Gefühl der Lust oder Erleichterung, wenn sie dem Impuls nachgeben. Typischerweise werden bevorzugt Haare des Kopfs ausgerissen, aber auch andere Körperhaare wie Augenbrauen, Wimpern, Bart- oder Schamhaare. Das Verhalten wird üblicherweise durch das Vorgeben anderer Ursachen für den Haarverlust verheimlicht. Epidemiologie, Verlauf und Komorbidität
• Bei Kindern nicht selten als vorübergehende Gewohnheit • Häufigkeit der anhaltenden Trichotillomanie in der Allgemeinbevölkerung: etwa 1-2 o/o • Gesch lechterverhältn is: im Kindesalter ausgeglichen, bei Erwachsenen Frauen häufiger betroffen als Männer • Verlauf: episodisch, fluktuierend oder chronisch • Häufig mit anderen Verhaltensstörungen assoziiert, z. B. Aufessen der Haare (= Trichophagie), Nägelkauen (= Onychophagie) aber auch mit affektiven Störungen, Angststörungen, ADHS oder Essstörungen. Therapie
• Verhaltenstherapeutische Interventionen • Off-label: Clomipramin.
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0 Was ist eine Störung der lmpulskontrolle? Nennen Sie Beispiele. 0 Wie sieht das typische klinische Bild beim pathologischen Glücksspiel aus? 0 Beschreiben Sie die Symptomatik einer Trichotillomanie.
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13 Störungen der Impulskontrolle und Verhaltensstörungen
ADHS im Erwachsenenalter Begriffe
• Aufmerksa mkei tsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (= ADHS) • Aufmerksamkeitsdefizit-Stö rung (= ADS ) • In der rCD-10 für Kinder und Jugendliche: hyperkinetische Störungen (= HKS) (F90)
• Im DSM-IV werden bei den Aufmerksamkeitsdefi zit-Störun gen ein hyperaktiv-impulsiver Subtyp, ein unaufmerksamer Subtyp sowie ein Mischtyp unterschieden. Definition und Symptomatik
Unter der ADHS wird eine Störung verstanden, die in der Kindheit beginnt und fo lgende Leitsymptome aufwe ist: • Gestörte Aufmerksa mkeit • [mpulsivität • Hyperaktivität. Das Vollbild der Störung kann bis ins Erwachsenenalter persistieren und dort durch seine Grundsymptome, aber noch mehr durch die so zialen und psychischen Folgen, erhebliches Leiden verursachen. Bei der ADS steht die Au fm erksamkeitsstörung im Vordergrund der Symptomatik, eine motori sche Hyperaktivität fehlt. Gestörte Aufmerksamkeit.
• Ein Mangel an Aufmerksamkeit äußert sich in Form von Konzentrationsstörungen, "geistiger Abwesenheit" und "Vert rä umtheit" • Die betroffenen Perso nen wirken im Gespräch unaufmerksam und ze rstreut und neigen zur Vergesslichkei t. Sie machen einen "sprunghaften" Eindruck, sprudeln vor Ideen und lassen sich leicht ablenken • In Tagträumen verlieren sie sich fü r längere Zeitspannen in "Fa ntasiewelten" • Tätigkeiten, die eine längere Aufm erksamkeitsspanne oder monotone Aktivitäten erfo rdern, werden nicht durchgehal ten. Organisa torisches Chaos bei der Erledigung von Alltagsaktivitäten oder anfallenden beru flichen Aufgaben ist an der Tagesordnung und behindert das Beenden von Arbeiten (Desorganisiertheit).
Zeigt sich in rascl~e ~ ,_ unbe dachten Entscheidungen oder AktlVl taten, z. B. in riska nten berufl ichen Transaktionen, unerwartete n Partnerwechseln, riskantem sex uellem Impulsivität.
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Verhalten oder waghalsige n sportlichen Unternehmungen. Die motorische Hype raktivi tät des Kindesalters ist bei Erwachsenen oftmals nicht mehr oder nur in leichter Form nachweisbar. Häufiger dagege n ist ein ständiges Gefühl innerer Unruhe und Anspannung, der Eindruck, ständ ig "auf dem Sprung" oder mit einem hohen "inneren Tempo" unterwegs zu sein und nicht gut abschalte n zu kön nen. Viele Menschen mit ADHS regulieren diese Energie durch regelmäßige sportliche Aktivitäten. Hyperaktivität.
Begleitsymptome:
• Häufig tritt eine emotionale Dysregulation in Form rascher Stimmungs wechsel zwischen Deprimiertheil und Euphorie auf • Mit zu neh mendem Alter werden auch vermehrte Gefühl e von innerer Leere, allgemei ner Unzufriedenheit, Langeweile und Depres sivität beschrieben. Psychosoziale Konsequenzen:
• Kinde r mit ADHS werden aufgrundihres Ve rhaltens oft gerügt und bestraft. So entwi ckeln insbesondere Mädchen mit ADHS schon früh ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit, was sich bei Erwachsenen als dauerhaft herabgesetztes Selbstwerterleben manifestieren kann • Berufli che Laufbahnen, die ein hohes Maß an Durchhaltevermögen und Kon ze ntration erfordern, werden oft abgebrochen. Häufig haben die Betreffenden in Ausbildung, Studium oder Karriere nicht den eigentlich ihren Begabunge n und intellektuellen Fähigkeiten entsprechenden Erfolg. Jobwechsel sind bei ihnen häufiger als in der Allgemeinbevölkerung
• Auch soziale Turbulenzen wie Scheidungen, ungeplante Schwangerschafren oder ein erhöhtes Risiko für Unfälle und sexuell übertragbare Krankheiten wurden beobachtet. Die psychosozialen Konsequenzen sind entscheidend für den Verlauf eines ADS/ADHS. Die Schweregrade des Syndroms umfassen ein breites Spektrum . Nicht se.lten sind die Merkmale ein er ADHS schwach ausgeprägt. Sie werden dann vo n der Umgebung oft als Teil der
Persönlichkeit betrachtet, d. h. di e Umwelt schätzt die Betroffenen als tempe ramentvoll, lebhaft oder sprunghaft ein . Unter gü nstigen psychosozialen Bedingungen werden diese Wesenszüge vom Betroffe nen als Begabung erlebt und genutzt, z. B. als Kreativi tät in künstleri schen Berufen. Nur die deutlich ausgeprägten Formen , die zu ~rheblich~n Schwierigkeiten in Beziehungen, 1m berufheben
Werdegang und zu großem subjektivem Leiden führen, sollten als Erkrankung diagnosti ziert werden. Menschen mit ADHS beklagen typische Störungen in folgenden Bereichen: • Kognition: Mangel an Aufmerksamkeit und Konzentration • Verhalten: lmpulsivität, Desorganisiertheit • Motorik: überaktivität, Anspa nnung • Affektivität: emotionale Instabilität, Langeweile. Epidemiologie und Verlauf • Bei Kindern und Juge ndlichen eines der häufigsten psychia trischen Störungsbilder: Prävalenz 3-10 % • Ca. 1 %aller Erwachsenen leiden an einem A~HS/ ADS, Männer etwa doppe lt so häufig w1e Frauen • Beginn: zumeist im frühen Ki ndesalter • Verlauf: bei 10 o/o aller Kinder persistiert das Vollbild bis ins Erwachsenenalter, dann in der Regel chronischer Verlauf; bei einem Drittel aller Kinder persistiert die Symptoma tik zumindest teilweise • Klinisches Bild abhängig von psychosozialen Bedingungen wie Arbeitsplatzsituation und Partnerschaft sowie eventuell bestehenden komorbiden Störun gen. Komorbidität Komorbide psychische Erkrankungen sind sehr häufig, insbesondere: • Suchterkranku ngen • Affektive Störungen • Angsterkrankungen • Nicht substanzgebundenes süchtiges Verhalten wie Spielsucht, Internetsucht, deviant:es sexuelle Verhalten und Essstörungen
• Persönlichkeitsstörungen, v. a. Borderlineund dissoziale Persönlichkeitsstörung. Ätiologie • Genetische Faktoren: geschätzte Erblichkeit um 80 o/o, 5- bis 8-fach erhöhtes Risiko für ADHS bei Erstgradangehörige n • Pathomechanismus: unklar, wahrscheinlich Dysbalance dopaminerger Neurotransmission zwischen Striatum und Bereichen des Frontalhirns • Umgebungsfaktoren: psychosoziale und physikalische Lebens - und Umweltbedingungen sind von großer Bedeutung für diesekundären Folgen(= psychosoziale Konsequenzen, vgl. oben), spielen aber für die Ent stehung des ADHS höchstwahrscheinlich eine untergeordnete Rolle. Therapie Psychotherapeutische Behandlung, ggf. in Kombination mit einer Pharmakotherapie. Psychotherapie. • Verbesserung der Alltagsbewältigung, insbesondere aber Bewältigung der psychosozialen Folgen • Wirksame Therapieansätze: Elemente der kognitiv-behavioralen Therapie sowie Coaching-Strategien und Methoden der Achtsamkeit. Pharmakotherapie. • Linderung der Grundsymptome der ADHS • Bislang keine Medikamente zur Pharmakatherapie des ADHS bei Erwachsenen zugelassen - Erste Wahl: wirksamste medikamentöse Behandlung: Methylphenidat (A mphetam in-Abkömmling) - Zweite Wahl: Atomoxetin (Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer) - Dritte Wahl: noradrenerg wirksame Antidepress iva, z. B. Reboxetin, Venlafaxin, Bupropion, Nortriptylin oder Desipramin. Differenzialdiagnose • Organische Störungen, z. B. primäre Hirnerkrankungen oder HypertJ1yreose • Psychosen des schizophrenen Formenkre.ises • Affektive Störungen • Persönlichkeitsstörungen.
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13 Störungen der Impulskontrolle und Verhaltensstörungen
0 Was sind die Grundsymptome einer ADS/ADHS? 0 Wie äußert sich ein ADHS des Erwachsenenalters im Alltag? D Welche komorbiden psychischen Erkrankungen sind bei ADHS häufig?
0 Welche therapeutischen Strategien zur Behandlung eines ADHS kennen Sie?
Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter Definition Beim Asperger-Syndrom - früher auch Autismus vom Asperger-Typ genannt - handelt es sich um eine tief greifende Entwicklu ngsstörung ( ~ Kap. 17), die bereits im Kleinkindalter beginnt und durchgehend bis ins Erwachsenena lter weiter besteht. Kernsymptome:
• Qual itative Beeinträchtigung sozialer Kom munikation • Repetitive und stereotype Verhaltensweisen • Altersentsprechende Entwicklung von Intelli genz, Sprache und sozialen Fertigkeiten während der ersten 3 Lebensjahre. Gelegentlich sind Sonderinteressen zu bestimmten Themenbereichen zu beobachten. Hier zeige n Menschen mit Asperger-Syndrom gelegentlich isolierte Hochbegabungen . Symptomatik und Verlauf Erwachsene mit Asperger-Syndrom fallen auf durch Einzelgä ngertum, den Eindruck von Des interesse oder vermeintlicher emotionaler Indifferenz sowie durch eine unbeabsich tigte soziale Ungeschicklichkeit. Es fa llt ihnen schwer, in Mimik, Gestik oder Blickkontakt soziale Beziehun ge n herzustellen und zu modulieren. Gesprochenes verstehen sie oft rein wörtl ich; der "ü bert ragene Si nn " oder emotionale Gehalt von Kommunikation bleibt ihnen häufig unverständlich und fremd. All tagshandlungen werden oft in ritualisierter Form durchgefüh rt oder e be ·tehen anderwei tige repetitive motorische Verhal tenswei en. Drohende Veränderungen der All tagsro utine führen häufig zu mas iven Ängsten .
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Sie nehm en zumeist dann eine Beratung in Anspruch, wenn durch ihre Symptomatik massive Schw ierigkeiten in der Alltags bewältigung auftreten. Dies kommt z. B. zum Tragen, wenn Veränderungen der sozialen Situationen wie ein Schulabschluss oder der Beginn einer Ausbil dung angemes ene , adap tives soziales Verhalten und Entscheidunge n erfordern . Die Kernsymptome persistieren über das ganze Leben, verändern sich aber - abhängig von Umgebu ngsfaktoren und Lebensalter - durchaus in ihre r Ausprägu ng. Komorbidität und Prävalenz • Komorbide psychische Erkrankungen sind häufig, z. B. AD H , Tic-Störungen, Zwangsstörungen oder depressive Syndrome • Sehr geringe Prävalenz in der Allgemeinbevö lkerung: schä tzungsweise 0,02-0,04% • Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen im Verhältnis 8 : l • Große Überschneidung de kl inischen Bilds im Erwachsenenalter mit der Diagnose der schizoiden Persönlichkeitsstörung (~ Kap . 12). Bisher ist noch unklar, ob es sich dabei um zwei Bezeichnungen für ein Syndrom handelt. Therapie
Therapeutische Stra tegie n: Psychoedukation, Selbshilfegruppen , oziotherapeutische Jntervent ionen, ggf. Verhaltenstherap ie. Ziele: Akzeptanz der eige nen Person in ihrer Besonderh it, Förderung alltagspraktischer Fähigkeiten, Erweiterung sozialer und kommunikati ver Kompetenzen.
0 Was sind die Kernsymptome des Asperger- yndroms? 0 Wie äußert sich ein Asperger-Syndrom im Alltag? 0 Was wissen Sie über die Epidemiologie und den Verlauf? 164
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© Stalking Der englische BegriffStalking stammt vo n "to stalk somebody", was "sich an jemanden an schleichen" oder "a npirschen" bedeutet. Damit wird ein Verh alten bezeichnet, bei dem sich ein e Person einem anderen Mens he n gegen dessen Willen immer wieder nähert, ihn ansp richt, aus spioniert, belästigt, ve rfo lgt, beschimpft oder bedroht. Die Kontaktaufnahme erfolgt auch durch Telefonanrufe, Briefe oder E-Mails. Die vom Stalker bedrängte Perso n erlebt dabei ein erhebliches Maß an Anspannu ng und Angst. In manchen Fälle n mündet das Verhalten auch in gewalttätigen ÜbergriWen bis zu r Tötu ng.
80 % der Stalker sollen männlich sein .l0-12% der Allge meinbevölkerung in Deutschland sind min destens einmal im Leben von Stalking betroffen, da runter wesentlich mehr Frauen als Männer. Der Begriff de talking ist insofern für die Psychiat ri e releva nt, da ein olches Verhalten auch im Rahmen einer manifesten psychischen Er· krankung auftreten ka nn, z. B. bei ei ner Sucht problematik, einer alfektiven Störung oder im Rahmen einer psychotischen Symptomati k. Darüb.e r hinau liegt bei Stalkern sehr häufig auch ein e Persönlichkeitsstörung vor, z. B. eine dissoziale, narzisstisc he oder ßorderline-PS.
Welche Verhaltensweisen charakterisieren das Stalking?
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Sexua störungen Sabine Frauenknecht
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Sexuelle Funktionsstörungen ... ... . . ..... .. ...... ..... ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Störungen der Geschlechtsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Störungen der Sexualpräferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14 Sexualstörungen
Einführung Mit dem Überbegriff Sexualstörungen werden drei ve rschiedene Gruppen von Störungsbildern zusammengefasst • Sexuelle Funktionsstörunge n • Störungen der Gesch lechtsidentität • Sexuelle Deviation en (Paraphilien ).
Tab. 14.1 Einteilung der Sexualstörungen nach ICD -10 Sexuelle Funktionsstörungen (F52) • Störungen der sexuellen App ete nz • Störungen der sexuellen Erregung • Störungen mit sexuell bedingten Schmerzen Störungen des Orgasmus • Postorg as tische Verstimmung
Die Homosexualität - also die Partnerschaft oder sexuelle Beziehung mit einem gleichgeschlechtlichen Partner - stellt eine Variante normalen sexuellen Erlebens dar und wird nicht mehr als sexuelle Störung betrachtet.
Störungen der Geschlechtsidentität (F64) • Transsexualität Störungen der Sexualpräferenz (F65) • Präferenzstörungen in Bezug auf die Sexua lpraxis • Präferen zstöru ngen i n Be zug auf das Sexualobjekt • Präferen zstörungen mit polymorphem
Charakter
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0 Weiche Gruppen von Sexualstörungen unterscheidet die ICD-10?
Sexuelle Funktionsstörungen
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Definition der "normalen" Sexualität
Definition sexueller Funktionsstörungen
Wie Sexualität ausge taltet und erfah ren wird, unterli egt großen interindividuellen Schwankungen. Daher ist es schwierig, "no rmale" Sexualität zu defini eren. Als Orientierung für den Ablauf "normaler" sexueller Erregung gilt - trotz dieses Vorbehalts - auch heu te noch das von Masters und Johnson in den l960er Jahren entwickelte Modell. In Anlehnung daran zeigt -+ Abb ildung 13.1 den Abla uf sexueller Erregung in vier Phasen: • Erregungsphase: umfa stein zunehmendes Lustgefühl und körperliche Ve rände rungen, wie die chwellung von Klitoris, Labien und die Erektion des Pen i • Plateauphase: geht mit einem starken Lustoder Anspannungsgefühl ein her • Orgasmusphase: Lustgefühl mündet chließlich in einem oder mehreren Orgas men oder fallt oh ne Höhepunkt ab • Rückbildungsphase: geht in der Regelmit einer Refraktärzeit (herabges tzte sexuelle l::. rregbarkeit) einh er.
Bei den sexuellen Funktionss törungen sind einzeln e oder mehrere Aspekte des Abla ufs von Sexual ität (-+ Abb. 14. l) beeinträchtigt. Sexuelle l~ unk tionsstörungen mindern oder verhindern ein befriedigendes ex uelles Erleben. Man spricht er t dann von ei ner Störung, wenn ich dad urch ein erheblicher Leidensd ruck entwi ckelt. Bei der Entstehung spielen häufig sowohJ körperl iche al auch p ychische Faktoren eine Rolle, die miteinander in Wechselwirkung treten . Üblicherweise werden die Störungen inhaltlich analog zur entspre benden Erregungsphase eingeteilt. Symptomatil< und Epidemiologie
Es ist davon au zugehen, da sexuelle Funktions törungen in der Allgemei nbevölkerung häufig si nd und die Dunkelziffer hoch ist. Appetenzstörungen. • Mangel an oder Verlust von sexuellem Verlangen :
- DieB troffenen klag n über Lustlosigkeit und initiieren seit ner sexuelle Aktivitäten .
a)
Erregung
Plateau
Orgasmus
ROckbildung
b)
Erregung
Plateau Orgasmus R ückbi ldung
Abb.14.1 Sexue ller Erregungsa blauf bei Frau und Mann, a) Mögliche Reaktionszyklen bei Frauen, b) männlich er Reaktion szyklus (R = Refraktärphase) Tab.14.2 Sexuelle Funktion sstörungen bei Frauen und Männern nach ICD-10
Phase
Frau
Mann
Appetenz
• Vermind ertes sexuelles Verla ngen (F52 .0), ,.Frigidität" • Sexuelle Aversion (F52 .10) • Geste igertes sexuelles Verlangen (F52.7)
Erregung
Versagen genitale r Reaktion en (F5 2.2), z. B. Lubrikati on sstö rung
Versagen genitaler Reaktionen (F52.2), z. B. Erektionsstörung
Dysp areuni e (sc hm erz hafte Kohab itation , F52.6) Man ge lnd e sexuelle Befriedigung (F52.1 1) Vaginismus (F52 .5)
Orgasmus
Orgasmusstörung (FS2.3) Ejacu latio praecox (F52.4)
Entspannung
Andere, nicht näher beze ich nete sex uelle Fun kt ionsstörungen (F5 2.9) , z. B. nachorgastisc he Gereiztheit, Schlafstörungen oder inne re Unruhe
Das Erleben von Erregung oder sexuell er Befriedigu ng ist dadurch nicht ausgeschlossen. Der Begriff Frigidität (komplettes Fehlen sexueller Appetenz = Alibidimie) soll te aufgrund seiner negativen Konnotation heute nicht mehr verwendet werden . - Häufigste Appetenzstöru ng bei Frauen, 1-Jahres-Prävalenz um 20 % - Zunehmende Häu fi gke it auch bei Männern, 1- Jahres-Prävalenz um 5 % • Sexuelle Aversion : Di e Vorstell ung eines exualkontakts ist so tark mit negative n Gefüh len wie Angst, Widerwillen oder Ekel belegt, das sexuelle Handlu ngen in zunehmendem Maße vermieden werden oder voll tändig unterbleiben • Gesteigertes sexuelles Verlangen: E soll selten bei Teenagern ode r jungen Erwachsenen als eigenstä ndiges Problem vorko.rnmen.
Erregtmgsstörungen. • Erektionsstörung: Eine ausreichende Erekti-
on während des Vorspiels lässt zum Zeitpunkt der Kohabi tation nach, Ejakulation sowie Orgasmus bleiben aus. Häufigste Erregungsstörung bei Männern: ca. 5 % der männlichen Allgemeinbevölkerung • Lubrikationsstörung: Nicht ausreichende Lubrikation der Scheide sowie eine mangelhafte Schwelireaktion der großen und kleinen Labien. Mitverursachend: Postmenopause und Medikamenteneinnahme, z. B. anticholinerg wirksame Substanzen, bestimmte Antihypertensiva • Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs, auch Dyspareunie oder Algopareunie: - Bei Frauen sehr viel häufiger als bei Män -
nern. !-Jahres-Prävalenz 9: ca. 7% 16
14 Sexualstörungen
- Lokale organische Faktoren, z. B. gynäkologische Probleme, sind häufig mit verursachend und sollten abgeklärt \Ve rden • Mangelnde sexuelle Befriedigung: Der Verlauf körperl ic her sex ueller Rea ktionen wird als normal geschildert, eine entsprechende Erregung oder ein Lus tgefühl wi rd dabei jedoch nicht erlebt • Vaginismus : Spas mu s der die Vagina umgebenden Beckenbodenmuskul atur während des Geschlechtsverkehrs. Ein Ein führen des Penis ist zum eist nicht möglich, die Orgasmusfähigkeit ist in der Regel ungestört Orgasmusstörungen. Frauen :
• Von einer Orgas musstö rung sollte nu r gesprochen werden, wenn in mehr als der Hälfte der Sex ualkontakte kein Orgasmus erlebt wird und ein entsprechender Leidensdruck besteht • Prävalenz in der weiblichen Allgemeinbevölkerung: 7-10 %. Männer: • Ejaculatio praecox (vorzeitiger Sa menerguss):
- Betrifft ca. 5% der Männerinder Allgemeinbevölkeru ng - Insgesamt wahrscheinlich häufiger auftretend, aber in Partnerschaften gut kompensiert - Hohe I-Jahres-Prävalenz vo n 21 % • Ejaculatio tarda (gehemm ter Orgasmus): betrifft bis zu 3% aller Mä nner. Selten werden für die Phase nach dem Orgas mus Symptome wi e Gereiztheit, Erregung Schlafstörun gen, innere Unruhe und M.i empfindungen im Genitalbereich beschrieben. Sie sollen häufige r bei Frauen als be i Männern auftreten. Störungen der Entspannungsphase.
• Sexuelle Funktionsstörungen treten in der Al lgemeinbevölkerung häufig auf. • Häufig bei Männern : Ejaculatio praecox und Erektio nsstöru ngen • Häufig bei Frauen: Mangel an sexueller Lust, Orgasmusstörungen, Schmerzen und Lubrikationsstörung • Bei Männern treten sexuelle Funktionsstörungen häufiger isoliert, bei Frauen me.isten s kombiniert auf.
170
Ätiologie
Die Entstehung sexueller Fun ktionss törungen wird mit einem komplexen Zusa mmenspiel verschi edener Faktoren erklärt: • Akute Belastu ng durch äußere Auslöser wie berufl iche oder fa mil iäre Probleme, Partn erschaftskonflikt oder körperliche Erkrankung; dadurch: Veränderun g des sexuellen Erl eben • Vulnerabilität durch entsprechende intrapsychische Fa ktoren: z. ß. geringes Selbstwertgefüh l, hoher Leistungsanspruch und nega tive sexuelle Vorerfa hrunge n • Wechselwirkungen von verändertem sexuel lem Erleben und intrapsychischen Faktoren führen ZLl Enttä uschung und zunehmenden Versagensängsten
• Enttäuschung, Versagensä ngste und Anspannung verh indern eine weitergehend e Erregung und die entsprechende Befriedigung durch den Sexualkontakt. Dad urch wird die Sexualstörung aufrechterhalten. Differenzialdiagnose • Immer: Ausschluss organischer Faktoren als
Ursache der sexuellen Funktionss törung • Wichtig: körperl iche Anamn ese und genaue
Med ikamentenanamn ese, denn za hlreiche Pharmaka ve rändern auch die Sexualfunlction • Ausschl uss psychischer Erkra nkungen als Ursache der sexuellen Funktionsstörun g, vor allem affektive Störungen und Psychosen des schizophrenen Formenhei e . Therapie • Beratungs- und lnformationsgespräche:
mild ern häufig schon die Symptomatik • Sexualtherapie: störung spezifis hes Ver-
fa hren, bei anhal tenden Störungen bewährt. B ka nntestes Verfahren: Paartherapie nach Masters und Johnson. In der Zwischenzeit
existieren modern ere Formen der exualund Paa rtherapie. Bei Über chneidungen mit bestimmten körperlichen Erkrankungen, beispiel weise einer Erektio ns ·törung mit va kulärer Komponente, ha t sich auch der vo rübergehende Ei nsatz von so mat i chen l11erapieverfa hren bewährt, z. B. Phosphodiesterase-Typ-V-Inh ibitoren wie ildenaril, Tadalafil und Vardenafil, Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT-Methode) ode r Vakuumerektionshilfen .
...
0 Was ist eine sexuelle Funktionsstörung? 0 Wie werden die sexuellen Funktionsstörungen eingeteilt? 0 Nennen Sie die häufigsten Formen sexueller Funktionsstörungen beim Mann sowie bei der Frau und beschreiben Sie diese.
0 Was ist eine Dyspareunie?
0 Was bedeutet Vaginismus?
Störungen der Geschlechtsidentität Definition, Symptomatik und Ätiologie
Häufigkeit
Unter ein er Störung der Geschlechtsidentität oder Transsexualität wird das über mindestens zwei Jahre anhaltende Erleben ve rstanden, im "falschen Körper" geboren worden zu sein . Die Betroffenen empfi nden ei ne Diskrepanz zwischen ihrem biologischen Geschlecht und der von ihnen subjektiv erlebten psychischen Geschlechtsidentität Es besteht der Wunsch, dem anderen Geschl echt anzugehören und dementsprech end zu leben. Die Transsexualitä t bes teht häufig bereit im Kindesalter. Ihre Ursache ist nicht bekannt. Es werden zumeist Beziehunge n zu biologisch gleichgeschlechtlichen Partnern , z. B. Mann mit Man n ange trebt, in denen der transsexuelle Mensch als gegengeschl echtl icher Partner, z. B. als Frau anerkannt werden möchte. Es besteht kei n Zusammenh ang mit Intersexualität (= Vorli egen beider biologischer Geschlecht merkm ale = "Zw ittertu m"). Es handelt sich auch nicht um ein e exuelle Perversion , da nicht die Sexualität, sonde rn die Geschlechtsidentität das ze ntrale Problem b.ildet.
• Mann-zu-Frau-Transsexualität ca. l : 40.000 • Frau -zu-Mann -Transsexualitä t ca. l: 100.000.
Es wird vielfach dafü r plädiert, auch den Transsexualismus nicht mehr als Störung, sondern als "Normvariante" menschlichen Erlebens zu betrachten.
Differenzialdiagnose
Transsexuelle Symptome können auft reten bei: • Fetischistischem Transve titismus • Psychosen des sch.izophrenen Formenkreises • Persö nlichkeitsstörungen • Adoleszentenkrisen mit vorübergehenden tra nssexuellen Verhaltensweisen • Intersexualität. Therapie
• Langjährige multidisziplinäre Begleitung erforderlich • Ziel: psychische und biologische Geschlechte rrolle in Übe reinstimmung zu bekommen • Therapiephasen :
- I-jährige Betreuun gs - und Beobachtungsphase: transsexuelle Ausrichtung stabil? Person ist einem Geschlechtswechsel psychisch gewachsen? - Alltags test: Leben in de r erwü nschten Geschlechterrolle wird kontinuierl ich über mindestens 1 Jahr im Alltag erprobt - Danach ggf. Hormonbehandlung - Danach ggf. operative Geschlechtsumwandlung. Transsexuellen-Gesetz (1980): ermöglicht eine Namens- sowie Personenstandsä nderung (Personenstand = Familienstand).
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0 Was ist unter dem BegriffTranssexualität oder Transsexualismus zu verstehen? 0 An welche anderen Erkrankungen muss differenzialdiagnostisch gedacht werden? Beschreiben Sie das therapeutische Vorgehen bei bestehender Transsexualität
14 Sexualstörungen
Störungen der Sexualpräferenz Synonyme: Paraphilien - sexuelle Deviationen - Perve rsionen.
Formen sexueller Deviationen • Exllibitioni~mu s : Entblößen des Ge chlechts-
Definition und Symptomatik
Sexue!Je Devia tionen oder Paraphilien sind Formen von Sexualität, bei der sich das sexuel le Verlangen dauerhaft und überwi egend ausrichtet auf: • Den Gebrauch gegenständli cher Objekte als Stimuli, z. B. Damen unterwäsche oder chuhe Di e Anwendung unüblicher Praktiken sexueller Stimulation, z. B. Exhibitioni sm us. Die Sympto matik besteht über mindestens 6 Monate. Die sozialen und persönlichen Kompetenzen der Betroffenen sind häufi g herabgesetzt. Wenn eine an dere Person an der sexuellen Handlung beteiligt ist, wird diese als "O bjekt" benutzt, d. h. deren Bedürfnisse werden nur berücksich tigt, wenn sie dem devianten Verh alten entsprechen. Die Übergänge zw ischen "normalem" se xuellem Ver halten und den Paraphilien sind fließend . Es werden vier Intensitätsstufen unterschieden (Schorsch, 1985): • Einmaliges oder seltenes deviantes Verhalten • Deviantes Verhalten als stabiles Muster zur Konfliktlösung • Deviantes Verhalten als stabile sexuelle Orientierung (= Fixierung) • Aus der Fixierung entwickelt sich ein an Intensität und Ausmaß zunehmendes deviantes Verhalten mit abnehmender Befriedigung und zunehmend süchtigem Erleben.
Von einer Paraphilie als Störung spricht man dann, wenn die devianten exuellen Erlebensweisen überwiegen oder das Sexualleben vollständig dominieren. Eine sexuelle Delinquenz liegt dann vor, we nn im Rahmen des devianten Verh altens das sexuelle Selbstbestimmungsrech t des Gegenübers verl etzt wird.
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tei ls in der Oflentlichkeit gegenüber einer frem den, ahnungs losen Per on, sexuelle Befriedigung durch Schreckreaktion des Gegen übers Pädophilie: sex uelle Fantasi en oder Aktivitäten mit vorpubertären Kindern Fetischismus: sex uelle Erregung durch unbelebte Objekte, z. B. Damenunterwäsche oder Schuhe Transvest itismus: sexuelle Erregung durch das Tragen gegengeschlechtlich er Kleidung; auch fetischistisc her Transves titi smus = transvesti tischer Fetischismus genannt Voyeurismus: sexuelles Erleben durch heimliches Beobachten entklei deter Personen Sadomasochism us: sexuelles Erleben ist damit verbunden, dass ei nem anderem Opfe r bzw. der eigenen Perso n mit Absicht körperliches oder seelisches Leid zugefügt wird Frotteurismus: sex uelle Befriedigung durch Anpressen oder Reiben des Körpers an einer fremden Person Sodomismus: sexuelle Aktivitäten mit Tieren Multiple Störunge n der exualpräferenz, frü her: "polymorph perverses Syndrom": kombiniertes Auftreten mehrerer devianter Sexualp raktiken bei einer Person.
Ätiologie
Unklar. Theori e: Zusammenwirken psychischer und biologischer Faktoren zu einem "kritischen" Zeitpunkt, z. B. schwere frühkindliche Konfliktsituation mit einer primären Bezugsperson und ängstlich-gehemmte Persö nlichkeitszüge-... behinderte Entwicklung "reifer" Sexualität in der Pubertät --. "Kompensation" durch deviantes Verhalten. Epidemiologie, Komorbidität und Verlauf
• Am häufigsten unter behandelten Personen: pädophiles und exhibitionistisches Sexualverhalt·en • Unter sexuell delinquenten Personen: mit spezifischer Therapie Reduktion des Rückfallrisikos um en.va 30 % im Vergleich zu unbehandelten Personen • Prognose deutlich chlechter, wenn dissoziale Persönlichkeitszüge vorli egen.
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0 Was sind sexuelle Deviationen? 0 Welche Formen kennen Sie?
0 Was ist unter fetischistischem Transvestitismus zu verstehen? 0 Beschreiben Sie die Begriffe Sodomie und Voyeurismus.
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Schlafstörungen
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Sabine Frauenknecht EinfUhrung Dyssomnien
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. Schlafstörungen bei körperlichen und psychischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . .
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15 Schlafstörungen
Einführung Schlafstadien
Schlaf als biologischer Mechanismus gehört zu denlebensnotwendigen Bedürfnissen des Menschen. Allerd ings sind die vielfältigen Aufgaben des Schlafs bislang nur teilweise erforscht. Neben der Entspannung des Körpers sind bestimmte Schlafphasen höchstwahrscheinlich für Lern- und Gedächtni Ieistun gen, fü r die Funktion des Immunsystems sowie für regenerative Prozesse des Stoffwechsels von Bedeutung. Aufbio logischer Ebene stellt sich der menschliche Schlaf als zyklische Abfolge bestimmter Schlafstadien dar. Diese werden bei der Untersuchung .im Schlaflabor mit Hilfe der Polysamnografie erfasst. Die Schlafstadien werden unterteilt in vier NonREM-Schlafphasen (Schlafstadien l-4) und eiEinteilung der Schlafstadien und deren charakteristische Merkmale
Tab. 15.1
Non-REM-Schlaf Stadium 1
Einschlafen EEG: 8-Aktiv ität, langsame rollende Augenbewegungen, leichte Musk elhypotonie
Stadium 2
Leich tsc hlaf EEG: Schlafspindeln, K-Komplexe
·
Stadium 3
Mittlerer Schlaf EEG: o-Wellen, gelegentlich Schlafspindeln
Stadium 4
Tiefschlaf EEG: o-Wellen
REM-Schlaf
Schnetle Augenbewegungen EEG: ß-, 8-Aktivität, Träume, Muskelatonie
ne REM-Schlafphase (REM = Rapid eye movement) (~Tab. 15.1). Ein Schlafzyklus beginnt beim gesunden Erwachsenen mit einer Leichtschlafphase (Stadien lund 2), die von einer Tiefschlafphase gefo lgt wird (Stad ium 3 und 4). Der daran anschl ießende REM-Schlafbeendet den Zyklus. Während des gesamten Nachtschlafs werden etwa 4- 6 Schlafzyklen durchlaufen. Dabei nimmt • Der Leicht chlaf etwa 55 - 60% der Gesamtschlafzeit und • Der Tief chlaf etwa 15- 25% der Gesamtschlafzeit ein. Die Weckbarkeil nimmt von Stadium 1 zum Stadium 4 hin ab( ~ Abb .J S.l). Schlafstörungen
Schlafstörungen sind ein großes Problem in den westlichen Industr ienationen und von hoher sozialmedizinischer und gesellschaftlicher Relevanz: Industrialisierung und Medialisierung verursachten in den vergangenen Jahrzehnten eine zunehmende Beanspruchung der geistigen Leistungsfähigkeit, wobei die körperlic he Auslastung in Arbeit und Freizeit rückläufig ist. Ei ne dauerhafte Störu ng des Schlafs führt neben dem subjektiven Leiden zu einer eingeschränkten Fähigkeit, die Leistungsanforderungen des Alltags zu bewältigen. Es werden drei Gruppen von Sch lafstörungen unterschieden: l. Dyssomnien : Ein - und Durchschlafstörungen mit erhöhter Tagesmüdigkeit 2. Parasomnien: Schlafstörungen, die beim teilweisen Erwachen oder beim Wechsel von Schlafstadien entstehen und die den Schlaf unterbrechen 3. Sekundäre Schlafstörungen : Schlafstörun gen bei psychischen oder organischen Erkrankungen. Aufwachen
Einschlafen
Schlafstadien
Zeitachse 24:00 = REM
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01:00
02 00
03.00
04:00
Abb. 15.1 Schlafprofil eines
jungen, gesunden Mens chen (nach Ebe, Homma, 2002)
~
~ Tab.15.2 Einteilung der Schlafstörungen Dyssomnien
Ein· oder Durchschlafstörungen in Verbindung mit einer verstärkten Tagesmüdigkeit
Intrinsische Schlaf· störungen
Organi sc h oder psychisch be- • dingt • • • •
Extrinsische Schlafstörungen
Durch äußere Auslöser bedingte Schlafstörungen
• Schlafstörungen durch Einnahme von Alkohol oder Medikamente • Inad äqu ate Schlafhygiene • Lärm
Störungen des zirkadianeo Rhythmus
Störungen des Schla f-Wac hRhythmus
Schlafstörungen bei: • Schichtarbeitern • Reisenden mit Jet lag
Parasomnien
Schlafstörungen beim (partiellen) Erwache n oder beim Wechsel von Schlafstadien
• Albträ ume • Schlafwandeln • Pavor nocturnus
Sekundäre Schlafstörungen
Durch kö rperliche oder psychische Erkrankungen ve ru rsacht
Nichtorganisch e (primäre) Insomnie Ni chtorgan ische (pri märe) Hypersamnie Schlaf-Apnoe-Syndrom Narkolepsi e Rest less -legs-Sy ndrom
0 Welche drei Gruppen von Schlafstörungen kennen Sie? 0 Nennen Sie Beispiele für jede Gruppe.
Dyssomnien Dyssomnien sind du rch das Auftreten von Ei nund Durchschlafstörungen in Verbindung mit verstärkter Tagesmüdigkeit charakterisiert. Einteilung
Dyssomnien werden unterteilt in intrinsische und extrinsische Schlafstörungen sowie die Störungen des zirkadianeo Rhythmus(-+ Tab. l5.2): • Intrinsisch (z. B. Jetlag, Sch ichtarbeit): durch "innere Faktoren" bedingt; zumindest zeihveise können aber auch organische oder psychische Faktoren - einzeln oder kombiniert- beteiligt sein, z. B. beim Schlaf-Apnoe-Syndrom • Extrinsisch: Schlafstörung haup tsächlich durch äußere Einflüsse wie Lärm ausgelöst • Störungen des zirkadianen Rhythmus:
Schlafstörungen durch Zeitverschiebunge n. Weitere in der Schlafmedizin gebräuchliche Begriffe: • Insomnie: Schlafstörung, die durch Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder Klagen über einen ungenügend erholsamen Schlaf charakterisiert ist. Der Begriff wird
häufig auch synonym für Schlafstörungen im Allgemeinen verwendet • Hypersomnie: Schlafstö rung mit erhöhtem Schlafbedürfnis, zumeist mit erhöhter Tagesmüdigkeit.
• Intrinsische Schlafstörunge~-Nichtorganische Insomnie
Synonyme: psychophysiologische oder primäre Insomnie. Sie ist durch Ein- und Durchschlafstörungenoder eine schlechte Schlafqualität mindestens dreimal pro Woche über mindestens 1 Mo nat gekennzeichnet. Die Betreffenden klagen über einen nicht erholsamen Schlaf, berichten über ei ne erhöhte Tagesmüdigkeit und gelegentlich auch über Früherwachen. Sie füh len sich in ihrer kognitiven und körperlichen Leistungsfahigkeit deutlich beeinträchtigt. Charakteristisch : Die Betroffenen machen sich in hohem Maße Sorgen über ihren Schlaf. Das 177
15 Schlafstörungen
führt zu ein em erhöhten inneren Anspannungsniveau und ve rmehrter Ängstlichkeit, was die Schlafstörung wiederum fördert. Nich t selten beginnt ei ne psychophysiologische Insomnie in einer Lebensphase mi t erhöhtem Stress, z. B. du rch berufliche oder private Belastungen , und besteht dann trotzEnde der Belastungen \·veiter. Die Symptomatik wird nicht durch eine körperliche oder psychische Erkrankung, z. B. eine depressive Episode, ausgelöst. Die Behandlung erfolgt vorwiegend psychotherapeutisch, evtl. vo rübergehend mit einem Hyp notikum . Schlaf-Apnoe-Syndrom
Das Schla f-Apnoe-Syndrom (SAS) wird zu den Hypersomnien gerechnet, da es mit einem ub jektiv erhöhten Schlafbedürfnis und erheblicher Tagesmüdigke it einhergeht. Charakteristisch sind Atempausen, sogenannte Apnoen , während des Schlafs mit einer Dauer von mindestens 10- 60 Sekunden. Fremdanamnestisch werden laute, unregel mäßige Schnarchgeräusche geschildert, die von den beschriebenen Atemstillständen unterbrochen werden. Das SAS verursacht neben einer Hypoxie auch za hlreiche Schlafunterbrechungen mit entsprechendem Schlafdefizi t und einer Reduktion des Tiefschlafa nteils . Dadurch klagen die Patienten über starke, müdigkeitsbedingte kogn itive und körperliche Einb ußen tagsüber. Außerdem besteht bei ihnen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen .
Ätiologisch handelt es sich in 90 % aller Fälle um ei n sogenan ntes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom . Die Atemstörung en tsteht, während im Schlaf der Muskeltonus der Schlundmuskulat ur nach lässt. Begünstigt wird das obstruktive SAS durch lokale Veränderungen, z. B. Nasen polypen, aber auch durch andere körperliche Faktoren wie Adipositas, ikotingebrauch und Alkohol- oder Tranquili zer-Einna hme. Betroffen sind insbesondere Mä nner zwischen dem 40.- 60. Lebensjahr. Das zentrale SAS ist im Vergleich dazu sehr viel seltener und wird beispielsweise durch ZNS-Erkrankungen , pulmonale oder mu kulo kelettale Erkrankungen ausgelöst. Verhaltensmedizinische Maßnahmen bewirke n beim obs tr uktiven AS häufig eine deutliche Besserung d r ymp toma tik. Dazu zählen: • Gewichtsreduktion • Al kohol- und Nikotinkarenz 178
• Vermeiden vo n apnoeverstärkenden Medika menten, z. B. Benzodiazepinpräparate • Regelmäß iger Schlaf-Wach -Rhythmus • Schlafen in Seitenlage • Vermeiden von Schlaf in Höhen > 1.000 m über dem Meeressp iegel • Näc htliche CPAP-Beatmung (= Continuous po iti ve airwa y pressure): be.i schwer ausgeprägtem, obstruktivem SAS. Narkolepsie
Beginnt typi eherweise in der Adoleszenz oder dem jungen Erwachsenenal ter mit einem kontinuierlichen Müdigkeitsgefühl und Einschlafattacken , die v. a. bei monotonen Aktivitäten auftre ten. Später kommen charakteristische Symptome hinzu: • Kataplexien : anfallsa rtige Erschlaffung von Muskelgruppen bis zu m Hins türzen ohne Bewusstsei nsverlust, häufig an bestimmte Affekte gekoppelt, z. B. Lachen oder Erschrecken • Hypnagoge Halluzinationen: lebhafte, häu fig negativ erlebte, meist visuelle Sinneswahrnehmungen beim Einschlafen • Schlafparalyse: Unfäh igkeit, sich für einige Minuten nach dem Aufwachen bewegen oder sprechen zu können • Automatische Handlungen: Routinetätigkeiten we rden bei Ermüdun g in einer Art Halb schlaf durchgeführt • Im weiteren Verlaufklagen Betroffene über häufige Wachzeiten wäh rend der Nacht. Verhaltenstherapie: schlafhygienische Maßnahmen , z. B. regelmäßige Bettzeiten und Einschlafrituale, kein Alkohol- oder Nikotinkon sum . Medikamentöse Therapie:
• Da Kataplexien, hypnagoge Hall uz inationen und Schlafpa raly e alle mir dem REM -Schlaf a soziiert ind , kommen REM-Schlaf- hemmende Pharmaka zu m Einsatz, z. B. trizyklische Antidepressiva oder Monoaminooxidasehemm er • Bei ausgep räg ter Tage müd igkeit: Amphetami nd erivate zur Vigi lanzs teigerun g, z. B. Met hylphenidat oder Amfe tamin il sowie analog wirksame Substanzen, z. B. Modafin il • Bei ka taplektischen Anfä llen und verstä rkter Tage müdigkeitw irk am: arkotik um y-Hyd roxyb uttersüu re (= Natriumoxybat).
Einschlafattacken, Kataplexien, hypnagoge Halluzinationen und Schlafparalyse werden auch als die sogenannte narkoleptische Tetrade bezeichnet. Restless-legs-Syndrom Das Restless-legs-Syndrom (RLS) äußert sich in für den Betroffenen schwer beschreibbaren Parästhesien oder Dysästhesien der Beine, z. B. Ziehen, Reißen, Kribbeln, Spannungsgefühl oder Schmerzen, die im Ruhezustand gegen Abend oder nachts auftreten. Sie sind von einer Unruhe in den Beinen begleitet, die sich bei körperlicher Aktivität, etwa beim Bewegen der Beine oder beim Um hergehen bessert. Das RLS ist in der Allgemeinbevölkerung mit einer Prävalenz von 5-10 o/o recht häufig. Bei über 60 Jahre alten Menschen soll das RLS sogar mit einer Häufigkeit von 34 o/o auftreten. Nicht selten vergehen viele Jahre, bevor bei den Betroffenen die Störung ernst genommen und diagnostiziert wird. Unterschieden werden: • Idiopathisches RLS: Vorkommen in etwa zwei von drei Fällen; gut die Hälfte der FäHe treten familiär gehäuft auf, die Vererbung erfolgt autosomal-dominant • Sekundäre Formen: z. B. bei Niereninsuffizienz, Eisen-, Folsäure- und Vitamin -B12-Mangel oder in der Schwangerschaft. • Als pathogener Faktor wird die Dysfunktion zentraler und peripherer dopaminerger neu ronaler Systeme diskutiert. Therapie:
• Primäres RLS: - Leichte Form: Therapieversuch mit Magnesium (12- 15 mmol) zur Nacht
- Schwere Formen: Mittel der Wahl: L-Dopa oder lang wirksame Dopaminagonisten - Wenn keine Besserung: Behandlung mit ei nem Opioid • Alle sekundären Formen: Diagnose und Therapie der organischen Grunderkrankung. ~ ~xtrin~~-~_he s~~lafs~örungen
Extrins.isc he Schlafstörungen werden durch ungünstige äußere Umweltfaktoren verursacht, z. B. Lärm, Licht oder Wärme, nächtli ches Essen oder Trinken oder eine inadäquate Sch lafhygiene wie Fernsehen oder Arbeiten im Bett. In der Regellässt sich die Störung durch die Beseitigung der auslösenden Faktoren beheben.
• Störungen des zirkadianen __Rhyt~~-~s __ -· ______ _ Betroffene schi ldern dauerhafte Schwierigkeiten, zu den in ihrer Umgebung üblichen Bettzeiten zu schlafen und fühlen sich tagsüber müde und nicht leistungsfahig. Insbesondere Schichtarbeiter und Reisende mit Jetlag leiden daran. Der Störung liegt eine Desynchronisation zwischen Schlaf-Wach-Rhythmus und anderen zirkadian ablaufenden Rhythmen wie Regulierung der Körpertemperatur oder der Kortisot-Ausschüttu ng zugrunde. Umstritten ist die Wirksamkeit von Melatonin bei Jetlag. Für die Behandlung einer erhöhten Tagesmüdigkeit bei Schichtarbeitern steht das Stimulans Modafinil zur Verfügung.
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0 Was bedeutet Dyssomnie?
0 Welche Formen von Dyssomnien kennen Sie? 0 Beschreiben Sie das typische klinische Bild einer Narkolepsie. 0 Wie äußert sich ein Restless-legs-Syndrom? 0 Welche Behandlungsstrategien für das Restless-legs-Syndrom kennen Sie?
Parasomnien Parasomn.ien sind Schlaf törungen, die beim teilweisen Erwachen oder beim Wechsel von Schlafstadien entstehen und clie den Schlaf unterbrechen.
• Albträume ln Albträumen werden Situationen "erl ebt", die als lebensbedrohlich, äußerst ang teinflößend 179
15 Schlafstörungen
oder beschämend empfunden werden. Im Kin des- und Erwachsenenalter treten Albträume gelegentlich auf, ohne dass ihnen eine pathologische Bedeutung zukommt. Albträume treten im REM-Schiafu nd vorzugs weise in den frühen Morgenstunden auf. Nach dem Erwachen ist der Betroffene sofort orien tiert und kann sich an die Trauminhalte wenigstens teilweise erinnern. Albträume kommen gehäuft vor, wenn eine Belastung durch entsprechende Lebensereignisse oder eine psychische Erkrankung wie eine posttraumatische Belastungsstörung besteht, oder wenn REM-Schlaf unterd rückende Substanzen wie Alkohol oder bestimmte Antidepressiva abgesetzt werden. Sie si nd dann häufig mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden.
• Pavor nocturnus Tm Vergleich zu den Albträumen ist der Pa vor nocturnus vorwiegend an den Tiefschlaf gebunden. Er tritt in der ersten Nachthälfte auf, beginnt oft mit einem lauten Schrei und geht mit einer hohen vegetativen Erregung und vorübergehen der Desorientiertheil beim Erwachen einher. Die Betroffenen - zumeist Kinder oder Jugendliche - setzen sich im Bett auf oder springen vol ler Panik auf. Bezugspersonen können die Betroffenen trotzgutem Zu reden oft nicht beruhigen. Für das Ereignis besteht am anderen Morgen typischerweise eine Amnesie. Während der Pavor nocturnus bei Erwachsenen selten und me ist in Belastungs ituationen auftritt, wird bei Kindern und Jugendlichen eine Prävalenz von 3 % für mindestens eine Episode angenommen. Bei der Ätiologie der Störung ist ein e genetische Komponente wahrscheinlich. Differenzialdiagnostisch auszuschließen ist eine schlafgebundene Epilepsie. Pavor nocturnus und Schlafwandeln treten häufig gemeinsam auf.
• Somnambulismus Wie der Pavor nocturnus tritt der omnambulismus (= Schlafwandeln) überwiegend in der ersten Nachthälfte im Tiefschlaf auf. Mit geöffneten Augen sitzt der Betroffene im Bett, nestelt, gesti180
kuliert, spricht oder steht auf und geht im Zimmer umher. Auf A11 prache reagiert er kaum und ist nu r unter großen Schwierigkeiten aufzuwecken. Auch hier si nd nach dem Erwachen vorübergehende Desorientiertheit und Amnesie für die Episode zu beobac hten. Som nambulismus i t vo r allem ein Phänomen des Kindesa lters: Etwa 15 % aller Kinder im Alter von 5- 12 Jahren schlafwandeln mindestens einmal. Bei Erwachsenen wi rd die Häufigkeit auf bis zu 4 % geschätzt. Bei der Entsteh ung des Somnambulismus spielen ebenfalls genetische Faktoren eine Rolle. Wie beim Pavor nocturnus liegt dem Phänomen eine Stör:ung biologischer Mechanismen zugrunde, die den Obergang vom Tiefschlaf zum Erwachen steuern
• Differenzialdiagnostisch ist unbedingt an eine schlafgebundene Epilepsie zu denken. Weitere Parasomnien
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Dazu zählen: • Zähneknirschen
(Bruxismus)
• Nächtliches Einnässen (Enuresi nocturna)
• Nächtliche Wadenkrämpfe • Sprechen im Schlaf • REM-Schlaf-Verhaltensstörung: REM-
Sch laf gebundene Störung, bei der sich die Betroffenen vermehrt bewegen und zum Teil komplexe motorische Aktivitäten ausfuhren. Im Rahmen der motorischen Aktivitäten kommt es nicht selten zu UnfaLien, Selbstverletzungen oder Fremdaggressivität Häufig werden die ängstigenden Trauminhalte nach dem Ereignis wenigstens teilweise erinnert. - Typisch ist eine Erkrankung nach dem so. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. - Assoziation mit neurologischen Erkrankungen, z. B. Morbus Parkinson, die offenbar die physiologische Bl.ockade muskulärer Aktivität im REM -Schlaf aufheben. - Albträ ume treten an den REM-Schlaf gebunden und typi cherwei e in der zweiten Nachthälfte auf. - Der Pavor nocturnus i t vorwiegend mit dem Tief chlaf assoziiert und tritt deshalb häufiger in der ersten Nachthälfte auf. Dies gilt auch für den Somnambulismus, der oft mit einem Pavor nocturnus vergesellschaftet i t.
0 Was ist unter dem Begriff Parasomnie zu verstehen? 0 Welche Formen von Parasomnien kennen Sie? 0 Wie äußern sich Albträume? An welche Schlafphase sind sie gebunden?
0 Beschreiben Sie das klinische Bild eines Somnambulismus. In welcher Phase des Schlafs tritt er bevorzugt auf? 0 Was ist ein Pavor nocturnus? 0 Schildern Sie das charakteristische Bild einer REM -Schlaf- Verhaltensstörung. Wer ist davon typischerweise betroffen?
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Schlafstörungen bei körperlichen und psychischen Erkrankungen • Schlafstörungen bei organischen _ Erkr~ nku ng~~------------________ _ Klagt ein Patient über einen nicht erholsamen Schlaf, kann dem eine Vielzahl organischer Ursachen zugrunde liegen. Eine Auswahl häufiger internistischer oder neurologischer Grunderkrankungen, die zu Schlafs törungen führen, fin den sich in den Tabellen-+ 15.3 und-+ 15.4. Neben den körperlichen Beschwerden wie Atemnot oder Schmerzen sind auch die psychischen Belastungen durch die organische Erkrankung von Bedeutung. Darüber hinaus zu berücksichtigen ist, dass zahlreiche Pharmaka, die zur Behandlung organischer Erkrankungen angewandt werden, selbst Schlafstörungen verursachen (-+ Tab. 15.5) . Therapie: Im Vordergrund steht die Aufkl ärung des Patienten über die Genese der Schlafstörung und die Behandlung der körperlichen Grunderkrankung. Bei schweren Schlafstörungen kann die kurzzeitige Gabe eines sedierenden Medika Tab. 15.3 Internistische Erkrankungen, die Schlafstörungen verursachen • Kardiavaskuläre Erkrankungen, z. B. nächtliche Angina pectoris • Lungenkrankheiten, z. B. schlafbezogenes Asthma bronchiale • Erkrankungen des Gast rointestin altrakts, z. B. gastroösophagealer Reflux • Endokrinalogi sche Störungen, z. B. Hyperthyreose, Diabetes mellitus • Erkrankungen des rheumat isch en Form enkreises • Malignome • Chronische Infektio nen
ments indiziert sein. Ungünstige Schlaf- und Bettgewohnh eiten sollten ebenfalls berücksich-
tigt werden. Tab.15.4 Neurologis che Erkran kungen, die Schlafstörungen verursa chen • Degenerative Hirnerkrankungen, z. B. Demenz vom Alzhei mer-Typ • Ze rebravaskuläre Erkrankungen, z. B. Schlaganfall • Epilepsien mit schlafbezogenen Anfällen • Extrapyramidalmotorische Erkrankungen, z. B. Morbus Parkinsan • Schlafbezogene Kopfschmerzen • Polyneuropathien • Multip le Sklerose • Neuromuskuläre Erkrankungen, z. B. Myasthenie oder Myopathie • Malignome Tab. 15.5 Medikament e. die Schlafstörungen verursachen • Antihypertensiva, z. B. Betablocke r • Asthma-Medikamente, z. B. TheophyllinPräparate, Salbutamol • Parkinson-Medikamente • Antiepileptika • Hormon -Präparate, z. B. Kortikosteroide und L-Thyroxin • Antibiotika, z. B. Gyrasehemmer • Nootropika • Acetylsalicylsäure • Diuretika • Antriebssteigernde Antidepressiva, z. B. Serotonin-Wiederaufna hmehemmer (~Kap . 3) • Hypnotika, v. a. Ben zodia zepin-Präparate • Stimulanz ien, z. B. Amphetamine • Genussmittel, z. B. Koffe in, Nikotin und Alkohol 181
15 Schlafstörungen
• Besteht der Verdacht, dass ein Medikament die Schla fstörung verursacht, ist dieses möglichst ab- oder umzusetzen • Kann der Pati.en t jedoch nicht auf das Medikament verzichten, weil es lebensnotwendig für ihn ist, müssen andere Alternativen erwogen werden, z. B. Hypnotika, Entspannungsverfahren.
• Schlafstörungen bei psychischen
Erkrankungen Schlafstörungen sind bei psychischen Erkrankungen sehr häufig. Fast immer und besonders quälend werden sie bei akuten affekti ven Störunge n, Schizo phrenien oder fo rtge chritte nen demenzieHen Erkra nkungen gesc hildert. Men schen, di e an einer PTBS oder einer schweren Angststörung leiden, berichten ebenfalls häufig über eine erh ebliche Beeinträchtigung des Nachtschlafs. Auch der Missbrauch oder die Abhängigkeit von psychotrop wirksamen Substanze n kann zu
•
Schlafstörungen führen. Dabei handelt es sich entweder um die direkte Wirkung der eingenomm enen Substanz, um Rebound- oder paradoxe Effekte, eine Tol era nzentwickl ung oder eine Entzugssymptomatik. So leiden beispielsweise fast alle alkoholabhängigen Patienten unter einer erheblichen Reduktion des Tiefschlafs , etwa die Hälfte an einer Störung der Schlafkontinuität Schlafstörungen bei aku ten psychischen Erkrankungen sollten symptomatisch medikamentös behandelt werden(-+ Kap. 3). Dabei sollten die jeweilige Grunderkrankung, die Gefa hr einer Toleranz- bzw. einer Abhängigkeitsentwicklung und zu erwartende Nebenwirkungen bzw. Wechselwirkungen des eingesetzten Medikaments im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung individuell berücksichtigt we rden. Bei sekundären Schlafs törungen, die dmch eine akute psychische Erkrankung verursacht werden, ist eine spezifische Therapie der Grunderkrankung unerlässlich .
0 Welche organischen oder psychischen Erkrankungen verursachen Schlafs törungen? 0 Auch Medikamente lösen Schlafstörungen aus. Welche zum Beispiel?
182
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16
Essstörungen Sabine Frauenknecht
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anorexia nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bulimia nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Binge eating disorder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
183
16 Essstörungen
Einführung Unter dem Begriff der Esss törungen werden in der ICD-10 Erkrankungen zusammengefa st, d1e verb unden sind mit: • Einer intensiv erlebten Angst, zu dick zu se in oder zu werden • Selbst aufer legtem Fasten • Abnormem Essve rh alten • Einer Störung der Körperwahrnehmung • Erheblich red uziertem Selb twertgefühl. Sie können einhergehen mit: • Untergewicht • Adipositas •
Normalem Körpergewicht.
Sie sind nicht durch ei ne orga nische oder andere psychi ehe Erkra nkung verursacht. Von klinischer Bedeutung sind insbesondere: • Anorexia nervosa: Magers ucht, FSO.O • Bulimia nevosa: Ess-Brechsucht, F50.2 • Binge eating disorder: psychogene Hyperphagie ohne gegensteue rnd e Maßnahmen, kodiert im Anhang des DSM -IV. Auch die primäre (n icht organ i eh bedingte) Adipositas ist eine Form von Essstörung. Auf sie wird in der einschlägigen Literatur der I nneren Medizin ausführlich eingega ngen.
• In manchen Fällen kommt es auch vor, dass bulimische Patientinn en gleichzeitig an einer Adipositas leiden. Was heute aus medi zi nischer Sicht als "normalgewichtig", "zu dick" oder "zu dünn" betrachtet wird, zeigt_. Ta bell e 16.1. Die Einteilung erfolgt nach dem Body-Mass-lndex (BMI = Körpermasseindex oder Quetelets-ln dex). Er erlaubt die Einschätzu ng des An teils der Fettmasse am Kö rpergew icht. Be rech nung des Body-Mass-lndex: , Körpergewicht [kg] BMI [kg/ m -]= . ? (Körpergröße [m -]) Ob die Einteilung in dieser Form sin nvoll ist, wird jedoch kon trovers di skuti ert. Kritiker bemängeln , dass der Bereich des normalen, noch ges un den Gew ichts zu eng und zu niedrig gefasst ist. Außerdem werden protektive Faktoren wie zum Beispiel ein guter körperl icher Trainingszustand nicht berücksichtigt. Tab.16.1 Kli nische Eint eilu ng des Kö rp erge-
wichts nac h BM I (Europa USA) • Adipositas und Esss törungen im engeren Sinne sollten nicht als klar voneinander getrennte Diagnosen betrachtet werden, da sie sich in der Klinik zum Teil erheblich überschneiden • Oft entwickeln Patienten mit Anorexja nervosa im Verlauf der Erkrankung bulimische Episoden. Betroffene beider Störungen äußern immer wieder die Angst, zu dick zu werden, selbst wenn Normaloder Untergewicht besteht
•
0 Was versteht man unter einer Essstörung? 0 Welche Essstörungen kennen Sie? 0 Wie berechnet sich der Body-Mass-Index?
184
Klassifikation
BMI
Hochgradiges Untergewicht
:513,9
Mittelgradiges Untergewicht
14,0- 15,9
Leichtgradiges Untergewicht
16,0- 18,4
Norm a lgewic ht
18,5-24,9
Übe rgewi cht (Präadipositas)
25,0- 29,9
Adipositas Grad I
30,0- 34,9
Adipos itas Grad II
35 ,0-39,9
Adipositas Grad 11 1
~40,0
Anorexia nervosa ~yn01~yme: Magersucht, Pubertätsmagersucht,
JUVemle Magersucht, psychogene Anorexie. Definition und Symptomatik
Bei der Anorexia nervosa handelt es sich um eine Essstörung, bei der die Betroffenen durch ein restriktives Essverhalten und willentliches Hungern einen erheblichen Gewichtsverlust gezielt herbeiführen. Es kommt zu einem - teil weise massiven - Untergewicht und entsprechenden körperlichen Folgen bis hin zum Tod (-+ Abb. 16.1). Trotz Abmagerung empfinden die Patientinnen eine übergroße Angst, zu dick zu werden und erleben sich auch bei starkem Untergewicht als :,zu fett". Sie verneinen bei Nachfrage fast immer thren körperlichen Mangelzustand und das Bestehen einer Erkrankung. Das Selbstwerterleben der Betroffenen ist meistens herabgesetzt und in hohem Maße an das Körpergewicht gekoppelt. ~umeist werden Nahrungsmittel in die Kategonen "erlaubt" und "verboten" eingeteilt, wobei die Liste der verbotenen Lebensmittel häufig fast alle kohlenhydrat- und fetthaltigen Lebensmittel
umfasst. Der Kaloriengehalt verzehrter Speisen wird peinlich genau erfasst Die Patientinnen wiegen sich oft mehrmals täglich oder kontrollieren wiederholt den Umfang der Oberschenkel und anderer Körperteile. Die Betroffenen beschäftigen sich sehr häufig mit den Themen Essen, Lebensmittel, Kalorien und Ernährung. Teilweise entwickeln sie bizarre Rituale wie das Zerteilen der Nahrung in kleinste Stückchen, übertrieben langes Kauen oder das Verstecken und Horten von Lebensmitteln. Subjektiv berichten die Patientinnen über ein Gefühl der Stärkeangesichts ihrer Willenskraft. Initial erfahren sie durch die Gewichtsabnahme fast immer anerkennende Reaktionen. Störungen der Körperwahrnehmung erstrecken sich nicht nur auf Gewichr oder Körperform, sondern auch auf interozeptive Reize wie Hunger und SättigungsgefühL Die Überzeugung, zu dick zu sein, äußert sich in ihrer Intensität oft wie eine überwertige Idee. Im Verlauf der Erkrankung vermeiden es die Patientinnen immer häufiger, gemeinsam mit an-
,._____ kortikale Atrophie ~----
Haarausfall
.._____ Bradykardie gastrointestina1e-Störungen (verzögerte Magenentleerung, Völlegefühl Obstipation, Blähungen)
-l
Arrhythmien orthostatische Dysregulation
Amenorrhö ' - - - - - Osteoporose
Muskelatroph ie
Abb.16.1 Körperliche Symptome und Komplikationen der Anorexia nervosa
• Hypothermie • MindeiWuchs • Blutbildveränderungen (Anämie, Neutropenie, Thrombozytopanie) • Elektrolytverschiebungen (z.B. Hypokaliämie) • Odeme • Cortisoi-Serumkonzentration t • T3 -Serumkonzentration t 185
16 Essstörungen
deren zu essen, und ziehen sich aus Beziehungen wrück. Das DSM -IV beschreibt zwei Unterformen der Anorexia nervosa: • Restriktiver Typus oder asketische Form: Das Untergewicht wird ausschließlich durch striktes Diät-Halten erreicht und aufrechterhalten • Purging-Typus oder buhmische Form: - Englisch: to purge = reinigen, entschlacken - zusätzlich: Heißhungerattacken mit anschließendem Erbrechen - häufig: Einnahme von Laxanzien, Diuretika oder anderen Substanzen zur Gewichtsregulation. Epidemiologie und Komorbidität
• Lebenszeitprävalenz: etwa 1,3% • Geschlechterverh ältnis: 9 !d 2: l • Ersterkrankungsalter: durchschnittlicher Beginn mit 16 Jahren, selten vor der Pubertät oder nach dem 40. Lebensjahr
Soziokulturell vorgegebenes Schlankheitsideal
Irrationale
• Häufig psychiatrische Komorbidität mit depressiven Episoden, Angst- oder Zwangsstöru ngen und Persönlichkeitsstörungen . Ätiologie
• Multifaktor ielle Entstehung im Sinne eines Vulnerabilitäts-Stress-Modells: prädisponierende, auslösende und aufrec hterhaltende Faktoren wirken zusammen( -+ Abb . 16.2). • Zent raler Faktor ist ein sogenanntes gezügeltes Essverhalten , ein au f Gewichtsreduktion oder -erhalt ausgerichtetes Essverhalten: - Es wird willentli ch kontrolliert und orientiert sich nicht an Wahrnehmungen wie Appetit, Hunger und Sättigungsgefühl - Charakte ristisch sind Verhaltensweisen wie das Durchführen vo n Diäten, das Auslassen von Mahlzeiten , das Kalorienzählen ' der Verzicht auf hochkalorische Nahrungsm ittel oder der Gebrauch von Diätprod ukten
Probleme im Familiensystem
Lernerfahrung mit Nahrungsaufnahme
Biologische Faktoren
Auslösende Faktoren ,.Kriti sche Lebenssituation": z.B. Trennung , Verlu st, neue Leistungsanforderungen, körperliche Krankheiten
Symptome der Essstörung
~
Erbrechen, Essanfälle, La~anz i e n , Zentri ertheil au f Figur und Gew•cht
Psychosoziale Konsequenzen • Neurotransmitterstörungen • Metabolische und endokrine Störungen • Pseudoatrophie des Gehirns • Störungen gastrointestinaler Funktionen
Aufrechterhaltende Faktoren
• Soziale Isolation · Affektive Labilität _ ) • Kogniti ve Beeinträchtigung • Ständige gedankliche Beschäftigung mit Nahrungsaufnahme
Abb. 16.2 Stö rungsmo dell für die Entstehung von Anorexia nervosa und Bu limie [V 485 ] 186
• Folgen gezügelten Essverhaltens:
• Ernährungsrehabilitation: medizinische und
- Psychische Veränderungen, z. B. Depressi vität, Reizbarkeit, Ängstlichkeit und Affektlabilität sowie Störungen der Konzentrations- und Entscheidungsfahigkeit - Verhaltensbiologische Veränderungen, z. B. gedankliche Einengung auf das 111ema "Essen", seltsam anmutende Essrituale, vermindertes Interesse an sozialen Kontakten und Sexualität - Vegetative Störungen, z. B. Sch lafstörungen , Kopfschmerzen und gastrointestinale Funktionsstörungen - Körperl iche Symptome, z. B. Abnahme von Herz- und Atemfrequenz, Körpertemperatur und Grundumsatz(-+ Abb. 16.1) • Gezügeltes Essverhalten wird unter spezifi schen Bedingungen - z. B. bei anhaltend geringem Selbstwertgefühl im Rahmen eines familiären Konflikts- als Bewältigungsstrategie eingesetzt. Es verselbstständigt sich dann häufig und führt wie in einem Teufelskreis zu einer Verstärkung der Essstörung und der Konflikte.
psychotherapeutische Interventionen zum Thema Gewichtsnormalisierung, Essverhal ten und organische Komplikationen • Psychosoziale Rehabilitation: Interventi onen, die der Klärung und Bewältigung psychischer sowie sozialer Probleme dienen • Medikamentöse Therapie: sp ielt eine untergeordnete Rolle; gelegentlich kommen atypische Neuroleptika wie Olanzapin zum Einsatz, z. B. bei starker gedanklicher Einengong • Psychotherapeutische Verfahren: v. a. familien - und kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen.
Differenzialdiagnosen
• Andere psychische Erkrankungen: v. a. depressive Episode und Schizophren ie • Körperliche Erkrankungen: Malignome, chronische Entzündungen, endokrinalogische Störungen und gastrointestinale Erkrankungen. Therapie
Angewandt werden mehrdimensionale Therapiekonzepte, die folgende Bausteine umfassen:
Verlauf und Prognose • Je früher die Erkrankung während der Ado-
leszenz beginnt und je kürzer sie dauert, desto günstiger die Prognose • Bei erwachsenen behandelten Patientinnen mit Anorexia nervosa: etwa 50% erfüllen nach ca. 10 Jahren nicht mehr die klinischen Diagnosekriterien. Aber: Ein Drittel dieser Gruppe zeigt immer noch kognitive Auffalligkeiten oder gewichts- und figurbetontes Verhalten • Mortalitätsrate nimmt mit Erkrankungsdauer zu; nach 15- 20 Jahren etwa 10-20 %. Tod ist oft Folge von Suizid oder anderer, unbekannter Ursachen und seltener durch das Untergewicht selbst bedingt • Übergang in eine bulimische Symptomatik bei etwa 10 %der Patientinnen.
•
0 Beschreiben Sie die klinische Symptomatik einer Anorexia nervosa. Welche Personen erkranken typischerweise an einer Anorexie? 0 Welche körperlichen und psychischen Folgen hat der bei der Anorexie auftretende Mangelzustand? 0 Was können Sie zum Verlauf und zur Prognose der Anorexia nervosa sagen?
Bulimia nervosa Bulimia (griechisch) = Ochsenhunger. Symptomatik
Kennzeichen der Bulimie sind regelmäßige Heißhungerattacken, während derer innerhalb kurzer Ze it große Mengen meist hochkalorischer
Nahrungsmittel verschlungen und anschließend gezielt wieder erbrochen werden. Häufig werden auch Laxanzien und Diuretika eingenommen oder Fastenperioden eingelegt, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Die meist normalgewichtigen Patientinnen verlieren 187
L
16 Essstörungen
Parotitis Speicheldrüsen- - - Schwel lungen Ösophagitiden, Pharyngitiden ..-;1'-+----
Gastritiden , Magendilatation
-
-/.o,-o/lo.o--e
Niereninsuffizienz
Herzrh ythmusstörungen rezidivierende Pankreatitiden Schwielen an Fingern oder Handrücken • diabetische Entgleisungen • Elektrolytverschiebungen
Abb. 16.3 Körperliche Folgen der Bul im ia nervosa
während der Essanfälle die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme. Nach dem Erbrechen dominieren Gefühle von Scham, Schuld und depressiver Verstimmung. Häufig treten infolge des rezidivierenden Erbrechens körperliche Probleme auf (-+ Abb. 16.3). Das DSM-IV unterteilt die Buli mia nervosa in zwei Subtypen: • Purging type: Bulim ia nervosa mit regelmäßigem Erbrechen oder Laxanzien- und/oder Diuretikaeinnahme • Non-purging type: Bulimia nervosa mit gegensteuernden Maßnahmen wie Fasten oder übermäß iger körperlicher Akt ivität. Auch bei Patientinnen mi t Bulimie • Besteht die Überze ugung zu dick zu sein • Herrscht eine gedankliche Einengung auf das Thema Esse n • Liegt intermi ttierend gezügeltes · sver halten vor • Besteht ein e Störung der Körperwa hrn ehmung und der Wa hrnehm un g emotionaler Qualitäten. ßulimis he Patientin nen sind im Durchs hn.itt normal- oder leicht Obergewichtig.
188
Die Essanfälle un d die .,Entfernung" der verzehrten Nahru ngsmittel werden häufig in ritualisierter Form dur hgeführt. Die Mehrzahl der bulimischen Patientinnen leidet unter einem gestörten SelbstwertgefühL
Der Wert der eigenen Person wi rd in hohem Maße an das Erfüllen sozialer Normen, z. B. Sch lankheitsideal, und die M inung anderer Menschen geknüpft. Epidemiologie und Komorbidität • Lebenszei tp rävalenz: ca. 9: 1,5 %, cf: 0,5 %,
hohe Dunkelziffer; .im klini chen Alltag begegnet man überwiegend an Buli mie erkrankten Frauen • Etwas spätere r Reginn als bei Anore ·ia • G legentlieh geht der Bulimie eine anorektische ymptomatik vora us • Hohe Komorbid iUit mit dep ressiven Syndromen, Angststörun gen, ubsta nzmissbrauch und Per önli hkei tsstörungen. Viele bulimis he P'Hientinnen komm n ni ht w gen ihr r Ess törung in p y hia'tris he oder psy h th rap utis h Behandlung. sondern
aufgrund einer depressiven Symptomatik oder einer Angststörung. Der Therapeut sollte daher immer gezielt nach dem E sverhalten fragen und auf entsprechende körperliche Symptome achten. Ätiologie • Ätiologisches Modell zur Ano rexia nervosa weitgehend auf di e Bu limie übertragbar (-+ Abb. 16.2) • Ges törtes Essverhalten als "Endstrecke'' mul tipler Fa ktoren im Sinne ei nes Vulnerabilitäts-Stress-Modells • Biologische Bedingungen: Bei Familienangehörigen bulirnischer Patientinnen treten überzufällig häufig affektive Störungen, Angsterkranku ngen, Alkoho labhängigkeit, Übergewicht oder andere Essstörungen auf. Differenzialdiagnosen • Körperliche Erkrankungen , die Heißhungerattac ken auslösen: z. B. Diabetes mellitus, Hyperthyreose, hypophysärer ode r hypothalamischer Tumor • Psychische Erkrankungen: Angst- und An passu ngsstörungen oder depressive Episoden mit atypischer Symptomatik: im Ra hm en einer atypi schen Depress ion treten häufiger bei
0 0 0 0
Frauen Appetitsteigerung und Gewichtszu nahme auf • Heißhungerattacken durch Einnahme von Medika menten, z. B. Glukokortikoide, Östrogen -Präparate, Valproinsäure, Lithiumsalze, bestimmte Neuroleptika und tri zykli sche Antidepressiva oder auch durch Absetzen von stimulierenden Substanzen wie Nikotin, Amphetaminen und Kokain. Therapie • Behandlu ng der Bulim ie erfolgt - mit Ausnahme der Gewichtszunahme - analog zu den Tiw·ap ieprin zipien für die Anorexie • Psychotherapie: Mittel der Wahl; empirisch gut belegt ist die Wirksamkeit der kogniti ven Verhaltenstherapie und der interpersonellen Psychotherapie (I PT) • Medikamentöse Therapie: eingebettet in Psychotherap ie Behandlung bei Bedarf mit einem Serotonin -WiederaufnahmehemmeT (S Rf), insbesondere wen n zusätzlich ein schweres depressives Syndrom vorliegt. Verlauf • Mittelfristig etwas günstigerer Verlauf als bei Anorexia nervosa • Einzelne Todesfälle kommen vor, z. B. durch körperliche Komp likationen. Insgesamt jedoch deutlich geringere Mortalität als bei Anorexie.
Beschreiben Sie die Klinik einer Bulimia nervosa. Wer erkrankt typischerweise an einer Bulimie? Welche körperlichen Folgen oder Komplikationen treten bei einer Bulimie auf? Welche anderen Erkrankungen oder Substanzen kennen Sie, die zu Heißhungerattacken führen?
Binge eating disorder • Binge: (engl. ) = Sauf- oder Fres gelage • Synonym: psychogene Hyperphagie ohne gege nsteuernde Maß nahm en. Symptomatik Eine Binge eating disorderliegt vo r, wenn regelmäßig, d. h. mehr als 2-mal pro Woche, Essanfälle ohne gegensteuerndes Verhalten auftreten. Dabei werden grofk Menge n an Nahrungsmitt ln v rzehrt, bi es zu einem unangenehmen Völlegefüh l kommt. Die betroffenen Personen
essen ohne Hunger und haben das Gefühl, die Kontrolle über da E sen zu ve rlieren. Nach der Attacke folgen zu meist intensive cham-, Sch uld- oder Ekelgefühle sowie DeprimiertheiL Etwa zwei Dri ttel der Betroffenen leiden unter Obergewicht oder Adipositas. Prävalenz, Ätiologie und Differenzialdiagnose • Lcbenszeitpräva lenz: 9: 3,5 %, d: 2,0% • Ätiologie: noch unklar 189
16 Essstörungen
• Ausschluss von organi eben Ur achen, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Drogen erfo rderlich
•
• Gelegentl ich Appetitsteigerungen mi t Essattacken und Gew i htszu nahrn e auch im Rahmen ei ner atypischen depres iv n Episode, häufiger bei Frauen .
0 Welche Verhaltensweisen charakterisieren die Binge eating disorder?
190
...
Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen
17
Sabine Frauenknecht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192
Umschriebene Entwicklungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
Tief greifende Entwicklungsstörungen ... ..... .... . ......... . . . . . . . . . . . . . . . . .
195
ADHS im Kindes- und Jugendalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Störungen sozialer Funktionen und des Sozialverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Emotionale Störungen des Kindesalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
Schlafstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Störungen der Ausscheidungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Dissoziative und somatoforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Tic-Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Deprivation und Misshandlung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Substanzmi ssbrauch und Sucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Psychosen des schizophrenen Formenkreises und organische Psychosyndrome. . . . 208 Intelligenzminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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17 Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen
Einführung Die Sympto matik psychischer Störunge n oder Auffälligke iteil ist im Kind es- und Jugendalte r in hohem Ma ße alters- und entwicklungsabhängig. Das k.lini ehe Bild einer psychischen Störung ist häufig anders al bei ve rgleichbaren, für das Erwachsenena lter beschriebene n Erkrankun gen, z. B. beim depress iven Synd rom. Zudem verlaufen psychische Störungen bei Kindern und Ju gendlieben oft fluktuierend und zeigen eine noch größere Abhängigkeit von Umgebun gs bedingunge n und Interak tionsprozessen als bei Erwachsenen. Darü ber hin aus gi bt es Beschwerden, die überwiegend im Kind e - ode r Jugendalter auft reten und bei Erwachse nen sehr selten si nd , z. B. Enuresis noct urn a, Tic- törun gen oder Mut ismus. ln de r JCD-10 sind fü r Kinder und jugend liche zum einen spezifi sche Diag noseg ruppen vorgesehen (FS und F9). Zum anderen dürfen auch bei Ki ndern und Jugend lic hen Diagno en der Gruppen FO-F6 der JCD-10 ges tell t werden,
we nn die ents prechenden Kriteri en erfül lt sind (üb lich ist di es beisp ielweise bei den Esss tö run ge n Ano rex ie uqd Bulimie oder den Zwa ngss törunge n). Diagnosti sc he Probleme ergeben sich manchm al, weil di e Diagnosekri-· rerien in F8 und F9 tei lweise se hr unscha rf for muli ert si nd. Eine Übersicht über die in di esem Kapitel besproche nen Erkranku nge n und deren Zuordnun g in der ICD-10 gibt _. Tabelle 17. 1. Im klinischen Alltag hat sich für psychiatri-
che Erkra nkungen im Ki ndes- und Jugendalter das multiaxiale Klassifikations chema (MA ) nach Rutter, Shafrer und Sturge bewährt. Es sieht eine Beurteilung auf sechs Ebenen vor, was der multifaktoriellen Genese psych ischer törungen im Kinde - und Jugendalter sowie der Not\·vendigkeit mehrdimens ionaler TI1erapiekonzepte Rechnung trägt (-+ Tab. 17.2).
Tab.17.1 Ein te ilung psychi sche r Störungen bei Kindern und Ju gend lichen
ICD-10-Kodierung Diagnosen -
F8
Umschriebene Entwick lu ngsstöru ngen (F80- F83) Tief gre ifende Entwicklungsstörungen (F84)
F9
(und andere)
ADS /ADHS bzw. hyperkin eti sc he Störungen (F90) Störungen sozialer Funktionen (F94) und des Sozialverhaltens (F91, F92)
Emotionale Störungen des Ki ndesa lters (F93) , zus ätz l. : affektive Stö ru ngen, Angst- und Zwangsstörunge n (F3, F40- 43) Sonstige Verh a ltens- und emoti onale Störungen (F98) ,_. hie r: psyc hi sc he Störungen mit körpe rl icher Symptomatik (F98 + F44 , F45, FSO, FSl) Tic -Störungen (F95)
192
YO,Z6
Deprivation und Misshan dlun g (Y00- 07, Z61 - 63)
Fl
Substan zmissbrauch und Suc ht
F2
Psychosen des sc hizophrenen Formenkre ises
FO
Organ ische Psychesyndrome
F7
lntel li genzm inderu ng
-
-
-
-
-
-
Tab.17.2 Multi axi ales Klassifik at ion ssc hema (MAS)
Achse
Klassifil
Beispiet und Klassifikation nach ICD-10
1
Klinis ch-psychiatrische Syndrome
Einfache Aktivitä ts- und Aufmerksamkeitsstörung = ADHS (F90.0)
2
Entwicklungsstörungen
Lese- Rechtschreib -Störung (F81.0)
3
Intelligen zniveau
Überdurchschnittliche Intelligenz
4
Körperliche Symptomatik
Spannungskopfschmerz
5
Aktuelle psychosozi ale Umständ e
Trennung der Eltern
6
Glob albeurteilung der psychoso zia len Anpassung
M äßige soziale Beei nträchtigung
0 Worin unterscheiden sich psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter von denen im Erwachsenenalter?
Umschriebene Entwicklungsstörungen Definition Unter de n umschriebenen Entwicklungsstörungen ve rsteht man die verzögerte oder eingeschränkte Entwicklung bestimm ter isolierter Fertigkeiten wi e Motori k, Sprache und schuli sche Fertigkeiten, die eng mit der biologischen Rei fung des ZNS verknüpft sind. Oie um schriebenen Entwi cklungsstörungen beginnen immer im Kl einkindalter oder der Kindheit und weisen einen stetigen Verlauf auf. Sie sin d nicht ausschließlich durch eine mangelhafte Fö rderung, ein Intelligenzdefi zit sowie primär organische oder psychische Erkrankungen verursacht. Für Kinder im Vorschulalter mit Entwickl un gs störungen ist in der Regel der Kinderarzt der erste Ansprechpartner. Schul kinder mit Entwicklung Störun gen werden mit sekundären körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen oft beim Kinder- und Hausarzt vo rgestellt. Andere sekundäre ymptome wie das Auft reten als "Klassenkasper" bei ein er Le eRechtsclueib -Störung führen zum direkten Kontakt mit dem l(jnder- und Jugendpsychia ter. Zur Übersicht über die wichtigste n umschriebenen Entwicklung störungen-+ Ta belle 17.3. Anmerlwngen Umschriebene Entwicklungsstörung der Sprache (FSO).
Abzugrenzen sind hier die Sprechstörungen Stottern und Poltern. Sie werden unter F98.5 und F98.6 klassifiziert und zum "Sammeltopf ' der sonstigen Verhaltens- und emotionalen Stö rungen gerechnet: • Stottern (Balbuties): Sprechen mit häufigen Wiederholungen oder Dehnungen von Lau ten, Silben oder Wörtern, Zögern oder Pausen beim Sprechablauf; der Sprachfluss ist dadurch deutlich unterbrochen • Poltern : hohe Sprachgeschwindigkeit mit Abbrüchen des Sprachflusses, aber keine Wiederholungen oder Verzögerungen; dadurch deutlich beeinträchtigte Sp rachverständlichkeit Umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten (F81). Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben wurden lange un te r de m Begriff Legasthenie wörtlich: Leseschwäche - zusammengefass t. In der modern en Diag nostik hat sich der korrektere BegrifFder Lese-Rechtschreib-Störung durchgesetzt. Jungen sind von Lese-Rechtschreib-Störunge n und Rechenstörungen häufiger betroffen als Mädchen. Die Störungen könn en auch kombiniert vorkommen. Hinsi htli ch d r Ätiologie we rden ge netischen Faktoren eine bedeutende Rolle zugesc hrieben. 193
17 Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen
Tab . 17.3 Form en um sc hriebene r Entwi ck lun gsst örun ge n und ihre Ein teil ung -
Entwicklungsstörung
Unterformen
Beschreibung
Umschriebene Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache
ArtikulatiO nsst öru ng (St amme ln= Dysla lie)
Ein ze lne La ute oder Lautve rb indunge n fe hlen od er werd en erset zt od er entst el lt geb ildet sod ass es zu Verständn isschwierigke ite n ' ko mm t, z. B. Sigmatismus: gestört e Bi ldu ng des S· Lau t s wie etwa beim Lisp el n
Stö run g der expres sive n Sprac he
Ein gesch ränkte Fä h ig~eit des Kin des, d ie ge sproc ~ ene Spra che se inem Alt er und In te ll i-
(FBO)
ge nznivea u ent spreche nd zu verwen den Störung der reze pti·
Umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkelten (F81)
ven Sp rach e
Sp rac hverst ändn is des Ki ndes liegt unt erhalb der dem Alter und dem Inte lli ge nznivea u en t sprechend en Fäh igkeiten
Erwo rb ene Ap hasie mit Epileps ie (Land auKleffn er-Syndrom)
Beginn im ~ l t e ~ vo n 3- 7 Ja.hren mit Verlu st von Sprac hfert igke lten und ep il eptisc hen Anfä lle Ursac he unklar, Verläufe sehr untersc h ie dl i c~'
Lese- und / ode r Rec htschre ib-Stö rung
Ko mm en i so li ~ rt od er kom bin iert vor. Ei ne Lese-Rec htsch reJ b -Sto ru ng betri fft 4- 7 % aller
~~-:-:-:-=--------=------;:S:-c-:-h-:-;ul~k-:in~d-::e-::r~-:-:--.:--:-~~-----Rech enst örung (Dyska lk uli e)
Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Fertigkeiten (F82)
Häufi g fi nden sich anamne ti eh Hi nwe.ise auf andere Fa milienmitgl ieder, die ebenfa lls an einer solchen Störun g leiden. Die betroffe nen Kinder we rden dem Ki ndera rzt meist aufg ru nd unspezifischer Symptome wie Schu langst, depressiven Verstim mungszu tän de n, psychosomatischen ymptomen oder Ve rhaltensauffä lligkeite n vorgestell t. Problem : Die Störung bleibt häufig lange unerkannt und di e Kinder werden sowohl vo n ihren Lehrern als auch ihren Elte rn oft nicht ern st genommen und als fa ul, bockig oder nachläss ig bezeichnet.
Bet rifft 4- 6 % all er Schu lk inde r
Fein- ?d er ~robmotor i s c h e Fä higkeite n bef inden s1ch n1ch t auf dem für das Al te r entsp rechendem Niveau
Auf Antrag kann das Kind vom Kultusministerium formal eine Anerkenn ung der Störun erhalten. Damit werden die entsprechenden g Leistungen vo n der Benotung ausgenommen.
Bei Sc huJkjndern mit unspezifischen chulängsten, körperlichen Beschwerden depressiver Verstimmung oder Verhalte~ sautfälligkeiten immer an das Vorliegen einer Lese-Rechtschreib- hwäche oder yskalkuli denken.
Folgen :
• Di e Kinder entwickeln sekundäre Symptome (s. o.) und oft ein stark verm ind rtes Selbstwertgefühl • In ihren schuli schen Leistungen schneiden ie häufig unterhalb ihrer eigentlich n in tellekt ue ll en Möglichkeiten ab. Daher sollte nach sorgfä ltiger I iagno ·tik möglichst ra eh die ntsprechende Diag nose geste ll t, di es den Elte rn und Lehrern vermitt el t und ein gezieltes Thera pieprogram m eing leit werden.
194
Umschriebene Entwicklungsstörung motori -
scher Ferl igkciten (F '- ). • Oft ynonym v rwendct w rden : - yndrom des ungeschi kten Kinds - !:,ntwicklungsbedingt K ord ina tionsstö r ung - En tw i kiLtngscly·praxi
• ehr un s harfcr Begriff. hetcroge:: ncs Bild • Vo rko mmen bLi a. 1,4 % all r hül r • Jun ge n häufig r bctron·c n als Mäd hen • rsa h · hct ·roge n, wah rs h inl ich Zusammenwi rk n von ge nctis hc n, prä -/! erinat 1 · tnt · ·rak' l lone · IIcn b· k·toren. a 11 sow1c
0 Was versteht man unter einer Lese-Rechtschreib-Störung? 0 Was ist eine Dyskalkulie? 0 Was wissen Sie zur Epidemiologie der Lese-Rechtschreib-Störungund Dyskalkulie?
0 Beschreiben sie die Charakteristika der Sprechstörungen Stottern und Poltern.
Tief greifende Entwicklungsstörungen • Autismus Un ter Aut ismus werden Störu ngen mit einer qualitativen Beeinträchtigung der Kommunikation und der sozialen Interaktion verstanden . Charakteristi eh sind auch stereotype oder zwanghafte Ve rhaltensweisen. Es werden zwei klinische Ve rlaufsformen beschriebe n: • Frühkindlicher Autismus (KannerAutismus) • Asperger-Syndrom (früher: autistische Psychopathie).
• Frühkindlicher Autismus Es handelt sic h um eine Störun g, bei der sich die oben besch riebenen Kernsymptome bereits vor dem 3. Lebensjahr man ifestieren. Symptomatik Störungen der sozialen Interaktion : z. B. kein
Blickkontakt, kein e Beziehung zu Gleichaltrigen oder Mangel an Empathie und Au druck von Gefüh len. Störungen der Kommunikation: z. ß. verspätete oder ausbleibende Sprachentwicklung und stereotyper oder ritualisierter Sprachgebra uch. Ritualisierte, stereotype oder zwanghafte Verhaltensweisen : z. B. Beharren auf bestim m-
ten Abläufen mit massiven Angst- oder Wutreaktionen bei Veränderu ngen, bizarre Sonderinteressen oder -fäh igkeiten und motorische Stereotypien. Zusätzliche Symptome:
• • • • •
Verlust motorischer l~ä higke i ten Emotionale Instabilität Intelligenzminderung Störungen des Schl af-Wach -Rhythmus Gelegentli ch Selbstverlet:zungen.
Ätiologie und Epidemiologie
• Wah rscheinlich hirnorgan ische und genetische Faktoren (Autismus als Störung der zerebralen Wahrnehmungsverarbeitung bei intakten Si nnesorganen) • Sehr seltene Störung: Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung 0,02- 0,04 %, Ju ngen etwa 4-mal häufiger betroffen als Mädchen. Prognose
• Anhaltende Störung • Bei ca. zwei Drittel n dadurch schwere Behinderung • Komplikation durch epileptische Anfalle häufig. Charakteristische Symptome des seltenen frühkindlichen Autismus sind: • Vor dem 3. Lebensjahr einsetzende Störung der Sprachentwicklung • Gestörte Kontaktaufnahme, Kommunikation und Beziehungsgestaltung mit Bezugspersonen und anderen Kindern, z. R fehlende Körpersprache, fehlender Blickkontakt, mangelnde affektive Resonanz und fehlende Empathiefahigkeit • Stark ritualisierte Handlungs- und Alltagsabläufe • Motorische Stereotypien_
•_~_sper~~r-S_y~drom Synonyme: Asperger-Autismus. Früher: autistiche P ychopathie. Symptomatik • Gemeinsamkeiten mit frühkindlichem Autismus:
- Beeinträchtigung der sozialen Interaktion - Mangel an gcw is en Kommunikatio nsfertigkeite n 195
17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen
- Charakteristi ehe stereotype und zwanghaft anmutende Ve rhaltensweise n • Unterschiede zum frühkindlichen Autis-
mus: - Die gesprochene Sprach e oder das Sprachverständnis sind klinisch ni cht beeinträchtigt - Die kognitive Entwicklung ist in der Regel ungestört, das Intelligenzniveau durchschnittlich. • Häufig treten motorische En twi cklungsverzögerungen oder ei ne gewisse Ungeschicktheil auf • Auffällig sind oft bizarr anmutende Sonderinteressen, etwa die ausdauernde Beschäftigung mit Fahrplänen, Zahlen oder Lexika anstell e von kreativem Spiele!) oder dem Lesen von Abenteuergeschichten • Zum klinischen Bild im Erwachsenenalter bzw. der Überschneidung mit der Diagnose der schizoiden Persönlichkeitsstörung (_. Kap.l2 und 13).
Kinder mit Asperger-Autism us werden häufig dann zur Beratung vorgestellt, wenn vermehrt soziale Integration gefordert ist, z. B. beim Eintritt in den Kindergarten, die Grundschule oder in die Pubertät.
Ätiologie und Epidemiologie • Ätiologie ungeklärt, wahrscheinli ch Beteiligun g genetischer Faktoren • Sehr selten, aber etwas häufiger als der früh kindliche Autismu , Prävalenz: 0,08% • Gesch lechterverhältnis wie beim frü hkindli chen Autismus.
Prognose • Lebenslange Persistenz der Grundsymptomatik • Ausprägung der Symptoma tik, Teilhabe am Erwerbsleben bzw. gesellschaftliche Integrati on jedoch stark ab hän gig vo n Lebenssi tuation und sozialem Umfeld (_. Kap. 13).
• Vorkommen: eh r selten, Prävalenz in der Al lgemeinbevölkerung: 0,01 % • Fast nur Mädchen betroffen • Normale frühkindl iche En twi cklung bis zum 5. Monat • Beginn : 5. Monat bis 4. Lebensjahr • Abnahme des Kopfwach tums • Verlust der erwo rbene n zielge ri ch teten Handbewegunge n • Störung der Koord ination • Störung der Sprachentwicklung mit Kommu nikations törung
• Störung der sozialen Interaktion • Motorische Stereotypien .
0 0 0 0 0
Beschreiben Sie die typische Symptomkonstellation des frühkindlichen Autismus. Was sind die Charakteristika des Asperger-Syndroms? Was wissen Sie über den Verlaufvon frühkindlichem Autismus und Asperger-Syndrom? Was ist typisch für das Rett -Syndrom ? Welcher Störungsgruppe werden die Diagnosen frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom und Rett-Syndrom zugeordnet?
ADHS im Kindes- und Jugendalter ADS/ ADHS im Erwachsenenalter (-+ Kap. 13). Begriffe • Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität 'syndrom (ADH ) • Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) • Hyperkinetisches Syndrom (HKS).
196
Symptomatik Kernsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit -
Stö rung bei Ki ndern und Jugendlichen sind: • Aufmerksamkeitssstörung mit Kon zentrations chwierigkeiten, leichter Abi nkbarkeit, Zerstreuth eit, Vergessli chkeit und daraus re· sulti erender De organi. i rth eit
• Hyperaktivität, bei pielsweise mit häufigem
Händefuchteln, exzessivem Klettern, Aufstehen oder Um hergehen auch in unpassenden Situationen, Schwierigkeiten, still zu sitzen, unnötig lautem Spielen oder einem Gefühl ständ ige r innerer Unru he • Impulsivität, z. B. "Herausplatzen" mit Antworten, Nicht-Warten -Könn en, häufiges Unterbrechen oder Stören anderer und exzessives Reden. Die ICD-10 fordert , dass die Symptomatik vor dem 7. Lebensj ahr begonnen hat, über mindestens 6 Monate besteht und zu erheblichen Schwierigkeiten und Leiden zu Hause, in der Schule und in weiteren Situationen führt. ADHS (mit motorischer Hyperaktivität): • Kinder fa llen durch Unruhe und motorische Überaktivität auf • Sie reden im Unterr.icht dazwischen, wirken häufig abgelenkt und zers treut • Sie können Gefahren schlecht einschätzen und führen beim Spielen oft unüberlegte, riskante Handlungen aus. ADS (o hne motorische Hyperaktivität): • Kinder werden eher als "geistig abwesend", unaufm erksam oder .. verträ umt" beschrieben. • Für beide Formen gilt: • Im Schulalter kommt es infolge der Störung oft: - Zu erheblichen Konfliktsituationen mit Lehrern, Mi tschülern und Eltern - Durch ständiges Maßregeln sekundär zu einer Verminderung des Selbstwertgefüh ls - Zu aggressivem Verhalten - Zu depressiven Verstimmung zuständen • Die betroffenen Ki nder schneiden im schulischen Bereich häufig nicht ihren in tellektuellen Fähigkeiten ent prechend ab • Im Jugendalter besteht insbesondere durch die Impulsivität ein erhöhtes Risiko für den Missbrauch p ychotrop wirksamer Substan-
zenoder für die Entwicklung dissozialen Verhaltens. Obwohl sich die Symptomatik eines ADS/ ADHS retrospektiv häufig bis ins Säuglingsalter, z. B. Unruhe und leichte Irritierbarkeit oder Kleinkindalter, z. B. motorische Überaktivität, Waghalsigkeit, und Häufung von Unfällen zurückverfolgen lässt, manifestiert sich die Problematik oftmals erst mit der Einschulung. Epidemiologie und Komorbidität
• Eine der häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen: - Prävalenz bei Schulkindern: 4-9 % - jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen (Verhältnis 3- 8 : 1) • Hohe Komorbidität mit Lese-Rechtschreib Störungen, bei Jugendlic hen mit dissozialem Verhalten und Substanzmissbrauch; reaktiv entwickeln sich oft Angststöru ngen, depressi ve Syndrome oder Störungen des Sozialverhaltens • Bei bis zu einem Drittel der Kinder persistiert die Störung bis ins Erwachsenenalter (-+ Kap. l3) . Therapie
Mehrdimensionales Vorgehen aus: • Beratung von Eltern und Leh rern , insbeson-
dere Maßnahmen zur Alltagsstrukturierung sind von wesentlicher Bedeutung • Psychotherapeutische Interventionen unter Einbeziehung der Fam ilie • Ergänzende Maßnahmen: heilpädagogische Verfahren, ergo-, musik-oder körpertherapeutische Verfahren und Entspannungstechniken • Medikamentöse Therapie mit Stimulanzien wie Methylphenidat oder dem selektiven Noradrenalin-WiederaufnahmehemmeT Atomoxetin .
•
0 Beschreiben Sie die typische Symptomatik einer ADS/ADHS im Kindesalter. 0 Was können Sie zur Epidemiologie der ADS/ADHS bei Kindern und Jugendlichen sagen?
0 Welchen Verlauf nimmt die Erkrankung? 0 Welche Behandlungsansätze kennen Sie?
--------------------------------------------~
197
17 Psychische Störungen bei Ki ndern und Jugendlichen
Störungen sozialer Funktionen und des Sozialverhaltens • Störungen sozialer Funktionen mit ~!gi n_~_J~--~~~ Ki_~-~~~i!_~_l2-~-~-~~nd Elektiver Mutismus • Bei altersen tsprechendem Spracherwerb
stellen Kinder in bestimmten Situationen das Sprechen ein und reagieren dann verbal auch nicht auf Ansprache_ Typischerweise sprechen die betreffenden Kinder mit Familien mitgliedern oder mit engen Freunden, nicht aber in der Schule oder in Gegenwart fremder Personen. Die Diagnose setzt eine Dauer der Störung von mindestens 4 Wochen voraus • Prävalenz bei Kindern ca_0,8 %, Mädchen etwas häufiger betroffen als Jungen • Ätiologische Faktoren Persönlichkeitseige nschaften des Kinds wie erhöhte Ängstlichkeit führen im Zusammenwirken mit psychosozialen Bedingungen, z. B. fami liäre Konflikte. Traumatisierung oder psychische Erkran kung eines Elternteils sowie bei einer Verä nderung der Lebenssituation, etwa durch Ein schu lung oder Umzug zur Entwicklung des Mutismus. Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
Wird als Folge von Vernachlässigung und Misshandlung betrachtet( -+ Kap . 17).
• Aggressive Ablehnung der Wünsche und An weisungen wichtiger Bezugspersonen • Häufiges Beginnen körperli cher Au einan dersetzungen; Gebrauch von gefahrliehen Waffen und körperliche Grausamkeit gegen über anderen Menschen oder Tieren • Häufiges Lügen oder Brechen von Ve reinba rungen, Schu lsch wänzen • Kriminelle Handlunge n, z. B. traße nraub oder Einbrüche_ Epidemiologie, Komorbidität und Prognose
• Präva lenz: 2-8% aller Kinder und Jugendlichen erfüllen die Diagnosekriterien, jungen 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Mädchen • Häufige komorbide Störungen: ADHS, um schriebene Entwicklungss törungen und Sub stanzmissbrauch oder -a bhängigkeit • Prognose: 50 % aller betroffenen Jugendlichen weisen auch als Erwachsene dissozia les Verhalten oder eine dissoziale Persönlichkeitsstörung auf. Insgesamt gilt: Je früher die Störung des Sozialverhaltens beginnt, desto höher ist das Risiko für eine Persistenz bis ins Erwachsenenalter.
~- ~t~~-~_!1~~~-~ ~~!!a_~ver~~~!~_!l~-- __ Synonyme • Dissozialität
• Dissoziales Verhalten_ ln Abgrenzung dazu De linquenz: Vorliegen einer Straftat oder eines kriminellen Vergehens. Definition und Symptomatik
Unter diesen Begriffen wird eine heterogene Gruppe von Störungen zusammengefasst Gemeinsam ist ihnen ein wiederholtes über mindestens 6 Monate andauerndes Verhaltensmus ter, das entweder die Grund rechte anderer oder die wichtigsten altersentsprechenden sozialen Normen und Gesetze verletzt. Beispiele:
• Häufiger Ärger oder Groll , ungewöhnli ch häufige und schwere Wutausbrüche, Gehässigkeit oder Rachsucht im sozialen Umga ng • Häufiges, offensichtlich wohlüberlegtes Ärgern, Tyrannisieren oder Einschü chtern anderer 198
Ätiologie
Höchstwahrschein lich wirken verschiedene Faktoren zu ammen: • Verhaltensbiologische Faktoren. z. B. Temperament, Impulsivität, Risikobereitschaft oder ADHS • Prä-, peri- und po tnatale Noxen, z. B. Nikotin -, Alkoholkonsum der Mutter, mit entsprechenden Verhai tensa ufl1ill igkeit:en des Säuglings oder Kleinkinds • Umschriebene Entwi cklungsstörung mit Schulschwierigkei t n • Verwahrlosung und Mis handlung oder Mis brauch • Sehr gewährender oder inkon is tenter Erziehungsstil • Dissoziales Verhalten oder dissoziale Persön lichkeitsstörung bei ei nem Elternteil • Niedriger sozioökonom is her Iatus • Negativer Einfluss der Peergroup.
Therapie
Wegen hoher Stabilitä t der Störung ist eine frü he Intervention sinnvoll, z. B. mithilfe ve rbal-
renstherapeutischer und famili entherapeutischer Strategien oder Maßnahmen der Jugendhilfe.
0 Was versteht man unter elektivem Mutismus? 0 Was ist eine Störung des Sozialverhaltens? 0 Was wissen Sie über Häufigkeit und Prognose der Störung des Sozialverhaltens?
Emotionale Störungen des Kindesalters Klassifikation
Die emotionalen Störungen des Kindesalters gehören zu den häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen . Unter dieser Kategorie (F93) werden in der lCD-JO vier Hauptdiagnosen zusammengefasst: • Emotionale Störung mit Trennungsangst (F93.0)
• Phobische Störung des Kindesalters (F93.1) • Störu ng mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F93.2) • Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität (1·93.3).
Die Kriterien für die genannten Diagnosen sind recht unscharf formu li ert. Überdies werdendepressive Syndrome, die im Kindesalter häufig ein anderes klinisches ßild aufweisen als im Erwachsenenalter, oder zwanghafte Verhaltensweise n dabei nicht berück ichtigt. Daher erfolgt hier die Einteilung in Angststörungen, depressi ve törungen und Zwangsst:örungen.
Emotionale Störung mit Trennungsangst
Darunter versteht man eine . tarke Angst, von wichtigen Bezugspersonen getrennt zu sein, die über das zu erwartende Ausmaß weit hinaus geht. Das Kind hat bei pielsweise mass.ive .Äng ·te, der Bewgsperson könnte twa zustoßen oder es. elb t könnte durch ein unglückliches Ereignis von der Bezugsperson getrennt werden. Bei einer bevorstehenden Trennung, z. ß. chulb uch, reagiert das Kind mit heftigen Ausbrü chen von Panik, Schreien und Weinen oder körperli hen Symptomen wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Kopfschmerzen oder klammert sich an die Bez.ugsperson.
Die Trennungsangst führt zu deutlichen Einschränkungen im ozialen Bereich, z. B. zu Fehlzeiten in der Schule oder reduzierter Kontaktaufnahme mit Freunden außerhalb des Hauses. Bewirkt die Trennung angst, dass ein Kind über längere Zeit mit Wis en der Eltern die Schule nicht bes ucht, spricht man auch von einer Schulphobie.
Sie sollte abgegrenzt werden von: • Schulangst Verweigerung des Schulbesuchs aufgrundeiner mit der Schulsituation zusammenhängenden Problematik, z. B. Leistungsüberforderung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche • Schulschwänzen: Vermeidung der unlustbesetzten Schulsitua tion ohne Wissen der Eltern, stattdessen werden lustbetonte Aktivitäten aufgesucht; steht oft im Zusammenhang mit einer Störung des Sozialverhaltens. Phobische Störungen
Häufig sind spezifische (= isolierte) Phobien (-+Kap. 10), d. h. panikartige, über die Altersnorm hinausgehende Ängste, die sich auf ein bestimmtes Objekt oder eine an sich ungefährliche Situation beziehen. Die Ängste richten sich dabei häufig auf Tiere, Gewitter, Dunkelheit oder geschlossene Räume. Gelegentlich kommen bei Kindern und Jugendli chen ·weh agorap hobische Ängste vor. Diese sollten dann ggf. auch als Agoraphobie oder Panikstörung diagnostiziert werden (-+Kap. 10). Von den emotionalen Störungen sind die Diagnosen "emotionale Störung mit Trennungsangst" und "phobische Störung" bei Kindern am häufigsten.
199
17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen
Störung mit sozialer Ängstlichkeit
Bezeichnet eine durchgehen de oder wiederkehrende Furcht vor Fremden, die vor dem 6. Lebensjahr beginnt und das üb liche Maß überschreitet. Die Furcht ka nn sich auf Erwachse ne oder Gleichaltri ge oder beides beziehen. Die damit verbundene Vermeidung sozialer Beziehungen führt zu erheblichen Einschränkunge n im Alltag. Die Übergänge zur sozialen Phobie (__. Kap. lO) sind fli eßend. Andere Angststörungen
In Einzelfallen entwickeln Kinder oder Jugendliche auch Beschwerden, die dem Vollbild einer generalisierten Angststörung (__. Kap. 10), einer posttraumatischen Belastungsstörung (__. Kap. 11 ) oder einer Anpassungsstörung (__. Kap.ll ) entsprechen.
• D~pr«:~~!-"-~~t~_!~n~e~ ---· ___________ _ Auch depress ive Syndrome treten bei Kindern und Jugendlichen auf, in den vergangenen Jahrzehnten mit zu nehmender Häufigkeit. Als Prävalenzraten werden bei Kindern um die 2 % angegeben und bei Jugendlichen 4- 5 %.
Traurigke it, ausdrucksarme Mimik und Gestik, Trauri gkeit und Trennungsängs te. Kindergartenkinder. Traurigkeit, tim mungslab ilität, Freudlosigkeit, Schlaf- und Essstöru ngen, Ausscheidungss törungen, ausdrucksarme Mimik und Gestik, sozialer Rü ckzug und aggressives Verhalten . Schulkinder. Lernstörungen, Unruh e, Tra urigkei t, sozialer Rückzug, Schlaf törungen, Auffä lligkeilen des Sozialverhalten s, Trennungsängste, Schlafstörungen und Lebensüberdrus . Jugendliche. Starkes Grübeln , Stimmungsschwankungen, Lebensüberdruss, Suizidgedanken, zirkadia ne Schwa nku ngen (Mo rgen tief) , Konzentrationsschwierigkeiten mit Lern - un d Leistungs törungen, hypoc hondrische Ängs te, körperliche Symptome, sozialer Rückzug und Störungen des Sozialverhaltens. Therapie Neben psychotherapeutischen oder heilpädago gischen Interventionen soll te bei ausgeprägten, anh altenden depre iven Symptomen auch die Therapie mit einem Antidep res ivum erwogen werden.
Besonderheiten
• Klinisches Bild vo r der Adolesze nz oft and ers als bei depressiven Zuständen im Erwachsenenalter • Verlaufbei Ki ndern und Jugendli chen häufig viel stärker fluktu ierend • Diagnostische Einordnung in der ICD-10 schwierig: - Entweder unter den Kategorien für das Erwachsenenalter, wen n möglich, z. B. als Anpassungsstörung (__. Ka p. II) ode r depressive Episode (__. Kap. 6) - Oder als Störun g des ozialverhaltens mit depressiver Störun g (F92.0). Symptomatik Kleinkinder. Vermehrte Irritabilität, Spielschwäche und verm inderte Fantasie, Schl af- und Esss törungen, Entwicklungsverzögerungen,
•
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~- ~~_a_!l_$"_~~t ö_!_~ng:e n__ • Zur Defi n.ition und Symptomatik der Zwangsstörungen siehe __. Kap itellO • Prävalenz der Zwangss törun gen im Kindesund Juge ndalter um 0,4- 0,5 %, Jungen häufiger betroffen als Mädchen • Lebe nszeitprävalenz in der Allge meinbevölkerung um 1%, dabei beginnt mehr als die Hälfte bereits im Kinde - und Jugendalter, der Gipfelliegt zwi chen 12.- 14. Lebensjahr • Symptomatik äJm lich wie bei Erw·l hsenen; häufiger im Kindes- un d Jugendalter treten auf: - Rückve rsicherungszwänge - Fragezwänge - Zwanghaftes chi mpfen oder Huche n.
Welche emotionalen Störungen sind bei Kindern häufig ? Beschreiben Sie diese kurz. Worin unterscheidet sich die Schulphobie von Schulangst und Schul chwänzen? Welche Ihnen aus der Erwachsenenpsychiatrie beka nnten Angststörungen treten auch bei Kindern und Jugendlichen auf? Wie äußern sich bei Kjndern und Jugendlichen Depressionen?
Essstörungen •.. Pica (F98.3) ··Von einer Pica (Iat. = Elster) pricht man, wenn ein mindestens 2 Jahre altes Kind regelmäßig nicht essbare Stoffe wie Schmutz, Farbsch nipsel oder Stofffetzen verzehrt. Das Verhalten kann zu erheblichen Verdauungsproblemen oder Vergiftu ngen führen . Betroffen sind häufig Kinder mit einer Intelligenzminderung oder einem Autismus. Eine Pica kommt aber auch bei Kindern mit normalem Intelligenz- und Entwicklung niveau vor. Bei Letzte ren spielt als ätiologischer Faktor meistens eine schwere Deprivation oder ein sexueller Missbrauch eine Rolle. Abzugrenzen ist: • No rm ales exploratives Belutschen und In-den Mund-Stecken • Ve rsehentliches Verschlucken von Gegenstän den des Säuglings oder Kleinkinds. Die Vo rstellung des Kinds erfolgt in der Regel primär beim Kinderarzt.
• Fütterstörung im frühen Kindesalter (F98.2) Darun ter ve rsteht man ein e Nahrungsverweigerung oder extrem wählerisches Essverhalten trotzausreichenden Nahrungsangebots und e.iner ausreichend kom petenten Betreuungsperson. Zusätzlich besteht oft ei ne Rumination , d. h. die Nahrung wird ohne Übelkeit wiede rholt heraufgewü rgt und ausgespuckt oder "wiedergekäut". Ursachen:
• Temperamentsfa ktoren des Kinds: z. B. hohe Ablenkbarke it oder leich te Irritabilität • Mütterliche Faktoren: z. B. erhöhte Ängstlichkeit oder manifeste psych ische Erkra nkung, wie ei ne Wochenbettdepression.
0
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Auch Kinder mit einer Fütterstörung werden überwiegend beim Kinderarzt vorgestellt.
• Anorexia nervosa Ausführliche Beschreibung des Krankheitsbilds -+ Kapitell6. • Begin n der Erkrankung typischerweise in der Pubertät zwischen dem 10.-18. Lebensjahr • Besonders gefährdet: Mädchen in Risikogruppen wie Leistungsturnerinnen, Balletttänze rinnen, Eisläuferinnen oder Models.
• Bulimia nervosa Ausführliche Beschreibung des Krankheitsbilds
-+ Kap itell6. • Begin n etwas später als die Anorexie, typischerweise zwischen dem l8. und 25 . Lebensjahr • Wege n Verheimlichung erfolgt Diagnosestellung oft sehr viel später oder auch gar nicht • Ess- und Brechanfälle finden in der Regel heimlich statt, werden oft ritualisiert durchgeführt; in Anwesenheit anderer zeigen Betroffene normales Essverhalten.
• Adipositas
-+ Kapitell6. • In Nordamerika und Westeuropa sind bis zu 20 % aller Kinder adipös • Ätiologisch Zusammenwirken von genetischen Faktoren, Nahrungs mittelüberangebot, familiären Essgewohnheiten, mangelnder körperliche Aktivität • Essverhahen als Mittel zur "Bewältigung" intrapsychischer Konflikte • Prognose: unbehandelte adipöse Kinder bleiben zu 80 % auch im Erwachsenenalter adipös.
Was ist eine Pica? Welche Essstörungen kennen Sie? Wann beginnen sie typischerweise? Nennen Sie die charakteristischen Symptome einer Anorexia nervosa und einer Bulimia nervo a.
201
17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen
Schlafstörungen Ein- und Durchschlafstörungen sind bei Kin dern ein sehr häufiges Phänomen. Welches Schlafverhalten in einer Fam ilie als normal oder als noch tolerabel eingeordnet wird, unterliegt einer hohen Bandbreite. Kinder mit Schlafstörungen werden in der Regel beim Kinderarzt vorgestellt. Zur kinder- und juge ndpsychiatrischen Beratung kommt es zu meist erst dann, wenn ein erheblicher Leidensdruck bei den Kindern und deren Eltern besteht.
Tab. 17.4 Präva len z von Schlafstörungen
• Parasomnien Bei Kindern sehr häufig (vgl. -+ Kap. 15). Albträume
• Häufigkeit: betrifft ca. ei n Fünftel aller Grundschulkinder • Gelegentlich: vorübergehende Schlaflä hmung beim Erwachen, z. B. durch motori sche Inhi bition im REM-Schlaf, für Kinder besonders ängstigend. Schlafwandeln
• Synonym: Somnambul.ismus • Bis zu 15% aller Kinder im Grundschu lalte r erleben mindestens eine Episode • Regelmäßige Episoden bei etwa 4 % der Kinder. Pavor nocturnus
• Synonym: Nachtschreck • Häufigkeit: betrifft etwa 4% aller Vorschulkinder.
Altersgruppe
Einschlaf- Durchschlafstörungen Störungen
Säuglinge
15 %
Kleinkinder (1-5 Jahre)
10%
Schulkinder (6-12Jahre)
6%
11 %
13- bis 14-Jährige
3%
1%
17- bis 18-Jährige
1, 5%
1%
• Dyssomnien und andere Schlafstörungen - - - --- ---·-- - -- ~--------
Die Bandbreite von nicht organischen Ein - und Durchschlafschwierigkeiten bei Kindern ist groß. Ein erseits sind regelmäßige Arousals mit Erwachen im Kindesalter sehr häufig. Ob sich daraus behandlungsbedürftige Schlafstörungen en twickeln, ist jedoch von zahlreichen weiteren Faktoren abhä ngig, z. B. von der psychischen Belas tung des Kinds, familiären Kon fli kten und dem Erziehungsstil der Eltern. Bei anhaltenden Schlafstö rungen sollte - wie auch bei Erwachsenen - an das Vorliegen einer manifesten psychischen Erkrankung wie ein depressives Syndrom oder eine organische Erkrankung wie Asthma oder Eisenmangel gedacht werden. Weitere Ausfüh rungen-+ KapitellS.
0 Welche Schlafstörungen kommen insbesondere bei Kindern häufig vor?
0 Beschreiben Sie kurz das Bild des Pavor nocturnus, des Somnambulismus und der Albträume.
0 Welcher Aspekt im physiologischen Ablauf des Schlafs ist bei den Parasomnien gestört?
Störungen der Ausscheidungsfunktion • Enuresis (F98.0) -----------
~-
Ein e der häufigsten Störungen, die vom Kinderarzt oder auch Kinder- und Jugendpsychiater gesehen wird.
202
Definition • Einnässen : unwillkürlicher Harnabga ng ab
dem Alter von 5 Jahren über einen Zeitra um von mindestens 3 Mo naten, ohne dass eine orga nische Ursache vorliegt
• Meisten nachts (Enuresis nocturna), gelegentlich auch tags über (Enuresis diurna ) • Unterschieden we rden: - Primäre Enuresis: Kind war noch nie trocken - Sekundäre Enuresis: erneutes Einnässen, nachdem das Kind bereits trocken wa r. Epidemiologie - Mit 3 Ja hren ca. 63% - Mit 5 Ja hren ca. 11 % - Mit 7 Jahren ca. 5% - Mit 8 Jahren 3% • Jungen sehr viel häufi ger betroflen als Mädchen, v. a. Enure is nocturna. Ätiologie Zusammenwirken vo n: • Genetischen Faktoren : v. a. bei primärer En uresis sind häufig auch Famili enmitglieder betroffen • Funktionellen Gegebenheiten , v. a. bei der primären Enuresis: Störungen der Sphinkterund Detrusor-Funktion, erhöhte Schlaftiefe, verminderte Blase nkapazität, erniedrigte ADH-Sekretion • Sozialen Belastungsfaktoren: v. a. bei der sekundären Enures is. Differenzialdiagnose • Wichtig ist di e gena ue diagnostische Einordnung der Störung, also primäre vs. sekundäre Enuresis • Ausschluss organischer Ursachen: z. B. Harn wegsinfekt, Diabetes mellitus, Diabetes insipidus, neurologische Ursachen, Fehlbil.dun gen oder Tumoren. Diagnostik und Therapie Primäre Enuresis. • Diagno ti k: v. a. FamiJi enanamnese, Ausschluss organischer Ursachen • Bera tun g: Au fklärung über die Störung, deren guter Prognose, zunächst Abwarten und Beobachten • Pharmakologische Behandlung bei hartn äckigem Ve rlauf: evtl. Desmopressi n (Vasopres sin -, d. h. ADH-Analogon). Sekundäre Enuresis. • Diagnostik: genaue Exploration, Protokolle, ausführli he orga ni ehe Diagno tik, Erheben vo n sozialen B Ia tungsfaktoren • B· ra tung: Aufkl äru ng über die Störung, deren mögliche Ur a hen und Behandlungsmöglichkei l n
• Blasentraining: Retentions-Kontroll-Training • Verhaltens therapie: Ve rstärkerpläne (-+Kap. 4), evtl. Kontingenzprogramme mit Einsatz von Weckgeräten mit Vibrationsoder Klingelsignal bei Einn ässen • Pharmakologische Behandlung: ggf. trizykli sche Antidep ress iva, z. B. lmipramin, bei zu hoher Schlaftiefe, evtl. auch Desmopress in (Vasopressin).
• Enkopresis (F98.1) Definition • Wiederhaltes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen wie Kleidung, Fußboden oder Bett bei Kindern, die nach Lebens- und geistigem Alter mindestens 5 Jahre alt sind • Bei Kindern un ter ?Jahren mindestens 2-mal pro Monat, bei Kindern über 7 Jahre mindestens 1-mal pro Monat • Schließmuskelkontrolle ist grundsätzlich gegeben • Komplikation: zusätzliches Kotschmieren. Epidemiologie Prävalenz bei Grundschulkindern: 1-2 %, Jungen etwa doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Formen • Tagsüber: Enkopresis diurna, nachts: Enkopresis nocturna • Primäre Form: ohne vorherige Sauberkeitsentwicklung • Sekundäre Form : nach vorheriger Sauberkeitsphase von mindes tens 1 Jahr • Häufigste Erscheinungsform: Kotspuren in der Unterwäsche tags über • Häufig kombiniert mit Stuhlverhalten bei Obstipation (=Verstopfung) als "Schutz" vor schmerzhafter Defäkation; dadurch Oberlaufinkontinenzmit klinischen Symptomen wie Bauchschm erzen, hartem Stuhl und tas tbarer Skybala • Selten: Einkoten auf den Pußboden in Wohnräumen; dann überwiegend im Rahmen einer Verwahrlosung oder Deprivation. Ätiologie • Vorübergehende Formen: psychosoziale Belastungsfaktoren, z. B. Geburt eines Geschwis terkind oder Umzug
203
17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen
• Chron ische Formen: organische Faktoren, z. B. Störu ng der interozeptiven Wahrnehmung für den "Füllungsstand" bzw. die Dehnung des Rektums oder Störung der Sphi nkteröffnun g in Kom bination mit psychischen Auffäll igkeiten oder fam ili ären Belastungen. Diagnostik und Komorbidität
Eine Enkopresis ist eine ernst zu nehmende Störung. Sie sollte unbedingt sorgfaltig kin der-und jugendpsychiatrisch sowie organisch abgeklärt werden. Hä ufige Komorbidität mit: • Emotionalen Störungen des Kindesalters (-+ Kap. 17) • ADS oder ADHS (-+ Kap. 17) • Störungen des Sozialverhaltens (-+ Kap. 17)
0 0 0 0
• Unspezifischen Symptom n wie depressive Verstimmungen, reduziertes Selbstwertgefüh l oder Stimm ungslab ilität Differenzialdiagnose • Organ ische Grunderkrankungen, z. B. Megacolon congeni tum un d neurologische Erkrankungen • Obstipat ion mit Überl aufenkopresis • Andere kinder- und jugendpsychiatrische Störungen: Enkopres is als ymptom einer akuten Belastungsreaktion oder e.iner Anpas sungsstörung. Therapie • Beratung und Psychoedukation de r Eltern • Bei Obstipation zunächst Anwendu ng eines Abfüh rm ittels (La kt ulo e) und ggf. Koständerung • Verhaltenstherapeutisch orientiertes Toilettentrai ning • Einzelpsychotherapie für da Kind; ggf. auch Familientherapie.
Was ist unter einer Enuresis zu verstehen? Was wissen Sie zur Epidemiologie der Störung? Wie wird sie behandelt? Definieren Sie den Begriff Enkopresis.
Dissoziative und somataforme Störungen Detaillierte Beschreibung der Störungsbilder -+ Kapitel 10. Epidemiologie und Klinik • Für alle Formen gilt: Mädchen häufiger betroffen als Jungen • Dissoziative Störungen sind bei Kindern insgesamt deutlich seltener als di somataformen Reaktionen.
Dissoziative Störungen (-+ Kap. 10). • Im Kindesalter: tö runge n der Schmerzempfin dung mit Analge ie, Hypalgesie oder Hyperalgesie • Beginnende Adoleszenz: dissoziative Krampfanfälle und dissoziativer Stupor • ln de r Adoleszenz: Bewegung Störungen der Beine, Unfa higkeit zu tehen und Koordinati onsstörungen. 204
Somatoforme Reaktionen (-+ Kap. 10). • Sehr häufig bei Kindern: Bauchschmerzen ohne organische Ursache, mit zunehmende m Alter auch mehr Kopfschmerzen • Gelegentlich: chluckbeschwerden, Durchfa ll, Erb rechen, Atem not, Hyperventilatio n oder respiratorische Affektkrämpfe (Breath holding attack).
Differenzialdiagnose • ymptomatik im Rahmen einer anderen p ychischen Grunderk.rankung, z. B. depr ssiv s Syndrom oder Angststö rung • Intoxikation • Neuro.logische Erkr·mkung • Si mul ation und .Aggravat ion.
•
0 Welche Formen von dissoziativen Störungen treten bei Kindern und Jugendlichen auf? 0 Welche somatoformen Reaktionen sind bei Kindern sehr häufig? 0 An welche Differenzialdiagnosen sollte bei beiden Störungen gedacht werden?
Tic-Störungen Definition, Einteilung und Symptomatik Tic sind unwillkürl iche, rasche. wieder holte. nicht rhythmi ehe motori ehe Bewegu ngen zu meist von umsc hriebenen Muskelgruppen oder La utproduktionen, die plötzlich einsetze n und keinem offensichtlichen Zweck dienen . Sie treten als einfache oder komplexe Ti es auf ( ~ Tab. 17.5). Eine Vor tellu ng der Kinder und Jugendlichen erfolgt primär beim Kinderarzt, die weitere Ab klärun g zum eist beim Kin derneu rologen. Die ICD-10 teilt die Tic-Störungen überdies nach ihrem Verlauf ein (-+ Tab. J7.6). Gilles-de-la-Tou rette-Syndrom. • ehr selten mit: einer Prävalenz von 0,05 % in de r Allgemeinbevölkerung • Typisch sind multiple vokale und motorische Tics, die üb r längere Zeit vi ele Male am Tag Tab.17.5 Einte il ung der Tics und klinische Bei spie le Einfache Tlcs
Motori• Bl in ze ln scher Art • Kopfwerfen • Schu lterzu· cken • Grimassie· ren
Vokaler Art
Komplexe Tics
• Hüpfe n • Stampfen • Schreitbewegungen • Greifbewegungen • Berühren • Beriechen
• Wi ederh ol un g • Räuspern bestimmter Wör• Pfeifen ter • Schnüffeln , Schn iefen • Wi ederholun g obszö ner Wörter • Zischen (Kopro lalie) • Grun ze n oder Sch impfwörter • Wiederholu ng eige ner Laute oder Wörter (Pa · lilaIi e)
auft reten un d in mehr oder weniger stereotyper Form abla ufen • Vokale Tics: - Echolalie: Hüsteln , Räuspern oder Lachen - Palilalie: Wiederholen vo n Wo rten anderer oder eigener Worte - Koprolalie: Ausstoßen von Schimpfworten und obszönem Vokabular • Motorische Tics können als Zuckungen der mimischen Muskulatur im ponieren oder in dem Drang, bestimmte Körperteile zu berühren oder zu bewegen. Gelegentlich kommen auch vor: - Echopraxie: Wiederholungen unwillkürlicher Bewegungen anderer - Kopropraxie: obszöne Gesten. • Vor Beginn der Handlungen tritt in der Regel ein unangenehmes Anspannungsgefühl auf. Die Ha ndlunge n können auch willentlich unterdrückt werden. Epidemiologie und Komorbidität • Familiär gehä uftes Auftreten • Jungen häufiger betroffen als Mädchen Tab. 17.6 Einteilun g der Verlaufsform e n von Tic-Störungen nac h der ICD -10 Einteilung
Symptomatik und Verlauf
Vorübergehende Tic-Störung des Kinde sa lters
Meist nur einfache motorische Tics, die nicht län· gerals 1 Jahr an ha lte n
(F95 .0)
Chro nisc he moto· Einfache und/ode r kam · risc he oder voka- plex motorische oder ein· fache ode r kompl exe vole Tic-Störung kale Ti es, di e länger als (F95 .1) 1 Ja hr anhalte n Kombini erte vokale und multiple motorische Tics = Gitles-de·la-Tou rette-Syndrom
Einfache und/oder kam· plexe motorische und ei nfa che und/odervokale Tics, die lä nger als 1 Jahr an halte n
205
17 Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen
• Kinder und Jugendli che sind etwa 10-mal häufiger von Tics betroffen als Erwachsene • Maximum zwischen dem 4.-7. Lebensjahr • Einteilung: - Vorübergehende Tic-Störung: Dauer < 12 Monate, 4- 12% aller Grundschulkin der, in der Regel handelt es sich um ei nfache motorische Tics - Chronische Tic-Störung: Dauer > 12 Monate, 3- 4% aller Grundschulkinder - Gilles-de-la-Tourette-Syndrom: 0,05 % in der Allgemeinbevölkerung • Häufige komorbide Störungen: ADS/ ADHS, Zwangss törungen, Ang tstö rungen, depress ive Syndrome. Ätiologie Die Ätiologie der Tic-Störungen ist unklar, vermutet werden: • Genetisc he Prädisposition, in sbesondere beim Gilles-de-la Tourette-Syndrom und chronischen Ti c-Störungen
• Neurob iologische Mechanisme n (evtl. dopamin erge Überfunktio n be timmter trukturen des Z S) • Psychosoziale bktoren, z. B. fam iLiäre KonAiktsituationen, v. a. bei vorübergehenden Tics. Therapie • Bearbei tu ng aku ter Belastung faktore n, evtl. auch Fa milien therapie • Ein satz verhaltenstherapeutischer Techn iken • Entspa nnung ve rfa hre n • Ph armakat herapie mit euroleptika, z. ß. Tiap rid , Ri per idon, Pimozid, Haloperidol in niedrigen Do en . Prognose • Gut fü r vorübe rg hende und chronische Tics • Bei Gilles-de-la-Tourette-Syndrom hoh e Pe rsiste nz bis ins Erwachsenenalter, aber Symptomatik chwächt sich im Ve rl aufhäu .fig ab.
•
0 Was ist ein Tic? 0 Welche Formen von Tics kennen Sie und wie äußern sich diese? 0 Was versteht man unter einem Gilles-de-la-Tourette-Syndrom? Welchen Verlauf nimmt es typischerweise?
Deprivation und Misshandlung Definition Deprivare = lat. berauben. Überbegriff für alle Formen von Trennung, Vern ac hlässigung und Iso lation in der früh en Kindhei t, die zu chweren Beeinträchtigungen der körperlichen und psychischen Entwicklung eines Kinds fü hren. Ursächlich ist eine nicht angemessene oder nich t aus reichende Versorgung des Säuglings oder Ki nds durch die primären Bezugspersonen. Neben körperlichen Entwicklungss törungen kö nnen alle Formen der Deprivation zu psychischen Aufrälligkeiten führen, z. B.: • Zu r reaktiven Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1): tritt bei Kle in kindern oder Kindern vor dem 5. Lebe nsjahr auf; ge präg t von an haltenden Auffä lligkeilen in der Beziehu ngsgestalr ung: ab norme Unsic herheit mit ambivalent en Reaktione n au Furchtsamkeit, Aggressivität, Unglücklich206
sein, mangelnde An pre hen auf Zuspruch und Zuwendung • Zur Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2) : ankl am merndes ode r Aufmerksami eit uchendes Verhalten, das sich wa hllos und diffus aufve rs hicdenste Perso nen rich tet • Zu anderen psychischen Auffälligkeilen wie emotionale ' tör ung · n, Störungen des ozialverhaltens oder törungen mit körperli cher Symptoma ti k. Vernachlässigung • Körperliche Vernachlässigung: unzureihende k·· rp rlich Versorgung und esu ndheitsfi.irsorge mit der Folge v n ' cdcih- und Ent wi klungs törunge n • Emotionale Vernachlässigung: nicht ausr ihend s oder unb ständiges. un bcre hcnl ares emot ionales Bczi ·h un >sn n Tcbot an das
Trennung von der Bezugsperson rührt zu Protestreaktion mit Weinen und Schreien
We1 tere Depnvat1on führt zu Resignation und Apath ie
Autostimulation tritt ein mit Stereotypien wie Jaktationen bis hin zu Selbstverletzungen
Weitere Deprivation fUhrt zu gravierenden Störungen bis hin zu vitaler Gefährdung
Abb. 17.1 Sc hwereg rade emot iona ler und kö rperlicher Depri vat ion
Kind mit de r Folge von psychischen Aulfalligkeiten • Extremform Hospitalismus: mi t schwerer Apa thie, Bewegungsstereotypien, massiven psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen bi zu lebensbedrohlichen Zuständen und Tod (-+ Abb.I7.I ). Misshandlung Körperliche Misshandlung. Direkte körperl iche Gewalt gegenüber dem Kin d durch Schlagen, Schütteln, Ve rbrennen oder Verbrühen. Geachtet werden soll te auf aufHill ige Verletzungs muster und psychische Auffäl ligkeiten, ~· B. Bindungsstörung mit Enthemmu ng. Betroften vo n chwe rer körperlicher Misshandlung sind bis zu 4% aller Kinder im Vo rschulalter. Sonderform Münchhausen-by-proxy-Syndrom: • Unterfo rm der artifi ziellen Störungen (-+ Kap_ 10), bei der die Bezugs person dem Ki nd Schaden zufügt, um eine Erkrankung des Kinds vorzut;iuschen, z. B. durch Intoxika tion oder Gab vo n nicht verordneten Medikamenten • Betroffen sind v. a. Kinder unter 4 Jahren, hohes Ris iko fü r anhaltende Schädigung oder Tod.
sehen Erzieh ungsmaß nahmen oder emotionaler Überforderung, z. B. Beanspruchen des Kinds als Pa rtner-Ersatz oder Überlastung des Kinds mit Versorgungswün eben durch einen psychisch erkrankten Elternteil. Sexueller Missbrauch Sexueller Missbrauch: Kinder oder Jugendliche werden vo n Erwachsenen in sexuelle Aktivitäten ei nbezogen. Sexuelle Misshandlung: Erzwingen vo n sexuellen Handlungen durch Gewaltanwendung eines Erwachsenen gegenüber Kindern oder Jugendlichen, erfolgt meistens im famili ären Rahmen durch Verwandte(= Inzest), aber auch durch andere Bezugspersonen. Eine hohe Dun kelziffer ist anzunehm en. Direkte Angaben der Kinder zu ei nem sexuellen Missbrauch, una ngemessen sexualisierres Verhalten von Minderjährigen oder verschieden te psychische und körperliche Beschwerden weisen auf ein solches Geschehen hin_ Zu berücksichtigen ist dabei, dass viele Kinder ein extrem ambivalentes Verh ältnis zum Täter und paradoxerwei e selbst massive Schuldgefühle entwickel n. Aus Scham, zum Schutz der Bezugsperson oder auch aus Angst vo r körperlicher Gewalt werden die Übergriffe vo n den Kindern und Jugendlichen oft lange verschwiegen und führen daher oft zu anhaltenden psychischen Beeinträchtigungen. Insbesondere wenn auch weitere wichtige Bezugsperso nen die Angaben oder Beschwerden der Ki nder nicht ernst nehmen, wird dadurch ein extrem pathogenes Milieu des Verschweigens ve rursacht und häufig die Fortsetzung des Mis brauchs unterstützt.
Seelische Misshandlung. Psychische Gewalt in rorm von emotionaler Ve rwe igerung, Ablehnung, Feindsel igkeit, zynischen oder sadi ti-
Im Erwachsenenalter leiden die Betroffenen häufig an: • Depressiven Syndromen • Somataformen Störungen • Borderline-Störu ng • Dissoziativen Störungen • Symptomen einer PTBS • Suchterkrankungen.
•
0 Was versteht man unterdem BegriffDeprivation? 0
W lebe Formen von Misshandlung oder Missbrauch gibt es?
0 Was ist ein Milnchhauscn-by-proxy-Syndrorn? 207
17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen
Substanzmissbrauch und Sucht Substanzen, Symptomatik, Ätiologie und Therapie -+ Kapitel 9. Epidemiologie Die am häufigsten von jugendlichen eingenom menen Substanzen sind Alkohol, Nikotin Can nabis, Ecstasy. Pilze, Stimulanzien und Beruh igungsmittel. • Alkohol: Erstkonsum durc hschnittl ich mit 12 Jahren, über häufigen Alkoholkonsum von mind. einmal pro Woche berichten etwa 22% aller adoleszenten Jungen und 13% aller adoleszenten Mädchen; etwa lO % aller Alkoholkranken in Deutsch land si nd Jugendliche • Nikotin : Erstkonsum durchschnittlich mit 13 Jahren, etwa 15% aller 12- bis 17-Jährigen sind Zigarettenraucher; 13 % haben in den vergangeneo 30 Tagen Wasserpfeife (Shisha) ge raucht • Cannabis: Beginn durchschnittlich mit 1.5 Jahren; etwa 4-5% al ler Jugendlichen konsu mieren mehr als einmal pro Woch e Can nabis. • Multipler, wechselnder Substanzkonsum vo n Ecstasy, Beruhigungsmitteln, Stimulan zien, Pilze n, LSD, Koka in: Beginn häufig zwi schen 16.-17. Lebensjahr, 8-9% aller 18- bis
25 -)ährigen konsumiere n Ecstasy und Partydrogen • In gesa mt: Trend zu immer frü herem Beginn des Substanzkon um . Dagegen abe r tendenziell Ab nahme des Ge brauchs harter Drogen wie Heroin . Komorbidität Bei Kindern und Jugendlichen mit Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit sollt e man besonders auf das Vorliegen psychischer Störungen achten -+S ubstanzkonsum al Selbstmedikationsversuch. Das gleichzei tige Vorliegen eineru nbeha ndelten psychi eben Störung verschlechtert umgekehrt die Progno e de Suchtmittelgeb rauchs. Häufig sind: • ADS oder ADHS • Depressive Syndrome • Angststörungen • Psychosen des schi zophrenen Formenkreises • Stö rungen des ozialverhalten • Ess töru ngen .
•
0 Nennen Sie die drei psychotrop wirksamen Substanzen, die Kinder und Jugendliche am häufigsten konsumierten.
D Warum sollte bei Substanzkonsum genau auf das gleichzeitige Vorliegen einer psychischen Störung geachtet werden? D Welche psychischen Störungen treten bei Jugendlichen mit Drogenkonsum häufig auf?
Psychosen des schizophrenen Formenkreises und organische Psychosyndrome Ps ychosen des schizophrenen Formenkreises -+ Kap itel ?. Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter • ymptomatik im Kindesalter weniger typ isch, stärker fluktu iere nd. Im Juge ndalter d r für Erwachsene beschriebenen ymptomatik ähnlicher • Verlaufsformen im Kindes- und Juge ndalter: schleichend-progredient (hebep hren e Verlaufsform ) oder ak ut sch ubweise 208
• Bei etwa 7% aller an chizophrenic Erk rankten beginrH die Sym ptomatil vor der Volljä hrigkeit • Typis he Prodromalsymptome im Kindesund Jugendalter: sozialer Rü kzug, Reg ression, Ve rstimmung zustände, ungeri htete Äng t , Kom.entratio n s hwicrigkeiten, unvermitt lte aggres iv V rbalten . weis n, nruhezus tände.
Differenzialdiagnose
Prognose
• Organ isch bed ingte psychoti ehe Störungen -+ Kapitell? • Drogeninduzierte psychoti ehe Störungen • Asperger-Syn drom • Zwangsstö ru ngen , v. a. im Prodromalstadium einer Psychose können Zwang symtome auftreten.
• Ungünstig: Besserung bei etwa der Hälfte, Vollremission ca . 20 o/o • Prognose schlechter, wenn Ers terkrankung vor demlO. Lebensjahr oder bei schleichendem Beginn.
Therapie
Definition und Einteilung der hirnorganischen Psychosyndrome =organischen psychischen Stö runge n -+Kapitel 5. Häufigs te Ursachen einer organischen psychischen Störung bei Kindern sind: • Meningitis und Enzephalitis • Schädel-Hirn-Trauma • Unerwünschte Wirkungen von Medikamenten, z. B. Antibiotika • Intoxikationen. Mit Problemen die er Art ist in de r Regel der Kinderarzt konfrontiert.
Pharmakotherapie. Kinder und Jugendliche reagieren häufiger auf Neuroleptika mit EPMS, daher bevo rzugt atypische Neuroleptika ; Dos ierungen wie im Erwachsenenalter, bei Adoleszenten gelegentlich höhere Tagesdosen erforderlich. Psychotherapie. Psychoeclukation, familien therapeutische Interventionen und Kommuni kationstraining, körperbezogene ·n,erapiemaßnahm en, Musiktherapie. Soziotherapie. Nutzung des therapeutischen Milieus (s tat ionäre Behandlu ng), Klinikschule, Ergotherapie, Arbeitstherap ie, Begleitung durch Sozialdie nst
• -~~~~-~isc_~e_ Psy_~ho~y_ndro'!l~-·
0 Wie verlaufen schizoph rene Psychosen im Jugendalter? 0 Wie äußern sich Prodromalsymptome einer schizophrenen Psychose bei Kindern und Jugendlichen?
0 Was ist bei der medikamentösen Behandlung von Jugendlichen mit schizophrener Psychose zu beachten?
0 Nennen Sie die häufigsten Ursachen für organische Psychosyndrome bei Kindern.
Intelligenzminderung Definition
•
tehe n gebli b ne, unvoll ständi ge Entwicklung der geistigen Fähigkeiten • Beso nders bee.i ntdchtigt si nd alle Fertigkeiten, die zum lnt elligc nzniveau beitragen, z. B. Kogn iti on, pr<~che, motoris h Fertigkeiten und soziale Kompel nze n • Syno nyme: geistige Behinderung, Oligo· phrenie
• Di e Klassifikat io n erfol t nfl h dem IQ ( ~Tab . 17.7).
l
Epidemiologie • Prävalenz der Jntelligenzminderung (lQ < 70) in der Allgemeinbevölkerung ca. 2-3 o/o • Junge n etwas häufiger betroffen als Mädchen. Ätiologie
• In etwa 50 % der Fä lle unbekannt • Übersicht über wichtige Ur achen: -+Tab. 17.8.
209
17 Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen
Tab.17.7 Grade de r Intell igenzm inderung und deren Auswirkung nach ICD-10 Intelligenz
IQ
Auswirkung
Ni ed rige Intell igenz (Le rn behinde rung)
85-70
Kö nn en sich im Leben se lbstständig zurechtfinden, einfache berufl iche Tätigkeiten möglich, Besuch der Hauptschule ode r der Sch ule zur in dividue llen Lernfö rderung
Leichte Inte lligenzmi nd eru ng (l eic hte geistige Behi nderung, früher: Deb il ität)
69 - 50
Einfache prakti sc he Tätigkeiten möglich, Besuch der Schu le zur individuellen Lern förde run g ode r individu ell en Lebe nsbewältigung
Mitte lgradi ge lnte ll igenz min derung (mitte lgrad ige geis ti ge Behin derung, früher: Imbezi llität)
49 - 35
Von fam il iä rer ode r institutioneller Fü rsorge ab hä ngig, einfache Tätigkeite n nur in besc hü tzten Werkstätten mögl ich, Bes uch der Schu le zur in dividuellen Lebensbewältigung
Schwere Intelligenzminderung (sch were geistige Behinderung, frü her: ausgeprägte Imbezi llität)
34-20
Mehrhe itlic h in In stitutio nen unte rgebrach t , Schu lbesuc h kau m möglich, hä ufig zusätz lic he Be hin de rungen vo rhanden, z. B. Lähmungen
Sc hwe rs te Inte ll igenzm in derung (sc hwerste geistige Behi nderung)
19-0
Überwiegend Pflegefälle mi t Meh rfach behinderungen
Seltener Fall: Kallmann -Syndrom. Synonyme: olfaktogenitales Syndrom, deMorsier-Syndrom , Gauthier-Kallmann -Syndrom • Sehr selten, typische Symptomkonstellation • Störung des Geruchssi nns, z. B. Hyposm ie und Anosmie • Genitaler Infantilismus, z. B. Gonadenhypopl asie bei Gonadotropinmangel • Epilepsie • Debilität.
Symptomatik Abhängig vom Schweregrad . Mögliche Sympto me: • Erheblich beein trä cht igte Umstellungsfähigkeit und Flexibili tät für neue Situationen • Deutli che Schwierigkeiten beim Setzen von Prioritäten • Störungen der Affektivität, z. B. Labil ität, Affektdurchbrüche und situationsunangemes sene Affekte wie Aggressivität • Störu ngen des Antriebs und der Psychomoto r ik, z. ß. Apa thie, übermäßige motorische Aktivität und tereotype Bewegungsa bläufe • Schlaf- und Esss törungen, z. B. unregelmäßi ger chlaf-Wac h-Rhythmus und Pica • elbstverletw ngen, z. B. hlagen und Bei ßen • Sexuelle Probleme, z. B. reh len eine geeigne-
ten Partners oder sex uelle Enthemmung
210
Tab. 17.8 Übe rsicht über wic htige Ursac hen einer Intell igenzminde rung
Pränatal entstandene Formen Genmutationen • Stoffwec hselstörungen, z. B. Phenylketonuri e • Domina nt vere rbt, z. B. Neurofibromatose • X-chromosoma l vererbt, z. B. Rett-Syndrom
Fehlbildungs- und Retardierungssyndrome
• Z. B. Prader-Will i-Syndrom Chromosomenanomalien • Trisom ien, z. B. Down-Synd rom • Deletionen, z. B. Katzensc hrei -Syndrom • Gonaso male Aberrationen, z. B. Kl inefe lte rSyn drom XXV
Exogen verursacht • In fekt ionen, z. B. Röte ln • Toxische Noxen, z. B. Al kohol oder Strahlen
Perinatal entstandene Formen Geburtstraumata • Sa uerstoffmange l • Frühgeburt
Postnatal entstandene Formen Schäden • Sc hädel-Hi rn-Traumata • Entzündungen • Tumo ren • Neurologis he ymptomc aller Art, z. B. spastis he Lä hmungen , Koor iinationsslöru ng n und Epi leps ien.
Komorbidität
• Sehr häufig zu ätzliehe psychische Erkrankungen mit einem deutlich erhöhten Risiko im Vergleich zur Allgemei nbevölkerung
• Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für Misshandlung und sexuellen Mi sbrauch.
0 Was versteht man unter einer Inteliigenzminderung?
0 Was sind Symptome einer Oligophrenie? 0 Für welche Komplikationen haben Kinder und Jugendliche mit Intelligenzminderung ein besonderes Risiko?
211
L
_I
18
Psychiatrische Begutachtung Klaus Lieb
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214
Unterbringungsgesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214
• Betreuungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
• Beurteilung von Geschäfts-, Testier- und Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
216
Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217
Sozial- und versicherungsmedizinische Begutachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
e Fahrtauglichkeit bei psychischen Erkrankungen
..... . ... .... ...... ..... .... ..
218
• Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
213
18 Psychiatrische Begutachtung
Einführung Die psychiatri sche Begutachtung be chäftigt sich mit alle n Fragen und Problemen, bei denen psychiatrische Fac hke nntnisse für juristische Sachfrage n und Begutachtungen benötigt werden . Un terschieden werden drei große Bereiche: • Strafrechtliche Begutachtung: Hier geht es vo r allem um di e Begutachtung der chuldfähigkeit einer Person zu m Tatze itpunkt und die Prognose von kriminellen Rückfällen • Zivilrechtliche Begutachtung: Hier geht es vor allem um die Begutachtung der Betreu ungsnotwendigkeit psychisch kranker Mensche n sowie um die Beurteilung von Geschäfts-, Ei nwilligu ngs- und Testierfahigkeit • Sozialrechtliche Begutachtung: Hier geht es vor allem um Begutachtungen bei Leistungsa nsprüchen, z. B. gegenüber der gesetzlichen Rentenvers icheru ng, der Unfallver icherung oder der privaten B rufsunfahigkeitsversicherung. Di e psychiatrische Begutachtung erfolgt im Prinzip immer in drei Sc hritten: • Diagnosestellung, wobei die Diagnose rückwirkend, z. B. zum Tatzeitpunkt, gestellt we rden muss
• Zuordn ung der Diagnose zu juristischen Begr iffi ichkeiten, die nicht den ICD-10-Kategorien ent pre hen • Beantwortung der gestell ten ßeweisfragen. Der Psychiater als medizinischer Sachverständiger beantwortet Frage n des erichts und entscheid et niemals selbst über den achve rbal t. Die Gutachten werden stets schriftlich erstellt, wobei bei Strafverfahren das schri ftli che Gutachten nu r ein vorläufige Gutach ten ist, da aufg ru nd des Gru ndsatzes der Mündlichkeit und der Unmiu lbarkeit der Hauptverhandlung für die Urteilsbildung des Geric hts nur di e mündliche Gutachtenerstattung vor Gericht verbi ndlich ist:. Ei n Gutach ten er t llt immer ei n achvertä ndiger, der von einem Auftraggeber, z. B. einem Geri cht, zu einer psychiatris hen Begutachtung aufgefordert wurde. Ärztlic he Zeugni sse (Attest) werden auch ohne eine solche Beauftragung erstellt. So ka nn z. B. der Patient selb t ei n Zeugnis bei m Arzt anfordern.
•
0 Was ist der Unterschied zwischen einem Gutachten und ei nem ärztlichen Attest?
Unterbringungsgesetze der Länder Die häufigste Rechtsfrage im psychi atrischen Alltag ist die hagenachden Möglichkeiten der Behandlung ei nes Patienten ohn e oder gegen seinen W.illen . jede Freiheitsentziehung oder Behand lung gegen den Willen eine Patienten muss überzeugend begründ et werden und bedarf ei ner klaren formalen Vora usse tzung auf der Basis einer gesetzli chen Rechtsgrun dlage. Unterbringungen ind auf der Basis folgender Recht grundlage n möglich: • Landesunterbringungsgesetze od r Psychis(h-Kranken-Gesetze (PSY J-l -KG) bei akute r Eigen- oder Fremdgefä hrdung • Unterbringung nach dem Betreuungsrecht bei Eigengefä hrdung
214
• Unterbringung als Maßregel d r Be erung und Sicheru ng, na hd em ei ne trafta t im Zustand einer p ych is hen törun g verüb t wurde. Während da Be tr uungs rechtund das tra frecht auf Bundesebene geregelt sind, sind die Unterbrin gungsgesetze auf Lind rcbcn g re ge lt. Zwisc hen den Ländern gibt es verfahrenstechnisch kleine Untersc hiede für die Unt· rbrin gu ngen . Ent hcidend si nd jcdo h imm er drei Punkte: • Es mus eine psyc hi s he b'l rankung vorlieen • Aufgr und di r b steht ein akute Eig noclcr Fremdgeliihrd ung
• Die Gefahr kann nicht anders als durch die Unterbringung- etwa durch ei ne engmaschige ambulante Betreuung - abgewendet werden. Eine Unterbringung nach den Unterbrin gungs- oder Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder erfolgt, wenn eine akute Eigenoder Fremdgefahrdung aufgrund ei ner psychi ·eben Störung vorliegt und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Eine Unterbringung kann nur von einem Richter angeo rdnet werden, der auf der Basis ei ner persönlichen Anhörung des Patienten und eines schriftlichen Unterbringungszeugnisses
durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie über die Unterbringung entscheidet.
Situationen, die zu einer Unterbringung führen, sind z. B. p ychiatrische NotfäJle, bei denen aufgrund droh ender Eige n- oder Fremdgefahrdung die Polizei gerufen wird, die den Patienten dann in einer psychiatrischen Kl inik vorstellt. Eine andere typische Situation ist, dass eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung bei einer ambulanten Vorstellung oder während des stationären Aufenthalts festgestellt wird, die di e Zurückhaltung des Patienten gegen seinen Willen notwendig macht. In der Regel ist das Unterbringungszeugnis immer direkt nach Feststellung der Unterbrin gungsnotwendigkeit durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu erstellen und an das zuständige Amtsgericht zu faxen . Dieses entsendet dann einen Richter zur Anhörung des Patienten und des Th erapeuten.
0 Auf der Basis welcher gesetzlichen Grundlagen ist die Unterbringung eines Patienten in einer psychiatrischen Klinik möglich?
Betreuungsrecht Das seit 1992 gültige Betreuungsgesetz lö te die Paragraphen zur Entmündigung und Vo rmundschaft ab und betont, dass ein betreuter Patient nicht als geschäftsun fä hig gilt, sondern durch einen betreuenden Rechtsbeistand in die Lage versetzt werden soll, sein e täglichen Angelegenheiten im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterhin selb t zu erl ed igen. Für die Einrichtung einer Betreuung müs en fo lgende Voraussetzungen erfüllt se.in : • Es muss ei ne p ychische Erkrankung oder eine körperliche, geistige ode r seelis he Behinderung vorliegen • Die Erk ran kungmus dazu führen, dass der Patient ine Angelege nheiten ganz oder teilwei e "nicht: be orgen" kann. .Einen Antrag auf Betreuung kann der Betroffene selbst stellen, häufig wird er jedoch von Dri tten wie Eh part:nern oder Ärzten beim Betreuungsgericht (früher: Vormund clHftsgericht) angeregt. .Eine B Lreuung wird dur h den Ric hter auf d r Basis ei nes · ut ac htens durc h einen psychiatris hen a hverständ ig n und der Anhör un g des Patienten ·inger.i hteL
Die zu betreuenden Aufgaben werden in der Regel für bestimmte Aufgabenkreise wie Vermögenssorge, Aufenthalt und Gesundheitsfürsorge festgelegt. Typische Erkrankungen, bei denen Betreuungen ei ngerichtet werden, sind Demenzen, chronische Schizophrenien oder schwere bipolare Störungen. Ärztliche Maßnahmen wie Operationen, die am Patienten vorgenommen werden, bedürfen der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Gefa hr besteht, dass der Betreute durch die Maßnahme sterben oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleiden könnte. Wenn die Gefahr besteht, dass sich der Betreu te z. B. im Rah men ein r Man.i oder piel sucht durch den Abschl uss ihm nach teiliger R chtsgeschäfte selbst und insbesondere sei n Vermöge n chäd ige n kön nt , kann ein sogenann t r Einwilligungsvorbehalt ei ngerichtet werden . Damit wird die Wirksamkeit eines von inem ß treuten eingegangenen Ge chäfts von der Zustimmung seines Betreuers abhängig gema ht . Darnit we rden Geschäfte, die ohne eine 215
18 Psychiatrische Begutachtung
solche Zustimmung, z. B. im Rahmen einer Ma ni e, abgesch lossen werden, unwirksa m. Eine Unterbringung nach dem Betreuung recht kann nur bei Eigengefährdung erfolgen, wenn z. B.: • Suizidalität vorliegt • Der Betreute etwa durch Umherirren in die Gefahr kommt zu erfri eren oder zu verhun gern • Der Betreute sich durch die Nichteinnahme notwendiger Medikamente in Gefa hr bringt • Eine ärztliche Untersuchung, Behandlung oder sonstige Eingriffe notwendig sind. ln diesen Fällen genehmigt das Betreuungsgericht die vom Betreuer beabsichtigte Unterbrin gung. Grundlage für die Entscheidung ist ein Sachverständigengutachten, das vom Gericht eingeholt wird .
Bei akuter Eigengefährdu ng kann di Einwei ung in eine Klinik auch direkt erfolgen. Ein Gutachten und eine richterliche Genehmigung müssen dann aber unverzügl ich nachgereicht werden. Ein betreuter Patient ist grundsätzlich geschäftsfähig. Mit an deren Worten si nd Geschäfte. die eine betreute Perso n absch ließt als rechtswirksam anzusehen, es sei denn es li egt ei n Einwilligungsvorbehal t vor oder die Person erfüllt bei m Abschluss des Rechtsgeschäfts di e Kriterien für Ge chäftsunfä higkeit (s. u.) . Eine Unterbringung ei nes Betreuten durch seiJlen Betreuer kann nur bei Eigengefährdung und bei Untersuchungs- oder Behandlungsbedürftigkeit erfolgen, nicht jedoch bei Fremdgefährdung.
•
0 Welche Voraussetzungen müssen für die Einrichtung einer Betreuung vorliegen? 0 Was ist ein Einwilligungsvorbehalt?
Beurteilung von Geschäfts-, Testier- und Einwilligungsfähigkeit Voll geschäftsfähig sind alle Personen, die: • Mindestens 18 Jahre alt sind • Bei denen nicht die Vo raussetzungen für Geschäftsunfähigkeit aufgrundeiner psychi schen Erkrankung vorliegen. Beschränkt geschäftsfähig sind Kinder un d Jugendliche mit der Vo llendung des 7. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Geschäftsunfähig nach§ 104 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind: • Kinder unter 7 Jahren • Personen, die sich in einem "die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störunge n der Geistestä tigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist". Der Begri ff krankhafte Störung der Geistestätigkeit umfass t alle Fälle. in denen in Folge einer psychischen Störung das Urteilsvermögen und die Willensbildung so erh eblich gestört sind, dass mit e.iner Urteilsfindung od r Motivation nicht gerechnet werden ka nn bzw. in denen der Patient ni cht mehr die Fähigkeit besi t.zt, die 216
Bedeutung ei ner abgegebenen Willenserklärung zu erkennen und nach di e er Erkenn tn is zu handeln, z. B. bei Demenzen, einem Korsakow -Syndrom und akute Psychosen oder akute Manien. Die häufigste Gutachtenfrage ist die, ob jemand beim Abschluss ei nes Re htsgeschäfts geschäftsun fii hi g wa r, soda zum Bei piel ein Kaufve rtrag über ein Gru ndstü ck nicht rechtswirkam zustande kam . Hier muss der Gutachter retrospektiv die Geschäftsfa higkeit zum Zei tpunkt des Abschlusses des Ges häfts feststellen. Geschäftsunfähigkeit mu ss positiv bewiesen werden. Ledigl ich Zweifel, ob der Patient geschäftsfähig war, reich n ni ht aus. Al Testierfähigkeit wird di Fäh i keit bezei hnet, ein Te tam nt wirksam zu erri hten, zu ändern od r aufzuheben. Sie stellt damit ein en Unterfall d r allgem inen Gesch :iftsflihigkeit dar. § 2229 Abs. 4 BGB regelt, dass ein Te tam nt nicht erri hten ka nn, wer wege n krankhafter Störung der ist Stätigkei t, wegen Geist hwä he oder wegen Bewusst in Störunge n ni ht in der Lag U . di Bedeutun 'ein r von
ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Ei nsicht zu handeln . Von der Geschäftsfäh igkeit ist die Einwilligungsfähigkeit für medi zinische Untersuchungen und Behandlungen abzugrenzen. Damit ein Patient in eine medizinische Unter uchung oder Behandlung einwilligen kann, muss die natürlich~ Einwilligungsfähigkeit vorliegen. Das he1ßt, der Betroffene muss in der Lage sein, das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite eines ärztlichen Eingriffs zu ermessen. Er muss selbstverantwortlich entscheiden können, ob er sich
dieser Untersuchung und/oder Behandlung unterzieht oder nicht. Wer geschäftsfähig ist, ist immer auch einwilligungsfähig. Wer jedoch etwa aufgrund einer psychischen Erkrankung geschäftsunfähig ist, kann durchaus einwilligungsfähig sein: nämlich dann, wenn im konkreten Fall die Voraussetzung der natürlichen Einwilligungsfähigkeit gegeben ist.
0 Welche Personenkreise gelten als voll geschäftsfahig, beschränkt geschäftsfahig und geschäftsunfähig?
Strafrecht Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit
• Schwachsinn: erhebliche angeborene lntelli -
Schuldfäh igkeit und verminderte Schuldfähigkelt werden im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt: • Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB): "Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen e~ ner ~rankhaften seelischen Störung, wegen emer t1ef greifende n Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinn oder einer schw~re n anderen eelischen Abartigkeit un fah lg 1st, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln"
• Schwere andere seelische Abartigkeit: z.
• Verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB):
",st die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in§ 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann di e Strafe nach § 49 Abs. l t ß gemi ldert werd n". ~e n genannten juri tischen Krankhei tskategonen werden fo lgende Krankh ei tsbilder zugeordnet: • Krankhafte seelische Störung: schwere orga nische psy hisehe törungen, z. B. Demenzen, chi zo phreni en, afrektivc Störun gen oder u hterkrankung n • Tief greifende Bewusstseinsstörung: dissoziative törungen, akute Belastungsreakti onen und Affe ktdelikte
genzm inderung
B.
schwere Persönlichkeitsstörungen, sexuelle Deviationen, "neurotische" Störungen und somataforme Störungen. Maßregeln der Besserung und Sicherung
Hat jemand ei ne rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfäh igkeit begangen, kann das Gericht nach § 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Behandlung anordnen. Wenn ein Patient eine rechtswidrige Tat in Zusammenhang mit einer Suchterkrankung begangen hat, kann das Gericht nach § 64 StGB die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen- und zwar unabhängig davon, ob die Suchterkrankung zu Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfahigkeit geführt hat oder nicht. Mit anderen Worten: Der§ 63 StGB kann nur bei chuldun fci higen oder vermi ndert schuldfä higen Patienten angewandt werden, der§ 64 StGß hingegen auch bei voll schuldfah igen Patienten. Voraussetzu ng dafür ist allerdings, dass ein urskhl icher Zusammenhang einer Abhängigkeit erkrankungmit der Tat besteht, auch in Zukunft weiterhin erh ebliche recht widrige Taten ~u er~.ar t ~ n sind und eine konkrete Erfolgsaus 1cht fm dte Behandlung besteht. 217
18 Psychiatrische Begutachtung
Sozial- und versicherungsmedizinische Begutachtung Psyc hiatrische Gutachten im Sozial- und Versi cherungsrecht werden z. B. notwendig, wenn Patientenaufgrund einer psychischen Erkran kung die Auszahlung von Erwerbsunfahigkeitsrenten, Zahl ungen aus einer Unfallver icherung oder einer Berufsunfahigkeitsversicherung geltend machen. Bei der Erstellung sozialmedizinischer Gutachten müssen in der Regel folgende Fragen beantwortet werden: • Welche Krankheiten oder Behinderungen liegen vor und zu welchen Funktionseinschrän kungen führen sie?
• Auf welche im Erwerb leben relevanten Fähigkeiten wirken sich die Krankh eiten oder Behinderungen aus? • In welchem zeitlichen Umfang kommt es zu einer Leistungsminderung im bi herigen Beruf bzw. einer Tätigkeit unter den üblichen Bedingun gen des Arb itsmarkts? • Seit wann lieg n di e Voraussetzungen für die Leistungsminderung vor und wie lange werden sie voraussichtlich anh alt n? • Besteht Auss icht au f Besserung oder Wiederherstellung der Le.istungsfähi gkeit?
0 Welche Sachverhalte müssen in einem Sozialmedizinischen Gutachten geklärt werden?
Fahrtauglichkeit bei psychischen Erkrankungen Jeder Arzt ist verpflichtet, den Patienten über krankheits-oder medikamentenbedingte Ein schränkungen der Fahrtauglichkeit aufzuklären und diese Aufklärung zu dokumentieren. An onsten kann er für Schäden haftbar gemacht werden. Die Fahreignung ist z. B. aufgehoben bei schweren Phasen affekt iver Störungen, Psychosen und bei Alkohol-, Drogen - oder Medikamen tenabhängigkeit Bei Abhä ngigkeitserkrankungen muss zur Wiedererlangung der Fahreignung dauerhafte Abstinenz durch zwei Sachve rhalte belegt werden: • Der Nachweis einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung • Der Nachweis einer I-jährigen Abstinenzzeit nach dem Entwöhnungszeitpunkt Die Fahrtauglichkeit unter Psychopharmaka ist immer im Einzelfall zu beurteilen. Bestimmte
Psychopharmaka wie trizykJ isch e Antidepre siva oder Benzodiazepine bee inträchti gen die Fahrtauglichkeit mitunter erhebl ich. Antidepressiva wie Rls hingegen beeinträchtigen die Fahrtaugtichkeit gar nicht oder kaum. Grundsätzlich gil t: Während ei ner stationären Behandlung und Neueinstellung auf P ychopharmaka sollten Pati nten nicht am Verkehr teilnehmen oder gef..ihrliche Maschinen bedienen. Eine kon equent durchgeführte medikamentöse I angzeitbehandlung zur Rückfallprophyla:xe, z. B. bei chizophrenien, kann es - ähnlich wie bei den Epilepsin - nach neueremRecht möglich ma hen, eine Fahrerlaubnis (wieder) zu rhalt n.
Schweigepflicht Die chweigepflicht wird im § 203 StGB owie im Berufs recht der Ärzte geregelt. Der Paragraf besagt: "(I) Wer unbefugt ein fremdes h~ i~ni s . . . offenbart , das ih m als I. Arzt, Zahnarzt, f1er218
arzt, Apotheker oder Angehöriger e in e~ an I ren Heil berufs ... , anv rtraut w rd n oder so nst b ' . kmnt ge worden ist, wird mi t Freih eitsstn1fe bis zu ei nem Jahr der mit Geldstraf bestraft ."
Folgende Aspekte der Schweigepflicht sind zu beachten: • Für ein Gespräch mit Angehörigen muss immer das Einverständn is des Patienten ingeholt werden • Med izinischelnform ationen dürfen an <111dere Ärzte nur weitergegeben werden, wenn eine Schweigepflichtentbindung durch den Patienten vorliegt. So werden beispiel weise Arztb riefe über Voraufenthalte nur an niedergelas ene Ärzte verschickt, wen n der Patient die Klinik schriftlich vo n der Schweigepflicht entbunden hat • ln ei nem Gerichts- oder Ermittlungsverfahren gegen den Pat ienten haben die behan -
delnden Ärzte ein ZeugnisveiWeigerungsrecht übe r das, was ih nen in ihrer Eigenschaft als behandelnder Arzt anvertraut wurde(§ 53 Strafprozessordnung, StPO und § 383 Zivilprozessordnung, ZPO). Nur wenn der Patient den Arzt von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbindet, darf- und muss - er aussagen. Die Schweigepflicht muss im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie besonders ernst genommen werden.
0 Was beinhaltet die ärztliche Schweigepflicht?
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Abbildungsnachweis Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsq uelle befindet sich bei allen Abbild ungen im Buch am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern.
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Register A
Abhängigkeit I00 - Alkohol 102 - Am ph eta mine 107 - Barbiturate 108 - Benzodiazepine I 08 - Ca nn abis 107 - Clom ethi azol l 08 - Heroin 106 - Koka in 107 - körpe rli che l 00 - Medikamente I 08 - Nikotin 109 - Opioide 106 - psychische LOO - Tabak 109 Abstinenzregel 47 Acamprosat 104 Acetylcholinestera e-Hemmer 31 ADHS - Erwachsene 162 - Kinder und Jugendliche 196 Adipositas, Kinder 20 I Affekt - inadäquater 13 - -inkon tinenz 13 - -iso.lierung 47 - -Iabi lität 13 - parathymer l3 - -verarmung 13 - -verfl achung 13 Affektivität, Störung 13 Agoraphobie 11 5 Akath isie 28 Akoasmen 12 Albträume 179 - Kinder 202 Alexi thymie 134 Algopareunie 169 Alibid imie 169 Alkohol - Abhängigkeit 102 - Entzug delir 103 - Entzugssynd rom l 03 - Halluzinose LOS - Intoxikation 103 - Rausch 103 Allparteili chkeit 50 Alpha-2-An tago nistcn 23 Alpra zolam 0 Alzheimer-Deme nz 58 Amisulprid 29 Amitriptylin 21 Amnesie 9 Amphd ami ne I 07 Amphet aminsalze
Angel Dust 108 Angst 13, 11 2 Ang tstörung 112 - generalisierte 121 - Kindern 199 Anhedon ie 13 Anorexia nervosa 185 - Kinder 201 Anpassu ngsstörung 138 Anticraving-Substanz 104 Antidementiva 31 Antidepressiva 20 Antidepressiva, tri-, tetrazyklische 22 Antipsychotika 26 Antriebsstörungen 13 Anxiolytika 30 Appetenzstörungen 168 Aripiprazol 29 A perger-Syndrom 195 -Erwachsene 164 A oziieren 47 Aufmerksamkeit - Störung 9 - Tests 15 Ausscheidungsfunktion, gestö rte 202 Auti smus 195 Aversion, sexuell e 169 Aversionsverfahren 44 Aversivtherapie, Alkoholabhängigkeit 32 B Balbutie 193 Baldrianpräparate 31 Bahnt-Gruppen 53 BDI 74 Beck-Depressio ns-lnventar 74 Beeinträchtigungswahn 11 Befragen, zirkuläres 51 Befund, psychopathalogischer 8 Begriffsze rfall 10 Begutachtung - Betreuung 216 - psychiatri ehe 214 - sozialm edi zinische 218 - sozial rechtliche 214 - strafrechtliche 214 - versiche rungsmedi zinische 218 - zivilrechtliche 214 Belas tungsreaktion , akute 140 Belastungsstörung, po !traumatische Benommenheit 9 Benperidol 27 Benzod iazepine 30 - Ent zugssyndrom 108 - Intoxikation 108 - chwangerschaft 34
142
221
Register
Derealisa tionserlebe n t3 Derma tozoenwahn 64 Desensibi lisierung, sys tema lische 42 Deviation, exuelle 172 Diacetylmorphin 106 Diagnostik -a pparative 15 - Labor 16 - Le istun gs- 15 - m ul Ii axia ie 18 - psychiatrische und psychothe rapeut i ehe Diazepam 30 Diphenhydram in 31 Dissozialität 198 Disulflram 105 Donepezil 31 Double depression 70 Doxepin 21 Doxylamin 31 DSM-IV 17 Duloxetin 21 Durcharbeiten 48 Dyskalkul ie 194 Dyski nesien, tard ive 28 Dy pareun ie 169 Dyssomnie 177 - Eintei lung 177 - Kinder 202 Dysthymia 70
Bestrafung, direkte, indirekte 41 Betreuung 215 Betreu ungsgesetz 215 Bewegu ngsstereotypien 14 Bewu s tsei nsstörungen 9 Beziehungswahn II Bindungsstörung, reaktive I 98 Bi nge eati ng disorder 189 Biofeedback 52 Biperid en 28 Bleuler, Eugen 84 Body-Mass-Index 184 Bromperi dol 27 Bruxismu 180 Bulim ia nervosa 187 - Ki nder 20 I Bupropion 21 Burn -out-Syndrom 134
c Can nabis, Ra usch 107 CA PS 15 Carbamazepin 25 -Schwangerschaft 34 Chloralhydrat 31 Chlorp rotixen 27 Chronic-fa tigue-Syndrom 133 Citalopram 21 Clinician Aclm inistered PTSD Sca le 15 Clobazam 30 Clomethiazol 32 Clozap in 29 Computertomografie 16 Craving 100 Creutzfeldt-Jakob -Erkrankung 61 Cytoch rom -P450-System 34
E
D
Dämmerzustand 9 Debili tät 210 Degeneration, progressive hepatolentikuläre Deja-vecu I 0 Deja-vu 10 Delir 63 - Alkoholentzug 103 Del irium tremens 1.04 De menz 57 - Alzheimer 58 - fro nto-t:empo rale 60 - vaskuläre 60 de-Morsier- yndrom 210 DemTect 58 Denkstörungen I 0 Depersonali ation serleben 13 Dep ress ion 68 - atypi ehe 72 - Kind er 200 - saisonale 72 Depress ionsmodelL kogni ti ve. 77 Depr.ivation 206 222
62
Echob li e 14, 205 Echop rax ie 14, 205 Echth eit 50 Ecs tasy I 07 Eifersuchtswahn II - Alko holabhängigkei t I 05 Eigenbeurteil ungsska len 15 Einnässen, nächtli ches 180 Eint eilung, iehe Klassifikat ion - Erkrankungen, p ychische 2 - y tem, t.riadischcs 2 Ei nwilligungsf.:i higkeit 216 - Einwilligungsverb ha lt 215 Ejaculatio prae ox 170 Eja ulati o tar Ia 170 Ekbom- )'ndrom 64 Elektroenzephalografie 16 Elek trokardiografie 15 ·lel trokonvu l sio n s th~ra1 ie 5 EMDR 114 Empalhie SO Enkoprcsis 20. - diurna 203 - no turna 20 - Prävalenz _03 - prim Hrc Form 0 - scku11däre Form 03 F. ntfrcmdungsc rl chcn I Ent.gift.un•. Alkohol 104
8
Register
En tgiftungsphase 102 Entspa nnungsphase, Störungen 170 Entspannungsverfahren 52 Entwicklungspsychologie, psychoana lytische
46
H
F
a
168
G Galantamin 31 Gauthier-Kallmann-Syndrom 210 Gedächtnis - Störung 9 - Tests 15 Gedanken - -abbrechen I 0 - -abreißen l 0 - -ausbreitung 13 - -drängen 10 - -eingebung 13 - -entzug 13 - -lautwerden 13 --Sperrungen 10 Gegenübertragung 47 Geschäftsfahigkeit 216 Gesch lechtsidentität, gestörte 171 Gesp rächspsychotherapi e 49 Gewohnheiten, abnorme 160 Gill es-de-la-To urelte-Syndrom. 205 Glücksspiel, pathologisches 160 GI utamatmodulatoren 31 Größenwahn 11
Entw icklungsstö run g - tief greife nde 195 - umschri ebene 193 En twö hnungs phase I02 En tzug - Alkohol 103 - Benzodiazepine lOS -Ca nnabis 107 - Hero in 106 - kalt er 106 - Opiat 106 - warmer 106 Entzugsphase 102 Entzugssymptome 100 Enures is 202 - chronische Formen 204 - diurna 203 - nocturna I 80, 203 - primäre 203 - seku ndäre 203 - vo rübergehende Fo rmen 203 Erektionsstörung 169 Erregungsphase 168 Erregungsstörungen 169 Escitalop ram 21 Es törung 184 - Kinder 201 Exekutivfunktion en, Tests 15 Exhibitionismus 172 Existenza nalyse 48 Experi encing 49 Expositionsverfahren 43 Extensive metabolizer 34 Fa hrtauglichkeit 33, 218 Fam ilienth erapie 50 Feti schismu s 172 Fi bromyalgie- yndrom 133 Flash backs 142 Flum azenil 30 - Benzodiazepi nreze ptor-Antag ni ten Fluoxet in 21 Flupenti xol 27 Flu phennin 27 Fluspi rilen 27 Flu voxamin 21 Focussing 4 Fokalt herap ie 48 Folie deux II Frcmdbccinfluss ungscrlcb ·n 13 Fremdbeurteilungss kai n 15 Fri gidit ät 169 Frot tcurismus 172
Friihdyski nesien 27 Funktion Störu ngen, sexuelle Furcht 11 2 Fünerstörung 201
108
Hallu zi nation 12 - h)'pnagoge 178 Hall uzinogene 108 Ha lluzinose - Alkohol 105 - guslatorisehe 65 - optische 65 - orga nische 64 Haloperidol 27 Haltungsstereotypien 13 HAMD 74 Ham ilton-Depres ion - kala 74 Handlung, parasuizidale 14 Heroin - Abhängigkei l 106 - Entzug 106 High -exp ressed -emotion -Muster 89 Hopfen 31 Hosp italismus 207 H yperkinesen 13 Hypersa mn ie 177 Hype rvigilanz 143 Hypnose 52 Hyp notika 30 Hypoki nesen 13 I I D-10 2 Ich-Störu ng
13
223
Register
Ideen , überwertige 11 Ideenflucht I 0 Identifikation 47 Imbeztllität 210 Imipramin 21 1mpulskon trolle, gestö rte 160 Individualpsychologie 48 Insomnie, nichtorganische 177 Jntelligenzminderung, Kind er 209 Intelligenztest 1.5 Interaktionsphänomene 48 International Class ifi cation of Diseases Interpretation 48 Intersexua lität 1.71 Intervention, paradoxe 51 Interventionstechniken 51 Intoxikation - Alkohol I03 - Benzodiazepin J08 - Opiat 1.06 Intrusionen 142 Inzest 207
Kontaktph ase I02 Kontingenz man agemen t 43 Kontrollverlust 100 Koprolalie 205 Koprop raxie 205 Korsakow- yndrom 9 - Alkoholismus I 05 Kraepelin, Em il 84 Krankhei tsko nzepte, psychoa nalytisch 46
2
J Johann iskra ut Joining 51
21
K Kalimann-Syndrom 210 Kanner-Autismus 195 Katalepsie 13 Kataplexie 1. 78 Katatonie 86 Klarifizieren 48 Klassifikation - Anpassungsstörung 139 - Antidepressiva 20 - Antipsychotika 26 - Intelligenzminderung 209 - multiaxiale nach Rutter, Shaffer und turge 192
-Schi zoph renie 84 - Sexualstörungen 168 - Störung, affektive 68 -Störung, dissoziative 127 -Störung, orga nische psychi sche - Störu ng, somatafo rme 131 - Störungen, p ychotische 96 Klass ifikationssysteme 2, 17 Klei nh eitswahn I I Kleptomanie 160 Kokain 107 Koma 9 Komorbiditätsprin zip 17 Kondi ti onierung - klassische 40 -Modelle 40 - operan ie 40 Kon frontal'io n 48 Kongruenz 50 224
56
l
Labo rdi agnostik 16 Lamatrigi n 25 Latenzphase 46 Leben Zeitpräva lenz 3 Legas theni e 193 Leibhalluzi nationen 12 Leistun g diagnostik 1.5 Lernen, soziales 41 Lerntheorie 40 Lee-Recht chreib- törung 193 Levomepromazin 27 Lewy-Körperchen 61 Libido 46 Lichttherapie 36 Liebeswa hn II Lithium 24 - Schwangerschaft 34 Lora zepam 30 Löschung 43 Löschungsresistenz 4 I LSD 108 Lubrikati onss törung 169 Lysergsäure-Diethylamid I08 M Magnet resonanztomografie 16 Mani e 68 Manieri men 14 Maprotilin 21 MDMA 107 Medikamentenabhängigke it 108 Medikam ntenmiss br, u h 108 Melperon 27 Mem antin 31 Meskalin 108 Mc tampht:t amin J 07 Methode n, opera nte 4 Meth ylph enidat 3 Mianserin 2 1 Midazolam 30 Mild ognil ive in1pa irmcut 62 Min i-Mental - 'ta tus -Tesl 58 Minussympto me 1!7 Mirtaza pin 2 1 Mi ssbrau h, sex uell er bei Kindern Misshandlung, Kinder 207 MM 1' 58 Mo Io cmid 21
07
Register
Modafinil 33 Modell - Konditionierung 40 - Objektbezieh ungen 46 Modelllernen 44 Monatsprävalenz 3 Monoami nmangelhypothese - Störung, affektive 76 Monoaminooxidase-Hemmer 22 Morbus Huntington 61 Morbus Pick 6 L Morbus Wi lson 62 Multiple Chemica l Sensitivity 133 Münchhausen -by-proxy-Syndrom 207 Münchha use n-Syndrom 134 Muskelrelaxation, progress ive 52 Mutismu 13 elektiver 198 N
Naltrexon I 04, I 07 Narkolepsie 178 Nebenwirkungen, extrapyra midalmotorische 27
Negativismus 13 Neologismen 10 NEO· Persö nlichkeitsinventar 15 NEO -PI -R 15 Neopsychoanalyse 48 Netzwerkstö rung - Schizophrenie 89 - Störung, affektive 77 Neurasthenie 133 Neuroleptika 26 Neurose J 12 Nichtigkeitswahn ll Nikotinabhängigkeit 109 Nikotinersatztherapie I09 Non -Benzodiazepin-Hypnotika 30 Non -REM-Schlaf 176 Noradrenalin-Reuptakc-lnhibitor 20 Nordiazepam 30 Norma ld ruckhydrozephalus 61 Normal presstu·e hydrocephalus 6 L Nortriptylin 21
0 Objektivitiil 15 Olanzapin 25, 29 Op iat - An tagonist 107 - En tzugssyndrom 106 - Int oxikation 106 - Rausch 1.06 Orgas mus, gehemmter 170 Orgas musphase 168 rgas musstö rungen J 70 Orientierungsstörungen 9 Othell o-Sy ndrom 97 Oxazcpam 30
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Paartherapie 51 Pädophilie 172 Palilalie 205 Panikstörung 1 L5 PANSS I5 Paragrammatismus LO Paralogik 10 Paramnesien 10 Paranoia 97 Paraphilien 172 Parasamnie 179 - Kinder 202 Pareidolien 12 Parkinsonoid 28 Paroxetin 21 Pavor nocturnus !80 - Kinder 202 PCP LOS Perazin 27 Perphenazin 27 Perseveration 10 Persönlichkeitsstörung 146 - abhängige ISO - anankastische 151 - ängstlich-vermeidende 149 - dissoziale ISI - emotional -instabile 152 - histrionische 155 - narzisstische 156 - paranoide !56 - schizoide 157 - schizotype J 57 Perversion 172 Pharmakologie 20 Phase - anale 46 - Lantenz· 46 -ödipale 46 - orale 46 - phallische 46 - Pubertäts-Adoleszenz· 46 Phase nmodell, psychesexuelle Entwicklung 46 Phasenprophylaktika 23 Phencyclidin 108 Phobie I 13 - soziale l l8 Phoneme 12 Pica 201 Pimozid 27 Pipamperon 27 Plateauphase 168 Plazebo-response-Rate 21 Plussymptome 87 Poltern 193 Polyso mnografie 176 Polytoxikomanie I01 Poor metaboli zer 34 Positive and Negative Symptoms Scale 15 225
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Po itronen-Emiss ions-Tomografi e 16 Posttraum atic stress disorder 142 Präkom a 9 Prävalen z 3 Projektion 47 Pseudodemenz 72 Pseudohalluzinationen 12 Psilocybin 108 Psychisch-Kranken-Gesetze 214 Psychoanai)'Se 45 Psychoedukation 53 Psychologie, analyti sche 48 Psychomotorik, Störung 13 P ychopathologie 8 Psychose, schizophrener Formenkreis bei Kindern 208 Psychestimul anzien 33 Psychosyndrom, organisches - Kinder 209 Psychoth erapie 38 - personenzentrierte experientielle 49 -Schulen 38 PTS D 142 Pubertäts-Adoleszenzpha e 46 Purging type - Anorexia nervosa 186 - ßu limia nervosa 188 Pyromanie 160
Q Quetiapin
25, 29
R Rausch - Alkohol J03 - Alkohol, komplizierter 103 - Alkohol, pathologischer I03 - Halluzinogene I 08 -Stimul anzien 107 Reaktionsbi ldung 47 Reboxetin 21 Rechnenstörung 193 Refraktärzeit 168 Reframi ng 51 Regress ion 46 Reizkonfrontation 42 Reliabi lität 15 REM-Schl af 176 REM-Schlaf- Verhalten störun g 180 Rentenneu ro e 134 Res iduum, schi zophrenes 86 Restl ess -legs- yndrom 179 Rete ntions-Kontroll -Trai ning 203 Rett-Syndro m 196 Rezeptorh ypoth ese - t. örun g, affekt'ive 76 Rezidivprophylaxe - Depre sio n 80 - Ma nie 80 - chizophrenie 93 226
Risikofa ktor - AJzheimer-Demenz 59 - Delir 64 - Manierez idiv 81 - Sch izophreni e 88 - Sui zid bei hi zophren ie 94 Ri peridon 25, 29 Riva tigmin 31 Rückbildungs phase 168 Rückfa llprop hylaxe, Alkoholabhängigkei t
s Sachverständige r, medi zinischer 214 Sadomasochismu 172 Samenerguss, vorze it ig r 170 Schizophasie I 0 chi zoph renia si mplex 86 Schi zoph reni e 84 - hebephrene 86 - ka tatone 86 - ega ti v- 87 - paranoide 86 - Positiv- 87 - zoenästhetische 87 Schlafa pnoe-Synd ro m .1 78 - obstrukti ves I 78 - ze ntrales 178 chl afentzug lherapie 35 Schl afp aralyse 178 chlafstadien 176 Schl af töru ng 176 - Einteilung 176 - Erkrankung, orga nis he 181 - Erkrankung, pS)'Ch is he 182 - extrinsische 179 - intrinsisc he 177 - Ki nde r 202 - sekundäre 176 Schlafw andeln 180 - Kinder 202 Schl afzyklus 176 chn eider, Kurt 84 chul ang I 199 Schuld fu higkeit , vermind erte 217 hu ldun fti hi gkcit 217 Schuldwahn I I chulphobie 199 chul schwänze n 199 chwa ngers hafl, Psychoph armaka 4 chweig pni ht 218 clb. tin strukti n train in > 45 elb !manage men t-Verfah ren 4'> ert ra lin 21 . rolon in-Wit.:d t.:ra u na hm chcmmc r 2 etting 39 cxu
32, 104
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Skala 15 - Clini cia n Administered PTSD Scale 15 - Eige nbeurteilu ngs- 15 - Fremdbeurt eilun gs- 15 - Hamilt on-Depression - 74 - Positi ve and ega ti ve Symptom Sca le 15 - Yale-ßrown Obsessive Compu lsive Scale 15 SKID-I und -II 15 SN RI 20 Sodomismus I 72 So mnambulismus 180 So mnol em 9 Sopor 9 Sozialverhalten, gestörtes 198 Soziotherapie 53 Spaltung 47 Spätdyskinesien 28 Speed 107 Sp rache, gestörte 193 Sprachstereotypien , 14 13 Sp rachzerfa ll 10 Sprechen, gestörtes 193 Sp rechstörung 193 SS RI 20 Stalking 165 Stillzeit, P ychoph armaka 34 Stimmun gsstabi lisierer 23 Stimulanzien - Intoxikat ion 107 - Rausch 107 Stimuluskontroll e 43 törung - affektive 68 - Affektivi tät 13 - akute polymorphe psychotische 97 - aku te schizophreniforme psychotische 97 - Angst- bei Kindern 199 - anhal tend wa hnhafte 97 - An pas ' U ngs- 138 - An triebs- 13 - Appetenz- 168 - artifizielle 134 - Aufmerksa mkeits- 9 - Auss heidungs funkti on bei Kindem 202 - Belast ungs-, posttraumatische 142 - Bewusstsei ns- 9 - Bindun gs -, reaktive 198 - Ol:nk- 10 - dcpn::ssive bei Kindern 200 - di ,soziative 127 - di ssozial ive b i Kindern 204 - emoti onal b i Kindern 199 - En tspa nnu ngsphase 170 - Entwicklungs-, tief gre ifende 195 - Entwi kl ungs-. ums hriebene 193 - F.rektions- 169 - Erregungs- 169 - hss- 184 - F.ss- bei Kin lern 20 I
- Funktion, soziale bei Kindern 198 - Gedächtni s- 9 - Geschlecht sidentität 171 - Ich- 13 - Impulskontrolle 160 - indu zierte wahnhafte 97 - leichte kongnitive 62 - Lese-Rechtschreib - 193 - Lubrikations - 169 - organi ehe psychische 56 - Orgasmus- 170 - Orientierungs- 9 - Persönlichkeits- 146 - psychische im Kindes- und Jugendal ter 192 - Psychomotorik 13 - Rechnen 193 - Rhythmus, zirkadianer 179 - schizoaffektive 98 - schizotype 96 - Schlaf- 176 - Schlaf- bei Kindern 202 - Sexual- 168 - Sexualpräferenz- 172 - somataforme 131 - somataforme bei Kindern 204 - Sozialve rhalten bei Kindern 198 - Sprache 193 - Tic- bei Kinden 205 - Verhaltens-, lang anhaltende 160 - wahnhafte 97 - Wahrnehmung 12 - Zwangs- bei Kindern 200 Sozialverhalten bei Kindern - Beispiele 198 Stottern 193 Strafrecht 217 Stress-1mpfungs -Training 45 Strukturiertes klinisches Interview 15 Strukturmodell, Persönli.chkeit 46 Stupor 13 Sublimierung 47 Substan zmissbrauch, Kinder 208 ubstitutionsbehandlung, Heroinabhängigkeit 107 Suchtpotential 100 Sucht , Siehe Abhängigkeit uchtpotenzial l 00 ui zid, erweiterter 14 uizidalität 14 Sui zid, erwe iterter 14 Suizidrate - Störungen, affektive 81 ulpirid 27 Supervision 53 Sy mptome, katatone 13 Sy ndrom - amne ti sches 1OS - de-Morsier- 210 - authier-Kallmann - 210 227
Register
- Kallmann- 210 - malignes neuroleptisches 28 - olfaktogen itales 210 - organisches amnestisches 63 - polymorph perverses 172 - präsuizidales 14 - serotonerges 23 System, triadisches 2 T Tabak, Abhängigkeit 109 Tangels, neurofibrilläre 59 Tau-Prote.ine 59 Test - Aufmerksamkeit 15 - d2-Aufmerksarnkeitsbelastungs- 15 - DemTect 58 - Gedächtnis 15 - Intelligenz 15 - Mini -Mental-Status- 58 - Uhren-Zeichen- 58 - Verbaler Lern- und Merkfahigkeits- 15 -Wechsler Gedäch tnis- 15 - Wisconsin Card Sorting 15 Testierfcihigkeit 216 Therapieschulen, Psychotherapie 38 Thioridazin 27 Tic, Kinder 205 Tiefenpsychologie 45 Time-Out 43 Token-Economy 43 Toleranzentwicklung I 00 Train ing, autogenes 52 Transsexualität 171 Transvestitismus 172 Tranylcypromin 21 Trazodon 21 Triade, kognitive 77 Trichotillomanie 161 Trimipramin 21 Trip lOS
u Übertragung 47 Übertragungsneurose 48 Uhren-Zeichen-Test 58 Ultra-rapid metabolizer 34 Unbewusste 45 Ungeschehenmachen 47 Unterbringung 216 Unterbringungsgesetz 214 V Vaginismus 170 Validität 15 Valproinsäure 25 - Schwangerschaft 34 Venlafaxi n 21
22
228
Verarmungswahn li Verbigeration 10 Verdrängung 47 Verfahren - bildgebende 16 - kognitive 44 - testpsychologische 15 - tiefenpsychologisch orientierte 45 Verfolgungswahn 11 Verhaltensstö rung, lang anhaltende 160 Verhaltenstherapie 39 Verkennung, illusionäre 12 Verlangen, gesteigertes sexuelles 169 Vernachläss igung 206 Verschiebung 47 Verstärkung, negative, positive 41 Versündigungswahn II VLMT 15 Vorbeireden 10 Voyeurism us 172 Vulnerabilitäts-Stress-Modell 76
w Wahn 11 - -einfall l I -Formen II - -gedanke I I - hypochondrischer 1 1 - -idee ll - symbiotischer 11 - -themen II --Wahrnehmung 11 Wahrnehmungsstörungen 12 WCST 15 Wende, kognitive 41 Wende, sozialpsychologische 41 Wernicke-Enzephalopathie I OS Widerstand 48 WIE 15 WiederaufnahmehemmeT 23 Willensbeeintlussung 13 WMS-R 15
y Yale-Brown Obsessive omp ulsive Scale Y-BOCS JS
z Zähneknirschen 180 Zaleplon 31 Ziprasidon 29 Zoe nästhes ien 12 Zolpidem 3 1 Zopiclon 31 Zwang 12 Zwangsstörung, Kinder 200 Zwa ng Störungen 123 Zyklothym ia 70
15
Sie haben das Fach bereits einmal gelernt und wollen das Wichtigste in letzter Minute vor der Prüfung wiederholen . Genau das bietet Ihnen die last m1nute Reihe: }} nur die Fakten , die zum Bestehen der Prüfung notwendig sind )) Farbkodierung: Gewichtung nach IMPP-Häufigkeit }) Einteilung in schnell schaffbare Lerneinheiten )} Kurzes Onlinetraining für die mündliche Prüfung mit typischen Fragen und Antworten. Von Studenten dr1ngend empfohlen: .. Damit schaffst Du den relevanten Stoff in minimaler Zeit." .. Das ist eine wichtige und abwechslungsreiche Alternative zum reinen Fragen-Kreuzen." "Super ist das vorgegebene Gerüst zum strukturierten und effektiven Lernen ." Plus· Onhne W1ssensuberprufung )) IMPP-Fragen
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