K. Dettner . W. Peters (Hrsg.) Lehrbuch der Entomologie
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Entomologie 2. Auflage
Herausgegeben von Konrad Dettner und Werner Peters Mit Beiträgen von Thomas Bauer, Alfred Buschinger, Konrad Dettner, Anne-Katrin Eggert, Gerhard Eisenbeis, Klaus Honomichl, Manfred Kaib, Jürgen Milde, Josef K. Müller, Werner Peters, Heiner Römer, Hans Scharstein, Gerhard Seifert, Klaus-Dieter Spindler, Anton Stabentheiner, Georg Stommel, Lutz Thilo Wasserthai, Gernot Wendler, Wilfried Wichard, Ernst Anton Wimmer, Rolf Ziegler, Dieter Zissler, Helmut Zwölfer
Spektrum Akademischer Verlag
Heidelberg ' Berlin
Zuschriften und Kritik an: Elsevier GmbH, Spektrum Akademischer Verlag, Verlagsbereich Biologie, Chemie und Geowissenschaften , Dr. Ulrich G. Moltmann , Sievogtstr. 3-5, 69126 Heidelberg
Anschriften der Autoren : Professor Dr. Konrad Dettner Lehrstuhl für Tierökologie II Universität Bayreuth Universitätsstr. 30 95440 Bayreuth Professor Dr. Werner Peterst Wichtiger Hinweis für den Benutzer Der Verlag und der Autor haben alle Sorgfalt walten lassen, um vollständige und akkurate Informationen in diesem Buch zu publizieren. Der Verlag übernimmt weder Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für die Nutzung dieser Informationen, für deren Wirtschaftlichkeit oder fehlerfreie Funktion für einen bestimmten Zweck. Der Verlag übernimmt keine Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren, Programme usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar gezahlt.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.ddb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten 2. Auflage 1012003 © Elsevier GmbH, München Spektrum Akademischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH . 03 04 05 06 07
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Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Planung und Lektorat: Dr. Ulrich G. Moltmann, Bettina Saglio Herstellung : Ute Kreutzer Satz: Typomedia GmbH, Ostfildern Druck und Bindung: Bosch Druck , Ergolding Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelfotografie : Steirischer Fanghaft (Mantispa styriaca) mit erbeuteter Fliege. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Dr. Heiko Bellmann, Ulm) Gedruckt auf 90gr. OfTset Printed in Germany ISBN 3-8274-1102-5 Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.com und www.spektrum-verlag.de
Autorenverzeichnis
Professor Dr. Thomas Bauer (Kapitel 16) Zoologisches Institut, Lehrstuhl für Ökologie Universität Kiel Olshausenstr. 40, 24098 Kiel
Professor Dr. Josef K . Müller (Abschnitt 13.4zus. mit Dr. Eggert) Institut für Biologie I (Zoologie) Universität Freiburg Hauptstr. 1, 79104 Freiburg
Professor Dr. Alfred Buschinger (Kapitel 14) Institut für Zoologie TH Darmstadt Schnittspahnstr. 3, 64287 Darmstadt
Professor Dr. Werner Petcrs (Kapitell, 4,20,23,25: Abschnitte 25.6, 14-19, 21, 22, 28-33) Institut für Zoologie Universität Düsseldorf Universitätsstr. 1,40225 Düsseldorf
Professor Dr. Konrad Dettner (Kapitel 17, 18, 19; zus. mit Prof Zwölfer 21; 25: Abschnitte 25.1-5, 7-13, 20, 23-27, 34) Lehrstuhl für Tierökologie 11 Universität Bayreuth Universitätsstr. 30,95440 Bayreuth Dr. Anne-Katrin Eggert (Abschnitt 13.4 zus. mit Prof Müller) Institut für Biologie I (Zoologie) Universität Freiburg Hauptstr. 1, 79104 Freiburg
Professor Dr. Heiner Römer (Abschnitte 11.1; 11.2 zus. mit Dr. Stabentheiner) Institut für Zoologie Universität Graz Universitätsplatz 2, A-8010 Graz Dr. Hans Scharstein (Abschnitt 11.4 zus. mit Dr. Stommel) Zoologisches Institut der Universität Köln Lehrstuhl Tierphysiologie Weyertal 119,50923 Köln
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis (Kapitel 5 zus. mit Prof Wichard) Institut für Zoologie Universität Mainz Saarstr. 21, 55099 Mainz
Professor Dr. Gerhard Seifert (Kapitel 2) Tannenweg 17 35305 Grünberg-Queckborn
PD Dr. Klaus Honomichl (Kapitel 24) Institut für Zoologie Universität Mainz Saarstr. 21, 55099 Mainz
Professor Dr. Klaus-Dieter Spindler (Kapitel 12) Abtlg. Allgemeine Zoologie (Biologie I) Universität Ulm Albert-Einstein-Allee 11, 89081 Ulm
Dr. Manfred Kaib (Abschnitt 11.3) Lehrstuhl für Tierphysiologie Universität Bayreuth Postfach 10 1251,95440 Bayreuth
Dr. Anton Stabentheiner (Abschnitt 11.2 zus. mit Prof Römer) Institut für Zoologie Universität Graz Universitätsplatz 2, A-80 I0 Graz
PD Dr. Jürgen Milde (Kapitel 8, 10) Rothusener Weg 24 50374 Erftstadt-Lechenich
Dr. Georg Stommel (Abschnitt 11.4 zus. mit Dr. Scharstein) Zoologisches Institut der Universität Köln Lehrstuhl für Tierphysiologie Weyertal 119,50923 Köln
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Autorenverzeichnis
Professor Dr. Lutz Thilo Wasserthai (Kapitel Kapitel 6, 7) Institut für Zoologie I Universität Erlangen-Nürnberg Staudtstr. 5 91058 Erlangen
Professor Dr. Rolf Ziegler (Kapitel 3) Institut für Zoologie Abtlg . Tierphysiologie Universität Halle Domplatz 4, 06099 Halle
Professor Dr. Gernot Wendler (Kapitel 9) Zoologisches Institut der Universität Köln Lehrstuhl für Tierphysiologie Weyertal 119, 50923 Köln
Dr. Dieter Zissler (Abschnitte 13.1,13.2) Institut für Biologie Universität Freiburg Hauptstr. I, 79104 Freiburg
Professor Dr. Wilfried Wichard (Kapitel 5 zus. mit Prof Eisenbeis) Institut für Biologie und ihre Didaktik Universität Köln Gronewaldstr. 2, 50931 Köln
Professor Dr. Helmut Zwölfer (Kapitel 15,22; zus. mit Prof Dettner 21) Lehrstuhl für Tierökologie I Universität Bayreuth Universitätsstr. 30, 95440 Bayreuth
Professor Dr. Ernst Anton Wimmer (Kapitel 13.3) Lehrstuhl für Genetik Universität Bayreuth Universitätsstr. 30, 95440 Bayreuth
Kapitel (Abschnitte) mit mehreren Autoren
5 Wasserhaushalt: Eisenbeis und Wichard 11.2 Temperatur und Feuchterezeption: Stabentheiner und Römer 11.4 Photorezeption: Scharstein und Stommel 13.4 Fortpflanzungsverhalten: Müller und Eggert 21 Schädlingsbekämpfung: Dettner und Zwölfer 25 Ordnungen: Dettner und Peters
Vorwort zur zweiten Auflage
Früher als erwartet ist eine Neu aufl age unseres Lehrbuchs der Entomologie notwendig geworden . Wir haben den Text gründlich überarbeitet, aktualisiert und dabei auch zahlreiche Anregungen aufgegriffen, die uns dankenswerterweise von Rezensenten, von Kollegen oder auch von Studierenden zugingen . Vieles hat sich in der Entomologie und den angrenzenden Gebieten seit der I. Auflage verändert . Dies gilt sowohl für den organismischen als vor allem auch den molekularen Bereich der Entomologie. Im organismischen Bereich konnten durch eine gründliche Bestandsaufnahme vor allem in den Tropen korrigierte Artenzahlen der rezenten Organismen- und insbesondere Insektenarten ermittelt werden. So dürften weltweit nicht 80 Millionen, sondern möglicherweise weniger als 10 Millionen Organismenarten existieren (siehe S. Wagner: Kontliktfeld Biodiversität, agenda, Münster, 2002). Aber auch in Deutschland erbrachte eine Inventur der vorhandenen rezenten Arten im Rahmen des Projektes "Entomofauna Gerrnanica" beispielsweise alleine bei den Käfern 6 858 Spezies, bei den Hautflüglern sogar 8 896 Arten. Die kürzliche Entdeckung der neuen Insektenordnung Mantophasmatodea, der "Gladiatoren" zeugt genauso von diesem Wissenszuwachs wie die Neubearbeitung sämtlicher Insektenordnungen in dem 2003 von Dathe herausgegebenen Band .Jnsecta" aus der Reihe .Kaestner: Lehrbuch der speziellen Zoologie". Auf zwei bahnbrechende Befunde im molekularen Bereich sei nachfolgend hingewiesen : 2000 wurde die gesamte Sequenz des Genoms von Drosophila melanogaster veröffentlicht, das sich auf fünf Chromosomen verteilt (Science 287: 21852195,2000). Die Zahl der Gene dieser Fliegenart ist mit 1360I nahezu doppelt so groß wie bei der Hefe, aber niedriger als beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Obwohl Säuger und Insekten nicht besonders nahe verwandt sind, so ist doch die Kenntnis des Genoms der Fliege von großem Nutzen für die Erforschung von Krankheiten des Menschen. Es enthält homologe Sequenzen zu 289 menschlichen Genen, die an verschiedenen Krankheiten, wie z. B. Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen beteiligt sind . Erst vor wenigen Monaten ist es Wissenschaftlern darüber hinaus
gelungen , das Genom der Stechmücke Anopheles gambiae samt dem Genom des durch sie übetragenen Malariaerregers aufzuklären. Wenn man berücksichtigt, dass 40 Prozent der Weltbevölkerung in malariaverseuchten Gebieten leben, die Zahl der Todesopfer enorm ist und allein in Deutschland pro Jahr rund 30 Malariatote zu beklagen sind, so sind diese Befunde von besonderer Bedeutung. Es ist zu hoffen , dass nun der Weg frei wird für die Entwicklung neuer Medikamente und Insektizide (Nature 419: 493-494, 498-511 , 2002; Science 298: 129-149, 176-179,2002), um die Malaria zukünftig effektiv bekämpfen zu können . Wir haben diesem Wissenszuwachs auf allen Gebieten dadurch Rechnung getragen , dass sämtliche Kapitel revidiert und aktualisiert wurden. Weiterhin wurde ein Kapitel über die Genetik der embryonalen Musterbildung neu aufgenommen und die beiden Kapitel über das Atemsystem und Hämolymphe/Hämolymphtransport wurden völlig neu bearbeitet. Schließlich wurde auch das Kapitel über die Insektenordnungen auf den neuesten Stand gebracht. Phylogenetische Erörterungen wurden in diesem Kapitel sehr kurz gehalten, denn sie sind ausführlich im Lehrbuch der Speziellen Zoologie (Dathe 2003) dargestellt. Auch enthält die vorliegende 2. Auflage zahlreiche neue Tabellen und Abbildungen. Wir haben uns wieder mehrfach zu bedanken und zwar sowohl bei den beiden neuen Autoren als auch den Mitautoren beider Auflagen, die neben der Überarbeitung ihrer eigenen Kapitel Hinweise zu anderen Kapiteln gegeben haben . Desweiteren sind wir zu Dank verpflichtet: Prof. Dr. H . Aspöck/ Wien, Prof. Dr. U. AspöcklWien, PD. Dr. R . G. BeuteUJena, W Bilgeri/Bayreuth, Doz . J. Boos/ Wädenswil, Dr. R . U. Ehlers/Raisdorf, Herrn R . Ehrmann/Karlsruhe, Dr. A. Elbert/Leverkusen, Dipl. Biol. J. FranklBayreuth, Prof. Dr. H . Geiger/ Ellwangen , Prof. Dr. H . Greven/Düsseldorf, Dr. E Haas/Ulm, E. Helldörfer/Bayreuth, M. Hoof/Siegen, Dr. C. Horn/Bayreuth, Prof. Dr. E Huber/ Starnberg, Dr. K . K üsel/Bayreuth, Dr. K.-H . Lampe/Bonn, Prof. Dr. O. LarinklBraunschweig, Dr. habil. E-O. Lehmann, Prof. Dr. C. Lehner/ Bayreuth, Dr. A. Levinson/Seewiesen, Prof. Dr. H . Levinson/Seewiesen, Prof. Dr. G. Moritz/Halle, Prof. Dr. G. PassIWien, Dr. W RählelTübingen,
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Vorwort zur zweiten Auflage
Dr. 1. Reddemann/Haag, Dr. 1. Rheinheimer/Ludwigshafen, Dr. K. Riede/Bonn, Dr. 1. Rosenberg/ Glessen, Prof Dr. F. X. Schmid/Bayreuth , Prof. Dr. E. G. Schmidt/Essen, G. Schwinger/Basel, Dr. M. Schwinger/Basel, Prof Dr. M . Spindler-Barth/ Ulm , Dr. A. H . Staniszek/Tübingen, Pro( Dr. H . SturmlHildesheim, Pro( Dr. U. Wyss/Kiel und Dr. O. Zompro/Plön. Unser Dank gilt schließlich Frau B. Saglio und Herrn Dr. Ulrich G. Moltmann (Spektrum Akademischer Verlag) für die gute und bewährte Zusammenarbeit. Im Namen aller Autoren Bayreuth und Dü sseldorf im Sommer 2003 Konrad Dettner und Werner Peters
In memoriam - Herr Prof. Dr. Werner Peters ist am 06. 08. 2003 nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. Leider konnte er das Erscheinen der 2. Auflage unseres Lehrbuchs der Entomologie nicht mehr erleben, für das er sich bis zuletzt mit allen Kräften eingesetzt hatte. Herausgeber, Autoren und Verlag trauern um den hochgeschätzten Hochschullehrer, Entomologen und Freund, der durch sein stetiges Engagement in hohem Maße zum Gelingen dieses Buches beigetragen hat .
Vorwort (1. Auflage) Alles : 11 sagen, ist das Geheimn is langweilig : 11 wirken.
Voltaire
Jahrzehntelang diente der von Hermann Weber Ökologie usw. Neue Methoden und die Kombinaerstmals 1938 herausgegebene "Grundriss der In- tion von Arbeitsgebieten haben eine Fülle von sektenkunde" den Studierenden der Zoologie und Erkenntnissen gebracht. Damit repräsentiert die allen an der Entomologie Interessierten als Lehr- Entomologie ein Gebiet, welches die verschiedenund Nachschlagebuch . 1954 erschien der "Grund- sten Bereiche der Biologie außerordentlich bereiriss" in 3. Auflage. Nach dem Tode Webers 1974 chert hat. Medizin, Veterinärmedizin , Landwirtbearbeitete Herbert Weidner eine 5. Auflage neu. schaft und Forstwissenschaft haben in teilweise Leider hat Weber sein umfangreiches, 1933 er- erheblichem Maße von diesen Fortschritten der schienenes "Lehrbuch der Entomologie" nicht Entomologie profitiert. mehr überarbeitet, was er selbst sehr bedauerte. So ist es wohl an der Zeit, ein neues Lehrbuch Inzwischen ist weltweit eine enorme Zunahme vorzulegen, das diesen Entwicklungen Rechnung der Kenntnisse über Insekten zu verzeichnen. Be- trägt und die Vielfalt der heutigen Arbeitsthemen dauerlicherweise ist immer noch nicht allgemein darstellt. Ein Autor allein kann das heutige Wisbekannt, dass mindestens 75-80 % der Tierarten sen nicht mehr überschauen und ständig den Insekten sind, und das, obwohl Arndt bereits 1941 Überblick über die Vielzahl der weltweit neu ereine sehr mühselige, gründliche Zählung der da- scheinenden Arbeiten behalten . Daher war es notmals beschriebenen Arten durchgeführt hatte, die wendig, eine ganze Reihe von Fachleuten um Mitzu diesem Ergebnis führte . In neuerer Zeit haben arbeit an diesem Werk zu bitten . Zählungen der Arten , die in der Kronenfauna Das Ergebnis unserer Bemühungen um eine tropischer Baumriesen vorkommen, gezeigt, dass zeitgemäße, möglichst viele Forschungsgebiete wir mit wesentlich größeren Artenzahlen rechnen umfassende, pädagogisch einwandfreie Darstelmüssen als bisher angenommen. Nach Extrapola- lung in einem umfangreichen Lehrbuch kann nicht tion rechnet man mit insgesamt etwa 10-100 Mil- alles Wünschenswerte enthalten, sondern dürfte lionen Insektenarten auf der Erde. Insekten kön- zwangsläufig Lücken aufweisen. Wir sind uns dienen in fast allen Lebensräumen vorkommen , sogar ser Lücken bewusst und erwarten kritische Einin der Arktis und Antarktis, in Wüsten und heißen wände und Hinweise, die notwendige ErgänzunQuellen. gen und Verbesserungen ermöglichen . Seit dem Erscheinen der 3. Auflage des Wir hotTen, dass dieses Buch nicht nur in den "Grundriss der Insektenkunde" sind gänzlich Bibliotheken steht und dort nur zum Kopieren neue Forschungsgebiete von außerordentlicher Be- dient, sondern dass das eigene Buch, ebenso wie deutung und immer noch zunehmendem Umfang "der Weber", im Institut und zu Hause ein stänentstanden. Die Entomologie beinhaltet heute diger Begleiter sein wird. nicht nur Morphologie, Systematik und Biologie der Insekten, sondern auch eine Vielzahl experimenteller Wissenschaften : Biochemie, Physiologie Im Namen aller Autoren in allen ihren Richtungen, Endokrinologie, Gene- Werner Peters und Konrad Dettner tik und Verhalten, Symbioseforschung, chemische Frühjahr 1999
Danksagungen (1 . Auflage)
Die Autoren bedanken sich für die Überlassung von Material und Abbildungen, wie für die Herstellung von Abbildungen, für Ratschläge und Hinweise, für die kritische Durchsicht von Manuskripten und Hilfen aller Art bei folgenden Kollegen und Mitarbeitern: Dr. Arens/Bayreuth, Dr. Arnold/Bayreuth, Prof. Dr. Dambach/Köln, G. Dörfler/Bayreuth, Dr. B. Eisermann/Bayreuth, Dr. Freese/Bayreuth, Frau C. Graef/Köln, Frau Dr. M.-M. Giraud-Guillel Banyuls sur Mer, Frankreich, Prof. Dr. Grevenl Düsseldorf, Dr. HacksteinlNijmegen , Dr. HartmannlFreiburg Br., Prof. Dr. HauseniKöln, Frau E. Helldörfer/Bayreuth, Prof. Dr. HomberglMarburg, 1. JacobilKöln, Dipl.-Biol. S. KrausenlDüsseldorf, Dr. KrennlWien, Dr. Löser/Düsseldorf, Dr. S. Mikus/Bayreuth, Frau D. Olimart/Kiel, Frau Prof. Dr. PabstlGraz, Dr. PassIWien, Prof. Dr. Pschorn- Walcher/Neulengbach (Österreich),
Dr. RosenberglBochum, Frau E. RummeUBayreuth, Prof. Dr. Sander/Freiburg Br., Prof. Dr. Schaub/Bochum, Dipl.-Biol. O. Schaaf/Bayreuth, Dr. Schmaranzer/Graz, Dr. Schmitz/Bonn, U. Seizinger/Bayreuth, Frau Prof. Dr. Spindler-Barth/ Düsseldorf, Prof. Dr. SteinbrechtlSeewiesen, Dr. TichylWien, Prof. Dr. Vidal/Giessen, PD Dr. W Völkl/Bayreuth, Prof. Dr. Wasserthal/Erlangen, Prof. Dr. WeberiMünster, Prof. Dr. Wegenerl Mainz, Dr. 1. ZiesmannlSeewiesen, Frau U. Zwölfer/Bayreuth. Unser Dank gilt besonders dem Verlag, der das Erscheinen dieses Lehrbuchs ermöglicht hat, insbesondere dem Programmleiter Biologie Herrn Dr. Ulrich G. Moltmann, den Lektorinnen Frau Inga Eicken und Frau Dr. Jutta Hofmann sowie dem Hersteller Herrn Ulrich Kiesewetter.
Etomologische lehrbücher
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XIII
fauna des Norddeutschen Tieflandes. Bestimmungsschlüssei für aquatische Makroinvertebraten. Blackwell, Berlin Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. (Zahlr. Jahrgänge) Akad. Verlagsges., Leipzig Buhr, H. (1964): Bestimmungstabellen der Gallen (Zoo- und Phytocecidien) an Pflanzen MitteIund Nordeuropas. 2 Bde. Gustav Fischer Verlag, Jena Dahl, F. (Hrsg.) (1925fT.): Die Tierwelt Deutschlands und der angrenzenden Meeresteile nach ihren Merkmalen und nach ihrer Lebensweise. Zahlr. Bände. Gustav Fischer Verlag, Jena , Suttgart Das Tierre ich (R . Mertens, H. Wermuth, W Hennig, Ed.) (Zahlr. Jahrgänge) De Gruyter, Berlin Freude, H., Harde, K. W , Lohse, G. A. (1964 fT.): Die Käfer Mitteleuropas. Gustav Fischer Verlag, Jena Hannernann, H .1., Klausnitzer, B., Senglaub, K. (Hrsg.; 2000): Stresemann Exkursionsfauna von Deutschland. Bd. 2: Wirbellose: Insekten (9. Aufl.). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Klausnitzer, B. (1991-2001): Die Larven der Käfer Mitteleuropas, Bd. 1-6, Spektrum, Heide1berg Müller, H.1., Bährmann (1995): Bestimmung wirbelloser Tiere. Gustav Fischer Verlag, Jena Schaefer, M . (2002): Brohmer - Fauna von Deutschland. 21. Aufl. Quelle und Meyer, Heidelberg Schwoerbel, 1., Zwick, P. (Hrsg.): Süßwasserfauna von Mitteleuropa (1. Aufl.). Sämt!. Bände. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Stehr, F. (Ed .) (1987 und 1991): Immature insects. 2 vols. Kendall and Hunt, Dubuque, Iowa Stresemann, E. (Hrsg.) (1994): Exkursionsfauna von Deutschland. Band 2/1: Wirbellose, Insekten . Band 2/2: Wirbellose, Insekten. Gustav Fischer Verlag, Jena Weidner, H ., Sellenschlo, U. (2003): Vorratssch ädlinge und Hausungeziefer. Bestimmungstabellen für Mitteleuropa (6. Aufl.). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
Bestimmungsliteratur für mitteleuropäische Insekten
Auswahl aus der Vielzahl von Zeitschriften mit Arbeiten entomologischen Inhalts
Bährmann, R . (1995): Bestimmung wirbelloser Tiere (3. Aufl.) . Spektrum, Heidelberg Brauns, A. (1991): Taschenbuch der WaIdinsekten . 4. Aufl.. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart Brock , v.. Kiel, E., Piper, W (1995): Gewässer-
Acta Tropica. Elsevier, Amsterdam Advances in Insect Physiology, Academic Press, London / New York Agricultural and Forest Entomology, Royal Entomological Society, Blackwell, Oxford
XIV
Etomologische Lehrbücher
American Entomologist.The Entomological Society of America, Lanham Annales de la Societe entomologique France (NS). Musee National d'Histoire Naturelle, Paris Annals of the Entomological Society of America. Entomological Society of America, Columbus Annual Review of Entomology. Ann. Rev. Corp. Palo Alto, Calif. Aquatic Insects. Swets and Zeitlinger, Amsterdam Archives of Insect Biochemistry and Physiology. Wiley, New York Arthropod Structure & Deve1opment. Elsevier, Amsterdam Beiträge zur Entomologie. Akademie-Verlag, Berlin Biocontrol, Kluwer, Dordrecht Biological Journal of the Linnean Society. The Linnean Society, London Bulletin de la Societe entomologique de France. Viette, Paris Bulletin of the Entomological Society of America. Entomological Society of America, Baltimore Bulletin of entomological Research. Commonwealth Intitute of Entomology, London Canadian Entomologist. Entomological Society of Canada, Ottawa, Ontario Canadian Journal of Zoology. National Research Council of Canada, Ontario Deutsche Entomologische Zeitschrift . Zoologisches Museum, Berlin Development, The Company of Biologists, Cambridge Development Genes and Evolution, Springer, Heidelberg Ecological Entomology. Royal Entomological Society. B1ackwell, Oxford Entomologia experimentalis et applicata . Kluwer, Dordrecht Entomologia Generalis. Schweizerbart, Stuttgart Entomologische Blätter, Urban & Fischer, München Entomologische Zeitschrift. Ulmer, Stuttgart Entomology Abstracts. Information Retrieval Ltd ., London Entomophaga. Lavoisier, Paris Environmental Entomology. The Entomological Society of America, Lanham Insect Biochemistry and Molecular Biology. Pergamon Press, Oxford Insect Molecular Biology, Blackwell, Oxford Insectes Sociaux. Birkhäuser, Basel International Journal of Insect Morphology and Embryology. Pergamon Press, Oxford Journal of applied Entomology, Blackwell, Hamburg Journal of chemical Ecology. Plenum, New York Journal of comparative Physiology. (Fortsetzung
der "Zeitschrift für vergleichende Physiologie"). Springer-Verlag, Heidelberg Journal of Economic Entomology, Entomological Society of America, Lanham, USA Journal of experimental Biology. Cambridge Journal of Insect Behavior. Plenum, New York Journal of Insect Physiology. Pergamon Press, Oxford Journal of Invertebrate Pathology. Academic Press, New York Journal ofMedical Entomology. The Entomological Society of America, Lanham Journal of Stored Products Research. Pergamon Press, Oxford Medical and Veterinary Entomology. Royal Entomological Society, Blackwell, Oxford Mitteilungen aus dem Zoologischen Museum Berlin. Akademie Verlag, Berlin Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie. Bremen Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft. Zürich Molecular Ecology, Blackwell, Oxford Molecular Breeding, Kluwer, Dordrecht Oecologia. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg Pedobiologia . Gustav Fischer Verlag, Stuttgart Pest Management Science, 1. Wiley & Sons, Chichester Physiological Entomology. Royal Entomological Society. Blackwell, Oxford Proceedings of the National Academy of Sciences, Washington Review of appplied Entomology. Sero A: Agricultural. SeroB: Medical and Veterinary. Commonwealth Institute of Entomology, London Revue Suisse de Zoologie. Societe Suisse de Zoologie et Musee d'Histoire Naturelle, Geneve Systematic Entomology. Royal Entomological Society. Blackwell, Oxford Transactions of the Royal Entomological Society London Tropical Rain Forest Ecology and Management. Blackwell, Oxford The Zoological Record. Royal Zoological Society, London Tissue and Cell, Swets & Zeitlinger, Amsterdam Zeitschrift für angewandte Zoologie. Duncker und Humblot, Berlin Zeitschrift für vergleichende Physiologie (fortgeführt als "Journal of comparative Physiology") Zoology, Urban & Fischer, München Zoomorphology. Springer-Verlag, Heidelberg
Wichtige Nachschlagemöglichkeiten für Literaturzitate und Arbeitsthemen
Wichtige Nachschlagemöglichkeiten für Literaturzitate und Arbeitsthemen In den Biological Abstracts, Entomology Abstracts, The Zoological Record sind jährlich alle neu erschienenen Bücher sowie die Titel von Zeitschriften aufsätzen aufgeführt. Das Autorenregister sowie Sachregister sind vor allem im Zoological Record nach besonders vielen Gesichtspunkten geordnet und erleichtern das Auffinden der benötigten Zitate. Hinzu kommt , dass in großen Bibliotheken sehr aktuelle Referatewerke wie die Current Contents auf CD gehalten werden und mithilfe von Computern durchgesehen werden können. Die gewünschten Literaturzitate können dann in die Literaturdatei des eigenen Computers in geeigneter zitierfähiger Form übertragen oder hierfür modifiziert werden . In zunehmendem Maße richten Arbeit sgrup pen sog. Homepages im Internet ein, um in diesen die Arbeitsergebnisse der interessierten Öffentlichkeit ohne den Aufwand und die Verzögerung bei der Veröffentlichung in Zeitschriften rasch und kostengünstig mitteilen zu können . Mittlerweile existieren zahlreiche Websites über entomologische Fragestellungen. Eine umfangreiche Übersicht findet sich im Appendix 4 "World Wide Web Sites of Entomological Resources" der 4. Auflage von .Pedigo, L. P. (2002): Entomology and pest management. Prentice Hall, Upper Saddle River" , Weiterhin wird auf die On lineDatenbank der Iowa State University "The Ento-
XV
mology Index of Internet Resources (www.ent . iastate.edu/list/)" verwiesen. Darüber hinaus könnten folgende Insektenseiten im Internet von Interesse sein, z. B.: • The Tree of Life (Das phylogenetische System der Insekten): http://phylogeny.arizona.edu/tree/eukaryotes/ animals/arthropodalhexapoda/insecta.html • Insekten-Box (Fotos und Angaben zur Lebensweise heimischer Insekten): http://www.insektenbox.de • BIOSIS Internet Resource Guide for Zoology Insecta: http://www.biosis.orglzrdocs/zoolinfo/grp_ins. htm • Homepage: Deutsche Gesellschaft für allgemeine und an gewandte Entomologie e. V. (DGaaE); dort weitere Links http://www.dgaae.de • Homepage: Deutsches Entomologisches Institut (DEI) http://www.zalf.de/deidITITEL.HTM • Homepage: Österreichische Entomologische Gesellschaft (ÖEG): http://www.biologiezentrum.at/oegl • Homepage: Schweizerische Entomologische Gesellschaft (SEG) http://www.seg.unibe.ch/ und • Homepage: Entomological Society of America (ESA) http://www.entsoc.orgl Eine umfangreiche Entomologie-Link-Liste der Universität Toronto (Kanada) http://www.utoronto.calforestleso/links2.htm
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . .. VII Lehrbücher und zusammenfassende Werke zur Entomologie XI Bestimmungsliteratur für mitteleuropäische Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Auswahl aus der Vielzahl von Zeitschriften mit Arbeiten entomologischen Inhalts . . . XIII Wichtige Nachschlagemöglichkeiten für Literaturzitate und Arbeitsthemen . XV
1.6 1.6. 1 1.6.2 1.6.3
2
Kopfdrüsen Frontal-, Antennen-, Mandibel-, Pharynx- und Maxillardrüsen Lab ialdrüsen . . . . . . . . . Labialdrüsen als Spinn- und Seidendrüsen
40
Körpergliederung . . . . . . .
47
40 41 43
(Gerhard Seifert)
1
Integument (Werner Peters)
2.1
Tagmata . .. .
47
2.2
Caput (Kopf) Segmentierung . Kopfkapsel Kopfanhänge
48 48 48 51
Thorax . . .. . Segmentierung . Verbindung zwischen Skleriten, Gelenke . Thoraxextremitäten . . . . . Sklerite des Thoraxstammes
55 55
1.1
Allgemeines
I
2.2. 1
1.2
Epidermis
I
2.2.2 2.2 .3
1.3 1.3.1
Cuticula .. Allgemeines 1.3.2 Chitin 1.3.3 Proteine .. 1.3.4 Lipide .. . 1.3.5 Einlagerung von Substanzen 1.3.6 Schichtenbau . 1.3.7 Häutung . 1.3. Oberflächendifferenzierungen 1.3.9 Aus- und Einstülpungen der Cuticula oder des Integuments 1.3.10 Echte Haare und Schuppen . 1.4 Färbung . 1.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . 104.2 Färbung aufgrund physikalischer Eigenschaften der Cuticula . . . . Sklerotisierung und Melanisierung . 104.3 10404 Färbung durch Pigmente: Ablagerung von Stoffwechselprodukten . . 104.5 Färbung, Zeichnungsmuster und ihre Veränderung 1.5 Hautdrüsen . 1.5.1 Allgemeines . . . . . . 1.5.2 Einfache Drüsenzellen 1.5.3 Drüseneinheiten . . . . 1.504 Drüsenorgane . . . . . 1.5.5 Spinn- und Drüsenhaare 1.5.6 Verbreitung 1.5.7 Wachsdrüsen . 1.5.8 Haftsekrete 1.5.9 Milchdrüsen
2 2 3
2.3 2.3. 1
7 7 8 9
2.3.2
12 16
2.4 204. 1 2.4.2 204.3 2.404
17
18 25 25
2.3.3 2.304
2.4.5
Abdomen . Segmentzahl, Gliederung, Sklerite Stammuskulatur . . . . . Abdominalextremitäten . Äußere weibliche Ge schlechtsorgane . Äußere männliche Geschlechtsorgane .
55 55 64
68 68 68 69 71
72
26
27
3
31 31
32 32 34 35 39 39
75
(Rolf liegler)
27
28 29 29
Biochemie und Stoffwechsel
3.1
Einleitung
.
75
3.2
Ernährung
.
75
3.3
Freisetzung von Energie aus Nahrung und Energiespeichern . Kohlenhydrate . . . . . . . . . Transport der Reduktionsäquivalente in die Mitochondrien . Oxidative Phosphorylierung Lipide Proteine .
3.3.1 3.3.2
3.3.3 3.3 .4 3.3.5
76 76
76
77 77
79
Inhalt
3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3
Synthese von Reserven Kohlenhydrate . Lipide Proteine
79 79 80 81
3.5 .5.1 3.-.2
Hunger . Hunger bei Larven Hunger bei adulten Insekten
81 81 82
3.6 .6.1
Flug der Insekten . . . . . . Schätzungen des Energieaufwandes für den Flug . Transport von Sauerstoff und Substraten . . . . . . . . . . . Brennstoffe für den Flug . . . Kontrolle des Energiestoffwechsels wäh rend des Fluges . . . .
82
Fortpflanzung . . . . . . . Kosten der Fortpflanzung Hormonelle Kontrolle des Energie stoffwech sels während der Fortpflanzung . . . . . . . . . . .
85 86
Ungünstige Umweltbedingungen .
87
3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.7 3.7.1 3.7.2
3. 3.9
4
82 82 83 84
5
5.1
Allgemeines . .
127
5.2 .2. 1 5.2.2
Wasserhaushalt Transpiration Absorption von Wasser durch spezielle Organe und Wasserdampfabsorption . . . Wasseraufnahme durch Trinken, die Nahrung und metabolisches Wasser
129 129
Osmo- und Ionenregulation Osmoregulation in hypo-osmotischer Umgebung . Hypo-osmotische Regulation .
138
5.2.3 5.3 5.3. 1 5.3.2
87
Ernährung und Verdauung
91
134 136
139 142
504.5
Exkretion Ma lpighi sche Gefäße . . . . . Die Weiterverarbeitung des Harns während der D armpassage . . . Kr yptonephridialkomplexe . . . Son stige Organe der Exkretion: Labialdrüsen, Nephrocyten , Mitteldarm, Fettkörper und Integument Die Exkretion von Stickstoff .
156 160
6
Atemsystem
165
-04.1 5.4.2 5.4.3 -04.4
Hormone, die den Energie stoffwech sel steuern .
127
(Gerhard Eisenbeis und Wilfried Wichard)
-.4
87
Wasserhaushalt, Osmound Ionenregulation sowie Exkretion . . . . . . . .
XVII
143 144 151 154
(Wemer Peters) 4.1
Anregung, Dauer und Steuerung der Nahrungsaufnahme . .
91
4.2
Extrazelluläre Verdauung .
92
4.3
Allgemeines . . .
92
4.4
D er Vorderdarm .
93
4.5 4.5.1
Der Mitteldarm Das Epithel des Mitteldarms und seine Regeneration Peritrophische Membranen und die Kompartimentierung des Mitteldarms . . . . . Verdauungsenzyme Nahrungsspezialisten
97
4. -.2
4. -.3 4. -04
(Lutz Thilo WasserthaI) 6. 1
6. 1.1 6. 1.2 6.1.3 6.104
97
100 108 111
6.3 6.3.1
Spezialanpassungen . . . . . Atmung in flüssigen Medien Atemregulation . . . . . . .
173 177 177 180
Hämolymphe und Hämolymphtransport . . . .
185
Malpighische Gefäße
115
4.7
Der Hinterdarm .. . Gliederung des Hinterdarms Nahrungsreste (Kot, Faeces)
116 116 118
7
4. 4.9
Der Fettkörper . AthrocytenINephrocytenJ Perikardialzellen . . . . . .
172
173
6.2 6.2.1
4.6
4.7.2
165 165 167 170
Mechanismen des Gastransports . Diffu sion , Konvektion und zusätzliche Ventilat ion . . .
604
4.7.1
Hauptmerkmale des Tracheensystem . . . Ontogenese . . . . . Tracheen und Lu ftsäcke Tracheolen . . . . . . . . Filterreusen und Ventile der Stigmen .
(Lutz Thilo WasserthaI)
119
123
7.1
7.1.1
Hauptmerkmale des offenen Krei slaufs . . . . . . . . Das Hämolymphplasma . .
185 185
XVIII 7.1.2 7. 1.3 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.204
7.3 7.3.1 7.3.2 7.4
7.5
8
Inhalt
Hämocyten Immunabwehr und Wundverschluss Körperkreislauf . . . . . . . . . Herz und dorsales Diaphragma Ventrales Diaphragma und Perineuralsinus .. . Taillenseptum und Kompartimentierung Das Abdomen als übergeordneter Druckerzeuger . . . . . . . . . . Akzessorische Pulsationsorgane und peripherer Kreislauf . . . . Versorgung von Kopf, Beinen und caudalen Anhängen Flügelversorgung Metamorphose des Kreislaufsystems Kreislaufregulation
Nervensystem
186 187 188 188
.1
Aufgaben. . . Grundaufbau Entwicklung . Neurochemie Bausteine Neuronen . . Gliazellen .. Neurosekretorische Zellen Blut-Hirn-Schranke . . . .
.2.1 8.2.2 .3
.3.1 .3.2
.3.3 .3.4 .4 .4.1 .5
. -.1 .5.2 .5.3 8. -04 .6 .6. 1 8.6.2
.6.3
194 194 196
196 197 199 202
9.2 9.2.1 9.2.3
Fortbewegung und sensomotorische Integration
Fortbewegung in und auf dem Wasser . . . . . . . . . . . . .
9.4 9.4 .1 9.4 .2
Fortbewegung in der Luft .. Aerodynamik und Kinematik Funktionsmorphologie des Flugapparates . . . . . . . . . Physiologie des Flugsystems
9.4.3 9. -
9.5.1
9. -.2
10
9.1.1 9.1.2
Skelettmuskulatur und ihre Kontrolle. . . . . . . . Funktionsmorphologie Bau der Muskeln . . .
Orientierung der Fortbewegung im Raum Fortbewegung bei fehlenden externen Orientierungsmerkmalen Fortbewegung mithilfe externer Orientierungsmerkmale . . . . . .
232 235 235 235 236 240 243 245 245 248 249 255 255 255
205 205 207 207 208 208
10.1
Futterdressuren bei Honigbienen.
273
Kategorien von Lernvorgängen .
274
10.3
Duftlernen bei Honigbienen
276
1004
Physiologie und zelluläre Grundlagen . . . . . . . . .
277
10.5 10.6
Neurogenetik Orientierungsverhalten im Flug
278 278
11
Sinnesphysiologie
281
(Manfred Kaib, Heiner Römer, Hans Scharstein, Anton Stabentheiner und Georg Stomme/) 11 .1 I I . 1.1
225 11.1.3 I 1.104
11 .1.5 229 229 231
273
10.2
210
229
lernen und Gedächtnis . . (Jürgen Milde)
(Gernot Wendler) 9.1
Fortbewegung an Land Kriechen Laufen. . . . . . . . . Springen . . . . . . . .
9.3
11 .1.2
9
Steuerung der Kontraktion Kontraktionsmechanismus
205
211 211 Bauchmark und Periphere Nerven 212 Aufbau der Ganglien . . . . . .. 212 Gehirn und Unterschlundganglion. 214 Protocerebrum . 215 Deutocerebrum . . . . 222 Tritocerebrum . . . . . 224 Unterschlundganglion 224 Viscerales Nervensystem 225 Stomatogastrisches Nervensystem 225 Retrocerebraler Komplex . . . . . 225 Ventrales und Caudales Viscerales System . . . . . . . . . . . . . . .
9.1.4
9.2.2 193
(Jürgen Milde)
.2
9.1.3
11 .2
Mechanorezeption . . . . 281 (Heiner Römer) Bau- und Funktionsprinzip mechanorezeptiver 281 Insektensensillen Die Vielfalt mechanosensitiver Sensillen . . . . . . . . . . 283 Reiz-Erregungsumsetzung 284 (sensorische Transduktion) Die adäquaten Reize, ihre Perzeption und der 285 Verhaltenskontext . . . . . Die adaptive Funktion tympanaler Gehörorgane . . . . . . . . . . . . . 296 Temperatur- und Feuchterezeption . 298 (Anton Stabentheiner und Heiner Römer)
Inhalt
13
11.2.1 Lage, Struktur und Physiologie der Rezeptoren . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Thermorezeption und Verhalten
298 302
11.3
304
Chemorezeption .
316
I 1.4
320
Photorezeption
304
13.1
304 306 310
13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.2
Endokrinologie . . ......
312
12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.12.2.6 12.3
Funktionen einiger ausgewählter Hormone Häutungshormone und die Regulation ihrer Synthese . Juvenilhormone und die Regulation ihrer Synthese . . . . Metamorphose Myotrope Hormone. . . . Adipokinetische Hormone Hormonelle Regulation des Wasserhaushaltes . . . . . . Eingriffe in das Hormonsystem als Mittel zur Schädlingsbekämpfung
Innere Geschlechtsorgane . Fortpflanzungsformen Begattung
357 388 391
Entwicklung . . . . . .
395
13.2.1
Embryonalentwicklung (Embryogenese) . . . . 13.2.2 Postembryonale Entwicklung . I .2.3 Postmetabole Periode . . . 13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung . . .
320 321
13.3.1
322
13.3.2 13.3.3
345
13.3.5
345
13.3.6 13.4
345
395 413 419 420
(Ernst Anton Wimmer)
327
(Klaus-Dieter Spindler) 12.1 Hormone und ihre Bildungsorte 12.1.1 Neuro sekretorische Zellen und Zentren 12.1.2 Corpora allata/Corpora cardiaca-Komplex, Ringdrüse 12.1.3 Häutungsdrüsen . . . 12.1.4 Reproduktionsorgane 12.1.5 Andere Gewebe als Hormonproduzenten 12.1.6 Hormonrezeptoren
357
(Dieter Zissler)
13.3,4
12
Fortpflanzung . . . . . . . (Dieter Zissler)
(Hans Scharstein undGeorg Stomme/)
11.4.1 Bedeutung des Lichtsinnes . . . 11.4.2 Photorezeptoren . . . . . . . . . 11.4.3 Die Phototransduktion: vom Licht zur elektrischen Erregung . 11.4,4 Von der Sehzelle zum Bild: Augenformen
363
Ernst Anton Wimmer und Dieter Zissler)
(Manfred Kaib)
11 .3.1 Einleitung . . . . 11 .3.2 Biologische Bedeutung des chemischen Sinnes . . . . . 11.3.3 Struktur chemischer Sinnesorgane und Strukturvielfalt . . . . . .. 11.3,4 Reizleitung zu den Sinneszellen 11.3.5 Empfindlichkeit der chemischen Sinnesorgane 11 .3.6 Spezifität der chemischen Sinnesorgane und Erkennung chemischer Muster
Fortpflanzung und Entwicklung . . . . . (Anne-Katrin Eggert, loset K. Müller,
XIX
Anlagenplan im Blastodermstadium Hierarchische Genkaskade Organogenese und Postembryonale Musterbildung . . . . . . . . .. Konservierung der embryonalen Musterbildung im Tierreich Variationen der embryonalen Musterbildung bei Insekten Evolutionäre Entwicklungsbiologie Fortpflanzungsverhalten . . . .. (losef K. Müller undAnne-Katrin Eggert)
421 421 428 429 431 433 437
351
13,4.1 Einleitung . . . . . . . . 13.4.2 Theorie der Geschlechtsunterschiede 13,4.3 Fortpflanzungsverhalten von Männchen . . . . . . . . . . 13.4.4 Fortpflanzungsverhalten von Weibchen 13.4.5 Investition in die Nachkommen: Brutfürsorge und Brutpflege 13,4.6 Geschlechterkonflikt
456 459
351
14
465
346 348 350 350 351
352 353 353 354 354 355
Soziale Insekten
437 438 441 450
(Alfred Buschinger) 14.1 I·tl
Grundlagen sozialer Lebensweise 465 Soziale Organisation von Termitenstaaten . . . . . . . . . . . 466 14.3 Soziale Organi sation von Hymenopterenstaaten . 469 14.3.1 Wespen . 469 14.3.2 Bienen . . . . . 471 14.3.3 Ameisen . . . . 474 14.4 Kastenbildung . 477
xx
Inhalt
14.4.1 Psychophysiologische Kastendetermination 14.4.2 Blastogene und trophogene Kastendetermination . . . . 14.4.3 Genetische Morphendetermination 14.5 Kommunikation . . . . . 14.5. 1 Optische und akustische Kommunikation . . . . . 14.5.2 Taktile Kommunikation 14.5.3 Olfaktorische Kommunikation 14.6 Homöostase und soziale Regulation . . . . . . . . . . . 14.7 Symbiosen und Parasitismus 14.7.1 Die Pilzsymbiosen von Termiten und Ameisen. . . . . . . . . . 14.7.2 Trophobiose von Ameisen und Pflanzensaugern . . . . . . . . 14.7.3 Gäste und Parasiten in Nestern sozialer Insekten . . 14.7.4 Sozialparasitismus . . . . . . . .
15
Insekten und Pflanzen ...
479 480 482 482 482 483 484
15.8
487 489
16
489
16.1 16.1.1 16.1.2 16.1.3 16.1.4 16.1.5 16.1.6
490 491 494
499
(Helmut Zwölfer) 15.1 Phytophage Insektentaxa 15.2 Phytophage Lebensformtypen . . 15.2.1 Ektophytische Blatt-, Stengel- und Wurzelfresser 15.2.2 Pflanzensauger 15.2.3 Endophytische Arten ohne Gallbildung . . . . . . . . 15.2.4 Gallbildner Evolution der Phytophagie bei 15.3 Insekten . . . . . . . . . . . 15.4 Entomophage Insekten und Pflanzen . . . . . . . . . . . 15.5 Abwehreinrichtungen bei Pflanzen und Gegenanpassungen phytophager Insekten . . 15.5.1 Insekten und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe 15.5.2 Physikalische Abwehrvorrichtungen . . . . . 15.5.3 Schutz durch entomophage Insekten . . . . . . . . . . . 15.5.4 Täuschung und Orientierungserschwerung von Phytophagen . . . . . . 15.5.5 Unberechenbarkeit des Nahrungsangebots .. 15.6 Wirtsfindung und Wirtswahl 15.7 Mutualistische Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen 15.7.1 Insekten als Blüten-Bestäuber
15.7.2 Blütenbestäubung: Anpassungen bei Blütenbesuchern . . . . . . .. 15.7.3 Blütenbestäubung: Anpassungen bei Pflanzen . . . . . . . . . . 15.7.4 Koevolution in entomogamen Bestäubersystemen 15.7.5 Ameisen und Pflanzen
499 500 500 502 502 505 508
515 515 516 516
Koevolutive Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen
517
Entomophage Insekten ..
521
(Thomas Bauer) Räuber . . . . . . . . . . . . . . Zusammentreffen mit der Beute Orten und Erkennen Angriff . . . . . . . . . . . . . Verzehren Generalisten und Spezialisten Fallstudie Suchjäger: Laufkäfer (Coleoptera, Carabidae) und Springschwänze (Collembola) 16.1.7 Fallstudie Lauerer: Gottesanbeterinnen . . 16.1.8 Fallstudie Fallensteller: Ameisenlöwen
521 521 522 525 527 528
16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3 16.2.4 16.2.5 16.2.6
Parasitoide . . . . . . . Wirtssuche . . . . . . . Brutfürsorge und Eiablage Lebensweise der Larven . Superparasitismus . Multiparasitismus Hyperparasitoide
538 540 542 546 549 550 550
16.3
Parasiten . . . . .
551
17
Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen . . . .
555
509
510
529 533 536
(Konrad Dettner) 510 Insekten als Nahrungsquelle für Vertebraten und Invertebraten (Prädatoren und Parasitoide) . . 17.1.1 Vertebraten als Insektenfresser. 17.1.2 Arthropoden als Insektenfresser 17.1
511 512
512 513 513 514 514
555 555 559
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten . 560 17.2.1 Primäre Abwehrmechanismen (passive Abwehr) 560 17.2.2 Sekundäre Abwehrmechanismen . . 569 17.2.3 "Innere" bzw. tertiare Abwehr von Insekten . . . . . . . . . . . . . 593 17.2.4 Nicht direkt gegen Organismen gerichtete Schutzmaßnahmen . . 598
Inhalt
18
Biolumineszenz
601
(Konrad Dettner) 1 .1
Biolum ineszenz bei den Collembola, Blattodea und Diptera
20.3.5 20.4 20.4.1
601
.2
Biolumineszenz bei Käfern . . . . . 603 .2. 1 Morphologie und Histologie der Leuchtorgane . . . . . . . . . 605 .2.2 Biochemische Prozesse in den Leuchtorganen . 606 .2.3 Biologische Bedeutung des Leuchtens . 608
19
Insekten und Mikroorganismen
20.4.2 20.4 .3 20.4.4 20.4. 20.·t6 20.4 .7 20.4 .
21 613
(Konrad Dettner) 19.1 19.1.1 19.1.2 19.1.3 19.1.4 19.1. 19.2 19.2.1 19.2.2 19.3 19.3.1 19.3.2
Endosymbiose. Symbionten . . Wirtsinsekten Vorkommen der Endosymbionten im Wirtsinsekt . . . . . . . . . .. Weitergabe der Endosymbionten an die Nachkommen des Wirtes .. . . Symbiontische Wechselbeziehungen zwischen Wirt und Symbiont . Ektosymbiose . . . . . Holzwespen . . . . . . . . . . Blattschneiderameisen . . . . . Potentielle N utzanwendungen Gewinnung interessanter Mikroorganismen aus Insekten . Manipulation von Mikroorganismen in schädlichen Insektenarten
21.1
616 620 621 626
627 628 629
Medizinische Entomologie
20.2.4 20.3 20.3.1 20.3.2 20.3.3 20.3.4
Allgemeines Gifttiere . . Allgemeines Stachelgifte von Hymenoptera Gifthaare von Schmetterlingsraupen . . . . . Gift enthaltende Tiere . . .. Lästlinge und Kran kheitserreger . Allergien, Ungezieferwahn und Lästlinge . Läuse. . Wanzen Diptera .
67 1
655
Biologische Schäd lingsbekämpfung: Übersicht 671
21.2
Chemische Schädlingsbek ämpfung/Resistenz
67 1 674
677 679
(Konrad Dettner)
21.2.1 Wichtigste Typen von Insektiziden . 680 688 21.2.2 Repellents . . 21.2.3 Fumigantien . . . . . . . . . . . . . 689
Biotechnische Schädlings bekämpfung . . . . . . . 689 (Konrad Dettner)
635
(Werner Peters) 20.1 20.2 20.2.1 20.2 .2 20.2 .3
Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung . .
I. 1.1 Die Einbürgerung von Nutzorganismen . . . . 21.1.2 Schädlingsbekämpfung mit entomophagen Insekten . 21.1.3 Unkrautbekämpfung mit phytophage n Insekten . .
21.3
20
655 655 659 661 662 663 665 667
65 1
(Helmut Zwölfer)
629
630
Flö he . . . . . . . . . . . . . . . . Insekten als Zwischenträger oder Überträger von Krankheitserregern Insekten als Zwischenträger, Verschleppung von Krankheitserregern . . . . . Übertragung von Viren . . . Übertragung von Bakterien . Übertragung von Rickettsien . Übertragung von Spirochaeten . Übertragung von Flagellaten Übertragung von Ma laria Über tragung von Filarien . .
(Konrad Dettner und HelmutZwölfer)
613 613 616
XXI
635 638 638 638
21.3 .1 Physikalische Reize . . 21.3.2 Chemische Reize . . . 21.3 .3 Insektenresistente Pflanzen
689 689
(transgene Pflanzen)
21.3.4 Transgene Insekten . . . .
695 695
Integrierter Pflanzenschutz
698
21.4
. ..
(Helmut Zwölfer)
640
640 640 640 64 1 643 645
22
Regulation der Populationsdichte
701
(HelmutZwölfer) 22.1
Grundbegriffe der Populationsdynamik
701
XXII
Inhalt
22.1.1 Steuerung, Begrenzung und Regulation . . . . . . . . . . 22.1.2 Populationswachstum . . . . 22.1.3 Zeitliche Dichteabhängigkeit von Wachstumsfaktoren . . . . . . . . 22.1.4 Räumliche Dichteabhängigkeit von Wachstumsfaktoren . . . . . . . . 22.1.5 Umwelt- und Ressourcenstruktur 22.2 Einfluss von Natalität und Mortalität . . . . . . . . . . . " 22.2.1 Natalität und Natalitätsfaktoren . 22.2.2 Mortalität und Mortalitätsfaktoren 22.2.3 Ein Fallbeispiel für Wechselwirkungen von Faktoren . 22.2.4 Konfliktsituationen und Kompromisslösungen 22.3 Regulations- und Rückkopplungstypen . . . . . .. 22.3.1 Interaktive Populationsregulation 22.3.2 Ein einfaches Rückkopplungsmodell .. . 22.3.3 Einseitige (nicht-interaktive) Steuerungssysteme . . 22.3.4 "Selbstregulation" bei Insektenpopulationen 22.3.5 Kombinationen von Regulationstypen . . 22.3.6 Regulation und Populationsstruktur 22.4 Massenwechseltypen bei Insekten 22.Populationsdynamische Untersuchungsverfahren 22.5.1 Grundlagen . . . . . . . 22.5.2 Lebenstafeln . . . . . . . 22. -.3 Schlüsselfaktor-Analyse .
23
Tiergeographie
701 702 703 704 704 705 705 706 708 709 710 710 711 711 7I2 713 713 714 7I6 716 7I6 718
721
(Werner Peters) 23.1 23.2 23.3 23.4 23.5
Allgemeines Chorologie (Arealkunde) Faunistik . . . . . . . . . Tiergeografische Regionen Historische Tiergeographie
72I 721 727 728 729
24
Systematik
735
(Klaus Honomichl) Die systematischen Gruppen (Taxa) 24.1.1 Die Art. . . . . . 24.1.2 Die höheren Taxa 24.1.3 Die Artbildung 24.2 Methoden der Systematik . 24.1
735 735 737 737 737
24.2.1 Rekonstruktion des Stammbaums 24.2.2 Umsetzen des Stammbaums in ein System . . . . . . . . . . . 24.3 Cladogramm der Insekten .. 24.4 Datenverarbeitung in entomologischen Sammlungen
25
Übersicht über die Vielfalt der Insekten
737 745 747 750
753
(Konrad Dettner undWerner Peters) Charakteristik der Insekten . Collembola, Springschwänze Protura, Beintastler . . . . . Diplura, Doppelschwänze Archaeognatha, Microcoryphia, Felsenspringer . . . . . . . . . 2".5 Zygentoma, Fischchen . . . . 25.6 Ephemeroptera, Eintagsfliegen 25.7 Odonata, Libellen . . . . . . 25.8 Plecoptera, Steinfliegen . . . 25.9 Embioptera, Tarsenspinner . 25.10 Notoptera (Grylloblattodea) 25.11 Mantophasmatodea, Gladiatoren 25.12 Dermaptera, Ohrwürmer . 2 -.13 Mantodea, Fangschrecken , Gottesanbeterinnen 25.14 Blattodea, Schaben . . . . 25.1- Isoptera, Termiten . . . . 2".16/ Ensifera und Caelifera, Langfühler25.17 und Kurzfühlerschrecken . 25.1 Phasmida (Phasmatodea, Cheleutoptera), Stab- oder Gespenstheuschrecken " 25.19 Zoraptera, Bodenläuse . . 25.20 Psocoptera, Staubläuse, Flechtlinge, Rinden- und Bücherläu se . 25.21 Phthiraptera, Tierläuse 25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe) . . . . . . 25.23 Thysanoptera, Fransenflügler, Blasenfüße, Thripse . . . . . . 25.24 Coleoptera, Käfer . . . . . . . 25.25 Megaloptera, Schlammfliegen 25.26 Raphidioptera, Kamelhalsfliegen. 25.27 Planipennia, Neuroptera, Netzflügler . . . . . . . . . 25.2 Hymenoptera, Hautflügler 25.29 Trichoptera, Köcherfliegen 25.1 25.2 25.3 25.4
753 753 757 759 762 764 766 769 772 774 776 778 779 78I 784 786 787
789 790 79I 794 797 815 8I9 83I 833 835 839 848
Inhalt
25.30 Lepidoptera, Schmetterlinge . . . . 852 2-.31 r.32 25.33 r .34
Mecoptera, Skorpionsfliegen . . . . 863 Siphonaptera (Aphaniptera), Flöhe 866 Diptera, Zweiflügler . . . . 869 Strepsiptera, Fächerflügler .. . . . 884
XXIII
Artregister .
889
Sachregister
908
1 Integument Werner Peters
1.1 Allgemeines
1.2 Epidermis
Das Integument , die Körperde cke, besteht aus der Die Epidermis ist fast immer ein einschichtiges einschichtigen, aus dem Ektoderm entstandenen Epithel. Die Zellen sehen entsprechend ihrem Epidermis und der von ihr abgeschiedenen Cuti- Funktionszustand sehr verschieden aus (Abb. cula. Die Cuticula bestimmt Aussehen, Form und I-I). Während der Entwicklung teilen sie sich und Größe, Färbung und Habitus eines Insekt s. Sie die Größe der Kerne nimmt erheb lich zu, da sie stellt das Außen skelett der Insekten dar, an dem häufig polyploid werden . Bei den Larven der HyMu skeln ansetzen. Die Cuticula ist kein starrer menoptera und wahrscheinli ch bei allen cyclorrhaPanzer, sondern ist ein sta rk gegliedertes, teilweise phen Diptera teilen sich die Epidermiszellen wähsehr elastisches Sekretionsprodukt. Die einzelnen rend der Larvenstadien nicht, sondern werden leTeile sind durch Gelenkh äute gegeneinand er be- diglich erheblich größer und polyploid (Abb. 1-2 weglich. Wesentlich ist, dass die Cuticula lücken- A, B). Aus undifferenzierten Zellen der Epidermis los die Körperoberfläche bedeckt. Wenn Öffnun- könn en durch differenzielle Zellteilungen Drüsengen darin vorha nden sind, so entstehen sie in zellen, Haar- und Balgbildungszellen sowie bei besond erer Weise (s. 1.3.10). Eine cuticulare Aus- Sinneshaaren auch Sinneszellen hervorgehen kleidun g bedeckt als Int ima die aus Einstülpungen (s. 1.3.10). Die Chromosomensätze in den Kernen des Ektoderm s ent stand enen Anteile des Vorder- dieser Zellen erreichen unte rschiedliche Polyploiund Endd arms sowie die Tracheen, Ausführg änge diegrade (Abb. 1-2 C). von Drüsen epidermaler Herkunft und die AusApikal weisen die Epiderm iszellen kurze Miführgänge der Geschlecht sorgan e. krovilli auf, die an der Spitze elektro nendichte Es ist überaus bedauerlich, dass die Cuti cula Pla ques besitzen (Abb. 1-3). Hier befindet sich immer wieder als Chitincuticula oder als Chi- wahrscheinlich die Chitinsynthetase (s. u.). An den tinp anzer bezeichnet wird oder gar mit Chitin Plaqu es inserieren Bündel von Actinfilamenten, gleichgesetzt wird . In Wirklichkeit besteht sie vor- durch die vermutlich die Mikrovilli beweglich wiegend aus zah lreichen Proteinen , die als Grund- sind. Apikal scheiden die Epidermiszellen die Cusubstanz fungieren, in die chitinhaltige Mikro- ticula ab. Benachbarte Zellen sind dur ch ZeIlhaffibrillen eingelagert sind . Der Chitinanteil der Cu- ten miteinander verbunden. Apik al sind gür telticula kann in den einzelnen Körperpartien zwi- förmig angeordnete septa te junctions vorhanden, schen 0 und 60% schwanken. And ere Substanzen, die eine Permeabilitätsschranke dar stellen und eiwie Lipide, phenoli sche Substan zen, Salze sowie nen Membranfluss von der apikalen in die lateraWasser usw. erreichen allenfalls einen Anteil von len Partien verhindern . Basalwärt s kommen flewenigen Prozenten. ckenförmige gap junctions vor, die für einen inter Die Cuticula ist kein einheitliches Sekretions- zellulären Informationsaustausch und Stofftransprodukt. Sie kann an den einzelnen Körperpartien port von kleinen Molekülen mit weniger als I kDa in Zusammensetzung und Struktur sehr stark dif- zuständig sind. Die Ausdehnung der Interzelluferieren und eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen. larräume ist sehr variabel (Abb. 1-3). Basal sind Sie schützt den Körper vor Austrocknung, vor unterschiedlich starke Auffalt ungen der Plasmamechani schen und chem ischen Schad wirkungen membran vorha nden, die eine beträchtliche Oberund behindert in beträchtl ichem Maße das Ein- flächenvergrößerung ergeben und insgesamt badrin gen von pflanzlichen und tierischen Parasiten . sales Labyrinth genannt werden (Abb. 1-3). Sie Sie kann ständig verstä rkt und verändert werd en sind für den Stofftransport von großer Bedeutung. und sie muss gehäutet werden , wenn das Tier Basalwärts sezern ieren die Epidermiszellen eine heranwächst. Basallamina, die, ebenso wie bei anderen Tiergruppen, eine Grundsubstanz enth ält, in die Kollagenfibrillen eingebettet sind . Epidermi szellen und Basallamina können durch Hemidesmosomen miteinander verbunden sein. Im lateralen Inter-
2
1 Integument
Abb. 1-1: Veränderungen der Gestalt einer Epidermiszelle und Aus-
bildung basaler Fortsätze während des 5. Larvenstadiums des Schmetterlings Calpodes ethlius. (Nach Locke 1991)
zellularraum und basal im Bereich zwischen Zellmembran und Basallamina befindet sich Lymphe, die eine durch die Basallamina filtrierte Hämolymphe darstellt. Die Basallamina ist insgesamt negativ geladen . Sie wirkt dadurch nicht nur als A
40
30
r-r-
20 r-e-
B
C
-
-
10
o
,...-
-
1h
I-
nn
8 h 20h 36h 46h 56h 80h
'. ..
~~~20 h
2n
Sieb, das Partikel bestimmter Größenordnung zurückh ält, sondern als geladenes Filter, das negativ geladene Proteine nicht permeieren lässt. Kationisiertes Ferrit in kann im Gegensatz zu anionisehern die Basallamina nicht durchdringen. Dagegen können selbst große Hämolymph-Proteine mit einem Durchmesser von 8-15 nm sowie einem annähernd neutralen pH die Basallamina passieren. Unbefriedigend geklärt ist bisher, ob bestimmte Hämolymph-Proteine aus der Gruppe der Arylphorine entweder von den Epidermiszellen aufgenommen, in ihnen umgebaut und in die Cuticula eingebaut werden, oder ob sie die Epidermiszellen passieren und unverändert in die Cuticula eingelagert werden (Abb. 1-3). Der Begriff Arylphorine wurde von Telfer et al. (1983) für Proteine geprägt , die den größten Anteil der HämolymphProteine von Holometabolen während des letzten Larvenstadiums kurz vor der Verpuppung ausmachen. Sie werden im Fettkörper synthetisiert, haben ein Molekulargewicht von etwa 400-500 kDa und enthalten einen ungewöhnlich hohen Anteil aromatischer Aminosäuren sowie Kohlenhydrate und Phospholipide. Die Epidermiszellen transportieren aber nicht nur Proteine, sondern sind auch in der Lage, selbst zahlreiche Polypeptide zu synthetisieren, die teils in die Cuticula und teilweise in die Basalmembran eingebaut werden (Abb. 1-3). So konnte bei der Larve des Schmetterlings Ca/podes ethlius nachgewiesen werden, dass Epidermiszellen apikal 14 Polypeptide und basal 12 weitere sezernieren.
1.3 Cuticula Abb. 1-2: Zunahme der Kerngröße in der Epidermis während der Entwicklung. A, B Larven der Schmeißfliege
Calliphora erythrocephala. (Nach Daten von Wagner 1951) A Graphische Darstellung der zu verschiedenen Zeiten nach dem Schlüpfen gemessenen Kernvolumina. B Histologisches Bild der entsprechenden Altersstadien. C Schematische Darstellung der Polyploidiestufen von Kernen in den Zellen eines Schmetterlingsflügeis: 2n Epidermis-und Balgbildungszellen, 4n BalgbildungszeIlen, 8n Tiefen-, 16n Mittel-, 32n Deckschuppen. (Nach Kühn 1965)
1.3.1 Allgemeines Die Cuticula ist ein komplexes Abscheidungsprodukt, das biomechanisch als Verbundwerkstoff aufgefasst werden kann . Die Kombinationen verschiedenartiger Komponenten vermögen mehr zu leisten als die einzelnen Komponenten. In den
1.3 Cuticula
Wachsschichi
3
Cuticulinsrhicht
I Chitin Plaque Zell· haften
Abb. 1-3: Schematische Darstellung der Epidermis während der Cuticulaabscheidung. Die Herkunft der wichtigsten Komponenten ist angegeben. Der Übersicht halber sind Poren kanäle und die nicht bei allen Arten vorkommende Zementschicht weggelassen. Zunächst wird die Cuticulinschicht apikal abgeschieden und anschließend nach und nach die übrige Cuticula.
Basallamina
Hämolymphe
verschiedenen Bereichen des Integuments werden ganz bestimmte Kombinationen verwendet, die an diesen Stellen erforderlichen biomechanischen Eigenschaft en, vor allem Härte und Elastizität, aufweisen.
Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren ist unser Kenntnisstand über die Cuticula immer noch sehr unbefr iedigend.
Die genaue zeitliche Abstimmung der Synthe se von Ausgangsmateri alien in den Epid ermi szellen oder ihres Import s au s der Hämolymphe, der Sekretion und des enzymatischen Abbaus erfolgt durch hormonelle Steuerung. In welcher Weise dabe i die teilweise eng begrenzten lokalen Besonderheiten der Cuticula zustande kommen, ist noch nicht ausreich end erklärba r.
1.3.2 Chitin
Der Chitinanteil der Cuticula wird, ausgehend von der in der Hämolymphe vorhandenen Trehalose, in der Epidermis synthetisiert (Abb. 1-4). Nach dem Einbau von radioaktiv markierter Glucose in Chitin findet man die Markierung in Autoradiographien von Schnitten durch die Cuticula in Form einer parallel zur Oberfläche der Epidermi s angeordneten Bande; man bezeichnet dies als Deposition. Die Protein e der Cuticula werden im Fettkörper gebildet, mit der Hämolymphe zur Epidermi s transportiert und dann in die Cuticula eingebaut. Nach Applikation von radio aktiv markierten Aminosäuren erscheint die Markierung nicht in Form einer Bande , sondern diffus verteilt. Wahrscheinlich erfolgt der Einbau der markierten Proteine in Form einer Intuszeption. Die Lipide der Epicuticula stammen von den in den Bereich der Epidermis eingewanderten Oenocyten (Abb. 1-3).
Chitin gehört neben Cellulose und Kollagen zu den verbreitetsten Biopolymeren. Die Fähigkeit zur Synthese und Einlagerung von Chitin ist keineswegs auf die Arthropoden beschränkt, sondern eine uralte und im Tierreich weit verbreitete Fähigkeit, die sogar bei Chordaten nachgewiesen wurde : In den peritrophischen Membranen der Tunicaten, den Skelettstäbchen der Kiemen von Branchiostoma jloridae und in der Haut des Knochenfisches Paralipophry s trigloides (Blenniidae). Das Vorkommen von Chitin kann am einfachsten mit der Chitosa u-Reaktion nachge wiesen werden. Sehr spezifisch ist der Nachweis durch Röntgenbeugung. Lichtund elektro nenmikros kopisch kann man Chitin durch das Lektin Weizenkeim-Agglu tinin (WGA) lokalisieren, wenn man kolloid ales Gold als elekt ronendichten Marker verwendet und dieses an das WGA kopp elt. Die Spezifität der Bindun g im Präparat muss durch Kompetitionsversuche mit N-Acetylglucosamin und N-Acetylchitotriose sowie durch Verdauungsversuche mit Chil inase gesichert werden .
Die Biosynthese ist in Abb. 1-4 schematisch dargestellt. Das N-acetyl-glucosamin muss durch Kopplung an UDP aktiviert werden. Für die Poly-
4
1 Integument
~ CH,o~
~OH
OH
OH
C 0
OH
H
Hydrolyse-
OH
OH
Phosphory Iierung
Trehalose
ß - 0 - Glucose
o
o 11
0--U-0-H2C
b-
0--r-o-H2~~~?':r20H
~OH OH HO
Isomerisierung -
1
6H
OH
OH
Fructose - 6 - phosphat
Glucose - 6 - phosphat Aminierung
o
o
~OH OH
b.
RH
HO-U-O-~C
HO-U-0-H2C
oI
Acetylierung -
0
OH
HO
HO
NH2
NH
N - Acetylglucosamin 6 - phosphat
Glucosamin - 6 - phosphat
1
C-CH3
~
Phosphomutase
o
o
HO~H2C 0 0-7-0OH HO
HN~
OH
o
~H c-cH:3 11
o
<, UTP
HOH ~
-:
Chitin synthetase
2C
~ OH
HO
o
0
AN)
11 - 0- P11 -0- C~o -p H2
I
OH
~H
I
OH
0
OH OH
C-CH 3 11
o
Uridin - Diphospho -N -Acetyl glucosamin (UDP - GlucNAc)
Chitin
Abb. 1-4: Biosynthese des Chitins. Die Synthese von Chitin aus UDP-GlucNAc erfolgt über noch unbekannte Zwischenstufen. (Nach Binnington und Retnakaran 1991)
merisation sind bei Insekten mehrere Chitinsynthetasen vorhanden. Bisher ist nicht bekannt, in welcher Weise bei Insekten die Endstufen der Chitinsynthese ablaufen und wie eine membranstän-
dige Chitinsynthetase in der Plasmamembran der Epidermiszellen angeordnet ist. Lange Zeit wurde postuliert, nur Zellen ektodermaler Herkunft (Epidermiszellen, Zellen des Vorder- und End-
5
1.3 Cuticul a
Diflubenzuron
o HO
o
, ) l lNH
~~ ~N
CH3
0
~
l.,~ N 0
COOH
~
H2W ..........0
NH2
H
OH
~ OH
0
0
N~
H
Polyox in D
H
~~-C~*OH
#rOH
o
NH
I ~
COOH
NH
H
H
Nikkomycin Z
HO
0
OH
CTI~
NH
H
COOH'(: NH
0
0
0
0
OH
N=(
.I CH3 N, CH3
OH
bO-CH3
Allosamid in
J;~:
H~
0
H3 C-CO-HN
~
H
0
I
C
0
CH 2 H
NH
0
Tunicamycine (n: 7 - 11)
H
H
Abb. 1-5: Hemmstoffe der Chit insynthese.
darms sowie des Tracheensystems) seien zur Chitinsynthese fähig, Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass auch Zellen entodermaler Herkunft, d. h. Mitteldarmzellen, dazu in der Lage sind. Sie bilden peritrophische Membranen, in denen chitinhaltige Mikrofibrillen enth alten sind (s. 4.5.2). Chitin wird immer als Poly-N-Acetylglucosamin aufgefasst, doch haben NMR-Spektren gezeigt, dass etwa 10% der Bausteine nicht acetyliert sein können . Der Acetylierungsgrad ist von großer funktioneller Bedeutung hinsichtlich des WassergehaIts des Chitin s und der damit verbundenen Elastizität.
Die Chitinsynthese wird hormonal reguliert . Dies kann bei der Synthese der Bausteine oder bei der
Polymerisation erfolgen. Im Integument ist die Chitinsynthetase nur zeitweise, bei Mitteldarmzellen im Zusammenhang mit der Bildung peritro phiseher Membranen dagegen bei fast allen Insekten ständig tätig . Ein rascher Umbau oder Abbau des Chitins kann mithilfe von Chitinsyntheta sen und Chitinasen erfolgen. Unter den Chitinasen gibt es Endo - und Exochitina sen, je nach ihrem Angriffspunkt mitten in oder am Ende der Chitinketten. Seit 1965 sind eine ganze Reihe von Inhibitoren der Chitinsynthese gefunden worden (Abb. 1-5), die nicht nur für die Grundlagenforschung von Interesse sind, sondern auch als potentielle und recht spezifisch gegen Insekten
6
Integument
Abb. 1-6: Cuticula. A-C Elektronenmikroskopische Lokalisation von kristallinem Chitin in den Mikrofibrillen der Cuticula des Legestachels von Rhyssa sp. (Hymenoptera, Ichneumonidae). (Nach Giraud-Guille et al. 1990) (Der Maßstab in A und Centspricht 10nm). A Aufnahme eines unkontrastierten Schnitts mithilfe der Beugungskontrast-Elektronenmikroskopie. Die dunklen Punkte mit einem Durchmesser von 2 nm entsprechen Chitinkristallen. Sie sind hexagonal angeordnet, wobei der Abstand von Mittezu Mitte etwa 7 nm beträgt. Die helle, nicht brechende Grundsubstanz entspricht Proteinen. B Ein optisches Beugungsdiagramm des mit einem durchbrochenen Kreis in A markierten Bereichs bestätigt dieAnnahme einer hexagonalen Anordnung der Chitinkristalle und ihrer Abstände untereinander. C Aufnahme eines mit Uranylacetat und Bleicitrat kontrastierten Schnitts. Annähernd hexagonal angeordnete, elektronenlichte Partien mit einem Durchmesser von 3 nm sindvon einer elektronendichten Grundsubstanz umgeben. D Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme eines Schnitts durch die apikale Epidermiszelle einer Larve der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala. Die gedrungenen Mikrovilli besitzen apikale Plaques und bilden offensichtlich Mikrofibrillen. In der benachbarten Cuticula sind helikoidal angeordnete Lamellen zu erkennen (30000 x ), E Wird die Cuticula mit KOH extrahiert, in feine Schichten zerlegt und anschließend untereinem Winkel von 20° mit Platin bedampft, so sieht man in transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahmen deutlich die schichtweise Änderung der Orientierung der Mikrofibrillen (17200 x ).
gerichtete Bekämpfungsmittel geeignet sein könnten. Der Wirkungsmechani smus der Acylharn stoffe (Diflubenzuron, Chlorfluazuron), die schon in der Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, ist noch nicht vollständ ig geklärt. Polyoxine aus Pilzen der Gattung Streptomyces sind kompetitive Hemmer der Polymerisation des Chitins und werden vor allem als Fungizide im Pflanzenschutz eingesetzt. Die Chitinsynthetase von Insekten wird in vitro von Polyoxinen und noch stärker von dem aus Streptomyces tendae isolierten Nikkomycin gehemmt. Beide Verbindungsgruppen können nicht über das In-
tegument in Insekten eindringen, da, im Gegensatz zu Pilzen, kein geeignetes Transportsystem vorhanden ist. Daher sind sie als Insektizide nicht verwendbar. Tunicamycin hemmt die Chitins ynthe se, indem es die N-Glykosylierung blockiert. Es wirkt bei Insekten und anderen Arthropoden, nicht aber bei Pilzen. Aus diesem Grunde vermutet man, dass die Chit insynthe se bei Arthropoden anders als bei Pilzen verläuft. Allosamidine stammen ebenfalls aus Actinomyceten. Sie hemmen Endochitinasen, die vor allem bei Umbauprozessen und bei der Häutung eine große Rolle spielen.
1.3 Cuticula
Das kettenförmige Polymer Chitin kommt in Form von Bündeln, den sog. Kristalliten, vor. Nach den Ergebnissen der Röntgenbeugung unterscheidet man 3 Varianten, U-, ß-und y-Chitin, die sich in der Orientierung der Ketten und in der Zahl der sie verbindenden Wasserstoflbindungen unterscheiden. Alle 3 Varianten kommen bei Insekten vor. Am häufigsten wurde bei Insekten und in Pilzen das n-Chitin nachgewiesen, dessen Ketten antiparallel verlaufen . Aufgrund der hohen Zahl von Wasserstoflbindungen quillt es nicht in Wasser, ist widerstandsfähig gegen Hydrolyse durch Alkali und schwache Säuren und wenig löslich in organischen Lösungsmitteln.
Chitin kommt nie allein vor, sondern ist stets mit Proteinen assoziiert. Nach intensiver Hydrolyse bleiben stets kurzkettige Peptide mit dem Chitin verbunden. Die makromolekularen, im Elektronenmikroskop sichtbaren Chitin-Protein-Assoziationen bezeichnet man als Mikrofibrillen. Nach Kontrastierung mit Uranylacetat und Bleicitrat erscheinen bei hoher Auflösung die chitinhaItigen Anteile hell, haben einen Durchmesser von 3 nm und sind von einer elektronendichten, proteinhaltigen Grundsubstanz umgeben. Der eindeutige Nachweis, dass Chitin im Inneren der Mikrofibrillen vorhanden ist, konnte erst 1990 anhand nicht kontrastierter Präparate mithilfe der Beugungskontrast-Transmissions-Elektronenmikroskopie erbracht werden (Abb. 1-6A) . Bei Anwendung dieses Verfahrens erscheinen die Chitin-Kristallite dunkel; ihr Durchmesser beträgt 2 nm . Aus den Ergebnissen der Röntgenbeugung und chemischer Untersuchungen kann man entnehmen, dass ein erheblicher Teil der assoziierten Proteine parallel zu den Chitinketten orientiert ist. Beide können kovalent über Aspartat- bzw. Histidin-Reste miteinander verbunden sein.
1.3.3 Proteine Im Gegensatz zu Chitin sind die Proteine, die etwa die Hälfte bis 2/3 der Cuticula ausmachen können, außerordentlich heterogen. Die Heterogenität bezieht sich nicht nur auf die Molekulargewichte oder die isoelektrischen Punkte, sondern auch auf Art und Umfang der Glykosylierung. Die Proteine der Cuticula werden seit 1982 in zunehmendem Maße nicht nur mit biochemischen, sondern auch mit molekularbiologischen Methoden untersucht. Bisher liegen lediglich Untersuchungen an wenigen Insektenarten vor. Verallgemeinerungen sind in diesem Stadium der Bestandsaufnahme noch nicht angebracht. Zu berücksichtigen ist auch, dass mit den heutigen Methoden nur etwa die Hälfte der vorhandenen Proteine extrahiert werden können. Die ursprüngliche Vorstellung, dass in jedem Entwicklungsstadium ein eigener Satz von Genen transkribiert wird, hat sich als falsch
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erwiesen. Manche Proteine werden nur in bestimmten, die meisten aber in mehreren Entwicklungsstadien exprimiert. Anscheinend sind Familien von Genen für die Synthese der Cuticulaproteine zuständig. Die Proteine der Endocuticula sind vielfach wasserlöslich, haben meist isoelektrische Punkte im sauren Bereich unter pH 4,6 sowie ein relativ geringes Molekulargewicht zwischen 10-80 kDa, vorwiegend jedoch unter 20 kDa. Bei den wenigen bisher daraufhin untersuchten Arten stellte sich heraus, dass in der Cuticula 50-100 verschiedene Proteine vorkommen können. Auf engstem Raum wurden in der besonders gut untersuchten Cuticula der Tibia der Wanderheuschrecke Locusta migratoria zahlreiche Proteine nachgewiesen. Bisher ist die funktionelle Bedeutung dieser Vielfalt noch unklar. In verschiedenen Regionen der Cuticula des Schmetterlings Hyalophora cecropia wurden insgesamt 152 Proteine identifiziert. Drosophila melanogaster scheint eine Ausnahme zu sein, denn diese Art hat nur weniger als ein Dutzend Cuticulaproteine. Weis-Fogh entdeckte 1960 ein Cuticulaprotein mit gummiartigen Eigenschaften und nannte es Resilin. Es erscheint farblos und transparent. Im Elektronenmikroskop sieht es strukturlos aus. Soweit das Resilin daraufhin untersucht wurde, hat es eine recht gleichartige Aminosäurezusammensetzung. Es besteht aus einem dreidimensionalen Netzwerk von Polypeptidketten. Wenige vorhandene Quervernetzungen bestehen aus ungewöhnlichen, fluoreszierenden, oligomeren Tyrosinderivaten wie Dityrosin und Tertyrosin. Das dreidimensionale Netzwerk von Proteinketten kann auf 200% der ursprünglichen Länge gestreckt werden. Wahrscheinlich kommt Resilin bei allen Insekten vor, besonders an Stellen, an denen hohe Elastizität und Energiespeicherung von Bedeutung sind. So wurde es u. a. in Flügelbasen von Libellen und Wanderheuschrecken, im Rüssel von Schmetterlingen, im Lauterzeugungsapparat von Cicaden und in den Sprungbeinen der Flöhe gefunden. In diesen Cuticulapartien ermöglicht es den Aufbau einer Art Federspannung (s. Kap. 8).
1.3.4 Lipide Man nimmt aufgrund der Ergebnisse histochemiseher Untersuchungen an, dass Lipide in erster Linie in der Epicuticula vorhanden sind . Die Untersuchung von Lipiden durch kurzdauernde Extraktion und nachfolgende Identifizierung mithilfe der Gaschromatographie sowie nachgeschalteter Massenspektrometrie hat zwar einen beträchtlichen Kenntniszuwachs hinsichtlich eindeutig defi-
8
Integument
nierter Verbindungen gebracht, doch es wurde bisher nur eine relativ geringe Zahl von gut 100 Arten untersucht. Eine Lokalisation der so identifizierten Verbindungen in der Cuticula war bisher aus technischen Gründen nicht möglich. Wie der Einbau von radioaktiv markiertem Acetat gezeigt hat, findet die Synthese von Kohlenwasserstoffen bei den Insekten in Oenocyten statt, nicht aber in den Epidermiszel1en oder im Fettkörper. Nur ein geringer Teil der Kohlenwasserstoffe stammt bei Heuschrecken und Schmetterlingslarven nachweislichaus der Nahrung. Über den Transport der Kohlenwasserstoffe in die Epicuticula ist bisher wenig bekannt. Vermutlich ist daran ein Lipoprotein, das Lipophorin, beteiligt. Sehr bemerkenswert ist, dass "fremde" Lipide über die Cuticula aufgenommen, in körpereigene Substanzen umgewandelt werden. Diese neu gebildeten Verbindungen können anschließend innerhalb weniger Minuten an die Oberfläche der Cuticula transportiert werden. In der Epicuticula sind anscheinend zahlreiche Substanzen vorhanden , die eine ganze Reihe wichtiger Funktionen haben; vermutlich befinden sie sich in der Wachsschicht: Pheromone helfen bei der Erkennung des Geschlechtspartners und ermöglichen bei sozialen Hymenopteren das Erkennen von Art und Kaste. Kairomone induzieren bei parasit ischen Insekten Suchverhalten und Eiablage. Bei der Hornisse werden von den Puppen Z9-Pentacosen abgegeben, das thermoregul atorisches Verhalten der Arbeiterinnen an den Brutzellen veranlasst. Antibioti sch wirksame Substanzen verhindern eine Ansiedlung von Bakterien und Pilzen auf der Cuticula, insbesondere bei Wasserbewohnern. Die Wasserkäfer verlassen von Zeit zu Zeit das Wasser und verteilen aus der Pygidialdr üse stammend e Sekrete mithilfe ihrer Beine auf der Körperoberfläche. Benzoesäure, p-Hydroxybenzoesäure-methylester oder Phenylessigsäure wurden bei Käfern der Familien Dytiscidae, Noteridae und Haliplidae nachgewiesen, Sesquiterpene bei Gyrinidae sowie fungizid wirkende a-Hydroxy säuren bei Hygrobiidae und Laccophilinae und Tiglinsäure bei Ilybius. Der Seidenspinner Bombyx mori sezerniert niedere Fettsäuren, die für die Abwehr von Pilzinfektionen sorgen sollen.
In besonderem Maße sind in der Cuticula Kohlenwasserstoffe vorhanden und bisher am gründlichsten untersucht: n-Alkane, methylierte Alkane und n-Alkene. Ebenso wie bei Pflanzen werden sie aus Fettsäuren synthetisiert. Methylierte Verbindungen kommen bei Insekten massenhaft vor, sind aber bei Pflanzen selten. In geringerem Maße sind freie Fettsäuren und Alkohole, Wachsester sowie kleine Mengen anderer Verbindungen nachgewiesen. Bei manchen Arten machen Kohlenwasserstoffe 50% oder sogar 98% der Lipide aus. Bei der Puppe des Schmetterlings Manduca sexta und bei der Tsetsefliege Glossina morsitans sind es dagegen nur 0,5 %. Ebenso variabel ist die Zahl der bei den
einzelnen Arten gefundenen Verbindungen. Während bei der Schabe Periplaneta americana nur 3 verschiedene Kohlenwasserstoffe nachgewiesen werden konnten, waren es beim Weibchen der Stubenfliege Musca domestica 134 Kohlenwasserstoffe. Wegen ihrer Vielfalt besteht die Möglichkeit, dass die Lipide künftig als Merkmale für eine Chemotaxonomie dienen.
1.3.5 Einlagerung von Substanzen Mechanisch stark belastete Anteile der Cuticula können durch die Einlagerung von Metallen gehärtet werden. So sind beispielsweise die Schneidekanten der Mandibeln von Wanderheuschrecken, mit denen harte Gräser abgebissen werden, nicht nur sklerotisiert, sondern vor allem durch die Einlagerung von Zink doppelt so hart wie die übrigen Teileder Mandibeln. Bei anderen Acrididae, Phasmida und Larven von Lepidopteren wird in die Mandibeln ebenfal1s Zink eingelagert, bei manchen Coleopteren Mangan, und bei anderen Coleopteren sowie bei Ameisen Zink und Mangan ; Eisen kommt in den Mandibeln von mehreren Schabenarten und dem Ohrwurm Forficula auricularia vor; Silicium wurde al1enthalben in Mandibeln gefunden. Kalk (CaC0 3 ) wurde in der Cuticula von Larven der Stratiomyidae und einiger Psychodidae sowie der Puppen von Fruchtfliegen nachgewiesen. Der Grad der Abnutzung von Mundwerkzeugen kann beträchtlich sein. Bei Heuschrecken, die harte, Silicium enthaltende Gräser fressen, können lncisivi und Mola fast vol1ständig eingeebnet sein (Abb. 1-7). Die Auswirkungen sind unklar, denn
Incisivi
Sehne des Adduktormuskels
A
hinterer Gelenkkopf
B
Abb. 1-7: Abnutzung der Mandibeln bei Heuschrecken. Ansichten von der Außenseite. A Nach der Häutung sind die Incisivi (Schneidezähne) und die Mola (Kauflächen) kräftig entwickelt. B Beim Abschneiden und Zerkleinern harter, siliciumhaItiger Gräser werden sie allmählich stark abgenutzt. (Nach Chapman 1964)
1.3 Cuticula die Weibchen können trotz dieser Abnutzungserscheinungen ihre Nahrungsaufnahme während der Eibildung erheblich steigern . Bei Käfern , und zwar bei blattfressenden Chrysomelidae, wurde ebenfalls eine starke Abnutzung der Schneidekanten an den Mandibeln beobachtet, wenn die Tiere harte Blätter fraßen . Eine ganze Reihe von wasserbewohnenden Insektenlarven haben besondere Einrichtungen entwickelt , um einzellige Algen, insbesondere Diatomeen, von Steinen in schnellfließenden Bächen und Flüssen als Nahrung zu gewinnen: Ephemeroptera (Epeorus, Rhitrogena, Ameletus, Baetis, Lepeorus), Plecoptera (Brachyptera), Coleoptera (Limnius) und Diptera (Liponeura, Oxycera). Um die an den Steinen fest haftenden Algenbeläge zu lösen und zu sammeln, verwenden diese Weidegänger Mundwerkzeuge, die als Bürsten, Harken, Raspel, Meißel oder Bagger fungieren . Je nach Anstellwinkel, Stärke des Andrucks, Art und Häufigkeit der Nutzung, Härte der Mundwerkzeuge wie der Nahrung können die Mundwerkzeuge, vor allem deren Borstenfelder, mehr oder weniger stark abgewetzt werden (Abb. 1-8). Bei den Larven können diese Teile bei jeder Häutung ersetzt werden. Starke Abnutzung der Mundwerkzeuge kann durch häufige Häutungen kompensiert werden. In der Tat haben unter den Ephemeroptera die Algen fressenden Heptageniidae etwa 50 Larvenstadien, während Arten aus Familien mit anderer Ern ährungsweise 10-30 Häutungen aufweisen. Bei den Trichoptera haben die Algen fressenden Glossosomatidae 7-8, die übrigen Arten im Allgemeinen nur 5 Larvenstadien. Aber nicht alle Algenschaber nutzen ihre Mundwerkzeuge rasch ab. Käfer der Gattung Limnius kommen ein ganzes Jahr mit den gleichen Mundwerkzeugen aus.
1.3.6 Schichtenbau Die Cuticula besteht aus mehreren Schichten . Man unterscheidet eine chitinfreie, mehrschichtige Epicuticula von einer darunter liegenden chitinhaltigen Procuticula. Wird die äußere Procuticula skierotisiert, so bezeichnet man sie als Exocuticula und nennt den nicht sklerotisierten Teil der Procuticula Endocuticula. Diese Schichten sind außerdem durch ihr Verhalten bei histologischen Färbungen charakterisiert. Im deutschsprachigen Raum wird hierfür die Azanfärbung nach Heidenhain und im anglo-amerikanischen Bereich die Dreifachfärbung nach Mallory verwendet. Die Endocuticula wird bei der Azanfärbung blau gefärbt , die Exocuticula rötlich oder rotbraun oder bleibt bei starker Sklerotisierung ungefärbt braun. Als vermutliches Übergangsstadium gilt die grün
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färbende Mesocuticula . Die nicht färbbare Epicuticula sieht blassgelb aus. Die nicht immer vorhandene Subcuticula entspricht vermutlich neu abgeschiedener, vielleicht noch nicht recht geordneter Endocuticula. Um gegenüber dieser vorwiegend histologisch begründeten Einteilung und Benennung die biomechan ischen Eigenschaften hervorzuheben , nannten Hepburn und lofTe 1976 die sehr elastische Endocuticula plastische Cuticula, während lensen und Weis-Fogh (1962) die wasserarme, spröde Exocuticula als harte Cuticula bezeichneten.
Die Epicuticula gilt als chitinfrei . Dies ist zwar immer wieder behauptet worden, ist aber immer noch nicht hinreichend gesichert. Die Epicuticula ist nicht einheitlich, sondern besteht aus mehreren Schichten unterschiedlicher Herkunft und Funktion, die immer noch hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung unbefriedigend bekannt sind. Hinzu kommen technisch bedingte Differenzen zwischen licht- und elektronenmikroskopischen Ergebnissen. Daher ist die Terminologie uneinheitlich und unsicher . Im allgemeinen werden 4 Schichten genannt, die hier, entsprechend der Reihenfolge ihrer Entstehung und gemäß ihrer Herkunft, behandelt werden sollen. Als erstes wird das Cuticulin gebildet (Abb. 1-3). Der Begriff stammt von Wigglesworth (1933). Das Cuticulin wird von den Plaques der Mikrovilli der Epidermiszellen in Form von flachen Fladen abgeschieden, die sich anschließend zu einer durchgehenden Schicht vereinigen. Die Cuticulinschicht ist etwa 12-17 nm dick und kann Lagen unterschiedlicher Elektronendichte aufweisen. Sie ist nicht nur in der Körpercuticula, sondern auch in der Cuticula des Vorder- und Enddarms sowie der Tracheen und Tracheolen vorhanden. Eine vergleichbare elektronendichte Schicht konnte nicht nur bei allen daraufhin untersuchten Arthropoden, sondern auch im Integument nahezu aller Tierstämme nachgewiesen werden. Bei den Insekten enthält die Cuticulinschicht offenbar in erster Linie Lipide und Proteine, die sklerotisiert sind. Die dadurch sehr widerstandsfähige Schicht ist wenig dehnbar und begrenzt das Wachstum des Organismus. Muß die Cuticula stark gedehnt werden, beispielsweise bei Blutsaugern nach einer reichlichen Blutmahlzeit oder bei Weibchen vor der Eiablage, so wird die Cuticulinschicht in stark gefalteter Form angelegt. Die innere Epicuticula, auch elektronendichte Schicht oder Protein-Epicuticula genannt, wird im Anschluss an die Cuticulinschicht gebildet. Sie fehlt nur in den Tracheolen . Ihre Dicke variiert zwischen 0,03--4 um. Man nimmt an , dass sie Proteine, Lipide, Lipoproteine und viel1eicht auch phenolische Substanzen enth ält , da sie sklerotisiert wird. Diese Schicht kann in Schnitten sehr
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1 Integument
Epeorus fegt mit den Maxillarpalpen (Pfeile) die in einem Bergbach auf einem Stein vorhandenen einzelligen Algen zusammen. A-D Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen diezunehmende Abnutzung des Haarbesatzesauf den Maxillarpalpen von Larven einer Artdernahe verwandten Gattung Rhitrogena. A Ventralansicht des Endgliedes des rechten Palpus. B Noch nicht geschädigter Haarbestand. C Etwas abgenutzter. 0 stark abgewetzter Haarbesatz. (Nach Arens 1990) Abb. 1-8: Abnutzung von Mundwerkzeugen. Die Larve einer Eintagsfliege der Gattung
verschieden aussehen, sogar bei verschiedenen Cuticulapartien einer Art. Dies lässt eine komplexe und variable chemische Zusammensetzung vermuten. Über die Funktionen der inneren Epicuticula ist nichts bekannt. Nachträglich können auf die Cut iculinschicht noch zwei weitere Schichten abgeschieden werden: Die Wacbsscbicbt oder Lipidscbicht sollte zur Vermeidung von Verwechslungen mit den Wachs-
ausblühungen auf der Oberfläche der Cuticula besser äußere Epicuticula genannt werden, doch wird leider auch die Cuticulinschicht bisweilen so bezeichnet. Die Wachsschicht wird erst nach Bildung der Cuticulinschicht und der inneren Epicuticula abgeschieden. Sie besteht vermutlich aus Lipoproteinen, die in organischen Lösungsmitteln unlöslich sind und durch HCI nicht hydrolysiert werden . Die Lipide werden von den in die Epidermis eingewanderten oder ihr angelagerten Oe-
1.3 Cuticula
nocyten geliefert. Die Komponenten können an die Oberfläche der beiden bereits gebildeten Cuticulaschichten gelangen, auch wenn keine Porenkanäle, oder, wie im Falle der Tracheen, nicht einmal Wachskanäle vorhanden sind. Die äußere Epicuticula kann von sehr unterschiedlicher Konsistenz sein; bei Schaben stellt sie beispielsweise einen schmierigen Belag dar. Die äußere Epicuticula ist meistens etwa 10 nm dick. Bei den Larven der Schmeißfliege Lucilia cuprina nimmt ihre Dicke von einem Larvenstadium zum nächsten erheblich zu: LI 7,5 nm, L2 30 nm, L3 300 nm. Elektronenmikroskopisch ist diese Schicht nur bei Anwendung einer besonderen Technik darstellbar: Die Cuticula wird mit einem ungesättigten Lipid inkubiert, das an die vorhandenen gesättigten Lipide bindet und eine intensive Osmierung ermöglicht. Die Lipide der Wachsschicht verhindern bei süßwasserbewohnenden Insekten den Einstrom von Wasser und bei Landbewohnern Wasserverluste durch Transpiration. Offensichtlich ist auch die Epidermis in erheblichem Maße an der Regulation des Wasserhaushalts beteiligt. Bisher gibt es trotz vieler Bemühungen noch kein alIgemein anerkanntes ModelI zur Wasserpermeabilität der Cuticula und zu Regulationsmechanismen der Epidermis. Man hat schon vor dem I!. Weltkrieg versucht, diese Barriere bei Schädlingen in Getreidesilos und Mühlen mithilfe von inerten Stäuben zu zerstören , um den Einsatz von Insektiziden zu vermeiden . Zunächst fand man, dass die verwendeten Stäube eine Härte von mindestens 6 nach der Mohs-Skala sowie einen Durchmesser der Partikel unter 10 um haben müssen, um eine ausreichende Wirksamkeit zu entfalten . Später stellte sich heraus, dass es nicht so sehr auf den Abrieb der lipidhaltigen Anteile der Epicuticula ankommt, denn Stoffe ohne diese Wirkung, aber mit intensiver Aufnahme von Lipiden, erwiesen sich als besonders wirksam bei der Zerstörung der Wachsschicht der Epicuticula : Silikagel, aktivierte Kohle und Aluminiumpulver sind viel effektiver als Caborundpulver. Hält man die Tiere nach der Zerstörung der Wachsschicht in feuchter Atmosphäre, um ein Austrocknen zu verhindern, so wird die Lipidschicht regeneriert.
Die Zementschicht wird von epidermalen Drüsen auf die Oberfläche der äußeren Epicuticula als durchgehende oder mit Lücken versehene Schicht abgeschieden. Sie hat eine Dicke von etwa 30-100 nm. Die Bezeichnung Zementschicht wurde von Wigglesworth (1933) geprägt. Diese Schicht ist bei landbewohnenden Insekten vorhanden, fehlt aber bei vielen Wasserbewohnern sowie Fliegenlarven. Ihre Färbbarkeit mit Alcianblau und ihr Abbau durch Hyaluronidase hat zu der Annahme geführt, diese Schicht enthalte Proteoglykane. Sie wird offenbar sklerotisiert. Lipide waren bisher nicht nachweisbar. Zum Zeitpunkt der Häutung ist die Oberfläche der Cuticula ausgesprochen hy-
A
B
c
D
11
E
Abb. 1·9: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Anordnung von chitinhaitigen Mikrofibrillen in der Cuticula. A Geringe Reißfestigkeit durch Anordnung in gleicher Richtung im Apodem des Femur einer Heuschreckenart. B Gleichgerichtete Schichten wechseln mit Schichten, in denen sich die Orientierung kontinuierlich um einen bestimmten Winkel ändert (helikoidal), um dann wieder gleiche Richtung für zahlreiche Lamellen beizubehalten . Diese Variante kommt bei Orthoptera und Mantodea vor. C Helikoidale Partien wechseln mit solchen, in denen schichtweise die Orientierung der Mikrofibrillen um 90° wechselt (Sperrholzprinzip). Diese Variante ist bei Odonata, Orthoptere, Mantodea, Phasmida, manchen Coleoptera und einigen Mecoptera nachgewiesen. D Von Lamelle zu Lamelle ändert sich die Orientierung der Mikrofibrillen um einen bestimmten Winkel. Diese durchgehend helikoidale Anordnung der Schichten ist bei Collembola, Diplura, Zygentoma, Coleoptera, Lepidoptera und Diptera vorhanden. E Die Cuticula von Hohlzylindern, wie sie in Extremitäten vorliegt, besitzt ebenfalls die in D dargestellte helikoidale Anordnung der Mikrofibrillen. (Nach Barth 1973)
drophob. Die DrüsenzelIen der Epidermis entleeren ihren Inhalt 30-60 Minuten nach der Häutung auf die Oberfläche der bereits gebildeten äußeren Epicuticula, die zunächst hydrophil, dann aber nach Einlagerung von Lipiden erneut hydrophob wird. Nachträglich auf die Oberfläche sezernierte Lipide enthalten offensichtlich eine ganze Reihe funktionell wichtiger Verbindungen (s.u.). Wachsausblühungen können bei vielen Insekten in unterschiedlicher Menge außen auf der Cuticula vorkommen und das Erscheinungsbild der betreffenden Arten beeinflussen.
In den chitinhaItigen Anteilen der Cuticula erkennt man elektronenmikroskopisch LamelIen, die in der Exocuticula dünner und schlechter erkennbar sind als in der Endocuticula. Die Lamellen bestehen aus mehreren Schichten, die eine Paralleltextur chitinhaitiger Mikrofibrillen aufweisen (Abb. 1-6, 1-9). Die Orientierung der Mikrofibrillen kann über eine Reihe von Schichten beibehalten werden und dann wechseln (lineare Anordnung). Dadurch kommt eine mehr oder weniger reißfeste, sperrholzartige Konstruktion zustande. Wird die Orientierung der paralIel angeordneten
12
1 Integument
"-P"'"'I"~~"!'I"i""'T"T"""I"'''T""l''''!'"' - Cut icul in innere Epicut icula
Wachskanal - filament
'<'\-+--
\+ - - _
Porenkanal
vr---
Porenkanalfilament
-t--
-
- septierte Zellhafle
Abb.1-10: Schematische Darstellung der Wachs- und Porenkanäle in der Cuticula der Wachsmottenlarve Galleria mellonella. Die Porenkanäle sind flache, spiralförmig gedrehte Röhren. Sie sind der Übersichtlichkeit halber in erheblich verringerter Zahl dargestellt. (Nach Locke 1961)
Mikrofibrillen regelmäßig von Schicht zu Schicht um etwa s mehr als I Grad verändert, so spricht man von einer helikoidalen Anordnung der Mikrofibrillen. Diese sehr effektive Strukturierung ist weit verb reitet. Der Wink el, um den sich die Orientierung der Chitin-Mikrofibrillen von Schicht zu Schicht ändert, ist in der Exocuti cula kleiner als in der Endocuticula. Helikoidale und lineare Anordnung der Mikrofibrillen können miteinander kombiniert sein (A bb. 1-9). Im Bereich der Basis von Ha ar- und Schuppenbälgen ermö glicht eine unregelmäßi ge sog. Streuungstextur der Mikrofibrillen deren Verankerung in der umliegenden Cuticula. D ie mechanischen Eigenschaften der Cuticula häng en u. a. in besonderem Maß e vom Wassergehalt ab. Dieser kann außerordentlich schwanken und ist bei sklerotisierter Cuti cula besonders gering. In dem sehr gr ündlich untersuchten Femu r der Wand erheuschrecke wurden 15% Wasser gefund en, in der Larvencuticula der Fleischfliege Sarcophaga bullata waren es hingegen 55%. Das Wasser soll durch kapillare oder molekulare Sorption gebunden sein . Ein hohes Maß an Flexibilität und Dehnbarkeit, wie z. B. bei der Cuticula von Larven der Schmetterlinge oder Fliegen , ist nur
bei hohem Wassergehalt möglich . Nimmt dieser bei zunehmender Sklerotisierung während der Verpuppung ab, so erh öhen sich Steifheit und mechanische Wider standskraft der Cuticula. Dunkle, sta rk skierotisierte Cuticula ist vielfach, aber nicht stets har t. Die Endocuti cula kann durch Enzyme aufgelöst und anschließend resorbiert werd en. Das erfolgt stets während der H äutungsvorbereitung, kann aber auch bei Hunger geschehen. Somit kann die Endocuticula auch als Nahrungsreserve in Hungerzeiten dienen. Die Cuticula wird von Porenkanälen durchzogen, die ur sprünglich Ausläufer der Epidermiszellen sind (Abb. 1-10). Bis zu 200 wurden pro Zelle nachgewiesen. Bei manchen Arten oder in bestimmten Körperpartien können Porenkanäle fehlen, beispielsweise in der Cuticula der Larven von Stechmücken und Fliegen sowie in der von Tracheen. Nach der Ab scheidung der Cuticula ziehen sich die Zellausläufer zurück und hinterlassen vielfach F ilamente; pro Kan al sind im allgemeinen 1-20 Filamente vorha nde n. Die Porenkan äle durchziehen die Cuticula in Form flacher, spira lig verla ufender Röhren, deren Windungen durch die En tstehung der helikoid alen Cuticula bedingt sind (Abb. 1-10). In ihnen und in den anschließenden verzweigten sog. Wachskanälchen kann Material bis in den Bereich der Epicuticula tran sportiert werden (Abb. 1-10).
1.3.7 Häutu ng 1.3.7.1 Apolyse und Abbau der alten Cuticula De r Häutungsvorgang beginnt mit der Apolyse, der Trennung von Epidermis und alter Cuticula. Sie wird durch steigenden Ecdy steroidtiter ausgelöst. Unkl ar sind noch die Mechanismen der ApoIyse. D as Häutungsgeschehen endet mit dem Schlüpfen , der Ecdysis, wenn die Reste der alten Cuticula abgestreift werd en . Dieser Vorg an g wird durch das Schlüpfhormon (eng!. eclosion hormone ) induziert. Als Häutung kann man die Vorgän ge zwischen Apolyse und Ecdysis bezeichnen (Abb. I-I I). Die Phase zwischen Ecdysis und näch ster Apolyse wird Zwischenhäutungsphase (eng!. intermoult) genannt. In dieser Pha se kann die Endoc uticula durch neu gebildete Lamellen stä ndig verstä rkt werden. Vor der Apol yse nehmen die Ep idermiszellen an Volumen zu. Es erfolgen zahlreiche Mitosen, außer bei Fliegenlarven. Unmittelbar vor, aber auch nach der Apol yse werden Vesikel mit elektonendichtem, chemis ch noch nicht definiertem
1.3 Cuticula A
Epicuticula _ Exocuticul a
13
B
alte Endocut icula
'":-
~ 1
~/
Apolysemembran
2
" / Exuvialraum
"--- -=--=-::-::-;=--======
Apolyse 3
<,
Cuticulin Plaque
Ef/I c
Ecdysis
D
-
alte Endocut icula
neue Exo--neue En~o-
cun/
Apolysemembran
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _,
Exuvialflüssigkeit
=-------------"
A
r-
cula
Cuticulinschicht
Abb. 1-11: Schematische Darstellung der Vorgänge bei der Apolyse und nachfolgenden Ecdysis (Schlüpfen). A Die Mikrovilli degenerieren . Die Plaques befinden sich noch an der eingeebneten Plasmamembran (1). Während der Apolyse, der Trennung von Epidermis und Cuticula, werden die Plaques durch Endocytose in die Zelle aufgenommen (2) und in multivesikulären Vesikeln abgebaut. BAnschließend entstehen neue Mikrovilli samt Plaques (3). Siesezernieren Cuticulin zunächst in Fladen (4), die anschließend zu einer einheitlichen Cuticulinschicht verschmelzen (5). Nachfolgend beginnt dieAbscheidung der inneren Epicuticula sowie von lamellierter Cuticula . C Die in der abgesonderten Exuvialflüssigkeit enthaltenen Enzyme bauen die alte Endocuticula ab, sind aber nicht in der Lage, die sklerotisierte Exocuticula zu verdauen . D Nachdem die alte Endocuticula verdaut und die neue Procuticula abgeschieden ist, erfolgt Edie Ecdysis, das Schlüpfen: Aufreißen an der Häutungsnaht und Abstoßung der Cuticulareste. Es folgt die zunehmende Sklerotisierung der äußeren Procuticula.
14
1 Integument
Inhalt im apikalen Bereich der Epidermiszellen abgegeben. Man vermutet in den Vesikeln e~t weder Enzyme zum Abbau der alten oder Matenal zum Aufbau der neuen Endocuticula. Die Vesikel sind noch im Bereich der alten inneren Endocuticula zu erkennen und lösen sich schließlich auf. Während der Apolyse entsteht aus den innersten Schichten der Endocuticula eine dünne, hyaline und homogene Schicht, die Häutungs- oder Apolysemembran (Abb. 1-11 C). Sie wird skIerotisiert und kann anschließend nicht mehr enzymatisch abgebaut werden. Die von der Epidermis abgelöste Cuticula heißt von nun an Exuvie (lat. xuviae: abgelegte Kleider). Von den EpidermiszeIlen wird eine Flüssigkeit, die Exuvialßüssigkeit, in den immer größer werdenden, als Exuvialraum bezeichneten Raum zwischen H äutungsmembran oder Epidermis und Endocuticula sezerniert. Die in dieser Flüssigkeit vorhandenen, zunächst noch inaktiven Enzyme werden aktiviert und beginnen mit dem Abbau der alten Endocuticula (Abb. I-li C). Die Häutungsmembran könnte verhindern, dass aktivierte Enzyme die Bildung der neuen Cuticula stören. Die Abbauprodukte der Cuticula werden von der Epidermis resorbiert und für den Aufbau der neuen Cuticula verwendet. Bei der Tönnchenbildung von Fliegenlarven wird vermutlich deshalb keine Häutungsmembran gebildet, weil in diesem Falle kein nennenswerter Abbau der alten Cuticula stattfindet.
6 Grad verändert wird. Jede Schicht wird innerhalb von 20 Sekunden abgeschieden.
Die Cuticula ist somit eine rasch gebildete und sehr präzise orientierte Struktur. Für die regelmäßige Ausbildung der Paralleltextur der chitinhaitigen Mikrofibrillen sind vermutlich die apikal an den Mikrovilli der Epidermiszellen vorhandenen Plaques (Abb. 1-3, 1-6 D; I-li) sowie die Beweglichkeit der Mikrovilli verantwortlich. Durch parallel gerichtete Bewegung der Mikrovilli und gleichzeitig dabei erfolgender Sekretion von chitinhaitigern Cuticulamaterial könnte eine Schicht aus parallel angeordneten chitinhaitigen Mikrofibrillen entstehen. Die Endocuticula wird in den Tibien vieler Insekten nicht pausenlos, sondern schichtweise in einem circadianen Rhythmus abgeschieden. An histologischen Querschnitten durch eine Tibia erkennt man im Polarisationsmikroskop abwechselnd anisotrope und isotrope Schichten, die Cuticula mit helicoidaler bzw. einheitlicher Ausrichtung der chitinhaltigen Mikrofibrillen entsprechen. Bei Heuschrecken und Schaben wird eine Einheit aus helicoidal und einheitlich ausgerichtetem Material im Verlauf von etwa 24 Stunden
1.3.7.2 Abscheidung und Sklerotisierung der neuen Cuticula Während der Abbau der alten Endocuticula stattfindet wird bereits die neue Cuticula sezerniert. Als e;stes entstehen bogenförmige Teile der Cuticulinschicht über den Mikrovilli der EpidermiszeIlen die anschließend miteinander verschmelzen und eine durchgehende Schicht ergeben. Diese wird nachfolgend sklerotisiert. Dann beginnt die Abscheidung der neuen inneren Epicuticula und der Procuticula. In der Endocuticula der Larven des Schmetterlings Calpodes ethlius wurden mehr als 400 Lamellen gefunde~ . Die zuerst gebildeten Lamellen sind mit 0,5 um relatIv dick. Zu ihrer Abscheidung sind etwa 6 Stunden erforderlich. Später sind diese Lamellen nur noch 0,1 um dick und werden innerhalb von 10 Minuten abgeschieden. Jede Lamelle besteht aus vielen Schichten. Bei den dickeren ersten Lamellen sind etwa 150 Schichten vorhanden, wenn man annimmt, dass die Schichtdicke etwas größer ist als der Durchmesser der Chitin-Mi~rofi.brillen, der 3-5 nm beträgt. Jede dieser Schichten WIrd m etwa 2 Minuten abgeschieden werden. Bei den dünneren Lamellen sind etwa 30 Schichten vorhanden, deren Mikrofibrillen-Orientierung von Schicht zu Schicht um etwa
Abb. 1-12: Circadianer Rhythmus der Abscheidung von Endouticula. Querschnitt durch die Iibia der Schabe Leucophaea maderae. Die Schaben wurden 17Tage vor der Hä~~ung zur Imago in einen Hell-Dunkel-Wechsel von 6:6 Stunden uberführt, bei einer Temperatur des Kulturmediums von 27 ± 1 "C, 8 Tage und etwa 8 Stunden nach der.Ietzten Häut~ng .wurd~ ein Stückchen Tibia abgetrennt und fixiert. Im Polarisationsmikroskop waren an den Schnitten 9 helle anisotrope und 8 dunkle isotrope Schichten erkennbar. Unabhängig von den Hell-Du~kel Cyclen wurden demnach pro Tag, gesteuert vo~ eln~m ~Ir~a dianen Rhythmus, jeweils eine helicoidal und eine einheitlich orientierte Schicht Endocuticula abgeschieden. Unten Epidermis, darüber die Schichten der Endocuticula und außen die Exocuticula (nach Wiedemann et al., 1986).
1.3 Cuticula
-
15
0,8
0,6 f-
- 0,6-3
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8
12
h nach Beginn der Abrundung
Abb, 1-13:Änderungen der Aktivität der beiden für die Sklerotisierung wichtigen Enzyme Tyrosinase. und laccase 0 während der Pupariumbildung der Schmeißfliege Lucilia cuprina. (Nach Barrelt 1987)
abgeschieden (Abb. 1-12). Bei Heuschrecken reagiert dieser Rhythmus unmittelbar auf den tageszeitlichen Hell-Dunkel-Wechsel, wobei die helicoidal orientierten Schichten während der Nacht gebildet werden. Bei Schaben spricht der Schichtungsrhythmus nicht auf den tageszeitliehen Hell-Dunkel-Rhythmus an; seine Lage relativ zum Licht-Dunkel-Wechsel wird allein durch den Zeitpunkt der Häutung bestimmt. Amputi ert man Teile von Schabenbeinen unmittelbar nach einer Häutung und kultiviert sie in vitro in definierter Kulturlösung, so bleibt der Abscheidungsrhythmus der Endocuticula auch in völliger Dunkelheit und bei konstant er Temperatur über maximal 12 Tage erhalten. Der Rhythmus der Abscheidung wird demnach von einer endogenen (circadianen) Uhr kontrolliert, die möglicherweise in der Epiderm is selbst lokalisiert ist. Wie bei allen endogenen cireadianen Rhythmen ist auch bei diesem Rhythmus der Abscheidung die Frequenz weitgehend unabhängig von der Temperatur. Darüber hinaus haben die Unte rsuchungen gezeigt, dass man in vitro fast den gesamten Häutungszyklus auslösen kan n. Weber/Münster, persönl Mitt .). Enth ält die Kulturl ösung 2 x 10- 5 M Ecdysteron, so reagiert die Epidermis mit einer Apolyse. Wird am 3. Tag in vitro die Konzentr ation des Ecdysterons auf 2 x 10- 7 M reduziert, so beginnt die Ablagerung von Epi- und Exocuticula. Wird nach einigen weiteren Tagen das Häutungshormon in der Kulturflüssigkeit weggelassen, so erfolgt die Ablagerun g von
Endocuticula. Die Ablagerun g von Endocuticula wird anscheinend nicht durch Bursicon ausgelöst. Die Entstehung und Herkun ft der zur Epicuticula gehörenden Wachs- und Zementschicht wurde bereits bei der Beschreibung der Epicuticula erwähnt.
Die Sklerotisierung der äußeren Procuticula, auch als Gerbung bezeichnet, wird häufig noch entsprechend einer von Pryor 1940 aufgestellten Hypothese dargestellt. Danach soll durch o-Chinon, das bei der oxidativen Decarbox ylierung von Protocatechusäure entsteht, eine Quervemetzung der Strukturproteine erfolgen. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen wurde diese Quervemetzung aber immer noch nicht nachgewiesen. Die neueren Vorstellungen vom Ablauf der Sklerotisierung sind komplizierter als die sehr einleuchtende Quervernetzungshypothese , sie weisen aber immer noch Lücken hinsichtlich der beteiligten Verbindungen und Enzyme wie auch der Reihenfolge ihres Wirkens auf Phenoloxidasen spielen bei der Sklerotisierung eine Rolle (Abb. 1-13), aber auch bei der Melan isierung, der cuticularen Wundreparatur und der Abwehr von bakt eriellen Infektionen. In der Cuticula wurden bisher zwei Phenoloxida sen gefunden, Tyrosinase und Laccase; eine weitere, die Desaturase, wurde zwar postul iert, aber noch nicht
16
1 Integument
aus Cuticula isoliert. Die Cuticula der Larven von Lepidopteren enthält nur Tyrosinase, die von Wanderheuschrecken nur Laccase und die von Larven verschiedener Dipteren sowohl Tyrosinase als auch Laccase (Abb. 1-13). Tyrosinase ist löslich, hat ein apparentes Molekulargewicht von 30-70 kDa und besteht aus 1-5 Polypeptiden ; sie ist bei Tieren weit verbreitet und kommt auch bei Pilzen und Blütenpflanzen vor. Laccase ist nicht löslich, kann erst durch Proteasebehandlung der Cuticula freigesetzt werden, hat ein apparentes Molekulargewicht von 65-140 kDa und ist mit einem hohen Kohlenhydratanteil versehen. In den Hämocyten erfolgt, ausgehend von der Aminosäure L-Tyrosin und deren enzymatischer Umwandlung in Dihydroxyphenylalanin (DOPA), die Biosynthese der beiden als Ausgangsmaterialien dienenden Acetylcatecholamine N-Acetyl dopamin (NADA) und N-ß-Alanyldopamin (NBAD). Diese werden über die Epidermiszellen in die Cuticula transportiert. Bei Wanderheuschrecken gelangt NADA nach der Häutung in die Cuticula und wird sofort oxidiert , während bei Schmetterlingen ein Vorrat von NBAD während der Abscheidung in der Puppencuticula angelegt und erst am Ende der Puparium-Bildung oxidiert wird. Durch die Oxidation entstehen Chinone und Chinonmethide, die entweder kovalent mit Proteinen verknüpft oder als Polymere in die Proteinmatrix eingelagert werden. Sie sind für die Dehydrati sierung der Exocuticula und deren zunehmende Steifheit verantwortlich (s.o.). Das für die Elastizität der Endocuticula verantwortliche Hydratwasser ist an hydrophile Aminosäurereste der Strukturproteine gebunden, deren Anteil in sklerotisierter Cuticula geringer ist. Durch die Sklerotisierung kann der Wassergehalt beispielsweise von 70% auf 12% verringert werden. Die Gerbung oder Sklerotisierung wird durch Hormone in Gang gesetzt und muss offensichtlich sehr genau gesteuert werden. In den einzelnen Körperbereichen wie auch in den verschiedenen Entwicklungsstadien variiert der Anteil von Endound Exocuticula sehr stark. Collembolen und zahlreiche Lar ven haben gar keine Exocuticula, während bei manchen Käfern fast die gesamte Cuticula aus Exocuticula besteht. Eine nicht oder nur in geringem Maße sklerotisierte Cuticula dürfte für Larven vorteilhaft sein, weil nur die Endocuticula vor der Häutung resorbiert und für die Bildung der neuen Cuticula wiederverwendet werden kann . Würde der Gerbungsprozess blindlings ablaufen , so könnte das in vielen Fällen verheerende Folgen haben. Wenn das Puparium einer Fliege stark sklerotisiert wird, so dürfte das kaum nachteilige Auswirkungen ergeben, würde aber ein Flügel nicht in der rechten Weise sklerotisiert, so wäre er entweder zu weich oder bei zu
starker Sklerotisierung zu steif und brüchig , um eine ausreichende Funktion beim Fliegen zu gewährleisten . Bisher weiß man kaum etwas über die hormonelle Regulation der Sklerotisierung . Bursicon scheint daran ebenso beteiligt zu sein wie Ecdysteroide. Die Abstoßung der Reste der alten Cuticula stellt die eigentliche Häutung dar und wird als Ecdysis bezeichnet. Das Aufreißen der Exuvie wird durch eine nicht sklerotisierte sog. Häutungsnaht erleichtert, die median auf der Dor salpartie von Kopf und Thorax verläuft . Durch Muskelkontraktionen wird Hämolymphe in Kopf und Thorax gepresst, deren Volumen dadurch vergrößert wird und das Aufreißen der Häutungsnaht ermöglicht (Abb. I-li E). Hierbei wird beispielsweise bei Fliegen zum Teil nur temporär vorhandene Muskulatur eingesetzt (Abb. 25-79). Gehäutet wird nicht nur die äußere Cuticula, sondern auch die cuticuläre Auskleidung von Vorder- und Enddarm sowie die der Tracheen und der Ausführgänge mehrzelliger Drüsen. Nach der Häutung wird die zunächst noch gefaltete Cuticula durch Vergrößerung des Körpervolumens geglättet. Dies wird durch Erhöhen des Hämolymphdrucks sowie durch Aufnahme von Luft oder Wasser in den Darm ermöglicht. Die Sklerotisierung der Exocuticula erfolgt größtenteils erst nach dem Schlüpfen .
1.3.8 Oberflächendifferenzierungen Die Cuticulaoberfläche ist selten glatt, meistens ist sie mit Skulpturen in Form von Dellen, Runzeln , Warzen, Kerben , Fclderung oder ausschließlich aus Epicuticula bestehenden Dörnchen oder Schüppchen versehen. Diese Strukturen sind nicht nur auf den Skleriten , sondern auch auf den Gelenkhäuten in unübersehbarer Vielfalt vorhanden. Wegen der Verwendbarkeit dieser Skulpturen für taxonomische Zwecke ist eine umfangreiche, rein beschreibende Terminologie entstanden. Unechte Haare (Mikrotrichen, Trichome) haben keine Verbindung zur Epidermis. Sie bestehen meistens aus Exo- und Epicuticula. Verzweigte unechte Haare behindern beispielsweise in den Stigmenhöfen vieler Insekten das Eindringen von Staubpartikeln und Parasiten. Unechte Haare an Tarsengliedern oder am Prätarsus sowie eine von Drüsen sezernierte Adhäsionsflüssigkeit ermöglichen das Laufen auf glatten Flächen wie Blättern oder senkrecht stehenden Glasscheiben. Fliegen haben an ihren Tarsen ein Paar Pulvillen, die mit winzig kleinen, leicht gekrümmten und distal abgeplatteten unechten Haaren ausgestattet sind (Abb. 1-14). Diese sind mit
1.3 Cuticula
17
Abb. 1-14:Tarsus einer Tsetsefliege
Glossina morsitans. A Seitenansicht. BAnsichtvon schräg unten. Neben den Krallen sind paarige Pulvillen vorhanden, auf denen dichtstehende, leicht gebogene und distal verbreiterte Mikrotrichen stehen. Im Innern des Prätarsus befinden sich Drüsen, die ein Haftsekret produzieren, das vermutlich über das in B erkennbare Rinnensystem aufdie Mikrotriehen gelangt und das Laufen auf glatten Oberflächen ermöglicht. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen. (Vergr. SOfaeh).
einer schwerflüchtigen, lipidhaItigen Adhäsionsflüssigkeit versehen, deren chemische Natur man aber noch nicht kennt . Umstritten ist, wie diese Flüssigkeit aus einer Drüse im Tarsus auf die Härchen gelangt. Sie soll entweder im dors alen Teil des Tarsus austreten und über ein Rinnensystem auf die kleinen Härchen der Pulvillen gelangen, oder - nach anderer Auffassung - in der Cuticul a gespeichert und über die Porenkanäle der Ventralseite der Pulvillen auf die Härchen gelangen .
1.3.9 Aus- und Einstülpungen der Cuticula oder des Integuments Dornen gibt es in einer Vielzahl von Varianten. Es handelt sich um Ausstülpungen der Epidermis samt der von ihr gebildeten Cuticula. Dornen können glatt oder verzweigt und bisweilen mit starren Borsten versehen sein. Ausstülpungen der Körperwand in größerem Umfang gibt es u. a. am Kopf und Thorax von Käfern sowie in besonders
auffallender Form bei tropischen Zikaden der Familie Membracidae (Abb. 25-28). Apophysen sind hohl bleibende Einstülpungen des Integuments, während Apodeme keinen Hohlraum aufweisen, sondern mit Cuticula ausgefüllt sind (Abb. 1-15). An beiden setzen vielfach Muskeln an. Derartige Gebilde können sehr lang und schlank sein, wie beispielsweise die beiden Apodeme in den Hinterbeinen von Wanderheuschrecken. Das als Tentorium bezeichnete Kopfskelett der Pterygot a entsteht aus mehreren Ektodermeinstülpungen, die sich vereinigen und eine Verstrebung der Kopfkapsel ergeben. Sie fungieren vor allem als Ansatzstellen für die Muskulatur der Mundwerkzeuge (Abb. 4-2). Sehnenbildungen dienen ebenfalls als Ansatzstellen für Muskeln . Sie kommen ohne (Abb. 1-15 A, B) oder meistens unter Beteiligung der Cuticula zustande (Abb. 1-15 C). Muskelansatzstellen am Integument sind im Prinzip folgendermaßen gebaut: Die Muskelzelle endet mit einer Z-Scheibe. Sie ist mit der Zellmembran der Epidermiszelle stark verzahnt. In der Epidermiszelle verlaufen von dieser basalen bis zur gleichfalls stark mit der Cuticula verzahn-
18
1 Integument
1.3.10 Echte Haare und Schuppen 1.3.10.1 Haare mit nur einer Bildungszelle
o
Als Acanthae werden Haare bezeichnet , die nur eine aus der Epidermis hervorgegangene Bildungszelle haben. Das Cytopla sma der Acanth ae kann im Haarlumen bleiben oder sich nach Abschluss der Haarbildung zurück ziehen. Anstelle des Plasmas können entweder Proteoglykane oder Cuticula in das Haarlumen abgegeben werden. Acanthae kommen bei mehreren Ordnungen im Proventriculu s des Darmes, aber auch auf der Körperoberfläche vor.
A
c
B
1.3.10.2 Haare mit zwei oder mehr Bildungszellen
o Cuticula
o 0
Muskel
Apophyse
E
Apod em
F
Abb. 1-15: Möglichkeiten der Anheftung von Muskeln.
A-D Am Integument, E-F an Einstülpungen der Cuticula. A, B Anheftung über Mikrotubuli in der Epidermis und Tonofilamente in der Cuticula. C Einfache Anheftung, 0 mehrfache Anheftung von Muskeln an einer endocuticularen Sehne. EApophysen sind hohle, F Apodeme sind massiv mit Cuticula ausgefüllte Einstülpungen des Integuments. (A-D nach Weber 1954)
ten apikalen Partie zahlreiche Bündel von Mikrotubuli . Die benachbarte Cuticula wird von Tonofilamenten durchzogen , deren Gesamtheit als Faserkegel bezeichnet wird.
Diese Haare sowie Schuppen entstehen durch differenzielle Teilungen, d.h. ungleiche Teilungen und ungleiche Wachstumsvorgänge von Epidermiszellderivaten (Abb. 1-16; Tab. 1-1). Schuppen sind gestielte, abgeplattete sowie verschieden breite und differenzierte Haare. Zu Beginn der Haar- bzw. Schuppenbildung kommt es in der Epidermis zu lebhaften Teilungsvorgängen, die hormonal induziert sein dürften. Die Ebene der Teilungsspindeln, die zur Vermehrung der Epidermiszellen führen , liegt parallel zur Epidermisoberfläche und die der Stammzelle I eines Haares oder einer Schuppe sind senkrecht zur Epidermisoberfläche angeordnet. Von den ungleichen Teilungsprodukten degeneriert das unter die Epidermis gelangte. In der anderen Zelle, der Stammzelle 11, nimmt die nachfolgend entstehende Teilungsspindel eine Schräglage zur Epidermisoberfläche ein. Von den resultierenden Teilungsprodukten sinkt der kernhaltige basale Anteil der trichogenen Zelle (Haar- oder SchuppenbildungszeIle) in die Tiefe, während der apikale Teil der tormogenen Zelle (Balgbildungszelle) den halsförmigen apikalen Teil der trichogenen Zelle umwächst (Abb. 1-16). Anschließend wächst der kernhaltige Teil der trichogenen Zelle zu beträchtlicher Größe heran. Ihr Kern wird polyloid und ihr distaler Teil bildet einen immer länger werdenden, zunächst recht unförmigen Fortsatz, aus dem schließlich das Haar oder die Schuppe hervorgeht. Die tormogene Zelle liefert den Basalring und eine Gelenkmembran, die Auslenkungen des Haares aus der Normalstellung ermöglicht. Fehlt sie, so ist das Haar unbeweglich. Bei den Schuppen bildet die tormogene Zelle den Schuppenbalg, in dem der basale Stiel der Schuppe steckt (Abb. 1-21 A). Erst wenn der distale Fortsatz der trichogenen Zelle zu voller Größe ausgewachsen ist, beginnt die Abscheidung der Cuticula am Haar und der Schuppe wie in der benachbarten Cuticula. Außer-
1.3 Cuticula
o A
o Stammzelle I
19
--. B STZ Sinneszellen t
--. c
tormogene Zelle trichogene Zelle
o trichogene Zelle
Abb.1-16: Schematisierte Darstellung der Haar- und Schuppenbildung.. A Teilung der Stammzelle I (STZ I). Die Spinde/achse ist senkrecht zur Epidermisoberf/äche orientiert. Durch eine differentielle Teilung entstehen die Stammzelle der Sinneszelle(n) und der Haarbildungszellen. B Bei nicht innervierten Haaren und Schuppen degeneriert die Stammzelle der Sinneszellen, während die Stammzelle der Haarbildungszellen sich teilt. Dabei liegt die Spindelebene schräg zur Epidermisoberfläche. Inden entstandenen Haarbildungszellen, der tormogenen und trichogenen Zelle, sinken die kernhaitigen basalen Anteile verschieden weit in die Tiefe. Der apikale Teil der tormogenen Zelle umwächst den entsprechenden Anteil der trichogenen Zelle. C Die so entstandene Zellgruppe istAusgangspunkt für die weitere Entwicklung D eines Haares oder Eeiner Schuppe. Die trichogene Zelle wächst entweder zu einer Haar- oder Schuppenanlage aus, während die tormogene Zelle den Haar- oder Schupennbalg liefert. Bleibt die Stammzelle der Sinneszellen erhalten, so kann sie sich bei chemosensorischen Haaren teilen. Soweit ihr apikaler Teil oder ihr Bündel von apikalen Fortsätzen von der trichogenen Zelle umgeben wird, scheidet die lichtmikroskopisch nicht erkennbare thecogene Zelle eine cuticulare Hülle um diese Fortsätze aus. Die weitere Entwicklung eines Sinneshaares ist in Abb. 1-23 dargestellt.
dem zieht sich das Cytoplasma aus Haar oder Schuppe zurück . Haare können a ußerordentlich verschieden gestaltet und verwendbar sein. Ein paar Beispiele sollen dies zeigen: Am auffallend sten sind große, starre, distal zugespitzte, vielfach mit längs oder spiralig verlaufenden
Riefen versehene Borsten. Gefiederte Haare sind weit verbreitet. Gefiederte, spiralförmige Haare gibt es bei der Hon igbiene. Bündel von langen, an der Spitze pfeilfOrmigen Haaren (Abb , 1-17) sind jederseits am Hinterende der Larven von Teppichkäfern der Gattung Anthrenus angeordnet. Sie werden bei Gefahr gespreizt und abgeworfen. Verbreiterte Borsten kommen an den Beinen
20
1 Integument
A
Abb. 1-18: Putzeinrichtungen an den Vorderbeinen von Hymenopteren. AWespe Vespula vulgaris. B Honigbiene Apis mellifera. Anten nen und Mundwerkzeuge werden gereinigt, indem sie mit dem Sporn eingeklemmt und dann durch den bürstenartigen Haarbesatz gezogen werden. (Nach Grasse 1951) Abb. 1-17: Pfeilhaare. Am Hinterende der Larve des Museumskäfers Anthrenus verbasd sind zwei auffallende Büschel von Pfeilhaaren vorhanden, dievon der Larve bei Beunruhigung gespreizt werden können. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme isolierter Pfeilhaare, 1600 x
von Schwimmkäfern vor (Abb, 9-15) . Bei den Bienen werden Haare in vielfältiger Form zum Sammeln von Pollen eingesetzt. Borsten an den Mundwerkzeugen ermöglichen das Hereinstrudeln von Nahrungspartikeln, beispielsweise bei den Larven von Stechmücken (Abb. 25-76 0, E) und Kriebelmücken (Abb. 20-9) . Außerordentlich vielfaltig sind die Haare der Larven mancher Schmetterlingsfamiliengestaltet (Abb. 25-63) . Die in Gruppen angeordneten, spröden, kleinen, oft mit Widerhaken und einem Giftreservoir versehenen "Spiegelhaare" mancher Schmetterlingslarven (s. 17.2.2.3, Abb. 17-7 D-F) können erhebliche Hautreizungen, die Raupendermatitis verursachen. Besonders gefürchtet sind die leicht abbrechenden,. in großer Zahl vorhandenen "Gift-" oder "Brennhaare" der gesellig in Gespinsten lebenden Raupen des Kiefern-Prozessionsspinners Thaumetopoea pinivora. Gelangen diese Haare auf die Haut des Menschen oder von Weidetieren, so verursachen sie schwere Allergien. Extrem flache, stark aufgegliederte Haare ermöglichen bei Wasserwanzen der Gattung Aphelocheirus eine sehr effektive Plastronatmung und somit einen ständigen Aufenthalt am Boden des Wohngewässers.
An den Vorderbeinen der Insekten sind vielfach Putzvorrichtungen vorhanden, an denen unechte wie echte Haare beteiligt sein können (Abb. 1-18). Ein Putzsporn befindet sich am distalen Ende der Tibia . Ihm gegenüber ist am ersten Glied des Tarsus eine dicht mit Haaren besetzte Delle, die sog. Putzscharte, vorhanden. Mithilfe dieser Putzvorrichtungen werden Antennen, Mundwerkzeuge, Beine und Flügel gereinigt.
Abb. 1·19: Haarbildungen der Enddarmcuticula. Bei der Larve des Käfers Pachnoda butana sind massenhaft stark verzweigte, mehrzellige Haare vorhanden, an denen Unmassen symbiontischer Bakterien angeheftet sind, diehier abgewaschen sind . 700 x (REM-Aufnahme von Rosenberg und Hackstein, unveröff.)
1.3 Cuticula
21
Abb. 1-20: Rasterelektronenmikroskopische Abbildungen von Schuppen verschiedener Insekten.A Collembola: Etliche Arten, wie beispielsweise Tomocerus sp., sind mit Schuppen bedeckt. 300 x. B Coleoptera: In der artenreichsten Familie, den Rüsselkäfern oder Curculionidae, gibt es zahlreiche Arten, die mit Schuppen versehen sind, wie beispielsweise ein kleiner, auf Brennessein vorkommender Rüsselkäfer Apion urticarium. Die obere Lamelle der Schuppen von Käfern ist nicht perforiert, besitzt aber Längsrippen. Teilweise handelt es sich um Schillerschuppen. 1600 x. CBei den Lepidoptera, wie hier beim Kleinen Fuchs Ag/ais urticae, sinddie Schuppen aufden Flügeln dachziegelartig angeordnet. Sie können leicht aus dem Schuppenbalg gezogen werden. 1000 x. 0 Stechmücken (Culicinae) sind am Körper, wie hier am Tarsus, und an den Flügeladern mit Schuppen bedeckt, deren obere Lamelle 6-10 Längsrippen und zahllose deutliche Querrippen aufweist. 1400 x.
Distal gekämmte, abgeplattete oder verzweigte, bisweilen mehrzellige Haare der Enddarmcuticula dienen in etlichen Ordnun gen einer Vergrößerung der Anheftun gsfläche für Bakt erien, die zumind est teilweise Symbionten sind (Abb. 1-1 9, Abb. 4-24, s. 4.7.1). An den Vorder ta rsen der Männchen manch er Käfer, beispielsweise des Gelbrandkäfers Dytiscus marginalis, kommen besonders strukturierte Gebilde vor, die von Haaren abgeleitet werden und als Saugeinrichtung dienen, um das Weibchen währen d der Begatt ung festzuhalten . Der Tarsus weist 2 große und zahlreiche kleine, gestielte Saugnäpfe auf. Bei diesen Saughaaren sollen die große Achsenzylinderzelle wie auch die zahlreichen Palisadenzellen trichogenen Zellen entsprechen . Die Saughaare weisen eine Cuticula auf, die proxima l stielförmig sowie distal saugnapfTö rmig abgeflacht und mit Riefen versehen ist. Nac h Fertigstellung der Cuticula rege nerieren die Bildun gszellen.
Als Chaetotaxie bezeichnet man die Verwend ung regelmäßig angeordneter Borsten für taxonomische Zwecke. Sie spielt eine besond ere Rolle für die Artkennzeichnung bei Blattl äusen und Fliegen, sowie bei den Larven von Schmette rlingen, Käfern und Dipteren.
Schuppen kommen nicht nur bei den Lepidoptera , sondern auch bei manchen Collembola, den Archaeognatha, Zygentom a sowie manchen Copeognatha, Coleoptera (Scarabaeidae, Derme stidae, Ptinidae und Curculionidae) und Diptera vor (Abb. 1-20). Sie sind sehr wahr scheinlich in diesen Ordnun gen unabhängig voneinander entsta nden. Es sind star k abgeplattete und verbreiterte Haare, die im ausgebildeten Zustand, wenn sich die trichogene Zelle daraus zur ückgezogen hat, hohl sind. Ande rs als Haare stecken sie mit ihrem stielartigen basalen Teil unb eweglich im Schuppenbalg, können aber relativ leicht daraus entfernt werden (Abb. 1-20 C). Bei den Lepido ptera sind die Schuppen urt ümlicher Gruppen massive, flache Gebilde, währen d sie bei den höher differenzierten Gruppen Musterbeispiele für Leichtbauweise im Tierreich dar stellen. Beträchtliche Material- und Gewichtseinspa rungen werden in diesen Fällen durc h verschieden sta rk durchlochte Oberflächen und die Verstrebung mithilfe von Rippen und du rch die Verbindung der Außenflächen mithilfe von Trabekein ermöglicht (Abb. 1-21). Schuppen sind flach liegend, dachziegelartig dicht nebeneinand er angeordnet. Ihre Gestalt kann sehr
22
1 Integument
- Schup penbalg Schuppenstiel
=
A
B
L'ingsrippe I Quer . bälkchen
untere Llmelle
c
D
E
Abb. 1-21: Schuppen. A Bildung einer Schuppe durch distales Auswachsen der trichogenen Zelle, Differenzierung des Schuppenbalgs seitens der tormogenen Zelle und Abscheidung der Cuticula (schwarz), einschließlich der Bildung von Trabekein. Kurz vor dem Abscheiden der Cuticula zieht sich das Plasma aus der Schuppenanlage zurück. (Nach Larink 1984, verändert) BAufsicht aufdie Sinusschuppe eines Tagfalters samt Schuppenbalg. (Nach Weber 1954) C Haarförmige Schuppen. (Nach Bourgogne 1951) D Aufgebrochene Schuppe. (Nach Mayer 1896) E Ein Blockdiagramm zeigt die Längsrippen, Querbälkchen und Löcher in der oberen Lamelle sowie die Trabekel, die obere und untere Lamelle miteinander verbinden. (Nach Kühn aus Weber 1954)
verschieden sein. Die Schuppenbildungszelle (trichogene Zelle) ist in verschiedenem Maße polyploid (Abb. 1-3). Ebenso wie bei der Haarbildung umwächst der distale Teild der tormogenen Zelle den distalen Teil der trichogenen Zelle und bildet später den Schuppenbalg, in dem der Schuppenstiel steckt (Abb. 1-21). Im Verlauf der weiteren Schuppenbildung wächst die trichogene Zelle zunächst keulenförmig aus, bildet basal einen Stiel und flacht allmählich im anschließenden Teil ab. Nach Erreichen der definitiven Größe erfolgt die Abscheidung der Cuticula. Anschließend zieht sich das Plasma aus der Schuppe zurück. Schillerschuppen s. 1.4.2. Beim Silberfischchen kommen Schuppen vor, die mit einer Sinneszelle versehen sind und demnach mechanosensorischen Haaren entspre chen dürften. Bei anderen Insekten ist das Vorhandensein von Sinneszellen bei Schuppen noch unbekannt. Beim Silberfischchen Lepisma saccharina erfolgen im Abstand von etwa 4 Wochen insgesamt über 50 Häutungen, bei denen jeweils eine neue Cuticula und neue Schuppen angelegt werden.
Duftschuppen (Müller, 1877) oder Androconien (Scudder, 1877) sind Schuppen, die, mit einer Drüsenzelle gekoppelt, in sehr unterschiedlicher Anordnung nur bei Männchen vieler Schmetterlinge auf den Flügeloberseiten oder selten am Abdomen vorkommen (Abb. 1-22). Sie sind vielleicht polyphyletisch entstanden. In manchen Fällen scheinen sie durch Verlustmutation verloren gegangen zu sein. Sie fehlen unter den einheimischen Tagfaltern beispielsweise dem Tagpfauenauge Inachis io, dem Kleinen Fuchs Aglais urticae, dem Admiral Vanessa atalanta und den Zitronenfaltern der Gattung Ganepteryx. Vermutlich genügen bei diesen Arten optische und taktile Reize für die Geschlechterfindung. Androconien findet man entweder auf beiden Flügeln oder nur auf dem Vorder- oder Hinterflügel. Die Hinterflügel sind nur bei der Gattung Calias sowie bei Danaus chrysippus mit Androconien versehen. Die Androconien sind verstreut auf der Flügeloberfläche oder sehr dichtstehend in Flecken oder Streifen angeordnet (Abb. 1-22), wobei die Flecken vielfach durch Pigmentierung optisch hervorgehoben sind.
1.3 Cuticula
23
A
E
F
Abb. 1-22: Duftschuppen (Androconien). A Am Vorderflügel des Kohlweißlings Pieris brassicae istdie mit Duftschuppen besetzte Partie sehr ausgedehnt (durch Punktierung gekennzeichnet). B Duftschuppe des Rapsweißlings Artogeia {Pieris} napi. C Am Vorderflügel des Perlmutterfalters Argyronema laodice (Nymphalidae) sind nur an Teilen einiger Adern Duftschuppen vorhanden. D Im Raster-EM erkennt man hier sehr schlanke Duftschuppen und sie seitlich überdeckende größere Deckschuppen. E und FAnordnung von normalen und Duftschuppen auf dem Vorderflügel eines Bläulings Cyaniris semiargus, teilweise abgeschuppt. G Verschiedene Formen von Duftschuppen: Pseudocharaza anthelea (Satyridae), H Malvenfalter Carcharodus altheae (Hesperiidae).
Die Flecken und Streifen sind meist von besonders strukturierten Schuppen überdacht. Die Androconien der Pierinae sind leicht ablösbar. Sie kommen ebenso wie die der Androcharinae, Polyommatinae und einiger Lycaenidae großflächig vor. Man unterscheidet u. a. Faserrandschuppen (Pierinae,
Anthocharinae, Nymphalidae), Federbuschschuppen (u. a. beim Kohlweißling Pieris brassicae, dem Grünlichen Perlmutterfalter Argyronome laodice), Haarschuppen (manche Hesperiidae), Gliederschuppen (manche Hesperiidae) sowie ganzrandige Schuppen (Lycaenidae und Gattung Colias).
24
1 Integument
trichogene Zelle tormogene Zelle
Rezept orIymphraum
Cilienst ruktur --+-H-I~
trichogene Zelle Sinneszelle
A
Hüllzelle
B
Sinneszelle
c
o
Abb. 1-23: Entwicklung eines chemosensorischen Haares mit Wandporen aufgrund elektronenmikroskopischer Untersuchungen . A Auswachsen der trichogenen Zelle und der Sinneszelle. B Überschießendes Wachstum des distalen Sinneszeilfortsatzes. CTrimmen dieses Fortsatzes. D Die trichogene Zelle hat sich zurückgezogen. Der distale Fortsatz der Sinneszelle verzweigt sich distal. Die Cuticula wird abgeschieden und dabei werden im Haar Poren ausgespart. (Nach Ernst 1972)
Hat man die Schuppen von einem Flügel entfernt, so kann man leicht die Basen der Androco nien von denen norm aler Schuppen unterscheiden und ihre Anordnung untersuchen. Dabei wird deutlich, dass die Dufts chuppen in den Duftflecken und -streifen im Gegensatz zu den normalen Schuppen außerordentlich dicht stehen. Dies wird als abgeleitetes Merkmal angesehen. In den Drü senzellen an der Basis der Androco nien werden Sexualpheromone synthetisiert und über die Duft schuppen abgegeben. Die Struk tur der Androconien fördert vermutlich die rasche Verdunstung dieser Duft stoffe.
1.3.10.3 Sinneshaare: Echte Haare mit 3 Bildungszellen und einer bis mehreren Sinneszellen Hier sollen nur die entwicklungsgeschichtlichen Besonderheiten dieses Haartyps behandelt werden (Mo rphologie und Physiologie s. Kap. 11 ). Die Bildung der Sinneshaare erfolgt in ganz entsprechender Weise wie bei den echten Haaren ohne Sinneszelle(n) (Abb. 1-16). Bei der Teilung der Stammzelle I geht in diesem Falle nicht ein Teilungsprodukt zugrunde, sondern wird zur
Stammzelle einer oder mehrerer Sinneszellen. Außerdem spielt eine winzige Zelle, die thecogene Zelle, eine besondere Rolle als Hüllzelle. Wegen ihrer Kleinheit wurde sie erst bei elektronenmikroskopischen Untersuchungen entdeckt. Sie liegt am Ende der Umwachsungsvorgänge zwischen trichogener und Sinneszelle(n). Wenn tormogene und trichogene Zelle sowie die benachbarten Epidermiszellen nach Abschluss der Differenzierung mit der Cuticulaabscheidung beginnen, sezerniert diese Hüllzelle eine homogen erscheinende, auch lichtmikroskopisch sichtbare cuticulare Hülle oder Dendritenhülle. Diese reicht nur so weit, wie die Sinneszelle(n) von der thecogenen Zelle und der trichogenen Zelle umwachsen werden; distal endet sie meistens an der Haarbasis. Sie stellt auch die Hülle des Tubularkörpers dar (s. Kap. 11). Bei den chemosensorischen Haaren erfolgt das Auswachsen des distalen Bereichs der trichogenen Zelle und der Sinneszellen gleichzeitig. Nach Abschluss dieses Vorgangs können die gebündelten Sinneszellfortsätze mehr oder weniger weit aus dem distalen Teil des Haares herau shängen. Sie werden anschließend auf die endgültige Länge getrimmt und ausdifferenziert (Abb. 1-23 B, C) . Eine formale Herleitung der verschiedenen Typen von Sinneshaaren ist in Abb. 1-24; Tab. I-I dargestellt. Aus-
1.4 Färbung
Sinne~ -
Die Häutung ist in vielerlei Hinsicht ein gefährliches Stadium. Da die Sinneshaare ebenso wie alle übrigen cuticulabedeckten Teile gehäutet werden müssen, sind sie während der Häutung refraktär. Diese Phase muss durch rechtzeitige Vorbildung eines sofort funktionsfähigen neuen Haares möglichst kurz gehalten werden. Die cuticulare Hülle und die von ihr umgebenen distalen Sinneszellfortsätze reißen bei der Häutung je nach Haartyp entweder an der Basis oder an der Spitze des Haares ab (Abb. 1-25).
tormogene Zelle trichogene Zelle
V 0
zelle -
A
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1
: - Poren
1
,," ,, r
1
I I I I
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Tubular-
I
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ßi c
1.4 Färbung
,,
/ körper \
B
25
Scolops
o
Abb. '·24: Formale Herleitung der Typen von Sinneshaaren aus dem A Ausgangsstadium der Haarbildung. Das Sensillum campaniforme B bleibt fast auf diesem Stadium und entwickelt als modalitätsspezifische Struktur einen Iubularkörper im distalen Fortsatz der Sinneszelle. C Mechanosensorische Haare wachsen verschieden weit aus (Pfeil richtung) und besitzen einen basal und exzentrisch an der Haarbasis ansetzenden Tubularkörper im distalen Fortsatz der Sinneszelle. D Chemosensarische Haare wachsen ebenfalls aus (Pfeilrichtung). Sie entwickeln als modalitätsspezifische Struktur entweder zahlreiche Poren am Schaft oder einen subterminalen Porus. Die distalen Fortsätze der Sinneszellen können sich verzweigen und enden in der Nähe der Poren. E Die Scolopidien sind anscheinend früh in der Evolution eigene Wege gegangen. Sie bilden kein Haar, sondern sinken in das Körperinnere und besitzen im distalen Sinneszellfortsatz als modalitätsspezifische Struktur einen dem Tubularkörper ähnelnden Scolops.
gangspunkt ist das entwicklungsgeschichtlich bedeutsame Stadium vor Beginn des Auswachsens eines Haares (Abb. 1-16).
1.4.1 Allgemeines Neben der Körpergestalt ist die Färbung für das Erkennen von Insekten, die Charakterisierung und Unterscheidung von Arten von besonderem Wert. Die Färbung ist aber nicht allein Sache der Cuticula, sondern ein recht komplexes Thema. Die Cuticula kann durchscheinend sein, sodass Pigmente in der Epidermis oder in bestimmten Organen zur Färbung beitragen oder für sie verantwortlich sind. Durch Sklerotisierung und Melanisierung kann die Cuticula undurchsichtig und braun bis schwarz gefärbt sein. Wachsausscheidungen können die Färbung bestimmen oder beeinflussen. Schließlich können die physikalischen Eigenschaften der Oberfläche und des Schichtenbaus der Cuticula Interferenzfarben hervorrufen. Grundsätzlich gibt es für die Entstehung von Farben folgende Möglichkeiten: Fällt Licht auf eine Oberfläche, die alle Wellenlängen gleichermaßen reflektiert, so erscheint diese weiß. Werden dagegen alle Wellenlängen von einer Oberfläche absorbiert, so erscheint sie schwarz. Wenn nicht alle, sondern nur bestimmte Wellenlängen von einer Oberfläche absorbiert und andere reflektiert werden, so sieht sie entsprechend den jeweiligen Wellenlängen farbig aus. Das gleiche ist der Fall, wenn Pigmente vorhanden sind.
Tab. t -t : Homologisierung der Zellen von Haarsensillen und Scolopidien. Sinneshaare
Scolop die
übliche Bezeichnung
neutral Bezeichnung
BIdungsprodukt
tormogene Zelle trichogene Zelle thecogene Zelle
3. Hüllzelle 2. Hüllzelle 1. Hüllzelle
Haarbalg Haar cuuculare Hülle, Dendritenhülle
Sinneszelle(n)
Sinneszelle(n)
Beze ( ung =====~ Bildungsprodu akzessorische Zelle Hull-, Kappenzelle Stiftzelle Sinneszelle
Kappe Stift
26
1 Integument
neue Haarspitze
alter
t ""
Tubularkörp~
~
Gelenkmembran __ Exuvialraum altes Sinneshaar
11 ,.
Exuvialraum
Exuvialraum
altes Sinneshaar
- neue Cuticula cuticulare Hülle alter Tubularkörper
neuer Tubularkörper
A neues Sinneshaar
Exuvialraum
, .....::...._ - . -
neue Cuticula neuer Tubularkörper
B
Abb. 1-25: Unterschiede im Häutungsverhalten von Sinneshaaren. Schematische Längsschnitte durch A ein Fadenhaar und BeinBorstenhaar aufdem Cercus einer Grille kurz vor der Häutung. Die cuticulare Hülle verbindet noch das alte und das neue Haar. Bei der Häutung reißt sie an den durch Pfeile gekennzeichneten Stellen ab: bei den Fadenhaaren an der Basis und bei den Borstenhaaren an der Spitze. (Nach Gnatzy und Schmidt 1972)
1.4.2 Färbung aufgrund physikalischer Eigenschaften der Cuticula Interferenzerscheinungen an Oberflächen- und Binnenstrukturen von Schuppen sind häufig die Ursache für weiße, blaue und metallisch erscheinende, irisierende Farberscheinungen, die vielfach
eine Rolle bei der Partnersuche der betreffenden Art spielen. Raster- und transmissions-elektronenmikroskopische Untersuchungen haben bei einigen Arten die strukturellen Grundlagen dieser Farberscheinungen aufgeklärt. Wesentlich für das Zustandekommen und das Ergebnis der Interferenzen sind Dicke, Abstände und Anzahl der durchstrahlten Blättchen in den Schuppen, deren parallele Ausrichtung oder regelmäßig wiederholte
1.4 Färbung
Strukturen, ihre Brechungsindices sowie der Einfallswinkel und die Wellenlänge des Lichtes. Die mathematisch aufwändige Theorie der Lichtbeugung an Gittern, Farben dünner Blättchen und die selektive Reflexion kann hier nicht erörtert werden (s. Land 1972) . Die Schuppen der Flügeloberseite von Schmetterlingen der Gattung Morpho weisen in den hohen Längsrippen der oberen Lamelle bis zu 12 Blättchen auf, die in einem Winkel von etwa 8' schräg angeordnet sind. An ihnen wird das einfallende Licht reflektiert. Durch die dabei entstehenden Interferenzen erscheint die Flügeloberfläche in einem herrlich schillernden Blau. Die Neigung der Blättchen in den Längsrippen beträgt bei den ganz ähnlich gebauten Schillerschuppen des einheimischen Schillerfalters Apatura iris 18'. Bei Schmetterlingen der Gattungen Urania und Chrysiridia weist die obere Lamelle der Schuppen 5-10 parallel zur Oberfläche angeordnete Blättchen auf. Je nach Abstand dieser Blättchen erscheinen Flügelpartien in der Aufsicht grün , blau oder rötlich und bei Schrägansicht dunkelrot , orange oder gelbgrün. Die gesamte Oberfläche der Puppe des asiatischen Monarchfalters Eup/oea core glänzt goldfarben, die einer anderen Art silbern. Die Ursache dieses Metallglanzes sind 200-300 regelmäßig und parallel zur Cuticulaoberfläche angeordnete , sehr dünne Schichten der inneren Endocuticula. Die Schichten sind parallel zur Körperoberfläche angeordnet. Es wechseln miteinander im EM elektronendicht erscheinende und wasserhaltige Schichten ab. An diesen Schichten entstehen Interferenzen zwischen einfallendem und reflektiertem Licht. Optimaler Glanz kommt zustande, wenn die Dicke der Schichten ein Viertel der Wellenlänge des einfallenden Lichtes ausmacht. Es würde genügen, wenn nur 100 Schichten vorhanden wären. Zu Beginn des Puppenstadiums sind zunächst noch nicht alle Schichten vorhanden . Daher hat die Puppe zunächst einen blauen, dann einen grünen und schließlich den goldenen oder silbernen Glanz . Naht der Schlüpftermin, so kommt es zu einem Abbau der Schichten und zu einer entsprechend umgekehrten Reihenfolge der Schillerfarben. Trocknet die Flüssigkeit in den elektronenlichten Schichten aus, so erlischt der Glanz. Da die Puppe infolge dieses Metallglanzes wie ein Tautropfen aussieht, könnte es sich um einen Schutz vor Fressfeinden handeln.
1.4.3 Sklerotisierung und Melanisierung Die Cuticula kann durch Sklerotisierung und Melanisierung undurchsichtig und braun bis schwarz oder rötlich gefärbt sein. Erfolgt eine Polymerisation der phenolischen Substanzen, so entsteht schließlich das Melanin, das fein verteilt oder in Form von Körnchen vorhanden sein kann. Es ergibt je nach Polymerisationsgrad und Dichte eine starke Braun- bis Schwarzfärbung.
27
Der Grad der Melanisierung ist genetisch bedingt. Wird die Grundfärbung eines Tieres dunkel, so spricht man von Melanismus. Die Dunkelfärbung kann unter Umständen einen Vorteil bei der Tarnung gegenüber Fressfeinden bringen und ganze Populationen erfassen . Erfolgt dies im Zusammenhang mit Rußablagerungen aus Industrieabgasen, so spricht man von Industriemelanismus. Kommt wegen Enzymmangels nur eine bestimmte Stufe der Melaninbildung zustande, so erscheinen rötliche Farbtöne und man spricht von Rufinismus . Unterbleibt die Färbung vollständig, so bezeichnet man dies als Albinismus.
1.4.4 Färbung durch Pigmente: Ablagerung von
Stoffwechselprodukten Als solche kommen Stoffwechselprodukte in Frage, wie Pteridine, Ommochrome und Porphyrine. Hinzu kommen Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen werden und zur Färbung des Tieres beitragen, wie Carotine und Chlorophylle. Die Farbstoffe können in der Cuticula oder deren Derivaten, vor allem in Form von Schuppen, abgelagert sein. Bei durchsichtiger Cuticula können auch Farbstoffe, die in der Epidermis, in der Hämolymphe oder in inneren Organen vorhanden sind, zum Zeichnungsmuster eines Tieres beitragen . Pteridine bestehen aus einem Pyrimidin- und einem Pyrazinring. Erstmals wurde eine solche Verbindung 1889 aus Schmetterlingsgsflügeln isoliert. Inzwischen weiß man, dass sie bei Insekten auch in anderen Teilen des Integuments, als Schirmpigment in den Augen und außerdem im Fettkörper vorkommen. Abkömmlinge der Pteridine, wie beispielsweise die Folsäure, spielen im Stoffwechsel eine beträchtliche Rolle. Pteridine kommen nicht nur bei Insekten vor, sondern sind bei Mikroorganismen ubiquitär verbreitet und auch bei Wirbeltieren nachgewiesen. Im UV-Licht fluoreszieren die Pteridine. Sie sind bei physiologischem pH schwer löslich und werden daher während des Transports im Organismus an Proteine gebunden. Dies ist beispielsweise beim Kohlweißling Pieris brassicae nachgewiesen; ausgehend vom Fettkörper, in dem die Synthese stattfindet, gelangen die Pteridine mit dem Hämolymphstrom in die Flügel. In Schmelterlingsflügeln fand man u. a. weiß, gelb oder orange erscheinend Leukopterin und Isoxanthopterin, gelb aussehend Xanthopterin und Sepiapterin . Pteridine spielen u. a. auch bei der Zeichnung der Wespen eine Rolle. Ommochrome sind als Pigmente bei Insekten und Krebsen weit verbreitet. An diesen Substanzen wurde die genetische Kontrolle biochemischer Reaktionen geklärt. Ommochrome entstehen aus Tryptophan über Kynurenin und dessen Hydroxyverbindung. Diese gelblich-
28
1 Integument
bis rotbraun erscheinenden Pigmente werden in der Epidermi s abgelagert und spielen außerdem vor allem als Schirm pigmente in den Augen eine Rolle. Derivate der Porphyrine sind für die Gr ünfärbung vieler Insekten verantwortlich und weisen teilweise auch gelbliche bis rotbraune Farberscheinungen auf. Eine Gr ünfärbung kann auch durch Mischung von blauem Gallenfarbstoff und gelbem Carotinoid zustande kommen. Mit der Nahrung aufgenommen oder durch Abb au der Na hrung entst and ene Substanzen können bei Arten mit durchsichtigem Integument für die Färbung von Bedeutung sein. Beispiele hierfür sind Hämoglo bin und dessen Abbauprodukte bei Blutsau gern, Caroti ne, Flavonoide und Chlorophylle bei Pflanzenfr essern oder Saftsaugern . Wachsausscheidungen können ebenfalls die Färbung beeinflussen oder bestimmen . Beispiele hierfür liefern u. a. die Libellen, Mottenschildläuse und Schildläuse sowie man che Schmeißfliegen.
1.4.5 Färbung, Zeichnungsmuster und ihre Veränderung Eine einheitliche Färbung ist weit verbreitet, beispielsweise die Braunfärbung der Schaben oder die Gr ünfärbung bei Laubheuschrecken. Cuticulare, epidermale oder subepidermale Pigmentierung kann ein charakteristisches Zeichnungsmuster ergeben, das mehr oder weniger variabel sein kann . Überaus variabel ist beispielsweise das Zeichnungsmuster des Marienkäferehen s Adalia bipunctata und der Schaumz ikade Philaenus sp umarius.
Sehr gründlich wurde die Ent stehung des Zeichnungsmu sters im Flügel von Schmetterlingen anal ysiert . Die Ablagerung von Pigmenten kann von der Umgebungstemperatur abhängen . Saisondimorphismus oder -polymorphismus kann durch die Photoperiode oder die Ernährung bedingt sein. Experimentel1 besonders gut untersucht ist der durch die P hotoperiode gesteuerte Saisondimorphismus beim Landkärtchen Araschnia levana, einem zu den Nymphalidae gehörenden kleinen einheimischen Schmetterling sowie bei einer Zwergzikade Euscelis plebejus. Herrschen während der Entwicklung Kurztagsbedingungen mit weniger als 16 Stunden Helligkeit, so entsteht beim Landkärtchen eine rotbraun und schwarzweiß gescheckte Form die früher als Frühjahrsform bezeichnet wurde. Unter Langtagbedingun gen mit mehr als 16 Stunden Hel1igkeit erscheint eine schwarzbraune mit gelb-weißen Binden versehene Sommerform. Die Photoperiode ist auch für den Polymorphismus im Generationswechsel der Blattläuse sowie bei der Induktion einer Diapause von Bedeutung. Inhaltsstoffe der Fra ßpflanze und nicht Photoperiode, Temper atur oder Luftfeuchtigkeit induzieren den Saisondimorphismus bei einer im Südosten der USA verbreiteten Nachtfaltera rt Nemoria arizonaria (Geometridae) (Abb. 1-26). Die Larven der Frühjahrs- und Sommerge neration sind nach dem Schlüpfen aus dem Ei völ1ig identi sch, ändern aber anschließend, bedingt durch die aufgenommenen Nährstoffe, Aussehen und Verhalten. Die älteren Larven der Früh-
Abb. 1-26: Durch Nährstoffe aus der Wirtspflanze induzierter Saisondimorphismus bei den Raupen des Nachtfalters Nemoria arizonaria (Geometridae). Die Frühjahrsgeneration frisst Eichenblüten (links), die Sommergeneration Eichenblätter (rechts). Die Balkengraphik gibt die Menge an bestimmten Nährstoffen in der jeweiligen Nahrung an: F Fasern, P Proteine, T Tannine. Gleichzeitig kommt es zu Mimikry: links Eichenblütenmimikry, rechts Zweigmimikry. (Nach Dettner 1989)
1.5 Hautdrüsen
A
Epicuticula I " ' -.......
29
/ ' Cuticulin Epicuticula mit u. ---JOr<:-_ _--J . Filamenten Lipiden
Endocuticula
Endoculicula -... Porenkanal
-
--.-
-,1f- Lipid
..--11--
Peroxisom
Import aus der Hämolymphe
Abb. 1-27: Drüsenzellen. A Schematische Darstellung einer einfachen Drüsenzelle. t Apikal Export von Sekret B Schematische Darstellung einer Pheromon produzierenden Drüsenzelle eines Weibchens von Trichoplusia ni (tepidoptera, Noctuidae). (Nach Percy 1979)
jahrsgeneration fressen an Eichenblüten und nehmen reichlich proteinhaltigen Pollen und wenig Tannine und Faserstoffe auf. Die Larven sehen gelb aus, weisen mit Fransen versehene Cuticulastrukturen auf, besitzen kleine Mandibeln und ähneln insgesamt sehr Eichenblüten (Eichenblütenmimikry). Die Larven der Sommergeneration fressen Eichenbl ätter, sehen grüngrau aus, haben unscheinbare Cuticulastrukturen und große Mandibeln. Sie ähneln in ihrer starren Haltung kleinen Zweigen (Zweigmimikry). Experimentell kann man, ausgehend von frisch geschlüpften Larven, beide Formen durch ent sprechende Nahrung erzeugen.
1.5 Hautdrüsen 1.5.1 Allgemeines
Die Hautdrüsen oder exokrinen Drüsen sind ebenso wie die Epidermiszellen ektodermaler Herkunft. Hautdrüsen können in fast allen Körperbereichen vorkommen: Sie münden im tergalen wie im sternalen Tegurnent, an den Beinen , auf den Flügeln an den Duftschuppen (Androconicn) von Schmetterlingen, auf abdominalen Extremitätenresten bei Machiliden, am Körperende auf dem Pygidium, vor allem auch auf Teilen des Physiologischer Farbwechsel kommt bei der Stabheuschrecke Carausius morosus vor. Dieses nachtaktive Tier Geschlechtsapparats, und zwar als Anhangsdrüverfällt bereits bei geringer Helligkeit in einen Starrezu- sen der inneren Geschlechtsapparate wie auf den stand, den man als Katalepsis bezeichnet. Während des Kopulationsapparaten. Der Begriff Drüse wird leider in sehr unterTages oder bei künstlicher Beleuchtung von mehr als 7 lux befinden sich sepiabraune und gelbliche Pigmente im schiedlicher Weise verwendet. Man bezeichnet als basalen Bereich der Epidermiszellen. Nachts oder bei Drüse sowohl eine einzelne Drüsenzelle als auch Beleuchtung unter 5 lux breiten sich die Pigmente apikal eine Zellgruppe (Drüseneinheit) oder einen Drüin den Epidermiszellen aus und ergeben eine dunkle senkomplex, der über sekretorische Einheiten, Färbung der Stabheuschrecken. Diesecircadiane RhythSpeicher- und Reaktionsräume sowie ausleitende mik der Pigmentverlagerung wird hormonal gesteuert Strukturen verfügt. Es gibt Übergänge zwischen und wird im Dauerlicht oder Dauerdunkel einige WoHaaren und Drüsenhaaren sowie Schuppen und chen beibehalten. Dr üsenschuppen, zwischen Sinnes- und Drüsenhaaren wie auch zwischen Epidermiszellen und einzeln liegenden Drüsenzellen sowie epidermalen Oenocyten.
30
1 Integument
akzessor. Zelle
Drüsenzelle
_ _--t_~Samrr:elkanal
I
Exocytose Abb. 1-28: Drüseneinheiten. Schematisierte Darstellung der Feinstruktur einer Hautdrüse der Larve des Mehlkäfers Tenebrio molitor. Sie besteht aus einer Drüsenzelle mit Reservoir, einer akzessorischen Zelle und einer Kanalzelle. Der ausführende Kanal ist mit Epicuticula ausgekleidet. (Nach Delachambre 1973)
Phylogenetisch sind Drüsen wahrscheinlich mehrfach unabhängig voneinander entstanden: Einzelne, spezialisierte Epidermiszellen oder in Gruppen angeordnete, gleichartige Drüsenzellen . Als Drüseneinheit, d. h. als Zellgruppe, die durch differenzielle Teilungen entsprechend der Haarbildung entsteht und Zellen mit unterschiedlicher Funktion enthält. Mehrere bis viele derartige Einheiten bilden eine Drüse. Bisher gibt es kaum morphogenetische Untersuchungen, sodass die Homologisierung der einzelnen Zellen noch sehr unbefriedigend geklärt ist. Unklar ist auch die Deutung der von Carayon (1984) erstmals bei den Männchen von Landwanzen aus der Familie Scutelleridae gefundenen leider ebenfalls Androconien genannten Haarbildungen (s. 1.5.5 und Abb. 1-32 D). Im Epidermisbereich gelegene Oenocyten haben drüsigen Charakter. Drüsenzellen sind für die Bildung von Sekreten sehr unterschiedlicher Zusammensetzung spezialisiert, wobei nicht nur Wirkstoffe, sondern auch Lösungsmittelgemische ganz bestimmter Mengenverhältnisse sowie Wachse, Seiden usw. erzeugt werden. Bestimmte Sekrete können je nach Konzentration unterschiedliche Reaktionen der Artgenossen auslösen : bei Wanzen entweder Alarm und Verteidigung oder Alarm und Flucht (Abb. 1-31); die Giftdrüse der Ameisen kann Gift produzieren und ebenso für die Bildung eines Pheromons verwendet werden, das, als Spur abgesetzt, Artgenossen einen Weg zwischen Nahrung und Nest weisen kann. Die Untersuchung der Feinstruktur ergab im Zusammenhang mit der Aufklärung der chemischen Zusammensetzung der Sekretionsprodukte und der Ermittlung
ihrer vielfältigen Funktionen in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine Fülle unerwarteter neuer Ergebnisse.
Als charakteristische Elemente von Drüsenzellen können allenfalls die in Vesikeln angehäuften, unterschiedlich aussehenden Sekretionsprodukte gelten sowie Strukturen, die der Speicherung oder Ausleitung dieser Produkte dienen (Abb. 1-27 B, 1-28). Die Kerne der Drüsenzellen sind ursprünglich rund oder elliptisch, werden aber mit zunehmender Polyploidisierung gelappt bis sehr stark aufgegliedert. Hochgradige Polyploidie ermöglicht eine erhebliche Steigerung der Syntheseleistungen . Ebenso wie Epidermiszellen, Haare, Schuppen und Sinneshaare sind auch DrüsenzeIlen und Drüseneinheiten basal durch eine Basallamina gegen die Hämolymphe abgegrenzt. Sie dürfte sowohl eine Permeabilitätsbarriere darstellen als auch mechanische Aufgaben erfüllen. Ein ausgeprägtes basales Labyrinth ist bei den meisten Drüsenzellen vorhanden und dürfte dem Import von Substanzen aus der Hämolymphe dienen. Sehr bemerkenswert ist, dass es bei den Wachs produzierenden Drüsenzellen fehlt (s. 1.5.7). Die Steuerung der Sekretionstätigkeit von Drüsenzellen kann entweder von Nerven oder von Neurosekreten übernommen werden. Eine befriedigende Klassifizierung der DrüsenzeIlen, -einheiten und -komplexe gibt es wegen der unzureichenden Untersuchungen der Morphogenese und der zu geringen Zahl gründlich unter-
1.5 Hautdrüsen suchter Beispiele aus zu wenigen Ordnungen immer noch nicht. Die bisherigen Vorschläge zur Klassifizierung basieren auf der Lage am Körper, der Zahl und Differenzierung der Zellen in einem Drüsenkomplex oder der Funktion von Drüsenzellen oder -komplexen. Hier soll kein erneuter unbefriedigender Versuch zur Klassifizierung unternommen werden. Es sollen lediglich, dem Stand der Forschung entsprechend, einige Fallbeispiele aufgeführt werden.
1.5.2 Einfache Drüsenzellen Sie unterscheiden sich in ihrer Feinstruktur nicht nennenswert von der einer Epidermiszelle (Abb. 127). Substanzen aus der Hämolymphe gelangen über das ausgeprägte basale Labyrinth auf dem Wege der Endocytose in die Zelle und werden im rauen oder glatten endoplasmatischen Reticulum sowie anschließend im Golgi-Apparat zu Sekretionsprodukten umgewandelt und in Vesikeln gelagert. Die Ausschleusung dieser Produkte erfolgt über die Porenkanäle und die apikal anschließenden englumigen sog. Wachskanäle der Cuticula sowie nachfolgend über sehr feine Poren in der Epicuticula. Bisweilen dient ein Bereich unterhalb der Epicuticula als Vorratslager für auszuschleusende Sekrete (Abb. 1-27). Einfache Drüsenzellen kommen nicht nur einzeln, sondern auch in mehr oder weniger umfangreichen Gruppen vor, beispielsweise bei den Wachsdrüsenpolstern im ventralen Bereich des Abdomens der Honigbiene (Abb. 1-35).
1.5.3 Drüseneinheiten Als Drüseneinheit bezeichnet man Zellgruppen, die jeweils aus einer Stammzelle durch meist zwei, bisweilen auch drei und mehr Mitosen hervorgehen. Während bei der Vermehrung der Epidermiszellen die Ebene der Teilungsspindel parallel zur Epidermisoberfläche liegt, steht sie bei den Teilungsspindeln , die zur Entstehung einer Drüseneinheit führen, ebenso wie bei entsprechenden Stadien der Haarbildung, entweder senkrecht oder schräg zur Epidermisoberfläche. Die Zahl der zu einer Drüseneinheit gehörenden Zellen ist verschieden (Abb. 1-33-35), denn es kann entweder eine Teilung unterdrückt werden, sodass nicht 4, sondern 3 Zellen entstehen, oder es können während der Entwicklung Zellen degenerieren, so dass 3 oder nur 2 Zellen bei den Drüseneinheiten der Imago übrig bleiben (Abb. 1-30). Ein Beispiel für extreme Reduktion bis zu nur noch einer Zelle
31
wurde bisher noch nicht gefunden. Leider gibt es noch viel zu wenige Untersuchungen zur Morphogenese von Drüseneinheiten. Die Drüsenzelle ist die größte Zelle in einer solchen Zellgruppe. Ihre Produkte werden in Vesikel verpackt auf dem Wege der Exocytose ausgeschleust. Dies geschieht im Allgemeinen im apikalen Bereich der Zelle in einer durch ausgedehnte Mikrovilli gekennzeichneten Region. Der extrazelluläre Raum zwischen den Mikrovilli und oberhalb des Mikrovillisaums wird als Reservoir bezeichnet. Im Bereich des Reservoirs kann ein schwammartig aussehendes Material aus Epicuticula oder im anschließenden apikalen Bereich der Zelle ein Sammelkanal mit auffallender Perforation vorhanden sein, dessen Wandung aus Epicuticula besteht (Abb. 1-28). Neben der Drüsenzelle ist zumindest eine Kanaizelle vorhanden, die den ausleitenden Kanal bildet. Dieser ist ebenso wie bei der Drüsenzelle mit Epicuticula ausgekleidet. Unsicher ist, ob darunter eine sehr dünne Endocuticula vorhanden sein kann . Bisweilen sind in einer Drüseneinheit zwei Kanalzellen vorhanden. Zusätzlich kann in einer Drüseneinheit eine akzessorische Zelle vorkommen (früher auch Schaltzelle und neuerdings auch interkalierende Zelle genannt) (Abb. 1-28). Diese fungiert als weitere Dr üsenzelle, deren Sekrete die der Drüsenzelle ergänzen oder mit diesen in einer Aufweitung des ausleitenden Kanals oder im großen Drüsenreservoir reagieren. Die akzessorische Zelle wird von einem Teil des ausleitenden Kanals durchzogen, der an den Sammelkanal anschließt und dessen Wandung ebenso wie die des Kanals in der Kanalzelle nicht perforiert ist. An der apikalen Plasmamembran der akzessorischen Zelle fällt die starke Mikrovillibildung auf Hier findet die Ausschleusung der Sekrete auf dem Wege der Exocytose statt. In manchen Fällen kommen noch weitere Zellen vor, die bis zur Klärung ihrer Morphogenese und Funktion provisorisch als Hüllzellen bezeichnet werden sollten (Abb. 1-29). Basal liegen in den noch teilungsfähigen Drüseneinheiten 1-2, bisweilen sogar 3-5 Zellen, die in ihrem distalen Teil Basalkörper aufweisen und zur Zeit der Häutung distale Fortsätze ausbilden (Abb. 1-29, I-3D B). In diesen Fortsätzen entstehen cilienartige Strukturen, die eine 9x2+0-, seltener eine 9x2+2- oder eine 9x2+ 3-Konfiguration aufweisen. Daher hat man diese Zellen Cilienzellen und ihre distalen Ausläufer .Pseudocilien" oder "Pseudoflagellen" genannt. Ein basaler Fortsatz wurde bisher nicht gefunden, sodass es sich vermutlich nicht um Sinneszellen handelt. Während im Verlauf der Häutung die aus Epicuticula bestehende Auskleidung des Sammelkanals und des
32
1 Integument
Haar
--
Ausführgang
Sockel
Epidermiszelle
Epidermiszelle
Kanalzellen Hüllzelle
Hüllzelle
It-'\--'I. --
-j- ausleitender Kanal
~r+--\--t-
Sammelkanal
[Ht----tiH- Reserv oir + Mikrovilli Kanalzelle
Kanalzellen Kanalzellen
\\~:'c~=I=- Pseudocilien
Cil ienzelle
Reservoir - -- l -t--\-
- Drüsenzelle
Cilienzellen
B
c
~==~:::::==::::~:::~=:Lt./ Basa lla mi na
Abb. 1-29: Drüseneinheiten. A Habitus eines Vertreters der Zygentoma. B Schematisierte Darstellung einer haarähnlichen Drüseneinheit der Penisdrüse von Thermobia domestica (Zygentoma) während der Häutung. Neben der Drüsenzelle und 6 KanaIoder Hüllzellen sind 2 Cilienzellen vorhanden, die distal zu sog. Pseudocilien auswachsen. Letztere sind an der Bildung des Sammelkanals beteiligt und werden anschließend wieder zurückgebildet. Von den 6 Hüllzellen sind nur 2 Hüll- und 2 Kanalzellen in der Bildebene zu sehen. (Nach Bitsch 1990) C Schematisierte Darstellung einer Drüseneinheit des Receptaculum seminis von Thermobia domestica (Zygentoma) im ausgebildeten Zustand. Sie besteht aus einer Drüsen- und einer permanent vorhandenen Cilienzelle sowie 2 Kanal- oder Hüllzellen. (Nach Bitsch 1981)
ausleitenden Kanals abgestoßen wird, dehnen sich die distalen Forts ätze der Cilienzellen aus, schieben die Plamamembran der Düsenzelle vor sich her und gelangen schließlich bis in den apikalen Teil der Drüsenzelle (Abb. 1-30 C). Im Bereich des künftigen Reservoirs und Sammelkanals bildet die Drüsenzelle dann einen hohen Mikrovillisaum, während die Ausläufer der Cilienzellen den perforierten Sammelkanal liefern. Nach der Häutung werden die distalen Forts ätze der Cilienzellen wieder eingezogen. Die Cilienzellen verbleiben bei den Larvenstadien als unscheinbare kleine Zellen im basalen Bereich (Abb. 1-30). Da sie nach der Imaginalhäutung offenbar keine Funktion mehr erfüllt, degeneriert die Cilienzelle bei der Schabe Blaberus craniifer ebenso wie die Hüllzelle 1. Bei den .Apterygota", die sich während ihres gesamten Lebens häuten, sind Cilienzellen permanent vorhanden (Abb. 1-29).
1.5.4 Drüsenorgane Drü senorgane bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl von Drüseneinheiten. Es können bis zu 100 oder gar 5000 Einheiten vorhanden sein. Die Sekrete gelangen über die Kanäle der einzelnen Einheiten und einen gemeinsamen Sammelkanal nach außen (Abb. 1-31). In manchen Fällen kommen in den Drüsenorganen sowohl Gruppen gleichartiger Drüsenzellen als auch Drü seneinheiten nebeneinander vor, beispielsweise in den metathorakalen Abwehrdrüsen der Feuerwanze Pyr rhocoris apterus, in den Tergaldrüsen von Termiten der Gattung Kalotermes und in den Mycetangien genannten Aufbewahrungsorte für symbiontische Pilze im Thorax von Borkenkäfern der Gattung Dendroctonus.
1.5.5 Spinn- und Drüsenhaare Drüsen mit haarartigen Ausmündungen kommen anscheinend vorwiegend bei Insekten vor, die damit Fäden spinnen. Bei den Machilidae sind die Parameren, nicht
1.5 Hautdrüsen
33
Cuticula
2 3 Sammelkanal --+-~
Sammelkanal
-t-~
4
Abb. 1-30: Umbildung einer larvalen zu einer imaginalen Drüseneinheit während der Häutung zur Imago bei der Schabe
Blaberus craniifer. A Eine larvale Drüseneinheit enthält 4 Zellen. B Kurz vor der Häutung entwickelt die Cilienzelle (4) einen Fortsatz, der in die Drüsenzelle (3) eindringt. C Er bildet mit dieser gemeinsam den neuen ausführenden Kanal. 0 Der alte Kanal wird bei der Häutung abgestoßen, und der neue Kanal nimmt Verbindung mit der neuen Cuticula auf. Die Vorgänge B-D wiederholen sich bei jeder larvalen Häutung. E Nach der Imaginalhäutung degenerieren die Zellen 1 und 4 der Drüseneinheit und es verbleiben im Imaginalstadium nur die Kanalzelle (2) und die Drüsenzelle (3). (Nach Quennedey 1991)
aber der Penis, mit zahlreichen derartigen Drüsen versehen; der von diesen Drüsen gesponnene Faden wird mit Spermatropfen versehen. Die Männchen der Zygentoma besitzen solche Drüsen an der Penisspitze (Abb. 129 B) und setzen an dem von diesen Drüsen sezernierten Faden Spermatophoren ab. Bei den Embioptera sind Seidendrüsen in den vergrößerten Vordertarsen vorhanden, die über Haare ausmünden. Die Spinnraden werden zur Herstellung der Wohnröhren verwendet. Bei Drüsenhaaren ist die trichogene Zelle zu einer Drüsenzelle umfunktioniert, deren Sekret in das Haar-
lumen gelangt. Bei den Larven der Prozessionsspinner führt das Sekret aus den bei Berührung leicht abbrechenden sog. Spiegelhaaren zu starken Hautreizungen beim Menschen (s. 17.2.2.3,20.2.3). Die Männchen von Campodea chardardi (Diplura) weisen an den ersten abdominalen Sterniten Haargebilde auf, die stark an Sinneshaare erinnern (Abb. 1-32 B, C). Hier sind 2-5, meistens aber 3 Cilienzellen vorhanden, von denen während des Häutungsablaufs nur 2 distale Fortsätze ausbilden . Als Androconien bezeichnet man Duftschuppen bei Schmetterl ingen sowie leider auch die erstmals 1984 von
34
1 Integument
Alarm + Verteid igung
\ Pygidialdrüse (Funktion?)
Sacculuszelle Drüsenzelle
Mikrovilli I :I...= --
A
,\--
Sammel kanal
B Drüsenzellen
-
Pygidialdrüse
\ 9 akzess. Drüse d Subgenitaldrüse Coxa Lumen .-j~f-Wll,: der Furca
c o Abb. 1-31: Drüsenkomplexe und Funktion der Sekrete bei Wanzen (Hemiptera, Heteroptera). A Entwicklungsstadien
besitzen dorsal im Abdomen am Vorderrand des 4.-6. Tergits Drüsen, die je nach Drüse und Konzentration mehrere Funktionen ausüben können . Metathorakale Duftdrüsen fehlen den Entwicklungsstadien. (Nach Farine 1988, verändert) B Schematische Darstellung einer aus 3 Zellen bestehenden Drüseneinheit der Pygidialdrüse: Drüsen-, Sacculus- und Kanalzelle. Bei den Entwicklungsstadien sind etwa 40 Drüseneinheiten, bei Weibchen 180 und bei Männchen 150 Einheiten vorhanden. (Nach Farine 1987) CAusstattung der Imagines mitDrüsen . Diebei Männchen im Bereich der abdominalen Sternite 2-6 vorhandenen 3Typen von Drüsen sind nicht eingezeichnet; über 1000 Drüsen wurden pro mrrr' gezählt. (Nach Farine 1988, verändert) D Schematische Darstellung eines Schnitts durch den metathorakalen Duft- oder Stinkdrüsenkomplex einer Imago. Das Drüsensekret wird im Reservoir gespeichert und im Bereich der Metapleuren über die sog. Furca abgegeben. An der Mündung weist die Cuticula pilzförmige, hier nicht abgebildete Strukturen auf. die vermutlich die Verdunstung des Drüsensekrets beschleunigen. (Nach Schuhmacher 1971)
Carayon bei Wanzen der Familie Scutelleridae in Feldern auf den Sterniten vorkommenden, vermutl ich reduzierten Drüsenhaare (Abb. 1-32 D).
1.5.6 Verbreitung Die Variabilität und Anordnung von Hautdrüsen in Form von art- und geschlechtsspezifischen Mustern ist bisher kaum erforscht. Ein Beispiel für die hohe Dichte der Drüsen, ihre regionalen Verschie-
denheiten , die unterschiedliche Ausstattung mit Drüsen bei Männchen und Weibchen sowie die evolutiven Tendenzen parallel zu besonderen Verhaltensweisen wurden systematisch an mehr als hundert Arten koprophager Käfer aus der Familie Scarabaeidae untersucht (Abb. 1-33). Die mit Cuticula ausgekleideten Ausführgänge dieser Drüsen eignen sich für derartige Untersuchungen, weil sie auch bei getrocknetem Museumsmaterial nach Mazeration und Aufbellung analysiert werden können . Stets ist bei den Scarabaeidae ein zweigeteilter Sammelkanal und ein einfacher ausführen-
1.5 Hautdrüsen
35
Sekret ,---
""""........-
Epi.
Exo-
__ Endocuticula
- Epidermis
1I/11 / t--
-
-
- I-
ausfeitender Kanal
Drüsenzelle
B
D
Abb. 1·32: A Habitus von Campodea. B, C Eine Kombination von Drüsen- und Sinneshaar kommt auf dem 1. abdominalen Sternit der Männchen von Campodea chardardi (Diplura) vor. B Schematische Darstellung eines Längsschnitts durch den Zellkomplex zwischen zwei Häutungen und C kurz vor derHäutung (Ecdysis). Der Tubularkörper im distalen Fortsatz einer Cilienzelle deutet auf die Fähigkeit zur Mechanorezeption hin, die Lymphräume und der terminale Porus aufdie Möglichkeit der Chemorezeption. Die zu erwartenden basalen Fortsätze beider Cilienzellen wurden bisher noch nicht gefunden. (B, C nach Jaquemin und Bareth 1981) D Androconium einer Wanze. Bei den Männchen von Scutelleridae (Heteroptera, Hemiptera) kommen aufder Ventralseite Flächen mit einem besonderen Drüsentyp vor. Die einzelligen Drüsen produzieren ein keulenförmiges Sekret, das anscheinend als Sexualpheromon fungiert und vermutlich nur bei Kontakt wahrgenommen werden kann. (Nach Carayon 1984)
der Kanal vorhanden. Der zunehmenden Dichte der Drüsen und der Komplexität ihres Baus entspricht ein komplizierter werdendes Verhalten bei der Brutpflege. Die Drüsen produzieren Pheromone, mit denen das Männchen sein Weibchen anlockt und markiert, mit denen Männchen oder Weibchen den von ihnen hergestellten Kotballen kennzeichnen usw. Außerdem wurde ein Sekret nachgewiesen, das auf Calliphora-Larven abschreckend wirkt.
1.5.7 Wachsdrüsen Die Produktion größerer Mengen besonderer wachsartiger Substanzen, unabhängig von der Bildung der cuticularen Lipidschichten, erfolgt mithilfe spezialisierter Drüsen und kommt bei vielen Insekten vor. Die Bezeichnung Wachs kann hier nicht im chemischen Sinne gebraucht werden, denn es handelt sich nicht um eine bestimmte
36
1 Integument
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Sammelkanal ".
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verstreut vorkommende Drüseneinheiten
"... männliche Sternaldrüsen ••• weibliche Sternaldrüsen "r:::: männliche Sternaldrüsen mit atypischen ausführenden Kanälen
Abb. 1-33: Evolutive Tendenzen in der Ausgestaltung von ausführenden Drüsenkanälen und der Anordnung von Drüsen auf den Stemiten von Scarabaeidae (Nach Pluot-Sigwalt 1991, verändert). In A-D sind lediglich die mit Cuticula ausgekleideten Sammelkanäle und ausführenden Kanäle gezeichnet. A Trend zu dichterer Anordnung und zunehmender Differenzierung der Drüsenkanäle. B Bei Männchen und Weibchen besteht eine Tendenz zur Bündelung und Vergrößerung von Drüsenzellen. Hier sind nur die ausführenden Kanäle dargestellt. C Die Pygidialdrüsen haben ursprünglich nur ein kleines Reservoir. D Bei den Gattungen Anachalcos, Gyronotus und Megathaposoma werden die Sekrete der Pygidialdrüsen in Sammelkanäle oder direkt in das Reservoir abgegeben. E-H Unterschiedliche Vorkommen von Drüsen an den abdominalen Sterniten der Männchen und Weibchen von E Capris interioris, F Paraphytus sancyi, G Phaenaeus quadridens, H Ontherus digitatus. Die Drüsensekrete dienen u.a. zur Markierung des Weibchens und des eigenen Kotballens.
Verbindung, sondern um ein bei den einzelnen systematischen Gruppen und Arten sehr unterschiedlich zus ammengesetztes Gemisch, in dem langkettige Kohlenwasserstoffe (Paraffine), Fettsäuren, Alkohole, echte Wachse, Harze, Proteine und Aminosäuren enthalten sein können .
Wachsdrüsen sind einzellige Gebilde oder aus gleichartigen Zellen aufgebaute Drüsenpolster oder Drüseneinheiten . Sie kommen vor bei Larven einiger Coleoptera, u. a. Coccinellidae, den Larven mancher Hymenoptera, insbesondere Blattwespen, den Imagines der Aculeata unter den Hyme-
1.5 Hautdrüsen
37
A
- Wachs i ~P·!ll1'I__-
-
Cuticula Epidermis ausführender Kanal Kanalzelle
modifizierte Cuticula
laterale Zelle
DrüsenzeIle
Abb. 1-34: Wachsdrüsen von Schildläusen. A Ventralansicht einer Schildlaus, in der die Verteilung von Wachsdrüsen eingetragen ist. (Nach Foldi 1991) Von insgesamt 5 ist nur die Feinstruktur der beiden am häufigsten vorkommenden Typen schematisch dargeste llt: B Wa chsdrüse mit mehreren bis vielen gleicha rtigen Drüsenzellen, ohne ausführenden Kanal; darüber Porenplatte in Aufsicht gezeichnet; CWachsdrüse mit einer Drüsenzelle, lateralen Zellen, einer Kanalzelle mit ausführendem Kanal. (8·( nach Waku und Foldi 1984)
nopteren sowie den Larven einiger Lepidoptera. Die überwinternden Puppen mancher Schmetterlinge werden mit einem auffallenden Wachsbelag überzogen. In besonders vielseitiger Fo rm und Fu nktion kommen Wachsd rü sen bei Homoptera vor, insbeso ndere bei den Schildläusen (Coccina). Ihr e Wachsabscheidungen können schmierig, fadenför mig ode r wollartig sein, und sie können als Str än ge, Bünd el von Röhren usw. abgegeben werd en. Unter den Blattläusen produ zieren viele Arten fädiges Wachs, teilweise in betr ächtli cher Menge. Das gilt nicht nur für freilebende Arten wie beispielsweise die Buchenlau s Phyllaphisfagi und die Blutlau s Eriosoma lanugino-
sum (Abb.25-31), so nde rn a uch für Gallbild ner wie Adelgidae (Abb. 25-32) und Pemphigidae (Abb. 25-33). Eine Psyllide, Anomoneura mori verfügt nur über gleichartige, langgestre ckt e D rüsenzellen mit glatte m ER , die das zu fast 94 % a us Lacceryllaccerat bestehend e Wachs übe r rosette nar tig angeordne te Ca naliculi ausschleusen. Bei den Imagines der AIeyrodidae (A bb. 25-35) sind im ventra len Bereich der ersten Abdo mina lsegmente Drü senpl att en vor ha nden, über die ein weißes Wachs abgegeben wird, das mithilfe der Hinterb eine a uf dem gesamten Körper einschließlich der Flügel verteilt wird .
Bei den Schildläu sen oder Coccina kommen bis zu 5 verschiedene Typen von Wachsdrüsen vor, die
38
1 Integument
Drüseneinheiten (s.o.) darstellen. Sie unterscheiden sich in der Zahl und Art der beteiligten Zellen und in den sekretausführenden Einrichtungen. Letztere ermöglichen vielfach durch ihre Ausgesta ltung eine unterschiedliche Ausformung de s sezernierten Wachses zu Fäden, Strän gen , Bändern, Röhren usw. Bisweilen kann aber auch, bedingt durch die chemische Zusammen setzung, ein amorphe s Sekret en tstehen, beispiel sweise bei Coccus hesperidum. Allen Drüsenzellen die ser Wachsdrüsen fehlt ein basales Labyrinth und eine Innervierung. Anscheinend wird ihre Sekretion hormonal gesteuert. • Wachsdrüsen ohne Au sführgang (Abb. 1-34 B) sind am weitesten verbreitet. Sie bestehen aus 4-40 gleichartigen Drüsenzellen mit stark entwickeltem glatten ER und einem umfangreichen gemeinsamen Reservoir. Sie besitzen eine Porenplatte mit Öffnungen, deren Durchmesser 0,4-0,8 um beträgt. Auf ihrer Innenseite befindet sich eine lockere, 0,8-3 um dicke modifizierte Cuticula, die aus Epi- und Endocuticula besteht. Bei den Margarodidae ist lediglich dieser Drüsentyp vo rha nden . • Wachsdrüsen in Form einer Drüseneinheit sind ebenfalls weit verbreitet (A bb. 1-34 C). Sie besitzen zwei Typen von Drüsenzellen: Eine zentrale Drüsenzelle mit au sgeprägtem rauen ER hat ein Reservoir und einen kurzen Sammelkanal. Der von einer Kanalzelle gebildete ausführende Kanal ist vo n einem Kranz aus 4-18 sog . lateralen Drüsenzellen umgeben, die ein stark entwickeltes glattes ER a ufweisen. Histochemische Nachweise ergaben, dass die Sekrete der zentralen Zelle Glykoproteine enthalten, während die der lateralen Zellen aus Kohlenwasserstoffen und Lipiden bestehen. Die Sekrete der lateralen Zellen müssen eine modifizierte Cuticula passieren, bevor sie mit den Produkten der zentralen Drüsenzelle im ausführenden Kanal zusammentreffen (Abb. 1-34 C). Dieser Drüsen typ kommt u. a . bei Coccus hesperidum sowie Arten der Gattungen Orthezia, Asterolecanium und Icerya vor. • Gekoppelte Wachsdrüsen bestehen ebenfalls aus einer zentralen Zelle und einer unterschiedlichen Zahl lateraler Zellen. Ihre Sekrete werden aber nicht im ausführenden Kanal vermischt, sondern gelangen unabhängig voneinander auf die Cuticulaoberfläche.
vor. Die Vielfalt der Drüsen wird in der Taxonomie genutzt. Die vielfachin beträchtlicher Menge ausgeschiedenen Wachse können mehrere Funktionen erfüllen. Sie können dem Schutz der sessilen Schildläuse gegenüber Feinden und Parasiten dienen. In manchen Fällen wirken Komponenten dieser Wachse aber auch anlockend auf Parasitoide. Als hydrophobe Substanzen sollen die Wachse bei der Regulation des Wasserhaushalts mitwirken. In Form des sog. Eisacks schützen sie die Nachkommenschaft (Abb. 25-33). Früher hatten die harzigen Abscheidungen der zu den Schildläusen gehörenden Kerria (Ta chardia) laeea wirtschaftliche Bedeutung, da sie das Ausgangsmaterial für die Gewinnung von Schellack sezernieren. Die Tiere hüllen sich, dicht bei dicht auf Zweigen sitzend, in eine dicke Lackschicht, die lediglich Öffnungen für Mundwerkzeuge, After und Stigmen aufweist. Die Abscheidungen enthalten 76% Harz und 5% Wachs. Sie werden gereinigt und zur Herstellung von Lacken, Siegeln usw. verwendet. Allenfalls lokale Bedeutung hat noch die Wachsgewinnung aus Schildläusen in China (Ericerus pela) und Japan sowie Mittel- und Südamerika (C eroplastes-Arten ). Diese Wachse dienen zur Herstellung von Kerzen.
Zwei weitere Typen kommen selten vor. Die Morphogenese der Wachsdrüsen ist noch vollkommen unbekannt. In der Evolution der Wachsdrüsen bei den Coccina sind zwei Trends zu erkennen: Die Zahl der Drüsen, die bei den als ursprünglich angesehenen Margarodidae zu Tausenden vorhanden sind, wird bei den Diaspididae auf Hunderte verringert. Die Zahl der Drüsentypen nimmt in der Evolution zu. Während die Margarodidae nur den I. Typ aufweisen, kommen bei den Coccidae alle 5 Typen
Bienenwachs sieht ursprünglich weiß aus, verfärbt sich aber in den Waben über Gelb bis Braun. Beiden meisten Apidae wird das reine Wachs für den Wabenbau verwendet, bei den Meliponinen, den stachellosen Bienen, wird es dagegen fast zur Hälfte mit Harz, Gummi, Holzmulm, Mist von Pflanzenfressern oder Lehm vermischt und verarbeitet. Das Wachs der Honigbiene enthält 13-17 % Kohlenwasserstoffe, 31-35 % Monoester, 10-14 % Diester, 7-10 % saure Monoester sowie geringe Mengen Hydroxymonoester, Hydroxypolyester, freie pri-
Die Wachsdrüsen der Honigbiene, Apis mellifera, sind in Form von Polstern jederseits auf den ab dominalen Sterniten 3-6 angeordnet (A bb. 1-35). Sie münden auf unbehaarten, spiegelglatt erscheinenden Flächen, die daher Wachsspiegel gen annt werden. Die einfachen, einheitlich gebauten Drüsenzellen enthalten lediglich rER, nicht aber das bei anderen Wachsdrüsen übliche sER . Nach den Ergebnissen radioaktiver Markierung könnten diese Drüsenzellen nur eine Durchgangsstation für die in den Oenocyten synthetisierten Kohlenwasser stoffe und Fettsäuren sowie die im Fettkörper gebildeten Ester sein . Die Drüsenzellen sind in der Zeit vom 10.-20 . Tag nach dem Schlüpfen, während die Tiere als Baubiene tätig sind , vor allem während der intensiven Bautätigkeit von AprilJuni besonders stark entwickelt. D as Drüsenepithel erreicht während dieser Zeit eine Höhe von etwa 100 um. Das sezernierte Wachs wird von der Biene mit den Metatarsen abgestreift, von Bein zu Bein nach vorn gereicht und schließlich von den spateifö rmigen Mandibeln zum Bau der Waben übernommen. Bei den Sammlerinnen wird das Epithel auf eine Höhe von etwa 10 um reduziert und die Wachsproduktion hört auf.
1.5 Hautdrüsen
39
A
B
Abb. 1-35:Wachsdrüsen der Honigbiene Apis mellifera. A Übersicht. (Nach v. Frisch 1953) B Sagittalschnitt durch ein Wachsdrüsenpolster. CVentralansicht der 6 abdominalen Sternite. 4 weisen Wachsdrüsenmündungen auf den hellen, unbehaarten Flächen, den sog. Wachsspiegeln, auf. (B, C nach Dreyling 1906)
c
"
Cuticula
1.
märe Alkohole und Diole. Bienenwachs hat immer noch wirtschaftliche Bedeutun g. Es dient zur Herstellung von Kerzen, Polituren usw.. Im Vorderen Orient soll die Hon igbiene bereits im 7. Jahrt au send v. Chr. zur Wachsund Honiggewinnung domestiziert worden sein.
1.5.8 Haftsekrete Lange schlauchförmige Drü senzellen liefern bei den Hafth aaren an den Tar sen der Männ chen des Gelbrandkäfers Dytiscus marginalis ein Haftsekret. Im Tarsus verschiedener Insekten sind Drü sen nachgewiesen worden, die ein lipidhaltiges Haftsekret produ zieren, das über ein Rinn ensystem auf den feinen unechten Haaren an der Unterseite der Haftlappen (Pulvillen) verteilt wird (Abb. 1-14) und das Lau fen auf glatten Flächen ermöglicht. Die Larven der Kriebelmücken (Simuliidae) sezernieren zum zeitweiligen Anheften bei Wand erun gen und zum dauerhaften Anh eften während der Nahrungsaufnahm e unter schiedliche Haft sekrete a us umfangreichen Drü sen.
1.5.9 Milchdrüsen Bei viviparen Fliegen (Glo ssinidae und Pupipara) entwickelt sich jeweils eine Larve in einer aufgeweiteten Partie des Oviduktes, des sog. Uterus (Abb. 1-36). Am besten sind bisher Tsetsefliegen der Ga tt ung Glossina und die Schaflausfliege M elophagus ovinus untersucht. Die Larve wird mit dem Sekret paari ger, sta rk modifizierter akzessor ischer Drüs en, der Milchdr üsen, ernä hrt. Diese münd en direkt vor der Mund öffnung der Larve in den Uterus. Die a usgewachsene Larve wird von der Tsetsefliege auf feuchtem Boden abgelegt, bohrt sich in diesen ein und beginnt bereits innerha lb einer Stunde mit der Tönnchenbildung. Die Schaflausfliege lebt stä ndig auf dem Wirt und verpuppt sich in der Schafwolle. Die Milchdrü se besteht aus einem Epithel aus Epidermiszellen, die eine dünne Cuticula aufweisen, und aus Dr üsenzellen, die da s Sekret liefern (Abb. 1-36). Die großen Drüsenzellen sind gegen die Hämolymph e durch eine Basallamina abgegrenzt. Sie enth alten vor allem ein ausgedehntes ra ues ER und zahlreiche Mitochond rien sowie eine Fülle von Lipid enth altenden Vesikeln. Da s auffallende Reservoir ist bei der Tsetsefliege einheitlich, bei der Schaflausfliege gegabelt. Der Kern der Drü senzelle liegt entweder basal oder zwischen den Ga beln des Reservoirs. Am Ausgang des Reservoirs befindet sich ein
40
1 Integument
Hämolymphe
Basallamina
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cuticula res Geflecht
Epiderm iszelle ausführender Kanal
Abb. '-36: "Milchdrüsen" bei viviparen Dipteren. A Innere Geschlechtsorgane eines trächtigen Weibchens der Tsetsefliege
Glossina morsitans. Das Ovar besteht nur aus zwei Ovariolen. Der Ovidukt weitet sich zu einem umfangreichen, mit Cuticula versehenen "Uterus" , in dem sich jeweils eine Larve bis zur 3. Larve entwickelt. Sie ernährt sich vom Sekret der akzessorischen Drüsen, der "Milchdrüsen", die nahe der Mundöffnung der Larve münden. (Nach Greven 1994) BTsetsefliege bei der Geburt einer Larve, die sich 1-2 Stunden später verpuppt. CSchematische Darstellung einer Drüsenzelle aus der "Milchdrüse" des Weibchens der Schaflausfliege Melophagus ovinus. (Nach Lenoble und Denlinger 1982)
cuticulares Geflecht, über das die Sekrete in den Ausführgang gelangen. Dieser enthält massenhaft Gramnegative Bakterien, deren Bedeutung noch unklar ist. Vermutlich handelt es sich um Symbionten . Die " Milch" ist reich an Lipiden und kleineren Proteinen, enthält aber weder Glykogen noch Mucopolysaccharide . Zur Zeit der Larvenablage hört die Milchproduktion auf. Innerhalb von 3 Stunden nach der Larvenablage findet, ausgehend von Lysosomen in der Nähe der Golgifelder, eine rasche Autolyse des größten Teils des rER statt . Die Zelle ist in diesem Stadium von Autophagosomen und Restkörper erfüllt, während Sekret enthaltende Vesikel verschwunden sind. Erst wenn im Uterus die Larve der nächsten Generation geschlüpft ist. wird der Sekretionsmechanismus, ausgehend von einem in der Mitte der Drüsenzelle noch vorhandenen Rest des rER, erneut in Gang gesetzt.
1.6 Kopfdrüsen 1.6.1 Frontal-, Antennen-, Mandibel-, Pharynx- und Maxillardrüsen Im Kopfbereich sind mehrere Drüsen vorhanden. Die Frontaldrüse mündet bei den Soldaten (Nasuti) mancher Termiten an der Spitze eines lang ausgezogenen, unpaaren Fortsatzes. Sie produziert ein Sekret, mit dem der Gegener beschmiert und kampfunfähig gemacht werden kann. Bei Ameisen kommt eine paarige Antennendrüse vor. Eine Mandibeldrüse, die an der Basis der Mandibel mündet, besitzen die meisten Larven der Trichoptera und Lepidoptera sowie die Imagines von Collembola, Mantodea, Isoptera, Coleoptera, Hymenoptera und Neuroptera. Sie ist bei den Larven der Lepi-
1.6 Kopfdrüsen
doptera besonders groß und fungiert als Speicheldrüse, fehlt aber den Imagines. Bei der Honigbiene ist diese Drüse bei der Königin wesentlich stärker entwickelt als bei den Arbeiterinnen oder gar bei den Drohnen. Sie sezerniert bei der Königin Pheromone, die sog. Königinnensubstanz (s. Kap. 14). Die Hymenoptera, insbesondere die Arbeiterinnen der Honigbienen, verfügen außerdem über eine umfangreiche, paarige und mit paarigen Ausführgängen mündende Pharynx- oder Futtersaftdrüse (Abb. 1-35A), die bei der Aufzucht der Larven eine wichtige Rolle spielt und während des Lebensablaufs einer Arbeiterin verschieden stark entwickelt ist. Sie ist bei der Königin nur klein und fehlt den Drohnen vollkommen. Seltener kommt eine Maxillardrüse vor, beispielsweise bei Collembolen , Ichneumoniden und Larven der Neuroptera und Trichoptera. Beim Ameisenlöwen dient ihr Sekret zum Töten der Beute.
1.6.2 Labialdrüsen Die Labialdrüsen sind paarig, besitzen aber einen unpaaren Ausführgang. Sie münden ursprünglich in der Falte zwischen Hypopharynx und Labium, sekundär aber auf einem der beiden. In den meisten Fällen sind sie traubenförmig, bei den Larven der Lepidoptera, Diptera und Siphonaptera aber schlauchförmig. Die Larven der Nematocera besitzen häufig, die der Orthorrhapha seltener und die der Cyclorrhapha gar keine Labialdrüsen. Die Labialdrüsen können beträchtliche Längen erreichen und untergliedert sein. Bei den Imagines der Hemipteren, Neuropteren und Dipteren können sie im unpaaren Abschnitt nahe dem Mündungsbereich mit einer Speichelpumpe versehen sein. Sofern sie bei den Larven vorhanden sind, werden sie bei den Siphonaptera, Diptera, Hymenoptera (Aculeata), den Trichoptera und Lepidoptera während der Metamorphose entweder abgebaut oder hinsichtlich ihrer Funktion verändert. Die Labialdrüsen der Honigbiene sind zweigeteilt, sie bestehen jeweils aus einer " Hinterkopf-" und einer .T horaxdrüse" . Eine stärkere Aufgliederung in mehrere Loben kommt bei den Wanzen und Stechmücken (Culicidae) vor. Labialdrüsen fehlen bei räuberischen Käfern mit extraintestinaler Verdauung (Carabidae, Staphylinidae, Dytiscidae) und bei den Larven der Lamellicornia. Speicheldrüsen sind entweder aus kugelförmigen Einheiten (Aeini) (lat. acinus: die Weintraube) zusammengesetzt, die traubenförmig angeordnet sind (Abb. 1-37 A, B), oder es sind mehr oder weniger lange Schläuche (Abb. 1-37 C, D). In diesen Schläuchen, die einem langgestreckten Acinus entsprechen, sind die Zellen konzentrisch um ei-
41
nen mit perforierter Cuticula ausgekleideten Sammelkanal angeordnet. Die Schläuche können untergliedert sein oder morphologisch und funktionell verschiedene Bereiche aufweisen (Abb. 1-37 C-E). Morphologisch kann man 4 Zelltypen unterscheiden, die alle mit einer Basallamina ausgestattet sind: • Sekretzellen (Zentralzellen), die einen Sekretionszyklus durchlaufen. Zunächst kommt es zu einer auffallenden Vermehrung des rER. Anschließend entstehen auf Kosten der Ausdehnung des rER immer mehr, in der Größe zunehmende und Sekret enthaltende Vesikel. Nach deren Abgabe auf dem Wege einer Exocytose beginnt der Zyklus erneut tAit der Vermehrung des rER (Abb. 1-37 B). • Parietalzellen (periphere Zellen) fallen durch eine bei manchen Arten verzweigte Einstülpung auf, die mit langen Mikrovilli versehen ist (Abb. 1-37 B). Sie entspricht aber nur scheinbar dem Reservoir einer Drüsenzelle, denn im Plasma der Parietalzellen sind massenhaft Mitochondrien, nicht aber Sekret speichernde Vesikel vorhanden. Ein ausgeprägtes basales Labyrinth zeigt an, dass es sich um Transportzellen handelt, die für die Regulierung des Wasser- und Ionenhaushalts zuständig sind. • Bis in den Bereich eines Acinus reichen am Beginn eines Sammelkanals sezernierende Kanalzellen (Abb. 1-37 B). Sie liefern Schleimstoffe und fallen bei manchen Arten durch einen hohen Gehalt an Tryptophan auf. • Die Zellen im weiteren Verlauf der Sammelkanäle sezernieren keine Sekrete, sondern sind Transportzellen voller Mitochondrien (Abb. 137 B). Ihr stark entwickeltes basales Labyrinth lässt vermuten , dass sie den Wasser- und Ionengehalt der Sekrete regeln. Über die miteinander verbundenen Sammelgänge gelangen die Sekrete entweder direkt in den unpaaren Sammelgang, oder sie werden in einem blasenförmigen Speichelreservoir zwischengelagert (Abb. 1-37 A). Die Steuerung der Sekretion des Speichels erfolgt bei den Insekten entweder neuronal oder hormonal oder durch beide Mechanismen. Beides kommt bei den Schaben und Stechmücken vor, während bei Fliegen eine Innervierung fehlt. Bei Schaben und Heuschrecken erfolgt die Nervenversorgung durch das stomatogastrische Nervensystem und außerdem vom Unterschlundganglion aus. Die Auslösung der Speichelsekretion erfolgt bei Fliegen durch 5-Hydroxytryptamin und AMP. Primär sind die Labialdrüsen Speicheldrüsen, deren Sekrete dem Herauslösen von Bestandteilen der Nahrung sowie dem teilweisen enzymatischen
42
1 Integument
A
Parietalzelle
B
sezernierende Kanalzelle entleerte
Sekretzelle
-----~ .. . .. - - r - --
nicht~ C
sezernierende Kanalzelle
Sekretzellen ?
1
AMP
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Rückresorpt ion
5·HT
!
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Na' K'
E
Rückresorpt ion I
unpaarer Ausführgang
~~
.----===~:Speichel '----- - - - - -
'-------------
Sekretion
D
Abb. 1·37: Speicheldrüsen. A Speicheldrüse einer Körperseite der Schabe Periplaneta americana mittraubenförmigen sog. Acini und einem Reservoir. (Nach Day 1951) B Schematische Darstellung der Feinstruktur eines Acinus der Schabe Nauphoeta cinerea. (Nach Bland und House 1971) C Aufsicht auf die schlauchförmige, gegliederte Speicheldrüse eines Weibehens der Stechmücke Anopheles stephensi. Die Sekretionsorte von drei funktionell wichtigen Proteinen sind angegeben. 0 Lage der Speicheldrüsen einer Fliege Calliphora erythrocephala. Es istnur eine der beiden außerordentlich langen, schlauchförmigen Speicheldrüsen eingezeichnet. Beide vereinigen sich zu einem unpaaren Ausführgang, der zum Labellum mit seinem Speichelverteilungsapparat führt (Abb. 2532-4). E Schematisierte und stark verkürzte Darstellung der strukturellen und funktionellen Besonderheiten von Abschnitten des sezernierenden und des rückresorbierenden Teils der Speicheldrüse. (Nach Oschman und Berridge 1970)
1.6 Kopfdrüsen
Aufschluss dienen (s. Kap. 4). Der Bestand an Enzymen entspricht der Art der Nahrung. Im Allgemeinen sind Amylasen und Invertasen vorhanden. Außerdem können aber auch Proteasen und Lipasen vorkommen. Bei der Schabe Periplaneta americana produzieren die Labialdrüsen den größten Teil der im Darm vorhandenen Amylase. Ptlanzensaft saugende Wanzen und Homoptera erzeugen in bestimmten Teilen ihrer in Loben aufgegliederten Speicheldrüsen zwei Sorten Sekret. Die eine, ein Lipoprotein, wird zunächst auf die zum Einstich vorgesehene Stelle abgesetzt und geliert an der Luft. Während das Stechborstenbündelüber diesen Pfropf in das Pfanzengewebeeindringt, wird zunächst kein weiteres Sekret abgegeben. Erst nachdem die Stilette ein Stück zurückgezogen sind, werden der Stichkanal wie auch benachbarte Hohlräume mit der gelierenden Speichelkomponente angefüllt. Der so entstehende verlängerte Nahrungskanal soll vermutlich verhindern, dass der anschließend abgegebenewässrigeSpeichel sowieaustretender Pflanzensaft im Pflanzengewebe versickert. Nach der Verfestigung des Gels wird dieses von den Stechborsten durchstochen. Dieser Wechsel erfolgt so lange, bis ein Leitbündel erreicht ist und der unter Druck stehende Pflanzensaft über den Nahrungskanal der Stilette in den Darm strömt (Abb. 4-2, 4-3; 25-29). Unter den Blattläusen gibt es Arten, deren wässrigerSpeichel Pectinaseenthält, sodass das Stechborstenbündel zwischen den Pflanzenzellen nach Auflösung der pektinhaItigen MitteIlamelIe die Zellwand passiert. Im Speichel von Arten, deren Stechborsten die Zellendurchstechen, kann Pectinaseim Speichel vorhanden sein oder fehlen. Als Reaktion auf die Einstiche versuchen die Pflanzen, die Siebplatten im Röhrensystem des Phloems durch Callose zu verschließen. Vermutlich wechseln Blattläuse deshalb immer wieder die Saugstelle. Schildläuse als weitgehend sedentäre Phloemsauger haben anscheinend Gegenmaßnahmen entwickelt. Die im Speichel von Pflanzensaugern nachgewiesenen Phenolasen stören wahrscheinlich die Gegenreaktionen der Pflanzen. Blutsauger wie Läuse (s. 20.3.2) und Stechmücken haben stark gegliederte Speicheldrüsen. Bei den Stechmücken sind sie in zwei laterale und einen medianen, schlauchförmigen Anteil gegliedert (Abb. 1-37 C), die bis in den Thorax reichen. In den verengten Partien sind nicht sezernierende Zellen mit typischem Transportepithel vorhanden, die vermutlich den Wassergehalt der Speichelkomponenten regeln. In den einzelnen Abschnitten mit Drüsenzellen, deren Chromosomen nicht polytän sind, werden verschiedene Sekrete produziert. Die Speicheldrüsen der Weibchen der Gelbfiebermücke Aedes aegypti enthalten etwa 20 Polypeptide . Über deren funktionelle Bedeutung ist nur wenig bekannt. Amylase, Trypsin, Chymotrypsein und Lipasen sind nicht vorhanden. In Abb. 1-37 C ist eingetragen, in welchen Abschnitten a-Glucosidase, eine bakteriolytisch wirksame Substanz, die dem Lysozym entspricht, sowie Apyrase gebildet wird. Durch Apyrase werden ATP und ADP zu
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AMP und anorganischem Phosphat hydrolysiert. Auf diese Weise verhindert die Mücke, dass die nach Läsion eines Blutgefäßes in Sekundenschnelle einsetzende, durch ADP ausgelöste Bildung eines Verschlusspfropfes durch Aggregation von Thrombocyten sowie eine Gefäßverengung eintreten. Außerdem sind im Speichel Antigene nachgewiesen, die für die Auslösung einer Überempfindlichkeit gegenüber Stichen sowie für die verschiedenen Stichreaktionen (s. 21.1) verantwortlich sind.
1.6.3 Labialdrüsen als Spinn- und Seidendrüsen Drüsen zur Bildung von seidenartigen Fäden wurden mehrfach im Laufe der Phylogenie der Insekten entwickelt und gingen meistens aus Labialdrüsen hervor. Die Spinnfäden dienen zur Herstellung von Wohngespinsten bei manchen Saltatoria und Hymenoptera, von Schutznetzen bei den Copeognatha, von Larvenköchern und Wohngespinsten bei den Larven vieler Lepidoptera (Abb. 25-63 u . 64) sowie zum Bau von Larvenköchern und Fanggespinsten bei den Trichoptera (Abb. 25-56). Die Larve der in Neuseeland an der Decke von Höhlen lebenden Bolithophila (Arachnocampa) luminosa (Diptera) sezerniert aus den Labialdrüsen klebrige Fangfäden (s. 18.1). Am bekanntesten sind die aus Seidenfäden gesponnenen Puppenkokons der Hymenoptera, vieler Coleoptera, der Planipennia, Mecoptera, Trichoptera, Lepidoptera und Siphonaptera. Spinnfäden werden entweder in reiner Form oder vermischt mit Fremdkörpern aus der Umgebung zum Bau von Wohnröhren oder Kokons verwendet: beispielsweise nutzen hierfür Köcherfliegenlarven Sandkörner, Schneckenschalen und Pflanzenteile (Abb. 25-56), Larven von Sackträgermotten (Abb. 25-63) und Flöhen (s. 25.32) SchmutzpartikeI. Seidendrüsen sind langgestreckte, paarige ektodermale Einstülpungen, an denen die Dr üsenzellen im Allgemeinen einschichtig, bei manchen Arten aber auch mehrschichtig angeordnet sind. Ein unpaarer aus leitender Abschnitt kann mit zusätzlichen paarigen Drüsen (Lyonnets oder Filippis Drüsen) sowie mit Muskulatur versehen sein . Er mündet in einer unpaaren Spinndüse auf dem Labium (Abb. 25-61 C) . Bei den Symphyta (Hymenoptera) gelangt das Sekret der einzeln oder in Gruppen zu 2-4 angeordneten Drüsenzellen über einen ausführenden Kanal in den langen gemeinsamen, mehrfach aufgetriebenen Ausführgang. Das Sekret, aus dem die Spinnfäden von Insekten vorwiegend bestehen, ist chemisch nicht
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1 Integument
c
B
A
und Hymenopt era (Symphyta und Braconidae) nachgewiesen. • Kollagen- und Polyglycinfasern können einen Glycin-Anteil von 34-66% aufweisen, während der für Kollagen so typische Prolingehalt unerwartet bei etwa 10% liegt. Beide Form en und der Fibrointyp kommen bei Blattwespen vor, bisweilen zwei davon bei einer Ar t. • Die a-Helix-Proteine sind dur ch einen hoh en Gehalt an Glutaminsäure und einen geringen Gehalt an Glycin gekennzeichnet. Sie kommen im Eikokon der Gott esan beterin und im Puppenkokon von Flöhen vor. • Cuticulinfasern enthalten Kohlenwasserstoffe mit Diamino- und Dicarboxy-Gruppen . Sie wurden im kompliziert gebauten Puppenkokon von Chrysopa (Planipennia) nachgewiesen.
Spinndüse <, Filippisehe Drüse
vordere mittlere
hintere Spinndrüse
o
t------i lern
E Abb.1-38: Seidendrüsen bei larven von lepidoptera und Trichoptera. A-C Vergleich der Ausdehnung und Form eines Drüsenschlauches von Schmetterlingslarven. A KI. Kohl weißling Pieris rapae, B Gr. Kohlweißling Pieris brassicae, C Antheraea yamamai. 0 Schematische Darstellung der Seidendrüse des Seidenspinners Bambyx mari. (Nach Akai 1976) E Schematische Da rstellung der Lage und Ausdehnung der Seidendrüse einer Köcherfliegen larve Pycnapsyche guttifer. (Kombiniert nach Engster 1976)
einheitlich. Es hand elt sich um Faserproteine. Ihre Aminosäurezus ammensetzung, die stets wiederkehrende Gruppierungen aufweist, bestimmt die molekulare Konfiguration. Sehr wesentlich ist dabei der unt erschiedlich hohe Glycinanteil. Man kan n mindestens 4 verschiedene Typen unt erscheiden: • Seidenfibroine, wie sie bei den Seidenspinnern Bombyx mori und Antheraea pernyi vorkommen, sind durch einen hohen Geh alt an Serin, Glycin und Alanin sowie eine ß-Faltbl att struktur gekennzeichnet. Sie wurden nicht nur bei Lar ven der Lepidoptera, sondern auch bei Trichoptera
Die Drüsenzellen der Seidendrüsen von Bomhyx mori sind bisher hinsichtl ich ihrer Feinstruktur, genetischen Aspekt e, der chemischen Zusammensetzung der Sekrete usw. am besten untersucht. Sie entstehen während der Emb ryonalent wicklun g als Einstülpung an der Basis des Labiums. In den folgenden 60 Stunden werden durch rasche Teilungsfolgen über 1000 Zellen gebildet, die bereits 132 Stund en nach Beginn der Invagination Seide enthalten. Die Spinndrüsen erreichen im 5. Larvenstadium eine Länge von 25 cm und etwa 40 % des Körp ergewichts der Larve. Das Drü senepithel ist in zwei Abschnitten verschieden differenziert (Abb. 1-38 D). Im hinteren Abschnitt wird das Fibroin gebildet, während in den einzelnen Teilen des mittleren Abschnitts insgesamt 5 Sort en Seriein produ ziert werden. Der vordere Drüsenteil besitzt keine Dr üsenzellen, sondern dient als Ausführgang. In den unpaaren Endabschnitt münden Filippis Drüsen, die nichts mit der Seidenproduktion zu tun haben . Entfernt man sie, so ändert sich nicht s an der Qualität der Seide. Die für die Synthese von Fibroin zuständigen Drüsenzellen des hinteren Dr üsenabschn itts erreichen rasch hohe Polyploidiegrade. Die Kerne verzweigen sich enor m sta rk. Während der Larvenentwicklung finden 18-1 9 Endomitosezyklen statt, durch die der DN A-G ehalt um das 250 000fache ansteigt. Das Plasma der Drü senzellen enth ält vor allem dicht gepacktes rER, Golgikomplexe und Vesikel, deren Inhalt auf dem Wege der Exocytose in den Sammelk anal abgegeben wird. Entsprechendes gilt auch für die Produktion und Abgabe von Sericinen im mittleren Drüsenabschnitt. Da s Fibroin von Bombyx hat ein Molekul argewicht von etwa 360 kD a. Es enthä lt vor allem Glycin (44%). Glycin, Alanin , Serin und Tyrosin machen etwa 93% des Aminosäur ebestandes au s. Das Fibroinmolekül weist amorphe und kristalline Bereiche auf. Die Sericine haben Molekulargewichte von
Literatur 80-300 kDa. Im Ausführgang befindet sich ein dicker Strang flüssigen Fibroins, das von einer dünnen Hülle aus Sericin umgeben wird. Die Seidenproduktion wird durch Juvenilhormon beeinflusst. Die Applikation ho her Dosen führt im 5. Larvenstadium zur Verhinderung der Metamorphose, während niedrige Dosen dieses Larvenstadium verlängern und die Seidenproduktion erhöhen. Man wendet dies bereits kommerziell zur Steigerung der Seidenproduktion an. Die Massenproduktion an Kokonseide führt dazu, dass die domestizierten Seidenspinner sich nicht mehr selbst aus dem Kokon befreien können. Die Seidenproduktion mithilfe domestizierter, flugunfähiger Seidenspinner wird in China schon seit etwa 4000 Jahren betrieben. Für molekulargenetische und physiologische Untersuchungen stehen heute etwa 320 Mutanten zur Verfügung. Bei der Seidengewinnung werden die Kokons zunächst in heißes Wasser geworfen , um die Sericinhülle aufzulösen. Anschließend wird der Faden abgewickelt. Ein Kokon enthält etwa 700--1000 m Faden.
Die Zweiteilung des Drüsenepithels zur getrennten Produktion von zwei unterschiedlichen Sekreten und die Ummantelung eines fibrillären Fibroinanteils durch ein weiteres, wasserlösliche Sericine enthaltendes Sekret kommt nicht nur bei Larven von Bombyx, sondern auch bei anderen Lepidoptera sowie bei Trichoptera vor. Nur bei den Polycentropidae (Trichoptera) sind die Drüsen asymmetrisch: eine große liefert Fibroin, während die kleinere Sericine sezerniert. Die Form der unpaaren Spinndüsenmündung auf dem Labium bestimmt bei den verschiedenen Insekten, ob der Faden rund, oval, band- oder blattförmig ist. Durchmesser und Form der Fäden sind sehr einheitlich. Allerdings sind die zuerst abgegebenen Spinnfäden dicker als die folgenden . Ein Kokon kann aus mehreren unterschiedlichen Fadenarten bestehen, bei Chrysopa beispielsweise aus 3 Sorten. Nach der Metamorphose degeneriert der größte Teil der Seidendrüse. Nur der vordere Teil bleibt bei den Trichoptera, Lepidoptera, Diptera und den meisten Hymenoptera erhalten und wird zur Speicheldrüse der Imagines. Bei manchen Saturniidae produziert die umgebildete Labialdrüse ein besonderes Enzym, die Cocoonase, mit dessen Hilfe eine Öffnung im Kokongespinst geschaffen wird , durch die die Imago ausschlüpfen kann.
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1 Integument
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2 Körpergliederung Gerhard Seifert
pergliederung besteht in der Arbeitsteilung, die Leistungssteigerung der spezifischen Funktionen ermöglicht. Als bilateralsymmetrische Tiere hatten die moDie Ur-Ahnen der Insekten waren vermutlich mobilen Ahnen ein Vorder- und ein Hinterende. Bei bile marine Anneliden mit gleich gestalteten, homonomen Metameren. Auch die Körperfunktio- der Lokomotion treffen Umweltsignale vorrangig zuerst auf den vorangehenden Körperteil. Es ist nen wurden von diesen gleichermaßen ausgeübt . deshalb ein Selektionsvorteil, wenn sich dort ReÄußerlich grenzten sie sich durch Einschnürungen, die zeptoren für die Signale befinden, wenn also v.a. Intersegmentalfurchen, gegeneinander ab. Jedes Metadort leistungsfähige Sinnesorgane ausgebildet wermer trug ein Paar ventrolaterale Parapodien, einfache , den. Besonders empfehlen sich für deren Sitz exaber bewegliche Extremitäten, die primär der Lokomo- ponierte Anhänge, die dem Körper voraus getion dienten. Wo sich außen die Intersegmentalfurchen tragen werden. So sind bei allen Gliedertieren einschnürten, trennten im Körperinnern aneinander stoPalpen oder Antennen aus Extremitäten entstanßende Wände von Coelomsäcken (Dissep imente) die den, die diesen Zweck erfüllen. Metameren voneinander. Jedes Metamer besaß ein Paar leistungsfähigsten Sinnesorgane sind nur Die Coelomsäcke, einen rechten und einen linken . Mit Flüssigkeit gefüllt, stellten sie ein hydrostatisches Innenskelett soviel wert, wie sie gezielte Reaktionen auslösen dar und waren wesentliche Elemente des Bewegungs- können . Bei der Evolution eines Tagmas, das sich und auch des Exkretionsapparats. Im Dissepimentbe- durch viele Sinnesorgane auszeichnet, müssen desreich bildete nämlich jeder Coelomsack ein Metanephri- halb deren komplexe Verschaltungen mit einem dium aus. Die zwei Metanephridien jedes Metamers Nervenzentrum entwickelt werden. Dies geschah, dienten auch dazu, die Geschlechtsprodukte aus dem indem die Metameren des Vorderkörpers dicht Körper zu leiten. In jedem Coelomsack befand sich pri- zusammenrückten und ihre Ganglien sich zu eimär eine Gonade, in jedem Metamer demnach ein Paar. nem leistungsfähigen Gehirn vereinigten, in dem Das Coelom differenzierte sich distal zur Muskulatur des die empfangenen Signale auf engstem Raum auf Hautmuskelschlauchs und am Darm zu dessen Muskelviele Neurone übertragen werden konnten. In fast fasern . Jedem Metamer kam also ein eigener Muskelanteil zu, der im Hautmuskelschlauch von Intersegmen- allen Taxa der Gliedertiere wurde so ein vorderes talfurche zu Intersegmentalfurche reichte. Die Längs- Tagma entwickelt, das auf die Signaleingänge und muskelstränge waren dort durch bindegewebige Myo- deren Verarbeitung spezialisiert ist. Bei vielen septen mit denen der Nachbarmetameren verbunden Gliedertieren wie auch den Insekten wird es als bzw. von ihnen getrennt. Die metamere Anlage der Mus- Caput oder Kopf bezeichnet. kulatur gibt Sinn, weil sie einerseits autonom von einem Bei den meisten bilateralsymmetrischen Tieren eigenen Ganglienpaar innerviert wird, andererseits aber befindet sich auch die Mundöffnung in der Nähe die Muskeltätigkeit über Konnektive, die die Ganglien des Vorderpols. Sie erreicht damit zuerst die aufgealler Metameren verbinden, koordiniert werden kann. So suchte Nahrungsquelle. Diese Position ist außerwird die kontrollierte Eigenbeweglichkeit der Metameren dem vorteilhaft , weil die Umgebung der Mundgewährleistet. Dies setzt aber ein entsprechendes Kooröffnung mit spezifischen Mechano- und besonders dinationszentrum voraus. Chemorezeptoren ausgestattet sein muss; auch Die Gleichförmigkeit der Metameren erlaubte, diese profitieren von der Nähe des Koordinationsdass sich in Gruppen von ihnen während der zentrums. Selektionsvorteile ergeben sich zusätzEvolution Mutationen etablieren konnten , die nur lich, wenn Organe entwickelt werden, die die Aufnoch bestimmte Aufgaben erfüllten und diese Me- nahme unterschiedlichster Nahrung ermöglichen tameren entsprechend umgestalteten . Die ver- oder erleichtern. Dazu bieten sich bewegliche Annachlässigten oder ganz eingestellten anderen hänge der vorderen Metameren , bevorzugt deren Funktionen wurden ja von anderen Metameren, Extremitäten , an. So entstanden im Lauf der Indie sich wiederum auf diese spezialisieren konnten , sekten-Evolution verschiedenartige und komplexe weiterhin ausgeübt . So entstanden im Lauf der Organe der Nahrungsaufnahme, die man als Evolution funktionsgeprägte Körperabschnitte, so Mundwerkzeuge bezeichnet. Der Kopf ist also genannte Tagmata . Der Vorteil einer solchen Kör- auch das Tagma der Nahrungsaufnahme.
2.1 Tagmata
48
2 Körpergliederung
Die direkten Vorfahren der Insekten sind unter ursprünglichen Landarthropoden zu suchen, die Vertretern der heute lebenden " My riapoden" (v.a. Chilopoden und Symphylen) ähnelten . Bei ihnen schloss an den Kopf ein weitgehend homonomer Rumpf an . De ssen zahlreiche Metameren trugen fast alle Beine, er diente also insgesamt der Lokomotion. Die Insekten dag egen zeichnen sich durch Tagmabildung auch im Rumpfbereich aus. Die wichtige Funktion der Lok omotion ist fast nur auf dessen vorderen Ab schnitt beschränkt. Die Extremitäten dieses Abschnitts sind Arthropodien, die den jeweiligen Leben sbedingungen angepasst und deshalb sehr var iabel eingesetzt werden können. Für die Lokomotion auf dem Land sind differenzierte Strukturen der effizienten Bodenhaftung bedeutungsvoll. Sie werden an verschiedenen Stellen der Beine gebildet. Neben den Extremitäten sind bei den meisten Arten zusätzlich leistungsfähige Flügel entwickelt worden. Dies erfo rderte die Umkonstruktion des Integuments sowie einiger innerer Organsysteme und führte im Extremfall sogar zur Ausbildung eines morphologisch und physiologisch einmaligen Mu skeltyps. Dieses vord ere Lokomot ions-Tagm a ist der T horax. Der überwiegende Teil der übrigen Funktionen wird mit dem letzten Tagm a, dem Hinterleib oder Abdomen, ausgeübt. Dieses beherbergt die wichtigsten Verdauungs-, Stoffwechsel-, Atmungs-, Kreislauf-, Exkretions- und Osmoregulationsorga ne sowie die Gonaden mit ihren Anhangsdrüsen. Dazu trägt es die Kopulation s- und Eiable geapparate. Bei den ur sprünglichen Formen sind am Ende des Abdomens Extremitäten au sgebildet, die selten der Lokomotion , aber regelmäßig als Sitz von Sinnesorganen dienen (Cerc i).
2.2 Caput (Kopf) 2.2.1 Segmentierung Mit Bestimmtheit lässt sich nicht sagen, wie viele Metameren sich zum Tagma Kopf zusammengeschlossen haben. Ab gesehen von einer einzigen sind keine Segmentgrenzen mehr zu erkennen. Nicht alle Metam eren tragen noch Extremitäten. Im Vorderkopf bildet da s Mesoblastem zu keiner Zeit Coelomsäcke, und nur in einem Metamer werden no ch Metanephridien angelegt. Alle Ganglien sind dicht aneinander gerückt und miteinander verschaltet; immerhin deuten deren Kommissuren und auch Körperanhänge auf 6 Metameren und das davor gelegene Akro n, das dem Prostomium der Anneliden homolog ist, hin .
Entsprechend einer funktionellen und im Bereich des Zentralnervensystems auch morphologischen Zweiteilung kann man den Kopf in ein vorderes Procephalon und das hintere Gnathocephalon unterteilen. Das Procephalon ist vor allem Sitz von Sinnesorganen und wird vom Gehirn aus innerviert. Es besteht aus dem Akron mit dem Ganglienpaar Archicerebrum und drei Metameren. Deren erstes ist das Präantennalsegment, dessen Ganglienpaar Prosocerebrum sich mit dem Archicerebrum zum Protocerebrum zusammengeschlossen hat. Das zweite ist das Antennalsegmentmit dem Deutocerebrum als Ganglienpaar, von dem aus die Antennen, umgewandelte Extremitäten dieses Metamers, innerviert werden. Das dritte schließlich ist das extremitätenlose Prämandibular- oder Interkalarsegment; seine Ganglien bilden das Tritocerebrum des Gehirns. Das Gnathocephalon ist in erster Linie mit der Nahrungsaufnahme betraut. Seine drei Metameren besitzen zu Mundwerkzeugen differenzierte Extremitäten. Ihre Ganglienbilden das komplexe Unterschlundganglion. Man unterscheidet Mandibular-, Maxillar- und Labialsegment.
2.2.2 Kopfkapsel Da s Integument der Kopfmetam eren bildet eine einheitliche, sklerotisierte und sta rre Kapsel (Abb. 2-1). Frontal wird eine Clypeo-L abral falte (s. u.) ventra d herabgezogen. Die ventrolatera len Ränder der Kopfkapsel tr agen die G elenkfl ächen für die Mundgliedmaßen; kaudal öffnet sie sich und geht in die Halshaut (Cervix) über, auf der sich die Grenze zwischen Kopf und Thorax befindet. Die Kopfkapsel ist gewölbt und bietet vielen und auch großen Sinne sorganen Platz und den inneren Organen, v. a. den wichti gsten Teilen des Zentralnervensystems , mechanisch Schutz. Sie gibt auch den Muskeln der Mundwerkzeuge und des Vorderdarms, die für die Nahrungsaufnahme bedeutungsvoll sind, Ansatzflächen. Der Versteifung und als Muskelansatzstellen dienen zusätzlich endoskelettale Bildungen, die als kräftige Verstrebungen oder Leisten nach innen vorspringen. Ihnen ent sprechen von außen sichtba re Nähte, die die Kopfkapsel in Areale aufteilen. Die Nähte sind, von einer abgesehen, nicht die Segmentgrenzen. Unabhängig von diesen Nähten unterscheidet man an der Kopfkapsel 4 Regionen: Die Stirnfläche oder Frons, die Scheitelfl äche oder Vertex und die beiden seitlichen Wangenbereiche oder Genae. Der Vertex wird bei Larven oft von einer medianen Coronalnaht sagittal halbiert. In deren Verlauf ist die Procuticula nicht sklerotisiert, so dass sie sich als Sollbruchlinie der Exuvie bei der Ecdysis anbietet. Die Coronalnaht gabelt sich an der Stirnfläche meist in zwei divergierende Fronta lnähte, die ein unterschiedlich großes, dreieckiges Stirnapotom einschließen.
2.2 Caput (Kopf)
A
49
Cervix
I ·P." i+- - Postocciput . ,'.-' - Postoccipitalnaht . '. Occiput
Frons
H+-;..,c..-- Occipitalnaht Antennalnaht
--,.<- ~,
."""'--!---'-- Postgena
JT
Stirnapotom hinterer Tentorialarm (Öffnung) Epistomalnaht - -.....~~~5j;r~~~~- Subgena Vorderer Tentorialarm Labium (Öffnung) C1ypeus Clypeolabialnaht - ----''t--' , -II"l-'I-- - Maxille Labrum Occip italnaht
x:..-<:t:;:2:;;:S;~Postoccipitalieiste hinterer Tentorialarm Postoccipitalnaht
dorsaler Tentorialarm Subgenalleiste -+-H~
Epistomalnaht - ' C1ypeus
........-.L::: z.iIl:
Labrum
B
vorderer Tentorialarm
Mundöffnung Subgenalnaht Subgena Epipharynx Torma Cibarium
Dilatator .... Speicheldrüsenausfuhrgang Corpotentorium
Suspensorium ßasalsklerit
c
Abb. 2·1: Grundschema des Pterygotenkopfes mit orthopteroiden Mundwerkzeugen. A Seitenansicht. B Vorn und seitlich aufgebrochene Kopfkapsel mitTentorium. C Innenansicht der rechten Kopfhälfte mitVorderdarm und Dilatatoren, Mandibel und Maxille nicht gezeichnet. (Nach Snodgrass aus Seifert 1995)
Die kaudale Öffnung der Kopfkapsel ist das Foramen occipitale ("Hinterhauptsloch"). Dorsal und an den Seiten wird es von der Postoccipitalleiste umschlossen, deren Verlauf durch die von außen zu erkennende Postoccipitalnaht angezeigt wird. Diese ist die einzige sichtbare Grenzlinie zwischen zwei Kopfmetameren. Sie trennt Maxillar- und Labialsegment. Das Labialsegment ist nur in seinem Vorderbereich sklerotisiert, den man Postocciput nennt. Der nicht sklerotisierte hintere Abschnitt ist ein Teil des Cervix. Mit dem Postocciput artikuliert ventral die Unterlippe (Labium). Frontal von der Postoccipitalnaht kann eine ParaIIelnaht mit schwächerer Innenleiste verlaufen. Dies ist die Occipitalnaht, die das schmale Occiput abgliedert. Dessen Seitenteile heißen Postgenae, weil sie den hinteren Bereich der jeweiligen Gena -Region darsteIlen. Die Antennenbasen und die Komplexaugen sind konzentrisch von
je einer Naht umrandet. Die Antennalnaht gliedert um die Gelenkmembran der Antennenbasis ein ringförmiges Antennensklerit, die Okularnaht um jedes Komplexauge ein Okularsklerit ab. Entlang der Okularnaht senkt sich ein Apodemzylinder tief ein: die AugenkapseI. Von Antennal- und Okularnaht kann je eine aIImählich auslaufende Subantennal- bzw. Subokularnaht entspringen. Postoccipital-, Occipital- und Frontalnähte stoßen auf eine horizontale Naht, die die Kopfkapsel von Postoccipitalnaht zu Postoccipitalnaht umrundet. Nach innen ist in ihrem Verlauf eine starke Leiste ausgebildet (Abb. 2-IB) . Ventral von Gena und Postgena wird die Naht Subgenalnaht, im frontalen Bogen Epistomalnaht genannt. Bei der Subgenalnaht wird manchmal zwischen der Pleurostomalnaht dorsal von den Mandibelartikulationen und der Hypostomalnaht kaudal davon unterschieden. Zwischen Subgcnalnaht und Mundgliedmaßen befindet sich die schmale Subgena, die man entsprechend der Subgenalnaht in Pleurostoma und Hypostoma unterteilen kann . Die Epistomalnaht gliedert von der Frons
50
2 Körpergliederung
A Foramen
Postoccipilalnaht hinterer Tentorialarm (Mündung) Submentum
B
.
Foramen Postoccipitalnaht Postocciput hinterer Tentorialarm (Mündung)
c Abb. 2-2: Offenes (A) und geschlossene {B. Cl Foramina occipitalia von A Chrysopa perla, B Melolontha melolontha, C Vespa crabro. (Nach Seifert 1995)
ventral das Clypeolabrum ab. Dieses wird meist von der Clypeolabralnaht oder auch von einer Syndese in Clypeus und distales Labrum , Oberlippe , gegliedert. Die überwiegend membranöse und häufig behaarte kaudale Oberfläche des Clypeolabrum ist der Epipharynx .
Nicht allein durch die genannten Leisten wird die Kopfkapsel versteift; endoskelettale Verstrebungen gewährleisten zusätzliche Festigkeit und Muskelansatzstellen. Sie bilden das Tentorium und entstehen ontogenetisch aus zwei paarigen Entapophysen, die später miteinander verschmelzen. Sie stülpen sich nahe von den Mandibelartikulationen ein, wo die Zugbeanspruchung am größten ist (Abb.2-1 A, B). An der hinteren Artikulation gehen Subgenalleiste und Postoccipitalleiste ineinander über, an der vorderen Artikulation Subgenalleiste und Epistomalleiste. Die hinteren Einstülpungen sind etwas frontad gerichtet und bilden als hintere Tentorialarme eine Querbrücke durch die Kopfkapsel. Mit ihnen verwachsen sind die vorderen Einstülpungen, die vorderen Tentorialarme, die kaudad gerichtet sind. Die Verschmelzungsstelle der 4 Apophysen ist oft flächig und
wird Corpotentorium genannt. Dorsal von ihm verläuft der Vorderdarm. ventral Unterschlundganglion und Vorderteil der ventralen Ganglienkette. Sehr oft entspringen aus den vorderen Tentorialarmen Dorsalarme. Sie stemmen sich wie Streben vor den Komplexaugen gegen die Kopfkapselwand, mit der sie nicht fest verwachsen, sondern über abfederndes Bindegewebe verbunden sind. Dieses Bauschema von Kopfkapsel und Tentorium wird als ursprünglich angesehen. Viele Arten weichen von ihm ab. Je nach Größe und Lage des Foramen occipitale werden drei Typen von Kopfkapseln unterschieden. Beim Grundtyp und den meisten Larven ist es so weit, dass kaum ein Einschnitt zwischen Kopf und Thorax zu sehen ist: Die Kopfkapsel ist pantotrem (Abb. 2-2 B). Ist das Foramen eingeengt und dorsal gelegen (Abb. 2-2 A), liegt die akrotreme Kopfkapsel vor; ist es eng, aber zentral oder ventral , die mesotreme (Abb. 2-2 C). Die Postoccipitalleiste begrenzt das Foramen occipitale nur dorsal und lateral. Seine Ventralseite bleibt ursprünglich "offen" . Der ventrale Abschluss wird von der Basis der Unterlippe besorgt (Abb. 2-2 A). So ist es bei vielen Insekten geblieben. Bei anderen umwachsen die Postgenae die Ventralseite und bilden eine Postgenalbrücke zwischen Foramen und Unterlippe (Abb. 2-2 C). Bei wieder anderen Arten gibt es an dieser Stelle eine Gula (Abb. 2-2 B). Diese entstand aus Skleriten des Cervix, die frontad verlagert wurden . Man teilt die Insekten grob ein in Entognatha und Ectognatha (s. Kap. 25). Bei ersteren sind die Genae wie das Clypeolabrum ventrad weit herabgefaltet. Die Artikulationen der Mundgliedmaßen werden dadurch ins Innere eines Raums verlagert, der vor der Mundöffnung entsteht. Die Seiten dieses Präoralraums werden bei den Ectognatha, bei denen Genae und Subgenae viel kürzer sind, von den Ober- und Unterkiefern gebildet. Die Unterlippe schließt ihn kaudal ab; frontal wird er vom Epipharynx begrenzt. Die Mundöffnung befindet sich im frontalen Winkel, wo sich Epipharynx und Hypopharynx zum rohrförmigen Pharynx vereinigen (Abb. 2-1 C). Der Hypopharynx ist der Ventralbereich des Prämandibularsegments und ragt bei ursprünglichen Insekten wie eine mediane Zunge (Lingua) in den Mundvorraum . Wie eine solche kann er dank der Tätigkeit von Muskeln hin und her bewegt werden, die an schmalen Skleriten seines Integuments ansetzen und ihren Ursprung am Tentorium oder der Kopfkapsel selbst haben. An seitlichen Basalskleriten greifen die an , die ihn zur Seite oder nach hinten ziehen, am Suspensorium die, welche ihn nach vorn bewegen können . Die paarigen Basalsklerite sind Reste seitlicher Anhänge des Hypopharynx,
2.2 Caput (Kopf)
die Superlinguae heißen und bei einigen ursprünglichen Arten noch vorkommen. Der Hypopharynx trennt innerhalb des Präoralraums das vordere Cibarium mit der Mundöffnung vom hinteren SaIivarium, in das ursprünglich die Speicheldrüsen münden. Aufgrund seiner Bewegungen speichelt der Hypopharynx die von den Oberkiefern grob zerkleinerte Nahrung ein und macht sie zumindest gleitfähig. Schon deshalb ist er ein wichtiges Mundwerkzeug.
51
Pedicellus Scapus
Abb. 2-3: Antennentypen. A Gliederantenne, B Geißelantenne. JO Johnstonsches Organ. (Nach Imms aus Seifert 1995)
2.2.3 Kopfanhänge Gliedes greifen Muskeln des vorhergehenden an, deren Kontraktionen die Bewegung hervorrufen. Die Geißelantennen al1er anderen Insekten sind Synapomorphien und erst während der Insektenevolution entstanden. Sie zeichnen sich durch Dreiteiligkeit aus (Abb. 2-3 B). Auf einen basalen Schaft oder Scapus folgt ein Pedicellus genanntes zweites Glied, das immer ein Johnstonsches Sinnesorgan (JO, s. 11.1.2)enthält. Alle Glieder distal vom Pedicel1us bilden die Geißel. Nur an ihrem basalen Glied setzen Muskeln an, deren Kontraktionen die Geißel als Gesamtheit bewegen. Die Geißel kann sich aus unterschiedlich vielen und verschieden geformten Gliedern zusammensetzen (Abb. 2-4). Diese können z. B. kurz- (A) oder langzylindrisch (B), geknöpft (C), gesägt (0), keulig (G, H), gekniet (I), pfriemenförmig (L), aber auch ein- (E) und doppelseitig (F) gekämmt oder blattförmig (K) und damit von großer Oberfläche sein. Dann bieten sie besonders vielen Sensillen Platz. Während die Antennen im Sinn des Signalempfangs umgestaltet wurden , sind al1e anderen Kopfanhänge in den Dienst der Nahrungsaufnahme getreten und zu Mundwerkzeugen geworden. Man unterscheidet Labrum (Oberlippe), gelegentlich gesondert den Epipharynx, Mandibeln (Oberkiefer), Hypopharynx, Maxillen (Unterkiefer) und Labium (Unterlippe). Ihre Bedeutung kann je
Die Anhänge der Kopfkapsel sind entweder paarig und mit Ausnahme der Mandibeln gegliedert; dann sind sie von Extremitäten abzuleiten. Oder sie sind unpaar und ungegliedert; dann sind sie als Ausfaltungen entstanden, die bestimmte Funktionen bei der Nahrungsaufnahme erfül1en. Gliederung kommt zustande, wenn zwei Skleritzylinder durch membranöse Cuticulabereiche getrennt werden. Hier sind sie gegeneinander beweglich, sofern entsprechende Muskeln ausgebildet sind. Die Effizienz der Bewegung hängt davon ab, wie konstant die Lage der Glieder zueinander ist. Verstärkt wird sie durch Gelenke zwischen den Gliedern (s. 2.3.2). Zu den Kopfextremitäten gehören die Antennen. Sie bieten vor dem Körper exponierten Mechano- und Chemorezeptoren Platz. Nur die Proturen haben keine Antennen mehr. Deren Funktion übernehmen die vordersten Thoraxbeine, deren distale Enden über und vor dem Kopf gehalten werden und entsprechend mit Sinnesorganen ausgestattet sind. Bei den Antennen unterscheidet man zwei grundsätzlich verschiedene Typen. Nur Dipluren und Col1embolen zeichnen sich noch durch die ursprünglichere Gliederantenne aus (Abb. 2-3 A). Wie bei der Lokemotions-Extremität sind alle ihre Glieder für sich beweglich. An der Basis jedes
II
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Abb. 2-4: Hauptformen der Geißelantenne. (Nach Weber aus Seifert
1995)
A
B
C
0
E
F
G H
K
L
52
2 Körpergliederung
Abb. 2-5: Kopfformen. A orthognath, B prognath, C hypognath. (Aus Seifert 1995)
nach Art der Nahrung und deren Aufnahme ganz unterschiedlich sein. Auch ist ihre Ausrichtung zur Körperlängsachse verschieden und bedingt die jeweilige Kopfform . Beim orthognathen Kopf (z. B. bei Heuschrecken) sind sie etwa im rechten Winkel ventrad gerichtet (Abb. 2-5 A), beim prognathen (z. B. bei Käfern) ungefähr frontad (B), beim hypognathen (z. B. bei Wanzen) dagegen kaudad (c). Als Grundtyp der Mundwerkzeuge gilt der, bei dem feste Nahrung abgebissen und mit kauend en Bewegungen zerkleinert wird. Er kommt z. B. bei den Geradflüglern vor und wird deshalb orthopteroid genannt. Das Labrum bildet hier einen geringfügig beweglichen, klappenartigen frontalen Abschluss des Präoralraums. Sein Ventralrand ist mit mechano- und chemorezeptiven Haarsensillen besetzt und dient auch dem Erkennen der Nah-
Abb. 2-6: Grundschema des Arthropodium. (Aus Seifert 1995)
rung. Der Hypopharynx arbeitet in erster Linie wie eine Zunge. Die drei paarigen Mundwerk zeuge sind entsprechend ihrer jeweiligen Funktion abgewandelte Extremitäten, also Mundgliedmaßen. Die Laufextremität der Arthropoden setzt sich aus dem Basalglied, dem Coxopoditen, und dem mehrgliedrigen Telopoditen zusammen (Abb. 2-6). Der Coxopodit (Coxa) kann potentiell in seinem ventromedianen Bereich Vorsprünge ausbilden, die z. B. als Kauladen genutzt werden können, wenn sie gegen die der Extrem ität der anderen Körper seite bewegt werden. Die Entwicklung hart sklerotisierter Kauladen stand bei der Evolution der orthopteroiden Ma ndibel im Vordergrund . Ihr Telopodit wurde bedeutungslos und deshalb schließlich vollkommen zurückgebildet. Die Mandibel entspri cht also allein dem Coxopoditen. Nur die Entognatha und Archaeognatha (s. Kap. 25) haben monocondyle Mandibeln relativ geringer Effizienz. Bei den meisten anderen Insekten ist die Basis der Mandibel dreikantig (Abb. 2-7) und bildet an zwei Eckpunkten Artikulationen mit dem Pleurostoma . Die vordere ist als Pfanne (s), die hintere als Gelenkkopf (a) gestaltet. Die Bewegung der Mandibe l ist auf die Schwingung um diese beiden Artikulationen beschränkt. Dafür sind leistungsfähige, große Muskeln verantwortlich. Besonders die Adduktionsbewegung, die zum Abbeißen und Zermalmen der Nahrung führt , erfordert viel Kraft. Die Muskeln, die diese ausüben , finden genügend Ansatztläche an einer breiten cuticularen, doppelschwänzigen Adduktorsehne. Diese erstreckt sich vom dritten Eckpunkt der Mandibelbasis in Richtung Vertex. Der antagonistische Abduktormuskel inseriert an einer Abduktorsehne, die kleiner und
2.2 Caput (Kopf)
Adduktor-
Abduktor-
sehne
sehne -
a
Incisivi
Abb. 2-7: Grundtyp der orthopteroiden Mandibel. s: Pfanne, a: Gelenkkopf. (Nach Weber aus Seifert 1995)
einfach ist und der Adduktorsehne gegenüber von der lateralen Kante halbwegs zwischen den Artikulationen ins Kopfinnere ragt. Die Innenkante der Mandibel wird gegen die des Partners der anderen Kopfseite geschwenkt und ist als deutlich zweigeteilte Kaulade gestaltet. Ihr distaler IncisiviTeil besteht aus scharfkantigen, spitzen Zähnen, die proximale Mola ist mehr als raspelartige Kaufläche gestaltet. Die Kauladen beider Mandibeln
53
sind meist nicht symmetrisch, sondern so strukturiert, dass Vorsprünge der einen in Vertiefungen der anderen passen . Die Incisivi arbeiten wie Scherenblätter, die Molae eher wie Stanzen gegeneinander. (Weil bei Insekten die Oberkiefer beim Beißen und Kauen bewegt werden, ist für sie der Terminus Mandibel berechtigt. Bei Wirbeltieren dagegen trägt deshalb der Unterkiefer diesen Namen.) Neue Untersuchungen der Mandibel von Zygentoma und Eintagsfliegenlarven zeigen bei diesen ursprünglichen Taxa drei Artikulationen mit der Kopfkapsel (Staniczek, 2000, 2001). Während die hintere der aller übrigen Dicondylia entspricht, ist die vordere als zweiteiliger Komplex angelegt. Dessen hinterer Teil, der Processus paratentorialis, liegt median nahe einer Grube des Tentori ums. Sein vorderer Teil befindet sich dagegen mehr lateral und bildet mit dem Clypeus (Zygentoma) oder mit der Gena (Ephemeropterenlarven) einfache Gelenke (Abb.2-8). Sicher ist die hintere Artikulation dem Kugelgelenk der orthopteroiden Mandibel homolog . Deren vorderem Artikulationspunkt entspricht vermutlich aber nur der hintere mediane des Komplexes mit dem Processus paratentorialis ; der anterolaterale Teil ist bei der Evolution der orthopteroiden Mandibel vollständig verloren gegangen. Diese Vereinfachung verlagerte die schräge Achse der Mandibelschwingung in eine horizontale und steigerte so deren Druck und Effizienz. Auch die Musku-
Abb. 2-8: Die Mandibel der Ephemeropteren-Larven. A Oniscigaster wakefieldi. linke Kopfseite. B Nesameletus spec., Vorderansicht der linken Mandibel. (Aus Staniczek 2000)
54
2 Körpergliederung
Abb. 2·9: Grundtyp der orthopteroiden Maxille. (Nach Seifert 1995)
Abb. 2-10: Grundtyp des orthopteroiden Labium. (Nach Seifert 1995)
latur wurde im Verlauf dieser Entwicklung ökonomisiert. Bei Zygentoma und Eintagsfliegenlarven ziehen vom vorderen Artikulationskomplex aus zwei kraniale Abduktorenbündel und mehrere Muskeln zum Tentorium. Bei allen anderen Pterygoten aber sind diese Tentorialmuskeln verschwunden. Ein einziger, allerdings kräftiger, kranialer Muskel besorgt nun die Abduktion der Mandibel. Die Ausgestaltung der Mandibeln hängt weitgehend von der Lebensweise, nicht zuletzt von der Nahrung der jeweiligen Art ab. Solche Abhängigkeiten sind in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Gestaltung und Ausrichtung von Kopfkapsel und Mundwerkzeugen bei verschiedenen Käferlarven untersucht worden (Gorb und Beutel, 2000).
Die paarigen MaxilIen sind gegliedert und ohne Schwierigkeit vom Laufbein abzuleiten (Abb, 2-9). Auch hier werden die Partner gegeneinander bewegt; die Bedeutung der Laden beim Zerkleinern der Nahrung ist allerdings gering. Immerhin sind Muskelansatzstellen nötig . Die Coxa selbst bietet sowohl Adduktoren als auch Abduktoren Platz, indem sie in zwei Abschnitte unterteilt ist, die im Winkel zueinander stehen . Beide Teile sind wie Schalen geformt. Die basale bildet die monocondyle Artikulation mit der Kopfkapsel und heißt deshalb Angelstück oder Cardo; die distale ist der Stamm oder Stipes. Terminal sitzen dem Stipes die beiden Laden auf: Die innere Lacinia mit sklerotisierten Zähnchen oder Borsten an ihrer Mediankante und die äußere, weitgehend membranöse Galea . Außerdem trägt der Stipes den meist 4gliedrigen Telopoditen, der hier Palpus maxillaris heißt und Sitz vieler, überwiegend chemorezeptiver Sensillen ist. Er entspringt von einem manchmal abgegrenzten Areal, dem Palpifer. Die Glieder des Maxillarpalpus sind gegeneinander beweglich. Die dafür verantwortlichen Muskeln entsprechen prinzipiell denen der Thoraxextremität.
Das Labium ist das im Coxalbereich median verschmolzene Extremitätenpaar (= 2. Maxille) des hintersten Kopfsegments (Abb. 2-10). Durch die Verschmelzung wird es zu einer plattenförmigen Unterlippe, die den Präoralraum kaudal begrenzt. An ihr sind die gleichen Abschnitte zu erkennen wie bei den MaxilIen. Aus den Coxen ging das basale Postmentum hervor, das mit den Cardines der MaxilIen serialhomolog ist. Sehr oft trägt das Postmentum aber zwei Skleritplatten: Das proximale Submentum und das Mentum. Den Stipites entspricht das distale Pr ämentum, das terminal eingekerbt ist und den paarigen Charakter der Unterlippe deutlich macht. Auch das Prämentum trägt Laden, beiderseits eine innere Glossa und eine äußere Paraglossa . Seitlich entspringen am Prämentum die Telopoditen , hier Palpus labialis genannt. Auch sie sind mehrgliedrig und haben wohl ähnliche Bedeutung wie die Maxillarpalpen. Ein kleines, abgegrenztes Sklerit des Prämentum an ihrer Basis ist der Palpiger. Die orthopteroiden Mundwerkzeuge sind während der Insektenevolution häufig umgebildet worden. Damit wurden andere Nahrung, andersartige Ernährungsweisen und neue Nischen erschlossen. Dies geschah auf unterschiedlichste Art . Meist fanden die einzelnen Teile des beißendkauenden Typs weiterhin Verwendung; einige können aber auch zurückgebildet und vollkommen verschwunden sein. Betroffen sind einige Ordnungen der Hemimetabola und die Imagines der meisten Holometabolen-Taxa, während bei fast allen Holometabolen-Larven der beißend-kauende Typ erhalten blieb. Darauf wird im Kapitel Systematik und Evolution einzugehen sein.
2.3 Thorax
55
Abb. 2-": Schema von Kopf und Thorax. (Nach Seifert 1995)
2.3 Thorax 2.3.1 Segmentierung Der Thorax setzt sich aus drei hintereinander liegenden Metameren zusammen : Pro-, Meso- und Metathorax (Abb. 2-11). Arten bzw. Stadien mit Flügeln entwickeln diese an den beiden letzten, die deshalb zusammen als Pterothorax bezeichnet werden. Jedes Thoraxsegment trägt in der Regel ein Extremitätenpaar.
bilden: Das Gelenk ist monocondyl (E). Wirkungsvoller sind dicondyleGelenke mit zwei Angelpunkten (F), weil sie die Bewegungsrichtung fixieren und die bewegende Kraft auf diese konzentrieren. An echten Gelenken sind stets antagonistische Muskeln oder ein Muskel und eine antagonistische Syndese wirksam.
2.3.3 Thoraxextremitäten
Gelenke ermöglichen , dass gegliederte Extremitäten ausgebildet werden, deren einzelne Abschnitte gegeneinander abgewinkelt werden können . Ein Glied ist ein als Hohlzylinder gestaltetes Sklerit 2.3.2 Verbindung zwischen und durch Muskeln gekennzeichnet, die diese BeSkleriten, Gelenke wegung bewirken. Die Gelenke zwischen den Gliedern können an verschiedenen Stellen gebildet Die Beweglichkeit eines Insekts ist gewährleistet, werden und so die Schwenkrichtung bestimmen . weil zwischen starre Sklerite flexible Membranen Die Beweglichkeit der Extremität insgesamt ist eingeschaltet werden (Abb. 2-12, punktierte Be- deshalb sehr variabel und hängt von der Gliederreiche). Diese können großflächig (A, B) sein und zahl ab. Die Thoraxbeine der Insekten sind vielsomit dehnbare und biegsame Körperbereiche er- gliedrig und für die unterschiedlichsten Bewegunmöglichen oder Gelenke bilden. Das einfachste gen verwendbar. Gelenk ist die Syndese, ein schmaler und damit Dieses Arthropodium, wie die durch mehrere straff-elastischer Membranstreifen zwischen zwei Gelenke gegliederte Extremität heißt, entwickelte Skleriten (C). Ihre Elastizität lässt das abgebogene sich stammesgeschichtlich aus einem Lobopodium Sklerit nach dem Erschlaffen des abbiegenden (Abb. 2-13 A), das die hypothetischen Ahnen der Muskels in die Ausgangsposition zurückkehren, Articulaten besaßen . Seine Muskeln entspringen wirkt also antagonistisch. Öfter sind die Skle- der Ringmuskulatur des Körperstammes. Aus dem ritkanten direkt aufeinander gepasst; die Mem- Lobopodium ging auch das Oncopodium (B) der bran überbrückt diese Gelenkflächen locker. Solch Pararthropoden hervor. Sein Stamm ist geringelt, ein echtes Gelenk kann über eine längere Strecke wird aber als einheitliches Glied bewegt. Dem als Scharniergelenk ausgebildet sein, wobei die Stamm sitzen Endklauen oder Haken mit eigenen Skleritränder ähnlich Nut und Falz gestaltet sind Muskeln an. Sie können gegen den Stamm einge(D). Es kann aber auch einen Angelpunkt dar- klappt werden und sind deshalb als terminales stellen, indem das eine Sklerit einen kopfförmigen zweites Glied anzusehen. Das Arthropodium der Vorsprung ausbildet, der in eine Vertiefung des Insekten setzt sich typischerweise aus 6 Gliedern anderen eingepasst ist (E, F). So sind die Kugelge- zusammen. Embryonal teilt sich die dem Lobopolenke gestaltet. Benachbarte Sklerite können ent- dium ähnliche Beinanlage zunächst in den basalen weder nur eine solche Artikulation miteinander Coxopoditen und den terminalen Telopoditen (C).
56
2 Körpergliederung
./'
j
7 /74/' I~
I
Abb. 2-12:Verbindungen von Skleriten, Gelenke. (Nach Weber aus Seifert 1995)
G
Der Coxopodit hat sich phylogenetisch aus einem Skleritring der Pleura , einem Pleuriten, entwickelt und bildet sich direkt zur Coxa (Hüfte) um. Die Coxa der Pterygoten-Imagines bildet mit dem Pleurum ein dicondyles Gelenk (die vieler Apterygoten und einiger Pterygoten-Larven ein monocondyles) . Die Angelpunkte sind dorsal und ventral, der ventrale bei vielen Arten nach vorn verlagert (s. 2.3.4). Das Gelenk erlaubt der Coxa eine Schwingung von hinten innen nach außen vorn. Die bewegenden Muskeln des Körperstamms setzen an einer inneren Ringleiste nahe
B
c
Prätarsus
D
E
der Coxabasis an (Abb. 2-14), die vor der Pfanne des dorsalen Angelpunkts Basicosta, dahinter Merocosta heißt. Die Merocosta ist breiter, weil an ihr der stärkere Muskel ansetzt , der die Coxa nach hinten dreht , das Tier also nach vorn stemmt. Bei guten Läufern ist dieser Muskel so dick, dass fast die ganze hintere Wand der Coxa zur Ansatzstelle wird. Die Merocosta umfasst die gesamte Ansatzfläche, und ihre von außen sichtbare Merocostalnaht gliedert so einen großen hinteren Coxabereich als Meron ab ("Spalthüfte").
Abb. 2-13: Entwicklung desArthropodium (C-E) aus dem Lobopodium (A). Aus dem Lobopodium ging auch das Oncopodium (B) der Pararthropoden hervor. (Nach Weber aus Seifert 1995)
2.3 Thorax
57
sternaler /
Basicoxit
Meron
Basicostalnaht
Abb. 2-14: Schemata der Insekten-Coxa. A Frontalansicht, B lnnenansicht der frontalen Basis, C Spalthüfte. (Nach Snodgrass aus Seifert 1995)
Der Telopod it der Beinanlage wird sekundär in drei Abschnitte untergliedert: Das Trochanterofemur, den Tibiotarsus und den endständigen Prätar sus (Abb. 2-13 D). Ma nche Lar ven besitzen noch diese viergliedrige Thoraxextremität. Bei anderen und bei den Imagines werden tert iär das Trochanterofemur in Trochant er (Schenkelring) und Femur (Schenkel), der Tibiotarsus in Tibia (Schiene) und Tarsus (Fu ß) geteilt. Letzterer wird immer als Einheit bewegt, ist also ein einziges G lied, obwohl er überwiegend in mehrere Abschnitte, die Tarsalia, unterteilt ist (E). Tibia, Tarsus und Prätarsus sind für die Bodenhaftu ng bedeutungsvoll. Dafür sorgen spezielle Fortsätze
und Stru kturen. Besonders auffällig sind die des Prätarsus. Er bildet auf kleinen Skleritbasen zwei bewegliche, manchmal gezähnte Klauen (Ungues, Sing. Ungu is) und andere wichtige Fortsätze aus (Abb. 2-15 A): zwischen den Ungues das unpaare Arolium, dessen membranöse Ventra lfläche der Haftung auf glattem Untergrund dient. Seine Darsalseite ist in der Regel durch eine Skleritp latte geschützt. Vent ral vom Arolium kan n als dornförmiger distaler Fortsatz eines Sklerits am Übergang zum Tarsus das Empodium ausgebildet sein. Das Sklerit ist der Unguitractor. Proximad geht dieser in eine bis ins Femur reichende Sehne über, an der Muskeln ansetzen, welche die Klauen bewegen.
Ungues
PulvillusEmpadium -";:=-1.1--+Auxilium ----;0,....-'+ Ungu it roctor C :::t=---k--.-::J
A
B
Empadium
Abb. 2-15: Schema des Prätarsus mit den möglichen Haftungseinrichtungen. Ventralansicht. (Nach Seifert 1995)
58
2 Körpergliederung
ausstülpbare Prätarsusblase
Pulvillen I
\
/
A
I
Empodium
Empodium
I
\
o
B
E
I
Klauenpolster
G
J
Abb. 2-16: Vielfalt und Kombinationen von Hafteinrichtungen (getönt) des Thoraxbeins. A Arolium. B Pulvillen und dornförmiges Empodium. C Pulvillen und membranöses Empodium. 0 tarsale Sohlenpolster. E ausstülpbare Prätarsusblase. F ausstülpbare Blase zwischen Tibia und Tarsus. G Fossula spongiosa. H einseitiges Klauenpolster und Euplantulae. I doppelseitige Klauenpolster und tarsale Haftfortsätze. J doppelseitige Klauenpolster. (Aus Beutel und Gorb 2001)
Nahe der Empodium-Basis ist der Unguitractor über Syndesen mit zwei Skleritspangen, den AuxiIia (Sing. Auxilium), verbunden. Diese umgreifen die Basis des Arolium zu beiden Seiten und stellen, wieder über Syndesen, Kontakt zu den Klauenb asen her. Kontrahieren sich nun die Muskeln, die in Tibia und Femur der Unguitractor-Sehne ansitzen, wird der Unguitractor in das distale Tarsomer hinein gezogen. Diese Zugkraft setzt sich über die Auxilia auf die ventralen Klauenbasen fort und
glatt
haarig
A
B . - distad
lässt die Ungues ventrad einklappen und ihre Spitzen in den Boden einschlagen. Ein stark sklerotisiertes Empodium kann diese Arreti erung unterstützen und Vorwärtsrutschen verhindern . Das Empodium spielt eine ganz andere Rolle, wenn es membranös, lappig verbreitert und ventralseitig wie eine Bürste dicht mit Haaren besetzt ist (Abb. 2-15 Bund 2-18 A). Solch einem Empodium kommt die Funktion eines Haftpolsters zu. Funktionell identisch sind paarige Pulvillen (Sing. Pul-
liiR
c
o
Abb. 2-17: Wirkungsschema haariger und "glatter" Haftpolster auf glattem (A. Cl und rauhem (8. 0) Untergrund. (Aus Beutel und Gorb 2001)
2.3 Thorax
59
Abb. 2-18: Tarsale und prätarsale Haftstrukturen. A Pulvillen und membranöses Empodium von 8ibio nigriventris (Diptera). A tarsale Sohlenpolster und zungenförmige Fortsätze von Sialis lutaria (Megaloptera). C einseitiges Klauenpolster von Paraleptophlebia spec. (Ephemeroptera). D Ventralansicht des Vorderbeinendes von Omocestus vitidulus (Caelifera). (Aus Beutel und Gorb 2001)
villus) ventral von den Ungues zu beiden Seiten des Empodiums. Dies sind membranö se Lappen , die von Skleritsockeln ausgehen und deren langgestreckte Form von je zwei Skleritspangen stabilisiert wird. Ventralseitig sind sie wie das membran öse Empodium entweder dicht behaart oder auch "glatt ". - Nie sind alle diese Hafteinrichtungen gemeinsam vorhanden.
Haftpol ster können auch an and eren Stellen des Thoraxbeins ausgebildet sein (Abb. 2-16, getönte Bereiche): als au sstülpb are Blasen am Prätarsus zwischen Tibia und Tarsos (F), als Sohlenpolster ganzer Tarsalia (0 und Abb. 2-18 B), paarige begrenzte Bereiche dort (Euplantulae, Hund Abb. 2-1 8 0 ) und unpaare zungenartige Fort sätze an den distalen Enden der Tarsalia (I und Abb.
60
2 Körpergliederung
Abb. 2·19: Haarformen haariger Haftstrukturen. A tarsales Sohlenpolster von Cantharis fusca (Coleoptera). B Sohlenpolster von Forficula auricularia (Dermaptera). C, D ' verschiedene Sohlenpolster von Priacma serrata (Coleoptera). E Sohlenpolster von Sialis lutaria (Megaloptera). F Pulvillenhaare von Episyrphus balteatus (Diptera). (Aus Beutel und Gorb 2001)
2-18 B), ja sogar an einer (H und Abb. 2-18 C) oder an beiden Klauen (I, J). Unter dem Begriff "Haftpolster" verbergen sich zwei prinzipiell unterschiedlich strukturierte Systeme. Auf Grund des Eindrucks schwacher Vergrößerung unterscheidet man behaarte von glatten , membranösen. Beide passen sich optimal dem jeweiligen Profil des Untergrunds an (Abb. 2-17). Die Ventralseite des Arol ium ist z. B. immer "glatt", das membranöse Empodium stets haarig, die Pulvillen oft ebenfalls haarig, manchmal aber auch glatt ; Euplantulae und Klauenpolster sind immer glatt. Die haarigen Haftapparate zeichnen sich vor allem durch bürstenartig angeordnete echte Haare
aus (Abb. 2-17 A, Bund 2-19). Bei diesen Setae ist immer die Sinneszelle zurückgebildet. Über einen sockelartigen Basalring sind sie sehr flexibel mit der (stets membranösen) Kutikula verbunden . Terminal verbreitern sie sich oft (Abb. 2-19 A, E) oder enden in Platten, die schräg zum Haarschaft stehen (F) . Bei Dipteren befindet sich unter jeder Platte eine Pore, der Haarschaft ist hohl. Die Haare können einfach und glatt oder auch gerieft (C) sein. Nicht selten kommen doppelseitig gefranste Haare vor (0). Besonders bei Dipteren sind die Haare so genannte Acanthae. Sie werden von einer einzigen Trichogenzelle gebildet . Deshalb fehlt ihnen neben der Sinneszelle auch der Basalringsockel der typischen Seta . Auch unter
2.3 Thorax
61
Abb. 2-20:Oberflächen "glatter" Haftpolster. A Euplantulae von Tettigonia viridissima (Ensifera). BArolium von Apismellifera (Hymenoptera). CTarsalfortsatz von Urocerus gigas (Hymenoptera). DArolium von Panorpa communis (Mecoptera). EArolium von Paravespula germanica (Hymenoptera). FArolium von Tipula spec. (Diptera). (Aus Beutel und Gorb 2001)
den Acanthae gibt es hohle mit terminaler Pore. Die Setae können nur wenige Mikrometer bis maximal zwei Millimeter lang sein, die Acanthae wenige Mikrometer bis höchstens 0,5 mm. Zwischen den Haaren ragen aus der Kutikula auch unregelmäßig gestaltete fadenförmige Trichome hervor. Sie breiten sich zwischen den Haarbasen aus und betten diese z. B. bei Käfern in eine
spongiöse Masse ein (Abb. 2-21 C). Sie tragen mit dazu bei, dass sich die Haarenden flexibel und rasch dem Bodenprofil anpassen und immer großflächigen Kontakt halten können. Dieser aber ist ein wichtiges Kriterium für die Haftfähigkeit: Je dichter die Haare stehen, desto ausgepägter ist die Adhaesionsfähigkeit des Systems.
62
2 Körpergliederung
U
Abb. 2-21: Textur der Kutikula ..glatter Haftstrukturen. A Euplantulae von Tettigonia viridissima (Ensifera). BArolium von Cercopis vu/nerata (Auchenorrhyncha). C tarsales Sohlenpolster von Rhagonycha fu/va (Coleoptera), D Arolium von Apis mellifera (Hymenoptera). A, B D sind Bruchpräparate. ( ein semidünner Schnitt eines Bruchs. (Aus Beutel und Gorb 2001)
Über die erwähnten hohlen Haare mit Pore wird höchstwahrscheinlich ein Sekret abgegeben, das sich als dünner Film zwischen die Kontaktflächen legt. Dieser steigert die Adhaesionsfähigkeit , was besonders für die Lokomotion auf extrem
glattem Untergrund, wie z. B. Glas, essentiell ist. Auch zwischen den Haarbasen wird adhaesives Sekret über Porenkanäle in der Kutikula abgegeben. Es stammt von epidermalen Drüsenzellen . Werden Haftpolster mit Fettlösern behandelt, fällt
2.3 Thorax
63
ihre Haftungsfähigkeit drastisch ab. Das Sekret sein und innere Hohlräume bilden (A). Bei anhinterlässt regelrechte "Trittspuren", die wasser- deren Arten sind die Chitinfibrillen stark verunlöslich sind (Hasenfuss 1977, Bauchhenns zweigt und lassen ein spongiöses System entstehen 1979). Es enthält nämlich eine nicht flüchtige, (B). Schließlich können blasige Chitinarrangefettähnliche Substanz, die mit Sudan-Schwarz an- ments die Kutikula schaumartig gestalten (C) . gefärbt werden kann (Lees und Hardie 1988). Bei Alle diese Texturen bewirken, dass wirklich ein Käfern besteht die in Chloroform lösliche Frak- Polster entsteht, das leicht komprimierbar ist und tion hauptsächlich aus Kohlenhydraten, Fettsäu- sich demzufolge jedem Bodenprofil im Sinn optiren und Alkoholen (Kosaki und Yamaoka 1996). maler Adhaesion anpassen kann . - Euplantulae Vom wasserlöslichen Anteil ist so gut wie nichts enthalten oft zusätzlich Luftsäcke, Abzweigungen bekannt. Man vermutet, dass er oberflächenaktive der Beintrachee. Diese sind von HämolympheräuBestandteile enthält. men im Tarsalglied unterlagert. Bei starkem Die unbehaarten Haftpolster erweisen sich bei Druck wird nicht nur die Kutikula elastisch destärkerer Vergrößerung gar nicht als glatt. Ras- formiert, auch der Inhalt der Luftsäcke wird in terelektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, den Tarsus gepresst. Bei abnehmendem Druck dass in ihrem Bereich die Oberfläche der stets aber pumpt der Hämolymphestrom diese Luft membranösen Kurtikula durch Felderung oder die wieder in die Kutikula zurück und unterstützt das Bildung von Schuppen, Falten, Rippen und Wüls- Polster "visko-elastisch" , seine Ausgangsform wieten vergrößert ist (Abb. 2-20). Für die Flexibilität der einzunehmen . Dies erhöht die adhaesive Pound damit die adhaesive Potenz diese Systems tenz des Polsters. - Zur mechanischen Adhaesion entscheidend ist jedoch die innere Struktur der kommt auch bei den "glatten" Systemen die WirKutikula (Abb. 2-21). So können z. B. rein chiti- kung adhaesiver Sekrete. Auch hier werden diese nöse Filamente mit kurzen Seitenzweigen in einem von epidermalen Drüsenzellen sezerniert und über bestimmten Winkel zur Oberfläche angeordnet Porenkanäle auf die Kutikulaoberfläche abgege-
längsmuskel Ring. muskel längsm uskel
/=E=.=~ '1ii_~===_=~_=~i~~ A
Inlersegmenlalfurche Antefosta \-
v-: I B
c
Cuticula
-
Antecosta I
:-:----< ,
"
Myosep lum
'
. ..
Acro-
Acro-
lerg il ........
Artteeo ste lerg it
Intersternit
-4
ln terterq it
Intertergit r-
Poststernit
Poststernil
Acrosternit
Abb. 2-22: Schemata von primärer (A) und sekundärer (8, C) Segmentierung des Rumpfes. (Nach Seifert 1995)
64
2 Körpergliederung
ben. "Glatte" Haftpolster können deshalb trotz weniger großer Oberfläche ebenso effizient sein wie haarige.
2.3.4 Sklerite des Thoraxstammes Bei den Arthropoden-Ahnen waren die Metameren äußerlich durch die Intersegmentalfurchen begrenzt. Diese primäre Segmentierung ist an den Rumpfsegmenten der meisten HolometabolenLarven weiterhin deutlich . Deren Cuticula ist überwiegend membranös (Raupen, Maden), die Längsmuskeln setzen in der Tiefe der Intersegmentalfalten an (Abb. 2-22 A). Bei den Hemimetabolen-Larven und allen geflügelten Imagines ist die Lokomotion wirkungsvoller; die Thoraxextremitäten sind voll gegliedert und lang, die Flügel entwickeln sich. Vor allem die Bewegung der Beine setzt kräftigere Muskeln und entsprechend feste Ansatzstellen am Integument voraus. Dieses wird sklerotisiert und müsste zu Starrheit führen , blieben nicht zwischen den Skleriten Membranbereiche erhalten. Innerhalb jedes Segments entstehen auf dessen Rückenseite (Dorsum) zunächst ein Tergum, auf seiner Bauchseite (Ventrum) ein Sternum als primäre Sklerite. Sie sind gegeneinander beweglich, weil die seitlichen Pleura teilweise membranös bleiben. Diese sind nur insoweit sklerotisiert , als die Extremitäten eines festen Widerlagers für ihre Abstoßbewegung bedürfen, und jeder Flügel einen festen Angelpunkt benötigt, über dem er auf und ab geschlagen werden kann . In der Längsrichtung wird die Beweglichkeit aber nicht dadurch gesichert, dass etwa die Intersegmentalfalten membranös blieben. Die an ihnen ansetzenden Längsmuskeln verlangen bei zunehmender Effektivität ja gerade starre Sklerite. Die dadurch entstehende Innenleiste wird allgemein Antecosta genannt. Sie kann sich stellenweise zu großen Endoskelettplatten (Phragmata, Abb. 226) oder zu ins Innere vorspringenden Zapfen (Spinae) weiterentwickeln und damit selbst stärksten Muskeln Ansatzflächen bieten. Membranöse Aussparungen müssen also von der Segmentgrenze weg verlagert werden. Die Ränder der Sklerite täuschen dann die Segmentgrenzen nur vor; man spricht von "sekundärer Segmentierung" (Abb. 2-22 B, C). Membranstreifen vor der Antecosta lassen vor dieser ein Prä- oder Acrotergit (bzw. -sternit) vom großen Tergum (bzw. Sternum) unterscheiden, Membranstreifen hinter der Antecosta von dieser bis zum Skleritrand ein Posttergit (bzw. Poststernit); Membranstreifen vor und hinter einer Antecosta gliedern um diese herum ein Intertergit (bzw. Intersternit) ab.
Abb. 2-23: Schemata von Querschnitten durch das ventrale Pterothoraxsegment in Höhe der Furka. A Sekundäres Sternum, B Kryptosternie. (Aus Seifert 1995)
Die Lokomotion setzt weitere Differenzierungen der sklerotisierten Bereiche voraus. Das primäre Sternum ist nur ein mehr oder weniger schmaler medianer Bezirk des Sternums, der von den beiden Furkaästen inmitten des Segments begrenzt wird. Diese Furkaäste sind Entapophysen, die ursprünglich als Muskelansatzstellen entstanden, in den Pterothoraxsegmenten aber Verstrebungen darstellen, die sich gegen die Pleural arme (s. u.) stemmen und den Querschnitt des Segments in seiner ventralen und lateralen Ausdehnung konstant halten. Dies ist für den Flügelschlag von entscheidender Bedeutung (s. 9.4.1). Eine versteifende Leiste zwischen den Basen beider Furkaäste (Sternacosta) bildet mit diesen zusammen die Furka (Abb. 2-23 A). Die lateralen Bereiche des Sternum (Laterosternite) sind vergleichend-anatomisch pleurale Bestandteile, die mit dem primären zum heutigen sekundären Sternum verschmolzen . Sie bilden das starre ventrale Widerlager der Coxen und bei manchen Insekten den ventralen Angelpunkt des Hüftgelenks. Bei guten Läufern sind die Hüften oft mächtig und drängen das Sternum zu einem schmalen Sklerit zusammen; in Extremfällen buchtet es sich als medianer Sternalgrat nach innen ein (Kryptosternie, Abb. 2-23 B). Im Sternalbereich ist die Antecosta nicht mehr als durchgehende Intersegmentalleiste ausgebildet,
2.3 Thorax
- ""-+-1-
Spinasternum Sekundärsternum Furkasternum Spinasternum
-r~-..:::;=--
65
Pleurum
"" A
Segmentgrenze
-
i .-
Abb. 2-24: Gliederung der Sternalregion von Thoraxsegmenten. (Aus Seifert 1995)
th.al;::ll!ll~~~ Flügel ":--_ _ --..L_ Subalare aht Epimeron I pleurales • Coxagelenk - Postcoxalbrücke
sondern zu einem unpaaren medianen Zapfen, die I Spina, reduziert. Sie genügt der lokomotorisch B Laterosternit Apophysenmündung weniger bedeutsamen ventralen Längsmuskulatur als Ansatzort. Von außen ist die Spina als Ein- Abb. 2-25: Bildung der Sternopleuralregion (A) und buchtung zu erkennen. Das Intersternit um diese Schema der Pleura (B). (Nach Snodgrass aus Seifert 1995) herum heißt deshalb Spinasternum. Das übrige, große Sternum wird durch die Mündungen der Furkaäste und die von der Sternacosta hervor- laria) separieren , vom Epimeron entsprechend ein gerufene Sternalnaht in das vordere Eusternum (oder mehrere) Subalare (Subalaria). Sie sind als und das Furkasternum (= Sternellum) quergeteilt Ansatzstellen von Muskeln wichtig, die an der (Abb. 2-24). Flügelbasis inserieren, die Flügelhaltung bestimAuch die Sklerotisierungen der Flanke (Pleura) men und so den Flug steuern (s. 9.4.3). Pleurite stehen v. a. im Dienst der Lokomotion. In ihrer sind auch die Stigmen. Man findet sie im MesoGesamth eit sind sie das Pleurum, das in verschie- und Metathorax meist nahe der vorderen Segdene Pleurite unterteilt ist. Vergleichend-anato- mentgrenze frontal vom Episternum (Abb. 2-11). misch sind auch die Laterosternite Pleurite (s.o.). Das Tergum eines Thoraxsegments wird auch Bei wirkungsvoller Bewegung benötigen die Coxen Notum genannt, den Thoraxsegmenten entsprenicht nur ventral ein festes Widerlager bzw. Ge- chend Pro-, Meso- und Metanotum. Das Tergum lenkpunkte. Die innere Pleuralleiste, die äußerlich eines geflügelten Segments ist spezifischer diffeals Pleuralnaht erkennbar ist, bildet den pleuralen renziert als das eines ungeflügelten. Es ist nämlich Gelenkkopf der Coxa und erstreckt sich bis zum der wichtigste Integumentbereich für die Flügeldorsalen Rand der Pleura. Beim geflügelten Seg- bewegung. Deren Abwärtsschlag wird bei den ment stemmt sie sich dort als pleuraler Flügelge- meisten Pterygoten von starken dorsalen Längslenkkopf (Fulcrum) unter die Flügelbasis. Das rnuskeIn besorgt, die große Ansatzflächen benöPleurum ist also fest zwischen Coxa und Flügel- tigen. Die dor salen Antecostae sind deshalb zu basis eingekeilt (Abb. 2-23 A). Inmitten der Pleu- entsprechend tief in den Thorax vorspringende ralleiste entspringt der Pleuralarm und strebt dem Skleritplatten, Phragmata, geworden. Das erste Furkaast seiner Körperseite entgegen, mit dem er Phragma ist zwischen Pro- und Mesothorax, das über einen kurzen , straffen Muskel oder Bindege- zweite zwischen Meso- und Metathorax, das dritte webe verbunden ist. Vor und hinter der Coxa kann zwischen Metathorax und erstem Abdominalsegdas Pleurum außerdem über eine Präcoxal- bzw. ment ausgebildet (Abb. 2-26). eine Postcoxalbrücke mit dem Sternum verschmelDas Pterothorax-Tergum ist fast vollständig zen (Abb. 2-25 B). Oft sind hier aber Einzelpleu- sklerotisiert. Nur eine schmale Membran, eine rite abgegliedert. Die Pleural naht "h albiert " das Syndese oder eine Verwachsungsnaht trennen ein Pleurum in vorderes Episternum und hinteres Epi- großes Alinotum, das seitlich in die Flügel übermeron. Bei vielen Arten gliedert sich vom Epis- geht, vom kurzen Postnotum ab. Das Alinotum ternum der sicheiförmige Trochantinus ab, dessen (Abb. 2-27) bildet nach den Flügeln zu einige Fortfreies Ende den Kopf des frontalen Coxagelenks sätze und gliedert mehrere kleine Tergite als "sebildet, das hier an die Stelle des ventralen tritt kund äres Flügelgelenk" ab. Außerdem verstärkt es (s. 2.3.3). Vom Dorsalbereich des Episternum kön- sich durch cuticulare Innenleisten , deren Verlauf nen sich ein oder mehrere Pleurite (Basalare, Basa- man von außen als Nähte erkennt. Sie leiten
66
2 Körpergliederung
Pronotum I Acrotergit
~ ~ ----
I
I
Phragma 1
dorsaler Phragma 2 Längsmuskel
Phragma 3
Abb. 2·26: Schema der Dorsalregion des Thorax. (Nach Seifert 1995)
Phragma
Präalare vorderer Flügel
Alarprocessus hinterer
Flügelligament
Postalare
Abb. 2-27: Schema des Tergum
eines Pterothoraxsegments. (Nach Seifert 1995)
Kräfte, die durch Muskelzug hervorgerufen werden, zum Zentrum des Tergum und verursachen einen "Schnappdeckel"-Effekt, der das Alinotum beim Flug um seine Ruhepo sition schwingen, vibrieren lässt. Fast immer ist die V-Naht ausgebildet. Sie unterteilt das Alinotum in das vordere Scutum und das hintere Scutellum. Das Scutum setzt sich seitlich in die Flügelf1ächen fort, das Scutellum in den Hinterrand der Flügelbasis, in das Flügelligament.
Trachee
Die Flügel sind laterale Falten des Alinotum. Die Epidermis von Ober- und Unterseite (Abb. 228) behält ontogenetisch an vielen Stellen eine gemeinsame Basallamina, in deren Bereich Brücken bestehen. Der Flügel ist deshalb flach und bleibt dies, wenn die Cuticula abgeschieden wird (F - H). Frühzeitig wandern Tracheen und Nerven innerhalb eines Leibeshöhlensystems in Längsrichtung des Flügels ein, die sich nach vorgegebenem Muster verzweigen und alle Flügelbereiche versorgen . Diese Adern springen aus dem Flügel-
Grundmembran Nerv
~ A
E
F
D
C
B
G
H
Abb. 2-28: Schema der Flügelentwicklung anhand einer chronologischen Serie quer zur Achse verlaufender Schnitte. (Nach Seifert 1995)
2.3 Thorax
67
Cubitus Humeralsklerit PostTegula cubitus
Plica
1~;;~$~jt:~=~=~~=;::
basalis2 Pterale Pterale 1 Mittelplatte
~
Pterale
::::
37
Pterale 4 jugales
Plica jugalis
Vannus
Plica vannalis
Abb. 2-29: Grundschema des Flügels und seines sekundären Gelenks mit dem Tergum. (Nach Weber aus Seifert 1995)
niveau hervor, ihre Cuticulae werden sklerotisiert und so auch zu formerhaltenden Elementen. Bei manchen Arten kann deshalb sogar die Epidermis degenerieren. Die dicksten Adern sind im Vorderund Basalteil, die dünnen im Spitzenbereich und im hinteren Abschnitt (Abb. 2-29) . Diese Anordnung ist für die Verformbarkeit des Flügels beim Flug von Bedeutung (s. 9.4) . Die Längsadern unterteilen den Flügel in drei Bezirke, die auch nicht im Wurzelgebiet verbunden sind und zwischen denen der Flügel bei vielen Arten eingefaltet werden kann (gestrichelte Linien). Der vordere und größte Bezirk ist das Costalfeld oder Remigium. Der Name leitet sich von der Costa ab, die den Vorderrand des Flügels bildet. Hinter der Costa folgen Subcosta, Radius, Media, Cubitus und Postcubitus. Außer Costa und Postcubitus zweigen sich diese Adern bei vielen Arten terminal auf und erreichen so alle Flügelteile. Alle Adern können auch über Querbrücken miteinander verbunden sein. An den Hinterrand des Costalfelds grenzt das Analfeld oder Vannus. Vom Costalfeld ist es meist
durch eine biegsame Falte, die Plica vannalis, getrennt. Im Analfeld erstrecken sich die unverzweigten Analadern oder Anales, die im Wurzelbereich miteinander verbunden sind. Der dritte Flügelbezirk, der nicht selten fehlt, ist das Jugalfeld oder Jugum. Dieses ist in jedem Fall klein und wird von unverzweigten oder netzförmig verbundenen Jugaladern oder Jugales durchzogen. Zwischen Anal- und Jugalfeld ist die biegsame Plica jugalis entwickelt. Alle Adern sind im WurzeIbereich des Flügels direkt oder über Syndesen mit den kleinen Skleriten des sekundären Flügelgelenks (Axillaria) verbunden. Diese halten die Flügelbasis gelenkigbeweglich und dienen teilweise wichtigen Muskeln als Ansatz. Das basale Axillarium der Costa ist das Humeralsklerit. Es vermittelt die jeweilige FlügelsteIlung statischen Haarsensillen, die auf der Tegula, einer membranösen Platte zwischen ihm und dem Tergum sitzen. Zwischen Subcosta und einem Fortsatz des Alinotum liegt das
Pterale 1. Es ist über eine Syndese mit dem Pterale 2 verbunden, das wiederum mit dem Radius artikuliert. Das Pterale 2 grenzt über eine Syndesean die dreieckige Mittelplatte 1 und diese an die ähnlich gestaltete Mittelplatte 2, die mit den Basen von Media, Cubitus und Postcubitus verbunden ist. Mittelplatte 1 und Pterale 2 artikulieren mit dem y-förmigen Pterale 3. An dessen äußerem Schenkel entspringen die Anales. Das Ende seines basalen Schenkels steht mit dem nicht bei allen Arten vorkommenden, winzigen Pterale 4 in Verbindung. Da der Flügel eine Falte mit Ober- und Unterseite ist, sind die meisten Axillaria auf beiden Seiten entwickelt (Abb. 2-30) . Das unterseitige Pterale 2 bildet die Pfanne des (primären) Flügelgelenks, in die das Fulcrum der Pleuralleiste eingepasst ist . Nur Pterale I und Pterale 4 liegen näher am Alinotum und nicht im eigentlichen Flügelbereich. Sie sind deshalb Sklerite nur der Oberseite. Die Flügel können vielfach abgewandelt werden. Es gibt extrem schmale Flügel mit reduziertem Geäder. Bei anderen wird die fehlende wirksame Fläche durch lange Haare an den Rändern ersetzt. Manchmal ist die Flügelfläche auch in mehrere federartige Fortsätze aufgelöst. Viele Insekten bilden die Vorderflügel zu Deckflügeln um .
Pleuralleiste
Abb. 2·30: Schema eines Schnittes durch das pleurale Flügelgelenk. (Nach Seifert 1995)
68
2 Körpergliederung
Bei den Tegmina, die ledrig sklerotisiert sind, ist der normale Aderverlauf noch deutlich, bei den Elytren der Käfer aber verwischt. Letztere dienen in Ruhestellung nicht nur dem Schutz der zarteren HinterflügeI, sondern v. a. als Luftreservoir (Abb.7-8). Schließlich können die Flügel nicht mehr zum Fliegen benutzt, sondern zum Sitz von statischen Sinnesorganen und entsprechend stark abgewandelt werden; so die Halteren der Dipteren (HinterflügeI) oder Strepsipteren (Vorderflügel).
2.4 Abdomen 2.4.1 Segmentzahl, Gliederung, Sklerite Das Abdomen setzt sich aus ursprüngli ch II Segmenten und dem terminalen Telson zusammen. Das Telson trägt den After und stellt kein Metamer dar; es ist dem Pygidium der Anneliden homolog. Das vorderste Abdominalsegment ist bei wenigen Ordnungen in den Thorax einbezogen; die "Wespentaille" der Hautflügler z. B. schnürt sich hinter ihm ein. Oft verschmelzen auch Abdominalsegmente miteinander. Meist geschieht dies am Hinterende, indem 10. und 11. oder auch 10. und 11. mit dem 9. Segment verwachsen. Das 11 . Segment kann bei der Ontogenese völlig reduziert werden, immer aber sind in der frühen Keimesentwicklung alle II angelegt. Eine Ausnahme machen die Collembolen, die nur 6 Metameren vor dem Telson ausbilden . Die Geschlechtsausführgänge der Weibchen münden im oder hinter dem 8. Segment, die' der Männchen auf dem 9. Deshalb stellt man diese Metameren als Genitalsegmente allen davor gelegenen Prägenitalsegmenten und den folgenden Postgenitalsegmenten (= Terminalia) gegenüber. Die Prägenitalsegmente sind gegenüber den Thoraxsegmenten sehr einfach sklerotisiert (Abb. 2-31). In der Regel ist jedem Dorsum ein einheitliches Tergum, jedem Yentrum ein Sternum aufgelagert. Sternale Apophysen fehlen. Bei vielen
weichhäutigen Larven werden diese Hauptsklerite allerdings in viele kleine Sklerite aufgelöst, bei den Schmetterlingsraupen sind sie auf die Haarbasen beschränkt. Viele andere Larven, z. B. Fliegenmaden, haben überhaupt keine Abdominalsklerite mehr. Deshalb sind die Insektenlarven sehr flexibel. Da dem Abdomen Gliedmaßen im Sinn der Thoraxextremität und Flügel fehlen, wird überhaupt kein Pleurum ausgebildet. Hier sind Sklerotisierungen allein auf die Ränder der Stigmen beschränkt. Die sekundäre Segmentierung der Abdominalsegmente ist auch bei den Imagines sehr einfach: Vor der Antecosta sind höchstens schmale Acrotergite bzw. Acrosternite ausgebildet, der hintere Bereich bleibt dagegen unsklerot isiert. Die Genitalsegmente sind von den äußeren Geschlechtsorganen geprägt. Ihre Sklerite werden mit diesen später behandelt. Von den Postgenitalsegmenten ist deren vorderes recht ursprünglich. Sein Sternum ist allerdings meist sehr schmal. In wenigen Fällen trägt dieses 10. Segment seitliche Pygopodien, die Extremitätenrudimente sein sollen. Das 11 . Segment ist nur noch bei ursprünglichen Insekten eigenständig ausgebildet und immer stark verjüngt. Seine Sklerite umstehen das Telson und werden nach ihrer Lage zum After benannt. Das Tergum heißt deshalb Epiproct, das Sternum ist in die ventrolateralen Paraprocte unterteilt. Im Vorderteil des Segments sind dorsolateral die paarigen Cerci (s. 2.4.3) zwischen Epi- und Paraprokten eingelenkt. Das Telson bildet einen meist unsklerotisierten Ring um den After. Er heißt deshalb Periproct. Nur selten trägt er drei winzige Sklerite, die Laminae anales.
2.4.2 Stammuskulatur Den Funktionen des Abdomens entsprechend sind auch die Stammuskeln sehr einfach entwickelt (Abb. 2-32). Die dorsalen und ventralen Längsmuskeln bilden dünne Bündel, die nicht immer die vordere Antecosta erreichen (A). Dorsoventralmuskeln ziehen vom Tergum zum Sternum oder von einem dieser Sklerite zur Pleuralfalte. Außer-
Abb. 2-31: Grundtyp des Abdomen.
(Aus Seifert 1995)
2.4 Abdomen
69
~;;;=;:~ dorsale längsmuskeln
~
Tergopleuralmuskel Sternopleuralmuskel Tergosternalmuskel
Intersegmental-
--~~iii~i~~
ventrale Längsmuskeln muskel
A
dorsaler Läng smuskel \ \ äußerer
~edianer
Innerer medianer
A
\ \ äußerer lateraler innerer lateraler -
B
Abb. 2·32: Schema der Abdomenmuskeln.A Längs-, B Querschnitt. (Aus Seifert 1995)
dem gibt es Inter segmentalmuskeln, die lateral von der Segmentgrenze zum folgenden Tergum verlaufen . Alle Muskeln verkleinern bei ihrer Kontraktion das Segmentvolumen , indem sie Tergalund Sternalregion einander annähern oder die Segmente stark verkürzen bzw. teleskopartig ineinanderschieben. Dabei wird der Binnendruck verändert, was für Hämolymphebewegung und Beatmung von größter Bedeutung ist. Einen Sonderfall stellen die Mu skeln der Stigmen dar, die diese verschließen oder öffnen können . In den Genitalsegmenten ist die Stammusk ulatur wegen der beweglichen äußeren Geschlechtsapparate komplizierter, in den kleinen Terminalia dagegen stark reduziert .
dern zusammengesetzt, die keine echten Glieder dar stellen, weil sie nur als Einheit bewegt werden könn en. Sehr selten dienen die Cerci der Lokomo tion. Wie die Antenne am Vorderkörper, sind sie der am Hinterkörper exponierte Sitz zahlreicher Haarsensillen. Sie können lang und gegliedert , weniggliedrig und kurz , eingliedrig oder gar stummelförmig sein. Bei zygopteren Libellenlarven sind sie blattförmig breit, von Tracheenverzweigungen durchzogen und dienen als Atmungsorgane (Tracheenkiemen). Die Larven der Eintags fliegen benutzen sie gemeinsam mit einem vielgliedrigen Anh ang des Epiprokt als stark gefiedertes Ruderorg an. Manche Imagines haben zangenförmige Cerci (z. B. Ohrenkriecher), Männchen vieler
2.4.3 Abdominalextremitäten Während der Embryonalentwicklung entstehen an allen Rumpfsegmenten Extrem itätenknospen. Am Abdomen werden sie später meist völlig rück gebildet. Bei vielen ursprüngli chen Insekten bleiben aber an bestimmten Segmenten die Coxopoditen mit Anhängen erhalten . Ihre Form ist von der Funktion geprägt und deshalb unterschiedlich. Zu ihnen gehören die Cerci als Extremitäten des 11 . Segments. Jeder Cercus geht aus der embryonalen Extremitätenknospe dieses Metamers hervor, ist also dessen Gliedmaße. Er ist einfach oder aus mehr oder weniger vielen Skleritzylin-
Abb. 2-33: Sternalregion des 3. Abdominalsegments von Machilis sp. (Nach Seifert 1995)
70
2 Körpergliederung
Abb. 2-34: Seitenansicht von Iomocerus vulgaris. (Nach Seifert 1995)
osmoregulatorische. Spezifisch gestaltet sind Abdominalextremitäten bei den Collembolen (Abb. 2-34). Sie dienen verschiedenen Aufgaben. Am I. Segment verschmelzen sie zu einem unpaaren , mitten vom Sternum abstehenden Skleritrohr, dem Ventraltubus. Aus diesem können paarige Endblasen aus- und eingestülpt werden (Abb. 2-35 A). Wahrscheinlich ist deren Funktion ähnlich wie die der Coxalbläschen; im Yentraltubus ist aber auch schon ein Haft-, Atmungs- oder Putzorgan vermutet worden. Das 3. Segment bildet ein sehr kleines, basal verschmolzenes Extremitätenpaar aus (Abb.2-34 und 2-35 B). Die starren Enden dieses Retinaculum sind außen gezähnelt und können die Sprunggabel oder Furkula (Abb. 2-34 und 2-35 C) arretieren. Diese ist die gegliederte Extremität des 4. Segments. Dem Verschmelzungsprodukt der Grundglieder, dem Manubrium, sitzen die jeweils paarigen Glieder Dens und Mucro an. Die Basis der Dentes ist medial eingebuchtet. Zusammengelegt bilden sie eine Aussparung, durch die das Retinaculum greift und die Furka in Ruhestellung an der Yentralseite fixiert. Bei der Fluchtreaktion werden die Dentes gespreizt, dadurch diese Arretierung gelöst, die gesamte Furka nach unten-hinten gedrückt und das Tier folglich vom Boden wegkatapultiert. Die Sprungrichtung ist wohl zufällig.
Libellen setzen diese bei der Kopulation als Klammerorgan ein. Auch an anderen Segmenten bleiben zuweilen Extremitätenrudimente bestehen. Von den Pygopodien des 10. Segments war schon die Rede. Bei vielen Larven treten abgewandelte oder stummeIförmige Abdominalgliedmaßen in ganzer Serie auf. Dazu gehören die blattförmigen Tracheenkiemen der Eintagsfliegenlarven. Sie bestehen aus einem Basalglied, das seitlich am Tergum artikuliert, der Coxa entspricht und dem gelenkig das eigentliche .Kiemenblatt" ansitzt. Ebenso sind die Tracheenkiemen vieler Odonaten-, Plecopteren- und Megalopterenlarven umgebildete Abdominalgliedmaßen. Auch terrestrische Larven (wie die Raupen der Schmetterlinge und Blattwespen) können Extremitäten am Abdomen beibehalten. Sie sind membranös, bilden aber eine Endplatte, deren Rand mit gebogenen Borsten besetzt ist, und dienen als spezialisierte Klammerbeine der Lokomotion. Die Angehörigen der Urinsekten-Ordnungen Diplura und Thysanura haben große plattenförmige Coxopoditen hinter jedem Abdominalsternum (Abb. 2-33). An jedem Coxopoditen ist ein gritTelförmiger Stylus eingelenkt, der mit Haarsensillen unterschiedlichster Modalität besetzt ist. Hier tritt die Extremität in den Dienst der Sinneswahrnehmung. Die Funktion aus- und einstülpbarer Coxalbläschen (ein oder zwei Paar) ist wahrscheinlich eine
Furkula
Ventraltubus
Retinaculum
Manubrium
1fJ--1!IH-.". Retraktor
der Endblase
Dem
A
B Mucro
c
Abb. 2-35: Abdominalextremitäten von Tomocerus vulgaris. (Nach Snodgrass aus Seifert 1995)
2.4 Abdomen
-
71
3. Valvula
2. Valvula
1. Valvula
Abb. 2-36: Schema des Ovipositors von Machilis sp. Seitenansicht. (Nach Seifert 1995)
2.4.4 Äußere weibliche Geschlechtsorgane Nur bei we n igen primitiven For men münden di e we ib lic h en Geschlechtswege h inter d em St ernum des 7 . Abdominalsegments, bei a lIen a n dere n a b er auf o der hinter dem d es 8 . Bildun gen dieses 8 . und d es 9 . Segments, die vo n d eren Coxopod iten abzuleiten sin d , legen sich zu einem Rohr zusammen, durch d a s d ie E ier in ihr S u bstra t geschob en werd en . M an nennt so lc h ei n Organ des Weibchens desh alb Ovipositor. Ä u ßere Kopulationsorgane gibt es ni cht. Be sonders typisch si nd d ie O vipositoren bei den Orthopteren a ls Leg esäbel o d er Legebohrer ausgebildet, bei den H ymenopteren a ls Legestachel, der in Verbindung mit ein er Giftdrüse se k u n där zu ein em Sta chelapparat umge b ildet werden k ann , in d em nicht Eier, sondern Gift transportiert wird. Einfache Ovipositoren kommen bei man chen Urinsekt en vor (Abb. 2-36). Die hier platt enförm igen Coxo podite der Ge nita lsegme nte grenzen jederseits unm ittelbar an das jeweilige Tergum. An ihrem H interrand sind typische Styli eingelenkt. Vom ventralen Vorderbereich entsendet jede r Co xopodit einen starren, media n kon kaven Fo rtsatz kaudad . D er Coxo podit wird Valvifer, der Fortsatz Valvula oder Gonapophyse gena nnt, zur Unt erscheid ung am 8. Segment I. Valvifer bzw. I. Valvula, am 9. Segmen t 2. Valvifer und 2. Valvula. D ie I. Valvulae bilden den Bod en, die 2. Valvulae den dorsalen Abschluss des Oviposito rs. Beide Paare sind miteinander verfalzt: D ie I. Valvulae haben jede eine dor sale N utr inne, in die die Falzleisten der 2. Valvulae eingepasst sind . Die vier Valvulae bilden den roh rfö rmige n Ovipo sito r. Das Ei wird im Lum en von vorn nach hint en gescho ben, wenn Pro- und Retr aktormuskeln die 2. Valviferen mit den 2. Valvulae beider Seiten auf den I. Valvulae altern ierend vor und zurück gleiten lassen . Am Ende des Ovipositor s tritt es in das gewählte Sub strat a us.
Abb. 2-37: Querschnitt durch den Legesäbel von Locusta viridissima. (Nach Weber 1933)
Beim Legeappar at der Pte rygot en kommt ein dr itt es G on ap oph ysenp aar hinzu . Die 2. Valviferen entsenden nämlich zusätzlich a uch vo n ihren Hin terrän dern ein Paar 3. Valvulae, die breit sind und lat eral vo n den 2. Valvulae mit den 1. verfalzt sind (Abb. 2-37). Die 2. Valvulae werde n von ihnen seitlich um fasst und dam it in da s Ovipositor lum en verlagert. Bei Grille n sind sie rudiment är. Je nac h Subs trat, in das die Eier gelange n sollen, kön nen die Ovipositoren abgewan delt werden . Bei den Hymenopteren bilden die 3. Valvulae eine weichhäu tige Stechbo rstenscheide, die nicht mit in den Einstichkan al gelangt und deshalb a uch nicht mit den I. Valvulae verfa lzt ist. Sie sind abe r mit beso nders vielen und spezifischen Rezept or en ausge sta tte t, die z. B. bei den Schlupfwespen selbst durch fremdes Substrat hind urch und über eine gewisse Entfernung den spezifischen IX. Sternum Vas deferens
'"
X. Sternum Coxopodit
Titillator
Penis
Stylus
/ Cereus
Terminalfilum
Abb. 2-38: Äußere Geschlechtsorgane eines Eintagsfliegen-Männchens. (Nach Seifert 1995)
72
2 Körpergliederung
A
. Penis'
Phallotrem a
o
F
E
Endophallus
-:__1
--=_ ~:::::::==:==-~~:~:_:~:::::-_
G
Wirt für den Nachwuchs orten können . Bei den meisten Ordnungen werden Ovipositoren nicht benötigt und daher zurückgebildet. Die Tiere heften ihre Eier an die Nahrungsquelle der Larven oder legen sie, wie z. B. Arten mit aquat ischen Larven, auf oder in das Wasser ab.
2.4.5 Äußere männliche Geschlechtsorgane Im Gegensatz zu den Weibchen sind bei den Männchen äußere Geschlechtsorgane als Kopulationsapparate entwickelt. Nur den Entognatha fehlen sie; diese setzen Spermatophoren ab, die von den Weibchen in die Geschlechtsöffnung aufgenommen werden. Sehr einfach ist der Kopulationsapparat der Thysanuren . Er ist als unpaarer, rohrförmiger, membranöser Penis der ebenfalls unpaaren Geschlechtsöffnung vorgelagert, die sich median zwischen den plattenförmigen Coxopoditen des 9. Abdominalsegments befindet. Er ist nicht auf Extremitätenknospen zurückzuführen, sondern aus einer getrennten paarigen Anlage des 9. Yentrums hervorgegangen. Mit den Kopula-
__
Gonoporus
Abb. 2-39: Entwicklung der phallischen Organe. D. ejac.: Ductus ejaculatorius, Aed. : Aedeagus, Paraph. : Paraphyse. (Nach Snodgrass aus Seifert 1995)
tionsapparaten der Pterygoten lässt er sich nicht homologisieren. Unter diesen stellt der der Eintagsfliegen einen Sonderfall dar. Hier münden beide Hoden getrennt über je ein Vas deferens (s. 13.1.2) in je einen Penis (Abb. 2-31 und 2-39 A). Die Penes entstehen als mediane Ausbuchtungen vom Ventrum des 10. Segments. Auch der Penis der Eintagsfliegen ist nicht aus Extremitätenanl agen hervorgegangen.
Bei allen anderen Pterygoten münden die Vasa deferentia nicht direkt nach außen . Während der Ontogenese wachsen sie in paarige Ausstülpungen des Hinterrands vom 9. Yentrum ein, öffnen sich aber nicht nach außen (Abb. 2-39 B). Die Ausstülpungen heißen Phallusanlagen und werden ebenfalls nicht von Extremitäten abgeleitet, sondern als Neubildungen betrachtet (Snodgrass 1957). Jede Phallusanlage teilt sich längs in ein medianes Mesomer und ein laterales Paramer (C). Bei den meisten Arten verschmelzen die Mesomeren median zum rohrförmigen, unpaaren Aedeagus (Oedeagus). Seine Innenwand ist der Endophallus. Dieser wächst als Ductus ejaculatorius weiter ein und stellt schließlich die Verbindung zu den inneren Geschlechtswegen her, die damit nach au-
Literatur
ßen geöffnet werden. Der End ophallus kann wie der eingestülpte Finger eines Hand schuh s ausgestülpt, der Aedeagus dadurch verlängert werden (G). Oft trägt dieser an seiner Spitze teilweise skleroti sierte Anh änge, in denen man Reizorgane vermutet. Paarige Fort sätze nennt man Paraphysen oder Titillatoren, einen unpaaren Dorn Virga. Die Param eren werden zu Klammerorganen. Sie könn en eingliedrig, recht sta rr sein und dicht neben dem Aedeagu s der gemeinsamen Phallobasis aufsitzen (E). Oft sind sie aber vom Aedeagus auch basal getrennt und in Basimer und distales Telomer gegliedert, wodurch sie beweglich werden (F).
Dieser Grundtyp des männli chen Kopulation sapp arats kann vielgestaltig abgewandelt werden. Das geschieht meistens artspe zifisch, sodass die äußeren männlichen Geschlechtsorgane innerhalb vieler Taxa zuverlässige Bestimmungsmerkm ale bieten .
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73
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3 Biochemie und Stoffwechsel Ro/f lieg/er
3.1 Einleitung Alle Organismen benötigen ständig Energie, für Bewegungen, Synthesen, Atmung, Verdauung, Exkretion, Transportvorgänge und Fortpflanzung, schlicht und einfach , um am Leben zu bleiben. Diese Energie wird aus der Umwelt gewonnen. Insekten nehmen, wie alle Tiere, die Energie als chemische Energie zu sich, in Form von Nahrung. Insekten müssen ständig Energie aufwenden, können aber nicht ständig fressen. Daraus ergibt sich, dass ein Insekt, wenn die Gelegenheit günstig ist, mehr Nahrung zu sich nehmen muss, als es momentan braucht. Die überschüssige Nahrung wird in körpereigene Speicher chemischer Energie umgewandelt. Wenn das Insekt keine Nahrung aufnehmen kann oder besonders viel Energie benötigt, mobilisiert es diese Speicher und sichert so sein Überleben .
Auf den folgenden Seiten werden die allgemeinen Stoffwechselwege nur kurz vorgestellt, da sie in jedem Biochemielehrbuch zu finden sind. Gründlicher werden Besonderheiten im Stoffwechsel der Insekten behandelt und soweit bekannt die Kontrollmechanismen des Energiestoffwechsels. Zu anderen Bereichen der Biochemie der Insekten kann Information in den Kapiteln 1,4,5, 7, 12 und 18 und in dem Buch Vergleichende Biochemie der Tiere (siehe Literaturverzeichnis) gefunden werden.
3.2 Ernährung
Der Energiestoffwechsel beginnt mit der Nahrungsaufnahme. Ernährung und Verdauung werden im folgenden Kapitel behandelt. Die tierische Im Leben eines jeden Insekts gibt es Zeiten, in denen es Nahrung liefert Bausteine, die bei der Entwicknicht fressen kann und daher Reserven mobilisieren lung des Tieres benötigt werden und chemische muss. Ein für Insekten typisches Beispielist die Häutung. Energie, um den Stoffwechsel aufrecht zu erhalten . Larven des Tabakschwärmers Manduca sexta fressen In diesem Kapitel interessiert uns die chemische praktisch ununterbrochen Tag und Nacht ; während sie Energie. Die Hauptenergielieferanten der Nahsich häuten , können die Tiere jedoch für etwa 24 bis 36 rung sind Kohlenhydrate, Proteine und Lipide. Stunden keine Nahrung aufnehmen . Es kommt selbst- Diese Stoffklassen sind jedoch für die Bereitstelverständlich auch vor, dass ein Insekt während seiner lung von Energie nicht immer frei austauschbar, regulären Fressphase nicht fressen kann, weil es kein ein klassisches Beispiel ist: Fettsäuren als HauptFutter findet. Manche Insekten legen ganz regulär sehr lange Fresspausen ein. Blutsauger nehmen pro Mahlzeit bestandteil der Neutralfette können unter anaesehr viel Blut zu sich und fressen dann lange Zeit nicht. roben Bedingungen nicht zur Energiegewinnung Die Wanze Rhodnius z. B. frisst nur einmal pro Larven- verwendet werden. Unter anaeroben Bedingungen stadium . Insekten erbringen auch Leistungen, für die sie werden Kohlenhydrate für die Energiegewinnung extrem viel Energie benötigen; das best untersuchte Bei- benötigt. Daneben liefert die Nahrung selbstverspiel hierfür ist der Flug. Der Sauerstoffverbrauch eines ständlich auch Substanzen, die ein Tier nicht Insekts kann während des Fluges um mehr als das selbst synthetisieren kann, wie Vitamine, essenIOD-fache ansteigen. Manche Insekten bilden in Anpas- tielle Fettsäuren und Aminosäuren, Mineralstoffe sung an saisonale Temperaturschwankungen als Gefrierund bei Insekten Cholesterin. schutz große Mengen Glycerin unter Verbrauch von Alle Tiere benötigen im Prinzip die gleichen gespeicherten Kohlenhydraten , vor allem Glykogen. Die Nährstoffe, es gibt jedoch unter den Insekten erEireifung benötigt ebenfalls viel Energie. staunliche Spezialisten, die mit Spuren von manInsekten müssen daher in der Lage sein, ihren chen essentiellen Nahrungsbestandteilen auskomStoffwechsel rasch von der Anhäufung von Reser- men und diese Spuren aus ungewöhnlichen Quelven auf die Mobilisierung von Reserven umzu- len gewinnen können (s. Kap. 4, 19). stellen und zurück auf Anhäufung. Diese Umschaltprozesse müssen gut reguliert sein, um das Überleben zu sichern und Verschwendung zu vermeiden.
76
3 Biochemie und Stoffwechsel
3.3 Freisetzung von Energie aus Nahrung und Energiespeichern Die Gewi nnung von bio logisch nutzbarer Energ ie aus Ko hlenhydraten, Lipiden und Prot einen erfolgt bei Insekt en im Prinzip durch die gleichen StotTwechselvorgänge wie bei anderen Tieren.
3.3.1 Kohlenhydrate Polymere Kohl enhydrate werden bei der Verd au ung in Zucker zerlegt und können dann zur Energiegewinnung verwendet werde n. Bisher wur de im Allgemeinen davon ausgegangen, dass bei In sekt en extrazelluläre Z ucker durch Di tTusion in die Zellen gelangen, währe nd bei Sä ugern für diesen Zweck mehrere Tra nsporter vorhanden sind. Vor kurzem wurde bei Drosophila melanogaster ein Ge n für einen G lucose transporter gefunden und kinetische Studien an Kc Zellen (eine Zelllinie, die aus Drosophila gewon nen wurde) de uten ebenfalls auf einen Transporter hin. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass bei Insekten, ähnlich wie bei Säugern, Glucose mithilfe von Transportern in die Zellen ge-
Glucose (Cs! ATP
!(
! !c:
A+---+
Dihydroxyaceton · phosphat
ADP
ATP ADP
Glycerinaldehyd 3 - Phosphat (C:J
!C:=H I,.....-ADP
~ '-ATP
! t! c::;; H20
NADH~ Acetyl -
Co~ Pyruvat CO2
Abb. 3-1 : Glykolyse.
langt. In der Zelle werden die Zucker entweder zu r Synthese von Trehalose, Glykogen oder Chitin verwendet oder in die Glykolyse eingeschleust. In der Glykolyse werden die Zucker zuerst unter Verbrauch von ATP phosphoryliert und bei der späteren Abspaltung der Phosphate wird ATP gewonnen. Glucose wird in zwei Mo lekü le Pyruvat gespalten (Pyruvat hat 3 KohlenstotTatome, wäh rend Glucose 6 hat) (Abb. 3-1). D ie Bildu ng von Pyru vat aus freier G lucose liefert zwei Moleküle Adenosintr iphosphat (ATP) . Kom mt die verwendete G lucose vom G lykogen, so werden drei AT P pro G lucose gewon nen . Bei der Abspaltu ng von Gl ucose vom Glykogen erfo lgt die erste Phosphorylierung der Gl ucose mit anorganischem Phosphat, daher kann in diesem Falle mehr AT P gewon nen werden. AT P ist die wichtigste energiereiche Verbindung der Zelle, es liefert wenn es hydro lysiert wird, die Energie, die nötig ist, um physiologische Prozesse und damit das Leben aufrecht zu erhalten. In der Glycolyse wird außer ATP auc h die reduz ierte Form von Nicotinamidadenin-di nucleotid (NADH) gebildet (eigentlic h wird NA DH + H+ gebildet , das H+ wird in das wässrige Milieu abgege ben). NADH kann in der oxidativen Phosphorylierung (Atmungskette) zur Gewinnung von AT P verwen det werden. Py ruvat wird in die Mitochondrien transportiert, dort wird ein Kohlendioxid abge spa lten und ein Reduktionsäqu ivalent, NA DH, gebildet. Es verbleiben zwei Koh lenstotTatome oder eine Acetylgruppe, die in den Citratzyklus (auch Tricarbonsäure- oder Krebs-Zyklus gena nnt) einge schleust wird (Abb. 3-2). Di es erfolgt mithilfe von Coenzym A (CoA), das genere ll Acy l-G ruppen aktiviert. Im Citratzyk lus wird ein G uan osint riphosphat (G T P) gebildet. GTP ist energe tisch äq uivalent zu AT P. Außerdem werden drei NADH und ein red uziertes Flavin-adenin-dinucleo tid (FA D Hz) im Citratzyklus gebildet , die zu r ATPBildung verwen det werden .
3.3.2 Transport der Reduktionsäquivalente in die Mitochondrien Um Energie aus dem NAD H der Glykolyse zu gewinnen, müssen Reduktionsäquivalente in die Mitochondrien transportiert werden. In den Mitochondrien wird das NAD H oxidiert (NAD H Bildu ng im Citratzyklus un d bei der ß-Oxidation erfolgt in den Mitocho nd rien) . Bei der Oxidation von NA DH wird nicht nur Energie gewonnen; sondern auch NAD+ regeneriert, das dann in der G lykolyse erneut redu zier t werde n kann. Di e innere Mitocho ndrienmembran ist jedoch undurch-
3.3 Freisetzung von Energie aus Nahrung und Energiespeichern
Kohlenhydrate Lipide
N~::Jloa(ceta,
Glycerin -
\
Mala"
"P
NADH
)
C~::' co,
7' = 1' o~nop ~~H
~ FAOO
GTP
~
NAD,3)' PhOSjPh"
Prolin
Abb. 3-2: Citratzyklus.
lässig für NAD+ und NADH. Das Problem wird dadurch gelöst, dass nicht das NADH selbst, sondern Reduktionsäquivalente in die Mitochondrien transportiert werden. In Herz, Niere und in der Leber von Säugern erfolgt dies durch den MalatAspartat-Shuttle. In diesem Shuttle wird zunächst Wasserstoff und damit Elektronen vom NADH auf Oxalacetat übertragen und Malat gebildet, das in die Mitochondrien gelangt. Dort wird der Wasserstoff auf mitochondriales NAD+ übertragen und damit mitochondriales NADH gebildet. Pro Molekül NADH werden im Mitochondrium 2,5 Moleküle ATP produziert. In den Flugmuskeln der Insekten dagegen wird, ebenso wie im Säugermuskel und -gehirn, der Glycerin-3-PhosphatShuttle verwendet, der nur 1,5 ATP pro extramitochondriales NADH liefert (Abb. 3-3). Wasserstoff und damit zwei Elektronen werden vom NADH auf Dihydroxyaceton-Phosphat übertragen, das in der Glykolyse gebildet wurde. Dabei entsteht Glycerin-3-Phosphat, das den Wasserstoff auf ein FAD-haltiges Enzym in der Mitochondrienmembran überträgt. Es wird ein FADH 2 gebildet und Dihydroxyaceton-Phosphat regeneriert. Vom FADH 2 können nur zwei Moleküle ATP gewonnen werden, denn das Redoxpotential von FADH 2 ist geringer als das vom NADH.
3.3.3 Oxidative Phosphorylierung In den Mitochondrien wird die Differenz im Elektronentransferpotential zwischen NADH oder FADH 2 und 02 genützt um ATP zu bilden. Was-
)
C
'AO
FADH2
.i.>:
NAO'
1\
Mltochondrienmembran
Cytosol
\ CoA Citrat Ace~I~~
71
Dihydroxyaceton· phosphat
Abb. 3-3: Glycerin-3-Phosphat-Shuttle.
serstoff bzw. seine Elektronen werden in diskreten Schritten von NADH oder FADH 2 auf den Sauerstoff übertragen. Die dabei frei werdende Energie wird genützt, um Protonen durch die Mitochondrienmatrix nach außen zu pumpen und so einen pH-Gradienten und ein elektrisches Transmembranpotential zu bilden. Wenn die Protonen durch einen in der mitochondrialen Membran lokalisierten Enzymkomplex zurückfließen , wird die Energie verwendet, um ATP zu synthetisieren. Dies wird als oxidative Phosphorylierung bezeichnet. Bei der oxidativen Phosphorylierung werden, nach den besten gegenwärtigen Schätzungen, pro NADH 2,5 ATP und pro FADH 2 1,5 ATP gebildet. Daraus ergibt sich, dass pro Molekül Glucose mithilfe des Malat-Aspartat-Shuttles insgesamt 30 Moleküle ATP gewonnen werden . Im Insektenflugmuskel, der einen extrem hohen Energiebedarf hat, werden dagegen mithilfe des Glycerin-3-Phosphat-Shuttles nur 28 ATP aus der Glucose gewonnen. Dieses Phänomen erscheint ungünstig, könnte jedoch folgendermaßen erklärt werden : Der Stoffwechsel wird zu Beginn des Fluges sehr rasch extrem erhöht, dadurch wird das NAD+ sehr rasch verbraucht und muss sofort regeneriert werden. Mithilfe des Glycerin-J-Phosphat-Shuttles ist dies möglich, da seine Bestandteile gleichzeitig mit dem NADH synthetisiert werden . Mit diesem Shuttle können Reduktionsäquivalente auch dann transportiert werden, wenn die NADH-Konzentration in den Mitochondrien höher ist als im Zytoplasma.
3.3.4 Lipide Lipide werden von Insekten mit der Nahrung aufgenommen oder aus Zuckern synthetisiert. Sie werden vor allem als Bausteine für Membranen und zur Energiegewinnung verwendet. Nicht alle Lipide werden gleichermaßen für die Energiegewinnung verwendet, dafür dienen vor allem Tri-
78
3 Biochemie und Stoffwechsel
)1
Acyl-CoA
FAD FADH2
ist, sie sind nicht wasserlöslich und benötigen daher für ihren Transport spezielle Proteine, Lipoproteine.
3.3.4.1 Transport von lipiden
-·:)1 Acyl - CoA um zwei Kohlenstoffatome
verkürzt
Abb. 3-4: tl-Oxidation.
und Diacylglycerin und freie Fettsäuren. Die komplexen Lipide werden durch Lipasen in freie Fettsäuren und Glycerin gespalten. Glycerin kann in die Glykolyse eingeschleust oder zur Neu synthese von Lipiden verwendet werden . Aus den freien Fettsäuren wird Energie gewonnen . Fett säuren werden als Acyl-eamitin in die Mitochondrien transportiert, dort werden sie auf CoA übertragen und bilden so Acyl-CoA, während Carnitin aus den Mitochondrien diffundiert und wieder verwendet wird . Jeweils zwei Kohlenstoffatome (ein Acetylrest) des Acyl-CoAs werden auf CoA übertragen und bilden Acetyl-CoA . Dieser Prozess wird ß-Oxidatlon genannt (Abb. 3-4). Für jedes in der ß-Oxidation abgespaltene C2-Bruchstück werden ein NADH und ein FADH 2 gebildet. NADH und FADH 2 werden, wie schon geschildert , in der oxidativen Phosphorylierung für die Produktion von ATP verwendet. Das gebildete Acetyl-CoA wird in den Citratzyklus eingeschleust und zur Gewinnung weiterer Energie verwendet (s. 3.3.1). Lipide sind sehr energiereiche Verbindungen ; die Oxidation eines Palmitats (CI6) führt zur Bildung von 108 ATP. Da die Aktivierung eines Palmitats zu Palmityl-CoA zwei ATP verbraucht ergibt sich ein Reingewinn von 106 ATP. Lipide enthalten pro Gewichtseinheit sehr viel mehr Energie als Kohlenhydrate. Lipide sind stärker reduziert und die Energie wird durch Oxidation der Substrate gewonnen. Zusätzlich sind Kohlenhydrate stark hydratisiert, wodurch sie schwerer sind, die unpolaren Lipide dagegen sind fast wasserfrei. Ein Gramm Lipide enth ält daher etwa sechsmal so viel Energie wie ein Gramm hydratisiertes Glykogen . Der Nachteil von Lipiden
Der Transport von Lipiden durch wässrige Medien, wie Blut oder Hämolymphe, ist nur mithilfe von Lipoproteinen möglich. In der Hämolymphe der Insekten werden alle Lipide durch ein einziges Lipoprotein, das Lipophorin, transportiert (Säuger haben verschiedene Lipoproteine für verschiedene Gruppen von Lipiden) . Lipophorin kommt in zwei Formen vor, als high density Lipophorin (HDLp) und als low density Lipophorin (LDLp). HDLp hat ein Molekulargewicht von 450000 bis 600000. Es besteht aus zwei Apolipoproteinen (apoLp I mit 250 kDa und apoLp II mit etwa 80 kD a) und 30 bis 53% Lipiden . Bei den Lipiden handelt es sich vor allem um Diacylglycerin und Phospholipiden, daneben weniger Triacylglycerin, Fettsäuren und Cholesterinester. Lipophorin wirkt als zirkulierender, wieder verwendbarer Shuttle (bei Säugern werden die Lipoproteine vorwiegend durch rezeptorunterstützte Endozytose aufgenommen und der Proteinanteil wird dabei abgebaut) . Liophorin transportiert z. B. Lipide aus der Nahrung vom Mitteldarm zum Fettkörper. Dort gibt es Lipide ab, vor allem Diacylglycerin, ohne, dass der Pro teinanteil des Lipophorins aufgenommen oder zerstört würde. Das Lipophorin kann am Mitteldarm weitere Lipide aufnehmen und diese ebenfalls zum Fettkörper transportieren. Bei adulten Insekten werden Lipide vor allem vom Fettkörper zu anderen Organen, wie Flugmuskel oder Ovarien transportiert. Bei besonders hohem Bedarf an Lipiden wird LDLp gebildet (s. 3.6). Mit Ausnahme der Cochenilleschildlaus und der Blattläuse, die andere Lipoproteine verwenden, wurde HDLp bei allen bisher untersuchten Insekten gefunden . Lipide gelangen in die Zellen als freie Fettsäuren oder möglicherweise auch als Diacylglycerin; wie dies erfolgt ist weitgehend ungeklärt. In den Flugmuskeln von Locusta migratoria und von Manduca sexta wurden Lipasen gefunden, die Diacylglcerin in freie Fetts äuren spalten. In Oocyten von Manduca sexta wurden sowohl in den Dotterkörperehen als auch in Präparationen von Zellmembranen Lipasen nachgewiesen . Ob andere Organe, die Lipide aufnehmen, ebenfalls in ihrer Zellmembran Lipasen haben, wissen wir nicht . Fettsäuren können in einem gewissen Umfang durch Membranen diffundieren . In den letzten 20 Jahren wurden jedoch bei Säugern Transportmoleküle in Zellmembranen nachgewiesen, welche die Aufnahme von Fettsäuren beschleunigen und
3.4 Synthese von Reserven
kontrollieren. Im Genom von Drosophila melanogaster ":urden ebenfalls Fettsäuretransporter gefunden , Ihre Funktion ist jedoch nicht untersucht. Es. ist jedoch anzunehmen, dass die Transporter bel Insekten eine ähnliche Funktion wie bei den Säugern haben. Innerhalb der Zellen werden Fettsäuren durch Fatty Acid Binding Proteine (FABP) transportiert. In Flugmuskeln von Heuschrecken und in Flugmuskeln und im Mitteldarm von Manduca sexta wurden FABP nachgewiesen. Diese FABP wurden charakterisiert und sequenziert.
3.3.5 Proteine Um Energie aus Proteinen zu gewinnen, müssen die Proteine durch Proteasen in freie Aminosäuren gespalten werden. Aminosäuren können deaminiert und dann in den Citratzyklus eingeschleust werden (s. 3.4.1). Die verschiedenen Aminosäuren gelangen an verschiedenen Stellen in den Citratzyklus, daher werden aus verschiedenen Aminosäuren unterschiedliche Mengen an Energie gewonnen; durchschnittlich wird pro Gewichtseinheit ähnlich viel Ernergie gewonnen wie aus Kohlenhydraten. Normalerweise dienen Proteine in geringerem Maße als Lipide und Kohlenhydrate zur Energiegewinnung. Einige Insekten wie Tsetsefliegen und Kartoffelkäfer gewinnen die für den Flug benötigte Energie aus der Aminosäure Prolin (s. 3.6.3.1 Prolin als Energiequelle für den Flug). Insekten bilden in den Malpighischen Gefäßen einen Primärharn durch aktiven Transport von K+- oder Na+Ionen , denen Wasser passiv folgt (s. 5.4.1). Insekten die blutsaugen transportieren Na-Ionen, pflanzenfressende Insekten transportieren vor allem K. Nutzbare Moleküle werden im Enddarm reabsorbiert. Die dafür nötige Energie scheint aus Prolin gewonnen zu werden.
3.4 Synthese von Reserven Speicher chemischer Energie sind für alle Tiere extrem wichtig. Mit ihrer Hilfe können schlechte Zeiten überstanden und besonders viel energieverbrauchende Leistungen erbracht werden, aber z. B. auch Nachkommen produziert werden. Energiespeicher anzulegen kostet zwar Energie, aber bei der Mobilisierung dieser Speicher wird mehr Energie zurückgewonnen.
79
3.4.1 Kohlenhydrate Glucose wird entweder mit der Nahrung aufgenommen, oder sie wird aus Pyruvat oder aus Aminosäuren synthetisiert. Glucose wird zu Glucose-6-Pho sphat phosphoryliert und kann dann zur Synthese von Glykogen, Trehalose oder Chitin verwendet werden. Glykogen ist der wichtigste Kohlenhydrate Speicher der Tiere, es ähnelt der Stärke der Pflanzen . Glykogen ist ein sehr großes Molekül mit einem Molekulargewicht zwischen 106 and 108 . Für die Bildung von Glykogen wird Glucose über Glucose-6-Phosphat in GlucoseI-Phosphat umgewandelt. Glucose-I-Phosphat reagiert mit Uridintriphosphat (UTP) und bildet Uridindiphosphat-Glucose (UDP-Glucose). UDP-Glucose kann mithilfe der Glykogensynthase Glucose auf ein Glykogenmolekül übertragen. Dies führt zur Bildung von a(l-4) Bindungen und damit zu langen Ketten. Glykogen ist jedoch nicht eine einfache Kette, sondern sehr stark verzweigt. Das Branching Enzym spaltet a(l-4) Bindungen und knüpft a(l -6) Bindungen . Dies erhöht die Löslichkeit des Glykogens und seine Synthese- und Abbaurate. Ein Molekül Glucose an Glykogen zu knüpfen, kostet zwei Moleküle ATP. Trehalose ist der wichtigste Hämolymphzucker der Insekten. Die Trehalose ist ein Disaccharid das aus zwei Glucosemolekülen gebildet wird, di~ a(l -l) verbunden sind; damit ist die Trehalose ein nichtreduzierender Zucker. Trehalose kann in sehr hohen Konzentrationen vorkommen und in den Larvenstadien von manchen Insekten einen größeren Kohlenhydratspeicher darstellen als das Glykogen. In der Hämolymphe von Larven von Manduca kann man 20 mg Trehalose pro ml finden, das entspricht 60 mg Trehalose pro Tier. Zuckerkonzentrationen wie sie in der Hämolymphe von Insekten normal sind, könnte ein Säuger nicht tolerieren. Große Mengen von Trehalose sind leichter verträglich als dieselbe Menge an Glucose, da Trehalose nicht reduzierend ist sie ~eein0usst das Redoxpotential nicht und glyc~sy liert nicht unkontrolliert Proteine. Der osmotische Effekt von Trehalose ist außerdem pro Gewichtseinheit nur halb so groß wie jener von Glucose. Die Synthese von Trehalose geht wie die von Glykogen von Glucose-6-Phosphat aus. Glucose6-Phosphat kann mit UDP-Glucose reagieren und Trehalose-6-Phosphat bilden, dieses wiederum wird durch Trehalosephosphatase dephosphoryliert. Für die Bildung eines Moleküls Trehalose werden drei ATP benötigt. Chitin ist ebenfalls ein Polysaccharid . es ist ein Polymer von N-Acetylglucosamin und bildet zusammen mit Proteinen das Exoskelett der Insekten (s. 1.3.2). Teile des Exoskeletts werden bei der Häutung als Exuvie verwor-
80
3 Biochemie und Stoffwechsel
fen, ein großer Teil des Mate rials wird jedoch zuvor resorbiert und für die neue Cuticula verwendet.
3.4.1.1 Kontrolle der Synthese polymerer Kohlenhydrate Da die Substrate für die Synthese von Glykogen und Trehalose identisch sind, muss die Synthese genau reguliert sein. Glucose-6-Phosphat aktiviert sowohl die Trehalosesynthase als auch die Glykogensynthase. Beide Enzyme benötigen UDP-Glucose, die nur in sehr geringer Konzentration vorkommt. Der Km Wert der Trehalosesynthase für UDP-Glucose ist sehr viel niedriger als der Km Wert der Glykogensynthase, daher wird zuerst Trehalose gebildet. Wenn der Trehalosespiegel ansteigt wird die Trehalosesynthase inhibiert, der UDP-Glucose-Spiegel erhöht sich und damit wird die Glykogensynthase aktiv. Die Synthese von Chitin beginnt ebenfalls mit Glucose-6-Phosph at, sie wird jedoch hormonell kontrolliert, u. a. durch 20-Hydroxyecdyson. Die Entscheidung, ob Kohlenhydrate synthetisiert oder metabolisiert werden, scheint durch Hormone und durch die Verfügbarkeit der Substrate gefällt zu werden. Wenn ein Insekt frisst und viel Substrat verfügbar ist, dann werden Reserven synthetisiert. Die Mengen an Reserven, die angelegt werden, sind verschieden für verschiedene Insektenarten. Larven, insbesondere von holometaboien Arten, legen meist Vorräte an, während adulte Insekten Vorräte vorwiegend aufbrauchen. Das ist jedoch keine absolute Regel, auch adulte Insekten können Vorräte anlegen.
3.4.2 Lipide Lipide werden entweder mit der Nahrung aufgenommen oder aus Kohlenhydraten oder aus Proteinen synthetisiert. Die Synthese der Fettsäuren erfolgt im Fettkörper; die Bildung von komplexen Lipiden, wie Triacylglycerin und Phospholipide, kann in verschiedenen Organen erfolgen. Kohlenhydrate und Proteine werden in Acetyl-CoA umgewandelt, das zu Malonyl-CoA carboxyliert wird. Malonyl-CoA kondensiert mit einer AcetylGruppe und bildet Acetoacetyl unter Verlust von CO z. Die Acteyl-Gruppe und später die wachsende Fettsäure ist an die Fettsäuresynthase gebunden. Durch Wiederholung dieser Sequenz werden höherkettige Fettsäuren synthetisiert. Fettsäuren können dann verwendet werden um komplexe Lipide zu synthetisieren. Für die Synthese eines Moleküls Palmitat (CI6) werden 49 Moleküle ATP verbraucht. Die vollständige Oxidation von Palmitat auf der anderen Seite erbringt 106 ATP,
d.h. es werden 57 ATP mehr gewonnen als investiert wurden. Summarisch ist die Synthese der Fettsäuren die Umkehr der Oxidation , die beiden Stoffwechselwege sind jedoch klar voneinander getrennt. Die Fettsäuresynthese erfolgt im Cytoplasma, während der Fettsäureabbau in den Mitochondrien erfolgt. Die wachsende Fettsäure ist an einen Multienzymkomplex gebunden und wird erst nach Vollendung der Synthese abgespalten. Außerdem wird beim Abbau NADH gebildet, während für die Synthese NADPH (reduzierte Form von Nicotinamid-Adenin- Dinucleotid-Phosph at) verwendet wird. Die Produkte des Abbaus sind an CoA gebunden und werden als Acetyl-CoA in den Citratzyklus eingeschleust. Die Substrate der Synthese stammen vom Acetyl-CoA ab, das jedoch im ersten Schritt der Synthese in Malonyl-CoA umgewandelt wird. Fettsäuren werden als Triacylglycerin gespeichert. Bei der Synthese von Triacylglycerin werden zwei Fettsäuren an Glycerin-3-Phosphat angehängt und so Phosphatidsäure gebildet. Glycerin3-Phosphat wird z. B. in der Glykolyse gebildet Wenn die Phosph atgruppe von der Phosphatidsäure abgespalten wird, entsteht ein Diacylglycerin; wird das Phosphat durch eine dritte Fettsäure ersetzt, so erhält man Triacylglycerin, die wichtigste Speicherform der Lipide. Ein Teil der Phospholipide, die so genannten Glycerophospholipide, werden teilweise über dieselben Stoffwechselwege gebildet. Triacylglycerin wird bei Insekten, wie bei fast allen Lebewesen in so genannten Lipid Storage Droplets gespeichert. Diese Fetttröpfchen bestehen aus Triacylglycerin und sind von einer Monolayer von Phospolipiden und einigen Proteinen umgeben, ähnlich wie die Lipoproteine in Blut oder Hämolymphe; die Lipid Storage Droplets sind jedoch viel größer als die Lipoproteine der Hämolymphe . Die Proteine in der Monolayer aus Phospholipiden scheinen bei der Bildung der Fetttröpfchen und bei ihrer Mobilisierung eine Rolle zu spielen. Bei Insekten ist jedoch kaum etwas über die Lipid Storage Droplets bekannt.
3.4.2.1 Kontrolle der Lipidsynthese Insekten synthetisieren nach der Nahrungsaufnahme komplexe Kohlenhydrate und Lipide. Adulte Moskitos, die Zuckerwasser saugen, synthetisieren in den ersten sechs Stunden nach einer Mahlzeit Glykogen und danach Lipide. Insgesamt machen sie mehr Lipide als Glykogen. Die Umschaltung von Glykogen- auf Lipidsynthese scheint durch die medianen neurosekretorischen Zellen (MNC) des Gehirns gesteuert zu werden.
3.5 Hunger
Werden die MNC operativ entfernt, so synthetisieren die Mo skitos nur Glykogen und keine Lipide. Werden die MNC reimplant iert , so wird die Glykogensynthe se gehemmt, die Lipidsynthe se wird jedoch nicht wieder aufgenommen. Nehmen die Moskitos Blut auf, d. h. vor allem Protein, so findet man ein ähnli ches Umschalten von Glykogen- auf Lipidsynth ese. In diesem Fall wird das Umschalten jedoch durch die Entfernung der MNC nicht beeinflusst. Der aktive Faktor der MNC ist nicht weiter charakterisiert.
3.4.3 Proteine Nicht-essentielle Aminosäuren werden aus Int ermediärprodukten des Glu coseabbaus synthetisiert, essentielle Aminosäuren müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, oder sie werden durch Symbionten gebildet. Protein synthese aus den Aminosäuren erfolgt bei Insekten nach den gleichen Prinzipien wie bei anderen Organismen. Die Knüpfung einer Peptidbindung erfordert drei AT P-Mo leküle. Die FaItung eines Proteins in seine aktive For m kann sponta n erfolgen wie z. B. bei der Ribonuclea se, oder aber sie ka nn Energie benötigen. Die Fal tun g von Rh odanese (ein Enzym, das in der Zyanid- Entgiftun g wichtig ist und in allen lebenden Organi smen vorkommt) z. B. verbraucht etwa 130 Moleküle ATP.
3.5 Hunger Manche Insektenlarven wie Manduca sex ta fressen fast ununterbrochen und nehmen dabei große Mengen an Nahrung zu sich. Das ist, zusamm en mit ihren gewalti gen Fortpflanzungsraten, der Grund, warum sie an Kulturpflanzen so schädlich sind. Aber selbst Insekten könn en nicht ständig fressen, Umweltfakto ren und die Häutung machen dies unmöglich. Andere Insekten fressen unregelmäß ig und können lan ge ohne Nahrung auskommen.
3.5.1 Hunger bei Larven In hungernden Insektenlarven sinkt der Sauerstoffverbrauch rasch ab. In Larven von Mandu ca sex ta z. B. nimmt die Atmung nach Ende der
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Nahrungsaufna hme innerh alb von 10 bis 15 Std um 75% ab. Trotz dieser ausgepräg ten Reduktion des Stoffwechsels müssen Energiereserven mobilisiert werden, d. h. Reserven abbauende Enzyme werden ak tiviert. Die Glykogenphosphorylase im Fettk örper von Larven von Manduca sex ta wird innerha lb von 4 Stunden nach Beend igung des Fressens maximal aktiviert. Larven von Ma nduca sex ta haben wie die meisten Insekten Trehalo se als wichtigsten Häm oIymphzu cker (5 bis 20 mg/mi) und nur geringe Men gen an Glucose (0,2 bis I mg/mi). Der Trehalosespiegel in der Hämolymph e kann in verschiedenen Lebensstadien eines Insekts sehr stark variieren, er scheint jedoch geregelt zu sein. Der Häm olymphglucosespiegel scheint dagegen nicht reguliert zu sein. Gluc ose wird im Darm aufgenomm en, zum Fett körper transporti ert und dort in Trehalose umgewandelt. Der Glu cosespiegel in der Hämolymphe hängt wahr scheinlich nur von der Geschwindigkeit der Aufnahm e von Glu cose und der Geschwindigkeit ihrer Umwandlung in Trehalose ab. Wenn eine Lar ve von Manduca sex ta zu fressen aufhört, fällt ihr Glu cosespiegel innerhalb einer halben Stunde um 65%. Diese Abnah me der Hämolymph glucose scheint der Auslöser für die Freisetzun g des adipokinetischen Hormons (AKH) aus den Corpora cardiaca zu sein. Bei Hun ger ausgeschütte tes AKH aktiviert in der Larve die Glykogenph osphorylase des Fettkörpers, die Glu cose-I-Phosphat vom Glykogen abspaltet. Da das gebildete Gluc oseph osphat in Trehalose umgewandelt wird, bleibt die Konzentration an Trehalose in der Häm olymphe hungernder Larven hoch. Wenn die hun gernden Larven Glucose erhalten, wird die Akti vierung der Glykogenphosphorylase verhindert, oder, wenn sie schon aktiviert ist, wird sie durch die Gluc ose wieder inakti viert. Hält die Hun gerphase lan ge an , wird die Glykogenphosphorylase lan gsam inaktiviert ; nach etwa 48 Stunden ist die Akti vität der Glykogenph osph orylase wieder auf dem Kontrollspiegei, obwohl nur ein Teil der Glykogenreserven aufgebra ucht ist. Nach der Inakt ivierung der Glykogenph osphorylase sinkt der Trehalosespiegel ab. Es ist nicht bekannt, wie die Inakt ivierung der Glykogenph osphorylase bei lan g anhaltendem Hun ger kont rolliert wird. Fette werden in hungernden Lar ven nur in sehr geringem Maße mobilisiert. Ande re Insekten haben lange Phasen, in denen sie nicht fressen, z. B. die blut saugende Wan ze Rhodnius nimmt nur eine große Blutmahlzeit pro Larvenstad ium zu sich. Diese langen Phasen ohne Nahrungsau fnahm e müssen zu deutlichen Veränderungen im EnergiestolTwechsel führen. Wenig ist bekannt, wie sich der Energiesto lTwechsel während dieser langen Hun gerph asen verändert. Es wäre jedoch interessant, die Unterschiede in den
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3 Biochemie und Stoffwechsel
Veränderungen des Stoffwechsels während langer Hungerphasen und während kurzer Fresspausen zu sehen.
3.5.2 Hunger bei adulten Insekten In hungernden adult en Manduca sextas und adulten Heuschrecken werden, ähnlich wie in den Larven, Kohlenhydrat- und Lipidreserven mobilisiert. Das im Fettkörper gespeicherte Triacylglycerin nimmt ab, und die Lipidkonzentration in der Hämolymphe steigt an; Glykogen wird ebenfalls mobilisiert, der Trehalosespiegel in der Hämolymphe dagegen nimmt trotzdem ab. Es liegt nahe zu vermuten, dass die Mobilisierung der Reserven wie bei den Larven durch das AKH kontrolliert wird. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Kohlenhydrat- und Lipidreserven werden in adulten Tieren von Locusta migratoria und von Manduca sexta während des Hungerns mobilisiert, ohne dass ein Hormon der Corpora cardiaca eine Rolle spielt. Bei Mandu ca sexta gibt es Hinweise dafür, dass das Absinken des Trehalosespiegels die Mobilisierung der Reserven auslöst; wenn Trehalose injiziert wird, sinkt der Lipidspiegel in der Hämolymphe, und die Glykogenphosphorylase des Fettkörpers wird inaktiviert. Bei adulten Insektenweibchen führt Hunger zur Resorption von sich entwickelnden Oocyten. Die Eireifung wird bei den meisten Insekten durch das Juvenilhormon gesteuert, und es ist bekannt, dass die Corpora allata, die Juvenilhormon produzieren, bei Hunger inaktiviert werden. Tsetsefliegen sind vivipar, das Weibchen gebiert eine voll ausgewachsene Larve; hungert eine schwangere Tsetsefliege, so führt das zu einer Fehlgeburt .
3.6 Flug der Insekten Der Flug verursacht einen gewaltigen Anstieg im Energieverbrauch. Da Anfang und Ende des Fluges genau definiert sind, ist es nicht verwunderlich, dass der Stoffwechsel des Insektenflugmuskels viel besser untersucht ist als der Stoffwechsel anderer Organe der Insekten . Die Flugmuskeln der Insekten gehören zu den stoffwechselaktivsten Muskeln überhaupt. Der Energiebedarf eines erwachsenen Menschen beträgt etwa 2000 bis 3000 kcal am Tag. Wenn alle Muskeln eines 75 Kg schweren Menschen mit dem Energieumsatz des Flugmuskels einer Heuschrecke arbeit en würden , so wären dafür 7500 kcal pro Stunde nötig. Dies würde dem Verzehr von 10 bis 12 kg Kartoffeln pro Stunde entsprechen. Unser Verdauungssystem wäre damit weit über-
fordert. Die dieser Rechnung zu Grunde gelegten Werte sind nicht die höchsten, die für Insektenflugmuskeln berichtet wurden.
3.6.1 Schätzungen des Energieaufwandes für den Flug Der Insektenflugmuskel arbeitet völlig aerob, daher kann seine Stoffwechselaktivität durch Messung des Sauerstoffverbrauches bestimmt werden. Während der Ruhe und während des Fluges vorgenommene Messungen zeigten, dass der Sauerstoffverbrauch um mehr als das 100 fache ansteigen kann (die Unterschiede zwischen verschiedenen Insektenarten sind groß). Bei kleinen Säugern und Vögeln kann man bei maximaler Muskelarbeit einen Anstieg des Stoffwechsels um etwa das 10-fache beobachten. Der Energieaufwand kann auch bestimmt werden, indem man die Abnahme der Energiespeicher misst. Bei Wanderheuschrecken und bei Manduca sexta wurden beide Methoden verwendet, und die Werte stimmen gut miteinander überein.
3.6.2 Transport von Sauerstoff und Substraten Der hohe Energieumsatz des Insektenflugmuskels bedarf besonderer Transportsysteme. Der Sauerstoff wird weitgehend durch Diffusion in den Tracheen zum Muskel transportiert, in vielen Insekten jedoch wird der Gasaustausch durch die Ventilation von Tracheensäcken erleichtert. Da Insekten klein sind, ist der Gasaustausch durch Diffusion in Luft effektiv, die Gasleitung (Tracheen) geht bis in die einzelnen Zellen. Feine Verästellungen der Tracheen, die Tracheolen, dringen in den Muskel ein und kommen in enge Nachbarschaft zu den Mitochondrien. In Anpassung an die hohen Stoffwechselraten ist die Masse an Mitochondrien groß, 30 bis 40% des Volumens der Muskelfasern können von den Mitochondrien eingenommen werden. Bei diesen hohen Stoffwechselraten sind die Speicher für chemische Energie im Muskel zu gering, um einen längeren Flug zu ermöglichen. Eine mögliche Ausnahme sind die blutsaugenden Raubwanzen Rhodnius und Triatoma, die große Mengen an Fett in ihren Muskeln speichern. Bei anderen Insekten kommt der Brennstoff für die Muskeln aus der Hämolymphe und vor allem aus dem Fettkörper. Insekten haben ein offenes Kreislaufsystem, sie haben kein Kapillarsystem, die Hämolymphe umspült jedoch die Muskelzellen. Der
3.6 Flug der Insekten
Insektenmuskel hat Einstülpungen, die so genannten T-Kanäle. Diese Kanäle dienen der Übertragung der Erregung von der Zellmembran zum sarcoplasmatischen Reticulum, daneben dienen sie jedoch wohl auch dem Stofftransport. Die Hämolymphkonzentrationen von Zuckern , Lipiden und Aminosäuren sind hoch im Vergleich zu den Konzentrationen im Blut der Säuger, möglicherweise kompensiert dies teilweise die Nachteile des weniger effizienten offenen Kreislaufsystems.
3.6.3 Brennstoffe für den Flug Insekten können Kohlenhydrate, Lipide oder Protein verwenden, um die für den Flug benötigte Energie zu gewinnen. Insekten , die als adulte Tiere nicht fressen (manche Lepidopteren), oder die sehr lange Strecken fliegen (Wanderheuschrecken und manche Lepidopteren), verbrennen Lipide, um die für den Flug nötige Energie zu gewinnen. Wanderheuschrecken verwenden jedoch auch Kohlenhydrate, vor allem zu Beginn des Fluges. Insekten wie Fliegen, Moskitos, Bienen und Wespen gewinnen die für den Flug benötigte Energie vorwiegend aus Kohlenhydraten. Viele Insekten verwenden eine Mischung aus Kohlenhydraten und Lipiden . Insekten, die ihre Flugenergie aus Kohlenhydraten gewinnen, haben die Tendenz, kürzer zu fliegen. Das ist jedoch keine feste Regel. Moskitos, die Kohlenhydrate als Energiequelle für den Flug verwenden, können selbst als ungefütterte Adulttiere mehrere Stunden ununterbrochen in der Luft bleiben. Wenn die Moskitos gefressen haben, kommt viel von der benötigten Energie aus den im Kropf gespeicherten Kohlenhydraten. Sowohl Insekten als auch Säuger speichern Lipide für die Energiegewinnung als Triacylglycerin in intrazellulären Fettspeichertröpfchen (s. 3.4.2), diese müssen mithilfe von Lipasen mobilisiert werden. Während bei den Säugern die Fette für die Energiegewinnung vor allem als freie Fettsäuren an Serumalbumin gebunden transportieren werden, verwenden die Insekten als Transportform vorwiegend Diacylglycerin (siehe unten zur Rolle der Fettsäuren). Die Lipidkonzentration in der Hämolymphe von Insekten kann sehr hoch sein, in der Hämolymphe von adulten Manduca sexta wurden bis zu 150 mg Fett/mi gemessen. Freie Fettsäuren in hohen Konzentrationen werden im Allgemeinen als schädlich betrachtet. Diacylglycerin hat keine Säurefunktion und wird daher häufig als weniger schädlich betrachtet. Ob dies wirklich der Fall ist sei dahin gestellt. Fettsäuren sind in wässrigen Medien sehr schlecht löslich (nM) und gebunden an ein Protein sind sie nicht unbedingt gefährlich. Diacylglycerin ist zwar neu-
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tral , aber in Konzentrationen wie sie in Insekten gefunden werden, ist es für Membranen ebenfalls gefährlich, wenn es nicht gebunden ist. Aufgrund ihrer sehr schlechten Löslichkeit in wässrigen Medien müssen sowohl Fettsäuren als auch Diacylglycerin an Proteine gebunden transportiert werden, bei Insekten an Lipophorin, das aus einem Kern von Neutrallipiden besteht, der von einem Monolayer von Phospholipiden und Proteinen umgeben ist (siehe auch 3.3.4.1). Während des Fluges wird adipokinetisches Hormon (AKH) ausgeschüttet. Unter seinem Einfluss wird vermehrt Diacylglycerin aus dem Fettkörper freigesetzt und vom Lipophorin (HDLp) aufgenommen. Gleichzeitig werden mehrere Moleküle eines dritten Apolipohorins (Apolipophorin III, das ein Molekulargewicht von etwa 20000 hat) angelagert. Es ist das einzige Apolipophorin, das ohne Lipide in der Hämolymphe löslich ist. Das Apolipophorin III deckt die zusätzlich aufgenommenen unpolaren Lipide (vor allem Diacylglycerin) ab und damit kann das Lipophorin in Lösung bleiben. Durch die Aufnahme der großen Menge an Diacylglycerin wird die Dichte des Lipophorins geringer, obwohl gleichzeitig mehrere Moleküle ApoLp III angelagert werden. Das HDLp wird damit zum LDLp. Diacylglycerin des Lipophorins wird für die Energiegewinnung verwendet, dabei wird das LDLp wieder zum HDLp. Aus dem Triacylglycerin des Fettkörpers werden Diacylglycerin nachgebildet und das HDLp wird erneut zum LDLp. Der Flugmuskel nimmt nach unseren Kenntnissen kein Diacylglycerin auf. Diacylglycerin wird durch eine Lipase in der Muskelmembran gespalten und die freien Fettsäuren werden dann aufgenommen. Die Aufnahme von Fettsäuren ist bei Insekten bisher nicht untersucht. Für die Wanze Triatoma inf estans und ebenso für ruhende Adulttiere von Manduca sexta wurde eine sehr hohe Umsatzrate an freien Fettsäuren berichtet. Die Umsatzrate ist so hoch , dass trotz der geringen Konzentration an freien Fettsäuren ihre Rolle als Energielieferant während der Ruhe wichtiger ist als jene des in sehr viel höherer Konzentration vorkommenden Diacylglycerins. Während des Fluges scheint jedoch Diacylglycerin der Hauptenergielieferant zu sein.
3.6.3.1 Prolin als Energiequelle für den Flug Die Prolinkonzentration in der Hämolymphe vieler Insekten nimmt zu Beginn des Fluges ab. Bei den meisten Insekten scheint Prolin den Citratzyklus mit Intermediärproduktion aufzufüllen und damit zu beschleunigen (Starterrolle). Bei einigen Insekten wie bei dem Kartoffelkäfer Leptinotarsa decemlineata und bei der Tsetsefliege Glos-
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3 Biochemie und Stoffwechsel
Muskel
Pyruvat
• Alanin
/ ~/ ~~ , Malat
Alanin .. Pyruvat
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Lipide
/ ;;xaloacetat
1
\
Citratzyklus
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Glutamat
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Hämolymphe
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~ Glutamat
~
Prolin
Abb. 3-5: Prolinstoffwechsel.
sina morsitans ist Prolin jedoch die Hauptenergiequelle für den Flug. Prolin kann vollständig oder teilweise oxidiert werden; Insekten, die Energie für den Flug vor allem aus Prolin gewinnen , oxidieren Prolin nur -bis zum Pyruvat, die Pyruvatoxidation wird bei ihnen durch Prolin gehemmt. Prolin wird in Glutamat umgewandelt, und dies kann nach Deaminierung zu a-Ketoglutarat in den Citr atzyklus eingeschleust werden und ihn bis zum Malat durchlaufen (Abb. 3-5). Malat kann im Citratzyklus bleiben oder durch Decarboxylierung in Pyruvat umgewandelt werden . Bei der teilweisen Oxydation von Prolin zu Pyruv at werden drei NADH, zwei FADH 2 und ein GTP gewonnen, das ergibt 11,5 ATP. Pyruvat wird zur Resynthese von Prolin verwendet. Im Flugmuskel gebildetes Pyruvat wird durch Anlagerung von NH3 zu Alanin. Das hierfür benötigte NH 3 stammt vom Glutamat (Abb. 3-5) . Alanin wird zum Fettkörper transportiert, dort desaminiert zu Pyruvat und das wird wieder carboxyliert zu Oxalacetat. Oxalacetat gelangt in den Citratzyklus, nimmt eine Acetylgruppe auf und es entsteht a-Ketoglutarat. Aus a-Ketoglutarat wird in einer Transaminierung mit Alanin Glutamat gebildet. DabeiwirdAlaninzu Pyruvat. Das Glutamat wird in Prolin umgewandelt. Für die Bildung von Prolin aus Pyruvat und Acetyl CoA werden drei ATP benötigt, d. h. der Reingewinn bei der teilweisen Oxidation von Prolin beträgt 8,5 ATP. Das für die Prolinsynthese verwendete Acetyl CoA stammt aus dem Abbau der Fetts äuren die bei der teilweisen Oxidation von Prolin völlig oxidiert werden . Die Oxidation von Prolin in der Flugmuskulatur ist also ein besonderer Mechanismus, mit dem die Fettreserven des Fettkörpers für
die ATP-Synthese nutzbar gemacht werden . Der Gewinn an Energie ist etwas geringer, als wenn die Acetylgruppe direkt durch den ganzen Citratzyklus läuft . Ein möglicher Vorteil dieser Oxidation der Fettsäuren über Prolin ist, dass die unpolaren Fette nicht mit Hilfe von Lipoproteinen durch die Hämolymphe transportiert werden müssen. Wahrscheinlich haben jedoch alle Insekten ein HämoIymphlipoprotein; für Tsetsefliegen, die Prolin für den Flug verwenden, ist ein Lipophorin nachgewiesen. Die Prolinkonzentration in der Hämolymphe von Insekten kann sehr hoch sein, für Tsetsefliegen wurden mehr als 200 mM Prolin für allgemeine Gewebsflüssigkeiten berichtet. Selbst dies beachtlich großen Mengen reichen jedoch nur für kurze Flüge, und die Neusynthese von Prolin erfolgt langsam. Bei Tsetsefliegen beträgt die Syntheserate von Prolin nur 1/40 bis 1130 der Verbrauchsrate während des Fluge s, daher müssen Tsetsefliegen nach einem kurzen Flug relativ lange ruhen . Möglicherweise verwenden diese Insekten auch zusätzlich andere Energiesubstrate für den Flug .
3.6.4 Kontrolle des Energiestoffwechsels während des Fluges Der Energiestoffwechsel des Flugmuskels ist sehr genau kontrolliert, dadurch ist ein gutes Funktionieren garantiert. Energie ist verfügbar, wenn nötig , und Verschwendung wird vermieden. Die kritischen Kontrollpunkte für den Flugstoffwech-
3.7 Fortpflanzung sei sind erstens der Beginn des Fluges, der einen gewaltigen Anstieg des Energieumsatzes nötig macht, und zweitens die Umschaltung von einer Energiequelle auf die andere . Im Flug wird zuerst ATP verbraucht, dessen Spiegel jedoch kaum absinkt, da es aus Phosphoarginin nachgebildet wird. Phosphoarginin, dessen Spiegel rasch abfällt, ist ein Puffer für ATP, ähnlich wie Phosphokreatin im Säugermuskel. Die im Heuschreckenflugmuskel vorhandenen Vorräte von ATP und Phosphokreatin sind gering, sie würden nicht einmal ausreichen um den Flug für eine Sekunde zu ermöglichen. Das bedeutet natürlich, dass die Speicher chemischer Energie sehr rasch mobilisiert werden müssen. Als Erstes wird Glykogen im Flugmuskel verwendet , dann die Hämolymphtrehalose und schließlich das Glykogen und Fett des Fettkörpers. Die Glykogenphosphorylase des Flugmuskels, die Muskelglykogen abbaut, wird durch den erhöhten Ca-Spiegel im kontrahierenden Muskel aktiviert. Die Enzyme der Glykolyse müssen ebenfalls aktiviert werden. In Muskelextrakten wurden rasche Veränderungen der Konzentrationen von Phosphat und phosphathaitigen Verbindungen gemessen. Diese Veränderungen reichen jedoch nicht aus, um die Veränderungen in der Stoffwechselaktivität zu erklären. Mithilfe von NMR Spektroskopie gelang es, phosphathaltige Metabolite im Flugmuskel zu messen, ohne die Tiere zu verletzen. Mit dieser Methode konnte gezeigt werden, dass in vivo ein Großteil dieser Substanzen gebunden und damit nicht frei verfügbar ist. Mit der NMR Spektroskopie wurde auch gezeigt, dass innerhalb der ersten zwei Sekunden des Fluges der freie Anteil von phosphathaItigen Metaboliten, die Enzyme regulieren, sich viel stärker verändert als die in Extrakten gemessenen Gesamtmengen. Das freie Phosphat nimmt um das Dreifache zu, die Konzentration an ADP um das Fünffache und die des AMPs um das Siebenundzwanzigfache. Diese Veränderungen der Metabolite könnten ausreichen, um die Veränderungen im Stoffwechsel zu erklären. Sie führen zur gleichzeitigen Aktivierung von Glykogenphosphorylase, Phosphofruktokinase, Hexokinase und Pyruvatkinase. Trehalose aus der Hämolymphe wird durch Trehalase vermehrt gespalten, und die Glucose wird durch die aktivierte Hexokinase phosphoryliert und in die Glykolyse eingeschleust. Der Mechanismus durch den die Trehalase bei Flugbeginn aktiviert wird ist unbekannt. Der andere wichtige Kontrollpunkt im Energiestoffwechsel der Flugmuskeln mancher Insekten ist der Wechsel von Kohlenhydrat- auf Lipidnutzung, ehe die Kohlenhydrate aufgebraucht sind. Im Herzmuskel von Säugern wird der Verbrauch von Kohlenhydraten durch die Wirkung von ho-
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hen Citratkonzentrationen auf die Phosphofruktokinase gehemmt (Phosphofruktokinase ist das Schrittmacherenzym der Glykolyse).Die Phosphofruktokinase des Insektenflugmuskels ist jedoch unempfindlich gegen Citrat. Vor kurzem wurde gezeigt, dass Fruktose-2,6-bisphosphat während der ersten 15 Minuten des Fluges um 80% abnimmt. Fruktose-2,6-bisphosphat ist der stärkste bekannte Aktivator tierischer Phosphofruktokinasen, es wurde erst 1980 entdeckt. Eine Abnahme von Fruktose-2,6-bisphosphat um 80% reduziert die Aktivität der Phosphofruktokinase von Heuschrecken in vitro um 95% . Fruktose-2,6-bisphosphat könnte also sehr wohl auch in vivo bei der Umschaltung vom Kohlenhydrat- auf den Lipidstoffwechsel eine Rolle spielen. Wie es zur erhöhten Aktivität der Lipase kommt ist bisher nicht geklärt. Die Vermutung , dass die Lipase durch Phosphorylierung aktiviert wird liegt nahe. Phosphorylierung führt jedoch nur zu einer geringen Erhöhung der Lipaseaktivität. Möglicherweise wird die Aktivität der Lipase durch eine Translozierung der Lipase kontrolliert. Die Aktivierung der Glykogenphosphorylase des Fettkörpers während des Fluges wird bei manchen Insekten ebenfalls durch das adipokinetische Hormon (AKH) oder Hormone kontrolliert (Insekten haben zwischen ein und drei verschiedene adipokinetische Hormone. Warum manche Insektenarten mehrere AKHs besitzen ist nicht klar. Es wurden Unterschiede in der Wirkungsweise der verschiedenen AKHs gefunden; diese Unterschiede sind jedoch gering und andere Insekten kommen mit einem AKH aus). Die Mobilisierung der Lipide des Fettkörpers während des Fluges wird durch AKH reguliert. Bei Insekten, die Prolin für den Flug verwenden, steigt die Rate der Prolinoxidation zu Beginn des Fluges stark an, sie wird erhöht durch den Anstieg der ADP-Konzentration. Es ist nicht klar, welche Enzyme in diesen Insekten durch ADP aktiviert werden. Prolin wird synthetisiert, wenn der Prolinspiegel niedrig ist, die Prolinsynthese wird gehemmt, wenn der Prolinspiegel hochist. Die Prolinsynthese scheint durch ein Peptid aus der Familie der AKH Peptidhormone stimuliert zu werden.
3.7 Fortpflanzung Die Fortpflanzung ist eine der wichtigsten Funktionen im Leben eines adulten Insekts. Vor allem die Weibchen investieren große Mengen an Energie und Reserven, in manchen Fällen machen jedoch auch die Männchen große Investitionen .
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3 Biochemie und Stoffwechsel
3.7.1 Kosten der Fortpflanzung Es ist schwierig, quantitative Daten über die Kosten der Fortpflanzung zu erhalten. Die Fortpflanzung ist ein verhältnismäßig langer Prozess, und Anfang und Ende sind naturgemäß nicht so gut definiert wie beim Flug . Natürlich kann man messen, wie viel Vorräte in die Eier gehen, aber diese Messungen erfassen nicht die gesamten Kosten . Es ist schwierig, geeignete Kontrollen zu finden. In Larven und in Männchen findet man andere energieverbrauchende Prozesse, die diese Tiere für Kontrollen ungeeignet machen. Jungfräuliche Weibchen produzieren häufig auch Eier oder zumindest Eiproteine. Dazu kommt, dass die meisten Insekten während der Fortpflanzung fressen, so dass nicht nur der Verbrauch von Reserven beachtet werden muß, sondern auch die Menge an aufgenommener Nahrung und die Assimilation der Nahrung. Die Energiekosten der Fortpflanzung sind jedoch groß. Insektenweibchen mit reifenden Eiern fliegen meist wenig; manche flugfähigen Grillenarten haben entweder wohlausgebildete Flugmuskeln oder große Ovare, aber nicht beides gleichzeitig. Vitellin ist das wichtigste Eiprotein und seine H ämolymph-Vorstufe ist Vitellogenin. Vitellogenin wird im Fettkörper gebildet, es kann 15% der im Fettkörper synthetisierten Proteine ausmachen und 60 % aller sezernierten Proteine. Neben Vitellin enthalten die Eier andere Proteine, etwas an Kohlenhydraten und vor allem große Mengen von Fetten. Von den Eiern von Manduca sexta sind etwa 40% des Trockengewichtes Lipide und nur etwa 30% Proteine . Der Gehalt an chemischer Energie eines Eies der Aedes-Moskitos ist konstant, aber der Beitrag den Lipide leisten, variiert zwischen 56 und 81 %.
3.7.1.1 Transport von Vorräten in die Ooeyten Die gesamte Embryonalentwicklung der Insekten erfolgt in abgeschlossenen Eiern; nur wenige Insekten, z. B. manche lebengebärende Schaben und Tsetsefliegen, erhalten während der Embryonalentwicklung Nährstoffe vom Muttertier. Daher muß das Insektenei bei seiner Ablage viele Vorräte, vor allem Proteine und Lipide enthalten. Diese werden fast alle im Fettkörper des Weibchens synthetisiert und dann zu den Oocyten transportiert. Die Aufnahme verschiedener Proteine, vor allem des Vitellogenins, das dabei zum Vitellin wird, erfolgt durch rezeptorunterstützte Endozytose. Der Vitellogeninrezeptor des Moskitos Aedes aegypti wurde geklont, ebenso der
Rezeptor für das wichtigste Eiprotein von Drosophila melanogaster. Auch Lipophorin, das in geringeren Mengen aufgenommen wird, scheint zumindest bei manchen Insekten durch rezeptorunterstützte Endocytose aufgenommen zu werden. Proteine, die nur in Spuren vorkommen, können durch Liquid Phase Uptake, also als Beiprodukte der Aufnahme anderer Proteine, in die Oocyte gelangen . In der Oocyte werden die Proteine in sogenannten Yolk Bodies gespeichert. Lipide sind während der Embryogenese sehr wichtig, sie werden für die Bildung von Membranen und als Energielieferanten benötigt. Für Culex quinguefasciatus wurde gezeigt, dass 90% der für die Bildung des Embryos benötigten Energie aus Lipiden gewonnen wird. Oocyten können aus Fettsäuren Triacylglycerin synthetisieren, sie sind jedoch kaum in der Lage Fettsäuren zu synthetisieren. Wie die große Menge an Lipiden (30 bis 40 % des Trockengewichtes der Oocyten ist Lipid) in die Oocyte gelangen ist weitgehend ungeklärt. Bei Manduca sexta wurde gezeigt, dass etwa 5 % der Lipide mit Lipophorin aufgenommen werden und weitere 5% mit Vitellogenin, das ebenfalls ein Lipoprotein ist. Vitellogenin wird zwar in großen Mengen aufgenommen, enthält jedoch nur wenig Lipide. Ob die restlichen 90% der Lipide als Diacylglycerin oder als freie Fettsäuren aufgenommen werden ist nicht geklärt. Angeliefert werden die Lipide vom Lipophorin vor allem als Diacylglycerin, aber in der Oocytenmembran von Manduca sexta wurde eine Lipase nachgewiesen, so dass möglicherweise freie Fettsäuren aufgenommen werden. Freie Fettsäuren können in gewissem Umfang durch Membranen diffundieren, da die Aufnahme kontrolliert sein muss, würde man jedoch erwarten dass Membranproteine für die Aufnahme von Fettsäuren wichtig sind. Bei Säugern sind drei Proteine nachgewiesen, die bei der Aufnahme von Fettsäuren eine Rolle spielen. Im Genom von Drosophila wurde ein Gen für einen Fettsäuretransporter gefunden, dessen Rolle jedoch nicht untersucht ist. Untersuchungen zur Kinetik der Aufnahme freier Fettsäuren durch Oocyten von Manduca sexta deuten ebenfalls auf einen Fettsäuretransporter hin. In den Oocyten werden die Fettsäuren durch FABPs transportiert und als Triacylglycerin in den Lipid Storage Droplets gespeichert. Die Lipid Storage Droplets sind bei Insekten nur elektronenmikroskopisch untersucht. In anderen Organismen sind sie besser untersucht, sie werden im endoplasmatischen Reticulum gebildet.
3.9 Hormone, die den Energiestoffwechsel steuern
3.7.2 Hormonelle Kontrolle des Energiestoffwechsels während der Fortpflanzung Die Synthese von Vitellogenin, von Fetten und Kohlenhydraten für die sich entwickelnden Eier verbraucht viel Energie (s. 3.7 und 3.7.1). Die Vitellogeninsynthese wird bei den meisten Insekten durch Juvenilhormon kontrolliert, bei Moskitos übernimmt Ecdyson diese Rolle. Der Effekt dieser Hormone auf den Energiestoffwechsel ist jedoch indirekt , die Proteinsynthese wird stimuliert und damit der Energieverbrauch, aber Juvenilhormon und Ecdyson mobilisieren keine Energiereserven. Bei den erwähnten Grillen führt Juvenilhormon, das die Eireifung stimuliert , zur Rückbildung der Flugmuskeln . AKH mobilisiert Energiereserven, aber es scheint bei der Eireifung keine Rolle zu spielen. Die Menge an Energie, die für die Eireifung benötigt wird ist sehr groß, aber die Bereitstellung erfolgt im Vergleich zum Flug über einen längeren Zeitraum. Die bekannten Wirkungen von AKH sind zeitlich relativ begrenzt.
3.8 Ungünstige Umweltbedingungen Insekten als ektotherme Tiere haben eine Körpertemperatur, die ungefähr derjenigen der Umwelt entspricht. Sie können nicht wie Säuger ungünstige Umwelttemperaturen durch Kühlung oder Heizung ausgleichen. In beschränktem Umfange können sie ungünstigen Umweltbedingungen ausweichen oder die Auswirkungen der Umweltbedingungen durch ihr Verhalten mildern . Ein bekanntes Beispiel ist die Temperaturregulation im Bienenstock . Jede Form der Temperaturregulation kostet Energie. Insekten sind also Schwankungen ihrer Körpertemperatur ausgesetzt. Wenn die Umwelttemperatur steigt, so steigt die Atmung an, und der Verbrauch an Energie nimmt zu. Wenn die Temperatur fällt, wird die Stoffwechselintensität reduziert, in manchen Fällen sogar sehr stark, vor allem dann , wenn das Insekt in dieser Zeit in Diapause geht (Diapause ist ein Stopp in der Entwicklung und dient meist dem Überstehen ungünstiger Umweltbedingungen). Sinkt die Temperatur sehr stark , d.h. unter den Gefrierpunkt, so müssen besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Insekten, die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ertragen können, lassen sich in zwei Gruppen einteilen, in gefriertolerant und nichtgefriertolerant. Bei den gefriertoleranten Insekten
87
gefriert die extrazelluläre Flüssigkeit, jedoch nicht die Flüssigkeit in den Zellen. Bei nicht-gefriertoleranten Insekten kann der Gefrierpunkt sehr stark erniedrigt werden, so dass die Körpertemperatur weit unter den Nullpunkt sinkt und trotzdem die Körperflüssigkeiten nicht gefrieren. Für beides finden sich komplexe Anpassungen. Bei beiden Anpassungen wird neben anderen Veränderungen der Spiegel an Polyhydroxyalkoholen erhöht, dies sind vor allem Glycerin, Sorbitol, Threitol und Mannitol, in manchen Fällen können wohl auch Glucose oder Trehalose diese Schutzfunktion übernehmen. Diese Polyole haben viele Effekte: sie haben colligative Effekte, durch die der Gefrierpunkt erniedrigt wird, daneben dehydrieren Polyole aber auch Zellen und schützen Enzyme vor der Denaturierung. Die PolyoIe werden aus Glykogen gebildet, das durch die Glykogenphosphorylase abgebaut wird. Kälte aktiviert in Insekten die Glykogenphosphorylase des Fettkörpers durch eine Inaktivierung der Phosphorylasephosphatase. Bei manchen Fröschen wurden ähnliche Reaktionen auf Kälte beschrieben. Da der Glycerinspiegel in manchen Insekten sehr hoch sein kann (es gibt Berichte, dass die Hämol ymphe 2 M Glycerin enthalten kann), werden dafür große Mengen Glykogen verbraucht. Am Ende der Kälteperiode kann aus Glycerin wieder Glykogen synthetisiert werden, Abbau und Neusynthese führen jedoch zu Verlusten an Energie.
Auch andere ungünstige Umweltbedingungen können zu erhöhtem Energieaufwand führen . So zwingt z. B. Trockenheit ein Insekt zu Aufwendungen, um Wasser zurückzuhalten (s. Kap. 5).
3.9 Hormone, die den Energiestoffwechsel steuern Die meisten Hormone, wie Juvenilhormon und Ecdyson, haben nur einen indirekten Einfluss auf den Energiestoffwechsel der Insekten. Zwei Hormone haben jedoch einen direkten Einfluss auf den Energiestoffwechsel und werden deshalb hier behandelt. Es handelt sich um einen nicht weiter charakterisierten Faktor aus den medianen neurosekretorischen Zellen (MNC) des Moskitogehirnes und um das adipokinetische Hormon. Möglicherweise ist Octopamin ein weiteres Hormon das den Energiestoffwechsel beeinflusst. Es kann Lipide und Kohlenhydrate mobilisieren, wenn auch in geringerem Umfang als AKH (siehe auch letzter Absatz) . Die Substanz aus den MNC kontrolliert, ob Glykogen oder Lipide nach einer Zuckermahlzeit synthetisiert wird. Die Substanz ist leider nicht weiter charakterisiert.
88
3 Biochemie und Stoffwechsel
Die adipokinetischen Hormone sind die einzigen bekannten Insektenhormone, die gesichert direkt die Mobilisierung von Energiespeichern beeinflussen. Bei Insekten , bei denen das AKH vor allem Kohlenhydrate mobilisiert wird es meist als hypertrehalokämisches Hormon (HTH oder HrTH) bezeichnet. Diese Hormone sind Peptide, die in den intrinsischen neurosekretorischen ZeIlen der Corpora cardiaca synthetisiert und gespeichert werden. Mitglieder der AKH-Peptidfamilie sind wohl in allen Insekten zu finden (s. 12.2.5). Nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand scheint AKH Energiereserven nur dann zu mobilisieren, wenn sehr rasch sehr viel Energie benötigt wird. AKH kontrolliert die Lipidmobilisierung für den Flug in Heuschrecken und in Manduca sexta . In Heuschrecken und wahrscheinlich auch in Dipteren mobilisiert AKH auch Kohlenhydrate für den Flug. Im Kartoffelkäfer wird die Prolinsynthese durch injiziertes AKH stimuliert. In hungernden Larven von Manduca sex ta aktiviert AKH die Glykogenphosphorylase des Fettkörpers und macht somit die Kohlenhydratreserven des Fettkörpers verfügbar. In geringerem Umfange mobilisiert es auch Lipide in hungernden Larven. Injiziertes AKH kann bei den meisten Insekten Kohlenhydrate und/oder Lipide mobili sieren . Appliziertes AKH hemmt außerdem die Protein- und die Lipidsynthese und zeigt myotrope Aktivität. Bei der Feuerwanze Pyrrhocoris apterus wird auch die Laufaktivität durch injiziertes AKH stimuliert. Alle diese Aktivitäten beeinflussen den Energiestoffwechsel, doch wurd e bei den meisten Insekten nicht gezeigt, unter welchen Bedingungen AKH diese Funktion hat ; damit ist nicht sicher ob es sich wirklich um physiologische Funktionen von AKH handelt. Bei der tropischen Schabe B/aberus discoidalis scheint ein Mitglied der AKH-Peptidfamilie die Synthese der H ämgruppe der Cytochrome und damit die Reifung der Mit ochondrien zu beeinflussen. Dies ist überraschender Weise eine relativ langfristige Wirkung (zur Rolle von AKH siehe auch Kap. 12).
Unsere Kenntnisse, wie die Sekretion des AKHs kontrolliert wird, sind immer noch sehr mangelhaft. Die Flugaktivität führt zur Sekretion von AKH , das Wie ist jedoch unklar. Die Nervi corporis cardiaci II, die aus dem Protocerebrum kommend die Corpora cardiaca innervieren, spielen eine Rolle bei der Freisetzung des AKHs. Werden diese Nerven elektrisch gereizt, so wird AKH freigesetzt. Es gibt Berichte, dass Octopamin die AKH-Sekretion stimuliere. Darauf fußend wurde angenommen , dass optaminerge Fasern die Corpora cardiaca innervieren, oder dass Octopamin in der Hämolymphe die Ausschüttung von AKH bewirke. Es konnten jedoch weder optaminerge Fasern gefunden werden, welche die Corpora cardiaca innervieren noch konnten Octopaminrezeptoren auf den Corpora cardiaca gefunden werden.
Da diese Untersuchungen positive Kontrollen enthielten, sind die negativen Ergebnisse überzeugend. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass Octopamin die Freisetzung von AKH kontrolliert. Neuere Befunde deuten darauf hin, dass möglicherweise Locustatachykinin und das Crustacean Cardioactive Peptid (CCAP) die Freisetzung von AKH kontrollieren . Bei Insekten wurden auch insulinartige Peptide gefunden. Es ist jedoch nicht klar ob sie der Regulation der Kohlenhydrate dienen oder ob sie eine Rolle in der Entwicklung und dem Wachstum der Insekten haben.
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4 Ernährung und Verdauung Werner Peters
4.1 Anregung, Dauer und Steuerung der Nahrungsaufnahme Das Auffinden von Nahrungsquellen erfolgt vor allem aufgrund chemischer Reize, die mit den H aarsinnesorganen auf den Antennen wahrgenommen werden (s. 11.3). Bei der Nahorientierung spielen außerdem Sinnesorgane an den Tarsen und auf den Mundwerkzeugen, insbesondere den Palpen , eine Rolle . Die Wahrnehmungsfähigkeit kann im Alter auch bei den Insekten abnehmen . So kann bei der Schmeißfliege Phormia regina die Wahrnehmung von Zuckern bis zu 50% verringert sein. Parallel dazu können bis zu 50% der Sinneshaare am Labellum nicht mehr fun ktio nsfä hig sein . D ie Wahrnehmung von Fraßlockstoffen fördert und verl ängert die Nahrungsaufnahme, während diese beim Vorh andensein von Fraßabwehrstoffen (Fraßhemmstoffe) unterbrochen oder reduziert werden kann. Sinnesorgane zur Überprüfung der aufgenommenen Nahrung sind besonders im Cibarium vorhanden. Die Nahrungsaufnahme wird nicht nur durch chemische, sondern auch durch physikalische Reize beeinflusst. Die Partikelgröße der Nahrung kann bei Strudlern von Bedeutung sein, ihre Viskosität bei Saftsaugern. Wenn Blattfresser nicht in der Lage sind, in die Blattfläche einzudringen, fressen sie an der Blatt- oder Stengelkante. Behaarte oder eingerollte Blätter können die Nahrungsaufnahme unmöglich machen. Insekten haben nicht nur Hunger, sondern auch Durst. Bei Pflanzenfressern wird die Nahrungsaufnahme durch das Vorhandensein von Zuckern und Aminosäuren gefördert. Mono- und oligophage Insekten sind a uf das Vorhandensein ganz bestimm ter Fraßlockstoffe angewiesen. Larven des Kohlweißlings Pieris brassicae haben in ihren ehemo sensorischen Haaren nicht nur Sinneszellen zur Wahrnehmung von Wasser, Zuckern, Salzen und Fraßabwehrstoffen, sondern auch eine Sinneszelle, die auf die Wahrnehmung von Glykosiden der als Futterpflanzen dienenden Cruciferen spezi alisiert ist . Als Fraßabwehrstoffe (Fraßhemmstoffe; s, 21.3.2.2) fungieren eine Vielzahl von sekundären
Pflanzenstoffen: Amine, Alkaloide, Terpene, Phenole und Glykoside. Andererseits können Verbindungen a us diesen Gruppen auch Fraßlockstoffe sein . Die Wirkung der Fraßlock- und -abwehrstoffe ist konzentrationsabhängig. Nahrung, die nur geringe Mengen an Fraßabwehrstoffen enthält , kann notfalls noch aufgenommen werden, vor allem, wenn hinreichende Mengen an Fraßlockstoffen und ausreichend Hunger vorhanden sind . Als Pharmakophagie bezeichnet man die gezielte Aufnahme von Sekundärstoffen pflanzlicher oder tierischer Herkunft, die nicht zur Energieerzeugung verwendet werden. Vielmehr können die gespeicherten Stoffe eine Giftwirkung gegenüber potentiellen Räubern entfalten oder die Fitness des pharmakophagen Insekts auf andere Weise erhöhen; sie können auch an die Nachkommenschaft weitergegeben werden. Hingegen nehmen die canthariphilen Insekten das Terpenanhydrid Cantharidin gezielt aus Ölkäfern (Meloidae) oder Oedemeridae auf (s. 14.4.1). Besonders bekannt sind in dieser Hinsicht die mit der Nahrung Alkaloide aufnehmenden Monarchfalter (Danaidae), Arctiidae und Ithomiidae unter den Schmetterlingen, ferner einige Blattkäfer (Chrysomelidae), Chloropidae (Diptera) und Pyrgomorphidae (Saltatoria). Die Zygaenidae (Lepidoptera) sind in der Lage, aus den Aminosäuren Valin und Isoleuein Cyanglucoside zu synthetisieren. Bei ursprünglich erscheinenden Arten werden diese in der Leibeshöhle gespeichert, bei den Larven von höher differenzierten Arten aber in besonderen Behältern im Bereichdes Integuments untergebracht und als Wehrsekret verwendet (s. 17.2.2.3). Bei Reizung stoßen die Larven Tropfen des Wehrsekrets aus und schrecken damit potenzielle Räuber wie Ameisen, Kröten, Stare und Spitzmäuse ab. Sehr bemerkenswert ist, dass die zahlreichen Arten der Gattung Zygaena als Larven zusätzlich Cyanglucoside aus Futterpflanzen der Familie Fabaceae aufnehmen. In beiden Fällen handelt es sich um Linamarin und Lotaustralin, zwei nahe verwandte Verbindungen, die bei Pflanzen und Zygaenen auf die gleiche Weise synthetisiert werden. In beiden Fällen kann auch mithilfe einer Glucosidase eine Entgiftung zu Cyanalanin erfolgen. Eine auf Zygaenen spezialisierte Schlupfwespe Cotesia (Apanteles) zygaenarum entgiftet deren Wehrsekret über das Thiocyanat (SCW). Die Dauer der Nahrungsaufnahme ist sehr verschieden. Manche Blutsauger nehmen relativ rasch größere Blutmengen auf. Die Schmeißfliege Phormia regina saugt höchstens 2 Minuten lang
92
4 Ernährung und Verdauung
Zuckerlösung auf und macht dann eine Pause von 2 oder mehr Stunden . Die Wanderheuschrecke Locusta migratoria frisst einige Minuten und legt dann eine Pause von bis zu einer Stunde ein. Das gegenteilige Extrem stellen manche Blattläuse dar, die 22 Stunden pro Tag saugen. Die Steuerung des FressverhaItens ist vorwiegend an Fliegen und Wanderheuschrecken untersucht worden. Bei Fliegen wird die Nahrung zunächst in den Mitteldarm befördert und nach dessen Füllung als Vorrat in den großen, blasenförmigen, im Abdomen liegenden Kropf (Abb. 2570) gepumpt. An 3 Stellen sind am Fliegendarm Dehnungsrezeptoren vorhanden , die eine Messung der aufgenommenen Quantität ermöglichen und ein Stopppen der weiteren Nahrungsaufnahme veranlassen können: Sie sind 1. am Ende des Oesophagus vorhanden, 2. wie ein Körbchen um den Kropf und 3. um den Enddarm angeordnet. Steuernd können außerdem Meldungen über die Qualität der Nahrung und über die Erschöpfung der Speichelvorräte wirken. Die Konzentration der Nährstoffe in der Haemolymphe ist bei Wanderheuschrecken und Fliegen von Bedeutung für die Überführung von Nahrung aus dem Kropf in den Mitteldarm. Die Bedeutung von Hormonen und zentralnervösen Einflüssen ist noch weitgehend unbekannt. Sie dürften von erheblicher Bedeutung für die Steuerung der diurnalen Rhythmik von Freßphasen, den Reifefraß und das Aussetzen der Nahrungsaufnahme während der Diapause sein.
4.2 Extrazelluläre Verdauung Bei einer ganzen Reihe von Insekten findet zumindest ein Teil der Verdauung außerhalb des Körpers statt, sodass verflüssigte Nahrung aufgenommen werden kann . Bei Carabiden, Cicindeliden und Asiliden (Raubfliegen), bei den Larven von Hydrophilus, Myrmeleon (Ameisenlöwe), Chrysopa (Blattläuse fressende Florfliege) u. a. sowie bei den Schnecken fressenden Larven von Lampyris (Leuchtkäfer) wird Enzyme enthaltender Inhalt des Mitteldarms erbrochen und anschließend der verflüssigte Anteil der Beute eingesogen. Die Larve von Dytiscus (Gelbrandkäfer) injiziert Mitteldarminhalt über die als Injektionsnadel fungierenden Mandibeln, verdaut damit innerhalb weniger Minuten die Beute und saugt die entstandene Flüssigkeit anschließend auf. In diesem Falle spielen Speicheldrüsensekrete keine Rolle bei der Verdauung, da diese Art gar keine Speicheldrüsen besitzt. Parasitisch lebende Insekten nehmen ebenfalls extraintestinal verdaute Nahrung auf, beispielsweise Erzwespen der Gat-
tung Nasonia (Mormoniella), die vor allem im Spätsommer und Herbst Fliegen parasitieren . Räuberische wie Pflanzensaft saugende Wanzen können ebenfalls bereits außerhalb des Körpers Nahrung mithilfe von Speicheldrüsensekreten vorverdauen und dann aufsaugen (s. 1.6.2). Als Beispiel für extraintestinale Verdauung gelten auch die Larven von Schmeißfliegen (Calliphoridae), die über den Enddarm eine Protease abgeben, mit deren Hilfe befallenes Fleisch verdaut wird. Die Larven saugen anschließend die verflüssigte Nahrung auf. In diesem Falle stammt eine im Darm der Larven vorhandene, überaus wirksame Protease von den Bakterienmassen der Arten Proteus vulgaris und P morganii. Überträgt man Larven von verflüssigtem Fleisch auf frisches Fleisch, so fehlen ihnen die als Nahrung dienenden Bakterien; die Larven verlassen das Fleisch und beginnen eine Notverpuppung.
4.3 Allgemeines Vorder- und Hinterdarm entstehen während der Embryonalentwicklung aus ektodermalen Einstülpungen, dem Stomo- bzw. dem Proctodaeum (s. 13.2.1.2, Abb. 13-52, 13-53), deren Ausdehnung am Vorhandensein von Cuticula zu erkennen ist. Das einschichtige Epithel scheidet basal eine Basalmembran und apikal eine chitinhaltige Cuticula ab, die aus nichtsklerotisierter, elastischer Endocuticula und einer zweischichtigen Epicuticula besteht. Diese Cuticula muss, ebenso wie die Körpercuticula, während der postembryonalen Entwicklung gehäutet werden. Vorder- und Hinterdarm können eine komplexe Muskulatur aufweisen , die einerseits den Darm umgibt und andererseits Darm und Integument oder Tentorium verbindet, um als Dilatator zu fungieren und in erster Linie Pumpbewegungen zu ermöglichen (Abb. 4-2, 4-4). Funktionell ist der Vorderdarm mit besonderen Einrichtungen für die Nahrungsaufnahme versehen , während der Enddarm für die Regulation des Wasser- und Ionenhaushalts, die Bildung von Kotballen und, in besonderen Fällen, für die Atmung sowie die Abgabe von Pheromonen zuständig sein kann.
Der Mitteldarm (Mesenteron) ist entodermaler Herkunft. Im Verlauf der Embryonalentwicklung wird dieser Teil und seine Verknüpfung mit Vorder- und Hinterdarm erst relativ spät gebildet. Der Mitteldarm scheidet keine Cuticula ab, wohl aber bei fast allen Insekten chitinhaltige peritrophische Membranen. Länge, Form und Funktion der Darmanteile können sehr verschieden sein. Bei Collembola, Protura, Diplura, einigen Gruppen der Pterygota und sehr vielen Larven ist
4.4 Der Vorderdarm
Mund - -- ---, Oesophagus
93
Speicheldrüse (paarig)
Vorderdarm
Mitteldarm
HItt-- - \ - -
peritrophische Membranen insges. peritrophe Hülle
- -JlHt- -+- endoperitropher Raum
Malpighisches Gefäß
Abb. 4-1: Schematische Darstellung der Gliederung des Darmes. Grenze zwischen Vorderdarm (VD) und Mitteldarm (MD)
Y
der Darm ein gerades Rohr. Bei den meisten Imagines der Pterygota ist der Darm aber mehr als körpe rlang und daher in verschiedenem Maße gewunden (Abb. 4-6 u. 4-7; s. Kap . 25). Pflanzenfresser, Sapro- und Coprophagen haben im Allgemeinen einen längeren und voluminöseren Darm als Räuber. Bei Blutsa ugern kann der Mitteldarm kurzfristig enorm viel Nahrung aufnehmen (Abb. 25-74). Der Darmtrakt weist bei der Filterkammer der Zikaden (s. 4.5.4.1) eine Kombination von MitteIdarm und Malpighischen Gefäßen sowie im Falle der Cryptonephridien (s. Kap . 5) eine Kombination von Enddarm und Malpighischen Gefäßen auf. Symbionten können an verschiedenen Stellen des Darmtraktes, unter Umständen in besonderen Aussackungen, untergeb racht sein (s. Kap. 4.5.1 u. 19).
4.4 Der Vorderdarm Die M undöffnung befindet sich definitionsgemäß nicht an der Stelle der Na hrungsaufnahme, sondern vor dem Eingang zum Pharynx. Dieser entsteht dadurch, dass Epi- und Hypopharynx ein Rohr bilden. In Höhe der Mundöffnung liegt das Frontalganglion, das bei der Abgrenzung von Cibarium und Pharynx sowie ihrer Muskelverso rgung als " Landmarke" dienen kann (Abb.4-2). Vor der Mundöffnung befindet sich bei Insekten mit kauenden Mun dwerkzeugen die Buccal- oder Präoralhöhle, in der Mandibeln und Laden der MaxilIen die Nahrung zerkleinern. Bei Insekten mit saugenden Mundwerkzeugen ist vor der Mundöffnung ein erweiterter Raum, das Cibarium, vorhanden. D as Aufsaugen der Na hrung können zwei Pumpsysteme, die Cibarial- und die Pharynxpumpe, übernehmen (Abb. 4-2 u. 4-3). Die
94
4 Ernährung und Verdauung
PhP
c
A
.
-
Sensilla basiconica
D
>:::>
G
F PhP
PhP
dorsaler Dilatatormuskel
PhP "'--"'''--''''Y/ I---~ Ph a ryn x
laterale Dilatatormuskeln
Abb. 4-2: Varianten der beiden Pumpsysteme am Vorderdarm: Cibarial- und Pharynxpumpe. A Relativ weitlumiger Pharynx eines Allesfressers, der Küchenschabe Blatta orientalis. B Aufsicht auf das ausgebreitete Cibarium der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala, dessen Haarsinnesorgane die aufgenommene Nahrung prüfen. (Nach Rice 1973) C Längsschnitt durch den langgestreckten Kopf der Skorpionsfliege Panorpa communis. (Nach Heddergott 1935, verändert) D Besonders stark entwickelte Cibarialpumpe einer Zikade. (Nach Snodgrass 1935, verändert) E Pumpsysteme am Vorderdarm der Stechmücke Aedes aegypti. F Querschnitt durch den rinnenförmigen Pharynx einesSaftsaugers, der Blattlaus Aphisfabae. (Nach Weber 1933) GQuerschnitt durch den Vorderdarm der Stechmücke Aedes aegypti im Bereich der Pharynxpumpe mit ihrem dreifachen Muskelansatz. (Nach Jobling 1987) C Cibarium, CP Cibarialpumpe. FG Frontalganglion, G Gehirn, Oe Ösophagus, Ph Pharynx, PhP Pharynxpumpe, Spg Speichelgang, UG Unterschlundganglion.
Cibarialpumpe wird von Muskeln bewegt, die vor dem Frontalganglion liegen, während die Muskeln der Pharynxpumpe hinter dem Frontalganglion angeordnet sind. Viele, wenn nicht alle Insekten, haben eine gut ausgebildete Pharynxpumpe, mit deren Hilfe sie Flüssigkeit aufnehmen können; außerdem können sie damit Luft in den Darm befördern, um das Ausdehnen der Körpercuticula
nach der Häutung zu ermöglichen. Bei den meisten Hemiptera, Thysanoptera und Diptera ist eine gut entwickelte Cibarialpumpe vorhanden; Anoplura, Lepidoptera und Bienen besitzen eine Pharynxpumpe und außerdem bisweilen eine Cibarialpumpe. Die als Dilatatoren fungierenden Muskeln im Bereich des Vorderdarms inserieren am vorderen,
4.4 Der Vorderdarm
95
A
J0~~ ~=="'=-
Oe
\~~~~8~- M
v
B Nahrungsrohr Maxille
Abb. 4-3: Mundwerkzeuge einer
Wanze. (Nach Weber 1933) A Kopf von Graphosoma italicum (Pentatomidae) mit Mundwerkzeugen in StichsteIlung . Die Stechborsten werden vom Labium geführt, aber das Labium dringt nicht ein, sondern knickt lediglich ab. B Speichelpumpe. C Blockdiagramm der Stechborsten. D Die Stechborsten werden vom unpaaren, vorn offenen Labium geführt. La Labrum, Lb Labium, M Pumpmuskel, Oe Ösophagus, PhP Pharynxpumpe, Sh Spitze mit Sinneshaaren zur Prüfung der Einstichstelle, SPSpeichelpumpe, Spg Speichelgang, Stb Stechborstenbündel, VVentil.
later alen , dorsalen und ventralen Kopfbereich sowie am Tentorium (Abb. 4-2 u. 4-3). Wie kompliziert diese Mu skelversorgun g sein kann, zeigt das Beispiel einer Schmetterlingsraup e (Abb. 4-4). Die Mu skeln im Vorderdarmbereich sind mit Streckrezept oren versehen. Antagonistisch wirken die Elastizität der Cut icula und die Mu skulatur des Vorderdarms. Letzt ere besteht aus schwach entwickelten län gs orientierten Fasern und einer außen aufliegenden Lage von ringförmig angeordneten Muskeln. Sarcopl asmatisches Reticulum, T-System, Zahl der Mitochondrien und Tracheen versorgung sind bei diesen lang sam kontrahierenden Fasern geringer als bei Skelettmuskeln entwickelt. Die Innervierung der Vorderdarmmuskulatur erfolgt durch das stomatogastrische Nervensystem und seine auffallendste Komponente, das Frontalganglion (s. Kap. 8). Im Bereich des Ciba rium s wurden Chemorezeptoren nachgewiesen (Abb. 4-2 B). Bei Insekten mit kauenden Mundwerkzeugen kann die Cuticula verschiedener Bereiche des Vorderdarms mit unterschiedlich gestalteten, nach hinten gerichteten, sklerotisierten Domen versehen sein. Auf die Mundöffnu ng können als Abschnitte des Vorderdarms Pharynx, Ösophagus (Speiseröhre), Kropf (Ingluvies) und Proventriculus (Kau- oder Filter.anagen") folgen. Der mit Cuticula ausgekleidete Kropf ist die mehr oder weniger starke Auftreibung eines Vorderdarm abschnitts und durch die Epicuticula seiner Cuticulaauskleidung prakti sch impermeabel. Iso-
Speichelrohr
Mandibel
c Lb
Stb
o
liert man einen mit Wasser gefüllten Kropf von Fliegen, so trocknet die Flüssigkeit selbst nach Tagen nicht ein. Lediglich bei Wanderheuschrecken ist nachgewiesen, dass Fett säuren dur ch die Kropfwand permeieren können. Bei den Orthopteren kann die Verdauung bereits in erheblichem Maße im Krop f stattfinden, weil Enzyme durch Regurgitation von Mitteldarminhalt in den Kropf gelangen. Im Kropf von Schistocerca gregaria ist die Konzentration der a-Glucosidase doppelt so hoch wie im Mitteldarm (Abb. 4-8). Bei Bienen und anderen sozialen Hymenopteren kann der Kropf als Nahrungsspeicher für die Larvenfütterung oder zur Vorratshaltung dienen (Abb. 4-5 B u. 6, 25-48 B). Eine Arbeiterin der Honigbiene kann 70 mg Nekt ar im Kropf transportieren, was fast
LM RM
Vorder-
Milleldarm
Abb. 4·4: Der Vorderdarm einer Schmetterlingsraupe ist
nicht nur mit Ring- und Längsmuskulatur, sondern auch mit Muskeln versehen, die Darm und Integument verbinden und als Dilatatoren fungieren . (Nach Weber 1933, vereinfacht)
96
4 Ernährung und Verdauung
A
B
Oe
M
c PM
MD
-III-a!-f---
Abb. 4-5: Proventriculus undValvula cardiaca. A Bei der Schabe Periplaneta americana ist ein einfacher Proventriculus (Pr) mit starker Bezahnung als Kauapparat vorhanden; er kann auch als Verschlussapparat zwischen Kropf und Mitteldarm dienen. (Nach Snodgrass 1935) B Bei der Arbeiterin der Honigbiene dient ein zweiteiliger Proventriculus (Prl, Pr2) samt der Valvula cardiaca (Vc) als Verschlussapparat zwischen Kropf (K), auch Honigblase genannt, und Mitteldarm (MD). (Nach Trappmann 1923). C Caecum (Mitteldarmblindsack), M Muskeln, Oe Ösophagus, PM peritrophische Membranen, ergeben peritrophe Hülle.
K
R
A
A
B
A
C
ihrem übrigen Körpergewicht entspricht. Der Nektar wird mithilfe von Enzymen aus den Speicheldrüsen in Honig umgewandelt. Bei anderen Insekten ist der Kropf als ein- oder beidseitige Aussackung am Ösophagus ausgebildet. Bei Larven von Schmetterlingen und Blattwespen, die
Abb. 4-6: Beispiele für unterschiedIiche Darmformen. A Grille Nemobius silvestris, B Raupe des Schmetterlings Malacosoma americana, C Gelbrandkäfer Dytiscus marginalis. (Nach Weber 1933). A After, BI Blindsack, C Caecum, HD2 2. Abschnitt des Hinterdarms, K Kropf, M Mundöffnung, MDI und MD2 Teile des Mitteldarms (MD), MG Malpighische Gefäße, Oe Ösophagus, Ph Pharynx, Prl und Pr2 Teile des Proventriculus, Py Pylorus, R Rektum.
harzreiche Coniferennadeln fressen, wird das Harz in diesen Blindsäcken gesammelt und anschließend ausgespien. Bei Dipteren ist der Kropf ein bis ins Abdomen reichender Vorratsbehälter, in dem noch keine Verdauung stattfindet (Abb. 2570). Am Eingang zum Kropf regelt ein Sphinkter
4.5 Der Mitteldarm
A
B
vorderer Mitteldarm
Blindsäcke (Caeca)
Abb. 4·7: Nahrungsvorräte können im Darm an verschiedener Stelle aufbewahrt und allmählich abgebaut werden. (Nach Chapman 1985) A Bei blutsaugenden Wanzen dient der vordere Mitteldarm als Vorratsdarm. B Termiten besitzen am mittleren Abschnitt des Hinterdarms einen Blindsack, in dem der Abbau der cellulosehaitigen Nahrung stattfindet. C Bei der ebenfalls holzfressenden Larve des Nashornkäfers Oryetes nasicornis ist dieser Darmabschnitt zu einer sog. Gärkammer aufgeweitet. in der die Cellulose durch Mikroorganismen abgebaut wird.
Ein- und Ausstrom der Nahrung. Tsetsefliegen können bei einer wenige Minuten dauernden vollen Blutmahlzeit etwa 30 mg Blut in den Kropf pumpen und dieses anschließend nach und nach zur Entwässerung und Verdauung in den Mitteldarm befördern. Andere Bluts auger wie die Flöhe, die keinen Kropf besitzen , schaffen das aufgenommene Blut sofort in den Mitteldarm. Bei Wanzen dient der vordere Mitteldarm als Vorratsbehälter (Abb. 4-7 A). Der Proventriculus besitzt bei Arten mit kauenden Mundwerkzeugen vielfach stark entwickelte Zahnbildungen, die dem Zerkleinern der Nahrung dienen (Abb. 4-5 A). Er kann mit Ringmuskulatur versehen sein und trotz des Vorhandenseins mehr oder weniger starker Cuticuladifferenzierungen als gut schließendes Ventil wirken, wenn im hinteren Teil eine Verschlusseinrichtung vorhanden ist. In anderen Fällen kann der Proventriculus, mit feinen Cuticuladifferenzierungen versehen , als Reuse fungieren , beispielsweise bei der Ameisenjungfer (Myrmeleon) sowie bei den Planipennia, den Borkenkäfern und Flöhen. Bei den Imagines von Mecoptera und Flöhen bildet jede Epithelzelle des Proventriculus nur einen Zahn, eine Acantha. In manchen Ordnungen kann der Proventriculus fehlen, so bei den Collembola, Diplura, Protura, Ar-
97
chaeognatha, Zygentoma, Imagines von Plecoptera, Hemiptera und unter den polyphagen Coleoptera bei den Chrysomeloidea und den Scarabaeoidea, bei Schmetterlingslarven und Blattwespen . Er ist besonders gut bei den Blattodea, Saltatoria, Isoptera, vielen Coleoptera und den Larven der Odonata und Plecoptera ausgebildet. Bei den Wasserkäfern gibt es alle möglichen Varianten mit Zerkleinerungs- und Filterfunktion. Vor dem Übergang in den Mitteldarm kann ein ringförmiger Schließmuskel oder eine mit unterschiedlich stark ausgebildeter Cuticula versehene Faltenbildung des Epithels, die Valvula cardiaca, vorhanden sein, die ein Zurückströmen von Nahrung vom Mittel- zum Vorderd arm verhindert. Als Cardia bezeichnet man eine deutlich abgesetzte Kombination aus Valvula cardiaca und besonders strukturiertem Anfangs abschnitt des Mitteldarmepithels (s. 4.5.2) (Abb. 4-14). Bei Bienen, Wespen und Ameisen bildet der zweigeteilte Proventriculus samt der Valvula cardiaca vor allem durch das Vorhandensein eines Schließmuskels eine Ventileinrichtung, die den Einstrom von Nahrung aus dem Kropf regelt (Abb. 4-5 B). Bei der Honigbiene kann auf diese Weise Pollen in den Mitteldarm gelangen und Nektar im Kropf ("Honigblase") verbleiben . Wespen haben eine extrem lange Valvula cardiaca. Bei Larven von Dipteren befindet sich an der Grenze zwischen Valvula cardiaca und Mitteldarm ein Ring teilungsfähiger, nicht von Cuticula bedeckter Zellen, den man als Imaginalring bezeichnet.
4.5 Der Mitteldarrn 4.5.1 Das Epithel des Mitteldarms
und seine Regeneration Der Mitteldarm kann sehr verschieden gestaltet sein (Abb. 4-6). Bei vielen Arten ist er ein mehr oder weniger weitlumiges Rohr, während er bei anderen vielfältig differenziert ist. Wahrscheinlich sind diese Gliederungen mehrfach unabhängig voneinander entstanden, nicht homologisierbar
20 %
Abb. 4-8: Relative Konzentration der a-Glucosidase in verschiedenen Teilen des Darmes von Schistocerca gregaria. (Nach Evans et al. 1964)
- - - - Enzymkonlen lralion -
- ---<..
98
4 Ernährung und Verdauung
A
••••
1fl6.ll.
i,f . 'ltuIn.oa.
B ~~~~~~~ "<, Basallamina
c
Abb. 4-9: Stammzellen und Regenerationsnester des Mitteldarms. Ausdifferenzierte Mitteldarmzellen können sich nicht mehr teilen. Die ständigeErneuerung wie auch die Erweiterung des Mitteldarmepithels geht von Stammzellen aus. A Stammzellen können in Gruppen als sog. Regenerationsnester imbasalen Bereich des Epithels liegen. B Ein Teil der Zellen wächst aus und drängt zwischen die umliegenden Darmzellen. C Regenerationskrypten mit teilungsfähigen Stammzellen an der Basis können ähnlich aussehen wie bei Säugetieren. 0 Sie können so weit in die Tiefe ragen, dass sie außen am Darm in Form zahlloser kleiner Schläuche in Erscheinung treten (vgl. Abb. 4-6Cl.
und am besten mit neutralen Bezeichnungen zu versehen. Ein Beispielfür die Uneinheitlichkeit der Bezeichnungen ist der im älteren Schrifttum verbreitete Ausdruck Ventriculus, der entweder für den gesamten Mitteldarm oder für einen aufgeweiteten vorderen Teil verwendet wird, der als Speicher dient und immer wieder zu Unrecht , lediglich in Analogie zu den Verhältnissen bei den Säugetieren, als "Magen" bezeichnet wird. Bei blutsaugenden Wanzen ist ein solcher vorderer, sackartiger Teil vorhand en und dient als Vorratsbehälter für das aufgenommene Blut. Bei anderen Wanzen, den Pentatomorpha, ist der Mitte1darm in vier Abschnitte unterteilt, wobei die Abschnitte drei und vier durch eng aneinanderliegende Epithelbereiche gegeneinander abgeriegelt sind. Ein weiterer, besonders strukturierter Abschnitt mit sog. Symbiontenkrypten dient zur Unterbringung von symbiontischen Bakterien (Abb. 4-18 D, 4-19; s. 19.1.3). Am Beginn des Mitteldarms können Blindsäcke, Caeca, vorhanden sein (Abb. 4-7). Zu zweit oder ringsum in größerer Zahl sind sie bei Plecopteren, Grillen, Heuschrecken, Mantiden, Mallophagen, Läusen und Dipterenlarven angeordnet (Abb. 25-76). Caeca können bisweilen auch
im mittleren (Larven von Lamellicomiem (Abb. 47 C) und manchen Dipteren) oder im hinteren Bereich (Phasmiden) des Mitteldarms vorkommen. In Mittcldarmdivertikeln, die keine sekretorische Funktion haben, können Symbionten vorhanden sein bei phytophagen Wanzen sowie den Larven folgender Käferfamil ien: Ptinidae, Curculionidae, Cerambycidae. Die Caeca der Wanderheuschrecken und Stechmückenlarven spielen eine besondere Rolle im Ionen- und Wasserhaushalt (s. Kap. 5). Die Zellen des Mitteldarmepithels sind in der Lage, mehrere Funktionen zu erfüllen (Abb. 4-1, 4-20). Sie sind zuständig für die Sekretion von Verdauungsenzymen und die Absorption von Nährstoffen. Außerdem scheiden sie apikal fast immer zahlreiche peritrophische Membranen und basal eine Basallamina von unterschiedlicher Stärke ab. Auf diese folgen Ring- und Längsmuskeln sowie Tracheen. Die Lebensdauer der Mitteldarmzellen ist begrenzt. Verbrauchte Zellen werden ins Lumen abgestoßen. Da ausdifferenzierte Zellen nicht teilungsfähig sind, werden Mitteldarmzellen ebenso wie das bei Säugetieren der Fall ist - von
4.5 Der Mitteldarm
99
undifferenzierten, teilungsfähigen Stammzellen ergänzt. Diese befinden sich in Regenerationsnestern oder -krypten im basalen Bereich des MitteIdarmepithels (Abb. 4-9). Bei vielen Käfern sind diese Krypten tiefe Einstülpungen, die auf der Außenseite des Mitteldarms als Papillen sichtbar sein können (Abb. 4-6 C, Dytiscus) . Autoradiographische Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Mehlkäfer Tenebrio molitor Mitteldarmzellen innerhalb eines Zeitraums von 4 Tagen ersetzt werden. Das Darmepithel der Larven und Imagines von Dipteren unterscheidet sich dadurch von dem anderer Insekten, dass keine teilungsfähigen Stammzellen vorhanden sind. Der Darm wächst in diesen Fällen lediglich durch Vergrößerung der Zellen. Bei manchen Insekten wird anscheinend das gesamte Mitteldarmepithel bei jeder Häutung erneuert (Collembola , Zygentoma, Blattella, Dermestes, Anthrenus, Termiten , Galleria, Psychoda). Während der Metamorphose kann eine Erneuerung des Mitteldarmepithels in unterschiedlicher Weise zustandekommen : Das Mitteldarmepithel der Larve wird entweder von der Imago übernommen, oder es wird ein besonderes Epithel in der Puppe ausgebildet, das in der Imago erhalten bleibt.
Die Feinstruktur der Mitteldarmzellen weist keine Besonderheiten gegenüber anderen Epithelzellen auf (4-10). Ihr apikaler Mikrovillisaum führt zu einer Oberflächenvergrößerung um das 30-40faehe, Die Mikrovilli können bisweilen gegabelt sein oder fusionieren apikal miteinander und ergeben so ein Leistensystem. Basal sind mehr oder weniger starke Membraneinfaltungen mit assoziierten Mitochondrien vorhanden (basales Labyrinth), wie sie für Transportepithelien charakteristisch sind. Mitochondrien können als dichte Anhäufung im subapikalen Bereich vorkommen . Das raue endoplasmatische Reticulum kann bei Zellen mit intensiver Proteinsynthese sehr ausgedehnt sein und in hochgeordneten Stapeln oder Wirbeln vorliegen. Bei den in unregelmäßigen Abständen Blut aufnehmenden Imagines von Dipteren werden die Enzyme enthaltenden Vesikel in den Darmzellen angehäuft und erst etwa 12-24 Stunden nach der Blutmahlzeit ins Lumen abgegeben. Wahrscheinlich erfolgt auch bei den MitteIdarmzellen der Insekten die Verpackung der gebildeten Enzyme im Golgi-Apparat. Die Innervierung der Muskulatur des Mitteldarms kann durch das caudale, vom letzten Abdominalganglion oder im Falle der Fusion von Ganglien von dem entsprechenden Anteil des Nervensystems oder zusätzlich auch noch vom stomatogastrischen System aus erfolgen (s. Kap. 10). Die sekretorische Tätigkeit der Mitteldarmzellen dürfte durch Neurosekrete gesteuert werden, die in Axonen an der Basalseite des Epithels vorhanden sind.
Abb.4-10: Feinstruktur von Mitteldarmzellen der Larve des Speckkäfers Dermestes lardarius. A Übersicht über die apikalen zwei Drittel der langgestreckten Zellen. Oberhalb des Mikrovillisaums befindet sich ein surface coat, aus dem sich peritrophische Membranen abheben. Man erkennt lediglich die orthogonale Textur der Mikrofibrillen, nicht aber die Grundsubstanz der peritrophischen Membranen. Im apikalen Teil der Zelle sind Vesikel mit elektronendichtem und -lichtem Inhalt vorhanden. Zwischen diesem Bereich und den im zweiten Drittel befindlichen länglichen Kernen erkennt man unregelmäßiges ER. 12600 x. BApikaler Zellbereich. 25700 x. C Basales Labyrinth mit tiefen Einfaltungen und dazwischen liegenden zahlreichen Mitochondrien (Transportepithel). Die Basallamina ist stark ausgebildet und weist Anschnitte von Tracheolen auf. 25700 x.
Unsicher ist immer noch, wie die Sekretion der Enzyme in das Darmlumen erfolgt. Die nach den Ergebnissen lichtmikroskopischer Untersuchungen angenommene mero- oder holokrine Sekretion könnte durch Artefaktbildung bei der Fixierung oder durch die Degeneration der Zelle am Ende ihres Entwicklungszyklus bedingt sein, sie könnte aber auch bei vielen Insekten eine normale Erscheinung sein. Die Aufnahme von Verdauungs-
100
4 Ernährung und Verdauung
produkten in die Zellen auf dem Wege einer Endocytose scheint nicht vorzukommen, außer im Zusammenhang mit der Aufnahme von Lipiden .
Vielfach kommen in Mitteldarmzellen Anhäufungen von parakristallinen Substanzen vor, die auch entsprechend ihrer Form Konkremente oder Sphaerite genannt werden (s. Kap. 5). Im Lichtmikroskop sind sie lichtbrechend und im Elektronenmikroskop erscheinen sie als runde oder ellipsoide lamellierte Körper. Cytochemische Untersuchungen und die Röntgen-Mikroanalyse haben gezeigt, dass diese Gebilde verschiedene Elemente enthalten können, die in einer organischen Matrix schichtweise angeordnet sind . Vor allem kommt Calcium vor, daneben sind auch Magnesium, Kalium , Kupfer, Eisen, Zink und Mangan nachgewiesen worden. Die Konkremente wachsen, degenerieren und gelangen schließlich in das Darmlumen. Ihre Bedeutung im Stoffwechsel ist noch unklar. Sie können als Speicherexkrete fungieren oder nach einiger Zeit wieder für den Stoffhaushalt mobilisiert werden . In bestimmten Stadien treten die Konkremente weit verbreitet im Darmepithel oder nur in bestimmten Darmregionen auf (Abb. 4-22); in manchen Fällen sind sie nur in besonderen Zellen zu finden . Letzteres ist bei Fliegenlarven der Gattungen Drosophila und Lucilia festgestellt worden. Bei Larven von Lucilia cuprina kommen zwei besondere Zelltypen im 2. Abschnitt des Mitteldarms vor, cuprophile (Abb. 4-11) sowie die nicht erwähnten lipophilen Zellen (Abb . 4-11). Bemerkenswert ist, dass die cuprophilen Zellen vermutlich von Polzellen (s. 13.1) abstammen .
-
Ösophagus
Hinterdarm pH 7.6-8 .0
I
Abb. 4-11: Schematische Darstellung des Darmes von Lucilia cuprina mit den Kupfer und Eisen absorbierenden Regionen sowie den in bestimmten Bereichen gemessenen pHWerten. (Nach Waterhouse et al. 1953)
Pflanzenfresser nehmen mit der Nahrung einen Überschuss an Kalium-Ionen auf, der wieder aus der Haemolymphe in das Darmlumen befördert werden muss. Bei Larven von Ephemeroptera, Plecoptera, Trichoptera und Lepidoptera sind hierfür im Darmepithel spezialisierte, voluminöse Zellen , die sog. Becherzellen, neben den üblichen Zellen vor ha nden. Becherzellen haben eine umfangreiche, namengebende, tiefe Einst ülpung, die am Grunde und an den Seiten mit langen Mikrovilli besetzt ist, in denen sich jeweils ein langgestrecktes Mitochondrion befindet (Abb. 5-35). Der Ausgang der Einstülpung wird vom Darmlumen durch dicht stehende, apikal verzweigte Mikrovilli abgeschirmt. Die überschüssigen Kalium-Ionen gelangen wahrscheinlich passiv aus der Haernolymphe über die Basallamina in die Becherzelle und werden anschließend mithilfe der an den Mem branen der Mikrovilli befindlichen ATPase unter Energielieferung durch die Mitochondrien in das Lumen der Becherzelle geschleust und von hier aus in das Darmlumen befördert (s. Kap. 5).
4.5.2 Peritrophische Membranen und die Kompartimentierung des Mitteldarms Da s gesamte Mitteldarmepithel oder lediglich bestimmte vordere bzw. hintere Bereiche des Mitteldarms können bei fast allen Insekten peritrophische Membranen abscheiden. Es handelt sich hierbei nicht um Gebilde, die für Insekten typisch sind, sondern um eine im Tierreich weit verbreitete Erscheinung. Peritrophische Membranen sind keine Zellmembranen, sondern Sekretionsprodukte, die einem hypertrophierten und modifizierten surface coat entsprechen könnten, der im allgemeinen durch eingelagerte Mikrofibrillen aus Chitin stabilisiert wird . Die Fähigkeit zur Synthese und Einlagerung von Chitin in verschiedene Strukturen ist ein uraltes Merkmal im Tierreich. Balbiani führte 1890 den Begriff peritrophische Membranen ein und definierte ihn folgendermaßen: "C' est le nom que je propose de donner a l'espece de sac membraneux que renferme directement la ma sse alimentaire dans l'interieur de l'intestin ." Diese Definition kann auch heute noch gelten. Peritrophische Membranen enthalten Chitinmikrofibrillen, die in eine Grundsubstanz aus Proteinen, Glykoproteinen und Proteoglykanen eingebettet sind. Bisher liegen aus technischen Gründen nur für wenige Arten quantitative Bestimmungen dieser Komponenten sowie der Aminosäuren vor, wobei die Mengenverhältnisse stark variieren.
4.5 Der Mitteldarm
101
Abb. 4-12: Die Entstehung der Mikrofibrillentexturen in peritrophisehen Membranen. A Abheben ei-
ner peritrophischen Membran aus dem Mikrovillisaum des Mitteldarms einer Eintagsfliegenlarve. 30000 x. BEin Flachschnitt durch eine derartige Membran lässt die orthogonale Textur der Mikrofibrillenbündel erkennen. 23750 x. C Ein Querschnitt durch den sehr hohen Mikrovillisaum der vorderen Cardiaauffaltung des Ohrwurms Forficula auricularia zeigt einen Bereich mit sehr hoher Ordnung der Reihen . 25850 x. D Im Querschnitt durch den Mikrovillisaum der vorderen Falte ist zu sehen, dass die Polymerisation der Mikrofibrillen zwischen den Mikrovilli erfolgt. Die Anordnung der Mikrovilli bestimmt die Textur der Mikrofibrillen. 25850 x. (Nach Peters et al. 1979)
Demnach kann der Chitinanteil bis zu 12'%, der Proteinanteil bis zu 55% ausmachen . Bündel von Chitin-Mikrofibrillen liegen in der Grundsubstanz in unterschiedlichen Texturen vor in Form einer unregelmäßigen, filzartigen Streuungstextur, einer hexagonalen oder Wabentextur oder in einer orthogonalen oder Gitt ertextur (Abb. 4-12, 4-13). Die beiden regelmäßigen Texturen kommen ausschließlich bei peritrophischen Membranen vor, nicht aber in der Cuticula oder in Zellwänden von Pflanzen. Sie können durch Streuungstextur verstärkt sein. Im Negativkontrast erkennt man, dass die Bündel von Mikrofibrillen aus zahlreichen, 2,5 nm dicken Mikrofibrillen bestehen. Die regelmäßigen Texturen kommen zustande, wenn das von den Mitteldarmzellen abgeschiedene Chitin bereits basal zwischen den Mikrovilli zu Mikrofibrillen polymerisiert. Somit bewirkt eine regelmäßige Anordnung der Mikrovilli
im Verein mit einer frühen Bildung der Mikrofibrillenbündel die Entstehung regelmäßiger Texturen (Abb. 4-12). Die Gitterabstände sind etwas geringer als die Durchme sser der Mikrovilli. Störungen in der regelmäßigen Anordnung der Mikrovilli führen zu entsprechenden Störungen in der Textur der Mikrofibrillenbündel (Abb. 412D). So kann es zu Übergängen zwischen Waben- und Gittertextur kommen. Zellgrenzen sind vielfach durch Nahtbildungen erkennbar, da in diesen Bereichen ein Ausgleich unterschiedlicher Texturverläufe notwendig sein kann . In extrem hohen Mikrovillisäumen konnten bis zu 5 übereinander liegende peritrophi sche Membranen angetroffen werden. Bisher ist noch unbekannt, durch welche Mechanismen die peritrophischen Membranen ausgeschleust werden. Die unregelmäßige Streuungstextur entsteht anscheinend immer dann, wenn die Polymerisa-
102
4 Ernährung und Verdauung
Abb.4-13: Texturen chitinhaitiger Mikrofibrillen in peritrophischen Membranen. A-E Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahmen von Präparaten, die mit Platin unter einem Winkel von 20° bedampft wurden. (Nach Peters 1992) A Unregelmäßige sog. Streuungstextur bei der Wespe Vespula germanica. 26000 x. B Desgl. mit zu Strängen vereinigten Mikrofibrillen bei der Hummel Bombus lapidarius. 26000 x. CWabentextur bei einer Heuschrecke Conocephalus dorsalis. Indiesem Falle sind deutlich die Zellgrenzen markiert. 3000 x. D Hexagonale oder Wabentextur bei der Larve des Nashornkäfers Oryetes nasicomis.11 000 x. E Orthogonale oder Gittertextur und viel erhaltene Grundsubstanz bei der Larve einer Eintagsfliege Cloeon dipterum. 8750 x. F Innere peritrophische Membran des Ohrwurms Forficula auricularia. Negative staining zeigt, dass es sich bei den vermeintlichen Mikrofibrillen um Bündel aus definitiven Mikrofibrillen handelt. 280000 x. (Nach Peters et al. 1979)
tion der Mikrofibrillen oberh alb des Mikrovillisaums erfolgt. Beim Ohrwurm Forficula auricularia werden in der Cardia in einer vorderen Falte des Mitteldarmepithels Membranen mit Gittertextur und in einer nachfolgenden Falte große Mengen peritrophischer Membranen mit Streuungstextur der Mikrofibrillen gebildet. Beide Komponenten ergeben in diesem Falle gemeinsam
die Nahrung und Nahrungsreste umgebende peritrophe Hülle. Zahlreiche miteinander verklebte peritrophisehe Membranen erscheinen im Lichtmikroskop als eine einheitliche Membran. So kommt es, dass irrtümlich immer wieder von einer Membran gesprochen wird, wenn in Wirklichkeit eine aus zahlreichen Membranen zusammengesetzte peritrophe
4.5 Der Mitteldarm
Hülle vorliegt. Als peritrophische Membran sollte nur eine elektronenmikroskopisch nachgewiesene einzelne Membran bezeichnet werden. Bei Verklebungsprodukten sollte entweder der Plural oder die Bezeichnung peritrophe Hülle verwendet werden. Die Bildung peritrophischer Membranen kann auf bestimmte Teile des Mitteldarms beschränkt sein. Beispielsweise werden sie beim Ameisenlöwen, der Larve von Myrmeleon europaeus, nur im mittleren und hinteren Bereich des Mitteld arms , bei der Gottesanbeterin Mantis religiosa nur im hinteren Mitteldarm sezerniert . Bei den Larven von Käfern aus den Familien Ptinidae, Cerylonidae und Curculionidae (Rüsselkäfer) werden gegen Ende der Larvenphase peritrophische Membranen im hinteren MitteIdarmbereich zur Bildung eines Spinnfadens verwendet, der zur Herstellung des Puppenkokons dient (Abb. 4-16). Bei den meisten Insekten werden peritrophische Membranen vom gesamten Mitteldarmepithel gebildet. Dabei werden sie schubweise von größeren Darmbereichen in Fladen abgegeben, bei Wanderheuschrecken etwa alle 15 Minuten. Bei Wander-
103
heuschrecken und Schaben bilden auch die am vorderen Ende des Mitteldarms einmündenden Caeca peritrophische Membranen. Vorwiegend umschließen die Membranen Nahrung und Nahrungsreste als eine mehr oder weniger dicke peritrophe Hülle. Bei den Diptera werden die peritrophischen Membranen im Bereich der Cardia , und zwar vom vordersten, dafür spezialisierten Anteil des Mitteldarmepithels sezerniert (Abb. 4-14). Bei fast allen Larven der Dipteren wird in der Cardia nur eine einzelne, schlauchförmige, den gesamten Darm durchziehende peritrophische Membran gebildet, die aber von Familie zu Familie sehr verschieden strukturiert und zusammengesetzt sein kann (Abb.4-15). Bei den Imagines der Mücken und primitiveren Fliegen (Tabano- und Asilomorpha) werden zahlreiche peritrophische Membranen vom gesamten Mitteldarmepithel sezerniert . Bei den höher differenzierten Fliegen (Muscomorpha) besteht die Tendenz, den zunächst nur eine Falte bildenden Mitteldarmanteil der Cardia weiter aufzufalten . Jede dieser Falten bildet kontinuierlich , unabhängig von der Nahrungsaufnahme eine strukturell und biochemisch unterschiedliche,
Valvula Nahrung cardiaca
B Cuticula Muskeln
BZ 1 I
Abb. 4-14: Schematisierte Medianschnitte durch die Cardia von Fliegen. Es werden kontinuierlich röhrenförmige peritrophische Membranen (PM) gebildet. Gezeichnet ist jeweils nur die linke Hälfte der Cardia . A Die Schwebfliege Eristalis tenax hat nur eine Bildungszone und sezerniert daher nur eine peritrophische Membran. B Bei der Stubenfliege Musca domestica ist die Bildungszone geteilt, sodass zwei peritrophische Membranen sezerniert werden können. C Schmeißfliegen, in diesem Falle Calliphora erythrocephaia, haben drei Bildungszonen. Diese bilden 3 morphologisch und biochemisch verschiedene Membranen, die einander umgeben.
- BZ 2 ""'" - BZ 3
Valvula cardiaca ' peritrophische Membranen 1-3
c
Nahrung
104
4 Ernährung und Verdauung
'""" 2
Chironomus
3 Calliphoro G/ossino
Odogmio
.......e·· 2 Drosophilo
_11 2 ~~ 3
-
Cu/ex
Phormia
Aedes ",
Psychodo
Musca
Calliphora
Abb. 4-15: Schematisierte Darstellung von Längsschnitten durch peritrophische Membranen von Dipteren.
schieden sind, so wird eine weitere peritrophe Hülle um das neu aufgenommene Blut samt den Resten der vorhergehenden Mahlzeit abgeschieden. Der Abbau peritrophischer Membranen erfolgt in unterschiedlichem Maße. Bei Fliegenlarven kann die Membran aus dem After heraushängen, während sie bei den Imagines von Fliegen und vielen anderen Insekten im Enddarm chemisch durch Enzyme abgebaut und mechanisch von den Dornen der Enddarmcuticula zerstört wird. Wenn die Membranen im Hinterdarm nicht abgebaut oder zerrissen werden, umgeben sie die Nahrungsreste als Kotballenhülle. Die Funktionen peritrophischer Membranen sind offensichtlich vielfältig. Unklar sind die ursprünglichen Funktionen. Nimmt man an, dass die peritrophischen Membranen einem hypertrophierten, durch Chitinmikrofibrillen verstärkten surface coat entsprechen, der ständig abgelöst und ins Darmlumen befördert wird, so könnten ursprüng-
Spalte 1 und 2: Bei den larven wird nur eine peritrophische Membran in der Cardia gebildet; eine Ausnahme bilden die Itpulidae. Die Feinstruktur und Dicke dieser Membran istbei den Mückenlarven (Nematocera) außerordentlich verschieden, bei den larven der Fliegen (Brachycera, Beispiel: Calliphora) aber sehr gleichartig. Spalte 3 und 4: Bei den Imagines der Fliegen wird ursprünglich ebenfalls nur eine Membran in der Cardia gebildet (Beispiel: Glossina). Es besteht aber die Tendenz, das Bildungsepithel in der Cardia aufzufalten und zwei (Beispiele: Drosophila und Musea) oder gar drei (Beispiele: Calliphora und Phormia) morphologisch und biochemisch verschiedene Membranen (1-3) zu sezernieren.
Mundwerkzeuge Vorderarm
-t-vschlauchförmige peritrophische Membran (PM) (Abb. 4-14,4-15). Sie können bis zu 500 nm dick und mechanisch relativ stabil sein. Sie werden in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur in beachtlicher Menge gebildet. Weibchen der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala produzierten bei 20°C 4,6 mm PM /h, bei 30°C 7,I mm PM Ih, während Larven des 3. Stadiums 3,6 bzw. 5,5 mm PM /h bei diesen Temperaturen lieferten. Die Sekretion peritrophischer Membranen beginnt bei Larven bald nach dem Schlüpfen aus dem Ei, bei den Imagines der Holometabolen nach dem Schlüpfen aus der Puppe. Lediglich bei blutsaugenden Mücken wird nur nach einer Blutmahlzeit eine aus zahlreichen peritrophischen Membranen zusammengesetzte peritrophe Hülle um das aufgenommene Blut sezerniert. Bei Stechmücken (Culicidae) konnte experimentell nachgewiesen werden, dass eine Erhöhung des Salzgehalts im Darm die Sekretion peritrophischer Membranen auslöst, während die Sekretion der im MitteIdarmepithel auf Vorrat gehaltenen Enzyme durch das Auftreten löslicher Proteine im Darm veranlasst wird. Erfolgt eine erneute Blutaufnahme, bevor die Nahrungsreste von der Mücke ausge-
vorderer Mitteldarm chitinhaltige Fibrillen
-t-;,(---
-
hinterer Mitteldarm
peritrophe Hülle
Faden
Rectum
B
c
Fadenspeicher
Abb.4-16: Peritrophische Membranen werden als Spinnfaden für die Herstellung des Puppenkokons bei der larve des Buchenspringrüßlers Rhynehaenus lagi (Coleoptera, Curculionidae) verwendet. A An frisch gebildeten Buchenblättern minieren (B) die 3 Fresslarvenstadien und werden vor der Verpuppung zur Spinnlarve. C Diese wandelt peritrophische Membranen zu einem Spinnfaden um und speichert sie in einem als Reservoir dienenden Teil des Darms. Das Reservoir fasst etwa 30cm Spinnfaden. Insgesamt werden für die Herstellung des Kokons etwa 11 m Faden benötigt. (Nach Streng 1973)
4.5 Der Mitteldarm
105
Tab. 4-1: Permeabilität der peritrophischenMembranen von Dipterenfür Dextraneunterschiedlichen Molekulargewichts, die mit Fluoresceinisothiocyanat (FITe) markiert wurden. (Nach Peters und Wiese 1986) Mn x 10
2.3
--6
6,2
17.2
32
372
ESR
13
1.7
2
32
4,3
4.,
+ + + + + +
+
+
+ + + +
+ + + +
+ + + +
Larven Aedes aegypti Anopheles stepbens! Culex pipiens Odagmia omete Anisopus einaus Sarcophaga barbata Calliphora erythrocephala Imagines Sarcophaga barbata Calliphora erythrocephala Mn • MoIeI:ulalgewlChl (numbel averq
Evans blue +1-
+ + + +
+ +
+ 1+1+1-
+1-
+ +
1-
+ EI1$ n-Sto ~ Rad us.
•
ohrof
~r~
pfIJTlfabfl
+ -
medbfI
- • ,mprrmeabel
lieh folgende Funktionen bereits vorhanden gewesen sein: Die Aufgaben einer Permeabilitätsbarriere, die Wirkung von Lectinen als Zuckerrezeptoren und von Glycoproteinen als Bindungsstellen sowie die Adsorption von Enzymen. An erster Stelle, bisweilen ausschließlich, wird immer die mechanische Schutzfunktion gegen scharfkantige Nahrungsbestandteile und -reste genannt. Sie dürfte aber wohl nur eine sekundäre Funktion sein, denn Saft- und Blutsauger können ebenfalls peritrophische Membranen aufweisen, während trockene Insekten fressende Käferlarven von Anthrenus-Arten keine derartigen Membranen haben. Die peritrophischen Membranen könnten außerdem verhindern , dass das Darmepithel zu hohem Druck ausgesetzt wird, wenn aufgenommene Nahrung stark quillt . Die Permeabilität ist bisher am besten bei Insekten mit schlauchförmigen, den gesamten Darm durchziehenden peritrophischen Membranen untersucht worden (Tab. 4-1). Die Permeabilitätseigenschaften haben nichts mit den Mikrofibrillentexturen zu tun, sondern sind Besonderheiten der jeweiligen Grundsubstanz dieser Membranen. In vielen Fällen sind die peritrophischen Membranen eine Barriere gegenüber Parasiten (Abb. 417). Dies gilt auch , wenn einige Parasiten Mittel und Wege gefunden haben, diese Barriere zu durchbrechen. Bei vielen Arten werden die peritrophischen Membranen nicht im Enddarm abgebaut. In diesen Fällen liefern sie eine Kotballenhülle, die längere Zeit im Wasser oder Boden erhalten bleiben und den Abbau der noch verwertbaren InhaltsstotTe durch Mikroorganismen verlangsamen kann . Diese ökologischen Aspekte sind vor allem bei Meeresbewohnern untersucht worden, bei Landbewohnern aber noch unbefriedigend geklärt. Die Nutzung peritrophischer
Membranen als Kokonmaterial wurde bereits erwähnt (s.o .). Die Kompartimentierung des Darmlumens durch peritrophische Membranen, ihre begrenzte Permeabilität und die Adsorption von Enzymen an peritrophischen Membranen sind eine sekundäre, aber in funktioneller Hinsicht sehr bedeutsame, wenn auch bisher meistens übersehene Funktion (Abb. 4-20). Der von peritrophischen Membranen umgebene Raum wird als endoperitropher Raum, der Spalt zwischen Darmepithel und peritropher Hülle wird als ektoperitropher Raum bezeichnet.
Abb. 4-17:Tipula IridescentViren (TIV) können die perltrophische Membran der Larven von Aedes teenierhynchus nicht passieren. (Die Aufnahme wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Stolz, Halifax, Canada, zur Verfügung gestellt)
106
4 Ernährung und Verdauung
A
D
Larve der Honigbiene Apis mellifica. (Nach Schoenichen 1930, vereinfacht) B Der Mitteldarm ist bei der Larve der Wespe Vespula germanica ebenfalls während der Fressphase geschlossen. e Am Ende der Fressphase reißt diese Partie auf und die Nahrungsreste können über den Enddarm ausgeschieden werden. (B, C nach Rengel 1903) D Bei der Wanzengattung Coptosoma ist der vordere Mitteldarm ein Blindsack, der mit dem von symbiontisch en Bakterien erfüllten hinteren Mitteldarm, dem sog. Kryptendarm, nurnoch über ein ligament verbunden ist. Dadurch ist der Kryptendarm gar nicht mehr an der Verdauung beteiligt. Beim Männchen besteht keine Verbindung zwischen Krypten- und Enddarm, während beimWeibchen die Symbionten portionsweise während der Eiablage über den Enddarm abgegeben und an das Ei geklebt werden können . (Nach Weber und Weidner 1974)A After, BI Blindsack, HD Hinterdarm, KD Kryptendarm, L li gament, M Mund, MD Mitteldarm, MG Malpighische Gefäße, Oe Ösophagus, PM peritrophische Membranen, RRektum, RZ Regenerationszellen, 'rVerschluss des Mitteldarms.
MD
R V
Im endoperitrophen Raum werden Nahrungsbestandteile durch Amylasen und Proteasen grob abgebaut, passieren die peritrophe Hülle, werden
. ..... .
.
Ösophagus
Abb. 4-18: Bei manchen Arten kann der Mitteldarm zeitweili g verschlossen sein. A Der Darmtrakt der
~ "
.. .... . . "
"
3. Teil des 4. Mitleidarms
Abb. 4-19: Darm einer Wanze Acanthocoris sp. (Pentatomidae, Heteroptera). (Nach Goodchild 1963, verändert) Der 3. und 4. Teil des Mitteldarms sind durch eine Gewebebrücke voneinander getrennt. Die als Caecum-Region des Mitteldarms bezeichnete Partie weist zahllose Aussackungen auf, die Symbionten beherbergen. MG Malpighische Gefäße.
im ectoperitrophen Raum von anderen Enzymen weiter abgebaut und schließlich vom Darmepithel aufgenommen. Die löslichen Enzyme im endoperitrophen Raum könnten mit den Nahrungsresten rasch ausgeschwemmt werden, wenn nicht besondere Mechanismen dies teilweise verhindern würden. Enzyme können an den peritrophischen Membranen adsorbiert werden und somit als immobilisierte Enzyme länger wirksam bleiben. Relativ kleine Enzyme sind zumindest bei der Larve des Schmetterlings Erinnyis ello in der Lage, die peritrophe Hülle in beiden Richtungen zu passieren, da diese eine Ausschlussgrenze, d. h. einen effektiven Porenradius von etwa 7,5 nm hat (Tab. 4-2). Die Wanderung von Stoffen im Darmkanal von Wand erheuschrecken Schistocerca gregaria kann man im Modell versuch mithilfe von Farb stoffen, wie beispielsweise Amaranth, demon strieren . Bei gut genährten Heuschre cken wandert der Farbstoff mit der Nahrung allmählich von vorn nach hinten durch den Darm. Bei hungernd en Tieren sammelt er sich in den Caeca am Eingang des Mitteld arm s an. Man nimmt an, dass unter Hun gerbedingungen Ionentransportzellen im Epithel der Caeca einen starken Ionen - und Wasserfluss in Richtung Hämolymphe erzeugen , sodass Enzyme und Nährstoffe im ektoperitrophen Raum nach
4.5 Der Mitteldarm
107
Amylase (50 kDa)
Speicheldrüse
Amylase
ektoperitropher
Raum
---+Aminopeptidase (120 kDa) gebunden an surface coat u. peritropher Hülle Carboxypeptidase (90 kDa) Galaktosidase (80 kDa)
endoperitropher
Raum
f---f-.,
Proteasen --+--..,~ (60 kDa) -
Resorption abgebauter Nährstoffe
I~~'--,'+--- Gegenstrom
Hämolymphe
bes. durch Antiperistaltik Ionen + Wasser
Malpighische Gefäße
Enzymverlust etwa 20% Ionen + Wasser Nahrungsreste: Kotballen umhüllt von peritrophischen Membranen
Abb. 4-20: Schematische Darstellung der Kompartimentierung und Funktionen einzelner Bereiche des Darmes.
vorn strömen und besser ausgenutzt werden können als bei gut genährten Tieren . Ähnliche Versuche mit Stechmückenlarven haben gezeigt, dass die Transportzellen in den Caeca anscheinend ebenfalls einen starken Ionen- und Wasserfluss in Richtung Hämolymphe erzeugen können. Bei diesen durchsichtigen Tieren ließ sich aber nachweisen, dass ein wesentlich stärkerer Gegenstrom
durch eine kräftige Antiperistaltik zustande kommt, die in besonderem Maße für eine zunehmende Anreicherung von Stoffen vor den Caeca sorgen dürfte. Die Kompartimentierung des Darmlumens durch die peritrophischen Membranen macht dieses Gegenstromprinzip erst möglich. Im endoperitrophen Raum strömt die Nahrung nach hinten .
Tab. 4-2: Vorkommen von Enzymen im ekto- und endoperitrophen Raum der Larve von Erinnyis ello (Lepidoptera), ihre relativen Molekulargewichte (Mr) und der Durchmesser der hydratisierten Enzyme [nrn]. (Nach Santos und Terra 1986) Enzyme
ecto-
Aetylglucosaminidase Galaetosidase
2,8 0,45 16,1 970 10 50
Irehelase Amylase (löslich) Trypsin (löslich) Caroxypeptidase A Aminopeptidase
endepentrophischer Raum
0,41 0,13 7,1 1400 10 17
Mr-Zentflfugauon
134 81 106 56 61 90 122
Ee rophorese {mU mgproteln}
Durchmesser [nrn]
149 39 100 40 48 17
8,6 7,3/5,7 7,9 6,2 6,5 7,3/2,3
• Mr O'l'Werte wurden entsplec/lend den E'~,ssen derUltrazentrdlJ93tlO/1 und der Eleklropho<ese errec/lnet. Doe Ourchme\Set der hydratISIerten Enzyme wurden nach einem Plet log (Mr) ~n E,nsteln·Stekes·RadIen tu. 11Pretl'iOl' ontrapohl'f1 (n.lhere E zelhe. en s, Terra und ~re~a 1983 SOWIeSantos ood Terra 1986)
108
4 Ernährung und Verdauung
Zumindest unter Hungerbedingungen können wahrscheinlich Am ylasen und Proteasen im hinteren Mitteldarmbereich vom endo- in den ektoperitrophen Raum gelang en, mit dem Gegenstrom nach vorn befördert werden, wiederum die peritrophe Hülle pa ssieren und erneut für den Nahrungsabbau im endoperitrophen Raum genutzt werden. Die im ektoperitrophen Raum vorha ndenen Enz yme sind bei den höheren In sekten oligomer (dimer bis hexamer) und können im Gegensatz zu den kleineren Proteasen und Am ylasen nicht die peritrophischen Membranen permeieren. Der Gegenstrom im ekt operitrophischen Raum dürfte dafür sorgen, da ss a uch sie mehrfach genutzt werden können. Die ständige Bildung peritrophischer Membranen, unabhängig von der N ahrungsaufnahme, bedeutet einen beträchtlichen Verlust an hochwertigen Substanzen und erscheint a uf den ersten Blick überaus un ökonomisch . Gründe für diese Verschwendung könnten sein: Die Abnutzung der an den peritrophischen Membran en vorha ndenen immobilisierten Enz yme, die zunehmende Blockierung von Bindungsstellen , wie beispielsweise Lektinen, und die zunehmend schlechter werdende Permeabilität durch Verstopfung und enzymatischen Abbau. Aus diesen und sicher noch anderen Gründen könnten die Membranen nach relativ kurzer Zeit ern euerungsbed ürftig sein. Bei vielen Heteroptera und Homoptera ent stehen in allen Stadi en durch Verdopplung der Plasmamembran der MikrovilIi des gesamten Mitteld arms und nachfolgende Delamination Membr anmassen, in denen Chitin bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Wegen der völlig abweichenden Bildungsweise wird bezweifelt, dass man diese Membranen als peritrophische Membranen bezeichnen kann. Man hat sie daher neutral "pIexifor m surface coat" oder "extracellular membrane layers (ECML)" genannt. Bei blutsaugenden Arten beginnt die Delaminati on einige Zeit nach der Blutaufnahme. Bei saftsaugenden Formen ist eine der artige Kopplung mit der N ahrungsaufnahme nicht vorhanden. Die Verbindung zwischen Mittel- und Enddarm kann bei Larven höherer Hymenopteren ver-
schlossen sein und erst gegen Ende der Larvenzeit geöffnet werden (Abb. 4-18). Bei Dasselfliegen (Hypoderma) ist die Verbindung zwischen MitteIund Enddarm nur bei der Er stlar ve verschlossen. Bei Florfliegen (Chrysopa) und Amei senlöwen (Myrmeleon) wird diese Verbindung erst nach der Puppenruhe geöffnet. Eine ganze Reihe von Wanzen (Lygaeida e, Plataspidae, Aradidae, Cydnidae, Pentatomidae) (Abb. 4-19) sowie manche Schildläu se (D iaspididae) besitzen einen Mitteldarrn, der ein geschlossener Sack ohne Verbindung mit dem Enddarm ist.
4.5.3 Verdauungsenzyme Alle Verdauungsenzyme gehören zu den Hy drolasen. Im M itteldarm sind die Enzyme vorhanden, die für die Verdauung der aufgenommenen Nahrung erforderlich sind (Tab. 4-3), d. h. Proteasen können bei Nektar saugenden Schmetterlingen eben so fehlen wie Am ylase bei Phloemsaft saugend en Blattläu sen, da letzterer keine Polysaccharide enthä lt. Kohlenhydrate können in Form von Poly-, Di oder Monosacchariden in der N ahrung vorliegen und werden durch Carbohydrasen zu Mon osacchariden abgebaut, da im Allgemeinen nur diese resorbiert werden. Amylasen bau en Stärk e zu Maltose sowie Glykogen zu Glucose ab, wobei der Abb au ent weder terminal oder bei Endoamylasen mitten im Molekül erfolgen kann . Die u- oder ßBindungen mü ssen durch spezifische Enzyme hydrolysiert werden. Maltose, Saccharo se und Trehal ose haben eine u-Bindung. Pflan zensaft saugende In sekten nehmen Verbindungen wie Salicin (=ß-Glucosid des Salicylalkohols) oder Cellobiose auf, die eine ß-Bindung besitzen. Saccharose (Rohrzucker) wird durch Invertase (Saccharase) gespalten. Dieses Enzym kommt unt er anderem auch im Speichel von Allesfressern wie Schaben (Blaberus, Blatel/a) und im M itteldarm von Schmeißfliegen (Calliphora) vor. Bei der Honigbiene wird dieses Enz ym ebenso wie Am ylase erst dann gebildet, wenn Arbeiterinnen als Sammle-
Tab. 4·3: Enzyme im Mitteldarm von Insekten mit unterschiedlicher Nahrung. (Nach Chapman 1972) A Schaben Carausius morosus Schmetterlinge • larven • Imago Schmeißfliegen • larve • Imago Tsetsefliege
ahrung
Pro ease
Allesfresser Pflanzenfresser
+ +
Pflanzenfresser Nektarsauger
+
Fleischfresser Saftsauger Blutsauger
+ +/+
+ +
+ +
+ +
+ +
+
+ +
?
+ +/-
4.5 Der Mitteldarm
rmnen für das Eintragen von Futter zuständig sind. Insekten besitzen eine ganze Reihe von Proteasen, mit deren Hilfe sie die Peptidbindung in Proteinen spalten. Endopeptidasen, wie Trypsin und Chymotrypsin, greifen Peptidbindungen im Innern der Proteine an , während Exopeptidasen Aminosäuren am Kettenende abspalten . Carboxypeptidasen bauen die Peptidkette vom Carboxylende und Aminopeptidasen diese vom NH 2-Ende ab ; sie sind in Mitteldarmzellen vorhanden, oder sie werden in das Darmlumen, und zwar in den ektoperitrophen Raum abgegeben (Abb. 4-20). Fette können anscheinend durch Endocytose aufgenommen werden; anschließend werden sie durch Lipasen in Fettsäuren und Glycerin zerlegt. Lipasen kommen überwiegend im Mitteldarm vor, bei manchen Wanzen (Notonecta, Naucoris) wurden sie aber auch im Speichel nachgewiesen. Die Synthese und Abgabe von Enzymen in das Darmlumen erfolgt bei Arten, die mehr oder weniger regelmäßig Nahrung aufnehmen, ständig, während bei Blutsaugern die Abgabe der in den Mitteldarmzellen auf Vorrat synthetisierten Enzyme erst nach einer Blutaufnahme erfolgt. Enzymproduktion und -abgabe scheinen hormonal, aber nicht neuronal gesteuert zu werden. Die Enzymaktivität wird beeinflusst durch den pH-Wert, das Redoxpotential und die Temperatur. Der pH-Wert kann durch unterschiedliche Puffersysteme aufrechterhalten werden . In erster Linie dienen hierzu organische Säuren und bisweilen zus ätzlich Phosphate. Vielfach herrscht ein pH zwischen 6,0-8,0, bei Larven von Schmetterlingen und Köcherfliegen von 8,0-10,0. Der pH kann im gesamten Mitteldarm gleich sein , wie bei der Schabe Periplaneta americana oder es sind Bereiche mit unterschiedlichem pH vorhanden, wie bei der Schmeißfliege Lu cilia cuprina (Abb. 4-11, 4-25). Enzyminhibitoren, die meistens als Proteaseinhibitoren wirken, wurden bei Insekten und manchen ihrer Nahrungspflanzen ebenso wie bei Säugetieren nachgewiesen. Werden sie mit den Futterpflanzen oder im Falle von Blutsaugern mit dem Wirtsblut aufgenommen, so können sie die Verdauung der aufgenommenen Nahrung zumindest verzögern. Enzyminhibitoren haben eine hohe Affinität zu bestimmten Enzymen, und zwar zum aktiven Zentrum oder dessen Nähe. Zwei Inhibitoren der Amylase aus Weizen wirken nicht gegen die Amylase des Weizens, wohl aber gegen die von Korn und Mehl fressenden Insekten. Bei der Angabe des Nutzungsgrades der Nahrung wird neuerdingsdie Energieausbeute in Joule oder Watt angegeben und gegenüberder Änderung des Trockengewichts als zuverlässigeres Maß angesehen. Pflanzenfresser nutzen ebensowievielePflanzensaugerrelativwenig von der
109
aufgenommenen Gesamtnahrung. Erstlarven (LI) der Wanderheuschrecke Schistocerca gregaria verwerten 78%, Ls lediglich 35% des Trockengewichts ihrer Nahrung, wenn es reichlich Futter gibt. Wird die Nahrung knapp, so wird die Peristaltik herabgesetzt, die Verweildauer der Nahrung im Darm erheblich erhöht und im ektoperitrophen Raum (s. 4.5 .2) eine nach vorn gerichtete Strömung von Flüssigkeit samt Nährstoffen und Enzymen in Gang gesetzt, durch die vermutlich eine bessere Ausnutzung der Nahrung erreicht wird. Für ein In sekt dürfte der Gehalt der Nahrung an bestimmten, für das betreffende Stadium wichtigen Substanzen wesentlich sein und nicht die Gesamtmenge an abgebauter Nahrung. Enzyme, die in der Nahrung vorhanden sind, können bisweilen die Ausnutzung der aufgenommenen Nahrung in erheblichem Maße oder vollständig ermöglichen. Tropische Schmetterlinge der Gattung Heliconius sind nicht in der Lage, Pollen aufzunehmen. Sie verrühren mit ihrem Rüssel stundenlang ein Gemisch aus Pollen und Nektar und saugen anschließend die von den Enzymen des Pollens abgebauten Substanzen über den Rüssel auf. Pollen enthält Proteasen und Carboxypeptidasen. Bei der Arbeiterin der Honigbiene stammen etwa 25% der im Mitteldarm vorhandenen chymotryptischen Aktivität aus Pollen. Larven von Käfern der Familie Bruchidae besitzen keine Endopeptidasen. Sie können von Samen von Leguminosen nur deshalb existieren, weil in diesen reichlich Aminosäuren und niedermolekulare Peptide sowie Proteasen vorhanden sind, die im Verein mit den Exopeptidasen der Larven einen Aufschluss der Nahrung ermöglichen. Blattschneiderameisen der Gattung Atta produzieren keine eigenen Proteasen. Sie sind auf die von ihnen in unterirdischen Gärkammern kultivierten Pilze angewiesen. Im Myzel dieser Pilze sind Proteasen, Aminosäuren und Kohlenhydrate enthalten. Fressendie Ameisen das Myzel, so werdendie Proteasen in ihrem Darm nicht abgebaut, sondern mit dem Kot auf das eingetragene Blattmaterialabgegeben und dauen dieses an; die Aminosäuren und Kohlenhydrate des Pilzmyzels dienen den Ameisen als Nahrung (s. 19.2.2). Ein Wechsel bestimmter Enzyme im Verlauf der Ontogenie wird allzu kurz und missverständlich als Ontogenie der Enzyme bezeichnet; er konnte zumindest bei Holometabola nachgewiesen werden . Als Beispiel kann die gut untersuchte Gelbfiebermücke Aedes aegypti dienen (Abb. 4-21 B). Die Molekulargewichte der larvalen und imaginalen Proteasen liegen im Bereich von 22-25 kDa, aber sie unterscheiden sich in der elektrophoretisehen Beweglichkeit und in der Empfindlichkeit gegenüber Inhibitoren. Bei den Larven sind tryptisehe und chymotryptische Enzyme überaus aktiv, während bei den blutsaugenden Weibchen lediglich eine hohe tryptische Aktivität vorherrscht. Die Absorption der Nährstoffe findet im wesentlichen im Mitteldarm und nur zu einem geringen Anteil auch noch im Hinterdarm statt. Sie kann aktiv oder passiv erfolgen. Die passive Ab-
110
4 Ernährung und Verdauung
sen ent weder au s Reserven übern ommen werden, die in Dottersubstanzen oder während vorhergehender Stadien im Fettkörper angelegt wurden, M oder sie müssen von symbiontischen MikroorgaR nismen bereitgestellt werden (s. Kap. 19). Ist dies nicht der Fall, so kommt es zu Stoffwechsel-, Wachstum s- oder Entwicklun gsstörungen, FärM bun gsänderungen, verringerter Eiproduktion und , bei sozialen Hymenopteren, eventuell zu Störungen der Kastendetermination. Essentielle Verbindungen werden in sehr unterschiedlichen Mengen benötigt und spielen bisweilen nur in bestimmten Ent wicklung sstadi en eine Rolle. Stehen essentielle Substanzen in Reservestoffen zur Verfügung, so MD I sind diese früher oder später aufgebraucht und es A MG müssen die betreffenden Substanzen mit der Nahrung aufgenommen werden. Beispielsweise entTrypsin halt en die Eier von Blatella germanica so viel Chymotrypsin Ino sitol, dass diese Menge noch bis zum 3. Larvenstadium reicht. Bei der Wanderheuschrecke S chistocerca gregaria reicht der Vorrat an ß-Carotin, der dem Ei mitgegeben wurde, bei normaler Ernährung während der gesamten Ent wicklungszeit der folgenden Generation . Werden die Heun rL schrecken aber mit einer Diät ernä hrt, die kein ß13 l4 lh 24h ht .... lh 24h 48h o Carotin enthält, so fehlt diese Substanz im Ei und B - U"'" - Pu~ - - Imoqo gehört zu den essentiellen Substanzen, die nach Abb. 4-21: A Morphologische Veränderungen während der Embryonalentwicklung unbedingt von den der Entwicklung des Schmetterlings Malacosoma ame- Larven mit der Nahrung aufgenommen werden ricana vom Larven- über das Puppen- bis zum Imaginalstadium. müssen. Die autogenen Stämme von Stechmücken Ausgestaltung und Relation der einzelnen Darmabschnitte än- (s. 21.3.4) sind ebenfalls gute Beispiele zu diesem dern sich beträchtlich. K Kropf, M Mundöffnung, MD MitteIThem a. Bisweilen wird ein zeitweilig nicht benödarm, MG Malpighische Gefäße, Oe Ösophagus, R Redum. (Nach Snodgrass 1935). B Physiologische Veränderungen tigter Stoflbestand regelrecht geplünd ert , um die während der Entwicklung der Gelbfiebermücke Aedes Eiproduktion zu sichern . Bei Blattl äusen und aegypti hinsichtlich der Aktivität von Proteasen im Mitteldarm. Stechmücken kann es vorkommen, da ss sogar die (Nach Yang et al. 1971) Flugmuskulatur aufgelöst wird, um die benötigten Substanzen zu beschaffen . Zu den essentiellen Substanzen gehören etwa 10 sorption hängt in erster Linie von der Konzentra- Amin osäuren (Lysin, Leucin, Isoleucin, Methiotion der betreffenden Substanz im Darmlumen nin, Valin, Threonin, Arginin, Phenylalan in, Trypsowie in der Hämolymph e ab. Aktive Absorption toph an und Histidin), manche Fettsäuren , Cho muss gegen ein Konzentration sgefalle oder einen lesterin und einige Vitamine, vor allem die wasserelektr ischen Potenti algradienten erfolgen und er- löslichen B-Vitamine, die als Bausteine von Coenfordert daher Energieaufwand in Form von Stoff- zymen lebensno twendig sind, sowie Spurenelewechselprozessen. Die passive Aufnahme von Mo- mente (Eisen, Kupfer, Jod, Mangan , Cobalt, Zink nosacchariden wird in besonderem Maße durch und Nickel). Es sind aber nicht immer die gleichen zwei Dinge gesteuert. Gluc ose wird nach Passieren Amino säuren, die essentiell sind. Bei der Schmeißdes Mitteldarmepithels im anliegenden Fettkörper fliege Phormia regina ist Prolin essentiell, nicht sehr rasch in Trehalose umgewandelt, die wegen aber Methionin, während bei der Schmeißfliege des höheren Molekulargewichts nicht ohne wei- Calliphora erythrocephala Trypt oph an fehlen teres zurückdiffundieren kann . Eine zu hohe Zu- kann . ckerkonzentration im Darm wird vermieden, inVielfach können nicht in der Nahrung entdem der Übertritt weiterer Nahrung aus dem haltene Substanzen aus anderen Substanzen synKropf gebremst wird. theti siert werden. Die Stubenfliege M usca domeDie Nahrungsbedürfnisse der Insekten sind sehr stica kann sich auf einer kohlenhydratfreien Nahverschieden. Essentielle Substanzen, die nicht mit rung entwickeln, nicht aber die Mehlmotte Ephesder Nahrung aufgenommen werden oder aus die- tia kühni ella und der Brotk äfer St egobium ser nicht selbst synthetisiert werden können , müs- (S itodrepa) panieeum. Die Lar ve des Mehlkäfers K
MD
o
4.5 Der Mitteldarm
Tenebrio molitor benötigt zur Entwicklung eine Kost, die mindestens 40% Kohlenhydrate enthält; für eine optimale Entwicklung müssen es sogar 70% sein. Bei der omnivoren Küchenschabe Blatta orientalis ist eine optimale Entwicklung gewährleistet, wenn 70% Kohlenhydrate und 25% Proteine in der Nahrung vorhanden sind. Die Larve der Wachsmotte Galleria mellonella kann sowohl ohne Bienenwachs mit Kohlenhydraten als auch ohne Kohlenhydrate mit Bienenwachs ernährt werden; aber das Vorhandensein von Bienenwachs ist für die Entwicklung günstiger (4.5.44). Wanderheuschrecken der Gattungen Locusta und Schistocerca sind nicht in der Lage, fehlende Kohlenhydrate durch Proteine und Lipide zu ersetzen. Manche Arten sind nicht fähig, polymere Kohlenhydrate zu verwerten, wie beispielsweise die Wanderheuschrecke M elanoplus differenzialis . Die Larven der Gelbfiebermücke Aedes aegypti können Stärke und Glykogen nutzen, während die Imagines hierzu nicht in der Lage sind. Andere Mückenarten verwerten nur Hexosen, nicht aber Pentosen ; letztere wirken sogar giftig. Die Schmeißfliege Phormia regina wird zwar durch Fructose zur Nahrungsaufnahme stimuliert , kann aber diesen Zucker gar nicht im Stoffwechsel verwerten. Insekten sind im Gegensatz zu den Säugetieren nicht in der Lage, den Steranring aufzubauen und benötigen daher Sterine als essentielle Verbindungen. Sie müssen Cholesterin mit der Nahrung aufnehmen oder es aus anderen aufgenommenen Steroiden synthetisieren, und zwar aus solchen, die eine 3-Hydroxy-Gruppe aufweisen. Pflanzliche Steroide, wie das Sitosterin, können von pflanzenfressenden Orthopteren, Lepidoptera, Coleoptera, Hymenoptera und Diptera aus der Nahrung gewonnen und zu Cholesterin oder 7-Dehydro-Cholesterin umgewandelt werden. Arten, die ausschließlich tierische Nahrung aufnehmen, wie beispielsweise der Speckkäfer, Derrnestes lardarius,
der Pelzkäfer Attagenus pellio oder Schmeißfliegenlarven müssen dagegen Cholesterin oder 7-Dehydro-Cholesterin in der Nahrung zur Verfügung haben. Cholesterin ist lebensnotwendig als Baustein von Zellmembranen und als Ausgangssubstanz für die Synthese von Steroidhormonen (s. Kap. 12). Linolsäure wird zur Bildung von Phospholipiden benötigt; fehlt sie, so kommt es zu Störungen bei der Häutung. Daher gehört Linolsäure bei vielen Insekten zu den essentiellen Verbindungen. Aber die Larve des Mehlk äfers und vermutlich noch weitere Arten sind in der Lage, diese Verbindung selbst zu synthetisieren.
4.5.4 Nahrungsspezialisten 4.5.4.1 Pflanzensaftsauger Homoptera saugen an Pflanzen . Manche stechen Pflanzenzellen an und saugen den Zellsaft, wie beispielsweise unter den Zikaden die Typhlocybidae, unter den Blattläusen die Blutlaus Eriosoma lanigerum, Tannenl äuse (Adelgidae), Zwergläuse (Phylloxeridae) sowie unter den Schildläusen die Diaspididae. Andere stechen die Leitbündel direkt an. Das Stechborstenbündel wird durch abwechselnde Muskelbewegungen durch das Pflanzengewebe getrieben, bis es direkt oder auf Umwegen ein Leitbündel erreicht hat. Pectinasen im Speichel der Homopteren lockern den Zusammenhalt der Wirtszellen und ermöglichen einen gewundenen Weg der Stechborsten. Eine feste Hülle aus Speichelproteinen umgibt das Stechborstenbündel (s. 1.6.2). Es gibt Phloem- und Xylemsauger (Tab. 4-4). Da der Saft in den angestochenen Phloemröhren unter Druck steht , strömt er in den Nahrungskanal der Maxillen, ohne dass gepumpt werden muss (Abb. 4-23). Die Pumpsysteme des Vor-
Tab. 4-4: Homoptera als pflanzensaftsauger. Gruppe der Homoptera
Phloem
ylem
Cicadina • Cicadoidea • Cercopidae (Schaumzikaden) • Jassidae (Cicadellidae)
+
Aphidina (Blattläuse) Psyllina (Blattflöhe) Aleyrodina (Mottenschildläuse) Coccina (Schildläuse)
+ + + + (60%)
+
Gegenüber derHämolymphe
hypertonisch
hypotonisch
bis zu 25% rel. wenige rel. hoch
0,005% 0,0002-0,08 % rel. hoch
+ +
Qualitative Zusammensetzung. Gehalt an: Kohlenhydraten Aminosäuren und Amide Ionen (bes. K·)
111
112
4 Ernährung und Verdauung
B
C
KS Aminosäuren Zucker Wasser
MD
MD
K'
Wasser 1-1'-f--t-l--
J-I,,= --
A
HD
R
I
Mg 2 'Ca 2 + +Fe2 • +M n 2 •
Abb. 4·22:A Schematisierte Darstellung des Darmtrakts der Cicadoidea einschließlich der aus elektronenmikroskopischen Befunden hergeleiteten Vermutungen über die Wasser-, lonen- und Nährstoffluxe. (Nach Marshall and Cheung, 1973, verändert) B Querschnitt durch die Filterkammer. C Filterkammer. B Bindegewebe, E Epithel, FK Filterkammer, HD Ileum des Hinterdarms, KS konisches Stück des Mitteldarms (MD). MG Malpighische Gefäße, Oe Ösophagus, R Rectum.
derdarms dienen im Wesentlichen wohl zum Abriegeln des Saftstroms (Abb.4-2D). Durchschneidet man das Stechborstenbündel, so sprudelt der Saft heraus. Auf diese Weise hat man sehr einfach reinen Phloemsaft für Analysen gewinnen können. Xylemsaft muss dagegen gepumpt werden. Die Zusammensetzung des Phloem- wie des Xylemsaftes kann tages- wie jahreszeitlich recht verschieden sein.
Der aufgenommene Pflanzensaft gelangt in den Mitteldarm, und hier muss zunächst der hohe Wasseranteil entfernt werden. Diese Aufgabe wird durch die Zusammenlegung mehrerer Darmabschnitte zu einer sog. Filterkammer gelöst. Xylemsaft ist gegenüber der Hämolymphe hypotonisch, während Phloemsaft gegenüber der Hämolymphe hypertonisch ist. Daher funktioniert die Filterkammer eines Xylemsaugers anders als die eines
4.5 Der Mitte/darm
113
Pharynxpumpe b...,.::;::===:::::~' als Sperre -
Abb. 4-23: Nahrungsaufnahme. Resorption der Nahrung und Ausscheiden von Nahrungsresten in Form von Honigtau bei Phloemsaft saugenden Blattläusen. KH Kohlenhydrat-, N Stickstoffgehalt, Fruct Fructose, Gic Glucose. Fühler verkürzt dargestellt, Beine der Übersicht halber weggelassen. (Nach Strümpel 1983, vereinfacht).
Phloemsaft: Saccharose + Aminosäuren + Ionen
Phloemsaugers. Innerhalb der Zikaden und der der folgenden Mitteldarmschleife gefärbt. Die ZelSchildläuse gibt es beide Typen (Tab. 4-4). Wan- len dieses Abschnitts des Mitteldarms enthalten in zen, die Zell- oder Pflanzensaft saugen , haben Sphaeriten oder Gr ana an Protein gebundenes keine Filterkammer. Unter den Blattläusen ver- Calcium, Magnesium, Mangan und Phosphat sofügen die Lachnid ae (Tannenläuse) und einige wie Eisen in Form von Ferritin (Abb. 4-22), d. h. Gattungen der Aphididae über eine Filterkammer, hier liegt Speicherexkretion vor. Im Ileum wie in andere Blattläuse haben keine. Psyllidae und Aley- den außerhalb der Filterkammer liegenden Teilen rodidae sowie die Schildläuse besitzen eine Filter- der Malpighischen Gefäße findet eine Rückresorpkammer. Am besten sind die Filterkammern eini- tion von Natrium und Kalium statt. ger Zikaden unter sucht , und zwar der Cicadoidea, Da in den Pflanzensäften bestimmte essenzielle Stoffe Membracoidea, Cercopoidea und Cicadelloidea; fehlen, die von den Saftsaugern nicht syntheti siert werdaher soll hier lediglich dieser Typ geschildert den können, benötigen die Pflanzensaftsauger unter den Wanzen und ebenso die Homoptera symbiontische Miwerden. Bei den Xylemsaft saugenden Cicadoidea und kroorganismen, die ihnen diese Stoffe liefern (s. 19.1). Cercopoidea ist der vordere Mitteld arm stark auf- Im Vergleich zu ihrer Größe nehmen Pflanzengetrieben. Er ist in diesem Bereich von einer Lage saftsauger, vor allem Xylem-Sauger, beachtliche flacher Zellen umhüllt und außen mit einer Ba- Flüssigkeitsmengen auf. Im Xylemsaft liegen die sallamina sowie mit Ring- und Längsmuskulatur Nährstoffe bereits als Aminos äuren und Zucker versehen. Ein Teil des in Schleifen angeordneten vor, sodass keine Proteasen und Amylasen mehr hinteren Mitteldarms sowie der Anfangsteil der zum Abbau der Nahrung erforderlich sind. Die Malpighischen Gefäße sind eingebettet in die Kohlenhydr ate des Phloemsaftes werden von Wandung der Filterkammer. Diese besteht aus Blattläusen nur zu 10% genutzt , 90% werden als dem außen liegenden Epithel des vorderen Mittel- Honigtau ausgeschieden . Der Stickstoffanteil darms und einem innen liegenden Epithel, das wird, entgegen früheren Behauptungen, nur zu streckenweise aus flachen Zellen und kubischen 50% verwertet. Saugt eine Mottenschildlaus TriaZellen besteht (Abb. 4-22). Die kubischen Zellen leurodes vaporariorum an der gleichen Pflanze wie sezernieren Mucoproteine, welche in besonderem eine Blattlaus, so enthalten ihre Exkremente weder Maße die reichlich im Xylemsaft vorhandenen Kohlenhydrate noch Proteine . Man nimmt an, K+-Ionen , aber auch andere Ionen binden . Die dass die unvollständige Ausnutzung der Nahrung flachen Zellen sind im Gegesatz zu den kubischen durch die Blattläuse dadurch zustande kommt , Zellen mit langen Mikrovilli versehen. Sie sezer- dass diese Tiere ganz bestimmte, in nur geringer nieren keine Mucoproteine. Die beträchtlichen Menge vorhandene Substanzen benötigen, und überschüssigen Wassermengen aus dem eingesoge- dass sie um derentwillen große Mengen Saft saunen Xylemsaft strömen aus der Filterkammer über gen müssen. Der Überschuss wird bei Phloemsaudie geschilderten Epithelien in den hinteren Mit- gern in Form von Honigtau über den After abgeteldarm und die Anfangsabschnitte der Malpighi- geben (Abb.4-23). Alle Honigtau-Erzeuger sind sehen Gefäße. Zucker und Aminos äuren gelangen Phloemsauger (Tab. 4-4). Die Abscheidung von über das Epithel des konischen Abschnitts des Honigtau dient der Osmoregulation, denn Wasser vorderen Mitteldarms (Abb. 4-22) in die Hämo- und überschüssige organische Substanzen können lymphe. Markiert man Nährlösung mit Farbstoff, auf diese Weise aus dem Körper entfernt werden. so ist nach einiger Zeit der Inhalt der Filter- Bei der Massenvermehrung baum bewohnend er Blattkammer und des Enddarms, nicht aber der Inhalt läuse kann ein regelrechter Regen von Honigtau zu-
114
4 Ernährung und Verdauung
stande kommen, der Blätter und Boden mit einer zuckerhaItigen Schicht bedeckt. Dieser Belag wird von Bienen als "Tannen- oder Waldhonig" eingetragen. Ameisen, Wespen, Fliegen und zahlreiche andere Insekten profitieren ebenso vom Honigtau wie Rußtaupilze. In Trockengebieten arabischer Länder wird der von Schildläusen abgegebene und eingetrocknete Honigtau als "Manna" von den Einheimischen gesammelt und gegessen. Manna, das von einer an Tamarisken im Sinai saugenden Schildlausart Trabutina mannipara stammt, enthält 55% Saccharose, 25% Invertzucker und annähernd 20% Dextrin . Mit dem Honigtau können entweder die gleichen Aminosäuren ausgeschieden werden, die auch mit dem Phloemsaft aufgenommen wurden, oder weitere Aminosäuren hinzukommen, die durch Umwandlung oder Synthese im Stoffwechsel des Saftsaugers entstehen. Bei der Wanze Nezara viridu/a (Pentatomidae) enthielt der aufgenommene Pflanzensaft 19 und das abgegebene Exkret 27 Aminosäuren. Bisweilen kann die Konzentration der Aminosäuren sowohl in der Hämolymphe als auch im ausgeschiedenen Honigtau höher als im aufgenommenen Phloemsaft sein.
Blutmahlzeit auskristallisiertes Hämoglobin in Form feiner Nadeln. Rhodnius pro/ixus kann ohne Blutmahlzeit weder Dotterproteine synthetisieren noch Eier ablegen. Enthält das von einem Blutsauger aufgenommene Blut nicht ausreichende Mengen an bestimmten Verbindungen, die für die Eibildung erforderlich sind, so wird diese herabgesetzt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Pestflöhe Xenopsy//a cheopis an Ratten saugen, die an ThiaminMangelleiden. Bei der Hausrnücke Cu/ex pipiens kommt es zur Ablage der doppelten Eizahl, wenn sie statt mit Menschenblut mit Blut von Kanarienvögeln ernährt wird. Die Eizahl der Bettwanze Cimex /ectu/arius hängt von der Menge des vor der Eiablage aufgenommenen Blutes ab. Die autogenen Stämme von Stechmücken benötigen vor der Eiablage keine Blutmahlzeit, aber die Zahl der abgelegten Eier ist geringer als bei Stämmen, die Blut benötigen; außerdem nimmt die Zahl der Eier von Gelege zu Gelege drastisch ab. Autogene Aedes communis gewinnen die für die Dotterbildung erforderlichen Substanzen durch partiellen Abbau der Flugmuskulatur.
Bei Blutsaugern, die während ihres gesamten Lebens ausschließlich Blut aufnehmen, sind Mikroorganismen als Symbionten vorhanden, um die im Blutsauger suchen ihre Nahrungsquelle teilweise Blut fehlenden und von der betreffenden Art nicht aufgrund optischer Merkmale (viele Dipteren), synthetisierbaren Substanzen zu liefern (s. 19). vorwiegend aber werden sie angelockt durch Dies ist u. a. bei Wanzen, Läusen, lebendgebärenwarme Körper, die CO z und bestimmte Lockstoffe den Tsetsefliegen und Nycteribiiden der Fall. Es abgeben. Die spezifischen Lockstoffe sind aller- gilt nicht, wenn Larvenstadien vorhanden sind, die dings lediglich bei Stechmücken (Culicidae) be- nicht von Blut leben, essentielle Substanzen speikannt. Stechmücken werden durch Geschlechts- chern und an das Imaginalstadium weitergeben. hormone angelockt, die im Schweiß des Menschen Beispiele hierfür liefern Blut saugende Mücken vorhanden sind. und Bremsen. Als Fraßlockstoff ist ATP bei Wanzen (Rhodnius prolixus), Stechmücken (Aedes aegypti, Cu/ex pipiens), Tsetsefliegen (G/ossina morsitans) und 4.5.4.3 Holzfresser Flöhen (Xenopsylla cheopis) wirksam, während bei Kriebelmücken (Simulium venustrum) ADP wirk- Die Cellulose, das wohl häufigste Biopolymer, samer ist als ATP. Bei G/ossina morsitans wurde wird zwar von sehr vielen Insekten mit der Nahein besonderer Rezeptor für ATP nachgewiesen. rung aufgenommen , aber nur wenige können die Die Größe der Blutmahlzeit kann beträchtlich Cellulose und ihre Begleitstoffe abbauen. Kann sein. Bei Entwicklungsstadien von Rhodnius pro- die Cellulose von einem Pflanzenfresser nicht ablixus wird dabei das Sechsfache des eigenen Kör- gebaut werden, so wird lediglich der Zellinhalt als pergewichts aufgenommen . Bei Wanzen und Nahrung genutzt. Unter den holzfressenden KäStechmücken ist nachgewiesen, dass zumindest im fern gibt es verschiedene Nutzungsvarianten: Abdomen Streckrezeptoren vorhanden sind, die Splintholzkäfer (Lyctidae) haben keine Cellulasen die Quantität der Blutaufnahme steuern. Der hohe und nutzen nur den Zellinhalt. Borkenkäfer (ScoWasseranteil des aufgenommenen Blutes wird so Iytidae) besitzen zwar keine Cellulasen, wohl aber rasch wie möglich, meistens schon während des Hemicellulasen, mit deren Hilfe sie Pentosen und Saugens, mithilfe der sehr leistungsfähigen Mal- Hexosen gewinnen können. Klopfkäfer (Anobipighischen Gefäße entfernt und als klarer Harn idae) und Bockkäfer (Cerambycidae) besitzen Cellulasen und können somit die aufgenommenen über den After abgegeben. Bei der südamerikanischen Raubwanze Rhod- Zellwände verwerten (s. 19.1.5.3). nius prolixus und bei der Kleiderlaus wird das Der Abau der Cellulosekann bei Insekten durch Hämoglobin im Mitteldarm nicht abgebaut , son- selbst synthetisierte Cellulasen zu Cellobiose und dern unverändert in die Darmzellen aufgenommen anschließend durch eine ß-Glucosidase (autoenzyund anschließend intrazellulär verarbeitet. Im matische Verdauung) oder mithilfe der EnzymsyDarm von Stechmücken findet man nach einer steme von Bakterien und/oder Protozoen (alloen-
4.5.4.2 Blutsauger
4.6 Malpighische Gefäße
zymatische Verdauung) oder durch beide Mechanismen erfolgen. Eine eigene Cellulase, die aber nur geringe Aktivität aufweist, wurde bei der Wanderheuschrecke Schistocerca gregaria und bei Silberfischchen der Gattung Ctenolepisma nachgewiesen . Im Darm von Schaben und den nahe mit ihnen verwandten Termiten leben Flagellaten als Symbionten, die Holzpartikel phagocytieren und in Zusammenarbeit mit den in und an ihnen lebenden Bakterien den Aufschluss der Cellulose ermöglichen (s. 19.1.5.4). Es handelt sich bei den Flagellaten um Trichomonadina, Polymastigina und Hypermastigina. Im Darm einer in Nordamerika vorkommenden, holzfressenden Schabe der Gattung Cryptocercus wurden 13 Gattungen mit insgesamt 25 Arten von Flagellaten ermittelt. Bei Termiten sind diese Symbionten lebenswichtig. Sie werden durch Coprophagie weitergegeben. Tötet man die wenig hitzeresistenten Flagellaten, indem man die Termiten bei 40 °C hält, so sind die Termiten anschließend nicht mehr lebensfähig. Manche Holzfresser bevorzugen Holz, das von Pilzen befallen ist oder ernähren sich von derartigen Pilzen, wie beispielsweise der an Obstbäumen schädliche Borkenkäfer Anisandrus dispar.
4.5.4.4 Verarbeitung von Wolle und Wachs Wolle, Haare und Federn enthalten in besonderem Maße unlösliche, viele Disulfidbrücken aufweisende Proteine, die Keratine. Diese können nur von wenigen Insekten abgebaut werden, beispielsweise von den Larven der Kleidermotte Tineola bisselliella und einigen Käfern (Dermestidae) sowie von Mallophaga. Die Larve der Kleidermotte ist in der Lage, etwa 47% der gefressenen Wolle in ihrem Darm unter anaeroben Bedingungen abzubauen: Keratinase Keratin-
Cystin-Reduktase Cystein-Desulphhydrase Cystin Cystein H 2S
Im Darm von Arten, die in der Lage sind, Keratine zu verdauen, herrscht ein extrem niedriges Redoxpotential von - 200 mV, verglichen mit bis zu +200 mV bei anderen Insekten; es ist bedingt durch die Spaltprodukte Cystein und Schwefelwasserstoff, die eine die Verdauung von Keratin fördernde Wirkung haben. Ein dauerhafter Schutz der Wolle vor der Vernichtung durch die Larven der Kleidermotte ist dadurch möglich, dass man die Reduktion der Disulfidbrücken durch den Einbau von Methylenbrücken unmöglich macht; man nennt dieses Verfahren Eulanisierung. In Federn, Haaren und Wolle fehlen bestimmte, für die von diesen Materialien lebenden Insekten essentielle Verbindungen, d. h. von diesen Arten nicht selbst synthetisierbare Verbindungen. Daher benötigen diese Insekten
115
symbiontische Mikroorganismen, die diese Verbindungen liefern (s. Kap. 19). Bienenwachs besteht aus einem Gemisch von Estern, Fettsäuren und Kohlenwasserstoffen. Diese Ester enthalten Myricylalkohol, einen einwertigen höheren Alkohol. Die Larven der Wachsmotte Galleria mellonella können etwa 50 % des Wachses verwerten, sind aber keineswegs auf Bienenwachs als Nahrung angewiesen. Auch in diesem Falle sind symbiontische Bakterien in besonderem Maße an der Verdauung beteiligt. Steril aufgezogene Larven sind nicht in der Lage, die Ester des Myricylalkohols abzubauen. Bei Wachsmottenlarven sind eine Lipase, eine Lecithinase und eine Cholinesterase nachgewiesen worden . Die Hydrolyseprodukte werden in phosphorylierter Form aufgenommen und anschließend in den Zellen wieder dephosphoryliert.
4.6 Malpighische Gefäße Die Malpighischen Gefäße sind mehr oder weniger lange, bisweilen verzweigte, am Ende blindgeschlossene Darmdivertikel. Sie münden an der Grenze von Mittel- und Enddarm oder kurz vor der Valvula pylorica in den Enddarm (s. 5.4). Ihre Zahl kann zwischen 0 und 150 betragen und ihr Aussehen wie ihre Gliederung sind sehr verschieden (s. Kap. 5). Sie fehlen bei Collembola, Diplura der Gattung Japyx und Blattläusen. Aleyrodinaund Coccina besitzen 2, Heteroptera, Cicadida und Psyllina, Thysanoptera und die meisten Diptera haben 4, Käfer 4 oder 6 Malpighische Gefäße, Seltener kommen die Malpighischen Gefäße bei Dipteren in ungerader Zahl vor. Libellen haben 20 Malpighische Gefäße in 4 Bündeln, Schaben 90-120 in 6 Bündeln und Bienen bis zu ISO Malpighische Gefäße. Das Überwiegen der Geradzahligkeit weist auf einen paarigen Ursprung hin. Umstritten ist immer noch die ontogenetischewie phylogenetische Herkunft; im allgemeinen wird eine Herkunft aus dem Ektoderm angenommen, auch wenn die Zellen apikal keine Cuticula abscheiden. Bei Schaben und Heuschrecken nimmt die Zahl der Schläuche von Stadium zu Stadium zu. Die Länge der Malpighischen Gefäße ist sehr verschieden. Beimanchen Arten sind die Schläuche bis zu 10cm lang (s. 5.4.1).
Das Epithel der Malpighischen Gefäße ist stets einschichtig und besteht aus großen Zellen (s. Kap. 5). Die Feinstruktur der Zellen kann entweder auf ganzer Länge gleichartig aussehen oder es sind bis zu 4 verschiedene Regionen vorhanden. Bisweilen sind die Zellen proximal oder distal aufgebläht oder durch Stoffwechselprodukte unterschiedlich gefärbt. Bei Lamellicorniern sind distal zahlreiche Divertikel vorhanden. Derartige Verschiedenheiten können funktionellen Besonderheiten entspre-
116
4 Ernährung und Verdauung
chen. Bei manchen Arten, beispielsweise bei Dipteren , kommen in bestimmten Regionen der Malpighischen Gefäße zwei verschiedene Zelltypen gemischt vor, Hauptzellen und sternförmige Zellen. Die Hauptzellen weisen apikal einen ausgeprägten Mikrovillisaum und tiefe Einfaltungen sowie basal ein ausgeprägtes Labyrinth auf. Die in großer Zahl vorhandenen Mitochondrien reichen bisweilen weit in die Mikrovilli hinein. Außerdem enthalten die Zellen Vesikel mit Kristallen. Die sternförmigen Zellen sind kleiner und schmaler als die Hauptzellen, besitzen kurze Mikrovilli ohne hineinragende Mitochondrien und enthalten keine Kristalle im Cytoplasma. Über die Funktion dieser Zellen gibt es lediglich Vermutungen . Bei der südamerikanischen Wanze Rhodnius prolixus sind im proximalen Bereich der Malpighischen Gefäße Zellen mit üblichen MikroviIIi vorhanden, während im distalen Bereich die Mikrovilli der Zellen apikal miteinander verbunden sind, sodass ein Wabenmuster entsteht. Der Basallamina liegen außen Muskelfasern auf, sodass die Malpighisehen Gefäße beweglich sind. Die Hämolymphe der Insekten weist keinen ausreichenden hydrostatischen Druck auf, sodass keine Ultrafiltration wie bei den Nieren der Säugetiere möglich ist. Die Primärharn bildung kommt stattdessen durch Sekretion zustande (s. Kap. 5). Neben der Exkretion und Osmoregulation können Malpighische Gefäße noch weitere Funktionen haben . Bei den Larven der Planipennia produzieren die Malpighischen Gefäße Spinnseide, die mithilfe der beweglichen Afterröhre zu einem Kokon für die Verpuppungsphase versponnen wird. In diesem Falle ist der Mitteldarm kurz vor der Einmündung der Malpighischen Gefäße gegen den Enddarm verschlossen. Bei den Larven mancher Coleoptera und Hymenoptera ändern bestimmte Abschnitte der Malpighischen Gefäße ihre Funktion und produzieren Seidenproteine. Dies gilt für Larven des Carabiden Lebia scapularis, Schilfkäfer der Gattung Donacia und Rüsselkäfer der Gattung Phytonomus. Ältere Angaben über eine entsprechende Herkunft des Kokonmaterials von Larven der Ptinidae und Arten der Gattung Cionus haben sich als falsch erwiesen. In diesen Fällen stammt der Faden nicht aus den Malpighischen Gefäßen, sondern aus den im Mitteldarm gebildeten peritrophischen Membranen (s. 4.5.2). Bei den Larven der Bockkäfer (Cerambycidae) und bei manchen sapro- und phytophagen Dipterenlarven werden die Konkremente oder Sphaerite nicht in den Enddarm entleert und mit dem Kot abgegeben, sondern in Aussackungen der Malpighischen Gefäße gespeichert. Die Cerambyciden verwenden dieses Material zum Imprägnieren des Deckels der Puppenhülle; die betreffenden Dipteren imprägnieren damit die gesamte Puppenhülle.
4.7 Der Hinterdarm 4.7.1 Gliederung des Hinterdarms Die Ausdehnung des Hinterdarms ist leicht am Vorhandensein einer Cuticulaauskleidung zu erkennen. Er besitzt eine kräftige Muskulatur in Form von Ring- und Längsmuskeln sowie Muskeln, die, ebenso wie beim Vorderdarm, zur Körperwand ziehen und als Dilatatoren fungieren. Der Hinterdarm ist im Allgemeinen in drei Abschnitte gegliedert. Der Pylorus bildet am Übergang zum MitteIdarm eine mit kräftiger Muskulatur versehene Epithelfalte, die Valvula pylorica, die eine Ventilfunktion für den Übertritt von Mitteldarminhalt hat. In den Pylorus münden im Allgemeinen die Malpighischen Gefäße. Bei vielen Larven ist am Übergang zum Mitteldarm ein Ring von teilungsfähigen Zellen, der Imaginalring vorhanden, ähnlich wie das beim Übergang vom Vorder- in den Mitteldarm der Fall ist (s. 4.4 Ende). Der zweite, röhrenförmige Abschnitt des Hinterdarms wird in Analogie zu den Verhältnissen bei Wirbeltieren als Ileum oder als Colon bezeichnet. Larven von Nashornkäfern und anderen Lamellicorniern sowie von Tipulidae (Diptera) besitzen am Enddarm eine sehr umfangreiche Aussackung, die Gärkammer (Abb. 4-7). Diese Larven können sich von verrottendem Holz ernähren (s. 4.5.4.3), das in der Gärkammer von Bakterien anaerob abgebaut wird. Dabei entstehen in beträchtlicher Menge Methan und kurzkettige Fettsäuren, zu 90% Acetat (Abb. 4-25). Neuerdings hat sich gezeigt, dass im Colon vorwiegend von tropischen Arten der Schaben, Termiten und Rosenkäfer methanbildende Bakterien vorhanden sind, die zu den Archaebakterien gehören . Diese enthalten ein charakteristisches Coenzym, ein Flavinderivat, das bei 420 nm blau fluoresziert und zur raschen Lokalisation dieser Bakterien dienen kann. Aber erst wenn diese Fluoreszenz in den Bakterien und die Produktion von Methan nachweisbar sind, kann man annehmen, dass methanogene Bakterien vorhanden sind. Sie verwerten das von anderen Bakterien beim anaeroben Abbau von Cellulose erzeugte CO z und erzeugen daraus beachtliche Mengen Methan, das vermutlich über das Tracheensystem des Wirtes nach außen abgegeben wird. Diese Bakterien kommen bei den Blattidae und Scarabaeidae entweder frei im Darmlumen oder angeheftet an Cuticuladifferenzierungen des Enddarms vor (Abb. 1-19). Außerdem leben sie in großer Zahl in Ciliaten der Gattung Nyctotherus, die im Schabendarm vorkommen . Bei einheimischen
4.7 Der Hinterdarm
117
Abb. 4-24: Enddarmstrukturen bei der Fleischfliege Parasarcophaga ergyrostoma. A Die Innenseite des Hinterdarms ist mit spitz zulaufenden Borsten versehen . 7500 x. BAuf der Innenseite der von Bakterien befreiten Rektalpolster befinden sich neben Riefen gekrümmte Dornen . 800 x. C Bei höherer Vergrößerung sind an ungereinigten Partien der Rektalpolster Massen von Bakterien zu erkennen. 8000 x. (Nach Nagel & Peters 1991)
Schaben wie Blatella german ica und Ectob ius sp. sowie bei dem Gartenlaubkäfer Phyllop ertha horticola und Mistkäfern der Gattung Geotrupes wurden keine methanbildenden Bakterien gefunden . Ihr Fehlen bei den einheimischen Schaben könnte
I I
VD
mit einer Empfindlichkeit gegenüber niedrigen Temperaturen zusammenhängen. Anscheinend kommen methanogene Bakterien nur in bestimmten Insektengruppen vor, denn bei weiteren 56 Arten aus verschiedenen Ordnungen konnten
11
Mitleidarm
MG
Hinterdarm / Gärkammer
Mund~~After pH 11,7 pH 8,4 0 KotHämoballen lymph e
pH 8,2
9,2
7,2
7,1
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Abb. 4-25: Im Darm der Larve desNashornkäfers Oryctes nasicomis wird die in der Nahrung enthaltene Cellulose mithilfe verschiedener Bakterienarten unter anaeroben Bedingungen abgebaut. Vorwiegend entsteht dabei Acetat, das 90 % der niederen Fettsäuren ausmacht. Es wird als Nährstoffresorbiert. Außerdem erzeugen spezialisierte Bakterien in der Gärkammer beträchtliche Mengen Methan, das über die Tracheen abgegeben wird. DerpH in den einzelnen Darmabschnitten istangegeben. MG Einmündung der Malpighischen Gefäße, VD Vorderdarm. (Zusammengestellt nach Angaben von Bayon 1980)
118
4 Ernährung und Verdauung
keine methanbildenden Bakterien nachgewiesen werden, auch wenn die Ernährungsweise der betreffenden Arten denen von infizierten ähnlich war. Der dr itte Abschnitt des Hinterdarms wird Rektum oder Enddarm genannt. Er besitzt am Eingang eine mit Muskulatur versehene Epithelfalte, die als Ventil fungierende Valvula rectalis. Das Rectum ist meistens bla sig aufgetrieben und mit 3-6 unterschiedlich ausgebildeten Epithelverdickungen oder -verdoppelungen, den Rektal polstern oder -papillen au sgestattet (Abb. 4-24 B). Diese sind für den Wasser- und Ionenhaushalt von großer Bedeutung (s. Kap. 5). Homoptera und manche aquatisch lebenden Insekten haben ein kurzes Rektum ohne spezialisierte Zelle n. D er Darm endet mit dem After, der durch einen R ingmu skel verschlossen werden kann. Eine Kombination von Malpighischen Gefäßen und Enddarm wird Cryptonephridium genannt. Cryptonephridien dienen ebenso wie die Rektalpapillender Regulation des Wasser- und Ionenhaushalts (s. Kap. 5). Sie sind besonders gut bei Arten entwickelt, die in trockenen Biotopen leben. Cryptonephridien kommen bei den meisten Larven und Imagines der Coleoptera, Larven der Lepidoptera, dem Ameisenlöwen und manchen Blattwespenlarven vor. Chloridzellen, die mit der Adsorption und Sekretion von Ionen zu tun haben, kommen meistens in der Epidermis vor (s. Kap. 5), sind jedoch bei manchen Arten auch im Bereich des Hinterdarms vorhanden (s. Kap. 5), bei den Larven der Odonata, und zwar sowohl bei Anisoptera als auch Zygoptera, im Bereich des Rectums, bei den Larven von Wasserkäfern der Gattungen Dytiscus und Acilius und bei Wanzen der Gattung Cenocorixa im Ileum. Bei terrestrisch lebenden Insekten wurden ähnliche Zellen im Ileum nachgewiesen. Pheromone werden bei Borkenkäfern (s. 21.3.2.3) von besonderenZellen des Ileum, bei der Fliege Dacus tryoni im Bereich des Rektum gebildet. Bei Libellenlarven aus der Gruppe der Anisoptera erfolgt die Atmung über den sehr stark mit Tracheen versorgten Enddarm (s. 6.4).
4.7.2 Nahrungsreste (Kot, Faeces) D ie Da uer der Darmpassage ist bei den einzelnen Arten wie auch hinsichtlich der aufgenommenen Nahrung sehr verschieden und kann Stunden oder Tage dauern. D ie Nahrungsreste können bisweilen erstaunlich lange im Enddarm verbleiben. Bei der Arbeiterin der Honigbiene wird während der ersten 3 Wochen nach der Häutung kein Kot abgegeben; erst wenn sie zur Sammlerin geworden ist, erfolgt die Kotabgabe. Ebenso wird während des gesamten Winters kein Kot au sgeschieden; dies geschieht erst bei warmem Wetter anlässlich eines Reinigungsfluges.
Abb. 4-26: After der Ameise Lasius niger in Seitenansicht.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme. 100 x.
Unverdauliche Na hru ngsreste werden als Kot oder Faeces über den After (Abb. 4-26) abgegeben. Ihre Farbe ist bedingt durch Nahrung oder Stoffwechselprodukte und kann farblos, weiß bis grau, grün, bräunlich oder rötlich sein. Bei blutsaugenden Wanzen wird nach einer Blutmahlzeit im Zusammenhang mit der Volumeneinengung viel Wasser abgegeben. Anschließend ändert sich die Farbe der immer dickflüssiger werdenden Nahrungsreste von weiß über gelblich, bräunlich bis schwarz. In vielen Fällen werden die Nahrungsreste erst abgegeben , nachdem sie mit zahlreichen peritrophisehen Membranen umgeben wurden . Die so entstandenen Kotballen können eine charakteristische Form haben, sodass in Sonderfällen, wie beispiel sweise bei Schäden durch Termiten oder Hausbockkäfer, bestimmt werden kann, wer den Kot produziert hat. Der Wassergehalt der Faeces kann sehr unterschiedlich sein . Flüssiger Kot wird ohne Umhüllung ausgespritzt. Bei manchen Arten ist der Kot extrem trocken und krümelig, wie beispielsweise bei der Kleiderlaus (Abb. 21-16) oder den Pelz- und Museumskäfern. Bei den Larven mancher Insekten (Bienen, Wespen, Ameisenlöwe)ist der Mitteldarm bis kurz vor Beginn der Verpuppung geschlossen (s. 4.5.2). Die Kotabgabe kann erst erfolgen, wenn das Epithel an der Verschlussstelle aufreißt und eine Verbindungzwischen Mittel- und Enddarm zustandegekommen ist.
4.8 Der Fettkörper
Bei Holometabola werden nach Abschluss der Metamorphose die während dieser Zeit im Darm angesammelten gelb, grün, braun oder rot gefärbten Exkrete, das Meconium , abgegeben. Beim Kot geht es nicht nur um die Abgabe von unverdaulichen Nahrungsresten und Stoffwechselprodukten; vielmehr können diese Reste eine Reihe von Funktionen übernehmen: Zur Abwehr von Feinden kann übelriechender Kot ausgespritzt werden (s. 17.2.2.3). Zu diesem Zweck wird beim Gelbrandkäfer Dytiscus marginalis der flüssige Kot in einem unpaaren Blindsack des Rektums, der Rektalampulle, gesammelt. Bei Aaskäfern (Silphidae) sezerniert eine Wehrdrüse toxisch wirkende Säuren, Terpene und Steroide in die Rectalampulle. Schutz gegen Austrocknung wird bei dem von Larven der Cercopidae (Schaumzikaden) erzeugte Schaum ("Kuckucksspeichel") als Funktion angenommen. Die nach ventral gezogenen Seitenpartien des Abdomens dieser Tiere bilden eine überdachte Rinne, in die eine aus dem After austretende Flüssigkeit rinnt. Diese soll u. a. Mucoproteine enthalten, die vom proximalen Abschnitt der Malpighischen Gefäße sezerniert werden. In diese Rinne münden auch die Stigmen. Wird aus diesen Luft in die Flüssigkeit gepumpt, so kommt es zur Schaumbildung. Diese kann bei massenhaft an Weiden saugenden Larven der Weidenschaumzikade Aphrophora salicina so intensiv sein, dass der Schaum zu Boden tropft. Die Larven der bekannten Blutzikaden Cercopis sanguinea saugen unterirdisch an Wurzeln krautiger Pflanzen und bilden ebenfalls Schaum. Eine Kotmaske wird von Schildkäferlarven der Gattung Cassida dadurch produziert, dass der rüsselartig vorstülpbare Enddarm die langen,verzweigten Stacheln auf der hinteren Rückenpartie dick mit Kot beschmiert. Auf die Stacheln werden außerdem die eigenen Exuvien aufgespießt. Man nimmt an, dass die Kotmaske als Schutz gegen Feindewie beispielsweise Ameisen dient. Kot kann für den Bau von Wohnröhren verwendet werden. Dies geschieht beispielsweise bei den Larven mancher Zikaden, und zwar der in Australien lebenden Machaerotidae. Die teilweise recht komplizierten Bauten der Termiten bestehen aus Kot, Erde und Speichel (s. 14.2).
4.8 Der Fettkörper Der Fettkörper ist mesodermaler Herkunft. Er entsteht während der Embryonalentwicklung aus ventralen Bereichen der nur kurzfristig angelegten Coelomsäckchen. Dementsprechend ist er zunächst ein metameres Gebilde. Im weiteren Verlauf der Entwicklung aggregieren diese Anlagen
119
und es entsteht schließlich ein Netzwerk aus umfangreichen, meist nicht mehr als zwei Zellagen aufweisenden, unregelmäßig geformten Lappen, die nur noch selten eine metamere Gliederung erkennen lassen. Diese Fettkörperlappen sind in der Leibeshöhle teils nahe dem Darm und teils in der Nähe der Epidermis angeordnet; man kann daher eine viscerale und eine parietale Schicht unterscheiden. Vielfach ist nur der parietale Anteil vorhanden. Im Thorax kann der Fettkörper in Form zylindrischer Stränge und im Kopf als kompakte Masse vorliegen. Die scheinbare Unregelmäßigkeit der Ausgestaltung des Fettkörpers darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass doch bei den einzelnen Arten ein charakteristisches Muster vorhanden ist. Bei manchen Arten kann der Fettkörper sehr umfangreich sein, vor allem bei Schaben oder bei Larven von Holometabolen. Bei der ausgewachsenen Larve der Honigbiene kann der Fettkörper 65% des gesamten Körpergewichts ausmachen. Die Fettkörperlappen sind von einer gemeinsamen Basallamina umgeben. Die Farbe des Fettkörpers kann farblos, weißlich, gelblich, orangefarben oder grün sein und bei durchscheinendem Integument an der Körperfärbung oder -zeichnung beteiligt sein. Der Fettkörper besteht ausschließlich oder überwiegend aus Trophocyten (Adipocyten) (Abb . 4-27), die wahrscheinlich aus Hämocyten hervorgehen. Daneben gibt es bei Collembolen, Schaben und Larven von Hymenopteren zwischen Trophocyten verteilt Uratzellen, die als Exkretspeicher fungieren, Oenocyten und bei manchen Arten Mycetocyten (s. Kap. 19), die symbiontische Mikroorganismen in Vakuolen enthalten (Abb. 427 C) . Außerdem kann der Fettkörper Leuchtergane aufweisen (s. Kap. 18). Die Trophocyten sind während der Embryonalentwicklung und unmittelbar nach dem Schlüpfen bis zur ersten Nahrungsaufnahme relativ klein und ohne auffallende Granula und Vesikel. Sobald die Tiere zu fressen beginnen, nimmt die Größe der Zellen erheblich zu. Sie können beträchtlichen Umfang erreichen und dann von Massen von Granula und Vesikeln unterschiedlicher Größe erfüllt sein. Der Kern ist relativ klein und kann bisweilen gelappt sein. Während der Metamorphose der Holometabolen kann der Fettkörper in unterschiedlichem Maße umgewandelt werden . Beispielsweise wird er bei der Honigbiene kurz vor der Verpuppung aufgelöst, die einzelnen Zellen gelangen in die Hämolymphe und zerfallen bald nach der Verpuppung, sodass die Hämolymphe zu einer dicken , cremigen Brühe wird . Nur wenige Zellen bleiben übrig und bilden den Fettkörper der Imago. Ähnliches geschieht auch bei den Dipteren, bei denen aber der imaginale Fettkörper aus embryonalen Zellen entstehen soll.
120
4 Ernährung und Verdauung
Abb. 4-27: Feinstruktur des Fettkörpers. Der Fettkörper enthält Trophocyten mit verschiedenen Einschlüssen, Urocyten und Mycetocyten. A Proteingranula in einer Trophocyte der Amerikanischen Schabe Penplenete emencsne. Während der Bildung der Proteingranula schwinden in ihrer Umgebung die Glykogenvorräte und das rER der Zelle. Das Protein kann zunehmend in eine parakristalline Form übergehen. 28500 x. B Urat speichernde Vakuole in einer Urocyte der gleichen Schabenart. Das Urat wird währendder Präparation herausgelöst. 28500 x . CWährend der Entwicklung von P. emeicene gelangen, wahrscheinlich aufdem Wege der Endocytose, Symbionten in Vakuolen spezialisierter Zellen, den Mycetocyten. Bei den Symbionten handelt es sich hier um gramnegative Bakterien, die u.a. durch das Vorhandensein einer die Zellwand umgebenden Hülle charakterisiert sind. Nach intensiver Vermeh rung durch Zweit eilung sind die Symbionten in großer Zahl in einer Mycetocyte vorhanden. 31 350 x. 0, E Rickettsien können massenhaft den Fettkörper wie auch andere Organe befallen und dabei in unterschiedlicher Gestalt auftreten. Im vorliegenden Falledegenerierte der Fettkörper einer weiblichen Deutschen Schabe Blatella qetmsok» infolge des Massenbefalls mit Rickettsien zu einer übelriechenden Masse, die schließlich massenhaft Sporen enthielt. 0 5400 x E 28500 x.
4.8 Der Fettkörper
Die Trophocyten spielen im Stoffwechsel und als Speicherorgan eine hervorragende Rolle im Insektenkörper. Somit ist der Fettkörper keineswegs, wie man vom Namen her vermuten könnte, ein Fettspeicherorgan, vielmehr kann er neben Fett auch beträchtliche Mengen Proteine und Glykogen speichern. Bei der ausgewachsenen Larve der Honigbiene macht der Glykogenanteil 30% des Trockengewichts des gesamten Körpers aus. Für den Stoffwechsel des Fettkörpers können sowohl Lipide als auch Kohlenhydrate eingesetzt werden. Der Fettkörper enthält auch die für eine Überwinterung, Diapause oder Quieszens nötigen Reserven. Wenn die Tiere hungern, nehmen die Vorräte in den Fettkörperzellen in auffallender Weise ab. Während der Häutung werden die Proteinvorräte vorwiegend für den Aufbau der Cuticula verwendet. Bei der Honigbiene dienen sie dem Aufbau der Futtersaftdrüsen, in denen das für die Aufzucht der Brut erforderliche Sekret gebildet wird. Die Trophocyten sind aber nicht nur in der Lage, Proteine zu speichern, sondern auch zu synthetisieren. Sie durchlaufen eine Vielzahl von Veränderungen im Zusammenhang mit der Ernährung bei Hunger, Stress, Häutung, Metamorphose, Fortpflanzung, Diap ause und Quieszens. Alle diese Aufgaben werden hormonal gesteuert. Der lappenförmige Fettkörper ist vollständig von Hämolymphe umgeben und steht in regem Stoffaustausch mit der Hämolymphe hinsichtlich der Baustoffe wie der hormonalen Informationen. Der Fettkörper kann relativ leicht in Mengen isoliert werden, die für biochemische Analysen ausreichen, und er kann in vitro zur Durchführung von Stoffwechseluntersuchungen gehalten werden. Hingegen beeinträchtigt der meist hohe Gehalt an Reservestoffen die Untersuchung der Ultrastruktur, sodass hier noch viele Lücken in unseren Kenntnissen existieren. Die Vielzahl der Funktionen, die in einer Trophocyte ablaufen können, ist wohl einmalig unter den Zellen der Metazoen und hat zu einer starken Kompartimentierung, vor allem in Form von Vakuolen, geführt. Bis zu II verschiedene Arten von Vakuolen wurden bisher ermittelt. Sie treten aber keinewegsalle gleichzeitig und in der gleichen Zelle auf. Es gibt Speichervakuoien für Glykogen, Lipide, Proteine, Urat und Tyrosin. Vakuolen dienen zum Export bestimmter Syntheseprodukte, wie beispielsweise verschiedener Hämolymphproteine. Außerdem können Vakuolen vorhanden sein, die auf Dauer Symbionten beherbergen, ohne diese zu verdauen . Es gibt autophage Vakuolen, multivesikuläre Körper und lamelläre Körper. Ferner sind Vakuolen darauf spezialisiert, die erneuerungsbedürftige Basallamina zu phagocytieren . Daneben enthalten die Trophocyten die üblichen Membransysteme einer Zelle: ER, Golgiapparat, primäre Lysosomen,
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Peroxisomen sowie Mitochondrien. Die Inhaltsstoffe der Vakuolen können per Exocytose unter Rückgewinnung der Membranen exportiert werden, wie das beim Tyrosin der Fall ist. Syntheseprodukte können im Anschluss an den Umbau im Golgiapparat zunächst ausgeschleust und dann wieder per Endocyto se in Speichervakuolen aufgenommen werden. Dieser umständliche Weg hängt wahrscheinlich mit Unzulänglichkeiten im Sortiersystem der Zelle zusammen. Die Vielfalt der Prozesse setzt eine Vielfalt der Membranen und ihrer molekularen Kennungen voraus. Eine sehr wichtige Funktion des Fettkörpers ist die Synthese von Trehalose, des Blutzuckers der Insekten. Dabei reagiert aktivierte Glucose (UDPGlc) mit Glucose-6-phosphat zu Trehalose6-phosphat, das durch Dephosphorylierung Trehalose ergibt. Bei Schmetterlingen kann die Hämolymphe 200-1500 mg% Trehalose enthalten. Diese Trehalose kann in manchen Stadien ohne weiteres wieder von Trophocyten aufgenommen werden. Dies wird durch die unterschiedliche Permeabilität der Plasmamembran der Trophocyten bei den einzelnen Stadien bedingt. Das Massenprotein des Eidotters, das Vitellogenin (Vitellin), wird im Fettkörper von Weibchen synthetisiert . Dieses Protein hat ein Molekulargewicht von 5,5 x 105 Da , besteht aus zwei Untereinheiten und enthält u.a. 12,3% Mannose und 9,6% Lipide. Vitellogenin macht 70-90 % des vom Fettkörper eines Weibehens synthetisierten Proteins aus; etwa 90% des Eidotters bestehen aus diesem Protein. Das Vitellogenin wird über die Hämolymphe zu den Ovarien befördert und dort mithilfe einer rezeptorvermittelten Endocytose über das Follikelepithel in die wachsende Eizelle geschleust (s. 13.2.1). Das Juvenilhormon-bindende Transportprotein ist ein Lipoprotein mit einem Molekulargewicht von 28-34 kDa . Es wird nach der Synthese sofort in die Hämolymphe abgegeben, erhöht die Löslicheit von Juvenilhormon in der Hämolymphe und verhindert den Abbau des Hormons durch unspezifische Esterasen. Ein hochmolekulares Transportprotein für Juvenilhormon wird anscheinend nur dann eingesetzt, wenn das kleinere Protein nicht ausreicht. Zu bestimmten Zeiten bildet der Fettkörper auch eine Juvenilhormon-spezifische Esterase, die in der Hämolymphe zirkulierendes Juvenilhormon abbaut . Larvenspezifische Vorratsproteine dienen der Speicherung von Aminosäuren und sind wahrscheinlich allgemein verbreitet. Sie sind artsp ezifisch und wurden nach den Arten benannt, bei denen sie gefunden wurden, beispielsweise Calliphorin, Drosophilin, Manducin. Ihr Molekulargewicht liegt in der Größenordnung von 105 Da . Calliphorin kann bei der Larve der Schmeißfliege
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4 Ernährung und Verdauung
Plasmamembran
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Plasmamembran
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Larvenstadium
Calliphora erythrocephala bis zu 75% der H ämolymphproteine ausmachen, wird nur vom Fettkörper von 3-5 Tage alten Larven synthetisiert, hat ein Molekulargewicht von 2,58 x 105 Da und besteht aus 6 Untereinheiten. Es enthält viel Tyrosin, Phenylalanin und Methionin. Nach der Synthese in den Trophocyten gelangt es in die Hämolymphe. Am Ende der Fressphase der Larve wird es wieder vom Fettkörper aufgenommen, in Form parakristalliner Granula als Vorrat verwahrt und gegen Ende der Metamorphose abgebaut. Dieses Prinzip der Synthese von Proteinen im Fettkörper, ihre Abgabe an die Hämolymphe und spätere Wiederaufnahme in den Fettkörper, wo sie abgebaut werden , findet man auch bei weiteren Proteinen . Im Fettkörper werden außer den genannten Proteinen auch Diapause-Proteine und bei Chironomiden-Larven Hämoglobine synthetisiert. Tyrosin wird in Vakuolen der Trophocyten gespeichert
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Abb. 4·28: A Aufnahme von Tyrosin per Endocytose in die Trophocyten des Fettkörpers bei der Larve des Schmetterlings Calpodes ethlius. Die Einschleusung erfolgt nach der Häutung vom 3. zum 4. Larvenstadium. Anschließend fusionieren die kleinen ProvakuoJen zu großen Speichervakuolen, in denen entweder Tyrosin oder ein Derivat in gelöster Form aufbewahrt wird. Während der nächsten Häutung gelangt der Inhalt dieser Vakuolen per Exocytose in die Hämolymphe, wobei eine Rückgewinnung der Membranen erfolgt. (Nach Locke 1984) B Die quantitative Bestimmung des Gehalts an Tyrosin im Fettkörper und in der Hämolymphe ergänzt die Ergebnisse der elektronenmikroskopischen Untersuchungen. (Nach McDermid et al. 1983)
und im Zusammenhang mit der Häutung oder Verpuppung als Ausgangsmaterial zur Sklerotisierung der Cuticulaproteine abgegeben (Abb. 428). Diese Vakuolen können vor einer Häutung bis zu 40% des Volumens einer Trophocyte ausmachen . Zur Entgiftung von Verbindungen erfolgt eine Glykosidbildung durch Koppelung an UDP-Glucose. Bei Wirbeltieren erfolgt die Entgiftung von Stoffen durch Koppelung an Glucuronsäure in der Leber und nachfolgende Ausscheidung mit dem Harn. Triglyceride sind die wichtigste Speicherform für Lipide des Fettkörpers. Außerdem synthetisiert der Fettkörper Phosholipide und wandelt Kohlehydrate in Lipide um. Für den Transport durch die Hämolymphe werden zunächst in Trophocyten Diglyceride mit einem Transportprotein gekoppelt. Es bindet ebenso an Cholesterin, Phospholipide und Carotine. Das M beträgt 700 kDa;
4.9 Athroeyten / Nephrocyten / Perikardialzellen
ein anderes derartiges Pro tein hat ein M von 500 kDa. Uratzellen können bei Holometabolen, wie beispielsweise Schmetterlingslarven, Urate in Form von Granula anhäufen (Abb . 4-27 B). In diesen Granula wurden 75 % Harnsäure und 25 % Protein gefunden. Uratzellen machen hinsichtlich ihrer Zellorganellen einen degenerierten Eindruck. Sie liegen zentral im Fettkörper. Bei Schaben befinden sie sich in der Nähe der Mycetocyten; daher hat man angenommen, dass die Symbionten den Stickstoffanteil des Urats au s den benachbarten Uratzellen verwerten . Während der Verpuppung werden die Urate aus den Uratzellen in den Darm befördert und schließlich nach dem Schlüpfen mit dem ersten Kot der Imago, dem Meconium , abgegeben . Zellen des Fettkörpers können bei manchen Arten, insbesondere bei Schaben, nicht nur symbiontische Bakterien enthalten, sondern, ebenso wie andere Org ane, massenhaft von Rickettsien befallen sein (Abb. 4-27 D, E). Diese Parasiten werden anscheinend mit dem Trinkwasser und der Nahrung aufgenommen und nach ihrer Vermehrung im Körper ihrer Wirte vorwiegend über Speichel und Kot verbreitet.
4.9 Athrocyten I Nephrocyten I Perikardialzellen Nephrocyten wurden unter der Bezeichnung "girlandenförmige Zellstränge" erstmals 1865 von Weismann bei den Larven von Schmeißfliegen (Calliphora vomitoria, Sarcophaga carnaria) beschrieben. Zunächst erhielten diese Zellen Bezeichnungen, die ihre Gruppierung und vor allem Lage im Körper betreffen: "verstreute Zellen", " K ranzzellen", Perikardialzellen , wenn sie am Herzen liegen, "ventrale Zellen ", wenn sie am Oesophagus befestigt sind usw. In den Abbildungen 7-2 und 7-6 ist ihre Lage am dorsalen Diaphragma der Schabe und der Heuschrecke dargestellt . Sie können auch im Kopf vorhanden sein . Ihre Lage wird in den einzelnen Körperbereichen durch feine Bindegewebsstränge gewährleistet. Die Bezeichnung .Perikardialzellen'' wird vielfach heute als Oberbegriff verwendet, parallel zum Namen Nephrocyten. Ende des 19. Jahrhunderts definierte man diese Zellen anhand ihrer Fähigkeit, bestimmte Farbstoffe absorbieren zu können; so auch Kowalewsky, der sie 1895 als "filaments acides" bezeichnete. Erst 190 I nannte de Ribaucourt die Karmin absorbierenden Zellen Nephrocyten. Man stand inzwischen unter dem Eindruck, diese Zellen h ät-
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ten mit Exkretion zu tun . Um dieser falschen, durch den Namen bereits nahe liegenden Fehldeutung endlich zu entgehen, schlugen Locke und Virginia Russell (1998) vor, einen von dieser Fehldeutung unbelasteten neuen Namen einzuführen: Athrocyten, von "athroos" sammeln, entsprechend den tatsächlichen physiologischen Funktionen dieses Zelltyps. Die Fähigkeit zur Aufnahme von kolloidalen Substanzen aus der Hämolymphe nutzt man für einen einfachen Nachweis des Vorkommens von Athrocyten . Injiziert man einem Insekt eine zuvor durch Filtration mit einem Filter von 0,45 mm Porengröße zur Entfernung von Partikeln gereinigte Lösung von Trypanblau in sehr geringer Konzentration, so nehmen die Nephrocyten den Farbstoff auf und können nach der Präparation leicht nachgewiesen werden. Bei zu hoher Konzentration des Farbstoffs kommt es zur Anfärbung aller möglichen Gewebe . Die Athrocyten entstehen aus dem Mesoderm. Sie kommen nicht nur bei den Insekten, sondern auch bei Chilopoden, Diplopoden, Krebsen, Spinnentieren und Onychophoren vor. Sie sind einzeln oder in Gruppen von einer lückenlosen Basalmembran überzogen. D ie Plasmamembran ist durch tiefe, dicht nebeneinander liegende Einfaltungen gekennzeichnet. Darin ähneln sie dem Zelltyp der Podocyten, der im Tierreich in Exkretionsorganen weit verbreitet ist und vielleicht der Vorläufer der Athrocyten ist. Die Athrocyten der Insekten sind , wie bereits erwähnt, rundum von einer kontinuierlichen, 100 nm und mehr dicken Basalmembran umgeben und können nur gelöste Stoffe aus der H ämolymphe aufnehmen, während die Hämocyten nicht von einer Basalmembran umschlossen und in der Lage sind, Partikel und Zellmaterial einzuschleusen. Die Plasmamembran bildet tief in die Zele reichende Falten. Apikal sind charakteristische, reißverschlussartig aussehende Zellhaften vorhanden. Die Basalmembran und diese Zellhaften fung ieren offenbar als zweifacher Ultrafilter. An den Seiten dieser Falten der Plasmamembran ist ein ausgeprägter surface coat vorausgebildet. Dieser besitzt offensichtlich Erkennungsmechanismen, die aufzunehmende Substanzen von ungeeigneten unterscheiden. So ermöglicht er das Einschleusen von Substanzen aus der Hämolymphe auf dem Wege der Pinocytose, d. h. durch Abgledern von coated
vesicles. Die Athrocyte besitzt einen Kern sowie die üblichen Zellbestandteile: Golgi-Felder, raues ER, Mitochondrien, Mikrotubuli und Mikrofilamente. Sie ist erfüllt von einem weiteren, internen Röhrensystem, den Tubuli, und einer Fülle unterschiedlicher Vesikel und Lysosomen. Athrocyten sind wichtig für die Aufrechterhaltung der Ho-
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4 Ernährung und Verdauung
Bm
Pm
Zh
cv
cv
Abb. 4-29: Periphere Partie eines Athrocyten von Carausius morosus mit den charakteristischen Elementen: Bm Basalmembran, Pm Plasmamembran, stark gefaltet und mit surface coat versehen, Zh Zellhaften, cv Abgliederung zahlreicher coated vesicles. 14000 x (TEM-Aufnahme von Rosenberg, unveröff.). Die Lage dieser Zellen am dorsalen Diaphragma ist in Abb. 7-2 und 7-6 dargestellt.
möostase in der Hämolymphe durch Synthese und Abbau oder Speicherung von Stoffen. Die Aufnahm e in die Zelle erfolgt durch rezeptorvermittelte Endocytose. Endosomen können in Lysosomen übergehen oder zu Lysosomen werden. In den Lysosomen ist Katalase nachgewiesen. Moleküle werden sortiert, die entweder in Lysosomen gelangen oder in Vesikeln zur Zelloberfläche transportiert und ausgeschleust werden. In den Lysosomen werden Substanzen in die Zelle oder aus der Zelle transportiert oder vorläufig gespeichert. Bei der Larve eines Schmetterlings, Ca/podes ethlius, werden in den Athrocyten mindestens 6 Proteine mit 43-85 Da synthetisiert, die auch in der Hämolymphe nachgewiesen werden können . Neben diesen Zellbestandteilen sind 3 Typen von Vakuolen unterscheidbar: u-Vakuolen, die elektronendichtes Material enthalten, ß-Vakuolen, die Speicherfunktion haben , ebenfalls osmiophiles Material und zumindest saure Phosphatase aufweisen, sowie y- Vakuolen , in denen granuläres Material geringerer Elektronendichte vorhanden ist, und die vermutlich Proteinsynthese treiben. Außerdem sind Glykogen, Protein und Lipid in diesen Zellen nachweisbar.
Neben den morphologischen Kriterien und der Farbstoffaufnahme aus der Hämolymphe ist die biochemische Charakterisierung durch den Nachweis von Lysozym aus Markerenzym möglich . Lysozym wird allerdings in wesentlich stärkerem Maße im Fettkörper als in den Atrhocyten synthetisiert. Vermutlich wird das in den Athrocyten synthetis ierte Lysozym zum Abbau von Bakterienfragmenten genutzt, die, durch Pinocytose aufgenommen , in den Lysosomen abgebaut werden. Der Lysozym-Titer der Hämolymphe steigt bei Fliegen während des 3. Larvenstadiums und erreicht seinen Höhepunkt kurz nach der Bildung des Pupariums. Während normalerweise der Titer bei 25-500 gamma-Einheiten pro ml lag, stieg er nach einer Injektion von Bakterien auf über 9.000 gamma-Einheiten pro mI. Vermutlich werden noch etliche weitere Proteine im Zusammenhang mit Infektionen von den Athrocyten gebildet, die somit von ganz besonderer Bedeutung für die Abwehr von Krankheitserregern der jeweiligen Insekten sind.
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5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion Gerhard Eisenbeis und Wi/fried Wichard
5.1 Allgemeines Mit den Teilgebieten Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation und Exkretion werden wichtige Grundfunktionen von Insekten behandelt, die maßgeblich zu ihrer erfolgreichen Evolution beigetragen haben. Wesentlich hierfür ist die Fähigkeit zur Regulation im Hinblick auf eine ausgeglichene Wasser- und Stofibilanz, die es ermöglicht, die vielfaltigsten Lebensräume im aquatischen und terrestrischen Bereich zu besiedeln. Mit dem Wasserhaushalt werden Phänomene der Wasserzufuhr, des Wasserverlustes und der Verteilung des Wassers zwischen den größeren Kompartimenten des Insektenkörpers besprochen. Insekten sind als relativ kleine Tiere mit einem großen Oberflächen! Volumen-Verhältnis oft extremen Anforderungen ausgesetzt. Die Fähigkeit zur Wasserkonservierung bei Landbewohnern gilt dabei als eines der physiologischen Kardinalprobleme ihrer Existenz. Neben einer ausgeglichenen Wasserbilanz sind für das Funktionieren des Insektenkörpers stabile osmotische Verhältnisse und weitgehend konstante Ionenverhältnisse von Bedeutung (osmotische und ionale Homöostase). Dies wird durch unterschiedliche Strategien der Osmoregulation erreicht, indem zwischen den Kompartimenten des Körpers ein ständiger Austausch osmotisch aktiver Substanzen, oft gegen ihren Gradienten, stattfindet (innere Osmoregulation). Bei aquatischen Insekten tritt daneben noch die externe Osmoregulation, die den Austausch mit dem Süßoder Salzwasser reguliert. Eng verbunden mit dem Wasserhaushalt und der Osmoregulation findet schließlich die Exkretion statt, wobei als Vehikel aller Stofftransporte das Wasser dient. Durch den Transport der Exkrete kommt es stets auch zur Verschiebung essenzieller Solute (Ionen , gelöste organische Stoffe), etwa aus der Hämolymphe in den Darm, wodurch eine kompensatorische Gegenregulation erforderlich wird. Die zahlreichen Mechanismen physiologischer Anpassung und auch die erforderlichen strukturellen Anpassungen hinsichtlich Wasserhaushalt, Osmoregulation und Exkretion dienen jedoch nicht nur der Wahrnehmung wichtiger Grundfuntionen. Meist lassen sich noch spezifische Abwandlungen erkennen, die entweder die besonderen Verhältnisse im Lebens-
raum der Insekten oder Unterschiede in der Nahrungsbiologie widerspiegeln. Abb. 5-1 fasst für den Wasserhaushalt, die Osmoregulation und Exkretion bedeutende Stoffilüsse zusammen, aufgegliedert für landlebende Insekten sowie für die Bewohner von Süß- und Salzwasser. Phänome wie Transpiration, Absorption, Sekretion, Rückresorption und Speicherexkretion bilden dabei in wechselnder Stärke, Richtung und Bedeutung die wesentlichen Komponenten. Im Zentrum aller regulatorischen Prozesse von Wasserhaushalt, Osmoregulation und Exkretion steht die extrazelluläre Füssigkeit (ECF) , deren Hauptanteil bei Insekten auf die Hämolymphe entfällt und etwa 15-35 % des Körpergewichts ausmacht. Der gesamte Wasservorrat eines Insekts (Wasserrnasse) beträgt durchschnittlich 70% des Körpergewichts (Spannweite ca. 45-92%), wobei der Hauptanteil auf das Gewebewasser entfallt. Der Anteil des interzelluären Wassers ist bei Insekten gering. Es ist kaum möglich, für eine Art den genauen Wassergehalt anzugeben , da dieser entwicklungsabhängig ist und auch von der Nahrung und den Lebens- und Hälterungsbedingungen abhängt. Eine große Rolle spielen das Ausmaß der cuticularen Panzerung und der Fettkörperanteil, der meist auf Kosten der Wasserrnasse zunimmt. Käferarten mit einer schweren Panzerung wie z. B. der Kornkäfer Calandra granaria, besitzen einen Wasseranteil von weniger als 50%, weichhäutige Schmetterlingsraupen der Art Telea polyphemus steigern den Wassergehalt auf über 90%. Ausnahmen mit stark erhöhtem Wassergehalt sind blut- und pflanzensaugende Insekten, deren Hämolymphgehalt 40% bei weitem übersteigen kann. Spitzenwerte im Wassergehalt treten auf, wenn etwa die Wanze Rhodnius prolixus innerhalb weniger Minuten das bis zu 10fache ihres Körpergewichts mit einer Blutmahlzeit aufnimmt. Das dabei über die Darmwand der Hämolymphe zugeführte, stark mit Natrium angereicherte Wasser löst sofort regulatorische Gegenreaktionen in Form einer Diurese aus, die das im Überfluss aufgenommene Wasser mit den überschüssigen Ionen gleichfalls innerhalb von Minuten über das renale System so lange ausscheidet, bis sich in der Hämolymphe wieder Homöostase einstellt. Neben einer Regulation der stoffiichen Zusammenset-
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5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
Insekten terrestrisch
w,w
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Insekten W
aquatisch , marin . sa lin
Insekten aquat isch , Süßwasser
ehE
AnP
Abb. 5·1:Vergleichende Darstellung wichtigerKomponenten des Wasserhaushaltes, der Osmo- und Ionenregulation und der Exkretion für Insekten unterschiedlicher Habitate (Land, Süßwasser, salines Wasser). Die Sektoren umfassen das Integument mitwichtigen Anhangsorganen, die hämolympherfüllte Leibeshöhle mit stoffwechsel- und tran sportaktiven Organen und das Darmlumen für den Bereich des Mitteldarmes (mikrovillitragendes Epithel) und des Enddarmes (Epithel mit Intima). Die Pfeile markieren Stoffflüsse für Wasser (W, w), Ionen (I, i), noch verwertbare organische Solute (S, s) und Exkrete (Ex, ex = Stoffwechselabfälle). Die relative Bedeutung wirddurch den Gebrauch von Klein- bzw. Großbuchstaben und durch unterschiedliche Pfeilstärke hervorgehoben, Weitere Akürzungen : AnP Analpapillen, ChE Chloridepithel, ChZ Chloridzelle, Cu Cuticula, Cx Coxalblasen, Dr Drüsen (Labial-, Speichel-, sonstige Drüsen), Ed Enddarm mit Intima, Ep Epidermis, Fae Faeces, Fb Fettkörper, Md Mitteldarm, MG Malpighische Gefäße, Na Nahrung, St Stigma geöffnet, (St) Stigma geschlossen, Tr Tracheen.
zung findet bei diesem Geschehen eine Volumenreaktion statt , Übergeordnete s Steuerzentrum ist das Nervensystem, das über eine hormonale Regulation auf den inneren Wasser- und Ionenfluss einwirkt (Kap. 9; 12.2.6). In der Summe ergeben sich zahlreiche Parallelen zum hochentwickelten Regulationssystem des inneren Milieus der Vertebraten, doch zeichnen sich die Insekten durch zahlreiche, in ihrem Bau begründete Besonderheiten aus, die stets im Zusammenhang mit der Lebensweise gesehen werden müssen. Die Hämolymphe enthält neben Wasser und Ionen noch niedermolekulare organische Solute wie Amino-
säuren, Disaccharide (Trehalose) und Diglyceride in Konzentrationen bis zu 200 mmol I-I. Hinzu kommen Hormone (Peptide, Juvenilhormone, Ecdysteroide) sowie Substanzen, die für den Gefrierschutz der Hämolymphe eine Rolle spielen und bei Bedarf mobilisiert werden (z. B. Thermohystereseproteine, Antigefrierproteine, Kryoprotektive wie Gycerol und bestimmte Aminosäuren) .
5.2 Wasserhaushalt
I Wasserverluste I
129
Netto-Transpiration , cuticulär
Netto-Transpiration, sp iraculär
Geschlechtsprodukte Exkretion Egestion
Defäkation
Speichelsekretion
Wasseraufnahme, anal z .B. Wasserdampfabsorption Nahrung, Trinken
Absorption von flüssigem Wasser
Wasserdampfabsorption, oral
Wassergewinn
I
z.B . durch die Coxalblasen bei apterygoten Insekten Oxidativer Metabol ismus
Abb. 5-2: Schema zum Wasserhaushalt eines Insekts, aufgeteilt nach den Komponenten für Wasserverlust und Wassergewinn.
5.2 Wasserhaushalt Der Wasserhaushalt eines Insekts wird durch äußere und innere Par ameter bestimmt , doch sind Wasserzufuhr und Wasserverlust bei normaler Hydratation meist ausgeglichen. Wassermangel wird im Durchschnitt bis zu einem Verlust von 30% der gesamten Wasserrnasse, in Ausnahmefallen auch weit darüber hinaus, toleriert (Dehydratation) . Parallel kommt es zu einer Erniedrigung der Stoffwechselfunktionen und Verlangsamung der Exkretion. Hauptwasserreserve ist die Hämolymphe, deren Zusammensetzung sich während der Dehydratation durch Entzug gelöster Stoffe (Ionen, niedermolekulare Solute) ändert. Rechtzeitige Rehydration führt ohne Schädigung zu einer Wiederbelebung aller Funktionen auf das Grundniveau. Die Hämolymphe zirkuliert durch den Körper (Massenfluss, ,bulk flow'), angetrieben durch die kontraktilen Elemente des Kreislaufsystems (vgl. 7.2), und bewirkt eine Durchmischung des Wasserpools. Daneben existieren zwischen den Teilkompartimenten des Körpers Unterschiede im chemischen Wasserpotential, die den Antrieb für die Diffusion von Wasser liefern. In der Summe sorgen Diffusion und ,bulk flow' für einen schnellen Wassertransfer sowohl zwischen den Hauptkompartimenten des Insektenkörpers als auch von Zelle zu Zelle, während der
Wasseraustausch mit der Umgebung durch Diffusion oft sehr langsam erfolgt.
5.2.1 Transpiration Der Wasserhaushalt land- und luftbewohnender Insekten hängt in starkem Maße vom Sättigungsdefizit der Umgebungsfeuchte ab. Dieses ist für die negative Diffusionsbilanz verantwortlich, indem stets mehr Wassermoleküle von der cuticularen Körperoberfläche abdampfen als umgekehrt durch die Rückdiffusion der Wasserrnasse hinzugefügt werden. Rein netto erleiden die meisten Insekten durch den Vorgang der Transpiration einen steten Wasserverlust, der lang- und mittelfristig durch Wasserzufuhr ausgeglichen werden muss. Abb. 5-2 veranschaul icht die Komponenten für den Wassergewinn (Influx) und den Wasserverlust (Effiux) für ein Modell insekt. Hierbei ist zu bedenken, dass einige Komponenten aus mehreren zeitlich und räumlich getrennten Teilkomponenten bestehen können , worauf im weiteren Text gesondert hingewiesen wird. Kleinste Insekten mit einer extrem großen relativen Körperoberfläche sind in besonders hohem Maße gegen Austrocknung gefährdet. Collembolen mit einer Körpermasse im 100 ug-Bereich besitzen eine Oberfl ä-
130
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
Tab. 5-1: Resistenzverhalten bei unterschiedlichen relativen Feuchten (Aufenthaltsdauer in Stunden bei verschiedenen Luftfeuchten bis zur Abnahme der normalen Wassermasse um 30 %) für verschiedene bodenlebende Arthropoden und die Wanderheuschrecke Locusta migratoria. (Nach Eisenbeis unpubliziert und Loveridge 1968) Ga unglArt
Ordnung
% rFm °C
98
76
33
0
Bodenspinnen (9 Arten)
Araneae
Neoblsium sp.
Pseudoscorpiones
300
75
44
37
Lithobius sp,
Chilopoda
13,6
2.7
1,4
1,1
Scutigerella immaculata
Symphyla
5,9
1,6
0,8
0,4
Glomeris marginata, entkugelt Glomeris marginata, gekugelt Polyxenus lagurus
Diplopoda
43 231 375
12,3 167 107
88 83
4,2 71 49
Trichoniscus pusillus Ligidium hypnorum Oniscus asel/us Porce/lio scaber
Isopoda
3,0 6,4 32 61
1,3 1,3 5,7 18,7
0,6 1,1 3,5 9,4
0,4 0,9 2,6 6,5
Campodea sp.
Diplura
5,7
1,3
0,7
0,4
Onychiurus sp, Sminthurides aquaticus Tetrodontophora bielanensis Tomocerus flavescens Orchesella villosa Allacma fusca
Collembola
1,8 1,4 12 18,7 50 65
0,32 0,32 3,1 3,3 5,0 38
0,12 0,18 1,4 1,8 2,1 21,4
0,09 0,11 0,9 0,9 1,9 14,3
Trigoniophthalmus alternatus
Archaeognatha
200
60
38
30
Lepisma saccharina
Zygentoma
300
188
111
81
96
75
25
0
341
107
64
53
7,1
% rF/30 °C
Locusta migratoria
Caelifera
chen-lMasserelation von> 15 mm2 mg'", während bei einem 18 mg schweren Machiliden (Felsenspringer) nur etwa 4,5 mrrr' auf die Masseneinheit entfallen. Noch günstiger wird dieses Verhältnis bei Insekten mit einer Körpermasse im g-Bereich, etwa der Schabe Periplaneta americana, deren Oberflächen-/Masserelation sich bis 0,5 mnr' mg! erniedrigt. Auch Entwicklungsstadien verfügen meist über eine relativ größere Oberfläche als die fertige Imago, was zur erhöhten Feuchteempfindlichkeit vieler Jungtiere beiträgt. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang sind ferner Zahl und Ausprägung der Extremitäten. Lange und dünne Extremitäten vergrößern die relative Oberfläche, während durch die Abkugelung des Rumpfes, etwa des Hinterleibes, eine Minimierung der Körperoberfläche eintritt. Neben dieser Flächenkomponente, die zu einem gewissen Grade auch Bedeutung für den Atemgaswechsel haben kann , wird die Transpiration maßgeblich durch den Permeationswiderstand der Cuticula bestimmt. Durch die Auflagerung dünner aber wirkungsvoller Lipidschichten wird die Transpirationsrate beträchtlich gesenkt und vielen Insekten erst ein Leben unter den meist trockenen Bedingungen der freien Atmosphäre ermöglicht .
Kleine boden lebende Insekten, die in hohem Maße an das Leben in den Feuchtlufträumen des Bodens angepasst sind, sind meist nur ungenügend durch cuticulare Lipide geschützt. In trockene Luft überführt erleiden sie innerhalb weniger Minuten irreversible Schäden durch hohe Wasserverluste. Für extreme FeuchtIuftinsekten wurden in vollkommen trockener Luft (0% rF) Verlustraten von über 300%/h bilanziert, da die gesamte im Tier enthaltene Wassermasse nach ca. 20 Minuten durch die Transpiration an die Umgebungsluft abgegeben wird. Erst durch die Ausbildung einer wirkungsvollen, in vielen Fällen regenerierbaren Lipidschicht in und auf der Cuticula erwarben die Insekten schrittweise einen zunehmend vollkommeneren Transpirationsschutz, der ihnen schließlich ein Leben in Wüstenhabitaten und unter den hypo-osmotischen Bedingungen des Süßwassers ermöglicht. Vertreter der Lepismatidae (Silberfischchen) können bei einer Verlustrate von weniger als 0,5%/h bereits zu den Trockenlufttieren gerechnet werden, da sie tagelang bei Raumtemperatur und 0% rF leben können . Aus den in Tab. 5-1 gezeigten Daten zur Aufenthaltsdauer in unterschiedlichen relativen Feuchten für einige bodenlebende Arthropoden wird die zunehmende Verbesserung des Transpirationsschutzes bei den Vertretern einiger Ordnungen erkennbar. Silberfischchen und wüstenbewohnende Käfer aus der Gruppe der Tenebrioniden besitzen gegenüber den extrem feuchteempfindlichen Collembolen einen ca. 1000fach verbesserten Ver-
5.2 Wasserhaushalt
dunstungsschutz . Der Wüstentenebrionide Cryptoglossa verrucosa passt darüber hinaus seinen Transpirationsschutz noch den Feuchteverhältnissen an. In feuchter Luft gehaltene Käfer sind schwarz; solche in trockener Luft exponierte ändern ihr Aussehen durch die Abscheidung eines feinen Netzwerkes von Wachsfilamenten an der Außenseite der Cuticula . Sie werden zunehmend hell-blau und ändern hierdurch auch das Reflexionsverhalten der Cuticula für die hohe Strahlung. Die ohnehin schon geringe Permeabilität der schwarzen Variante wird durch die Wachsabscheidung nochmals gesenkt (2,53 ug cm? h'' 0,133kPa- 1 bzw. 1,97 ug cm? h-I 0,133 kPa- 1 bei 40 °C/O% rF) . Auch fliegende Insekten, vor allem die zu langen Wanderungen befähigten, müssen wirkungsvoll gegen Wasserverluste geschützt sein. Allerdings ist zu bedenken, dass die Transpiration in ihrer Stärke nicht gleichmäßig über die Körperoberfläche wirksam ist. So lässt sich neben der vertikalen, durch die Schichtung der Cuticula bedingten, eine regionale cuticulare Permeabilität unterscheiden . Differenzierte Messungen an verschiedenen Körperabschnitten lassen Permeabilitätsunterschiede erkennen, etwa zwischen Bauch- und Rückenregion oder der Flügeloberfläche. Auch stark beanspruchte KörpersteIlen wie Gelenkmembranen und Segmenthäute zeichnen sich vermutlich durch eine höhere Wasserabgabe aus, da die Lipidschicht durch mechanische Belastung einer Abnutzung (Abrasionseffekt) unterliegt. Dieser Effekt hat auch Bedeutung für die biologische Schädlingsbekämpfung, indem durch die Anwendung feiner Stäube die Permeabilität der Cuticula künstlich erhöht wird, was sich auf die Überlebensrate trockenresistenter Insekten (Vorratsschädlinge) auswirkt (vgl. Kap. 20). Transpirationsmessungen mit ganzen Tieren erfassen deshalb nur Durchschnittswerte, die sich aber, wie in Tab. 5-2 gezeigt, um Größenordnungen zwischen den Arten unterscheiden können . Mithilfe hochauflösender, registrierender Ultramikrowaagen lässt sich ferner nachweisen, dass durch die Abgabe von Sekreten an der Körperoberfläche oder durch ein Ausstülpen permeabler Körperabschnitte in Form von Blasen oder Schläuchen, die Transpirationsrate kurzfristig um ein Mehrfaches ansteigen kann . Genaucre Bilanzierungen der Transpiration unterscheiden folglich auch zwischen einer langsamen und schnellen Komponente der Transpiration, wobei erstere oft auch als Grundkomponente (cuticulare Komponente) bezeichnet wird.
Nach dem Schlüpfen im Verlauf eines Häutungsprozesses steigt der cuticulare Wasserverlust der Insekten oft rasch an, um danach mit zunehmender Fertigstellung der neuen Cuticula wieder auf das niedrige Ausgangsniveau zurückzufallen . Da die meisten Insekten in dieser Phase inaktiv sind, muss das erlittene Defizit an Wasser durch erhöhte Fressaktivität, Trinken oder mithilfe anderer Mechanismen wieder aufgefüllt werden. In der Zwischenhäutungsphase, wenn die Cuticula vollkommen ausgehärtet ist und über alle Schichten verfügt, kann es bei definierten Temperaturen oberhalb 30°C zu überproportionalen Wasserverlusten kommen, die über das vom Wasserdampfsättigungsdefizit abhängige Maß hinaus-
131
J.IQ mg-1 0.133 kPa -1 n' Tler "
40 ,-- - - - - - -- - - -- - - -----, Pieris-Puppe 30
~ :g
Rhodnius-Nymphe 20
CI>
E
Q;
D..
Tenebrio-Puppe
10
~
~
~
~
Oberflachentemperatur
~
50
"C
Abb. 5-3: Temperaturabhängigkeit der cuticularen Permeabilität fürdrei Insektenarten (Puppen) mitscharf umgrenztem Anstieg inderTransitionszone (mittlerer Temperaturbereich). (Nach Hepburn 1985)
gehen (Abb. 5-3). Die sensible Temperaturzone wird auch Transitionszone genannt, die auslösende Temperatur kritische bzw. Transitionstemperatur. Zwar ist der Mechanismus noch nicht vollkommen aufgeklärt, doch ist als Ursache eine molekulare Umorganisation der hydrophoben Moleküle in der Wachsschicht wahrscheinlich. Folgende kritische Temperaturen wurden an verschiedenen Insekten für den höheren Temperaturbereich bestimmt: B/atte//a, 41°C; Pieris brassicae, Larve, 46,5 °C; Tenebrio, Larve, 58,5 °C; Rhodnius, Larve, 64,5 °C; Pieris, Puppe, 66,5 "C, Daneben konnten für einige Insekten auch Transitionsphänomene im mittleren Temperaturbercich festgestellt werden (Abb. 5-3). Demzufolge verfügen einige Arten über zwei unabhängige Transitionstemperaturen, jedoch kann sich dies im Verlauf einer Zwischenhäutungsphase bzw. der Entwicklung ändern.
Nicht nur die Temperatur beeinflusst die Wasserabgabe durch die Cuticula , sondern auch die Höhe der Umgebungsfeuchte. So ergaben gravimetrische Vergleichsmessungen bei konstanter Temperatur, dass im oberen Feuchtebereich ein relativ großer Wasserverlust eintritt. Als Hauptursache wird die unterschiedliche Hydratation der Cuticula diskutiert, die einerseits passiv von der Außenfeuchte beeinflusst wird, wahrscheinlich aber auch einer aktiven hormonalen Kontrolle unterliegt. Nach einem Wechselvon hoher in niedere Feuchte klingt dieser Effekt bei dünnhäutigen Insekten mit einer zarten Cuticula meist nach einigen Minuten ab. Bei Arthropoden mit einer vergleichsweise dicken Cuticula, z. B. terrestrischen Isopoden wie Oniscus asellus oder Porcellio scaber, resultiert jedoch eine längere Phase der Anpassung . Die Mechanismen der cuticularen Feuchteanpassung sind jedoch noch nicht aufgeklärt. Ergebnisse von Traceruntersuchungen machen wahrscheinlich, dass bei hoher Umgebungsfeuchte tatsächlich ein beschleunigter Austausch des Körperwassers mit der Um-
132
5 Wasserhaushalt, Osrno- und Ionenregulation sowie Exkretion
[%] 100
98
~::::::.-._._._._._.
'::"
-,~....
'-._76
.----...--
•••• ••••••
... p -,
..........
Körpermasse :
~ /
...............................
Tier 198 / 0 %rF :
Wo
= 20 ,395 mg
Tier 2 76/0 %rF :
Wo
= 21 ,431 mg
'~'--'"
........
..•..
.....
.--...
.~................
••••••
........
90
6
--...
•••••••
.••.•. 98 /·· ···...
Abnahme der Gesamtwassermasse
................ .-.......................
"....... 76 •••••
0 %rF ,
.. ~
'< ,
t m
Abnahme des tr itiierten Wassers
..•...
-
....•........•........., .. ............•.... ...• 80
2
3
4
5
6
rF 98/0
.............. m t ~
7
10
12
14
16
18
20
22
76/0
:: ::~: t
[h]
Abb. 5-4: Transpirationsexperiment mit tritiiertem Wasser (THO) an zwei Felsenspringern der Art Trigoniophtha/mus a/ternatus in 98% rF und 76% rF. Es wurde der Gewichtsverlauf der Wassermasse (Kurven mt) und die in ihrenthaltene Menge an THO (Kurven al) parallel registriert. Nach 8 Stunden wurden beide Tiere in 0% rF umgesetzt. WoFrischgewicht in mg, km Rate fürdie Abnahme der Wassermasse, ka Rate für die Abnahme des tritiierten Wassers. Folgende Raten wurden berechnet: Abnahme der Wassermasse: Abnahme des tritiierten Wassers:
TIer1: Tier2: Tierl : TIer2:
km98 = -0 ,09%/h km76 = -0,36 %/h ka98 = -l,59%/h ka76 = -0,93 %/h
kmo = kmo = kao = kao = -
0,62%/h 0,64%/h 0,73 %/h 0,56 %/h
(Nach Eisenbeis 1983)
gebung erfolgt. Wird die Wasserrnasse eines Insekts mit tritiiertem Wasser markiert, so erfolgt die Clearancerate in hoher Feuchte (98% rF) etwa 2-3 mal schneller als in trockener Luft, obwohl die Nettowasserabgabe in trockener Luft absolut größer geworden ist (Abb. 5-4). Vergleiche der cuticularen Permeabilität von Arthropoden beziehen sich meist auf die Transpirationsrate in vollkommen trockener Luft. Die am häufigsten gebrauchte Formel hierfür berücksichtigt neben der Zeit noch die Parameter Körperobertl äche und das Sättigungsdefizit der Umgebungsluft: ug h' cm? Torr- 1 (ug kann 'ersetzt werden durch mg, Torr durch mmHg bzw. 0,133 kPa). Leider bleibt in vielen Arbeiten für die Berechnung des Dampfdruckdefizits der Effekt der Verdunstungskühlung unberück sichtigt, sodass die berechneten Raten meist geringer ausfallen, d. h. das Sättigungsdefizit wird überschätzt. Tab. 5-2 berücksichtigt dies für ausgewählte Feucht- und Trockenluftbewohner unter den Arthropoden und verdeutlicht zugleich die enorme Spannweite der cuticularen Permeabilität. Je geringer die Tran-
spirationsrate ausfällt, umso weniger fällt die Verdunstungskühlung ins Gewicht. Eine Steigerung der Transpiration kann sogar für die Bewohner von Trockenhabitaten das Überleben sichern, indem durch Ausnutzen der Verdunstungskühlung die Körpertemperatur um einige °C gesenkt wird. So kühlt die Wüstenzikade Diceroprocta apache bei Außentemperaturen von 42--45 °C durch verstärkte Wasserabscheidung über die Poren der Hautdrüsen ihre Körpertemperatur um 2-5 °C herunter. Ihre Wasserkapazität und Trocknungsresistenz erlauben eine Kühlperiode von etwa einer Stunde, während der die Eiablage und zusätzliche Singperioden ungefährdet stattfinden und potenzielle Feinde, die nicht über diese Fähigkeit zur Körperkühlung verfügen, inaktiv bleiben. Andere Insekten sezernieren Flüssigkeit mit ihren Mundwerkzeugen, um sie nach einer Kühlperiode teilweise wieder aufzusaugen . Collembolen wurden beobachtet, wie sie an der Spitze ihres Mundkegels austretende Sekrettropfen der Labialdrüsen über die Körperobertläche verteilen. Zwar wird dieses Verhalten primär als Putzhandlung mit dem Ziel
5.2 Wasserhaushalt
133
Tab. 5-2: Vergleich der cuticularen Permeabilität von Arthropoden aus verschiedenen Ordnungen in 0 % rF/22 "C unter Vernachlässigung und Berücksichtigung der Hauttemperatur HT (Spalte 5), ergänzt durch Literaturdaten . Die Hauttemperatur wurde mithilfe einer Wärmeflussbilanzanalyse errechnet. (Nach Eisenbeis, unpubliziert) Gattung/Art
Ordnung
uq h l cm 0.133 kPa '
HT bei 22 °C
O% rFt =22 C Bodenspinnen (9 Arten)
Araneae
21
21 ,8
21
Neobisium sp.
Pseudoscorpiones
4
21,98
4
Lithobius sp.
Chilopoda
230
19,4
275
Scutigerella immaculata
Symphyla
180
20,1
205
Glomeris marginata entkugelt Glomeris marginata gekugelt Polyxenus lagurus
Diplopoda
120 21 2
20,5 21,68 22
135 22 2
Trichoniscus pusil/us Ugidium hypnorum Oniscus asel/us Porcellio scaber
Isopoda
300 290 115 48
19,3 19,0 20,65 21,4
360 345 130 50
Campodea sp.
Diplura
210
19,9
235
Allacma fusca Onychiurus sp. Sminthurides aquaticus Tetrodontophora bielanensis Tomocerus flavescens Orchesella villosa
Collembola
15 790 625 250 180
115
21,9 15,9 17,3 19,4 20,1 20,7
15 1150 835 295 205 125
Trigoniophthalmus alternatus
Archaeognatha
10
21,87
10
Lepisma saccharina
Zygen toma
2
21,99
2
Androctonus australis
Scorpiones
0,8
Lycosa amentata
Araneae
28,3
Thermobia domestica
Zygentoma
15
Blatta orientalis
Blattaria
48
Arenivage investigata
Blattaria
12,1
Locusta migratoria
Caelifera
22
Manduca sexts
lepidoptera
40
Literaturdaten bei verschiedenen Temperaturen
einer Imprägnierung der Cuticula (,Einfettung') bewertet, doch dürfte auch hier eine zusätzliche Kühlung als Nebeneffekt auftreten. Bei Larven der Tenthredinide Perga dorsalis wurde eine Flüssigkeitsabscheidung über den Anus beobachtet, wobei nach Verteilen des Tropfens über die Körperoberfläche ein besonders wirkungsvoller Kühleffekt auf 40°C bei 48 °C Außentemperatur eintrat. Als dritte Möglichkeit wurde bei dem großen Sphingiden Hyles lineata und bei der kleinen Tsetse-Fliege Glossina morsitans eine verstärkte respiratorische Wasserabgabe zum Zweck der Körperkühlung gemessen. Bilanziert man die für eine sinnvolle Kühlung notwendige Menge an Wasser, so stellt man fest, dass nur Insekten mit einem großen Wasservorrat diesen Vorteil nutzen können
und stets die Möglichkeit einer schnellen Auffüllung des Wasserdefizits gegeben sein muss. Säftesaugende Insekten, die mit ihrer Nahrung oft einen beträchtlichen Wasserübschuss bewältigen müssen, zeigen vielfach ein gesteigertes normales Transpirationsverhalten . So sollen einige im Xylem ihrer Wirtspflanzen saugende Zikaden bereits im niederen Temperaturbereich über eine vergleichweise hohe Permeabilität verfügen, um ihr Exkretionssystem zu entlasten. Wasserabscheidung über die Exkretionsorgane verbraucht meta bolische Energie, während die Eliminierung überschüssigen Wassers dur ch Transpiration energetisch gesehen zum Nulltarif zu haben ist.
Neben dem cuticularen wird dem respiratorischen Wasserverlust eine große Bedeutung für den Wasserhaush alt der Insekten beigemessen, sofern ein
134
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
Tab. 5-3:Vergleich der respiratorischen Wasserverluste. (Anteil in % am Gesamtwasserverlust; nach diversen Autoren)
Tsetse-Fliege (Gfossina) Heuschrecke (Locusta) Tenebrionide (Efeodes armata)
Ruhephase
Aktivitcit
25 25
65
<3
36
57
Tracheensystem exisnert, Kle instformen wie bestimmte Milben, Collembolen und Proturen besitzen keine Tracheen, sie atmen über die Haut. Meist handelt es sich um Feuchtlufttiere mit einer hohen cuticularen Permeabilität und engen Bindung an feuchte Substrate und hohe Luftfeuchtigkeit. Die meisten Insekten besitzen jedoch ein Tracheensystem mit Stigmata, doch gibt es größere Unterschiede, was die Regulationsfähigkeit betrifft. Neben Formen mit permanent offenen Stigmen sind vor allem bei Insekten mit erfolgreicher Anpassung an die atmobiotische Lebensweise Verschlusseinrichtungen in Form regulierbarer Stigmata entwickelt (vgl. 6.2), um den Gas- und Wasseraustausch (Oz, CO z, N z und HzO) zu kontrollieren. Messungen an unterschiedlichen Insekten ergaben, dass in der Ruhephase vergleichsweise geringe Wasserverluste auftreten, diese aber in Zeiten hoher Aktivität (Laufen, Flug) drastisch zunehmen können (Tab. 5-3). Erkennbar wird dies an Ventilationsschüben, die periodisch einsetzen und vom aktuellen Feuchtestatus beeinflusst werden. Die Fähigkeit von Insekten, ihre Stigmata über lange Phasen geschlossen zu halten, was eine Anpassung der Tracheenepithelien an hohe COz-Partialdrucke erfordert, sowie da s Ausnutzen aller Möglichkeiten eines intermittierenden Gasaustausches über diffusiv-konvektive Mechanismen (vgl. 6.3) zielen in erster Linie darauf ab, die Wasserverluste zu minimieren. Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass bei Verschlechterung des Wasserstatus insgesamt, etwa durch Trockenheit oder mangelnde Wasserzufuhr über die Nahrung, auch die respiratorischen Wasserverluste geringer werden . An der Steuerung der Stigmata und der ventilatorischen Atembewegungen sind Neurone der thorakalen Ganglien beteiligt , die Aktivität des Stigmenschließmuskels wird durch CO z und Trockenheit beeinflusst. Bei der Wanderheuschrecke Locusta werden die Ventilationszyklen sowohl von der Außenfeuchte als auch von den Wasserreserven gesteuert. Neben den physiologischen Mechanismen sind auch strukturelle und verhaltensbiologische Anpassungen bedeutsam für die Einschränkung respiratorischer Wasserverluste. Hierzu gehört die Versenkung der Stigmata in Gruben oder Hautfalten, ihre Überdeckung mit einem Haarfilz oder ihre Verlagerung in geschützte Räume, z. B. den Subelytralraum der Käfer.
Insekten verfügen meist über einen gut entwickelten Feuchtesinn, der für die Wahl ihrer Mikrohabitate und die Orientierung entlang eines Feuchtegradienten benötigt wird. Ein schönes Beispiel für Vertikalwanderungen in ihrem Lebensraum bieten die Felsenspringer, die abhängig von den Temperatur- und Feuchtebedingungen zwischen den von ihnen bewohnten Geröllblöcken ein höheres oder tieferes Stratum besiedeln (Abb. 5-5). Neben diesermehr lokalen Bedeutung der Feuchtigkeit für die Besiedlung der Mikrohabitate ergabein Vergleich der Insektenfauna von feuchtkühlen Gebieten mit der von Trockengebieten, dass erstere von durchschnittlich kleineren Insekten besiedelt werden. Dies wird als Selektionsvorteil für die Entwicklung angesehen. Ferner haltcn sich häufig die Jungstadien meist an vergleichsweise feuchteren Stellen auf als die Imagines. Sehrhohe Feuchten werden jedoch für terrestrische Insekten im allgemeinen als ungünstig angesehen, da ihre Larvenbei über 80% rF oft schlechter wachsen.
5.2.2 Absorption von Wasser durch spezielle Organe und Wasserdampfabsorption Um die Wasserverluste auszugleichen stehen den Insekten vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung. Protura, Diplura, Collembola und Archaeognatha sowie einige Vertreter der Myriapoda verwenden hierfür ihre an der Bauchseite entwickelten Coxalblasen (Abb. 5-6). Bei Bedarf pressen sie ihre Blasen durch Erhöhung des Hämolymphdrucks auf feuchtes Substrat, um mithilfe eines Transportepithels Wasser und darin gelöste Stoffe mit hoher Rate aufzusaugen. Hierdurch werden transpirationsbedingte Wasserverluste schnell ausgeglichen. Abb. 5-7 bilanziert für einen Collembolen Transpirations- und Ab sorptionsraten bei unterschiedlicher Feuchte und Substratsalinität als prozentuale Änderung der in den Tieren enthaltenen Gesamtwasserrnasse. Demnach übersteigen die Absorptionsraten die Transpirationsverluste z. T. um ein Mehrfaches. Neben der Salinität konnte auch eine pH-Abhängigkeit für die Wasseraufnahme nachgewiesen werden. Die Fähigkeit zur externen Wasseraufnahme wird als großer evolutiver Vorteil für die meist feuchte sensiblen Bodenbewohner bewertet, um sich bei Trockenstress noch vorhandene Feuchtereserven im Boden nutzbar zu machen. Eine weitere Stufe im Erwerb spezieller Mechanismen der Wasseraufname besteht in der Fähigkeit, Wasserdampf aus der umgebenden Luft gegen das Sättigungsdefizit zu absorbieren und damit ebenfalls transpirationsbedingte Feuchteverluste auszugleichen. Oberhalb einer sog. kritischen Feuchte wird rein netto mehr Wasser aufgenommen als abgegeben . Bisher liegen bei den In-
5.2 Wasserhaushalt
, Starke Insola tion 0 40 C/25 %, F 13 .3mmHg
135
0 31 C/37 %'F jl2.5 mmHg
j
A 2S 0C/47 'Y."F
I
13.3 mmHg
Scha llen TRIGON IOPHTHAlMUS
I
ORCHESEl lA
ON I sc US rotil~"i$~:;f~
B
Abb. 5·5: lebensraum des Felsenspringers Trigoniophthalmus alternatus und anderer Arthropoden (Collembolen und Asseln) in einem Geröllhaufen A bei starker Sonneneinstrahlung und B im Schatten. InA weicht T. alternatus vorzugsweise in die dritte Steinschicht aus, in welcher im Frühjahr auch die Eier angeheftet werden. In Bsind dieTiere in derzweiten Steinschicht unter der hier deutlich kühleren Gerölloberfläche anzutreffen. Die Werte in mm Hg geben den Wasserdampfdruck an. (Nach Eisenbeis 1983)
sekten Ergebnisse von Silberfischchen (Thermobia, Lepisma, Ctenolepisma), wüstenbewohnenden Schaben (Arenivaga), Tierläusen (Mallophaga), Flöhen (Siphonaptera), Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) und Vertretern der Staubläuse
(Psocoptera) vor. Hierbei werden zwei Strategien der Wasserdampfabsorption genutzt. Psocoptera und Aren ivaga sezernieren eine stark hygroskopische Flüssigkeit in den Bereich der Mundwerkzeuge, um sie anschließend aufzusaugen und das
136
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
Abb. 5-6: Ventraltubus eines Collembolen mit evertierten Coxalblasen (Vergrößerung ca. 200 x).
kondensierte Wasser über den Vorderdarm aufzunehmen (orale Systeme). Bei den übrigen Vertretern ist der .Pumpmechanismus' wahrscheinlich im Rektum lokalisiert (rektale Systeme). Relativ gut untersucht ist Tenebrio molitor, bei dem der Kryptonephridialkomplex (s. 5.4) einbezogen ist . Hierbei wird zwischen dem Darminhalt im Rektum (l, I Osmfkg) über das Rektalepithel (3,8 Osmfkg) und den Endabschnitten der Malpighisehen Gefäße innerhalb des Kryptonephridialkomplex (6,8 Osmfkg) ein steiler osmotischer Gradient für den Wasserinflux ausgenutzt (Abb. 5-8). Aus dem Kryptonephridialkomplex fließt das Wasser in den unteren Abschnitt der Malpighisehen Gefäße, von wo es mithilfe eines ionalen Pumpmechanismus in die Hämolymphe aufgenommen wird .
Bei den Silberfischchen findet die Wasserdampfaufnahme ebenfalls über den Anus statt, doch fehlt hier ein Rektalkomplex. Hier wird als Mechanismus Elektroosmose diskutiert, die das Wasser über das rektale Transportepithel in die Hämolymphe treibt. Besonders das Ofenfischchen (Thermobia) und Wüstenbewohner (Ctenolepisma) sind in der Lage, bei relativen Feuchten bis um 50% rF noch zu absorbieren, für Lepisma saccharina liegt die kritische Feuchte bei etwa 75% rF, für Tenebrio bei 88% rF. Im Vergleich zur Wasserabsorption aus feuchtem Substrat mittels Coxalblasen werden mithilfe der Wasserdampfabsorption nur relativniedrigeAufnahmeraten erzielt. Bezogen auf die Veränderung der Gesamtwassermasse liegen sie bei Wasserdampf absorbierenden Arten meist unter 5%/h, während mit den Coxalblasen aus salzarmem Wasser Raten zwischen 30 und 160%/hgemessen wurden. Hierbei gilt zu bedenken, dass Wasserdampfabsorbierer meist ihre Transpiration sehr stark eingeschränkt haben (Trockenlufttiere), sodass auch eine niedrige Absorptionsrate von großer ökologischer Bedeutung sein kann. So gibt es Hinweise, dass während kühler Nachtstunden und während der morgendlichen Taubildung die .Wasserdampfpumpe' eingeschaltet wird, um das während der trocken-heißen Tageszeit durch Transpiration verlorene Wasser wieder zu ersetzen.
5.2.3 Wasseraufnahme durch Trinken, die Nahrung und metabolisches Wasser Viele Insekten benötigen keine besonderen Mechanismen für eine zusätzliche Wasseraufnahme, da sie durch Trinken und über den Wassergehalt der Nahrung ihren Wasserbedarf hinreichend decken können. In Dehydratations- und Hungerexperimenten mit der Wüstenheuschrecke Schistocerca gregaria reduzierte sich das Hämolymphvolumen nach zwei Tagen auf ein Drittel des Wer-
dmo %/h 160 140 Wassergewinn 120
• Trinken
100 Absorption Venlrallubus
80 Wasserverlust 60 40 20 0 -20
~
Transpiration
--- --100
98
T
Abb. 5-7:Wasserbilanz für den Collembolen Orchesella villosa als pro-
~
76
33
Umgebungsfeuchte
0 % rF
0
50
125 250 mOsm 1-1
Salinität im Substrat
zentuale Änderung der in den Tieren enthaltenen Wassermasse mo. Die Rate für "Trinken" bezieht sich aufdie Aufnahme reinen Wassers. (Nach Eisenbeis 1982)
5.2 Wasserhaushalt
Hämolymphe
Abb. 5-8: Diagramm zur Verteilung der osmotischen Drucke (Osm kq') im Rektalkomplex von Mehlwürmern (Tenebrio molitor). f MG, k MG freier proximaler und kryptonephridialer distalerAbschnitt eines Malpighischen Gefäßes, PnM perinephridiale Membran (Isolierschicht), Lph Leptophragma, PrF perirektale Flüssigkeit, Ed Enddarmbzw. Rektalepithel. Schwarze Pfeile = Ionenflüsse, offene Pfeile = Wasserbewegung. (Nach Daten von Ramsay 1964 und Grimstone et al. 1968 aus Machin 1981)
f MG
-
1.0
137
KCI
-
Hp
Ed
Darmflüssigkeit
tes von hydratisierten Tieren, um nach Fütterung troffenen Arten meist zu einer schnellen oder permit frischem Salat schnell wieder anzusteigen . Par- manenten Diurese (s. 5.4). Eine Wasserquelle, die für die meisten Insekten allel kam es zur Ab- und Aufregulierung des Aminosäuregehaltes der Hämolymphe, um den osmo- nur geringe Bedeutung für den Wasserhaushalt tischen Wert dieser Komponente bei etwa 40 besitzt, ist das metabolische Wasser, das beim oximOsm I-I zu halten . Versuche mit Collembolen dativen Stoffwechsel als Nebenprodukt anfallt. So zeigen, dass sie durch Trinken ihre Wasserrnasse beträgt der Input an Wasser über die normalnoch schneller auffüllen können als durch Absorp- feuchte Nahrung bei Locusta migratoria 50,7 mg tion mithilfe des Ventraltubus (Abb. 5-7). Beson- h' Tier-I, die Produktion an metabolischem Wasdere Beachtung finden Insekten als Säftesauger, ser 0,6 mg h:' Tier-I , d. h. knapp I '10 des Wasserdie häufig ohne Unterbrechung mit der Nahrung gewinns. Steht nur getrocknete Nahrung zur Vergrößere Mengen Wasser im Überschuss aufneh- fügung, so reduziert sich der Input auf 0,2 mg pro men. So können Bienen (Apis mellifera) in einer Tier und Stunde und die Produktion von StoffMinute Flüssigkeit von der Menge ihres eigenen wechselwasser gewinnt an Bedeutung . TrockenGewichts aufsaugen. Auch die im Xylem sau- lufttiere, zu denen auch der Mehlkäfer Tenebrio genden Zikaden, deren Nahrung 99,8-99 ,9% Was- molit or, keratophage Mottenlarven und eine Reihe ser enth ält, die im Phloem saugenden Blattläuse von Vorratsschädlingen gehören, sind oft auf das mit einem hohen Anteil an Amino säuren und metabolische Wasser als einziger Quelle angewieZuckern und die aus verschiedenen Insektenord- sen. So beträgt die Produktion an metabolischem nungen stammenden Blutsauger, die neben Wasser Wasser bei der sich von Säugerhaar ernährenden oft größere Mengen an Natrium im Überschuss Mottenlarve Tineola bisselliella ca. 33% des Geaufnehmen, gehören in diese trophische Gruppe wichts der aufgenommenen Nahrung. Die Auf(s. 4.5.4). Zusätzliches Trinken ist oft wichtig für nahme externen Wassers war bei diesen Versuchen einen ungestörten Entwicklungsabl auf, in anderen ausgeschlossen, da die Umgebungsfeuchte nur 5% Fällen dient das mit dem Trinken aufgenommene rF bei 20°C betrug. Noch extremer verhält sich Wasser der Ergänzung von Mineralien, die in der die Mehlmotte Ephestia kühniella, die bei Zucht Nahrung fehlen. So decken Schmetterlinge, die bedingungen von 1% rF nur 7,6% ihres Wasser mit dem Nektar einen Überschuss an Kalium aus der Nahrung entnimmt und den Rest auf aufnehmen, durch Aufsuchen von Wasserstellen metabolischem Wege gewinnt. Die Untersuchung (z. B. auch Tränentlüssigkeit) ihren Bedarf an Na- von Speckkäferpuppen ergab, dass etwa 30% des trium . Massenansammlungen von tropischen Wassers der Nahrung entstammt. Auch für Zeiten Schmetterlingen an mineralreichen Tränken (z. B. langer Wanderzüge von Wanderheuschrecken, feuchten Sandb änken) erfüllen den gleichen wenn durch den Flug der Stoffwechsel erhöht ist, Zweck. Umgekehrt dient für die Baumwollwanzen dient die Produktion an metabolischem Wasser (Dysdercus-Arten) Trinken dazu , mit der Nahrung dazu, die transpirationsbedingten Wasserverluste aufgenommene überschüssige anorganische Ionen niedrig zu halten. Zum Überqueren von Wüstenzu eliminieren. Die durch die Aufnahme großer gebieten fliegen manche Insekten besonders hoch, Flüssigkeitsmengen entstehenden Probleme der um in den Genuss kühlerer Luftschichten zu geOsmoregulation und Exkretion zwingen die be- langen, wo bei reduzierter Transpiration die Pro-
138
5 Wasserhaushalt, Osrno- und Ionenregulation sowie Exkretion
Tab. 5-4: Bilanz des Wasserhaushaltes tür zwei Insektenarten bei normaler und reduzierter Wasserversorgung. (Nach Edney 1977) Locustamigratoria Wasserverluste
feuchte Nahrung
trockene Nahrung
Transpiration cuticular Transpiration spiracular Faeces Summe (0. Trinken) Transpiration cuticular Transpiration spiracular Faeces Summe (0. Trinken)
Trockenluft
-c
Wassergewinn
4,2 4,9 21,6 30,7 < 4,2 0,8-2,3 1,6 » 6,6 mg 100mg , Tag
Arenivaga sp.
88% rF/25
mg h 1 TIer
Transpiration gesamt Faeces
0,65 0,19
Summe Transpiration gesamt Faeces
0.84 5,43 0,19
Summe
5,62
duktion an Stoffwechselwasser ausreicht, um eine ausgeglichene Wasserbilanz zu erzielen. Der Umschaltung von Kohlenhydrat- auf Fettstoffwechsel wird nur dann Bedeutung beigemessen, wenn genügend Fettreserven in Zeiten guter Wasserversorgung angelegt werden können. Zwar hat Fett die höchste Ausbeute an metabolischem Wasser (1,07 g Wasser g Fett - I gegenüber 0,5 g Wasser g Kohlenhydrat - I), doch ist die Wasserausbeute pro produzierter Energieeinheit bei Fett geringer (0,112 g Wasser kcal" ) als bei Kohlenhydraten (0,133 g Wasser kcal'). Ferner ist zu bedenken, dass für die Synthese der Fettreserven zuvor noch Wasser benötigt wird. Versuche an Heuschrecken zeigten jedoch, dass der R. Q. bei Nahrungsknappheit und Trockenheit von 0,83 auf 0,77 sinkt, was auf eine Erhöhung der Fettnutzung hindeutet . Die nachfolgende Tab. 5-4 fasst für zwei Insektenarten, die Wanderheuschrecke Locusta migratoria und die Wüstenschabe Arenivaga sp., mehrere Komponenten des Wasserhaushaltes unter verschiedenen Bedingungen zusammen.
5.3 Osmo- und Ionenregulation Insekten sind ursprünglich landlebende Tiere, von denen im Laufe der Erdgeschichte ein kleiner Teil in verschiedenen systematischen Gruppen unabhängig voneinander den aquatischen Lebensraum eroberte. Zu den notwendigen Anpassungen der im Wasser lebenden Tiere gehört die Überwindung der Osmose, die je nach der Salzkonzentration des Mediums und der Körperflüssigkeit wirksam wird.
metabolisches Wasser Futter, feucht Trinken metabolisches Wasser Futter, trocken Trinken (0,5 h)
mgh
lTIer l
0,6 50,7 0 51,3 0,6 0,2 (192) 0,8 mg l00mg 1 Tag
1
metabolisches Wasser Futter Wasserdampfabsorption metabolisches Wasser Futter Wasserdampfabsorption
1
0,87 0,44 2,14 3.45 0,87 0,22 0 1,09
In den Gewässern ist die Salzkonzentration sehr verschieden: 0,005-0,5 %0 im Süßwasser, 0,5-30%0 im Brackwasser, 35%0 im Meer und in Salzseen bis zu 320%0. Im Mündungsgebiet der Flüsse treten starke Schwankungen auf, wenn im Rhythmus der Gezeiten abwechselnd der Einfluss des Süßwassers und der des Meerwassers vorherrscht. Tiere, die in einem weiten Bereich der Salzkonzentration leben können, werden euryhalin genannt. Andere Tiere meiden starke Schwankungen und tolerieren nur einen möglichst gleichbleibenden Salzgehalt im Außenmedium; man nennt sie stenohalin. Die euryhalinen und stenohalinen Eigenschaften kennzeichnen Extremfälle, zwischen denen alle Möglichkeiten verwirklicht sind. Fließend ist auch der Unterschied zwischen den homoi-osmotischen und den poikil-osmotischen Eigenschaften. Die homoi-osmotisehen Tiere halten die osmotische Konzentration der Körperflüssigkeit ann ähernd konstant, solange der Salzgehalt im umgebenden Wasser innerhalb akzeptabler Grenzen schwankt. Diese Tiere sind zur Osmoregulation befähigt. Bei den poikil-osmotisehen Tieren verändert sich die innere osmotische Konzentration konform mit dem Wechsel der äußeren osmotischen Bedingungen. Zu diesen Tieren gehören die meisten Meerestiere, deren Körperflüssigkeit mit dem umgebenden Meerwasser isoosmotisch ist. Wasserinsekten dagegen regulieren die osmotische Konzentration auf einem gleichbleibenden Niveau, das meist im OsmolaritätsSpektrum zwischen 200 und 300 mOsm I-I liegt. Im Süßwasser leben sie häufig als stenohaline Tiere und halten die Hämolymphkonzentration gleichbleibend hyper-osmotisch gegenüber dem
5.3 Osmo- und Ionenregulation
Außenmedium (hyper-osmotische Regulation) (vgl. 5.3.1). Erst mit zunehmender Salzkonzentration im hypo-osmotischen Medium gleichen sich viele Süßwasserinsekten osmokonform dem iso-osmotischen Milieu an. Daneben gibt es aber auch euryhaline Insekten, die ihre Körperflüssigkeit sowohl hyper-osmotisch im Süßwasser als auch hypo -osmotisch an der Meeresküste und in Salzseen einstellen (hyper- und hypo-osmotische Regulation) (vgl. 5.3.2). Diese Anpassung der Wasserinsekten schreitet fort bis zu reinen stenohalinen, hypoosmotischen Salztieren (hypo-osmotische Regulation).
5.3.1 Osmoregulation in hypo-osmotischer Umgebung 5.3.1.1 Mechanismen zur Begrenzung der Osmose Wasserinsekten leben überwiegend im hypo-osmotischen Milieu des Süßwassers, das in den bevorzugten Lebensräumen normalerweise eine Osmolarität von 1-2 mOsm 1-1 aufweist. Die Konzentration aller im Wasser enthaltenen, osmotisch wirksamen Teilchen ist damit erheblich geringer als in der Körperflüssigkeit der Insekten, die in der Regel 200-300 mO sm 1-1 misst. Infolgedessen dringt ständig Wasser auf osmotischem Wege über die semipermeable Oberfläche in den Körper. Zur Erhaltung des inneren, hyper-osmotischen Zustandes wird da s Eindringen des Wassers so weit wie möglich verhindert und auf eine zulässige Menge begrenzt, die durch Osmoregulation (hyper-osmotische Regulation) ausgetrieben wird . Zur Eindämmung des Wasserflusses stehen den aquatischen Insekten verschiedene Mechanismen zur Verfügung: • Einige Wasserinsekten besitzen als Ei, Larve, Puppe oder Imago zur Aufnahme von Sauerstoff aus dem umgebenden Wasser kompressible oder inkompressible Gaskiemen, indem ihr Körper zeitweilig oder permanent und stellenweise oder vollständig mit einem Plastron überzogen ist (vgl. 6.4). Die Grenzschicht zwischen Luft und Wasser dient als respiratorische Oberfläche, über die der Sauerstoff in die Lufthülle und weiter über Stigmen in das Tracheensystem von Larve, Puppe und Imago oder direkt in das Ei diffundiert. Zugleich aber hält der Luftfilm das Wasser vom Körper fern und verhindert wirksam sein Eindringen durch die darunterliegende, semipermeable Körperoberfläche. Je vollständiger der Luftfi1m den Körper umhüllt, desto effektiver ist die Respiration und desto geringer
139
die Wassermenge, die über Osmose in den Körper gelangt. Zu den Wasserinsekten, die sich diese Anpassung zunutze machen, gehören vor allem Larven und Imagines der Wasserwanzen und einige Larven, Puppen und Imagines von Wasserkäfern sowie auf besondere Weise die an Köcherfliegen parasitierende Schlupfwe spe Agriotypus armatus. Die Schlupfwespe legt ein Ei in den Puppenkokon , z. B. von Silo piceus. Ihre ersten 4 Larvenstadien leben ektoparasitisch ; im 5. Larvenstad ium wird die Köcherfliegenpuppe aufgefressen und der frei werdende Platz durch die erwachsene Agriotypus-Larve eingenommen. Diese webt im Köcherfliegengehäuse einen weiteren Kokon, in dem sie anschließend als Puppe und später als pharate Imago bis zum Verlassen des Gehäuses lebt. Der Puppenkokon ist mit Luft gefüllt und mit einem luftdurchtränkten Atemband verbunden, das ins Wasser ragt und den gelösten Sauerstoff aus dem Wasser per Diffusion in den Kokon befördert. Im Kokon ist Agriotypus armatus rundum von Luft umgeben und vor direktem Kontakt mit Süßwasser geschützt. Wasser kann daher nicht auf osmotischem Wege in den Körper gelangen; Osmoregulation ist deshalb nicht erfo rderlich. • Ein anderer wasser hemmender Faktor besteht in der geringen Permeabilität, die durch die Dicke und Konsistenz der Cuticula und vor allem durch eine aufliegende Lipid- oder Wachsschicht erreicht wird (vgl. 5.2). Insekten, die an der Wasseroberfläche Luft schöpfen und den Sauerstoff über Stigmen aufnehmen, haben eine Körperoberfl äche, die oft eher impermeabel für Wasser ist. Insekten mit geschlossenem Tracheensystem, die den Sauerstoff au s dem Wasser nehmen, sind mindestens über die Tracheenkiemen auch permeabel für Wasser ; denn die Durchlässigkeit für Sauerstoff macht die respiratorischen Oberflächen auch permeabel für Wasser. Im allgemeinen ist die Osmoregulation bei den Insekten intensiver, die ein geschlossenes Tracheensystem aufweisen und Wasser als Atemmedium benutzen, gegenüber Wasserinsekten , die ein offenes Tracheensystem haben und dabei Luft als Atemmedium nutzen. • Ein weiterer von vielen Insekteneiern und manchen Puppen adaptierter Mechanismus benutzt den Turgor einer semipermeablen Wand als Gegendruck und begrenzt auf diese Weise das einströmende Wasser. Sobald der potentielle osmotische Druck (Jr*) durch Aufnahme von Wasser den Turgordruck (P) erreicht, wird Jr* =p. Der Wasserzufluss endet bei diesem Zustand, weil die Saugspannung (s), mit der das Wasser aufgenommen wird, null ist (s Jr* - p) . Eier, die im Wasser abgelegt werden, nehmen über das Cho-
=
140
5 Wasserhaushalt, Osrno- und Ionenregulation sowie Exkretion
osmotischer Sog
. ~. .e
-----------!--~
s: u
:
~
g-
.0
iO'
o
Rückresorption
a.
:0
'"
J
-c
• die semipermeable Körperoberfläche • die wassertreibenden Exkretionsorgane • die ionenabsorbierenden Analpapillen , Chloridzellen oder Chloridepithelien
tr
!ll
L1N~~~ci~·..i Chloridzellen Chloridep ithelien Anolpopillen
Exkretionsorgan
Abb. 5-9: Grundschema der Osmoregulation eines Wasserinsekts (Schraffur) in hypo-osmotischer Umgebung (hyperosmotische Regulation) unter Beteiligung (punktiert umrandete Felder) der semipermeablen Körperoberfläche, der wassertreibenden Exkretionsorgane sowie der Analpapillen, Chloridzellen oder Chloridepithelien. (Nach Wichard 1993)
rion mit dem Sauerstoff auch Wasser auf. Hierbei vergrößert sich das Ei-Volumen, bei Eiern der Simuliidae bis zu 42%. Die Eier der Mücke Aedes aegypti nehmen in den ersten beiden Stunden nach der Eiablage 5-l21lg an Gewicht zu. Der Puppenkokon der Köcherfliegen-Gattung Rhya cophila umschließt die Puppe mit einer semipermeablen Wand. Das Wasser dringt auf osmotischem Wege in den Kokon bis der innere osmotische Druck den Turgordruck der Wand erreicht hat . Der Kokon bekommt seine typisch kompakte und straffe Form und verhindert jede weitere Wasseraufnahme.
5.3.1.2 Hyper-osmotische Regulation Das Wasser, das in hypo-osmotischer Umgebung in das Tier gelangt, wird mit hyper-osmotischer Regulation wieder ausgetrieben. Aus funktionsmorphologischer Sicht sind an der Osmoregulation drei Strukturen beteiligt (Abb. 5-9):
Trotz eingeschränkter Permeabilität dringt Wasser über die semipermeable Körperoberfläche in den Organismus. Über die Exkretionsorgane wird das überschüssige Wasser wieder ausgetrieben. Unter Beteiligung einer Ionenpumpe entsteht ein osmotischer Gradient, dem das Wasser im osmotischen Sog aus der Hämolymphe in die Malpighischen Gefäße und in den Enddarm folgt. Nach Rückresorption eines größeren Teils der Elektrolyte an der rektalen Darmwand wird das Wasser als hypotonischer Harn ausgeschieden. Mit Abgabe des Endharns entsteht ein Elektrolytverlust, der bei vielen räuberischen Insekten über die Nahrung, bei den meisten Wasserinsekten aber über Analpapillen, Chloridzellen oder Chloridepithelien auf der Körperoberfläche ausgeglichen wird. Sie akkumulieren und transportieren die notwendigen Elektrolyte aus der hypo-osmotischen Umgebung in die Hämolymphe (Abb. 5-9). Die Ionenregulation erweist sich als wichtige Komponente der Osmoregulation. Indem Ionen aus der Hämol ymphe in die Malpighischen Gefäße gepumpt werden, anschließend im Rektum rückresorbiert und ihr renaler Verlust durch die Absorption aus dem hypo-osmotischen Medium ergänzt wird, schließt sich ein kontinuierlicher 10nenkreislauf, der fortwährend das Wasser aus dem Körper treibt , das auf osmotischem Wege über die Körperoberfläche in den Organismus gelangt. Die an der Ionenregulation beteiligten Analpapillen, Chloridzellen und -epithelien verteilen sich unter den Wasserinsekten nach taxonomischen Kriterien (Tab. 5-5): Analpapillen sind fingerförmige Ausstülpungen in der Analregion von aquatischen Insektenlarven (Abb. 5-10 A). Sie kommen bei Mücken (Nemato-
Tab. 5·5: Ionenabsorbierende Analpapillen, Chloridzellen und Chloridepithelien, diean der Osrno- und Ionenregulation von Wasserinsekten beteiligt sind. Ordnungen Unterordnung Ephemeroptera Odonata Plecoptera Hemiptera Nepomorpha Trichoptera Spicipalpia Annulipalpia Integripalpia Diptera Nematocera Brachycera
Analpapillen
Chloridzellen einzellig mehrzellig +
+
+
+
abdominal
Chlondepithelien anal
rek al
+ +
+ + + +
+
5.3 Osmo- und Ionenregulation
141
A
B
Abb. 5-10: Analpapillen. A Larve einer Büschelmücke (Cheoborus), Analpapillen dunkel gekennzeichnet. Länge der Analpapillen der Larven Cu/ex pipiens (8) und Aedes aegypti (C) in Medien unterschiedlicher Salinität. A: aqua. dest., B: 0,006 % NaCI, C: 0,075 % NaCl, D: 0,34% NaCl, E: 0,65% NaCl, F: 0,90 % NaCl. (B, C nach Wigglesworth 1938)
c
cera), Köcherfliegen (Spicipa lpia und Annulipalpia) sowie bei Käferlar ven der Fam ilie Scirtidae vor. Bei Käfer- und Köcherfliegenlarven werden sie mit Muskeln unter Ana lklappen bzw. in den Anu s eingezogen und mit Hämolymphdruck wieder ausgestülpt. Unter der d ünnen Cuticula der Analp apillen befi ndet sich ein einschichtiges Transportepithel, da s feinstruktureIl durch einen apika len Faltensaum, durch Mitochondrien mit za hlreichen Cri stae und durch ein basales Labyrinth gekennzeichnet ist. Das basale Lab yrinth und die den Membranen eng anliegenden Mit ochondrien bilden einen funktionell en Komplex, der als Mitochondrienpumpe bezeichnet wird . Mit der Ab sorption von N a+ und Cl- nehmen Analpapillen an der hyper-osmoti schen Regulation teil. Dabei passen sich die An alp apillen in ihrer resorptiven Oberfläche der Salinität der hypo-osmo tischen Umgebung an . Eine langfristige, über mehrere Lar venstadien verlaufende Adaptation vergrößert die Oberfläche der An alpapillen, wenn die Lar ven in nied rigen Salzkon zentrationen leben , und verkleinert die resorpt ive Fläche, wenn sie in höh eren Salzkonzentrationen aufwachsen (Abb. 510 B, C) . Die ses Anpassungsvermögen ist auch bei Chloridzellen und -epithelien zu beob acht en . Die Bezeichnungen Chloridzellen und Chloridepithelien sind termini technici und von der histochemischen Nachweismethode dieser Zellen und Epithelien abgeleitet, die zugleich auf ihre Funktionen hinweist. Der chemische Nachweis von Chlorid mit Silbernitrat lokalisiert die Chloridzellen und Chloridepithelien auf der Körperoberfläche von Wasserinsekten, weil diese Zellen und Epithelien Chlorid absorbieren. Der chemischen Reaktion von Silbemitrat mit akkumuliertem Chlorid zu Silberchlorid folgt die photochemische Reduktion zu metallischem Silber, das die Chloridzellen und -epithelien deutlich als dunkle Punkte und Felder auf dem In-
sektenkörper markiert. Dieser histochemische Nachweis basiert auf folgenden Reaktionen: I. Reaktion der Salze: AgN0 3 + NaCI -+ AgCl + NaN0 3 2. Photochemische Reduktion von Silber: Ag" + e" -+ Ag Chloridzellen kommen bei den Lar ven der Ein tagsfliegen (Ephemeroptera) und Steinfliegen (Plecopt era) sowie bei Lar ven und Imagines von Wasserwanzen (Ne po mo rpha) vor. Sie befinden sich vor allem und übe raus zahlreich auf den Tracheenkiemen der Eintags fliegen- und Steinfli egenlar ven, so dass diese Kiemen nicht allein der Respiration sonde rn a uch dem osmoregulatorischen Ionentran sport dienen . Bei den Wasserwan zen sitzen die Chloridzellen an den KörpersteIlen, die nicht von einem Plastron überzogen sind. Die verschiedenen Chl oridzellen haben eine übereinstimmende Grundstruktur und sind Transportzellen mit apikaler und basaler oder basolateraler Ob erflächenvergrößeru ng sowie mit zahlreichen Mit ochondri en . Chlor idzellen befinden sich im Verb and der Epithelzellen als Einzelzellen (caviforme Chloridzellen) oder meh rzellig als Zellkomplexe (co niforme Chl oridzelle), bei den en um eine Zentralzelle mehrere periphere Zellen mit einander verzahnt sind und eine funkti onelle Einheit bilden. Übe r de n Chloridzellen ist die Ep icuticula zylind er- oder tr ichter fö rmig a usgespa rt und die Procut icula zu einer Porenpl att e differenziert (Abb. 5- 11). Bei einigen komplexen Chloridzellen der Eintagsfliegen- und Steinfliegenlar ven wölben sich die Porenplatten nach außen (bulbiforme Chloridzellen) und bilden darüber hinau s filiforme bzw. floriforme Chloridzellen. Die Chl oridzellen der Wasserwanzen sind stets Einzelzellen, jedoch variabel geba ut, weil die Dicke der C uticula und
142
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
c
B
A
Abb. 5-11: Chloridzellen. A Caviforme und B coniforme Chloridzelle auf den Tracheenkiemen von Eintagsfliegenlarven der Gattung ODeon (C). (Nach Wichard et al. 1972)
die Struktur der Porenplatte variieren. Die Anzahl der Chloridzellen differiert reziprok zum Salzgehalt des hypo-osmotischen Mediums. Adaptiert die Larve der Eintagsfliege Cal/ibaetis coloradensis nahe iso-osmotischen Bedingungen, so sinkt die Chloridzellenzahl auf ein Minimum bei einer steigenden Sterblichkeitrate von über 50%. Chloridepithelien sind Transportepithelien, die an der Osmoregulation der Larven von Köcherfliegen (Integripalpia: Limnephilidae, Goeridae), Fliegen (Brachycera) und Libellen (Zygoptera, Anisoptera) beteiligt sind . Nach ihrer Lage am Körper werden sie als abdominale (Köcherfliegen), anale (Fliegen) oder rektale (Libellen) Chloridepithelien bezeichnet. Die abdominalen Chloridepithelien auf den Stcrniten der 2.-7. Abdominal-
cpm
36C'-
cpm
22No'
140 6
120
5
100
4
80
--
----
60 40 20
A
A
B
A
B
B
c
Abb.5-12: Abdominale Chloridepithelien (schwarz gekennzeichnet) einer Köcherfliegenlarve (C), mit radiologischem Nachweis der Absorption von A Chlorid und B Natrium. (A: unbehandelte Larven, B: Larven mit abgedeckten Chloridepithelien) (Nach Schmitz und Wichard 1975)
segmente absorbieren 2/3 des Natriums und Chlorids, das in der Hämolymphe der Köcherfliegenlarven Glyphota elius pellucidus gemessen wird (Abb. 5-12). Die analen Chloridepithelien der Larven von Bremsen der Gattung Tabanus sind noch effektiver und nehmen etwa 4/5 der Chloridionen in die Hämolymphe auf. Die rektalen Chloridepithelien der Libellen sind ihrer Lage wegen besonders interessant. Anisopteren-, aber auch Zygopteren-Larven pumpen Wasser durch den Anus in die rekt ale Kiemenkammer. Bei Aeshna cyanea befinden sich innen an der rektalen Wand sechs longitudinale Doppelreihen dünner Kiemenbl ättehen . Je naeh Größe der Larven werden bis zu 20 Kiemen pro Reihe und damit insgesamt bis zu 240 Blättchen gezählt. Jedes der Kiemenblättchen weist nicht nur ein respiratorisches Epithel auf, sondern hat im basalen Bereich, zu beiden Seiten eines jeden Blättchens Transportepithelien, die der osmoregulatorischen Ionen absorption dienen . Ihrer besonderen Lage entsprechend absorbieren sie Elektrolyte aus dem Wasser, das laufend in die rektale Kiemenkammer gepumpt wird; dabei fangen sie gleichzeitig Elektrolyte aus dem hypotonischen Harn ab.
5.3.2 Hypo-osmotische Regulation Unter den Wasserinsekten gibt es einige euryhaline Tiere, die über die iso-osmotische Barriere hinaus auch in Brack- und Meerwasser sowie in Salzseen leben. Sie sind zur hyper- und hypoosmotischen Regulation gleichermaßen befähigt. Aber alle im Meer und in Salzseen lebenden Insekten haben in der Hämolymphe stets eine deut-
5.4 Exkretion
11I
.c
143
mOsmt-t
E 400
Iso-osmotische Linie
>-
Limnephilus affinis
'0
E
.0
I
.. Chironomus salinarius
lOO
:;; '0
_._ Aedes detritus
c .2
E 200
..:.:..;::~.:~,~
_.~ ~ : :::::
Ephydra riparia
C ~ c
Abb. 5-13: Osmotische Konzentration der Hämolymphe einiger Salz-
wasserinsekten in Abhängigkeit von der osmotischen Konzentration im salinen Außenmedium. (Nach Foster und Ireherne 1976)
~
s:
100
~
sE
o'"
100
0
200
ro
lOO
ro
400
500
_
600
700
40
800
900 ~
1000 1100 ~
1200 1300 1400 mOsm 1.1
70
80
% oNoCl
Osmotische Konzentration des Mediums
lieh niedrigere osmotische Konzentration als das umgebende Wasser, das weit über 600 mOsm I-I konzentriert ist. Die hypo-osmotische Hämolymphe, die nur ausnahmsweise 400 mOsm 1-1 übersteigt, gilt als Hinweis auf die ursprüngliche Herkunft der heutigen Salzwasserinsekten aus dem Süßwasser. Wasserinsekten haben offensichtlich zunächst den limnischen Lebensraum bewohnt, danach das Brackwasser und vereinzelt das Meer und die Salzseen. Bei den meisten euryhalinen Tieren, die an hyper- und hypo-osmotischer Umgebung adaptieren, korreliert die osmotische Konzentration der Hämolymphe mit der osmotischen Konzentration des Mediums und erreicht maximal 400 mOsm I-I, Z. B. bei der Wasserwanze Sigara stagnalis, den Zuckmückenlarven Chironomus haloph ilus, Chironomus salinarius und der Köcherfliegenlarve Limnephilus affinis (Abb. 5-13). Dabei tolerieren die Tiere einen Salzgehalt, der 30 %0 nicht überschreitet , aber weit höher ist als im Süßwasser. Die Wasserinsekten sind mit dieser Salztoleranz zu den Brackwassertieren zu zählen.
Nur wenige Insekten sind in ihrer Anpas sung an hohe Salinität perfektioniert und halten die osmotische Konzentration der Hämolymphe auf gleichbleibendem Niveau , auch wenn die hyper-osmotische Umgebung 600 mOsm I-I weit übersteigt. Zu diesen marinen Tieren gehören die Larven der Köcherfliege Philanisus plebeius und die salinen Dipteren Opifex fuscus, Ephydra riparia und Aedes detritus (Abb. 5-13). Alle Salzwasserinsekten befinden sich in einem Medium , das durch Osmose einerseits die Abgabe von Wasser und andererseits die Aufnahme von Salzen erzwingt. Im Allgemeinen sind ihre Körperoberflächen ebenso wenig permeabel für Wasser und Salze wie die der Süßwasserinsekten. Durch Trinken gelangt vor allem das salzhaltige Wasser in den Körper. Der Überschuss an Salzen und Wasser wird renal ausgeschieden. Brackwassertiere erhöhen hierbei stetig die osmotische Konzentration der Hämolymphe (poikil-osmotisch);
marine Tiere bleiben streng homoi-osmotisch (Abb. 5-13). Die Larve von A edes camp estris, die bei 800 mOsm 1-1 in einem Salzsee lebt, trinkt täglich 2,4 ~I Wasser, von dem 0,2 ul über die Körperoberfläche und 0,4 ~I über die Analpapillen abgegeben werden. Doch 1,8 ~I H 20 werden mit dem hypertonischen Harn abgesondert. Analpa pillen übernehmen hierbei nicht die Sekretion der Salze. Überschüssige Elektrolyte werden auch von anderen marinen Dipterenlarven (Aedes detritus. Ephydra riparia und Coleopa frigida) über die Exkretion sorgane als hypertonischer Harn entsorgt. Auf gleiche Weise scheidet die Köcherfliege Limnephilus affinis Salze aus, obwohl sie über abdominale Chloridepi thelien verfügt. Von Chloridzellen und Chloridepithelien ist noch unbekannt, ob sie in hyper-osmotischer Umgebung Elektrolyte aus dem Körper absondern ; andererseits wurde diese ionensezernierende Funktion der Chloridzellen auf den Kiemen von Fischen nachgewiesen.
5.4 Exkretion Die Exkretion der Insekten dient grunds ätzlich der Eliminierung oder Abscheidung nicht mehr benötigter Komponenten des Stoffwechsels (Exkrete) mit dem Ziel, ein konstantes inneres Milieu zu erhalten bzw. entwicklungs bedingten Veränderungen des Stoffwechsels Rechnung zu tragen . Hierzu gehört auch die Entfernung körperfremder Stoffe (Kontaminationen), die mit der Nahrung oder über Hautkontakte aufgenommen werden und in vielen Fällen eine Belastung des Stoffwechsels darstellen , sowie die Beseitigung überschüssiger Nahrungsbestandteile . Für das Exkretionsgeschehen insgesamt ergeben sich zahlreiche Querverbindungen zum Wasserhaushalt (s. 5.2) und zur Osmoregulation (s. 5.3), denn exkretorische Prozesse laufen stets unter Beteiligung von Wasser- und Ionentransportvorgängen ab. Als
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5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
primäre Exkretion kann die Harnbildung mit dem Ergebnis der Ausscheidung der Exkremente gelten , während die körperinterne Ablagerung nicht mehr benötigter Stoffwechselprodukte als sekundäre Exkretion ("storage excretion") zu betrachten ist. Von zentraler Bedeutung für da s Exkretionsgeschehen ist neben der Entsorgung der Exkrete stets die Erhaltung der körp ereigenen Ressourcen, indem Wasser und noch verwertbare Solute, etwa Aminosäuren und Zucker, rückresorbiert und in die Hämolymphe zurückgeführt werden . Neben der Vielfalt exkretorischer Prozesse und Mechanismen stützt sich die Exkretion der Insekten auf mehrere Organsysteme, deren Bedeutung je nach Lebensweise und Ernährungstyp unterschiedlich ist. Als zentrale Elemente gelten die Malpighischen Gefäße und das Rektum , die oft als funktionelle Einheit betrachtet werden, da der produzierte Harn (Primärharn) einer gestaffelten Weiterverarbeitung unterliegt. Weitere Organe im Dienste der Exkretion sind die Labialdrüsen. der Mitteldarm. das Ileum, der Fettkörper, das Integument und die Nephrocyten . Zu den Exkretionsorganen im weiteren Sinne gehört das Tracheensystem (s. Kap. 6), und auch die Gonaden können in einzelnen Fällen dem exkretorischen Apparat eines Insekts zugeordnet werden . Vergleicht man das Exkretionssystem der Insekten mit dem anderer Tiergruppen, etwa der Annelida, Crustacea oder der Vertebr ata , so besteht ein wesentlicher Unterschied in der Art der Harngewinnung. Während jene die Ableitung der Coelomflüssigkeit über Metanephridien oder die Möglichkeiten der Filtration über ein Podocytenepithel als primären Mechanismus der Harngewinnung nutzen, findet bei den Insekten, von Ausnahmen abgesehen, die Harnbildung als Sekretion (transzelluläre Passage, sekretorische Filtration) in ein einseitig geschlossenes Exkretionssystem statt. Daraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen für den Flü ssigkeitsumlauf. So beträgt die Zeit für die Filtration der gesamten Körperflüssigkeit bei Vertebraten durchschnittlich 160 min, bei Insekten werden Zeiten zwischen 600 und 10 000 min angegeben. Allerdings kann die Harnbildung enorm gesteigert werden (Diurese), sodass sich die Filtrationszeit, wie im Falle von Rhodnius prolixus nach einer Blutmahlzeit, auf 20 min verkürzt. Die vergleichsweise langsame Harnbildungsrate der Insekten wird allerding s teilweise durch die relativ große Oberfläche der Malpighischen Gefäße pro g Körpergewicht ausgeglichen (ca. 2-9 cm? g'), während bei Vertebraten der entsprechende Anteil der glomerulären Oberfl äche 0,1-0,5 cm'' g' beträgt. Für eine 2 g schwere Wü stenheuschrecke wurde eine planare Oberfläche für die Malpighischen Gefäße von 1200 mnr' errechnet, wobei die Filtrationsrate 7,5--45 ml kg' h' erreichen kann. Im Vergleich
dazu beträgt die glomeruläre Filtrationsrate der Ratte 480 ml kg:' h'. Exkretionsphysiologen bewerten die niedrige Filtrationsrate der Insekten als Voraussetzung für die Evolution bestimmter Eigenschaften der Hämolymphe. Bemerkenswert ist der hohe Spiegel an niedermolekularen Soluten wie Aminosäuren, Zuckern und Diglyceriden, die in Konzentrationen bis 100-200 mmol l:' nachgewiesen werden und deren Exkretionsrate verhältnismäßig niedrig bleibt. Der Anteil von Aminosäuren am osmotischen Druck der Hämolymphe kann bis zu 20 % betragen, was gegenüber Säugetieren eine 50-100 fache Erhöhung darstellt. Dies gilt auch für Hormone, die vom Neurohämalsystem an die Hämolymphe abgegeben werden . Weitere Vorteile werden für flugaktive Insekten gesehen , die schnell auf den Energievorrat der Hämolymphe zurückgreifen können oder für Insekten, die unmittelbar auf Kältereize reagieren müssen, indem sie sich mit einem hohen Spiegel an Zuckern, Aminosäuren, speziellen Proteinen oder kryoprotektiven Substanzen wie Glycerol gegen Gefrierschäden schützen. Als Nachteil einer langsamen Exkretionsrate wird die potentiell höhere Verweildauer von Fremdstoffen in der Hämolymphe gesehen , sofern keine speziellen Mechanismen der Sekretion vorhanden sind . Wie im Folgenden jedoch zu zeigen sein wird, ist eine der Stärken des Exkretionssystems der Insekten seine hohe Selektivität für die verschiedensten Stoffklassen. was auch seinen Niederschlag in der Vielfalt der Ernährungstypen findet.
5.4.1 Malpighische Gefäße 5.4.1.1 Allgemeines Die Malpighischen Gefäße sind schlauchartige, blind endende Darmdivertikel, die sich in unterschiedlicher Zahl (2 bis 200) und Länge (2 bis > 100 mm) in der Leibeshöhle ausbreiten . Sie münden meist im Grenzbereich zwischen Mittel- und Enddarm, genau genommen in der Pylorusregion in den Darm ein (Abb. 4-1), doch kann es, wie bei Acheta domesticus, zu Verschiebungen der Einmündung in den hinteren Enddarmbereich kommen. Entwicklungsgeschichtlich werden sie als (ektodermale) Derivate des Proctodaeum betrachtet, wenngleich auch eine entodermale Herkunft diskutiert wird . Der Durchmesser der Malpighischen Gefäße variiert von 30 bis 100 um - mit dem Durchmesser ändert sich meist auch die Färbung, die noch von der Art des Harns und der aktuellen Ernährungssituation beeinflusst wird . Neben intensiv gelblichen Abschnitten kommen solche mit weißlicher und rötli-
5.4 Exkretion
145
teropter a, Cicadina, Psyllina, Thysanoptera, Diptera (4), viele Coleoptera (4 bis 6) - , solche mit mehr als 8 heißen Polynephria - hierzu gehören zahlreiche Orthoptera (A cheta. Carausius. Periplaneta), Plecoptera (Perla), Odonata und viele Hymenoptera. Die Collembola , der Diplure Japyx sowie die Aphidina besitzen überhaupt keine Malpighischen Gefäße, auch bei den Protura sind sie auf 6 papillenartige Aussackungen reduziert, deren Zellen jedoch stark denen typischer Malpighischer Gefäße gleichen (Abb. 5-14). Neben der Grundform dünner Schläuche kommen solche mit sackartigen Erweiterungen vor, auch Verzweigungen werden beobachtet (Abb. 5-15). Schließlich können Malpighische Gefäße an ihren Enden oder mit der Darmwand verwachsen, woraus sich spezielle Konstruktionen wie die Filterkammer der Homoptera oder die Kryptonephridialkomplexe ergeben (s. 5.4.3).
Neben der Exkretion und Osmoregulation können Malpighische Gefäße noch weitere Funktionen haben. Bei den Larven der Planipennia produzieren sie Spinnseide, die mithilfe der beweglichen Afterröhre zu einem Kokon versponnen wird. In diesem Falle ist der Mitteldarm kurz vor der Einmündung der Malpighischen Gefäße gegen den Enddarm verschlossen. Bei den Larven mancher Coleoptera und Hymenoptera ändern bestimmte Abschnitte der Malpighischen Gefäße ihre Funktion und produzieren Seidenproteine . Abb. 5-14: Schema einer Malpighischen Papille eines Proturen der Gattung Eosentomon mit mikrovillitragenden Zellen (Mz 1, 2) und Kanalzellen (Kz). Die terminalen Zellen (Mz1) sind sekretorisch aktiv. Mu Muskulatur. (Nach Dallai 1977)
cher Färbung oder völlig klare Abschnitte vor. Auf Querschnitten beträgt die Zahl der Zellen 2-10 . Insekten mit bis zu 8 Malpighischen Gefäßen werden Oligonephria genannt - hierzu gehören Coccina (2), He-
Abb. 5-15: Varianten Malpighischer Gefäße (Pfeile). A Larve von Psychoda alternata, B Imago von Psylla mali,
e Larve von Phora pallipes, D Larve von Myiatropa f1orea, E Imago von Galleria mellonella, F Imago von Melolontha vulgaris, G Larve von Oedemera dispar, H Imago von Myrmeleon formicarius. • Vortäuschung einer hinteren Einmündung in den Darm, •• Eindringen der Malpighischen Gefäße zwischen Muscularis und Darmepithel bis zur Valvula rectalis. (Nach verschiedenen Autoren aus Weber 1933)
E
Dies gilt für Carabiden (Lebia scapularis), Chrysomeliden (Donacia) und Curculioniden (Phytonomus). Ältere Angaben über eine entsprechende Herkunft des Kokonmaterials der Larven der Ptinidae und Arten der Gattung Cionus haben sich als falsch erwiesen. In diesen Fällen stammt der Faden nicht aus den Malpighischen Gefäßen, sondern besteht aus den im Mitteldarm gebildeten peritrophischen Membranen (s. 4.5.2). Bei den Larven der Bockkäfer (Cerambycidae) und bei manchen sapround phytophagen Dipterenlarven werden die Konkremente oder Sphaerite nicht in den Enddarm entleert und mit dem Kot abgegeben, sondern in den Aussackungen
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5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
der Malpighischen Gefäße gespeichert. Dieses Material benutzen die Cerambyciden später zum Imprägnieren des Deckels der Puppenhülle und die Larven von Mu sca autumnalis bauen den mineralischen Anteil ihrer Konkremente als Werkstoff in die ,Weiße Puppenhülle' ein. Die wohl interessanteste Modifikation der Funktion Malpighischer Gefäße wird von der neuseeländischen Diptere Arachnocampa luminosa berichtet, wo der distale, dem Kryptonephridialkomplex benachbarte Abschnitt als Leuchtorgan fungiert (s. 18.1). Abb. 5-15 zeigt eine Zusammenstellung unterschiedlicher Formen der Malpighischen Gefäße.
5.4.1.2 Feinbau und Zelldynamik Das einschichtige Epithel der Malpighischen Gefäße wird zur Hämolymphseite stets von einer Basallamina begrenzt. Dieser sind häufig noch feine vegetative Muskelfasern aufgelagert, deren Kontraktion zu Schlängelbewegungen führt, was der Konvektion der Hämolymphe dient. Ferner wurden peristaltische Bewegungen beobachtet, die die Ausleitung des Harns unterstützen. Auch feine Tracheenverzweigungen sind dem Epithel aufgelagert , diese dringen jedoch nicht in die Basallamina ein. Als Aufgaben der Basallamina werden diskutiert : Stützfunktion, Filterfunktion für größere Moleküle (Proteine) und Kationenselektivität der anionischen Bindungsstellen. Zusätzlich kann der Basallamina noch eine dünne Schicht aus Bindegewebszellen aufgelagert sein (Abb. 5-17). Die Zahl der ZeUtypen beträgt 1-4, was sich teilweise in der Zahl der morphologisch unterscheidbaren Regionen (1-4) niederschlägt. Das Zellvolumen kann Dimensionen von 100 x 100 x 20 11m errei-
Lu
Abb. 5-16: Dreidimensionaler Aufbau im verdicktenAnfangsstück eines Malpighischen Gefäßes der Stechmücke Aedes taeniorhynchus mit Hauptzellen (p C) und Sternzellen (st Cl. Lu Lumen, N Kern . (Nach Bradley et al. 1982)
ehen , entsprechend groß werden auch die meist polyploiden Kerne. Morphologisch unterscheidbare Regionen besitzen einen eigenen Zelltyp bzw. unterscheiden sich im Gehalt spezifischer Organellen. Häufig kommen zwei Zelltypen nebeneinander vor, die Hauptzellen (primary cells) und die Sternzellen (stellate cells), die sich deutlich im Feinbau voneinander unterscheiden. Abb.5-l6 verdeutlicht die Anordnung beider Typen im verdickten Anfangsstück eines Malpighischen Gefäßes der Stechmücke Aedes taeniorhynchus, wobei die "primary cells" weit und unregelmäßig in das Lumen vorragen und die "stellate cells" die Zwischenräume ausfüllen und oft nur mit sehr dünner Wand an das Gefäßlumen grenzen. Die Hauptzellen weisen apikal einen ausgeprägten Mikrovillisaum auf, basal sind sie durch tiefe Einfaltungen zergliedert (basales Labyrinth) (Abb.5-l7, 5-18). Zusätzlich können tiefe Einstülpungen des gesamten Zellapex stattfinden, wodurch kanalartige Vertiefungen (Canaliculi) entstehen (Abb. 517). In beiden Zellregionen sind zahlreiche Mitochondrien vorhanden, die apikal in die Mikrovilli eindringen können (Abb. 5-18 B). Letzteres ist besonders in Phasen hoher Transportaktivität der Fall, während Zeiten physiologischer Ruhe durch den Rückzug der Mitochondrien und durch einen intensiven Membranabbau gekennzeichnet sind. Werden die Malpighischen Gefäße der Wanze Rhodnius prolixus nach einer Blutmahlzeit oder nach Stimulation durch das Hormon 5-Hydroxytryptamin (Serotonin) untersucht, so zeigt sich, dass die Mikrovilli innerhalb von 10 min um das 2,5-fache ihrer Länge zunehmen und dass aus dem Zellapex Mitochondrien tief in die Mikrovilli vordringen. Der Bau der apikalen Zellregion bildet somit ein eindeutiges Korrelat zur Transportleistung der Malpighischen Gefäße. Häufig enthält das Cytoplasma neben Standardorganellen wie ER und Dictyosomen noch Vakuolen und pinocytotische Vesikel, denen besondere Aufgaben für die Exkretion zufallen. Während erstere hauptsächlich der Segregation und Speicherung von Metaboliten und mineralischen Komponenten dienen (Sphaerite, Konkrementvakuolen, Speichervakuolen) (Abb. 5-18 C), wurde für letztere verschiedentlich auch eine transzelluläre Passage beschrieben (vgl. 5.4.1.4). Die zwischen den Zellen vorhandenen Interzellularräume beanspruchen von der lumenseitigen Oberfläche der Malpighisehen Gefäße von Rhodnius prolixus nur 0,04 %, und das vorhandene Interzellularvolumen verringert sich noch durch die septierten Zellkontakte (Diffusionsbarriere) . Die vorhandenen Strukturen favorisieren folglich den transzellulären Transport, doch kann der parazelluläre Pfad entlang des Interzellularraumes für die Permeation ungeladener, relativ großer Moleküle von Bedeutung sein, wie
5.4 Exkretion
147
Abb. 5-17: Schema zum variablen Bau von Hauptzellen der Malpighischen Gefäße. 1-5 Hauptzellen unterschiedlicher Größe und Struktur, 6 intrazell uläre Bildung von Kon krementen mit apikaler Extrusion in das Lumen, 7 biokristallartige Konkremente im Gefäßlumen, 8 Bildung von .coated vesicles" im Bereich des basalen Labyrinths mit nachfolgender Sekundärlysosomenbildung unter Beteiligung des Golgi-Apparats, 9 transzellulärer Vesikeltransport mit nachfolgender Extrusion in einen Canaliculus (Ca), 10 Bild ung von Speicherzisternen (lipide, Hydroxykynurenin) durch das granuläre Endoplasmatische Reticulu m (gER), 11 Bildung verg rößerter, aktiver Mikrovilli mit axial angeordneten Mitochondrien, 12 Bildung verkleinerter, inaktiver Mikrovilli ohne Mitochondrien, 13 Akkumulation intrazellulär gebildeter Konkrementvakuolen, 14 Reste von Konkrementen im Gefäßlumen, 15 extrazelluläre Bild ung von Konkrementen unter Beteiligung der Mikrovilli. BG peripheres Bindegewebe, BL Basallamina in unterschiedlicher Ausprägung, bLa basales Labyrinth, Gly Glykogen, Ko Konkremente, Mi Mitochondrien, Mu Muskelquerschnitt, Mv multivesikulärer Körper, N Kern, sDe septierte Zellkontakte, Tr Trachee. (Kombiniert nach verschiedenen Autoren)
der Inulintest zeigt (vgl. 5.4.1.4); desgleichen ist er zuständig für die pa ssive Eliminieru ng von Toxinen, die metabolisch nicht entsorgt werden können. Auch ein parazellulärer Tran sport von Chlorid wird diskuti ert. Die SternzeUen zeigen neben ihrer geringen Dicke meist einen kleineren und stärker aufgelockerten Mikrovillisaum, in den niemals Mitochondrien eindringen. Ihre Funktion ist unklar, z.T. schreibt man ihnen spezielle Aufgaben für die Rückresorption zu. Acheta domest icus besitzt im sekretorisch aktiven Mittelabschnitt nur Hauptzellen. Weitere Zelltypen lassen sich meist als Modifikation der Hauptzellen verstehen, indem Anteil und Ausprägung bestimmter Zellkomponenten variieren. Der Bau der Malpighischen Gefäße durchläuft bei Formen
mit holometaboler Entwicklung oft einen Form- und Funktionswechsel, wobei sich auch die Zellen selbst ändern. So wurde für Dipteren ein Rückgang der exkretorischen Aktivität während der Puppenphase beobachtet, begleitet von einem Einschmelzen des apikalen Faltensaumes. Erst mit Erreichen des Imaginalstadiums erlangen die Malpighischen Gefäße ihre ursprüngliche Transportaktivität wieder zurück. Auch bei Libellen, deren Larven sich durch eine Metamorphose in die Imago umwandeln, durchlaufen die Hauptzellen einen Struktur- und Funktionswandel. Erst in der Imago dringen wieder Mitochondrien in die luminalen Mikrovilli ein, wodurch die Harnbildung 3--4fach gesteigert wird.
148
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
Abb. 5-18: Feinstruktur Malpighischer Gefäße. A Querschnitt durch die Anfangsregion bei der Schabe Periplaneta americana. Das enge, von einem Mikrovillisaum begrenzte Lumen enthält in dichter Packung membranbegrenzte Körper (3000 x) . Bund C Mikrovillisaum mit Mitochondrien und Konkrementvakuole bei Dermestes lardarius (18 300 x 37000 x) . Mu Muskel quer, N Nucleus. (Aufnahmen: W. Peters)
talen geschlossenen Ende in einem Tropfen Hämolymphe (Badflüssigkeit). Das abgeschnittene proximale Ende des Gefäßes wird mit einem Seidenfaden abgebunden und in das Paraffinöl herausgezogen und in dieser Stellung fixiert. Nahe der Ligatur wird ein feiner Schnitt gesetzt, aus dem der vom Gefäß produzierte Harn austreten kann. Der sich mit der Zeit bildende Harntropfen kann vermessen und für analytische Zwecke aufgenommen werden. Ein dem Hämolymphtropfen mithilfe einer feinen Drahtschleife angelagerte Luftblase dient dem Zweck, die Vitalität des Präparates für ca. 48 h zu erhalten. Neben der Möglichkeit, das Präparat beobachten zu können, eröffnet die Methode ein breites Spektrum experimenteller Ansätze. Hierzu gehört die Einführung der Perfusionstechnik (Abb. 5-20) in Kombination mit Elektrophysiologie zur Messung des transepithelialen Potentials (TEP) sowie der basalen und apikalen Membranpotentiale. Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch den Bau noch komplexerer Apparaturen, in denen simultan mehrere Darmpräparate und die Malpighischen Gefäße in vitro getestet werden können (Abb. 5-21). Ferner lassen sich mithilfe einfacher Färbungsexperimente, etwa mit dem sauren Farbstoff Amaranth, schnell Hinweise auf die unterschiedliche Transportaktivität der Gefäßregionen erhalten. Amaranth kann 30-300fach im Lumen der Malpighisehen Gefäße konzentriert werden, doch besteht zwischen Farb-, Ionen- und Wassertransport kein unmittelbarer Zusammenhang.
5.4.1.3 Funktionale Studien Das Schlüsselexperiment zum Studium der Malpighischen Gefäße geht auf den englischen Physiologen Ramsay zurück, der mit einem im Prinzip einfachen Ansatz an isolierten Gefäßen die fundamentalen Mechanismen der Harnbildung untersuchte. Abb. 5-19 zeigt die Versuchsanordnung in einer mit Paraffinöl gefüllten Petrischale . Ein einzelnes Malpighisches Gefäß der Stabheuschrecke Dixippus morosus, das eine deutliche regionale Gliederung aufweist, liegt submers mit dem dis-
Hamolymphe
5.4.1.4 Mechanismen der Harnbildung Der Primärharn wird durch die Abscheidung von Wasser, Ionen und organischen Soluten sowie durch die Entleerung von Vakuolen oder Vesikeln in das Lumen der Malpighischen Gefäße gebildet. Die Art des Harnes ist einerseits abhängig von den Mechanismen der Harnbildung (= funktionale Differenzierung regionaler Gefäßabschnitte), andererseits übt die trophische Situation über die
Haltefaden
Abb. 5-19: Messung der Harnproduktion in vitro an einem einzelnen Malpighischen Gefäß (MG). (Nach Ramsay 1954)
5.4 Exkretion
149
Perf us ionsp ipetle
Abb. 5-20: In vitra-Versuch für ein Malpighisches Gefäß (MG) mit der Möglichkeit der Badperfusion. (Nach De Decker et al. 1993)
Menge und Beschaffenheit der Nahrung einen großen Einfluss aus. Wichtige Teilaspekte betreffen den Stickstoffstatus, den MineralgehaIt und die Wasserverfügbarkeit. Auf Phasen mit klarer, flüssiger Harnbildung kann die Abscheidung eines mehr oder weniger zähen , wasserarmen Breies folgen, angereichert mit festen Harnbestandteilen, den Konkrementen. Diese können intrazellulär und im Lumen der Gefäße gebildet werden (Abb. 517). Wasserinsekten scheiden meist mit hoher Rate einen klaren Primärharn ab, Landinsekten passen die Konsistenz ihres Harns stets den aktuellen Erfordernissen an. Grundsätzlich wird die Harnbildung als das Ergebnis aktiver und passiver 10nentransporte und eines daran gekoppelten osmotischen Wassertransportes betrachtet. Hierzu sollen Gradienten von wenigen mOsm I-I als treibende Kraft für den Flüssigkeitstransport genügen. Parallel erfolgen sekretorische Prozesse zur gezielten Abscheidung bestimmter Stoffklassen und auch zur Bildung der Konkremente. Ein Teil der gelösten Stoffe permeiert auf passivem Wege. Auch die Passage hochmolekularer Bestandteile der Hämolymphe über einen transepithelialen Vesikeltransport trägt zur Harnbildung bei. So erfolgt bei der Chironorniden-Larve Chironomus tentans der Transport des Gallenfarbstoffes Biliverdin , einem Metaboliten des Hämoglobins, über eine transepitheliale Vesikelkette (Abb. 5-17). Dies zeigt, dass höhermolekulare Stoffe nicht nur über den parazellulären, sondern auch über den transzellulären Pfad ausgeschieden werden können . Vergleichende Messungen der osmotischen Aktivität der am Transport beteiligten Kompartimente Hämolymphe, Epithel, Lumen - verdeutlichen, dass als Ergebnis aller am Transport beteiligter Prozesse meist ein iso-osmotischer oder höchstens geringfügig hyper-osmotischer Primärharn (1-2%) abgeschieden wird, der sich jedoch hinsichtlich seiner Inhaltsstoffe deutlich von der Hämolymphe unterscheiden kann .
Abb. 5-21: Apparat zur in vitra-Untersuchung von Darmpräparaten zusammen mit allen Malpighischen Gefäßen. Ex Harntropfen, Res Reservoir mit Harntropfen, Vk Versuchskammer mit Darmpräparat in physiologischer Badflüssigkeit. (Nach Proux et al. 1988)
Als treibende Kraft der Harnbildung gilt nach klassischen Vorstellungen eine aktive, elektrogene Kationenpumpe (primärer Transportmechanismus) in der Zellmembran des apikalen Mikrovillisaums der Malpighischen Gefäße (Abb. 5-22, la) . Sie transportiert spezifisch Kalium, arbeitet bei überhöhtem Anfall von Natrium aber auch mit diesem Kation . Es wurde eine bis 30fach höhere luminale Kaliumkonzentration (l00-150 mmol I~I) gegenüber der Hämolymphe gemessen bei einem lumenpositiven Potential von 10-50 mY. Der Kaliumtransport erfolgt somit gegen einen elektrochemischen Gradienten, weshalb es ein energieabhängiger Prozess sein muss. Neuere Vorstellungen gehen davon aus, dass der primäre Transportmechanismus in einer elektrogenen Protonenpumpe besteht, die durch eine vakuol äre ATPase (V-ATPase) aktiviert wird und die ein positives Potential von> 90 mV aufbaut (Abb. 5-22, Ib) . Der .uphill transport' von Kalium oder Natrium wird aus diesem Energiegradienten gespeist (,secondary active transport' im Sinne eines K+/H+- oder Na+/
150
5 Wasserhaushalt, Osrno- und Ionenregulation sowie Exkretion
Hämolymphe
Transzellulärer Pfad
anorga nische und organische Salute
CJ Lumen <,
<,
Transzellu lärer Pfad
Ac ylamlde. Alka loide . Glyk osida HarnsAure, Pralin, Sultonale Phosp hat. Sultat, Mg" Farb.tolle
..... .....
<,
.... ....
Abb. 5-22: Zusammenstellung zellulärer und parazellulärerTransportwege durch das Epithel der Malpighischen Gefäße (Hauptzellen). 1a Klassische, elektrogene Kaliumpumpe, 1b V-ATPase als elektrogene Protonenpumpe, 2 K+/W- oder Na+/WAntiport, 3 Na+/K+-ATPase, 4 sekundär aktiver Influx von Na", K+, CI', 5 passive Ionenkanäle für Na", K+, CI' (es wird auch eine parazelluläre Route für CI' diskutiert), (Kombiniert nach mehreren Autoren)
H+-antiport) (Abb. 5-22, 2). Das morphologische Korrelat dieser Transportenzyme sind Partikel an der Plasmaseite der apikalen Membran, die Portasomen genannt werden und deren Struktur aus Proteinuntereinheiten besteht (Abb. 5-23). Gut untersucht ist die Wirkung der Protonen/Kaliumpumpe bei der Stechmücke Aedes aegypti. Noch während einer Blutmahlzeit, in deren Verlauf das bis zu lOfache des Körpervolumens und große Mengen an Natrium aufgenommen werden, beginnt eine heftige Diurese und die Pumpe schaltet auf Natriumtransport um. Dieser klingt im weiteren Verlauf immer mehr ab und nach 50-130 min dominiert wieder der Kaliumtransport. Eine in vitro-Umschaltung von Kalium zu Natrium gelingt auch mithilfe des Antibiotikums Gramici din, das auf die Permeabilität von Membranen einwirkt. Anionen (hauptsächlich Cl"), Wasser sowie Zucker und Aminos äuren folgen dem Kationentran sport meist passiv nach. Aktiver Transport wurde für eine Reihe weiterer Substanzen nachgewiesen: Alkaloide und Glykoside, Acylamide wie p-Aminohippursäure, Sulfonate (Indigokarmin, Amaranth), Prolin, Phosphat, Sulfat und Magnesium. Auch das aus afrikanischen Strophanthu sArten gewonnene Glykosid G-Strophanthin (Qua-
bain), das in der Physiologie als Transporthemmer eingesetzt wird, permeiert durch das Epithel. Dabei wirkt es hemmend auf eine Na/K-ATPase in der baso-Iateralen Membran der Malp ighischen Gefäße, deren Tätigkeit jedoch durch andere Transportmechanismen ausgeglichen werden kann . Eine Zusammenstellung möglicher Transportwege gibt die Abbildung 5-22. Äußerlich hom ogen erscheinende Abschnitte der Malpighischen Gefäße können denno ch aus physiologisch verschiedenen Unterabschnitten bestehen, die sich hinsichtlich ihres sekretorischen und resorptiven Verhaltens unterscheiden. So ist nur das untere Drittel des proximalen Gefäßabschn ittes bei der Wanze Rhodnius prolix us bei eingeschränkter osmotischer Permeabilität zu einer hohen Rückresorpti on von KCl befähigt.
Neben den bisher gezeigten Mechani smen, die überwiegend der luminalen Anreicherung niedermolekularer Stoffe und der Erzeugung eines Flüssigkeitsstromes dienen , verdient die Abscheidung geformter Harnbestandteile (Konkremente) noch besondere Beachtung (Abb.5-l7, 5-18, 5-24). Hierin wird ein Weg gesehen, osmoti sch aktive Substanzen durch Bindung an eine organische Matrix zu inaktivieren, was letztlich auch der Wasserersparnis dient. Neuere Ergebnisse an der Diptere Drosophila hydei zeigen, dass 2 Typen an
5.4 Exkretion
Konkrementen gebildet werden, die sich im Gehalt an Mineralien und der organischen Matrix unterscheiden. Die Matrix besteht hier aus Glykosaminoglykanen und Proteoglykanen , die als Polyanionen fungieren. Sie enthält weder Harnsäure noch Urate. Der Konkrementtyp I wird intrazellulär gebildet und bindet vorwiegend Ca, Mg und Phosphat , der Konkrementtyp 11 wird extrazellulär, z. T. unter Beteiligung der Mikrovilli gebildet (Abb. 5-17, 5-24), und bindet K. Auch die Verteilung der Konkremente innerhalb der 4 Malpighisehen Gefäße variiert. Typ I und 11 kommen nur in den vorderen Tubuli zusammen vor, Typ 11 ausschließlich in den hinteren . Grundsätzlich kann die Genese größerer kristalliner Einheiten auch im Lumen der Gefäße erfolgen. Abb. 5-24 zeigt ausgewählte cytologische Aspekte der Konkrement format ion bei Drosophila hydei. Potentiell kommen bei Insekten auch Harnsäure und Urate als Bestandteile der Konkremente vor, zumal ähnliche Bildungen auch in anderen Geweben nachgewiesen werden. In den Konkrementen der neuseeländischen Diptere Arachnocampa luminosa wird ein zentraler Harnsäurekern von Laminae aus Calcium- und Magnesiumphosphat umgeben (vgl. auch Abb. 5-33). Der von den Malp ighischen Gefäßen gebildete Prim ärharn kann schon während der Passage durch die proximalen Abschnitte eine Veränderung seiner Zusammensetzung erfahren, indem , wie bei der Wanze Rhodnius prolixus, KCI wieder rück resorbiert wird. Gleichzeitig wird durch die Absenkung der osmotischen Permeabilität verhindert, dass der Harn Wasser verliert, sodass ein hypo-osmotischer Harn an den Darm abgegeben werden kann . Bei den meisten Insekten fließt der Harn weiter in Richtung Rektum ; in einigen Fällen wurde jedoch auch eine Ableitung in den Mitteldarm beobachtet.
5.4.2 Die Weiterverarbeitung des Harns während der Darmpassage Der in den Malpighischen Gefäßen gebildete Harn fließt über den Ureter oder aus Ampullen in den Darm, wo sich die Harnbestandteile mit den unverdaulichen Resten des Mitteldarmes vermischen (Faeces) und bei den meisten Insekten via Ileum, Colon und Rektum zum Anus befördert werden. Bei einigen Insekten, z. B. bei der Wüstenheuschrecke Schistocerca gregaria, kann der Harn aber auch Richtung Mitteldarm geleitet werden, wo er zur Verdünnung des Nahrungsballens bei Wassermangel dient. Bei der Hausgrille Acheta domesticus wird der Harn erst im hinteren Teil des Ileum zugeleitet, wobei letzterer funktionell Aufgaben des Mitteldarms übernommen hat. Die Auf-
ATP
151
ADP .Pj
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Abb. 5-23: Modell einer Insekten-V-ATPase (Portasom) als heteromultimerisches Protein mit den Untereinheiten A - F (= periphere V-Domäne). Die Transmembrandomäne wird VaDomäne genannt. Die Aktivität der V-ATPase wird neben anderen durch Assemblierungs- und Deassemblierungsvorgänge von VI und Va gesteuert. Die Zahlen repräsentieren relative Molmassen der Va-Domäne. Der Transport eines Protons (W) erfordert Energie, die aus ATP bereitgestellt wird. M Membran. (Nach Merzendorfer et al. 1997)
bereitung der Faeces erfolgt in mehreren Schritten und häufig mit einer Zwischenspeicherung im Rektum . Ihre Abgabe erfolgt dann schubweise in Form von Pellets oder in Form von Tropfen über den Anus. Hierbei reicht das Spektrum von nahezu trocken-pulvrigen Exkrementen über halbfeuchte geformte Pellets bis zu einem noch flüssigen Brei. Während längerer Zeiten der Entwicklungsruhe oder während der Puppen phase werden die anfallenden Exkrete im Endd arm als Meconium gespeichert. Dieses wird unmittelbar nach der Häutung zur Imago abgestoßen. Bei Drosophila hydei werden zwei Meconien gebildet, die hauptsächlich aus Konkrementen der Malpighisehen Gefäße bestehen. Untersuchungen zur Permeabilität der cuticularen Intima der Enddarmabschnitte ergaben, dass Ileum und Rektum gegenüber dem Colon eine höhere Permeabilität aufweisen. Die erste Stufe der Aufbereitung der Faeces erfolgt bei einigen Insekten bereits im Ileum, dessen Epithel häufig aus zwei Zelltypen besteht. Hier werden dem Lumen Ionen und Wasser entzogen und in die Hämolymphe transportiert. Bei der Schabe Periplaneta americana ist auch das Colon an der Absorption von Nährstoffen beteiligt. Experimentelle Untersuchungen am Ileum von Heuschrecken ergaben ein leicht hyper-osmotisches, NaCl-reiches Resorbat. Primärer Transportmechanismus ist hier, ähn-
152
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
Übergangsbere ich und mittleres Segment
Prox imales Segment
Dista les und mittleres Segment
Abb. 5-24: Konkrementbildung in den vorderen und hinteren Malpighischen Gefäßen von Drosophilahydei. (Nach Wessing et al. 1992)
lieh wie im Rektum , eine elektrogene Chloridpumpe, jedoch dominiert dort die Resorpti on von KCI. In den Darm werden je nach Bedingungen H+ oder OH- sezerniert, was zur Ansäurerung bzw. Alkalisierung des Darminhalts führt. Das Ileum ist durch Hormone und cAMP akti vierba r, wobei letzteres die Aufnahme von Na+ in der apikalen Ileummembran triggert. Bei dem Schmetterling Pieris brassicae wird ein Teil des von den Malpighischen Gefäßen stammenden K+ resorbiert, und bei Zikaden resorb iert da s Ileum Na + und K+. Potentiell müssten auch organische Solute in die Hämol ymphe transportiert werden können , doch ist hierüber noch wenig bekannt. Die Schmeißfliege Parasarcophaga argyrostoma sezerniert aktiv überschüssiges NHt über da s Ileum in den Darm. Der Hauptort der Aufbereitung der Faeces ist bei den meisten Insekten da s Rektum, das über
einen hohen strukturellen und funktionellen Spezialisierungsgrad seiner Gewebe verfügt. Im Extremfall wird im Rektum terrestrisch lebender Insekten nahezu sämtliches Wasser aus den Faeces resorb iert und in den Kreislauf der Hämolymphe zurückgeführt. Das resorbierende Epithel ist entweder in Form von Rektalleisten (Rektalpolster; ursprüngli ch sind 3 primäre und 3 sekundä re) oder Rektalpapillen organisiert, die von einer dün -· nen, in Epi- und Endocuticula gegliederten Intima gegen das Darmlumen begrenzt werden (Abb. 525, 5-26). Diese ist einerseits permeabel für niedermolekulare Solute, andererseits schützt sie die angrenzenden Epithelien gegen schädliche Bestandteile in den Faeces. Als weitere Hilfsstrukturen wurden auf der Hämolymphseite des Epithel s Mu skulatur, bindegewebige Elemente, Tracheolen und neurosekretführende Nervenendigungen beschrieben. Die Zellen des Rektal epithels können
5.4 Exkretion
153
Abb. 5-25: Querschnitt durch das Rektum der Honigbiene Apis me/lifera mit 6 Rektalpolstern und zahlreichen Nebenpapillen. In Intima, MI, Mr Längsund Ringmuskulatur, Re Rektalpolster, iRe intermediäres Rektalepithel, Tr Trachee. (Nach Kümmel und Zerbst-Boroffka 1974)
sehr groß werden (100 x 10 11m). Wichtige Funktionsstrukturen sind ein apik aler Mikro villisaum dicht unter der Intim a und ein ausgedehntes Kanalsystem, das als Interzellularraum bezeichnet wird und von der baso-Iateralen Zellmembran begrenzt wird (Abb. 5-26). Hier wie auch in den Mikrovilli finden sich zahlr eiche Mitochondrien in enger Verbindung mit den beteiligten Membranen, häufig unter Beteiligung 15 nm großer Partikel, die wahrscheinlich mit Portasomen identisch sind (vgl. 5.4.1.4 und Abb. 5-23). Das in Abb. 5-26 gezeigte Schema veranschaulicht die Hauptströme der Ionen und Wasserbewegung durch ein Rektalepithel bei terrestrischen Tieren . Das Prinzip des osmotisch induzierten Wassertransportes (weiße Pfeile) besteht im Aufbau gestaffelter 10nengradienten (schwarze Pfeile) mit einem hohen
lokalen Gradienten in den apikalen Interzellu larräumen (IC). Diese ziehen aus dem Darmlumen über die Räum e der septierten Zellkontakte Wasser nach, das über das Labyrinth der basalen Interzellularräume zur Hämol ymphe abfließt (IL). Hierbei kommt es zu einem Recycling von Ionen mit dem Ergebnis, dass das Absorb at mehr oder weniger hypo-osmotisch wird. Als primärer Transportmechani smus gilt eine elektrogene Chloridpump e im apikalen Mikro villisaum , in deren Gefolge Kationen , vor allem Kalium , mithilfe sekund ärer Mechani smen aus dem Rektallumen aufgenommen werden. Organische Solute, Aminosäuren und Zucker, werden ebenfalls resorbiert. Besondere Bedeutung kommt der Amin osäure Prolin zu, die aktiv von den Malpighischen Gefäßen sezerniert wird und im Rektum als Metabolit
Rektallumen
Fa ensac..m
Abb. 5-26: Organisation einer Rektalpapille der Schabe Perip/aneta americana. 1 Aktive Sekretion von Ionen in den Interzellularspalt (IC) zum Aufbau eines osmotischen Gradienten undAbfluss des überdieparazelluläre Route aufgenommenen Wassers via Interzellularlakunen (IL) in die Hämolymphe. 2 Aktive Resorption von Ionen aus dem untereren Interzellularsystem in das Cytoplasma und Rückführung zu 1; hierdurch entsteht ein hypo-osmotisches Absorbat. (Kombiniert nach Noirot und Noirot-Iirnothee 1976 und Bradley 1985)
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Hämolymphe
hypo-osmol'sches Absorba t
154
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
für den Betriebsstoffwechsel dient. Bisher wurde als Hormon CTSH (chloride transport stimulating hormone) mit Wirkung auf die Permeabiltität der basalen Zellmembran nachgewiesen, während cAMP als sekundärer WirkungsstolT(second messenger) dient.
5.4.3 Kryptonephridialkomplexe Zu den aufwändigsten Konstruktionen der Insekten zählen die Kryptonephridialkomplexe, in denen die Aufgaben funktionell getrennter Organe im Sinne einer Kooperation zusammengefasst werden . Zwei Strategien sind erkennenbar: zum einen gilt es, das innere Milieu vor einem nahrungsbedingten Wasserüberschuss zu schützen (Säftesauger), zum anderen zwingt extremer Wassermangel dazu, Verluste über das Exkretionssystem weitgehend zu verhindern und - wenn es die Außenfeuchte erlaubt - den Pfad der analen Wasserdampfaufnahme zu nutzen (Bewohner extremer Trockenhabitate) . Hierzu gehören die Filterkammern der Cicadina und Coccina (vgl. Abb. 4-22) und die Kryptonephridien mancher Coleoptcra, Lepidoptera, Hymenoptera (Symphyta), Planipennia und Diptera.
5.4.3.1 Filterkammern von Pflanzensaugern Zahlreiche Vertreter aus der Ordnung der Homoptera (z. B. Zikaden) nehmen mit der Nahrung kontinuierlich große Mengen an Pflanzensäften auf (Dauersauger), wobei funktionell zwischen Xylem- und Phloemsaugern unterschieden wird . Xylemsaft besteht zu 99,8-99,9% aus Wasser, enthält geringe Mengen KCI und variable Mengen an Aminosäuren und Zuckern und verhält sich hypo-
fMG
Abb. 5-27: Kryptonephridialkomplex im Enddarm von Mehlwür mern (Tenebrio molitor)(Funktionsschemata:Abb. 5-8 und 5-29). 11 Ileum, KrN Kryptonephridien als gewundene Anfangsstücke der Malpighischen Gefäße, Md Mitteldarm, fMG freier Abschnitt eines Malpighischen Gefäßes, PnM perinephrische Membran, Re Rektum . (Nach Grimstone et al. 1968)
osmotisch zur Hämolymphe. Phloemsaft enthält große Mengen an Zuckern und Aminosäuren aber nur geringe Mengen anorganischer Salze. Das Prinzip der Filterkammer besteht darin, nicht gewünschte Bestandteile des Saftes bereits im vorderen Abschnitt des Mitteldarmes unter Umgehung des eigentlich verdauenden mittleren Abschnitts in den hinteren Mitteldarm oder direkt in den End darm zu leiten. In der Filterkammer umwinden sich, wie bei einem Austauscher nach dem Gegen stromprinzip, vordere und hintere Darmabschnitte in einem Knäuel (vgl. 4.5.4.1; 15.2.2).
5.4.3.2 Kryptonephridialkomplex von
Tenebrio molitor Zah lreiche der ca. 20 000 Arten der Tenebrionidae leben in Trockenhabitaten und nutzen als Nahrung abgestorbenes Pflanzenmaterial, aus dem sie einen wesentlichen Antei l ihres Wasserbedarfes decken (metabolisches Wasser, s. 5.1.3). So auch die Larve des Mehlkäfers Tenebrio molitor, der synanthrop vorkommt und sich von trockenen Nahrungsvorräten, Detritus und Abfallen ernährt. Ähnlich den Säftesaugern treten auch hier die Malpighischen Gefäße mit dem Darm in einen funktionellen Verbund , doch unterbleibt die Ausbildung einer Filterkammer im vorderen Darmtraktbereich. Im Kryptonephridialkomplex von T. molitor sind es die distalen Teile der Malpighisehen Gefäße, die sich in modifizierter Form eng dem Rektum anlegen und von einer bindegewebigen Hülle vom Hämolymphraum getrennt werden , während die proximalen frei in der Hämolymphe flottieren und im Pylorusbereich in den Darm einmünden (Abb. 5-27). Funktionell wichtige Strukturen sind die Leptophragmata, fensterartige Strukturen zwischen Malpighischem Gefäß und Hämolymophraum, über die selektiv KCI für den Aufbau eines hohen osmotischen Gradienten in den Anfangsteil der Ma lpighischen Gefäße sezerniert wird , ferner der Perinephridialra um, die 6 Rektalleisten und die mehrschichtige perinephrisehe Membran (Abb. 5-28). Über einen steilen osmoti schen Gradienten zwischen Enddarminhalt und dem Endabschnitt der Kryptonephridien erfolgt sowohl die Entwässerung der Faeces wie auch bei entsprechend hoher Außenfeuchte (> 88 % rF) die Wasserdampfabsorption über den Anus (vgl. 5.2.2, Abb. 5-8). Im Tubuluslumen des Endabschnitts der Malpighischen Gefäße wurden maximale Werte für K+ und Na+ von 2700 mmol l! und 400 mmol l" gemessen, wodurch so hohe osmotische Werte wie 6,8 Osm kg: ' erklärbar sind (Abb. 5-8). In den Tubuluszellen beträgt die K+ - Aktivität 153 mmol I-I, ein gegenüber anderen Insektenzellen hoher Wert. Die hohen Kationenwerte sind nur durch
5.4 Exkretion aktiven Transport zu erklären, Chlorid hingegen soll passiv aufgenommen werden. Befunde an in vitro-Präparaten zeigen ferner, dass nur der freie proximale Abschnitt der Malpighischen Gefäße hormonal durch Corpora cardiaca Extrakte und cAMP stimulierbar ist. Der aus dem Anfangsabschnitt stammende hyper-osmotische, KCI-reiche Harn wird im proximalen Abschnitt schnell iso-osmotisch mit der Hämolymphe. Die Bedeutung einer Steigerung der Harnrate im unteren Abschnitt der Malpighischen Gefäße trockenadaptierter Tiere wird darin gesehen, dass der Harn nicht dem Enddarm zugeführt, sondern in den Mitteldarm umgeleitet wird, wo er zum Anfeuchten der vergleichsweise trockenen Nahrungsballen dient. Die Malpighisehen Gefäße trockenadaptierter Tiere reagieren stärker auf hormonale Einwirkung, doch ist die basale Sekretionsrate hydratisierter Tiere höher. Der Kryptonephridialkomplex von T molitor zeigt seine hohen Leistungen für die rektale Absorption von Wasser nur bei Tieren im Zwischenhäutungsstadium. Während der Häutung nähern sich die Konzentrationen im Tubulus denen der Hämolymphe und erst mit Abschluss der Häutung werden die hohen Gradienten erneut aufgebaut. Ferner spielt die Prädisposition der Tiere eine große Rolle. Nur für wenige Wochen trockenadaptierte Tiere zeigten höhere K-Werte im Tubulus als solche, die bereits mehrere Monate adaptiert waren. Abb. 529 zeigt die möglichen Routen der Ionen in das Lumen der Endabschnitte der Malpighischen Gefäße und ergänzt somit die in Abb. 5-8 aufgezeigten Wege der Wasseraufnahme.
Bei den terrestrischen Larven der Planipennia und der als Übergangsform zur aquatischen Lebensweise betrachteten Larve von Bachhaften der Gattung Osmylus sind 6 bzw. 5 der acht Malpighisehen Gefäße zu einem Kryptonephridialkomplex verbunden . Bei den aquatischen Vertretern wie Sisyra und Neurorthus ist ihre Funktion einer verstärkten Rückresorption aufgehoben, indem bei Sisyra nur noch ein und bei Neurorthus gar kein
r
PnM
155
PnM
....... Le
Abb. 5-28: Querschnitt durch den Rektalkomplex von Mehlwürmern (Tenebrio molitor). KrN Kryptonephridien, Le Leptophragmata, MI Längsmuskulatur, MrRingmuskulatur, PnM perinephrische Membran, PnR Perinephridialraum, Re Rektalpapillen, Su subepithelialer Raum. (Nach Grimstone et al. 1968)
Gefäß mehr mit dem Enddarm verbunden ist. Bei der neuseeländischen Diptere Arachnocampaluminosa folgt auf den zu einem Leuchtorgan umgewandelten Endabschnitten der Malpighischen Gefäße ein aus vier Malpighischen Gefäßen bestehender Kryptonephridialkomplex, bei dem die Gefäße dem Darm dorsal aufliegen (s. 18.1). Die vergleichsweise großen Leptophragmata weisen zwar sämtlich zum Hämolymphraum hin, doch sind sie nicht, wie bei T. molitor, in die perinephridiale Membran integriert (Abb. 5-30).
Le
KrN
Re
ReF Abb. 5-29: Funktionsschema zum möglichen Verlauf der Ionenflüsse in einem halb mit Luft gefüllten Rektalkomplex von Mehlwürmern (Tenebrio molitor). 1 Aufnahme aus dem Rektallumen, 2 Aufnahme hauptsächlich von Kalium über die teptophragmata, 3 Übertritt aus der Hämolymphe über die etwas dünnwandigere vordere perinephrische Membran, 4 Eindringen von Ionen über die vordere Verbindung zum Hämolymphraum. Pfad 3 wird als Hauptpfad angesehen. ReF Rektalflüssigkeit, sonstige Abkürzungen siehe Abb. 5·27, 5·28. (Nach O'Donnell und Machin 1991)
156
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
MI
auch nahe verwandte Arten können sich beträchtlich unterscheiden. Schließlich kommen in fast allen Insektengruppen spezielle Exkretionsorgane vor, auf die im einzelnen nicht eingegangen werden kann . Als Beispiele hierfür können die UtricuIi majores der akzessorischen Geschlechtsdrüsen der Männchen einiger Schabenarten gelten, in denen beträchtliche Mengen an Harns äure akkumuliert werden, oder die Oenocyten der Aphidina, die die hier fehlenden Malpighischen Gefäße ersetzen können.
5.4.4.1 Labialdrüsen (Labialnieren) und Nephrocyten Die als Labialdrüsen bezeichneten Organe im Abb. 5-30: Querschnitt durchden Kryptonephridialkom- Kopf apterygoter Insekten werden zur Gruppe der plex der Diptere Arachnocampa luminosa. Le Leptophragma, Segmentalorgane gerechnet, zu denen im weiteren KrN Kryptonephridien, MI, Mr Längs- und Ringmuskulatur, PnM Sinne auch die Antennendrüse der Crustacea und perinephrische Membran, PnR Perinephridialraum, Re Rektalepi- die Maxillardrüsen gehören. Es handelt sich um thel. (Nach Green 1979) plesiomorphe, nephridien ähnliche Strukturen mit einer Gliederung in Sacculus, Tubulus und Ausftihrgang. Der Sacculus ist stets mit einem Podocy5.4.4 Sonstige Organe der tenepithel ausgestattet, während der Tubulus mit Exkretion: Labialdrüsen, einem typischen Transportepithel ausgekleidet ist Nephroeyten, Mitteldarm, (Abb. 5-31). Er ragt in den Endabschnitt der KopfFettkörper und Integument arterie hinein, über die Hämolymphe zugeführt wird. Diese gelangt durch Ultrafiltration in das Lumen des Sacculus (Primärharnbildung). Die AbDie Bedeutung sonstiger Exkretionsorgane lässt sich am leitung des Primärharns erfolgt über den Tubulus, besten an einer Insektengruppe abschätzen, die über keine Malpighischen Gefäße verfügt, deren Biologie aber wo durch sekretorische und resorptive Prozesse das Vorhandensein leistungsfähiger Exkretionsorgane die Aufbereitung des Harns zum Sekundärharn voraussetzt. Es handelt sich um die Collembolen. Diese erfolgt, der über den Ausführgang abgegeben verfügen über Labialdrüsen (Labialnephridien), Urocyten wird. Bei den Collembolen wird Flüssigkeit, die im Fettkörper, Nephrocyten (freie Exkretionszellen) und aus den Labialnephridien stammen soll, an der ein exkretorisches Mitteldarmepithel. Letzteres besitzt, Kopfunterseite ausgeschieden. Es wurde beobachneben der Fähigkeit zur Exkretspeicherung , die Potenz tet, dass Tiere einzelne Tröpfchen für ,Putzzwecke' zur zyklischen Erneuerung, indem mit jeder Häutung das oder zur ,Imprägnierung' über die Cuticula veralte Epithel als Ganzes abgestoßen und durch ein neues ersetzt wird. Die Exkrete verlassen den Körper als Pellet teilen, aber es wurde auch ihre Wiederaufnahme in über den Enddarm. Auch die übrigen Insekten setzen die den Mund beobachtet. Vermutlich kommt diesen genannten Organe und Gewebe, soweit vorhand en, für Organen der Rang akzessorischer Exkretionsorexkretorische Zwecke ein. Ihr Beitrag zur Exkretion ist gane zu, wofür selektive Markierungen mit Vitalgruppenspezifisch jedoch meist sehr unterschiedlich, und farbstoffen Hinweise liefern. Eine Bilanzierung der exkretorischen Leistung dieser Organe ist bisher noch nicht erfolgt. Die tubul ären Labialdrüsen sind bei den apterygoten Insekten stets mit einer zweiten Drüse vergesellschaftet, die als acinöse Drüse bezeichnet wird und aus paarigen , mehr oder weniger stark zergliederten Drüsenläppchen besteht. Möglicherweise hat sich aus dem exkretorischen Labialdrüsenkomplex der Arthropoden die Speicheldrüse der höheren Insekten entwickelt, die ebenfalls aus einer Haupt- und Nebendrüse besteht. Hinweise für diese Interpretation liefert der Bau der Labialdrüse bei der Schabe PeriAbb. 5-31: Schema vom Anfangsabschnitt eines Arthroplaneta americana. Hier ist der acinösen Speichelpoden-Maxillarnephridiums. Die Pfeile symbolisieren die Richtung des Hämolymphstromes. Ar Endteil der Arteria ce- drüse noch ein Sack angegliedert, in dem Exphalica, Pod Podocyten, Sac Saccu!us, Tub Anfangsstück des kretstoffe wie Harnstoff, Kreatin und CalciumTubulus. (Nach Haupt 1976) phosphat nachgewiesen wurden. Speicheldrüsen
5.4 Exkretion
Sac
157
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Abb. 5·32: Modell zur Ableitung von A Speicheldrüse und C Nephrocytencluster aus dem Grundplan eines Nephridial(Segmental-)organs (B) bei dem Symphylen Scutigerella. Ak Ausführgang, Dac Drüsenacini, Ne Nephrocyten, Nec Nephrocytenkapsel, Pod Podocyten, Sac Sacculus, Sk Speicheldrüsenkanal, TubTubulus. (Nach Haupt 1976)
sezernieren oft bedeutende Fl üssigkeitsmengen, womit sie einen Beitrag zur Volumenregulation leisten und die Arbeit der Hauptexkretionsorgane unterstützen. Weiter gibt es Hinweise, dass sich die als Nephrocyten bekannten Zellen möglicherweise von den Nephridialorganen ableiten. Hierfür spricht , dass bei Collembolen noch in anderen Segmenten (Antennen-, Ventraltubus- und Retinaculumsegment) Zellkapseln angelegt sind (rudimentäre Nephridien), die über die Fähigkeit der Farbstoffspeicherung verfügen und wahrscheinlich als umgewandelte Podocyten zu betrachten sind. Nephrocyten, zu denen im weiteren Sinne auch die Pericardialzellen gehören (s. Kap. 7) kommen in Form von Clustern und solitär im Körper von Insekten vor. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Zwischenspeicherung und Metabolisierung von Proteinen sowie der Aufnahme und Weiterverarbeitung kolloidaler Anteile und von Fremdpartikeln in der Hämolymphe. Abb. 5·32 zeigt modellhaft die mögliche Ableitung von Speicheldrüsen und Nephrocyten aus dem Grundplan eines segmentalen Nephridialorgans bei dem Symphylen Scutigerella.
5.4.4.2 Mitteldarm Der Mitteldarm der Insekten ist das Hauptorgan für die Aufbereitung der Nahrung, indem gelöste Nahrungsbestandteile absorbiert und unverdauliche Nahrungsreste sowie überschüssige Nahrung
dem Enddarm zugeführt werden (s. Kap. 4). Darüberhinaus zeichnen sich die trophischen MitteIdarmzellen noch durch Speicherfähigkeit und hohe lysosomale Aktivität aus. Versuche mit Vitalfarbstoffen machen es wahrscheinlich, dass der Mitteldarm eine bedeutende exkretorische Funktion ausüben kann . Spezielle Zellen, die als Becherzellen (gobiet cells) in einigen Ordnungen auftreten , erfüllen darüber hinaus besondere Aufgaben der Ionenexkretion. Auch ganze MitteIdarmabschnitte, wie die Caeca von Stechmückenlarven (Culicidae), können spezielle Aufgaben der Osmoregulation und Exkretion erfüllen. Collembolen, die sich nach der Geschlechtsreife noch weiter häuten können , zeigen in ihren Mitteldarmzellen Anhäufungen von Autolysosomen und Konkrementvakuolen , deren Ausscheidung mithilfe dreier Mechanismen erfolgt. Während der Zwischenhäutungsphase erfolgt eine zyklische Entleerung in den Darm durch apokrine oder holokrine Sekretion (cytoplasmatische Extrusion). Im Verlauf der Häutung kommt es zur Abstoßung des gesamten, mit mineralischen Konkrementen beladenen Mitteldarmepithels, das vollständig aus RegenerationszeIlen erneuert wird. Nach den Befunden der Röntgenmikroanalyse bestehen die Konkremente im wesentlichen aus mineralischen Anteilen - Ca, Mg. K, Na, AI, Si, P, S, Cl, Fe - die an eine Matrix aus Polysacchariden und Proteinen konzentrisch angelagert werden (Abb. 5-33). Möglicherweise spielen auch metall bindende Proteine (Metallothioneine) innerhalb der Mitteldarmzellen eine Rolle. Fütterungsversuche mit dem Zweck der Kontamination mit dem Schwermetall Blei ergaben, dass die größte Menge des mit der Nahrung aufgenommenen Pb über die Faeces abgegeben wurde. Von der in den Körper
158
5 Wasserhaushalt, Osrno- und Ionenregulation sowie Exkretion
I
(j)-
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b-(f
aufgenommenen Menge wurden 30% über den MitteIdarm abgegeben, 15% über die Exuvien. Dies macht deutlich , dass Collembolen dur ch wiederholte Häutungen des Mitteldarmes zu einer wirkungsvollen Detoxifikation fähig sind. Übersteigt die Menge des dargebotenen Schwermetall s die Speicherfähigkeit des Mitteldarm s, so gelangt dieses in den Körper, wobei Dauerbelastung zu Schäden für das Wachstum und die physiologische Fitne ss führen . Abb. 5-34 zeigt das Ergebnis einer Kationen-Antimonatfällung an einer MitteIdarmzeIle (linkes Schema) zur Lokalisierung ionena kkumulierender Kompartimente und den hypothetis chen Zyklus von Ionen (rechtes Schema) mit einem Einbau überschüssiger Ionen nach der Absorpti on bzw. nach der Aufnahme aus der Hämolymphe. Auch bei den übri gen Insekten spielt die Konk rementbildung in den MitteIdarmzeIlen eine Rolle, wobei bestimmte Stadien bevorzugt werden könn en, manchmal sind auch nur bestimmte Regionen des Darmes betrolTen. Bei Larven der Schmeißfliege Lu cilia cuprina kommen Konkremente in zwei besonderen Zelltypen im 2. Abschnitt des Mitteldarm es vor, in cuprophilen und lipophilen Zellen (vgI. Abb. 4-11). Erstere stammen vermutlich von Polzellen ab.
Eine weitere wichtige Exkretionsleistung erbringt der Mitteldarm bei Pflanzenfressern, die mit ihrer Nahrung einen Über schuss an Kalium aufnehmen, der aus der Hämolymphe wieder in das Darmlumen zurückbefördert werden muss. Bei
Abb. 5-33: Bildung einer Konkrementvakuole aus Zisternen des Endo-
plasmatischen Reticulums. Zu den mineralischen Konkrementkernen gealterter Vakuolen können noch autolysosomale Bestandteile hinzugefügt werden . (Nach Humbert 1974)
Larven von Ephemeroptera, Plecoptera, Trichoptera und Lepidoptera kommen hierfür im Darmepithel neben den üblichen Zellen die sog. Becherzellen vor (vgl. 4.5.1 und Abb. 5-35). Auf ihren apikalen Membranen, die den Becher begrenzen, sitzt, ähnlich wie bei den Hauptzellen der Malpighischen Gefäße (s. 5.4.1.4) eine Na-unabhängige Kaliumpumpe. Diese sorgt bei Schmetterlingsraupen dafür, da ss gegen den hohen Kaliumgehalt des Darmes von 208 mmol I-I solches aus der Hämolymphe mit einem Gehalt von 27 mmol I-I zurückgepumpt wird. Zwar ist in diesem Fall der Kaliumgehalt der Hämolymphe gegenüber Insekten mit kaliumarmer Nahrung (ca. 8 mmol l") immer noch vergleichsweise hoch , doch schützen die Becherzellen da s innere Milieu dieser Pflanzenfresser vor einer noch größeren Kaliumbelastung und entlasten gleichzeitig die Malpighischen Gefäße. Die Innenseite der den Becher begrenzenden Mikrovilli ist mit Partikeln besetzt, die einen Durchmesser von 10-12 nm haben, ATP-ase-Aktivität aufweisen und das Kalium gegen ein lumenpo sitives Potential von 40-100 mV transportieren: K+·Portasomen. Als primärer Tran sportmechanismus wird ebenfalls eine Protonenpumpe favorisiert, die die Energie für einen membranpotentialgetriebenen K/nH-Antiport liefert
5.4 Exkretion
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q Abb. 5-34: Schema zur Kationenlokalisation nach Antimonatfällung in einer Mitteldarmzelle (links) sowie hypothetischer Ionenzyklus und Einbau in Konkrementvakuolen (rechts) bei einem Collembolen. (Nach Humbert 1978)
(Abb. 5-35, vgl. 5.4.1.4 und Abb. 5-23). Das Kalium gelangt dabei über Ionenkanäle in der basolateralen Zellmembran aus der Hämolymphe in die Zelle und wird apikal in die Kavität der Becherzelle gepumpt. Über eine Zwischenbindun g an anionische Gruppen der extrazellulären Matrix (Glykoprotein) gelangt es in das Darm lumen. Andere Modelle favorisieren ebenfalls eine elektrogene Kaliumpumpe, deren Antrieb aus einer V-ATPase besteht. Ander s als beim Antiportmodell soll es sich jedoch um eine leicht modifizierte V-ATPase hand eln, die, statt Protonen , Kalium transport iert.
159
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,, Schaben und Termiten angeführt, bei denen Urate eine mobile Stickst offreserve darstellen . Freilandtiere der Termite Reticulitermes flavipes entha lten nur 1- 2% ihres Trockengewichtes an Uraten. In gut gefütte rten Laborkulturen steigt dieser Anteil auf 45 %, was demn ach als Hält erun gsart efakt zu betr acht en ist. And ere bewerten die Konkremente des Fettkörpers als Ion enfalle, um überschü ssige Osmoeffekt oren bei Wasserstre ss zu bind en.
5.4.4.4 Integument 5.4.4.3 Fettkörper Der Fettkörper ist das zentrale Organ des Stoffwechsels der Insekten und erfüllt neben einer ganzen Reihe anderer Aufgaben (s. 4 .8) auch die Funktion eines Speicherorgan s für Exkrete. Bei Collembolen, die keine Malpighi schen Gefäße besitzen, ist der Fettkörper neben dem Mitteldarm das zweite wichtige Exkretionsorgan . Bei älteren Tieren sind weite Bereiche des Fettkörpers von kristallinen Grana angefüllt, die in ihrem Bau den schon im Mitteld arm gezeigten Konkrementvakuol en (Abb. 5-33, 5-34; vgl. auch Abb. 5-18 C) gleichen. Auch bei den übrigen Insekten gehören Konkremente zum festen Bestandteil des Fettkörpers. Neben einem mineralischen Anteil werden Polysaccharide, Harn säure , U rate und andere Derivate des Purinstoffwechsels wie Hypoxanthin, Allantoin und Allantoinsäure nachgewiesen. Speicherort der Exkrete im Fettkörper sind die sog. Uratzellen. Es wird angen ommen, da ss die Kon krementspeicherung häufig im Sinne einer Zwischenspeicherung stattfindet. Als Beispiele werden
Das Integument wird von verschiedenen Insekten als Depot für Exkrete benutzt, indem Metabolite, vor allem aus dem Stickstoffwech sel (s. 5.4.5), sowohl in der Cuticula wie in den Epid ermi szellen abgelagert werden. Beispiele liefern verschiedene Schmetterlinge, bei denen Purine und Pteridine (Abb. 5-36, 5-37) in der Cuticula und in den Flügelschuppen perm anent gespeichert werden (Schuppen der Pieridae, Weißlinge). Hingegen werden die weißen Band en auf dem Abdomen der Wanze Dysdercus von epidermalen Harnsäurekristallen gebildet. Ommochrome, Ommine und Kynurenin (Abb. 5-36, 5-37), die als sekundä re Metabolite und Endprodukte des Trypt ophan stoffwechsels gelten, werden ebenfalls in der Cuticula und verschiedenen Geweben abgelagert (Schirmpigmente der Augen , vgl. 11.4).
160
5 Wasserhaushalt, Osmo- und Ionenregulation sowie Exkretion
pHl0.5
der Annahme eines K+/nW-Antiports in der apikalen Zellmembran der Mikrovilli. 1 Ionenkanal für K+ in der basalen Zellmembran, 2 Verbleib komplementärer Anionen in der Hämolymphe, 3 aktive Protonenpumpe (primärer Transportmechanismus) in der apikalen Zellmembran, 4 sekundär aktiver K+/nW-Antiport, 5 potentieller Anionenkanal in der apikalen Zellmembran (vermutlich meist geschlossen), 6 Bindung von K+ an Sulfonatgruppen der extrazellulären Glykoproteinmatrix, 7 Efflux von K+ in das Darmlumen und Bindung (im Austausch mit Protonen) an Carbonat, 8 Ausschleusung von Protonen in die Hämolymphe, 9 Bildung von Hydrogencarbonat in einer trophischen Mitteldarmzelle und Passage über einen Antiport mit Chlorid in das Darmlumen, wo sich unter Protonenentzug ein alkalisches Darmmilieu einstellt. (Kombiniert nach Wieczorek 1992, Harvey 1992 sowie Wieczorek und Klein 1997 sowie mdl. Mitteilung Wieczorek)
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Abb. 5-35: Modell zum Ionentransport in den Becherzellen des Mitteldarms phytophager Insekten unter
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z.B. Argin in Histid in Cystin Tryptophan -
Ommatine Kynurenin :::: (Ommochrome) Ommine
5.4.5 Die Exkretion von Stickstoff Stickstoff ist lebenswichtiges Element für den Aufbau der Eiweißkörper und Nucleotide und wird von den meisten Insekten reichlich mit der Nah-
Abb. 5-36: Vereinfachte Darstellung der Stoffwechselwege für die Exkretion von Stickstoff. (Verändert nach BurseIl 1967 und Cochran 1985)
rung aufgenommen . Im Vergleich zu Phosphor und Schwefel, die in vergleichsweise geringen Mengen aus dem katabolischen Stoffwechsel anfallen, ist die Eliminierung des Stickstoffs die wichtigste Aufgabe für das Exkretionssystem. Ein Teil des Stickstoffs wird von den Exkretionsorga-
5.4 Exkretion
nen ausgeschieden, ein anderer wird im intermediären Stoffwechsel inaktiviert und in verschiedenen Geweben oder im extrazellulären Raum gespeichert. Einige Insekten ernähren sich jedo ch von sehr stickstoffarmer Kost, weshalb Stickstoffmangelsituationen auftreten können . Hierzu gehören im weiteren Sinne die zahlreichen Saprophagen, die im Boden mit dem Abbau der Streu befasst sind, die Xylophagen und einige Detritusfresser. Als Beispiel mögen die Termiten dienen, deren Nahrung nur 0,03-0,15 % Stickstoff enthält bei einem CIN Verhältnis von bis zu 400. Sie haben deshalb Strategien entwickelt, Stickstoff mithilfe einer mikrobiellen Darmflora wiederzuverwerten und die exkretorischen Verluste gering zu halten . Auch bestimmte Schabenarten werden als sparsame Stickstoffverwerter betrachtet, die zwar größere Mengen an Stickstoffexkreten produzieren, diese aber im Fettkörper und akzessorischen Drüsen zwischenspeichern. Grundsätzlich sind für die Stickstoffexkretion von Insekten zwei Strategien von Bedeutung, Ammoniotelie und Uricotelie. Hinzu kommen Sonderformen der Abscheidung in Form von Aminosäuren (z. B. auch Tryptophan mit Derivaten) und Pteridinen , während die Harnstoffexkretion (Ureotelie) kaum eine Rolle spielt. Das Hauptprodukt der Stickstoffexkretion ammoniotelischer Tiere ist das giftige Ammoniak (Abb. 5-36, 5-37), das meist in reichlich Wasser gelöst, ausgeschieden wird. Ammoniotelie ist deshalb hauptsächlich auf aquatische Insekten beschränkt, die einen stark verdünnten ammoniakhaItigen Harn über den Enddarm (Aeshna, Dyt iscus, Eristalis, Sialis) abscheiden. Soweit permeable Körperabschnitte vorhanden sind (Kiemen, Papillen) kann die NlIj-Abgabe auch direkt über das Integument in das umgebende Wasser erfolgen. Unter den terrestrischen Insekten gibt es allerdings einige Spezialisten, deren Exkremente hohe Konzentrationen an Ammoniak enthalten können, ohne dass es zu schädlichen Konzentration in der Hämolymphe und den Geweben kommt. Es handelt sich um Dipteren (Sarcophagidae und Calliphoridae), die sich von ammoniakhaitiger, proteinreicher Nahrung in Form von Aas ernähren und über den Darminhalt bereits größere Mengen an Ammoniak aufnehmen (Konzentrationen im Vorderdarm 850 mmol I-I , Mitteldarm 130 bis 16 mmol l'), Die Deaktivierung des über den Mitteldarm aufgenommenen Ammoniaks erfolgt hier entweder auf dem Wege der Bildung von Aminosäuren oder von NH;j, denn der Gehalt an freiem Ammoniak bleibt in der Hämolymphe (0,01 mmol l" ) und in den Malpighischen Gefäßen (0,01-1 ,0 mmol I-I) sehr gering. NHt wird aus der Hämolymphe direkt über den Enddarm ausgeschieden, der hier über keinen
161
o ß
H
HN/C'-C....- N" NHJ
I
P
o Ammoniak
Harnstoff
c=o
11
<,
/ c
U
<,
N/
H
Harnsäure
H /N <, C....O N~2
c--c
C,
"w.H . I
CH-N/
0
H
Allantoin NH2
~CH2bHCOOH ~N/CH
?t
7H2
~CCH2CH COOH ~NH2
H
Tryptophan
Kynurenin OH
N Y y N ' r OH
H2N~"J....... N N. , Xanthopterin
N~N'rOH
H2N~"J....... "j-OH N N Leucopterin
Abb. 5-37: Zusammenstellung einiger Zwischen- und Endprodukte der Stickstoffexkretion von Insekten. (Nach BurseIl 1967 und Cochran 1985)
abgegrenzten rektalen Abschnitt verfügt. Ferner ist der Enddarm selbst zur Desaminierung befähigt, weshalb die Zwischenspeicherung von NH 3 im Aminosäurepool der Hämolymphe einem Shuttlesystem gleichkommt. Aus den Enddarmexkrementen erfolgt die Eliminierung des Ammoniaks (956 mmol l') teilweise über Entgasung der Faeces und Freisetzung an die Luft. Auch bei den übrigen Insekten geht man davon aus, dass geringe Mengen NHt ständig über die Malpighischen Gefäße als Bikarbonat oder Oxalat ausgeschieden werden. Denkbar ist auch, dass ammoniakhaltige Exkrete im Enddarm erst durch die Tätigkeit von Mikroorganismen entstehen. Allgemein nimmt man an, dass weit mehr terrestrische Insekten den Pfad der ammonioteli schen Exkretion benutzen als bisher bekannt ist. Von großem Einfluss ist die Zusammensetzung der Nahrung. Wird Periplaneta americana mit proteinreicher Nahrung gefüttert , so wird der größte Anteil des Stickstoffs über NH 3 entsorgt. Wichtigstes Exkret der uricotelischen Insekten ist die Harnsäure (Abb. 5-36, 5-37) und ihre nahverwandten Verbindungen, deren Eigenschaften umso stärker ins Gewicht fallen, je knapper Wasser wird. Von entscheidender biologischer Bedeutung ist ihre geringe Löslichkeit unter den schwach sauren Bedingungen im Endabschnitt des Exkre-
162
5 Wasserhaushalt, Osrno- und Ionenregulation sowie Exkretion
tionssystems (1,1 mmol 1-1 bei pH 5,5) und ihre geringe Toxizität, wodurch die Voraussetzung zur Abscheidung großer Stickstoffmengen in kristalliner Form bei sparsamster Verwendung von Wasser gegeben ist. Dies betrifft sowohl die intrazelluläre Ablagerung und die Bildung von Harn mit einem hohem Festanteil. Dennoch gibt es Grenzen für die Ablagerung im Körper, weshalb Insekten mit proteinreicher Nahrung stets auch über Mechanismen zur Exkretion der Harnsäure verfügen . Die Tsetsefliege Glossina morsitan s beseitigt 50% des Trockengewichts der aufgenommenen Blutmahlzeit in Form von Harns äure, Arginin und Histidin , um das Stickstoffbudget des Körpers nicht über Gebühr zu belasten . Ähnlich verfährt die Wanze Rhodnius prolixus, die nach der Aufnahme großer Blutmengen (bis zum 10fachen des Körpergewichts) Urate aktiv im proximalen Abschnitt der Malpighischen Gefäße abscheidet , wonach bei gleichzeitiger Entwässerung und Ansäuerung die Präzipitation zu Harnsäurekristallen erfolgt (zur Bildung von Konkrementen ohne Beteiligung von Harnsäure siehe s. 5.4.1.4). Bei der Mückenlarve Arachnocampa luminosa werden gemischte Konkremente aus Calciumphosphat und Harnsäure gebildet. Hauptsyntheseort für die Harnsäure ist der Fettkörper. Nahverwandte Verbindungen der Harnsäure sind Hypoxanthin, Xanthin, Allantoin und Allantoinsäure (Abb. 5-36, 5-37), deren Exkretion als modifizierte Harnsäureexkretion innerhalb der Insekten jedoch von untergeordneter Bedeutung ist. Ausgangsmaterial für die Harnsäurebildung sind die Purine aus dem Nucleins äurestoffwechsel und die de novo-Synthese in Verbindung mit dem Proteinstoffwechsel (Hauptsyntheseweg). Von den übrigen Geweben verfügen noch der Darm und die Malpighischen Gefäße über die entsprechende Enzymausstattung. Der Syntheseort der Harnsäure braucht jedoch nicht ihr Exkretionsort zu sein. Im Falle der Synthese im Fettkörper führt dies zu Transportproblemen, da ein Transport über die Hämolymphe zu den Malpighischen Gefäßen in gelöster Form notwendig wird. Wahrscheinlich erfolgt dieser in Form der K1Na-Urate, die noch vergleichsweise besser löslich sind als die Harnsäure selbst. Die Analyse von Konkrementen aus dem Fettkörper der Schabe Periplaneta americana ergab neben dem Gehalt an Harnsäure stets einen hohen Anteil von K+ und Na+. Wahrscheinlich bestehen die harnsäurehaitigen Konkremente aus einer Mischung von Harnsäure und ihren Salzen, den Uraten. Harnstoff (Abb. 5-36, 5-37) wird zwar im Stoffwechsel zahlreicher Insekten gebildet, doch tritt er bis auf wenige Ausnahmen nur in Spuren in der Hämolymphe und im Exkretionssystem auf. Auch die Exkretion von Aminosäuren ist, gemessen an
ihrer hohen Konzentration in der Hämolymphe, meistens sehr gering. Bis zu 20 Aminos äuren wurden zwar im Primärharn des Rüsselkäfers Anthonomus grandis nachgewiesen, ihr Beitrag zur Gesamtstickstoffexkretion betrug jedoch weniger als 3%. Nur in Einzelfällen werden größere Mengen an Histidin , Arginin (Glossina morsitans, Manduca sexta) und Cystin (Tineola bisselliella, Attagenus piceus) ausgeschieden . Bei Lo custa wird zwar Prolin aktiv in den Primärharn abgeschieden, doch erfolgt anschließend die Rückresorption im Rektum. Einen Spezialfall stellt die Ausscheidung von Aminos äuren im Honigtau von Pflanzensaugern dar. Bei der grünen Gemüsewanze Nezara viridula wurden bis zu 27 Aminosäuren darin gefunden, wovon 19 bereits im Pflanzensaft selbst vorhanden waren. Dies unterstreicht die Bedeutung des Honigtaues als Nahrungsgrundlage für andere Insekten. Ein weiterer Spezialfall der Aminosäureexkretion ist die Metabolisierung des Tryptophans (Abb. 5-36, 5-37), das als Ausgangssubstanz für die Ommochrome gilt. Diese tragen zur Pigmentierung von Augen, Cuticula, Gonaden und Malpighischen Gefäßen bei. Tryptophan wurde bei verschiedenen Insekten in den Exkreten nachgewiesen, desgleichen Kynurenin (Abb. 5-37) als Zwischenprodukt bei Lepidopteren im Meconium (vgl. 5.4.2). Tryptophan und einige seiner Derivate gelten in höheren Konzentration als toxisch (Mutagene und Cancerogene). So führt erhöhter Gehalt in der Nahrung zu Darmtumoren bei Insekten. Eine letzte bedeutende Gruppe stickstoffhaltiger Exkrete sind die Pteridine (Abb. 5-37). Sie sind von weißer, gelber oder roter Farbe und tragen zur Farbtracht zahlreicher Insekten bei. Auch hier handelt es sich um ein Beispiel für Speicherexkretion. Hauptorte der Ablagerung sind Flügelschuppen (Pieridae), Augen und Epidermiszellen, doch wurden Spuren auch in Malpighischen Gefäßen und in Meconien nachgewiesen.
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6 Atemsystem Lutz Thilo Wasserthai
6.1 Hauptmerkmale des Tracheensystems Insekten sind primär landlebende Tiere, deren cuticulares Exoskelett vor Verdunstung und eindringendem Wasser schützt. Die mit einer Wachsschicht bedeckte Cuticula ist als Oberfläche für den Atemgasaustausch prinzipiell ungeeignet. Nur wenn sie membranös und ohne wasserabweisende Wachsschicht ist, ermöglicht sie einen Gasaus tausch . Diese Bedingungen sind nur bei einigen in feuchtem Milieu lebenden Kleinformen und einigen Larvenstadien erfüllt, die über die Haut oder mit Kiemen atmen. Zur Atemgasversorgung besitzen Insekten in der Regel ein von seitlichen Öffnungen der Körperoberfläche, den Stigmen, ausgehendes Röhrensystem, das Tracheensystem. Durch seine Verzweigungen bietet es eine große innere Oberfläche. Über die feinsten Enden, die Tracheolen, leitet es die Atemluft gasförmig zu den Geweben, z. T. bis in die Zellen hinein. Der Sauerstofftransport erfolgt somit weitgehend ohne Vermittlung der Hämolymphe. Respiratorische Pigmente gibt es nur bei einigen Spezialisten, die sekundär unter extrem sauerstoffarmen Bedingungen im Wasser oder als Endoparasiten leben. Filter-Strukturen und Ventile am Eingang der Stigmen verhindern das Eindringen von Fremdkörpern bzw. dienen zur Regulation des Gasaustausches unter gleichzeitiger Verminderung des transpiratorischen Wasserverlustes. Die "Erfindung" des Tracheensystems hat sicher entscheidend zum evolutiven Erfolg der Insekten beigetragen. Sie hat das Besiedeln des Landes, sogar trocken-heißer Lebensräume und durch Gewichtsreduktion den Flug ermöglicht. Der Transport der Atemluft über das Tracheensystem nutzt die höhere Diffusionsrate in der Gasphase gegenüber der Flüssigkeitsphase. Wenn man von der Vorstellung ausgeht, dass die ancestralen Tracheaten von annelidenartigen Ahnen abstammen , müssen Tracheensystem und offener Kreislauf im Laufe der Evolution ein geschlossenes Blutgefäßsystem mit Hämoglobin als Sauerstoff-Transporteur abgelöst haben. Wahrscheinlich verlief die Evolution der Tracheaten über Kleinformen mit Hautatmung, bei denen das geschlossene Gefäß-
system und die respiratorischen Pigmente verloren gingen. Auch wenn die heute lebenden Apterygoten mit nur I, 2 oder 3 Stigmenpaaren (Collembola, Protura, bzw. Diplura) sekundär reduziert sind, so zeigen sie doch modellhaft , dass Kleinformen in feuchter Atmosphäre mit weitgehender Hautatmung existieren können (Abb. 6-1). So entbehren manche Collembolen die vor Verdunstung schützende Wachsschicht und StigmenVentile.
6.1.1 Ontogenese Die Tracheen entwickeln sich aus ektodermalen hohlen Einstülpungen, deren Mündungen zu den Stigmen werden (Abb. 6-2A). Ursprüngli ch besitzt jedes Rumpfsegment I Paar seitliche Atem öffnungen. Dem Kopf fehlen solche Anlagen stets. Am Prothorax treten Tracheenanlagen vereinzelt und auch nur vorübergehend während der Embryonaloder Larvalentwicklung auf Stattdessen rücken die Mesothorax- und Metathorax-Stigmen nach vorn bis an die Segmentgrenze oder bis in das vorangehende Segment hinein. Die 8 abdominalen Stigmen bleiben intra segmental. Als Teil des cuticularen Exoskeletts muss das Tracheensystem während des Wachstum s mehrmals neu gebildet und mitgehäutet werden. Die neuen Tracheen bilden sich dabei um die alten herum und an den Enden entstehen neue Aufzweigungen, mit denen sich die ebenfalls vermehrten Tracheolenzellen verbinden. Während der Häutung müssen sich die Längs- und Queranastomosen an Sollbruchstellen, denen die Spiralversteifung fehlt, trennen und die alten Tracheen von den Tracheolen lösen (Abb. 6-2B). Die kleineren Tracheenzweige kollabieren und verbleiben nach der Häutung meist im erweiterten Lumen der neuen Tracheen. Nach der Metamorphose können sowohl einzelne Längs- als auch Querverbindungen degenerieren (Abb. 62D). Bei den endopterygoten Insekten wachsen die definitiven Flügeltracheen neben den Puppentracheen in die Flügeladern ein. In der Nähe sich entwickelnder Organanlagen finden sich vor, aber auch noch nach den Häutungen, umfangreiche Knäuel von unentfalteten Tracheen. Unter der Wirkung von Ecdyson bilden Epithelzellen bis zu
166
6 Atemsystem
c
o
Abb. 6·1: Diversität derTracheensysteme. A Getrennte segmentale Ausstattung bei Machiliden, Bsekundär reduziertes System des Collembolen Sminthurus und Cbei einer sekundär flügellosen Schildlaus, 0 amphipneustisches System einer Made von Musca, E metapneustisches System einer Schwimmlarve von Cu/ex. FTracheenkiemen im Rectaldarm bei einer Aeschna-Larve, G äußere Tracheenkiemen bei einer Ephemeriden-Larve, HTracheensystem einer Schabe, I das durch Luftsäcke stark erweiterte Tracheensystem von Apis. (A,B,C aus Weber 1933, D,E,I nach Snodgrass 1935, 1956, F,G nach Wigglesworth 1972, H nach Baudet & Sellier 1975)
100llm lange Fortsätze, um die noch aufgeknäuelten Tracheen an sich heranzuziehen. Bei Sauerstoff-Mangel, bedingt durch Tracheendefekte, können auch beim gehäuteten Tier noch Tracheen in Gewebe einwachsen. Der Sauerstoff-Gehalt während der Entwicklung kann Einfluss auf das Lumen der nächsten Tracheengeneration haben. Bei den Larven von Tenebrio molitor führt eine Reduktion des Sauerstoffgehalts in der Atemluft
auf 15% zu einem 40% größeren Tracheendurchmesser bei gleich bleibender Entwicklungsgeschwindigkeit und ohne Vitalitätsverlust. Während bei den meisten hemimetabolen Insekten die Änderungen im Tracheensystem im Wesentlichen nur die Größe betreffen, findet bei den holometabolen während der Metamorphose eine grundlegende Umgestaltung auch des Tracheensystems statt. Ein wichtiger Schritt ist dabei die Entfaltung
167
6.1 Hauptmerkmale des Tracheensystems
A
Dorsalgefaß
Stigma I Stigma 11
c H mocOt
lateraler Längs· stamm
B
r. viszeraler Längsstamm ventraler ~~~'~~'±l ~ I~~~~~-
o
Abb. 6-2: Tracheen Grundausstattung. A Embryonales Tracheensystem bei Carausius, B Schema des Vorderkörpers eines pterygoten Insekts, C Gliederung des Hämocöls und Trachenversorgung eines Körpersegments im Querschnitt, D Vorderkörper von Schistocerca (A, ( nach Snodgrass 1935, B nach Weber 1966, D nach Miller 1960). Pfeilspitzen in B: Sollbruchstellen für Häutung der längs- und Querstämme, Pfeile in D: Strömungsverlauf in den Kophracheen bei Ventilations-Bewegungen.
und Volumenzunahme des Tracheensystems nach der Flügelentfaltung (Abb. 7-19).
Entwicklungsstadien innerhalb einer Art als auch bei verschiedenen Arten eine große Mannigfaltigkeit auf (Abb.6-1). Unter den heute lebenden Apterygoten stellen wohl die Formen mit segmental getrennten, wenig verzweigten Tracheenstäm6.1.2 Tracheen und Luftsäcke men den ursprünglichsten Typ dar (Machilidae, Abb. 6-1). In den frühen Entwicklungsstadien eiEntsprechend der unterschiedlichen Lebensweise niger Insekten wird das homonom gegliederte, und der genutzten vielfältigen Lebensräume weist segmental getrennte Tracheensystem noch vodas Tracheensystem sowohl bei den verschiedenen rübergehend ausgebildet (Carausius: Abb. 6-2).
168
6 Atemsystem
A
Endocul icula Mal rixzelle
Bl
Spirallaen idium
- '-;' "
t ..-'..
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:::-~
Luft
' ~
Mal rixze lle
Cl
Abb. 6-3: Tracheen mit Spiraltaenidien.A Ausschnitt einer stigmennahen Trachee, 8 Raupentracheen mit enger und steifer Taenidienspirale, die nur Streckung und Biegung erlaubt. ( Puppentrachee mit gefältelter Intima zwischen den Spiraltaenidien, die leichte Volumenänderungen ermöglicht. 81, (1 gestaucht, 82, (2 gestreckt, (A nach Weber 1933, B,C nach Wasserthai 1998)
Bei den meisten Insekten entspringen dicht hinter den segmentalen Stigmen von einer Erweiterung (Vestibulum) ausgehend meist Büschel von Hauptstämmen, die nach dorsal, zur Körpermitte hin und nach ventral führen (Abb. 6-2C). Meist anastomosiert jederseits ein nach vorn und nach hinten gerichteter Längsstamm mit den entsprechenden Tracheen des benachbarten Segments. Daneben gibt es dorsale und ventrale Querkommissuren zwischen den beiden Körperseiten (Abb. 6-2B). Während bei den kriechenden und eher trägen Insekten , wie z. B. den Larvenstadien, fast alle Tracheen als zylindrische Röhren ausge-
bildet sind (Abb. 6-1 A-G), sind bei den flugtüchtigen Imagines die Tracheen teilweise oder fast alle zu blasigen Luftsäcken erweitert (Abb. 6-1 I, 6-4). Meist sind jedoch wenigstens die zuführenden Tracheen nahe den Stigmen noch entsprechend dem röhrenförmigen Grundtypus gebaut : Ihr konstanter runder Querschnitt wird durch eine cuticulare Innenauskleidung (Intima) mit einer kräftigen Spiralverstärkung (Taenidium) aus sklerotisierter Cuticula stabilisiert (Abb. 6-3A). Diese der Exocuticula entsprechende Versteifung ermöglicht, dass die Tracheen wie ein Staub saugerschiauch bewegt und gebogen werden können, und verhindert gleichzeitig, dass sie bei Druckerhöhung im umgebenden Hämocöl und bei Körperverformungen kollabieren. Bei besonders durch Überdruck im Hämocöl beanspruchten Tracheen, z. B. der Maden und Raupen , verläuft die Spiralversteifung besonders eng (Abb. 6-3B). Bei Puppen und Imagines befindet sich zwischen den Spiralwindungen häufig gekräuselte oder gefältelte Intima, die nach innen oder außen gewölbt werden kann und damit eine leichte Volumenänderung durch teilweise Querschnittvergrößerung oder -verkleinerung ermöglicht (Abb. 6-3C). Das Taenidium kann gegabelt sein (bei den meisten Insekten) sowie durch bogenförmige Teilstücke zwischen den Windungen (z. B. Dytiscidae) oder Querbrü cken (z. B. Buprestidae) ergänzt sein. Bei den flugaktiven Imagines besonder s der holometabolen Insekten sind die Tracheen-Abschnitte oft stark erweitert oder besitzen anh ängende Luftsäcke (Abb. 6-4). Im voll entwickelten Adultu s sind diese zwischen dem Integument und den Organen aufgespannt. Durch Unterdruck im Hämocöl und Adhäsionskräfte durch die umgebenden dünnen Hämolymphfilme stehen diese Luftsäcke im Ruhezustand unter einer Dehnungsspannung, die bei Volumenänderung erhöht oder erniedrigt werden kann . Die einfach-spiralversteiften Tracheen können ihr Volumen nur dann ändern , wenn sie anstelle eines rund en einen ovalen (Blattodea), zitronenförmigen oder sicheiförmigen Querschnitt (Pieris-Puppen) haben, oder wenn das Spiraltaenidium nochmals in sich spiralisiert ist wie die Supercoil in den Flügeltracheen der Pfauenspinner (Abb. 6-5A). Ein anderes Faltung sprinzip findet sich in der Bogenfeder-Doppelspirale der abdominalen Luftsäcke von Calliphora, die durch Adhäsionskräfte aufgespannt gehalten werden (Abb. 6-5B). Das extrem dehnfähige Faltungsmuster der vorderen abdominalen Luftsäcke des Totenkopfschwärmers hat eine Intima-Struktur wie ein Zieharmonika-Balgen (Abb. 6-5C). Diese Luftsäcke werden durch permanente Ventilationsbewegungen besonders beansprucht. Bei besonders dünnwandigen Luftsäcken mit dünner Intima spielt das reich entwickelte Cytoskelett der Tra-
6.1 Hauptmerkmale des Tracheensystems
A
dorsaler Lun""" k 11 FlugrruSkeli<Jnsack Flugrruskeltraetle«l
~::-.rer
169
FlugtTIJSkel·LangSS1arm1
111
2
3
4
5
6
7
6
B
nvn
Sbgma 1
1. 11. 111
1. 2 • 6
sngma2
Sbgma 3
Pr<>-. Meso-. Melatnorax IlIlCxlOmnaie Sf9T*lle
Abb. 6-4: Tracheensysteme bei endopterygoten Fluginsekten. A Halbschematische Darstellung der rechten Körperhälfte an der Grenze zwischen dorsolongitudinalen und dorsoventralen Flugmuskeln des Schwärmers Sphinx ligustri. Zwischen den Flugmuskeln verlaufen flächige luftsäcke (Rastertextur). Die luftsäcke von Metathorax und 1. Abdominalsegment sind vereinigt und werden rückseitig von einem Muskelseptum begrenzt. B Blick in die rechte Körperhälfte von Calliphora vicins. Kopf und vorderes Abdomen sind weitgehend von luftsäcken ausgefüllt. Die Verbindung zwischen thorakalen luftsäcken und abdominalem luftsack ist degeneriert. (A nach Wasserthai 2003, B umgezeichnet nach Faucheux 1973)
cheenzellen eine wichtige Rolle für die Aufrechterhaltung der Dehnungs-Spannung (Abb. 6-6). In diesen Zellen ließen sich bisher Aktin und Mikrotubulibündel nachweisen. Das Volumen der Luftsäcke kann entsprechend der vielfaltigen Faltungsmuster der Intima mehr oder weniger stark verändert werden. Im Abdomen erfüllen die Luftsäcke neben der Atemfunktion häufig eine Platzhalterfunktion für die sich entwickelten Gonaden oder den mit Nahrung oft prall gefüllten Kropf Feine Höcker (Calliphoridae, Dynastinae) oder Dornen (Cerambycidae, Chrysomelidae, Lepidoptera) entlang des Taenidiums oder verteilt über die Intima bestimmter Tracheen und Luftsäcke dienen möglicherweise der Vermeidung von Wassertropfen-Kondensation an der Innenwand der Tracheen, wenn sich die wasserdampfgesättigte innere Atmosphäre abkühlt. Schon bei einer Tern-
peratur-Abnahme von weniger als 0,5 °C können sich z. B. in den Tracheen von Schabenbeinen Kondenswassertröpfchen bilden. Kondensationsgefahr besteht besonders an KörpersteIlen, die plötzlichen starken Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Dies gilt beispielsweise für die Luftsäcke im Kopf von Calliphoriden und Hepialiden, in den Elytren von Nashornkäfern sowie für die Tracheen in den dunkel beschuppten Flügeladern bei Papilioniden und Nymphaliden, die nach Besonnung schnell abkühlen können (Abb. 6-5D,E). Auch in der Nähe der Stigmenöffnungen tragen die Tracheen oft rauhe oder pelzige Innenflächen, um Benetzung mit Wasser zu verhindern .
170
6 Atemsystem
., ~ c,
o
E
6.1.3 Tracheolen Die feinsten Enden des Tracheensystems sind die Tracheolen. Sie liegen innerh alb einer Zelle, der Tracheolen-Endzelle, die häufig sternförmig verzweigt und in die zu versorgenden Gewebezellen eingewachsen ist. Tracheolen haben einen Innen durchmesser von etwa I um bis weniger als 0,17 um und eine Wandstärke von etwa 0,080,03 um, Ihr Minimaldurchmesser wird durch die physikalische Grenze der Beweglichkeit von Gasmolekülen limitiert . Die Intim a ist ebenfalls mit einem Spiral- oder Ringeltaenidium versteift. Die Wachsschicht soll in den Tracheolen fehlen. Am reichlichsten ist die Versorgung mit Tracheolen bei Organen mit hohem Stoffwechsel, wie z. B. den Flugmu skeln, den Augen oder Leuchtorganen. Hier enden die Tracheolen intrazellulär unmittelbar neben oder zwischen den Mitochondrien (Abb. 6-7A). Bei Drosophila wurde jüngst in den Tracheolenendzellen Hämoglobin nachgewiesen. Der Transport des Sauerstoffs von den Tracheolen-Endzellen durch die Zellflüssigkeit bis in die Mitochondrien und der COrAbtransport ist
Abb. 6·5: Feinbau hochelastischer Tracheen und Luftsäcke. A Flügelader mit "Supercoil"-Trachee von Attacus atlas im relaxierten und gedehnten Zustand. B .Clamp spring" Intima des abdominalen Luftsacks von Calliphora. C "Miura"-Faltung des vorderen abdominalen Luftsacks von Acherontia etropos. Jeweils links entspannt, rechts gedehnt. D Bedornte Intima der FlügelTrachee des Papilioniden Troides plateni, E Büschelfortsätze im Kopfluftsack des Hepialiden Fraus minima. (A, B, C,D nach Wasserthai 1996, 2003, Enach Nielsen & Kristensen 1989)
wahrscheinlich komplexer als bisher angenommen. Sicher dient die Hämolymphe als Zwischenspeicher und als Transportmedium für das leicht wasserlösliche CO z. Da der Oberflächenkontakt zwischen Mitochondrien und Zellflüssigkeit viel größer ist als der Kontakt mit den Tracheolen, ist schon daraus der Abtransport des CO z zunächst über Cytoplasma, Interzellularflüssigkeit und Hämolymphe gegeben, bevor das CO z wieder in die mehr stigmennahen Tracheen oder Luftsäcke übertritt. Bei diapausierenden Tieren kann das CO z in der gepufferten Hämolymphe gelöst sogar über längere Zeit (bis über 24 h) gespeichert werden, bevor es schubartig in Form eines "Bursts" ausgeatmet wird. Auch in der Hämolymphe physikalisch gelöster Sauerstoff spielt eine begrenzte zusätzliche Rolle für die Versorgung. Dies gilt besonders für Hämocyten, die durch ihre Beweglichkeit naturgemäß keine feste Bindung an Tracheen haben oder Gewebe mit geringer Stoffwechselaktivität, wie z. B. in den sich neu bildenden Organen der Puppen. Bei verschiedenen inaktiven Insekten wird in den Endverzweigungen der Tracheolen eine Flüssigkeitssäule beobachtet, die bei Aktivit ät in das
6.1 Hauptmerkmale des Tracheensystems
171
Abb. 6-6: Änderung des Hämocöl· und Luftsackvolumens imVerlauf der Entwicklung von Puppe zu Falter am Beispiel des Tibien-Querschnitts. A Das Hämocöl der Puppentibia wird durch ein Längsseptum in einen Einstrom- und Ausstrom -Sinus geteilt, dieTrachee hat einen sehr kleinen Durchmesser. B1 Die Trachee in der Faltertibia hat im entspannten Zustand einen rechteckigen Querschnitt. Sie hat etwa 50 % des Hämocöls verdrängt. Cl Durch periodischen Hämolymph-Entzug imVorderkörper infolge der diskontinuierlichen Kreislaufaktivität dehnt sich die Trachee vor allem in den dorsalen Sinus aus und atmet ein. B2, C2 Matrix-Zelle eines Beinluhsacks mit Kräuselintima im entspannten und gedehnten Zustand, 0, E Längsschnitt durch eine Matrixzelle mit Cytoskelett. (Nach Wasserthai 1998)
Cytoplasma übertritt (Abb. 6-7B). Bisher ging man davon aus, dass sich mit dem Auftreten von Metaboliten in der aktiven Zelle deren osmotischer Wert erhöht und damit die Flüssigkeit in die
Zelle gesaugt wird. Im ruhenden Gewebe soll die Flüssigkeit durch Kapillarkraft in das distale Tracheolenlumen zurückkehren bzw. das infolge Wasserdampfsättigung kondensierende Wasser in den B
Hämolymphe
Gewebe
Muskefzelle
Abb. 6-7: A Tracheolen-Versorgung des Flugmuskels eines Schwärmers. Die runden, spiralversteihen Tracheolenzellen folgen dem transversalen T-System bis neben die Mitochondrien. B Tracheolenendigungen mit und ohne Flüssigkeitssäule im ruhenden bzw. aktiven Gewebe. (Anach Ergebnissen v. Wigglesworth & Lee1982. Bnach Wigglesworth 1972 aus Weber &Weidner 1974)
172
6 Atemsystem
Tracheolen verbleiben. Möglicherweise wird der Wassertransport aber auch über Transportproteine aktiv reguliert. Solche Membranproteine, die Aquaporine, wurden jüngst in Tracheenzellen an Malpighigefäßen gefunden. Da die SauerstoffDiffusion in der Flüssigkeitsphase bei 20 °C um einen Faktor von ca. 300000 gegenüber der Gasphase langsamer verläuft , ist es wichtig, dass bei aktiven Geweben die Tracheolen nicht mit Flüssigkeit gefüllt sind. Die Sauerstoff-Diffusion durch das Tracheensystem erfolgt schneller als während der letzten Strecke beim Übertritt über das Cytoplasma in die Mitochondrien, wo der Sauerstoff letztlich veratmet wird. Die Tracheen enden normalerweise in Form der Tracheolen in Geweben bzw. Organen . Es gibt aber auch einige Beispiele von frei in der Hämolymphe flottierenden Tracheenaufzweigungen. Diese Büschel extrem dünnwandiger Tracheen finden sich auf der Höhe der hinteren Herzöffnungen bei verschiedenen Dipteren - und Lepidopteren-Larven. Beim adulten Wasserskorpion Nepa mit reduzierten Flugmuskeln stehen die Thorax-Luftsäcke mit ihren feinen Tracheenaufzweigungen unmittelbar mit der Hämolymphe in Kontakt. Es gibt
Hinweise dafür, dass in all diesen Fällen ein Gasaustausch direkt mit der Hämolymphe erfolgt und dass sich die Hämocyten durch Anlagerung an diese Tracheen mit Sauerstoff versorgen. Bei flugtüchtigen Imagines übernehmen diese Aufgabe dünnwandige Luftsäcke.
6.1.4 Filterreusen und Ventile der Stigmen Das Tracheensystem ist durch cuticulare Filterreusen gegen eindringende Partikel, Mikroorganismen, Milben oder Flüssigkeiten geschützt (Abb. 6-8A). Diese Strukturen können aus einzelnen, mehr oder weniger verzweigten Cuticulafortsätzen (Emergenzen), Bälkchen-Lamellen, Porenplatten oder aus Schuppen bestehen. Normalerweise sind diese Reusen starr. Bei Cal/iphora (Diptera) kann die kleinere hintere Filterklappe des Metathorakalstigmas beim Ausatmen passiv nach außen bewegt werden. Bei Eristalis (Syrphidae) können die Reusen des gleichen Stigmas sogar aktiv bewegt werden. Der Gasaustausch wird über
F,lterreuse
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Bl Epirneron 11
Tracheenausgänge
Abb.6·8 : Stigmenapparate. A Lepidopteren-Typ mit innerem Quetsch-Ventil, Atrium und Filterreuse, B Metathorax·Stigma, Locustiden-Typ mitäußerer Valve ohne Reuse von Schistocerca. A1 Längsschnitt; A2 geöffneter Zustand, A3 geschlossener Zustand . B1 Längsschnitt; 82 Außenansicht, 83 Innenansicht, geöffneter Zustand. (Anach Imms 1925, Bnach Snodgrass 1935, Längschnitte ergänzt)
6.2 Mecha nismen des Gastransports
Schließer
Hebel
173
Hebel
Quetschspalt
Bl
Cl
El
Dl dorsale Trachee
Abb. 6-9: Diversität der Stigmen-Ventile. A-( Systeme mit einem Schließmuskel gegenüber einer antagonistisch wirkenden elastischen Cuticula. D-E. Systeme mit Öffner- und Schließmuskel. A Floh. B Heteroptere. ( Dytiscus-Larve. 0 Hymenoptere, E Thoraxstigma I von Schistocerca mit dorsaler und ventraler Trachee und gabelförmigem Hebel. an dem Öffner- und Schließmuskel ansetzen. Siehe auch Abb. 6-8. (A nach Wigglesworth 1972; B, C ausWeber 1933; D, Enach Snodgrass 1935)
Ventile geregelt. Die meisten Stigmenventile liegen geschützt hinter den Filter-Reusen und At rien (Abb.6-8A). Nur im Metat horax verschiedener ad ulter Insekten fehlen die Filterst rukturen (z. B. Saltato ria und Lepidoptera); hier liegen die Ventile an der Körp eroberfläche und Verschlusslippen weisen nach außen (Abb. 6-8B). Zumindest in einigen Fällen fungieren diese Stigmen als AusstromÖffnungen und unterliegen nicht der Gefahr, dass Partikel mit der Atemluft ins Innere des Tracheensystems gelangen. Die große Vielfalt an Funktionstypen von Verschlussapp araten spricht für die Wichtigkeit ihrer Existenz und die Wahr scheinlichkeit ihrer konvergenten Entste hung (Abb. 6-9). Selbst innerhalb eines Ind ividuu ms, zwischen verschiedenen Stadien und vor allem zwischen unt erschiedlichen Taxa können diese Apparate ganz verschieden organisiert sein. Sie werden auch für unterschiedliche Aufgaben eingesetzt, wie Verdun stungsschut z, Erzeugung und Aufrechterhaltung eines PO rGradienten, Verstärkung des Kompressionseffektes bei Ventilat ionsbewegungen oder Erzeugu ng eines gerichteten Atemstro mes. Hinzu können sekundäre Funktionen kommen, wie Optimierung der Abgabe von Abwehrsekreten von peritrachealen oder intratrachealen Drüsen bei verschiedenen Insekten oder Lautzerzeugung beispielsweise bei der Fauchschabe Gromphadorhina. Die Verschlussapparate entha lten stets einen Muskel, der meist als Schließer (Abb. 6-9A-C), seltener als Öffner (Abb. 6-9D,E) wirkt, sowie ei-
nen Antagonisten. Dieser kann entweder ebenfalls ein Muskel sein (Abb. 6-9D,E), ein BindegewebsLigament (Abb. 6-8A) oder der elastische Rahmen des Verschlusses (Abb. 6-9A-C). Die Muskeln setzen häufig an Hebel-Strukturen des Verschlussapparats an . Die Schließmuskeln pressen bei den meisten Typen eine elastische Spange (Band) gegen eine sta rre Gegenseite (Bügel) und quetsc hen die Trachee dazwischen zusammen . Die Mu skeln werden über den Segmentalnerven motorisch innerviert. An den Stigmen von Schwalbenschwanzfaltern (Papilionidae) ließ sich außerdem sensorische Innervierun g nachweisen. Bei Diapause-Puppen von Pfauenspinnern und Schwärme rn liegen an der beweglichen Spange Drüsenzellen, die wahrscheinlich ein Dichtu ngssekret absondern .
6.2 Mechanismen des Gastransports 6.2.1 Diffusion, Konvektion und zusätzliche Ventilation Ursprünglich wurde für die meisten Insekten eine reine Diffusionsatmung angenommen. Man nahm an, dass ihre geringe Maximalgröße eine Folge des
174
6 Atemsystem
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Abb. 6-10: Diskontinuierlicher Atemgasaustausth. AZyklische COrAbgabe während der Ventilationsphasen bei Periplaneta americana. B Wasserabgabe während der Open-Phasen der Stigmen bei der Ameise Pogonomyrmex rugosus. Während der Constrktion- und Flutterphase ist die Wasserabgabe gleich niedrig und entspricht der Verdunstung über die Cuticula. C Halbschematische Darstellung der Saugventilation bei Attacus atlas basierend aufSimultanmessungen an einer intakten DiapausePuppe. Die Herzschlag-Periodik wurde mittels Thermistoren gemessen. Während der Open-Phase sind die Vorpuls-Perioden des Herzens verlängert. (A nach Kestler 1984, B nach Lighton 1994, C nach Hetz & Wasserthai ausWasserthai 1998)
langsamen Atemgasaustauschs bei langen Diffusionswegen sei. Sicher erfolgt der Atemgasaustausch bei den Eiern der Insekten ausschließlich diffusiv über spezielle Aeropylen in der isolieren-
den Chorionhülle (Abb, 6-14), Das Diffusionsmodell wurde durch Beobachtungen an Larven mit weichem Integument belegt: Bei Maden und Raupen wirken sich die Bewegungen des Hautmuskel-
6.2 Mechanismen des Gastransports
schlauches nicht als Ventilationseffekte auf das Tracheensystem aus, da die äußere Körperhülle selbst nachgibt und die spiralversteiften Tracheen dem H ämoc öl-Druck widerstehen. Auch für die kleinsten Insekten, wie z. B. Drosophila oder Trichogramma, wird angenommen, dass sie selbst im Fluge nicht ventilieren, weil bei den kurzen Wegen die Versorgung über Diffusion theoretisch ausreichen müsste. Das Tracheensystem wird jedoch bei den meisten Insekten durch Muskelbewegungen ventiliert. Verformungen des Integuments - meist des Abdomens, seltener des Thorax und des Kopfbereichs - beeinflussen über die als Hydraulikflüssigkeit wirkende Hämolymphe die meist leicht gedehnten Luftsäcke oder verformbaren Tracheen. Daneben gibt es unauffällige Ventilationsmechanismen , deren Wirkung von außen nicht wahrnehmbar ist.
6.2.1.1 Diskontinuierlicher Ruhe-Gasaustausch Bei vielen ruhenden Insekten sowie anderen Landarthropoden wie z. B. den Solifugen, Opiliones oder Chilopoden, die konvergent ein Tracheensystem entwickelt haben, erfolgt der Atemgasaustausch nicht gleichmäßig, sondern diskontinuierlich. Durch längeres Stigmenschließen ("Constriction"-Phase) wird das Ausatmen des Kohlendioxids, das immer auch mit einer Wasserdampfabgabe gekoppelt ist, auf die kurze Zeit des Stigmenöffnens reduziert. Dieses weit verbreitete Verhalten verringert die Wasserverluste aus dem Tracheensystem . Da bei geschlossenen Stigmen Sauerstoff weiterhin kontinuierlich verbraucht wird, entsteht im Tracheensystem ein Unterdruck sowie ein niedrigerer Sauerstoff-Partialdruck als in der Umgebung (Abb.6-10C). Das anfallende Kohlendioxid gelangt nicht sofort in das Tracheensystem, sondern wird in der gepufferten Hämolymph e gelöst zwischengelagert und erst durch die periodisch in größeren Abständen geöffneten Stigmen, der "Open"-Phase, ruckartig in Form eines "Bursts" abgegeben. Bei den diapausierenden Mumienpuppen der Schmetterlinge und wahrscheinlich auch bei Ameisen wird dieser diskontinuierliche Austausch allein durch die Aktivität der Stigmenapparate geregelt (Saugventilation, Abb. 6-IOB,C). Bei den meisten ruhenden Insekten, aber auch den nicht diapausierenden "freien Puppen " z. B. der Käfer, die weniger haushälterisch mit ihren Wasser- und Energiereserven umgehen können als die Diapause-Puppen, wird dieser COz- Burst jedoch durch abdominale Pumpbewegungen (Ventilations-Phase) während der Open-Phase unterstützt (Abb. 6-lOA). Meist folgt auf die Constriction-Phase vor dem vollständigen
175
Öffnen zunächst eine längere "FIutter"-Phase, bei der sich die Stigmen-Ventile wiederholt nur kurz öffnen und wieder schließen (Mikrozyklen). Dabei gleicht sich der Intratrachealdruck kurz dem atmosphärischen an, um gleich wieder leicht abzunehmen . Der Partialdruck des Sauerstoffs (P02) dagegen bleibt bei diesem kurzen Öffnen niedrig (etwa 3,5-7 kPa). Durch den niedrigeren Sauerstoffgehalt im Tracheensystem und dem damit gegenüber der Atmosphäre steileren P0 2-Gefalle verbessert sich die Diffusionsrate für Sauerstoff. Davon profitieren vor allem Arten , die im sauerstoffarmen Milieu leben, wie z. B. Laubstreu, Baumstümpfen oder Erdhöhlen. Durch den leicht negativen Intratracheal-Druck während der Flutter-Phase strömt zusätzlich Luft ein. Die SauerstotTzufuhr erfolgt also nicht nur diffusiv sondern auch konvektiv. Durch den konvektiven Gaseinstrom wird der Wasserdampfausstrom auch während der Flutter-Phase verringert (Abb. 6-10B). Dadurch ist der Wasserverlust durch Verdunstung bei Ameisen zwischen Constriction-Phase und Flutter-Phase nicht messbar verschieden. Die Constrictions-Phase ist häufig kürzer als die Flutter-Phase und bei erhöhtem Stoffwechsel gibt es zwischen den CO 2-Bursts nur Flutter-Phasen.
6.2.1.2 Abdominale Ventilationsbewegungen Die abdominalen Segmente können sowohl durch Aus- und Einfahren, wie z. B. bei Hymenoptera, und Saltatoria, als auch durch dorso -ventrale Abplattung wie z. B. bei Blattodea, Coleoptera und Heteroptera, oder durch pleurosternale Kontraktionen ihr inneres Volumen verändern und damit das Tracheenvolumen direkt beeinflussen. Bei anderen Insekten mit weniger sklerotisiertem Abdomen, wie bei den adulten Lepidoptera, können peristaltische Bewegungen in Verbindung mit koordinierter Stigmenaktivität einen gerichteten Atemstrom erzeugen. Die Pumpbewegungen ventilieren hier jedoch nur das abdominale Tracheensystem (Abb. 7-16), da die Tracheen-Verbindung zwischen Abdomen und Thorax eingeengt ist. Bei den cyclorrhaphen Dipteren ist sie sogar völlig reduziert (Abb. 6-4B). Demgegenüber ist bei Hymenopteren trotz der engen Taille die Tracheenverbindung gut entwickelt. Abdominale Pumpbewegungen ventilieren hier auch das thorakale Tracheensystem sehr wirkungsvoll. Bei den teleskopartigen Bewegungen der Bienen und Wespen wird sowohl die Verkürzung wie auch die Verlängerung des Abdomens aktiv durch Kontraktions- und Expansionsmuskeln bewerkstelligt. Abdominale Pumpbewegungen sind bei manchen Insekten sehr auffällig, wie bei Wespen oder beim Maikäfer kurz
176
6 Atemsystem
vor dem Abflug. Die Ventilationsbewegungen erfolgen bei ruhenden Tieren vielfach in Form von in Salven auftretenden Kontraktionen. Diese "Bouts" treten in vielen Fällen zeitlich mit der Kreislaufaktivität gekoppelt auf und fallen bei leichtgewichtigen flugfreudigen Insekten meist mit dem größten Hämolymph-Aufkommen im Abdomen zusammen (s. Kap. 7 u. Abb. 7-16). Bei einigen Insekten findet am Beginn der Umschaltung des Herzens von Rück- zu Vorpulsen eine einzige Pumpbewegung statt (Caligo, Calliphora, Abb. 718).
6.2.1.3 Ventilation durch Thorax- und Kopfbewegungen Bei Schistocerca sowie einigen Käfern (Prionus, Goliathus, Melolontha) lassen sich Thorax- oder Kopfbewegungen beobachten, die synchron mit den Abdomenbewegungen erfolgen. Sie unterstützen wahrscheinlich die Ventilation im Vorderkörper bzw. Kopf. Der Kopf wird vom vordersten Thorakalstigma versorgt, das neben einem ventralen Thoraxstamm einen dorsalen Tracheenast direkt in den Kopf entsendet und das oft einen komplexeren Ventilmechanismus aufweist als die übrigen Stigmen (Abb. 6-2B,D, 6-9E). Dieser Verschlussapparat kann bei den Blattodea, Mantodea und Acrididae über zwei Muskeln und einen komplexen Hebelmechanismus die Verbindung zum Tracheensystem von Kopf und Thorax möglicherweise separat regeln. Das Aus- und Einfahren der Mundwerkzeuge hat bei einigen Fliegen ohne Ptilinalsack, wie z. B. den Syrphiden, einen deutlichen Einfluss auf den thorakalen Intratrachealdruck.
beziehung mit den elastisch verformbaren Anteilen des Tracheenssystems.
6.2.1.5 Ventilation durch akzessorische Pulsationsorgane Eine weitere unauffällige Form der Tracheenventilation bei ruhenden Insekten wird ermöglicht durch die direkte Verwachsung von Herz, Aorta, akzessorischen Kreislaufpumpen und MuskelDiaphragmen mit Luftsäcken. So sind die Druckpulse des hinter dem Oberschlundganglion gelegenen Kopfherzens, das ventral mit großen Luftsäcken verwachsen ist, bei Calliphora so stark, dass sie an den vorderen Thoraxstigmen messbar sind (Abb.7-18). Ihre Druckpuls-Perioden treten stets zusammen mit den Vorpuls-Perioden des Herzens auf.
6.2.1.6 Atmung im Fluge
Am leistungsfähigsten ist das Atemsystem bei den zum Dauerflug befähigten Insekten . Der SauerstotTbedarf kann bei Schwärmern im Flugmuskel bis auf das l50fache gegenüber dem RuhestotTwechsel ansteigen. Damit erreichen diese Insekten neben den Kolibris die höchsten bei Tieren gemessenen StotTwechselwerte. Die Insekten haben erstaunlich vielfaltige Mechanismen der Tracheenventilation entwickelt. Eine mit dem Flugapparat gekoppelte Ventilation (Autoventilation) wurde bei Wanderheuschrecken genauer untersucht. Ihre synchrone Flugmuskulatur verkürzt sich bei Kontraktion um etwa 30%: Durch die Bewegungen der Flugmuskeln werden Thorax und damit auch die zwischen den Muskeln liegenden Luftsäcke verformt und die Atemluft vor allem durch die Metathorax6.2.1.4 Ventilation durch Hämolymphshift stigmen ventiliert ("tidal flow"). Überlagert wird dieser EtTekt durch die Pumpbewegungen des AbInsekten wie z. B. Dipteren und Lepidopteren und domens, die einen nach hinten gerichteten Atemauch solche, von denen man bisher reine DitTu- gasstrom erzeugen. Autoventilation meist mit Unsionsatmung annahm, ventilieren auch ohne äu- terstützung abdominaler Pumpbewegungen wird ßerlich auffällige Pumpbewegungen. Sie pumpen auch für viele andere Insekten angenommen (Saldie Hämolymphe zwischen Vorder- und Hinter- tatoria, Blattodea, Hemiptera, Isoptera, scarakörper im ca. Halbminuten- bis mehrere Minuten- baeide und buprestoide Coleoptera). Bei BockkäTakt hin und her. Der dadurch periodisch wech- fern mit gering entwickelten Luftsäcken wurde ein selnde Hämolymphgehalt wird von unauffälligen Fahrtwind-Mechanismus beschrieben, bei dem die Längenänderungen des Abdomens begleitet. Im Luft in die exponierten Metathorakalstigmen pasweitgehend formkonstanten Vorderkörper kom- siv hineingepresst wird und durch die ersten Abpensieren die Luftsäcke das wechselnde Hämo- dominalstigmen ausgeatmet wird. Auch bei dielymphvolumen, indem sie abwechselnd gedehnt sem Mechanismus soll zusätzlich in den Tracheenwerden und sich wieder zusammenziehen und so- aufzweigungen Autoventilation erfolgen. Bei Schwärmern, die auf der Stelle schwirren mit alternierend ein Ein- und Ausatmen ermöglichen (Abb. 7-18). Das otTene Kreislaufsystem können, wird dagegen die Atemluft über die vorsteht also in unmittelbarer mechanischer Wechsel- deren Thorakalstigmen aktiv angesaugt und die
6.3 Spezialanpassungen CO 2-h altige Abluft über d ie Metathorakalstigmen a usgeblase n (A bb. 6-11). Dieser Turbinen-Mechanismus ist so leistungsfähi g, dass die Sch wärmer im Fluge einen höheren O s-G ehalt im Flugmuskel a ufweisen als wäh rend der Ruh e. Nur beim Warmschwirren mit geringe r Fl ügelschlaga mplitude erfolgt auch hier led iglich Autove nt ilatio n unter hohem Oz-Verbrauch. Der Sog im th orak alen Tracheensys tem kommt dadurch zus tande, dass sich beim Ab schlag der F lüge l der Me sothorax verkürzt und a ufwölbt und sich damit die dorsalen und met athorak alen Luftsäcke a usdehnen . D abei bleiben nur die vorderen Stigmen geöffnet, während die hinteren Thoraxsti gmen in dem sich zusammenziehenden Intersegm ent alspalt verde ckt und wahrscheinlich au ch aktiv geschlossen werden . Der so entstehende Druckgradient erzeugt einen im thorakalen Tracheensystem nach hinten gerichteten Atemluftstrom. Erst beim Aufschlag der Flügel, wenn ein Überdruc k im Tra cheensystem ent steht, öffnet sich der Intersegmentalspa lt. Dabei gibt er das geöffnete Metathorakalstig ma frei und die CO 2-ha ltige Luft wird au sgeatme t. Die Stigmen tr agen dem gerichteten At emst ro m durch ihre ga nz verschiede ne M orphologie Rechnung: Di e vorde ren Stigmen besitzen ein mehrschichtiges Lamellenfilter, wogegen die hint eren Th oraxstigmen ledi glich ein e nach a ußen gerichte te Verschlussk lap pe ohne Filterstru kturen aufweisen. G anz anders ventilieren die Wespen und wahrscheinlich auch ande re Hymen opteren . H ier wird das thorakale Tracheensystem allein durch Pumpbewegungen der abdomina len In spiration s- und Exs pirationsm uskeln wie beim weniger aktiven Tier durchlüftet , lediglich mit erhöhter Pumpfrequenz. Bei Dipteren, besonders den kleinen Drosophila , soll auch im Flug Diffusion au sreichen. Bei Calliphoriden, Syrphiden und Bombyliiden ventiliert der Flugapparat das Trac heensys tem trotz der hohen Schlagfrequen z und geringen Verkürzung der Flugmuskeln von nur 1%.
6.3 Spezialanpassungen 6.3.1 Atmung in flüssigen Medien U rsprünglich sind die Insekten Landbewohner. Aber zahlreiche In sekten haben das Wasser od er Flü ssigkeiten , wie sich zersetzende Sub strate oder Fäk alien sekundär besiedelt. Die ser Schritt ist sicher wiederho lt und scho n sehr früh in der Evolu tion der In sekten erfolgt . Daher sind die M echa nismen des Gasau stausches in den Flüssig-
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Abb. 6-11: Turbinen-Mechanismus beim fliegenden Schwärmer. Erzeugung eines unidirektionalen Atemluftstroms.
AAbschlag der Flügel führt über Unterdruck imTracheensystem zum Einatmen durch das 1. Thoraxstigma. B Aufschlag der Flügel führt über den intratrachealen Überdruck zum Ausatmen durch das 2. Thoraxstigma. (Nach Wasserthai 2001 )
keiten sehr verschiede n und auch unterschiedl ich perfekt ioni ert. In sekten , die nur vorübergehend submers leben , haben keine besonderen A temvo rrichtungen für da s Leben im wässrigen Substrat. Sie können ihre Stigmen lan ge versc hließen und dam it das Eindringen von Wasser verhinde rn . Solche Formen sowie Arten, die in sa uersto ffarme n Sub straten und in festem Materi al wie Holz und Bod en leben , haben ein e große CO 2-Toleran z und können eine beträchtliche O j-Schuld eingehen. Viele Insekten können perman ent unter Wasser leben und den im Wasser gelösten Sau erstoff direkt über dünne Cuticu la-Oberfläc hen aufnehmen und das besonders gut lösliche CO 2 in das Wasser abgeben. Die Cuticula der zum G asau stau sch geeigneten Körperpartien sind bei wasse rlebenden La rven meist reichlich mit Trach een unt erlagert und häufi g zu Tracheenkiemen vergrö ßert. Am Abdo me n der Larven der Ephemero pteren sind es abgeplatte te Säckchen, einfache ode r verzweig te Schläuche (A bb. 6-1G, 25-7). D ie Larven der Zygo pteren besitzen am ca uda len Abdomen 3 als Schwanzru de r zusammenlegb are K iemenblättchen (Abb. 25-8). Bei den La rven der Plecopteren, Trich opteren (A bb. 25-55) und einige n was serlebenden Lepidopteren find en sich ventral am Thorax ode r Abdo men bü schel- , schlauch- ode r fadenförmige Fortsätze. Bei den Me galoptera (A bb. 25-44) und G yrinida e (A bb. 25-4 3) sind es meist gegliederte abdomina le Anhänge. Diese segmentalen Tracheenkiemen sind häufig homolog mit Extremitäten oder deren Anhängen.
178
6 Atemsystem
Atems ipho
ThoraxhOmchen
Abb. 6-12: Atemsiphonen bei CuH· cidenlarven. A1 Larve und A2 Puppe von Aedes, 81 Larve und 83 Puppe von Mansonia, deren Siphonen (82) bzw Atemhörnchen (84) mit Säge- und Verankerungszähnchen zum Anzapfen des Pflanzen-Aerenchyms ausgestattet sind. (A aus Jakobs & Renner 1974, B nach Seguy 1951)
Bei den Larven der Anisopteren finden sich Tracheenkiemen im gut ventilierten Rektaldarm in Form von reich mit Tracheen versorgten Lamellen (Abb. 6-IF, 25-8F) . Bei all diesen Larven sind die Stigmen durch Narben verschlossen. Der Sauerstoff wird aber auch hier immer noch über die Tracheen an die Gewebe vermittelt. Bei vielen ersten Larvenstadien, seltener auch den späteren Stadien bleibt das Tracheensystem funktionslos, wie z. B. bei den Nematoceren Chironomus und Simulium und dem Wasserzünsler Acentria. Die Larven der Nematocere Chaoborus haben ebenfalls keine besonderen Atemorgane mehr, sondern betreiben den Gasaustausch durch Diffusion über die transparente Cuticula. Von den beiden Hauptstämmen ihres Tracheensystems sind hauptsächlich ein vorderes und hinteres Paar von Luftsäcken übrig geblieben, deren veränderliches Gasvolumen zur Regulation des Auftriebes genutzt wird (Abb. 25-75B). Bei der winzigen aquatischen Chalcidide Polyneura haben sogar die Imagines kein funktionsfähiges Tracheensystem mehr. Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen von H ämoglobinen bei einigen Chironomiden-Larven. Als Besiedler bodennaher Wasserschichten oder des Schlammes leben sie unter extrem sauerstoffarmen Bedingungen . Ihr in der Hämolymphe gelöstes Hämoglobin hat eine besonders hohe Affinität zu Sauerstoff. Er wird während periodischer Schlängelbewegungen aufgenommen und kann in den Ruhepausen die Larvengewebe versorgen (maximal 9 min lang). Bei länger anhaltenden Bewegungspausen schaltet das System auf anaeroben Stoffwechsel um. Im Wasser lebende Imagines, aber auch bestimmte aquatische Larven und Puppen von Dipteren, Lepidopteren und Coleopteren veratmen meist einen an der Atmosphäre aufgenommenen Gasvorrat. Der Luftvorrat muss in den meisten Fällen von Zeit zu Zeit erneuert werden. Bei Larven und Puppen kann die Zahl der Stigmen auf ein Paar reduziert sein, z. B. am Ende eines caudalen Siphos bei den Larven oder in Form von zwei prothorakalen Atemhörnchen bei den Puppen der Culicidae (Abb. 6-12A). Beide Typen von Sipho-
nen durchbrechen beim Auftauchen mit ihrer hydrophoben Oberfläche den Wasserfilm und können somit über die Stigmen Frischluft aufnehmen. Ein Röhrenfortsatz an den Prothorakalstigmen der Puppen der Liriopidae (= Ptychopteridae) ist besonders verlängert. Bei den Larven und Puppen der Culicide Mansonia sind die entsprechenden Siphonen mit Sägezähnchen und Haltevorrichtungen ausgestattet. Die Atemluft wird durch Anzapfen des Aerenchyms von Wasserpflanzen beschafft (Abb.6-12B). Besonders lange Siphonen am Hinterkörper zur gelegentlichen Lufterneuerung finden sich beim Wasserskorpion Nepa, ferner bei den .Rattenschwanzv-Larven der Schwebfliegengattung Eristalis. Die Larven der Stratiomyiden können sich mit ihrem caudalen Borstenbüschel an der Wasseroberfläche zum Luftholen "aufhä ngen". Infolge ihrer hydrophoben Innenseite spreizen sich die Borsten an der Wasseroberfläche kranzartig.
6.3.1.1 Physikalische Kieme Bei wasserbewohnenden Insekten kann der Luftvorrat über das tracheale Fassungsvermögen hinaus vergrößert werden und dann im Subelytralraum oder als silbern glänzender Luftfilm außen an der Körperoberfläche haften und in mehr oder weniger offenem Kontakt mit dem Wasser stehen . Dieser Luftraum steht über Stigmen mit dem Tracheensystem in Verbindung. Der Sauerstoff wird aus der permanenten Gashülle über die Stigmen verbraucht. Das Volumen der Gashülle sollte sich verringern, da das dabei entstehende CO z sofort in Lösung geht. Da das Wasser jedoch nahe der Wasseroberfläche meist mit Oz gesättigt ist, diffundiert Sauerstoff aus dem Wasser entsprechend dem Os-Gefälle in die Gashülle ein (Abb. 6-13). Mit abnehmendem Oj-Partialdruck in der Gasblase steigt jedoch der Ny-Partialdruck an . Dadurch diffundiert Nz langsam in das Wasser und die Gasblase wird kleiner. Allerdings ist die Diffusionsgeschwindigkeit von der Gas- zur Wasserphase für Ns langsamer als für Oz vom Wasser- in
6.3 Spezialanpassungen
179
Lu" Po _20 kP. 2 P~ -79kP.
Wasse r
+--- .
P _20kP. 02 P - 79 ~ N2
1lUI
P - 99 P.
Insekt muss auftauchen . um Gashülle zu emeuern.
In 1 m TIere wird die Gashülle komprimiert. Der erhöhte Binnen·Partialdruck führt zur beschleunigten Diffusion ins Wasser.
t
Da durch 02 -Verbrauch durch das Insekt in der Hulle der P N2 ans teigt. diffundiert N2 verst rkt ins Wasser. Die Gashülle wird kleiner.
- . Po _20k P. 2 - . PN . 79 kP. 2
Abb. 6-13: Physikalische Kieme bei Notoneeta. Verhalten derGashülle beimAbtauchen. (Nach Daten aus Eckert et al. 1993)
die Gasphase. Taucht das Insekt weiter ab, erh öht sich der Druck a uf die Gas hülle, in I m Tiefe um 0, I mb ar. D amit erhöht sich der Partialdruck von O 2 und N 2 in der G ashülle gegenüber dem des Wassers und die Blase verkleinert sich weiter und verschwindet schließlich ganz. In größeren Tauchtiefen verkleinert sich die Blase entsprechend schneller als unter der Wasseroberfläche. Immerhin kann bis zum achtfachen des ursprünglichen Oj-Gehaltes der G ashülle aus dem Wasser ent nommen werden , bevor das In sekt aufta uchen muss. Na chteilig ist, dass die Gashülle den Auftr ieb erhö ht. Die tau chend en Insekten müssen daher entweder stä ndig abwärts schwimmen oder sich unt er Wasser festhalt en wie z. B. die Rückenschwimmer und Rud erwanz en. Bemerkenswert sind daher die mit dem Rückenschwimmer verwandten tro pischen Hemipteren-Gattungen Buenoa und Anisops. Sie besitzen eine nur kleine Lufthülle und als Besonderh eit dicht mit Tracheolen durchzogene hämo globinhaltige Zellen im ventralen Abdomen . Dadurch können sie in mittl eren Wassertiefen mit sehr geringem Sauerstoffgehalt schweben. D iese Sauerstoffreservoire werden an der Wasseroberfläche beladen und geben den Sauerst off über die Tracheen zum Veratmen während eines bis zu 5 min dauernd en Tau chganges ab.
6.3.1.2 Plastron-Atmung Bei einigen Insekten und verschiedenen Eiern, die stä ndig oder für länger e Zeit in wässrigem Milieu lagern , wird die G ashülle durch feinste, hydrophobe, dicht stehende Cuticula- bzw. Cho rionfortsätze festgehalten . Sie kann auch bei hohem Flüssigkeitsdruck nicht komprimiert werden (Abb. 6- 14, Abb. 13-15). Die Oy-Partialdruckdifferenz durch Sauerstoffverbrauch wird stä ndig ausgeglichen und der PN 2 der Gas hü lle steht im Gleichgewicht mit dem Wasser. Die Wirkung der physikalischen Kieme bleibt daher perm anent erhalten ohne No twendigkeit zur Regeneration der G asblase an der atmos phärisc hen Luft. Das bekannteste Beispiel stellt die am Ge wässergrund (z. B. von Donau und Rh ein) lebende Grundwanze Aphelocheirus aestivalis dar. Ihre von einem feinsten Haarb esatz (2 Millionen auf I mrrr') festgehaltene Luftschicht erlaubt Tauchtiefen bis zu 6 m (Abb. 6-15). Puppen einiger Dipteren- Familien (Melusinidae, Tipul idae, Empididae) und bestimmter tropi scher Käfer (Psephenidae) besitzen Kiemen, die aus Auswüchsen der Stigmen gebildet sind und sowohl da s Atm en unt er Wasser wie an Luft erm öglichen (Abb.6-16). Auf oder in den Fortsät zen dieser Stigmenkiemen befinden sich
180
6 Atemsystem
""' ,~
- _ V.tellln· membra n
Abb. 6-14: Plastronstrukturen am Ei-Chorion von Calliphora. (Nach Hin-
Luftkamm er
ton 1963)
feine Maschenstrukturen. die die Lufthülle festhalten und mit den Tracheen über die offenen Stigmen verbunden sind.
6.3.1.3 Atmung bei Endoparasiten Die endoparasitisch lebenden Larven (hauptsächlich der Raupenfliegen, Dasselfliegen, Rachenbremsen und parasitoiden Hymenopteren-Familien) sind in den frühen Stadien häufig Hautatmer. Bei Braconiden übernimmt zusätzlich der in Form eines Vesikels ausgestülpte dünn häutige Rectaldarm etwa 30% des Gasaustausches. Die späteren Stadien der meisten endoparasitischen Larven haben Stigmen am Hinterende (metapneustisch: z. B. Raupenfliegen) oder zusätzlich am Vorderende (amphipneustisch: Dasselfliegen, Rachenbremsen, Magenbremsen) . Sie durchbohren entweder das Integument oder die Tracheenwand der Wirte und nehmen meist über die Hinterstigmen atmosphärische Luft auf (Abb. 16-45). Die in Säugetieren
parasitierenden Magenbremsen (Gasterophilidae) besitzen zusätzlich zum Tracheensystem Hämoglobin . Es ist zunächst in der Hämolymphe gelöst. Später findet es sich in speziellen Zellen mit starker Tracheolenausstattung. Es kann Sauerstoff aus vorübergehend im Verdauungstrakt des Wirtes auftretenden Luftblasen speichern und bei Bedarf an das Tracheensystem zurückgeben, vergleichbar mit dem tropischen Rückenschwimmer Anisops.
6.4 Atemregulation Die abdominalen, häufig diskontinuierlichen Ventilationsbewegungen werden bei Blattodea, Acrididae, Odonata und Lepidoptera in den Ganglien des Metathorax oder ersten Abdomensegments getriggert. Diese Ganglien enthalten Schrittmacherneurone, die direkt auf Änderungen des CO zbzw. Oe-Gehaltes der Hämolymphe reagieren und
Plastron
Hypoderm'$
r
Tracnee
~;J / ~
_ Filterreuse Plastronhaare
Abb. 6-15: Plastronstrukturen am Stigma der Grundwanze Aphelocheirus aestivalis. (Nach Thorpe & Crisp 1947)
6.4 Atemregulation
Al ~
A2
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200~ m
181
Al
Wasserwirbel
···.:...~... , .. .. ·,"... .', . : :,' ,
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Wasserström~ng
Abb. 6-16: Stigmenkiemen bei Puppen. A1 Simu/ium-Puppe im umströmten Kokon, A2 Längsschnitt durch Thoraxkieme, A3 Plastronoberfläche. B Puppe mit thorakalen und abdominalen Stigmenkiemen der Empidide Hemerodromia. C1 Puppe des Käfers Psephenoides gahani mit abdominalen Stigmenkiemen, C2 einzelnes Kiemenbüschel, C3 Plastronstruktur eines Fortsatzes. (Nach Hinton 1968)
deren Erregungssignale an die Ganglien der folgenden Abdominalsegmente weiterleiten. Die Ventilationsbewegungen sind meist über Motoneurone der segmentalen Ganglien mit der Stigmen-Aktivität koordiniert (Abb. 6-17). Diese wurde bei Odonaten, Mantiden, Heuschrecken , Schaben, Hymenopteren, Coleopteren und Lepidopteren analysiert . Die Wirkung einer Vielzahl von Faktoren wurde untersucht. Dabei ergab sich ein sehr uneinheitliches Bild. Verschiedene Abfolgen des Stigmenschließens und -öffnens haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Strömungsgeschehen in den Tracheen . Bei der am
besten untersuchten Wanderheuschrecke Schistocerca erzeugen die Ventilationsbewegungen einen nach hinten gerichteten Luftstrom mit Einstrom durch die thorakalen Stigmen und Ausstrom durch die Abdominalstigmen (Abb. 6-18). Im Flug bleiben die Metathorakalstigmen auch beim Ausatmen geöffnet, wodurch hier ein Ein- und Ausstrom stattfindet. Die abdominalen Ventilationseffekte werden dann durch Autoventilation der thorakalen Luftsäcke infolge Verformungen des Flugapparates überlagert. Bei aktiven Honigbienen wird durch Abdomen-Expansion ein Einstrom durch die vorderen Thoraxstigmen und ab-
182
6 Atemsystem
Abb. 6-17: Neuronale Verschaltung der Ventilations- und Stigmenmuskel bei Schistocerca. Die Muskel der Körperwand und der Stigmenapparate eines Abdominalsegments werden jeweils über die Median-Nerven des vorangehenden Ganglions und über die tateralnerven des zugehörigen Ganglions kontrolliert. (Nach Lewis, Miller & Mills 1973)
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dominalen Stigmen erzielt, wobei die propodealen (I. abdom inalen) Stigmen geschlossen sind . Diese
öffnen sich bei Abdomenkontraktion unter erhöhter COz-Konzentration in der Atemluft . Beim Atlasspinner Attacus atlas schließen sich die Abdominalstigmen mit den abdominalen Kontraktionswellen fortschreitend von hinten nach vorn und tragen dazu bei, dass die Atemluft aus den vorderen Abdominal-Stigmen gepresst wird. Obwohl die Thoraxstigmen in der Ruhe weitgehend geöffnet bleiben, wirken sich die Pumpbewegungen nicht auf die Ventilation der Thoraxtracheen aus. Vielmehr werden die thorakalen Luftsäcke durch Hämolymphshift infolge periodischer Herzschlagumkehr ventiliert (Abb. 7-16). Im Allgemeinen wird die Ventilationsrate durch sensorischen Input aus dem Kopf und Thorax beeinflußt. Bei höherem Sauerstoffbedarf verkürzen sich die Ventilationspausen. Daneben haben Wassergehalt der Tiere und Temperatur Einfluss auf die Ventilationsrate und das Stigmenverhalten. Zusätzliche
Abb. 6-18:Abdominale Ventilationsbewegungen und koordinierte Stigmenaktivität bei Schistocerca. In der Ruhe strömt bei Abdomen-Expansion die luft durch die geöffneten Thoraxstigmen ein und bei Kontraktion durch die abdominalen Stigmen aus. Im Fluge bleiben die Metathoraxstigmen auch bei Abdomenkontraktion weit geöffnet. Dort erfolgt Ein- und Ausstrom . Nach Ende des Fluges öffnen sich die vorderen Thoraxstigmen und hinteren Abdominalstigmen weiter als während des Ruheverhaltens vor Flugbeginn. (Nach Miller 1960)
proprioceptive Rezeptoren für die Atemregulation und deren Koordination mit den Kreislauforganen sind zu fordern. Unabhängig von der neuronalen Regulation reagieren mindestens die StigmenSchließmuskeln von Nachtfalter-Puppen direkt auf COz-Zunahme in der Hämolymphe durch Erschlaffen und bewirken damit automatisch das Öffnen des Verschlusses.
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7 Hämolymphe und Hämolymphtransport Lutz Thilo WasserthaI
7.1 Hauptmerkmale des offenen Kreislaufs Wie bei allen Arthropoden verschmelzen primäre und sekundäre Leibeshöhle zu einem einheitlichen Mixocöl im Laufe der Embryonalentwicklung. Blut und interstitielle Gewebsflüssigkeit bilden daher eine einheitliche Körperflüssigkeit, die Hämolymphe. Diese setzt sich zusammen aus dem Plasma und verschiedenen Typen von Hämocyten. Die Hämolymphe hat primär die Aufgabe des Stofftransports von Nährstoffen, Metaboliten und Abbauprodukten. Sie transportiert Signalstoffe wie Neurotransmitter und Hormone. Sie dient aber auch als Träger der gegen Räuber gerichteten Abwehrsubstanzen (s. Kap. 17), enthält die Komponenten für die Immunabwehr und den Wundverschluss. Weitere wichtige Aufgaben der Hämolymphe sind ihre Hydraulikfunktion zur Aufrechterhaltung der Körperform, der Turgorwirkung bei Larven , als Druckvermittler für die Häutungsvorgänge und bei der Tracheenventilation. Ihre Funktion beim Transport und bei der Speicherung von Atemgasen ist durch die normalerweise fehlenden respiratorischen Pigmente vor allem für Sauerstoff eingeschränkt (s. Kap. 6). Eine wichtige Rolle spielt die Hämolymphe bei der Temperaturregulation sowohl als Wärmevermittler wie auch als Kühlf1üssigkeit. Für den dorsalen Transport der Hämolymphe sorgt das Rückengefäß, dessen abdominaler Abschnitt als Herz bezeichnet wird. Es ist unterseits mit einer horizontalen Membran verbunden (Abb. 6-2, 7-4). Dieses dorsale Diaphragma verspannt das Herz über die Alarmuskeln mit der seitlichen Körperwand und grenzt einen dorsalen Perikardialsinus gegen den die Verdauungs- und Fortpflanzungsorgane enthaltenden Periviszeralsinus ab. Für den ventralen Rückfluss der Hämolymphe ins Abdomen sorgt in einigen Insektenordnungen das muskulöse ventrale Diaphragma . In den meisten Fällen ist es über dem abdominalen Bauchmark ausgespannt. Es fördert durch wellenförmige Bewegungen den Fluss der Hämolymphe durch den ventralen Perineuralsinus. Zur Versorgung von Kopf und Körperanhängen dienen verschiedene akzessorische Pulsationsorgane.
Das offene Hämolymphsystem war wahrscheinlich eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung der zum Teil extremen Gestaltänderungen der verschiedenen Metamorphosestadien. Es ermöglichte die teilweise Verdrängung des H ämolymphvolumens durch das Luftsacksystem im Anschluss an die Imaginalhäutung und Flügelentfaltung und wurde damit zur Vorausetzung für das geringe Körpergewicht der Fluginsekten. Die zunächst segmental und dadurch redundant angelegten Organsysteme erlaubten wie nach dem Baukastenprinzip die unabhängige Ausdifferenzierung oder Unterdrückung dieser Strukturen in bestimmten Körperabschnitten.
7.1.1 Das Hämolymphplasma Das Hämolymphplasma ist meist farblos, helIgelblieh oder grünlich , da es bis auf wenige Ausnahmen keine respiratorischen Pigmente enthält. Während Sauerstoff nur in geringer Menge physikalisch gelöst wird, enthält das Plasma eine größere Menge an Kohlendioxid, das hauptsächlich als Hydrogenkarbonat vorliegt. Kohlendioxid fällt bei der Zellatmung an und geht zunächst in Lösung, bevor es als Gas über das Tracheensystem ausgeatmet wird. In der Hämolymphe ist es Bestandteil des Kohlendioxid-Bicarbonat-Puffersystems, das eine wichtige Funktion in der pH-Regulation spielt. Volumen und Zusammensetzung des Plasmas sind stark von der Lebensweise und dem Entwicklungsstadium abhängig. Dadurch, dass die Hämolymphe nur eine geringe Speicherfunktion für Sauerstoff hat , konnte ihr Volumen verringert werden. Dieses variiert zwischen 10% und 40% des Gesamtkörpervolumens. Das offene Hämolymphsystem ist gegenüber Änderungen des Hämolymphvolumens und der Viskosität sehr viel toleranter als ein geschlossenes Blutgefäßsystem mit seinen vielen engen Kapillaren . Das Plasma enthält je nach Entwicklungs- und Ernährungszustand qualitativ und quantitativ unterschiedlich viel Proteine, vor allem Speicherproteine, LipidTransport-Proteine, Enzyme und einen hohen Anteil an freien Aminosäuren sowie Lipide, besonders Diacylglycerin, und Kohlenhydrate, vor allem Trehalose und Glucose. Der osmotische Wert liegt
186
] Hämolymphe und Hämolymphtransport
A
E
F B
zwischen 300 und 500 mOsmol. Durch Wasserentzug oder Anreicherung mit Zuckern, Polyhydroxyalkoholen und Gefrierschutzproteinen vor der Überwinterung kann sich der osmotische Wert erheblich erhöhen. Bereits während des Fressens kann der Wert vorübergehend um 50 mOsmol steigen. Die Ionenkonzentration ist stadienspezifisch relativ konstant und ergibt einen pH von 6,4-6,8 . Da pflanzliche Nahrung der Larven häufig nur wenig Natrium enth ält, muss es von den Imagines vieler Phytophagen gezielt aufgenommen werden, z. B. beim Saugen an Schweiß, Kot oder Kadavern . Die Pufferkapazität ist an die meist sauren Stoffwechselprodukte optimal angepasst und wird im normalen Bereich über Bikarbonate und Phosphate geregelt, während im sauren Bereich mehr die Carboxylgruppen der organischen Säuren und im alkalischen Bereich mehr die Aminogruppen der Aminosäuren puffern. Proteine gewährleisten zusätzlich eine Pufferung über einen weiten Bereich.
Abb. ]-1: Hämocyten-Typen. A Prohämocyte, B Plasmatocyte, C Granulecyte, D Cystocyte, E Sphärulocyte, FÖnocytoid. (Nach Seifert 1995)
fällig ventrolateral am Herzen bei einigen Orthopteren vorkommen (Abb.7-2A). Bei den Raupen sind sie in Zellgruppen um die Flügel-Imaginalscheiben herum angeordnet (Abb. 7-2B). Bei den Larven der Diptera und Coleoptera sind sie nur locker mit dem Herzen assoziiert (Abb. 7-2C). Die Hämocyten zeigen eine große Variation in der Bildung von Ausläufern an der Zelloberfläche, von Organellen und vesikulären oder membranfreien Einschlüssen im Cytoplasma. Die Zahl der in der Hämolymphe nachweisbaren Hämocyten , das Hämocytenprofil, ändert sich meist im Laufe der Entwicklung und ist in den einzelnen Taxa sehr verschieden. Bei Locusta und bei Bombyx nimmt die Zahl der Hämocyten während der allgemeinen Mito setätigkeit vor der jeweiligen Häutung über 10 000/~1 bzw. 8000/~1 zu und sinkt unmittelbar danach auf unter 8000/~1 bzw. 2000/J.d ab. Die Hämocyten spielen während der Metamorphose eine wesentliche Rolle beim Abbau und der Phagocytose zerfallender Gewebe und vermitteln das Rezyklieren der Körper substanzen. Durch die Produktion von Proteasen tragen Hämocyten dazu bei, Gewebezellen, besonders die des Fettkörpers, zu vereinzeln. Umgekehrt beteiligen sie 7.1.2 Hämoeyten sich an der Neubildung der Basallamina. Granulocyten und Sphärulocyten synthetisieren und sezerDie Hämolymphe der Insekten enthält eine Viel- nieren auch Polypeptide, die in die Cuticula eingefalt von Hämocyten (Abb. 7-1). Die meisten Zell- lagert werden. Während in der ausdifferenzierten typen, wie Granulocyten, Sphärulocyten, Coagulo- Imago bei Locusta der Hämocytengehalt nach der cyten, Plasmatocyten, entwickeln sich aus meso- Imaginalhäutung wieder ansteigt , fällt er bei Bomdermalen Prohämocyten. Die Önocytoide entste- byx weiter stark ab. Dieser Unterschied mag damit hen meist aus ektodermalen Zellen. Hämocyten zusammenhängen, dass die Lebensdauer bei der entstehen durch Mitose freier Zellen oder in hä- Heuschrecke mehrere Wochen beträgt, beim Seim(at)ocytopoietischen Organen, die besonders auf- denspinner dagegen nur wenige Tage.
7.1 Hauptmerkmale des offenen Kreislaufs
187
B2
HOs
um
Flugelimaginal scheiben
c
abdominales
Segment 6 dorsales Diaphragma ':'d-~;",,,--
Herz
Athrocyte. Perikardialzelle
abdominales
Segment 8 - - - ' ' - - Stigma
Abb.7·2: Hämocytopoietische Organe bei verschiedenen Insekten. Al Blick von ventral auf das freigelegte Herz mit dorsalem Diaphragma und hämopoietischen Organen (HO) bei der Laubheuschrecke Liparoscelis. A2 Seitenansicht der HOs unter den Herzabschnitten der vorderen abdominalen Segmente. B Hämopoietische Organe an den Flügelimaginalanlagen ·einer Raupe des Spinners Antheraea pernyi. Bl Dorsalansicht desVorderk örpers. B2 Querschnitt durch dieFlügelimaginalscheibe, B3 Detail mit Bildungsstellen der Blutzellen in den Lobulae. CVentralansicht des Hämopoietischen Organs am Herzende der Larve von Calliphora. (A nach Nutting 1951, B nach Monpeyssin & Beaulaton 1978, C nach Zachary & Hoffmann 1973)
7.1.3 Immunabwehr und Wundverschluss Hämocyten sind beteiligt am komplexen Abwehrund Reparatursystem und können durch Selbstoder Fremderkennung eingedrungene Organismen phagocytieren oder einkapseln (Abb. 7-3). Die Abwehr wird initiiert durch Hämagglutine (Lectine). Diese interagieren mit bestimmten Lipopolysacchariden oder Peptidoglycanen der Körperoberfläche der Invasoren , wodurch diese von Granulocyten erkannt und umlagert werden. Diese scheiden ihren granulösen Inhalt ab und verkleben damit die Eindringlinge. Die durch diesen Prozess angelockten Plasmatocyten phagocytieren die fi-
xierten Fremdorganismen, wenn sie klein genug sind, wie beispielsweise Bakterien . Größere Bakterienan sammlungen oder Eindringlinge werden eingekapselt. Im Innern dieser Knötchen oder Kapseln sterben die Zellen ab und die Zwischensubstanz wird durch Melanineinlagerung schwarz. Das Melaninmolekül ist mit seinen zahlreichen freien Valenzen sehr reaktiv. Es blockiert in unmittelbarer Umgebung der Invasoren die Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr. Melanin wird unter Mitwirkung von Enzymen des Phenoloxidasesystems synthetisiert. Die in der Hämolymphe gelöste Phenoloxidase lagert sich an die gelösten Proteine, verfestigt und härtet sie. Durch ihre Abwehrt ätigkeit verringert sich bei Larven nach einem Infekt vorübergehend die Zahl der frei in der Hämo-
188
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
Abb. 7-3: Einkapselung von Bakterien durch Kooperation von Plasmato- und Granulocyten. Während die Granulocyten ausflockendes Material an der Oberfläche der Eindringlinge (Bakterien, Nematoden, parasitoide Eier oder Larven) abscheiden und diese festlegen, phagocytieren bzw. umschließen die Plasmatocyten die Eindringlinge. Das Matrixmaterial wird melanisiert, um die Fremdkörper herum verdichtet und von einer Hülle sich abflachender Plasmatocyten umgeben. (Nach Ratcliffe & Gagan 1977)
lymphe nachweisbaren Plasmatocyten. Bei einigen Dipteren, insbesondere Chironomiden, erfolgt die Einkapselung rein humoral über Anlagerung von Aminosäuren, besonders Tyrosin, oder Proteinen, also ohne direkte Beteiligung von Hämocyten. Dieser Abwehrmechanismus ist dennoch gegen starken Befall an Bakterien, Pilzen und Nematoden sehr wirksam. Indirekt können Hämocyten aber auch an humoralen Reaktionen beteiligt sein. So setzen die nicht phagocytierenden Önocytoide bei ihrem leichten Zerfall Tyrosinase und Glykoproteine frei. Bei der Einkapselung wirken Zellen und humorale Faktoren also zusammen. Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems wird gesteigert durch in der Hämolymphe befindliche antibakterielle Peptide. Lysozym verdaut den Mureinsacculus von bereits geschädigten Bakterien. Es wird vom Fettkörper und Athrocytengewebe synthetisiert (s. Kap. 4.9) und von Granulocyten abgeschieden; Cecropine und Attacine sind Peptide, die im Fettkörper und einigen Hämocyten synthetisiert werden . Ihre bakterizide Wirkung wird durch Lysozym erhöht. Die Cecropine töteten in vitro sogar Plasmodium jalciparum (Erreger der Malaria tropica) und Trypanosoma cruzi (Erreger der Chagas-Krankheit). Parasitoide überwinden allerdings oft das Abwehrsystem, besonders durch Massenbefall oder durch Injektion von Viren bei der Eiablage. Nach Verletzungen nimmt bei LepidopterenPuppen die Menge an Plasmatocyten in der Hämolymphe um den Faktor 10 zu. Bei Schädigung der Hypodermis scheiden die Granulocyten eine Substanz ab, die ähnlich wie bei der Einkapselung von Invasoren wirkt und zusammen mit humoralen Faktoren ein Gel bildet , das zusammen mit den Hämocyten die Wunde unterlagert und schließlich einen Wundpfropf bildet, das sog. "Clotting". Neben dem Phenoloxidasesystem wir-
ken dabei Gerinnungsproteine, wie z. B. Lipophorine bei der Schabe Leucophaea oder Glykolipopro tein bei Locusta koagulierend auf bestimmte Hämolymphproteine, deren Vernetzung ähnlich wie bei der Fibrinbildung der Wirbeltiere abläuft. Unter dem Wundverschluss lagern sich bei Rhodnius Plasmatocyten an, die schließlich über "tight" und "septate juctions" ein zusammenhängendes Epithel bilden . Bei Calliphora findet ein zellulärer Wundverschluss ohne extrazelluläre Gelbildung nur durch das Aneinanderlagern von Hämocyten statt.
7.2 Körperkreislauf 7.2.1 Herz und dorsales Diaphragma Die bei allen Insekten entwickelte Hämolymphpumpe ist das schlauchförmige Dorsalgefäß. Der abdominale Teil wird auch als Herz, der Vorderkörperabschnitt wird als Aorta bezeichnet (Abb. 74). Das Herz besteht aus paarigen links-rechts alternierend angeordneten Muskel-Zellen (Blattodea , Odonata, Lepidoptera, Diptera, Coleoptera). Die quergestreiften Muskelfasern verlaufen in einer engen Spirale (Abb.7-5B) und ermöglichen so eine peristaltische Kontraktionswelle. Die Muskelzellen sind zum Hämocöl und Herzlumen hin von Basallamina bedeckt. Diese kann an der Außenseite elastische Faserbündel enthalten. Lediglich bei den Blattodea und Mantodea gibt es nicht-kontraktile Seitenarterien aus Bindegewebszellen, deren äußere und innere Basallamina durch Kollagenfibrillen verstärkt ist. Das Herz ist über
7.2 Körperkreislauf
189
Abb. 7·4: Pumporgane und HämoIymphströmungen im offenen Kreislauf einer Biene. Bei den Hymenopteren mit enger Taille pumpt das Herz stets zum Kopf und das ventrale Diaphragma saugt die Hämolymphe ins Abdomen über den Perineuralsinus. (Nach Vorlagen von Freudenstein 1928 und Snodgrass 1931)
Bindegewebe aus Basallamina mit elastischen Fasern an den Tergiten befestigt und durch seitliche Fächer von Muskelfasern (Alarmuskeln, Flügelmuskeln) und z. T. auch Bindegewebsfasern mit den dorso-lateralen Intersegmentalfalten verspannt. Daraus resultiert eine Art Dreipunkt-Aufhängung. Die Muskelfächer können als lockere Fasern arrangiert sein, wie beispielsweise bei den Lepidoptera, oder über die gesamte Länge des Abdomens zu einer zusammenhängenden horizontalen Membran mit Bindegewebe abgedichtet sein, dem dorsalen Diaphragma, wie bei den Blattodea, Orthoptera, Coleoptera (Abb.7-6). Dieses
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Diaphragma grenzt den Perikardial-Sinus gegen den Eingeweide-(Periviszeral-)Sinus ab bis auf segmentale seitliche Aussparungen, die den vertikalen Austausch von Hämolymphe ermöglichen . Die Alarmuskeln divergieren und verzweigen sich zum Herzen hin. Sie können bei den Lepidoptera ein Maschenwerk direkt um den Herzschlauch herum bilden oder sich zu einem korbartigen Geflecht verdichten, das über Basallamina-Stege mehr oder weniger eng mit dem Herzschlauch verbunden ist wie bei den Diptera. Der Muskelfaserverlauf um das Herz herum ist vielfach längs gerichtet. Auch das flächige dorsale Diaphragma ist über bindege-
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Abb. 7·5: Grundschema von Herz und dorsalemDiaphragma. A Ansicht des von dorsal und hinten angeschnittenen Herzens mitAlarmuskeln und Bindegewebsmembran des dorsalen Diaphragmas. BVorderer Abschnitt des Herzens von Calliphora mitrechtslinks versetzt angeordneten polyploiden Herzzellen und Einström-Ostien. (A nach Weber 1966, B nach Wasserthai 1999)
190
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
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Abb. 7-6: Totalansichten und Querschnitte der Herzen und dorsalen Diaphragmen bei hemimetabolen Insekten. Al Herz mit Seitenarterien der Schabe 8laberus. Ventralansicht. In rechter Hälfte das dorsale Diaphragma weggelassen. A2-A4
Richtungsveriauf bei Vor-, Rück- und Kollisionspulsen. AS Querschnitt mitSeitenarterien und Ausströmvalven. A6 Schema der Valven im geöffneten und geschlossenen Zustand. B1 Herz der Feldheuschrecke Schistocerca, Ventralansicht, links mitAlarmuskeln, rechts mit dorsalem Diaphragma, B2 Seitenansicht des Dorsalgefäßes mit Ein- und Ausströmostien (ex). B3 Querschnitt mit Ausströmostien, die durch das dorsale Diaphragma hindurch in den Periviszeralsinus münden. (Nach Nutting 195 1)
webige Stränge mit dem Herzen verbunden . Wäh rend die untergliedernde Wirkung des Perikardialseptums offensichtlich ist, ist seine Rolle für den Hämolymphtransport noch wenig erforscht.
7.2.1.1 Wechsel der Herzschlagrichtung Bei apterygoten Insekten pumpt das Herz bidirektional, und zwar gleichzeitig nach vorn und ab dem 8. Segment nach hinten und versorgt damit gleichzeitig den Vorderkörper und die caudalen Anhä nge (Abb. 7-7A). Das Herz der Larven und vieler flugunfähiger Imagines, aber auch das der aculeaten Hymenoptera pulst in der Regel von
7.2 Körperkreislauf
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Abb. 7-7: Diversität der Herzformen bei Insekten. A ursprüngliches Dorsalgefäß der Diplura mit Circumösophagealring und Valven für bidirektionalen Transport (A2). B Herz der Ephemeride Cloeon. C1 Herz eines Nachtfalters, C2 Vorpulse, C3 Rückpulse C4 Frontalsack mit Antennenventilen. Die Ampullenkörper werden bei kräftigen Vorpulsen des Herzens in die sich verjüngende Antennenarterie gedrückt. 0 caudales Herzende der Dipterenlarve Ceromasia mit Intraventricularpolster, E1 Herz von Calliphora mit erweiterter vorderer Kammer, E2 bei Vorpulsen, E3 bei Rückpulsen. F extrem reduziertes Herz der Dipterenlarve Ptychoptera. G Kompaktes Herz der 5chweinelaus Haematopinus. (A nach Gereben-Krenn & Pass 1999, B nach Meyer 1931, C nach Vondran & Wasserthai 1998, D nach Pantel 1914, E nach Wasserthai 1998, F nach Grobben, G nach Prowazek aus Weber 1933)
hinten nach vorn (Abb. 7-4). Bei den adulten Coleopteren, Dipteren und Lepidopteren und wahrscheinlich auch weiteren Pterygoten schlägt das Herz in wechselnden Perioden kopfwärts und rückwärts, oft mit einem bis mehrere Sekunden dauernden Herzstillstand zwischen beiden Pulsperioden (Abb. 7-8,7-16,7-18). Die Pulswelle hat bei den Raupen von Manduca eine Geschwindigkeit von 5,5 crnls, bei den Puppen von 0,75-3 crnls und bei der Imago sowohl für Vor- und Rückpulse von 3,5-8 crnls. Bei der Schabe Blaberus giganteus wechselt die Schlagrichtung ebenfalls periodisch. Die Vorpulse haben eine Geschwindigkeit von ca. 5 cm/s. An die Vorwärts- und Rückwärts-Pulsperioden schließen sich in unregelmäßiger Folge Phasen an, bei denen von hinten und vorne gleichzeitig initiierte Pulswellen in der Abdomenmitte auf unterschiedlicher Höhe der Seitengefäße mit ca. 10 crnls zusammenprallen (Abb. 7-6A4). Es wird also ein vorderer und ein hinterer Schrittmacher nicht abwechselnd sondern gleichzeitig aktiviert. Die dabei entstehenden Kollisionswellen sorgen für einen Austritt der Hämolymphe aus jeweils einem Paar der Seitenarterien. Ein Rückstrom durch die Seitengefäße wird durch ein als Sphinkter wirkendes, verschließbares hohlkegelförmiges Ventil verhindert (Abb. 7-6A6). Ähnlich
arbeitet das mit abdominalen Seitenarterien ausgestattete Herz der Gottesanbeterin Sphodromantis gastrica. Während bei den kopfwärts gerichteten Pulsen nur bei den blattopteroiden und orthopteroiden Insekten die Hämolymphe auch über die thorakalen Seitenarterien bzw. Ausströmostien der Aorta austreten kann, verlässt die Hämolymphe die Aorta bei den übrigen Insekten nur durch die cranialen Öffnungen .
7.2.1.2 Bau und Funktion der Ostien Das Dorsalgefäß besitzt ursprünglich pro Segment I Paar seitliche Öffnungen, über die die Hämolymphe in das Herz einströmt (EinströmOstien) . Bei den meisten Insekten besteht jedes Ostium aus zwei Zellen, die beide als Lippen ins Herzlumen ragen und als Einströmöffnung dienen (Abb.7-5). Bei Druckzunahme im Herzen legen sich beide Lippen aneinander und verschließen die Öffnung (Abb. 7-8A). Die Zahl dieser Ostienpaare ist je nach Taxon mehr oder weniger stark reduziert. Die maximale Anzahl von 12 findet sich bei den Blattodea und Orthoptera. Lepidoptera besitzen 9 Paare, Coleoptera 7 Paare. Aculeate Hymenoptera und Calliphora weisen nur noch
192
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
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Deckflügel
Abb. 7-8: 8eziehung zwischen wechselndem Hämolymph- undTracheenvolumen von Vorder- und Hinterkörper beim Nashornkäfer. Beim Nashorn- wie beim Goliathkäfer wird die Hämolymphe durch periodische Herzschlagumkehr regelmäßig zwischen Vorderkörper und Abdomen hin- und hergepumpt. Wenn sich der Hämolymphgehalt bei Rückpulsen des Herzens im Vorderkörper und den Elytren verringert, dehnen sich die kettenartig angeordneten Luftsäcke aus (B). Sie ziehen sich leicht zusammen, wenn die Hämolymphe mit den Verpulsen des Herzens wieder in den Vorderkörper zurückströmt (A). Die Luftsäcke sorgen damit für einen Rückfluss der Hämolymphe auch in die umgebenden Lakunen der Elytren. Die abdominalen Luftsäcke verhalten sich entsprechend, werden aber zusätzlich durch diskontinuierliche Pumpbewegungen ventiliert. (Nach Wasserthai 1982)
5 Paare im Abdomen auf (Abb. 7-7). Phthiraptera, Heteroptera und einige Dipteren-Larven haben nur noch die hintersten 1-3 Paare. Im Aortenbereich können die Einströmostien ganz fehlen. Die Aorta endet bei den meisten Insekten im Kopf mit einer unpaaren Ausströmöffnung. Bei Calliphora mündet die Aorta bereits im Hals. Bei den Diplura reichen die Aortenzweige bis in die Antennen (Abb.7-7). Bei den Odonata, Trichoptera und Lepidoptera entspringen von einer Aortenerweiterung (Aortensaek) ein Paar Augenarterien und ein Paar Antennenarterien (Abb. 7-7C). Bei Vespa und Apis teilt sich die Aorta ohne Erweiterung in paarige Kopfarterien. Einige Insektengruppen besitzen zusätzliche Ausströmostien entlang des Dorsalgefäßes. Bei den Plecoptera und Embioptera sind sie unpaar und öffnen sich an der Unterseite des Herzens. Bei den Zygentoma und Orthoptera sind sie paarig. Bei den Saltatoria gibt es Ausströmostien in zwei Thorax- und maximal 5 abdominalen Segmenten (Abb.7-6). Diese einfachen Öffnungen werden bei jeder Diastole von einer sich sphinkterartig kontrahierenden Zelle geschlossen . Die Ausströmostien der Phasmatoidea, bei Gryllotalpa und den Tettigonioidea öffnen sich bei Systole in den Perikardialraum unterhalb der hämocytopoietischen Organe. Bei den Locustiden verbinden die Ausströmostien das Herzlumen durch das dorsale Diaphragma hindurch direkt
mit dem Periviszeralsinus (Abb. 7-6B3). Die Seitenarterien, die nur bei den Blattodea (2 thorakale + 4 abdominale) und Mantodea (nur 4 abdominale) vorkommen, weisen an den sich zweimal gabelnden Enden Ausströmöffnungen auf (Abb. 76A). Ein Rückstrom wird durch Ventile im basalen Lumen der Seitengefäße verhindert. Bei den Diplura und ganz anders bei adulten höheren Dipteren finden sich paarige Auströmostien nur am caudalen Herzende. Zusätzlich ragt bei einigen Diptera ein Paar kissenartig verdickter Zellen im hinteren Herzen so weit ins Herzlumen, dass es bei Vorpulsen wahrscheinlich einen Hämolymph-Austritt durch diese caudalen Öffnungen verhindert (Abb. 7-7D-E). Bei den scarabaeiden Käfern mündet eine unpaare vertikale Öffnung in eine caudale aus Fettkörper gebildete Kammer (Abb. 7-8, 7-9A). Insekten mit Terminalfilum, wie Archaeognatha, Zygentoma und Ephemeroptera, besitzen ebenfalls eine unpaare Ausströmöffnung am Herzende. In der z. T. ampullenartig erweiterten hinteren Herzkammer sorgen hier nach hinten gerichtete Ventil-Lippen für einen retrograden H ämolymphstrom (Abb. 7-7B, 7-14A). Bei den Lepidoptera existieren statt der getrennten Ein- und Ausström-Öffnungen ZweiwegOstien (Abb. 7-9B). Die jeweils innere Ostien-Zelle ragt mit ihrer freien Kante nach vorne ins Herzlumen und unterlagert die äußere Zelle. Diese ragt
7.2 Körperkreislauf
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7.2.2 Ventrales Diaphragma und Perineuralsinus
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Abb. 7-9: Wirkung von Ein- und Zweiweg-Ostien in Bezug auf die wechselnde Herzschlagrichtung. A Die Ein-
strömostien der Coleoptera (sowie meisten Insekten) schließen sich bei Zunahme des Herzbinnendruckes bei Vor und Rückpulsen . Für den Rücktransport steht bei den scarabaeiden Coleoptera eine einzige caudale Öffnung zur Verfügung. B Die Zweiweg-Ostien der Lepidopteren schließen sich nur bei den Vorpulsen . Bei Rückpulsen werden die gegen die Strömung gerichteten inneren Ostienlippen aufgedrückt und die Hämolymphe kann in das Abdomen entweichen. Jede Pulswelle produziert eine vorausgehende Bugwelle, die das Herz weitet. (Nach Wasserthai 2003)
Während das Dorsalgefäß bei allen Insekten ausgebildet ist, kommt das ventrale Diaphragma zusammen mit dem umgebenden Perineuralsinus nur bei Insekten mit abdominalem Bauchmark vor (Abb. 7-4, 7-10). Dennoch ist es auch hier nur bei der Minderheit der Insektenordnungen nachgewiesen. Es sind die Odonata, Saltatoria, Hymenoptera, Neuropteroidea, Hymenoptera, Mecoptera , Lepidoptera und innerhalb der Diptera nur Nernatocera, Tabanidae und Asilidae. Es fehlt bei den basalen Insektengruppen, bei den Blattodea sowie den Ordnungen mit im Thorax konzentriertem Bauchmark, also den Hemiptera, Coleoptera (Abb. 7-8) und höheren Diptera (7-18). Die einzelnen quergespannten Muskelfasern, die bei den "Apterygoten" über dem Bauchmark verlaufen, werden nicht als ventrale Diaphragmen betrachtet. Die quer verlaufenden Muskelbänder bei Acheta und die einzelnen Muskelfasern, die bei den Trichoptera seitlich am Bauchmark ansetzen, könnten als Primitiv- oder Reduktionsformen eines Diaphragmas gedeutet werden (Abb.7-10A,
mit ihrer freien Außenkante nach hinten. Die Ostienfunktion wird von der Anströmrichtung und dem Hämolymphdruckgradienten zwischen dem bei Diastole erweiterten Herzen und dem Hämocöl des Abdomens bestimmt. Bei Vorpulsen wird während der Systole die innere Lippe gegen die äußere gedrückt und das Ostium geschlossen. Bei den Rückpulsen führt die der eigentlichen Kontraktion vorauseilende "Bugwelle" - in der Elektrophysiologie bekannt als der "presystolic notch" - zum passiven Aufdrücken der dann gegen die Strömung gerichteten inneren Ostienlippen, insbesondere am caudalen Herzende, wo durch das geschlossene Ende ein Hämolymphstau entsteht. Ähnlich verhält sich das hintere Ostienpaar bei der Schabe Blaberus giganteus bei den nach caudal gerichteten Pulsen . Abb.7-10: Ventrale Diaphragmen bei pterygoten Insekten. Die über dem Bauchmark querverlaufenden Muskeln können als lose Bänder (A) oder als Fächer (Alae: B-D) über
unterschiedlich vielen Segmenten ausgespannt sein . Bei den Trichoptera sind nur einzelne Fasern (E), bei den Lepidoptera die ganzen Fächer (F) dorsolateral mit den Ganglien verbunden. (Verändert nach Richards 1963)
194
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
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Abb. 7-11: Ventrales Diaphragma undTaillenventil. A Längsschnitt durch den Körper des Schwärmers Acherontia atropos und seine Kompartimentierung. Das abdominale Hämocöl istdurch einen großen Luftsack sowie ein Septum aus Muskeln und Fettkörper vom Vorderkörperhämocöl getrennt. Der große Taillen-Luftsack verhindert Wärmeverluste in das Abdomen. Die Aortenschlaufe zwischen der Flugmuskulatur sorgt füreine gleichmäßige Wärmeverteilung. Die nach hinten ragende Fettkörperplatte verschließt bei abdominalen Kontraktionen den Perineuralsinus wie ein Rückschlagventil und verhindert ein Ausweichen der Hämolymphe in den Vorderkörper. B Querschnitt durch die vordere Ventilregion bei dem Tagfalter Papilio machaon mit ventralem Diaphragma, Perineuralsinus (PNS) und darüber liegender Fettkörperplatte. Bei Druckzunahme imAbdomen werden Fettkörperplatte und ventrales Diaphragma in die Fettkörperfreie Ausparung des PNS gepresst. (B nach Wasserthai 1980)
E). Normalerweise besteht das Diaphragma aus den in Fächern (Alae) angeordneten Muskeln, die ventrolateral an der Körperwand ansetzen . Die Muskelfächer sind häufig durch Bindegewebsmembranen abgedichtet. In den meisten Fällen ist das ventrale Diaphragma nicht mit dem Bauchmark verwachsen. Bei den adulten Lepidoptera ist das Bauchmark jedoch fest mit einer massiven hochelastischen Bindegewebsleiste verbunden (Abb. 7-llB). Dieses Diaphragma treibt wie ein Flossensaum die Hämolymphe durch ununterbrochene seitliche Schlängelbewegungen vom Thorax ins Abdomen. Bei den Hymenoptera erzielt das ventrale Diaphragma durch wellenförmiges Aufund Abschwingen den gleichen Transporteffekt. Durch die Diaphragmabewegungen wird vor allem das Bauchmark stets mit frischer Hämolymphe versorgt.
7.2.3 Taillenseptum und Kompartimentierung Bei den adulten holometabolen Insekten dichten verschiedene Strukturen, wie Fettkörper, Dorsoventralmuskeln , Bindegewebe und Luftsäcke, das abdominale Hämocöl gegen das des Vorderkörpers mehr oder weniger gut ab, sodass die Hämolymphe nur über den Perineuralsinus und das Herz ausgetauscht werden kann. Bei einigen Insekten
ohne Perineuralsinus ist das Dorsalgefäß sogar die einzige Verbindung zwischen Vorder- und Hinterkörper-Hämocöl. Die hinter der äußerlich sichtbaren Taille liegenden riesigen Luftsäcke bei den Diptera und das zusätzliche Fettgewebe bei den Coleoptera wirken wie ein Septum, durch das neben dem Dorsalgefäß nur Verdauungstrakt, Speicheldrüsen sowie Nerven hindurchtreten (Abb. 7-8). Bei den Lepidopteren wird auch der Perineuralsinus durch eine Art Rückschlagventil bei abdominalen Kompressionsbewegungen verschlossen (Abb. 7-11). Eine nach hinten ragende Platte des Fettkörperseptums wird gegen das ventrale Diaphragma gepresst. Seine verbreiterte hochelastische bindegewebige Leiste mit dem Bauchmark ist so genau in das U- oder V-förmige vordere abdomin ale Sternit eingepasst, dass bei Druckzunahme im Abdomen auch der Perineuralsinus abgedichtet wird und die Hämolymphe nicht in den Thorax ausweichen kann .
7.2.4 Das Abdomen als übergeordneter Druckerzeuger Im Unterschied zu Organismen mit geschlossenem Gefäßsystem spielt das Herz der Insekten grundsätzlich nicht die Hauptrolle bei der Erzeugung des " Blutdruckes", sondern dient vielmehr als
7.2 Körperkreislauf
195
Abb. 7-12: Akzessorische Pulsationsorgane im Kopf. A1 Antennenpumpe der Schabe Periplaneta mit paarigen Ampullen, die über einen gemeinsamen QuermuskeIl geweitet werden; linkeAmpulle dilatiert, rechte Hälfte erschlafft A2 Ausschnitt. 8 Unpaarige Antennenampulle (Amp) und Kopfpulsationsorgan ((PO) bei Calliphora. 81 Seitenansicht, 82 Einblick in den dorsal geöffneten Kopf, 83 Ausschnitt mit Antennen-Ampulle, 84 Ausschnitt mit Aortenmündung im Hals und Kopfpulsationsorgan. Antennen-Ampulle und (PO werden über einen gemeinsamen Dilatormuskel gestreckt. Das epo wird zusätzlich durch die eigene Muskulatur kontrahiert und über Occipitalmuskeln (OM) hinter dem Oberschlundganglion (OSG) entleert. (A1 nach Pawlowa 1898 aus Seifert 1999, A2 nach Pass 1985, B nach Wasserthai 1999 u. unveröff. Daten)
Hauptverteilerpumpe zwischen Hinter- und Vor- Fliegen unterstüt zt da s Abd omen durch langsaderkörper. Neben dem Tran sport durch das Rü- mes Kontrahieren während der Vorpulse des Herckengefäß wird bei einigen Insekten die Häm o- zens den Vorwärt stransp ort. Parallel mit dem venlymphe im Bauch sinus, dem Perineuralsinus, aus tralen Rückfluss der Hämolymphe in das Abdem Thorax in das hintere Abdomen gepumpt. domen über den Perineuralsinus erweitert sich das Der für den erfolgreichen Hämolymphtransport Abdomen. Bei einer akt iven Längenzunahme entnötige Druckgradient zwischen Herz und Körper- steht eine Herzpause, auf die dann die Rückpulse hämoc öl wird durch den Tonus der Körp erwand- des Herzens folgen (Abb. 7-14). Die Einschnürung muskulatur, bei den Imagines meist der des Ab- zwischen Vorder- und Hinterkörp er spielt also für domen s, erzeugt. Langsame abdomina le Volumen- den Hämolymphtransport eine wichtige Rolle. Die änderungen wirken sich auch auf das Strömungs- Trennun g in 2 Kompartimente ist bei den hologeschehen im Perineuralsinus aus. Das Abdomen metabolen Insekten , speziell den Hochleistung sspielt dadurch die Rolle einer übergeordneten fliegern , besond ers ausgeprägt. Die relativ geringe Druck- oder Saugpumpe, je nachdem, ob es sich Hämolymphm enge kann abwechselnd in Vorderkontr ahiert oder ausdehnt. Dadurch ist vielfach körper und Hinterkörper als Hydraulikflü ssigkeit überhaupt erst ein effizienter Transp ort der Hä- zur Tracheenventilation eingesetzt werden. Durch molymphe im Herzen und im Perineuralsinus die enge Taille bei den apocriten Hymenopteren möglich. Bei den adulten Lepidoptera und einigen bzw. Isolierung mittels Luft säcken vor und hinter
196
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
der Taille bei den Lepidopteren und Dipteren wird zudem ein Verlust der Muskelwärme des Bewegungsapparates in das Abdomen vermieden.
7.3 Akzessorische Pulsationsorgane und peripherer Kreislauf Innerhalb der pterygoten Insekten haben sich zusätzlich zum Dorsalgefäß akzessorische Pulsationsorgane, sog. Ampullen oder Hilfsherzen entwickelt. Diese sind in unterschiedlichem Maße notwendig, um in den engen, röhrenförmigen Körperanhängen einen ausreichenden Hämolymphaustausch zu gewährleisten. Daher gibt es akzessorische Pulsationsorgane unterschiedlicher Bauart im Bereich von Kopf, Beinen, Cerci und Terminalfila.
7.3.1 Versorgung von Kopf, Beinen und caudalen Anhängen Die Antennen enthalten meist ein zuführendes Gefaß . Bei den Diplura, Odonata und Lepidoptera entspringt es direkt von einer Aortenerweiterung, dem Frontalsack und es gibt keine zusätzlichen kontraktilen Pumpen an den Antennen. Bei den Lepidopteren befinden sich in den basalen Gefäß-
erweiterungen Gewebskugeln zur Regulation des mit der Schlagrichtung wechselnden H ämolymphdruckes (Abb. 7-7). Bei den übrigen Insektenordnungen nimmt das Antennengefäß seinen Ursprung oft von einer paarigen oder gemeinsamen bindegewebigen Erweiterung (Ampulle) an der Antennenbasis (Abb.7-l2A). Diese kann über Muskeln von außen gedehnt werden und dabei über eine Ventilöffnung die Kopfhämolymphe ansaugen, um sie beim Erschlaffen in das Antennengefäß abzugeben. Bei den Hymenopteren werden die Antennenampullen indirekt über die benachbarten Pharynxmuskeln betätigt. Bei Calliphora ist der Ampullendilatormuskel direkt mit einem im Hinterkopf liegenden Kopfpulsationsorgan verbunden (Abb. 7-l2B). Dadurch ist die Antennenversorgung direkt mit dem Ansaugen und dem Weitertransport der Hämolymphe im Hinterkopf gekoppelt. Dieses Doppelorgan pulsiert nur, wenn das Herz kopfwärts pumpt (Abb. 7-18). Die Versorgung der Beine erfolgt als Zirkulation, wenn ihr Hämocöl durch ein distal unvollständiges Längsseptum in einen Ein- und einen Ausströmsinus unterteilt ist. Dieses Septum kann zusätzlich über direkt ansetzende oder querende Muskeln bewegt werden, wie bei den Hemiptera, Hymenoptera und Saltatoria (Abb. 7-l3A-B). Bei Schistocerca werden die Bewegungen des zwischen Trochanter und Femurseptum verspannten Mus kels mit den Ventilationsbewegungen des Abdomens koordiniert. Bei den Lepidopteren tritt nach der Metamorphose an die Stelle eines Längsseptums eine weitlumige elastische Trachee, die sich bei Hämolymph-Reduktion infolge der Herz-
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Abb. 7-13: Akzessorische Pulsationsorgane der Beine. A Vorderbeinpumpe bei der Wasserwanze Ranatra; der Pumpmuskel ist mit dem Septum verbunden. B Hinterbein des Rückenschwimmers Notonecta; der PrätarsusBeuger quert und bewegt dadurch das spiralförmig verlaufende Femurseptum. (A nach Brocher 1909, B nach Hantschk 1991)
7.3 Akzessorische Pulsationsorgane und peripherer Kreislauf
Rückpulse kompensatorisch weitet und bei Rückkehr der Hämolymphe wieder entspannt (Abb. 66). Der Versorgung der caudalen Anhänge, wie bei den B1attodea, dienen entweder Gefäße oder ein Längsseptum. Nur die Gefäße in den Cerci bei den Diplura und in den Terminalfila der "Apterygoten" und Ephemeroptera entspringen direkt am Herzen. Ansonsten beginnen sie getrennt an der Basis der Cerci . Pumpmuskeln sind bisher nur bei den Plecoptera (Abb. 7-14B) und im Legeapparat bei Grillen bekannt. Bei den "Apterygoten" und Ephemeroptera pulst das Herz im caudalen Bereich stets nach hinten. Bei den Zygentoma und Ephemeroptera hat die caudale Herzkammer eine vom Herzen verschiedene Pulsfrequenz. Sie enthält bei den Ephemeroptera eine Gewebskugel, die wahrscheinlich ähnlich wie die in den Antennenampullen der Lepidopteren als Dosierventil dient (7-l4A).
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7.3.2 Die Flügelversorgung Bereits in den Puppen der Schmetterlinge werden die Flügelanlagen durch die Retraktormuskeln der Füße des 2. und 3. Abdominalsegments versorgt, die einen Funktionswechsel erfahren haben und
Abb. 7-15: Meso- und metatergale Pulsationsorgane. A Querschnitt durch unpaares Scutellarorgan ohne Aortenkontakt wie bei Neuroptera, Mecoptera und Trichoptera. B Separate paarige Scutellarorgane wie bei Tagfaltern und Diptera. CTergale Ampullen bei üdonata. 01 Mit der Aorta gekoppeltes Mesoscutellarorgan und separates Metascutellarorgan beim Nachtfalter Attacus atlas. 02 Ausschnitt des angeschnittenen Mesoscutellarorgans bei Kontraktion, 03 bei Erschlaffen. Wenn das Kammervolumen sich bei Kontraktion der Muskelmembran erweitert, wird Hämolymphe von den Thoraxseiten bzw. den Flügeln angesaugt und gleichzeitig das unterlagernde Luftsackvolumen verkleinert. (A, B nach Krenn & Pass 1995, C nach Whedon 1938)
Abb.7-14: Akzessorische Pulsationsorgane der Schwanzanhänge. A Caudales Herzende mit akzessorischem Pumporgan und Ventil der Ephemeroptera, Ausschnitt von Abb. 7-7B1. B Cercuspumpe der Plecoptera. (A verändert nach Meyer 1931 und Pass 2000, B nach Pass 1999)
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Attacus atlas. Schematische Darstellung nach Messkurven. A Abdomenverkürzung und Vorpulsperiode des Herzens. B Beginnende
Abb, 7·16: Koordination von pendelndem Kreislauf und Tracheenventilation beim adulten Pfauenspinner
Abdomenexpansion mit verstärkter Hämolymphströmung im Perineuralsinus und Herzschlagpause. C Fortsetzung der Abdomenexpansion und Rückpulsperiode des Herzens mit paralleler Pumpaktivität der Scutellarorgane. Diese saugen jetzt die Flügelhämolymphe in den Körper unter Weitung der Flügeltracheen. D Abdominale Peristaltikbewegungen zur Durchmischung der Abdomenhämolymphe und Ventilation der abdominalen Tracheen unter koordiniertem Stigmenschließen. Das CO 2 wird dabei durch die vorderen abdominalen Stigmen ausgeschieden. während die COrAbgabe durch die Thorakalstigmen kontinuierlicher miteinem Maximum während der Vorpulsperioden erfolgt. (Nach Wasserthai 1982 und 1986)
7.4 Metamorphose des Kreislaufsystems
199
Abb.7-17: Versorgung der Flügel beim Kohlweißling. Nach abdominaler Applikation von fluoreszierendem Tetracyclin erscheint die markierte Hämolymphe getrennt in allen Adern und diffundiert langsam in die Flügelspreite. (Nach Wasserthai 1983)
bei Kontraktion den Hämolymphraum in den Flügelscheiden der Puppe vergrößern. Bei den Imagines dienen in der Regel die im dorsalen Mesound Metathorax gelegenen Scutellarorgane als Pumpen für die seitliche Zirkulation im Thorax und für die Flügelversorgung ("Flügelherzen") . Sie können unpaarig oder paarig sein und eine vom Herzen unabhängige Pulsaktivität zeigen (Abb. 715A-B). Sie pulsen meist mit dem Herzen koordiniert , wenn sie Aussackungen (Ampullen) der Aorta (Abb. 7-15C) oder als Muskelmembranen anatomisch mit ihr direkt verbunden sind (Abb. 71502-3). Je nach Anordnung des Geäders und Tracheenausstattung des Flügels wirkt sich die Saugwirkung der Scutellarorgane sehr unterschiedlich aus . Bei Flügeln mit gut entwickelten Queradern und engen Tracheen ergibt sich durch ihre Saugwirkung über die Axillarverbindung eine Zirkulation mit einem Einstrom durch die vorderen Adern und einem Ausstrom über die hinteren Adern, beispielsweise bei den Orthoptera, Blattodea, Diptera und Hymenoptera. In den Schmetterlingsfl ügeln, deren Adern blind enden und die weitlumige, elastische Tracheen enthalten, führt der Sog der Pulsationsorgane zu einem körperwärts gerichteten Strom in allen Adern. Durch die dabei erfolgende gleichzeitige Reduktion der Hämolymphe werden die Tracheen in den Adern kompensatorisch gedehnt. Die Scutellarorgane können Flügelhämolymphe aber nur ansaugen, wenn keine konkurrierende Hämolymphe im lateralen Thorax zur Verfügung steht. Bei den großflügligen Pfauenspinnern wird die Kopf- und Thoraxhämolymphe vor Pulsbeginn der Scutellarorgane durch ein hierarchisches Zusammenspiel von Muskeln in der Abdomenwand und Herzaktivität ins Abdomen verfrachtet (Abb . 7-16). Die Expansion des Abdomens führt zum Ansaugen der im Thorax befindlichen Hämolymphe über den Perineuralsinus ins Abdomen, wobei das Herz gleich-
zeitig pausiert. Erst nach Einsetzen der Rückpulse des Herzens beginnen die Scutellarorgane mit ihrer Pulsaktivität. Die Hämolymphe kann erst wieder in die Flügel zurückkehren, wenn das Herz durch Vorwärtspumpen genügend Hämolymphe an den Flügelbasen bereitstellt. Unter Nachlassen der Dehnungsspannung der Adertracheen wird die Hämolymphe in die Flügeladern zurück "gesaugt". Bei Saturniiden und Tagfaltern wird dieses Rückströmen durch Unterbrechung der Pulsaktivität der Tergalorgane begünstigt. Während die Flügellakunen mit ihren Nerven und Sensillen gut versorgt werden, gelangt die Hämolymphe nur sehr langsam über einen mehrere Stunden dauernden Diffusionsprozess in die aderferne Spreitenfläche (Abb. 7-17). Besonders bei sich sonnenden Insekten werden hier durch Verdunstung des Wassers Salze angereichert. Dies führt zum Absterben der Zellen, macht die Flügelmembran aber gleichzeitig hygroskopisch und hält sie dadurch elastisch . Im Unterschied zu den Dytisciden, deren Aorta scutellare Ampullen besitzt, fehlen diese bei den scarabaeiden Käfern. Bei ihnen sorgen allein die periodische Herzschlagumkehr und die antagonistisch wirkende Dehnungsspannung der Luftsäcke für einen Aus- und Einstrom der Elytrenhämolymphe (Abb . 7-8). Zwischen Einström- und Ausströmphase der Hämolymphe ist eine kurze Zirkulationsphase eingeschaltet.
7.4 Metamorphose des Kreislaufsystems Die trägeren Larven der Holometabolen, besonders der phytophagen Raupen und Afterraupen sowie substrat-fressenden Larven wie Maden und
200
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
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Abb. 7-18: Periodischer Hämolymphaustausch durch Herzschlagumkehr und diskontinuierliche Pumpaktivität des Kopfherzens bei Calliphora. A Das Kopfpulsationsorgan pulst nur während der Vorpulsperiode des Herzens, jedoch mit niedrigerer Frequenz. Die Pulse führen zu positiven Druckpulsen am Stigma I. Im scutellaren Luftsack bilden sich die einzelnen Vorpulse als positive Druckpulse ab. Dabei verkürzt sich das Abdomen. BWährend der Rückpulsperiode dehnt sich das Abdomen aus. Die höher frequenten Rückpulse bilden sich als negative Druckpulse im scutellaren Luftsack ab. Sieführen zu einem Unterdruck und zur Zunahme des Sauerstoffgehaltes im Tracheensystem des Vorderkörpers. Die einzelne abdominale Pumpbewegung am Beginn der Vorpulsperiode wirkt sich nicht messbar auf das thorakale Tracheensystem aus. (Nach Wasserthai 1998 und unveröff. Messdaten)
Engerlinge, haben einen hohen H ämolymph-Gehalt und einen entsprechenden Überdruck im Hämocöl, auch mit bedingt durch die pralle Darmfüllung . In den entspannt ruhenden Puppen nimmt der Hämolymphdruck ab. Vor und wäh-
rend des Schlüpfens nimmt der Druck in der pharaten Imago stark zu, um nach der vollen Ausdifferenzierung der Imagines subatmosphärisch zu werden. Bei den meisten holometabolen Insekten schlägt das Herz bereits ab dem Puppenstadium
7.4 Metamorphose des Kreislaufsystems
periodisch vorwärts und rückwärts. Die Herzschlagumkehr der Lepidopteren tritt erstmals bei den Wanderraupen auf und steht am Anfang der Puppenphase sicher in Zusammenhang mit der morphogenetischen Verkürzung des Abdomens. Während der Puppenruhe (Diapause) finden ebenfalls periodische Schlagrichtungswechsel statt, die vielfach unterbrochen werden durch bis zu Stunden dauernden Herzpausen . Kurz vor und während des Schlüpfens schlägt das Herz gleichmäßig mit sich erhöhender Frequenz kopfwärts, bisweilen bis zum uneffizienten Herzflimmern (Abb. 719A). Der Druck zum Sprengen der Puppencuticula und die Hämolymphfüllung der sich entfaltenden Flügel wird dabei hauptsächlich von den
Kontraktionen des Abdomens bewirkt. Bei den schizophoren Dipteren wird dabei eine Stirnblase zum Sprengen des Tönnchens ausgestülpt (Abb. 25-78). Eine wichtige Rolle kommt dem Herzen erst nach der Flügelentfaltung zu: Unter Verlängerung der Rückpuls-Perioden wird über die akzessorischen scutellaren Pulsationsorgane die überschüssige Hämolymphe aus den Flügeln herausgesaugt und in das Abdomen zurückgepumpt (Abb. 7-l9Ac-Bc). Dabei legen sich die dorsale und ventrale Flügellamelle aneinander, und schließlich weiten sich die Flügeltracheen in den Adern (Abb. 7-l9Bd) . Die Hämolymphe wird im Verlauf des Prozesses der postecdysialen Diurese eingedickt. Durch die dabei stattfindende
Post-Eclosion
Eclos ion
Pre-Ecloslon
A
Adult
Härtung der Flügel-Cuticula während der postecdys ialen Diurese
Resorplion der : Druckzunahme im :Flügel· · Exuvialllüss igkeit : Vorderkörper zum ;entfaltung : Sprengen der : Puppen -Cuticula
Schlüpfen
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Stelzen zetlen
Abb. 7-19: Flügelentfaltung bei Schmetterlingen. A Herzaktivität während des Schlüpfprozesses beim Eulenfalter Caligo. Schwarze Signatur = Rückpulsperioden. Weiße Signatur = Vorpulsperioden, x - x = Vorpulsfrequenz. B Entfaltung der Flügel bei Attacus und die dabei erfolgenden Änderungen von Hämocöl- und Tracheenvolumen im Flügel. a Beginn der Flügelentfaltung, b Ende der Flügelstreckung, c Rücktransport der überschüssigen Flügelhämolymphe ins Abdomen und Annäherung der oberen und unteren Flügelspreite unter Wasserabgabe. d Voll entwickelter Falter mitgeweiteten Flügeltracheen nach 3 Tagen. (Nach Wasserthai 1975 und 1998)
202
7 Hämolymphe und Hämolymphtransport
Wasserausscheidung wird das Hämolymphvolumen auf ca. 1/3 bis 1/10 reduziert. Dies hat zur Folge, dass sich die Luftsäcke auch in den Beinen sowie im übrigen Körper kompensatorisch dehnen. Die Luftsäcke im Metathorax und I. Abdominalsegment weiten sich so stark, dass sie das Hämocöl des Vorderkörpers von dem des Hinterkörpers abgrenzen . Zusätzlich wird durch das Zusammenziehen der Abdomensegmente der Fettkörper hinter der Taille so dicht aneinanderlagert, dass er ebenfalls abdichtend wirkt. Bei den schizophoren Dipteren führt die Diurese zusätzlich zur Einstülpung der Stirnblase unter Bildung des Ptilinalspalte s.
7.5 Kreislaufregulation Die muskulösen Kreislaufpumpen sind myogen, ihre autonomen Rhythmen werden jedoch nervös reguliert und in einigen Fällen untereinander und mit den abdominalen Ventilationsbewegungen koordiniert wie die Pulsationsorgane im TrochanterFemur-Bereich bei Schistocerca oder die akzessorischen Pulsation sorgane und Herzen bei einigen Lepidoptera und Ca/liphora (Abb. 7-16, 7-18). Effektoren für die Regulation gibt es in Form von neurosekretorischen oder synaptischen Nervenendigungen des ZNS. Diese entspringen vom Frontal- und/oder vom Unterschlundganglion und begleiten wenigstens die Aorta oder das gesamte Herz wie bei den Blattodea und Saltatoria. Von den segmentalen Ganglien ausgehend versorgen die dorsalen Nerven ebenfalls das Herz und projizieren bei den Saltatoria und Blattodea in die Lateralnerven. Bei adulten Manduca innervieren die letzten zwei Paar Dorsalnerven des terminalen Ganglions das Herzende und stimulieren die Vorpulstätigkeit. Ferner gibt es zusätzlich periphere Motoneurone, wie beispielsweise im Lateralnerv des Schaben-Herzens oder die segmentalen vielkernigen Neurone der Lepidoptera, die die Alarmuskeln und das Herz innervieren. Diese stehen über die transversalen Nerven mit dem ZNS in Verbindung . Sie enthalten neurohämale Ausschüttungsorte ähnlich den perisympatischen Organen an den freien Nervenendigungen der Transversalnerven. Teilweise werden die Neurosekrete direkt in die Aorta wie bei Calliphora oder in die Antennenampullen wie bei der Schabe Periplaneta abgegeben. Die bisher meist an in-situ- oder in-vitroPräparaten untersuchten Neurotransmitter verhalten sich sehr uneinheitlich in Bezug auf die verschiedenen Pulsationsorgane, selbst innerhalb einer Art. Die meisten untersuchten Neurotransmitter, wie Serotonin , 5-Hydroxytryptamin, Octo-
pamin und Proctolin, wirken beschleunigend auf die Pulsfrequenz von Herz bzw. akzessor ischen Pulsationsorganen. In anderen Fällen können dieselben Transmitter aber auch hemmend wirken, wie beispielsweise Octopamin auf die Pulsfrequenz des "Antennenherzens" von Periplaneta. Beeinflusst wird das Reaktionsvermögen der Muskelsysterne durch den hormonalen Zustand, wie die Änderungen der Frequenz und Periodendauer der Pulse von Herz und Scutellarorganen während des Schlüpfprozesses bei Lepidopteren zeigen (Abb. 719). Das schlauchförmige Herz kann bei adulten Lepidoptera auch auf Spannungsänderungen des Abdomens reagieren. Eine Verkürzung des Abdomens führt zu Vorpulsen unter Frequenzzunahme, Streckung des Abdomens führt zu Frequenzabnahme, Herzstillstand und Rückpulsen (Abb.7-16). Ein ruckartiger Herzstillstand oder Änderung der Schlagrichtung, wie er bei Calliphora oder bei einigen Lepidopteren als Folge externer visueller, akustischer oder taktiler Stressreize beobachtet werden kann , wird über Nerven ausgelöst.
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8 Nervensystem Iiirqe« Milde
I). Den Ganglien entspringen Nerven, die die Verbindung zu den peripheren Sinnesorganen und Muskeln herstellen. Dieses Nervensystem erinnert in ursprünglichen Formen an eine Strickleiter, Das Nervensystem übertrifft in seiner Kompleximan spricht daher auch von Strickleiternerventät alle anderen Organsysteme der Insekten. Dabei dient es als oberste Instanz zur Regelung und systemen. Die Segmentierung des Insektenkörpers Koordinierung der Funktionen des Organismus. sowie die Integration von Segmenten zu funkZur Realisierung dieser Aufgabe werden konti- tionellen Einheiten (Tagmata) spiegelt sich grundnuierlich Informationen aus der Umwelt und dem sätzlich in der strukturellen Gliederung des NerKörperinneren von sensorischen Systemen aufge- vensystems wider (Abb. 8-1). Während ursprüngnommen, in schnelle elektrische Signale über setzt lich pro Körpersegment ein paariges Ganglion und im Nervensystem weitergeleitet. Dort werden vorhanden war, sind die Ganglien in den postsie unter Berücksichtigung geplanter Ziele und embryonalen Entwicklungsstufen aller Insekten gesammelter Erfahrungen zu Kommandos ver- mehr oder weniger stark verschmolzen. Bei dem in arbeitet, die an Muskeln und Drüsen übermittelt Abb. 8-1 gezeigten Grundtyp gliedert sich das werden und deren Aktivität steuern und koor- Nerven system im Kopfbereich in das Gehirn, bedinieren. Das Nervensystem kann regulatorisch stehend aus Proto-, Deuto- und Tritocerebrum, wirken, indem es einen gewünschten Zustand trotz und das Unterschlundganglion. Die drei separaten Änderungen der Umwelt durch kompensatorische Ganglien der Thoraxsegmente, Pro-, Meso- und Aktivität erhält, oder völlig neue Zustände ini- Metathorakalganglion schließen sich an , gefolgt tiieren . Zusammen mit dem endokrinen System von acht Abdominalganglien . Die Thorakalgangund der Muskulatur ist das Nervensystem die lien sind gegenüber den abdominalen Ganglien größer, was in einer höheren Zahl von Neuronen physiologische Grundlage des Verhaltens. a ufgrund der notwendigen Kontrolle der Beine Insekten können laufen, springen, fliegen und schwimmen - verfügen somit über komplizierte Lokomotions- und Flügel begründet ist. Bei vielen Insekten, wie formen, die einer präzisen Steuerung bedürfen. Darüber z. B. Heuschrecken und Schaben, kann sich die hinaus besitzen sie leistungsfähige Sinnesorgane, wie neuronale Versorgung der komplizierten GeKomplexaugen und Antennen. Ein Blick in das reich- schlechtsorgane und Extremitäten (z. B. Cerci) am haltige Verhaltensrepertoire zeigt ein weites Spektrum Hinterleib in einer erheblichen Vergrößerung des voneinfachen Reflexen bis hin zu komplexen Verhaltens- letzten abdominalen Ganglions bemerkbar maabläufen. So finden sich neben mannigfaltigen Orientie- chen (Abb. 8-1). Derartige Terminalganglien sind rungs- und Navigationsformen raffinierte Systeme zur aus den fusionierten ganglionären Anlagen der chemischen, akustischen und visuellen Kommunikation letzten vier Hinterleibssegmente aufgebaut. Dieses sowie beachtliche Lernleistungen. Auch Prinzipien wie die Arbeitsteilung der staatenbildenden Insekten sind Beispiel deutet an, das s trotz genereller Konzennur auf der Grundlageeines hoch entwickelten Tnforma- trationstendenzen eine Reihe von Steuerungsfunktionssystems vorstellbar. Die Anforderungen an das Ner- tionen dezentral bei den Ganglien verbleiben vensystem der Insekten sind somit beträchtlich und ver- kann. langeneinen hohen Organisationsgrad. Die Abweichungen vom ursprünglichen Organisationsschema einer Strickleiter sind die Folge zweier Trends, die im Lauf der Evolution zu erheblichen Veränderungen des Nervensystems geführt haben: Durch Cephalisation wächst, begleitet von 8.2 Grundaufbau einer Zun ahme an Ganglienmasse, die Konzentration von Funktionen im Kopfbereich, während Das Nervensystem umfasst ein im Kopf dorsal durch Zentralisation zusätzlich eine Zusammenlaüber dem Schlund gelegenes Gehirn und das gerung neuraler Strukturen erfolgt , die die inBauchmark, eine Kette von ventralen, bilateral- tegrativen Fähigkeiten des Nervensystems erhöht. symmetrischen Ganglien, die in Längsrichtung So geht bei den Insekten die Entwicklung leisdurch paarige Konnektive verbunden sind (Abb. 8- tungsfähiger Komplex augen, hoch sensibler An-
8.1 Aufgaben
206
8 Nervensystem
Aug e
Abb. 8-1: Umriss eines Insektenkörpers mit hypothetischem Grundplan des Nervensystems
Caudales Viscerales Nervensystem
tennen und spezialisierter Mundwerkzeuge einher mit der Fusion cerebraler Ganglienpaare zu einem vergrößerten und komplex organisierten Gehirn. Das Gehirn nimmt in der Kopfkapsel eine dorsale Position oberhalb des Schlunds ein (daher früher auch: Oberschlundganglion) und ist durch Schlundkonnektive mit der restlichen Ganglienkette, dem Bauchmark, verbunden, das auf der Ventralseite des Tieres verbleibt. Ausgehend von einem hypothetischen Urtyp mit Gehirn, Unterschiundganglion , drei Thorakalganglien und acht Abdominalganglien (Abb. 8-1, 8-2 A) finden sich unterschiedliche Verschmelzungsstufen bis hin zu einem Zustand, wo das Gehirn mit dem Unterschlundganglion fusioniert ist und alle thorakalen und abdominalen Ganglien einen im Thorax liegenden gemeinsamen Komplex bilden (Abb. 8-2). Dabei behalten die Neuronen ihre ursprünglichen Innervationsziele in den Segmenten bei. Darüber hinaus können sich auch die beiden Stränge der Konnektive so eng zusammenlagern , dass makroskopisch der Eindruck unpaarer Konnektive entsteht (Abb. 8-2 D). Die Konzentrationstendenzen des Nervensystems sind polyphyletisch und obwohl sie in den höheren Gruppen des Stammbaumes häufiger auftreten, ist eine allgemeine
(Ventralansicht). Die Verzweigungen der peripheren Nerven sind nur angedeutet. Im thorakalen und abdominalen Bereich sind die Nerven des Visceralen Nervensystems schwarz dargestellt. (Nach Weber und Weidner 1974)
systematische Bedeutung nicht festlegbar. Überwiegend weisen adulte Insekten einer Art einen höheren Grad an Konzentration auf als die Larvenformen. Gehirn und Bauchmark werden unter dem Begriff Zentralnervensystem (ZNS) zusammengefasst. Neben dem ZNS besitzen Insekten ein zusätzliches Visceral- (Eingeweide-) Nervensystem, das vor allem Verdauungstrakt und Geschlechtsorgane versorgt und in Teilsysteme untergliedert ist. Das Stomatogastrische System (Abb. 8-15) innerviert vor allem Speicheldrüsen und vordere Schlundmuskulatur und steht in engem Kontakt mit Neurohämalorganen (Corpora cardiaca und Corpora allata) sowie dem Gehirn . Das Ventrale Viscerale System besteht aus unpaaren medianen Nerven (Abb. 8-1), die dem posterioren Teil eines jeden Bauchganglions entspringen und u. a. zu den Stigmen des Tracheensystems ziehen. Das Caudale Viscerale System (Abb. 8-1) schließlich hat seinen Ursprung im letzten Abdominalganglion (Terminalganglion) und versorgt die Keimdrüsen und den posterioren Teil des Verdauungssystems.
8.2 Grundaufbau
207
Abb. 8-2: Konzentrationstendenzen des Zentralnervensystems (Körpergrößen nicht maßstabsgleich). A Hypothetischer Grundzustand. B Heuschrecke (Acrididae). C Honigbiene (Hymenoptera). D Bremse (Tabanidae). ESchildwanze (Pentatomidae). (A, D, Enach Eidmann und Kühlhorn 1970, B nach Snodgrass 1935, C nach Snodgrass 1956)
8.2.1 Entwicklung Die Entstehung der segmentalen Ganglien ist vor allem an Embryonen von Heuschrecken (Schistocerca gregaria) und Fliegen (Drosophila melanogaster) detailliert zell- und molekularbiologisch untersucht. Ursprung der Neuronen sind danach paarige Gruppen von Vorläuferzellen, die Neuroblasten, die nach festen Mustern in jedem Segment angelegt werden und einer ventral gelegenen Schicht des Ektoderms, dem Neuroektoderm, entstammen . In jedem Segment entstehen durch wiederholte Teilung eines einzelnen Neuroblasten nacheinander Ganglionmutterzellen aus deren Teilung jeweils zwei Neuronen hervorgehen. So können aus einem segmentalen Neuroblasten bei Heuschrecken bis zu 100 Neuronen hervorgehen, deren Identität und Differenzierung vom Zellstammbaum und den lokalen Wechselwirkungen mit Nachbarzellen abhängt. Die Neuronen wandern in ihre vorgesehenen Positionen im Zellverband und bilden Ausläufer, deren Spitzen mit Wachstumskegeln versehen sind. Diese wiederum bewegen sich innerhalb des entstehenden ZeIlgeflechts, das sie mit feinen Fortsätzen erkunden, und bewerkstelligen den Aufbau der neuronalen Verknüpfungen . Die Wachstumskegel werden durch eine Vielzahl von Faktoren zielgerichtet gesteuert. So können sie z. B. entlang eines chemischen Gradienten auswachsen, oder bereits be-
stehende Nerven- oder Gliazellnetze als Leitstrukturen benutzen . Die Mechanismen, die zur Neurogenese des Zentralnervensystems im Kopfbereich führen , sind weit weniger gut unter sucht und selbst die Anzahl der beteiligten segmentalen Anlagen ist noch unklar. Nach neueren Untersuchungen sind bei Drosophila melanogaster vier Neuroblastenpopulationen an der Entstehung des Gehirns beteiligt. Das Unterschlundganglion wird aus drei segmentalen Ganglienpaaren gebildet, die den Mundgliedmaßen assoziiert sind (Mandibular-, Maxillar- und Labialganglion). Die bei der Neurogenese der segmentalen Ganglien beobachteten Gesctzmäßigkeiten gelten in groben Zügen wohl auch für das Gehirn . Allerdings ist der Grad an Zellmigrationen sehr viel höher und darüber hinaus besitzen die Neuroblasten des Gehirns offenbar eine längere Lebensdauer, die es ihnen erlaubt, eine größere Anzahl neuronaler Nachkommen und damit verbunden eine komplexere Architektur zu produz ieren.
8.2.2 Neurochemie Der hohe Organisationsgrad des ZNS der Insekten manifestiert sich in einer Vielzahl neuroaktiver Signalstoffe, deren Liste beständig wächst . Bis auf den klassischen Neurotransmitters Acetylcholin, gehören alle weiteren identifizierten Substanzen entweder zur Stoffklasse der "biogenen" Amine, Aminosäuren oder Peptide. Mit Ausnahme der Peptide kommen viele der von Vertebraten be-
208
8 Nervensystem
kannten Stoffe auch bei Insekten vor, allerdings in durchaus unterschiedl ichen Funktionszusammenhängen. So ist z. B. Acetylcholin bei Vertebraten Transmitter der neuromuskulären Synapse, wohingegen Insekten Glutamat verwenden und Acetylcholin als synaptische Überträgersubstanz in olfaktori schen und mechanosensorischen Rezeptorneuronen der Antennen nachgewiesen werden kann . Wie neuere Studien zeigen, existiert offenbar keine strikte Trennung zwischen den beiden Grundmechanismen der chemischen Signalübertragung , der synaptischen Transmission der Neuronen und der Wirkungsweise neurosekretorischer Zellen. Zwischen beiden Extremen finden sich Übergänge in Form von Neuronen, die eine regulatorische Substanz freisetzen, welche ins Gewebe diffundiert und lokal auf Zellgruppen und Synapsen in der unmittelbaren Nachb arschaft einwirkt. Dieser Vorgang wird als Neuromodulation bezeichnet und in Anlehnung an diese Befunde lassen sich neuroaktive Substanzen je nach Art und Weise ihres Wirkungsmechanismus in Neurotransmitter, Neuromodulatoren oder Neurohormone unterteilen. Dabei kann jedoch eine Substanz, die als z. B. Neurohormon identifiziert wurde, in anderem Zusammenhang und an anderen Orten durchaus als Modulator oder Transmitter fungieren. Darüber hinaus können auch mehrere neuroaktive Substanzen gleichzeitig in Neuronen vorkommen (Colokalisation) . So belegen die jüngeren Forschungsergebnisse eine ungeheure neurochemische Vielfalt, ohne dass deren funktion elle Bedeutung bereits abzuschätzen wäre. Dennoch lassen sich einige allgemeine Aussagen für Insekten treffen: Amine, wie Dopamin, Histamin , Serotonin und Octopamin sind in weiten Bereichen des ZNS nachzuweisen, wobei die Zahl der Neuronen relativ überschaubar bleibt. Vor allem histaminerge Neuronen besitzen typischerweise großflächige Verzweigungen im Neuropil , die eine gleichzeitige Steuerung vieler nachgeschalteter Neuronen vermuten lässt. In der Peripherie ist Histamin darüber hinaus auch der Transmitter der Fotorezeptoren . Octopamin spielt eine Rolle bei der Aktivierung motorischen Verhaltens (z. B. Flug der Heuschrecke, Fluchtreaktion der Schabe). Die AminosäurenGABA (Gamma-Amino-Buttersäure) und Glutaminsäure (Glutamat) werden als Transmitter der Motoneuronen der Skelettmuskulatur benutzt, wobei Glutamat erregend und GABA hemmend wirkt. Auch innerhalb des ZNS ist GABA der bedeutendste inhibitorische Transmitter. Die Peptide stellen die größte Klasse neuroak tiver Substanzen dar. Ihre bekanntesten Vertreter wirken als Neurohormone wie z. B. das Adipoki-
netische Hormon (AKH) oder das Prothorakotrope Hormon (PTTH) . Darüber hinaus lassen sich ganze Familien strukturell verwandter Peptide im ZNS nachweisen, die typischerweise in kleinen Populationen von Neuronen vorkommen und diverse Funktionen als Transmitter oder Modulator übernehmen könnten . Beispieledafür sind die FMRFamide und FLRFamide, Oligopeptide, deren Name darauf beruht, dass die Aminosäurensequenz aller Gruppenmitglieder mit den gleichen vier Aminosäuren eines international gebräuchlichen Ein-Buchstaben-Codes endet . Jüngste Erkenntnisse der Hirnforschung weisen darauf hin, dass auch Gase als Botenstoffe im Nervensystem eine Rolle spielen können. Das in diesem Zusammenhang meist genannte Stickoxid (NO) sowie entsprechende Mechanismen zur Synthese sind inzwischen auch bei In sekten bekannt geworden .
8.3 Bausteine Neuronen, Gliazellen und Neurosekretorische ZeIlen sind die Bauelemente des Nervensystems, das von einer schützenden und isolierenden Bindegewebshülle umgeben ist. Neuronen empfangen und übertragen Information in Form chemischer oder elektrischer Signale, während Gliazellen vor allem dem Schutz, der Stabilisierung und der Ernährung der Neuronen dienen. Neurosekretorische Zellen verfügen neben typischen neuronal en Eigenschaften zusätzlich über die Fähigkeit Sekrete zu produzieren und an das ZNS oder spezielle Organe abzugeben. Sie stellen somit ein Bindeglied zwischen Nervensystem und endokrinem System dar (s. Kap. 12).
8.3.1 Neuronen Das wichtigste Bauelement des ZNS sind die Nervenzellen oder Neuronen . Allein für das Gehirn adulter Insekten ergaben Zählungen der neuronalen Zellkörper bei der Fliege Musca domest ica circa 340000, der Bienenarbeiterin Apis mellifera 850000 und der Schabe Periplaneta americana 1,2 Millionen Neuronen. Das ist im Vergleich mit den etwa 1012 Neuronen des menschlichen Gehirns zwar wenig, bewegt sich aber durchaus in Zahlenbereichen, wie sie bei kleineren Vertebraten, etwa Vertretern der Anuren, vorkommen können. Neuronen sind spezialisierte Zellen, die der Informationsverarbeitung dienen und zu diesem Zweck strukturelle und funktionelle Besonderheiten aufweisen. Grundsätzlich entspringt dem Zell-
8.3 Bausteine
209
Deszendierendes Neuron Halsmuskel
Termina l ~I'--.:_?'-a
Haarsensillum der Cuticula
Soma
Flugmuskel
200 flm
Lokales Interneuron
Abb. 8-3: Neuronale Bautypen des cephalen und thorakalen Zentralnervensystems (Dorsalansicht) und Verbindungen zu peripheren Muskeln oder Sinnesorganen am Beispiel eines Tabakschwärmers (Sphingidae).
körper oder Soma ein Fortsatz, der in das Nervengewebe zieht und sich dort aufspaltet. Einerseits bildet er dort baumartige Verzweigungsfelder, die Dendriten, andererseits einen oft langen Zellfortsatz, das Axon, dessen Terminalbereich erneut vielfach aufzweigt (Abb. 8-3). Diese Grundstruktur steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der signalverarbeitenden Funktion. Dabei empfangen die Dendriten von den Sinnesneuronen oder anderen Nervenzellen einen chemischen Stimulus, der eine Änderung des elektrischen Potentials über der Zellmembran verursacht. Diese kurz-
zeitige Potentialänderung kann in Aktionspotentiale umgesetzt werden, die sich entlang des Axons ausbreiten. Im Terminalbereich verzweigt das Axon und überträgt die Signale mittels eines chemischen Botenstoffes, eines Neurotransmitters, über Synapsen auf Folgezellen, die erneut Neuronen bzw. Muskel- oder Drüsenzellen sein können. Die Anzahl der synaptischen Eingänge, die ein Neuron erhält , bzw. der Ausgangsverknüpfungen, die es mit Folgezellen besitzt, kann durchaus im Bereich von zigtausenden liegen. Diese enorme Vielzahl signalübertragender Kontakte ist
210
8 Nervensystem
die Basis der nervösen Informationsverarbeitung. Im Gegensatz zu den Neuronen der Vertebraten ist das Soma bei Insekten nicht in die elektrische Signalentstehung miteinbezogen und kann daher in die Peripherie des ZNS ausgelagert werden. Nach ihrer Funktion lassen sich drei Klassen von Neuronen unterscheiden (Abb. 8-3): Rezeptorneuronen (Sinneszellen) empfangen chemische oder physikalische Reize aus der Umwelt oder sprechen auf Zustandsänderungen innerhalb des Körpers an (Propriorezeptoren). Sie verfügen über spezielle Modifikationen des Dendritenbereichs, die die Umwandlung der Reizenergie in elektrische Signale bewerkstelligen. Interneuronen stellen die Mehrzahl neuronaler Zelltypen im Nervensystem. Sie erhalten zahlreiche synaptische Eingänge von Rezeptorneuronen oder anderen Interneuronen, die sie integrieren, weiterleiten und auf nachgeschaltete Interneuronen oder Motoneuronen übertragen. Lokale Interneuronen verzweigen sich innerhalb eines eng begrenzten Bereichs im ZNS und dienen der Signalintegration vor Ort. Andere Interneuronentypen, so genannte Projektionsneuronen, bewerkstelligen die Verbindung voneinander entfernt liegender Gehirnareale miteinander. Große intersegmentale Interneuronen verknüpfen das Gehirn mit den Ganglien des Bauchmarks. Nach der Richtung des Informationsflusses unterscheidet man absteigende oder deszendierende Neuronen (vom Gehirn zum Bauchmark) bzw. in Gegenrichtung aufsteigende oder aszendierende Neuronen. Motoneuronen übermitteln die motorischen Kommandos zur Steuerung der Muskelbewegung . Sie erhalten Information von Interneuronen oder auch direkt von Rezeptorneuronen. Die Axonen der drei Neuronentypen bilden im ZNS oft markante Faserbündel, die als Nerven , Konnektive, Trakte oder Kommissuren im histologischen Bild wichtige Landmarken darstellen (s. 8.4, Abb. 8-5). Die Gestalt eines einzelnen Neurons weist durchaus auf seine möglichen Schaltverbindungen hin und eine wachsende Zahl besonders prominenter Neuronen, die von Individuum zu Individuum immer wieder identifiziert werden können, ist im ZNS der Insekten beschrieben worden . Abb. 8-3 steIlt einige typische Vertreter aus der ungeheuren Vielfalt der vorkommenden Insektenneuronen vor.
8.3.2 Gliazellen Im Zusammenspiel mit den Neuronen sorgen Gliazellen für die Entwicklung des Nervensystems, sichern seinen Fortbestand und bilden die Grundlage für dessen Fähigkeit, auf Veränderun-
gen der Umwelt zu reagieren . Strukturelle Untersuchungen des ZNS zeigen, dass zwischen den Neuronen ein weit verzweigtes zelluläres System besteht, das aus Gliazellen gebildet wird, deren Anzahl die der Neuronen erheblich übersteigt. Unter Aussparung der synaptischen KontaktsteIlen sind Neuronen meist in allen Bereichen von Gliazeiien umhüllt. Das Ausmaß und die Komplexität der Gliaschicht ist in der Umgebung der neuronalen Zellkörper am größten, während im Neuropil-Bereich des ZNS nur wenige Fortsätze von Gliazellen vorkommen. In den Konnektiven und Nerven sind die Axone durch eine Gliahülle gegeneinander isoliert. Der Grad der Umhüllung von Axonen kann allerdings sehr unterschiedlich sein. So findet man z.B im Konnektiv der Schabe (Abb. 8-4) kleine Axone, die von einer einfachen Gliaschicht umgeben sind neben den Axonen von Riesen-Neuronen mit einer mehrlagigen Gliahülle. Die verschiedenen Gliaschichten sind jedoch weder eng aneinander gelagert noch markhaltig und unterscheiden sich somit von den Myelin-Scheiden der Vertebraten-Neuronen. Ebenso ist die bei Vertebraten anhand der Zellgestalt gebräuchliche anatomische Klassifizierung in vier unterschiedliche Typen, bei Insekten aufgrund einer außerordentlich hohen morphologischen Variabilität der Gliazellen nicht anwendbar. Gliazellen sind nicht nur durch spezifische KontaktsteIlen untereinander gekoppelt, sondern auch durch eine Vielzahl spezialisierter ZeIlfortsätze eng mit den Neuronen verzahnt, wobei sich der Interzellulärraum zwischen beiden Zelltypen auf 10-20 nm Breite verengen kann. Sogar direkte Kontakte in Form von gap junctions zwischen Gliafortsätzen und neuronalen Zellkörpern wurden beschrieben . Das Ausmaß derartiger Verbindungen zwischen Glia und Neuronen ist jedoch noch unbekannt. Die hohe strukturelle Differenzierung und Vielfalt von Gliazellen ist Ausdruck ihrer multifunktionellen Aufgaben. Dazu gehören neben stützenden und isolierenden auch ernährende Funktionen durch Transport von Nährstoffen aus dem Blut in die Neuronen. Darüberhinaus können Gliazellen Aminosäuren zur Proteinsynthese aufnehmen und die fertigen Proteine weiter transferieren. In den synapsennahen Interzellulärräumen beeinflussen die Gliazellen die Konzentration von Neurotransmittern wie GA BA und Glutamat, indem sie diese selektiv aufnehmen und damit zur Inaktivierung beitragen oder bei Bedarf freisetzen. Auch in die Regulierung pharmakologisch wirksamer Substanzen greifen Gliazellen durch enzymatischen Abbau ein. Gliazellen können während der Entwicklung als Leitstrukturen für auswachsende Neuriten dienen, wie z. B. beim Aufbau der Glomeruli in den
211
8.3 Bausteine
-
Abb. 8-4: "Blut-Hirn-Schranke" am Beispiel des Abdominalganglions einer Schabe (Blattodea). (Nach
Riesen axon · _ _ _ _
Treherne 1985)
olfaktorischen Loben des Tabakschwärmers (Abb. 8-14), aber auch durch Phagocytose Zellreste degenerierter Neuronen beseitigen. Während der neuronalen Erregung wirken Gliazellen als Puffer, indem sie zur Erhaltung eines ionalen Gleichgewichts die sich im Extrazellulärraum anreichernden Kalium-Ionen aufnehmen. Zusätzlich können bei Bedarf auch gespeicherte Natrium-Ionen freigesetzt werden. Obwohl Gliazellen wie Neuronen ein von Kalium-Ionen bestimmtes Ruhepotential aufweisen und auch über transmittergesteuerte Ionenkanäle verfügen, fehlen offenbar spannungsabhängige 10nenkanäle, wie sie für die Entstehung und Fortleitung von Aktionspotentialen erforderlich wären. Immerhin lassen neuere Befunde über Zellkontakte zwischen Gliazellen und Neuronen prinzipiell sowohl die Möglichkeit eines schnellen elektrischen als auch eines langsameren chemi-
rung und Freisetzung in die Hämolymphe dienen. Bekannteste Beispiele sind die Corpora cardiaca und Corpora allata (s. Kap. 12.1.2). Das von den Zellen produzierte Neurosekret kann jedoch auch lokal innerhalb des ZNS sezerniert werden. Im Gehirn befinden sich größere Gruppen neurosekretorischer Zellen in der Pars intercerebralis, im lateralen Protocerebrum sowie im Tritocerebrum (Abb. 8-15). Immunhistochemische Färbungen weisen einzelne Zellen aber auch in anderen Bereichen wie z. B. den optischen Loben nach. Neben Gehirn und Unterschlundganglion sind neurosekretorische Zellen sowohl in den segmentalen Ganglien als auch im visceralen Nervensystem vorhanden .
8.3.4 Blut-Hirn-Schranke
schen Informationsaustausches zwischen beiden
Zelltypen zu. Es ist daher nicht völlig auszuschließen, dass Gliazellen neben ihrer .Ammenfunktion" auch an der elektrischen Informationsverarbeitung der Neuronen beteiligt sein könnten .
8.3.3 Neurosekretorische Zellen Zwischen Nervensystem und Endokrinem System besteht eine enge Verbindung, deren Grundlage neurosekretorische Zellen sind. Diese Zellen haben neben typischen neuronalen Eigenschaften, wie der Generierung von Aktionspotentialen, auch die Fähigkeit Sekrete zu bilden und diese über das Axon zu transportieren und freizusetzen. Neurosekretorische Zellen synthetisieren Hormone und geben diese vielfach an spezielle Strukturen, die Neurohämalorgane ab, die der Speiche-
Als Folge des offenen Kreislaufsystems der Insekten ist das ZNS ständig von Hämolymphe umspült, die vor allem bei Pflanzenfressern einen hohen Anteil an Kalium-Ionen aufweist. Für die Entstehung, Fortleitung und Übertragung von Signalen in Neuronen ist jedoch ein extrazelluläres Ionen-Milieu erforderlich, in dem die Konzentration an Natrium-Ionen dominiert. Darüberhinaus unterliegt die Zusammensetzung der Hämolymphe abhängig vom Ernährungszustand eines Individuums starken Schwankungen und kann nahrungsbedingt sogar erhebliche Konzentrationen von Substanzen (z. B. Alkaloide) enthalten, die im ZNS toxisch wirken. Zudem finden sich in ihr eine Reihe von Aminosäuren, die im Nervensystem als Neurotransmitter benutzt werden. Um eine einwandfreie Funktion der Neuronen zu ermöglichen, benötigt das ZNS daher eine Barriere zwischen der Hämolymphe und dem die Nervenzellen
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8 Nervensystem
umgebenden Extrazellulärraum. Ihre Aufgabe ist es, unerwünschte Substanzen fernzuhalten bzw. abzubauen, sowie das für neuronale Aktivitäten erforderliche extrazelluläre Ionen-Milieu unabhängig von Veränderungen in der Zusammensetzung der Hämolymphe herzustellen und aufrechtzuerhalten. In Analogie zu den Vertebraten spricht man von einer Blut-Hirn-Schranke. Histologische Untersuchungen zeigen, dass die Neuronen des ZNS durch eine mehrschichtige Hülle umgeben sind (Abb. 8-4), wobei unklar ist, welche Struktur die eigentliche Ionen-Barriere darstellt. Die äußere Schicht , das Neurilemm, kann von Ionen problemlos durchdrungen werden. Es ist nicht-zellulär und wird von den darunterliegenden Zellen des Perineuriums abgeschieden, die im Gegensatz zu Neuronen und Glia mesodermalen Ursprungs sind und somit dem Bindegewebe zugerechnet werden. Diese perineurialen Zellen sind durch tight junctions so eng miteinander verbunden, dass sie den Austausch von Ionen und Molekülen zwischen Hämolymphe und Interzellulärraum erheblich einschränken. Zusätzlich verfügen sie, wie die darunterliegenden Gliazellen auch, über Membranpumpen, mit denen sie das Ionenmilieu aktiv regulieren können . Während Untersuchungen am embryonalen Zentralnervensystem der Taufliege Drosophilamelanogaster die mesodermale Herkunft der perineurialen Zellen bestätigen , ist die Funktion als Ionen-Barriere möglicherweise nicht oder nicht allein an das Perineurium gebunden . So besitzen embryonale Mutanten, denen Neurilemma und Perineurium fehlt, nach wie vor eine funktionierende Ionen-Barriere , die durch die am weitesten außen liegende Schicht der die Neuronen umhüllenden Gliazellen aufgebaut wird.
8.4 Bauchmark und periphere Nerven In der ursprünglichen Form trägt jedes thorakale und abdominale Segment mit je einem bilateralsymmetrischen Ganglion, das durch paarige Konnektive in Längsrichtung kettenartig mit seinen Nachbarn verbunden ist, zur Bildung des Bauchmarks bei. Weitere Faserb ündel, die den Ganglien entspringen und das Bauchmark mit der Sensorik und Motorik in der Peripherie verbinden , werden als periphere Nerven bezeichnet. In einer hypothetischen Ursprungsform eines einfachen Ganglions geht man von zwei paarigen Nerven aus, die jeweils gemischt motorische und sensorische Axone enthalten. Danach versorgt ein dorsaler anteriorer Nerv die dorsale Körperwand und ein weiter posterior entspringender ventraler Nerv die
Bauchseite und die Körperanhänge. Besonders im Fall dieser peripheren Nerven manifestieren sich die vielfältigen segmentalen Spezialisationen von Sensorik, Motorik und Exoskelett innerhalb der Insekten in zahlreichen Variationen von Anzahl und Ursprungsort, die sich der Beschreibung eines allgemeinen Grundmusters widersetzen . Im Fall des Bauchmarks jedoch haben vergleichende anatomische Studien gezeigt, dass sich an hand eines segmentalen Einzelganglions durchaus ein Grundbauplan erstellen lässt, aus dem die Architektur miteinander verschmolzener Ganglien ableitbar ist und der sich offenbar auch auf andere Arten übertragen lässt.
8.4.1 Aufbau der Ganglien Das bilateralsymmetrische Ganglion eines Segments ist durch eine Neurilemm-Schicht nach außen isoliert und besteht aus einer äußeren Rinde, die einen zentralen Bereich umgibt. In dieser Rindenschicht, die im ventrolateralen Bereich besonders mächtig ist, befinden sich die von Gliazellen umhüllten Zellkörper der Neuronen; man spricht daher auch von Somarinde (Abb, 8-5). Der zentrale Bereich hingegen enthält keine Zellkörper und ist aus einem dichten Geflecht neuronaler Fortsätze, dem Neuropil, aufgebaut, in dem die synaptischen Interaktionen stattfinden. Darüber hinaus ist das Ganglion mit Bündeln von Axonen durchzogen , die das Gewebe in Art einer Matrix strukturieren. Dazu gehören die Wurzeln der peripheren Nerven und gemeinsame Bündel von Neuriten einer Somapopulation. Alle anderen Faserbündel im Neuropil werden als Trakte bezeichnet , mit Ausnahme der Kommissuren, die rechte und linke Seite eines bilateral symmetrischen Ganglions über die Mittellinie hinweg verbinden . Trakte und Kommissuren sind die zuverlässigsten anatomischen Landmarken im Neuropil und werden daher zur Beschreibung der generellen Architektur eines Ganglions herangezogen. Ihr Verlauf im Ganglion folgt einem geordneten Muster, das von Individuum zu Individuum unverändert bestehen bleibt. Dieses Grundmuster ermöglicht eine klare Gliederung des ganglionären Neuropils und findet sich bisher mit Modifikationen bei allen genauer untersuchten Insekten wieder. Es ist im Folgenden am Beispiel eines Querschnittes durch das Mesothorakalganglion von Manduca sexta (Sphingidae) veranschaulicht (Abb. 8-5). Dieser Bauplan der thorakalen Ganglien findet sich in Grundzügen auch bei den Abdominalganglien wieder. Eine Übertragung auf fusionierte Ganglien, wie das Unterschlund- oder Terminalganglion, bereitet zwar größere Schwierigkeiten grundsätzlich gilt jedoch, dass trotz zahlreicher
8.4 Bauchmark und periphere Nerven
213
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Dorsoventral-Trakt
Abb. 8-5: Aufbau des Mesothorakalganglions einesTabakschwärmers (Sphingidae). Querschnitt durch ein histologisches Präparat (Foto einer Ethylgallat-Färbung). Einzelne große Zellkörper der Somarinde sind besonders gut zu erkennen. Die Schnittebene ist in A angegeben. B Schematische Darstellung der Strukturen des Ganglions. (Nach Suder und Wendler 1993)
art spezifischer Spezialisationen eine gemeinsame len Karte angeordnet sein, man spricht von einer Grundorganisation der segmentalen Ganglien topographischen Organisation. So projizieren z: B. vorliegt. die taktilen Sinneshaare am Hinterbein der WanFrühe anatomische Untersuchungen unterteil - derheuschrecke Locusta unter Aufrechterhaltung ten aufgrund von Übersichtsfärbungen die Gang- ihrer Lagebeziehung geordnet in einen ventralen lien in drei horizontal orientierte Schichten, die in Bereich des Metathorakalganglions (Abb. 8-6). Form eines "Sandwichs " organisiert sind. Dabei Als Folge des klaren Ordnungsprinzips dieser soist zwischen einer dorsalen motorischen und einer matotopischen Karte ist es möglich, anhand des ventralen sensorischen Schicht eine so genannte dendritischen Verzweigungsmusters eines gegebe"assoziative" Region eingelagert. Dieses Konzept nen Interneurons innerhalb des sensorischen Neuerweist sich als bei weitem zu grob, wie spätere ropils auf den Beinbereich zu schließen, von dem Untersuchungen mit Methoden höhere r Auflö- es Informationen bezieht. Ähnliche Lagebeziehunsung belegten. Danach finden sich durchaus Ver- gen bestehen auch zwischen Motoneuronen und zweigungen von Motoneuronen auch außerhalb Muskeln des Sprungbeines. Von den paarigen abdes dorsalen Neuropils, ebenso wie sensorische dominalen Fortsätzen der Schaben und Grillen, Projektionen ohne weiteres im angenommenen den Cerci, ist ebenfalls bekannt, dass die Promotorischen Neuropil terminieren können . Wie jektionen mechanosensitiver Haare in das Termineuere Untersuchungen weiterhin zeigen, können nalganglion in Form einer somatotopischen Karte die terminalen Verzweigungen von Rezeptorneu- darstellbar sind. Auch bei den Hörorganen verronen in Ganglien in Form einer dreidimensiona- schiedener Orthopteren sind die zentralen Pro-
214
8 Nervensystem
ILage mark ierter Haarsensillenl
ITerminale dieser Sensillen
I
ITopog raphle der Sinneshaar-Terminale des Hinterbeins l
Abb. 8·6: Topographie von Sinneshaaren des Sprungbeins und ihrer zentralen Projektionen einer Heuschrecke.
A lage dreier Sinneshaare. B Durch Färbung dargestellte Endverzweigungen der Sinneshaaraxone im Metathorakalganglion. C Dreidimensionale Verteilung der Haarterminale im Neuropil. (Nach Burrows und Newland 1993)
jektionen der Rezeptorneuronen im entsprechenden Thorakalganglion topographisch repräsentiert. Man spricht in diesem Fall von einer Tonotopie.
8.5 Gehirn und Unterschlundganglion Die bis heute ungeklärte Anzahl der an der Bildung der Kopfkapsel beteiligten Segmente ist ein Indiz dafür, dass der Bauplan der Ganglien des Bauchmarks im ZNS des Kopfbereiches kaum noch nachvollziehbar ist. Wohl befindet sich unterhalb des Schlunds ein aus drei paarigen Ganglien zusammengesetzter Komplex, das Unterschiundganglion (Subösophagealganglion), das noch klare segmentale Gliederungen aufweist; das oberhalb des Schlundes gelegene Gehirn (Cerebralganglion) lässt jedoch keine klare Segmentierung mehr erkennen. Grundsätzlich ist das Gehirn bilateralsymmetrisch organisiert und wird gewöhnlich in drei Teile untergliedert (Abb. 8-7): Der vorderste und größte Teil ist das Protocerebrum, das die so genannten "höheren Zentren" oder "Assoziationszentren" des Gehirns beinhaltet und massive Verbindungen mit den Komplexaugen und Ocellen aufweist. Daran schließt sich das Deutocercbrum an, das funktionell mit den Antennen assoziiert ist und sowohl deren Bewegung steuert als auch die Signale der zahlreichen antennalen Sensillen empfängt. Das Tritocerebrum kontrolliert die sensorische und motorische Funktion der Oberlippe (Labrum) und steht in Verbindung mit dem stomatogastrischen System (Abb. 8-
15). Die drei Gehirnabschnitte können so stark miteinander fusionieren, dass eine klare Abgrenzung gegeneinander äußerst schwierig ist. In einigen Insektenordnungen (z. B. Diptera, Lepidoptera, Hymenoptera, Heteroptera) ist zusätzlich auch das Unterschlundganglion noch mit dem posterioren Teil des Gehirns verschmolzen, sodass ein gemeinsamer cephaler Komplex vorliegt (Abb. 8-2 C-E). Die oben skizzierte Unterteilung in Proto- und Deutocerebrum folgt der üblichen Standardnomenklatur, die auch im Folgenden Verwendung findet. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass durchaus eine alternative Unterteilung möglich ist, nach der das Protocerebrum die so genannten "h öheren Zentren " und alle zentralen Neuropile ohne primäre sensorische Eingänge umfasst. Das Deutocerebrum besteht dann aus den Bereichen mit primären sensorischen Eingängen von den Ocellen, Antennen und Mechanorezeptoren des Kopfes und den Ausgängen der optischen Loben der Komplexaugen .
Die vergleichende Betrachtung des ZNS kann dadurch erschwert werden, dass der Kopf relativ zum Körper um bis zu mehr als 90 Grad geneigt ist und somit auch die Lage des Gehirns relativ zum Bauchmark verändert ist (Abb. 8-7). In diesen Fällen stimmt im Gegensatz zu den Verhältnissen in Thorax und Abdomen die Longitudinalachse des Gehirns (Neuroachse) nicht mehr mit der Körperlängsachse überein. So können z. B. die Antennalloben des Deutocerebrums, die homolog zu den Beinneuromeren und somit ventrale Strukturen sind, in eine, auf die Körperachse bezogen, anteriore Position gelangen. Die Rückseite des Gehirns entspricht dann eigentlich der dorsalen Oberfläche, der obere Bereich dem am weitesten anterior gelegenen Teil und der frontale Bereich
8.5 Gehirn und Unterschlundganglion
c
o
215
Prothorakalganglion
Abb. 8-7: Zentralnervensystem einer Heuschrecke. Gehirn und Unterschlundganglion in A Frontal- und B Seitenansicht. C Lage des Gehirns in der Kopfkapsel. D Seitenansicht des cephalen und thorakalen Nervensystems. Das Inset zeigt die Beziehung zwischen Neuro- und Körperachse im Kopfbereich . (A, B nach Snodgrass 1935, C nach Williams 1975, D nach Wilson 1968)
dem ventralen Anteil des Gehirns. Diese Bezie- 8.5.1 Protocerebrum hung zwischen der Neuroachse im Koptbereich und der Körperachse ist in Abb. 8-7 am Beispiel einer Heuschrecke verdeutlicht. Der Mehrzahl Den größten Teil des Zentralhirns nimmt das Proanatomische r Arbeiten folgend, findet bei der an- tocerebrum ein (Abb. 8-8). Es besitzt umfangreischließenden Beschreibung der Hirnstrukturen che Verbindungen mit den optischen Loben (Laeine Nomenklatur Verwendung, die sich auf die mina, Medulla und Lobula) der Komplexaugen Körperachsen bezieht. und den Ocellen. Das Protocerebrum enthält den Zentralkomplex und die Pilzkörper, zwei klar erkennbare separate Neuropilstrukturen, die in keinem anderen Ganglion vorkommen. Der Zentralkomplex ist eine mediane Struktur, die sich in Protocerebralbrücke und Zentralkörper untergliedert, und im Zentrum des Protocerebrums ober-
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8 Nervensystem
Ocellennerv
Lam ina
+ dorsal
rechts
links
ventral
I Tritocerebrum
~
0.5 mm
Abb. 8·8: Schema der wichtigsten Hirnstrukturen einer Heuschrecke aus frontaler Sicht.
halb des Ösophagu s liegt. Beiderseits des Zentralkomplexes schließen sich die paarigen Pilzkörper (Corpora pedunculata) an. Die protocerebralen Bereiche außerhalb der Pilzkörper und des Zentralkörpers erscheinen in anatomischen Übersichtsfärbungen nur gering strukturiert, besitzen jedoch durchaus klar abgrenzbare Areale mit typischen Charakteristika und lassen sich in verschiedenen Insektenspezies immer wieder identifizieren. Das gilt z. B. für den am weitesten lateral gelegenen Teil des Protocerebrums, das laterale Horn, das massiv von Neuronen der Lobula und des Antennallobus innerviert wird oder die antcrior, unterhalb des Zentralkomplexes gelegenen lateralen akzessorischen Loben, die durch mächtige Trakte mit dem Zentralkomplex verbunden sind. In der dorsalen medianen Region des Protocerebrums oberhalb der Protocerebralbrücke, der Pars intercerebralis, liegt beiderseits der Mittellinie eine größere Ansammlung neurosekretorischer Zellen, deren Axone in die Corpora cardiaca ziehen. Eine weitere Gruppe neurosekretorischer Zellen, deren Axone zum retrocerebralen Komplex (s. 8.6.2) laufen, befindet sich lateral neben den Kelchen der Pilzkörper.
8.5.1.1 Optische Loben Unter den Sinnessystemen sind die Komplexaugen bei den meisten Insekten von herausragender Bedeutung. Dementsprechend kann auch der Anteil der optischen Loben am gesamten Gehirn sehr hoch sein. Bei Weibchen der Stubenfliege Musca domest ica rechnet man 76% aller Neuronen im Gehirn zu den optischen Loben. Grundsätzlich besteht die Sehbahn aus drei separaten , hintereinandergeschalteten Neuropilen, der Lamina, Medulla und Lobula (Abb. 8-9 A). Sie weisen eine charakteristische, geordnete Struktur auf, wobei die Medulla über den höchsten Komplexitätsgrad und die größte Anzahl verschiedener Neuronentypen verfügt. Während die Lobula bei den meisten Insekten bereits deutliche Merkmale einer Unterteilung in einen jeweils unterschiedlich strukturierten äußeren und inneren .Teil zeigt, ist sie nur bei Diptera, Coleoptera, Lepidoptera und Trichoptera in zwei völlig voneinander getrennte Teile, die Lobula und Lobula Platte (Abb. 8-9 A), gegliedert, die man unter dem Begriff Lobula-Komplex zusammenfasst. Bei Fliegen ist diese Zweiteilung offenbar Ausdruck einer Aufspaltung der Sehbahn in ein farb tüchtiges (Lobula) und ein nicht farbtüchtiges System (Lobula Platte) , das
8.5 Gehirn und Unterschlundganglion
217
Abb. 8-9: Struktur der optischen Loben. A Organisation der Sehbahn (schematischer Horizontalschnitt durch einen Insektenkopf). Verlauf der Faserüberkreuzungen und Orientierung der visuellen Neuropile im Normalfall (links) und bei Insekten mitgeteiltem 3. visuellen Neuropil (rechts). Der Zusammenhang zwischen einem Ommatidium des Auges und den korrespondierenden Säulen im visuellen Neuropil ist durch gleiche Musterung angedeutet. B Photorezeptorterminale und Beispiele für Säulenneuronen in den optischen Loben von Drosophila melanogaster (horizontales Diagramm). R1-6, R7, R8 Photorezeptoren; Ll-5 Monopolarzellen der Lamina; Mi1 intrinsisches Medullaneuron; Li 1 intrinsisches Lobulaneuron; Tm3, Tm 14, T3 Verbindungsneuronen Medulla-Lobula; TmY1, TmY8, Y6 Verbindungsneuronen Medulla-Lobula und Lobula Platte; T4 Verbindungsneuron Medulla-Lobula Platte; T5, Tlp2 Verbindungsneuronen Lobula-Lobula Platte. C Beispiele für Amacrinzellen und Tangentialneuronen. Dm3, Pm 1 Amacrinzellen der Medulla; Tangentialneuronen der Medulla (Mt1, Mt3), Lobula (U5, U6)und Lobula Platte (Lpt2). (B, C nach Fischbach und Dittrich 1989)
der Detektion von Bewegungen dient (Abb. 810).
Die Mehrzahl der Photorezeptoraxone der Komplexaugen endet in der Lamina, der Rest zieht bis in die äußeren Schichten der Medulla (Abb. 8-9 B). Die Projektionen der Photorezeptoren aus der Retina folgeneinemtopographischen Arrangement, sodass das Raster der optischen Untereinheiten des Auges, der Ommatidien , beibehalten wird, man spricht von Retinotopie. So terminieren Fotorezeptoren benachbarter Ommatidien auch in benachbarten Bereichen der Lamina . Dieses retinotopische Mosaik wird durch isomorphe Kleinfe1dneuronen bei den nachfolgenden Verschaltungsstufen von Lamina zu Medulla und Medulla zu Lobula aufrecht erhalten . Dadurch ergibt sich zunächst ein säulenartiger Aufbau der optischen
Neuropile. Durch Überkreuzung der Verbindungsfasern in der Horizontalen entsteht zwischen Lamina und Medulla das 1. Optische Chiasma sowie zwischen Medulla und Lobula das 2. Optische Chiasma (Abb. 8-9 A, B). Somit ist der vordere Augenbereich im hinteren Teil der Medulla repräsentiert, wird dann aber durch die erneute Kreuzung wieder in die vordere Lobula verschaltet. Diese Art der Verschaltung ist allein Konsequenz der postembryonalen Entwicklung der optischen Loben und ohne funktionelle Bedeutung . Jede Säule eines visuellen Neuropils setzt sich aus vielen Neuronen mit typischer Gestalt zusammen, wobei häufig je ein Zelltyp pro Säule vorkommt (Abb.8-9 B). Diese Säulenneuronen verbinden einzelne Säulen zweier Neuropile eines
218
8 Nervensystem
Abb. 8-10: Tangent ialneuronen der Lobula Platte der Fliege Calliphora
erythrocephala. Darstellung nach Frontalschnitten aus posteriorer Sicht. In Relation zu dem horizontalen Gehirnschema (oben) erschließt sich die um 90 Grad veränderte Betrachtungsrichtung . Gezeigt ist jeweils eine Gruppe von Neuronen, die bevorzugt auf horizontale (HS-Neuronen, links) bzw. vertikale (VS-Neuronen, rechts) Bewegungsreize ansprechen. Die dendritischen Verzweigungen einer jeden Gruppe erreichen innerhalb einer Schicht alle Bereiche der Lobula Platte und decken somit das gesamte Sehfeld eines Auges ab. Die Neuronen enden in spezifischen Arealen des medianen Protocerebrums. (Nach Hausen 1993)
optischen Lobus miteinander bzw. Säulen der Lobula mit visuellen Zentren des Protocerebrums (Abb. 8-11). Die Richtung des Informationsflusses weist bei der Mehrzahl der Neuronen von der Peripherie in das Zentrum. In Medulla und Lobula sind darüberhinaus intrinsische Säulenneuronen bekannt, die innerhalb eines Neuropils verbleiben und diverse Schichten miteinander verbinden. Viele der säulenartigen Elemente sind in den optischen Loben unterschiedlichster Insektenarten anatomisch identifiziert worden, unabhängig von den Anforderungen der Tiere an die Leistung (z. B. Sehen bei Tageslicht oder in der Dämmerung) und Konstruktion der Komplexaugen (Appositions- oder Superpositionsauge, s. 11.4). Offenbar hat sich trotz der vielfältigen funktionellen Diversifikation der Augen auf Ebene der optischen Loben ein gemein sames Grundgerüst neuronaler Bau typen erhalten. Die charakteristischen Verzweigungen der Vielzahl parallel angeordneter Säulenneuronen in unterschiedlichen Tiefen eines visuellen Neuropils (Abb. 8-9 B) führen zur Ausbildung spezifisch strukturierter Schichten im rechten Winkel zur Achse der retinotopischen Säulen . In diesen Schichten verlaufen die Fortsätze zwei weiterer Kategorien von Neuronen, der AmacrinzeUen und der Tangential neuronen (Abb. 8-9 C). Amacrinzellen besitzen kein Axon und verzweigen sich innerhalb einer spezifischen Schicht in mehreren Säulen, d. h. sie verbinden mehrere benachbarte Säulen miteinander. Tangentialneuronen haben Fort sätze in großen Bereichen einer oder mehrerer Schichten und greifen somit viele Säulen auf einma l ab. Ähnlich wie die Säulenneuronen erstellen sie in ihrer Mehrzahl Verbind ungen von der Peri-
pherie in das Zentrum. Eine kleinere Zahl von Tangenzialneuronen transportiert Informationen aus dem Gehirn in die optischen Loben oder stellt Verbindungen zwischen visuellen Neuropilen beider Augen her (Abb. 8-11). Besonders gut untersucht sind die riesigen Tangentialneuronen in der Lobula Platte von Fliegen (Abb. 8-10), die jeweils in einer der vier Schichten dieses Neuropils verlaufen . Sie dienen der Erkennung von Bewegungen im Sehfeld und sprechen entweder auf vertikale oder horizontale Richtungen bevorzugt an . Durch den retinotopischen Aufbau der optischen Loben kann man für jedes dieser Neuronen bereits an hand der Lage der dendritischen Verzweigungen in der Lobula Platte auf den damit korrespondierenden Bereich des Auges zurückschließen. D ie Mehrzahl dieser Neuronen verbindet die Lob ula Platte mit Bereichen des medianen Protocerebrums, in denen dendritische Verzweigungen deszendierender Interneuronen lokalisiert sind (s. 8.3.1). Von vielen Insekten sind in den optischen Loben zusätzliche (akzessorische) Strukturen von geringer Größe bekannt, die nicht retinotopisch organisiert sind. Es handelt sich um Gruppen von Fotorezeptoren oder kleine separate Neuropile am Rand der Lamina oder Medulla. Sie sind möglicherweise Reste des larvalen Sehsystems und werden teilweise mit der circadianen Uhr in Verbindung gebracht.
8.5.1.2 Visuelle Zentren Mit Ausnahme der Pilzkö rper und des Zentralkomplexes ist der größte Teil des Protocerebrums mit einer Vielzahl von Fasertrakten angefüllt, die
8.5 Gehirn und Unterschlundganglion
219
Anteriorer optischer Tuberkel
OPtische~ J \ Foci
Abb. 8-": Verbindungen der optischen loben mit den visuellen Zentren des Gehirns bei der Fliege Calliphora erythrocephala aus dorsaler Sicht. (Nach Strausfeld und Lee 1991)
den optischen Loben entspringen. Zum einen durchziehen sie das Protocerebrum, um die optischen Neuropile beider Augen miteinander zu verbinden , zum anderen enden sie zentral in diskreten Neuropilbereichen, den optischen Foci, in denen die Terminale der visuellen Neuronen u. a. mit deszendierenden Interneuronen verschaltet werden, die das Gehirn mit den Thorakalganglien verbinden . Einige der wichtigsten Verbindungen sind am Beispiel der Fliege Cal/iphora erythrocephala in Abb. 8-11 dargestellt. Im Gegensatz zu den optischen Loben sind die visuellen Zentren des Protocerebrums nicht mehr retinotopisch organisiert. Optische Foci können sehr komplex strukturiert sein, wie sich am Beispiel des anterioren optischen Tuberkels erkennen lässt. Dieser am weitesten anterior gelegene optische Focus erhält sowohl aus der Medulla als auch der Lobula durch den anterioren optischen Trakt Eingänge, die in spezifischen Mustern mit den Dendriten von Interneuronen verknüpft werden, die entweder das Gehirn verlassen oder zum optischen Tuberkel der anderen Hirnseite ziehen. Der markante posteriore optische Trakt enthält die Axone großer Tangentialneuronen und verbindet die Medullae beider Seiten miteinander (Abb. 8-ll). Viele Insekten besitzen zusätzlich zu den Komplexaugen ein zweites visuelles System, die Ocellen. Deren zentrale Projektionen sind in allen bisher untersuchten Arten sehr ähnlich. Die periphere ocellare Retina wird durch Interneuronen, die zu den größten Neuronen im ZNS gehören, direkt mit deszendierenden Neuronen im posterioren Gehirn verbunden . Dabei bilden die Axonen dieser Interneuronen einen markanten Trakt , der an der Rückseite des Gehirns hinter der Protocerebralbrücke verläuft und seitlich und oberhalb des Ösophagus aufzweigt und terminiert. Bei Bienen und Fliegen kommen große ocellare Interneuronen vor, die von den Ocellen direkt in die thorakalen Ganglien absteigen.
8.5.1.3 Zentralkomplex Der Begriff Zentralkomplex bezeichnet eine auffällige Gruppe miteinander verbundener Strukturen im Zentrum des Insektengehirns, die von den Pilzkörpern flankiert wird und eine Vielzahl von Verbindungen mit den sie umgebenden Gehirnarealen besitzt (Abb. 8-8). Die markante Position im Gehirn sowie die erkennbar komplizierte Architektur des Zentralkomplexes erregte schon in frühen anatomischen Arbeiten Aufmerksamkeit und führte zu zahlreichen Spekulationen über mögliche Funktionen. Während Größe und Grundstruktur des Zentralkomplexes in adulten Insekten aus unterschiedl ichsten Habitaten ziemlich konstant sind, zeigen sich bei den Larvenformen erhebliche Unterschiede : Larven hemimetaboler Insekten entwickeln bereits in frühen Stadien einen Zentralkomplex während er zu diesem Zeitpunkt bei holometabolen Formen noch fehlt. Die detailliertesten Beschreibungen des Zentralkomplexes liegen bisher vor allem für Fliegen, Bienen und Heuschrecken vor, wobei unterschiedliche Terminologien Verwendung finden. Trotzdem lässt sich ein einheitliches Bild erstellen: Danach besteht der Zentralkomplex anatomisch aus vier Untereinheiten (Abb.8-l2), von denen drei unter dem Begriff Zentralkörper zusammengefasst werden. Dieser ist in einen größeren, oberen Teil untergliedert, der kappen art ig auf einem kleineren unteren Teil sitzt. Beide Teile sind in horizontaler Ebene geschichtet und weisen in der Vertikalrichtung eine klare Segmentierung auf. Posteroventral darunter liegen zwei symmetrische glomeruläre Strukturen, die Noduli, die sich teilweise in eine größere obere und eine kleinere untere Einheit untergliedern, darüberhinaus aber keine erkennb aren regelmäßigen Substrukturen aufweisen. Die vierte Untereinheit des Zentralkomplexes, die Protocerebralbrücke liegt in dorsaler Position in der hinteren Grenzschicht des medi-
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8 Nervensystem
Laterale akzessor ische Loben
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Abb. 8-12: Architektur des Zentralkomplexes. Das vereinfachte Schaltschema zeigt ein Netzwerk einer Heuschrecke aus frontaler Sicht. (Nach Williams 1975) A - C Neuronentypen des Zentralkomplexes der Honigbiene aus frontaler Sicht.
anen Protocerebrums. Sie überspannt in Form eines Stabes, dessen Enden leicht nach posteroventral gebogen sind, die Mittellinie des Proto cerebrums. Die Protocerebralbrücke ist wie der obere und untere Teil des Zentralkörpers segmentiert, wobei insgesamt 8 oder 16 Segmente nach Art eines Fächers aufgespannt sind. Die einzelnen Segmente des Zentralkomplexes sind durch spezifische Typen von Kleinfeldneuronen miteinander verknüpft, sodass ein topographisch geordnetes dreidimensionales Netzwerk entsteht. Das Schema in Abb. 8-12 zeigt ein Beispiel für die so entstehende Ordnung an hand eines Systems von 16 Neuronen des Zentralkomplexes von Heuschrecken. In diesem Fall werden Segmente der Protocerebralbrücke mit Segmenten des unteren Zentralkörpers und den lateralen akzessorischen Loben (auch: "ventral bodies") verbunden. Ein entsprechender neuronaler Baustein ist daneben aus dem Zentralkomplex der Biene dargestellt (Abb. 8-12 A) und weist daraufhin, dass die Grundmerkmale der Architektur des Zentralkomplexes bei verschiedenen Arten ähnlich sind. Neben derartigen
Systemen, die aus spezifischen Verknüpfungen durch Kleinfeldneuronen entstehen, werden Zentralkörper und Protocerebralbrücke zusätzlich durch Neuronen innerviert, die sich z. B. in allen Segmenten einer Untereinheit verzweigen können (Abb. 8-12 B, C). Die Lage des Zentralkomplexes im Gehirn , seine hochgeordnete komplizierte Struktur sowie die zahlreichen Verbindungen mit den Gehirnarealen in unmittelbarer Nachbarschaft haben zwar die Aufmerksamkeit zahlreicher Neurobiologen geweckt, seine funktionelle Bedeutung ist jedoch bis heute ungeklärt geblieben. Nach histochemischen Untersuchungen geht die hochgradige strukturelle Differenzierung des Zentralkomplexes einher mit einer reichhaltigen Ausstattung an neuroaktiven Substanzen . Neurobiologische Untersuchungen deuten auf eine Beteiligung an der visuellen Informationsverarbeitung (Wahrnehmung von polarisiertem Licht) aber auch an der Kontrolle und Koordination motorischen Verhaltens, wie z. B. Laufen und Lauterzeugung, hin.
8.5 Gehirn und Unterschlundganglion
221
Anleriorsuperiorer optischer Trakt
Abb. 8-13: Die Pilzkörper der Honigbiene (Frontalansicht) und ihre wichtigsten Verbindungen. Links: Eingänge von sensorischenTrakten derAntennen und optischen Loben . Rechts: Verbindungs- und Ausgangstrakte zum benachbarten Neuropil. (Nach Mobbs 1982)
8.5.1.4 Pilzkörper Die paarigen Pilzkörper (auch : Corpora Pedunculata) sind neben dem Zentralkomplex die auffälligsten Strukturen im Neuropil des Protocerebrums. Sie lassen sich grundsätzlich in drei Bestandteile untergliedern (Abb. 8-13): Ein obere s, kelchartiges Gebilde, der Calyx , sitzt auf einem massiven Pedunculus (Stiel), der in zwei Endbereiche, die Loben aufzweigt, die in Alpha- bzw. Beta-Lobus unterschieden werden . Fliegen und Schwärmer besitzen zusät zlich pro Pilzkörper einen deutlich strukturierten dritten Lobus , der als Gamma-Lobus bezeichnet wird. Anatomisch äquivalente Strukturen lassen sich nach neueren Untersuchungen auch bei Honigbienen nachwei sen. Bei einigen Insekten, wie Bienen und Schaben , finden sich zwei Calyces in jeder Hälfte des Gehirn s. Das grundsätzliche Bauelement der Pilzkörper sind zigtausende paralleler Neuronen geringen Axondurchmessers, die Kenyon-Zellen (Abb. 813), die extrem dicht aneinander gepackt sind . In der Fliege Mus ca domestica z. B. machen die Pilzkörper nur 1% des gesamten Gehirnvolumens aus, enthalten aber 13% aller Neuronen. Die dort auf-
tretende Packungsdichte übertrifft selbst die höchsten aus dem Gehirn von Vertebraten bekannten Werte um ein Mehrfaches. Kenyon-Zellen treten in unterschiedlichen morphologischen Klassen auf, besitzen aber eine gemeinsame Grundstruktur. Die Gestalt der Pilzkörper ist eine Konsequenz der Morphologie dieser Zellen, die keine Projektionen in das umgebende Neuropil besitzen und daher als intrinsisch bezeichnet werden . Von den Zellkörpern der Kenyon-Zellcn, die peripher um die Calyces gruppiert sind, ziehen die Neuriten in den Calyxbereich und bauen mit ihren dendritischen Verzweigungen die typische Kelchform auf. Von dort läuft pro Kenyon-Zelle eine Faser geordnet durch den Pedunculus bis zu dessen Basis weiter und zweigt dann in die Loben auf Die Anordnung der Dendriten der Kenyon-Zellen untergliedert die Calyces in weitere Sub strukturen, deren Topographie durch säulenartige Unterteilung des Pedunculus und Schichtung innerhalb der Loben weitgehend erhalten bleibt. Die Pilzkörper sind über eine Vielfalt neuronaler Verbindungen mit dem umgebenden Neu ropil verbunden. Diese so genannten extrinsischen Neuronen aus unterschiedlichsten Gehirnbereichen innervieren die Pilzkörper als Einzelelemente
222
8 Nervensystem
oder zusammengelagert zu massiven Faserbündeln und verzweigen in diskreten Bereichen des Pedunculus, der Calyces oder der Loben . Zusammen mit den geordneten Mustern der Kenyon-Zellen entstehen so außergewöhnlich komplexe Strukturen. Dabei scheinen die Calyxbereiche vor allem Eingänge zu erhalten, während im Bereich der Loben und der Pedunculi sowohl Ein- als auch Ausgänge vorkommen. Das sensorische Neuropil der Antennen, die Antennalloben (s. 8.5.2), ist über drei Antenno-Cerebral-Trakte (auch: AntennoGlomerular-Trakte oder Tracti Olfactoris Globulari) mit dem Protocerebrum verbunden, deren prominentester reichhaltige Verzweigungen in den Calyces aufweist. Vor allem bei der Biene sind darüber hinaus auch Eingänge von den optischen Loben bekannt, die über den anterior-superioren optischen Trakt zu den Calyces ziehen, dort aber in anderen Bereichen verzweigen als die olfaktorischen Fasern (Abb. 8-13). Neben zahlreichen Projektionen von und in verschiedene Bereiche des benachbarten Protocerebrums über z. B. den Anterior-Iateralen Protocerebral-Trakt sowie den Protocerebro-Calycal Trakt, bestehen auch Verbindungen der Pilzkörper-Neuropile beider Gehirnhälften miteinander, z. B. über die Anterior-dorsale Protocerebralkommissur (Abb. 8-13). Eine auffällige Eigenart extrinsischer Pilzkörper-Neuronen besteht darin , dass sie Rückkopplungs-Schleifen bilden können, d. h. sie verbinden Teile eines Pilzkörpers, die eher Ausgangsbereiche darstellen, wie z. B. den alphaoder beta-Lobus, mit den Eingangsbereichen der Calyces. Ein derartiges Rückkopplungsneuron ist in Abb. 8-13 dargestellt. Insgesamt ergeben die anatomischen Beschreibungen der Pilzkörper ein hochgradig kompliziertes Bild, das zu zahlreichen Spekulationen über deren Funktion und Bezeichnungen wie "höheres Integrationszentrum" geführt hat. Im Gegensatz zum Zentralkomplex kommen Pilzkörper sowohl bei Hemi- als auch Holometabolen bereits in den Larvenstadien vor und zeigen zwischen den Adultformen verschiedener taxonomischer Insektengruppen erhebliche Unterschiede in Form und Größe. Bei sozialen Insekten, wie Bienen und Ameisen, sind die Pilzkörper im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Gehirns nicht nur relativ groß, zusätzlich besteht auch ein ausgeprägter Sexualdimorphismus sowie ein klarer Unterschied zwischen einzelnen Kasten . Aus diesen Gründen ist vermutet worden, dass die Pilzkörper ein wichtiges Gehirnzentrum für die Steuerung des hochentwickelten Verhaltens der staatenbildenden Insekten darstellen . So ist bei Honigbienen eine wesentliche Rolle der Pilzkörper beim Lernen von Düften und der Gedächtnisbildung gesichert, aber auch bei Pilzkörpermutanten der Taufliege Droso-
phila melanogaster treten Beeinträchtigungen des
Lern- und Gedächtnisvermögens auf (s. 10.4 und 10.5). Die außerordentlich gut entwickelten Pilzkörper stark olfaktorisch geprägter Insekten, wie z. B. Schaben und Schwärmer, weisen auf eine Aufgabe der Pilzkörper hin, die offenbar allen Species gemein ist: die Weiterverarbeitung von Geruchssignalen , die von den olfaktorischen Sensillen auf den Antennen über die Antennalloben durch mächtige Trakte in die Pilzkörper laufen. Dabei sind die Pilzkörper jedoch keineswegs ein rein olfaktorisches Zentrum denn sie erhalten über andere Verbindungswege sowohl mechanosensorisehe als auch visuelle Informationen. So gibt es auch experimentelle Hinweise für eine Rolle der Pilzkörper als Sitz eines Ortsgedächtnisses oder eine Beteiligung an der Initiierung lokomotorischen Verhaltens.
8.5.2 Deutocerebrum Das Deutocerebrum umfasst die bilateralsymmetrischen Gehirnbereiche, die mit dem antennalen Kopfsegment assoziiert sind. Es erhält Eingänge von den Chemo-, Mechano-, Hygro- und Thermorezeptoren der Antenne und umfasst das Areal der Motoneuronen, die die Ausführung antennaler Bewegungen bewerkstelligen. Dabei werden zwei Neuropilbereiche unterschieden (Abb. 8-14): Der Antennallobus, in dem die Axone der Rezeptorzellen des antennalen Flagellums enden sowie der Dorsallobus, der die Terminale mechanosensitiver Sensillen der beiden basalen Antennensegmente (Scapus und Pedicellus) sowie die Antennenmotoneuronen umfasst.
8.5.2.1 Antennalloben Die Antennalloben sind die Zentren für die Verarbeitung der Information olfaktorischer Sensillen auf den Antennen. Sie sind aus einer Gruppe knäuelartiger Neuropile, den Glomeruli (Abb. 814), aufgebaut, die eine spezifische Position innerhalb eines Antennallobus einnehmen . Die Anzahl der Glomeruli beträgt je nach Art bis zu 200. Die Axone der Rezeptoren einer Antenne ziehen über den Antennennerv in den ipsilateralen Antennallobus, wo siejeweils in einem einzigen, bestimmten Glomerulus enden. Nur von Dipteren ist bekannt, dass Rezeptorterminale zuerst ipsilateral einen Glomerulus innervieren, und dann über eine Kommissur auch noch in den korrespondierenden Glomerulus des contralateralen Antennallobus ziehen können .
8.5 Gehirn und Unterschlundganglion
223
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Abb. 8-14: Organisation des Deutocerebrums von Manduca sexta (Sphingidae). A Frontalansicht des Gehirns mit Dorsalund Antennallobus und typischen Neuronen. B Dorsalansicht mittypischen Neuronen der Verbindungstrakte von den Antennalloben zu den Pilzkörpern und dem lateralen Protocerebrum. (Nach Homberg et al. 1989)
Die auffällige typische Architektur der Glome- jektionsneuronen typischerweise nur in einem ruli wird von den becherartigen Verzweigungen Glomerulus verzweigen, von dort in die Calyces der Rezeptoren zusammen mit Gliazellen und ver- des Pilzkörpers projizieren und schließlich im lateschiedenen Typen von Interneuronen aufgebaut. ralen Horn des Protocerebrums enden. Der mittDabei lassen sich zwei Hauptklassen von Interneu- lere ACT besteht aus Projektionsneuronen, die ronen unterscheiden: lokale Interneuronen und mehrere Glomeruli abgreifen und dann großfläProjektionsneuronen (Abb. 8-14). Lokale Interneu- chig das laterale Protocerebrum bis zum lateralen ronen verzweigen strikt innerhalb eines Antennal- Horn innervieren können . Die Projektionsneurolobus, wo sie in einigen oder gar allen Glomeruli nen des äußeren ACT sind ebenfalls multiglomeverzweigen, und somit Kontakte zwischen den rulär und projizieren überwiegend in das laterale Glomeruli untereinander vermitteln . Projektions- Horn und die Calyces. neuronen verbinden einen oder mehrere GlomeEine geringere Anzahl von Neuronen mit individueller ruli mit anderen Gehirnarealen, wie den PilzkörMorphologie erhält Eingänge aus diversen Bereichen des pern . Das prominenteste Beispiel sind die drei ZNS und terminiert multiglomerul är in einem oder beiAntenno-Cerebral-Trakte (ACT), die aus Zusam- den Antenn alloben . Aufgrund dieser Verknüpfung des menlagerungen von Projektionsneuronen ähnli- Zentrums mit der Peripherie spricht man von zentrifuga chen Typs gebildet werden (Abb. 8-13,8-14). Der len Interneuronen. Weitere Interneuronen verbinden die mächtigste Trakt ist der innere ACT, dessen Pro- Antennalloben beider Seiten miteinander.
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8 Nervensystem
Die glomeruläre Organisation findet sich auch im Bulbus olfactorius der Vertebraten wieder und stellt möglicherweise ein basales Merkm al von Geru chssystemen dar. Vorstellbar wäre, dass in den jeweiligen Glomeruli Rezeptoren mit gemeinsamen Eigenschaften konvergieren, wie es der Sexualdimorphismus bei den Antennalloben einiger Insektenarten and eutet. Dort besitzen die Männchen einen speziellen, vergrößerten Glomerulus, den makroglomerulären Komplex oder Makrog lomerulus (Abb. 8-14), in dem die Axone sexspezifischer Pheromonrezeptoren der Antennen terminieren . Die Architektur und Verknüpfungsmuster der Glomeruli deuten allerdings darauf hin, dass dort nicht nur die Rezeptoreing änge gesammelt werden, sondern bereits erste Verarbeitungsschritte erfolgen. Physiologische Untersuchungen zeigen, dass die Projektionsneuronen nicht nur auf Duftreize, sondern auch auf mechano sensorische Stimuli antworten. Eine bemerkenswerte Eigenschaft der olfaktorischen Schaltbahnen ist die hohe Konvergenz tausender von Rezeptoren auf wenige hundert Projektionsneuronen, die dann z.B in den Calyces divergent auf Tausende von Kenyon-Zellen verschaltet sind. Die Bedeutung dieser Organisation ist noch unverstanden.
8.5.2.2 Dorsalloben Mit diesem Begriff wird ein separates deutocere brales Neuropil außerhalb der Antennalloben bezeichnet, das als mechano sensorisches und moto risches Zentrum der Antenne dient (Abb. 8-14A). Es wird von den Sinneszellen mechanorezeptiver Organe auf den beiden basalen Antennensegmente (Scapus und Pedicellus) innerviert, deren Axone über den Antennennerv in das Deutoce rebrum einlaufen und am Antennallobus vorbei in ihr posterior gelegenes Zielgebiet ziehen. Die überwiegende Anzahl der Rezeptorprojektionen ist zwar im Dorsallobus konzentriert; darüber hina us finden sich aber auch Verzweigungen in anderen Neuropilbereichen, wie dem Protocerebrum und dem Unterschlundganglion . Aufgrund dieser Tatsache und einer starken Verschmelzung des Dorsallobus mit benachbarten Neuropilen sind seine präzisen Grenzen schwer zu bestimmen. Die Motoneuronen, die die antennalen Mu skeln versorgen, haben ihre dendritischen Verzweigungen ebenfalls im Dorsallobus, von wo die Axonen in den motorischen Ast des Antennennervs bis zu ihren Zielmuskeln ziehen (Abb. 8-14 A).
8.5.3 Tritocerebrum Das Tritocerebrum ist der kleinste Teil des Gehirns und liegt ventral beiderseits des Ösophag us (Abb. 8-1, 8-7, 8-8). Ihm entspringt pro Seite ein Nerv, dessen einer Ast sensorische Fasern des Labrums enthält und auch zur Muskulatur des Labrums und des Schlunds aufzweigen kann (Abb. 8-7). Ein zweiter Ast zieht als Frontalkonnektiv zum unpaaren Frontalganglion (Abb.8-7, 8-15) und verbindet so das Tritocerebrum mit dem Stomatogastrischen System (s. 8.6.1). Zusätzlich kann ein medianer Abzweig zur Labralmuskulatur vorhanden sein. Häufig findet sich ein weiterer trito cerebraler Nerv, der als Tegumenta lnerv die fronta le Oberfläche der Kopfkapsel innerviert. Die beiden Hälften des Tritocerebrums sind durch eine unter dem Schlund verlaufende Tritocerebra lkommissur miteinander verbunden, die bei Insekten mit kaum verschmolzenem cephalen Nervensystem, wie z. B. Orthopteren, ein markantes Strukturmerkmal darstellt.
8.5.4 Unterschlundganglion Das Unterschlundganglion (USG) liegt in der Kopfkapsel unterhalb des Ösoph agus (Abb.8-1, 8-7) und innerviert die Mund werkzeuge, die den thorakalen Beinen homolog sind. Es besteht aus den drei fusionierten Ganglien des mandibularen, maxillaren und labialen Segments, deren Neuromere, Trakte und Kommissuren bei ursprünglicheren Insekten wie Orthopteren weitgehend noch zu differenzieren sind. Bei ihnen ist das USG vom Gehirn separiert und durch Schlundkonnektive mit dem Tritocerebrum verbunden. Halskonnektive stellen die Verbindung zum Bauchmark des Rumpfes her. Mit der Entwicklung komplexerer Mundwerkzeuge, wie z. B. dem Rüssel der Fliegen, die unter Einbeziehung des vom Tritocerebrum innervierten Labrums erfolgt, kommt es zu Verschmelzungen des Gehirn s mit dem USG. So besitzen höhere Insekten keine Schlundkonnektive mehr und das USG erscheint als integraler Bestandteil des Gehirns (Abb. 8-2). In diesen Fällen ist der basale Bauplan der segmentalen Ganglien im Bereich des USG kaum mehr erkennb ar. Neben der sensorischen und mot orischen Kontrolle der Mundwerkzeuge ist das USG an der Steuerung von Kopfbewegungen beteiligt. Dabei befinden sich die Motoneuronen der HaIsmuskulatur in dem dor salen Bereich des Neuropil s, der in den Ganglien der flügeltragenden Thoraxsegmente von Motoneuronen der Flugmuskulatur eingenommen wird. Zusätzlich zu diesen "üblichen" Funktionen, die denen segmentaler Gang-
8.6 Viscerales Nervensystem
lien entsprechen, ist eine gemeinsame Beteiligung von USG und Gehirn an der Steuerung komplexer motorischer Abläufe nachgewiesen, wie sie beim Laufen und Fliegen erforderlich ist.
8.6 Viscerales Nervensystem Auch Insekten bilden neben dem Zentralner vensystem ein vegetatives Nervennet z aus. Dieses Viscerale Nervensystem ist mit dem Zentralnervensystem verbunden und innerviert vor allem den Da rmkanal und die Geschlechtsorgane. Es wird in zwei Teile untergliedert: Der vordere (auch : stomodeale) Teil umfasst da s Stomatogastrische Nervensystem, das Vorderdarm und Speicheldrüsen innerviert, sowie die nervösen Verbindungen zu den endokrinen Organen des Retrocerebralen Komplexes. Der hintere (auch: proctodeale) Teil des Visceralen Nervensystems steht in Verbindung mit den Ganglien des Bauchmark s und wird in ein Ventrales und Caudales Nervensystem unt erteilt.
8.6.1 Stomatogastrisches Nervensystem Das Stomatogastrische Nervensystem besteht aus einer Reihe kleiner Ganglien, von denen Nerven in den vorderen Darm abschnitt und den Mundbereich ziehen. Die ganglionären Teile sowie Zahl und Mu ster der abzweigenden Nerven können zwischen den Insektenordnungen erhebliche Unterschiede aufweisen. Grundsätzlich ergibt sich folgendes Bild (Abb. 8-15): Zentrum des Stomatogastrischen Ner vensystems ist das mittig vor dem Geh irn liegende Frontalganglion . Es ist üb er die paarigen Frontalkonnektive bidirektional mit dem Gehirn verbunden und wird über diesen Weg auch von Zellen des Unterschlundga nglions innerviert. Darüberhinau s können dem Frontalganglion mehrere unpa are Nerven entspringen. Der wichtigste ist der Nervus recurrens (Recurrenter Nerv), der zwischen Schlund und Gehirn nach hinten bis zu einem mehr oder weniger entwickelten unpaa ren HypocerebraIganglion verläuft . Hint er dem Hypocerebralgan glion kann sich dieser Nerv als Ösoph agealnerv unpaar bis zu einem dorsalen, unpa aren Ventricularganglion fort setzen, oder in zwei Äste teilen, die seitlich entlang des Vord erdarm s in je ein Ventri cularganglion ziehen. Daneben kann dem Frontalganglion ein unp aarer Frontalnerv (Nervus front alis) entspringen, der zum vorderen Schlund bereich und zum Ciba rium zieht. Desweiteren kann ein medianer unp aarer Nervus
225
connectivus vorkommen, der eine Verbindun g zwischen Protocerebrum und Fro nta lganglion herstellt. Das Sto matogas trische Nerve nsystem ist mit dem Retrocerebralen Komplex (s. 8.6.2) assoziiert, wobei die direkte Verbindung meist durch einen kurzen Nerv zwischen dem Hypocerebralganglion und den Corpora cardiaca hergestellt wird. Diese Tatsache lässt, zusammen mit zahlreichen histochemischen Nachweisen über die Präsenz neurosekretorischen Material s den Schluss zu, dass das Stomatogas trische System an endo krinen Vorgängen beteiligt sein könnte. Versuche bei denen das Frontalganglion ausgeschaltet wurde, weisen auf eine Rolle bei der Eireifung, der Regelung des Metabolismus und der Aufnahme und Weiterverteilung von Nahrung im vorderen Schlundbereich hin.
8.6.2 Retrocerebraler Komplex Der Retrocerebrale Komplex umfasst die meist paarigen Corpora cardiaca und Corpora allata, die eine wichtige Aufgabe als Hormondrüsen erfüllen (s. Kap. 12). Er steht in nervöser Beziehung zum Hypocerebralganglion des Sto matogastrischen Nervensystems und erhält Eingänge von neurosekretorischen Zellen des ZNS. Das Insekten gehirn enth ält vor allem zwei große Gruppen neuro sekretor ischer Zellen, deren Zellkörp er median in der Pars intercerebralis oder im lateralen Protocerebrum liegen (Abb. 8-15). Beide Gruppen innervieren die Co rpora Cardiaca über paarige Nervi corporis cardiaci (NCC), wobei die medianen Axone in NCC 1 und die lateralen in NCC 2 verlaufen. Die Axone einer weiteren Gruppe neurosekretorischer Zellen im Tritocerebrum vereinigen sich entweder mit dem NCC I oder bilden zusammen mit aufsteigenden Fort sätzen von ZeIlen des Unterschlundganglions einen separaten Nerv, der als NCC 3 zu den Corpora cardiaca zieht. Die Co rpo ra allata stehen über Nervi corporis allati sowohl mit den Corpora cardiaca (NCA 1) als auch dem Unterschlundga nglion (NCA 2) in Verbindung. Der Retrocerebrale Komplex ist sowohl Speicher als auch Bildungsort hormoneller Substanzen und spielt z. B. bei der Häutung und Metamo rphose eine wichtige Rolle (s. Kap. 12).
8.6.3 Ventrales und Caudales Viscerales System Dieser Teil des vegetativen Nervensystems steht mit den Ganglien des Bauchmarks in Verbindung und bezeichnet die 'dem unpaaren medianen Nerv
226
8 Nervensystem
Abb. 8-15: Stomatogastrisches Nervensystem und Retrocerebraler Komplex aus seitlicher Sicht. (Nach We-
ber 1966, nach Penzlin 1985)
zugehörigen Äste und Projektionen. Dieser Nerv enthält sensible und motorische Fasern und die Axone in den Ganglien vorhandener neurosekretorischer Zellen. Bei Insekten mit unfusionierten Ganglien entspringt jedem thorakalen Ganglion im posterioren Bereich an der Basis der Konnektive ein unpaarer Nerv, der sich rechtwinklig in zwei Äste aufzweigt (Abb.8-l). Innerviert wird z. B. die Muskulatur der Stigmen und Tracheen, während die Terminale der neurosekretorischen Zellen in der Peripherie zu spezialisierten Strukturen anschwellen, die als Neurohämalorgane arbeiten. Bei den abdominalen Ganglien verändert sich das thorakale Verzweigungsmuster, indem der unpaare mediane Nerv nun zwei Ganglien miteinander verbindet und zwischen diesen die beiden Seitenäste abgibt. Alle Anteile des unpaaren medianen Nervs der thorakalen und abdominalen Ganglien, mit Ausnahme des Terminalganglions, werden als Ventrales Viscerales Nervensystem bezeichnet. Der sich von den unpaaren medianen Nerven der zum Terminalganglion verschmolzenen letzten Abdominalganglien herleitende Teil wird separat Caudalcs Visceralcs Nervensystem genannt. Es versorgt über einen nach posterior ziehenden Nerv die Reproduktionsorgane und den hinteren Teil des Verdauungssystems.
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration Gemot Wend/er
Fortbewegung ist einer der Schlüssel zum Verständnis der weiten Verbreitung der Insekten und ihres Erfolges bei der Besiedlung unterschiedlichster Lebensräume. Insekten können sich auf und im Boden, auf und im Wasser, in der Luft oder an selbsterzeugten Abseilfäden fortbewegen. Die Unterschiedlichkeit dieser Substrate hat eine Vielfalt an Mechanismen zur Kraftübertragung vom Körper auf das Substrat und zur Stabilisierung der Körperlage entstehen lassen. Das Substrat beeinflusst auch den Energieaufwand, der zum Durchmessen einer Strecke oder zum Erreichen einer Geschwindigkeit nötig ist. Ein wesentlicher Aspekt der Fortbewegung ist dementsprechend der Stoffwechsel (s. Kap. 3), der die Energie bereitstellt. Für das Verständnis der Fortbewegung ist von grundlegender Bedeutung, auf welche Art und Weise die Skelettmuskulatur die chemische Energie in Bewegung umwandelt (s. Kap. 3) und wie dieser Prozess vom Zentralnervensystem gesteuert wird. Die optimale Umsetzung der Muskelkontraktionen in eine Fortbewegung erfordert ferner, je nach Medium, ganz unterschiedliche Konstruktionen der Lokomotionsorgane. Auch die räumlich-zeitlichen Bewegungsabläufe hängen davon ab, ob die Fortbewegung auf oder im festen Substrat , auf oder im Wasser oder in der Luft stattfindet. Darüber hinau s unterliegen die Bewegungen der Lokomotionsorgane keinem völlig starren Schema. Sie werden von Sinnesorganen kontrolliert, die den Ablauf von Bein- oder Flügelbewegungen oder die Körperlage im Raum ermitteln oder die Fortbewegung im Raum (Orientierung) registrieren und eine Kompensation eventuell auftretender Störungen bewirken. Motorik und Sensorik arbeiten bei der Lokomotion derartig eng zusammen, dass man von sensomotorischer Integration spricht.
9.1 Skelettmuskulatur und ihre Kontrolle 9.1.1 Funktionsmorphologie Die Skelettmuskeln dienen der Bewegung von Körperanhängen, der Veränderung der mechanischen Verspannung des Thorax, den Abdomenbewegungen, dem Schließen der Stigmen, den Pumpbewegungen bei der Atmung und den Schalldeckelbewegungen bei den Zikaden, während die Visceralmuskeln innere Organe wie den Darm oder das Herz bewegen. Da die Insekten ein Außenskelett besitzen, inserieren ihre Skelettmuskeln an diesem Außenskelett, entweder direkt am Integument oder an Integumenteinstülpungen. Diese Einstülpungen werden je nach ihrem histologischen Bau als Apophysenoder Apodeme bezeichnet (s. 1.3.9). Sie sind entweder sehr massiv ausgebildet wie z. B. die Furca , der Pleuralarm, die Spina, oder dünn breitflächig, wie z. B. die Phragmata (Abb. 9-1 A), oder sie können sehr langgestreckt sein wie manche Sehnen, insbesondere in den Beinen (Abb. 9-1 B), und sich weit ins Innere vorwölben. Die Muskulatur, die ein Beingelenk bewegt, liegt stets proximal zum Gelenk, niemals distal. Diese Regel gilt auch für andere Arthropoden ebenso wie für Tetrapoden . Als Konsequenz dieser Anordnung bleibt die Masse der distalen Glieder gering, und die Beweglichkeit wird erhöht. Es ergeben sich zudem kürzere Wege für die Nervenleitung in den Motoneuronen und für die Energieversorgung des Muskels. So liegt einer der drei voneinander getrennten Abschn itte des Krallenbeugermuskels (M. retractor unguis; M 139 A) bei Heuschrecken sogar im proximalen Teil des Femur. Er setzt an einer Sehne an, die durch Femur und Tibia sowie durch die Tarsalglieder hindurch zieht (Tab. 9-1, Abb. 9-1).
In der Regel erfolgt die Bewegung eines Gelenks durch antagonistisch wirkende Muskeln oder Muskelgruppen . Manche Muskeln besitzen jedoch keinen Antagonisten , z. B. der oben erwähnte Krallenbeugermuskel oder der Tymbal-(Trommel-) Muskel der Zikaden. In diesen Fällen wird die Rückstellkraft von der elastischen Gelenkmembran bzw. der Cuticula erzeugt.
230
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
A I Dll
B
quer
posterior
M 136
Abb.9·1: Lage und Ansatzstellen von Skelettmuskeln. A Medianschnitt durch Kopf und Thorax des Tabakschwärmers Manduca sexta. (In Anlehnung anEaton 1988) I DI, II DI, 111 DI dorsaler längsmuskel des Pro-, Meso- bzw. Metathorax. Der mächtige dorsale längsmuskel des Mesothorax ist in 5 Muskelbündel geteilt (a- e), deren jedes von einem anderen Motoneuron innerviert wird. Die metathorakalen dorsalen längsmuskeln sind wesentlich schwächer ausgebildet. Die Hinterflügel sind durch ihr Retinaculum und das Frenulum der Vorderflügel so an die Vorderflügel gekoppelt, dass sie deren Bewegungen in nahezu allen Flugphasen mitmachen müssen. Dies gilt u.a. für alle Schwärmer. Die Schwärmer können deshalb funktionell annähernd als Zweiflügler betrachtet werden. Die zwischen rechtem und linkem dorsalen längsmuskel verlaufende Aorta spielt eine wichtige Rolle beim Abtransport der Muskelwärme während des Flugs. B Einige Muskeln und Sehnen des linken Hinterbeines der Heuschrecke Dissosteira carolina. (Nach Snodgrass 1935) Die flache und breite Sehne des M. extensor tibiae ist in der längsansicht schräg angeschnitten (siehe Querschnitt). Zur Funktion des Knopfes s. 9.2.3 . Zur lage des femoralen Anteils des Krallenbeugermuskels (M. retractor unguis; M 139A) s. Tab. 9-1 .
Die Muskeln und die Anordnung der einzelnen Muskelfasern innerhalb eines Muskels können je nach ihrer Aufgabe und Einsatzweise außerordentlich unterschiedliche Formen annehmen. Bei langgestreckten Muskeln bzw. Muskelfasern sind sehr viele Sarcomere (Kontraktionseinheiten, s. 9.1.2) hintereinander angeordnet. Aufgrund dieser Anordnung addieren sich deren Verkürzungen. Größere Kräfte werden hingegen durch eine größere Anzahl von Muskelfasern erreicht, die parallel angeordnet sind und somit einen großen Muskelquerschnitt ergeben. Der Muskelquerschnitt spielt z. B. für die Sprungleistungen von Insekten eine große Rolle (s. 9.2.3). Je mehr Muskelfasern parallel angeordnet sind, desto größer muss die cuticuläre Ansatzfläche sein, wie z. B. bei den mächtigen Flugmuskeln der Pterygoten (Abb. 9-1 A). Hier entspricht die Zug-
richtung des gesamten Muskels derjenigen der einzelnen Fasern . Ganz anders sind die Verhältnisse bei der Bewegung langgestreckter Körperanhänge wie den Beinen, die über den Zug dünner und langer Sehnen erfolgt, die durch das enge Lumen des Gelenks in das nächste Glied hindurchgeführt werden. Werden große Kräfte übertragen wie z. B. in Sprungbeinen oder in Mand ibeln, dann findet man oft auffällig gefiederte Muskeln (Abb.9-1 B). Bei ihnen sind die einzelnen Muskelfasern kurz und haben deshalb keinen langen Verkürzungsweg. Es lassen sich auf diese Weise aber wesentlich mehr Fasern parallel im gleichen Volumen unterbringen , die zusammen eine höhere Kraft erzeugen können. Allerdings setzen die Muskelfasern schräg an der Sehne an und können ihre Kraft deshalb nicht vollständig in die Zugrichtung der Sehne übertragen.
9.1 Skelettmuskulatur und ihre Kontrolle
231
Transversaler Tubu lus
Trachee
Sarcoplasmatisches Reticulum
Abb. 9·2: Querschnitte von Muskelfasern. Die im Querschnitt sichtbaren feinen Gitterstrukturen der Myofibrillen sind nicht gezeichnet (s. Abb. 9-3). A Zylindrische Faser, B tubuläre Faser. (Aus Seifert 1995)
9.1.2 Bau der Muskeln
bei den Insekten ergaben, dass sehr schnell kontrahierende Muskeln besonders dicke Zentralzylinder besitzen, wie z. B. der Tergo-Trochanter-Muskel Ein Skelettmuskel enth ält meist mehrere bis viele der Fliegen (s. 9.2.3) oder der Triggerrnuskel, der Muskelfasern (~ 4 11m bis 42 11m beim Antennen- einen schnellen mandibulären Schnappreflex bei retr aktor von Ameisen). Die Muskelfasern sind den Ameisengattungen Odontomachus und AnoSyncytien aus vielen Muskelzellen. Oft sind etwa chetus auslöst (Gronenberg 1995). 10 bis 20 Muskelfasern zu einem Bündel zusamIm Längsschnitt zeigen alle Muskelfasern der mengefasst, das von einer Membran umgeben ist Insekten lichtmikroskopisch eine klare Querstreiund von einem oder mehreren Ästen des Tra- fung, die wie bei den quergestreiften Skelettmuscheensystems versorgt wird. Kleine Muskeln kön- keln der Wirbeltiere auf die regelmäßige Anordnen ein einziges Bündel enthalten, während große nung der Proteine in den Myofibrillen zurückgeht. aus vielen Bündeln bestehen (Tab. 9-1). Jede Mus- Lichtmikroskopisch erscheint ein bestimmter Bekelfaser gliedert sich in eine Reihe von Myofi- reich doppelbrechend (Anisotrop) , das A-Band. Es brillen, zylindrisch oder leistenförmig angeordne- ist der Bereich der dicken Myosin-Filamente. Das ten Streifen von parallel angeordneten Myofila- I-Band ist nicht doppelbrechend (Isotrop). Hier menten, die den eigentlichen kontraktilen Apparat liegen die dünnen Actin-Filamente frei. Sie sind an darstellen. Die Myofibrillen sind von sehr großen den Z-Scheiben befestigt. Der Abschnitt zwischen Mitochondrien, von dem sarcoplasmatischen Re- zwei Z-Scheiben wird Sarcomer genannt. Die ticulum und den transversalen Tubuli umgeben. Länge eines Sarcomers kann zwischen 1,5 11m bei Die Zellkerne sind meist an der Peripherie der Antennenmuskeln von Ameisen, bis über 9 11m bei Muskelfaser zu finden (Abb. 9-2 A). Muskeln des Heuschreckenbeins betragen . Bei der Bei einer Reihe von Muskeln liegen die Zell- Kontraktion, die durch ein Ineinandergleiten der kerne hingegen in einem zentralen Zylinder im beiden Filamentarten erfolgt (s. 9.1.4), verkürzt Innern der Muskelfaser. Bei diesen tubulären Fa- sich das Sarcomer. Je größer die Anzahl der sern sind die Myofibrillen meist, aber nicht immer, hintereinanderliegenden Sarcomere in einer Musleistenförmig und radial angeordnet (Abb. 9-2 B). kelfaser, umso größer der Betrag, um den sie sich Tubuläre Fasern finden sich z. B. bei den unter- verkürzen kann . Aber auch andere Faktoren spiesuchten Odonata nur in den dorsoventralen und len eine Rolle, insbesondere der Weg, um den sich dorsolongitudinalen Flugmuskeln . Bei den holo- die Filamente ineinanderziehen können . Bei den metabolen Diptera und Hymenoptera bestehen fibrillären Flugmuskeln ist dieser Weg äußerst gealle Muskeln aus tubulären Fasern , mit Ausnahme ring, da die Myosin-Filamente bereits im Ruhezuder indirekten Flugmuskeln, die aus wenigen sehr stand bis nahe an die Z-Scheibe heranreichen. dicken fibrillären Fasern bestehen (etwa 70 11m Trotzdem ist die Amplitude der resultierenden beim dorsalen Längsmuskel der Wanze Letho ce- Flügelbewegungen aufgrund eines an der Flügelrus), deren Kerne unregelmäßig verteilt sind. Ver- basis sitzenden Hebelsystems sehr groß. gleichende Untersuchungen der tubulären Fasern
232
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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Die Grundanordnung des Kontraktionsapparates ist bei Wirbeltieren und Insekten gleich. Die Lage der trans versalen Tubuli und ihre Beziehung zum sarcoplasmatischen Reticulum unterscheidet sich jedoch erheblich. Bei den fibrillären Muskeln ist das sarcoplasmatische Reticulum stark reduziert (Abb. 9-3).
9.1.3 Steuerung der Kontraktion Die Kontraktion von Skelettmuskeln wird in der Regel durch Motoneuronen gesteuert. Verglichen mit den Wirbeltieren besitzen die Insekten nur eine geringe Anzahl vonMotoneuronen. So wird z. B. ein proximaler Beinmuskel der Säuger in der Regel von jeweils mehr als 100 Motoneuronen versorgt, während es beim Insekt 2 bis etwa 13 Motoneuronen sind. Die gesamte Muskulatur eines Heuschreckenbeins wird von insgesamt nur etwa 70 Motoneuronen gesteuert. Ein Muskel empfangt immer die gleiche Anzahl von Motoneuronen . Soma und Dendriten jedes Motoneurons nehmen stets eine charakteristische Lage im Ganglion ein. Jedes Motoneuron ist deshalb bei jedem Individuum auch in gleicher Position aufzufinden (Abb. 8-3, Tab. 9-1). Diese Lage ist über Art- und Klassengrenzen hinaus bemerkenswert konstant. Da die Motoneuronen individuell identifizierbar sind, ist es prinzipiell möglich, ihre Anzahl und Funktion für die gesamte Skelettmusku latur vollständig zu erfassen. Die geringe Anzahl von Motoneuronen wird oft mit der geringen Körpergöße der Insekten in Zusammenhang gebracht. Ganz ähnliche Innervationsverhältnisse sind jedoch auch bei anderen Arthropoden und Krebsen zu finden, die z. T. beträchtliche Körpergrößen erreichen
Abb. 9·3: Längs- und Queransicht von Muskelfibrillen. A Nichtfibrillärer, B fibrillärer Muskel eines Insekts. (Aus Gewecke 1995) Bei den quergestreiften Muskelfasern der Wirbeltiere dringen die T-Tubuli in Höhe der Z-Scheiben in die Fibrille ein. C Feinstruktur im Querschnitt. Oben: Fibrillärer Flugmuskel von Musca domestica. Unten: Intersegmentalmuskel von Periplaneta americana. Die Myosinfilamente sind stets hexagonal angeordnet. Die Adinfilamente sind bei fibrillären Muskeln stets, bei anderen Muskeln manchmal ebenfalls hexagonal angeordnet. Im Mittel kommen dann 4 Adinfilamente auf 1 Myosinfilament. Es kommen jedoch auch andere Anordnungen der Adinfilamente vor. SR Sarcoplasmatisches Reticulum; TTransversaler Tubulus; Z Z-Scheibe; M Myosinfilament; A Adinfilament.
können . Darüber hinaus ist das Prinzip der Feinkontrolle (s.u.) in nahezu gleicher Weise bei den Krebsen verwirklicht. Diese Verhältnisse mögen also ursprüngl ich an eine geringe Körpergröße angepasst sein, sind bei den Insekten jedo ch auch als phylogenetisches Erbe zu betrachten.
Trotz der geringen Anzahl von Neuronen, die die Kontraktion eines Muskels steuern , können Insekten ihre Gelenke mit einer Präzision und genau dosierten Geschwindigkeit bewegen, die denen der Wirbeltiere nicht erkennbar nachsteht. Diese Fähigkeit geht auf eine hoch entwickelte Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Neuronen und den von ihnen innervierten Muskelfasern zurück. Im folgenden wird die Steuerung der Kontraktion der nichtfibrillären Muskeln durch Motoneuronen beschrieben. Bei den fibrillären Flugmuskeln der myogenenen Flieger wird die Kontraktion hingegen durch eine schnelle Dehnung des Muskels ausgelöst (s. 9.4.3.2). Man unterscheidet vier Grundtypen von Motoneuronen (Tab. 9-1): • "Schnelle" Motoneuronen, die schnelle und starke Muskelkontraktionen erzeugen. Jedes Aktionspotenzial im Motoneuron erzeugt in den Muskelfasern eine starke Depolarisation (Abb. 9-4), die eine starke Kontraktion des Muskels auslöst. Bei höheren Frequenzen der Aktionspotentiale im Motoneuron überlagern sich diese Kontraktionen zu einem Tetanus, der etwa das Fünffache der Einzelkontraktion erreichen kann. • "Langsame" Motoneuronen, die langsame, fein dosierbare Kontraktionen bewirken. Jedes Aktionspotential im Motoneuron erzeugt in den Muskelfasern eine geringe Depolarisation, die eine schwache und länger dauernde Kontraktion des Muskels auslöst. Bereits bei relativ niedrigen Frequenzen im Motoneuron überlagern sich die
9.1 Skelettmuskulatur und ihre Kontrolle
233
Tab. 9-1: Prinzip der Kontraktionssteuerung am Beispiel des M. extensor tibiae der Wüstenheuschrecke Schistocerca gregaria. Oben links: Femur des linken Hinterbeins, von ventral aufpräpariert. M.flexor tibiae entfernt. Gezeichnet sind die fiederförmig angeordneten Muskelfaserbündel in ihrer natürlichen Lage und richtigen Anzahl. Die Muskelabschnitte 135A!B a-f sowie 135C und 135D der Tabelle beziehen sich auf diese Zeichnung. Grau unterlegt sind diejenigen Innervationsmuster, die bei mehr als 5% der Fasern des Gesamtmuskels vorliegen (Spalte %, nach Hoyle 1978). Die vier Motoneuronen liegen im Metathorakalganglion. Dargestellt sind die auf die Horizontalebene projizierten Dendriten, die seitlich etwas abgesetzten Somata (Zellkörper) sowie die durch die Nerven 3, 5 oder auch 4 ziehenden Axone (nach Burrows 1996). Es gibt inhibitorische Neuronen, die nur einen Muskel innervieren. Andere versorgen gleichzeitig mehrere Muskeln, darunter auch antagonistisch wirkende. Hierauf bezieht sich die Bezeichnung als .cornrnon inhibitor". So innerviert das C11 -Neuron zusätzlich zum M 135 fast alle proximalen Beinmuskeln, während zwei andere Inhibitoren, C12 und C13, den M. flexor tibiae und die weiter distal sitzenden Muskeln versorgen . M. extensor tibiae - M 135 anterior
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M" 35 0
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Extenso r
M ? 5C
f
Nervenfasertyp
TIb iae
TIblae
(FETI)
(SETI)
Inhibitor 1 (CIl)
"
L-Glulamat -
Wirkung auf den Muskel Muskelfasertyp Muskelabschnitt
... ,.
Extensor
• 5
TIbiae (OUM ETI)
1 ·Aminobutter5äure
05
lTYIl
Oetopamin • erhöht
öffnet Na- ·KanAle
L-Glulamat · öffnet Na- ·Kanäle
schnelle, starke
langsame. schwache
Hemmung der
lang andauernde
Kontraktion
Kontraktion
Kontraktion
Mod ulation der Kontraktion
(GABA) • öffnet
intrazellulAre
Cr -Kanäle
Ca"" -Konzentranoo
%
135NB a.b.c.d .e.t
68
X
135NB b.c .d
6
X
135NBa.d
0.5'
X
135NB a.d.e .t
2
X
schne ll
•
3
posterior
Neuromuskulärer Transmitter
Unpaired
Median
X X
X X
135NB a.d.e ,f
3
X
X
135NB a.c.d.ej
12
X
X
X
135NB a.r. 135C. 1350
8
X
X
135Aa
0.5
X
intermediär
langsam
Depolarisationen in den Muskelfasern , und die Einzelkontraktionen verschmelzen zu einer glatten Kontraktion. Sie erreicht bei weitem nicht die Höhe des Tetanus, der von den schnellen Motoneuronen erzeugt wird. Schnelle und langsame Motoneuronen stellen Extremformen dar. Wenn ein Muskel von mehr als zwei solcher Motoneuronen innerviert wird, dann findet man zusätzlich Neuronen mit intermediären Eigenschaften. • Hemmneuronen erzeugen in der Muskelfaser eine Hyperpolarisation, die sich den Depolarisationen durch die aktivierenden Motoneuronen überlagert , Sie verringern also die Wirkung der aktivierenden Motoneuronen und beschleunigen zusätzlich die MuskelerschlatTung (Abb. 95). Eine derartige periphere Hemmung ist bei Wirbeltieren nicht bekannt. Die Hemmneuronen der Insekten innervieren oft mehrere Muskeln gleichzeitig, darunter oft auch Antagonisten. Sie werden deshalb als "common inhibitors" bezeichnet. In der Ontogenese entstehen sie aus den gleichen Neuroblasten wie inhibitorisehe Interneuronen. Sie sind als abgewandelte inhibitorische Interneuronen aufzufassen , deren
Terminalien im Laufe der Evolution in die Peripherie verlagert wurden . • Modulatorneuronen (s, 8.2.2). Diese besitzen neurosekretorische Endigungen an der Muskelfaser und modulieren die Kontraktionsstärke und -geschwindigkeit. Solche Neuronen sind bei Wirbeltieren ebenfalls nicht bekannt. Für die Lokomotion bedeutsam sind in erster Linie die octopaminergen DUM-Neurone ("dorsal unpaired median "). Anders als bei Säugern terminiert ein Motoneuron bei Insekten nicht mit einer einzigen Synapse, der motorischen Endplatte, an einer Muskelfaser, sondern formt viele Synapsen entlang der Faser (multiterminale Innervation, Abb. 9-4). Dementsprechend bildet die Muskelfaser auch kein Alles-oderNichts-Potential aus, das über die Faser weitergeleitet wird, sondern erzeugt entlang der Faser viele lokale und nicht aktiv fortgeleitete postsynaptische Potentiale . Ein weiterer wichtiger Unterschied zum Säuger besteht darin, dass eine Muskelfaser nicht ausschließlich von einem einzigen Motoneuron, sondern von mehreren Motoneuronen innerviert werden kann (polyneurale In-
234
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
Abb. 9-4: Prinzip der multiterminalen und polyneuralen Innervation von Insektenmuskeln. A Die synaptischen Endigungen sind gleichmäßig mit einem typischen Abstand von 50bis 80 11m über die Muskelfaser verteilt. Einzelne Muskelfasern können von unterschiedlichen Kombinationen von Motoneuronen innerviert werden. sschnell, I langsam, i inhibitorisch. (Nach Hoyle 1974) B Beispiele von intrazellulär gemessenen postsynaptischen Potentialen während spontaner Aktivität der Motoneuronen beim M 92 von Locusta migratoria. Depolarisationen durch aktivierende Motoneuronen (s und I) werden als Ausschläge nach oben dargestellt, Hyperpolarisierungen durch inhibitorische Neuronen als Ausschläge nach unten (Pfeile). (Nach Müller et al. 1992) Ein Hemmneuron kann ein aktivierendes Motoneuron auch präsynaptisch hemmen, wobei die Weiterleitung der Aktionspotentiale verhindert wird. In diesen Fällen lässt sich die Hemmung nicht intrazellulär in der Muskelfaser nachweisen.
nervation, Abb. 9-4) . Die Innervation folgt einigen Regeln, die sich funktionell interpretieren lassen. So werden Muskelfasern nie durch ein inhibitorisches oder modulatorisches Motoneuron allein versorgt. Ferner versorgt ein inhibitorisches Motoneuron vorzugsweise Fasern, die auch von einem langsamen Motoneuron innerviert sind, während die DUM-Neurone häufig mit schnellen Motoneuronen assoziiert sind. Als Beispiel für einen polyneural innervierten Muskel ist der sehr gut untersuchte M. extensor tibiae der Wanderheuschrecke zu nennen (Tab. 9-1), der von vier Motoneu-
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Anzahl von Cll - Aktionspolentialen
Abb. 9·5: Zeitlicher Einsatz und Bedeutung desCommon Inhibitor Neurons (11 beim Laufen. Die Aktivität des CllNeurons eines Mittelbeins von Locusta migratoria konnte durch intrazelluläre Hyperpolarisation quantitativ manipuliert werden . Abszisse: Anzahl der Cll-Aktionspotentiale im Zeitraum von 200 ms bevor das Bein nach der Protraktion wieder aufsetzt (Pfeile im Einschub). Einschub: Beispiele zur Aktivität des Cl lNeurons und der Protraktion des Beins beim unbeeinflussten Laufen (oben) und bei teilweiser Hemmung des Cll-Neurons (unten). (Nach Daten von Wolf 1990)
ronen innerviert wird. Bei ihm werden über 90% aller Muskelfasern durch ein schnelles Motoneuron (FETi, Tab. 9-1) entweder allein oder in Kombination mit anderen Neuronen innerviert. Diese herausragende Rolle des FETi hängt vermutlich mit der zusätzlichen Spezialisierung dieses Muskels für den Sprung zusammen. Bei anderen Muskeln kann die Rolle des FETi geringer sein, wie z. B. beim mesothorakalen vorderen Rotator der Coxa (M 92 nach Snodgrass 1929), der vorzugsweise beim Laufen in der Schwingphaseeingesetzt wird, in der das Bein nach vorn schwingt. Bei ihm sind nur zwei Drittel der 90 bis 100 Muskelfasern von einem schnellen Motoneuron innerviert (1/3 allein, 1/3 zusammen mit einem langsamen und dem "common inhibitor" (CII , Tab. 9-1) und 1/3 vom langsamen zusammen mit dem CIl . Andere Muskeln werden von fünf oder mehr Moloneuronen innerviert, wobeimehrere Hemmneuronen und neben den schnellenund langsamen aktivierenden Motoneuronen auch intermediäre Formen beteiligt sein können. Die Muskelfasern besitzen je nach der Innervation unterschiedliche histologische, enzymatischeund mechanische Eigenschaften und werden entsprechend in schnelle, langsame und intermediäre Fasern eingeteilt. Hinsichtlich der Kontraktionsstärke und -geschwindigkeit ähneln die intermediären Fasern mehr den schnellen Fasern als den langsamen. In der Regel sind diejenigen Muskeln von mehreren Motoneuronen innerviert, die fein dosierte Kräfte und einen präzisen Zeitverlauf der Kraftentwicklung erzeugen müssen, z. B. beim Laufen und bei der genauen Positionierung des Beins beim Klettern . Flugmuskeln werden hingegen von wenigen, oft nur einem und meist schnellen Motoneuron innerviert, da bei der Steuerung von Flugmanövern weniger die Kontraktionsstärke im Vordergrund steht als vielmehr der relative Kontraktionszeitpunkt innerhalb des Flügelschlagrhythmus (s. 9.4 .3.1) .
9.2 Fortbewegung an Land Die Spezialisierung eines Muskels dr ückt sich nicht nur in den oben genannten morphologischen und physiologischen Merkmalen aus, sondern auch im Ausma ß und in der zeitlichen Reihenfolge der Aktivierung der verschiedenen Motoneurone innerhalb des Muskels. So wird bei der Wand erheu schrecke der FETi des Hinterbeins nicht beim Lau fen eingesetzt, wohl aber in der Endphase des Aufba us der mechanischen Spannung kurz vor dem Sprung (s. 9.2.3). Der den M. flexor tibiae innervierende CI2 wird in dem Moment eingesetzt, in dem die Erregung der aktivierenden Motoneu ronen nachlässt. Damit beschleun igt er die Erschlaffung des Flexormuskels und unterstützt infolgedessen die schnelle Streckung der Tibia durc h den M. extensor tibiae. - Eine ähnliche Funk tion hat der CII bei der Beinbewegung beim Laufen , z. B. während der Protrakti on . Da er bevorzugt diejenigen Muskelfasern inner viert, die auch von einem langsamen Mot oneuron versorgt werden, beschleun igt er die Erschlaffung dieser Muskelfasern , aber nicht derjenigen Fasern, die vom schnellen Mot oneuron innerviert sind und die die schnelle Protrakti on bewirken. So konnte nachgewiesen werden , dass die Geschwindigkeit der Protrakt ion eines Beins unmittelbar von der Akti vität des CII abhängt (Abb. 9-5).
9.1.4 Kontraktionsmechanismus Die molekul aren Vorgän ge bei der Kontraktion der Insektenmuskeln entsprechen in den wesentlichen Punkten den Verhältni ssen beim quergestreiften Muskel der Säuger. Sie werden deshalb im Folgenden lediglich in den Grundzügen dargestellt. Weitere Deta ils mögen in den einschlägigen Physiologie-Lehrbüchern nachgelesen werden. Die Depolarisation der Mu skelfaser-Membran durch die aktivier enden Motoneuronen dringt elektrotonisch durch Membraneinstülpungen (transvers ale Tubuli , Abb. 9-3) in das Innere der Mu skelfaser und führt auf eine noch nicht ganz geklärte Weise zu einem Ausstrom von Ca++-Ionen aus dem sarcoplasmatischen Reticulum in den Bereich der Myofibrillen. Dort führt die erhöhte Ca ++-Konzentration zu einer Konformationsänderung der Actinfilamente, wodurch Bindungsstellen für die Myosinköpfe frei werden. In Anwesenheit von ATP beginnt nun der Querbrückenzyklus, bei dem die Myosin-Köpfe an Actin binden, um einen bestimmten Betrag kippen und dadurch die Actin- und Myosin-Filamente ineinanderziehen. Dies führt zu einer Verkürzung des Sarcom ers. Danach lösen sich die Köpfe, finden eine neue Bindung sstelle und so fort , bis der Zyklus durch das Zurückpumpen der Ca T -Ionen in das sarcoplasmatische Reticulum und die rückläufige Konform ationsänd erun g des Actins beendet wird, sodass die Faser rc1axieren kann. Die fibrillären Flugmuskeln kontrahieren sich in der Regel mit einer Frequenz zwischen 100 und
235
1000 Hz. Bei ihnen wird die einzelne Kontrakt ion nicht durch einen schnellen Anstieg der Ca++Ionenkonzentration ausgelöst, sondern durch eine schnelle passive Strecku ng bei der rhythmischen Form veränderung des Th orax im Flug (s. 9.4.3.2). Die mit einer niedrigen Frequ enz auftretenden Muskelpotenziale bewirken lediglich eine langandauernd e erhöhte Konzentrat ion von Ca ++-Ionen in den Myofibrillen. Der Mechanismus dieser Streckaktivierung ist noch nicht geklärt. Möglicherweise ist ein lediglich bei fibrillären Muskeln gefundenes Protein beteiligt, da s Flightin. Ebenfalls weitgehend unklar ist, ob der Mechanismus bei den fibrillären Muskeln der unterschiedlichen Insektenkla ssen einheitlich ist. Je genauer Bau und Physiologie der Skelettmu skeln untersucht werden , umso deutl icher wird die unglaubliche Vielfalt der Passungen zu den jeweiligen Aufgaben auf allen Ebenen, sei es auf der Ebene der Funktionsmorph ologie, der neuronalen Ansteuerun g (Tab. 9-1), der Eigenschafte n der Muskelfasern oder der molekularen Transform ation der chemischen in mechanische Energie. So sind wir derzeit trot z der Kenn tnis einiger grundlegender Prinzipien von einer befriedigenden und im Rahm en des Sinnvollen vollständigen Beschreibung noch weit entfernt.
9.2 Fortbewegung an Land 9.2.1 Kriechen Kr iechbewegungen werden bei bestimmten Larvenstadien, die nur mit einem Hautmuskelschlauch ohne festes Exoskelett ausgestattet sind,
A
B
Abb. 9·6: Fortbewegung von Lepidopterenlarven. A Kriechbewegung einer Lepidopterenraupe mit peristaltischer Wellenbewegung von hinten nach vorn unter Benutzung der Afterfüße und des Nachschiebers. B Schreitbewegung einer Spanner-Raupe (Geometridae). (Nach Weber 1954)
236
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
durch Kontraktionswellen der Körpermuskulatur erzeugt, die man als Peristaltik bezeichnet. Die Wellen laufen meist, aber nicht bei allen Arten, von hinten nach vorn . Wir finden diese ausgesprochen langsame Art der Fortbewegung überwiegend bei Larven holometaboler Insekten. Bei Raupen der Schmetterlinge sind meist die Afterfüße am 3.-6 . und ein Paar von Nachschiebern (Pygopodien) am 10. Hinterleibsring am Kriechen beteiligt (Abb. 9-6 A). Die Thorakalbeine haben dabei eine vorwiegend stützende Funktion. Die Raupen der Spanner (Geometridae) haben diese Fortbewegungsform unter Verlust der mittleren Afterfüße zu einer Schreitbewegung entwickelt (Abb. 9-6 B). Diese wird mithilfe der Rumpfmuskulatur und durch abwechselndes Festhalten und Loslassen der Thorakalbeine und des letzten Bauchfuß- und Nachschieberpaares zustandegebracht. Bei vielen beinlosen Larven , den sog. Maden, wird die Festigkeit des Körpers weitgehend hydrostatisch durch spezialisierte Turgormuskeln aufrechterhalten (Hydrostatisches Skelett). Die peristaltische Bewegung selbst wird auf komplizierte Weise durch aufeinanderfolgende Kontraktionen der dorsalen Längsmuskeln, der Dorsoventralmuskein und der ventralen Längsmuskeln erzeugt. Manche unterirdisch lebenden Larven wie z. B. die von Diptera (Tippulidae, Bibionidae) und Lepidoptera (Hepialidae) bewegen sich ähnlich wie Regenwürmer durch das Medium. Die peristaltische Welle beginnt bei ihnen am Vorderende als abwechselnde Verjüngung und Verdickung und setzt sich nach hinten fort.
9.2.2 Laufen Als Laufen bezeichnet man die Fortbewegung mit Hilfe gegliederter Thorakalbeine. Laufen erlaubt im Gegensatz zum Kriechen eine sehr schnelle Fortbewegung (etwa 15 cm/s, Abb. 9-12) bis über 50 cm/s bei der Wüstenameise Cataglyphis) . Ermöglicht werden diese hohen Geschwindigkeiten u. a. durch drei konstruktive Merkmale, die alle mit der Ausbildung eines festen Skeletts und gegliederter Schreitbeine zusammenhängen: • Geradlinige Fortbewegung des Rumpfs und Vermeidung des Körper-Bodenkontakts. Die Schreitbeine besitzen genau so viele Glieder mit den entsprechenden Freiheitsgraden der Bewegung, wie erforderlich sind, um den Körper bei schnellem Lauf geradlinig vorwärts zu bewegen, also mit nur minimalen Seitwärtsbewegungen. Gleichzeitig heben die Beine den Körper von der Unterlage ab und ermöglichen so einen Lauf, der von kleineren Bodenunebenheiten unabhän-
gig ist. Der Abstand zum Boden wird beim stehenden wie beim laufenden Tier mithilfe von Proprioceptoren geregelt (Abb. 9-7) mit dem Resultat, dass sich wechselnde Belastungen z. B. durch Nahrungsaufnahme oder Eireifung in der Bodenfreiheit gering auswirken. • Starke Reduktion der inneren Reibung. Bei jeder peristaltischen Welle verschieben sich nacheinander sämtliche Gewebe entlang der Längsachse gegeneinander, d. h. ein Teil der verwendeten Energie muss zur Überwindung der inneren Reibung aufgebracht werden. So ist der Transportaufwand (gemessen als benötigte Energie pro Masseneinheit und zurückgelegter Entfernung) z. B. bei der Raupe des Schwammspinners Lymantria dispar 4,5 mal und bei der Larve der Schmeißfliege Protophormia terraenovae zehnmal höher als bei einem vergleichbaren Insekt mit gegliederten Beinen. Aufgrund der Ausbildung eines festen Skeletts und der Beschränkung der Lokomotionsbewegungen auf die Beine wird die innere Reibung beim Laufen auf die Beinmuskulatur und insbesondere auf die flexiblen Beingelenke (s. Kap. 2) reduziert. • Verminderung der zu beschleunigenden Massen. Beim peristaltischen Kriechen wird jeder Körperteil bei jeder Welle nacheinander vorwärtsbewegt und wieder abgestoppt. Beim Lauf mit Beinen dagegen kann der gesamte Rumpf mit verhältnismäßig gleichförmiger Geschwindigkeit bewegt werden. Die Beschleunigungswechsel bleiben daher auf die schreitenden Beine beschränkt, die eine viel geringere Masse be-
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Sinnesborslen
Abb.9-7: Prinzip der Abstandsregelung vom Boden. Querschnitt durch ein beintragendes Segment einer Stabheuschrecke (Carausius morosus), stark schematisiert. Der Rumpf ist zwischen den Beinen aufgehängt und drückt mit seinem Gewicht nach unten. Bei der resultierenden Beugung des CoxaTrochantergelenks werden u.a. Sinnesborsten abgebogen und gereizt. Deren Erregung aktiviert reflektorisch die Streckermuskulatur dieses Gelenks, die den Rumpf wieder anhebt. (Nach Wendler 1961)
9.2 Fortbewegung an land
sitzen . Bei adulten Schaben (Blattella germanica) machen die Beine z. B. nur 16% des Körpergewichts aus. Zudem muss berücksichtigt werden, dass sich die Beine meist nach distal verjüngen. So konzentriert sich die Hauptmasse der Beine auf den proximalen Bereich, dessen Geschwindigkeit relativ zum Körper geringer ist als diejenige der distalen Beinglieder. Beiauffälligen Abweichungen von der Verjüngung kann man stets Anpassungen an andere Funktionen erwarten, wie z. B. bei den Grabbeinen der Maulwurfsgrille (Abb. 25-l6F) und bei Singzikadenlarven (Abb.25-27E), bei den Raubbeinen mancher Landwanzen (Phymata crassipes) oder den Nahrung schaufelnden Vorderbeinen der Corixidae (Wasserwanzen) oder den Verbreiterungen des Femurbei Phylliidae (Wandelndes Blatt), die der Mimikri dienen.
9.2.2.1 Schreitbewegungen einzelner Beine Die Schreitbewegung eines einzelnen Beins setzt sich aus zwei Phasen zusammen, der Stemmphase (Remotion) und der Schwingphase (Promotion) (Abb. 9-8, 9-9). In der Stemmphase steht das Bein mit den Tarsen auf dem Boden , unterstützt den Körper und stemmt nach hinten . In der Schwingphase hebt das Bein ab, schwingt unter Anheben im Coxa-Trochantergelenk und vorübergehender Streckung im Femur-Tibiagelenk nach vorn und setzt wieder auf. Bei der Stabheuschrecke Carausius morosus, bei der alle Beine dem Grundschema des Schreitbeins sehr nahe kommen, sind die Verhältnisse besonders übersichtlich. Die Beine schwingen im Subcoxalgelenk vor und zurück. Bei Periplaneta americana und anderen Arten, deren Beine mit der Dorsalseite etwas nach vorn gekippt sind, wird diese Funktion weitgehend vom CoxaTrochantergelenk übernommen. Das Abwechseln zwischen Schwing- und Stemmphasen wird durch einen Aktivitätswechsel zwischen den antagonistischen Promotor- und Remotormuskeln bedingt (Abb. 9-9 A). Beim Übergang von der Stemm- zur Schwingphase findet man keine zeitliche Überlappung der Aktivität beider Muskelgruppen, während die Promotorerregung beim Übergang zur Stemmphase oft noch in den Beginn der Remotoraktivierung hineinreicht. Diese Koaktivierung kann so stark sein, dass der Beginn der effektiven Remotion (Stemmbewegung) verzögert wird und der Lauf ruckartig erscheint, z. B. beim " Stapfen" junger Stabheuschrecken (Abb.9-12) oder der Wasserwanze Nepa . Dieser Effekt trägt auch zu den kleinen, unregelmäßig erscheinenden Schwankungen der Laufgeschwindigkeit während der Laufschübe bei den Schaben und Grillen in Abb. 9-12 bei. Die in Abb. 9-12 ebenfalls beschriebenen Laufstops sind hingegen auf kurzzeitige Unterbrechungen der gesamten Laufaktivität zurückzuführen.
237
Sowohl der Bewegungsablauf als auch der Zeitpunkt des Wechsels zwischen Schwing- und Stemmphase werden durch eine Vielzahl von Proprioceptoren an und in den Beinen (s. 11.1) stark beeinflusst. So wird die Schwingbewegung eines Stabheuschreckenbeins durch die Reizung der vorderen Borstenfelder im Subcoxalgelenk gehemmt und die Stemm bewegung des Beins eingeleitet. Campaniforme Sensillen sorgen während der Stemmphase durch Aktivierung der Remotormuskein für mehr Stemmkraft, sofern das Bein einen mechanischen Widerstand findet. Solche Rückmeldungen von mechanosensorischen Organen sind für das Generieren eines Schritts so wichtig , dass ein normales Schreiten ohne sie nicht zustande kommt (Abb. 9-9 B, vergleiche hierzu die Eigenschaften der Flugsysteme in 9.4.3). Jeder Schrittgenerator (Abb. 9-11) besteht also sowohl aus zentralnervösen Elementen (hierzu gehören lokale Interneuronen und Motoneuronen), als auch aus peripheren Elementen, zu denen das gesamte Bein mit seinen Muskeln und mechanischen Eigenschaften sowie vielfaltigen Proprioceptoren gehören . Ein Insekt kann die Bewegungen seiner Beine aufgrund dieser Konstruktion des Schrittgenerators sehr fein auf die unterschiedlichsten Bedingungen abstimmen, z. B. beim Klettern oder beim Laufen auf unebenem Untergrund.
9.2.2.2 Koordination der Schreitbewegungen der Beine Insekten laufen auf festem Boden meist mit allen sechs Beinen. Auch wenn einzelne Beinpaare für spezielle Aufgaben abweichende Formen haben, werden diese oft beim Laufen mitverwendet, wie z. B. die zu Fangbeinen ausgebildeten Vorderbeine der Gottesanbeterin Mantis religiosa, die Vorderbeine von Wasserwanzen (z. B. Nepa rubra), oder die hinteren Sprungbeine der Wanderheuschrecke Locusta migratoria. Die zeitliche Ordnung der Gelenk bewegungen und der Bewegungen der sechs Beine untereinander ist von essenzieller Bedeutung für die mechanische Stabilität beim Laufen. Sie folgt bestimmten Regeln, von denen einige im folgenden beschrieben werden . In der als typisch für Insekten angesehenen Gangart werden drei Beine nahezu gleichzeitig nach vorn bewegt, nämlich das Vorder- und Hinterbein der einen Körperseite und das Mittelbein der Gegenseite, während die drei anderen Beine auf dem Boden stehen und den Körper unterstützen (Abb. 9-8). Das bedeutet, dass rechtes und linkes Bein eines Segments stets miteinander alternieren. Dasselbe gilt für benachbarte Beine der
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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Abb. 9·8: Beinbewegungen einer freilaufenden Stabheuschrecke (Carausius morosus). Dargestellt ist die Bewegung aller sechs Beine relativ zum Rumpf während eines vollen Schritts. Die Kreise stellen die Positionen der Tarsen während des Schritts im Zeitabstand von jeweils 1/25 s dar. Gefüllte Kreise: die Tarsen berühren den Boden und stemmen (Stemmphase). Offene Kreise: die Tarsen werden in der Luft nach vorn geschwungen (Schwingphase). Die Beine sind in ihrer Position auf dem Filmbild Nr. 1 dargestellt. Wie die Positionen der Tarsen in den Bildern Nr. 5, 10, 15 und 20 zeigen, führen das linke Vorderbein, das rechte Mittelbein und das linke Hinterbein zunächst die Stemmphase durch, während die drei anderen Beine nach vorn schwingen (Pfeile), Das Mittelbein setzt hinter dem Vorderbein, und das Hinterbein hinter dem Mittelbein auf (s. auch Abb. 9-10). (Nach Jander 1985)
gleichen Körperseite. Man kann diese Dreibeinkoordination leicht mit bloßem Auge bei einem langsam laufenden Insekt beobachten, z. B. bei einer jungen Stabheuschrecke oder bei einem Mistkäfer. Dem Kreuzgang der vierfüßigen Wirbeltiere entspricht diese Dreibeinkoordination, wenn man sich das vordere oder das hintere Beinpaar wegdenkt. Unterschiedliche Gangarten, d. h. verschiedene, trotz variierter Laufgeschwindigkeit über längere Zeit stabil eingehaltene Koordinationen der Beine, entsprechend dem Galopp oder dem Trab der Pferde, sind für Insekten bisher nicht nachgewiesen worden. Die Dreibeinkoordination wird bei vielen Insekten jedoch nur beim Lauf auf ebenem Grund sowie in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich eingehalten. Sie kann in Anpassung an äußere Bedingungen beträchtlich abgewandelt wer-
den, wie z. B. beim Klettern oder bei einer Verminderung der Laufgeschwindigkeit (Abb. 9-9 C). Sucht man nach einer allgemeingültigen Regel für die zeitliche Koordination, so ergibt sich, dass die gegenüberliegenden Beine eines Segments tatsächlich ungefähr alternieren, die benachbarten Beine der gleichen Körperseite aber nicht immer. Für sie gilt, dass sie stets in der Reihenfolge Hinten-MitteVorn abheben (Abb. 9-9 C). Dabei hebt ein Bein erst kurz nach dem Aufsetzen des nächst hinteren Beins ab. Der Zeitabstand bleibt weitgehend konstant. Er verlängert sich erst bei extrem langsamem Schreiten. Auch die Dauer der Schwingphase bleibt annähernd konstant. Eine Verringerung der Laufgeschwindigkeit wird in erster Linie durch die Verringerung der Stemmgeschwindigkeit jedes Beins erreicht, die sich - bei gleichbleibender Bewegungsamplitude - als eine verlängerte Dauer der Stemmphase auswirken muss (Abb. 9-9 C). Durch diese unsymmetrischen Veränderungen der Schrittstruktur wird auch die Koordination ipsilateraler Beine verändert. Sie führen bei schnellem Lauf automatisch zur Dreibeinkoordination. Die zeitliche Koordin ation der Beinbewegungen sorgt dafür, dass der Körperschwerpunkt in den meisten Situationen räumlich inmitten der Beinaufsetzpunkte liegt und der Rumpf deshalb andauernd vom Untergrund abgehoben werden kann . Dies gilt auch für den Kurvenlauf (Abb. 910). Sie steht zudem in enger Beziehung zur räumlichen Koordination. Da das jeweils hintere Bein dicht hinter dem vorderen Bein aufsetzt (Abb. 9-8, 9-10), und zwar bevor dieses zur Schwingphase abhebt, ist von vornherein dafür gesorgt, dass ein Bein selbst beim Klettern den vom davorliegenden Bein gefundenen festen Halt erreichen kann . Die Aufsetzpunkte der drei Beine einer Körperseite liegen also dicht beieinander (Abb. 9-10). Es bleibt die Frage, wie das vorderste Bein sicheren Halt findet. Bei der Wüstenheuschrecke Schistocerca gregaria konnte gezeigt werden, dass das Sehsystem den Aufsetzpunkt der Vorderbeine beeinflussen kann . Da rechte und linke Beine alternieren , liegen deren Aufsetzpunkte zueinander räumlich versetzt. Diese Beziehungen bleiben sogar beim Kurvenlauf erhalten (Abb. 9-10). Kurvenlauf wird also dadurch erreicht, dass die kurvenäußeren Beine größere Schritte machen als die kurveninneren . Die Schrittfrequenz bleibt dabei außer in sehr engen Kurven auf beiden Seiten gleich.
9.2.2.3 Organisation des Laufsystems Die Steuerung von Richtung und Geschwindigkeit eines Laufs erfolgt unter Mitwirkung von Sinnesorganen wie Augen und antennalen Rezeptoren im
9.2 Fortbewegung an Land
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Abb. 9-9: Schreitbewegungen und Beinkoordination. Die Schwing- und Stemmbewegungen von Stabheuschrecken (Carausius morosus) wurden in Höhe des Femur mit einem optischen Abtastverfahren gemessen. Als Ergebnis dieser Registrierung ergibt sich eine Darstellung der Beinbewegungen über der Zeit als fortlaufende zusammenhängende oder gepunktete Linie, bei der die Auslenkungen nach oben die nach vorn gerichtete Schwingbewegung des Beins und nach unten die nach hinten gerichtete Stemmbewegung des Beins anzeigen. ASchreitbewegungen eines Mittelbeins (oben). Gleichzeitig wurde die elektrische Aktivität des Promotornervs (Mitte) - erenthält mindestens drei Motoneuronen und einen Common Inhibitor - und des Remotornervs (unten) registriert - er enthält mindestens fünf Motoneuronen und denselben Common Inhibitor (s. 9.1.3). B Drei aufeinander folgende Aufzeichnungen von Schreitbewegungen eines Mittelbeins. Aufgrund elektrischer Reizung eines Remotormuskels (horizontaler Balken) während der Schwingphase verlangsamte sich dieSchwingbewegung. Anstatt nach Reizende nach hinten zu stemmen, wie es der zeitlichen Koordination mit den anderen Beinen entsprechen würde (gepunktete Linien), vollendet das Bein zunächst die Schwingbewegung und erzeugt dadurch die noch fehlenden Sinnesrückmeldungen, bevor es mitder Bewegung beginnt. Die richtige Koordination zu den anderen Beinen wird erst danach mit einem kürzeren Zwischenschritt erreicht. C Zeitliche Koordination aller Beine bei schnellem (links) und verlangsamtem Lauf (rechts). Die senkrechten Linien auf der linken Seite verdeutlichen, dass die Schwingbewegung derjenigen Beine zeitgleich beginnt, die das Dreibein bilden. Die Dreibeinkoordination wird umso stärker verändert und aufgelöst, je langsamer das Tier läuft (senkrechte Linien aufder rechten Seite). Wie die durch Umrandung markierten Beispiele zeigen, bleibt jedoch die Sequenz der ipsilateralen Beine (hinten - Mitte - vorn) über den gesamten Geschwindigkeitsbereich erhalten.
Wesentlichen über das Gehirn und das Unterschlundganglion , die durch deszendierende Interneuronen mit den Thorakalganglien verbunden sind (s. Kap. 8). Die zeitliche und räumliche Koordination der sechs Beine untereinander wird hingegen nicht durch ein übergeordnetes Koordinationszentrum festgelegt, sondern durch weitgehend selbstständige Schrittgeneratoren, die untereinander mehr oder weniger stark gekoppelt sind (Abb. 9-11). Die Selbstständigkeit der Schrittgeneratoren erkennt man daran, dass verschiedene Beine unter bestimmten Umst änden durchaus unterschiedliche Schrittfrequenzen haben können, z. B. bei manchen Käferlarven (Cantharis fusca) , bei Stabheuschrecken (Carausius morosus) nach
Verlust eines oder mehrerer Beine oder bei bergauf laufenden Laubheuschrecken (Tettigonia viridissima). Normalerweise sind die Schrittgeneratoren jedoch so stark untereinander verkoppelt, dass sie sich gegenseitig in die gleiche Schrittfrequenz zwingen. Die Art der Signale, mit der sich die Generatoren beeinflussen und dadurch die momentane Koordin ation festlegen, ist weitgehend bekannt (Abb.9-11). 2: Die Schrittgeneratoren wiederum lassen sich in je einen Rhythmusgenerator für jedes Beingelenk untergliedern . Diese können unter pharmakologischem Einfluss mit unterschiedlicher Frequenz schwingen, wenn sensorische Rückmeldungen fehlen (Büschges et a1. 1995).
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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tarisch (s. 9.5.2.1) induzierten Kurvenlaufs einer frei beweglichen Stabheuschrecke (Carausius morosus) nach Filmen entsprechend Abb. 9-8. Durchgezogene Linie mit Pfeil: Weg eines zwischen den Mittelbeincoxen liegenden Rumpfabschnitts. Kreise: Fußstapfen der kurveninneren rechten sowie der kurvenäußeren linken Beine. Die Stabheuschrecke ist in einem Moment gezeigt, in dem drei Beine Bodenkontakt haben (schwarze Kreise) und den Körper nach vorn stemmen, während die drei anderen Beine nach vorn schwingen. Die gestrichelten Pfeile weisen auf denjenigen Ort, auf dem sie aufsetzen werden. (Nach Daten von Jander 1985)
9.2.2.4 Laufstil Rüsselkäfer, Laufk äfer oder Stabheuschrecken können sich auf ebenem Grund mit recht gleichförmiger Geschwindigkeit fortbewegen. Andere Arten haben einen saccadischen Laufstil, d. h. sie legen häufig kurze Zwischenstops ein, wie die Silberfischchen Lepisma saccharina, Grillen, Schaben (Abb. 9-12) und manche Heuschrecken. Eine allgemeingültige funktionelle Erklärun g für diese auffälligen Zwischenstop s ist bisher nicht gefunden worden. Bei Gryllus bimaculatus wurde vermutet, dass die Weibchen beim phonotaktischen Lauf in Richtung eines singenden Männchens kurze Laufstopps einlegen, da die in den Vorderbeinen liegenden Gehörorgane (s. 11.1) stark von den Laufgeräuschen gestört werden und der Gesang deshalb während eines Laufstops besser erkannt werden könnte. Allerdings zeigen andere Arten wie die Deutsche Schabe (Blattella germanica) den gleichen Laufstil, obwohl sie keine entsprechende akusti sche Kommunikation besitzen. Bei einigen Laubheuschre ckenarten (z. B. Poecilimon ornatus) ist hingegen ein funktioneller Zusammenhang zwischen den Stopps und dem Ge-
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Abb. 9-": Organisation des Laufsystems bei Stabheuschrecken, stark vereinfacht. Dieses Schema gilt auch weitgehend für die ebenfalls gut untersuchten Schaben (Periplaneta americana). USG Unterschlundganglion. Rechtecke: Schrittgenerataren, die die Schreitbewegung generieren. Der Bewegungsverlauf ist innerhalb der Rechtecke symbolisiert. Die Zahlen charakterisieren die übertragenen Signale in Kurzform. 1 Promotion inhibiert den Schwingphasenbeginn des anderen Beins. 2 Aufsetzen fördert den Schwingphasenbeginn des anderen Beins. 3 Posteriore Position fördert den Start derSchwingphase des anderen Beins. 4 Position steuert AufsetzsteIle des nächst hinteren Beins. 5 Mechanischer Widerstand erhöht die Stemmkraft des anderen Beins. (Nach Wendler 1977, Dean 1991)
sang nachweisbar (s. 9.5.2.2, akustische Orientierung).
9.2.3 Springen Eine besonders schnelle Fortbewegungsart auf kurze Entfernungen ist das Springen. Mechanismen zur Optimierung des Sprungvermögens sind in mehreren Insektengruppen entstanden. Springschwänze (Collembola) verwenden die Springgabel (Furca), Schnellkäfer (Elateridae) einen Schnellapparat zwischen Pro- und Mesothorax, während Heuschrecken, Flöhe, Blattflöhe (Psyllidae), "Erdflöhe" (Halticinae, Coleoptera) , Klein-
9.2 Fortbewegung an Land
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Abb. 9-12: Gleichmäßiger und schubartigerlaufstil mit laufstops bei Insekten. Die imEinschub bei der Stabheuschrecke (3. Larvenstadium) mit höherer zeitlicher Auflösung gezeigten Geschwindigkeitsmodulationen gehen auf eine zeitliche Überlappung der Promotor- und Remotoraktivität zurück (Abb. 9-9 A). Als Beispiel für die Grille wurde ein Weibchen gewählt, das auf eine Schallquelle mit Lockgesang eines Männchens zuläuft.
zikaden und Fliegen besonders spezialisierte Beine entwickelt haben. Die überraschend große Sprunghöhe und -weite bei vielen Insekten gibt immer wieder Anlass zum Staunen. So kann ein Floh, der knapp 2 mm lang ist, aus dem Stand mehr als das Hundertfache seiner Länge überspringen, während selbst ein trainierter Mensch kaum das Einfache seiner eigenen Körperlänge erreicht. In Wirklichkeit ist jedoch die Sprungleistung des Flohs nicht höher als die des Menschen zu bewerten, da man solche Leistungen nicht auf die Körperlänge, sondern auf das Volumen bzw. die Körpermasse beziehen muss. Unter der vereinfachten Annahme, dass die Proportionen zwischen den einzelnen Körperbestandteilen bei kleinen und großen Tieren gleich sind, ist auch der prozentuale Anteil des Volumens der Sprungmuskulatur am Körpervolumen gleich groß. Die bei einer Muskelkontraktion erzeugte mechanische Energie ist das Produkt aus Kraft (die Muskelkraft ist proportional zum Muskelquerschnitt) mal Weg (der Verkürzungsweg des Muskels proportional zur Ausgangs-Muskellänge). Die Energie ist also proport ional zum Muskelvolumen und damit auch zum Körpervolumen, das seinerseits der
Körpermasse proportional ist. Pro Masseneinheit steht kleinen wie großen Tieren also die gleiche Energie zur Verfügung. Formgleich gebaute kleine und große Tiere sollten demnach gleich hoch springen können. Tab. 9-2 zeigt, wie ähnlich die Sprunghöhe und die Absprunggeschwindigkeit verschieden großer und sogar nicht formgleich gebauter Tiere tatsächlich sind. Beim Sprung hat die geringe Körpergröße eines Insekts jedoch einen gravierenden N achteil, der sich auf die Beschleunigung beim Absprung bezieht. Der Körper muss beim Sprung so beschleunigt werden, dass er mit einer Mindestgeschwindigkeit abheben kann . Tatsächlich ist die Absprunggeschwindigkeit bei großen und kleinen Tieren etwa gleich groß (Tab. 9-2). Ungleich groß ist jedoch die Strecke, die den Tieren für die Beschleunigung des Körpers zur Verfügung steht. W ährend dieser Beschleunigung müssen sie Bodenkontakt haben . Bei Sprungbeinen wird die Beschleunigungsstrecke von der Bewegungsspanne der Tarsen beim Strecken der Beine bestimmt. Sie beträgt beim Floh weniger als I mm (Tab. 9-2). Er
Tab. 9· 2: Vergleich von Sprungleistungen. Ausgewählt sind Arten, deren Körpermasse einen Bereich von etwa 1 : 100 Millionen umfasst. *9 Erdbeschleunigung (9,81 m . S-2) . Astronauten werden beim Start eines Space Shuttle mit etwa 3,4 *9 beschleunigt. (Nach Schmidt-Nielsen 1984, verändert)
Körpermasse Sprunghöhe Absprunggeschwindigkeit Beschleunigungsstrecke Beschleunigungsdauer Beschleunigung
Floh (Pu/ex)
Schnellkäfer
Heuschrecke
Mensch
(Athaus)
(Lo(usta)
(Homo)
0,49 mg 20cm 190 cm . S· 1 0,075 cm 0,79 ms 245 *g
40mg 30cm 240 cm . S· 1 0,077 cm 0,64 ms 382 *g
3g 59cm 340 cm . S- l 4cm 2,35 ms 15 's
70 kg 60cm 343 cm . S· l 40cm 233 ms 1,5 *g
242
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
A
B
Strec kermuskel
Drehgelenk
Abb. 9-13: Sprungmechanismus beim Kaninchenfloh Spilopsyllus cuniculus. Schwarz hervorgehoben sind Sehnen und versteifte Cuticulapartien im Bereich des Metanotums (N), der Pleuren (P) sowie der Coxa (Co). Tr Trochanter; Fe Femur; Ti Tlhia, A Wichtig ist die mit Resilin verstärkte Partie. Ferner ist das für den Sprung wichtige Coxa-Trochanter-Gelenk mit dessen Drehwinkel (Doppelpfeil) eingetragen. B Genauere Darstellung des inA umrandeten Bereichs unterhalb des Resilinpolsters. Die Skizze entspricht dem Zustand vor Sprungbeginn, in dem der Sehnenansatz des Dorsoventralmuskels durch die Kontraktion des Beugermuskels noch posterior des Coxa-Trochantergelenks liegt. (Nach Bennet-C1ark und lucey 1967)
muss sich auf dieser kurzen Strecke in weniger als I ms beschleunigen, um die nötige Absprunggeschwindigkeit zu erreichen - das bedeutet mehr als das 200fache der Erdbeschleunigung (Tab. 9-2)! Eine normale aktive Kontraktion dauert bis zur maximalen Kraftentfaltungjedoch wesentlich länger als I ms. Würde der Floh seine Sprungmuskeln also wie der Mensch kontrahieren, könnte er nicht abspringen, weil er die erforderliche Beschleunigung nicht erzeugen könnte . Die Lösung des Problems liegt in einer vorübergehenden Energiespeicherung durch die Kompression von Resilin, einem hochelastischen Protein (s. 1.3.3), das die Energie zu 97 %, also nahezu vollständig , wie in einem Katapult, zurückgibt, wenn der Sprung ausgelöst wird. Eine effektive Energiespeicherung im Resilin setzt sowohl morphologische wie verhaltensphysiologische Anpassungen voraus, die bei einigen Insekten gut untersucht sind: Beim Floh (Abb. 9-13) zieht ein coxaler Beugermuskel das Trochanter-Femur während einer Zeitspanne von etwa 100 ms so weit an, bis das Femur dorsoventral ausgerichtet ist. Der Floh sitzt dann 20 ms unbeweglich bis zum Absprung. In dieser Zeit wird der als Hauptsprungmuskel benutzte Dorsoventralmuskel angespannt, der dorsal am Tergum entspringt und über seine Sehne an einem verstärkten ventralen Teil des Trochanter inseriert. Diese Anspannung führt zunächst noch nicht zum Abwärtsschnellen des Trochanter-Femur, da der Beugermuskel den Insertionspunkt der Sehne über
das Drehgelenk hinaus gezogen hat, sodass die entwickelte Kraft sich nur als eine elastische Verformung auswirken kann. Tergum, Pleuron und die Außenseite der Coxa sind geradlinig und parallel zur Sehne extrem versteift und sorgen auf diese Weise dafür, dass die Verformung auf ein Resilinpolster zwischen den Verstärkungs leisten des Tergums und des Pleurons übertragen wird. Die Strukturen um das Resilinpolster herum sind aus dem ursprünglichen Flügelgelenk ableitbar. Zur Sprungauslösung zieht der Streckermuskel die Sehne über den Drehpunkt des Gelenks hinaus nach vom, woraufhin die vom Dorsoventralmuskel aufgebaute Spannung und das Freiwerden der Verformungsenergie im Resilinpolster zum Abwärtsschnellen des Beins führen. Auch Wüstenheuschrecken (S chistocerca gregaria) springen bei der Flucht nicht sofort ab, sondern ziehen zunächst die langen Hinterbeine an und bleiben bis zu 0,5 s unbeweglich sitzen. Der Sprung erfolgt dann durch gleichzeitige Streckung beider Hinterbeintibien , wobei die maximale Kraft bereits 3-8 ms nach Sprungbeginn erzeugt wird. Bei normaler, durch Motoneuronen ausgelöster Kontraktion erreicht der Streckermuskel für die Tibia (M. extensor tibiae) seine maximale Kraft jedoch erst nach etwa 20-30 ms. Die so erzeugte Muskelkraft ist zudem viel zu gering, um die beobachteten Beschleunigungen und Sprungweiten zu erklären . Der Rekord liegt bei 30 cm Höhe und 70 cm Weite. Die Erklärung liegt in einem regelrechten Spannmechanismus wie etwa beim Fingerschnipsen, bei dem zunächst durch eine isometrische Muskelkontraktion eine mechanische Spannung
9.3 Fortbewegung in und aufdem Wasser
243
B Vorderbein
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. Abb. 9-14: Beinbewegungen eines schwimmenden Wasserskorpions Nepa rubra. A Bewegungskurven der Tarsen relativ zum Körper während einer vollen Schlagperiode. nach Filmaufnahmen. Die Kreise stellen die Positionen der Tarsen der beiden hinteren Beinpaare im Zeitabstand von jeweils 14ms dar. Gefüllte Kreise: die Beine werden ausgestreckt nach hinten geschlagen (Ruderschlag). Offene Kreise: die Beine werden angewinkelt und nach vorne gezogen (Vorzug). Die Beine befinden sich in der Position des Filmbilds Nr. 1. Wie die Position der Beine in den Bildern Nr. 5, 10, 15 und 20 zeigen, führen zunächst die beiden Hinterbeine den Ruderschlag durch, während die beiden Mittelbeine nach vorn schwingen (Pfeile). B Beinkoordination beim Schwimmen . Auf der Ordinate ist jeweils der Winkel zwischen der Verbindung Tarsenendpunkt - Einlenkung der Coxa und der Körperlängsachse angegeben (0· ist die Richtung nach vorn). Die Mittelbeinkurven sind gestrichelt. Die senkrechten Linien fassen die beiden Mittelbeine bzw. die beiden Hinterbeine beim gleichzeitigen Beginn des Vorzugs zusammen. (Nach Wendler et al. 1985)
aufgebaut wird. Der relativ schwache Beugermuskel zieht zuerst die Tibia an . Dabei wird seine gegabelte und mit einer Tasche versehene Sehne über einen Knopf (Abb. 9-1. B) gezogen und in diesen eingehakt. Bei der nun zusätzlich einsetzenden Kontr aktion des antagonistischen Streckermuskels wird das System gespannt. Die Energie wird in der Dehnung der Streckersehne und in der Verformung eines Ringes aus Resilin gespeichert, zu dem auch der Knopf gehört . Dieser Speicherprozess findet in der Zeit des Stillsitzens vor dem Sprung statt. Der Sprung selbst wird durch eine Erschlaffung des Beugermuskels ausgelöst, wodurch die Beugersehne aus der Verankerung gelöst wird.
ebenso wie der Dorsoventralmuskel des Flohs das Bein nach unten schlägt. Auf diese Weise kann z. B. Drosophila bereits etwa 30 ms nach Erscheinen eines visuellen Reizes abspringen, allerdings nicht sehr hoch oder weit. Die Kontraktion des TTM bewirkt außerdem eine Abplattung des Tergums und in Folge eine Streckaktivierung (s. 9.1 und 9.4.3.2) der dorsalen Längsmuskeln, der Hauptflügelsenker. Damit wird das Flugsystem gestartet. Zusätzlich aktiviert das descendierende Rieseninterneuron mit geringer zusätzlicher Verzögerung die Motoneuronen des dorsalen Längsmuskels (s. 9.4). Einmal aufgrund des Sprungs in der Luft, kann die Fliege also sofort weiterfliegen. Die Kontraktion des TTM ist allerdings nicht als notwendige Bedingung für den Abflug anzusehen , da Fliegen auch nach Durchschneiden des TTM abfliegen können . Zudem besitzen viele andere myogene Flieger wie z. B. Hymenoptera keinen stark ausgebildeten TTM .
Den Sprungmechanismen beim Floh, bei der Wanderheuschrecke, aber auch z. B. beim Schnellkäfer, ist gemeinsam, dass Energie zunächst als Verformungsenergie gespeichert wird. Erst anschließend wird der weite Sprung mit relativ geringem Kraftaufwand ausgelöst . Diese für die Kraftentwicklung vorteilhafte Energiespeicherung hat allerdings den Nachteil einer verlängerten Reaktionszeit. Es gibt aber auch Spezialisierungen, die stattdessen für eine kurze Reaktionszeit optimiert sind. Bei einer Reihe von Fliegen, z. B. Drosophila und Calliphora wird bei visuell erkannter Gefahr 9.3 Fortbewegung in und ein sehr dickes und deshalb schnelleitendes desauf dem Wasser cendierendes Interneuron aktiviert, das bewegungssensitive visuelle Neuronen des Gehirn s mit einem Mittelbeinmotoneuron verbindet. Dieses ist Insekten haben für die aquatische Lebensweise ebenfalls sehr dick und schnelleitend und inner- eine außerordentliche Vielfalt von Lokemotionsviert den Tergo-Trochanter-Muskel (TTM) , der typen entwickelt, von denen sich einige vom ter-
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration den, dass das Mittelbein unter dem Hinterbein durchgeführt wird. Die gegenüberliegenden Beine eines Segments rudern in gleicher Phase. Beim Ruderschlag sind die Beine ausgestreckt und erhöhen auf diese Weise die wirksame Ruderfläche, während sie beim Vorziehen angewinkelt werden. Im Gegensatz dazu werden beim Laufen an Land die Beine beim Vorziehen (Schwingphase) ausgestreckt (Abb. 9-8)!
Abb. 9·15: Anpassungen bei Schwimmbeinen. A Hinterbein von Dytiscus beim Ruderschlag (oben) und beim Vorzug (unten), von caudal gesehen. B Rechtes Hinterbein von Gyrinus beim Ruderschlag (oben) und beim Vorzug (unten), von caudal gesehen. (Nach Eidmann und Kühlhorn 1970)
restrisehen Laufen ableiten lassen, andere aber auf völlig anderen Prinzipien beruhen . Einige Wasserkäfer wie die Hydrophilidae (z. B. der Kolbenwasserkäfer Hydrous piceus) oder die Larven de s Gelbrandkäfers Dytiscus marginalis sch wim men unter Wa sser, indem sie ihre Bein e in der Dreibeinkoordination der Landinsekten bewegen. Di e meisten Arten be wegen di e beiden Beine eines Segments j ed och nicht in Gegenphase so ndern gleich sinnig, während ipsilateral hintereinand erliegende Beine etwa in Gegenphase schwi ngen . Manchmal sind nur d ie Hinterbeine in Bewegung (z. B. bei Dytiscus beim Schnellschwimmen), me ist jedoch die Mittel- und H interbeine. Der Wasserskorpion Nepa rubra läuft an Land nach dem normalen Dreibeinschema (Abb. 9-8), bewegt seine Beine unter Wasser aber deutlich anders (Abb. 9-14 ). Die Vorderbeine nehmen an den Ruderbewegungen nicht teil. Der Bewegungsbereich der Mittel- und Hinterbeine ist weit nach hinten verlagert, wobei ipsilaterales MitteIund Hinterbein alternierend schlagen und dabei räumlich sta rk überlappen. Eine Kollision wird dadurch vermie-
Bei vielen schnellschw im menden Was serwanzen und -k äfern wird die wirksame F läc he beim Rude rschlag zusä tzlich durch abgeflachte Beinglieder und Borsten (z. B. Corixa, Dytiscus Abb. 9-15 A) vergrö ße rt, die beim Vorzi ehen einklappen . Der Taumelk äfer Gyrinus besitzt an seinen extrem abgeflachten Hinterbeinen außerdem Schwimmplättchen (Abb. 9-15 B). Beim Vorziehen dreht er die Beine mit der flachen Seite nach vorn und minimiert den Wasserwiderstand. Beim Beginn de s Ruderschlags werden sie so zurückgedreht, dass sie mit der Breitseite sch lagen, wobei sich die Schwimmplättchen entfalten und gegen da s Umschlagen mechanisch arretiert werden . D ie Schl agfrequenz der Hinterbeine kann bei Gyr inus 50-60 pro Sekunde erreichen. Die Mittelbeine schlagen mit der halben Frequenz. Rückstoßschwimmen kommt bei Larven der Großlibellen (A nisop tera) vo r. Bei ih nen dient der Enddarm als Resp irationsorgan. Seine sta rke Muskulatur pumpt ständig Wasser ein und aus. D a s Wasser kann aber auch schnell und mit großer Kraft ausgesto ße n werden, sod ass ein e große Aeschnalarve sich durch Rückstoß mit ein em Ruck 6-8 cm weit vo rwä rtssc hießen kann. Andere Fortbewegungsarten sind das Schnicksschwimmen von Larven der C ulicid ae, d ie durch abwechselnde Kontraktionen der linken und rechten Längsmuskulatur zus ta nd ekom m en oder Schlängelbewegungen (z. B. bei Larven der Ceratopogonidae [Gnitzen]). Insekten können sich auf der Wasseroberfläche aufhalten, wenn sie aufgrund morphologischer Besonderheiten oder hydrophober Sekrete nicht benetzt werden. Allerdings ist der Wasserwiderstand in horizontaler Richtung zu gering, um für eine norm ale Schreit- oder Schwimmbewegung eine effektive Kraftübe rtragung auf das Medium zu erreichen. Dennoch können Wasserläufer (Gerris) sogar weite Sprünge durchführen. Die extrem langen Mittelbeine werden zunächst nach unten gedrückt und erzeugen auf diese Weise eine kleine sich ausbreitende Welle, an deren Rückseite die Tiere sich dann mit dem Mittel- und Hinterbeinpaar gleichzeitig abstoßen . Bei einem solchen Sprung können von Gerris lacustris etwa 7 cm in 140 ms zurückgelegt werden. Eine a ndere Form der Vorwärtsbewegung auf der Wa sseroberfläche ist das Expansionsschwimmen (Spreitungsschwimmen) des Bachläufers Velia capraii (Abb. 9-16) . Velia spritzt mithilfe seines Ste chrüssels Spe ichel nach hinten aus, der a ls Tensid wi rkt und die Oberflächen sp annung herab-
9.4 Fortbewegung in der Luft
245
setzt. Der sich schnell ausbreitende Sekretfleck schiebt das Tier mit beachtlichen 10 bis 25 cm/s vor sich her. Noch schneller können sich einige Staphylinidae mittels Expansionsschwimmen fortbewegen. Stenus bipunctatus und St . biguttulus erreichen Geschwindigkeiten von 40 bis 75 cm/s und können mit einem Sekretvorrat der paarigen Hinterleibsdrüsen 10 bis 15 m zurücklegen (s. 17.2.2.1).
9.4 Fortbewegung in der Luft 9.4.1 Aerodynamik und Kinematik Bei der Aerodynamik des Insektenflugs handelt es sich um ein sehr komplexes Gebiet, dessen Erforschung keineswegs abgeschlossen ist. Die aerodynamischen Grundlagen des Insektenflugs werden hier lediglich soweit dargestellt, dass man versteht, warum ein fliegendes Insekt bestimmte Flügelbewegungen ausführt. Kinematik ist die Lehre von den Bewegungsabläufen. Aerodynamik. Will ein Insekt aktiv vorwärts fliegen, so muss es eine Luftkraft erzeugen, die nach vorn und oben gerichtet ist (Abb. 9-17 A). Diese Luftkraft hat eine vertikal nach oben gerichtete Komponente, den Hub, sowie eine nach vorn gerichtete Komponente, den Vortrieb. Wenn das Insekt mit konstanter Geschwindigkeit und in konstanter Höhe vorwärts fliegt, ist der Vortrieb gerade so groß wie der Luftwiderstand des Tieres, und der Hub kompensiert gerade das Körpergewicht. Eine Vergrößerung des Vortriebs würde zu einer vorwärts gerichteten Beschleunigung führen, und jede Vergrößerung des Hubs zum Steigflug. Luftkräfte werden erzeugt, wenn sich ein Profil in einer Luftströmung befindet (Abb. 9-17). Bei Flugzeugen mit starren Tragflächen wird die Strömung durch Propeller oder Düsen erzeugt , die von den eigentlichen Luftkrafterzeugern, den Tragflächen, getrennt sind und die das Flugzeug gegenüber der Luft beschleunigen . Bei Tieren, die sich mit Flügeln fortbewegen , werden dagegen beide Funktionen von ein und demselben Organ erfüllt, den Flügeln . Allerdings breiten z. B. Käfer wie Maikäfer, Marienkäfer oder Bockkäfer ihre Elytren unbewegt aus und nutzen diese zusätzlich zur Auftriebserzeugung. Für die Luftkrafterzeugung ist ein gewölbtes Profil des Flügels, wie wir es von Flugzeugtragflächen oder VogelflügeIn kennen, nicht erforderlich. Die Flügel mancher Schmetterlinge sind zwar geringfügig gewölbt, was insbesondere beim Segelflug Bedeutung haben könnte. Die Hauptluftkräfte werden beim Flügelschlag jedoch anders erzeugt. Auch Platten ohne jede Wölbung können den nötigen Auftrieb erzeugen, sofern sie einen von Null
Abb. 9-16: Expansionsschwimmen bei Velia. Die Wasseroberfläche war mit Bärlappsporen bedeckt (punktiert). Die entspannte Oberfläche (weiß) hat die Sporen verdrängt. (Nach Linsenmair und Jander 1963)
verschiedenen und nicht zu großen Anstellwinkel (s.u.: "verzögerter Str örnungsabriss") zu ihrer eigenen Flugbahn einnehmen (Abb. 9-17 D und 9-18).
Kinematik. Betrachtet man die Bahn eines nahe der Flügelspitze liegenden Flügelquerschnitts einer Fliege, die mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus fliegt, dann wird deutlich , dass der Flügel beim Abschlag von der Unterseite her angeströmt wird (Abb. 9-18). Der aerodynamisch wichtige Anstellwinkel des Flügels zur Luftströmung wird von drei Komponenten beeinflusst: von der Schlagrichtung des Flügels, der Bewegungsrichtung des Tiers und der induzierten Luftströmung durch den schlagenden Flügel. Der Anstellwinkel ist so eingestellt, dass sowohl Hub als auch Vortrieb erzeugt werden. Am unteren Umkehrpunkt seiner Bewegungskurve wird der Flügel derart um seine Längsachse gekippt, dass die Vorderkante nach oben kommt (Supination) und er nun von seiner morphologischen Oberseite her angeströmt wird. Dadurch wird der Anstellwinkel wiederum so günstig, dass zumindest zu Beginn des Aufschlags sowohl Hub als auch Vortrieb erzeugt werden. Diese günstige Konstellation kann allerdings nur erreicht werden, wenn der Flügel während des Aufschlags rückwärts bewegt wird, und zwar schneller als die Fliege nach vorn fliegt. Diese Rückwärtsbewegung beim Aufschlag käme nicht
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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Abb. 9·17: Kräfteverhältnisse und Luftkrafterzeugung an starren Platten. (Nach Nachtigall 1980 und Lehmann 2000, verändert). A Kräfteverhältnisse beim stationären Flug einer Fliege. B-O Die Situation einer in ruhender Luft senkrecht nach unten geschlagenen Platte entspricht einer festgehaltenen Platte, die imWindkanal von unten angeströmt wird. (0) Aufder Oberseite der Platte entsteht eine schnellere Strömung als auf der Unterseite, die zu einer senkrecht zur Oberseite stehenden aerodynamischen Kraft führt. Diese setzt hier %Plattentiefe hinter der Vorderkante an. Sie lässt sich vektoriell in eine senkrechte Komponente (beim aktiven Abwärtsschlag als Hub wirkende) und eine horizontale (als Vortrieb wirkende) Komponente aufteilen. Auch die Umströmung lässt sich in zwei Komponenten zerlegen (Kutta-Joukowski-Theorem): in eine translatorische (B) und eine rotatorische (C). Allein die rotatorische Komponente, die Zirkulation, führt zum auftriebserzeugenden Geschwindigkeitsunterschied zwischen Ober- und Unterseite. Die rotatorisehe Komponente spielt eine herausragende Rolle bei den instationären Effekten wie z. B. bei Encarsia (Abb. 9-19) und Drosophila (Abb. 9-20). G Körpergewicht; H Hub; VVortrieb; WWiderstand; L Luftkraftresultierende.
zustande, wenn der Flügel exakt dorsoventral auf und ab schlüge. Die Flügelschlagebene muss also schräg zur Körperlängsachse stehen (Abb. 9-17A). Diese Schrägstellung beträgt bei der betrachteten Fliege etwa 45°. Da die Fliege in diesem Falle in richtung ihrer Körperlängsachse fliegt, ist diese Schrägstellung zugleich der Winkel bezüglich der Fortbewegungsrichtung. Andere Insekten wie z. B. Wanderheuschrecken stellen die Körperlängsachse etwas gegen die Fortbewegungsrichtung an . Hinzu kommt eine Kippung der Flügelschlagebene gegen die Körperlängsachse von etwa 30°. Eine Verringerung des Vortriebs bis zum reinen Schwirrflug lässt sich durch eine Veränderung beider Winkel erzeugen (Abb. 9-20). Stimmen die aus dem Bewegungsablauf ermittelten Luftkräfte mit den tatsächlich erreichten Leistungen eines fliegenden Insekts überein? Üblicherweise werden Flügel oder entsprechende Profile im Windkanal bei unterschiedlichen Anstellwinkeln zur Strömung untersucht. Die jeweils entstehenden Luftkräfte entsprechen den Werten im Gleitflug (stationäre Aerodynamik). Sie werden als unabhängig voneinander betrachtet und entsprechend dem tatsächlichen Bewegungsablauf im Flügelschlag aufsummiert (quasistationäre Aerodynamik). Die so errechneten mittleren Luftkräfte entsprechen ungefähr den bei größeren und schnell fliegenden Tieren wie Lo custa gemessenen Luftkräften (lensen 1956). Insbesondere für kleine Insekten mit hoher Flügelschlagfrequenz sind jedoch weitere luft-
krafterzeugende Mechanismen zu fordern. Bei den hohen Flügelschlagfrequenzen wirkt sich besonders stark aus, daß die Luftkräfte bei den successiven Anstellwinkeln nicht unabhängig voneinander sind (instationäre Aerodynamik). Dies ist verstärkt dann der Fall, wenn sich Lage und Orientierung des Flügels im Raum besonders schnell ändern , wie z. B. bei der schnellen Pro- und Supination im oberen und unteren Umkehrpunkt (Abb. 9-18). Die hierbei auftretenden Zirkulationen werden derzeit als Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge angesehen. Ausführliche Darstellungen der komplizierten Verhältnisse sind z. B. in den Monographien von Brodsky (1994) und Dudley (2000) zu finden. Im Folgenden wird der gegenwärtige Stand der Erkenntnisse auszugsweise und stark vereinfacht dargestellt. Zusammenklappen und Auseinanderreißen (clap and Ding). Die kleine Schlupfwespe Encarsia formosa schlägt die beiden Flügel am obersten Punkt der Aufwärtsbewegung mit der morphologischen Oberseite zusammen (Abb. 9-19). Der Abschlag beginnt mit einer Drehbewegung um die Flügellängsachse, bei der sich die Flügel auseinanderdrehen, beginnend mit den Vorderkanten. Die in den sich öffnenden Spalt hineinströmende Luft erzeugt eine Zirkulation um jeden Flügel. Diese erzeugt beim nun beginnenden Abschlag einen Auftrieb, der größer ist als er sich bei quasistationärer Betrachtung ergeben würde (Weis-Fogh 1973). Nach neueren Untersuchungen von F.-O. Lehmann kann der Beitrag dieser Mechanismus bis zu 25% der mittleren Flügelkraft ausmachen.
9.4 Fortbewegung in der Luh
247
Abb. 9·18: Flügelkinematik. Kinematische Analyse eines typischen Flügelschlags einer Fliege (Phormia regina) im Streckenflug vor dem Windkanal, aufgenommen mit einer Hochfrequenz-Filmkamera. Die Ziffern beziehen sich auf aufeinander folgende Filmbilder (Zeitabstand 1/6400 s) und kennzeichnen die jeweilige Position des Körperschwerpunkts entlang seiner Fortbewegungsrichtung (horizontal von rechts nach links) sowie des betrachteten Flügelquerschnitts aufder dick ausgezogenen Bewegungskurve. Beim Filmbild Nr. 4 befindet sich der betrachtete Flügelquerschnitt also oberhalb und hinter dem Körperschwerpunkt. Die Lage des Flügelquerschnitts ist als Strich im Flügel der Fliege dargestellt, der relativ zur Flügelbahn verkleinert gezeichnet ist. Gefüllte Kreise: morphologische Oberseite der vorderen Flügelkante. (Nach Nachtigall 1966)
Verzögerter Strömungsabriss (delayed stall),
Wenn der Anstellwinkel (unter dem eine Tragfläche die Luft durchschneidet) des Flügels zu steil wird, dann legt sich die Strömung nicht mehr der Oberseite an, sondern bildet einen Wirbel an der Vorderkante (leading edge vortex), der zwar kurzzeitig den Auftrieb erhöht, sich dann aber vom Flügel ablöst und einen Abfall des Auftriebs zur Folge hat. Dieser Effekt ist bei Flugzeugen als Absturzursache gefürchtet. Ellington (1984) entdeckte beim auf der Stelle schwirrenden Tabakschwärmer Manduca sexta, dass der Vorderkantenwirbel während des Abschlags stabilisiert und der resultierende zusätzliche Auftrieb nutzbar gemacht wird. Dafür sorgt vermutlich eine Luftströmung von der Flügelbasis zur -spitze, die aus
der weitaus höheren Bahngeschwindigkeit der Spitze resultiert. Der dann erfolgende Abriss spielt keine Rolle, da sich inzwischen die Schlagrichtung des Flügels umgekehrt hat. Weitere instationäre Effekte beim Schwirrflug.
Auch wenn die Untersuchung aerodynamischer Verhältnisse beim Schwirrflug auf der Stelle leichter ist als beim Streckenflug, die geringe Größe und die hohe Flügelschlagfrequenz bietet dennoch erhebliche experimentelle Schwierigkeiten. Diese können weitgehend vermieden werden, wenn man die Verhältnisse mit stark vergrößerten Modellen nachbildet, wobei die Flügelbewegung in einem Medium vergleichbarer Zähigkeit erfolgen muss, also auf gleiche Reynoldszahlen geachtet werden muss. Bei solchen Modellen mit nachgebildeten
.. Abb. 9-19: Der Clap und Fling- Mechanismus bei Encarsia formosa. Ventralseite der Flügel punktiert. Gestrichelte Pfeile: Flügelbewegungen. Durchgezogene Pfeile: Rotatorische Komponente. Einzelheiten imText. Nach Wilkin 1985, verändert.
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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Abb. 9-20: Instationäre Effekte beim Schwirrflug. Gezeichnet ist die Flügelspitzenbahn einer auf der Stelle schwirrenden Drosophila. Es sind die ungefähren Bereiche angegeben, in denen nach Modellversuchen der Vorderkantenwirbel (1), der Magnuseffekt (2) und das Wiedereinfangen des Wirbels (3) erfolgen. Weitere Einzelheiten im Text. (Nach Dickinson 2001 , verändert)
Drosophila-Flügeln entdeckten Dickinson und
Lehmann (1999) zwei weitere auftriebserzeugende Mechanismen beim Schwirrflug (Abb. 9-20): eine durch die schnelle Flügeldrehung erzeugte Kraft (die dem Magnus-Effekt bei einem geschnittenen Ball beim Tennis entspricht) und ein Einfangen der Strömung (wake capture), die vom vorhergehenden Halbschlag erzeugt wurde. Der zusätzliche Auftrieb trägt bei Drosophila 35% zur Gesamtflugkraft bei. Diese Effekte dürften im Wesentlichen beim Schwirrflug, jedoch in weitaus geringerem Maße beim Streckenflug auftreten. Bei vierflügeligen Arten ist mit Interaktionen zwischen Vorder- und HinterflügeIn zu rechnen . Bei größeren Insekten muß zudem berücksichtigt werden, dass die Flügel biegsam sind und z. T. auch ihr Profil aktiv verändert werden kann . Bei den Flügeln mancher Insekten, z. B. bei Schmetterlingen oder bei den HinterflügeIn von Locusta, ist lediglich der vordere Flügelbereich durch Flügeladern versteift, während der hintere Flügelbereich weich membranös ausgebildet ist und der Schlagbewegung der Vorderkante passiv und zeitverzögert folgt. Ähnlich wie bei undulierenden Membranen wird dadurch eine zusätzliche Vortriebskomponente erzeugt. Nach dem gleichen Prinzip fliegen manche mit einem Gummimotor betriebenen Spielzeugvögel. Kleine Insekten. Die bisher geschilderten Mechanismen der Auftriebserzeugung gelten nicht für alle Insekten. Je kleiner ein bewegter Gegenstand ist, desto stärker wirkt sich die Zähigkeit (Viskosität) des ihn umgebenden Mediums aus. In einem solchen Fall ist die Fortbewegung mit Ruderbewegungen effektiver als die nach dem Auftriebsprinzip. In der Tat besitzen sehr kleine Insekten häufig fächerartig untergliederte Flügel, mit denen sie in der für sie zähen Luft rudern . Die Flügel erinnern an die mit Schwimmhaaren besetzten Beine der Wasserinsekten. Diese Flügeleigenschaften sind in verschiedenen Insektengruppen offenbar konvergent entstanden . Als Beispiele seien aus der Gruppe der Thysanoptera (s. Abb. 25-38, 39) der Getreideblasenfuß (Gewitterfliege) Limothrips cerealium (1,4 mm Körperlänge ),
aus der Gruppe der Hymenoptera die Zwergwespe Mymar regalis (1,2 mm) und aus der Gruppe der Coleoptera der Federflügler Acrotrichis serieans (0,7 mm) genannt.
9.4.2 Funktionsmorphologie des Flugapparates Bei vierflügeligen Insekten sind die beiden Flügelpaare stets Ausbildungen des Meso- und Metathorax, niemals des Prothorax. Bei zweiflügeligen Insekten kann das Flügelpaar entweder zum Mesothorax (z. B. Diptera, Männchen von Schildläusen und einige Ephemeroptera) oder zum Metathorax gehören (Männchen der Strepsiptera). Die Flugmuskulatur liegt in den entsprechenden Thoraxsegmenten. Man unterscheidet zwischen direkten Flugmuskeln, die an Strukturen ansetzen, die wie die Axillar-, Basalar- und Subalarsklerite zum Flügel gerechnet werden können, und indirekten Flugmuskeln, die an Thoraxelementen ansetzen und den Flügel indirekt durch die Verformung des Thorax bewegen. Oft ist eine mehr oder minder starke Arbeitsteilung zwischen solchen Muskeln zu beobachten, die sehr kräftig ausgebildet sind und die Hauptkraft für den Flügelschlag erzeugen (Hauptantriebsmuskeln), und anderen Muskeln, die als Steuermuskeln fungieren . Bei den Hauptantriebsmuskeln unterscheidet man Flügelheber und Flügelsenker, die im Wechsel aktiviert werden. Als Flügelheber dienen immer die indirekt wirkenden, zwischen Tergum und Sternum aufgespannten Dorsoventralmuskeln, die das Tergum nach ventral ziehen und damit die Flügel anheben (Abb. 9-21). Als Flügelsenker können unterschiedliche Muskeln wirken: Bei den Odonata (Libellen) wird der Flügelabschlag von den Basalar- und Subalarmuskeln erzeugt, die direkt am Flügel ansetzen . Weitere,
9.4 Fortbewegung in der Luft
249
Tergum
Dorsoventralmuskeln
Dorsale Langsmuskeln
Abb. 9-21: Wirkungsweise der Hauptantriebsmuskeln beim Flug von Ephemeroptera und Neoptera. Seitenansicht eines flügeltragenden Segments nach Entfernung der pleuralen Cuticula. Die Steuermuskeln sind nicht gezeichnet. Die sich kontrahierenden Muskeln sind dunkel gezeichnet. Bei der Kontraktion der Dorsoventralmuskeln wird das Segment dorsoventral abgeplattet. Dabei schwingt der Flügel über ein kompliziertes Hebelgelenk aufwärts. Die Kontraktion der dorsalen Längsmuskeln verkürzt das Segment und beult das Tergum auf, wobei der Flügel nach unten schlägt. Aufgrund der Formveränderung des Tergums wird der Vorgang als Tergalwölbungsmechanismus bezeichnet. Bei den Odonaten (siehe auch Text) wird das Tergum als Ganzes dorsoventrad bewegt. Dieser Mechanismus wird als Tergalplattenmechanismus bezeichnet (Pfau 1986). (Nach Pfau 1991 aus Wendler 2000)
ebenfalls direkt am Flügel ansetzende schwächere Muskeln dienen lediglich der Feinkontrolle der FlügelsteIlung und -bewegung. Die schwachen dorsalen Längsmuskeln ziehen den jeweiligen Flügel nach vorn. Bei den übrigen pterygoten Insekten, den Ephemeroptera und den Neoptera, haben dagegen die dors alen Längsmuskeln die Rolle von Flügelsenkern übernommen (Abb. 9-21). Diese indirekt wirkenden Muskeln liefern die Hauptkraft für den Flügelabschlag und sind entsprechend mächtig ausgebildet . Anders als vielfach dargestellt wird, dienen die dorsalen Längsrnuskein generell bei vielen Neoptera wie z. B. den Orthoptera und Lepidoptera als Hauptabschlagmuskeln, und nicht nur bei denjenigen Arten , die nach dem myogenen Prinzip fliegen (s. 9.4.3.2). Die indirekte Wirkung der Hauptantriebsmuskeln beruht auf einer Formveränderung des Thorax (Abb. 9-21). Dessen elastische Eigenschaften, an denen Resilin (s. 9.2.3 u. 1.3.3) beteiligt ist, sind mitentscheidend für den zeitlichen Ablauf der Fl ügelbewegung. Erzeugt man z, B. bei einem nicht fliegenden Tabakschwärmer (Manduca sexta) eine Kontraktion der Senkermuskulatur durch elektrische Reizung, so zucken die Flügel nach unten und schnellen passiv fast ebenso schnell in die Ausgangslage zurück . Ein Teil der Kontraktion wird also als Verformungsenergie gespeichert und gleich anschließend wieder in eine Gegenbewegung umgesetzt. Damit beeinflussen die mechanischen Eigenschaften des Thorax die Resonanzfrequenz des Skelettmuskelsystems einschließlich der Flügel. Die Flügelschlagfrequenz der myogenen
Flieger (s.u.) und wahrscheinlich auch neurogener Flieger (s.u.) entspricht dieser Resonanzfrequenz. Bei ihr wird eine optimale Kraftübertragung an die umgebende Luft erreicht. Die Arbeitsteilung zwischen den Hauptantriebsmuskeln und den Steuermuskeln ist oft unvollständig . So beeinflussen die Basalarmuskeln der Heuschrecken (Orthoptera) und Schwärmer (Lepidoptera) den Grad der Pronation (Kippen der Flügelvorderkante nach unten) und die Subalarmuskeln den Grad der Supination (Kippen der Flügelvorderkante nach oben) des jeweiligen Flügels. Gleichzeitig sind diese Muskeln so stark ausgebildet, dass sie zusätzlich einen Teil der Kraft für den Flügelabschlag liefern. Andere, wie der 3. Axillarmuskel, dienen hingegen fast ausschließlich als Steucrmuskeln . Lage und Wirkungsweise der Steuermuskeln variieren je nach Flugweise der betreffenden Art außerordentlich stark. Bei den ebenfalls sehr gut untersuchten Fliegen (Diptera) ist die Arbeitsteilung zwischen den indirekten Antriebsmuskeln (Dorsoventralmuskeln und dorsalen Längsmuskeln) und den Steuermuskeln (z. B. Basalar- und Subalarmuskeln) nahezu vollständig.
9.4.3 Physiologie des Flugsystems Vergleicht man die zeitliche Koordination der Beine beim Laufen mit der Koordination der Flügel beim Flug, so wird deutlich, dass alle Flügel
250
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
A oben Flügel OLM (Senker) OVM (Heber) I
0.1 s
Tabakschwärmer (Manducasexta)
B Flügel oben unten OLM (Senker)
OVM (Heber)
1L_______l_-1.~-----'I\.~----~ 0 .1 s
1-----11 Schmeißfliege (Calliphora erythrocepha/a)
eines Insekts stets mit identischer Frequenz schwingen, während die Beine unterschiedliche Schrittfrequenzen zeigen können. Schon aufgrund der elastischen Eigenschaften des rundum geschlossenen Thorax können die gegenüberliegenden Flügel desselben Thoraxsegments nicht mit unterschiedlicher Frequenz schwingen. Die mechanische Kopplung zwischen Meso- und Metathorax ist hingegen meist schwächer und lässt deshalb zumindest unterschiedliche Phasenlagen zu. So schwingen die Vorder- und Hinterflügel bei Locusta migratoria zwar mit gleicher Frequenz, aber mit einer konstanten Phasenverschiebung von etwa 30°. Männchen der gebänderten Prachtlibelle (Calopteryx splendens) können während des Balzflugs sogar die Phase zwischen dem Vorder- und dem Hinterflügelpaar verstellen und ihre Flügelflecken auf diese Weiseprägnanter zur Schau stellen.
Die Kontraktionen der Hauptantriebsmuskeln können auf zweierlei Weise ausgelöst werden: durch die Flugmotoneuronen. Man spricht dann von neurogener Aktivierung. Dieses Ansteuerungsprinzip ist bei Odonata, Blattodea, Orthoptera und Lepidoptera gut untersucht. Die Muskeln sind stets vom nichtfibrillären Typ (s.9.1). durch eine schnelle, passive Dehnung , also eine mechanische Anregung. Man spricht dann von myogener Aktivierung. Dieses Prinzip ist bei den Diptera, Hymenoptera, Coleoptera und Heteroptera verwirklicht. Die beteiligten Muskeln sind stets vom fibrillären Typ (s. 9.1).
Abb. 9-22: Vergleich der Zeit beziehungen zwischen Muskelpotentialen und Flügelschlag bei neurogenen (A) und myogenen (8) Fliegern. Jedes Aktionspotentiai eines Motoneurons erzeugt ein Muskelpotential im zugehörigen Muskel (s. 9.1). DLM dorsaler Längsmuskel; DVM Dorsoventralmuskel derselben Körperseite. (Nach Messungen von Suder sowie Völker und Heide, verändert)
9.4.3.1 Neurogener Flugrhythmus Die Flügelschlagfrequenz der neurogenen Flieger liegt meist im Bereich von 10 bis 30 Hz, nach neueren Untersuchungen am Tabakschwärmer Manduca sexta in der Regel nahe oder bei der Resonanzfrequenz des Skelettmuskelsystems. Die rhythmischen Schlagbewegungen der Flügel werden durch eine abwechselnde motoneuronale Aktivierung der Heber- und Senkermuskulatur erreicht. Diese Art der Muskelaktivierung wird auch synchron genannt, da der Flügelschlag mit ihr synchronisiert ist (Abb. 9-22 A). Für Flugmanöver jeder Art sind jedoch die Steuermuskeln von besonderer Bedeutung , deren Kontraktionen auf die gleiche Weise durch Motoneurone ausgelöst werden. Bei Locusta migratoria sind dies die beiden Basalarmuskeln , der Subalarmuskel und vor allem der 3. Axillarmuskel. Der Zeitpunkt, zu dem diese Muskeln innerhalb des Rhythmu s aktiviert werden, bestimmt das jeweilige Flugmanöver. Die Darstellung der Aktivierungszeitpunkte aller Muskeln innerhalb der Flügelschlagperiode wird auch als Pa rtitur bezeichnet. Der Rhythmus und die zeitliche Koordination der Kontraktionen werden allerdings nicht von den Motoneuronen allein erzeugt , sondern durch ein Netzwerk , an dem außerdem intra- und interganglionäre Interneuronen (s. 8.3.1) sowie diverse Propriozeptoren (s. 11.1.4.1) der Flügel und anderer KörpersteIlen beteiligt sind (s. 9.4.3.3 und Abb.9-23). Bei Heuschrecken (z. B. Locusta migratoria) und Schwärmern (z. B. Manduca sexta) ist es gelungen, nach Ausschaltung dieser Propriozeptoren die über alle drei Thorakalganglien verteilten Fluginterneuronen und Flug-
9.4 Fortbewegung in der Luft
251
extern verursachteTranslation und Rotation der visuellen Umwelt
Thorakalganglien
campanif. Sensillen (+ Johnstonsches Organ, Haarpolster)
Intemeurone und Motoneurone
Ä
Windhaareauf
~ d~V~d,"opl
\
\ Skelettmuskelsystem
Streckrezeptor (+ campaniforme Sensillen + Tegularezeptoren) Flügelbewegung rh thmischeLuflströmun Translationen und Rotationen
Abb. 9-23: Organisation des Flugsystems bei Locusta migratoria als Vertreter der neurogenen Flieger und Mechanismen der Flugstabilisierung. Flügelschlagfrequenz 17-25/s. Die beteiligten Strukturen sind innerhalb der weißen Rechtecke symbolisiert. Ihre physiologischen Eingangs- Ausgangsbeziehungen sind in den dazugehörigen grau unterlegten Rechtecken als elektrische Aktivität bzw. als mechanisches Eingangs- (hellgrau) oder Ausgangssignal (dunkelgrau) dargestellt. Als Beispiel für ein antennales Ausgangssignal ist die Aktivität des TCD-lnterneurons dargestellt (Tyrer et al. 1988), für den Ausgang eines lateralen Ocellus die Reaktion eines Rezeptors (unten) und eines spikenden Interneurons auf Belichtung (Wilson 1978). Beispiel eines der am Generieren des Flugrhythmus beteiligten interneuronen: Neuron 301 (Robertson 1985). Beispiel eines Motoneurons: 113, einen Hinterflügelheber innervierend (Nach Burrows 1973).
252
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
motoneuronen (Abb. 9-23) zu einer z.T. lang andauernden rhythmischen Aktivität zu veranlassen. Dieser zentralnervöse Anteil des Netzwerks, oft auch als "zentraler Mustergenerator" oder ePG ("central pattern generator") bezeichnet, schwingt mit etwa halbierter Frequenz, verglichen mit der Flügelschlagfrequenz des intakten Tiers. Die zeitliche Koordination der einzelnen Motoneuronen ist jedoch der des intakten Systems so ähnlich, dass man an solchen Präparaten einige wichtige Schaltprinzipien aufdecken konnte. Der Gesamtrhythmus scheint nach diesen Ergebnissen weniger auf der rhythmischen Aktivität einzelner, führender Interneuronen (Schrittmacherneuronen) zu beruhen als vielmehr eine Netzwerkeigenschaft zu sein.
9.4.3.2 Myogener Flugrhythmus Viele Hymenoptera, Coleoptera und Diptera erreichen Flügelschlagfrequenzen von bis zu 1000 Hz , also weitaus höhere als neurogene Flieger. Bei diesen Arten wird der Flügelschlagrhythmus nicht neuronal erzeugt, sondern durch die mechanische Resonanz des aus dem elastischen thorakalen Skelett, aus den Flügeln und aus der Hauptantriebsmuskulatur bestehenden schwingungsfähigen Systems . Der Rhythmus wird durch eine Eigenschaft der fibrillären Muskeln aufrechterhalten, die als Streckaktivierung bezeichnet wird (s. 9.1): Jedes ruckartige Ziehen am Muskel führt zu einer aktiven Kontraktion. Wenn nun eine Kontraktion der dorsalen Längsmuskeln das Tergum bei gleichzeitiger Flügelsenkung aufbeult (Abb. 9-21, rechte Seitansicht), führt dies zu einer ruckartigen Dehnung der antagonistischen Dorsoventralmuskeln. Diese reagieren mit einer Kontraktion, die wiederum eine Dehnung der dorsalen Längsmuskeln zur Folge hat , die sich nun ihrerseits kontrahieren usw. Zum Mechanismus des Flugstarts bei myogenen Fliegern (s. 9.2.3). Da sowohl die Kontraktionen der Hauptantriebsmuskeln als auch ihr Rhythmus nicht von den Motoneuronen, sondern mechanisch bestimmt wird, wäre ein Netzwerk wie bei den neurogenen Fliegern im Prinzip überflüssig, zumindest der zentralnervöse Anteil, soweit er die Hauptantriebsmuskeln steuert. Tatsächlich findet man eine Reihe von bedeutsamen Unterschieden zu den neurogenen Fliegern. So ist die Innervation der Antriebsmuskeln zwar erhalten und bis in Einzelheiten mit der Innervation bei neurogenen Fliegern homologisierbar; auch ihre Motoneuronen sind während des Flugs aktiv. Sie feuern jedoch in keinem strengen Rhythmus und vor allem mit wesentlich geringerer Frequenz als der Flügelschlagfrequenz. Sie sind nur bei jedem zwanzigsten bis vierzigsten Flügelschlag aktiv und können mit durchaus unterschiedlicher Frequenz feuern (Abb. 9-22, 9-24). Da die Muskelpotentiale nur
sporadisch und zudem oft nicht phasengekoppelt mit dem Flügelschlag auftreten, wird die fibrilläre Muskulatur als asynchrone Flugmuskulatur bezeichnet. Die motoneuronale Aktivierung der fibrillären Muskeln sorgt im Wesentlichen dafür, dass die Konzentration der für den Kontraktionsmechanismus nötigen Calciumionen im Muskel auf einem hohen Niveau bleibt (s. 9.1.4). Im Unterschied zu den neurogenen Fliegern wird die Aktivität der Motoneuronen der Hauptantriebsmuskeln bei den myogenen Fliegern vorwiegend in diesen Motoneuronenselbsterzeugt.Siesind untereinanderauf komplizierte Weise schwach gekoppelt. Bisher sind keine Interneuronenbekannt, die beidieser Kopplungbeteiligt sind. Eineinteressante Zwischenstellung zwischen neurogenen und myogenen Fliegern nehmen die als ursprünglicheDiptera angesehenen großen Schnaken der Gattung Tippula ein, die eine niedrige Flügelschlagfrequenz von 50-60 Hz besitzen. Bei ihnen treten die Aktionspotentiale der fibrillären Muskeln bei etwa jedem dritten Flügelschlag auf, und zwar immer in bevorzugten Phasen des Flügelschlags. Die Steuermuskeln gehören nicht zum fibrillären Typ. Sie können durch ihre Motoneuronen mit sehr hoher Frequenz, bis zu einmal pro Flügelschlag, aktiviert werden und bewirken je nach Flugmanöver eine Modifikation der mechanischen Eigenschaften des Thorax. Anders als die fibrillären Muskeln stehen sie im Zusammenhang mit der Flugstabilisierung unter Kontrolle von Propriozeptoren, insbesondere der Halteren und der Flügel.
9.4.3.3 Mechanismen der Flugstabilisierung Ein fliegendes Insekt bewegt sich - verglichen mit einem kletternden Insekt - in einem relativ homogenen Medium. Es könnte also zumindest den Grundrhythmus der Hauptantriebsmuskeln ohne Beteiligung von Sinnesrückmeldungen erzeugen. Beim myogenen Flugtyp ist dies in nahezu vollkommener Weise verwirklicht, da der Rhythmus allein durch die mechanischen Resonanzeigenschaften des Skelett-Muskelsystems bestimmt wird . Aber auch der neurogene Flug ist unabhängiger von sensorischen Rückmeldungen als das Laufen, da z. B. Locusta migratoria und Manduca sexta auch dann einen flugähnlichen Rhythmus generieren können, wenn alle sensorischen Rückmeldungen fehlen (s. 9.4.3.1). Für die Regelung der Flugstabilität werden hingegen sowohl bei neurogenen Fliegern (Abb. 9-23) als auch bei myogenen Fliegern (Abb. 9-24) hochentwickelte Sinnesorgane eingesetzt. Sie messen den Bewegungsablauf jedes einzelnen Flügels, die vom Flügelschlag erzeugte Luftströmung sowie die resultierenden Translationen und Rotationen
9.4 Fortbewegung in der Luft
des Körpers wie z. B. die Vorwärt sbewegung oder Drehungen um die Hoch- oder Längsachse. Sie können zugleich Störungen registrieren und sehr schnell Korrekturbewegungen mittels der SteuerrnuskeIn auslösen. Diese Stabilisierungsmechanismen werden im Folgenden für je einen Vertreter der neurogenen und myogenen Flieger ausführlicher dargestellt. Sie zeigen, trotz erheblicher Unterschiede im Detail, eine große Übereinstimmung im Organisationsprinzip. Man findet Regelungsprozesse, die sich auf der Ebene einzelner Flügel bewegungen abspielen bis zu solchen , die sich auf die Bewegungen des gesamten Tiers beziehen . I. Bei Locusta migratoria, einem neurogenen Flieger, sind Proprioceptororgane der Flügel und der Antennen, die windempfindlichen Haarfelder am Kopf, die Ocellen und die Komplexaugen die wichtigsten Sinnesorgane für die Flugstabilisierung (Abb. 9-23). • Flügelrezeptoren. Diese mechanischen Sinnesorgane werden von der Flügelbewegung rhythmisch gereizt und beeinflussen wiederum rückwirkend intraganglionä re Elemente des Flugmotors. Sie sind ebenso Elemente des rhythmusgenerierenden Netzwerks wie die Interneuronen und Motoneuronen. Ihre besondere Lage in der Peripherie befähigt sie, zusätzlich extern verursachte Störungen der normalen Flügelbewegungen zu registrieren und eine sehr schnelle, in die zeitliche Koordination aller Flugmuskeln eingreifende Korrektur au szulösen. • Der Streckrezeptor ist ein einzeIliges Sinnesorgan an der Basis jedes Flügels, dessen Dendriten in einem elastischen Bändchen verzweigt sind, das zwischen dem Phragma und einer Membran zwischen Pterale 3 und 4 aufgespannt ist. Das Bändchen wird durch eine Aufwärts- und Pronationsbewegung des Flügels gedehnt und reizt damit den Streckrezeptor. Die Rolle eines mit dem Streckrezeptor assoziierten Chordotonalorgans für den Flug ist noch nicht geklärt. Weiterhin werden Gruppen von campaniformen Sensillen gereizt, die auf den Adern der Flügelbasis positioniert sind und die Durchbiegung des Flügels messen. Auch die Rezeptoren der Tegula werden gereizt. Die Tegula ist ein bewegliches Kissenvor der Fl ügelbasis. das zwei sensorische Gebiete umfasst: ein posterior liegendes Feldvon etwa40 Haaren und ein inneres Chordotonalorgan mit etwa 30 Scolopidialzellen. • Windhaare. Die Windhaare am Kopf, die in fünf bilateralsymmetrischen Feldern angeordnet sind, messen den vom Tier selbst erzeugten Flugwind. In der Höhe der Windhaare ist dieser aufgrund der rhythmischen Schlagbewegungen aller vier Flügel rhythmisch moduliert. Die Erregung der Windhaare aktiviert ein Paar von Interneuronen (TCG " tritocerebral commissure giants") mit großem Axondurchmesser, die wegen ihres rhythmischen Eingangs ebenfalls rhythmisch aktiv sind und ihrerseits wieder auf
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253
Neuronen des Flugmotors einwirken . Auch die Windhaare sind peripher gelegene Elemente des Flugmotors. Anders als die Streckrezeptoren verarbeiten sie allerdings nicht nur die Bewegungen einzelner Flügel , sondern ein Signal, das sich aus der Bewegung aller vier Flügel ergibt. Die Windhaare signalisieren zusätzlich äußere Störungen, die das gesamte Tier betreffen und die sehr schnell korrigiert werden. In Frage kommen Böen, die bereits am Kopf registriert werden, noch bevor sie auf den Körper wirken . Die beiden TCG-Neuronen kodieren zusammen die Richtung, aus der ein Windstoß kommt. • Antennenrezeptoren. Die Antennen werden ebenfalls durch den Flugwind abgebogen, dessen Rhythmik sich hier kaum noch auswirkt. Sie tragen eine Vielzahl unterschiedlicher Mechanorezeptoren. Die Rezeptoren des Pedicellus, zu denen das Johnstonsche Organ und campaniforme Sensillen gehören, sind an der Regelung der Fluggeschwindigkeit beteiligt (s. Il.l). • Visuelles System. Das visuelle System , das au s den Ocellen und Komplexaugen (s. 11.4) sowie den optischen Loben (Abb. 8-3, 8-8, 8-9) besteht , ermittelt Relativbewegungen zwischen der visuellen Umwelt und dem Kopf sowie insofern dem gesamten Tier, als Kopfbewegungen mithilfe von Mechanorezeptoren berücksichtigt werden können . Da der rhythmische Einfluss der Flügelschläge auf die Körperbewegungen gering ist, sind die Signale, die durch deszendierende intersegmentale Interneuronen (s. 8.3.1) an den Flugmotor übermittelt werden , vorwiegend nichtrhythmisch. Jede Relativbewegung der visuellen Umwelt wird mit einer Korrektur der Lage oder der Flugrichtung beantwortet (optomotorische Reaktion, s. 9.5.2.1 und Abb. 925). Die Ocellen sind vorwiegend an der Korrektur von Drehungen um die Querachse (Nicken) und um die Längsachse (Rollen) beteiligt. Diese Drehungen führen zu Verschiebungen des Horizonts, die als Veränderung der Erregungsbalance zwischen den Ocellen gemessen werden . Die Komplexaugen werden zur Messung und Korrektur aller Translations- und Rotationsbewegungen eingesetzt (s. 9.5.2.1). 2. Bei Calliphora erythrocephala, einem myogenen Flieger, ist das Flugstabilisierungssystem trotz des andersartigen Flugmechanismus und der viel höheren Flügelschlagfrequenz ähnlich wie bei den neurogenen Fliegern organisiert (Abb. 9-24). • Auch hier dienen Flügelrezeptoren, in erster Linie Gruppen von campaniformen Sensillen, zur Kontrolle der Bewegung der einzelnen Flügel. Die Sensillen werden im Rhythmus des Flügelschlags erregt und wirken auf die Motoneuronen der Steuermuskeln zurück.
254
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
extern verursachte Translation und Rotation der visuellen Umwelt
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campanif. Sensillum (+Johnstonsches Organ) externe Drehmomente
Störungen des Flügelschlags
Thorakalganglien
campanif. Sensillen, Haarsens. Flügelbewegungen Translationenund Rotationen
Abb. 9-24: Organisation des Flugsystems bei Calliphora erythrocephala als Vertreter der myogenen Flieger und Mechanismen der Flugstabilisierung. Flügelschlagfrequenz etwa 120/s. Symbole wie in Abb. 9-23. Bei Calliphora werden die Hauptantriebsmuskeln durch Motoneuronen angesteuert, die mit geringer Frequenz feuern . Die Steuermuskeln können jedoch mit der hohen Flügelschlagfrequenz aktiviert werden. Diesensorischen Rückmeldungen beeinflussen überwiegend die Steuermuskulatur. Als Beispiel für ein antennales Ausgangssignal ist die Aktivität des campaniformen Sensillums dargestellt (Schlegel 1970), für den Ausgang eines lateralen Ocellus die Reaktion von zwei Fasern des Ocellusnerven auf Belichtung (Metschi 1963). Als Beispiel für Neuronen sind zwei descendierende Interneuronen und ein Motoneuron eines Steuermuskels gewählt. (Nach Färbungen von Hausen)
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum
• Die zu Halteren (Schwingkölbchen) umgewandelten Hinterflügel schwingen mit derselben Frequenz wie die Flügel. Ihre verdickte Basis ist mit etwa 400 campaniformen Sensillen in 7 Gruppen unterschiedlicher Orientierung besetzt. Sie messen die Geschwindigkeit von aktiven und passiven Drehungen des gesamten Körpers anhand der auftretenden Corioliskr äfte und der damit verbundenen geringfügigen Cuticulaverbiegungen. Ihre rhythmische Erregung wirkt wie bei den Flügelrezeptoren unmittelbar auf die Motoneuronen der Flugsteuermuskeln zurück. Die Männchen der parasitischen Strepsiptera besitzen ebenfalls Halteren mit einer entsprechenden Funktion. In diesem Fall handelt es sich um umgewandelte Vorderflügel. Antennale Rezeptoren wie das Johnstonsche Organ und ein großes campaniformes Sensillum des Pedicellus messen den Flugwind und sind an der Regelung der Fluggeschwindigkeit beteiligt. Die Ocellen und Komplexaugen sind ähnlich wie bei Locusta in das Flugsteuersystem eingebunden. Zwischen Komplexaugen und Halteren besteht eine interessante Arbeitsteilung : Während die Halteren ihren optimalen Arbeitsbereich bei schnellen Körperdrehungen besitzen und mit kurzer Latenz, d. h. innerhalb weniger als 20 ms eine Flugkorrektur bewirken, benötigen die Signale aus dem visuellen System, das bei langsameren Drehungen optimal arbeitet, hierfür etwa 100 ms. Dafür sind die Halteren im Gegensatz zum visuellen System für eine Korrektur translatorischer Bewegungen nicht geeignet.
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum Insekten haben eine außerordentlich große Anzahl unterschiedlicher, z. T. hochspezialisierter Sinnesorgane entwickelt, mit denen sie eine breite Palette von Eigenschaften ihrer Umwelt erfassen (s. Kap. 11) und mit deren Hilfe sie ihre Fortbewegung im Raum kontrollieren und steuern können . Bei diesen Orientierungsvorgängen handelt es sich in der Regel um sehr komplexe Vorgänge, bei denen oft mehrere Sinnesmodalitäten beteiligt sind. Bei der experimentellen Analyse der Orientierung im Raum hat man deshalb zunächst stark vereinfachte Reizsituationen verwendet. Dabei wurden einige grundlegende Mechanismen entdeckt , die als Bestandteile von komplexeren Orientierungsvorgängen zu betrachten sind. Die folgende Darstellung beginnt deshalb ebenfalls mit stark vereinfachten Situationen.
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9.5.1 Fortbewegung bei fehlenden externen Orientierungsmerkmalen Wenn ein Insekt keinerlei Merkmale der Umgebung zur Verfügung hat, an denen es sich orientieren kann, bewegt es sich niemals längere Zeit geradeaus. Stets registriert man enge oder weite Bögen oder Kreise konstanter oder wechselnder Bewegungsrichtung. Ähnliche Phänomene sind auch für andere Arthropoden und für Wirbeltiere bekannt. So laufen Menschen, die sich im Nebel in Ermangelung von Orientierungsmarken verirren, annähernd im Kreise. Rechts-Links-Asymmetrien kennt man nicht nur bei der Fortbewegungsrichtung, sondern auch bei der Körperhaltung und bei der Lage des Körpers im Raum. Als Ursache kommen insbesondere Asymmetrien in der neuromuskulären Aktivität beider Körperseiten in Frage, die eine offenbar unvermeidliche Eigenschaft bilateralsymmetrischer Tiere sind. Viele Tiere haben jedoch Mechanismen entwickelt, die die Auswirkungen solcher Asymmetrien reduzieren. So können selbstverursachte Körperwendungen durch Gelenkrezeptoren gemessen und zu einer Kurskorrektur verwendet werden. Die Korrektur kann auch ohne Sinnesorgane, nur unter Verwendung einer internen Kopie derjenigen neuronalen Aktivität erfolgen, die eine Wendung verursacht hat (ElTerenzkopie, v. Holst u. Mittelstaedt 1950). Eine solche Orientierung mithilfe von Information , die aus dem Tier selbst stammt, wird als idiothetisehe Orientierung bezeichnet, während Orientierungsvorgänge mithilfe externer Reize allothetische Orientierung genannt werden (Mittelstaedt 1978). Erkenn bar werden idiothetische Mechanismen u.a. am Gegenwendeverhalten: zwingt man einem laufenden Insekt, z. B. einem Mehlkäfer Tenebrio molitor, durch ein Hindernis eine Wegabweichung auf, so führt er nach Verlassen des Hindernisses sofort eine kurs korrigierende Gegenwendung durch , die proportional zu dem aufgezwungenen Winkel ist. Solche Gegenwendungen treten auch dann auf, wenn keine Landmarke zur Verfügung steht , an der der Ablenkwinkel gemessen werden könnte.
9.5.2 Fortbewegung mithilfe externer Orientierungsmerkmale Eine rein idiothetische Orientierung führt jedoch nur sehr beschränkt zu einem stabilen Kurs, da sie stark streut , sodass der ursprüngliche Kurs bereits nach wenigen Ablenkungen verlassen ist. Daher besitzen die meisten Tiere gut ausgebildete Mechanismen, um sich nach äußeren Merkmalen zu orientieren . Sobald die Umgebung eines Insekts so strukturiert ist, dass es seine Fortbewegungen rela-
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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Abb. 9-25: Prinzipder Bewegungsperzeption bei Insekten.A Fliege, aufeiner kleinen Plattform sitzend, umgeben von einem drehbaren Streifenzylinder. (Nach Mittelstaedt 1964) BWenn sich ein Helligkeitskontrast von Rezeptorelement a nach Rezeptorelement b bewegt, dann erzeugt er zunächst einen Erregungsverlauf in a (Kurve 1) und später einen gleichen Erregungsverlauf in b (Kurve 2). Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Erregungsverläufen hängt von der Bewegungsgeschwindigkeit ab. Die Erregung in leitung a wird um einen festen Betrag von ~ t zeitverzögert (Kurve 3), während die Erregung in leitung b unverzögert bleibt. Diese Erregungen werden nun in einem weiteren Schritt miteinander multipliziert (M) und führen zum Erregungsverlauf am Ausgang der Multiplikationseinheit (Kurve 4). Die Bewegungsgeschwindigkeit des Kontrasts ist im Beispiel so gewählt, dass der Zeitunterschied zwischen 1 und 2 genau der festen Verzögerung in leitung a entspricht, sodass die Erregungsverläufe in beiden leitungen zeitgleich vorliegen und das Multiplikationsergebnis (Kurve 4) deshalb maximal ist. Je geringer die Geschwindigkeit, desto später erscheint die Erregung in b und desto geringer istdas Multiplikationsergebnis (gestrichelte Zeitverläufe). Bei extrem geringer Geschwindigkeit ist das Multiplikationsergebnis im Modell Null, da die Signale in den beiden leitungen nicht mehr zeitlich koinzidieren. C Erfolgt dieBewegung in die entgegengesetzte Richtung von b nach a, dann ergibt sich keine zeitliche Koinzidenz der Signale in a und b. Inelektrophysiologischen Ableitungen aus den riesigen bewegungssensitiven interneuronen der lobula Platte bei Fliegen findet man dementsprechend nur ganz geringe Erregungen (Kurve 4). Der elementare Bewegungsdetektor arbeitet also richtungsabhängig . D, E Man nimmt einen symmetrischen Aufbau der Bewegungsdetektoren an, wobei die Multiplikationsergebnisse der beiden leitungen mitunterschiedlichem Vorzeichen additiv verrechnet werden. Es ergibt sich bei einer Bewegung von a nach b ein positives Signal (D) und bei einer Bewegung in Gegenrichtung ein Signal mit umgekehrten Vorzeichen (E).
tiv zu diesen Strukturen messen kann, äußert sich sitive Phonotaxis = Bewegung auf eine Schallquelle zu, dies in einer erhöhten Geradlinigkeit seiner Fort- Abb. 9-27) die spezielle Verhaltensweise gekennzeichnet bewegung. Dabei spielen das visuelle System, wird. Das Interesse an einer Weiterführung dieses BeSchwererezeptoren, Hörorgane und Windmessor- griffssystems hat heute stark nachgelassen , da es bei der Detailanalyse der Orientierungsmechanismen wenig hilfgane sowie Geruchsorgane eine wichtige Rolle. reich ist. Die Begriffe werden jedoch nach wie vor zur Bereits Loeb (1913) versuchte, ein Begriffssystem für die Beschreibung der beobachtbaren Orientierungsweisen zu entwickeln. Es wurde durch Kühn (1919) und Fraenkel u. Gunn (1961) weiterentwickelt und von Schöne (1980) zusammenfassend und kritisch diskutiert. Wichtige Grundbegriffe sind Tropismus (Ausrichtung eines sessilen Lebewesens zu einem Reiz), Kinesis (von einem Reiz abhängige Fortbewegungsgeschwindigkeit) und Taxis (durch Reize ausgelöste, gewöhnlich gerichtete Ortsveränderung), wobei mit entsprechenden Präfixen (z. B. po-
einfachen Kennzeichnung einer Orientierungsform verwendet.
9.5.2.1 Optomotorik Unter bestimmten Umständen kann die visuelle Umgebung so fein und gleichmäßig strukturiert sein, dass das Insekt zwar seine Dreh- oder Lineargeschwindigkeit relativ zu diesen Strukturen
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum
messen und korrigieren, aber kein einzelnes Strukturelement fixieren kann. Im Experiment wird diese Situation durch Streifenzylinder (Abb. 9-25) oder ähnliche Anordnungen simuliert. Wenn man einen Streifenzylinder mit senkrechten schwarzweißen Streifen um das Tier herumdreht und ihm auf diese Weise vortäuscht, es sei passiv verdreht worden, so dreht es sich mit den Streifen mit und kompensiert dadurch die Abweichung. Dieses Verhalten wird als optomotorische Reaktion bezeichnet. Es setzt voraus, dass das Insekt Bewegungen des visuellen Umfelds relativ zu seinen Augen ermitteln kann. Das Prinzip dieser Bewegungsperzeption beruht auf der Auflösung der kontinuierlichen Bewegung optischer Kontraste in eine sukzessive Erregung benachbarter Sehelemente des Auges. Die Grundeinheit für die Bewegungsperzeption besteht jeweils aus zwei Sehelementen, deren Erre gungen nach einem Verfahren verrechnet werden, das in der Technik als Autokorrelationsanalyse bekannt ist (Abb. 9-25). Bei dem Rüsselkäfer Chlorophanus viridis, bei dem Hassenstein (1951) und Reichardt dieses Prinzip entdeckten, sind es die Retinulazellen von zwei jeweils benachbarten bzw. übernächsten Ommatidien, deren Erregungen in dieser Weise verschaltet werden . Bei den neuralen Superpositionsaugen der Diptera sind es Retinulazellen des gleichen Ommatidiums, die Licht aus unterschiedlichen Richtungen empfangen (s. 11.4). Nach Vorverarbeitung wird die Information an die riesigen Tangenzialneurone der Lobula Platte übertragen (Abb.8-10). Die Entdeckung dieses Prinz ips der Bewegungsperzeption bei Insekten hat eine Fülle von neuroanatomischen und physiologischen Untersuchungen insbesondere bei Dipteren zur Folge gehabt. Das Prinzip ist von allgemeiner und grundlegender Bedeutung, da es auch für die Bewegungsperzeption bei Wirbeltieren zu gelten scheint. Die optomotorische Reaktion erlaubt es den Insekten zwar, innere oder äußere Störungen bis zu einem gewissen Grade zu kompensieren, aber noch nicht, eine Reizquelle zu lokalisieren oder einen bestimmten Kurs zu einer Landmarke einzuhalten, da eine Information über die Position einzelner Kontraste im System mit den Großfeldneuronen der Lobula Platte nicht vorhanden ist. Ein Fixieren einzelner Kontraste ist jedoch vermutlich mit bewegungssensitiven Kleinfeldneuronen der Medulla möglich .
9.5.2.2 Kursregelung mit Symmetrieeinstellung Wenn ein Insekt einen Reiz wahrnehmen kann, dessen Richtung bestimmbar ist, dann bewegt es
257
sich meist für kürzere oder längere Zeit geradlinig. Häufig werden Kurse gewählt, bei denen die Körperlängs achse mit der Reizrichtung übereinstimmt, die also auf einen Reiz zu oder von ihm weg führen . So kriechen z. B. Fliegenmaden von einer Lichtquelle weg (negative Phototaxis). Bienen, Stabheuschrecken und andere Insekten laufen auf einer geneigten oder senkrecht stehenden Fläche entgegen der Schwerkraft aufwärts (negative Geotaxis). Die Motivation für die Orientierung nach solchen raumstrukturierenden physikalischen Größen ist vielfach noch unklar. So ist bisher noch kein biologischer Sinn für die Eigenschaft nachtaktiver Insekten bekannt, auf Lichtquellen zuzufliegen. Man nutzt dieses Verhalten allerdings aus, um Lichtfallen zu konstruieren. Andere Reaktionen werden als Tests für die physiologische Analyse von Orientierungsleistungen verwendet. Für die Orientierung nach biogenen Signalquellen ist die Motivation des Insekts hingegen in der Regel gut bekannt. Solche Signale gehen von Futterpflanzen (s. Kap. 15), von Beute (s. 11.1.5.3 u. 16.1.2), von Fressfeinden (s. 11.1.5.2), Geschlechtspartnern oder Orten für die Eiablage aus. Aus der Vielzahl der bisher untersuchten Orientierungsweisen werden im Folgenden einige charakteristische Beispiele aus den verschiedenen Sinnessystemen dargestellt. Fluchtreaktionen
Insekten haben eine Fülle von Strategien zur Feindvermeidung entwickelt, darunter die schnelle Flucht. Eine Flucht erfolgt meist in die dem Feind abgewandte Richtung, wie z. B. bei fliegenden Grillen (s. 11.1.5.2) oder bei der Schabe Periplaneta americana, die in den tropischen Gebieten Süd- und Mittelamerikas häufig von der großen Aga-Kröte Bufo marinus gejagt wird. Nach einer kurzen Vorwärtsbewegung versucht die Kröte die Schabe mit ihrer vorschnellenden klebrigen Zunge zu treffen. In etwa 55 % der Fälle vermag die Schabedem Angriffder Kröte jedochzu entkommen. Sie bemerkt die Annäherung mit etwa 220 hochempfindlichen Fadenhaaren auf der Ventralseite jedes Cercus und reagiert bereits etwa 40 bis 50 ms nachdemsie den Luftzug der sich annähernden Kröte perzipiert hat mit einer Abwendung und rennt anschließend weg (Abb. 9-26 A). Die Richtung des Luftzugs wird durch eine besondere Anordnung der Fadenhaare auf den Cerci ermittelt. Bis auf die Anfangs- und Endsegmente trägt jedes der 19 Cercus-Segmente eine Reihe von neun, 0,5 bis I mm langen Fadenhaaren mit unterschiedlicher Richtcharakteristik (Abb. 9-26 B), sodass Wind aus jeder Richtung ein eindeutiges Aktivitätsmuster erzeugt. Die kurze Reaktionszeit wird durch eine besonders schnelle Signalübertragung vonder Sensorik zur Motorik gewährleistet: Die Axone der Windhaare werden im Terminalganglion auf drei dorsale und vier ventrale paarige Rieseninterneurone umgeschaltet (Abb. 9-26 D). Diese leiten die
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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Abb. 9·26: Fluchtreflex von Periplaneta americana. A Beispiel einer erfolgreichen Flucht, nach einem Hochgeschwindigkeitsfilm gezeichnet. Zeitabstand der Filmbilder: 16ms. 1,2,3 zeitlich entsprechende Positionen des Krötenvorderendes (links) und der Schabe (rechts). 2 dievorschnellende Zungewird gerade sichtbar. BVentralansichtderAbdomenspitze. Lage der 9 Fadenhaare auf je einem Segment mit der jeweiligen Windrichtung (Pfeile), die zu maximaler Erregung füh rt. C Signalweg beim Fluchtreflex. 0 Schematische Darstellung eines Querschnitts durch ein Abdominalganglion, in dem lediglich die Lage der Riesenfasern angegeben ist. (Nach Camhi 1983)
Signale aufgrund ihres großen Durchmessers besonders schnell und übertragen sie im Metath orak alganglion unmittelbar auf Mot oneurone der Beinmuskeln (Abb, 926 C) .
Schaben flüchten allerdin gs nicht immer exakt in die der Kröte abgewandte Richtung (Abb. 9-26 A). Auch beim Heimchen Acheta domesticus und beim Fluchtsprung von Heuschrecken findet man eine auffällige Streuung der Fluchtrichtungen. Sie ist möglicherweise der Ausdru ck eines Mechanismus, der eine exakte Vorhersage der Fluchtrichtung durch den Räuber verhindert. So lässt bei manchen Nacht schmetterlingen die Fluchtrichtun g vor einer jagenden Fledermaus sogar jede Richtungsbeziehung zur Fledermaus vermissen (s. 11.1.5.2). Der südamerikanische Zipfelfalter Thecla togarna ist mit auffälligen, augen- und fühlerähnlichen Strukturen am Hinterende ausgestattet. Er dreht sich beim Niedersetzen blitzschnell um
seine Hochachse, sodass das Hint erende mit dem falschen Kopf in die vorherige Flugrichtung weist (Curio 1965). Beim Start fliegt er jedoch in die entgegensetzte Richtung ab, die für einen visuell jagenden Räub er unerwartet ist (s. Abb. 17-5 M, N).
Die Fortbewegungsrichtung bei der akti ven Annäherung an Signalquellen ist dagegen meist wesentlich genauer geregelt. Akustische Orientierung Eine Orientierung in die Richtung einer Schallquelle (positive Phonotaxis) findet man bei Insekten sehr häufig im Konte xt der Geschlechterfindun g, wobei die Schallsignale entweder von einem oder von beiden Geschlechtern erzeugt werden können. Manchmal ist der Schall ein bloßes Nebenprodukt, wie der Flugton von Mückenweib-
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Abb. 9-27: Phonotaxis bei Grillen und laubheuschrecken. A Lokomotionskompensator. (Nach Kramer 1975) Eine Kugel von 50 cm Durchmesser wird motorisch so entgegen der Laufrichtung des TIers gedreht, dass dieses sich zwar frei bewegen kann, aber stets aufdem jeweils obersten Punkt der Kugel bleibt. Aus den Gegendrehungen der Kugel wird die tatsächliche Laufspur mithoher Genauigkeit rekonstruiert. IK Infrarot-Abtastkamera für die Positionsbestimmung des Insekts. AB Abtastbereich der Kamera. L Lautsprecher. M1, M2 unter 90° zueinander angeordnete Motoren mit Reibrädern. Tx, Ty Messräder fürdie Kugeldrehung in x- und y-Richtung. R Rahmen. K Kugel-Gegenlager. B Laufspur eines Grillenweibchens (Gry/lus campestris) bei Beschallung mit dem Lockgesang eines arteigenen Männchens (Einschub). Aufzeichnung miteinem Lokomotionskompensator. Versuchsdauer: 20rnin , Die Position der Schallquelle wechselte nach einiger Zeit jeweils um 90°. (Nach Schmitz et al. 1982) C Richtcharakteristik der Gehörorgane von Grillenweibchen (Gry/lus campestris). Aufgetragen ist die relative Empfindlichkeit des rechten (Kreise) und linken Gehörorgans (Punkte) in Abhängigkeit von der Richtung, aus der das Tier beschallt wird. Die Messungen sind bezogen auf die Empfindlichkeit bei Beschallung von vorn, die auf 0 dB gesetzt wird. Negative Werte: geringere Empfindlichkeit. Mittelwerte aus Messungen am Hörnerven von 8 Tieren. (Nach Messungen von Löhe u. Kleindienst 1994) 0 Phonotaxis eines Laubheuschreckenmännchens (Poecilimon affinis). Untere Spuren: Auftreten des Männchengesangs und der Weibchenantwort. Die Schallquelle lag bei 65°. Mittlere Spur: Momentane Laufgeschwindigkeit des Männchens. Obere Spur: Laufrichtung des Männchens. Während der Laufstops und bei sehr langsamem Lauf fehlen die Punkte, dadie Laufrichtung dann unbestimmt ist. Die senkrechten Linien verdeutlichen den zeitlichen Bezug zwischen den Laufstopps und den Wechseln der Laufrichtung (siehe Text). Die Werte fürdie Laufgeschwindigkeit und die Laufrichtung wurden alle 0,2 s bestimmt. Rechts: räumlicher Bezug der Laufrichtung zur Schallquelle. Die Punkte liegen an denjenigen Stellen gehäuft, an denen sich die Laufrichtung ändert. Hier stoppen die Tiere. (Nach v. Helversen u. Wendler 2000, verändert)
chen, der schwärmenden Mückenmännchen als Signal dient, das sie mithilfe ihres Johnstonschen Organs an der Antennenbasis erfassen. In den meisten Fällen wird der Schall jedoch als Signal mithilfe spezieller Strukturen erzeugt. Eine Schallorientierung ist auch ohne unmittelbare Sicht der Signalquelle, in unübersichtlicher Vegetation und im Dunkeln möglich. Entsprechend findet man Phonotaxis vorzugsweise bei Insekten, die in dichter Vegetation wie auf Wiesen oder in Baumkronen leben oder dämmerungs- und nachtaktiv sind. Hierzu gehören insbesondere Zikaden, Heuschrecken und Grillen . Je nachdem ob eines der beiden Geschlechter oder beide Schall produzieren, ob die Ortung kontinuierlich oder nur in bestimmten Intervallen erfolgen kann und
ob das Männchen oder das Weibchen den Suchlauf durchführt, ergeben sich recht unterschiedliche Orientierungsabläufe, von denen im folgenden zwei dargestellt sind. Bei den nahe verwandten Grillenarten Gryllus campestris und G. bimaculatus erzeugt das Männchen mit den Vorderflügeln einen Lockgesang . Er besteht aus Versen, die etwa dreimal pro Sekunde aufeinanderfolgen. Jeder Vers besteht aus drei bis vier Silben, jeweils 15 bis 20 ms dauernden Schallpulsen von 4,5 bis 5 kHz (Abb. 9-27 B). Paarungsbereite Weibchen laufen auf diese Signalquelle zu. Der Gesang reicht als alleinige Orientierungshilfe aus, wie Regen bereits 1913 in Versuchen mit telephonischer Übertragung des Lockgesangs bewiesen hat und wie auf einem Lokomotionskorn-
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
pensator in Versuchen mit variierter Position des Lautsprechers quantitativ gezeigt werden konnte (Abb. 9-27 A, B). Die Bestimmung der SchalleinfaUsrichtung erfolgt durch die beiden Gehörorgane, die bei Grillen in den Vorderbeinen hinter einem Tympanum auf der Tibia- Hinterseite liegen (Abb. 11-16 B). Der Schall trifft nicht nur von außen auf das Tympanum, sondern erreicht auf einem längeren Weg durch die prothorakalen Spirakel und schallleitenden Tracheen auch die Innenseite des Tympanums. Dies führt zu einer bestimmten Richtcharakteristik jedes Gehörorgans: es reagiert je nach der Richtung des einfallenden Schalls unterschiedlich stark (Abb. 9-27 C). Diese Richtcharakteristik des Einzelohrs reicht nicht allein zur Richtungsbestimmung aus, da die Erregung zusätzlich von der Lautstärke abhängt. Diese Lautstärkenabhängigkeit wird jedoch unwirksam, weil die Grillen die Richtung der Schallquelle durch einen Vergleich der Erregungen beider Gehörorgane ermitteln. Befindet sich die Schallquelle vor dem Tier, werden beide Gehörorgane gleich stark erregt. Die Differenz der Erregungen ist Null, und die Grille läuft geradeaus. Je weiter seitlich sich die Schallquelle befindet, desto größer wird der Differenzbetrag (Abb. 9-27 C) und desto schneller dreht sich die Grille in die Richtung der Schallquelle. Nach einem Maximum bei 900 nimmt der Betrag der Differenz wieder ab und ist bei 1800 Null . Dieser Kurs mit hinten liegender Schallquelle ist jedoch nicht stabil, da jede zufällige Wendung der Grille zu einer Drehung in die Nullrichtung führt. Das Weibchen wird durch diesen Regelmechanismus automatisch zu dem singenden Männchen hingeführt. Es läuft allerdings nicht geradlinig und stetig, sondern oszilliert um einen mittleren Kurs. Es handelt sich dabei vermutlich um eine Regelschwingung. Ganz andere Bedingungen für die Ortung des Geschlechtspartners findet man bei manchen Laubheuschrecken, bei denen die Weibchen mit extrem kurzen Klicklauten auf den Vers des Männchens antworten. Anders als bei Grillen ist es hier das Männchen, das auf das Weibchen zuläuft. Bei Poecilimon affinis stoppt das Männchen alle 4 bis 5 s und singt jeweils einen Vers. Wenn es die Weibchenantwort etwa nach 50 bis 150 ms hört, noch innerhalb der Laufpause, dann dreht es sich in die Richtung der Antwort und erhöht seine Laufgeschwindigkeit (Abb. 9-27 D) . Das Männchen kann das Weibchen also nur einmal pro 4-5 s orten, während das Grillenweibchen (s.o .) sein Männchen nahezu kontinuierlich hört. Wenn die visuelle Umgebung wenig strukturiert ist, drehen sich die Poecilimon-Männchen oft über die richtige Richtung hinaus, drehen nach der nächsten Ortung wieder zu weit zurück usw.. Dies
führt zu einer Laufspur, die aus Kreisbögen zusammengesetzt ist (Abb. 9-27 D). Bleibt die Antwort des Weibchens aus, ist die Laufgeschwindigkeit gering, und die Stopps werden unregelmäßiger. Die Laufgeschwindigkeit, die Regelmäßigkeit und die Frequenz der Stopps können als Maß für die Motivation des Männchens dienen. Dieakustische Kommunikation wirdnichtnur vonarteigenen Individuen zur Partnerfindung benutzt. Sie dient auch parasitierenden Arten als Wegweiser, wie z.B. bei Fliegen (s. 11.1.5.3) oder Wespen, die auf Grillen und Heuschrecken parasitieren. Eine Reihe von Fressfeinden wie Vögel nutzen ebenfalls die innerartliehen Kommunikationssignale von Insekten. Vibrationsorientierung Auch die Orientierung nach Vibrationsreizen kann ohne unmittelbare Sicht der Quelle stattfinden. Die Erzeugung von Vibrationen im Dienste der Geschlechterfindung durch Schlagen von Beinen, vom Kopf oder Abdomen auf die Unterlage ist bei Plecoptera, Coleoptera, Psocoptera, Isoptera, Orthoptera und Hymenoptera weit verbreitet (s. 11.1.4 .5, Bailey 1991). Bei einigen Steinfliegen (Plecoptera) finden die Männchenden Weg zu paarungsbereiten Weibchen nach einem ähnlichen Mechanismus wie bei Poecilimon. Die Kommunikation erfolgt jedoch vibratorisch. Die Männchen trommeln, indemsie mit dem Abdomenende rhythmisch gegen die Unterlage - eine Pflanze - schlagen. Der Rhythmus ist artspezifisch. Unbegattete Weibchen antworten mit Trommeln. Bei Per/a marginata bleibt das Weibchen am Ort, während das Männchen, vom Antworttrommeln des Weibchens geleitet, mithilfe der Subgenualorgane in den Beinen die richtigen Abzweigungen auf der Pflanze findet (Rupprecht 1968). Orientierung anhand von Wasserwellen Oberflächenwellen breiten sich auf dem Wasser mit so geringer Geschwindigkeit aus (s. 11.104.5), dass Insekten die Richtung der Reizquelle aus der Reihenfolge ermitteln können, in der Vibrationsrezeptoren der Beine erregt werden. Wasserwellen werden sowohl zur innerartliehen Kommunikation verwendet, als auch zum Beutefang. So kann der Rückenschwimmer Notonecta, mit dem Rücken nach unten unter der Wasseroberfläche hängend, eine auf der Wasseroberfläche zappelnde Beute mit hoher Genauigkeit orten (Abb. 9-28). Visuelle Zielorientierung Die visuelle Orientierung ist ein essentieller Bestandteil vieler Verhaltensweisen. Sie kann ein Insekt über größere Entfernung zum Ziel führen , schließt sich aber auch oft an die Fernorientierung nach anderen Signalquellen an, sei es an eine
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum
akustische, vibratorische oder olfaktorische Orientierung. So werden blütenbesuchende Insekten wie z. B. Bienen im Nahbereich durch die Saftmale mancher Blüten an das Ziel geleitet (s. Kap. 10). Zu den Beispielen mit visueller Fernorientierung (Insektenwanderungen siehe weiter unten) gehören neben Leuchtkäfern (s. 18.2) eine Reihe flugfähiger Insektenarten, die auf der Wasseroberfläche, im Wasser oder im Feuchtbiotop leben. Letztere werden bei ihren Verbreitungsflügen von Wasserflächen angezogen, auf denen sie landen. Neben dem polarisierten Himmelslicht, das z. B. Bienen und Ameisen für ihre Orientierung nutzen, sind solche Wasserflächen die einzigen größeren Quellen polarisierten Lichts in natürlicher Umgebung. Die Polarisation entsteht bei der Reflexion des hellen Himmels und der Sonne auf der Wasseroberfl äche, Die Schwingungsrichtung des reflektierten Lichts ist für Tiere, die über dem Wasser fliegen , stets horizontal. Da auch Glasscheiben das Licht bei der Reflexion polarisieren, lassen sich Insekten, die sonst von Wasserflächen angezogen werden, durch ausgelegte Glasscheiben fangen. Hierzu gehören unter den Wanzen (Heteroptera) im Wasser lebende Ruderwanzen (Corixidae), Rückenschwimmer (Notonectidae), Zwergrückenschwimmer (Pleidae) und auf dem Wasser lebende Wasserläufer (Gerridae), unter den Käfern (Coleoptera) Wasserkäfer (Hydrophilidae) und Schwimmkäfer (Dytiscidae) (Schwind 1985) . Beim Rückenschwimmer Notonecta glauca sind das Anflugverhalten und die Anpassungen des Auges genauer untersucht. Beim Flug über einer Wasserfläche richten die Rückenschwimmer ihre Körperlängsachse zunächst auf und verlangsamen den Flug. Danach kippen sie nach vorn, spreizen die Ruderbeine seitlich ab und lassen sich, Kopf voran, ins Wasser fallen. Sie besitzen im ventralen Augenbereicheine spezialisierte Region, mit der sie horizontal polarisiertes Licht im UV-Bereich wahrnehmen können (Schwind 1991). Einen Sonderfall stellt der Prachtkäfer Melanophi/a acuminata dar, der mithilfe seiner Tnfrarotsinnesorgane an den Mittelbeincoxen Waldbrände auf weite Entfernungen präzise anfliegt und seine Eier in verkohlte Baumstämme ablegt. Die Infrarotsinnesorgane reagieren auf die von Waldbränden ausgehenden Wärmestrahlen. Bei den Rezeptoren handelt es sich jedoch nicht um spezialisiertePhotorezeptoren sondern um abgewandelte Mechanorezeptoren (Vondran et al. 1995). Auch für die visuelle Nahorientierung ist eine Reihe von morphologischen und physiologischen Anpassungen bekannt. Paarungsbereite Männchen mehrerer Fliegenarten wie Calliphora erythrocephala und Musca domestica verfolgen jede Fliege, die im Abstand von etwa 10-20 cm vorbeifliegt (Abb. 9-27 A). Sie fixieren das verfolgte Tier im frontodorsalen Sehfeld. Wenn das Männchen sein Ziel erreicht und wenn es sich dabei um ein Weibchen handelt, so versucht es zu kopu-
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Abb. 9-28: Wendereaktion von Rückenschwimmern (Notoneeta undulata) zur Beute. Die Beute bestand in einer Drosophila, diein weniger als 5 cm Entfernung aufdem Wasser zappelte. Messungen von drei Notoneeta-Individuen. (Nach Murphy und Mendenhall 1973)
lieren. Die Erkennung des Geschlechts erfolgt wahrscheinlich unmittelbar beim Kontakt durch kutikulär gebundene Pheromone. Bei Dipteren mit diesem Verfolgungsverhalten wurden beim Männchen spezielle Differenzierungen im frontodorsalen Augenbereich gefunden, in dem das verfolgte Tier fixiert wird. Es handelt sich um einen Bereich mit besonders großen Facettendurchmessern und geringen Ommatidien-Divergenzwinkeln. Diese Strukturen erhöhen das räumliche Auflösungsvermögen und die Lichtempfindlichkeit. Ferner kennt man bisher neun visuelle Interneuronen in der Lobula, die in dieser Größe ebenfalls nur bei Männchen vorkommen. Diese Interneuronen haben ihr rezeptives Feld (derjenige Teil des Sehfelds, in dem ein bewegter schwarzer Punkt zu einer Erregung des Neurons führt) meist in dem gleichen Bereich, in dem das Männchen das verfolgte Tier während der rasanten Verfolgungsjagd fixiert (Abb. 9-29 B). Das rezeptive Feld ragt weit über die Mittellinie in den kontralateralen Bereich hinein, sodass ein binokularer Überlappungsbereich entsteht.
Olfaktorische Orientierung Insekten orientieren sich nach vielfältigen Duftquellen wie z. B. einer Wirtspflanze, nach Aas oder einem mit Pheromon lockenden Weibchen (s. 11.3). In der Nähe der Duftquelle und bei Windstille kann sich ein Insekt im Prinzip am Konzentrationsgradienten orientieren, der durch die Diffusionsgeschwindigkeit der flüchtigen Substanz
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
A
Abb. 9·29: Verfolgungsjagd bei Fliegen. A Stereoskopbild einer Verfolgungsjagd bei Musca domestica. Das verfolgende Männchen ist durch leere, das verfolgte Weibchen durch gefüllte Kreise gekennzeichnet. Kreise: Kopf; Striche: Körperlängsachse. Zeitabstand der Tierpositionen: 10ms. Die Zahlen geben die jeweilige Position alle 100 ms an. Das Männchen saß zunächst an der Wand. Nach dem Start unterflog es das Weibchen und trafes von unten. Danach flog es eine weite Kurve und trafdas Weibchen ein zweites Mal. (Nach Wagner 1985) Um die Bewegungen dreidimensional zu sehen, kann man die zwei Einzelbilder dicht vor die Augen bringen, bis die Nasenspitze auf die Skalierung 5 cm stößt. Man starrt geradeaus, als würde man durch das Buch hindurchblicken und entfernt das Buch nun langsam bis in die normale Leseentfernung. Währenddessen sollten statt der zwei Einzelbilder drei sichtbar werden. Wenn man sich aufdas mittlere konzentriert und gleichzeitig das Starren in die Ferne beibehält, wird sich bald die Tiefenwahrnehmung entwickeln. B Teilansicht eines Frontalschnitts durch das Hirn eines Fliegenmännchens ((al/iphora erythrocephala, s.a. Abb. 8-11). MLGl ("male lobula qiant") - ein bei Männchen vorkommendes visuelles Interneuron der Lobula. Die gestrichelten Pfeile weisen aufdas rezeptive Feld des linken MLG 1. Je dunkler die Fläche, umso stärker die lokale Empfindlichkeit. Schwarze Fläche - über 90% der maximalen Empfindlichkeit. Der Kopf der Fliege befindet sich im Zentrum der Kugel und ist aufden Betrachter gerichtet. Eckige Struktur - nach Filmaufnahmen von Wagner berechneter Bereich des Sehfelds, in dem die verfolgte Fliege während 75% der Verfolgungszeit fixiert wird. (Nach Wachenfeld 1994)
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum
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Abb. 9-30: Olfaktorische Orientierung bei Schmetterlingen. A Typische Flüge beim Tabakschwärmer Manduca sexta. Das Weibchen flog gegen eine Duftquelle in Form eines frisch geschnittenen Tabakblatts, das Männchen gegen eine Duftquelle mit dem Pheromon des Weibchens. (Nach Willis und Arbas 1991) B Schematische Darstellung der Verteilung des Pheromons, das von einem lockenden Schmetterlingsweibchen abgegeben wird, sowie der Flugbahn eines anfliegenden Männchens. Wenn das Männchen einen duftführenden Bereich der Luft durchflogen hat, dreht es unmittelbar anschließend stets gegen den Wind (verdickte, pfeilförmige Abschnitte der Flugbahn). (Nach Kaißling und Kramer 1990) C Prinzip der optomotorischen Anemotaxis. Der Schwärmer fliegt zunächstschräg zum Wind und erfährt deshalb eine Seitwärtsdrift, die seine Geschwindigkeit über Grund verringert und die zu einer Veränderung seiner Flugrichtung über Grund um den Driftwinkel a führt. Er erkennt die Drift visuell an der Querkomponente der Untergrundbewegung. Um gegen den Wind zu fliegen, muss er sich lediglich so drehen, dass diese Querkomponente zu Null wird.
bestimmt wird. Im Nahbereich dominiert allerdings meist die visuelle Orientierung über die olfaktori sche. Für die Duftausbreitung über größere Distanzen sind die weit höheren Geschwindigkeiten von Luftströmungen und die Turbulenzen der Luft bestimmend . Relativ kleine Duftquellen wie die Pheromondrüse eines Schmetterlingsweibchens erzeugen einen Duftfaden, der durch Turbulenzen verwirbelt wird, wobei Teile des Fadens verengt werden (Abb. 9-30 B) und so eigenständige Duftpakete bilden. Mit zunehmender Entfernung verbreitert sich zudem der Bereich, in dem sich der Duftfaden und die Duftpakete befinden (s. Abb. 21-9). Die Duftpakete enthalten keine Information über die Position der Duftquelle. Eine Information hierüber erhält das Insekt jedoch anhand der Windrichtung, da der Duft mit der Luft-
strömung mitgetragen wird. Die Duftquelle muss deshalb stets windaufwärts liegen. Die olfaktorische Fernorientierung beinhaltet daher zwei Komponenten: Durch den Duft wird ein richtungsunabhängiges Suchverhalten ausgelöst. Die Suchrichtung wird durch die Windrichtung bestimmt (Anemotaxi s, Abb. 11-9). Ein Insekt, das sich auf festem Grund befindet, kann die Windrichtung mithilfe seiner Luftströmungssinnesorgane messen (s. 11.1.4.4). Im Flug kann dieses Prinzip allerdings nicht funktionieren , da das Insekt mit der Luftströmung mitgetragen wird. Seine Luftströmungssinnesorgane messen deshalb lediglich die Relativgeschwindigkeit gegenüber der umgebenden Luft, nicht aber die Richtung der Luftströmung gegenüber Grund. Wie ermittelt ein fliegendes Insekt die Windrich-
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
paralleles Sonnenlicht
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tung über Grund? Versuche an einer Reihe von Schmetterlingsarten haben gezeigt, dass diese Richtung indirekt mithilfe der Augen gemessen wird. Man nennt eine derartige Orientierung deshalb optomotorische Anemotaxis. Auf diese Weise kann jede windbedingte Seitwärtsverdriftung festgestellt werden. Um windaufwärts zu fliegen, muss sich das Tier lediglich so drehen, dass die visuell gemessene Seitwärtsdrift Null wird (Abb.9-30 C). Schmetterlinge fliegen allerdings nicht geradlinig, sondern im Zick-Zack-Kurs auf eine Duftquelle zu (Abb. 930 A). Ihr Anflugverhalten besteht aus mehreren Komponenten . Sobald das Tier ein Duftpaket durchfliegt, wendet es sich windaufwärts (Abb. 9-30 B). Wenn die Antennen keinen weiteren Duftpuls erhalten , mäandert das Tier nach einem inneren Programm in weiten Schleifen quer zur Windrichtung hin und her ("casting "). Trifft es auf ein weiteres Duftpaket. dreht es sofort gegen den Wind, also früher als nach dem inneren Programm zu erwarten wäre. Auf diese Weise kann das Tier innerhalb desjenigen Bereichs bleiben, in dem sich der Duft befindet. Der Bereich verengt sich, je näher es dem Ziel kommt. Dieses Verhalten führt mit Sicherheit zum Ziel. Es ist sehr gut an die Verwirbelung des Duftfadens angepasst, denn die Orientierung ist immer dann besonders gut, wenn der Duft nicht kontinuierlich, sondern in Form kurzdauernder Pulse angeboten wird. Hierzu passt, dass bereits die Riechzellen als erste Glieder der tierinternen Signalkette bei dieser Art der Reizung maximal erregt werden.
9.5.2.3 Regelung beliebiger Kurse Menotaxis Die Eroberung unzähliger Lebensräume und die unglaubliche Fülle von Verhaltensweisen wären nicht möglich, wenn Insekten sich nur symmetrisch zu Reizquellen einstellen könnten, also in Richtung eines Helligkeitsschwerpunkts, eines Ge-
Abb. 9-31: Menotaktische Orientierung einer Ameise auf dem Heimweg zum Nest. Das Tier bewegte sich so, dass es die Sonne stets auf seiner linken Seite sah. Der Nachweis erfolgte durch Spiegel, die für jeweils kurze Zeit so aufgestellt waren, dass dieAmeise die Sonne in dieser Zeit aus der entgegengesetzten Richtung sah, während die Sonne selbst verdeckt war. Beim ersten Spiegel drehte dieAmeise rechtsherum, beim zweiten linksherum, beim dritten wieder rechtsherum und erreichte damit, dass sie die Sonne wiederum auf der linken Seite sah. Nach Wegnahme des Spiegels drehte sie wieder in die ursprüngliche Laufrichtung. (Nach Santschi 1911)
genstands oder sich auf geneigten Flächen nur in Lotrichtung fortbewegen könnten. Die Stubenfliege, die sich offensichtlich frei im Raum bewegt, oder eine in beliebiger Richtung zur Sonne über den Weg kriechende Schmetterlingsraupe belehren uns eines besseren. Totengräber oder Laufkäfer laufen oft (Abb. ll-9), aber nicht immer windabwärts, sondern können jeden beliebigen Winkel zum Wind einnehmen. Die Frage, ob sie sich dabei weiterhin am Reiz orientieren, ihren Kurs also regeln, oder ob sie diese Regelung ausschalten und sich stattdessen idiothetisch orientieren, ist für Ameisen durch das klassische Spiegelexperiment von Santschi beantwortet worden. Santschi täuschte auf dem Heimweg befindlichen Ameisen durch vorübergehendes Aufstellen eines Spiegels einen falschen Sonnenstand vor. Sie drehten sich sofort in eine neue Richtung, durch die sie den vorherigen Kurs zur Sonne wiederherstellten (Abb.9-3l) . Die Tiere schalten ihren Orientierungsregelkreis also nicht ab , d . h . sie orientieren sich nach wie vor an dem Reiz, können jedoch jede beliebige Richtung einhalten. Diese Orientierung wird Menotaxis genannt. Für diese Leistungen reichen die bisher besprochenen Mechanismen zur symmetrischen Ausrichtung der Körperlängsachse bzw. der Fortbewegungsrichtung zur Reizquelle nicht aus. Liegen strukturelle Spezialisierungen wie bei den Augen männlicher Fliegen vor, (siehe Abschnitt visuelle Zielorientierung) , die keine starken Richtungsabweichungen erlauben , dann wird der betreffende Orientierungsmechanismus vorwiegend in ganz beschränkten Verhaltenszusammenhängen verwendet. Für andere, flexibler organisierte Systeme wie die Kursregelung nach Lichtquellen, Schwerkraft oder Schall, für die näherungsweise sinusförmige Kennlinien gelten, sind Mechanismen diskutiert worden, die Abweichungen von der Symmetrieeinstellung ermöglichen. Im einfachsten Fall überlagert das Tier ein internes Drehkommando den eintreffenden Sinnesmeldungen. Diese so genannte Führungsgröße bewirkt, dass ein anderer Kurs eingeregelt
9.5 Orientierung der Fortbewegu ng im Raum
265
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Abb. 9·32: Vektornavigat ion bei der Wüst enameise Cataglyphis fortis. A Suchlauf bis zum Beutefang und Rücklauf zum
Nest. Die Punkte sind Zeitmarken im Abstand von 1 min. B Cataglyphis in typischer Laufhaltung während der Beutesuche. C Polarisationsmuster des Himmels bei einer Sonnenhöhe von 60°. Die Richtung eines Balkens entspricht der Polarisationsrichtung des Himmelslichts an dieser Stelle. Der Zenit ist durch den Kreis in derMitte, die Sonne durch den schwarzen Punkt markiert. D Prinzip der Vektoraddition. Gestrichelte Pfeile: resultierende Vektoren nach den Teilstrecken 5 und 6. Nach Teilstrecke 8 ist der zu diesem Zeitpunkt vorliegende Heimvektor gezeichnet. E Versetzungsexperiment bei Cataglyphis albicans. Punkte: Zeitmarken im Abstand von 10 s. N Nest; N' erwartete Nestposition bei Vektornavigation. (Kombiniert nach Wehner 1982 und 1994)
wird. Als Konsequenz einer derartigen additiven Sollwertverstellung wird der Kurs allerdings umso instabiler, je weiter er von 0° oder 180° abweicht. Er geht schließlich in Schleifenläufe über. Solche Schleifenläufe sind tatsächlich seit langer Zeit von Insekten bekannt. In der Mehrzahl der Fälle sind menotakti sche Läufe jed och mehr oder weniger geradlinig und können deshalb nicht durch eine additive Sollwertverstellung erklärt werden. Mittel staedt (1978) hat mit der Bikomponententheorie eine Lösung für dieses Problem entwickelt. Sie geht davon aus, dass das Insekt den Sinus und den Cosinus des Winkels zur Reizquelle ermitteln kann und die Führungsgröße nach Maßgabe eines Additionstheorems aufschaltet. Zentralnervöse Mechan ismen für diese Orientierun gsleistung sind bisher weitgehend unbek annt.
Vektornavigation bei Ameisen Die Fähigkeit , jeden beliebigen Kurs relativ zu einem Reiz einzuschlagen und zu regeln, wird bei komplexeren Orientierungsleistungen als wichtiger Baustein eingesetzt , z. B. bei der Heimorientierung
von Wüstenameisen der Gattung Cataglyphis. Diese Ameisen jagen mit Geschwindigkeiten von bis zu 1 mls über die strukturarmen Böden ihrer Wüstenh abitate in Nordafrika, dem Orient und Zentralasien. Sie können sich bei ihrer Beutesuche auf gewundenen Pfaden bis 200 m (das ist das zwanzigtausendfache ihrer Körperl änge) von ihrem nur auf kur ze Entfernung sichtbaren Nest entfernen und kehren dann auf dem kür zesten Weg mit der Beute zum Nest zurück (Abb. 9-32 A). Sie haben die Fähigkeit, auf dem Hinweg Richtung und Länge jede s einzelnen Wegstückes zu messen und vektoriell zu addieren (Abb. 9-32 D). Wehner konnte zeigen, dass Cataglyphis ebenso wie die Honigbi enen - spezialisierte Rezept oren in der dorsalen Randregion der Komplexaugen besitzen, mit denen sie ihre Laufrichtung zum Polarisat ionsmuster des Himmels messen. Die Laufstrecken erm itteln sie in erster Linie anh and ihrer Beinbewegungen und weniger an hand der Summe der gesehenen visuellen Kontras-
266
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
te, wie dies bei fliegenden Bienen der Fall ist (S. 267). Beim Laufen über geneigte Flächen geht die Projektion der Laufstrecke auf die Horizontale in die Streckenermittlung ein , nicht aber die tatsächliche Laufstrecke (Wohlgemuth et al. 2001) . Mithilfe dieses Vektorintegrationsmechanismus sind sie zu jedem Zeitpunkt über ihren Standort relativ zum Ausgangspunkt informiert. Um zum Nest zurückzukehren, müssen sie lediglich menotaktisch der umgekehrten Richtung folgen, die ihnen der resultierende Vektor vom Hinweg vorgibt, und die richtige Entfernung laufen. Es ist charakteristisch für diese Vektornavigation, dass keinerlei Ortserfahrung erforderlichund das Ziel nicht in einemerdfesten Koordinatensystemim Tier repräsentiert ist, sondern in seiner relativen Lage zum Tier. Versetzungsexperimente belegen, dass Cataglyphis sich tatsächlich nach dem Prinzip der Vektornavigation orientiert (Abb. 9-32 E). Würden die Tiere eine Ortserfahrung benutzen, um den Rückweg zu finden, oder hätten siedas Ziel in einem erdfesten Koordinatensystem gespeichert, dann müssten sie in Richtung des wirklichen Nests laufen. Sie laufen jedoch paral1el zur ursprünglichen Heimrichtung und beginnen in der richtigen Entfernung mit der Suche nach dem Nesteingang.
Transposition Die bei Insekten weit verbreitete Fähigkeit zum Transponieren wurde bei Experimenten zur Menotaxis entdeckt, in denen man während eines menotaktischen Laufs eine Reizmodalität durch eine andere ersetzte: läuft ein Insekt z. B. auf horizontaler Ebene einen konstanten Kurs zu einer Lichtquelle (Photomenotaxis), so kann es diesen Kurs in das Schwerefeld transponieren, wenn man das Licht löscht und die Lauffiäche gegen die Horizontale kippt. So hält ein Marienkäfer, der auf horizontaler Ebene im Winkel von z. B. 20° links zur Lichtquelle läuft, im Dunkeln einen Kurs von ebenfalls 20° zur Lotrichtung ein . Interessanterweise ist diese Transposition insofern nicht eindeutig, als er sowohl 20° nach oben rechts als auch 20° nach unten links laufen kann. Köcherfliegen transponieren ebenfalls zweideutig, jedoch nicht im Winkelverhältnis 1:1, sondern 3:2 (Abb. 9-33). Ameisen transponieren ihren optischen Kurs sogar vierdeutig in das Schwerefeld. Bei Bienen, die
Kippung um 90°
diese Fähigkeit zur Kommunikation im Bienentanz benutzen, ist diese Zuordnung im Sinne der verlässlichen Nachrichtenübertragung eindeutig (Abb. 9-36) .
Orientierung nach Landmarken Es ist schon lange bekannt, dass Bienen sich auf die Unterscheidung bestimmter Figuren dressieren lassen. In geeigneten Apparaturen lassen sich solche Leistungen aber auch bei anderen Insekten nachweisen. So kann man Taufliegen (Drosophila) darauf dressieren, z. B. auf ein T zuzufliegen und ein auf den Kopf gestelltes T zu meiden (Abb. 106). Diese Leistungen stehen in engem Zusammenhang mit einer Art Selbstdressur, die insbesondere dann nachzuweisen ist, wenn es um das Wiederauffinden von Nestern oder von bestimmten Laufoder Flugwegen geht. Neu ausfliegende Wespen prägen sich die Umgebung des Nests ein, indem sie sich, Kopf immer in Nestrichtung, rückwärts in immer weiteren Halbkreisen vom Nest entfernen. Bienen verwenden bei bewölktem Himmel Landmarken zur Orientierung. Auch nicht soziale Insekten können Landmarken zur Orientierung verwenden. Bienenwölfe (Philanthus triangulum, Sphecidae, Grabwespen) bauen ein tief in den Sandboden führendes Brutnest mit mehreren Kammern, die mehrere gelähmte Bienen und ein Ei enthalten. Wenn sie zu einem neuen Raubzug vom Nest abfliegen, führen die Bienenwölfe zunächst einen Orientierungsflug aus, in dem sie sich die Umgebung des unauffälligen Eingangs einprägen. Diese Orientierungsflüge sind besonders auffällig, wenn das Nest noch neu ist oder sich etwas in der Umgebung geändert hat. Wie Tinbergen nachweisen konnte, lassen Bienenwölfe sich bei der Rückkehr mit einer erbeuteten Biene von den inzwischen versetzten Landmarken verleiten (Abb. 9-34) und finden den Nesteingang nach längerem Suchen eher zufällig.
Informationsübermittlung zwischen Individuen: der Bienentanz Honigbienen (Apis mellifera) setzen viele der oben erwähnten Fähigkeiten als Bausteine bei der Nahrungssuche und bei der Kommunikation mit Stockgenossinnen ein. Sie können sich die Flugrichtung vom Stock zur Futterquelle nach dem Abb. 9-33: Zweideutiges Transponieren bei Köcherfliegen (limnophilus decipiens, L. subcentralis, L. f1avicornis). Pfeile: Laufrichtung des Tiers. Links: menotaktischer Lichtkurs auf horizontaler Ebene. Rechts: die beiden möglichen Laufrichtungen im Dunkeln aufvertikaler Fläche. Die Winkel a:ß verhalten sich bei den Köcherfliegen wie 3:2. (Nach Angaben von Jander 1960)
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum
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Abb. 9-34: Orientierung nach Landmarken am Beispiel des Bienenwolfs Philanthus triangulum. A Das Nest ist mit Kiefernzapfen markiert, die einen Kreis von etwa 20 cm Durchmesser bilden. Der Bienenwolf prägt sich beim Abflug die Nestumgebung in einem Orientierungsflug ein. B Beim Rückflug mit der Beute sucht er den Nesteingang in der Mitte des Zapfenrings, der zwischenzeitlich verstellt wurde. (Nach Tinbergen 1961)
Sonnenazimut, nach dem Polarisationsmuster des langsam vorwärts oder machen maximal zwei Himmels oder nach Landmarken merken. Sie kön- langsame Schritte, wobei sie sich an den Stegen der nen außerdem die Entfernung ermitteln und diese Wabenzellen festkrallen . Sie erzeugen außerdem zusammen mit der Flugrichtung zur Futterquelle Vibrationen , die sich auf der Wabe fortpflanzen. anderen Sammlerinnen im dunklen Stock in einem Gleichzeitig erzeugen sie Nahfeldschall durch FlüTanz auf der vertikal ausgerichteten Wabe mit- gelvibrationen und schaukeln ihren Körper nach teilen. Der Tanz und gelegentliche Nektargaben rechts und links (s. 11.1.4.6 und Abb. 11-14). Unmotivieren andere Sammelbienen zum Ausflug markierte Stockgenossinnen interessieren sich ofund versetzen sie in die Lage, die Futterquelle zu fensichtlich für diesen Tanz und folgen den Bewefinden. Diese Zusammenhänge wurden von Karl gungen nach . v. Frisch vermutete daher, dass diev. Frisch (Nobelpreis 1973) entdeckt und in ge- ser Tanz der Informationsübermittlung dient. In nialen Experimenten quantitativ untersucht, in- der Tat sind einige Merkmale des Tanzes mit der dem er Sinnesphysiologie und Dressur kombi- Entfernung der Futterquelle vom Stock, andere nierte. mit der Richtung korreliert : Nachweis der Informationsübermittlung: v. Die Laufspur der tanzenden Biene verändert Frisch prüfte in getrennten Versuchen, ob Sam- sich mit der Entfernung. Bei nahen Futterquellen melbienen anderen Stockgenossinnen die Entfer- führt die Biene einen "Rundtanz" durch . Dieser nung einer Futterquelle und die Flugrichtung zur geht bei zunehmenden Entfernungen, je nach BieFutterquelle mitteilen können (Abb. 9-35). Er nenrasse bei etwa lOO bis 150 m, allmählich in den markierte die ersten Sammelbienen am Futter- "Schwänzeltanz" über (Abb. 9-36 A). Beim platz. Es zeigte sich, dass die danach anfliegenden Schwänzeltan z zeigte sich, dass das Tanztempo Neulinge, die ja die Entfernung bzw. die Richtung mit der Entfernung zum Ziel korreliert ist: Je nicht aus eigener Erfahrung kannten, vorzugs- weiter entfernt die Futterquelle, desto weniger weise die Duftplatten in der Nähe des Futter- Umläufe pro Zeiteinheit werden getanzt (Abb. 9platzes aufsuchten. Neulinge wurden stets. weg- 36 B). Jeder Umlauf lässt sich in mehrere Teilgefangen. Alle Neulinge mussten die Entfernung komponenten zerlegen wie z. B. die Schwänzelzeit, bzw. die Richtung deshalb durch die markierten die Zeit des Rücklaufs oder die Frequenz der Bienen erfahren haben, die ungehindert weiter Schwänzelbewegungen. Die Frage war, welches dieser Merkmale von den Nachtänzerinnen tatsammeln durften. Prinzip der Informationsübermittlung: v. Frisch sächlich gemessen wird. v. Frisch kam zu dem entdeckte, dass die Sammelbienen auf der vertikal Schluß, dass die Schwänzelzeit das maßgebende ausgerichteten Wabe einen auffälligen "Schwän- Signal für die Entfernung ist. Diese ist am besten zeltanz" ausführen, der aus einem mittleren Teil mit der tatsächlichen Entfernung korreliert und besteht, in dem die Tänzerin schwänzelt, und ei- wird zudem von der Tänzerin akustisch markiert. nem bogenförmigen Rücklauf, der abwechselnd - Für die Entfernungsschätzung der Bienen ist rechts und linksherum durchgeführt wird (Abb. 9- nach früheren Experimenten mit Gegenwind der 36). Nach neueren Hochgeschwindigkeitsaufnah- Kraftaufwand von entscheidender Bedeutung , women von Tautz bleiben die Tänzerinnen oft im bei der Hinflug stärker gewertet wird als der Rückmittleren Teil stehen und schieben ihren Körper flug (v. Frisch 1965). Neuere Untersuchungen
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Abb. 9·35: Nachweis der Übermittlung von Entfernung und Richtung der Futterquelle. A Zwei Stufenversuche. St und SI' Beobachtungsstock. ' Futterplatz. + und 0 Duftplatten mit der Anzahl anfliegender Neulinge. Die ersten Bienen am Futterplatz wurden markiert. Der Futterplatz enthielt Schälchen mit Zuckerwasser und Duft wie z. B. Orangenblütenduft. In unterschiedlichen Entfernungen, aber gleicher Richtung zum Stock wurden weitere, mit dem gleichen Duft versehene Futterplatzattrappen (Duftplatten) aufgestellt und notiert, wieviele unmarkierte Bienen dort suchten. Diese Neulinge wurden weggefangen . Die Anflüge von Neulingen aufden Futterplatz selbst (88 beim ersten Versuch) wurden nicht gewertet, dahier durch den Verkehr der markierten Bienen ganz andere Verhältnisse als an den Duftplatten ohne Zuckerwasser herrschen. Die nächstliegenden Duftplatten wurden daher nahe vor und hinter dem Futterplatz angelegt. B Zwei Fächerversuche. Versuchsdurchführung wie inA mit dem Unterschied, dass die Futterplatzattrappen diesmal alle diegleiche Entfernung vom Stock hatten, aber in unterschiedlichen Richtungen lagen. Die Zahlen kennzeichnen die Zahl der Anflüge von Neulingen in den beiden Versuchen. (Nach v. Frisch 1965)
(Esch und Burns 1996, Esch et al. 200I) zeigen jedoch einen starken Einfluss des wahrgenommenen "optic flow", der Summe der beim Hinflug wahrgenommenen visuellen Kontraste . Sammlerinnen tanzen manchmal auf dem horizont al liegenden Anflugbrettehen vor dem Stock. Die Schwänzelstrecke weist dann in die Richtung der Futterquelle, auch wenn diese nicht direkt sichtbar ist. Die Tänzerin verwendet dabei die Sonne oder das polarisierte Himmelslicht als Referenz. Normalerweise erfolgt der Tanz jedoch auf der vertikalen Wabe im dunklen Stock. Die Tänzerin tran sponiert dabei den Winkel der Futterquelle zur Sonne auf den Winkel zum Lot (Abb. 9-36 C). Wenn die Nachtänzerinnen die Richtung der Schwänzelstrecke zum Lot messen, brauchen sie beim Abflug nur diesen Winkel zur Sonne einzuhalten, um in die richtige Richtung zu fliegen. Die guten Korrelationen der Schwänzeldauer bei gleichzeitiger Tonerzeugung mit der Entfernung einerseits und der Schwänzelrichtung mit der Richtung der Futterquelle andererseits sind jedoch kein strenger Beweis da-
für, dass dies auch tatsächlich die signalgebenden Größen sind, die die Nachtänzerinnen messen. Dieser Beweis ist erst später Michelsen und Mitarbeitern (1992) gelungen. Sie führten elegante Versuche mit aufwänd igen Attrappen durch , mit denen sich die wesentlichen Merkmale des Tanzes unabh ängig voneinander simulieren und variieren ließen. Es gelang, die Bienen dur ch eine falsche Richtung der Schwänzelstrecke in die entsprechende falsche Flugrichtung zu schicken. Auch die Entfernung, in der die Bienen suchten , ließ sich durch die Dauer des Schwänzelns der Attrappe bestimmen , wobei die reine Schwänzelbewegung und der Nahfeldschall in komplizierter Weise in die Suchentfernung eingehen.
Kompensation der Sonnenwanderung: Wenn die Sonne (oder das Polarisationsmuster des Himmels) bei der Orientierung als Bezugspunkt verwendet wird, muss ihre Wanderung im Laufe des Tages berücksichtigt werden. Um eine eindeutige Richtungsangabe zur ortsfesten Futterquelle zu gewährleisten, muss sich auch der Tanzwinkel zur Vertikalen im Laufe des Tages entsprechend der Sonnenwanderung verändern. In der Tat verändern die Tänzerinnen ihren Tanzwinkel im glei-
9.5 Orientierung der Fortbewegung im Raum
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269
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Uhrzeit
Abb. 9·36: Prinzip der Informationsübermittlung bei Bienen. A Sammlerin mit zwei Nachtänzerinnen beim Schwänzeltanz auf der senkrecht hängenden Wabe. (In Anlehnung an Wenner 1964) B Korrelation des Tanztempos mit der Entfernung der Futterquelle vom Stock. CKorrelation der Tanzrichtung zur Vertikalen auf der dunklen Wabe mitder Flugrichtung zur Sonne. F1 , F2, F3 Futterplätze. (Nach v. Frisch 1965) 0 Tanzwinkel der Bienen nach Trachtflügen zu einem in Richtung 400 südwestlich, 6 km entfernten Futterplatz (F). Punkte: Mittelwerte aller in je 2 min gemessenen Tanzwinkel. Zwischen Ausflug und Heimkehr verstrichen jeweils 35 bis 40 min. (Nach Bach 1956)
270
9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
Abb. 9-37: Wanderflüge des Monarch-Falters (Danaus plexipp us) in Nord- und Mitte lamerika. Ergebnisse von Markierungsversuchen. A Herbstzug. B Frühjahrszug. Dreiecke: Markierungsorte; Quadrate bzw. Punkte: Wiederfunde beim Herbstzug bzw. Frühjahrszug. Die Linien verbinden nur die Markier- mit den Wiederfundorten und erlauben keinen unmittelbaren Rückschluss auf die tatsächliche Reiseroute! (Nach Urquhart und Urquhart 1978179)
chen Maße wie die Sonne wandert (im Mittel ISo/Stunde, Abb.9-36 D). Der Tanzwinkel entspricht dem Sonnenazimut zur Tanzz eit, also dem Sonnenstand, den die anschließend ausfliegenden Neulinge vorfinden. Diese Kompensation der Sonnenwanderung erfolgt auch, wenn der Himmel eine Zeitl ang bedeckt ist. Aus diesen und vielen anderen Befunden ergab sich, dass die Bienen ihre innere Uhr, die auch bei vielen anderen In sektenarten nachgewiesen ist, für die Kompensation der Sonnenwanderung einsetzen. Diese innere Uhr wird auch für das Auffind en mehrerer Futterquellen eingesetzt. So können Bienen einen Futterplatz zu einer bestimmten Tageszeit aufsuchen und einen zweiten Futterplatz zu einer anderen Tageszeit.
Bei anderen Arten handelt es sich jedoch um Wanderungen, deren Richtung durch die Tiere selbst bestimmt wird. Hierher gehören Vertreter mehrerer Schmetterlingsfamilien, die au s ihren Hauptverm ehrungsgebieten im Mittelmeerbereich z. T. bis über die Alpen nach Norden wandern, dort aber selten dauerhafte Brutgebiete etablieren können . Beispiele dafür sind da s Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum , Sphingidae), der Totenkopfschwärmer (A cherontia atropos, Sphingidae), die Gammaeule (Autographa gamma, Noctuidae), der PostilIon (Colias croceus, Pieridae) und der Harlekinbär( Utetheisa pulchella , Arctiidae). Am au sführlichsten ist die regelmäßige Ma ssenwanderu ng des nordamerikanischen Monarchs (Danaus plexippus) untersucht, allerdings erst in wenigen Einzelheiten verst anden . Durch MarkieWanderflüge rung Tausender von Individuen und durch Wiederfunde gelang es, viele Einzelheiten wie indiviWanderflüge sind von Vertretern vieler Insektenordnungen wie Orthoptera, Lepidoptera, D iptera, duelle Fluggeschwindigkeiten und -strecken zu Odonata und Hemiptera bekannt. Die bei den messen (Abb.9-37). Die He rbstgeneration wanWanderflügen zurückgelegten Entfernungen rei- dert au s Kanada und den USA z. T. südwestwärts chen von wenigen hundert Met ern bis zu mehreren bis in da s mexikanische Winterquartier und übertau send Kilometern. Als Ur sach en für den Wan- wintert dort gesellig an immer den gleichen Steiderungsbeginn kommen in erster Linie Futter- len. Im Frühjahr wandern die Falter wieder nordmangel, eine hohe Populationsdichte und ostwärts. Im Verlauf ihrer Wanderung legen die Weibchen Eier. Einige Tiere dieser Generation und schlechte Überwinterungsbed ingungen in Frage. die nächste Generation erreichen schließlich wieOft handelt es sich weniger um eine aktive Wanderung, der das nördliche Amerika. Als Or ientierunghilfe als um eine passive Verfrachtung. Das spektakulärste verwenden die Falter vermutlich die Sonne und Beispiel solcher Wanderungen stellen die Wanderheu- das Polar isationsmu ster des Himmelslicht s. Da sie schrecken (Locusta migratoria) und Wüstenheuschrecken die gene relle Wanderungsrichtung auch bei be(S chistocerca gregaria) des nördlichen Afrika und des decktem Himmel beibehalten können, wird auch mittleren Ostens dar. Sie bilden unter bestimmten Beeine Orientierung nach dem Erdmagnetfeld disdingungenriesige Schwärme, die durch die Thermik sehr kutiert. hoch getragen und je nach den Wetterbedingungen mit Luftströmungen weit verfrachtet werden können. So gelangte im Oktober 1988 ein Schwarm von Westafrika über den Atlantik bis in die Karibik.
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9 Fortbewegung und sensomotorische Integration
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10 Lernen und Gedächtnis }ürgen Milde
Der Mensch muss laufen und sprechen lernen und lernt zeitlebens aus seinen Erfahrungen mit der Umwelt. Lernen ist für uns ein selbstverständlicher Vorgang, dessen Nützlichkeit außer Frage steht . Dahinter verbirgt sich eine herausragende Fähigkeit des Nervensystems, die es uns erlaubt, zusätzlich zu der im genetischen Code verschlüsselten Information aufgrund von Erfahrungen Veränderungen unseres Verhaltens vorzunehmen . Lernen ist untrennbar verbunden mit dem Gedächtnis, wo das Gelernte gespeichert und stabilisiert wird, was dessen Anwendung zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Es ist leicht einzusehen, dass Lernen auch für Insekten eine wesentliche Erweiterung der Überlebensfähigkeit bedeutet. Ein Rückblick in die Geschichte der Lernforschung zeigt, dass es ein langer Weg war, bis der Mensch den Tieren, und gar erst den Insekten, den Gebrauch "verwandter geistiger Kräfte" zugestehen mochte. Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts standen sich Vertreter extremer Positionen erbittert gegenüber. Die einen sahen Insekten als belebte Maschinen an, denen kein plastisches Betätigungsvermögen zuzugestehen war, während die anderen in den Insekten die wundersamsten Fähigkeiten und ein dem Menschen vergleichbares " Geistesleben" vermuteten. Deutliche Hinweise auf das Lernvermögen von Insekten waren schon in Berichten früher Naturforscher enthalten , wobei vor allem Beobachtungen an sozialen Hymenopteren dominierten. So wusste man z. B., dass Bienen zu einem Futterplatz, an dem sie einmal Honig gefunden hatten, zurückkehrten, obwohl gar kein Honig mehr da war. War darüber hinaus ein derartiger Futterplatz beim ersten Besuch mit einem auffälligen Gegenstand markiert gewesen, so begannen die Bienen nach ihrer Rückkehr ähnlich aussehende Objekte an benachbarten Plätzen mit Ausdauer auf mögliches Futter zu untersuchen. Dieses Verhalten bedurfte zumindest eines Gedächtnisses für Gegenstände und Örtlichkeiten. Als Fazit derartiger Studien schreibt August Forel im Jahr 1910: "Es kann unbedingt behauptet werden, dass Insekten imstande sind, Wahrnehmungen zu machen , zu lernen, sich zu erinnern , sowie ihre Erinnerungen zu assoziieren
und zur Erreichung bestimmter Zwecke ... davon Gebrauch zu machen".
10.1 Futterdressuren bei Honigbienen Der experimentelle Beweis für Forels Aussage wurde in den Jahren 1912 und 1913 vom späteren Nobelpreisträger KarI von Frisch durch Versuche an der Honigbiene geliefert. Unbestritten war zu diesem Zeitpunkt, dass Bienen durch Futtergabe auf bestimmte Farben dressierbar waren. Unklar war jedoch , ob diesem Vermögen ein Farbensinn zugrunde lag oder die Farben nur anhand ihres farblosen Helligkeitswertes unterschieden worden waren. Wäre die Biene farbenblind , dürfte sie eine gegebene Farbe von einem bestimmten Grauton einer Helligkeitsskala von Weiß bis Schwarz nicht unterscheiden können . Zur Dressur (Abb. 10-1) verteilte Karl von Frisch ein farbiges (z. B. blaues) und diverse graue Papiere in beliebiger Anordnung auf einem Tisch. Auf jedes Blatt wurde ein Schälchen gestellt, jedoch nur auf der Farbe Blau war es mit Zuckerwasser gefüllt. ließen sich die Bienen hier nieder, so konnten sie zur Belohnung den süßen Trank saugen. Zur Vermeidung eines Ortseinflusses wurde die relative Lage der Papiere zueinander zwischen den Fütterungen ständig gewechselt. Die Bienen sollten ja allein die Farbe zur Identifizierung des richtigen Futterschälchens heranziehen . Nach ausreichender Dressur erfolgte der Test (Abb. 10-1): Nun befand sich auch auf dem blauen Papier nur ein leeres Schälchen und alle Papiere waren zusätzlich mit einer Glasplatte abgedeckt, um etwa vorhandene Geruchsmarkierungen zu eliminieren. Die anfliegenden Bienen ließen sich suchend an dem Schälchen auf dem farbigen Papier nieder und es traten keinerlei Verwechslungen mit irgendeinem Grauton auf. Sie waren also offenbar nicht farbenblind, sondern konnten zumindest Blau als Farbe erkennen . Durch Versuche mit weiteren Farben konnte von Frisch schließlich das Farbensehen der Honigbiene
274
10 Lernen und Gedächtnis
Dressur
Test
o o o o
Farblafel
~ Schälchen mit Zuckerwasser
Abb. '0-': Dressurversuch zum Farbensehen der Honigbiene. Aufsicht auf den Versuchstisch, auf dem verschiedene Tafeln mit Grautönen sowie eine Farbtafel ausgelegt und mit Glasschälchen versehen sind. Nur während der Dressur enthält das auf der Farbtafel stehende Schälchen Zuckerwasser. Nach erfolgreicher Dressur suchen die Bienen imTest bevorzugt auf der Farbtafel nach Futter. Sie können somit die Farbe von allen Grautönen unterscheiden und haben zudem gelernt, sie als Signal für Futter zu assoziieren. (Nach v. Frisch 1914)
nicht nur nachweisen sondern auch dessen Beschaffenheit charakteris ieren. In die Literatur ging diese Studie als erster Nachweis eines Farbensinns bei Invertebraten ein, wobei die bemerkenswerte Lernleistung der Biene nicht die gebührende Aufmerksamkeit fand und eher im Hintergrund blieb. Immerhin hatten sich die Tiere einer gelernten Farbe sicher erinnert und diese als Signal für Futter assoziiert. Erst in der Folgezeit wurde durch weitere Arbeiten Karl von Frischs und seiner wissenschaftlichen Nachfahren unüber sehbar, wie außerordentlich schnell und gut Bienen trainierbar waren. Diese Lernfähigkeit ermöglichte es, das erstaunliche Repertoire ihrer Sinnesleistungen in einzigartiger Weise zu erforschen. So weiß man heute z.B, dass sich Bienen anhand des Magnetfeldes der Erde und des Musters des polarisierten Himmelslichtes orientieren können (s. 9.5), einen Zeitsinn besitzen und mittels einer Tanzsprache soziale Kommunikation betreiben. Mit der Methode der Farbdressur wurde aber auch das Lernvermögen selbst detailliert erforscht. So ist der Zeitraum, in dem eine Biene die Farbe mit dem Futter assoziieren kann , auf ein Fenster von wenigen Sekunden unmittelbar vor der Landung am Futterplatz begrenzt. Nach der Landung, beim Saugen des Honigwassers sowie beim Abflug, wird das Farbsignal nicht mehr gelernt. Bienen lernen zwar sehr schnell, doch ist die Geschwindigkeit mit der gelernt wird durchaus nicht für alle Farben gleich. Die Farbe Violett lernen die meisten Bienen schon nach einmaligem Besuch
des Futterplatzes mit anschließender Belohnung, wohingegen für den gleichen Lernerfolg bei Blaugrün fünf Anflüge erforderlich sind. Bereits nach wenigen Belohnungen bleibt ein gelerntes Farbsignal wochenlang im Gedächtnis einer Biene gespeichert. Bienen lernen Farben somit nicht nur schnell sondern auch dauerhaft. Die weitere Untersuchung des Sehvermögens durch Far bdressuren ergab zudem erstaunliche Parallelen zwischen der Farbwahrnehmung der Honigbiene und der des Menschen . Farbkontraste bewirken bei Honigbienen und Menschen ähnliche Illusionen , sodass vergleichbare Prozesse der Signalverarbeitung in beiden Sehsystemen vermutet werden können .
10.2 Kategorien von Lernvorgängen Nach der heutigen Lernterminologie gehört die in Karl von Frischs klassischen Versuchen eingesetzte Dressurmethode zu den operanten Konditionierungen und die untersuchte Lernform zum assoziativen Lernen. Im Gegensatz zu den einfachsten, nicht assoziativen Lernformen wie Habituation und Sensitivierung, bei denen die Antwort auf einen wiederholten Reiz entweder vermindert oder gesteigert wird, lernt der Organismus bei den komplexeren assoziativen Lernformen durch einen Konditionierung genannten Vorgang die Beziehung
10.2 Kategorien von Lernvorgängen
Kondition ierung
Ausgangss ituation
I
Verstärkung
I
275
Test
.... . . . . .o· • •o.. • ".
...
Zu cker wasser Unkonditionierter Reflex
Duft
t
t .
"
~
l
··9, . > ~[t~ c.• • •
f'
Kein Reflex
..
Reizpaarung
Belohnung
Konditionierter Reflex
Abb. 10-2: Klassische Konditionierung des Rüsselreflexes auf einen Duftreiz. Kommt ein Tropfen Zuckerwasser mit der Antenne in Berührung, streckt die Biene den Saugrüssel heraus (Rüsselreflex). Ein Duftreiz bleibt ohne Wirkung. Bei der Konditionierung werden Zuckerwasser und Duft gepaart, und anschließend darfdas TIer zur Belohnung Zuckerwasser saugen. Die Biene zeigt daraufhin allein aufden Duft einen Rüsselreflex. Sie hatgelernt, den Duft- mit dem Zuckerwasserreiz zu assoziieren .
zwischen Ereignissen (Reizen, eigenen Aktivitäten) in der Umwelt. Zwei experimentelle Methoden dominieren die Analyse des assoziativen Lernens: die "operante" und die "klassische Konditionierung" . Die operante Konditionierung führt zur Assoziation einer von vielen spontanen Verhaltensweisen mit seiner Konsequenz (Strafe, Belohnung), die durch eine spezifische Reizsituation signalisiert wird . Dabei muss das Tier nach dem Prinzip " Versuch und Irrtum" herausfinden, welche Verhaltensreaktion erfolgreich ist. Die Methode der operanten Konditionierung wurde von Edward Thorndyke (1898) eingeführt und ist besonders durch die von dem amerikanischen Psychologen B. F. Skinner entwickelte "Box" bekannt geworden. In einem typischen Beispiel lernt eine Ratte in der "Skinner-Box", bei Autleuchten eines Lichts eine Taste zu drücken, woraufhin als Belohnung etwas Futter freigegeben wird. Die klassische Konditionierung geht auf Experimente zurück, die der Physiologe Iwan Pawlow in der Mitte der zwanziger Jahre auf der Basis eines Speicheltlussretlexes an Hunden durchführte. Während bei der operanten Konditionierung eine bestimmte Verhaltensaktion mit einem Reiz assoziiert wird, erfolgt bei der klassischen Konditionierung eine Assoziation zwischen zwei Sinnesreizen, wobei . das Verhalten im Prinzip unverändert bleibt. Abb. 10-2 illustriert die Grundzüge des Ablaufs einer klassischen Konditionierung am Beispiel einer Honigbiene. Ausgangspunkt ist hier ein Rüsselreflex: Kommen Geschmacksrezeptoren der Antenne mit Zuckerwasser in Berührung, so wird der Saugrüssel in Erwartung einer Futterquelle
herausgestreckt. In der Natur ist dieses Verhalten z. 8. dann zu beobachten, wenn die Biene mit vorgestreckten Antennen auf der Suche nach Nektar in eine Blüte eindringt. Eine weitere Gelegenheit zur Beobachtung bieten durchnässte Bienen, wie man sie hin und wieder nach überraschenden Regenschauern finden kann. Sie lassen sich mit einem in Honig getauchten Zahnstocher wieder aufpäppeln, wobei man den Rüsselretlex und das imposante Saugverhalten verfolgen kann. In der Lernterminologie wird ein derartiger Reflex als unkonditioniert (unbedingt) bezeichnet, das Zuckerwasser als unkonditionierter Reiz. Bietet der Experimentator der Biene einen Duft an, so erfolgt kein Rüsselretlex, man spricht von einem neutralen Reiz. Bei der Konditionierung wird nun während eines neutralen Duftreizes durch Gabe von Zuckerwasser der Retlex ausgel öst, d. h. beide Reize werden miteinander gepaart. Wird das Tier anschließend durch eine kurzzeitige Fütterung belohnt, so lernt es schnell, das Duftsignal mit der Bedeutung "Futter" zu assoziieren. Nach erfolgreicher Konditionierung bewirkt nun die alleinige Präsentation des Dufts ein retlexartiges Ausstrecken des Rüssels. Diese Verhaltensantwort wird als konditionierter Reflex, der Duft als konditionierter Reiz bezeichnet. Die Anzahl der Konditionierungen, die für einen Lernerfolg nötig sind, geben ein Maß für die Lernfähigkeit des Versuchstieres. Inzwischen ist es auch bei diversen Motten gelungen, derartige Konditionierungen durchzuführen und somit tieferen Einblick in deren Erkennung und Unterscheidung von Düften zu gewinnen .
276
10 lernen und Gedächtnis
10.3 Duftlernen bei Honigbienen Untersucht man mit klassischen Konditionierungen des Rüsselreflexes das Duftlernen der Honigbienen detaillierter, so lässt sich die Vielfalt des Ph änomens " Lernen" charakterisieren. Bereits nach nur einer einzigen Konditionierung hat die Mehrzahl der Bienen einen attraktiven Duft (z. B. einen Blütenduft) gelernt (vgl. Abb. 10-3). Allerdings gibt es, wie unter uns Menschen, auch bei den Bienen gute und schlechte Lerner. So weisen Bienen verschiedener Rassen durchaus unterschiedliche Lerndispositionen auf, die genetisch vorprogrammiert sind . Zusätzlich beeinflussen physiologische Zustände sowie Umweltfaktoren die Lernleistung einer Biene. Bienen , deren Honigmagen bereits gefüllt ist, sind schwerer zu konditionieren. Ähnliches gilt für Bienen , die au sgeflogen sind, Wasser zur Kühlung der Waben zu holen , wenn man sie an der Wasserstelle abfangt und in ein Lernexperiment verbringt. Natürlich ist auch die Qualität des Futters von Bedeutung und wird von den Bienen bewertet. In Zeiten, in denen die N atur ein reichhaltiges, hochwertiges Nahrungsangebot bereithält (z. B. während der Lindenbl üte), sind Dressurexperimente selbst mit hoch konzentrierten Zuckerwasserbelohnungen schwierig , wohingegen in Mangelzeiten auch Futtergefäße mit relativ dünnen Zuckerlösungen gern angeflogen werden. Wie Farben in den Freiflugdressuren werden auch verschiedene Düfte im Rüsselreflexversuch durchaus nicht gleich gut gelernt. In Abb. 10-3 wurden Sammlerinnen eines Volkes im spät en Frühjahr getestet, zu einer Zeit, wo die Natur reichhaltig Bienennahrung anbiete t. In
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Anzahl der Konditionierungen Abb. 10-3: Lernkurven von Sammelbienen für Düfte (Rüsselreflexkonditionierung). Die lernrate beschreibt die ~ro~entzahl der B!enen einer Testgruppe, die erfolgreich kondi noruert worden sind. Bei allen Testdüften haben die meisten Bienen, b.ereits nach einer Konditionierung gelernt; weitere Kon?I,t'?nlerungen bewirken nur noch geringe Steigerungen und stabilisieren den lernerfolg auf hohem Niveau. Der "Königinnenduft" wird gegenüber allen Blütendüften besser gelernt.
dieser Versuchsreihe erweisen sich die Futtersignale Anis und Bittermandel gegenüber einem Orangenblütenduft als attraktiver. Jegliche Blütendüfte werden in ihrer Attraktivität noch von einem .Königinnenduft" übertroffen (ortho -Acetoaminophenon, eine Substanz aus den Ausscheidungen der Königin), der von nahezu allen Bienen gelernt wird und die hohe Bedeutung der Königin im Bienenstaat unterstreicht.
Im Laufe ihres Lebens verrichten Arbeitsbienen altersabhängig alle zur Erhaltung des Volkes nötigen Tätigkeiten. Als Stockbienen (Jungbienen) beginnen sie mit Innenarbeiten (Putzen, Brutpflege, Wabenbau), gefolgt von einer Phase als Wächterinnen am Flugloch, um schließlich bis zu ihrem Lebensende als Sammlerinnen tätig zu sein. Innerhalb dieser Lebensabschnitte scheint auch da s Lernvermögen unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Erst. wenn die Jungbienen ein Alter von 6-7 Tagen erreicht haben, gelingt die olfaktorische Konditionierung des Rüsselreflexes . Diese Zeitspanne ~ässt sich experimentell auf drei Tage verkürzen, md em man die frisch geschlüpften Bienen mit Juvenilhormon behandelt. In Abb. 10-4 wurde der Rüsselreflex von Sammel- und Wächterbienen einunddesselben Volkes auf zwei Düfte konditioniert. Zunächst fällt auf, dass der mäßig attraktive Duft Orangenblüte im Vergleich zur Abb. 10-3 jetzt von den Sammlerinnen viel besser gelernt wird . Gründe könnten im Zeitpunkt des Versuche s liegen: Er erfolgte im Sommer während einer mehrtägigen, kühlen Regenperiode, die die Sammeltätigkeit der Bienen erheblich beeinträchtigt hatte. Die Motivation, profitable N ahrungsquellen zu finden , war somit außerordentlich hoch . Auch die Wächterbienen können auf den Orangenduft konditioniert werden. Sie erreichen ein den Sammlerinnen vergleichbares Lernniveau jedoch erst nach fünf Konditionierungen . Der zweite Testduft ist Isoarnylacetat, eine wirksame Komponente eines Pheromons, das beim Abwehrverhalten der Biene freigeset zt wird und Stockgenossinnen alarmiert. Erstaunlicherweise vermögen Sammlerinnen selbst diese Substanz im Rüsselreflextest noch mit "Futter" zu assoziieren und lernen sie so schnell wie Wächterinnen den Orangenduft (Abb. 10-4). Hingegen war keine der Wächterin nen auf dieses Alarmpheromon zu konditionieren wodurch die Abwehrbereitschaft der Fluglochwa~ chen gesichert bleibt. Die Bedeutung des Pheromons während der Duftdressur wurde offenbar je nach Prädisposition der Bienen unterschiedlich interpretiert.
10.4 Physiologie und zelluläre Grundlagen
277
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Abb. 10-4: Vergleich des Duftlernvermögens von Stockbienen und Sammelbienen eines Volkes. Wäch-
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terinnen (W) lernen den Blütenduft (Orange) schlechter als 5ammlerinnen (5). Während die 5ammlerinnen sogar einen Bestandteil des Alarmpheromons (Isoamylacetat) noch mit Zuckerwasser (Futter) assoziieren können, gelingt es nicht, auch nur eine der Wächterinnen aufdiesen Duft zu konditionieren.
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10.4 Physiologie und zelluläre Grundlagen Das Rüsselreflexpräparat ist für die Lernforschung in zweierlei Hinsicht herausragend: Zum einen haben die meisten Bienen bereits nach einer Konditionierung gelernt, sodass die Analyse der Dynamik, des Zeitverlaufes von Lern- und Gedächtnisvorgängen ermöglicht wird. Zum anderen lernen die Tiere selbst dann noch, wenn sie in Röhrchen so festgehalten werden , dass neurophysiologische Methoden zur Untersuchung des Lernverhaltens eingesetzt werden können. Dadurch ist es möglich geworden, wesentliche Teile der neuronalen Schaltkreise des Duftlernens im Bienengehirn zu lokalisieren: Zunächst werden beim Auslösen des Rüsselreflexes Zuckerrezeptoren auf der Antenne erregt, deren Signale schließlich bis in das Unterschlundganglion gelangen, wo die Motoneuronen lokalisiert sind, die den Rüssel bewegen. Die Duftinformation läuft von den Rezeptoren der Antenne in die Antennalloben ein, und wird dann über Interneuronen der AntenneCerebral- Trakte in die Pilzkörper und das laterale Protocerebrum geleitet (vgl. 8.5.2.1). Die nötige Verbindung vom Zucker- zum Duftreiz stellen offenbar Neuronen im Unterschlundganglion her, die auf Zuckerwasserreize antworten und ebenfalls in den Antennalloben, dem lateralen Protocerebrum und den Kelchen der Pilzkörper verzweigen. Wird im Experiment ein Dressurduft mit einer elektrischen Erregung dieser Neuronen gepaart, so lernen die Bienen diesen Duft, obwohl kein Zuckerreiz präsentiert wurde und auch kein Rüsselreflex erfolgte. Darüber hinaus wurde ein extrinsisches Pilzkörperneuron identifiziert, dessen Aktivität durch Duftkonditionierung des Rüsselreflexes spezifisch verändert wird . Diese zellulären Analysen weisen übereinstimmend daraufhin, dass
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die Pilzkörper nicht nur ein Ort der Verarbeitung olfaktorischer Information, sondern auch am Duftlernen beteiligt sind. Dieser Befund wird durch Versuche an Taufliegen gestützt, bei denen die Ausschaltung der Pilzkörper zum Verlust des assoziativen Duftlernens führt. Mit dem Ende eines Lernakts sind die Vorgänge im Nervensystem keineswegs abgeschlossen. Jetzt erfolgt die Einspeicherung des Gelernten, die Ausbildung des Gedächtnisses, das bei allen Lebewesen mindestens eine kurzlebige, instabile (Kurzzeitgedächtnis) und eine langlebige, stabile Form (Langzeitgedächtnis) aufweist. Dabei ist das Kurzzeitgedächtnis durch Eingriffe wie Elektroschocks, Kühlung oder Betäubung löschbar, wie man es auch bei der retrograden Amnesie menschlicher Unfallopfer beobachten kann . Auch bei mithilfe des Rüsselreflexes duftkonditionierten Bienen lässt sich das Gedächtnis durch gezielte Kühlung im Bereich der Antennalloben und Pilzkörper unterdrücken, allerdings nur innerhalb von wenigen Minuten nach dem Lernakt. Danach ist das Gedächtnis stabilisiert und nicht mehr zu manipulieren. Die elementaren zellulären Grundlagen von Lernen und Gedächtnis liegen in der Veränderung der Effektivität synaptischer Verbindungen innerhalb der neuronalen Schaltkreise. In den meisten Fällen wird die Aktivität molekularer Kaskaden, die die ausgeschüttete Transmittermenge kontrollieren, durch kurzfristige Modifikation beteiligter Proteine verändert. Bei Langzeiteffekten kann es durch spezifische Genaktivierung nicht nur zur Synthese neuer, effektiverer Proteine, sondern auch zur Veränderung der Gesamtzahl synaptischer Kontakte kommen.
278
10 Lernen und Gedächtnis
10.5 Neurogenetik Auch Taufliegen bewältigen eine Reihe von Aufgaben, die assoziatives Lernen voraussetzen. Durch den Einsatz molekularbiologischer und genetischer Methoden bieten sich bei Drosophila einzigartige Einblicke in basale Mechanismen des Lernens. Eine Standardmethode bedient sich eines Fluchtreßexes, mit dem Farbsignale oder auch Düfte klassisch konditioniert werden können. Ein typisches Beispiel für Duftlernen: Eine Gruppe von hundert Individuen befindet sich in einer Versuchskammer, deren Boden elektrifiziert werden kann . Kurze Elektroschocks lösen reflexartig das Fluchtverhalten aus (unkonditionierter Reflex). Während einer Trainingsphase wird abwechselnd ein Duftreiz zusammen mit einem Elektroschock oder ein zweiter Duft ohne Strafe präsentiert. Nachdem die Tiere in ein T-förmiges Rohr verbracht wurden, erfolgt der Test, in dem die Tiere zwischen beiden Düften wählen können. Nach erfolgreicher Konditionierung haben die meisten Fliegen gelernt, den mit der Strafe gepaarten Duft zu meiden. Durch Variation des Zeitfensters zwischen Training und Test, lässt sich feststellen, wie lange der Lernerfolg anhält bzw. wie schnell das Gedächtnis abnimmt. Das Versuchstier Drosophila, dessen komplette DNA-Sequenz bekannt ist, bietet unter Anwendung derartiger Versuche die Chance, die Neurogenetik des Lernens zu untersuchen. Die bei zellulären Analysen des Lernens bisher identifizierten Proteine sind genetisch codiert. Besäßen sie eine lernspezifische Funktion, sollte sich Lernen durch Mutation entsprechender Gene beeinflussen lassen. Tatsächlich ist es gelungen, aus der Vielzahl erzeugter Drosophila-Mutanten Stämme zu isolieren, die Lerndefizite aufweisen (Abb. 10-5). Diese Tiere mit reduziertem Duftlernvermögen 100
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sisch konditioniert wurden. Die Raten beider Lernmutanten beginnen auf erheblich vermindertem Niveau und fallen anfänglich steiler ab. Bereits nach 7 Stunden hat die dunce-Mutante den Lerninhalt komplett vergessen. (Nach Tully 1987)
haben Defekte, die den Metabolismus biochemischer Signalketten (second messenger-Kaskaden) im Bereich neuronaler KontaktsteIlen (Synapsen) beeinträchtigen . Interessanterweise wird sowohl das dunce als auch das rutabaga-Gen bevorzugt in Neuronen der Pilzkörper exprimiert - ein weiterer Hinweis auf die Verbindung zwischen diesem Hirnbereich und dem Duftlernen. Andere Lernmutanten weisen strukturelle Defekte in Hirnbereichen wie den Pilzkörpern auf. Durch Isolation dieser "Lerngene" bei Fliegen, bietet sich die Möglichkeit, für das Lernen wichtige biochemische Substanzen und Mechanismen zu identifizieren, die auch in anderen Tierstämmen für Lernund Gedächtnisprozesse zuständig sein könnten .
10.6 Orientierungsverhalten im Flug Ein besonders raffiniertes, assoziatives Lernpräparat basiert auf operanter Konditionierung und bedient sich des Orientierungsverhalten von Drosophila im Flug. Eine dorsal an einem dünnen Draht befestigte Fliege wird in eine zylindrische Arena verbracht, die die visuelle Umwelt darstellt . Versucht das fliegende Tier eine Drehung zu vollführen, so werden die auf den Draht ausgeübten Drehmomente gemessen und daraus die Bildverschiebung berechnet, die im Freiflug aus dem gleichen Manöver resultieren würde. Durch einen Motor wird das visuelle Panorama dann um den entsprechenden Winkel gedreht, sodass die Fliege den Eindruck gewinnt, sie könnte ihre Orientierung wie im Freiflug kontrollieren. Zusätzlich kann die Fliege durch einen Hitzereiz auf das Abdomen bestraft werden, wenn sie Flugrichtungen relativ zu einem bestimmten Muster der Arena einschlägt und wird so schnell dazu gebracht, eine gewünschte Richtung einzuhalten (Abb. 10-6). Man kann das Tier aber auch genauso gut darauf konditionieren, ein bestimmtes Drehmoment zu produzieren, um eine Strafe zu vermeiden. Auch ohne Anwendung des Strafreizes liefert dieser Flugsimulator bereits erstaunliche Erkenntnisse über Lernvermögen und visuelles Verhalten von Taufliegen: Weist die Arena als Muster allein einen vertikalen, schwarzen Streifen auf, so versucht das Tier diesen Streifen anzufliegen, bzw. im frontalen Sehfeld zu halten. Dreht der Experimentator die Trommel mit dem Streifen z. B. nach rechts, erzeugt das Tier ein Drehmoment in die gleiche Richtung, um den Streifen wieder zurück in die Ausgangsposition zu bringen. In einem Folgeexperiment wurde dann das Vorzeichen der Richtungskopplung zwischen Drehmoment und
10.6 Orientierungsverhalten im Flug
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Abb. 10-6: Operante Konditionierung von Drosophila im Flugsimulator (Drehmomentkompensator). Das
von der gehalterten Fliege erzeugte Drehmoment wird gemessen und die daraus im Freiflug resultierende Bildverschiebung im Rechner kalkuliert. Durch einen Motor wird dieArena dann in die errechnete Position gedreht. Das Tier gewinnt dadurch den Eindruck, wie im Freiflug mit seinen Steuermanövern die Position im Raum kontrollieren zu können. Im dargestellten Konditionierungsexperiment öffnet sich der Verschluss einer Hitzereizapparatur, sobald sich eines der vier Muster im frontalen Quadranten des Sehfeldes der Fliege befindet. Durch diesen Strafreiz lernt das Tier ein Drehmoment zu produzieren und damit einen Kurs einzuschlagen, der diese Situation vermeidet. Die Kriterien der von der Fliege zu erfüllenden Bedingungen unterliegen der Willkür der Experimentatoren. (Nach Wolf und Heisenberg 1991)
Drehmomentmessung
279
o Rechner
Elektrischer Verschluss -
Arena mit 4 Mustern
Musterbewegung umgekehrt . Versuchte die Fliege nun, wie üblich, durch ein gleichgerichtetes Drehmoment das Muster zu stabilisieren, so entschwand es noch weiter aus dem Sehfeld. Durch Ausprobieren lernten die Tiere innerhalb weniger Minuten ein Drehmoment in die Gegenrichtung zu produzieren, womit es ihnen wieder gelang, den Streifen im frontalen Sehfeld zu fixieren. Insekten können somit selbst basale, reflexartige Verhaltensweisen durch Lernen verändern und darüberhinaus bewältigt ihr Lernvermögen sogar Aufgaben, die unter natürlichen Bedingungen gar nicht auftreten. In Übereinstimmung mit Versuchen an Wanderheuschrecken zeigt sich, dass die Aktivität des genetisch vorprogrammierten, neuronalen Netzwerkes zur Flugsteuerung nicht nur durch Sinnesinformation an die aktuellen Erfordernisse angepasst wird, sondern in hohem Maße auch durch gelernte Erfahrungen. Dadurch wird es den Tieren möglich, auf unvorhersehbare Ereignisse, wie die Beschädigung eines Flügels, flexibel zu reagieren und ein optimales Flugverhalten für die neue Situation zu entwickeln. Für Insekten wie für uns Menschen gilt, dass Lernen unverzichtbar für das Überleben in der Umwelt ist. Wie die Lernforschung zeigt, ist das Lernvermögen der Insekten gut entwickelt und vielfältig. Die Ergebnisse weisen sogar daraufhin, dass Lernen und Gedächtnis von Invertebraten bis hin zu den Säugetieren mit ähnlichen, basalen
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Mechanismen arbeitet. Da Insekten neurobiologischen Analysen leichter zugänglich sind, besitzen sie vor allem für die Erforschung der Physiologie dieser Lernvorgänge einen gesteigerten Stellenwert. Trotz der Unterschiedlichkeit des Nervensystems von Mensch und Insekt laufen auf zellulärer Ebene offenbar vergleichbare Prozesse ab. Die spezifischen Lernfähigkeiten des Menschen scheinen somit nicht an besonderen Mechanismen seiner Nervenzellen zu liegen, sondern sind eher Ausdruck unterschiedlich komplexer neuronaler Netzwerke.
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10 lernen und Gedächtnis
Menzel, R. (1995) : Lernen und Ged ächtnis. In: Gewecke, M. (ed.): Physiologie der Insekten . Gustav Fischer, Stuttgart: 387--412 Menzel, R. , Erber, 1. (1978) : Lernvermögen und Gedächtnis der Bienen. Spektrum der Wissenschaft : 20-29 Möhl, B. (1990) : Die Flugsteuerung der Wanderheuschrecken. Spektrum der Wissenschaft 7: 66-75
Roman, G., Davis, R. L. (2001): Molecular biology and anatomy of Drosophila olfactory associative learning. Bioessays 23(7): 571-581 Wolf, R. , Heisenberg , M. (1991): Basic organization of operant behavior as revealed in Drosophila !light orientation. 1. Comp. Physiol. A 169: 699-705
11 Sinnesphysiologie Manfred Kaib, Heiner Römer, Hans Scharstein Antan Stabentheiner und Gearg Stamme!
11.1 Mechanorezeption Heiner Römer Verschiedenste Formen von mechanischer Energie wirken als Reize, mit deren Hilfe ein Insekt sensorische Information über seine belebte und unbelebte Umwelt erhält. Das feste Exoskelett ist verantwortlich dafür, dass die mechanischen Kräfte die Sinneszellen nur an Orten erreichen, wo die Cuticula deformierbar ist oder spezielle Haar- und Hebelstrukturen entstanden sind, die die Reizenergie von außen an die Sinneszelle im Körperinneren übertragen. Durch zum Teil nur geringfügige Abwandlungen des morphologischen Aufbaus von cuticulären Strukturen können Mechanorezeptoren sehr variabel an die zahlreichen ökologischen Bedingungen - und damit auch Reizbedingungen - verschiedener Insektenspecies angepasst sein. Dies drückt sich in der Fähigkeit dieser Rezeptoren aus, auf die unterschiedlichsten mechanischen Reize zu reagieren , wie z. B. die Stauchung oder Dehnung einzelner Körperteile, die Lage des Körpers im Raum, die Strömung von Luft oder Wasser, Erschütterungen des Substrates oder den Schallwechseldruck im umgebenden Medium, um nur einige zu nennen. Die sensorische Information dieser Rezeptoren wird in vielfältiger Weise zur Kontrolle des Verhaltens eingesetzt, sei es bei der Orientierung, der Futtersuche, der Flucht vor Feinden oder den komplexen Formen der Kommunikation im Zusammenhang mit der Fortpflanzung und sozialen Interaktionen. Der Begriff Rezeptor wird allerdings auch in Lehrbüchern in sehr unterschiedlicher Weise genutzt: Er kann entweder ein Rezeptormolekül z. B. in der Nervenzellmembran bezeichnen , oder Teile einer Sinnszelle wie den Tubulark örper, die für die Reiztransduktion verantwortlich sind, oder die ganze Sinneszelle. In diesem Kapitel wird der Begriff dagegen in einem umfassenderen Sinn des gesamten mechanosensitiven Sensillums genutzt und umfasst sowohl die Sinneszelle selbst samt der Hüllzellen und deren Bildungen, wie das Sinneshaar oder die Gelenkhaut. Grund dafür ist, dass nur diese Gesamtheit den Mechanorezeptor auch in seiner Funktion erklärt.
11.1.1 Bau- und Funktionsprinzip mechanorezeptiver Insektensensillen Ein Insektensensillum ist ein sensorisches Kleinstorgan , das aus nur wenigen, unterschiedlich differenzierten Zellen besteht , deren Entwicklung von einer gemeinsamen Epithelzelle ausgeht. Der Aufbau eines solchen Sensillums ist schematisch in Abb. li-lA gezeigt. Zu seiner Grundausstattung gehören stets 4 Zellen : eine trichogene, eine tormogene, eine thecogene (scheidenbildende) Zelle und eine (in Ausnahmefällen auch mehrere) Sinneszellen. Die trichogene Zelle bildet das cuticulare Haar bzw. diesem analoge Strukturen. Entsprechend den vier unterschiedlichen Konstruktionstypen von Haarbildungen unterscheidet man: FadenhaarsensiIlen (Sensillum trichodeum), bei denen ein nur wenige Mikrometer dünnes, aber bis zu 2 mm langes Haar in einem sehr beweglichen Diaphragma aufgespannt ist. BorstenhaarsensiIlen (Sensillum chaeticum) haben kurze dickwandige Haare, die in eine elastische Gelenkwand übergehen . Bei campaniformen Sensillen (Sensillum campaniformium) wird das Haar durch eine Cuticulakuppel ersetzt. Scolopidiale Sensillen sind ebenfalls haarlos; bei ihnen ist die Epithelebene völlig in den Körper hineingezogen . Die tormogene Zelle ist die äußerste der Hilfszellen eines Sensillums. Sie bildet bei den Haarsensillen die funktionell wichtige Gelenkmembran , Teile des Haarsockels und den basalen Teil des Haarschafts. Im Endstadium der Morphogenese zieht sich die tormogene Zelle (gemeinsam mit der trichogenen Zelle) von der Cuticula zurück und bildet einen großen subcuticulären Rezeptorlymphraum aus (Abb. 11-2). Ihre apikale Membran formt zahlreiche Mikrovilli und Mikrolamellen, an deren Innenseite im Elektronenmikroskop 8 nm große Partikel zu erkennen sind, wie sie für Membranen mit intensivem Ionentransport charakteristisch sind. Die trichogene Zelle trägt während der Morphogenese die Hauptlast der sekretorischen Aktivität, weil sie den Haarschaft und Teile der Gelenkmembran bildet. Sie zieht sich nach der Haarbildung (Abb. 11-2 B, C) aus dem Haar zurück und bildet apikal zum Rezeptorlymphraum hin ebenfalls Mikrovilli aus. Aller-
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11 Sinnesphysiologie
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Abb. 11-1: Das mechanorezeptorische Sensillum. A Schema des epithelialen Aufbaus mit der Sinneszelle sowie tormagener, trichogener und thecogener Zelle. Zu beachten sind die typischen Zwischenzellverbindungen aus Desmosomen und gap junetions, sowie derRezeptorlymphraum, dervor allem von der tormogenen Zelle gebildet wird. 8 Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Querschnitts durch den Tubularkörper eines Fadenhaarsensillums des Heimchens (Acheta domesticus). Der Tubularkörper besteht aus 520 Mikrotubuli, die in eine Zwischensubstanz eingelagert sind. D Dendritenscheide; M Membran der Sinneszelle. Die Pfeile geben die Richtung der Krafteinwi rkung eines depolarisierenden Reizes an. (Modifiziert nach Thurm 1984)
dings ist der von der trichogenen Zelle eingenommene Ante il am Rezeptorlymphraum klein im Vergleich zu dem der tormogenen Zelle. Bei einigen Sensillen degeneriert die trichogene Zelle am Ende der Mo rph ogenese und verschwindet vollständig. Die thecogene (scheidenbildende) Zelle ist die innerste der Hilfszellen und umhüllt sowohl den Zellkörper als auch den Dendrit en der Sinneszelle innerhalb des Rezeptorlymphr aums. Die Sinneszellen selbst sind primäre Sinneszellen, d. h. sie bilden proximal Fortsätze aus, die als Axon die Verbindung mit dem Zentralnervensystem (ZNS) herstellen. Mit Ausnahme der multipolaren Rezeptoren (s. u.) dient der distale Fortsatz der Reizaufnahme und stellt ein modifiziertes Cilium mit einer 9 x 2 + 0 Struktur dar. Ma n bezeichnet diesen Teil der Sinneszelle als das Außensegment. Innerhalb dieses ciliären Außensegments haben alle mechanosensitiven Sinneszellen einen Tubularkörper als modalitätsspezifische Struktur ausgebildet (Abb. 11-1 B). Dabei handelt
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Abb. 11·2: SchematischeDarstellung verschiedener Entwicklungsstadien einer Makrochaete der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala. Die trichogene Zelle produziert den Haarschaft und ist am 6. Puppentag (A) außergewöhnlich groß, der Kern ist hochpolytän. Zu diesem Zeitpunkt umhüllt die thecogene Zelle den gesamten Dendriten der Sinneszelle. Am 10. Puppentag (8) ist die trichogene Zelle bis aufwenige Reste (einer davon im basal verschlossenen Haarlumen) reduziert. Die tormogene Zelle beginnt mit der Ausbildung des RezeptorIymphraums. Am 5. Imaginaltag (C) ist der Rezeptorlymphraum ausgebildet, der Rest der trichogenen Zelle im Haarlumen ist vollständig reduziert. (Modifiziert nach Keil 1978)
es sich um ein Bündel von 30 bis über 1000 Mikrotubuli, die untereinander durch eine amo rphe, elektrone ndichte Substanz verbunde n sind. Die peripheren Mikrotubul i sind mit der Dendriten-
11 .1 Mechanorezeption
283
Tab. 11·1:Vert eilung von Mechanorezeptoren an bzw. in einem Insektenkörper am Beispiel einer Grille. Während die Zahl der Rezeptoren bei verschiedenen Grillenarten variieren kann, istdie relative Lage der unterschiedlichen Rezeptoren recht konstant. Gleiches gilt für verschiedene Körpersegmente, in denen die Rezeptoren nach den Regeln der seriellen Homologie zu finden sind (vergl. Abb. 11-13 B). Mechanorezeptoren, die nicht eindeutig nachgewiesen sind, aber wahrscheinlich vorkommen, sind mit Fragezeichen angedeutet; ein Strich bedeutet nicht vorhanden . (Nach Gnatzy und Hustert 1989)
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cuticulare Rezeptoren
Borstenhaare schlanke Haare Haarfelder Fadenhaare keulenförmige Haare campaniforme Sensillen interne Rezeptoren Chordotonalorgane multipolare Sensillen Sehnenorgane
membran über membranintegrierte konusförmige Moleküle verbunden, von denen angenommen wird, dass sie Teil der mechanosensitiven Ionen kanäle sind. Die Membranen der Zellen eines solchen Sensillums sind untereinander (und mit den Membranen umliegender Epithelzellen) durch Zellkontakte in Form von Desmosomen verbunden. Zusätzlich sind die Hüllzellen miteinander durch gap junctions verbunden (Abb. 11-1 A). Diese Kontakte im apikalen Bereich der Zellen stellen eine starke Barriere für die Diffusion von Ionen in die Interzellularspalten dar und bewirken eine elektrische Abgrenzung des äußeren Rezeptorlymphraums gegenüber dem Interzellularraum. Dies hat zur Folge, dass der Rezeptorstromkreis der Sinneszelle durch die benachbarten Zellen des Epithels hindurch, nämlich die tormogene und trichogene Zelle, geschlossen wird. Insofern gestalten diese nichtneuronalen Zellen die Eigenschaften des Rezeptorstromkreises mit. Zusätzlich ist in der stark gefalteten apikalen Membran der tormogenen Zelle ein elektrogener K+-Auswärtstransport in den Rezeptorlymphraum hinein lokalisiert. Die Zelle produziert so eine extrazelluläre Ionen zusammensetzung, die einem intrazellulären Milieu mit hohem K + -Gehalt ähnlich ist. Weil auf diese Weise eine hohe transepitheliale Spannung aufgebaut wird, beeinflusst vor allem die tormo-
gene Zelle indirekt die Größe des depo larisierenden Rezeptorstromes und damit die Amplitude des Rezeptorpotentials. Sie trägt auf diese Weise wesentlich zur Empfindlichkeitssteigerung der Sinneszelle bei.
11.1.2 Die Vielfalt mechanosensitiver Sensillen Ein Insektenkörper ist mit Mechanorezeptoren übersät (Tab. l l -I) . Besonders auffällig sind die vielen mechanosensorischen Haare, wie sie z. B. einzeln oder in Gruppen als Stellungshaare im Bereich von Gelenken vorhanden sind (Abb. 11-3, 11-5, vergl. auch mit Abb. 9-2). Die Haare selbst können sehr unterschiedlich gebaut sein: mit einem kurzen, borstenförmigen Haarschaft, als bis zu 2 mm langes Fadenhaar, oder als keulenförmi ges Haar (Abb. 11 -4 A). Alle Haare sind beweglich, weil die von der tormogenen Zelle gebildete Gelenkmembran mechanisch mit der umliegenden Cuticula gekoppelt ist. Bei den campaniformen Sensillen, die hinsichtlich ihrer cuticularen Struk turen wenig Gemeinsamkeit mit den Haarsensillen aufweisen, wird bei Reizung die Kuppel verbogen. Dort setzt das dendritische Ende der Sinneszelle
284
11 Sinnesphysiologie
Abb. 11·3: Rasterelektronenmikroskopische Darstellung von Stellungshaaren an der Basis der Antenne einer Honigbiene. SScapus; PPedicellus. (Foto W. Peters)
an, das ansonsten ähnlich wie bei den Haarsensillen aufgebaut ist. Scolopidien (stiftführende Sensillen) sind völlig in das Körperinnere verlagerte Mechanorezeptoren; sie stehen mit der Cuticula nur noch über eine oder mehrere Hilfszellen in Verbindung (Abb. 11-4 E). Ihre namengebende Struktur ist der Scolops (Stift), der von der trichogenen Zelle sezerniert wird und den apik alen Bereich des Ciliums umgibt. Man unterscheidet amphinematische Scolopidien, bei denen der Scolops zu einem Endfaden ausgezogen an der Cuticula inseriert, von mononematischen Scolopidien, wo dieser in der trichogenen Zelle frei endet. Meistens sind mehrere bis viele solcher Scolopidien zu Scolopidialorganen zusammengefasst und überspannen saitenartig Segmentgrenzen, Bein- oder Antennengelenke. Solche Sinnesorgane bezeichnet man als Chordotonalorgane; sie können sowohl propriozeptive als auch exterozeptive Funktion haben .
11.1.3 Reiz-Erregungsumsetzung (sensorische Transduktion) Man bezeichnet den Prozess, bei dem physikalische oder chemische Vorgänge außerhalb der Zelle - die Reize - in Erregung innerhalb der Zelle umgesetzt werden, als sensorische Transduktion. Bei diesem Prozess wird der äußere Reiz in ein elektrisches Signal umgesetzt, das innerhalb der Sinneszelle und den angeschlossenen Zellen des ZNS die Verrechnung der Reizinformation ermöglicht. Innerhalb der Sinneszelle und den nachgeschalteten Nervenzellen existieren Reize also nicht mehr, sondern nur noch deren Repräsentation in Form von elektrischen Potentialdifferenzen bzw. deren Änderungen. Jede Sinneszelle besitzt für die Reiztransduktion im Bereich des Außensegments
Strukturen, die für die reizspezifische Spezialisierung der Zelle verantwortlich sind . Die Spitze des Außengliedes besitzt eine dichtgepackte Anordnung von Mikrotubuli, den sog. Tubularkörper, sowie Membranstrukturen, die als mechanosensitive Molekülkomplexe angesehen werden (Abb, II -lB, Abb. 11-4). Das Außenglied der Sinneszelle ragt in den Rezeptorlymphraum hinein , der von den Hüllzellen unterhalb der Cuticula gebildet wird. Die Spitze des Außengliedes ist mit dem cuticularen Apparat verbunden, der den mechanischen Reiz auf den Tubularkörper überträgt. Als wirksamer Reiz kommt in allen untersuchten Fällen die Querkompression der Spitze des Außengliedes in Betracht. Die Übertragung der Reizkraft auf das Außenglied der Sinneszelle variiert entsprechend der unterschiedlichen Konstruktionsweise der Sensillen (Abb. 11-4). Ein Fadenhaarsensillum ist wegen seiner bis fast 2 mm langen und nur wenige um dicken Haare sowie der Konstruktion seiner Aufhängung in einem cuticularen Diaphragma für die Perzeption sehr kleiner Kräfte, wie z. B. geringer Luftströmungen, besonders geeignet (Abb. 11-4 B). Das lange Haar funktioniert als zweiarmiger Hebel (s. Lage der Drehachse in Abb. 11-4 B) und überträgt die Reizkraft direkt auf die Spitze des Rezeptoraußengliedes, wobei die Auslenkung des Haares in eine Richtung eine Querkompression des dort liegenden Tubularkörpers verursacht und die Zelle depolarisiert, während eine Auslenkung in die Gegenrichtung eine Zugspannung transversal zur Membranrichtung ausübt und die Zelle hyperpol arisiert. Dementsprechend ist die Empfindlichkeit richtungsselektiv. Die für die Auslösung solcher messbaren Potentialänderungen notwendigen Auslenkungen des Fadenhaares sind außerordentlich gering . Eine maximale Antwort der Sinneszelle wird schon bei Auslenkungen um etwa 0,5 um erreicht. Überschwellige, d. h. Nervenimpulse auslö sende Rezeptorpotentiale werden bei Verformungen der Dendritenspitze von nur 0, I nm gemessen. Die dazu notwendige Reizenergie liegt bei einer Größenordnung von 10-19 Ws, und damit unt er dem Energiegehalt eines Quants von sichtbarem Licht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade solche hochempfindlichen Fadenhaare auf den Cerci von Schaben als Detektoren für die Annäherung eines Fressfeindes und die Auslösung eines Fluchtretlexes eingesetzt werden (s. 8.5.2.2 und Abb. 8-19). Im Gegensatz dazu wird bei einem Borstensensillum in jeder Abbiegungsrichtung der Borste auf den Tubularkörper Druck ausgeübt (Abb, 11-4 C): die dicke Haarwand geht in eine ebenfalls dicke, allerdings sehr elastische Gelenkwand über, darunter wird die Spitze des Außensegments von einer M atrix umgeben , die den Gelenkbereich aus-
11 .1 Mechanorezeption
Coxa
285
Gasler
c Depol. ' -
Trochanter Abb. 11-5: Lage von Stellungshaaren und Haarfeldern bei einer Ameise. Einzelne Stellungshaare bzw. Haarfelder liegen im Bereich von Gelenken der Extremitäten oder Körpersegmenten und können so als Propriorezeptoren wirken . (Modifiziert nach Markl 1971)
E
o Abb. 11-4: Mechanosensitive Haare. A Verschiedene Haartypen (von links nach rechts: Borstenhaar, Fadenhaar, keulenförmiges Haar). Die Länge des fadenförmigen Haares ist im Vergleich zum Borstenhaar stark verkürzt dargestellt. Bei campaniformen Sensillen (rechts) istdas Haar bis aufeinen Cuticulaspalt völlig zurückgebildet. (Nach Gnatzy und Hustert 1989) BE Konstruktionstypen epidermaler Sensillen sowie Mechanismus der Übertragung der Reizkraft auf das Außensegment der Sinneszelle. Die Pfeile geben die Richtung der Reizkraft an, die zur De- oder Hyperpolarisation führt. Der Punkt in B beschreibt die Lage der Drehachse des Haares. Schwarz: cuticulare Strukturen; punktiert: elastische Matrix. (Modifiziert nach Thurm 1996)
füllt. Die erforderliche Energie für die Abbiegung ist um Zehnerpotenzen größer als bei den Fadenhaarsensillen; solche Konstruktionen eignen sich daher besonders als Berührungsrezeptoren oder als Stellungshaare (vergl. mit Abb. 11-3). Bei den campaniformen Sensillen liegt die Spitze des Außengliedes in einem Spalt zwischen Cuticula-Aufwölbungen (Abb. 11-4 D). Der Spalt ist durch eine Cuticulaleiste und beidseitig durch Streifen von Epicuticula abgedeckt. Kräfte , die durch äußere Belastungen, Beschleunigungen oder durch Mus-
kelkräfte in der Körperwand eines Insekts auftreten und quer zu den Spalten angreifen, wirken depolarisierend, indem sie eine Querkompression der Matrix und der in ihr eingebetteten Endung des Rezeptoraußengliedes verursachen . Tatsächlich lässt sich im Elektronenmikroskop eine Verringerung der Spaltbreite um maximal 15% bei gereizten Sensillen nachweisen. In ganz ähnlicher Weise arbeiten auch die Spaltsinnesorgane (lyriforme Organe) von Spinnen und Skorpionen. Bei den scolopidialen Sensillen (Abb. 11-4 E) hat die Spitze des Rezeptoraußengliedes den direkten Kontakt zur Epithelebene völlig verloren; sie endet in einer Kappe, die ihrerseits über eine oder mehrere Verbindungszellen den Kontakt zur Körperwand hält. Namengebend für diese Sensillen (stiftführende S.) ist der Stift (=Scolops) , eine von der trichogenen Zelle erzeugte, kompakte Aktinversteifung, die den Rezeptorlymphraum umgibt. Die Cilienbasis ist über lange Wurzelfäden bis in das Soma der Sinneszelle hinein verankert. Diese Sensillen perzipieren Druck- oder Zugkräfte im Körperinneren .
11.1.4 Die adäquaten Reize, ihre Perzeption und der Verhaltenskontext Die mechanische Reizenergie deformiert Strukturen des Sinnesorgans ; als Folge ergeben sich Dehnungs, Scherungs-, oder Torsionskräfte. Hilfsstrukturen wie z. B. die cuticulären Haare übertragen die reizabhängige Auslenkung auf die mechanosensitiven Strukturen der Sinneszellen. Die
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11 Sinnesphysiologie
reizleitenden Strukturen sowie die Position der Sinneszelle am oder im Insektenkörper entscheiden also im Wesentlichen darüber, welche Art von Reizenergie "ad äquat" für sie ist, und welche Reizenergien gefiltert werden. Dagegen scheint der sensorische Mechanismus der Sinneszellen selbst sehr ähnlich zu sein. So sind z. B. Sinneszellen in Verbindung mit mechano sensorischen Haaren zur Messung von Berührungsreizen , Schwerkraft, kontinuierlichen Medienströmungen, Winkelbeschleunigungen, Schall oder Substratvibrationen geeignet, oder sie dienen als Extero- oder Propriorezeptoren. Dieselben Sinneszellen des lohnstonschen Organs im Pedicellus der Antenne können sowohl Gehörorgane für Nahfeldschall , Echoortungsorgan für Oberflächenwellen auf dem Wasser oder Sinnesorgan für Windströmungen sein. Im Folgenden werden die mechanischen Reize, ihre Perzeption, sowie ihre biologische Bedeutung beschrieben.
11.1.4.1 Propriozeption Insekten müssen ständig über die relative Lage ihrer Extremitäten oder Körperteile zueinander informiert sein. Diese Information erhalten sie von unterschiedlichsten Propriorezeptoren. Einerseits können Sinneszellen in Verbindung mit mechanosensorischen Haaren daran beteiligt sein, deren afferente Entladung mit der Auslenkung des Haares variiert. Solche Stellungshaare liegen einzeln oder in Form von Haarfeldern über den gesamten Insektenkörper verteilt, bevorzugt allerdings an Gelenken oder zwischen Kopf und Thorax bzw. Thorax und Abdomen (Abb. 11-3, 11 -5). Die einzelnen Körperteile eines Insekts sind durch Gelenkhäute beweglich miteinander verbunden . Die Stellungshaare werden bei Bewegungen der Körperteile von der benachbarten Gelenkhaut in ihrer Lage geändert. Andere, längere Stellungshaare z. B. auf der ventralen Körperoberfl äche können sensorische Rückmeldung über Kontakt mit Bodenstrukturen während des Laufens ergeben und ermöglichen auf diese Weise, Substratkontakt zu vermeiden. Auch Stellungshaare im Bereich des Coxa-Trochanter Gelenks sind an der Abstandsregelung vom Boden beteiligt (vergl. Abb. 9-7). Schließlich tragen campaniforme Sensillen als Dehnungsrezeptoren in der Cuticula wesentlich zur Registrierung der Bewegung von Körperteilen oder deren Auslenkung bei, besonders wenn sie in der Nähe von Gelenken lokalisiert sind, die bei Eigenbewegungen mechanisch deformiert werden. Campaniforme Sensillen findet man oft in parallel angeordneten Gruppen in der Cuticula. Sie arbeiten dort analog zu technischen Dehnungsmessstreifen, da der adäquate Reiz die Kompression
Abb. 11-6:Rasterelektronenmikroskopische Darstellung von campaniformen Sensillen auf dem basalen ventralen Teil der Haltere der Schmeißfliege (alliphora erythrocephala. Die campaniformen Sensillen sind in zehn parallelen Kreisbögen angeordnet. Die Spitze der Dendriten inseriert am Dom, der hufeisenförmig versenkt ist, sodass je ein Spalt von 0,2-0,3 11m Breite sichtbar ist. Deformationen in Richtung der Kreisbögen sind reizwirksam und führen zur Erregung der Sinneszellen . (Fotos w. Peters)
der cuticularen Kuppel ist (vergl. Abb. 11-4 D). So können sie z. B. als Propriorezeptoren die Stellung von Körperteilen relativ zu anderen registrieren, oder bei schwingenden Strukturen wie einer Fliegenhaltere die dabei auftretenden Deformationen der Cuticula messen (Abb. 11-6). Wie die sensorischen Rückmeldungen von campaniformen Sensillen der Haltere und auf den Flügeln einer Fliege die Steuermuskulatur für den Flug beeinflussen, ist in Abb. 9-22 dargestellt. Das ZNS eines Grillenmännchens erhält z. B. propriozeptive Information über die korrekte Ausführung der Gesangsbewegungen der Vorderflügel u. a. über campaniforme Sensillen im Bereich der Cubitalader. Werden die Sensillen ausgeschaltet, kommt es zu Veränderungen der Schallsignale: Ausfall und Verkürzung von Silben, zu hohe Geschwindigkeit der Flügelschließbewegung etc., die das Lautsignal des Männchens letztlich weniger attraktiv für Grillenweibchen machen. Multipolare Streckrezeptoren (Abb. 11-7) sind ebenfalls Propriorezeptoren , deren sensorische Endungen z. B. die Dehnung von Muskelfasern in der Darmwand registrieren, oder die Streckung von membranösen Teilen der Cuticula . Ihr Soma liegt stets peripher, die
11 .1 Mechanorezeption
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Abb. "-7: Multipolare Nervenzelle im Labellum der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala. (Foto W. Peters)
dendritischen Endungen sind entweder mit Bindegewebe oder Muskelfasern als reizleitendem Apparat assoziiert (zur Rolle eines multipol aren Streckrezeptors bei der Flugstabilisierung s. 8.4.3.3). Häufig sind an Orten hoher mechanischer Beanspru chung unterschiedliche Mechanorezeptoren zu Rezeptorkomplexen zusammengefasst, wobei jedem Rezeptor eine andere propriozeptive Funktion zugeordnet ist. Am Ansatz des Hintertlügeis des Schwärmers Manduca sex ta (Sphingidae) sind ein multiterminaler Streckrezeptor, ein Haarfeld und ein Chordotonalorgan lokalisiert. Während der Streckrezeptor auf das Heben und Senken des Hintertlügeis reagiert, liegen die Stellungshaare in einer Position, in der sie auf die FlügelsteIlung im ruhenden Tier ansprechen . Das Chordotonalorgan wiederum reagiert auf Vibrationen und soll in der Aufwärmphase des Insekts die geringen Schwingungen des Flügels messen können .
11.1.4.2 Schwerkraft Praktisch alle Insekten machen sich die Schwerkraft zunutze, um sich im Raum zu orientieren. Der Kopf oder das Abdomen können als schwere Massen dienen, die den Gravitationsvektor anzeigen. Die Richtung der Schwerkraft wird daher in der Regel über Sinneszellen gemessen, die die Winkelstellung der Körpergelenke kontrollieren . Dazu brauchbare Stellungshaare kommen an der Antennenbasis, in der Halsregion, an den Coxen und am Übergang zwischen Thorax und Abdomen vor (Abb. 11-5). Sie werden bei Änderungen der Lage von Körperteilen durch die jeweiligen Gelenk häute abgeschert. Im Prinzip ähnlich, aber mit umgekehrten Vorzeichen, nutzen wasserlebende Insekten (z. B. Nepa oder Ranatra, Abb. 11-8 C) Stellungshaare, die durch den Auftrieb von mitgeführten Luftblasen mechanisch ausgelenkt werden. Die Wasserwanze Notone cta hält ihren Luftvorrat in Form einer Luftblase unterhalb der Antennen . Ändert die Luftblase ihre Form oder Lage
Abb. "-8: Schwerkraft. A Orientierung des Körpers im Schwerefeld. Kompensatorische Kopfbewegung einer Grille, wenn der Körper parallel zur Längsrichtung um einen bestimmten Winkelbetrag gekippt wird. Offene Symbole: intaktes System; geschlossene Symbole: nach Ausschaltung der keulenförmigen Haare auf den Cerci, deren Haargewicht selbst einen Auslenkungsreiz erzeugt, der von der Richtung der Schwerkraft abhängt. (Nach Horn und Bischof 1983) B Basis des Cercus einer Grille mit keulenförmigen Haaren und Fadenhaaren; Balken = 100 um, (Foto M.A. Pabst) C Statisches Organ zur Messung des Auftriebs bei der Larve einer Wasserwanze der Gattung Ranatra. Die Atemluft wird durch Deckborsten in den Atemrinnen entlang der ventralen Oberfläche des Abdomens gehalten. An 4 Stellen liegen statt der Deckborsten Sinnesborsten, die je nach der Lage des Tieres im Raum unterschiedlich stark von der eingeschlossenen Luft ausgelenkt werden. (Nach Markt 1963)
288
11 Sinnesphysiologie
entsprechend der Richtung der Schwerkraft, kann dies durch die Auslenkung der Antennen gemessen werden. Nach Ausschaltung der Antennen oder nach Entfernung der Luftblase schwimmt die Wanze unorientiert. Im Gegensatz dazu besitzen Schaben und Grillen ein eigenes, exterozeptives System von Schwererezeptoren in Form der keulenförmigen Sensillen auf den Cerci, die in Abhängigkeit von der Körperposition ausgelenkt werden (Abb. 11-8 A, B). Der distale Teil des Sensillums besteht aus einer flüssigkeitsgefüllten Keule, die beweglich über einen dünnen Schaft in einem Sockel inseriert ist. Die Sockelstruktur ist ähnlich wie bei einem Fadenhaar aufgebaut (vergl. mit Abb. 11-4 A). Die Ebene der bevorzugten Auslenkung der ca. 200 Sensillen im adulten Tier variiert. Im ersten Larvenstadium findet sich nur ein einziges Sensillum auf jedem Cercus, dennoch reicht die Information der damit assoziierten einen Sinneszelle aus, Verhaltensantworten auszulösen . Diese bestehen in kompensatorischen Kopfbewegungen relativ zum übrigen Körper, wenn das Tier seine Körperhaltung ändert. Ausschaltexperimente machen allerdings wahrscheinlich, dass die Tiere zusätzliche propriozeptive Information von den Antennen und/oder Beinen nutzen. Dies ist ein Beispiel für ein weit verbreitetes Prinzip in Sinnessystemen: Sie sind mehrfach gesichert (redundant) angelegt und so vor Störungen besonders geschützt.
ziiert und tragen ebenfalls zur Wahrnehmung von Berührungsreizen bei.
11.1.4.4 Kontinuierliche Medienströmungen
Strömungsreize kommen durch Bewegungen der Medien Luft oder Wasser relativ zum Insekt zustande. Für Insekten, die sich kaum oder nur langsam bewegen sind Strömungsreize fremderzeugt; die sensorische Information kann genutzt werden, Intensität und Richtung der Strömung zu messen und in ein adaptives Verhalten umzusetzen. So nutzen Larven von Trichopteren die Information des schnell strömenden Wassers, um sich positiv rheotaktisch zu orientieren und ihren Körper in den Strom zu drehen, womit der Strömungswiderstand erniedrigt wird. Termiten reagieren auf geringe Luftströmungen in ihren Bauten; das verantwortliche Rezeptororgan ist das Johnstonsche Organ an der Antennenbasis. Die gleichen Rezeptoren haben schließlich auch Bedeutung für Orientierungsleistungen am Boden, indem während des Laufens eine Kurssteuerung relativ zur Windrichtung durchgeführt wird. Das Einhalten eines konstanten Kurses gegenüber der Windrichtung (anemomenotaktische Orientierung) ist z. B. für einige Käfer bekannt (Abb. 119). Das Verhalten tritt schon bei Windgeschwindigkeiten von 0,15 m/s auf. Es wird gesteuert über Bewegungen des Gelenks zwischen Pedicellus und Flagellum. 11.1.4.3 Berührung Wenn ein Insekt dagegen fliegt oder schwimmt, Berührungsreize entstehen durch aktiven oder werden Strömungsreize im Wesentlichen durch passiven Kontakt des Insekts mit festen Struk- seine eigene motorische Aktivität erzeugt, und die turen der Umwelt; sie haben in aller Regel aperio- motorische und sensorische neuronale Aktivität dischen Charakter. Die Verhaltensantwort kann können zentral miteinander verrechnet und zur die Vermeidung eines Hindernisses sein, die Besei- Regelung der Fortbewegungsgeschwindigkeit getigung von Fremdkörpern, oder Flucht bzw. ag- nutzt werden. Bei der Wanderheuschrecke Locusta gressives Verhalten bei Kontakt mit anderen In- migratoria dienen sowohl verschiedene Felder von dividuen. Berührungsreize werden oft aktiv "ge- Stellungshaaren auf dem Kopf als auch die Antensammelt" , indem die Umgebung zur räumlichen nen als Luftströmungssinnesorgane, die in der Orientierung oder zur Futtersuche mit Beinen, Lage sind, die Eigengeschwindigkeit während des Antennen oder Mundwerkzeugen abgetastet wird. Fluges zu messen. Die Geißelantenne von Locusta Sie spielen des Weiteren eine wichtige Rolle bei der besteht aus zahlreichen Gliedern (Abb. 11-10 A); Auslösung und Durchführung der Kopulation der proximale Scapus ist mit dem 2. Glied, dem Pedicellus, gelenkig verbunden, darauf folgt das oder der Eiablage. Typische taktile Rezeptoren bei Insekten sind lange Flagellum. Als Maß für die Fluggeschwinmechanosensorische Haare , die durch ihre Länge digkeit dient die Ablenkung des Flagellums gegen die Reizenergie schon in einer gewissen Distanz den Pedicellus; dies ist der adäquate Reiz für die vom Körper wirksam erfassen und die Sinneszelle Mechanorezeptoren des Pedicellus, vor allem die erregen können . Sowohl die Länge, Dicke und Sensillen des Johnstonschen Organs und eine Beweglichkeit der Haare, als auch die Anordnung Reihe von campaniformen Sensillen am distalen in Form von Einzelhaaren oder Haarpolstern vari- Rand des Pedicellus. Die beiden Luftströmungsiert sehr, was für unterschiedliche Funktionen sinnesorgane haben unterschiedliche Bedeutung spricht. Campaniforme Sensillen sind häufig in für die Fluggeschwindigkeit der Heuschrecke: Gruppen angeordnet oder mit Haarsensillen asso- schaltet man die Stirnhaare aus, so erniedrigt sich
11 .1 Mechanorezeption
289
1-4~1
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~:~ Abb. "-9: Einfluss von Windreizen auf die Orientierung eines Käfers. Oben: Laufwege eines Mistkäfers (Geotrupes
silvaticus) bei absoluter Dunkelheit und Windstille auf einer Laufkugel (S Startpunkt), Unten: Laufwege desselben Mistkäfers direkt nach Beginn eines Windreizes bei ansonsten gleichen Versuchsbedingungen. Die Richtung des Luftstroms mit einer Geschwindigkeit von ca. 1 m/s ist durch die Pfeile angezeigt. (Nach Linsenmair 1969)
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11.1.4.5 Vibration Der Begriff "Vibration" wird hier für mechan ische Oszillationen benutzt, die als Reize bei Kontaktund Substratvibration auftreten. Bei der Kontaktvibration wird der mechan ische Reiz durch direkten physischen Kontakt zwischen Sender und Empfänger - ohne die Hilfe eines zwischengeschalteten Mediums - übertragen. Von normalen Berührungsreizen unterscheiden sie sich durch ihre rhythmische Struktur. Rezeptoren für solche Kontaktvibrationen sind verschiedene Haar- bzw. campaniforme Sensillen und Chordotonalorgane in der Nähe von Segmentgrenzen und Gelenken . Im Gegensatz dazu werden Substratvibrationen an den Grenzflächen zweier Medien, entweder Luft - Wasser, Luft - Boden oder Wasser - Boden, zum Empfänger übertragen . Kleine Insekten sind bei tiefen Frequenzen sehr ineffiziente Schallabstrahler, sie können dagegen tieffrequenten "SubstratschaU" auf Pflanzen oder festem Material erzeugen und auf diese Weise über kurze Distanzen Kommunikationssignale übertragen. Wanzen und Kleinzikaden erzeugen zwar Luftschall geringer Intensität mit ähnlichen Tymbalorganen bzw. Stridulationsmechanismen wie andere Insekten, die
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Ahb. " -'0: Perzeption von Windströmung. A Die Auslen-
kung der Antennen der Wanderheuschrecke Locusta migratoria bei Windstille (0 m/s) bzw. einer Windgeschwindigkeit von 4 ml s. Die linke Antenne kann sich frei bewegen, die rechte ist an ihrer Basis fixiert. Die punktierten Areale geben die Lage von Borstenfeldern an. Der Flügelschlag der Heuschrecke erzeugt auch eine Modulation der Windgeschwindigkeit mit Spitzenwerten von 1rn/s im Bereich der Antennenbasisund der Borstenfelder (s. Einschaltbild). B Der Einfluss der Windsinnesorgane auf der Antenne bzw. der Borstenfelder am Kopf auf die Fluggeschwindigkeit. Nach Ausschaltung der Antenne erhöht sich die Geschwindigkeit, nach Ausschaltung der Borstenfelder wird sie erniedrigt. Die beiden mittleren Kurven zeigen die Fluggeschwindigkeit der TIere vor der Ausschaltung. (Modifiziert nach Gewecke 1974)
verhaltenswirksamen Signale sind jedoch oft tieffrequente Substratvibrationen, die - wenn sie auf Pflanzen erzeugt werden - einen Empfänger in geringer Distanz erreichen können. Auf diese Weise werden unerwünschte Adressaten , die entweder keinen Kontakt mit dem übertragenden Medium haben oder zu weit vom Sender entfernt
290
11 Sinnesphysiologie
sind, von der Kommunikation ausgeschlossen. Die Dämpfungseigenschaften der Substrate sind sehr variabel und führen - neben der unterschiedlich en Empfindlichkeit der Sinnessysteme - zu Kommunikationsdistanzen von einigen Millimetern bis zu wenigen Metern . An der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser können Insekten, die auf bzw, unmittelbar unter der Wasseroberfläche leben, selbsterzeugte Oberflächenwellen zur Kommunikation mit Geschlechtspartnern oder Rivalen nutzen . Männchen des Wasserläufers Gerris remigis erzeugen eine niederfrequente Oberflächenwelle von 3-10 Hz für die Anlockung von Weibchen, während eine Frequenz von 80-90 Hz als territoriales Signal dient , um andere Männchen vom eigenen Revier fernzuhalten. Mithilfe von Oberflächenwellen können Wasserwanzen auch zappelnde Beute wahrnehmen und lokalisieren , die ins Wasser gefallen ist. Bei Gerris und Notonecta wird das Beutefangverhalten durch Oberflächenwellen in einem Frequenzbereich zwischen 20 und 200 Hz optimal ausgelöst; hier liegen auch die maximalen Amplituden der Signale, die durch die zappelnde Beute erzeugt werden. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen im Vergleich zur Schallgeschwindigkeit in Luft re\. gering ist, erreicht die Wellenfront die Tarsen der einzelnen Beinpaare zu unterschiedlichen Zeiten . So entstehen Zeitdifferenzen bei der Aktivierung der scolopidialen Sensillen in den Tarsen, die zwischen 1--4 ms liegen und für die Orientierung genutzt werden können . Perzipiert werden die Oberflächenwellen entweder durch Sensillen der John stonschen Organe, der Antennen (Gyrinus) oder Scolopidialorgane im Endglied der Tarsen (Notoneeta). Bei Letzteren messen je 8 Sinneszellen die Stellung und die Bewegung der Krallen, die durch den Auftrieb des Rückenschwimmers von unten gegen die Oberfächenhaut des Wassers gedrückt und durch die Oberflächenwellen ausgelenkt werden. Das Frequenzspektrum der Oberflächenwellen eines zappelnden Insekts liegt genau im Empfindlichkeitsmaximum des Tarsalorgans . Neben der Funktion im Zusammenhang mit der innerartliehen Verständigung und dem Beutefang spielen Substratvibrationen und die perzipierenden Sinnesorgane auch eine wichtige Rolle als Warnsystem vor Räubern. Die meisten Insekten besitzen mit den Subgenualorganen äußerst empfindliche Rezeptororgane für derartige Schwingungen in allen Beinpaaren . Sie bestehen aus etwa 20--40 scolopidialen Sensillen, die in den proximalen Bereichen der Tibien fächerförmig aufgespannt sind. Schwingungsamplituden zwischen 0,001-0,1 nm führen im Frequenzoptimum von 1-5 kHz noch zu überschwelligen Antworten der Sinneszellen.
11.1.4.6 Schall Schallsignale werden von Insekten auf unterschiedlichste Weise erzeugt, wobei die Stridulation die am häufigsten benutzte Methode der Schallerzeugung ist. Einige Feldheuschrecken besitzen auf der Innenseite ihrer Hinterbeine eine Reihe von Zähnchen, die sie an einer anderen Zähnchenreihe am Tergiten des 2. Abdominalsegments reiben (Abb. li-li A). Durch das zeitliche Muster der Aktivierung der entsprechenden Motoneurone werden die Hinterbeine in art spezifischer Weise bewegt und es entstehen amplitudenmodulierte Laute, die in aller Regel garantieren, dass nur arteigene Geschlechtspartner angelockt werden (Abb. li-li B). Das Zirpen von Grillen und Laubheuschrecken ist vom Prinzip her ähnlich . Hier werden eine Schrillkante und eine Schrillader an den beiden Vorderflügeln gegeneinander bewegt und so bestimmte Teile des Flügels in Schwingung versetzt.
Abb. 11-11: Lauterzeugung durch Stridulation. A Ein Männchen der Blasenschrecke Bullacris membracioides (Acrididae, Orthoptera) striduliert mithilfe einer Reihe von Cuticulazähnchen an der Innenseite des Femurs des Hinterbeins (REMAufnahme unten; Balken 200 um), die an einer Zähnchenreihe am zweiten Abdominalsegment (REM-Aufnahme oben; Balken 500 um) gerieben wird. (Fotos M.A. Pabst) B Oszillogramm des durch die Stridulation erzeugten Lautes mit 5 leisen Vorsilben und einer letzten Silbe mit einem Schalldruckpegel von bis zu 98 dB.
11.1 Mechanorezeption
Insekten sind allerdings in der Regel klein und können aus physikalischen Gründen nur wenig Schallenergie bei niedrigen Frequenzen abstrahlen, es sei denn als Medienoszillation im akustischen Nahfeld (s.u.). Das Spektrum der Laute liegt daher häufig im Ultraschallbereich oberhalb von 20 kHz, oder es werden physikalische "Tricks" angewandt, um Luftschall mit Wellenlängen, die mehr als IOx größer als die schallabstrahlende Struktur sind, mit einem genügend großen Wirkungsgrad abzustrahlen. So benutzen kleine, südafrikanische Baumgrillen der Gattung Oecanthus Lücken zwischen Blättern, oder schneiden mit ihren Mundwerkzeugen sogar Löcher in ein Blatt, um darin mit hochaufgestellten Flügeln zu stridulieren. Durch Ausnutzen einer solchen Scheibe vermeiden sie einen "akustischen Kurzschluss" zwischen Vorder- und Rückseite ihrer Flügel und erzeugen einen Schalldruckpegel, der um 10 Dezibel über dem einer "frei" singenden Baumgrille liegt. Männchen der Maulwurfsgrille Scapt eriscus acletus graben eine Höhle, deren Öffnung sie der Form eines akustischen Horns (vergleichbar dem Trichter altmodischer Hörhilfen) immer besser anpassen, bis ihr Gesang bei einer Trägerfrequenz von etwa 2,7 kHz über den Schalltrichter um bis zu 15 Dezibel lauter abgestrahlt wird (Abb. 11-
291
Ausgang .,';
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,}'.':.:':" :::"" Ausgang Abb. 11-12: Mechanismus zur Erzeugung eines lauten Lockgesangs bei der Maulwurfsgrille. Männchen der Maulwurfsgrille Scapteriscus adetus in einer selbst gegrabenen Höhle, deren trichterartige Öffnung es in mehreren Arbeitsschritten der Form eines akustischen Horns so angepasst hat, dass sein Gesang bei einer Trägerfrequenz von etwa 2,7 kHz mit maximaler Lautstärke abgestrahlt wird. Oben Aufsicht; unten Seitenansicht. Die Zahlen geben die verschiedenen Tiefenlinien an. (Modifiziert nach Bennet-Clark 1987)
12).
Bei der anatomischen Vielfalt der Insekten verwundert es allerdings nicht, dass Stridulation mit Hilfe vieler verschiedener Kombinationen von Cuticulastrukturen in der Evolution entstanden ist. Eine vorsichtige Schätzung nur für die Familie der Dytiscidae (Coleoptera) zählt allein 14 Möglichkeiten auf, Schallsignale zu erzeugen. Daran sind so unterschiedliche Körperteile wie Mundwerkzeuge, Beine, Flügel oder Genitalapparate beteiligt. Neben der Stridulation gibt es auch andere Mechanismen der Lauterzeugung. Im Gegensatz zu Grillen und Heuschrecken wird bei Zikaden und einigen Schmetterlingen das Schallsignal nicht durch Reiben von Schrilleisten und -kanten erzeugt, sondern mith ilfe sog. Tymbal- oder Trommelorgane. Diese bestehen aus zwei ovalen Membranen an den Seiten des ersten Abdominalsegments. Die Membranen sind elastisch und durch mehrere parallele Querrippen versteift. An der Innenseite greift über eine Sehne ein großer Muskel an, durch dessen Kontraktion die Membran eingedellt wird und bei Erschlaffung wegen der Elastizität zurückschnellt. Die Arbeit sweise ist etwa vergleichbar mit dem Deckel einer Blechdose, der schnell hintereinander deformiert wird und dabei ein Geräusch erzeugt. Die enorme Lautstärke kommt bei den großen Zikaden durch Koppelung dieses schallerzeugenden Apparates mit einem Resonator in Form des luftgefüllten Abdomens zustande. Im Gegensatz dazu haben Klein-
zikaden zwar auch ein Tymbalorgan, aber kein assoziiertes Resonanzsystem und erzeugen deshalb nur sehr geringen Schallwechseldruck. Als Vibrationssignal kann es dagegen erfolgreich zur Kommunikation über Distanzen von maximal mehreren Metern eingesetzt werden. Grillenmännchen erzeugen durch das Reiben einer Schrillkante des rechten Vorderflügels an einer mit feinen Zähnchen besetzten Schrillader des linken Vorderflügels ein weithin hörbares Schallsignal mit Frequenzen zwischen 2 und 8 kHz, da s von entsprechenden Sinneszellen im Gehörorgan, die auf den Schallwechseldruck der Luft reagieren, im sog. aku stischen Fernfeld perzipiert werden kann. Dieselbe Bewegung der Vorderflügel erzeugt allerdings in der Nähe des Männchens auch eine Teilchenbewegung der Luftrnolek üle, die geeignete Sinneszellen im sog. akustischen Nahfeld der Schallquelle aktivieren können . Schließlich wird die Energie der Muskelkontraktionen für die Flügelbewegungen auch über die Beine des Männchens auf das jeweilige Substrat übertragen und löst dort lokale Schwingungen des Substrats aus ("Sub stratschall"; s.o.) , die von Vibrationsrezeptoren eines Empfängers in einer gewissen Entfernung noch wahrgenommen werden können . Zumindest bei den ersten beiden Vorgängen - dem Schallwechseldruck und der Teilchenbewegung des Mediums im Nahfeld - handelt es sich um Schall im weiteren Sinne, wenn auch die
292
11 Sinnesphysiologie Nahfeld-Schall
A
Flagellum
äußerer Scolopidienring
B
Druckempfänger
O
~
Druckgradienlenempfänger
Schallschnelleempfänger
~ -1-r =--..=
Abb. "-13: Verschiedene Schallempfänger. A Schematischer längsschnitt durch den basalen Teil der Antenne eines Stechmückenmännchens. (Modifiziert nach Risler 1953) B Schema eines Druckempfängers (links). eines Druckgradientenempfängers (Mitte), und eines Schallschnelleempfängers (rechts). p1 und p2 stellen die zwei Schallkomponenten dar, die die Außenseite des Tympanums direkt, bzw. mit einer gewissen Phasenverzögerung die Innenseite indirekt, erreichen. Ein Fadenhaar kann wegen seiner geringen Masse von der Bewegung der Medienteilchen mitgenommen werden und bei niederfrequentem Schall « 200 Hz) als Schallschnelleempfänger fungieren. Die fiedrige Verzweigung der Antennen einiger Fliegen (s.o.) trägt mit dazu bei, dass die gesamte Antenne mit der Teilchenbewegung der luft schwingt.
erreichten Kommunikationsdistanzen und beteiligten Sinnesorgane sehr unterschiedlich sein können. Die Übergänge von aperiodischen Berührungsreizen zu Kontaktvibration, über Substratvibrationen zu Nahfeld- und Fernfeldschall sind also fließend; Kategorien wie "Vibration" oder "Schall" haben insofern für ein Insekt nicht die gleiche Bedeutung wie für den Menschen.
Ein oszillierender Körper in einem Medium wie Luft oder Wasser erzeugt einen Schallwechseldruck , wenn der Körper im Vergleich zur Wellenlänge groß ist. Unterhalb eines kritischen Wertes für dieses Verhältnis wird jedoch die meiste Energie der Oszillation in Form lokaler Druckunterschiede und nicht als fortgeleiteter Schallwechseldruck auftreten . Deshalb wird die Teilchenbewegung des Mediums der entscheidende Parameter im akustischen Nahfeld ; die entsprechenden Sinnesorgane bezeichnet man auch als Schallschnelleempfänger (Abb. 11-13). Beispielsweise kann eine Wespe von 2 cm Länge keinen nennenswerten Schallwechseldruck unterhalb von etwa 3 kHz erzeugen. Obwohl die Wespe bei ihrer Flügelschlagfrequenz von ca. 150 Hz (Wellenlänge 2,25 m!) ein extrem schlechter Schallstrahier ist, können die Teilchenbewegungen der Luft in der Nähe der fliegenden Wespe erstaunlich große Amplituden erreichen. Zwar fällt die Amplitude dieser Teilchenbewegungen mit der 2. bis 4. Potenz der Distanz von der Quelle wesentlich stärker ab als der Schallwechseldruck, dennoch erreichen einige Insekten mit dafür geeigneten Sinnesorganen Wahrnehmungsdistanzen von einigen Zentimetern bis zu einem Meter. Wegen ihrer geringen Masse sind die Fadenhaarsensillen auf den Cerci oder die gefiederten Antennen einiger Insekten mit den scolopidialen Sensillen der Johnstonschen Organe typische Schallschnelleempfänger für solchen Nahfeldschall (Abb. 11-13). Da beide Rezeptorsysterne sowohl auf oszillierende Teilchenbewegung als auch auf Wind reagieren, ist es nicht verwunderlich, dass sie sowohl als "Gehörorgane" wie auch als "Windrezeptoren" fungieren. Kommunikation mithilfe von Nahfeldschall ist aus den genannten Gründen insbesondere bei Insekten mit geringen Individualdistanzen verbreitet. Der Paarungsgesang als Bestandteil des Balzverhaltens einiger Fruchtfliegenarten besteht aus zeitlich strukturierten Flügelbewegungen, die Teilchenbewegungen im Nahfeld mit einer Frequenz zwischen 100-500 Hz produzieren. Obwohl eine kleine Fruchtfliege praktisch keine nennenswerte Energie in Form eines Schallwechseldrucks erzeugen kann, ist die Energie der Oszillationen der Luftmoleküle im akustischen Nahfeld groß genug, dass der Paarungspartner im Abstand von etwa lern dieses Signal noch mithilfe des Johnstonschen Organs wahrnehmen kann . Die Biomechanik bei der Aktivierung des lohnstonschen Organs ist allerdings außergewöhnlich . Bei der Fruchtfliege hat die Antenne eine asymmetrische Struktur und besteht aus drei Segmenten mit einer distalen Arista . Das dritte Segment funktioniert gemeinsam mit der Arista als mechani-
11 .1 Mechanorezeption scher Schallempfänger und oszilliert maximal bei etwa 420 Hz. Gleichzeitig induziert der Schall eine Rotation des dritten Segments, die an der KontaktsteIle mit dem zweiten Antennensegment zu einer Aktivierung der Rezeptoren des lohnstonsehen Organs führt. Das dritte Antennensegment der Fruchtfliege wirkt nicht nur als mechanischer Schallempfänger, es trägt auch mehrere hundert olfaktorische Sensillen und ist also gleichzeitig auch Geruchsorgan. Da aber das Hören mechanisch auf der Rotation des Segments beruht, stören sich die beiden Sinnesmodalitäten Geruch und Gehör nicht an ihrer Funktion und können auf der selben Struktur nebeneinander existieren. Sammlerinnen der Honigbiene Apis mellifera informieren andere Arbeiterinnen mithilfe des Schwänzeltanzes über die Richtung, Distanz und Ergiebigkeit von Futterquellen (zum Prinzip der Informationsübermittlung bei Bienen s. 9.5.2.3 und Abb. 9-34). Dabei erzeugen sie - ähnlich wie die Fruchtfliege oder die Wespe - mit ihren Flügeln Oszillationen der Luftmolek üle, die im Abstand von 2 mm Geschwindigkeiten von 0,7 rnJs erreichen. Der Kopf der Folgebienen - und damit das Johnstonsche Organ der Antenne als Messinstrument - befindet sich dabei vorzugsweise im Bereich der maximalen Teilchenbewegung der Tanzlaute (Abb.lI-14 A, B). Die Tatsache, dass die Teilchenbewegung sehr stark mit der Distanz in ihrer Amplitude abnimmt ist hier sogar von Vorteil, denn die Information bleibt "privat" und benachbarte Gruppen von Tänzerinnen mit ihren Folgebienen stören sich nicht gegenseitig bei der Kommunikation. Weil die Rezeptororgane für die Teilchenbewegung paarig angelegt sind, d. h. eines in jeder Antennenbasis, können die Folgebienen ihre Position zur Tänzerin im dunklen Bienenstock bestimmen und damit "verstehen", wo die Richtung der Futterquelle liegt. Auch die Folgebienen erzeugen ein Schallsignal, indem sie mit ihrem Thorax gegen die Waben drücken; dieses Stoppsignal wird allerdings als Substratvibration übertragen (Abb. 11-14 C) und veranlasst die Sarnmlerin, kleine Portionen von Futtertröpfchen abzugeben. Nahfeldschall wird nicht nur als innerartliches Kommunikationssignal eingesetzt, sondern er kann auch als "unfreiwillig" erzeugtes Signal eines Räubers Fluchtoder Vermeidungsreaktionen bei der Beute auslösen. Nur 8 Sinneshaare sind bei der Raupe der Kohleule Barathra brassicae verantwortlich für die Perzeption der Teilchenbewegungen, die durch den Flügelschlag von parasitoiden Wespen herrühren. Bei diesem Reiz heben die Raupen den Vorderkörper von der Unterlage ab und erstarren in dieser Haltung. Die spektrale Schwellenkurve für die Verhaltensreaktion zeigt einen Bereich größter Empfindlichkeit zwischen 100-600 Hz; die Schwellenwerte der Oszillation der Luftteilchen liegen bei Amplituden von 1,611m. Die Flügelschlagfrequenzen
293
A
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C
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Tanzlaut
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Abb. 11-14: Kommunikation und Hören mithilfe von Nahfeldschall. A-C Eine Sammlerin der Biene Apis mellifera
erzeugt beim Schwänzeltanz mithilfe ihrer Flügel Nahfeldschall (C, obere Spur), der Information über die Lage einer Futterquelle außerhalb des Stocks enthält. Die Folgebienen befinden sich während dieses Schwänzeltanzes mit ihren Antennen vorwiegend in unmittelbarer Nähe der Tänzerin dort, wo die Amplitude der Teilchenbewegung der Luft am größten ist (A, B; jeder der 3496 Punkte in (B) entspricht der Position des Kopfes einer Folgebiene relativ zur Tänzerin). Die Folgebienen erzeugen mit ihrem Thorax eine Substratvibration (C, untere Spur), die als Stopsignal die Tänzerin veranlasst, kleine Mengen von Futterproben abzugeben. Die Balken in (B) und (C) entsprechen 1cm und 400 ms. (Nach Michelsen et al. 1987)
räuberischer und parasitischer Wespenarten liegen zwischen 100 und 200 Hz und damit in dem empfindlichen Bereich der Stopppreaktion der Raupe. Dieser natürliche Reiz wird immerhin aus Entfernungen bis zu 70cm "gehört"; die ausgelöste Verhaltensreaktion erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit der Raupe um 30%.
294
11 Sinnesphysiologie
abgrenzt , sowie einer mehr oder weniger großen Gruppe von Sensillen. Durch dieses Bauprinzip kann das Tympanum nicht durch die Teilchenbewegung der Luft , sondern nur durch den Schallwechseldruck in Schwingung versetzt werden und scolopidiale Sensillen aktivieren, deren Dendriten indirekt über die Kappenzelle oder zwischengeschaltete Zellen mechanisch mit der schwingenden Membran verbunden sind. Die Position dieser Organe an völlig verschiedenen Körperteilen bei unterschiedlichen Insektenordnungen (Abb. 11-15) und ihr Auftreten bei phylogenetisch weit entfernten Taxa sind deutliche Hinweise auf einen polyphyletischen Ursprung. Entsprechend vielfältig ist auch die Anatomie der Organe. Die Abb. 11-16 und 11-17 zeigen 4 Beispiele aus den Ordnungen Lepidoptera, Homoptera und Orthoptera. Die B pleurales Zahl der Sensillen pro Gehörorgan variiert sehr, Tympanalorgan Chordotonalorgan von einem einzigen bei einigen Nachtschmetterlingen bis zu 2000 bei der Blasenschrecke Bullacris. Dagegen bleibt der generelle Bau des einzelnen Sensillums gleich (Abb. 11-18). Tympanalorgane arbeiten entweder als Druckoder Druckdifferenzempfänger, oder als eine Mischung aus beiden (Abb. 11-13 B). Im ersten Fall führt die Anatomie des Gehörorgans und seine ' T2 'T3 ' A1 'A2'A3'A4 'A5'A6'A7' Lage am bzw. im Insektenkörper dazu, dass nur Thorax Abdomen die außen auf das Tympanum auftreffende Schallwelle dieses in Schwingung versetzt und die Kraft Abb. 11-15: Evolution von Gehörorganen. A Bei Insekten auf die dort ansetzenden scolopidialen Sensillen sind in der Phylogenese anmindestens 10 verschiedenen Stellen überträgt. Das Problem solcher reinen Druckempdes Körpers tympanale Gehörorgane entstanden, die nur 1 Sco- fänger ist ihre fehlende oder geringe Richtwirlopidium, oder auch mehr als 1000 enthalten können. Die kung, da in Abhängigkeit von der BeschallungsZahlen entsprechen den Orten der Gehörorgane bei folgenden richtung nur dann verlässliche ErregungsunterInsektengruppen: (1) lepidoptera: Sphingoidea, (2) Orthoptera: Ensifera, (3) Diptera: Tachinidae, (4) Mantodea: Mantidae, (5) schiede zwischen den Organen beider Körperseilepidoptera: Geometroidea und Pyraloidea, (6) Orthoptera: Acri- ten erzeugt werden, wenn der Insektenkörper etwa didae, (7) Hemiptera: Cicadidae, (8) lepidoptera: Noctuoidea, gleiche Dimension wie die Wellenlänge des Schalls (9) Hemiptera: Corixidae, (10) Neuroptera: Chrysopidae. (Nach hat (ein Ton mit einer Frequenz von 1000 Hz hat Fullard und Yack 1993) B Schematische Darstellung der seriellen eine Wellenlänge von 34 cm) und auf der schallabHomologie verschiedener Mechanorezeptoren im zweiten und gewandten Körperseite durch Beugung ein dritten Thorakalsegment (T2, 13) sowie den sieben Abdominalsegmenten (A1 - A7) einer Feldheuschrecke. Aus seriell homo- "Schallschatten" entsteht. Bei einem Druckdiffelogen Zellen (schwarz) wird nur im ersten Abdominalsegment renz-(Druckgradienten-jempfänger dagegen wird ein tympanales Gehörorgan (Pfeil in A1), während in den die Tympanalmembran von zwei Schallwellen ausübrigen abdominalen Segmenten daraus pleurale Chordotonal- gelenkt, die auf unterschiedlichen Wegen eintreforgane werden. (Modifiziert nach Meier und Reichert 1991) fen. Die Differenz der Druckamplituden pi und p2 ergibt den für das Tympanum wirksamen Schalldruck. Die Reizstärke für die scolopidialen Sensillen hängt entscheidend von der PhasenbezieSchallwechseldruck hung der beiden Schallwellen ab. Da diese wieVon Schall und Hören im engeren Sinn spricht derum mit der Beschallungsrichtung variiert, ist man, wenn ein Schallwechseldruck oder eine ein Druckgradientenempfänger notwendigerweise wechselnde Strömung in einem Medium im sog. richtungsabhängig und kann zur Lokalisation eiFernfeld einer Schallquelle das Sinnesorgan ak- ner Schallquelle eingesetzt werden. tiviert. Insekten haben zur Perzeption solcher Bei Feldheuschrecken entwickelt sich während Schwingungen Tympanalorgane entwickelt. Sie be- der Embryonalentwicklung eine Gruppe von ekstehen aus einer dünnen Cuticulamembran - dem todermalen Zellen, die in jedem Körpersegment Tympanum - einem luftgefüllten, trachealen aus den gleichen Vorläuferzellen entstehen (segHohlraum, der das Organ zum Körperlumen hin mentale Homologie), und die zu einem Chordoto-
11 .1 Mechanorezeption
295
B
Belntrachee Subgenualorgan t.-\J__-1nt ermediär-
organ ii---+...,<:ehörorgan (crista acustica) ~---H__-
Kappenzellen
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Tympanum Abb. 11·16:Tympanalorgane von Orthopteren und Zikaden. A Tympanalorgan der Zikade Cicada amiL. (Homoptera) mitder Anordnung der Scolopidien in der Gehörkapsel des zweiten Abdominalsegments. Das Scolopidialorgan ist zwischen dem Anheftungshorn Ah und dem Anheftungsspatel As ausgespannt. K Kappenzellen, St Stiftzelle, Sz Sinneszelle, Tr Trachee. (Modifiziert nach Michel 1975) B Komplex von Sinneszellen in der Tibia des Vorderbeins einer Laubheuschrecke (Tettigoniidae). Die Sensillen des Gehörorgans (crista acustica) sind linear entlang der Beintrachee aufgespannt; ihre Kappenzellen nehmen von proximal nach distal in ihrer Größe ab. C Ansicht von innen auf das Gehörorgan der Wanderheuschrecke Schistacerca gregaria (Acrididae) im ersten Abdomina/segment. Innerha/b des Ganglions liegen 4 Gruppen von Sensillen, die über Hilfszellen an unterschiedlichen Stellen mit der Tympanalmembran verankert sind (vergl. auch mitAbb. 11-18). (B und C modifiziert nach Schwabe 1906)
nalorgan mit den oben beschriebenen Sinnes- und Hilfszellen ausdifferenzieren. Allerdings wird daraus nur im ersten Abdominalsegment ein Gehörorgan, weil sich nur dort ein Tympanum und andere cuticulare Strukturen ausbilden, die das Organ für die Perzeption von Schallwechseldruck geeignet machen. In den anderen Segmenten ent-
stehen dagegen pleurale Chordotonalorgane, die als Streckrezeptoren die Lage der Segmente zueinander registrieren (Abb. 11-15 B). Der Nachweis der segmentalen Homologie von Chordotonalorganen und Gehörorgan macht deutlich, dass Streck- und Gehörsrezeptoren in der Ontogenese und Phylogenese Teil des gleichen sensorischen
296
11 Sinnesphysiologie
bei verschiedenen Frequenzen (Abb. 11-19). Es ist noch unklar, ob diese Frequenzselektivität dadurch zustandekommt, dass die Dendriten der Sinneszellen die Schwingungen der Tympanalmembran an unterschiedlichen Stellen abgreifen (entsprechend dem Ortprinzip in der Cochlea von Säugern) oder ob sie eine intrinsische Eigenschaft der Zellen selbst ist. Schließlich ist die Erregung der Rezeptoren auch von der Richtung der Signalquelle abhängig, sodass ein zentraler Vergleich der Erregungen beider Organe die Lokalisation des Senders ermöglicht. Tympanalmembran
11.1.5.2 Feindvermeidung
B
Viele Arten von Nachtschmetterlingen besitzen typische tympanale Gehörorgane (Abb. 11-17 A), obwohl kein lautgebender Mechanismus bekannt ist. Bei diesen Tieren - und vielen anderen nachtaktiven Insekten - dient das Gehörorgan zur Per-
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Abb. 11-17: Hören bei Nachtschmetterlingen. A Schema des Gehörorgans eines Nachtschmetterlings (Noctuidae) im ersten Abdominalsegment. LS tympanale Luftsäcke. Die B-Zelle ist wahrscheinlich ein Streckrezeptor. (Nach Eggers 1919) B Schwellenkurven der beiden A-Zellen im Gehörorgan von Agratis segetum (Noctuidae). (Nach Surlykke und Miller 1982)
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Kappenzelle
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Systems sind, und dass sich tympanale Gehörorgane von Propriarezeptoren ableiten lassen.
Stiftzelle
11.1.5 Die adaptive Funktion tympanaler Gehörorgane 11.1.5.1 Innerartliche Kommunikation Bei den Insekten erzeugen vor allem Orthopteren und Zikaden artspezifische Schallsignale zur innerartlichen Kommunikation, die als prägame Isolationsmechanismen wesentlich dazu beitragen, dass eine Paarung in der Regel nur mit dem arteigenen Geschlechtspartner stattfindet. Im Allgemeinen stimmen die Bereiche größter Empfindlichkeit der Rezeptoren im Gehörorgan des Empfängers mit dem Frequenzbereich der Schallsignale des Senders gut überein. Die Abstimmkurven einzelner Rezeptoren - oder Gruppen von Rezeptoren der Gehörorgane von Grillen, Laub- und Feldheuschrecken zeigen oft bevorzugte Empfindlichkeit
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Abb. 11-18:Aufbau eines scolopidialen Sensillums einer Heuschrecke nach elektronenmikroskopischen Befunden. (Modifiziert nach Gray 1960)
11 .1 Mechanorezeption zeption der Echoortungslaute von insektivoren Fledermäusen, die als Räuber einen großen Selektionsdruck auf die Beute ausüben (s. 17.2.2.1). Die Echoortungslaute liegen außerhalb des menschlichen Hörbereichs z. T. weit oberhalb von 20 kHz; entsprechend ist die Empfindlichkeit der Sinneszellen der Nachtschmetterlinge auf diesen Ultraschallbereich abgestimmt (Abb. 11-17B). Die Zahl der Sinneszellen im Organ ist äußerst gering (zwischen 1--4). Am Beispiel der Noctuidae mit nur 2 Sinneszellen (Al und A2) wird deutlich, dass das Organ keine Voraussetzung für eine Frequenzunterscheidung liefert, denn beide Sinneszellen zeigen die gleiche Abstimmkurve. Allerdings reagiert die Zelle A2 um etwa 20 Dezibel unempfindlicher als Al, was eine Unterscheidung zwischen einer weit entfernten und einer nahen Fledermaus mit entsprechend leisen und lauten Echoortungssignalen erleichtert. Tatsächlich beobachtet man im Verhalten der Nachtschmetterlinge unterschiedliche Reaktionen auf leise bzw. laute Echoortungssignale: eine gerichtete Flucht weg von der Schallquelle, wenn die Fledermaus weiter entfernt ist, dagegen unregelmäßigen Flug oder "Abstürzen" bei kurzen Distanzen. Bei verschiedenen Nachtschmetterlingen, Goldaugen (Chrysopidae) und einigen Gottesanbeterinnen (Mantidae) scheinen die Gehörorgane einzig im Funktionszusammenhang der Feindvermeidung zu stehen. Aber auch Grillen und Laubheuschrecken sind z. T. gute, nachtaktive Flieger und somit potenzielle Beute echoortender Fledermäuse. Ihr Gehörsystem ermöglicht eine Unterscheidung zwischen innerartliehen Kommunikationslauten und den Ultraschallsignalen der Fressfeinde. Dementsprechend findet man z. B. bei Grillen, dass tieffrequente, arteigene Lockgesänge auch im Flug mit einer Hinwendung zur Schallquelle beantwortet werden (positive Phonotaxis), während die Tiere sich bei Ultraschallsignalen von der Schallquelle abwenden und wegfliegen (negative Phonotaxis; Abb. 11-19 B).
11.1.5.3 Beutefinden Parasitisch lebende Dipteren aus der Familie der Tachinidae besitzen Gehörorgane, die auf die innerartlichen Kommunikationslaute ihrer Wirtstiere (Grillen und Laubheuschrecken) abgestimmt sind (Abb.11-20). Das Organ liegt in einer Aufwölbung des prothorakalen Sternums und enthält etwa 40 scolopidiale Sensillen, die ganz ähnlich aufgebaut sind wie diejenigen in tympanalen Gehörorganen anderer Insekten . Bei dem Gehörorgan dieser Fliegen handelt es sich wahrscheinlich um in der Evolution abgewandelte Stellungshaare des Prosternalorgans in der Halsregion . Die
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Abb.11-19: Hören von Tönen unterschiedlicher Fre-
quenz. A Die Hörschwellenkurven einzelner tympanaler Rezeptoren im Gehörorgan der Laubheuschrecke Mygalopsis marki (Tettigoniidae) unterscheiden sich in ihrer absoluten Empfindlichkeit und charakteristischen Frequenz (CF). Rezeptoren mit niedriger CF liegen proximal in der crista acustica, solche mit höherer CF weiter distal (Pfeile). Dies bezeichnet man als tonotope Ordnung. (Modifiziert nach Oldfield 1982) B Antagonistische Verhaltensreaktion auf Töne hoher und niedriger Frequenz. Anzahl der positiven bzw. negativen phonotaktischen Antworten von im Flug fixierten Weibchen der Grille Teleogryllus oceanicus bei Reizung mit Tönen unterschiedlicher Frequenz (in %). Als Reaktion wurde das Abbiegen des Abdomens in Richtung Schallquelle (positive Phonotaxis) bzw. weg von der Schallquelle (neg. Phonotaxis) gemessen, was imfreien Flug ein Hinfliegen zur Schallquelle bzw. ein Wegfliegen bedeuten würde. Reize unter 10kHz werden als attraktiv bewertet, oberhalb von 15 kHz lösen sie Fluchtverhalten aus. (Nach Moiseff et al. 1978)
Gehörorgane der Tachiniden reagieren besonders empfindlich bei den Trägerfrequenzen der Laute ihrer Wirtstiere. Die Fliegenweibchen hören und lokalisieren diese Laute über größere Distanzen und legen dann auf den Wirtstieren ein Ei bzw. eine Larve ab. Bemerkenswert ist bei der Orientierungsleistung der parasitoiden Fliege Ormia ochracea die außerordentliche Genauigkeit der
298
11 Sinnesphysiologie
Tachinid en, deren Wirte Laubheuschrecken mit inner artliehen Signalen weit oberhalb von 10 kHz sind, reagiert das Gehörorgan besonders empfindlich auf Ultraschallfrequenzen.
A
Tyrnpanal msmbran
11.2 Temperatur- und Feuchterezeption Anton Stabentheiner und HeinerRömer
11.2.1 Lage, Struktur und Physiologie der Rezeptoren Ausbuchtung des Prostemums mit Gehörorgan
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Abb. 11-20: Gehörorgan einer parasitoiden Fliege. A Das tympanale GehörorganeinesWeibchensderFliege Ormia ochracea (Tachinidae) liegt in einer blasenartigen Aufwölbung des prothorakalen Sternums, verborgen hinter der Kopfkapsel. B Frontalsicht derAußenstrukturen des Gehörorgans mit derTympanalmembran nach Entfernen des Kopfes. N Nackenverbindung. Das Organ enthält etwa 40 scolopidiale Sensillen mit ähnlichem Aufbau wie bei tympanalen Gehörorganen anderer Insekten. C Sie reagieren besonders empfindlichim Frequenzbereich der Laute ihrer Wirtstiere. Das schraffierte Areal zeigt das Spektrum des Lockgesangs der Wirtsgrille. (Verändert nach Robert et al. 1994)
akustischen Lokalisation von 2 Winkelgraden, die dam it besser ist als die von Säugetieren und gleich gut wie da s für akustische Ortung hoch spezialisierte System der Eulen. Da s Geh ör ssystem des Parasitoiden muss also im Hinbli ck auf die Detektion und Lokalisation der Beute Vergleichb are s leisten wie da s Weibchen des Wirtes bei der Partnerfindung, wobei die nicht perfekte Abstimmung zwischen der Geh örsempfindlichkeit der Fliege und Gesang sfrequenz des Grillenmännchens vielleicht ein Hinweis darauf ist, da ss da s Gehörorgan des Par asitoid en auf die Laut e mehrerer Grillenarten mit jeweils unterschiedlichen Gesangsfrequenzen reagieren muss. Bei anderen Arten von
Temperatur- (Therrno-) und Feuchte- (Hygro-) rezeptoren wurden bei allen daraufhin untersuchten In sekten arten gefunden. Sie kommen besonders häufig auf den Antennen , aber auch am übrigen Körper vor. Bei der Honigbiene sind vor allem die äußeren (distalen) fünf Antennenglieder für die Orientierung in einem Temperaturgradienten wichtig. Auch bei der Stabheuschrecke Carausius morosus und bei der Schabe Periplaneta americana wurden Thermo- und Hygrorezept oren a uf der Antenne, beim Seidensp inner (Bombyx mori) an der Spitze der Antennenfiedern nachgewiesen. In einem Sensillum sind häufig therm o- und hygrorezeptive Neurone vereint, in den meisten Fällen zwei hygrorezeptive und eine thermorezepti ve Zelle. Diese Kombination wird auch a ls " therm o-I hygrosensitive Triade " bezeichnet. Bei der Gelbfiebermü cke Aedes aegypti wurden Sensillen mit zwei Thermorezeptoren, einer Kalt- und einer Warmzelle (s. u.), gefunden. Die Zahl antennaler thermo-/hygrosensitiver Sensillen ist im Vergleich zu der von Mechano- und Chemorezeptoren relativ gering. Sie beträgt nur 2 bei der Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis) und etwa 70 beim Nachtfalter Anth eraea polyphemus. Im G egensat z dazu wurden auf den Antennen des Männchens dieses Falters etwa 70000 olfaktorische Sensillen gezählt. Bei Periplaneta americana wurden Temperatur- und Feuchterezeptoren auch auf den Maxillarpalpen gefunden. Thermo-/hygrosensitive Sensillen sehen zapfenförmig aus und sind in die umgebend e Cuticula eingesenkt (Abb. 11-21). Die Basis des Zapfens ist, im Gegensatz zu Mech anorezeptoren, unbeweg lich gestaltet (Abb. 11-22 A). Die Cuticula des Zapfens weist keine Poren oder sonstige Verbindungen nach außen auf. Die distalen Fortsätze von zwei Sinneszellen sind eng von der Wand des Zapfens und einer dendritischen Hülle (D endritenscheide) umschlossen . Diese Zellen fungieren als Feuchterezeptoren. Die dritte Sinneszelle, de-
11 .2 Temperatur- und Feuchterezeption
ren dendritischer Fortsatz unterhalb des Zapfens endet und mehr oder weniger finger- oder lamellenartig aufgegliedert ist, dient als Thermorezeptor (Abb. 11-22). Die inneren Anteile der dendritischen Forts ätze wie auch die Perikaryen der Sinneszellen sind von einer Hüllzelle, der thecogenen Zelle umgeben. Das Haargebilde wird von einer trichogenen, der Sockel von einer tormogenen Zelle gebildet (Abb. 11-22; vergl. auch mit dem Aufbau eines cuticularen Mechanorezeptors, Abb.II-1) . Die Physiologie einer typischen "thermo-/hygrosensitiven Triade" ist besonders gut bei der Stabheuschrecke untersucht. Alle drei Rezeptorzellen des Sensillums sind spontanaktiv. Von den zwei Feuchterezeptoren stellt eine Zelle einen sogenannten " Feuchte-" und die andere einen "Tm ckenrezeptor" dar (Abb. 11 -23). Der Trockenrezeptor antwortet auf eine schnelle Verringerung der Luftfeuchte mit einer Zunahme der Impulsfrequenz , während die Entladungsfrequenz des Feuchterezeptors bei einer Zunahme der Feuchte ansteigt. In ähnlicher Weise, wenn auch in einem geringeren Ausmaß, ändert sich die Impulsfrequenz, wenn die einzelnen Feuchtestufen stationär, d. h. mit langen Adaptierungszeiten zwischen den Reizen, geboten werden (Abb. 11-23). Es erscheint zunächst verwirrend, dass viele Rezeptoren für Luftfeuchte sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht nur auf Feuchtereize reagieren, sondern auch auf Temperaturänderungen. Bei der Stabheuschrecke konnte aber gezeigt werden, dass die Temperaturantwort des Feuchterezeptors zu einem erheblichen Teil dadurch zustande kommt , dass eine Temperaturerniedrigung bei gleichbleibendem absolutem Wasserdampfgehalt der Luft zu einer Erhöhung der relativen Luftfeuchte und auf diesem Wege zu einer Erhöhung der Impulsfrequenz führt . Die Unterschiedsempfindlichkeit für schnelle Feuchteänderungen sowohl des Feuchte- als auch des Trockenrezeptors ist bei der Stabheuschrecke unabhängig davon, von welchem Ausgangswert ein Feuchtereiz erfolgt. Sie nimmt allerdings mit zunehmender Größe des Feuchtesprunges ab. Die dritte Rezeptorzelle, der Kaltrezeptor, zeigt ein phasisch-tonisches Antwortverhalten. Er beantwortet eine plötzliche Temperaturerniedrigung zuerst mit einer steilen Zunahme der Entladungsfrequenz, die anschließend auf ein etwas höheres Niveau als vor der Reizung absinkt. Bei einer Temperaturerhöhung verhält er sich annähernd entgegengesetzt mit dem Unterschied , dass die Entladungsfrequenz bei größeren Temperaturanstiegen (> 4 "C) z. T. mehr als eine Minute lang auf null absinken kann . Das bedeutet aber, dass die Größe eines Temperaturanstieges mit dieser Zelle nicht so gut gemessen werden kann wie die Größe
299
10 u rn
Abb. 11-21 : Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zweier thermo-/hygrosensitiver Sensillen (5. styloconica, Pfeile) auf der Spitze einer Antennenfieder von Bambyx mari (Nach Steinbrecht 1989).
einer Abnahme. Bei einem schnellen Absinken der Lufttemperatur steigt die Impulsfrequenz in den ersten 300 ms nach Reizbeginn linear mit der Größe des Temperaturabfalles an. Die Stärke dieses Zusammenhanges (die Steilheit der Regressionsgeraden) ist aber größer, wenn der Temperatursprung von einer tieferen Anfangstemperatur aus erfolgt (Abb, 11-24). Aus der Steilheit der Regressionsgeraden kann grob auf die Unterschiedsempfindlichkeit des Kaltre zeptors geschlossen werden. Bei einer Ausgangstemperatur von 31 "C erhöht sich die Impulsfrequenz des Rezeptors bei Temperaturerniedrigung um I "C nur um 0,6 Hz, bei einer Ausgangstemperatur von 16,9 "C hingegen um 16,7 Hz. Im Gegensatz zum Feuchte- und Trockenrezeptor hängt beim Kaltrezeptor die Unterschiedsempfindlichkeit für schnelle Reizänderungen demnach nicht von der Größe des Temperatursprunges, dafür aber von seinem Ausgangswert ab. Für stationäre Temperaturreize nimmt bei diesem Rezeptor die Impulsfrequenz mit sinkender Temperatur nicht linear, sondern entsprechend einer parabolischen Funktion zu. Dadurch wird die Empfindlichkeit für stationäre Temperaturreize über 24 "C sehr gering. Der Mechanismus zur Transduktion von Feuchtereizen in nervöse Erregungsmuster ist der-
300
11 Sinnesphysiologie
A
B
Abb. 11-22: Thermo/hygrosensitive Triade. Schema (A) bzw. elektronenmikroskopischer Querschnitt (8) durch ein thermol hygrosensitives S. styloconicum auf den Antennen von Bombyx mori, Antheraea pernyi oder A. polyphemus mit drei bipolaren Rezeptorzellen. Th: Thecogenzelle; Tr: Trichogenzelle; To: Tormogenzelle. Z: Zellkern. Querschnitt in Höhe der Schnittmarke in (A) (Nach Steinbrecht et al. 1989).
zeit noch nicht vollständig geklärt. Bei Periplaneta konnte aber gezeigt werden, dass die Feuchterezeptoren in den Sensilli capituli der Antennen keine Chemorezeptoren sind wie etwa die Wasserrezeptoren in den labellaren chemorezeptiven Sen-
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sillen der Fliege Phormia terranovae. Die für Periplaneta favorisierte "Hygrometer-Hypothese" nimmt an, dass hygroskopisches Material im Cuticularzapfen seine Form durch Feuchtereize verändert und auf diesem Wege die dendritischen Fort-
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Abb. 11-23: Physiologische Antwort von Hygrorezeptoren. Frequenz von Aktionspotentialen der zwei Hygrorezeptoren
Abb. 11-24: Physiologische Antwort eines Kaltrezeptors. Mittlere Aktionspotential-Impulsfrequenz eines Kaltrezep-
einer .therrno-zhyqrosensitiven Triade" auf der Antenne von Carausius morosus bei stationären Feuchtereizen (Modifiziert nach Tichy 1987).
tors auf der Antenne von Carausius morosus als Antwort auf verschieden große Temperatursprünge bei zwei Ausgangstemperaturen (Nach Tichy und Lohus 1987).
11.2 Temperatur- und Feuchterezeption
301
Abb. 11-25: Thermorezeptor in den Grubenorganen des Prachtkäfers Melanophila acuminata. Die Organe liegen ventrolateral am anterioren Metathorax. unmittelbar neben den Coxen des mittleren Beinpaares (s. Einschaltfigur in a). A Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer Köpfchen von Infrarot-Rezeptoren, die jeweils mit einer Wachsdrüse (WD) assoziiert sind. B Schema eines Grubenorgans. Es ist vollständig von einem dreidimensionalen Geflecht aus Wachsfilamenten ausgefüllt (nicht dargestellt), die von den Wachsdrüsen gebildet werden. Dieses Wachsgeflecht lässt die Infrarotstrahlung zu den Rezeptoren durchdringen, vermindert aber Luftbewegungen im Grubenorgan. C Schema des Aufbaus eines Sensillums. Die von außen sichtbare Aufwölbung enthält eine Cuticulakugel mit Bereichen unterschiedlicher Strukturierung. Die Kugel wird von Mesocuticula bedeckt und istansonsten von einem dünnen Plasmasaum umgeben, der von den Ausläufern der trichogenen (Tr) und tormogenen (Ta) Zelle gebildet wird. Das Sensillum enthält eine ciliäre Sinneszelle, die im Außensegment ihres Dendriten einen Tubularkörper besitzt, der exzentri sch in der Cuticula inseriert. (Th: Thecogene Zelle). (Modifiziert nach Vondran et al 1995)
sätze der Sinneszellen mechanisch zur Erzeugung von Generatorpotentialen anregt (vergl. übernächster Absatz). Der Mechanismus der Transduktion bei thermorezeptiven Neuronen ist noch nicht geklärt. Eine besondere Form eines thermoempfindlichen Sinnesorgans ist ein ventrolateral gelegenes, grubenförmiges Organ am Metathorax des Prachtkäfers Melanophila acuminata, an dessen Basis ca. 50-100 Sensillen liegen (Abb. 11-25). Jedes Sensillum ist mit einer Wachsdrüse assoziiert (Abb.11-25 A, B); es besteht aus einem runden Köpfchen, das von Mesocuticula umgeben ist und im Inneren aus Lamellen von Endocuticula besteht, die ihrerseits von Ausläufern der torrnogenen und trichogenen Zelle umgeben sind (Abb. 11-25 C). In die Lamellen des Köpfchens ragt die Spitze des Außensegments einer Sinneszelle hinein, die wie bei einem Mechanorezeptor
einen Tubularkörper besitzt (vergleiche mit Abb. li-I). Der äußere Rezeptorlymphraum wird hier ausschließlich von der trichogenen Zelle gebildet. Die Vorstellung über die Funktionsweise eines solchen Sensillums als Thermorezeptor ist, dass Infrarotstrahlung mit Wellenlängen um 3 um die Endocuticulalamellen im Inneren des Köpfchens ausdehnt und dies eine Deformation des Tubularkörpers des Rezeptoraußensegments bewirkt. Die biologische Bedeutung solcher Thermorezeptoren liegt darin , dass die Larvalentwicklung bei diesem Käfer im Holz von Bäumen stattfinden muss, das durch Feuer zerstört wurde. Käfer beiderlei Geschlechts werden durch Waldbrände in Scharen angelockt ; Paarung und Eiablage können schon stattfinden, wenn das Feuer noch nicht verloschen ist. Daher müssen Rezeptoren mit entsprechender Empfindlichkeit vorhanden sein, die die Infrarot-
302
11 Sinnesphysiologie
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Abb. 11·26: Mikroklima und Besiedelungsdichte im Nest der Roten Waldameise (Formica polyctena) während eines heißen, sonnigen Sommertages (oben) und einer Kälteperiode (unten). Das schraffierte Areal zeigt den Ort an, wo Puppen (P) gehalten werden. (Modifiziert nach Coenen-Staß 1988)
strahlung als Folge eines Waldbrandes aus großer Entfernung wahrnehmen können, wofür die Sinneszellen in den Grubenorganen hervorragend geeignet sind . Die bisher geschilderten Rezeptoren wie z. B. die thermo-/hygrosensitiven Triaden sind aufgrund ihrer Lage und ihres Baues darauf ausgelegt, äußere Temperatur- und Feuchtereize wahrzunehmen. Für Insekten, die in der Flugvorbereitungihre Flugmuskulatur vorwärmen müssen (viele Hymenopteren, Käfer, Schmetterlinge, etc., Abb. 11-28) oder die ein auf die jeweiligen Verhaltensumstände abgestimmtes thermoregulatorisches Verhalten zeigen wie die Honigbiene muss angenommen werden, dass sie auch ihre Körpertemperatur messen können. Über die Natur solcher internen Thermorezeptoren ist wenig bekannt. Bei der Schabe Periplaneta americana wurde festgestellt, dass eine künstliche Erwärmung des Kopfes die Flugbereitschaft deutlich herabsetzt, nicht aber eine Erwärmung des Metathorax. Daraus ließ sich schließen, dass die Rezeptoren und/oder die Kontrollzentrenzur Verhinderung einer Überhitzung durch zu langen Flug nicht im Metathorax, dem Sitz der Flugmuskulatur, sondern eher im Kopf oder im Prothorax zu finden sind. Obwohl auch im ZNS von Insekten Neurone gefunden wurden, deren Aktionspotential-Frequenz sich mit der Temperatur ändert, konnte eine Funktion als Thermorezeptor noch nicht schlüssig nachgewiesen werden.
11.2.2 Thermorezeption und Verhalten Für kleine Tiere wie Insekten, deren Körpermasse und Wärmekapazität sehr gering sind, ist es besonders wichtig, über Temperatur und Feuchte der umgebenden Luft informiert zu sein. Zwar bietet die Cuticula einen relativ guten Schutz vor Austrocknung, doch ist auch die Menge an Körper-
flüssigkeit gering. Eine Arbeitsbiene z. B. hat bei einer Körpermasse von 90-110 mg nur ein Hämolymphvolumen von etwa 15-20 ul, Zudem wird auch bei der Atmung über das Tracheensystem Feuchtigkeit abgegeben. Für einzeln lebende Insekten wie z. B. Heuschrecken besteht daher ein wichtiger Teil der Überlebensstrategie darin, über Änderungen der Temperatur- und Feuchteverhältnisse jederzeit informiert zu sein, um möglichst rasch Bereiche mit günstigerem Mikroklima aufsuchen zu können. Die rote Waldameise (Formica polyctena) hält sich in einer Klima-Wahlapparatur bevorzugt bei einer Temperatur von 29 ± 2,3 °C und einer relativen Luftfeuchte von 88 ± 12% auf. An warmen, sonnigen Sommertagen meiden sie meist die besonntenTeile an der Oberfläche des Ameisenhügels und ziehen sich in den kühleren Schatten zurück. Im Hügel besteht dann ein erheblicher Temperaturgradient zwischen Nestrand und Nestinnerem: die oberen Nestbereiche können Temperaturen bis über 35°C annehmen, während die Temperaturen im Nestinneren deutlich niedriger liegen . Die relative Luftfeuchte im Nest beträgt im Zentrum 100% und fällt entsprechend den höheren Temperaturen zur Oberfläche hin ab (Abb. 1126). An kühlen Tagen hingegen ist es im Zentrum des Nestes am wärmsten und an der Oberfläche am kühlsten, und die relative Nestluftfeuchte steigt fast im ganzen Nest auf 100% an. Die Verteilung der Tiere im Nest folgt dann nicht dem Feuchte-, sondern dem Temperaturgradienten (Abb. 11-26). Damit die Brut immer ihrem Vorzugsklima ausgesetzt ist, wird sie innerhalb des Nestes entsprechend verlagert. Präzise Information über die Umgebungstemperatur ist für das Überleben der Silberameise Cataglyphis bombycina (Formicidae) in der Zen-
11.2 Temperatur- und Feuchterezeption
tralsahara besonders wichtig. Diese Ameise zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Sammeltätigkeit auf ein kurzes zeitliches Fenster von nur etwa 10 Minuten in der Mittagszeit beschränkt. Die Temperatur des Wüstenbodens erreicht dann Werte bis 60 "C, Sobald die Lufttemperatur in der Höhe des Ameisenkörpers (d.h . 4 mm über dem Wüstenboden) auf 46,5 "C angestiegen ist, verlassen alle Außendiensttiere schlagartig das Nest (Abb. 1127), während sich andere Wüstenameisen bereits bei Oberflächentemperaturen von 25-45 "C in ihre unterirdischen Nester zurückziehen. Die Sammeltätigkeit wird beendet, bevor die Körpertemperatur tödliche Werte von etwa 53-55 "C erreicht . Damit die Sammeltätigkeit bei diesen extremen Außentemperaturen überhaupt möglicht ist, sind die Silberameisen darauf angewiesen, zumindest 30% der Zeit in thermischen Refugien auf vertrockneten Pflanzenstengeln zuzubringen , wo die Temperatur um mehrere Grade niedriger ist als 4 mm über dem Wüstenboden. Der Grund für dieses extreme Verhalten ist im Feinddruck durch eine Wüsteneidechse (Acanthodactylus dumerili) zu suchen, die die Jagd auf die Silberameisen erst bei Temperaturen einstellen muss, bei denen die Ameisen gerade das Nest verlassen. Den Ameisen bleibt für die Sammeltätigkeit also nur ein kleines zeitliches und thermisches Fenster, in dem sie einerseits ihren Feinden entgehen können, ohne andererseits an Hitzestress zu sterben. Einige soziale Insekten wie Bienen sind dazu übergegangen , im Nest optimale Temperatur- und Feuchteverh ältnisse aktiv herzustellen. Wie viele flugfähige Insekten heizen Bienen ihre Flugmuskulatur schon vor Flugbeginn ohne sichtbare Flügelbewegungen auf die erforderlichen Werte vor (Abb. 11-28). Sie verwenden die dabei entstehende
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Abb. 11-28: Regelung der Körpertemperatur bei der Honigbiene (Apis mellifera). A Infrarot-Thermogramm einer Biene, die beim Trinken eines Tropfens Zuckerwasser ihre thorakale Flugmuskulatur zur Flugvorbereitung aufheizt. Aufgrund der hohen Wärmeverluste wird die Thoraxtemperatur aufUmgebungsniveau abgesenkt, wenn keine erhöhte Aktivität der Flugmuskulatur erforderlich ist. Der Graustufenskala am rechten Bildrand entsprechen nach oben ansteigend Temperaturschritte von 0,6 -c Kopf: 25,8 oe, Thorax: 28,8 oe, Abdomen: 26,1 oe. Umgebungstemperatur: 25,1 "C. (nach Schmaranzer und Stabentheiner 1988) B Oberflächen-Temperaturen einer Sammelbiene während eines Aufenthaltes im Bienenstock. Die Temperatur des Thorax wird während des gesamten Sammelzyklus auf hohem Niveau reguliert. Pfeil: Biene verlässt den Stock. (Verändert nach Stabentheiner und Hagmüller 1991)
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Abb. 11-27: Temperaturabhängigkeit der Sammelaktivität von Ameisen. ZeitlichesAuftreten der Sammelaktivität der Silberameise (Cataglyphis bombycina) in der Zentralsahara im Vergleich zu einer anderen Ameise (c. bicolot), die in etwas gemäßigteren Breiten lebt. Gemessen wurde die Zahl der Ameisen, die pro Minute das Nest verließen. (Nach Wehner, Marsh und Wehner 1992)
Wärme u.a. auch , um die Temperatur des Brutnestes im Bereich von 34-36 "C zu regulieren. Sinkt die Stocktemperatur ab, rücken die Bienen zur besseren Isolation zusammen und heizen verstärkt mit der Flugmuskulatur, steigt sie an, wird zuerst die Luftzirkul ation im Stock durch Flügelfächeln erhöht. Wenn auch das nicht ausreicht , wird Wasser eingetragen und und zur Kühlung durch Verdunstung auf den Waben verteilt. In der brutlosen Zeit, wenn sich die Bienen in gemäßigten und kühlen Breiten zur Wintertraube zusammenschließen, wird deren Kerntemperatur auch dann im Bereich von etwa 20-32 "C gehalten ,
304
11 Sinnesphysiologie
wenn die Außentemperatur weit unter 0 °C absinkt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die soziale Thermoregulation ist die Fähigkeit des Individuums, sowohl die Umgebungs- als auch die Körpertemperatur messen zu können . Die erforderliche Bestimmung von absoluter Temperatur und Temperaturänderungen wird mithilfe eines empfindlichen Temperatursinnes bewerkstelligt. In Verhaltensversuchen wurde nachgewiesen, dass Bienen (ähnlich wie Ameisen) in der Lage sind, Änderungen der Umgebungstemperatur von nur 0,25 °C wahrzunehmen . Da dieser Befund auf einer Verhaltensantwort beruht, ist dies nur ein Mindestwert für die Empfindlichkeit des Temperatursinnes. Wahrscheinlich ist die Unterschiedsempfindlichkeit der Rezeptoren noch größer.
11.3 Chemorezeption Manfred Kaib
11.3.1 Einleitung "Alle Bäume, kann man sagen, haben Würmer, aber manche wie Feigen und Äpfel weniger als andere, wie der Birnbaum . Allgemein ausgedrückt, die, die von Würmern weniger befallen sind, haben einen bitteren , sauren Saft." Diese Beobachtung ermöglichte Theophrast etwa 300 Jahre vor Christus nicht nur die wohl erste chemisch-ökologische Aussage, sondern er wies zumindest indirekt auf einen chemischen Sinn bei Insekten hin. Im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert wurden chemische Sinnesorgane der Insekten näher beschrieben und deren Funktion erkannt. Jedoch erst in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, als sich morphologisch und physiologisch arbeitende Entomologen mit Chemikern zu interdisziplinären Arbeitsgruppen zusammenfanden, gelang der eigentliche Durch bruch zum Verständnis des chemischen Sinnes der Insekten . Karlson und Lüscher führten 1959 für chemische Signale, die von Insekten als Geruchsstoffe oder Geschmacksstoffe abgegeben und bei Artgeno ssen charakteristische Verhaltensmuster oder spezifische physiologische Prozesse regulieren, den Begriff Pheromon ein. Dietrich Schneider und seiner Arbeitsgruppe und Schule gelang es in den folgenden Jahren , Morphologie und Physiologie geruchsempfindlicher Sinnesorgane und Sinneszellen zu erfassen, die in verschiedenen Insektengruppen solche chemischen Signale wahrnehmen. Etwa zeitgleich begannen die Arbeits-
gruppen von Dethier und von Morita den Geschmackssinn der Insekten , vorwiegend der calyptraten Fliegen, zu erforschen und fassten später ihre Arbeiten und die anderer zusammen .
11.3.2 Biologische Bedeutung des chemischen Sinnes Der chemische Sinn besitzt für Insekten eine überaus große Bedeutung sowohl bei der Wahl des Habitates oder der Nahrung als auch bei der Wahrnehmung chemischer Signale während der Kommunikation, wahrscheinlich mehr als in anderen Tiergruppen . Anhand von Pflanzeninhaltsstoffen suchen und wählen phytophage Insekten ihre Futterpflanzen oder sie werden durch solche Inhaltsstoffe abgewehrt. Auch koprophage und omniphage Insekten bedienen sich während der Nahrungswahl chemischer Signale, wobei diese Insekten vielfach eine erstaunlich hohe Anzahl verschiedener chemischer Substanzen wahrnehmen und als Informationsträger verarbeiten können. Blattminierer entscheiden anhand des Buketts chemischer Reize aus den Pflanzen, ob das Substrat für die Eiablage und die Entwicklung der Larven geeignet ist. Vergleichbares gilt auch für die große Gruppe jener Insekten, die ihre Eier auf Aas oder Kot ablegen. Schießlieh markiert zum Beispiel die Kirschfruchtfliege Kirschen chemisch, wenn sie mit einem Ei belegt worden sind, wodurch eine Zweitbelegung der Kirsche und eine Konkurrenz um die limitierte Nahrungsressource Kirsche verhindert wird (s. 21 .3.2.3). ChemischeSignale dienen auch der intraspezifischen Kommunikation. Zwischen den Geschlechtern werden in der Regel artspezifische Sexuallockstoffe eingesetzt, mit deren Hilfe Männchen zum Teil über große Entfernungen zu den Weibchen finden. Auf die hierzu nötigen Orientierungsleistungen der Empfänger der Signale und die erstaunliche Empfindlichkeit der Chemorezeptoren wird später eingegangen. Während des Balzverhaltens und der Kopula , aber auch in der Postkopulaphase, setzen die Geschlechtspartner weitere chemische Signale ein, mittels derer den Männchen die Paarungsbereitschaft eines Weibchens, den Weibchen die Fitness eines Männchens oder die bereits erfolgte Kopula gegenüber anderen Männchen angezeigt wird. Häufig sind es Gemische von chemischen Substanzen , die ganze Handlungsketten auslösen und steuern. Hierbei können Hauptkomponenten selbst wenig attraktiv sein, und es bedarf zusätzlich oft nur in Spurenkonzentrationen vorhandener Nebenkomponenten, um die volle Wirksamkeit des Signals zu erreichen.
11.3 Chemorezeption Innerartliehe chemische Kommunikation dient jedoch nicht nur dem Paarungsverhalten. Kommunikation mittels chemischer Signale wird bei sozialen Insekten als eine Klammer für die komplexen Sozietäten angesehen (s. Kap. 14). Für soziale Insekten sind bislang 63 verschiedene exokrine Drüsen beschrieben, aus denen kontextabhängig unterschiedliche Sekrete als chemische Signale abgegeben werden können. Solche Signale werden zur Erkennung der Arten, der Nestgenossen und wahrscheinlich auch der Kastenzugehörigkeit und des Dominanzgrades einzelner, meist reproduktiver Individuen herangezogen. Sie dienen sozialen Insekten zum Markieren von Nesteingängen oder Territorien und während der Suche nach Nahrung oder neuen Nistplätzen zum Markieren der Wege. Und sie dienen schließlich zum Rekrutieren von Nestgenossen zu Nahrungsquellen oder zu Orten, an denen Nestbau nötig ist oder Konkurrenten oder Feinde abgewehrt werden müssen.
305
chen Fällen ist eine chemotaktische Orientierung nicht möglich, sondern der Geruchsreiz, wenn er wahrgenommen wird, löst eine Windorientierung aus (Anemotaxis) , die das Insekt letztlich auch zur Duftquelle führt, da der Geruchsreiz von der Duftquelle ausgehend vom Wind verdriftet wird. Geruchsrezeptoren der Insekten besitzen charakteristischerweise eine extrem hohe Empfindlichkeit und sind z. B. zur Wahrnehmung von Futterdüften vielfach befähigt, hochkomplexe Duftgemische zu diskriminieren. Geschmacksreize sind nicht oder nur wenig flüchtig. Sie liegen meist in Wasser gelöst vor oder werden als Feststoff mittels spezieller Carriersysteme bis an die Rezeptorzellen transportiert. Um den Geschmackssinn erregen zu können, müssen Geschmacksrezeptoren daher in direkten Kontakt Der chemische Sinn lässt sich untergliedern in mit der Reizsubstanz treten, weshalb GeschmacksGeruchssinn und Geschmackssinn. Mit dem Ge- sensillen auch kontaktchemosensitive Sensillen geruchssinn werden flüchtige chemische Verbindun- nannt werden. Geschmacksreize sind bedeutend gen meist über eine größere räumliche Distanz bei der Wahl und der Kontrolle der Nahrung oder hinweg wahrgenommen. Die Ausbreitung des der Eiablageorte. Geschmacksrezeptoren besitzen Duftreizes erfolgt entweder durch Diffusion in der in der Regel nur eine geringe Empfindlichkeit, Luft oder durch Konvektion in einer Luftströ- jedoch meist eine hohe Spezifität für bestimmte mung. Diffusion tritt häufig in nach außen weitge- Substanzen. In jüngerer Zeit mehren sich in der hend geschlossenen Räumen wie zum Beispiel Literatur Hinweise, dass nichtflüchtige cuticuläre Brutkammern, unterirdischen oder tunnelartig Oberflächensubstanzen bei der Arterkennung soüberbauten Furagierarealen oder in Nestern vieler wie bei sozialen Insekten sogar der Erkennung von sozialer Insekten auf. Viele Ameisen und Termiten Nestgenossen und Nestfremden eine wesentliche legen Duftspuren, auf denen sie selbst oder Nest- Rolle spielen. Da diesen Erkennungsprozessen genossen sich orientieren. Durch die Diffusion des grunds ätzlich ein direkter Kontakt zwischen den Spurpheromons entsteht ein .Dutttunnel", dessen Individuen vorausgeht , nimmt man an , dass der Duftkonzentration mit der Distanz zur Spurmitte, Geschmackssinn auch in diesem Kontext eine inder Reizquelle, abnimmt. In einem solchen Duft- formationsvermittelnde Rolle spielt. Koloniespezigradientenfeld zeigen die der Spur folgenden In- fische Signale in Form einzelner Verbindungen sekten in der Regel Chemo-Tropotaxis, indem sie sind bislang nicht beschrieben, hingegen stellen mit einem paarigen Sinneseingang (Antennen) die sich art- oder koloniespezifische Merkmale in Duftkonzentration messen und bei einer Erre- Form einer komplexen chemischen Gestalt dar, die gungsdifferenz beider Sinneseingänge so lange sich aus einer Mischung vieler Substanzen ergibt. eine Wendetendenz zur Seite der höchsten Duft- Man muss daher annehmen, dass es neben den konzentration durchführen, bis eine Erregungs- hochspezifischen Geschmacksrezeptoren auch solsymmetrie vorliegt. Solche tropotaktischen Orien- che gibt, die sich zur Diskriminierung chemischer tierungsleistungen sind auch für Blütenbesucher Muster eignen. Eine besondere Form des Geschmackssinns beschrieben, sofern sie sich im Nahfeld der Duft quelle befinden, oder für Insekten, die den Son- stellt die Empfindlichkeit für Wasser dar. Anders nenkompass zur Orientierung über große Entfer- als die im vorigen Kapitel beschriebenen Hygrorenungen einsetzen, aber in unmittelbarer Umge- zeptoren reagieren die Wasserrezeptoren nicht auf bung des Nesteinganges auf chemische Orientie- Wasserdampf, sondern nur auf das Wasser selbst. rung umschalten . Manche Insekten hingegen Diese Sinnesleistung ermöglicht es den Insekten, "tasten" Duftgradientenfelder mittels Pendelbe- Wasserqualität, also z. B. den Salzgehalt im Waswegungen des Körpers oder beider Antennen ab; ser, zu testen und stellt damit eine wichtige Vorsie nutzen Chemo-Klinotaxis. Konvektion eines aussetzung für die kontrollierte Wasseraufnahme chemischen Reizes erfolgt in der Regel nicht in und somit auch für die Homöostase des Organislaminaren Luftströmungen, wodurch verwirbelte mus dar. Solche Wasserrezeptoren wurden bislang Duftfahnen entstehen , in denen die Duftkonzen- bei allen daraufhin untersuchten Insekten gefuntration nicht von der Entfernung zur Duftquelle den. alleine abhängt und zudem der Reiz in Form von diskontinuierlichen Duftwolken eintrifft. In sol-
306
11 Sinnesphysiologie
renzierungen aufweist. Die Dendriten der chemosensitiven Sinneszellen ziehen in das Haarlumen ein. Während der Häutung des Insektes bilden die drei Hüllzellen verschiedene Teilstrukturen der Die kleinste Einheit der chemischen Sinnesorgane Sensillen aus. Die äußerste Hüllzelle, die tormobei Insekten sind die Sensillen, deren Aufbau weit- gene Zelle, bildet den Haarsockel und das bei den gehend dem allgemeinen Typus der Insektensensil- meisten Geschmack ssensillen vorhandene Gelenk len entspricht (Abb. 11-29). Zwischen den Epi- an der Haarbasis, die mittlere, die trichogene Zelle, dermiszellen der Cuticula liegt eine Sinneszelle den Haarschaft mit den die Haarwand durchoder eine Gruppe von mehreren Sinneszellen, die dringenden Poren oder Kanälen und die innerste, in der Regel von drei Hüllzellen umgeben ist. die thekogene Zelle, die Dendritenscheide, die das Oberhalb dieser Sinneszellen differenziert sich die oder die Dendritenaußensegmente umgibt und so Cuticula zu einem Haar (oder einem Kegel), des- vom äußeren Rezeptorlymphraum abtrennt. Densen Wand bei chemischen Sensillen typische Diffe- dritenscheiden sind allerdings bei vielen Riechsensillen nicht oder nicht vollständig ausgebildet. In voll entwickelten und funktionstüchtigen Sensillen haben sich die tormogene und die trichogene Zelle aus dem Haar zurückgezogen, vergrößern durch Auffaltung ihre apikale Membran und bilden den äußeren Rezeptorlymphraum, der bis in das Haarlumen hineinreicht. Die Interzellularräume zwischen Sinneszellen und Hüllzellen sind durch Desmosomen und "septated junctions" verfestigt und wahrscheinlich elektrisch abgedichtet, wodurch ein geschlossenes Epithel entsteht und der äußere Rezeptorlymphraum gegenüber der Hämolymphe abgetrennt wird (Abb. 11-29). In der apikalen Membran der tormogenen und der trichogenen Zelle wurde eine hohe Anzahl von elektrogenen K+-Na+-Pumpen gefunden, die ein transepitheliales Potential erzeugen: Der äußere Rezeptorlymphraum ist kaliumreich und positiv gegenüber der Hämolymphe geladen und steht mit dem Sensillenlymphraum im Haarlumen in Verbindung . Bei Geschmackssensillen durchziehen in der Regel zwei Lumina die ganze Länge des Haares. Eines der beiden Lumina ist innerviert; die Dendriten der kontaktch emosensitiven Sinneszellen ziehen unverzweigt bis zur Haarspitze und enden an einem terminalen Haarporus (Abb. 11-30). Dies gilt auch für die Wasserrezeptoren, die in der Abb. 11-29: Schematischer Aufbau eines chemosensitiven Sensillums. Von den zentral gelegenen Sinneszellen (SZ, Regel mit anderen kontaktchemosensitiven Sinhier nur eine dargestellt) ziehen die Axone (AX) eingebettet in neszellen in einem Sensillum gemeinsam vorkomeiner gliaähnlichen Hülle bis ins Zentralnervensystem und die men. Eine viskose Flüssigkeit füllt diesen HaarDendriten (D) distal ins Haarlumen. Dort werden die Dendri- poru s aus. Sie ist an der Reizübertragung fester tenaußensegmente von der Sensillenlymphe (Sl) umspült. Der Geschmacksstoffe beteiligt, die durch die wässrige Haarschaft (HS) ist aus cuticulärem Material (C) gebildet und Flüssigkeit diffundieren oder mittels Bindeproteizeigt unterschiedlich starke Differenzierungen (5. auch Abb. 11nen bis hin zu den Dendritenenden transportiert 30 und 11-33). Die Sinneszellen sind von drei Hüllzellen, der thekogenen (TH), der trichogenen (TR) und der tormogenen werden. Der Haa rschaft ist steifwandig ausgebil(TO), umgeben und in der Epidermis (E) eingebettet. Bei man- det und meist längs gerillt und mittels eines Gechen Sensillentypen bildet die thekogene Zelle eine Dendriten- lenkes elastisch mit der Cuticula verbunden . Zuscheide (DS) aus, die die Dendritenaußensegmente vom Re- sätzlich zu den kontaktchemosensitiven Zellen zeptorlymphraum (Rl) abtrennt. Zwischen den Hüllzellen und tritt bei den meisten Insekten eine mechanosenden Epidermiszellen verfestigen Desmosomen (DE) und .septasitive Zelle auf, deren Dendrit mit dem für Meted junctions" (SJ) die Interzellularräume und dichten den Sensillenlymphraum gegenüber der Hämolymphe ab. (Original- chanorezeptoren typischen Tubularkörper in der zeichnung von U. Wolfrum) Gelenkstruktur an der Haarbasis endet (s. Kap.
11.3.3 Struktur chemischer Sinnesorgane und Strukturvielfalt
11.3 Chemorezeption
307
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Abb. 11-30: Geschmackssensillum. A Querschnitt durch den Haarschaft eines Geschmackssensillums von Drosophila melanogaster. Die Dendriten (D) der drei Sinneszellen sind von Sensillenlymphe (SL) umgeben und ziehen bis zum terminalen Porus. C Cuticula, NL nicht innerviertes Lumen. Maßstab: 0,5 11m. B Rasterelektronische Aufnahme der Spitze eines Schmeckhaares aufdem Labellum der Schmeißfliege Boettcherisca peragrina. Das innervierte Haarlumen endet am terminalen Porus (TP). Maßstab: 0,5 11m (A nach Steinbrecht 1992, B nach Steinbrecht 1984)
B
11.1). Sie wird erregt, wenn die Haarspitze auf einen festen Untergrund auftrifft, das Haar also ausgelenkt wird. Geschmackssensillen sind folglich bimodal. Entsprechend ihrer biologischen Bedeutung finden sie sich auf Mundwerkzeugen oder Rüssel, Antennen, Tarsen , Ovipositoren etc. (Abb. 11-31). Fliegen und Bienen zeigen beispielsweise einen Rüsselstreckreflex , wenn sie mit ihren
Abb. 11-32: Chemosensitive Sensillen der Insekten variieren in ihrer äußeren Morphologie. Diese Typisierung bezieht sich nur auf die äußere Form der Sensillen und berücksichtigt nicht die Differenzierung der Haarwand. Auf der Antenne des Nachtpfauenauges Antherea polyphemus findet man A fadenförmige bis 370 11m lange Sensilla trichodea sowie B nur 6-12 11m lange S. basiconica. C S. coeloconica der Heuschrecke Locusta migratoria, D S. ampullacea auf der Antenne der Honigbiene Apis mellifera. E Einen besonderen Sensillentyp, die Porenplatten oder S. placodea, findet man bei einigen Hymenopteren; das Beispiel stammt von der Honigbiene. Porenplatten können über 50 Sinneszellen enthalten . F Bei calyptraten Fliegen (Beispiel: Sarcophaga argyrostoma) enthalten die in die Oberfläche des Funiculus eingesenkten Gruben ein dichtes Feld von Sensillen . Die Öffnungen der Gruben weisen in die Richtung, aus der der Wind während des Fluges anströmt. Maßstab in A - D: 1011m, in E: 111m. (Nach Kaissling 1971)
Abb. 11-31: Geschmackssensillen bei der Fliege Phormia regina. A Trifft eine Fliege mit einem Tarsus auf Zuckerlösung, so streckt sie ihren Rüssel zur Futtersuche aus. B Auf dem letzten Tarsalsegment der Vorderbeine kann man 4 morphologische Typen von Geschmackssensillen (a-d) unterscheiden. C Vorderfläche des ausgestülpten Rüssels. Zwischen den Pseudotracheen (P) stehen 132 papillenförmige Geschmackskegel (K), die je von 4 Sinneszellen innerviert sind. D Sicht von median aufein Labellum (Rüsselhälfte) mitGeschmackssensillen unterschiedlicher Länge. (Aus Boeckh in Gewecke 1995)
Tarsen ein zuckerhaltiges Substrat berühren. Bei manchen, vorwiegend hemimetabolen Insekten bilden Geschmackssensillen auf der Unterseite der Palpen dichte Haarpolster, die durch Änderung des Hämolymphdruckes eingeklappt oder ausgestülpt werden können. Geruchssensillen besitzen eine erstaunliche Strukturvielfalt. Ihre Haarschäfte können lang
308
11 Sinnesphysiologie B
Abb. 11·33: Querschnitte durch den Haarschaft von Riechsensillen. A Sensillum miteinfacher Haarwand (Beispiel: Bombyx mod; Die Cuticula (C) ist von Porentubuli (Pt) durchdrungen, die eine Verbindung von der Luft zum Sensillenlymphraum (SL) herstellt. Durch diese Porentubuli werden die Duftmoleküle in diesen Sensillenlymphraum und zu den Dendriten (D) geleitet (s. auch Abb. 11 -34A, B). Maßstab 0,5 11m. B Sensillum mitdoppelwandigem Haarschaft (Beispiel: B. mon; Bei diesem Sensillentyp dringen die Duftmoleküle durch Poren (P) in das Haarinnere ein, wobei die Moleküle durch duftstoffbindende Proteine transportiert werden können. Maßstab 0,5 11m. (Nach Steinbrecht 1992)
und fadenförmig, kurz und kegel- oder schlauchförmig, keulenförmig oder kugelförmig sein sowie einzeln oder in Gruppen in Gruben versenkt stehen (Abb. 11-32). Vom Grundtypus der haarförmigen Geruchssensillen, der in allen Insektenordnungen vertreten ist, weichen die Porenplatten (Sensilla placodea) der Hymenopteren mit Reihen von ringförmig angeordneten Cuticulaporen ab, unter denen die Dendriten der bis zu 50 Sinneszellen ebenfalls ringförmig verlaufen (Abb. 11 32 E). Ähnlich gebaute Porenplatten fand man auch bei einigen Käfern und Aphiden . Auch die Haarwand zeigt charakteristische Differenzierungen, sie kann einfachwandig oder doppelwandig ausgebildet sein (Abb. 11-33). Bei Sensillen mit einfacher Haarwand wird die Cuticula von einem Porentubulussystem durchbrochen, mittels dessen die Duftmoleküle aus der Luft bis in den Sensillenlymphraum und schließlich zu den Dendriten gelangen können. Das klassische und auch bestuntersu chte Beispiel für einfachwandige Sensillen sind die über 100 11m langen , fad enförmigen Sensilla trichodea des Seidenspinners Bombyx mori. Etwa 2600 Poren durchdringen die Haarwand eines Sensillums. An einen äußeren Porenkanal ((/): 10-20 nm) schließt sich ein Liquorkanal an , der im Durchmesser 50-100 nm misst und meist 4-8 Porentubuli ((/): etwa 10 nm) enthält. Die Porentubuli gehen vom Porenkanal au s und reichen in den Sensillenlymphraum hinein (Abb. 11-37). Porenkanäle und Porentubuli, deren Länge von der Haarwand abhä ngt, sind zum Außenmedium Luft
hin offen. Die unverzweigten oder auch verzweigten Dendriten der zwei oder mehr Sinneszellen nehmen im Sensillenlymphraum Kontakt mit den Porentubuli auf. Porentubulisysteme wurden in einfachwandigen Riechhaaren vieler Insektenfamilien gefunden. Verglichen mit einfachwandigen Sensillen sind doppelwandige Sensillen weniger gut untersucht. Auch bei ihnen durchdringen Porenkanäle die meist gerillte Haarwand, jedoch scheinen diese Kanäle nicht mit Luft, sondern mit einem elektronendichten Material gefüllt zu sein. Geruchssensillen finden sich vorwiegend auf den Antennen, wobei die ersten beiden (proxim alen) Segmente selten mit chemosensitiven Sensillen besetzt sind , wohl aber das Flagellum bzw. der Funiculus bei den meisten cyclorrhaphen Fliegen . Antennen zeigen bei Insekten in Größe und Form ein hohes Maß an Variabilität und bei einigen Familien, wie z. B. vielen Hymenopteren und Lepidopteren, einen ausgeprägten Sexualdimorphismus (Abb. 11 -34). Entsprechend variieren auch Anzahl, Typen und Verteilung der Sensillen. Bei hemimetaboien Insekten stehen die chemosensitiven Sensillen verschiedener morphologischer Typen durchmischt in einem lockeren Verbund auf den Antennensegmenten. Meist findet man zwischen den Geruchssensillen auch thermo- und feuchtesensitive Sensillen sowie Geschmacksborsten, die die anderen Sensillen in der Regel aufgrund ihrer Länge überragen (Abb. 11-35). Bei holometabolen Insekten sind die Antennensegmente häufig mit einem dichten Besatz von Sensillen pelzartig über-
11.3 Chemorezeption
309
Abb. 11-34: Die Antennender Insekten tragen den überwiegendenAnteil der Geruchsrezeptoren und auch viele Geschmacksrezeptoren. Die Antennengeißeln zeigen ein hohes Maß an Variabilität und mitunter einen ausgeprägten Sexualdimorphismus. A Honigbiene Apis mellifera (Länge der Antennengeißeln bei Drohnen: 3,8mm, bei Arbeiterinnen: 2,7 mm). B Totengräber Nicrophorus vespilloides (Länge der Antenne bei Männchen: 3,5mm). C Fliege Sarcophaga (Länge des Funiculus: 1 mm). D Scarabaeide Rhopaea (Länge der Antenne bei Männchen: 2,7 mm). E Nachtpfauenauge Antherea polyphemus (Länge der Antennengeißel bei Männchen: 18mm, bei Weibchen: 15mm). F Termite Schedorhinotermes lamanianus (Länge der Arbeiterantenne: 1,1 mm). (A-E nach Kaissling 1987, FOriginalzeichnung)
zogen, bestimmte Sensillentypen können in homogenen Feldern auftreten oder, wie bei den Museiden, auch in Antennengruben versenkt stehen (Abb. 11 -32 F). Einen auffälligen Sexualdimorphismus findet man bei Häufigkeit und Verteilung bestimmter Sensillentypen (Tab. 11-2). Drohnen von Honigbienen verfügen auf ihren Antennen über eine große Anzahl von Sensillen, die auf Weibchenlockstoff spezifisch reagieren. Solche Sensillen und damit die pheromonspezifischen Sinneszellen fehlen den Weibchen und Arbeiterinnen. Der Sexualdimorphismus bei der Sensillenausstattung der amerikanischen Schabe (Periplaneta americana) ist anders ausgeprägt. Männchen und Weibchen verfügen auf der Antenne zwar über dieselben morphologischen Sensillentypen, jedoch fehlen den Weibchen die Sinneszellen, die den Sexuallockstoff wahrnehmen . Ähnliches wurde für den Seidenspinner (Bambyx mari) beschrieben, bei dem man bei Männchen und Weibchen denselben morphologischen Sensillentyp (lange Sensilla trichodea) findet, der bei Männchen die Sexuallockstoffrezeptoren enthält, bei den Weibchen hingegen alleine der Wahrnehmung von
Abb. 11-35: Chemosensitive Sensillen der Insekten weisen eine große morphologische Vielfalt auf. A Die Antennenäste (Ausschnitt) der Männchen des Seidenspinners Bombyx mori sind einseitig mit Reihen von langen Sensilla trichodea (L) besetzt, die gemeinsam mit denen auf benachbarten Antennenästen eine "Reuse" bilden (s. auch Abb. 11-36). Zwischen diesen Sensillen stehen halblange S. trichodea (H) und große (G) und kleine (K) S. basiconica. Alle Sensillen enthalten Geruchsrezeptoren. BTermite Schedorhinotermes lamanianus, Ausschnitt aus einem Antennensegment. Die einfachwandigen Typen SW1 und SW2 und der doppelwandige Typ DW sind olfaktorische Sensillen, die Sinneszellen des poren losen Types NP reagieren auf Feuchte und Temperatur und das alle anderen in der Länge weit überragende Sensillum mit einem terminalen Porus (TP) enthält Geschmacksrezeptoren. (Nach Steinbrecht 1973 und Originalaufnahme)
Futterdüften dient. Wenn auch nicht ähnlich deutlich ausgeprägt wie beim Sexualdimorphismus mancher Insekten, so findet sich auch bei den stets sozial lebenden Termiten ein kastenspezifischer Polymorphismus. Arbeiter verfügen über eine höhere Anzahl von einfachwandigen Sensillen als die Soldaten. Auch die Häufigkeit eines Types von Geschmackssensillen (TP III), der einen Wasserrezeptor enthält, ist bei den Arbeitern höher als bei Soldaten.
310
11 Sinnesphysiologie
Tab. 11-2: Sexual- und Kastendimorphismus bei der Häufigkeit bestimmter Sensillentypen auf den Antennen verschiedener Insekten. (Nach Steinbrecht 1973, Wolfrum und Kaib 1988, Boeckh in Gewecke 1995) Insektenart
Sensillentyp
Sensillenzahl pro Antenne
amerikanische Schabe Periplaneta americana
Typ swB
d
37000
«
6000 17000 0
Seidenspinner Bombyx mori
S. trichodea
d
Termite Schedorhinotermes lamanianus
SW-Sensillen
Arbeiter Soldat Arbeiter Soldat
TPIII-Sensillen
«
11.3.4 Reizleitung zu den Sinneszellen Duftreize breiten sich in der Luft aus oder werden durch sie transportiert. Bei einer konstanten Duftstoffkonzentration erreichen um so mehr Duftmoleküle die Geruchsrezeptoren, je mehr Luft pro Zeiteinheit über die Antennen streicht. Für fliegende Insekten stellt sich die Konvektion der Luft über die Antennen durch die Fortbewegung ein, ruhende oder langsam laufende Insekten wedeln mit ihren Antennen, um Duftmoleküle einzufan-
Abb. 11-36: Zwei Segmente aus dem distalen Antennenbereich eines männlichen Nachtpfauenauges (Antherea polyphemus). Jedes Geißelsegment trägt zwei Astpaare, auf denen lange Sensilla trichodea in Reihen stehen und eine Reuse bilden. Während des Fluges strömt bei normaler Antennenhaltung die mit dem Sexuallockstoff beladene Luft über den Antennenstamm in die Reuse hinein (inder Abbildung von links). Der Pfeil zeigt in Richtung Antennenspitze. Maßstab: 0,2mm. (Nach Boeckh et al. 1960)
1150 900 280 170
Reaktion der Zellen auf: Weibchenlockstoft Futterdüfte nur Futterdüfte Weibchenlockstoff verschiedene Düfte z.B.: FutterinhaltsstoHe, chemische Signale
gen. Männchen vieler nachtaktiver Schmetterlingsarten zeigen eine auffällige Differenzierung der Antennen, mittels derer sie die Zahl der eingefangenen Duftmoleküle und somit ihre Empfindlichkeit für bestimmte Düfte, meist Sexuallockstoffe, erhöhen. Die Antennen der männlichen Nachtpfauenaugen (Saturniidae) sind stark gefächert. Von jedem Segment der Antennengeißel gehen zwei Paar von Antennenästen aus. So entsteht eine gesamte Antennenumrissfläche von 85 mrrr', die bei normaler Antennenhaltung in einer Ebene parallel zur Querschnittsebene des Tieres liegt. Dadurch bieten Antennen frontal anströmender Luft einen größtmöglichen Widerstand. Sensilla trichodea stehen in Reihen so auf den Antennenästen angeordnet, dass sie zusammen mit den Seitenästen eine reusenartige Struktur bilden (Abb. 1/-36). Sensillen und Seitenäste machen zusammen mit 20 mrrr' etwa 30% der Umrissfläche aus. Überraschenderweise werden aber fast 80% der mit der Luft durch die Antennen strömenden Duftmoleküle aus der Luft gefiltert. Dieses Phänomen wird dadurch erklärt, dass die stömende Luft beim Durchtritt durch die Antenne in starke Turbulenzen versetzt wird und die Duftmoleküle aufgrund der engen "Maschenweite" der Reuse (10-30 um) und der dadurch bedingten kurzen Diffusionswege an der Cuticula adsorbiert werden . Die Antenne des Nachtpfauenauges wirkt demnach wie ein Molekularsieb. Die Epicuticula der Sensilla trichodea der Saturniden ist mit drei 2,5-8,5 nm dicken Schichten überzogen, deren innerste Schicht sich bis in die Porentubuli fortsetzt (Abb. 11-37 A, B). In diesen außerordentlich dünnen Schichten unterliegen die adsorbierten Duftmoleküle nicht einer dreidimensionalen Diffusion wie in der Luft , sondern einer beschleunigten zweidimensionalen Diffusion, und treffen somit schnell auf die die Haarwand durchdringenden Poren, obwohl diese nur etwa 1/1000 der Haaroberfläche ausmachen. Wegen der geringen Durchmesser der Porentubuli erfolgt dort die
311
11.3 Chemorezeption
p
L2-._-~......J...- -oo< L1
L3
c
E
SL
A
B
\ Abb. 11-37: Transport der Duftmoleküle auf der Sensillenoberfläche und Reiz-Erregungs-Transduktion. A Halbschematische Darstellung des Haarquerschnittes eines Sensillum trichodeum und B des Porentubulussysterns des Seidenspinners Bombyx mari. Treffen Duftmoleküle aufdie Epicuticula (E), so werden sie adsorbiert und gelangen mittels beschleunigter Diffusion in den Schichten L1 bis L3 und durch die Poren (P) und die Porentubuli (Pt) bis in den Sensillenlymphraum (SL) oder direkt zu den Dendritenästen (D). C Cuticula. C Reizmoleküle (M) im Sensillenlymphraum können an Bindeproteine (BP) gebunden werden. Von der Bindung der Reizmoleküle an spezifische Rezeptorproteine (R) in der Dendritenmembran (DM) bis hin zur Aktivierung der Ionenkanäle (K) sind wahrscheinlich neben einer Reihe weiterer, membrangebundener Proteine (*) auch intrazelluläre Botenstoffe wie Inositoltrisphosphat (IP3), cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) und Ca' " beteiligt. Im Sensillenlymphraum konnten auch Enzyme (E) nachgewiesen werden, die Reizmoleküle spalten und somit inaktivieren. (A und B Originalzeichnung von Steinbrecht; C nach Boeckh in Gewecke 1995)
I
er "
• ~~E
IPJ • Ca"
C
Diffusion wahrsch einlich sogar eindimensional. Duftmoleküle werden somit sehr schnell dem Diffusionsgleichgewicht in der Oberfläche der Cuticula entzogen und den Geruchsrezeptoren zugeführt. Dieser Anreicherungsprozess von Duftmolekülen in strömender Luft , deren Adsorption an der Cuticula und die gerichtete Diffusion der Duftstoffe zu den Dendriten in den Sensillen trägt wahrscheinlich ent scheidend zur außerordentlich hohen Empfindlichkeit der Pheromonrezeptoren der Saturniiden bei. Porentubuli stehen nicht in festem Kont akt mit der Dendritenmembran. Wahr scheinlich flottieren die Dendriten bzw. deren Äste im Sensillenlymphraum und nehmen wechselnd und kurzfristig Kon-
SL (!)
~@lt= ATP ADP
cGMP
takt mit Porentubuli auf. In der Sensillenlymphe konnten Proteine nachg ewiesen werden, die eine hohe Affinität gegenüber Pheromonen besitzen und diese an sich binden . Solche Bindeproteine könnten einerseits verhindern, dass Duft stoffe im Sensillenlymphraum chemisch verändert und damit reizunwirk sam werden ; sie dienen andererseits dem Transport lipophiler Duftstoffe durch die wässrige Rezeptorlymphe von den Porentubuli bis hin zu den Dendritenmembranen. In der Dendritenmembran der Sinneszelle, so nimmt man in Analogie zu Rezeptoren im Zentralnervensystem an , sind intrinsische Proteine eingelagert, die als spezifische Rezeptorproteine bestimmte Duftstoffe binden und zu einer Permeabilitätsänderung der
312
11 Sinnesphysiologie
A
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Verglichen mit den Geruchsrezeptoren ist die Reizübertrag ung bei den Gesch macks rezep toren weniger gut untersuc ht, allerdi ngs auch nicht ähn lich abhängig von strukturellen Differenzie rungen . Bei Gesc hmacksrezeptoren liegt bei Reizung stets ein di rekter Kontakt zwischen Reiz und Sensillum vor. In der viskösen Flü ssigkeit, die den Terminalpor us füllt und auch feste Reizstoffe löst, sind ebenfalls Bindeproteine vorhanden, die die Transduktion auch lipophi ler Reize garantieren. Vorgänge an der Rezeptormembran laufen wahrsc heinlich vergleichbar zu denen an den Geruchsrezeptoren ab.
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0 K 10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 ~g
Dendritenmembran der Sinneszelle führen (Abb. 11-37 C). Die Spezifität einer Rezeptorzelle würde demnach durch die Spezifität des Rezeptorpro teins, über welche diese Zelle verfügt , bestimmt. Enzyme in der Sensillenlymphe desaktivieren die an Rezeptorproteine gebundenen Duftm oleküle und machen so die Rezeptorproteine für neue Duftmoleküle frei. Eine Erregung der Sinneszelle entste ht erst, wenn Mem brankanäle für Kationen geöffnet werden. Bei diesem Prozess spielen wahrscheinlich eine Reihe intrazellulärer Botenstoffe wie Inositoltrisphosphat, zyklisches Guanosinmonophosphat und Ca"" eine Rolle.
Bombykol
Abb. 11-38: Reaktion des Seidenspinnermännchens (Bombyx mori) auf das Sexualpheromon Bombykol. A Wird von einer Reizquelle (links) abdampfendes Bombykol über die Antenne eines Männchens geblasen. so beginnt es zu schwirren. Diese Schwirreaktion kann mittels eines Tonkopfes eines Plattenspielers (unter dem Tier) registriert und in elektrische Spannungsänderungen umgesetzt werden. Ein Thermistor (über dem Tier) misst den Beginn des Duftreizes. B Mit steigender Bombykolkonzentration auf der Reizquelle (10--4 Ilg bis 1 Ilg) steigt das Maß der Erregung der für Bombykol empfindlichen Sinneszelle in den Sensilla trichodea. Bei einer Quellenbeladung von 10-4 Ilg Bombykol beantwortet eine Sinneszelle nicht jeden Reiz mit Erregung oder - anders betrachtet - nicht jede Sinneszelle einen solchen Reiz. Daher sind 3 Registrierungen dargestellt. Balken stellt die Reizdauer dar. C Anteil der mit Flügelschwirren reagierenden Männchen (e) bzw. der mit ~ 2 Nervenimpulsen reagierenden Sinneszellen (e) in Abhängigkeit von der Bombykolmenge auf der Reizquelle. K Reaktionsstärke bei Reizung mit reiner Luft, (Nach Kaissling und Priesner 1970)
Die Öffnung der Kationenkanäle als Folge der Bindung des Reizes an die Rezeptorp roteine führt in der Dendritenmembra n zu einem Rezeptorpotential, welches sich bis zum Impulsgenerationsort am Soma der Sinneszelle ausbreitet. Diese Weiterleitung des Signales über die Sinneszelle wird wahrschein lich durch eine externe Batterie, die in den oben beschriebenen elektrogenen K+-Na+Pumpen in den gefalteten Membranen der tormogenen und der trichogenen Zelle zu suchen ist, unterstützt. Am Soma entstehen dann fortgeleitete AlIes-Oder-Nichts-Potentiale, die mit ihrer Frequenz von der Amplitude des Rezeptorpotentiales abhängen und über die chemosensorischen Bahnen ins Zentralnervensystem geleitet werden. Fü r die antennalen Sinneszellen liegen die ersten Synapsen in den Glome ruli des Deutocerebrums im Oberschlundganglion, für die auf dem Labrum und im Hypopharynx im Tritocerebrum und für die auf den Mundwe rkzeugen im Un terschl und ganglion.
11.3.5 Empfindlichkeit der chemischen Sinnesorgane Chemische Signale, die der Komm unikation zwischen Sozialpartnern oder während der Paarung dienen, werden in so genannten exokrinen Drüsen gebildet. Meistens sind es flüchtige Substanzen, die aus diesen D rüsen nur in geringsten Mengen ausgesendet und überdies über eine große Entfer-
11.3 Chemorezeption
313
nung von Artgenossen empfangen und erkannt werden. Das gilt in besonderem Maße für Sexual..-/~ pheromone, für deren Wahrnehmung Rezeptoren mit einer erstaunlichen Empfindlichkeit beschrieben worden sind. Bei vielen Insektenarten sind t 6 x 10' : 1 t solche Sexualpheromone chemisch aufgeklärt. Häufig wurden diese Untersuchungen letztlich mit t 150 : 1 dem Ziel durchgeführt, durch synthetische Phero1 : 0,8 monfallen die Populationsdichte von Schadinsekt 1,7 X10' : 1f ten für eine gezielte chemische Bekämpfung zu erfassen oder durch das Ausbringen hoher Konzentrationen des Sexualpheromons paarungsbereite Männchen zu verwirren (s. 21.3.2.3). Bislang ist jedoch im gesamten Tierreich kein auf Phero- Abb. 11-39: Molekülmenge an einem Pheromonrezepmone gestütztes Sender-Empfänger-System auch tor an der Verhaltensschwelle des Seidenspinnermänn6 nur annähernd ähnlich umfassend untersucht wor- chens (Bombyx mori). Wird die Reizquelle mit 3 x 10- Jlg 9 Bombykol = 7,5 x 10 Moleküle beladen (s. Abb. 11-35C), so den wie das des Seidenspinners (Bombyx mori). werden pro Sekunde bei einer Strömungsgeschwindigkeit der Seidenspinner-Weibchen produzieren in einer abReizluft von 6 cm/s insgesamt 1,3 x 105 Moleküle abgegeben, dominalen Drüse das Sexualpheromon Bombykol und 690 Moleküle treffen auf die Sensilla trichodea . Da eine (E,Z)-(1O,12)-Hexadecadienol), das sie aus der Antenne 17000 Sensilla trichodea miteinem Pheromonrezeptor ausgestülpten Drüse abgeben und das unter güns- enthält, treffen im Durchschnitt nur 0,04 Moleküle auf einen tigen Bedingungen Männchen aus einer Entfer- Pheromonrezeptor. Ausgehend von der Beladung der Reizquelle nung von mehreren Kilometern anlockt. Nehmen wird beim Transport der Duftmoleküle bis zur Rezeptormembran die Zahl der Moleküle schrittweise verringert. Die jeweiligen Männchen dieses Bombykol wahr, so zittern sie Verhältnisse sind in der Abbildungsmitte angegeben. (Nach mit ihren Antennenspitzen, schwirren mit ihren Kaissling 1987) Flügeln und orientieren sich schließlich bis hin zur Pheromonquelle, dem Weibchen . Diese klar quantifizierbaren, pheromoninduzierten Verhaltenswei- der Wurzel der Spontanaktivität überschreiten sen, die frühe chemische Aufklärung des Bomby- muss, um vom empfangenden Männchen wahrkols und dessen spätere synthetische Herstellung, genommen zu werden . Die Spontanaktivität einer sowie die elektrophysiologische Untersuchung der Sinneszelle beträgt etwa 0,08 Impulse/sec, also Pheromonrezeptoren auf den Antennen der treffen von allen pheromonempfindlichen SinnesMännchen durch Schneider machten die Bestim- zellen einer Antenne pro Sekunde etwa 1450 Immung der Riechschwelle des Seidenspinnermänn- pulse im Gehirn des Männchens ein. Eine Erhöchens möglich. hung dieser im Gehirn eintreffenden Impulsrate Kaissling und Priesner konnten nachweisen, um 114 Impulse/sec wäre also nötig, damit das dass ein einziges Bombykolmolekül ausreicht, um Männchen eine Erregung als Folge eines Bombyin einer Pheromonzelle einen Nervenimpuls aus- kolreizes vom Grundrauschen unterscheiden zulösen. Treffen Bombykolmoleküle in ausrei- kann. Dieser theoretische Wert steht im gutem chender Konzentration auf die Antennen eines Einklang mit den experimentell bestimmten MoleMännchens, so werden die Pheromonrezeptoren külzahlen. Es reicht also einem Seidenspinnerin den Sensilla trichodea erregt und das Männ- männchen zum Auslösen des Sexualverhaltens, chen zeigt Flügelschwirren (Abb. 11-38A). Auf ei- wenn nur I % seiner das Bombykol wahrnehmenner Antenne verfügt das Männchen insgesamt in den Sinneszellen mit nur einem Bombykolmolekül den 17000 S. trichodea über je einen Pheromon- getroffen werden. rezeptor. Bei der Schwellenkonzentration von 6 x Diese extreme Leistung des Geruchssinns des Seiden10-4 ug Bombykol auf der Reizquelle treffen pro spinners lässt sich neben der außerordentlich hohen Sekunde 690 Moleküle auf die Antenne und somit Empfindlichkeit der Pheromonrezeptoren durch die beim Durchschnitt nur 0,04 Moleküle auf eine Sin- reits zuvor beschriebene Anatomie der Antennen der neszelle bzw. je I Molekül auf 690 Sinneszellen Männchen und durch die physikochemischen Eigen(Abb, 11-39). Da bei dieser Schwellenkonzentra- schaften der Cuticula und der Sensillenwand erklären. tion nur 1/4 der getroffenen Sinneszellen erregt Ähnlich hohe Empfindlichkeit der Pheromonrezeptoren kann für Männchen einer Reihe weiterer nachtaktiver wird, entsteht in nur 170 Sinneszellen ein NervenInsekten angenommen werden. Diese Männchen haben impuls. Das besagen die elektrophysiologischen auf ihren Antennen meist nur einen Sinneszelltyp oder Experimente. Nachrichtentheoretische Überlegun- sehr wenige Sinneszelltypen, die auf das Pheromon oder gen fordern, dass ein Signal die Spontanaktivität das Pheromongemisch reagieren. Stark vereinfacht ausaller Pheromonzellen, also die Aktivität, die ohne gedrückt reicht dem Männchen für die Fortpflanzung Reizung mit Bombykol vorliegt, um das Dreifache letztlich nur ein pheromonempfindlicher Typ, um Prä-
~ -,~ .
H
314
11 Sinnesphysiologie
Tab: 11-3: Schwellenkonzentrationen unterschiedlicher Schmeckstoffe für Geschmackssensillen verschiedener Insekten. (..HMP" : host marking pheromone). (Nach verschiedenen Autoren und unveröffentlicht) Reizsubstanz
Schwelle [mol/I)
lage des Sensillums
NaCi Securinin
3-10 x 1O--
Antenne Antenne
Saccharose Saccharose
6-10 x 10- 2 10
Galea Antenne
Rhago/etis cerssi
Saccharose Saccharose NaCI ATP Saccharose NaCi .HMP·
4 x 10--
Tarsen Tarsen Tarsen Pharynx Tarsen Tarsen Tarsen
lepidoptera Spodoptera exempta (larven) Pieris btsssicee
Adenosin sek. Pflanzeninhaltssloffe
3 x 10- 5 10-6-10--3
MaxilIen Tarsen
Isoptera Schedorhinotermes lamanianus Hymenoptera Apis mellifera Diptera Phormia terraenovae Calliphora vicina Glossina palpalis Rhagoletis pomone/la
senz und Aufenthaltsort eines Weibehens wahrzunehmen. Auf Kosten einer Typenvielfalt kann der Pheromonrezeptor aber in sehr hoher Anzahl ausgebildet sein. Aufgrund nachrichtentheoretischer Überlegungen sinkt die Wahrnehmungsschwelle eines Insektes für einen bestimmten Reiz um so weiter, je mehr Sinneszellen an der Wahrnehmung dieses Signales beteiligt sind. An ein Sinnesorgan, das zur Nahrungswahl oder zur Erkennung von Artgenossen - oder bei sozialen Insekten von Nestgenossen - dient, werden jedoch andere Anforderungen gestellt, da das Signal zum einen aus komplexen Stoffgemischen besteht und zum anderen habitat- und kontextabhängig stark variieren kann (s. 11 .3.6). Entsprechend verfügen solche Insekten auch über physiologische Klassen von Sinneszellen und verteilen die Gesamtzahl der Sinneszellen auf viele Klassen . Diese Klassen von Sinneszellen unterscheiden sich in ihrer Spezifität (Abb. 11-41 und 11-42). Damit steigt die Schwellenkonzentration für die Wahrnehmung des chemischen Signals an. Obwohl die von verschiedenen Autoren verwendeten Reiztechniken sich sehr deutlich unterscheiden und damit ein präziser Vergleich der bestimmten Schwellenkonzentrationen bei verschiedenen Insekten nicht
möglich ist, so zeichnet sich doch ab, dass die Schwellenkonzentrationen für die Wahrnehmung von Futterinhaltsstoffen bei 1010 bis 1011 Moleküle/mi Luft liegt und somit etwa 105 mal höher als die Schwelle für das Sexualpheromon Bornbykol ist. Ferner zeigen auch viele Insekten mit ihren geißel- oder keulenförmigen Antennen nicht jene anatomischen Anpassungen zur erhöhten Adsorption der Duftmoleküle wie die Antenne z. B. der Seidenspinnermännchen (Abb. 11-34 und 11-35). Im Vergleich mit den Geruchsrezeptoren sind die Geschmacksrezeptoren in der Regel deutlich weniger empfindlich. Insekten betasten mit ihren Geschmackssensillen auf den Beinen, den Mundwerkzeugen oder den Antennen den Untergrund und suchen oder überprüfen Nahrung und Wasser. Geschmacksreize werden also nicht über größere Entfernungen wahrgenommen und unterliegen damit nicht einer Konzentrationsabnahme wie die Duftreize während der Verfrachtung durch die Luft. Experimentell bestimmte Schwellenkonzentrationen für viele Geschmacksstoffe - vorwiegend Zucker und Salze - liegen bei 10- 1 bis 10-4 mol/I, was etwa 1020 bis 1017 Moleküle/mi entspricht
Tab, 11-4: Vergleich der Konzentrationen von Adenosinnucleotiden, die bei verschiedenen Insektenarten bei 50 % der getesteten Tiere (ED so) Saugverhalten auslösen. (Nach Galun und Kabayo 1988) EDso [mol/I)
Insektenart
ADP
ATP G/ossina pa/palis (9) Aedes aegypti Aedes caspius Cu/ex pipiens Simu/ium venustrum
5,0 x 1,2 x 9.1 x 2.5 x 2,1 x
10 7 10- 5 10 10 s 10 5
AMP
X 10- 7
6,7 1,9x 1,5x 1,2 X 6,0 X
10 1
1.0 x 4,6 X 3,1 x 2.7 x 1,0 X
10 10--
11.3 Chemorezeption
10- 1 m ol/l für Raupen des Tabak schwärm ers (Ma nduca sex tat fraßinh ibierend . Beide Ar ten fressen an Kohlpflan zen. Die Kohleule besitzt tarsale Sensillen, in denen zumindest eine Sinneszelle auf Senfölglykoside in einer Kon zentr ation von 10 -5 molll mit Erregung antworten. Diese Senfölglykoside, sekundäre Inh altsstofTe in Kohlblättern , stimulieren Weibchen der Kohleule, ihre Eier auf Kohlbl ätt er abzulegen.
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0 0.01
315
0.1
10
Reizkonzentration [I.lmollll
B •
•
• .A.
Abb. 11-40: Empfindlichkeit tarsaler " HMP" -Rezepto-
ren der Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi) für die Na+-Salze der beiden im Kot der Weibchen vorhandenen Isomere N(15R(ßGlucopyranosyl)-oxy-SR-hydroxypalmitoyl)·taurin (SR, 15RHMP) und N(15R(ß-Glucopyranosyl)-oxy-SS-hydroxypalmitoyl)taurin (S5, 15R-HMP), des "hast marking pheromones = HMP ", mit dem dieWeibchen nach der Eiablage die parasitierte Kirsche markieren, sowie die beiden weniger wirksamen synthetischen Isomere SR, 15S-HMP und S5, 15S-HMP. A Reiz-Erregungs-Beziehung eines HMP-Rezeptors und B Strukturformeln der optischen Isomere. (Nach Städler et al. 1994)
(Tab. 11-3). Phytophage Insekten sind mit Geschmacksrezeptoren ausgestattet, die Pflan zen auf ihre Eignung als Nahrung oder als Eiablagemedium prüfen. Bei dieser Prüfung der Pflanzen spielen sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, häufi g Glu cosinolate oder Alkaloide, eine wesentliche Rolle, für die bestimmte Rezeptoren eine höhere Empfindlichkeit zeigen als für Salze oder Zucker und die auf das Insekt fraßstimulierend oder auch fraßinhibierend wirken. Hierbe i können verschiedene Insektenarten sehr unterschiedlich auf dieselben Substanzen reagieren, was als ein Mechani smus zur Nischentrennung angesehen werden kann . So wirkt z. B. Sinigrin in Konzentrationen von 10-7 bis 10-4 molll für Raup en der Kohleule (Pieris brassicae) fraßstimulierend und in Konzentrationen von 2 x 10- 3 bis
Auch für blutsaugende Insekten sind Geschmacksrezeptoren mit vergleichbarer Empfindlichkeit beschrieben worden (Tab. 11-4), Diese Geschma cksrezeptoren zeigen eine hohe Spezifität für eine bestimmte Geschmackssubstanz. Gut vergleichbare, auf Saugverhalten basierende Daten liegen für eine Reihe verschiedener blut saugender Insekten vor. Hier zeigt sich, dass für die Energielieferanten ATP und häufig auch ADP eine wesentlich höhere Empfindlichkeit vorliegt als für AMP (Tab. 11-4), Manch e In sekten setzen Geschmacksstoffe auch als Pheromon ein. Verglichen mit den Rezept oren , die der Wahrnehmung von Futterinhaltsstoffen dienen , besitzen Pheromonre zept oren eine außerordentlich hoh e Empfindlichkeit. Ein gut unt ersuchtes Beispiel hierfür ist die Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi), Nach der Eiablage markieren Weibchen der Kirschfruchtfliege die parasitierte Kirsche mit einem Pheromon, das HMP (host marking pheromone) gena nnt wurde. Männ chen und Weibchen verfügen auf den ventralen Seiten ihrer Tarsen über einen Sensillentyp, der neben einer mechanosensitiven Sinneszelle vier Geschma cksrezeptoren enthält. Einer dieser Geschmacksrezeptoren zeigt eine Schwelle von 2 x 10- 10 molll für zwei der vier möglichen opti schen Isomere des HMP (Abb. 11 -40). Beide Isomere kommen im Kot der Weibchen in etwa gleichen Konzentrationen vor. Die beiden anderen Isomere sind um den Faktor 13 weniger wirksam. Bei den Wasserrezeptoren stellt sich nicht die Frage der Empfindlichkeit für das Wasser selbst. Für die Hom öostase ist es vielmehr wichtig, die Konzentration der im Wasser gelösten Ionen zu erkenn en, denn liegt diese zu hoch, so müssen die Ionen wieder ausgeschieden werden, Wasserrezeptor en reagieren typischerweise auf reines Wasser mit Erregung. Dieses Erregungsniveau sinkt mit steigenden Ionenkonzentrationen bis hin zur vollstä ndigen Hemmung. Bei der Mehrzahl der Insektena rten liegt die Schwellenkon zent ration für die Hemmun g bei 5 bis 50 mmolll und die für die totale Hemmung bei Konzent rationen bis über ein molll (Tab. 11 -5). Bei solchen Konzentrationen wird die Präsenz des Wassers nicht mehr wahrgenommen,
316
11 Sinnesphysiologie
Tab: "-5: Konzentrationen unterschiedlicher Ionen, die das Erregungsniveau der Wasserrezeptoren verschiedener Insekten hemmen (Nach verschiedenen Autoren und unveröffentlicht). Reizsubstanz
Schwelle für Hemmung [moili)
totale Hemmung [moili)
Lage des Sensi11ums
CaCl 2 NaCi
2-3x 10~ 3x 10- 2
1x 10-4 1X 10- 1
Antenne Antenne
Boettcherisca peregrina
NaCi NaCl, KCI NaCi Na·Citrat NaCi Tricholincitrat NaCI, KCI
Musca domestica
KCI
5x 10- 2 5x 10- 3 1x 10- 2 5x 10- 3 1x 10-3 3x 10- 3 2x 10-2 1x 10- 3 l,2x 10-2
5x 10- 1 6x 10- 2 l,5x 10- 1 5x 10- 2 3x 10- 1 3x 10-2 1 1X 10- 3 1,5
labellum labellum labellum labellum labellum labellum labellum labellum labellum
Coleoptera Leptinotarsa decemlineata
NaCI
1x 10- 2
>1xl0- 1
Epipharynx
Lepidoptera Plutella xylostella
KCI
1x 10- 5
1X 10-3
Ovipositor
Isoptera Schedorhinotermes lamanianus Diptera Phormia regina Phormia terraenovae Protophormia terraenovae
Drosophila melanogaster
11.3.6 Spezifität der chemischen Sinnesorgane und Erkennung chemischer Muster Chemorezeptoren werden nicht nur von einer einzigen Substanz erregt , sondern meist von vielen Substanzen, die überdies chemisch nicht ähnlich zu sein brauchen. Die Summe aller der Substanzen, auf die eine Sinneszelle reagiert, bezeichnet man als das Reaktionsspektrum einer Sinneszelle. Innerhalb eines solchen Reaktionsspektrums sind natürlich nicht alle Substanzen gleichermaßen reizwirksam; für bestimmte Substanzen besitzen Sinneszellen eine höhere Empfindlichkeit als für andere. Manche Sinneszellen verfügen über breite Reaktionsspektren, sie reagieren also auf viele Substanzen, andere Sinneszellen hingegen über sehr schmale (Abb. 11-41). Duftrezeptoren mit breiten und zudem stark überlappenden Reaktionsspektren findet man bei vielen Insekten. Sie dienen dem Erkennen chemischer Muster bei der Wahl der Nahrung oder eines Eiablagemediums. Der Kiefernrüßler (Hylobius abietis) verfügt auf der Antenne über eine große Anzahl von Duftrezeptoren, die mit Duftstoffen aus Tannennadeln gereizt, jeweils unterschiedliche Erregungsmuster zeigen. Viele Zellen werden z. B. durch Terpinolen oder a-Pinen maximal erregt, doch unterscheiden sich diese Zellen in ihrer Antwort auf Duftstoffe wie ß-Pinen, Camphen, Verbenon, Limonen, Menthon oder p-Cymol. Für diese Sinneszellen lassen sich also keine Typen von Rezeptoren mit denselben Reaktionsspektren bilden. Vergleichba-
res wurde für eine Reihe anderer Insektenarten beschrieben. Neben diesen Rezeptoren kennt man auch solche, die zwar ebenfalls breite und überlappende Reaktionsspektren zeigen, jedoch in mehrfacher Ausführung vorkommen und daher zu Reaktionstypen zusammengefasst werden können. Die amerikanische Schabe (Periplaneta americana) verfügt über mindestens 5 Typen von Sinneszellen, die auf aliphatis che, gesättigte Alkohole mit Erregung antworten. Bei einem gegebenen Reizstoff, z. B. Octanol, werden die Sinneszelltypen I und II schwach, der Typ III maximal und die Typen IV und V mittelstark erregt (Abb. 11-42). Somit entsteht bei dieser Substanz ein Erregungsmuster über die fünf Reaktionstypen hinweg, welches sich von dem Erregungsmuster bei Reizung mit z. B. Pentanol oder Dodecanol klar unterscheidet.
Rezeptoren mit überlappenden Reaktionsspektren ermöglichen es dem Insekt, Buketts von Duftstoffen zu erkennen , auch dann, wenn nicht qualitative sondern nur quantitative Unterschiede im Duftmuster vorliegen. Je größer die Zahl der an der Diskriminierung verschiedener Buketts beteiligten Typen von Rezeptoren ist, um so feiner kann diese Duftdiskriminierung erfolgen. Hierbei ist es Aufgabe der Sinneszellen, das Bukett in seinen einzelnen Komponenten quantitativ zu erfassen und das Erregungsmuster an das Gehirn weiterzuleiten . Im Deutocerebrum, wo die Axone der antennalen Geruchssensillen enden , und in höheren Projektionszentren werden die Erregungshöhen der an der Antwort beteiligten Sinneszelltypen verglichen . Erkennung chemischer Muster spielt bei den Insekten eine wichtige Rolle. Sammelnde Honig-
11.3 Chemorezeption
Nummer der Duftsubstanz 1 2 3 4 5..·
A
... 10...
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III
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1 00000 0 . 0 ·0 . 0 2 0000 0 0 0 0 O· 0 3 000· 0 0 . 00 . 0 0 40000'0 ' 0 0 0 0' 0 0 5 0000 00 . 0 0 0 · 0 0 0 . 0 6 0000 ·0 0 .00 7 0 0 0 000 . 00· 0 0 0 . 8 0 0 . 00000' 000 o · 0 · 0000· 0 . 00 0
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8
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10 11 12 13
C-Atome gesättigter Alkohole
Abb. 11-42: Reiz-Erregungs-Beziehung von 5 Klassen von Geruchsrezeptoren auf der Antenne der Schabe (Peri-
B A.1 00000 A.' 00000
planeta americana). Die Rezeptoren der Klassen I bis V zeigen ihre maximale Empfindlichkeit (von links nach rechts) für 2-Methylbutanol, n-Hexanol, n-Octanol, n-Decanol und n-Dodecanol. Die Reaktionsspektren dieser Klassen überlappen und ermöglichen somit die Analyse komplexer Duftstoffmuster wie z.B. Futterdüfte. (Nach Selzer 1984)
c
~ B.1 ~
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8 .2
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C.1
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5i D. gj D. 52 III
E.l E.
0000 0000 000 000 '000 ·0 0
Abb. 11·41: Allgemeines Schema des Erregungsmusters von Geruchsrezeptoren. Die Punkte mit aufsteigendem
Durchmesser symbolisieren bei Reizung mit verschiedenen Duftstoffen das Erregungsmaß der Sinneszellen von keiner Reaktion, über « 25% und> 50% bis hin zu 100 % des für die Zelle maximal möglichen Erregungsniveaus. A Jede einzelne Sinneszelle (1 bis n) reagiert unterschiedlich auf eine Reihe verschiedener Duftsubstanzen. Die breiten Reaktionsspektren der Sinneszellen überlappen stark. B Klassen von Sinneszellen versammeln Sinneszellen mit identischen Reaktionsspektren. Hierbei können die Reaktionsspektren der verschiedenen Klassen überlappen (Klassen Abis C) oder auch nicht überlappen (Klassen D und E). Sinneszellen der Klassen mit überlappenden Reaktionsspektren sind z.B. Futterduftrezeptoren. Rezeptoren der Klassen D oder E zeigen eine sehr enge Spezifität für bestimmte Duftstoffe, meist Pheromone oder Pheromonkomponenten (P 1, P2, ••), und können in lOs·facher Wiederholung auf einer Insektenantenne auftreten. (Nach Boeckh und Ernst 1983)
zusetzen. Mit mehreren Typen von Geruchsrezeptoren sind sie in der Lage, anhand des Fleischduftes die Qualität des Eiablagemediums zu prüfen (Tab. 11-6). Obwohl hierzu keine Verhaltensuntersuchungen vorliegen, so berechtigt doch die neuronale Ausstattung des Geruchssinnes zur Annahme, dass Schmeißfliegenweibchen vor der Eiablage das Fleisch auf seine Eignung als Lebensraum zur Entwicklung ihrer Larven geruchlieh prüfen . An der chemischen Beurteilung der Nahrung sind neben den Riechrezeptoren auch Geschmacksrezeptoren beteiligt. Die Kohleule (Pieris brassicae) verfügt in verschiedenen Sensillenfeldern auf den MaxilIen und im Epipharynx über Geschmacksrezeptoren, die auf unterschiedliche Reizsubstanzen mit Erregung antworten und die Verhaltenskette während des Fressens modulieren (Tab. 11-7).
Zur Wahrnehmung von Schlüsselsubstanzen, wie sie Pheromone darstellen , werden andere Anforderungen an die Sinneszellen gestellt (Abb. 11-44). Anders als bei der Erkennung von chemischen Mustern geht es hierbei darum, dass eine ganz bestimmte Substanz oder ein Substanzgemisch wahrgenommen wird und keine Verwechslung mit bienen können nicht nur Blütendüfte unterschei- möglicherweise chemisch sehr ähnlichen Pheroden und solche Duftmuster sogar erlernen , sie monen anderer Arten auftritt. Entsprechend sind können auch anhand der quantitativen Verschie- die Reaktionsspektren außerordentlich eng, und bung von Duftkomponenten Änderungen in der Pheromon und Pheromonrezeptor passen zusamNektarzusammensetzung und damit im Energie- men wie Schlüssel und Schloss. Spezifität von Phegehalt des Nektars erkennen (s. 10.3). Für die romonrezeptoren kann man z. B. in VerhaltensexEiablage bevorzugen viele Insekten ein Substrat, perimenten testen. Termiten legen während des welches den Larven günstige Entwicklungsbedin- Futtersuchens und -eintragens Pheromonspuren, gungen bietet . So bevorzugen z. B. Weibchen der entlang derer sie zur Nahrungsquelle und wieder Schmeißfliegen (Calliphora vicina) Fleisch eines zurück zum Nest finden. Das Spurpheromon der bestimmten Zersetzungsgrades, um ihre Eier ab- Termite Reticulitermes virginicus konnte schon
318
11 Sinnesphysiologie
Tab. 11-6: Reaktionsspektren verschiedener Typen von Fleischduftrezeptoren auf dem Funiculus der Schmeißfliege (alliphora vicina. Die Anzahl der + symbolisiert das relative Erregungsmaß der Sinneszellen, - bedeutet Hemmung durch die Reizsubstanz und 0 keine Reaktion. (Nach Kaib 1974) Typ
Fleischduftrezeptoren
11 Alkohole «(5-(6) Aldehyde, Ketone «(5-(6) 6-Methyl·5·hepten-2-on Essigsaure Buttersäure Fettsäuren «(5-(6) H2S Mercaptane Frischfleisch Fleisch, 1-3 Wochen alt Aas
++++ ++++ +
0
++
+
0 0
0 0
0 0
++
+ ++++ +++
++++ ++++
0 0
früh als (Z,Z,E)-(3 ,6,8)-Dodecatrienol identifiziert werden. Analoga und Derivate dieses natürlichen Spurpheromons können zwar auch Spurfolgen auslösen, müssen jedoch um mehrere Zehnerpotenzen höher konzentriert vorliegen als das Pheromon selbst (Abb. 11-40). Auf der Ebene der Reaktion einzelner Sinneszellen konnte vergleichbares für Porenplatten-Sinneszellen auf der Antenne der Drohnen der Honigbiene (Ap is mellifera) gezeigt werden. Diese Zellen sind besonders empfindlich für die Königinsubstanz (Abb. 11 -44). Pheromone sind nicht immer einzelne chemische Verbindungen, sondern gewinnen ihre Artspezifität mitunter erst durch eine artspezifische Mischung verschiedener Substanzen (s. 21.3.2.3). Dies gilt in besonderem Maße für nah verwandte Insektenarten, die häufig mehrere Verbindungen gemeinsam nutzen, aber in unterschiedlichen Mischungen. Der SexuallockstofT der Weibchen des Eulenfalters (Polisia pisi) enthält vier verschiedene
111
++ +
IV
V
VI
0 0
0
0
0 0 0
++
0
++++ ++
+ +++
++++ ++
0
0
+ +
0
0 0
0
0 0
0
0
+++ ++++
++ ++++
+
0 0 +
Acetate. Die Männchen verfügen auf ihren Antennen über vier Typen von Sinneszellen, von denen jeder für ein ganz bestimmtes Acetat besonders sensitiv ist (Abb. 11-45). Die Wirkung der einzelnen Komponenten des Sexuallockstoffes auf Männchen wurde in Freilandfallen getestet. Den besten Fangerfolg hat eine Mischung zu gleichen Anteilen von zwei Acetaten, und der Fangerfolg wird wieder reduziert, wenn eines der beiden anderen Acetate in gleicher Konzentration beigemischt wird. Auf den ersten Blick überrascht die Komplexizität dieses Systems. Bedenkt man jedoch , dass zur Ausbildung neuer Arten Pheromon und Pheromonrezeptor sich artspezifisch parallel entwickeln sollten, so erscheint der von Eulenfaltern eingeschlagene Weg der evolutiv gesehen einfachere zu sein. Weibchen besitzen in ihren Drüsen Biosynthesewege, um alle vier Acetate zu produzieren und Männchen die Rezeptoren, um genau diese Acetate selektiv wahrzunehmen . Es bedarflediglich einer Verschiebung des Mischungsverhältnisses der Acetate und einer veränderten zentralnerv ösen Bewertung des
Tab. 11-7: Spezifität von Geschmacksrezeptoren in verschiedenen Sensillen auf den MaxilIen und im Epipharynx des Kohlweißlings Pieris brassicae und die Bedeutung der Geschmacksstoffe für die Steuerung des Fraßverhaltens. (Nach Visser 1983, Boeckh in Gewecke 1995) Sensillum Maxille medianes Sensillum styloconicum
laterales Sensillum styloconicum
Epipharynx Epipharyngeal sensillum
Reizsubstanz
Wirksamkeit (Verhalten)
1 2 3 4
Kohlenhydrate Alkaloide. Steroide. ete. Glucosinolate Salze
fraßauslösend fraßhemmend fraßfördernd fraßfordernd
1 2 3 4
Glucose + Saccharose Glucosinolate ? Pflanzenpiqrnente
fraBauslosend fraBfördernd ? ?
1 2 3
diverse Zucker ? diverse Salze
fraßauslösend fraBhemmend fraßfördernd
Zell Nr.
319
11.3 Chemorezeption
80
Königinsubstanz
60
GI
"5
Q.
.~ 40 GI
~
GI
Z
20
o +----r-----r-----r---,108 Moleküle I ml Luft
"l;: Abb. 11-43: Reaktionsschwelle der Termite Retkulitermes virginicus auf das natürliche Spurpheromon {Z,l,Ef (3,6,8)-Dodecatrienol (*) und dessen Analoge und Derivate. Zahlen geben für die verschiedenen Verbindungen die Schwellenmengen in ~g an, die nötig sind, damitTermitenarbeitereiner Spur von 10cm folgen. Die Termiten zeigen eine erstaunliche Stereospezifität. (Nach Tai et al. 1971 , Kaissling 1971)
Erregungsmusters der vier Zelltypen , damit die eine Art keine Männchen einer Schwesterart anlockt.
Chemi sche Schlüsselreize müssen nicht immer Pheromone sein. Monophage Insekten wählen
Abb. 11-45: Pheromonwahrnehmung des Eulenfalters (Polisia pisi). Der Sexuallockstoff der Weibchen enthält die 4 Acetate: 1 = {Zf(11)-Tetradecenylacetat, 2 = {Zf(9)-Tetradecenylacetat, 3 = {Zf(11)-Hexadecenylacetat, 4 = {Zf(7)-Dodecenylacetat. Auf der Männchenantenne findet man 4 Typen von Sinneszellen (A bis D), die auf je eines dieser 4 Acetate mit maximaler Erregung reagieren. Die Größe der Punkte symbolisiert das relative Erregungsmaß der Sinneszellen. InFreilandfallen hängt dieLockwirkung für Männchen vom Mischungsverhältnis der Acetate ab. Keines der 4Acetate alleine in den Fallen ausgebracht besitzt Lockwirkung. Den besten Fangerfolg hat eine Mischung der Acetate 1 und 2 in gleichen Anteilen. Die Acetate 3 und 4 reduzieren den Fangerfolg . Die + Symbole in der rechten Spalte zeigen die relative Zahl der in den Pheromonfallen gefangenen Männchen. Die gleichzeitige Erregung der Zelltypen A und B führt zu einem Anflug der Männchen zur Duftquelle, Erregung der Zelltypen C und D unterdrückt das Anflugverhalten . (Nach Priesner 1986)
Abb. 11-44: Reiz-Erregungs-Beziehung einer Porenplatten-Sinneszelle auf der Antenne der Drohnen der Honigbiene (Apis mellifera). Die Zelle reagiert auf die Königinsubstanz 9-0xo-E-2-decensäure um 3 bis 7 Zehnerpotenzen empfindlicher als auf aliphatische, gesättigte Fettsäuren mit einer Kettenlänge von vier (C4) bis zwölf (C 12) Kohlenstoffatomen. (Nach Vareschi 1971)
ihre Nahrung an hand charakteristischer chemischer Substanzen aus der Pflanze, in der Regel anh and sekundärer Pflanzeninhalt sstoffe. Werden solche Substanzen nicht wahrgenommen, so unterbleibt die Nahrungsaufnahme. Vergleichbares gilt auch für viele parasitische Insekten, die ihren Wirt durch Körperausdünstungen wahrnehmen
Relative Menge der Acetate Nr. 1 234
100 100 100 100 100 100 100 30 10 3 100 100 100 100 100 100 100 100 100
100 3 10 30 100 100 100 100 100 1 100 10 100 30 100 100 100 1 100 3 100 10 100 30 100 100
RelativeErregung der Zell-Typen Lockwirkung in Fallen ABC D
•
• • • • • •• • •
+
•
+++ +
• •
+++ +++
• • •
++ + (+)
320
11 Sinnesphysiologie
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Buttersäure
0 10. 5
10-4
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10.2
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10"
II
Verd ünnungsstufen
Abb. 11-46: Anlockende und abstoßende Wirkung von Fettsäuren und Milchsäure unterschiedlicher Konzentrationen für Stechmücken (Aedes aegypti) . Alle drei Substanzen sind in geringen Konzentrationen verhaltensneutral. Ob diese Substanzen in höheren Konzentrationen Stechmücken anlocken oder abstoßen, hängt von der Konzentration des Duftreizes ab. (Nach Müller 1968, Kaissling 1971)
und erkennen . Hierbei kann ein und dieselbe Substanz je nach der wahrgenommenen Konzentration anlockend oder abstoßend wirken (Abb. I 146).
Als einen gesonderten Fall des Geruchssinnes kann die C02-Empfindlichkeit mancher Rezeptorzellen angesehen werden. Stechmücken, Tsetsefliegen oder auch Zecken (Acarina: Ixodidae) werden durch CO 2-abgebende Organismen angelockt. Auch Honigbienen und eine Reihe verschiedener Schmetterlings- und Termitenarten zeigen bei erhöhten CO 2-Konzentrationen der Luft typische Verhaltensreaktionen. Dies alles weist bei Insekten auf eine weit verbreitete CO 2-Empfindlichkeit hin. CO 2-Rezeptoren sind nunmehr in mehreren Insektenfamilien charakterisiert worden . CO 2-Rezeptoren unterscheiden sich in ihrer Morphologie nicht von den Geruchsrezeptoren, häufig sind sogar COrsensitive und geruchssensitive Sinneszellen in einem Sensillum vergesellschaftet. Auf eine Erhöhung der CO 2-Konzentration antworten die meisten CO 2-Rezeptoren mit Erregung, jedoch kann bei vorwiegend in der Spreu oder auf dem Boden lebenden Insekten auch eine Hemmung der Rezeptoren auftreten. Bei einer Termite sind einfachwandige Sensillen mit stets zwei Sinneszellen gefunden worden, von denen eine durch verschiedene Düfte erregt, durch eine erhöhte COrKonzentration jedoch gehemmt wird. Wird ein erregender Duft in erhöhter CO 2-Konzentration angeboten, so dominiert bei dieser C02-empfindlichen Sinneszelle die Hemmung durch CO 2 über der Erregung durch den Duftreiz. Die andere Sinneszelle im selben Sensillum wird hingegen durch
I
·1
o
2
3
4
5
Zeit [s]
Abb. 11-47: Modulation der Geruchsempfindlichkeit durch erhöhte Konzentrationen des Kohlendioxids. Ein Typ einfachwandiger Sensillen auf den Antennen der Termite Schedorhinotermes lamanianus enthält stets zwei Sinneszellen, die an Luft beide auf den Duftreiz n-Hexanol mit Erregung reagieren (Registrierung oben), Die beiden Sinneszellen lassen sich anhand der Amplitude der erfassten Nervenimpulse klar unterscheiden. Wird derselbe Duftreiz in einer erhöhten (Or Konzentration geboten, so wird eine der beiden Zellen gehemmt, während die andere Zelle durch (0 2 in der Höhe ihrer Erregung nicht beeinflusst wird (Registrierung unten), Die konzentration des Kohlendioxids in der Luft beträgt etwa 0,04 %, kann jedoch in Termitenkolonien bis über 10% erreichen. Die Frequenz der Nervenimpulse ist ein Maß für das Erregungsni· veau (Nach Kaib et al. 1993, Ziesmann 1996)
CO 2 in ihrer Duftempfindlichkeit nicht beeinträchtigt (Abb. 11-47). Da Termiten in ihren Bauten einer erhöhten CO 2-Konzentration ausgesetzt sind, könnte diese CO 2-abhängige Modulation der Geruchsempfindlichkeit zur Folge haben, dass ein Typ von Sinneszellen im Termitenbau unempfindlich für chemische Signale ist, jedoch außerhalb der Bauten diese Signale wahrnehmen würde.
11.4 Photorezeption Hans Scharstein und Georg Stomme!
11.4.1 Bedeutung des Lichtsinnes Ganz ähnlich wie für uns Menschen , gilt auch für die meisten Insektenarten, dass der Lichtsinn mit Abstand die größte Bedeutung für die Erkundung des umgebenden Raums hat. Das wird deutlich an der bei vielen Insekten auffälligen Größe der bei-
11.4 Photorezeption
A
Abb. 11-48: Organisation eines Photorezeptors im Komplexauge der Honigbiene (Drohne). A PhotorezeptorzeIle: MV Saum aus Mikrovilli; SMC Submikrovilläre Cisternen; N Nudeus; A Axon. B Elektronenmikroskopische Aufnahme der submikrovillären Region im Längsschnitt: Sterne markieren submikrovilläre Cisternen unmittelbar neben dem Mikrovillussaum . Man beachte die enge Nachbarschaft zwischen den Mikrovilli (per Hand kontrastverstärkt), die den Sehfarbstoff Rhodopsin tragen und den submikrovillären Cisternen, die als intrazelluläre Calciumspeicher fungieren. Submikrovilläre Cisternen sind Strukturen des glatten Endoplasmatischen Reticulums und bilden ein räumliches Kontinuum . (Nach Baumann und Lautenschläger 1994)
321
B
l~m
A
den Komplexaugen , deren Fläche bei jagenden oder besonders schnell fliegenden Arten 70 bis 90% der gesamten Kopffiäche ausmachen kann und daran, dass auch die für die Verrechnung der optischen Information zuständigen Teile im Gehirn, die optischen Loben (Abb. 8-1), einen hohen Anteil der Gesamtm asse ausmachen. Insekten benötigen die Augen in nahezu allen Lebenssituationen zur Kontrolle ihrer Lage im Raum , zur Richtungsorientierung, zum Bewegungssehen und zur Gestaltwahrnehmung. Die meisten Insekten sind in der Lage, Farben zu unterscheiden und sehen dabei andere Anteile des Spektrums als der Mensch. Außerdem sind sie im Gegensat z zu den Wirbeltieren vielfach befähigt , die Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes wahrzunehmen. Wegen des völlig ander sartigen Aufbaus der Komplexoder Facettenaugen gegenüber den uns so vertrauten Linsenaugen der Wirbeltiere, sind eine Reihe von missverständlichen bis falschen Ansichten über die Funktion und die Leistung der Insektenaugen verbreitet, die im Folgenden korrigiert werden sollen.
11.4.2 Photorezeptoren Die Grundlage des Sehens bilden die Lichtsinneszellen oder Photorezeptoren, in denen Lichtreize in elektrische Signale umgewandelt werden. Es handelt sich um primäre Sinneszellen, die für die
Absorption von Licht spezialisierte Strukturen aufweisen. Die Photorezeptoren der Insekten, wie auch der meisten anderen Invertebraten sind durch schlauchförmige Membranstrukturen ausgezeichnet, den Mikrovilli, in die der Sehfarbstoff Rhodopsin eingelagert ist (Abb. 11-48). Jeder Photorezeptor trägt ca. 105 solcher Mikrovilli, die in einer parakristallinen Anordnung zum Rhabdomer zusammengefasst sind, dem lichtabsorbierenden Teil des Photorezeptors. Durch die hohe Packungsdichte dieses Mikrovillisaums hat das Rhabdomer einen höheren Brechungsindex als das umgebende Lumen der Zelle (n=I,36 gegenüber n=I,34) . Das Rhabdomer wirkt daher als Lichtleiter: Licht, das ungefähr aus der Richtung der Längsachse einfällt, wird durch Totalreflexion an den Seitenflächen des Rhabdomers im Mikrovillisaum gehalten. So kann ein eingefallenes Photon auf der ganzen Länge des Rhabdomers auf ein Rhodopsinmolekül treffen und absorbiert werden. Die Mikrovillusmembran unterliegt einem ständigen Abbau und Wiederaufbau. Starke Belichtung des Photorezeptors fördert den Abbau der Mikrovilli. Dabei wird die Mikrovillusmembran vom Photorezeptor selbst oder von Nachbarzellen durch Endocytose aufgenommen. Im elektronenmikroskopischen Bild des Photorezeptors lassen sich verschiedene Abbaustadien der Mikrovillusmembran innerhalb lysosomenähnlicher Strukturen darstellen . Es entstehen daraus elektronendichte Partikel , so genannte dense bodies, die
322
11 Sinnesphysiologie
Cisternen, die vom glatten Endoplasmatischen Reticulum gebildet werden und Calciumionen speichern . Diese Cisternen durchziehen die Zelle bis in die unmittelbare Nähe der Basis der Mikrovilli und sind in der Lage sowohl Calciumionen aufzunehmen wie auch freizusetzen, eine Voraussetzung für die Verarbeitung von Lichtreizen im Photorezeptor.
A
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11.4.3 Die Phototransduktion: vom Licht zur elektrischen Erregung
B
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, Aus
Abb. 11-49: Lichtantworten von Photorezeptoren im Insektenauge. Rezeptorpotentiale sind in (A) und (B) intrazellulär aus Photorezeptoren im Komplexauge abgeleitet. Man beachte, dass nur die Änderungen der Membra nspannung aufgetragen sind, nicht aber der Absolutwert des Potentials. ARezeptorpotentiale eines Photorezeptors der Schmeißfliege, ausgelöst durch Lichtreize von 200 ms Dauer und unterschiedlicher Intensität (nach Zettler 1969). Mit zunehmender Intensität wird aus einer einfachen Depolarisation eine komplexere Lichtantwort, bestehend aus einem vorübergehenden schnell ansteigenden und abfallenden Teil und einem Plateau. Von Photorezeptoren bei Drosophila weiß man, dass diesen verschiedenen Komponenten des Rezeptorpotentials unterschiedliche molekulare Prozesse zugrunde liegen. BLichtantworten eines Photorezeptors der Wanderheuschrecke. Innerhalb der Markierungen (Ein; Aus) wurde das Komplexauge mit schwachem Dauerlicht stimuliert. Jede erkennbare Depolarisation wird Bump genannt und ist durch Absorptioneines Photons ausgelöst. Dies lässtsich indirekt aus der Häufigkeitsverteilung der Bumps bei sehr schwachem Reizlicht ableiten. Die unterschiedliche Größe der Bumps zeigt, dass intrazelluläre Mechanismen mit variabler Verstärku ng an der Entstehung desSignals beteiligt sind. (Nach Lillywhite 1977)
möglicherweise zu Pigmentgranula umgewandelt werden und so eine wichtige Rolle bei der Anpassung des Photorezeptors an unterschiedliche Lichtverhältni sse spielen. Im Gegensatz dazu wird bei Dunkelheit die Regeneration der Mikrovilli begünstigt. Neben den Mikrovilli findet man in Photorezeptoren von wirbellosen Tieren eine weitere anatomische Besonderheit, die submikrovilIären
Lichtenergie wird von den Photorezeptoren in elektrische Signale gewandelt. Man bezeichnet dies als Phototransduktion. Im unbelichteten Photorezeptor ist die Zellmembran an der cytoplasmatischen Seite elektrisch negativ gegen außen geladen . Diese Membranspannung wird Dunkelpotential genannt. Die Belichtung eines Photorezept ors führt bei Insekten zur Depolarisation der Zellmembran, d. h. das Membranpotential sinkt gegen den Wert Null. Diese Depolarisation ist die Lichtantwort des Photorezeptors und wird Rezeptorpotential genannt. Der Begriff Rezeptorpotenti al bezieht sich auf den gesamten Zeitverlauf der Membranspannung bei Belichtung (Abb. 1149). Photorezept oren sind oft so lichtempfindlich, dass schon die Absorption eines einzigen Photons ein messba res Rezeptorpotential auslöst. Rezeptorpotentiale werden mithilfe von Glasmikroelektroden intrazellulär gemessen. Eine elektrische Aktivit ät kann auch extra zellulär registriert werden. Mit einer auf das Komplexauge platzierten Elektrode werden sowohl Rezeptorpotentiale aufgezeichnet, als auch die elektrische Aktivität nachgeschalteter Nervenzellen . Mit dieser extrazellulären Ableitung, die Elektroretinogramm genannt wird, registriert man die Summe der elektri schen Aktivit äten im Auge.
11.4.3.1 Molekulare Mechanismen der Phototransduktion bei Insekten Die Phototransduktion beginnt mit der Übertragung von Lichtenerg ie auf den Sehfarbstoff Rhodop sin. Dieses Rhodopsin kann nicht frei in der Membran der Mikrovilli diffundieren , sondern es wird vermutlich durch ein Filament system im Mikrovillus, dem Cytoskelett , in seiner Lage stabilisiert.Diese Verankerung ist für die Wahrnehmung der Schwingungsrichtung polarisierten Licht s von Bedeutung (s. 11.4.4.4). Ein Rhodopsinmolekül ändert nach Absorption eines einzigen Photons seine Konformation (Abb. 11-50), wird katalytisch
11.4 Photorezeption
323
A
Mikrovillusmembran
Schnitt in B
extrazellulär
B
no
3-Hydroxyretinal (all-trans)
Abb. 11·50: Der Sehfarbstoff Rhodopsin von Drosophila. A Das Rhodopsin besteht aus einem Chromophor, dem 3-Hydroxyretinal, und einem Proteinanteil. Dieser Proteinanteil ist eine Kette von 373 Aminosäuren, die sich zu 7 membrandurchspannenden a-Helices faltet, die nebeneinander gezeichnet sind, verbunden durch unterschiedlich lange hydrophile extra- und intrazelluläre Schleifen. Der Chromophor (R) ist an das Lysin in Position 319 der 7.a-Helix gebunden. Wie bei vielen anderen bisher bekannten Rezeptormolekülen mit 7 transmembranen Regionen vermittelt auch Rhodopsin seine Aktivität auf G-Proteine, deren Kopplungsstelle wahrscheinlich imBereich der Schleife zwischen den Helices 5 und 6 liegt. BAufsicht aufeinen Schnitt des Moleküls im Bindungsbereich des Chromophors. Die sieben a-Helices umschließen den Chromophor, der innerhalb der Mikrovillusmembran liegt. Durch Lichtabsorption isomerisiert der Chromophor aus der 11 -cis-Form in die all-trans-Form, wahrscheinlich um die gestrichelte Achse herum. Dadurch ändert sich die Konformation des Rhodopsinmoleküls zum aktiven Rhodopsin, dem Metarhodopsin, das eine Enzymkaskade aktiviert und sodie elektrische Lichtantwort auslöst. (Nach Hamdorf 1995)
aktiv, und setzt im Mikrovillus eine Kette von Reaktionen in Gang, die das Rezeptorpotential entstehen lässt. Diese katalytisch wirksame Rhodopsinkonformation bezeichnet man als Metarhodopsin. Rhodopsin besteht aus einem Proteinanteil, dem Opsin und einem Chromophor. Dieser Chromophor ist entweder ein Retinal oder ein 3-Hydroxyretinal. Die Lichtabsorption erfolgt am Chromophor und verursacht eine Isomerisation vom ll-cis-Retinal zum all-trans-Retinal. Diese Isornerisation führt zur Konformationsänderung des gesamten Rhodopsinmoleküls und es entsteht Metarhodopsin. In den Photorezeptoren der Insekten aber auch anderer wirbeIloser Tiere findet die Photoregeneration statt, ein Prozess, der dafür
sorgt, dass auch bei großer Sonneneinstrahlung genügend Rhodopsin zur Aktivierung bereitsteht (Abb. 11-51). Photoregeneration beruht auf der besonderen Eigenschaft des Metarhodopsins, ähnlich wie das Ausgangsmolekül Rhodopsin, lichtempfindlich zu sein und durch Photonenabsorption in die katalytisch inaktive Form des Rhodopsins zurückgeführt zu werden. Je nach Helligkeit stellt sich daher in jeder Zelle ein unterschiedliches photochemisches Gleichgewicht zwischen der Menge von aktivierbarem Rhodopsin und Metarhodopsin ein. Obwohl der Vorrat an aktivierbarem Rhodopsin bei großer Helligkeit geringer wird, ist damit sichergestellt, dass er nicht erschöpft . Die Konformationsänderung zum Meta-
324
11 Sinnesphysiologie
Abb. 11-51: Rhodopsinzyklus und Photoregeneration. Rhodopsin [@ab480 nm sorbiert beim Photorezeptortyp R1 von Drosophila vorzugsweise bei einer Wellenlänge von 480 nm und wird zum 580 nm aktiven Metarhodopsin @ . Dieses Metarhodopsin stößt die Enzymkaskade an, diezum Rezeptorpotential führt. Weniger als 100 ms lang ist Metarhodopsin aktiv. Es wird enzymatisch durch mehrfache Phosphorylierung @-P x und Binden von Arrestin (Arr), einem Protein, inaktiviert. Die Bindung von Arrestin an @-P x scheint Phosphatasen daran zu hindern, aus @>-Px durch Dephosphorylierung aktives Metarhodopsin zu katalysieren, das dann lichtunabhängig die Enzymkaskade in Gang setzen würde. Inaktives Metarhodopsin @-Px-Arr ist daher stabil und im Photorezeptor in großer Menge vorhanden. Während kurzweiliges Licht die Konformationsänderung von Rhodopsin zu Metarhodopsin auslöst, kann langweiliges Licht das Metarhodopsin in Rhodopsin zurückverwandeln. Dieser Vorgang wird als Photoregeneration bezeichnet. Nach Absorption von langweiligem Licht (580 nm) entsteht aus @-Px-Arr eine nicht aktivierbare Rhodopsinkonformation [@-Px-Arr, die nach Freigabe von Arrestin enzymatisch ~hosphoryliert wird und nun wieder in den aktivierbaren Ausgangszustand zurückgeführt ist. Diese Umwandlung von Ißbl-Px-Arr in aktivierbares [@ dauert wenige Minuten. Im Tageslicht ist die Energie auf das Spektrum der Wellenlängen derart verteilt, dass unabhängig von der Helligkeit, immer aktivierbares Rhodopsin im Photorezeptor vorliegt. Diese Photoregeneration, die nur in Photorezeptoren bei wirbellosen TIeren gefunden wurde, verhindert jedoch nicht, dass bei großer Helligkeit die Menge von aktivierbarem Rhodopsin sinkt.
rhodopsin findet ohne Photonenabsorption nicht (Abb. 11-48), wodurch die Botenstoffe hochkonstatt und ist daher ein sehr zuverlässiges Maß für zentriert vorliegen. Die hohe Lichtempfindlichkeit die Lichtabsorption. Hat Rhodopsin ein Photon dieser Photorezeptoren muss aber reduziert werabsorbiert, dann aktiviert das entstandene Meta- den können, damit nicht normales Tageslicht das rhodopsin ein so genanntes G-Protein, das ein Rezeptorpotential sättigt und dadurch die Zelle GOP-Molekül gebunden hat und dabei dieses "blendet". Einige dieser Adaptationsprozesse werGOP gegen GTP austauscht (Abb. li-52). Nach den im folgenden Abschnitt vorgestellt. diesem Austausch erhöht eine Untereinheit des GProteins die Aktivität eines weiteren Enzyms, der Phospholipase C. Ein Reaktionsprodukt der enzy- 11.4.3.2 Die Anpassung des Photorezeptors matischen Aktivität dieser Phospholipase C ist das an unterschiedliche Inositol-I,4,5-trisphosphat (IP 3 ) , dessen Bildung Lichtverhältnisse wiederum eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung des Rezeptorpotentials ist. IP 3 diffun- Jeder Photorezeptor hat Mechanismen, seine diert zu den submikrovillären Cisternen (Abb. 11- Empfindlichkeit den Lichtverhältnissen anzupas52), öffnet dort Ca2+-Kanäle und verursacht so sen (s. 11.4.4.4 Pupillenmechanismen) . Der gedie Freisetzung von Calciumionen aus diesen in- samte zeitliche Verlauf dieser Anpassung an eine trazellulären Speichern. Welche weiteren Enzyme bestimmte Helligkeit wird als Adaptation bezeichoder Botenstoffe notwendig sind, um die elek- net. Die Mindestgröße für eine gerade noch wahrtrische Antwort des Photorezeptors auszulösen, nehmbare Helligkeitsänderung ist von der Grundwird derzeit intensiv untersucht. Letztendlich wer- helligkeit abhängig, an die der Photorezeptor adden in der Zellmembran Ionenkanäle geöffnet. aptiert ist. Je größer diese Grundhelligkeit ist, Ca 2 + sowie Na" strömen in die Zelle und verur- desto größer muss auch die Helligkeitsänderung sachen das Rezeptorpotential. Der Photorezeptor sein, damit sie vom Photorezeptor als Reiz erüberträgt die Information an einer chemischen kannt werden kann . Ist der Photorezeptor an eine Synapse mit dem Transmitter Histamin auf die konstante Grundhelligkeit adaptiert, dann ist die nachgeschaltete Nervenzelle. Die in diesem Ab- Amplitude des Rezeptorpotentials ein Maß für die schnitt beschriebene Enzymkaskade der Photo- Intensität des Lichtreizes (Abb. li-53). Photoretransduktion beinhaltet eine Signalverstärkung. zeptoren sind daher bei verschiedenen HelligkeiSo kann ein Metarhodopsinmolekül mehrere G- ten für den Vergleich der Intensitäten unterschiedProteine nacheinander aktivieren und jede Phos- licher Lichtreize geeignet. Die Photorezeptoren pholipase C katalysiert viele IP 3-Moleküle. Die der Insekten haben verschiedene molekulare MeEffektivität dieser Verstärkung wird dadurch be- chanismen, die diese Anpassung an die jeweilige günstigt, dass diese Prozesse innerhalb eines gerin- Helligkeit ermöglichen: gen Volumens am Mikrovillisaum ablaufen • Die Menge an aktivierbarem Rhodopsin regelt
11.4 Photorezeption
325
..
PKC
/
I
DAG
2::=.----1~ IP3 Intra..zenolit Mc rovit1usrnernh' 8n
Extrazellulir
Co 2.-~SMC
\
+GDP
Na +
»:
?
TRP·KAnal
~ TRPL·Kan41
~
CNG-Kanal?
Abb. 11-52: Die Enzymkaskade derPhototransduktion bei Drosophila. Ein Rhodopsinmolekül (Rh) ändert nach Absorption eines einzigen Photons seine Konformation und wird zum aktiven Rhodopsin, dem Metarhodopsin (M), das eine Kette von Reaktionen intrazellulär in Gang setzt. Erstes Glied dieser Kette ist ein GTP-bindendes Protein, das aus drei Untereinheiten besteht (aßy), an deren größte (u) ein GDP-Molekül gebunden ist. Dieses G-Protein tritt inWechselwirkung mit Metarhodopsin, in dessen Folge GDP gegen GTP ausgetauscht wird und das G-Protein in zwei Teile dissoziiert (a-GTP und ßy). Es ist die a-Untereinheit, die den nächsten Schritt in der Kette aktiviert, eine Phospholipase C (PLC). Dieses Enzym spaltet das Membranphospholipid Phosphatidyl-inositol-4,S-bisphosphat (PIP 2) in Inositol-1,4,S-trisphosphat (IP 3) und Diacylglycerol (DAG). IP3 diffundiert zu benachbarten intrazellulären Calciumspeichern, den submikrovillären Cisternen (SMC) und öffnet dort Calciumkanäle in der Membran. Die Folge ist eine Freisetzung von Calciumionen und damit der Anstieg der cytosolischen Calciumkonzentration. Bis hierhin sind die Glieder dieser Kette gut untersucht, jedoch ist bis heute unklar, durch welchen Liganden oder Mechanismus die Ionenkanäle in der Zellmembran an der Basis der Mikrovilli geöffnet werden. Sind diese Ionenkanäle offen, strömt überwiegend Na+ und Ca 2 + in den Photorezeptor und es entsteht das Rezeptorpotential. Bei Drosophila sind zwei Typen von Ionenkanälen auf molekularer und physiologischer Ebene beschrieben worden, die bei Belichtung des Photorezeptors geöffnet werden. Ein Typ von Ionenkanälen (TRPL-Kanal) verursacht den vorübergehenden schnellen Anstieg und Wiederabfall des Rezeptorpotentials, während der zweite Typ (TRP-Kanal) eine langsame Komponente des Rezeptorpotentials hervorruft (siehe auch Abb 11-46A). Zudem ist in den Augen von Drosophila mitmolekularbiologischen Methoden ein Kanaltyp nachgewiesen worden, der durch zyklische Nucleotide geöffnet wird. Seine Rolle bei der Entstehung des Rezeptorpotentials istnoch nicht geklärt. Das mit der Bildung von IP 3 gemeinsam entstandene Diacylglycerol aktiviert eine Protein-Kinase C (PKC), die weitere Proteine phosphoryliert und die Lichtempfindlichkeit des Photorezeptors reduziert.
bei großer Helligkeit die Empfindlichkeit des Photorezeptors. Je heller es ist, desto weniger aktivierbares Rhodopsin befindet sich in der Zelle, d. h. die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass ein Rhodopsinmolekül ein Photon absorbiert und der Photorezeptor ist unempfindlicher geworden. Außerdem wird aktiviertes Metarhodopsin durch Phosphorylierung und durch Binden eines Arrestin genannten Proteins inaktiviert. • Eine wesentliche Rolle bei der Adaptation spielt die cytosolische Ca 2+ -Konzentration. Der durch Belichtung ausgelöste Anstieg der Ca 2+-Konzentration im Cytosol verringert die Lichtempfindlichkeit der Zelle. Calciumionen inaktivieren die Kanäle in der Zellmembran, die das Rezeptorpotential hervorrufen. Auch die ProteinKinase C ist calciumabhängig in ihrer Aktivität und verringert bei Drosophila die Empfindlichkeit der Photorezeptoren durch Phosphorylierung von Proteinen . • Die G-Proteine verfügen über einen eigenen Abschaltmechanismus. Aktiviertes Ga-GTP wird
katalytisch aktiv, spaltet am GTP Phospat ab und überführt sich so in die inaktive Form, das Ga-GDP. Dieses Ga-GDP bildet dann wieder zusammen mit Gßy ein vollständiges aktivierbares G-Protein . • Auch die Menge an verfügbarem Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP 2 ) , dem Ausgangsprodukt für die Bildung von IP3 durch die Phospholipase C, beeinflusst die Größe des Rezeptorpotentials. Im Photorezeptor wird die IP3 Produktion über die Aktivität der Phospholipase C geregelt, aber auch molekulare Mechanismen, die dort die PIP 2 Menge regulieren, sind zusätzlich in der Lage, die Verstärkung innerhalb der Phototransduktion zu beeinflussen. Es ist allerdings noch nicht nachgewiesen, dass der Photorezeptor diese Möglichkeit zur Regulation der Verstärkung tatsächlich nutzt. Obwohl in den Zellen vieler Lebewesen die Phospholipase C und IP 3 an der Verarbeitung von Signalen eine Rolle spielen, ist Drosophila der erste Eukaryot, bei dem dieser Zusammenhang zwischen der zur
326
11 Sinnesphysiologie
Aufzeichnung elektrischer Aktivität des gesamten Auges, nachweisbar ist. Die Antwort eines einzel• Dunkeladaptiert nen Photorezeptors auf einen kurzen Lichtreiz o Helladaptiert 1.0 von wenigen ms dauert etwa IOD ms. Stimuliert •• man einen kleinen Bereich eines Komplexauges mit einem sinusförmig modulierten Lichtsignal • und leitet man dabei einen Photorezeptor intra0.8 zelluär ab, so folgt das Rezeptorpotential dem • Sinusreiz bei niedrigen Frequenzen (Abb. li-54). Bei hohen Frequenzen (ca. IOD Hz) verringert sich Co ... c:: 0 die Amplitude der sinusförmigen Modulation des ... 0.6 • Membranpotentials sehr stark und hebt sich nur -c ... -c noch schwach als Signal vom Rauschen ab. Außer0 .~ dem schwingen dann Reiz und Rezeptorpotential • a. E 0.4 0 nicht mehr in der gleichen Phase. Das hohe zeit
L..o..._~-,-_,---,-_,---,-
ßeren Reizlichtintensitäten verschoben. Diese Verschiebung führt dazu, dass die Amplitude des Rezeptorpotentials trotz Grundhelligkeit unterhalb der Sättigung und proportional zum Logarithmus der Reizlichtintensität bleibt. Hell-Dunkel-Kontraste in der Umwelt können daher über einen großen Bereich der Grundhelligkeit als Lichtreize erkannt undin ihrer Kontraststärke unterschieden werden.
Hz
t-
5.7
Reiz
Verfügung stehenden Menge an PIP 2 und der Signalverstärkung nachgewiesen wurde. 85
11.4.3.3 Das zeitliche Auflösungsvermögen der Insektenaugen Die Komplexaugen von Insekten zeigen ein hohes zeitliches Auflösungsvermögen. Von der Schmeißfliege Calliphora können einzelne Lichtreize bis zu einer Frequenz von 250 Hz aufgelöst werden. Dabei führt jeder Lichtreiz zu einem diskreten elektrischen Signal, das im Elektroretinogramm, der
~~'i: mv I
I
0.1 s
Abb. 11-54: Der Einfluss unterschiedlicher Reizfrequenzen auf das Rezeptorpotential. Lichtantworten einer PhotorezeptorzeIle von Calliphora auf sinusförmig modulierte Lichtreize gleicher Amplitude. (Nach Zettler 1969) Man beachte, dass nur die Änderungen der Membranspannung aufgetragen sind, nicht aber der Absolutwert. Die jeweils untere Spur zeigt den Lichtreiz, dieobere das gemessene Rezeptorpotential.
11.4 Photorezeption
dass nur relativ große Intensitätsänderungen vom Photorezeptor erkannt werden können. Bei Dunkeladaptation ist die Membranleitfähigkeit erniedrigt und ermöglicht so eine größere Lichtempfindlichkeit , jedoch um den Preis der Verlängerung der Dauer des Rezeptorpotentials. Dieser Zusammenhang zwischen der Lichtempfindlichkeit und der Membranleitfähigkeit des Photorezeptors lässt sich mithilfe des Ohmsehen Gesetzes erklären . Fließt ein bestimmter Ionenstrom durch die Zellmembran, so verhält sich die ausgelöste Potentialänderung proportional zum Membranwiderstand, also umgekehrt proportional zur Leitfähigkeit. Nach einem Lichtreiz erhält man bei gleich großem Kationeneinstrom ein umso größeres Rezeptorpotential je kleiner die Membranleitfähigkeit ist. Der Zeitverlauf und die Amplitude des Rezeptorpotentials werden zusätzlich durch andere Prozesse innerhalb der Phototransduktion bestimmt.
11.4.3.4 Pigmente im Photorezeptor: Chemie der Empfindlichkeitsmodulation Lichtabsorption erfolgt nicht nur durch den an Opsin gebundenen Chromophor, das Retinal oder 3-Hydroxyretinal, sondern auch durch ein sensibilisierendes Pigment, ein Retinol, mit direktem Kontakt zum Rhodopsin (Abb. 11-55). Dieses sensibilisierende Pigment absorbiert ein Photon ohne Isomerisation. Die Energie wird direkt vom sensibilisierenden Pigment auf den Chromophor übertragen, der dann ohne eigene Photonabsorption isomerisiert und das Rhodopsin aktiviert. Während das Rhodopsin Rhl in den Photorezeptoren RI-R6 der Dipteren vorzugsweise Licht im sichtbaren Spektrum absorbiert, sind sensibilisierende Pigmente überwiegend UV-empfindlich . Diese Erweiterung des Absorptionsspektrums in den UV Bereich kann die Lichtempfindlichkeit des Photorezeptors steigern . Dagegen beruht die Fähigkeit zur Farbunterscheidung, z. B. bei Bienen, auf einem anderen Prinzip. Es sind dort unterschiedliche Opsin-Typen , die die verschiedenen spektralen Empfindlichkeiten in den Photorezeptoren bestimmen (s. 11.4.4.4 Farbensehen). Bei einigen Fliegenarten findet man im Photorezeptor R7y, einem der beiden zentral gelegenen Photorezeptoren (Abb. 11-59), zusätzlich ein C40-Carotin im Rhabdom, das blaues Licht absorbiert, aber die Energie nicht auf Rhodopsin überträgt. Dieser Filter führt dazu, dass relativ wenig blaues Licht R7y erreicht und diese Zelle dadurch besonders UV-empfindlich ist. Der zweite zentral gelegene Photorezeptor ist R8y und liegt proximal von R7y, also in dessen "Schatten". Durch die Filterwirkung von R7y erreicht überwiegend langwelliges Licht diese Zelle. Tatsächlich ist R8y besonders empfindlich für langwelliges Licht. Das kompli-
327
zierte System der R 7 und R8 Photorezeptoren ist möglicherweise die Grundlage für eine kategoriale Farbwahrnehmung, wie sie für Lucilia vorgeschlagen wurde. Diese Fliege kann demnach drei große Bereiche des Spektrums als Farbkategorien voneinander unterscheiden, d. h. UV, Blau und Gelb, aber innerhalb einer Farbkategorie werden verschiedene Wellenlängen nicht unterschieden.
11.4.3.5 Phototransduktion bei Wirbeltieren und Insekten Im Auge von Wirbeltieren kennt man zumindest in den Stäbchen alle für die Phototransduktion notwendigen Bestandteile. Wie auch bei den Insekten, absorbiert Rhodopsin das Licht und aktiviert über G-Proteine eine Enzymkaskade. An deren Ende werden jedoch bei Belichtung Ionenkanäle in der Zellmembran geschlossen. Die Photorezeptoren der Wirbeltiere antworten daher mit einer Hyperpolarisation auf einen Lichtreiz, während die Lichtantwort bei den meisten Photo rezeptoren von Insekten und anderen wirbellosen Tieren eine Depolarisation ist. Dabei sind Rhodopsin und G-Proteine in ihrer Aminosäuresequenz und Funktionsweise bei Wirbeltieren und Wirbellosen ähnlich. Anders ist jedoch bei den Wirbeltieren, dass das G-Protein die Phosphodiesterase aktiviert, ein Enzym, das den Liganden cGMP abbaut, der im Dunkeln Ionenkanäle in der Zellmembran offenhält. Beim Stäbchen fließen also im unbelichteten Zustand Kationen in die Zelle und der Lichtreiz führt zur Verringerung dieses Einwärtsstroms von positiven Ladungen . Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass bei Photorezeptoren von Wirbeltieren keine Photoregeneration stattfindet. Metarhodopsin zerfällt in Opsin und Retinal, sodass jedes aktivierbare Rhodopsinmolekül durch Synthese bereitgestellt werden muss. Verglichen mit der Photoregeneration ist diese Resynthese langsam und die Augen der Wirbeltiere müssen vor einer möglichen " Blendung" durch direkte Sonneneinstrahlung geschützt sein. Trotz solcher bedeutender Unterschiede auf molekularer Ebene ist die Leistungsfähigkeit von Photorezeptoren der Insekten und der Wirbeltiere ähnlich (Stieve 1988). Bei beiden Photorezeptortypen reicht die Absorption eines einzigen Photons, um eine messbare elektrische Lichtantwort auszulösen und beide sind in der Lage über mehrere Dekaden unterschiedlicher Helligkeit, Lichtreize in elektrische Erregung zu übersetzen.
11.4.4 Von der Sehzelle zum Bild: Augenformen Neben den Photorezeptoren mit ihrer Fähigkeit , Licht in elektrische Signale umzuwandeln, sind eine Reihe von Hilfsstrukturen erforderlich , die der Reizleitung dienen und weitere Funktionen ausüben. Das ist vor allem der dioptrische Apparat , die abbildende Optik. Dazu die Licht abschirmenden Pigmente, die regelmäßige Anord-
328
11 Sinnesphysiologie
300
400
500 Wellenlänge (nm)
600 Sen sibilisierendes Pigment: UV absorbierend , Energiel ransfer zum Chromophor
Abb. 11-55: Die Modulation der spektralen Empfindlichkeit im Photorezeptor der Fliegen. Links (nach Troje 1993): Relative spektrale Empfindlichkeit verschiedener Photorezeptortypen von Fliegen. Die gestrichelte Linie gilt für die Photorezeptoren R1-R6, die den Hauptanteil im Fliegenauge ausmachen. Diese Photorezeptoren sind für blaues Licht (480 nm) und im UV Bereich (350 nm) besonders empfindlich. Das Rhodopsin absorbiert maximal bei ca. 480 nm und ein sensibilisierendes Pigment bei ca. 350 nm Wellenlänge. Das sensibilisierende Pigment überträgt die Lichtenergie direkt aufden Chromophor, wodurch die Empfindlichkeit des Photorezeptors erhöht ist. Die beiden zentral gelegenen Photorezeptoren (R7 und R8) des Ommatidiums liegen im Lichtweg hintereinander und lassen sich bei den meisten Ommatidien in Untergruppen einteilen (ca. 70% der Ommatidien y: yellow und ca. 30% p: pale; benannt nach dem erkennbaren Farbton im Durchlicht). Beide Gruppen von R7 sind UV empfindlich, während R8 langweiligeres Licht absorbiert. Rechts (nach Kirschfeld et al. 1988): Die molekulare Ausstattung der Photorezeptoren R7y, mit UV empfindlichem Rhodopsin, UV empfindlichem sensibilisierendem Pigment und einem zusätzlichen Pigment (C 4o-Carotin), das zwar blaues Licht absorbiert, aber die Energie nicht auf den Chromophor überträgt, macht R7y zu einem fast ausschließlich UV empfindlichen Photorezeptor. Da R7y distal von R8y liegt, filtert R7y einen großen Teil des kurzweiligen Lichts aus dem Spektrum heraus, das R8y erreicht. R8y erhält dadurch ein sehr scharfes spektrales Maximum im grünen Bereich. Jedes Auge der Fliege hat damit 5 verschiedene spektrale Klassen von Photorezeptoren. Möglicherweise kann die Fliege mithilfe der verschiedenen spektralen Empfindlichkeiten von R7 und R8 drei verschiedene Farbkategorien unterscheiden.
nung der Sehzellen, Mechanismen zur Steuerung des Lichtflusses. Als weiterer Bestandteil sind Hilfsstrukturen nötig, die Form und Funktion des Sinnesorgans aufrechterhalten und es schützen: das Tracheensystem zur Sauerstoffversorgung, Mechanorezeptoren, die Verschmutzung melden und helfen, Verletzungen zu vermeiden.
eher exotisch anmutenden Aufgaben ist ein anderer Funktionsbereich von extraokularen Photorezeptoren weiter verbreitet: sie finden sich im Gehirn vieler Insekten und dienen auf noch nicht ausreichend verstandene Weise der Synchronisation der inneren Uhr durch den Hell- DunkelwechseI.
11.4.4.1 Extraokularer Lichtsinn
11.4.4.2 Einzelaugen (Ocellen, Stemmata)
Es mag verwunderlich scheinen, dass Insekten zusätzlich zu ihren Augen extraokulare Photorezeptoren haben, die nicht in Augen oder augenähnlichen Strukturen integriert sind. So wurde beim Schwalbenschwanz Papilio xuthus ein extraokularer Photorezeptor im Genitalapparat der Männchen gefunden, der ihnen hilft, bei der Kopulation die richtige Position im weiblichen Genitalapparat zu finden. Ist die erreicht, werden die Photorezeptoren vollständig abgeschattet. Neben solchen,
In den richtigen Augen treten jeweils meist 8 Sinneszellen zu einer ursprünglich rotationssymmetrischen Anordnung, dem Ommatidium zusammen, und zwar so, dass die Mikrovillisäume der Achse zugekehrt sind. Aus solchen Ommatidien sind auch die Einzelaugen gebildet. Sie kommen in zwei Varianten vor. In den OceUen (Stirnaugen, normalerweise in Dreizahl, Abb. li-56 A, B) und den Stemmata (Einzelaugen der Larven) treten zahlreiche Ommatidien in einer oder mehreren Schich-
11.4 Photorezeption
329
c
A corneagene Zellen
Cornea ~=~,,-- Kristallkegelzelle
Kristallkegel
Sinneszelle
B
Cornea corneagene Zelle
' ~~-- Rhabdom
retinale Pigmentzelle epidermale Pigmentzellpupille
=:=HII~'--- Basalmembran
retinale Pigmentzelle
Nerv
Abb. 11-56: Ocellen und Ommatidium eines Appositionsauges. A, B Schematische Schnitte durch typische Ocellen mit einschichtiger Retina. A mit zelligem Linsenkörper und umhüllenden Pigmentzellen (Ephemeriden); B mit Cornealinse, RetinapigmentzeIlen und epidermalem Pigment. CSchematischer Längsschnitt durch ein eukones Ommatidium eines Appositionsauges. (Nach Weber und Weidner 1974)
ten zu einer Retina zusammen , die mit einer gemeinsamen Optik, einer dicken bikonvexen Linse versehen sind. Das auf der Retina entstehende, umgekehrte Bild der Umgebung in den Ocellen wird anscheinend von den Insekten nicht ausgewertet sondern nur zur Helligkeitsbestimmung verwendet. Durch Vergleich der Erregung aus den 3 Ocellen kann dieses Helligkeitssignal aber immerhin zur Lagestabilisierung fliegender Heuschrecken verwendet werden (Horizontbestimmung, s. 9.4). In den Stemmata der Insektenlarven konnte man Ansätze zu einem Bild- und Bewegungssehens nachweisen; besonders gründlich wurde dies bei den Larven von Sandlaufkäfern untersucht.
11.4.4.3 Komplexaugen Die auffälligsten Lichtsinnesorgane der Insekten sind die Komplex- oder Facettenaugen. Ein Komplexauge besteht aus bis zu etwa 30000 Ommatidien, die alle mit einem eigenem dioptrischen Apparat versehen sind (Abb. li-56 C). Dieser besteht zunächst aus der stark brechenden Cornealinse,
einer meist bikonvexen, aus Material mit hohem Brechungsindex (nahe 1,5) geschichteten EinzeIlinse. Daran schließt sich der Kristallkegel an. Er kann als homogenes, durchsichtiges Medium allein der Weiterleitung des Lichtes dienen, aber auch (bei den optischen Superpositionsaugen) ein wesentlicher Bestandteil der zusammengesetzten Optik sein. Je nach Bau und Herkunft bei der Entwicklung der Kristallkegel unterscheidet man akone, eukone und pseudokone Dioptrik (siehe Weber und Weidner 1974). Entscheidend für die Funktion sind jedoch die verschiedenen optischen Prinzipien der Komplexaugen, von denen anschließend die Grundtypen beschrieben werden.
Die Mikrovillisäume der Sehzellen der Ommatidien können getrennt bleiben (offenes oder unfusioniertes Rhabdom bei Dipteren) oder (bei den meisten Insekten) zu einem zentralen Rhabdom fusionieren . Dabei sind auch beim fusionierten Rhabdom die Sinneszellen nicht miteinander verschmolzen. Die einzelnen Rhabdomere liegen zwar so dicht aneinander, dass sie einen einzigen Lichtleiter bilden, sind aber durch die Zellmembranen getrennt . Die Ommatidien werden durch 3
330
11 Sinnesphysiologie
Typen von Pigmentzellen gegeneinander optisch abge schirmt. Erst die regelmäßige Anordnung vieler Ommatidien in einem meist hexagonalen Muster (Facetten) bildet das funktionsfähige Auge. Die aufrechte Abbildung der Umgebung auf das Ommatidienraster kommt dadurch zustande, dass die optischen Achsen der kegclförrnigen, etwa auf einer Kugelschale liegenden Einzelaugen alle um wenige Grad divergieren (nämlich um den Divergenzwinkel ~<1>, Werte liegen im Mittel zwischen 1-3 Grad), sodass jedes Einzelauge in eine leicht unterschiedliche Richtung blickt. Aus dem Erregungsmuster der Einzelaugen kann das Zentralnervensystem die Helligkeitsverteilung der Umgebung rekonstruieren, ebenso wie das bei unseren Augen aus der Erregungsverteilung der Retina geschieht. An dieser Stelle sei auf einen weitverbreiteten Irrtum hingewiesen: Das Facettenauge erzeugt keineswegs ein grundsätzlich anderes Bild als unsere Linsenaugen; weder ist das Bildim Gegensatzzu unseren Augen mosaikartig (beideBildersind gerastert, allerdingsist das Raster unsererAugenviel feiner) noch erzeugtein Komplexauge eine Vielzahl von wirr überlagerten Bildern, wie es manchmal in schlechten Horrorfilmen dargestellt wird.
Bauartbedingte Zusammenhänge der optischen Merkmale von Komplexaugen Zunächst sollen an einem vereinfachten Schema des Appositionsauges wie es z. B. bei der Biene verwirklicht ist, die Gcsetzmäßigkeiten der optischen Geometrie eines Komplexauges dargelegt werden (Abb. 11-57).
Abb. 11-57: Abbildungsprinzip eines Appositionsauges. Schematische Darstellung, Erläuterungen siehe Text. (Nach Land 1989)
Aus einem Abschnitt des als kugelförmig (mit dem Radius R) gedachten Appositionsauges sind einige Ommatidien skizziert: je eine Sammellinse mit dem Durchmesser D und der Brennweite f, jeweils ein verschmolzenes Rhabdom mit dem Durchmesser d. Der Linsendurchmesser D legt zusammen mit dem Kugelradius den geometrischen Divergenzwinkel ~<1> fest. Die Skizze zeigt uns, was man machen muss, um den Divergenzwinkel ~<1> zu verkleinern und damit die Winkelauflösung zu erhöhen: Die relative Größe D der Linse im Verhältnis zum Augenradius muss verkleinert werden . Das hat aber erhebliche Nebenwirkungen. Unmittelbar wird klar, dass wegen der dadurch im Quadrat verkleinerten Fl äche die Lichtmenge, die auf das Rh abdom fällt , auch verkleinert wird - Lichtstärke und Auflösungsvermögen hängen bei festem Augenradius gegenl äufig von der Linsengröße D ab. Etwas schwieriger ist der nächste Effekt nachzuvollziehen: die Beugung an der kleinen Öffnung der abbildenden Linse. Durch die Wellennatur des Lichtes treten an jeder Öffnung, die ein Lichtbündel begrenzt, Beugungseffekte auf, die eine exakt punktförmige Abbildung unmöglich machen. Es wird stattdessen ein Beugungsscheibchen (Airy-Scheibchen, Airy disc) erzeugt, das umso größer ist, je kleiner die Öffnung der Linse ist. Das aber heißt, dass auch Licht, das nicht genau aus der optischen Achse kommt, das Rhabdom trifft das Bild wird verschmiert und unscharf, sodass die erstrebte Erhöhung der Winkelauflösung wieder zunichte gemacht wird. Ein weiterer begrenzender Faktor der Winkelauflösung ist die endliche Göße des Rhabdomdurchmessers d: Sie sorgt ebenfalls dafür, dass Licht, das nicht aus der Richtung der optischen Achse auf das Einzelauge trifft, noch zu einer Erregung führt, solange es aus dem Winkel Ap kommt, dem Winkel , unter dem da s Rhabdom von der Linse aus erscheint ("Öffnungswinkel" des Rhabdoms, engl . "acceptance angle" ). Es wäre aber nicht vorteilhaft, das Rhabdom immer dünner zu machen, denn dadurch würde die Zahl der Quanten, die auf den Photorezeptor treffen, reduziert, das System würde lichtschwächer. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist, dass die Größe des Beugungsscheibchens etwa so groß wie der Rhabdomdurchmesser sein sollte und außerdem gerade so groß, dass die Beugungsscheibchen der benachbarten Ommatidien, die ja gerade um den Divergenzwinkel versetzt sind, in ihren Richtcharakteristiken kaum überlappen. Diese Überlegungen zeigen, dass der einzige Weg, die Abbildungseigenschaften eines Appositionsauges zu verbessern, eine Vergrößerung des Auges wäre. Mit zunehmendem Radius R wird sowohl bei gleichbleibender Linsengröße das geometrische Auflösungsvermögen besser,ebenso ist bei gleichbleibender Auflösung mehr Platz für größere Linsen.
A
Cornealinse Kristallkegel Sinneszelle
Pigmentzelle Nerven!aser
Abb. 11·58: Schematische Darstellung des Appositionsauges. A, B Längs- und Querschnitt eines Ommatidiums. C Strahlengang von parallelem Licht. Dicker Pfeil: Das Lichtbündel aus der Richtung der optischen Achse eines Ommatidiums wird auf das Rhabdom fokussiert. Dünner Pfeil: Licht, das in benachbarte Ommatidien (schräg) einfällt, wird aufdie Pigmentzellen gebündelt, wo es absorbiert wird. (A und B nach Kirschfeld 1971, C nach Nilsson 1989)
Die vom Konstruktionsprinzip erzwungenen Zusammenhänge legen fest, dass Insektenaugen dieser Bauform eine relativ geringe Winkelauflösung haben, und dass sie völlig unrealistisch groß werden müssten, und zwar mehrere Meter im Durchmesser, wenn sie eine Winkelauflösung erreichen sollten, wie die unserer Augen (in der Fovea ca . I Winkelminute). Die hier nur skizzierten Zusammenhänge sind auch quantitativ in mehreren sehr eindrucksvollen Arbeiten entwickelt worden (siehe vor allem in Stavengau. Hardie 1989) in denen auch die hier stark vereinfachte Darstellung des Rhabdoms als Lichtleiter korrigiert wird. Wird ein solchesElement in seinem Durchmesserauf die Größenordnung der Lichtwellenlänge verkleinert (ca 0,5 um), so spielt auch bei der Ausbreitungdes Lichts im Rhabdom die Wellennaturdes Lichtesdie entscheidende Rolle, das Rhabdom muss als Wellenleiter behandelt werden. Das beeinflusst den genauen Verlaufder Zusammenhänge, die grundlegenden Überlegungen bleiben aber erhalten.
Klassisches Appositionsauge Das Appositionsauge kommt bei Bienen, Ameisen und Libellen vor. Es ist ein Komplexauge, dessen Einzelaugen optisch vollständig voneinander isoliert sind ; die Rhabdomere der 8 oder 9 Sinneszellen sind zu einem Rhabdom verschmolzen (fusioniert) und die Linse fokussiert Licht, das aus der Richtung der Ommatidienachse von einer weit entfernten Lichtquelle kommt, auf das distale Ende des Rhabdoms, das direkt hinter dem Kristallkegel angeordnet ist. Das Rhabdom hat wenige um Durchmesser und ist etwa 100 um lang. Der eukone Kristallkegel ist durchsichtig und hat darüber hinaus keinen Einfluss auf die Abbildung. Die optische Abschirmung erfolgt über die Pigmentzellen. In den Hauptpigmentzellen sind häufig wasserlösliche, gelbe Farbstoffe, die Pteridine enthalten, während in den Nebenpigmentzellen eiweißgebundene, rot-braune Farbstoffe, die Ommochrome, vorhanden sind (Abb. 11-56 C, li-58). Die Rhabdomere treten zwar zu einem einheitlichen Lichtleiter zusammen, dem Rhabdom,
332
11 Sinnesphysiologie
a
Cornealinse Kristallkegel
Hauptpigmentzelle
3 · ···..···:·· Nebenpigmentzelle zentrale Matrix
2
3
Semperzelle
a
Nebenpigmentzelle Kern 4-
,,=*- . Rhabdomer
7 Sinneszelle Trachee
8 - -I-H-
zentrale Matrix
Abb. 11-59: Zwei Ommatidieneiner Fliege. Rechts Längsschnitt in Richtung a-a, links zwei Querschnitte in Höhe derPfeile. Die Sinneszellen sind nummeriert von 1-8. Die zentrale Matrix trennt die Rhabdomere im offenen Rhabdom. Das rechte Ommatitium ist dunkeladaptiert, das linke, helladaptierte zeigtdie Pigmentgrana in der Nähe der Rhabdomere Rh 1-6 konzentriert. (Nach Stavenga 1975)
sie sind aber als Kompartiment der Phototransduktion jeweils Bestandteil nur der zugehörigen Sehzelle, was im Prinzip eine spektral unterschiedliche Antwort der verschiedenen Sehzellen eines Ommat idiums erlaubt und auch eine von der Polarisationsrichtung abhängige Antwort (s. u.) . Das Bild, das jede Cornealinse in der Brennebene entwirft, ist ein umgekehrtes, stark verkleinertes Bild der Umgebung, zwischen den benachbarten Ommatidien jeweil s um den Divergenzwinkel ~ verschoben . In jedem Einzelommatidium wird aus diesem Bild nur der zentrale Punkt a usgewertet, ausschließlich das Licht aus der Bildmitte wird im Rhabdom weitergeleitet und führt zur Erregung der Sehzellen. Das beseitigt das Problem , das bei frühen Untersuchungen am Insektenauge entstand, wie nämlich aus diesen vielen Einzelbildchen eine interpretierbare Sicht der Umwelt entstehen kann . D ie Facettenlinse ist dazu da, das Licht aus Richtung der Ommatidienachse auf das Rhabdomende zu sammeln, von wo es im Lichtleiter weitergeleitet wird und von den Photopigmenten absorbiert werden kann. Licht, das von derselben punktförmigen Lichtquelle auf benachbarte Ommatidien fällt , wird wegen der divergierenden Achsen nicht auf das Rhabdomende,
sondern auf die Schirmpigmentzellen fokussiert, wo es absorbiert wird . Im Gegensatz zu den kleinen , inversen aber nicht weiter ausgewerteten Bildehen ist das Gesamtbild, das das Facettenauge erzeugt, und zwar bei allen vorkommenden Typen, aufrecht.
Neurales Superpositionsauge Dipteren, Ohrwürmer und eine Reihe von Käfern haben Augen, die vom Bau der Optik Appositionsaugen darstellen, nur mit der Besonderheit, da ss die Rhabdomere nicht verschmolzen sind, sondern ein unfusioniertes , offenes Rhabdom bilden. Diese Eigenschaft, gekoppelt mit einer speziellen, präzisen Verschaltung der Axone der Sinneszellen bildet bei Dipteren den Typ des neuralen Superpositionsauges (Abb. 11-59, 11-60). Ein Querschnitt durch das Auge der Stubenfliege in Höhe des offenen Rhabdoms zeigt die typische, schief trapezförmige Anordnung der 7 Rhabdomere (Abb. 1160 B): 6 periphere, etwas dickere Rhabdomere (0,5-1 11m bei Musca) und I zentrales, etwas dünneres als Nr. 7 (ca 0,5 11m). Dieser zentrale Lichtleiter besteht tatsä chlich aus zwei hintereinander liegenden Rh abdomeren (Nr. 7 und 8, siehe Längsschnitt in Abb. li-59).
11.4 Photorezeption
333
A
v- -'\--
-
t --
-f--
-n-- - \-- -l-_
Cornealinse Kristallkegel
\.1:{\~~\~N\.--t---r- Sinneszelle
B
c
Abb. 11·60: Schema des neuralen Superpositionsauges. A längsschnitt. Dicke Pfeile: Paralleles licht trifft in 7 benachbarten Ommatidien auf 7 verschiedene Rhabdomere, die alle die gleiche Blickrichtung haben. [in der Aufsicht (8) schwa rz umrandete Querschnitte]. Dünner Pfeil: licht, das in benachbarte Ommatidien (schräg) einfällt, wird auf die Pigmentzellen gebündelt, wo es absorbiert wird. CDieAxone derperipheren Sinneszellen '-6 ausden 6 verschiedenen Ommatidien werden auf dem Weg zur lamina mit einer charakteristischen Verdrillung zusammengeführt. Die Axone der Sinneszellen 7 und 8 laufen ohne synaptischen Kontakt durch die lamina und werden erst in der Medulla auf Interneuronen verschaltet. (A und B nach Nilsson 1989, C nach Kirschfeld 1971)
Anders als beim Appositionsauge wird hier das umgekehrte Bild, das die Cornealinse entwirft, von 7 unters chiedlichen Rh abdomeren weitergeleitet und von den zugehörigen Sinneszellen registriert. Das Besondere dieses Neuralen Superposition sauges ist, dass die 7 unterschiedlichen Blickwinkel des einzelnen Ommatidiums genau so ausgerichtet sind, wie die Hauptachsen der direkt benachbarten Ommatidien, die mit der gemeinsamen Blickrichtung der Rhabdomere 7 und 8 übereinstimmen. Entsprechend werden die Axone
der Sinneszellen aus verschiedenen Ommatidien mit gleicher Blickrichtung im I. Opti schen Ganglion, der Lamina, zu einer funkt ionellen Einheit, der Cartridge oder dem Neuroommatidium zusammengeführt. Und zwar werden nur die Axone der Sinneszellen I bis 6, zu einem gemeinsamen Signal zusammengefasst, die Axone der zentralen Sinneszellen 7 und 8 laufen ohne synaptischen Kont akt durch die Lamina und werden erst im 2. Optisch en Ganglion, der Medulla auf Interneuronen verschaltet. Durch die Konvergenz der Antworten
334
11 Sinnesphysiologie
A Cornea ~ ~~f --:;-~~~-:-:-;'~[.;~-:JJ
Kristallkegelzelle
c:.
...
Kristallkege l
B
+ + + + + + + + +
Hauptpigmentzelle Nebenpigmentzelle
..
'
....
Achsenfaden
Kern der Sinneszelle - - - IO.II!
Rhabd om 20~m
Tracheal en
Rhabdo m
Basalmem bran - -..... ~ Trachealen-Zell kern
Abb. 11-61: Schema des Optischen Superpositionsauges. A Längsschnitt der Ommatidien von Ephestia. Die eukonen Kristallkegel mit nicht homogenem Brechungsindex sind von der Schicht der Rhabdome durch einen breiten, optisch neutralen Bereich, die klare Zone getrennt. B Schema des Strahlengangs. Paralleles Licht wird von vielen Ommatidien durch die klare Zone nach innen auf ein zentrales Rhabdom vereinigt. (A nach Fischer und Horstmann 1971 , B nach Nilssan 1989)
von jeweils 6 Sinneszellen au s 6 Ommatidien (die eine charakteristische Verdrillung der Fasern nötig macht, Abb. 11-60 C), wird die Empfindlichkeit dieses Systems für niedrige Lichtintensitäten erhöht, grob um den Faktor 6, als ob Licht durch eine 6 fach größere Linse gefallen wäre, ohne Verlust an geometrischer Winkelauflösung. Entsprechend ist das System der Sinneszellen 1-6, die in den Cartridges zu Neuroommatidien zusammengefasst werden, für das Sehen in der Dämmerung geeignet , während das unempfindlichere System der Sinneszellen 7 und 8 für da s Sehen bei Tag ausgelegt ist. Bei den Bibionidae ist das offene Rhabdom nicht schief trapezförmig wie bei den höheren Fliegen (Brachycera),
sondern die 7 Rhabdomere bilden eine symmetrische hexagonale Anordnung von 6 äußeren rund um ein zentrales Paar. Die neurale Superposition findet hier
nicht mit den jeweils nächsten, sondern mit den jeweils übernächsten Ommatidien statt.
Optisches Superpositionsauge Hatten die beiden bisher beschriebenen Augen typen die Eigenschaften, die in der allgemeinen Erörterung beschrieben wurden, so ist der Bau und die Wirkungsweise des Optischen Superpositionsauges ein ganz raffinierter Ausweg aus den sich widersprechenden Anforderungen von Auflösung und Empfindlichkeit. Auch dieses Auge hat zu jedem Ommatidium eine eigene Optik. Diese ist aber so gebaut, dass das Licht aus einer weit entfernten Punktlichtquelle nicht nur von einer Facette sondern von sehr vielen, bis zu mehreren 100 Optiken zusammen auf ein fusioniertes Rhabdom gelenkt wird (Abb . 11-61). Dabei bündeln
11.4 Photorezeption
A
c
B
m ,,
a
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335
I
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Abb. 11-62: Strahlengang im Linsenzylinder. Durch den parabelförmigen Verlauf des Brechungsindex im Inneren des Kristallkegels nehmen die Lichtstrahlen einen krummenVerlauf. A Exners Beschreibungdes Strahlenverlaufs in einem Linsenzylinder mit doppelter Länge seiner Brennweite. rn-n: achsenparalleles Licht wird in y fokussiert und tritt wiederachsparallel aus (n'-rn'), p-q: schiefes Bündel. Von rechts kommendes Licht wird in z fokussiert und tritt als paralleles Bündel wieder nach rechts aus (p'-q'), der Eintrittswinkel a ist hier gleich dem Austrittswinkel ß. B und C Numerische Berechnu ng des Strahlenverlaufs nach den Daten von Hausen (1973) an Ephestia. B achsenparalleles Bündel, C schiefes Büschel mit 21 Grad Eintrittswinkel. Austrittswinkel ist dabei ca. 36 Grad . (A nach Exner 1891 , Bund C nach Cleary et al. 1977)
dieselben Optiken Licht aus einer anderen Richtung auf das Rhabdom des entsprechenden anderen Ommatidiums. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass der dioptrische Apparat eines Ommatidiums paralleles Licht, das schräg zu seiner Achse einfällt, nicht wie eine Sammellinse auf der anderen Seite der optischen Achse fokussiert, wo es absorbiert wird, sondern dass es im Gegenteil zur seIben Seite zurück gelenkt wird. Dabei muss zwischen Optik und den Enden der Rhabdomere genügend Platz (die klare Zone) sein, dass da s Licht auch von der Seite zum zentralen Rhabdom gelenkt werden kann . Die Um lenkung des Lichts wird beim Superpositionsauge durch eine optische Besonderheit der Kristallkegel ermöglicht (Abb. 11-62). Sigmund Exner (1891) hat als Erster das Prinzip des optischen Superpositionsauges richtig beschrieben . Er zeigte, das s eine einfache Sammellinse als Optik des Superpositionsauges ungeeignet ist. Die Optik muss dafür sorgen, dass ein paralleles Lichtbündel von einer Anordnung entsprechend dem Keplerschen Fernrohr innerhalb des Systems fokussiert wird und im weiteren Verlauf vom "Okular" wieder parallel gemacht und zur
seIben Seite der optischen Achse zurückgeworfen wird (Abb. 11-62 A). Das ist im Wesentlichen die Wirkung des Krista llkegels, der bei diesen Augen nicht optisch homogen ist. Exner hat dargelegt, dass ein Zylinder mit ebenen Stirnfl ächen aber mit von innen nach außen abnehmendem Brechungsindex, in I. Näherung mit parabolischem Verlauf, par alleles Licht wie eine Sammellinse fokussiert. Wenn ein solcher Zylinder nun gerade doppelt so lang ist wie seine Brennweite, wird da s Licht, von dem Brennpunkt ausgehend , den Zylinder auch wieder parallel und in der " richtigen" Richtung verlassen. Exner hat diese Optik mit nicht homogenem Brechungsindex "Linsenzylinder" genannt (nicht zu verwechseln mit der Zylinderlinse) und sie auch richtig als ausschlaggebend für die Funktion des Superpositionsauges angesehen. Ein solcher Linsenzylinder mit der doppelten Brennweite als Länge wirkt wie ein Keplersches Fernrohr mit der Vergrößerung - I; schräg einfallendes Licht wird im Linsenzylinder zuerst fokussiert und dabei so abgebogen , dass das wieder parallele Bündel auf der selben Seite der opti schen Achse austritt.
336
11 Sinnesphysiologie
Bestimmt man mit dem Interferenzmikroskop den Brechungsindex innerhalb des Kristallkegels von Ephest ia kühn iella, so kann man mit diesen Werten Strahlenverläufe numerisch bestimmen (Abb. 11-62 B, C). Sowohl der angenähert quadratische Verlauf des Brechungsindex als auch die den Erfordernissen entsprechende Winkelablenkung der schiefeinfallenden Bündel haben die Erklärung Exners bestätigt: Das Superpositionsauge hat eine afokale Optik, d. h. ein paralleles Bündel wird nicht fokussiert, sondern tritt wieder parallel aus. Das entspricht dem Strahlengang in einem Keplerschen Fernrohr mit geringer Vergrößerung, bei Ephestia - 1,32 fach . Die bei Ephestia von ca. 130 Einzeloptiken erzeugten parallelen Bündel werden durch die klare Zone hindurch so abgelenkt, dass sie auf eine engste Fläche von ca. 3 Rhabdomen Durchmesser dicht hinter der Fläche der distalen Rhabdomenden überlagert werden. Damit wird die Lichtstärke dieses Augentyps gegenüber dem Appositionsauge ganz drastisch erhöht, wobei wegen der Präzision der Superposition keine Verschlechterung des Auflösungsvermögens stattfindet, wie es immer wieder behauptet wird. Bei einer so hohen Öffnung der Superpositionsoptik - bei Ephestia beträgt der halbe Öffnungswinkel fast 50 Grad - kann das Rhabdom mit seinem Brechungindex, der nur geringfügig über dem des umgebenden Mediums liegt, das Licht nicht mehr durch Totalreflexion im Inneren weiterleiten. Diese Funktion wird bei Superpositionsaugen dadurch erreicht, dass die Rhabdome proximal von einem Tracheenkorb, dem Tracheentapetum umhüllt werden (Abb. 11-61 A). Diese Tracheolen sorgen zum einen dafür, dass das Rhabdom als Lichtleiter von einer dünnen Luftschicht umhüllt ist, die auf den Seitenflächen für einen genügend hohen Grenzwinkel der Totalreflexion sorgt. An den proximalen Endflächen bilden die Tracheen Stapel von durch Luft getrennten Cuticulalamellen der Dicke )..14 ( ein Viertel der Lichtwellenlänge) aus, die durch konstruktive Interferenz stark reflektieren und damit Licht, das noch nicht von den Sehpigmenten absobiert wurde, noch einmal durch das Rhabdom schicken . Es sei hier angemerkt, dass das Prinzip der optischen Superposition auch bei Krebsen gefunden wurde (Land 1976), allerdings nicht mit den lichtbrechenden Strukturen der Kristallkegel, sondern mit einer Anordnung von hochreflektierenden Flächen und zwar wiederum A./4-Schichten, die in einem quadratischen Raster das Licht zum zentralen Rhabdom hin spiegeln.
Zwischenformen Kann man sich noch relativ leicht vorstellen, dass ein Komplexauge vom Appositionstyp dadurch entstanden sein mag, dass in der Evolution Einzel-
augen vom Typ der Ommatidien zu Gruppen zusammengetreten sind, so ist der Weg für die Evolution eines Superpositionsauges nicht so leicht nachvollziehbar. Zu diesem Problem haben jedoch vor allem die Arbeiten von Nilsson (1989) neue Einsichten gebracht. EineganzeReihevon Appositionsaugen weichen von der geschilderten Bauweise ab. Es gibt trichterförmige Erweiterungen des Rhabdoms im Fokus der Cornealinse, die auf Kosten der Sehschärfe die Lichtausbeute verbessern. Es gibt afokale Appositionsaugen, die zwar noch die strenge optische Trennung der Ommatidien beibehalten, die aber eine afokale Dioptrik ähnlich der der Superpositionsaugen besitzen. Auch bei echten Superpositionsaugen fand Nilsson einen neuen Typ von Optik, das parabolische Superpositionsauge, in dem eine Mischform aus Linsen- und Spiegeloptik vorliegt. Die inzwischen bekannte Vielfalt von Formen lässt gleitende Übergänge zwischen den Typen als möglich erscheinen, die dabei zu jedem Zeitpunkt voll funktionsfähig waren.
11.4.4.4 Besondere Leistungen der Komplexaugen Pupillenmechanismen Unsere Pupille regelt die auf die Retina auftreffende Lichtmenge durch Verengen oder Erweitern wie die Irisblende beim Photoapparat. Insekten mit ihren Komplexaugen mussten dafür andere Mechanismen entwickeln, da es für den abbildenden Strahlengang kein gemeinsames Lichtbündel gibt. Wegen des im Allgemeinen sehr großen Gesichtsfeldes der Komplexaugen und wegen der fehlenden Abschattungsmechanismen, wie den Augenlidern der Wirbeltiere, muss bei freiem Himmel tagsüber ein Teil des Auges direkt die Sonne abbilden - ein ungeschütztes Superpositionsauge würde sich dadurch selbst zerstören. Entsprechend dem Bautyp kommen bei der Steuerung des Lichtflusses unterschiedliche Verfahren zur Anwendung. Optisches Superpositionsauge: Schon Exner (1891) zeigte, dass dieser Augentyp eine ganz besondere Form eines Pupillenmechanismus hat (Abb. 11-63): Das von ihm .Jrispigrnent" genannte Pigment der Nebenpigmentzellen ist im dunkeladaptierten Zusand distal zwischen den Kristallkegeln (Linsenzylinder!) konzentriert und erlaubt die Superposition der Lichtbündel vieler Ommatidien. Im helladaptierten Zustand wandert das Irispigment nach proximal und schirmt die einzelnen Ommatidien gegeneinander ab, sodass letztlich nur Licht aus dem zentralen oder aus nur ganz wenigen Ommatidien das zentrale Rhabdom erreicht. Die genauere Analyse dieses Vorgangs zeigt (Abb. 11-64), dass außer dieser Pigmentwan-
337
11.4 Photorezeption
derung noch weitere Prozesse eine Rolle spielen . Pigmentgrana in den Sehzellen lagern sich bei Helladaptation an das Rhabdom an (s. a neurales Superpositionsauge). Das Pigment der HauptpigmentzeIlen wandert zu der Spitze des enger werdenden Kristallkegels und reduziert dessen wirksamen Querschnitt, und auch die Sinneszelle ändert ihre Form. Die dadurch erreichte Änderung der Empfindlichkeit des Superpositionsauges ist bei Manduca sexta mit 2-3 Zehnerpotenzen extrem wirkungsvoll. Die Veränderungen bei der Helladaptation des Optischen Superpositionsauges werden oft so dargestellt, als ob das Auge zum Appositionsauge würde. Das ist falsch, es erfolgt zwar eine Abschirmung zwischen den einzelnen Ommatidien , wie sie auch beim Appositionsauge vorliegt, aber das optische Prinzip bleibt unverändert. Das helladaptierte Superpositionsauge behält seine afokale Optik , auch wenn diese sich im Extremfall auf jeweils ein Ommatidium beschränkt.
Beim Appositionsauge, das vor allem ein Auge für das Sehen bei genügend hoher Lichtintensität ist, sind die Veränderungen nicht so dramatisch (Abb. 11-65). Beim Kleinen Kohlweißling wandert Pigment der Nebenpigmentzellen an die Spitze des Kristallkegels und verengt wieder dessen wirksame
n
- --
Abb. "·63: Pupillenmechanismus des Superpositionsauges nach Exner. Untere Hälfte: dunkeladaptierter Zustand mit Schirmpigmenten in distaler Position. Obere Hälfte: heliadaptierter Zustand. Das Schirmpigment ist in proximaler Position und unterbricht die stark abgelenkten Strahlenbündel. a-b, Richtung des einfallenden Lichts, non Retina. (Nach Exner 1891)
Öffnung. Auch hier wandern Pigmentgrana in der Sinneszelle zum Rhabdom und beeinflussen damit den Lichtfluss.
B
Cornea
Hauptpigmentzelle Nebenpigmentzelle Retinulazellpigmente --~~'Y"'"
Sinneszelle Kern
Rhabdo m
adaptierter Zustand; B dunkeladaptierter Zustand eines Ommatidiums. (Nach Horridge und Giddings 1971)
b
n
A
Abb. "·64: Adaptation des Superpositionsauges bei Ephestia. A hell-
-
basale Sinneszelle Basalmembran
338
11 Sinnesphysiologie
A
B
Cornea
Kristallkegel Hauptpigmenlzelle Nebenpigmenlzelle
Sinneszelle Rhabdom
.. Abb. 11-65: Adaptation des Appositionsauges bei Pieris rapae. A 20 11m
Dieser Mechanismus, der vor allem beim Neuralen Superpositionsauge besonders gut untersucht ist, ist in Abb. 11-66 dargestellt. Im dunkeladaptierten Zustand sind die Pigmentgrana in den Sinneszellen des offenen Rhabdoms gleichmäßig verteilt (Abb. 11 -66 A). Bei Beleuchtung mit mittlerer Intensität wandern in den Sehzellen 1-6 (die neural superponieren und daher für das Sehen in der Dämmerung geeignet sind), die Pigmentgrana dicht an die Rhabdomere (Abb. 11-66 B). Wegen seiner Wellennatur bleibt das Licht bei der Totalreflexion nicht vollständig im Inneren der Lichtleiter und kann von den dicht an der Grenzfläche liegenden Pigmenten absorbiert werden. Dies führt dazu , dass der Lichtfluss beim Durchlaufen der Rhabdomere reduziert wird. Ist die Lichtintensität noch um etwa 2 Zehnerpotenzen höher, so tritt auch bei den Sinnes-
A
B
helladaptierter Zustand. B dunkeladaptiert. (Nach Ribi 1978)
zellen 7 und 8 dieser Mechanismus in Kraft, jetzt wandert das Pigment auch beim zentralen Rhabdomer an die Grenzfläche (Abb. 11-66 C). Farbensehen
Bereits 1914 konnte v. Frisch durch Dressurversuche an Bienen zeigen, dass sie bestimmte Farben von beliebigen Graustufen unterscheiden können und dass sie in der Lage sind, die Farben mit dem Vorhandensein von Futter zu assoziieren (s. Kap. 10). Dieser erste Nachweis des Farbsehvermögens von Invertebraten war der Beginn einer intensiven Untersuchung des Farbensinns der Insekten. Außer Dressurversuchen an Bienen, die ein trichromatisches Farbensehen aufzeigten, kamen 1964 (Autrum u. v. Zwehl) die ersten intrazellulären Messungen an Photorezeptoren des Bienenauges
c
Abb. 11·66: Pigmentwanderung in den Sinneszellen des neuralen Superpositionsauges. A dunkeladaptiert. Die Pigmentgrana (Durchmesser ca. 0,1 um) sind im Zellplasma der Sinneszelle gleichmäßig verteilt. B Adaptation an eine mittlere Helligkeit. Die Pigmentgrana lagern sich an die Rhabdomere der Sinneszellen 1-6 und entkoppeln aus diesen Lichtleitern Energie durch Störung der Totalreflexion. CAdaptation an hohe Lichtintensität. Jetzt lagert sich das Pigment auch an das Rhabdomer der Sinneszelle 7 an. (Nach Franceschini und Kirschfeld 1976)
11.4 Photorezeption
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0
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1.0
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600 nm
700
Abb. 11·67:Spektrale Empfindlichkeit des Bienenauges. Es handelt sich um intrazelluläre Messungen der spektralen Empfindlichkeit 5(1..) von Lichtsinneszellen, d.h. die Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Wellenlänge f.... A vier ausgewählte Messungen von Autrum u. Zwehl 1964. B gemittelte Werte aus älteren Messungen von Menzel u. Blakers 1976. C neuere Messungen mit einer schnellen spektralen Abtastmethode von Menzel et al. 1986. 0 schematische Darstellung der lage von 8 der 9 Rezeptorzellen unmittelbar unter der Linse. Jedes in der Mitte vorn liegende Ommatidium enthält 2 UVZellen (dazu noch eine proximale UV-Zelle), 2 blauempfindliche (B) Zellen und 4 grünempfindliche (G) Zellen. (Nach Menzel und Backhaus 1989)
339
• Die Mischung von Grün und UV unterscheidet sich von allen spektral en Lichtern ("Bienenpurpur"). Die Fähigkeit zur Wahrnehmung von UV ist wichtig für die Erkennung der hohen UV-Reflexion vieler von Bienen besuchter Blüten, aber auch für den UV-Anteil des Himmelslichts, der vor allem als Träger der Information für die Polarisationsrichtung von Bedeutung ist (siehe nächster Abschnitt) . Der langweilige Anteil des uns sichtbaren Spektrums, Rot, ist für Bienen nicht wahrnehmbar und wirkt somit schwarz. In der weiteren Verarbeitung der Farbsign ale bei der Biene wurden so genannte Gegenfarbeninterneurone gefunden, die durch einen bestimmen Bereich des Spektrums erregt, durch den restlichen gehemmt werden (Abb. 11-68). Dabei ist der BegriffGegenfarbenneuron etwas unglücklich, da der spektral e Verlauf der Antwort dieser Interneurone nichts mit der Heringsehen Gegenfarbentheorie zu tun hat, sondern nur eine Aufspaltung der Antwort auf komplementäre Bereiche des für die Bienen sichtbaren Teile des Spektrums darstellt. Die Erkenntnisse über das Farb ensehen der Bienen werden oft unzulässig auf alle Insekten übertragen. So ist die Vorstellung weit verbreitet , dass Insekten kein Rot wahrnehmen können . Das gilt aber keineswegs generell, denn bei einer Reihe von Insekten ist die Fähigkeit zum Sehen bei Rotlicht nachgewiesen. Elektrophysiologische und verhaltensphy siologische Untersuchungen an Schmetterlingen (Weißlingen und Schwalbenschwänzen) zeigen, dass hier ein tetrachrornatisches Farbsehen vorliegt. Die unter suchten Tiere haben maximale Rezeptorempfindlichkeiten bei 390, 450, 540 und 610 nm, gehen also vom nahen UV bis in das langweilige Rot. Ü ber die Struktur der Farbmetrik eines solchen Sehsysterns mit 4 statt mit 3 Rezeptortypen gibt es keine konkreten Vorstellungen.
hinzu, die 3 Rezeptortypen im Grünen (G), im
Blauen (B) und im Ultraviolett (UV) nachwiesen (Abb. 11-67). Die ursprünglichen Messungen von 2 BlauRezeptor en (obere Kurven) haben sich nicht bestätigen lassen. Jedes Ommatidium im medianen, frontalen Bereich enth ält die 3 Rezeptortypen in einer charakteristischen Anordnung (Abb. 11-67 D) .
Farbmischexperimente zeigten, da ss sich die Farbwahrnehmung der Bienen ähnlich wie die unsere in einem Farbdreieck ano rdnen lässt: • Die 3 Grundfarben Grün, Blau und Ultraviolett im richtigen Verhältnis gemischt ergeben Bienenweiß. • Der Farbeindruck der Mischung zweier benachbarter monochromatischer Lichter (Grün und Blau oder Blau und UV) wird verwechselt mit einem Spektrallicht, das zwischen den beiden Wellenlängen liegt.
Wahrnehmung der Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes
Licht besteht aus elektromagn etischen Wellen eines bestimmten Wellenlängenbereichs, dabei schwingen die Wellen quer zur Ausbreitungsrichtung . Bei natürlichen Lichtquellen wie der Sonne, aber auch bei künstlichen wie Glühlampen, und Leuchtstoffiampen ist die Ausrichtung der Schwingungsrichtung im Raum völlig regellos, das Licht ist unpolarisiert. Das kann durch Reflexion an nichtmetallischen Oberflächen wie Wasser oder durch Streuung wie beim blauen Himmelslicht and ers werden: je nach der Richtung, unter der die Reflexion oder Streuung stattfindet, wird ein mehr oder weniger großer Teil des Lichtes einer bestimmten Schwingungsrichtung stärker zurückgeworfen; das Licht ist teilweise oder vollständig polarisiert.
340
11 Sinnesphysiologie
B
A
Abb. 11-68: Gegenfarbenneurone der Biene. Es wurden zwei Klassen von spektral komplementären Interneuronen gefunden. A Typ I-Neurone antworten antagonistisch auf UV und den langweiligen Bereich (B und G) des Spektrums. BTyp II-Neurone antworten antagonistisch aufden mittleren Wellenlängenbereich (B) und die Bereiche UV und G. Es gibt jeweils auch Zellen, die die gespiegelte Zuordnung von Erregung (+5(1,,)) und Hemmung ('5(1.)) zeigen. (Nach Menzel und Backhaus 1989)
Es war wieder v. Frisch (1949), der fand , dass Bienen im Gegensatz zum Menschen in der Lage sind, die Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes wahrzunehmen und dass sie diese Fähigkeit dazu nutzen, den Sonnenstand bei teilweise bedecktem Himmel aus dem Polarisationsmuster des blauen Himmels zu bestimmen . Diese Fähigkeit ist inzwischen bei sehr vielen Insekten sowohl im Verhaltensexperiment als auch durch Messung an einzelnen Photorezeptoren nachgewiesen worden. Ursache für die Fähigkeit der Insekten, im Gegensatz zu den Wirbeltieren die Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes zu registrieren, ist der Bau der Photorezeptoren. Im Sehfarbstoff wird das Licht im Chromophor absorbiert, der Dipolstruktur hat (Abb. lI-50). Dieses Molekül zeigt Dichroismus: Es absorbiert Licht maximal, das parallel zu seiner Längsachse und gar nicht, wenn es senkrecht dazu schwingt. Durch den unterschiedlichen Bau der Photorezeptoren bei Insekten und Wirbeltieren sind diese Dipole ganz verschieden in der Membran angeordnet (Abb. 1169): in den Außengliedern der Stäbchen und Zapfen der ' Retina von Wirbeltieren liegen die Dipole in flachen Membranstapeln (discs) in der Membranebene, aber regellos (Abb. 11-69 A). Das Licht durch strahlt die Membranstapel senkrecht . Außerdem sind die Rhodopsinmoleküle in der
A
B
c
viskosen Membran beweglich. Es ist daher nicht möglich, bestimmte Richtungen durch intensive Belichtung mit polarisiertem Licht auszubleichen. Völlig anders ist die Situation in den Mikrovillisäumen der Sehzellen der Insekten (Abb. 11-69B). Auch bei völlig regelloser Anordnung der Dipole in der Membran der Mikrovilli ergibt sich eine Polarisationsempfindlichkeit: Licht, das senkrecht zur Achse der Mikrovilli einfällt und dabei längs dieser Achse schwingt, ist doppelt so wirksam wie Licht, das quer dazu schwingt. Das wird durch die schematische Darstellung in Abb. 11-69 C erläutert . Zerlegt man sowohl die Richtungen der Dipole in ihre Komponenten parallel und senkrecht zur Mikrovillusachse als auch die Ausrichtung der Membran in die Komponenten parallel und senkrecht zur Einfallsrichtung des Lichtes, so kann man abzählen , dass Licht, das parallel zur Achse der Mikrovillisäume schwingt, von doppelt so viel Dipolen absorbiert werden kann, wie Licht das senkrecht dazu schwingt. Dam it ergibt sich in diesem Fall eine Polarisationsempfindlichkeit von 2. In manchen Photorezeptoren wurde eine Polarisationsempfindlichkeit bis zu 50 gefunden. Polarisiertes Licht , das parallel zu den Mikrovilli säumen schwingt ist 50 mal wirks amer als solches, das senkrecht dazu schwingt. Daher muss man annehmen, dass in diesen Fällen die
o
Abb. 11-69: Anordnung der Dipole des Sehpigments in den Membranen von discs und Mikrovilli. A disc eines Stäbchenaußensegments beim Wirbeltierphotorezeptor; B Mikrovillus eines nicht zum Sehen polarisierten Lichtes spezialisierten Rhabdomers beim Insekt; C Modellmikrovillus mit schematisch eingezeichneten Sehfabstoff-Dipolen, der es erlaubt, die Polarisationsempfindlichkeit abzuschätzen (s. Text); D vermutete Anordnung der Chromophore in den Mikrovilli von Lichtsinneszeilen, die besonders polarisationsempfindlich sind . Jeweils schematisch. (Nach Kirschfeld 1996)
11.4 Photorezeption
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Abb. 11-70: Polarisationssehen der Biene. A Spektrale Empfindlichkeit SeAl der Orientierung nach der Polarisationsrichtung (dicke schwarze Linie) und intrazellulär gemessene spektrale Empfindlichkeiten der 3 Rezeptorklassen (UV-Rezeptor grau schattiert). B Räumliche Ausrichtung der polarisationsempfindlichen Photorezeptoren in der POL-Region . Die Kugel zeigt die Sehfelder des rechten und linken Auges getrennt durch eine dicke Linie. Die POL-Region ist grau markiert. Anatomisch und physiologisch lassen sich 2 senkrecht aufeinander stehende Richtungen maximaler Empfindlichkeit finden (weiße und dünne schwarze Balken). Die POLSehfelder liegen kontralateral zum jeweiligen Auge. C Polarisationsmuster des blauen Himmelslichts. Die Polarisationsrichtungen verlaufen parallel zu konzentrischen Kreisen um die Sonne. Maximale Polarisation tritt aufdem Großkreis senkrecht zur Sonne auf (weiße Pfeile). Das direkte Sonnenlicht ist nicht polarisiert. (Nach Rossel 1989)
Dipole des Sehfarbstoffs parallel zur Achse der Mikrovilli in der Membran verankert sind (Abb. 11-64D). Diese Rezeptoreigenschaft kann von den Insekten zur Analyse der Polarisationsrichtung ausgenutzt werden. Im Prinzip sollte jede Sinneszelle mit einheitlicher Ausrichtung der Mikrovilli polarisationsempfindlich sein, eine Verrechnung der relativen Erregung von Rezeptoren mit unterschiedlicher Ausrichtung der Mikrovilli sollte die Analyse der Polarisationsrichtung erlauben. Es zeigt sich jedoch, dass im größten Teil der Sehfelder der meisten Insekten die Polarisationsempfindlichkeit unwirksam gemacht ist . Bei Fliegen und Bienen zeigen die Rhabdomere in ihrer Längsrichtung eine systematische Verdrehung der Ausrichtung der Mikrovilli (twist), die über die gesamte Länge zum Verlust der Polarisationsempfindlichkeit führt. Bei Grillen wird das dadurch erreicht, dass die Ausrichtung der Mikrovilli unregelmäßig schwankt. Wenn bei Insekten die Polarisationsempfindlichkeit genutzt wird, so immer in dafür spezialisierten Augenbereichen (POL-Regionen) und auch nur von einem spektralen Typ Photorezeptor: Bei Bienen, Ameisen und Fliegen ist es der UV-Rezeptor (Abb. 11-70 A), bei Grillen der Blaurezeptor. Die Beschränkung der Polarisationsempfindlichkeit auf nur einen spektralen Typ von Photorezeptor ist zweckmäßig. Da die Polarisatiosrichtung aus dem Erregungsunterschied von Rezeptoren mit unterschiedlicher MicrovilIiausrichtung bestimmt werden muss, wird eine Antwort, die auch noch von der spektralen Zusammensetzung des Lichts abhängt, die Auswertung sehr kompliziert, wenn nicht unmöglich machen. Nur bei Rezeptoren gleicher spektraler Empfindlichkeit kann der
Erregungsunterschied allein auf die Polarisationsempfindlichkeit zurückgeführt werden. Umgekehrt würde die Farbwahrnehmung durch Rezeptoren, die polarisationsempfindich sind, sehr schwierig werden. Wehner hat darauf hingewiesen, dass durch die Interaktion von Licht, das auf Blattoberflächen reflektiert wird und dadurch zumindest teilweise polarisiert ist, mit den unterschiedlichen Ausrichtungen der Microvilli der verschiedenen spektralen Rezeptortypen ein und dasselbe Blatt je nach Stellung zum Licht ganz unterschiedliche Farbeindrücke auslösen müsste. Es ist deshalb zumindest plausibel, dass bei farbtüchtigen Insekten die dafür verwendeten Rezeptoren ihre Polarisationsempfindlichkeit unterdrücken sollten. Von den speziell für das Polarisationssehen ausgebildeten Augenbereichen sind 2 Formen gut untersucht: der dorsale Randbereich von Fliegen, Ameisen , Bienen und Grillen, der zur Analyse des Polarisationsmusters des blauen H immelslichts dient und der ventrale Augenbereich des R ückenschwimmers, mit dem dieser im Flug das von Wasseroberflächen reflektierte, polarisierte Licht erkennen kann (s. 9.5). Diese POL-Regionen lassen eine Reihe von Besonderheiten erkennen: Die Ommatidien haben eine hohe Polarisationsempfindlichkeit, kurze Rhabdome ohne twist und senkrecht zueinander ausgerichtete Mikrovillisäume, die Rezeptoren sind besonders groß. Die Ommatidien von Bienen und Grillen haben besonders große Gesichtsfelder, was durch eine nur sehr grobe Abbildung durch die Cornealinse und fehlende Schirmpigmente erreicht wird. Damit kann der schmale dorsale Randbereich einen relativ großen Teil des gesamten Sehfeldes abtasten und nicht nur den kleinen Bereich im Zenit, auf den die optischen Achsen seiner Ommatidien zeigen. Bei Bienen dreht die Orientierung des gekreuzten Paares von Mikrovillirichtungen systematisch entlang des dorsalen Randbereichs von vorn nach hinten
342
11 Sinnesphysiologie
(Abb. 11-70 B). In raffinierten Verhaltensexperimenten konnte gezeigt werden, dass Bienen bei der Kompassorientierung die Sonnenrichtung dadurch bestimmen, dass sie dieses Rezeptormuster durch systematische Drehbewegungen in maximale Übereinstimmung mit dem ähnlich ausgerichteten Polarisationsmuster des Himmels bringen (Abb. 11-70 C).
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12 Endokrinologie Klaus-Dieter Spindler
12.1 Hormone und ihre Bildungsorte 12.1.1 Neurosekretorische Zellen und Zentren
• Im Cerebralganglion sind im Protocerebrum ausser den pars intercerebralis noch die lateralen NSZ sowie die tritocerebralen NSZ nachgewiesen, sowie auch vereinzelte NSZ im Deutocerebrum . • In den Ganglien des Bauchmarks, • Im anterioren sympathischen Nervensystem sind sie ebenfalls vorhanden. • Periphere NSZ gibt es vor allem in der Nähe des Herzens und des Verdauungstraktes.
Neurosekretorische Zellen (NSZ) wurden zunächst lichtmikroskopisch aufgrund ihrer vermeintlich spezifischen histologischen Anfärbbar- Produktionsort eines neurosekretorischen Horkeit oder im Transmissions-Elektronenmikroskop mons und die Stelle seiner Freisetzung aus dem aufgrund der zahlreich vorhandenen Grana mit neurosekretorischen Endbläschen können weit einem Durchmesser von etwa 100 bis 400 nm auseinander liegen. Ein Beispiel aus der Gruppe Durchmesser, nachgewiesen. Charakteristisch sind der Insekten stellt das Eclosion Hormone (EH) bei auch der hohe Gehalt an rauhem endoplasma- Manduca sex ta dar (Abb. 12-2). Dieses Hormon tischem Retikulum, sowie die zahlreichen aufge- wird in Larven in 2 Paar ventromedianen NSZ des weiteten axonalen Endblä schen, die Speicherorte Gehirn s gebildet, deren Axone ipsilateral durch für die neurosekretorischen Grana darstellen und das gesamte ZNS ziehen und in den Proctodeumdie der Freisetzung über eine Calcium-vermittelte nerv projizieren und dort EH freisetzen. In adulExocytose dienen. Inzwischen können die Inhalts- ten Tieren der gleichen Art ist diese Gehirn-Proc stoffe neurosekretorischer Zellen eindeutiger cha- todeurn-Achse auch noch vorhanden. Bei den rakterisiert werden: Neuropeptide durch immun- adulten Tieren wird jedoch EH zusätzlich noch in histochemische Methoden und Massenspektro- anderen NSZ im Gehirn gebildet und dann auch skopie und biogene Amine durch fluoreszenzmi- aus dem Corpora allata/Corpora cardiaca-Komkroskopisehe Verfahren. Außerdem können diese plex freigesetzt. Nicht nur der Ort der Synthese Zellen durch Füllung mit Kobalt und fluorogenen und der Freisetzung von EH ändern sich während Substanzen lokalisiert werden. Diese Verfahren der Entwicklung, sondern auch die Regulation der wurden auch eingesetzt um Aktivitätszyklen von Hormonabgabe: In allen Entwicklungsstadien ist NSZ zu erfassen. Eine eindeutige Beziehung zwi- für die Freisetzung des Eclosion Hormons ein schen Anfärbbarkeit und der Aktivität der NSZ abfallender Titer des Häutungshormones notwendig, bei den Adulten kommt noch die Regulation muss aber nicht immer bestehen. NSZ wurden bei allen Metazoen nachgewiesen. durch eine circadiane Uhr hinzu. Es handelt sich um Zellen, die typische neuronale Axonendigungen mehrerer NSZ können häufig Aktivitäten aufweisen und zudem noch sekreto- gebündelt in enger räumlicher Nachbarschaft zur risch tätig sind. Konventionelle Neurone senden Hämolymphe stehen und damit lokal begrenzt ihre Axone direkt zu den Zielorganen . Das chemi- Neurohormone abgeben. Solche Strukturen nennt sche Signal wird über die sehr kurze Distanz des man Neurohämalorgane. Das wohl bekannteste synaptischen Spaltes (10 bis 50 nm) abgegeben Neurohämalorgan der Insekten stellen die Corund seine physiologisch wirksame Konzentration pora cardiac a (s. 12.1.2) dar. Darüber hinaus gibt wird rasch auf und wieder abgebaut. Neurosek- es noch mehrere andere Neurohämalorgane oder retorische Zellen dagegen geben ihr(e) Sekretions- -Zonen, z. B. die perisympathetischen Organe, produkt(e) an das Blut oder die Hämolymphe ab, Aorta-Wände, bei manchen Arten auch die Umdie Wirkorte können weit entfernt sein. Die phy- hüllung der Corpora allata (s. 12.1.2), sowie Neusiologisch wirksame Konzentration wird wesent- rohämalorgane im Gehirn , dem Suboesophageallich langsamer auf- und abgebaut. ganglion und in Abdomin alganglien (Abb. 12-1). NSZ kommen bei Insekten an sehr unterschied- Eine Reihe von NSZ endigen auch direkt an Effektorsystemen, z. B. an Muskeln, Darmzellen, Speilichen Stellen vor (Abb. 12-1):
346
12 Endokrinologie
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cheldrüsen, Malpighischen Gefäßen, Spermatheken und dem Ovidukt. Aus elektronenmikroskopischen Untersuchungen weiß man , dass viele dieser NSZ peptiderge und aminerge Vesikel enthalten. NSZ von Insekten sind daher nicht nur ProduktionssteIlen "typi scher" peptiderger Neurohormone, sondern sie können auch peptiderge und aminerge Neurotransmitter und Neuromodulatoren sowie biogene Amine mit typischer Hormonfunktion produ zieren.
-
nh
-
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np
Abb. 12-1: Schematische Darstellung von neurosekretori schen Zeilen und Zentren sowie Orten der Freisetzung neurosekretorischen Materials in Insekten . Punkte stellen neurosekretorische Zellen (NSZ) dar, die im Gehirn in der pars intercerebralis (pi), dem lateralen (la) und dem tritocerebralen (tc) Bereich zu Komplexen zusammengefasst sind. CA = Corpora allata, CC = Corpora cardiaca, ne = Neuroeffektor Endigungen, nh = Neurohämal Zonen, np = Neuropil - neurosekretorische Endigungen, ps = perisympathische Organe. (Modifiziert nach Raabe, 1989).
12.1.2 Corpora allata/Corpora cardiaca-Komplex, Ringdrüse Die Corpora allata (CA) sind Produktionsort der J uvenilhormone. Sie entstehen als paarige Einstülpungen des Ektoderms im Bereich des Maxillarsegments oder zwischen Maxillar- und Mandibularsegment. Bei höher entwickelten Art en wandern sie aus ihrer ursprünglich mehr ventralen Lage nach dorsal und treten dort in Kontakt mit den Anlagen der Corpora cardiaca oder mit Nerven, die aus den CC projizieren (Abb. 12-3). Die CA sind doppelt innerviert: Durch die aus dem Protocerebrum sta mmenden nervi corporis allati
12.1 Hormone und ihre Bildungsorte
G
- - - - + -7-
BM -----1'-----------,f-
PN -
-
-+-
347
seaktivität der CA treffen zu können . Zum Teil besteht auch eine positive Korrelation zwischen Größe bzw. Volumen und dem Ausmaß der Juvenilhormon-Produktion, etwa während eines Häutungszyklus oder im Zusammenhang mit der Vitellogenese. So sind z. B. bei Hummeln der Art Bambus terrestris die CA und auch die Juvenilhormon-Syntheseaktivität bei Arbeiterinnen in Anwesenheit der Königin deutlich kleiner als bei der Königin selbst. Diese positive Korrelation hat aber keine generelle Gültigkeit. So gibt es z. B. Hypertrophi e der Corpora allata bei Männchen und ausgeprägte zyklische Schwankungen der JHSynthese ohne entsprechende Größenänderungen der Hormondrüse. Die CA produzieren nicht nur Hormone, sondern bei Schmetterlingen und Käfern enden darin auch die Endbläschen neurosekretorischer Zellen des Gehirns. Bei Manduca sex ta stellen die CA außerdem ein Neuroh ämalorgan dar, das zur Freisetzung des großen Prothorakicotropen Hormons (PTTH) aus den lateralen neurosekretorischen Zellen der Gruppe III dient (Abb. 12-4).
--1
Abb. 12·2: Übersicht über das Eclosion Hormone (EH) System im Nervensystem der Puppe von Manduca sexta. Bildungsort sind 4 Neurone im ventromedianen Bereich des Gehirns (= G). Ihre Axone durchziehen das gesamte Bauchmark ( = BM) und setzen EH in Proetodaeums-Nerven (= PN)
frei. (Modifiziert nach Truman, 1992)
I, die aus neurosekretorischen und normalen neuronalen Fasern zusammengesetzt sind und die Corpora cardiaca durchziehen und durch die nervus corporis allati II aus dem Subösophagi alganglion. Die Achse Gehirn (Neurosekretorische ZeIlen) - Corpora cardiaca - Corpora allata ist bereits vor dem Schlüpfen voll ausgebildet. Die CA sind rund bis oval. Die einfache Geometrie der CA erlaubt es, leicht Größen- oder Volumenmessungen vorzunehmen . Man knüpfte daran die Hoffnung, Aussagen über die Synthe-
Abb. 12-3: Schematische Darstellung der Corpora allata (punktiert) und ihrer lage und Innervierung bei verschiedenen Insekten - Gruppen: 1 = Ursprung der CA, 2 = Thysanura, 3 = Odonata, 4 = verschiedene holometabole Gruppen, 5 = Hemiptera, 6 = höhere Diptera. A = Aorta; Bm = Bauchmark, CC = Corpora cardiaca; D = Darm; HG = HypocerebraI Ganglion l = labrum, la = labium, Md = Mandibel;
Mx = Maxille; SG = Subösophagial Ganglion. (Modifiziert nach Cassier, in: Gupta, 1990).
348
12 Endokrinologie
111
~":::::'=--- T N
CC
r=:::::;:::::::~~/,'I7~~- NCC-NR
CA
NCC 5
Abb. 12-4: Schematische Darstellung des cerebralen neurosekretorischen Systems und der Innervie· rung der Corpora cardiaca (CCl in 5. larvenstadien oder adulten Schmetterlingen. I bis IV: Gruppen neurosekretorischer Zellen (schraffiert). Die Gruppe I projiziert ipsilateral, die Gruppen 11 und 111 contralateral über die nervi corpori cardiaci 1+2 (NCC 1+2) in den Corpus cardiacum-Corpus allaturn(CA)-Komplex. Die tritocerebrale Gruppe IV projiziert über die nervi corpori cardiaci 3 (NCC 3) zum Corpus cardiacum -Corpus allatus-Komplex. A = aorta; F = frontal ganglion; G = Gehirn; NCC 3, = nervus corporis cardiaci 3; NCC 5 = nervus corporis cardiaci ventralis; NCCNR = nervi corpori cardiaci - nervus recurrens; NR = nervus recurrens; SG = Suboesophagial Ganglion; TN = Tegumental Nerv. (Modifiziert nach Ichikawa, J. exp. Biol. 161 ,217, 1991 und Copenhaver and Truman, J. Neurosci. 6, 1738, 1986).
Die Corpora cardiaca (CC) (Abb. 12-4) sind ein komplexes Organ. Sie entstehen embryonal aus paarigen Zellgruppen , die aus dem dorsalen Dach des Stomod aeums evaginieren und während des dorsalen Rückenschlusses ihre definitive Lage einnehmen. Schon vor dem Schlüpfen der Larve sind in Zellen der CC Zeichen neurosekretorischer Aktivität festzustellen. In Imagines bestehen die CC aus mindestens 3 verschiedenen Zelltypen: Gliazellen, neuronalen und glandulären Zellen. Die neuronalen Zellen werden auch als extrinsische Zellen bezeichnet. Sie speichern und sezernieren Neurohormone, die in den Perikaryen typischer NSZ aus dem Gehirn oder aus Ganglien gebildet werden. Axone von NSZ aus dem medianen Bereich des Gehirns (pars intercerebralis) sind gebündelt und stellen die beiden nervi corporis cardiaci I (NCC I) dar, solche aus lateralen Bereichen die nervi corporis cardiaci 11 (NCC 11) und falls aus dem Tritocerebrum noch Axone neurosekretorischer Zellen in die CC ziehen, sind diese zu den nervi corporis cardiaci III gebündelt. NCC I und 11 können auch verschmolzen sein. Die glandulären - auch intrinsisch genannten - Zellen haben ihre Zellkörper in den CC selbst und produzieren auch ihre eigenen Sekretionsprodukte, die adipokinetischen Hormone (s. 12.2.5). Diese neurosekretorischen Zellen sind innerhalb der CC dispers verteilt und nur bei Locusta bilden sie einen zusammengehörigen und vom Speicherteil der CC getrennten glandulären Lobus. Bei Schmetterlingen und Käfern ziehen die NCC durch die CC durch
und enden mit ihren neurosekretorischen Endbläschen entweder an der Aortawand oder in einer Hülle um die CA.
12.1.3 Häutungsdrüsen Die Häutungsdrüsen der Insekten (Abb. 12-5) werden in der Embryogenese noch vor dem dorsalen Rückenschluss angelegt. Ektodermale Zellen aus dem Labialsegment invaginieren und bilden zunächst eine schlauchförmige Struktur aus. Diese Anlagen lagern sich im weiteren Entwicklungsverlauf den ebenfalls im Labialsegment gebildeten Speicheldrüsen an. Sie wachsen aus, werden kompakt und haben, je nach Insektenart, schon am Ende der Blastokinese die endgültige Zellzahl erreicht. Die Häutungsdrüsen können an der Kopfkapsel als Ventraldrüsen angeheftet im Kopf verbleiben. Sie können aber auch caud ad auswachsen, mit der Kopfkapsel verwachsen oder frei sein. In diesen Fällen bezeichnet man sie dann als Prothoraxdrüsen. Ursprünglichere Taxa weisen Ventraldrüsen auf, während Blattoidea, Hemipteroidea und alle holometabolen Insekten Prothoraxdrüsen besitzen. Prothoraxdrüsen legen sich häufig eng an Tracheen oder auch Muskelfasern an und umwachsen diese zum Teil. Sie sind innerviert, meist vom Prothorakal- und Suboesophagialganglion, bei Lepidopteren noch zusätzlich vom Mesothorakalganglion. Bei Dipteren schlie-
12.1 Hormone und ihre Bildungsorte
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Abb.12·5: Häutungsdrüsen und assoziierte Organe in Larvenstadien verschiedener Insekten - Gruppen: A = Ephemeroptera, B = Isoptera, C = Lepidoptera (Bombyx moii), D = Lepidoptera (Hyalophora), E = Orthoptera (Gryllus bimaculatus), F = höhere Diptera, G = Dictyoptera (Periplaneta americana). CA = Corpora allata, CC = Corpora cardiaca, MG = Mesothorakai Ganglion, PD = Prothorax Drüse, PG = Prothorakal Ganglion, SG = Subösophagial Ganglion, T = Tracheen. (Modifiziert nach Beaulaton, in: Gupta, 1990).
Ben sich die Prothoraxdrüsen zu einem Corpora allata/Corpora cardiaca -Komplex zur so genannten Ringdrüse zusammen. Lage und Aussehen der Häutungsdrüsen sind daher sehr vielgestaltig (Abb. 12-5). Es ist bis jetzt nicht eindeutig unter sucht worden, zu welchem Zeitpunkt die Häutungsdrüsen erstmals Hormone synthetisieren. Licht- und elektronenmikroskopisch kann man schon während der Embr yogenese 2
Aktivitätszyklen der Prothoraxdrüsen feststellen, die zeitlich mit der Ablagerung der 2. und 3. (larvalen) embryonalen Kutikula korrelieren. Diese zyklischen Änderun gen spiegeln sich auch in Titeränderungen an Ecdysteroiden wider, wobei nicht nur die Synthese, sondern auch die Freisetzung von Ecdysteroiden aus Konjugaten entscheidend ist. Während der postembryonalen Entwicklung nimmt die Größ e und bei einigen Gruppen auch noch die Zellzahl der Häutungsdrüsen zu. In der Puppe oder häufiger in den Imagines kommt es aber
350
12 Endokrinologie
meist zu einer Degeneration der Häutungsdrüsen. Hierbei wirken die Häutungshormone selbst als Auslöser für Apoptose und Autophagie.
Die Feinstruktur der Häutungsdrüsen wurde bei mehreren Arten intensiv untersucht. Charakteristische Bestandteile sind: ein hoher Anteil glatten endoplasmatischen Reticulums (sER) und viele freie Ribosomen, wie sie für Steroide produzierende Zellen typisch sind . Es kommt aber auch raues endoplasmatisches Reticulum (rER) vor, das al~ Produktionsort für Ecdysteroid-Transportproteme angesehen wird . Die Plasmamembran der ~äutungsdrüsen weist starke Einfaltungen auf, die em ausgeprägtes Lakunensystem bilden können. Bei mehreren Arten (Tenebrio molitor, Aeschna cyanea, Galleria mellonella) wurden auch Lipidvakuolen beschrieben, die als Speicher für Cholesterin angesehen werden, das als Vorstufe für die Ecdys~eroidsynthese benötigt und von Arthropoden nicht selbst synthetisiert werden kann, in der Nahrung aber reichlich vorhanden ist. Im Verlauf eines Häutungszyklus kommt es zu ausgeprägten Veränderungen der Feinstruktur. Die Membraneinfaltungen nehmen an Größe zu, wenn die Drüsen Ecdysteroide synthetisieren und sie werden reduziert kurz vor einer Häutung, wenn der Ecdysteroidspiegel bereits abgefallen ist. Ein gleichartiger Verlauf ist auch für das sER beobachtbar. Im Verlauf der Ecdysteroidsynthese nehmen die Lipidvakuolen und auch die Glykogengrana ab. Wie für alle Drüsen, die Steroidhormone produzieren, gilt auch für die H äutungsdr üsen, dass sie Ecdysteroide nach Bedarf synthetisieren und keine Speicherorte für diese Hormone darstellen.
12.1.4 Reproduktionsorgane Im Gegensatz zu Vertebraten ist die Synthese von Hormonen in den Fortpflanzungsorganen der Insekten bisher nur bei wenigen Arten nachgewiesen worden, obwohl bei vielen Insekten - aber auch anderen Arthropoden - in Gonaden Ecdysteroide und Juvenilhormone gefunden wurden . Die Synthese von Ecdysteroiden ist in Hoden einiger Schmetterlinge und Orthopteren und in den FollikelzelIen der panoistischen Ovarien von Locusta migratoria, Gryllus bimaculatus und Nauphoeta cinerea gezeigt worden. In diesen Arten wird in den vitelIogenen Oocyten der Block der Meiose während der Prophase durch Ecdyson aufgehoben. O~arien produzieren zudem noch Peptidhormone, WIe z.B. Neb~TMOF (s. 12. 2. I), die u.a. an hormonellen Regulationen, etwa der Eireifung beteiligt sind. '
12.1.5 Andere Gewebe als Hormonproduzenten Am B:ispiel der Reproduktionsorgane (12.1.4) und bel der Besprechung pleiotroper Effekte von Häutungshormonen (12.2.1) wird offensichtlich dass außer Häutungsdrüsen auch andere Geweb~ Ecdysteroide zu synthetisieren vermögen. Ausser Ovar und Testis sind noch Oenocyten und das Integument in der Lage, Ecdysteroide in geringen Mengen zu synthetisieren. Die physiologische Bedeutung dieser zusätzlichen Ecdysteroidsynthese ist nicht in allen Fällen klar. Zwar gibt es Befunde dass im frühen letzten Larvenstadium isoliert~ Abdomina ohne Prothoraxdrüse eine puppale und sogar adulte Häutung durchlaufen können; die ~cdyster~idspiegel sind aber deutlich niedriger als Im GanztIer. Ecdysteroide aus der Epidermis spiele~ vermutlich eher eine Rolle als auto- oder para~nne. Media~oren, die in der Epidermis über gap junctions weitergeleitet werden. Zu den Hormondrüsen und neurosekretorischen Zellen kommt noch das sogenannte "diffuse endokrine System" hinzu . Es handelt sich hierbei um Zellen, die zwischen die VerdauungszelIen des Mitteldarmes eingestreut sind und deren Feinstruktur den endokrinen Zellen des Darmes von Vertebraten entspricht. Außerdem wurden in diesen Insektenzellen mit immuncytochemischen Methoden bei Vertebraten vorkommende und metabolisch wirksame Peptidhormone wie Gastrin
12.2 Funktionen einiger ausgewählter Hormone
12.1.6 Hormonrezeptoren
12.2 Funktionen einiger ausgewählter Hormone
351
Zu einem Hormonsystem gehören definitionsgemäß außer der Hormondrüse als Bildungsort und dem Transportweg über die Hämolymphe noch der oder die Wirkorte, die durch den Besitz spezi- 12.2.1 Häutungshormone und die Regulation ihrer Synthese fischer Erkennungsstrukturen oder Rezeptoren für ein entsprechendes Hormon ausgezeichnet sind . Für Insekten liegen umfassendere Kenntnisse über Häutungshormone oder Ecdysteroide (Abb. 12-6) die Struktur, Funktion und Verteilung von Respielen eine zentrale Rolle beim Häutungsg.esc~e zeptoren nur für den Ecdysteroidre~ept~r vor. Der hen aller Arthropoden, sind aber weder dIe einfunktionelle Ecdysteroidrezeptor Ist ein Heterozigen an diesem Prozess beteiligten Hormone, dimer aus dem Ecdysteroidrezeptor (EcR) und noch ist dies ihre einzige Aufgabe. Neben den einem zweiten Transkriptionsfaktor, ultraspiracle morphogenetischen Effekten in Form von Hä~ (USP) . Beide Proteine zählen zur großen .Familie tung, Metamorphose und Evagination von Im~g~ der nukleären Rezeptoren. Der Ecdysteroidrezepnalscheiben können sie noch Wirkungen auf Eireitor konnte autoradiographisch mithilfe des radiofung und Embryogenese, Vitellogenese, Ovulation, aktiv markierten Ecdysteroidagonisten PonasteSpermiogenese, Pheromon-Biosynthese, Synthese ron A oder immuncytochemisch in vielen Geund Aufnahme von Arylphorinen in den Fettweben, z. B. in spezifischen Zielorganen wie der körper, Synthese unterschiedlichster Proteine und Epidermis und dem Nervensystem und in einem Enzyme, Farbwechsel, und das Verhalten ausüben, ausgeprägt entwicklungsabhängigen Muster nachsowie einige nicht-genomische Effekte verursagewiesen werden. Ecdysteroidreze~toren findet chen . Nicht alle diese Wirkungen treten aber in man u. a. auch in den neurosekretonsehen Zellen, einer Art auf. die das prothoracicotrope Hormon (PTTH) ausDas in den Häutungsdrüsen oder anderen Ecschütten, in den Häutungsdrüsen seIbst, aber auch dysteroid-synthetisierenden Organen aus Cholein Geweben, die Ecdysteroide metabolisieren wie sterin gebildete Ecdysteroid ist meist Ecdyson und dem Fettkörper und den Malpighischen Gefäßen. häufig zusätzlich 3-Dehydroecdyson (Abb. 12-6), Diese Befunde machen es wahrscheinlich, dass die in den Zielorganen zu biologisch aktiveren Ecdysteroide ihre eigene Synthese und ihren ~eta Ecdysteroiden, z. B. dem am weitesten verbreiteten bolismus über Ecdysteroidrezeptor-vermittelte 20-0H-Ecdyson (Abb. 12-6) umgewandelt werProzesse regulieren . Der Ecdysteroidrezeptor den . Die Synthese der Ecdysteroide wird durch kann bei einer Art in 2 bis 3 Isoformen vorPeptidhormone aus dem Gehirn, die,soge.nan~ten kommen . Für Drosophila melanogaster wurde geprothorakicotropen Hormone (PTTH s) stIm~hert. zeigt, dass die Expression einer spezifischen Is~ In den meisten Arten fand man sowohl mederform charakteristisch ist für Zellen im ZNS, die (4-7 kDa; PTTH-II) als auch hochmolekulare beim Übergang von der Puppe zum adulten Tier (22-30 kDa; PTTH-I) PTTH's; beide PTTH's einem programmierten Zelltod unterliegen. ~cdy~ kommen in einer Art in verschiedenen molekuteroidrezeptoren wurden neuerdings auch In ~l laren Varianten vor. PTTH's wirken über memnem charakteristischen Verteilungs muster an Riebranständige Rezeptoren; cAMP ist second messsenchromosomen von Chironomus tentans detekenger für beide prothoracicotrope Ho~mone'.Die tiert: sie sind auch notwendig für die Oogenese. niedermolekulare Form fördert aber mcht bei alDie' Induktion von Puffs durch Ecdysteroide len Arten die Ecdysteroidsynthese. Dies trifft z. B. führte vor über 30 Jahren zu dem allgemeingültifür den Seidenspinner, Bombyx mori, zu, dessen gen Konzept der Steroidhormonwirkung in Form PTTH-Il eine erstaunlich hohe Sequenz- und von Regulation der Transkription. Strukturähnlichkeit zum Insulin aufweist . Neben Für einige wenige Peptidhormone wurden neuden PTTH's sind auch noch andere Hormone an erdings membranständige, mit G-Proteinen geder Regulation der Ecdysteroidsynthese beteiligt: koppelte Rezeptoren nachgewiesen , die. über sezum einen Ecdysteroide selbst, zudem noch Juvecond messenger wie cAMP, cGMP sowie Hydronilhormone und - ganz neu entdeckt das Hexalyseprodukte aus dem Signaltransduktionsweg peptid Neb-TMOF (Neobellieria (=Sarcophaga) über Phosphatidylinositol wirken . bullata Trypsin Modulating Oostatic Factor), das u. U. die Ecdysteroidsynthese hemmt. Außer der Einleitung von Häutungsprozessen durch Häutungshormone ist auch der letzte Schritt, das Abwerfen der Exuvie, der Reste des alten Exoskeletts, bei der Ecdysis hormonell reguliert . Das verant-
352
12 Endokrinologie
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o Ecdyson
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Juvenilhormon 111
Abb. 12-6: Strukturformeln einiger Ecdysteroide (Ecdyson und 3-Dehydroecdyson alsprimäre Syntheseprodukte, 20-0H-Ecdyson als das am meisten verbreitete biologisch aktive Häutungshormon) und von einem Juvenilhormon.
wortliehe Hormon, das Eclosion Hormone (EH) ist bei Mandu ca sex ta, Bombyx mori und Drosophila melanogaster beschrieb en. Es ist ein Peptidhormon , das nach Bindung an einen membranständigen Rezeptor die Hydroly se von Phosphatidylinositolen stimuliert und damit zur Bildung der intrazellulären Signale Inositoltrisphosphat und Diacylglycerol führt. Außerd em setzt es ein neuronal wirksames Peptidhormon aus den Epit raehealdrüsen frei, das "ecdysis-triggering hormone" ,
12.2.2 Juvenilhormone und die Regulation ihrer Synthese Juvenilhormone (JH ) sind Sesquiterpenoide (Abb. 12-6) und kommen außer bei Insekten als stru kturverwandte Hormone nur noch bei Cru staceen vor. Sie können von beiden Taxa selbst synthetisiert werden. Bei Insekten findet die Synthese sowohl bei Larven als auch bei Adulten in den Corpora allata statt. JH haben mindestens 2 wesentliche Funktionen: eine juvenoide und eine gonadotrope. Sie sind für die Aufrechterhaltung des larvalen Charakters verantwortlich und im
adulten Insekt für die Synthe se des Vitellogenins im Fettkörp er, das Sexualverhalten in beiden Geschlechtern und die Ent wicklun g akzessor ischer Drü sen im männlichen Gen italapp arat. Darüber hinaus sind sie z.T. noch an der Regulation spezifischer Färbungen im adulten Tier, der Induktion von mehreren Proteinen wie z. B. Gefrier schutzprot einen oder der Orn ith indecarboxyl ase beteiligt. Der Wirkmechanismus der JH 's scheint komplex zu sein: es sind Wechselwirkungen mit Plasmamembranen beschrieben , aber auch Bindung an intrazelluläre Rezeptoren. Auch ein Einfluss auf die Stabilität von messenger RNAs wird beschrieben. Wie schon bei den Ecdysteroid en beschrieben, unterliegt auch die Synthe se der Juvenilhormone einer Kontrolle sowohl durch niedermol ekulare Effektoren wie z. B. Octopamin, im Wesentlichen aber durch 8 bis 14 Amin osäuren große Neuropeptidhormone, die in Form von Allatotropinen die Juvenilhormonsynthe se fördern oder sie als Allatostatine hemmen . Allatostatine haben aber vermutlich noch andere Funktionen. So isolierte man aus einer Calliphora-Art Peptide, die auf Grund ihrer Primärstruktur in die Hormonfamilie der Allatostatine eingereiht werden, die aber bei der eigenen Art die JH-Synthese nicht hemmen;
12.2 Funktionen einiger ausgewählter Hormone
353
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Abb. 12·7:Titer an Häutungshormonen (-) und Juvenilhormon (... ) während der 4. und 5. Larvenstadien (L IV, LV) und der Metamorphose von Manduca sexta. I = Imago; P = Puppe; PP = Pharate Puppe. Die Entwicklungsdauer ist inTagen für das jeweilige Stadium angegeben. (Modifiziert nach Riddiford, 1994).
sie wirken aber bei einer Schabe allatostatisch. Für die Aufrechterhaltung des zirkulierenden JH-Titers spielen neben der Regulation der Synthese die Bindung von JH an Transportproteine in der Hämolymphe sowie der Metabolismus, vor allem durch Esterasen , eine entscheidende Rolle. Sowohl Transportproteine als auch JH-Esterasen unterliegen einer entwicklungsabhängigen Kontrolle.
12.2.3 Metamorphose Für die hormonelle Regulation der Metamorphose holometaboler Insekten ist das Wechselspiel zwischen Häutungs- und Juvenilhormonen entscheidend (Abb. 12-7). Diese Interaktionen sind besonders gründlich bei dem Tabakschwärmer Manduca sexta untersucht worden . Für jede Häutung , gleichgültig ob larval-larval, larval-puppal oder puppal-adult, sind Häutungshormone zwingend erforderlich. Im letzten (5.) Larvenstadium dieses Schmetterlings sinkt der Juvenilhormontiter ab. Erst in Abwesenheit von JH bildet sich der "kleine" Ecdysteroidpeak aus, der für das Umprogrammieren von larvaler zu puppaler Entwicklung entscheidend ist. Der "große" oder präpuppale Ecdysteroidpeak ist für die Einleitung der Häutung notwendig . Gleichzeitig steigt auch der JH-Titer wieder an , was zur Folge hat, dass die durch Ecdysteroide induzierbare Evagination der Imaginalscheiben noch unterdrückt wird. Die Evagination kann erst dann beim Übergang von der Puppe zum adulten Tier erfolgen, wenn der Häutungshormontiter ansteigt aber kein JH mehr vorhanden ist. JH tritt erst wieder im adulten Insekt als gonadotropes Hormon auf. Im letzten Larvenstadium findet noch eine weitere wichtige hormonale Umschaltung statt: Nach Durchlaufen beider Ecdysteroidpeaks wird in neurosekretorischen
Zellen jedes Abdominalganglions das Peptidhormon Bursicon synthetisiert , das die Sklerotisierung der Kutikula in Puppen und Adulten kontrolliert. Die durch Ecdysteroide induzierte Metamorphose umfasst eine Vielzahl entwicklungsabhängiger Prozesse wie Zellproliferation, Zellwanderung, Apoptose larvaler Gewebe und den Umbau von Geweben, besonders ausgeprägt bei der Muskulatur und dem Nervensystem . Dass aber nicht nur die Expression mehrerer Transkriptionsfaktoren zeitlich gestaffelt reguliert wird, sondern auch basale metabole Prozesse wie z. B. die Glycolyse, konnte durch den Einsatz der Microarray Technologie beim Studium der Metamorphose von Drosophila melanogaster nachgewiesen werden.
12.2.4 Myotrope Hormone Proctolin war das erste Peptidhormon, das aus einem Insekt isoliert und charakterisiert wurde. Es ist ein Pentapeptid, das u. a. die Kontraktion glatter und quergestreifter Muskulatur, sowie des Insektenherzens stimuliert. Inzwischen sind aus vielen Insekten , besonders aber aus der Schabe Leucophaea maderae und der Heuschrecke Locusta migratoria sehr viele myotrop wirkende Peptide isoliert und in ihrer Struktur aufgeklärt worden. Allein aus Locusta migratoria sind bisher 27 Myotropine beschrieben. Der einfache biologische Test (Veränderung der Spontankontraktionen des Enddarms von Leucophaea maderae) und sehr fortgeschrittene Trenntechniken wie die HPLC sowie physikochemische Nachweisverfahren wie der Massenspektroskopie und Gasphasensequenzierung, ermöglichten ihren Nachweis. Die Aufklärung der physiologischen Bedeutung der einzelnen Peptidhormone und der Wirkmechanismen hinkt hinter der Strukturaufklärung noch hinterher. Von
354
12 Endokrinologie
der Primärstruktur aus lassen sich einige Gruppen an myotropen Hormonen zusammenfassen: Tachykinine, die Verwandtschaft zu den Tachykininen von Vertebraten aufweisen und die auch bei Insekten über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wirken. Außerdem findet man Kinine, Sulfakinine, die ein sulfatiertes Tyrosin aufweisen und einen hohen Gr ad an Sequenzähnlichkeit zu den gastrointestinalen Hormonen Gastrin II und Cholecystokinin der Vertebraten aufweisen, sowie die kurzkettigen FMRF-Amid-ähnlichen Peptide, die in allen Tiergruppen vorkommen und häufig neuromodulatorisch wirksam sind.
12.2.5 Adipokinetische Hormone Bis heute sind 28 Peptide bekannt, die als adipokinetische Hormone (AKH) beschrieben werden. Die Namensgebung erfolgte nach dem ersten beschriebenen Hormon aus Schistocerca gregaria, das im Fettkörper Fette abbaut. Alle beschriebenen AKH weisen einen hohen G rad an struktureller Ähnlichkeit auf, sie können aber sehr unterschiedliche Funktionen ausüben . AKH bestehen aus 8, 9 oder 10 Aminosäuren . Sowohl die N-termin ale als auch die C-terminale Aminosäure sind blockiert in Form von pyro-Glutamyl, bzw. als Amid. Namensgebung und Hauptfunktion müssen nicht übereinstimmen, wie dies im Falle von Allatostatinen (12.2.2) und Neb-TMOF (12.2.1) bereits beschrieben wurde. In diese Hormonfamilie (AKH-RPCH-Familie) gehört auch noch das erste aus einem Wirbellosen isolierte und charakterisierte Peptidhormon, das Red Pigment Concentrating Hormone (RPCH) aus Crustaceen . In vielen bisher untersuchten Insektenarten kommen gleichzeitig 2 verschiedene AKH vor, wobei die physiologische Notwendigkeit unbekannt ist. In den meisten Arten haben die beiden Hormone keine qualitativ, sondern allenfalls quantitativ unterschiedlichen Effekte. Im wesentlichen beruhen die Wirkungen der AKH auf einer Mobilisierung von Energie. Dabei können im gleichen Tier sowohl Lipid- als auch Glykogenspeicher betroffen sein, zusätzlich wird der Proteinstoffwechse1 beeinflusst. Die mengenmäßigen Anteile dieser Energieträger sind artspezifisch. Auslöser für die Aktivierung des Energiestoffwechsels ist z. B. der Beginn des Fluges, der zu einer Ausschüttung von AKH führt. Da aber auch nichtfliegende Insekten wie etwa die Stabheuschrecke Carausius morosus oder Larvenstadien von Heuschrecken, sowie einige sehr langsam bewegliche Käferarten über AKH verfügen, kann die Bereitstellung von Energie für den Flug durch AKH nicht die alleinige Aufgabe dieser Hormone sein. Eine Bedeutung für
den Lipidtransport, sowie den Metabolismus und die Aufnahme von Lipiden in den Flugmuskel wurden für Heuschrecken nachgewiesen. Einige Mitglieder der AKH/RPCH-Familie weisen auch myotrope Aktivität auf.
12.2.6 Hormonelle Regulation des Wasserhaushaltes Die Regulation des Wasser- und Mineralhaushaltes ist für landlebende Insekten von enormer Bedeutung. Neben Baumerkmalen, die Wasserverlust verhindern helfen wie beispielsweise Cuticula und Tracheenatmung, ist aber umgekehrt bei Pflanzensaft- oder Blutsaugenden Insekten eine wirksame Abgabe überschüssiger Flüssigkeit notwendig (s. 4.5.4). So kann z. B. eine weibliche Anopheles bei einer Blutmahlzeit mehr als das Zweifache des eigenen Körpergewichtes an Flüssigkeit aufnehmen und mit der Exkretion von Wasser schon während der Mahlzeit beginnen. Bei allen diesen Regulationen spielen Hormone eine große Rolle. Sie können dabei im wesentlichen an 2 Stellen angriffen: a) diuretische Hormone (DH) stimulieren die Produktion des Primärharnes in den Malpighischen Gefäßen und b) antidiuretische Hormone (ADH), fördern die selektive Reabsorption durch den Enddarm. Als Ausnahme ist bei der Grille Acheta domesticus ein ADH bekannt, das antagonistisch zum DH direkt an den Malpighischen Gefäßen angreift. Die Aufklärung der funktionellen Bedeutung und der Wirkmechanismen der DH und ADH wird u. a. dadurch erschwert, dass z. B. die diuretische Wirkung in ein und derselben Art durch mehrere Hormone verursacht sein kann . So sind in Locusta migratoria 3 verschiedene diuretische Peptidhormone beschrieben: eines, das Ähnlichkeit mit dem Corticotropin Re1easing Faktor (CRF) hat, ein zweites, das eine hohe Sequenzähnlickeit mit dem ebenfalls aus Vertebraten beschriebenen Hypophysen - Hinterlappen Hormon Arginin-Vasopressin (bzw. Arginin-Vasotocin; AVP, bzw. AVT) hat und ein drittes, das aus 46 Aminosäuren besteht (Lom-DH = Lo custa migratoria Diuretisches Hormon). Allen gemeinsam ist, dass sie an membranständige Rezeptoren binden und daraufhin in den Malpighischen Gefäßen vermehrt cAMP als second messenger gebildet wird und als Folge die Sekretionsrate erhöht wird. Das AVP-ähnliche diuretische Hormon wird in den Thorakal- und Subösophagealganglien gebildetes. Es ist als Monomeres biologisch unwirksam und wirkt nur als Dimeres; die beiden Monomere sind antiparallel kovalent miteinander verknüpft . Lom-DH kommt im Gehirn, im wesentlichen aber
Verzeichnis weiterführender Literatur
in den Speicherloben der Corpora cardiaca vor und erreicht eine maximale Wirkung bereits bei einer Konzentration von 5 x 10-12 M.
12.3 Eingriffe in das Hormonsystem als Mittel zur Schädlingsbekämpfung Das Vorkommen Arthropoden-spezifischer Hormone, wie Juvenilhormone und Ecdysteroide bietet einen Ansatzpunkt für die Entwicklung von Insektiziden mit geringer Wirbeltier-Toxizität. Aufgrund der einfacheren chemischen Struktur im Vergleich zu Ecdysteroiden werden Juvenilhormonanaloge schon seit über 30 Jahren synthetisiert und erfolgreich zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Durch chemische Modifikationen der JH's konnten Agonisten gewonnen werden , die im Vergleich zu den endogenen JH 's sowohl photochemisch stabiler als auch schlechter metabolisch abbaubar sind . Aufgrund der Metamorphosehemmenden Wirkung der JH kann allerdings das Problem auftreten, dass unter dem Einfluss der noch vorhandenen Ecdysteroide zusätzliche und größere Larvenstadien induziert werden, was im Falle von Arten, bei denen die Larven Fraßschädlinge sind , unerwünscht ist. Zudem sind auch schon die ersten Resistenzen gegen Juvenilhormon-Analoge nachgewiesen worden. Insektizide Wirkung von mehreren Substanzen, die entweder zu einem Verlust oder einer Hemmung der JHSynthese führen, wurde ebenfalls nachgewiesen. Da für eine wirkungsvolle Bekämpfung aber höhere Dosen notwendig sind und da zudem einige der Substanzen z. B. bei den meisten holometabo len Insekten nicht wirken , haben sich diese Substanzen zwar als wertvolle Hilfsmittel für das Labor erwiesen, aber nicht als Insektizide für das Freiland. Ecdysteroide können insektizide Wirkung ha ben, wenn sie in hoh en Dosen oder zu "falschen" Zeiten im Häutungszyklus gegeben werden . Eine chemische Synthese von Ecdysteroiden ist zwar möglich , aber wirtschaftlich unrentabel; gleiches gilt auch für die Isolierung aus pflanzlichem Material. Erst durch die Entwicklung einfacher gebauter, nicht-steroidaler Häutungshormon-Agonisten, den Benzoylhydrazin-Derivaten, ist dieser Angriffspunkt attraktiv geworden . Diese Substanzen binden mit hoher Affinität an den Ecdysteroidrezeptor und lösen damit ecdysteroid-vermittelte Reaktionen aus, z. B. zu früh induzierte Häutungen. Eine Wechselwirkung mit Steroidhormonrezeptoren aus Wirbeltieren konnte au sgeschlossen werden. Die Toxizität gegenüber Säugern ist außer-
355
ordentlich gering . Zumindest im Labormaßstab sind aber Resistenzen gegenüber diesen Hormonagonisten beobachtet worden , die auf veränderten Ecdysteroidrezeptoren beruhen. Eine Hemmung der Synthese oder Veränderungen des Metabolismus der Ecdysteroide, z. B. durch Extrakte des Neem Baumes in denen als wirksame Komponenten Azadirachtine vorhanden sind, wird neuerdings als Schädlingsbekämpfungsmaßnahme in Afrika und Indien angewandt. Attraktiv erscheint auch ein Eingriff in das System der Peptidhormone, da hier nicht nur Arthropoden-, sondern sogar Artspezifität vorliegt. Rezeptorblocker oder Mimetika für Neuropeptidhormone, Antagonisten und Superagonisten, sowie Enzyminhibitoren, sowohl für die Synthese als auch den Abbau werden als mögliche Insektizide diskutiert. Hohe Gestehungskosten für Peptide, proteolytischer Abbau und die Verfügbarkeit der entsprechenden Substanzen am Wirkort stellen noch Probleme für eine Anwendung dar. Ein Einbau von Genen, die für Peptidhormone aus Insekten kodieren, entweder in Pflanzen, die von Insekten befallen werden, oder in Baculoviren, die z. T. art- oder zumindest gruppenspezifisch Insekten befallen , ist zumindest im Labormaßstab bereits erfolgreich durchgeführt worden. Versuche, virale Insektizide dadurch noch zu verbessern, dass in das Genom des Baculovirus zusätzlich das Gen für die JH-Esterase integriert wurde, erbrachten bisher aber nicht den gewünschten Effekt .
Verzeichnis weiterführender Literatur (Bücher und Übersichtsartikel) Birkenbeil, H. (1990) Die ultrastrukturellen Grundlagen der Ecdysonbildung in den Häutungsdrüsen von Crust aceen und Insekten . Zool. Jb. Physiol. 94: 409-444 Coast, G. M. and Webster, S. G. (1998) Recent advances in arthropod endocrinology. Cambridge University Press, Cambridge Dhadialla, T. S., Carlson, G. R., and Le, D. P., (1998) New insecticides with ecdysteroidal and juvenile hormone activity. Annu . Rev. Entomol. , 43: 545-569 Gäde, G., Hoffmann, K.-H., and Spring, 1.H. (1997) Hormonal regulation in insects: facts, gaps, and future directions. Physiol. reviews, 77: 963-1031 Gäde, G. (1996) The revolution in insect neuropeptides ilIustrated by the adipokinetic hormone/red pigmentconcentrating hormone family of peptides. Z. Naturforsch. 51c: 607-617 Gupta, A. P. (1990/91) Morphogenetic hormones of arthropods, 3 Bände, Rutgers University Press, New Brunswick Kerkut, G. A. and Gilbert, L. 1. (1985) Comprehensive insect physiology, biochemistry, and parmacology. Vol 7 und 8 (Endocrinology I und II). Pergamon Press, Oxford
356
12 Endokrinologie
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13 Fortpflanzung und Entwicklung Anne-Katrin Eggert,
loset K. Müller, Ernst Anton Wimmer und Dieter Ziss/er
13.1 Fortpflanzung Dieter Zissler The activities which lead up to reproduction are the most important in the life cycle of the insect. Indeed it is possible to argue that the entire life of the insect is aimed at this one objective. Vincent B. Wigglesworth
Insekten pflanzen sich fast ausschließlich geschlechtlich fort. Geschlechtliche Fortpflanzung ist an besonders differenzierte Geschlechtszellen, Gonocyten, gebunden . Im Allgemeinen ist die Fortpflanzung der Insekten zweigeschlechtIich, amphigon: Eine weibliche, eine Eizelle (Ovum) wird von einer männlichen, einer Samenzelle (Spermium, Spermatozoon) befruchtet. Die Befruchtung ist ein Zweistufenprozess : Dem Eindringen des Spermiums in die Eizelle, der Syngamie, folgt die Vereinigung des weiblichen Vorkerns mit dem männlichen, die Karyogamie (s. 13.2.1.1). Seltener vollzieht sich die Fortpflanzung eingeschlechtlich, indem sich eine Eizelle ohne Befruchtung entwickelt (Parthenogenese, s. 13.1.2.3). Die Eizellen entwickeln sich in den Ovarien, die Spermien in den Hoden (Testes). Ovarien und Hoden sind bei den Insekten in der Regel auf zweierlei Individuen verteilt (Gonochorismus, s. 13.1.2.1). In Ausnahmefallen sind sie in ein und demselben Individuum vorhanden (Hermaphroditismus, s. 13.1.2.2). Ovarien und Hoden bilden zusammen mit den die Keimzellen ausleitenden Geschlechtswegen (Gonodukte) und den Anhangsdrüsen die inneren Geschlechtsorgane (s. 13.1.1). Als Behälter, die die meist schon relativ früh in der Embryonalentwicklung von den Körper(Soma)zellen getrennten Urgeschlechtszellen (s. 13.2.1.2) zur weiteren Entwicklung (Oogenese bzw. Spermatogenese) aufnehmen, gehen bei den meisten Insekten Ovarien und Hoden aus den paarigen, mesodermalen und einander homologen Genitalleisten hervor. Diese verlängern sich zu anfangs soliden, später röhrenförmigen Genitalsträngen, die die proximalen Anteile der Gonodukte liefern. Die distalen Anteile der Geschlechtswege entstehen aus ektodermalen Einstülpungen. Ovarien und Hoden, einschließlich
ihrer Gonodukte, sind nach dem gleichen Konstruktionsprinzip gebaut. In Abhängigkeit von der terrestrischen Lebensweise der Insekten findet fast ausschließlich innere Syngamie statt (s. 13.2.1.1). Die Spermatozoen gelangen direkt oder indirekt in den weiblichen Körper. Das geschieht bei einigen ursprünglichen Formen ohne jeden , bei höheren mithilfe eines primären, bei den Libellen mittels eines sekundären männlichen Kopulationsapparates (Begattung, s. 13.1.3). Die Eiablage (Oviposition) wird im typischen Fall von einem Legeapparat (Ovipositor) besorgt. Primärer Kopulations- und Legeapparat sind Bildungen der Genitalsegmente und werden als äußere Geschlechtsorgane bezeichnet (s. 2.4). Da bei den meisten Insekten während der Ablage des Eies die Eizelle (Oocyte) zur Reifung und weiteren Entwicklung aktiviert wird (Ei-Aktivierung), wird die Oviposition als Beginn der Embryonalentwicklung betrachtet (s. 13.2.1.1). UngeschlechtlicheFortpflanzung ist bei Insekten nur in Form der Polyembryonie (s. 13.1.2.4) und zudem nur von wenigen Arten bekannt.
13.1.1 Innere Geschlechtsorgane 13.1.1.1 Weibliche Geschlechtsorgane Die Ovarien der meisten Insekten sind paarig und bestehen jeweils aus einer meist art spezifisch konstanten Zahl von Eiröhren (Ovariolen), die in ebenfalls paarige Eileiter (Ovidukte) einmünden. Marcello Malpighi (1628-1694) hat als Er ster am Seidenspinner (Bombyx mori) die Eischläuche in ihrem Bau und ihre Funktion erkannt und sie in seiner Dissertatio epistolica de bombyce, London 1669, als Ovariolen beschrieben.
Im Allgemeinen ist die Zahl der Ovariolen gering. Häufig findet man in einem Ovar 4 (einige Wanzen), 6 (Maik äfer), 8 Ovariolen (Schaben); bei Honigbienen können es 160-180, bei Termiten gar 2000 sein. Während die einröhrigen, paarigen Ovarien einiger Protura (Eosentomon) und Diplura (Campodea) als primär einfach gelten, sind die bei viviparen Diptera (Glossina) als abgeleitet zu betrachten. Eine einzige, also unpaare, Eiröhre
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11
13 Fortpflanzung und Entwicklung
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allen Insekten im Laufe der Ontogenese verliert, bleibt sie bei wenigen ursprünglichen Formen, wie Japyx (Diplura) unter den Entognatha und Machilis (Archaeognatha) unter den Ectognatha, erhalten und veranschaulicht so den plesiomorphen Zustand, demgegenüber die Gruppierung der Ovariolen im Hinterleib der übrigen Ento-, wie aller Ectognatha als Synapomorphie verstanden wird.
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Abb. 13-1: Entwicklung und lage der weiblichen Gonaden im Abdomen von Machilis helleri (Archaeognatha), schematisch. A Embryo, B larve, C Imago, I - VIII 1. - 8. Segment. GGeschlechtsöffnung, GO Gonadenanlage, 0 Ovariale, OV Ovidukt, P Primordialovariole. (Nach F. Weyda 1989, verändert)
haben die amphigonen Weibchen (Sexuales) einiger Blattläuse (Adelgidae, Pemphigidae, Phylloxeridae). Die Ovariolen werden im Embryo segmental angelegt. Während sich diese Anordnung bei fast
oe
Bei den Weibchen von Machili s hel/eri treten die Gonadenanlagen embryonal in Form von 7 Paaren metamerer Zellaggregate auf (Abb. 13-IA). In der ersten postembryonalen Larve entwickeln sie sich zu Primordialovariolen mit jeweils beginnendem Ausführgang (Abb. 13-1 B). Im adulten Tier sind die Ausfuhrgänge jeder Seite zu einem Ovidukt verbunden. Beide Ovidukte vereinigen sich in der am Ende des 8. Segments liegenden Geschlechtsöffnung (Abb. \3- 1 C).
Durch Verkürzung der Ovidukte und, damit verbunden, eine Konzentrierung der Ovariolen auf die Segmente VI und VII kann man sich ebenso die einfach ka mmförmigen Ovarien bei den Acrididae (Abb. 13-2 A) wie die zwei- und mehrfach kammförmigen bei anderen Orthopteroidea entstanden denken. Wird die Reihung der der Zahl nach zudem vermehrten Ovariolen unregelmäßig, sodass diese nunmehr ringsum am Ovidukt sitzen, liegen traubenförmige Ovarien vor, wie sie einige Hemiptera aufweisen (Abb. 13-2 B). Sind bei sol-
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Abb. 13-2: Ovartypen. A kammförmige Ovarien (Acridida), B traubenförmige Ovarien (Homoptera), C hufeisenförmige Ovarien (Plecoptera), 0 büschelförmige Ovarien (lepidoptera). AD Anhangsdrüse, AF After, B Bursa, C Calyx, DB Ductus bursae, DR Ductus receptaculi, Ezum Endstrang vereinigteTerminalfilamente, GAnhangsdrüse am Receptaculum seminis (Glandula receptaculi), I integument, 0 Ovariale, OC Oviductus communis, OP Ooporus, OS Ostium bursae, OV Ovidukt, RReceptaculum seminis, V Vagina. (A-C nach H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970, D nach H. Weber 1954)
13.1 Fortpflanzung
359
I erminaltilarnent
Abb. 13-3: Ovariolentypen. A panoistische, B telotroph-meroistische, C poIytroph-meroistische Ovariale. (Nach F. E. Schwalm 1988, verändert)
A
ehen und ähnlichen Ovar-Formen jeweils die beiden blinden Enden der Ovidukte miteinander verwachsen, spricht man von hufeisenförmigen Ovarien, für die die Plecoptera Beispiele bieten (Abb. 13-2 C). Als einzigartig unter den Insekten gelten die verzweigten Ovarien einiger Coccidae. Am verbreitetsten - u. a. bei Lepidoptera, Hymenoptera, Diptera - sind die büschelförmigen Ovarien, bei denen die Ovariolen über einen gemeinsamen Eikelch (Calyx) in den Ovidukt münden (Abb. 13-2 D). Jede Ovariole stellt einen caudad sich kontinuierlich erweiternden Schlauch aus einem einschichtigen Peritonealepithel mesodermaler Herkunft dar, dem Tracheen anliegen. Im Innern ist die Ovariole gekammert. Sie beginnt mit einem dünnen Faden (Terminalfilum), der sie an der Körperwand , im Fettkörper oder am dorsalen Diaphragma verankert. Auf das Terminalfilum folgt als Endfach das einkammerige Keimlager (Germarium), dem sich der mehrkammerige Dotterstock (Vitellarium) anschließt. Die Kammerbildung ist eine Folge der einreihigen Anordnung der wachsenden Eistadien (Oocyten) in den Ovariolen, die Form der Kammern abhängig von der Art der Eibildung . Die Ovariole endet in einem schlanken, jedoch besonders dehnbaren Ovariolenstiel,
B
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durch den die Eier in den Ovidukt entlassen werden (Abb. 13-3). Das Germarium enthält neben einigen Körperzellen mesodermaler Herkunft die von ihren artspezifisch unterschiedlichen Bildungsstätten im Embryo her eingewanderten Urgeschlechtszellen (s. 13.2.1.2). Aus ihnen gehen durch mehrfache Mitosen die Oogonien hervor, deren je nach Ordnung unterschiedliches Entwicklungsschicksal die Art der Eibildung (Oogenese) bedingt. Im einfachsten Fall vollzieht sich die Oogenese in panoistischen Ovariolen (griech. pan = vollständig, alle; oon = Ei). Alle Oogonien werden zu Oocyten (s. 13.1.1.3) - daher die Bezeichnung "panoistische Ovariolen ". Die Mesodermzellen im Germarium teilen sich ebenfalls. Aus ihren Abkömmlingen entstehen Follikelzellen, die sich als einschichtiges Zylinderepithel um jeweils eine 00cyte ordnen . So formen sich die Eikammern des Vitellariums, die schließlich als geschlossene Einheiten (Follikel) in der Ovariole basalwärts wandern(Abb. 13-3A). Bei den meroistischen Ovariolen gehen aus den Oogonien Ei- und Nährzellen hervor, die als Folge unvollständiger Zellteilungen über Zellbrücken miteinander verbunden bleiben, einen Ei-Nährzellenverband bilden . Auf die Tatsache, dass von den
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
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Abb. 13·4: Cladogramm der Insektenordnungen, die Verbreitung der Ovarientypen veranschaulichend. Zoraptera, Mantophasmatodea und Strepsiptera sind weggelassen, weil der Bau ihrer Ovarien noch fraglich ist. a panoistisch, a' sekundär panoistisch, b polytroph- rneroistisch, c telotroph-rneroistisch, c· telotroph-merolstlsch, jedoch sehr ursprünglich, von allen mit c bezeichneten Ovarien stark abweichend. (Nach N. Kristensen 1981 , aus R. C. King und J. Büning 1985, verändert)
13.1 Fortpflanzung beiden Teilungsprodukten der Oogonien nur das eine zur Eizelle, das andere, das sich weiter teilt, zu Nährzellen wird, bezieht sich die Bezeichnung "meroistische Ovariolen" (griech. meros Teil). Je nach Lagebeziehung der Nährzellen zur 00cyte unterscheidet man zwei Typen meroistischer Ovariolen (Abb. 13-3 B,C) . Bei den telotrophmeroistischen Ovariolcn verbleiben die Nährzellen im Germarium, das damit zugleich zum gemeinsamen endständigen Nährfach wird. Die Zellbrücke zwischen dem Nährzellenverband und der Oocyte erweitert sich zu einem Nährstrang, der um so mehr in die Länge wächst, je tiefer die von Follikelzellen umgebene Oocyte durch nachrückende Eikammern ins Vitellarium gelangt. Bei den polytroph-meroistischen Ovariolen bildet jede Oocyte mit ihrem Nährzellenverband eine Eikammer aus einem Ei- und einem Nährfach. Beide Fächer sind von einem einschichtigen Follikelepithel umhüllt, dessen Zellen im Eifach zylinder-, im N ährfach plattenförmig sind. Zwischen den Eikammern können die Follikelzellen kleine basale Verbindungsstiele formen. Zusammen mit ihnen werden die Eikammern - ähnlich wie bei den panoistischen Ovariolen - als Follikel bezeichnet. Im Vitellarium sowohl der panoistischen als auch der meroistischen Ovariolen (Abb. 13-3) nimmt das Eiplasma (Ooplasma) beträchtlich an Volumen und die Eizelle entsprechend an Größe zu. Ferner wird die Eizelle in eine mehrschichtige Schale eingeschlossen. Die Gesamtheit von Eizelle und Eischaie wird als Ei bezeichnet. Durch das intensive Wachstum der Oocyten erreichen die Eizellen im Vergleich zu den durchschnittlichen Größen der Körperzellen derartige Ausmaße, dass sie zu Recht als Riesenzellen und die Oogenese als Wachstum von Riesenzellen bezeichnet werden (s. 13.1.1.3). Form und Länge der Ovariolen werden weniger von der Größe als von der Anzahl der in ihnen gebildeten Eier bestimmt. Ist nur ein Ei vorhanden, ist die Ovariole kurz (einige Homoptera). Nimmt die Eizahl zu, werden die Ovariolen entsprechend länger (einige Orthoptera). Sie können die Längedes Abdomens übertreffenund werden dann in Windungen gelegt. Beiden Weibchen der sozialen Hymenoptera, die ja zu den größten Eiproduzenten unter den Insekten zählen, wird der Hinterleib durch Dehnung der Interkalarskleritalhäute mächtig aufgebläht, bei den Termitenköniginnen so stark, dass die Sklerite nur noch als kleine Spangen auf den ausgeweitetenInterskleritalhäuten liegen.Derartige, als Physogastrie bezeichnete Vergrößerungen des Hinterleibs können auch Folge entsprechend kräftiger Entwicklungen des Darms und bestimmter Drüsen sein.
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Die taxonomische Verbreitung der drei Ovariolentypen der Insekten legt phylogenetische Beziehungen nahe, wie sie in Abb. 13-4 zusammengefasst
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sind. Da die meisten der an der Basis des Systems der Insekten stehenden Ordnungen (Entognatha mit Ausnahme der Collembola; Archaeognatha; Zygentoma; Odonata; Polyneoptera mit Ausnahme der Dermaptera) panoistische Ovariolen besitzen, dürfte ihr gemeinsamer Vorfahre wohl ebenfalls panoistische Ovariolen gehabt haben . Die polytroph-meroistischen Ovariolen stellen offensichtlich eine Synapomorphie der Paraneoptera und Holometabola dar. Die ebenfalls polytroph-meroistischen Ovariolen der Collembola und Dermaptera weichen so grundlegend vom einheitlichen Bauplan der Ovariolen der Paraneoptera und Holometabola ab, dass sie als Konvergenzentwicklung zu werten sind. Die telotroph-meroistischen Ovariolen, die bei den Ephemeroptera, Hemiptera, Coleoptera-Polyphaga, Raphidioptera und Megaloptera auftreten, sind als jeweils unabhängig voneinander entstanden zu denken . Der telotrophe Ovariolentyp der Ephemeroptera, der mit keiner der anderen telotrophen Ovariolen vergleichbar ist, scheint direkt aus panoistisehen Ovariolen hervorgegangen zu sein, die anderen müssen dagegen vom jeweils polytroph-meroistischen Typus abgeleitet werden. Auch die panoistischen Ovariolen bei den Thysanoptera und Teilgruppen der Megaloptera, Neuroptera und Siphonaptera müssen auf polytroph-meroistische Ovariolen zurückgeführt werden . Die Eibildung durch Hilfszellen, wie sie für die polytroph-meroistischen Ovariolen beschrieben wurde, ist bei den Metazoa, insbesondere bei den niederen Stämmen (Porifera, Coelenterata, Annelida), weit verbreitet. Man darf sie also als plesiomorph betrachten. Dies bedeutet, dass die Bildung von Ei-Nährzellen-Verbänden in der Oogenese der Stammform der Insekten unterdrückt und im Laufe der Phylogenese, vor allem bei Taxa und Subtaxa der Paraneoptera und Holometabola, wieder reaktiviert wurde, um schließlich bei den Thysanoptera, einigen Megaloptera, Neuroptera, Mecoptera und Siphonaptera erneut blockiert zu werden.
13.1.1.2 Weibliche Geschlechtswege (Gonodukte) Von den wenigen Ausnahmen segmentaler Anordnung abgesehen, entwickeln sich die Ovarien im wesentlichen in den Abdominalsegmenten VI und VII , von wo aus sie, je nach Eizahl, den gesamten Hinterleib erfüllen können . Bei den Ephemerida mündet jeder Ovidukt direkt in einer eigenen Geschlechtsöffnung am ventralen Hinterrand des 7. Segments nach außen (Abb. 13-5 A) . Bei den meis-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
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IX
B
mida , Mallophaga), dreifache (höhere Diptera) oder vierfache (Diptera: Helomyza) Erweiterungen jeweils eines kurzen vom weiblichen Gonoductus ausgehenden Verbindungskanals (Ductus receptaculi) dienen zur Aufnahme und Speicherung der Spermatozoen bei der Begattung, sowie zu deren Abgabe für die Besamung der Eier. Im Allgemeinen werden sie als Receptaculi seminis bezeichnet. Kommen jedoch, wie z. B. bei Drosophila (Abb. 13-6) zwei unterschiedliche Bauformen vor, nennt man die einen dünnen, aufgerollten Kanal bildenden Receptaculi seminis und die mehr kapsel- oder blasenartigen Spermathecae. Ein Receptaculum seminis fehlt nur wenigen apterygoten, sowie einigen parthenogenetischen Arten (z. B. Aphididae) und den Psychodidae, bei denen die immotilen Spermien in den Ovidukt und nahe an die von ihm abgehenden Follikel gebracht werden, wo offensichtlich die Besamung stattfindet.
c Ob
Gt
Abb. 13-5: Innere weibliche Geschlechtsorgane in den Abdominalsegmenten VI- IX, schematisch. A kammförmige Ovarien bei Ephemerida, B kammförmige Ovarien des orthopteroiden Typs, C büschelförmige Ovarien bei Lepidoptera (Ditrysia), Hymenoptera und Diptera. Ahr Anhangsdrüse, Adr Akzessorische Drüse, BBursa copulatrix, Eg Eiergang (Ductus communis), Gö Geschlechtsöffnung (Gonoporus), Gt Genitaltasche, Ob Ostium bursae, Od Ovidukt, Os Ovariolenstiel, Ove Ovariolen, Rs Receptaculum seminis, Sgpl Subgenitalplatte, Vg Vagina . (Nach H. Weber 1954, verändert)
ten anderen Insekten gehen im 7. Segment die paarigen, seitlich liegenden Ovidukte in komplexe ausführende Geschlechtswege (Gonodukte) über. Diese Gonodukte werden zunächst als ventrale ektodermale Einstülpungen in den Hinterleibssegmenten VII und IX paarig angelegt. Mit fortschreitender Ontogene se zu unpaaren, aber noch selbstständig gebliebenen Mündungsanlagen am Hinterrand des 7., 8. und 9. Sternits geworden, vereinigen sie sich schließlich zu einem inneren Ausleitungssystem, das die Ovidukte mit den äußeren Geschlechtsorganen verbindet. Kennzeichnend für viele Insekten, vor allem solche mit orthopteroidem Legeapparat (Orthopteroider Typus) ist, dass die Ektodermtasche des 7. Segments nicht nach außen öffnet sondern als Eiergang (Oviductus communis) die Verbindung zur Anlage der Mündung im 8. Segment herstellt , die ihrerseits zur Vagina wird (Abb. 13-5 B). Diese mündet im Gonoporus (Ooporus) am ventralen Rand des 8. Abdominalsegments in einer Genitalkammer, die dadurch entsteht, dass das 8. Sternum als Subgenitalplatte verlängert ist. Dorsale, unpa are (die meisten Insekten) , paarige (Phas-
Eine Anhangsdrüse der Vagina liefert Sekrete zur Lebendhaltung der Spermien im Receptaculum, da diese nicht selten längere Zeit aufbewahrt werden müssen. Aus der Mündungsanlage des 9. Segments gehen weitere akzessorische Drüsen hervor, die über eine eigene Öffnung in die Genit alkammer münden. Weit verbreitet unter den Insekten liefern die akzessorischen Drü sen Kittsubstanzen zum Anheften der abgelegten Eier an oder auf der Unterlage (Kittdrüsen). Bei Blattodea und Mantodea werden Sekrete zum Aufbau der Eikapseln (00theken), Schutzhüllen der Eigelege, gebildet. Bei Formen mit einem Legeapparat (Ovipositor) werden Schmiermittel bereitet. Sie fördern das Aneinandervorbeigleiten der einzelnen Teile des je nach Bau und Funktion als Legestachel, -säbel, -bohrer, -scheide oder -säge benannten Ovipositors. Bei den aculeaten Hymenoptera sind die Anhangsdrüsen der Geschlechtswege zu Giftdrüsen des zum Wehrstachel umgebildeten Legestachels geworden. Bei den Tsetsefliegen (Glossina)
Abb. 13-6: Drosophila, Abdomen, weiblicher Geschlechtsapparat, Situs. A Akzessorische Drüse, 0 Ovarium, R Receptaculum seminis, Spaarige Spermathecae. Im "Uterus" (U) ein Ei (schwarz), die Chorionanhänge im Oviductus communis, die Mikropyle der Öffnung des Receptaculum zugekehrt. (Nach K. Sander 1985)
13.1 Fortpflanzung
SPERMATOGENESE
OOGENESE Bildun gs
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363
Bildungsperioden
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Abb. 13-7: Entwicklung von Ei- und Samenzellen, Oogeneseund Spermatogenese bei Insekten. Schwarz diploide, weiß haploide Stadien. (Nach H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970, verändert)
und Lau sfliegen (Hippo boscidae ), bei dene n sich die gesamte En twicklun g der Lar ven in einem zu einem muskulösen "Uterus" erweiterten Teil der Vagina vollzieht (Pupipa rie s. 13.2.3), stellen die Anhangsdr üsen eine Näh rflüssigkeit aus vor allem Lipiden und Proteinen her (,M ilchdrüsen') . Bei Insekten mit büschelförm igen Ovarien wird durch die Rückbildun g des Ausmündungskana ls im Segm ent VIII und durch eine Vereinigun g der Vagina mit der Mündungsanl age des Segments IX zu einer Genitaltasche der Ooporu s ans Ende des 9. Segments verlagert (Abb. 13-5 C) . Unter den Schmette rlingen mündet bei den Monotrysia (Na me: nur eine Geschlechtsöffnung vorhand en) der Ooporu s zusammen mit dem After in einer Kloake. Er dient sowohl der Eiablage als auch der Kop ulation . Eine weitgehende Annäh erung von Ooporus und After findet sich auch bei den Ditr ysia. Doch besitzen diese noch eine zweite, sekundä r entstandene Geschlechtsöffnung (Kopul at ion spor us, Ostium bur sae) (Abb. 13-5 C) . Sie liegt am oder hinter dem 8. Sterni t und führt in eine gestielte Begattungstasche (Bur sa copulatrix). Sie entsteht in der Ont ogenese, indem die Bursa Kontakt mit dem ventra len Int egument des 8. Segment s erhält. Bei der Paarung dri ngt der Penis in sie ein und setzt hier die Sperm atozoen bzw. die Spermato phore n ab. In den Go nodukt münden ferner die paarigen Kittdrüsen sowie das unp aare Receptaculum seminis. Der Stiel der Bursa (Du ctus bursae) wird zum Du ctu s seminalis, indem du rch ihn die Sper mien ins Receptaculum gelangen.
Alle Anteile der Ausleitungsgänge sind , ent sprechend ihrer ektodermalen Herkunft, mit einer Cuticula au sgekleidet. Außen liegt ihnen eine zum Teil kräft ige Mu scular is an , die das Durchschieben und Ablegen der Eier bewirkt.
13.1.1.3 Oogenese Wie für die Gametogenese der Met azoa typisch, lassen sich auch in der Oogenese der Insekten eine Vermehrungs-, Wachstum s- und Reifungsp eriode (Abb. 13-7) unterscheiden . Die Vermehrungsperiode beginnt bei den meisten Insekten bereits im Embryo und hält bis in die früh en ode r mittleren Larvenstadien an, bei Drosophila bis zum Ende der Larvalph ase. Sie find et im Germ arium statt . Aus den Urge schlecht szellen (z. B. Polzellen) gehen durch Mito sen Oogonien hervor. Aus ihnen entstehen je nach Ovari olentyp entweder nur Oocyten (pan oistisch) oder Oocyten und N ährzellen (meroi st isch) und folglich unter-
schiedliche Follikel. Bei Drosophila melanogaster, dem Modellorganismus ent wicklungsbiologischer Unt ersuchungen mit polytroph-meroistischen Ovari olen, liefern 10-15 Polzellen (s. 13.2.1.2) 90-120 Ogoni en pro G on ade, d. h. pro 16 Ovari olen. Aus jeder dieser Oogonien gehen durch Teilung zwei Tochte rzellen mit un terschiedlichem Entwicklungsschicksal hervor. Die eine verbleibt als Stammzelle für weitere Mito sen im Germarium, die andere bildet durch vier unvollständige Teilungen den Ei-N ährzellenverband (Abb. 13-8). Von den 16 Zellen wird immer eine der beiden Zellen zur Oocyte, die über vier Interzellularbrücken (Ringkanäle) mit ihren Nachbar zellen verbunden ist. Die anderen 15 differenzieren sich zu Nährz ellen. Der gesamte EiNährzellenverband wird von den Follikelzellen umschlossen und bildet als funktionelle Einheit einen Follikel. Die Oocyte, die anfangs noch an -
364
13 Fortpflanzung und Entwicklung
und damit in die Wachstumsperiode, die eizellspezifischste Entwicklungsphase, ein. In ihr erhält die Oocyte als wesentliche Prärequisiten für die Embryogenese Informationsträger in Form von mRNA und rRNA sowie als Rohmaterial und Energielieferanten umfangreiche Reservestoffe aus Proteinen, Lipiden und Glykogen, deren Gesamtheit als Dotter bezeichnet wird. Häufig wird in der Wachstumsperiode eine Pr ävitellogenese von einer Vitellogenese (Dotterbildung) unterschieden, auch wenn beide nicht selten überlappen. Die Wachstumsperiode endet mit dem Aufbau der Eischale. Die Prävitellogenese dehnt sich bei vielen Insekten vom Larven- über das Puppenstadium bis zur Imago aus ; bei Drosophila ist sie auf die Imaginalphase beschränkt. Gekennzeichnet ist sie durch die Bereitstellung der RNA. Diese wird bei den Panoisten in der Oocyte selbst , bei den Meroisten in den Nährzellen synthetisiert und in die Oocyte eingeschleust. Bei den Meroisten gelangen später auch Organelle wie ER, Dictyosomen und Mitochondrien über die Zellbrücken bzw. Nährstränge in die Oocyte.
Abb. 13-8: Entstehung des Ei-Nährzellenverbandes, schematisch. Aus einer Stammzelle (S) gehen durch Zellteilung eine weitere Stammzelle und ein Cystoblast (Cb) hervor. Aus ihm entstehen durch 4 Mitosen (M1 - M4) über Zellbrücken miteinander verbundene 16 Zellen (Cystocyten). Eine wird zur 00cyte, die anderen 15zu Nährzellen. Die Cystocyten sind entsprechend der Abfolge der Kernteilungen numeriert. Die Hochzahlen (1-4) benennen die Generationen. Die die Zellen miteinander verbindenden Ringkanäle sind durch 1-4 Striche, entsprechend der Teilungsfolge, aus der sie hervorgegangen sind, symbolisiert. Die Abnahme des Volumens der 16 Zellen als Resultat der dicht aufeinanderfolgenden Mitosen ist durch eine jeweils kleinere Fläche aller Cystocyten veranschaulicht. (Nach R. C. King und J. Büning 1985)
Die Oocyte, die zunächst nur wenig größer als eine normale, also diploide, Körperzelle ist, wächst in der Prävitellogenese - bei Drosophila innerhalb
nähernd im Zentrum des Zellklons liegt (Abb. 139) wird nach posterior verlagert. Dadurch wird der Follikel morphologisch polar, was physiologisch zur Folge hat, dass der Stoffstrom von den Nährzellen über die Ringkanäle zur Oocyte nur in einer Richtung, anterioposterior verläuft (Abb. 13-3 C; 13-10 A, B) (s. 13.1.1.5). Gegen Ende der Wachstumsperiode strömt das gesamte Cytoplasma der Nährzellen in die Oocyte ein, die zurückbleibenden Kerne degenerieren; von den Nährzellen bleibt nichts erhalten. Die Anzahl der Nährzellen im Verband ist zumeist artspezifisch festgelegt, kann bei den einzelnen Arten aber sehr verschieden sein. Doch folgt Abb. 13-9:Entstehung und Polarisierung desEi-Nährzellenverbandes im Follikel. Aus einer Stammzelle gehen durch sie im Allgemeinen der 2n -Regel, wobei n die 4 Mitosen 16 Cystocyten hervor, die durch Zellbrücken miteiAnzahl der Zellen im Verband angibt: I Oocyte + nander verbunden bleiben (vgl. Abb. 13-8). Aufgrund ihrer Lage 2n - 1 Nährzellen. Mit nur einer Nährzelle verbun- im Verband kann jede Zelle identifiziert und mit einer Zahl den ist die Oocyte bei den Dermaptera und den (1-16) benannt werden . Die Zelle, die zur Oocyte wird, istetwas Chironomidae. Bei den Lepidoptera sind es meist größer gezeichnet (1). Diese zunächst in der Mitte des Zeilver5 (Abb. 13-10 A), bei Dytiscus marginalis (Abb. bandes liegende Oocyte wird nach posterior verlagert, die künftigen Nährzellen beginnen sich zur anterioren, der Oocyte 13-10 B) wie bei Drosophila melanogaster 15 und aufsitzenden Kappe zu formieren (vgl. Abb. 13-3 C). Damit ist bei Carabus violaceus 127. der Follikel (nicht gezeichnet) polarisiert. (Nach H. Gutzeit Der axial-polare Follikel tritt ins Vitellarium 1990)
13.1 Fortpflanzung
von drei Tagen - auf das 10 3 bis 104fache ihres ursprünglichen Volumens heran. Solche Synthese leistungen können - entsprechend der von Richard Hertwig (1908) als KernPlasma-Relation formulierten und von Bier (1969) als Genom-Kern-Plasma-Relation genauer benannten Gesetzmäßigkeit - von einer einzigen Zelle bzw. einem einzigen Genom und zudem in einer zeitlich begrenzten Fortpflanzungsphase nicht erbracht werden. Da Polyploidisierungen in Eizellen nicht vorkommen können, weil sie geordnete Reife- und Furchungsteilungen nicht zulassen, sind bei vielen Metazoen, so auch den Insekten, Hilfsorganelle im Kern der wachsenden Eizelle (Lampenb ürstenchromosomen und Extra-Nucleoli im panoistisehen Ovar) oder mit der Oocyte verbundene Hilfszellen (Nährzellen im meroistischen Ovar) ausgebildet. Ihre Aufgabe besteht darin, das Genom der Oocyte zu entlasten und zudem ihre Transkriptionskapazität erheblich zu erhöhen. Lampenbürstenchromosomen treten im späten Pachyt än und Diplotän der meiotischen Prophase der 00-, aber auch Spermatogenese auf. Sie sind durch paarig-seitliche, meist 20-30 11m lange Schleifen gekennzeichnet. Jede Schleife stellt eine entknäuelte Funktionsstruktur eines Einzelstrangs der DNA dar. An ihr wird mRNA transkribiert und zum größten Teil durch Anlagerung von Proteinkomplexen zu RibonucleoproteinpartikeIn (RNP-Partikel) inaktiviert. Als Informationsträger (Informosomen) werden die RNP-Partikel bis in die frühen Furchungsstadien gespeichert. Extra-Nucleoli sind extrachromosomale Nucleoli, die durch Vervielfachung des Nucleolenbildungsorts, d . h. Amplifikation der ribosomalen DNA (rDNA) ohne gleichzeitige Polyploidisierung der übrigen DNA des Genoms entstehen. Zu Beginn der Oogenese treten die amplifizierten Gene als ringförmige Moleküle an den NucleolusChromosomen in Ersche inung . Auf späteren Stadien werden sie abgegliedert und entwickeln dann die meist peripher im Kern gelagerten Nucleolenkugeln , die den Ribosomenbestand für den künftigen Embryo bereit stellen. Die Nährzellen der Meroisten sind durch Endomitosen polyploid. Polyploidiestufen von 29 werden bei Musca , 2 10 bei Drosophila und 2 16 bei Antheraea erreicht. Die polytaenen Chromosomen transkribieren in ausreichendem Maß, sowohl mRNA, die durch Proteine stabilisiert, als auch rRNA, die zu Ribosomen geformt, über die Zellbrücken den Oocyten zugeführt werden (Abb. 1311). Nur in wenigen Fällen, so z. B. bei Dysdercus intermedius, wird zusätzlich extrachromosomale rDNA amplifiziert. Die Versorgung der Eizelle mit großen Mengen an RNA ist einerseits in der hohen Kernteilungs-
365
- ns
-- dn
- mp - eik
-- eh
A
B
Abb. 13-10: Verlauf des Nährstroms (ns: mRNA, Proteine, Zellorganelle) von den Nährzellen in die Oocyte
am Beispiel von: A Bupalus pinaria, Kiefernspanner (lepidoptera, Geometridae). Zwei Eikammern, jeweils mit Nähr- (n) und Eifach (e). B Dytiscus marginalis, Gelbrandkäfer (Coleoptera, Dytiscidae). Drei Eikammern, die beiden jüngeren jeweils noch mit Nährfach. Von den 15Nährzellen (nz) sind im Schnitt nur 3 bei der jüngsten, 5 bei der etwas älteren getroffen. In der 3. Eikammer istdas Ei fast fertiggestellt; vom Nährfach sind nur noch wenige degenerierende Zellen (dn) vorhanden, das Follikelepithel bildet einen Epithelpfropf (ep), der die Ovariole zum Eiröhrenstiel (est) hin verschließt (vgl. Abb. 13-3). Sobald das Ei zur Ablage in den Ovariolenstiel tritt, löst sich der Epithelpfropf aufund gibtden Durchgang frei. ch Chorion, ei Oocyte, eik Kern der Oocyte, ewWand der Oocyte, fe Follikelepithel, mp Mikropyle, nk Kern der Nährzelle, vst Verbindungsstiel (vgl. Abb. 133c). (Nach H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
bzw. Replikationsrate zu Beginn der Furchung begründet. Die befruchtete Eizelle von Drosophila zum Beispiel durchläuft innerhalb kürzester Zeit 13 Mitosen. Die so entstandenen 8192 Furchungskerne beschicken die rund 6000 künftigen BlastodermzeIlen ; der Aufbau der cytoplasmatischen Komponenten dieser Blastodermzellen wird jedoch von der eben für diese Aufgabe gespeicherten RNA organisiert. Andererseits liefern die Nährzellen aber auch mRNA als ooplasmati sche Determinanten für den Aufbau des räumlichen Koordinatensystems des künftigen Embryos. Die Synthese aller Substanzen unterliegt der Kontrolle des mütterlichen Genoms. Gene, die während der Oogenese exprimiert werden, werden maternal, solche, die erst nach der Befruchtung, also im Embryo, exprimiert werden , zygotisch genannt. Da der Oocytenkern der Meroisten physiologisch inaktiv ist, wird bei ihnen die gesamte RNA von maternalen Genen transkribiert. In den meroistischen Ovariolen ist die Transkriptionskapazität ungleich höher als in den pa-
366
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Ringkanal proxima le Nährzelle Oocyten kern -
3-5 h
A
c
B
Abb. 13-11: Follikel von Fliegen (Calliphora erythrocephala, Musca domestica) im Längsschnitt, schematisch, veranschaulichen den Übertritt radioaktiv markierter RNA von den Nährzellen in die wachsende Oocyte. A 10min nach Injektion von H3Cytidin wird die Produktion der RNA in den Kernen der Nährzellen erkennbar. B nach einer Inkubationszeit von 1 h ist die Markierungsdichte in Cytoplasma und Kernen aller Nährzellen gleich. C nach einer Inkubation von 3-5 h ist das Cytoplasma der Nährzellen, die über mehrere Ringkanäle mit RNA beliefert werden, stärker markiert. Die Pfeile weisen auf den Einstrom radioaktiv markierter RNA. (Nach K. Bier 1969, verändert)
noistischen . Der rRNA-Gehalt der Eizelle von Acheta (panoistisch) verhält sich zu dem von Oncopeltus (telotroph-meroistisch) wie I : 30. Folg-
lich enthalten die Eizellen der Meroisten wesentlich mehr stoffwechselaktives Bildungsplasma (Euplasma) als die Panoisten . Größere Mengen an Euplasma erlauben die unmittelbare Bildung größerer Keimanlagen. Demgemäß liegen deutliche Unterschiede in der Größe der Keimanlagen bzw. ihrer Länge bezogen auf die Länge des Eies vor. Kleinkeime finden sich bei den Panoisten, Großkeime bei Arten mit polytroph-meroistischen Ovariolen, während die Keimanlagen bei Formen mit
PANOISTISCHES OVAR
plasmaarme Eier, Kleinkeime
telotroph-meroistischen Ovariolen eme mittlere Stellung einnehmen (Abb, 13-12). Während des prävitellogenen Wachstums der Oocyte nimmt die Anzahl der Follikelzellenschnell zu. Bei Drosophila formen etwa 80 Zellen den Follikel und wachsen dann auf ca. 1200 an. Bei Leucophaea (Blattodea) wird die Oocyte schließlich von annähernd 27000 Follikelzellen umhüllt. Bei einigen Diptera und Hymenoptera hat man Interzellularbrücken im Follikelepithel nachgewiesen. Offensichtlich sind sie die Folge unvollständiger Zellteilungen und dienen möglicherweise der Synchronisation von Differenzierung und Funktion der Follikelzellen. Auch die
MEROISTISCHES OVAR
telotroph
polytroph
plasma reiche Eier, große u. lange Keim anlag en
( I \
Tachycines
Gryllus
Notonecto
Forficula
Abb. 13-12: Ovar- und Eitypen bei Insekten. (Nach K. Bier 1969)
Ephesüa
Apis
Drosophila
13.1 Fortpflanzung Ausbildung von gap junetions zwischen benachbarten Follikelzellen (Locusta migratoriai , sowie zwischen Follikelzellen und der Oocyte (A cerentomon sp., Campodea sp., Drosophila melanogaster, Tribolium destructor, Hyalophora cecropia, Rhodnius prolixus) lässt auf eine schnelle, weil elektrische Synchronisation schließen. Endomitotische Polyploidisierungen wurden in den Follikelzellen u. a. von Carausius morosus gefunden: die prävitellogenen Zellen sind 8-ploid, die vitellogenen l6 -ploid und die Follikelzellen während der Bildung der Eischale schließlich 64-ploid .
Die Vitellogenese umfasst die Synthese der Dotterproteine (Weibchenproteine, Vitellogenine) außerhalb des Ovars und ihre Aufnahme in die Oocyte, ferner die gleichmäßige Zunahme an Lipiden und schließlich die Herstellung und Speicherung von Glykogen, die erst erfolgt , wenn die Synthese der Dotterproteine ausläuft und die Bildung der Eischale im Gange ist. Dabei nimmt das Volumen der Oocyte erneut zu und erreicht das 106 _ 10 7 fache seines Ausgangsvolumens zu Beginn der Prävitellogenese. Der Gehalt an Euplasma der ausgewachsenen Oocyte beträgt nur I %. Bei den meisten Insekten ist die Vitellogenese vom Nahrungsangebot abhängig. Folglich vollzieht sich der Aufbau des Dotters meist in der Imago. In das Puppen - oder Larvenstadium vorverlagert ist er bei solchen Formen, die als Adulte nur wenige Tage leben und als solche keine oder nur wenig Nahrung aufnehmen (Epherneroptera, Megaloptera, niedere Diptera). Dass der Nahrung entnommene Stoffe in die Oocyte eingelagert werden, hatte schon 1943 Wigglesworth erkannt, als er beobachtete, dass die Oocyten von Ektoparasiten am Menschen, Rhodnius prolixus und Pediculus humanus, rötlich gefärbt waren, wenn die Tiere zuvor Blut gesaugt hatten . Anhand der Absorptionsspektren der Proteine, die er aus dem Blut des Wirts und der Hämolymphe und den Oocyten der Parasiten gewann, belegte er zugleich die Herkunft der roten Farbe aus dem Hämoglobin des Wirts, wie er den Weg des Proteins über die Hämolymphe und seine selektive Aufnahme in die Oocyte aufzeigte.
Proteinsynthesen sind grundsätzlich direkt von der Transkription im Genom abhängig. Im Gegensatz zu den Cru stacea und Amphibia, bei denen große Anteile des Dotters in der Oocyte selbst aufgebaut werden, ist bei den Insekten das Oocyten-Genom - ähnlich wie in der Prävitellogenese vom Aufbau der RNA - von der Synthese des Proteindotters weitestgehend entlastet. Auf diesen Sachverhalt deutet auch die o. g. Abhängigkeit des Dotters von der Nahrungsaufnahme hin . Die Synthese der Dotterproteine wird bei den Insekten von Zellen des Fettkörpers übernommen . Den Transport zur Oocyte besorgt die Hämolymphe. Der Nachweis der Herkunft der Dotterproteine aus dem Fettkörper gilt allgemein und zu Recht als Entdeckung unserer Zeit. Im Prinzip hatte jedoch bereits Johannes
367
Müller 1825den Fettk örper als extraovariellen Syntheseort des Dotters erkannt, als er bei Phasmida aufgrund farbl icher Übereinstimmung und ähnlichen Lösungsvermögens von Dotter und Fettkörperanteilen auf stoffiiche Beziehungen schloss. Auch vermutete er die Haemo lymphe als Transportweg . Er irrte allerdings, indem er Tracheen als Gefäßverbindungen zu den Ovariolen ansah und folglich glaubte, die Oocyten würden direkt vom Fettkörper ernährt.
Nur bei wenigen Holometabola aus den Ordnungen der Diptera, Lepidoptera werden Dotterproteine zusätzlich von Zellen des Follikelepithels aufgebaut. Bei Drosophila wird darüber hinaus ein geringer Anteil von der Oocyte selbst hergestellt. Die Wirbeltiere synthetisieren die Dotterproteine in Zeilen der Leber, die ja dem Fettkörper der Arthropoda funktionell entspricht.
Die Vitellogenine sind weibchenspezifisch (Weibchenproteine) und , entgegen früherer Aussagen, auch astspezifisch . Es sind Glykophospholipoproteine mit einer Molekularmasse zwischen 190 und 650 kDa. Der Carbohydratgehalt (Mannose, Glucosamin) beträgt gewöhnlich 1-11 %, der Lipidgehalt (Phospholipide, Diglyceride, Cholesterol) 7-15 %. Die Vitellogenine werden in Vesikeln des GolgiApparates zur Zellmembran gebracht und über Exocytose entlassen. Die Vitellogenine des Follikels gelangen direkt, die des Fettkörpers über die Haemolymphe und durch Spalten zwischen den Follikelzellen in den perioocytären Raum. Das Auftreten der interzellularen Kan äle im Follikelepithel ma rkiert den Beginn der Vitellogenese. Die selektive Einschleusung der Dotterproteine in die Oocyte erfolgt als rezeptorvermitteIte Endocytose über die Oocytenmembran, das Oolemm. Dieses ist zu diesem Zeitpunkt meist in zahlreiche Mikrovilli aufgefaltet. An der Basis der Mikrovilli entstehen die Coated Pits, die als Coated Vesikel die
Vitellogenin-Moleküle, wie folgt, in die Oocyte bringen . Die Vitellogenin-Moleküle (Liganden) binden an ein spezifisches im Oolemm lokalisiertes Protein (Rezeptoren); bei Locusta migratoria ein sauer reagierendes 180 kDa Membran-Glyko-Protein. Die mit Vitellogenin-Molekülen beladenen Rezeptoren bilden mit dem sich lokal einfaltenden Oolemm die Coated Pits, die als Coated Vesikel in die Oocyte hinein abgeschnürt werden. Nachdem sie von dem im Wesentlichen aus dem Protein Clathrin bestehenden Coat befreit sind, verschmelzen sie zu Endo cytosevesikeln (Endosomen). Während der Coat zum Oolemm zurückkehrt, tritt in den Endosomen durch membranständige ATPasen eine Erniedrigung des pHWertes ein. Dadurch lösen sich die Vitellogenin-Molek üle von den Rezeptoren . Es entstehen sog. Curls (compartments for uncoupling of receptor and ligand), von denen Endosomen mit Vitellogenin von solchen mit Rezeptoren abgetrennt werden. Während die Vesikel mit den rückgewonnenen Rezeptoren zum Oolemm zurück-
368
13 Fortpflanzung und Entwicklung Der hohe Bedarf an Membranen während der Vitellogenese wird offensichtlich durch zwei verschiedene Mechanismen gedeckt. Einerseits liefern wohl die Mikrovilli des Oolemms Nachschub. Andererseits werden gerade zur Zeit der maximalen Aufnahme des Vitellogenins auch maximale Mengen an Phospholipiden aus der Haemolymphe den Oocyten zugeführt. Wie durch radioaktive Markierung vitellogener Weibchen von Rhodnius prolixus belegt, geschieht dies mithilfe von Lipophorin, einem Carrier, der nach der Translokation von Phosphatidylcholin und Phosphatidylethanolamin in die 00cyte zur erneuten Verwendung freigesetzt wird.
Nach Eintritt in die Oocyte werden die Vitellogenine proteolytisch in ihrem Peptidmuster, zudem auch in ihrem Lipid- und Carbohydratgehalt verändert und nunmehr Vitelline genannt. Doch sind bei den Insekten die Unterschiede gering: Vitellogenine und Vitelline reagieren immunochemisch identisch .
Abb. 13-13: Teil einer Dotterkugel eines Eies der Zuckmücke Smittia sp. im Schnitt. Die kristallisierten Proteine zeigen typische hexagonale Muster. Vergr. 220000 fach. (Photo D. Zissler)
geführt werden, verschmelzen die Vitellogenin-Vesikel miteinander zu größeren Endosomen.
Coated Pits und Coated Vesikel sind als funktionelle Membran-Einheiten für einen spezifischen makromolekularen Stofftransport inzwischen in vielen eukaryotischen Zellen nachgewiesen . Entdeckt aber wurden sie 1964 von Roth und Porter in den Oocyten von Aedes aegypti und sogleich als morphologischer Ausdruck einer selektiven Adsorption von Dotterproteinen erkannt. Für eine Oocyte im Vitellarium von A. aegypti haben die Autoren, 7 Stunden nachdem die Mücke Blut gesaugt hatte, ca. 300000 Coated Pits ermittelt; das ist das 15fache gegenüber der Zahl der Pits einer solchen Oocyte vor der Nahrungsaufnahme. Mehrere Endosome verschmelzen miteinander, erhalten Kontakt zu Zisternen des ER und/oder Golgi- Vesikeln und wachsen, je nach Art , auch über multivesikuläre Zwischenstadien zu den dichten Dotterkugeln oder Dotterschollen heran. Nicht selten sind die Proteine oder zumindest Teile von ihnen in den im Durchmesser bei Drosophila 1-3 um, bei der Zuckmücke Smittia sp. 1-8 um, beim Reiskäfer Oryzaephilus surinamensis bis zu 12 um und bei Locusta migratoria gar bis 50 um und mehr großen Dottersehollen kristallisiert und weisen ein hexagonales Muster auf (Abb. 13-13). Aufgrund ihrer Entstehung durch Endocytose sind die Protein-Dotterkugeln immer von einer Membran umschlossen .
Das bei den Wirbeltieren in Zellen der Leber translaticrte und über die Blutbahn in die Oocyte gebrachte Vitellogenin wird beim Aufbau der Dotterkörper in LipoviteUin und Phosvitin zerlegt. Es war dies der erste bekannt gewordene Fall, dass bei Eukaryonten Proteine als Spaltprodukte aus einem gemeinsamen Vorläufermolekül hervorgehen. Bei Prokaryonten und Viren kannte man solche Mechanismen seit längerem.
"Die Lipide (Fette), die einen meist nicht unbeträchtlichen Anteil des Dotters der künftigen Eizelle bilden, entstehen in der Oocyte oder/und in den Nährzellen. Sie werden aber nicht von deren Genom codiert; Oocyte und Nährzellen halten lediglich die m-RNA für die Synthetasen bereit, um aus den im Fettkörper (s. 4.8) erzeugten und in Oocyte und Nährzellen überführten Fettsäuren Lipide entstehen zu lassen. Als Elemente des Fettdotter-Systems stellen die Lipide Tröpfchen mit einem Durchmesser von häufig 0,5 um dar und sind von einer dünnen Lamelle umgeben, die entsprechend ihrer Struktur (Monolayer) als "half membrane" betrachtet wird. Die Lipide werden während der gesamten Wachstumsphase produziert, erscheinen jedoch in Menge erst mit Beginn der Vitellogenese. Bei Drosophila treten sie dann vor allem in den Nährzellen auf, um anschließend in die Oocyte überführt zu werden ." Als letzter der SpeicherstofTe wird das Glykogen gebildet. Als ebenfalls nicht codierter Prozess vollzieht sich die Glykogensynthese in der Oocyte. Der Aufbau des komplexen Glykogenmoleküls beginnt mit einem 38 kDa Protein, dem Glykogenin, an das mehrere Glucosereste glykosidisch gebunden werden, sodass eine baumförmig verzweigte Zuckerkette entsteht. Ein Glykogeninmolekül kann 2-3 solcher Zuckerketten tragen. Werden derartige Glykogeninmoleküle über Disulfidbrücken miteinander vernetzt, dann bilden sich die typischen rosettenförmigen Grana mit Molekularmassen von mehr als 188 Da und
13.1 Fortpflanzung
Durchmessern von 20-200 nm . Die Rosetten sind häufig zu 3-5 um großen, gegebenenfalls auch umfangreicheren Ansammlungen vereint , die weder durch eine Membran noch andere Strukturen vom umgebenden Cytoplasma abgegrenzt sind, doch liegen ihnen häufig Mitochondrien an (Abb. 13-14[ß]). Glykogen kann überall in der Oocyte synthetisiert werden; es verbleibt aber immer am Ort seiner Entstehung. Im Gegensatz zu RNA und Proteinen werden offenbar makromolekulare Kohlenhydrate im Metazoen-Organismus nicht transportiert. Mikroinjektionen von Fluoreszenzfarbstoffen (Fluorescein, Luzifer Yellow) in vitellogene Oocyten von Hyalophora cecropia (polytrophe Ovariolen) und Rhodniusprolixus (telotrophe Ovariolen) lassen vermuten, dass ein cytoplasmatischer Transport niedermolekularer Substanzen über die zwischen Follikelzellen und Oocyten ausgebildeten gap junctions erfolgt und möglicherweise das Wachstum der Oocyten beeinflusst. Die Menge der eingelagerten Speicherstoffe ist bei Panoisten und Meroisten unterschiedlich. Die euplasmaarmen Eizellen der Panoisten sind dotterreich, die euplasmareichen Eizellen der Meroisten dotterarm. Je weniger Euplasma vorhanden ist, um so mehr muss die Oocyte den Mangel durch Metabolismus ausgleichen, d. h. um so mehr Dottermaterial muss zum Aufbau der Keimanlage umgesetzt werden. Dies erklärt, warum die Embryogenese der Panoisten mehrere Wochen, die der Meroisten nur wenige Tage dauert. Als Quelle zur Lieferung von Zusatzstoffen (z. B. Vitaminen), die meist erst im adulten Tier gebraucht werden, nimmt die Oocyte häufig Symbionten auf, oder diese dringen zunächst in die Nährzellen ein und werden mit deren Cytoplasma in die Oocyte überführt (s. 19.1.4). Am Ende der Wachstumsperiode liegt eine meist länglich-ovale Oocyte,vor, die als euplasmatische Einheit zentral ein Reticuloplasma enthält, das peripher in ein Periplasma und an den Zellpolen in ein Vorder- und Hinterpolplasma übergeht. Peri- und Reticuloplasma bergen in einer cytoplasmatischen Matrix die Zellorganelle, unter denen Mikrotubuli und Filamente als Cytoskelettstrukturen von besonderer Bedeutung sind . Ferner enthalten sie die ooplasmatischen Determinanten (s. 13.1.1.5). Die Maschen des Reticuloplasmas sind von Dotter erfüllt. Reticuloplasma und Dotter werden als Endoplasma oder Dottersystem, auch Dottersack, zusammengefasst und die Eizelle in Bezug auf die Lage ihres umfangreichen Dotters als centrolecithal bezeichnet. Die kugelförmigen Eier der Collembola enthalten relativ wenig Dotter und diesen gleichmäßig über die gesamte Zelle verteilt (isolecithal), sodass kein Periplasma ausgebildet ist. Darin wie auch in ihrer Kugelgestalt und der
369
holoblastischen Furchung ähneln sie sehr den Eiern der Myriapoda. Schließlich erfolgt der Aufbau der Eischaie, die sich bei den meisten Metazoa aus drei Lagen zusammensetzt. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Herkunft werden sie als primäre, sekundäre und tertiäre Eihüllen benannt. Primäre Eihüllen werden von der Oocyte selbst , sekundäre von den Follikelzellen und tertiäre von Drüsen der Geschlechtswege aufgebaut. Bei den Insekten besteht die Eischale im Allgemeinen aus zwei Eihüllen, der inneren, einschichtigen Vitellinmembran und dem äußeren, mehrschichtigen Chorion. Als sekundäre Eihüllen werden beide von den Follikelzellen in einer Abfolge spezifischer Synthesephasen aufgebaut. Je nach den Bedingungen, denen die Eier zur Entwicklung und beim Schlüpfen der Larven unterliegen, können dem Chorion noch tertiäre Eihüllen in Form von Sekreten angeheftet sein. Primäre Eihüllen werden bei Insekten nicht ausgebildet. Entsprechend dem vielfältigen Vorkommen und der unterschiedlichen Lebensweise der Larven und/oder Imagines ist die Eischale mannigfaltig gestaltet und diesbezüglich ausgestattet. Die meisten ihrer Merkmale sind artspezifisch und folglich von phylogenetischer Bedeutung und taxonomischem Wert. Die Vitellinmembran besteht aus Proteinen, Lipiden und Carbohydraten. Sie wird bei solchen Arten, bei denen ihre Bildung bereits beginnt, während die Oocyte noch in voller Transportverbindung mit den Nährzellen steht, aus vom Follikelepithel abgesonderten Vorstufen aufgebaut. Diese Vitellinkörperchen haben bei Drosophila einen Durchmesser von etwa 0,1-0,3 um, verschmelzen zu einer 1,7 um dicken Lage, die mit fortschreitender Entwicklung immer weiter aus gedünnt wird und beim ablegereifen Ei nur noch eine Stärke von 0,4 um hat. Dies ist auf die noch im Gange befindliche Volumenzunahme der Oocyte zurückzuführen und zeigt die Elastizität der Vitellinmembran. Bei Arten wie Bombyx mori, bei denen die Eihüllenbildung erst nach Abbau der Nährzellen erfolgt, wenn demgemäß die Oocyte die gesamte Eikammer ausfüllt, wird direkt eine einheitliche Vitellinmembran sezerniert. Das Chorion besteht aus zwei Schichtenkomplexen, dem Endo- und Exochorion, die in einer Abfolge unterschiedlicher Proteinsynthesen von denselben Follikelzellen aufgebaut werden. Endo- und Exochorion sind als histologisch-topographische Begriffe zu verstehen, nicht als morphologischphylogenetische Termini, die homologe Strukturen kennzeichnen; denn die Schichten gleicher Lage können bei den verschiedenen Insektenordnungen von sehr unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung sein.
370
13 Fortpflanzung und Entwicklung
. --_..-.- - -"
. .--
Abb. 13-14: Längsschnitt durch den peripheren Bereich einer reifen Oocyte (00) von Drosophila melanogaster. Den durch eine Basallamelle (Tunica propria, tp) abgedeckten Follikelzellen (F) liegtdieEischale, bestehend aus Exochorion (x), äußerem Endochorion (oe), innerem Endochorion (je), innerer Chorionmembran (im), Wachsschicht (w) und Vitellinmembran (v) an. Es folgt das in Mikrovilli aufgefaltete Oolemm (0) und darunter das Periplasma mit Mitochondrien (m), Annulate Lamellae (a in Oberflächenansicht, a' im Querschnitt), Endoplasmatischem Reticulum (er) und Dotterelementen wie Lipide (I), Proteide (al qranul är), (a2 kristallin) und Glykogen (ß), dessen Aggregationen typischerweise Mitochondrien (m) angelagert sind. epVerstrebungen im Endochorion, g Dictyosom in derFollikelzelle, n Kern derFollikelzelle, s Luft gefüllte Räume im Endochorion (Plastron). (Nach R. C. King 1970, verändert)
Das Endochorion besteht meist aus einer Wachsschicht, der Inneren Chorionmembran und dem Endochorion i.e. Sinne (Abb. 13-14). Die Wachsschicht schützt das Ei vor Austrocknung und fehlt bei jenen Arten,bei denen der Embryo niemals in trockener Umgebung aufwächst, z. B. bei den parasitischen Hymenoptera. Bei Drosophila ist sie erst zu beobachten, wenn die Oocyte die Ovariole verlässt. Ihre Herkunft ist unklar ; möglicherweise stammt sie von der Inneren Chorionmembran ab. Die Innere Chorionmembran tritt anfangs zusammen mit dem Inneren Endochorion (s. u.) als bilaminarer Komplex in Erscheinung. Zu Ende des Chorionaufbaus
sondert sie sich vom Endochorion ab und nimmt Kristallstruktur an. Dieser Kristallisationsprozess fällt zeitlich mit dem Ende der Wachstumsperiode der Oocyte und dem Abschluss des Endochorionaufbaus zusammen. Das Endochorion i. e. Sinne besteht aus dem dünnen Inneren Endochorion und dem dickeren Äußeren Endochorion, die durch Pfeiler und Verstrebungen Hohlräume zwischen sich aussparen . Diese sind mit Luft gefüllt und dienen als Plastron der Atmung des sich entwickelnden Embryos (s. Kap. 6).
Das Exochorion scheint offensichtlich von den Spitzen der Mikrovilli der Follikelzellen abgesondert zu werden. Als Gefüge aus Filamenten umschließt es das Endochorion. Bei Schistocercagregaria und Drosophila melanogaster scheint es Polysaccharide, bei Acheta domesticus Mucoprotein zu enthalten. Vielfach bildet die EischaIe besondere Strukturen aus, die als morphologische Voraussetzung für spezifische physiologische Vorgänge unerlässlich sind. Pedunculi (Abb. 13-15 B) dienen der Anheftung der Eier am Substrat, Hydropylen der Wasseraufnahme. Bei Drosophila ist das Plastron des Endochorions mit zwei Atemanhängen verbunden (Abb. \3-15 A), die, wenn das Ei völlig von Wasser überschichtet ist, diesem Sauerstoff entnehmen können . Aeropylen (Abb. 13-15 E, F) ermöglichen den Gasaustausch zwischen den Kammern des Endochorions und der umgebenden Luft. Mikropylen (Abb. \3-15 A, C, D), von spezifischen Zellen des Follikelepithels, den GrenzzeIlen organisiert, gestatten den Eintritt der Spermien ins Ei. Kragen und Opercula ermöglichen das Schlüpfen der Larve (Abb. 13-15 A). Bei den meisten Insekten vollzieht sich die Eibildung schubweise. Die Oocyten einer Ovariole wachsen zyklisch und die Oocyten eines Zyklus aller Ovariolen synchron heran . So entsteht normalerweise in den Ovarien eine Ei-Generation, die zur gleichen Zeit als Gelege abgesetzt wird. Dies erfordert für das Wachstum der Oocyten und vor allem für die Vitellogenese eine besondere Koordination. Diese wird unter Einfluss sowohl einer Reihe äußerer Faktoren (Tageslänge, Temperatur, Feuchtigkeit, Pheromone) als auch innerer (Ernährung, Kopulationsstimuli) durch ein komplexes hormonelles Kontrollsystem erreicht. Beteiligt sind das Juvenilhormon, sowie Neurohormone und Ecdysteroide. Dagegen verläuft die Bildung der Eischale autonom, unter genetischer Kontrolle. Das geht ebenso aus in vitro-Versuchen an Bombyx und Drosophila hervor, wie es Mutanten von Drosophila melanogaster mit Defekten bei der Bildung der Eischale unter Beweis stellen. Die Reifungsperiodeumfasst den gesamten Prozess der Meiose, d. h. alle Vorgänge, die den diploiden Chromosomensatz auf den haploiden re-
13.1 Fortpflanzung
371
c
PS
B Abb. 13·15: Eischaie bei Insekten. A Frisch abgelegtes Ei von Drosophila melanogaster. Dorsalansicht. Vorderpol oben. REMAufnahme. Länge des Eies 0,5 mm. A Atemanhänge. CO Kragen, MY Mikropyle. OP Operculum. B Leptopi/ina heterotoma (Hymenoptera. Cynipidae). Der Vorderpolbereich des Eies ist durch einen perivitellinen Raum (PS) zwischen Chorion (C) und Vitellinmembran (V) gekennzeichnet. Im Vorderpolbereich des Eies geht das Chorion in einen Pedunculus (PD) über. TEM-Aufnahme. Vergr. 3600fach. C und D Spodoptera /ittoralis (Lepidoptera, Noctuidae). REM-Aufnahmen . C Gesamtansicht des Eies. D Schräge Aufsicht auf den Vorderpolbereich mit Mikropylenrosette (MR). H Haarschuppe des adulten Schmetterlings. E und F Spodoptera f. E Ausschnitt aus dem durch Leisten gefächerten Chorion mit Aeropylen in den 4 Ecken eines jeden Fachs (Pfeilköpfe). REMAufnahme. FAeropyle (AE) im Längsschnitt. TEM-Aufnahme. Vergr. 13 300 fach . (Aus D. Zissler 1992)
372
13 Fortpflanzung und Entwicklung
duzieren und dabei Rekombinationen ermögli- lieh ihrer Form zu den mannigfaltigsten im Tierchen . Zur Wachstumsperiode, die durch die Ein- reich. lagerung von RNA und SpeicherstotTen die Em- Da s Ei der 2,5 mm großen Drosophila melanogaster ist bryogenese vorbereitet , hat sie keine zelluläre Be- 0,5 mm lang. Di e 28 mm große Holzbiene Xyloeopa vioziehung, ist aber mit ihr zeitlich korreliert . Der laeea legt 20 mm lange Eier. Die Eier der Hemimetabola sind in Länge und DurchKern erhält seine Position in einer euplasmatisehen Insel im vorderen Teil der Oocyte, dem messer meist größer als I mm, die der Holo metabola Reifungs- oder Richtungsplasma. Bei Drosophila kleiner als I mm , was auf eine umfangreichere Menge an wandert er auf festgelegter Bahn vom hinteren in Dotter bei den Hemimetabola zurückzuführen ist und den vorderen Zellbereich. Auf der Stufe der Meta - eine lä ngere Embryonalentwicklung bedingt. Bei der Eint agsfliege Baetis rhodani dauert sie 45, dem Rückenphase I erhält die Meiose eine Unterbrechung und schwimmer No toneeta glauea 18 Tage; demgegenüber findet ihr Ende erst zum Zeitpunkt der Eiablage (s. beim Mehlkäfer Tenebrio molitor 6,5 Tage, bei der Ho 13.2.1.1). nigbiene 70-72 h . Abweichungen von der Eigr ößen-ReAn die prämeiotische DNA-Synthese (S-Phase) zu Ende der Mitosen der Oogonien schließt sich die Prophase I an, die Stunden bis mehrere Wochen dauern kann. Ihre ersten Stadien Leptotän, Zygotän, Pachytän und Diplotän vollziehen sich während der Prävitellogenese. Im Leptotän ist die Replikation abgeschlossen, au ch wenn die beiden Chromatiden im Lichtmikroskop nicht zu erkennen sind. Im Zygot än kommt es zur Paarung (Synap sis) der homologen Chromosomen (Bivalente), die für die gesetzmäßige Haploid isierung der Chromosomen sätze ebenso wie für die Neukombination der Gene erforderlich ist. Dabei werden die nur im Elektronenmikroskop erkennbaren syna pto nemalen Komplexe als unerl ässliche Vorau ssetzung für Cro ssing-Over im Pachytä n wie für die scho n im Lichtmikroskop sichtbaren Chiasmata im Dipl ot än au sgebildet. Die kompakten Chromosomen lockern sich zu Lampenbürstenformationen auf, deren besonders große Schleifen im Phasenkontrast erkennen lassen, dass jede Schleife 4 Kopien des DNA-Strangs enthält. Die Extra-Nucleoli treten auf, und d ie Vitellogenese setzt ein . In der Schlussphase des Diplotäns verkürzen und kondensieren sich die Chromosomen wieder und werden bis zum Ende der Prophase, der Diakinese, immer kompakter. Die Metaphase beginnt, indem sich die Kernhülle a uflöst, und die Bivalente in der Äquatorebene der Teilungsspindel (Metaphaseplatte) angeordnet werden. Jetzt wird die Reifu ngsperiode unterbrochen. Die Chromosomen verbleiben unverändert im artspezifisch in der vorderen Eihä lfte lokalisierten Richtungsplasma. Erst nach Verlassen der Ovariole (Ovulation) wird da s Ei aktiviert , die Meiose zu vollenden (s. 13.2.1.1). Die Blockierung der Meio se ist unter den Metazoa weit verbreitet. Neben den Insekten tritt auch bei Ascidien die Unterbrechung auf der Stufe der Metaphase I ein ; bei vielen Vertebraten erfolgt sie in der Metaphase 11.
13.1.1.4 Ei (Ovum) Endprodukt der Oogenese ist ein ablegereifes Ei, das in Abhängigkeit von der terrestrischen Lebensweise der Insekten und analog zu den Reptilien und Vögeln eine Riesenzelle darstellt, die in eine widerstandsfähige Schale eingeschlossen ist. Relativ zur Körpergröße des Muttertiers gehören die Eier der Insekten zu den größten und hinsieht-
gel der Hemi- und Holometabola finden sich vor allem bei den Lepidoptera und Co leoptera und belegen zudem eine weitere Regel, die Abhängigkeit der Körpergröße der Insekten von der Größe ihrer Eier. Der chinesische Seidenspinner Antheraea pernyi mit einer Flügelspannweite von ca . 15 cm hat 3,5 x 3,0 mm große Eier. Die Eier des mit 16 cm Körperlänge wohl größten Käfers der Erde, des im Amazonasgebiet beheimateten R iesenbockkäfer s Titanu s giganteus, kommen a uf eine Größe von 10,2 x 4,2 mm . Die Larve erreicht eine Länge bis zu 25 cm . Vielfach bestehen auch Beziehungen zwischen Eigröße und Eizahl. Das Ei der 25 mm großen Königin der B1attschneiderameisengattung Atta, deren Eiproduktion in die Millionen geht , ist mit 0,4 mm Länge nicht größer als die Eier der kleinen , bis 5 mm messenden Myrmicaund Lasius arten. Dagegen kann das einzige Ei, da s die etwa 2 mm großen amphigonen Weibchen der Blutlaus Eriosoma lanigerum erzeugen, fast die GrÖße des Muttertiers erreichen.
13.1.1.5 Polarität der Eier Aufgrund ihrer Entstehung in einem axial-polaren Follikel sind auch die Eier axial-polar zusammengesetzt. Ihre äußere Form ist im Allgemeinen oval bis länglich, dabei walzen-, stab- und spindelförmig; bei den Ametabola und wenigen Gruppen der Metabola auch scheiben- bis diskus-(Plecoptera) oder schalen-, halb- bis annähernd voll kugelförmig (Collembola, Lepidoptera, Abb. 1315 C). Die langgestreckten Formen sind bilatera lsymmetrisch mit einer langen, anterio-posterioren und einer kurzen , dorso -ventralen Achse. Die Ventralseite ist meist konvex, die Dorsalseite konkav bis abgeflacht. Die beiden Polbereiche der Eier sind abgerundet (Hemimetabola) oder unterscheiden sich durch ein weniger stumpfes Hinterende (Holometa bola) (Abb. 13-17). Die Ventralseite des Eies ist durch die Position der künftigen Keimanlage definiert , der Vorderpol durch die Lage des Kopfes des Embryos bestimmt. Die Orientierung der Eier entspricht der Längsachse des mütterlic hen Körpers. Bei den scheibenförmigen, abgeflachten Eiern (z. B. Microlepidoptera) verläuft die anterio-poste-
13.1 Fortpflanzung
373
G m
G
n ex vb
en 00 50J,l
vm
Abb. 13-16: Beginn des Aufbaus der Eischaie bei Insekten am Beispiel von Drosophila melanogaster. A-( Drei Eikammern fortschreitender Entwicklung, den Beginn des Eischalenaufbaus veranschaulichend (s. 13.1 .1.3). F Follikelzelle, G Grenzzelle, Nz Nährzelle, 00 Oocyte; en Endochorion, ex Exochorion, m Mikropyle, n Kern einer Grenzzelle, vb Material für den Aufbau der Vitellinmembran, vm Vitellinmembran. (Nach R. C. King 1970, verändert)
riore Achse parallel zur Ebene des Substrates, auf dem das Ei abgelegt wird; bei den mehr kegel- bis kuppelförmigen , die man nach der Art, wie sie abgesetzt werden, häufig als aufrecht, stehend bezeichnet, entsprechend senkrecht zur Unterlage (z. B. Papilionoidea, Noctuoidea). Bei vielen Arten wird die Polarität des Eies durch lokalisierte Differenzierungen der Eischale besonders deutlich. Der Vorderpolbereich des Eies von Drosophila ist durch die Vereinigung von 4 Strukturenkomplexen gekennzeichnet : der beiden als Atemhörner fungierenden Chorionanhänge, der aus Vitellinmembran- und Chorionanteilen als Hohlzylinder aufgebauten Mikropyle, und dem Kragen mit seinen "Sollbruchstellen", die das Öffnen des Operculums für den Austritt der Larve ermöglichen (Abb. 13-15 A). Die Gestaltung des Vorderpolbereichs der Eischale von Drosophila als Folge der Tätigkeit eines axial-polaren Follikels zeigt sich beim Aufbau der Mikropyle und Atemhörner (Abb. 13-16). Die Vitellinmembrananteile der Mikropyle werden von 9 anterioren Follikelzellen, den Grenzzellen, aufgebaut, die Chorionanteile von 36 anterio-Iateralen,die Atemhörner von weiteren 90-120 ebenfalls anterio-Iateralen Follikel-
zellen. Die Grenzzellen lösen sich aus dem Epithelverband des Follikels am vorderen Pol der Eikammer und wandern nach hinten durch die Gruppe der Nährzellen hindurch an den vorderen Pol der Oocyte. Die 36 anterio-Iateralen Follikelzellen zwängen sich zentripetal zwischen Ei- und Nährfach hindurch zum Vorderpolbcreich und die anderen 90-120 Zellen an die Flanken der Vorderpolregion der Oocyte. In jedem Falle wandern Follikelzellen gerichtet zu dem für sie bestimmten Funktionsort, wo aus ihren Sekreten spezifische Strukturen, Mikropyle und Atemh örner, gebildet werden. Bei vielen Lepidoptera liegt die Mikropylc inmitten einer Rosette der Eischale am apikalen = vorderen Eipol. Bei Spodoptera littoralis (Noctuidae) münden drei bis vier Mikropylenkanäle im vertieften Rosettenzentrum (A bb, 13-15D). Im allgemeinen kennzeichnet die Mikropyl e den vorderen Eipo!. Sie kann aber auch auf der dor salen oder ventralen Fläche liegen. Bei der Schlupfwespe Nasonia vitripennis (Pteromalidae) findet sie sich annähernd anteriodorsal, bei Ach eta domesticus auf der Ventralseite, bei den Skorpionsfliegen (Panorpidae) und den Mückenhaften (Bittacidae) am hinteren Eipo!. Bei der para sitischen Gallwespe Leptopilina heterotoma (Cynipidac) ist das Chorion im Vorderpolbereich von der Eizelle abgehoben und bildet einen von Flüssig-
374
13 Fortpflanzung und Entwicklung
-
20pm
A
B
-
lOpm
D
Abb. 13-17: Architektur des Insekteneies am Beispiel von Smittia sp. (Diptera, Chironomidae). Lichtmikroskopische Aufnahmen von Semidünnschnitten (111m) durch 100 min nach Ablage fixierte Eier. A und B parallele Längsschnitte durch dasselbe Ei. CVorderpolbereich mit dem in das Dotter-Endoplasma-System hineinragenden euplasmatischen Konus (Z). 0 Hinterpolbereich mit dem Iinsenförmigen Oosom (0). C euplasmatische Insel, Peri- und Reticuloplasma miteinander verbindend . L Lipid, N Kern, P Periplasma, SEischale, Y Proteiddotter. (Aus D. Zissler und K. Sander 1982) keit erfüllten perivitellinen Raum, der später vom sich ausbreitenden Embryo eingenommen wird . Ferner ist das Chorion am Vorderpol zu einem Pedunculus a usgezogen, der das Ei im Gewebe des Wirt s verankert. Auch ist die Vitellinmembran im Vorderpolbereich verdickt (Abb, 13-15 B).
Der äußeren axialen Polarität der Eischaie entspricht eine innere axiale Polarität der Eizelle. Morphologisch offenbart sich die Polarität einerseits, indem sich die Eizellein ihrer Form meist der der Eischale angleicht, folglich ventral konvex, dorsal konkav ist, die Polbereiche abgerundet sind
13.1 Fortpflanzung
(Hemimetabola) oder das Hinterende weniger stumpf als das Vorderende ist (Holometabola). Andererseits zeigt sich die Polarität in der unterschiedlichen Verteilung der Organelle im Periplasma, der spezifischen Lokalisation von Dotterbestandteilen, Symbionten und des Richtungspla smas, das den Oocytenkern in Metaphase I enthält, sowie in der ungleichen Architektur des Ooplasmas im Vorder- und Hinterpolbereich. Bei Bombyx mori lassen sich durch unterschiedliche Verteilung von Ribosomen, ER und Mitochondrien eine ventrale und dorsale und folglich auch zwei laterale Regionen unterscheiden. Bei Musca domestica sind zwischen Periplasma und zentralem Endoplasma große Ansammlungen von Glykogen gespeichert. Die Lage des Symbiontenballs kennzeichnet den Hinterpolbereich der Eier verschiedener Zikaden. Das Richtungsplasma liegt bei der Honigbiene ventral nahe dem Vorderpol, bei Leptinotarsa decem/ineata etwa mediodorsal, bei der Bohrfliege Dacus tryoni anterio-dorsal. Einige wenige Arten, deren Ei-Architektur feinstrukturell analysiert ist, bergen im Vorderpolbereich einen euplasmatischen Konus. Bei Smittia (Abb. 13-17 C) ist der Konus reich an Ribosomen und enthält Aggregate von Mitochondrien, bei der Trauermücke Bradysia tritici besteht er aus einer homogenen, organellfreien Matrix. Der Hinterpolbereich ist dagegen bei einer Reih e von Insekten, besonders unter den Diptera, Hymenoptera, Coleoptera, Lepidoptera, durch ein euplasmatisches Polplasma ausgezeichnet. Dieses enthält eine fädig-granul äre Substanz, die in Form mehrerer Polgranula (Il> eines Granulum bei Drosophila 0,2-0,5 um) oder als einheitliches kugel- bis linsenförmiges Oosom (Il> bei Smittia 10-15 um) schon seit langem als Keimbahn begleitend bekannt ist und heute als Träger von Keimzelldeterminanten außer Frage steht (Abb. 13-17 D) . Die ser morphologischen, größtenteils schon lichtmikroskopisch erkennbaren Polarität der Eizelle entspricht eine molekulare. Ein molekulares Vormuster als räumliche Information (Positionsinformation) determiniert die Körperachsen und oft auch die Lokalisation der Keimzellen des künftigen Embryos. Die wesentlichen Erkenntnisse über die Musterbildung im Ei und Embryo der Insekten wurden und werden immer noch an Drosophila gewonnen. Drosophila wurde zum Modellorganismus der Entwicklungsbiologie, weil für sie ein genetischer Me thodenapparat zur Verfügung steht, der erlaubt, in kurzer Zeit (Entwicklungszeit bei 25°C 9,2 Tage von der Ablage des befruchteten Eies bis zum Schlüpfen der Imago aus der Puppenhülle) eine große Zahl von Mutationen zu erzeugen und zu analysieren. Die Mutationen, die phänotypisch als Ausfall bestimmter Merkmale am Embryo oder Adultus erkannt werden , definieren die Gene, die
375
eben für jene dieses Merkmal bedingenden Entwicklungsprozesse und somit für bestimmte morphogenetische Komponenten codieren. Die Positionsinformation wird während der Oogenese von der Mutter auf die Oocyte übertragen. Das molekulare Vormuster der Eizelle von Drosophila besteht aus vier Systemen, von denen drei die anterio-posteriore und eines die dorsoventrale Achse (Dv) bestimmen. Das anteriore System (A) programmiert den Bereich der 5 echten Kopfsegmente, sowie den der 3 Thoraxsegmente, das posteriore (P) die Region des segmentierten Abdomens, während das als terminal (T) bezeichnete dritte System die nicht echte Segmente bildenden Endstücke (Termini) des Embryos, Acron und Telson , determiniert. Jedes System (A, P, T, DV) wird von einer Gruppe entwicklungspezifischer, maternaler Gene bewirkt. Man bezeichnet sie als Polaritäts- oder Koordinatengene, weil sie die Polachse und also die bilaterale Symmetrie von Ei und Embryo festlegen und zudem das Ei gleichsam mit einem Koordinatennetz belegen, indem jede Position durch bestimmte Koordinatenwerte definiert ist. Mindestens ein Gen in jeder Gruppe hat Schlüsselfunktion , während allen anderen nur begleitende Funktion zukommt (s. unten) . Der Aufbau eines jeden Systems beginnt mit der Lokalisation der Produkte der Schlüsselgene als ooplasmatische Determinanten oder räumliche Signale. In den Systemen A und P ist dieses Signal die mRNA der Gene bicoid und nanos. Beide mRNAs werden in den Nährzellen synthetisiert (Abb. 1318) und in die Oocyte gebracht, die bicoid-mRNA in deren Vorderpolbereich, die nanos-mRNA in deren Hinterpolbereich. Für die bicoid-mRNA haben die Gene exuperantia (exu), swallow (swa) und stauf en (stau) begleitende Funktion, indem exu die Aggregation der RNA in den N ährzellen, swa die Verankerung am Vorderpol und stau die Stabilität der Verankerung nach der Eiablage kontrolliert. Auch in der P-Gruppe dienen die meisten Gene der Lokalisation der nanos-mRNA im hinteren Polplasma. Für die Systeme T und DV werden als Orte der Transkription spezifische Follikelzellen angenommen (Abb. 13-18), deren molekular noch nicht identifizierte Syntheseprodukte im Perivitellinraum im Bereich der Eipole bzw. der Ventral seite, möglicherweise an der Vitellinmembran lokalisiert sind . Erst nach der Befruchtung wird die lokalisierte mRNA übersetzt. Das bicoid-Protein (Morphogen) breitet sich - im Wesentlichen wohl durch Diffusion - in der Art eines Konzentrationsgefälles (Morphogenetischer Gradient) mit abnehmender Konzentration vom Vorderpol des Eies aus. Als Transkriptionsfaktor vermittelt es Posi-
376
13 Fortpflanzung und Entwicklung
A
r
r
DV
Auch die Proteine der Schlüsselgene des T(noch nicht identifiziertes Gen Y) und des DVSystems (Gen dorsal) werden als Morphogene betrachtet: sie breiten sich ebenfalls in Form von Gradienten aus und bestimmen in Abhängigkeit von der Konzentration die Position. Das dorsalProtein ist im Cytoplasma des abgelegten Eies homogen verteilt. Im syncytialen Blastoderm wird es in den Kernen der Ventral-, nicht jedoch in denen der Dorsalseite angereichert. Die Aufnahme in die Kerne der Ventralseite wird durch das Zusammenwirken von 10 Genen (dorsal-Gruppe) veranlasst, während das Gen cactus als Inhibitor die Aufnahme in die Kerne der Dorsalseite verhindert (Abb. 13-18). Für das posteriore System (P) lag die Annahme auf der Hand, dass das nanos-Protein, analog zum bicoid-Protein , als Transkriptionsfaktor die Expression des zygotischen Gens knirps aktiviere. Überraschenderweise ist das aber nicht der Fall, vielmehr besteht die wesentliche Funktion des nanos-Proteins darin, die Wirkung eines Transkriptionsfaktors, der die Expression des Gens knirps normalerweise unterdrückt, zu unterbinden. Dieser Transkriptionsfaktor ist das Produkt des Gens hunchback, das die Musterbildung in der hinteren Körperhälfte unterdrücken würde. Der Grund, warum gerade hier die gradientenabhängige Musterbildung durch einen anderen Mechanismus und noch dazu durch eine derart komplexe, doppeltnegative Regulation ersetzt ist, dürfte möglicherweise im evolutiven Werdegang der musterbildenden Systeme bei Articulata zu suchen sein. Neben dem Signal für die Ausbildung des Abdomens enthält das Polplasma noch ein zweites Signal, das die Bildung der Polzellen (s. 13.2.1.2) veranlasst. Das nanos-Gen liefert, wie beschrieben, die posteriore Determinante und wird von pumilio geleitet, indem dieses die gleichmäßige Ausbreitung des nanos-Proteins vom Konzentrationszentrum am Hinterpol nach vorn überwacht. Alle anderen Gene der posterioren Gruppe (cappuccino, spire, oskar, vasa, valois, tudor; mago nashi
Abb. 13-18: Determination der embryonalen Achsen im Ei bei Drosophila durch die Verteilung maternaler Genprodukte, die ein molekulares Vormuster in Form der vier Systeme A (anterior), P (posterior), T (terminal) und DV (dorsoventral) aufbauen. Schwarz die maternalen Genprodukte während der Transkription in den Nährzellen (links). ihrer spezifischen Einlagerung in der Oocyte (Mitte) und die Verteilung der als Transkriptionsfaktoren fungierenden Produkte im syncytialen Blastoderm (rechts). (Aus Nüsslein-Vollhard 1990)
tionsinformation, indem es zygotische Gene (Zie1gene) in den Kernen des Blastoderms aktiviert. Deren Expression veranlasst schließlich die Ausbildung bestimmter Körpersegmente an bestimmten Positionen.
und staufen als einziges maternales Gen, das zwei Systemen, dem anterioren und dem posterioren, angehört) sind an beiden Signalen beteiligt. Einerseits bewirken sie beim Aufbau des P-Systems, dass das in den Nährzellen synthetisierte nanosProtein im Hinterpolbereich lokalisiert wird. Andererseits sind sie verantwortlich für den stufenweisen Aufbau der Polgranula während der Oogenese und ihrer Lokalisation im Hinterpolbereich der Oocyte. Vermutlich ist die Bildung der Polgranula Voraussetzung für die örtliche Fixierung der posterioren Determinante.
13.1 Fortpflanzung
377
~ FO"ik" e
Vas efferens
Vesicula serninalis
A
Peritonealhülle Hoden Vesicula
'~rF--;i';<- serninalis ~. ~...-:=:r
vasdeferens Anhangsdrüse Samenpumpe Ductus ejaculatorius
Abb. 13-19: Männliche Geschlechtsorgane. A Grundschema. Der linke Hoden und die äußeren Geschlechtsorgane längs angeschnitten (Ductus ej. Ductus ejaculatorius). B Frontalschnitt durch einen Hoden, nur die Wandschichten sind dargestellt. e Schema eines Hodens mit getrennten Follikeln (kammförmige Hoden). D Hoden und Geschlechtswege beim Apfelblattsauger, Psylla mal; (Hemiptera), als Beispiel für die Ausbildung einer Samenpumpe. (A- Cnach H. Weber 1954, Dnach H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
13.1.1.6 Nähreier Ähnlich wie bei einigen Insekten neben befruchtungsfähigen Spermien, Euspermien, befruchtungsunfähige Samenzellen, Paraspermien, gebildet werden (s. 13.1.1.9), gibt es bei der neotropischen, stachellosen Biene Scaptotrigona postica zwei Eitypen: Bruteier, die die Königin legt, und Nähreier, die von jungen Arbeiterinnen stammen, die den Stock noch nicht verlassen haben. Die Nähreier sind größer als die Bruteier und entwickeln sich nicht. Sie sind kernlos; ihr Kern dege neriert während der Reifungsperiode. Die Nähreier werden von der Königin vor der Ablage eigener Eier gefressen (Oophagie). Nähreier sind auch von den Ameisen Plagiolepsis pygmaea und Messor capitatus bekannt; bei Atta sexdens entstehen sie aus der Vereinigung mehrerer Oocyten in den Ovariolen.
13.1.1.7 Männliche Geschlechtsorgane Wie die Ovarien sind auch die Hoden paarig und phylogenetisch ursprünglich segmental im Hinterleib des Männchens angeordnet. Bei Diplura und einigen Thysanura werden sie, ähnlich den Ovarien , embryonal noch segmental angelegt, doch verliert sich - auch hier wie bei den Ovarien - diese Gliederung im Laufe der weiteren Ontogenese. Und wiederum wie die Ovarien bestehen auch die
Hoden a us Schläuchen (Samenschläuchen) oder Follikeln (Hodenfollikeln) . Die Zahl der Hodenfollikel ist artspezifisch verschieden. Unifollikuläre Hoden sind im Allgemeinen schlauch-(z.B. Ephemerida), seltener kugel-bis birnenfOrmig (z. B. einige Siphonaptera). Die meisten Insekten haben multifoUikuläre Hoden mit bis zu 100 und mehr Follikeln, die abermals wie bei den Ovarien - kamm- (z. B. einige Thysanura) oder trauben- (z. B. Saltatoria) bis büschelförmig (z. B. Plecoptera) sind. Auch kommen hufeisenförmige Organe vor, wenn die Ausfuhrgänge der Hoden beider Körperseiten mit ihren Enden verwachsen (z. B. Uferfliegen Perlariae). Die Follikelwand ist ein einschichtiges, mesodermales Epithel. Bei den meisten höheren Insekten sind die Follikel eines Hodens von einer gemeinsamen Peritonealhülle umschlossen und bilden so einen äußerlich einheitlichen ei- oder nierenförmigen Körper (Abb. 13-19 A , B). Das Peritoneum besteht aus einer häufig durch Pteridine gelb , rot, braun, grün oder violett gefärbten ä ußeren Zellschicht, der eine innere Schicht aus Myoidzellen anliegt. Die Pigmente werden als abgelagerte Stoffwechselendprodukte aufgefasst, dienen aber möglicherweise als UVFilter. Die Myoidzellen, durch parallele Anordnung von Muskelfilamenten, doch ohne Z-Scheiben oder ähnliche Strukturen gekennzeichnet, sollen den intratestikulären Druck aufrechthalten sowie das Vorrücken der Spermatogenesestadien in den Follikeln ohne Peristaltik fördern.
378
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Bei vielen Hymenoptera, Coleoptera und Lepidoptera legen sich die Hoden der beiden Körperhälften median aneinander und werden zusammen von einer Peritonealhülle umschlossen, die in Analogie zu den Verhältnissen bei den Säugern als Scrotum bezeichnet wird. Bei anderen, z. B. einigen Lepidoptera, wird ein Scrotum lediglich vorgetäuscht, indem beide Hoden durch eine Drehung um die gemeinsame Achse zu einer Einheit verschränkt werden. In beiden Fällen bleiben die Geschlechtswege getrennt.
13.1.1.8 Männliche Geschlechtswege Bei einigen ursprünglichen Formen bestehen die männlichen Geschlechtswege ausschließlich aus den paarigen Samenleitern (Vasa deferentia), die im Abdomen nach hinten ziehen und direkt , folglich in paarigen Gonoporen nach außen münden. Die beiden unifollikul ären Hodenschläuche der Ephemerida gehen in je ein Vas deferens über, das in den Spitzen eines jeweils eigenen Penis am Sternum des 10. Abdominalsegments endet . Bei den multifollikul ären Hoden sitzen die einzelnen Samenschläuche mit kurzen Stielen (Vasa efferentia) den paarigen Vasa deferentia an. (Abb. 13-19 C) .
Im Anschluss an den häufig gewundenen Anfangsteil kann sich das Vas deferens zu einer Samenblase (Vesicula seminalis) erweitern . Zudem trägt es meist Anhangsdrüsen. Distal vereinigen sich die beiden Vasa deferentia in einem unpaaren, mit einer chitinhaitigen Cuticula ausgekleideten, muskulösen Ductus ejaculatorius, der in einem im allgemeinen komplexen Kopulationsapparat endet (s. 2.4.5). Während der Ductus ejaculatorius als ektoderm ale Einstülpung entsteht, sind die Vasa efferentia und auch der größte Anteil der Vasa deferentia mesodermaler Herkunft. Distale Anteile der Vasa deferentia stammen jedoch häufig vom Ektoderm ab, und die Anhangsdrüsen (Akzessorische Drüsen) können ebenso ekto- wie mesodermaler Herkunft sein. Über die Vasa efferentia und die gewundenen Teile der Vasa deferentia gelangen die fertigen Spermatozoen in die Vesiculae seminales, wo sie für die Abgabe bereit gehalten werden. Die Anhangsdrüsen liefern Sekrete, die sowohl bei der direkten als auch der indirekten Spermienübertragung wirksam werden (s. 13.1.2). Zudem können sie, bei der Begattung in die Weibchen gebracht, die Eiablage stimulieren . Bei einigen Formen, z. B. der Heteroptera (Abb. 13-19 D), Homoptera und Diptera ist durch Ausbildung einer starken Wandmuskulatur sowie besonderer Ventilvorrichtungen der Ductus ejacu-
latorius zu einer Samenpumpe geworden, die bei der Begattung die Spermien aus den Vasa deferentia ansaugt und in die weiblichen Geschlechtswege pumpt.
13.1.1.9 Spermatogenese Wie die Oogenese folgt die Spermatogenese der Insekten den Grundprinzipien der Gametenbildung der Metazoa (Abb. 13-7): die Samenzellen durchlaufen eine Vermehrungs-, Wachstums- und Reifungsperiode. Man fasst sie als Spermato- oder Spermiocytogenese zusammen. Während das 00plasmatische System der Eizelle in der Wachstumsperiode aufgebaut wird, und so die Eizelle zum Zeitpunkt der Meiose voll ausgebildet ist, erhält die Samenzelle ihre spezifische Struktur und Form in einer besonderen, sich an die Reifungsperiode anschließenden Differenzierungsperiode, der Spermato-oder Spermiohistogenese. Entsprechend ihrer Aufgabe, das männliche Erbgut auf die Eizelle zu übertragen, enthalten die fertigen Spermien als wesentlichen Bestandteil den männlichen Kern . Sie sind eupyren (eu gr. gut; pyren gr. Kern) und werden allgemein als Euspermatozoen (Euspermien) bezeichet. Bei einigen Arten bildet ein und dasselbe Männchen zwei oder mehrere Spermien typen aus. Handelt es sich um Spermien unterschiedlicher Größe, spricht man von Polymegalie, sind die Spermien morphologisch verschieden, von Polymorphismus (s. 13.1.1.13). Wenn im seiben Tier neben den Euspermatozoen regelhaft auch solche Samenzellen entstehen, die während der Spermatohistogenese ihr Chromatin zum Teil (oligopyrene Spermien) oder vollständig verlieren (apyrene Spermien), dann bezeichnet man diese allgemein als Paraspermatozoa (Paraspermien). Sie sind nicht befruchtungsfähig und stellen den äußersten Fall von Polymorphismus dar. Innerhalb der Insekten kommen Paraspermien nur in der apyrenen Form bei Lepidoptera vor. Bei den meisten Insekten beginnt die Spermatogenese in den Larven oder Puppenstadien und ist in den jungen Imagine s in vollem Gange. Bei Arten mit kurzem Imaginalleben, z. B. den Ephemerida und einigen Trichoptera, wird sie auf den Juvenilstadien bereits abgeschlossen . Auch bei den Pleocominae (Geotrupidae) unter den Coleoptera, die, wie die Ephemeroptera, als Adulte keine Nahrungmehraufnehmen, nur dieFortpflanzungdurchführen, werden die Samenzellen in der Puppevoll ausgebildet. Bei den meisten Coleoptera dagegen beginnt die Spermatogenese im letzten Puppendrittel und setzt sich über das gesamte Imaginalstadium fort. Bei den langlebigen Mist- oder Roßkäfern, den Geotrupinae, ist die Spermatogenese auf mehrjährige FortpIlanzungsphasen
13.1 Fortpflanzung
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eingestellt und wird jeweils am Ende einer Saison in der frühen Meiose(bis zum Pachytän) unterbrochen, um erst im nächsten Frühjahr fortgesetzt zu werden. Bei Diptera und Hymenoptera setzt die Spermatogenese etwa in der Mitte der Puppenruhe ein und kann bei den Diptera während des gesamten Adultlebens anhalten, bei den Hymenoptera dagegen endet sie schon bald nach dem Schlüpfen der Imago. Bei den Lepidoptera ist sie von relativ kurzer Dauer; sie beginnt spätestens im letzten Larvenstadiumund endet schon sehr früh in der Puppe. Die schlüpfenden Männchen enthalten die Spermien gespeichert in den Geschlechtswegen, u.a. in den Ductus ejaculatorii. Beginn und Verlauf der Spermatogenese sind häufig als Anpassung an die Bedingungen des Lebensraums zu verstehen. Die Spermatogenesen von Käfern der subarktischen Regionen sind auf den Frühlingsanfang beschränkt. Demgegenüber befinden sich adulte Männchen tropischer Coleoptera nahezu ständig in Spermatogenese.
11
Die zeitliche Inanspruchnahme der einzelnen Spermatogeneseperioden dürfte nach Gattung und Art verschieden sein. Die gesamte Spermatogenese von Drosophila dauert ca. 250 Stunden. Davon fallen etwa 50 Stunden auf die Vermehrungsperiode, 90 Stunden auf die Wachstumsperiode einschließlich der rasch aufeinanderfolgenden Reifeteilungen, sodass allein die Spermiohistogenese über 100Stunden erfordert. Im Gegensatz zu manchen Arthropoda, z. B. einigen Crustacea, bei denen die Spermatogenese erst im Vas deferens vollendet wird (Copepoda, Ostracoda) oder bereits Spermatogonien in die weiblichen Geschlechtswege überführt werden, um sich dort zu Spermatozoen zu entwickeln (Rhizocephala), findet bei den Insekten die gesamte Spermatogenese in den Hodenfollikeln statt. Wie die Oogenese vollzieht sie sich in Cysten, hier Spermatocysten genannt. Den physiologischen Ablauf von Vermehrungs-, Wachstums-, Reifungs- und DifTerenzierungsperiode belegt im allgemeinen die morphologische Gliederung des Follikels in vier Zonen mit Spermatocysten fort schreitender Entwicklungsstufen. Die Zonen I III umfassen die Stadien der Spermatocytogenese, Stufe IV die der Spermatohistogenese (Abb. 1320).
Spermatoeytogenese (Spermiocytogenese) Bei den meisten Insekten finden sich im Hodenfollikel drei verschiedene Zelltypen: neben den UrgeschIechts- oder Stammzellen eine einzige große Apikalzelle (Lepidoptera, Orthoptera, Hemiptera) oder mehrere kleine , zu einem Apikalkomplex verbundene Zellen (Diptera), sowie einige Mesodermzellen (Abb. 13-20). Die Apikalzellen, vermutlich somatischer Herkunft, sind in der Embryonalentwicklung das erste morphologische Kennzeichen, das die Gonade als
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Spermatocyten in der 1. + 2. Reifeteilung
Spermatiden
IV
Spermien
Abb. 13-20: längsschnitt durch einen Hodenfollikel von Dissosteira carolina (Acrididae), schematisch. Die Zonen 1111 (Vermehrungs-, Wachstums- und Reifungsperiode) umfassen die Stadien der Spermatocytogenese, die Zone IV die der Spermatohistogenese. (Aus H. Weber 1954)
männlich ausweist. Um die am Apex des Hodenfollikels verankerte Apikalzelle bzw. den Apikalkomplex ordnen sich eine je nach Art unterschiedliche Anzahl von Stammzellen rosettenförmig an . Die innige Verzahnung von Ausläufern von Api-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
Tab. 13-1: Spermien- bzw. Spermatidenzahl innerhalb einer Cyste in Abhängigkeit von der artspezifischen Zahl der Vermehrungs- und Reifeteilungen (Mitosen u. Meiose I und 11) innerhalb der Cyste.
Zellteilungen
Spermatiden bzw. Spermien
6
32 64
7 8
256
5
128
Beispiel
Drosophila hydei Drosophila melanogaster Trichoptera Coleoptera
kal- und Stammzellen lässt auf Nährfunktion der Apikalzelle bzw. des Apikalkomplexes schließen. Die Stammzellen teilen sich mitotisch. Jeweils eine Tochterzelle bleibt Stammzelle und als solche mit der Apikalzelle oder dem Apikalkomplex verbunden; die andere, freie, wird zu einem primären Spermatogonium. Aus jedem primären Sperrnatogonium geht durch eine artspezifisch festgelegte Anzahl von Mitosen (3, 4, 5, 6) eine entsprechende Zahl sekundärer Spermatogonien (8, 16, 32, 64) hervor. Da die Teilungen nicht zu Ende geführt werden , folglich Zellbrücken erhalten bleiben , bilden alle sekundären Spermatogonien einen von einem primären Spermatogonium abstammenden Zellverband, genetisch einen Klon, morphologisch ein Syncytium. Dessen weitere Entwicklung vollzieht sich innerhalb einer Spermatocyste, die je nach Ordnung auf verschiedene Weise zustande kommt. Bei Orthoptera, Dermaptera und Coleoptera umgeben eine oder mehrere Mesodermzellen je ein primäres Spermatogonium . Bei Lepidoptera werden die Cysten erst auf dem Stadium der jeweils 8 oder 16 durch Zellbrücken miteinander verbundenen sekund ären Spermatogonien gebildet, indem sich Mesodermzellen zu einem Epithel um den Spermatogonienverband formieren. Bei Drosophila sind die Stammzellen, um den Apikalkomplex wie die Speichen um die Radnabe angeordnet, von Anfang an in Cysten aus Mesodermzellen eingeschlossen. Da die Stammzellen und die beiden sie jeweils umhüllenden Cystenzellen sich synchron teilen, bleibt die TochterstammzeIle ebenso wie das primäre Spermatogonium von je einer Cyste umkleidet.
Nach der letzten Mitose wachsen die sekundären Spermatogonien zu Spermatocyten I. Ordnung heran, ähnlich wie die Oogonien zu Oocyten I, wenn auch in wesentlich geringerem Maße (Abb. 13-20). Bei Drosophila nehmen die Spermatocyten I nur um das 25 fache Volumen zu, im Gegensatz zu den auf das 100000fache heranwachsenden Oocyten. Die Spermatocyten I treten in die beiden rasch aufeinanderfolgenden Reifeteilungen (Meiose I und II) ein. In Meiose I wird der Chromosomenbestand auf die Hälfte reduziert (Reduktionsteilung) . Es entstehen aus jeder Spermatocyte I zwei Spermatocyten II. Ordnung . Meiose II ent-
spricht prinzipiell einer Mitose (Äquationsteilung) , doch werden in ihr Chromatiden getrennt, die aufgrund des im Allgemeinen in Meiose I erfolgten Stückaustauschs nicht völlig identisch sind. Bei Drosophila findet in den Spermatocyten im Gegensatz zu den Oocyten kein crossing over statt , und folglich treten auch keine synaptonemalen Komplexe auf, die nach Art eines Reißverschlusses die Homologenpaarung herbeiführen und den vorübergehenden Zusammenhalt gewährleisten.
Aus jedem sekundären Spermatogonium gehen also vier haploide und im Normalfall genetisch unterschiedliche Spermatiden hervor. Das bedeutet, dass als Folge der Zahl aller Zellteilungen innerhalb einer Cyste die Anzahl der Spermatiden einer jeden Art konstant ist und mit 2° angegeben werden kann, wobei n die Gesamtzahl der Teilungen in der Cyste benennt (Tab. 13-1). Da wie nach den Vermehrungsmitosen auch nach den Reifeteilunngen die Zellbrücken erhalten bleiben, sind die Spermatiden gleichfalls noch syncytial miteinander verbunden .
Spermatohistogenese (Spermiohistogenese) In ihrer Form und Struktur gleichen die Spermatiden anfangs noch weitgehend somatischen Metazoenzellen . Sie sind annähernd kugelförmig und enthalten zentral den häufig ebenfalls kugelförrnigen Kern , ferner im meist mit Ribosomen, Endoplasmatischem Reticulum und Mikrotubuli ausgestatteten Cytoplasma einen Golgi-Apparat, zwei Centriole und mehrere bis viele Mitochondrien. Als genetisches Steuerzentrum ist der nachmeiotische Kern inaktiv. Ihm fehlen ebenso Nucleolen, wie RNA- und DNA-Synthesen nicht nachzuweisen sind. Demnach wird die Spermatohistogenese von Genprodukten gesteuert, die in der Spermatocytogenese auf Vorrat synthetisiert wurden und offensichtlich besonders stabil sind. Die Inaktivität des Kerns erhält zudem ihren morphologischen Ausdruck in der Verdichtung des Chromatins. Die Chromatinfibrillen von einem Durchmesser von 3-4 nm vereinigen sich zu 10-20 nm dicken Strängen, die sich zu Lamellen ordnen, um anschließend so miteinander zu verschmelzen, dass das gesamte Karyoplasma homogen und kompakt wird . Dabei werden vor allem lysinreiche Histone durch solche, die Arginin enthalten, oder durch Protamine ersetzt. Der Kern streckt sich in die Länge, wird spindel- bis kegelförmig und verliert kontinuierlich an Größe. Beträchtliche Teile seiner Hülle einschließlich ihrer Poren werden ins Cytoplasma abgeschnürt. Golgi-Apparat, Centriole und Mitochondrien, alle von zellüblicher Struktur, bilden das morphogenetische Potential, das in annähernd synchron
13.1 Fortpflanzung
verlaufenden Prozessen die cytoplasmatischen Komponenten der Spermien, wie sie für die meisten Insekten, insbe sondere die der Pterygota typisch sind, aufbaut oder deren Aufbau organisiert. Als multifunktionelles Bildungsorganell ist der G olgi-Apparat an de r Org ani sation mehrerer Komponenten beteiligt. Er bildet das proakrosom ale Granulum, da s, folglich von einer GoIgiMembran (Akrosom-Membran) umhüllt, zum Akrosom-Bläschen, dem eigentlichen Akrosom heranwächst (Einschichtiger Akrosom-Komplex: Ephemeroptera, Plecoptera, viele Heteroptera, Lepidoptera, Diptera). Die Akrosom-Substanz besteht aus Glykoprotein, die Akrosom-Mernbran enthält saure Phosphatasen . Die für Säuger-Spermien typische Hyaluronidase wurde in den Spermatozoen der Insekten bisher nicht gefunden . Zwischen Kern und Akrosom -Bl äschen kann zusätzlich ein stab- oder kegelförmiges Perforatorium entstehen (Zweischichtiger Akrosom-Komplex: Collembola, Protura, Diplura). Häufig wird zwischen Akrosom-B1äschen und Plasmalemm ein per iakrosomales M aterial abgelagert (Dreischichtiger Akrosom-Komplex: nahe zu alle Pterygota). Daß Perforatorium und periakrosomales Material auch vom Golgi-Appar at aufgeba ut werden, wird angenommen. Das spindeiförmige Spermium von Mystacides azurea (Trichoptera) besitzt keinen Akrosorn-Komplex. Ein solcher fehlt auch den Spermien der Isoptera, die auch sonst noch sehr ungewöhnlich sind (s. 13.1.1.12).
381
Bei einigen Diptera ist das centriolar adjunct in jungen Spermatiden verhältnismäßig umfangreich, nimmt dann an Volumen beträchtlich ab und ist in den fertigen Spermiennur noch als kleiner, dichter Körper vorhanden. Bei einigen Trichoptera und Lepidoptera verschwindet es während der Spermiohistogenese vollständig. Die An zahl der M itochondrien pro Spermat ide und Art ist immer annähernd gleich (bei Lepid opt era z. B. 50-60). Das ist darauf zur ückzu führen, dass sie während der Reifeteilungen zu Ketten entl ang der Spindeltubuli formiert werden und somit etwa gleichmäßig über die Zelle verteilt sind, wenn diese durchschnürt wird. Bei ur sprünglichen Insekten vereinigen sich klein e Mitochondrien zu größeren, längli chen, bei Collembola zu drei , bei Diplura und Machilidae zu zwei und bei den Ephemeroptera zu einem. In jedem Falle bleibt ihre normale Struktur und Funktion erh alten . Bei den Ph asmid a degenerieren als einziger der durch flagellate Spermien gekenn zeichneten Ordnungen die Mit ochondrien während der Spermatohi stog enese, sodass die fertigen Spermatozoen ohne Mitoch ondrien sind . Das gleiche vollzieht sich in der Entwicklung der aflagellaten Spermien von Kalotermes (Iso ptera) und denen der Coccoidea (Hemipt era) . Bei allen höh eren Insekten lagern sich die M itochondrien zu einem lichtmikroskopisch meist ku gelförmigen sog. Nebenkern zusammen. Aus ihm entstehen durch Auflösung und N eugru ppieru ngen von Membran en und Cri stae zwei Nebenkernderivate, die sich cauda l vom Kern und parallel zum Axial filamentkomplex in die Länge str ecken.
Auf der dem Akrosom -Komplex gegenüberliegen- Bei den meisten Insekten erhalten während der letzten den Seite des Kerns formieren sich die beiden Phase der Spermiohistogenese große abgeflachte GolgiCentriole. Zisternen Kontakt mit den Nebenkernderivaten und beDadurch tritt bereits an den noch annähernd dingen in deren Innerem die Ablagerung eines kristallikugelförmigen und überdies durch Zellbrücken nen Proteins (Crystallomitin), demjegliche Enzymaktivimiteinander verbundenen Spermatiden die Polari- tät fehlt. Respiratorische Enzyme sind auf die Cristae tät und so auch die H auptachse de s künftigen enthaltenden Regionen der Nebenkernderivate beSpermiums zut age: Der Ak rosomkomplex be- schränkt. Dem Crystallomitin ordnet man eine passive zu , zeichnet die apikale oder rostr ale, die Lage der Rolle als elastisch wirkende Stäbe beim Geißelschlag denkt andererseits aber auch, es könne sich um einen Centriole die ba sale oder cauda le Region. SpeicherstofT, ähnlich dem Dotter der Eizellen, handeln, Da s in einem nahezu recht en Winkel zur der in der frühen Embryogenese genutzt wird. Hauptachse des spä teren Spermium s angeordnete Die Spermien der Thysanoptera, Trichoptera und pro ximale Centriol veranlasst die Synthese einer Mecoptera sowie die einiger Familien der Diptera (Sciaals centriolar adjunct bezeichneten gra nulären ridae, Mycetophilidae, Ptychopteridae) enthalten nur ein M asse. Das in der Hauptachse liegend e distale Nebenkernderivat. Bei anderen Diptera (Drosophilidae, Centriol wird zum Basalkörper, der den Aufbau Syrphidae, Muscidae) sind die beiden Derivate von undes Axialfilamentkomplexes (Axonemas) als we- gleicher, bei Culicidae und Simuliidae von gleicher Größe. sentlichen Bestandteil des Flagellum s organisiert (s. 13.1.1.11). In den ferti gen Spe rmien sind Cent- Ein weiteres typische s Bauelem ent des F lagellums riole mit typischen Triplettubuli nicht mehr nach- vieler Insektenspermien sind die beiden Akzessorizuweisen . Das centriolar adjunct um schließt den schen Körperchen. Sie ersch einen zu Beginn der Basalkörper und dient so möglicherweise der Ver- Spermiohi stogenese caudal vom centriolar adankerung des Axonemas und der Mitochondrien- junct , strecken sich in die Länge und flankieren derivate am caudalen Ende des Kerns zumindest dann zusammen mit den Mitochondrienderivaten während des Aufbaus des Flagellums. da s Axonema. Aufgebaut werden sie von Zister-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
nen des Golgi-Apparates. Sie bestehen aus einem kristallinen Glycoprotein . Ihr wesentliches Merkmal ist ihre ATPase- und UTPase-Aktivität. Sie scheinen eine Rolle bei der Geißelbewegung zu spielen. In den Spermatiden von Bacillus (Phasmida), in denen die Mito chondrien abgebaut werden, erlangen die Akzessorischen Körperehen eine beachtliche Größe und treten räumlich an die Stelle der fehlenden Nebenkemderivate. Bei Coleoptera gibt es Formen mit drei (Callosobruchus), zwei (Tenebrio) und einem Akzessorischen Körperchen (Cicindela). Auch die Spermien der Plecoptera haben nur ein Akzessorisches Körperchen, während denen der Culicidae, Cicadidae und Cercopidae Akzessorische Körperehen fehlen .
Durch die Längenausdehnung aller Komponenten nimmt auch die Spermatide selbst an Länge zu und im Querschnitt ab. Die Zellbrücken zwischen den Spermatiden werden spätestens jetzt aufgelöst, funktionslos gewordene Plasmaanteile abgeschnürt, Kopf, Mittelstück und Schwanz treten als je nach Art mehr oder minder voneinander abgegrenzte Regionen der individualisierten Samenzellen hervor. Der Schwanz kann in einem besonderen Endstück auslaufen. Bei einigen Insekten (Drosophila , Ctenocephalus und den Orthoptera Pezzotettix und Aiolopus) bleibt die Spermatidenmembran als Zellmembran des fertigen Spermiums erhalten und wird mit einer Glykoproteinschicht (Glyko calyx) bedeckt. Eine besonders differenzierte Glykocalyxhülle weisen die eupyrenen Spermatozoen der Lepidoptera in Form der sog. lanzettförmigen Lamellenanh änge auf (s. unten). Vermutlich erfüllen die unterschiedlichen Hüllstrukturen sehr unterschiedliche Funktionen beim Spermientransfer. Allen gemeinsam ist jed och, da ss sie antigenische Eigenschaften besitzen . Bei anderen Insekten (Bacillus. Tenebrio) wird gegen Ende der Histogenese die Spermatidenmembran plötzlich und nahezu vollständig abgestoßen und durch Membrananteile von Golgi-Zisternen ersetzt.
Verlauf der Spermatogenese im Hodenfollikel
Die Cysten, die Spermatogonien, Spermatocyten oder junge Spermatiden enthalten, sind im allgemeinen annähernd kugelförmig oder bei dichter Lagerung polyedrisch (Abb. 13-20). Wenn die Zeilen sich in die Länge zu strecken beginnen, strecken sich die Cysten ebenfalls. Die Spermatiden werden längsparallel zueinander ausgerichtet und liegen dann meist so exakt im Register, dass ein Querschnitt durch eine Cyste mit älteren Spermatiden diese nahezu alle in der gleichen Ebene trifft. Dies ist nicht nur Folge der parallelen Anordnung der Spermatiden sondern auch auf deren synchrone Entwicklung - dank der Zellbrücken zurückzuführen. Die Kopfspitzen sind gewöhnlich in der Cystenwand verankert, die Schwänze ragen häufig frei ins Lumen.
Durch die Vermehrung der Spermatogonien nehmen die Spermatocysten kontinuierlich an Umfang zu und werden durch die nachdrängenden Cysten im Hodenfollikel weitergeschoben. Folglich sind sie entsprechend der zunehmenden Reife der Spermatogenesestadien im Follikel hintereinander angeordnet. In kugelförmigen Hodenfollikeln (Coleoptera, Lepidoptera) finden sich die Spermatogonien- und Spermatocyten-Cysten im peripheren, die Spermatiden- und Spermatozoen-Cysten im zentralen Bereich. In den schlauchförmigen Follikeln (Acrididae, Abb. 13-20) liegen die Cysten mit den jungen Stadien anterior, die mit den reiferen posterior.
Somit ist als Folge der art spezifischen Zahl der Vermehrungs- und Reifeteilungen auch die Zahl der Spermatiden und demgemäß die der Spermien innerhalb einer Cyste konstant und kann mit 2" angegeben werden. n benennt die Zahl der Teilungen (Mitosen, Meiose I und 11) in der Cyste und beträgt bei den Insekten 5, 6, 7 oder 8 (Tab. 13-1 ).
13.1.1.10 Euspermatozoen (Euspermien)
Die Euspermatozoen sind bei den meisten Insekten flagellat, nur bei wenigen Formen aflagellat. Als flagellat werden Spermien bezeichnet, die ein Axonema besitzen (Flagellospermien), aflagellat sind entsprechend solche ohne Axonema . Flagellate Spermien sind im Allgemeinen motil, aflagellate häufig nicht moti!. Flagellospermien mit kegel- oder kugelförmigern Kopf und kurzem Mittelstück mit wenigen Mitochondrien gelten als plesiomorph (Plesiospermien). Sie sind an äußere Syngamie gebunden (Aquaspermien) und kommen folglich bei Landtieren, wie den Insekten, nicht vor. Die Spermatozoen, die ausschließlich mit innerer Syngamie korreliert sind, haben einen in die Länge gestreckten Kopf und ein ebenso gestrecktes Mittelstück, in dem die Mitochondrien bzw. die Nebenkernderivate das Axonema flankieren. Sie gelten als apomorph und werden als Modifizierte FlageUospermien bezeichnet (s. 13.1.1.11). Ihnen sind die Euspermatozoen der meisten Ordnungen der Insekten zuzuordnen (Abb. 13-21, 13-24). Auch die afiageUaten Euspermatozoen sind als apomorph zu werten. Sie treten nur am phylogenetischen Ende einer hochevoluierten Reihe mit Flagellospermien auf. Die Tendenz zur Entwicklung aflagellater Spermatozoen ist unter den Arthropoda weit verbreitet, so bei den Opiliones und Acarina unter den Arachnida, den Ostracoda, Pera- und Eucarida unter den Crustacea und den Diplopoda unter den Myriapoda. Bei den Insecta
13.1 Fortpflanzung
EL
A~ : ',: ~ .... . PM~ . ,. .
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N
Abb. 13-21:Schema eines Pterygotenspermiums. A Akrosom, AB Akzessorische Körperchen, AC centriolar adjunct, AT Akzessorische Tubuli, CC Zentralzy/inder, CS Zentralhülle, die Zentraltubuli CT umschließend, D Doppeltubuli, DD im Endstück des Spermienschwanzes auslaufende und folglich sich auflösende Doppeltubuli, IC Perforatorium, EL Periakrosomales Material, GM vom Golgi-Apparat abgegebene Membranen, LH Kopf der Speiche, MD Nebenkernderivat, N Kern, OC Außenzylinder aus Fasern zwischen den Akzessorischen Tubuli, PM Spermienmembran, RL Speiche, RLA Radiale Laminae. (Nach B. Baccetti, aus B. G. Jamieson 1987)
finden sich aflagellate Spermien (Abb. 13-26, 13-27) wenigstens in 6 Ordnungen (s. 13.1.1.12).
13.1.1.11 Modifizierte Flagellospermien Im allgemeinen ist das Modifizierte Flagellospermium der Insekten eine dünne, fadenförmige Zelle mit einer Länge von 20 firn bei einigen Ephemeroptera bis zu mehreren mm, bei Coleoptera (Diva/es bipustu/atus: Cleridae : 10 mm), Heteroptera (Noton eeta g/auca: 15 mm) und Diptera (Drosophila bifurcata: 58 mm). Vom multiflagellaten Spermium von Mastotermes darwiniensis (Isoptera) (s. unten) abgesehen, trägt es immer nur eine Geißel, ist monoflagellat. Biflagellate Formen, wie sie bei einigen Heteroptera gefunden wurden , gelten als abnorm.
383
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Der Kopf enthält je nach Ordnung oder Familie einen stabförmigen (die meisten Pterygota, Abb. 13-21), zylindrischen (Grylloblattodea, Abb. 1322), spindeIförmigen (Plecoptera) oder lanzenförmigen Kern (Bibionidae). Apikal sitzt dem Kern der Akrosom-Komplex auf. Basal liegt ihm das centriolar adjunct an . Im typischen Fall werden Mittelstück und Schwanz von einem Axonema durchzogen. Auf das Mittelstück beschränkt sind die längsparallel zum Axonema angeordneten beiden Nebenkernderivate von gleicher (Culicidae, Simuliidae) oder ungleicher Größe (Lepidoptera), sowie die beiden Akzessorischen Körperehen (Abb. 13-21). Während das Axonema der Japygidae (Diplura) noch das typische 9 + 2 Muster der Meta zoengeißel aufweist, ist es von den Campodeidae (Diplura) bis zu den höchsten Pterygota (Blatt-
384
13 Fortpflanzung und Entwicklung
MD N
Abb. 13·22: Flagellospermium von Galloisana nipponensis (Grylloblattodea) schematisch, oben Querschnitt durch das Flagellum. A Akrosom, Ac centriolar adjunet, Ax Axonema, MD Nebenkernderivate, N Kern, TFlagellum . (Nach B. Baccetti, aus B. G. Jamieson 1987)
Akrosom
Einzeltubuli
Mitochondrium ~"~J
Zentraltubuli Doppeltubulus
Abb. 13-23: Flagellospermium von Neuronia (Trichoptera). (Nach D. M. Phillips 1974)
odea, Orthoptera, Dermaptera, Embioptera, Plecoptera, Odonata, Neuroptera, Heteroptera, Coleoptera, Strepsiptera, Hymenoptera, Diptera mit Ausnahme vieler Nematocera) peripher durch 9 Einzeltubuli zu einem 9 + 9 + 2 -Muster erweitert. Es wird als Synapomorphie der Pterygota be-
trachtet. Im Endstück ist da s 9 + 9 + 2 -Muster über die Zwischenstufe eines 9 + 2 -Musters bis zu völliger Auflö sung in Einzeltubuli reduziert (Abb. 13-23). Über die Funktionen der Hauptkomponenten des Flagellospermiums, Kopf, Mittelstück und Schwanz, bestehen kaum Zweifel. Der AkrosomKomplex ermöglicht das Eindringen der im Kern gespeicherten genetischen Information in die Eizelle. Das Mittelstück bindet Kopf und Schwanz aneinander und enthält die mitochondrialen Energielieferanten. Der Schwanz mit dem Axonema als Bewegungsorganell dient der Zusammenführung von Ei- und Samenzelle . Doch wie die einzelnen Organelle (z. B. centriolar adjunct, Akzessorische Körperchen) funktionieren und als was sie letztlich fung ieren ist weitgehend unbekannt. Es bleibt auch fraglich, ob besondere Spermienmerkmale bisher unbekannter Funktion im Rah men von Spermienkonkurrenz (s. 14.3.4.3) zu deuten sind . Es ist denkbar, dass Samenzellen einen nachfolgenden Kopulationspartner als Konkurrenten dadurch auszuschalten vermögen, dass sie mithilfe zum Beispiel besonderer Oberflächenstrukturen sich in der Wand von Vagina oder Ductus receptaculi des Weibchens verankern, um so diese für eine weitere Spermienaufnahme zu verstopfen. Abweichungen vom Grundplan des Modifizierten Flagellospermiums sind bei den Insekten zahl reich. Sie werden als Ergebni s evolutiv erfolgreicher Prozesse gedeutet, die innere Syngamie zu optimieren. Die in diesem Sinne vielfältigsten Veränderungen hat das Insektenspermium am Axonema erfahren. Zwei Axonemen vom 9 + 9 + 2 -Typ in einer Geißel finden sich in den Spermien von Mallophaga und Anoplura. Das Spermium von Cryptothrips latus (Thysanoptera) enth ält, völlig ungeordnet, 18 Doppel- und 4 Einzeltubuli, offensichtlich als Verschmelzungsprodukt zweier 9 + 2 Axonemen. Bei den Trichoptera und Lepidoptera sind die peripheren Einzeltubuli mit einem Durchme sser von 30 nm dicker als die des üblichen 9 + 9 +2 -Axonemas (25 nm) der Spermien der Pterygota und zudem von einem dichten Material aus Glykoprotein erfüllt. Ein 9 + 9 + 0 -Muster ist bei Ephemeroptera ausgebildet. Bei Gryllotalpa gryllotalpa (Ensifera) weist das Flagellum in der rostralen Hälfte ein normale s 9 + 9 + 2 -Axonema, sowie 2 Nebenkemderivate auf und ist moti!. Die caudale Hälfte enthält als einzige Organelle 9 periphere und 2 zentrale Einzelfibrillen aus Glycoprote in und ist immoti!. Auch eine Rückkehr zum einfachen 9 + 2 -Muster liegt vor, so bei Mecoptera und Siphonaptera. Bei Polycentropu s (Trichoptera) umgeben 9 äußere Doppeltubuli 7 innere Einzeltubuli, von denen ein Tubulus zentral, die anderen 6 symmetrisch um ihn angeordnet sind. Bei den Hemiptera haben die Spermien der meisten Auchenorrhynch a noch das klassische Pterygoten-Axonema; nur bei wenigen Membracidae sind die Axonemen im Spermienschwanz unregelmäßig verzweigt. Dagegen
13.1 Fortpflanzung
385
, - - - - - - - - - Kalolerm'tldae Rrnnorerrmnc ae Terrm trdae
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Abb. 13-24: Phylogenie der Spermienstruktur bei Isoptera. (Nach B.
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Baccetti, R. Dallai, G. Callaini 1981)
setzt sich bei den Sternorrhyncha von den Aphidioidea über Psylloidea und Aleyrodoidea eine fortschreitende Degeneration des Axonemas in Kombination mit Abnahme der Motilität durch und führt zu aflagellaten, aber wieder motilen Spermatozoen bei den Coccoidea (s. 13.1.1.12). Innerhalb der Diptera als einer der phylogenetisch höchst entwickelten Ordnungen wurde gleich eine ganze Reihe unterschiedlicher Muster nachgewiesen. Einige seien genannt. Ein 9 + 9 + 2 -Axonema, bei dem die akzessorischen Einzeltubuli aus 16 Protofilamenten bestehen, finden sich bei einigen Arten der phylogenetisch an der Basis der Diptera stehenden Mycetophilidae und Keroplatida e. Bei anderen Mycetophilidae sind die Einzeltubuli aus 15 Protofilamenten aufgebaut,und wieder andere zeigen das klassische 9 + 2 -Muster. Culicidae und Bibionidae haben ein 9 + 9 + ,,1" -Muster, weil die beiden zentralen Tubuli durch einen zentralen Stab ersetzt sind. Ein 9 + 9 + 3 -Muster ist typisch für Simuliidae. Innerhalb der Psychodidae weisen die motilen Spermatozoen der Phlebotominae ein 9 + 9 + 0 -Axonema auf, während die Psychodinae aflagellat und immotil sind (s. 13.1.1.12). Tipulidae und Trichoceridae, sowie Brachycera und Cyclorrhapha haben ein 9 + 9 + 2 -Axonema, bei dem die akzessorischen Einzeltubuli aus 13 Protofilamenten bestehen. Bei den Sciaridae ist das Axonema ein tubulärer Apparat aus 60 bis 360 Doppeltubuli, die jeweils von einem Einzeltubulus aus 13 Protofilamenten begleitet werden; der Gesamtkomplex bildet eine Spirale. Die vielfältigste Abänderung des Axonemas bis zu dessen Verlust (s. 13.1.1.12) findet sich bei den Cecidomyidae: 9 + 0, 9 + 1,9 + 2, 9 + 3, 9 + 5, 10 + 0, 9 +
zentralem Zylinder, 10 + zentralem Zylinder, 20 oder 21 + zentralem Zylinder oder 150 Doppeltubuli in zwei Reihen und bei Asphondylia sind gar 2500 Doppeltubuli spiralig um einen zentralen Körper oder ein zentrales Mitochondrium angeordnet.
Die bereits als multiflagellat erwähnten Spermatozoen von Mastotermes darwiniensis tragen etwa 100 Flagellen und sind zudem in allen drei Bauelementen ungewöhnlich : Dem Kopf fehlt ein Akrosom, die Centriole, von denen die Flagellen aufgebaut und im Mittelstück verankert werden, bestehen aus Doppeltubuli statt, wie bei Centriolen üblich, aus Tripletts. Das Axonema der Flagellen zeigt in seinem proximalen Teil ein 9 + 0 -Muster, in seinem distalen ein 9 + 2 -Muster; die peripheren Doppeltubuli haben nur einen Arm , doch die Spermien sind motil (Abb. 13-24). Von besonderer Form sind die Flagellospermien der Collembola. Die mit einem Akrosom, wenigen Mitochondrienderivaten und einem 9 + 2 -Flagellum ausgestatteten, fadenförmigen Samenzellen werden im Ductus deferens aufgerollt, in eine Zellhülle (Cyste) eingeschlossen und mit einem Pedunculus in ihr verankert (Abb. 13-25). Die Herkunft der Zellhülle ist unklar, ihre Bedeutung unbekannt. Ähnlich encystierte Spermatozoen mit 9 + 2 -Flagellen sind für Pseudoscorpiones und einige Opiliones, mit 9 + 3 -Flagellen für Uropygi und Araneida nachgewiesen.
386
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Pedunculus
A
N
Granulares Mater ial
Abb. 13-25: Schema eines encystierten Spermiums von Anurida maritima (Collembola). (Nach R. Dallai aus B. G.
Abb. 13-27: Schema eines aflagellaten Spermiums von Habroleptoides umbratilis (Ephemeroptera). A Akrosom,
Jamieson 1987)
PPerforatorium, M Mitochondrium, N Kern. (Nach E. Gaino und M. Mazzini 1991)
Samenzelle ist bei den höheren Gattungen Eosentomon und Sinentomon vollzogen. Das Spermium von Eosentomon transitorium ist diskusförmig (0 61.lm) und erinnert durch seine bikonkave Oberflächengestaltung an die roten Blutkörperchen der Säuger. Weder Akrosom noch Axonema sind ausgebildet. Die immotilen Zellen enthalten als gewellte Scheibe den Kern, sowie einige Mitochondrien (Abb. 1326). M itochondrium
Kern
Abb. 13-26: Schema eines aflagellaten Spermiums von Eosentomon transitorium (Protura). (Nach B. Baccetti 1973)
13.1.1.12 Aflagellate Euspermatozoen Bereits bei den Protura scheint eine Disposition zur Entwicklung aflagellater Spermien gegeben. Das für die Apterygota typische 9 + 2 -Muster wurde bei keiner Art gefunden, stattdessen 12 + 0 -(Acerentu/us trägardhi), 13 + O-(Neocondee//um do/ichotarsum), 14 + 0-(Acerentomon majus) und 16 + 0 -Axonemen (Acerentu/us confinis). Obgleich also die zentralen Tubuli vollständig und zudem an den peripheren Doppeitubuli die äußeren Arme fehlen, sind die Spermien noch moti!. Der phylogenetische Schritt zur aflagellaten, und immotilen
Unter den Ephemeroptera finden sich einige Formen in der Familie Leptophlebiidae, die aflagellate und immotile Spermatozoen hervorbringen. Sie bestehen aus einem annähernd kugelförmigen, größeren Körper (Kern), dem ein knopfartiges Gebilde (Akrosom und Perforatorium) aufsitzt (Abb. 13-27). Die Phylogenese von flagellaten zu aflagellaten Spermien lässt sich am deutlichsten bei den Isoptera , Hemiptera und innerhalb der Diptera bei den Cecidomyiidae nachvollziehen. Während die an der Basis der Isoptera stehende Termopsis noch konventionelle, uniflagellate, motile Spermien und die phylogenetisch intermediären Mastotermitidae die oben beschriebenen multiflagellaten, beweglichen Spermatozoen entwickeln, sind die Samenzellen der höchst evoluierten Hodotermitidae, Kalotermitidae und Rhinotermitidae aflagellat und nicht moti!. Die Spermien der Hodo- und Kalotermitidae sind langgestreckt mit ebenfalls länglichem Kern, die der Rhino-
387
13.1 Fortpflanzung term itid ae kugeIförmig mit entsprechend kug elförmigem Kern. Basal des Kern s finden sich bei allen einige Mit ocho nd rien, bei den Kalot erm itidae auße rdem noch zwei Centriole, bei den Rhinot ermitidae nur ein Cent rio l (Abb. 13-24). Bei den Hemipt era weisen die Sper mien de r phylogenetisch als basal betr ach tete n Fa milien noch das klassische Pter ygoten-Axon ema (9 + 9 + 2) a uf und sind mot il. Aueh die Sperma tide n der sta mmesgeschichtlich höh er eingestuften Aleyro doi dea bilden noch ein typisches Pterygot en-Axon ema aus, wäh rend die reifen Sperm at ozoen kein F lagellum mehr haben und imm otil sind . Die gleichfalls tlagellenlosen Spermien der Coc coidea haben durch die spira lige Ano rd nung zahl reiche r cytoplasma tischer Mikrotubuli um den langgestre ckt en Kern sek undä r Motil ität selemente erworben und sind folglich beweglich. Innerhalb der Diptera finden sich atla gellate Spermien bei den Psych odidae und Cecido myida e. Während die niederen Phlebotominae motil e Spermien mit einem 9 + 9 + 0 -Axonema besitzen , sind die nadelförmigen Samenzellen der Psych odinae a tlage llat und immotil. D a sie im Wesentl ichen nu r den in die Läng e gestreckten Kern , ein Ak rosom und ein Mitochondrien-Derivat ent halt en , werd en sie als jewe ils a uf den Kop f reduziert e Flagellosper mien betracht et. Bei den Cecido myidae, der Fam ilie mit den vielfältigsten Abände ru nge n des Axo neme n-Musters, gib t es zwei nah e verwa ndte, jedoch noc h nicht beschrieben e Ar ten de r Gatt ung Leptodiplosis. Beide entwickeln ku rze, pfeilför mige Sper ma tozoen, d ie apikal den ku geIförmigen Kern und einige Mit och on d rien ent ha lten. Bei Lep todiplosis sp. a liegen im ca uda len Bereich der Zelle zwei Axonemen (9 + 0); bei Lep todiplosis sp. b fehlen sie.
Die aflagellaten Sperm atozoen der Protura, Ephemeroptera, Isoptera, Hemiptera und Diptera können infolge einer regressiven Spermiohistogenese als Reduktionsformen Modifiz ierter Flagellospermien gedeutet werden. Sie haben den klassischen Bewegungapparat verloren und sind entweder immotil geworden oder haben sekundär neue Motilität selemente erworben. Bei den Ptiliidae unter den Coleoptera führt eine and ere Ent wicklung zu einer anderen Form aflagellater Sperm ien. Die reifen,
ca. 60 um langen, mondförmigen Spermien von Acrotrichis intermedia, A. frate rna und Actinopteryx f ucicola sind in eine besond ere Schutzhülle aus einer dem Plasmalemm unterl agerten Kapsel sowie einer ihm außen anliegenden Glykocalyx eingeschlossen. In axialer Lage und hintereinander angeordnet enthält die Zelle den stabför migen Kern und den Dreischicht igen Akrosom-Komplex. Es sind weder ein Axonema noch Centriole vorhanden, treten auch während der gesamt en Sperm iohistogenese nicht auf. Auch fehlen dem fertigen Spermium Mitochondrien.
13.1.1.13 Polymegalie und Polymorphismus Das Auftreten verschieden großer, ja häufig nur in der Länge des Flagellums unterschiedlicher Samenzellen in demselben Ejakulat bezeichnet man als Polymegalie. Drosophila pseudobscura ent wickelt drei Klassen von Sper mien mit Län gen von 54, 84 und 300 um . D. subobscura und D. bifascia ta weisen Sperma tozoen a uf, die sich a ufgru nd der G röße der gesam ten Zelle , des Kern s und de s Akrosoms zwei Klassen zuo rdnen lassen. D ie Spe rmien eines Bünd els gehö ren zu r gleichen G rößen klasse, sie sta mmen von demselben Spe rma togonium ab. Möglicherweise hat jede Spermienklasse ihre n eigene n Selekt ionsvo rteil. D ie besond ers langen Samenze llen kö nnt en konkurrierende Sperm atozoen a us eine r nachfolgende n Kopulation au sschalt en , indem sie einen Kopul at ion sp frop f bilden .
Polymorphismus liegt vor, wenn weniger die verschiedene Gr öße als morphologisch unterschiedliche Merkmal e die Spermien typen kennzeichnen. Beispiele für einen Übergang zwischen Polymegalie und Polymorphismus finden sich bei den Pentatomidae (Heteroptera). Euchistus variolus entwickelt neb en den normalen a uch besonders lan ge Spermien, die zudem ein bemerk enswert vergröße rtes Zellvolumen haben. Mit Ausnahme des
ret icular appendage
~......iWt~./ a kzessOrisChes Körperchen
Mit ochondr ien· derivat
Abb. 13-28: Querschnitte durch dimorphe Spermatozoen von Heliothis pundigera (lepidoptera). A Euspernatozoon, B Paraspermatozoon. (Nach B. G. Jamieson 1987)
A L.----
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388
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Kerns sind alle Organelle dieser Riesenspermien proportional vergrößert. Auch hier nimmt man an, dass die Riesenspermien zur Bildung eines Kopulationspfropfes dienen. Im Ejakulat von Dahlbominus fuscipennis (Hymenoptera , Chalcididae) finden sich 5 verschiedene Spermienformen, von denen 3 , die sich in Länge und Kopfgestaltung von den anderen unterscheiden, nicht am Befruchtungsvorgang beteiligt sind. Die beiden anderen haben helical links- oder rechtsgewundene Köpfe. Die mit den linksgewundenen Köpfen gelangen zwar in die Mikropyle des Eies, können sie aber offensichtlich nicht durchdringen. Aus solchen haploid bleibenden Eiern gehen - wie für Hymenopteren typisch (s. 13.1.3.3) Männchen hervor. Nur die Spermien mit rechtsgewundenen Köpfen besamen und befruchten die Eizellen, die sich dann zu Weibchen entwickeln. Da diese Spermien die zahlreicheren sind, liegt das Geschlechterverhältnis stark auf Seiten der Weibchen; 90% aller adulten Tiere sind Weibchen.
Bei einigen Coleoptera (Carabidae, Bruchidae) treten diplo-, tetra- und polyploide Spermien auf. Die polyploiden Formen sind viel größer als die normalen, haploiden . Ihre Funktion ist unbekannt. Gelegentlich werden sie den Parasperrnatozoa zugeordnet. Den extremsten Fall des Polymorphismus von Spermien stellt der Dimorphismus der Lepidoptera dar. In unterschiedlichen Cysten entwickeln sich Eu- und Paraspermatozoa. Während in der eupyrenen Spermiohistogenese Kern und Akrosom ausgebildet werden, degeneriert der Kern in der apyrenen Reihe. Ein Akrosom wird nicht aufgebaut. Am Plasmalemm der testikulären Euspermien sind besondere Anhänge (Iacinate und reticular appendages) zu beobachten (Abb. 13-28),die im Vas deferens durch eine amorphe extrazelluläre Masse ersetzt werden, die dann sowohl die Eu- als auch die Paraspermatozoa umschließt. Die Funktion der Paraspermatozoa ist immer noch unklar. Auch wenn die apyrenen Spermien als echte Eunuchen keinen genetischen Beitrag zur Karyogamie der Lepidoptera leisten, so sind sie doch zur Befruchtung erforderlich . Ohne die Anwesenheit von Paraspermien in den weiblichen Geschlechtswegen erreichen die Euspermatozoa nicht die Eizellen.
13.1.2 Fortpflanzungsformen 13.1.2.1 Gonochorismus Ei- und Samenzellen werden bei den meisten Metazoen, so auch bei den meisten Insekten in zweierlei Individuen, in Weibchen und Männchen entwickelt. Man spricht von Gonochorismus, Getrenntgeschlechtlichkeit (griech. gon = Geschlecht; chor = Trennung) . Häufig unterscheiden sich die beiden Ge-
schlechter nicht nur im Bau von Ovarien und Hoden als inneren und Lege- und Begattungsapparat (s. 2.4.4; 2.4.5) als äußeren Geschlechtsorganen (primäre Geschlechtsmerkmale) sondern auch in Form und Struktur weiterer Organe (sekundäre Geschlechtsmerkmale), was vielfach einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus zur Folge hat (s. Kap. 14).
13.1.2.2 Hermaphroditismus Hermaphroditismus, Zwittertum, Gemischtgeschlechtlichkeit als normalem, funktionellem wie ebenso rudimentärem Vorkommen von weiblichen und männlichen Gonaden bzw. Ei- und Samenzellen im seiben Individuum ist bei Insekten von nur wenigen Formen bekannt. Abnormer Hermaphroditismus tritt gelegentlich in Form von Gynandromorphismus und Intersexualität auf (s. 13.2.1.1). Der Begriff Hermaphroditismus ist abgeleitet von Hermaphroditos, in der griechischen Mythologie dem Sohn von Hermes und Aphrodite, der, als er die Liebe der Nymphe der Quelle Salmakis nicht erwidert, auf deren Wunsch von den Göttern mit ihr zu einem Doppelgeschöpf, halb Mann , halb Frau vereinigt wird. Funktioneller Hermaphroditismus in Form von Protandrie (Vormännlichkeit) findet sich bei der Orangenschildlaus lcerya purchasi (Hemiptera, Coccoidea) und einigen weiteren Arten dieser Gattung. Die weibchenähnlichen Tiere besitzen eine Gonade, die im einen Teil als Ovar, im anderen als Hoden ausgebildet ist (Ovotestis). Es findet Selbstbefruchtung statt. Aus unbefruchteten Eiern entwickeln sich gelegentlich Männchen, die offensichtlich funktionell sind. Bei den bisher in den Lehrbüchern als protandrische Zwitter betrachteten Termitenfliegen (Termitoxeniidae) sind inzwischen echte Männchen nachgewiesen. Sie blieben wohl bislang unentdeckt, weil sie nicht in die Termitenbauten eindringen. Die vordem als männliche Phase vermuteten kurzbäuchigen (stenogastren) Formen sind reine Weibchen, die beim Eindringen in den Termitenbau die Flügel abgeworfen haben und in die blasenbäuchige (physogastrische, s. 13.1.1.1) Phase übergegangen sind. Rudimentärer Hermaphroditismus ist von Neot ermes zuluensis (lsoptera) und Perla marginata (Plecoptera) bekannt. Beide Arten haben normale Weibchen und zwittrige Männchen . Bei N. zuluensis enthalten die Hoden einzelne nicht entwicklungsfähige Eizellen, bei P. marginata sind zwischen den Hodenfollikeln Ovariolen ausgebildet, die ihre Entwicklung einstellen, sobald die Spermatogenese in den Testes beginnt.
13.1.2.3 Parthenogenese Parthenogenese, Jungfernzeugung, ist eine eingeschlechtliehe Form der Fortpflanzung. Die Nachkommen entstehen aus Eizellen, die entsprechend ihrer Herkunft als Geschlechtszellen, aus einer -
13.1 Fortpflanzung mag sie auch noch so verkürzt sein - Meiose hervorgegangen sind und sich unbefruchtet zu fortpflanzungsfähigen Imagines entwickeln. Jungfernzeugung wurde bereits im 17. lahrhundert von van Leeuwenhoek an Aphidae beobachtet und von CharIes de Bonnet (1745), ebenfalls an Blattläusen, experimentell bestätigt, doch den Begriff Parthenogenese prägte erst 1849 der als Begründer neuzeitlicher Homologienforschung bekannt gewordene Richard Owen, Während Parthenogenese Vögeln (Ausnahme: gelegentlich beim Truthuhn) und Säugern fehlt, bei Fischen, Amphibien und Reptilien in Einzelfallen vorkommt, ist sie bei Insekten außerordentlich weit verbreitet und hat hier zudem eine bemerkenswert mannigfache Ausprägung erfahren (Normale Parthenogenese). Bei einigen Phasmida und Bombycidae können unbefruchtet gebliebene Eier sich hin und wieder entwickeln, während sie normalerweise zugrunde gehen (Exzeptionelle Parthenogenese) . Bei einigen Heuschrecken, z. B. Locusta migratoria, beginnen fast alle unbefruchtet gebliebenen Eier die Entwicklung, doch nur wenige kommen zum Schlüpfen und von diesen wachsen wiederum nur wenige zu Adulti heran. Aber aus ihnen lassen sich Stämme züchten, die sich regelmäßig ohne Männchen fortpflanzen . Die Vielzahl der Formen normaler Parthenogenese unterscheidet man nach dem Ploidiegrad der Eizelle (Haploide und Diploide Parthenogenese), nach dem Geschlecht parthenogenetisch erzeugter Nachkommen (Arrhenotokie: unbefruchtete Eier werden zu Männchen, befruchtete zu Weibchen ; Thelytokie: unbefruchtete Eier werden durchweg oder fast durchweg zu Weibchen; Amphitokie: beide Geschlechter gehen aus unbefruchteten Eiern hervor) und schließlich nach der Regelmäßigkeit des Auftretens der Parthenogenese (Fakultative und Obligatorische, und bei letzterer zudem Konstante und Zyklische Parthenogenese). Schulbeispiel für eine Haploide und Fakultative Parthenogenese als Arrhenotokie ist die Honigbiene. Fakultativ ist diese Parthenogenese, weil die Eier auch befruchtet werden können: dann gehen aus ihnen, je nach Ernährung der Larven, Arbeiterinnen oder Königinnen hervor. Aus den unbefruchteten, also haploiden, Eiernentwickeln sichdie Drohnen. Biseinschließlich des ersten Larvenstadiums bleiben die Zellen der Drohnen haploid, dann werden sie in den meisten Geweben durch Endomitosen homozygot diploid und in den folgenden Stadienzum Teil auch polyploid. In der Spermatogenese unterbleibt die Reduktionsteilung, sodass jeweils genetisch identische Samenzellen entstehen. Diploide Parthenogenese kommt als Thelytokie dadurch zustande, dass (I) die Reifungsteilungen völlig ausfallen (z.B. Cynipidae), (2) die Reduktionsteilung unterbleibt (z. B. Aphidae), (3) beide Reifungsteilungen Äquationsteilungen sind, ( z. B. Phasmida) und (4) Reifungsteilungen zwarstattfinden,anschließend der Eikern aber mit einem Richtungskern oder auch zwei Fur-
389
chungskerne miteinanderverschmelzen (z. B. bei Psychodidae oder Alerodidae). Fakultativ ist die Thelytokie bei Aphidae und Phasmida. Fakultative Amphitokie kommt bei einigen Lepidoptera vor. Konstante Parthenogenese, die über mehrere bis viele Generationen anhält, kann folglich nur als Thely- oder Amphitokie vorkommen . Konstante Thelytokie findet man bei all' jenen zahlreichen Arten, bei denen Männchen nur selten oder gar nicht auftreten. Beispiele gibt es bei den Psocoptera, Mallophaga, Lepidoptera, Coleoptera, Homoptera. Als zyklisch wird die Parthenogenese bezeichnet, wenn innerhalb eines Generationswechsels (Heterogonie) eine oder mehrere parthenogenetische Generationen mit einer zweigeschlechtlichen Generation abwechseln, so bei Aphididae und Cynipidae. Die geschlechtliche Fortpflanzung von Jugendstadien ist allgemein als Neotenie bekannt. Wenn Larven oder Puppen sich eingeschlechtlich, parthenogenetisch fortpflanzen, spricht man von Paedogenese. Es handelt sich jeweils um Thelytokie. Beispiele bieten einige Cecidornyidae, sowie der Käfer Micromalthus debilis (Micromalthidae), dessen Paedogenese Teil eines innerhalb der Insekten einzigarten Entwicklungszyklus ist (Abb. 13-29). Parthenogenetische Arten dürften in stabil-extremen Lebensräumen einen Selektionsvorteil gegenüber bisexuellen Formen haben, weil sie die einmal angepassten Genotypen besser bewahren und ephemere Habitate erfolgreicher, weil ohne Materialverschwendung auf Männchen schneller auszunutzen vermögen. Ob jedoch die geringere Mobilität der Insekten im Vergleich zu Vögeln und Säugern als Ursachenerklärung für die große Verbreitung der Parthenogenese bei den Insekten angenommen werden darf, bleibt zweifelhaft. Immerhin gibt es 10 Ordnungen, von denen Parthenogenese nicht bekannt ist: Diplura, Protura, Odonata, Plecoptera, Dermaptera, Grylloblattodea , Zoraptera, Megaloptera, Mecoptera, Siphonaptera.
13.1.2.4 Polyembryonie Polyembryonie ist die einzige Form ungeschlechtlicher Fortpflanzung bei Insekten. Aus einer Eizelle entstehen mehrere bis viele Embryonen, indem sich Blastomeren aus dem Zellverband lösen, sich zu eigenen Embryonalanlagen vereinigen, und diese dann zu selbstständigen Individuen heranwachsen. So entstehen bei einigen Hymenoptera mit parasitischen Larven, wie Schlupfwespen der Familien Encyrtidae, Chalcididae, Braconidae und
390
13 Fortpflanzung und Entwicklung
L. LI (ohne Beine) lebt und frisst in Holz
e.rnähren / sich von / " M utt er" /
mehrere Exemplare 1. Larvenstadium (mit Beinen) dringen in Holz ein
/
parthenogenetische Larve Geburt
I
Larven
/ ein Ei
/
I I
Vorpuppe (ohne Beinstummel)
/ " ernährt sich von
L I " M utt er"
Vorpuppe (m it Beinstummeln)
Puppe
-:
männliche Imago
~ nicht fruchtbar!
weibliche Imago
Ei (entwickelt sich nicht)
Abb. 13·29: Entwicklungszyklus von Micromalthus debilis, der bislang einzigen Artder Micromalthidae (Coleoptera), lebt in und von pilzbefallenem Laub- und Nadelholz. Heimat Nordamerika, von dort aus mit Holzexporten in verschiedene Teile der Erde verschleppt. Die TIere des ersten Larvenstadiums besitzen Beine und dienen folglich der Ausbreitung. Sie verzehren ihre Mutter und bohren sich ins Holz ein. Dort häuten sie sich zu einer beinlosen Larve (L 2 ). Nach weiteren drei Häutungen entsteht eine Larve mit kleinem Kopf und stark reduziertem Darmtrakt und ebenfalls verkleinerten Mundwerkzeugen. Diese Larven pflanzen sich parthenogenetisch, also paedogenetisch fort. Das kann auf dreierlei Weise geschehen. 1. Es werden weibliche Larven geboren, die sich, wie beschrieben, weiterentwickeln. 2. Aus dem einzigen abgelegten Ei entwickelt sich über ein L,-Stadium, Vorpuppe und Puppe ein adultes Männchen, dessen Chromosomensatz haploid ist. 3. Nach Ablage dieses einzigen Eies werden weibliche Larven geboren, von denen einige sich paedogenetisch fortpflanzen, andere über eine Vorpuppe (ohne Beinstummel) und Puppe zu einer weiblichen Imago entwickeln. Männchen und Weibchen sind nicht fruchtbar. Die Weibchen legen zwar noch Eier ab. Diese aber entwickeln sich nicht. Offensichtlich sind die Imagines Relikte ohnejede Bedeutung für die Erhaltung des eigenen Erbguts. (Bild und Text nach B. Klausnitzer 19B1)
Platygasteridae eineiige Mehrlinge. Wie die ebenfalls eineiigen Mehrlinge bei Moo stierchen, die Vier- bis Achtlinge beim Gürteltier und die eineiigen Zwillinge bei Säugern und Mensch sind sie
genetisch identisch, stellen jeweils emen Klon dar. Polyembryonie bewirkt die für viele Parasiten erforderl iche Ma ssenvermehrung im Wirtskörper,
13.1 Fortpflanzung
d. h. für die o. g. Schlupfwespen in Larven und Puppen von Schmetterlingen, Fliegen, Gallmücken, Käfern, Wanzen, Schildläusen. Die Schlupfwespe Litomastix truncatellus (Encyrtidae) erzeugt durch Polyembryonie in der Raupe der Gammaeule aus einem Ei über 2000 Nachkommen.
391
c
13.1.3 Begattung Die Besamung (Syngamie) findet bei den Insekten als Landbewohnern stets im Inneren des weiblichen Körpers statt, andernfalls würden die Spermien auf dem Weg zu den Eizellen austrocknen. So muss der Syngamie allemal eine Begattung vorausgehen , bei der der männliche Samen in das weibliche Tier übertragen wird. Zur Begattung werden die reifen Samenzellen im Männchen in der Vesicula seminalis bereitgestellt bzw. in den Ausfuhrgängen der Testes vorbereitet. Dort liegen sie dann vor als freie, folglich Einzel- oder gepaarte, folglich Doppelspermien, ferner als Spermienbündel oder Spermato(Spermio)desmata, die auch als Spermato(Spermio) zeugmata bezeichnet werden. Doch werden sie nur verhältnismäßig selten als flüssiges Sperma (Direkte Übertragung) sondern in besondere Behälter (Spermatophoren) verpackt (Indirekte Übertragung) in das Weibchen gebracht. Die Fähigkeit, Spermatophoren zu bilden, ist schon marinen Arthropoden eigen und kann als eine Prädisposition verstanden werden, die den Ahnen der Insekten ermöglichte, an Land zu gehen. Paarweise am oder vom Vorderende bis gut über ein Drittel und mehr ihrer Länge zu Doppelspermien miteinander verbundene, konjugierte Einzelspermien (Syzygie) kommen bei Zygentoma (Lepisma saccharina. Lesmodes inquilinus, Thermobia domestica) und Coleoptera (Dytiscus marginalis, Acilius sulcatus, Hydaticus transversalis) vor. Die Konjugation, die durch Ausbildung lokaler Differenzierungen der Membranen der beiden Spermien erfolgt, vollzieht sich in den Ausfuhrgängen der Hoden und wird im Receptaculum seminis des Weibchens wieder gelöst, erfüllt also offensichtlich ihre Funktion ausschließlich während des Spermientransfers. Für T. domestica wurde gezeigt, dass die Spermien nur gepaart motil sind. Syzygie bei Spermien ist auch von einigen Diplopoden, unter den Gastropoden von Turritella und vom Opossum (Didelphys marsupialis) bekannt,ohne dass man sie zu deuten weiß. Die Cysten, in denen sich die Samen entwickeln (s. 13.1.1.9), können als Spermien bündel übertragen werden, bei denen die Cystenhülle vollständig oder teilweise erhalten bleibt oder auch aufgelöst wird, die Spermien aber in der ursprüng-
Abb. 13-30: Spermato(Spermio)desmata. A Lymantria monacha (Lepidoptera), B Ichneumonide (Hymenoptera), C Iettigonia vitidissims (Ensifera). (Nach H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
liehen Anordnung veremigt bleiben. Derartige Bündel finden sich bei einigen Formen unter den Orthoptera, Hemiptera, Hymenoptera, Lepidoptera. Beim Taumelkäfer Gyrinus marinus werden 200 bis 300 Spermatozoen durch wenige, Brücken bildende Einzelfilamente zusammengehalten . Bei einem anderen Gyriniden aus der Gattung Dineutus sind einige Hundert Spermatozoen an einem stabförmigen Gebilde unbekannter Herkunft angeheftet und können vermutlich den Spermatodesmata zugeordnet werden. Als
Spermato(Spermio)desmata (sing. -desma)
werden Spermienbündel ohne Hülle bezeichnet, die aus gegebenenfalls bis zu einigen Hundert apikal, im Bereich der jeweiligen Akrosome durch eine Kappe zusammengehaltenen Samenzellen bestehen. Sie sind für Hemiptera, Orthoptera, Lepidoptera und Hymenoptera beschrieben. Bei den Tettigonidae enthält die Kappe im Wesentlichen Polysaccharide, die vom Epithel des Ductus sezerniert werden, bei den Acrididae ein Mucoprotein umstrittener Herkunft (Abb. 13-30). Der verschiedentlich für Spermatodesma synonym verwendete Begriff Spermato(Spermio)zeugma bezeichnet bei den Gastropoda (Prosobranchia) architektonisch ähnliche, morphologisch und funktionell jedoch völlig andere Aggregationen von Samenzellen. Sie kommen dadurch zustande, dass sich zahlreiche kleine Euspermien an einem großen Paraspermium anheften . Die Paraspermien enthalten dotterähnliche Speicherstoffe und dienen vermutlich als Nährzellen für die Euspermien.
392
13 Fortpflanzung und Entwicklung
'---
Abb. 13-31: Orchesella sp. (Collembola). Männchen (schwarz) setzt Spermatophore ab, Weibchen nimmt Sperma auf. (Nach F. Schaller, aus W. Jacobs und M. Renner
1988)
Bei den Apterygota erfolgt die Übertragung der Spermien indirekt durch sog. Tröpfchenspermatophoren ohne geschlechtliche Vereinigung der Tiere und ist somit dem Spermient ransfer bei Arachnida sehr viel ähnlicher als dem der Pterygota. Tröpfchenspermatophoren bestehen aus meist auf Stielen abgesetzten, in ein granuläres Material eingelassenen Spermien, die bei den Collembola enzystiert, bei Thysanura gepaart und bei Diplura zu Bündeln vereinigt sein können. Eine das Tröpfchen nach auß en abgrenzende Membran oder Hülle ist nicht ausgebildet. Terrestrische Collembola setzen ihre Tröpfchensperm atoph oren einfach auf dem Boden ab und überlassen sie ihrem Schicksal. Die Weibchen finden sie - offenbar
olfakto risch - und nehmen sie mit ihrer Geschlechtsöffnung auf (Abb. 13-31). Bei aquatilen Formen, z. B. Podura aquatica, sucht sich das Männ chen ein Weibchen, betrommelt es mit den Fühlern und stöß t es so lange, bis es verharrt. Dann setzt das Männchen im Halbkreis um das Weibchen drei bis vier Tröpfchenspermatop horen auf die Wasseroberfläche und drängt das Weibchen auf die Spermatoph oren hin (Abb. 13-32 D-F). Beim Kugelspringer, Sminthurides aquaticus, kommt es schon zu einer körperlichen, wenn auch nicht geschlechtlichen Vereinigung. Das wesentlich kleinere Männ chen heftet sich mithilfe seiner zu Klammerorganen umgebildeten Fühler an denen des Weibehens fest und lässt sich von ihm, gegebenenfalls auch tagelang, herumtragen, bis es schließlich eine Spermatoph ore absetzt und das Weibchen, meist im Rückwärtsgang, zur Aufnahme über diese hinwegzieht (Abb. 13-32 A- C).
Bei den Pterygota werden die Spermien als flüssiges Sperma - so bei Dipt era, Mecoptera und einigen Arten der Heteroptera, Trichoptera, Hymenopt era und Coleoptera - oder aber in Form typischer Spermatophoren - so in allen übrigen Fällen - übertragen. Typische Spermatophoren sind Samenpakete, die in eine feste Hülle aus Sekreten der Akzessorischen Drüsen des männlichen Geschlechtsapp arates eingeschlossen sind. Häufig lässt sich an ihnen eine die Spermien bergende Kapsel von einem Halsteil unterscheiden, der der Verankerung der Spermatophore im weiblichen Genitaltrakt dient. (Abb. 13-33). Der Spermientransfer erfolgt während der geschlechtlichen Vereinigung der Tiere, der Kopulation , mith ilfe eines primären Kopulationsapparates, eines Penis. Dieser presst durch Steigerung
A
Abb. 13-32: Paarung bei Collembola. A-C Sminthurides aquaticus. A
o
E-
c F
--- I ...".
Weibchen (weiß, ca 1 mm) trägt Männchen (schwarz), B Klammerantenne des Männchens, C Pärchen, Weibchen kurz vorAufnahme des Spermas, D·F Podura aquatica. Weibchen weiß, Männchen schwarz. D Männchen betrommelt Weibchen und umkreist es, E Spermatophore, stark vergrößert, F Männchen hat im Halbkreis um das Weibchen 4 Tröpfchenspermatophoren abgesetzt. (A-C nach F. Schaller 1958, D-F nach F. Schaller 1964, beide aus W. Jacobs und M. Renner 1988)
13.1 Fortpflanzung
393
des Hämolymphdruckes im männlichen Körper oder durch eine besondere Samenpumpe (s. 13.1.1.8) im einen Fall das flüssige Sperma direkt ins Receptaculum seminis oder dessen Vorhof (Atrium) (Abb. 13-34), im anderen die Spermatophoren in die Vagina oder Bursa copulatrix. Bei Plecoptera und Embioptera, bei denen der Penis reduziert ist, werden bei der Kopulation männliche und weibliche Geschlechtsöffnung aufeinander gepresst. Bei Strepsiptera, die noch einen Penis haben, und Cimicidae, denen ein echter Penis fehlt, dessen Aufgabe aber ein umgewandelter Harpagon übernommen hat, findet Hypodermale Injektion statt. Die Spermien werden an beliebigen oder bestimmten Stellen des Körpers in das Weibchen injiziert, von wo aus sie den Weg zu den Eizellen finden. Entsprechend der Vielfalt der Kopulationsapparate und der Tatsache, dass sie in ihrem Bau dem Schlüssel-Schloss-Prinzip folgen, entsprechend mannigfaltig sind auch die Kopulationsstellungen. So gut wie keine mechanisch mögliche Form wurde ausgelassen (Abb. 13-35). Meist findet die Begattung auf festem Substrat statt, bei aquatilen Insekten im Wasser, bei wenigen Formen auch im Flug, so bei Ephemerida, Odonata und Hymenoptera. Unter ihnen zeigen die Odonata den ungewöhnlichsten, geradezu als akrobatisch zu bezeichnenden Begattungsflug. Er steht in direktem Zusammenhang zur Übertragung des Samens durch einen sekundären Kopulationsapparat. Dieser liegt ventral am 2. und 3. Abdominalsegment, also weitab der im 9. Abdominalsegment mündenden Hoden und besteht aus einem Begattungsglied, Pro phallus genannt, und einer Spermientasehe, Interessanterweise besitzen die Männchen noch einen , wenn auch rudimentären Penis, der aber, zumindest bei der Kopulation, nicht benutzt wird . Häufig ergreift das Männchen das Weibchen im Flug von oben mit den Beinen an Brust und Kopf, krümmt seinen Hinterleib nach unten und vorn, sodass der aus
9 Spermatheca
Oviduct
Anus
Aedeagus
Kapsel Spermien. masse
Halsteil
Spermienröhre
Abb. 13-33: Typische Spermatophore von Gryllus cempestris (Ensifera). Längsschnitt, schematisch.
der Geschlechtsöffnung austretende Samen in die Samentasche des sekundären Kopulationsapparates gebracht wird. Das Männchen packt dann mit seinen zu Greifzangen umgebildeten Analanhängen das Weibchen am Hinterende seines Kopfes, löst seine Beinevom Körper des Weibchens und fliegt mit ihm, eine Paarungskette bildend (Tandemflug) (Abb. \3-35 A,B,C) davon. Das Weibchen biegt seinen Hinterleib nach vorn und verankert den Legeapparat am sekundären Kopulationsapparat des Männchens, sodass der Prophallus nunmehr das Sperma in die weibliche Geschlechtsöffnung bringen kann. Meist hält sich das Weibchen mit den Beinen am Abdomen des Männchens fest, sodass das bekannte
Cf
Akzessorische Drüse
Abb. 13-34: Kopulation bei Insekten am Beispiel von Oncopeltus fasciatus (Hemiptera). Längsschnitt durch den weiblichen und männlichen Geschlechtsapparat. Die Spitze des Aedeagus mit der Geschlechtsöffnung befindet sich in der Spermatheca des Weibchens. (Nach P. F. Bonhag und J. R. Wick 1953, aus F. E. Schwalm 1988)
394
13 Fortpflanzung und Entwicklung
A
F
Tandemflug
Oecanth us
B
Teratolyua
o
Bupalus Decticus E
Abb. 13-35: Beispiele für KopulationssteIlungen. Die Männchen jeweils schwarz. A-C Begattungsflug bei Odo-
Gryllus
ßittacus
nata, D-F Orthopteroidea, G Coleoptera, H Hemiptera, I Lepidoptera, J Mecoptera. (Nach F. E. Schwalm 1988)
Paarungsrad entsteht. Von diesem Begattungsmodus gibt es vielerlei Abwandlungen. Im allgemeinen wird der Samen als flüssiges Sperma , bei Aeschnidae und Gomphidae in Form von Spermatophoren übertragen. Bei den einen (z. B. Anisoptera) gehen die Partner unmittelbar nach der Kopulation auseinander, bei den anderen (z. B. Libellulidae) bleiben sie bis zur Beendigung der Eiablage miteinander verbunden .
partner an der vom Männchen mitgebrachten Beute. Die Kopulationsdauer, normalerweise 30 min, hängt von der Größe und Qualit ät des Hochzeitsgeschenkes ab. Ist dieses nicht ausreichend , kann das Weibchen die Begattung beenden, bevor das Receptaculum genügend Sperma aufgenommen hat.
Die Dauer der Kopulation ist sehr verschieden, reicht von wenigen Sekunden (Stubenfliege) bis zu Stunden (Maikäfer). Während einige Arten zwar stundenlang in körperlichem Kontakt vereint sind, vollzieht sich der Begattungsakt in wenigen Minuten (Wasserläufer). Bei einigen Diptera und Mecoptera locken die Männchen mit "Hochzeitsgeschenken" in Form von Nahrung die Weibchen an, die diese dann während des Begattungsaktes verzehren. Bei Bittacidae saugen beide Geschlechts-
Als Hochzeitsgeschenke dienen auch Sekrettröpfchen aus den Speicheldrüsen des Männchens. Bei Panorpa communis (Mecoptera) werden bei der etwa 15-20 min dauernden Begattung mehrere Speicheltröpfchen vom Männchen abgegeben und vom Weibchen aufgeleckt. Bei den Orthoptera werden ganze Spermatophoren oder Teile von ihnen, Spermatophylax genannt, vom Weibchen gefressen. Bei einigen Gryllidae werden jeweils zwei Spermatophoren gebildet und von ihnen wird immer die erste vom Weibchen verzehrt (s. 13.4.2). Ferner werden bei Orthoptera und Lepidoptera mit der Spermatophore Proteine ins Weibchen gebracht und
13.2 Entwicklung sowohl in soma tisches Gewebe als a uch in die Eizellen eingeba ut.
395
unterschieden wird (s. 13.2.1), die Postembryonalentwicklung (Larvalentwicklung) (s. 13.2.2) und die Postmetabole Periode (s. 13.2.3), von der nur noch der erste Abschnitt als Entwi cklung angesehen werden kann.
Neben der to talen Abdi chtung des weiblichen Gonoporus durch den männlichen Kopulationsapparat während der Begattung werden Spermienverluste durch Rückfluss aus der Vagina nach der Begattung durch Ausbildung eines beson deren Kopulationspfropfes (H ymenoptera: Apis) ode r eines 13.2.1 Embryonalentwicklung spezifischen Spermatophrag mas (Sphragis) (Lepi(Embryogenese) doptera: Apollo) verhindert. Beide werden aus Sekreten der männlichen Akzessorischen Drüsen D ie Embryonalentwicklung bezeichnet die Ent aufgebaut. Bei einigen Formen (z. B. Melolontha wicklung der Eizelle bis zum Embryo, d. h. zum melolontha, Lo custa migratoria) dienen die Spervielzelligen Körper, solange dieser sich noch in den matophoren zugleich auch als Versch lussmittel Eihüllen befindet. Sie vollzieht sich bei den In(Kopulatio nspfropf, Sphragis); ragen hä ufig nach sekten - im Wesentlichen in entwicklungsgenetider Paarung aus der weiblichen Geschlechtsöffschen Experimenten am Modellorganismus Dronung heraus und lassen so als Begattu ngszeichen sophila erarbeitet - nach den Mechanismen von die vollzogene Kopula erkennen. Dass sie nicht Mu sterbildung, Differenzierung und Formgenur Spermienverluste unterbinden, sondern a uch bung . Vermutlich gelten diese Mechanismen in zudem weitere Begattungen verhindern, liegt auf gleicher, zumindest ähnlicher Weise für alle Meder Hand (s. 13.4). tazoen . Als Spermienspeicher, in denen der Samen bis Die Mechanismen werden von einem Prozur Syngamie aufbewahrt wird , dienen die Regramm geneti scher Akti vität , früh er räumlicher ceptacula seminis und - wo vorhanden (z. B. DroOrdnung und spezifischer Zelldynamik in Gang sophila) - zudem die Spermathecae. Im Allgemeigesetzt. Der überwiegende An teil der Anweisun nen ist das Speichervolumen dieser Behälte r wegen wird wäh rend der Oogenese im mütterlichen sentlich geringer als die Menge der ins Weibchen Organ ismus aufgeba ut und in der Eizelle gespeiüberführte n Spermien au smacht. Die Anzahl der chert (s. 13.1.1.3). Die meisten Sub stanzen, die in einem Weibchen von Drosophila melanogaster dabei in die Oocyte gelangen , werden allerdings gespeicherten Spermatozoen wird mit 600 bis 1200 . für den Metabolismus des künftigen Embryos beangegeben, das soll aber nur 1/2 bis 1/3 der überreitgestellt (s. 13.1.1.4). Einige Produkte maternatr agenen Menge sein. Weibchen mit kugelförmi ler Gene werden jedoch streng lokali siert eingelagen Receptacula kopulieren offenbar nur einmal in gert. Sie bilden ein molekulares Vormuster (Prädeihrem Leben oder bevorzugen die Spermien des termination), da s das zelluläre Hauptmuster durch ersten Kopulationspartners, während bei solchen die Festlegung der Körperachsen (Det ermination) mit röhrenförmigen Receptacula die Spermien aus (s. 13.1.1.5) bestimmt. der letzten Kopu la bevorteilt werden. Die Dauer der in den Recept acula befru chtungsfähig gehaltenen Samenzellen beträgt bei Phth orimea opercu13.2.1.1 Frühe Embryonalentwicklung lella (Lepidoptera) weniger als 2 Wochen , bei Rhodnius prolixus (Heteroptera) einen Monat und Die frühe Embryonalentwicklung beginnt mit der bei den Königinnen der Bienen bis zu 7 und denen Ei-Ablage (Oviposition), während deren sich die von Ameisen bis zu 15 Jahren . Akti vierung und die Reifung der Eizelle, sowie bei den amphigonen Formen (parthenogenetische Entwicklung, s. 13.1.2.3) die Besamung (Syngamie) vollziehen . Sie endet mit der Karyogamie, die bei einigen Formen eine Gonomerie (s. u.) ist. Im 13.2 Entwicklung a llgemeinen wird im Zweistufenprozess der BeDieter Zissler fruchtung (Syngamie und Kar yogamie) das Geschlecht des Embryos festgelegt (GeschlechtsbeDie Entwicklung eines Insekt s, seine Indiv idual- stimmung). entwicklung, die Ontogenese, reicht - wie bei allen Metazoen - von der Entwi cklung der ak vierten Ei-Ablage Eizelle bis zum fortpfl anzungsfähigen Organismus, der Imago, und deren Tod durch Altern. Sie Die meisten Insekten legen besamte oder - im umfasst die Embryonalentwicklung (Embryoge- Falle von Parthenogenese - unbe samte, entwicknese), in der eine frühe von einer späten Phase lungsreife Eier ab, deren Entwicklung aber noch
396
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Ernährungsbedingungen finden. Einige Raupenfliegen (Tachinidae) z. B. legen ihre Eier an der Nahrung des Wirtes ab.
/Gi) A
B
c
Die Eier werden einzeln fallen gelassen (Phasmida, Siphon aptera), im Erdboden (Gryllidae) oder im Wasser (Heteroptera) abgelegt, mit dem Sekret von Kittdrüsen an Kno spen, Blättern oder Stengeln von Pflanzen (Coleoptera), an Federn und Haaren von Wirtstieren (Heteropter a: Cimicidae, Anoplura, Mallophaga) angeklebt (Abb. 13-36, 13-37) oder in Gewebe von Pflanzen (Odonata: Lestidae, Hymenoptera: Tenthredinidae) oder Tieren (Hymenopter a: Ichneumonidae) versenkt. Vielfach werden die Eier zu mehreren als Gelege mit charakteristischer Anordnung in Form von Ei-Paketen (Pentatom idae, Lepidoptera, Coleoptera) , Ei-Platten (Diptera : Tabanidae) , Ei-Ringel (Lepidoptera: Lasiocampidae), Ei-Zeilen (Lepidoptera: Noctuidae), Ei-Schiffchen (Diptera: Culicidae) abgesetzt (Abb. 20-7). Aus den Akzessorischen Drüsen stammende und im Wasser quellende Sekrete vereinigen mehrere bis viele Eier zu EiBallen (Ephemerida) , Laichschnüren (Odonata : Cordulia aenea), Laichringen (Trichoptera) , Laichballen (Odonata: Tetragoneuria sp.) (Abb. 13-39). Beieinigen Formen werden die Eier durch besondere Vorrichtungen geschützt. Die Psocoptera bedecken ihre Eier mit Gespinsten, die sie aus Teilen der Labialdrüsen (Spinndrüsen) absondern . Die Weibchen des Schwammspinners (Lymantria dispar) hüllen ihre bis 800 Eier enthaltenden, ovalen Gelege ("Ei-Spiegel") derart in von ihrem Körperende abgegebene gelb-bräunliche Schuppen ("Afterwolle") ein, dass die Gelege durchaus an einen Baum-
Abb. 13·36: Eier. A Piesma quadrata (Heteroptera) mit Deckel und Atemaufsätzen, B Hydrometra stagnarum (Heteroptera) mit Eistiel, C Chrysopa camea (Planipennia) auflangem Eistiel. (Aus H. Weber 1954)
nicht begonnen hat. Bei anderen sind die Eier bei Ablage (Oviposition) bereits in Entwicklung (s. 13.2.3). Der Oviposition geht die Ovulation voraus, d. h. das Entlassen der Oocyte aus der Ovariole in den Ovidukt. Die nunmehr als Eizelle bezeichnete Gonocyte gelangt in die Vagina und wird aus dem Ooporus direkt (meiste Diptera, Coleoptera) oder über einen Ovipositor (Orthopteroidea, Hemiptera) abgelegt. Beim Passieren der Vagina wird sie besamt. Während die Ovulation ausschließlich hormongesteuert ist, unterliegt die Oviposition offensichtlich sowohl einer hormonalen als auch einer neuronalen Kontrolle. Die Vielfalt der Ei-Ablage der Insekten steht in Beziehung zur hohen Mannigfaltigkeit der Ei-Formen und belegt letztlich, dass es so gut wie kein anorganisches oder organisches Substrat gibt, das nicht zur Ablage von Eiern genutzt wird. Meist ist mit der Ei-Ablage bereits Brutfürsorge (s. 13.4.5) verbunden, indem die Eier dort abgesetzt werden, wo sie nicht nur Schutz, sondern die auskriechenden Larven auch gute Lebens-, insbesondere gute
Abb. 13-37: Ei der Schweinelaus Haematopinus suis (Anoplura) an einer Borste angekittet. REM-Aufname. (Phot. W. Peters)
13.2 Entwicklung
397
A
B
B
c Abb. 13-38: Ei-Gelege. A Pentatomide, B Gastroidea viridula (Coleoptera), C Loxostege similalis (l.epidoptera), D Malacosoma neustria (Lepidoptera). (Aus H. Weber 1954)
schwamm erinnern. Blattodea und Mantodea schließen die Eier in Ootheken, die Hydrophilidae in Ei-Kokons ein, die einen aufrechten Schaft ("Kamin") zur Versorgung mit atmosphärischer Luft tragen (Abb , 13-40).
Eizell-Aktivierung Als Eizell-Aktivierung werden die Vorgänge benannt, die die in der Metaphase der I. Reifeteilung blockierte Oocyte (s. 13.1.1.4) veranlassen, die
Abb. 13-39: Ei-Gelege im Wasser. A Laichbalien von Cordulia aenea (Odonata) an einer Characee, B Laichschnüre von Tetragoneuria sp. (Odonata), C Laichring einer Trichoptere. (Aus H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
Abb. 13-40: A Weibchen des Großen Kolbenwasserkäfers (Hydrous piceus) bei der Herstellung des Ei-Kokons. B Ei-Kokon mit Eiern im Innern und dem "Kamin " zur Versorgung mitatmosphärischer Luft an einer Seite. (Aus V. B. Wigglesworth 1964)
Meiose zu vollenden und die Embryogenese zu beginnen. Im allgemeinen erfolgt diese Aktivierung während der Ei-Ablage. Die Faktoren, die sie auslösen, können sehr unterschiedlicher Art sein: mechanischer Druck a uf das Ei und damit die Eizelle beim Passieren von Ovidukt und Vagina (Hymenoptera: Pimpla, Apis), Aufnahme von Wasser in die Eizelle (Diptera: Drosophila, Smittia, Psychoda) oder Eindringen von Sauerstoff durch die Mikropyle (Phasmida: Carausius). Die Aktivierung kann also völlig unabhängig von der Besamung (Syngamie) in Gang gebracht werden. Das Eindringen des Spermiums in die Eizelle als Stim ulus für die Wiederaufnahme der Meiose und
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
den Beginn der Embryogenese ist bisher nur in einem Fal1 exakt nachgewiesen, bei der Sackträgermotte Luffia lapidella. Wie die Aktivierung der Eizelle molekular zu verstehen ist, ist unbekannt. Denkbar ist, dass die Auslöser auf das Cytoskelett der Eizelle einwirken, und die so erzeugten Veränderungen an der Innenarchitektur der Eizelle in biochemische Prozesse eingreifen oder sie veranlassen, z. B. derart, dass von Proteinen abgedeckte mRNA von Elementen des Zellgerüsts freigelegt und folglich funktionell wird.
Eizell-Reifung Die Reifung der fertig ausgebildeten Eizel1e, die nach der Ei-Ablage erfolgt, bedeutet im Wesentlichen die Herstel1ung eines haploiden, weiblichen Vorkerns. Der Kern der Eizel1e, der in der Metaphase I der Meiose verharrt, liegt im Reifungsoder Richtungsplasma an der Eiperipherie, meist anterodorsal. Hier geht nach der Aktivierung der Eizel1e der Kern in die Anaphase I über, in der sich die homologen Chromosomen voneinander trennen, und so zwei haploide Kerne entstehen. Nach der unmittelbar sich anschließenden 11. Reifeteilung, die eine Mitose ist, folglich in ihr Chromatiden getrennt werden, liegen vier haploide Kerne vor. Einer wird zum weiblichen Vorkern, die anderen drei Richtungs- oder Polkerne gehen früher oder später - bei Drosophila im Blastoderm zugrunde. In wenigen Fäl1en sind sie funktionel1, z. B. bei Parthenogenesen (s. 13.1.2 .3) und Gynandern (s. u.). Syngam ie
Syngamie ist die Vereinigung von Ei- und Samenzel1e und setzt das Eindringen von Spermien durch die Mikropyle voraus. Über die Syngamie der Insekten ist nur sehr wenig bekannt. W ährend das legereife Ei durch Ovidukt und Vagina gleitet, wird es so an der Mündung des Receptaculum seminis bzw der Spermatheca vorbeigeführt, dass seine Mikropyle dieser zugekehrt ist und die Spermatozoen durch Muskel- und Hämolymphdruck und chemotaktisch unterstützt durch die Mikropyle in die Eizel1e gelangen. Das geschieht offensichtlich bemerkenswert ökonomisch. Für die Honigbiene wird die Anzahl der pro Ei aus dem Receptaculum entlassenen Spermien auf 10-12 geschätzt, von denen 5- 7 in die Eizelleeindringen. Bei einer Reihe von Insekten, so z. B. bei Drosophila , aber auch bei Mus ca kann der Ovidukt zu einer Art "Uterus" erweitert und die Mikropylarregion des in diesen Uterus gebrachten Eies in eine "Befruchtungskammer", eine Ausbuchtung an der Mündung des Receptaculums, eingelassen sein (Abb. 13-6) . Das Ei wird nur wenige Sekunden in dieser Lage gehalten. Dies aber
genügt, damit eines der durchschnittlich nicht mehr als vier in die Kammer entlassenen Spermien durch die Mikropyle in die Eizellegelangt. Eine Stubenfliegekann alle 8 Sekunden ein befruchtetes Ei legen. Da die Mikropylenregion nur ein Areal von 5 x 10-6 der Eioberfläche einnimmt, muss das Spermium in einem SchlüsselSchloss-Prozess geradezu optimal geführt werden, um innerhalb von Sekunden die Mikropyle zu treffen. Vermutlich dient eine Schleimkappe, die der Mikropyle aufsitzt, als Rezeptor-System zur Anheftung der Spermien. Die geringe Anzahl der für eine Besamung aus den Receptacula bzw. den Spermathecae freigesetzten Spermien, ihre ökonomische Übertragung auf die Eizelle, wie sie für Musca beschriebenwurde und möglicherweise für weitere Arten erwartet werden darf, ferner die schnellen Veränderungen an Chorion, Vitellinmembran und im Periplasma nach Eintritt des Spermiums in die Eizelle sprechen dafür, dass zur Besamung nur bei wenigen Arten mehr als zwei Spermien (z. B. Apis mellifera) in die Eizelle eindringen, Polyspermie also wesentlich seltener ist, als bisher angenommen wurde. In jedem Fall aber dringen die Spermien vollständig, einschließlich des Flagellums in die Eizelle ein. Das gilt auch für die Riesenspermien von Drosophila (s. 13.1.1.11). Im Gegensatz zu vielen anderen Metazoen scheint das Plasmalemm des Spermiums nicht mit dem Oolemm zu verschmelzen sondern ins Ei zu gelangen; bei Drosophila wurden abgetrennte Teile der Spermienmembran im Ooplasma nachgewiesen.
Karyogamie Die Verschmelzung von weiblichem und männlichem Vorkern, die Karyogamie, erfolgt im al1gemeinen wenige Stunden nach der Ei-Ablage an definierter Stelle im Ooplasma, bei Bombyx z. B. im Berei ch von 12% der Eilänge, vom Vorderpol aus gemessen . Der Kern der Samenzelle erreicht diese Position als von Mittelstück und Schwanz abgetrenntem, kondensiertem Spermienkopf, oder er wandert als männlicher Vorkern mit bereits aufgelockertem Chromatin dorthin, wo er auf den weibl ichen Vorkern trifft. Beide bleiben noch einige Zeit nebeneinander liegen bevor sie sich zu einem diploiden Kern (Zygote) vereinigen . Die Zygote tritt sofort in die erste Mitose (Furchungsteilung) ein, das aus dem Mittelstück des Spermiums frei gewordene Centriol teilt sich . Beide Tochtercentriole organisieren die erste Furchungsspindel. Die Nebenkernderivate des Mittelstücks können als solche gegebenenfalls bis ins Bla stoderm im Ooplasm a erhalten bleiben. Jede Furchungszel1e erhält einen diploiden Chromosomensatz, der sich aus einem mütterlichen und einem väterlichen jeweils haploiden Chromosomensatz zusammensetzt. Die Anzahl der diploiden Chromosomen ist von Art zu Art verschieden. Cu/ex pipiens hat 6, Drosophila me/anogaster 8, Apis me/lifera 16 Chromosomen. Die kleinste Zahl unter den Insekten findet sich bei der Schildlaus
13.2 Entwicklung Icerya purchasi mit 4 Chromosomen, die größte beim Schmetterling Nyssia zonaria (Geometridae) mit 112.
Eine besondere Form der Karyogamie ist die Gonomerie, bei der nach der Vereinigung der beiden Vorkerne mütterlicher und väterlicher Chromosomensatz bis in die erste Furchungsteilung hinein getrennt bleiben. Gonomerie ist von Nematoda (Ascaris), Crustacea (Cyclops) und Gastropoda (Crepidula) bekannt. Bei den Insekten wurde sie z. B. für Drosophila melanogaster und Bombyx mori nachgewiesen. Die beiden Vorkerne legen sich dicht aneinander, die Kernhülle wird nach und nach aufgelöst. In jedem Vorkern entwickelt sich eine Spindel ohne Centriole. Die beiden Spindeln fügen sich zu einer Metaphasespindel zusammen und verbinden sich mit den Tochtercentriolen, die aus der Teilung des vom Spermium mitgebrachten Centriols hervorgegangen sind. Jede Teilspindel hat aber nur zu einem Chromosomensatz Verbindung, sodass beide Chromosomensätze sich erst in der Telophase miteinander vereinigen, wenn die Chromosomen sich den Spindelpolen nähern. Die Karyogamie findet also erst am Ende der ersten Furchungsteilung statt. Geschlechtsbestimmung Das Geschlecht der Insekten ist fast immer rein genetisch festgelegt (genotypische Geschlechtsbestimmung). Die Geschlechtsrealisatoren (Realisatorgene), die bewirken, dass von den Entwicklungspotenzen eines Individuums für beide Geschlechter nur eine realisiert wird, liegen auf den Geschlechtschromosomen (Heterochromosonen, Gonosomen), dem X- und dem Y-Chromosom. Ursprünglich ist wohl der XN-Typ, bei dem das Weibchen ein Paar gleiche X-Chromosomen besitzt, das Männchen dagegen ein X- und ein YChromosom, die morphologisch und größenmäßig unterschiedlich sind. Die Spermien, die bei der Meiose das X-Chromosom erhalten, sind weibchenbestimmend, die mit dem Y-Chromosom männchenbestimmend (die meisten Heteroptera, Coleoptera, Diptera, einige Orthopteroidea und Planipennia). Durch Verlust des Y-Chromosoms während der Stammesgeschichte ist vermutlich der X/O-Typ (Abb. 13-41)entstanden. Das Männchen hat ein unpaares X-Chromosom, an dessen Stelle beim Weibchen sich ein Paar gleicher X-Chromosomen findet. Bei den Reifeteilungen erhält nur jede zweite Samenzelle ein X-Chromosom und wirkt so weibchenbestimmend ; denn die reife, also haploide Eizelle besitzt stets ein X-Chromosom. Die Spermien ohne X-Chromosom erzeugen Männchen (die meisten Orthopteroidea, Homoptera , einige Heteroptera und Diptera, die Odonata, die meisten Plecoptera und Psocoptera).
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Abb. 13-41: Geschlechtsbestimmung bei Protenor beIfrage; (Heteroptera, Coreidae), XO-Typ. A Diploider Chromosomensatz bei Männchen und Weibchen, homologe Chromosomen als Paare dargestellt. B Äquatorialplatten aus der Teilung von Oe-und Spermatogonien mit diploidem Chromosomensatz. ( I. Reifeteilung beim Männchen = Reduktionsteilung für das XChromosom. Ergebnis: 50% der Spermatozoen enthalten ein XChromosom, die anderen 50% sind ohne X-Chromosom. Beim Weibchen enthalten die Oocyten alle ein X-Chromosom. 0 die beiden Möglichkeiten bei der Befruchtung. (Aus H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
Auch die umgekehrte Möglichkeit, dass die Männchen ein Paar X-Chromosomen und die Weibchen das einzelne X-Chromosom besitzen, ist verwirklicht (Lepidoptera, einige Trichoptera). Multiple Geschlechtschromosomen liegen dann vor, wenn mehrere X-Chromosomen (XI, X2 , .. • X6 ) bzw. mehrere Y-Chromosomen (Y I, Y2, . . . Y 6) das Geschlecht bestimmen . Evolutiv sind die multiplen Geschlechtschromosomen mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Zerfall der X- und YChromosomen in mehrere Teile entstanden, wohl aber auch dadurch, dass solche Bruchstücke mit ebensolchen Fragmenten von Autosomen zu NeoX- und Neo-Y-Chromosomen verschmolzen sind. Ein einfaches Beispiel bieten viele Hemiptera und Dermaptera, bei denen das ursprünglich einzelne X-Chromosom in zwei bzw.drei Teilstücke zerbrochen ist, die bei der Meiose zu dem demselben Spindelpol befördert werden (Abb. 13-42). In allen diesen Fällen entscheidet die Verteilung der Geschlechtschromosomen bei der Befruchtung
400
13 Fortpflanzung und Entwicklung
A
B
c
Abb. 13·42: Multiple X-Chromosomen X, X2 (B) und Xl X2 X3 (C) entstehen durch Fragmentierung eines phylogenetisch ursprünglich einzigen X-Chromosoms (A). Die Teilungsspindel geht an beiden Polen von jeweils einem Centriol aus. Die Autosomen sind nicht gezeichnet. (Aus R. L. Blackman 1995)
(Syn- und Karyogamie) über das Geschlecht. Darüber hinaus findet sich bei den Hymenoptera, Thysanoptera, einigen Homoptera und Coleoptera die als Arrhenotokie (s. 13.1.2.3) benannte und innerhalb der Arthropoda auch bei den Acarina weit verbreitete Haplodiploidie, bei der das Geschlecht entweder durch Parthenogenese oder durch Befruchtung bestimmt wird . Entsprechend der genotypischen Geschlechtsbestimmung ist das Geschlechterverhältnis der Insekten normalerweise I : I. Abweichungen sind auf äußere Einflüsse während der postembryonalen Entwicklung zurückzuführen. Die Massenvermehrung der Nonne (Lymantria dispar), wie sie in manchen Jahren zu beobachten ist, wird häufig von einer Verringerung der Anzahl der Weibchen begleitet, was auf einer erhöhten Mortalität der weiblichen Raupen als Folge der angestiegenen Populationsdichte ("crowding effect") beruht. Gynandromorphismus Eine Geschlechtsabnormität, die nur von Arthropoda und unter ihnen besonders von Insekten bekannt ist, wird als Gynandromorphismus bezeichnet, weil Tiere (Mosaiktiere, Mosaikzwitter) auftreten, deren Körper mosaikartig aus weiblich oder männlich differenzierten Bereichen besteht. Jedes Areal besitzt in seinen Zellen den seiner geschlechtlichen Differenzierung entsprechenden weiblich oder männlich bestimmten Chromosomenbestand und hat sich dementsprechend und unabhängig von den anders determinierten Nachbarregionen entwickelt. Solches ist nur bei Metazoa möglich, bei denen, wie eben den Arthropoda, die Geschlechtsmerkmale autonom von den Geschlechtschromosomen bestimmt werden und nicht einer hormonellen Steuerung unterliegen. Besonders auffällig sind die Halbseitenzwitter, bei denen die eine Körperhälfte weiblich, die andere männlich ausgebildet ist, und die Grenze
Abb. 13·43: Beispiele für Gyandromorphismus am Kopf der Honigbiene (Apis mellitera) (A), der Amazonenameise (Polyergus rutescens) (B), des Hirschkäfers (Lucanus cervus) (C). Die jeweils linke Körperhälfte istweiblich, die rechte männlich. (Aus H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
zwischen den beiden Mosaiken nicht selten genau in der Mediane verläuft (Abb. 13-43). Bei Drosophila entsteht ein Halbseitenzwitter dadurch, dass bei einer weiblich bestimmten, also mit zwei XChromosomen ausgestatteten Zygote in der ersten Furchungsteilung ein X-Chromosom verloren geht, es entstehen folglich zwei Furchungskerne, von denen der eine zwei X-Chromosomen, der andere nur ein X-Chromosom enthält. Da jeder der beiden Abkömmlinge des Zygotenkerns durch Mitosen die Furchungskerne für nur je eine Körperhälfte des Embryos liefert, enthalten die Kerne der einen Körperh älfte zwei X-Chromosomen und sind folglich weiblich determiniert, die der anderen Körperhälfte nur ein X-Chromosom und sind männlich bestimmt, weil bei Drosophila der XO-Typ die gleiche Wirkung hat wie der XY-Typ anderer Insekten. Die männlichen Anteile der Zwitterbienen sind aus Zellen mit unbefruchteten, also haploiden Kernen, die weiblichen Anteile aus befruchteten, folglich diploiden Kernen hervorgegangen. Dies kann dadurch zustandekommen, dass der Kern der Eizelle sich schon vor der Befruchtung geteilt hat und nur einer seiner Tochterkerne befruchtet wird. Eine weitere Möglichkeit besteht darin , dass von den bis zu 8 in die Eizelle eingedrungenen Spermien, eines die Karyogamie vollzieht und ein zweites sich selbstständig, parthenogenetisch entwickelt. In beiden Fällen gehen aus den Zellen mit diploiden Kernen weibliche, aus denen mit haploiden Kernen männliche Gewebe hervor.
Gynander sind im Allgemeinen nicht fortpflanzungsfähig Intersexualität Das Vorkommen von männlichen und weiblichen oder auch intermediären Merkmalen in ein und dem selben Individuum (Intersex) bei normalerweise getrenntgeschlechtlichen Arten wird als In-
13.2 Entwicklung
401
Abb. 13-44: Drosophila melanogaster. Schema der Embryogenese. Vorderpol des Eies oben. A Befruchtetes Ei. B·D Die ersten 7 Mitosen, in 0 sind nur 26 der 128 Energide innerhalb des Dotter-Endoplasma-Systems gezeichnet. E Energide (E) wandern zur Eizelloberfläche, wo weitere Mitosen stattfinden, im Hinterpolbereich bilden einige Kerne Polzellknospen (PB), im Dottersystem werden die Kerne sichtbar, die die künftigen Vitellophagen (V) bilden. F Syncytiales Blastoderm, die Polzellen (pe) werden abgeschnürt. G 14. Mitosezyklus (Periplasmatische Furchung) beginnt. H 14. Mitosezyklus abgeschlossen, das Blastoderm wird zellular, die Polzellen vermehren sich durch Teilungen. MY Mikropyle, P Polgranula, A Atemhorn (Aus D. Zissler 1992)
A
E
tersexualität bezeichnet. Im Gegensatz zum Gynandromorphismus sind alle Körperzellen genetisch von gleichem Geschlecht. Intersexualität kann aufgrund unterschiedlicher Ursachen zustande kommen, äußert sich aber immer in einer gestörten Genregulation und führt zu Sterilität. Bei Drosophila ist Intersexualit ät die Folge eines abnormen Zahlenverhältnis von Autosomen : Geschlechtschromosomen, z. B. von 3 Autosomensätzen zu 2 XChromosomen. Bei der Kreuzung des europäischen Schwammspinners (Lymantria dispar) mit dem japanischen treten an sich weiblich bestimmte Bastarde auf, die in den Ovariolen Ei- und Samenzellen bilden. Bei Chironomiden entstehen Intersexe durch eine gestörte Geschlechtsdifferenzierung infolge von Parasitierung mit Mermithidae (Nematod a).
13.2.1.2 Späte Embryonalentwicklung Als späte Embryonalentwicklung soll der Entwicklungsabschnitt vom unmittelb aren Übergang der Karyogamie in die Furchungsmitosen bis zum Schlüpfen der Larve verstanden werden. Die aus der Teilung des Zygotenkerns und den nachfolgenden Mitosen hervorgehenden Energide verteilen sich auf drei verschiedene Eiregionen (Furchung). Die meisten gelangen ins Periplasma, wo weitere Mitosen stattfinden (Periplasmatische Furchung), bevor sie sich hier zum syncytialen Blastodern (Blastem, Präblastoderm) ordnen . Einige verbleiben als Vitellophagen (Dotterkerne) im Dottersystem. Bei wenigen Hemimetabola und einer Reihe von Holometabola wandern eine oder mehrere Furchungsenergide in den Hinterpolbe-
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F
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reich der Eizelle ein, wo sie zusammen mit dem Polplasma die Polzellen bilden (Abb. 13-44, 13-47). Das syncytiale Blastoderm geht in eine einheitliche Zellschicht, das zelluläre Blastoderm über, das sich zu zwei unterschiedlichen Arealen sondert, der Keimanlage und ,dem extraembryonalen Blastoderm, das zur Keimhüllenanlage wird (Abb. 13-45). Mit der Gastrulation, durch die Ekto- und Mesoderm entstehen, geht die Keimanlage in den Keimstreif über. Ein Entoderm typischer Definition gibt es bei Insekten nicht, weshalb der Mitteldarm auf ungewöhnliche Weise entsteht (s. u.). Das Ektoderm stülpt sich am rostralen Ende des Keimstreifs zur Vorderdarmanlage, dem Stomodaeum , am caudalen Ende zur Hinterdarmanlage, dem Proctodaeum, ein. Damit sind auch Mund- und AfterötTnung festgelegt. Die aus dem Mesoderm entstehenden paarigen Coelomsäcke leiten die innere Segmentierung des Keimstreifs ein, die auch bald äußerlich zu erkennen ist, weil sich das Ektoderm, aus dem die Körperdecke hervorgeht, dem jeweils äußeren Blatt der Coelomsäcke gleichsam anlegt, indem es sich in die von diesen Coelomsäcken vorgegebenen Intersegmentalfurchen, wenn auch nur peripher, einschiebt. Zudem erscheinen bereits jetzt die Anlagen der künftigen Extremitäten . Aus der Keimhüllenanlage gehen im Allgemeinen zwei Keim- oder Embryonalhüllen, Serosa und Amnion hervor. Durch besondere Bewegungsvorgänge. in ihrer Gesamtheit Blastokinese genannt, wird bei den niederen Insekten der Keimstreif vorübergehend
402
13 Fortpflanzung und Entwickl ung
A
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B
F
SPI •
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L
M
Abb. 13-45: Schema der superfiziellen Furchung und Keimstreifbildung. A-D, K und L Querschnitte durch diein E-J, M in Ventralsicht abgebildeten aufeinanderfolgenden Stadien. Von I ab die Zellen nicht mehr eingezeichnet. Dotter durch Punktierung angedeutet. Keimstreif weiß gelassen. Pfeile in J und M markieren die Lage der Querschnitte (K) und (L). Abd Abdomen, Bld Blastoderm, DK Vitellophagen, DZ Differenzierungszentrum, Ect Ektoderm, FK Furchungsenergid, KA Keimanlage, KL Kopflappen, Max2 Segment der 2. Maxille (Labium), MPI Mittelplatte, PrR Primitivrinne, SPI Seitenplatte, Th 1 1. Thorakalsegment, uBI unteres Blatt. (Aus H. Weber 1954)
ins Innere des Dottersystems verlagert und ebenso wieder herausbefördert. Der Keimstreif bildet im Wesentlichen nur die ventrale Region des künftigen Körpers. Die latera len und dorsalen Anteile entwickeln sich beidseits aus schmalen Randzonen des Keimstreifs. Sie umwachsen das Dottersystem und verschmelzen miteinander in der dorsalen Mediane (Rückenschluss) unter gleichzeitiger Einschmelzung der Keimhüllen. Wenn alle Segmente angelegt sind, ist die Körpergrundgestalt des Insekts erreicht. Organo- und
Histogenese vervollständigen die Anatomie des zur schlüpfreifen Larve gewordenen Embryos. Furchung Die Furchung des Eies der Insekten, d. h. seine Zerlegung in Tochterzellen, vollzieht sich an der Eioberfläche in einem dün nen, das zent rale Dottersystem umschließenden Periplasma (Abb. 1344, 13-45). Folglich wird sie als superfiziell bezeichnet. Ihr gehen zahlreiche Mitosezyk len im Dott ersystem (s. 13.1.1.3) voraus.
13.2 Entwicklung
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Furchungshöhle
Abb. 13·46: Schema der Furchung bei den Collembola am Beispiel des Eies von Tomocerus im Schnitt. (Aus H. Weber 1954)
Die Furchung der Collembola beginnt zwar total (holoblastisch) und äqual, geht aber dann in den superfiziellen Modus über. Die gesamte dotterarme Eizelle wird in annähernd gleich große Furchungszellen aufgeteilt. Es entsteht eine typische Blastula, auch wenn das Blastocoel (Furchungshöhle) verhältnismäßig klein ist. Schließlich erfolgt der Umschlag, indem die Zellgrenzen verschwinden, und die Kerne zur Eiperipherie wandern. Der gesamte Furchungsvorgang erinnert sehr an den der Diplopoda (Abb. 13-46). Daß die Menge des Dotters in Beziehungzur Art der Furchung stehen kann, zeigen auch die nur mit wenigen Speicherstoffen versorgten Eier von Endoparasiten, wie z. B. Schlupfwespenaus der Familieder Chalcididae. Ihre Furchung ist rein holoblastisch. Ausgehend vom Zygotenkern wird das Innere des Eies, das Dottersystem, als Folge zahlreicher Mitosen von ebenso zahlreichen, von einem Hof von Euplasma umgebenen Kernen, Furchungsenergiden, besiedelt (Intravitelline Furchung). Anfangs verlaufen bei den meisten Arten die Mitosen im gesamten Ei syn-, später metachron. Die Anzahl der Mitosen wie folglich auch die Anzahl der entstehenden Furchungsenergiden ist artspezifisch unterschiedlich. Bei Drosophila laufen insgesamt 13 Mitosezyklen ab. Sie vollziehen sich bemerkenswert rasch, ein Teilungsschritt erfordert nicht mehr als 10min. Die ersten 9 Teilungen überführen die Eizelle in ein Syncytium mit mehr oder weniger gleichmäßig im Dottersystem verteilten Kernen. Etwa 375 Kerne gelangen ins Periplasma und bilden das syncytiale Blastoderm. Annähernd 20 Kerne wandern in den Hinterpolbereich und veranlassen die Bildung der Polzellen. Die restlichen etwa 115 Kerne verbleiben als Vitellophagen im Dottersystem. Die weiteren vier synchronen Mitosen im syncytialen Blastoderm erhöhen die Anzahl der Kerne auf rund 6000, bevor durch Einziehen von Zellwänden das zellulare Blastoderm entsteht.
Polzellen 1863 veröffentlichte der damals 29-jährige August Weismann (1834-1914) - drei Jahrzehnte später wird sein epochemachendes Werk "Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung" erscheinen - die Ergebnisse seiner
vergleichenden Untersuchungen zur Entwicklung der Dipteren. Zu seiner Darstellung eines Zuckmücken-Eies schreibt er: "Am spitzen oder hinteren Pol lagen in der Lücke zwischen Eihaut und der scharf begrenzten äußeren Fläche des Keimhautblastems 4 große, kugeligeoder ovale Zellen .. . Diese 4 kugeligen Zellen . . . nenne ich Polzellen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie vollkommen unabhängig von den Zellen der eigentlichen Keimhaut entstehen, und erst im späteren Verlauf der Entwicklung mit jenen in eine Masse zusammentreten. Sie sind identisch mit den "globules polaires, welche Robin vor kurzem beschrieben hat." Robin hatte sie als Richtungsk örperehen gedeutet und sie damit dem Vorder- statt dem Hinterpolbereich der Eizelle zugeordnet. Weismannjedoch erkannte, dass diese Polzellen im Gegensatz zu den degenerierenden Richtungskörperehen am Aufbau des künftigen Embryos beteiligt sind. Drei Jahre nach Weismanns Veröffentlichung, 1866, gelang es Elias Mecznikow (18451916) das Schicksal der Polzellen zu klären. An einem günstigeren Objekt, dem Ei der Gallmücke Miastor, beobachtete er, dass die Polzellenin die Gonadenanlage der Larve gelangen und sich dort zu Eizellenentwickeln, also Vorstufen der Urgeschlechtszellen sind und die Keimbahn, d. h. die Zellenfolge, die bis zu den Keimzellen des neuen Individuums führt, markieren. Doch Polzellbildung kommt nicht bei allen Insekten vor, ist vielmehr auf bestimmte einzelne Gattungen oder Arten unter den Hemimetabola (Dermaptera, Psocoptera, Homoptera, Siphonaptera) und Holometabola (Diptera, Hymenoptera, Coleoptera, Lepidoptera) beschränkt. Ihre Eizellen weisen im Bereich des Hinterpols ein streng lokalisiertes Polplasma auf, das die Polgranula oder das Oosom enthält (s. 13.1.1.5). Auf einem frühen, artspezifisch festgelegten Furchungsstadium wandern Kerne ins Polplasma ein und bilden Polknospen, die als Polzellen von der Eizelle abgetrennt werden, noch ehe die Blastodermzel1en entstehen. Beider Zuckmücke Smittia sp. werden die Polzellennach der 2. Furchungsteilung gebildet. Einer der vier Furchungskerne wandert in den Hinterpolbereich ein und wird unter Knospenbildung (Abb. 13-47 A) als erste Polzelle abgeschnürt (Abb. 13-47B). Diese teilt sich noch zweimal, sodass schließlich vier Polzellen vorliegen. Bei Wacht/iel/a wird ebenfalls nur eine Polzelle abgeschnürt, im Gegensatz zu Smittia auf dem 8-Kernstadium. Bei
404
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Abb. 13·47:Polzellbildung bei Smittia sp. (Chironomidae). ADer Furchungskern, der zum Kern der ersten Polzelle (N) wird, wandert aus dem Innern desEies indessen Hinterpolbereich und schiebt dabei offensichtlich alle Zellelementezur Seite. A und B Die Bildung der ersten Polzelle beginnt mit der Einschnürung des Oolemms (Pfeile) und lässt so eine Knospe entstehen, die sich dann abschnürt. L Lipid, M Mitochondrien, SEischale, Y Proteiddotter. (Aus D. Zissler 1992) Drosophila sind im Blastodermstadium 30-50 Polzellen vorhanden , von denen aber nur 10-15 in die Gonaden gelangen. Die meisten verbleiben im Dotter und degenerieren dort oder werden durch den Anus ausgeschleust. Gegen Ende der Embryonalentwicklung gelangen die Polzellen in die mesodermalen Geschlechtsorgane; die vier Polzellen be i Smittia zu je zwe i in die rechte und die linke Gonade der Ei-Larve. Hier teilen sie sich erneut. Ihre Abkömmlinge sind die Urgeschlechtszellen. Bei allen anderen Insekten, die keine Polzellen bilden, werden die Urgeschlechtszellen erst seh r viel sp äter von den Somazellen getrennt. So entstehen sie (I) unmittelbar nach der Bildung des Blastoderms aus einigen die ser Blastodermzellen (Coleoptera, Dermaptera, Homoptera, Lepidoptera): (2) aus dem Ektoderm des Keimstreifs (Lepidoptera); (3) zur Zeit der Bildung des Mesoderms, aber noch vor Bildung der Coelomsäckchen (Coleoptera, Hemiptera, Orthoptera); (4) nach der Bildung der Cölomsäckchen aus deren Wand (Coleoptera, Hymenoptera, Lepidoptera, Orthoptera, Thysanura) ; (5) während der postembryonalen Entwicklung (Odonata, Ephemerida). Blastoderm Intravitelline und periplasmatische Furchung umfassen bei den meisten Insekten 9-13 Mitose-Zyk-
len, sodass je nach Art etwa 500-8000 Kerne das Periplasma als syncytiales Blastoderm besiedeln. Durch synchrones Einfalten des Oolemms geht das syncytiale allmählich in ein zellulares Blastoderm über (Abb. 13-48) . Das wird bei der Termite Kalotermes flavicollis etwa 72 h, bei der Federlibelle Platycnemis planipennis etwa 40 h und beim Heimchen Acheta domesticus 36--38 h nach Ei-Ablage erreicht. Bei den mei sten Insekten ist das Blastoderm als einheitliche Zellschicht an gelegt. Am umfassendsten untersucht ist diese Art der Blastodermbildung bei Drosophila (Abb. 13-44). Die Furchungsenergiden wandern während des 8. und 9. Mitosezyklus in das Periplasma ein und formen das Präblastoderm. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Kernwanderung von Cytastern bewirkt, die von den Spindelapparaten stammen. Sie bestehen aus einer Anzahl von Mikrotubuli, die sternförmig vom Centriol ausgehen, und sind durch intermediäre (10 nm) Filamente an der Kernhülle befestigt. Die nächsten Mitosezyklen (10-13) , deren Teilungsebenen senkrecht zur Eioberfläche stehen, (Abb. 13-48 A) verlaufen metachron , d. h. sie starten gleichzeitig an den Eipolen und schreiten wellenartig zur Eimitte vor. Bei Apis beginnen die Mitosen im vorderen Eidritt el und laufen dann nach hinten . Über den eingewanderten Energiden haben sich kleine, mit kurzen Mikrovilli versehene Vorwölbungen gebildet. In diesen sog. somatischen Knospen (in Abgrenzung der Pol-oder Keimbahnknospen, siehe Polzel-
13.2 Entwicklung
A
405
Oolemm
B
C .-A
II IAI ----===""" Mikrotubuli
D
11-- - - Furchungsspalt
11-H.ffiI!I - - --
Abb. 13-48: Schema der Blastodermbildung bei Drosophila me/anogasteraufgrund elektronenmikroskopischer Untersuchungen. A und B Kernteilungen im Periplasma (Periplasmatische Furchung). C und D Die Einfaltung des Oolemms hatbegonnen. E Aus den Oolemm-Einfaltungen werden selbständige Zellmembranen der BlastodermzeIlen. (Nach W. L. Rickoll 1976, aus F. E. Schwalm 1988, verändert)
Kern
E
len) ist je ein Cytaster eingelagert, der von der Teilungsspindel der letzten periplasmatischen Furchungsmitose stammt und jetzt den Kernen ihre Lage im syncytialen Blastoderm zuordnet. Die Kerne sind in einem Geflecht intermediärer Filamente verankert, das seinerseits ebenso mit den radiär vom Centriol ausstrahlenden Mikrotubuli wie mit Aktin(6nm)Filamenten verbunden ist. Auf diese Weise sind die Kerne mit dem jeweils sie umgebenden Cytoplasma mit seinen zahlreichen Ribosomen, einigen ER-Zisternen und vielen Mitochondrien als eigene Einheiten , Blastoderm-Energide, organisiert. Während der Interphase der 14. Kernteilung beginnt das Oolemm sich zwischen den Blastoderm-Energiden senkrecht zur Längsachse des Eies nach innen einzufalten, offensichtlich durch Aktinfilamente bewirkt, die an den Teilungsfurchen ansetzen und diese ins Periplasma zu ziehen scheinen. Die somatischen Knospen einschließlich ihrer Mikrovilli werden in die entstehenden Wände der künftigen BlastodermzelIen einbezogen. Möglicherweise sind die Mikrovilli des Oolemms als
Speicher für den jetzt beim Aufbau des zelIularen Blastoderms hohen und sehnelIen Bedarf an Membranen angelegt. Bei anderen Arten dürften Elemente des GolgiApparates oder multivesikuläre Körperehen die Membranen liefern. Die kugelförmigen Kerne strecken sieh auf etwa das 2,5fache ihres ursprünglichen Durchmessers in die Länge, werden folglich eiförmig. Bündel von Mikrotubuli begleiten paralIel zum Verlauf der Längsstreckung die Kerne. Jetzt treten zum erstenmal in den embryonalen Kernen Nucleoli auf. Wenn die Teilungsfurchen den Dotter erreicht haben, verschmelzen sie basal miteinander und bilden so das basale Plasmalemm der BlastodermzelIen und auch eine Dottermembran genannte HülIe um das Dottersystem (Dottersack).
Blastodermbildung durch Einfalten des Oolemms ist auch für die Gallmücke Wachtliella persicariae und den Käfer Melasoma saliceti belegt. Bei Bom-
406
13 Fortpflanzung und Entwicklung
byx mori werden weder ein syncytiales Blastoderm angelegt noch eine typische Furchung durchgeführt : Die Energide wandern ins Periplasma und werden als somatische Knospen vom Dottersystem abgetrennt, um sich zum Blastoderm zu vereinigen . Bei einigen Hemimetabola, wie den Dictyoptera, Isoptera und manchen Orthoptera wird kein einheitliches Blastoderm ausgebildet, vielmehr findet bereits während der Bildung des Blastoderms eine Differenzierung statt, insofern die Kerne so im Periplasma verteilt werden, dass Eiregionen mit hohen Zellkonzentrationen von solchen mit lockeren Zellanhäufungen zu unterscheiden sind.
Vitellophagen Die im Dottersystem verbleibenden Kerne teilen sich langsamer als die ins Periplasma einwandernden oder auch gar nicht. Bei Drosophila sind etwa 26 Kerne im Dottersack zu finden, wenn die Einwanderung der Furchungsenergide ins Periplasma beginnt. Das fertig ausgebildete Blastoderm wird von etwa 6000 Zellen aufgebaut. Die Anzahl der Vitellophagen ist dann auf etwa 1000 angewachsen. Auf dem 1024-Energidstadium der Honigbiene sind 100 Vitellophagen, beim Samenkäfer Bruchidius auf dem 2000-Kernstadium 120 Vitellophagen vorhanden. Gelegentlich können sich mehrere Energide, z. 8. 6 bei der Honigbiene, 3 bei der Tangfliege Coelopa, zu Gruppen vereinigen oder nach der Mitose beieinanderbleiben. Häufig werden die Dotterkerne polyploid. Die im Dottersack als ihrem Herkunftsort verbleibenden Energide werden als primäre Vitellophagen von jenen unterschieden,die erst später aus dem syncytialen oder zellularen Blastoderm ins Dottersystem gelangen und als sekundäre Vitellophagen bezeichnet werden . Sekundäre Vitellophagen, die die primären ergänzen, sind für einige Diptera (z. B. Drosophila, Coelopa) nachgewiesen. Keine primären, nur sekundäre Vitellophagen sollen einige Lepidoptera und Diptera ausbilden. Bei wenigen Hymenoptera und cyclorraphen Diptera treten während der späten Embryonalentwicklung aus der Mitteldarmanlage Zellen ins Dottersystem, wo sie ihre Zellmembranen verlieren und zu tertiären Vitellophagen werden . Die Vitellophagen steuern die Aufarbeitung und Nutzbarmachung des Dotters. Über funktionelle Unterschiede der drei Vitellophagen-Typen ist nichts bekannt. Am Organaufbau sind sie normalerweise nicht beteiligt, allerdings sollen in wenigen Fällen (z. B. Lepisma, Odonata, Strepsiptera) primäre Vitellophagen beim Aufbau des Mitteldarmepithels beteiligt sein.
Keimanlage und Keimstreif Das einschichtige und anfangs einheitliche Blastoderm geht bald in ein Epithel über, das zwar zunächst weiterhin einschichtig bleibt, aber aufgrund einer regional unterschiedlichen Zellteilungsrate an Größe und Zahl der Zellen unterschiedliche Areale aufweist. Die im typischen Fall paarigen, lateralen Felder enthalten mehr und kleinere Zellen als die übrigen Bezirke (Abb. 13-45 C). Sie stellen das präsumptive embryonale Gewebe dar und werden folglich als Vorkeimanlage bezeichnet. Sie verlagern sich ventro-caudal und verschmelzen miteinander zur unpaaren Keimanlage (Abb. 13-45D). Das übrige außerembryonale Blastoderm bildet die Keinhüllenanlage, aus der später Serosa und Amnion hervorgehen. Am Vorderende verbreitert sich die Keimanlage zu einem Paar abgerundeter, seitlich ausgerichteter Kopflappen. Gleichzeitig beginnt die Gastrulation. In der Keimanlage wird eine mediane Region, die Mittelplatte, von einem Paar von Seitenplatten überwachsen (Epibolie) oder sie faltet sich ein und gelangt so ins Innere (Embolie). Dabei entsteht vorübergehend eine Primitivrinne (Abb. 13-45F), die wieder verschwindet, wenn die Seitenplatten sich zum äußeren Blatt über der zum inneren Blatt werdenden Mittelplatte schließen. Das innere Blatt kann auch durch multipolare Einwanderung von Zellen der Keimanlage (Immigration oder Delamination) entstehen. Dann wird keine Primitivrinne gebildet. Zwischen Epibolie, Embolie und Immigration (Delamination) gibt es alle Übergänge. In jedem Fall aber wird die Keimanlage zweischichtig und damit zum Keimstreifen. Das ä ußere Blatt ist das Ektoderm, das innere das Mesoderm . Keimhüllen und Blastokinese Im allgemeinen wird der innerhalb der Eischale heranwachsende Embryo vorübergehend noch von zwei Epithelien, Keimhüllen (Embryonalhüllen) umschlossen. Die Serosa als äußere Keimhülle geht aus der Hüllenanlage hervor, indem deren Zellen polyploid werden und an Volumen zunehmen. Schließlich formt sich vom Rand der Hüllenanlage aus noch eine innere Keimhülle, die in Analogie zu den Sauropsiden und Mammalia als Amnion bezeichnet wird. Es grenzt den aus dem Keimstreif sich entwickelnden Embryo ventral gegen den Dotter ab. Dorsal liegt der Embryo dem Dotter direkt an . Der zwischen dem Embryo und dem Amnion ausgesparte und von Flüssigkeit erfüllte Hohlraum wird, ebenfalls in Analogie zu den genannten Wirbeltieren, als Amnionhöhle betrachtet. Während die Amnionhöhle bei den Pterygota im Allgemeinen geschlossen ist (Abb, 1349) bleibt sie bei einigen Apterygota (Machilis,
13.2 Entwicklung
A
Abb. 13-49: Bildung der Keimhüllen und Blastokinese beim invaginierten Keimstreif (A-E) und beim immersen Keimstreif (F-H). Mediane
B
c
o
F
G
H
407
E
KStr
Längsschnitte, Ventralseite links, Keimstreif schwarz, Pfeile geben die Richtung der Keimesbewegungen an. Am Amnion, AmH Amnionhöhle, Ch Chorion, HA Hüllenanlage, KA Keimanlage, KStr Keimstreil, Ser Serosa. (Nach H. Weber 1954, verändert)
Lepisma) über einen kleinen Porus mit dem peripheren Eiraum verbunden. Neben Serosa und Amnion wird bei einigen Saltatoria eine dritte Keimhülle (Indusium) ausgebildet . Bei viviparen Strepsiptera und den end oparasitischen Schlupfwespen (Platygasteridae, Chalcididae , Braconidae) entsteht ein dickes Epithel, das Nährstoffe von der Mutter-bzw. des Wirtes auf den Keim überträgt und folglich als Trophamnion bezeichnet wird. Bei den Strepsiptera entsteht das Trophamnion aus Dotterzellen, bei den Schlupfwespen aus Furchungszellen. Die Strepsiptera besitzen ein Amnion und das Trophamnion, die Schlupfwespen nur das Trophamnion. Keine Keimhülle wird bei Ameisen (L eptothorax), einigen Schlupfwespen (Nemeritis), bei Drosophila, Diplura (Campodea) und anderen ausgebildet. Bei einigen Formen werden zusätzlich noch sekundäre, nichtzellige Hüllen von den zelligen Keimhüllen oder dem Keimstreifen selbst abgesondert. Bei einigen Plecoptera und Saltatoria scheidet die Serosa eine Cuticula (Serosacuticula) ab. Mit der Bildung von Serosa, Amnion und Amnion höhle unmittelbar verbunden sind eine Reihe von Keimbewegungen , die in ihrer Gesamtheit als Blastokinese bezeichnet werden . Die Blastokinese hat zur Folge, dass der Keimstreif in den Dottersack verlagert wird, entweder durch Einstülpung (Invagination) oder durch Einsenkung (Immersion). Die Invagination, die man vor allem bei den kurzen und mittellangen Keimen der Hemimeta-
bola findet (invaginierter Keimstreif), ist durch eine Einrollung (Anatrepsis) gekennzeichnet, der nach kurzer Zwischen phase (Intertrepsis) eine Ausoder Umrollung (Katatrepsis) folgt. Bei der Anatrepsis gelangt zunächst das Hinterende, schließlich der gesamte, sich verlängernde Keimstreif in den Dotter. Durch dorsale und caudale Krümmung erhält der Keimstreif S-Form. Seine ventrale Seite ist jetzt der dorsalen Seite der Eischale, sein Kopfende dem Hinterpol des Eies zugekehrt. Der am caudalen Ende des Keimstreifs angeheftete Teil der Keimhüllenanlage wird mit in den Dotter eingezogen und so zum Amnion, wenn er mit dem am Kopf des Keims angehefteten Teil der Keimhüllenanlage verschmilzt. Dadurch schließt sich der Raum ventral des Keimstreifs zur Amnionhöhle. Die Katatrepsis macht die Einrollung wieder rückgängig. Der Keim verkürzt sich und nimmt seine ursprüngliche Lage ein: Die ventrale Seite des Keims ist wieder der ventralen Seite des Eies zugekehrt (Abb. 13-49). Bei der Immersion, die sich hauptsächlich an den Langkeimen der Holometabola vollzieht (immerser Keimstreif), behält der Keimstreif seine ventrale Lage, erfährt aber eine dorsale Krümmung und wird ventral von Falten der Hüllenanlage umwachsen. Deren äußere Schicht wird zur Serosa, die innere zum Amnion, das - wie beim invaginierten Keimstreif - eine Amnionhöhle bildet. Wenn der Dotter zwischen Amnion und Serosa eindringt, ist die Einlagerung vollzogen. In typischer Ausprägung vollzieht sich die Immersion bei den Lepidoptera (Abb. 13-49 F, G, H). Wäh-
408
13 Fortpflanzung und Entwicklung
A
B
c
D
Abb. 13-50: Blastokinese bei Forficula (Dermaptera). Mediane längsschnitte, Ventralseite rechts, Keimstreif schwarz, Dotter punktiert. Zwischen (A) und (B) kontrahiert sich der Keimstreif, zwischen (B) und (C) erfolgt die Sprengung der Hülle, und die Umrollung beginnt. AH Amnionhöhle, Am Amnion, Ant Antenne, B 1. Thoracopode, Ex 1. Extremitätenanlage am Abdomen, lb labium, Mand Mandibel, Max Maxille, Proct Prododaeum,Ser(DO) Anteile der Serosa, die bei der Sprengung der Embryonalhüllen in den zentralen Dotter gelangen und dort nach dem Rückenschluss noch als Dorsalorgan (00) erkennbar sind, bevor sie resorbiert werden, Stig Stigma, Stom Stomodaeum. (Nach H. Weber 1954, verändert)
rend der Streckung des Keimstreifs krümmt dieser sich um den Hinterpolbereich des Eies, sodass sein Caudalende in die Nähe des Ei-Vorderpols gerät. Nach kurzer Intertrepsis erfolgt dann die Ausrollung, die in dem Fall eher eine Umrollung ist. Der Kopf des Embryos rückt weiter vor und erreicht eine vordere Lage, wie er sie auf keinem vorherigen Stadium hatte. Unterbleibt das Eindringen des Dotters zwischen Amnion und Serosa , dann liegt ein superfizieller Keimstreif vor, wie ihn z. B. Forficula (Abb. 13-50) aber auch einige Diptera und Coleoptera ausbilden. Übergänge zwischen invaginiertem und superfiziellem Keimstreif. bei denen das Caudalende des Keimstreifs in den Dotter hinein- oder außerhalb des Dotters an der Dorsalseite des Embryos emporwächst, kommen bei Coleoptera (Tenebrio) und Planipennia (Chrysopa) vor. Wie die Bewegungen, die als Blastokinese zusammengefasst werden, zustandekomrnen, ist weitgehend unbekannt. Der Keimstreif selbst ist noch ohne jede Muskulatur. Lichtmikroskopische Beobachtungen der Anatrepsis bei Zikaden und Läusen lassen an kontraktile Strukturen im Dottersystem, solche der Katatrepsis bei Hemipteren an Kontraktionen der Serosa denken. Die Keimhüllen dürften im Wesentlichen dem sich formenden Keim mechanischen Schutz gewähren, insbesondere durch die Ausbildung des Flüssigkeitspolsters der Amnionhöhle. Es ist aber auch denkbar, dass der Kontakt mit den durch die Bewegungen ständig wechselnden Dotteranteilen von Vorteil für die Ernährung des Keimstreifs ist.
Organogenese Das innere Blatt des Keimstreifs gliedert sich in drei Schichten (Abb. 13-51). Die dem aus dem äußeren Blatt hervorgangenen Ektoderm unterlagerte Schicht wird zum Mittelstrang. Die beiden folgenden Schichten teilen sich entlang der Medianlinie in zwei Seitenstränge. Diese stellen das Mesoderm dar und werden ebenso in Längsrichtung untergliedert, wie sich zugleich die innere von der äußeren der beiden Zellschichten abhebt. Dadurch formen sich hintereinandergereihte Hohlräume, die als ein Paar Coclomsäcke den Körperabschnitt, in dem sie liegen als echtes Segment (Somit, Metamer) definieren (I. Kennzeichen eines Segments) . Die Wand der Coelomsäcke wird als Coelothel bezeichnet. Der Mittelstrang bildet am Stomo- und Proctodaeum Zellhaufen, die als lockeres Epithel aufeinanderzuwachsen und ohne oder - wie z. B. bei Locusta migratoria - unter Einbeziehung des restlichen Mittelstrangs den Mitteldarm aufbauen (Abb. 13-51 C,D ; 13-52 C,D) . Die Zellhaufen allein oder jene einschließlich der Reste des Mittelstrangs sind folglich als sekundäres Entoderm zu betrachten. In anderen Fällen kann der Mitteldarm von primären Vitellophagen oder von peripheren Dotterzellen aufgebaut werden (primäres Entoderm). Die zum Epithel des Mitteldarms sich differenzierenden Zellen umwachsen allseitig den Dotter, der so ins Darmlumen gelangt und hier später verdaut wird. Die Mitteldarmanlage bleibt, zumindest an einigen Stellen, dorsal zunächst noch offen (Abb. 13-51 F, 13-52 C).
13.2 Entwicklung
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Abb. 13-51 : Organogenese am Beispiel von Locusta migratoria. Querschnitte durch den Embryo fortschreitender Entwicklung, schematisch. (Original R. Hartmann, Freiburg)
410
13 Fortpflanzung und Entwicklung
An der Grenze zum Mitteldarm entstehen aus dem ekto dermalen Proctodaeum die Malpighisehen Gefäße. Sie übernehmen die Aufgaben der bei den niederen Articul ata, besonders den Annelida vorhandenen segmentalen Exkretionsorgane (Metanephridien), von denen als solche keinerlei Spuren mehr bei den Pter ygota zu finden sind. Nur einige Drüsen, wie die der Mandibeln, der Ma xilIen und des Labium s, sind mesodermale Bildungen und vermutlich Abkömmlinge von Metanephridien. Mit der Bildung der Amnionfalten beginnen Zellen aus dem Ektoderm auszuwandern und sich zwischen Mitte lstrang und Seitenstränge zu schieben. Aus diesen beträchtlich heranwachsenden Neuroblasten gehen durch inäquale Teilungen zahlreiche kleinere Zellen hervor, die sich zu zwei längsparalle len Neuralwülsten und einem schma leren Mittelstreifen ordnen. Sie bilden die Anlagen des Zentra lnervensystems (Abb. 13-51 F, ZNS ). Die Zellen dieser Anlagen verlieren ihre runde Form und dehnen sich in lange Fort sätze aus. Sie sind die ersten aller künftigen Körperzellen , die eine histologische Differenzierung erkennen lassen. Sie werden zu Ganglienzellen. Die Neuralwülste werden in Zellgruppen gegliedert , aus denen pro Segment ein Ganglienpaar hervorgeht (2. Kennzeichen eines Segment s). Alle Ganglienpaare werden über Nervenfort sätze, die im Wesentlichen vom Mittelstreifen aufgebauten Konn ektive und Kommissuren , zu dem für die Articulata typischen Strickleiternervensystem (s. Kap. 8) verbunden. Auch da s periphere Nervensystem mit seinen efferenten und afferenten Bahnen, sowie die vielfältigen Sinnesorgane gehen aus dem Ektoderm hervor, wenn auch aus unterschiedlichen Regionen und in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Das dem Ektoderm zugekehrte Coelothel, verdickt sich zur Skelettmuskulatur, das dem Darm benachbarte liefert die Darmmuskulatur, den Fettkörper und die mesodermalen Anteile der Geschlechtsorgane. Die dorsalen Anteile des Coe lothels bilden die Cardioblasten, durch deren Vereinigung das Rückengefäß entsteht. Sein vorderer dünnwandiger Teil wird als Aorta vom hinteren, dickwandigen Herz unt erschieden. Da s Lumen des Rückengefäßes entstammt der primären Leibeshöhle. Dadurch dass das Coeloth el zum Aufbau der genannten Organ systeme dient , vereinigen sich die übrig gebliebenen Lumina der Coelomsäckchen mit den als Reste der primären Leibeshöhle zu betrachtenden Spalträumen zwischen den Organen. Folglich ist die definitive Leibeshöhle ein Mixocoel (Abb. 13-51 F). Demgemäß geht das erste und wesentliche Merkmal eines Segments, die Existenz paariger Coelomsäcke, im Laufe der Embryonalentwicklung verloren.
Dem den Dotter umwachsenden Ent oderm folgt bei gleichzeitiger Rückbildung von Serosa und Amnion das Ektoderm. Die letzten Dotteranteile gelangen durch die dorsal noch offenen Stellen in den Mitteldarm, der sich dann schließt. Dur ch dieses laterale Heraufwachsen des Ektoderm s und dessen dorsalen Rückenschluss wird der bislang flache Keimstreif zum im Querschnitt mehr oder minder rund en Insektenkörper (Abb. 13-52). Eine für den gesamten Stamm der Arthropoda wesentliche Eigenschaft des nach Absonderung der Neur oblasten einschichtig verbliebenen epidermalen Ektoderms ist seine Fähigkeit , apikal eine Cuticula zu bilden, die ebenso als elastischfeste Platten (Hautpanzer) wie als biegsam-zähe Lamellen (Gelenk- und Flankenhäute) ausgebildet sein kann. Als Schutzhülle und Exoskelett überzieht sie das Integument und schafft mit ihren zahlreichen äußeren (Trichome, Setae, Apophysen) und inneren Differenzierungen (Entapophysen, Apodeme) die Grundlage für die ungeheure Mannigfaltigkeit der Insekten. Als Intima kleidet sie die inneren Obe rflächen der als Ektodermeinstülpungen entstandenen Organe, wie Vorder- und Endd arm , der Gonodukte und zahlre icher mehrzelliger Drü sen, aus. Auch da s Tracheensysten ist ektodermalen Ursprungs. Es entsteht aus röhrenförmigen Einstülpun gen, deren Öffnungen nach außen sich als Stigmen differenzieren. Da die Tracheen segmental (3. Kennzeichen eines Segments) und lateral angelegt werden, liegen die Stigmen jeweils in den Flankenhäuten. Im Grundschema der Insekten werden 10 Stigmenpaare angelegt, je ein Paar im 2. und 3. Thoraxsegment und in den 8 Abdomialsegmenten. Dieses Grundschema kan n mehrfa ch abgewandelt werden . Bei vielen aquatil lebenden Larven und Puppen von Holometabola (Ephemerida, Plecoptera, Odonata) können Stigmen angelegt, dann verschlossen und schließlich bei der Häutung zur Imago wieder geöffnet werden. Andere wie z. B. einige Mallophaga, Anoplura, die meisten Co leoptera legen bereits embr yonal nur eine vermind erte Zahl von Stigmen an . Unter den Collembola haben die Sminthurida nur noch ein Stigma am I. Tho raxsegment , und die Podurida bilden keine Tracheen und also auch keine Stigmen mehr aus; sie nehmen den Sauerstoff über die Haut auf (s. 25.1).
Aus ektodermalen, lateralen Kno spen gehen die künftigen Extre mitäten hervor. Auch sie werden paarweise und segmental angelegt (4. Kennzeichen eines Segments). Sie vergrößern sich meist sehr rasch und zeigen schon sehr bald Unt erschiede in ihrer Ausgestaltung. Später werden sie entsprechend ihrer Funktion unterg liedert. Muskel, Tracheen und Nerven wandern in sie ein. Zun ächst
13.2 Entwicklung
411
Ser
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Epid
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A
B
Abb. 13-52: Insektenei. A und B während der Differenzierung des Ektoderms und des unteren Blatts. A sagittaler Längsschnitt, B Querschnitt. Cvor und D nach dem Rückenschluss, Querschnitt. Amn Amnion, Bgk Bauchganglienkette, Cbl Cardioblasten, Coel Coelomsack, Dg Dorsalgefäß, Ent Entoderm, Epid Epidermis, Md Mitteldarm, Mes Mesoderm, Nbl Neuroblasten, Proc Proctodaeum, Ser Serosa, Stg Stigma, Stom Stomodaeum. (Aus G. Seifert 1970, neu zusammengestellt)
erscheinen sie an Kopf und Thorax (Protopode Phase). Dann werden gelegentlich an allen Abdominalsegmenten Extremitätenknospen sichtbar (Polypode Phase), die normalerweise wieder reduziert werden (Oligopode Phase) . Nur die Anlagen des 11. Abdominalsegments entwickeln sich zu Cerci und die des ersten gegebenenfalls zu den sog. Pleuropodien, die embryonal, selten auch postembryonal, Drüsenfunktion haben. Bei einigen Arten soll das Sekret der Pleuropodien zum Schlüpfen der Larven die sekundären Eihüllen auflösen. Segmentierung Segmentierung des Keimstreifs bedeutet Untergliederung der Körperanlage in eine konstante Zahl von Segmenten, die - zumindest ontogenetisch - durch die genannten vier Kennzeichen ausgewiesen sind. Von diesen Metameren schließen sich gruppenweise eine wiederum konstante Zahl zu drei Tagmata als Funktionseinheiten zusammen (Heteronome Segmentierung). Diese Tagmata sind bei den Insekten Caput, Thorax und Abdomen. Das rostrale Ende des Caput ist als
Acron, das caudale Ende des Abdomens als Telson benannt. Beide sind keine Segmente im definierten Sinn, insofern sie auch in ihrer ursprünglichen Anlage ohne Coelom sind, was sich aus der phylogenetischen Herkunft der Insekten aus annelidenartigen Vorfahren erklärt. Die Segmentierung beginnt bereits vor der Gastrulation, indem der Keimstreif sich zu einem rostral breiteren und einem caudalwärts schmaler werdenden Teil formt (Abb. 13-46G, 13-53). Am rostralen, durch zwei seitliche Kopflappen gekennzeichneten Procephalon, das weitgehend ungegliedert bleibt , nur Spuren einer Segmentierung erkennen lässt, bilden sich die Antennen, das Labrum und die Augen und im Innern Proto- und Deutocerebrum aus. Das Labrum deckt die Öffnung des Stomodaeums, die zur Mundöffnung wird, nach vorn-unten ab. Ferner liefert das Procephalon den größten Teil der Kopfkapsel. In das Procephalon einbezogen wird das postoral sich entwickelnde gliedmaßenlose Interkalarsegment, das den Aufbau von Tritocerebrum und weiteren Teilen der Kopfkapsel besorgt. An das Interkalarsegment schließen sich klar definierte Metamere an. Drei werden zum Gnathocephalon vereint und entwi-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
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Proc
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Abb. 13-53: Segmentierter Keimstreif mit Extremitätenknospen von Acheta domesticus. Ventralansicht. A After, Ant Antenne, Cerc Cercus, KI Kopflappen, Lb Labium, Md Mandibel, Mö Mundöffnung, Mx Maxille, Plp Pleuropodium, Proc Proctodaeum, Stom Stomodaeum,1 ., 2., 3. Thb 1., 2., 3. Thoracopode. (Aus G. Seifert 1970)
ekeln die drei Paar Mundwerkzeuge sowie weitere Anteile der Kopfkapsel. Drei Thoracalsegmente mit drei Paar Extremitätenanlagen und 8-11 Abdominalsegmente folgen. Die Mundwerkzeuge werden von den zum Unterschlundganglion verschmolzenen Ganglienpaaren, die Thoracal- und Abdominalsegmente von den Bauchganglien innerviert. Am caudalen Ende des segmentierten Keimstreifs liegt das Telson, in dem die Öffnung des Proctodaeums zum After wird. Körpergrundgestalt (Phylotypus)
Durch Gastrulation, Coelombildung, Segmentierung und deren Folgeprozesse, die Anlage von Darm, Nervensystem und Extremitäten, erreicht der Keimstreif eine Entwicklungsstufe, die die Körpergrundgestalt (Phylotypus) der Insekten klar erkennen lässt. Obgleich die Ausgangsstufen der Entwicklung , die Eitypen, infolge der unterschiedlichen Fortpflanzungsweisen der Adulti (Oviparie, Viviparie, Ovoviviparie) sehr unterschiedlich sind (Kurzkeim, Langkeim und alle Zwischenformen) führen entsprechend unterschiedliche Entwicklungsschritte zu einem Merkmalsgefüge im Keimstreif, das als das den Insekten eigene embryonale Muster erkannt ist. Mit diesem als phylotypisch bezeichneten Stadium ist die Primitiventwicklung beendet. Jetzt beginnt die Definitiventwicklung, die auf der
Basis des embryonalen Grundmusters den faszinierenden Formenreichtum an Larven und Imagines schafft. Man denke nur an die aus nahezu identischen Anlagen hervorgehende Vielfalt der Mundwerkzeuge. Der Kurzkeim, der offensichtlich der phylogenetisch ursprünglichere ist, entsteht aus einer verhältnismäßig geringen Zahl von FurchungszeIlen, die sich im Hinterpolbereich an der Oberfläche des Eies anhäufen und im Wesentlichen die Anlage des Kopfes und am caudalen Rand eine schmale Sprossungszone bilden. Von ihr aus werden auf einem späteren Stadium die Segmente des Keimstreifs in antero-posteriorer Abfolge geschaffen; sehr ähnlich wie die Körpersegmente bei den Trochophora-Larven der Annelida und den Nauplien der Crustacea. Der Langkeim geht aus einem Blastoderm hervor, das sich bereits während seiner Entstehung in die, wenn auch mikroskopisch noch nicht sichtbare, molekular aber prädeterminierte, volle Segmentzahl des Phylotypus simultan unterteilt. Während die Zellteilungs- und Sprossungsvorgänge des Kurzkeims zeitlich aufwändig sind, die Entwicklung folglich langsam verläuft, erfolgen die Kern- und Zellteilungen beim Langkeim sehr rasch und also auch die Entwicklung schnell, was vermutlich evolutiv von Vorteil war. Kurz- und Langkeime sind mit der Menge an Euplasma in der Eizelle verknüpft . Wenig Euplasma enthalten die panoistisch, viel die meroistisch entstandenen Eier. Daraus ergeben sich eine Reihe von Zwischenformen, die sich je nach Menge des Euplasmas von den beiden Extremen, dem Kurz- und dem Langkeim unterscheiden. Der echte Kurzkeim findet sich unter den Apterygota und einigen ursprünglichen Hemimetabola, der echte Langkeim unter den Holometabola, besonders bei den höheren Coleoptera, Hymenoptera und Diptera. Bei Drosophila sind alle Segmente bereits zum Zeitpunkt ihrer Bildung von gleicher Größe .
Die Keimstreifen der meisten Insekten stellen Zwischenformen dar, insofern einige Segmente im anterioren oder mittleren Bereich durch Unterteilung der Keimanlage, wie beim Langkeim, entstehen und nur die verbleibenden, besonders die Abdominalsegmente, aus einer Sprossung hervorgehen, wie beim Kurzkeim. Die Unterschiede von Kurz- und Langkeim und ihrer Zwischenformen werden auch dadurch deutlich - und zahlreiche Experimente belegen es - dass innerhalb der Entwicklung die Eitypen mit Langkeim wenig, die mit Kurzkeimcharakter mehr Regulationsmöglichkeiten bieten. Die früher als Mosaik- und Regulationseier benannten Typen werden heute treffender als früh- und spätdifferenziert benannt.
13.2 Entwicklung Schlüpfen der Larve
Die Embryogenese wird mit dem Schlüpfen des zur Larve (Ei-, Primär- oder Junglarve) gereiften Embryos beendet, was durch eine Reihe von Vorgängen im Larvenkörper vorbereitet wird. Die Muskeln werden kontraktionsfähig. Der Darm nimmt die Amnionflüssigkeit auf. Folglich gewinnt der Embryo an Volumen und füllt nun den von der Eischale umschlossenen Raum voll aus. Die Tracheen, die bisher noch Flüssigkeit enthielten, werden mit Luft gefüllt. Die Tracheenatmung beginnt. Die Eischale wird geöffnet. Viele Eischalen haben Sollbruchstellen , die aufplatzen , wenn der Larvenkörper durch Binnendruck sich gegen sie presst. Bei anderen Formen dienen Bildungen der Cuticula (Eizähne, Oviruptoren) zum Öffnen der Schale. Bei den Hemimetabola und einigen Holometabola (Sialis, Chrysopa, Tenebrio) sind es Strukturen der schon früh abgeschiedenen Embryonalcuticula, bei den anderen Holometabola solche der erst kurz vor dem Schlüpfen gebildeten Larvalcuticula. Sie sind unpaar (am Kopf: Flöhe) oder paarig (am Thorax: Blatthornkäfer). Die Klabachiidae (Coleoptera) haben zusätzliche Eizähne an den Mandibeln. Mit diesen Dornen oder Sägen wird die Eischale durchbohrt oder nach Art eines Büchsenöffners aufgeschnitten. Die Larven vieler Coleoptera und Lepidoptera beißen das Chorion mit den Mandibeln auf. Durch peristaltische Bewegungen der Muskulatur des Thorax und gegebenenfalls mithilfe ihrer Extremitäten gelangt die Larve ins Freie. Dabei wird, soweit noch vorhanden, auch die Embryonalcuticula abgestreift. Sie bleibt samt der Eizähne in der Eischale zurück .
13.2.2 Postembryonale Entwicklung Die postembryonale Entwicklung umfasst im wesentlichen zwei Prozesse, die ineinandergreifen , das Wachstum der aus dem Ei geschlüpften Larve und deren Umwandlung, die Metamorphose (Metabolie), zur fortpflanzungsfähigen Adultform, der Imago. Wachstum
Während der Keimstreif normalerweise aufgrund von Mitosen wächst, kommt jetzt noch ein Zellwachstum infolge von Vergrößerung (Polytaenie) oder Vermehrung der Chromosomen (Endopolyploidie) entsprechend der Genom-Kern-PlasmaRelation (s. 13.1.1.3) hinzu . Wachstum als eine mit Volumenzunahme verbundene Formveränderung des Körpers kann bei
413
Arthropoda nur in Intervallen und mithilfe von Häutungen erfolgen. Denn die als unbelebtes Abscheidungsprodukt der Epidermis nicht mitwachsende und auch nur begrenzt dehnbare Cuticula muss abgelöst, gehäutet werden. Dann erst kann das unter ihr herangewachsene und in Falten gelegte Integument sich ausbreiten und die neue, vorgefertigte Cuticula durch einen Gerbungsprozess gehärtet werden. Die solcherart entstehenden Jugendstadien werden je nach ihrem Bau als Larve, Nymphe, Puppe und die Häutungen, aus denen sie hervorgehen als Larven-, Nymphen-, Puppenhäutungen unterschieden. Die letzte Häutung, die zur Imago führt , wird als Imaginalhäutung bezeichnet. Finden darüber hinaus noch weitere Häutungen statt (viele Apterygota, Ephemeroptera), spricht man von überzähligen Imaginalhäutungen. Bleibt nach der Häutung die Larve von der abgelösten Cuticula (Exuvie) umhüllt , nennt man sie pharat , trägt die Larve auch noch die Cuticula des vorigen Stadiums, heißt sie dipharat; die eingekapselten Larven verpuppen sich. Normalerweise kommen bei den Insekten aufgrund des mit der Imago abgeschlossenen Wachstums keine weiteren Imaginalhäutungen vor, im Gegensatz etwa zu Crustacea, wie Hummer und Taschenkrebs, die auch als Imagines noch wachsen können und folglich sich dann häuten müssen. Das aus dem Ei geschlüpfte erste Jugendstadium wird als Ei-, Primär- oder Junglarve, das letzte vor dem Imaginalstadium als AItlarve benannt. Allen Larven der Insekten gemein ist, dass sie noch keine funktionsfähigen Gonaden besitzen (Ausnahmen : Neotenie und Paedogenese, s. 13.1.2.3). Die Larven vieler Insekten leben in einem gänzlich anderen Habitat und ernähren sich folglich völlig anders als die Imagines. Meist sind dann auf die Larvenstadien beschränkte, besondere Organe, Larvalorgane, ausgebildet, z. B. abdominale Tracheenkiemen bei den aquatillebenden Larven der Köcherfliegen oder kauende Mundwerkzeuge bei Schmetterlingslarven. Nicht selten sind die Larven reine Fressstadien, erledigen den gesamten Nahrungsstoffwechsel und leben folglich länger als die Imagines, die häufig nur die Fortpflanzung besorgen. Die Larven der Eintagsfliegen leben mehrere Jahre, die Imagines nur wenige Tage. Die Larvenentwicklung der Maiund Hirschkäfer nimmt 4-5 Jahre in Anspruch, während die adulten Weibchen und Männchen nur etwa 4 Wochen fliegen. Die nordamerikanische Magicicada septendecim ist so benannt, weil ihr Larvenleben 17 Jahre dauert. Als gefügelte Imago lebt sie nur einige Wochen. Bei vielen Arten kann die Entwicklung auf einem bestimmten Ei-, Larven- oder Puppensta-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
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Abb. 13-54: Blattella germanica (Blattodea) als Beispiel für Hemimetabolie. E ~i, Ld6 sechs ~ufeinander folgende Larvenstadien, L4-L 6 mit fortschreitender Entwicklung der Flügelanlagen, I Imago. (Aus H. Eidmann und F. Kuhlhorn 1970)
dium vorübergehend unterbrochen, bei der fertigen Imago der Stoffwechsel bemerkenswert gedrosselt werden. Solche Diapause genannten Ruhephasen dienen dazu , jahreszeitlich unwirtliche Perioden zu überdauern. Da Larven- und Imaginalstadien durch unterschiedlichen Bau und also auch unterschiedliche Lebensweise ökologisch ebenso unterschiedlich eingenischt sind, wird die intraspezifische Konkurrenz beachtlich eingeschränkt. Die Anzahl der Larvenstadien kann je nach systematischer Zuordnung, auch von Art zu Art sehr verschieden sein. Da Nahrung und Temperatur eine Rolle spielen, kann sogar die Zahl innerhalb einer Art schwanken. Bei höherer Temperatur erfolgen die Häutungen rascher und nehmen an Zahl zu. Bei den Diplura gibt es Arten (Japyx) mit nur einem Larvenstadium, bei Ephemeroptera können es bis zu 40 sein. Im allgemeinen kommen 4-5 Larvenstadien vor.
Metamorphose (Metabolie)
Die Metamorphose oder Metabolie der Insekten kann sich auf sehr verschiedene Weise vollziehen. Entsprechend hat man eine Vielzahl von Metabolien unterschieden . Doch lassen diese sich aufgrund eines einzigen, des wesentlichen Merkmals schlechthin, auf zwei Metamorphoseformen reduzieren: Hemimetabolie und Holometabolie. Wenn ein Puppenstadium fehlt und neben der Größenzunahme auch die Organisation der einander sehr ähnlichen Larvenstadien sich allmählich der Imago nähert, dabei die imaginalen Merkmale, insbesondere die äußeren Geschlechtsorgane und die - soweit es sich um Pterygota handelt Flügelanlagen mehr und mehr in Erscheinung treten, spricht man von allmählicher Verwandlu~g oder Hemimetabolie (Abb. 13-54, 13-55). Sie dürfte der ursprünglichere Metamorphosetypus sein; denn die Ordnungen, die sich nach diesem Modus entwickeln (Hemimetabola) gehören im wesentlichen zu den niederen Insekten (Tab. 13-2). Einige seien kurz charakterisiert.
junglarve Alllarve
Pronymphe
Nymphe
Abb. 13-55: Heliothrips (Thysanoptera) als Beispiel fü~ Hemimetab~lie mit Ausbildung eines Pronymphen- und Nymphenstadiums. Die Junglarve ist stärker vergrößert als die anderen Stadien. (Aus H. Weber 1954)
13.2 Entwicklung
Bei den Protura ist die Metamorphose eine Anamorphose, wie sie bei den meisten Krebsen und einigen Tausendfüßern vorkommt: die Zahl der Abdominalsegmente wird über mehrere Larvenstadien ergänzt, die volle Segmentzahl erst mit der Imaginalhäutung erreicht . Bei den Thysanura ist die Verwandlung auf die allmähliche Ergänzung der Genitalanhänge beschränkt. Es erfolgen zahlreiche Imaginalhäutungen. Wie für die pterygoten Hemimetabola typisch, entwickeln die im Wasser lebenden Larven der Ephemeroptera exopterygote, d. h. nach außen gestülpte, stummeiförmige Scheiben als Flügelanlagen. Exopterygote Larven werden als Nymphen bezeichnet (Abb. 13-55). Die ebenfalls aquatilen Larven der Odonata und Plecoptera haben Tracheenkiemen , die Larven der Odonata ferner zum Nahrungserwerb eine besondere Fangmaske als Larvalorgane ausgebildet. Die Larven vor allem der Blattodea, Isoptera, Notoptera, Phasmida, Ensifera , Caelifera, Hemiptera sind ihren Imagines sehr ähnlich und besitzen auch eine entsprechend ähnliche ökologische Nische. Die Thysanoptera haben zwei flügellose Larvenstadien, Jung- und Alt-Larve, und drei Nymphenstadien, von denen man das erste, bei dem die Flügelanlagen gerade erscheinen, als Pronymphe benennt. Im Gegensatz zur Hemimetabolie ist die vollkommene Verwandlung oder Holometabolie dadurch ausgezeichnet, dass zwischen den meist gleich gestalteten Larvenstadien einerseits und der Imago andererseits ein Puppenstadium mit tiefgreifenden Umbauvorgängen eingeschaltet ist (Abb. 13-56). Die Holometabolie ist phylogenetisch abgeleitet und vermutlich mehrfach unabhängig voneinander entstanden. Holometabola sind die höher evoluierten Insekten (Tab. 13-2). Die Vielfalt der Larven der Holometabola lässt sich anhand der Ausbildung von Kopf, Segmenten und Extremitäten ordnen (Abb. 13-57). Protopode Larven sind auf dem Stadium der protopoden Phase des Embryos stehengeblieben. Sie haben ein unvollständig gegliedertes Abdomen (oligomer). Die Extremitäten an Kopf und Thorax sind, mit Ausnahme der hakenartigen Mandibeln, stummeiförmig. Der Kopf wird aufgrund seines vor allem von der Mundöffnung bestimmten Äußeren als cyclopoid bezeichnet. Protopode Larven haben die Schlupfwespen der Proctotrupidae und Platygasteridae. Polypode Larven mit normaler Kopfkapsel (eucephal) haben die volle Segmentzahl (eumer) und übernehmen - gegebenenfalls aus der polypoden Phase des Embryos - die Abdominalgliedmaßen,
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Tab. 13·2: Verteilung der Insektenordnungen auf Hemiund Holometabola. abola Diplura Protura Collembola Archaeognatha Zygentoma Ephemeroptera Odonata Plecoptera Embioptera Dermaptera Mantodea Bla todea lsoptera Notoptera Phasmida Ensifera Caelifera Zoraptera Psocoptera Phthiraptera Thysanoptera Auchenorrhyncha Sternorrhyncha Heteroptera
Megaloptera Raphidioptera Planipennia Coleoptera Strepsiptera Hymenoptera Siphonaptera Trichoptera Lepidoptera Mecoptera Diptera
die larvenspezifische Funktionen erfüllen, z. B. als Tracheenkiemen bei Megaloptera, als Bauch- oder Afterfüße bei Lepidoptera und Mecoptera. Sind die Afterfüße stummeIförmig, aber mit Hafteinrichtungen versehen und dienen der Lokomotion, nennt man die Larven Raupen. Bei vielen Schmetterlingen sind Afterfüße am 1.-3., 6. und 10. Abdominalsegment ausgebildet. Die am 10. Segment vorhandenen sog. Pygopodien werden als Nachschieber bezeichnet. Bei den Raupen der Geometridae und einiger Noctuidae sind von den Afterfüßen nur die des 6. Hinterleibssegments sowie die Nachschieber vorhanden. Daher ist die als Spannen bezeichnete Kriechbewegung der eben deshalb Spanner genannten Geometridae eine andere als die der Schmetterlinge mit 5 Paar Abdominalbeinen. Oligopode Larven sind ebenfalls eumer und je nachdem eucephal. Sie entsprechen der oligopoden Phase des Embryos. Von ihm übernommen haben sie die Pleuropodien und die als Nachschieber dienenden Pygopodien . Die bekanntesten oligopoden Larven sind die Engerlinge, z. B. die der Maikäfer. Andere sind asseiförmig (Silphidae), raupenähnlich (Trichoptera) oder campodeoid, weil ihr langgestreckter Körper mit den großen Thorakalbeinen und den langen Fortsätzen am Hinterende an Arten der Dipluren-Gattung Campodea erinnert. Die Larven vieler Carabidae sind campodeoid . Apode Larven (Maden) sind eumer und ohne Abdominalbeine; nur am Thorax haben sie allen-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
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Abb. 13-56: Die Forleule Panolis flammea (tepldotera, Noctuidae) als Beispiel für Holometabolie. E Ei, L1-Ls fünf aufeinander folgende Larvenstadien, PPuppe, I männliche Imago. (Aus H. Eidmann und F. Kühlhorn 1970)
falls ungegliederte Stummel anstelle von Extre- geringfügige Abwandlungen . Malpighigefäße und mitäten . Als Fortbewegungsorgane können bestimmte Muskeln, z. B. die abdominalen LängsStemmdornen, -zapfen oder -polster vorhanden muskeln, werden meistens unverändert von der sein, die aber als sekundäre Bildungen keine ech- Larve auf die Imago übertragen. Das Gleiche gilt ten Gliedmaßen sind. Nach dem Bau des Kopfes für die Gonaden, die kontinuierlich heranreifen . unterscheidet man eucephale von acephalen LarImaginale Strukturen können bereits im Emven. Eucephal sind die Maden, wenn sie eine weit- bryo angelegt sein und während der Larvalentgehend normale Kopfkapsel haben, acephal, wenn wicklung heranwachsen . Sie können aber auch erst diese rückgebildet oder eingestülpt ist und atypi- später aus undifferenziert gebliebenen Zellen (Prische Mundwerkzeuge in Form ventraler Haken mordial- oder Imaginalzellen) entstehen . Diese trägt , die man als Mandibeln deutet . Eucephale bilden meist vielzellige Imaginalanlagen, die häuLarven finden sich bei Käfern , Flöhen, Mücken fig flache, einschichtige Epithelien, sog. Imaginalund Hautflüglern. Bevorzugtes Beispielist die Bie- scheiben darstellen. Aus Imaginalscheiben können nenmade. Acephale Larven haben die meisten sowohl äußere Merkmale, wie Extremitäten und Brachyceren. Bevorzugtes Beispiel bei ihnen ist die Flügel, als auch die inneren Organe hervorgehen Made der Schmeißfliege (Calliphora erythroce- (Abb. 13-58). phala). Im Gegensatz zu den Hemimetabola werden Da die Puppe sich im Allgemeinen nicht vom also die Flügel im Inneren des Larvenkörpers, Ort bewegt und zudem keine Nahrung aufnimmt, endopterygot, angelegt und bei der Verpuppung betrachtet man sie häufig als Ruhestadium. Ent- nach außen gestülpt. Auch treten jetzt die äußeren wicklungsbiologisch ist das Gegenteil der Fall. Auf Genitalanhänge in Erscheinung. So ist die Puppe dem Puppenstadium, das artspezifisch und ab- dadurch gekennzeichnet, dass sie als erstes Enthängig von Umweltfaktoren von wenigen Tagen wicklungsstadium der Holometabola äußere Anbis zu Jahren (Überlieger) dauern kann, vollzieht lagen der Flügel und Genitalanhänge trägt . Nur sich eine tiefgreifende Umstrukturierung des Lar- eine einzige Ausnahme ist bisher von den Holovenkörpers. Man spricht von einer katastrophalen metabola bekannt geworden. Der zu den CarabiMetamorphose und unterscheidet eine äußere von dae gehörende Prunk käfer Lebia scapularis lässt bereits auf dem letzten Larvenstadium die Flügeleiner inneren Metamorphose. Beide Vorgänge vollziehen sich in stetem Wech- anlagen erkennen (Präpupa). sel von Histolyse und Histogenese und lassen sich Durch die fehlende Ortsbeweglichkeit könnte keinesfalls streng voneinander trennen . Larvale . die Puppe leichte Beute für Räuber sein. Folglich Organe werden ab-, imaginale aufgebaut. Die äu- findet die Verpuppung in Verstecken statt, die die ßere Metamorphose findet im Wesentlichen bei, Larve im letzten Stadium aufsucht. Ferner sind die innere nach der Verpuppung statt. Die äußere besondere Schutzeinrichtungen ausgebildet. Metamorphose betrifft Veränderungen an epiderBei pharaten Larven wird die Cuticula zum malen Organen (Epidermis, Bein- und Flügelanla- Puparium oder Tönnchen (s. unten: Tönnchengen), die innere bezieht sich auf Umwandlungen puppe). Das Sekret der Labialdrüsen kann zu vor allem an Darm-, Tracheen-, Nervensystem Puppenkokons versponnen werden (Lepidoptera, und Sinnesorganen . Das Dorsalgefäß erfährt nur Hymenoptera). Mit einem Gespinstfaden befestigt
13.2 Entwicklung
sich die Puppe kopfoben als Gürtelpuppe (Schwalbenschwänze, Weißlinge) an einer Unterlage oder hängt mit dem Kopf nach unten als Stürzpuppe (Tagfalter) in einem Gespinstpolster (s. u.). Körpereigenes Material (Raupenhaare bei Schmetterlingen) kann ebenso wie körperfremdes Material (Nagespäne bei holzbewohnenden Käfern oder Sand beim Ameisenlöwen) mit Ausscheidungen des Darms oder der Malpighischen Gefäße zu Puppenhüllen verklebt werden. Bei anderen Insekten suchen die Larven des letzten Stadiums einen geschützten Ort auf und richten durch Ausgraben oder Ausnagen einer Höhle eine Puppenwiege ein. Larven der Schwimmkäfer (Dytiscidae) kriechen an Land und graben sich in der Uferzone ein. Aus den aquatillebenden Larven der als Imagines terrestrischen Käfergattung Hydrocyphon (Helodidae) gehen im Wasser verbleibende Puppen hervor, deren Puppenwiege eine umsponnene Luftblase ist. Wenn auch nicht so vielfältig wie bei den Larven, so sind z. T. auch bei den Puppen spezifische, puppeneigene Organe ausgebildet. Zwei seien genannt. Der mit Chitinhäkchen und Dornen versehene Cremaster am Hinterende von Schmetterlingspuppen dient zum Aufhängen derselben in Gespinsten und Kokons, so auch zum Aufhängen der Stürzpuppe. Die Dornenarmierungen am rostralen Ende der Puppen von Wollschwebern (Bombyliidae), die sich aus parasitisch in Bodennestern von Hautflüglern lebenden Larven entwickeln, verhelfen zum Sprengen der Wirtsnester und erleichtern das Hinaufarbeiten an die Bodenoberfläche. Aufgrund ihrer äußeren Form lassen sich zwei Grundtypen von Puppen unterscheiden : Pupa dectica und Pupa adectica. Pupa dectica ist gekennzeichnet durch sklerotisierte, bewegliche Mandi beln, die zum Öffnen des Puppenkokons verwendet werden. Die Anlagen von Extremitäten und Flügeln stehen frei vom Körper ab. Sie kommen vor bei Neuroptera, Mecoptera, Trichoptera, Micropterigidae und einigen anderen, ursprünglichen Schmetterlingen. Pupa adectica hat keine sklerotisierten und beweglichen Mandibeln. In ihr werden Pupa exarata und Pupa obtecta vereint. Pupa exarata umfasst Pupa libera und Pupa pharata coarctata (Tönnchenpuppe; Abb. 13-59).
Pupa exarata: Ihre Anhänge sind nicht mit dem Rumpf verklebt. Pupa libera (Freie Puppe) : Die Extremitätenanlagen liegen frei dem Körper an und können leicht abgehoben werden. Eine Freie Puppe haben die meisten Holometabola, vor allem Coleoptera und Hymenoptera. Pupa pharata coarctata (Tönnchenpuppe): Streng genommen ist sie kein eigener Puppen typ. Eine freie Puppe ist in den Exuvien des 3. und 4. Larvenstadiums eingeschlossen, wobei die äußerste Hülle, die Cuticula
/:
AfterfuB
,r .I ,-
A
c
B Polypod
o
Von polypoden abgeleitete stummelfUBige Larven
E Qligopod
G
H Apod
I Apod
Aped. eucephal mit rudimentären Mundwerkzeugen
Mund Antennenrudiment Mandibel
Abb. 13-57: Die wichtigsten Larventypen der Holemetabola. A Lepidopterenraupe (Pieris), B Afterraupe einer Tenthredinide (Neodiprion), C stummelfüßige Larve einer Cephide (Janus), D stummelfüßige Larve einer Siricide (Tremex), EEngerling eines Lamellicorniers (Popilla), Fcampodeaide Larve eines Planipenniers (Chrysopa), G Curculionidenlarve (Anthonomus), H Buprestidenlarve (Chrysobothris), I Apidenlarve (Apis), J Cydorrhaphenlarve (Musca), K Junglarve einer Platygasterinen (lnostemma). (Nach H. Weber 1954)
417
K
J
Acephal, apod ("Made")
Protopod
418
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Imago
Larve lb CI
Hu Rd
Aa Fl
Vb Mb
Hb Ha
aH
Abb. 13-58: Imaginalscheiben in der Larve (I) und ihre Abkömmlinge (11) in der Imago von Drosophila. 11
Aa
Augenantennenscheibe
aH Cl FI
abdominale Histoblasten C1ypeolabrum Flügelscheibe
Ge Ha
Genitalscheibe Halterenscheibe
11
Kopf mit Augen, Antennen und Maxillarpalpen Abdomen Clypeolabrum Fügel und dorsaler Mesothorax Genitalien außer Gonaden Schwingkölbchen und Metathorax
des 3. Larvenstadiums zu einem erhärteten Puparium, dem Tönnchen , geworden ist. Tönnchenpuppen kommen bei den cyclorrhaphen Diptera vor. Pupa obtecta (Mumienpuppe): Ihre Körperanhänge stehen nicht frei ab sondern sind durch die erhärtende Exuvialf1üssigkeit der Puppenhäutung mit dem Körper verklebt. Mumienpuppen haben die meisten Lepidoptera, einige Coleoptera (z. B. Chrysomelidae, Staphylinidae, Coccinellidae), manche Hymenoptera (z. B. Chalcididae) und viele Diptera. Zu den Mumienpuppen gehören die o. g. Gürtel- und Stürzpuppen. Nach Abschluss der Metamorphose, d. h. wenn die Differenzierung der imaginalen Organsysteme beendet ist, erfolgt die Imaginalhäutung. Die Exuvie wird an präformierten Häutungsnähten, Sollbruchlinien, gesprengt. Die Imago schlüpft aus. Die noch in den Scheiden steckenden Flügel werden durch Einpressen von Hämolymphe ausgebreitet, die Cuticula des gesamten Körpers zum Panzer gehärtet. Die Färbung, sofern sie nicht
Hb Hu Lb Mb Rd Vb
Hinterbeinscheibe Humerus Labialscheibe Mittelbeinscheibe Ringdrüse Vorderbeinscheibe
Hinterbein Humerus Rüssel Mittelbein Ringdrüse Vorderbein
(Aus R. Wehner und W. Gehring 1995)
schon vor dem Schlüpfen (Lepidoptera, Diptera) stattfand, erfolgt bei der Aushärtung (Coleoptera) . Die gesamte Metamorphose der Insekten wird vom Wechselspiel von Häutungshormonen (Ecdysteroide) und Juvenilhormonen (Sesquiterpene) gesteuert. Die Ecdysteroide setzen sowohl die Ablösung der alten als auch die Sekretion der neuen Cuticula in Gang, und das Mengenverhältnis von Häutungs- und Juvenilhormonen bestimmt den Modus der Häutung. Bei hoher Konzentration der Sesquiterpene induzieren die Ecdysteroide eine Larven-, bei niedriger eine Puppen- und ohne sie eine Imaginalhäutung. Kontrollzentrum sind neurosekretorische Zellen im Oberschlundganglion (s. Kap. 12). Außer den Häutungs- und Juvenilhormonen sind noch einige Peptidhormone beteiligt, so das Eclosion(Schlüpf)-Hormon und das Bursicon. Beide sind Neurohormone, die im Zentralnervensystem synthetisiert werden. Das Eclosion-Hor-
13.2 Entwicklung
419
Pupa dectica
Planipennia (Myrmeleon)
Pupa adectica Pupa exarata Pupa Iibera
Pupa coarctata
""''-o-'-''-'-'<-J.... Mandibel-
FlügelBeinscheide
Hymenoptera (Apis)
Diptera (Lucilia)
Pupa obtecta
Bein----'1/ AntennenFlügel- - - - \ T scheiden
I!J--f'-- Rüsselscheide
Lepidoptera (Nymphalis)
Abb. 13-59: Die wichtigsten Puppentypen. (Aus H. Weber 1954)
mon kontrolliert die Schl üpfbewegungen, das Bursicon den Gerbungsprozess der neuen Cuticula.
13.2.3 Postmetabole Periode Als postmetabole Periode wird der Lebensabschnitt der Imago vom Schlüpfen aus der Puppenhaut bis zum physiologischen Tod bezeichnet. Auf
Diptera (Machimus) (Asilidae)
eine noch progressive Phase, die, als Reifungs- und Fortpflanzungsperiode den Erhalt der Population sicherstellt, folgt als weitgehend regressive Phase die Periode des Alterns, die zum Tod führt, der allgemein als " Kunstgriff der Natur, viel Leben zu haben" (Goethe) verstanden wird. In der Reifungsperiode erreichen die Gonaden ihre volle Funktionsfähigkeit und liefern befruchtungsfähige Keimzellen. Sofern die zur Fertigstellung der Eier notwendigen Nährstoffe im Fett-
420
13 Fortpflanzung und Entwicklung
körper nicht gespeichert sind oder nicht genügen, müssen sie der Nahrung entnommen werden (Reifungsfraß). So bestimmen Quantität und Qualität der Nahrung ebenso wie abiotische Faktoren (Temperatur) bei vielen Insekten die Eizahl. Schmetterlinge entnehmen im Allgemeinen die Aufbaustoffe dem Fettkörper, bei vielen Diptera sind sie vom Reifefraß abhängig . Bei anderen Insekten, vor allem Ephemeroptera und Plecoptera, ist die Reifungsperiode in die Larvenstadien vorverlagert. Zur Imaginalhäutung sind ihre Gonaden bereits funktionstüchtig. Unmittelbar nach dem Schlüpfen pflanzen sich die Imagines fort. Wie oben (s. 13.2.1.1) erwähnt, legen die Weibchen der Insekten normalerweise ihre entwicklungsreifen Eier ab (Oviparie). Enthält das abgelegte Ei dagegen einen mehr oder weniger weit entwickelten Embryo, so liegt Ovoviviparie (Coccoidea, Psocoptera) vor. Werden noch weiterentwickelte Stadien geboren, spricht man von Viviparie und unterscheidet Larviparie (einige Ephemerida , Dermaptera, Psocoptera, Strepsiptera, Chrysomelidae) von Pupiparie (Hippoboscidae, Nycteribilidae, Streblidae, die als Pupipara zusammengefasst werden). Die postmetabole Periode kann von wenigen Stunden (Eintagsfliegen) bis zu vielen Jahren dauern. Die meisten Insekten sterben am Ende der Fortpflanzungsperiode. Andere können die inneren Geschlechtsorgane ein- oder mehrfach reaktivieren und folglich sich über mehrere Jahre periodisch fortpflanzen (Car abidae, Dytiscidae). Der als Folge natürlicher Selektion programmierte Individualtod tritt verständlicherweise nicht plötzlich ein, sondern ist das konsequente Ende der regressiven Phase. Epidermale Strukturen (Integument, Extremitäten, Flügel) wie auch alle inneren Organe nutzen sich ständig ab. Nervensystem und Darm degenerieren: Das Chromatin in den Kernen der Ganglien verklumpt ; die Darmzellen werden syncytial. In den Malpighisehen Gefäßen häufen sich die Exkretablagerungen bis zu Verstopfungen. Die Speicherstoffe im Fettkörper nehmen laufend ab. In allen Organen lagern sich mehr und mehr die als Alterspigment bezeichneten Lipofuscin-Grana (vermutlich unabbau bare Überbleibsel von Lysosomen) ab. Wie Versuche an Drosophila und der Schlupfwespe Habrobracon zeigen, spielen somatische Mutationen bei der natürlichen Alterung keine Rolle. Eher dürften die Alterserscheinungen , die zum physiologischen Tod führen, auf der Erschöpfung postmitotischer Zellen beruhen, d. h. dass in den imaginalen Zellen lebenswichtige Substanzen, essenzielle Enzyme, aufgebraucht sind und nicht mehr synthetisiert werden können.
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung Ernst A. Wimmer Das Faszinierende an der Entwicklung liegt darin, dass aus einer einzelnen befruchteten Eizelle ein komplexer Organismus entsteht, der aus einer Vielzahl verschiedener, spezialisierter Zelltypen, Gewebe und Organe aufgebaut ist. Bereits während der Oogenese werden in den meist dotterreichen Insekteneiern nicht nur Speicherstoffe eingelagert, sondern auch maternale Determinanten lokalisiert (s. 13.1.1.5). Diese bauen eine Art orthogonales Koordinatensystem auf und bestimmen so die Positionsinformation im Ei. Nach der Befruchtung und Eiaktivierung bewirken die Determinanten die embryonale Musterbildung, d. h. die Entstehung einer klar gegliederten, räumlichen Anordnung von Genaktivitäten, durch die jede Zelle des Embryos ihre Identität erhält. Bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts konnte durch Fragmentieren, Kauterisieren, Punktieren, Schnüren und Zentrifugieren festgestellt werden, dass sogenannte .Determinierungs-" bzw. .Differenzierungszentren'' im Insektenei existieren. Schließlich wurden "Organisationszentren" an den beiden Eipolen postuliert, die morphogenetische Gradienten ausbilden und in antagonistischer Weise die Musterbildung beeinflussen sollen. Auf Grund von UV-Bestrahlungstechniken und lokalen RNase-Injektionen konnten RNA-enthaltende Partikel als Grundlage der am Vorderpol lokalisierten "anterioren Determinante" identifiziert werden. Aber erst durch die Kombination der experimentellen Embryologie mit der Entwicklungsgenetik und der Molekularbiologie konnten die Mechanismen der embryonalen Musterbildung aufgedeckt werden. Durch umfassende Mutagenese-Experimente an der Taufliege Drosophila melanogaster (Diptera) wurde eine Vielzahl von Entwicklungsrnutanten identifiziert. Die molekulare Charakterisierung der betroffenen Gene führte zur Entdeckung von Transkriptionsfaktor-Familien und Signalübertragungskaskaden. Die im Insekt erkannten Mechanismen der Musterbildung erwiesen sich in einem erstaunlichen Ausmaß übertragbar auf die Embryogenese aller Bilateria einschließlich des Menschen. Dies verhalf sogar dazu , die Ursache bestimmter humaner Erbkrankheiten zu erkennen. Die herausragenden Leistungen von Edward Lewis, Christiane Nüsslein-Volhard und Eric Wiesehaus zur Aufklärung der Musterbildung im Insektenembryo wurden entsprechend mit dem Nobelpreis für Medizin und Physiologie 1995 gewürdigt.
13.3 Genetik derembryonalen Musterbildung
421
dorsales Eklode nn
Abb. 13-60: Anlagenplan des Drosophila-Embryos im Blastodermstadium, vereinfacht und schematisiert. 0% Eilänge entspricht dem posterioren Pol und dorsal ist oben. Diese Orientierung wird für Eizellen und Embryonen in allen Abbildungen des Kapitels 13.3 eingehalten. As Amnioserosa, aMd und pMD anteriore und posteriore Mitteldarmanlage (Entoderm), Hd Hinterdarm, Oe Ösophagus, P Pharynx, pnR procephaie neurogene Region. (Nach Seyffert et al. 1998)
Abdomen
ntrales
Mesoderm
I 100
Die wichtigsten Schritte bei der embryonalen Musterbildung in Drosophila sollen im Folgenden in kurzer Form dargestellt werden, um schließlich auf Variatio nen und Abweichungen einzelner Komponenten in verschiedenen Insektenarten eingehen zu können. Für eine umfassende Abhandlung der Genetik der embryonalen Musterbildung von Drosophila wird auf Seyffert et al. (1998) sowie auf Bate und Martinez-Arias (1993), Hartenstein (1993) und Lawrence (1992) verwiesen. Im Hinblick auf die molekulare Entwicklungsbiologie verschiedener Organi smen werden die Lehrbüc her von Wolpert et al. (1999) und Gilbert (2000) empfoh len.
I 50
I
o
% Eilänge
ihrer relativen Position im Koordinatensystem später entstehen wird (Abb. 13-60). Entlang der dorsoventralen Achse dieses Systems sind unterschiedliche Gewebe (Amnioserosa, do rsales Ektoderm, ventrales Neuroektoderm, Mesoderm) angelegt und entla ng der anteroposteriore n Achse ist die Abfolge der Segmente von Caput, Thorax und Abdomen bestimmt. Ausgehend von den lokalisierten maternalen Determinanten wird demnach über die embryonale Musterbildung erreicht , dass in Drosophila bereits im Blastodermstadium der gesamte Insektenbauplan festgelegt ist.
13.3.2 Hierarchische Genkaskade 13.3.1 Anlagenplan im Blastodermstadium Die meisten Insekteneier du rchlaufen eine superfizielle Furchung, während der durc h Kerntei lungen mehrere tau send Zellkerne entstehen. Diese bilden an der Eioberfläche zusammen mit dem Periplasma ein syncytiales Blastoderm. Während der anschließenden Zellularisierung entsteht durch Einfalt ungen des Oolemms zwischen den Kernen ein einschichtiges Epithel , das zelluläre Blastoderm. Die Zellen des Blastoderms weisen keine morphologischen Unterschiede in Größe und Form auf, aber ihr Entwicklungsschicksal ist zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegt. Zellablationen und Zellmarkierungen am Drosophila-Em bryo zeigten, dass den larvalen und adu lten Geweben bereits im Blastodermstadi um eine definierte Anlage zugewiesen werden kann. Dies erlaubte die Aufstellung eines Anlagenplans, einer Art .Schicksalskarte'' (fate map), die zeigt, was aus jeder BlastodermzelIe in Abhängigkeit
Im Einklang mit der Lokalisierung materna ler Determinanten konnten bei den Drosophila-M utageneseversuchen Gene mit einem maternalen Effekt identifiziert werden. Weibchen, die homozy got für Mutationen in diesen Maternaleffektgenen sind, legen zwar noch befruchtete Eier, aber die Embryonen, die sich aus diesen Eiern entwickeln, weisen schwerwiegende Schäden auf. So kann diesen Embryonen je nach betroffenem Gen die dorsoventrale Polarität oder ein Großteil der anteroposterioren Achse fehlen. Die zugehörigen Gene sind offensichtlich verantwortlich für den Aufbau der Position sinformation in der Eizelle und werden daher auch als Polarit äts- oder Koordinatengene bezeichnet. Mutationen in Genen mit zygotischem Effekt führen dagegen zu stärker eingegrenzten Phänotypen. Die Musterbildungsgene, die nach der Befruchtung exprimiert werden, entfalten offensichtlich eine lokal beschränkte Aktivität. Die Expression der zygotischen Gene des Embryogenoms wird von den Produkten der Polaritätsgene gesteuert. Zudem regulieren sich die zy-
422
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Abb. 13-61: Genregulation in Metazoa: Um die Genexpression zu initiieren, muss die RNA-Polymerase 11 (RNA-PollI) und die assoziierten Komponenten der basalen Transkriptionsmaschinerie in einer Promoterregion effektiv an die DNA gebunden werden. Dies kann durch ds-regulatorische Elemente (Enhancer 1 und 2) begünstigt werden. Ein Gen kann mehrere Enhancer besitzen, die unabhängig voneinander agieren. InAbhängigkeit von der gewebsspezifischen Präsenz verschiedener, regulatorischer Iranskriptionsfaktoren (Aktivator lader 2 bzw. Repressor) und deren Ko-Aktivatoren (Ko-Akt.) bzw. Ko-Repressoren (Ko-Rep.) kann durch die Enhancer die Genexpression reguliert werden. (Nach Carroll et al. 2001)
gotischen Gene gegenseitig. Als Resultat ergibt sich eine hierarchische Kaskade von räumlich begrenzten Genaktivitäten. Zur räumlich und zeitlich begrenzten Aktivierung von gewebsspezifischen Genen eines multizellulären Organismus werden in der Regel drei Komponenten benötigt (Abb. 13-61): erstens die RNA-Polymerase II und die assoziierten Komponenten der basalen Transkriptionsmaschinerie; zweitens zellspezifische, gewebsspezifische oder über eine Signalübertragungskaskade lokal aktivierte regulatorische Transkriptionsfaktoren; drittens KoAktivatoren bzw. Ko-Repressoren, die als Adapter den Kontakt zwischen den regulatorischen Transkriptionsfaktoren und der basalen Transkriptionsmaschinerie herstellen oder den Zustand der Chromatinstruktur lokal verändern . Regulatorische Transkriptionsfaktoren beinflussen als Aktivatoren oder Repressoren die Expression eines Gens positiv oder negativ. Die DNA-Sequenz, an der sich die basale Transkriptionsmaschinerie zusammenlagert und in deren unmittelbarer Nähe sich der Transkriptionsstart befindet, wird als Promotor bezeichnet. Die regulatorischen Transkriptionsfaktoren binden an distinkte DNA-Bereiche, die in der Nähe des Promotors oder aber auch mehrere Kilobasen entfernt liegen können. Diese DNA-Bereiche werden als cis-regulatorische Elemente bzw. entsprechend ihrer Wirkung als Enhancer oder Silencer bezeichnet. Enhancer für die gewebsspezifische Genexpression stellen in der Regel Module dar, die experimentell auch auf ein heterologes Reportergen wirken können und so identifiziert bzw. analysiert werden. Wahrscheinlich regulieren cis-regulatorische Elemente die Transkription, indem sie entweder über DNA-Schleifenbildung die gebundenen Aktivatoren und Ko-Aktivatoren in die Nähe des Promotors bringen und dort das
Anlagern der basalen Transkriptionsmaschinerie begünstigen, oder indem sie den Zustand der Chromatinstruktur in der Region generell verändern und damit die Genexpression beeinflussen. Gene, die während der Entwicklung zu verschiedenen Zeitpunkten in unterschiedlichen Geweben aktiv sind, besitzen normalerweise mehrere unabhängig voneinander agierende Enhancer. Die meisten Gene multizellulärer Organismen bestehen daher nicht nur aus dem für ein bestimmtes Protein kodierenden Bereich, sondern auch aus einer Reihe modularer cis-regulatorischer Elemente, die als molekulare Schalter dienen, um das Gen nach Bedarf an- und abschalten zu können. Die Modularität dieser cis-regulatorischen Elemente, d. h. ihre voneinander unabhängige Wirkungsweise, ist von entscheidender Bedeutung für die Spezifität der Genwechselwirkungen während der Entwicklung und bietet zudem die Grundlage für phylogenetische Veränderungen bei der Evolution neuartiger Morphologien . Für eine ausführliche Abhandlung der Embryonalentwicklung und Evolution aus Sicht der Veränderung cis-regulatorischer Elemente sei auf Carroll et al. (2001) und Davidson (2001) verwiesen.
Die meisten Maternaleffektgene und zygotischen Entwicklungsgene kodieren für Transkriptionsfaktoren oder für Moleküle von Signalübertragungskaskaden wie Rezeptoren, Liganden, Kinasen. Signaltransduktion dient der Kommunikation von Zelle zu Zelle und von Umwelt zu Zelle. Auf Grund der superfiziellen Furchung sind im frühen Drosophila-Embryo reine Kaskaden von Transkriptionsfaktoren möglich, da die Zellkerne anfänglich noch nicht von Zellmembranen umgeben sind und die Transkriptionsfaktoren die Zellkerne
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
durch Diffusion erreichen können . Dies bedeutet, dass ein regulatorischer Transkriptionsfaktor die Genexpression auch in benachbarten Zellkernen beeinflussen kann . Erst im Stadium des zellulären Blastoderms müssen Signale über Membranen hinweg vermittelt werden.
13.3.2.1 Polaritäts- oder Koordinatengene In Drosophila können vier maternale muster bi1dende Systeme voneinander unterschieden werden, die in der Eizelle entlang zweier Achsen ein orthogonales Koordinatensystem bilden (Abb. 1362). Zur Determination der anteroposterioren Achse werden drei maternale Systeme herangezogen: Das anteriore System ist verantwortlich für die Ausbildung von Caput und Thorax, das posteriore für das Abdomen und das terminale für die unsegmentierten Bereiche an den Polen des Embryos. Das vierte maternale System bestimmt die Polarität entlang der dorsoventralen Achse. Anteriores System
Das anteriore System umfasst die wenigsten Komponenten der vier maternalen Systeme (Abb. 1362). Mindestens drei Komponenten werden benötigt, um die mRNA des anterioren Organisatorgens bicoid (bcd; am Vorderpol der Oocyte zu lokalisieren. Nach der Eiablage wird die loka-
423
lisierte bcd-mRNA translatiert und durch Diffusion entsteht ein anteroposteriorer Konzentrationsgradient des bcd-Proteins (BCD). BCD ist ein Transkriptionsfaktor, der als Morphogen verschiedene zygotische Gene entlang der Längsachse des Embryos konzentrationsabhängig aktiviert. Gene, deren cis-regulatorische Elemente eine hohe Affinität für BCD besitzen, werden bereits durch geringe Konzentrationen in der Mitte des Embryos angeschaltet, während Gene mit geringer Affinität nur durch hohe Konzentrationen am anterioren Ende des Embryos aktiviert werden. Die Konzentration an BCD liefert so eine Positionsinformation entlang der anteroposterioren Achse, auf die die Zellkerne mit der Expression bestimmter zygotischer Gene reagieren. Historisch gesehen stellte die graduelle Verteilung von BCD den ersten sicheren Hinweis auf die Existenz morphogenetischer Gradienten dar, welche die experimentelle Embryologie bereits viele Jahre zuvor postuliert hatte. BCD fungiert aber nicht nur als Transkriptionsaktivator, sondern auch als Translationsrepressor. Durch Bindung an die maternal vorgegebene und ubiquit är verteilte mRNA des Gens caudal (cad) verhindert BCD deren Translation im anterioren Bereich des Embryos. Der anteroposteriore BCD-Gradient erzwingt so einen posteroanterioren Gradienten des cad-Proteins (CAD), das als posteriore Determinante agiert (Abb. 1362). Fliegenweibchen, die für bcd homozygot mu-
Anteriores System
Posteriores System
Terminales System
Dorsoventrales System
exuperant,a swaltow staufen
cepo uccmo splfe staufen oskar vasa
torsollke
p'pe nudet wmdbeutet
vetos tudor mago nashi blco,d
1
caudal
!
nanos
I
pumllio
1
hunchback
I
trunk fs(l)NaSfat fs( 1)poIe hole
1
.-=::>torso===-
I
gastruta tlon defectlVe snake easter
saetzt« .-=::>
1;,11
TOR
TL
Ras/Rat-Signallransduktionsweg
tuba pelte
1
cepicue groucho
===-
~ cactus
dorsal
Abb. 13-62: Festlegung der Positionsinformation durch vier maternale Systeme. Dargestellt sind bekannte Gene und Faktoren, die zur räumlichen Verteilung von maternalen Determinanten im Drosophila-Ei führen (Abkürzungen siehe Text).
424
13 Fortpflanzung und Entwicklung
tant sind, legen daher Eier, aus denen sich Embryonen entwickeln, bei denen Caput und Thorax durch Schwanzstrukturen ersetzt sind. Posteriores System
Das posteriore System bedient sich eines doppelt negativen Mechanismus, um die Expression zygotischer Gene im posterioren Bereich des Embryos zu ermöglichen. Acht Komponenten sind für die Lokalisation der mRNA des posterioren Organisatorgens nanos (nos) verantwortlich und tragen außerdem zum Aufbau des Polplasmas und der Ausbildung der Polzellen bei (s. 13.1.1.5 und 13.2.1.2). Die am Hinte rpol der Eizelle lokalisierte nos-RNA wird nach der Eiablage translatiert. Durch Diffusion entsteht ein posteroanteriorer Konzentrationsgradient des nos-Proteins (NOS). Mit Hilfe des Genprodukts von pumilio bindet NOS an die im Ei gleichmäßig verteilte, matern ale mRNA des Gens hunchback (hb) und verhindert deren Translation in der posterioren Region des Embryos. Dies führt schließlich zur Ausbildung eines morphogenet ischen Gradienten des hb-Proteins (HB) mit anteroposteriorem Gefälle (Abb. 13-62). In der Abwesenheit von NOS liegt HB überall vor, was Embryonen ohne Abdomen entstehen lässt. hb kodiert für einen Transkriptionsfaktor, der zygotische Segmentierungsgene der posterioren Region des Embryos reprimiert. Diese können daher nur aktiviert werden, wenn die Translation von HB im posterioren Bereich durch NOS verhindert wird. Das anteriore und posteriore System zeigen, wie bedeutend die Lokalisation von mRNA-Molekülen und die Mechanismen der Translationskontrolle für die Musterbildung im frühen DrosophilaEmbryo sind. Während der rasch aufeinande r folgenden Furchungsteilungen kann ei~e ?en~xpre~ sion nur bedingt stattfinden. Gemeinhin WIrd die Transkription zygotischer Gene erst nach Verlangsamung der Kernteilungen im Stadium des syncytialen Blastoderms ermöglicht. Terminales System
Eine dritte Gruppe der Maternaleffektgene ist für die Spezifizierung der Terminalstrukt.uren ~n d~n beiden Eipolen verantwortlich . Mutationen III diesen Genen führen zu Embryonen, in denen die terminalen Bereiche nicht angelegt werden, und denen daher sowohl die anteriorsten Caputstrukturen als auch Schwanzstrukturen fehlen. Das terminale System wird im Unterschied zum anterioren und posterioren System an beiden Enden der Eizelle benötigt und überträgt ein extrazelluläres Signal, das an den Polregionen im perivitel-
linen Raum durch Prozessierung eines Liganden entsteht, in die Eizelle hinein. Für die lokale Entstehung des Signals werden mindestens vier Komponenten benötigt , wobei zumindest eine von den terminalen Follikelzellen bereit gestellt wird. An beiden Polen aktiviert schließlich ein durch eine Protease prozessierter Ligand eine in der Plasmamembran des Embryos gleichmäßig verteilte, membran ständige Rezep~or Tyrosinkinase, die von dem Gen torso (tor) kodiert wird. Die an den Eipolen stimulierte RezeptorTyrosinkinase (TOR) setzt eine Signalübertragungskaskade in Gang, die schließlich zur . Inaktivierung des ubiquit ären Repressors Capicua (CIC) führt. Die Genaktivierung an den terminalen Enden des Embryos wird demnach nicht über die Bereitstellung eines Aktivators, sondern durch De-Repression vermittelt (Abb. 13-62). Dorsoventrales System
Im dorsoventralen System fungiert das Genprodukt von Toll (Tl) als transmembraner Rezeptor (TL) für ein extrazelluläres Signal. Dieses wird im perivitellinen Raum an der ventralen Seite der Eizelle lokal erzeugt. Mindestens sieben Komponenten sind nötig, um den Liganden für TL lokal zu prozessieren. Dabei geht das ursprüngliche Signal von den ventralen Follikelzellen aus un? aktiviert eine Proteasekaskade . Innerhalb der EIzelle sind wenigstens vier Faktoren an der Signalübertragung beteiligt (Abb. 13-62). Fliegenweibchen, die homozygot mutant für eines dieser Gene sind, legen Eier, aus denen sich Embryonen entwickeln, die entweder nur aus ventralen oder nur aus dorsalen Geweben bestehen. Nach der Eiablage wird in Abh ängigkeit von der Aktivität dieser Signalübertragungskaskade ein von dorsal (dl) kodierter Transkriptionsfaktor (DL) aus dem Cytoplasma in die Zellkerne trans portiert. An der ventralen Seite des Embryos sa.~ melt sich so, als Antwort auf das extrazellulare Signal, DL in den Kernen an, während es auf der dorsalen Seite im Cytoplasma zurückgehalten wird. Der nucleäre Konzentrationsgradient von DL vermittelt die Positionsinformation entlang der dorsoventralen Achse, indem er die Expression verschiedener zygotischer Gene reguliert. DL agiert dabei als Transkriptionsaktivator, der ab~r durch die Wechselwirkung mit Co-Repressoren III einen Transkriptionsrepressor umgewandelt werden kann .
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
13.3.2.2 Gewebsdetermination entlang der dorsoventralen Achse Der nukleäre Konzentr ation sgrad ient von DL agiert als morph ogenetischer Grad ient und führ t zu region al begrenzten Aktivitä ten zygotischer Gene. D iese determ inieren die Blastodermzellen entlang der dorsoventralen Achse zur Ausbildun g bestimmter Gewebe (Abb. 13-60). Da s Mesod erm wird festgelegt , indem hohe nukleäre Konzentrationen von DL an der Ventralseite des Embryos die Gene twist und snail aktivieren, die in ihren Enh anc ern niedri g-affine BindungsteIlen für den Tran skriptionsfaktor DL aufweisen. Das Gen rhomboid besitzt dagegen hoch- affine Bindungsstellen für DL und wird dah er bereits von niedrigen Konzentrationen an DL auch lateral aktiviert. Da das snail-Genproduk t aber an der ventralen Seite reprimi erend wirkt, wird rhomboid begren zt nur im ventrolateralen Bereich exprimiert, was zur Spezifizierung des Neuroektoderms führt. Gleich zeitig zur Akt ivierun g ventralisierender zygotischer Gene vermitte lt DL auch die Repre ssion der dorsalisierend en Gene zerknüllt (zen) und decapentaplegic (dpp) . DL wirkt also in derselben Zelle sowohl als Aktivator bestimmter Gene, als auch als Repressor an derer Gene. Ob DL aktiviert oder reprimiert hängt von der Zu samm ensetzung der cis-regulato rischen Elemente des jeweiligen Gen s ab. So besitzt das zen-Gen z. B. eine SilencerRegion , an die neben DL auch weitere Faktoren bind en können. D iese zusä tzlichen Faktoren führen dazu, dass das eigentlich tran skript ion saktivierende DL einen Ko-Repressor bindet und so zum Repressor der Tran skription des zen-Gens wird . zen und dpp können so nur in der dorsalen Region des Embryos exprimiert werden , da dort DL im Cytoplasma zurückgeha lten wird . dpp wird dorsal sowie dorsolate ral exprimiert und kodiert für ein sezerniertes Signalp rotein (DP P ), da s als Morphogen die Spezifizierung des dorsalen Ektoderms auch nach der Zellul ari sierung steuert. Die auf die Dorsalseite beschränkte zen-Ex pression legt die Anl age der Amnioserosa fest, die den phylogenet ischen Rest an extraembryo na len Membranen darstellt und den Drosophila-Embryo dorsa l bedeckt .
13.3.2.3 Metamerisier ung des Insektenembryos durch Segmentierungsgene Der Insektenkörper ist in hintereinander liegende, sich wiederholende Ab schn itte gegliedert, die als Met amere bzw. Segmente bezeichnet werden (s. 2). Wie dieser metamere Aufb au entlang der anteroposterioren Ach se während der Embryonalent-
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Abb. 13·63: Aktivierung und Kreuzregulation von Lückengenen. Reprimierende Regulationen sind durch schwarze Linien mit Querstrich und aktivierende durch Pfeile dargestellt. (Nach Seyffert et al. 1998; Abkürzungen siehe Text)
wicklung angelegt wird, konnte durch die Charakterisierung zygotischer Segmentierungsgene aufgeklärt werden. Auf Grund mut ant er Phänotypen wurden diese G ene in drei Klassen eingeteil t: Mutat ionen in Lückengenen (Ga p-Ge nen) führen zum Ausfall zusammenhän gend er Teilbereiche des Segmentmuster s; Mutat ionen in Paarregel-Genen verursachen die Deletion altern ierender Segmentäqui valent e und Mu tation en in Segmentpolaritätsgenen bewirken , dass jedem Segment ein Teilbereich fehlt, der durch spiegelbildliche Verdoppelung des verbliebenen Teils ersetzt wird . Lückengene (Gap-Gene): Grobgliederung entlang der anteroposterioren Achse An der Spitze der zygotischen Segment ierungsgenkaskade stehen die Lückengene, die als erste zygotische Gene auf die matern ale Positionsinform ation entlang der anteroposteri oren Achse reagieren und regional aktiviert werden . Jedes der Lückengene besitzt cis-regulato rische Elemente, die jeweils unterschiedliche Kombinationen von Aktiv at or- und Repre ssorbindungsstellen enthalten . In Abh ängigkeit von Konzentration und Komb ination der maternalen Determinant en werden die verschiedenen Lückengene daher an unterschiedlichen Positionen entlang der anteroposterioren Achse transkribiert. So werden orthodentiele (otd) im prospektiven Caput, hb zygoti sch im Th orax, Krüppel (Kr) in Th or ax und Abdo men sowie kn irps (kni) und giant (gt) im Abdomen aktiviert, während die terminalen Lückeng ene huckebein (hkb) und tailless (rlf) an beiden Polen des Emb ryos exprimiert werden. Die Lückengen e kodieren ihrerseits für regulato rische Tran skripti on sfaktoren, die an die Enh ancer angrenzend exprimierter Lückengene binden können und meist durch gegenseitige Repre ssion ihre Expre ssion sdom änen weiter eingrenzen (Abb. 13-63). Durch die Aktivität der Lückengene werden so zun ächst
426
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Segment. polantatsgene
Metameris ierung
"-----~ Ubx HomOotische Seleklorgene
Segmentspezifizierung
Abb. 13-64:Segmentierungsgenkaskade.Während die Aktivitäten der Segmentierungsgene zur Metamerisierung des Drosophila-Embryos führen, sorgen die homöotischen Selektorgene dafür, dass die angelegten Segmente unterschiedlich spezifiziert werden (Abkürzungen siehe Text).
grobe, zum Teil noch überlappende Bereiche im Embryo festgelegt (Abb. 13-64). Paarregel-Gene: Übergang von kohärenter in periodische Positionsinformation
Die Transkriptionsfaktoren, die von den Lückengenen kodiert werden, steuern zusammen mit den maternalen Determinanten die Expression der primären Paarregel-Gene even skipped (eve), hairy (h) und runt (run). Die Paarregel-Gene werden dabei alternierend in jedem zweiten Segmentäquivalent exprimiert, was den ersten Hinweis auf die metamere Gliederung des Insektenbauplans liefert. Die Umwandlung von kohärenter, regionaler Positionsinformation in das periodische Muster der Paarregel-Genexpression ist für die Metamerisierung des Embryos von entscheidender Bedeutung . Erreicht wird dieser Übergang durch den modularen Aufbau der cis-regulatorischen Elemente der primären Paarregel-Gene, Die Expression jedes dieser Gene wird durch mehrere, voneinander unabhängige Enhancer kontrolliert. Ähnlich den Enhancern der Lückengene sprechen sie auf unter-
schiedliche Kombinationen und Konzentrationen von Aktivatoren und Repressoren an und steuern dabei die Expression in individuellen "Streifendomänen" (Abb. 13-65). Die individuellen Streifen ergeben dann zusammen das für Paarregel-Gene typische, periodische Muster von sieben "Streifen". Da die primären Paarregel-Gene wiederum für Transkriptionsfaktoren kodieren, kann das periodische Muster durch Aktivierung bzw. Repression auf die sekundären Paarregel-Gene wie fushi tarazu ([tz) übertragen werden. Diese besitzen ein kompaktes cis-regulatorisches "Zebra"-Element, das allein alle Streifen des Expressionsmusters vermitteln kann . Kreuz-Regulation unter den Paarregel-Genen grenzt deren periodische Expressionsdomänen weiter ein. Segmentpolaritätsgene: Festlegung der Segmentgrenzen
Die Produkte der verschiedenen Paarregel-Gene aktivieren schließlich bestimmte Segmentpolarität sgene in einem metameren Expressionsmuster: wingless (wg) wird im zentralen , engrailed (en) und hedgehog (hh) im posterioren Bereich jedes Segmentprimordiums aktiviert . Dabei grenzen die Expressionsdomänen von wg und en (bzw. hh) aneinander an aber überlappen nicht. Gegenseitige Kontrolle und Beeinflussung der verschiedenen Segmentpolaritätsgene sorgen für die Aufrechterhaltung ihrer scharf abgegrenzten Expressionsmuster. An dieser Grenze wird klonale Restriktion beobachtet, d. h. Zellen auf der einen Seite dieser Grenze wandern niemals auf die andere Seite. Die Dom änen der klonalen Restriktion verhindern die Vermischung benachbarter, determinierter Zellen und werden als Kompartimente bezeichnet. Die Kompartimentgrenze entspricht jedoch nicht der Segmentgrenze, die durch Apodeme definiert wird. Die erste entwicklungsbiologisch bedeutende, metamere Einheit ist demnach nicht das Segment selbst, sondern das sogenannte Parasegment. Das Parasegment stellt ein Kompartiment dar und wird anterior durch die Expression von en und posterior durch wg begrenzt (Abb. 13-66). Über morphoregulatorische Zellkommunikationsprozesse stabilisieren die Segmentpolaritätsgene die Parasegmentgrenze und vermitteln deren Or-
.---p-ro-m~ Abb. 13-65: Modularer Aufbau der Enhancer von primären Paarregel·Genen. Schematische Darstellung der Anordnung der cis-regulatorischen Elemente des Gens eve. Einzelne Enhancer vermitteln die Genexpression in spezifischen Streifen (StL) entlang der anteroposterioren Achse. Da alle Enhancer aufden Promoter (Prom .) eines Gens einwirken, entsteht das periodische Muster der eve Expression. (Nach Gilbert 2000)
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
ganisatorfunktion bei der Etablierung der Polarität und Musterbildung innerhalb der Parasegmente. Die hierarchische Segmentierungsgenkaskade führt entlang der anteroposterioren Achse zu einer immer feineren Unterteilung des Embryos (Abb. 13-64). Lücken- und Paarregel-Gene sind nur während des Blastoderm-Stadiums transient aktiv. Ihre Aktivität etabliert jedoch in den Blastoderm-Kernen ein Muster, das durch die Expression der Segmentpolaritätsgene aufrecht erhalten wird. Da Segmentpolaritätsgene im Gegensatz zu den Lücken- und primären Paarregel-Genen nicht nur für Transkriptionsfaktoren, sondern auch für Komponenten von Signalübertragungskaskaden kodieren, kann das einmal etablierte Muster selbst nach der Zellularisierung ein Leben lang aufrecht erhalten werden.
427
Parasegmente
TI 12
Al o\J,u AS
Fliege
13.3.2.4 Segmentspezifizierung durch homöotische Selektorgene Über die Segmentierungsgenkaskade werden Parasegmente festgelegt und die Musterbildung innerhalb eines jeden Metamers wird bestimmt. Da jedoch in Bezug auf die Segmentpolaritätsgene jedes Metamer gleich ausgestattet ist, würde dies bedeuten , dass ein Tier mit einer Vielzahl gleichartiger Segmente entsteht. Da sich ein Insekt jedoch in eine Reihe voneinander verschiedener Caput-, Thorax- und Abdominalsegmente untergliedert , müssen Selektorgene dafür sorgen, dass eine korrekte Spezifizierung der Segmentidentitäten erfolgt. Im Gegensatz zu Mutationen in den Segmentierungsgenen, die einen Ausfall von Segmenten bzw. Segmentteilen verursachen , führen Mutationen in den Selektorgenen dazu , dass ein bestimmtes Segment in der falschen Qualität ausgebildet wird. Dabei entsteht meistens die Qualität eines anderen Segmentes, was als homöotische Transformation bezeichnet wird. Eine dominante Mutation in dem Gen Antennapedia führt zum Beispiel zur homöotischen Transformation eines Antennenpaares in ein Beinpaar, d. h. eine Caputstruktur wird in eine homologe Thoraxstruktur transformiert. Durch mehrere Mutationen in dem Gen Ultrabithorax (Ubx) können andererseits die Halteren (metathorakaIe Gleichgewichtsorgane) in normale mesothorakale Flügel umgewandelt werden, so dass eine vierflügelige Diptere entsteht.
Homöotische Selektorgene sind in Drosophila in zwei benachbarten Genkomplexen organisiert, dem Antennapedia- und dem Bithorax-Komplex. Die Gene dieser Komplexe besitzen eine Hom öobox und werden als Box-Gene bezeichnet. Die Hox-Gene werden im Blastodermstadium anfanglieh durch die Aktivität der Lücken- und Paar-
Abb. 13-66: Entwicklung von Drosophila und die Beziehung zwischen Parasegment und Segment. Die Aktivität der Segmentierungsgenkaskade unterteilt den Embryo im Blastodermstadium in metamere Einheiten, die als Parasegmente (1 -14) bezeichnet werden. Die faktischen Segmentgrenzen werden morphologisch erst imspäten Embryo sichtbar. a anteriorer, p posteriorer Segmentteil, C'-3 Kiefersegmente, Tl-3 thorakale Segmente, A1-8 abdominale Segmente. (Aus Seyffert et al. 1998)
regel-Gene im parasegmentalen Raster regionsspezifisch aktiviert (Abb. 13-64). Ähnlich den Segmentpolaritätsgenen wird ihr Expressionsmuster ein Leben lang aufrechterhalten. Dies dient der Bewahrung der einmal etablierten Positionsinformation. Der Expressionsstatus der Box-Gene, aktiv oder inaktiv, wird nach dem Abschalten der nur transient aktiven Lücken- und Paarregel-Gene durch Chromatin-Modifikationen stabilisiert. Die räumliche Abfolge der Expression der acht HoxGene entlang der anteroposterioren Achse entspricht genau ihrer chromosomalen Anordnung in den Komplexen. Zwischen der genomischen Organisation und Expression der homöotischen Selektorgene besteht Kolinearität (Abb. 13-67). Alle Hox-Gene kodieren für Transkriptionsfaktoren . Die Homöobox kodiert für eine Proteindomäne, die an spezifische DNA-Sequenzmotive binden kann. Ursprünglich dachte man, dass Hox-Gene wenige Zielgene kontrollieren, weIche ihrerseits die segmentspezifische Zelldifferenzierung bewirken. Entsprechende Realisatorgene konnten jedoch bisher nur bedingt identifiziert werden. Die Hox-Gene scheinen vielmehr als
428
13 Fortpflanzung und Entwicklung
13.3.3 Organogenese und Postembryonale Musterbildung Nachdem die embr yonale Musterbildung den Grundbauplan festgelegt hat, entwickeln sich aus den angelegten Geweben Organsysteme (s. 13.2.1.2). Im Hinblick auf die unterliegend en, molekularen Mechani smen konnte in Drosophila die /11.,,456789 Entwicklung so verschiedener Organe wie des Nervensystems, des Tracheensystems, der Mu skulatur und des Darms mit seinen Anhängen untersucht werden. Neben den Organen werden im Drosophila-Embryo aber auch bereits die Anlagen für adulte Strukturen, die Imaginal scheiben (s. 13.2.2), bereit gestellt. Dies bedeutet , dass während der Embryogenese von Drosophila zwei Tiere angelegt und ausgebildet werden: zum einen die später aus dem Ei schlüpfende Larve, zum anderen eine zerlegte Vorstufe der adulten Fliege, die sich aus den innerh alb der Lar ve verteilten Imaginalscheiben zusammensetzt. Viele der Transkriptionsfaktoren und SignalHoxa tran sduktionskaskaden , die an der embr yonalen Hoxb Musterbildung beteiligt sind, werden als entwickHoxc lungsbiologische Modul e auch in den späten EntHoxd wicklungsprozessen wieder eingesetzt. Bei der / 1 1 4 5 6 7 8 9 10 // /1 /1 postembryonalen Musterbildung in den Imaginalscheiben spielen vor allem die morphogenetischen Abb. 13-67: Vergleich von Organisation und Expression Gradient en der Genprodukte von dpp (s. 13.3.2.2), der Hox-Gene in Fliege und Maus. Drosophila besitzt nur wg und hh (s. 13.3.2.3) eine entscheidende Rolle. ein Äquivalent eines Hox-Komplexes, das sich in die benach- Die mehrfache Verwendung dieser Module zeigt, barten Antennapedia- und Bithorax-Kom plexe untergliedert da ss sie keine strikte Anweisung für eine spezifi(oben). Im Mausgenom befinden sich dagegen vier (a-d) sepasche Differenzierung übermitteln, sondern je nach rate Äquivalente von kontinuierlichen Hox-Komplexen, diewahrscheinlich durch zweifache Duplikationen eines ursprünglichen Kombination mit anderen Faktoren unter schiedHox-Komplexes entstanden sind (unten). Entsprechend ihrer liche Auswirkungen haben können . Entscheidend Anordnung im Komplex werden die Hox-Gene regionsspezifisch ist vor allem die Kompetenz der Zellen, d. h. deren entlang der anteroposterioren Achse des Embryos und des Fähigkeit auf ein bestimmtes Signal zu reagieren. adulten Tieres exprimiert. Die Kolinearität von genomischer Die Kompetenz ergibt sich aus der entwicklungsOrganisation und Expression ist zwischen Fliege und Maus biologischen Geschichte einer jeden Zelle. So kann konserviert. Die homöotischen Selektorgene von Drosophila eine Zelle sehr unterschiedlich auf dasselbe Signal werden den entsprechenden Hox-Klassen der Wirbeltiere zugeordnet: labial (HoxT), proboscipedia (Hox2), Deformed (Hox4), reagieren. Dies ist abhängig davon, welche Signale Sex combsreduced (HoxS), Antennapedia (Hox6), Ultrabithorax die Zelle vorher erhalten hat und welches Set an (Hox7), abdominal-A(Hox8), Abdominal-B(Hox!lJ. Das zu Hox3 Transkriptionsfaktoren in ihrem Zellkern gerade orthologe Gen zerknüllt (zen) trägt in Insekten keine homöotl- akti v ist. Auf die Genetik der Organogenese und sche Funktion. (Nach Seyffert et al. 1998) postembryon alen Musterbildung soll hier nicht genauer eingegangen werden. Für eine detailliertere Abhandlung wird auf Bate und Martinez"Modulatoren" zu agieren, die über die gesamte Arias (1993) verwiesen. Entwicklung hinweg die Expression von sehr vielen Genen auf allen hierarchischen Ebenen bis hin zu den Strukturgenen beeinflussen.
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
13.3.4 Konservierung der embryonalen Musterbildung im Tierreich Die von Ernst Haeckel1 874 aufgestellte GastraeaTheo rie sieht die Ausgangsform der Metazoa in einem Gastrula-ähnlichem Stadium, das durch Einfaltung der Blastul a-Hohlkugel ensteht. Die Gastraea wird demnach aus einem durch zwei Zellschichten bestehenden Urd arm (Archenteron) gebildet, der eine Blastoporus-ähnliche Öffnung enthält. Obwohl stark vereinfachend, ist diese Hypothese nützlich, da sie das Ento - und Ektoderm der Metazoa als homolog betrachtet und damit die monophyletische Abstammung aller vielzelligen Tiere vorschlägt. Für das dritte Keimblatt , das Mesoderm, und damit für die triploblastischen Coelomata, die auf Grund ihrer bilateralen Symmetrie auch als Bilateria bezeichnet werden, wurde dagegen lange Zeit ein diphyletischer Ursprung angenommen. Dies beruht in erster Linie darauf, dass in verschiedenen Tieren aus dem ursprünglichen Urmund (Blastoporus) gruppenspezifisch entweder der definitive Mund oder aber der zukünftige Anus entsteht , wobei der Mund dann sekund är durchbricht. Die Bilateria wurden daher in Protostomia , Urmundtiere, und Deuterostomia, Neumundtiere, eingeteilt. Die bilaterale Symmetrie und anteroposteriore Längsachse der Proto- und Deuterostomia wurden als konvergente Entwicklungen angesehen. Dabei ist zu bemerken, dass sich nach dieser Theorie die Orientierung der Längsachse in protostomischen Arthropoden von der in deuterostomen Chordaten unter scheiden sollte. Daher war es sehr überraschend, als in Wirbeltieren Genkomplexe identifiziert werden konnten , die in Aufbau und Funktion den hom öotischen Selektorgenkomplexen von Drosophila entsprechen (Abb. 13-67). Die Regionalisierung entlang der Längsachse wird in Insekten und Wirbeltieren demnach durch ein homologes Set von Genfunktionen bewerkstelligt und die Polarit ät der Längsachse von Proto- und Deuterostomia muss iden-
429
tisch ausgerichtet sein. Mittlerweile konnten HoxKomplexe aus vielen unterschiedlichen Tierstämmen isoliert werden und die Kolinearität der Anordnung und Funktion von Hox-Genen wird als Synapomorphie aller Bilateria angesehen. Übereinstimmungen bei Proto- und Deuterostomia konnten auch im Falle der molekularen Mechanismen des Musterbildungsprozesses entlang der Dorsoventralachse gefunden werden. Allerdings ist die Benennung der Achse zwischen den beiden Gruppen invers. So wird die Nervensystemhervorbringende Seite bei Arthropoden als ventral bezeichnet, bei den Chordaten jedoch als dors al. Die moderne Entwicklungsbiologie kann heute bestätigen, was Geoffroy Saint-Hilaire bereits 1822 erkannt hatte : Ein auf den Rücken gedrehter Hummer entspricht in seiner Organisation einem Säugetier. Die Konservierung der Musterbildungsprozesse entlang beider Körperachsen lässt vermu ten, dass die Bilateria monophyletischen Ursprungs sind und einen gemeinsamen triploblastischen Vorfahren besitzen. Diese hypothetischen Ahnen aller Proto- und Deuterostomia, d. h. von Insekt und Mensch, werden als Urbilateria bezeichnet.
13.3.4.1 Urbilateria Der letzte gemeinsame Vorfahre aller Bilateria lebte vor mehr als 500 Millionen Jahren . Fossilien der Urbilateria werden schwerlich zu finden sein, da sie wahrscheinlich weder ein hartes Endo- noch ein Exoskelett aufwiesen. Ohne fossile Evidenz kann daher über ihren Aufbau derzeit nur spekuliert werden. Die phylogenetische Konservierung verschiedener Genaktivitäten bei der Musterbildung und der Organogenese von Arthropoden und Chordaten legt jedoch nahe, dass die Urbilateria wesentlich komplexer aufgebaut waren, als ursprünglich angenommen wurde (Abb. 13-68): Der Aufbau der Urbilat eria stützte sich möglicherweise bereits auf ein orthogonales Koordinatensystem, das sowohl die ant eropo steriore als auch die dorsoventrale Achse festlegte. Die Gewebsspezifizierung entlang der
•
anleroposlerior. Achs.
•
Abb. 13·68: Aufbau der Urbilateria. Die letzten gemeinsamen Vorfahren der Proto- und Deuterostomia waren wahrscheinlich relativ komplex strukturiert. (Modifiziert nach Carroll et al. 2001)
\ Körperwand.AuswOchIG (proximodistale Achse)
r&gio naJiaierter Dann
DorsoventralachlG
430
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Dorsoventralachse geschah wahr scheinlich über ein DPPähnliches Morphogen. Die anteroposteriore Achse wurde vermutlich durch Homologe der anterioren bzw. posterioren Determinanten Orthodenticle (OTD) bzw. CAD polarisiert und durch ein Set kolinearer Box-Gene rcgionalisiert. Entsprechend war wahrscheinlich ein längs verlaufendes, regionalisiertes, subepidermales Zentralnervensystem vorhanden und ein Set sogenannter ParahoxGene sorgte für die Regionali sierung des endodermalen Darm s. Möglicherweise waren die Urbilateria auf Grund der Genaktivitäten von Segmentierungsgenen (h, en) auch bereits metamer aufgebaut. Vermutlich besaßen die Urbilateria auch ein mesodermales, kontraktiles Gefäß , das als Kreislaufpumpe diente und dessen Differenzierung von einem tinmanähnlichen Gen kontrolliert wurde. Durch die Funktion eines Pax-bleyeless Gens war wahrscheinlich ein primitives Lichtsinnesorgan angelegt. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass Körperwand-Auswüchse vorhanden waren, die als primitive Antennen oder Mundwerkzeuge dienten . Bei der Anlage der proximudistalen Achse dieser Auswüchse war vermutlich ein Distalless (Dll)-ähnliches Gen beteiligt. DU wird in Insekten für die Ausbildung der distalen Strukturen von Extremitäten benötigt (s. 13.3.6.1).
Eine der entscheidensten Erkenntnisse der Entwicklungsbiologie ist, dass Genfunktionen auch über verschiedenste Tierstämme hinweg konserviert sind. Zueinander orthologe Gene aus Wirbeltieren und Insekten können einander, nach experimentellem Austausch, zum großen Teil funktionell ersetzen. Das bedeutet nicht , dass die Strukturen, welche durch die entsprechenden Genaktivitäten in Wirbeltieren und Insekten hervorgebracht werden , zueinander homolog sind . Vielmehr zeigt dies, dass die Natur erfolgreiche Konzepte bewahrt und genetisch gesteuerte, konservierte Musterbildungsprozesse benutzt, um funktionsähnliche Strukturen hervorzubringen. Dabei können die Strukturen durch Modifikationen der Regelkreise im Detail sehr unterschiedlich ausgebildet sein. Die Aufklärung von Mechanismen der Musterbildung in Insekten hat daher und wird weiterhin entscheidend zum Verständnis der Entwicklung aller Metazoen einschließlich des Menschen beitragen.
13.3.4.2 Sanduhr-Modell der Embryonalentwicklung Die Abstammung aller Bilateria von einem gemeinsamen, relativ komplex aufgebauten Vorfahren, deutet darauf hin, dass die Evolution der Tiere gewissen Beschränkungen unterliegt. Die Musterbildung und Embryonalentwicklung kann demnach nicht beliebig abgewandelt werden . Dennoch brachte die Evolution eine beeindruckende Mannigfaltigkeit von bilateralen Tieren hervor. Das entwicklungsbiologische Stadium, das die
größte Ähnlichkeit zwischen den Mitgliedern eines Tierstamms besitzt, wird als das Stadium der Körpergrundgestalt (s. 13.2.1.2) bzw. als phylotypisches Stadium bezeichnet. Bei Insekten entspricht der segmentierte Keimstreif diesem konservierten Stadium . Frühere Entwicklungsstadien variieren auf Grund von Anpassungen an unterschiedliche 00genesetypen und Fortpflanzungsstrategien (s. 13.3.5.2). Die nachfolgende Entwicklung der postembryonalen Stadien führt zu divergenten Differenzierungen, um den Organismus an die jeweilige Lebensweise anzupassen. Das phylotypische Stadium ist nicht nur durch äußere, morphologische Gemeinsamkeiten gekennzeichnet, sondern entspricht auch dem Stadium der am stärksten konservierten Genaktivitäten. Es ist das Stadium, in dem die Segmentpolaritätsgene und Box-Gene aktiv sind. Diese erhalten das entstandene embryonale Muster ein Leben lang aufrecht und sorgen für die Mctamerisierung und Segmentspezifizierung des Insektenkörpers. In Computer-Simulationen konnte gezeigt werden, dass die regulatorischen Verschaltungen , welche die Expression der Segmentpolaritätsgene stabilisieren , ein äußerst robustes Modul darstellen. Dieses Modul ist insensitiv gegen Variationen individueller Parameter und kann durch eine Reihe verschiedener Input-Stimuli in Gang gesetzt werden. Dies bedeutet, dass das Anwerfen des Moduls grundsätzlich variabel ablaufen kann und frühe Entwicklungsmechani smen eine gewisse Plastizität aufweisen können (s. 13.3.6.3). Dies ist entscheidend, um die frühe Embryonalentwicklung unterschiedlichen Reproduktionsstrategien anpassen zu können , ohne jedoch die Genaktivitäten im phylotypischen Stadium zu verändern.
Die Embryonalentwicklung bedient sich einer Serie von eigenständigen, aber interagierenden Modulen, die im Laufe der Evolution dissoziiert, dupliziert, modifiziert und neu kombiniert werden können. Um jedoch einen funktionstüchtigen Organismus hervorzubringen, müssen diese Module in Wechselwirkung treten. Dies legt jedoch der Variabilität der einzelnen Module Beschränkungen auf RudolfRaff(l996) vergleicht die Embryonalentwicklung mit einer Sanduhr, wobei anstelle des Sandes die Entwicklung durch das Uhrglas rinnt, und dessen Engstelle dem phylogenetischen Stadium entspricht (Abb. 13-69). Dies ist der Zeit punkt, zu dem die größte Menge an Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Entwicklungsmodulen stattfindet und die größten entwicklungsbiologischen Zwänge auftreten. Veränderungen von Modulen in diesem Stadium würden zur Störung der gesamten Entwicklung führen, was nicht lebensfähige Embryonen hervorbrächte. Frühe und späte Entwicklungstadien können dagegen stärker variieren. Mit zunehmendem Abstand vom phylotypischen Stadium nehmen die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Modulen ab und Veränderungen werden leichter toleriert. Erfolgreiche Veränderungen erlauben
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
431
sehen, sondern auch auf Grund von evolutiven Zwängen konserviert.
13.3.5 Variationen der embryonalen Musterbildung bei Insekten Die genetische Analyse der Embryonalentwicklung von Drosophila hat uns ein fortgeschrittene s, mechanistisches Verständnis der Musterbildung ermöglicht. Dennoch ist die Entwicklung der höheren Dipteren stark abgeleitet und es stellt sich die Frage, welche der erkannten Mechanismen allgemein für Insekten gültig sind und welche spezifischen Charakter für Fliegen haben. Erste funktionelle Daten an der para sitioden Wespe Nasonia vitripennis (Hymenoptera) und am Reismehlkäfer Tribolium castaneum (Coleoptera) weisen darauf hin, dass die Embryonalentwicklung verschiedener Insekten nicht nur morphologische, sondern auch fundamentale, mechanistische Unterschiede aufweist.
Abb. 13·69: Die entwicklungsbiologische Sanduhr. Eier und frühe Entwicklungstadien verschiedener Arten eines Tierstammes können sehr unterschiedlich sein. Im Laufe der Entwicklung wird jedoch immer das konservierte Stadium der Körpergrundgestalt durchlaufen, das auch als phylotypisches Stadium bezeichnet wird. Nach diesem Stadium weichen die Entwicklungsabläufe wieder stärker voneinander ab. Dies ermöglicht divergente Differenzierungen, welche die unterschiedlichen Lebensweisen der Imagines verschiedener Arten ermöglichen. (Nach Raff 1996)
schließlich unter schiedliche Lebenswege und ermöglichen den Formenreichtum, den uns das Tierreich bietet. Eine wichtige Eigenschaft des phylotypischen Stadiums scheint zu sein, dass es über unterschiedliche Entwicklungsprozesse angesteuert werden kann , und dass es die Ausbildung verschiedener, spezialisierter Merkmale erlaubt. Das konservierte, embryonale Zwischenstadium der Körpergrundgestalt gestattet demnach erhebliche Variationen in der frühen und späten Entwicklung, was einen maximalen Grad an Adaptierbarkeit ermöglicht. Rezente Tierstämme wurden wahrscheinlich über sich wiederholende Folgen von Radiation und Extinktion selektioniert. Für Gerhart und Kirschner (1997) stellt daher die Adaptierbarkeit eines Bauplans an Umweltveränderungen und die damit einhergehende Evolvierbarkeit ein entscheidendes Selektionskriterium dar. Die Entwicklung über ein phylotypisches Stadium wird demnach nicht nur auf Grund von entwicklungsbiologi-
13.3.5.1 Anlage von extra embryonalen Membranen Die Sonderstellung der cyclorrhaphen Dipteren , zu denen Drosophila gehört , wird bereits bei der Ausbildung extraembryonaler Gewebe deutlich. Für Insekten typisch ist die Ausbildung von zwei Keimhüllen, der Serosa und dem Amnion, die den Embryo umgeben (s. 13.2.1.2). In den Cyclorrhapha sind die extraembryonalen Gewebejedoch auf eine Amnioserosa reduziert, die den Embryo während der Keimstreifausstreckung lediglich dorsal bedeckt. Die Anlage der Amnioserosa wird im Blastodermstadium durch die dorsale zen-Expression festgelegt (s. 13.3.2.2). Im Gegensatz dazu ist die Anlage von Serosa und Amnion in der Regel anterodorsal gelegen (Abb. 1370). Interessanterweise scheint die Expression von zen auch in diesem Fall mit der Anlage extraembryonaler Gewebe zu korrelieren. So wird zen in Tribolium am anterioren Pol exprimiert. Dies wirft jedoch die Frage auf, wie die zen-Expression in Tribolium reguliert wird. Der nukleäre, dorsoventrale Gradient von DL, der in Tribolium ähnlich zu Drosophila ausgebildet wird, kann dafür schwerlich verantwortlich sein. Evolutionäre Veränderungen in der Genregulation von zen müssen daher angenommen werden. Die Expression von zen in den Anlagen der extraembryonalen Gewebe scheint typisch für die Insekten zu sein, ist aber innerhalb der Arthropoden nicht konserviert. zen gehört eigentlich zum Hox-Genkomplex und entspricht den Hox3-Genen der Wirbeltiere (Abb. 1367). Selbst in den Cheliceraten wird zenlHox3 noch innerhalb der Embryoanlage in der entsprechenden Region
432
13 Fortpflanzung und Entwicklung
Langkeim~
~
Amn loserosa
Thorax
Kurzkeim
Abb. 13·70: Anlagenplan von Kurzkeim- und LangkeimEmbryonen. Beim Langkeim beansprucht die Embryoanlage beinahe das gesamte Ei und bereits im Blastodermstadium ist die volle Segmentzahl des Keimstreifs festgelegt. Die Caputanlage gelangt in den Einflussbereich des anterioren terminalen Systems (dunkelgrau). Die Anlage für die extraembryonalen Gewebe ist minimiert und in den cyclorrhaphen Dipteren auf eine dorsale Amnioserosa reduziert. Beim Kurzkeim beschränkt sich die Embryoanlage auf einen posteroventralen Teilbereich des Eies und die Abdominalsegmente werden in einem sekundären Wachstumsprozess nach der Gastrulation angelegt. Das anteriore terminale System kann nurEinflussauf dieAnlage der extraembryonalen Membranen nehmen.
entlang der anteroposterioren Achse exprimiert. In Insekten scheint zenlHox3 jedoch aus der ursprün glichen, kolinearen Ordnung ausgebrochen und für eine neue Aufgabe rekrutiert worden zu sein.
13.3.5.2 Maternale kontra zygotische Determination Im Drosophila-Ei wird die Positionsinformation vor allem durch lokalisierte maternale Determinanten festgelegt (s. 13.3.2.1). Diese Vorgabe an Information ist wahrscheinlich entscheidend für eine Embryonalentwicklung, die in weniger als einem Tag abläuft. Bei anderen Insekten erstreckt sich die Embryonalentwicklun g aber über mehrere Tage und die Abh ängigkeit von maternaler Information könnte entsprechend geringer sein. So weisen erste Studien an Embr yonen der Heuschrecken Schistocerca americana (Orthoptera) und L ocusta migratoria (Orthoptera) darauf hin, da ss bestimmte Musterbildungsprozesse, wie z. B. die Etablierung des NOS-abhängigen anteroposterioren Gradienten von HB, zygotisch ablaufen. In der Schlupfwespe Nasonia konnten zygoti-
sehe Segmentierung smutant en isoliert werden , deren Phänotypen entsprechende Drosophila-Phänotypen weit übertreffen und in ihrem Ausmaß nur mit Maternaleffektmutationen verglichen werden können . Demn ach scheint in Nasonia das zygotisehe Genom einen entscheidenderen Einfluss auf die Musterb ildung zu nehmen als in Drosophila. Ent sprechend dauert die Pre-Gastrul ation sphase in Nasonia auch dreimal so lang, was zygotischen Geninteraktionen deutlich mehr Spielraum zugesteht. Nach dem Einsetzen der Ga strul ation ähnelt sich die Embryonalentwicklung der beiden Organismen sowohl morphologisch als auch im zeitlichen Ablauf. Eine stä rkere zygotische Kontrolle der Musterbildung in Hymenopteren könnte auch die enorme Plastizität der früh en Embr yonalentwicklung der par asitoiden Schlupfwespen erklären : Die Ekt oparasiten Nasonia oder Bracon hebetor (Hymenoptera) heften große, dotterreiche Eier außen an ihre Wirte an; die Eier durchl aufen eine Insekten-typische superfizielle Furchun g und die schlüpfende Larve dr ingt schließlich in den Wirt ein. Der zu Bracon nahe verwandte Endoparasit Aph idius ervi (Hymenoptera) legt dagegen kleine, dott erlose Eier in die Hämolymphe des Wirts; die Eier durchlau fen eine für Insekten untypische holoblastische Furchung, die eine Ar t Moru lastadium entstehen lässt; der Embryo verlässt bereits frü h das Chorion und entwickelt sich weiter in der Hämolymph e, die ihn ernä hrt. Dies weist da ra uf hin, dass ökologische Veränd erun gen der Reproduk tionsstrategien mit der Anpassung früher Entwicklungsprozesse einhergehen könn en. Eine noch erstaunlichere Modifikation der Embryogenese zeigt Cop idosoma floridanum (Hymenoptera): Wie bei Aphidius wird ein kleines, dott erloses Ei in die Hämolymph e des Wirts gelegt; dieses dur chläuft ebenfalls eine holobla stische Furchun g; das entstehende Morulastad ium wuchert jedoch zu einer Polymorula , aus der bis zu zweitausend Embryonen und schließlich zweitau send Schlup fwespen hervorgehen. Es ist schwer vorstellbar, wie maternal vorgegebene Determinanten in der Lage sein sollten, ein Ei in mehrere tausend Embry onen einzuteilen. Die Polyembryonie konnte innerhalb der Hymenopteren mehrm als unabhängig voneinander entstehen, was wahrscheinlich au f die in dieser Insekten ordnung mehr zygotisch ausgelegte Kontroll e der Musterbildun g zurü ckzuführen ist.
13.3.5.3 Kurzkeim- kontra Langkeim-Entwicklung Der deutlichste Unterschied zwischen Embryonen verschiedener Insektentaxa besteht in der Anlage des Keimstreifs (s. 13.2.1.2). Drosophila zeigt die typische Ent wicklung eines Langkeims, der dadurch gekennzeichnet ist, da ss die Embryoanlage ann ähernd das gesamte Ei beansprucht, und das s am Ende des Blastodermstadiums bereits alle Segment e präd eterminiert sind. Im Gegensatz dazu beschränkt sich in einem Kurzkeim, wie z. B. in
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
Tribolium, die Embryoanlage auf einen Teil des Eies und die Segmente entstehen in zwei Phasen: Die Caputsegmente und ein variabler Anteil von Thoraxsegmenten werden vor dem Einsetzen der Gastrulation festgelegt, wohingegen die Abdominalsegmente sukzessive in einem sekundären Wachstumsprozess nach der Gastrulation angelegt werden. Wenn im Kurzkeim anterodorsal ausschließlich extraembryonale Gewebe entstehen (s. 13.3.5.1) und sich der Embryo auf die posteroventrale Region des Eies beschränkt, können das anteriore und terminale System (s. 13.3.2.1) auf die Musterbildung des Embryos wenig Einfluss nehmen (Abb. 13-70). In Drosophila ist das terminale maternale System an der Ausbildung des Caput beteiligt, indem es die Expression terminaler Lückengene wie tll und hkb unterstützt. Dagegen wird im frühen Tribolium-Embryo tll nur am posterioren Pol aktiviert und eine musterbildende Funktion der anterioren Kornponte des terminalen Systems ist fraglich. Vermutlich hat diese in Tribolium eher die Aufgabe die extraembryonalen Gewebe zu spezifizieren. Im Kurzkeim findet die Abdominalsegmentierung in einem sekundären Wachstumsprozess statt , der nach der Gastrulation nicht mehr in einem Syncytium, sondern in zellulärer Umgebung abläuft. Dies wirft die berechtigten Fragen auf, inwieweit die in Drosophila beschriebene Kaskade von Transkriptionsfaktoren auch im zellularisierten Zustand zur Metamerisierung beitragen kann, und ob die Periodizität auch hier über modulare cisregulatorische Elemente von primären Paarregel-Genen (s. 13.3.2.3) aufgebaut wird. Während die Funktion der Segmentpolaritätsgene stark konserviert ist, zeigen sich bei den Paarregel-Genen jedoch gravierende Unterschiede zwischen verschiedenen Insektentaxa: Die Paarregel-Gene eve undJtz scheinen nicht in allen Insekten in alternierenden Segmenten exprimiert zu werden. ftz scheint analog zu zen (s. 13.3.5.1) ein divergierendes HoxGen zu sein, das dem Wirbeltier Hox6 entspricht, und dessen Cheliceraten-Homolog auch Hox-typisch kolinear entlang der anteroposterioren Achse exprimiert wird. In Tribolium zeigen zwar eve, run und ftz eine typische Paarregel-Genexpression, aber ihr experimentelles Ausschalten führt nicht zu einem Ausfall alternierender Segmente wie in Drosophila: Die Entfernung voa ftz hat keine Auswirkung auf die Segmentierung, während die Ausschaltung von eve und run zum Ausfall aller Rumpfsegmente führt. Für die Segmentierung von Tribolium werden demnach zumindest zum Teil die gleichen Gene herangezogen , aber der Metamerisierung scheint ein unterschiedlicher Mechanismus zu Grunde zu liegen.
Die Aufklärung, inwiefern sich die Metamerisierung von Kurz- und Langkeimen mechanistisch unterscheidet, wird zeigen, wie unterschiedlich die Embryonalentwicklung verschiedener Insekten ablaufen kann . Obwohl immer wieder konservierte Gene benutzt werden, um die Musterbildung zu steuern, kann es sein, dass ihre regulatorischen Verschaltungen im Laufe der Evolution verändert werden. Die Plastizität früher Entwicklungsprozesse ist wahrscheinlich eine Voraussetzung dafür,
433
dass durch Modifizierung von entwicklungsbiologischen Gennetzwerken spezifische Anpassungen an bestimmte Reproduktionsstrategien ermöglicht werden.
13.3.6 Evolutionäre Entwicklungsbiologie In der evolutionären Entwicklungsbiologie verbinden sich so unterschiedliche Fachgebiete wie die vergleichende Embryologie, die Entwicklungsgenetik, die molekulare Phylogenetik, die Genomik und die Paläontologie. Die Ziele der Forschungsrichtung bestehen darin, zu erkennen, wie sich die Mechanismen der Musterbildung und Entwicklungsprozesse im Laufe der Evolution verändern und inwieweit diese Modifizierungen zu Veränderungen in den tierischen Morphologien und Bauplänen führen können . Denn wie Walter Garstang bereits 1922 erkannte ist es nicht die Ontogenie, welche die Phylogenie rekapituliert, vielmehr wird die Phylogenie über die Ontogenie generiert: Die Evolution ist das Resultat vererbbarer Veränderungen der Ontogenie, denn jedes Merkmal, für das je selektiert wurde, musste erst einmal in einem entwicklungsbiologischen Prozess hervorgebracht werden. Dies bedeutet, dass man die Evolution erst verstehen kann, wenn man die Veränderlichkeit entwicklungsbiologischer Mechanismen und die Beschränkungen, die diesen auferlegt sind, erkannt hat. Dabei ist es wichtig, Ähnlichkeiten zwischen unterschiedlichen Taxa herauszuarbeiten, um phylogenetische Verwandtschaften etablieren zu können . Aber es muss vor allem auch nach Unterschieden in der Entwicklung gesucht werden, da diese die Grundlage für die Evolution liefern. Hier kann nur exemplarisch auf einige wenige, entomologisch bedeutende Forschungsergebnisse eingegangen werden. Für eine umfassendere Abhandlung dieses aktuellen Themas sei auf Carroll et al. (200I) verwiesen.
13.3.6.1 Konservierte Genexpression als Hilfsmittel der vergleichenden Zoologie Die Erkenntnis der konservierten Genaktivitäten zwischen Drosophila und Wirbeltieren hat erlaubt, das Konzept der Urbilateria aufzustellen (s. 13.3.4.1). Mit Hilfe einer vergleichenden, molekularen Entwicklungsbiologie können aber auch ganz gezielte Fragestellungen angegangen werden, welche die Phylogenie und Evolution der Arthropoden und ihrer Strukturen betreffen:
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
A
c
B Epipodit
dorsal Insektenflügel
Insekten-Laufbein
Endopodit ventral
Abb. 13·71: Herkunft des Insektenflügeis. A Schematische Darstellung eines mehrästigen Spaltbeins von Crustaceen. B Die Expression von en zeigt. dass die verschiedenen Äste einer polyramen Extremität an der Parasegmentgrenze desselben Segmentes angelegt werden . CWährend sich das Insekten-Laufbein vom Endopoditen einer polyramen Extremität ableitet, istder Insektenflügel wahrscheinlich aus dem Epipoditen hervorgegangen. (Modifiziert nach Carroll et al. 2001)
Zu Ursprung und Verschiedenheit der Extremitäten von Arthropoden wurden verschiedene Theorien aufgestellt. So wird zum Einen davon ausgegangen, dass die unterschiedlich stark verzweigten (uniramen , biramen oder polyramen) Extremitäten (Abb. l3-7IA) durch Hinzufügen bzw. durch Wegfall einzelner Äste auseinander hervorgegangen sind. Eine andere Theorie besagt jedoch, dass die biramen Spaltbeine der Crustaceen durch die Fusion zweier benachbarter Segmente entstehen, womit in Zweifel gezogen wird, dass die Crustaceen und Insekten einen gemeinsamen Vorfahren besitzen. Die molekulare Entwicklungsbiologie konnte nun zeigen, dass Extremitäten immer an der Parasegmentgrenze, angelegt werden, die durch die Aktivität der Segmentpolaritätsgene en und wg aufrechterhalten wird (s. 13.3.2.3). Extremitäten entstehen demnach immer innerhalb des Segments an der Grenze zwischen anteriorem und posteriorem Kompartment. Damit eine Extremität auswachsen kann , muss eine zusätzliche, dritte, proximodistale Achse angelegt werden. Für die Ausbildung und Musterung der distalen Bereiche dieser Achse ist das Gen DU verantwortlich . Durch vergleichende Expressionsanalyse von en und DU in verschiedenen Arthropoden konnte gezeigt werden, dass die verschiedenen Äste einer bioder polyramen Extremität an derselben anteroposterioren Position eines Segments angelegt werden und sich nur in ihren dorsoventralen Verzweigungspunkten unterscheiden (Abb. 13-7IB). Zum Teil gehen die verscheidenen Äste sogar aus derselben Gruppe DU-exprimierender Zellen hervor. Dies steht in klarem Widerspruch zu der Theorie, dass Spaltbeine durch Fusion zweier Segmente entstanden sind, und favorisiert eine gemeinsame Abstammung der verschiedenen Arthropodenextremitäten. Obwohl DU in den distalen Bereichen der Extremitäten aller bisher analysierten Arthropoden exprimiert
wird, konnte in den Mandibeln von Insekten und adulten Crustaceen keine DU-Expression detektiert werden. Demnach sind die Mandibeln dieser Taxa nur aus proximalen Strukturen aufgebaut. Dies untermauert die Theorie, dass Insektenmandibeln ihre Telopoditen verloren haben und reine Coxapoditen darstellen (s. 2.2.3). Eine der bedeutendsten Errungenschaften innerhalb der Arthropoden stellen die Flügel der Insekten dar. Über die Herkunft der InsektentlügeI wurde viel diskutiert und spekuliert. Eine weit verbreitete Theorie besagt, dass Insektenflügel aus Falten der Körperdecke (des Alinotums) eines terrestrischen Vorfahren entstanden sind (s. 2.3.4) und daher als Struktur eine evolutive Neuheit darstellen. Dagegen steht die Hypothese, dass der Insektenflügel aus der Modifikation einer bereits existierenden Struktur hervorgegangen ist und dem dorsalen Ast (Epipodit) der polyramen Extremität eines aquatischen Vorfahren entspricht. Entwicklungsbiologische Untersuchungen zur Expression des Gens apterou s (ap) in verschiedenen Arthropoden unterstüzten die zweite These. Denn ap wird sowohl in den kiementragenden Epipoditen verschiedener Crustaceen als auch im Insektenflügel exprimiert. Dies spricht für einen gemeinsamen Ursprung dieser Strukturen und legt nahe, dass die Insektenflügel aus den atmungsaktiven Lappen einer ursprünglich polyramen Extremität hervorgegangen sind. In der Evolution der Insekten hat sich anscheinend der Exopodit (Schwimmbeinast) zurückgebildet, während aus dem Endopodit (Laufbeinast) die Beine und aus dem Epipodit die Flügel entstanden sind (Abb. 13-71). Erste flügelähnliche Strukturen entsprachen wohl modifizierten Tracheenkiemen, wie sie noch heute in den aquatischen Larvenstadien der für ursprünglich angesehenen Eintagsfliegen (Ephemeroptera) zu finden sind (s. 25.6). Mit einer mehr amphibiotischen Lebensweiseder Adulten wurden diese Strukturen wahr-
13.3 Genetik der embryonalen Musterbildung
scheinlieh auf den Thorax beschränkt und ermöglichten eine Art Gleiten, wie es bei den Steinfliegen (Plecoptera) beobachtet werden kann (s. 25.8). Allmählich erhielten die Flügel dann eine ausreichende Festigkeitund Ansatzstellen für die nötige Muskulatur, um schließlich zum aktiven Flug eingesetzt werden zu können.
13.3.6.2 Unterschiede in derVerschaltung von Gennetzwerken Expressionsmuster von Entwicklungsgenen können sich im Laufe der Evolution verändern. Als Beispiele wurden zen im Zusammenhang mit der Anlage von extraembryonalen Geweben (s. 13.3.5.1) und eve im Rahmen der Abdominalsegmentierung von Kurzkeim-Insekten (s. 13.3.5.3) bereits erwähnt. Änderungen in den Expressionsmustern konservierter Gene lassen auf Unterschiede in der Regulation und damit auf eine modifizierte Verschaltung der Gennetzwerke schließen. Aber auch die Tatsache, dass konservierte Gene in verschiedenen Insekten in entsprechenden Domänen exprimiert werden, lässt nicht automatisch darauf schließen, dass diese Expression auch auf derselben Genregulation beruht. In den Anlagen der Labialsegmente von Drosophila, Tribolium und der Milchkrautwanze Oncopeltus fasciatus (Hemiptera) werden die homöotischen Selektorgene proboscipedia (Pb) und Sex combs reduced (Ser) exprimiert, welche für die korrekte Differenzierung des Labiums benötigt werden. Das Fehlen der Scr Funktion führt jedoch in jeder der Spezies zu einer anderen Art von homöotisehen Transformation: In Drosophila entstehen anstelle des Labiums maxillare Strukturen, in Tribolium Antennen und in Oncopeltus Beinstrukturen. Während in den Labialanlagen von Drosophila und Tribolium Ser-Aktivität benötigt wird, um pb zu aktivieren, ist die pb- Expression in Oncopeltus unabhängig von Ser. Obwohl Übereinstimmungen in den Expressionsmustern herrschen, sind die zu Grunde liegenden Gennetzwerke in Drosophila, Tribolium und Oncopeltus wahrscheinlich anders verschaltet.
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cis-regulatorische Sequenzen analysiert werden. Diese werdenzusammen mit einem Reportergen in das Genom eingebaut und die Expression des Reportergens lässt dann die über diese Sequenzen vermittelte Regulation erkennen. Durch die Kombination von Genausschaltung, ektopischer Expression und Analyse von cis-regulatorischen Sequenzen können regulatorische Verschaltungen überprüft werden. Da diese Techniken mittlerweile nicht mehr auf Modellorganismenbeschränkt sind, kann die Funktion von Genen in vielen verschiedenen Organismen vergleichend untersucht werden. Dies wird erlauben, die Universalität oder Diversität entwicklungsbiologischer Mechanismen zu erkennen. Außerdem werden wir dadurch ein besseres Verständnis darüber erhalten, wie diese Mechanismen Veränderungen' in den Morphologien und Bauplänen unterschiedlicher Tiere hervorbringen können.
Für die Ausbildung verschiedener Morphologien sind nicht nur die Regulationsvorgänge entscheidend, welche die regionale Expression der HoxGene bedingen, sondern auch deren regulatorische Wirkungen auf nachgeschaltete Gene. Die HoxGene agieren dabei auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen bis hin zu den Strukturgenen (13.3.2.4) . Aber auch diese Regulationen unterliegen phylogenetischen Veränderungen. In Dipteren führt Ubx dazu, dass am Metathorax keine großflächigen Flügel, sondern kleine, globuläre Schwingkölbchen entstehen. Ubx wird aber auch in den metathorakalen Flügeln anderer Insektenordnungen exprimiert. Im Gegensatz zu Dipteren muss Ubx demnach in Schmetterlingen oder Käfern, die große Hinterflügel ausbilden, unterschiedliche Zielgene kontrollieren oder dieselben Zielgene unterschiedlich regulieren. Da aber auch Dipteren Flügel ausbilden, können die Unterschiede nicht im Vorhandensein oder Fehlen verschiedener Gene liegen, sondern müssen vielmehr in der Variation der cis-regulatorischen Sequenzen zu finden sein. In Drosophila reprimiert Ubx Gene, die für das Wachstum und die Flachheit von Insektenflügeln benötigt werden, und führt so zur Bildung von Schwingkölbchen. Es ist anzunehmen, dass in Lepidopteren und Coleopteren in den entsprechenden Zielgenen die reprimierenden BinUm die Konservierung von Gennetzwerken zu über- dungsstellen für UBX fehlen . Die Aufgabe von prüfen, wird es demnach nicht ausreichen, einfach nur Ubx besteht eben nicht darin, Schwingkölbchen Expressionsmuster von homologen Genen in unter- hervorzubringen, sondern dafür zu sorgen, dass schiedlichen Spezies zu analysieren. Funktionelle An- sich die metathorakalen Flügel von den mesosätze werden angewendet werden müssen, um Schlüsse thorakalen unterscheiden. Geht man von einem auf die Regulation der Gene ziehen zu können. Mit der ursprünglichen Insekt mit gleich ausgebildeten Technik der RNA-vermittelten genetischen Interferenz Vorder- und Hinterflügeln aus, muss die Abwand(RNAi) können Genfunktionen in unterschiedlichsten lung der Hinterflügel in den verschiedenen InOrganismen ausgeschaltet und die hervorgerufenen Phäsektenordnungen einhergegangen sein mit spezifinotypen analysiert werden. Durch transposonvermittelte schen Änderungen im Set der Ubx-kontrollierten Transformation können Transgene in das Genom eines Zielgene (Abb. 13-72). Da sich nur wenige InsekOrganismus eingebaut werden. Dies erlaubt zum einen, Gene ektopisch zu exprimieren, um so Rückschlüsse auf tenspezies in ihrem Flügelmuster gleichen, sollte die Funktion des Gens innerhalb von Gennetzwerken jede eine eigene, spezifische Verschaltung von ziehen zu können. Zum anderen können auf diese Weise Ubx-Zielgenen besitzen.
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
Diplom
LepIdoplam
Abb. 13-72: Ubx-Regulation metathorakaler Flügel. Von einem ursprünglichen Insekt mit gleich gemusterten Vorder- und Hinterflügeln ausgehend, haben sich in den verschiedenen Insektenordnungen sehr unterschiedliche Hinterflügel entwickelt. Dabei steht die Musterbildung der metathorakalen FI ügel oder FI ügelderivate jewei Is unter der Kontrolle von Ubx. (Nach Carroll et al. 2001)
13.3.6.3 Genduplikation und Entstehung neuartiger Genfunktionen Wenn alle Bilateria tatsächlich monophyletischen Ursprungs sind, dann stammt die Ges amtheit ihrer Gene von dem Genpool einer einzigen Population einer einzigen prä-kambrischen Spe zies ab (Ausnahmen stellen potentielle horizontale Gentransfers dar). Die Vielzahl der Gene höherer Organismen muss demnach durch Genduplikation und Mutation entstanden sein . Die Anzahl verschiedener Genfunktionen ist wahrscheinlich entscheidend für die morphologische Komplexität eines Organismus. Während in allen Invertebraten nur ein Hox-Komplex identifiziert werden konnte, besitzen die verschiedenen Vertebraten mindestens vier Hox-Komplexe. Der Übergang von den invertebraten Chordaten zu den Vertebraten weist einen deutlichen Zuwachs an Komplexität auf, der auch die Evolution neuartiger Zell- und Gewebetypen mit sich bringt. Als Folge ganzer Genomduplikationen wurde zu dieser Zeit der Hox-Komplex vervierfacht (Abb. 13-67) und die anschließende Diversifikation der einzelnen Genfunktionen war wahrscheinlich die Voraussetzung für die Entstehung neuartiger Strukturen. Gene werden jedoch nicht nur im Rahmen von Genomduplikation oder in ganzen Komplexen vervielfältigt , sondern wesentlich häufiger als Einzelgene dupliziert. N ach der Duplikation wird eine Genkopie die alte Funktion beibehalten, während die andere sich verändern und neue Funktionen annehmen kann. bcd, die Hauptkomponente des anterioren Musterbildungssystems in Drosophila, scheint ein Paradebeispiel für eine Genduplikation zu sein, die zur Entstehung einer neuartigen Genfunktion führte. Orthologe Gene zu bcd konnten
bisher nur in höheren Dipteren gefunden werden, obwohl bcd innerhalb des Hox-Komplexes zwischen pb und zen liegt (Abb. 13-67) und HoxKomplexe aus unterschiedlichen Insektenordnungen isoliert wurden. DNA-Sequenzdaten aus der Rennfliege Megaselia abdita (Diptera) deuten darauf hin, dass bcd aus einer Duplikation von zen hervorgegangen ist. Die Entstehung der bcdFunktion kann man sich folgendermaßen vorstellen: In ursprünglichen Insekten wird zen sowohl maternal als auch zygotisch exprimiert. Durch die Duplikation von zen entsteht als weiteres Gen bcd. zen verliert schließlich seine maternale Expression und wird nur noch zygotisch in den extraembryonalen Membranen exprimiert (s. 13.3.5.1). bcd dagegen behält nur die maternale Expression bei. Der entscheidende Schritt während der Diversifikation von bcd liegt in einer Mutation, welche die DNA-Bindung seiner H om öodomäne verändert. Durch diese Veränderung erlangt BCD die Fähigkeit, DNA in ähnlicher Weise zu binden wie die ursprüngliche, anteriore Determinante OTD (s. 13.3.4.1). Gene, die ursprünglich durch OTD reguliert wurden, können nun auch von BCD kontrolliert werden. In höheren Dipteren kann BCD so allmählich die Funktion der anterioren Determinate OTD übernehmen. Entsprechend spielt otd in Drosophila eine geringere Rolle bei der anterioren Musterbildung als zum Beispiel im Reismehlkäfer Tribolium. In einem weiterenSchritt gewinnt bcd dann die Fähigkeit hb zu kontrollieren. Damit weitet bcd sein Aktionsfeid vom Caput auf den Thorax aus. In den höheren Dipteren agieren so zwei Systeme, um hb im anterioren Teil des Embryos zu exprimieren: Ein neu etabliertes, anteriores System benutzt BCD, um hb im anterioren Bereich zu aktivieren, während das konservierte, posteriore System durch NOS-Aktivität die Translation der maternal, ubiquitär vorgelegten hb mRNA im posterioren Bereich reprimiert (s. 13.3.2.1). Weitere, leichte Veränderungen an der Hom öodom äne ermöglichen zudem, dass BCD auch RNA-Moleküle bindet. BCD wird
13.4 Fortpflanzungsverha lten so schließlich in die Translationskontrolle der posterioren Determinante CAD eingebunden und ermöglicht einen frühen , posteroanterioren Gradienten von CAD. Bei den vielen Funktionen, die bcd in Drosophila besitzt, erstaunt es, dass gerade dieser Teil der frühen Segmentierungsgenkaskade nicht konserviert ist. Aber immer mehr vergleichende und experimentelle Daten sprechen für das noch hypothetische Entstehungsbild, in dem bcd eine neuartige Genfunktion der höheren Dipteren darstellt, die sich als "genetischer Pirat" Funktionen anderer Gene aneignet. Zudem macht die bcdGeschichte deutlich, wie plastisch die frühen Ent wicklungsmechanismen sind, und wie leicht im Laufe der Evolution Verschaltungen der entsprechenden Gennetzwerke umorganisiert werden können . Die Tatsache, dass die Genetik der Musterbildung in Drosophila bereits gut verstanden ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Drosophila als stark abgeleitete Diptere nicht notwen digerweise Modellcharakter für alle Insekten besitzt. Weitere vergleichende und funktionelle Studien an unterschiedlichen Insektenarten werden durchgeführt werden müssen , um insektentypische Mechanismen zu erkennen und das Ausmaß der entwicklungsbiologischen Variation zu bestimmen. Außerdem wird ein besseres Verständnis der Veränderlichkeit von Entwicklungsprozessen schließlich auch Rückschlüsse auf die Mechanismen der Evolution zulassen.
13.4 Fortpflanzungsverhalten losefK. Müller und Anne-Katrin Eggert
13.4. 1 Einleitung Das Verhalten eines Tieres besteht aus vielen einzelnen Verhaltensweisen, die genau wie morphologische oder physiologische Merkmale in der Evolution entstanden sind und genau wie diese spezifischen Selektionsdrucken unterliegen. Als Selektionsdruck bezeichnen wir Bedingungen, die bewirken, dass Individuen einer Art mit bestimm ten Eigenschaften einen anderen Fortpflanzungserfolg haben als Individuen, die diese Eigenschaften nicht haben. Führen bestimmte Eigenschaften zu einem höheren Fortpflanzungserfolg, so bezeichnen wir diese Eigenschaften als Anpassungen an die herrschenden Bedingungen. Man spricht dann davon , dass die betreffenden Eigenschaften einen positiven Anpassungswert haben oder dass solche Merkmale adaptiv sind. Die Frage nach dem Anpassungswert, dem "wozu", der Funktion eines Merkmals kann man sowohl im Bereich des
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Verhaltens als auch in der Morphologie stellen. Merkmalsunterschiede zwischen Individuen im Fortpflanzungsverhalten haben oft unmittelbare und besonders dramatische Konsequenzen für deren relativen Fortpflanzungserfolg. Ein Männchen, das nicht mit Weibchen kopulieren kann, weil sein Balzverhalten von Weibchen nicht akzeptiert wird, hinterlässt keine Nachkommen und gibt seine Gene nicht in die nächste Generation weiter. Deshalb ist das Fortpflanzungsverhalten ein Bereich, der starken Selektionsdrucken unterliegt. Darwin hat speziell dafür den Begriff der sexuellen Selektion eingeführt. Während natürliche Selektion generell definiert ist als unterschiedliche Überlebenschance oder unterschiedlicher Fortpflanzungserfolg von Individuen, die sich in einem oder mehreren Merkmalen unterscheiden , wirkt die sexuelle Selektion nur bei der Fortpflanzung. Sexuelle Selektion ist definiert als unterschiedlicher Fortpflanzungserfolg von Individuen mit unterschiedlichen Merkmalen, mit Merkmalen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fortpflanzung stehen. Der unterschiedliche Fortpflanzungserfolg kommt durch unterschiedlichen Erfolg bei der Interaktion mit dem anderen Geschlecht zustande. Wenn wir die Funktion oder die Entstehung bestimmter Phänomene diskutieren, wird häufig von den "Interessen" von Individuen die Rede sein. Wir wollen dabei nicht implizieren, dass wir wissen, was das betreffende Insekt denkt, fühlt , wozu es motiviert ist, oder was für es am besten wäre. In der Evolution werden mehr oder weniger schnell alle genetischen Varianten verschwinden, die nicht in der Lage sind, gleich viele oder mehr Nachkommen zu erzeugen als andere Varianten. Eine Maximierung des eigenen Fortpflanzungserfolges kann auch dadurch erfolgen, dass nahe verwandte Individuen bei der Fortpflanzung unterstützt werden , wie etwa bei den sozialen Hymenopteren. Der relative Fortpflanzungserfolg eines Individuums in einer Population wird als Fitness bezeichnet ; wenn bei der Berechnung des Fortpflanzungserfolges auch berücksichtigt wird, was dieses Individuum zur Fortpflanzung naher Verwandter beigetragen hat , spricht man von Gesamtfitness (lnclusive Fitness). Die Maximierung der individuellen oder der Gesamtfitness ist insofern im evolutionären Interesse von Organismen, als sie die Gefahr verringert, dass ihre Gene in zukünftigen Generationen nicht mehr vorhanden sind. DieTerminologie der Verhaltensökologie ist im wesentlichen im englischen Sprachraum entstanden, und viele dieser englischen Ausdrücke werden auch von deutschsprachigen Wissenschaftlern verwendet. Einige dieser Fachausdrücke, die sich nur ungenau übersetzen lassen, werden daher in Klammern hinter der deutschen Übersetzung angegeben.
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
13.4.2 Theorie der Geschlechtsunterschiede
Paarungserfolg zu sichern. Dies kann dadurch geschehen, das s es anderen Männ chen im Kampf überlegen ist, oder dadurch, dass es durch eine effektivere Balz häufiger zu Paarungen mit Weib13.4.2.1 Sexuelle Selektion chen kommt. Es gibt allerdings zahlreiche Merkmale, deren Ent stehung man nicht eindeutig der Da s Grundkonzept der sexuellen Selektion ist natürli chen oder der sexuellen Selektion zuordnen schon über ein Jahrhundert alt. Charles Darwin kann . hat seine Ideen dazu in seinem Buch über die Die zwei grundsätzlichen Typen der sexuellen Ent stehung der Arten 1859 umrissen und sie spä- Selektion wurden von Darwin beschrieben, aber ter in "The Descent of Man and Selection in erst später von Huxley (1938) form al unterschieRelation to Sex" (1871) weiter ausgearbeitet. Aus- den. Die intrasexuelle Selektion wirkt innerhalb gangspunkt für seine Überlegungen war die Be- eines Geschlechts. Unter diesen Begriff fallen die obachtung, dass bei vielen Tierarten die Männ- verschiedenen Formen der Konkurrenz zwischen chen außergewöhnliche morphologische oder Ver- Männchen. Intersexuelle Selektion oder epigamihaltensmerkmale aufweisen, deren Entstehung sehe Selektion wirkt zwischen den Geschlechtern man nicht mit der Theorie der natürlichen Selek- und äußert sich in der Bevorzugung bestimmter tion erklären kann. Berühmte Beispiele für solche Männchen durch Weibchen, man spricht daher sekundären Geschlechtsmerkmale sind etwa der auch von Weibchenwahl. bunte Schwanz der Pfauenh ähne oder das Geweih Bereits im Jahre 1948 veröffentlicht e der ameder männlichen Hirsche. Auch bei Insekten gibt es rikanische Biologe Bateman eine Arb eit mit seinen solche Merkmale, zum Beispiel die "Geweihe" von Ergebnissen zur Fortpflanzung der Taufliege (DroHirschkäfermännchen (Abb. 13-73) oder die Stiel- sophila melanogaster) im Labor. Diese Arbeit deaugen bei den Männchen der Stielaugenfliegen . monstrierte erstmals ein Prinzip, das für nahezu Darwin interpretierte solche Merkmale als Pro- alle Tierarten gilt. Batemans Prinzip basiert dardukte der sexuellen Selektion, die "vom Vorteil auf, dass bei vielen Arten die Männ chen nichts als abhängt, den bestimmte Ind ividuen haben gegen- Sperm ien zur Produktion von Nachkommen beiüber anderen Ind ividuen der gleichen Art und des tragen. Deshalb sind sie theoret isch in der Lage, gleichen Geschlecht s, ausschließlich im Hinblick mit sehr vielen verschiedenen Weibchen zu kopu auf die Fortpflanzung". Sexuelle Selektion wirkt lieren und mit jedem dieser Weibchen Nachkomnicht auf die Lebensdau er von Individuen, son- men zu zeugen. Wie viele Nachkommen ein dern auf ihren Paarungserfolg. Alle jene Merk- Männchen im Laufe seines Lebens produziert, male, die für eine erfolgreiche Fortpflanzung un- hängt entscheidend davon ab, mit wie vielen Weibbedingt notwendig sind, wie äußere Genitalien chen es kopulieren kann . Die theoret ische Oberoder innere Geschlechtsorgane, sind in ihrer spe- grenze im Fortpflanzungserfolg von Männchen ist ziellen Ausprägung durch natürliche Selektion sehr hoch . Nur einige wenige Individuen können entstanden. Sekundäre Geschlecht smerkmale hin- sich dieser Obergrenze annähern, die meisten gegen betrachtete Darwin als eindeutige Produkte Männ chen hinterlassen wenige oder gar keine der sexuellen Selektion , weil sie ausschließlich Nachkommen. Für Weibchen dagegen besteht dazu dienen , einem Männchen einen größeren kaum die Gefahr, überhaupt keine Nachkommen zu hinterlassen, jedoch können sie ihren Fortpflanzungserfolg nicht durch eine größere Zahl von Kopul ationen erhöhen. Dah er sind sich die meisten Weibchen im Hinblick auf ihren Fortpflanzungserfolg unter einander ähnlicher, als es die Männchen sind. Math ematisch ausgedrückt heißt das: Die Varianz im Fortpflanzungserfolg der Männchen ist größer als die im Fortpflanzungserfolg der Weibchen. Batemans Labore xperiment mit D. melanogaster illustrier t genau diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Es zeigt ferner, dass Weibchen auch in der Zahl ihrer Geschlechtspartner weniger variabel sind als Männchen.
Abb. 13-73: Beim Hirschkäfer (Lucanus cervus) unterscheiden sich die Geschlechterin der Ausprägu ng der Mandibeln: nur bei den Männchen sind sie zu riesigen Zangen modifiziert, mit denen sich die Männchen gegenseitig von Paarungsbäumen herunterhebeln. (Original von Claudia Gack)
13.4 Fortpflanzungsverhalten
13.4.2.2 Trivers' Theorie der Geschlechterrollen Batemans Ergebnisse fanden wenig Beachtung, bis sie in einer klassischen Arbeit von Robert Trivers 1972 wieder aufgegriffen wurden . Trivers Idee war, dass die grundlegenden Phänomene der sexuellen Selektion, darunter auch Batemans Prinzip, sich auf den Geschlechtsunterschied in einer einzigen Größe, der elterlichen Investition zurückführen lassen.
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folg der Männchen begrenzt. Jedem Weibchen dagegen stehen viele Männchen als Paarungspartner zur Verfügung, sodass Weibchen sich ein wählerisches Verhalten leisten können . Das Überangebot an paarungsbereiten Männchen und die begrenzte Verfügbarkeit von Weibchen führt so zu den beiden Phänomenen der sexuellen Selektion: intrasexueller Konkurrenz zwischen Männchen, und intersexueller Partnerwahl durch Weibchen. Diese Phänomene werden um so ausgeprägter sein, je mehr sich die Investitionen der Geschlechter in einzelne Nachkommen unterscheiden.
Elterliche Investition
Trivers definierte elterliche Investition als jede Investition eines Elternteils in einen einzelnen Nachkommen, die die Überlebenschance dieses Nachkommen erhöht, allerdings auf Kosten der Fähigkeit des Elterntieres, in spätere Nachkommen zu investieren. Elterliche Investition war damit über die Fitnesskosten der Investition in einzelne Nachkommen definiert, die zum Beispiel bei der Produktion großer Keimzellen oder bei Brutfürsorge und Brutpflege entstehen. Häufig wird elterliche Investition mit elterlichem Aufwand gleichgesetzt; andere Autoren wollen aber den Begriff elterlicher Aufwand nur für leicht messbare Kosten der Brutpflege verwendet wissen, wie etwa Energieaufwand oder Zeitkosten . In der elterlichen Investition oder dem elterlichen Aufwand nicht inbegriffen ist der Aufwand für das Finden eines Paarungspartners oder einer Partnerin, oder für das Ausschalten von gleichgeschlechtlichen Konkurrenten. Diese Art von Aufwand würde man als Paarungsaufwand bezeichnen. Trivers' Überlegung zur elterlichen Investition war folgende: Wenn ein Geschlecht sehr viel weniger Zeit und Energie in jeden einzelnen Nach kommen investiert, können Individuen dieses (in der Regel des männlichen) Geschlechts mit demselben Aufwand sehr viel mehr Nachkommen erzeugen als Individuen des anderen Geschlechts. Bei sexueller Fortpflanzung hat aber jeder Nachkomme einen Vater und eine Mutter. Unter diesen Bedingungen wird das Geschlecht, das weniger Nachkommen produzieren kann , zu einer begrenzten Ressource für das andere Geschlecht. Bei der Mehrzahl der Insekten ist die Investition des Männchens in jeden einzelnen Nachkommen winzig im Verhältnis zu der des Weibchens, was dazu führt, dass die maximale Nachkommenzahl für Weibchen viel niedriger ist als für Männchen. Potenziell könnte häufig ein einziges Männchen einer Population genügend Spermien produzieren , um alle Eier zu befruchten, die Weibchen während einer Fortpflanzungsperiode legen. Für Männchen werden Weibchen damit zu einer wertvollen Ressource, die den Fortpflanzungser-
Typische Geschlechterrollen
Um möglichst viele Nachkommen zu zeugen, müssen Männchen so viele Weibchen wie möglich begatten und verhindern, dass andere Männchen dasselbe tun . Dieser Konflikt zwischen Männchen wird häufig durch aggressive Auseinandersetzungen in Form von Beschädigungskämpfen oder ritualisierter Interaktionen gelöst. Männchen bewachen und verteidigen häufig ihre Geschlechtspartner gegen andere Männchen. Weil es zwischen Weibchen keine derartige Konkurrenz gibt, sind Männchen oft aggressiver als Weibchen oder haben spezielle zu Waffen modifizierte Organe. Weil es fast immer mehrere Männchen gibt, die bereit sind, mit einem Weibchen zu kopulieren, können Weibchen zwischen mehreren potenziellen Kopulationspartnern auswählen. Bei vielen Insektenarten paaren sich die Weibchen nur einmal in ihrem Leben, speichern die Spermien im Receptaculum seminis und befruchten mit diesen Spermien alle ihre Eier. Wenn Weibchen keinen Vorteil oder gar einen Nachteil durch eine bestimmte Kopulation haben, sollten sie Männchen abwehren. Dieses spröde oder keusche Verhalten von Weibchen ist im gesamten Tierreich die Regel und Teil der typischen Weibchenrolle. Umkehr der Geschlechterrollen
Trivers führte die Phänomene der Weibchenwahl und der Konkurrenz zwischen Männchen auf den Unterschied in der elterlichen Investition der Geschlechter zurück . Wenn seine Theorie richtig ist, sollten bei Arten , bei denen das Männchen mehr in einzelne Nachkommen investiert als das Weibchen, die Geschlechterrollen vertauscht sein. Weibchen sollten dann um Männchen konkurrieren, und Männchen sollten wählerisch sein. Innerhalb der Insekten gibt es einige wenige Arten, deren Männchen sehr viel Zeit und Energie in einzelne Nachkommen investieren . Bei der Wasserwanze Abedus herberti (Belostomatidae), einer mit unseren Schwimmwanzen verwandten Art , kümmert sich ausschließlich das Männchen um die Eier. Es trägt sie auf dem Rücken mit
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
Abb. 13-75: Das Weibchen der Mormonengrille Anabrus simplex verzehrt nach der Paarung die Spermatophore, die es vom Männchen erhalten hat. (Aus Trivers 1985, zur Verfügung gestellt von Darryl Gwynne)
Abb. 13-74: Ein Weibchen der Wasserwanze Abedus herberti legt seine Eier auf den Rücken eines Männchens, das die Eier mit sich herumtragen und pflegen wird. (Original von Robert L. Smith)
sich herum und sorgt durch "Liegestütze" an der Wasseroberfläche für eine ausreichende Sauerstoffzufuhr; außerdem verhindert es das Verpilzen der Eier, indem es Pilzhyphen entfernt. Das Weibchen kümmert sich nach der Eiablage (Abb. 13-74) nicht mehr um die Eier. Die Anzahl Eier, die ein Männchen mit sich herumtragen kann, ist durch den Platz auf seinem Rücken begrenzt. Die Eier auf dem Rücken eines Männchens stammen häufig von mehreren Weibchen. Wie es die Theorie erwarten lässt, sind bei dieser Art die Geschlechterrol1en vertauscht. Bei A . herberti initiierendie Weibchen Kopulationen. Wenn das Männchen bei Annäherung eines Weibchens passivbleibt, kommt es nicht zur Kopulation. Das Männchen bestimmt weitgehend den Ablauf der Kopulationssequenz, indem es das Weibchen in die Kopulationsstel1ung schiebt und das Ende der Kopulation ankündigt. Weitere Beispiele für vertauschte Geschlechterrollen gibt es innerhalb der Laubheuschrecken (Tettigoniidae). In dieser Gruppe produziert das Männchen eine Spermatophore, die aus zwei Teilen besteht, der Ampulle, die die Spermien enthält, und dem Spermatophylax, der aus einem Sekret besteht und meist größer ist als die Ampulle. Bei der nordamerikanischen Mormonengrille (Anabrus simplex) (Abb. 13-75) und den in Westaustralien vorkommenden Arten Requena verticalis und Metaballus litus ist der Spermatophylax sehr groß; bei R verticalis beträgt sein Gewicht 25 % des Eigengewichts des Männchens. Weibchen entfernen den Spermatophylax kurz nach der Kopulation und fressen ihn, während die Spermien aus der Ampulle in den Genitaltrakt des Weibchens einwandern. Durch die zusätzliche Nahrung aus
dem Spermatophylax legen Weibchen der Art R. verticalis größere Eier, diese Eier haben bei der Überwinterung bessere Überlebenschancen. Die beträchtliche Investition der M ännchen in die Nachkommen hat auch hier zur Umkehr der Geschlechterrollen geführt. In bestimmten Populationen von Anabrus und Metaballus locken singende Männchen sehr schnell mehrere Weibchen an, zwischen denen es dann zu Kämpfen kommt. Männchen verhalten sich relativ wählerisch und paaren sich bevorzugt mit größeren und schwereren Weibchen, die mehr Eier legen als kleinere. Die Männchen der Tanzfliege Empis borealis (Empididae) schließlich übergebenden Weibchen bei der Kopulation ein Insekt, das die Männchen vorher erbeutet haben. Bei dieser Art gibt es Schwärme, die nicht aus Männchen, sondern aus Weibchen bestehen. Männchen scheinen sich nicht wahllos zu paaren, denn häufig besuchen sie mehrere Weibchen in einem Schwarm, bevor es zu einer Kopulation kommt. In allen diesen Fällen, in denen das Männchen einen großen Teil der Investitionen in die Nachkommen beiträgt, kommt es als Konsequenz dieser hohen Investitionen des Männchens zu den veränderten Rollen der Geschlechter im Paarungsverhalten. Diese Ausnahmen bestätigen damit Trivers' Hypothese, dass die elterliche Investition die entscheidende Größe für die Festlegung der Geschlechterrollen ist.
13.4 Fortpflanzungsverhalten
13.4.3 Fortpflanzungsverhalten von Männchen 13.4.3.1 Wie viele Paarungspartnerinneil hat ein Männchen? D ie Anz ahl der Paarungspartner bzw. Partnerinnen , die ein Geschlecht während eines Fortpflanzung szyklus hat , defin iert das Paarungssystem. Die gäng ige Klassifikation der Paarungssysteme wurden von Emlen und Oring (1977) für höhere Wirbeltiere entwi ckelt, bei denen echte Paarbindungen häufig sind . Für Insekten sind diese Einteilungen problemati sch, weil Männchen und Weibchen selten für lange Zeit über die Paarung hinaus zusammenbleiben. Bei unserer Klassifizierung der Paarungssysteme von Insektenmännchen folgen wir weitgehend ThornhiII und Alcock (1983), deren Einteilung auch auf Emlen und Or ings Arbeit basiert. Innerhalb der Insekten gibt es wenige monogyne Arten, bei denen ein Männchen sich während einer Fortpflanzungsperiode nur mit einem Weibchen paart. Die große Mehrzahl der Arten hat polygyne Paarungssysteme. Zur Klassifizierung der polygynen Paarungssystem e werden die Faktoren herangezogen, die es den Männchen der jeweiligen Art erlauben, mehr als ein Weibchen zu begatten. Treten paarungsbereite Weibchen aus irgendwelchen Gründen in größeren Gruppen gemeins am auf, so kann es sich für die Männchen lohnen, solche Gruppen zu bewachen und gegen andere Männchen zu verteid igen. Man würde dann von einer Polygynieform sprechen, die durch Verteidigung von Weibchen entstanden (Female Defense Polygyny) ist. Männchen müssen nicht die Weibchen selbst gegen andere Männchen verteidigen, es genügt auch, wenn sie Orte bewachen , die von vielen Weibchen aufgesucht werden . Solche Orte sind dadurch gekennzeichnet, dass an ihnen wichtige Ressourcen, wie etwa Nahrung, vorhanden sind . Man spricht deshalb von einer Polygynie, die Ihren Ausgangspunkt in der Verteidigung von Ressourcen (Resource Defense Polygyny) hatte. Sind Weibchen oder das, was diese unbedingt brauchen, weit verstreut, können sich die Geschlechter an besonders auffälligen Plätzen treffen (Arenabalz oder Lek Polygyny), oft finden Paarungen aber einfach da statt, wo sich die Geschlechter mehr oder weniger zufällig treffen (Scramble Competition Polygyny).
Monogynie Monogynie, also Monogamie der Männchen, ist nicht nur bei Insekten, sondern generell ein seltenes Phänomen. Wenn die Geschlechterrollen typisch verteilt sind, gibt es immer einen starken
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Selektionsdruck auf Männchen, sich mit so vielen Weibchen wie möglich zu paaren. Unter diesen Umständen ist es unwahrscheinlich, dass Männchen nicht wenigsten s versuchen, mehrere Paarungspartnerinnen zu bekommen. Auch bei Wirbeltieren zeigt sich mehr und mehr, dass angeblich monogame Männchen häufig mit anderen Weibchen als ihrem Langzeitpartner kopulieren, wenn sie dazu Gelegenheit haben . Dennoch gibt es auch bei den Insekten einige wenige Fälle, in denen Männchen sicher nicht mehr als eine Paarungspartnerin haben. Die Honigbiene dürfte das bekannteste Beispiel für monogame Insektenmännchen liefern, denn das Männchen stirbt hier nach der Pa arung. Auf der proximaten Ebene liegt die Ursache für die Monogamie der Drohnen darin, dass sie bei der Paarung ihre Geschlechtsorgane im Weibchen stecken lassen und deshalb bald darauf sterben. Man muss sich allerdings fragen , welche ultimaten Ursachen denn im Laufe der Evolution zu diesem selbstmörderischen Verhalten geführt haben. Männchen treffen paarungsbereite Königinnen, indem sie sich an bestimmten Plätzen, oft topographisch auffälligen Strukturen, in großen Schwärmen sammeln und auf Weibchen warten. Das Verhältnis paarungswilliger Männchen zu paarungsbereiten Weibchen, das so genannte operation ale Geschlechterverhältnis (Operational Sex Rat io oder OSR) ist dort zu jedem Zeitpunkt extrem ungünstig für Männchen, sodass die Chance, dass ein Männchen zu einer Kopulation kommt, sehr klein ist. Ursache dafür ist, dass jedes Bienenvolk pro Jahr nur drei bis vier überlebende junge Königinnen produziert, aber 5000 bis 20000 Drohnen. Die extrem geringe Chance einer zweiten Paarung ist ein wichtiger Faktor für den Selbstmord der Männchen, weil es unter diesen Bedingungen keine Selektion gegen das "Abwerfen " der Genitalien gibt, solange es dem Männchen auch nur einen geringen Nutzen bringt. So ein Nutzen könnte darin bestehen, dass ein Männchen durch eine besonders effektive Verankerung möglichst viele Spermien in da s Weibchen übertragen kann. Ein weiteres Beispiel für monogame Männchen sind die Termiten, bei denen das Männchen typischerweise lebenslang bei seinem Weibchen bleibt. Zur Evolution und Aufrechterhaltung dieses Verhaltens haben wahrscheinlich die Kürze der Paarungszeit sowie das Verhalten des Weibchen s beigetragen. Die Paarbildung findet in einem Paarungsflug statt , an dem innerhalb kürzester Zeit unzählige Individuen aus vielen Kolonien teilnehmen . Das Männchen folgt dabei seiner Partnerin, bis sie eine geeignete Stelle zum Graben gefunden hat. Erst in der neu gegrabenen Höhle lässt das Weibchen die Kopulation zu. Wenn aber die Höhle gegraben ist, ist die Schwarmzeit der Art vorüber
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
und es stehen keine paarungsbereiten Weibchen mehr zur Verfügung . Andere Fällesind weniger gut untersucht, und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass einzelne Männchen sich hier auch mit mehreren Weibchen paaren können. Die speziellen Umstände haben hier jedoch die Gelegenheit für Polygynie stark reduziert, sodass die Männchen bestenfalls ganzwenige, in der Regel aber nur einePaarungspartnerin haben. Bei einigen Arten aus der Mückenfamilie Ceratopogonidae kommt Monogamie dadurch zustande, dass das kopulierende Männchen vom Weibchen gefressen wird. Die Genitalien des M ännchens bleiben im Weibchen stecken. Das Weibchen lässt sie vermutlich dort, weil es so andere paarungswillige Männchen besser abweisen kann. Es ist jedoch nicht sicher, ob das Fressen des Männchens ein zwingender Bestandteil der Paarung ist. Bei Gottesanbeterinnen, von denen dasselbe Verhalten berichtet wird, hat sich zum Beispiel gezeigt, dass Männchen sehr wohl eine gute Chance haben, dem Gefressenwerden zu entgehen, sofern ausreichend Platz zur Flucht vorhanden ist. Monogamie kann auch durch das Verhalten des Männchens zustande kommen, nämlich dann, wenn das Männchen seine Partnerin so lange bewacht, dass es selber keine Chance mehr hat, weitere Paarungspartnerinnen zu suchen . Stab heuschrecken zum Beispiel halten mit 79 Tagen den Rekord für die Dauer von Kopulationen bei den Insekten. Diese extreme Kopulationsdauer verhindert, dass sich ein Weibchen mit anderen Männchen paart, bedingt aber auch , dass das Männchen nur mit wenigen Weibchen kopulieren kann. Wann bei diesen Marathon-Kopulationen Spermien übertragen werden , ist nicht geklärt. Ein weiteres Verhalten der Männchen, das ebenfalls zu Monogamie führen kann, besteht darin, dass die Männchen jeweils einem Weibchen helfen, möglichst viele oder gut ernährte Nachkommen zu haben. Bei vielen Mistkäfern (Scarabaeiden) helfen Männchen ihren Weibchen beim Eintragen des Dungs und tragen so zu ihrer erfolgreichen Fortpflanzung bei. Bei Totengräbern tragen die Männchen ebenfalls zum Gelingen der Fortpflanzung "ihres" Weibchens bei, indem sie sich an der Verteidigung des Aases und der Fütterung der Larven beteiligen . Das, was hier wie Helfen bei der Brutpflege aussieht, kann man auch als Bewachen des Weibchens interpretieren, denn während seines Aufenthaltes am Aas bekämpft das Männchen jedes andere Männchen. Das Brutpflegeverhalten der Totengräbermännchen führt zwar zu einer verringerten Anzahl von Gelegenheiten zu Kopulationen mit anderen Weibchen, aber nicht zu echter Monogamie. Wenn sich an einem eingegrabenen Aas mehrere Weibchen aufhalten, kopuliert das Männchen mit allen diesen Weibchen, und außerhalb der etwa zweiwöchigen Brutpflegezeit kann es täglich mehrere Weibchen
mit seinem Sexualpheromon anlocken und anschließend begatten. Zusammenfassend muss man sagen, dass es oft schwierig ist, einen einzelnen Faktor als Ursache der Monogamie von Männchen zu identifizieren. Verschiedene Faktoren können zusammenkommen, die geringe Verfügbarkeit paarungswilliger Weibchen durch ein stark verschobenes Geschlechterverhältnis, das Verhalten des Weibchens vor oder bei der Paarung, oder der größere Nutzen, den das Männchen aus seinem Beitrag zur Brutpflege zieht.
Polygynie Die geschilderten Fälle von Monogynie bleiben eine Ausnahme, weitaus häufiger ist die Polygynie. Polygynie bedeutet aber typischerweise, dass nur ein relativ kleiner Anteil der Männchen der betreffenden Art tatsächlich mit mehreren Weibchen kopulieren kann, während die Mehrzahl nur eine oder gar keine Paarungspartnerin findet. Wir behalten hier Thornhill und Alcocks Klassifizierung weitgehend bei und bringen deshalb zunächst Beispiele für polygyne Paarungssysteme, die durch die geklumpte Verteilung von Weibchen oder Ressourcen entstehen, die dann wiederum von besonders kräftigen Männchen verteidigt werden können. Polygynie durch Verteidigung von Weibchen gibt es bei vielen Bienen und Wespen, bei denen paarungsbereite Weibchen durch die gemeinsam angelegten Nester ihrer Mütter geklumpt auftreten. Bei einer noch nicht beschriebenen australischen Lehmwespenart (Gattung Epsilon, Familie Eumenidae) bauen mehrere Weibchen ihre Brutzellen zusammen an überhängenden Felsen, wo sich dann 50 oder mehr Brutzellen an einer Stelle befinden. In der nächsten Generation schlüpfen die Männchen etwas eher als die Weibchen und suchen nach Brutzellen, aus denen bald Weibchen schlüpfen werden. Dabei werden große Ansammlungen von Brutzellen von bestimmten territorialen Männchen bewacht und verteidigt. Kleinere Gruppen von Brutzellen werden von Männchen zwar besucht, aber nicht als Reviere verteidigt. Im Prinzip dasselbe Paarungsverhalten wie die geschilderte Wespenart zeigen einige unserer heimischen solitären Bienen, wie die Pelzbienen (Anthophora), die Mauerbienen (Osmia) und die Sandbienen (Andrena). Aber auch ohne geklumpte Verteilung von Weibchen kann es zu Polygynie durch Weibchenverteidigung kommen, wenn rezeptive Weibchen über längere Zeiträume hinaus auftreten und Männchen dann nacheinander jeweils einzelne Weibchen gegen Konkurrenten verteidigen . Polygynie durch Ressourcenverteidigung kommt
13.4 Fortpflanzungsverhalten
bei vielen Insektenarten vor, bei denen Männchen keine Anstrengung machen, Weibchen zu finden . Statt dessen suchen die Männchen aber nach Ressourcen, die von den Weibchen mit hoher Vorhersagbarkeit aufgesucht werden. Die solitären Wollbienen Anthidium maculosum und A. man icatum sind gute Beispiele für ein solches Paarungssystem . Bei diesen Bienen schlüpfen Männchen etwas später als Weibchen, sie können also nicht auf schlüpfende Weibchen warten. Schlüpfende Weibchen sind auch schwer zu finden, weil die Brutzellen einzeln an versteckten Orten und nicht in Kolonien angelegt werden. Hinzu kommt, dass jungfräuliche Weibchen für Männchen nicht besonders wertvoll sind , weil Weibchen sich mehrfach paaren und die Spermien des zuletzt kopulierenden Männchens die meisten Eier befruchten. Die Männchen verteidigen hier Ansammlungen von blühenden Pflanzen, die von Weibchen aufgesucht werden, weil letztere dort geeignete Nahrung zur Verproviantierung ihrer Larven finden . Männchen verteidigen diese Ressourcen heftig, auch gegen andere Blütenbesucher wie Hummeln und Honigbienen. Ein anderes Beispiel für ein System, in dem Nahrung verteidigt wird, ist die Randwanze Acanthocephala fem orata (Coreidae), deren Weibchen an den Stengeln von Sonnenblumen fressen. Männchen, die den Stengel einer Sonnenblume erfolgreich verteidigen, haben etwa dreimal so viele Paarungspartnerinnen wie ihre nichtterritorialen Artgenossen.
Neben ergiebigen Nahrungsplätzen werden auch gute Eiablageplätze von Männchen verteidigt. Die Männchen vieler Libellenarten verteidigen bestimmte Abschnitte an Bächen, Seen oder Teichen gegen artgleiche Männchen, in den verteidigten Abschnitten legen Weibchen besonders häufig ihre Eier ab. Die Verteidigung, die oft aus Kämpfen im Flug oder ritualisierten Drohflügen besteht, ist oft so energieaufwändig, dass der Revierbesitz mehrmals täglich wechselt. Männchen können aber auch selbst Ressourcen schaffen, die für Weibchen attraktiv sind . Ein solcher Fall sind Borkenkäfer der Gattung Ips, deren Weibchen Eier in abgestorbene Bäume legen. Das Männchen findet einen toten Baum meist als erstes und gräbt und nagt eine Höhle ins Holz, die es gegen andere Männchen verteidigt. In dieser Höhle versammeln sich dann drei bis fünf Weibchen, sie werden dort begattet und legen dann von dieser Paarungskammer aus ihre Eigänge an. Mit ihren großen Speicheldrüsen erzeugen männliche Skorpionsfliegen (Gattung Panorpa) einen oder mehrere Sekrettropfen und bieten diesen den Weibchen als Balzgeschenk an, die Weibchen fressen dieses Sekret. Die Größe dieses Balzgeschenkes bestimmt häufig, ob es zu einer Paarung kommt und wie lange sie dauert.
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Bei der Arenabalz- oder Lek-Polygynie (Lek Polygyny) verteidigen Männchen weder Weibchen selbst noch für Weibchen wichtige Ressourcen . Dennoch sind die Männchen hier territorial und verteidigen ein bestimmtes Revier oder einen Platz gegen alle anderen Männchen der gleichen Art. Diese symbolischen Territorien liegen in der Regel zusammen in einer Balzarena, häufig an einer Gel ändemarke, die traditionell jedes Jahr wieder zu diesem Zweck aufgesucht wird . Paarungswillige Weibchen suchen diese Plätze auf und paaren sich dort bevorzugt mit bestimmten Männchen. Leks scheinen bei solchen Arten häufig zu sein, bei denen weder Ressourcen noch Weibchen so verteilt sind, dass sie für Männchen leicht zu finden und zu verteidigen sind. Dazu gehören viele Hymenopterenarten. zum Beispiel die spinnenjagende Wespe Hemipepsis ustulata . Männchen dieser in Südwestarizona vorkommenden Art verteidigen einzelne Palo verde-Bäume an einem Berg; die größten Männchen sind dabei im höchsten Bereich des Berges zu finden . Vorbeifliegende Weibchen werden von den Männchen ergriffen und begattet. Die adulten Weibchen nehmen zwar Nektar auf, aber sie tun dies an Creosote-Sträuchern , die weit verstreut wachsen und deren Verteidigung deshalb für Männchen wenig lohnend ist. Die Biene Centris adani bildet ebenfalls Leks, im Gegensatz zu der nahe verwandten , koloniebrütenden Art C. pallida. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Arten besteht darin , dass Weibchen von C. adani einzelne Nester anlegen, soda ss es für Männchen nicht wie bei C. pallida möglich ist, einen Platz mit vielen schlüpfenden jungfräulichen Weibchen zu verteidigen. C. adani-Weibchen sammeln Nektar an vielen verschiedenen Arten von blühenden Bäumen , sodass auch eine Verteidigung der Nahrungsressource der Weibchen für Männchen nicht lohnend ist. Auch viele Dipterenarten haben Balzarenen , etwa einige Arten der Gattung Drosophila, die Bohrfliege Anastrepha suspensa und die Schmuckfliege Physiphora demandata .
Bei Scramble-Konkurrenz um eine begrenzte Ressource wird letztere zwischen vielen Konkurrenten so aufgeteilt, dass jeder nur einen kleinen Teil davon bekommt, obwohl alle Konkurrenten versuchen, soviel wie möglich zu erhalten. Im Fortpflanzungsbereich sind paarungsbereite Weibchen eine solche von Männchen umk ämpfte Ressource. Von Scramble-Konkurrenz um Weibchen kann man dann sprechen, wenn Männchen keine Reviere verteidigen, sondern statt dessen versuchen, sich mit jedem Weibchen, das sie treffen, zu paaren . Im Prinzip gibt es zwei Situationen, in denen dieses Phänomen auftritt. Zum einen gehören viele Insekten zum explosiven Fortpflanzungstyp, das heißt ihre Fortpflanzungssaison ist extrem kurz. Fortpflanzungsbereite Weibchen treten für eine kurze Zeit sehr häufig auf und sind zusätzlich relativ wenig wählerisch, weil sie so schnell wie
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
möglich begattet werden müssen. Die Eintagsfliegen (Ephemeroptera), die als Imagines nur wenige Tage leben, synchron schlüpfen und dabei riesige Schwärme bilden , gehören zu diesem Fortpflanzungstyp. Zum anderen gibt es Arten, bei denen Weibchen zwar an bestimmten Plätzen (Schlupf-, Nahrungsaufnahrne-, oder Eiablageorte) vorhersagbar in größ erer Dichte auftreten, aber da s Männchen von der Vert eidigung eines bestimmten Gebietes nicht profitieren würd e. Viele solitäre Bienen zum Beispiel legen ihre Nester in Aggregationen an . An diesen Schlupfplätzen finden sich Hunderte von Männchen ein, sodass es für ein einzelnes Männchen unmöglich wird, das Gebiet gegen alle Konkurrenten zu verteidigen.
13.4.3.2 Regeln der Partnerfindung: Wer sucht wen? Im Prinzip können Männ chen und Weibchen auf drei verschiedene Weisen zusammentreffen. Das Weibchen kann stationär sein, während das Männchen nach ihm sucht. Umgekehrt kann au ch da s Männchen vom Weibchen aufgesucht werden. Als dritte Mögl ichkeit könn en sich beide Geschlechter an einem bestimmten Ort ode r zufällig treffen . Alle drei Varianten kommen bei den Insekten tats ächlich vor, jedoch mit unterschiedlicher Häufigkeit. Die erste Variante - suchende Männchen und stationä re Weibchen - scheint die häufigste zu sein. Betrachtet man die Partnerfindung bei verschiedenen Insektenarten und den jeweiligen Mo dus der Kommunikation, so erkennt man bestimmte Muster. Wenn Weibchen Männchen an locken, geschieht dies meist durch chemische oder optische Signa le, lockende Männchen produzieren in der Regel dagegen akustische Signale zur Partneranlockung . Warum gibt es diese Rollenverteilung, und warum gibt es Ausnahmen von diesen Regeln? Weil Männchen von jeder zusät zlichen Kopulation profitieren, werden Männchen, die mehr Zeit und Energie in die Suche nach Paarungspartnerinnen investieren, belohnt. Aus diesem Grund fallt den Männchen in der Regel die gefährlichere oder die energetisch aufwändigere Rolle bei der Partnerfindung zu. Die Erzeugung chemischer und optischer Signale ist energeti sch viel weniger aufwändig als die Suche nach den Signalen, die Suche wird daher in diesen Fällen vom Männchen betrieben. Die Produktion akustische r Signale da gegen ist energetisch sehr aufwändig und außerdem oft riskant, weil viele Räuber oder Par asitoide ihre Beute anhand akustischer Reize loka lisieren können. Bei Arten mit akustischer Partnerfindung ist die typische Rollenverteilung denn auch meist
umgekehrt, mit singenden Männchen und suchenden Weibchen. Männchen übernehmen auch dann die stationäre Rolle, wenn sie den Weibchen wichtige Ressourcen in Form von Balzgeschenken oder von ihnen selbst geschaffene Eiablageplätze anbieten . Der Erwerb oder die Her stellung dieser Ressourcen ist für die Männchen wieder risikoreich oder energieaufwändig oder beides. Der Fortpflanzungserfolg von Weibchen hängt häufig von ihrem Ern ährungszustand ab oder von ihrer Fähigkeit, einen geeigneten Eiablageplatz zu finden. Deshalb bieten Eiablageplätze oder Orte mit Nahrungsressourcen Männchen oft die Gelegenheit, Weibchen zu treffen , ohne nach ihnen suchen und ohne aufwändige Signa le oder Ressourcen produzieren zu müssen . Eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, ob sich bei einer bestimmten Art tats ächlich eine Methode der Partnerfindung mit stationären Männchen als Ausnahme von der typischen Rollenverteilung entwickelt. Zum Beispiel ist wichtig, ob Weibchen an solchen Orten in der Regel paarungsbereit sind , ob sie schon begattet sind, wie viele Nachkommen eines Männchen s sie nach einer Paarung produzieren würden, und welche alternativen Möglichkeiten das Männ chen hat, Paarungspartnerinnen zu finden . Auch in Paarungssystemen mit stationären Männchen müssen Männchen oft viel Zeit und Energ ie aufwenden, bevor sie zu Paarungen kommen, zum Beispiel um diese Stellen gegen andere Männchen zu verteidigen. Selbst bei Arten, bei denen normalerweise das Männchen der aktivere Teil ist, können Weibchen gelegentlich nach Männchen suchen . Sie werden es dann tun , wenn sie durch ungewöhnliche Um stände lange Zeit nicht kopuliert haben und ihnen nicht genügend befruchtungsfähige Spermien zur Verfügung stehen, oder wenn sie noch nicht begattet sind.
Männchen suchen nach Weibchen Weibchen werden bei vielen Insektenarten, besonders bei nachtaktiven, vom Männchen chemisch lokal isiert (Abb. 13-76). Chemi sche Sub sta nzen und Substanzkombinationen, die der intraspezifi schen Kommunikation dienen , bezeichnet man als Pheromone. Die geschlechtsspezifisch wirksamen Sexualpheromone dienen entweder der Zusammenführung der Geschlechter oder werden in der Balz eingesetzt. Über weite D istanzen wirksame Sexualpheromone werden in der Regel von Weibchen produziert (s. 11.3). Die tatsächliche Reichweite so genannter .Jong-range't-Pheromone ist nur für wenige Arten bekannt, sie ist ganz sicher von verschiedenen physikal ischen Gegebenheiten wie Windstärke oder Temperatur aber auch von der Flüchtigkeit und Stabilität des Pheromons
13.4 Fortpflanzungsverhalten
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Weibchengesang als Reaktion auf den lauten Gesang eines Männchens, das sich dann auf das Weibchen zubewegen kann (s. 11.1 ). Bei einigen Mückenarten hat man nachgewiesen, dass die Männchen mithilfe von Mechanorezeptoren auf ihren gefiederten An tenn en die F luggeräusche der Weibchen wahrnehmen und so ihre Geschlecht spartner finden.
Männchen locken Weibchen an Abb. 13-76: Dieses Männchen einer Arctiiden-Art hat große gefächerte Antennen, die mit chemischen Sinnesorganen besetzt sind und zur Wahrnehmung des weiblichen Sexualpheromones dienen. (Original von Douglas Whitman)
abhängig. Weibliche Sexualpheromone können vom Weibchen selbst synthetisiert werden, oder die betreffenden Substan zen könn en ganz oder teilweise au s der Nahrung entnommen sein. Pheromone werden oft nur zu einer bestimmten Tageszeit abgegeben, dann reagieren die Männ chen zu dieser Tageszeit auch besonders empfindli ch dar auf Männchen könn en zur Pheromonquelle lau fen oder fliegen, wobei der gena ue Mechan ismus bei den meisten Arten unb ekannt ist. Bei den bisher untersuchten Art en finden die Männ chen das pheromonabgebende Weibchen nicht durch Chemotaxis, sond ern durch Anemotaxis. Wenn ein Männchen ein Pheromon wahrnimmt, fliegt es solange in einem bestimmten Winkel zur Windrichtung, bis die Pheromon konzentration abnimmt , dann wird der Winkel zur Windrichtung wieder geändert. Dieses Verh alten führt zu einem Zickzackflug , der das Männchen dann zum Weibchen bringt. Bei vielen tagaktiven Insekten, aber zum Beispiel auch bei den nachtaktiven Leuchtkäfern, finden Männ chen ihre Paarungspartnerinnen mit Hilfe optischer Reize. Bei tagaktiven Schmetterlingen führen Männchen entweder Suchflüge durch, oder sie sitzen still an einer Stelle, um vorbeifliegende Weibchen abzupassen. Weibchen verschiedener Art en weisen spezifische Fa rbmuster auf, die potenziellen Geschlechtspartnern das Erkennen der eigenen Art erleichtern. Bei den Leuchtk äfern gibt es besonders auffällige artspezifische Mu ster in Form arttypischer Leuchtfelder am Körper des Weibchens oder in Form typischer Blinkrhythm en, mit denen herumflie gende Männchen angelockt werden (s. 18.2). Nur sehr wenige Insektenweibchen erzeugen Tön e, die den Männchen das Finden des Weibchens erleichtern. Wenn dies vorkommt, produzieren die Weibchen meist leise und nur im Nahbereich wirksame Töne. Bei vielen Arten erfolgt der
Bei einigen wenigen Insektenarten produzieren die Männ chen Sexualpheromone, die über relativ weite Strecken hinweg Weibchen anlocken. Zu diesen Arten gehören Wachsmotten (Achroia grisella, Galleria melonella), Skorpionsfliegen und Totengr äberkäfer (Gattung Nicrophorus). In allen diesen Fällen bieten die Männchen den Weibchen Ressou rcen a n. Skorpionsfliegen bieten ihren Weibchen entweder Beutestücke (Ga tt ung Panorpa, Harpobittacus) oder ein Speichelsekret (Gattung Panorpa) an. Wachsmotten-Männ chen geben ihre Pherom one von Bienenstöcken aus ab, an denen die Weibchen ihre Eier ablegen. Totengräber "sterzeln" an potenziellen Eiablageplätzen , nämlich am Aas kleiner Wirbelt iere (Abb. 13-77). Weibchen einiger Insektenarten suchen aktiv Schwärm e von Männchen au f, um dort bestimmte Männ chen für die Paarung zu wählen . Dieses Verhalten bietet für die Weibchen den Vorteil, dass sie direkt zwischen verschiedenen Männchen wählen könn en. Auch in dieser Konstellation tragen die Männch en das höhere Risiko. Auffällige Schwarm aggregationen werden von Freßfeinden gezielt aufgesucht, z. B. sind einige Grabwespen (Spheciden) der Gattung Ox ybelus auf schwärmende Fliegenmännchen als Beute spezialisiert. Die bekanntesten Beispiele für akustische Kommunikation bei Insekten sind sicher die Orthopteren und die Zikaden (s. 11 .1). Bei diesen Gruppen treffen sich die Paarungspartner in der
Abb.13·77: Ein Männchen des Totengräbers Nicrophorus vespilloides "sterzelt": Esgibt an einerFortpflanzungsressource, einem kleinen Wirbeltieraas, Pheromone ab.
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
Von Eberhard (1985) stammt die Hypothe se, dass die Funktion der komplizierten Genit alstrukturen vieler Insektenmännchen im Zusammenh ang mit der Balz steht. Nach dieser Hypothe se hilft die Stimulation durch die männlichen Genitalien bei der Kopulation dem Weibchen bei der Wahl des Paarungspartners, dessen Spermien es bei der Befruchtung bevorzugt verwendet. Eberhard spricht von kopulatorischer Balz; er selber hat bei vielen Käferarten detaillierte Untersuchungen zum Gebrauch der Genitali en bei der Paarung durchgeführt. Abb. 13·78: Ein Weibchen einer Oecanthus-Art nähert sich von hinten einem Männchen. Das Männchen hat zum Singen die Tegmina aufgerichtet. (Original von DouglasWhitman)
13.4.3.4 Intrasexuelle Konkurrenz
Regel dadurch, dass ein vom Männchen produziertes Geräusch vom Weibchen wahrgenommen wird und dem Weibchen zur Orientierung bei einer phonotaktischen Ann äherung an das Männ chen dient (Abb. 13-78). Man hat allerdings bei verschiedenen Arten gezeigt, dass da s Singen der Männchen die Weibchen nicht anlockt , sondern nur ihre Paarungsbereitschaft erhöht, sodass die Männchen zuerst nach Weibchen suchen müssen.
Bevor sie sich mit Weibchen paaren können, müssen Männchen oft nicht nur Weibchen finden und sie mithilfe des Balzverhaltens paarungswillig machen, sondern auch Paarungskonkurrenten ausschalten. Die Konkurrenz von Männ chen um begattungswillige Weibchen kann sehr unterschied liche Formen annehmen. Häufig kommt es zu direkten aggressiven Auseinandersetzungen zwischen Männ chen um Zugang zu einzelnen Weibchen oder um bevorzugte Paarungsplätze, es gibt aber auch indirekte Auseinandersetzungen.
13.4.3.3 Balz
Morphologische Anpassungen an Kämpfe bei Männchen
Bei vielen Arten sind Weibchen nur zur Paarung bereit, wenn Männ chen ein bestimmtes Balzverhalten zeigen, das oft Reaktionen auf spezifische Verhaltensweisen des Weibehens beinhaltet. Männchen, die nicht balzen oder nicht alle Verhalten selemente vorführen, werden von den Weibchen abgelehnt. Wie ander e sekundäre Geschlechtsmerkmale auch , so dient das Balzverhalten nicht nur der Überprüfung, ob der Gegenüber derselben Art angehört, sondern wahrscheinlich stellt da s Balzverhalten oft einen Test für die Qualit ät, das heißt die genetische Güte des Männchen s und seinen Gesundhe its- und Ernährungszustand dar (s. 13.4.4.1). Wie die Partnerfindung kann auch die Balz über verschiedene Sinnesmodalitäten ablaufen. Akustische Balz findet man bei vielen Grillen und Heuschrecken, bei denen die Männchen neben dem Lockgesang auch noch einen leiseren Balzgesang besitzen. Optische Balz findet man bei vielen ander en Arten, bei tagakti ven Schmetterlingen und bei Fliegen, bei denen die Männchen oft auffällige Muster auf den Flügeln besitzen. Chemische Balz kennt man von Schmetterlingen und Käfern , bei denen die Männchen im Nahbereich wirksame Sexualpheromone, so genannte Aphrodisiaka, produzieren. Darüber hinau s gibt es Arten mit taktiler Balz, bei der die Berührung bestimmter Körperteile wichtig ist.
Innerhalb der Insekten sind bei Männchen die verschiedensten Anpassungen entstanden, die sie bei aggressiven Auseinander setzungen einsetzen. Oft sind die entsprechenden morphologischen Strukturen stark geschlechtsdimorph, das heißt die betreffenden Körperteile sind nur beim männlichen Geschlecht entwickelt, oder sie sind beim Männchen sehr viel stärker ausgeprägt als beim Weibchen. Bei vielen Käferarten tragen die Männchen Hörner, die bei verschiedenen systematischen Gruppen unterschiedlich konstruiert sind und in unter schiedlicher Weise im Kampf gegen artgleiche Männ chen eingesetzt werden. Bei den Scarabaeiden sind diese Hörner Auswüchse des Halsschildes oder des Kopfes. Die "Geweihe" der Hirschkäfer (Lucanidae), mit denen die Männ chen sich gegenseitig von Baumstämmen herun terhebeln , sind modifizierte Mandibeln (Abb. 1379). Die Zangen der Ohrwürmer (Dermaptera) sind modifizierte Cerci, in den Wanzengattungen Acanthocephala und A canthocoris werden die Beine als Waffen benutzt. Territorialität
Wenn Männchen bestimmte Paarungsplätze verteidigen, an denen die Weibchen in höherer Dichte auftreten, wird dies als Territorialverhalten be-
13.4 Fortpflanzungsverhalten
Abb. 13·79 : Bei Männchen dieser Hirschkäferart ist neben den geweihähnlichen Mandibeln auch der Kopfschild stark modifiziert. (Original von Douglas Whitman)
zeichnet. Das Vertreiben eines Konkurrenten aus einem Territorium sollte eigentlich nur möglich sein, wenn der Eindringling körperlich schwächer ist als der Besitzer des Territoriums. Bei den meisten Insektenarten werden Reviere auch tatsächlich von den körperlich kräftigsten Individuen gehalten , wobei es sich häufig einfach um die größten oder schwersten Männchen handelt. Bei vielen Libellen, bei denen die Männchen die Eiablageplätze der Weibchen verteidigen , wechseln die Revierbesitzer mehrfach im Laufe eines Tages, weil die dauernde Verteidigung für ein Männchen zu energieaufwändig wird. Bei einigen wenigen Arten werden Auseinand ersetzungen über Territorien nach Konventionen entschieden. Bei den Auseinandersetzungen des Wald-Schachbrett s Pararge aegeria um sonnige Flecken im Wald behält der ursprüngliche Besitzer immer das Territo rium.
Spermienkonkurrenz
Selbst wenn Männchen mit ihren Bemühungen um ein Weibchen Erfolg haben und zur Paarung kommen, haben sie damit noch keineswegs ihren Fortpflanzungserfolg gesichert. Eine erfolgreiche Paarung ist für ein Männchen nicht gleichbedeutend
447
mit der Erzeugung überlebender Nachkommen, da das Weibchen seine Eier nicht mit den Spermien dieses Männchens befruchten muss. Wenn Weibchen sich mit zwei Männchen hintereinander paaren, haben sie meist befruchtungsfähige Spermien von beiden Paarungspartnern im Fortpflanzungstrakt, typischerweise im Receptaculum seminis, dem Spermienspeicher. Da s bedeutet, dass Weibchen sowohl die Spermien des einen wie die des anderen zur Befruchtung der Eier verwenden können. Die Spermien der beiden Männchen treten in Konkurrenz um die Befruchtung der vom Weibchen abzulegenden Eier. Dieses Phänomen nennt man Spermienkonkurrenz . Die Konkurrenz der Spermien um die Befruchtung von Eiern hat bei Männchen zu zahlreichen Anpassungen geführt , die die Wahrscheinlichkeit verringern , dass die Spermien von Konkurrenten den Wettkampf um die Befruchtung der Eier gewinnen. Wenn ein Weibchen nacheinande r mit zwei verschiedenen Männ chen kopuliert , wird meist ein Teil ihrer Eier von Spermien des ersten und der Rest von Spermien des zweiten Männchens befruchtet. Die prozentuale Vaterschaft des zweiten Männchens an den Nachkommen des Weibehens nennt man PrWert; dieser Wert kann mit verschiedenen Methoden bestimmt werden. Die meisten Insektenarten scheinen P2-Werte zu haben, die zwischen 50% und 100% liegen, was zeigt, dass die Spermien beider Männchen gemischt werden, da ss aber das zweite Männchen einen Vorteil hat. Spermien des Männchens, das jeweils zuletzt vor einer Eiablage mit dem Weibchen kopuliert hat , befruchten also den Großteil der Eier.
Grundsätzlich verringern alle Verhaltensweisen des Männchens, die weitere Paarungen des Weibchens mit anderen Männchen verhindern , die Wahrscheinlichkeit, dass das Weibchen die Spermien eines zweiten Männchens für die Befruchtung ihrer Eier verwendet. Eine bekannte und weit verbreitete Methode zur Verhinderung weiterer Paarungen ist die Partnerbewachung. Das Männchen bleibt dabei in der Nähe des Weibchens oder sogar in der Kopulationsstellung auf dem Rücken des Weibchens sitzen (Abb. 13-80, 13-81). Durch
Abb. 13-80: Bei dieser Stabheuschrecke wird das Weibchen nach der Kopulation vom Männchen "bewacht" (A). Mit einem speziellen Klammerorgan klammert das Männchen sein Abdomen an das des Weibchens an (B). (Original von Douglas Whitman)
448
13 Fortpflanzung und Entwicklung
dass andere Männchen unmittelbar nach ihm mit demselben Weibchen kopulieren , müssen sich seine Spermien noch gegen die Konkurrenz von Spermien aus früheren Paarungen des Weibchens durchsetzen . Bei vielen Libellenarten haben Männchen eine sehr spektakuläre Methode zum Ausschalten dieser Konkurrenz entwickelt: Sie räumen alte Spermien aus dem Receptaculum des Weibchens aus, bevor sie ihre eigenen Spermien übertragen. Das Kopulationsorgan (sekund ärer Penis) männlicher Libellen ist für diese Aufgabe speziell modifiziert. Vor allem bei verschiedenen Abb. 13-81: Während das Weibchen von Pyrrhosoma nym- Kleinlibellen (Zygopter a) besitzt das Kopulationsphula Eier legt, wird es vom Männchen bewacht. (Original von organ Haken, Bürsten und Vorsprünge, mithilfe Martin Lindebohm) deren Männchen die Spermien der Vorgänger weitgehend aus dem Receptaculum oder der Bursa copulatrix entfernen können (Abb. 13-82). seine bloße Anwesenheit auf dem Weibchen oder Das Ausräumen ist eine sehr effektive Methode durch direktes Abwehren von anderen Männchen zur Ausschaltung von Spermien anderer Männverhindert es weitere Kopulationen des Weib- chen. Sie kann jedoch nur zum Erfolg führen, wenn die Morphologie des weiblichen Fortpflanchens. Eine ebenso wirksame Methode wie das Bewa- zungstraktes ein solches Ausräumen zulässt. Ist chen des Weibchens kann der Verschluss der Geni- etwa der Eingang zum Receptaculum seminis sehr talöffnung oder die Blockierung des Genitaltrakts eng und der Gang zum Receptaculum lang und sein. Bei einigen Arten, wie etwa dem Gelbrandkä- gewunden, so wird es für das Männchen sehr fer Dytiscus marginalis (Dytiscidae) verschließen schwierig oder unmöglich, alte Spermien mechadie Männchen die Genitalöffnung des Weibchens nisch zu entfernen. mit einem undurchdringlichen Pfropf, früher hat Eine andere Methode zum Ausschalten von man diese von außen sichtbaren Gebilde Begat- Konkurrentenspermien ist das Wegschieben oder tungszeichen genannt. Die mit nur 0,5-1 mm Kör- Ausspülen älterer Spermien. Wenn ein Männchen perlänge kleinsten Käfer, die Federflügler (Ptilli- dem Weibchen eine relativ kompakte Ejakulatidae), haben im Vergleich zu ihrer Körpergröße masse injiziert, können dadurch in einem blind riesige Spermien, die zwei- bis dreimal so lang sind endenden langgestreckten Receptaculum alte wie der Käfer selbst. Männchen übertragen bei der Spermien nach hinten von der Mündung des ReKopula nur etwa dreißig dieser Riesenspermien , ceptaculums-Sackes weggeschoben werden. Die danach ist der Genitaltrakt des Weibchens nicht zuerst übertragenen Spermien haben dadurch wenur völlig angefüllt, sondern die Spermien ragen niger gute Chancen, das Receptaculum durch die Mündung wieder zu verlassen und Eier zu beauch noch aus dem Weibchen heraus. Auch wenn das Männchen verhindern kann , fruchten . Wenn das Männchen eine große Menge an flüssigem Ejakulat unter Druck in das Receptaculum injiziert, können Spermien aus früheren Kopulationen aus dem Receptaculum herausgespült werden. Derselbe Effekt wird erreicht, wenn wie bei einigen Kurzflüglern (Staphylinidae) der Gattung Aleochara eine Spermatophore in das Receptaculum einwächst und erst alle dort bereits vorhandenen Spermien verdrängt, bevor sie platzt und ihre eigenen Spermien entlässt. Eine weitere Methode zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Weibchen die Spermien eines bestimmten Männchens verwendet, ist die wiederholte Begattung durch dieses Männchen. Dieses Verhalten erhöht die absolute Abb. 13-82: Das Kopulationsorgan (der "sekundäre Penis") Anzahl der eigenen Spermien und ihren Anteil an eines CaloptelJ'x-Männchens weist zahlreiche Borsten auf, mit der Gesamtmenge gespeicherter Spermien im denen das Männchen bei der Kopulation zunächst die Spermien anderer Männchen aus dem weiblichen Genitaltrakt entfernt, Fortpflanzungstrakt des Weibchens, "verdünnt" bevor es eigene Spermien überträgt. (Aus Kuhn 1989, zur also Fremdspermien so stark wie möglich. Der Verfügung gestellt von Joachim Kuhn) Anteil der Spermien eines bestimmten Männchens
13.4 Fortpflanzungsverhalten
an den gesamten gespeicherten Spermien ist neben der Reihenfolge der Paarungen oft entscheidend dafür, welcher Anteil der vom Weibchen abgelegten Eier von den Spermien eines bestimmten Männchens befruchtet wird . Wiederholte Paarungen desselben Männchens sind von den verschiedensten Arten beschrieben worden. Sie scheinen insbesondere dann eingesetzt zu werden, wenn ein hohes Risiko besteht, dass andere Männchen in der Zwischenzeit mit dem Weibchen kopuliert haben, und dann, wenn das betreffende Weibchen besonders wertvoll ist, zum Beispiel weil es besonders viele Eier produzieren kann oder kurz vor der Eiablage steht. Bei der bereits erwähnten Wasserwanze Abedus herberti (Belostomatidae), bei der das Weibchen circa 20 Eier auf den Rücken des Männchens ablegt, lässt das Männchen jeweils nur die Ablage von höchstens drei Eiernzu, bevor es das Weibchen unterbricht, um erneut mit ihm zu kopulieren. Beim Totengräberkäfer Nicrophorus vespilloides (Silphidae) kopuliert ein Männchen innerhalb der ersten 48 Stunden am Aas bis zu hundertmal mit dem Weibchen. Dadurch sind die meisten Larven an diesem Aas seine Nachkommen, selbst wenn ein unterlegenes Männchen zwischendurch einige wenige Male mit dem Weibchen kopuliert hat (Abb. 13-83). Bei der schon erwähnten Wollbiene Anthidium maculosum kopulieren die territorialen Männchen in regelmäßigen Abständen mit den Weibchen, die sich längere Zeit in ihrem Revier aufhalten. Diese häufigen Kopulationen verringern die Chance, dass erschlichene Kopulationen unbemerkter Eindringlinge zum Erfolg, sprich zur Befruchtung von Eiern, führen. Der Ausgang der Spermienkonkurrenz hängt jedoch nicht, wie es nach den obigen Ausführungen vielleicht scheinen mag , allein von den beteiligten Männchen ab. Auch das Weibchen ist hierbei entscheidend beteiligt, zum einen durch das Zulassen , Abwehren oder das vorzeitige Beenden von Kopulationen, zum anderen durch die Manipulation bereits übertragener Spermien. Dieses Phänomen wird im einzelnen im nächsten Abschnitt diskutiert. Alternative Paarungstaktiken
Die körperliche Unterlegenheit erlaubt kleinen und schwachen Männchen oft nicht, ein eigenes Paarungsrevier zu verteidigen. Männchen in schlechtem körperlichen Zustand können außerdem Leistungen nicht erbringen, die für das Zulassen einer Paarung durch Weibchen notwendig sind. In einer solchen Situation können Männchen nur mithilfe einer alternativen Taktik zu Paarungen kommen. Alternative Taktik bedeutet hier, dass diese Individuen nicht die ursprünglich als arttypisch erachtete, von den stärkeren Männchen bevorzugte Methode anwenden, um sich zu paaren . Eine häufige alternative Taktik ist das Er-
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Abb. 13-83: A Kopulationshäufigkeit eines Paares von Nicrophorus vespilloides beim Eingraben eines Aases (Durchschnittswerte von 8 Paaren), (8) Effekt wiederhalter Paarungen auf die relative Vaterschaft des zuletzt kopulierenden Männchens (basierend auf jeweils mindestens 7 Paaren). In den ersten zwei Tagen am Aas kommt es zu fast 100 Kopulationen. Obwohl das Receptaculum des Weibchens in diesem Versuch mit frischen Spermien gefüllt ist, zeugt das Männchen nach derart vielen Kopulationen über 90% der Nachkommen.
schleichen von Kopulationen im Revier eines stärkeren M ännchens, während dieses abgelenkt oder unaufmerksam ist. Diese Taktik ist in der Regel sehr viel weniger erfolgreich als die Verteidigung eines Reviers; für das betreffende Individuum ist sie aber die bestmögliche Lösung in seiner misslichen Lage. Ein anderes Beispiel für die Benutzung alternativer Taktiken liefern Insektenm ännchen , die akustisch Weibchen anlocken. Bei vielen Grillen gibt es neben singenden Männchen auch andere, die sich still neben singende Konkurrenten setzen und angelockte Weibchen abfangen. Diese sogenannten Satelliten haben zwar einen geringeren Paarungserfolg als ihre singenden Artgenossen, sie genießen aber einen entscheidenden Vorteil. Satellitenmännchen verzichten auf den energieaufwän-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
digen Gesang und gehen nicht das Risiko ein, von jener der Balzgeschenke und Brutpflege gibt, beParasiten, Parasitoiden und Räubern entdeckt zu einflusst die Wahl eines bestimmten Männchens werden. Die Satellitentaktik ist, wie die meisten unter verschiedenen Bewerbern den Fortpflananderen Fälle von alternativen Paarungstaktiken zungserfolg von Weibchen. Männchen sind bei der Wahl ihrer Kopulaauch , von äußeren Bedingungen abhängig . Wenn keine singenden Männchen in der Nähe sind, be- tionspartner wenig selektiv, besonders dann, wenn ginnen auch Männchen, die sich vorher als Satel- sie lange Zeit nicht kopuliert haben . Männchen liten verhalten haben, zu singen. Es gibt aber auch versuchen Paarungen auch mit Individuen anderer genetische Unterschiede zwischen Individuen , was Arten und auch mit Geschlechtsgenossen . Durch man daran erkennen kann, dass die Söhne von eine geringe Selektivität bei der Partnerwahl verMännchen, die viel gesungen haben, mehr Zeit mit lieren Männchen kaum etwas, weil sie meist nichts Singen verbringen als die Söhne relativ schweig- als Spermien investieren, Weibchen dagegen würden einen Großteil ihres Fortpflanzungserfolgs samer Männchen. aufs Spiel setzen, wenn sie sich bei der Paarung falsch entscheiden würden . Die selektive Entscheidung von Weibchen für 13.4.4 Fortpflanzungsverhalten von einen Paarungspartner wird als Weibchenwahl beWeibchen zeichnet; neutraler kann man auch von Partnerwahl sprechen, da Männchen bei Arten mit Geschlechterrollenumkehr dasselbe Verhalten zei13.4.4.1 Wahl des richtigen gen. Paarungspartners Für Insektenweibchen ergeben sich bei der Fortpflanzung grundsätzlich andere Probleme als für Männchen. Die Anzahl der Eier, die ein Weibchen ablegen kann, hängt meist vom Ernährungszustand und von der Körpergröße des Weibchens ab. Für seinen Fortpflanzungserfolg ist außerdem entscheidend, wie gut die Eier bis zum Larvenschlupf und die Larven bis zur Imaginalhäutung überleben, und letztlich, wie erfolgreich sich seine Nachkommen fortpflanzen. Wenn die Nachkommen sich nicht parthenogenetisch aus unbefruchteten Eiern entwickeln können, haben Weibchen ein Interesse daran, nur befruchtete Eier abzulegen. Ein ausreichender Spermienvorrat ist also eine erste wichtige Voraussetzung für ihre Fortpflanzung. Die Überlebenschancen der Larven hängen dann davon ab, ob den Larven genügend Nahrung zur Verfügung steht und ob sie vor Fressfeinden und Parasitoiden geschützt sind. Alle diese Parameter kann das Weibchen durch ihr Verhalten beeinflussen.
Der Erfolg der Nachkommen als Larven oder Imagines kann aber auch von den Entscheidungen ihrer Mutter bei der Partnerwahl abhängen. Im Gegenzug für das Zulassen von Kopulationen erhalten Weibchen von Männchen Balzgeschenke, die ihren Ernährungszustand verbessern oder direkt für die Produktion von Eiern verwendet werden können, gelegentlich beteiligen sich Männchen an der Brutpflege. Auch können Männchen chemische Substanzen übertragen, die für den Schutz der Eier und Larven von Bedeutung sind. Durch eine hohe genetische Qualität ihrer Spermien können Männchen dazu beitragen, dass ihre Nachkommen besser überleben . Weil es zwischen verschiedenen Männchen Unterschiede in der Qualität des genetischen Materials wie auch in
Art und Zeitpunkt derWeibchenwahl
Weibchenwahl wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich definiert. Weibchenwahl im weiteren Sinne muss nicht immer eine aktive Beteiligung des Weibchens beinhalten. Von passiver Wahl spricht man dann, wenn das Weibchen nicht selbst einen Vergleich zwischen Männchen anstellt. Ein Weibchen kann passiv wählen, indem es sich nur mit territorialen Männchen paart, die wiederum groß und stark sein müssen, weil sie Konkurrenzauseinandersetzungen mit Artgenossen erfolgreich hinter sich gebracht haben. Auch die größere Zahl von Weibchen, die ein lauter singendes Grillenmännchen anlockt, weil es einen größeren akustischen Einzugsbereich hat, ist ein Beispiel für passive Weibchenwahl. Weibchen können sich zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten im Fortpflanzungsgeschehen für oder gegen bestimmte Männchen als Paarungspartner bzw. Väter ihrer Nachkommen entscheiden (Tab. 13-3). Wählt das Weibchen, bevor es in Kontakt mit dem Männchen kommt, so kann es dies nur auf der Basis bestimmter Signale mit großer Reichweite tun. Weibchen, die auf die Pheromone von Männchen reagieren, könnten Männchen aufgrund der Zusammensetzung ihrer Pheromone beurteilen und sich bestimmten Männchen bevorzugt nähern . Bei vielen akustisch kommunizierenden Arten weiß man , dass die Weibchen bestimmte Gesangseigenschaften bevorzugen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Weibchen den Aufenthaltsort von Männchen zur Diskriminierung nutzen und sich grundsätzlich nur an potentiellen Eiablageorten paaren , während sie Männchen, die an anderen Orten Signale produzieren, ignorieren. Aus der Nähe können Weibchen potentielle Partner anhand zusätzlicher Kriterien beurteilen, in der Regel
13.4 Fortpflanzungsverhalten
451
Tab. 13·3: Situationen, Kriterien und Konsequenzen der Weibchenwahl. ahl ntenum
2. Post opulatorische (kryptische) Wahl
1 1. Wahl aus der Ferne: vor Kon a mit dem Mannchen
akustische. optische chemische Signale; Aufen haltsort des Mannchens
onta t mit dem Mannchen
1.2. Wahl aus der ahe: nach Konta t mit dem Mannchen
Morphologie. Balzverhallen des Mannchens, Balzgeschen I.'
Stattfinden/Dauer der Paarung
2.1 Manipulation externer Ejakula 1.': Entfernen außerer Spermatophoren
Morphologie. Balzverhallen;
Anzahl Spermien bes immter Mannchen im Fortpflanzungstrakt des Weibchens
speziell Große des Balzgeschen s
2.2. Manipula Ion Interner Eja ulate: bevorzug e Re en Ion und Verwendung besnmmter Spermien
konzentrieren sie sich dabei auf bestimmte Merkmale. Optische und akustische Reize, die häufig während des Balzverhaltens übermittelt werden, liefern Information über die Körpergröße, die Ausdauer oder die Kraft des Männchens. Das Weibchen kann seine Entscheidung aber auch hier wieder von den Umständen abhängig machen, etwa davon, ob das Männchen ihr viel oder wenig Nahrung anbietet, oder ob das Männchen einen Eiablageplatz geschaffen hat oder nicht. Selbst wenn das Weibchen sich für die Kopulation mit einem Männchen entschieden hat, kann es sich später noch gegen dieses Männchen entscheiden. Bei der Skorpionsfliege Hylobittacus apicalis (Abb. 13-84) bestimmen Weibchen anhand der Größe der von Männchen angebotenen Insektenbeute, wie lange die Kopulation dauert und wie viele Spermien übertragen werden (Abb. 13-
Morphologie. Balzverhalten;
reJati I.' Vaterschaf der bega enden Mannchen
Stimulauon durch Geni allen
stercoraria besitzt, wie viele Dipteren, drei Receptacula seminis, die mit unterschiedlich vielen Spermien aufgefüllt werden. Vermutlich hat das Weibchen Einfluss darauf, aus welchem der drei Receptacula bei einer bestimmten Eiablage Spermien verwendet werden.
Evolution und Aufrechterhaltung der Weibchenwahl
85).
Obwohl es offensichtlich ist, dass Weibchen in zahlreichen Situationen tatsächlich zwischen verschiedenen Männchen wählen und bestimmte Männchen als Paarungspartner bevorzugen, sind die ultimaten Ursachen der Weibchenwahl immer noch nicht befriedigend verstanden . Wählen und
Weibchen haben verschiedene Möglichkeiten, selbst nach beendeter Paarung die Spermien bestimmter Männchen zu bevorzugen. Bei Arten, die eine externe Spermatophore übertragen, aus der die Spermien erst allmählich ins Innere des Fortpflanzungstraktes der Weibchen wandern, bestimmen die Weibchen durch den Zeitpunkt, zu dem sie die Spermatophore entfernen, die Menge der einwandernden Spermien. Auch wenn das Männchen keine externe Spermatophore überträgt, sondern sein Ejakulat direkt im Fortpflanzungstrakt des Weibehens deponiert, kann das Weibchen unter Umständen eine Wahl treffen. Bei der Stielaugenfliege Cyrtodiopsis whitei wird die Spermatophore innerhalb einer Stunde nach der Kopulation vom Weibchen wieder ausgestoßen, häufig bevor sie völlig entleert ist. Die Dungfliege Scathophaga
Abb. 13·84: Ein Pärchen der Skorpionsfliege Hylobittacus apicalis bei der Kopulation. Das Weibchen frisst während der Kopulation an einem vom Männchen erbeuteten Insektenaas. (Original von Randy Thornhill)
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
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Dauer der Paarung (Minuten)
Ablehnen eines Partners ist mit Kosten verbunden, sei es durch den zeitlichen Aufwand bei der Abschä tzung der Qualität mehrerer Männchen oder durch den Energieaufwand bei der Abwehr kopulationswilliger M ännchen . D arüber hinaus kann da s Wahl verhalten für das Weibchen ein erhöhtes Risiko durch Fre ssfeind e mit sich bringen. Theoretische Modelle, die zeigen, dass Weibchen je na ch der Gefährdung durch Fre ssfeinde unterschiedlich wählerisch sein sollten, werden durch Untersuchungen an Wasserläufern (Ge rridae) bestä tigt. In Populati on en , in denen die Dichte der Fr eßfeinde hoch ist, sind Weibchen in ihrem Paarungsverh alten wenig wählerisch. Bei der Grille Gryllus integer zieht das Weibchen ein relativ unattraktives M ännchen einem attra ktiven vor, wenn der Weg zu dem una ttraktiven eine bessere Decku ng und damit besseren Feindschutz bietet. Wenn die Weibchenwahl Kosten verursacht, mu ss es au ch einen Nutzen dieses Verhaltens geben , der diese Kosten wettmacht. D ie Vermeidung von Pa arungen mit artfremden Männchen ist ein wichtiger Vorteil der Weibchenwahl , weil solche Pa arungen zur Abl age entwicklungsunfä higer Eier
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Abb. 13-85: A Paarungsdauer von Hylobittacus apicalis in Abhängigkeit von der Größe des Insektenaases, das das Männchen dem Weibchen als Balzgeschenk anbietet. B Anzahl übertragenener Spermien inAbhängigkeit von der Paarungsdauer. Je größer das Beuteobjekt ist, umso länger frisst das Weibchen daran, und umso länger dauert auch die Kopulation. Mit zunehmender Kopulationsdauer nimmt auch die Anzahl übertragener Spermien zu. (Daten aus Thornhill und Alcock 1983)
oder zur Produktion von Nachkommen mit geringen Ü berlebenschancen führen würden. D ass Weibch enwahl insgesamt aber nur ein Nebeneffekt der Arterkennung durch Weibchen ist, ist nicht wahrscheinlich . Weibchen können auch von der Wahl zwischen verschiedenen arteigenen Männchen einen Nutzen haben, vorausgesetzt, die M ännchen haben unterschiedlich gut e Eigenscha ften und die Weibchen können diese Unterschiede erkennen. Der von den Weibchen erzielte Nutzen kann ein d irekt er materieller Nutzen für das Weibchen selbst sein, es kann au ch ein geneti scher N utze n sein, der ihren Nachkommen zugute kommt. Direkte Vorteile können Weibchen bei der richtigen Wahl dann gewinn en , wenn sich M ännchen an der Brutpflege beteiligen , das Weibchen gegen Feinde oder besonders gute N istpl ätz e gegen Konku rrent en verteidigen. Oft verteidigen M ännchen auch Nahrungsquellen od er produzieren selbst nahrhaft e Sekrete, die sie den Weibchen anbieten . Wenn das Weibchen nach materiellen Kriterien auswählt, profitiert es unmittelbar, sofern da s Wählen selber nicht zu aufwändig ist. Bei einigen
13.4 Fortpflanzungsverhalten Insektenarten ist klar dokumentiert, dass Weibchen zwischen M ännchen mit verschieden wertvollen Balzgeschenken wählen. Bei der Biene Anthidium maculosum locken Männchen mit blütenar men Territorien weniger Weibchen an als M ännchen mit blütenreichen. Bei einigen Skorpionsfliegen (Hy lobittacus apicalis) sind Männchen mit großem Insektenaas attraktiver als Männchen mit kleinem. Männchen ohne Balzgeschenk wird bei der Wanze Stilbo coris natalensis die Kopulation verwehrt; normalerweise bieten Männchen ihren Weibchen vorverda ute Pflanzensamen an . Auch bei den Tanzfliegen (Empididae) werden Männchen ohne Balzgeschenk nicht als Paarungspartner akzeptiert. Balzgeschenke können unterschiedliche Effekte auf das Weibchen und seinen Fortpflanzungserfolg haben. Bei einigen Arten sind eindeutige positive Effekte für die Zahl oder Größe der vom Weibchen gelegten Eier oder für da s Überleben des Weibchens selbst nachgewiesen, bei anderen Arten scheint es keine solchen Effekte zu geben. Selbst innerhalb einer Art kann der Effekt sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, z. B. in Abhängigkeit vom allgemeinen Ern ährungszustand der Weibchen. Wenn das Weibchen ein Männchen wegen eines bestimmten Merkmals, etwa seines großen Hornes oder seines gut riechenden Pheromons wegen bevorzugt, hat es davon keinen direkten Nutzen. Man kann sich aber vorstellen, das s bestimmte Merkmale der Männchen mit deren genetischer Qualität zusammenhängen, und diese genetische Qualität ist es, die da s Weibchen wählt. Die Präferenz von Weibchen für Männchen mit bestimmten Eigenschaften ist bei Insekten bisher nur wenig untersucht. Häufig lässt sich nicht entscheiden, ob die Paarung von Weibchen mit bestimmten Männchen auf die aktive Entscheidung des Weibchens zurückzuführen ist oder auf die Interaktionen zwischen den Männchen selbst. Einige gut untersuchte Beispiele gibt es innerhalb der Orthopteren. Bei den Grillen Gryllus pennsylvanicus und G veletis bevorzugen die Weibchen klar die ältesten Männchen, auch wenn M ännchen nicht miteinander interagieren können . Alter ist zwar kein Merkmal und kann daher auch nicht erblich sein , aber es ist denkbar, dass da s Alter ein Indikator für hohe genetische Qualität ist, weil nur gut angepa sste Individuen ein hohes Alter erreichen. Bei der Feldheuschrecke Chorthippus biguttulus singen Männchen zwar häufig, aber sie finden Weibchen hauptsächlich durch ihre eigene Suchaktivität. Weibchen paaren sich bevorzugt mit Männchen, die singen. Dabei sind sie noch weitergehend selektiv. Hat der Gesang eines Männchens kleine Lückenin bestimmten Zeitabständen, so wird die Kopulation anfangs verweigert. Wenn keine perfekten Sänger in der Population anwesend sind, wer-
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den die Weibchen im Laufe der Zeit immer weniger wählerisch, kurz vor der Eiablage lassen sie sogar vollkommen stumme Männchen zur Kopulation zu. Die Lücken im Gesang entstehen unter natürlichen Bedingungen durch Missbildungen, oder, wenn Männchen ein Hinterbein verloren haben, sodass ihnen nur noch eines der normalerweise alternierend eingesetzten Beine zur Lautproduktion übrigbleibt. Männchen mit beiden Beinen demonstrieren, dass sie bisher Fressfeinde erfolgreich vermieden haben. Bei der Grille Gryllu s bimaculatus produzieren Männchen einen so genannten Triller, einen ununterbrochenen Schrill-Laut. Weibchen bevorzugen Männchen, die besonders langesolche Trillerproduzieren. Diese Fähigkeit der Männchen hat einen erblichen Anteil; ob und wiesie mit der Qualität des Männchens korreliert, ist jedoch nicht bekannt. Bei der Stielaugenfliege Cyrtodiop sis whitei gewinnen Männchen, bei denen die Augenstiele am längsten sind, die meisten Kämpfe mit ihren männlichen Artgenossen. Attrappenversuche haben gezeigt, dass solche Männchen auch von arteigenen Weibchen bevorzugt aufgesucht werden. Bei zahlreichen Arten bevorzugen Weibchen große Männchen . Beim Bockkäfer Mon ochamus scutellatus ent scheiden Weibchen normalerweise aufgrund der Qu alität des Eiablageplatzes über ihre Paarungspartner. Weibchen bevorzugen den dicken Teil des Stammes umgebrochener Kiefern, weil in d iesem Bereich abgelegte Eier am besten überleben; M ännchen konkurrieren um Paarungsplätze in diesem Bereich. Werden aber einzelne Männchen mit einzelnen Weibchen auf einem Stück Kiefernstamm konstanter Qualität zusammenge setzt, so kopulieren die Weibchen häufiger und länger mit größeren als mit kleineren Männchen . Bei der Grille Gryllus bimaculatus bevorzugen Weibchen ebenfalls größere Männchen. Sie bleiben nach einer Kopulation länger in der Nähe dieser Männchen und geben ihnen damit die Chance zu einer erneuten Kopulation. Weibchen können von Paarungen mit attraktiven Männchen indirekt immer dann profitieren, wenn die Männchen besonders gut an die gegebene Umwelt angepasst sind und die Männchen diesen Vorteil an ihre Nachkommen weitergeben, sodass die Nachkommen des Weibchens einen Vorteil im Kampf ums Überleben besitzen. Dies ist die zentrale Hypothese der so genannten GuteGene-Modelle, die versuchen, die Evolution und Aufrechterhaltung der Weibchenwahl theoretisch zu erklären. Alle Modelle dieses Typs haben jedoch ein Problem. Wenn Weibchen kon sequent über viele Generationen Männchen mit einem bestimmten Merkmal bevorzugen, dann üben sie damit einen starken Selektionsdruck auf dieses Merkmal au s, sodass irgendwann die genetische Variation in diesem Merkmal in der Population erschöpft ist. Das heißt, dass Männchen sich in diesem Merkmal nicht mehr unterscheiden. Wenn
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
dies der Fall ist, haben Weibchen durch fortgesetzte Wahl nichts mehr zu gewinnen. Das Problem liegt also darin , dass die Weibchenwahl zur Erschöpfung der genetischen Unterschiede zwischen Männchen führt und dann den Weibchen keinen Vorteil mehr bietet. Eine zur Zeit von vielen Wissenschaftlern favorisierte Hypothese zur sexuellen Selektion, die eine Lösung für dieses Problem anbietet, ist die Parasitenhypothese von Hamilton und Zuk (1982). Nach dieser Hypothese führen wechselnde Selektionsdrucke durch Parasiten zu einer Aufrechterhaltung des Wahlverhaltens der Weibchen. Die Weibchen bevorzugen nach diesem Modell jeweils Männchen, die Gene für die Resistenz gegen den Parasiten oder Krankheitserreger tragen, der in der Population gerade die schlimmsten Konsequenzen hat. Durch die Bevorzugung dieser Männchen nehmen die Gene für diese Resistenz in der Population zu, bis sie fixiert sind. Danach haben die Tiere aber wieder mit anderen Parasiten zu kämpfen, gegen die wieder nur einzelne Individuen resistent sind. Die Weibchen bevorzugen auch hier wieder die resistenten Männchen als Paarungspartner. Die Weibchen behalten ihr Wahlverhalten bei, auch wenn der primär in der Population wirksame Parasit wechselt. Sie wählen immer Männchen mit der stä rkeren Ausprägung eines bestimmten Merkmals, z. B. Männchen mit dem größten Horn. Das gewählte Merkmal wirkt dabei nur als Indikator, es zeigt an, ob das Männchen durch Parasitenbefall in seiner allgemeinen Gesundheit stark beeinträchtigt ist. Der spezielle Parasit ist dabei irrelevant. Auch andere Faktoren als Parasiten, etwa sich ändernde Umweltbedingungen, können dazu führen , dass genetische Variation in der Männchenpopulation erhalten bleibt und dass das Wahlverhalten der Weibchen weiterhin einen Vorteil bietet. Der Umstand, dass die jeweils bevorzugten Merkmale aufwändig in der Produktion und Aufrechterhaltung sind, macht sie zu ehrlichen Indikatoren der genetischen Qualität des Männchens. Die Kosten für die extreme Ausprägung des Merkmals sind für ein Männchen in gutem Zustand geringer als für ein Männchen in schlechtem Zustand. Daher ist in diesem System ein Betrug nicht möglich. Die grundsätzliche Idee hierzu stammt von Zahavi (1975, 1977), der sein Modell Handicap-Prinzip nannte. Derzeit werden viele Untersuchungen durchgeführt, die klären sollen, ob die von Weibchen bevorzugten Merkmale tatsächlich kostenintensive, ehrliche Indikatoren der Qualität der Männchen sind. Zu der Frage, ob Weibchen tatsächlich durch ihr Wahlverhalten gesündere Nachkommen produzieren, gibt es nur wenige Untersuchungen, deren Ergebnisse zudem mehrdeutig sind. Ob zum
Beispiel bei Drosophila melanogaster die Larven von Weibchen, die ihren Paarungspartner selbst wählen durften, besser überleben als die von Weibchen , denen ein Männchen zugeteilt wurde, ist umstritten. Bei Grillen überlebten die Nachkommen von Weibchen, die ihren Sexualpartner aus einer Gruppe von Männchen wählen durften, besser als die Nachkommen von Weibchen, denen nur ein Männchen angeboten wurde. Bei allen Experimenten dieser Art ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Ergebnisse durch Konkurrenzauseinandersetzungen zwischen den beteiligten Männchen entscheidend beeinflusst wurden. Das Runaway-Modell von Fisher (1930) geht nicht davon aus, dass das Wahlverhalten der Weibchen immer zu einer Bevorzugung der bestangepassten Männchen führt. Nach Fishers ursprünglicher Version des Runaway-Modells wählen Weibchen anfänglich solche Männchen, die ein bestimmtes adaptives Merkmal aufweisen (z. B. bei Vögeln einen längeren Schwanz, der das Steuern beim Fliegen erleichtert). Bei den Nachkommen wählender Weibchen treten dann das Wahlverhalten und das bevorzugte Merkm al genetisch gekoppelt auf, weil sie wählende Mütter und Väter mit den bevorzugten Merkmalen hatten. Das Merkmal breitet sich in der Population aus und das Wahlverhalten und das Merkmal entwickeln sich zu immer extremeren Ausprägungen, sodass die sexuelle Selektion schließlich Merkmale begünstigt, die von der natürlichen Selektion benachteiligt werden. Die Wahl der Weibchen und das Merkmal der Männchen werden dabei in einem .Runaway-Prozess" durch positive Rückkopplung mehr und mehr verstärkt, bis schließlich die Effekte der sexuellen und natürlichen Selektion in entgegengesetzter Richtung wirken und sich gegenseitig aufbeben. Das von Fisher beschriebene Modell wurde unter anderem auch von Lande (1980) in mathem atische Formeln gebracht. Diese Modelle zeigten, dass ein Runaway-Prozess selbst dann zur Entwicklung extremer Merkmale führen kann , wenn durch die Weibchenwahl zu Beginn zufällig Männchen mit irgendeinem Merkmal begünstigt werden. Nach den verschiedenen Varianten des Fishersehen Runaway-Modells wählen Weibchen bestimmte Männchen also deshalb, weil sich die Präferenz der Weibchen und da s Merkmal der Männchen in der Evolutionsgeschichte der Art gegenseitig verstärkt haben , und nicht deshalb, weil die Weibchen oder ihre Nachkommen davon einen Überlebensvorteil hätten. Diese Modelle machen praktisch keine Aussagen zur Aufrechterhaltung des Wahlverhaltens, wenn man davon absieht, da ss die Gene für wählerisches Verhalten der Weibchen schließlich in der Population fixiert sind. Ein zentraler Schwachpunkt aller Runaway-Modelle ist außerdem die vermutlich meist unrealistische Annahme, dass das Wahlverhalten mit keinerlei Kosten für das Weibchen verbunden ist.
13.4 Fortpflanzungsverhalten Wenn m an versucht ab zusch ätzen, welche s Modell besser zur Erklärung der Weibchen wahl herangezogen werd en kann, mus s man bedenken, da ss F ishers Modell und die Gute-Gene-Modelle sich nicht au sschli eßen. Man kann sich eine Synthese der beiden Modelle vorstellen, bei der Weibchen ein Merkmal bevor zugen, das die Qualität de s betreffenden M ännch en s anzeigt. Im Verlauf de s Runaway-Prozesses ä nde rn sich das M erkmal und die Pr äferenz der Weibchen zu extremeren Formen hin , aber die Beziehung zwischen der relati ven Merkmalsausprägung und der Qualit ät der M ännchen bleibt die selbe. M ännchen höherer genetischer Qualität können sich extremere Merkmale leisten. Sinnesphy siologische Eigenschaften können dabei zur Evolution eine s solchen Systems beitragen, wenn die Bevorzugung immer relativ ist, das heißt, wenn immer das extremere, größ ere, lautere, kompliziertere oder schwerer zu erzeugende Merkmal bevorzugt wird.
13.4.4.2 Paarungssysteme der Weibchen H äufig könnten Weibchen mit den Spermien, die sie bei einer Paarung erhalten, alle Eier befruchten , die sie in ihrem Leben ablegen werden. Neben Arten, bei denen sich Weibchen nur einmal paaren , gibt es viele Arten, bei den en Weib chen sich häufi g paaren . Im Gegensat z zu r M onogamie bei M ännchen (M onogynie) ist Monogamie bei Weibch en (M onandrie) weit verbreitet. Bei monandrischen Arten find et die erste und einzige Paarung meist sofo rt nach der Imaginalh äutung der Weibchen sta tt, während bei Arten mit M ehrfachpaarungen das Weibchen typi scherweise erst mehrere Tage nach der Im aginalhäutung zum erstenmal kopuliert. Die wahrscheinlich ste Erklärung für diese Korrelat ion zwischen Paarungssystem und Alter bei der Erstpaarung ist, dass es bei Arten , deren Weibchen sich nur einmal paaren , einen sta rken Selektionsdruck a uf M ännch en gibt, Weibchen möglichst früh zu finden. Kopulat ionen vor der Adu lthä utung der Weibch en erhö he n den Fortpflanzungserfolg des M ännch en s nicht, weil die Spermi en selbst bei den Arten, bei denen Kopulationen zu d ieser Zeit überhaupt möglich sind, bei der Häutung verl or engehen würden. Deshalb ist es für das Männchen am günstigsten, so bald wie möglich nach der Imaginalhäutung zu kopulieren . Bei Arten mit Mehrfachpaarung hat das zuletzt kopulierende Männchen oft einen Vorteil, sodass da s Begatten von frisch geschlüpfte n Weibchen weniger erfolgreich ist als das Begatten vo n Weib chen kurz vor der Eiablage. Warum sich Weibchen überhaupt auf mehr als eine Kopulation einlassen, ist in den meisten Fällen unklar. Es
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gibt allerdings einige Gründe, warum sich Weibchen mehrmals paaren sollten. Wenndie von der ersten Kopulation gespeicherten Spermien aufgebraucht oder nicht mehr befruchtungsfähig sind, lohnt es sich für Weibchen, erneut zu kopulieren. Die langfristige Speicherung von Spermien erfordert oft physiologische Beiträge des Weibchens,zum Beispiel in Form der Produktion von Drüsensekreten. Es kann daher für Weibchen weniger aufwändig sein, sich mehrfach zu paaren, als Spermien über lange Zeiträume zu speichern. In allen Fällen, in denen sich Weibchenwahl gelohnt hat, weil das Weibchen einen direkten oder einen indirekten Nutzen aus der richtigen Wahl gezogen hat, kann es sich auch lohnen, die Leistungen von mehreren Männchen in Anspruch zu nehmen. Wenn Weibchen Balzgeschenke vom Männchen erhalten, profitieren sie direkt von zusätzlichen Paarungen. Von den Balzgeschenken der Skorpionsfliegen, Tanzfliegen und Laubheuschrecken war schon die Rede. Bei einigen australischen Wespen der Unterfamilie Thynninae geben die flügellosen Weibchen Pheromone ab, die ein geflügeltes Männchen anlocken, von dem das Weibchen dann von einer Blüte zur nächsten getragen wird, wo das Weibchen Nektar aufnimmt. Bei anderen Arten der gleichen Unterfamilie füttern die Männchen ihre Partnerinnen mit Nektar, den sie in ihrem Kropf gesammelt haben. Wenn Weibchen hungrig sind, geben sie Pheromone ab; Kopulationen lassen sie nur zu, nachdem das Männchen sie gefüttert hat. Da die N achkommen eine s Weibchens bei vielen In sektenart en in eng er räumlich er N achbarschaft leben , kann es für das Weibch en vo rteilha ft sein, wenn sich ihre Nachkommen gen etisch so sta rk wie möglich unterscheiden , was unter U mstä nde n die Konkurren z zwischen den Nac hkommen verringert. D ie grö ßtmög liche Vari abilität in ihrer Nachkommen schaft kann das Weibchen dann erreichen , wenn es die Spermien möglichst vieler verschiedener Männchen verwendet. D afür mu ss das Weibch en natürlich von vielen ver schiedenen M ännchen Kopulationen zul assen . Weibchen können sich auch de shalb a uf Kopulati on en einl assen , damit sie vo n anderen M ännchen nicht belästigt werden . Bei der Dungfliege Scathophaga stercoraria ist es für Weibch en schwierig und risikoreich , paarungswillige M ännchen abz uwehren. Weibchen d ieser Art paaren sich desh alb selektiv mit den größten M ännchen , die bei der A bwehr konkurrierender M ännch en erfol greicher sind als kleine. Es ist aber auch denkbar, dass Weibchen sich nur deshalb mehrfach mit Männchen paaren, weil es für sie weniger aufwändig ist, die Paarung zuzulassen, als sich zu wehren. Wenn sie sich wehren würden, müssten sie Zeit und Energie für die Abwehr aufwenden, und hätten eventuell ein höheres Verletzungsrisiko als bei einer Paarung. Als weitere Hypothese ist diskutiert worden, dass der starke Selektionsdruck auf Männchen zu wiederholten Kopulationen die Ursache dafür ist, dass auch Weibchen sich mehrfach paaren, weil die Paarungstendenz in beiden Geschlechtern genetisch korreliert sei. In dem vor-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
handenen Datenmaterial aus Untersuchungen an Wirbeltieren findet sich jedochkeine solche Korrelation, was diese Hypothese als sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass die Tendenz zu häufigen Paarungen bei Männchen nicht dieselbe genetische Basis hat wie eine Tendenz zu häufigen wahllosen Paarungen bei Weibchen.
13.4.5 Investition in die Nachkommen: Brutfürsorge und Brutpflege Viele adulte Insekten wären vermutlich in der Lage, die Überlebensrate ihrer Eier oder Larven zu erhöhen , indem sie sie gegen Fressfeinde verteidigen oder vor anderen ungünstigen Bedingungen schützen . Oft erzielen Weibchen aber einen höheren Fortpflanzungserfolg, wenn sie statt einer solchen weitergehenden Investition in Eier oder Larven mehr Nahrung aufnehmen und weitere Gelege produzieren. Dasselbe gilt für Männchen, für die es sich eher auszahlt, nach neuen Paarungspartnerinnen zu suchen, als in die vorhandenen zu investieren oder sich um die Nachkommen zu kümmern . Dennoch gibt es eine beträchtliche Anzahl von Insekten mit primitiven Formen der Vorsorge für die Brut . Im deutschen Sprachraum werden Verhaltensweisen, die das Überleben von Nachkommen durch Handlungen vor und bei der Eiablage verbessern, als Brutfürsorge bezeichnet. Als Brutpflege bezeichnet man dagegen Handlungen nach der Eiablage, die das Adulttier in direktem Kontakt mit Eiern oder Larven bringen. Im englischen Sprachraum wird nicht zwischen Brutpflege und Brutfürsorge unterschieden; "parental care" bedeutet je nach Autor ausschließlich Brutpflege oder schließt die Brutfürsorge mit ein. Als präsozial oder subsozial werden solche Insekten bezeichnet, die Brutpflege im engeren Sinne betreiben . Die höchstentwickelten und spektakulärsten Formen der Brutpflege treten bei den eusozialen Insekten, den Termiten (Isopteren) und den sozialen Hymenopteren auf (Bienen, Wespen und Ameisen). Die eusozialen Insekten werden gesondert im Kapitel 14 behandelt.
13.4.5.1 Formen der Brutfürsorge und Brutpflege Brutfürsorge und Brutpflege treten in den verschiedensten Formen auf, nach ihrer Funktion kann man sie vier Kategorien zuteilen. Eltern investieren in den Schutz der Eier oder Larven vor ungünstigen abiotischen Umweltfaktoren wie Trockenheit oder Sauerstoffmangel, in den Schutz vor Räubern, bei der Bereitstellung einer leicht
erreichbaren Nahrungsquelle für die Larven oder bei der Erleichterung der Nahrungsaufnahme für letztere. Einzelne Handlungen können dabei durchaus mehrere dieser Funktionen haben . Brutfürsorge Bei vielen Arten verbessern Weibchen die Überlebenschancen ihrer Nachkommen durch ihr selektives Verhalten bei der Eiablage. Eier werden oft an Orte abgelegt, an denen sie vor Feinden und vor Austrocknung besonders gut geschützt sind, unter Umständen produziert die Mutter selbst eine Hülle für das Gelege oder die einzelnen Eier. Die ausschlüpfenden Larven haben gute Überlebenschancen , wenn die Eier schon an Plätze gelegt werden, an denen die Larven vorhersagbar Nahrung finden werden. Bei Phytophagen kann durch die Eiablage in eine Futterpflanze dies alles gleichzeitig erreicht werden. Zoophage Arten graben Höhlen und legen darin einen Vorrat von bewegungsunfähig gemachten Beuteinsekten an. Bei aasfressenden Arten suchen die Eltern nach Aas und legen ihre Eier direkt an die Leiche, bei koprophagen Arten schaffen die Eltern Dung als Nahrung für ihre Larven in unterirdische Kammern, bei parasitischen Arten erfolgt die Eiablage an oder in einen Wirtsorganismus. Brutpflege Obwohl Brutpflege viele verschiedene Formen annehmen kann, dient sie letztlich immer demselben Ziel wie Brutfürsorge, nämlich dem verbesserten Überleben der Nachkommen. Allein die physikalischen Gegebenheiten können das Überleben von Eiern und Larven gefährden . Bei im Wasser oder im überfluteten Schlamm lebenden Insekten besteht die Gefahr, dass Eier und Junglarven in Bereiche mit zu geringem Sauerstoffgehalt verfrachtet werden oder sonst wie verloren gehen. Bei dem im Watt lebenden Kurzflügler Bledius spectabilis graben die Weibchen Gänge in den Boden, in denen sie ihre Eier ablegen. Die Weibchen belüften diese Gänge regelmäßig und verschließen sie immer dann, wenn die Flut kommt. Bei anderen Arten, bei Wasserwanzen oder Wasserkäfern (Hydrophiliden), tragen die Weibchen oder auch die Männchen die Eier ständig mit sich herum, und versorgen sie mit Sauerstoff. Diese Brutpflege dauert an, bis die Larven schlüpfen . Wichtiger als der Schutz vor widrigen abiotischen Umweltbedingungen ist in der Regel der Schutz vor anderen Organismen , die das Überleben der Eier oder Junglarven gefährden . Fressfeinde, Parasitoide und Parasiten stellen oft einen erheblichen Risikofaktor dar, und Weibchen
13.4 Fortpflanzungsverhalten
Abb. 13-86: Ohrwurm-Weibchen (hier mit Jungen) schützen ihre Eier während der Embryonalentwicklung vor dem Verpilzen. Nach dem Schlupf der Jungen wird das Weibchen gelegentlich von seinen eigenen Nachkommen gefressen. (Original von Douglas Whitman)
schützen häufig ihre Eier oder Junglarven durch Bewachen und Verteidigen. So warten bei vielen Heteropteren die Weibchen, auf ihren Eimassen sitzend, bis die Nymphen schlüpfen. In einigen Fällen ziehen Weibchen sogar mit der Gruppe Jungwanz en umher und verteidigen sie weiter. Ein ähnliches Verhalten zeigen auch Vertreter der Blattkäferfa milie der Schildkäfer (Cassididae) . Befall durch Mikroorganismen, insbesondere Pilze, gefährdet die Entwicklung von Eiern. Durch ständige Reinigung der Eier können diese von Pilzen frei gehalten werden , eine solche direkte Pflege der Eier ist von Laufkäfern, Wasserwanzen und Ohrw ürmern (Abb. 13-86) bekannt.
Ein weiteres wichtiges Problem, das durch Brutpflege gelöst oder doch wenigstens verringert wird, ist die Nahrungsversorgung der Larven. Bei einer ganzen Anzahl von Insekten werden nicht nur die Eier vor der Eiablage, sondern später auch noch die Larven von den Eltern mit Nahrung versorgt. Viele solitäre Wespen fahren während der Ent wicklung ihrer Larven fort , tote oder gelähmte Beutestücke in die Brutzellen einzutragen. Auch bei verschiedenen Arten der australischen Gattung Cephalodesmiu s aus der Familie der Scarabaeiden trägt das Männchen, nachdem die Larven bereits geschlüpft sind, weiter frisches oder faulendes Planzenmaterial in die Bruthöhle ein, das dann vom Weibchen zu einem dung ähnlichen Material verarbeitet wird. Das Weibchen trägt dieses Material ständig auf die Außenseite der Brutbirnen auf, in denen sich die Larven entwickeln. Auf diese Art und Weisesteht den Larven immer genügend Nahrung zur Verfügung. Neben der Bereitstellung von Nahrung können Eltern auch die Nahrung so bearbeiten oder andere Vorkehrungen treffen, dass die Nahrung für die Nachkommen bekömmlich oder leichter verdaulich wird. Bei Arten , die zur Verdauung symbiontische Bakterien benötigen, sind die Larven oft auf eine direkte Übertragung der Endo-
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Abb. 13·87: Fütterndes Totengräberpärchen (Nicrophorus vespillo) am Aas.
symbionten von den Eltern angewiesen. Dies ist bei der brutpfl egenden Waldschabe Cryptocercuspunctu!atus der Fall, daher bleibt dort die ganze Familie zusammen , bis die Na chkommen erwachsen sind. Bei jeder Häutung infizieren sich die Jungtiere dann bei ihren Eltern oder Geschwistern neu . Auch Totengräber erleichtern ihren Nachkommen die Nahrungsaufn ahme, indem die adulten Käfer das Aas für ihre Larven erst vorbereiten, dann vorverdauen und diesen vorverdauten Nahrungsbrei den bettelnden Jungen au swürgen (Abb. 13-87). Wenn die Eltern das Aas vorbeh andeln , und besonders wenn sie die Larven füttern , überleben und wachsen diese besser als ohne diese Pflegeleistungen (Abb. 13-88). Nahrung wird nicht nur bereitgestellt , sie wird auch behandelt und konserviert , damit sie nicht verdirbt. Bei einigen Arten , etwa beim Mondhornkäfer Copris lunaris, baut das Weibchen, manchmal mithilfe des Männchens, nicht nur die Brutbirnen aus Dun g von Pflanzenfressern, in die es dann je ein Ei ablegt, sondern es bleibt bei den sich entwickelnden Larven . Das Weibchen verteidigt die Brutbirnen, repariert sie, wenn Bewegungen der Larven oder Einbrüche des Erdreichs sie zerstören, und entfernt die Hyphen von Schimmelpilzen , die die Brutbirnen sonst überwuchern würden. Als letztes Beispiel noch einmal der Totengräber Nicrophorus: Auch hier stellen die Eltern nicht nur sicher, da ss ihr Nachwuchs genügend Nahrung zur Verfügung hat. Totengräbereltern verhindern auch, dass das von ihnen eingegrabene Aas von anderen Aasliebhabern genutzt oder dass es von Schimmelpilzen überwachsen wird.
13.4.5.2 Ultimate Ursachen der Brutpflege
E. O. Wilson hat in seinem Buch "Sociobiology The New Synthesis" (1975) versucht, die Umstände in der Biologie einer Art zusammenzufassen, die dazu führen , dass eine Art Brutpflege betreibt. Er nennt dort unter anderem die Gefährdung der Jungtiere durch Fressfeinde, hohen Konkurrenzdruck und extreme physikalische Umweltbedingungen als Faktoren, die die Evolution von Brutpflege begünstigen sollen. Tallamy und Wood (1986) stellten dagegen die Hypothese auf, dass die von einer Art genutzte Nahrungsressource der ent-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
13.4.5.3 Warum pflegt meist das Weibchen?
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Abb. 13-88: Entwicklung der Larven des Totengräbers N. vespilloides mit Brutfürsorge und -pflege, nur mit Brutfürsorge und ganz ohne elterliche Fürsorge. A Überlebensrate der Larven, (8) Gewicht der Larven beim Verlassen des Aases.
scheidende Faktor für die Evolution von Brutpflege ist. Nach ihrer Ansicht sind die Nahrhaftigkeit, Beständigkeit und Verteilung der Nahrung wichtig, weil sie die Geschwindigkeit und den Ort der Nahrungsaufnahme eines Insekts beeinflussen und außerdem das Ausmaß, in dem dieses Insekt Fressfeinden und Parasiten ausgesetzt ist. Ob es tatsächlich bei einer bestimmten Art zu Brutpflege kommt oder ob zum Beispiel die Eier nur an einer geschützten Stelle an oder in einer Nahrungsressource verborgen werden, hängt sicher auch zu einem großen Teil von historischen Faktoren ab. Das Verteidigungsverhalten von Weibchen der Wanze Gargaphia solani gegenüber Eiräubern ähnelt dem Verhalten, das kopulationsunwillige Weibchen auch bei anderen, nicht brutpflegenden nahe verwandten Arten gegenüber aufdringlichen Männchen zeigen.
Die ungleiche Verteilung der Brutpflegeaufgaben zwischen den Geschlechtern ist bei Insekten vielleicht nicht so auffällig wie etwa bei Säugetieren, sie ist aber dennoch vorhanden. Bei der weitaus größten Zahl der Arten mit Brutpflege ist es das Weibchen, das diese leistet. Zu diesem Phänomen gibt es verschiedene Hypothesen . Ein wesentliches Argument bildet allein die Anwesenheit der Geschlechter bei der Eiablage. Bei Arten mit innerer Besamung sind die Übertragung der Spermien und die Eiablage zeitlich und meist auch räumlich getrennte Ereignisse, sodass das Männchen in der Regel bei der Eiablage nicht anwesend ist. Würde das Männchen bis zur Eiablage bei einem Weibchen bleiben, mit dem es kopuliert hat, so würden ihm viele Gelegenheiten zu weiteren Kopulationen entgehen. Diese Trennung gibt häufig dem Männchen keine Chance, sich an der Brutpflege zu beteiligen, oder gibt ihm viele Chancen, sich der Brutpflege zu entziehen. Bei allen Arten, bei denen sich das Männchen an der Brutpflege beteiligt, finden Kopulation und Eiablage am seiben Ort statt , meist einer Ressource, die Weibchen für die Eiablage benötigen. Beim Totengräber können sich die beiden Geschlechter an einem Aas treffen. Wenn dies geschieht, finden Kopulationen und die Eiablage an diesem Aas statt und immer dann beteiligt sich das Männchen an der Brutpflege. Bleibt aber ein Weibchen allein, verwendet es gespeicherte Spermien von früheren Kopulationen und zieht allein die Brut auf. Viele Scarabaeiden zeigen ebenfalls biparentale Brutpflege, auch dort finden Kopulationen am Eiablageplatz statt. Zu rein männlicher Brutpflege kann es kommen, wenn Männchen Eiablageplätze der Weibchen verteidigen und dort gleichzeitig die Gelege mehrerer Weibchen pflegen können . Wenn die Brutpflege die Überlebensrate der Eier erhöht, sollte sich die Brutpflege für das Männchen doppelt auszahlen, weil sie das pflegende Männchen zu einem attraktiveren Paarungspartner für Weibchen werden lässt. Diese Situation ist dennoch die extreme Ausnahme, nur etwa 100 Insektenarten zeigen ausschließlich männliche Brutpflege, und die meisten dieser Arten gehören zur Wasserwanzen-Familie Belostomatidae. Bei vielen Wasserwanzen legen Weibchen ihre Eier an Pflanzen oder Pflanzenteile unter oder an der Wasseroberfläche ab. Ihre Ansprüche für Substrate sind dabei recht spezifisch, sodass geeignete Eiablageplätze selten sind und für Männchen eine gute Möglichkeit bieten, Weibchen dort zu begatten . Männchen verteidigen häufig Reviere an diesen Eiablageplätzen, was eine gute Voraussetzung für die Evolution männlicher Brutpflege darstellt (Abb. 13-89).
13.4 Fortpflanzungsverhalten
459
ren Selektionsdruck unterliegt, und davon, weIches Geschlecht besser in der Lage ist, das andere zu manipulieren.
13.4.6.1 Konflikt um das Stattfinden und die Dauer von Paarungen
Abb. 13·89: Ein Männchen der Wasserwanze Lethocerus medius bewacht ein Gelege an einem im Wasser stehenden Pfahl; die Eier entwickeln sich nur, wenn sie ständig vom Männchen befeuchtet werden. (Original von Robert L. Smith)
Hinzu kommt, dass den Eiern im Wasser Gefahren durch Eiräuber drohen wie auch durch Verpilzung, Austrocknung, oder ungenügende Sauerstoffversorgung, und dass unter Umständen alle diese Gefahren durch die Brutpflege des Männchens verringert werden können.
13.4.6 Geschlechterkonflikt Das Fortpflanzungsverhalten von Tieren wurde lange Zeit von der Verhaltensforschung als Paradebeispiel für kooperatives Verhalten zwischen Tieren betrachtet. Männchen und Weibchen sollten ja auch zusammenarbeiten, weil die Fortpflanzung im Interesse beider Partner ist . Deshalb stehen in älteren Lehrbüchern im Zusammenhang mit dem Paarungs- und Fortpflanzungsverhalten Worte wie Kooperation, Synchronisierung, Paarbindung, und Überwindung aggressiver Tendenzen im Mittelpunkt. In den letzten Jahrzehnten wurde bei der Ausarbeitung von Konzepten wie dem der Weibchenwahl oder der Spermienkonkurrenz deutlich, dass die Fortpflanzung und Paarung bei weitem kein konfliktfreier Bereich ist. Im Gegenteil, bei der Fortpflanzung gibt es besonders viele mögliche Situationen, in denen die Interessen von Männchen und Weibchen nicht übereinstimmen , auch wenn sie für eine erfolgreiche Paarung oft zusammenarbeiten müssen. Ob Männchen oder Weibchen als Sieger aus den entsprechenden Konflikten hervorgehen, hängt davon ab, welches Geschlecht in diesem Zusammenhang dem stärke-
Da verschiedene Selektionsdrucke auf die Geschlechter wirken, wird es oft Situationen geben , in denen eine Kopulation zwar im Interesse des Männchens, aber nicht im Interesse des Weibchens ist. Ebenso häufig wird es Konflikte über die Dauer der Paarung geben. Wenn mit zunehmender Kopulationsdauer die Anzahl übertragener Spermien zunimmt, hat das Männchen immer ein Interesse an langen Kopulationen. Weibchen dagegen sind daran höchstens dann interessiert, wenn sie durch die Kopulation besser vor Feinden geschützt sind oder wenn sie dadurch Zugang zu Nahrungsressourcen erhalten. Weibchen können sich gegen Kopulationsversuche von Männchen zur Wehr setzen. Wie erfolgreich sie dabei sind, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Bei vielen Orthopteren muss das Weibchen zur Kopulation auf das Männchen aufsteigen. Bei Libellen muss das Weibchen für eine erfolgreiche Kopulation ebenfalls kooperativ sein, für eine Kopplung der Genitalien ist es nötig, dass das Weibchen, während es vom Männchen festgehalten wird, sein Abdomen nach vorne schlägt und das Abdomenende dem sekundären Penis des Männchens annähert. Weibchen müssen häufig still sitzenbleiben, oder ihr Abdomenende öffnen, etwa bei stark sklerotisierten Käfern, damit eine Kopulation stattfinden kann. In allen diesen Fällen ist es also das Weibchen, das aus dem Interessenkonflikt als Sieger hervorgegangen ist. Unter Umständen kann der Konflikt aber trotz des Abwehrverhaltens des Weibchens vom Männchen für sich entschieden werden. Erzwungene Kopulationensind bei Insekten relativselten, kommen aber vor. Eine Theorie dazu besagt, dass ein solches Verhalten vor allem bei Arten vorkommt, bei denen Männchen normalerweise den Weibchen ein Balzgeschenk anbieten, bestimmte Männchen aber dazu nicht in der Lage sind. Gerade diese Männchen sind es, für die der Versuch, Kopulationen zu erzwingen, die einzige Möglichkeit zur Fortpflanzung darstellt. Beivielen Arten der Gattung Panorpa besitzen Männchen ein gut entwickeltes Klammerorgan auf dem Rücken. Mit diesem so genannten Notalorgan können sie einen Flügel des Weibchens einklemmen und es damit zum Bleiben zwingen. Wenn Männchen kein großes Balzgeschenk anbieten können, benutzen sie das NotaIorgan, um die Kopulationsdauer gegen den Willen des Weibehens zu verlängern; sie verwenden es aber auch bei dem Versuch, völlig paarungsunwillige Weibchen zur Kopulation zu zwingen, der aber nur selten erfolgreich ist.
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
Abb. 13-90: Bei der ursprünglichen Orthoptere Cyphoderris strepitanssitzt das Weibchen bei der Paarung aufdem Männchen und frisst andessen Hinterflügeln, während das Männchen versucht, eine Spermatophore zu übertragen. (Original von David Funk)
Ein anderes Beispiel sind ursprüngliche Orthopteren der Gattung Cyphoderris (Haglidae). Bei Arten dieser Gattung reiten die Weibchen bei der Paarung auf die Männchen auf und fressen an deren mit Hämolymphe gefüllten Hinterflügein(Abb. 13-90). Selbst wenn Männchen nach einigen Paarungen kaum noch Hinterflügelmaterial übrig haben, können sie sich noch erfolgreich paaren, indem sie Weibchen mit einem als "gin trap" bezeichneten, einer doppelten Zange ähnlichen Organ auf dem 9. und 10. Tergit festhalten, bis sie ihnen eine Spermatophore übertragen haben. Neben diesen Fällen mit beobachtbaren Konflikten gibt es auch viele, in denen es trotz eines Interessenkonfliktes zu keiner erkennbaren Auseinandersetzung kommt, weil entweder das Männchen oder das Weibchen aus dem betreffenden Interessenkonflikt als klarer Sieger hervorgegangen ist.
13.4.6.2 Konflikt um die Größe des Balzgeschenks Wenn Männchen ihren Paarungspartnerinnen ein Balzgeschenk anbieten, kann es um die Größe und die Qualität dieses Balzgeschenks einen Konflikt geben. Wenn das Balzgeschenk den Ernährungszustand des Weibchens verbessert, ist der Erhalt eines möglichst großen bzw. guten Balzgeschenkes im Interesse des Weibchens. Das Männchen dagegen sollte daran interessiert sein, das Balzgeschenk möglichst klein zu halten, insbesondere dann, wenn das Balzgeschenk nicht der Nachkommenproduktion zugute kommt. Wenn das Männchen das Balzgeschenk selbst synthetisiert, kann es den Aufwand bei der Produktion eines einzelnen Geschenkes möglichst gering halten, damit es viele solche Geschenke herstellen kann und zu vielen Paarungen kommt. Wenn das Männchen dem Weibchen ein Beutestück anbietet, sollte es versu-
ehen, das Weibchen nur einen geringen Teil davon fressen zu lassen, sodass dieselbe Beute ihm zu Paarungen mit weiteren Weibchen verhelfen kann. Während Weibchen also daran interessiert sind, wertvolle Balzgeschenke zu bekommen, ist es im Interesse der Männchen, Balzgeschenke wertlos und billig zu halten. Mehrere Beispiele bestätigen die Vorhersage. Bei vielen Arten der Tanzfliegen (Empididae) werden dem Weibchen vom Männchen vor der Paarung Beutestücke überreicht, an denen das Weibchen bei der Paarung frisst. Innerhalb der Gattung Hi/ara gibt es Abweichungen von diesem Muster. Bei einigen Arten überreichen Männchen dem Weibchen Beutestücke, die sie mit einem Drüsensekret der Vordertarsen eingesponnen haben, während Männchen anderer Arten dazu übergegangen sind, dem Weibchen nur noch einen leeren Ballon aus diesem Sekret zu übergeben, wodurch die Männchen den Energieaufwand für das Erjagen der Beute sparen. Ein weiteres Beispiel, in dem klar wird , dass Männchen den Weibchen so wenig wie möglich als Balzgeschenk anbieten, sind die Bittaciden der Gattung Harpobittacus. Auch hier wird dem Weibchen Beute angeboten, an der das Weibchen während der Begattung frisst. Hat ein Männchen aber ein so großes Beutestück gefunden, dass nach Übertragung eines gesamten Ejakulats von der Beute noch etwas übrig ist, so versucht das Männchen, dem Weibchen nach der Kopulation den Rest der Beute wieder abzunehmen, um ihn entweder selbst zu fressen oder ihn weiteren Weibchen anzubieten . Auch bei der oben erwähnten Orthoptere Cyphoderris versucht das Weibchen, so viel wie möglich von dem Flügelmaterial und der Hämolymphe des Männchens zu bekommen, während das Männchen sowenig wie möglich hergibt. Das Weibchen versucht nach erfolgter Spermatophoren übertragung, an den Hinterflügein des Männchens weiterzufressen, aber das Männchen beginnt sofort, seinen Körper unter dem des Weibchens herauszuziehen. Bei der Gottesanbeterin Mantis religiosa haben Freilanduntersuchungen gezeigt, dass Weibchen unter natürlichen Bedingungen gelegentlich ihre Paarungspartner noch während der Kopulation fressen (Abb. 13-91). Die Begattung erfolgt trotzdem, da auch bei dekapitierten Männchen die betreffenden Muskeln die zur Spermienübertragung nötigen Bewegungen noch ausführen. Die Weibchen profitieren von dieser zusätzlichen Mahlzeit, in der Regel können siedadurch mehr Eier legenals ohne diese Mahlzeit. Mathematische Modelle zeigen, dass unter ganz bestimmten Bedingungen ein solcher Sexualkannibalismus auch im Interesse der gefressenen Männchen sein kann. Häufig wird dies aber nicht der Fall sein, weil dem Männchen durch seinen Tod jegliche Gelegenheit zu weiteren Kopulationen entgeht. Bei den bisher untersuchten Arten verhält sich das Männchen eher so, dass es seineChance maximiert, sich zu paaren und nicht gefressen zu werden.
13.4 Fortpflanzungsverhalten
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13.4.6.3 Konflikt um die Anzahl weiterer Paarungspartner oder Partnerinnen Sowo hl fü r M ännchen als a uch für Weibchen kann es dem eigenen Fortpflanzungserfolg abträglich sein, wenn ihr derzeitiger Paarungsp artner noch zusätzliche Partner hat. Für Männchen führt dies zu verstä rkte r Spermien konkurrenz, und fü r Weibchen kann es zu Konkurrenz um die für sie ode r ihre Nachkommen vom Männchen zur Verfügun g gestellten Ressou rcen kommen . Das von vielen M ännchen gezeigte Bewachen ihr er Partner, (s. 13.4.3.4) zeugt davon , dass M ännchen ein sta rkes Interesse daran habe n, dass Weibch en sich nicht bald wieder paaren. Weibchen zeigen sich oft gegen andere Weibchen dann aggressiv, wenn diese dieselbe Ressource nutzen wollen; dieses Verhalten ist auch im Zu sammenhang mit dem Sexualverhalten zu beobachten. Ein interessantes Beispiel für ein unterschiedliches Interesse der Geschlechter an der Zahl von Weibchen, die ein Männchen begattet, bildet die nordamerikanische Totengräberart Nicrophorus defodiens. Männchen und Weibchen brauchen für ihre Fortpflanzung Aas; Männchen beteiligen sich an der Aufzucht der Larven an eingegrabenem Aas. An relativ großem Aas kommt es vor, dass zwei Weibchen gemeinsam ihre Brut aufziehen, wobei die gemeinsame Brut größer ist als die eines einzelnen Weibchens. Jedes der beiden Weibchen hätte aber mehr Nachkommen, wenn es sich allein fortpflanzen würde. Ein Männchen, das sich an der Aufzucht von Larven an einem Aas beteiligt, ist der Vater fast aller Larven. An großem Aas ist deshalb eine Konstellation mit mehreren Weibchen am Aas im Interesse des Männchens, aber nicht im Interesse des Weibchens, das als erstes am Aas war. So kommt es dort zu einem beobachtbaren Verhaltenskonflikt. wenn das Männchen mittels Abgabe eines Pheromones versucht, weitere Weibchen anzulocken. Das Weibchen versucht dann wiederholt, das Männchen von der Pheromonabgabe abzuhalten, indem es auf das Männchen aufreitet oder es von seinem Sitzplatz herunterwirft.
13.4.6.4 Konflikt um die Verwendung übertragener Spermien und um den Eiablagezeitpunkt des Weibchens Jede s M ännchen, das sich mit einem Weibchen gepaart hat , hat ein In teresse da ran , da ss möglichst viele seiner Spermien für die Befru chtung der Eier des Weibchens verwende t werden. Oft bedeutet das, dass eine schnelle Produktion und Ablage möglich st vieler Eier dem Interesse des Männchens entspricht. Die s ist allerdings nicht immer im Interesse des Weibchens. Weibchen bevorzugen bei der Kopulation bestimmte Männchen, und man kann davon a usgehen, dass es sich
Abb. 13·91 : Bei vielen Mantidenarten werden Mä nnchen während der Kopulation auch im Freiland gelegentlich von Weibchen gefressen. Die Übertragung der Spermien erfolgt auch nach der Dekapitierung des Männchens. (Original von Douglas Whitman)
auch lohnen könnte, bei der Befruchtung bestimmte Spermi en zu bevorzugen . Werden Weibchen von einem Männchen gegen ihr en Willen zur Kopulation gezwungen, kann man erwa rten, dass sie kein Int eresse haben, diese Spermien zur Befru chtung ihrer Eier zu verwende n. Bei Skorpionsfliegen zöge rn Weibch en , die von einem Männchen zu r Kopulati on gezwunge n wurde n, die Eiablage hinau s. Durch die se Verzöge rung erhö ht sich die Cha nce, dass es in der Zwischenzeit zu einer freiwilligen Paarung mit einem ande ren M ännchen kommt, dessen Spermien dann hauptsächlich für die Befruchtung der Eier verwende t werd en .
13.4.6.5 Konflikt um das Geschlecht der Nachkommen Bei den meisten Insektenarten sollte es keinen Konflikt zwischen den Eltern um das G eschlecht ihrer N achk ommen geben, weil Männchen und Weibchen mit Nachkommen beid er G eschlechter 50 % ihrer Gene gemeinsa m haben . Bei Insekten mit hapl odiploider G eschlecht sbest immung (zum Beispiel bei den H ymen opteren) jedoch gibt es einen beträchtlichen Untersch ied , weil die hapl oiden Männchen sich aus unbefruchteten Eizellen entwickeln und ihr gesamtes genetisches M aterial von der Mutter erhalten. Während Weibchen hier an jeden Nachkommen 50 % ihrer G ene weitergeben, gebe n Männchen ihren gesa mten Genbesta nd an die weiblichen Nachkom men ihrer Paarun gsp artnerinnen weiter, während sie an männliche Nachkommen überhaupt kein genetisches Material weitergeben . Bei so lchen A rten haben Männchen daher ein Interesse an der Produktion einer möglich st großen Z ahl von T öcht ern , während die Produktion von Söhnen nicht in ihr em Interesse ist. Dass dennoch in der Regel ein au sge-
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13 Fortpflanzung und Entwicklung
wogenes Geschlechterverhältnis unter den Nachkommen beobachtet wird, liegt daran, dass die Kontrolle über die Geschlechtsbestimmung allein bei den Weibchen liegt. Sie verfügen über einen Muskel am Receptaculum, mit dessen Hilfe sie über die Produktion befruchteter oder unbefruchteter Eier entscheiden können. Dies ist also ein Beispiel für einen lnteressenkontlikt, aus dem die Weibchen als Sieger hervorgegangen sind.
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14 Soziale Insekten Alfred Buschinger
zwingt, bei der Aufzucht einer dann größeren Zahl von weiteren, fertilen Nachkommen zu helfen, doch gibt es auch recht überzeugende Argumente gegen diese Vorstellung (Bourke and Franks Sozialverhalten kann prinzipiell alle auf Artge- 1995). Auch die Evolution von eusozialem aus nossen, Sexualpartner,Nachkommen, Nahrungs- mutualistischem Verhalten, aus gegenseitiger Hilund Revierkonkurrenten etc. bezogenen Verhal- feleistung, scheint möglich zu sein. Von besonderer Bedeutung ist allerdings die tensweisen umfassen. In diesem Kapitel soll jeTheorie der Verwandtschaftsselektion von Hamildoch überwiegend von hochsozialen , eusozialen ton (1964), die in zahlreichen Untersuchungen Lebensformen die Rede sein, von den Taxa, die Bestätigung gefunden hat. Grundlage dieser Theogemeinhin als Soziale oder Staatenbildende Insekten bekannt sind, also Termiten, Ameisen, so- rie ist die Tatsache, dass in Staaten von Hymenopteren ungewöhnliche Verwandtschaftsverhältwie teilweise Bienen und Wespen. nisse vorliegen, wenn eine Königin, die von einem Kennzeichen der eusozialen Organisation sind: einzigen Männchen begattet wurde, mit ihren • Mehrere Individuen einer Art kooperieren bei der Töchtern kooperiert. Brutpflege, im Gegensatz zur einfachen BetreuDa Hymenopteren-Männchen haploid sind, ung der Brut durch Mutter oder Eltern allein, können sie nur jeweils einen Typ identischer Gadie als Subsozialverh alten bezeichnet wird. • Bei reproduktiver Arbeitsteilung gibt es neben meten produzieren . Alle Töchter der Königin hafertilen Weibchen und Männchen Arbeiter oder ben somit 50 % ihrer Gene gemeinsam in Form Arbeiterinnen, die steril oder allenfalls einge- identischer Kopien vom Vater, dazu im Mittel 25% identischer Gene von der Mutter. Schwestern schränkt fertil sind. • Überlappung der Generationen. Mindestens zwei sind untereinander also zu 75% verwandt (VerGenerationen leben gleichzeitig und kooperie- wandtschaftsgrad r = 0,75). Mit eigenen Töchtern wären sie nur zu r = 0,5 verwandt , mit Brüdern ren: Mutter bzw. Eltern und Nachkommen . (aus unbefruchteten Eieren der Mutter) zu r = Alle drei Merkmale sind bei den Termiten, den 0,25. Ein Hymenopterenweibchen kann also mehr Ameisen und einem Teil der Bienen und Wespen von seinem Erbgut in die nächste Generation verwirklicht. Als semisozial werden Arten bezeich- übertragen, wenn es hilft Schwestern aufzuziehen, net, die in nur einer Generation gemeinsame Brut- als wenn es eigene Töchter in gleicher Zahl propflege bei reproduktiver Arbeitsteilung betreiben; duzierte. quasisoziale Formen kooperieren bei der BrutAltruistische Gene (Dawkins 1978), Erbanlagen pflege, ohne dass Unterschiede in der Fortpflan- also, die bei ihren Trägerinnen Helferverhalten zung auftreten, und kommunale Arten nutzen nur bewirken und z. T. Verzicht auf eigene Fortpflanein gemeinsames Nest, in dem jedes Tier für sich zung, könnten in einem solchen System indirekt seine Brut versorgt. Für die Evolution eusozialen reproduziert werden und gegenüber traditionell Verhalten s werden unterschiedliche Wege, direkt egoistischen Genen einen Selektionsvorteil erlanvon der subsozialen zur eusozialen Stufe, oder gen. Selbst bei Polygynie (mehrere reproduktive über die kommunale, quasi- und semisoziale Orga- Weibchen im Volk) und Polyandrie (Königin ist nisationsform angenommen. von mehreren, auch nichtverwandten Männchen Die entscheidende Frage ist, wie es zur repro- begattet) lassen sich unter Umständen noch Verduktiven Arbeitsteilung kommt, zur Entstehung wandtschaftsverhältnisse erwarten , die eine gesteivon Individuen, die selbst keine Nachkommen gerte Fitness von sterilen Arbeiterinnen begrünhaben und stattdessen altruistisch die Fortpflan- den. Für die Bedeutung der Verwandtschaftsselekzung von Artgenossen fördern . Verschiedene Mo- tion spricht die Tatsache, dass bei Hymenopteren delle werden hierfür diskutiert. Die Ausbeutungs- ca. elfmal unabhängig die eusoziale Lebensweise theorie (Hermann 1979, Michener & Brothers entstand, dagegen bei den Termiten nur einmal. 1974) geht davon aus, dass ein Weibchen oder Bei diesen, mit normal diploiden Männchen und Elternpaar seine ersten Nachkommen sozusagen Weibchen, werden Inzuchtzyklen über Ersatzge-
14.1 Grundlagen sozialer Lebensweise
466
14 Soziale Insekten
schlechtstiere für eine engere Verwandtschaft innerhalb der Staaten verantwortli ch gemacht. Neuerdings wird über eusoziale Lebensweise bei australi schen Thripsen (Thysanoptera) sowie Kernk äfern (Platypodidae) berichtet. Auch verschiedene Arten von gallbildenden Blattläusen zeigen Merkmale hochsozialer Organisation, so die Bildung steriler Soldaten. Bei den Aphiden und Thysanopteren handelt es sich jedoch um jeweils von einer Stammmutter parthenogenetisch erzeugte Klone genetisch identischer Individuen, sodass ihre Eusozialität in Zweifel gezogen wird: Die Soldaten opfern sich für ihre Geschwister nicht anders als somatische Zellen für die Keimzellen in jedem Metazoenorganismus. Immer sind Langlebigkeit der Adulten und damit Überlappung der Generationen, Brutpflege und Bindung an ein Nest, sowie Erkennungssysteme für Angehörige des eigenen Volkes, der Nestgeruch, entscheidende Voraussetzungen für eusoziales Leben.
14.2 Soziale Organisation von Termitenstaaten Alle etwa 2200 Termitenarten sind eusozial, wobei diese Lebensform offenbar in der Ordnung Isoptera monophyletisch, nur einmal, entstanden ist. Die Staaten umfassen, anders als bei den Hymenopteren , Angehörige beider Geschlechter, also König und Königin sowie männliche und weibliche Arbeiter und Soldaten. Als hemimetabole Insekten haben sie Larven, die nicht über längere Zeit gepflegt und gefüttert werden müssen: Bereits junge Larvenstadien arbeiten mit bei Nestbau und Nahrungssuche. Der bei Termiten recht ursprüngliche Körperbau weist auf die nahe Verwandtschaft zu den Blattodea hin, bei einer primitiven, australischen Art, Mastotermes darwiniensis, werden die Eier noch in charakteristischen Paketen abgelegt, wie bei Schaben. Entsprechend der meist unterirdischen Lebensweisesind Termiten fast immer unpigmentiert und weichhäutig, die Augen sind reduziert, oder degenerieren bei Geschlechtstieren nach dem Hochzeitsflug . Nur die Mandibeln sind stark entwickelt und hart sklerotisiert. Die Systematik unterscheidet sechs Familien, unter denen die ersten fünf als "Niedere Termiten" der sechsten, den Termitidae, gegenüberstehen. Letztere sind mit ca. 1500Arten die umfangreichste Gruppe. Nur bei diesen kommt Pilzzucht vor, während die Niederen Termiten in der Gärkammer ihres Verdauungstraktes (Abb. 4-7; 19-2)symbiontische Einzeller (Flagellaten) sowie Bakterien und z. T. Amöben beherbergen.
Besonders auffällig sind die Bauten der Termiten, die in warmen Ländern oft mehrere Meter hoch werden und bestimmte Savannenlandschaften dominieren können. Viele Arten, besonders unter den Niederen Termiten, haben jedoch unterirdische Nester, oder sie leben in diffusen Gangsystemen in Holz (Abb. 14-1). Exemplarisch sei der Bau von Bellicositermes natalensis dargestellt (Abb. 14-1 E). Im mittleren Bereich liegen die Kammern für das Königspaar, für Eier und junge Larven sowie für die Pilzgärten . Durch Stoffwechselvorgänge von Pilz und Termiten angewärmte, COrreiche Luft steigt daraus auf in die Kuppel des Nestes. Dicht unter der Oberfläche findet die Abgabe des CO z und der Austausch gegen Oz statt. Die abkühlende Luft fließt in peripheren Kan älen, die in einer Art Kühlrippen außen an den Flanken verlaufen, abwärts zur Basis, von wo sie wieder in den Nestkern aufsteigen kann. Ein anderer Bautyp bei derselben Art umfasst basale Luftzuführungskan äle von außen , während die verbrauchte Luft im oberen Bereich des Hügels aus flachen, dünnwandigen Kammern ins Freie entweicht. Zahlreiche Abwandlungen, Nester in Form von Pilzhüten (Cubitermes fungifa ber), oder auf Bäumen angelegte rundliche Bauwerke sind bekannt. Fast immer führen ausgedehnte Galerien von den Nestern über viele Meter in die Umgebung, unterirdisch oder auch an der Oberfläche. Manche Arten bauen Gänge, die bis 30 m tief zum Grundwasser reichen.
Als Baumaterial dienen Erde, Holzpartikel und insbesondere Kot, mit dem die übrigen Bestandteile verkittet sowie Galerien ausgekleidet werden. Die Nahrungsaufnahme ist bei Niederen Termiten nicht völlig vom Nestbau zu trennen . Oft werden die beim Zernagen von Holz entstehenden Hohlräume direkt als Nestkammern benutzt. Das Holz wird in der Gärkammer des Darmes von symbiontischen Flagellaten und Bakterien verdaut, wobei besonders die Cellulose zu CO2 , H 2 , Methan und Essigsäure abgebaut wird (s. Kap. 4; 19.1.5.4). Letztere scheint den Termiten im Wesentlichen als Nahrung zu dienen. Bakterien im Enddarm können auch N 2 fixieren und sowohl den Flagellaten als auch den Termiten zur Verfügung stellen, wenn die Nahrung ansonsten stickstoffarm ist. Bei Höheren Termiten übernehmen die Pilzgärten einen Teil dieser Symbiosefunktion. Die Pilze (u. a. Gattung Termitomy ces) leben vor allem von Holzpartikeln , die den Darm der Termiten bereits einmal passiert haben und die in die schwammartigen Pilzgärten eingebaut werden. Grundlage der Ernährung von Termiten sind somit überwiegend totes Holz, aber auch Humus, Fallaub und anderes teilweise zersetztes Pflanzenmaterial. Wenige Arten sammeln Gras oder ziehen oberirdisch aus, um Algen und Flechten auf der Oberfläche von Baumstämmen etc. abzuweiden. Reich entwickelt ist bei Termiten der Kastenpolymorphismus, insbesondere da er sich nicht al-
14.2 Soziale Organisation von Termitenstaaten
467
A
E
Abb. 14-1:Termitennester. A Diffuses Nest einer Niederen Termite Kalotermes flavicollis. Die bei der Nahrungsaufnahme im Holz entstehenden Hohlräume werden als Nest genutzt. In der Abbildung sind schematisch die Entwicklungsreihen dargestellt, ausgehend vom Ei und jüngeren Larven (unten) über Vorsoldaten und Soldaten (rechte Seite), sowie über Pseudergaten (Mitte) zu primären (oben) bzw. sekundären Geschlechtstieren (linke Seite). (Nach Wilson 1971) B Mehrstöckige pilzförmige Nester von Cubitermes im westafrikanischen Regenwald. (Nach v. Frisch 1974) C Baumnest von Termiten in Australien. 0 Die Nester australischer Kompaßtermiten sind brettartig flach von N nach Sausgerichtet. So trifft die heiße Mittagssonne nur den schmalen oberen Rand, während morgens und abends die breiten Flanken erwärmt werden. (Nach einerAufna hme von W. Peters) E Schnitt durch Nester der Höheren Termite Bellicositermes natalensis, links aus Uganda, rechts von der Elfenbeinküste. Im Inneren das eigentliche Nest mit der Ka mmer für das Königspaa r, Brutkammern und Pilzgärten. Pfeile deuten die Luftzirkulation an, die der Klimatisierung dient (vgl. Text). (Nach Krishna und Weesner 1969, 1970)
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14 Soziale Insekten
A
b
Abb. 14-2: Termiten. A Die Kasten von Bellicositermes. a: Königin, b: König, c, d: Großer und Kleiner Soldat, e, f: Großer und Kleiner Arbeiter. B Geflügeltes Geschlechtstier von Reticulitermes lucifugus. C Nasensoldat von Nasutitermes. D Soldat von Neocapritermes mit asymmetrischen, gekreuzten Mandibeln. (Nach Schmidt 1953)
lein auf die Adultstadien sondern auch auf die Larvalentwicklung erstreckt (Abb. 14-2). Unter den Geschlechtstieren werden primäre, sekundäre und sogar tertiäre unterschieden. Die prim ären sind die einzigen geflügelten Formen. Sie führen einen Hochzeits- oder besser Ausbreitungsflug durch. Paarweise im Tandemlauf, beim so genannten Liebesspaziergang, suchen sie einen für die Koloniegründung geeigneten Ort. Dabei werfen Männchen und Weibchen die Flügel ab, eine Konvergenz zu den Ameisenköniginnen! Erst nach Anlage einer Gründungskammer kommt es zur Kopula, die im späteren Leben des Königspaares in Abständen wiederholt wird.
Besonders bei Höheren Termiten, aber auch z. B. bei den Rhinotermitidae (Nasen termiten) wird die Königin außerordentlich groß und fertil. Eine Ma crotermes-Königin kann im Laufe von Jahren von 3,5 cm auf 14 cm anwachsen und ihr Volumen auf das l25-fache steigern. Dieses Wachstum geht mit einer Vermehrung der Zahl der Ovariolen einher, die Cuticula soll durch Intussuszeption vergrößert werden. Die Lebensdauer wird mit bis zu 90 Jahren angegeben. Eiablageraten von 20-30 pro Minute und täglich bis zu 86000 wurden bei Odontotermes registriert . Entsprechend erreichen Termitenvölker Individuenzahlen von bis zu 3 Millionen. Erst in jüngerer Zeit wurde bekannt, dass Termitensta aten nicht selten zwei oder mehr Königspaare enthalten können .
14.3 Soziale Organisation von Hymenopterenstaaten
Sekundäre oder Ersatzgeschlechtstiere entstehen meist dann, wenn das prim äre Paar verloren geht , oder als Ergänzung zu diesem in entsprechend groß en Sozietäten. Sie sind nie voll geflügelt und verbleiben dementsprechend im Volk, doch wird ihre anfänglich größere Zahl u. U. durch Kämpfe auf ein Paar oder einige wenige Paare reduziert. Tertiäre, noch mehr arbeiterähnlich gestaltete Geschlechtstiere mögen ihnen folgen. Da es sich dabei um Geschwister handelt, resultiert Inzucht und die bereits erwähnte (s. 14.1) engere Verwandtschaft der Kolonieangehörigen. Bei manchen Arten scheinen nur Völker mit Ersatzgeschlechtstieren geflügelte Primärköniginnen und -könige zu erzeugen. Männliche und weibliche Arbeiter sind bei den Niederen Termiten Jugendstadien, die sich ab dem dritten von 6-8 Stadien an den Arbeiten im Nest beteiligen . Ihre weitere Entwicklung zu Geschlechtstieren ist prinzipiell möglich , wird aber trotz gelegentlicher Häutungen gebremst, sodass sie als Pseudergaten ihre Arbeitergestalt und -funktion beibehalten. Bei den Termitidae dagegen differenzieren sich bereits die Larven im ersten Stadium in eine fertile und eine sterile Linie. Letztere entwickeln sich weiter zu kleinen oder großen Arbeitern bzw. Soldaten, die alle dann Endstadien darstellen und sich nicht weiter häuten . Endstadien sind ebenfalls die Soldaten der Niederen Termiten. Eine Soldatenkaste ist bei den meisten Termitengattungen vorhanden, selten übernehmen Arbeiter die Verteidigung, z. B. mittels fäkaler Sekrete (Skatitermes). Soldaten können durch Beißen und Schneiden mit den ungewöhnlich großen, stark sklerotisierten Mandibeln die Kolonie sowie außerhalb sammelnde und bauende Arbeitertrupps verteidigen . Bei anderen Arten werden die z. T. asymmetrischen Mandibeln fest aneinandergepresst und überkreuzen sich dann schlagartig, sodass ein in Reichweite befindlicher Gegner weggeschleudert oder zerschmettert wird (Abb. 14-2 D) . Eine häufige Spezialisierung ist auch die Verteidigung mittels klebriger oder ätzender Sekrete aus Speichel- oder Frontaldrüsen von Nasensoldaten (s. 17.2.2.3). Gelegentlich sind phragmotische Soldaten anzutreffen, deren Kopfvorderfläche hart sklerotisiert ist und wie ein Stöpsel in Nesteingänge gefügt werden kann (vgl. Ameisen). Die meisten Verteidigungsmechanismen richten sich gegen Ameisen , die als Hauptfeinde der Termiten gelten.
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14.3 Soziale Organisation von Hymenopterenstaaten Die Mehrzahl der Hautflügler lebt solitär (z. B. Blattwespen) , betreibt Brutvorsorge (Schlupfwespen, viele Bienen), oder allenfalls, in einer subsozialen Stufe, Brutpflege in der Elterngeneration. Innerhalb der Aculeata sind sämtliche Formicidae eusozial , sowie ein Teil der Vespoidea und Apo idea . Unter Letzteren ist die Staatenbildung mindestens fünfmal , vielleicht achtmal konvergent entwickelt worden . Da Hautflügler holometabol sind und die Apocrita allgemein wenig bewegliche, madenförmige Larven haben , sind diese auf die Brutpflege durch Adulte angewiesen . Ihre Leistungen für die Sozietät beschränken sich allenfalls auf eine Funktion als Nahrungsspeicher. Bei Weberameisen liefern die Larven Spinnseide für den Nestbau.
14.3.1 Wespen Außer einer tropischen Gattung der Sphecidae gehören alle eusozialen Wespen zur Familie der Vespidae. Deren 700 bis 800 Arten gliedern sich in drei Unterfamilien. Die Stenogastrinae sind auf Südostasien beschränkt. Sie zeichnen sich durch sehr schlanken Körperbau und ein lang gestieltes Abdomen aus. Ihre Nester sind klein, umfassen kaum mehr als 40 Zellen, die aus Pflanzenfasern und Lehm gebaut werden . Sie sind außergewöhnlich vielgestaltig , zum Teil werden die nach unten offenen Zellen einzeln in einer Reihe untereinander angelegt, bei anderen Arten entsteht eine Art Wabe. Die Eiablage ist durch eine Besonderheit gekennzeichnet: Das Ei wird auf einen Tropfen Sekret der Dufourschen Drüse abgelegt und erst danach mithilfe der Mandibeln in die Zelle geklebt. Als Nahrung der Larven wie der Adulten dienen zerkaute Arthropoden . Sehr vielfaltig scheint die Art der Koloniegründung zu verlaufen. Oft werden neue Nester von einzelnen Weibchen angelegt. Die darin aufgezogenen Jungweibchen können als Helferinnen am Nest bleiben, selbst ein Nest gründen, sich einem fremden Völkchen anschließen, oder ein fremdes Nest erobern. Gelegentlich entwickelt sich eine Dominanzhierarchie unter den Weibchen eines Nestes (vgl. Polistinae) . Alle Weibchen werden zu irgendeinem Zeitpunkt begattet, sodass es keine dauerhaft sterilen Arbeiterinnen gibt . Innerhalb der Polistinae lassen sich die Tribus Ropalidiini, Polybiini und Polistini unterscheiden. Die ersten beiden sind im Wesentlichen auf die Tropen beschränkt. Detaillierter seien hier die Po-
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14 Soziale Insekten
Abb. 14-3:Soziale Wespen. A Typisches Nest einer Feldwespe der Gattung Pofistes, das aus nur einer Wabe ohne Hülle besteht. (Nach Evans und West Eberhard 1970) B Nest der polybiinen Wespe Epipona, Kartonhülle teilweise entfernt. (Nach Wilson 1971) C Nest der Hornisse Vespa crabro, mehrere Wabenteller sind untereinander angeordnet. Offene Bereiche des bewohnten Hohlraumes, hier in einer Baumhöhlung, sind mit einer mehrschichtigen Hülle umgeben. 0 Schnitt durch ein Nest von Vespula saxonica. (C und D nach Kemper und Döhring 1967)
listini vorgestellt, die mit ca. 150 Arten fast weltweit verbreiteten Feldwespen. Sieben Polistes-Arten kommen in Europa vor. Neben diesen selbständigen gibt es noch einige wenige bei Poliste s parasitierende Species der Gattung Sulcopolistes. Die Ne ster der Feldwespen werden wie die der Vespinae aus einer papierartigen Ma sse, au s abgenagten trockenen Holzfasern, Wasser und Speichel gebaut. In der Regel
handelt es sich um jeweils nur eine, nach unten offene Wabe ohne Nesth ülle, die im Freien oder leicht geschützt unter einem Felsvor sprung etc. angelegt wird (Abb. 14-3 A). Die Völker bleiben klein, entsprechend werden nur etwa 50-60 Zellen gebaut, in wärmeren G ebieten mehr. Wie bei den Vespinae (s. u.) hängen die Larven kopfunter in den Zellen . Vor der Verpuppung spinnen sie mittels Labialdrüsensekret einen kuppelförmigen Deckel über die Zellenöffnung.
14.3 Soziale Organisation von Hymenopterenstaaten In den Tropen findet die Bildung neuer Völker das ganze Jahr über statt, während in den gemäßigten Breiten die einjährigen Staaten im Frühjahr durch begattete, überwinterte Weibchen gegründet werden. Nicht selten vereinigen sich mehrere Jungweibchen, bis zu 10 bei einzelnen Arten, zu gemeinsamer Koloniegründung. Dabei entwickelt sich unter Kämpfen zunächst eine Hierarchie, wobei das dominante a-Weibchen überwiegend am Nest bleibt, sich füttern lässt und die Mehrzahl der Eier legt. Eier anderer Weibchen werden zum Teil von dem n-Tier gefressen. Später, wenn die ersten Jungtiere schlüpfen, vertreibt das dominante Weibchen die Helferinnen oder tötet sie sogar. Morphologisch unterscheidbare Kasten gibt es nicht, nur nach dem Verhalten lassen sich Arbeiterinnen und Königin unterscheiden. Die Jungkö niginnen kopulieren im Sommer und suchen bald ein Überwinterungsquartier auf Als Nahrung dient den Feldwespen neben Blütennektar vor allem tierische Beute. Nektar wird in Form kleiner Tropfen in mit Eiern bestifteten Zellen kurzfristig gespeichert. Über die parasitischen SulcopolistesArten wird in Abschnitt 14.7.4 berichtet. Die Unterfamilie Vespinae umfasst einige nachtaktive Arten der südostasiatischen Gattung Provespa sowie die auch in Europa verbreiteten Gattungen Vespa (Hornissen), Vespula und Dolichovespula. Innerhalb der letzten beiden gibt es wiederum einige parasitische Formen (s. 14.7.4). Allgemein sind die Nester der Vespinae weit größer als die der Polistinae. Sie umfassen mehrere untereinander angebrachte, mit Säulchen abgestützte Wabenteller, mit nach unten offenen Zellen (Abb. 14-3). Stets ist auch eine Hülle aus dem üblichen Nestmaterial, zernagtes Holz und Speichel, vorhanden. Sie besteht aus mehreren Lagen, wobei mit dem Heranwachsen der Waben innere Schichten abgebaut und außen neue aufgelagert werden. Die Nester sind je nach Art verschieden im Freien, in Bodenhohlräumen oder in Höhlungen von Bäumen, Gebäuden etc. aufgehängt. Der Jahreszyklus der einjährigen Vespinae in den gemäßigten Breiten entspricht dem der Polistes-Arten. Einzeln überwinterte, im Vorjahr begattete Weibchen (Königinnen) gründen ihre Nester allein an geeigneten Stellen und ziehen eine erste Brut von deutlich kleineren Arbeiterinnen auf. In dieser Zeit ernähren sie sich hauptsächlich von Nektar, später kommen Insekten als Beute hinzu, besonders für die Larven . Im Spätsommer schließlich werden auch reifes Obst und z. B. Fleisch verzehrt. Im Laufe des Sommers wachsen die Völker auf zum Teil beträchtliche Individuenzahlen an. Für die Hornisse werden bis zu 730 Adulte und 2800 Zellen angegeben, bei Paravespula können 4-5000 Individuen und 25-30000 Zellen erreicht werden,
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während Dolichovespula-Arten mit etwa 120 bis 2000 Zellen und maximal knapp 400 Individuen deutlich kleinere Völker aufbauen. Je nach Art wird der Höhepunkt der Populationsentwicklung in unseren Breiten bereits im Juli überschritten, die Völker sterben dann im August/ September ab. Vespa crabro kann dagegen bis zu den ersten Frösten im November überleben . In jedem Fall treten ab etwa August/September in den Nestern Männchen und junge Königinnen auf. Letztere entstehen in größeren Zellen als die Arbeiterinnen. Paarungen finden bald nach dem Schlupf der Weibchen meist am Boden statt, wobei ein Weibchen mehrfach mit demselben, oder auch mit verschiedenen Männchen kopulieren kann . Nur die begatteten Jungköniginnen überstehen den Winter in einem Versteck, die alte Königin und das gesamte Volk gehen im Herbst zugrunde . Dies gilt allerdings nicht für tropische Formen , wo durchaus mehrjährige Nester und Kolonievermehrung durch Schwarmbildung verbreitet sind. Entsprechend leben in solchen Sozietäten auch mehrere Königinnen nebeneinander (Polygynie), während unsere einjährigen Vespinae stets monogyn sind, nur eine reproduktive Königin, eben die Gründerin, umfassen.
14.3.2 Bienen Die Überfamilie der Apoidea , Bienenartigen, umfasst 9 Familien, wobei eusoziales Verhalten in den drei Familien der Halictidae, Anthophoridae und Apidae auftritt. Unter den weltweit etwa 20000 Arten der Apoidea ist nur ein kleiner Teil eusozial, dennoch geht man davon aus, dass diese Organisationsstufe innerhalb der Überfamilie etwa achtmal konvergent entwickelt wurde, bei Termiten und Ameisen dagegen nur je einmal. Bienen sind generell im Habitus plumper als Wespen und zumeist stärker behaart, wie dies an Hummeln besonders auffällig wird. Die Nahrung besteht bei fast allen Bienenartigen aus Blütenpollen, Nektar und Honigtau, wobei Adulte und Larven dieselbe Nahrung erhalten . Die Imagines haben entsprechend zu einem Saugrüssel umgestaltete Mundwerkzeuge (Abb. 25-48). Die Larven sind wie bei Wespen und Ameisen madenförmig. Flüssige Nahrung wird im Kropf transportiert, Pollen zumeist in spezialisierten Teilen des Haarkleids wie Bauchbürsten, Haarlocken oder "Körbchen" an den Hinterbeinen. Ursprünglich wird wohl eine Zelle mit Proviant versorgt, mit einem Ei belegt und dann verdeckelt; man bezeichnet dies als Vorratsfütterung. Diese Form kommt allerdings auch bei den hochsozialen Meliponinen vor. Progressive Fütterung,
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14 Soziale Insekten
d. h. wiederholte Versorgung der Larve mit Futter in der offenen Zelle, ist die abgeleitete Form, die man bei Honigbienen vorfindet. Die Familie Apidae umfasst die eigentlichen Honigbienen der Gattung Apis und die Hummeln (Bombinae), einschließlich der Schmarotzerhummel-Gattung Psithyrus (s. 14.7.4), die tropischen Stachellosen Bienen (Meliponinae), sowie die neotropischen Euglossinae, die jedoch keine hochsozialen Formen entwickelt haben. Insbesondere die Gattung Apis wurde und wird aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutun g der Honigbienen als Bestäuber und Honigerzeuger intensiv untersucht, die Literatur dazu ist unübe rschaubar umfangreich . Neben den domestizierten Arten Apis mellifera (mit zahlreichen Rassen) und Apis cerana (= indica), der Östlichen Honigbiene, sind einige weitere Arten bekannt, von denen A. koshevnikovi, A. andreniformis und A. laboriosa erst in jüngerer Zeit entdeckt wurden .
Die Honigbienen bauen senkrecht aufgehängte, plattenartige Wachswaben mit waagerechten Zeilen, die beidseitig im bekannten hexagonalen Muster optimal raum- und materialsparend angeordnet sind (Abb. 14-4). Das Wachs wird von den Arbeiterinnen einer bestimmten Altersklasse aus ventralen Hinterleibsdrüsen in Form kleiner Wachsplättchen sezerniert , mit Mandibeldrüsensekret emulgiert und mittels der löffelförmig gestalteten Mandibeln verbaut. Während einige tropische Arten wie A. jlorea und A. dorsata nur jeweils eine zum Teil recht große Wabe frei etwa an einem Ast aufgehängt anlegen , bauen A. mellifera und A. cerana in natürlichen oder künstlichen Hohlräumen, von deren Decke jeweils mehrere Wabenplatten parallel in bestimmtem Abstand herabhängen. Die Waben dienen einerseits der Aufzucht der Larven , andererseits auch der Anlage von Vorräten in Form von Honig und Pollen. In speziellen Weiselwiegen, meist am Rand der Wabenflächen, werden Königinnenlarven herangezogen. Eine Mischung aus Wachs, Harz und anderen Substanzen ist die Propolis, ein Material, das z. B. dem Abdichten von Fugen und Ritzen in der Beute dient. Ein Volk der stets monogynen Hon igbiene umfasst im Sommer neben der einen Königin 40000 bis 100000 Arbeiterinnen und die Brut in den Waben. Im Frühsommer entstehen zahlreiche Drohnen aus unbefruchteten Eiern , sowie einige wenige Jungköniginnen . Beim Schwarm, noch vor dem Schlupf der ersten Jungkönigin , zieht die alte Königin mit einem Teil der Arbeiterinnen ab. In einer neuen Behausung werden wieder Waben angelegt, das Volk lebt somit weiter. Die erste Jungkönigin tötet ihre jüngeren Rivalinnen ab und fliegt dann aus zum Hochzeitsflug , der auch wiederholt werden kann . Nach der Begattung durch bis zu 20 Drohnen ist ihr Receptaculum seminis gefüllt, die junge Königin tritt an die Stelle der alten im verbliebenen Restvolk. Die Königinnen haben eine Lebensdauer von 4-5 Jahren , die
Arbeiterinnen überleben im Sommer nur ca. 30 Tage, überwinternde jedoch 170 und mehr Tage. Bekannt ist die recht exakte Temperaturregulation im Bienennest, die im Nestzentrum 35 "C aufrechterhält, und zwar bei Außentemperaturen zwischen +70 -c und - 80 -c
Die Hummeln, Bombinae, leben ebenfalls alle eusozial, jedoch anders als die Apinae in einjährigen Sozietäten. Sie gleichen darin weitgehend den Wespen gemäßigter Breiten. Die Jungköniginnen, die sich im Spätsommer oder Herbst gepaart hatten, überwintern einzeln in entsprechenden Verstecken . Im Frühjahr beginnen sie mit der Gründung neuer Staaten, in der Regel in vorgeformten Hohlräumen, Astlöchern, Mäusenestern etc.. Auch die "Zellen" der Hummeln bestehen aus Wachs, das Königin und später die Arbeiterinnen dorsal und ventral am Hinterleib ausscheiden. Die Zellen sind eher urnen- oder krugförmige Gebilde, die zu lockeren Haufen gruppiert aufrecht im Nest stehen, nicht zu eigentlichen Waben angeordnet sind (Abb. 14-4 A). In eine Zelle legt die Hummelkönigin - einzigartig unter den Bienen und Wespen - mehrere Eier auf einen Vorrat von "Bienenbrot" aus Pollen und Nektar. Die Larven werden wiederholt nachgefüttert, während ihrer Entwicklung brütet die Königin zeitweilig auf den ersten Zellen, wobei Temperaturen bis 38 "C erreicht werden . Auch später wird das Nest auf einer relativ konstanten Temperatur von 30-33 "C gehalten. In der Regel ist der Brutbereich von einer lockeren , isolierenden Hülle aus Gras, Haaren, Moos u. ä. umgeben, die mit Wachs und teilweise sogar Nektar oder Honig verklebt wird . Die Larven spinnen vor der Verpuppung jeweils einzelne Kokons in der gemeinsamen Wachszelle, die dann von Arbeiterinnen abgebaut werden kann. Die leeren Kokons dienen später als Vorratsbehälter. Die ersten Arbeiterinnen sind sehr klein, später im Jahr schlüpfen dank der besseren Nahrungsversorgung zunehmend größere Tiere, schließlich die großen Jungköniginnen sowie Männchen. Insgesamt werden Koloniegrößen von 100 bis 500 Adulten erreicht. Im Paarungsverhalten ist interessant, dass die Männchen Flugbahnen anlegen und mit Mandibeldrüsensekret, das u.a. Farnesol enth ält, auf Blättern , Grashalmen etc. markieren . Dort treffen sie auf die begattungsbereiten Jungköniginnen . Im Herb st sterben alte Königin sowie Arbeiterinnen, Männchen und noch verbliebene Brut ab, nur die begatteten jungen Königinnen überwintern . Aus den Tropen sind, ähnlich wie bei den Wespen, auch mehrjährige Kolonien bekannt.
Die Stachellosen Bienen, Meliponinae, sind mit ca . 500 Arten hauptsächlich der Gattungen Melipona und Trigona in Mittel- und Südamerika, Afrika, Asien und Australien verbreitet. Sie leben alle eusozial. Zwar ist der Wehrstachel reduziert, doch sind die Tiere keinesfalls wehrlos : Sie beißen und
14.3 Soziale Organisation von Hymenopterenstaaten
B
473
c Vorrats- -I'--HIT';~
beb älter
Flugloch Brutwaben
Involucrum Baturnen
+--+--t===::::::::=~
Abb. 14-4: Soziale Bienen. A Ein Volk der Steinhummel Bombus lapidarius in einem verlassenen Mäusenest. links Honigtöpfe, links oben und unten große Wachszellen mitmehreren larven, rechts oben Königin aufverdeckelten Zellen mitPuppen, rechts leere Puppenkokons, die als Pollenspeicher dienen. B Nest der Honigbiene in natürlichem Hohlraum (Baumstamm) mit mehreren parallelen Wachswaben. C Nest der Stachellosen Biene Melipona pseudocentris in einem hohlen Baumstamm. Brutwaben mit nach oben offenen Zellen, Involucrum: Hülle aus Wachs und Propolis, Batumen: Trennwände aus Propolis, Wachs und anderen Substanzen. (Nach Wilson 1971)
applizieren dabei ätzendes Mandibeldr üsensekret, das zuweilen auch aus dem Flug auf Angreifer abgespritzt wird. Die Völker sind zum Teil sehr groß mit bis zu 180000 Individuen, bei anderen Arten umfassen sie nur wenige hundert. Zumeist liegt Monogynie vor, doch wird bei einzelnen Arten auch über Polygynie berichtet.
Die nur teilweise aus Wachs bestehenden Nester werden in Baumhöhlen (Abb, 14-4), im Boden oder in anderen Hohlräumen angelegt. Wachs wird auf der Oberseite des Hinterleibs von Arbeiterinnen und auch Männchen sezerniert. Daneben werden Lehm , Mist, pflanzliche Fremdmaterialien und Harz in unterschiedlicher Mischung verbaut,
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14 Soziale Insekten
besonders in Hüll- und Stützkonstruktionen der Nester. Die Nester selbst könn en recht kompl iziert struktur iert sein. Im Prinzip bestehen sie aus waagerechten , wie bei Wespen übereinand er angelegten Wabentellern, deren Zellen sich jedoch nach oben öffnen. Außerh alb des Brutnestes können Gruppen von Vorratsbehältern an geordnet sein, deren Größe die von Hühnereiern erreicht. Besonders kompl iziert sind oft die Nesteingangsbauwerke, trichter- oder schlauchförmige Gebilde, deren Außenseite zur Abwehr u. a. räuberischer Ameisen mit klebrigem Harz bedeckt wird . Wie bereits bemerkt, wird die Brut nicht wiederholt gefüttert. Eine mit Pollen und Nektar verproviantierte Zelle wird von der Königin bestiftet, zum Teil nachdem sie ein von einer Arbeiterin am Zellenrand deponiertes Nährei verzehrt hat. Arbeiterinnen verdeckein dann die Zelle mit Wachs und überlassen die heranwachsende Larve sich selbst. Die Kolonien sind ausda uernd, mehrjährig. Die Vermehrung geht üb er eine Art Schwarmbildung vonstatten, wobei jedoch allmählich durch Arbeiterinn en ein neues Nest erricht et wird, in das schließlich Jungköniginnen mit Arbeiterinnen umziehen. Die Jungk öniginnen werden rasch begattet von Männ chen , die sich vor ihren Nestern in größerer Zahl versammeln. Fert ile Königinnen sind infolge umfan greicher Ovarien stark physogastrisch, haben verschlissene Flügel und sind nicht mehr flugfähig. Die Verpaarung der Jungköniginnen mit jeweils nur einem Männ chen scheint die Regel zu sein, obwohl auch Polyandrie beobachtet wurde. Als weitere Besonderheit gegenüber Honigbien en wird angegeben, dass auch im weiselrichtigen Volk Arbeiterinnen - neben den bei Apis nicht vorkommenden trophischen Eiern - häufig unbefruchtete Eier legen, die sich zu Drohnen entwickeln. Größere Unterschiede zu den Apinae finden sich schließlich in der zum Teil genetischen Kastendetermination (s. 14.4.3) und in der sozialen Kommunikation (s. 14.5). Unter den Anthophoridae ist die Tribus Ceratinini bemerken swert, da bei einigen Gattungen wie Al/odape die Larven nicht fest in Zellen lokalisiert sind, sondern ähnlich wie bei Ameisen frei im Nest umhergetragen werden können . Die Nester befinden sich z. B. in hohlen Pflanzenstän geln.
14.3.3 Ameisen Die an Artenzahl umfangreichste Gruppe sozialer Insekten stellen die Formi cidae dar. Gegen ll 000 Spezies aus knapp 300 Gattungen sind beschrieben . Von weltweit 16 rezenten Unterfamilien kom-
men vier (Ponerinae, Myrmicinae, Dolichoderinae und Form icinae) in Mitt eleurop a vor. Im Gegensatz zu Bienen und Wespen sind bei den Ameisen nur die Geschlecht stiere, Män nchen und Jungköniginnen, geflügelt, wobei Ausnahmen in beiden Geschlechtern vorkommen. N ach der Kopu la sterben die Männchen meist bald, während die Jungköniginn en - ähnlich wie die Geschlechtstiere bei den Termiten - sich der Flügel entledigen. Die Arb eiterinn en haben in Verbindun g mit der Flügelreduktion auch einen vereinfachten Thoraxbau (Abb. 14-8). Oft treten sie in unt erschiedlichen Größen innerh alb derselben Spezies auf, gelegentlich in diskreten Größenklassen mit unterschiedlichen Funktionen, und bei einer Reihe von Gattungen, z. B. Pheidole, Colobopsis, kommen wie bei Termiten morphologisch spezialisierte Soldaten als eigene Unterkaste vor. Ent sprechend der riesigen Artenzahl und der von Ameisen besiedelten Lebensräume von Wüste, Savanne, Regenwald bis in die arktische Taiga und Tundra sind die Nahrungsgrundlagen sehr unterschiedlich. Prinz ipiell sind sie wohl Räub er, mit kaum sonderlich spezialisierten, kau enden Mundwerkzeugen. Eine sehr große Rolle spielt bei den meisten Gattungen die Gewinnung von Honigtau als Kohlenhydratquelle, wobei mehr oder weniger enge Beziehungen zu Blatt- , Rinden-, Schildläusen, zu Zikaden und anderen Erzeugern solcher Sekrete entwickelt wurden (Abb. 14-13). Manche Arten, wie die Ernteameisen der Gattung M essor, ern ähren sich überwiegend von Pflanzensamen, andere wie die neotropischen Blattschneiderameisen der Gattungen Atta und A cromyrmex haben konvergent zu den Termit en eine Pilzzucht entwickelt . Dabei dienen grüne Pflanzenteile, Blüten etc. als Substrat. Auch der Nestbau der Ameisen ist je nach Lebensraum und Art äußerst vielfältig. Anders als bei Wespen und Bienen werden allerdings niemals Zellen oder Waben gebaut. Die Brutstadien können im Nest jederzeit rasch in Bereiche mit dem jeweils gün stigsten Klim a transportiert werden . Auch Nestwechsel ist so leichter möglich als mit ortsfest in Waben untergebrachter Brut. Kleine Art en bewohnen oft vorgeformte Hohlräume ohne weitere Unterteilung. Leptothorax -A rten z. B. besiedeln eine einzige hohle Eichel, ein leeres Schneckenhaus oder einen ausgehöhlten, dürren Zweig. Häufiger besteht das Nest aus einem Komplex von Gängen und Kammern, sei es im Boden, unter Steinen oder in morschem Holz. Ausgehobene Erde kann, wiederum von Kammern durchsetzt, zu einem Hügel angehäuft werden, so bei Lasius (Abb, 14-5). Waldameisen der Gattung Form ica tragen Bestandsabfall, Nadeln, Zweige und Knospenschuppen etc. zu Hügeln von 2 m und mehr Höhe zusammen. Viele Arten, besonders in tropischenWäldern, bewohnen Hohlräume
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14.3 Soziale Organisation von Hymenopterenstaaten
;.
Abb. 14-5: Ameisennester. A Schnitt durch ein Waldameisennest der Gattung Formica mit zentralem Baumstubben, darunter
Erdkammern, darüber Brutstadien im vegetabilischen Nesthügel. B Der Hügel fängt bei schrägem Lichteinfall mehr Sonnenwärme ein als dievon ihm bedeckte Fläche. C Nest unterflachem Stein, mit Königin von Myrmeciawährend der Koloniegründung. D Schnitt durch ein Erdnest der Ameise Lasius niger. (A, B, D nach v. Frisch 1974, C nach Wilson 1971)
in Ptlan zenstängeln (Abb. 14-6); oft haben sie symbiontische Beziehungen zu den Wirtsptl anzen. Besonderheiten finden sich bei Weberameisen der Ga ttung Oecophyl/a, die mittels des Seidensekrets ihrer Lar ven Blattbüschel zu Nestern zusammenspinnen. Andere bauen Nester ausschließlich aus Seide, die mit Detritus bedeckt und getarnt sein kann . Lasius fuliginosus verklebt Holzmehl mit Hon igtau zu einer Art Kart on . Die räub erischen Heeres- oder Wanderameisen der Tropen (Eciton, Dorylus) schließlich bewohnen überh aupt keine dauerhaften Nester. Unt er Umständen bilden sie täglich an einem neuen Ort ein " Biwak" aus miteinander verklammerten, lebenden Ameisen. Im Inneren sind Königin und Brut geborgen. Neuerd ings wurden in Südostasien nomadische Ameisen entd eckt , die ebenfalls nur vorüber-
gehend in ptlanzlichen Hohlräum en biwak ieren. Ihre Symbiosepartner sind Schildläuse, mit denen sie stets in die Nä he frischer Pllanzentriebe umsiedeln, wo die Pseudococciden besonders gut saugen können. Außer den eigentlichen Nestbauten werden oft noch Nebenbauwerke, Tunnel, Galerien und Pavillons für die honigtauliefernden Aphiden errichtet.
Die Größe der Ameisenvölker reicht von wenigen Dutzend Individuen bei manchen Ponerinae über einige Hundert im Fall der Gattung Leptothorax bis hin zu Hunderttausenden bei Formica, oder zu mehre ren Millionen, beispielsweise 22 Millionen bei der Wanderameise Dorylus (Abb. 14-7). Verbreitet ist Polygynie, bei der mehrere fertile Köni-
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14 Soziale Insekten
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von Ameisen nicht bewohnt
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von Kolonieteil mit Königin bewohnt
von Kolonieteil ohne Königin bewohnt
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Abb. 14-6: Ameisennester in pflanzen. A Nest der tropischen Ameise Tetraponera binghami in den Internodien von Riesenbambus. In Stamm 4 unten lebt die einzige Königin mit Eiern, jungen Larven und Arbeiterinnen, die schattiert gezeichneten Internodien enthalten ältere Brut sowie junge Geschlechtstiere. Im Inneren der Stämme besteht keine Verbindung zwischen den Kammern, Arbeiterinnen laufen von Stamm zu Stamm und versorgen die darin enthaltenen Nestteile. Außer den Ameisen leben an der Innenseite der Internodien zahlreiche Pseudococciden, aus deren Honigtau dieAmeisen den größtenTeil ihrer Nahrung beziehen. (Nach Buschinger et al. 1994) B Die Gattung Myrmecodia u.a. bieten Wohnraum für verschiedene Ameisen in angeschwollenen Teilen des Pflanzenkörpers. (Nach Wilson 1971) C Acacia sphaerocephala, eine der Büffelhornakazien des tropischen Amerika. Ameisen der Gattung Pseudomyrmex nisten in den hoh len Dornen. a: Zweigende mit Eingangslöchern x; b: Fiederblatt mit extrafloralen Nektarien (y) und Beltschen Körperehen als Nahrung an den Fiederblattspitzen (c). (Nach Hölldobler und Wilson 1990)
14.4 Kastenbildung
477
ginnen zu einem Volk gehören , z. B. bei Form ica- Mutt ernest verlassen, um mit einigen Arbeiterinnen in Art en bis gegen 5000. Etwa die Hälfte der darauf- der Nähe eine eigene Sozietät zu gründen. Andere bleihin untersuchten Arten erwies sich als polygyn. ben im Nest und warten auf das Ende der u-Königin, um Oft kommen Polygynie und Monogynie bei dersel- diese dann zu ersetzen. ben Art nebeneinander vor, man spricht dann von Manche tropischen Ameisenarten produzieren fakultativer Polygynie, oder es finden sich ver- perm anent Geschlechtstiere. Oft ist jedoch ein an wandt e Artenpaare, von denen die eine monogyn , die Regenzeiten gekoppelter Jah reszyklus zu verdie andere polygyn ist. Polygyne Arten sind im zeichnen. In den gemäßigten Breiten werden in der allgemeinen auch polydom, besiedeln also mehrere Regel nur einmal jährlich, zur Schwarmzeit , Gebis viele Nester, die in Verbindun g stehen, Nah - schlechtstiere aus den Nestern entlassen. Sehr varung, Brut , Arbe iterinnen , ja sogar Königinnen riabel ist allerdings die Entwicklungsdauer der Laraustauschen. Formica yessensis auf Hokkaido bil- ven, und damit die Einpa ssung der Reproduktion det so einen Kolonieverband, eine Superkolonie, in den Jahr eszyklus. Formica-Arten überwintern, mit ca. 45000 Nestern auf 2,7 qkm, in dem ge- wie die Honigb ienen, ohne Larven. Aus Eiern schätzte 300 Millionen Arbeiterinnen und I Mil- entstehen im Frühjahr sehr rasch Geschlechtstiere. lion Königinnen zusammenleben. Manche Arten Die Entwicklungsdauer vom Ei bis zur Imago wie die Pharaoameise M onomorium pharaonis betr ägt nur 5-6 Wochen. Später im Jahr werden schließlich sind unikolonial, d. h. zwischen den kontinuierlich Arbeiterinnen erzeugt. Bei vielen Völkern auch weit entfernter Populationen be- mitteleurop äischen Gattungen, so Lasius, Myrstehen keinerlei territ or iale Gren zen und Ange- mica und Leptothorax , entstehen Geschlechtstiere hörige fremder Nester werden jederzeit akzep- nur aus bereits einmal überwinterten Larven, die tiert. im Falle von Leptothorax sogar zwei Winter in Der Lebenszyklus der Ameisen ist fast aus- diesem Stadium überdauern könn en. Geschlecht snahmsl os mehrj ährig. Im einfachsten Fall, bei- tiere der Gattung Camponotus schlüpfen im Somspielsweise bei der Wegameise Lasius niger, grün- mer und überwintern dann als Adulte im Mu tdet eine begattete, entflü gelte Jungk önigin allein in ternest um im folgenden MailJuni zu schwäreinem Versteck ihre Sozietät. Mit Drüsensekreten , men. die z. T. unter Verwendung von Proteinen der degenerierenden Flugmu skulatur gebildet werden, Polygyne Sozietäte n sind potent iell unsterblich, während ernährt sie ihre ersten Lar ven bis zu deren Verpup- monogyne nach dem Altersto d der Königin zugrunde gehen. Bei vielen Arten werden nach Verlust der Königin pung . Die Arb eiterinn en vergrößern dann das einige Arbeiterinnen fert il. Ihre unbesamt en Eier entNest und schaffen Nahrung von außen herbei, so wickeln sich zu Männ chen, d. h. die Brutpflegekapazität dass über drei bis fünf Jahre das Volk exponentiell der Arbeiterinnen wird nochmals über 2-3 Jahre zur anwächst. Schließlich ist die Arb eiterinnen zahl Produkt ion von Geschlechtstieren genutzt. Arbeiteringroß genug um die Aufzucht von jungen Ge- nen leben selten länger als 2-3 Jahre. schlechtstieren zu leisten. Denn och werden weiterhin auch Arbe iterinnen erzeugt , sodass das Volk über mehrere Jahre regelmäßig Geschlechtstiere produzieren kann . Im Falle von Lasius niger wird 14.4 Kastenbildung eine beobachtete Lebensdauer der Königin von fast 29 Jahren angegeben . Ihr au f dem Hoch zeitsflug übern ommen es Sperma wurde über diese Das Grundmerkmal eusozialer Insekten ist das lange Zeit im Receptaculum seminis lebend und gemeinsame Auftreten fertiler und zumindest weitbefruchtungsfähig erhalten . Für mehrere andere gehend steriler Indi viduen, eine Entk opplung von Arten liegen ähnlich e Daten vor. For tpflanzun g und Brutpfl ege. Traditi onell bezeichnet man die reproduktiven Individuen als Bei polygynen Arten bzw. Popul ationen werden alljährlich einige junge Königinnen ins Nest aufgenommen, oft Königinnen bzw. bei Termiten als Königspaar, die Nachkommen desselben Volkes oder derselben Super- nicht sexuell aktiven Helfer werden Arb eiter/innen kolonie, die dann auf dem Nest oder bereits innerhalb genannt. Geschlechtstiere einerseits und Arbeiter/ desselben begattet wurden. Sie ersetzen den Abgang von innen andererseits sind die Kasten im InsektenKöniginnen durch Tod bzw. durch Bildung von Zweig- staat. Bei Termiten treten Kasten in beiden Geoder Tochtervölkern. schlechtern auf, bei Hymenopteren nur im weibVerschiedene abgewandelte Organisationsformen sind lichen Geschlecht. Zuweilen werden Hymenoptebekannt. So können bei einigen Leptothorax-A rten in Nestnähe begattete Jun gweibchen in dieses zurückkeh- ren-Männchen fälschlich als Kaste aufgefasst. Bei der Mehrzahl der eusozialen Arten ist neren, ohne jedoch dort fertil zu werden. Man bezeichnet dies als funktion elle Monogynie, bei der nur eine Köni- ben der Funktion auch die Gestalt der Kasten gin zur Fortpflanzung kommt. Nach Hierar chie-Kämpfen können jung e Königinnen im folgenden Frühjahr das
ver schieden , es liegt ein K a stenpolymorphismus vo r. Geschlechtst iere sind mei st grö ßer a ls Arbei-
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14 Soziale Insekten
Erdaushub auf dem Nest
B
Abfallkammern
Pilzgärten
Abb. 14·7: Die größten Ameisenvölker. A Raubzugskolonne von Heeresameisen der Gattung Dorylus in der afrikanischen Savanne. Ein Volk kann bis 20 Millionen Arbeiterinnen umfassen. B Nest der Blattschneiderameise Atta vollenweideri mit 4-7 Millionen Arbeiterinnen. (Nach Hölldobler und Wilson 1996)
ter/innen, die ihrerseits spezialisierte Mandibeln, reduzierte Gonaden, eine anders differenzierte Drüsenausstattung etc. haben können. Am auffälligsten unterscheiden sich die immer flügellosen Arbeiterkasten bei Ameisen und Termiten von den im Jugendstadium geflügelten Geschlechtstieren.
die Funktion in der Sozietät. Dies führt jedoch zu verwirrenden Konsequenzen, da primitiv eusoziale Bienen und Wespen dann trotz reproduktiver Arbeitsteilung keine Kasten haben, und manche Ameisen, besonders Ponerinen, bei denen die Königinnen sekundär flügellos und den morphologischen Arbeiterinnen sehr ähnlich geworden sind, werden königinlos genannt.
Eine alternative Interpretation bezeichnet als Kasten die gestaltlieh verschiedenen Formen, deren Differenzierung im Larvenstadium eingeleitet wird, ohne Rücksicht auf
Im Folgenden wird die funktionelle Kastendefinition verwendet. Wo eine morphologische Unter-
14.4 Kastenbildung
scheidung erforderlich wird, insbesondere bei den Ameisen, bezeichnet Gynomorphe das geflügelte oder, nach Begattung, entflügelte Vollweibchen, Ergatomorphe ein Tier von typischer Arbeitergestalt; Intermorphe sind bei Ameisen recht häufige Zwischenformen. Alle drei können funktionell Königin, also begattet und fertil, oder Arbeiterin sein. In der Gruppe der sterilen Arbeiter/innen sind weitere morphologische Differenzierungen möglich, z. B. in Klein- und Großarbeiterinnen oder Soldaten. Sie sollen als Unterkasten bezeichnet werden. Schließlich durchlaufen die einzelnen Individuen etwa bei Bienen und Ameisen einen mit dem Alter korrelierten Funktionswandel, von Innendienst und Brutpflege zum Furagieren im Außendienst. Auch diese funktionellen Gruppen werden besser nicht etwa temporäre Kasten genannt, sondern direkt als Verhaltens- oder Altersgruppen bezeichnet. Eine der Kernfragen in der Forschung über soziale Insekten befasst sich mit den Ursachen und Mechanismen der Kastendifferenzierung, mit der Kastendetermination . Aus dem Vorstehenden ist zu erkennen , dass man zwischen einer Morphendetermination bzw. -differenzierung einerseits und der eigentlichen Kastendeterrnination, der funktionellen Zuordnung andererseits, unterscheiden muss. Die Mehrzahl der Arbeiten über Kastendetermination untersucht die Faktoren für die Entstehung der verschiedenen Morphen. In der Regel übernehmen diese zwar die ihrer Gestalt entsprechende Funktion, doch werden zunehmend Beispiele bekannt, wo die Funktion erst später festgelegt wird und durchaus nicht dem morphologischen Erscheinungsbild entsprechen muss.
14.4.1 Psychophysiologische Kastendetermination Bei primitiv-eusozialen Bienen und Wespen liegen keine oder nur geringe morphologische Kastenunterschiede vor. Scheinbar gleichartige Individuen entwickeln reproduktive Arbeitsteilung und damit eine Kastengliederung, zum Teil erst im Adultstadium. Der hierfür übliche Begriff psychophysiologisch ist nicht sonderlich treffend, da sowohl Verhaltensmechanismen als auch pheromonale Komponenten beteiligt sein können . Auch bei den Niederen Termiten soll die Kastendifferenzierung psychophysiologisch gesteuert sein, wobei vor allem Pheromone die Weiterentwicklung jüngerer Larvenstadien bestimmen . Prinzipiell hemmt jede Kaste oder Unterkaste außer den Arbeitern die Entstehung gleichartiger Individuen : Sind genügend Soldaten vorhanden, entwickeln sich keine weiteren. Hinzu kommen
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stimulierende Effekte. Bei Kalotermes fördert das Königspaar die Entstehung von Soldaten. Bei derselben Gattung Niederer Termiten ist jede isolierte Larve oder Pseudergat befähigt, sich zum Ersatzgeschlechtstier umzuwandeln . In Anwesenheit funktioneller Geschlechtstiere aber bleiben die Pseudergaten trotz gelegentlicher Häutungen auf diesem Stadium stehen. Das hemmende Pheromon der Geschlechtstiere entsteht wahrscheinlich im Kopf- und Thoraxbereich und wird mit dem Kot ausgeschieden . Die Königin allein hemmt nur die Entwicklung weiblicher, König und Königin zusammen auch die männlicher Ersatzgeschlechtstiere. Geflügelte, primäre Geschlechtstiere entstehen anscheinend, wenn die Pheromone des Königspaares in großen Sozietäten hinreichend verdünnt werden. Die Hemmstoffe entfalten ihre Wirkung über die für das Häutungsgeschehen wichtigen Hormondr üsen. die Corpora allata, die Corpora cardiaca und die Prothoraxdrüse. Ein gutes Beispiel für psychophysiologische Kastendetermination liefern die Feldwespen der Gattung Pofistes. In Assoziationen begatteter, überwinterter Weibchen (s. 14.3.1) entwickelt sich ein Dominanzverhalten, wobei ein a-Weibchen die anderen durch Drohgebärden und Aggressivität zu Hilfsweibchen, also Arbeiterinnen, degradiert. Auch bei manchen Ameisen beobachtet man ähnliche Vorgänge, durch die Tiere erst im Imaginalstadium zur Königin oder Arbeiterin bestimmt werden: Obwohl bei den meisten Ameisenarten eine komplexe Differenzierung in Gynomorphe und Ergatomorphe vorliegt, bleiben Gynomorphe unter Umständen unbegattet, verlieren dennoch die Flügel und integrieren sich als Arbeiterinnen in das Muttervolk. Besonders interessante Verhältnisse finden sich in der Ponerinengattung Diacamma: Alle weiblichen Tiere sind morphologisch und anatomisch gleich, flügellos und ergatomorph oder intermorph. Alle tragen zunächst am Thorax ein Paar schuppenähnlicher, beweglicher Anhänge, wahrscheinlich reduzierte Flügel. Die funktionelle Königin allein behält diese "Gemmae", und sie beißt sie fast allen neu schlüpfenden Tieren ab. Diese nehmen die Arbeiterrolle ein, nur wenige, die der Verstümmelung entgehen, können begattet werden und ihrerseits als Königinnen neuer Sozietäten fungieren.
Bei manchen Ponerinae und Myrmicinae wird unter aggressivem Verhalten, Drohen und Antennenschlagen eine Hierarchie aufgebaut, in der das Spitzentier in der Regel die höchste Fertilität aufweist, also den Rang der Königin einnimmt. Solche Hierarchien können zwischen begatteten Weibchen entstehen, aber sich auch zwischen Arbeiterinnen im weisellosen Volk entwickeln.
480
14 Soziale Insekten
14.4.2 Blastogene und trophogene Kastendetermination Besonders bei den sozialen Hymenopteren spielen Nahrungsfaktoren während der Larvalentwicklung die wesentliche Rolle für die morphologische Ausprägung der Kasten. Dies ist sicher dadurch bedingt, dass die Larven nicht wie bei den Termiten ihre Nahrung selber suchen, sondern völlig abhängig sind von der Versorgung durch die Arbeiterinnen oder auch die Königin. Die so genannte blastogene Kastendetermination ist wohlin demselben Zusammenhang zu sehen: Bereits im Ei ist z. B. bei der Waldameise Formica polyctena festgelegt, ob sich eine Larve zur Gynomorphen oder nur zur Arbeiterin entwickeln kann . Bestimmte, kurz nach der Überwinterung abgelegte Eier sind größer als die Sommereier und haben am hinteren Eipol ein besonders RNSreiches Polplasma. Bei Fütterung von Larven aus diesen Eiern mit Labial- und Postpharynxdrüsensekret junger Arbeiterinnen können sie sich zu Jungköniginnen entwickeln, bei schlechter Ernährung entstehen auch aus Wintereiern nur Arbeiterinnen. Offenbar liegt hier eine trophogene Prädisposition der Eier durch bessere Reservestoffeinlagerung bereits im mütterlichen Ovar vor, die jedoch nur unter optimalen Ernährungsbedingungen für die Larven realisiert werden kann. Nahrungsfaktoren in der Kastendetermination wurden an vielen Beispielen aufgezeigt. Oft entstehen weibliche Geschlechtstiere erst, wenn ein bestimmtes Verhältnis der Anzahl pflegender Arbeiterinnen zu Larven erreicht wird, bei Vespula z. B. ein Verhältnis I:I. Durch radioaktiv markierte Futtersubstanzen wurde nachgewiesen, dass die Nahrung der Königinlarven bei Wespen qualitativ anders als die der Arbeiterinlarven ist. Sie erhalten mehr Drüsensekrete und weniger Rohfutter. Dies zeigt sich auch darin, dass der Kotsack , das Meconium, der kleineren Arbeiterinlarven größer ist, also mehr unverdauliche Reste enthält als bei den größeren Königinlarven. Bei Hummeln wurden unterschiedliche Mechanismen gefunden. So gibt es bei Bombus hypnorum fließende Übergänge in der Größe von Arbeiterinnen und Königinnen. Letztere entstehen aus Larven, die im 4. Stadium eine kritische Menge spezieller Futtersubstanzen von den Arbeiterinnen erhalten . Bei B. terrestris dagegen sind die Kasten deutlich verschieden groß. Die Nestkönigin selbst erzeugt eine bisher unbekannte Substanz , die den Larven bereits in den ersten 3 Tagen verfüttert wird, und die sie zur Arbeiterinentwicklung programmiert. Ohne diesen Einfluss hängt es von der Nahrungsmenge ab, ob eine Larve sich zur Arbeiterin oder Königin entwickelt. In jedem Fall
scheint das Juvenilhormonsystem beteiligt zu sein, da man mit extern appliziertem JH Kastendeterminationseffekte bewirken kann. Sehr intensiv untersucht wurde naturgemäß die Kastendetermination der Honigbiene. Zwischen Arbeiterin und Königin bestehen gut quantifizierbare morphologische Unterschiede: Die Königin ist größer, hat keine Sammelkörbchen, und ihr Stachel ist nicht mit Widerhäkchen besetzt. Königinnen werden in speziellen Weiselwiegen aufgezogen, das Futter für die Larven wird in die Zellen gespien, nicht von Mund zu Mund verfüttert. So schien es einfach, die in der Nahrung vorhandenen, kastendeterminierenden Substanzen zu analysieren. Eine Königinlarve wird sehr viel öfter gefüttert als eine Arbeiterinlarve. Während Letztere nur für 3,5 Tage mit Hypopharynx- und Mandibeldrüsensekreten junger Ammenbienen, danach mit Pollen und Honig versorgt wird, erhält die Königinlarve einen speziellen Weiselfuttersaft, das gelee royale, über die ganze Entwicklungsdauer hinweg. Entscheidend für die Kastendetermination ist offenbar die Zusammensetzung des Weiselfutters, irgendeine spezifische determinierende Verbindung hat sich nicht nachweisen lassen. Die Differenzierung wird wiederum über das JH-System gesteuert, indem in Königinlarven sehr hohe Titer von JH BI erreicht werden. Auch bei Stachellosen Bienen, den Meliponinen, kann der Nahrungsvorrat in der Zelle die Entwicklung einer weiblichen Larve zu Königin oder Arbeiterin bestimmen. Darüber hinaus wurde ein genetischer Mechanismus postuliert, der stets einen bestimmten Prozentsatz von Larven zur Königinentwicklung prädisponiert (s. 14.4.3). Entsprechend der Vielfalt der Arten sind bei Ameisen recht unterschiedliche Verhältnisse anzutreffen. Nahrungsfaktoren, einschließlich der blastogenen, dominieren offenbar auch in dieser Familie das Determinationsgeschehen, doch wurden in Einzelfällen ebenfalls genetische Faktoren nachgewiesen (s. 14.4.3). Kompliziert wird die Kastendifferenzierung besonders durch die z. T. sehr lange Entwicklungsdauer der Larven, die sich über ein oder sogar zwei Jahre erstrecken kann . Wichtige Faktoren für die Entstehung von Jungköniginnen sind u.a. die Größe des Volkes, bei Waldameisen die Aufrechterhaltung einer hohen Nesttemperatur während der Aufzucht, Fütterung der Königinlarven mit Drüsensekreten junger, erst einmal überwinterter Arbeiterinnen, oft auch das zeitweise Fehlen der Altköniginnen mit ihrem die Aufzucht neuer Königinnen hemmenden Einfluss. Bei Formica polyctena ziehen sich die Königinnen während der Geschlechtstieraufzucht im Frühjahr in die kühlen Nesttiefen zurück, womit das Volk in dieser Zeit "physiologisch weisellos" ist. Wo Larven ein- oder zweimal überwintern können , etwa bei Leptothorax-Arten, sind sie unter Umständen zweimal
14.4 Kastenbildung
481
A
cf (eine der 4 Möglichkeiten)
AB
Ab
aB
ab
AB
MBB
MBb
AaBB
AaBb
Ab
MBb
Mbb
AaBb
Aabb
aB
AaBB
AaBb
aaBB
aaBb
ab
AaBb
Aabb
aaBb
aabb
C
0.
'"
'"
c
' ijj
c
~
0;
....
w
D
Abb. 14-8: Kasten und Kastendetermination. A Männchen, Königin nach Flügelabwurf und Arbeiterin derWaldameise Formica polyctena. (Nach v. Frisch 1974) B Soldat von Acanthomyrmex sp. (..walking head"). (Nach Hölldobler und Wilson 1990) C Polymorphismus dersklavenhaltenden Ameise Harpagoxenus sublaevis. Von links nach rechts: Kleine Arbeiterin, Intermorphe mit zunehmender Thoraxstruktur und besser entwickelten Ocellen, rechtsApterogyne und gynomorphes Vollweibchen. Ein Allelpaar eIE entscheidet darüber, ob eine Larve zur Gynomorphen werden kann oder bestenfalls zu einer Intermorphen. Nahrungsfaktoren beeinflussen die Entwicklung zur Arbeiterin bzw. potentiellen Königin, vgl. Text. (Nach Buschinger und Winter 1974) D Die Hypothese der genetischen Kastendetermination bei Stachellosen Bienen, Gattung Melipona. (Nach Kerr) Nur die in 2 Loci heterozygoten (AaBb) Larven können sich zu Königinnen entwickeln. Gleich welche Allele das Männchen überträgt, es wird stets ein Viertel der befruchteten Eier für beide Loci heterozygot sein. (Nach Wilson 1971) E Fertile Königin der Stachellosen Biene Lestrimelitta ehrhardti mit Männchen. Die Begattung bereits fertiler Königinnen ist möglicherweise ein Artefakt. (Nach Michener 1974)
dem Einfluss von Jungarbeiterinnen ausgesetzt , was ihre Tendenz zur Königinentwicklung stark fördert . Verschiedene Arbeiten konnten auch bei Ameisen eine erhebliche Beteiligung des JH-Systems aufzeigen . So
entwickeln sich aus Eiern einer äußerlich mit JH behandelten Pheidole pallidula-Königin verstärkt Jungköniginnen, während z. B. an die Brut verfüttertes JH nicht diesen Effekt hat.
482
14 Soziale Insekten
14.4.3 Genetische Morphendetermination Die Beteiligung genetischer Faktoren an der Kastenbildung ist ein interessanter, noch wenig verstandener Aspekt . Bei Höheren Termiten der Familie Termitidae zeigt sich häufig ein mit dem genetisch bestimmten Geschlecht gekoppelter Polymorphismus auch der Arbeiter. So gehören alle Soldaten nur einem Geschlecht an, etwa die großen und kleinen Soldaten von Macrotermes dem weiblichen, während die großen Arbeiter männlich, die kleinen weiblich sind. Eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten wurde beobachtet. In der Regel ist die Entwicklung bereits im I. oder 2. Larvenstadium festgelegt, doch konnten in gleichgeschlechtlichen Larvengruppen, oder durch Applikation von lH-Analoga, auch z. B. Soldaten vom "falschen " Geschlecht erzeugt werden. Epigenetische Mechanismen in der Kastenbildung sind somit sicher nicht auszuschließen . Ähnlich komplex ist die Situation bei den tropischen Meliponinae, den Stachellosen Bienen, die zeitweilig als Musterbeispiel für genetische Kastendetermination galten . Bei bestimmten Melipona-Arten entstehen in einer Wabe mit völlig gleichartigen, gleich verproviantierten und verdekkelten Zellen Königinnen und Arbeiterinnen im Verhältnis 1:3. Darauf gründet die Hypothese, dass Königinnen für zwei kastendeterminierende Allelpaare heterozygot seien, während bei Arbeiterinnen eines oder beide Allele homozygot vorliegen (Abb. 14-8 D). Da auch bei diesen Arten durch lH-Applikation alle Larven zur KöniginEntwicklung stimuliert werden und da Ernährungsfaktoren im Experiment das 1:3-Verhältnis nach beiden Seiten verschieben können, gilt die Hypothese der genetischen Kastendetermination bei Meliponinae noch immer als nicht sicher bewiesen. Andere Gattungen dieser Gruppe haben eine eindeutig durch die Nahrung gesteuerte Ent wicklung, wobei die Königinlarve entweder die Nahrungsvorräte zweier benachbarter Zellen verbraucht, oder wie bei den Honigbienen in einer größeren, hier mit mehr Futtervorrat versehenen Zelle heranwächst. Bei bestimmten Ameisenarten wie dem europäischen Sklavenhalter Harpagoxenus sublaevis und einer nord amerikanischen Leptothorax sp. wurde durch Kreuzungsexperimente bewiesen, dass ihr Königinnenpolymorphismus genetisch bedingt ist. Neben normal geflügelten Gynomorphen kommen bei diesen Arten auch arbeiterinähnliche Intermorphe vor, die gleichwohl funktionelle Königinnen werden können . Ein postuliertes Allel E unterdrückt die Ausbildung von Flügeln etc., wirkt sich jedoch nicht auf die Entwicklung der
Fortpflanzungsorgane aus. Nur homozygote eeLarven können sich zu geflügelten Gynomorphen entwickeln, doch sind alle drei möglichen Genotypen, ee, eE und EE, durch Nahrungsfaktoren auch zur Arbeiterinentwicklung zu bestimmen. Primär wird also nur die Gestalt der Königinkaste beeinflusst, eine Erscheinung, die an den Flügelpolymorphismus zahlreicher anderer Insekten erinnert. Träger des Allels E allerdings entwickeln sich unter gleichen Aufzuchtbedingungen signifikant häufiger zu Arbeiterinnen, heterozygote und besonders für e homozygote Larven bevorzugt zu Intermorphen (eE) oder Gynomorphen. Somit ist zumindest ein genetischer Einfluss auf die Kastenbildung belegt, der durch epigenetische Faktoren allerdings stark modifiziert werden kann (Abb. 148 C) . Die Männchen der beiden Arten sind übrigens stets geflügelt, unabhängig davon ob sie Träger von E oder e sind.
14.5 Kommunikation Das Zusammenleben im Tierstaat erfordert effektive Mechanismen der Verständigung und Koordination in verschiedensten Verhaltensbereichen. Bereits solitäre oder subsoziale Tiere verfügen über zahlreiche Möglichkeiten der Kommunikation, etwa mit Sexualpartnern, oder mit lungtieren während der Brutpflege. Bei sozialen Insekten kommen Funktionskreise wie Nahrungsbeschaffung, Nestwechsel und Gefahrenalarm hinzu . Eine Gliederung bietet sich an nach den beteiligten Sinnesmodalitäten, wobei optische, akustische, taktile und chemische Mechanismen zu unterscheiden sind. Sie lassen sich nicht immer trennen und wirken in manchen Verhaltensabläufen zusammen .
14.5.1 Optische und akustische Kommunikation Bedingt durch die oft kleinen Komplexaugen der sozialen Insekten, die bei Termitenarbeitern ganz fehlen, sowie bei Aktivitäten im dunklen Nest, spielt optische Kommunikation nur eine untergeordnete Rolle. Waldameisen der Gattung Formica reagieren auf Nestgenossinnen, wenn sie diese über einige cm Entfernung in einen Kampf mit Beute verwickelt sehen; sie laufen darauf zu und helfen mit, die Beute zu überwältigen . Ob es sich dabei um eine "beabsichtigte" Alarmierung durch besonders heftige Bewegungen der kämpfenden Tiere handelt, ist allerdings nicht geklärt .
14.5 Kommunikation
Auch die akustische Kommunikation scheint von relativ geringer Bedeutung zu sein . Spezielle Gehörorgane für Luftschall fehlen den sozialen Insekten, wogegen Substratschall über Borstenfelder in den Gelenken der Laufextremitäten sehr gut perzipiert wird . Honigbienen allerdings nehmen Luftschall über die Antennen wahr, wenn sie beim Schwänzeltanz einer Tänzerin folgen , die mittels der Flügel kurze Schwirrlaute hervorbringt. Hungrige Wespenlarven kratzen mit den Mandibeln an der Zellenwand und locken durch die Vibration Pflegerinnen herbei. Häufig wird bei Termiten sowie bei holzbewohnenden Rossameisen der Gattung Camponotus durch das Aufschlagen harter Körperteile wie Kopf oder Gaster auf das Substrat ein hörbares Klopfen erzeugt, das als Alarmsignalfungiert. Es lockt Soldatenzur Störstelle und veranlasst den Abtransport von Brut und gefährdeten Stadien in die Nesttiefe. Viele Ameisen haben Stridulationsorgane am Hinterleibsstielehen (Abb. 14-9 B). Ihre besonders in Zwangslagen, etwa beim Kampf, zuweilen hörbaren Zirplaute werden von den Tieren selbst als Substratschall wahrgenommen. Blattschneiderameisen graben unter Erde verschüttete, stridulierende Nestgenossinnen gezielt aus. Stridulation beim Schneiden geeigneter Pflanzenteile dient dem Heranführen weiterer Arbeiterinnen; sie perzipieren die über die Pflanze fortgeleiteten Schwingungen. Bei anderen Arten spielt die Lauterzeugung eine Rolle beim gemeinsamen Abtransport schwerer Beute. Insgesamt ist die Bedeutung des sehr weit verbreiteten Stridulierens allerdings nicht voll geklärt. Junge Honigbienen-Königinnen "tüten" bzw. "quaken" durch Vibr ation der Flugmuskulatur, wobei der Thorax fest auf die Wabe gepresst wird . Die zuerst geschlüpfte Jungkönigin kann dadurch ihre noch in den Zellen steckenden Rivalinnen lokalisieren . Auch bei der Auslösung des Schwärmens ist das "Tüten" von Bedeutung.
14.5.2 Taktile Kommunikation Weit verbreitet bei sozialen Insekten sind durch Berührungsreize übertragene Signale. So kommt Futterweitergabe von Mund zu Mund bei fast allen Arten vor. Das Betteln erfolgt ganz oder fast ausschließlich über taktile Reize. Eine hungrige Wespe oder Ameise betrillert dazu mit den Antennen , oft auch den Vorderbeinen, Kopf und Mundwerkzeuge der Nestgenossin, die daraufhin einen Futtertropfen aus dem Kropf hervorwürgt (Abb. 14-9 D) . Die Regurgitation kann durch entsprechende Attrappen im Versuch allein mittels taktiler Reize ausgelöst werden. Außerdem gelingt es zahlreichen so genannten Gästen, etwa Milben oder Käfern (s. 14.7.3), durch Imitation der Tastsignale von Ameisen Futter zu erbetteln.
483
Auch gegenseitiges Tragen von Individuen bei Termiten und Ameisen kann im Zusammenhang taktiler Kommunikation gesehen werden. Kundige Tiere transportieren Brutstadien und Adulte bei Störungen in sichere Ne stbereiche. Aber auch ein erforderlicher Umzug der Kolonie in ein neues oder besser geeignetes Nest kann bei Ameisen über Trageverhalten initiiert werden. Eine erfolgreiche Kundschafterin kehrt ins Nest zurück, fordert Nestgenossinnen durch Ansehubsen oder ähnliches auf, eine passende Haltung einzunehmen und tr ägt sie dann zum neuen Nistplatz . Ist die getragene Ameise von dessen Qualität " überzeugt" , so läuft sie zurück und trägt ihrerseits weitere Tiere zum Ziel, ebenso wie die erste Trägerin . In einer Art Schneeballsystem wird so das ganze Volk umgesiedelt. Bei Waldameisen verläuft die Bildung von Tochternestern oder Ablegern ganz ähnlich, doch werden häufig Tiere in beide Richtungen tr ansportiert, sodass schließlich in einem fast demokratischen Verfahren zwei neue Sozietäten entstehen, das neue Nest wieder aufgegeben oder das alte ganz verlas sen wird . Die Tragehaltung ist charakteristisch für die Ameisenunterfamilien: Formicinen fassen eine Mandibel des zu tragenden Tieres, das sich daraufhin unter dem Kopf der Trägerin einrollt, während bei Myrmicinen das getragene Tier über Kopf und Rücken der Trägerin gehalten wird (Abb. 14-9 C) . Ein weiteres Verhalten im Dienst der Kommunikation über neue Nistplätze, oft aber auch über Futterquellen, ist der Tandemlauf der Ameisen (Abb. 14-9 A). Zwei Tiere folgen einander in geringem Abstand, wobei die Folgerin durch rasches Betasten von Gaster und Hinterbeinen der kundigen Führerin ihre Anwesenheit signalisiert. Geht der Kontakt verloren, wartet die Führerin mit erhobener Gaster und produziert ein Duftsignal, das die Folgerin wieder in ihre Nähe zu locken verm ag . Hier geht taktile Verständigung in chemische Kommunikation über. Fühlertrommeln sowie Aufreiten sind oft wesentliche Bestandteile von Auseinandersetzungen im Nest, in deren Folge Hierarchien zwischen Arbeiterinnen oder auch potenziellen Königinnen aufgebaut werden. Taktile neben chemischen und akustischen Signalen charakterisierenweiterhin das wohl bekannteste System, die Tanzsprache der Bienen (Abb. 8-34). Die wesentliche Information über Richtung und Entfernungeiner Futterquelle wird während des Tanzes im dunklen Stock den Nachtänzerinnen zum Teil auf taktilem Wege übermittelt. Erst neuerdings weiß man, dass von der tanzenden Biene mittels der Flügel erzeugte Schnarrlaute die Information über die Richtung verstärken, wobei die Vibrationen als Luftschall auf die Antennen der Nachtänzerinnen wirken. Ein mechanisches Modell konnte echte Bienen erst dann zu einer Trachtquelle dirigieren, als es außer dem Tanz in Form einer 8, dem Schwänzeln
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14 Soziale Insekten
Abb. 14-9: Kommunikation beiAmeisen. A Zwei Arbeiterinnen von Harpagoxenus sublaevis im Tandemlauf. Das vordere Tier führt die Folgerin zum Überfall auf ein Sklavennest. B Das Rippenfeld einer Arbeiterin der Blattschneiderameise Acromyrmex octospinosa. Es liegt vorn aufdem Oberrand des ersten Gastersegments. Zum Stridulieren wird eine Schrillkante am Hinterrand des Postpetiolus darübergestrichen. (Nach Markl 1968) C Tragehaltung bei Ameisen. Die Transporthaltung ist für die Unterfamilien spezifisch: Myrmicinen (oben) tragen die Nestgefährtinnen über Kopf und Thorax, Formicinen (unten) unter dem Kopf eingerollt. (Nach Wilson 1971) D Regurgitations-Fütterung zweier Waldameisen. Das linke TIer bettelt mitAntennen und Vorderbeinen, das rechte regurgitiert Futter aus dem Kropf. (Nach Hölldobler 1973)
und der Abgabe von Duft- und Geschmacksproben auch passendes Flügelschnarren produzierte. Auch bei Stacheilosen Bienen wurde neuerdings eine dem Tanz der Honigbienen ähnliche Futterrekrutierung nachgewiesen (Nieh 1998).
14.5.3 Olfaktorische Kommunikation Verständigung mittels chemischer Signale ist bei sozialen Insekten der sicher wichtigste und weitestverbreitete Mechanismus. Wie bereits erwähnt,
14.5 Kommunikation
485
ten der Intersegmentalhäute im Hinterleib gruppieren sich derartige Drüsen zu größeren Komplexen, die oft in Reservoire mit speziellen Strukturen zur Ausleitung der Sekrete münden, so etwa Sternal- oder Pygidialdrüsen bei bestimmten Ameisen und Termiten (Abb. 14-10). Häufig proIm Experiment mit der Ponerine Bothroponera tesseriduzieren diese Organe Spursekrete. noda zeigt sich, dass die Führerin eines Tandems durch Eine Fülle weiterer Drüsen findet sich im Kopf, eine duftlose kleine Glaskugel ersetzt werden kann . BesThorax, und assoziiert mit dem Genital- und Stasere Führungsqualität hat allerdings ein Körperteil, Thorax oder Abdomen, einer Artgenossin . Der Cuticula- chelapparat im Hinterleib. Außer Futtersaftdr üOberfläche anhaftende Pheromone scheinen dabei sen, die in den Bereich der Mundhöhle führen, beteiligt. Bei einer anderen Ameise, der Formicine Cam- sowie der Metathorakaldrüse der Ameisen, die ponotus sericeus, legt die Kundschafterin eine Orientie- meist bakterizide und fungizide Substanzen liefert, rungsspur für sich selbst, auf der sie Nestgenossinnen sind dies fast stets Pheromondrüsen. einzeln im Tandem zum Ziel führt. Camponotus socius Die einzelne Drüse kann dabei in verschiedenen legt ebenfalls eine Spur, fordert im Nest dann durch ein Verwandtschaftsgruppen sehr unterschiedliche speziellesWackelverhalten andere Ameisen auf und führt Funktionen haben , dasselbe Sekret in verschiediese in einer Gruppe von bis zu 30 Tieren auf der Spur zum Ziel. Ähnliche Gruppenrekrutierungen sind bei Ra- denen Situationen unterschiedliche Wirkungen senameisen der Gattung Tetramorium sowie beim Skla- entfalten. So liefert die Mandibeldrüse der Honigvenraubzug beispielsweise von Epimyrma (s. 14.7.4) zu bienenkönigin auf dem Hochzeitsflug den Sexualbeobachten . lockstoff, der im Stock u. a. die Fertilität der ArZur Massenrekrutierung entwickelt sich die chemi- beiterinnen hemmt ; bei Roßameisen-Männchen sche Kommunikation bei Termiten und Ameisen wie produziert dieselbe Drüse ein Pheromon, das die Lasius fuliginosus, wo Dauerspuren allein, ohne Auf- Weibchen zum Hochzeitsflug stimuliert, bei Meliforderung, Werbung oder Führung durch Kundschafter poninen ein ätzendes Wehrsekret. Bei Arbeiterinzahlreichen Tieren den Weg zu Futterquellen weisen. nen von Camponotus saundersi erstreckt sich die Nicht nur in der Futterrekrutierung sind chemi- Mandibeldrüse bis in den Hinterleib und enthält sche Signale von Bedeutung. In praktisch allen ein klebriges Sekret, das bei Reizung der Ameise Verhaltensabläufen, vom Gefahrenalarm bis zur durch Platzen der Gaster freigesetzt wird und den Identifizierung von Art- und Nestgenossen, beim Angreifer, etwa eine andere Ameise, bewegungsFutteraustausch, bei der Reviermarkierung und unfähig macht. Wehrsekrete liefern vor allem die Giftdrüsen im Sexualverhalten sind Pheromone wirksam . Auch soziale Regulation (s. 14.6) und Kastendeter- der Wespen, Bienen und Ameisen (Abb. 21-2; Kap. mination (s. 14.4) beruhen zum Teil auf chemi- 17.2.2.3). Bei den meisten Arten haben entweder scher Kommunikation. Eine Ameisenkolonie die Sekrete selbst, etwa die Ameisensäure, oder funktioniert mit 10 bis 20 verschiedenen Signalen, aus anderen Drüsen beigemischte Substanzen von denen die meisten chemischer Natur sind. auch Alarmpheromonwirkung. Spurpheromone Unterschieden werden Pheromone, die als Aus- entstammen den genannten Pygidial- oder Sterlöser direkte Verhaltensantworten beim Empfän- naldrüsen bei Ameisen bzw. Termiten , der Giftger hervorrufen, und Substanzen, die im Adressa- oder der Dufourdrüse, aber auch dem Rectum bei ten physiologische Veränderungen etwa im endo- Ameisen der Gattung Lasius, oder einer Tibialkrinen oder reproduktiven System bewirken, so drüse mit Ausführgang zu den Tarsen bei der genannte Primer. Pheromone sind intraspezifisch Gattung Crematogaster (Abb. 14-10 B). Melipowirksame Verbindungen, als Allomone werden für ninen markieren Flugbahnen zu Trachtquellen den Sender adaptive interspezifische Signale, etwa wiederum mit Mandibeldrüsensekret. Alarm- oder Wehrsekrete, bezeichnet, während Von vielen der Pheromone sozialer Insekten ist Kairomone ebenfalls interspezifisch wirksam sind, die chemische Struktur bekannt. Es sind entweder einfache Verbindungen wie die Ameisensäure, Alaber dem Empfänger zugute kommen. Die Mehrzahl der Pheromone wird in mehr kohole, Aldehyde, Fettsäuren, Ester oder davon oder weniger spezialisierten Drüsenorganen pro- abgeleitete Substanzen, aber auch Terpenoide, Alduziert. Allein bei Ameisen sind bisher ca. 38 kaloide und andere. Noch immer werden bei soTypen exokriner Drüsen beschrieben . Einzellige zialen Insekten neuartige, bisher aus der Natur Hautdrüsen sind oft die Quelle für Substanzen, die nicht bekannte Verbindungen entdeckt, und von der Identifizierung von Art- oder Nestgenossen zahlreichen Drüsensekreten kennt man zwar die dienen und die Abwehr koloniefremder Eindring- verhaltensmodifizierende Wirkung, aber noch linge auslösen. Auch verschiedene Kasten sowie nicht die chemische Struktur. Umgekehrt sind in Entwicklungsstadien können durch Produkte sol- Drüsensekreten zahllose Verbindungen nachgecher Drüsen markiert sein. Besonders in den Fal- wiesen, über deren Funktion Unklarheit herrscht. sind Duftsignale sowohl beim Tandemlauf der Ameisen als auch beim Schwänzeltanz der Honigbienen beteiligt. Vom Tandemlauf führt ein lückenloser Übergang zur Rekrutierung von Nestgenossen auf Duftspuren.
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,
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A
B
c
Abb. 14·10: Drüsen. A Die exokrinen Drüsen einer Arbeiterin der Ameise Linepithema humiJe. 1: Mandibel, 2: Labium, 3: Labrum, 4: Mündung der Labialdrüse, 5: Infrabuccaltasche, 6: Mündung der Maxillardrüse, 7: Mandibeldrüse, 8: Pharynx, 9: Postpharynxdrüse, 10: Gehirn, 11: Ausführgang der Labialdrüse, 12: Labialdrüse, 13: Metathorakaldrüse, 14: Reservoir der Metathorakaldrüse, 15: Dünndarm, 16: Reetalblase, 17: Ovarien, 18: Drüsenzellen und 19: Reservoir der Pygidialdrüse (Analdrüse), 20: Sternaldrüse (Pavansche Drüse), 21: Giftdrüse, 22: Dufourdrüse. BVerschiedene Drüsen können Spursekrete liefern, bei Myrmicinen z.B. Giftdrüse (PO), Pygidialdrüse (PY), Dufoursche Drüse (D), Sternaldrüse (S), bei Crematogaster eine Tibialdrüse (T). (Nach Hölldobler und Wilson 1990) C Spuriegen mit Sternaldrüsensekret bei der Termite Zootermopsis nevadensis. (Nach Wilson 1971) Nicht zuletzt erschweren die sehr kleinen Sekretmengen die Analyse. So bewirkt bei der Ameise Solenopsis richteri bereits eine Menge von 10- 14 g/cm Spurfolgeverhalten , und mit einem Gramm der Substanz könnte eine Spur von I Milliarde km Länge hergestellt werden. Die Überprüfung der Funktion mit synth etisch hergestellten Verbindungen stößt auf das Problem, dass manche Arten in der Lage sind, Enantiomeren von optisch aktiven Verbindungen zu unterscheiden, sie reagieren nur auf das
eine, von ihnen selbst erzeugte Isomer, nicht aber auf ein Racemat. Schwierigkeiten bei der Analyse bereitet weiterhin die verbreitete Kombination mehrerer Substanzen, die oft synergistisch wirken. Nicht selten wird die optimale Wirkung erst durch ein bestimmtes Mischungsverhältnis von zwei oder mehr Substanzen erreicht. Beim Spurpheromon der Rasenameise Tetramorium caespitum etwa lösen zwei Pyrazine erst im Verhältnis 7:3 das Folgeverhalten ebenso gut aus wie natives Giftdrüsen-
14.6 Homöostase und soziale Regulation sekret. Auch Artspezifität wird gelegentlich durch Mischung verschiedener Verbindungen oder durch deren Mischungsverhältnis erzielt, so bei den Spursubstanzen einiger Arten der Blattschneiderameisen. Die Mischung von Verbindungen, vornehmlich solcher mit unterschiedlichem Dampfdruck, kann schließlich der Übertragung komplexer Informationen dienen . Jede der Substanzen hat eine bestimmte Reichweite, die in je nach Dampfdruck unterschiedlichem Zeitabstand erreicht wird. Jenseits dieser Grenze wird die Verdünnung zu hoch, um noch eine Reaktion auszulösen. Bei der Weberameise Oecophylla longinoda entlässt die Mandibeldrüse ein Alarmsekret. Nach 20 Sekunden hat der flüchtigste Anteil, Hexanal, Ameisen im Radius von ca. 10 cm aufmerksam gemacht. Gleichzeitig werden näher am Alarmierungsort befindliche Tiere durch I-Hexanol, das nur etwa halb so weit diffundiert ist, angelockt. Durch 3-Undecanon und das am wenigsten flüchtige 2-Butyl-2-octenal wird in nächster Nähe der alarmierenden Ameise und damit des etwaigen Gegners das Zubeißen ausgelöst . Die Sekretmischung bewirkt also eine schrittweise zunehmende Reaktion und ein Hinführen der Tiere zu dem Ort, an dem ihr Eingreifen benötigt wird.
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schicht über der Spur, woraus ein oft leicht pendelnder Lauf resultiert. Chemische Merkmale sind im Wesentlichen verantwortlich für die Identifizierung von Nestgenossinnen bei allen sozialen Hymenopteren und auch bei Termiten. Der allen Individuen gemeinsame Nestgeruch, die .Duftuniform", ist wohl stets ein Bukett aus zahlreichen Verbindungen. Sie liegen zum Teil in Form von Kohlenwasserstoffen in der Wachsschicht der Cuticula vor. Bei Termiten kann das Kohlenwasserstoffprofil sogar zu taxonomischen Zwecken verwandt werden. Die von Hautdr üsen, z. T. wohl auch den Mandibeldrüsen, sezernierten Verbindungen werden zwischen den Individuen durch Kontakt, Putzen etc. ausgetauscht, sodass im Volk eine einheitliche Mischung entsteht. Unter Umständen dominieren die Produkte der Königin, doch sind auch von Arbeiterinnen produzierte Komponenten und schließlich aus der Umwelt aufgenommene Duftstoffe mehr oder weniger am Nest- oder Koloniegeruch beteiligt. Allomoncharakter haben die Giftdrüsensekrete der Pha-
Allgemein sind Pheromone an ihre Funktion sehr raoameise und von Diebsameisen der Gattung SoIenopgut angepasst . Alarmstoffe sollen sich rasch aus- sis. Wird Futter mit dem Sekret kontaminiert, ist es für breiten, müssen also flüchtig sein. Sie verschwin- Ameisen anderer Arten unattraktiv. Die Diebsameise den auch rasch wieder, sodass der Alarm nicht Solenopsis fugax dringt so in Nester fremder Arten ein unnötig lange aufrechterhalten wird. Spurphero- und beschmiert deren Brut mit ihrem Giftdrüsensekret. mone dagegen können sehr langlebig sein. So ist Dessen Hauptkomponente, trans-2-Butyl-5-heptyl-pyrdie Duftspur von Lasius fuliginosus zu langfristig rolidin, wirkt so stark als Repellent, dass die Eindringnutzbaren Rindenlauskolonien über Wochen wirk- linge die fremde Brut ungestört von den pflegenden sam. Sie enthält eine Mischung von Fettsäuren, Ameisen abtransportieren und verzehren können . Schließlich verwenden soziale ebenso wie viele soliHexan- bis Dodecansäure, aus dem Enddarm der täre Insekten Sexuallockstoffe zur Kommunikation zwiAmeisen. In anderen Fällen, wo es etwa um Aus- schen den Geschlechtern. Wie erwähnt, benutzt die Biebeutung kurzlebiger Nahrungsquellen geht, ver- nenkönigin ihr Mandibeldrüsensekret auch zur Anlodunstet das Spurpheromon bereits wenige Sekun- ckung von Drohnen auf dem Hochzeitsflug. Bei Campoden oder Minuten nach der Abgabe, sodass die notus hereuleanus löst das Mandibeldrüsensekret der Rekrutierung nur anhält, solange erfolgreiche Männchen simultanes Abschwärmen der Weibchen aus, Sammlerinnen die Spur jeweils auf dem Weg zum während bei vielen Myrmicinenarten Giftdrüsensekret der Weibchen die Männchen anlockt und zur Paarung Nest erneuern. Der Informationsgehalt einer Duftspur be- stimuliert (Abb, 14-11). Erst in wenigen Fällen sind die schränkt sich nicht nur auf die klare Festlegung beteiligten Substanzen chemisch identifiziert. einer Verbindung zwischen Nest und Ziel, etwa Beute. Durch unterschiedlich starke Markierung kann z. B. eine einzelne Ameise bereits mitteilen, ob das Ziel mehr oder weniger lohnend ist. Die 14.6 Homöostase und soziale frühere Annahme jedoch, dass solche Spuren auch Regulation polarisiert seien, hat sich nicht bestätigt. Die Ameise oder Termite benötigt weitere Hilfsmittel, um zu entscheiden, in welcher Richtung die Spur Wie in einem Metazoenorganismus sind auch im zum Futter oder zum Nest führt, wenn sie etwa Superorganismus Insektenstaat Regelmechanisseitlich darauf stößt. Bei Ameisen können dies men erforderlich zur Aufrechterhaltung weitgeLandmarken, der Sonnenstand oder das Polarisa- hend konstanter innerer Bedingungen . Das betrifft tionsmuster des Himmelslichtes sein. Perzipiert die mikroklimatischen Verhältnisse im Nest, den wird eine Duftspur über die Antennen, die dabei Nahrungsdurchsatz, Schutz- und Verteidigungsdas Substrat nicht berühren müssen. Das Tier mechanismen , aber auch z. B. eine an die Beverhält sich osmotropotaktisch, vergleicht die dürfnisse des Volkes angepasste Relation zwischen Duftkonzentration rechts und links in der Luft- der Produktion von Arbeiterinnen und anderen
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14 Soziale Insekten
Abb. 14-11: Sexualverhalten. Manche Ameisen, hier ein Weibchen der parasitischen Doronomyrmex pacis, locken Männchen mitGiftdrüsensekret zur Paarung an. Das Sekret wird über den ausgestreckten Stachel angeboten.
Kasten bzw. Unterkasten. Eine Vielzahl von internen Rückkopplungsmechanismen wurde in diesem Zusammenhang bereits beschrieben . Experimentelle Untersuchungen bieten sich gerade bei sozialen Insekten an: Was geschieht, wenn aus einem Termitenvolk alle Soldaten entfernt, oder wenn von einem Bienenvolk alle Sammlerinnen abgefangen werden? Die Sozietät lässt sich geradezu in ihre Einzelteile zerlegen, im Gegensatz zu einem Organismus aber danach auch wieder zusammenfügen. Der Regulation von Feuchtigkeit und Temperatur im Nest, beides wichtige Faktoren für die optimale Brutaufzucht, dienen zahlreiche Verhaltensweisen. Ameisen und Termiten legen ihre Nester bereits an Orten an, wo die Umgebung hinreichend günstige Bedingungen gewährleistet. Im Notfall sind Verlagerungen möglich. Viele Ameisen bauen in kühlen Klimaten Hügelnester, deren sonnenexponierte Flanke stärker aufgeheizt wird als der ebene Boden (Abb. 14-5 B). Auch Termitenhügel können diesem Zweck dienen. Australische Kompasstermiten dagegen (Abb. 14-1 D) errichten brettartig flache Nester in Nord-Süd-Richtung, sodass Morgen- und Abendsonne die breiten Flächen treffen, während mittags nur der schmale obere Rand exponiert ist. Die Klimatisierung der Bauten von Bellicositermes wurde bereits dargestellt (Abb. 14-1 E). Vegetabilische Nester von Waldameisen der Gattung Formica sind gut iso-
liert und werden zudem durch die Stoffwechselwärme der Bewohner sowie durch Zersetzungsvorgänge im Nestmaterial aufgeheizt. Besonders gut untersucht ist die Temperaturregulation im Honigbienenvolk: Durch Muskelzittern wird soviel Wärme erzeugt, dass die Temperatur im Sommer bei 35 "C sehr konstant eingeregelt werden kann , aber auch bei strengem Frost sind in der Wintertraube um 30 oe, an der Peripherie nie unter 8-9 "C zu messen. Hummelköniginnen brüten auf ihren ersten Zellen und erzeugen dabei bis 38 "C, Kühlung wird vielfach, so bei Honigbienen und Wespen, durch Eintragen und Verteilen von Wasser sowie Flügelschwirren erreicht. Eindrucksvoll ist das Verhalten einer malaysischen TetraponeraArt , die in den Internodien von Riesenbambus nistet (Abb. 14-6 A). Die Arbeiterinnen trinken eingedrungenes Wasser, das sich am Boden des Nestraumes sammelt, und speien es vor dem Nesteingang wieder aus. Von Ameisen der Gattung Prionopelta ist bekannt, dass sie im Erdnest die Wände mit leeren Puppenkokons tapezieren und damit die Feuchtigkeit verringern . Der Eintrag von Futter wird bei Bienen und Ameisen durch die Geschwindigkeit reguliert, mit der Arbeiterinnen im Innendienst den Sammlerinnen das Futter abnehmen . Bei der Ameise Solenopsis invicta wird sogar zwischen Kohlenhydratund Proteinnahrung differenziert. Die Intensität der Rekruti erung zum Futtersammeln ist nicht nur von der Qualität der Nahrung abhängig, sondern auch vom Bedarf in der Kolonie. Im Fall der oben erwähnten Experimente, Wegnahme einer bestimmten, spezialisierten Gruppe von Individuen , gleicht die Sozietät den Verlust dadurch aus, dass Angehörige anderer Gruppen ihr Verhaltensrepertoire ausweiten und die Aufgaben der nun fehlenden Brutpfleger, Sammler etc. mit übernehmen. Bei einer Pheidole-Art verstärkt sich das "soziale Verhalten" der sonst ziemlich inaktiven Soldaten nach Reduktion der Anzahl normaler Arbeiterinnen auf ein Mehrfaches. Sie betreiben dann so lange auch Brutpflege, bis wieder genügend Arbeiterinnen herangewachsen sind (Abb. 14-12). Bei Honigbienen wechselt nach Wegnahme etwa der Sammlerinnen ein Teil der jüngeren Arbeiterinnen vorzeitig vom Innendienst zum Sammeln über, aber auch Gruppen von ausschließlich älteren Sammelbienen können zu Brutpflegearbeiten zurückkehren, wobei sich sogar ihre reduzierten Futtersaftdrüsen teilweise regenerieren . Insbesondere im Zusammenhang mit der Regulation der Kastenverh ältn isse wird ersichtlich, dass Hom öostase einerseits in der Wiederherstellung einer optimalen Situation nach kur zfristiger Störung bestehen kann, andererseits aber auch langfristig als ökologische Anp assung an veränderte Umweltbedingungen zu beobachten ist.
14.7 Symbiosen und Parasitismus
LU
Lebensformen, mit Tieren , Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen in Wechselbeziehung. Bienen sind wichtige Pflanze nb estäuber, Wespen und viele Ameisen leben räuberisch, Termiten sind bedeutende Zerset zer von Totholz und Streu, manche Ameisen und Termiten haben Pilze domestiziert, andere Ameisen halten sich pflanzensaugende Insekten wie Haustiere, oder gehen enge Symbio sen mit höheren Pflanzen ein, und schließlich nutzt ein breites Spektrum von Bakterien, Einzellern, Würmern , Insekten und anderen Arthropoden die sozialen Insekten teils als Symbiosepartner, teils als Wirte in parasitärer Weise. Sogar soziale Insekten selbst treten als Parasiten anderer sozialer Arten auf und nutzen deren soziale Leistungen.
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Abb. 14-12: Anpassung des individuellen Verhaltens an eine geänderte Zusammensetzung der Kolonie bei Pheidole guilelmimuelleri. Wenn der Anteil an Großarbeiterinnen bzw. Soldaten über 50 % angehob-en wird, steigen bei diesen die Häufigkeit sozialer Verhaltensakte, aber auch das Sich-Putzen, drastisch an. (Nach Wilson 1984)
14.7.1 Die Pilzsymbiosen von Termiten und Ameisen
Eine Ektosymbiose mit Pilzen ist konvergent bei einem Teil der Höheren Termiten, der Termitidae, und bei der Tribus Attini in der Ameisenunterfamilie der Myrmicinae entstanden. BlattschneiWie für Termiten bereits erwähnt (s. 14.4.1), ist die derameisen haben wohl primär Bestandsabfall, Produktion von Soldaten davon abhängig, wie viele An- Raupenkot u. ä. als Substrat für ihre Pilzgärten gehörige dieser Kaste im Volk vorhanden sind. Ähnlich genutzt. Bei einigen kleineren Arten kommt dies entscheidet bei Ameisen der Gattung Pheidole die An- heute noch vor. Die wirtschaftlich bedeutsamen zahl der Soldaten darüber, ob sich aus Larvendes letzten Arten der Gattungen Atta und Acromyrmex hinStadiums Arbeiterinnen oder weitere Soldaten entwickeln. Nach neueren Befunden werden bei Pheidole pa//i- gegen sind dazu übergegangen, grüne Blätter, dula, einer im Mittelmeergebiet verbreiteten Art, in An- Knospen und Blüten zu ernten. In strenger ArGroßarbeiterinnen wesenheit benachbarter, konkurrierender Völker dersel- beitsteilung zerschneiden ben Spezies sogar vermehrt Soldaten aufgezogen. Bei Blattstücke und tragen sie ins Nest , wo sie von S olenopsis ist die Eiablagerate der Königin mit der An- immer kleineren Individuen mehr und mehr zerzahl der Larven im letzten Stadium positiv rückgekop- kaut und schließlich in die schwammartig strukpelt: Diese Larven produzieren für die Königin wichtige turierten Pilzgärten eingebaut werden . GongyliNahrungssubstanzen, die ihr von Pflegerinnen zugetra- dia, etwa stecknadelkopfgroße Anschwellungen gen werden. der Hyphenenden, die Glycogen , Aminosäuren, Selbst die oft variable soziale Organisation ganzer Lipide u.a. enthalten, werden von den Ameisen Populationen oder Arten, Monogynie, Polygynie, abgebissen und verzehrt sowie an die Larven verMonodornie usw., kann im Sinne von Homöostase füttert . Relativ neu ist die Erkenntnis, dass adulte als Anpassung an unterschiedliche Umweltbedin- Blattschneiderameisen auch Pflanzensaft direkt gungen interpretiert werden . Flexibilität auf ver- aufnehmen, während sie da s Blattmaterial zerschiedenen Ebenen gewährleistet som it im Insek- kauen, und dass sie daraus sogar den überwiegentenstaat die Aufrechterhaltung zuträglicher Be- den Teil ihres Energ iebedarfs abdecken . Die Pilzdingungen in weit höherem Maße als dies bei kultur schließt das Düngen mit Fäkalien, Ausjäten solitären Formen möglich wäre. fremder Pilzinfektionen, Abräumen verbrauchten Substrats und Inokulieren frischen Blattmaterials mit Myzelpartikeln ein. Junge Königinnen von Blattschneiderameisen nehmen einen Ansatz der Pilzkultur in ihrer Infrabuccaltasche mit auf den Hochzeitsflug, sodass sie während der Koloniegründung direkt einen kleinen Pilzgarten anlegen können. Bis zum Schlüpfen der ersten ArbeiterinAufgrund ihrer dominierenden Stellung in fast nen wird er mit Kot gedüngt. allen terrestrischen Ökosy stemen stehen soziale Problematisch ist noch immer die taxonomiInsekten in äußerst vielseitiger Weise mit anderen sche Zugehörigkeit der von Blattschneiderameisen
14.7 Symbiosen und Parasitismus
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14 Soziale Insekten
termitinae auf die Tropen der Alten Welt beschränkt während die Pilzzucht der Ameisen nur bei den Attini in der Neotropis vorkommt.
14.7.2 Trophobiose von Ameisen und Pf lanzensaugern Pflanzensau gend e Insekt en, vor allem die phl oemsaugenden Aphidin a und Co ccina, aber auc h Blattflöhe und Zikaden, nehm en mit ihre r N ahrung Kohlenh ydrate im Überschuss auf. Durch spezialisierte Verd auungstr akte (Abb . 4-23) werden diese Zu cker zusamm en mit wenig AminoAbb. 14-13:Symbiose von Ameisen und Blattläusen. Von säuren etc. als Honigtau über den Aft er ausgehinten wirkt eine Blattlaus mit Siphonen, Cauda und beweg- schieden. Zahlreichen Insekten dient das abgelichen Hinterbeinen ähnlich wie eine Ameise von vorn. Das spritzte Mater ial als wicht ige Nahrungsquell e, Ho"Melken" der Laus könnte dem Futterbetteln einer Ameise bei nigbienen bereiten daraus den bek annten einer Artgenossin entsprechen. (Nach Kloft und Gruschwitz Waldhonig . Für die meisten Am eisenarten ist Ho 1988) nigtau die wichtigste Kohl enhydratquelle. Entsprechend haben sie zum Teil sehr enge mu tu alistigenut zten Pilze, da sie praktisch nie Fruchtkörper sehe Beziehungen zu den Erzeugern aufgeba ut. ent wickeln. Wahrs cheinlich handelt es sich um Vielfach werden Blatt- und Rindenlau sherd en beVertreter der Basidiornyceten-Ordnung Agarica- wacht, beschützt und "gemo lken", d. h. durch Stiles, und bei allen Atta- und A cromyrmex-Arten mulation mit den Antennen zur Abgabe des Hovielleicht um dieselbe Species, Leucoagaricus gon- nigtaus vera nlasst. Eine Hypothese (Abb. 14-13) gy lophorus (früher: Rozit es gongy lophora). Es be- besagt, da ss eine Blattlaus von hinten mit ihren steht Grund zu der Annahme, da ss die Attini ihren Beinen und Siph onen einer Ame ise von vorn soPilz über mind estens 23 Millionen Jahre klon al weit ähnelt, dass der Vorgang dem Futterbetteln vermehr t hab en. Die Pilzgärten bestehen im we- zwischen zwei Ame isen entsprechen könnte. Mansentlichen au s dem Myzel dieser einen Art in che Blattlau sar ten sind auf das " Melken" seitens Reinkultur. Allerdings wurden gelegentlich auch der Am eisen angewiesen, sie würden andernfalls Hefen und Bakterien darin gefunden, deren Be- im eigenen Kot ertrinken. Ame isen wie Lasius deutung als Par asiten oder Symbi onten des Pilzes f uliginosus legen dauerhafte Straßen zu ihren Rinjedoch unkl ar ist. Wahrscheinlich spielt da s Sekr et denlausherden an, La sius niger und andere bauen der Metathorakaldrüsen der Arbeiterinnen die Erdgalerien und -pavillons über die Pflan zensau Rolle eines biologischen Herbizids, da seine Be- ger, weitere La sius- sowie Tetram orium -Arten bestandteile, u. a. Phenylessigsäure, ß-Hydroxidecan- treuen Wur zelläu se im Boden. Die südostasiati säure (" M yrmicacin") und 3-Indolylessigsäure schen Nomaden der Gattung Dolichoderus, die (Heteroauxin) das Bakterienwachstum und die ihre Pseud ococciden jeweils an neu sprießende Keimung fremd er Pilzsporen hemm en bzw. das Pflanzenteile tr agen , wurden bereits erwähnt. Die M yzelwach stum des Ameisen-Pilzes stimulieren. Jungkönig innen einiger Acropyga-A rten (ForrniciNeuerdings wurden auf der Ventralseite von Blatt- nae) in tropi schen Ländern , aber auch auf der schneiderameisen Bakterien gefunden (S trep tomy- Balkanhalbinsel, nehmen zwischen den Mandices), die ebenfalls durch Abgabe von Antibiotika beln je eine Schildlauslarve mit auf den H ochzeitsden Amei sen-Pilz vor der Infektion mit parasitie- flug, die junge Kolonie hat damit sofor t eine Stammutter für ihre an Wurzeln saugenden Symrenden Pilzen schützen (Hachtel 1999). biosepartner. Gleiches wurde bei der südostasiatiAuch unter den Termiten ist es nur eine Verwandt- sehen, bambusbewohnenden Tetrapon era bingschaftsgruppe, die Macrotcrmitinae, die eine Pilzkultur ham i (Pseudomyrme cinae) beobachtet (s. 14.3.3, im Nest entwickelt hat. Die Pilzgärten werden aus Kot Abb. 14-6 A). und fein geschrotetem Holz errichtet. Sie sind von einem Basidiomyceten der Gattung Termitomyzes sowie einem Ascomyceten, Xy laria, besiedelt. Anders als die Blattschneiderameisen scheinen die Termiten nicht die rundlichen Hyphenanschwellungen zu bevorzugen. sondern fressen so ziemlich alles, einschließlich Substrat und Myzel. Merkwürdigerweise sind die pilzzüchtenden Macro-
14.7 Symbiosen und Parasitismus
14.7.3 Gäste und Parasiten in Nestern sozialer Insekten Das enge Zusammenleben Tausender von Individuen , schützende Nestbauten mit zum Teil geregeltem Mikroklima, kont inuierliche Nahrungszufuhr und schließlich der von den Tieren produzierte Abfall schaffen Lebensmöglichkeiten für eine kaum überschaubare Vielfalt von Organismen, die als Parasiten, Kommensalen oder sogenannte G äste mit ihren Wirten mehr oder weniger regelhaft zusammenleben. Nur eine kleine Auswahl kann hier beschrieben werden . Offensichtlich profitieren größere Räuber von der Massenansammlung ihrer Beutetiere in einem Nest. Bestimmte Spechte graben im Winter metertiefe Löcher in Wald ameisennester, um an die ruhenden Tiere heranzukommen. Ameisenbären (Tamandua) , Ameisenigel (Tachyglossus) und Schuppentiere (Manis) haben spezialisierte Grabklauen und lange klebrige Zungen, um ihrer Beute in Ameisen- und Termitenbauten habhaft zu werden . Der Wespenbussard (Pernis apivorus) ern ährt sich im Sommer überwiegend von Wespen und Hummeln, deren Nester er ausgräbt (s. 17.1.1). Auch dem so genannten Komfortverhalten mancher größerer Tiere können Nester sozialer Insekten dienen . Schwarz-, Rot- und Damwild etwa wälzen sich in Waldameisennestern, um sich mittels der Ame isensäure von Fellp arasiten zu befreien . Das sog. .Binemsen" vieler Vögel, die Ameisen in den Schnabel nehm en und durch ihr Gefieder ziehen , dient demselben Zweck . Krankheitserreger, Ekto- und Endoparasiten, sind eine weitere Gruppe von Organismen, die vom Sozialleben ihrer Wirte profitieren. Pilze, Protozoen, Würmer und verschiedene Arthropoden sind hier zu nennen. Myrmicinosporidium durum , Erreger der Näpfchenkrankheit bestimmter Ameisenarten, wurde vor kurzem als Pilz au s der Gruppe der Chytridiomycetes identifiziert. Nosema apis aus der Gruppe der Microsporidia verursacht die gefährliche Bienenruhr. Fadenwürmer (Abb. 14-14 B) befallen Ameisen und Hummeln. Ein bekanntes Beispiel ist Spha erularia bomb i. Der Wurm selbst lebt in der Leibesh öhle überwinterter Hummelköniginnen, wird nur ca. I mm lang, aber das Weibchen stülpt einen 2-3 cm Länge erreichenden Uterus au s, der sich a us der Hämolymphe des Wirts ernährt und in dem sich massenhaft Larven entwickeln. Ameisen vor allem der Gattung Formica sind Zwischenwirte für den Kleinen Leberegel Dicrocoelium dendriticum. Andere Ameisen beherbergen Finnen oder Cysticercoide von Bandwürmern (Abb. 14-14 C) , deren Endwirte verschiedene Vögel, darunter Haushühner sein können . Larven von parasitoiden Schlupfwespen sowie
bestimmten Fliegen (Strongygaster ckeln sich ebenfalls in Ameisen.
= Tamiclea)
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Milben wie die in den Tracheen der Honigbiene lebende Acarap is oder die neu eingeschleppte, an Bienenbrut saugende Varroa ja cobsoni schädigen als Ektoparasiten ihre Wirte enorm. Andere Milben, etwa Antennophorus, die auf Ameisen leben, betteln ihre Wirte um Futter an (Abb. 14-15 A). Eine sehr große Zahl von Organismen lebt mit sozialen Insekten in deren Nestern als so genannte Gäste zusammen. Sie stehen in recht verschiedenen Beziehungen zu ihren unfreiwilligen Wirten. Synoeke, Synechthren und Symphile sind drei gut unterscheidbare Kategorien . Die Angehörigen der ersten sind mehr oder weniger geduldet, belasten die Wirtsart kaum und ernähren sich von Müll oder Nestmaterial. Hierzu gehören die Larven verschiedener Rosenkäferarten, die meist verrottendes Nestmaterial von Waldameisen verzehren. Weiße, blinde Asseln (Platyarthrus hoffmannseggi), das Ameisenfischchen (Ateluraformicaria, O. Zygentoma) und eine Vielzahl von Milben, Spinnen, Asseln und Myriopoden sind weitere Vertreter der Synoeken. Auch die Nacktschnecken ähnelnden Larven der Schwebfliegengattung M icrodon (Abb.14-14 A) wurden lange Zeit den harmlosen G ästen der Ameisen zugerechnet, vergreifen sich nach neueren Befunden jedoch an der Brut ihrer Wirte . Sie vermitteln zur zweiten Gruppe der Synechthren, die ihren Wirten deutlich schaden, meist verfolgt werden, aber mithilfe schneller Flucht oder verschiedener Schutz- und Wehrmechanismen sich dennoch in deren Nestern behaupten können. Die meisten Synechthren leben räuberisch von der Brut ihrer Wirte . So legt der Blattk äfer Clytra quadripunctata (Chrysornelidae) seine mittels Kotschüppchen getarnten Eier auf Waldameisennestern ab. Die Larve baut sich ebenfalls aus Kot einen festen Köcher, dessen Öffnung sie mit ihrer harten Kopfk apsel verschließen kann . So geschützt frisst sie Larven und Puppen der Ameisen. Der Glanzkäfer Amphotis marginat a (Nitidulidae) lauert an Duftspuren der Ameise Lasius fuliginosus und bettelt die mit honigtaugefülltem Kropf zum Nest laufenden Arbeiterinnen um Futter an. Wird er angegriffen, so presst sich der Käfer fest auf den Boden und ist durch seinen flachen, gepanzerten Rücken praktisch völlig geschützt.
Auch die Angehörigen der dritten Gruppe, die Symphilen, leben letztlich auf Kosten ihrer Wirte. Sie sind jedoch so gut angepasst und in die Sozietät integriert, dass sie nicht mehr feindselig behandelt, sondern oft sogar dank att raktiver Sekrete aktiv in die Nester ihre r Wirte eingebracht werden. Gut untersucht ist das Beispiel des Kurzflügelkäfers AtemeIes pub icollis (Staphylinidae). Die Käfer schlüpfen im Sommer in den Nestern ihrer ersten Wirtsart aus der Gattung Formica. Wenig später wechseln sie zum zweiten
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14 Soziale Insekten
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Abb. 14-14: Gäste und Parasiten. A Die Syrphide Microdon sp. und ihr Puppenkokon. Die einer Nacktschnecke ähnliche Larve lebt in Ameisennestern und ernährt sich von Ameisenbrut. B Ein 7 cm langer Nematode der Fam. Mermithidae (unten) aus der Gaster einer Aphaenogaster sp. (Mitte)von 6.5 mm Länge. Oben eine nicht befallene Ameise zum Vergleich. C Finnen (links) und ausgestülpter Scolex (0) eines bei Vögeln vorkommenden Bandwurms der Gattung Anomotaenia. AlsZwischenwirtedienen Ameisen der Gattung Leptothorax.
Wirt, einer Myrmica-Art. Vor deren Nesteingang wartet der Käfer, bis ihn die Ameisen entdeckt haben. Verschiedene Drüsen treten dann in Funktion: Adoptionsdrüsen an den Hinterleibsrändern liefern attraktive Sekrete, die eine Aufnahme ins Ameisennest vermitteln . Eine Besänftigungsdrüse an der Hinterleibsspitze dämpft evtl. aufkomme nde Aggression, und eine Wehrdrüse kann bei tatsäc hlichen Angriffen der Ameisen eingesetzt werden.
Da Myrmica-Arten im Gegensatz zu den Waldameisen mit Brut überwintern, kann der Käfer bis zum Frühjahr am sozialen Futterfluss teilnehmen , soweit das die Temperaturen zulassen. Im Frühling kehrt der Käfer ins Waldameisennest zurück , wo er wiederum mithilfe seiner diversen Drüsen die Adoption erreicht. Er wird dort geschlechtsreif und legt Eier. Die Larven werden von den Ameisen wie eigene Brut behandelt und gefütter t, auch sie sezernieren attraktive Hautsekrete.
14.7 Symbiosen und Parasitismus
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Abb. 14-15: Gäste und Parasiten. A Ektoparasitische Milben der Gattung Antennophorus an Ameisen. Mit den verlängerten Vorderextremitäten können sie von den Wirten Futter erbetteln. (Nach Wheeler 1910) B Die larven zahlreicher Arten von Bläulingen (lycaenidae) leben als Gäste oder auch Bruträuber in Ameisennestern. Maculinea arion-larve des 3. Stadiums, oben in normaler Haltung, unten: Eine Myrmica-Arbeiterin trägt die mit verschiedenen Exsudatorganen ausgestattete Raupe in ihr Nest. (Nach Hölldobler und Wilson 1990) C Die Fliege Metopina formicomendicula (Phoridae) reitet aufeiner Arbeiterin von Solenapsis fugax. Durch Betasten von deren Mundteilen mit ihren Vorderbeinen löst sie Regurgitation aus. (Nach Hölldobler und Wilson 1990) o Coatonachthodes ovambolandicus, ein als Gast bei afrikanischen Termiten lebender Staphylinide. Das Abdomen ist extrem physogastrisch und mit Exsudatorganen bestückt, sodass der Käfer von oben einer Termite mit ihren Extremitäten ähnelt. (Nach Wilson 1971) E Metoecus paradoxus (Rhipiphoridae, Fächerkäfer) entwickelt sich in Wespennestern . Die larve dringt in eine Wespenlarve ein und verzehrt sie, um sich schließlich in der Wespenzelle zu verpuppen. (Nach Zahradnik 1985)
Derartige Symphilen machen sich also die sozialen Leistungen ihrer Wirte zunutze, indem sie Auslöser z. B. für Brutpflegeverhalten imitieren. Dies führt in manchen Gruppen zu immer größeren Sekretdrüsen und zu teilweise geradezu grotesken
Körpergestalten. Als Beispiele seien nur zwei Gäste von Termiten genannt, der Staphylinide Coatonachthodes ovambolandicus (Abb, 14-15 D) und die Fliege Odontoxenia brevirostris (Termitoxeniidae) (Abb. 25-71 D), die sich beide durch extreme Phy-
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14 Soziale Insekten
sogastrie und, im Falle des Käfers, auch sehr auffallende Exsudatorgane auszeichnen .
14.7.4 Sozialparasitismus Wie bereits mehrfach angesprochen, können auch soziale Insekten als Parasiten anderer sozialer Arten auftreten und sich deren soziale Leistungen zunutze machen, ähnlich wie Kuckucksvögel die Brutpflegeleistungen ihrer Wirte ausbeuten. Anders als bei gewöhnlichen Ekto- oder Endoparasiten sind beim Sozialparasitismus allerdings Wirtsund Parasitenart jeweils recht eng verwandt . In einigen Fällen gibt es Hinweise auf eine direkte Abkunft solcher Parasiten aus ihrer Wirtsart oder zumindest aus deren Gattung. Dies würde u. U. sogar sympatrische Speziation bedeuten . Natürlich sind solche Parasiten von vornherein bestens an die Nutzung ihrer Wirtsart angepasst . In den einzelnen Gruppen sozialer Insekten ist der Sozialparasitismus sehr unterschiedlich häufig . So gibt es bei Term iten nur wenige Beispiele, während in allen größeren Gruppen sozialer Hymenopteren Formen sozialen Parasitismus auftreten. Ganz besonders vielseitig ist diese Erscheinung bei den Ameisen ausgeprägt.
Bei Termiten sind nur wenige Arten bekannt, die in den Nestwänden anderer Arten leben und sich wohl zum Teil von dem Nestmaterial ernähren. Eine Art , Termes insitivus, hat möglicherweise keine eigenen Arbeiterkasten. In den Galerien ihrer Wirtsart Nasutitermes magnus wurden nur geflügelte Geschlechtstiere und Nymphen der Parasitenart beobachtet. Dies würde der Arbeiterlosigkeit von Inquilinen bei Ameisen oder auch bei parasitischen Wespen und Hummeln entsprechen. In der Unterfamilie der Feldwespen oder Polistinae umfasst die Gattung Polistes einige parasitische Arten, die auch als eigene Gattung Sulcopolistes abgetrennt werden. Die Parasitenköniginnen kommen spät aus der Winterruhe, wenn ihre Wirte bereits kleine Nester mit Brut und Arbeiterinnen aufgebaut haben, und schließen sich solchen Völkchen an . Ähnlich wie beim Dominanzverhalten gemeinsam koloniegründender Polistes- Weibchen dominiert die parasitische Königin die Bewohner des Wirtsnestchens und vertreibt oder tötet dessen rechtmäßige Königin. Aus der Sulcopolistes-Brut werden nur Männchen und Jungköniginnen aufgezogen, Arbeiterinnen der Parasitenart existieren nicht. In der Unterfamilie Vespinae kommen ähnliche Formen von Sozialparasitismus vor. Auch hier ersetzt die parasitische Königin, meist nach Kämpfen, die Gründerin des Wirtsvolkes und lässt dessen Arbeiterinnen ihre Nachkommen aufziehen. Beispiele sind Dolichovespula omissa und D.
adulterina , die bei D. sylvestris bzw. D. saxonica parasitieren, also Angehörigen derselben Gattung. Bei Hummeln wiederum sind die parasitischen Arten in der Gattung Psithyrus zusammengefasst. Für die gewaltsame Auseinandersetzung mit den Wirtsköniginnen sind die Psithyrus- Weibchen mit stärkerem Stachel und dicker Cuticula angepasst, andererseits fehlen ihnen die bei den Wirtsköniginnen gut entwickelten Sammelapparate. Relativ hoch ist der Anteil parasitischer an der Gesamtartenzahl besonders bei Hummeln. So finden sich in Deutschland neben ca. 30 selbstständigen Species 10 Angehörige der Gattung Psithyrus. Bei Ameisen ist das Zahlenverhältnis in Mitteleuropa ähnlich: In gut untersuchten Faunen leben fast 30% der Arten sozialparasitisch. Weltweit dagegen sind unter rund 11000 beschriebenen Ameisenarten nur etwa 240 als Parasiten bekannt. Ihre größte Häufigkeit erreichen sie offenbar in den mediterranen und gemäßigten Klimazonen. Anders als bei Wespen und Bienen lassen sich bei parasitischen Ameisen mehrere Lebensformtypen unterscheiden: Gastameisen, temporäre Sozialparasiten sowie permanent parasitische Arten mit oder ohne Sklavenhaltung.
Kennzeichnend für Gastameisen ist eine praktisch normale Organisation der Sozietäten. Sie bewohnen eigene Nester, stets in der Nähe des Nestes oder sogar im Nestbezirk der Wirte, betreuen ihre Brut selber und beziehen nur die Nahrung von diesen. Die Gattung Formicoxenus ist in Europa mit der Art F. nitidulus vertreten, die ihre winzigen Nestchen in Kiefernzapfen, Rindenstücken oder leeren Kokons von Rosenkäfern inmitten der Hügel von Waldameisen anlegt. Die Arbeiterinnen betteln Wirtstiere direkt an , oder klettern einer Formica-Arbeiterin auf den Rücken, während diese mit einer Artgenossin Futter austauscht, um an dem übertragenen Tropfen mitzunaschen. Nordamerikanische Arten leben auch in den Wänden von MyrmicaNestern. Ihre Nahrung erschleichen sie, indem sie Wirt stiere vorsichtig von hinten her putzen und belecken, bis sie im Bereich der Mundwerkzeuge angelangt sind und die Regurgitation auslösen können. Auffällig häufig kommen in der Gruppe dieser Gastameisen morphologische Besonderheiten vor: Während eine Art noch normale geflügelte, schwarz gefärbte Männchen hat , findet sich bei den anderen eine ganze Übergangsreihe von flügellosen Tieren bis hin zu den arbeiterinähnlichen , braun gefärbten Männchen von F. nitidulus. Auch im weiblichen Geschlecht kommen neben normalen Arbeiterinnen alle Übergänge von Intermorphen bis hin zu geflügelten Vollweibchen vor, wobei fast alle Morphen begattet werden und Königinfunktion übernehmen können. Funktionelle Monogynie (s. 14.3.3) ist bei diesen Arten weit verbreitet. Anders als bei den folgenden Formen sind Gastameisen nicht voll in die Wirtssozietät integriert, und sie sind mit ihren Wirten auch nicht nahe verwandt. Noch wenig erforscht sind Gastameisen-Arten
14.7 Symbiosen und Parasitismus
außerhalb der Gattung Formicoxenus. In Südostasien und Nordost-Australien leben Arten der Gattung Polyrhachis (Formicinae) in Nestern sehr wehrhafter Ponerinae (Diacamma. Rhytidoponera) (Maschwitz et al. 2000) .
Temporärer Sozialparasitismus beginnt mit der Übernahme eines Wirtsvolkes durch eine parasitische Königin . Sie beseitigt die Wirtskönigin gewaltsam (Abb. 14-16 A, B) durch Würgen, Köpfen oder auch subtilere Methoden, die im einzelnen noch nicht bekannt sind. In einer Übergangszeit ziehen dann Arbeiterinnen der Wirtsart solche des Parasiten auf Schließlich sterben die Wirtsarbeiterinnen und das Volk wird zu einer reinen Sozietät der parasitischen Art, die eigene Arbeiterinnen und regelmäßig jährlich Geschlechtstiere erzeugt. Bekannt ist diese Lebensweise von einer Reihe einheimischer Lasius-Arten, so L. umbratus, die als Wirtsart die weit verbreitete L. niger benutzt. Die bereits mehrfach erwähnte L. fuliginosus gründet ihre Kolonien als sozialer Hyperparasit bei L. umbratus. Offensichtlich konvergent ist temporärer Parasitismus bei diesen Formicinen und auch in den Unterfamilien der Myrmicinae und der Dolichoderinae entstanden. Bei den Formicinae kommt neben den oben genannten Beispielen ein fakultativer temporärer Parasitismus in der Gattung Formica vor : Mehrere Arten dieser hügelbauenden Waldameisen sind entweder polygyn und polydom, sodass neue Nester als Ableger gegründet werden, oder einzelne Jungköniginnen parasitieren in Nestern von Arten der Untergattung Serviformica bis zur Produktion eigener Arbeiterinnen, wobei monogyne Völker entstehen. Formica rufa weist beide Lebensformtypen nebeneinander auf Permanenter Parasitismus ohne Sklavenhaltung, auch Inquilinismus genannt, kommt in mehreren Unterfamilien der Formicidae vor und stellt die häufigste Form des Parasitismus dar. Inquilinen sind fast alle arbeiterinlos. Die junge Königin sucht nach der Begattung Adoption in einem Nest der Wirtsart, die in den meisten Fällen polygyn ist. Wie eine Jungkönigin der Wirtsart gliedert sich die Parasitenkönigin in das Volk ein, legt Eier und lässt ihre Nachkommenschaft, ausschließlich Geschlechtstiere, von den Wirtsarbeiterinnen mit aufziehen. Das wohl berühmteste Beispiel ist die .Endameise'' Teleutomyrmex schneideri bei Tetramorium impurum (Abb. 14-16 C) . Wie ein Ektoparasit klammert sich die kleine Teleutomyrmex-Königin auf dem Rücken der Wirtskönigin an. Bei Doronomyrmex kutteri und einigen anderen Arten ist die parasitische Spezialisierung nicht ganz so weitfortgeschritten, die Tieresehenihren Wirten recht ähnlich und sind zwischen den Wirtsköniginnen oft nur schwer zu erkennen. Abweichende Lebensweisen kommen bei den Inquilinen ebenfalls vor. So beseitigt Doronomyrmex goess-
495
waldi die Königinnen der Wirtsart Leptothorax acervorum, indem sie diesen die Antennen abtrennt. Sie sind
dann nicht mehr in der Lage Futter zu erbetteln und verhungern allmählich. Anergates atratulus, ein weiterer arbeiterinloser Parasit bei Tetramorium impurum und T. caespitum, findet wohl nur in weisellos gewordenen Wirtsvölkern Aufnahme. Sklavenhaltung oder Dulosis ist die sicher komplizierteste Form des sozialen Parasitismus. Auch Duloten sind permanente Parasiten, sind dauernd auf die Hilfe ihrer Wirtsarten angewiesen. Die Koloniegründung entspricht der bei temporären Parasiten: Die Jungkönigin sucht Einlass in ein Volk der Wirtsart und beseitigt die Königin, in manchen Sklavenhalter-Gattungen auch alle adulten Arbeiterinnen, sodass sie nur die Brut mit allerdings schlüpfreifen Arbeiterinpuppen übernimmt. Mit der Hilfe ihrer ersten Sklaven werden Sklavenhalter-Arbeiterinnen aufgezogen, die schließlich benachbarte Nester der Wirtsart überfallen und dort Brut rauben, aus der im Sklavenhalternest weitere Sklaven entstehen. Zahlreich sind die Spezialisierungen für diese Lebensweise, vor allem für das Kampfverhalten bei Koloniegründung und Raubzug. Harpagoxenus hat scharfe, zahnlose Mandibeln,mit denen sowohl Königin als auch Arbeiterinnen ihren Gegnern die Extremitäten abschneiden. Chalepoxenus aus derselben Myrmicinen-Tribus Formicoxenini kämpft mittelsdesstark entwickelten Stachels. Epimyrma-Arbeiterinnen benutzen ebenfalls den Stachel als Waffe, während ihre Königinnen bei der Koloniegründung die Wirtskönigin langsamdurch Würgen mittels der Mandibeln beseitigen. Die FormicinenGattung Polyergus und bei Myrmicinen die Gattung Strongylognathus sind mit Säbelkiefern (Abb. 14-16 D) ausgerüstet, mit denen Gegnern der Kopf durchbohrt werden kann. Auch die Organisation der Raubzüge ist recht unterschiedlich . Allgemein scheinen einzelne Sklavenhalter-Arbeiterinnen als Kundschafter geeignete Wirtsnester auszuspähen. Es folgt dann eine Rekrutierung weiterer Sklavenhalter zum Beutenest. Kleine Arten benutzen dazu oft das Tandemlaufen, sodass erst allmählich eine Streitmacht vor dem Zielnest aufgebaut wird . Epimyrma und zwei weitere nordamerikanische Gattungen aus der Tribus Formicoxenini haben allerdings trotz geringer Koloniegröße zu diesem Zweck eine Gruppenrekrutierung entwickelt (Abb, 14-16 E), bei der eine Kundschafterin auf kurzlebiger Spur gleichzeitig mehrere Nestgenossinnen zum Ziel geleitet. Bei Amazonenameisen der Gattung Polyergus erfolgt eine Massenrekrutierung von mehreren Hundert Individuen in meterlanger Kolonne, zum Teil ebenfalls auf einer Duftspur. Auffällig ist, dass in manchen Verwandtschaftsgruppen sozialparasitischer Ameisen eine Weiterentwicklung der Lebensweise erfolgt. So kommen in den Gattungen Epimyrma und Chalepoxenus
496
14 Soziale Insekten
c
a
b
c
Q)Q) o E
neben aktiv sklavenraubenden Arten auch solche vor, die nur noch wenige oder gar keine eigenen Arbeiterinnen erzeugen, jedenfalls keine Raubzüge mehr durchführen. Im Endstadium kopulieren die jungen Geschlechtstiere im Mutternest. Jede Jungkönigin versucht dann für sich in ein Wirtsnest einzudringen, wo sie nach Beseitigung
von dessen Königin mit der Eiablage beginnt. Aufgrund der begrenzten Lebenserwartung der Wirtsarbeiterinnen hat ein solches Volk allerdings nur eine Lebensdauer von nur 2-3 Jahren , wogegen Völker von aktiv sklavenhaltenden Arten durchaus 10 und mehr Jahre überdauern können. Dieses Stadium der "degenerierten Sklavenhalter"
Literatur
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entspricht jed och nicht dem Inquilini smus, da bei diesem die Wirtsköniginnen überleben .
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14 Soziale Insekten
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15 Insekten und Pflanzen Helmut Zwölfer
Mehr als drei Viertel aller mitteleuropäischen Insektenarten zeigen zumindest in bestimmten Lebensabschnitten Beziehungen zu Pflanzen . Solche Arten wurden lange Zeit einseitig entweder als .Pflanzenfeinde", oder, soweit sie Blütenpflanzen bestäuben, als "Nützlinge" betrachtet. Erst seit etwa 25 Jahren ist das Thema "Insekt und Pflanze" auch von der Physiologie, Evolutionsbiologie und Ökologie intensiv aufgegriffen worden . Denn die zwischen rund 500000 beschriebenen Insektenarten und den über 300000 Gefäßpflanzen sich abspielenden Interaktionen bilden einen beträchtlichen Teil der biologischen Vielfalt und bieten unersch öpfliche Forschungsmögl ichkeiten. Als Beispiele seien hier die Bücher von Ahmad (1983), Bernays und Chapman (1994), Howe und Westley (1993), Price et al. (1991) oder Williams (1994) sowie die lange Reihe der Verhandlungsbände der Internationalen Symposien on InsectPlant Relationships erwähnt.
15.1 Phytophage Insektentaxa Nur verhältnismäßig wenigen Insektenordnungen ist es gelungen, Pflanzen nachhaltig als NahrungsRessource zu nutzen, da die relative Nährstoffarmut der meisten Pflanzengewebe sowie viele Strukturmerkmale und chemische Pflanzeneigenschaften die Evolution spezieller Anpassungen erforderte. Dort, wo aber die adaptive Zone der Phytophagie bzw. der Blütenbestäubung durch entsprechende physiologische, morphologische und bionomische Spezialisierungen erschlossen werden konnte, haben manche Ordnungen und viele Familien der Insekten eine im gesamten Tierreich einmalige Artenvielfalt entwickeln können . So übertrifft etwa allein die praktisch ausschließlich phytophag lebende Familie der Rüsselkäfer (Curculionidae mit über 60000 beschriebenen Arten) an Artenzahl bei weitem den gesamten Tierstamm der Chordata (48600 Arten) . Es sollen hier in der Reihenfolge ihrer Bedeutung die wichtigsten phytophagen Insektenordnungen angeführt werden, wobei die Zahlenangaben von Strong, Lawton & Southwood (1984) übernommen werden:
• Ordnung Käfer (Coleoptera). Von den 360000 beschriebenen Arten sind rund 35% im Adultund Larvenstadium phytophag. Die wichtigsten Familien sind hier die in der großen Mehrzahl ektophytisch lebenden Blattkäfer (Chrysomelidae) und die im Larvenstadium ausschließlich oder fast ausschließlich endophytisch lebenden Bockkäfer (Cerambycidae) , Rüsselkäfer (Curculionidae) und Borkenkäfer (Ipidae) . • Ordnung Hautflügler (Hymenoptera). Von den rund 100000 beschriebenen Arten stellen die als Larve phytophag lebenden Blattwespen (Überfamilie Tenthredinoidea) und weitere Taxa der Unterordnung der Pflanzenwespen (Symphyta) sowie einige Familien der Unterordnung Apocrita (z. B. die Gallwespen (Cynipiden)) mit rund 10% zwar nur einen kleinen Anteil, aber nahezu alle Hymenopteren nutzen Pflanzennektar und vielfach auch Pollen. Das gilt insbesondere für die artenreiche Überfamilie der Bienen i.w.S. (Apoidea), die im Rahmen ihrer Brutfürsorge ihren Larven Pollen und Nektar als Nahrung beschaffen. • Ordnung Schmetterlinge (Lepidoptera). Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Larvenstadien der 110000 beschriebenen Schmetterlingsarten durchweg Pflanzenfresser, und die Imaginalstadien nutzen fast ausschließlich ebenfalls Pflanzenprodukte, nämlich Nektar und Pollen. • Ordnung Zweiflügler (Diptera). Von den rund 85000 beschriebenen Arten leben knapp 30% im Larvenstadium von Pflanzen substanz, wobei die Ausbildung der Larve der höheren Dipteren als "Made" eine wichtige Präadaptation für das Eindringen in Pflanzengewebe dargestellt hat. Wichtige phytophage Dipterenfamilien sind insbesondere die Gallmücken (Cecidomyidae), Blumenfliegen (Anthomyiidae), Minierfliegen (Agromyzidae), Halmfliegen (Chloropidae) und Bohrfliegen (Tephritidae) . Darüber hinaus sind auch die Imagines fast aller anderen Dipterenfamilien auf die Gewinnung von Pollen und Nektar angewiesen. • Überordnung Schnabelkerfe (Hemipteroidea). Diese Gruppe ist zu über 90% phytophag. Zwar lebt nur eine Minderheit der 40000 beschrieben Arten der Ordnung der Wanzen (Heteroptera) ausschließlich von Pflanzensubstanz, aber die
5.00
15 Insekten und Pflanzen
Ordnungen der Zikaden (Auchenorrhyncha) mit 30000 bekannten Arten und der Pflanzenläuse (Sternorrhyncha) mit 8000 beschriebenen Arten sind ausnahmslos phytophag. Sowohl die Zikaden wie auch die zu den Pflanzenläusen zählenden Unterordnungen der Blattflöhe (Psyllina), der Mottenschildläuse (Aleurodina), der Blattläuse (Aphidina) und der Schildläuse (Coccina) sind reine Pflanzensaftsauger. • Überordnung Geradflügler (Orthopteroidea). Hier sind die Ordnungen der Kurzfühlerschrecken (Caelifera, 10000 beschriebene Arten) und der Gespenstheuschrecken (Phasmida, 2500 beschriebene Arten) so gut wie ausschließlich, die Ordnung der Langfühlerschrecken (Ensifera, 7000 beschriebene Arten) aber nur teilweise phytophag. • Ordnung Fransenflügler (Thysanoptera) Von den 4000 beschriebenen Arten leben fast alle phytophag als Pflanzensaftsauger. • Ordnung Springschwänze (Collembola) Von den 3500 bekannten Arten) sind nur die Vertreter der Familie der Kugelspringer (Sminthuridae) phytophag.
Die Aufstellung zeigt, dass einerseits von den insgesamt 29 Insektenordnungen sich nur eine Minderzahl auf die phytophage Lebensweise spezialisiert hat, dass aber andererseits die phytophagen Ordnungen und Familien sich sehr oft durch besonders große Artenzahlen auszeichnen.
15.2 Phytophage Lebensformtypen Pflanzenfressende Insekten zeigen eine Fülle unterschiedlicher Lebensformtypen . Bei den nichtholometaboien Taxa, wie etwa den Pflanzenläusen oder Heuschrecken, beuten Larven- und Imaginalstadien ihre Wirtspflanzen in gleicher Weise aus. Bei den holometabolen Gruppen kommt diese ernährungsökologische Übereinstimmung etwa bei den Blattkäfern vor, sie stellt aber insgesamt gesehen eine Ausnahme dar. Die meisten phytophagen Vertreter holometaboler Ordnungen, z. B. die Rüsselkäfer, Schmetterlinge, Blattwespen oder Bohrfliegen, haben für das Larven- und das Imaginalstadien unterschiedliche nahrungs-ökologische Nischen entwickelt. Phytophag ist hier in erster Linie das Larvenstadium, das als meist wenig ortsbewegliches "Fressstadium" ausgebildet ist und Reservestoffe für das Imaginalstadium ansammelt. Demgegenüber sind die Imagines vieler holometabolen Insektenordnungen durch hohe Mobilität und oft auch hohe sinnesphysiologische
Leistungsfähigkeit gekennzeichnet. Sie sind vielfach Konsumenten von Nektar und/oder Pollen und daher zum Bestäubungsmutualismus mit Blütenpflanzen befähigt. Phytophagie kann unterteilt werden in einen außen (= ektophytisch) an der Wirtspflanze erfolgenden Fraß wie auch in eine endophytische Lebensweise im Pflanzeninnern. Ferner kann zwischen Formen mit beißend-kauenden Mundwerkzeugen und Pflanzensaugern unterschieden werden. Eine besonders hoch evoluierte phytophage Lebensweise haben die Gallbildner entwickelt. Für viele Phytophage gaben Pflanzen ein ernährungsphysiologisch einseitiges oder schwer aufschließbares Nährsubstrat ab. Die Verdauung von Phloemsaft erfordert einerseits Filtration und Konzentration und andererseits Endosymbionten zur Kompensation des Vitaminmangels. Die Verwertung von Zellulose oder Holz stellt ein Problem dar, das ebenfalls nur mithilfe von Endosymbionten (s. Kap. 19) bewältigt werden konnte: In bestimmten Darmabschnitten, "Gärkammern" (s. Kap. 4) oder eigenen Organen erschließen Bakterien, Hefen, bei Termiten auch Flagellaten, die Nahrung, beziehungsweise führen ihren Wirtsinsekten Enzyme, Vitamine oder lebenswichtige, in der Nahrung nicht direkt verfügbare Aminosäuren zu. Eine besondere Bedeutung haben Symbionten für die den Insekten selbst nicht mögliche Zellulose-Spaltung. Ohne die vielfältigen, koevolutiv entstandenen Endosymbiosen wäre die Entwicklung der Phytophagie den Insekten nicht in dem gegenwärtigen Umfang gelungen. Ein weiteres, vielen Phytophagen gemeinsames Problem besteht darin, mit ihrer Pflanzennahrung genügend organisch gebundenen Stickstoff für ihre Entwicklung zu gewinnen. Das hat, je nach Phytophagengruppe, zu unterschiedlichen Strategien geführt: Einerseits kam es zu einer spezialisierten Ausbeutung relativeiweißreicher Pflanzenorgane wie z. B. Samen. Andererseits wurden die Hauptfraßperioden mit den jahreszeitlichen Veränderungen der Aminosäuren-Konzentration im Pflanzengewebe oder Phloemsaft synchronisiert. Beipiele hierfür sind etwa die vielen ihre Larvenentwicklung im Frühsommer durchlaufenden Lepidopterenarten ("early season feeders") oder die wirtswechselnden Blattläuse.
15.2.1 Ektophytische Blatt-, Stengel- und Wurzelfresser Zu diesem Lebensformtyp gehören diejenigen Insektengruppen mit beißenden Mundwerkzeugen, die an der Oberfläche von Pflanzenstrukturen fressen. Wichtig sind hier vor allem die Blattfresser
501
15.2 Phytophage Lebensformtypen
(= folivore Arten), zu denen die Larven und Imagines der phytophagen Orthopteren (z. B. Heuschrecken) und fast alle Blattkäfer (Chrysomelidae) sowie die Raupen vieler Schmetterlingsgruppen (insbesondere der "Tagfalter") und die AfterraupenvielerBlattwespen(Tenthredinidae)gehören. Vielfach erzeugen folivore Insekten charakteristische Fraßbilder (Abb. 15-1): Beim Schabefraß wird die Blattoberfläche nur unvollständig benagt; beim Fensterfraß bleibt die durchscheinende Epidermis der gegenüberliegenden Blattseite erhalten; Skelettierfraß lässt lediglich Blattnerven bestehen; bei Lochfraß weisen die befressenen Blätter unterschiedlich gestaltete Fraßlöcher auf; der besonders an Koniferennadeln vorkommenden Schartenfraß erfolgt vom B1att- oder Nadelrand her. Beispiele für Wurzelfresser sind die Larven (Engerlinge) der Scarabaeidae (Blatthornkäfer) oder die als "Drahtwürmer" bekannten Schnellkäferlarven (Elateridae) . Den besonders weit verbreiteten Blattfressern steht einerseits eine in der Regel quantitativ reichlich vorhandene Ressource zur Verfügung, auf der sie sich frei bewegen und damit eine Konkurrenz vermeiden können . Andererseits ergibt sich neben dem Problem ausreichender ernährungsphysiologischer Qualität für folivore Insekten die Notwendigkeit, einen genügend stabilen Kontakt mit der glatten und unter Umständen bewegten Blattfläche herzustellen und sich gegen Fressfeinde zu schützen . Zur Anheftung an Blätter dienen Adhäsionsstrukturen an den Tarsen (z. B. das Arolium (= Haftlappen) oder paarige Pulvillen an den Krallenbasen), bzw. Hakenreihen (Klammerfüße der Großschmetterlingsraupen) oder Hakenkränze (Kranzfüße der Kleinschmetterlingsraupen). Bei den Larven vieler Blattwespen, deren Folivorie phylogenetisch wesentlich älter als die der Schmetterlinge ist, sichert eine Verhaltensform, das entlang von Blatträndern in einer .Reiterstellung " ausgeübte Fressen, bei der beide Blattseiten mit den Beinen umklammert werden, den Kontakt mit dem Blatt (Abb. 15-10). Feinde der ungeschützt fressenden folivoren Insekten sind einerseits Parasitoiden, die primär auf eine Wirtsinsektengruppe und nicht auf einen Mikrohabitat spezialisiert sind (= taxon-spezifische Arten), beispielsweise die zahlreichen Arten der Schlupfwespengattung Mesoleius , die ektophytische Blattwespenlarven befallen. Andererseits spielen unspezifische Prädatoren wie Singvögel, Raubwanzen oder Ameisen eine oft bedeutende Rolle. Weit verbreitet sind daher bei ektophytisch lebenden Insekten Schutzanpassungen gegen nicht spezialisierte Fressfeinde. Solche Schutzanpassungen können als kryptische Tracht (= Verbergetracht) das Insekt seiner Umgebung farblieh (etwa
A
B
c
F
Abb. 15·1: Fraßbilder. A Lochfraß am Buchenblatt; B Ankerfraß am Buchenblatt; C Schartenfraß der Lärchenblattwespen-Larve an einer Lärchennadel; D Blattwespenlarve, in ReitersteIlung an einem Blatt fressend; E .Pockennarbenfraß " des Kiefernrüsslers aneinem Kiefernzweig; F Engerlingsfraß an einer Fichtenwurzel. (A und B nach Weber 1974, C-F nach Brauns 1991)
bei grünen Laubheuschrecken und Schildkäfern der Gattung Cassida) angleichen, oder in Form einer Mimese neutrale Umweltstrukturen wie Blätter, Rinde, Flechten, Zweigstücke oder Grashalme nachahmen (s. 17.2.1.1). Eine auffällige aposematische Tracht (= Warntracht) ist insbesondere bei den Raupen und auch den Imagines vieler gegen Vogelfraß chemisch geschützte Schmetterlingsarten verbreitet (s. 17.2.1.2). Als Beispiel seien die auffallend schwarz-gelb gezeichneten, an Senecio jacobaea lebenden und durch aus der Pflanze aufgenommene Giftstoffe geschützten Raupen des Blutbärs (Tyria jacobaeae) genannt. Als Schrecktrachten, die einen potentiellen Fressfeind abschrecken oder zu mindest zögern lassen sollen, werden etwa die bei unterschiedlichen Schmetterlingsfamilien im Adultstadium (z. B. beim Tagpfauenauge) oder Larvenstadium (z. B. bei den Raupen des mittleren Weinschwärmers) vorkommenden Augenzeichnungen interpretiert. Abwehranpassungen im Verhalten, etwa synchrone Schlagbewegungen mit dem Abdomen bei Annäherung eines potentiellen Feindes (Abb. 25-50), sind bei den Larven vieler gesellig lebenden Blattwespen ausgebildet. Eine weitere, bei vielen Blattlausarten und manchen Bläulings-
502
15 Insekten und Pflanzen
Arten (Lycaenidae) vorkommende Schutzanpassung gegen Feinde liegt in der Vergesellschaftung der Kolonien bzw. der Raupen mit Ameisen. In verschiedenen Familien der Schmetterlinge (z. B. bei den Prozessionsspinnern (Thaumetopoeidae) oder Gespinstmotten (Yponomeutidae)) und Blattwespen (z. B. bei den Gespinstblattwespen (Pamphiliidaej) gewinnen die Raupen durch eine gesellige Lebensweise in umfangreichen, mit Spinndrüsensekret hergestellten Gespinsten Schutz vor nicht spezialisierten Fressfeinden.
15.2.2 Pflanzensauger Pflanzensaft-saugende Insekten vermitteln zwischen einer ektophytischen und einer endophytisehen Lebensweise, da hier Gewebe im Pflanzeninnern gezielt von einer Außenposition her ausgebeutet werden (Abb. 15-2). Dabei handelt es sich meist um das Phloem, in einigen HomopterenGruppen werden aber auch das Parenchym oder das Xylem besaugt (s. Kap. 4). Vorteile dieser Lebensweise liegen darin, dass über den Phloemsaft eine quantitativ und zumindest zeitweise auch qualitativ hochwertige Nahrungsressource zugänglich ist. Bei Parenchym-Saugern wird über die Injektion von Speicheldrüsenenzymen ein modifizierender Eingriff in das Pflanzengewebe möglich. Überdies können Pflanzen saft-Sauger vielfach eine chemische Abwehr der Pflanze umgehen . Voraussetzung ist der Besitz eines speziellen, durch einen Umbau der Mundwerkzeuge entstandenen Saugrüssels, wie er bei den Fransenflüglern (stechende, asymmetrische Mundwerkzeuge) und der Schnabelkerfe (paarige Stechborsten, Saugrohr und Speichelrohr, Abb. 4-3 und 25-21) vorliegt.
•a
•b
•c
Abb. 15-2:Schema eines Blattquerschnitts mit den Einstich-Routen verschiedener Blattsauger. a Phloem saugende Blattlaus; b Xylem saugende Schaumzikade; c Parenchym saugende Kleinzikade; d Phloem saugende Zikaden. (Nach Bernays und Chapman 1994)
Während nur ein kleiner Teil der Wanzen obligatorisch phytophag an Samen- oder Blattgewebe saugt , dominieren unter den Pflanzenläusen (Homoptera) die Phloemsaftsauger. Es handelt sich hier um fast durchweg kleine Insektenarten mit meist hohem Reproduktionspotential, die opportunistisch an das jahreszeitlich qualitativ wechselnde Phloemsaftangebot angepasst sind. Am ausgeprägtesten ist diese Strategie bei den Blattläusen (Aphidina) mit ihrem al1jährlichen Wechsel zwischen Winterwirten (meist Holzgewächsen, bei denen die Aminosäurenkonzentration im Phloemsaft beim Blattaustreiben im Frühjahr und vor dem Blattfal1 im Herbst hoch ist) und krautigen Sommerwirten (Abb. 25-29). Ein Generationswechsel und Polymorphismus, der unter günstigen Nahrungsbedingungen den schnel1en Aufbau parthenogenetischer, ungeflügelter Generationen erlaubt, kann in kurzer Zeit zu umfangreichen Blattlauskolonien führen . Diese bilden dann die Basis für vielgestaltige Nahrungsnetze, an denen sich Marienkäfer, Schwebfliegen, Blumenwanzen und Prim är-, Sekundär- und teilweise sogar Terti ärparasitoide beteiligen. Im Gegensatz zu den beweglichen Wanzen und Zikaden sind Blattläuse meist wenig mobil. Die durch einen extremen Sexualdimorphismus gekennzeichneten Schildläuse haben in mehreren Familien im weiblichen Geschlecht die Gliedmaßen völlig verloren und sind mit ihrem Saugrüssel unbeweglich im Gewebe ihrer Wirtspflanze verankert (Abb. 25-33). Viele Vertreter der Blattflöhe, Blattläuse und Schildläuse geben den Überschuss an aufgenommenem Phloemsaft als "Honigtau" ab (s. Kap. 4), der für die Imagines zahlreicher Insektengruppen eine wichtige Kohlehydratquel1e darstel1t. Dieser zuckerhaltige Kot bildet auch die Basis des als Trophobiose bezeichneten, mutualistischen Partnerschafts-Verhältnisses zwischen zahlreichen Homopteren-Arten und den sie besuchenden und partiel1 gegen Feinde schützenden Ameisen. Neue Untersuchungen (z. B. Stadler und Michalzik, 2000) haben gezeigt, dass Honigtau im Kronenraum überdies beträchtliche Auswirkungen auf epiphytische Mikroorganismen haben und damit die vertikalen N ährstofffl üsse in Wäldern beeinflussen kann.
15.2.3 Endophytische Arten ohne Gallbildung Die Larven zahlreicher mit beißenden Mundwerkzeugen oder Mundhaken ausgestatteten Phytophagengruppen leben als Minierer, Stängel- Rinden-, Holz- oder Wurzelbohrer, bzw. als Frucht-,
15.2 Phytophage Lebensformtypen
A
503
c
B
Abb. 15-3: Querschnitte durch Blattminen. AMinengang im Palisaden- und Schwamm-Parenchym; B Mine an der Blattoberseite im Palisaden-Parenchym; C Mine an der Blattunterseite im Schwamm-Parenchym; D Faltenmine der Kleinschmetterlingsgattung Lithocolletis (die Pfeile deuten aufdie Gespinstfäden, mit denen die Epidermis der Blattoberseite zusammengezogen wird. Schwarz = Kotpartikel). (Nach Hering 1951)
Samen- oder Blütenkopfbewohner endophytisch , d.h. im Innern ihrer Wirtspflanze. Blattminen sind als artspezifisch unterschiedlich ausgebildete Fraßgänge entweder unter Schonung der Cuticula auf die Epidermis beschränkt (= epidermale Minen) oder sie verlaufen im Schwamm- oder Palisaden parenchym (parenchymale Minen)(Abb. 15-3). Je nach der Form lassen sich als Schnecken- oder Schlangenminen ausgebildete Gangminen und, mit den Sonderformen der Stern- und Blasenmine, Platzminen unterscheiden (Abb. 15-4). Die von Vertretern der Kleinschmetterlings-Gattung Lithocolletis (Gracilariidae) angefertigten Faltenminen liegen zwischen Blattseitenrippen und tragen durch einen im Innern der Mine liegenden Spinnfadenzug eine charakteristische, als Abwehr gegen parasitische Erzwespen interpretierte Falte (Abb. 15-3 D). Voraussetzungen für eine minierende Lebensweise sind morphologische Anpassungen (Abb.25-61 E): Blattminierende Larven haben einen nach vorne gerichteten (= prognathen) Kopf und meist stark reduzierte Beine. Vielfach sind sie auch völlig fußlos, dafür kommen aber oft Stemmpolster oder Wülste vor, die die Fortbewegung in den Minengängen erleichtern. Eine Alternative zum Minieren in Blättern steIlen die in einigen Schmetterlingsfamilien (z. B. den "Wicklern" (Tortricidae) und Rüsselkäfergattungen (z. B. bei dem Trichterwickler Deporaus betu/ae (Abb. 15-5» entwickelten Verhaltensformen des Blattrollens bzw. Blattwickelns dar. Zwar handelt es sich dabei streng genommen nicht um eine endophytische Lebensweise, jedoch bietet auch hier ein Wirtspflanzenorgan zugleich Nahrung und einen schützenden Mikrohabitat.
B
o Abb. 15·4: Blattminen. A Platzmine der Eichenminiermotte Tischeria complanella; B Schlangenmine der Langhorn-Blattminiermotte Lyonetia c1erkella an Kirsche; Csternförmige Mine der Minierfliege Phytomyza xylostei an Geißblatt; D pockenartige Platzminen der Zwergmotte Stigmella argentipedella an Birke. (A nach Brauns 1991, B-D nach Hering 1951)
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15 Insekten und Pflanzen
Abb. 15-5: Abfolge der EinzeIschritte bei der Herstellung der Trichterrolle durch das Weibchen des Birkenblattrollers (Deporaus betulae). Nach Anfertigung der beiden Blattschnitte wird zunächst ein das Rüsselkäfer-Ei enthaltender Innentrichter hergestellt (von links nach rechts), der dann mit der anderen Blatthälfte umwickelt wird. Zuletzt erfolgt das Umschlagen der Blattspitze. (Nach v. Lengerken 1939)
L. coninae
R. conkus
Im Stängel oder in den Blütenköpfen von Disteln minierende Bockkäfer (Agapanthia spp.) und Rüsselkäfer (Lixu s spp., Larinu s spp., Rhinocy/lus spp.) sind als Larve und Puppe in Körperform und Größe ihrem jeweiligen Mikrohabitat angepasst. Stängel-Minierer haben in der
Abb. 15-6: Form und Funktion des Rüssels von drei nah verwandten, in Distel-Blütenköpfen brütenden Rüsselkäfern. Das Weibchen von Ladnus turbinatus (mit konisch verjüngtem Rüssel) führt das Ei unter Mithilfe des Rüssels von oben in den geöffneten Blütenkopf. L. carlinae (mit dünnem, gebogenen Rüssel) bohrt die BlütenknopfKnospe seitlich an und schiebt das Ei in das Innere der Knospe. Der Bohrgang wird mit einer kittartigen Substanz verschlossen. Rhinocyllus conicus (Rüssel stark rückgebildet) klebt das Ei außen an an den Hüllkelch und bedeckt es mit einer Schutzschicht. (Nach Zwölfer 1975)
Regel als Larve, Puppe und Imago einen zylindrischlanggestreckten Körperbau. Da bei den meisten Phytophagengruppen mit endophytisch lebenden Larven eine präzise Eiablage in das betreffende Pflanzengewebe notwendig ist, finden sich
15.2 Phytophage Lebensformtypen
c Abb. 15-7: Brutbauten-Schemata von Borkenkäfern. Die von den Weibchen genagten Muttergänge und Einischen sind schwarz dargestellt. Daran schließen sich bei A und B die mit einem Puppenlager endenden Larvengänge an. Bei B liegt zentral die vom Männchen geschaffene Hochzeitskammer. A Einarmiger Längsgang eines Rindenbrüters; B Sterngang eines Rindenbrüters; C Horizontaler Gabelgang eines Holzbrüters; D Vertikal liegende Gänge eines Holzbrüters. (Nach von Lengerken 1939)
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schützenden Mikrohabitats. Erkauft werden diese Vorteile mit der Notwendigkeit eines höheren Spezialisierungsgrades beim Phytophagen. Die in ihrem Mikrohabitat eingeschlossenen Larvenstadien sind völlig abhängig von der Wirtswahl durch die eier-legenden Weibchen und unfähig, in Konkurrenzsituationen den Fraßplatz zu wechseln. Während inner- und zwischenartliehe Nahrungskonkurrenz bei Phytophagen insgesamt selten auftritt, kann sie bei endophytisch lebenden Insekten, etwa dem Phytophagenkomplex in den Blütenköpfen von Disteln , durchaus nachgewiesen werden. Der durch die endophytische Lebensweise erreichte Schutz vor Feinden richtet sich im Wesentlichen gegen polyphage Prädatoren (z. B. Vögel oder Spinnen) . An ihre Stelle treten spezialisierte Räuber und primär sich nach dem Mikrohabitat des Phytophagen orientierende (= nischen-spezifische) Parasitoide.
15.2.4 Gallbildner
Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen phytophagen Lebensformtypen nutzen Gallbildner (= Cecidozoa) ihre Wirtspflanze indem sie durch Einhier bei den Weibchen oft auch morphologische An- griffe in die Wachstumsregulation deren Gewebepassungen an das jeweilige Eiablagesubstrat (z. B. in der bzw. Organdifferenzierung manipulieren. Dadurch Länge des Legebohrers bei Bohrfliegen (Tephritidae), schaffen sie sich besonders günstige Nahrungsbzw. in Gestalt und Länge des zur Anfertigung einer bedingungen und meist auch einen besonders Eihöhle eingesetzten Rüssels bei Rüsselkäferweibchen günstigen Mikrohabitat. Mit Ausnahme bestimm(Curculionidae) (Abb. 15-6). ter Blattwespen (z. B. 5 der an Weidenblättern Die große, forstlich wichtige Gruppe der rinden- Gallen erzeugenden Gattung Pontania s. Abb. 25und holzbewohnenden Borkenkäfer (Scolytidae) 52A, bei denen die Gallbildung durch das Sekret gehören zu den wenigen Ausnahmen unter den einer Anhangsdrüse des Eiablageapparats eingeendophytischen Insekten, in denen sich auch das leitet wird, wird die Entwicklung von Pflanzenerwachsene Stadium großenteils im Pflanzeninnern aufhält. Die Borkenkäfer zeichnen sich durch eine Vielfalt charakteristischer Fraßbilder aus (Abb. 15-7). Diese werden von den Weibchen der Holzbrüter, deren Larven sich von in den Holzgängen (Abb. 15-7 C, D) angesiedelten und gepflegten Pilzkolonien ernähren, allein angelegt. Bei den monogamen Rindenbrütern fertigt das B Weibchen einen Muttergang und Einischen an, von denen die Larvengängen ausgehen (Abb. 157 A). Bei den polygamen Rindenbrütern beginnt das Männchen das Gangsystem mit der Anlage c einer .Hochzeitskamrner". Von dieser Kammer aus fressen die einzelnen Weibchen je einen Muttergang mit Einischen, an die sich die Larvengänge anschließen(Abb. 15-7 B). Vorteile einer endophytischen Lebensweise lie- Abb. 15-8: Beutelgallen der Blattlaus-Gattung Pemphigus (Pappel-Blasenläuse). A Pappelblatt mit einer Blattstielgen zweifellos in dem besonders engen Kontakt Drehgalle von P. spirothecae und der Mittelrippen-Blasengalle mit der Nahrung sowie im Besitz eines vor nicht- von P. ovatooblongus; 8 Seitlich geöffnete Blattstiel-Drehgalle; spezialisierten Feinden und Austrocknung sowie CBlattstiel-Birngalle von P. bursarius; D Längsschnitt durch eine anderen ungünstigen abiotischen Einflüssen P. bursarius-Galle. (Nach Ross und Hedicke 1927)
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15 Insekten und Pflanzen
B
c
o
E
Abb. 15-9: Markgallen von Gallwespen (Cynipidae). A Eichenblatt mit zwei Gallen von Cynips quercusfolii und einer Galle von C. longiventris; B, C Längsschnitte durch die Galläpfel von C. quercusfolii und C. longiventris; D, E Längsschnitte durch die Iinsenförmige Eichenblattgallen von Neuroterus numismalis und N. quercusbaccarum; F .Schlafapfel" der gemeinen Rosengallwespe Rhodites rosae; G Längsschnitt durch eine R. rosae-Galle mit 8 geöffneten Larvenkammern. (Nach Ross und Hedicke 1927)
gallen (Cecidien) durch das Larvenstadium induziert. Dabei steuert die Phytophagenlarve ihre Wirtspflanze durch chemische Stimuli, z. B. durch im Speicheldrüsensekret abgegebene Auxine oder Cytokinine. Aber auch die larvale Fraßreaktion und zum Teil auch eine mechanische Reizung des Pflanzengewebes durch die Larvencuticula wirkt bei der Gallbildung mit. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Gallbildung ist eine präzise Synchronisierung mit der Wirtspflanzenentwicklung, da die Beeinflussung des Wachstumsprozesses in der Regel nur bei meristematischem Pflanzengewebe gelingt. Gallen , die aus modifizierten, aber in ihrer ursprünglichen Struktur noch erkennbaren Pflanzenorganen hervorgehen, werden organoide Gallen genannt. Gallen mit neu gebildetem Gewebe (= histoide Gallen) heißen kataplasmatisch , wenn
sie, so wie etwa Blattverkräuselungen, keine festgelegte Form und Größe haben, und prosoplasmatisch, wenn sie charakteristisch gestaltete Strukturen , gewissermaßen "neu gebildete Pflanzenorgane" darstellen . Bei Umwachsungs- oder Beutelgallen bleibt der Gallerreger, etwa bei Blattläusen mit Falten- oder Beutelgallen (Abb. 15-8),zunächst außerhalb des Wirtsgewebes und wird von diesem lediglich umwachsen. Bei Markgallen (Abb. 15-9) wird bereits das Ei des Gallerregers in das Pflanzengewebe versenkt. Solche Gallen weisen eine komplexe Struktur auf: Eine innere trophische Zellschicht kann durch neu gebildete Phloemstränge mit Aminosäuren angereichert sein. Nach außen können Zellen mit sklerotisiertem Gewebe eine massive Schutzschicht bilden. Bei Blattlausgallen (Abb. 25-32) oder bei Bohrfliegen kann überdies ein Gallöffnungsmechanismus angelegt
15.2 Phytophage Lebensformtypen
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A
B
c
E
o Abb. 15-10: Schema der Gallentwicklung bei der Speerdistel-Bohrfliege Urophora stylata. A Die aus dem Ei geschlüpfte Junglarve (L 2, Länge 1mm) dringt durch die Samenanlage in den Blütenboden ein; B Phase des Gallwachstums: Der Fraßgang der Junglarve hat sich mit lockerem Kallusgewebe gefüllt. Im oberen Teil des Blütenbodens beginnt die Sklerenchymbildung (dunkle Signatur). Die Junglarve frisst in ihrer Larvenhöhle zunächst an primärem Nährgewebe (schraffiert) und induziert die Bildung sekundären Nährgewebes (punktiert). Schwarze Striche = Gefäßstränge. C Reifephase der Gallbildung. Die Sklerenchym-Schicht hat sich ausgedehnt und umgibt becherförmig die Larvenkammer. Die zum dritten Stadium gehäutete Larve (Länge 2 mm) frisst am sekundärem Nährgewebe und beginnt ihre Hauptwachstumsphase. D Abschluss der Gallbildung: Die Sklerenchym-Schicht der einzelnen Gallenkammern ist zu einem festen Block verwachsen, das Nährgewebe ist aufgezehrt, die ausgewachsene Drittlarve (Länge 5 mm) überwintert in der Kammer, wobei ihre sklerotisierte Caudalplatte und Reste des Kallusgewebes den späteren Ausstiegskanal verschließen . E Längsschnitt durch einen Speerdistel-Blütenkopf mit einer U. stylata-Blockgalle und drei angeschnittenen Larvenkammern. (Nach histologischen Fotos von Arnold-Rinehart 1989)
werden, der den Imagines, die über keine beißenden Mundwerkzeuge verfügen, später das Verlassen der Galle ermöglicht. Als Beispiel für die während der Gallbildung stattfindende Manipulation der Wirtspflanze ist in Abb. 15-10 die Entwicklung der Blütenkopfgalle der Bohrfliege Urophora sty/ata dargestellt. Das Urophora- Weibchen legt mit seinem Legebohrer Eier auf die Blütenanlagen im
Innern des noch völlig geschlossenen Blütenkopfes. Die erste Larvenh äutung erfolgt im Ei. Die aus dem Ei schlüpfende Zweit-Larve bohrt sich durch die Ovariole in den Blütenboden (Abb. 15-10 A), wobei sich der Larvengang mit einem lockeren Kallus-Gewebe füllt. Er wird nach der Überwinterung zum Ausstiegs-Kanal der Fliege. Die Urophora-L2 beginnt dann mit der Schaffung einer Kammer, wobei als Nahrung zunächst primäres Nährgewebe erzeugt und konsumiert wird. Gleichzeitig
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15 Insekten und Pflanzen
wird um die Larvenkammer das Blütenboden-Parenchym in langsam verholzendes G allen- Parenc hym umgewandelt und im unteren Teil der Larvenkammer umfangreiches sekund äres Nährgeweb e erzeugt (Abb. 15-10 B). Während dieser Pha se erfolgt das Dickenwachstum der Galle. Mit der Häutung zur L3 beginnt das eigentliche Fresssta dium der Larve, die sich jetzt ausschließlich von sekundärem Näh rgewebe ern ährt und in einer schützenden, becherförmigen Sklerenchym-Kapsel eingeschlossen ist (Abb. 15-10 C). Das die einzelnen Larvenkammern umschließende Sklerenchym wäch st schließlich zu einer festen Block-Galle zusammen , in der die ausgewachsenen Urophora-La rven überwintern und sich später verpuppen (Abb. 15-10 D,E).
Die überaus engen Wechselbeziehungen mit seiner Wirtspflanze erfordern beim Gallerzeuger eine hochgradige physiologische und ethologische Spezialisation, die wiederum das Ergebnis einer langen evolutiven Assoziation zwischen Insekt und Wirtspflanze ist. Bei der Gattung Urophora kann der Prozess der Gal l-Evolution anhand der Vielfalt an larvalen Lebensweisen, die sich in einer Entwicklungsreihe anordnen lassen, rekonstruiert werden : Als Ausgangsform kann endophytischer Fraß in den Achänen von Körbchenblütern angenommen werden , wie er heutzutage noch bei einigen Urophora-Aneti vorkommt. Von hier erfolgte eine schrittweise Differenzierung, die zunächst einfache Ovariolengallen ohne Sklerenchym-Schutzschicht und einfache Ovariolen-Bl ütenboden-Bechergallen mit dünner Sklerenchym-Schicht hervorbrachte. D ie weitere Entwicklung führte dann zu komplexen , stark sklerechymatisierten Blockgallen (Abb. 15-10 E) im Blütenboden- bzw. Stängelgewebe. Die Ernährung der Gallbewohner kann , wie im Fall der Käfer-, Gallwespen- und Lepidopterengallen, mit beißenden Mundwerkzeugen erfolgen , in Hornopteren - und Thysanopterengallen wird mit einem Stechrüssel Parenchym besaugt und bei Dipteren (Gallmücken, Bohr fliegen) werden Pflan zenzellen mit den Mundhaken zerstört, bzw. ihr Inhalt wird aufgelöst und eingesaugt.
Gegenüber Phytophagen mit einer gewöhnlichen endophytischen Lebensweise haben Gallbildner den Vorteil, ihre Nahrungsbasis quantitativ - z. B. durch die Induktion einer zusätzlichen Assimilatstromzuleitung - und qualitativ - durch Induktion fett - und eiweißreichen Nährgewebes - zu verbessern. Bei mehrkammerigen (multilokulären) Gallen, wie sie etwa von vielen zu den Bohrfliegen zählenden Urophora-Arten in Cardueen-Blütenköpfen erzeugt werden, steigt sowohl das durchschnittliche Larvengewicht wie auch die Schutzfunktion der die Galle umgebenden verholzten Außenschicht mit zunehmender Larvenzahl signifikant. Dank einer kooperativen, "maßgeschneiderten" Strukturierung des Mikrohabitats wird hier nicht nur innerartliehe Konkurrenz verrnie-
den , sondern in eine wechselseitige Förderung umgewandelt. D ie Effizienz dieses Lebensformtyps hat zur Folge, das s die meisten Gallbildner die Basis reichgegliederter Nahrungsnetze bilden . Neben spezialisierten Räubern, Parasitoiden und Hyperparasitoiden sind hier die "Einmieter" (= Inquilinen) zu nennen , die an der vom Gallbewohner produzierten Nahrungszellschicht schmarotzen. Insgesamt bieten Pflanzengallen der Forschung noch viele offene Fragen. So ist unklar, warum der überwiegende Teil der von Insekten erzeugten Gallen an den Vertretern einiger weniger Pflanzengruppen (in Europa vor allem an Eichen , Weiden und Rosen) vorkommt. Weiterhin sind sowohl die proximaten Ursachen wie auch die biologische Bedeutung der ersta unlichen Formenvielfalt, in der Gallen an ein und derselben Wirtspflanzenart (etwa an Eichenblättern (Abb. 15-9; Abb. 25-53) ausgebildet werden , unbekannt. Kontrovers diskutiert wird auch die Frage, welche Belastung Gallen für die Wirtspflanze darstellen .
15.3 Evolution der Phytophagie bei Insekten Erste Belege für eine Nutzung pflanzlicher Gewebe, nämlich Fraß an verfallendem Pflanzenmaterial, liegen für das Devon vor (Smart and Hughes, 1972). Ob die ausgestorbene Insektenordnung der Paleodictyopteren ihre riesigen Schnäbel zum Saugen von Pflanzensäften an den paläophytischen Cordatitales, bei denen erstmals das Phloem in der Reichweite von Insekten mit saugenden Mundwerkzeugen lag, eingesetzt hat, ist noch umstritten. Von Insekten verursachte Fraßschäden an Farnwedeln finden sich zuerst im unteren Perm und Blattwespenfraß vom Beginn der Trias an . Unter den Homopteren (Pflanzensaugern) reichen mit Koniferen assoziierte Adelgidae (Fichtenläuse) ebenfalls bis in die frühe Trias oder das späte Perm. In der Ordnung der Käfer sind die phytophagen Familien der Curculionidae (Rüsselkäfer) und Chrysomelidae (Blattkäfer) vom mittleren Jura an nachweisbar. Die Psyllidae (Blattflöhe) und die Schmetterlinge sind fossil seit der frühen Kreidezeit, die Agromyzidae (Mi nierfliegen) und Itonididae (Gallmücken) von der späten Kreide an und Cynipidae (Gallwespen), Tephritidae (Bohrfliegen) und Scolytidae (Borkenkäfer) von der ersten Hä lfte des Tertiär an überliefert. Der Hauptanteil heute verbreiteter phytophager Lebensformen - Blattminierer, Gallbildner, Grasfresser, Nektarsammler - ist erst vom Frühtertiär an fossil belegt. Im Eozän und Oligozän,
15.4 Entomophage Insekten und Pflanzen
also vor rund 50-60 Millionen Jahren entspricht die Phytophagen- und Entomophagenfauna bereits weitgehend den gegenwärtigen Verhältnissen. Die fossilen Belege weisen darauf hin , dass die für die heutige Insektenfauna typischen phytophagen und entomophagen Lebensweisen eine großenteils stammesgeschichtlich relat iv junge Errungenschaft sind, die von der in der Kreidezeit beginnenden gewaltigen Entfaltung der Angio spermen ausgelöst wurde. Vorstufen der Phyto phagie waren einerseit s die Saprophagie und da s Leben in zerfallendem Holz - etwa bei der bis ins mittlere Perm verfolgbaren, urtümlichen Käfergruppe der Archostemata - und andererseits der Fraß von Sporen und Pollenkörnern, die ein konzentriertes Nährsubstrat bilden (Kevan et al., 1975; Mamaev,1975). Im Mesozoicum dürften die zunächst saprophagen Blattw espen die Ausbeutung von Koniferenpollen als Sprungbrett zur Phytophagie benutzt haben . Auch heute noch leben sowohl die ursprünglichste Blattwespenfamilie, die Xyelidae, als auch phylogeneti sch alte Käfer- und Schmetterlingsfamilien an KoniferenpoIlen und in Koniferenzapfen. Ein anderer, z. B. von den Gallmücken eingeschlagener Weg zur Phytophagie war das Besaugen von Pilzhyphen . Die Bildung von Pflanzengallen als höch st entwickelte Form der Phytophagie wurde von einigen Blattwespentaxa wohl schon in der spä ten Kreide , bei Gallmücken, Gallwe spen und Bohrfliegen aber erst im Tertiär ent wickelt. Bei der Bohrfliegengattung Urophora dürfte die Evolution der Gallbildung erst in der zweiten Hälfte des Tertiärs erfolgt sein. Wie umfangreiche Untersuchun gen an der Bohrfliege Rhagoletis pomonella nachweisen konnten, die in Nordamerika von dem ursprünglichen Wirt Crataegus au s Biotypen an eingeführte Kern- und Steinob starten entwickelte, kann die mit der Wirtsrassenbildung verlaufenden Mikroevolution bei Phytoph agen im Verlauf von wenigen Jahrzehnten erfolgen (Bush, 1969). Andererseits weist eine vergleichende Unt ersuchung der Makroevolution der Phytoph agenfaun a der Cardueen ("Disteln") in der Paläarktis und in der Nearkti s darauf hin, dass die Evolut ion reich differenzierter Phytoph agengilden mit physiologisch, morphologisch und ökologisch spezialisierten Arten eine Zeitspann e von vielen Millionen Jahren erfordert. Denn im Gegensatz zu der hohen Artenund Gattungsvielfalt der paläarkt ischen CardueenFaun a, deren Taxa zum Teil bis in das Oligozän zurü ck verfolgt werden können, hat die erst seit dem Pliozän , d. h. vor 2-3 Millionen Jahren erfolgte Rad iation der Cardueen in Norda merika bis jetzt kaum spezifische Cardueen-Phytoph age hervorgebracht (Zwölfer, 1990).
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15.4 Entomophage Insekten und Pflanzen Phytophage Insekten sind die bei weitem wichtigste larvale Nahrungsressource von Par asitoiden, d . h. einer Zehntau sende von Art en zählenden Gruppe von Schlupfwespen, Brackwespen, Erzwespen, Raupenfliegen und weiteren Formen. Als Sekundärkonsumenten sind Parasitoide damit über die von ihnen au sgebeuteten phytophagen Prim ärkon sumenten an den von den pflanzlichen Produzenten au sgehenden Energiefluss gebunden. Daneben versorgen Blütenpflanzen adulte Parasi toide in Form von Pollen, Nektar und - vermittelt durch Blattl äuse, Schildläuse oder Blattfl öhe Honigtau mit Nahrung für ihren Erh altungsstoffwechsel und teilweise auch für die Eireifung. Unter den räuberisch lebenden Insekten, die auf Pflanzen phytophage Insekten als Beute gewinnen , aber auch Honigtau als eine wichtige Energiequelle nutz en, sind vor allem die Amei sen zu nennen. Auf ihre Wechselbeziehungen mit Pflanzen wird in Abschnitt 15.7.5 eingegan gen. Da sich entomophage Insekten auf der Wirt ssuche vielfach primär nach den Wirtspflanzen ihrer Beute oder nach bestimmten Pflanz enstruktur en o rientieren, können Pflanzen für sie auch eine für die Wirt ssuche ent scheidende Information squelle darstellen , Dab ei spielen insbesondere Duftstoffe der Wirt spflanze eine wichtige Rolle (Abschnitt 15.5.3). Es ist daher verstä ndlich, da ss bei der Evolution des Wirt ssuch verhaltens und der Einnischung von Entomophagen, insbesondere von spezialisierten Parasitoiden, Pflanzen und Pflanzen strukturen als Selektionsfaktoren beteiligt waren . Da s gilt ganz besonders für die "ni sehen-spezifischen" Parasitoide, die, im Gegensatz zu den sich direkt nac h dem Vorhandensein ihrer Beute orientierenden "taxon-spezifischen" Arten, ihr Suchverhalten prim är auf bestimmte Pflanzenstrukturen hin au sgebildet haben . Sie befallen dort phytophage Insekten , die teilweise unterschiedlichen Gruppen angehören, aber einen gemeinsamen Mikrohabit at bewohnen. Ein Beispiel sind etwa die Vertreter von Erz- und Brackwespengattungen, die Phytophagenlarven in Distelblütenköpfen parasitieren , wobei ihr Wirt sspektrum so unt erschiedliche Taxa wie Rüsselkäfer, Bohrfliegen und Kleinschmetterlinge um fassen kann.
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15 Insekten und Pflanzen
15.5 Abwehreinrichtungen bei Pflanzen und Gegenanpassungen phytophager Insekten Der von phytophagen Insekten auf Pflanzen ausgeübte Druck hat, auch wenn seine Bedeutung für die Pflanzenevolution unterschiedlich beurteilt wird (s.15.8), offensichtlich zur Ausbildung zahlreicher pflanzlicher Verteidigungsformen geführt (Howe & Westley, 1993) für die, ebenso wie für Gegenanpassungen bei den Phytophagen, in den folgenden Abschnitten Beispiele gebracht werden.
15.5.1 Insekten und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe Chemisch sind Gefäßpflanzen gegen Insektenfraß aber auch gegen herbivore Wirbeltiere einerseits dadurch geschützt, dass bei ihnen wesentliche Bauelemente aus Stoffen wie Cellulose, Hemicellulose und Lignin bestehen, die nicht direkt als Nahrung verwertet werden können. Andererseits sind - vor allem in der Evolution der Angiospermen - Tausende von chemischen Verbindungen entwickelt worden, die, da s(e für den Stoffwechsel der Pflanzen selbst bedeutungslos sind, sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe genannt werden. Auch wenn diese Verbindungen zum Teil als Nebenprodukte von Stoffwechselprozessen anfallen mögen, so wird doch ihre eigentliche Funktion in der "chemischen Verteidigung" gegen Herbivorenfraß gesehen. Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe können als Eiablagehemmer oder Fraßhemmer, aber auch als abstoßend wirkende Verbindungen (= repellents) auf das Verhalten phytophager Insekten einwirken. In ihrer physiologischen Auswirkung lassen sich die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe zwei Haupt-Typen zuteilen: Zur "quantitativen chemischen Abwehr", gehören Stoffe, die nicht direkt toxisch wirken sondern eine dosis-abhängige Wirkung zeigen. Hier sind phenolische Polymere wie Tannine und Lignine, die sich an Proteine binden und so die Verdauung der aufgenommenen Nahrung hemmen , aber auch die unverdauliche Kieselsäure zu nennen . Da diese Verbindungen mit beträchtlichen StoffwechselKosten produziert werden müssen, finden sie sich vor allem bei langlebigen Pflanzenarten wie Laubund Nadelbäumen und Sträuchern. Diese oft bestandsbildenden Pflanzen besitzen eine hohe Auffälligkeit (= Apparenz), d. h. sie können von phytophagen Insekten ohne großen Aufwand für die
Wirtssuche gefunden werden. Eine "qualitative Abwehr" haben Pflanzen mit toxisch wirkenden Inhaltsstoffen, die im Allgemeinen metabolisch "billig" herzustellen sind und sich daher vor allem bei kurzlebigen Arten, etwa Kraut- und Staudenarten, finden . Die "Apparenz" dieser Pflanzenarten ist in der Regel gering, d. h. ihr Befall erfordert seitens der Phytophagen ein mehr oder weniger hoch entwickeltes Wirtssuchvermögen. Zu Verbindungen im Dienste einer qualitativen Abwehr zählen : • Alkaloide - rund 20000 beschriebene Verbindungen mit unterschiedlichen physiologischen Auswirkungen. • Toxische Aminosäuren - 260 beschriebene Verbindungen mit Auswirkung beim Einbau in insekten-eigene Proteine. • Cyanogene Glykoside - über 20 beschriebene Verbindungen, Einwirkung auf die Atmungskette. • Glucosinolate - 80 beschriebene Verbindungen mit Einwirkungen auf das Endokrin-System. • Proteinaseinhibitoren mit Einwirkung auf insekteneigene Enzyme. • Terpene - 100000 beschriebene Verbindungen mit vielfaltigen physiologischen Auswirkungen.
Eine weitere Möglichkeit , die chemischen Verteidigungsmaßnahmen zu untergliedern, besteht in der Unterscheidung zwischen einer "konstitutiven" Abwehr mit bereits vor dem Insektenbefall bereit stehenden, "präformierten" Stoffen und einer erst durch einen Phytophagen-Fraß "induzierten" Abwehr. Diese kann , beispielsweise in der durch Blattfraß hervorgerufenen Ausbildung proteinasehemmender Proteine, sehr kurzfristig verfügbar werden. Sie kann aber auch , wie etwa beim Auftreten phenolischer Verbindungen oder dem höheren Fasergehalt von Lärchennadeln nach einem Kahlfraß durch den Lärchentriebwickler, erst nach einem gewissen Zeitraum wirksam werden. Auch Stoffe, durch die natürliche Feinde von Phytophagen angelockt werden, gehören zur induzierten Abwehr. Gegen dieses Arsenal chemischer Verteidigungswaffen haben die Insekten im Verlauf ihrer Evolution zahlreiche Gegenanpassungen entwickelt. Diese können in einer speziellen Form der Nahrungsgewinnung bestehen: Viele pflanzensaftsaugenden Insekten (Abb. 15-2) oder Minierer (Abb. 15-3) umgehen toxische Pflanzengewebe räumlich . Eine weitere Strategie liegt im zeitlichen Ausweichen auf eine Entwicklungsperiode, in der die chemische Abwehr der Wirtspflanzen noch nicht voll aufgebaut ist. So erfolgt der Blattfraß an unseren Laubbäumen fast ausschließlich im Frühjahr und Frühsommer, wenn der Tannin-Gehalt noch gering ist. Zu den verbreitetsten Gegenanpassungen gegen die Abwehrchemie ihrer Wirtspflanzen gehört die Symbiose mit Mikroorganismen, die unverdau-
15.5 Abwehreinrichtungen bei Pflanzen und Gegenanpassungen phytophager Insekten
liehe Stoffe wie Zellulose aufschließen, einseitige Nahrungssubstrate (wie etwa Phloemsaft) ernährungsph ysiologisch anreichern oder toxische Stoffe entgiften können (s. Kap. 19). Die Mehrzahl aller phytophagen Insekten besitzt daher im Körperinnern Endosymbionten, die oft in eigenen Zeilen (= Myeetoeyten) oder Gewebestrukturen (= Myeetomen) lokalisiert sind und über manchmal komplizierte Übertragungsmechanismen an die folgende Generation weitergegeben werden. Phytophage Insektengruppen, wie die holzbrütenden Borkenkäfer oder die Blattschneider-Ameisen (Tribus Attinii) und Termitenarten aus der Familie der Terrnitidae, nutzen Ektosymbionten, indem sie sich ihre unverdauliche Holz- oder Blattnahrung mit Hilfe von Pilzzuchten erschließen. Einen weit verbreiteten allgemeinen Schutz gegen sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe stellen bei phytophagen Insekten die Enzymsysteme des Darmtrakts dar. Eine spezielle Gegenanpassung gegen Fraßgift liegt im Einsatz von spezifischen Entgiftungsenzymen (Misehfunktions-Oxidasen), mit deren Hilfe toxische Pflanzeninhaltsstoffe über Oxidationsreaktionen unschädlich gemacht werden können . Solche Entgiftungsenzyme werden beispielsweise von den Raupen mancher Schmetterlingsarten bereits wenige Minuten nach dem Kontakt mit einer Wirtspflanze aktiviert . Die spezifische Entgiftungswirkung dieser Enzyme erklärt die relativ hohe Wirtsspezifität der großen Mehrzahl aller phytophagen Insekten. Das evolutive Potenzial zur Ausbildung von Entgiftungsenzymen gegen Pflanzen gifte ist zweifellos auch eine Präadaptation für die vielfach beobachtete schnelle Resistenzentwicklung von Pflanzenschädlingen gegen vom Menschen hergestellte chemische Pflanzenschutzmittel. Noch einen Schritt weiter in der evolutiven Auseinandersetzung mit der chemischen Abwehr von Pflanzen sind diejenigen phytophagen Insekten gegangen, die sekundäre Pflanzeninhalts stoffe zu ihrem eigenen Vorteil nutzen . Bekannt sind hier vor allem Fälle, in denen Schmetterlinge ihren Wirtspflan zen toxische Stoffe entnehmen und damit eine eigene chemische Abwehr aufbauen, was sie potenziellen Fressfeinden durch auffällige (= aposematisehe) Warntrachten signalisieren. Ein klassisches Beispiel ist der nordamerikanische Monarch-Falter (Danaus plexippus), der sich im Raupen- und Adult-Stadium durch Herz-Glyko side schützt , die er von seinen zur Familie der Asclepiadaceen gehörenden Wirtspflanzen übernimmt (s. 17.2.1.3). In Europa ist der im Larvenund Adultstadium mit einer auffälligen Warntracht gekennzeichnete Blutbär (Thyria ja cobaeae), dessen Raupen sich ein Alkaloid ihrer Wirtspflanze, des Jakobs-Kreuzkrauts, aneignen, ein gut bekanntes Beispiel. Vor allem in den Tro-
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pen haben durch ihre Abwehrchemie geschützte Tagfalter vielfach übereinstimmende Warntrachten entwickelt und sich damit zu "Müller'schen Mimikry-Ringen" zusammengeschlossen . Andererseits haben viele chemisch ungeschützten Falter im Verlauf einer Coevolution diese Warn trachten imitiert ( = Bates'sehe Mimikry). An Weiden fressende Blattkäferlarven, z. B. Phratora vitellina oder verschiedene Chrysomela-Arten, bauen aus dem Salicin der Wirtspflanzen Salicylaldehyd als chemischen Abwehrstoff auf. Wenn die Larven des Bergblattkäfers Oreina caca/iae am Alpendo st (Adenosty/es) fressen, so übernehmen sie ein Pyrrolizidin-Alkaloid, das dem chemischen Schutz der Käfer dient. PyrrolizidinAlkaloide werden auch von verschiedenen tropi schen Insektengruppen gezielt aufgenommen, ein Prozess, der mit .Pharrnakoph agie" bezeichnet wird. Diese Verbindungen dienen hier nicht nur zur chemischen Verteidigung sondern spielen teilweise, etwa bei den zu den Bärenspinnern gehörenden Creatonotus-Männchen, auch bei der Kommunikation mit den Weibchen eine Rolle (s. 17.2.2.3).
Auch im Konkurrenzkampf gegen Artgenossen werden von verschiedenen Insekten auf der Basis von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen aufgebaute Verbindungen benutzt. So gewinnen die Larven mancher an Koniferen lebende Blattwespen, wie der Kiefernbuschhorn-Blattwespe (Diprion pini) oder der Fichtenblattwespe Gilpinia hercyniae, aus Koniferenharz Stoffe, die bei Störung als oraler Tropfen abgegeben werden und damit weitere Eiablagen verhindern .
15.5.2 Physikalische Abwehrvorrichtungen Eine physikalisch-chemische Verteidigung vieler Pflanzen gegen Phytophagenfraß ist die Bildung von Harz oder Latex-ähnlichen Stoffen. Manchen Insektengruppen, insbesondere den an Koniferen lebenden Kleinschmetterlingen , Borkenkäfern oder Blattwespen gelang es allerdings, mit Verhaltensanpassungen, z. B. dem Anlegen von "Harzdrainage-Löchern" oder konzentriertem Befall, die Abwehrschranke "Harz" mehr oder weniger zu durchbrechen oder Koniferenharz selbst als Nahrung zu nutzen . Aber der Überlebenserfolg der Phytophagen hängt hier oft von der physiologisch-ökologischen Gesamtsituation ab. Auch gegenüber durch Latex geschützten Pflanzen konnten spezialisierte Phytophage, wie sie etwa in der Fauna der Euphorbia-Arten vertreten sind, Gegenstrategien entwickeln. Dornen und Stacheln, die auffallendsten mechanischen Abwehrvorrichtungen von Blütenpflanzen gegenüber herbivoren Wirbeltieren, spielen gegenüber phytopha-
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15 Insekten und Pflanzen
gen Insekten praktisch keine Rolle. Sie können , wie dies etwa für die Sonnwend-Flockenblume (Centaurea so/stitialis), deren Blütenköpfe mit auffälligen Stacheln bewehrt sind, nachgewiesen wurde, für spezialisierte Phytophage sogar ein entscheidender Auslöser für das Anbohren des Blütenkopfs sein. Einen wirksamen Schutz gegen Blattläuse oder kleine ektophytische Phytophagenlarven vermögen auf Blättern oder Stängeln dicht angeordnete Anhangsgebilde der pflanzlichen Epidermis, die meist als nadelförmige, oft mit haken artigen Spitzen versehene Trichome ausgebildet sind, zu leisten. Sie spielen daher in der Resistenzzüchtung mancher Nutzpflanzen eine Rolle. Auch Drüsenhaare oder Epiderrnisdr üsen, die klebrige Substanzen abscheiden, vermögen , wie etwa für eine nordamerikanische Cirsium-Art experimentell nachgewiesen wurde, den Befall durch phytophage Insekten zu reduzieren . Eine dichte Behaarung von Blättern kann gegen Blattfresser, etwa Bläulingsraupen oder Blattkäferarten, zumindest teilweise schützen. Eine für nichtspezialisierte Phytophage abschreckende Wirkung liegt auch bei dem spinnenwebartigen Haarfilz, der die Blütenköpfe mancher Cardueen-Arten bedeckt, vor.
15.5.3 Schutz durch entomophage Insekten Auf den Schutz durch Ameisen, den in den Tropen und Subtropen zahlreiche Pflanzenarten dadurch erlangen, dass sie eine Symbiose mit dieser Insektengruppe entwickelt haben , wird in Abschnitt 15.7.5 eingegangen . In den Vegetationszonen des gemäßigten Klimabereichs sind als pflanzliche Schutzmaßnahmen, die Ameisen anlocken , lediglich extratlorale Nektarien bekannt (Abb. 14-6 C) . Dabei handelt es sich um zuckerhaltige Flüssigkeiten ausscheidende Drüsen, die außerhalb der Blüten beispielsweise an den Wedeln des Adlerfarns, an Blattstielen von Prunus-Arten, an den Nebenblättern von Vicia-Arten oder an den Brakteen bestimmter Centaurea-Arten auftreten. Das Sekret der extrafloralen Nektarien unterscheidet sich vom Blütennektar. Es wirkt relativ unspezifisch und seine Schutzwirkung ist begrenzt. Erst seit relativ kurzer Zeit ist bekannt, dass Pflanzen als aktive Reaktion auf den Befall durch phytophage Insekten chemische Signale auszusenden vermögen, mit deren Hilfe sie Parasitoide anlocken können, die durch vorherige Erfahrung gelernt haben , diese, Synomone genannten flüchtigen Verbindungen mit der Anwesenheit ihrer Wirtsinsekten zu assoziieren . So konnte von Turlings et al. (1990) gezeigt werden, dass von
Schmetterlingslarven befallene Mais-Jungpflanzen flüchtige Terpenoide von sich geben, die erfahrene Weibchen der parasitischen Brackwespe Cotesia marginiventris olfaktorisch anlocken. Es handelt sich dabei um eine spezifische Reaktion aufPhytophagenfraß, denn bei künstlich verletzten Pflanzen entstehen diese Verbindungen nicht. Überdies erfolgt diese Pflanzenreaktion systemisch, d. h. auch von unverletzten Blättern einer befallenen Pflanze gehen die entsprechenden Signale aus. Ein anderes Beispiel für ein Synomon liegt bei mit Blattläusen befallenen Haferpflanzen vor. Hier entwickelt die Pflanze als Reaktion auf Blattlausbefall einen Duftstoff, der einen spezifischen Blattlausparasitoid, anlo ckt. Voraussetzung ist auch hier, dass die Parasitoiden-Weibchen zuvor bereits die Erfahrung machen konnten, dass zwischen der Anwesenheit von Blattläusen und dem von der Pflanze ausgesendeten Duftstoff ein Zusammenhang besteht.
15.5.4 Täuschung und Orientierungserschwerung von Phytophagen Da s Prinzip der Täuschung, das auf dem Angebot einer "Fehlinformation" beruht, ist im Pflanzenreich nicht nur, wie etwa bei Ophrys-Arten, im Dienst der Blütenbestäubung eingesetzt worden, sondern findet sich auch als Schutz gegen Phytophagenfraß. Ein bekanntes, experimentell geprüftes Beispiel sind die auf Blättern bzw. Blattstielen mittelamerikanischer Passionsblumen ausgebildeten Ei-Attrappen, die das Risiko einer Eiablage durch Schmetterlings-Weibchen der Gattung He/iconius herabsetzen. Denn diese versuchen , eine Mehrfachbelegung von Sprossen zu vermeiden, zumal die Heliconius-Larven kannibalistisch sind. Die außerordentliche Vielgestaltigkeit der Blattformen sympatrisch vorkommender amerikanischer Passionsblumenarten wird ebenfalls als eine Abwehrmaßnahme interpretiert, da sie die Wirtsfindung von Heliconius erschwert. Zwischen der hohen innerartliehen Variabilität und zwischenartliehen Mannigfaltigkeit der Hüllkelchblätter (= Brakteen) europäischer Flockenblumen (Centaurea spp.) und dem Befall durch mehrere Bohrfliegen-Gattungen (Tephrit idae) kann ein ähnlicher Zusammenhang angenommen werden: Die Weibchen der betreffenden Arten, deren Larven in beträchtlichem Ausmaß Centaurea-Samen zerstören können, benutzen die Brakteenstruktur als eines der Schlüsselmerkmale, die das Sondier- und damit letztlich das Eiablageverhalten auslöst. Damit können die betreffenden Centaurea-Arten durch eine Variation ihrer Brakteenform einerseits
15.6 Wirtsfindung und Wirtswahl
kurzfristig das Orientierungssystem von auf Flockenblumen-Blütenköpfen spezialisierten Phytophagen störend beeinflussen, längerfristig führt dies allerdings zu einer Gegenselektion beim Phytophagen.
15.5.5 Unberechenbarkeit des Nahrungsangebots Für phytophage Insekten mit spezialisierter Lebensweise ist die Synchronisierung mit bestimmten Entwicklungsphasen der Wirtspflanze für das Überleben entscheidend. Diese Synchronisierung kann die Wirtspflanze durch die Evolution einer "eingeplanten Unberechenbarkeit" erheblich erschweren. Der bei vielen Baumarten der gemäßigten Zone und der Tropen entwickelte unregelmäßige Rhythmus der Samenproduktion bedingt , dass in den "Mastjahren" infolge eines Überangebots nur ein Bruchteil der verfügbaren Nahrung von den Phytophagen ausgenutzt werden kann, da deren Populationen durch die vorausgehenden Jahre mit fehlender oder sehr geringer Samenproduktion auf einem niedrigen Niveau stabilisiert sind. Eine gegenüber einem Ausfall der Samenproduktion partiell wirksame Gegenstrategie spezialisierter Phytophager ist ein "Überliegen", das heißt ein Überbrücken durch unterschiedlich lange Diapausen. Gegenüber den auf eine präzise Synchronisation mit dem Austreiben von Eichen angewiesenen Erstlarven des Eichenwicklers (Tortrix viridana) gewährt das gemeinsame Vorkommen von .früh-" , "mittel-" und "spättreibenden Eichen" einen gewissen Schutz . In ähnlicher Weise erschwert ein phytochemischer Polymorphismus, etwa das Vorkommen von Pflanzen mit und ohne cyanogenen Glykosiden bei Lotus- und TrifoliumArten oder die wechselnde Menge und Zusammensetzung von Alkaloiden in Lupinus-Arten dem Phytophagen die Anpassung an eine Verteidigungsstrategie.
15.6 Wirtsfindung und Wirtswahl Kenntnis der Prozesse, die zum Befall einer Wirtspflanzenart führen, betreffen vor allem phytophage Insekten, die als Pflanzenschädlinge eine Rolle spielen. Insgesamt liegt hier in der Regel eine komplexe Abfolge von "Entscheidungen" vor. Diese stellen eine Wahl zwischen Handlungsalternativen vor, die zwar nicht auf kognitiven Prozessen, wohl aber auf Informationsauswertung be-
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ruht. Dabei werden mithilfe artspezifisch fixierter Verhaltensmuster sowie "plastischer" Verhaltenskomponenten olfaktorische, visuelle, gustatorische und weitere Umweltmerkmale im Sinne eines "Suchprofils" verarbeitet, das zu potentiellen Wirtspflanzen bzw. einem geeigneten Brutsubstrat führt . Interne Zustandsvariable, wie beispielsweise der Sättigungsgrad, die bereits vorliegende Erfahrungen (= Konditionierung), eine vollzogene Begattung, der jeweilige Vorrat legereifer Eier und die zukünftige Lebenserwartung ( d. h. der jeweilige "reproduktive Restwert"), beeinflussen die Wahl-Entscheidungen des Phytophagen, da sie den "Fitness-Wert" eines gegebenen Brutsubstrats mitbestimmen. Ein erster Schritt des Wirtssuchverhaltens ist meist die der Habitatswahl vorgeschaltete Fernorientierung, die sich nach visuellen oder olfaktorisch wahrnehmbaren Reizen richtet. So spielen bei der Fernorientierung frisch geschlüpfter Maikäfer Waldsilhouetten, beim Rapsglanzkäfer gelbe Flächen und beim Rüsselkäfer Sitona cylindricollis der von Melilotus abgegebene Duftstoff Cumarin eine Rolle. Chemosensorisch wahrnehmbare sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die als Anlockstoffe, Fraßauslöser oder Fraßanreger, aber auch als Abschreckstoffe oder Fraßhemmer wirken können, sind neben anderen Pflanzenmerkmalen auch für die Nahrorientierung wesentlich, die nach dem Auffinden des Habitats mit der Wirtsfindung bzw. Wirtsidentifikation einsetzt. In deren Verlauf werden eine Pflanze bzw. Pflanzenorgane anhand ehemosensorisch , visuell und mechanisch wahrnehmbarer Reize geprüft und - sofern sie dem artspezifisch festgelegten Merkmalsprofil entsprechen als Wirtspflanze angenommen (= Wirtsannahme) . In einem weiteren Schritt kann , insbesondere wenn eine Eiablage erfolgen soll, die Wirtseignung kontrolliert werden. Dabei geht es um die im Verlauf der Wirtssuche letzte "Entscheidung", die davon abhängt, ob das Brutsubstrat qualitativ, quantitativ und hinsichtlich des Entwicklungszustands Aussicht für ein erfolgreiches Heranwachsen der Nachkommenschaft bietet. Bei der Prüfung der Wirtseignung spielen neben Merkmalen der Wirtspflanze auch potenzielle Störfaktoren (z. B. Ameisenbelauf), Hinweise auf mögliche Konkurrenzsituationen, etwa bereits auf der Wirtspflanze vorhandene Eier oder Fraßspuren oder intraspezifische Signale, z. B. die von vielen Bohrfliegenweibchen nach der Eiablage als Eiablagehemmer abgegebenen Pheromone, eine Rolle.
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15 Insekten und Pflanzen
15.7 Mutualistische Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen In ihrer Evolution haben die höheren Pflanzen zahlreiche Anpassungen entwickelt, um Insekten als Transporteure von Pollen und Samen und als "Leibwache" gegenüber Fressfeinden zu nutzen. Daraus haben sich vielgestaltige und teilweise enge Wechselbeziehungen ergeben. Als Primärproduzenten waren die Blütenpflanzen in der Lage, auf Grund einer " Überschussproduktion" den Insekten Nahrung und verschiedene andere Ressourcen anzubieten, während auf Seiten der Insekten die Flugfähigkeit, die hoch entwickelten Sinnesleistungen, aber auch die Omnipräsenz vieler Taxa Präadaptationen für die Hunderttausende von Arten einbeziehenden Insekten-Pflanzen-Mutualismen darstellten .
15.7.1 Insekten als Blüten-Bestäuber Entdeckt und für zahlreiche Arten der Blütenpflanzen dokumentiert wurde das Phänomen der Blütenbestäubung von dem Spandauer Schulrektor C. K. Sprengel (1793). Eine eingehende Darstellung bringt das Buch "Blütenökologie" von Kugler (1970). Wegbereiter der Blütenbestäubung der Angiospermen waren möglicherweise die von der oberen Trias bis zur mittleren Kreidezeit verbreiteten, vermutlich von paläozoischen Samenfarnen abstammenden und im Jura ihre größte Entfaltung durchlaufenden Bennettiteen (Ordnung Bennettitales), da deren Blütenbau mit einem Perianth auf eine Insektenbestäubung hinweist. Hier, wie auch bei den vom Beginn der Kreidezeit ab sich entwickelnden Blütenpflanzen, waren vermutlich Coleopteren, die mit ihren kauend-beißenden Mundwerkzeugen Pollen, aber teilweise auch Blütenstrukturen fraßen , die ersten Blütenbesucher. Nektar als Blütennahrung trat im Lauf der Kreidezeit erst später auf. Mit ihm war für die mit leckend-saugenden Mundwerkzeugen, bzw. mit einem Saugrüssel ausgestatteten Gruppen der Hymenopteren (Bienenbestäubung) und Dipteren sowie für die Lepidopteren, ein evolutiver Impuls gegeben. Andererseits hat die Bestäubungssymbiose mit Vertretern dieser drei Ordnungen zweifellos als ein Schrittmacher für die in der mittleren Kreidezeit einsetzende gewaltige Radiation der Blütenpflanzen gedient. Vom Tertiär an entwickelten sich in den Tropen aus ursprünglich
an Insekten als Bestäuber angepassten (= entomogamen) Blütenpflanzen auch Vogel- und Fledermausblumen. Für eine Fremdbestäubung sind entomogame Pflanzen auf eine möglichst zuverlässige Übertragung ihres Pollens auf die Narben von Artgenossen angewiesen . Dabei dienen den modernen Angiospermen entweder der eiweißreiche Pollen selbst oder der in Nektarien produzierte Nektar als das bei weitem wichtigste Mittel, um Blütenbesucher anzulocken. In einigen Bestäubungssystemen spielen auch von der Pflanze produzierte und als Nahrungsressource angebotene fette Öle (ÖIblumen) diese Rolle. Bei einigen süd- und mittelamerikanischen Orchideengattungen (Parfümblumen) ist auf der Basis von ätherischen Ölen eine sehr spezifische Bestäubungs-Symbiose mit den Männchen südamerikanischer Prachtbienen (Euglossini) entstanden. Die Prachtbienenmännchen sammeln diese flüssigen Duftstoffe mithilfe hochspezialisierter Umbildungen der Hinterschienen und markieren damit ihre Rendezvous-Plätze. Von der Bestäubungssymbiose leitet sich das quasi parasitäre Interaktionssystem der so genannten Täuschblumen ab, die ohne reale Gegenleistung zu einer Bestäubung gelangen . Hierher gehören die Sexualtäuschblumen, die, wie etwa unsere OphrysArten, mit optischen und olfaktorischen Attrappen Hymenopterenmännchen zu Kopulationsversuchen verleiten . In diese Kategorie fallen auch Futtertäuschblumen und Pflanzen, die mit Attrappen vorgetäuschte Eiablageplätze anbieten und damit etwa Pilzmücken zum Anflug verlocken. Auch bei den Blütenbesuchern gibt es Ansätze, aus dem Symbioseverhältnis auszubrechen . Als Beispiel mag hier der Nektarraub kurzrüssliger Hummelarten dienen, die mit ihren Mandibeln von außen Löcher in langröhrige Blüten beißen und auf diese Weise ohne Bestäubungsleistung an den Nektar gelangen . In ökologischer Sicht stellen Bestäubungssysteme sehr komplexe Interaktionsmuster dar. Sie finden, da hier quantifizierbare Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt und theoretische Optimalitätsberechnungen mit real vorliegenden Verhaltensformen verglichen werden können, zunehmend das Interesse der Verhaltensökologie. Grundsätzlich besteht hier trotz der mutualistischen Wechselbeziehung zwischen dem Bestäuber und der bestäubten Blütenpflanze ein Kosten-Nutzen-Konflikt, da der Bestäuber mit möglichst geringem Energie- und Zeitaufwandeinemaximale Ausbeute an Nektar oder Pollen erzielen will, der Bestäubungserfolg der Pflanze aber sowohl von einer möglichst hohen Besuchsrate als auch von einer möglichst exakten Pollenübertragung (Blütenstetigkeit) abhängt. Andererseits stehen viele im gleichen Lebensraum blühenden Pflanzenarten im zwischenartliehen Wettbewerb um Blütenbesucher, und viele auf Blütenbesuch angewiesene Insekten sind innerartIich und zwischenartlieh Konkurrenten in Bezug auf von den
15.7 Mutualistische Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen
Blütenpflanzenangebotenen Nektar oder Pollen. Sowohl auf Seiten der Blütenpflanze wie auch der blütenbesuchenden Insektenarten stellen sich daher Optimierungsprobleme. Würde eine Blütenpflanze einen Überschuss an "Belohnung" anbieten, könnte die Besuchsrate und damit der Bestäubungserfolg sinken, würde dagegen zuwenig an Nektar oder Pollen angeboten, bestände die Gefahr, dass die Blütenbesucher zu anderen blühenden Pflanzenarten abwandern. Für den Blütenbesucher ist andererseits eine möglichst genaue "Marktübersicht", d.h. Informationen darüber, welche potentielle Trachtquellejeweils im Hinblick auf den Zeit- und Energieaufwand am günstigsten auszubeuten ist, wertvoll. Eine elegante Lösung dieses Problemshat die Honigbienemit der Entwicklung ihrer "Bienensprache" entwickelt, denn diese ermöglicht erfolgreichen Sammlerinnen, Stockgenossen exakt über den Weg zu neuen, lohnenden Trachtquellen zu informieren (s. 9.5.2.3). Kompliziert wird das Blütenpflanzen-Bestäuber-System durch den Umstand, dass Blütenbesuche für den Bestäuber zu zusätzlichen Gefahrdungen durch den Blütenbesuch ausnützende Räuber (z. B. Spinnen) oder Brutparasiten (z. B. Meloiden-Larven) führen können.
15.7.2 Blütenbestäubung: Anpassungen bei Blütenbesuchern Entomogame Bestäubungssysteme werden je nach Spezialisationsgrad unterschiedlichen Kategorien zugeordnet: Dystrope Blütenbesucher, z. B. Thysanopteren, viele Coleopteren, Mecopteren oder Ameisen, benutzen Blüten als Fraß-, Aufenthaltsbzw. Rendezvous-Platz, aber spielen als Pollenüberträger keine Rolle. U nspezifische Blütenbesucher, deren Bedeutung für die Bestäubung gering ist, da sie weder in ihrem Verhalten noch morphologisch an eine Blütenbestäubung angepasst sind, werden allotrop genannt. Bei dieser Insektengruppe kommt es eher zufällig zu einer Blütenbestäubung. Hierher fallen etwa manche häufig auf Blüten anzutreffenden Bockkäfer ("Blütenböcke" wie Strangalia-Arten), Hemipteren, Neuropteren, Wespen und Vertreter vieler Dipteren-Familien, z. B. der Tabaniden, Sarcophagiden oder Musciden. Zu den eigentlichen Best äubern gehören Vertreter von Insektenfamilien, die mit leckend-saugenden Mundwerkzeugen an den in der Blüte verborgenen Nektar gelangen, deren Haarkleid einen Pollentransport erlaubt und deren Verhaltensinventar auf einen systematischen Blütenbesuch abgestellt ist. Hierher zählen als hemitrope Blütenbesucher die meisten Schmetterlinge, langrüsslige Spheciden, kurzrüsslige Vertreter der Apoidea, Hummelschweber und Schwebfliegen. Besonders stark auf einen Blütenbesuch spezialisiert sind die eutropen Arten, etwa die mit einem überlangen Saugrüsseln im Flug Nektar aufneh-
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menden Sphingiden und die Apiden mit ihren vielfältigen morphologischen Anpassungen an das Pollensammeln und ihrem ausgeprägten Lernvermögen.
15.7.3 Blütenbestäubung: Anpassungen bei Pflanzen Entomogame Blütenpflanzen locken potentielle Bestäuber mit optisch und/oder olfaktorisch wahrnehmbaren Signalen an . Schaueinrichtungen sind vor allem in Form, Farbe und oft auch Zeichnung charakteristisch gestaltete Blütenbl ätter. Gelegentlich können auch intensiv gefärbte Hochblätter, Staubblätter oder Narben diese Funktion übernehmen . Die Blütenfarben entomogamer Blütenarten sind auf das Farbsehvermögen der wichtigsten Bestäuberarten abgestellt. Daher finden sich etwa bei Bienenblumen vielfach ultraviolett gefärbte Saftmale. Insgesamt dienen die visuell wahrnehmbaren Blütenmerkmale in erster Linie der Orientierung über eine gewisse Distanz hin, während olfaktorisch wahrnehmbare Duftsignale eine Nahorientierung und Identifizierung der Pflanze ermöglichen. Bei Blütenpflanzen mit wenig entwickeltem Schauapparat kann auch ausschließlich der Blütenduft den Bestäuber zum Blütenbesuch motivieren. Das auf der Blüte gelandete Insekt wird durch eine geeignete Anordnung von Nektardr üsen, Staubblättern und Narben, bei bilateral gebauten oder mit Spornen versehenen Blüten auch durch die Geometrie der Blütenkrone in denjenigen Blütenbereich geleitet, in dem eine Aufnahme von Pollen bzw. eine Abgabe transportierten Fremdpollens auf die Narben stattfinden kann. Ähnlich wie bei den Blütenbesuchern kann man auch bei den Blütenpflanzen hinsichtlich des Bestäubungssystems unterschiedliche Spezialisierungsgrade unterscheiden: Pflanzen mit allotropen Blüten (z. B. Pollenblumen) bieten in erster Linie Pollen und daneben oft auch leicht zugänglichen Nektar an. Sie werden von einem großen, unspezialisierten Besucherkreis aufgesucht. Pflanzen mit hemitropen Blüten verbergen ihren Nektar und setzen daher eine gewisse Spezialisierung der Mundwerkzeuge der Besucher voraus. Eutrope Blumen wenden sich an spezialisierte Besucherkreise : Bei den Hymenopterenblumen sind Pollen und Nektar nicht frei zugänglich, oft müssen hier vom Blütenbesucher bestimmte pollenübertragende Mechanismen in Gang gesetzt werden (z. B. bei Orchis, vielen Labiaten oder Fabaceen), außerdem werden dem besuchenden Insekt Sitzflächen angeboten . Lepidopterenblumen besitzen offen-liegenden Pollen aber tief in Röhren nur dem
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15 Insekten und Pflanzen
Schmetterlingsrüssel zugänglichen Nektar. Tagfalterblumen (z. B. viele Nelkenarten) zeichnen sich durch intensive Blütenblattfarben aus, Nachtfalterblumen durch bleiche Blütenfärbung und einen nach Sonnenuntergang freigegebenen, starken Duft (z. B. Geißblatt-Blüten). Dipterenblumen besitzen vielfach weiße (viele Doldenblütler) oder blaue (Ehrenpreis-Blüten), offene Blüten mit gut zugänglichem Nektar. Sonderfälle sind hier Aasfliegenblumen, die Fliegen durch Aasgeruch anlocken, und Kesselfallenblumen (z. B. Blüten des Aronstabs), die Kleindipteren anlocken und bis zur erfolgten Bestäubung in Gefangenschaft halten .
15.7.4 Koevolution in entomogamen Bestäubersystemen Wie bereits ausgeführt, bestehen zwischen der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Blütenpflanzen und der Evolution bestimmter holometaboler Insekten enge Wechselbeziehungen. Die adaptive Radiation auf Blütenbesuch spezialisierter Insektentaxa und die Radiation der Angiospermen sind offensichtlich so miteinander gekoppelt, dass man hier von einer allgemeinen, "diffusen" Coevolution (s.15.8) von zwei Partnergruppen sprechen kann. Unter den entomogamen Pflanzen-InsektenBeziehungen gibt es jedoch auch spezifische wechselseitige Abhängigkeiten auf Artebene, die Merkmale einer echten Koevolution im engeren Sinne tragen . Dies soll an zwei Beispielen gezeigt werden. Die fast 1000 Arten zählende, besonders in den Tropen weit verbreitete Gattung Ficus wird ausschließlich und auf einem sehr komplizierten Weg von Feigenwespen (Agaoniden) bestäubt. Die Einzelblüten der Feigen sind in einen krugartigen Blütenstand eingeschlossen, wobei zuerst die in einer lang- und einer kurzgriffiigen Variante ausgebildeten weiblichen Blüten und wesentlich später die männlichen Blüten reifen. Begattete Weibchen dringen durch die enge apikale Öffnung der Feige, bestäuben die Blüten mit Fremdpollen, der bei vielen Arten in komplex gebauten, verschließbaren Pollentaschen am Thorax mitgebracht wurde, und legen ihre Eier in kurzgriffiige Einzelblüten, in denen sie gleichzeitig ein gallenartiges Wachstuminduzieren. Die zuerst schlüpfenden (= protandrischen), flügellosen Männchen begatten bei den meisten Arten die adulten Weibchen noch in der Gallenblüte. Die Männchen selber verlassendie Feigenicht, bei einigen Agaonidenarten bohren sie aber für die Weibchen Schlupflöcher in die Wand der Feige. Bevor die Weibchen durch diese die Feige verlassen, beladen sie sich mit Pollen der mittlerweile in die männliche Blühphase eingetretenen Feige. Die Weibchen selbst suchen
dann neue, noch in der weiblichen Blühphase befindliche Feigen auf. Das Zusammenspiel des Bestäubers und der Feigenart hängt von einer sehr präzisen Synchronisation ab, bei der das während der Feigenreife produzierte CO z eine Rolle spielt. Da die Feigenwespen bereits für die Juraperiode und die Gattung Ficus für die Kreidezeit nachweisbar sind, kann hier eine stammesgeschichtlich sehr alte Partnerschaft angenommen werden, die die erstaunlichen wechselseitigen Anpassungen verständlich macht. Als Ursprung der Feigen-Feigenwespen-Symbiose werden pollen-fressende Gallenerzeuger angenommen, da solche in mit den Agaoniden nahe verwandten Erzwespentaxaverbreitet vorkommen und da ja auch die Agaoniden-Weibchen in den kurzgriffiigen Ficus-Blüten gallähnliche Gebilde erzeugen. Nach dem heutigen Kenntnisstand hat - von wenigen Ausnahmen abgesehen - fast jede Ficus-Art eine eigeneAgaonidenart, auf die sie für die Samenproduktion angewiesen ist. Überdies spiegelt sich die systematische Verwandtschaft der FicusUntergattungen im Verwandschaftsverhältnis der als Bestäuber wirkenden Agaonidengattungen, was auf eine parallele Cladogenese der Gattung Ficus und der an sie gebundenen Agaoniden-Gattungen hinweist (Wiebes, 1979). Ein ähnlich enges Partnerschaftsverhältnis mit enger Synchronisation und völliger wechselseitiger Abhängigkeit besteht in der Neuen Welt zwischen den YuccaMotten (z. B. Tegeticula yuccasella , Familie Prodoxidae) und der Pflanzengattung Yucca. Die Vertreter dieser Gattung sind für die Bestäubung ausschließlich auf die Weibchen der Yucca-Motten angewiesen, die mit umgewandelten MaxilIentastern Yucca-Fremdpollen zu Yucca-Blüten transportieren und dort aktiv auf die Narben deponieren. Auch hier werden in die bestäubten Blüten Eier gelegt. Die daraus schlüpfenden Larven der Yucca-Motte entwickeln sich an den reifenden Samen, wobeiaber der Konsum so begrenzt ist, dass sich stets ein Teil der Yucca-Samen voll entwickeln kann.
15.7.5 Ameisen und Pflanzen Fast alle Anpassungen, die von den Blütenpflanzen zur zoochoren, d . h . durch Tiere erfolgenden, Verbreitung ihrer Samen entwickelt wurden, sind auf Partnergruppen unter den Wirbeltieren hin angelegt. Bei den Insekten spielen lediglich Ameisen als Samenverbreiter eine Rolle . Eine spezielle Einrichtung für diese myrmekochore Samenverbreitung stellen, warzenartige Anhängsel der Samen, die sogenannten Elaiosomen dar. Dies sind protein- und fettreiche, Lockstoffe enthaltende Fraßkörperchen, die vor allem bei bodennah wachsenden Krautgewächsen vorkommen. Elaiosomen-haltige Samen, die stets klein « 3 mm) sind, werden von den Ameisen in ihre Bauten eingetragen. In der Flora der gemäßigten Klimazone kommt Myrmekochorie vor allem bei einigen Frühlingsblühern am Waldboden, wie Veilchenoder Lerchensporn-Arten, vor. Tausende von myrmekochoren Pflanzen-Arten in über 20 Familien
15.8 Koevolutive Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen
sind aus Australien und der südafrikanischen Felsheide (dem .fynbos") bekannt. Wesentlich enger ausgebildet ist der AmeisenPflanzen-Mutualismus bei den in den Tropen in Wäldern und Savannen weit verbreiteten Ameisenpflanzen (= Myrmekophyten) (Janzen, 1966). Hier werden den Ameisen "Wohnräume" (= Domatien) in umgestalteten Pflanzen strukturen angeboten. Beispiele sind die hohlen, stark vergrößerten oder an der Basis zu spektakulären schwarz-gefärbten kugelförmigen Blasen angeschwollenen Dornen der "Flötendornakazien", bzw. die von Hohlräumen durchzogenen Sprossknollen epiphytischer Orchideen der Gattung Myrmekodia (s. Abb. 14-6 B). Da diese Gebilde von den Ameisenpflanzen unabhängig von jeder Insekten-Einwirkung hervorgebracht werden, stellen sie keine Pflanzengallen dar, sondern sind spezielle Pflanzenorgane zur Beherbergung von Ameisen. Überdies können extraflorale Nektarien und eigene proteinreiche Nahrungskörperehen - etwa die .Belt'schen Körperchen" an den Spitzen der Blattfiedern myrmekophytischer Akazien (s. Abb. 14-6 C) oder die "Müller'sehen Körperchen" an der Blattstiel-Basis südamerika nischer Cecropia-Arten - die symbiontisch mit den Myrmekophyten verbundenen Ameisen mit Nahrung versorgen. Dies kann auch durch im Innern von Pflanzenhöhlungen von den Ameisen angesiedelte Kolonien von Schildläusen und anderen Homopteren (Blattsaugern) erfolgen, deren zuckerhaltige Sekrete von den Ameisen eingesammelt werden. Den Symbiose-Leistungen des Pflanzen-Partners stehen auf Seiten der Ameisen der Schutz gegen phytophage Insekten und teilweise auch gegen den Blattfraß von Säugetieren und gegen konkurrierende Vegetation (z. B. gegen Lianen) gegenüber. Eine mittelamerkanische Pseudomyrmex-Art rodet sogar im Umkreis von einem Meter die "Unkraut"Vegetation am Stammfuß der von ihr besiedelten Akazien. Die Schutzwirkung symbiontischer Ameisen gegen Weidetiere konnte in Ausschluss-Experimenten nachgewiesen werden. Dass sich für myrmekophytische Akazien der für die Versorgung des Ameisen-Partners getriebene Aufwand lohnt , hängt auch damit zusammen , dass hier im Gegensatz zu nicht-myrmekophytischen Arten Stoffwechselkosten für eine chemische Verteidigung eingespart werden können .
Bei vielen Ameisen haben die Beziehungen zu Pflanzen einen mehr oder weniger opportunistischen und zufälligen Charakter. Dagegen sind mit Ameisenpflanzen wie bestimmten Acacia- oder Cecropia-Arten vergesellschaftete Ameisengattungen (z. B. Pseudomyrmex oder Azteca) obligatorisch an ihren Symbiose-Partner gebunden. Die wechselseitigen strukturellen und verhaltensbiologischen Anpassungen sind hier zweifellos das Ergebnis einer engen Koevolution .
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15.8 Koevolutive Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen Die Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen sind einerseits antagonistisch, da Pflanzen als Nahrungsquelle ausgebeutet werden und ihrerseits gegen phytophage Insekten gerichtete Abwehrmaßnahmen entwickelt haben . Dies führte wiederum bei vielen Insektengruppen zu Gegenanpassungen (s. 15.5.1). Andererseits gibt es zwischen Insekten und Pflanzen auch kooperative Beziehungen, die vor allem im Bereich der Bestäubungssymbiose, der Myrmekochorie oder bei Ameisenpflanzen ausgesprochen mutualistisch ausgebildet sind. Da entomophage Insekten zu den Kontrollfaktoren phytophager Insektenpopulationen gehören, fördern sie indirekt von Phytophagen bedrohte Pflanzen und es gibt Hinweise, dass auch zwischen Entomophagen und Pflanzen kooperative Beziehungen vorliegen können (s. 15.4). Eingebunden in dieses Beziehungsgeflecht (Abb. 15-11) sind auch neben einigen anderen Gruppen viele Wirbeltier-Taxa, für die sowohl Pflanzen wie auch Insekten eine wesentliche Nahrungsquelle darstellen. Sie üben einen Selektionsdruck aus, gegen den gerade die an Pflanzen fressenden Insekten ein großes Spektrum an Schutzmaßnahmen ausgebildet haben. Sowohl die Pflanzen wie auch die Insekten reichen weit in das Palaeozoikum zurück und Pflanzen-Insekten-Beziehungen, etwa der Fraß und Transport von Sporen durch Springschwanz-
Abb. 15-11: Schema der antagonistischen und kooperativen Beziehungen zwischen Gefäßpflanzen, phytophagen und entomophagen Insekten. Die Pfeile geben die Richtung des Energieflusses und Stofftransports an. Parallele Linien verbinden Partnergruppen mit mutualistischen Beziehungen. Symb. = Endosymbionten der Phytophagen. (Nach Zwölfer 1978)
15 Insekten und Pflanzen
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Abb. 15-12: Koevolutions-Modelle von pflanzen (P) und Pflanzenfressern (H). Die Pfeile geben die Richtung des Selektionsdrucks an. A Strikt reziproke Koevolution; B Diffuse Koevolution; C Nachfolge·Evolution; D Nachfolge-Evolution mit Rückkopplung von den Herbivoren zu den Pflanzen.
Arten, werden von manchen Autoren bereits für das Devon angenommen. Aber die Vielfalt der höheren Landpflanzen und das Auftreten besonders umfangreicher Insektengruppen, wie etwa der großen phytophagen K äferfarnilien, der Ordnung der Schmetterlinge oder der auf Blütenpollen und Nektar angewiesenen Hautflügler-Familien und der Entstehung komplexer phytophager Lebensweisen wie der Induktion von Pflanzengallen sind erdgeschichtlich viel jüngeren Datums. All dies fallt zeitlich mehr oder weniger mit der seit Beginn der Kreidezeit sich abspielenden gewaltigen Entfaltung der Blütenpflanzen zusammen. Es ist, insbesondere bei der Bestäubungs-Sym biose und den Ameisenpflanzen, klar, dass hier in der Evolution von Pflanzen und Tieren wechselseitige Einflüsse wirksam wurden. Ebenso ist unbestreitbar, dass der von den Pflanzen auf phytophage Insekten ausgehende Selektionsdruck deren Evolution maßgeblich gesteuert haben muss. Dabei kann der die Phytophagen-Evolution kanalisierende Einfluss der Wirtspflanzen so stark sein, dass, wie etwa für die monophagen Arten der Blattkäfergattung Phyllobrotica und die als Wirte dienenden Lippenblütlergattungen Stachys und Scutellaria nachgewiesen wurde, beim Phytophagen die Artaufspaltung fast völlig übereinstimmend mit der phylogenetischen Entfaltung der Wirtspflanzen-Gruppe Cd. h. in einer Parallel-CIadogenese) abgelaufen ist (Farrel et al.,1992). Wesentlich häufiger sind aber Evolutionsmuster von Phytophagen-Pflanzen-Systemen, bei denen die
Übereinstimmung zwischen Phytophagen- und Wirtsphylogenese unscharf ausgebildet ist oder völlig fehlt. Hier ist die Phytophagen-Evolution durch Übergänge auf neue Wirtspflanzen-Taxa sowie durch Wirtskreis-Erweiterungen bzw. Einengungen gekennzeichnet (Zwölfer und Herbst, 1988). Unterschiedlich beurteilt wird, in welchem Ausmaß ein von Phytophagen auf die Konkurrenzfähigkeit von Pflanzen ausgeübter Selektionsdruck die evolutive Diversifikation der Gefäßpflanzen beeinflusst hat. Er hat jedoch offensichtlich zur Ausbildung zahlreicher pflanzlicher Verteidigungsformen geführt. Dabei konnten andererseits einzelne Phytophagenarten durch Spezialisierung und teilweise auch durch komplizierte Gegenstrategien die pflanzliche Abwehr immer wieder durchbrechen. Dadurch kam es in der Pflanzen-Phytophagen-Evolution zu Prozessen, die erstmals ausführlich in der klassischen Arbeit von Ehrlich & Raven (1964) über die "Coevolution von Tagfaltern und Pflanzen " diskutiert und seither öfters mit der Metapher " Rüstungswett lauf' bezeichnet wurden .
Da der Begriff Koevolution in der Literatur verschieden gebraucht wird, soll ein Schema (Abb. 15-12) die wesentlichen Unterschiede verdeutlichen. Eine strikt reziproke Koevolution (Abb. 15-12 A) zwischen einem Pflanzen- und einem Insektentaxon kommt bei einigen streng mutualistischen Insekten-Pflanzen- Beziehungen es. 15.7.4) und - auf einem Niveau unterhalb der Artgrenze - bei der Mikroevolution von Resistenzgenen bei Kulturpflanzen und dagegen gerichteten Virulenz-Genen bei Rassen (Biotypen) von Schadinsektenarten vor. Diese Form von Koevolution ist aber bislang in der Makroevolution, d. h. in Evolutionsprozessen von höheren taxonomischen Kategorien, nicht überzeugend nachgewiesen worden. Hier werden vor allem zwei Koevolutions- Typen diskutiert: Die "diffuse Koevolution" bezeichnet eine komplexe und stochastische Interaktion zwischen Pflanzen -Gruppen und Gruppen von phytophagen Insekten (Abb. 15-12 B), die die Evolution der beiden Partner steuert. Die "Nachfolge-Evolution" (Jerrny, 1993) nimmt demgegenüber ein einseitiges Verhältnis zwischen Wirtspflanzen und phytophagen Insekten an: Während sich die Pflan zen weitgehend unabhängig vom Phytophagendruck evolutiv entwickeln , wirken sie andererseits entscheidend auf die Phytophagen-Evolution ein (Abb. 15.12 C). Der gegenwärtigen Kenntnistand legt die Vermutung nahe, dass in der Evolution von Pflanzen und Insekten sowohl Elemente einer "Nachfolge-Evolution" wie auch einer "diffusen Koevolution" wirksam waren (Abb. 15.12d): Der Selektionsdruck erfolgte zwar asymmetrisch deutlich stärker auf die phytophagen oder auf andere Weise von Pflanzen abhängigen Insektengruppen hin, aber es gab immer wieder auch evolutive
lite rat ur
Rückkopplungen von den Insekten auf die Pflanzen.
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16 Entomophage Insekten Thomas Bauer
In ihrer enormen Artenvielfalt nutzen Insekten in den ihnen zugänglichen Lebensräumen der Erde alle Nahrungsquellen. Grundsätzlich werden Pflanzenfresser, Räuber, Aasfresser und Parasiten unterschieden und diese Kategorien lassen sich weiter unterteilen. Die meisten Insektenarten sind allerdings flexibel in ihrer Ernährung und viele wechseln den Ern ährungstyp in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung. Räuber töten ihre Beute, um sie zu verzehren. Sie sind in der Regel mindestens so groß oder größer als ihre Beutetiere (Ausnahme: Ameisen!) und sie töten wiederholt. Parasiten konsumieren Teile von einem Beuteindividuum, ohne es zu töten, sie sind meistens viel kleiner. Viele Insekten , v. a. aus den Ordnungen Hymenoptera und Diptera, verhalten sich intermediär. Sie zehren zunächst von ihren Wirten wie echte Parasiten und schonen lebenswichtige Organe, in der Endphase ihrer Entwicklung aber greifen sie auch diese an und töten den Wirt . Man bezeichnet sie als Parasitoide. Arten, die in den bewohnten oder unbewohnten Aufenthaltsorten (Fraßminen, Gallen, Brutbauten) anderer Arten leben, heißen Inquilinen (Einmieter) . Manche machen den ursprünglichen Bewohnern Konkurrenz hinsichtlich Raum und Nahrung oder zehren von ihren Nahrungsvorräten oder ihnen selber. Die Übergänge zum Paras itismus sind also fließend. Fast alle Räuber, alle Parasitoide und einige echte Parasiten unter den Insekten leben ihrerseits von Insekten (Entomophagie). Von insgesamt 31 Insektenordnungen enthalten 15 ausschließlich oder unter anderen entomophage Arten . Viele davon sind als Gegenspieler von Schadinsekten auch wirtschaftlich interessant (s. Kap. 21).
16.1 Räuber Das Beutefangverhalten eines Räubers lässt sich als Handlungskette aus Suchen, Orten, Erkennen, Angriff und Verzehren eines Beuteobjektes beschreiben. Seine Sinnesorgane, Extremit äten und Mundwerkzeuge sind in Bau und Funktion an diese Teilleistungen angepasst. Räuberische Insekten, besonders wenn sie von schnellen und
wehrhaften Beutetieren leben, sind daher morphologisch als solche erkennbar, wobei freilich jede Art ihre Besonderheiten aufweist. Die auffälligsten Beispiele findet man innerhalb der Odonata, Mantodea, Planipennia, Heteroptera, Coleoptera, Hymenoptera, Mecoptera, Diptera.
16.1.1 Zusammentreffen mit der Beute Viele Insekten suchen ihre Beute aktiv, d. h. sie fliegen, laufen oder schwimmen umher, um auf Beute zu treffen (Suchjäger). Manche Großlibellen entfernen sich auf ihren Jagdflügen kilometerweit von den Gewässern, in denen sie ihre Larvalentwicklung durchmachen. Die Männchen der Mückenhafte (Mecoptera) streifen in der Dämmerung fliegend Grashalme von unten nach oben mit ihren langen Beinen ab, und ergreifen Beutetiere mit den Tarsen der Hinterbeine (Abb. 16-1). Bei vielen Ameisenarten suchen einzelne Arbeiterinnen vom Nest aus in individuellen Vorzugsrichtungen die Umgebung ab, wobei sie sich Landmarken, Sonnenstand und Polarisationsmuster des Lichtes einprägen oder auf chemisch markierten Wegen zurückfinden. Bei den Treiberameisen bewegen sich die kompletten Völker auf ihren Raubzügen in der Wanderph ase bis zu 20 mJh und ruhen nur nacht s an geschützten Plätzen (s. Kap. 14). Hohe Beutedichten führen immer dazu , dass die Suchflüge oder -läufe auf ein kleineres Gebiet beschränkt werden, bei geringem Fangerfolg erhöhen Räuber den Suchradius oder wandern ab (s. 16.1.7). Lauerer warten, bis ein Beutetier in den Aktionsradius ihrer Fangorgane kommt. Gottesanbeterinnen , viele Wanzenarten, einige Dipteren und die Fanghafte (Planipennia: Mantispidae) sitzen regungslos, oft auch durch Farbe, Cuticularstrukturen oder Imitation von Pflanzen teilen (Mimese) gut getarnt in der Vegetation und greifen andere Insekten aus wenigen cm oder mm Entfernung an . Die Larven der Sandlaufkäfer (Cicindelidae) lauern im Eingang eines selbst gegrabenen Ganges im Boden, bei tropischen Arten auch in Pflanzenstängeln, und schnellen sich auf Beutetiere, wenn diese in den Sehbereich bestimmter Stemmata und damit in ihre Reichweite kommen (Abb. 16-2).
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16 Entomophage Insekten
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Abb. 16-1 : Bittacus sp. A in Fanghaltung an einem Zweig hängend, B der Greiffuß eingeschlagen. (Nach Jacobs und Renner 1988)
Viele Räuber wechseln allerdings zwischen Suchen und Lauem. Raubfliegen und andere Dipteren, auch viele Libellenarten sitzen ruhig in der Vegetation, kontrollieren die Umgebung visuell, verfolgen fliegend Objekte bestimmter Größe und Geschwindigkeit und kehren danach zu ihrer Sitzwarte zurück. Diese verlegen sie allerdings von Zeit zu Zeit. Ähnlich verhalten sich visuell jagende Käfer und Wanzen am Boden und in der Vegetation. Fallensteller erhöhen mit verschiedenartigen Fallen den Fangerfolg. Die Larven mancher Ameisenjungfern (Plannipennia: Myrmeleontidae) und die
Larven der Schnepfenfliegengattung Vermileo (Diptera: Rhagionidae) graben Fallgruben (s. 16.1.8), auf deren Grund sie lauern (Abb. 16-3). Einige Köcherfliegenlarven bauen Gespinste im Fließwasser, in denen sie neben Detritus auch kleine Tiere fangen . Bestimmte Pilzmückenlarven (Diptera: Fungivoridae) verlegen klebrige Fanggewebe an Land, in denen sie auf Beute lauern (Abb. 16-4). Bei manchen Arten enthalten die Gespinste insektizide Substanzen (z. B. Oxalsäure). Bei den leuchtenden Larven von Arachnocampa luminosa sind es klebrige Fäden, die von den Decken ihrer Wohnhöhlen in Neuseeland herabhängen, an denen andere Insekten, v.a. Zuckmücken, vom Licht angelockt haften bleiben (s. 18.1). Besonders raffiniert erscheint das Verhalten räuberischer Leuchtkäferarten (Photuris sp.), die andere Leuchtkäfer mit deren artspezifischen Lichtsignalen anlocken und sie dann verzehren (s. 18.2.3). Der Bau von Fallen kostet Zeit und Energie, und Fallen können nur an geeigneten Plätzengebaut werden. Fallensteller verhalten sich daher noch stationärer als Lauerer. Später als diese wechseln sie daher einen Standort, wenn sie erfolglos bleiben und hungern (s. 16.1.8) .
16.1.2 Orten und Erkennen Tagaktive Insektenjäger orten und erkennen ihre Beute überwiegend visuell und die meisten rea gieren in der Regel nur auf Beuteobjekte, die sich bewegen .
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Abb. 16-2: Die larve des Sandlaufkäfers Cicindela hybrida. A LauersteIlung; die Larve setzt sich dabei mit der Abdomenspitze und einem Paar mit Krallen bewehrter Rückenhöcker in der Röhre fest und verschließt deren Eingang mit dem Kopf. B Angriff; die Larve hechtet blitzartig heraus, schlägt den Kopf dorsad und greift zu. C Sehachsen von 3 der insgesamt 6 Stemmata einer Kopfseite, mit denen Größe und Distanz der Beute bestimmt werden. (A und B nach Faasch 1968; C nach Friederichs 1931)
16.1 Räuber
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B
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Abb. 16-4: A Larve der Pilzmücke P/atyura iutton! (ca 1,5 cm) in LauersteIlung auf ihrem Gespinnst; die Körperenden leuchten. B Fanggespinst. (Nach Fulton in Grasse 1951)
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durch Verkleinerung der Divergenzwinkel (s, 11.4.5) im Vergleich zu den übrigen Augenteilen höher ist und die für die Abschätzung von Größe und Distanz potenzieller Beuteobjekte verwendet werden. Die Sehfelder beider Augen überlappen sich meistens frontal bis in die Reichweite der Fangwerkzeuge, sodass die Annäherung bis zum Zugriff visuell kontrolliert werden kann (Abb, 166). Die Schärfezonen liegen in dem Augenteil, mit dem die Beute während der Annäherung fixiert wird, also frontal, frontolateral und frontodorsal (Abb , 16-29). Die erste Reaktion visueller Jäger auf ein potenzielles Beuteobjekt, das sich bewegt, ist sehr oft eine Fixierbewegung, d. h. eine Hin-
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Abb.16-3: Larve von Vermileo comstocki ("Wurmlöwe"). A Grubenbau. B Larve in LauersteIlung. ( Beute wird mit dem Vorderende umschlungen und in den Sand gezogen. (Nach Wheeler in Clausen 1940)
Günstig für die Wahrnehmung solcher Objekte ist ein großes Gesamtsehfeld bei gleichzeitig hohem optischem Auflösungsvermögen . Dementsprechend sind die Komplexaugen visuell jagender Insekten in der Regel groß und kuppelförmig und enthalten mehr Ommatidien als die nichträuberischer Verwandter. Bei einigen Flugjägern (z. B. Odonata; Planipennia: Ascalaphidae; Diptera: Empididae) enthält der dorsale Augenteil engwinklige und gleichzeitig lichtstarke Ommatidien (erkennbar an großen Cornealinsen), die ihre Empfindlichkeitsmaxima im kurzweiligen Spektralbereich haben und damit für die Wahrnehmung kleiner, dunkler Objekte gegen den blauen Himmel besonders gut geeignet sind (Abb. 16-5). Fast immer haben Augen visuell jagender Arten Schärfezonen, in denen das Auflösungsvermögen
Abb. 16-5: Räuberische Dipteren. A-( Köpfe von Tanzflieqenmännrhen. A Microphorus yakimensis. B Iteaphila macquarti. ( Hilara femorata. D die Raubfliege Asilus crabroniformis mit Regenbremse als Beute. (A-C nach Mc Alpine et al. 1981)
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16 Entomophage Insekten
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Abb. 16-6: Fangwanze Ranatra linearis. A horizontale Sehfelder mit frontaler Überlappung. BLauerstellung; die Höcker auf den Femora sind nach vorn gerichtet. C Höcker (vergrößert) mit zahlreichen Mechanosensillen, die auf Beutebewegungen ansprechen. D Vertikalschnitt durch die Augenregion mit Sehfeldern dieser Ebene. (Nach Cloarec 1976)
wendung, dur ch die es in den Sehbereich der Schärfezonen gebracht wird. Viele Räub er in der Vegetation und besonders im Süßwasser (z. B. Libellenlarven, Wasserkäfer und Wasserwanzen und ihre Larven) nutzen zusätzlich - oder in der Dunkelheit ausschließlich mechanische Reize. Sie besitzen Mechanorezeptoren in Form von innervierten Haaren oder Scolopidien , deren Empfindl ichkeit auf die Frequenzen der von Beutetieren ausgehenden Schwingungen abgestimmt ist. Bei Libellenlarven liegen diese in der Antenne (lohnstonsches Organ), bei der Wasserwanze Ranatra linearis sind es innervierte Borsten auf der Spitze eines terminalen Höckers der Profemora (Abb. 16-6). Bei Wasser-
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läu fern , Rückenschwimmern und Raubwanzen (Heteropt era: Gerridae, Veliidae, Notonectidae, Reduviidae u.a.) sprechen Subgenualorgane und Scolopidien an der Krallenbasis, die dur ch Bewegungen der Krallen gegenüber dem Tarsus gereizt werden, auf Wellen der Wasseroberfläche bzw. Vibrationen der festen Unter lage an (s. 11.1 ). Taumelkäfer (Coleoptera : Gyrinidae), die ihre Beute auf der Wasseroberfläche fangen und hier Geschwindigkeiten bis ca 50 crnls erreichen, haben horizontal geteilte Komplexaugen, deren (lichtstärkerer) ventraler Teil ins Wasser blickt, während die dorsalen Portionen den Luftraum kontroll ieren. Die Basis ihrer kurzen Fühler liegt auf der Oberfläche und mittels der John ston schen Sinnesorgane nutzen die Käfer sowohl die von anderen Tieren erzeugten Wellen als auch die Resonanzschwingungen, die sie bei der Ann äherun g an solche Objekte selber erzeugen, zu ihrer Orientierun g. Im Beutefangverhalten sind neben diesen Vibrationsreizen aber auch andere mechanische und visuelle Stimuli involviert, und es wird beeinträchtigt , wenn man die beteiligten Sinnessysteme part iell ausschaltet (Abb. 16-7).
Häufig sind auch Geruchs- und Geschmacksreize für die Lokali sation und das Erkennen von Beutetieren bedeutungsvoll. Reduviiden (Heteroptera), die Schmetterlingsraup en erbeuten, können diese visuell und mittels Substratvibrationen orte n, wenn sie sich bewegen. Bleibt eine Raup e bewegungslos, so findet die Wanze ihren Aufenthaltsort aber auch mittels Geruchsreizen, allerdings weniger schnell und präzise. Bevor sie sie ansticht, ert astet sie sie mit den Antennen, nutzt also auch mechanische Tastund gustatorisc he Reize. Räube rische Käfer in der Bodenstreu sind in der Lage, Aggregationsplätze bestimmter Beutetiere, z. B. von Collembolen zu erkennen, auch wenn sich momentan dort keine aufhalten. Sie erhöhen an solchen Orten die Suchintensität oder legen sich auf die Lauer (s. 16.1.6). Bei Weg- und G rabwespen (Hymenoptera), die ganz bestimmte Wirtsinsekten für ihre räuberischen oder parasitoiden Larven suchen, diese lähmen und in Erdb auten tragen, scheinen die chemischen Sinne bei der Suche und Lokalisat ion grund sät zlich beteiligt zu sein. Buntkäfer (Cleridae) der Gattung Thanasimus stellen Borkenkäfern nach und nutzen bei der Suche deren Aggregationspheromone. Die Blumenwanze Orius tri-
Abb. 16·7: Taumelkäfer Gyrinus sp. A Schwimmlageim Oberflächenhäutchen mit geteilten Komplexaugen. B Kopf in Schwimm lage von vorn; gestrichelte Linie: Wasseroberfläche. C Längsschnitt durch den Fühler; die Sohle (so) des Pedicellus (p) liegt auf demWasser und wird durch Oberflächenwellen gehoben und gesenkt. Die Fühlergeißel (g) schwingt frei, durch ihre Auslenkung gegen den Pedicellus werden Scolopidien des Johnstonschen Sinnesorgans (jso) im Pedicellus gereizt. (C nach Kaestner 1973)
16.1 Räuber
525
sticolor (Anthocoridae) wird durch Substanzen von
Fransenflüglern (Thysanoptera) angelockt, die diese bei Bedrohung abgeben und die als Alarmpheromone Artgenossen alarmieren sollen.
Generell werden während der Annäherung an ein potenzielles Beuteobjekt Kombinationen verschiedener Reize genutzt, die sich summieren müssen, bis das Objekt als geeignete Beute "erkannt" wird. Größe, Form , Bewegungsweise, oft auch Geruch und Geschmack eines Objektes müssen "stimmen", bevor der Angriff erfolgt. Welche Reize das sind und in welcher Kombination und Folge sie im Beutefangverhalten gewichtet werden, ist von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich, manchmal sogar artspezifisch . Prinzipiell ist die Reaktion auf Reizkombinationen, die Beutefanghandlungen auslösen ("Beuteschema"), bei Insekten angeboren. Allerdings gibt es Spielräume für Lernvorgänge. Viele Insekten erlernen den Typ von Beute, bei dem sie mehrfach erfolgreich waren und bevorzugen ihn auch wenn eine Auswahl an alternativen Beuteobjekten besteht, sie sind aber auch in der Lage umzulernen.
pi
B
kn
gr
adp abp Ivflex
Ivext
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16.1.3 Angriff Mit dem Angriff muss die Beute möglichst überrumpelt und dann wirksam festgehalten werden. Blattlausjäger wie die Larven von Chrysopa (Planipennia) oder die der Marienkäfer stoßen ihre Mundwerkzeuge in die Beute bzw. beißen zu und heben sie sofort hoch, sodass die Blattlaus den Kontakt mit der Unterlage verliert und sich mit Beinbewegungen nicht mehr befreien kann. Bei Arten , die von schnellen Beutetieren leben, erfolgt die Annäherung in der Regel so "vorsichtig", dass sie unterschwellig für das Fluchtverhalten des Beutetieres bleibt. Der eigentliche Angriff geschieht dagegen mit größtmöglicher Geschwindigkeit. Mundwerkzeuge und Beine sind dafür in verschiedener Weise morphologisch und physiologisch modifiziert , und zwar umso mehr, je schwieriger die Insekten, von denen eine Art lebt, sich fangen lassen. Flugjäger wie Großlibellen, räuberische Dipteren, manche Hymenopteren und die Schmetterlingshafte (Planipennia : Ascalaphidae) fangen meistens Insekten, die langsamer sind und ergreifen sie im Flug mit den Beinen, oft, indem sie sie von unten her anfliegen. Die Beine tragen starke Borsten oder Dornen und sind so angeordnet, dass sie beim Zugriff eine Art Fangkorb bilden. Am Boden, auf und im Wasser und in der Vegetation sind Räuber mit schnellen Beutetieren konfrontiert, die meistens nicht verfolgt werden können sondern überrascht werden müssen. Laufende Jäger ohne spezialisierte Fangorgane (z. B. räuberische Käfer: Cicindelidae, Carabidae, Staphylini-
Abb. 16-8: Die "Fangmaske" (Labium) der libellenlarve
(Aeshna sp.). A halb ausgeklappt, pi: Greifhaken, umgebildete Labialpalpen, sm: Submentum, pm: Praementum. B Fangmaske eingeklappt, ext: Extensormuskel, streckt das Praementum beim Vorstoß, flexp: primärer Flexormuskel, zieht das Praementum beim Rückzug gegen das Submentum, Ivext: Hebelarm für den Extensor, Ivflex: Hebelarm für den 3. Flexormuskel. C Praementurn von dorsal, abp: Öffner, adp: Schließer der Greifhaken. In eingeklapptem Zustand rasten Knöpfe (kn) aufdem Submentum in Gruben (gr) auf dem Praementum ein (Klickmechanismus), flexs,flext: sekundärer und tertiärer Flexor des Praementums. D Fangmaske ausgeklappt. (Nach Tanaka und Hisada 1980)
dae u.a.) nähern sich der Beute bis auf eine kritische Distanz (je nach Körpergröße mm bis cm), aus dieser wird der Körper dann ruckartig beschleunigt und die Mundwerkzeuge greifen zu (Abb. 16-19). Diesen Vorstoß des Körpers beim Zugriff, durch den ein Beutetier überrumpelt wird, zeigen aber auch die meisten Räuber mit speziellen Fangorganen. Mit spezialisierten, sehr schnell agierenden Fangorganen ist es möglich, auch reaktionschnelle Beutetiere zu überraschen und sicher festzuhalten . Sie sind bei Insekten bei diversen Gruppen z. T. konvergent entstanden. Libellenlarven besitzen ein umgewandeltes Labium mit terminalen Greifhaken, das durch ein komplexes Zusammenspiel von Hämolymphdruck und Muskulatur in rund 20 ms vorgestoßen wird (Abb. 16-8). Gottesanbeterinnen (Mantodea), viele Wanzen (Heteroptera), Fanghafte (Planipennia: Mantispidae), Mückenhafte (Mecoptera : Bittacidae) und manche Dipteren (z. B. Ochth era mantis, Ephydridae) haben Fangbeine, deren distale Abschnitte klappmesserartig gegen die proximalen geschlagen werden. Immer liegen Dornen und Borsten zur Er-
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16 Entomophage Insekten
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schrecken, Zikaden, Flöhen und manchen Käfern durch muskuläre Vorspannung und plötzliche Entladung elastischer Strukturen ermöglicht. Libellenlarven erhöhen vor dem Zugriff durch Kontraktion der dor soventralen Abdominalmuskulatur den Hämolymphdruck in ihrem Körper, gleichzeitig werden Flexor- und Extensormuskeln ihres Labiums aktiviert. Solange das Labium eingeklappt ist, haben die Flexoren wegen der Hebelverh ältnisse in den Gelenken und einer mechanischen Sperre ("Klickmechanismus") ein Übergewicht gegen Hämolymphdruck und Extensoren. Der Vorstoß wird durch die Desaktivierung der Flexoren eingeleitet, wodurch die mechanische Sperre aufspringt und das System sich schlagartig entlädt (Abb. 16-8). Auch bei St enus (Abb. 16-10) wird zunächst der Hämolymphdruck durch dor soventrale Kompression und Aufrichten des Abdomens erhöht , das Labium von Labrum und Mentum unter Spannung zurückgehalten und erst dann schlagartig freigegeben, wenn die Beute sich in der richtigen Position vor dem Kopf befindet. Das Labium schießt dann in 1- 3 ms vor. Die Arbeiterinnen einiger Ameisenarten laufen außerhalb des Nestes mit weit gespreizten Mandibeln umher. Die Mandibeln stehen unter starker Spannung und schnappen blitzartig zu, wenn die Ameise mit einem Beutetier oder einem Feind Kontakt bekommt (Abb. 1614). Bei Odontoma chus bauri wird das Schließen durch die Berührung von je zwei Imm langen Borsten auf den Mandibeln ausgelö st und erfolgt in nur 0,33 ms. Wahr-
Mantispa pagana, 1,6 cm (Planipennia). B Fangwanze Carcinocoris binghami, 7 mm (Heteroptera), mit scherenartigen Fangbeinen, außergewöhnlich für Insekten ! C Sumpffliege Ochthera mantis (Diptera). D Raubwanze Ploearia domestica (Heteroptera). E Sägeschrecke Saga pedo (Ensifera).
Abb. 16-9: Insekten mit Fangbeinen. A Fanghaft
höhung der Fängigkeit auf den Innenfl ächen dieser Subchelae. Dornen finden sich auch auf Vorder- und MitteIbeinen der räuberischen Sägeschrecken (Ensifera: Sagidae), die sonst keine auffälligen Differenzierungen für den Beutefang aufweisen (Abb. 16-9). Manche Arten arbeiten mit Klebfangorganen. Einige tropische Raubwanzen bestreichen sich die behaarten Vorderbeine mit klebrigen Harzen, und machen sie auf diese Weise fängiger, Die brasilianische Art Zelus leucogrammus bildet solche Klebsekrete selber in epidermalen Drüsen der Beine. Kurzflügelkäfer der Gattung Stenus besitzen ein stabförmiges Labium mit terminalen Klebepolstern, dessen Reichweite bis zu 1/3 der Körperl änge beträgt und das durch Hämolymphdruck in ca. I ms auf ein Beutetier geschossen werden kann . Dieses haftet an den Klebepolstern und wird beim Rückzug des Labiums (Muskeln!) in den Bereich der Mandibeln gerissen (Abb. 16-10). Die Lar ven von Loricera (Coleoptera: Carabidae) besitzen Kleborgane in Form zwiebelförmig angeschwollener Galeae der MaxilIen (Abb. 16-25).
16.1.3.1 Schnelle Fangorgane Sehr schnelle und kraftvolle Aktionen von Fangorganen werden ähnlich wie die Sprünge von Heu-
Abb. 16·10: Stenus comma. A Kopf mit ausgestülptem la-
bium. B Spitze des labiums. pgl : Paraglossa (Klebepolster), pi: labialpalpus. (Nach Bauer und Pfeiffer 1991)
16.1 Räuber
Abb. 16·11: Mandibelformen bei laufkäfern. A Ptetostkbus sp., Gene-
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ralist, keine Spezialisierung auf bestimmte Nahrungstiere. B Lidnus sp., Schneckenjäger, die asymmetrischen Mandibeln dienen dem Aufbrechen der Mündung von Schneckenhäusern. C Cychrus sp., Schneckenjäger, Kopf verschmälert, Mandibeln pinzettenartig verlängert, um den Schnecken ins Gehäuse folgen zu können. D Cidndela sp., gezähnte Mandibeln mit großer Spannweite zum Festhalten und Zerbeißen von großen Arthropoden der Bodenoberfläche.
scheinlieh erfolgtdie Vorspannung, indemdurch Aktivierung der Mandibelschließermuskeln gegen den Widerstand einer mechanischen Sperre deren hochelastische Sehne gedehnt wird. Im Vergleich dazu ist der Fangschlag von Gottesanbeterinnen langsam (schnelle Phase: 50-70 ms), da er auf direkter Muskelaktion ohne Vorspannung beruht (s. 16.1.7).
16.1.4 Verzehren Entomophage Insekten mit kauenden Mundteilen haben häufig gezähnte, scharfrandige Mandibeln ohne ausgeprägte Molae (Kauflächen), die beim Kauen in die Beute schneiden und sie auspressen . Zum Festhalten des Beutetieres während des Verzehrs dienen die distalen Glieder der MaxilIen, vor allem die Laciniae, die mediad mit spitzen Zacken und Borsten versehen sind. Die Verdauung erfolgt wenigstens teilweise extraintestinal (s. Kap. 4). Beim Kauen wird wiederholt Verdauungssekret abgegeben und zusammen mit verflüssigten Beuteteilen aufgesogen. Häufig gibt die Morphologie der Mundwerkzeuge Hinweise auf die Art der Beute (Abb. 16-11). Räuberische Dipterenlarven verschiedener Familien schneiden ihre Beutetiere mit den hakenförmigen Mandi-
beln an und injizieren Gift und Verdauungssekrete. Unter wiederholtem Rückzug des Kopfes - wobei die Beute angesaugtwird - und erneutem Vorstoßarbeiten sie sich mit den Mundhaken in deren Körper hinein, verflüssigen ihn und saugen ihn aus. Bei Insektenjägern mit stechenden Mundteilen, z. B. bei Wanzen und Dipteren, sind die Rüssel in der Regel derber und kürzer als bei den phytophagen oder ektoparasitischen Verwandten, da diese tiefer stechen müssen, um Leitbündel bzw. Blutgefäße zu erreichen. Stechende Räuber injizieren Speichel, der die Beute sehr schnell tötet. Auch hier erfolgt die Verdauung teilweise extraintestinal, die Beute wird in ihrer Cuticula unter intensivem Sondieren der Stechborsten durch Verdauungssekret verflüssigt und ausgesogen. Bei entomophagen Dipterenfamilien sind verschiedene Teile des Rüssels differenziert, um die Cuticula von Insekten zu durchbrechen. Asiliden stechen mit der Spitze des Hypopharynx und injizieren Gift und Verdauungssekret. Manche Empididen bohren mit dem Labrum, das terminal zu zwei gezähnten Klingen differenziert ist. Auch Dolichopodiden ritzen die Beute mit einem gezähnten Labrum und der Spitze des Hypopharynx an , während sie mit den LabelIen festgehalten wird. Bei der Gattung Melanderia endet das Labium allerdings nicht in LabelIen sondern in zwei Paar
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16 Entomophage Insekten
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Loben, von denen das hintere zu mandibelartigen Greifhaken differenziert ist (Abb. 16-12). Larven der Planipennia und Dytiscidae (Coleoptera) haben beißende Mundwerkzeuge, saugen ihre Beute jedoch aus. Bei ihnen ist die Mundhöhle median verschlossen und besitzt laterale Öffnungen, die Anschluss an Saugröhren in den Mandibeln gewinnen (Abb. 1613).
16.1.5 Generalisten und Spezialisten Die meisten Räuber verzehren jedes Insekt, das sie fangen und überwältigen können und nur die eigene Körpergröße begrenzt die Größe potenzieller Beutetiere. Trends zu einer Spezialisierung auf bestimmte Beutetiere können sich in Konkurrenzsituationen ergeben und dadurch, dass eine Art in ihrem Habitat vorzugsweise auf bestimmte Beute-
Abb. 16-12: Mundwerkzeuge räuberischer Dipterenweibchen. A, B
Melanderia mandibulata (Dolichopodidae), die Greifhaken sind keine Mandibeln sondern entsprechen den hinteren Loben des Labiums. C Heteropsilopus cingulipes (Dolichopodidae), Seitenansicht der Mundwerkzeuge, rechtes Labellum weggelassen. Die bedornten, lappenartigen LabelIen dienen dem Halten der Beute, die mit dem Dorn dazwischen angeritzt wird. D Laphria thoracica (Asilidae), Hypopharynx und Galeae als Stechwerkzeuge. cl: Clypeus, ga: Galea, ja: Labium, label: Labellum, Ibr: Labrum, hl: hinterer Lobus, hyp: Hypopharynx, mxp: Maxillarpalpus, pm: Praementum, vi: vorderer Lobus. (A, B, C nach Grasse 1951 , D nach Mc Alpine et al. 1981)
tiere trifft und sich an deren morphologische und Verhaltenseigentümlichkeiten angepasst hat . Beispielsweise sind die verschiedenen Raubfliegenarten (Asilidae) verschieden groß und jagen dementsprechend Beutetiere verschiedener Größe . Als Flugj äger, die sich visuell orientieren, sind aber alle Arten auf Licht und hohe Temperaturen (> 20°C) angewiesen, sind also zur gleichen Tageszeit aktiv. Wo mehrere Arten gleichzeitig jagen, besteht eine gewisse Ressourcenaufteilung. An 16 Arten in einem Habitat in Panama fand man, dass 5 an besonnten Plätzen jagen, II an schattigen . Die Sonnentiere hielten ihre Körpertemperatur auf einem höheren Niveau und entsprechend ihrer höheren Flugeschwindigkeit und besseren Man övrierfähigkelt fingen sie andere (schnellere) Insekten als die Schattentiere, die solche z. T. sogar vom Boden aufnahmen. Eine räumliche Aufteilung der Fangreviere ergibt sich für Raubfliegen auch dadurch, dass sie sich gegenseitig verfolgen, die kleineren den größeren also ausweichen müssen. Bei Libellenlarven sind mechanische und visuelle Reize wichtig für den Beutefang , für einzelne Arten aber in ganz unterschiedlichem Maße . Verschiedene Arten und selbst Alters-
16.1 Räuber
A
B
Abb. 16-13: Saugmandibeln. A Larve von Myrmeleon formicarius (Planipennia), Ventralansicht des Kopfes. B Larve von Dytiscus marginalis (Coleoptera), Dorsalansicht des Kopfes, dieser geöffnet. Bei beiden Larven ist die Mundhöhle vorn geschlossen und seitlich mit Kanälen in den Mandibeln verbunden, durch die die Beute ausgesaugt wird. Bei der Netzflüglerlarve wird der Mandibelkanal ventral durch die Galea abgedeckt. ant: Antennen, ga: Galea, ka: Kanal, m: Mentum, md: Mandibel, mh: Mundhöhle, mxp: Maxillarpalpus, oe: Ocellen, oe: Oesophagus, osg: Oberschlundganglion, pi: Labialpalpus. (Nach Kaestner 1973)
stadien derselben Art sind daher zu verschiedenen Tageszeiten aktiv und vermindern so die inter- und intraspezifische Konkurrenz, wo sie gleichzeitig vorkommen .
Eine Spezialisierung kann sich. durch den hohen Nahrungsbedarf einer Art ergeben. Etliche Ameisenarten mit individuenreichen Völkern sind auf den Fang von wehrhaften Arthropoden spezialisiert, die viel größer sind als sie selber (z. B. Myriapoda), andere rauben Termitenstaaten oder Hymenopterenstaaten aus. Beides können nur Ameisenarten leisten, bei denen viele Arbeiterinnen koordiniert angreifen und die dafür notwendigen Informationssysteme besitzen (s. Kap. 14). Habitatbedingte Spezialisierungen' sind von dem Ameisentribus Dacetini bekannt. Innerhalb der Gruppe gibt es einen evolutiven Trend zum Leben auf und im Boden, wo vorzugsweise Collernbolen als Beute zur Verfügung stehen. Collernbolen können blitzartig springen (Abb. 16-17). Für den Fang dieser schwierigen Beute (s.u.) wurden spezielle Mechanismen entwickelt, z. B. stark verlängerte, gezahnte Mandibeln, die weit geöffnet unter Spannung herumgetragen werden und erst bei Kontakt mit der Beute zuschnappen (Abb. 1614).
529
ka md
anl
oe
eil jagende Arten haben größere Augen (Abb. 1615) und - bei ähnlichen Körpergrößen - etwa die doppelte bis vierfache Anzahl von Ommatidien wie die nachtaktiven, die sich olfaktorisch und taktil orientieren (Abb. 16-16). Die meisten Arten sind Räuber, die alle Tiere fressen, die sie überwinden können . Bei waIdbewohnenden Laufkäfern besteht, wie Darminhaltsanalysen zeigen, immer wenigstens ein Teil der
B
16.1.6 Fallstudie Suchjäger: Laufkäfer (Coleoptera, Carabidae) und Springschwänze (Collembola) Laufkäfer sind typische Suchjäger, die ihr Habitat durchstreifen . In ihrem Beutefangverhalten unterscheiden sich die einzelnen Arten . Tagaktive, visu-
Abb. 16-14: AAmeise (Strumigenys ludia) hat eine Collembole ergriffen und lähmt sie durch Stich. B die Mandibeln werden unter Spannung offen gehalten und schnappen zu, wenn ein Beutetier die langen Borsten dazwischen berührt. (Nach Hölldobler und Wilson 1990)
530
16 Entomophage Insekten
Abb. 16·15: lebensformen bei laufkäfern, erkennbar an der Augengröße. A nachtaktiver Streukriecher (Pterostichus metallicus). B tagaktive, visuell jagende Form der Bodenoberfläche (Notiophilus biguttatus). (Nach Bauer 1990)
Beute aus Collembolen . Das erstaunt zunächst, denn Collembolen sind zwar häufig in der Bodenstreu, sind aber durch ihr Sprungvermögen wirkungsvoll geschützt. Ein Springschwanz benötigt je nach Art nur 10-50 ms, um sich aus der Reichweite eines Angreifers zu katapultieren (Abb. 1617). Abb. 16-18 zeigt, wie die meisten Waldlaufkäfer Collembolen erbeuten. Sie schieben sich durch die Streu und fangen Collembolen in engen Bodenlücken, wo diese nicht ausweichen können . Die betreffenden Laufkäferarten haben keilförmige Köpfe und relativ kurze, kräftige Beine mit besonders großen Trochanteren an den Hinterbeinen, in denen starke Muskeln liegen, die den Körper beim Vorwärtskriechen anheben (Abb. 1618). Bei einigen Laufkäferarten fanden sich allerdings fast ausschließlich Collembolen im Darm, sie gelten als Collembolenspezialisten . Diese sind jedoch keine Stemmkriecher sondern Oberflächenläufer mit zarten, langen Beinen und kleinen
Trochanteren (Abb. 16-18). Ihre Fähigkeit, Collembolen zu erbeuten, beruht auf speziellen Anpassungen, die von Gattung zu Gattung erstaunlich verschieden sind. Beispiele sind: • Notiophilu s biguttatus. Die Imagines haben besonders große Augen mit (Abb. 16-15) hohem Auflösungsvermögen (Abb. 16-19) und orientieren sich beim Beutefang visuell. Etwa 50% der Fanghandlungen sind erfolgreich. Die Ursache dieser hohen Erfolgsrate liegt in der Präzision der Käfer bei Annäherung und Zugriff. Sie reagieren nur auf sich bewegende Beutetiere, nähern sich in kurzen Laufstrecken und legen schon in 5 mm Entfernung die Antennen nach hinten, um die Collembole nicht vor dem Angriff zum Sprung zu stimulieren (Abb. 16-20). Unmittelbar vor der Beute beobachtet man kleine Distanz- und Richtungskorrekturen, d. h. der Käfer rückt noch etwas vor oder zurück oder bewegt sich seitlich, bevor er sich zum Zugriff "entschließt". Dieser erfolgt blitzartig meistens aus < 3 mm. Die schnelle Phase des Vorstoßes dauert nur ca. 15 ms, und die Mandibeln schließen in ca. I ms, sodass keine Fluchtchance für die Beute besteht, wenn sie am Ende des Vorstoßes dazwischen gerät. Die Larven von Notiophilus jagen in der Bodenstreu. Sie nehmen Aggregationsplätze von Collembolen ehe-
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Log Körperlö nge (mm) Abb. 16-16:Ommatidienzahl und Körpergröße bei laufkäfern verschiedener lebensweise. Offene Punkte: Tagaktive, visuell jagende Arten. Geschlossene Punkte: Nachtaktive, taktil jagende Arten . Bei 4 Arten ist die reale Zahl der Ommatidien pro Auge in Klammern angegeben. (Nach Bauer und Kredler 1993)
Abb. 16-17: Fluchtsprung einer Collembole (Orchesella flavescens), ausgelöst durch die Berührung des Stabes links im Bild. Zeitdauer zwischen Bild 1 und 6 ca 46 ms.
16.1 Räuber
531
~ B
c
J
Abb. 16-18:A Laufkäfer vom Typ desStemmkriechers in der Bodenstreu. B Ventralansicht des Abdomens eines Oberflächenläufers und (C) eines Stemmkriechers. (Nach Evans und Forsythe 1984)
misch wahr, legen sich dort auf die Lauer oder suchen, indem sie den Kopf langsam hin und her schwenken. Ihre Augen (Stemmata) sind am Beutefang nicht beteiligt. Zur Ortung der Beute dienen lange Tasthaare am Kopf (Abb , 16-21). Werden diese von sich bewegenden Collembolen berührt (oder durch Luftbewegungen in deren Nahfeld gereizt), dann wendet sich die Larve in die Richtung, aus der der Reiz kommt und stößt mit weit geöffneten Mandibeln vor. Die Mandibeln schließen in ca . 7 ms, aber immer erst nachdem die
Abb. 16·19: Notiophilus biguttatus, Sehraumstruktur. Eingezeichnet sind die optischen Achsen der Ommatidien der Horizontalebene und zwei Collembolen. Die Querstriche bezeichnen den Bereich, in dem die Beute sich nach der Annäherung befinden muß, um durch Bewegungen den Zugriff des Käfers auszulösen. (Nach Bauer 1981)
Abb. 16-20:Visuell jagender Laufkäfer (Notiophilus sp.) verfolgt und attackiert eine laufende Collembole;. a Hinwendung, bAnnäherung, c Angriff. Die Collembole bewegt sich gleichmäßig, der Käfer macht kurze Pausen, in denen er das Hinterende der Collembole in den gezeigten Positionen fixiert. (Nach Bauer und Kredler 1993)
Larve mit den Fortsätzen ihrer Clypeofrons auf die Beute trifft (Abb. 16-21). In deren Spitzen liegen Mechanorezeptoren, die Kontakt melden , wenn die Beute in der richtigen Position zwischen den Mandibeln ist. Ihre Reizung löst das Zuschnappen der Mandibeln aus. Loricera pilicornis. Diese Käfer fangen Collembolen sowohl tagsüber als auch bei Dunkelheit. Bei Helligkeit sind die Augen an der Ortung beteiligt, nachts funktioniert die Orientierung olfaktorisch und taktil. Die Erfolgsrate liegt bei> 70%. Loricera wendet sich einer Collembole zu und stößt vor, nachdem sie sie mit den Antennen berührt hat. Beim Vorstoß sind die Antennen seitlich abgespreizt. Wenn die Beute die Palpen berührt, schlägt der Käfer die Antennen in 12 ms mediad zusammen, drückt den Kopf auf die Beute und schließt sie zwischen kräftigen Borsten auf den proximalen Antennengliedern und der Kopfunterseite ein (Abb. 16-22). Diese ventrad und mediad gerichteten Borsten sind dicker und schwerer auslenkbar als die übrigen Mechanorezeptoren auf der Antenne. Sie werden durch dorsale bzw. laterale Sockelwülste jeweils auf der Außenseite des Fangkäfigs gestützt und sie sind sehr elastisch aufgehängt, d. h. sie werden selbst durch Abbiegen von über 90 Grad nicht geschädigt sondern federn in die Ausgangslage zurück (Abb. 16-23, 16-24). Außerdem sind sie basal mit mechanosensiblen Sinnes-
532
16 Entomophage Insekten
1 mm
c
B
d
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Abb. 16-21: Notiophilus biguttatus.
tb
zellen ausgestattet, die ihre maximale Entladungsfrequenz bei Auslenkung gegen den Sockelwulst haben . Aus dieser Richt charakteristik lässt sich schließen, dass der Käfer genaue Informationen über Lage und Bewegungen eines Beutetieres erhält, das er zwischen seinen Antennenborsten eingeschlossen hat. • Die Larven von Lor icera orientieren sich ebenfalls olfaktorisch und taktil und stoßen , nachdem sie eine Collembole geortet haben, mit weit offenen Mundteilen vor. Bei ihnen sind die Galeae der Maxillen zu zwiebelförmigen Klebepolstern umgebaut, an denen die Collembolen bei Kontakt kleben bleiben und von denen sie beim Schließen der Mundteile in den Bereich
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A Larve. B Kopf der Larve mit geöffneten Mandibeln und den rostralen Fortsätzen (Pfeil). C Sagittalschnitt durch eine der rostralen Spitzen (grau), in die ein Mechanorezeptor (schwarz) mit polsterartigem Ende eingefügt ist, der aufStöße aufdas Polster anspricht. ant: Antenne, d: dorsal, md: Mandibel, tb: Tubularkörper am Ende der mechanosensiblen Nervenfaser in der Basis des Haarschaftes, v: ventral. (Nach Altner und Bauer 1982)
der Mandibeln gerissen werden. Eine große Drü se im Stipes produziert das Klebsekret, das über Öffnungen in die schwammartige distale Cuticula der Galeae und durch Poren auf deren Oberfläche gelangt (Abb. 1625).
• Fangborsten besitzen auch die Imagines der> 80 Arten umfassenden Gattung Leistu s. Sie sind lang, kräftig und etwas nach innen gebogen, sitzen auf verlängerten Sockeln und bilden auf der Unterseite des Kopfes in kreisförmiger Anordnung eine Art Fangkorb. Die Borsten des Fangkorbes lassen sich nur in Richtung auf sein Zentrum elastisch abbiegen. Die Borstensockel sind auf dieser Seite flach und weit ausgerandet , an der
Abb. 16·22: Loricera pilicornls; Beutefang. Der Käfer schließt eine Collembole durch Zusammenschlagen der Antennen in deren Borsten ein. Zeitdauer zwischen dem 1. u. 3 Bild ca. 20 ms.
16.1 Räuber
A
533
B
Abb. 16-23: Loricera pilicomis; Borsten verschiedener Funktion auf den proximalen Antennengliedern. a, b dorsal gerichtete Tastborsten. c, d mediad gerichtete Borsten des Fangapparates. sc: Scapus, pe: Pedicellus. (Nach Hintzpeter und Bauer 1986)
Außenseite springen sie stark vor und bilden passgenaue Halterungen. in die die a ufgerichteten Borsten einrasten (Abb. 16-26). Die Leistu s-Arten sind nachtaktive, langbeinige Obertlächenläufer und orten Collembolen ebenfalls olfaktorisch und taktil. Bei der Beutesuche tragen sie den Kopf ziemlich hoch und nur die langen Maxillar- und Labialtaster schleifen über den Boden. Bekommen diese Kont akt zur Beute, so senkt der Käfer blitzschnell den Kopf und schließt sie in seinem Borstenkorb ein (Abb. 16-27). Ein Springschwanz wird auf diese Weise auch noch im Sprung abgefangen, da der Fangkorb schon über ihm ist, wenn er durch Berührung der Taster zum Sprung stimuliert wird. Fast 80% der Fangh andlungen sind erfolgreich. Einen Hinweis auf die Urnweltbedingungen, unter de-
60
Abb. 16·25: larve von Loricera pi/icomis, Kopf mitoffenen (A) und geschlossenen (B) Mundwerkzeugen, C Maxille. Eine Drüse im Grundglied der Galea produziert Klebsekret, das durch Poren auf die Oberfläche der zwiebelförmigen Klebepolster gelangt. ant: Antenne, drü: Drüse, ga: Galea, kle: Klebepolster, Ib: Labium, md: Mandibel, mu: Addudormuskel der Galea, pm : Maxillarpalpus, sti: Stipes. (Nach Bauer und Kredler 1988) nen Fangapparate wie dieser einen Selektionsvort eil bieten, liefert die nah verwandte Gattung N ebria. Generell haben diese Käfer Borsten auf der Kopfunterseite. In kreisförmiger Anordnung finden sie sich jedoch nur bei Hochgebirgsarten. die in ihrem Habitat vorzugweise auf Collembolen und Milben als Beute angewiesen sind. Leistus hat sich wahrscheinlich aus einer frühen Nebria -Linie entwickelt, die diesen Fangapparat schon weit entwickelt hatte. Er ist aber innerhalb der Gattung Ne bria später wahr scheinlich noch mehrfach "erfunden" worden. Die Larven von L eistus sind ebenfalls Collernbolenjäger. Wie die von Not iophilus besitzen sie schlanke, sicheIförmige Mandibeln und den gabelartigen Fortsatz der Clypeofrons mit den entsprechenden Rezeptoren .
16.1.7 Fallstudie Lauerer: Gottesanbeterinnen 500
1000
1500
Orehmoment der Rü ckstellkroft (mp · ~m)
Abb. 16·24: Abbiegeverhalten der Borsten aus Abb. 1623. Die zarten Tastborsten a und b lassen sich sehr leicht auslenken und werden ab 60 Grad irreversibel geschädigt, die starken Fangborsten c und d lassen sich schwerer abbiegen und kehren aus Winkeln von > 90 Grad elastisch in die Ausgangslage zurück. (Nach Hintzpeter und Bauer 1986)
Alle rund 2200 Arten der Mantodea (Imagines zwischen 1 und 16 cm) sind entomophag und schlagen ihre Beute mit den Vorderbeinen. Einige Rinden- und Wüstenbewohner (z. B. Eremiaphila sp.) suchen aktiv nach Beute und fangen sie im Laufen, die anderen lauern getarnt in der Vegetation . Je nach Habitat und Aufenthaltsort fangen die Arten verschiedene Insekten und bei einigen
534
16 Entomophage Insekten
B
Abb. 16-27: Leistus sp., Beutefang. A Bei der Suche wird der Kopf hoch getragen, nur die langen Palpen streifen den Boden. B nachdem die Palpen eine Collembole berührt haben, wird der Kopf blitzartig gesenkt und diese im Fangkorb eingeschlossen. (Nach Bauer 1985)
Männ chen, die aktiv nach Weibchen suchen und mehrfach kopulieren: Ihr Nahrungsbedarfbeträgt nur 1/4 von dem der Weibchen und sie legen, unabhängig von Hungerzustand und Beutedichte doppelt so große Strecken zurück .
Gottesanbeterinnen erkennen und orten ihre Beute visuell. Die großen, kugeligen Augen kon-
Abb. 16-26: A Kopfunterseite von Leistus sp. bei geöffneten Mundwerkzeugen mit Collembole und Fangborsten. Die Borsten können nurin Pfeilrichtung ausweichen. B Basis der in A mit Pfeil bezeichneten Borste. Die Borste wird in aufrechter Stellung durch den Sockel gestützt und kann nur in Pfeilrichtung abgebogen werden. md: Mandibel, mt: Mentum sti: Stipes. (Nach Bauer 1985) 5mm
5mm
findet man Fangbeine von aberrantem Bau, die auf eine gewisse Spezialisierung hindeuten (Abb. 16-28). Während der Entwicklung ändert sich das Beutespektrum größenbedingt. Frisch geschlüpfte Gottesanbeterinnen fangen Blattläuse und kleine Zikaden, die Imagines großer Arten erbeuten andere große Insekten , vorzugsweise Heuschrecken, Dipteren und Hymenopteren. Gotte sanbeterinnen gelten zwar als typische Lauerer, alle Arten suchen aber neue Orte, wenn ein Platz sich als unergiebig erweist und sie zu hungern beginnen. Bei Paratenodera angustipennis aus Japan beginnen die Larven nach 2 Tagen und adulte Weibchen nach 3 Tagen ohne Nahrungszufuhr zu wandern , werden aber wieder stationär, wenn Begegnungen mit Beutetieren zunehmen und sie Erfolg gehabt haben. Ander s verhalten sich die
~b I
2,5 mm
I
5mm
E
Abb. 16·28: Fangbeine verschiedener Gottesanbeterinnen. A Eremiaphila denticollis (verfolgt Ameisen am Boden). B Metallyticus violaceus (Schabenjäger an Baumstämmen). C Chaetessa filata. D Amorphoscelis trigina. E Leptocola gracilima. (Nach Loxton und Nicholls 1979)
16.1 Räuber
trollieren praktisch das gesamte Umfeld und die Sehräume beider Augen überlappen sich frontal bis unmittelbar vor dem Kopf Das höchste Auflösungsvermögen wird durch besonders engwinklige Ommatidien in Schärfezonen erreicht, die geradeaus nach vorn gerichtet sind (Abb. 16-29). Auf ein Objekt, das sich in ihrer Umgebung bewegt , reagiert die Gottesanbeterin zunächst mit einer ruckartigen Hinwendung, die es in den Sehbereich der frontalen Schärfezone bringt und folgt seinem Weg mit weiteren saccadischen (oder - wenn sie es vor homogenem Hintergrund sieht - translatorisehen) Kopfbewegungen. Sowohl Größe als auch Distanz des Objektes werden visuell bestimmt (Abb. 16-30). Ist es groß (verglichen zur Gottesanbeterin), so erkennt sie es als potenziellen Feind bereits in größerer Entfernung und bleibt regungslos. Larven verlassen sich dann auf ihre Tarnung, die Imagines mancher Arten reagieren dagegen auf große Objekte, die sich nähern, mit auffälligen Abwehrstellungen. Durch Aufstellen der Flügel und Abspreizen der Fangbeine wird die Silhouette vergrößert, manchmal werden dabei auffällige Farben oder Flecken exponiert und durch Streichen der Cerci über Adern der Hinterflügel zischende Geräusche erzeugt. Dies geschieht so überraschend, dass Vögel und Säuger zurückschrecken oder zumindest im Angriffzögern. Insekten werden aus einer kritischen Distanz, die innerhalb der Reichweite der Fangbeine liegt, angegriffen . Besonders reizwirksam sind Beuteobjekte, die zuckende Bewegungen ausführen, sich nähern und eine bestimmte optimale Größe haben , die jeweils zur Körpergröße des Räubers in Beziehung steht (ca. 1/2-2/3 der Körpergröße der Gottesanbeterin). Experimente mit Beuteattrappen zeigen, dass oberhalb und unterhalb einer bestimmten Optimalgrößenspanne die Angriffsbereitschaft abnimmt und bei Überschreiten einer bestimmten Größe (die etwa der Eigengröße des Räubers entspricht) in Abwehr- oder Fluchtverhalten übergeht. Aus einem schnellen, von den 4 Laufbeinen bewirkten Vorschub des Körpers heraus schlägt die Gottesanbeterin mit den Vorderbeinen zu. Dabei erfolgt die Fanghandlung nicht stereotyp geradeaus nach vorn sondern über variable Distanzen auch nach vorn-oben, vorn-unten oder schräg nach den Seiten, wobei der verlängerte Prothorax entsprechend abgewinkelt wird . Die hohe Erfolgsrate resultiert daraus, dass jede Fanghandlung erstaunlich genau der aktuellen räumlichen Situation angepasst wird, d. h. Distanz und Richtung von Vorschub des Körpers und Schlag der Fangbeine entsprechen der Position und Bewegung des Beutetieres. Selbst vorbeifliegende Insekten werden daher häufig erbeutet, indem die Gottesanbeterin "mitzieht" und in die Flugbahn schlägt.
535
Abb. 16-29: Mantis australasiae. A rechtes Auge, die Divergenzwinkel (durchgehende Linien) und Öffnungswinkel (unterbrochene Linien) der Ommatidien werden vom Zentrum zur Peripherie hin größer, d.h. das Auflösungsvermögen nimmt ab (Zahlen: Divergenzwinkel in Grad). Die senkrechte Linie bezeichnet die Ommatidien mit der Sehrichtung parallel zur Medianebene. B Kopf von vorn. (Nach Rossel 1980)
Stubenfliegen verfügen beispielsweise über eine sehr schnelle Fluchtreaktion, die durch Leitung der entsprechenden Nervenimpulse vom Gehirn zu den Thorakalganglien über ein Riesenfasersystem ermöglicht wird. Nur 15ms nach einem visuellen Stimulus verlassen sie mit einemFluchtsprungden Bodenund gehenzum Flug über. Der Fangschlag einerGottesanbeterindauert selbst in der schnellen Phaserund viermal so lang. Fliegen sind also für Gotteanbeterinnen eine schwierige Beute, denn wenn sie das Anlaufen der Fangbewegung bemerken, bleibt ihnen zur Flucht noch genug Zeit. Dennoch ist Mantis religiosa häufig erfolgreich, weil sie in die Flugbahn der Fliege hineinschlägt, wenn diese den Angriff durch eine Bewegung in ihre spätere Fluchtrichtungausgelöst hat. Für die Positionsbestimmung der Beute sind ausschließlich visuelle Reize entscheidend. Dass Gottesanbeterinnen räumlich sehen und die Entfernung eines Beuteobjektes nach einem binokularen Triangulationsverfahren bestimmen, bewiesen raffinierte Versuche, in denen man ihnen kleine Glasprismen vor die Augen gesetzt hat, die eine Beuteattrappe weiter oder näher erscheinen lassen, als sie tatsächlich ist. Derartig manipulierte Tiere schlagen zu weit bzw. zu kurz (Abb . 16-30). Das Fangverhalten ist angeboren und eine Gottesanbeterin muss nicht erst lernen, aufweIche Distanz ihr Angriff erfolgreich ist. Mit jeder Häutung wächst die Angriffsdistanz sprunghaft entsprechend der Größenzunahme des Körpers. Parallel dazu vergrößern sich die Augen und damit der Ortungsapparat, sodass sich die richtige Schlagdistanz "automatisch" einstellt. Allerdings können Lernvorgänge das Fangverhalten beeinflussen. Die Form von Beuteattrappen, die vielfach erfolglos angegriffen wurden, wird gelernt und schließlich gemieden.
536
16 Entomophage Insekten
co
Abb. 16-30: Nachweis der binokularen Entfernungsschätzung bei einer Gottesanbeterin. A Ein Objekt T bewegt sich etwasseitlich von der Medianebene imbinokularen Sehfeld. Die Winkel a, und a,bezeichnen seine Abweichung von der Sehrichtung der Schärfezonen (unterbrochene linien), diese Abweichung differiert in beiden Augen (binokulare Disparität). B Das Objekt wird durch ein Doppelprisma fixiert und erscheint dadurch in scheinbar kürzerer Distanz alsT'. Die Winkel a, und a, vergrößern sich um YI und Yr, d.h. die binokulare Disparität nimmt zu. Die Veränderung der binokularen Disparität wird zur Entfernungsschätzung sich bewegender Objekte verwendet: Lässt man eine Gottesanbeterin ein Beuteobjekt durch das Doppelprisma fixieren, so unterschätzt sie die Entfernung und schlägt zu früh! (Nach Rassel 1983)
B
10mm
c
Abb. 16-31: Hierodula membranacea. A Fangbein, fe: FeDie Fangbeine der Gottes anbeterinnen arbeiten ohne Vorspannung, d. h. die Bewegung läuft an, sobald die Muskeln aktiviert werden. In einer langsamen Öffnungsphase (ca. 100 ms bei einer 6 cm langen Art) werden die Coxen nach vorne bewegt und die Beinglieder gestreckt und in einer schnellen Phase (50-70 ms) zurückgeholt, wobei die Tibia durch den flexor tibiae gegen den Femur gerissen wird. Dieser starke, teils gefiederte, teils parallelfaserige Muskel im Femur ist in seinem parallelfaserigen Teil für schnellen Spannungsaufbau ausgelegt (geringe Distanz der A-Banden, s. 9.1) und kontrahiert im Vergleich mit anderen Insektenmuskeln extrem schnell. Die Tibia endet in einem zum Femur gebogenen Haken und trägt Zähne auf der Innenseite, die bei geschlossenen Fangbeinen zwischen 2 Dornenreihen des Femurs greifen. Die Dornen auf der Femurinnenseite, sind bei vielen Arten z.T. beweglich und so eingelenkt, dass sie nur distad, also in Richtung auf das Femur-Tibia -Gelenk abgebogen werden können (Abb. 16-31). Dadurch wird ein Objekt, das durch die Tibia auf diese Dornen (besonders auf den längsten, proximalen) gepresst wird, nicht nur festgehalten, sondern automatisch in die Fangschere hineingehebelt. Alle beweglichen Dornen sind innerviert und steuern einen Schließreflex. Werden sie abgebogen, was in der Natur nur geschieht, wenn ein Objekt zwischen Femur und Tibia gehalten wird, so bleibt das Fangbein geschlossen, geschieht das nicht, dann wird es schon nach ca 50 ms wieder geöffnet und die Gotte sanbeterin kann erneut schlagen.
mur, co: Coxa, ta: Tarsus, ti: Iibia, tr: Trochanter. BUnterseite des Femurs; schwarze Kreise: bewegliche Dornen, die Bewegungsrichtung zeigen die Pfeile; offene Kreise: unbewegliche Dornen. CEin Objekt, das zwischen TIbiaspitze und Femur gerät, wird durch die nur in eine Richtung auslenkbaren Femurdornen in die Fangschere gehebelt. (Nach Loxton und Nicholls 1979)
16.1.8 Fallstudie Fallensteller: Ameisenlöwen Die Larven der meisten Ameisenjungfern (Planipennia : Myrmeleontidae) laufen nachts auf der Bodenoberfläche auf der Suche nach Beute umher und lauern nur tagsüber flach eingegraben. Einige Arten ("Ameisenlöwen") legen in trockenen , sandigen Böden an Waldrändern, in Böschungen, oft unter Überhängen Trichter an , auf deren Grund sie lauern (Abb. 16-32). Insekten, die über diese Trichter laufen, fallen hinein und rut schen in die Reichweite der Mundwerkzeuge. Die Larve erhöht also mit dem Trichter einerseits ihre Reichweite, andererseits gewinnt sie Zeit für ihren Angriff, da das Insekt Zeit braucht, um den Trichter wieder zu verlassen. Die Trichtergröße korreliert mit dem Larvenstadium. Die Drittlarve baut die größten . Hierdurch findet eine Sortierung der Beutetiere nach der Körpergröße statt. Im Vergleich zur Larve große Insekten, die ihr selbst gefähr-
16.1 Räuber
537
B
Abb. 16·32: Ameisenlöwe (Larve der Ameisenjungfer Myrmeleon sp). A Dorsalansicht, B Lauerstellung mit Beute in der Grube.
lieh werden könnten, steigen jeweils mühelos wieder herau s.
Der Trichter entsteht , indem die Larve rückwärtsgehend mit ihrem keilförm igen Körper zunächst unregelmäßige Furchen in den Sand zieht. An geeigneter Stelle geht sie zu einer kreisförmigen Furche über, deren Radiu s sie zunehmend verkleinert und wirft das Substrat seitlich heraus. Große Teile wie Steinehen werden auf dem Rücken hinaufgeschafft . Grobe Part ikel werden durch Vibrationen mit den Vorderbeinen aus dem feinkörnigen Substrat ausgesiebt, mit den Mandibeln ergriffen und herau sgeworfen. Feines Material wird auf der Ober seite von Kopf und Mandibeln gesammelt und porti onsweise geschleudert. Nach der Fertigstellung sind die Trichterwände stets mit den kleinsten Sandkörnern des Substrates bedeckt, die größeren Partikel bedecken die Umgebung. Dies hat mehrere Gründe: I) Je größer die Sandkörner sind, desto leichter rollen sie die Trichterwand herunter und werden erneut hera usgeschleudert , feine Sandk örn er bleiben eher in der Wand liegen, 2) Wenn sie herau sgeschleudert werden, fliegen größere Sandkörn er weiter als kleine, da ihre Oberfläche im Verhältnis zur Masse geringer ist und sie durch die Reibung der Luft daher weniger abgebremst werden. 3) Der Wurfwinkel wird variiert: Während des Grubenbaus schleudert die Larve den Sand in einem Winkel von 45 Grad herau s, wodurch dieser maximal weit fliegt, gegen Ende des Baus wirft sie steiler (60 Grad ), wodurch zusätzlich bewirkt wird, dass die kleinen Körn er nur die Wänd e erreichen. 4) Die Wurfkraft wird variiert: Sie ist z. B. 39% höher, wenn Beutereste aus der Gru be geschleudert werden, als beim Auswerfen von Sand während des Grubenbaues. Die Larve sorgt also selbst dafür, dass feiner Sand die Trichterwand bedeckt. Dadurch optimiert sie die Fängigkeit ihrer Falle: Je geringer die Korngröße der Trichterwand , desto länger ist die Verweildauer eines Beutetieres in der Grube, weil feines Substrat unter seinem Tritt eher nachgibt (Abb. 16-33).
Wird die Larve durch herabfallende Teilchen getroffen, so schleudert sie Sand , wodurch die Beute zu schnelleren Fluchtbewegungen stimuliert und das Substrat der Wänd e zusätzlich ins Gleiten gebracht wird. Berührt das Insekt die Mandibeln, so wird es ergriffen, rückwärt s in den Sand gezogen, durch Einspritzen von Gift gelähmt und durch die Mand ibelkanäle (Abb. 16-13 A) ausgesogen. Die Larve selber ist durch schräg nach vorn gerichtete, sta rke Borsten der hinteren Körper hälfte und das 3. Beinpaar im Sand verankert. Die Eigenart , die Beute in den Sand zu ziehen, schützt sie vor deren Abwehreinri chtungen (Bisse, Stiche, Drü sensekrete) und entzieht sie der Sicht potenzieller Feinde.
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250-500 500 -1 000 1000-2000 Korngröne des Sandes (flm)
Ab b. 16·33: Die Fängigkeit von Trichtern der Larve von Myrmeleon carolinus in Abhängigkeit von Trichterdurchmesser und Korngröße des Substrates mit der Ameise Camponotus floridanus als Beute. Je größer der Trichter und je feiner das Substrat, umso länger braucht die Ameise, um sich zu befreien. (Nach Lucas 1982)
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16 Entomophage Insekten
Myrmeleon carolinus (Nordamerika) zieht z. B. seine Beute, die Ameise Camponotus jloridanus sofort in den Sand und vermeidet damit nicht nur deren Bisse sondern auch die Abgabe des Wehrsekretes, weil diese nur erfolgt, nachdem die Mandibeln der Ameise den Angreifer gepackt haben. Die Beute wird dann ausgesaugt, ohne die Giftblase zu verletzen. Unbekannt ist, woran der Ameisenlöwe diese z. B. vom gefüllten Kropf der Ameise unterscheiden kann .
16.2 Parasitoide
Parasitoide nutzen ihre Wirte zunächst wie Parasiten. Gegen Ende ihrer Entwicklung töten sie sie jedoch, verhalten sich dann also wie Räuber. Bei entomophagen Parasitoiden sind es fast immer die Larven, die andere Insekten als Nahrung nutzen. Die Funktion der Imagines ist es, diese NahrungSo raffiniert die Fallen gebaut sind, sie funk- tiere zu suchen und nach mehr oder weniger umtionieren nur bei Trockenheit. Wenn die Trichter fangreichen Verhaltensweisen der Brutfürsorge nicht vor Regen geschützt liegen, sind Regenpha- ihre Eier oder Larven daran zu legen. Die Imasen für die Larven Hungerzeiten, die durch Ver- gines vieler Arten verletzen ihre Opfer allerdings brauch der Fettreserven überbrückt werden müs- bei dieser Gelegenheit und saugen an ihnen sen und in denen vor allem die jüngeren Larven- (Abb. 16-34). Manche Arten töten und verzehren stadien oft stark dezimiert werden. auch zunächst einige der Insekten, die als LarvenBei Mangel an geeigneten Fallenstandorten nahrung dienen, bevor sie weitere mit Eiern bekann die Eiablage mehrerer Weibchen an einem legen. Sie verhalten sich also zunächst wie Räuber. Ort zu so hohen Populationsdichten führen (z. B. Andererseits gibt es innerhalb von Familien, deren bis zu 200 Trichter/rrr' bei Macroleon quinquema- Larven sich parasitoid verhalten, einzelne Arten, culatus in Ostafrika), sodass intra- und interspezi- die den Wirt nach Abschluss ihrer Entwicklung fische Konkurrenz auftritt. Larven im Substrat lebend zurücklassen, sodass er sich erholen und bemerken einander in wenigen cm Entfernung , mitunter noch fortpflanzen kann . Sie verhalten wahrscheinlich an Substratvibrationen, und halten sich also wie echte Parasiten . sich mit ruckartigen Bewegungen der Vorderbeine Beispiele: Perilitus-Arten (Braconidae), die adulte Käfer ("Imponierbewegungen") auf Abstand. Bei hoher parasitieren oder Trichopsidea sp., eine NetzfliegengatDichte werfen sich benachbarte Larven gegen- tung (Nemestrinidae), die sich in adulten Wanderheuseitig Sand in die Trichter, was deren Größe redu- schrecken entwickelt. Diese Arten sind im Vergleich zu ziert und Fängigkeit beeinträchtigt (s.o .), und sie ihrem Wirt sehr klein und müssen ihn daher nicht gänzdringen in den Trichter des Nachbarn ein und lich nutzen. kämpfen . Die Übergänge von den Parasitoiden zu den Räubern einerseits und den echten Parasiten andererExperimente mit 2 ostafrikanischen Arten ergaben, dass seits sind also fließend. bei innerartliehen Auseinandersetzungen der einen (MorWenn Individuen verschiedener Arten ihre Eier ter sp.) fast immer der Besitzer gewann, bei der anderen (Macroleon quinquemaculatus) die jeweils größere Larve. an oder in dasselbe Wirtsinsekt legen, nennt man Bei zwischenartliehen Kämpfen gewann immer die Larve das MuItiparasitismus. Wenn mehrfach Eiablagen von Macroleon, auch wenn sie kleiner war. Sie besitzt von Weibchen einer Art in oder an denselben Wirt längere Mandibeln und verzehrte in 60% der Fälle den stattfinden, spricht man von Superparasitismus. Kontrahenten. Wo ein Ausweichen nicht möglich war, Bei gregären Parasitoiden werden bei jedem Eiabbeeinträchtigten sowohl diese Auseinandersetzungen als lagevorgang mehrere Eier abgelegt und es können auch die Nahrungskonkurrenz das Wachstum und zwar sich mehrere Larven im selben Wirt erfolgreich besonders der jungen Larvenstadien, die in der Konkurentwickeln; bei solitären Parasitoiden wird dagerenz den älteren unterlegen sind. Grundsätzlich scheinen sich trichterbauende Myrmeleontidae zwischen 2 Strategien entscheiden zu müssen: Entweder werden die Eier an gegen Regen geschützten Plätzen abgelegt, die trocken sind und für den Bau der Fangtrichter optimales Substrat bieten, aber arm sind an geeigneten Nahrungstieren (Bsp. M . quinquemaculatus) oder an feuchteren Orten mit ungünstigerem Substrat, wo das Beuteangebot höher ist (Bsp. Morter sp.). Im ersten Fall kostet der Trichterbau kaum Aufwand. Da solche Plätze aber selten sind, kann es zu erheblicher Konkurrenz kommen. Im zweiten Fall ist der Bau und die Unterhaltung fängiger Trichter schwierig und kostet viel mehr Energie, dafür ist das Beuteangebot höher und die Konkurrenz geringer.
A
Abb.16-34: Habrocytus cerealellae (Pteromalidae). A Eiablage an die Raupe einer Samenmotte, B beim Saugen von Körpersäften der Raupe durch ein Rohr, das zuvor durch Sekrete mittels des Ovipositors geformt wurde. (Nach (lausen 1940)
16.2 Parasitoide
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Tab. 16·1: Familien und Artenzahlen (weltweit) von Hymenoptera mit überwiegend oder teilweise' parasitoider Entwicklung. (?): Biologie nicht bekannt, wahrscheinlich parasitoid. Symphyta
Orussidae 70
Orussoidea : Apocrita {Aculeata}
Chrysidoidea:
Bethylidae' 2200, Chrysididae * 3000, Dryinidae 1100, Embolemidae 10, Sclerogibbidae 10, Scolebythidae 3 TIphiidae 1500, Sapygidae * 80, Mutillidae 5000, Sierolomorphidae 10, Pornpilidae" 4200, Rhopalosomatidae 34, Bradynobaenidae * 155, Scoliidae 300 Sphecidae 8000
Vespoidea: Apoidea: Apocrita {Parasitica}
Megaspilidae 450, Ceraphronidae 360 Aphelinidae 1200, Chalcididae 1875, Elasmidae 260, Encyrtidae 3825, Eucharitidae 380, Euloohidae". 3900, Eupelmidae 900, EUrylomidae* 1425, Leucospidae 240, Mymaridae 1400, Ormyridae 90, Perilampidae 260, Pteromalidae * 41 15, Rotoitidae 3, Signiphoridae 80, Tetracampidae, 50, Torymidae 1150, Tanaostigmatidae* 90, Trichogrammatidae 675 Cynipoidea: Charipidae 200, Eucoilidae 1000, Figitidae 250. Ibaliidae 15, liopteridae 71 Evanoidea: Evaniidae * 400, Aulacidae 150, Gasteruptiidae 500 Ichneumonoidea: Ichneumonidae 60000, Braconidae, 40000 Megalyroidea: Megalyridae 45 Mymarommatoidea: Mymarommatidae 9 Platygasteroidea: Platygastridae 1100, Scelionidae 3000 Proctotrupoidea: Proaotrupidae 310, Diapriidae 2300, Roproniidae 17, Austroniidae (?) 3, Heloridae 7, Monoma· chidae 20, Pelecinidae I, Vanhorniidae 5 Stephanoidea: Stephanidae 100 Trigonaloidea : Trigonalidae 75 Ceraphronoidea: Chalcidoidea :
gen meist nur jeweils ein Ei abgelegt. Kommt es hier zu Superparasitismus, dann bekämpfen sich die Larven und nur eine überlebt . Wenn ein Parasitoid seinerseits von einem anderen genutzt wird, wird der letztere als Hyperparasitoid bezeichnet . Dies kann in Sequenzen geschehen, in denen die jeweils zuletzt hinzugekommene Larve die vorher gekommene nutzt. Man unterscheidet dann entsprechend der Reihenfolge Primär- , Sekundärund Tertiärparasitoide. Idiobionten sind Para sitoide, deren Larve den Wirt nach dem Schlüpfen konsumiert , wobei er bald getötet, mindestens aber seine Weiterentwicklung unterbrochen wird. Diesen Typus repräsentieren z. B. viele Schlupfwespen und bestimmte Grabwespen, die den Wirt vor der Belegung lähmen. Bei Koinobionten bleibt der Wirt lange aktiv und entwickelt sich weiter, allerdings zu Gunsten des Parasitoiden, der ihn erst zu einem günstigen
Zeitpunkt tötet, z. B. nachdem er sich zur Verpuppung verkrochen hat, um sich dann selber zu verpuppen . Ektoparasitoide zehren von außen am Körper des Wirtes (Ektophagie), Endoparasitoide fressen innerhalb (Endophagie). Nach dem Stadium des Wirtes, in dem der Parasitoid sich entwickelt, unterscheidet man Ei- , Larven-, Puppen- und Imaginalparasitoide. Viele Koinobionten wechseln von einem ins nächste Wirtsstadium und werden entsprechend als Ei-Larvenparasitoide oder Ei-Larven-Puppenparasitoide usw. bezeichnet. Parasitoide finden sich in großer Zahl unter den Hymenoptera (ca. 50000 von insgesamt 200000 Arten , Tab. 16-1) und Diptera (ca. 15000 von 85000 Arten , Tab. 16-2), außerd em in insgesamt ca. 3000 Arten bei den Coleoptera, Lepidoptera und innerhalb der Planipennia bei den Mantispidae (die sich aber an Spinnen brut entwickeln und
Tab. 16·2: Familien und Artenzahlen (weltweit) innerhalb der Diptera mit überwiegend oder teilweise' parasitoider Entwicklung (bei 2 Zahlen bezeichnet die erste die Parasitoide). Nematocera:
Cecidomyiidae* 6/4500
Brachycera:
Acroceridae 475, Bombyliidae 3000, Nemestrinidae 300
Cyclorrhapha :
Acalyptera: Calyptera:
Phoridae* 300/3000, Pipunculidae 600, Conopidae 800, Cryptochetidae 200, Pyrgotidae 300 Sarcophagidae* 1250/2500, Tachinidae 8200, Rhinophoridae, Tachiniscidae, Anthomyidae '. Calliphoridae'. Chloropidae'. Drosophilidae', Ephydridae
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16 Entomophage Insekten
Tab. 16-3: Familien und Artenzahlen (weltweit) innerhalb der Coleoptera, Lepidoptera und Planipennia mit überwiegend oder teilweise * parasitoider Entwicklung (bei 2 Zahlen bezeichnet die erste die Parasitoide). Carabidae ' 470130000, Staphylinidae ' 500130000, Rhipiphoridae 400. Meloidae ' 200013000, C1eridae ' 3600, Colydiidae ' 1400. Passandridae, Rhipiceridae, Anthribidae ' Lepidoptera: Pyralidae 1120000, Epipyropidae 10120, Cyclotornidae Neuroptera: Mantispidae 501250
Coleoptera :
nicht an Insekten) (Tab. 16-3). Sogar unter den Köcherfliegen (Trichoptera) gibt es eine Art, die sich an anderen Köcherfliegen entwickelt. Insgesamt sind rund 8,5% aller beschriebenen Insektenarten Parasitoide. Wegen ihrer verborgenen Lebensweise beträgt der wirkliche Anteil aber wahrscheinlich > 20 %. Von den rund 8 Mio. Insektenarten, die weltweit vermutlich existieren, wären danach 1,5-2 Mio. Parasitoide. Die Vielfalt der biologischen Details der Interaktionen zwischen ihnen und den Wirtsarten ist so ungeheuer groß, dass hier nur ein Überblick gegeben werden kann. Weitere Informationen entnehme man der am Schluss angegebenen Spezialliteratur.
16.2.1 Wirtssuche Die Wirtssuche läuft in 2-3 Phasen ab : Zunächst muss das Habitat des Wirtes gefunden werden, dann dessen Aufenthaltsort im Habitat (M icrohabitat), und - falls die Eiablage an oder in den Wirtskörper erfolgt - schließlich der Wirt selber. Wie beim Beutefang der räuberischen Insekten (s.o.) sind Augen, Chemo- und Mechanosensillen bei den Parasitoiden an der Wirtsfindung beteiligt. Allerdings weiß man nur von wenigen Arten genau, in welcher Weise die verschiedenen Sinnesmodalitäten dabei zus ammenwirken und welche Schlüsselreize die Handlungskette vom Suchen de s Wirtes bis zur Ei ablage steuern. Bienenwölfe (Sphecidae: Philanthu s sp.), die Bienen und Wespen für ihre Larven in selbstgegrabene Erdbauten schaffen, fliegen umher, sehen ihre Opfer auf Blüten und nähern sich. Der Zugriff, der hier mit den Beinenerfolgt, wird vermutlich haupt sächlich durch bestimmte Geruchsreize (Kairomone) ausgelöst. Je nachdem, ob eine Art viele oder nur eine Wirtsart nutzt, sind die Schlüsselreize mehr oder weniger spezifisch. Manche Phi/anthus-Arten jagen alle Bienen- und Wespenarten in ihrem Habitat, die sie überwinden können, Philanthus sanbornii in Nordamerika z. B. 108 Arten, während andere auf einzelne Bienenarten spezialisiert sind. Grundsätzlich werden aber immer nur Hymenopteren ergriffen, aber z. B. Schwebfliegen, die dasselbe Farbmuster nutzen (Mimikry!) verschmäht. Alle Grabwespen (Sphecidae), die sich je nach Art auf verschiedene Insekten spezialisiert haben oder die Wegwespen (Pompilidae), die meistens Spinnenjäger sind, orientieren sich ähnlich.
Visuelle Orientierung ist auch für viele Dipteren bedeutsam. Die großäugigen Pipunculidae (Augenfliegen) und Conopidae (Dickkopffiiegen) patroullieren im Habitat potenzieller Wirte (Zikadenlarven, bzw. Hymenopteren und Dipteren), ergreifen sie blitzschnell und injizieren ihnen das Ei im Flug. Die Buckelfliege (Phoridae) Neodohrniphora curvinervis z.B. belegt Arbeiterinnen der Blattschneiderameise Atta cephalotes. Sie lauert ihnen auf, verfolgt sie fliegend und wählt grundsätzlich nur Individuen mit> 1,6 mm Kopfbreite zur Eiablage, deren Größe sie vermutlich visuell bestimmt. Manche Wollschweber (Diptera: Bombyliidae) finden die Nesteingänge solitärer Bienen (in oder neben die sie ihre Eier aus der Luft abschießen) visuell und inspizieren auch künstlich angelegte Löcher im Boden. Olfaktorische Reize vom Wirt müssen dann aber wohl meistens hinzukommen, damit die Eiablage erfolgt. Die Weibchen der Bienenameisen (Mutillidae) graben sich an die Nester solitärer oder sozialer Wespen oder Bienen, die der Dolchwespen (Scoliidae) an die Larven großer Lamellicornier (Coleoptera) heran, um ihre Eier abzulegen. Bei deren Ortung in der Erde sind möglicherweise neben chemischen auch Vibrationsreizebeteiligt. Raupenfliegen der Gattung Ormia, die ihre Eier an männliche Grillen legen, fliegen in der Dämmerung und orten ihre Wirte akustisch. Ganz untypisch für Dipteren, die in der Regel nur niederfrequente Töne mit Schallschnelleempfängern auf kurze Distanzen wahrnehmen können (s. Kap. 11), besitzen sie Tympanalorgane, die im Prinzip so gebaut sind wie die ihrer Wirte. Sie liegen bei beiden Geschlechtern im Prothorax und perzipieren im Ultraschallbereich (15-50 kHz) die Ortungslaute von Fledermäusen, dienen also der Wahrnehmung ihrer Feinde. Beiden Weibchen von O. ochracea sind sie außerdem besonders empfindlich für Frequenzen von 4-6 kHz. In diesem Bereich liegt auch das Maximum abgestrahlter Energie der Gesänge ihrer Wirte (Gryllus rubens).
Chemische Orientierungsreize können vom Wirt, aber auch von seiner Umgebung ausgehen. Manche Eiparasitoide, z. B. Trichogramma-Arten (Chalcidoidea) erkennen die Pheromone der Imagines ihrer Wirte und finden so deren Eiablageplätze und Eier. Einige Arten der Scelionidae (Proctotrupoidea), bei denen eine erfolgreiche Larvalentwicklung nur möglich ist, wenn ihre Eier in frisch abgelegte Wirtseier gelangen, suchen diese nicht selbst sondern klammern sich an legebereite Weibchen von Heuschrecken, Schmetterlingen und Wanzen und gelangen so zum Ablageort. Aus derartigen phoretischen Beziehungen kann echter Parasitismus entstehen (s. 16.3). Pa rasitoide, deren Wi rte an ein spezifisches
16.2 Parasitaide Nahrungssubstrat gebunden sind (bestimmte Fraßpflanzen, Aas, Kot usw.), werden häufig von fern durch dessen Geruch angelockt . Die Attraktiviät von Gerüchen wird in Olfaktometerversuchen ermittelt. Ein Olfaktometer ist in seiner einfachsten Form ein y-förmiges Glasrohr. In den einen Schenkel strömt neutral riechende Luft, in den anderen Luft vom Nahrungssubstrat des Wirtes. Die Versuchstiere (legebereite Parasitoidenweibchen) lässt man in das unpaare Rohr gegen den Luftstrom laufen und prüft, ob sich an der Verzweigungsstelle eine signifikant höhere Zahl für den Schenkel mit der kontaminierten Luft entscheidet. Bestimmte Cynipoidea (Figitidae und Eucoi!idae) und Brackwespen (Braconidae) parasitieren in Drosophila-Arten (Diptera), die in zerfallendem Pflanzen- oder Pilzmaterial leben, und haben wie ihre Wirte mehr oder weniger begrenzte, artspezifische Präferenzen für bestimmte Substrate. Manche Arten belegen Drosophi!iden-Larven nur in Früchten (z. B. Asobara tabida), andere nur solche in Pilzen (z. B. Leptopilina clavipes), wieder andere nur solche in faulendem Pflanzenmaterial (z. B. Kleidotoma dolichocera) . Generalisten dagegen belegen Drosophiliden in allen solchen Stoffen (z. B. Aphaereta scaptomyzae). Diese Wespen orten ihre Wirte ausschließlich nach den Substratgerüchen. Entsprechend dem Grad ihrer Spezialisierung werden sie nur von ganz bestimmten Gerüchen angelockt oder reagieren auf ein breites Spektrum.
Wenn das Nahrungssubstrat eines Wirtes sehr häufig, dieser aber vergleichsweise selten ist - man denke an einzelne Raupen in einem Feld von Nutzpflanzen - könnte der Parasitoid ihn kaum finden, wenn er nicht zusätzliche Hinweise nutzte. Solche Hinweise können die Pflanzen selber geben, die vom Wirt des Parasitoids geschädigt werden. Von Raupen befressene Pflanzen produzieren nach wenigen Stunden als Reaktion auf den Speichel im verletzten Gewebe leichtflüchtige Stoffe (Terpene, Sesquiterpene), mit denen sie die Gegenspieler der Phytophagen anlocken . Durch diesen Geruch unterscheiden sie sich von nicht befallenen Pflanzen und werden von Parasitoiden schnell gefunden . Da Parasitoidenweibchen solche Gerüche nach erfolgreicher Belegung von Wirten auf ihnen auch erlernen , mithin auf sie trainiert werden können, lassen sie sich im Rahmen der biologischen Schädlingsbekämpfung eventuell gezielter einsetzen als bisher (s. Kap. 21). Auch im Nahbereich sind chemische Reize wichtig für die Orientierung. Gerüche des Wirtskotes oder des Speichels dienen häufig als Lockstoffe (Kairomone). Sie sind wenig flüchtig und daher speziell für die Orientierung im Nahbereich geeignet. Parasitoide (z. B. viele Raupenfliegen (Tachinidae), die die Nahrungspflanzen ihrer Wirte mit Eiern oder Larven belegen, tun dies dort wo sie Fraßspuren oder Kot ihrer Wirte finden . Bei Parasitoiden, die den Wirt selber belegen, füh-
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ren solche Spuren zur Intensivierung der Suche am Ort . Wie der Wirt schließlich gefunden wird, hängt von seinem Aufenthaltsort und Verhalten ab. Ist er frei zugänglich, wird er mit den Antennen ertastet. Liegt er regungslos im Substrat verborgen, so wird er durch Probestiche des Ovipositors geortet. Bewegt er sich, so können die erzeugten Vibrationen für die Ortung genutzt werden. Welche Reize genutzt werden, erkennt man in der Regel am Verhalten . In den ersten beiden Fällen bewegt sich das Parasitodenweibchen mit lebhaften Antennenbewegungen, bzw. führt Probestiche aus, im letzteren Fall sitzt es regungslos (gewissermaßen "horchend ") auf der Substratoberfläche. Ob das Erkennen der entsprechenden Reize bei der Wirtssuche angeboren oder erlernt wird, muss stets im Einzelfall untersucht werden. Prägungsund Lernvorgänge in verschiedenen Phasen der Ontogenie und besonders bei den adulten Weibchen sind aber wahrscheinlich für nahezu alle Parasitoide stets sehr bedeutungsvoll und die Voraussetzung für die erstaunliche Flexibilität vieler Arten in der Wirtsfindung. Die Präferenz der oben erwähnten Figitide Leptopilina clavipes für Pilzgeruch ist angeboren. Zieht man die Parasitoide aus Drosophila-Larven in gärenden Früchten, so werden die Weibchen später von deren HefeGeruch angelockt, reagieren aber auch auf den Geruch zerfallender Pilze. Wenn sie in zerfallenden Früchten allerdings Wirtslarven gefunden und erfolgreich mit Eiern belegt haben, wird die angeborene Präferenz für Pilzgeruch durch die für gärende Früchte gänzlich überdeckt. Die Pteromalide (Hymenoptera: Chalcidoidea) Nasonia vitripennis belegt die Puparien von Dipteren und bevorzugt angeborenermaßen die Schmeißfliege Phormia regina. Bietet man ihr im Experiment als weitere Wirtsarten Musca domestica und Lucilia sericata, so konzentriert sie sich auf die Puparien der jeweils häufigsten. Die Bildung eines entsprechenden "Suchbildes" (Konditionierung) wird begünstigt, wenn man sie an den Puparien der betreffenden Art saugen lässt.
Der Verlauf der Wirtssuche wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Parasitoide, die vom Nahrungssubstrat des Wirtes angelockt werden, verlängern ihre Suchzeit, wenn sie dort auf sein Kairomon treffen. Die Suchzeit steigt aber nicht einfach parallel mit der Kairomonkonzentrationen, sie ist auch von der Qualität des Substrates abhängig . Die Braconide Asobara tabida sucht kürzer in einem Areal nach Wirtslarven, wenn in diesem nur geringe Mengen an Hefen vorhanden sind, die diesen als Nahrung dienen können. Die zur Eiablage führenden Reizkombinationen enthalten also offenbar Komponenten , die über die Überlebenschancen des Wirtes und damit der Parasitoidenlarve informieren . So belegt z. B. der Eiparasitoid Telenomus heliothi-
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16 Entomophage Insekten
Abb. 16-35: Einstichstellen von Prionyx parker; (Sphecidae) in die Ventralseite einer Heuschrecke. Ganglien schwarz, Intersegmentalhäute gepunktet. Die Wespe sticht in Richtung der Pfeile und in der durch Zahlen bezeichneten Folge zuerst in das Unterschlundganglion und dann in die Thorakalganglien. Das letzte Thorakalganglion wird durch Einstich an der 2. Laufbeinhüfte erreicht. (Nach Steiner 1981)
dis (Scelionidae) keine beschädigten Wirtseier.
Schlupfwespen (Ichneumonidae), die ihr Ei an Larven von Holzwespen tief im Holz legen, tun dies nicht, wenn man sie ihnen außerhalb bietet. Viele Parasitoide können feststellen, ob ein Wirt bereits belegt ist. Das kann dadurch geschehen, dass der Wirt oder seine Umgebung vom eiablegenden Weibchen äußerlich mit Drüsensekret markiert wurde. Solche Markierungen wirken meist intraspezifisch und bleiben je nach Art nur Stunden bis wenige Tage wahrnehmbar. Durch Probestiche kann ebenfalls festgestellt werden, ob Wirte belegt sind. Rezeptoren an der Ovipositorspitze registrieren dessen Qualität, also auch, ob eine Belegung durch Weibchen anderer Arten erfolgte. Parasitoidenweibchen verkürzen ihre Suchzeit, wenn sie am Ort auf andere Parasitoide oder ihre Markierungen treffen. Auch individuelle Erfahrungen spielen eine Rolle. Die positive Eiablageerfahrung eines Weibehens mit einem bestimmten Kairomon führt zur Verlängerung der Suchdauer an dem Ort, wo sie auf dieses trifft. Stark beeinflusst wird das Suchverhalten auch durch den Feinddruck an einem Ort, wie Beobachtungen von Blattlausparasitoiden in Kolonien von Blattläusen zeigen, die von Ameisen bewacht werden (s.u.).
sprechend vieler Eier oder Larven kompensiert. Die artspezifische Größe und Anzahl der von einem Parasitoidenweibchen gebildeten Eier und Larven spiegeln also das artspezifische Risiko bei der Wirtsfindung. Bei Tachinidenarten (Raupenfliegen), die ihre Wirte unmittelbar mit Eiern oder Larven belegen, werden rund 100 Nachkommen pro Weibchen gebildet. Bei Arten, deren Eier von den Wirten gefressen werden müssen oder deren Larven den Wirt suchen müssen, sind es 2000-13000 Eier bzw 250-1000 Larven pro Weibchen. Einen hohen Aufwand für die Brutfürsorge treiben Grabwespen (Sphecidae). Sie fangen Insekten oder Spinnen, lähmen sie durch Stiche (Abb. 16-35) und legen ihr Ei daran. Einige Arten der Larridae suchen Grillen und Maulwurfsgrillen, treiben sie aus dem Bau, lähmen sie
B
16.2.2 Brutfürsorge und Eiablage Der Aufwand an Brutfürsorge vor der Eiablage ist von Art zu Art sehr unterschiedlich . Ist er hoch, d.h. wird das Überleben der Brut durch zeitlich und energetisch aufwendige Verhaltensweisen gesichert, dann werden relativ wenige Eier produziert, ist er niedrig, so ist das Risiko für die Nachkommen hoch und wird durch Produktion ent-
Abb.16-36: larriden (Sphecidae) als Parasitoide auf Maulwurfsgrillen. A Weibchen von Larra scelesta bei der Lähmung von Gryllotalpa nitidula, B Larve von L. carbonaria auf der Larve von G. hirsuta. (Nach (lausen 1940)
16.2 Parasitoide
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B~ . . . . .. ,~
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": _::-::.:::.. --==-=-... _::-..~; Abb.16-39: Der Brutbehälter einer Pillenwespe (Eumenes sp.). A von außen, B aufgeschnitten. Das Ei hängt über den gelähmten Raupen. (Nach Jacobs und Renner 1988)
Abb. 16-37: Die Erzwespe Lasiochalcidia igiliensis bei der Eiablage in die Gelenkhaut zwischen Kopf und Thorax eines "Ameisenlöwen" (Myrmeleontidae), wobei sie dessen Saugzangen durch Einklemmen in ihre Hinterbeine festlegt. (Nach Askew 1971) aber nur kurz zur Eiablage. Diese Wirte werden wieder aktiv und durch ihre subterrane Lebensweise ist die Parasitoidenlarve, die von außen saugt, gut geschützt (Abb. 16-36). Arten der Gattung M ethoca (Vespoidea) parasitieren an Cicindeliden (Abb. 16-2). Die Wespe lässt sich von der räuberischen Käferlarve packen oder kriecht zu ihr in den Bau, wird aber dabei nicht verletzt sondern lähmt die Larve mit einem Stich nahe dem Unterschlundganglion . Anschließend legt sie ein Ei auf die Ventralseite und verschließt den Larvengang mit Erde. Ergreifen lässt sich auch die Erzwespe Lasiochalcidia igiliensis, die Ameisenlöwen belegt, wobei sie dessen Saugzangen aber in ihre kräftigen Hinterbeine klemmt und so wirkungslos macht (Abb. 16-37). Die meisten Grabwespen tragen die paralysierten Wirte vor der Eiablage in Brutbauten. Solche legen sie meistens im Boden an (Abb. 16-38), oft in Pflanzenstängeln , manche formen kunstvolle Brutbehälter (Abb. 16-39). Zur Versorgung der Larve werden je nach Größe der Wirte ein oder mehrere Individuen eingetragen .
Abb. 16-38: Der Brutbau einer Grabwespe (Palarus saishiuensis) mit gelähmten Insekten und die Wespe mit Beute am Eingang. (Nach (lausen 1940)
Der Transport großer Wirte zum Brutbau ist aufwendig und führte zur Selektion erstaunlicher, "umsichtig" wirkender Verhaltenseigentümlichkeiten . Das gelähmte Insekt wird je nach Lage gezerrt, geschoben oder gehoben , wobei der Griff gewechselt wird. Es kann auch mehrfach abgelegt werden, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen . Die nordamerikanische Grabwespe Sphecius speciosus z. B. klettert mit der großen Zikade Magicicada septendecim, mit der sie fliegend wegen ihres Gewichtes nicht aufsteigen kann, regelmäßig auf Bäume, von denen sie dann mit der Beute in Richtung auf den Brutbau herabsegelt. Die Brutbauten werden nach der Eiablage verschlossen, bei manchen Arten aber mehrfach inspiziert und mit neuen Wirten versorgt (Abb. 16-40).
Auch Parasitoide, die ihre Wirte in deren Mikrohabitat aufsuchen und belegen, müssen einen umso höheren Aufwand treiben, je besser der Wirt durch das Substrat geschützt wird oder je schwerer dieser zugänglich ist. Die Schlupfwespe Rhyssa persuasoria (Körperlänge >30 mm) legt ihr Ei an Holzwespenlarven (Hymenoptera : Siricidae), die mehrere cm tief im Holz von Nadelbäumen verborgen sein können. Entscheidend für die Wirtsfindung sind Geruchsstoffe, die von einem symbiontischen Pilz (Amylostereum sp.) der Holzwespenlarve ausgehen, der im Fraßmehl wächst. Für die exakte Ortung der Larve im Holz vor dem Stich werden vermutlich auch Vibrationen genutzt, die diese durch ihr Kriechen
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16 Entomophage Insekten
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Abb. 16·40: Ammophila pubescens. A Das Weibchen mit einer gelähmten Spannerraupe. B Arbeit des Weibchens an 5 nacheinander angelegten Nestern (I - V, Abszisse) an 9 Tagen (Ordinate). f::" Graben des Brutbaues, A Eintragen der ersten Raupe und Eiablage, 0 Inspektionsbesuch, • Eintragung von mehreren Raupen, • Eintragen von vielen Raupen und endgültiger Nestverschluss. Die Brutpflege jedes Einzelnestes verläuft in 3 Phasen a, b, c. (Nach Baerends in Kaestner 1973)
und Nagen im Holz erzeugt. 10--30 min braucht die Wespe, um mit dem langen Legebohrer zum Wirt vorzudringen , bei jedem 5.-12 . Einstich findet sie eine geeignete Wirtslarve, die durch einen Stich gelähmt und außen mit dem Ei belegt wird. Rhyssella curvipes muss etwa 2 cm tief bohren, um die Larven der Erlenholzwespe zu erreichen. Die winzige Erzwespe Xiphydriophagus meyerinckii (Pteromalidae) entwickelt sich im seiben Wirt und erreicht ihn, indem sie durch alte Ausfluglöcher ins Holz eindringt und sich von verlassenen Gangsystemen aus in das Frische einer Larve durchnagt. lbalia leucospoides (Cynipoidea) , die ebenfalls Holzwespen nutzt , aber nur einen schwachen Legebohrer besitzt, kann die Larven deshalb nur in sehr frühen Stadien belegen und muss dabei den Einstichkanal des Wirtsweibchens benutzen . Die Schlupfwespe Agriotypus armatus parasitiert an Trichopterenlarven schnell fließender Bäche. Bei der Wirtssuche muss das Weibchen, das keine auffälligen Anpassungen an das Leben im Wasser besitzt, an Wasserpflanzen und Steinen bis auf den Gewässergrund kriechen, um hier die Larvenköcher zu durchstechen und die Larven mit je einem Ei zu belegen.
Abb. 16-41: A Weibchen von Tryphon sp. mit ablagebereiten Eiern außen am Ovipositor. B Schema einer Blattwespenlarve (Neodiprion sertife" mit den Eiablagepositionen von 3 Arten der Schlupfwespengattung Exenterus (Tryphoninae). E. abruptorius, E. amictorius, E. adspersus. CDie Eier der 3 Arten (schwarz: Wirtscuticula und Eianker). Die Eier von E. amietorius (+) haben schwache Anker und werden dort fixiert, wodie Larve sie nicht erreicht, die von E. abruptorius (0) haben starke Verankerungsstrukturen, können von der Larve kaum entfernt und daher überall am Körper abgelegt werden . E. adspersus (A) vermittelt zwischen beiden Typen. (Nach PschornWalcher 1987) Parasitische Wespen, die Blattläuse in Kolonien belegen, werden heftig von Ameisen angegriffen, die den Honigtau der Blattläuse nutzen. Bestimmte Wespen (z. B. Trioxy s angelicae) benötigen zwar nur 1-2 s für eine Eiablage, sind aber stark gefährdet und belegen in von Ameisen belaufenen Kolonien nur wenige Blattläuse am Rande, während Kolonien ohne Ameisen stark parasitiert werden. Die Ameisen unterscheiden die Wespen von den Blattläusen chemisch. Dies nutzen bestimmte Parasitoide: Lysiphlebus cardui (lchneumonoidea) wird von Ameisen nicht beachtet und lässt sich Zeit mit der Eiablage (Dauer >50 s). Offensichtlich benutzt diese Art den Geruch der Blattläuse als eine chemische "Tarnkappe" . Wenn man die Kohlenwasserstoffe der Cuticula von Blattläusen mit einem Lösungsmittel abwäscht und vorher gereinigte Weibchen von Trioxyx angelicae darin badet, werden auch diese nicht mehr angegriffen.
Hymenoptera sind durch den Besitz des Legebohrers (s. 2.4.4) für die Eiablage in Wirtseier, in die Leibeshöhle der Wirte oder außen an Wirte tief in einem Substrat generell besser ausgestattet als andere Insektenordnungen.
16.2 Parasitoide
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Abb. 16-42:A Eiablage der Raupenfliege Cefatoria setosa (Seitenansicht des Abdomens) in einen Käfer. Ein Stachel des 6. Abdominalsegmentes perforiert die Cuticula, wobei der Käfer gegen den Fortsatz des 2. Abdominalsegmentes gepresst wird. Der Ovipositor gleitet in einer Rinne an der konkaven Außenseite des Stachels und schiebt das Ei in die Öffnung (Nach Clausen 1940). B Eiablage der Raupenfliege Rondania dimidiata. Das hartschaiige Ei wird mit einer langen Legeröhre in die Mundöffnung eines Rüsselkäfers geschoben. (Nach Jacobs und Renner 1988) Bei vielen Arten, besonders, wenn sie mit langen Legebohrern in hartes Substrat bohren, ist das Lumen des Legerohres allerdings eng. Große Eier werden bei der Passage des Legerohres durch Verlagerung des Inhaltes in den schlauchförmigen Anhang stark deformiert , bei Rhyssa persuasoria (s.o .) z. B. auf 20 mm Länge. Bei manchen Arten mit großen Eiern und derbem, wenig deformierbarem Chorion (z. B. bei Tryphon sp.) wird nur ein Anhang des Eies in einer Nut des Ovipositors geführt, das Ei gleitet außen entlang und wird nur mit dem Fortsatz in der Wirtscuticula fixiert (Abb, 16-41). Die Eier mancher Braconiden sind dagegen klein und nehmen erst im Wirt enorm an Volumen zu, bei Perilitus coccinellae z. B. auf das Tausenfache des Ausgangsvolumens.
Ovipositoren besitzen auch etliche Dipteren (Neubildungen und dem typischen orthopteroiden Legeapparat nicht homolog!). Pipunculiden, Conopidenu. a. durchstechen damit im Flug das Abdomen der Wirte (Zikadenlarven, Bienen, Wespen oder Fliegen), die kurz festgehalten werden und injizieren das Ei (Abb. 16-42). Die Raupenfliege Rondania dimidiata nähert sich Rüsselkäfern von vorn, schiebt das Ei mit einem langen Legerohr blitzartig bis ins Cibarium (Mundhöhle) und sichert dadurch, dass es unbeschädigt von den Kauwerkzeugen den Darmkanal erreicht (Abb. 16-42).
Werden frei zugängliche Wirte von außen belegt, dann so, dass Eier oder Larven nicht leicht abgestreift werden können . Raupenfliegen, die Wanzen oder Käfer belegen (z. B. Degeeria luctuosa), schieben ihre Eier oder Larven den Wirten unter die Flügeldecken und viele Arten belegen sie bereits, wenn sie nach der Häutung noch wenig beweglich und ihre Cuticula noch weich ist, was den Larven das Eindringen in den Körper erleichtert. Manche ektoparasitischen Schlupfwespen kleben die Eier an ihre Wirte (z. B. Polysphincta sp.) nachdem sie sie betäubt haben , andere verankern sie mit speziellen Strukturen (Abb. 16-41).
Die Festigkeit, mit der ein Ei fixiert werden muss, ist vom Putzverhalten des Wirtes und damit von der Position am Wirtskörper abhängig. Die Kiefernbuschhornblattwespe Neodiprion sertifer wird von 3 Arten der Schupfwespengattung Exenterus (Tryphoninae) parasi tiert. Die kleinen Eier von E. abruptorius werden unerreichbar für die Mandibeln der Wespenlarve tief ins Integument gelegt und finden sich dementsprechend überall am Wirtskörper. Die Eier von E. amictorius werden verankert, sind aber groß und ragen über die Cuticula hinaus und die von E. adspersus haben nur unscheinbare Verankerungsmechani smen. Beide Arten legen ihre Eier dementsprechend an KörpersteIlen, die die Larve mit den Mundwerkzeugen nicht erreicht (Abb, 16-41).
Einen geringeren Aufwand für die Brutfürsorge haben solche Arten , die ihre Eier oder Larven auf das Nahrungssubstrat der Wirte oder in deren Nähe ablegen. Bestimmte Tachinidenarten (und als Hyperparasitoide viele Trigonaloidea , s. u.) legen geleitet von Fraßspuren oder Kot ihrer Wirte (phytophage Larven mehrerer Insektenordnungen) kleine « 0,2 rnrn), hartschalige Eier auf deren Nahrungspflanzen. Die Eier überleben mehr als 6 Wochen und gelangen mit der Nahrung in den Wirt.
Parasitoide, die die Wirtsfindung ihren Erstlarven überlassen, gibt es bei den Planipennia (Mantispidae), Coleoptera, Diptera und Hymenoptera. Bei Netzflüglern und Käfern haben diese Larven Extremitäten (z. B. die "Triungulinus-Larve" (Dreiklauenlarve) der Ölkäfer, Abb. 16-43), bei Hymenopteren und Dipteren sind sie extremitätenlos und abgeflacht ("Planidium-Larve") (Abb. 16-44). Alle haben eine derbe Cuticula und sind bei den meisten Arten auch recht austrocknungsresistent. Triungulinus- und Planidiumlarven haben lange caudale Borsten, die zum Aufrichten und Springen dienen. Sie können tagelang ohne Nahrung überleben und sind als spezialisierte Befallsstadien
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Abb. 16-43: Lytta vesicatoria (Meloidae). A Triungulinuslarve (freilebend, 2 mm). B Späteres Larvenstadium (bei solitären Bienen, 12 mm). C Imago (12-21 mm). (Nach Jacobs und Renner 1988)
schnell und beweglich, wenn potentielle Wirtsinsekten in die Nähe kommen.
16.2.3 lebensweise der larven Parasitoidenlarven müssen 1. zum Wirt gelangen, 2. müssen sie sich an oder in ihm aufhalten können und 3. ihn dabei so nutzen, dass ihre vollständige Entwicklung gesichert ist. Die Planidien mancher Wollschweber (Bombyliidae) werden am Nesteingang von Hymenopteren oder bei Gelegen von Heuschrecken abgesetzt und dringen selber zum Wirt vor. Ähnlich ist es bei den Triungulinus-Larven einiger Ölkäferarten (Meloidae) . Die Planidiumlarven man cher Raupenfliegen (z. B. Dexia rustica) graben sich zu den Engerlingen von Maikäfern bis zu 30 cm tief in den Boden. In diesen Fällen werden die Larven (oder Eier) vom Weibchen wenigstens in Wirtsnähe abgesetzt. Die Triungulinuslarven von M e/oe sp. (Abb. 16-43) schlüpfen dagegen im Boden weit ab von Bienennestern. Sie klettern auf Pflanzen, lauern in Blüten und springen solitäre Bienen an, von denen sie sich in den Brutbau mitnehmen lassen. Hier töten sie die Bienenlarve und nutzen deren Vorrat. Wahrscheinlich werden sie hauptsächlich durch mechanische Reize veranlasst , sich an Bienen anzukl ammern, denn viele besteigen das "falsche" Insekt und sind verloren. Auch bei den Eucharidae (Erzwespen, Chalcidoidea) , die Ameisenparasitoide sind, schlüpfen die Planidien fernab vom Wirt aus Eiern, die in Massen aufPflanzen abgelegt werden. Allerdings müssen Blattlauskolonien vorhanden sein, die von Ameisen besucht werden. An diese heften sich die Larven an, lassen sich ins Nest transportieren (Phoresie) und saugen dort an Ameisenlarven und -puppen. Noch mehr vom Zufall abhängig ist die Wirtsfindung offenbar bei Netzfliegen (Nemestrinidae), die diverse Insekten befallen. Die Eiab-
lage erfolgt in Spalten und Bohrgänge im Holz, und die winzigen Planidien lassen sich vom Wind verfrachten. Das Weibchen von Trichopsidea clausa legt seine Eier sogar nur bei bewegter Luft und ihre und die Larven anderer Arten beginnen zu springen, wenn eine Brise sie streift.
Alle schlanken , beweglichen und stark cuticularisierten, freilebenden Erstlarven, die die Wirte befallen, häuten sich in ihm zu den typischen dünnhäutigen , trägen Endoparasitoidenlarven, machen also einen drastischen Gestaltswandel durch (Abb. 16-43). Ist der Wirt gefunden, so so rgen bei Ektoparasitoiden zunächst die Weibchen dafür, dass ihre Eier und Larven durch ihn nicht verletzt oder abgestreift werden. Die meisten parasitischen Hymenopteren stechen ihre Wirte. Die Brackwespe Bracon hebetor lähmt Wachsmott enraupen mit einem Gift, das hochspezifisch die neuromuskulären Übertragungsstellen der somatischen Muskulatur blockiert, die Erregung sfähigkeit von Nerven und Muskeln bleibt aber erhalten. Paralysiert stehen die Wirte den Larven über Zeitspannen, die sich nach der (sehr unterschiedlichen) Entwicklungsdauer der Arten richten, als .Frischfuuer" zur Verfügung. Bienenlarven, die von der Erzwespe Melittob ia acasta gelähmt wurden, bleiben z. B. bis zu 9 Monate am Leben. Eine langfristige Paralysierung des Wirtes unterdrückt auch weitere Häutungen , durch die die Ektoparasitoidenlarve abgestreift würde.
Endoparasitoide müssen mit den besonderen Bedingungen im Wirt fertig werden. Diese unterscheiden sich in aktiven und passiven Wirtssta dien. Arten , die in Eiern, Puppen oder gelähmten Wirten leben, zehren von ihnen, ohne dass der Wirt intensiv auf die Schädigung reagieren kann.
16.2 Parasitoide
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Abb. 16-44: Schizaspidia tenuk ornis (Chalcidoidea. Eucharidae). A Weibchen B Planidium - Larve in aufgerichteter LauersteIlung . (Nach (lausen 1940)
Solche Parasitoide können daher eher verschiedene Wirtsarten erfolgreich nutzen. Für Ei- und Puppenparasitoide scheint es jedoch wichtig zu sein, diese Wirtsstadien möglichst früh zu belegen . Damit bleibt den Larven ausreichend Zeit für die Entwicklung und sie sind in jungen Wirtsstadien noch nicht der vollständig au sgebildeten humoralen Abwehr ausgesetzt. Parasitoide, deren Wirte akti v bleiben, sind stärker von humoralen Abwehrreaktionen und Schwankungen der Hormonkonzentrationen des Wirtes in der Hämolymphe (s. Kap. 12; 17.2.3) betroffen. Fremdkörper in der Leibeshöhle von Insekten werden durch Hämocyten eingekapselt und mit einer sklerotisierten Hülle umgeben (s. Kap. 7; 17.2.3). Parasitoide können durch Einkapselung erstickt und ihr Körper z. T. abgebaut werden. Viele Parasitoide umgehen diese Gefahr dadurch, dass die Eier nicht ins Hämocoel sondern in Gewebe abgelegt werden und die Larven wenigstens in der Anfangsphase das Hämocoel meiden. Viele Platygasteridenweibchcn (Proctotrupoidea) legen
ihre Eier grundsätzlich in die Ganglien von Gallmücken . Die Schlupfwespe Amblyteles subf uscus legt sie in die Speicheldrüse der Noctuide Eux oa ochrogaster, bringt man die Eier ins Hämocoel so werden sie eingekapselt . Tachinidenlarven, die aus Eiern im Darmtrakt der Wirte schlüpfen (s.o.) , bleiben zunächst in der Darmwand und wandern dann in diverse Gewebe (Fettkörper, Ganglien , Gonaden, Muskeln usw.), meiden also das Hämocoel. Einige Arten scheinen die Immunreaktion des Wirtes durch besonders schnelle Entwicklung zu unterlaufen, z. B. die Schlupfwespe Phaeogenes nigridens, die in der Puppe des Maiszünslers Pyrausta nubilalis ihre 3 Larvenstadien in 3 Tagen vollendet. Eine andere Strategie besteht darin , die Immunreaktion des Wirtes durch Mehrfachbelegung zu überfordern (s. 16.2.4) und damit wirkungslos zu machen .
Im artspezifischen Wirt verhindern viele Parasitoidenlarven die Einkapselung im Hämocoel durch spezifische Eigenschaften ihrer Oberfläche (man che imitieren wahrscheinlich Oberfl ächeneigen-
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schaften der Wirtsgewebe "molekulare Mimi kry"). Diese Fähigkeit ist möglicherweise das Ergebnis einer Coevolution und erklärt die hohe Wirtsspezifität vieler Larvalparasitoide (z. B. ha ben 82 % aller amerikanischen Ichneumonidae weniger als 3 Wirtsarten, in denen sie sich entwickeln können) . Bei einigen Arten (Ichneumonidae, Braconidae) wurden außerdem viröse Partikel nachgewiesen, die in einer distalen Erweiterung des Oviduktes gespeichert und auf der Oberfläche des Eis mit diesem in den Wirt übertragen werden . Sie interagieren mit dessen Immunsystem , schwächen ihn und verhindern ebenfalls die Einkapselung (s. Kap. 17). Die Larven der Raupenfliegen (Tachinidae) unterdrücken die Abkapselung nicht , sondern nutzen sie zu ihren Gunsten. Sie liegen in der vom Wirt gebildeten Hülle, deren caudales Ende als Atemröhre die Verbind ung zwischen dem Trac heensystem der Larve und der Umgeb ungs luft oder einer Wirtstrachee herste llt (Abb. 16-45). D iese Strategie erk lär t vielleicht z. T. die oft geringe Wirtsspezifität der Rau penfliegen. Die Deckung des Sauerstoflbedarfs über Stigmen, die durch die Wirtscuticula nach außen oder in starke Tracheenäste des Wirtes geschoben werden, ist bei vielen Parasitoiden verbreitet. Einige Erzwespenlarven benutzen den Eistiel als Verbindungsröhre zur Außenluft. Die in Schildläusen lebenden Larven der Cryptochetidae (Diptera) ha ben dagegen Caudalfilamente, die als Tracheenkiemen dienen und nehmen auch die Nahrung durch die Haut auf (Abb. 16-45). Auf verschiedene Weise interagieren Hormonsysterne von Wirt und Parasitoid miteinander. Manche Para sitoide stehen in ihrer Entwicklung hormonell unter Einfluss des Wirtes. Bei Arten, die z. B. sehr junge Larven belegen, häuten sich die Erstlarven daher nicht eher als die Wirtslarven, wodurch verhindert wird, dass sie zu früh in da s schnell wachsende und stark konsumierende 2. Stadium gelangen. Auch die Ver-
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Abb. 16·45: Sauerstoffversorgung bei Endoparasitoiden. A die larve der Raupenfl iege Thrixion sp. liegt in einer vom Wirt gebildeten Hülle und atmet durch eine Öffnung in dessen Cuticula. B 1. larvenstadium der Erzwespe Blastothix sp., das Hinterende mit den Stigmen wird von Resten des Eies umhüllt und hat durch den Eistiel Zugang zur Außenluft. C larve der Netzfliege Trichopsidea costatus, das Hinterende wird vom Ende einer langen Atemröhre eingehüllt, die sich nach außen öffnet. D larven der Cryptochetidae (Diptere, Brachycera) besitzen caudale Schläuche, die alsTracheenkiemen dienen . (Nach Askew 1967)
mehrung von Parasitoiden durch Polyembryonie (s. u.), d. h. Portionierung der Blastula und die Differenzierung der Portionen in Embryonen wird wahrscheinlich durch den Hormontiter des Wirtes sychronisiert. Andere Arten manipulieren ihrerseits die Entwicklung des Wirtes hormonell. Das kann einfach durch Schwächung des Wirtes durch den Parasitoiden geschehen, auf die manche Wirte mit hormonell gesteuerter Entwicklungsverzögerung reagieren, aber auch durch gezielte chemische Beeinflussung.
paralysieren sondern töten (z. B. Grabwespen, die in solchen Fällen eher als Räuber zu bezeichnen sindl), wird er in wenigen Tagen konsumiert (Idiobionten). Das andere Extrem sind Parasitoide, die fast die vollständige Entwicklung des Wirtes mitmachen (Koinobionten). Z. b. belegt Diplazon sp. (Ichneumonidae) die Eier von Schwebfliegen, die adulte Wespe schlüpft aber erst aus deren Puparium. Bei langsamer Entwicklung in aktiven Wirten schonen Parasitoide zunächst die lebenswichtigen Organe, sodass der Wirt wachsen, mindestens aber Nahrung aufnehmen kann .
Die gregäre Braconide Cotesia congregata ist in der Lage, bei ihrem Wirt Manduca sexta (Sphingidae) 6 zusätzliche Larvalhäutungen zu induzieren, bevor sie ihn im letzten Raupenstadium tötet und zur Verpuppung verlässt. Dies geschieht durch Verhinderung der Absenkung des luvenilhormontiters und Blockierung der Umwandlung von Ecdyson in das aktive 20-Hydroecdyson. Braconiden der Gattung Che/onus beschleunigen dagegen die Wirtsentwicklung (z. B. von Trichoplusia Ni, Noctuidae). Typische Verhaltensweisen der Schmetterlingsraupen, wie das Aufsuchen geschützter Plätze zur Verpuppung, treten bei parasitierten Exemplaren mitunter ein Stadium zu früh auf, die Verpuppung selbst wird allerdings verhindert. Hierfür können aber auch das Gift und die Übertragung von Viren bei der Eiablage des Wespenweibchens verantwortlich sein.
Conopidenlarven in Hymenopterenimagines fressen erst im Abdomen und erst unmittelbar vor der Verpuppung durch den Petiolus den Thorax leer. Auf Sandbienen (Andrena sp.) parasitierende Arten von Myopa sp. werden dabei sogar größer als ihre Wirte. Das ist nur möglich, weil die Parasitoidenlarve sich über längere Zeit unter Schonung der Gewebe von Nektar und Pollen aus dem Darmkanal der Biene ernährt und so die Sammeltätigkeit der Biene nicht behindert.
Die Entwicklungsdauer der Parasitoide ist von Art zu Art sehr unterschiedlich. Bei schneller Entwicklung, z. B. bei Arten, die ihren Wirt oft nicht nur
Endoparasitoide unter den Hymenopteren verhindern durch Speicherung des eigenen Kotes überdies die Vergiftung des Wirtes. Der Mitteldarm der Larven ist gegen den Enddarm geschlossen und erst unmittelbar vor der Verpuppung wird die Verbindung hergestellt und der gespeicherte Kot (Meconium) abgegeben. Bei gregären Parasitoiden entwickeln sich mehrere Larven auf einem Wirt. Die Menge hängt von
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Abb. 16·46: Erstlarven mit "Kampfmandibeln" bei Proctotrupoidea (Hymenoptera). Triacis remu/us (Platygasteridae) A vor und B nach der ersten Nahrungsaufnahme. C See/ia fu/gidus (Proetotrupoidea, Scelionidae). 0 Psi/us si/vestrii (Proctotrupoidea, Diapriidae) Erstlarve, E Zweitlarve ohne vergrößerte Mandibeln. (Nach (lausen 1940)
dessen Größe ab. In den Larven minierender Kleinschmetterlinge kann sich z. B. nur eine Erzwespenlarve entwickeln, in größeren Noctuidenraupen über 20. Die Ausnutzung sehr großer Wirte ist bei Erzwespen einiger Gattungen (z. B. Litomastix, Copidosoma) dadurch gewährleistet, dass die Embryonen nach einer bestimmten Wachstumszeit in mehrzellige Portionen zerfallen, deren jede sich wieder zu einem Embryo weiterentwickelt (Polyembryonie). Aus einem Ei können so 500 Wespen entstehen und aus einer großen Schmetterlingsraupe, die mit mehreren Eiern belegt wurde, bis zu 3000 Parasitoide schlüpfen. Polyembryonie ist von 4 Hymenopterenfamilien bekannt. Die Verpuppung erfolgt bei Dipteren in der Regel außerhalb des Wirtes, bei vielen Hymenopteren aber auch innerhalb der leergefressenen Larven- oder Puppen haut des Wirtes, die so als Schutzhülle verwendet wird.
16.2.4 Superparasitismus Parasitoidenlarven sind für ihre Entwicklung fast immer auf das Wirtsindividuum angewiesen, das mit ihnen belegt wurde oder das sie befallen haben. Eine Überbelegung des Wirtes führt zur Ressourcenverknappung und kann zu Ausscheidungskämpfen der Larven führen. Bei solitären Parasitoiden dienen die Eiablagemarkierungen (s.o.) in der Regel der Vermeidung von Mehrfachbelegung, da die Larven sich vernichten und nur eine übrig bleibt. Erstlarven bekämpfen sich mit ihren speziell dafür vorhandenen, besonders großen Mandibeln (Abb. 16-46), ältere Stadien schalten später hinzugekommene auch physiologisch z. B. durch Sauerstoffverknap-
pung oder die Abgabe von Toxinen aus. Superparasitismus solcher Arten wurde deshalb, obgleich regelmäßig beobachtet, lange als Fehlverhalten betrachtet. Eine Mehrfachbelegung kann jedoch auch bei solitären Parasitoiden vorteilhaft sein: Bei Mangel an unbelegten Wirten erhöht ein Weibchen seine Fitness (d.h. die Vermehrungschance für das eigene Genom) , wenn es ein zusätzliches Ei in einem bereits belegten Wirt legt, weil die verringerte Überlebenswahrscheinlichkeit des Nachkommen unter den Konkurrenzbedingungen im Wirt günstiger ist, als wenn gar kein Wirt für das Ei gefunden wird. Unter Umständen kann es sich für ein Weibchen sogar lohnen , mehr als ein Ei in einem belegten Wirt zu legen, weil damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die überlebende Larve von ihm stammt. Eine Mehrfachbelegung ist auch bei unspezifischen Wirten vorteilhaft, in denen einzelne Parasitoide häufig eingekapselt (s.o.) und abgetötet werden. Die Superparasitierung schwächt die humorale Abwehrreaktion des Wirtes und solche unspezifischen Wirte können wenigstens durch die eine Larve genutzt werden, die die folgenden Ausscheidungskämpfe gewinnt. Wenn Asobara tabida (s. 16.2.1) in unparasitierte und einkapselungsfähige Drosophila melanogaster-Larven ablegt, überlebt nur 1% der Eier, in superparasitierten sind es 7%!
Die häufig angetroffene Fähigkeit, belegte von unbelegten Wirten unterscheiden zu können, dient also in erster Linie der Konkurrenzminderung. Sie verhindert jedoch nicht die Superparasitierung unter Umständen, wo diese einen Fitnessvorteil für das eiablegende Weibchen bietet . Auch bei gregären Parasitoiden (z. B. Raupenfliegen, einige Hymenopteren) kommt Superpara-
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sitismus vor. Dipteren scheinen zwischen belegten und unbelegten Wirten nicht zu unterscheiden und der Zufall bestimmt, wie viele Larven sich erfolgreich entwickeln. Bei der Tachinide Dexia sp., deren Planidien Maikäferengerlinge im Bodenaufsuchen, dringen bis zu 30 Larven durch die Körperdecke in den Wirt ein. Hymenopteren erkennen an äußeren Marken oder durch Sondieren mit dem Legebohrer, ob ein Wirt bereits belegt wurde (s.o.), mitunter auch das Ausmaß der Belegung. Manche vermeiden die Ablage in parasitierte Wirte, andere [z. B. Trichogramma evanescens (Chalcidoidea), Microplitis croceipes (Braconidae) u. a .] können die Befallsdichte in einem Wirt abschätzen und die Zahl der dazugelegten Eier entsprechend dosieren. Anpassung der Gelegegrösse gibt es auch ausserhalb von Superparasitismus. Die Erzwespe Caraphractus cinctus (Mymaridae) legt z. B. nur ein Ei in das kleine Ei des Wasserkäfers Agabus sp. aber mehrere in das größere von Dytiscus sp. Bei Mangel an unbelegten Wirten und mit sinkender Wahrscheinlichkeit, solche zu finden, steigt die Superparasitierungsrate generell und damit auch das Risiko für die Nachkommenschaft. Aus sehr dicht belegten Wirten schlüpfen oft kleinere Imagines. Unter solchen Bedingungen ist es für Parasitoidenweibchen jedoch offensichtlich vorteilhafter, ihre Nachkommenschaft verschärfter Konkurrenz auszusetzen als gar nicht abzulegen. Die Erstlarven von gregären Parsitoiden haben in der Regel keine großen Mandibeln zur Zerstörung von Konkurrenten. Die Kämpfe werden hier indirekt entschieden, z. B. durch Nahrungsverknappung oder Abdrängen des Konkurrenten . Ausnahmen sind bestimmte polyembryonale Encyrtidae (z. B. Copidosoma floridanum, Chalcidoidea). Hier entwickeln sich einzelne der Embryonen sehr viel schneller als die anderen und wandeln sich zu aggressiven Larven mit großen Mandibeln, die im Wirt wandern aber sich nicht weiter entwickeln. Ihre alleinige Funktion scheint die Ausschaltung von Konkurrenten der Geschwister zu sein.
16.2.5 Multiparasitismus Begegnen sich Larven verschiedener solitärer Arten auf einem Wirt, so kommt es wie innerhalb der Arten zum direkten oder indirekten Kampf. Bei Endoparasitoiden gewinnt in der Regel die ältere und größere Larve. In Experimenten mit gleich alten endoparasitischen Ichneumoniden (Nemeritis canescens und Diadegma chrysostictus) gewann in 2/3 der Fälle die zweite Art, deren Larve etwas früher schlüpfte und einen geringen Entwicklungsvorsprung hatte. Waren die Erstlarven ver-
schieden alt, gewann immer die ältere den Kampf. Sie hielt diejüngere mit den Mandibeln fest, verletzte sie und setzte sie damit der Einkapselung durch den Wirt aus. Betrug der Altersabstand über 3 Tage, dann gewann ebenfalls die ältere Larve, aber nicht durch direkten Angriff sondern durch Sauerstoffverknappung im Wirt. Bei Ektoparasitoiden gewinnt dagegen in der Regel die zuletzt hinzugekommene Larve. Erstlarven sind beweglicher und mit größeren Mandibeln ausgestattet als spätere Stadien und können außen am Wirt nicht durch physiologische Mechanismen wie Sauerstoffverknappung bekämpft werden wie bei den Endoparasitoiden. Einige Arten betreiben allerdings obligatorisch Multiparasitismus, da sie nur Wirte nutzen können, die bereits von einer anderen Art belegt wurden. Der Wirt der Schlupfwespe Pseudorhyssa alpestris ist die Holzwespenlarve Xiphydria camelus, die sie wegen ihres schwachen Legebohrersjedoch nicht erreichen kann. Sie wartet daher, bis diese von Rhyssel/a curvipes belegt wurde, benutzt anschließend deren Stichkanal und legt ihr Ei neben das von Rhyssel/a auf die gelähmte Holzwespenlarve. Beider Larven schlüpfen gleichzeitig, die von Pseudorhyssa hat eine größere Kopfkapsel und größere Mandibeln und vernichtet die Rhyssel/a-Larve bei der ersten Begegnung. Eine ähnliche Beziehung besteht zwischen der Erzwespe Eurytoma monemae und der Goldwespe Chrysis shanghaiensis, die sich auf dem Schmetterling Monema flavescens entwickeln. Die Erzwespe kann das Kokongespinst des Wirtes nicht durchdringen. Sie schließt sich daher dem Goldwespenweibchen an und belegt die Schmetterlingslarve durch die Öffnung, die dies zur Eiablage genagt hat. Die Chalcidide Tetrastichus giffardianus kann sich in Larven der Fruchtfliege Dacus cucurbitae nur erfolgreich entwickeln, wenn diese durch die Braconide Opius fleteheri belegt wurden. Grund hierfür ist die vorherige Schwächung der Wirtslarve durch die Brackwespe infolge der humoralen Einkapselungsreaktion (s. 17.2.3).
16.2.6 Hyperparasitoide Arten, deren Wirt ein Primärparasitoid ist, sind zahlreich in 6 von 7 Überfamilien der Hymenopteren. Innerhalb der Dipteren gibt es sie bei den Hummelschwebern und Dickkopffiiegen (Bombyliidae, Conopidae). Bei Coleopteren finden sich wenige Hyperparasitoide innerhalb der Fächer - und Buntkäfer (Rhipiphoridae, Cleridae) (Tab. 1-3). Fakultative Hyperparasitoide können sich als Primär- oder Sekundärparasitoide entwickeln und verkörpern den ursprünglicheren Zustand. Die Pteromalide Paehyneuron concolor greift als Sekundärparasitoid Encyrtidenlarven (Chalcidoidea)in Schildläusen, Mehlkäferlarven, Blattläusen und Marienkäfer-
16.3 Parasiten
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Abb. 16-47: Eiablage bei Hyperparasitoiden. A Alloxysta victrix (Cynipoidea, Alloxystinae) legt ihr Ei durch die Cuticula einer noch lebenden Blattlaus in die Larve eines Primärparasitoids. Ihre Larve schlüpft erst, nachdem das Primärparasitoid herangewachsen ist und die Blattlaus vollständig leer gefressen hat. B Asaphes lucens (Chalcidoidea, Pteromalidae) legt das Ei außen an die Erstparasitoidenlarve in der bereits getöteten Blattlaus (..Mumie") nach Lähmung durch einen Stich. Ihre Larve ernährt sich ectophag. (Nach Sullivan 1987)
larven an. Als Tertiärparasitoid findet sie sich außerdem auf diversen Erzwespen, die ebenfalls Encyrtiden befallen und sogar auf Larven der eigenen Art. Sie belegt jedoch auch Fliegenpuparien, die sie als Primärparasitoid nutzt. Als Auslöser für die Eiablage genügt offenbar das Anstechen eines weichen Wirtskörpers in einer derben trockenen Hülle und diese Reizkombination bietet ein Fliegenpuparium genauso wie eine Primär (oder Sekundär-) parasitoidenlarve in der leergefressenen Cuticula ("Mumie") ihres Wirtes. Obligatorische Hyperparasitoide treten ausschließlich als Sekundärparasiten auf Meistens werden die Eier an oder in die Parasitoidenlarve gelegt, wobei deren Wirt noch leben oder bereits abgestorben sein kann (Abb. 16-47) . Bei manchen Arten gelangt die Larve auf Umwegen zu ihrem Wirt. Hyperparasitoide unter den Trigonaloidea entwickeln sich in Ichneumoniden- und Tachinidenlarven in Schmetterlingsraupen. Pro Weibchen werden mehrere Tausend Eier auf Pflanzen abgelegt. Die Eier sind monatelang lebensfähig und gelangen mit der Nahrung in die Raupen. Die Larven schlüpfen im Raupendarm, bohren sich durch die Darmwand ins Haemocoel und suchen dort ihre Wirte auf. Viele Perilampidae (Chalcidoidea) produzieren zahlreiche Planidiumlarven. Diese heften sich auf Raupen fest, durchbohren das Integument und müssen hier auf Larven von Tachiniden, Ichneumoniden oder Braconiden stoßen, andernfalls gehen sie zugrunde. Ein Sonderfall des Hyperparasitismus ist die Entwicklung auf Larven der eigenen Art (Autoparasitismus) . Sie wird in Laborversuchen bei Hyperparasitaiden regelmäßig beobachtet, vielleicht als Reaktion auf den Mangel an geeigneten Wirten. Bei manchen Aphelinidae (Cha1cidoidea) entwickeln sich männliche Larven (die aus haploiden Eiern entstehen) regelmäßig als Sekund ärparasitoide der weiblichen.
Die Gattung Coccophagus enthält einige Arten, bei denen männliche und weiblicheLarven verschiedeneWirte haben, sich also nicht begegnen. Bei anderen zehren sie als Primärparasitoide zwar auf demselben Wirt, die männliche Larve jedoch ektophag, die weibliche endophag. Bei bestimmten Arten leben die Larven beider Geschlechter jedoch in denselben Wirten, die weiblichen als Primärparasitoide, die männlichen als Hyperparasitoid auf den weiblichen. Mitunter schlüpfen aus haploiden Eiern keine Larven bevor nicht weibliche Larven (der eigenen oder anderer Arten) als Nahrungssubstrat vorhanden sind.
16.3 Parasiten Alle Insekten, die Vorräte in Brutbauten anhäufen, werden durch Arten geschädigt, deren Brut sich von diesen Vorräten ernährt (Kleptoparasiten) . Sehr oft tötet und frisst die eingeschleuste Larve allerdings zunächst die Eier oder Larve der Art, von deren Vorräten sie lebt, verhält sich also räuberisch. Stark davon betroffen sind die sozialen Insekten (s. Kap. 14), aber auch bei allen solitären, brutpflegenden Arten kommen Vorratsparasiten vor. Die so genannten Kuckucksbienen (diverse Gattungen innerhalb der Apoidea, mit ihren Wirten oft nah verwandt) legenihr Ei in die Brutbauten anderer Arten. Ihre Larve tötet und verzehrt das Ei oder die Larve des Wirtes, benötigt zu ihrer Entwicklung aber auch den Vorrat an Nektar und Pollen. Ähnlich verhalten sich die Triungulinuslarven mancher Meloiden. Auch in Sphecidenbauten schmarotzen regelmäßig diverse Arten am Vorrat aus gelähmten Insekten. Bienenwölfe (Philanthus sp.) werden z. B. schon auf ihrem Flug zum Nest von bestimmten Fleischfliegen tSenotainia sp., Metopia sp.)
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16 Entomophage Insekten
A
c
B
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gbm -t-==\=~H
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E
F
ei
lar
Abb. 16·48: Strepsiptera. A Männchen (Loania canadensis). B freilebendes Weibchen der ursprüglichen Mengenillidia (Eoxenos lsboulbenei; C stationäres Weibchen der Stylopidia von ventral, D medianer Sagittalschnitt. E Erstlarve (Pseudoxenos sduumi; Fmännliche Zweitlarve (Xenos vesparum). br: Brutraum, brö: Öffnung des Brutraumes, cth: Kopf und Thorax, die aus dem Wirt ragen, ei: Eier, gbm: Mündung des Gebärkanals, lar: Larven, m: Mundöffnung. (Nach (lausen 1940, Kaestner 1973)
verfolgt, die blitzschnell Eier oder Erstlarven auf die gelähmte Biene ablegen, wenn die Wespe sie vor dem Nesteingang kurz ablegt. Die Fliegenlarven verdrängen die Wirtslarve indem sie die Bienen aufzehren.
Entomophage Ekto- und Endoparasiten sind dagegen selten. Die Scelionide Rielia manticida (Proctotrupoidea) legt als Parasitoid ihre Eier in die von Gottesanbeterinnen, die schwer zugänglich in eine schnell härtende Sekretmasse eingebettet werden. Um vor Härtung des Sekretes bei der Ablage an die Eier heranzukommen, setzt das Weibchen sich auf weiblichen Gottesanbeterinnen fest, wirft die Flügel ab und ernährt sich ektoparasitisch durch Saugen von Hämolymphe.
Echte Endoparasiten sind die meisten Fächerflügler (Strepsiptera, von manchen Autoren auch als Stylopoidea zur Ordnung Coleoptera gerechnet, s. 25.34). In der ursprünglichsten Familie, den Mengeidae, kommen freilebende (jedoch ungefl ügelte) Weibchen neben geflügelten Männchen vor, bei den übrigen bleiben die Weibchen unter weitgehender Reduktion ihrer Organe zeitlebens auf den Wirten und werden von den Männchen zur Kopulation aufgesucht (Abb. 16-48). Die Weibchen gebären zahlreiche Larven vom Triungulinustyp, die neue Wirte befallen. Bei den ursprünglichen Mengenillidia halten sich Weibchen wie die relativ langlebigen Männchen unter Steinen
16.3 Parasiten am Boden auf. Ihre Triungulinuslarven befallen Silberfischchen (Zygentoma), die sie vor der Verpuppung wieder verlassen. Bei den übrigen Strepsipteren leben d ie Männchen weniger als 8 Stunden und suchen schnell fliegend nach Weibchen, die stationär auf ihren Wirten (Schaben, Heuschrecken, Wanzen, Zikaden, Ameisen, Bienen, Wespen , Bremsen) leben . Die Komplexaugen der Männchen sind gut entwickelt, die Fühlerglieder haben z. T. mediane Fortsätze und bieten durch diese Oberflächenvergrößerung vielen Chemorezeptoren Platz, die auf den Duft der Weibchen ansprechen, bei manchen auch auf den des Wirtes. Die schwachen Beine dienen nur zum Festhalten am Wirt während der Kopulation. Von den Weibchen, die mehrere Wochen leben , ragen nur Kopf, Thorax und das I. Abdominalsegment mit einem Stigmenpaar und rudimentären Kopfextremitäten aus der Cuticula des Wirtes hervor. Das weichhäutige Abdomen steckt im Wirtskörper, umhüllt von der letzten Larvenexuvie. Diese hebt sich im Ventralbereich gegen die lmaginalcuticula ab und bildet so den .Brutraum", der sich bei reifen Weibchen zwischen Kopf und Thorax nach außen öffnet (Abb. 16-48). Innere Organe sind nicht mehr erkennbar, die Nahrungsaufnahme geschieht durch Resorption über das Abdominalintegument. Der Leib ist angefüllt mit Eiern und später mit Larven, die über 2-5 ventromediane Brutkanäle in den Brutraum gelangen. Bei einigen Arten tr itt Polyembryonie auf. Je nach Art (und entsprechend dem Risiko der Wirtsfindung) werden (meist schubweise), zwischen 50 und 6000 Triungulinuslarven von 0,1--0,3 mm Länge entlassen. Die Larven sind sehr schnell und können mehrere mm weit springen, indem sie die Caudalborsten unter das Abdomen schlagen und sich dann strecken. Sie leben wenige Stunden und springen, stimuliert durch Bewegungs- und wahrscheinlich auch visuelle Reize andere Insekten an. Sie können geeignete von Fehlwirten unterscheiden, die sie wieder verlassen. Arten, die z. B. solitäre Bienen befallen, werden von dem auf der Biene sitzenden Weibchen auf Blüten entlassen, wo die Wahrscheinlichkeit besteht, andere Bienen zu treffen . Sie lassen sich außen angeklammert oder mit Nahrung vermischt im Kropf zum Brutnest tr anspor-
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tieren, wo sie in die Larve eindringen. Die folgenden 5-7 Larvenstadien sind passive Maden ohne Extremitäten und Mundwerkzeuge, die die Nahrung durch die dünne Cuticula resorbieren. Das letzte Larvenstadium besitzt Mandibeln, mit denen es an artspezifischer Stelle die Wirtscuticula öffnet. Seine Exuvie bildet zusammen mit denen weiterer Häutungen die Puppenhülle . Die männliche Imago verlässt diese durch die Öffnung, die weibliche bleibt darin liegen und steckt nur das Vorderende hinaus. Ein Wirt kann - abh ängig von der Körpergröße mehrere Parasiten beherbergen. Befallene (= " stylopisierte ") Insekten ändern häufig ihre Form, Färbung Behaarung und Geschlechtsmerkmale, mitunter werden sie, vor allem befallene Weibchen, auch steril (s. 25.33).
Literatur Askew, R . R . (1971) : Parasitic insects . Heinemann, London Clausen, C. P. (1940) : Entomophagous insects . MacGraw Hili, New York, London Godfray, H .C.J. (1994) : Parasitoids. Princeton University Press, Princeton, New Jersey Hawkins, B.A. (1994) : Pattern and process in host-parasitoid inte raction. Cambridge University Press, Cambridge Honomichl, K . (1998) : Jacobs/Renner - Biologie und Ökologie der Insekten. 3. Aufl. Gustav Fischer, Stuttgart Jervis, M . & Kidd, N. (1996) : Insect natural enemies. Chapman & Hall , London Kaestner, A. (1973) : Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. I. Wirbellose, 3. Teil B, Gustav Fischer, Jena Quicke, D. L. J. (1997): Parasitic wasps. Chapman & Hall , London Waage, J., Greathead, D. (1986) : Insect parasitoids. Academic Press, London Aktuelle Informationen über Parasitoide: http://zoologie.forst.tu-muenchen.de/HEITLAND/ PONLINE/ponline.html
17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen Konrad Dettner
17.1 Insekten als Nahrungsquelle für Vertebraten und Invertebraten (Prädatoren und Parasitoide) Im Verlauf ihrer Evolution an Land und im Süßwasser mussten Insekten sich gegenüber einer Vielzahl von Räubern, Para sitoiden und Parasiten behaupten . Insekten stellen je nach Biozönose einen beträchtlichen, bzw. häufig den größten Anteil der tierischen Biomasse und weisen je nach Spezies und Größe einen erheblichen Energiegehalt auf. Sie sind relativ leicht verdaulich und in der Regel zu 80-90 % ausnutzbar. Beispielsweise kommt die Bedeutung dieser Ressource für höhere Wirbeltiere dadurch zum Ausdruck , dass sich ein Großteil der ursprünglichen Säugetiere von Insekten ernährte, soweit sich dies aus den Gebissen der meist mesozoischen Formen erschließen lässt. Bodenheimer hat in seinem Buch .J nsects as human food" (1951) dargestellt , welche Insekten der Mensch während seiner Geschichte in den verschiedenen Regionen der Erde als protein- und fettreiche, aber auch preisgünstige Nahrung genutzt hat. Neben den Wirbeltieren dienen Insekten v. a. zahlreichen Invertebr aten , insbesondere Spinnen, anderen Insekten oder Tausendfüßlern als Nahrungsquelle, sie können jedoch auch von einer Vielzahl von Bakterien, insektenpathogenen Pilzen oder sogar fleischfressenden Pflanzen verwertet werden. Letztere haben oft reduzierte Wurzeln und locken Insekten über Aasgerüche, Nektardrüsen oder optische Reize an. Der Fang der Insekten erfolgt mittels Fallgruben (z. B. Cephalotus, Nepenthes, Sarracenia), Klebe- (z. B. Drosera, Drosophyllum , Pinguicula), Klapp- (Dionaea) oder Saugfallen (Utr icularia). Heterotrophe Organismen benöt igen Energie, um überleben und sich fortpflanzen zu können . Die Selektion begünstigt folglich eine maximale Effizienz bei der Gewinnung bzw. Beschaffung von Nahrung. Bei Räuber-Beute-Beziehungen sind in diesem Zusammenhang aus der Sicht des Räubers vor allem die drei folgenden Gesichtspunkte von zentraler Bedeutung : Nahrungsmenge, Art der
Nahrung und Strategien des Nahrungserwerbs. Die vom Räub er benötigte Menge an Nahrung ist abhängig von dessen Größe und Fähigkeit zur Energiekonservierung , von dessen Hunger und Sättigung und von der Verfügbarkeit der Beute. Je nachdem , welche Nahrungsobjekte aufgenommen werden, können tierische Organismen als Generalisten bzw. im anderen Extremfall als Spezialisten bezeichnet werden. Auf der Seite der Beuteorganismen kommt deren Energiegehalt sowie ihrem Gehalt an toxischen, bzw.die Verdauung herabsetzenden Stoffen eine erhebliche Bedeutung zu. Vorausgesetzt es findet eine Begegnung zwischen Räub er und Beute statt , so hängt die Effizienz eines Räubers bei der Beschaffung von Nahrung innerhalb eines bestimmten Zeitraums primär von der Art der Beute, deren Häufigkeit und Verteilung sowie insbesondere von den vom Beutetier eingesetzten Abwehrmöglichkeiten ab. Bei den Interaktionen zwischen Räuber und Beute können im allgemeinen mehrere, zeitlich aufeinanderfolgende Phasen unterschieden werden und es gibt aufjeder Stufe eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass der Prozess weiterläuft: • Wahrnehmung und Erkennung der Beute, • Annäherung an die Beute, • Flucht der Beute und Verfolgung bzw. Angriff durch den Räuber, • Widerstand und sekundäre Abwehr der Beute, sowie • Ergreifung, Überwältigung und Verzehr der Beute durch den Räuber. Beutetiere können sich durch vielfältige Mechanismen vor dem Zugriff durch Räuber schützen . Die fünf vorgenannten Verhaltenssequenzen sollten so früh wie möglich abgebrochen werden, denn dies ist energetisch für das Beutetier am günstigsten. Jedoch können Mechanismen der Abwehr auch auf unterschiedlichen Stufen dieser Verhaltenssequenzen mehrfach zum Einsatz kommen.
17.1.1 Vertebraten als Insektenfresser Inwieweit Insekten Wirbeltieren als Nahrung dienen, kann durch unmittelbare Beobachtung, sowie durch die Analyse von Magen- und Darminhalten,
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
durch Kotanalyse sowie durch die Auswertung von Fraßspuren oder Vorratslagern ermittelt werden. Bei Greifvögeln, Eulen und bestimmten insektenfressenden Vögeln kann überdies die Untersuchung von Gewöllen oder bei Nestlingen die Verwendung von Halsringen wertvolle Hinweise über die Art des Speisezettels liefern. Häufig ist das prinzipiell vorhandene Nahrungsangebot nicht bekannt, weshalb meist unklar bleibt, welche Insekten gezielt aufgenommen und welche gemieden werden.
binokularen Sehfeldes die Entfernung zur Beute genau ab. Danach krümmen die Fische ihren Körper, stoßen zu und reißen ihr Maul auf, um das Beutetier einzusaugen . Sofern Beute im Überfluss vorhanden ist, steigt die Trefferquote mit zunehmendem Alter der Fische, d. h. mit zunehmender Erfahrung an . Derartige Beutefanghandlungen sind für den Räuber mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden . Das Fischwachstum hängt folglich besonders von der Futterdichte und Freßrate ab. Bei der fischereiliehen Bewirtschaftung von Gewässern kommt deshalb der jeweils vorhandenen Futtermenge in Form von Insekten eine zentrale Bedeutung zu.
17.1.1.1 Fische
17.1.1.2 Amphibien und Reptilien
Zahlreiche Oberflächenfische haben sich in ihrer Ernährung auf Landinsekten spezialisiert, die sich der Wasseroberfläche nähern oder auf diese herabfallen. Hierzu zählen die südostasiatischen Halbschnabelhechte (Hemirhamphidae), die ihren Unterkiefer zuerst unter das Beuteinsekt schieben, bevor der aufgerichtete Oberkiefer wie eine Falle nach unten klappt (Abb. 17-1 A-C). Vertreter der Schützenfische (Toxotidae) sind in der Lage, Beuteinsekten, die auf außerhalb des Wassers gelegenen Gegenständen sitzen, mithilfe von Wassertropfen abzuschießen (Abb. 17-1 D). Juvenile Oberflächenfische besitzen häufig Leuchtflecken auf der Kopfoberseite, welche möglicherweise sogar der Anlockung von Insekten dienen. Auch andere Fische nehmen diese Gelegenheitsnahrung gerne an . Dies gilt insbesondere dann, wenn ein übergroßes Nahrungsangebot vorliegt (Massenschlüpfen von Eintagsfliegen, Köcherfliegen). Angler verwenden den Insekten nachgebildete .Kunstfliegen". Diese täuschen über dem Wasser schwebende oder gerade untergegangene Insekten vor und eignen sich zum Flugangeln von Forellen oder Äschen. Zahlreiche Fische ernähren sich von wasserlebenden Insektenlarven aus den Gruppen der Ephemerida, Plecoptera , Trichoptera oder Diptera, die im Bodengrund oder im freien Wasser erbeutet werden. Lebendgebährende Zahnkarpfen der Gattung Gambusia sind mit großem Erfolg auch in Südeuropa - zur Vernichtung von Mückenlarven eingesetzt worden. Da malariaübertragende Mücken mittlerweile gegen mehrere Insektizide resistent sein können, ist der Einsatz dieser so genannten "Moskitofische" zur Bekämpfung von Mückenlarven neuerdings wieder interessant geworden.
Amphibien sind zumeist karnivor und nehmen weitgehend lebende Beute, wie Insekten oder andere Wirbellose und kleinere Wirbeltiere an. Der Speisezettel der Reptilien ist vielseitiger und umfasst je nach Spezies lebende oder tote tierische Beute und manchmal auch erhebliche Mengen an Pflanzenmateri al. Beide Wirbeltiergruppen können aufgrund von Magenanalysen als Nahrungsopportunisten bezeichnet werden. Je nach Habitat, Jahreszeit oder dem Alter der Räuber zeigt ihr Speisezettel erhebliche Unterschiede, allerdings können sie nach einer Nahrungsaufnahme auch längere Zeit hungern . Amphibien und Reptilien verharren meist unbeweglich im Habitat und nehmen ihre Beute visuell wahr (Bewegung, Bewegungsrichtung, Beutegröße). Das Meidenlernen von Hummeln und Schwebfliegenmit Hummelmimikry ist bei Kröten nachgewiesen. Auch eine olfaktorische Beuteortung ist vor allem bei aquatischen oder im Boden grabenden Formen weit verbreitet. Auf diese Weise kann die Beute verfolgt werden oder es können unbewegliche Stadien wie Insektenpuppen lokalisiert werden. Beim Beutefang kommen meist verschiedene Sinnesorgane gleichzeitig zum Einsatz. Die Aufnahme der Beute kann bei terrestrischen Amphibien und manchen Reptilien wie den Chamäleons sehr schnell innerhalb von 0,1-0,15 sec mittels einer mehr oder weniger weit ausschleuderbaren Zunge erfolgen, deren Oberfläche mit einem klebrigen Sekret bedeckt ist (Abb. 17-1 E, H). Bei Froschlurchen ist die Zunge im vorderen Mundbodenbereich angewachsen und klappt beim Beutefang mit der Unterseite nach oben, aus dem Maul heraus (Abb. 17-1 F-G) . Die nachtaktiven, unterirdisch lebenden Nasenkröten (Rhinophrynidae) haben sich auf den Verzehr von Ameisen und Termiten spezialisiert. Neben hornigen Grabschaufeln besitzen sie eine hinten am Mundboden festgewachsene, lange Zunge, deren Vorderende sie aus dem Maul herausstrecken können, wobei die Beute von der Zunge umrollt wird. Aquatische Formen erzeugen oft im Mundraum einen Unterdruck, um
An Hechten , Blaufelchen und anderen Süßwasserfischen durchgeführte Untersuchungen belegen, dass deren Beutefanghandlungen angeboren sind. Das Beuteinsekt oder planktische Arthropoden werden vom Jungtier aufgrund des optischen Kontrastes erkannt. Die Jungfische nähern sich der Beute, fixieren diese und schätzen mittels ihres
17.1 Insekten als Nahrungsquelle fürVertebraten und Invertebraten (Prädatoren und Parasitoide)
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Abb. 17-1: Insekten als Nahrungsquelle. A-( Halbschnabelhecht Dermogenys pusillus. A Seitenansicht, B Vergrößerung, ( Ansicht von oben. D Schützenfisch Toxotes. E-H Insektenfang bei (E) Hydromantes (Schleuderzungensalamander), Erdkröte Bufo bufo (F-G) sowie beim Chamäleon (H). I Habitus Großer Ameisenbär (Myrmecophaga). J Ameisenspinne Callilepis beißt Ameise in Fühlerbasis. (A-C nach Frey 1973, D, I nach Storch und Welsch 1997, E-H nach Ziswiler 1976, J nach Foelix 1992)
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H
danach Wasser mit dem darin befindlichen Beuteobjekt einzusaugen. Viele Reptilien werden ihrer Beute durch plötzliches Zuschnappen habhaft. Für manche Schwanzlurche, wie die Schleuderzungensalamander (Abb. 17-1 E), ist die Aufnahme von Ameisen tödlich . Hingegen sind manche tropische Froschlurche auf den Verzehr ganz bestimmter Ameisenarten angewiesen, aus deren Alkaloiden die Frösche offenbar eigene Toxine herstellen. Unter den karnivoren Reptilien haben sich insbesondere Eidechsen, Chamäleons (Abb. 17-1 H), kleinere Schlangen und junge Krokodile auf Insekten spezialisiert.
17.1.1.3 Vögel Die Nahrung der Vögel ist außerordentlich vielseitig, weshalb eine Unterteilung in Karnivore , Herbivore und Omn ivore schwerer fällt, als bei Säugern. Doch stellt das große und vielseitige Angebot an Insekten den Hauptteil der Nahrung bei etwa 120 Vogelfamilien. Spezialisten, die aus-
schließlich Insekten als Beute aufnehmen, sind bei Vögeln eher selten, denn zahlreiche Arten zeichnen sich trotz eines angeborenen Nahrungsschemas durch eine enorme Plastizität hinsichtlich ihrer Nahrungswahl aus. Vorrangig bzw. zum Teil insektenfressende Gruppen bilden beispielsweise die Falconidae (Falken), Coraciidae (Racken), Charadriidae (Regenpfeifer), Cuculidae (Kuckucke), Strigidae (Eulen), Laniidae (Würger), Turdidae (Schmätzer) oder die Paridae (Meisen). Ausschließlich Insekten werden aufgenommen von den Caprimulgidae (Ziegenmelker), Apodidae (Segler), Meropidae (Bienenfresser), Picidae (Spechte), Hirundinidae (Schwalben), Sylviidae (Grasmücken), Certhiidae (Baumläufer) oder den Muscicapidae (Fliegenschnäpper). Während Spechte Insekten und deren Larven unter Baumrinde nachspüren und keine fliegenden Spezies fangen können, fressen die Segler "Luftplankton''. Vor allem für die Vogelarten höherer Breiten und insbesondere für Zugvögel kommen Nahrungsumstellungen im Jahresverlauf und Spezialisierungen auf das jeweils vorhandene Nahrungsangebot hinzu. Dies wird besonders bei in-
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
sektenfressenden Arten deutl ich, deren Nahrungsangebot sich schlagartig ändert, wenn metamorphosebedingt bestimmte Entwicklungsstadien von Insekten plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen. So tritt für den Star nach der Metamorphose bodenbewohnender Tipuliden-Larven plötzlich eine Nahrungsverknappung ein. Unterschiede in der Größe und im Verbreitungsmuster der Beuteinsekten können genauso von Bedeutung sein, wie Unterschiede im Hinblick auf Nahrungspräferenzen, Nahrungsbedarf und Hungerzustand (Körpergröße der Vögel, Aktivitäten, Mauser, Zug oder Kälteperioden). Für die Bildung von Depotfett kommt bei vielen Arten weniger die kohlenhydratreiche pflan zliche Nahrung, als vielmehr fettreiche Insektennahrung in Frage . Nestlingsnahrung besteht häufig zum überwiegenden Teil aus weichhäutigen Insekten, erst allmählich werden andere Objekte zugefüttert. Beispielsweise nehmen Tannenmeisen im Winter in einem Nade lholzbestand etwa alle zwei Sekunden ein Insekt mittlerer Größe auf (ca. 2 mg Trockengewicht/24 sec). In der Vegetationsperiode erhielten Jungtiere Futterobjekte zwischen 2,8 und 4,5 g pro Tag. Zahlreiche Vogeltaxa bevorzugen spezielle Insektengruppen als Beute: KöcherfIiegenlarven (Wasseramsel), Eintagsfliegen (Bachstelzen), Libellen (Würger), Wasserinsekten (Gänse, Enten, kleine Lappentaucherarten, Blässhuhn) , Fliegenmaden in der Haut von Großsäugern (Madenhacker Buphaga) , Wespen und Hummeln (Wespenbussard), Ameisen und Ameisenpuppen (Wendehals), Blattläuse (Finken, Sperlinge, Meisen, Grasmücken u.a.) oder diverse Holzinsekten (Spechte).
Da s Aufspüren der Nahrung erfolgt bei Vögeln vor allem optisch, zum Teil jedoch auch akustisch (Eulen), taktil (Regenpfeifer, Schnepfenvögel) oder olfaktorisch (Kiwis, Entenvögel). Die Effizienz der verschiedenen Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme wird durch die Art und Verteilung der Beuteinsekten stark verändert. Steht ein bestimmtes Insekt für eine gewisse Zeit zur Verfügung, so entwickeln Vögel ein Suchbild, wodurch die Beute besser erkannt und genutzt werden kann. Vielfaltige Anpassungen stehen im Dienste des Nahrungserwerbs und der Präparation der Nahrung, was vor allem beim Vogelschnabel deutlich wird. Insektenfressende Vögel weisen eher schlanke Schnäbel auf. Auf fliegende Insekten spezialisierte Luftjäger (z. B. Falconidae, Glareolidae, Caprimulgidae, Apodidae, Hirundinidae) verfügen über einen breiten Mundspalt, wobei der Hornschnabel weitgehend reduziert ist. Langsamer fliegende Beuteinsekten werden ebenfalls im Flug (Bienenfresser : Meropidae) oder vom Ansitz (z. B. Fliegenschnäpper: Muscicapidae, insektenjagende Singvögel) aus erbeutet. Viele Insekten werden im Sitzen, Laufen oder beim Sprung aufge-
nommen . Das Erbeuten flugunfähiger Entwicklungsstadien von Insekten erfolgt durch Stochern im Substrat, in Spalten oder Löchern , durch das Entfernen von Rindenstücken, das Umwenden von Laub und Steinehen , oder das Absuchen der Baum-, Strauch- oder Krautschicht. Mittels Leimruten- und Harpunenzungen können Spechte vor allem Ameisen und Larvenstadien aus Spalten und Löchern herausholen. Bei der Suche nach Insektennahrung nimmt der Galapagos-Spechtfink (Camerhynchus pallidus) Opuntienstacheln in den Schnabel und stochert nach Insekten. Würger spießen ihre Beuteinsekten auf Stacheln, Zweigspitzen oder klemmen diese ein ("Schlachtbänke ") , Sie können die Beute mit dem Schnabel bearbeiten und so bei Hymenopteren den Stachelapparat entfernen. In den nördlichen Breiten verstecken diverse Meisenarten Puppen von Blattwespen, Raupen von Schmetterlingen und Dipterenlarven unter Rinde, Flechten und ähnlichen Objekten, um diese Vorräte als Winternahrung zu nutzen . Insekten werden häufig durch Aufschlagen auf die Unterlage getötet und anschließend vollständig geschluckt. Bei größeren Spezies wie Schmetterlingen und Libellen werden vor dem Verschlucken meist die Flügel oder Beine abgezwickt. Stark cuticularisierte Beute wird mit dem Schnabel gequetscht, teilweise wird auch nur das Körperinnere herausgefressen (Raupen, Puppen). Bienenfresser streifen das Hinterende stechender Hymenopteren auf der Unterlage ab, um dadurch den Stachelapparat und das Gift zu entfernen.
17.1.1.4 Säuger Insekten bildeten sicher die Hauptnahrung ursprünglicher Säugetiere. Ein Vergleich der Ernährungsbiologie rezenter Säuger ergibt, dass zahlreiche Räuber solitärer Insekten geringe Körpergrößen aufweisen . Hierzu zählen die Monotremata (Kloakentiere), kleine Marsupialia (Beuteltiere), sowie Vertreter der Insectivora (Insektenfresser), Zalambdodonta (Tanrek- u. Goldmullartige) , Macroscelidea (Elefantenspitzmäuse) und zahlre icher Chiroptera (Fledermäuse) . Je nach Art des Räubers werden Insekten im und auf dem Boden, im Süßwasser (v. a. Larven von Wasserinsekten) sowie aus der Luft aufgenommen. Kurzschwanz-Spitzmäuse, deren Nahrung zu 75% aus Insekten besteht, müssen täglich etwa 50% ihres Körpergewichtes an Nahrung aufnehmen. Bei der Etruskerspitzmaus Suncus etruscus entspricht der tägliche Nahrungsbedarf von etwa 2 g sogar dem Körpergewicht. Häufig werden ohne Zögern auch chemisch geschützte Insekten wie Lauf- oder Ölk äfer gefressen, beispielsweise vom
17.1 Insekten als Nahrungsquelle für Vertebraten und Invertebraten (Prädatoren und Parasitoide)
Igel. Bei Massenvermehrungen von Insekten werden größere Mengen von Eichenwicklern durch Eichhörnchen sowie KohieulenfSaateulen durch Riesenfledermäuse vertilgt. Chemisch geschützte Insekten oder mit Gifthaaren bewehrte Raupen werden vor der Aufnahme auf den Untergrund gedrückt. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass Wehrsekrete abgegeben werden und Gifthaare zumindest teilweise verloren gehen. Selbst primär herbivore Säugetiere wie Nager können in den Sommermonaten erhebliche Mengen an Insekten vertilgen. Auch die kleinen Halbaffen ernähren sich überwiegend insektivor (Heuschrecken, Schmetterlinge, Raupen, Fliegen), was bei der Haltung in Gefangenschaft beachtet werden muss. Höhere Primaten nehmen Insekten (insbesondere Ameisen) gelegentlich auf. Selbst zahlreiche größere Arten wie Hyänen (Coyote) konsumieren große Mengen von Heuschrecken und Käfern. Insektenfressende Säuger sind häufig nachtaktiv und orientieren sich geruchlieh oder mittels Ultraschall (s. 17.2.2.1), ganz im Gegensatz zu den meist tagaktiven, sich überwiegend optisch orientierenden Vögeln. Auf soziale Insekten (insbes . Ameisen, Termiten) spezialisierte Räuber sind relativ groß. Ihre winzigen , meist jedoch wehrhaften Beutetiere werden nicht einzeln mit den Zähnen ergriffen, sondern mit langen, außerordentlich beweglichen und ausstreckbaren Klebezungen in großen Mengen aufgenommen. Dies ist bei den auf warme Zonen der Erde beschränkten Ameisenbären (Myrmecophagidae in S-Amerika, Abb. 17-1 I), Ameisenigeln (Tachyglossidae, austral. Region) , Ameisenbeutlern (Myrmecobiidae, australische Region), den Schuppentieren (Pholidota, Afrika, Südostasien), Erdferkeln (Tubulidentata, Afrika) und den meisten Vertretern der Xenarthra (Nebengelenktiere) der Fall. Derartige Spezies entwickelten konvergent lange Röhrenschnauzen, vergrößerte Speicheldrüsen mit klebrigem Speichel und bildeten ihre Zähne mehr oder weniger zurück. Hinzu kommen muskulöse Kaumägen sowie Vorderfüße mit kräftigen Grabklauen, mit deren Hilfe Termitenhügel aufgebrochen werden . Verschiedene Säuger nehmen überdies gerne die Brut von Wespen und Bienen auf und sind besonders auch an Honig interessiert. Der Fuchs zeigt dieses Verhalten insbesondere bei niederen Außentemperaturen, bei denen diese wehrhaften Insekten inaktiv sind.
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17.1.2 Arthropoden als Insektenfresser Hier sind vornehmlich die Gruppen der Araneida (Spinnentiere), Myriapoda (Tausendfüßler) und diverse Insekten (v.a. Ameisen, Termiten, s. Kap. 14, Kap . 16) zu nennen. Außerdem kann man Parasitoide als Insektenfresser auffassen (s. Kap. 16). Hinsichtlich ihres Nahrungsspektrums können die meisten Spinnen als Generalisten bezeichnet werden . Als Beutetiere kommen für Spinnen in erster Linie Fliegen und Collembolen (Springschwänze insbes. für Jungspinnen) aber auch Käfer, Heuschrecken und Schmetterlinge in Betracht. Hingegen werden chemisch geschützte Wanzen, Ameisen, Wespen, Käfer, Schmetterlinge und deren Raupen zumeist gemieden. Einige in der Hämolymphe von Insekten enthaltene Toxine wie die aus Pflanzen aufgenommenen Pyrrolizidinalkaloide oder das von Kurzflüglern der Gattung Paederus synthetisierte Pederin zeichnen sich durch eine spezifische fraßhemmende Wirkung auf Spinnen aus. Je nach Lebensraum und Populationsdichte der betreffenden Spinnenart können dabei bis zu 48000 kg Insekten pro Hektar gefangen werden. Andererseits passen sich viele Spinnen sehr gut an das gerade verfügbare Nahrungsangebot an und überstehen auch mehrmonatige Fastenzeiten ohne Schaden. Hinsichtlich des Beutefangverhaltens können Spinnen in sesshafte Netzspinnen und wandernde Jagdspinnen unterteilt werden, wobei beide Gruppen fast ausschließlich lebende Beute annehmen. Die Fanghandlung kann in folgende Phasen unterteilt werden: 1. Lokalisation der Beute mittels Mechanorezeptoren, 2. Zuwendung und Ergreifen der Beute (Vorderbeine), 3. Immobilisierung der Beute durch Biss mit den Cheliceren und Giftinjektion. Das Gift wirkt bei zahlreichen Insekten erst nach mehreren Minuten, 4. Überziehen der nun bewegungslosen Beute mit Spinnfäden, 5. Fressakt und gegebenenfalls 6. Abtransport der Beute. Bei Netz.~pinnen kann das Einspinnen auch zur direkten Uberwältigung des Beuteinsekts genutzt werden, bevor die Beute gebissen wird . Zahlreiche Spinnenarten setzen recht ungewöhnliche Fangmethoden ein, um der Insekten habhaft zu werden. Bola- oder Lassospinnen erzeugen einen kurzen Faden mit einem Leimtropfen am Ende und bewerfen damit anfliegende Männchen bestimmter Nachtfalter. Verblüffenderweise produzieren diese Spinnen Sexualpheromone bestimmter weiblicher Nachtfalter und locken damit in den Nachtstunden gezielt die männlichen Falter an (aggressive Mimikry, s. 17.2.1.3), um diesedanach zu verspeisen. Die australische Käscherspinne Dinop is wirft ihr zwischen den Vorderbeinen erzeugtes Fangnetz wie einen Käscher über fliegende und bodenlebende Insekten, die optisch oder aufgrund von Vibrationsreizen 10-
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17 Insekten als Nahrungsquelle. Abwehrmechanismen
kalisiert werden. Präzise und rasch ablaufende Fanghandlungen wurden bei Ameisenspinnen (Zodariidae) der Gattung Callilepis beschrieben (Abb. 17-1 J). Diese Arten dringen in Ameisennester ein, ertasten mit ihren Vorderbeinen die Fühlereinlenkung am Kopf der Ameise, beißen blitzartig in die Fühlerbasis, um sich danach für kurze Zeit zurückzuziehen. Danach wird die gelähmte Ameise gepackt und in einem Versteck der Spinne ausgesogen. OlTenbar ist das Fangverhalten von Callilepsis angeboren, denn die Fühlerbasis der Ameise stellt den Schlüsselreiz für die Auslösung des Bisses dar. Obwohl das Beutefangverhalten der Ameisenspinnen als gute Anpassung an eine wehrhafte Beute aufgefasstwerden kann, so birgt diese Lebensweise auch zahlreiche Gefahren, da erwachsene Ameisenjäger nach den zahlreichen Kämpfen mit ihren aggressiven Beutetieren seiten über ihr vollständiges Inventar von acht Laufbeinen verfügen.
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten Die enorme Vielfalt der bei Insekten entwickelten Abwehrmechanismen gegen Räuber und Parasitoide kann nach unterschiedlichen Gesichtspunkten geordnet werden. Beispielsweise können morphologische und chemische Anpassungen sowie spezielle Verhaltensweisen der Beute unterschieden werden. Die nachfolgende Gliederung der Abwehrmechanismen von Insekten berücksichtigt in erster Linie die bereits genannten fünf Verhaltenssequenzen bei Räuber-Beute-Interaktionen (s. 17.1). Es ist folglich bedeutsam, auf welcher Stufe dieser Wechselbeziehungen die zu beobachtenden primären und sekundären Abwehrmechanismen der Insekten zum Ein satz kommen. Eine Vielzahl der beobachteten Phänomene lässt sich eindeutig einer Kategorie zuordnen, es existieren aber au ch Abwehrmechanismen, welche nicht eindeutig zu einem Abwehrtyp gehören oder gleichzeitig mehreren Kategorien zuzuordnen sind. Man kann generell davon ausgehen, dass primäre (passive) Abwehrmechanismen, wie beispielsweise eine Tarnfarbe energetisch weniger kostspielig sein dürften, als sekundäre (aktive) Abwehrmechanismen. So muss ein Reservoir einer Wehrdrüse nach massiver Reizung des In sektes zuerst wieder mit Wehrsekret gefüllt werden.
17.2.1 Primäre Abwehrmechanismen (passive Abwehr) Primäre Abwehrmechanismen sind schon wirksam, bevor ein Feind (Räuber, Parasitoid) angreift . Da sie unabhängig von der Anwesenheit
eines potenziellen Gegenspielers sind, können sie auch als passive Abwehr bezeichnet werden. Hierunter fallen alle Verhaltensweisen, die zur Folge haben, dass die Beute oder der Wirt schlecht aufgespürt werden kann bzw. dessen Wahrnehmbarkeit reduziert ist. Insekten mit versteckter Lebensweise, wie z. B. im Boden lebende Ameisenlöwen, B1attminierer, Stengelbohrer oder Gallbildner können sich dem Zugriff ihrer Gegenspieler entziehen . Auch Insekteneier, welche im Boden, in pflanzlichen oder tierischen Geweben sowie unter anderen Gegenständen versteckt sind, oder mit einem klebrigen oder aushärtenden Sekret des Weibchens bedeckt werden (z. B. Gelege von Gottesanbeterinnen oder von Blattkäfern der Gattung Galeruca), gehören in diese Kategorie. Obwohl viele Räuber und Parasitoide an den jeweiligen Fraßpflanzen ihrer Beute- bzw. Wirtsinsekten suchen, führen schon einfache Maßnahmen der Zielinsekten zu einem selteneren Kontakt mit ihren Räubern und Parasitoiden. Hierzu gehört die weiträumige Verteilung der Eier, denn weibliche Schmetterlinge deponieren ihre Eier häufig nicht direkt auf der Fraßptlanze ihrer Larven, sondern eher in deren Nachbarschaft. Auch manche Stabheuschrecken sind in der Lage, ihre Eier durch Wegschießen zu verteilen. In das Kapitel .Kontaktvermeidung" fällt auch das Abwandern der auf der Fraßptlanze kurzzeitig geklumpt vorhandenen Raupen, deren weiträumige Verteilung und anschließendeVerpuppung. Kotansammlungen und Fraßspuren von Lepidopterenraupen stellen für den SchmetterJingssammler und somit sicherlich auch für andere, visuell jagende Räuber oder olfaktorisch orientierte Parasitoide wichtige Schlüsselmerkmale dar. Ihre Anwesenheit verbergen viele Raupen nun dadurch, indem sie Ptlanzenteile nur partiell befressen und ihren Kot durch Fallenlassen oder Wegschießen (z. B. bis zu I m Entfernung bei den Hesperiidae)beseitigen. Unter dem ÜberbegrilT der primären Abwehr müssten auch die Seltenheit oder das zeitliche Ausweichen einer Beutetierspezies diskutiert werden. Nach der Entdeckung des Beuteinsektes durch den Räuber können primäre Abwehrmechanismen dem Prädator andererseits jedoch auch anzeigen, dass die Beute ungeniessbar ist (Aposematismus, s. 17.2.1.2).
17.2.1.1 Tarnung (Krypsis und Mimese) Stimmen Insekten in Farbe, Form oder auch geruchlieh mit dem Allgemeinbild ihrer Umgebung bzw. dem Umgebungsgeruch überein, so wird dies als Krypsis bzw. Eukrypsis (visuell : Umgebungstracht) bezeichnet. Selbstverständlich hängt der Erfolg der Krypsis immer von der Empfindlichkeit des Sinnesapparates des jeweiligen Zielorganismus ab. Eine täuschende Ähnlichkeit eines Insektes mit unbeweglichen, zum Teil leblosen Objekten (z. B. Steine), Pflanzenteilen (z. B. Zweige, Blätter) oder tierischen Objekten (Kot) wird unter dem Begriff
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
Mimese zusammengefasst. Handelt es sich bei den nachgeahmten Objekten um Organismen oder Teile von Organismen, so liegt streng genommen Mimikry vor (s. 17.2.1.3). Kryptische Färbungen sind bei Insekten außerordentlich weit verbreitet. Entsprechend dem jeweiligen Untergrund (frisches bzw. welkendes Pflanzenmaterial wie Blätter oder Gräser, Rinde, Bodenoberfläche) sind viele Heuschrecken, Gespenstschrecken, Gottesanbeterinnen oder Raupen von Schmetterlingen eher grünlich, gelblich oder braun gefärbt, bzw. weisen Mischfarben auf. Auch Durchsichtigkeit des Körpers, wie Transparenz bei Eiern von Pyraliden (Zünsler) oder bei Körperanhängen von Schmetterlingen, z. B. Callitaera menander führt dazu, dass sich diese Formen nicht vom Untergrund abheben. Kryptische Färbungen finden sich auch bei aquatischen Insekten. Larven der Wasserzikade Arctocorisa distineta können sich in exzellenter Weise an die Gewässerfarbe bzw. Färbung des Untergrundes anpassen. Die farbliehe Anpassung wird jeweils kurz vor der Häutung determiniert und schützt die Wasserwanzen vor räuberischen Fischen . Die durchsichtigen, planktischen Larven der Mückengattung Chaoborus (= Corethra) sind durch auffällige, luftgefüllte Tracheenblasen im Thorax und im Abdomen charakterisiert. Auf hellem Untergrund sind diese Tracheenblasen von kontrahierten, Iarbstoftbaltigen Zellen, den ommochromhaltigen Chromatocyten bedeckt (Abb. 17-2 A). Auf dunklem Untergrund sind die luftgefüllten Tracheenblasen der transparenten Larven hingegen nicht mehr auffallend glänzend, denn die Chromatocyten strecken sich und bedecken die nunmehr dunklen Tracheenblasen (Abb. 17-2 B; s. 6.5). Durch eine Gestaltsauflösung (Somatolyse) wird der Körperumriss vieler Insekten noch undeutlicher (Körperanhänge, Körperzeichnung etc.), sodass die Tiere mit ihrer Umgebung regelrecht verschmelzen . Auch stellen sich manche Insekten bei der Nahrungsaufnahme so zur Sonne ein, dass sie möglichst keinen Schatten werfen. Dieser Effekt kann durch das Prinzip der Gegenschattierung noch verstärkt werden . Von der Sonne beschienene, dreidimensionale Objekte erscheinen flacher, wenn die dem Licht zugewandte Seite dunkler ist, als die liehtabgewandte Seite, wodurch der Schattenwurf aufgehoben wird. Ein Beispiel ist der Wasserläufer Gerris. Bei Raupen von Schmetterlingen mit häufig dunkler Oberund heller Unterseite kann dieser Effekt durch kontrastreiche Längslinien oder durch seitliche Behaarung noch verstärkt werden . Bei der Raupe des Abendpfauenauges Smerinthus ocellata ist dagegen die Körperoberseite im Vergleich zur Unterseite hell gefärbt, denn das Tier verharrt normalerweise mit nach oben gekehrter Körperunterseite an Weidenzweigen.
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Besonders häufig ahmen Insekten unbewegliche, nicht essbare Objekte nach (Mimese). Dabei muss oft zusätzlich der farblieh passende Untergrund aktiv aufgesucht werden . Unter der Vielzahl nachgeahmter Objekte sind folgende vorrangig zu nennen : • Zweige, Stöcke und Dornen : Solche Objekte werden vor vor allem von Spannerraupen (Abb. 17-2 C), Stabheuschrecken oder Gottesanbeterinnen nachgeahmt, weIehe ihren Körper in Ruhehaltung in einem bestimmtem Winkel zur Unterlage bringen. Überdies weisen viele Arten Schwellungen und Zeichnungen auf, die an Knospen und Blattnarben erinnern. Bestimmte Zikaden (vor allem Membraciden) können Pflanzendornen ähneln. • Grüne oder welke Blätter: Viele tropische Schmetterlinge, Gespenstschrecken, Heuschrecken oder Fangschrecken ähneln grünen oder verfärbten braunen Blättern (Abb. 17-2 D). Zusätzlich erfolgt häufig eine Verlagerung der dunkleren randständigen Flügeladem, wie der Subcostal- oder Radialader, in Richtung der Fl ügelmitte. d. h. nach der Mitte der .Btatttläche" . Gegebenenfalls können Blätter mit Mittelrippe und Blattadern auch durch Zeichnungselemente hervorgerufen werden (Abb . 17-2 E-G). Häufig wird nur durch die Unterseite der Flügel eine Blattfärbung nachgeahmt, die Oberseite ist hingegen auffällig gefärbt (Abb. 17-2 E-G) . Zusätzlich können beim Schmetterling Kallima paralecta die ausgezogenen Vorder- und Hinterflügel eine Blattspitze bzw. einen Blattstiel vortäuschen. Bei einigen Arten aus der Kallima-Verwandtschaft konnte kürzlich auf der Außenseite der in Ruhe zusammengeklappten Flügel sogar eine puppenimitierende Zeichnung festgestellt werden. Zudem kann eine Blattähnlichkeit bei Insekten durch weißliche Flecken (Pilzbefall), gitterartige Fensterbildungen (bakterieller Blattzerfall) oder randliehe Kerben (Fraßspuren herbivorer Insekten) noch verstärkt werden (Abb. 17-2 H). • Gras und Nadeln: Insbesondere tropische Heuschrecken oder Gottesanbeterinnen können Grashalme unterschiedlichster Färbung nachahmen. Nadelfresser wie die Jungraupen des Kiefernschwärmers, bestimmte Blattwespenlarven oder Blattläuse wie z. B. die Grüne Tannenhoniglaus Buehneria peetinatae (Abb. 17-2 M) ahmen durch grüne Körperfärbung und weiße bewachste Längsstreifen in hervorragender Weise Nadeln nach . Durch ihre Ruhehaltung parallel zu den Nadeln wird die Tarnung erst optimal. • Rinde und Flechten: Sowohl die Falter von Geometriden, Noctuiden (z. B. Flechteneulen) oder Notodontiden (Abb. 17-2 I) als auch deren Raupen können perfekt auf der Rindenoberfläche oder auf Flechten getarnt sein. Entsprechendes gilt für bestimmte Rüsselkäfer, wie z. B. Lithinus, Fangschrecken oder Rindenwanzen . Bei letzteren wird die Rindenmimese noch durch die abgeflachte Gestalt verbessert. Blüten und Blütenstände: Manche Zikaden (Flatidae z. B. Ityraea) täuschen einzelne Blüten und sogar Blütenstände vor, indem mehrere Individuen in charakteristischer Haltung auf einem Pflanzenteil sitzen (Abb. 17-2 0). Die Zikade Ityraea nigrocineta kann sogar in gelben und grünen Morphen vorkommen,
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
welche gemischt auf Pflanzenstängeln sitzen und Einzelblüten unterschiedlichen Alters nachahmen. Auch können bestimmte blütenfressende Schmetterlingsraupen wie z. B. Geometriden Blütenfarben aufweisen. Eine große Zahl insektivorer Fangschreckenarten zeigt morphologische (z. B. blattartig verbreiterte Coxen) und farbliehe Ähnlichkeiten mit diversen Blüten, oder
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kann sich sogar selbst in Orchideenblüten aufhalten. Diese Blütenmimese geht häufig in eine aggressive Mimikry über, zumal blütenbesuchende Insekten dabei erbeutet werden können . • Pflanzensamen: Eier bestimmter Phasmida (Abb. 17-2 J; 25-17 E), Saturniidae, Tettigoniidae oder ostafrikanischer Schwarzkäfer (Cos syphus) weisen enorme Ähn-
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
•
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lichkeiten mit Pflanzensamen auf. So sind Botaniker meist nicht in der Lage, solche Insekteneier von Pflanzensamen zu unterscheiden . Man geht davon aus, dass derartige Eier auch von insektenfressenden Vögeln nicht als Beuteobjekt erkannt werden. Vermutlich wird ein Großteil dieser Eier dagegen von samenfressenden Vögeln verspeist, passiert deren Darmtrakt ohne Schaden und wird mit dem Kot ausgeschieden. Dadurch ist die Verbreitung dieser Eier gesichert, denn Gespenstschrecken sind meist flügellos und zeichnen sich durch eine parthenogenetische Vermehrung aus. Die Passage des Vogel-Darmtraktes dürfte aufgrund der stabilen Eischale, die Proteine und Calciumoxalat enthält, ermöglicht werden. Parasitierte Insekteneier: Eier mancher Schmetterlinge, v. a. Automeris (Saturniidae) besitzen eine dunkel gefärbte Mikropylenregion und ähneln dadurch Eiern, aus welchen bereits Parasitoide geschlüpft sind. Kot: Recht häufig ahmen jüngere Stadien von Schmetterlingsraupen (z. B. Papilio, Oxytenis, Polygonia c-album, Acronicta alni) Vogelkot nach (Abb. 17-2 K). Solche schwarz-weiß gefärbten Jungraupen zeigen oft eine krumme Ruhehaltung. sind tagsüber inaktiv und fressen bei Nacht. Interessanterweise weisen spätere Entwicklungsstadien dieser Arten häufig eine andere Farbe auf, das heißt sie sind kryptisch oder aposematisch gefärbt. Bei adulten Insekten findet sich Vogelkotmimese bei manchen Geometriden oder auch Rüsselkäfern der Gattung Mescalcidodes. Oft wird Insektenkot selbst dazu verwendet, um Insekteneier (Blattkäfer Clytra, Cryptocephalus) oder Insektenlarven (Blattkäferlarven Cassida, Abb, 17-2 N Crioceris) in effektiver Weise zu tarnen oder vor Räubern zu schützen . Steine und Sand: Viele Insekten sind in hervorragender Weise farblieh an den steinigen bzw. sandigen Untergrund ihres Lebensraumes angepasst. Beispielsweise gilt dies für verschiedenste Arten von Feldheuschrecken (Abb. 17-2 L) aber auch für gelb-schwarz gesprenkelte Wasserkäfer, welche sich auf dem kiesigen, hell-dunkel gefärbten Grund schnellfließender Bäche aufhalten .
Aktive Tarnung: Eine aktive Tarnung (Maskierung) und ein Verstecken kann bei zahlreichen Insektentaxa beobachtet werden. Einerseits kann dies über eine Leimabgabe mit anschließendem Sandüberzug auf der Körperoberseite erfolgen (Wasserkäfer Helophorus , Larven von Ameisenlöwen), Andererseits ist eine Tarnung mithilfe von
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selbstgefertigten Gehäusen bei Köcherfliegen, Sackträgermotten (Psychidae, Abb. 17-5 B, C) und Raupen von Pyraliden, oder ein Verbergen inmitten schaumhaitigen Kotes bei Schaumzikaden anzutreffen . Krypsis/Mimese und deren Effektivität
Bei den für das menschliche Auge getarnten Insekten muss angenommen werden, dass sich diese Art der Tarnung insbesondere auch gegen visuell orientierende Insektenfresser richtet. Bei Versuchen mit Blauhähern und auf Baumstümpfen sitzenden Nachtfaltern der Gattung Catocala (Abb. 17-3 A) zeigt sich, dass Krypsis (geringer Auffälligkeitsgrad) immer mit einer erhöhten Angriffszeit einhergeht. Der selektive Vorteil dieses Phänomens wurde in mehreren Räuber-Beute-Experimenten mit grünen und braunen Morphen der Beute sowie eines Räubers unter Beweis gestellt (Mantis religiosaNögel, Feldheuschrecke Acrida turritaIChamäleon). So wurden auf grünem Untergrund erheblich weniger grüne als gelbe Morphen einer Heuschrecke vom Chamäleon vertilgt und umgekehrt . Allerdings ergeben sich auch für kryptische und mimetische Insekten zahlreiche Probleme. • Um nicht von visuell jagenden, auf Bewegungen ihrer Beute reagierenden Prädatoren oder Parasitoiden entdeckt zu werden, müssen diese Insekten, zumindest tagsüber, unbeweglich im Habitat verharren. Folglich können sie während dieser Zeit keine Nahrung aufnehmen und sich auch nicht fortpflanzen . Gleichzeitig sind sie jenen Prädatoren und Parasitoiden nahezu schutzlos ausgeliefert, welche ihre Zielorganismen mittels ihrer Chemorezeptoren lokalisieren. • Ein weiteres Problem ergibt sich bei hohen Populationsdichten kryptischer und mimetischer Spezies. Während Meisen solche Insekten bei niedriger Dichte meist übersehen , werden derartige Beutetiere bei höherer Dichte wiederholt zufällig aufgesammelt und die Vögel lernen, auch solche getarnten Insekten rasch zu entdecken. Solche Wahrnehmungsänderungen
<1 Abb. 17-2: Tarnung bei Insekten. A, B Larven von Chaoborus
(= Corethra) mit Tracheenblasen, welche von kontrahierten (A. heller Untergrund) oder von expandierten (B. dunkler Untergrund) Chromatocyten bedeckt sind. Czweigähnliche Spannerraupe. D blattähnliche Laubheuschrecke Mimetica mortuifolia aus Südamerika (Pseudophyllidae). E-G Färbung der Flügelunterseite (E) und Oberseite (F) sowie Verlauf der Flügeladern (G) beim südostasiatischen Blattschmetterling Kallima. H Habitus des südamerikanischen Schmetterlings Draconia rusina mit .Fraßspuren" und Blattzerfall mimenden .Fensterbildunqeri"! Mondfleck (Phalera bucephala) in Ruhestellung auf flechten bewachsenem Ast. J Ei der Stabheuschrecke Phyllium pulchrifolium ähnelt Pflanzensamen. K 2. Larvenstadium des Schwalbenschwanzes Papilio xuthus ähnelt Vogelkot. L An den steinigen Untergrund angepasste Feldheuschrecke. M Nadelmimese der grünen Tannenhoniglaus Buchneria peetinatae. NTarnung durch Kotschicht bei Blattkäferlarve aus der Unterfamilie der Cassidinae. 0 Zikaden der Gattung Ityraea sitzen in charakteristischer Haltung an Pflanzenstengel und täuschen Blütenstand vor. (A B nach Hoffmann 1985, C nach Jacobs und Renner 1988, D, 0 nach Kaestner 1973, E-I nach Portmann 1956, J nach Beier 1968, K nach Sbordoni und Forestiero 1984, L nach Britz 1984, M nach Kloft 1978, N nach Csiro 1979)
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17 Insekten als Nahrungsquelle. Abwehrmechanismen
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Abb. 17-3: Wirksamkeit von Krypsis. Mimese undWarnsignalen. A Angriffszeit von Blauhähern aufNachtfalter der Gattung Catocala in Abhängigkeit von deren Auffälligkeitsgrad B Kumulative Anzahl der durch Hühnerküken aufgenommenen, auffälliger (blaues Futter) und kryptischer (grünes Futter) Beutestückchen vor grünem Hintergrund. Beide Typen von Beutetieren wurden vor Versuchsbeginn mitChininsulfat und Senfpulver vergällt. C Links: Prozentuale Anzahl der Angriffe von Parus major/Po ater auf gelbe (helle Säulen) und grüne (längsgestreifte Säulen) Bupalus pinaria - Raupen, präsentiert auf grünen Kiefernadeln, links: vor Konditionierung, rechts: nach Konditionierung mit grünen Raupen, Mitte: Anzahl der Angriffe der Krabbenspinne Xysticus auf genetisch gelbe (helle Säule) und grüne (längsgestreifte Säule), phänotypisch identisch gefärbte L1-Larven des Kiefernspanners. Rechts: Anzahl der Angriffe von Vespula vulgaris auf gelbe (helle Säulen) bzw. grüne (längsgestreifte Säulen) Larven des Kiefernspanners (die Prozentzahlen sind unten angegeben). (Anach Endler 1986, Bnach Krebs und Davies 1996, Cnach Edmunds 1974)
beim Räuber werden als Suchbilder bezeichnet. Sie können vom Beuteinsekt primär durch "Kontaktminderung" (s. 17.2.1), d.h. durch Verringerung der Populationsdichte minimiert werden, denn der Räuber erhält dann kaum eine
Gelegenheit, sich ein getarntes Beuteinsekt einzuprägen . Häufig wird das Gefressenwerden kryptischer Insekten bei visuell jagenden und lernfähigen Räubern durch einen farbliehen Polymorphismus der Insekten verhindert. Hat ein
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
Räuber ein bestimmtes Suchbild entwickelt, so übersieht er nämlich mit ho her Wahrscheinlichkeit abweichend gefärbte Tiere. Beispielsweise sind die Jungraupen des Kiefernspanners (Bupalus pinaria) einheitlich grün gefärbt, ab dem 3. Larvenstadium tritt jedoch, genetisch bedingt, eine grüne und eine seltene gelbe (bis zu 2,5% der Individuen) Morphe auf. Eine auf Konfrontationsversuchen mit drei Räuberspezies basierende Untersuchung hat ergeben, dass diese jeweils unterschiedliche Typen von Larven des Kiefernspanners als Beute bevorzugen (Abb, 17-3 C). Meisen nehmen auf grüner Unterlage vorzugsweise Raupen der gelben Morphe auf. Werden die Vögel hingegen vorher auf grüne Raupen konditioniert, so werden im nachfolgenden Konfrontationsversuch nach Ausbildung eines Suchbildes eindeutig grüne Raupen des Kiefernspanners auf grünen Nadeln bevorzugt. Hingegen zieht die auf bewegliche Beutetiere spezialisierte Krabbenspinne Xysticus sp. eindeutig die ersten, grün gefärbten Larvenstadien der genetisch gelben Raupen vor, welche anschließend bis zum 3. Larvenstadium weitergezüchtet werden müssen, damit ermittelt werden kann, welche genetische Morphe im Konfrontationsversuch eingesetzt wurde (s. Abb. 17·3 C). Die genetisch gelbe Junglarve wird offenbar wegen ihrer im Vergleich zur genetisch grünen Junglarve höheren Beweglichkeit von der Spinne bevorzugt. Die Wespe Vespula vulgaris bevorzugt grüne Larven des Kiefernspanners. Allerdings landet sie vorzugsweise auf Zweigen, welche vorher mit der Hämolymphe genetisch grüner Raupen behandelt worden waren (Abb. 17-3 C). Hierdurch wird deutlich, dass Vespula sich eher olfaktorisch orientiert und offenbar flüchtige Inhaltsstoffe der grünen Raupenmorphe favorisiert. Diese Untersuchung verdeutlicht, dass Raupen des Kiefernspanners durch ihre Farbe vor Vögeln geschützt sind. Im Hinblick auf andere Prädatoren sind allerdings auch das Verhalten (Beweglichkeit) und der Geruch der Raupen von Bedeutung. • Kryptische und mimetische Insekten passen ihre Farbe dem Untergrund eines bestimmten Habitates an (Tarnfarbe) . Diese Anpassungsfähigkeit ist in der Regel an das Vorhandensein bestimmter Farbstoffe (Pigmentfarben) gebunden oder beruht auf physikalischen Effekten (Strukturfarben) bzw. auf unterschiedlichen Maskierungen (s. 1.4). Im letzten Fall werden aktiv oder mittels Klebstoffen Sand-, Boden-, Pflanzenund Beuteteile auf die Körperoberfläche gebracht (Wasserkäfer der Gattung Helophorus ; Ameisenlöwen; Libellenlarven; südostasiatische Rüsselkäfer mit Flechtenbewuchs; Raubwanze Acanthaspis mit Exuvien von Beutetieren). Die Wahrnehmung der Umgebungsfarbe durch die genetisch polymorphen Insektenpopulationen kann letztlich dazu führen, dass allmählich die passende genetische Farbrasse zur Ausbildung kommt. Derartige Veränderungen der Körperfarbe beruhen entweder auf der Neubildung von
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Pigmenten (besonders von einem zum nächsten Entwicklungsstadium) oder aber auf Pigmentverschiebungen. Beim raschen Ortswechsel sind Insekten gezwungen, eine farbliehe Übereinstimmung mit dem neuen Untergrund herzustellen. Dies erfolgt aufgrund von Bewegungen bestimmter Pigmente in Chromatophoren und wird als physiologischer oder temporärer Farbwechsel bezeichnet (z. B. bei Stabheuschrecken oder bei Chaoborus; s. 1.4.5). Farbliehe Anpassungen an einen neuen Untergrund erfolgen in der Regel sehr viel langsamer (morphologischer oder permanenter Farbwechsel) und treten zumeist von einer Häutung zur nächsten auf. Hierbei wird die hormonell gesteuerte Ausbildung unterschiedlich gefärbter Morphen durch Außenfaktoren wie Licht, Feuchte oder die Nahrung induziert. Durch Umweltfaktoren induzierter Polymorphismus wird häufig bei Puppen von Schmetterlingen (z. B. Pieridae), bei Fangschrecken, Heuschrecken oder bei Heuschreckeneiern beobachtet. Je nach den kurz vor der Verpuppung herrschenden Umweltbedingungen sind derartige Puppen entweder grünlich oder bräunlich gefärbt. Grüne Heuschreckenlarven von Acrida turrita wechseln bei der folgenden Häutung ihre Farbe und sind braun, wenn man sie vor der Häutung auf gelben Untergrund setzt. Auch während eines Entwicklungsstadiums kann bei Heuschrecken eine braune Verfärbung eintreten, falls die Tiere vermehrt Nahrung mit geringem Wassergehalt aufnehmen oder bei niedriger Luftfeuchte gehalten werden. Bemerkenswert ist die Ursache des Polymorphismus bei der Spannerraupe von Nemoria arizonaria (s. Abb. 1-26). Während eine Generation sich in Eichenblüten aufhält, dort Nahrung aufnimmt und entsprechend gelb gefärbt ist (Eichenblütenmimikry), lebt die andere, eher grau gefärbte Generation der Raupen auf Zweigen und ernährt sich von Eichenblättern (Zweigmimikry). Das unterschiedliche Aussehen beider Generationen wird nicht durch Temperatur, Photoperiode oder Feuchtigkeit, sondern durch Pflanzeninhaltsstoffe gesteuert. Während proteinreiche Pollennahrung zu gelben Raupen führt, sorgen erhöhte Gerbstoff- und Fasergehalte in den Eichenblättern für die Ausbildung grauer Nemoria-Raupen . Durch die Selektion der Räuber würden jene Insekten sofort eliminiert, welche sich nach einem Ortswechsel nicht im farblieh überstimmenden Habitat einfinden. Im Experiment wählen zahlreiche kryptische Spezies tatsächlich auch jenen Untergrund aus, auf dem sie am besten getarnt sind. Dieses Verhalten zeigen auch verschiedene Morphen einer Spezies, wie z. B. die helle und die melanistische Form des Birkenspanners (Bis-
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
ton betulariai, wenn diese zwischen unterschiedlichem Untergrund auswählen können . Bislang ist ungeklärt, ob diese Fähigkeit genetisch fixiert ist oder ob die Insekten ihre eigene Farbe mit der des Untergrundes vergleichen können. Da die Färbung eines Insektes häufig auch durch Umweltfaktoren bestimmt wird, scheiden hier angeborene Präferenzen für bestimmte Farben bei der Wahl des Untergrundes aus. Grüne und braune Morphen der afrikanischen Gottesanbeterin Miomantis paykullii bevorzugen im Wahlexperiment jeweils den farblieh entsprechenden Untergrund. Wird die hintere Hälfte der Augenkalotte geschwärzt, so bevorzugen grüne Morphen plötzlich braune Unterlagen. Möglicherweise vergleichen die Tiere ihre eigenen Farbe mit der des Untergrundes und können die Eigenfarbe bei partieller Schwärzung der Hinterregion ihres Facettenauges nicht mehr wahrnehmen. Da nach einer Schwärzung der vorderen Augenkalotte nach wie vor die Farbe grün bevorzugt wird, ist derzeit noch unklar, auf welchem Mechanismus die Wahl eines passenden Untergrundes durch kryptische Insekten beruht. Häufig ist ein zu beobachtender Polymorphismus allerdings genetisch bedingt. • Der angesprochene Ortswechsel kann selbst auf kleinstem Raum für getarnte Insekten zum Problem werden, wenn diese, wie der zugehörige Untergrund ein charakteristisches Streifenmuster oder unterschiedlich angeordnete Pigmente aufweisen (s. Abb. 17-2 M). Die Tiere müssen sich folglich in der Weise auf der Unterlage platzieren, dass ihr Farbmuster genau mit dem farbliehen Untergrund des Habitats übereinstimmt, anderenfalls wären diese Insekten nicht mehr kryptisch und würden von Räubern sofort erkannt. Man nimmt an, dass die optimale kleinflächige Ausrichtung solcher Insekten auf der Unterlage genetisch fixiert ist, oder durch taktile und visuelle Reize erfolgt. Der nordamerikanische Nachtfalter Rhododipsa masoni mit roten Flügeln und gelbem Vorderende hält sich längere Zeit zur Aufnahme von Nektar in exponierter Weise auf Blüten von Gaillardia aristata auf. Diese Blüten sind durch gelbe Hüllblätter sowie eine innen gelb und peripher rote gefärbte Zentralblüte charakterisiert. Die Falter sind folglich nur dann farblieh optimal getarnt, wenn sie sich radial zur Blüte platzieren und ihr Vorderende entweder in Richtung Hüllblätter oder zur gelben Zentralregion der Blüte hin ausrichten. Tatsächlich findet sich der überwiegende Teil der Falter im Freiland in der erwarteten Position. Es kommt hinzu, dass nur die roten Blütenteile Nektar liefern und die gelben Hüllblätter nicht stabil genug sind, die Falter zu tragen. In der Regel passt sich ein Insekt seiner Umgebung an, in Ausnahmefällen kann das Tier seine Umgebung auch an sich selbst anpassen . So sind bestimmte südamerikanische Raupen in der Lage, größere Blattstücke an Fäden neben sich aufzuhängen.
17.2.1.2 Warnsignale wie z. B. Warnfarben (Aposematismus); gregäres Verhalten Giftige, unangenehm schmeckende oder mit Stachelapparat versehene Insekten (insbesondere Larven und Imagines) verfügen über wirksame sekundäre Abwehrmechanismen. Im Gegensatz zu kryptischen Arten weisen solche Spezies als primäre Abwehr oft zusätzlich eine Warnfarbe (aposematische Färbung) auf oder produzieren Warngerüche bzw. Warngeräusche. Letztlich werden derartige Insekten unmittelbar nach der Begegnung mit einem Räuber (Wirbeltiere insbes. Vögel) als giftig erkannt (Abb. 17-3 A) und bei zukünftigen Begegnungen gemieden. In der Regel handelt es sich hierbei um ein Meidenlernen. Hat beispielsweise ein Star einmal unangenehme Erfahrungen mit einer schlecht schmeckenden, grell gefärbten Raupe machen können, dann weigert sich der Vogel länger als ein Jahr, derartige Raupen nochmals aufzunehmen. Wie folgendes Beispiel zeigt, können solche Meidereaktionen auch angeboren sein. Handaufgezogene, unerfahrene Fliegenschnäpper lehnen grell gefärbte, giftige Beute sogar ab, wenn sie noch nie selbst damit negative Erfahrungen machen konnten. Letztlich lernen Prädatoren bei Warnfarben leichter, ungenießbare Beute zu meiden. Werden Hühnerküken unterschiedlich gefärbte, mit Chininsulfat vergällte Beutestückehen (Brotstückehen) vor unterschiedlich gefärbtem Hintergrund angeboten, so wird zu Versuchsbeginn die auffällige Beute bevorzugt gefressen (Abb. 17-3 B). Nach kurzer Zeit jedoch erhöht sich der Druck auf die getarnte Beute, d. h. ungenießbare Beute wird seltener gefressen, wenn sie auffällig ist. Dass aposematische Insekten Vorteile haben, zeigen auch Befunde, denen zufolge Affen, Vögel und andere Wirbeltiere überwiegend kryptisch gefärbte Insekten fressen, wohingegen Taxa mit Warnfarben wie Marienk äfer oder Raupen des Jakobskrautbärs (Callimorpha jacobaea) weitgehend verschmäht werden. Werden die aposematisch gefärbten, giftigen neotropischen Tagfalter der Art Heliconius erato (Abb. 17-4 A) im Flügelbereich mit dunkler Farbe übermalt , so ist die Überlebensrate der aposematisch gefärbten Kontrolltiere im Vergleich zu den übermalten , dunklen Individuen nach einem definierten Zeitraum deutlich erhöht. Außerdem weisen die warnfarbenen Kontrollen weniger Flügelbeschädigungen auf (14,3% beschädigt) als die dunkel übermalten Tiere (42,3% beschädigt).
Folgende Warnfarben sind besonders häufig : schwarz-gelbe Muster (selbst für farbuntüchtige Zielorganismen gut erkennbar) orange-rote Muster sowie schwarze Farben (bei dämmerungsaktiven Wüsteninsekten). Warnfarben können nicht nur bei Imagines, sondern auch bei Eiern oder
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
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Abb. 17·4: Aposematismus und Mimikry. A Aposematisch gefärbter, giftiger Tagfalter Heliconius erato aus Südamerika. B Aggregation von Blattwespenlarven der Gattung Perga auf einem Eukalyptusblatt. Gereizte Larven heben Abdomen und geben gespeicherte Eukalyptusöle über Mundöffnung ab. C-G Beispiele für Lycidenmimikry aufCuba. C giftiges Vorbild Thonalmus suavis (Lycidae), Nachahmer 0 Trichrous pilipennis (Cerambycidae), E Copiditia thonalmus (Oedemeridae), F Anoplischia venusta (Elateridae), G Trichrous divisus (Cerambycidae). H nach Aufnahme eines giftigen Monarchfalters reagiert ein unerfahrener Blauhäher mit Erbrechen. I-N Bates'sche Mimikry beim afrikanischen Ritterfalter Papilio dardanus (I, J monomorphe Population, 1 Männchen, J Weibchen), K trophonius-Form, (Weibchen), L giftiges Vorbild von K Danaus chrysippus, M hippocoon-Form, (Weibchen), N giftigesVorbild von M Amauris niavius. (A nach Evans 1984, B nach Gullan und Cranston 1994, C-G nach Crowson 1981 , H nach Bell und Carde 1984, I-N nach Sbordoni und Forestiero 1984)
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
Insektenlarven beobachtet werden. In manchen Fällen tauchen Warnfarben auch kleinflächig in bestimmten Bereichen des Integumentes auf, welche mit Abwehrdrüsen assoziiert sind (z. B. Wanzenlarven). Manche Insekteneier zeigen wenige Tage nach der Eiablage einen Farbwechsel von kryptischen (blassgelb, grünlich) zu aposematisehen (rot, blau, intensiv gelb) Farben . Dies kann auf Farbveränderungen des Chorions oder der Erstlarve beruhen . Häufig zeigen bunt gefärbte Insekten mit Warnfarben ein gregäres Verhalten und sind, im Vergleich zu solitären Verwandten, relativ träge. So wurde bei englischen Lepidopteren nachgewiesen, dass aposematisch gefärbte Raupen im Gegensatz zu kryptischen Spezies oft in Familiengruppen vorkommen. Dies trifft beispielsweise auch für giftige Lyciden, Meloiden, Canthariden, Lygaeiden oder Blattwespenlarven der Gattung Perga zu (Abb. 17-4 B). Letztere speichern in Vorderdarmtaschen giftige Eukalyptusöle aus ihren Fraßpflanzen. Bei Reizung der gregären Larven wird gleichzeitig das helle Hinterende und der Vorderkörper vieler Individuen nach oben gehoben und es wird gespeichertes Eukalyptusöl abgegeben. Selbstverständlich können am Zustandekommen solcher Aggregationen auch Pheromone beteiligt sein. Warnfarben könnten in der Evolution vor allem deshalb selektioniert worden sein, weil sie sich auf die Überlebenschancen gregärer, d. h. in der Gruppe lebender Individuen auswirken, Diese gregären Individuen entstammen oft einem Eigelege, sie dürften folglich oft miteinander verwandt sein, d.h. der Prozess wäre letztlich durch Verwandtenselektion (kin selection) zu erklären. Man muss davon ausgehen, dass aposematische Insekten für räuberische Gegenspieler leicht wahrzunehmen sind. Im Gegensatz zu Warnfarben zeigen Warngerüche und Warngeräusche auch bei Nacht ihre Wirkung. Warngerüche, wie zum Beispiel flüchtige und reaktive Wehrsekrete chemisch geschützter Insekten (z. B. Chinone, bestimmte Karbonsäuren oder Iridoide, s. 17.2.2.3) können natürliche Gegenspieler bereits vor den schlechten Eigenschaften der Beute warnen, bevor diese geschädigt werden. Zahlreiche Insekten speichern in ihrer Hämolymphe jedoch weniger flüchtige, bitter schmeckende Substanzen, wie Alkaloide (Abb.17-10 R, U), Herzglycoside (Abb. 17-10 F) oder Cantharidin (Abb. 17-10D, s. 17.2.2.3), die den Zielorganismus nicht sofort schädigen. Solche aus unterschiedlichen Ordnungen stammenden Insekten (z. B. Orthoptera: Pyrgomorphidae; Coleoptera: Lycidae, Coccinellidae, Meloidae; Lepidoptera: Heliconiinae, Arctiidae) geben bei geringsten Störungen flüchtige 2-Methoxy-3-alkylpyrazine ab (Abb. 17-
lOT), die als Warngerüche gedeutet werden. Im Laborexperiment zeigen Kücken und Ratten selbst auf größere Entfernungen eine Meidereaktion auf solche Pyrazine, falls ihnen mit Chininsulfat vergällte Beutetiere zuvor zusammen mit 2-Methoxy3-alkylpyrazinen angeboten wurden. Solche Pyrazine haben keine insektiziden Eigenschaften, sie sind als Duftstoffe in der Natur weit verbreitet . Riesencollembolen aus der Gattung Tetrodontophora geben aus Poren des Integumentes (Pseudocellen) giftige und deutlich nach Pyrazinen riechende Pyridopyrazine ab (Abb. 17-10Y; Abb. 1713 F, G). Da auch diese Pyridopyrazine 2,3-substituiert sind, dürfte das Toxin bei diesen Springschwänzen gleichzeitig auch als Warngeruch fungieren. Ähnliche Warnsignale verschiedener Spezies dürften etwas mit dem Prinzip Signalnormierung zu tun haben (siehe M üllersehe Mimikry, 17.2.1.3). Das zusätzliche Präsentieren von Augenflecken bei aposematisch gefärbten Insekten wird bei 17.2.2.2. besprochen .
17.2.1.3 Mimikry (Scheinwarntracht) Mimikrysysteme sind durch mindestens drei beteiligte Organismen/Individuen gekennzeichnet, welche alle zu einer, zu zwei oder zu drei verschiedenen Arten gehören können . Ein Nachahmer ahmt Signaleigenschaften eines zweiten Organismus/Individuums des Vorbilds nach, welche normalerweise für einen dritten Organismus, den Empfänger, von Interesse sind. Für den Nachahmer ist diese Interaktion vorteilhaft, denn er wird vom Empfänger für das Vorbild gehalten. Viele bekannte Beispiele für Mimikry bei Insekten beziehen sich auf visuelle Signale (s. 17.2.1.1), jedoch werden vermehrt Fälle von chemischer Mimikry bei Insekten untersucht, zumal dieser Kanal insbesondere im Dunkeln von Bedeutung ist (z. B. im Boden, in Lückensystemen). Im Hinblick auf ihre biologische Relevanz lassen sich Mimikryfälle bei Insekten insbesondere im Folgenden Kontext feststellen: Integration in die Kolonien sozialer Insekten, Ausbeuten des Mutualismus zwischen Ameisen und anderen Insekten (z.B. Blattläuse, Zikaden), Eindringen in Nester solitärer Insekten , Anlockung von Beuteorganismen, Fortpflanzung, Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Insekten, Warnsignale. Innerhalb der zahlreichen Mimikryfalle (Tab. 17-1) sind zwei Typen von Mimikry besonders hervorzuheben . Die nach Henry Walter Bates (1825-1892) benannte Bates'sche Mimikry beschreibt die Ähnlichkeit eines schmackhaften Tieres (Nachahmer) mit einem sympatrisch , d.h. im seiben Gebiet vorkommenden, ungenießbaren, widerlich schmeckenden auffälligen Tier (Vor-
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten Tab. 17-1: Prozentuale Berücksichtigung der wichtigsten Abwehrmechanismen von Insekten (siehe entsprechende Kapitel) in zwischen 1969 und 1989 veröffentlichten Arbeiten (WITZ 1990) 1. Chemische Abwehr (17.2.2.3) 2. Aktive Abwehr (KampO (17.2.2.1) 3. Kryptische Färbung (17.2.1.1) 4. Flucht (17.2.2.1) 5. Mimikry (17.2.1.3) 6. Aposematismus (17.2.1.2) 7. Optische Abwehr (17.2.2.2.2) 8. Abwehr in .Gruppen· (17.2.2.4) 9. Mechanische Abwehr (17.2.2.2.1) 10. Akustische Abwehr (17.2.2.2.3) 11. Thanatose (17.2.2.2.2)
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3% 3% 2% 1%
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dieselbe Färbung wie das Männchen auf (Abb. 17-4 I, J). An vielen Orten unterscheiden sich die Weibchen (Abb, 17-4K, M) jedoch beträchtlich von den Männchen (Abb. 17-4 I), um ungenießbare Modelle (z. B. Danaus chrysippus, Abb. 17-4 L, Amauris niavius, Abb. 17-4 N) nachzuahmen. Es liegt folglich ein Weibchen-Polymorphismus vor, d. h. es gibt mimetische und nichtmimetische Weibchen. Insgesamt sind die beobachteten starken Form- und Farbunterschiede sicher nicht nur durch ein Gen bedingt, sondern werden durch ein Polygensystem (Regulatorgen) bestimmt. OtTenbar wird dieser genetische Polymorphismus durch Variation von miteinander assoziierten Supergenen hervorgerufen, welche letztlich zu einer Vervollständigung der Ähnlichkeit mit dem Mimikrymodell führen. Ein ähnlicher Polymorphismus und eine Mimikry im weiblichen Geschlecht tritt auch beim orientalischen Ritterfalter Papilio memnon auf. Chemisch geschützte, von Osterluzeigewächsen lebende Atrophaneura-Arten (Papilionidae) stellen die Modelle dieses zweiten Mimikrysystems dar.
bild). Hierbei sind Vorbild und Nachahmer meist nicht miteinander verwandt. Räuber lernen in der Regel durch Erfahrung, das giftige Vorbild zu Die Müller'sehe Mimikry (= synaposematische meiden . Letztlich werden auch Nachahmer in glei- Tracht) beruht auf Untersuchungen des Zoologen cher Weise gemieden und haben daher bessere Fritz Müller (1821-1897) in den Urwäldern BrasiÜberlebensaussichten. Als Konsequenz ergibt liens. Demnach sind in solchen Systemen zwei sich : Nachahmer müssen seltener sein als das Vor- oder mehr nicht schmackhafte und aposematisch bild und zur gleichen Zeit am seiben Ort wie das gefärbte, meist nicht verwandte Arten vorhanden, Vorbild vorkommen. Wo das Vorbild selten ist welche sich optisch oder chemisch ähneln. Hierbei oder fehlt, hat auch der Nachahmer keinen Vorist es nicht sinnvoll, von Vorbild und Nachahmer teil. zu sprechen. Prädatoren prägen sich solche MusMittlerweile wurden zahlreiche Fälle von Bates'scher Mi- ter ein (Signalnormierung) und vermeiden es, zumikry beschrieben: So können wehrhafte gelb-schwarz künftig ähnliche Objekte derselben "Warngenosgefärbte Wespen oder Bienen (= Vorbilder) von Nachtsenschaft" aufzunehmen . Zahlreiche Fälle von faltern aus der Familie der Ctenuchidae, bestimmten Heuschrecken (Katytidae) oder Schwebfliegen nachge- Müller'scher Mimikry sind in der Zwischenzeit ahmt werden. Auch giftige Vorbilder wie Käfer aus der bekannt geworden, allerdings gibt es immer wieFamilie der Lycidae (Abb, 17-4 C) werden von bestimm- der fließende Übergänge zur Bates'schen Mimikry, ten Nachtfaltern oder Cerambycidae sowie anderen Kä- denn von manchen Beteiligten ist unklar, ob diese fern nachgeahmt (Abb. 17-4 D-G). Entsprechendes gilt ungenießbar sind und Gifte enthalten oder von für eine Vielzahl von giftigen Laufkäfern, welche von den meisten Räubern als Nahrungsobjekte akzepLangfühlerschrecken nachgeahmt werden. Schließlich tiert werden. existieren zahlreiche genießbare Schabenarten, welchen Solche so genannten Mimikry-Ringe sind von giftige Blattkäfer oder Marienkäfer als Vorbilder die- diversen Taxa und aus verschiedenen zoogeogranen. phisehen Regionen bekannt geworden. Sogar aus Besondersgut ist in diesem Zusammenhang der Monarchfalter Danaus plexippus untersucht worden. Raupen verschiedenen Schichten südamerikanischer W äldieser Spezies nehmen mit der Nahrung giftige Herz- der wurden verschiedene Warngemeinschaften beglykoside(Cardenolide) aus ihren Fraßpflanzen, den As- schrieben. Im Zentrum derartiger Mimikry-Ringe c1epiadaceen auf. Diese Toxine werden von der Raupe können stehen: Neotropische Tagfalter der Gatüber die Puppe bis ins Falterstadium transferiert und tung Heli conius (Nymphalidae Abb. 17-4 A) , Ververursachen bei unerfahrenen, insektenfressenden Vö- treter der Unterfamilie der Ithomiidae, Monarchgeln ein Erbrechen (Abb. 17-4 H). Solche giftigen Ob- falter (Abb. 17-4 L) aber auch Vertreter der Lycijekte werden von den Vögeln zukünftig gemieden. Neh- dae (Abb. 17-4 C) oder wehrhafte soziale Vesmen einige Raupen des Monarchfalters geringe, andere piden. Individuen wiederum erhöhte GiftstotTmengen aus der Fraßpflanze auf, so existiert prinzipiell ein Fall von Automimikry, da dann einige Falter geringe Mengen bzw. keine Herzglykosideenthalten . 17.2.2 Sekundäre AbwehrIm Mittelpunkt eines weiteren interessanten Mimikmechanismen rysystems steht die afrikanische Schwalbenschwanzart Papilio dardanus (Abb. 17-4 I-N). Mancherorts existieren Populationen ohne Geschlechtsdimorphismus und ohne Sekundäre Abwehrmechanismen, d . h. aktive GeMimikry, d. h. das Weibchen ähnelt dem Männchen, fahrenvermeidung ist für Insekten erst bei der denn es besitzt Schwänzean den HinterflügeIn und weist Begegnung mit dem Feind von Bedeutung. Diese
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
Art der Abwehr kann bereit s dann zum Einsatz kommen, wenn das Insekt den Räuber entdeckt hat. In der Regel ist dieses Verhalten jedoch mit dem Einsetzen des Beutefangverhaltens durch den Räuber zu beobachten. Sekundäre Abwehrmechanismen werden häufi g mit aktiver Abwehr gleichgesetzt. Daß sekundäre Abwehr auch durch passives Verhalten erfolgen kann, wird beispielsweise durch den Totstellreflex (Thanatose) untermauert. In manchen Fällen lassen sich Abwehrmechanismen nicht exakt einer der beiden Kategorien zuordnen, oft enthält das Abwehrverhalten auch Elemente der primären und sekundären Abwehr. In vielen Fällen wird sogar ein hierarchisch er Aufbau primärer und sekundärer Abwehrmechan ismen erkennb ar. Grün gefärbte Zahnspinne rraupen (C erura) sind beispielsweise hervorragend in ihrer pflanzlichen Umgebung getarnt (primäre Abwehr: Krypsis). Bei Reizung heben sie ihren Vorderkörper, zeigen eine rot-schwarze Schrecktra cht und stülpen rot gefärbte Schwanzfäden aus (sekund äre Abwehr: Schrecktracht). Fortwährende Reizung führt schließlich zur Abgabe eines ameisensäureh aItigen Wehrsekretes aus der Halsdrü se (sekundäre Abwehr: chemische Abwehr).
17.2.2.1 Lokomot orische Verhaltensmaßnahmen Zahlreiche Insekten wie Schaben oder Laufkäfer entziehen sich dem Zugriff durch Räuber durch rasche Flucht (s. 9.5.2.2). Ein ungewöhnliches Verhalten zeigen dabei manche auf der Wasseroberfläche lebende Spreitungsschwimmer der Gattung St enus. Bei geringster Reizung , d. h. Beschattung oder Erschütterung geben die Käfer geringe Mengen von alkaloidhaitigern Sekret aus ihrer Analdrüse ab und schießen dabei wie eine Rakete über die Wasseroberfläche. Die Tiere werden an der Front einer monomolekularen Sekretschicht weggetrieben, ohne dabei auch nur ein Bein zu bewegen (Spreitungs- bzw. Expansionsschwimmen; s. 9.3). Ein solches F luchtverhalten ist noch effektiver, wenn unvorhersagbare Fluchtbewegungen zum Einsatz kommen . Fledermäuse erzeugen Ultraschall-Laute, um ihre Beute wahrnehmen zu können. Manche Beutetiere wie Eulenfalter, Bärenspinner oder Spanner verfügen über einfach gebaute Gehörorgane, die es den Faltern ermögli-
chen , Ultraschall-Laute von jagenden Fledermäusen wahrzunehmen (s. Abb . 11-17). Die Falter reagieren unmittelbar auf solche Geräusche, indem sie sich schlagartig fallen lassen oder Loopings drehen (s. 11.1.5.2). Schließlich können Ultraschall-Störsender der Falter, gepaart mit Ekelgeschmack zum Einsatz kommen . Bemerken swert ist der Befund, dass parasitische Milben dieser Falter mithilfe von Spurpheromonen immer nur eines der beiden Hörsinnesorgane der Falter besiedeln und zerstören. Danach sind die Schmetterlinge immer noch in der Lage, Fledermäuse wahrzunehmen. Ein ungewöhnliches Fluchtverhalten wurde bei Raupen des Perlmutterfalters beobachtet. Bei Bedrohung krallen sich die Tiere an abschü ssigen Stellen des Biotops mit den Extremitäten am Boden fest, krümmen sich wie ein Rad zusammen und lassen sich mit ho her Geschwindigkeit da vonrollen. Fallenlassen als Reaktion auf Erschütterungsreize stellt für viele Insekten, wie z. B. Rüssel- oder Blattkäfer die wichtigste Art akti ver Abwehr dar. Bei vielen Blattläusen wird dieses Verhalten häufig nach Abgabe von Alarmpheromonen benachbarter Individuen beobachtet. Allerdings ergibt sich für ungeflügelte Morphen häufig da s Problem, danach wieder die richtige Saugpflanze zu finden und "zu Fuß" auch dorthin zu gelangen. Bestimmte Raupen von Schmetterlingen stellen beim Fallenlassen gleichzeitig einen Seidenfaden her, über welchen sie später wieder den Weg zurück zum Sitzplatz finden. Dieses Verhalten einer Noctu idenr aupe der Gattung Plathyp ena gewährt jedoch keinen Schutz vor spezialisierten Parasitoiden, wie der Braconide Diolcogaster fa cetosa . Diese Brackwespe ergreift den Faden der Raupe mit den Vorder- und H intertarsen einer Körperseite, "seilt " sich am Faden der Ra upe ab und belegt den Wirt ansc hließend mit einem Ei. D ie mithilfe des Seidenfadens zur Unterlage zurückkehrende Raupe wird schließlich von einem Hyperparasitoiden, der Schlupfwespe M esochorus discit ergus heimgesucht, der nach Prüfung der Raupe nur dann ein Ei ablegt, wenn der Primärparasitoid erfolgreich war.
Abb. 17-5: Abwehrverhalten, mechanische, optische und akustische Abwehr. A Arbeiterin von Polyrhachis craddocki mit l> Bedornung amThorax und Petiolus. B, CRaupe einer Sackträgermotte mit Köcher(B) zieht sich bei Gefahr in den Köcher zurück (C). 0, E Klappfallen der Puppe des Käfers Dryops luridus, Vergrößerung (E). F Hinterschiene des Männchens der Stabheuschrecke Eurycantha horida. G Goldwespe Chrysis rolltsich bei Störung ein. H, IAbendpfauenauge Smerinthus ocel/ata spreizt bei Reizung tarnfarbene Vorderflügel und präsentiertAugenflecken der Hinterflügel. J Schlangenkopfmimikry und Präsentation von Augenflecken bei der Schwärmerraupe Sphecodina abboti. K, L kopfähnlich gefärbtes Hinterende von Zipfelfaltern der Gattung Thecla (L Seitenansicht, K Dorsalansicht). M Käfer aus der Familie Byrrhidae (Pillenkäfer) inThanatose. N Stabheuschrecke Metriotes diocles hebt bei Reizung Vorderflügel an und präsentiert bunt gefärbte Hinterflügel. 0 Südamerikanische Alligatorzikade der Gattung FulgoraVorderende ähneltAlligatorkopf. (Anach Dumpert 1978, B·E, Jnach Edmunds 1974, Fnach Löser 1991, Gnach Jacobs und Renner 1988, H, I nach Gullan und Cranson 1994, K nach Portmann 1956, Lnach Driver und Humphries 1988, M, N Sbordoni und Forestiero 1984, 0 nach Evans 1975)
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
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17 Insekten als Nahrungsquelle. Abwehrmechanismen
Einige Insektenarten verstecken sich während einer Gefahrensituation. So ziehen sich Larven der Psychidae bei Reizungen jeglicher Art in ihr Gehäuse zurück, verankern sich mithilfe eines Seidenfadens an der Unterlage und verschließen ihren Köcher (Abb. 17-5 B, C).
Kampf und Angriff (Tab. 17-1) stellen oft wirksame Abwehrstrategien dar, insbesondere dann, wenn Räuber oder Parasitoid im Vergleich zur Beute geringere Körpergrößen aufweisen. So setzen Dermapteren, Dipluren oder Larven von Großlibellen bei Angriffen ihre Zangen bzw. Spitzen am Hinterleibsende ein, um Angreifer zu attackieren. Das Schlagen mit den Hinterbeinen dient vielen Blattläusen der Vertreibung von Parasitoiden. Auch können sich gregäre Raupen, wie z. B. Larven von Pieris brassicae (LI) oder Nematinenlarven zur Wehr setzen, indem sie ruckartig und gleichzeitig mit ihrem Körper schlagen. Klappfallen diverser Käfer- und Schmetterlingspuppen dienen der Abwehr von Raubmilben, räuberischen Käfern oder Ameisen. Diese kieferartigen , oft gezähnten Gebilde auf der Rückseite zahlreicher Puppen klappen plötzlich zu, wenn Raubmilben oder kleinere Insekten über die Puppe laufen (Abb. 17-5 D, E). Dadurch werden Räuber oder Parasitoide vertrieben oder deren Extremitäten werden eingeklemmt. Bei Schlupfwespen können ganze Kokons mit innenliegender Larve durch plötzliche Zuckungen der Larve regelrecht springen (s. Springbohnen , 25.30). Schließlich versuchen manche Pentatomiden, ihre Eigelege vor Parasitoiden (Scelioniden) durch Bewegung der Beine und Antennen zu schützen. Im Extremfall wird der angreifende Räuber oder Parasitoid getötet oder verletzt. So zeichnen sich manche Raupen von Geometriden aus Hawai sekundär durch eine karnivore Lebensweise aus, denn sie attackieren ihre Parasitoide und fressen diese danach auf. Ameisen können bei Kämpfen Dornen des Thorax und Petiolus (Abb. 17-5 A) oder ihren Stachelapparat einsetzen. Im Extremfall werden dem Gegner beim Kampf mithilfe der Mandibeln Extremitäten abgeschnitten.
17.2.2.2 Mechanische, optische und akustische Abwehr Mechanische Abwehr
Das Vorhandensein einer dicken und skulpturierten Cuticula im Kopf und im Bereich von Thorax oder Abdomen ist typisch für eine große Zahl von Insekten , wie z. B. Käfer, zahlreiche Parasitoiden oder Ektoparasiten wie Flöhe oder Läuse. Allerdings dürften diese Phänomene, zu welchen auch die harten Dörnchen auf der Oberfläche von Hispinen (Chrysomelidae) oder die zum Teil hakenartigen Fortsätze auf Thorax und Petiolus von Ameisen der Gattung Polyrhachis (Abb. 17-5 A) gehören, eher unter dem Kapitel primäre Abwehr eingeordnet werden. Eine sekundäre mechanische
Abwehr tritt eigentlich erst dann auf, wenn sklerotisierte Körperteile/Extremitäten gezielt bewegt werden, um Angreifer zu schädigen bzw. zu vertreiben. Beispielsweise dienen mächtige Kiefer von Staphyliniden der Gattung Staphylinus und Ocypus sowohl zum Ergreifen der Beute als auch zur Verteidigung. Bei Gespenstschrecken der Gattung Eurycantha weisen die Hinterbeine der Männchen mächtige Dornen auf (Abb. 17-5 F) . Bei Reizung schlagen diese Beine klappmesserartig zusammen, wobei mit den scharfen Dornen an Schiene und Schenkel Muskelverletzungen beim Angreifer hervorgerufen werden können . Oft wird dabei zusätzlich aus pronotalen Drüsen Wehrsekret abgegeben. Viele Larven der Dermestidae verfügen hingegen über in Gruppen zusammenstehende Pfeilhaare (s. Abb. 1-17), die bei Reizung gespreizt werden, deren Spitze abbrechen, im Angreifer stecken bleiben und allergen wirken kann. Bei zahlreichen Insektentaxa kann Einrollen! Einkugeln des Körpers erfolgen und in der Regel in die Thanatose (Totstellreflex) übergehen, da eine sich nicht bewegende Beute von vielen Räubern nicht beachtet und nicht angegriffen wird. Bei Goldwespen (Chrysididae) wird der oben konvexe Hinterleib bei Beunruhigung unter den Thorax eingeschlagen (Abb. 17-5 G), wobei der abgekugelte Körper kaum anzugreifen ist. Bei den extrem langsamen Pillenkäfern (Byrrhidae) werden die Beine bei Störung angewinkelt und in genau passende Vertiefungen an der Bauchseite gelegt (Abb. 17-5 M). Somit wird der Käfer für einige Sekunden zu einer kaum angreifbaren "Pille". Thanatose kann auch bei Curculionidae, bestimmten Wanzen (Ranatra), Stabheuschrecken, Fangschrecken (Phyllocrania) und selbst bei manchen Raupen aus der Gruppe der Arctiidae beobachtet werden. Haare, Schuppen (s. 1.3.10) oder Wachsausscheidungen (s.'1.5.7) haben bei Insekten nicht nur die Funktion, den Körper zu bedecken, sie dienen vielmehr auch in hohem Maße der primären und/ oder sekundären Abwehr. Letzteres tritt dann auf, wenn Haare bei Reizung gespreizt oder sogar regelrecht abgeschossen werden. Schuppen treten nicht nur bei Lepidopteren, sondern auch bei so unterschiedlichen Ordnungen wie Collembolen, Archaeognatha, Zygentoma, Psocopteren, Coleopteren oder Trichopteren auf. Wird die Klebekraft eines Spinnfadens auf diversen Integumenttypen gemessen, so ergibt sich, dass die Klebekraft auf unbeschuppten, glatten Oberflächen etwa dreimal so hoch ist, wie auf behaarten oder beschuppten Objekten. Durch solche Oberflächen bildungen charakterisierte Insekten sind deshalb besonders gut angepasst, Netze von Webspinnen ohne Schaden zu passieren. Dies gilt beispielsweise auch für beschuppte oder be-
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
haarte Collembolen, die sich dadurch vor Collembolenfressern mit Klebfangapparaten schützen . Festkleben und Haften auf glatten Oberflächen kann insbesondere bei Käfern eine erhebliche Bedeutung im Rahmen der Abwehr erhalten (s. 1.5.8). Der Blattkäfer Hemisphaerota cyanea (Cassidinae) besitzt beispielsweise verbreiterte Tarsenunterseiten mit etwa 60 000 Saughaaren auf den Tarsen der sechs Extremitäten. Mittels kohlenwasserstoffhaltiger Flüssigkeitströpfchen kann sich der Käfer durch Adhäsion auf der Oberfläche festsaugen, ohne dass räuberische Ameisen in der Lage wären, ihn von der glatten Blattoberfläche abzulösen. Während H. cyanea lediglich kleine, d. h. reduzierte Klauen an den Extremitäten aufweist, besitzen verwandte Arten wie Metriona bicolor große Klauen, welche es den Tieren ermöglichen, sich ebenfalls auf der Pflanzenoberfläche festzuhalten . Allerdings finden sich im Gegenzug auf der Tarsenunterseite von M . bicolor lediglich rund 1.000 Saughaare pro Tarsus (im Vergleich zu 10.000/Tarsus bei H. cyanea). Manche Insekten sind in der Lage, bei Reizung gezielt Hämolymphe aus präformierten Öffnungen in Richtung Räuberorganismus abzuspritzen. Bei afrikanischen Heuschrecken aus der Unterfamilie der Hetrodinae oder Blattwespenlarven der Gattung Siobla sind offenbar keine Wirkstoffe in der Hämolymphe nachgewiesen, weshalb es sich hierbei primär um eine mechanische Abwehr handeln dürfte. Optische Abwehr
Bei Reizung zeigen viele Insekten plötzlich eine Schrecktracht (Tab. 17-1) oder sie leuchten auf (s. Kap. 18). Hierdurch werden Feinde, d. h. insbesondere Vögel, manche Säuger, aber auch Eidechsen in Mißtrauen oder Schrecken versetzt. Der überraschte und verwirrte Räuber lässt oft von der Beute ab, obwohl diese prinzipiell genießbar wäre. So werden beispielsweise beim Abendpfauenauge (Smerinthus ocellata) aber auch bei anderen größeren Sphingiden bei Reizung plötzlich durch Spreizung der tarnfarbenen Vorderflügel intensiv gefärbte Augenflecken auf der Oberseite der Hinterflügel präsentiert (Abb. 17-5 H, I). Dies ist besonders wichtig, da diese Tiere nicht sofort wegfliegen, sondern sich zuvor aufwärmen müssen. Durch diese Augenflecken dürfte wahrscheinlich vor Wirbeltieren mit großen Augen gewarnt werden (Augenflecken imitieren dunkle Pupillen, helle Iris). Die Farben dieser Augenflecken sind in kontrastreichen, konzentrischen Ringen arrangiert, wobei Augenattrappen am ehesten abschreckend wirken, wenn die Pupille exzentrisch verschoben ist, denn hierdurch entsteht der plastische Eindruck eines Auges. Auch Ordensbänder der Gat-
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tung Catocala spreizen bei Reizung ihre rindenartig getarnten Vorderflügel und präsentieren intensiv gefärbte, gelbe oder rote Hinterflügel. Dabei sind die Falter keineswegs giftig oder ungenießbar, denn 94 % der verschiedenen Vogelarten vorgesetzten, gefrorenen Noctuiden werden gefressen. Bei eher giftigen Schmetterlingstaxa liegt die prozentuale Aufnahme toter Individuen durch Vögel bei niedrigeren Werten (Arctiidae: 70%, Danaidae: 35%). Stabheuschrecken wie Metriotes diocles heben bei Reizung schlagartig ihre Flügel an (Abb. 17-5 N). Neben einer beträchtlichen Vergrößerung des Körperumrisses werden dabei auch helle Farben bzw. Augenflecken an der Basis des Hinterflügeis gezeigt. Manche Fangschrecken und insbesondere adulte Weibchen drohen mit seitlich gespreizten Vorderbeinen wobei Farbflecke an der Innenseite der Beine oder der Brust präsentiert werden. Bei anderen Spezies kann diese Schrecktracht durch Stridulationsgeräusche (Stabheuschrecken), die Abgabe von Wehrsekreten (Heuschrecken, Arctiidae, Ctenuchidae) oder durch eine skorpionsähnliche Bewegung des Abdomens (Stabheuschrecken) verstärkt werden. Augenflecken können (z. T. rhythmisch) nicht nur von Imagines, sondern auch von Insektenlarven präsentiert werden, auf deren Kopf bzw. Thorax sie sich befinden. Viele Raupen (z. B. Sphingidae) sind normalerweise hervorragend an den Untergrund angepasst. Bei Reizung wird jedoch plötzlich das Vorderende verbreitert, und jederseits können ein Augenfleck (Abb. 17-5 J) oder mehrere kleine Augenflecken sichtbar werden. Die nun einsetzende, windende Bewegung ist schlangengleich. Teile des Raupenintegumentes ähneln plötzlich Reptilienschuppen , in einigen Fällen wird sogar das Züngeln der Schlange nachgeahmt (z. B. durch erstes Beinpaar der Raupe, Schlangenkopfmimikry siehe Abb. 17-5 J). Letztlich können auch noch andere Körperteile von Wirbeltieren imitiert werden. Ob das wie ein Alligatorkopf aussehende Vorderende der südamerikanischen AIligatorzikade aus der Gattung Fulgora (Fulgoridae Abb. 17-50) oder die ein Affengesicht imitierenden Puppen bestimmter Lycaenidae Vögel abzuschrecken vermögen, muss allerdings noch geklärt werden. Alligatorkopfzikaden werden jedenfalls gerne von Affen gefressen. In zahlreichen Fällen ist eine Schrecktracht direkt mit chemischer Abwehr gekoppelt. Dies gilt zum Beispiel für Zahnspinnerraupen (Cerura, s. 17.2.2.3) mit ihrer Schrecktracht und dem gezielten Versprühen säurehaItigen Drüsensekretes. Auch viele Raupen der Papilionidae erweitern bei Reizung ihren Vorderkörper und zeigen deutliche Augenflecken. Bei anhaltender Reizung werden schließlich hinter dem Kopf gelegene, bunt gefärbte Drüsenschläuche (Osmeterien) mit intensiv duftenden , hauptsächlich gegen Ameisen gerichteten Sekreten ausgestülpt (Abb. 17-6 G).
Einigen Insekten gelingt es durch Ablenkung, ihren Angreifer in die Irre zu führen und dessen Angriff auf eher unwichtige Körperregionen der Beute zu lenken. Beispielsweise imitieren Langkopfzirpen am Hinterende zwei Antennen sowie
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17 Insekten als Nahrungsquelle. Abwehrmechanismen
ein falsches Auge. In entsprechender Weise verfügen Zipfelfalter der Gattung Thecla über fühlerähnliche, bewegliche Flügelfortsätze und kopfähnlich gefärbte Enden der Hinterflügel (Abb. 17-5 K, L; s. 9.5.2.2). Die Aufmerksamkeit eines Räubers auf den vermeintlichen Kopf wird noch durch konvergierende Farbstreifen auf der Unterseite der Flügel verstärkt. Untersuchungen an den von Vögeln mit dem Schnabel ausgebissenen Kerben an
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den Hinterflügeln zeigten, dass Vögel tatsächlich auf die Kopfimitationen am falschen Körperende picken. Je perfekter die Kopfimitation desto weniger Falter landeten in den Vogelmägen.'Möglicherweise können auch die weißen Markierungen mancher Parasitoide im Distalbereich der Antennen oder des Ovipositors in dieser Weise als Signale zum Ablenken potenzieller Prädatoren gedeutet werden.
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17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
Zum Abwehrverhalten eines Beutetieres gehört ebenfalls die Autotomie, d. h. das Abwerfen zuckender Extremitäten, also nicht'Iebensnotwendiger Körperteile. Während bei Insektenlarven wie z. B. bei Stabheuschrecken oder Heuschrecken eine spätere Regeneration verlorenener Extremitäten erfolgen kann, ist dies bei Imagines, z. B. der Tippuliden nicht mehr möglich. Auch der letztlich für eine soziale Hymenoptere tödliche Verlust des Stachelapparates beim Stich in die Haut eines Säugers kann als Autotomie bezeichnet werden, allerdings kann diese Struktur nicht regeneriert werden. Akustische Abwehr
Eine akustische Abwehr mittels Stridulation ist bei Insekten weit verbreitet (s. Tab. 17-1 ; 11.1.4.6). Während eine Lauterzeugung bei vielen Cerambycidae, den Mutillidae oder beim Wasserkäfer Hygrobia hermann i immer dadurch zustande kommt, dass eine Kammstruktur über eine Kante geschoben wird, wird das fauchende Geräusch mancher Schaben oder der Imagines des Totenkopfschw ärmers dadurch erzeugt, dass aus dem Tracheensystem ruckartig Luft ausgepumpt wird. Einige Schmetterlingspuppen aus den Familien der Hesperiidae oder Lycaenidae können bei Berührung Laute hervorbringen, die potenzielle Prädatoren davon abhalten, die Puppe zu fressen.
17.2.2.3 Chemische Abwehr Die chemische Abwehr und .Kriegsführung" zählt prozentual wohl zu den wichtigsten Abwehrmechanismen bei Insekten (Tab. 17-1). Dank der in den letzten Jahren verfügbaren spurenanalytischen Techniken zur Untersuchung der jeweiligen Abwehrstoffe ist der Kenntnisstand auf diesem Gebiet als relativ gut zu bezeichnen. Ob der für diese Form der Abwehr erforderliche Energieaufwand für Insekten geringer oder höher ist, als bei anderen Formen der sekundären Abwehr, ist je-
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doch keinesfalls geklärt. Chemische Abwehrmechanismen sind bei Orthopteren, Dermapteren, Schaben, Termiten, Thysanopteren, Wanzen, Blattläusen , Netzflüglern, Käfern, Köcherfliegen, Schmetterlingen und Hymenopteren weit verbreitet. Innerhalb dieser Gruppen finden sich häufig bei näher verwandten Taxa homologe Formen der chemischen Abwehr, andererseits konnten zahlreiche Wehrdrüsen oder Abwehrstoffe immer wieder konvergent entstehen. Während chemische Formen der Abwehr bei Proturen, Collembolen , Dipluren, Mecopteren oder Dipteren bislang kaum untersucht wurden, dürften Allomone bei Archaeognathen, Zygentomen , Ephemeriden, Odonaten, Plecopteren, Zoraptera, Psocoptera , Mallophagen oder Blutsaugern wie Läusen und Flöhen fehlen. Terminologisch werden interspezifisch wirkende Naturstoffe generell als Allelochemikalien bezeichnet, während unter dem Begriff Allomon jene Verbindungen (Gifte, Abwehrstoffe) zusammengefasst werden, welche für den Sender vorteilhaft, für den Empfänger hingegen von Nachteil sind. Handelt es sich hierbei um flüchtige Verbindungen, nach deren geruchlicher Wahrnehmung sich der Empfänger von der Duftstoffquelle (Sender) wegbewegt, so heißen die beteiligten Duftstoffe Rcpellentien. Im Nahbereich sind für den entsprechenden Effekt über Geschmacksorgane wirkende Deterrentien verantwortlich. Vorbeugender Einsatz chemischer Verbindungen
Vor der Behandlung eigentlicher chemischer Abwehrmechanismen, die während oder nach Kontakt mit Räubern oder Parasitoiden zu beobachten sind, soll zuerst der vorbeugende Einsatz chemischer Verbindungen durch Insekten besprochen werden. Durch solche, der primären Abwehr zuzuordnenden Präventivmaßnahmen kann das Insekt insektenpathogene Bakterien und Pilze fern halten oder ist generell in der Lage, seine Überlebensfähigkeit zu erhöhen, bevor überhaupt ein Kon-
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17 Insekten als Nahrungsquelle. Abwehrmechanismen
takt mit Räubern oder Parasitoiden stattfindet (s. 17.2.4) . Ein weit verbreitetes Abwehrprinzip bei sozialen Insekten besteht darin, dass nicht einzelne Individuen, sondern das gesamte Nest mit den darin befindlichen, ungeschützten Entwicklungsstadien (= Brut) chemisch geschützt wird. So bestehen die Nester vieler Feldwespen aus hüllenlosen Waben, welche mittels eines dünnen Stielesam Substrat befestigt werden. Die Wespenkönigin von Polistes nimpha beschmiert den Stiel des Nestes zur wirksamen Abwehr von Ameisen mit Sekreten des van der Vecht'schen Organs (Abb. 17-6 A). Diese Gemische enthalten unter anderem Palmitinsäuremethylester mit stark repellentem Effekt auf diverse Ameisenarten. Bei anderen Arten werden regelrecht Leimringe aus dem Sekret der Dufourdrüse am Zugang zum Nest deponiert (17-6 B). In entsprechender Weise sind auch weibliche Florfliegen in der Lage, die Stiele ihrer Eier mit Abwehrstoffen zu versehen (s. Abb. 25-46 H). Die ölige Flüssigkeit auf den Eistielchen besteht aus einer Mischung von Fettsäuren, Myristinsäureisopropylester und geringen Mengen von diversen Alkanalen. Die Flüssigkeit schützt in effektiver Weise vor Ameisen. Interessanterweise saugen die frisch geschlüpften Florfliegenlarven diese Abwehrflüssigkeit ohne Schaden auf. Eine Imprägnierung der Insekten und deren Entwicklungsstadien sowie deren Wohnplätze mit Wirkstoffen ist weit verbreitet. So werden Brutzellen bei Bienen und Wespen mit antimikrobiellen Substanzen versehen oder Ameisen schützen ihre Nachkommen mit antibiotischem Metapleuraldrüsensekret. Auch Wasserkäfer oder diverse Wasserwanzen reiben sich von Zeit zu Zeit mit antimikrobiellen Sekreten aus exokrinen Drüsen ein (z. B. Benzoesäure, PHB-Ester, sorbinsäureähnliche Substanzen) und halten dadurch ihre Körperoberfläche frei von Mikroorganismen und schützen insbesondere auch Stigmenregionen vor Befall durch Pilze oder Bakterien (Abb. 17-6 C) . Besonders bemerkenswert sind die Schaumzäune von Blattwespenlarven (Nematinae) der Art Stauron ema compressicornis. Die Larven errichten Barrieren um die jeweilige Fraß region, indem sie Schaumpfeiler um das zu befressende Blattareal und am Blattstiel deponieren (Abb. 17-6 D). Offenbar ist das von im Kopf gelegenen Drüsen gebildete, schaumige Sekret vor allem gegen Ameisen gerichtet und wirkt als Deterrent. Neben den beweglichen Larven werden jedoch in vielfältiger Weise auch unbewegliche Eistadien oder Puppenstadien chemisch geschützt. Erwähnt sei das Bedecken von Eigelegen durch giftige Brennhaare des Weibchens von Euproctis chrysorrhoea, oder die Fähigkeit der Larve dieser Spezies, giftige Haare in den Puppenkokon einzubauen. Auch können Schmetterlingsraupen den Zugang zum Verpuppungsplatz schützen, indem sie dort Barrieren mit larvalen Gifthaaren platzieren (z. B. Ctenuchide Aethria carnicauda) . Bei manchen Blattkäfern (z. B. Chrysome/a tremu/a) bleibt die Exuvie des letzten Larvenstadiums an der am Blatt deponierten Puppe hängen. Bei Reizungder Puppe kann durch Bewegung der Puppe
sogar noch flüchtiges Wehrsekret aus dem Drüsenreservoir der larvalen Cuticula gepresst werden.
Chemische Abwehr währendInach Kontakt mit Räuber/Parasitoid Eine chemische Abwehr im engeren Sinne ist während oder unmittelbar nach dem Kontakt chemisch geschützter Insekten mit Räubern oder Parasitoiden zu beobachten. Je nach Herkunft und Art der Abwehrflüssigkeiten kann die chemische Abwehr bei Insekten unterschiedlichen Abwehrkategorien zugeordnet werden. Rcgurgitation und Defäkation: Diese Verhaltensweisen stellen bei unterschiedlichsten Insekten wie z. B. Heuschrecken oder Larven von Schmetterlingen oder Blattwespen eine möglicherweise ursprüngliche Art der Abwehr dar. Partiell verdaute pflanzliche oder tierische Nahrung, zusätzlich vermischt mit exogenen Wirkstoffen (z. B. Alkaloide, Blausäure) wird hierbei im Gemisch mit Verdauungsenzymen abgegeben . Häufig wird das Erbrochene oder der Kot noch mit Material aus exokrinen Drüsen vermengt. Dies können Mandibel-, Speichel- oder Halsdrüsen aber auch Vorderdarmtaschen (Blattwespenlarven) sein (Abb. 17-4 B). Bei Aaskäfern kann Kot mit Ammoniak, Steroiden oder anderen Verbindungen aus Analdrüsen gemischt werden. Bei vielen Staphyliniden oder Thysanopteren wird Enddarminhalt mit Material aus abdominalen Abwehrdrüsen gemischt. Wehrdrüsen: In der Regel werden Abwehrstoffe von Insekten in Drüsen (Drüsenzellen Abb. 17-6 F ; 17-11; 17-13 C, I) produziert (s. 1.5). Da von Wehrstoffen meist größere Mengen zum Einsatz kommen als von Pheromonen, sind Wehrdrüsen häufig mit Drüsenreservoiren versehen. Dies sind mehr oder weniger voluminöse, mit einer Intima ausgekleidete, im Körper befindliche Vorratsbehälter (Abb. 17-6 I, J; 17-7 A; 17-13 A-C, H) . Solche Reservoire sind über einen Ausführgang mit der Reservoiröffnung an der Körperoberfläche verbunden (Abb. 17-6 H-J; 17-11; 17-13 A, D, E) . Auf diese Weise ist nach aufeinanderfolgender Reizung eine mehrfache Abgabe von Wirkstoffen möglich. Wehrdrüsen sind bei vielen Insektenordnungen verbreitet und finden sich sowohl in Herbivoren, Karnivoren als auch bei diversen Parasitoiden. In einigen Fällen kommen jedoch auch Abwehrdrüsen ohne Reservoir vor. Bei vielen Imagines von Blattkäfern (Abb. 17-6 F) finden sich Ansammlungen von Drüsenzellen z. B. im Bereich der Epipleuren, welche ihr Sekret in kurzen Röhrensystemen sammeln. Nach der Reizung werden an exponierten KörpersteIlen Sekrettröpfchen abgegeben, welche sich in Rinnen der Körperoberfläche sammeln können, sodass weite Bereiche der
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
Käferoberfläche angefeuchtet werden . Derartige Sekrete können z. B. giftige Herzglykoside oder insektizide Dipeptide enthalten. Letztlich gehören auch Sekrethaare (z. B. Tingidae) oder Gifthaare in diese Drüsenkategorie. Sofern Drüsenzellen ein größeres Volumen aufweisen, kann auch Material aus einzelnen Zellenunter Erhöhung des Innendruckes ausgeschleudert werden. Raupen der Saturniidenart Attacus atlas besitzen am Vorder- und Hinterende kurze Warzen (Scoli), welche jeweils mit einigen isoliertenDrüsenzellen assoziiert sind (Abb. 17-6 E). BeiReizung reißt ein Häutchen oberhalb der DrüsenzeIle, worauf ein feiner Sekretstrahl, der Aromaten, biogene Amine und Glycerin enthalten kann, bis zu 50 cm weitabgegeben wird. Jede so aktivierte Drüsenzelle kann erst nach einer weiteren Häutung erneut betätigt werden. Bei zahlreichen Collembolenarten (z. B. Gattung Tetrodontophora) existieren Poren (sog. Pseudocellen) in charakteristischer Zahl und Anordnung auf der Körperoberfläche. Nach Reizung tritt aus der Pseudocelle bzw. aus der darunterliegenden Drüsenzelle ein Tröpfchen Wehrsekret aus (Abb. 17-13 F, G), welches eine Deterrentwirkung auf Arthropoden aufweist und toxische Pyridopyrazine enthält (s. Abb. 17-10 Y). In der Regel sind Wehrdrüsen mit einem Reservoir assoziiert (s. 1.5.4), wobei derartige Reservoire im Extremfall bei bestimmten Termiten den gesamten Körper des Insektes ausfüllen können. Im Hinblick auf die Applikation der Sekrete werden manche Drüsenreservoire, wie bei Blattkäferlarven, Kurzflüglern oder den Osmeterien der Papilionidae-Raupen (Abb. 17-6 G), bei Reizung aus- , nach der Reizung wieder eingestülpt. Hierfür sind Erhöhungen des Innendruckes bzw. Rückziehmuskeln verantwortlich. Das Ausstülpen eines Drüsenreservoirs in Kombination mit dem Berühren eines Angreifers bedeutet immer, dass der Zielorganismus topikal mit Sekret behandelt wird . Häufig wird dieses regelrechte Beschmieren des Angreifers durch pinselartige oberflächlich Körperanhänge oder Borsten etc. noch optimiert (Abb. 17-12 F) . Oft werden Abwehrgerüche produziert, d. h. es werden flüchtige Wirkstoffe abgegeben . Auch hier können Runzeln, Falten oder Haare (Evaporationsgewebe Abb . 17-12 D) ein rasches Verdampfen solcher Duftstoffe herbeiführen. Häufig ist ein Großteil der Drüsenreservoire im Insektenkörper verankert und kann nicht ausgestülpt werden (Abb. 17-6 H-J; Abb. 17-13). Eine Sekretabgabe durch Spritzen oder als Spray ist dadurch möglich (z. B. bei Carabiden), dass sich Muskeln kontrahieren, welche direkt das Reservoir umgeben (s. Abb. 17-7 H-J) . Zusätzlich setzen Muskeln direkt am Ausführgang des Reservoirs an, wodurch z. B. die gezielte Öffnung des Ausführganges bei Bedarf oder die Abgabe des Sekretes als Spray (z. B. Raupen von Zahnspinnern) möglich wird. Teilweise wird Sekret aus Wehrdrüsen in Tropfenform abgegeben, dickflüssiges Sekret kann nach der Abgabe mithilfe der Extremitäten auf der Körperoberfläche ver-
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teilt werden. In der Regel kann Sekret auch bei aufeinanderfolgenden Reizungen in kleinen Portionen abgegebenwerden. Auch im Hinblick auf die räumliche Aktivierung der zumeist aggressiven Wehrsekrete sind bei chemisch geschützten Insekten mindestens vier unterschiedliche Prinzipien verwirklicht worden . Bei den meisten Taxa werden die toxischen Endprodukte der Wehrsekrete bereits in den Drüsenzellen selbst aus weniger giftigen Vorstufen synthetisiert, d. h. das Wehrsekret liegt gebrauchsfertig in den Tubuli der Drüsenzellen (Abb. 17-11 links) und damit im Drüsenreservoir vor. In vielen Fällen erfolgt diese Aktivierung der Sekrete erst zu einem späteren Zeitpunkt im Drüsenreservoir. So erhöht sich bei frisch geschlüpften Wanzenimagines erst im Verlauf mehrerer Wochen der Gehalt an aggressivem Hexanal im Drüsenreservoir, wohingegen der Titer der harmlosen Vorstufe Hexylacetat, die bei frisch gehäuteten Imagines im Reservoir dominiert, kontinuierlich abnimmt. Auch bei Larven von Blattkäfern werden toxische Iridoide oder Aromaten erst im Drüsenreservoir produziert. Die bei den Umsetzungen beteiligten Enzyme werden folglich kontinuierlich von den Drüsenzellen ins Reservoir abgegeben. Ein weiterer Schritt, die Aktivierung giftiger Sekrete nach außen zu verlagern, ist bei den Reaktordrüsen (z. B. Bombardierkäfer) erreicht worden (Abb. 17-7 A) . Neben dem Drüsengewebe und den paarigen Drüsenreservoiren besitzen diese Tiere weiter peripher gelegene Reaktionskammern mit dicker Wandung und zahlreichen enzymproduzierenden Drüsen. Im Drüsenreservoir sind die harmlosen Sekretvorstufen, d. h. eine 25 %ige H 2 0 2- Lösung mit Hydrochinonderivaten enthalten. Bei Reizung wird eine kleine Portion dieses Gemisches über einen Öffnungsmuskel in die peripher gelegene Reaktionskammer gepresst. Die hier produzierten hitzestabilen Katalasen und Peroxidasen setzen das Gemisch von Vorstufen bei Temperaturen von 70-80 °C blitzartig um, wobei H 20 2 in H 20 und das "Treibgas" O 2 zersetzt wird . Gleichzeitig erfolgt die Oxidation der harmlosen Hydrochinonderivate in toxische, kanzerogene Chi none. Die Aktivierung des Sekretes beim Bombardierkäfer ist folglich prinzipiell mit der Aktivierung binärer chemischer Waffen vergleichbar. Bei beiden exothermen Reaktionen erhöht sich die Temperatur auf etwa 100°C, was eine Entzündung des Gemisches zur Folge hat. Der Extremfall, d. h. die Aktivierung eines Wehrsekretes außerhab des Körpers wurde bei der Ameise Crematogaster scutellaris beschrieben. Die Sekrete der Giftdrüse (Acetatesterasen, Alkoholoxidasen) und der Dufourdrüse (Acetate) werden von der Ameise bei Reizung in Tropfenform über den Stachelapparat abgegeben und vermischen
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
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Abb. 17·7: Chemische Abwehr: Wehrdrüsen. Siphonensekret. Gifthaare und cuticulare Hohlräume. A Reaktordrüse eines Bombardierkäfers [Dr: Drüsengewebe, Res Drüsenreservoir, Rk Reaktionskammer, Öm Öffnungsmuskel; im Drüsenreservoir Hydrochinone, Wasserstoffperoxid. Reaktionsprodukte (unten) Chinone, Wasser, Sauerstoff]. B längsschnitt durch Siphon von Rhopalosiphum padi mit im Sekret flottierenden Drüsenzellen (Dz), Drüsensack (Ds), Öffnung (Pfeil), Öffnungsmuskel (Öm) und Epidermis (Ep). CQuerschnitt durch dasIntegument der larve von Zygaena trifolii. Kleine (11) und große (I), sekretgefüllte Hohlräume liegen aufeinschichtigem Epithel (Ep) mit Chitin-Protein-Cuticula. D, EGifthaare von Euproctis chrysorrhoea. F Im Raupenintegument steckendes Euproetis-Gifthaar wird über eine basale Öffnung mitSekret gefüllt. G Giftdorn der Raupengattung 8alataea mit Giftdrüsenzelle (Or), trichogener Zelle (tZ) und einschichtigem Epithel (Ep). H Gespenstschrecke der Gattung Anisomorpha wird von oben gereizt und gibtaus beiden pronotalen Wehrdrüsen Wehrsekret ab. I Am rechten Vorderbein gereizte Gespenstschrecke entleert gezielt rechte pronotale Wehrdrüse. J Arbeiterin von Pachycondyla tridentata setzt schaumiges Klebesekret aus der Giftdrüse gegen angreifende Ameisen der Gattung Pheidole ein. K Kleine und große Arbeiterin der Blattschneiderameise Atta cephalotes. Kleine Arbeiterin verteidigt große Arbeiterin gegen Phoride Apocephalus. (A nach Schildknecht, Maschwitz und Maschwitz 1968, B nach Foldi-Hope 1990, Cnach Franzl und Naumann 1985, D, Enach Weidner 1936, F, Gnach Kawamoto und Kumada 1984, H, I nach Eisner 1965, J nach Buschinger und Maschwitz 1984, K Kaestner 1973)
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
sich. Innerhalb weniger Minuten werden die Acetate durch die Giftdrüsensekrete gespalten und sofort in aggressive, instabile Ketoaldehyde überführt . Diese teils mehrfach ungesättigten Aldehyde sind so reaktiv und instabil, dass deren Speicherung sinnlos wäre. Gleichzeitig wirkt die bei der Acetatspaltung freiwerdende Essigsäure auf C. scutellaris als Alarmpheromon. Siphonensekret der Blattläuse: Die Siphonen der Blattläuse enthalten je ein größeres Drüsenreservoir, in dem eine Anzahl von Drüsenzellen schwimmt (Abb. 17-7 B). Bei Reizung kontrahiert sich ein Öffnungsmuskel des Reservoirs und eine kleine Portion des sich verfestigenden Siphonensekretes wird als Tropfen gegen Räuber und Parasitoide abgegeben . Das Siphonensekret enthält vor allem Klebstoffe (insbes. Triglyceride) und Alarmpheromone (z.B. ß-Famesen). Letztere bewirken, dass andere Blattläuse die Flucht ergreifen, aus einanderweichen oder sich fallen lassen. Tracheale Wehrdrüsen : Eine raffinierte Art der Sekretabgabe wird dadurch erzielt , dass Wehrdrüsen mit Tracheen assoziiert sein können (tracheale Wehrdrüsen) . Bei einigen Heuschrecken (Romaleinae) oder in der Schabengattung Diploptera werden chinonhaltige Wehrstoffe im Bereich bestimmter Tracheen produziert und bei Reizung durch Ausatmung nach Erhöhung des hämostatisehen und pneumatischen Druckes gezielt als Spray abgegeben. Selbstverständlich müssen die betroffenen Tracheen dann vom übrigen Tracheensystem abgekoppelt werden , wenn Atemluft aufgenommen werden muss. Gifthaare/Giftdornen: Insbesondere bei Raupen von Schmetterlingen sind unterschiedlichste Typen von Gifthaaren und Giftdornen verbreitet (s. 1.3.10; 20.2.3). Rufen Haare und Dörnchender Raupen eine Vergiftung hervor, so bezeichnet man dies als Erucismus. In seltenen Fällen können auch giftige Haare der Imagines Schäden verursachen (Lepidopterismus). Hierbei werden die von älteren Raupenstadien produzierten Gifthaare in den Puppenkokon eingearbeitet. Nach dem Schlupf aus der Puppe nehmen die weiblichen Falter giftige Haare auf und kleben diese an ihren Hinterleib. Letztlich können auch Eigelege durch das Weibchen mit solchen giftigen Larvenhaaren geschützt werden . Generell dürften derartige Haare keinen Schutz vor Invertebraten oder Parasitoiden liefern und vielmehr in erster Linie gegen Wirbeltiere gerichtet sein. Allerdings gibt es auch hier immer wieder Nahrungsspezialisten (z. B. Spechte), welche besonders Raupen mit Gifthaaren verspeisen . Die winzigen , etwa 0,1 mm langen Spiegelhaare (Prozessionsspinner, Lymantriidae), die 2-10 mm langen Giftdornen (Limacodidae, Saturniidae) und die Ballonhaare (Lymantriidae) enthalten verschiedene Toxine. Spiegelhaare. wel-
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ehe nur in älteren Larvenstadien gebildet werden , lösen sich leicht vom Raupenkörper ab, bzw. können sogar abgeschossen oder durch den Wind verbreitet werden. Die im Inneren giftgefüllten Spiegelhaare sind zumindest basal zugespitzt (Abb. 17-7 D-F) und hier mit einer Öffnung versehen, über welche Gift ins Innere des Haares transportiert wird (Abb. 17-7 F), dringen deshalb leicht in die Haut ein und verursachen die sogenannte Raupendermatitis. Hierfür können hitzeresistente Proteine, Histamin, Ameisensäure sowie diverse Enzyme verantwortlich sein. Das Krankheitsbild reicht dabei von Blasenbildungen, Schwellungen und Nekrosen auf der Haut bis zu Schleimhautreizungen. Giftdornen sind bei Raupen zahlreicher Fam ilien verbreitet (Limacodidae, Megalopgygidae, Saturniidae, Abb. 17-7 G). Die Spitze derartiger Dornen ist aus härterem Material und diese bricht beim Eindringen in die Haut leicht ab. Ansonsten ist da s Innere solcher Dornen mit toxischen Proteinen sowie biogenen Aminen gefüllt. Die Krankheitssymptome nach dem Berühren einer so genannten "Feuerraupe" (= Megalopygidae) reichen von Dermatitis bis zum anaphylaktischen Schock. Die hohlen, elastischen Ballonhaare der Jungraupen von Lymantriiden sind in der Mitte aufge trieben (Abb.17-12 B) und enthalten größere Meng en von Nicotin. Diese insektizide Verbindung schützt die Raupen vor räuberischen Arthropoden und ruft auch auf der Säugerhaut Entzündungen hervor. Hingegen werden mechanische und andere Verletzungen (z.B. im Bereich des Auges) durch die wesentlich längeren Bürstenhaare der Lyrnantriidae hervorgerufen (s. Abb. 25-62 E). Derartige Haare werden ebenfalls abgerieben, abgeschossen oder können wie die in einzelne Glieder zerfallenden Pfeilhaare mancher Dermestidenlarven Allergien hervorrufen (s. Abb. 1-17). Sekrethaare: Während über Gifthaare und Giftdornen Sekret in den Zielorganismus eingebracht, d. h. injiziert wird, kann auch eine Oberflächen behandlung mit Wehrsekreten zur Abwehr von Räubern oder Parasitoiden führen . Wie pflanzliche Drüsenhaare verfügen manche Insekten (z.B. Larven vieler Tingidae, Junglarven bestimmter Berytidae und Reduviidae) über Sekrethaare, an welchen klebriges, zum Teil eher festes, meist insektizides Material haftet (Abb. 17-12 A, C, E). Bei Tingiden wurden bislang Chromone, Chromanone, Diketone sowie geradkettige Aldehyde und Ketone identifiziert. Vergleichbare Drüsenhaare wurden auch auf der Oberfläche von Puppen von Marienkäfern der G attung Epilachna nachgewiesen . Hier wurden Alkaloide aus der Azamakrolidgruppe (Abb. 17-10 U) identifiziert, die eine Repellentwirkung auf Ameisen entfalten.
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
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Abb. 17-8: Hämolymphgifte bei pharmakophagen Insekten. Fluss der giftigen Sekundärstoffe Cantharidin (links) und Pyrrolizidinalkaloide (rechts) durch verschiedene trophische Ebenen . Produzenten von Cantharidin: A Meloidae, Abgabe toxischer Hämolymphe durch Reflexbluten (Pfeile) und (8) Oedemeridae. CAufnahme des Cantharidins durch canthariphile Gnitze und (0) Männchen eines Anthiciden. Transfer des Cantharidins vom Anthicidenmännchen (0) ins Weibchen (E) während Kopula Transfer in die Eier (F) sowie Übernahme des Cantharidins vom Ei (F) ins Larven (G) - und Puppenstadium (H). Aufnahme des Cantharidins durch Brackwespe (I). Produzenten von Pyrrolizidinalkaloiden: J Asteraceae, Aufnahme der Alkaloide durch Raupen spezialisierter Arctiiden (K) und Weitergabe über Puppenstadium (L) in weibliche (M) und männliche (N) Falter. Transfer der Alkaloide vom Männchen ins Weibchen (Kopula) sowie Weitergabe der Pyrrolizidinalkaloide in die Eier (0). Wahrnehmung der Alkaloide durch spezialisierte Brackwespe (P). (Nach Dettner 1997)
Stachelapparate und Gifte: Aktiv giftige Insekten mit Stachelapparaten (z. B. Vespidae, Apidae, Ameisen) oder jene Taxa (Ichneumonidae, Braconidae), welche Stachelapparate zum Paralysieren ihrer Wirte benutzen, werden in den Kapiteln 16.2.2 und 20.2.2 besprochen. Im Kapitel 20 sind auch die Spezies aufgeführt, welche ihre Mundwerkzeuge beim Stechakt einsetzen (z. B. Läuse, Wanzen, Fliegen, Mücken, Flöhe). Hämolymphgifte und Reflexbluten: Recht häufig speichern Insekten giftige Wirkstoffe nicht in Drüsen, sondern in der Hämolymphe und in inneren Organen (systemische Gifte). Allerdings ist der genaue Syntheseort dieser eher polaren, oft Nhaitigen Verbindungen meist nicht bekannt. Paradebeispiel für diese Art der chemischen Abwehr ist
das bei Marienkäfern oder Ölkäfern beobachtete Reflexbluten . Hier können bei Reizung an präformierten KörpersteIlen, z. B. an Beingelenken Hämolymphtröpfchen mit den jeweiligen Wirkstoffen abgegeben werden (Abb. 17-8 A). Hämolymphgifte können entweder vom Insekt selbst synthetisiert werden (z. B. Pederin bei Kurzflüglern der Gattung Paederus bzw. den im Insekt befindlichen endosymbiontischen Bakterien, Abb. 17-10 Q; Cantharidin bei Meloiden und Oedemeriden, Abb. 17-8, 17-10 D; Marienk äferalkaloide, Abb. 17-10 R) oder sie werden aus Pflanzen oder Tieren extrahiert (Pyrrolizidinalkaloide bei diversen pharmakophagen Insekten, Abb. 17-8; Cantharidin bei canthariphilen Insekten, Abb. 178; viele Herzglykoside in div. Insektenordnungen),
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
Pyrochroidae
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Anthicidae
Hoden Anhangsdrüsen - ausslülpbare - Analsäckchen
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cfAnhangsdrüsen gefüllt mit Cantharidin
------Eier-----mit Cantharidin
Abb. 17-9: Balz der canthariphilen Käfer Neopyrochroa flabel/ata (Pyrochroidae) und Notoxus monoceros (Anthicidae). Oben: Vorherige Cantharidinaufnahme durch männliche Käfer; 2. Reihe: Männchen hat Cantharidin in den Körper aufgenommen und speichert das Gift in den männlichen Anhangsdrüsen (schwarz; Neopyrochroa-M ännchen links) und den Kopf(links) bzw. Elytrendrüsen (rechts). Weibchen beißt in die Kopfdrüse (links; Pyrochroidae) bzw. Elytrendrüse (rechts; Anthicidae) der jeweiligen männlichen TIere und ermittelt den Cantharidingehalt des jeweiligen Männchens. 3. Reihe: Nur Männchen mit höheren Giftgehalten dürfen mit dem Weibchen kopulieren und übertragen dabei neben Sperm ien Cantharidin in die Spermatheca der jeweiligen Weibchen. Unten: Das vom Männchen als .Hochzeitsqeschenk" aufs Weibchen übertragene Gift wird in die Eier eingebaut. die nunmehr vor Fraß geschützt sind. (Links: Eisner et al. 1996; rechts: Dettner und Thießen 1995)
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
d . h . sie passieren den Darmtrakt des betreffenden Insektes, werden entgiftet und schließlich gespeichert. Auch bei Insekten mit Hämolymphgiftensind Mehrfachreizungen möglich, allerdings kann letztlich nur ein bestimmter "Blutverlust" toleriert werden. Dem potenziellen Gegenspieler wird parallel zur giftigen Hämolymphe mit systemischer Wirkung die Ungeniessbarkeit des Insektes oft durch eine Wamfarbe und/oder einen Wamgeruch signalisiert. Ein erfahrener Räuber wird es folglich zukünftig vermeiden, Zielorganismen mit dem entsprechenden Aussehen oder Geruch nochmals zu ergreifen. Die Verwendung von Hämolymphgiften scheint auf den ersten Blick für Insekten eher mit Nachteilen verbunden zu sein. Immerhin verlieren sie teils erhebliche Mengen an Blut, wenn sie gereizt werden. Darüber hinaus sind aggressive Wehrsekreteimmer in einem Drüsenreservoir oder einer tubulären Drüsenzelle durch die widerstandsfähige Auskleidung dieser Strukturen mit Cuticulin so geschützt, dass der Produzent durch diese Wirkstoffe nicht geschädigt wird. Hingegen müssen Hämolymph-Substanzen entgiftet werden, d.h. es muss eine geeignete ungiftige Speicherform des Wirkstoffs verfügbar sein. Auf der anderen Seite bietet ein in der Hämolymphe enthaltenes Toxin im Vergleich zum Wehrstoff in der Drüse gravierende Vorteile: Toxine in der Hämolymphe können von einem Entwicklungsstadium zum nächsten transferiert, d.h. "mitgenommen" werden (Abb. 17-8 F-H, K -O) . Allerdings kann dies dann Schwierigkeiten bereiten, wenn die Larven sich häuten oder wenn solche Verbindungen vom letzten Larvenstadium über das Puppenstadium ins Adultstadium überführt werden sollen, denn Fremdstoffe werden dabei häufig über das Mekonium (Darminhalt frisch geschlüpfter Schmetterlinge enthält Abfallprodukte des Stoffwechsels während der Puppenruhe) eliminiert. Im Gegensatz dazu werden larvale Wehrdrüsen von Stadium zu Stadium mit gehäutet, d . h. sie müssen jeweils erneuert werden. Generell sind Wehrdrüsen bei Larven eher seltener ausgebildet, als bei Imagines und larvale Drüsen sind nicht mit imaginalen zu homologisieren . Schließlich fehlen Wehrdrüsen bei Eiern und Puppen völlig, d . h . eine chemische Abwehr ist hier in der Regel nur über in der Hämolymphe enthaltenen Gifte möglich. Eine interindividuelle Weitergabe solcher Toxine ist auf zweierlei Weise möglich. Während der Kopula kann ein Transfer der Gifte als eine Art " H ochzeitsgeschenk" vom Männchen (Anhangsdrüsen) ins Weibchen (Receptaculum seminis) erfolgen (Abb. 17-8 D-E, M-N). Bei der Eiablage können Weibchen solche Wirkstoffe zudem in die Eier inkorporieren (Abb. 17-8 E-F, M,O) . Schließlich ist sogar ein interspezifischer Trans-
fer solcher Toxine, d. h. ein Austausch zwischen verschiedenen Arten möglich. Derartige Phänomene werden bei drogenfressenden Arten, den so genannten pharmakophagen Insekten beobachtet. Solche Tiere besitzen empfindliche Chemorezeptoren für bestimmte, eher nichtflüchtige Wirkstoffe wie Cantharidin oder Pyrrolizidinalkaloide und schaffen es letztlich, solche "Drogen" gezielt aufzusuchen, um davon größere Mengen zu konsumieren (Abb. 17-8 C, D, I, M, N, P) . Derartige Substanzen werden in eine ungiftige Form überführt und können dann ganz bestimmte Funktionen übernehmen . Letztlich hat dies ein "Vagabundieren" von Wirkstoffen in verschiedenen trophischen Ebenen zur Folge (Abb. 17-8). Durch die Präsenz von Hämolymphgiften können völlig unbewegliche Stadien (z. B. Eistadien) oder auch partiell unbewegliche Stadien wie Puppen (Abb. 17-8 H , L) in effektiver Weise chemisch geschützt werden. Ihr chemischer Schutz ist folglich nur über in der Hämolymphe enthaltene Toxine oder Giftstoffe auf der Eioberfläche gewährleistet. Dieser Schutz kann sich gegen räuberische Insekten, Spinnen, Parasitoide, Wirbeltiere, aber auch gegen Bakterien oder insektenpathogene Pilze erstrecken. Beispielsweise werden giftfreie Eier aus Gelegen des Arctiiden Utetheisa ornatrix von räuberischen Chrysopidenlarven (s. Abb.2547 D) angestochen und ausgesaugt. Enthalten diese Eigelege jedoch Pyrrolizidinalkaloide (s. Abb. 17-8 0), so werden lediglich 2-3 giftige Eier pro Eigelege von der Larve angestochen, die durchschnittlich 18 verbliebenen Eier des Geleges werden hingegen von der räuberischen Larven nicht weiter beschädigt. Im Innern derartiger Eier finden sich beispielsweise erhebliche Mengen von Herzglykosiden iOncopeltus. Danaus, Poekilocerus) , Pyrrolizidinalkaloiden (Arctiidae), cyanogenen Glykosiden (Zygaenidae), Cantharidin (canthariphile Insekten, Cantharidinproduzenten) oder Pederin (Paederus). Oft genügt auch einfach eine Anreicherung der Eier mit Fettsäuren (z. B. manche Chrysomelidae, Stechmücken), welche eine Deterrentwirkung auf Ameisen entfalten. Diese Eier sind nicht nur außerordentlich giftig, sondern oft aposematisch gefärbt. Eiräuber und Eiparasitoide müssen über Entgiftungsmechanismen verfügen, um derartige Eier nutzen zu können. Letztlich wird bei mehreren Schmetterlingsfamilien mittels giftiger Larvenhaare (z. B. Lymantriidae, Thaumetopoeidae, Notodontidae, Saturniidae) ein vergleichbarerchemischer Schutz erreicht. Interessanterweise verfügen solche Imagines mit H ämolymphgiften(z. B. Imagines der Anthicidae, Abb. 17-8 D, E) oft zusätzlich über exokrine Drüsen mit Wehrsekreten. Damit die Imagines ihren Gehalt an Hämolymphwirkstoffen erhöhen können, tritt sogar Puppenund Eikanniba1ismus auf. Die Situation wird dadurch
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
noch komplizierter, dass Hämolymphsubstanzen wie Herzglykoside, Cantharidin oder Pyrrolizidinalkaloide teilweise wieder in exokrine Drüsen gelangen, bzw. dort angereichert und ausgeschieden werden können. In einigen Fällen kann der Wirkstoff-Titer des nur mit wenigen Männchen kopulierenden Weibchens dadurch maximiert werden , dass die Tiere bereits vor der Kopula nur solche Männchen auswählen, die einen gewissen Mindest-Wirkstofftiter aufweisen, d. h. ein "Hochzeitsgeschenk" einer gewissen Größe erwarten lassen (Abb. 17-9). Bei pharmakophagen, sog. drogenfressenden Schmetterlingen kann die Menge abgegebenen Sexualpheromons des Männchens und letztlich dessen Fähigkeit, Weibchen anzulocken, von der als Larve aufge nommenen Wirkstoffmenge aus der Fraßpflanze abhängen (Abb. 17-8). Auch bei canthariphilen Käfern wie Pyrochroiden (Kardinalkäfer) oder Anthiciden (Blumenkäfer) überprüft das Weibchen im Verlauf einer komplizierten Balz durch einen Biß in eine exokrine Drüse des Männchens dessen Wirkstofftiter, d. h. den Gehalt an giftigem Cantharidin (Abb. 17-9). Je nach dem Giftgehalt in der Hämolymphe enthalten die männlichen Individuen auch entsprechende Titer an Wirkstoffen in ihren Kopfdrüsen (Neopyrochroa flabellata Abb. 17-9 links) oder Elytrendrüsen (Elytrenkerben Notoxus monoceros, Abb. 17-9 rechts). Nur solche Männchen werden in signifikanter Weise als Kopulationspartner akzeptiert, welche eine Mindestmenge an Gift in ihrer jeweiligen exokrinen Drüse parat halten und somit erwarten lassen , dass sie eine Mindestmenge an Wirkstoff in die "Ehe mitbringen", bzw. in die eigene Nachkommenschaft investieren . Cuticulare Hohlräume: Für die Speicherung von Wehrsekreten der Zygaenidenlarven existieren zwei Typen von endocuticularen Behältern mit cuticularen Öffnungsmechanismen. Während die großen Behälter (Typ I) unterhalb der dunklen Pigmentflecken von Zygaena-Raupen angeordnet sind , finden sich die kleinen Behälter (Typ II) abgesehen von der Unterseite der Larve in deren gesamtem Integument (Abb. 17-7 C). Das für die primäre Abwehrwirkung des Materials verantwortliche Sekret der Behälter des Typs I enthält unter anderem die Blausäureglykoside Linamarin (Abb. 17-10 V) und Lotaustralin, Aminosäuren, Proteine und Wasser. Die Sekrete treten bei Reizung durch Kontraktion als hochviskose Tröpfchen aus der Larvencuticula aus, wobei aus den Glykosiden nach enzymatischer Spaltung Blausäure freigesetzt wird. Sekrete der Behältnisse des Typs II werden nur bei sehr starker Reizung freigesetzt. Insgesamt werden bei einer Reizung einer Larve des 6. Entwicklungsstadiums zwischen 3 und 6 ul Sekret . abgegeben. Als Blausäureproduzenten sind Zygaeniden in gewissem Umfang zyanidresistent.
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Dorsolaterale Hohlräumeoberhalbvon Thorax und Abdomen finden sich auch bei zahlreichen Wanzen aus der Familie der Lygaeidae. Hier werden wie bei der Gattung Oncopeltus größere Mengen von Herzglykosiden gespeichert, welche von den Wanzen vorher aus Pflanzen aufgenommen wurden. Chemie und biogenetische Herkunft der Abwehrstoffe und Gifte : Aus Drüsenstrukturen stammende Abwehrstoffe, aber auch giftige Wirkstoffe aus der Hämolymphe können de novo vom Insekt synthetisiert werden oder müssen als Vorstufen von außen (z. B. aus Pflanzen oder Tieren) aufgenommen werden. Obwohl die Neusynthese solcher sekundärer Naturstoffe bei Insekten überwiegt, gibt es vor allem bei Raupen von Schmetterlingen aber auch bei Heuschrecken oder manchen Käfern Beispiele dafür, dass Alkaloide, Terpene (Cantharidin, Steroide) oder Aromaten gezielt oder mit der Nahrung aufgenommen, entgiftet und gespeichert werden. Solche Verbindungen können vom Insekt weiter chemisch verändert werden, bevor sie erneut zum Einsatz kommen. Vor allembeipharmakophagen ("drogenfressenden") Insekten sind hochgradige Anpassungen an solche giftigen Sekundärstoffe zu beobachten, denn diese Verbindungen werden in geringsten Konzentrationen wahrgenommen, entgiftet, werden von Stadium zu Stadium "mitgeschleppt" und können sogar von einem Individuum gezielt auf ein anderes Individuum transferiert werden. Es ist bemerkenswert, dass innerhalb einer Insektengruppe sowohl die Synthese und Speicherung von Abwehrstoffen als auch deren exogene Aufnahme beobachtet werden kann. So synthetisieren einige der an krautigen Pflanzen fressenden, eher ursprünglichen Blattkäferlarven in der Regel cyclopentanoide Monoterpene als Abwehrstoffe. Hingegen können wenige Larven verwandter Taxa aus der Fraßpflanze bestimmte Vorstufen wie z. B. Salicin aufnehmen und daraus in der Drüse Wehrsekrete wie Salicylaldehyd herstellen. Die bei Insekten bislang identifizierten Abwehrstoffe und Gifte sind chemisch außerordentlich vielfältig (z. B. Abb. 17-10). In zahlreichen Fällen können solche Verbindungen exklusiv bei Insekten angetroffen werden , finden sich also nicht bei Pflanzen und anderen Tieren. Neben Kohlenwasserstoffen. Alkoholen, Aldehyden, Ketonen, Carbonsäuren, Chinonen/Hydrochinonen, Estern, Laktonen, Phenolen, unterschiedlichsten Terpenen, schwefelhaltigen Verbindungen oder Alkaloiden kommen in Insekten sogar Blausäurederivate sowie Peptide als Allomone vor. Biogenetisch lassen sich diese Abwehrstoffe grob gesprochen in folgende Stoffgruppen separieren : Terpene, Fettsäurederivate, aromatische Verbindungen, Alkaloide, und diverse andere Gruppen.
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
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Abb. 17·10: Typische Abwehrstoffe und Hämolymphgifte bei Insekten. A Citral, B Limonen, C Iridomyrmecin, D Cantharidin, E Cortexon, F Bufalin, G E-2-Hexenal, H y-Dodecalakton, I 1-Nitro-1-pentadecen, J 3-Keto-Z-9-hexadecenal, K 3-Hydroxydecansäure, L (E,E)-2,8-Dimethyl-1,7-dioxaspiro[5.5]undecan, M 2-Ethyl-1,4-Benzochinon, N Acetophenon, 0 Protocatechusäureethylester, PActinidin, Q Pederin, R Precoccinellin, S Indol, T 2-Methoxy-3-sec-butylpyrazin, U Epilachnen, V Linamarin, W Dimethyldisulfid, X Necrodol, Y 2-Methoxy-3-isopropylpyridopyrazin.
Terpene werden aus Acetateinheiten über Me- spielen in der Abwehr von Insekten eine bedeuvalonsäure synthetisiert (= Mevalogenine), prinzi- tende Rolle, Die Toxizität solcher Terpene beruht piell sind sie aus sich wiederholenden Ce-Isopren- beispielsweise auf der Hemmung der mitochoneinheiten aufgebaut. Zum Teil ist auch deren di- drialen Atmungskette oder der Hemmung von rekte Aufnahme aus Pflanzen möglich , wobei Proteinphosphatasen (Cantharidin). durchaus auch Modifikationen am Molekül durch Auch Sesquiterpenkohlenwasserstoffe (CIS) wie das Insekt zu beobachten sind . Bei der Biosyn- z. B. Farnesen oder ß-Caryophyllen aus den Osmethese eher seltener Terpene sind möglicherweise terien von Papilio werden aus Acetateinheiten aufgebaut. auch Mikroorganismen beteiligt. Triterpene (C30) und Steroide wie Cortexon Häufig in Insektenwehrdrüsen ident ifizierte Monoterpene (C IO ) sind beispielsweise geöffnet (Abb. 17-10 E) oder Bufaline (Abb. 17·10 F) sind (Citral, Abb. 17-10 A; Citronellal) oder geschlos- bei Insekten in mehreren Gruppen (z. B. Dyt issen (monozyklisch: Limonen, Abb. 17-10 B; bi- cidae, Lampyridae, Chrysomelidae) als Abwehrzyklisch: Pinen) . Auch iridoide Verbindungen (Tri- . stoffe identifiziert worden, obwohl Insekten keine dod ial; Iridomyrmecin, Abb. 17-10 C) oder Can- Biosynthese des Steroidgrundgerüstes durchfühtharidin (Abb. 17-10 D, aus Farnesolvorstufen) ren können . Offenbar werden hier mit der N ah-
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
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Die Primärwirkungen der Alkaloide sind vielrung aufgenommene Steroide chemisch verändert, wobei auch symbiontische Bakterien beteiligt sein faltig. Sie reichen von einer Inhibition der DNASynthese oder der Mitose bis zur Blockierung von können . Innerhalb der Insekten sind Fettsäuren und ihre Synapsen. Alkaloide werden gemäß ihrer strukDerivate als Wehrstoffe besonders verbreitet. Sol- turellen Verschiedenheit über eine Vielzahl von che geradkettigen Verbindungen (= Acetogenine) Biogenesewegen hergestellt (aus diversen aliphatikönnen von Insekten aus dem Acetatpool nach schen und aromatischen Aminosäuren; Polykedem Acetat-Malonatweg produziert werden. Der- tide; aus Terpenen, z.B. Actinidin, Abb. 17-10 P). Neben zahlreichen einfachen Amiden stellt das artige Substanzen wie zum Beispiel Kohlenwasserstoffe, Ester, Alkohole oder y-, oder ö- Laktone sekundäre Amid und Polyketid Pederin innerhalb (Abb. 17-10 H) stellen häufig Lösungsmittel für der Insekten einen chemisch äußerst komplizierten einen zum Beispiel festen Abwehrstoff dar, oder Abwehrstoff dar (Abb. 17-10 Q). Außer den Trypsie übernehmen andere Funktionen (fungieren tophanderivaten Indol (Abb. 17-10 S) oder Skatol z. B. als Wirkstoffe oder Fixative). Manche Aceto- finden sich in Wehr- und Giftdrüsen vor allem von genine wie Tetradecanal, E-2-Hexenal (Abb. 17-10 Ameisen und Käfern Alkaloide, die zu den ChinoG), Nitroalkene (Abb. 17-10 I), ß-Ketoaldehyde linen , Piperidinen, Pyrrolinen, Pyrrolidinen, Pyr(Abb. 17-10 J), ß-Hydroxycarbonsäuren (Abb. 17- rolizidinen oder Indolizinen gehören. Die in zahllOK) oder a, ß- ungesättigte, hydroxylierte mak- reichen Wehrdrüsen vorhandenen Pyrazine rozyklische Laktone repräsentieren äußerst ag- (Abb, 17-10 T) können als Warngerüche fungiegressive Wirkstoffe aus Wehrdrüsen, die mit Bio- ren. In der Hämolymphe von Marienkäfern findet molekülen leicht reagieren . Eine andere Konden- sich eine Vielzahl zum Teil recht unterschiedlicher sation von Acetogeninen führt wahrscheinlich zu Alkaloide. Die trizyklischen Coccinelline, (Abb. den in Wehrdrüsen verbreiteten Spiroacetalen 17-10 R) werden aus Acetateinheiten aufgebaut (Polyketidstoffwechsel). Das in Marienkäferpup(Abb.17-10L). Mehrere kurzkettige Fettsäuren wie z. B. Iso- pen nachgewiesene Azamakrolid Epilachnen buttersäure oder Ameisensäure werden im Ge- (Abb. 17-10 U) wird im Käfer über Ölsäure und Lwebe der Wehrdrüse aus Aminosäuren wie Iso- Serin hergestellt. Die von manchen Insekten freigesetzte Blauleuein (Isobuttersäure), Valin (Isobuttersäure) säure wird bei Bedarf aus unterschiedlichen Voroder Serin (Ameisensäure) hergestellt. In zahlreichen Wehrdrüsen finden sich aromati- stufen wie Mandelonitril (Käfer Megacepha/a) sche Verbindungen. Zwar können Aromaten auch oder den cyanogenen Glykosiden Linamarin bei Insekten prinzipiell über eine Kondensation (Abb. 17-10 V) und Lotaustralin (Zygaena-Arten von vier oder mehr Acetateinheiten hergestellt Heliconiinen, Abb. 17-4 A) freigesetzt. Beide Glywerden (Polyketide), doch dürfte dieser Biosyn- koside können von den Zygaeniden selbst syntheseweg bei Insekten eher selten vorkommen thetisiert werden , jedoch ist auch deren Aufnahme (z. B. bei manchen Benzo- und Naphthochinonde- und Speicherung aus Pflanzen möglich . rivaten) . Insekten stellen aromatische VerbindunSchwefelhaltige Abwehrstoffe wie zum Beispiel gen in der Regel aus den aromatischen Amino- das Dimethyldisulfid (Abb. 17-10 W) können von säuren Phenylalanin bzw. Tyrosin her. In Abhän- Insekten aus Methionin hergestellt werden . gigkeit von der Länge der Seitenkette am aromatischen Ring ergeben sich formal Phenylpropan-, Biosynthesestudien sind bei Wehrdrüsen von Insekten nur vereinzelt durchgeführt worden. Deshalb ist die BioPhenylethan- (z. B. 2-Phenylethanol; 2-Ethyl-l,4synthese vieler Insektenwirkstoffe (z. B. Abb. 17-10 Y, Benzoehinon, Abb. 17-10 M; Acetophenon, Abb. Pyridopyrazin; Abb. 17-10 X, Necrodol) noch nicht be17-10 N; Protocatechusäureäthylester, Abb.17- kannt. 10 0) oder Phenylmethankörper (z. B. Benzoesäure, p-Hydroxybenzoesäure, Toluchinon). Ein- Wirkungsweise von Abwehrstoffen: Die Vielfalt an fache Aromaten ohne Seitenkette sind als Phenole Insektenabwehrstoffen wird am besten nach deren bzw. davon abgeleitete Chinone in Wehrdrüsen Wirkung bzw. der jeweils eingeschlagenen Abwehrstrategie sowie nach chemischen Gesichtszahlreicher Insekten verbreitet. Alkaloide sind nicht nur bei Pflanzen nachge- punkten untergliedert. Hinsichtlich ihrer Einsatzwiesen, es sind vielmehr zahlreiche, oft sogar typi- möglichkeiten und Wirkung können prinzipiell sche Insektenalkaloide bekannt. Darüber hinaus niedermolekulare, flüchtige oder in Lösungsmitkönnen Insekten pflanzliche Alkaloide anreichern, teln gelöste Abwehrstoffe mit Repellent-, Deterspeichern und metabolisieren (z. B. Chinolizidinal- renteffekt und insektizider Wirkung (a), polare, kaloide, Pyrrolizidinalkaloide, Abb. 17-8), offen- chemisch meist komplizierter aufgebaute Giftbar sind sie jedoch gleichfalls in der Lage, pflanz- stoffe mit oft systemischer Wirkung (b) sowie liche Alkaloide wie Nicotin de novo zu syntheti- Klebstoffe (c) unterschieden werden . • Niedermolekulare, flüchtige oder in Lösungsmitsieren .
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
teIn gelöste Abwehrstoffe mit Repellent-, Deterrenteffekt und insektizider Wirkung: Ein Großteil dieser in der Regel aus exokrinen Drüsensystemen stammenden Wehrstoffe dringt über das Integument in Zielorganismen ein und/oder schädigt Proteine in peripher gelegenen Sinneszellen. Solche Abwehrstoffe wirken folglich topikal, d . h. sie gelangen über die Oberfläche in den Körper. Aggressive Verbindungen wie z. B. n, ßungesättigte Aldehyde oder Chinone reagieren mit SH- und NH z- Gruppen von Proteinen (Michaeladdition) und führen somit, vergleichbar mit Fixierungsmitteln, zu deren Inaktivierung und Gerbung. Andere Substanzen wie z. B. bestimmte ungesättigte Vinylketone aus Termiten stellen wichtige Kontaktgifte gegen Ameisen und andere Insekten dar oder besitzen wie 6-Methylhept-5-en-2-on einen Knock-down-Effekt. Die insektizide Wirkung mancher Iridoide wie Iridomyrmecin kann die Wirkung des Insektizides DDT bei weitem übertreffen. Manche Abwehrstoffe wie aromatische Nitroverbindungen hemmen die Prostaglandinsynthese und stören damit wichtige Vorgänge wie Exkretion und Ionenregulation, Eiablageverhalten oder Entwicklung. Viele Abwehrstoffe fungieren auch als Fungizide oder Bakterizide und sind für biologisch relevante Effekte wie Benetzung oder Spreitung verantwortlich. Flüchtige Abwehrstoffe mit niedrigem Molekulargewicht können als Fumigantien wirken, d. h. sie dringen weniger über die Oberfläche des Insektes sondern über dessen Tracheensystem in das Tier ein und schädigen es (s. 21.2.3). Wehrsekrete stellen in der Regel komplexe Gemische dar. Häufig finden sich neben dem eigentlichen Wirkstoff andere Hilfsstoffe, wie zum Beispiel Lösungsmittel, die den Wirkstoff in Lösung bringen, ohne dass sie für sich alleine irgendeine Wirkung zeigen würden. Es besteht prinzipiell die Möglichkeit, das zu rasche Verdampfen eines flüchtigen Wehrstoffes oder wichtigen Lösungsmittels durch Beigabe eines Fixativs zu reduzieren. Oft wird das Eindringen niedermolekularer Wirkstoffe in das Arthropodenund Säugerintegument durch solche Lösungsmittel bzw. Gemische von Lösungsmitteln erst ermöglicht. Deshalb kommt der Formulierung der Abwehrstoffe in Wehrdr üsen, d. h. der optimalen qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der Lösungsmittel in Wehrdrüsen eine besondere Bedeutung zu. Beispielsweise kann im Verlauf der Evolution bestimmter Taxa festgestellt werden, dass innerhalb einer jeweils homologen Wehrdrüse ein Typ eines Abwehrstoffes unverändert vorliegt , während sich dessen Lösung bzw. Formulierung von ursprünglichen zu abgeleiteten Taxa kontinuierlich ver-
bessert hat , da zunehmend mehrere Lösungsmittel zum Einsatz kommen . Hierbei können auch Synergismen beobachtet werden , wobei letztlich immer die Wirksamkeit des gesamten Sekretes verbessert wird oder Wirkstoff eingespart werden kann. • Chemisch meist komplizierter aufgebaute Giftstoffe mit systemischer Wirkung: Solche meist in der Hämolymphe und in diversen Geweben enthaltene Wirkstoffe fungieren als systemische Gifte und sind primär gegen Wirbeltiere gerichtet. Beispielsweise handelt es sich um Steroide (Herzglykoside, Nebennierenrindenhormone; z. B. Danaiden, Heuschrecken, adephage Wasserkäfer), Alkaloide (Senecioalkaloide, Marienk äferalkaloide, Pederin) oder das Terpenanhydrid Cantharidin bei Meloidae und Oedemeridae. Die orale Aufnahme dieser Gifte führt entweder unmittelbar nach dem Kontakt, oder erst nach einer gewissen Verzögerung zum Erbrechen des Beutetieres oder zur Betäubung des Räubers. Häufig entfalten ·diese Toxine auch eine hautreizende und leberschädigende Wirkung. Insekten mit derartigen Giftstoffen (z. B. Marienkäfer) sind oft zusätzlich durch eine Warnfarbe oder durch pyrazinhaltige Warngerüche gekennzeichnet. Über die primäre Wirkungsweise einiger dieser Toxine liegen detaillierte Befunde von. So blockiert Cantharidin die überall präsenten Proteinphosphatasen des Typs 2A (PP2A), während Herzglykoside Na+/K+-Pumpen hemmen. • Klebstoffe hemmen vor allem angreifende Arthropoden in ihrer Bewegung und stören die Funktion von Mundwerkzeugen und Sinnesorganen dieser Zielorganismen (s. Abb. 17-7 J). Manchmal wirken diese Verbindungen nicht nur mechanisch, sondern entfalten gleichzeitig auch eine Reizwirkung. Oft werden Klebstoffe auch zusammen mit niederrnolekularen, reaktiven Abwehrstoffen aus Drüsenreservoiren abgegeben, der Klebstoff fungiert dann als Fixativ für die gleichzeitig im Sekret vorhandenen, flüchtigen und reaktiven Komponenten . Klebsekrete werden vom Insekt in flüssiger Form gespeichert und verfestigen sich nach der Abgabe. Hierbei können bei sozialen und subsozialen Spezies gleichzeitig auch Alarmpheromone abgegeben werden. Prinzipiell gehört die Abgabe koagulierender Hämolymphe beim Reflexbluten ebenfalls zu dieser Abwehrstrategie. Chemisch handelt es sich bei solchen Klebstoffen um höhermolekulare Verbindungen wie Proteine, Terpene oder Mischungen von langkettigen Kohlenwasserstoffen mit Mucopolysacchariden. Jedoch können hierbei auch niedermolekulare Verbindungen wie der Dialdehyd Iridodial zum Einsatz kommen, denn diese Substanz polymerisiert außerhalb der Drüse zu einer butterartigen Masse. Bei der Ameisengattung Tapinoma
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
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Abb. 17·11 : Prinzipien des Eigenschutzes bei chinonproduzierendem Käfer mit abdominaler Wehrdrüse. links oben: Ausschnitt aus Wehrdrüse mit mehrzelligem Drüsenkomplex (Dr) und Drüsenreservoir (Res). Phenol. Glykoside (0-0) werden über die Hämolymphe angeliefert und finden sich im Cytoplasma der Drüsenzellen. In der Peripherie des Tubulus (Tu) erfolgt eine enzymatische Zuckerabspaltung, im Lumen des Tubulus erfolgt enzymatisch eine Oxidation des ungiftigen Hydrochinons (0 ) zum toxischen Benzochinon (_ ). Rechts oben: Öffnung (Ö) des Drüsenreservoirs wird bei höher entwickelten Arten (größeres Reservoir; besser formuliertes Wehrsekret) von weicher Intersegmentalmembran auf dicken Skleriten verlagert. Über den dicken Skleriten kann kein toxisches Benzochinon in den Käfer eindringen. Auf der Unterseite des Käfers wird das Prinzip der biochemischen Entgiftung verdeutlicht.
oder dem Kurzflüglerk äfer Deleaster macht ein sich verfestigendes Gemi sch au s Ketonen bzw. Chinonen und Iridodial aus Abdominaldrüsen den Gegner bewegungsunfähig und verhindert zusätzlich das Verduns ten der reak tiven Carbonylverbindungen . Auch Metathorakal- oder Ma ndibeldrüsen mancher Ameisen sind klebstofThaltig. Die riesigen Mandibeldrüsen einer südo stasiatische n Camponotus-Art reichen sogar bis zur Abdo mina lspitze. Eine Reizung der Ameisen-Arbeiterin löst bei dieser Muskelkontraktionen im Abdominalbereich aus, die zum Platzen des Hinterleibs und zum Austritt des zähflü ssigen Sekretes führ en. Solche .Selbstopferungen" (= Autothy sie) wurden auch bei mehreren Termit enart en beobachtet. Die wohl au sgefeiltesten .Kleisterspritzen'' haben Termitensoldaten aus der Unterfamilie der Na sutermitinae entwickelt. Der Stirnbereich ist bei dieser Termiten kaste schnauzenförmig verlängert (= Nasus), denn hier mündet die riesige Front aldrü se nach außen . Nesteind ringlinge wie Spinnen, Ameisen oder Ameisenbären werden mit übelriechenden Klebstoffsalven besprüht. Chemisch bestehen solche harzigen Sekrete aus strukturell ungewöhnlich en, bi- und trizyklischen Diterpenen , welche in Mon oterpenen gelöst sind. Andere Termitenarten behandeln Angreifer mit einem farblosen und flüssigen Proteingemi sch. welches kurz danach durch gleichzeitig abgegebene Chinone zu einer dunklen, gummiartigen Ma sse gegerbt wird .
Vom Insekt selbst synthetisierte Klebsekrete sind offenbar weit verbreitet, wie z. B. das abdomin ale Wehrsekre t der Proturen, das wachsartige Siphonensekret der Blattläuse oder der protein haltige Klebespeichel von Syrp hidenlarven. In einigen Fällen könn en solche Klebstoffe jedoch aus der pflanzlichen Nahrung stammen. Das herbivore Insekt muss derartige Verbindun gen lediglich anreichern, um sie danach für die eigene Abwehr nutzen zu können . Rau bwanzen aus der Gattung Apiomerus, "salben" sich mit den zuvor gesammelten pflanz lichen Terpenen (z. B. Kampfer) und bedecken danach ihre Eigelege mit diesem aggressiven Harz, wodurch eine Eiparasitierung verhindert wird. Bestimmte Blattwespenlarven (Diprionidae, Pergidae) speichern ätherische Öle aus ihrer jeweiligen Fraßpflanze (z. B. Pinus- Nadeln Eucalyptus-Blätter) in Taschen des Vorderdarms. Gereizte Larven biegen ihr Vorderende zum Angreifer hin und erbrechen die gespeicherten aggressiven und klebrigen Mono- und Sesquiterpene (Abb. 17-4 B). Solche Verbindu ngen entfalten eine deutliche Repellentwirkung auf Vögel, Kleinsäuger oder Ameisen.
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
Eigenschutz: Eine große Zahl der bekannten Abwehrstoffe von Insekten ist besonders giftig, reizend oder sogar karzinogen . Deshalb stellt sich das Problem, wie sich die jeweiligen Insekten vor ihren eigenen Giften schützen können. Da die hierbei beteiligten Drüsenzellen in der Regel mit Tubuli versehen sind, erfolgt oft im Lumen dieser von widerstandsfähigem Cuticulin ausgekleideten Tubuli bzw. der Endapparate die enzymatische Aktivierung der Wehrsekrete, d. h. hier finden die letzten Biosyntheseschritte bis zum toxischen Endprodukt statt . Beispielsweise wird das giftige p-Benzochinon im Lumen des Drüsentubulus durch Oxidation des harmlosen Hydrochinons hergestellt (Abb. 17-11 oben links). Zuvor wurde im Bereich des Tubulus aus dem entsprechenden phenolischen Glykosid durch enzymatische Abspaltung des Zuckers Hydrochinon produziert. Durch diese Kompartimentierung wird erreicht, dass sich das giftige Endprodukt (Chinon) nur in jenen Speicherstrukturen (zuleitender Gang vom Drüsengewebe zum Reservoir, Reservoir, Ausführgang des Reservoirs) findet, welche alle mit widerstandsfähigem, epikutikulären Cuticulin ausgekleidet sind. Im Extremfall kann eine Aktivierung hochreaktiver Wehrstoffe auch in Reaktionskammern oder sogar außerhalb der Drüsenreservoire stattfinden (s. "Wehrdrüsen "). Weitere Mechanismen, die das Eindringen giftiger Wehrsekrete in den Produzenten zu verhindern, sind dann von Bedeutung, wenn das Material in Tropfenform abgegeben wird, oder wenn sich Reste abgegebenen Wehrsekretes auf dem Integument in der Nähe der Reservoiröffnung befinden. Im Verlauf der Evolution wird die ursprünglich zwischen zwei Skleriten im Bereich der weichen Intersegmentalmembran gelegene Öffnung des Wehrdrüsenreservoirs dann bei höher entwickelten Formen auf die harten Skleriten verschoben, wenn auch die Formulierung des Wehrsekretes, d. h. dessen Toxizität verbessert oder das Drüsenreservoir vergrößert wird (Abb. 17-11 oben rechts). Auch Beobachtungen aus der Insektizidforschung zeigen, dass bei Applikation von Wirkstoffen auf eine Intersegmentalmembran sehr viel mehr in ein Insekt eindringt, als bei Aufbringen desselben Materials auf einen dicken Skleriten. Wanzen verhindern, dass das lipophile, hexenalhaltige Wehrsekret von der Verdunstungsoberfläche in der Umgebung der Wehrdrüsenmündung in das Tier eindringt und es schädigt, indem sie die epikutikulären Wachskanäle nur im Verdunstungsbereich neben der Reservoiröffnung zusammenfassen und mit einem harzigen Material verschließen. Somit sind diese Kanäle impermeabel für lipophile, hexenalhaltige Flüssigkeiten.
Schließlich existieren auch einige biochemische Entgiftungsmechanismen. So können Blausäureproduzenten enzymatisch einen Teil der entstehenden Blausäure durch Überführung in Thiocyanat in ihrem Körper unschädlich machen. Auch Termiten sind in der Lage, die toxischen Nitroalkene und Vinylketone ihrer Wehrsekrete durch Entfernung der Doppelbindung zu Nitroalkanen und gesättigten Ketonen zu entgiften, falls diese Wirkstoffe von außen über das Integument ins Körperinnere eindringen (s. Abb. 17-11 unten). Nicht nur bei den de novo vom Insekt produzierten Abwehrstoffen sind Mechanismen entwickelt worden, sich selbst vor diesen Wirkstoffen zu schützen. Auch herbivore Insekten können sich bei Bedarf vor agressiven Sekundärstoffen aus der pflanzlichen Nahrung schützen. Pflanzen mit Herzglykosiden schützen sich in effektiver Weise vor herbivoren Insekten oder Vertebraten . Solche Pflanzen werden gemieden, denn Herzglykoside hemmen die so wichtigen, überall vorhandenen Na"-, K+-ATPasen. Allerdings haben sich einige Insekten wie der aposematisch gefärbte Monarchfalter Danaus plexippus (s. Abb. 17-4 H, K) auf diese Wirtspflanzen spezialisiert und speichern diese Gifte als Schutz vor Prädatoren (s. 17.2.1.2). Wie sich herausstellte, ist der Monarchfalter gegenüber giftigen Herzglykosiden resistent, denn er verträgt immerhin 8 mg des Giftes pro g Trockengewicht. Diese Unempfindlichkeit wird durch eine Punktmutation hervorgerufen, denn die Bindungsstelle für Herzglykoside, die extrazelluläre a-Untereinheit der Na+-, K+-ATPase enthält beim Monarchfalter einen Histidinrest in Position 122 anstelle eines Asparaginrestes bei allen, fast durchweg herzglykosidsensitiven Tieren. Manche Pflanzengifte entfalten ihre Giftwirkung erst unter dem Einfluss des Sonnenlichtes (Phototoxine). Hierbei greifen entstehende Radikale andere Biomoleküle an und zerstören diese. Johanniskrautarten (Hypericum) produzieren das Photo toxin Hypericin und sind dadurch vor einer Vielzahl von Herbivoren geschützt. Während Imagines des Blattkäfers Chrysolina hyperici je nach Bedarf tagsüber oder auch nachts an der Pflanze fressen, nehmen die zugehörigen Käferlarven nur nachts an der Pflanze hypericinhaltiges Blattmaterial auf. Tagsüber sind diese Larven im Boden versteckt. Der Grund für diese je nach Entwicklungsstadium variierende Fraß aktivität am Johanniskraut ist darin zu suchen, dass die Käferlarven ein dünnes, durchsichtiges Integument aufweisen. Würden sie tagsüber von der Sonne beschienen, so würde dies zu einer Aktivierung des Hypericins und unweigerlich zum Tod der Larve führen . Imagines sind hingegen undurchsichtig und weisen dadurch einen Sonnenschutz auf. Mit der pflanzlichen Nahrung aufgenommenes Hypericin kann folglich nicht durch das Integument hindurchfallende Licht aktiviert werden.
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
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Abb. 17-12: Chemische Abwehr: Sekret-und Gifthaare sowie Wehrdrüsen. A Mit Drüsenhaaren besetzte Larve der Tingide Galeatus affinis aufWirtspflanze. B Balionhaare von Jungraupen (L I) von Lymantria dispar. C Sekrethaare der TIngide Stephanitis pyri. 0 Wehrdrüsenmembran der abdominalen Wehrdrüse des Kardinalkäfers Pyrochroa coccinea (Außenansicht nach Mazeration). ESekrethaare der Tingide Galeatus affinis (L 5). F Hinterleibsspitze des Kurzflüglers Philonthus cruenatus mit ausgestülpten abdominalen Wehrdrüsen (Pfeile). Maßstäbe: A, F: 1 mm, B, E: 200 11m, C: 50 11m, D: 1011m. (A, C. Enach Scholze und Dettner, B nach Deml und Dettner 1995, Dnach Dettner 1989, F nach Dettner 1991)
Milchsaftftihrende Pflanzen schützen sich durch ihren klebrigen, mit toxischen Verbindungen angereicherten Milchsaft vor den untersch iedlichsten Herbivoren (s. 15.5.2). Manche Blattkäfer sind jedoch in der Lage, die zu einem bestimmten Blattareal hinführenden Milchsaftgänge in der Peripherie in der Weise mithilfe ihrer Mandibeln zu beschädigen, dass der Milchsaft in der Peripherie aus dem pflanzlichen Gewebe austritt. Dadurch können zentrale Bereiche des jeweiligen Blattes vom Käfer befressen werden, ohne dass dabei giftiger Milchsaft austritt. Gleichzeitig wird durch dieses Verhalten der Tiere verhindert, dass mit dem Pflanzengewebe giftige, im Milchsaft enthaltene Verbindungen aufgenommen werden. Wirkung Abwehrstoffe/Gifte auf PrädatorenlPa-
rasitoide: Pflanzliche SekundärstotTe wurden lange Zeit als Abfallprodukte des StotTwechsels ohne ökologische Bedeutung betrachtet (s. 15.5.1). Sie hatten in der Chemotaxonomie eine große Bedeutung und fanden insbesondere Verwendung als Heilmittel. Die Chemische Ökologie, die sich mit den auf NaturstotTen beruhenden Wechselbeziehungen zwischen Organismen befasst, konnte eindeutig nachweisen, dass Tiere in vielen Fällen gezielt pflanzliche Sekund ärstotTe für eigene Zwecke, z. B. als AbwehrstotTe nutzen . Dies spricht eindeutig dafür, dass auch Pflanzen durch eine Vielzahl sekund ärer PflanzenstotTe ihre Überlebensfähigkeit erhöhen. Die Koevolution von Pflanzen und Herbivoren führt manchmal zu einem regelrechten "Rüstungswettlauf ', wobei
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
Abb. 17-13: Chemische Abwehr: Wehrdrüsen und Pseudozellen. A·C Abdominale Wehrdrüse der larve eines Kurzflüglers der Gattung Leptusa. Achtes Abdominaltergit mit Fortsatz (Pfeil), A Öffnung des Drüsenreservoirs, B mazeriertes Drüsenreservoir mit 4 Drüsentubuli (Pfeile), C Drüsentubuli vergrößert. 0 Hinterleibsspitze des Kurzflüglers Bledius spectabilis mit beidseitigen Öffnungen (Pfeil) der Wehrdrüsenreservoire, E Vergrößerung. F Collembole der Gattung Onychiurus gibt Sekrettröpfchen aus Pseudocelle ab. G Pseudocelle des Collembolen Tetrodontophora bielanensis. H Kurzflügler Falagria sulcata, Reservoir der Tergaldrüse nach Mazeration. I Pygidialdrüse von Amphizoa sp. nach Mazeration (Drüsentubuli, Reste der Umhüllung des Drüsenschlauchs, Trachee). Maßstäbe: A: 250 11m, B, c: 5011m, D: 100 11m, E: 20 11m, F: 0.5mm, G: 1011m, H: 100 11m, I: 8011m. (A-C nach Dettner 1993, D, Enach Dettner 1989, F, G nach Dettner et al. 1996, H nach Dettner 1991)
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
Pflanzen immer wieder neue Wirkstoffe "erfinden", an die Herbivore sich wiederum Zug um Zug anpassen . Die chemische Abwehr, aber auch die mechanische, optische oder akustische Abwehr sind nie hundertprozentig wirksam, denn sie sind meist nie gegen einen einzigen Zielorganismus gerichtet. In der Regel existieren immer wieder Räuber oder Parasitoide, welche in guter bis hervorragender Weise an das geschützte Insekt angepasst , manchmal sogar auf giftige Beute, wie z. B. Raupen mit Gifthaaren geradezu spezialisiert sind. Häufig kann jedoch selbst ein nur geringfügig erscheinender Faktor entscheidende Bedeutung erlangen . So sind chemisch geschützte Kurzflügler der Gattung Bledius vor räuberi schen Fliegen der Gattung Lispe nicht generell geschützt. Allerdings können die Käfer nur dann von der Fliege überwältigt und getötet werden, wenn es der Fliege gelingt, die Käfer genau in der Körpermitte, d. h. in maximaler Entfernung von der Wehrdrüsenöffnung am Hinterende des Körpers und den Mandibeln am Vorderende zu packen. Oft kann die Abwehr des Insekte s, aber auch die Empfindlichkeit des Räubers , mit der Zeit qualitativ und quantitativ variieren . Speichert ein Insekt Giftstoffe aus der Fraßpflanze, dann kann der WirkstofTtiter innerhalb einer Insektenpopulation genau so schwanken, wie in der Fraßpflanze, d. h. die Schmackhaftigkeit verschiedener Raupen einer Art kann recht unters chiedlich sein. Weitere Variablen können durch die Jahreszeit, die Erfahrung (Alter) der Räuber oder das Auftreten von Nachahmern (Mim ikry) zustande kommen . Beispielsweise stülpen Raupen von Ritterfaltern bei Gefahr dorsal hinter dem Kopf blitzartig ein gefärbtes Osmeterium aus (Abb. 17-6 G) , welches intensiv duftende Sekrete wie Säuren , Ester, Mono- und Sesquiterpene enthalten kann . Diese Substanzen stammen allerdings nicht aus der Fraßpflanze, sondern werden von der Raupe de novo synthetisi ert. Die Wirkung dieser Osmeterien gegen Räuber ist offenbar in hohem Maße von der Jahreszeit , d. h. dem Auftreten bestimmter Prädatoren abhängig. Außerdem ähneln jüngere Raupenstadien mancher Spezies Vogelkot und produzieren im Osmeterium Terpenoide, während die warnfarbenen Folgestadien Säuren und Ester als Drüsenprodukte bereitstellen . Insgesamt ist eine abschließende Interpretation vieler Befunde bei Papilionidenraupen zur Wirkung der Osmeterien derzeit nicht möglich, weil diese Stadien noch über ein Bündel anderer Abwehrstrategien verfügen (krypti sche Färbung mit Gegenschattierung; Vogelkotmimese oder Warnfärbung inklus. Augenflecken; möglicherweise toxische Hämolymphe).
Abwehrstoffe stellen oft unspezifische Gemische unterschiedlichster Substanzen dar, deren Wirkung durch synergistische Effekte noch verstärkt werden kann. Diesen Gemischen kommt in der Regel eine Breitbandwirkung zu. Oft wirken diese Gemische gegen Bakterien und Pilze, Zielarthropoden jeglicher Art (Räuber, Parasitoide) und!
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oder gegen verschiedene Wirbeltiere. Die unterschiedliche Wirkung von Abwehrmechanismen einer Spezies gegen verschiedene Gruppen von Zielorganismen kommt auch in Abb. 17-3 C zum Ausdruck . Generell ist eine toxische Wirkung oder ein Deterrenteffekt eines Abwehrstoffes erst ab einer bestimmten Konzentration zu beobachten. Dies wurde beispielsweise für zahlreiche, in Insekteneiern angereicherte Giftstoffe (z. B. Cantharidin, Pyrrolizidinalklaoide) oder in Wehrdrüsen enthaltene Abwehrstoffe (z. B. Chinone, Iridoide) und jeweils ausgewählte Räuber nachgewiesen. In der Regel liegen die unter natürlichen Bedingungen nachgewiesenen Konzentrationen von Wehrstoffen im biologisch aktiven Bereich. Die Wirksamkeit der vorgenannten multiplen Abwehrmechanismen gegen ein breites Spektrum von Zielorganismen wurde detailliert bei einer großen Zahl neotropischer Schmetterlingsraupen studiert. Hierbei stellte sich heraus, dass Parasitoide signifikant jene Schmetterlingsraupen als Wirte bevorzugen, die aufgrund von giftigen Inhaltsstoffen (entweder Fremd- oder Eigensynthese) für größere Räuber ungenießbar sind. Falls die Raupen gefressen würden , so würden die in ihrem Körperinneren befindlichen Parasitoidenlarven ebenfalls eliminiert. In dieser Weise chemisch geschützte Larven waren zu über 60% parasitiert im Gegensatz zu chemisch ungeschützten Individuen mit mehr als 10% Parasitierung. Die Raupe hat salopp gesprochen die Wahl zwischen Pest oder Cholera, denn je mehr sie sich vor Räubern schützt , desto eher wird sie parasitiert. Interessanterweise kann eine zu hohe Parasitierung chemisch geschützter Raupen drastisch verringert werden (aufrund 15%), wenn die Raupen beim Parasitierungsversuch, d. h. beim Anstechen durch den Parasitoiden mit Erbrechen von Darminhalt, d. h. mit Regurgitation (s.v.) reagieren. Wenn Parasitoide giftige Wirte bevorzugen, dann müssen sie auch in der Lage sein, Wirtsgifte zu tolerieren . Erste Befunde innerhalb der Parasitoide ergaben, dass Gifte insbesondere von spezialisierten Arten toleriert werden. Im Gegensatz dazu trifft dies für Generalisten, d. h. für Parasitoide mit einem breiten Spektrum von Wirtsarten nicht zu.
17.2.2.4 Abwehr in "Gruppen" Die bisherigen Betrachtungen zur Abwehr der Insekten richteten sich vor allem auf zwei trophische Ebenen und berücksichtigten jeweils zwei an der Interaktion beteiligte Individuen , wie zum Beispiel Pflanzen und Herbivore oder Räuber und Beute, bzw. Parasitoid und Wirt. Werden weitere trophi sche Ebenen mit weiteren Individuen betrachtet, so können zusätzliche Formen der Abwehr an
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
wenigartigen multitrophischen Systemen beobachtet werden. Oft schützen sich Insekten, indem sie mit anderen Individuen derselben Art bzw. anderer Arten zusammenleben. Allerdings kann hierbei häufig nicht zwischen prim ärer und sekundärer Abwehr unterschieden werden . Außerdem liegt in diesen Fällen kein gregäres Verhalten und Aposematismus vor (s. 17.2.1.2).
Die Abwehr in Gruppen kann folgende mögliche Vorteile bieten, wobei aus der Vielzahl vorhandener Beispiele nur einige ausgewählt werden sollen: • Nur wenige Individuen werden aus einer Gruppe gefressen, da der Räuber nur eine beschränkte Anzahl von Insekten aufnehmen kann . Häufig verfügt das in einer Gruppe lebende Insekt noch über andere Abwehrmechanismen (z. B. Fluchtverhalten). • Die Sinnesorgane mehrerer Individuen und insbesondere unterschiedlich empfindliche Sinne von Vertretern verschiedener Arten dürften eher in der Lage sein, einen Prädator zu erkennen, als der Wahrnehmungsapparat eines Individuums. • Bei sozialen Insekten existieren Bewacher in einer Gruppe von Individuen . Diese Insekten reichen aus, um Prädatoren bzw. Para sitoide wahrzunehmen und zu vertreiben . So beschützen spezialisierte Vertreter einer kleinen ArbeiterinnenKaste bei der Blattschneiderameise Atta cephalotes normale, gerade aktive, d. h. blattschneidende Arbeiterinnen vor parasitischen Phoriden der Gattung Apocephalus (Abb. 17-7 K).
• Viele Insekten leben in enger Verbindung mit sozialen Insekten, da diese Spezies zumeist über
myrrnecophil
-
Abb. 17-14: Vergleich der Reservoire der zwischen den Tergiten VI und VII gelegenen tergalen Wehrdrüsen
(punktiert) von A freilebenden (Drusilla), B obligat myrmecophilen (Typhloponemys), C unvollständig integrierten termitophilen (Termitusa) und D, E vollständig in die Kolonie integrierten (Termitella, Skatitoxenus) Kurzflüglern aus der Unterfamilie der Aleocharinae. (Nach Shower und Kistner 1977)
effektive Abwehrmechanismen (z. B. Biss; Wehrsekret; Stich; spezielle, der Abwehr dienende Kasten) verfügen und von zahlreichen Pr ädatoren eher gemieden werden (s. 14.7.3). Auch können soziale Insekten über Alarmpheromone eine größere Zahl Individuen alarmieren und zum massiven Angriff veranlassen . Der Aufenthalt eines Insektes im Bereich sozialer Insekten (z. B. Larven mancher Bläulinge, der Schwebfliegengattung Microdon bei Ameisen, bestimmte Kurzflügler bei Ameisen oder Termiten) und dessen dortige optimale Integr ation ist in der Regel gleichbedeutend mit einem Schutz vor Räubern, Parasitoiden oder Mikroorganismen. So ahmen Insekten aus unterschiedlichsten Insektenordnungen Ameisen im Hinblick auf deren Verhalten, Morphologie oder Chemie nach (Ameisenmimikry). Besonders intensiv wurden in den letzten Jahren Beispiele für chemische Mimikry analysiert. Hierbei gelingt es zahlreichen Einmietern , die chemischen "Abzeichen" ihrer Wirtsinsekten aktiv oder passiv zu übernehmen. Insekten, die im Umkreis bzw. bei sozialen Insekten existieren, sind häufig vor Räubern jeglicher Art geschützt, sofern sie "Verkehrsbereiehe" im Ameisen- oder Termitenbau meiden. Überdies sind die Einmieter mechanisch gut geschützt oder sorgen wie Kurzflügler der Gattung Atemeies durch Besänftigungsdrüsen und entsprechende Sekrete dafür, dass sie von Ameisen geduldet werden. Kurzflügler, welche sich in Termiten- (termitophil) oder Ameisenbauten (myrmekophil) eingenistet haben, reduzieren in unterschiedlichem Umfange tergale Wehrdrüsen (Abb. 17-14), welche bei fast allen freilebenden Käfern vorhanden sind und ein relativ großes Volumen aufweisen (s. Abb. 17-13 H). Jedoch müssen Einmieter bei sozialen Insekten durchaus nicht hundertprozentig geschützt sein. Schlupfwespen der Spezies Ichneumon eum erus legen im Ameisennest ihre Eier in Bläuling sraupen der Art Ma culinea rebeli. Die Schlupfwespe überlebt den intensiven Kontakt mit Ameisen in deren Bau durch harte Cuticula und die Produktion von Ameisen-Alarmpheromonen.
• Zahlreiche Insekten nutzen mutualistische Beziehungen beispielsweise zwischen Ameisen und Pflanzensaugern (s. 14.7.2). So sorgen mit den Pflanzensaugern assoziierte Ameisen für deren Schutz, indem die Ameisen Räuber dieser Homopteren (z. B. Larven von Schwebfliegen, Florfliegen oder Marienkäfern) erkennen und attackieren. Auch sind die Parasitierungsraten in Homopterenkolonien niedriger, wenn ein Ameisenbelauf vorlag, d. h. auch Parasitoide werden von den Ameisen erkannt und von den Homopteren ferngehalten . Im Gegenzug erhalten die Ameisen von den Pflanzensaugern eine "Be-
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
lohnung" in Form von Honigtau. Insekten, die sich in derartige Wechselbeziehungen "einmischen" , müssen sich in irgendeiner Weise vor den Ameisen schützen. Dies erfolgt häufig dadurch, dass sich solche räuberische Insekten (z. B. Larven von Florfliegen) oder Parasitoide (z. B. bestimmte Lysiphlebus-Parasitoide der Blattlaus Aphis fabae) chemisch als Pflanzensauger vor den Ameisen tarnen oder auch betäubende Sekrete abgeben (z. B. Blattlaus-Hyperparasiteide der Gattung Alloxysta), und dadurch nicht von den Ameisen attackiert werden.
17.2.3 "Innere" bzw. tertiäre Abwehr von Insekten Viele Insekten haben Probleme mit Insektenpathogenen aus den Gruppen der Bakterien, Pilze, Protozoen (Mikrosporidien), Nematoden und Parasitoiden. In die letztgenannte Gruppe gehören Eier oder/und Larven beispielsweise von Ichneumoniden, Braconiden oder Tachiniden; s. Kap. 16.2). Solche Organismen besiedeln Insektenwirte perkutan oder peroral, bzw. werden als Eistadien mit Hilfe des Ovipositors ins Innere eines Insektes oder auf der Oberfläche von Insekten deponiert, denn Insekten verfügen über teilweise sehr wirksame physikochemische Abwehrbarrieren, wie z. B. das Exoskelett . Die "innere" oder endogene Abwehr der Insekten gegen solche endoparasitische Pathogene kann im Gegensatz zur primären und sekundären Abwehr auch als tertiäre Abwehr bezeichnet werden. Schon seit langem ist bekannt, dass Insekten die Injektion einer normalerweise letalen Dosis einer Bakterienspezies dann überleben , wenn ihnen zuvor eine nichtletale Dosis derselben Bakterienart injiziert wurde. An der endogenen Abwehr der Insekten sind Organe, Gewebe, Zellen und Moleküle beteiligt, welche das eingedrungene Objekt in einer konzertierten Aktion bekämpfen und insgesamt als Immunsystem bezeichnet werden. Verwundungen oder Infektionen führen beim Insekt rasch zu Änderungen im Hinblick auf den Gehalt an Blutzellen. Bei Insektenlarven und bei adulten Vertretern vieler Hemimetabola sinkt die Zahl der Hämocyten nach einer Verwundung sehr schnell, erreicht aber bereits nach I Stunde wieder die ursprünglichen Werte. Falls gleichzeitig mit der Verwundung Mikroorganismen in das Insekt eingebracht werden, so bleibt der Hämocytentiter für längere Zeit erniedrigt. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich die Blutzellen in bestimmten Regionen im Insekt bzw. am Infektionsort
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festsetzen. Auch kann gezeigt werden, dass sich Heuschrecken-H ämocyten nach Verwundung kurzfristig oder nach Pilzinfektionen durch Beauveria langfristig verstärkt an Lectine binden. In gleicher Weise kann eine drastische Abnahme des Blutzellengehaltes festgestellt werden, wenn eine Schmetterlingsraupe durch den Parasitoiden Cotesia parasitiert wird, oder wenn alternativ dazu Gift und Calyxdrüseninhalt aus den weiblichen Geschlechtsorganen dieser Brackwespe Cotesia in die Schmetterlingsraupe injiziert werden (s. u.; s. Abb.17-l5). Jedoch ändern sich nach Verletzungen und Infektionen nicht nur die Hämocytenzahlen, sondern danach wird auch rasch die Produktion zahlreicher neuer Wirkstoffe schlagartig induziert und reguliert. Obwohl Insekten keine Antikörper wie die Wirbeltiere besitzen, so können doch eingedrungene Fremdkörper erkannt und unschädlich gemacht werden. Unter Mithilfe bestimmter Erkennungsmoleküle (z. B. Hemolin , Lectine) in der Hämolymphe sind. Hämocyten in der Lage, Fremdobjekte von körpereigenen Zellen und Geweben zu unterscheiden. Je nach Größe des Fremdpartikels und je nach Wirtsart wird dieser im Falle besonderer Gr öße aus der Hämolymphe heraus und unter Mithilfe von Koagulantien eingekapselt, von den Hämocyten umhüllt und es entsteht schließlich eine harte , melanisierte Kapsel. Kleinere Fremdkörper werden zuerst inaktiviert und danach per Phagocytose aufgenommen (s. 7.1.3). Von besonderem Interesse sind die Mechanismen der endogenen Abwehr bei jenen Insekten, die medizinisch bedeutsame Protozoen oder Mehrzeller übertragen. Eine Optimierung dieser körpereigenen Abwehr bei Onchocerca-übetragenden Kriebelmücken oder Plasmodium-übertragenden Anophelesarten könnte ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Schädlingen und bedeutsamen Krankheitserregern darstellen. Neuere Untersuchen zeigen auf, dass fremde Gewebe, Partikel oder Moleküle im Insekt mittels spezieller Wirtspoteine wie Hemolin (M = 48 kD) erkannt werden können. Das zur Familie der Immunglobuline gehörende, mit vier Immunglobulinähnlichen Domänen ausgestattete Hemolin von Insekten wird nach einer bakteriellen Infektion durch grampositive oder gramnegative Bakterien vermehrt im Fettkörper produziert und bindet mit anderen Peptiden auf der Oberfläche des Bakteriums. Hierdurch wird eine Phagocytose der Bakterien durch Hämocyten erst ermöglicht . In Schmetterlingsraupen, die nicht von Bakterien infiziert wurden , ist der Hemolintiter niedrig , er erhöht sich erst deutlich während des Puppenstadiums. Offenbar kann dies die erste Stufe einer Immunantwort bei Insekten darstellen. Darüber
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17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
Calyxepilhel mit Viren
Parasitoidlarven obsiegen , WIrtslarve stirbt .
B
c
Injeklion _ Ei gewaschen . Eierstocksekret von Viren gereinigt
-.....
WIrtsraupe obsiegt Ihr Immunsystem bekampft den Fremdkorper.
Parasuotdlarven obsiegen . WIrtslarve stirbt .
~lnjektiOn
~ Eie~ gewaschen + Viren
Abb. 17-15: Parasitoidenweibchen umgehtAbwehrder Wirtslarve, indemzusammen mit dem Ei pathogene Viren in denWirt injiziert werden. Brackwespenweibchen von Cotesia congregata (Braconidae) injiziert Ei in das Hinterende einer Raupe des Tabakschwärmers Manduca sexta (oben links) sowie innere weibliche Geschlechtsorgane des Parasitoiden (oben rechts). A. Ovipositordurchsticht die Wirtskutikula, um ein Ei sowie Eierstocksekret mitViren in die Wirtsraupe zu injizieren. Parasitoid beendet seine Entwicklung erfolgreich, Wirtslarve stirbt. B. Injektion eines gewaschenen, virusfreien Eies in dieWirtsraupe, Parasitoid stirbt, Wirtslarve überlebt. C. Injektion eines gewaschenen Eies mit Viren in die Wirtslarve. Parasitoid beendet seine Entwicklung erfolgreich, Wirtslarve stirbt (verändert nach Beckage 1998; Gullan & Cranston 2000).
hinaus spielt das Hemolin eine Rolle bei der Adhäsion der Hämocyten und der Phagocytose. Bezeichnenderweise weist das Hemolin keine bakterizide Wirkung auf. Fremdes Material kann anschließend über die zelluläre oder humorale Abwehr bekämpft und abgetötet werden (s. 7.1.3). Bei der zellulären Abwehr können Viren, Bakterien oder andere Erreger durch bestimmte Blutzellen (v. a. Plasmatocyten) per Phagocytose aufgenom-
men und somit aus der Hämolymphe entfernt werden. Ist die Zahl körperfremder Partikel beträchtlich, so kommt es zur "Knötchenbildung". Hierbei sammeln sich Hämocyten (v. a. Granulocyten, Plasmatocyten) um das fremde Objekt , flachen sich ab, verschmelzen miteinander und bilden unter Melanisierung eine vielzellige Umhüllung bzw. Kapsel (s. Abb. 7-3). Der eingekapselte Organismus geht schließlich durch Sauerstoffmangel
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
sowie eventuell durch bei der Melanisierung entstehende, toxische Verbindungen (Peroxidasen, hydrolytische Enzyme) zugrunde. Erfolgt diese Einkapselung und Mumifizierung, wie bei Larven der Dipteren oder bei Homopteren, direkt aus der Hämolymphe heraus, so wird dies als "humorale Abwehr" bezeichnet. Die Mumifizierung des eingedrungenen Organismus, d. h. von Pilzen, Bakterien, Nematoden, oder Parsitoiden ist innerhalb weniger Minuten abgeschlossen . Das für die Melanisierung verantwortliche Enzym Phenoloxidase liegt in der Hämolymphe als Proenzym (Prophenoloxida se) vor. Dieses wird über eine mehrstufige Kaskade zu einem klebrigen Produkt aktiviert, welches Proteine aus der Insektenhämolymphe mit anderen Oberflächen vernetzen kann . Durch die gerbende Wirkung der Phenoloxidasen kommt es gleichzeitig zu einer Härtung und Dunkelfärbung. Als Aktivatoren fungieren Moleküle, die in der Zellwand von Bakterien (z.B. Peptidoglycane, Lipopolysaccharide) oder Pilzen (z.B. ß-l ,3 Glukane) vorhanden sind. Welche weiteren Abwehrsysteme der Wirtsinsekten gegenüber Parasitoiden existieren und was gibt es für Anpassungen dieser Parasitoide? In wenigen Fällen gelingt es den Wirtsinsekten , oberflächlich deponierte Eier von Para sitoiden mechanisch zu entfernen oder aggressive Larven von Para sitoiden abzutöten. Wohl einmalig ist Fähigkeit der Raupe des Eulenfalters Trichoplusia ni, die eingedrungenen Larven einer Schlupfwespe im eigenen Integument so zu encystieren, dass diese bei der nächsten Häutung mit der alten Cuticula eliminiert werden. Inwieweit ein Schutz der Artgenossen vor Parasitoiden auch durch kollektiven Selbstmord parasitierter Individuen (z.B. bei Blattläusen) möglich ist, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Parasitoide setzen hingegen zahlreiche Gegenstrategien ein, um ihre Erkennung durch den Wirt sowie eine anschließende zelluläre und humorale Abwehr zu unterlaufen. So entwickeln sich die Eier und Larven mancher Parasitoide tief in Geweben des Wirtes, die nicht direkt von der Hämolymphe umspült werden (z.B. Ganglien, Muskelgewebe, Fettkörper), werden intrazellulär in Wirtszellen untergebracht, sind von einer speziellen Faserschicht umgeben, an welcher keine Blutzellen des Wirtes "andocken" können oder sie sind von einer "Tarnkappe" wirtsähnlicher Proteine umgeben. Eine faszinierende Strategie zur Umgehung der Abwehr des Wirtes wird von manchen Parasitoiden , wie zum Beispiel von Brackwespen (Braconidae) oder von Schlupfwespen (Ichneumonidae) eingeschlagen (Abb. 17-15). Deren Weibchen injizieren in die Wirtslarve nicht nur Eier sondern auch eine Portion Eierstocksekret mit Polydna-
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viren (PDVs). Diese insektenpathogenen Viren können im Wirt Wachstums- , Entwicklungs- und Verhaltensänderungen hervorrufen. Außerdem reduzieren sie die Beweglichkeit und die Bildung von Blutzellen, bzw. führen im Extremfalle zu deren Zerstörung. Letztlich schwächen diese Viren das Abwehrsystem des Wirtinsekts und schalten es sogar aus. Sie finden sich im Calyxepithel (d. h. dem verdickten Teil des lateralen Oviduktes) des weiblichen Reproduktionstraktes, denn sie werden hier produziert (Abb. 17-15). Die Wirtslarve wird diese virusbedingte Attacke nicht überleben und stirbt nach kurzer Zeit. Werden die Eier der Brackwespe jedoch künstlich isoliert und gewaschen, d. h. von Eierstocksekret und somit von Viren gereinigt, so kann das Immunsystem der Wirtslarve die fremden Para sitoideneier attackieren, einkapseln und vernichten, d. h. die Wirtslarve überlebt. Im Kontrollversuch führen Doppelinjektionen gewaschener Eier sowie von Polydnaviren zum Tod der Wirtslarve . Schließlich gibt es Parasitoide, die speziell Wirte besuchen , in welchen schon andere Parasitoide Vorabeit geleistet haben. Die Nachkommen der später angreifenden Parasitoidenart sind hierdurch durch die Immunosuppression der ersten Parasitoidenart geschützt und können sich deshalb schnell entwickeln . Anderenfalls besteht die Möglichkeit, durch aggressives Ausschalten der Konkurrenzlarven die interspezifische Konkurrenz erfolgreich zu bestehen . Der Superparasitismus, d. h. die mehrfache Belegung eines Wirtsindividuums mit Eiern eines Parasitoiden könnte auch in der Weise interpretiert werden, dass es dadurch dem Immunsystem des Wirtes nicht mehr gelingt, sämtliche Paras itoide zu eliminieren (s. Kap. 16.2). In der Hämolymphe von Insekten aus unterschiedlichen Ordnungen sind zahlreiche antibakterielle Verbindungen wie toxische Sekundärstoffe (s. 17.2.2.3), bakteriolytische Enzyme (Lysozyme: 14-24 kDa) oder zuckerbindende Glycoproteine bzw. Agglutine (Lectine: 72-2.000 kDa) permanent vorhanden. Hierbei wird auch diskutiert, dass von Endosymbionten der Insekten produzierte Antibiotika , wie Z. B. Andrimid (s. 19.1.5) eine Besiedlung des Wirtsinsektes durch Fremdbakterien verhindern. Im Falle des Lysozyms ist bekannt, dass dieses Molekül neben der Spaltung von Chitin die Zellwand V. a. grampositiver Bakterien verdaut (Spaltung der ß-l,4-glykosidischen Bindung zwischen N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure) und die Freisetzung von Peptidoglycanfragmenten veranlasst, welche wieder als Elicitoren für die humorale Antwort angesehen werden. Im Darmtrakt dürften Insektenlysozyme als Verdauungsenzyme auch für den Aufschluss des Mureinsacculus von bereits durch bakterizide Peptide
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17 Insekten als Nahrungsquelle. Abwehrmechanismen
abgetötete Bakterien verantwortlich sein. Beim Leetin nimmt der Titer während der Verpuppung zu und man nimmt an, dass diesem Molekül ohne enzymatische Aktivität eine große Rolle bei der Entfernung/Eliminierung larvaler Strukturen im Puppenstadium zukommt. Weiterhin fungieren Lectine der Insekten als Opsonine und erleichtern die Phagocytose von Pilzsporen. Bislang sind bei Insekten zahlreiche Peptide/Proteine aus einer großen Zahl von Peptidfamilien mit bakteriziden Eigenschaften bekannt geworden, deren Synthese durch den Kontakt mit Fremdmolekülen in den Blutzellen oder im Fettkörper des befallenen Insektes erst induziert wird. Hierzu gehören neben den bereits erwähnten Lysozymen die erstmals aus Hyalophora cecropia isolierten Cecropine. Letztere repräsentieren basische Proteine (MG etwa 4 kD), die vor allem gramnegative aber auch grampositive Bakterien rasch lysieren und somit abtöten. Bekannt geworden sind diese gegen eukaryotische Zellen inaktiven, aus 2 n-Helices bestehenden Peptide aus Lepidopteren und Dipteren. Bezeichnenderweise ist das für die mikro biologische Bekämpfung von Insekten eingesetzte Bakterium Bacillus thuringiensis gegen solche Proteine resistent. Auch die unter dem Namen Attaeine (20-23 kDa) zusammengefassten, sauren und basischen, sehr viel größeren Proteine zeigen allein oder im Zusammenwirken mit anderen Molekülen antibakterielle Wirkungen (v.a. gegen gramnegative Bakterien) . Attacine erhöhen die Permeabilität der bakteriellen Zellmembran, wodurch andere Verbindungen wie Lysozyme oder Cecropine besser angreifen können . Mit den Attacinen verwandte Peptide wurden aus Sarcophaga (Sarcotoxine), Phormia (Dipterieine; 83 AS; gegen gramnegative Bakterien) oder Zophobas (Coleopteriein) isoliert. Weitere antibakterielle, insbesondere gegen grampositive Bakterien gerichtete Verbindungen aus der Gruppe der Defensine (4 kDa) konnten bei Dipteren, Coleopteren, Hymenopteren, Trichopteren, Hemipteren und Odonaten identifiziert werden. Antimikrobielle Proteine aus Insekten wie das Cecropin werden entweder in der Hämolymphe bzw. in bestimmten inneren Organen wie dem Fettkörper synthetisiert oder wie das Erythrocyten der Wirbeltiere lysierende Melittin (26 AS) aus dem Bienengift in bestimmten exokrinen Drüsen des Reproduktionstraktes produziert. Hierbei wirkt das in der Giftdrüse der Honigbiene synthetisierte Melittin zusätzlich auch cytotoxisch . In der Regel durchdringen solche, manchmal auch bei Vertebraten vorhandene Peptide die bakterielle Zell-
membran, bzw. erzeugen dort für Ionen permeable Kanäle . Weitere mit dem Reproduktionstrakt assoziierte antimikrobielle Peptide sind die Andropine (34 AS) aus den männlichen Anhangsdrüsen von Drosophila oder die Ceratotoxine (29 AS) aus den weiblichen Anhangsdrüsen der Trypetiden Ceratitis capitata . Es wird vermutet , dass durch diese Peptide der relativ gut isolierte Reproduktionstrakt vor fremden Mikroorganismen geschützt wird. Außerdem dürfte durch diese Wirkstoffe die Oberfläche der frisch abgelegten Eier mikro biologisch gereinigt werden. Von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass Insekten gezielt mit der Produktion einer bestimmten Palette an unterschiedlichen Peptiden reagieren können und zwar je nachdem , von welchem insektenpathogenen Organismus sie zuvor befallen wurden . Dies bedeutet, dass Insekten zwischen verschiedenen Klassen von Mikroorganismen unterscheiden können . Beispielsweise weisen Drosophila-Exemplare mindestens sechs verschiedene antimikrobieUe Peptide in unterschiedlichen Konzentrationen in ihrer Hämolymphe auf (Abh 17-16). Wird die Fliege beispielsweise von insekten pathogenen Pilzen befallen, so werden bereits nach 30 Minuten gezielt Peptide, wie das Drosomyein (44 AS) mit fungizider Wirkung produziert . Eine gleichzeitige Infektion durch verschiedenartige Mikroorganismen führt bei Drosophila hingegen zur Bildung des Peptids Metchnikowin (26 AS; gegen grampositive Bakterien , Pilze). Ein Modell für die Kontrolle der Genexpression für solche antimikrobielle Peptide in einer Fettkörperzelle von Drosophila melanogaster ist in Abb , 17-16 dargestellt . Das in der Hämolymphe vorhandene Genprodukt pro-Spaetzle wird durch Proteolyse aktiviert und dient als Ligand zur Aktivierung des membranständigen TOLL-Rezeptorproteins. Diese Proteolyse wird wahrscheinlich durch die Koagulation und Melanisierung der Hä molymphe initiiert. Anschließend wird über den TOLL-Weg der Genexpression das fungizide Peptid Drosomycin exprimiert. Hingegegen werden die bakteriziden Peptide Dipteriein und Drosoein (19 AS; gegen gramnegative Bakterien) über den IMD-Weg ("immune defieiency") und die bakteriziden Peptide Cecropin, Attaein und Defensin über beide Wege exprimiert . In einer rezessiven imd-Drosophila-Mutante wird nach einer Infektion durch Bakterien und Pilze außer dem Fungizid Drosomycin keines der bakteriziden Peptide produziert. Die Produktion von Drosomycin wird durch das Rel-Protein induziert , welches durch das CACTUS-Genprodukt im Cytoplasma gehalten wird. Die Dissoziation des Rel-Proteins von CACTUS wird durch die Signalkaskade TOLL-TUBEPELLE induziert.
17.2 Abwehrmechanismen der Insekten
597
aktivierter TOLL-Rezeptor pro-Spaetzle
TOLL-Rezeptor
FettkörperzeIle
..... Plasmamembran
Drosomycin (gegen Pilze)
Cecropin Attacin Defensin (gegen Bakterien)
Diptericin Drosocin (gegen Bakterien)
'--------............--------Bakterizide und fungizide Peptide
Abb. 17-16: Kontrolle der Genexpression für 6 bakterizide und fungizide Peptide in einer Fettkörperzelle von Drosophila melanogaster. Die TIere reagieren z.B. wenige Minuten nach dem Befall durch insektenpathogene Pilze mit der Produktion des Drosomycins mit fungizider Wirkung. Das extrazellulär vorhandene Genprodukt pro-Spaetzle wird bei der Koagulation und Melanisierung aktiviert. Anschließend wird über den TOLL-Weg der Genexpression das fungizide Drosomycin exprimiert. Bakterizide Peptide wie Diptericin und Drosocinwerden über den IMD-Weg (..immunedeficiency") oder beide Wege, d.h. TOLL- Weg und IMD-Weg (Cecropln, Attadn, Defensin) exprimiert (s. Text; s. Tab. 17-2; verändert nach Hoffman et al. 1997).
Ein geringfügig von Prädatoren und Parasitoiden verletztes Insekt muss dadurch nicht automatisch getötet werden, denn Insekten verfügen in der Regel über effektive Mechanismen der Gerinnung von Hämolymphe, des Wundversehlusses und der Wundheilung. Diese Fähigkeiten sind auch bei jenen Insektenarten von Bedeutung, die nach dem direkten Kontakt mit Prädatoren durch toxische Sekundärstoffe angereicherte Hämolymphe abgeben (Reßexbluten, s. 17.2.2.3). Koagulocyten aus der Hämolymphe quellen bei einer Luftexposition des Blutes oder suchen Kontakt mit fremden Oberflächen. Hierbei werden neben Phenoloxidasen unterschiedliche Ge rinnungsproteine aus diesen Hämocyten (auch aus Granulocyten , Plasmatocyten) freigesetzt , was letztlich zur Bildung eines Pfropfes unter Einschluss von Fremdpartikeln und Hämocyten führt. Chemisch handelt es sich bei den Koagulogenen um Glycoproteine, die nach ihrer Abgabe in die Hämolymphe relativ schnell altern. Koagulogene sind von Anfang an auch in
der Hämolymphe vorhanden (z. B. Lipoproteine wie Lipophorin). Bei einer optimalen Gerinnung müssen die Am inogruppen beider Koagulogene miteinander interagieren. Für eine optimale Gerinnung sind außerdem Calciumionen notwendig. Die dabei ablaufenden biochemischen Vorgänge und die beteiligten Gerinnungsfaktoren sind allerdings noch kaum erforscht. Bei Larven von Man duca wurde aus der Hämolymphe das an der Koagulation beteiligte, leetinähnliche Pro tein Scolexin (36 kDa; nicht antimikrobiell) isoliert. Die Gerinnung der Hämolymphe funktioniert auch bei Insekteneiern, die von den Stechborsten einer räuberischen Wanze durchstoßen werden . Selbst wenn die harte Serosa des Eis verletzt wird , kann die verwundete Region bei Locu sta migratoria durch eine extraembryonale, durch Gerbstoffe erhärtende Flüssigkeit rasch verschlossen werden .
598
17 Insekten als Nahrungsquelle, Abwehrmechanismen
17.2.4 Nicht direkt gegen Organismen gerichtete Schutzmaßnahmen Zur Erhöhung ihrer Überlebensfähigkeit wird du rch Insekten gezielt die Wirkung chemischer und physikalischer Par ameter beeinflusst. Während Kurzflügler der Gattung S tenus ein auf der Wasseroberfl äche spreitendes Sekret einsetzen, um Feinden entweichen zu könn en, werden viele Drüseninhaltsstoffe dazu verwendet, die Benetzung der Oberfläche des Integumentes zu modifizieren. Beispielsweise reiben adephage Wasserkäfer ihr Integument mit dem Sekret ihrer Pygidialdrüsen ein. Hierdurch wird die Körp eroberfl äche nicht nur von Bakterien und Pilzen sauber gehalten , sondern deren Benetzung dur ch Wasser wird nach einem Putzakt deutlich erhöht (Abb. 17-6 C) . Dadur ch gelingt es den Tieren, nach Aufenthalten an Land rascher ins Wasser abzutauchen. Eine Redu zierung de r Benetzbark eit d urch Wasser ist für die im Bod en befindli chen Brut zellen za hlreicher Bienenarten von Bedeu tun g. D iese Zellen werden von den Bienen mit wasserabweisende n D rüsensekreten insbesondere der Dufourdrü se ausgekleidet. Das anfänglich flüssige Sekret wird mit Sekreten a us der Labiald rüse vermengt und nach ku rzer Zeit entsteh t ein festes, cellopha na rtiges Material. Beispielsweise wird durch den Einsatz von nat ürlichen Polyestern zur Imprägn ierung der Brut zellen ein Eind ringe n von Feuchtig keit und damit eine Zerstörung des Zellinha ltes durch Mikro organismen verhinde rt.
Die hier angesprochenen chemischen Schutzmaßnahmen dürften generell auch Eigenschaften betreffen, die etwas mit der Benetzba rkeit des Insektenintegumentes durch Wasser bzw. den hydrophoben Eigenschaften des Integumentes und insbesondere der Eioberfl ächen zu tun haben . So findet sich auf der Hydropyle von Floheiern ein hygroskopisches Eisekret. Überwinternde Eier aber auch andere Entwicklungsstadien von Insekten müssen schließlich vor dem Gefrieren bei niedrigen Temperaturen geschützt werden. Neben im Innern der Gewebe befindlichen "Gefrierschutzmitteln" (z. B. Glycerin) sind hierbei wahrscheinlich auch auf der Oberfl äche des Integumentes depon ierte Sekrete von Bedeutung.
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18 Biolumineszenz Konrad Dettner
Die Aussendung elektromagnetischer Strahlung Tieren selbstleuchtende Formen, was als primäres durch lebende Materie, die Biolumineszenz, ist Leuchten bezeichnet wird . Von sekundärem Leucheines der Naturwunder, die den Menschen schon ten oder Fremdleuchten spricht man , wenn Fische immer fasziniert und inspiriert haben. Wie man oder Tintenfische symbiontische Leuchtbakterien heute weiß, repräsentieren biologische Leuchtvor- beherbergen. Vermutlich beruht auch das Leuchten bei einigänge einen Sonderfall eines viel allgemeineren Phänomens, nämlich der Chemilumineszenz. Man gen Insekten auf der Infektion mit Leuchtbakteversteht hierunter die Abstrahlung von "ka ltem" rien . So können aus bestimmten SchmetterlingsLicht bei chem ischen Reaktionen, es handelt sich raupen (z. B. Mam estra spec.) leuchtende Mikrofolglich nicht um eine Temperaturstrahlung wie organismen isoliert werden ; an schließend besteht bei glühendem Eisen, das bei 550 °C Rotglut zeigt . auch die Möglichkeit, verschiedene Insektenarten Bei bestimmten chemischen Reaktionen, bei de- damit zu infizieren . nen Energie frei wird, wird ein Teil dieser Energie nicht als Wärme abgegeben, sondern dient dazu, Valenzelektronen in einen angeregten Zustand zu überführen. Diese Energie kann dann bei Rück18.1 Biolumineszenz bei den kehr der betreffenden Valenzelektronen in den Collembola, Blattodea Grundzustand in Form von "kaltem" Licht im sichtbaren Wellenlängenbereich ausgestrahlt werund Diptera den. Chemilumineszenzreaktionen mit brilliantem Lichteffekt sind zwar verhältnismäßig selten, dank der heute zur Verfügung stehenden, hochempfind- Die Insekten-Biolumineszenz wird als pnmares lichen Photomultiplier kann jedoch festgestellt Leuchten insbesondere bei einigen Vertretern der werden , da ss sehr schwache, weit unter der Emp- Collembola (Spr ingschwänze), Blattodea (Schafindlichkeit des menschlichen Auges liegende Che- ben), einigen Dipteren sowie mehreren Coleopteren milumineszenzerscheinungen durchaus die Regel angetroffen (Abb. 18-1-3). Obwohl seit 200 Jahren sind . Die bei Bakterien, Pilzen, Pflanzen und im fortwährend über das angebliche Leuchtvermögen Tierreich verbreiteten, chemisch unterschiedlich bzw. das Leuchtorgan im Kopf der Fulgoridae aufgebauten Leuchtstoffe werden dabei generell (Laternenträger; z. B. Fulgora lanternaria ) berichdurch Luftsauerstoff oxidiert, wobei sich gleich- tet wird, konnte dies bislang nicht bestätigt werzeitig CO 2 abspaltet. Möglicherweise war die Bio- den . Auch für die Biolumineszenz verantwortliche lumines zenz ursprünglich ein Entgiftungsprozess, Enzyme fehlen bei diesen Zikaden völlig. um Sauerstoff zu entfernen. Bei den Collembola ist bekannt, dass manche Die biologische Bedeutung des Leuchten ist bei Adulti zu bestimmten Jahreszeiten bei Berührung vielen Organismen unklar. So könnte das Auf- Lichtblitze von 5- 10 Sekunden Dauer erzeugen . leuchten von Mycelien oder Fruchtkörpern be- Offenbar sind die Leuchtstoffe dieser Spezies im stimmter Pilze folgende Funktionen haben : a. An- Fettkörper gespeichert. Da viele dieser Arten auch lockung von pilzfressenden Insekten, welche Reflexbluten zeigen, also bei Reizung aus meist anschließend Sporen ausscheiden und dadurch präformierten, winzigen Körperöffnungen klebverbreiten; b. Abwehr negativ phototroper Fungi- rige, giftige und oft leuchtende Hämolymphtröpfvorer; c, Aufleuchten könnte ein aposematisches chen abgeben, dürfte der Biolumineszenz bei den Signal darstellen, beispielsweise ist eine leuchtende Collembolen in erster Linie eine Abwehrfunktion japanische Pilzspezies giftig. zukommen (s. 17.2.2.3). Leuchtende Collembolen Biologisches Leuchten ist im Tierreich erstaun- sind insbesondere Onychiurus armatus (generelles lich weit verbreitet und reicht von den Einzellern Leuchten des ganzen Körpers), Anur ida granaria bis zu den Knochenfischen. Die taxonomische (grünlich leuchtendes Leuchtorgan vielleicht im Verbreitung der Biolumineszenz ist völlig regellos, Körperhinterende) oder Neanura muscorum allerdings zeigt sich, dass die meisten leuchtenden (Abb. 18-1 A, kurzes Aufleuchten nur nach ReiTiere im Meer leben. Im Regelfall finden wir bei zung) . Es wird diskutiert, da s Leuchten mancher
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18 Biolumineszenz
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Abb. 18-1: leuchtende Insekten. A (ollembole Neanura muscorum, B Männliche Schabe Lucihormetica fenestrata mit paarigen leuchtorganen auf der Oberseite des Pronotums (Pfeile), C Xantholinus-larve (Staphylinidae) mit leuchtorgan im 8. Abdominalsegment (verändert nach Willem 1904, Costa et al. 1986, Zompro 2000).
Collembolen könnte auch aus dem Inhalt ausgesogener Pilzhyphen stammen. Kürzlich wurde über das Leuchtvermögen von Männchen der brasilianischen Schabe Lucihormeticafenestrata (Brachycolinae) berichtet (Abb. 18I B). Die rund 4 cm langen Tiere besitzen zwei mit Leuchtflecken korrespondierende Höcker auf dem Halsschild, wobei sich unter den Höckern zwei nierenförmige Leuchtorgane befinden. Ein entsprechendes Leuchtorgan fehlt bei den Weibchen und Larven und dient wahrscheinlich der Anlockung der Weibchen. Wesentlich mehr ist über das Leuchtvermögen bestimmter Fliegenarten bekannt geworden, die durchweg der Familie der Mycetophilidae (= Fungivoridae: Pilzmücken) zuzuordnen sind. Nur etwa ein Dutzend von mehr als 3.000 Spezies der Mycetophilidae können als Larven, Puppen oder Imagines leuchten . Es fällt auf, dass sich die leuchtenden Spezies (insbesondere Vertreter der Gattungen Arachnocampa, Keroplatus, Orfelia) durchweg durch karn ivore Larven auszeichnen . Aufgrund der unterschiedlichen Morphologien der Leuchtorgane innerhalb der Pilzmückenlarven und der Unterschiede in der Biochemie des jeweiligen Leuchtvorganges ist eine mehrfache unab-
hängige Evolution dieser Biolumineszenz - Systeme wahrscheinlich . Beispielsweise senden Vertreter von Keroplatus blau-weißes Licht aus dem den Darm begrenzenden und dem subepidermalen Fettkörper aus, während Orfelia (= Platyura) Spezies (s. Abb. 16-4) blaues Licht aus Leuchtorganen der fünf vorderen und dem letzten Abdominalsegment emittieren , wobei im letzten Falle ATP nicht notwendig ist (s. 18.2.2). Bei Keroplatus-Larven verstärkt sich die Lichtintensität bei Berührung und auch bei Kämpfen leuchten die Larven auf Dies spricht dafür, dass es sich bei dem larvalen Leuchten um ein Warnsignal handeln könnte . Dies trifft sicher nicht für leuchtende Pilzmückenpuppen zu, da hier ein Beutefang nicht in Betracht kommt . Am besten bekannt sind die Verhältnisse bei der mehrere Monate lebenden Pilzmückenart Arachnocampa luminosa, deren gefräßige, mit großen Mandibeln versehenen Larven an den Decken neuseeländischer Höhlen vorkommen . Die Arachnocampa-Larven legen an der Höhlendecke ein Schleimnetz an, welches aus einer horizontalen Plattform sowie zahlreichen, nach unten hängenden, bis 50 cm langen Fäden besteht. Die Larven halten sich auf der Plattform des
18.2 BiolumineszenzbeiKäfern
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c
Abb. 18-2: Die leuchtende Diptere Arachnocampa. A Nach unten hängende, mit Klebetröpfchen versehene Schleimfäden der leuchtenden, höhlenbewohnenden Pilzmückenlarve Arachnocampa luminosa. B, C Die distal erweiterten, aufdem Darm liegenden vier Malpighischen Gefäße der Arachnocampa-Larve sind zu Leuchtorganen umgebildet. D Männchen der leuchtenden Pilzmücke Ceroplatus testaceus. (A-D nach Herring 1978)
Netzes auf (Abb. 18-2). Nahe dem Körperende besitzen die Larven ein inneres Leuchtorgan, welches kontinuierlich bläuliches Licht der Wellenlänge 488 nm emittiert (Abb. 18-2), hierbei handelt es sich um die vier distal erweiterten, auf dem Darm liegenden Malpighischen Gefäße (s. 5.4.3.2; Abb. 5-30). Die mit Mitochondrien vollgepackten Leuchtzellen (Photocyten) sind durchsichtig und liegen auf einer tracheenhaitigen Schicht, die als Reflektor dient. Es hat sich gezeigt, dass die karnivoren Arachnocampa- Larven Zuckmücken oder Imagines der eigenen Art mittels ihrer Leuchtorgane anlocken, in den giftigen, mit Oxalsäure versetzten Schleimfäden fangen und anschließend verzehren . Interessanterweise leuchten die Larven heller, wenn sie hungrig sind . Die Larven sind ebenfalls kannibalistisch und leuchten bei den öfters stattfindenden Larvenkämpfen stark auf, allerdings werden dabei nie die Leuchtorgane aufgefressen . Auch die an Fäden hängenden Puppenstadien und selbst die Imagines von Arachnocampa besitzen Leuchtorgane. Bei Arachnocampa hat die Biolumineszenz neben der Anlockung von Beutetieren noch eine wichtige Zusatzfunktion. Gegen Ende des Puppenstadiums sind nur noch weibliche Puppen in der Lage, auf einen Berührungsreiz hin zu leuchten. Wenn ein Männchen eine weibliche Puppe anfliegt und berührt, so leuchtet diese auf. Die in großer Überzahl vorhandenen Männchen warten sodann an den wenigen schlupfbereiten weiblichen Puppen. Frisch geschlüpfte Weibchen von Arachnocampa sind stark umkämpft und werden sofort nach dem Schlüpfen begattet. Falls kein männliches Tier beim Schlupf des Weibchens zugegen ist, versucht das Weibchen mithilfe des Leuchtorgans, Männchen anzulocken. Nach der Eiablage erlischt das Leuchtvermögen der Weibchen, hinge-
gen leuchten Männchen von A. luminosa bis an ihr Lebensende. Eier weisen kein Leuchtvermögen auf. Leuchtende Pilzmücken und deren Larven sind durch Parasitoide (Ichneumonidae, Diapriidae) und Räuber (z. B. durch das Licht angelockte Weberknechte) gefährdet.
18.2 Biolumineszenz bei Käfern Biolumineszenz im Dienste des Sexualverhaltens findet sich vor allem bei Käfern der sieben Familien Staphylinidae (Kurzflügler), Elateridae (Schnellkäfer), Throscidae, Omalisidae, Phengodidae, den südostasiatischen Rhagophthalmidae und schließlich den Lampyridae (Leuchtkäfer). Überraschenderweise wurde kürzlich eine Xantholinus-Larve (Staphylinidae) mit einem Leuchtorgan im 8. Abdominalsegment beschrieben, weiche grün-gelbes Licht emittiert (Abb. 18-1C). Auch bei den langgestreckten Larven der Omalisidae sind Leuchtorgane an den Seiten des Abdomens vorhanden. Darüberhinaus weist die zur Familie der Throscidae (= Triaxagidae) gehörende Art Balgus schnusei zwei, grünes Licht emittierende Leuchtflecken auf der Oberseite des Halsschilds auf. Vertreter der Throscidae sind weit verbreitet und gehören wie die Elateridae oder auch Phengodidae und Lampyridae zu den Elateriformia. Manche Elateridae, wie beispielsweise Vertreter der Gattung Pyrophorus (Feuerkäfer), sind durch paarige Leuchtorganc am Hinterrand des Pronotums (Abb. 183 B) sowie ein ventrales Leuchtorgan am Vorderrand des Abdomens charakterisiert. Vertreter dieser Gattung ge-
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18 Biolumineszenz
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Abb. 18-3: Leuchtorgane (punktiert) bei Käfern. A Weibchen eines Phengodiden Diplocladon sp. B Schnellkäfer Pyrophorus noetilueus. ( -E Habitus des Gemeinen Leuchtkäfers Phausis splendidula, ( Männchen vonoben, 0 Weibchen vonoben, EWeibchen von ventral. F Larve des Großen Johanniswürmchens, Lampyris noetiluea. (A, B, E nach L10yd 1978, C, D, F nachJacobs und Renner 1988)
hören zu den am intensivsten leuchtenden Insekten . Ihr grünliches Licht wird in ihrem Verbreitungsgebiet in Mittel- und Südamerika gelegentlich auch zu Beleuchtungszwecken herangezogen . Wahrscheinlich haben die Leuchtorgane der Elateriden eine gewisse Bedeutung bei der sexuellen Kommunikation. Mit Sicherheit benutzen die Tiere ihr Licht aber auch zur Abwehr, denn die Käfer und Puppen leuchten auf Druckreiz hin auf. Auch die Larven leuchten während der besonders gefahrvollen Zeit der Häutungen kontinuierlich auf. Bei den neotropischen Phengodiden sind die Weibchen (wie übrigens auch bei den Lampyridae) larvenähn lieh, was auch in der englischen Bezeichnung "glowworm beetles" für diese Familie zum Ausdruck kommt. Hier sind die Leuchtorgane zumeist serial angeordnet (Abb. 18-3A). Außerdem haben sich an der Körperoberseite andere Leuchtorgane differenziert als auf der Unterseite. Dies wird bei Phengodes deutlich und ist insbesondere beim südamerikanischen .Eisenbahnwurm'' der Gattung Phrixothrix sichtbar, bei dem an der Körperaußenseite gelbgrünes, auf der Unterseite und im Kopfbereich jedoch rotes Licht ausgesandt wird. Ein sich bewegendes Exemplar des Eisenbahnwurms sieht demgemäß wie ein fahrender Eisenbahnzug aus. Biolumineszenz hat bei Phengodiden wahrscheinlich weniger mit der sexuellen Kommunikation zu tun , denn hier spielen offenbar Lockstoffe eine bedeutendere Rolle. Wieder kommt den Leuchtorganen auch eine Defensivfunktion zu, denn Phrixothrix kann seine grünen "Lampen" erst bei Gefahr einschalten. So leuchten diese beispielsweise auf, wenn die Larven von Ameisen angegriffen werden oder wenn die Larven selbst Tausendfüßler angreifen. Für eine Interpretation des Aufleuchtens als Abwehrmittel spricht auch die Tatsache, dass adulte Phengodidenmännchen selten und nur dann aufleuchten, wenn man sie in die Hand nimmt oder reizt bzw. dass bereits Embryonen in den Eiern leuchten Allerdings leuchten Männchen und Weibchen mancher Arten auch bei der Kopula auf. Die am Vorderende befindlichen Leuchtorgane der Phengodidenlarven haben möglicherweise noch eine zusätzliche Aufgabe. Sie kommen auch bei der Suche nach
Beute zum Einsatz , d. h. sie könnten für die Beleuchtung der näheren Umgebung sorgen. Es wird vor allem langwelliges Licht emittiert, was offenbar von vielen Insektenprädatoren (im Gegensatz zu den Phengodiden selbst) nicht wahrgenommen werden kann. Bei der etwa 2000 Arten umfassenden Familie der Leuchtkäfer (Lampyridae) können alle Entwicklungs stadien vom Ei bis zur Imago aufleuchten und senden meist ein grünliches oder rotes Licht aus. Auch variieren Struktur und Position der Leuchtorgane auf der Unterseite verschiedener Leuchtkäferarten beträchtlich (Abb. 18-3, 18-4). Beim Betrachten einer Hinterleibsspitze des Männchens von Phausis splendidula, dem Kleinen Johanniswürmchen, fällt auf, dass zwei helle Querbänder auf dem sechsten und siebten Abdominalsternit als Leuchtorgane fungieren (Abb. 18-4). Der Begriff "Würmchen" ist darauf zurückzuführen, dass viele Lampyridenarten einen deutlichen Sexualdimorphismus aufweisen, und die schwach pigmentierten Weibchen durch das weitgehende Fehlen von Flügeln larvenähnlich aussehen (Abb. 18-3). Das geflügelte Phausis-Männchen besitzt ein glasartig durchscheinendes Halsschild über den Augen, sodass die Sicht nach oben ermöglicht wird (Abb. 18-3C). Wie die Larven , so besitzt auch das Weibchen zusätzlich zu den Leuchtorganen auf Sternit 6 und 7 zahlreiche laterale Leuchtflecken auf fast allen Sterniten. Die geflügelten Männchen des Großen Johanniswürmchens Lampyris noctiluca sind durch zwei Leuchtflecken auf dem 7. Sternit charakterisiert. Die völlig flügellosen Weibchen dieser Spezies weisen hingegen Leuchtorgane ventral auf den 6.-8. Hinterleibsringen auf. Leuchtende Lampyridenimagines werden häufig attackiert von Vertretern der Dipterenfamilien Phoridae und Tachinidae. Leuchtk äferlarven können von den ebenfalls larvenförmigen adulten Leuchtkäferweibchen in der Regel daran unterschieden werden, dass Larven über einfache Ocelli verfügen, während die Imagines immer durch Facettenaugen mit zahlreichen Einzelaugen gekennzeichnet sind. Die Larven der mitteleuropäische Lampyriden fressen ausschließlich Nackt- und Gehäuseschnecken (Abb. 18-3F). Die Larven folgen einer Schleimspur, er-
18.2 Biolumineszenz bei Käfern
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Abb. 18-4: leuchtorgan des leuchtkäfers Phausis splendidula. A Ventralansicht eines Männchens des Gemeinen Leuchtkäfers Phausis splendidula, Leuchtorgane punktiert. B Querschnitt durch das Leuchtorgan eines Phausis-Männchens (ep: Epidermis, cu: Cuticula, ph: Leuchtschicht mit Photocyten, r: Reflektorzellen mit Uratkristallen, tr: Tracheenversorgung des Leuchtorgans, n: Nerv). CElektronenmikroskopische Aufnahme aus der Photocytenregion des Leuchtorgans von Photuris pennsylvanica (tr: Lumen der Trachee, ma:Tracheenmatrix, itz: innere Tracheolarzelle, akz: äußere konzentrische Zelle, n: Nervenzellfortsätze, ph: Photocytenregion mit Granula). (A nach Jacobs und Renner 1988, B nach CSIRO 1970, C nach McElroy 1964)
klettern ihr Opfer und töten die Schnecke durch einen Giftbiss ins Schneckenvorderende. Es ist bemerkenswert, dass die Imagines von Leuchtk äfern im Regelfalle keine Nahrung aufnehmen. Die Weibchen legen im Sommer ihre bereits im Ovar leuchtenden Eier im Boden ab. Hier überwintert die Junglarve und kann sich erst im nächsten Frühjahr nach mehreren Häutungen verpuppen.
reich der Photocyten gehen bei vielen Spezies von der Haupttrachee zahlreiche horizontale Tracheen ab, welche sich alsbald zu jeweils einem horizontalen, zwischen den Photocyten gelegenen Tracheolenpaar aufzweigen. Anstelle der Tracheenendzelle befindet sich in Leuchtorganen von Lampyriden immer ein Komplex zweier Zellen (Abb. 18-4). Eine innere Tracheolarzelle umgibt die Tracheolen, welche tief in die Leuchtzellen eindringen . Die innere Tracheolarzelle wird schalenförmig von ei18.2.1 Morphologie und Histologie ner äußeren konzentrischen Zelle umgeben. Diese der Leuchtorgane konzentrischen Zellen finden sich immer im Bereich der Verzweigungsstelle der Tracheolen und Die Leuchtorgane oder photogenen Organe der schließen auf der Tracheenseite direkt an die TraLeuchtkäfer werden als Derivate des Fettkörpers cheenmatrix an. Außerdem verläuft neben den aufgefasst. Hinter einem durchsichtigen Bereich Haupttracheen jeweils ein Nerv, welcher sich an des Integuments liegt eine Schicht hyaliner Zellen, jeder horizontalen Tracheenabzweigung ebenfalls von denen das Licht ausgeht. Diese Schicht wird verzweigt. Zwischen innerer Tracheolarzelle und als Leuchtschicht, deren außerordentlich große äußerer konzentrischer Zelle finden sich mehrere Zellen werden als Photocyten bezeichnet (Abb. 18- Nervenendigungen, welche der Tracheolarzelle 4). Hinter den Photocyten befindet sich eine dicht aufliegen und zwei Vesikeltypen enthalten. zweite, als Reflektor wirkende, undurchsichtige Die größeren enthalten Neurosekret, die kleineren Lage von Zellen. Diese Reßektorzellen enthalten Acetylcholin. Interessanterweise finden sich derarin ihrem Innern zahlreiche reflektierende Uratkris- tig angeordnete Nervenendigungen nur bei blintalle, und die weißen Leuchtflecken trocken präpa- kenden Leuchtkäfern. Bei kontinuierlich leuchrierter Leuchtkäfer sind auf diese Reflektions- tenden Arten fehlt diese enge Verbindung zwischicht zurückzuführen. Bei Leuchtkäfern, die mit schen Nerv und Tracheole. In den Photocyten Lauge mazeriert wurden, fällt die große Anzahl findet man zahlreiche Granula, welche ähnliche von Tracheen der Region der Leuchtorgane auf. Eigenschaften wie Peroxisomen aufweisen. Die Noch deutlicher zeigt der Querschnitt durch ein Mitochondrien der Photocyten sind im TracheoLeuchtorgan, dass die Photocyten zylinderförmig lenbereich sowie in unmittelbarer Nachbarschaft um Hohlräume angeordnet sind, welche zufüh- zu den Haupttracheen konzentriert (Abb. l8-4C). rende Tracheen enthalten. Ausschließlich im Be-
606
18 Biolumineszenz
HO
Vi ~
NHNyO -l S
+ Licht
S
Oxyluciferin
Abb. 18-5: Lichterzeugung bei Leuchtkäfern. Überführung des Luciferins in Oxyluciferin. Für den Reaktionsverlauf werden Sauerstoff, Alp, Magnesiumionen und das Enzym Luciferase benötigt. (Original)
Die Leuchtorgane der Leuchtkäferlarven sind bislang kaum histologisch bearbeitet worden. Bei der Gattung Photuris liegen sie ventral im 8. Abdominalsegment. Sie weisen ebenfalls einen zweischichtigen Aufbau auf und bestehen aus einer Reflektor- und einer Photocytenschicht. Im Unterschied zu Imagines sind Mitochondrien und Peroxisomen im Cytosol der larvalen Photocyten gleichm äßig verteilt. Auß erdem liegen die Nervenendigungen der im 8. Abdominalsegment gelegenen Nervenzellen direkt auf den Photocyten.
18.2.2 Biochemische Prozesse in den Leuchtorganen Die Granula der etwa 15000 Photocyten pro Käfer sind vollgepackt mit Luciferin (lucifer: lichtbringend), das in zahlreichen elektronenmikro skopisch erkennbaren kristallinen K örperehen im Inneren dieser Granula gespeichert ist und das Substrat für die Biolumineszenz fast aller Käferarten und möglicherweise der meisten anderen Insektengruppen mit Leuchtorganen da rstellt (Abb . 18-5). Luciferin, der einzige natürlich vorkommende Benzothiazol-Abkömmling, wurde beispielsweise in Lampyriden der Gattungen Phot inus, Lampyris und Phausis nachgewiesen. Der japanische Leuchtkäfer Luciola cruciata setzt hingegen das Pteridinderivat Luciopterin als Leuchtstoff ein . Über die Biosynthese des Luciferins (Molekülmasse 280) im Käfer ist nichts bekannt der Luciferinvorrat dürfte jedoch für das gesamte Leben des Käfers ausreichen. Außerdem ist auch eine über mehrere Reaktionsschritte aus Oxyluciferin erfol-
gende Regeneration von Luciferin nach dem Leuchtvorgang möglich . Im Verlauf der Biolumineszenzreaktion wird dieses Luciferin unter der katalytischen Wirkung eines je nach Leuchtkäfer art variablen Enzyms, der Luciferase, durch Luftsauerstoff oxidiert, wobei sich gleichzeitig CO z abspaltet (Abb. 18-5). Für die Reaktion werden weiterhin ATP als Energiespender sowie Magne siumionen benötigt. Nach Aktivierung des Luciferins durch ATP im ersten Reaktionsschritt entsteht ein Luciferin-Enzym-AMP-Komplex, der im zweiten Reaktionsschritt durch Sauerstoff oxidiert und unter Abgabe von Kohlendioxid bei gleichzeitiger Lichternession zerfällt (Wellenlängenbereich: 490- 630 nm) . Die Lichtausbeute beträgt bei einer Emission bei 560 nm etwa s mehr als 99 %, d. h. weniger als I % dieser Energie gehen als Wärme verloren, während bei einer Glühlampe bzw. Leuchtstoffröhre etwa 3 bzw. 10% der zugefüh rten Energie in Licht verwandelt werden. Soweit bekannt, wird die Aktivität der Luciferase durch da s Reaktionsendprodukt Oxyluciferin gehemmt. Bei den Luciferasen der Leuchtkäfer handelt es sich um dimere Proteine mit einem Molekulargewicht von etwa 62000 pro Untereinheit (550 Aminosäurereste). Die Kristallstruktur der Leuchtkäferluciferase ist zwischenzeitlich bekannt geworden (Abb. 18-6). Es handelt sich dabei um ein monomeres Protein ohne prosthetische Gruppe. Die Luciferase besteht aus zwei miteinand er flexibel verbundenen Domänen: der großen N-terminalen, durch mehrere a-Helices flankierten Domäne (Am inosäuren 4-437) sowie dem kleineren C-terminalen Bereich des Moleküls (Aminosäuren 440-544) . Leuchtkäferluciferase gehört zu einer Überfamilie homologer Enzyme, den Oxidoreduktasen, zu welchen auch Acyl-Coenzym-A-Ligasen (= Acyl-CoA-Ligasen; aktivieren diverse Substrate bevor diese in CoA überführt werden) und Peptidsynthetasen (aktivieren Aminosäuren bei der nichtribosomalen Synthese von Polypeptiden) gehören. Solche Enzyme katalysieren analoge Aktivierungsreaktionen zwischen ATP und Carboxylgruppen ihrer Substrate. Die aktiven Zentren der drei Enzymgruppen befinden sich im Bereich der hochkonservativen Regionen. Diese Regionen sind in zweifacher Ausfertigung vorhanden und liegen weit vonein ander entfernt auf der Oberfläche der beiden Domänen. Wahrscheinlich werden diese beiden aktiven Zentren bei einer Reaktion mit dem Substrat "sandwichartig" auf und unter dem Substrat aufeinandergelegt. Im Dimer des Luciferasemoleküls sind 2 Bindungsstellen, jeweils für Luciferin bzw. ATP vorhanden. Es hat sich gezeigt , dass Unterschiede im Emissionsspektrum verschiedener Leuchtkäferarten (Emissionsmaxima zwischen 545 nm und 595 nm) auf
18.2 Biolumineszenz bei Käfern
607
Abb. 18·6: Raumstruktur der Leuchtkäferluciferase; oben: (-terminale Domäne, unten: N-terminale Domäne (nach Franks et al. 1998; Biophys. J.
75, 2205).
geringfügige Veränderungen der Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur der Luciferase zurückzuführen sind . Beispielsweise kann sich die Farbe des emittierten Lichtes bei einer Mutagenese bereits dann ändern, wenn nur eine einzige Aminosäure ausgetauscht wurde (Luciola-Luciferase). So kommen die verschiedenfarbigen gelb-grünen und rot-orangen Lichter des "Eisenbahnwurms" durch verschiedene Luciferine zustande, welche wahrscheinlich durch Genduplikation entstanden sind . Auch in vitro lassen sich einfache Veränderungen des Emissionsspektrums eines Enzym- LuciferinAMP-Komplexes erzielen , sofern die Reaktionsparameter Temp eratur, pH-Wert, Lösungsmittel und Ionenkonzentrationen variiert werden. Die enorme Lichtausbeute bei dieser Reaktion lässt sich in der Biochemie auch zum empfindlichen Nachweis von O 2 und ATP (bis zu 1O- 11 molaren Konzentrationen) einsetzen. Neuerdings wurde das Luciferasegen in Tabakspflanzen kloniert. Werden diese transgenen Pflanzen mit Lösungen gegossen , die Luciferin enthalten, so leuchten die Pflanzen im Dunkeln. Die Granula im Leuchtorgan der Lampyriden sind nicht nur mit dem BrennstotT Luciferin vollgepackt, sondern enthalten auch den gesamten Luciferasevorrat. Nachdem über die Feinstruktur der Leuchtorgane von Leuchtkäfern und auch die hier ablaufenden biochemischen Prozesse einiges bekannt ist, gibt es mittlerweile auch genaue Vorstellungen über den "Lichtschalter" der Glühwürmchen (Abb . 18-7). Voraussetzung für das Blinken ist zuerst immer ein nervöser Reiz, was sofort deutlich wird, wenn das Hirn des Leuchtkäfers oder die Ganglien des 6. und 7. Abdominalsegmentes, welche das Leuchtorgan innervieren, gereizt werden . Auch eine elektrische Stimulierung des Leuchtorgans selbst führt immer zu einem Blitzen . Auch sprechen zahlreiche Befunde für eine Abhängig-
keit der Leuchtvorgänge von der Sauerstoffversorgung: In den larvalen Leuchtorganen sind im Vergleich zum Leuchtorgan der Adulti nach einer nervösen Reizung Latenzzeiten von 600-800 msec zu verzeichnen (Adulti: 60 msec). Außerdem fehlen die inneren Tracheolarzellen und äußeren kon zentrischen Zellen der Imagines in den Leuchtorganen der Larve, deren Photocyten überdies auch Mitochondrien enthalten. Wird SauerstotT in eine anaerobe Mischung von Luciferin, Luciferase samt Cofaktoren geblasen, so dauert es lediglich 60 msec, bis Licht emittiert wird . Ohne SauerstotTgabe dauert es erheblich länger (mehrere 100 msec), bis das Gemisch aufleuchtet. Werden schließlich Versuche mit intakten Leuchtkäfern durchgeführt, so zeigt sich, daß die Leuchtintensitä t mit steigendem SauerstotTpartialdruck zunimmt. Die derzeitigen Erkenntnisse über die Funktion des "Lichtschalters" in Leuchtorganen von Lampyriden lassen sich wie folgt zusammenfassen (Abb. 18-7): Die Innervierung der Leuchtorgane erfolgt durch mehrere dorsale, unpaare mediane Nervenzellen des letzten Ganglions, den sogenannten DUM-Zellen, welche Oktopamin als ÜberträgerstotT produzieren. Während die Axone bei den Adulti in den Tracheenendzellen (Photuris) enden, führen sie bei den Larven direkt in die Photocyten, da Endzellen fehlen . Die Lichtproduktion in den Leuchtorganen scheint durch die 02-Verfügbarkeit kontrolliert zu werden. Ein Reizung der DUM-Neurone führt sofort dazu, dass SauerstotT in die Photocyten eindringt. Nach Trimmer et al. (200 I) wird das kontrollierte Aufleuchten beim Leuchtkäfer über den Titer an StickstotTmonoxyd (NO) gesteuert. Wird ein Lampyride in eine NO-Atmosphäre gebracht, so kann ein schnelles und lang anhaltendes Aufleuchten registriert werden . Der Zusammenhang zwischen den das Leuchtorgan innervierenden Nervenendi-
608
18 Biolumineszenz
Trac hea le
Photocyte
lifllllif..·~
.... ATP
"Aus"
Nerven ~~~",~r
- --
Oktopa~
y.. NOS
Arginin
NO
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"An"
Tracheale
Abb. 18-7: Funktionsweise des" Lichtschalters" (..An" /"Aus") beim Leuchtvorgang der Leuchtkäfer (Lampyridae). Schematische Darstellung des Leuchtorgans mit Photocyten, Tracheolen, Nervenendigungen sowie Bedeutung von Sauerstoff (02), Stickstoffmonoxyd (NO), Stickstoffmonoxydsynthase (NOS), Adenosintriphosphat (ATP), Luciferin und dem Luciferin-Enzym-AMP-Komplex (Luciferin-AMP) [verändert nach: hup://ideaplace.orglWhy/FireflyFlashEtc.html].
gungen, den lichtproduzierenden Zellen und dem Glühen des kompliziert aufgebauten und charakteristischen Leuchtorgans ist somit hergestellt. Wie Abb. 18-4 und 18-7demonstrieren, sind die im Leuchtorgan befindlichen Tracheen von Photocyten umgeben. Dazwischen befinden sich große Mengen von Mitochondrien, d. h. die Photocytenmitochondrien sind im peripheren Cytoplasma in der Nähe der Tracheolen konzentriert. Diese Mitochondrien "fangen" fast den gesamten Sauerstoff aus den Tracheenendigungen ab, den sie zur Energiegewinnung (ATP-Produktion Abb. 18-7) benötigen . Andererseits sind die lichterzeugenden Reaktionen im Leuchtorgan des Leuchtkäfers auf Sauerstoff angewiesen. Allerdings kann Sauerstoff normalerweise nicht an den Mitochondrien vorbei und ins Leuchtorgan vordringen. Wird nun dem Leuchtorgan ausgehend vom ZNS (insbes. Gehirn) der Befehl zum Aufleuchten erteilt ("Anschalten" s. Abb. 18-7), so erfolgt innerhalb der Photocyten rasch die Synthese von Stickstoffrnonoxid. Dies funktioniert dadurch, dass Zellen in unmittelbarer Nachbarschaft der Tracheenäste Stickstoffmonoxidsynthase (NOS) enthalten, welche sofort NO aus Arginin freisetzt. Zuvor war aus den das Leuchtorgan versorgenden Nervenendi-
gungen Oktopamin freigesetzt worden, denn das Lampyriden-Leuchtorgan wird von oktopaminergen Neuronen der letzten Ganglien innerviert. Der erhöhte Titer an NO hindert nun die Mitochondrien an der Ox-Aufnahme, was zur Folge hat, dass der 02-Verbrauch bzw. die ATP-Produktion der Mitochondrien gesenkt wird. Dies erfolgt wahrscheinlich über die Blockade der CytochromC-Oxidase. Als Folge ist eine drastische Erhöhung des Oj-Partialdrucks in den Photocyten zu verzeichnen. Deshalb beginnt der Käfer aufzuglühen, da die Lichtproduktion in jenen Peroxisomen "eingeschaltet" wird, die Luciferase sowie Luciferin-A'TP enthalten. Der schnelle Zerfall des Gases NO ist wahrscheinlich der Grund für die kurze Dauer des Lichtblitzes.
18.2.3 Biologische Bedeutung des leuchtens Je nach Spezies können sämtliche Entwicklungsstadien der Lampyridae Leuchtorgane aufweisen. Aufleuchten nach Berührung oder nach Reizung spricht auch hier wie bei anderen Insektengruppen
18.2 Biolumineszenz bei Käfern
primär für eine Abwehrwirkung. In höch st entwickelter Form findet man die Biolumineszenz jedoc h im Dienste der Sexualkommunikation bei den Imagines der Leuchtk äfer. Es ist verstä ndlich, dass der chemi schen Kommunikation bei den Lampyriden deswegen nur eine untergeordnete Bedeutung zufällt. Da verschiedenste Leuchtk äferarten vor allem in wärmeren Regionen sympatr isch vorkommen, müssen die Signale artspezifisch sein. Als Signalparameter komm en in erster Linie Form und Größ e der Leuchtorgane, die spektrale Zusamm ensetzung des emittierten Lichtes, die Int ensität und gegebenenfa lls Flimmerfrequen z des Leucht signals und vor allem die zeitliche Folge der Leucht signal e in Frag e. In zahlreichen Fällen wurde nachgewiesen, das s die Signalempfänger immer auf da s Signal des zugehörigen Senders am empfindlichsten ansprechen. Bei den vielfältigen Möglichkeiten der Sexualkommunikation bei Lampyriden könn en derzeit etwa drei Systeme unt erschied en werden: In zwei Fällen (A, B) lockt jeweils ein stationä res Tier eines G eschlechtes den anderen Geschlecht spartner an, im dr itten Falle wird Licht von beiden beweglichen G eschlecht spartnern emittiert (C) . A) Lichtemission durch ßugunfähige Weibchen: D as flügellose Weibchen ist stationä r und gibt ein kontinuierliches Licht signal ab. In der Dämm erun g warmer Sommerabend e besteigen die Weibchen hierzu G rasha lme, krümmen den Hinterleib hoch über den Kop f und lassen die Leucht organ e an der Unterseite ihres Hin terleibes ers tra hlen. Diese Leuchtpla ketten des Weibehens sind je nach Spezies unterschiedlich struk tu rier t. Die Männchen besitzen im Gegensatz zu den Weibchen gut ausge bildete optische Sinnesorgane. Die Männ chen unserer heimischen G attungen Phausis und Lampy ris fliegen das Weibchen an, schweben ku rzfristig übe r dem Ziel und lassen sich da nn wie ein Stein zu Boden fallen. Setzt man ein leucht endes Weibchen a uf den Bod en eines oben offenen, 15 cm hoh en G lasgefäßes mit nur 3 cm Durchmesser, so zeigt sich, dass 65 % der anfliegenden Männ chen zielgena u im G lasgefäß land en. Die übrigen Män nchen fallen nie weiter als 20 cm daneben und versuchen sogleich, das Weibchen zu Fuß zu erreichen. Hat ein Männchen das Weibchen erreicht, so scha ltet das Weibchen sein Leuchto rgan aus und nach mehreren "Geruchsprüfungen" findet die Kopula statt. Wird da s Leuchtmuster, die Helligkeit und die G röße der weiblichen Leuchtpl akette unserer beiden häufigen heimischen Leuchtk äferarten Lampyr is noctiluca und Phausis splendidula im Attrappenversuch variiert und wird anschließend der Männ chen anflug getestet, so zeigt sich, dass Lampyris-Männehen erwa rtungsgemäß immer die weibliche Leuchtplakette bevorzugen, d. h. zu helle oder zu dunkle Att rappen werden genauso gemieden wie zu große oder zu kleine. Auch übermäßi g viele oder zu wenig präsentierte Licht zeichen werden gemieden. Erstaunlicherweise gilt dies nicht für Phausis-M änn chen: Die
609
Tiere fliegen fast jede beliebige Lichtqu elle an, auch wenn diese größe r, heller oder reicher st ru kturiert ist als die natü rliche Leuchtpl akette des Weibchens. Eine Überpro duktion an Phausis-M ännchen scheint diesen Mangel an Zielsicherheit auszugleichen, denn in der Ga tt ung Phausis treten 5-mal so viele Männ chen auf wie bei Lampyr is (Lam pyr is Geschlechterve rhä ltnis 1:1). B) Lichtemission durch Männchen: Über die synchro n blinkend en Leuchtkäfe rmä nnche n der Man groven Südost asiens liegen nur wenige zusammenfassende Unters uchungen vor. So können hundert e bis tausende von Männ chen der Gattung Pteroptyx dicht auf einem im Wasser stehenden Baum sitzen. In der Dun kelheit blinken zuerst einzelne Männ chen in unregelmäßi ger Weise auf, kur ze Zeit spä ter blinken immer mehr Tiere synchron , bis schließlich ganze Bäume regelrecht "auffiam men" . Offenbar ist ein im Geh irn der Tiere befindlicher Oszillator am Zu standekommen dieses rhythm ischen Blitzsynchron ismus beteiligt. Solche rhythmi sch aktiven Taktgeberneurone dürften über das Strickleiternerve nsystem im abdo minal gelegenen Leuchtorgan ein Aufblin ken hervorrufen. Die Männ chen leuchten offenbar vor allem auf ame isenfreien. d . h. feindfreien Bäumen und locken dabei Weibchen an. C) Lichtemission durch fliegende Männchen und Weibchen: Besser Bescheid weiß man über solche Lamp yriden art en, bei denen beide Geschlechter mitt els Licht emission inte ragieren. Solche Arten wurd en eingehend im südlichen Teil der USA unt ersucht. Ein Partner, in der Regel das fliegend e Männchen, sendet ein artspezifisches Leuchtsignal aus, das aus Einzelblitzen oder Blitzpaaren besteht. Die weibliche Par tnerin an twortet wieder mit einem artspezifischen Signal und der Hochzeitswerber wird auf diese Antwort hin angelockt. Bei diesem komplexen Komm un ikationssystem existieren nat urgemäß za hlreiche Möglichkeiten, eine Artspezifität zu erreichen. So können die Leucht signale der Männ chen zeitlich völlig unt erschiedlich stru kturiert sein. Werden diese Signa le über eine Phot ozelle registr iert , so könn en solche Spezies unt erschieden werden, welche einen oder sehr wenige Einzelblitze pro Zeiteinheit au ssend en. Andere Art en hingegen erzeugen ein flackerndes Licht, welches z. T. vom menschlichen Auge nicht mehr aufgelöst werden kann. So könne n die Arten einer Gattung allein du rch die Stru kt ur und Aufeinan derfolge der männl ichen Leuchtsignale gegeneinand er reprod uktiv isoliert sein. Daß außerdem noch stru kt urelle Par ameter wie Flugmanöver, Flughöhe oder die Fluggeschwindigkeit als repro duktive Isolationsmecha nismen infrage komm en, wurd e ebenfalls nachg ewiesen (Abb, 18-8). Je nach Art kann schließlich auch die Farbe des emitt iert en Licht es oder die Helligkeit des Leucht organ s variieren.
Der artspezifische Signa lcode wird noch dadu rch vervollständigt, dass auf ein männ liches Leuch tsignal ein weiblicher Blitz folgt. Das Zeitintervall zwischen männlichem Blitz und weiblicher Antwo rt ist je nach Leuchtkäferart ebenfalls un terschiedlich und kompl ett iert den erwä hnten artspezifischen Code. Das Männ chen von Photinus macdermott i sendet beispielsweise alle 1,8 Se-
610
18 Biolumineszenz
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Abb. 18-9: Opt ische Kommunikation beim Leuchtkäfer Photinus macdermotti. Daszweite Leuchtsignal eines Männchens wird nach einem bestimmten Zeitintervall (etwa 1 Sekunde) vom Lichtsignal eines Weibchens derselben Art beantwortet. (Nach Wehner und Gehring 1990)
Abb. 18-8: Flugfiguren und Blinksignale der Männchen von sieben Arten (a-g) der Gattung Photinus. (Nach Thornhill und Alcock 1983)
kunden einen Blitz von 0,2 Sekunden Dauer aus. Währendde ssen sitzt das Weibchen völlig abgedunkelt im Gras, sobald aber ein blitzendes Männchen bis auf 3-4 m herangekommen ist, antwortet das Weibchen exakt I Sekunde nach einem Doppelblitz des Männchens mit einem eigenen Lichtzeichen (Abb. 18-9). Daraufhin nimmt der Freier sofort Kurs auf das Weibchen und nach 5-10-maligem Signalaustausch hat er sein Ziel erreicht. Den Signalaustausch kann man experimentell auch mit einer Taschenlampe auslösen. Solche Kommunikationssysteme werden durch zahlreiche Faktoren noch komplizierter: So ist die Leucht- und Flimmerfrequenz der männlichen Signale ebenso wie die artspezifische Pause zwischen Leuchten von Männchen und Weibchen in hohem Maße von der Lufttemperatur abhängig. Außerdem sieht sich fast jedes Männchen aus dieser Gruppe einer überm äßigen Konkurrenz gegenüber, denn auf etwa 2 Weibchen kommen meist etwa 100 Männchen. Durchschnittlich braucht ein Weibchen nur wenige Minuten , um begattet zu werden , während ein Männchen etwa sieben Abende suchen muss, bis es ein passendes Weibchen findet. Hierbei muss das Männchen pro Abend ca. I km weit fliegen. Rivalisierende Männchen haben deshalb auch die Strategie entwickelt, in das Blitzmuster eines anderen Männchens derselben Art hinein zublitzen. Häufig haben sie damit sogar Erfolg und können anschließend erfolgreich kopulieren. Derartige Interaktionen werden erst in neuerer Zeit detaillierter untersucht, und es ist hier noch mit zahlreichen Überraschungen zu rechnen . Eine fast sensationelle Entdeckung bei Weibchen der Gattung Photuris aus Nordamerika soll im Folgenden vorgestellt werden . Die Imagines fast aller Leuchtkäferarten nehmen keine Nahrung mehr zu sich. Nur die Weibchen der etwa 60 Arten umfassenden Gattung Pho-
turis machen diesbezüglich eine Ausnahme. Mit "geHUschten Signalen" locken sie Männchen anderer Leuchtkäferarten an und verspeisen die getäuschten Freier. Im Nachahmen, d. h. in der Mimikry anderer Weibchen sind diese Sirenen oder "femmes fatales" sehr geschickt und vielseitig. Sobald die Leuchtzeichen eines Beutemännchens aufblitzen, antwortet das PhoturisWeibchen mit dem dazu passenden weiblichen Signal und ist sogar in der Lage, die "Sprechpausen" der zu erbeutenden Art zu imitieren . Nach der Anlockung der Beute wird diese vom Photuris-Weibchen verspeist. Darüberhinaus verfügen die Photuris-Weibchen über ein umfangreiches Repertoir an Mimikrysignalen und machen auf die Männchen verschiedener Arten Jagd . Beispielsweise kann das Weibchen von Photuris versicolor fünf Leuchtkäferarten anlocken und zwar Männchen einer anderen Photuris-Art sowie Männchen aus den Gattungen Phot inus und Pyractonema . Das exakte "Sich-Einmischen" in die Leuchtkommunikation ganz anderer Arten gelingt nicht in allen Fällen und die Mimikryantwort der Photuris -Weibchen ist deshalb nicht immer ganz exakt. So wird verständlich, dass nur etwa 16% der ange lockten fremden Männchen auf die Täuschung hereinfallen und sich dem Photuris -Weibchen nach einigen Leucht-Interaktionen nicht weiter nähern. Manche Photur is-Weibchen unternehmen deshalb sogar Luftangriffe auf sich nähernde, allzu vorsichtige Männchen. Nach der Entdeckung dieses faszinierenden und komplexen Verhaltens der Photuris-Weibchen erhebt sich die Frage nach der biologischen Bedeutung dieses Phänomens. Erst in neuerer Zeit zeichnen sich einige Befunde ab, die es erlauben, das eigenartige Verhalten der Photuris-Weibchen zu deuten: • Die Photuris- Weibchen sind vor der Kopulation friedlich und werden erst nach der Kopulation mit dem Männchen der eigenen Art aggressiv. • Fast alle Imagines der Leuchtkäfer reagieren auf einen Reiz mit Reflexbluten. Offenbar enthalten die HämoIymphtröpfchen Giftstoffe, welche sowohl auf Insekten, Spinnen wie auf Vertebraten wirken (s. 17.2.2.3). Werden Imagines zweier Photinus-Arten zusammen mit Mehlwürmern Vögeln als Futter angeboten, so werden zwar sämtliche Mehlwürmer verspeist, von den jeweils angebotenen 100 Käfern wird jedoch kein ein-
literatur ziges Tier gefressen. Die einzigen beiden zögernd gefressenen Käfer werden sogar nach einer Minute wieder vom Vogel ausgew ürgt . • Die Suche nach dem toxischen Prinzip in der Lampyriden -Hämolyrnphe war erfolgreich, denn je nach Leuchtkäferart konnten hier mehrere Steroidpyrone erstmalig für Invertebraten nachgewiesen werden. Chemisch ähneln diese, nach ihrer Herkunft aus Leuchtkäfern als Lucibufagine bezeichneten Steroide den Bufadienoliden, dies sind Gifte diverser Kröten- und Pflanzenarten. Was haben diese unterschiedlichen Befunde mit den .J emmes fatales" der Gattung Photuris zu tun? Soweit bislang bekannt, sind Leuchtkäfer schon als Larve dazu befähigt, aus dem mit der Nahrung aufgenommenen Steroid Cholesterin Abwehrstoffe vom Typ der Lucibufagine herzustellen. Dies trifft jedoch überraschenderweise nicht für die Gattung Photuris zu . Freilandfänge von Photuris-Weibchen enthalten je nach Individuum ganz unterschiedliche Mengen von Lucibufaginen. Manchen Individuen fehlen solche Steroidpyrone völlig und es zeigt sich, dass die Gattung Photuris, im Gegensatz zu anderen Leuchtkäfergattungen offenbar nicht in der Lage ist, diese Abwehrstoffe selbst aus Cholesterin herzustellen. Auch werden frisch geschlüpfte Photuris -Weibchen sofort von Spinnen als Beuteobjekt akzeptiert, sobald diese Weibchen jedoch Männchen anderer Leuchtkäferarten oder Lucibufagine verzehren konnten , werden sie von den Spinnen verschmäht. Die mit dem " Knacken" des Kommunikationscodes anderer Leuchtkäferarten verbundene enorme Leistung könnte sich folglich für die Tiere dadurch bezahlt machen, dass einzig und allein toxische Inhaltsstoffe aus anderen Leuchtkäferarten oral aufgenommen werden müssen, damit die Photuris-Weibchen selbst einen wirksamen Fraßschutz erhalten. Bemerkenswert ist, dass dieses eigenartige Verhalten der Weibchen auch erst kurz nach der Kopula mit einem Männchen derselben Art auftritt. Möglicherweise werden diese von außen aufgenommenen Toxine anschließend auch in die eigenen Eier inkorporiert. Auf diese Weise wäre auch ein effektiver chemischer Schutz der eigenen Nachkommen gewährleistet.
611
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19 Insekten und Mikroorganismen Konrad Dettner
Zwischen zahlreichen Organismen und Insekten existieren Wechselbeziehungen mannigfaltiger Art. Je nachdem , welchen Einfluss eine Art auf das Wachstum und Wohlergehen einer anderen Art ausübt, sind unterschiedliche Formen von Wechselwirkungen zu unterscheiden . Hemmen sich die beiden Spezies gegenseitig oder üben sie einen anderen negativen Einfluss aufeinander aus, spricht man von Konkurrenz. Falls diese Beziehung für eine Spezies positive, für die zweite Art negative oder neutrale Konsequenzen aufweist, so spricht man von Parasitismus (positiv: Parasit, negativ: Wirt) beziehungsweise Parabiose (= Kommensalismus; positiv: Kommensale, neutral: Wirt). Bakterien , Pilze oder Protozoen, die ihre Wirtsinsekten schädigen, werden insektenpathogen genannt. Zum Teil können sie auch zur Bekämpfung ihrer Wirte eingesetzt werden. Profitieren beide beteiligten Arten von dieser Beziehung und ist diese für das Überleben der beiden Partner fakultativ oder obligat, so bezeichnet man solche Wechselbeziehungen als Kooperation bzw. Mutualismus (fakultativ) oder Symbiose (obligat). Eine klare Zuordnung bestimmter Wechselbeziehungen zu diesen BegritTen kann vielfach schwierig sein. Es ist bemerkenswert, dass der Botaniker de Bary 1879 in seine Definition der Symbiose Phänomene wie Parasitismus, Parabiose oder Mutualismus mit einbezog. Bei 10-30 % aller Insektenarten finden sich symbiontische Vergesellschaftungen mit Pilzen, Bakterien oder Protozoen. Dieses enge Zusammenleben artverschiedener Organismen in spezifischen Kombinationen ist für beide Partner von Nutzen und aus stotTwechselphysiologischen Gründen mehr oder weniger lebensnotwendig . Daher wurden Mechanismen entwickelt, um die Symbionten von einer Insektengeneration auf die folgende weitergeben zu können . Lebt der Symbiont - im Allgemeinen der kleinere Partner - die meiste Zeit außerhalb oder auf dem Insektenkörper (Abb. 19-1), so sprechen wir von Ektosymbiose. Werden dagegen Darm, Leibeshöhle oder sogar bestimmte Gewebe des in der Regel größeren Wirtes extra- oder intrazellulär besiedelt, so liegt eine Endosymbiose vor. Insbesondere der deutsche Zoologe PauI Buehner (1886-1978) erkannte, dass ein Großteil der Arthropoden mit endosyrnbiontisehen Mikroorganismen assoziiert ist.
19.1 Endosymbiose 19.1.1 Symbionten Eine große Zahl pro- und eukaryotischer Ektound Endosymbionten konnte in diversen Insektengruppen nachgewiesen werden. Neben unzähligen Eubakterien (insbesondere y-Proteobakterien), methanogenen Bakterien (Archaea) oder Protozoen wurden auch zahlreiche Pilzspezies (insbesondere Phyeomyeeten, Aseomyeeten, Basidiomyeeten) aus den Insektenwirten isoliert (Tab. 19-1). Während die morphologische und auch ultrastrukturelle Beschreibung dieser Symbionten schon fortgeschritten ist, werden diese erst in neuerer Zeit auch histochemisch, biochemisch und systematisch charakterisiert. Wie freilebende Bakterien, so zeichnen sich die endosymbiontischen Bakterien durch den Besitz von Murein , einem charakteristischen Bestandteil der bakteriellen Zellwand, aus und weisen auch die kleinen prokaryontischen Ribosomen auf. Auch die Einbeziehung molekularbiologischer Methoden ermöglicht Aussagen über die taxonomische Stellung dieser Organismen . Hierzu zählt die Untersuchung von Symbionten - DNA, bzw. -rRNA, oder der Vergleich von DNA-Basenpaaren (Guanin-I Cytosingehalte) . Weiterhin gewinnt die Methode der Lokalisierung identifizierter Mikroorganismen durch die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) immer mehr an Bedeutung . Eine morphologische Untersuchung der Endosymbionten wird bisweilen dadurch erschwert, dass diese je nach Umweltbedingungen und Biologie des Wirtes einen Formwechsel aufweisen. Manche normalerweise winzigen Endosymbionten können in bestimmten Wirtsinsekten bisweilen die Größe einer Amöbe erreichen . Müssen solche Riesenformen im Wirt verlagert werden, was vor allem bei deren Übertragung auf die Nachkommen des Wirtes von Bedeutung ist, so entstehen kleinere Infektionsstadien, welche allein in der Lage sind, in andere Organe zu gelangen. Eine große Überraschung ergab die molekularbiologische Analyse der Endosymbionten aus Pseudoeoeciden. Diese enthalten in Mycetocyten (s. 19.1.3) intrazelluläre Endosymbionten. Letz-
614
19 Insekten und Mikroorganismen
Tab. 19·1 : Beispiele für das Vorkommen von Mikroorganismen in Vertretern aus verschiedenen Insektenordnungen (v.a. aus Douglas 2000; Kaufman et al. 2000; Speight et al. 1999).
o
lnse
• Collembola (Springschwanze)
Bakterien
Darm
• Ephemeroptera (Eintagsfliegen) Ephemeridae Heptageniidae, ete.
Bakterien
Darm
• Plectoptera (Steinfliegen) Capniidae, Leuctndae, Nemourldae
Ba tenen
Darm
• ßlauana (Schaben)
Flavobakterien verschiedene Ba erlen Einzeller
Mycetocyten Im Fett orper Hinterdarm Darm
• tsoptera (Termiten)
verschiedene Ba erlen Einzeller (Flagellaten In niederen Termiten) Pilze (in höheren Termiten)
Hinterdarm; Fettkorper Hinterdarm
Ba tenen
Darm
verschiedene Ba tenen verschiedene Ba tenen
Mycetocyten Mitteldarm
Ba tenen Bakterien
Darm MItteidarm
Ba terien: einschließlkh y-Pro eoba tenen (10 Bla - und Mottenlausen) und ß·Pro eoba tenen (10 Schrldlausen) Pyrenomyce e Hefen (Zi aden und Blat lause). Ba terien in anderen Gruppen y-Pro eoba tenen, ß-Proteoba terien
Mycetocyten
etc,
• Orthoptera (GeradfIugier) Arcididae. Grytlidae. ete. • Heteroptera (Wanzen) Cimicidae Coreidae, Lygaeidae, Pentatomidae, Pyrrhocoridae Reduviidae Triatomidae • Homoptera (Aleyrodina. AphidlOa. Cicadina, Pseuococcidae. Psyllina) (MottenlilUse, Blattl äuse, Zikaden, Schmierlause, Blattfohe)
Cocodae
Ektosymbloten
In
Hamolymphe
10
Hamolymphe
vor allem extrazellular. Ektosymbloten In Fe torper und Hamolymphe Mycetocyten, Mycetome
• Anoplura (Lause)
Ba tenen
ycetocyten
• Mallophaga (Federlinge)
Ba terien
Mycetocyten
10 Hamolymphe
• Dlptera (Fliegen) Glossinidae Diptera Pupipara Iipulidae, Chironomidae. Culkidae, Simuliidae, Ceratopogomdae Tephritidae Drosophllidae. Anthomyiidae
y3-Proteoba terien Ba tenen Ba terien
Mycetocyten Im Milteidarm-Epl hel Mycetocyten In Hamotymphe Darm
Ba terien Ba terien
Darm Darm
• Coleoptera (Kafer) Anobiidae Bostrychidae Cerambycidae Chrysomelidae Curculionidae Lucanidae PlatypOdidae Scarabaeidae
Hefen (verwand rm Dlscomyceten) Hefen Ba terien, Hefen Ba terien Ba terien Ba terien Pilze Bakterien Pilze
Myce ocyten In Mi eldarm-Blindsac en Myce ocyten In Hamolymphe yce ocyten In Mi teldarm-Blindsacken Myce ocyten 10 Mi teldarm-Blindsack.en Mycetocyten Mittel- oder Hinterdarm Ektosymbioten, extrazellular Mycetocyten, extrazellular im HInterdarm Ektosymbloten, extrazellular
y3-Proteoba terien Ba terien Pilze Pilze
Ektosymbio en Ektosymbioten
Scolytidae • Hymenoptera (HautfIugier) Ameisen (Carnponouni) Ameisen (Formicini) A tim (Blattschneiderameisen) Sincidae
19.1 Endosymbiose
615
Tab. 19-1 : (Fortsetzung).
o • Irkboptera (Kocherfhegen) ümnephäidae lepidos omatidae
Ba terien
Darm
Ba terien
Darm
tere sind in große r Zahl in schleimgefüllten Sphären untergebracht, die den Zellkern der Wirtszelle umgeben. Es stellte sich heraus, dass die symbionti schen Sphären selbst ß-Proteobakterie n repräsentieren, während y-Proteobakterien symbiontisch im Cytoplasma der ß-Proteobakterien leben. Es zeigte sich weiterhin , da ss die y-Proteobakterien niemals außerhalb der ß-Proteobakterien angetroffen wurden , weder in Eiern noch in Schildlauslarven , d. h. es finden sich immer nur mit Bakteri en gefüllte Sphären. Ob hier eine echte Symbiose zwischen beiden Bakterienarten und ihrem Wirt vorliegt oder ob die y-Proteobakterien lediglich Parasiten darstellen, die ß-Proteobakterien zum Schutz und zum Tran sfer in die nächste Wirtsgeneration nutzen, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.
o 8
Ein weiteres Problem stellt die Spezifität der Symbionten im Insektenwirt dar. Häufig sind ganz spezielle Symbiontenart en mit ganz bestimmten Wirtsspezies assoziiert und werden von diesen von Generation zu Generation weitergegeben (obligate symbiontische Beziehung). Oft werden jedoch vom Wirtsinsekt mehr oder weniger zufällig freilebende Mikroorganismen für eine bestimmte Zeit in den Darmtrakt aufgenommen. Ob es sich hierbei um eine symbiontische oder kommensalische Wechselbeziehung hand elt, ist allerdings unkl ar. Auch ist nicht bekannt, ob sich im Insektendarm das gesamte Spektrum der aufgenommenen, freilebenden Mikroorganismen oder nur ganz wenige Spezies halten könn en. Überraschenderweise liegen über dera rtige Wechselbeziehungen selbst bei den großen Wirtsgruppen der herbivoren Käfer oder Schmetterlingsraup en kaum gesicherte Daten vor.
(i) 5:) Y 9
Abb. 19-1 : Wechselbeziehungen bzw. Integrat ion zwischen Symbionten und Wirtsinsekt (1-7) sowie zwischen Symbiont und Wirtszelle (8-10). 1-2 Ektosymbiose: 1 Symbiont außerhalb des Wirtes, 2 Symbiont auf Körperoberfläche des Wirts. 3-7 Endosymbiose: 3 Symbiont im Darmlumen, 4 intrazelluläre Unterbringung im Darmepithel, 5 extrazelluläre Unterbringung in der leibeshöhle, 6 intrazelluläre Unterbringung in bestimmten Zellen (Mycetocyten) in der Leibeshöhle, 7 intrazelluläre Unterbringung in bestimmten Organen (Mycetomen) in der leibeshöhle. 8-10 Integration Symbiont - Wirtszelle: 8 Symbiont in engem Kontakt mit der Wirtszelle, 9 Symbiont in der Wirtszelle von einerVakuole umgeben, 10 Symbiont liegt frei im Cytoplasma der Wirtszelle. (Original)
616
19 Insekten und Mikroorganismen
Tab. 19-2: Beispiele für Endo- und Ektosymbiosen bei Insekten mitAngabe der wichtigsten Nahrungssubstrate.
1. Cellulose a. Aufnahme von Ambrosiapilzen: .Ambrosiak äter": Scolytidae (Borkenkäfer). lymexylonidae (Werftkafer) Hymenoptera: Siricidae (Holzwespen), Formicidae (Ameisen). b. Celluloseverdauung in Gärkammern: Diptera: TIpulidae (Schnaken), Trypetidae (Bohrfliegen), Isoptera Coleoptera: Anobiidae (Klopfkäfer), Cerambycidae (Bockkäfer), Buprestidae (Prachtkäfer), Chrysomelidae (Blattkäfer), Curculionidae (RiJsselkafer), Bostrychidae (Holzbohrkafer), lamellicornia (Blatthornkaler). 2. Saftfluß von Bäumen Diptera: Ceratopogonidae (Gnitzen) 3. Pflanzensäfte Homoptera: Auchenorrhyncha (Cicadina, Zikaden), Sternorrhyncha (Aphidina, Blattläuse; Coccina, Schildläuse; Aleyrodina, Mottenschildläuse), Psyllina (Blattflöhe). inkl. Früchte: Diptera: Trypetidae (Bohrfliegen), Samen: Heteroptera 4. Wirbeltierblut und Horn Diptera: Glossinae (Tsetsefliegen), Hippoboscidae (Lausfliegen), Nyeteribiidae (Fledermausfliegen), Heteroptera; Anoplura; Mallophaga 5. gemischte Kost Isoptera: Blattaria; Hymenoptera: Formicidae (Ameisen)
19.1.2 Wirtsinsekten Symbiontische Lebensgemeinschaften mit Mikroorganismen treten häufig, aber nicht ausschließlich bei solchen Insektengruppen auf, die man aufgrund ihrer einseitigen Kost als Nahrungsspezialisten bezeichnen kann (Tab. 19-2). Die Zahl der Bakterien und Pilze enthaltenden Spezies liegt allerdings weit höher, denn die meisten Insektengruppen sind noch nie auf die Präsenz von Endosymbionten hin getestet worden. Nach den bahnbrechenden Untersuchungen Buchners steht jedoch eines fest: Viele Endosymbionten beherbergende Insekten nehmen zeitlebens schwer abbaubare, feste oder weiche pflanzliche Substanzen (z. B. Cellulose, modernde Blätter, Gallengewebe), Pflanzensäfte (Phloemsauger), Wirbeltierblut oder Keratin enthaltende Materialien (z. B. Haare , Federn) auf (Tab. 19-2). Beherbergen Insekten keine Endosymbionten, obwohl sie als Imagines schwer verdauliche Nahrung aufnehmen, so kann dies daran liegen, dass sich die Entwicklungsstadien dieser Insekten von gemischter Kost ernährten und die dabei aufgenommenen essenziellen Verbindungen bis ins Adultstadium transferieren konnten . Die endosymbiontischen Mikroorganismen der Insekten treten häufig in großen Mengen auf. Vergleicht man das Wachstum der Blattlaus Schizaphis graminum mit dem Wachstum spezifischer bakterieller intrazellulärer Endosymbionten der Gattung Buchnera, so ergeben sich im Prinzip vergleichbare Wachstumskurven (Abb. 19-2). Darüber hinaus macht das Gewicht der BuchneraSymbionten zumeist etwa 10% des Gewichtes der
Blattläuse aus. Selbstverständlich stellt sich bei solchen Interaktionen immer auch das Problem, dass das Bakterienwachstum vom Wirtsinsekt in irgendeiner Weise kontrolliert werden muß (Abb. 19-2).
19.1.3 Vorkommen der Endosymbionten im Wirtsinsekt Endosymbionten können in Insekten extra- undl oder intrazellulär, innerhalb oder außerhalb der Leibeshöhle nachgewiesen werden (Abb. 19-1). Intrazelluläre Symbionten sind in der Wirtszelle noch in einer Vakuole eingeschlossen, können jedoch auch frei im Cytoplasma liegen (Abb. 4-27 C-E, 19-1). Einige Symbionten können sogar von maximal drei Membranen umgeben sein. Im äußeren Membranbereich sind elektronenmikroskopisch oft e1ektronendichte Vesikel erkennbar. Diese Partikel zeigen an, dass hier ein intensiver Stoffaustausch zwischen dem Wirtsgewebe und den Symbionten stattfindet. Im Verlauf der Evolution haben sich bei Insekten immer komplexere Systeme zur Unterbringung der Symbionten entwickelt. Die extrazelluläre Lebensweise von Endosymbionten im Lumen des Darmtraktes und seiner Aussackungen oder in Exkretionsorganen des jeweiligen Wirtsinsektes (Abb. 19-1/3, 19-5 A-H, 19-7 B) ist wohl als die ursprünglichste Form des Zusammenlebens zwischen Symbiont und Wirt anzusehen . Beispielehierfür sind die als "Gärkammern" fungierenden Aussackungen der Enddärme von Engerlingen (Scarabaeidae), Schnakenlarven
19.1 Endosymbiose
617
rien können in Mitteldarmausstülpungen von Bohrfliegen (Trypetidae) , Schild- und Erdwanzen (Pentatomidae, Cydnidae) nachgewiesen werden. • Gewicht Blattläuse (lJg) Bei Pentatomiden sind die schlauchförmigen Sei600 tendärme durch Kryptenreihen gegen den Darm abgeriegelt (Kryptendärme, Abb. 19-5 D-F). Aus 500 den Malpighischen Gefäßen bestimmter Rüsselund Blattkäfer (Curculionidae: Ap ion; Chrysome~ 400 "" lidae: Donacia) wurden ebenfalls endosyrnbiontisehe Bakterien isoliert. 300 Die vorgenannten Beispiele zeigen auf, dass Darmsymbionten bei Insekten weit verbreitet 200 sind. Dies ist verständlich, denn der Darmtrakt mit seinem unidirektionalen Nahrungsfluss stellt 100 ein unerschöpfliches Reservoir an Bakterien, Pilzen, Hefen oder Protozoen dar. Die Nahrung ist teilweise vorverdaut, es ist genügend Wasser vor2 4 6 8 10 14 12 handen und es herrschen relativ konstante pHTage und Temperaturbedingungen. Allerdings sind Abb. 19-2: Zunahme der Symbiontenbiomasse bzw. ei- viele der hier vorkommenden "Einmieter" keine nes durch Symbionten produzierten bakteriellen Pro- echten Symbionten, sondern werden vielmehr einteins (e) und der Masse an Blattläusen (_) aufgezeigt am fach aus der äußeren Umgebung aufgenommen, Beispiel der Blattlaus Schizaphis graminum (verändert nach um in unterschiedlichen Teilen des Darmtraktes Douglas 2000). mehr oder weniger lang zu verweilen. Dadurch, dass die Intima von Vorder- und Enddarm bei jeder Häutung erneuert wird, ist der Lebensraum (Tipulidae) oder ursprünglichen Termitengruppen Darmlumen andererseits aber auch physikalisch (Mastotermitidae, Kalotermitidae, Rhinotermiti- instabil. Wird die Anzahl von Bakterien mit Hilfe dae, Abb. 19-5 A, B; s. 4.7). Aus dem Enddarm bestimmter Farbstoffe (z. B. DAPI ; 4',6-Diamivon Termiten sind neben kokken- und fadenförmi- dino-2-phenylindol) in unterschiedlichen Darmabgen Bakterien über 200 verschiedene, meist wirts- schnitten bei diversen Insekten ermittelt, so ergibt spezifische Flagellatenspezies, vor allem Polymas- sich (Abb. 19-3): Die höchsten Bakteriendichten tiginen und Hypermastiginen isoliert worden bei Insekten wie dem Heimchen oder diversen (Abb. 19-5 C) . Im Cytoplasma dieser symbionti- Schaben finden sich im Enddarm. Die höchsten schen Flagellaten finden sich nicht nur kleine quantitativen Daten sind vergleichbar mit der Holzfragmente, sondern auch Bakterien, welche Bakterienzahl im Pansen oder in den Blinddärmen wahrscheinlich ebenfalls am Celluloseabbau be- von Säugern . Folglich enthalten Insektenwirte teiligt sind. Stäbchen- und kokkenförmige Bakte- rund zehnmal so viele Prokaryoten in ihrem Ver700
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Bakterielles Protein (nglBlattlaus)
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Abb. 19-3: Mittels DAPI-Färbung ermittelte durchschnittliche Bakteriendichten in Vorder-. Mittel- und Enddarm ausgewählter Arthropodenarten (verändert nach Cazemir et al. 1997).
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618
19 Insekten und Mikroorganismen
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Abb. 19-4: Charakteristische Zusammensetzung von Darmsymbionten im Enddarm des Heimchens (Acheta domesticus) in Abhängigkeit von der Ernährung der Insekten Casein (0), Zuckerrübe (_), Luzerne (e), künstliche Nahrung (Ä). Ein mikrobiell analysiertes Freilandtier ist durch .x " charakterisiert. Jedes Symbol repräsentiert ein Insektenindividuum, dessen komplette Mikroflora auf der Basis von 16S RNA mithilfe einer Hauptkomponentenanalyse (ARDRA: Amplified Ribosomal DNA Restriction Analysis) dargestellt wurde. Die prozentuale Gesamtvarianz wird durch pe 1 (30.4),2 (14.6) und 3 (11 .8) symbolisiert (verändert nach Kaufman et al. 2000).
dauungstrakt, wie sie Körperzellen besitzen (Cazemier et al. 1997). Verständlicherweise finden sich im Darmtrakt von Insekten unterschiedl ichste Mikroorganismen, welche insbesondere über die Nahrung aufgenommen werden. Ein Teil der von außen aufgenommenen Mikroorganismen dürfte verdaut werden oder passiert den Darmtrakt unverändert, um nach einer gewissen Zeit mit dem Kot wieder ausgeschieden zu werden. Andere Mikroorganismen dürften sich in den einzelnen Kompartimenten des Darmtraktes je nach pH-Bedingungen oder der Sauerstoffversorgung eine gewisse Zeit lang halten , bzw. je nach Bedingungen auch vermehren. Erwartungsgemäß hängt die mikrobielle Besiedelung des Darmtraktes von der Zusammensetzung der Nahrung ab. Dies wurde im Enddarm
des Heimchens (Acheta domesticus) mit Hilfe molekularbiologischer Methoden überprüft, wobei den Tieren unterschiedliche Nahrung angeboten wurde (Abb. 19-4). Die Zusammensetzung der kultivierbaren und nicht kultivierbaren Darmflora unterscheidet sich folglich, wenn eine reine Proteinnahrung (Casein) mit einer ausschließlichen Aufnahme pflanzlicher (Zuckerrübe, Luzerne) bzw. künstlicher Nahrung mit höheren Kohlenhydratgehalten verglichen wird. Die intrazelluläre Unterbringung der Endosymbionten in den Zellen des Darmepithels scheint eine abgeleitete Entwicklungsstufe zu sein (Abb. 19-1/4). Beispiele hierfür sind Mitteldarmepithelien des Brotk äfers (Anobiidae: Stegobium) oder bestimmter Rüsselkäfer (Curculionidae: Cleonus). Bei extra- und intrazellulär im Darmbereich untergebrachten Endosymbionten werden diese mit dem Kot des Wirtsinsekts abgegeben und können ohne weiteres von anderen Individuen der Wirtsart aufgenommen werden. In der extra- und intrazellulären Unterbringung von Symbionten in der Leibeshöhle zeigt sich eine noch höhere Entwicklungsstufe (Abb. 19-1/5). So können in der Hämolymphe von Napfschildläusen (Lecaniidae) unzählige Konidien eines endosymbiontischen Ascomyceten nachgewiesen werden. Zum Teil finden sich solche Endosymbionten noch extrazellulär in Fettkörperlücken, manchmal werden aber auch bereits Zellen des Fettkörpers insbesondere in dessen Peripherie besiedelt (s. 4.8). Die dauerhafte Aufnahme von Endosymbionten in einzelne Fettkörperzellen führt zu einem Funktionswandel dieser nun als Mycetocyten bezeichneten Fettkörperzellen (Trophocyten, Abb. 19-1/6, 19-5 L). Allerdings werden auch andere, der Symbiontenunterbringung dienende Zelltypen als Mycetocyten bezeichnet. Insbesondere bei Schaben und Termiten wird nur der Fettkörper in der Nähe des Darmes besiedelt, Fettkörperlappen im Bereich der Körperperipherie weisen hingegen keine Endosymbionten auf. Mit zunehmendem Alter der Wirte kann die Größe der Mycetocyten sowie deren Kernvolumen kontinuierlich zunehmen, bis schließlich hochgradig polyploide Kerne (bis 512fach) vorliegen. Der Zusammenschluss endosymbiontenhaltiger Zellen (Mycetocyten) zu soliden Organen, so-
Abb. 19·5: A Arbeiter der Termitenart Kalotermes flavicollis. B Darmkanal mit angeschwollenem, mit Symbionten qefülltern l> Enddarm (E). C Symbiontischer Flagellat der Gattung Spirotrichonympha aus Termitendarm. 0 Schildwanze Carpocoris fuscipinus. EDarmkanal (Mitteldarm Md) von C. fuscipinus mitvierreihigen, von Bakterien bewohnten Ausstülpungen. F Mit Bakterien gefüllte Darmausstülpungen der Kugelwanze Coptosoma scutellatum. G, H Symbiontische Bakterien: G Murgantia histrionica; H Euchistus servus aus Mitteldarmkrypten von Wanzen. I Eine Zikade, der Europäische Laternenträger Fulgora europaea (Fulgoridae). J Drei Symbiontenspezies aus den Ei-Infektionsballen dieser Art. a-Symbionten, m-Symbionten, RRektalsymbionten. K Bei einer anderen Zikade, einer Buckelzirpe (Membracidae) kommen vier verschiedene Arten von Symbionten in verschiedenen, durch unterschiedliche Schraffur angedeuteten Arealen des Mycetoms vor. L Schnitt durch einen Fettkörperlappen der Schabe 81aberus fuscus (Fettzelle Fz, Membrana propria Mp, Mycetocyten Myc, Uratzelle Uz). (Anach Grasse 1965, B, Enach Buchner 1960, Cnach Wehner und Gehring 1995, D nach Stresemann 1978, F-H, J, K nach Buchner 1953, I nach Jacobs und Renner 1988, L nach Seifert 1975)
19.1 Endosymbiose
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619
620
19 Insekten und Mikroorganismen
genannten Mycetomen, stellt die höchste Entwicklungsstufe der Beherbergung von Symbionten dar (Abb. 19-117, 19-5 K, 19-7 K-M). Diese weiß oder bunt gefärbten , meist paarigen oder in Vielzahl vorhandenen Strukturen sind vielgestaltig und immer reich mit Tracheen versorgt. Die Vermehrung der Endosymbionten bleibt in den von einem zarten Häutchen oder einem Epithel umgebenen und oft im Wirtskörper mittels Suspensorien verankerten Mycetomen immer unter Kontrolle. Ein weiterer Evolutionstrend besteht darin, dass Mycetome nicht nur eine Symbiontenart (Monosymbiose) sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Endosymbiontenspezies in mehreren Parzellen des Mycetoms enthalten können (Di- und Polysymbiosen, Abb. 19-5 K). Bei Zikaden können bis zu sechs Arten von Bakterien, Hefen oder amöbenartigen Organismen separat in einem einzigen, mosaikartig unterteilten Mycetompaar vorhanden sein. Hingegen erhält bei einigen Arten von Pflanzensaugern jeder Symbiont sein eigenes, paariges oder unpaares Mycetom.
19.1.4 Weitergabe der Endosymbionten an die Nachkommen des Wirtes Endosymbiontenhaltige Insekten aber auch die mit Ektosymbionten assoziierten Arthropoden sind in unterschiedlichem Maße auf ihre zeitweisen oder dauernden Einmieter angewiesen. Bei obligaten Wechselbeziehungen muss eine Infektion der nachfolgenden Entwicklungsstadien des Insekts mit den jeweiligen Symbionten gewährleistet sein. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass jedes Wirtsinsekt seine Symbionten zum Beispiel über die Nahrung mehr oder weniger zufällig aufnimmt (z. B. Larven der Tipulidae). Dieser relativ einfache Symbiontentransfer setzt jedoch voraus, dass Symbionten, die im Darmtrakt des Wirtes vorkommen , auch außerhalb des Wirtes lebensfähig sind. Als effizientere und sichere Methode ist die gezielte Weitergabe der Endosymbionten von der Elterngeneration an die Nachkommen anzusehen. Je nach Vorkommen der Endosymbionten im Wirt kann dies auf unterschiedliche Weise und zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Entwicklung erfolgen. Die Übertragung der Symbionten vom weiblichen Wirtsinsekt auf dessen Eier und Larvenstadien bereitet nur dann wenig Schwierigkeiten, wenn diese Endosymbionten bereits vorher im Lumen des Insektendarms oder im Darmepithel lokalisiert sind. Häufig wird Enddarminhalt vermischt mit Symbiontenmaterial auf der EischaIe
deponiert. Gegebenenfalls genügt auch ein symbiontenhaltiges Sekretkäppchen (Abb. 19-7 I, J) bzw. eine symbiontenhaltige Gallerthülle auf dem Ei. Die beim Schlupf noch sterilen Larven nehmen anschließend diese Trägermaterialien oral auf, die Infektion erfolgt also zu Beginn des Larvenstadiums (Abb. 19-7 I). Kompliziertere Wege der Symbiontenweitergabe kommen vor, wenn die Endosymbionten in der Leibeshöhle außer halb des Darmes lokalisiert sind. Um in der Hämolymphe transportiert werden zu können, müssen die häufig entarteten und monströsen Symbionten zuerst in geeignete, verkleinerte Infektionsformen umgewandelt werden. Diese werden zu einem bestimmten Zeitpunkt über Transportzellen oder transitäre Mycetome in die weiblichen Geschlechtsorgane transportiert oder bewegen sich aktiv in diese Richtung (Abb. 19-7 L). Anschließend erfolgt eine allseitige oder häufiger eine polare Infektion der noch im mütterlichen Organismus befindlichen Eizelle (Abb. 19-7 M). Je nach Insektengruppe können hierbei einfache oder modifizierte Follikelzellen, aber auch Nährkammern und Faserstränge Übertragungsorgane darstellen . Bei der endgültigen Unterbringung der Endosymbionten gilt die Beteiligung chemotaktisch wirkender Substanzen als wahrscheinlich. Werden mehrere Endosymbiontenspezies gleichzeitig beherbergt, so können wie bei Buckelzirpen innerhalb eines Wirtsindividuums je nach Symbiontenart gleichzeitig unterschiedliche Übertragungswege genutzt werden. In all diesen Fällen erfolgt die Besiedlung des Wirtes bereits im Embryonalstadium, beispielsweise über provisorische Embryonalmycetome. Die Symbionten können anschließend in die definierten Mycetome gelangen, wobei Bewegungen des Keimstreifs für deren Transport genutzt werden können . Besonders beeindruckend sind auch hier wieder die Verhältnisse bei Pflanzensaugern. Bei Zikaden mit bis zu 6 Endosymbiontenspezies pro Wirtsart erfolgt ein koordinierter embryonaler Transfer und eine spezifische Verteilung der Symbionten im Verlauf der Embryonalentwicklung mittels beweglicher Mycetocyten, Mycetome und Keimstreifbewegungen. Bei diesen Pflanzensaugern sind sogar Umladungsph änomene von diversen Endosymbionten von einem zum anderen Mycetom nachgewiesen. Bei Mottenschildläusen (Aleyrodidae) gelangen die Symbionten über mütterliche Mycetocyten ins Ei. Diese mütterlichen Zellen leben als Implantat in den Zellen weiter, während das Weibchen nach der Eiablage stirbt.
19.1 Endosymbiose
19.1.5 Symbiontische Wechselbeziehungen zwischen Wirt und Symbiont Um die Wechselbeziehungen zwischen Symbiont und Wirt klären zu können, müssen die beiden Partner zuerst getrennt werden . Manchmal können die Symbionten auf künstlichen Nährböden kultiviert und zytologisch sowie biochemisch untersucht werden . Allerdings bereitet die Kultivierung intrazellulärer Symbionten auf künstlichen Nährmedien erhebliche Schwierigkeiten. Zum anderen besteht die Möglichkeit, symbiontenfreie, so genannte aposymbiontische Insekten aufzuziehen. Die gegebenenfalls zu beobachtenden Ausfallserscheinungen bei diesen auf einer synthetischen Diät gehaltenen, aposymbiontischen Tieren können durch gezielte Zugabe ausgewählter Substanzen kompensiert werden . Werden sterile Embryonalstadien durchlaufen (z. B. phytophage Wanzen), erfolgt also die Symbiontenaufnahme zu Beginn des Larvenstadiums, werden die Symbionten auf den Eischalen mit Desinfektionsmitteln zerstört (Abb. 19-7 I, J). Außerdem können die schlupfreifen Larven aus dem Ei pr äpariert werden, bevor sie oral Endosymbiontenmaterial aufnehmen. Werden beim Symbiontentransfer Eier oder Embryonalstadien infiziert, so ist es auch möglich, Mycetome bei adulten Insekten operativ zu entfernen (z. B. die sog. Magenscheibe der Kleiderläuse, Abb. 19-7 K), bevor die Symbionten im mütterlichen Organismus die Oogonien erreichen. Weiterhin können im Verlauf der frühen Embryonalentwicklung kompakte embryonale Mycetome durch vorsichtige Zentrifugation oder Schnürung vom Keim isoliert und danach operativ eliminiert werden . Die bislang angewandten Trennungsmethoden von Symbiont und Wirt sind außerordentlich vielfältig und können je nach Wirtsbiologie bei verschiedenen Entwicklungsstadien zum Einsatz kommen . Eine andere Möglichkeit der Eliminierung von Symbionten besteht darin, die Endosymbionten im intakten Wirt abzutöten. So kann bei Termiten eine Erhöhung der Umgebungstemperatur auf 36-40 °C ein Absterben der Symbionten bewirken. Die Injektion oder orale Gabe diverser Antibiotika, wie Penicillin, Streptomycin oder Chloramphenicol stellt eine besonders elegante Möglichkeit der gezielten Eliminierung bestimmter Symbionten dar. Die in der Medizin beobachteten Nachteile dieser Wirkstoffe machen sich allerdings auch bei Insekten bemerkbar, denn viele Endosymbionten zeigen schon in der 2. oder 3. Wirtsgeneration eine Resistenz . Durch Injektionen von
621
Lysozymen, das sind die Bakterienzellwand Iysierende Enzyme, können ebenfalls Endosymbionten ausgeschaltet werden . Offenbar sind auch Insekten selbst in der Lage, ihre Symbionten mittels wirtseigener Lysozyme unter Kontrolle zu halten: Intrazellulär untergebrachte Symbionten dürften prinzipiell vor phagocytierenden Wirtszellen geschützt sein und könnten allenfalls durch Lysosomen zerstört werden . Falls Symbionten aus Mycetocyten entweichen, so können sie im Hämocöl mittels wirtseigener Lysozyme oder durch phagocytierende Hämocyten eliminiert werden . Nach Verlust ihrer Symbionten sind die Wirte meist stark geschädigt. Wachstumshemmungen, oft verbunden mit Häutungsstörungen, Bewegungsstörungen, Absinken der Vermehrungsrate, Sterilität und generell hohe Mortalität sind typisch für aposymbiontische Insekten. Wie sich der Symbiontenverlust auf die Wirtstiere auswirkt, konnte am Wachstum von Brotkäferlarven (Stegobium paniceum) gezeigt werden (Abb. 19-7 F-H). Larven , welche aus Eiern mit steriler Schale schlüpfen, bleiben trotz kontinuierlicher Nahrungsaufnahme noch nach 10 Wochen außerordentlich klein (Abb. 19-7 F), wohingegen symbiontenhaltige eine erhebliche Größe erreichen (Abb. 19-7 H) . Erhalten aposymbiontische Larven neben der kohlenhydratreichen Nahrung zusätzlich ein vielseitig zusammengesetztes Nahrungssubstrat in Form von Trockenhefe, so erreichen diese Larven nach 10 Wochen fast die gleiche Körpergröße wie symbiontenhaltige Stadien (Abb. 19-7 G). Dieses Experiment verdeutlicht, dass Ausfallerscheinungen durch bestimmte Substanzen kompensiert werden können, welche dem künstlichen Nährmedium aposymbiontischer Insekten zugesetzt werden . Gleichzeitig wird hierdurch die stoffwechselphysiologische Bedeutung von Endosymbionten für das Wirtsinsekt deutlich. Die Symbionten liefern dem Wirt Ergänzungsstoffe, die dessen einseitige Nahrung komplettieren (Tab. 19-1 , 19-3). Auf diese Weise ist den jeweiligen Wirtsinsekten auch die Erschließung neuer Lebensräume möglich. Solche .Ergänzungsstoffe " sind zum Beispiel Vitamine, Aminosäuren, Steroide. Der essenzieIle Charakter derartiger Verbindungen ist für Insekten schon seit langem bekannt. Gleichzeitig kann für den Wirt hochwertiges Eiweiß aus stickstoffhaltigen Exkreten oder durch die Bindung von Luftstickstoff zur Verfügung gesteIlt werden. Schließlich können Symbionten außerhalb oder innerhalb ihres Wirtes Verdauungsenzyme bereitsteIlen, um einseitige Nahrungssubstrate aufzuschließen (Tab. 19-3). Die stoffwechselphysiologische Bedeutung von Endo- und Ektosymbionten ist in den meisten FäIlen noch vöIlig ungeklärt und in der Zukunft darf mit interessanten Entdeckungen gerechnet werden. Besonders faszinierend ist die Fähigkeit der Symbionten, Semiochemikalien (zwischen Organismen wir-
622
19 Insekten und Mikroorgan ismen
Tab. 19-3 : Beispiele für von Endo- und Ektosymbionten produzierte Stoffwechsel produkte. a. Vitamine bzw. Vitaminbestandteile: Ascorbinsäure (= Vit. Cl, Biotin, Carnitin, Folsäure, Lactoflavin, Nicotinsäure, Nicotinsäureamid, Pantothensäure, Pyridoxin, Riboflavin, Thiamin b. Essentielle Aminosäuren bzw. Aminosäureabkömmlinge: Alanin, Cystein, Glutathion, Glycin, Methionin, Serin, Taurin c. Steroide: Cholesterin, Ergosterin d. Produktion bestimmter Peptide beispielsweise aus Exkreten: gebunden an die Präsenz von Enzymen wie Aminosäuredesaminasen, Guanase, Tyrosinase, Urease, Uricase e. Verdauungsenzyme: Carboxylasen, Cellulasen, Galactanasen, Invenasen, Peetinasen, Xylanasen f. Bindung von Luftstickstoff: Bildung von Aminosäuren und Proteinen g. Antibiotika: Andrimid, Polymyxin MI h. Farbstoffe: Flavonoide, Blattlauspigmente
i. Bildung von für den Wirt lebensnotwendigen verhaltensmodifizierenden Naturstoffen (z. B. Spur-, Abwehr-, Aggregations- und Sexualpheromone): (Z,Z,E)·3,6,8-Dodecatrien-1-ol, lpsdienol, Phenol, Verbenon, Pederin
j. Bildung von Toxinen in Speicheldrüsen
kend e Botenstoffe) oder Antibiot ika bereitzustellen. So synthetisieren auf verrottendem Holz wachsende Pilze der Gattung G/oeophyllum einen dreifach unges ättigten Alkohol, welcher auch als Spurpheromon bei unterird isch lebenden Termiten zum Einsatz kommt. Ektosymbiontische Pilze von best immten Borkenkäferarten (z. B. Dendroctonus-Arten) oxidieren überdies Terpene des Wirtsbaumes zu Aggregationspheromonen der Käfer (z. B. Verbenon). Um die artspezifisch wirkenden, da s Verhalten modifizierenden Verbindungen herstellen zu können, muss ein Borkenkäfer folglich den "richtigen" Baum anbohren (a) und diesen mit de n artspezifisch charakteristis chen, mitgeführten Pilzkulturen beimpfen (b ; s. 21.3.2.3). Phenolproduzierende symbiontische Bakterien aus bestimmten Käferdrüsen sind schließlich a n der Syn these weiblicher Sexualpheromone der Wirte beteiligt. Flüchtige Stoffwech selprodukte von Bakterien und Pilzen aus dem Nahrungssub strat za hlreicher Insekten (Borkenkäfer, Bohrfliegen) können aber auch Kairomone, zwischenartlieh wirk ende Botenstoffe, welche für den Produzenten nachteilig, für den Empfänger von Vorteil sind , für Parasitoide darstellen, welche der Lok alisierung des Wirtes dienen. Dies zeigt , dass die Präsenz und Assoziation bestimmter Mikroorganismen mit Insekten für letztere auch mit Nachteilen verbunden sein kann. Endosymbiontcn gewisser Holzwespen produzieren Duftstoffe , welche wiederum Parasitoide als Gegenspieler der Holzwespen a nlocken. Parasitoide können auf diese Weise regulierend in den Bestand des Holzschädlings eingreifen. Ameisenlöwen, die Larven der Ameisenjungfern, ernähren sich räuberisch von anderen Arthropoden, indem sie diese au ssaugen (s. Kap. 25.27). Neue Befunde zeigen auf, dass das hierbei ein gesetzte Toxin nicht vom Insektenwirt, d. h . Larven von Myrme/eon bore, sondern vom in den Speicheldrüsen lebenden Endosymbionten Enterobacter aerogenes stammt. Das isolierte bakterielle Pro tein ist interessanterweise homolog zu einem bak-
teriellen Hitzeschockprotein GroEL, welches auch als Chaperonin bek annt ist. Offenbar wirkt dieses ext razellulä re, bakterielle Peptid auf Insektenzellen oder deren Rezeptoren, was letztlich zu einer Lähmung der betroffenen Insekten führt. Manche Endosymbionten synthetisieren Wirkstoffe, welche wahrscheinlich der Abwehr pathogener Mikroorganismen dienen. Hie rzu gehört neben dem Peptid Polymyxin M I auch der antibiotische Wirkstoff Andrimid. Die letztgenannte Verbindung konnte aus symbiontischen Mikroorganismen isoliert werden, welche in Eiern der Zikade Ni/aparvata /ugens vorkommen. Da Andrimid hochgradig das Wachstum eines phytopathogenen Xanthomonasbakteriums hemmt, welch es Reispflanzen befällt , wird vermutet, dass sich die Zikaden über da s Symbiontenprodukt Andrimid gegen Pathogene ihrer Wirtspflanzen schützen . Solche Verbindungen sind wichtige Leitstrukturen fü r die Synthese und industrielle Entwicklung biologisch aktiver Wirk stoffe .
Auch spricht vieles für die Beteiligung endosymbiontischer Mikroorganismen bei der Entgiftung sekundärer Pflanzenstoffe (z. B. Phenole, Terpene), die mit der Nahrung vom Wirtsinsekt aufgenommen werden (s. 19.2.2). Dies kann für den Wirt nützlich sein, ist aber genauso lebensnotwendig für die Symbionten, die ansonsten geschädigt würden. Manche Holzarten enthalten Chinonderivate und werden deshalb nie von Termiten befallen, weil diese Verbindungen speziell die Protozoen in der Gärkammer der Termiten schädigen. Offenbar beruht die Resistenz mancher Blattlausarten gegenüber insektiziden Organophosphaten auf dem Vorhandensein besonders aktiver Endosymbiontenstämme. Die reproduktive Inkompatibilität bei einigen Arten von Stechmücken, Schmetterlingen und Kä-
19.1 Endosymbiose
fern ist schließlich auf die Präsenz bestimmter Endosymbionten zurückzuführen, da diese offenbar für die Befruchtung des Eis erforderlich sind (s. 19.3.2.2).
623
Blattläuse, auch jahreszeitlich auftretende Defizite essenzieller Verbindungen im Siebröhrensaft zu überbrücken.
19.1.5.3 Bockkäferlarven 19.1.5.1 Blutsauger Die Symbionten blutsaugender Insekten liefern diverse Vitamine, die für Wachstum, Ovarialentwicklung oder den Häutungsprozess benötigt werden. Hierzu zählen insbesondere Vitamine der BGruppe, welche im Wirbeltierblut nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen (s. 19.3.2.1). Obligate symbiontische Beziehungen sind immer bei jenen Insekten anzutreffen, die zeitlebens, d. h. auch als Larven Wirbeltierblut aufnehmen (z. B. Anopluren, Abb. 19-7 K-M; Cimiciden, Triatomiden oder Glossininen) . Ohne Endo symbionten können jene Blutsauger auskommen (z. B. Flöhe, Stechmücken, Bremsen), die im Larvenstadium vitaminreiche oder mikroorganismenreiche Nahrung aufnehmen und so essentielle Verbindungen von Entwicklungsstadium zu Entwicklungsstadium transferieren können . Raubwanzenarten (Triatomiden) beherbergen beispielsweise stets extra- und intrazellul är lokalisierte Darmsymbionten, die zu den Actinomyceten gehören . Die Weitergabe solcher Symbionten an die Nachkommenschaft ist auf einfache Weise möglich, indem die Eihülle beschmiert wird. Hingegen weisen die Bettwanzen (Cimicidae) umgrenzte Mycetome auf. Eine Infektion der Nachkommenschaft kann hier über N ährzellen. Nährstränge und schließlich die Eizellen erfolgen.
19.1.5.2 Blattläuse Während paren chymsaugende, phytophage Insekten auf ihre Endosymbionten verzichten können, da der gesamte, relativeiweißreiche Zellinhalt vom Insekt aufgenommen wird (s. 15.2.2), trifft dies nicht für Phloemsauger wie Blattläuse zu. Der aus den Blättern kommende, in den Siebröhren (Phloem) transportierte Assimilatstrom stellt eine Mangeldiät dar, da essentielle Aminosäuren, Steroide, Proteine oder Vitamine weitgehend fehlen. Die Endosymbionten produzieren Cholesterin, Riboflavin , Pantothensäure oder essenzielle Aminosäuren (z. B. Taurin , Glutathion, Cystein, Methionin) . Manche dieser bakteriellen Stoffwechselprodukte werden in solch großen Mengen hergestellt, dass die unverbrauchten Verbindungen wieder mit dem Honigtau ausgeschieden werden. Dank den Syntheseleistungen ihrer Endosymbionten schaffen es die enorm anpassungsfähigen
Holzbewohnende Bockkäferlarven nehmen ein protein- und vitaminarmes Nahrungssubstrat auf. Die geringe Menge stickstoftbaltiger Verbindungen im Holz wird dadurch kompensiert, dass die in den Mitteldarmkrypten lokalisierten Hefen (Abb. 19-7 A-C) die anfallenden Exkrete der Larven wie Ammoniak, Harnsäure oder Harnstoff als Stickstoffquellen nutzen, um daraus für den Wirt Proteine zu liefern. Nitrationen oder Luftstickstoff können von den Endosymbionten der Bockkäferlarven hingegen nicht genutzt werden. Daß bei der Cerambyciden-Hefe-Assoziation eine echte Symbiose vorliegt, kommt darin zum Ausdruck, dass das Vitamin BI von beiden Partnern gemeinsam produziert wird (Abb. 19-7 D). Während Hefen (Candida) den Thiazolrest bereitstellen, steuert die Bockkäferlarve den Pyrimidinrest bei. Darüber hinaus synthetisiert die Larve Biotin, weiches die endosymbiontische Hefe für ihre Normalentwicklung dringend benötigt (Abb. 19-7 E). Erst durch diese Symbiose wird der Bockkäferlarve die Existenz im Lebensraum Holz/Rinde ermöglicht.
19.1.5.4 Niedere Termiten Etwa 1/4 aller Termitenarten (phylogenetisch niedere Termiten) ernähren sich in erster Linie von Holz und weisen wie die verwandten Schaben symbiontische Flagellaten und Bakterien im Darmtrakt auf (s. 14.2). Im Gegensatz dazu nehmen höhere Termiten eine vielseitige pflanzliche Nahrung auf und kultivieren diverse Pilze außerhalb ihres Körpers. Bei den niederen Termiten sind es vor vor allem die Altlarven (Pseudergaten), welche große Mengen Holz aufnehmen, und dieses mit den Mandibeln und im Kaumagen zerkleinern . In einer erweiterten Kammer des Enddarms, der sogenannten Gärkammer (Abb. 19-5 B), deren Inhalt ca. 1/3 des Körpergewichts einer Termite ausmachen kann , wird das zerkaute Holzmaterial von den symbiontischen Flagellaten phagocytiert und abgebaut. Die hier vorhandenen Bakterien stellen ebenfalls Nährstoffe bereit und halten ein spezifisches anaerobes Gärkammermilieu aufrecht (pH 6-7,5). Die Gärkammer ist mit Cuticula ausgekleidet, und mit einer Ventileinrichtung versehen, die den Rückstau des Gärkammerinhalts in den Mitteldarm verhindert. Daher
624
19 Insekten und Mikroorganismen
n
Zeitpunkt Reinfektion
I 25
mit Einz ellerkulturen
/
c:
~ 20 E CD
f-
Cl)
15
"0
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Cl)
.0 Cl)
/
10
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mit
'::l
Abb. 19-6: Überlebensraten symbiontenfreier Zootermopsis- Ierrnlten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt
Einzellern
.0
abgetöteten Einzellern
5
aus KontrollTermiten
0 0
100
200
300
Zeit nach Einzeller-Eliminierung
365
Tage
im Labor künstlich reinfiziertwurden mit: abgetöteten Einzellern (0), Einzellern aus Kontrolltermiten (e) sowie für Termiten typische Protozoen aus Einzellerkulturen (0 ; verändert nach Douglas
2000).
müssen die Symbionten bei jeder Häutung ihren Wirt verlassen. Eine Reinfektion findet über das Auffressen abgestreifter Exuvien oder eine Verfütterung von Gärkammerinhalt an Larven oder frisch gehäutete Individuen statt. Zwar wird ein Großteil der oral aufgenommenen Symbionten während der Darmpassage verdaut, ein Teil der Flagellaten kommtjedoch immer unversehrt im Bereich des Enddarmes an. Bei der Aufklärung der Wechselbeziehungen zwischen Termiten, Flagellaten sowie den intra- und extrazellulären Bakterien ergeben sich große Schwierigkeiten, denn eine Isolierung eines der genannten Organismen führt automatisch zu einer negativen Beeinflussung der anderen Partner. Bestimmte morphologische Veränderungen, und die sexuelle Fortpflanzung erfolgen bei den Flagellaten offenbar unter dem Einfluss der Häutungshormone der Termiten. Ein Absterben der Wirte nach einer Eliminierung der Flagellaten durch Temperaturerhöhung (24 h auf 36°C) oder eine geringfügige Erhöhung des Os-Partialdrucks beweist die Lebensnotwendigkeit dieser Symbiose (Abb. 19-6). Erfolgt hingegen eine Reinfektion symbiontenfreier Termiten durch Einzeller aus Dauerkulturen oder durch Einzeller aus Kontrolltermiten, so sind deutl ich erhöhte Überlebensraten zu verzeichnen. Symbiontenhaltige Termiten können prinzipiell Cellulose, Hemicellulose und Lignin verdauen und die niedermolekularen Abbauprodukte auch im Bereich des Enddarms resorbieren. Hierfür nehmen die Flagellaten Cellulosefragmente sowie andere Partikel zuerst per Phagocytose auf. Durch die Einwirkung von Cellulase werden letztlich erhebliche Mengen von Glucose sowie anderer Mono- und Oligosaccharide gebildet. Über den glycolytischen Abbau der Glucose werden in den Flagellaten Acetyl-CoA und daraus Kohlendi-
oxid, Wasserstoff SOWIe Acetat und organische Säuren gebildet. Die drei letztgenannten Produkte werden über die Zellmembran der Flagellaten in die Gärkammer abgegeben und dort von den zahlreichen Bakterien (108- 1010 Bakterien/mI) wie folgt weiter verarbeitet. Erst aunlicherweise findet die Metabolisierung dieser Substanzen auch bereits durch Bakterien in den Flagellaten statt. Kohlendioxid wird durch methanogene Bakterien in Methan überführt und trägt letztlich in erheblichem Umfang zum atmosphärischen Methangehalt bei. Acetogene Bakterien verwenden den entstandenen Wasserstoff, um Kohlendioxid unter Bildung von Acetat zu reduzieren . Das bei der Herstellung von ATP aus Acetyl-CoA gewonnene Acetat sowie das Acetat der acetogenen Bakterien und weitere organische Säuren werden von den Termiten über die Wand der Gärkammer aufgenommen und zur aeroben Energiegewinnung verwendet. Weiterhin werden diese kurzkettigen Säuren zu Synthese von Fettsäuren, Lipiden, Aminosäuren, cuticularen Kohlenwasserstoffen und Terpenen verwendet. Da im Holz nur geringe Stickstoffmengen vorhanden sind (eIN-Verhältnis 1000:1)müssenTermiten einenTeil ihrer Symbionten fortwährend verdauen und Exuvien anderer Termiten fressen. Die Bakterien in der Gärkammer sind in hohem Maße dazu befähigt, Luftstickstoff zu binden und in Aminosäuren zu überführen. Auf diese Weise synthetisierte Aminosäuren können sowohl von Termiten als auch von Flagellaten verwendet werden. Schließlich verarbeiten die Bakterien der Gärkammer auch die von den Termiten als Exkret gebildete Harnsäure, um daraus nutzbare, stickstoffhaItige Verbindungen herzustellen.
19.1 Endosymbiose
F
/ A
\
625
c
o HNJlNH
/
~COOH E
Abb. 19-7:A larve des Bockkäfers Leptura rubra (Cerambycidae). B Mitteldarm (Md) mit von Hefen besiedelten, reich mit Tracheen versorgten Darmausstülpungen (Pfeil). C Hefen der Larve von L. rubra. D Biosynthese des Vitamins B1 in der Bockkäferlarve. Die Käferlarve liefert den Pyrimidinrest (links), die Hefe liefert den Thiazolrest (rechts). EDas von der Hefe benötigte Vitamin H (Biotin) wird von der Käferlarve bereitgestellt. F-H Zehn Wochen alte Brotkäferlarven (Stegobium panieeum); F aposymbiontische Larve auf steriler Nahrung; G symbiontenfreie, d. h. aposymbiontische Larve bei Trockenhefe-Zusatz (Syrnbiontenersatz) zur Nahrung; H symbiontenhaltige Kontroll-Larve. I Frischgeschlüpfte, noch aufder Eihülle sitzende Larve der Kugelwanze Coptosoma scutellatum sticht symbiontengefüllte Kapsel (schwarz) an. J Eigelege von C. scutellatum mit symbiontengefüllten, schwarzgezeichneten Kapseln . K-M Weitergabe der Endosymbionten bei der Kopflaus Pediculus humanus capitis; K jüngstes Larvenstadium mit Mycetom ("Magenscheibe", Pfeil); l Symbionten treten aus dem Mycetom in die Ovarialampullen über (Pfeil); M reifesWeibchen mit reduziertem Mycetom (Pfeil) und beginnender Infektion der Eier. (A-C, K-M nach Buchner 1953, H nach Koch 1967)
Einige bewegliche, ebenfalls in den Gärkammern der Termiten lebende Spirochaeten haben eine sehr bemerkenswerte Funktion: Sie heften sich an die Oberfläche bestimmter Flagellaten und erhöhen auf diese Weise deren Beweglichkeit.
19.1.5.5 Kurzflügelkäfer der Gattung Paederus Die 600 weltweit bekannten Spezies dieser innerhalb der Paederinae angesiedelten Gattung enthalten das komplizierteste Gift, welches bislang aus der Hämolymphe von Käfern bekannt ist (Abb. 19-8). Diese Verbindung, das Pederin (s. Abb. 17-10 Q) ruft beim Menschen Dermatitis oder eine Bindehautentzündung des Auges hervor, wenn die Käfer versehentlich zerdrückt werden und Hämolymphe auf die menschliche Haut gelangt. Die Erkrankung ist in den Tropen als Pederosis bekannt. Pederin entfaltet generell eine cytotoxische Wirkung und besitzt eine Antitumorak-
tivität. Diese Effekte sind darauf zurückzuführen, dass Pederin die eurkaryotische Proteinbiosynthese am Ribosom unterbindet. Interessanterweise sind nennenswerte Mengen von dem Amid (ca. 20 ug) nur in einigen Käferweibchen enthalten. Allein die Weibchen sind in der Lage, während der Eireifung Pederin zu synthetisieren und anschließend geringe Mengen des Stoffes in die abgelegten Eier zu deponieren. Hingegen enthalten die Männchen nur bis zu 1.5 ug dieser Verbindung. Interessanterweise kann innerhalb der Käfer ein ausgeprägter Polymorphismus im Hinblick auf die Synthesefähigkeit des Giftes beobachtet werden. Während ,,+"-Weibchen das toxische Amid fortwährend synthetisieren und in ihre zu deponierenden Eier einbauen, sind ,,- "-Weibchen hierzu nicht in der Lage. Weiterhin zeigte sich, dass das säurelabile toxische Pederin seine Wirkung weniger gegen Wirbeltiere sondern vielmehr gegen Spinnen, die wichtigsten Prädatoren der Paederus-Larven, entfalten kann . Sobald die Käferlarven oder -imagines auch nur geringe
626
19 Insekten und Mikroorganismen
• I
Imagines
Gelege
Larven
Imagines
00
°8
0
expenme nlen
Ful1erung mit
erzeugte
"+". e iern
u+u .
Abb. 19·B: Biologische Bedeutung des toxischen Amids Pederin (schwarze Punkte) in der Kurzflüglergattung
Paederus. ,,+ " -Weibchen synthetisieren das Amid Pederin (obere Reihe) und bauen geringe Mengen davon in ihre Eier ein. Das in den Tieren, z.B. den Larven enthaltene Pederin wirkt als effektives Deterrent gegen diverse Spinnenarten. Bei der Eireifung wird vom ,,+" -Weibchen wieder Pederin synthetisiert. ,,-"-Weibchen können kein Amid synthetisieren und in die Nachkommenschaft transferieren (mittlere Reihe). Folglich sterben die Tiere ab, bzw. entwickeln sich in seltenen Fällen zu ,,-" -Weibchen. Werden ,,-" ·Käferlarven imExperiment mitnicht oberflächensterilisierten Eiern von ,,+ " -Weibchen gefüttert (untere Reihe Mitte), sosind die später erzeugten Weibchen wieder in der Lage, Pederin in hohen Mengen zu produzieren. ,,+" -Männchen enthalten nur geringe Mengen des Toxins (untere Reihe links). Das Symbol für Pederin (schwarze Punkte) bedeutet gleichzeitig die Präsenz bestimmter, für die Pederinsynthese verantwortlicher Pseudomonasarten (nach Kellner 2002, Kellner und Dettner 1995).
Mengen von dem Amid enthalten, werden sie von den Spinnen verschmäht . Nachdem aus marinen Schwämmen mit Onnamiden oder Theopederinen dem Pederin frappierend ähnliche Metabolite isoliert werden konnten, lag die Vermutung nahe, Mikroorganismen, die zum Teil einen hohen Anteil der Trockenbiomasse solcher mariner Organismen ausmachen, könnten für die Biosynthese dieses Giftes in den Käfern verantwortlich sein. Dies wurde dadurch bewiesen, dass ,,-"-Käferlarven später als Weibchen in der Lage waren, Pederin in hohen Mengen zu produzieren , wenn sie im Larvalzustand Eier von ,,+"-Weibchen als Nahrung erhielten . Dieser Versuch funktioniert jedoch nicht, wenn die ,,+"-Eier zuvor mit bestimmten Antibiotika wie beispielsweise Streptomycin sterilisiert worden waren. Obwohl die für die Pederinsynthese verantwortlichen Bakterien nicht kultiviert werden können , gelang es, diese aufgrund der 16S rDNA-Analyse aus ,,+"-Weibchen von Paederus nachzuweisen. Es handelt sich um eine unbekannte Pseudomonasart, die nur in "+"-Weibchen vorkommt, während sie in ,,- "-Weibchen fehlt. Das Bakterium ist nahe verwandt mit Pseudomonas aeruginosa sowie mit jenen Bakterien , die auch aus Amidproduzierenden Schwämmen isoliert werden konnten. Mitt lerweile wurde ein aus acht Genen bestehender, dem Genom von Pseudomonas aeruginosa ähnli-
cher Genombereich aus ,,+"-Weibchen des Kurzflüglers isoliert, welcher für die Bildung des Wirkstoffs zu erwarten war. Es ist zu hoffen, dass die Pederingene in ein leichter kultivierbares Bakterium übertragen werden können , damit der kompliziert gebaute Antitumor-Wirkstoff in theoretisch unb egrenzter Menge hergestellt werden kann .
19.2 Ektosymbiose Ektosymbionten leben entweder auf der Oberfläche von Insekten oder werden in deren Bauten kultiviert (Abb. 19-1/1,2). Gleichzeitig findet auch bei Ektosymbionten, und dies belegen die beiden nachfolgenden Beispiele, ein Transfer dieser Organismen von einem Entwicklungsstadium des Insektes zum nächsten sowie auf die nachfolgenden Generationen statt. Dabei werden die Mikroorganismen zeitweise in den Insektenkörper aufgenommen, sie können folglich auch als temporäre Endosymbionten bezeichnet werden. Ektosymbionten schließen wie Endosymbionten für das Insekt unverdauliche Substrate auf (z. 8. Umsetzung von Lignin, Celluloseabbau), liefern Nährstoffe, Vitamine, essen-
19.2 Ektosymbiose
627
Abb. 19-9: Ektosymbiontenkreislauf bei Holzwespen. A Habitus der weiblichen Holzwespe Urocerus gigas. B Längsschnitt durch ein an der Basis des Legebohrers gelegenes Mycetangium einer Holzwespe (Drüsengewebe Dr, Pfeil: Abgaberichtung der oidienhaltigen Flüssigkeit). C Mycelien des endosymbiontischen Pilzes aus dem Mycetangium. D-E Frisch abgelegtes Ei von Sirex augur mit oidienhaltigem Schleim an den beiden Eipolen (D); auskeimendes Pilzmycel nach 24 h (E). F Im Splint eines Baumes gelegener Stichkanal (St) des Weibchens einer Holzwespe mit davon ausgehenden, bogenförmigen Larvengängen (Lg). G Ausgewachsene Holzwespenlarve mit lateraler Drüsentasche. H Schnitt durch eine larvale Drüsentasche von S. cyaneus mit in cuticularen Hohlräumen deponierten Pilzhyphen (Hy; Dr: Drüsengewebe). I Wachsplättchen von S. juvenus mit auskeimenden Pilzhyphen (Hy). (A, F, G nach Schwenke 1982, B-E, H nach Buchner 1953, I nach Buchner 1960)
tielle Amino säuren , Steroide oder stellen so genannte Semiochemikalien bereit. Die in der Wandung der Fraßgänge kultivierten und später abgeweideten Pilze werden als Ambrosiapilze bezeichnet. Insbesondere Assoziationen von Pilzen und Insekten (Tab. 19-1) sind verbreitet bei Blattschneiderameisen der Gattung Atta, höheren Termiten der Gattung Ma crotermes, holzbewohnenden Käfern der Familien Lymexylonidae, Platypodidae, Scolytidae sowie Holzwespen (Siricidae) (s. 14.7.1).
19.2.1 Holzwespen Holzwespenweibchen (Abb. 19-9 A) stechen mit Hilfe ihres kräftigen Legebohrers Laub- oder Nadelhölzer an und legen in den Stichkanal zahl-
reiche Eier (Abb. 19-9 D-F). An der Basis ihres Legebohrers befinden sich, von einer voluminösen Drüse umgebene, paarige Intersegmentaltaschen, die Mycetangien, die mit Dauerkeimen eines Basidiomyceten, den Oidien, gefüllt sind (Abb. 19-9 A-C). Das Drüsensekret wird primär offenbar als Gleitmittel für Teile des Legebohrers genutzt. Bei der Eiablage werden die Eier gleichzeitig mit den Oidien infiziert (Abb. 19-9 D). Ausgehend vom Stichkanal des Weibchens fressen sich die Holzwespenlarven immer tiefer ins Holz ein. Der Pilz keimt nun in den Larvenfraßgängen und die Larven ernähren sich von Holzinhaltsstoffen sowie dem Pilzmycel. Überdies beschleunigt der Pilz das Absterben des geschädigten Baumes. Die je nach Holzwespenart und Holztyp spezifischen Pilze der Gattungen Stereum, Daldimia liefern Cellulasen, Xylanasen oder Pektinasen, welche noch im Vorderdarm der Larve nachweisbar sind. Oft ist die
628
19 Insekten und Mikroorganismen
o
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COOH
E
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I
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N
F
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G
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OH
~COOH H
B Abb. 19-10: Pilzzüchtende Blattschneiderameisen. A Unterirdisches Nest der Blattschneiderameise Atta texana mitPilzgärten. B Pilzzüchtende Blattschneiderameise weidet Pilzgarten ab. C Angeschwollene Hyphenenden der im Pilzgarten kultivierten Pilze. D Längsschnitt durch den Kopf einer Königin von A. sexdens, Infrabuccaltasche mit Pilzhyphen (Hy). E Blattschneiderameise mit Metapleuraldrüse (schwarz, Drüsenöffnung: Pfeil). F-H formelbilder der Metapleuraldrüsensubstanzen von A. sexdens. F Phenylessigsäure, G 3-lndolylessigsäure und H ß-Hydroxydecansäure. (A-C, Enach Batra und Batra 1967, D nach Koch 1967)
systematische Zuordnung des Pilzes nicht möglich, da keine Fruchtkörper ausgebildet werden. Einige Nahrungspilze der Holzwespen können auf Papier in Vitamin B, Vitamin C und Zucker enthaltenden Lösungen kultiviert werden. Setzt man Holzwespenlarven auf pilzfreies Holz oder auf Papier, so sind hohe Mortalitäten und Abnahmen von Enzymaktivitäten im Larvenvorderdarm zu verzeichnen. Die Weitergabe des Pilzes an die nächste Generation wird auf eine faszinierende Weiseermöglicht. Ältere weibliche Siricidenlarven besitzen zwischen dem I. und 2. Abdominalsegment gelegene, paarige Drüsentaschen, in welche Oidien aus den Fraßgängen aufgenommen werden (Abb. 19-9 G,H). Während des letzten Larvenstadiums sondern die Drüsenzellen dieser Taschen eine wachsartige Masse ab, die Oidienmassen umgibt (Abb. 19-9 H,l) . Diese "Konserve" verhindert sowohl die Austrocknung als auch das frühzeitige Auskeimen der Pilze. Die oidienhaltigen Wachsplättchen liegen auf der abgestreiften Larvenhaut in der Puppenkammer und auf der Puppe. Wenn sich die weiblichen Holzwespen von der Puppenkammer nach außen fressen, gelangen bei Bewegungen des Ovipositors oidienhaltige Wachsplättchen in
die Mycetangien. Erwartungsgemäß weisen symbiontenfreie Spezies wie Xeris spectrum keine larvalen Drüsentaschen auf.
19.2.2 Blattschneiderameisen Die über 200 Arten der Blattschneiderameisen(Attini; 12 Gattungen) der Tropen und Subtropen Amerikas betätigen sich als Pilzzüchter. Sie legen Vorräte an, indem Pßanzenteile (v.a. Blätter, Blüten, morsches Holz) und Samen ins Nest eingetragen werden (s. 14.7.1). Die eingetragenen Objekte werden zerkleinert, mit Speichel und Kottröpfchen zu Klümpchen geknetet und mit symbiontischen Pilzen zu einem schwammartigen, unterirdischen "Komposthaufen", dem Pilzgarten, aufgeschichtet (Abb. 19-10/A-C). Nährstofihaltige Auswüchse der Pilzhyphen (Gongylidia, Ambrosia, "Kohlrabi") werden von den Ameisen selbst aufgenommen oder als Larvenfutter eingesetzt (Abb. 19-10C).
19.3 Potentielle Nutzanwendungen
Diese Form der Agrarkultur wurde offenbar vor etwa 50 Millionen Jahren von den Ameisen erfunden. Die rezenten, zur Gruppe der Leucoprini (Basidiomyceten) gehörenden , von den Ameisen vegetativ vermehrten Pilze lassen sich bei allen Blattschneiderameisen auf wenige Zelllinien zurückführen. Offenbar werden diese Pilze auch zwischen verschiedenen, verwandten und nicht verwandten Spezies/Kolonien von Attinen ausgetauscht, und man kann von einem regen Pilzhandel sprechen . Die Pilzgärten werden von den Ameisen durch selektiven Verbiss gepflegt, mit Kot gedüngt und mit antimikrobiellen (Myrmicacin = ß-Hydroxidecansäure, Abb. 19-10 H; Phenylessigsäure Abb. 19-IOF) und pflanzenhormonhaltigen (3-Indolylessigsäure, Abb. 19-IOG) Sekreten aus den Metapleuraldrüsen (Abb. 19-10E) behandelt. Auf diese Weise wird das Auskeimen unerwünschter Bakterien, Pilze und Pflanzenarten in den Gärten verhindert. Die Pilzgärten stellen deshalb Reinkulturen nur einer Pilzart dar. Werden die Ameisen aus dem Pilzgarten entfernt, so unterliegt der symbiontische Pilz schnell der Konkurrenz von Bodenpilzen. Erhalten die Ameisen wieder Zugang zum Pilzgarten , so werden in kurzer Zeit die Kontaminationen beseitigt und man kann die Bildung birnenförmiger Wucherungen beobachten. Arbeiterinnen der Blattschneiderameisen können frisches Pflanzenmaterial laufend mit frischem Pilzmycel inokulieren . Ferner wird der Pilz an die Nachkommenschaft weitergegeben, indem die Ameisenkönigin beim Hochzeitsflug in einer Mundhöhlentasche (Infrabuccaltasche) für die neue Kolonie kleine Mengen des Mycels sozusagen als Saatgut mitnimmt (Abb. 19-IOD). Die ektosymbiontische Beziehung zwischen Ameise und Pilz besteht darin, dass das Wachstum des Pilzes durch die Abgabe von Proteasen aus dem Kot der Blattschneiderameise gefördert wird. Werden solche Pilze isoliert, so gedeihen sie in jenen Kulturmedien sehr schlecht, welche als Stickstoffquelle nur Polypeptide enthalten. Dank der vom Pilz produzierten Cellulasen kann die Blattschneiderameise wiederum indirekt über das Abweiden der Pilzgärten die pflanzliche Cellulose nutzen . Darüber hinaus produzieren diese Pilze Enzyme (z. B. Tannasen, Polyphenoloxidasen), welche für die Ameise normalerweise schädliche sekund äre Pflanzenstoffe entgiften. Auf diese Art können die Blattschneiderameisen zahlreiche, auch giftige Pflanzen als Nahrungssubstrat nutzen und schaffen für den Pilz optimale Bedingungen. So werden in den Pilzgärten von den Ameisen pHWerte zwischen 4.5 und 5, sowie Temperaturen um 25°C aufrecht erhalten. Wird den Tieren im Experiment ausschließlich Pflanzenmaterial mit fungizid wirkenden Inhaltsstoffen angeboten, so kann
629
dies im Labor zu einer Schädigung und Zerstörung der Pilzgärten führen . Normalerweise wird . dies jedoch dadurch verhindert, dass die Ameisen unterschiedlichstes Pflanzenmaterial eintragen und ggf. sogar bestimmte toxische Pflanzen meiden. So werden beispielsweise Pflanzen, die das natürliche Insektizid Ryanodin enth alten (s. 21.2.1.2) nicht in die Pilzgärten inkorporiert. Ein kürzlich genauer analysiertes Beispiel zeigt auf, dass die Wechselbeziehungen zwischen pilzzüchtenden Ameisen und gezüchtetem Pilz noch weitaus komplexer sein können , als bisher angenommen . Currie (200I) analysierte zahlreiche Pilzgärten pilzzüchtender Ameisen und stellte fest, dass hier recht häufig ein pathogener Pilz (Hyphomyceten) aus der Gattung Escovopsis vorkommt, welcher unter bestimmten Umständen die speziellen symbiontischen Pilze im Pilzgarten zerstört. Interessanterweise sind die Ameisen im Gegenzug mit speziellen Actinomyceten assoziiert, die wiederum unbekannte Antibiotika produzieren, welche das Wachstum des paras itischen aber nicht des symbiontischen Pilzes inhibieren . Die Ameisen der Gattung Acromyrmex sind in verschiedenen Körperregionen mit den weißlich gefärbten Actinomyceten bedeckt, was ursprünglich fälschlicherweise für kristalline Wachsablagerungen gehalten wurde. Werden die Ameisen von ihrem Bakterienüberzug befreit, so können sich die parasitischen Escovopsis-Pilz e rasch vermehren. Außerdem finden sich die Actinomyceten vor allem auf jenen Ameisenindividuen, welche mit der Pflege der Pilzgärten beschäftigt sind. Geringere Bakteriendichten sind hingegen auf jenen Ameisenindividuen anzutreffen, welche schwerpunktmäßig Nahrung herbeischaffen.
19.3 Potentielle Nutzanwendungen 19.3.1 Gewinnung interessanter Mikroorganismen aus Insekten Da ein Großteil der Insekten im Körperinneren Mikroorganismen enthält, die möglicherweise interessante Eigenschaften aufweisen, ist es ein wichtiges Ziel, solche Bakterien und Pilze zu isolieren und ggf. auch zu kultivieren. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Großteil der Symbionten nicht im Labor auf Nährböden gehalten und allenfalls mit molekularbiologischen Methoden nachgewiesen werden können . Einer-
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19 Insekten und Mikroorganismen
seits können aus Insekten und anderen Arthropoden Bakterien isoliert werden, welche im Boden oder anderen Substraten nur in geringen Dichten vorkommen . Andererseits können insektenbürtige Bakterien interessante Wirkstoffe enthalten, die als .Leitstrukturen" für Pharmazeutika oder im Pflanzenschutz bedeutsam sein können . Beispiele hierfür sind das aus Käfern bekannt gewordene, von Bakterien produzierte Amid Pederin mit Antitumoraktivität (s. 19.1 .5.5) oder das aus Endosymbionten von Zikaden gewonnene Andrimid (Tab. 19-3). Schließlich sind die stoffwechselphysiologischen Eigenschaften vieler "exotischer" Mikroorganismen interessant, denn diese sind oft in der Lage, Schadstoffe oder andere Fremdchemikalien zu verstoffwechseln. Ein Paradebeispiel für die Isolierung "exotischer" Mikroorganismen sind die Larven der Petroleumtliege H e/aeomyia pe trolei. Diese Maden (Ephydridae) werden regelmäßig im Bereich natürlicher Ölvorkommen Californiens gefunden . Die Tiere leben untergetaucht im Rohöl und nehmen vor allem Arthropoden auf, die im klebrigen Öl gefangen wurden . Vor allem durch die Eigenschaften der peritrophischen Membranen im Darm der Maden wird verhindert, dass das empfindliche Mitteldarmepithel durch das Öl geschädigt wird. In den mit pH 6.3-6.5 leicht sauren Därmen der Maden finden sich rund 2 x 108 heterotrophe Bakterien pro Larve, wovon erfreulicherweise 15-20% kultivierbar sind. Die Bakterien erwiesen sich vor allem als Nichtsporenbildner, gramnegativ sowie als fakultative oder obligate Aerobier. Interessanterweise ist die Bakteriendichte im Dipterendarm rund 100- bis 1000-fach höher als im umgebenden Öl. Einige Isolate wurden als Vertreter aus den Gattungen Acinetobacter. Enterobacter, Hafnia, K/ebsie/la, Providencia oder Pseudomonas identifiziert. Bemerkenswert war die Tatsache, dass die meisten Stämme mehr oder weniger gut auf organischen Lösungsmitteln wuchsen. Normalerweise zerstören solche Chemikalien Membranen, dringen in die Bakterienzelle ein und schädigen diese irreversibel. Überraschenderweise konnten rund 40 % der Isolate auf kurzkettigen Kohlenwasserstoffen wie Hexan oder Dodecan wachsen. Die Mehrzahl tolerierte darüberhinaus eine Überschichtung mit 100% Cyclohexan oder IO%-ige Lösungen von Xylol, Benzol oder Toluol. Schließlich waren bei den Isolaten teils dramatische Resistenzen gegen diverse Antibiotika, wie z. B. Tetracyclin, Vancomycin oder Bacitracin zu verzeichnen. Der Einsatz von Enzymen in der Synthese organischer Wirkstoffe krankt daran, dass in der Regel nur wässrige Systeme als Lösungsmittel in Betracht kommen. Falls zukünftig Bakterien, zum
Beispiel aus solchen "exotischen" Quellen, gefunden werden, die in organischen Lösungsmitteln Transformationen durchführen, so könnten diese Bakterien oder daraus gewonnene lösungsmitteltolerante Enzyme in größerem Maßstab isoliert werden. Darüber hinaus dürften solche Bakterien ein mikrobielles Reservoir für Antibiotika-Resistenzgene darstellen .
19.3.2 Manipulation von Mikroorganismen in schädlichen Insektenarten 19.3.2.1 Reduviidae Die Chagaskrankheit des Menschen wird von Flagellaten der Gattung Trypanosoma verursacht (s. 20.4.6), welche von Raubwanzen der Gattungen Triatoma und Rhodnius auf den Menschen übertragen werden. Als Blutsauger beherbergen die Raubwanzen zahlreiche symbiontische Bakterien in ihrem Darmtrakt, welche essentielle Verbindungen, wie beispielsweise Vitamine des B 12-Komplexes bereitstellen (s. 19.1.5.1). Mittlerweile können diese Bakterien , wie der Actinomycet Rhodococcus rhodnii kultiviert, genetisch verändert und danach wieder in das Wirtsinsekt eingebracht werden. In solchen paratransgenen Insekten können somit antitrypanosomale Genprodukte, wie beispielsweise das bakterizide Protein Cecropin (s. 17.2.3) exprimiert werden, welche dazu führen, dass die Wanzen nicht mehr in der Lage sind, die Erreger der Chagaskrankheit zu übertragen. Es wird derzeit versucht, solche trans genen Bakterien in Freilandpopulationen von Rhodnius pro/ixus einzubringen. Da die Wanzenlarven symbionti sche Bakterien koprophag, d. h. über den Kot der Weibchen aufnehmen, können synthetische Kotpräparate mit transgenen Actinomyceten zur Anwendung kommen .
19.3.2.2 Wolbachia Bakterien der Gattung Wolbachia sind gramnegativ, intrazellulär und antibiotikaempfindlich. Sie gehören zu den Rickettsien und können nur in der Zellkultur gezüchtet werden. Pathogene verwandte Arten sind für Krankheiten wie Psittakose oder Fleckfieber verantwortlich. Es ist von großem Interesse, dass zahlreiche Insektenarten, neben Asseln, Milben oder Nematoden von Wo/baehia befallen sind. Neuere Angaben gehen von 20% bis 75% aller Insektenarten aus, die Wolbachien enthalten. Wo/baehia repräsentiert folglich das häufigste parasitische Bakterium. Erst vor
19.3 Potentielle Nutzanwendungen
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Wolbachia
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Abb. 19-11: Illustration der cytoplasmatischen Inkompatibilität bei intrazellulären Wolbachien. Fliegeneier durch Wolbachien infiziert (e; links) bzw. nicht infiziert (rechts). Nur beim Zusammentreffen nicht infizierter Fliegeneier und infizierter Spermien (Spermium grau gefärbt; rechts unten) wird die Vereinigung der Gameten verhindert, d.h. die Eier werden besamt aber es findet keine Fusion des väterlichen und mütterlichen Zellkerns statt (rechts unten). Spermien infizierter Männchen (links oben) enthalten ein Gift, welches in die Eizelle gelangt. Dies führt in der nichtdurch Wolbachien infizierten Eizelle zu Veränderungen bestimmter Proteine der Eizelle, wodurch die Spermien bei der Verschmelzung mit der Eizelle aufabnormale Weise kondensieren. Folglich bekommen nicht infizierte Weibchen mit infizierten Männchen keinen Nachwuchs. Ist auch das Weibchen mit demselben Wolbachiastamm infiziert wie das Männchen, so weisen deren Eizellen ein Gegengift auf, und es werden gesunde Nachkommen (links oben) hervorgebracht (verändert nach Baoucias & Pendland 1998).
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unlerbtochene Embryogenese gesunde Fliege
wenigen Jahren stellte sich heraus, das s diese Bakterien der Grund dafür sind , dass sich manche Stechmücken nicht mitein ander kreuzen lassen. Die parasitischen Bakterien erfanden verschiedene "Tricks", um zu ihren eigenen Gunsten in die Fortpflanzung ihrer Wirte einzugreifen. Männliche Insekten können Wolbachien nicht selbst verbreiten. Sie werden vielmehr nur von den Weibchen über die Eier weitergegeben. Zwar leben die Parasiten auch in männlichen Zellen, doch entledigen sich die winzigen Spermien solchen Ballastes, d. h. die Parasiten sind in ihrer Vermehrung auf die weiblichen Wirte angewie sen. Für welche biologischen Effekte sind Wolbachien verantwortlich? Es müssen augenblicklich drei Phänomene hervorgehoben werden, die auf diese intrazellulären Bakterien zurückgeführt wer-
t
den müssen. 1. Cytoplasmatische Inkompatibilität, 2, Induktion von Parthenogenese sowie 3, Die Verweiblichung genetischer Männchen.
1. Eine cytoplasmatische Inkompatibilität liegt dann vor, wenn die Vereinigung der Gameten verhindert wird. Hierbei werden die Eier besamt aber es findet keine Fusion des väterlichen und mütterlichen Zellkerns statt (Abb. 19-11). Haploide Embryonen entwickeln sich bei den meisten Insekten nicht weiter, bei haplodiploiden Arten ent stehen daraus Männchen. Manche Wolbachiastämme versehen nun die Spermien ihrer Wirte mit einem Gift, welches in die Eizelle gelangt. Dies führt zu Veränderungen bestimmter Proteine der Eizelle, wodurch die Spermien bei der Verschmelzung mit der Ei-
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19 Insekten und Mikroorganismen
zelle auf abnormale Weise kondensieren. Folglich bekommen nicht infizierte Weibchen mit infizierten Männchen keinen Nachwuchs. Ist auch das Weibchen mit demselben Wolbachiastamm infiziert, so weisen deren Eizellen ein Gegengift auf, und es werden Nachkommen hervorgebracht. Dies kann dadurch komplizierter werden, dass mehrere verschiedene Wolbachiastämme auftreten , wobei das Gegengift des einen nicht gegen das Gift des anderen wirkt. 2. Bei der Parthenogenese (= Jungfernzeugung) entwickeln sich Eier ohne Befruchtung zu fortpflanzungsfähigen Imagines. Normalerweise durchlaufen die nach der Meiose gebildeten haploiden Zellen zwei mitotische Teilungen und es bilden sich vier haploide Zellen. Mit Wolbachien infizierte Zellen machen jedoch keine I. mitotische Teilung durch, was zur Bildung diploider Zellen führt. Vor allem bei den parasitischen Hautflüglern und anderen Taxa, bei welchen Männchen fehlen, finden sich viele thelytoke Arten , d. h. aus unbefruchteten Eiern entstehen durchweg Weibchen. Werden solche Parasitoide mit Antibiotika oder Wärme behandelt, so führt dies rasch auch zur Produktion männlicher Nachkommen, was aufzeigt, dass diese thelytoken Wirte offenbar mit Wolbachien infiziert sind. Folglich erfolgt ohne Wolbachien eine sexuelle Reproduktion während mit Wolbachien eine Thelythokie induziert wird. 3. Besonders spektakulär ist die Verweiblichung genetischer Männchen, d. h. die parasitischen Wolbachien fördern das weibliche Geschlecht, d. h. es handelt sich um "männermordende" Bakterien. Wolbachien vermehren sich in Körperzellen, jedoch nicht in den winzigen Spermien, die praktisch kein Cytoplasma enthalten. Infizierte Männchen werden für Wolbachia zur Sackgasse. Hingegen müssen infizierte Weibchen auf "sexuelle Betätigung" verzichten, denn mit Wolbachia können sie sich nur noch ungeschlechtlich fortpflanzen und verlieren ihre Fähigkeit, Männchen zu erzeugen. So schlüpfen aus den Gelegen von mit Wolbachien infizierten Marienkäferweibchen von Adalia bipunctata fast nur Weibchen, denn die Männchen sterben fast alle bereits auf dem Embryonalstadium ab. Durch eine Antibiotikakur kann der männliche Nachwuchs gerettet werden und die Gelege liefern etwa gleich viel Männchen und Weibchen. Offenbar orientieren sich die Wolbachien an den Geschlechtschromosomen ihrer Wirte. Insgesamt dürfte der Wolbachiabiologie zunehmende Bedeutung bei der Bekämpfung von Insekten zukommen, denn Wolbachia kann als mik-
robieller Gegenspieler zum Einsatz kommen. So könnten infizierte männliche Stechmücken freigesetzt werden, wodurch die verpaarten Weibchen wegen cytoplasmatischer Inkompatibilität steril blieben. Außerdem kann Wolbachia die Produktivität natürlicher Feinde verstärken (z.B. parthenogenetisch erzeugte Parasitoide sind bessere Kolonisten) und insbesondere als Vektor dienen, um wünschenswerte genetische Modifikationen in Insektenpopulationen verbreiten zu können .
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20 Medizinische Entomologie Werner Peters
20.1 Allgemeines "Die Medizinische Entomologie erörtert die Beziehung der Gliederfüßler (vor allem der Insekten) zur Gesundheit des Menschen" - so lautet die Definition dieses Grenzgebietes zwischen Zoologie und Medizin, die Martini in seinem schon klassischen Lehrbuch gab. Es erschien erstmals 1923. Dieses vielfaltige Arbeitsgebiet sieht die Dinge vorwiegend aus zoologischer und weniger unter medizinischen Gesichtspunkten, während das übergeordnete Arbeitsgebiet, die Parasitologie, stärker medizinisch ausgerichtet ist.
So weit die Überlieferungen reichen, wird von Plagen berichtet, die von Insekten als Lästlingen und Krankheitsüberträgern ausgehen . Daher wird in diesem Kapitel auch kursorisch die kulturhistorische, von den Historikern leider vielfach übergangene Bedeutung der Insekten erwähnt.
Die Plagegeister im Wohnbereich des Menschen haben sich vermutlich einerseits aus der Fauna der Nester und Lager von Säugetieren und Vögeln und andererseits aus den Bewohnern des angespülten Materials an Fluß ufern entwickelt. Sie haben das "Lager" des Menschen zu nutzen verstanden und ihn im Laufe seiner kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung begleitet. Vermutlich hat sich diese Fauna im Laufe des Jahrtausende währenDie Zeit der bedeutendsten Entdeckungen und der Auf- den Zusammenlebens verändert, doch wissen wir klärung epidemiologischer Zusammenhänge bei den gedarüber recht wenig. fährlichen, teilweise weltweit vorkommenden Seuchen Unter den Insekten gibt es Ekto- und Endopalag um die Jahrundertwende: 1879entdeckte Manson die Übertragung von Mikrofilarien durch Stechmücken und rasiten, fakultative wie obligate. Bei den Ektopara1881 Finlay die Übertragung des Gelbfiebers durch siten unterscheidet man temporäre, nur zeitweilig Stechmücken, die erst 1900 durch Reed et al. bestätigt auf dem Wirt vorhandene, und permanente, stänund danach allgemein anerkannt wurde. 1895 klärte dig auf dem Wirt anwesende Parasiten. Selten gibt Bruce den Entwicklungsgang der Nagana auf, 1897 Ross es unter den Insekten Endoparasiten, wie beispielsden Malariazyklus, 1898 Simond und Ogata die Über- weise das Weibchen des Sandflohs und die Larven tragung der Pest durch Flöhe, 1902 Graham die Über- einiger Dipteren, die eine Myiasis erzeugen. tragung des Denguefiebers durch Stechmücken, 1903 Parasiten können für einen Wirt spezifisch sein Bruce und Nabarro die Übertragung der Schlafkrankheit oder sich polyphag verhalten, d.h. geringe Wirtsdurch Tsetsefliegen, 1909 Chagas den Infektionsweg der spezifität aufweisen, wie beispielsweise die meisten nach ihm benannten Krankheit, 1916 Werner und Banzler die Ausbreitung des Fünftagefiebers durch Läuse usw. Flöhe. Die Ursachen hierfür können überaus vielDie Hilflosigkeit, mit der man in früheren Jahrhunderten faltig sein. den großen Seuchen gegenüberstand, wurde in erster Man unterscheidet bei den Blutsaugern "caLinie durch die Entdeckung und Anwendung von Che- pillary feeders" mit feinen Stechapparaten, deren motherapeutika und Insektiziden überwunden. P. Müller Stich kaum Schmerzen verursacht (u. a. Stechmüerhielt 1949 den Nobelpreis für die Entdeckung der in- cken), und "pool feeders" mit klobigen Stechwerksektiziden Wirkung des DDT. Seither hat es weiterhin viele zeugen, deren Stich sehr schmerzhaft sein kann bemerkenswerte Entdeckungen und die Befreiung großer (u. a. Bremsen). Letztere verursachen kleinere oder Gebiete von ehedem verheerenden Seuchen gegeben, wie größere Hämorrhagien ("pools"), aus denen das beispielsweise des Mittelmeergebiets von der Malaria. Blut aufgesogen wird. Reservoirkrankheiten (s.u.) wurden zurückgeDie Reaktionen eines Wirtes können sehr verdrängt und vielfach aus dem Bewusstsein der schieden sein. Bisher sind unter medizinischen Menschen als lauernde Gefahr verdrängt. Den- Aspekten praktisch immer nur die Auswirkungen noch besteht kein Anlass, die Hände in den Schoß eines Parasiten auf den Wirbeltier-, im wesentlizu legen, wie das Beispiel der weltweit im Vor- chen den Säugetierorganismus untersucht worden. dringen begriffenen Arzneimittel- und Insektizid- Erst neuerdings werden in stärkerem Maße auch resistenz bei der Malaria zeigt. Malaria, Dengue- die Wirkungen auf den Insektenwirt analysiert. Fieber, Gelbfieber und Pest sind keineswegs beDie unmittelbaren Wirkungen von Blutsaugern siegte Krankheiten, sondern ebenso wie eine Reihe betreffen nicht so sehr den Blutverlust oder die von Viruskrankheiten jederzeit zu einer erhebli- mechanische Verletzung der Haut, sondern sind in chen Steigerung ihrer Verbreitung in der Lage. erster Linie auf die im Speichel enthaltenen Kom-
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20 Medizinische Entomologie
ponenten zurückzuführen und bisher noch sehr unzureichend bekannt. Vorwiegend dürften daran Proteine beteiligt sein . Diese haben mehrere Aufgaben. Sie sollen vor allem in der Umgebung des Einstichs eine betäubende Wirkung ausüben, die Hautkapillaren entspannen und so die Blutung aufrechterhalten. Manche Komponenten des Speichels führen zu immunologischen Reaktionen, es kann zur Sensibilisierung oder nach einiger Zeit auch zur Gewöhnung kommen; heftige allergische Reaktionen können bis zum anaphylaktischen Schock gehen. Die Beteiligung des Immunsystems zeigt sich daran, dass man eine passive Sensibilisierung und eine Immunisierung gegen Insektenstiche durchführen kann . Bei massenhaften Stichen kann es zu Krankheitserscheinungen wie Kopfschmerz, Lymphadenitis usw. bis zur Arbeitsunfähigkeit kommen. Die Stichwirkungen können verschieden sein und vielfach eine bestimmte Reihenfolge aufweisen . Innerhalb weniger Minuten nach dem Stich entsteht meistens in der Umgebung der Stichstelle ein verschieden ausgedehntes, rötliches Erythem (Hautrötung), das eine zentrale, runde oder unregelmäßig geformte Quaddel aufweisen kann und mehr oder weniger stark juckt. Ein eigenartiges Phänomen tritt bei Flohstichen auf, das Hase als "Repetieren" bezeichnet hat; bei erneutem Einstich reagieren die früheren Stichstellen mit heftigem Juckreiz. Nach etwa 12-24 h kann aus der Quaddel eine Papel entstehen, die zunächst noch verschieden stark juckt und über Tage bis Wochen bestehen kann. Es handelt sich um eine rotgefärbte, verhärtete, kegelförmige, unter Umständen ebenfalls juckende Hautanschwellung. Bei stärkerer Unverträglichkeit der Haut gegenüber Speichelproteinen des Blutsaugers kann es zur Bildung verschieden großer Vesikel kommen. Sekundärschäden können auftreten, wenn durch Kratzen an juckenden StellenHautläsionen und damit Eintrittspforten für Eitererreger geschaffen werden. Vielfach wird das Fehlen von Hautreaktionen mit mangelhafter Attraktivität für bestimmte Blutsauger gleichgesetzt. Bei einer Untersuchung zur Überprüfung der Wirkung von Flohstichen stellte sich heraus, dass 38% von 269 Personen überhaupt keine Reaktion zeigten, und dass bei den Reagierenden bei 4,8 % Sofort- und bei 63,5 % lediglichSpätreaktionen beobachtet wurden. Bei der Beschreibung der Wirt-Parasit-Verhältnisse werden eine Reihe von Begriffen verwendet, die leider immer wieder falsch angewendet werden. Daher sollen an dieser Stelle die wichtigsten Definitionen folgen: • Im Endwirt wird der Parasit geschlechtsreif. Im Zwischenwirt findet zumindest ein Teil seiner Entwicklung statt; ferner kann in diesem auch ungeschlechtliche Fortpflanzung erfolgen. Zwischen- und Endwirt gehören in diesem Falle in einem Entwicklungsgang zusammen. Findet keine geschlechtliche Fortpflanzung des Parasi-
ten statt, so kann man nur von Überträger oder Vektor sprechen. • Der Hauptwirt ist der haupsächliche Wirt, in dem der Parasit regelmäßig oder besonders häufig und unter besonders günstigen Bedingungen lebt. Die adjektivische Bezeichnung erleichtert die Unterscheidung von Haupt- und Endwirt, die fälschlich leider immer wieder gleichgesetzt werden. Der Nebenwirt oder nebensächliche Wirt wird vom Parasiten nur gelegentlich befallen und bietet keine günstigen Lebensbedingungen für ihn. • Ein Transportwirt verfrachtet Parasiten, ohne dass diese in ihm eine ungeschlechtliche Entwicklung oder Fortpflanzung durchlaufen, von einem Wirt zum anderen. • Ein Fehlwirt kann zwar von Parasiten befallen werden, bedeutet aber für deren Entwicklungsablauf eine Sackgasse. Die Übertragung von Krankheitserregern durch Insekten kann in sehr verschiedener Weise erfolgen. Diese Vielfalt in übersichtlicher Form und auch unter phylogenetischen Aspekten darzustellen ist immer wieder versucht worden. Die Übertragung kann beim Stich oder durch infektiösen Kot oder durch Fressen des infizierten Überträgers (phagär) erfolgen. Mechanische Übertragung von Krankheitserregern mit kontaminierten Mundwerkzeugen oder Tarsen der Beine oder nach Aufnahme der Erreger in den Vorderdarm oder Übertragung mit dem Kot nach einer Darmpassage ist wohl die einfachste Form der Übertragung (Abb. 20-13) . Sie kommt u. a. bei Schaben und etlichen Fliegenarten vor. Auf diese Weise können vielerlei Bakterienarten übertragen werden, u.a. die Ägyptische Augenkrankheit (Trachom), Salmonellen (Typhus), Brucellose (seuchenhafte Fehlgeburten bei Rindern), Dysenteriebazillen (Sh ige/la). In Bremsen der Gattung Tabanus halten sich Trypanosoma evansi und T. equinum nur im Rüssel auf und können bei einer weiteren Blutmahlzeit übertragen werden. Es findet keine Gestaltveränderung oder Vermehrung in der Tsetsefliege statt. Ebenso können die Cysten der Ruhramoebe Entamoeba histolytica dureh Fliegen von Fäkalien auf Nahrungsmittel und Speisen transportiert werden (Abb. 20-13). Die Trypanosomen lieferneine Vielzahl von Beispielen für zunehmend komplizierter werdende Übertragungsweisen. Unklar ist, ob Trypanosoma equiperdum, der Erreger der Beschälseuche der Pferde, der beim Deckakt übertragen wird, noch keinen oder nicht mehr einen Überträger benötigt, d. h. ob diese Art an den Anfang der Entwicklungsreihe gehört oder an deren Ende. Im Anschluss an eine Infektion folgt eine Phase, die Inkubations- oder Latenzzeit, in der vom Parasiten noch keine erkennbaren Wirkungen oder Krankheitserscheinungen ausgehen. Hiervon wird die Präpatentperiode unterschieden, der Zeitraum
20.1 Allgemeines
637
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Anopheles
Mensch
~IYU Kein Reservoir Beispiel: klassisches Fleckfieber Kleiderlaus - Mensch
Kein Reservoir, obwohl die Überträger polyphag sind und auch an anderen Wirbeltieren saugen Beispiel: Malar ia des Menschen
Rickettsia prowazeki
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polyphaqer
Mensch
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M it Reservoir Beispiele: Pest: Wildlebende Nagetiere als Reservoir - polyphage Flöhe als Überträger Schlafkrankheit: Haus- und Wildtiere als Reservoir - polyphage Tsetsefliegen Chagaskrankheit: Haus- und Wildtiere als Reservoir - polyphage Wanzen
Abb. 20-1: Schematische Darstellung der Übertragung von Krankheiten mit und ohne Reservoir.
Affen
Mensch
versch. Culicidae
Aedes aegypti
M it Reservoir Beispiel: Gelbfieber: In Urwäldern lebende Affen sind das Reservoir des Buschgelbfiebers; verschiedene Culicidae fungieren als Überträger. Im allgeme inen ist davon unabhängig das Urbane Gelbfieber, das ausschließlich von einer als Kulturfolger zu bezeichnenden Stechmückenart, der Gelbf iebermücke Aedes aegypti, übertragen wird.
zwischen Infektion und dem Erscheinen des Parasiten oder seiner Fortpflanzungsprodukte. Bisweilen können in Insekten Parasiten oder Symbionten durch transovariale Übertragung , d. h. durch Befall der Eizellen im Ovar an die Nachkommenschaft weitergegeben werden. Bei Säugetieren können unter Umständen sehr kleine Parasiten die Blut-Uterussschranke passieren und dann den sich entwickelnden Embryo befallen; dies bezeichnet man als intrauterine oder diaplacentare Infektion . Ein Wirtswecbsel kann in verschiedener Weise erfolgen und mit einem Gewebswecbsel gekoppelt sem:
• Bei hoher Wirtsspezifität von Erreger und Überträger und Fehlen eines außerhalb des Wirtes lebensfähigen Dauerstadiums in Form einer Cyste kann der Zyklus folgendermaßen aussehen: Beispiel Schaf - Lausfliege (Melophagus ovinus) - Trypanosoma melophagium. • Der Überträger zeigt geringe Wirtsspezifität , er saugt auch an anderen Wirten als dem Menschen, doch der Parasit entwickelt sich nur im Menschen, d. h. er hat kein Reservoir. Beispiele sind Klassisches Fleckfieber (Abb. 20-1) und Malaria (Abb. 20-1) . • Häufiger sind die Beispiele für Reservoirkrankbeiten: Der Überträger ist polyphag, saugt auch
638
20 Medizinische Entomologie
20.2 Gifttiere 20.2.1 Allgemeines
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Abb. 20-2: Stechapparate von Hymenopteren. A Habitus der Stachelameise Myrmica rugiventris. B Schematisierte Darstellung der Drüsen und des Darmes im Hinterleib einer Stachelameise der Gattung Onychomyrmex (Ponerinae), C Stachelapparat und Giftdrüsen von Myrmica rubra. D Giftdrüse und Stachelapparat der Honigbiene: Der Stachel besteht aus der Stachelrinne als Führung und den beiden durch Muskeln bewegten Stechborsten. E Stachelspitze einer Wespe. A After, BSS Basis der Stachelscheide, DDr Dufoursche Drüse, ED Enddarm, GDr Giftdrüse, MD Mitte/darm, MG Malpighische Gefäße, PDr Pygidialdrüse, qP quadratische Platte, RReservoir, SB Stechborsten, SR Stachelrinne, SS Stachelscheide, St Stachel, StDr Sternaldrüse. (A-C nach Hölldobler und Wilson 1992, D·E nach Weber 1933)
an anderen Wirten als dem Menschen , und der Parasit entwickelt sich in diesen Wirten, die ihm als Reservoir dienen (Abb.20-l). Beispiele: Gelbfieber, Pest, Leishmaniasen, Nagana, Schlafkrankheit, Chagaskrankheit. Teilweise ist hier der Mensch für den Parasiten eine Sackgasse, weil von ihm kein Weg zurück zu den Reservoirtieren führt. Beispiele hierfür sind Gelbfieber und Pest (Abb. 20-14, 20-15).
Als Gifte oder Toxine bezeichnet man Substanzen, die, wenn sie an oder in einen Organismus gelangen, in diesem Krankheitserscheinungen verursachen. Die Wirkungsweise kann außerordentlich verschieden sein. Es kann bei der Haut zu Rötung, Entzündung, Ätzwirkung und sogar Nekrosen kommen. Die Giftwirkung kann den Kreislauf ebenso wie die Nerven- und Nierenfunktionen betreffen. Von besonderer Bedeutung kann der Ort des Eindringens sein. Viele Gifte können bei oraler Aufnahme völlig unwirksam sein, aber verheerend, wenn nicht gar letal wirken, wenn sie in die Blutbahn gelangen. Die Wirkung kann individuell aus verschiedenen Gründen sehr unterschiedlich sein. Wesentlich ist die Dosis des einwirkenden Giftes in Relation zum Körpergewicht. Im allgemeinen wird angegeben, wie hoch die Dosis pro kg Körpergewicht ist, die bei 50% der Versuchstiere zum Tode führt (LD50); sie ist bei den einzelnen Tierarten sehr verschieden. Tierische Gifte sind im Allgemeinen keine chemisch reinen Substanzen, sondern Gemische von chemisch sehr heterogenen Verbindungen: Proteine, Peptide, Glykoside, biogene Amine u. a. Substanzen, die auf das Immunsystem wirken, werden als Antigene bezeichnet. Gelangen sie mehrfach in den Körper, so kann eine Immunität oder eine Sensibilisierung in Form einer Allergie oder gar Anaphylaxie zustande kommen . In der Hämolymphe von Insekten und in Drüsensekreten können zahlreiche, beim Menschen oder anderen Tieren giftig wirkende Substanzen vorkommen . Im Folgenden sollen nur diejenigen Gifte erwähnt werden, die immer wieder beim Menschen zu Vergiftungserscheinungen geführt haben : Stachelgifte von Hautflüglern, Gifthaare von Schmetterlingsraupen und Cantharidin enthaltende Käfer.
20.2.2 Stachelgifte von Hymenoptera Diese Angriffsgifte sind bisher in erster Linie bei der Honigbiene Apis mellifera untersucht worden. In wesentlich geringerem Maße wurden sie bei ihren nächsten Verwandten (A. cerana, A. dorsata, A. florea) sowie einigen Wespenarten und fast gar nicht bei Hummeln, den großen Xylocopa-Arten oder Megachilidae erforscht. Die Stichwirkungen sind außerordentlich verschieden. Sie hängen
20.2 Gifttiere
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Abb. 20-3: Auf dem Sarcophag des ägypt ischen Pharao Menes ist dargestellt, wie dieser Herrscher etwa 2800 v. Chr. von einer Wespe gestochen wurde und an einer heftigen allergischen Reaktion starb. (Aus Müller 1988) Nuraufmerksame Beobachter erkennen, dass es sich um eine rezente Darstellung handeln dürfte.
ebenso von der Hymenopterenart wie von den Immunreaktionen der gestochenen Person ab. An der Stichstelle können Schwellung und Schmerz sehr verschieden sein. In besonderen Fällen kann es, nicht zuletzt auch abhängig von der Za hl der Stiche zu Hautreizungen, Übelkeit, Angstgefühlen, einem sta rken Abfall des Blutdrucks und Benommenheit bis zu Bewusstlosigkeit und Tod kommen (Nä heres s. Müller 1988). Die Giftdrüse der Ho nigbiene ist etwa I cm lang, langgestreckt und am Ende zweigeteilt. Auch im Anfangsteil der Giftblase sind noch Drüsenzellen vorhanden (Abb. 20-2 D) . Die G iftblase kann bei Sammelbienen 1-3 ml Gift enthalten. Für analytische Zwecke gewinnt man da s Gift in einer einfachen App ar atur durch Elektrostirnulation. Es enthält ein Gemi sch pharmakologisch wirksamer Substan zen, und zwar bezogen auf das Trockengewicht: • 20-25% niedermolekulare Substan zen: Aminosäuren, biogene Am ine, Zu cker u. a. • 50-60 % Peptide (Molekulargewicht 2- 6 kD a , sta rk basisch). • Melitt in: Ant eil etwa 50 %, Molekul argewicht 2840 Da; Amin osäuresequenz bekannt; schä digt Zellmem bran en und membran ständ ige Enzyme und bewirkt die Freisetzung von Stoffen aus Lysosom en; ist au ch giftig für Insekten . • Apamin : Anteil etwa 2 %; Molekul argewicht : 2027 Da ; Aminosäuresequenz bekannt; neurotoxisch. • MCD-Peptid (Mas tzellen-deg ra nulierendes Pept id): etwa I %; Molekulargewicht 2588 Da ; es führt zur Freisetzung von Hista min aus Mast zellen. • Kin ine u. a.
15- 30 % höherm olekulare Proteine in Form von etwa 58 Enzymen (u.a. H yaluronidasen, dienen als Ausbreitun gsfakt or, Pho sph olipasen, Phosphatasen, Esterasen, Gluc osaminidase). Hummeln stechen nur, wenn man sie in ihrer Bewegung sfreiheit einengt. In ihrem Gi ft scheint Melittin nicht vor zukommen. Wespen der Gattungen Vespa, Vespula und Dolichovespula können recht aggressiv sein. Während des Stechvorgang s setzen sie Pheromone frei, durch die Stammesgenossen stechlustig werden . Die Giftblase der Hornisse Vespa crahro enthält 1-2 ml Gift, dessen Proteinanteil erheblich über dem des Honigbienengiftes liegt. Nachgewiesen wurden eine Reihe pharmakologisch aktiver Substa nzen mit Acetylcholin-artiger, Histamin-artiger, 5-Hydrox ytr yptamin- artiger Aktivität. Fern er sind Dopamin , Noradrenalin , ein Mastzellen degranulierende s Peptid (Mas to pa rane, Molekulargewicht 1500 Da), das die Ausschütt ung von Histamin veru rsacht, sowie ein Ne urotoxin und Bradykin ine im Gift der Horni ssen enthalten. Letztere sind von besonderem Int eresse, da sie bei Säugetieren Schmerzen veru rsachen. Brad ykinin e sind auch bei der Gattung Vespula, nicht aber bei Dolichovespula nachgewiesen. Die Gi fte der genannten Wespen ar ten wirken auch gegenüb er Insekten giftig; sie könn en daher zur Lähmung von Beutet ieren wie zur Vert eidigung verwendet werden. Ameisen haben paar ige Giftdrüsen und ein unpaares Reservoi r (Abb. 20-2 A, B, C). Die ursprüngliche Funktion ist wohl die noch bei den Formicinae vorhandene enzymati sche Bildung der zur Verteidigun g verwendeten Ameisensä ure. Serin au s der Haem olymphe dient als CI-Donor und wird in der Giftdrüse zu Amei sensäure umgesetzt , die anschließend in das Drüsenlumen abge-
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20 Medizinische Entomologie
geben wird und zur Verteidigung ausgespritzt werden kann . Bei anderen Ameisen, wie den Ponerinae, Myrmeciinae, Pseudomyrmecinae, Dorylinae und Ecitoninae, wird in dieser Drüse Gift in Form neurotoxisch und histolytisch wirksamer Proteine gebildet. Es kann zur Lähmung der Beute oder zur Verteidigung verwendet werden. Ponerinae (Stachelameisen) und Myrmicinae haben einen Stachel, mit dem sie das Gift applizieren können (Abb. 20-2 A-C). Der Stich von Harpegnathus saltator (Ponerinae) immobilisiert die als Beute dienenden Schaben für mindestens 14 Tage; es findet keine Erholung statt . Das Gift von Myrmica-Arten verursacht beim Menschen die Bildung großer Quaddeln . Feuerameisen (Solenopsis sp., Myrmicinae) synthetisieren ein Gift, das überwiegend aus Alkaloiden, und zwar Dialkylpiperidinen besteht, die zytolytisch wirken. Durch Freisetzung von Histaminen kommt es nach dem Stich in der Haut des Menschen zur Quaddelbildung, zu dem namengebenden furchtbaren " Brennen" und anschließend unter Umständen lokal auch zu Nekrosen .
20.2.3 Gifthaare von Schmetterlingsraupen Bei Schmetterlingsraupen aus den Familien Arctiidae, Lymantriidae, Lasiocampidae, Saturniidae, Thaumetopoeidae, Hemerocampidae, Megalopygidae und Limacodidae sind nicht die auffallend langen, sondern die in Feldern stehenden, spröden kleinen " Spiegelhaare" oft mit Widerhaken und einem Giftreservoir versehen (s. 17.2.2.3). Sie können erhebliche Hautreizungen, die sog. Raupendermatitis (Erucismus), verursachen. Besonders gefürchtet sind die leicht abbrechenden, weniger als 0,1-0,2 mm langen, bis zu 600000 "Gift-" oder " Brennhaare" der gesellig in Gespinsten lebenden Raupen des Kiefern-Prozessionsspinners Thaumetopoea pinivora, die schwere Allergien hervorrufen können. Im Gift vieler Raupenhaare konnten Enzyme, biogene Amine, phenolische Substanzen sowie weitere niedermolekulare Stoffe nachgewiesen werden .
20.2.4 Gift enthaltende Tiere Es gibt viele Gift enthaltende Tiere, die aber nur unter besonderen Umständen Vergiftungen beim Menschen auslösen (s. 17.2.2.3). Hierzu gehört das früher als Aphrodisiakum, als Bestandteil von "Liebestränken", eingenommene Cantharidin, von dem bereits 30 mg beim Menschen tödlich wirken . Eine ganze Reihe von Käferarten ist in der Lage, Cantharidin zu produzieren. In erster Linie wurde in Europa die metallisch grüne Spanische Fliege Lytta vesicatoria (in anderen Gebieten dort einheimische Meloidae) in getrocknetem Zustand als
Aphrodisiacum, aber auch für Giftmorde verwendet. Cantharidin verursacht schwerste Entzündungen in der Niere und im gesamten Urogenitalsystem . Mindestens 19 Arten Staphylinidae der Gattung Paede-
rus, die in verschiedenen Erdteilen vorkommen, sondern ein giftiges Amid, das Pederin, ab, das Hautentzündungen beim Menschen verursachen kann .
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger 20.3.1 Allergien, Ungezieferwahn und Lästlinge Allergien können von Sekreten wie von Teilen von Insekten, auch getrockneten, verursacht werden (s. 20.2.3 u. 4). Besonders häufig können Allergien auf längerfristige Einwirkung von Haaren und Häutungsprodukten (Exuvien) auf die Haut des Menschen zurückgeführt werden . Ein bekanntes Beispiel sind die Pfeilhaare am Hinterende der Larven von Museumskäfern (Anthrenus-Arten) (Abb. 1-17). Erst kürzlich hat sich herausgestellt, dass die als Kotballenhülle vorhandenen peritrophischen Membranen (s. 4.5.2) bei Personen, die mit Massenzuchten von Insekten arbeiten, Allergien verursachen können. Ungezieferwahn kommt vorwiegend bei älteren Menschen beiderlei Geschlechts im Alter von 60-70 Jahren vor. Es handelt sich um ein psychisches Leiden, dessen Ursachen bisher noch vollkommen unbekannt sind . Zur Beratung suchen die Betroffenen nicht einen Psychotherapeuten, sondern Gesundheitsämter, parasitologische und zoologische Institute usw. auf. Sie haben das Gefühl, trotz peinlicher Sauberkeit, ständig von kleinen , krabbelnden Tierchen belästigt zu werden . Bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass gar keine Lästlinge nachzuweisen sind. Bittet man diese Patienten, die behaupteten Parasiten zu sammeln und mitzubringen, so werden alle möglichen Arthropoden abgeliefert , die als Ektoparasiten meist gar nicht infrage kommen. Leider kann man diesen armen Menschen bisher nicht helfen . Als Lästlinge bezeichnet man Insekten, die keine Krankheiten verursachen oder übertragen, aber beispielsweise durch Auftreten in Massen, durch ihre Stichwirkung, durch die Verunreinigung von Lebensmitteln und Wohnungen durch Exkremente oder durch die von ihnen verursachten sonstigen Schäden eine Plage darstellen. Dies gilt in erster Linie für Schaben, Pharaoameisen und Bettwanzen (s. 20.3.3).
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger Die Deutsche Schabe Blatella germanica kommt vor allem in dichtbesiedelten Industriegebieten vor und befällt in erster Linie gewerbliche Küchenbetriebe, Krankenhäuser und Heime, wenn ihr dort Nahrungsmittel und -reste zur Verfügung stehen. Sie vermag sich rascher zu vermehren als die Orientalische Schabe Blatta orientalis, die vor allem in Süddeutschland in entsprechenden Bereichen angetroffen wird und sie benötigt ebenso wie die Amerikanische Schabe Periplaneta americana für ihre Entwicklung höhere Temperaturen . Beide Arten bevorzugen Bäckereien, Krankenhäuser und Gebäude, die ständig eine ausreichende Temperatur aufweisen. Schaben gehen nur nachts auf Nahrungssuche und leben tagsüber in dunklen, feuchten Verstecken. Sie sind Allesfresser, die auch faulende Lebensmittel fressen. In Krankenhäusern können sie zur Verbreitung von Krankheitserregern beitragen. Schaben legen die Eier in Gruppen von 16-40 in Kokons verpackt ab (Abb. 25-15). Schaben sind vor allem in den Tropen eine Plage in Wohnungen und Lebensmittelbetrieben, wo nicht einfach Insektizide versprüht werden dürfen und die engen Tagesverstecke kaum ausreichend erreicht werden können. Schaben sind nachts aktiv. Man stellt u.a. Schachteln mit Einschlupföffnungen, versehen mit einem insektizidhaItigen Gel als Frasslockstoff auf. Verwendete man in Versuchsreihen Imidacloprid als Insektizid, so waren nach 4 Monaten 95% der Schaben vernichtet. Angesichts der enormen Vermehrungsfähigkeit der Schaben bedeutet aber eine nicht 100%ige Todesrate, dass die Bek ärnpfungsmassnahmen in bestimmten Abständen ständig wiederholt werden müssen. Besonders wirksam ist auch ein entwicklungshemmendes Insektizid, das "Starycid" genannte Triflumuron. Wurde Gel, das mit einem dieser beiden Insektizide versehen war, in noch so enge Verstecke gespritzt, mit Hilfe von einfachen Geräten wie sie in der Bauindustrie zum Einspritzen von Fugendichtern verwendet werden, so waren bereits nach 2 Monaten 95% der Schaben vernichtet. Pharaoameisen (Monomorium pharaonis) sind nur etwa 2 mm lange, blassgelbe, am Hinterende dunkelgefärbte Ameisen, die aus den Tropen nach ganz Europa eingeschleppt wurden und zu den Myrmicinae gehören. Sie können nur in Räumen mit ständig hohen Temperaturen leben. In ihrer sozialen Organisation sind die Pharaoameisen auf einer relativ niederen Stufe stehengeblieben. Ein Hochzeitsflug findet nicht statt. In einer Kolonie können mehrere tausend Königinnen vorkommen. Die Ausbreitung scheint in erster Linie durch die Gründung von Tochterkolonien , ausgehend von polygynen Nestern, zu erfolgen. Ebenso wie die Schaben fressen sie alle möglichen Lebensmittel und Abfälle und können auch Krankheitskeime verbreiten. Die Kolonien können in relativ großer Entfernung von Nahrungsquellen vorhanden sein. Intakte Kolonien können einige Wochen hungern . Die Bekämpfung der Pharaoameisen ist außerordentlich schwierig, weil sie sich in kleinste, bei Bekämpfungsmaßnahmen nicht erreichbare Verstecke zurückziehen können, und weil Insektizide zwar die Arbeiterinnen, nicht aber das Endglied der Nahrungskette, die Königinnen, erreichen. Gute Erfolge hat man mit Ködergiften erreicht, die eine Sterilisation der Königinnen zur Folge haben.
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20.3.2 läuse In der medizinischen Entomologie spielen vor allem zwei Arten von Läusen eine Rolle, die weltweit verbreitet sind: Die Kleiderlaus Pediculus humanus corporis und die Kopflaus P. humanus capitis sind ökologische Rassen einer Art, die sich zwar fruchtbar miteinander kreuzen lassen, aber dennoch nicht ineinander übergehen. Die Filz- oder Schamlaus Phthirus pubis ist eine weitere Art. Alle Läuse sind Ektoparasiten. Der Kopf der Läuse ist verhältnismäßig klein. Auffallend sind die relativ kurzen, fünfgliedrigen, mit Sinneshaaren versehenen Antennen . Ocellen fehlen und die Augen sind nur in reduzierter Form als zwei relativ große Ommatidien vorhanden. Bei den Tierläusen fehlen letztere. Die Mundwerkzeuge sind äußerlich nicht zu sehen, denn sie sind in das Innere des Kopfes verlagert (Abb. 25-22). Äußerlich ist nur ein runder, schnauzenartiger Mundkegel erkennbar, der durch die Verschmelzung von Unterlippe und Kopfrand zustande kommt. Charakteristisch für Läuse sind die großen Klauen an den gedrungenen Beinen (Abb. 25-20 B), mit denen sich die Tiere an Haaren und Textilien festhalten können. Ein daumenartiger Vorsprung passt, zusammen mit dem klauenartigen Tarsus, genau zum Durchmesser des Wirtshaares. Diese Klaue kann über eine lange Sehne durch den im nachfolgenden Beinglied befindlichen Muskel bewegt werden. Die Beine sind nur zum Klammern geeignet. Da die Läuse keine Flügel und während der Entwicklung auch keinerlei Flügelanlagen besitzen, können sie einen neuen Wirt nur durch Überwandern bei engem Kontakt erreichen oder indirekt durch gemeinsam benutzte Gegenstände wie Kämme, Bürsten, Kopfbedeckungen, Leiboder Bettwäsche usw. Insgesamt ist der Körper dieser Tiere abgeplattet und mit einer lederartigen, derben Cuticula versehen, sodass Läuse allenfalls zwischen den Nägeln zerquetscht werden können. Die Elastizität der Cuticula erlaubt die Aufnahme eines beträchtlichen Nahrungsvorrats. Kleider-, Kopf- und Filzläuse saugen nur am Menschen Blut, nicht an Tieren.
Die Kleiderlaus Die Kleiderlaus ist für einen Aufenthalt im Bereich zwischen Haut und Kleidung des Menschen besonders geeignet. Sie hält sich mit ihren Klammerbeinen an den Körperhaaren oder der Kleidung fest und bevorzugt bei der Kleidung raue gegenüber glatten Stoffen. In diesem Lebensraum findet sie ihre Vorzugstemperatur, die in engen Grenzen von 31-33 °C liegt, sowie ihre Vorzugsfeuchte. Läuse verlassen einen Menschen, wenn er hohes Fieber hat oder wenn er gestorben ist. Hierzu gibt es einen interessanten Bericht von der Beerdigung Thomas Beckets, der am Abend des 29. Dezember 1170 in der Kathedrale von Canterbury er-
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20 Medizinische Entomologie
A
c
Abb. 20-4: Nissen (Eier) von A Filz-, B Kopf- und C Kleiderlaus unterscheiden sich in der Artder Ankittung an Wirtshaaren und der Anordnung der Aeropylen auf dem Eideckei; der Embryo liegt bei der Filzlaus seitlich, bei Kopf- und Kleiderlaus ventral zum Haar. (Nach Martini 1952)
mordet und dort am folgenden Tage aufgebahrt wurde. Man trug zu jener Zeit sehr viel Kleidung übereinander, die selten gewechselt wurde. Insgesamt war der Leichnam Beckets in 8 Kleidungsstücke gehüllt, darunter drei wollenen. Als der Leichnam zunehmend abkühlte, verließen die Läuse ihn und erschienen in solchen Massen auf den Kleidungsstücken, als ob Wasser in einem Kessel überkoche. Dies sah so eigenartig aus, dass die Trauergäste abwechselnd weinen und lachen mussten. Im Sommer können sich die Kleiderläuse auch auf der Außenseite der Kleidung aufhalten. In Gebieten mit gemäßigtem und kühlen Klima spielen Läuse eine größere Rolle als in den Tropen. In tropischen Gebieten ist die Verlausung in der Regenzeit stärker als in der Trockenzeit. Gegen höhere Temperaturen sind Läuse recht empfindlich. Auf dieser Tatsache beruhen Massenbekämpfungen, wie sie in den beiden Weltkriegen angewandt wurden. Temperaturen über 50°C töten Läuse und Nissen (Eier) in weniger als einer halben Stunde; bei 90-100 °C werden sämtliche Stadien innerhalb einer Minute abgetötet. Hunger wird bei höheren Temperaturen nur kurzfristig ertragen . Leichten Frost und Überflutung mit kaltem Wasser vertragen Läuse wie Nissen. Bei niedrigeren Temperaturen können sie länger hungern als bei höheren. Läuse sind deshalb sehr lästig, weil sie häufig stechen, um Nahrung aufzunehmen und bei jedem Stich Juckreiz verursachen. Sie saugen etwa alle 2-3 Stunden Blut, mindestens täglich einmal. Nach dem Blutsaugen schimmert das aufgenommene Blut durch die Cuticula . Weitgehend abgebaute Blutreste ergeben eine Braun- bis Schwarzfärbung des Darmes. Hungrige Läuse weisen eine schmutzig-gelbliche Körperfärbung auf. Frisch geschlüpfte Läuse sehen weiß aus. Schwarze Läuse gibt es bei den Eskimos und dunkelhäutigen Menschen. Die Färbung ist genetisch bedingt. Die typischen Stichwirkungen werden durch das Sekret der bohnenförmigen Speicheldrüsen verursacht. Die Stichstellen von Läusen sind zunächst von einem hellro-
ten, später bläulich verfärbten, etwa I mm Durchmesser erreichenden Hof umgeben. Der Juckreiz ist von Mensch zu Mensch verschieden stark und kann durch Gewöhnung geringer werden. Häufig entstehen an der Stichstelle in der Folge keine Quaddeln. Werden stark juckende Stichstellen wund gekratzt, so können Ekzeme oder sogar eiternde Geschwüre entstehen . Bei starker Verlausung kann es stellenweise zu brauner Verfärbung der Haut kommen. Bei der Kleiderlaus ist das Männchen etwas kleiner als das Weibchen und an dem stilettförmigen , vorragenden Penis am Hinterende leicht zu erkennen. Beim Weibchen liegt die Geschlechtsöffnung am eingekerbten Hinterende des Körpers, ein besonderer Legeapparat ist nicht ausgebildet. Die Weibchen werden durchschnittlich 30--40 Tage alt und legen in dieser Zeit bis zu 300 Eier, etwa 5-14 Eier pro Tag. Die Eier werden vom Weibchen an Textilien und andere raue Unterlagen, vor allem in den Nähten mit einem rasch erhärtenden, sehr widerstandsfähigen Sekret festgeklebt (Abb. 20-4). Nach etwa einer Woche schlüpfen die Larven. Die Generationsdauer vom Ei bis zum Ei der nächsten Generation (über 3 Häutungen) beträgt etwa 15 Tage. Bei manchen Volksgruppen gelten Läuse nicht als Plage, sondern als Zeichen von Gesundheit und großer Potenz, weil man der Ansicht ist, dass sie schädliche Säfte absaugen. 20000 Läuse pro Mensch scheinen die Höchstgrenze des Befalls zu sein.
Die Kopflaus Die Kopflaus ist in beiden Geschlechtern kleiner als die Kleiderlaus. Das Männchen ist 2,4--2,6 mm lang und schlanker als das 2,6-3,1 mm lange Weibchen. Die Segmentierung des Hinterleibs ist ausgeprägter als bei der Kleiderlaus und bei den Weibchen fehlt im 4. Hinterleibssegment die Längsmuskulatur vollständig . Kopfläuse bevorzugen das Haupthaar und kommen nur selten an Augenbrauen und Bart sowie an anderer Körperbehaarung in nennenswerter Zahl vor. Andererseits kommen Kleiderläuse nur selten bei starker Verlausung auch an Kopfhaaren vor. Bastarde beider Rassen sind aber häufig. Kopfläuse haben eine Vorzugstemperatur von 28-29 °C, die somit erheblich niedriger als die der Kleiderlaus ist. In den Tropen können Kopfläuse besser leben als Kleiderläuse. Außerdem können Kopfläuse niedrige Temperaturen besser ertragen als höhere (40--45 0C). Bei Temperaturen unter 12°C legen Kopfläuse keine Eier mehr ab. Die länglichen Eier der Kopflaus werden wesentlich sorgfältiger als die der Kleiderlaus mit einem in großer Menge von besonderen Drüsen des Weibchens abgegebenen Sekret mit einer langen, bis auf das Ei reichenden Manschette fest an das Haar angekittet (Abb. 20-4). Ein derart angeklebtes Ei nennt man eine Nisse. Das Ei besitzt am Vorderende Luftlöcher (Aeropylen), über die der sich entwickelnde Embryo mit Sauerstoff versorgt wird. Ganz ähnlich sehen auch die Nissen der Filzlaus aus, die sich nur anhand der Porenanordnung auf dem Eideekel von denen der Kopflaus unterscheiden lassen (Abb. 20-4). Die Eier der Kopflaus werden im Allgemeinen am Kopfhaar, gelegentlich auch an Bart- und Achselhaaren und nur im Falle sehr starker Verlausung auch an Kleidungsstücke angeheftet . Ein
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger Weibchen kann täglich etwa 4 und in ihrem etwa 3 Wochen dauernden Leben etwa 90 Eier ablegen. Geschichte: Läuse haben den Menschen wahrscheinlich während seiner gesamten Evolution begleitet . Nissen fand man bereits an den Kopfhaaren von Mumien aus Ägypten wie aus präkolumbianischer Zeit sowie von Indianern aus prähistorischer Zeit im Südwesten der Vereinigten Staaten. Bei vielen Volksstämmen wurden die erbeuteten Läuse verspeist. Aufgrund der mangelhaften hygienischen Verhältnisse war im Mittelalter eine mehr oder weniger starke Verlausung normal. Eine nachhaltige und zunehmende Besserung dürfte erst im vergangenen Jahrhundert eingetreten sein. Bei selten auftretendem sehr starken Befall kann ein "Weichselzopf" dadurch entstehen, dass bei der Nissenbildung zahlreiche Haare miteinander verkleben und dies durch Ekzeme und Einwuchern "wilden Fleisches" noch verstärkt wird. Die Embryonalentwicklung der Kopflaus dauert etwa 8 Tage, die Entwicklung von Ei zu Ei etwa 3 Wochen, wobei die Entwicklungsdauer von der Temperatur und Luftfeuchtigkeit abhängt. Aus dem Ei schlüpft die schwer im Haar zu findende nur I mm lange Larve. Über zwei weitere Entwicklungstadien entstehen schließlich die geschlechtsreifen Tiere. Die Stichwirkungen entsprechen denen bei Befall durch Kleiderläuse . Die Epidemiologie der Kopflaus ist in den letzten Jahrzehnten intensiver als früher und weltweit verfolgt worden. Dabei hat sich gezeigt, dass die Zunahme des Kopflausbefalls in den letzten 20 Jahren kein nationales, sondern ein weltweites Phänomen ist. Das Auftreten von Kopfläusen hat zumindest in Deutschland nichts mit einem Mangel an geeigneten Bekämpfungsmitteln oder der Entstehung resistenter Läusestämme oder der Einschleppung durch Gastarbeiter und Flüchtlinge zu tun, sondern mit Schwierigkeiten bei der Eindämmung der Einschleppung aus Problemfamilien, die sich jeder Bekämpfungsaktion widersetzen , weil sie keinen Sinn darin sehen oder sich nur gegen jegliche Obrigkeit auflehnen. Aus diesem Grunde können immer wieder Kopfläuse in Kindergärten und Schulen eingeschleppt werden. Eine Untersuchung durch das Bundesgesundheitsamt Ende der 70er Jahre ergab, dass die Zunahme des Kopflausbefalls nicht auf die Großstädte beschränkt war, sondern gleichermaßen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten beobachtet wurde. Unter 27600 von Kopfläusen befallenen Personen waren 17% 0-5 Jahre alt, 44% 5-10 Jahre alt, 24% 10-15 Jahre alt und nur 4% 15-20 Jahre alt. Am stärksten befallen war demnach die Altersgruppe der 5-IO-jährigen Kinder, wobei Mädchen und Jungen etwa gleichstark infiziert waren . In der Gruppe der 20-40-jährigen waren Frauen 3-5-mal stärker als Männer befallen . Ganz im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Vorurteil waren Schüler wie Erwachsene, die aus dem Mittelmeergebiet stammten, erheblich weniger infiziert als deutschstämmige Kinder und Erwachsene. Ebenso wie man dies bereits in anderen europäischen Ländern und den USA beobachtet hatte, kam es nach der Einschleppung von Kopfläusen in Kindergärten, Schulheimen und Sommerlagern zu einer weiträumigen Ausbreitung der Läuse. Die Verlausung war generell nach den Sommerferien und im Herbst erhöht. Kopflausbefall fällt unter das Bundes-Seuchengesetz ! Wenn in Kindergärten, Schulen, Jugendwohnheimen, Fe-
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rienlagern und ähnlichen Einrichtungen Läusebefall auftritt oder zu vermuten ist, so muss dies nach § 48 Abs. 2 vom Leiter der betreffenden Einrichtung sofort dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden. Nach § 45 Abs. I dürfen Schüler, Lehrer und andere an einer Schule tätige Personen, wenn sie Läusebefall aufweisen, so lange nicht mehr am Unterricht und anderen Veranstaltungen der Schule teilnehmen, bis nach dem Urteil des behandelnden Arztes oder des Gesundheitsamtes eine Weiterverbreitung der Verlausung durch die betreffenden Personen nicht mehr zu befürchten ist. Bekämpfung: Kopfläuse und ihrer Eier (Nissen) können heute sehr einfach mithilfe von insektizidhaitigen Shampoos bekämpft werden. Während der Schwangerschaft und der Stillzeit sollten diese Mittel nicht angewandt werden.
Die Filzlaus Die Filz- oder Scham laus Phthirus pubis ist weltweit verbreitet. Sie lebt, wie der Name Scham laus schon andeutet, im Allgemeinen an den Schamhaaren, kann aber auch an den Achselhaaren, Wimpern, Augenbrauen auftreten. Die Filzlaus ist wegen ihrer charakteristischen Körperform leicht von Kopf und Kleiderlaus zu unterscheiden. Die an Haare angeklebten Eier (Nissen) ähneln denen der Kopflaus (Abb. 20-4). Die Weibchen können bis zu 26 Tage alt werden und legen insgesamt etwa 30 Eier ab. Nach einer 5-8 Tage dauernden Embryonalentwicklung schlüpfen die Larven aus den Eiern. Filzläuse durchlaufen die gesamte Entwicklung in etwa 25 Tagen. Filzläuse saugen immer an der gleichen KörpersteIle ihres Wirtes. Sie vertragen weder Hunger noch das Entfernen vom Körper des Wirtes. Man nimmt an, dass die Ausbreitung der Filzlaus von einer Person zur anderen vorwiegend beim Geschlechtsverkehr erfolgt. Die Stiche verursachen bei den meisten Menschen einen geringeren Juckreiz als die der Kopf und Kleiderläuse. Der Speichel dieser Laus verändert das Hämoglobin so, dass es bläulich erscheint. Auf diese Weise entstehen an den Stichstellen bläuliche Flecken, franz. taches bleux genannt. Die Bekämpfung der Filzlaus erfolgt nicht mehr mit der berühmten quecksilberhaItigen "grauen Salbe" früherer Zeiten, sondern mit Insektiziden.
20.3.3 Wanzen Die Bettwanze Die Bettwanze Cimex lectularius ist weltweit verbreitet. Da sie eine Vorzugstemperatur von 27 "C hat und Kälte nur kurzfristig verträgt, nimmt man an , dass sie aus wärmeren Gegenden bei uns eingewandert ist. Ihr Vorkommen ist auf den Wohnbereich des Menschen und auf Hühnerställe beschränkt. Die Bettwanze saugt nicht nur beim Menschen Blut, sondern auch bei Haustieren, vor allem beim Geflügel sowie bei Sperlingen, Staren, Schwalben und Fledermäusen. Da der Körper der Bettwanze dorsoventral abgeplattet ist (Abb. 20-5), hat man sie im Volksmund .Tapetenflunder" genannt. Der Kopf hat zwei vorstehende Komplexaugen und viergliedrige
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20 Medizinische Entomologie tungen erreicht. Zwischen den Häutungen ist jeweils mindestens eine Blutmahlzeit erforderlich. Die gesamte Entwicklung dauert bei 25°C etwa 4-6 Wochen; Imagines können in Gefangenschaft über ein Jahr alt werden. Die Bettwanze ist nacht s aktiv und versteckt sich während des Tages in Ritzen alIer Art, hinter losen Tapeten, hinter Bildern, unter BettgestelIen, Büchern usw.; sie meidet nasse und kalte StelIen. Kälte verträgt sie ohne weiteres, Feuchte und Hitze dagegen nicht. Hunger erträgt die Bettwanze bei niedrigen Temperaturen etwa ein halbes Jahr. Bei Hunger können die Wanzen erstaunlich weite Wanderungen unternehmen. Die Bettwanze ist ein ausgesprochener Lästling durch das Blutsaugen. Wegen der Feinheit der Stechborsten spürt man beim Einstich keinen Schmerz. Die Stichwirkung ist individuelI recht verschieden und kann volIständig fehlen. Im alIgemeinen reagiert die Haut auf die im Speichel enthaltenen Proteine mit der Bildung einer stark juckenden Quaddel (Abb. 20-5). Bei häufigen Stichen kann es entweder zu alIergischen Reaktionen kommen oder es kann eine Gewöhnung einsetzen. Krankheitsüberträger ist die Bettwanze anscheinend nicht. Die Bekämpfung der Bettwanze ist mit den heutigen Insektiziden kein Problem mehr. Wichtig ist dabei das Einsprühen alIer Verstecke und Wanderwege.
Abb. 20-5: Bettwanze. A Habitus. B Nach Wanzenstichen entstandene Quaddeln auf einer Hand. (A nach Smith 1973, B nach Martini 1952)
Fühler. Der gerade Rüssel liegt in Ruhe ventral dem Kopf und Prothorax an . Vor dem Stich wird er nach vom geklappt. Die als Stechborsten dienenden Mandibeln und Maxillen sind jeweils mit zwei Längsrinnen versehen, liegen eng aneinander und bilden gemeinsam ein Doppelrohr. In einem Rohr wird der Speichel mithilfe einer besonderen Speichelpumpe in den Stichkanal gepumpt , während im anderen die Blutnahrung in den Mitteldarm befördert wird (Abb. 4-3). Die Stechborsten werden vom 3-gliedrigen Labium umgeben; dieses ist nach vorn offen. Sinneshaare an der Spitze des Labiums dienen der Nahorientierung auf dem Wirt. Beim Stechakt dringt das Labium nicht in die Haut des Wirtes ein, sondern dient als Führung für die Stechborsten . Der Kopf sitzt breit dem seitlich etwas vorgezogenen Prothorax an (Abb , 20-5). Der Mesothorax hat sehr kleine Flügelrudimente, während am Metathorax weder Flügel noch Flügelrudimente vorhanden sind. Die Männchen sind etwas schlanker als die Weibchen und haben am Hinterende einen kleinen, dolchartigen Kopulationsapparat. Das Sekret der an den Hüften der Hinterbeine mündenden Stinkdrüsen wird bei Beunruhigung abgegeben und hat einen charakteristischen, unangenehmen Geruch, der von Aldehyden und Ketonen verursacht wird. Ein Weibchen legt täglich etwa zwei bis drei I mm lange Eier, insgesamt 200, die zusammen mit Kot in den Verstecken abgesetzt und mit einem wasserlöslichen Sekret angeklebt werden. Die Bettwanze entwickelt sich hemimetabol, d. h. die kleinen Wanzen ähneln den Erwachsenen. Das erwachsene Stadium wird über 5 Häu-
Weitere Wanzenarten In subtropischen und tropischen Gebieten sind Cimex hemipterus und C. rotundatus verbreitet. Sie saugen an Menschen, Hühnern und Fledermäusen Blut. Die Schwalbenwanze Oeciacus hirundinis kommt in Europa in den Nestern der Mehlschwalbe vor. Sie überwintert in den Schwalbennestern und hungert bis zur Rückkehr der Schwalben vom Vogelzug. Bisweilen kann es vorkommen, dass diese Arten in benachbarte Wohnungen wandern und zu einer Plage werden. Immer wieder wird berichtet, dass Menschen gelegentlich von räuberisch oder als Saftsauger lebenden Wanzen gestochen werden, wenn sie diese unvorsichtig anfassen. Die Stiche von Rückenschwimmern der Gattung N otonecta können die Wirkung eines Bienenstichs haben; daher nennen Fischer diese Wanze auch "Wasserbiene". Große Raubwanzen (Reduviidae, Triatominae) kommen in Süd- und Mittelamerika vor und sind Überträger der Chagaskrankheit (Abb.20-19) . Die erwachsenen Triatominae sind bis zu 4,5 cm lang und im Gegensatz zu den Bettwanzen flugfähig . Die lange Vorderkopfpartie wird Rostrum genannt. Der Rüssel liegt in der RuhestelIung an der Unterseite des Rostrums. Von den über 100 Arten leben die meisten im Wald. Nur etwa 40 Arten kommen im Wohnbereich des Menschen vor. Sie bevorzugen Lehmhütten und GeflügelstälIe und kommen bisweilen in enormer Zahl vor. Beim Abbruch einer Hütte wurden annähernd 8000 Wanzen gefunden. Tagsüber leben sie in ähnlichen Verstecken wie die Bettwanzen und sind nachts aktiv. Das Weibchen legt in Mauerritzen und andere Verstecke insgesamt etwa 200 Eier. Die hemimetaboie Entwicklung von Ei zu Ei benötigt etwa ein Jahr. Zwischen den Häutungen muss mindestens einmal Blut aufgenommen werden. Eine Larve ist in der Lage, auf einmal das 6-12fache des eigenen Körpergewichts an
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger
Abb. 20-6: Nicht blutsaugende Mücken. A Kopf des Männchens einer Zuckmücke (Chironomidae) mit sehr stark entwickelten Antennen. B Weibchen einer Zuckmücke mit kürzeren, nicht so stark behaarten Antennen. Diese Mücken sind sehr klein. Viel auffallender sind die großen, langbeinigen Schnaken (0). Ihre Mundwerkzeuge sind nur zum Auflecken von Säften, nicht aber zum Stechen geeignet. Die Ventralansicht (C) lässt dies deutlich erkennen. Antennen und Maxillarpalpen sind der Übersichtlichkeit halber gekappt. (A und B nach Smith 1973, C nach Brohmer 1988, D nach Weber 1933)
Blut aufzunehmen. Größere Tiere können 6- 12 Monate hungern. Da diese Wanzen den während des Schlafens zugedeckten Menschen vor allem ins Gesicht stechen und der Einstich kaum spürbar ist, werden sie .Jcissing bug" genannt. Sie stechen außerdem an Händen und Füßen. Die Hautreakti onen können sehr verschieden sein. Diese Triatomen saugen auch an Getlügel, Hunden und Schweinen sowie wildlebenden Säugetieren, wie beispielsweise Gür teltieren.
20.3.4 Diptera Mücken sind als Blutsauger bekannt und gefürchtet. Daher wird immer wieder angeno mm en , a lle Mücken seien Blutsauger. Doch der überwiegende Teil der Mückenarten saugt kein Blut. D ie großen, langbeinigen Schnaken (Tipulidae), die vom Herbst bis zum Frühjahr a n sonnigen Tagen schwä r m end en Wintermücken (Trichoceridae) und di e von H aus- und St raßenbeleuchtung in der N ähe von Gewässern in Unmassen angelockten kleinen Zuckmücken (C h iro nom id ae) sind bei sp ielsweise keine Blutsauger (A bb. 20-6). Unter den blutsaugenden Arten ben ötigen nur die Weibchen in Zusammenhang m it der Eibildung Blutnahrung, während di e M ännchen lediglich Blütensäfte sa ugen. M ännchen und Weibchen la ssen sich bei d en einheimischen Ste chmück en leicht unterscheiden . Sind di e Fühler m it auffallend langen, in Wirteln ste henden H aaren versehe n, so handelt es sich um ein M än nch en; wenn d ie F ühler abe r nur m it relativ kurzen H aaren be setzt sin d , liegt ein Weibchen vor (A bb. 20- 8).
Stechmücken Stechmücken, Culicidae, sind an ihrem langen, nach vorne gerichteten Rüssel leicht erkennbar. Stechmücken sind nicht nur Plagegeister, die man mithilfe von Repel-
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c
lents (s. 20.2.2) vertreiben kann, sondern darüb er hinaus vor allem in tropischen und subtropischen Gebieten Überträger zahlreicher gefürchteter Krankh eitserreger (s. u.). Die meisten Arten haben bestimmte Aktivität sperioden. Manche Arten stechen nachts, andere tagsüber (s. a. Auftreten von Mikrofilarien im peripheren Blut, Abb. 20-21 C). Darübe r hinaus haben manche Arten eigenartige Stechgewohnh eiten. Eretmapodites chrysogaster, eine in Ostafrika vorkommende Art , bevorzugt zum Stechen eine auffallend enge vertikale Zone in einer Höhe von 20-60 cm über dem Boden. Wer im Verb reitungsgebiet dieser Art aufrecht steht, wird unterhalb des Knies, aber nicht am Fuß gestochen. Legt man sich auf den Bauch oder den Rücken, so wird man nicht gestochen; legt man sich aber auf die Seite, so wird man oberhalb etwa 30 cm heftig gestochen. Der Rüssel der Stechmückenweibchen besteht aus einem Bündel von Stechborsten (Abb. 20-8),zu dem das unpaare Labrum ,diepaarigen Mandib elnund Maxillensowie der unpaare Hypoph arynx gehören. Alle Stechbor sten werden vom unpaaren , nach vorn offenen Labium umgeben. Mandibeln und Maxillen besitzen distal feine Zähnchen und können durch Muskelbewegungen in die Haut des Wirtes dringen. Die Ränder des Labrum s sind nach innen umgebogen und und bilden somit ein relativ weitlumiges Rohr (Abb. 4-2E ), durch das mithilfe von Pumpeinrichtun gen am Vorderdarm Blut in den Mitteldarm befördert wird. Der Hypopharynx enthält ein feines, den Speichel in die Stichwunde leitendes Rohr. Arten der Gattung Anopheles, die nicht nur in den Tropen, sondern auch in Deutschland vorkommen, legen ihre Eier, die mit seitlichen Schwimmkammern versehen sind (Abb.20-7), einzeln auf die Wasserobertläche des Brutgewässers. Bei einer Eiablage können bis über 400 Eier abgegeben werden. Ein Weibchen kann während seines Lebens bis zu 2500 Eier in etwa 10 Gelegen absetzen. Die ausschlüpfenden Larven benötigen je nach Temperatur 2- 3 Wochen für die Entwicklung; die Puppenzeit dauert weitere 3-5 Tage. Als Brutgewässer dienen meistens die verkrauteten Ränder von stehenden Gewässern und Grä ben, bisweilen auch Wasseransammlungen von Baumhöhlen. Manche Arten bevorzugen für die Entwicklung brackiges bis salzhaltiges Wasser. Einige
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20 Medizinische Entomologie
Aedes
Anopheles
Culex
Eier
_____~ I
~
Larven
~1 Weibchen
~ Abb. 20-7: Unterschiede zwischen den Stadien der drei wichtigsten Gattungen der Stechmücken (Culi· cidae). (Nach Marshall 1938)
Arten sind in der Lage, mehrere Kilometer weit zu wandern . Die meisten Anopheles-Arten sind vorwiegend abends und frühmorgens akt iv. A. plumbeus sticht jedoch tags und nachts. Einige Arten bevorzugen Großvieh und halten sich auch zur Überwinterung in Stallungen auf. A. maculipennis und A. messeae saugen auch im Winter noch Blut. Die Hausmücken der Gattungen Culex und Culiseta. Culex-Arten sind kleine, unscheinbare Mücken, mit heilen Bändern quer über dem Hinterleib , dunklen Beinen sowie einfarbig grauen Flügeln; ihr Flugton hat gleiche Höhe. Culiseta (Theobaldia) annulata ist dagegen eine große Mücke von schwarzgrauer Farbe mit weißen Querbinden , mit weiß geringelten Beinen und dunklen Farbtupfen auf den Flügeln; ihr Flug ist durch rasche Wendungen und eine damit zusammenhängende ungleiche Höhe des Flugtons gekennzeichnet. In der Lebensweise stimmen beide Arten überein. Sie sind eng an menschliche Siedlungen gebunden und wandern nicht; Brutstätten, Überwinterungsmöglichkeiten und Blutspender liegen dicht nebeneinander. Beide Arten bevorzugen verunreinigtes Wasser zum Brüten und kommen mit kleinsten Wasseransammlungen als Brutgewässer aus. Sie brüten daher sowohl in Regentonnen, Kanistern, Büchsen, Dachrinnen, Wassertrögen , Gräben , Tümpeln, Teichen und Jauchegruben als auch in der Kanalisation, in Kellerschächten , Brunnen , usw.. Die Weibchen dieser Stechmücken überwintern in nicht zu trockenen Kellern, Schuppen, Scheunen, Lauben , Schächten , Brennholzstapein, Reisighaufen usw.. Nimmt im Herbst die Kühle zu, so fliegen diese Mücken auch in Wohnungen, wo sie vielfach noch eine letzte Blutmahlzeit vor der Winterruhe zu ergattern suchen. Die Männchen sterben im Herbst
nach der Begattung der Weibchen. Im Frühjahr verlassen die Weibchen wieder das Winterquartier und beginnen mit der Eiablage. Die etwa 150-300 Eier eines Geleges werden zu einem gewölbten , schiffchenartigen Gebilde verklebt, das auf der Wasseroberfläche schwimmt (Abb. 20-7); die Deckel der einzelnen Eier befinden sich auf der dem Wasser zugekehrten Unterseite , sodass die schlüpfenden Larven sofort ins Wasser gelangen . Die Larvenstadien werden in 2-3 Wochen durchlaufen; das Pupp enstadium dauert wenige Tage. Da während des Sommers genügend Brutgewässer vorhanden sind, können bis zum Herbst zahlreiche Generationen zustandekommen. Wegen der geringen Tendenz zum Wandern muss man bei den Hausrnücken die Ursache einer Plage in unmittelbarer Nähe suchen und kann dann versuchen, diese auszuschalten. Nur bei diesen Stechmücken ist eine Vernichtung der Überwinterungsstadien möglich. Die von Culex pipiens verursachten Belästigungen sind bei weitem nicht mit den Plagen durch Aedes-Arten zu vergleichen. Dies hängt u. a. auch damit zusammen, dass C. pipiens Vogelblut gegenüber Menschenblut bevorzugt. Autogene Stämme benötigen bei hinreichender Ern ährung während des Larvenstadiums kein Blut mehr für die Bildung entwicklungsfähiger Eier, legen aber weniger Eier als Weibchen nach einer Blutmahlzeit. Neben den bisher genannten beiden Arten gibt es in beiden Gattungen noch eine Reihe weiterer Arten, die außerhalb menschlicher Siedlungen leben. C. quinquefasciatus hat eine enorme Verbreitung in den ausufernden Siumgebieten tropi scher Großstädte erreicht und ist in den Tropen, mit Ausnahme der pazifischen Regionen, der wichtigste Überträger von Filarien der Gattung Wuchereria (Abb. 20-21).
20.3 lästlinge und Krankheitserreger
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Frontoc1ypeus Palpus maxillaris
H- ----,H1'-- Stechborsten bündel
HyperPharynx
A Labellum mit Sinneshaaren
B
Die Wald- und Wiesenmüeken überwintern im Eistadium. Die Eier (Abb. 20-7) werden nicht auf der Oberfläche von Gewässern, sondern verstreut an Stellen abgelegt, die im Frühjahr zeitweise überflutet werden. Nach der Ablage von etwa 100 Eiern sterben die Weibchen. Die Eier bleiben im Herbst und Winter in einer Diapause. Sie sind in dieser Zeit widerstandsfähig gegen Trockenheit, Hitze und Kälte. Für das Schlüpfen der Larven im Frühjahr sind ausschlaggebend eine Überschwemmung, eine Temperaturerhöhung und das Absinken des Sauerstoffgehalts im Brutgewässer. Aus vielen Eiern schlüpfen die Larven nicht sogleich, sondern verharren weiter in Diapause; dies bezeichnet man als "überliegen". Auf diese Weise bleibt für den Fall einer vollständigen oder teilweisen Vernichtung der zuerst geschlüpften Population eine Reserve erhalten. Die Entwicklung der Stechmücken erfolgt über vier Larvenstadien und ein Puppenstadium zu den Adulten. Im Herbst sterben die Adulten und nur die Eier überdauern den Winter. Die so genannten "Waldmüeken", wie Aedes cantans, A. punctor und A. communis, legen ihre Eier einzeln auf feuchtem Boden in sumpfigen Waldgebieten, vor allem Erlenbruchwäldern ab. Sobald während der Schneeschmelze im zeitigen Frühjahr der Wasserspiegel steigt ,
Abb. 20·8: ADer Stechrüssel der Stechmücken besteht aus Stechborsten und dem in der Ruhe als Hülle und beim Stechen als Führung fungierenden labium. B Bei den Gattungen Aedes (links Weibchen) und Anopheles (rechts Weibchen und Männchen) sind die Maxillartaster unterschiedlich gebaut. (Nach Peus 1950)
können die Larven schon bei Wassertemperaturen von 2-5 "C aus den Eiern schlüpfen und anschließend ihre Larvenzeit bis Ende April durchlaufen. Bekämpfungsmaßnahmen sind während dieser Zeit am sinnvollsten. Anfang Mai bis Juli können die stechlustigen Weibchen eine Plage in den feuchten Wäldern sein. Im Gegensatz zu den "Wiesenmücken" neigen die "Waldmücken" nicht zu Wanderungen. Bleiben Überschwemmungen aus, so können die Eier bis zu mehreren Jahren "überliegen", ohne ihre Schlüpffähigkeit einzubüßen. Die Überschwemmungswiesen bewohnenden "Wiesenmüeken" sind ebenfalls Aedes-Arten. In Deutschland ist A. vexans der schlimmste Plageerreger. Auch diese Mücken überwintern auf dem Eistadium und entwickeln sich nach der Uberflutung bei geeigneten Temperaturen im Frühjahr. Die ersten Mückenplagen beginnen im Frühjahr. In regenreichen Sommern kann bei erneut steigendem Wasserstand eine zweite Mückenplage ab Juli auftreten. Die Bewässerung von Wiesen fördert die Entwicklung von A. vexans in besonderem Maße. Für die gesamte Entwicklung sind im Sommer nur 8-12 Tage erforderlich. In trockenen Sommern überdauern die Eier bis zum folgenden Frühjahr. Sie können sogar mehr als drei Jahre "überliegen" . In Auwäldern kommt vor allem
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20 Medizinische Entomologie
Aedes sticticus, auf feuchten Wiesen herrscht A. vexans vor. Diese Arten führen im Sommer ausgedehnte Wanderungen bis zu 10-20 km Entfernung durch und können in benachbarten Dörfern und Städten zu einer Plage werden . Mücken abschreckende Mittel (Repellents) : In den vergangenen Jahren ist immer wieder empfohlen worden , Vitamin BI zum Schutz gegen Mückenstiche einzunehmen . Kontrollversuche haben gezeigt, dass dieses Mittel völlig unbrauchbar ist. Als Repellent hat sich am besten Dimethylphthalat bewährt. Es wurde gegen Ende des 2. Weltkriegs in den USA aus über 10000 chemischen Verbindungen als besonders geeignet ausgewählt. Hat man die Haut damit eingerieben, so gewährt es je nach Mückenart bis zu 6 Stunden Schutz vor den Stichversuchen der verschiedensten Mücken . Sobald die Mücke mit ihren chemosensorischen Haaren dieses Mittel wahrnimmt, erfolgt eine heftige Fluchtreaktion. Dimethylphthalat wird in großen Mengen als Lösungsmittel in der Kunststoffindustrie verwendet und ist daher sehr billig. Es darf nicht auf kunststoffhaltige Kleidung, Uhrgläser usw. geraten . Dimethylphthalat ist nicht giftig, reizt aber die Schleimhäute, wenn es beispielsweise an die Augen gerät. In geringem Maße wird auch Diäthyltoluamid, in Isopropylalkohol gelöst, als Repellent benutzt. Seit einiger Zeit wird in .Autan", einem beliebten Repellent , Hydroxyethyl-isobutyl-piperidin-carboxylat als wirksame Verbindung verwendet. Neuerdings sucht man nach möglichst einfach anzuwendenden und preiswerten Verfahren . So hängt man in den Tropen mit einem Insektizid imprägnierte Moskitonetze vor Türen und Fenster, um den nächtlichen Einflug von Stechmücken in die Wohnr äume zu unterbinden . Diese Netze müssen nach etwa 6 Monaten erneut imprägniert werden . Mansonia richiardii. Der früher verwendete Gattungsname Taeniorhynchus ist nicht mehr gültig . Die Weibchen von M . richiardii legen im August/September zu einem Schiffchen vereinigte Eier auf der Wasseroberfläche vegetationsreicher, nicht austrocknender Brutgewässer ab. Larven und Puppen dieser Art kommen im Gegensatz zu den übrigen einheimischen Stechmückenlarven zur Sauerstoffbeschaffung nicht an die Wasseroberfläche, sondern bohren mithilfe von Sägezähnen am Atemrohr oder an den Atemhörnchen Wasserpflanzen an und entnehmen diesen Sauerstoff. Man sonia hat nur eine Generation pro Jahr. Die Mücken schlüpfen im Juni/Juli . Die Weibchen sind bei Tag und Nacht sehr zudringlich und können in den Brutgebieten bei massenhaftem Vorkommen eine Plage sein.
Simuliidae (Kriebelmücken) Die Kriebelmücken sind klein, nur etwa 4--5 mm lang, dunkelgefärbt und erinnern durch ihren gedrungenen, durch das aufgewölbte Scutum bucklig erscheinenden Habitus, die kurzen Beine und die breiten, schuppenlosen Flügel mehr an eine Fliege als an eine Mücke (Abb, 20-9C). Die Augen sind auffallend groß . Die hornförmigen Antennen haben 9-12 Glieder, bei den meisten Arten II Glieder. Bei den Blut saugenden Weibchen weisen die Spitzen der Maxillen und Mandibeln Zähnchen auf, die bei den nicht Blut saugenden Männchen
fehlen. Ebenso wie bei den Stechmücken gibt es auch bei Kriebelmücken autogene Formen, deren Weibchen, ohne Blut aufgenommen zu haben, entweder nur den ersten Satz Eier oder sämtliche Eier bilden können . Unter den blutsaugenden Arten sind manche nicht wählerisch, während andere Vögel oder Säugetiere bevorzugen . Der Mensch wird von keiner Art sonderlich bevorzugt. Kriebelmücken sind gute Flieger und wurden in manchen Fällen kilometerweit von ihren Brutgewässern entfernt angetroffen. Da Kriebelmücken in Höhen von 1500 m gefangen wurden, nimmt man an, dass weite Wanderungen wohl auch durch Verdriften unterstützt werden könnten. In Europa und Nordamerika schlüpft die als Larve überwinternde Generation im Frühjahr massenhaft, sobald im Brutgewässer ein Temperaturanstieg erfolgt und werden so zu einer Plage für Mensch und Vieh. Odagmia ornata kann auch in verschmutzten, verkrauteten Gewässern zur Massenvermehrung kommen . Hierfür könnte sowohl das erhöhte Nahrungsangebot als auch das Verschwinden von Räubern verantwortlich sein. Kriebelmücken stechen wohl wegen ihrer vorwiegend optischen Orientierung fast stets am Tage. Manche Arten bevorzugen bestimmte Körperstellen ihrer Wirte, beispielsweise nur die Ohren oder nur die Bauchregion. Die Blutaufnahme dauert relativ lange, im Allgemeinen 4--6 Minuten, bisweilen bis zu einer Stunde. Sie erfolgt im Abstand von wenigen Tagen; bisweilen saugen auch die Weibchen Blütennektar. Die Stichwirkung kann sehr verschieden sein und hängt in starkem Maße von der Gewöhnung ab. Daher leidet Rindvieh, vor allem Jungvieh, das zum ersten Mal auf die Weide kommt, im Frühjahr besonders stark unter massenhaften Stichen. Neben Stichwirkungen und Schorfbildungen besonders in der Bauchregion, bei Kühen in der Euterregion, bei Bullen in der Skrotumregion, können vorwiegend bei Jungtieren sogar Todesfalle durch heftige allergische Reaktionen vorkommen. In manchen Gebieten kann wegen des massenhaften Vorkommens von Kriebelmücken Viehzucht unmöglich sein. Beim Menschen führt der Stich von Kriebelmücken häufig zur Bildung ungewöhnlich großer, stark juckender Quaddeln und schmerzhafter Schwellungen in der Umgebung der Stichstelle, in Extremfällen auch zu Schwächeanfallen und Schüttelfrost. Die Entwicklung der Kriebelmücken findet im Wasser schnell fließender Bäche oder FIüsse statt; einige afrikanische Arten entwickeln sich auch in stehenden Gewässern. Die Eier werden an Wasserpflanzen und Steinen in Gruppen zu 150-600 Stück abgelegt. Die langgestreckten, flaschenförmigen Larven sondern auf Pflanzen, Steinen und anderen Substraten überaus klebfähigen Schleim ab und halten sich daran mithilfe zahlreicher kleiner Cuticulahäkchen am Hinterende fest (Abb.20-9D). Am Kopf sind neben den Mundwerkzeugen ein Paar charakteristische, auffallende Fächer vorhanden, die keine Wasserströmung erzeugen, sondern passiv aus dem vorbeiströmenden Wasser Nahrungspartikel herausfiItrieren und diese von Zeit zu Zeit mithilfe der Mandibeln zur Mundöffnung transportieren. Am Thorax ist ein Fußstummel vorhanden, sodass sich die Larven egelartig fortbewegen können. Die Larven durchlaufen 6--8 Stadien. Ihre Entwicklungsdauer hängt von der Temperatur des Brutgewässers ab. In den Tropen dauert sie nur 1-2 Wochen. In Deutschland sind 2-3
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger
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Abb. 20-9: Gnitzen und Kriebelmücken. Gnitzen (Ceratopogonidae) sind außerordentlich kleine, nur
'-4 mm lange, mit charakteristisch gefleckten Flügeln versehene, vor allem in subarktischen Gebieten massenhaft auftretende Blutsauger. A Weibchen von Cu/icoides obso/etus. B Beinlose Gnitzenlarve. Die Kriebelmücken (Simuliidae) sehen auf den ersten Blick wegen ihrer gedrungenen Gestalt fliegenartig aus und sind ebenfalls klein, nur 4-5mm lang. CWeibchen von Simu/ium damnosum in Seitenansicht. D Dorsalansicht einer Larve. Die Larven leben in Fließgewässern, wo sie mit ihren fächerförmigen Kopfanhängen Algen und Detritus aus dem Wasser filtern und sich mit einem Hakenkranz am Hinterende (hier nicht sichtbar) und klebrigem Schleim an Pflanzen und Steinen festheften. E Die Puppen sind durch einen von der Larve gesponnenen Köcher an Pflanzen verankert und mit auffallenden Kiemenfäden sowie Augen- und Flügelanlagen versehen. (A, B nach Guzewitsch 1956, C nach Crosskey 1973, Dnach Martini 1946)
Fächer
co ' ''-'''7' - -f I
B
Generationen während des Sommers möglich. Die Überwinterung erfolgt auf dem Larvenstadium. Zur Verpuppung spinnt die Larve einen tütenförmigen Kokon, mit dem sie sich nahe der Wasseroberfläche an Wasserpflanzen oder Steinen festheftet. Die Puppe hat charakteristische, fadenförmige Kiemen (Abb. 20-9E).
Psychodidae und Phlebotomidae Seit 1964 unterscheidet man statt der früheren Gesamtgruppe Psychodidae zwei Familien, Psychodidae (Schmetterlingsmücken) und Phlebotomidae (Sandrnücken). Beide wurden wegen ihrer auffallenden Behaarung an Körper und Flügeln als Schmetterlingsmücken bezeichnet (Abb. 20-17). Die Psychodidae (moth-flies) sind keine Blutsauger, da ihr kurzer Rüssel nicht als Stechorgan dienen kann . In Ruhe halten sie die Flügel dachförmig angeordnet. Psychoda-Arten kommen bei uns vor allem auf Aborten und massenhaft in Kläranlagen vor; in letzteren finden die Larven an den von Bakterien bewachsenen Schlacken gute Entwicklungsbedingungen. Die Phlebotomidae haben kräftige, stechende Mundwerkzeuge mit 5-gliedrigen Tastern , die länger sind als der Stechapparat. Die Flügel werden von diesen sehr kleinen Mücken nicht dachförmig, sondern erhoben "wie bei Engelchen" getragen (Abb. 20-17). Die Phlebotomidae haben, im Gegensatz zu den Psychodidae, keine oder nur eine reduzierte Analader und eine geringere Behaarung der Flügel. Zu den Phlebotomidae, die vorwiegend in den Tropen und Subtropen vorkommen, gehören inzwischen mehr als 530 Arten , von denen die
o
Flügelanlage
E
Hälfte in Amerika vorkommt. Von medizinischer Bedeutung sind die Gattungen Phlebotomus und Sergentomyia in der Alten Welt und Lutzomyia in Amerika. Als Brutplätze dienen dunkle und feuchte, aber nicht nasse Höhlen , Erdspalten, Schutthaufen sowie Bauten von Nagern . Neuerdings hat sich herausgestellt , dass auch Vieh- und vor allem Hühnerställe den Phlebotomen während der Blutverdauung als Ruheplatz und manchen Arten auch als Brutstätten dienen. Hühnerdung dient hierbei nicht als Larvennahrung. Die Larven der Phlebotomen fressen organische Substanzen , einschließlich Insektenresten und Abfällen. Daher finden manche Arten in menschlichen Siedlungen der Tropen und Subtropen sehr günstige Entwicklungsbedingungen und können als Imagines zu einer Plage werden. Die Entwicklung von der Eiablage bis zum Schlüpfen der Mücke kann etwas mehr als 4 Wochen dauern. Ebenso wie bei den Stechmücken saugen auch bei den Sandrnücken nur die Weibchen Blut. Tagsüber ruhen die Tiere, nachts sind sie aktiv, vor allem an warmen , windstillen und feuchten Abenden. Phlebotomen bleiben im allgemeinen in unmittelbarer Nähe ihrer Brutplätze. Sie stechen vorwiegend an Stellen mit dünner Haut im Gesicht und Nacken , an Händen , Füßen und Knöcheln . Die Stichstellen jucken stark und längere Zeit. Nur wenige Arten saugen am Menschen . Bevorzugt werden Hühner und andere Vögel sowie Reptilien. Die Wirtsspezifität ist bei einigen Arten gering. Phlebotomus papatasi hat in Südeuropa zwei Flugzeiten, im Juni und im August bis September. Die Sandrnücken wurden im Mittelmeergebiet nach dem 2. Weltkrieg durch die langfristige und großräumige Bekämpfung der Malaria über-
650
20 Medizinische Entomologie
tragenen Mücken gleichfalls vernichtet. Die nachlassenden Bekämpfungsaktionen und die zunehmende Insektizidresistenz haben auch bei den Phlebotomen wieder zu einer Zunahme dieser Mücken geführt.
Ceratopogonidae (Gnitzen) Die Gnitzen sind kleine bis sehr kleine Mücken von 1-4 mm Länge (Abb.20-9A). Wegen dieser geringen Gr öße benötigt man vor allem in Tundragebieten im hohen Norden Europas, Asiens und Nordamerikas, wo sie massenhaft auftreten können, Mückennetze mit besonders engen Maschen. Von den etwa 50 Gattungen sind nur 4 Gattungen medizinisch als Blutsauger und Überträger von Krankheitserregern beim Menschen und bei Säugetieren von Interesse : Culicoides ist mit etwa 800 Arten weltweit verbreitet. Die Larven (Abb. 20-9 B) entwickeln sich in feuchtem Boden oder am Rande von Gewässern , auch in brackigem Wasser und in Meerwasser sowie in den Tropen auch in Blattachselwasser von Pflanzen. Auch in dieser Gruppe saugen nur die Weibchen mit ihrem kurzen Stechrüssel Blut. Die meisten Arten stechen in den Abend- und Nachtstunden. Die Stiche verursachen eil) unangenehmes Brennen .
Tabanidae (Bremsen) Bremsen sind schnelle und geschickte Flieger mit auffallend gefärbten Augen und hornähnlichen Fühlern. Auch in dieser Gruppe sind nur die Weibchen Blutsauger. Ihre recht klobigen Mundwerkzeuge verursachen schmerzhafte Stiche. Weltweit gibt es über 3000 Arten . Als Plagegeister des Menschen kommen nur drei Gattungen in Frage : Tabanus, die eigentlichen Bremsen, eng!. horse-flies, mit glasklaren Flügeln und einheitlich gefärbten oder mit Querbanden versehenen Augen; Haematopota (Abb. 20-IOA) , Regenbremsen oder blinde Fliegen mit gefleckten Flügeln und einer zickzackförmigen Augenfärbung; Chrysops, deren Flügel ein breites, getöntes Band und deren Augen eine fleckenhaft verteilte Färbung aufweisen . Blutdürstige Weibchen von Bremsen können rasant und hartnäckig angreifen und zu einer Plage für Mensch und Vieh werden. Sie sind sogar in der Lage, Reiter, Radfahrer usw. zu verfolgen . Die Larven entwickeln sich im schlammigen Uferbereich von Gräben, Teichen, Seen und Flüssen . Tabanidae können mechanisch, mit an den Mundwerkzeugen haftenden Blutresten Anthrax- und Anaplasmose-Erreger übertragen. In Europa, Nordasien und Nordamerika verbreiten sie gemeinsam mit Zecken die Tularaemie, eine Krankheit, die durch das Bakterium Francisella (Pasteurella) tularenis verursacht wird. In Afrika sind Chrysops-Arten Vektoren einer Filarie (Loa loa).
Hippoboscidae (Lausfliegen) Die Lausfliegen erhielten ihren Namen, weil sie von gedrungener Gestalt sind und wie die Läuse sich geschickt mit ihren stämmigen, mit mächtigen Krallen versehenen Klammerbeinen im Haar- oder Federkleid ihrer Wirte bewegen (Abb. 25-71 F) . Ihre Flügel können verschieden stark reduziert sein. Die Mundwerkzeuge
sind stechend-saugend. Die Lausfliegen legen keine Eier, sondern geben verpuppungsreife Larven ab. Hippobosca equina die Pferdelausfliege ist geflügelt. Die Hirschlausfliege Lipoptena cervi bleibt im männlichen Geschlecht geflügelt, während die Weibchen nach Erreichen eines Wirtes die Flügel abwerfen . Sie kommen bei verschiedenen Cervidae vor. Pseudolynchia maura ist durch Haustauben weltweit verbreitet. Die Schafslausfliege Melophagus ovinus, eng!. fälschlich sheep tick genannt, hat keine Flügel, wird durch Kontakt übertragen und lebt während der gesamten Entwicklung auf dem Wirt ; die Puparien haften durch ein klebriges Sekret an der Schafwolle. Alle genannten Arten greifen bisweilen auch den Menschen an . So können Hirschlausfliegen nach dem Abschuss eines Hirsches diesen verlassen und womöglich massenhaft auf dem Jäger landen. Der Stich der Lausfliege ist schmerzhaft; unangenehm ist auch das Festklammern an Haut und Haaren.
Glossinidae (Tsetsefliegen) Die Tsetsefliegen werden meistens als Unterfamilie der Muscidae oder als Gattung der Stomoxyinae (Stechfliegen) geführt. Die einzige Gattung, Glossina, kommt ausschließlich in den subtropischen und tropi schen Gebieten Afrikas zwischen 5° nördlicher und 20° südlicher Breite vor. Tsetsefliegen halten die Flügel in Ruhestellung flach über dem Abdomen angeordnet (Abb. 25-74). Der Rüssel ist nach vorn gerichtet. Anders als bei anderen Museiden hat die Arista auf der Antenne nur auf der Oberseite gefiederte Haare. Die Tsetsefliegen legen keine Eier ab, sondern verpuppungsreife Larven , die im "Uterus" durch Drüsensekrete ernährt werden (Abb. 1-36). Trotz ihres guten Flugvermögens führen die Tsetsefliegen keine Wanderungen aus. Die Tsetsefliegen übertragen mehrere Trypanosoma-Arten, u. a. die Erreger der Schlafkrankheit und der Nagana (Abb. 20-18).
Muscidae und andere Adulte Muscidae besitzen leckende, mit typischen LabelIen versehene, oder stechende Mundwerkzeuge. Die Stubenfliege Musca domestica legt etwa 2000 Eier vor allem in Dung ab. Aus den Eiern schlüpfen beinlose Larven , sog. Maden von 6-12 mm Länge, die sich nach zwei Häutungen in der Cuticula des 3. Larvenstadiums verpuppen. Aus der t önnchenförrnigen Puppe schlüpft die Imago durch einen kreisförrnigen Spalt in der Puppenhülle (cyclorraph). Die Gesamtdauer der Entwicklung ist temperaturabhängig und liegt zwischen 8 und 50 Tagen. Zur Verschleppung von Krankheitserregern s. 20.4.1. Beim Wadenstecher Stomoxys calcitrans (Abb. 20-10) beträgt die gesamte Entwicklungszeit 27-37 Tage, nachdem 60-100 Eier von den etwa 70 Tage lang lebensfähigen Weibchen in Dung abgelegt wurden. Bei dieser Art saugen Männchen wie Weibchen Blut und haben neben ihrer Lästigkeit besondere Bedeutung als mechanische Überträger der Erreger des Milzbrandes, der infektiösen Anämie und anderer Krankheiten. Die graue Fleischfliege Sarcophaga carnaria wird etwa 10-16 mm lang . Die Weibchen setzen an Tierkadavern im Freien kleine, lebende Larven ab. Dies erfolgt auch an Menschen bei entsprechenden unhygienischen Umstän-
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger
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Abb. 20·10: Drei Beispiele für Fliegen mit medizinischer Bedeutung. ARegenbremsen Haematopota pluvialis haben auffallend große Augen und mehrgliedrige, hornartige Fühler. B Die Stubenfliege Musca domestica und Cder Wadenstecher Stomoxys calcitrans haben kurze, dreigliedrige Antennen. Beim Wadenstecher erkennt man deutlich den nach vorn ragenden Stechrüssel (s. Abb. 25-73 E). (Anach Martini 1952, B, C nach Cloudsley-Thompson 1969)
A
den. Diese Larven kriechen dann in Körperöffnungen (Nase, After) und führen zum Krankheitsbild der Myiasis. Im weiteren haben diese Fliegen als mechanische Überträger von verschiedenen Krankheitserregern große Bedeutung. Die blaue Schmeißfliege Calliphora erythrocephala die 10-14 mm groß wird und ihre etwa 1000 Eier im allgemeinen an Aas ablegt, kann ebenso wie Fliegen der Gattung Sarcophaga zum Myiasis-Erreger werden. In warmen Gebieten legen verschiedene Lucilia-Arten, die sog. Goldfliegen, die als Adulte gold- bis blaugrün erscheinen, ihre Eier in Geschwüre, in den Gehörgang und in die Nase von im Freien schlafenden Personen. Die ausschlüpfenden Larven können schwere Schäden verursachen; infolge Sepsis kann es sogar zu Todesfallen kommen.
20.3.5 Flöhe Die Flöhe sind in beiden Geschlechtern Blutsauger an Warmblütern, und zwar zu etwa 6% an Vögeln und zu etwa 94% an Säugetieren. Sie sind wenig wirtsspezifisch, wohl aber bis zu einem gewissen Grade nesttypspezifisch . Flöhe sind seitlich abgeplattet und ohne deutliche Gliederung in die drei Körperregionen. Sie können sich hervorragend, vor allem aufgrund ihrer schneepflugartigen Form und durch Staken mit ihren langen Beinen, zwischen den Haaren oder Federn ihrer Wirte bewegen. Ein Zurückrutschen wird durch die schräg nach hinten gerichtete Beborstung, vor allem durch die aus Reihen dicker Borsten gebildeten "Kämme" verhindert. Die kurzen, keulenförmigen Antennen sind bei der Fortbewegung nicht hinderlich , denn sie können in seitlich am Kopf vorhandene Gruben gelegt werden. Die langen Mittel- und Hinterbeine dienen als Sprungbeine. Das Sprungvermögen ist beträchtlich (s. Kap. 9). Vogelflöhe erreichen Weiten bis zu 25 cm; vom Menschenfloh Pu/ex irritans wurden Sprungweiten bis zu 35 cm und Sprunghöhen bis zu 20 cm beobachtet. Die fünfgliedrigen Tarsen sind mit stark gebogenen Krallen versehen, die hervorragend zum Festhalten an Haaren oder Federn eines
B
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Wirtes geeignet sind. Da am Prätarsus keine Hafteinrichtungen vorhanden sind, bewegen sich die Flöhe auf glatter Unterlage recht hilflos. Alle Flöhe sind flügellos (Abb, 20-11). Von den weltweit etwa 1600-2000 beschriebenen Arten kommen in Mitteleuropa etwa 80 Arten vor. Von diesen sind aber nur 5-10 Arten von medizinischer und hygienischer Bedeutung . Die Flöhe sind gelb- bis schwarzbraun gefärbt. Die Beborstung der Kopfregion ist für die Taxonomie von besonderer Bedeutung (Abb. 20-11). Augen fehlen entweder ganz oder sind nur in Form von einem Paar Einzelaugen vorhanden, die dicht vor den Antennen liegen (Abb. 20-11). Die Pygidialplatte am Hinterende des Abdomens ist mit zahlreichen Trichobothrien versehen, die der Wahrnehmung von Luftströmungen und damit der Wirtsfindung dienen dürften (Abb. 25-67). Die stechend-saugenden Mundwerkzeuge sind relativ klein. Beim Stich vollführen Flöhe fast einen Kopfstand (Abb. 20-11). Es dringen nur Epipharynx und Lacinien (maxillare Stechborsten) in die Haut ein. Im Gegensatz zu anderen Blutsaugern wird der Floh beim Blutsaugen leicht gestört, sticht aber rasch wieder an anderer Stelle. Dadurch sind Flohstiche meist reihen- oder gruppenweise angeordnet. Beijedem erneuten Einstich jucken auch die früheren Stichstellen. Hase bezeichnete dies als "Repetieren". So kommt es, dass bereits ein einzelner Floh den Eindruck erwecken kann, es seien zahlreiche Flöhe am Werke. Das Krabbeln der Flöhe auf der Haut, das Jucken, das "Repetieren" früherer Stichstellen und die vergebliche Suche nach den Urhebern können in beträchtlichem Maße die Nachtruhe stören . Die geradezu "chevalereske" Gestalt des Flohs und das unruhige nächtliche Saugen im Bett haben dem Floh als einzigem Blutsauger eine unerwartete literarische Bedeutung eingebracht. Bezeichnungen wie der "Hauptmann Habhintenacht" sind charakteristisch. In der Literatur ist immer wieder die unsinnige Aufassung zu finden, der Floh besuche fast ausschließlich Frauen und Mädchen. In ihrer Phantasie verwandelten sich Poeten in Flöhe und näherten sich so unauffällig der Angebeteten im Bett.
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20 Medizinische Entomologie
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E
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Ein gutes Beispiel liefert Wilhelm Busch in "Tobias Kn opp : "Julchen": ,,0 wenn dein Busen sanft sich hebt , o denk , dass dich mein Geist umschwebt , und kommt vielleicht ein kleiner Floh und krabbelt so, sei ruhig Liebchen , da s bin ich, dein Dieterich, dein Dieterich." Daß man den Floh als unliebsamen Hausgenos sen zur Genüge kannte, zeigen auch viele Spr ichwörter: "In einem feinen Hemd gibt es a uch Flöhe." "Zum Flöhefangen und Studieren braucht man keine Gesellschaft. " "Magere Flöhe beißen scha rf." "Je fetter der Floh, desto magerer der Hund." 1823 behauptete Köchy, er habe in der Pari ser Nati onalbibliothek Goethes D issertation "Juristische Abhandlung über die Flöhe " gefunden. Er versuchte, dem alternd en Goethe diese "Jugend sünd e" unterzuschieben. In Wirklichkeit handelte es sich um einen bereits 1635 in Marburg erschienenen Stud entenulk , die .D isputatio juridica de pulicibu s". Da rin wurden Themen erörtert wie: Gehören die in einem Bett vorhandenen Flöhe zu den beweglichen oder - ebenso wie das Bett - zu den unbeweglichen Sachen? Darf man einen Floh in der Kirche töt en, wenn man ihn dort fasst? Nach der Heiligen Schrift sei der Mann Herr seines Weibes und habe daher das uneingeschr änkte Recht zur Jagd nach Flöh en auf ihrem Körper, da zu den Früchten eines Grundstück s die Jagd und der Vogelfang gehören. Wenn der Floh von der Ehefrau auf deren Mann übergehe und diesen steche, so könne der Mann auf widerrechtlich es Viehweiden klagen. In Unkenntnis der Biologie der Flöh e versuchte man ,
Abb. 20-11: Flöhe. Köpfe von: A Menschenfloh Pu/ex irritans, B Pestfloh Xenopsylla cheopis, C Hundefloh Ctenocephalides canis, 0 Katzenfloh C. felis, E Floh in Saugstellung. F-H Sandfloh Tunga penetrans. F Nüchternes Weibchen, G, H zwei Entwicklungsstadien des Weibchens in der Haut des Wirtes. (A-Enach Peus 1938, F-H nach Geigyund Herbig 1955)
die Flöhe mit besonders konstru ierten, mit Honig beköderten und in der Kleidung unte rgebrachten Fallen zu fang en.
Flohstiche sind gekennzeichnet durch einen kleinen, dunklen, unter Um ständen mehrere Tage sichtbaren Punkt inmitten eines rötlichen, stark juckenden Hofes. Die Rötung geht im Allgemeinen rasch zurück, während das Jucken tagelang anh alten kann . Im einzelnen sind die Reaktionen auf Flohstiche wie bei aIlen Insektenstichen und aIlergischen Erscheinungen individuell sehr verschieden. Da Flöhe, wie bereits erwähnt, ihren Darm mit Wirtsblut regelrecht dur chspülen, treten in Unterwäsche und Bettzeug kleine Blutflecken auf. Flöhe haben eine holometabole Entwicklung. Die etwas län glichen, weißen Eier werden schubweise abgelegt; ein Weibchen von Pu/ex irritans kann bis zu 450 Eier legen, ein Weibchen des Katzenflohs in Gruppen von 8- 10 pro Tag etwa 25 und insgesamt bis zu 1000 Eier. Die Larven ähneln manchen beinlosen Dipterenlarven (Abb. 2568 A ). Die Larvenentwi cklu ng dauert bei Pu/ex irritans bei 18- 27 "C und 70-90 % relativer Feuchte etwa 14 Tage. Die Lar ven entwickeln sich bei den meisten Arten im Nest oder Lager des Wirtes oder in dessen Nähe. Eine Ausnahme bildet der Kaninchenfloh Spilopsyllus cuniculi der permanent auf seinem Wirt lebt. Erste Versuche zur Ernä hrung von Flohlarven führten
20.3 Lästlinge und Krankheitserreger schon Leeuwenhoek (1693) und Roesel von Rosenhof (1749) durch . Seither ist immer wieder behauptet worden, Flohlarven seien Allesfresser, die sich von Detritus und sogar kleineren Gliedertieren ernähren. So wurde behauptet, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wären in London die langen Röcke der Damen das Transportmittel, um feinen, getrockneten Pferdemist als Nahrung der Flohlarven von den Straßen in die Wohnungen zu befördern . Erst neuerdings konnte nachgewiesen werden, dass der Detritus zwar als Substrat für die thigmotaktisehen Flohlarven wichtig ist, aber als Nährsubstrat allenfalls in Notzeiten und mit schlechten Ergebnissen verwertet wird. In Wirklichkeit leben diese Larven in erster Linie von eingetrockneten Blutresten. Die erwachsenen Flöhe saugen wesentlich mehr Blut als zur Darmfüllung nötig ist. Sie spülen ihren Darm regelrecht mit Blut und das im Übermaß gesaugte Blut gelangt in das Nest der Wirte. Nach dem Eintrocknen handelt es sich um geriefte Stränge, die rasch zerbröseln und in Wasser leicht löslich sind. Sie werden durch das Sekret der Speicheldrüsen der Larven aufgelöst und anschließend verdaut. Das übermäßige Blutsaugen der Imagines ist demnach keine Verschwendung, sondern eine besondere Art der Brutpflege. Verpuppungsreife Larven spinnen mithilfe eines in den ungewöhnlich großen Speicheldrüsen gebildeten Fadens einen Kokon. Dieser ist durch anhaftenden Detritus aus der Umgebung hervorragend getarnt. Die Puppenruhe dauert beim Menschenfloh etwa 7-10 Tage. In Deutschland benötigt diese Art für die gesamte Entwicklung im Sommer 4 Wochen, im Winter etwa 6 Wochen. Eine bemerkenswerte Besonderheit ist die sog. Kokonruhe der Flöhe. Der Floh kann nach dem Schlüpfen aus der Puppenhülle noch im Kokon bleiben. Unklar ist, welche Faktoren für die Dauer und die Beendigung der Kokonruhe verantwortlich sind. Erschütterungsreize scheinen dabei eine besondere Rolle zu spielen. Die Kokonruhe kann kurz sein, kann aber auch über ein Jahr dauern . In lange Zeit nicht bewohnten und zuvor stark befallenen Gebäuden kann es schlagartig zu massenhaftem Auftreten von Flöhen kommen, wenn diese gleichzeitig die Kokonruhe beenden. Flöhe werden auch bei längerem Nahrungsmangel nicht zu Wanderungen veranlasst. Sie bleiben im Nest, Nistkasten oder Lager ihres Wirtes, auch wenn dieser längere Zeit ausbleibt. Im Gegensatz dazu verlassen Flöhe, die das Haarkleid des Wirtes bewohnen, den Wirt rasch nach dessen Tod und suchen nach einem neuen Wirt. Ein altes Sprichwort zeigt, dass dies auch für den Menschen gilt: "Wenn die Flöhe einen Menschen verlassen, ist er schwer krank. " Das rasche Abwandern der Flöhe von einem toten Wirt spielt auch in der Epidemiologie der Pest eine besondere Rolle (s. 20.4.3).
Menschenfloh Der Menschenfloh (Pu/ex irritans) ist an der extrem dürftigen Beborstung der Kopfpartien (Glatze) und dem Fehlen von Borstenkämmen zu erkennen (Abb.20-11) . Er ist heute weltweit verbreitet außer in den tropischen Gebieten Asiens. Ursprünglich war er nicht in Mitteleuropa beheimatet. Der Menschenfloh befällt nicht nur den Menschen, sondern auch Haustiere und verschiedene wildlebende Säugetiere sowie alle möglichen Gele-
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genheitswirte. In Mitteleuropa spielt er heute im Wohnbereich des Menschen keine Rolle mehr. Seit den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts hat sich in den zahlenmäßigen Relationen der drei häufigsten Floharten im Bereich des Menschen ein beträchtlicher Wandel vollzogen (Abb. 20-12). Bei Flohplagen sind Katzen doppelt so häufig wie Hunde beteiligt, und das Verhältni s von Katzenfloh zu Menschenfloh betrug in den vergangenen Jahren bereits 18 : I. Dieser Wandel dürfte verschiedene Ursachen haben. Die Trockenheit in heutigen Wohnungen, die in den letzten Jahrzehnten eingetretenen Veränderungen im Wohnbereich in Form von fehlenden Dielenritzen, Verwendung von Staubsaugern und vor allem die drastische Zunahme von Haustieren , besonders von Katzen, in Wohnungen gelten als Ursache für das auffallende Schwinden des Menschenflohs und die beherrschende Rolle des Katzenflohs im hygienischen Bereich in Mitteleuropa.
Katzenfloh Der Katzenfloh Ctenocephalides felis (Abb. 20-11D) kommt ebenfalls weltweit vor. Er ist in Mitteleurop a nicht autochthon, sondern stammt aus Nordafrika und Vorderasien. Katzenimporte durch die Römer nach Mitteleuropa sind zwar schon im 3. Jh . erfolgt, doch ist die Katze als Haustier erst seit dem 14. Jh . stärker verbreitet. Hauptwirt für diese Flohart ist die Hauskatze, doch befällt dieser Floh auch Hunde, Ratten und andere Nager und sogar Vögel sowie vor allem den Menschen. Entsprechend seiner Herkunft aus wärmeren Ländern entwickelt sich der Katzenfloh offenbar besser in menschlichen Wohnungen als im Freien. Massenvermehrungen von Katzenflöhen können durch unhygienische Haltung von Katzen und Hunden zustande kommen und unter Umständen die ganze Nachbarschaft in Mitleidenschaft ziehen, wenn nichts dagegen unternommen wird. Verflohte Lager von streunenden Katzen in Schuppen , Gartenlauben, Kellern und anderen Schlupfwinkeln können zum Ausgangspunkt von Plagen werden, die sich bisweilen schon über ganze Siedlungen erstreckt haben. Hundefloh Der Hundefloh (Ctenocephalides canis, Abb. 20-11 C) ist heute ebenfalls weltweit verbreitet. Er ist in Mitteleuropa autochthon und befällt neben dem Hau shund auch Fuchs, Wolf, Hauskatze, Kaninchen, Ratten , Wiesel, Iltis, Steinmarder, Haussperling, Mäusebussard usw.. Hundeflöhe gehen sehr leicht auf den Menschen über; daher rührt das alte Sprichwort: "Wer sich mit Hunden niederlegt, steht mit Flöhen auf'. Eine grobe Unterscheidung von Hunde- und Katzenfloh ist aufgrund folgender Merkmale möglich: Der erste Zahn des Kopfkammes ist beim Hundefloh halb so lang wie der zweite, während sie beim Katzenfloh beide gleich lang sind; die Kopfpartie vor dem Auge ist beim Katzenfloh ausgedehnter als beim Hundefloh.
Rattenfloh Der Rattenfloh (Nosopsyllu s fasciatus ) ist weltweit verbreitet. Hauptwirt ist die Wanderratte. Daneben kommt diese Art aber auch bei zahlreichen anderen Nagetieren
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20 Medizinische Entomologie
. ~ Pu/ex irritans
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-
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Clenocepha/ides
conis
CI. feHs 1800
1850
1900
1950
1980
A
Ceratoonvtlu: spp.
Cerataphyflus spp.
D
Pulex itntons Pulex irritans
Pu/ex imtons Clenocephalides canis Ctenocepha/ides felis
Clenocepha/ides felis
CI. canis
B
1961/62
•
Ceralophyflul spp.
1981/8 2
Abb. 20·12: Häufigkeit der Floharten in Wohnungen. (Nach Vater und Vater 1984).
sowie auf Raubtieren vor, denen Nager als Beute dienen; merkwürdig ist in dieser Hinsicht, dass der Rattenfloh ebensowenig wie der Hausrnausfloh, Leptopsylla (Ctenopsyllus) segnis bei der Katze auftritt. Der Rattenfloh wechselt leicht auf den Menschen über.
Pestfloh Der tropische Rattenfloh oder Pestfloh Xenopsylla cheopis (Abb. 20-11 B) kommt in den wärmeren Gebieten der Alten Welt vor. Er wurde immer wieder in Überseehäfen Mitteleuropas eingeschleppt, kann sich bei uns aber aus klimatischen Gründen nicht dauerhaft ansiedeln.
Vogelflöhe Vogelflöhe befallen auch den Menschen. Vor allem sind dies die an Hühnern und anderen Vögeln lebenden Arten Ceratophyllus gallinae und Echidnophaga gallinacea bzw. die auf der Taube vorkommende Art Ceratophyllus columbae. In Hühnerställen haben die Hühnerflöhe den Vorteil, dass ganzjährig der Wirt und optimale Entwicklungsbedingungen in den Nestern zur Verfügung stehen. Entsprechend stark ist die Vermehrung der Flöhe, wenn
nichts dagegen unternommen wird. In Nistkästen für Meisen hat man im Durchschnitt 100, maximal sogar 5754 Flöhe pro Nistkasten gefunden . Beim Reinigen solcher Nistkästen können ganze Scharen von Flöhen über den Menschen herfallen. Von Vogelflöhen wird behauptet, sie könnten unter Umständen, wenn auch sehr selten, aus Nestern von Tauben oder Spatzen in benachbarte Wohnungen gelangen.
Sandfloh Der Sandfloh Tunga (Sarcopsy lla) penetrans ist im tropischen Afrika heimisch und vermutlich bei Sklaventransporten von Westafrika nach Mittel- und Südamerika mit dem als Ballast in Segelschiffen verwendeten Sand verschleppt worden. Er wird in diesen Gebieten sand-flea, jigger oder chigoe genannt. Dieser sehr kleine Floh kann vor allem als vollgesogenes Weibchen nicht mit anderen Flöhen verwechselt werden (Abb. 20-11F-H) . Er kommt auch bei Schweinen vor. Die Larven entwickeln sich im Sandboden. Die Entwicklung vom Ei bis zur Imago wird je nach Umgebung stemperatur in etwa 3 Wochen durchlaufen. Nach dem Schlüpfen suchen die Flöhe nach einem geeigneten Wirt. Die Weibchen befallen vor allem
20.4 Insekten als Zwischenträger oder Überträger von Krankheitserregern
die Füße von Mensch und Schwein, und zwar besonders die weiche Haut zwischen den Zehen und unter den Nägeln; es können aber auch andere Körperpartien wie Hände, Ellenbeuge und Genitalregion zur Ansiedlung dieser Flöhe dienen. Das Abdomen des Weibchens, in dem mehrere tausend Eier heranreifen, wächst in etwa 8-10 Tagen zu Erbsengröße heran und wird zunehmend von der Haut des Wirtes überwallt. Es bleibt schließlich nur eine kleine Öffnung für die Atmung und die Abgabe von Eiern und Kot (Abb. 20-11 G u. H). In der Haut eingenistete Sandflöhe müssen sehr sorgsam entfernt werden, damit nicht Sekundärinfektionen durch Eitererreger entstehen. Die Bekämpfung der Flöhe erfolgt mit Insektiziden. Bei Haustieren ist eine Behandlung auch der Lagerstatt unerlässlich, damit die Brut vernichtet wird. Als Bekämpfungsmittel hat sich Imidacloprid in den letzten Jahren hervorragend bewährt. Es gehört zu einer neuen Klasse von Insektiziden, den Neonicotinoiden und wirkt als Nervengift.
20.4 Insekten als Zwischenträger oder Überträger von Krankheitserregern 20.4.1 Insekten als Zwischenträger, Verschleppung von Krankheitserregern Die Ruhr (Dysenterie) kann entweder durch Bakterien (Shigella-Arten) oder durch die Ruhramöbe Entamoeba histolytica verursacht werden. Bei der Bakterienruhr beginnen die Krankheitserscheinungen sofort nach der Infektion, während bei der Amöbenruhr erst 3 Wochen bis 3 Monate nach der Infektion Krankheitserscheinungen auftreten. In beiden Fällen verursachen die blutigen, schleimigen Durchfälle einen erheblichen Verlust an Körperflüssigkeit. Bisher ist noch nicht ausreichend geklärt, wie es zur Bildung der bösartigen Form der Amöbenruhr kommt, bei der die Amöben in der Lage sind, das Darmepithel zu durchbrechen. Geraten die Amöben in die Blutbahn, so können sie zu verschiedenen Organen, in erster Linie in die Leber gelangen, und richten dort verheerende Zerstörungen an. Die Cysten der Ruhramöbe werden einerseits durch Schmutz- und Schmierinfektion und andererseits durch Fliegen verbreitet, wenn diese, von infiziertem Kot kommend, Lebensmittel und Speisen besuchen (Abb. 20-13) . Der Mensch vergräbt nicht von Natur aus seinen Kot, wie dies die Katze tut. Der Mensch ist offensichtlich auf
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der gleichen Stufe wie der Hund stehengeblieben und muss erst durch Erziehung lernen, wie man mit diesen Dingen umgeht. Daher steht schon in der Bibel, im 23. Kapitel des 5. Buchs Mose, Vers 12 und 13: "Und Du sollst draußen vor dem Lager einen Ort haben, dahin Du zur Not hinausgehst. Und sollst eine Schaufel haben, und wenn Du Dich draußen setzen willst, sollst Du damit graben; und wenn Du gesessen hast, sollst Du zuscharren, was von Dir gegangen ist." Die Berücksichtigung dieser uralten Regel half im 2. Weltkrieg, als im Deutschen Afrikakorps eine Ruhrepidemie begann. Adulte Stubenfliegen besuchen nicht nur häufig Fäkalien, sondern auch gelegentlich eiternde Wunden und können dadurch mechanisch zahlreiche weitere Krankheitserreger wie die Erreger des Typhus, der Cholera, der Kinderlähmung sowie von Salmonellosen übertragen. Von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit der Übertragung der Ägyptischen Augenkrankheit (Trachom), die von einem bakterienähnlichen Mikroorganismus, Chlamydia trachomatis, verursacht wird. Die Krankheit ist in den südlichen und östlichen Ländern am Mittelmeer, in Afrika, in weiten Teilen Asiens sowie in Südamerika verbreitet. Man nimmt an , dass etwa 400 Mil1. Menschen vom Trachom befallen sind, und dass diese Krankheit die häufigste Ursache der Blindheit ist. Sie grassiert vor allem unter mangelhaften hygienischen Bedingungen. Zur Diagnose fertigt man Ausstriche des an den Augen der Patienten vorhandenen Eiters an, behandelt sie mit markierten Antikörpern und untersucht sie fluoreszenzmikroskopisch. Zur Behandlung dienen Antibiotika. Der Erreger kann durch Stubenfliegen, aber auch durch direkten und indirekten Kontakt, beispielsweise durch gemeinsam benutzte Handtücher, verbreitet werden .
20.4.2 Übertragung von Viren Viren sind eigenständige infektiöse Einheiten, die aus Proteinen und einer Nucleinsäure, DNA oder RNA, aufgebaut sind. Ein reifes Viruspartikel (Virion) enthält die Nucleinsäure, das Capsid und unter Umständen noch eine besondere Hülle. Das Capsid besteht aus einer für die einzelnen Arten charakteristischen Zahl von Capsorneren, aus mehreren Proteinen zusammengesetzten kugeloder zylinderförmigen Untereinheiten. Die bisher als Krankheitserreger bekannt gewordenen Viren haben eine kubische Symmetrie der Capsomeren. Die 32-252 Capsomeren sind in Form eines Ikosaeders angeordnet. Viren besitzen weder Zellstrukturen noch einen eigenen Stoffwechsel, können aber einige Enzyme enthalten und können sich nur in lebenden Zellen vermehren. Daher können zur Chemotherapie Enzymhemmer und lnterfe-
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20 Medizinische Entomologie
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Abb.20-13: Verschleppung von Krankheitserregern. A Cysten der Ruhramöbe, Entamoeba histo!ytica, können von Stubenfliegen Musca domestica verbreitet werden, da diese sowohl Fäkalien wie Nahrungsmittel des Menschen aufnehmen. B In den Cysten der Ruhramöbe erfolgen bereits Kernteilungen. Gelangen die Amöben in den Darm des Menschen, so verlassen sie die Cyste und teilen sich. Sie verursachen blutig-schleimige Durchfälle. Die Magna-Form (Gewebe-Form) istin der Lage, das Darmepithel zu durchbrechen und aufdem Blutwege andere Organe wie Leber, Lunge und Gehirn zu erreichen.
ron, nicht aber Antibiotika eingesetzt werden. Daneben sind Schutzimpfungen möglich. Insekten können eine Vielzahl von Virusarten übertragen, die bis vor einigen Jahren als "Arboviren" (arthropod-borne viruses) zusammengefasst wurden, bis sich herausstellte, dass es sich um eine künstliche Gruppe handelt. Von diesen Viren kommen beim Menschen mindestens 40 Arten vor; 15 Arten sind von besonderer human- oder veterinärmedizinischer Bedeutung. Insgesamt kennt man annähernd 250 .A rboviren" aus Stech-
mücken. Die meisten .Arboviren" gehören zu einer Gruppe von RNA- Viren, den Togaviren, und werden Alpha- (etwa 37 Arten) und Flaviviren (etwa 70 Arten) genannt. Eine weitere wichtige Gruppe, die früher zu den Arboviren gestellt wurde, sind die Bunyaviren (etwa 250 Arten). Als Überträger kommen insgesamt etwa 150 Arten Stechmücken, u. a. aus den Gattungen Aedes, Anopheles, Culex, Mansonia und Culiseta in Frage; die größte Bedeutung als Überträger haben die Gattungen Culex und Aedes. Die Viruskrank-
20.4 Insekten als Zwischenträger oder Überträger von Krankheitserregern
657
Tab. 20-1: Übersicht über die wichtigsten Togaviren. (Nach Kayser et a!. 1989) Virusart
Überträger
Verbreitung
Krankheitserscheinungen
1. Alphaviren Chikungunya O'nyong-nyong Sindbis
Aedes Anophe/es Cu/ex
Dengue-Syndrom; hämorrhag. Fieber Dengue-Syndrom; hämorrhag. Fieber Dengue-Syndrom
Östl, West!. Encephalitis
Aedes, Cu/ex
Afrika, SO-Asien 0-, W-Afrika Öst!. Mittelmeer, Afrika, Australien, 5-, SO-Asien Amerika
2. Flaviviren Dengue
Aedes
Gelbfieber Jap. B·Encephalilis Murray-Valley-Encephalilis St-louis-Encephalitis
Aedes Cu/ex Cu/ex Cu/ex
5-, SO-Asien, Pazifik, W-Afrika, Karibik, nörd!. S-Amerika M-, S-Amerika; W-, Zentral-Afrika 0-, 50-, S-Asien Australien, Neuguinea Amerika
heiten sind in ihrem Vorkommen auf das Verbreitungsgebiet der für die betreffenden Viren geeigneten Überträger beschränkt. Die als Überträger oder Vektoren fungierenden Stechmücken nehmen die Viren bei einer Blutmahlzeit auf, wenn sie an einem Wirt während der relativ kurzen Zeit saugen, in der die Viren im Blut vorkommen (Virämie). Im Überträger machen die Viren eine Entwicklung und Wanderung durch, die im Allgemeinen 1- 2 Wochen in Anspruch nimmt. Nach dieser Präpatentperiode sind die Mücken für den Rest ihres Lebens infektiös. Unbekannt ist bisher die Bedeutung der peritrophischen Membranen (s. 4.5.2) als Barriere gegen einen Befall des MitteIdarmepithels. Für das Eindringen in die Mitteldarmzellen scheint entscheidend zu sein, dass an deren Oberfläche spezifische Virusrezeptoren vorhanden sind. Auf Seiten der Viren sind die Eigenschaften der Komponen ten in der Hülle von besonderer Bedeutung für das Eindringvermögen . Die Aufnahme der Viren erfolgt meistens auf dem Wege der Endocytose. Virale Fusionsproteine und Endosommembran fusionieren, das Nucleocapsid gelangt ins Cytoplasma und gibt die RNA frei. Stechmücken können anscheinend die Vermehrungsrate der Virus-RNA kontrollieren , u.a. indem sie die Menge der Substrate für die RNA -Synthese oder die RNA -Polymerase regulieren. Die nachfolgende Reifung der Viren erfolgt, a nders als in Säugetierzellen, vor allem ohne pathologi sche Erscheinungen . Togaviren reifen in VesikeIn und werden anschließend nach Fusion dieser Vesikel mit der Plasmamembran im basalen Teil der MitteIdarmzeIlen a usgeschleust. Vor dem Übergang in die Haemolymphe ist die Basallamina des Mitteldarmepithels ein Hindernis für die Viren. Über die zellulären und humoralen Abwehrmechanismen gegen Viren in der Haemo lymphe ist erst wenig bekannt. Alle .A rboviren" befallen rasch und intensiv den Fettkörper der Über träger. Anders als die Alphaviren befallen Flavi- und Bunyaviren in starkem Maße das Nervensystem, während Muskelzellen allenfalls von Alphaviren befallen werden. Für die Aufnahme der Viren durch Speicheldrüsenzellen sind anscheinend wiederum spezifische Rezeptoren erforderlich. Außerdem scheinen auch in den Speicheldr üsenzellen Mechanismen zur Regulation des Virenbefalls vorhan -
Encephalilis Dengue-Syndrom; hämorrhag. Fieber hämorrhag. Fieber Encephalilis Encephalilis Encephalitis
den zu sein. Der Infektionsweg des Virus durch eine als Überträger dienende Mücke kann somit an verschiedenen Stellen blockiert oder reguliert werden. Auf diesem interessanten Gebiet gibt es noch viele wesentliche Fragen zu klären . Bei vielen Bunyaviren ist eine Übertragung auf die Nachkommenschaft durch transovariale Übertragung nachgewiesen (s. Papatacifieber). Diese Art der Ausbreitung kann über viele Generationen erfolgen, ohne dass eine orale Neuinfektion erfolgen muss. Togaviren weisen ein ikosaedrisches Capsid mit 25-50 nm Durchmesser und eine enganliegende, aus der Plasmamembran der Wirtszelle stammende H ülle sowie eine einzelsträngige RNA mit einem Moleku largewicht von etwa 3 x 106 Da auf. Die von Togaviren beim Menschen hervorgerufenen Krankheiten verlaufen sehr verschieden und meistens in zwei Pha sen. In einer ersten, keineswegs charakteristischen Phase kommt es zu Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie bisweilen zur Bildung von Exanthemen und die Viren befinden sich im Blut. Vielfach folgt nach 1-3 Tagen eine zweite Phase, in der zumindest drei verschiedene Syndrome auftreten können (Tab. 20-1): Ein gutartig verlaufendes dengueartiges Syndrom; • Encephal itis und Meningoencephalitis mit hoher Letalität; • Hämorrhagisches Fieber mit hoher Letalit ät.
Die Diagnose von Viruskra nkheiten erfolgt im allgemeinen serologisch, da die Viren nur kurze Zeit nach der Infektion im Blut vorhanden sind. Das Gelbfieber ist eine sehr gefährliche, von Flaviviren hervorgerufene Tropenkrankheit (Abb.20-14). Das Virus ist 20-30 nm groß und wird von Mücken übertragen . Das Gelbfieber ist nicht ausrottbar, denn es hat in den endemischen Gebieten ein Reservoir in Affen, in den tropischen Gebieten Südamerikas sind es Brüllaffen (A/ouatta sp.), Klammeraffen (Ale/e s sp.), Totenkopfäffchen (Saimiri sp.) und Nachtaffen (Aotus sp.) sowie im tropischen Afrika Meerkatzen und Stummelaffen. Die Reservoirform des Gelbfiebers bezeichnet man als Dschungel-Gelbfieber, die in menschlichen Siedlungen auftretende Form als urbanes Gelbfieber. Im tropischen Südamerika wird die Dschungelform von Haemagogus-
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20 Medizinische Entomologie
Affen
BuschGelbfieber
Versch. Cul icidae
Mensch
Urbanes Gelbfieber
Mdes
oegypli
c
D
Abb.20-14: Das Gelbfieber gehört zu den nicht ausrottbaren Reservoirkrankheiten. A Überträger ist die Gelbfiebermücke Aedes aegypti die eine charakteristische weiße, Iyraförmige Zeichnung aufweist. B Das als Reservoir fungierende Buschgelbfieber kann in menschliche Siedlungen verschleppt werden und sich dort als Urbanes Gelbfieber ausbreiten. C Schematische Darstellung der Vermehrung von Togaviren in einer Wirtszelle. D Verbreitung des Gelbfiebers.
Arten übertragen , die in Baumhöhlen brüten. In Afrika kommen bei dieser Form als Überträger eine ganze Reihe von Aedes-Arten in Frage. Die urbane Form wird von Aedes aegypti, der Gelbfiebermücke, übertragen . Transovariale Übertragung des Virus ist bei Mücken der Gattung Haemagogus nachgewiesen. Dies ist sehr wichtig im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Durchseuchung in Trockenzeiten. Während in Amerika die urbane Form, wohl infolge der intensiven Mückenbekämpfung in den letzten 30 Jahren keine Rolle mehr gespielt hat, sind in Afrika in diesem Zeitraum mehrere schwere Epidemien zu verzeichnen; am schlimmsten war die I960-1962 in Aethiopien aufgetretene, die etwa 100000 Menschen betraf und etwa 30000 Todesopfer forderte.
Wahrscheinlich ist das Gelbfieber in den tropischen Gebieten Afrikas sowie Mittel- und Südamer ikas schon immer vorhanden gewesen und nicht erst durch den Sklavenhandel verschleppt worden. Unklar ist, warum das Gelbfieber in den tropischen Gebieten Asiens und Australiens nicht vorkommt , obwohl dort alle Voraussetzungen vorhanden sind. Nachgewiesen ist eine geringe Vektorkompetenz der asiatischen Stämme von Aedes aegypti. Nach der Infektion bleibt das Virus etwa 3 Tage im Blut des Kranken. Nur während dieser Zeit können sich weitere Mücken an dem Infizierten anstecken. Vom 3. Tage p. i. beginnt die Erkrankung mit unspezifischen Erscheinungen wie hohem Fieber sowie Schlaflosigkeit infolge starker Kopf- und Rückenschmerzen. Charak-
20.4 Insekten als Zwischenträger oder Überträger von Krankheitserregern
teristisch sind eine Gelbsucht und Gelbfärbung des Harns. Nach weiteren 2-4 Tagen sinkt da s Fieber, und die Erkrankung kann einen gutartigen Verlauf nehmen . Meistens folgt aber rasch erneut hohe s Fieber. Die Leber kann innerhalb kurzer Zeit stark nekrotisch werden . Infolgedessen wird die Gelbsucht stärker, und blutigschwarze Massen werden erbrochen. In der Niere werden die Gefäße im Tubulusbereich schwer geschädigt, was zu Blutungen (H ämorrhagien) führt; die Harnmenge kann bis zum völligen Versiegen abnehmen. Bei vollem Bewusstsein und schweren Ang st- und Erregungszuständen kann vielfach ein qualvoller Tod bereits zwischen dem 6.-10. Krankheitstag eintreten. Die Mortalität srate variiert außerordentlich; sie erreichte während einer Epidemie in Rio de Janeiro 1928-1929 fast 60%. Die ersten Berichte über das Gelbfieber erschienen um 1500 im Zusammenhang mit Eroberungszügen der Spanier in der Karibik. In den nachfolgenden Kämpfen zwischen Spaniern, Franzosen und Engländern in diesem Bereich spielte immer wieder das Gelbfieber eine außerordentliche Rolle. Um 1800 verkaufte Frankreich nach schwersten Verlusten unter den Truppen durch Gelbfieber mehr als die westliche Hälfte des Mississippitals an die Vereinigten Staaten und begründete damit die spätere Vormachtstellung der USA im karibischen Raum. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die USA von insgesamt 95 Gelbfieberepidemien heimgesucht, die zahllose Opfer forderten und die Wirtschaft schwer schädigten. Immer wieder wurde das Gelbfieber durch infizierte Mücken an Bord von Schiffen in spanische, französische und englische Häfen sowie zu den Kanarischen Inseln verschleppt, die als Zwischenhalt für die den Atlantik kreuzenden Schiffe dienten. Schiffe mussten in Quarantäne eine gelbe Flagge setzen ; daher wurde da s Gelbfieber auch als .Yellow Jack" bezeichnet. Ein sehr bekanntes Beispiel für die verheerende Wirkung des Gelbfiebers und der Malaria in den Tropen ist der Bau des Panamakanals. In der ersten Bauphase heuerte Ferdinand von Lesseps, der Erb au er des Suezkanals, 500 Ingenieure an ; keiner von ihnen erlebte die Auszahlung des ersten Monatsgehalts. 20000 Men schen - ein Drittel der am Bau beteiligten Europäer - starben an Malaria und Gelbfieber. Erst als die USA den Bau übernahmen und zunächst einmal eine gründliche Mückenbekämpfung durchführten, konnte der Kanal fertiggestellt werden. Gegen Gelbfieber hilft nur eine prophylaktische Schutzimpfung mit Lebendvakzine. die wahrs cheinlich einen lebenslänglichen Schutz gewährleistet. Bei Ländern , in denen Gelbfieber vorkommt, ist diese Impfung die Voraussetzung für die Einreisegenehmigung. Eine wesentliche Schutzmaßnahme gegen eine erneute Ausbreitung der Krankheit ist ferner nach wie vor eine weiträumige Mückenbekämpfung in gefährdeten Gebieten . Denguefieber galt bis vor wenigen Jahrzehnten als eine gutartig verlaufende Viruskrankheit. Seither ist es zu einer sehr gefährlichen, in schneller Ausbreitung begriffenen Viruskrankheit geworden, die in Asien , dem Westpazifik sowie in Mittel- und Südamerika etwa 1,5 Milliarden Menschen bedroht. Der Name Dengue bezieht sich auf die schmerzbedingte Körperhaltung der Erkrankten und leitet sich entweder vom spanischen dengue = Ziererei , Mätzchen oder nach anderer Auffassung vom Suaheli-Ausdruck la dingo pepo = plötzlicher,
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krampfartiger Anfall ab. Ursprünglich war diese Krankheit vermutlich eine Zoonose, die von Anopheles albopictus übertragen wurde. Diese Rolle übernahm nach dem 2. Weltkrieg die in den immer größer werdenden Slumgebieten heutiger Großstädte in den Tropen sich ausbreitende Gelbfiebermücke Aedes aegypt i. Gleichzeitig breitete sich eine Variante des Denguefiebers, das Hämorrhagische Denguefieber (dengue haemorrhagic fever, DHF), von den Philippinen und Indonesien au sgehend , in ganz Asien aus. Von 1956-1989 wurden 2,5 Millionen Erkrankungen gemeldet, davon 70% im letzten Jahrzehnt, vorwiegend in Asien und neuerdings au eh in Amerika. 20000 Menschen starben an dieser Krankheit. Am meisten gefährdet sind bei dieser Variante des Denguefiebers Kinder von 1-5 Jahren. Nach einer Inkubationszeit von 5-8 Tagen folgt eine erste, 2-3 Tage währende Phase mit hohem Fieber, Kopf- , Muskel- , Gelenk- und Leibschmerzen sowie Erbrechen. An den folgenden Tagen schwillt das Gesicht an und die Extre mitäten werden feucht und kalt . Anschließend beginnen die Hämorrhagien an Haut und Schleimh äuten, Na senbluten und es kann Blut im Erbrochenen wie im Stuhl auftreten. Die übrigen in Tab. 20-1 erwähnten, meist gutartig verlaufenden Viruserkrankungen mit Dengue-Syndrom und hämorrhagischem Fieber sollen hier nicht näher behandelt werden. Die Encephalitis verurs achenden, von Stechmücken übertragenen Arten hab en ein Reservoir in Vögeln . Der Erreger des Papataci- oder Dreitage-Fiebers gehört zu den Bunyaviren. Er kommt vorwiegend in Niederungen und Flußtälern des Mittelmeergebiets, des Mittleren Ostens und Indiens vor. Dieses Virus wird von Sandm ücken , vor allem Phlebotomus papatasi, übertragen. Anders als die vorgen annten Arten kann dieses Virus wahrscheinlich vom Mü ckenweibchen auf die Eier und weiter auf die Larven übergehen (s.o.). Die Krankheit wurde auch Hundsfieber genannt, weil man sich dabei hundeelend fühlt. Die Inkubationszeit beträgt 3-4 Tage. Die Viren haben einen Durchmesser von 20-25 nm und sind nach Ausbruch der Krankheit nur 24 Stunden im Blut des Patienten vorhanden. Papatacifieber tritt auf dem Balkan und im Mittelmeergebiet ab Juni bis in den Herbst auf, mit besonderer Heftigkeit im Hochsommer, und ist an das Vorkommen der Sandm ücken gebunden. Der Stich einer einzigen infizierten Mücke genügt zur Infektion. Es kommt rasch zu hohem Fieber, Schwächeund Schwind elgefühl bis zur Ohnmacht, fehlendem Appetit und Übelkeit. Nach drei Tagen geht das Fieber wieder zurück. Schwächeanfalle und Durchfall können aber noch länger anhalten. Rückfalle treten nach zwei Monaten nicht mehr auf, denn die Krankheit hinterl ässt eine unvollst ändige Immunität.
20.4.3 Übertragung von Bakterien Die Pest wird von dem Bakterium Yersinia pestis (altes Synonym: Pasteurella pestis) verursacht und von Flöhen übertragen. Sie gehört zu den unausrottbaren Reservoirkrankheiten und kommt bis heute in unzugänglichen Gebieten praktisch aller
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Abb. 20-15: Übertragung der Pestdurch Flöhe. A Der Floh nimmt beim Blutsaugen diePesterreger auf. sie vermehren sich im Darm und können bei einem weiteren Saugakt in einen Menschen gelangen. B Heute noch vorhandene Pestherde. (A nach Geigy und Herbig 1955, B nach Ackerknecht 1965)
Erdteile vor (Abb. 20-15). Die Erreger sind unbegeißelte, mit Kapsel versehene, gramnegative, stäbchenförmige Bakterien, deren Kapselproteine antigen und phagocytosehemmend wirken. Flöhe saugen bei Pestkranken die Erreger mit der Blutnahrung auf. In ihrem vorderen Darmabschnitt vermehren sich diese Bakterien massenhaft , sodass sie den Proventrikel blockieren können . Die Lebensdauer eines solchen Flohs beträgt etwa 3--4 Wochen, während ein Floh ohne blockierten Proventrikel bis zu einem halben Jahr alt werden kann . Bei einer erneuten Blutmahlzeit kann ein infizierter Floh durch Regurgitation Pestbakterien in den Blutkreislauf eines Menschen befördern . Auf dem Blutwege gelangt der Erreger in Lymphknoten, die 2-5 Tage nach der Infektion stark anschwellen, hämorrhagisch verfärbt sind und Bubonen oder Beulen genannt werden. Über 90% der Pestfalle gehören zu dieser als Bubonen- oder Beulenpest bezeichneten Form. Gelangen die Pesterreger anschließend in die Blutbahn und in die Lunge, so kommt es zur Bildung eines hochinfektiösen Sputums, das weitere, direkte Infektionen verursachen kann . Diese als Lungenpest bezeichnete Form ist hochgradig letal. Die Pest ist ursprünglich eine Zoonose, die bis heute in Nagerpopulationen fast aller Erdteile vorkommt und
offenbar eine Bevölkerungsregulation bei den Nagern bewirkt. Unter bestimmten Umständen kann die Pest aus diesen Reservoiren ausbrechen und über Ratten als Zwischenglied sowie durch Flöhe als Vektoren den Menschen befallen. Dieser epidemiologische Zusammenhang konnte, obwohl die Pest zumindest seit dem Klassischen Altertum eine der schlimmen Geißeln der Menschheit ist, erst anlässlich einer Pestepidemie in Bombay 1905 als gesichert gelten. Man nahm lange Zeit an, dass die Rattenflöhe Nosopsyllus fasciatus und Xenopsylla cheopis die Pest von den Ratten auf den Menschen übertragen. Neuerdings hat man aber Grund zu der Annahme, dass stattdessen früher, in Mitteleuropa zumindest, der Menschenfloh Pu/ex irritans an der Übertragung der Beulenpest beteiligt war. Dies wurde bei der Untersuchung einer Pestepidemie in Nepal 1967/68 bestätigt, mit der eine Massenvermehrung des Menschenflohs P. irritans einherging. China und Indien waren jahrtausendelang endemische Herde der Pest. Allerdings ist zu bedenken, dass ältere Überlieferungen, wenn sie von Pestilenzen berichten , keineswegs nur die Pest meinen. Zumindest drei Pandemien gelten heute als gesichert. Im Altertum war es die Große Pest im Zeitalter Justinians, die 60 Jahre wütete, im Mittelalter der Schwarze Tod und in der Neuzeit eine
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Pandemie, die 1855 in China begann und bis 1922 über Indien, Japan und die Philippinen nach Australien, Amerika und Südafrika gelangte. Im 14. Jh. wurden in manchen Gebieten Europas zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung durch den "Schwarzen Tod" dahingerafft. Man nimmt an, dass insgesamt etwa 25 Mill. Menschen während dieser furchtbarsten Pandemie starben . Arbeit und Handel wurden beeinträchtigt und Feldzüge mussten aufgegeben werden. 400 Jahre lang folgten weitere Epidemien in verschiedenen Gebieten Europas, 1666-1670 im Rheinland, in Holland und in Belgien, 1680-1682 in Sachsen. Während der letzten Pandemie starben allein in Indien in den Jahren 1896--1917 10 Mill. Menschen an der Pest. Seit 1720 blieben Mittel- und Westeuropa von der Seuche verschont. Dies könnte zu tun haben mit der während der letzten 200 Jahre zunehmenden Verdrängung der Hausratte (Rattus rattus) durch die Wanderratte (R. norvegicus) in Europa und mit der Verbesserung des Lebensstandards und der hygienischen Verhältnisse in den letzten hundert Jahren. Weltweit wurden der WHO im vergangenen Jahrzehnt nur noch 15000 Fälle von Pest beim Menschen gemeldet, in erster Linie aus dem Grenzgebiet zwischen Peru und Ecuador sowie aus Südindien und Vietnam.
20.4.4 Übertragung von Rickettsien Rickettsien sind Bakterien von runder bis ovaler Form mit einem Durchmesser von 0,3-0,5 mm, die sich bei der Gramfärbung schwach, mit der Gierusafärbung aber gut färben lassen. Sie leben und vermehren sich, mit Ausnahme von Rochalimaea (Rickettsia) quintana, obligat intrazellulär und können im Gegensatz zu den Viren mit Antibiotika bekämpft werden . Rickettsien ohne medizinische Bedeutung können im Darm, Fettkörper (Abb. 4-27, D, E), Malpighischen Gefäßen, Kiemen usw. einer großen Zahl von Arthropodenarten vorkommen. Man nimmt daher an , dass sie ursprünglich Parasiten von Arthropoden waren und erst sekundär durch Blutsauger in Säugetiere gelangten. Bei den Rickettsiosen des Menschen kann man vier Varianten unterscheiden, die übertragen werden von: • Läusen: Klassisches Fleckfieber, Fünftagefieber und Endemisches Rückfallfieber, • Flöhen: Murines Fleckfieber, • Milben: Japanisches Flussfieber (Tsutsuga-
mushi-Krankheit), • Zecken: Fleckfieber der Rocky Mountains u. a . Das klassische Fleckfieber, auch Flecktyphus und im Englischen typhus fever genannt, wird von Rickettsia prowazeki verursacht. Es kommt nicht nur, wie immer wieder angegeben wird, in Europa und Asien vor. Vermutlich ist es hier aber ursprünglich beheimatet. Das Fleckfieber hatte früher vor allem in Osteuropa und Russland große Bedeutung und wurde von hier aus immer wieder
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zu einer Bedrohung Westeuropas (s. u.). Die Übertragung erfolgt in erster Linie durch die Kleiderlaus. Die Rickettsien befallen das Mitteldarmepithel der Laus, vermehren sich massenhaft in den Zellen und zerstören sie. Die Infektion des Menschen erfolgt nicht beim Stich der Kleiderlaus, sondern durch den trockenen, staubfeinen Kot , der bei infizierten Läusen massenhaft Rickettsien enthält (Abb. 20-16) . Beim Kratzen der stark juckenden Läusestiche können kleine Wunden entstehen , über die Rickettsien in den Körper des Menschen gelangen können. Rickettsien können außerdem mit Hausstaub, der infizierten Läusekot enthält, eingeatmet werden. Die in den Körper des Menschen gelangten Rickettsien siedeln sich in den Endothelzellen der Kapillaren und kleineren Blutgefäße an und vermehren sich darin . Aus zerstörten Endothelzellen werden die Rickettsien frei, gelangen in die Blutbahn und können weitere Endothelzellen befallen. Nach einer Inkubationszeit von etwa 8-12 Tagen beginnt schlagartig ein mindestens 10 Tage anhaltendes, sehr hohes Fieber. Es kommt zur Ausbildung von Flecken auf der Haut, die der Krankheit den Namen gegeben haben, und 2-4 cm im Durchmesser erreichen können. Sie sehen zunächst wie Flohstiche aus, dunkeln rasch und können sich in schweren Fällen immer stärker ausdehnen. Weitere Krankheitserscheinungen sind starke Benommenheit bis hin zum Delirium, starke Kopf- und Gliederschmerzen, Frösteln sowie Husten. Zur Behandlung verwendet man, wie bei allen Rickettsien-Erkrankungen, Breitband-Antibiotika , Vor Einführung der Antibiotika betrug die Letalität bei FleckfieberPatienten 10-20%. Ein spezifischerNachweis der Krankheitserreger ist möglich durch Blutausstriche, die mit fluoreszenzmarkierten Antikörpern behandelt werden. Als Schutz vor dieser epidemisch auftretenden Krankheit, die stets mit Verlausung verbunden ist, hilft nur eine rigorose Läusebekämpfung mithilfe von Insektiziden. Bei besonders exponierten Personen kann eine Schutzimpfung angebracht sein. Das Fleckfieber hat in der Geschichte ebenso wie Pest und Malaria eine außerordentliche, von den Historikern völlig unterschätzte Rolle gespielt. Stets trat es im Verein mit Kriegshandlungen, Flüchtlingselend, Hungersnöten, Skorbut, Ruhr und Pest in Erscheinung. Anhand alter Quellen ist meistens nicht eindeutig festzustellen, um welche Krankheit es sich bei einer Epidemie wirklich gehandelt haben könnte. Erst seit etwa 1500 sind die Krankheitsbeschreibungen genau genug, um die Ursachen der einzelnen Epidemien auseinanderhalten zu können. So kann man annehmen, dass der großen Pestepidemie in London (1664), wie auch der Pest in Holland (1636), Marseille (1720), Aleppo (1760) und Moskau (1771), eine Fleckfieberepidemie vorausging oder folgte. In den vielen Kriegen zwischen Frankreich und Spanien während des Mittelalters war das Fleckfieber immer wieder von besonderer Bedeutung. Bei den Kämpfen zwischen Karl V. und Franz I. in Italien (1527-1529) spielte eine Fleckfieberepidemiebei der Belagerung Neapels durch die französischen Truppen eine entscheidende Rolle. Innerhalb von 3 Wochenstarben 21 000 von 58000 Mann an dieser Krankheit. Die berühmte Spanische
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Arm ada wurde während des Krieges gegen England 1588 nicht allein durch Kampfhandlungen, sondern mehr noch durch Krankheiten kampfunfähig und zur Flucht gezwungen . Durch die endlosen Verzögerungen bei den Vorbereitungen zu dieser Expedition verdarben die riesigen Nahrungs- und Wasservorräte. So kam es zu Ruhrepidemien. Die drangvolle Enge und die für uns heute unvorstellbaren hygienischen Bedingungen auf den Schiffen führten während des Mittelalters zu starker Verlausung der Besatzungen und in der Folge zu Fleckfieberepidemien . Ähnlich wie der spanischen Armada erging es auch der englischen Flotte. Imm er wieder waren die Verluste durch Krankheiten, insbesondere Fleckfieber, größer als durch Kampfhandlungen . Dies galt auch bei Belagerungen von befestigten Städten durch Landtruppen. Das Fleckfieber griff auf die Bevölkerung der belagerten Städte über und wurde von Soldaten ebenso wie von Flüchtlingen im Lande verbre itet. Vor und während des Dreißigj ährigen Krieges wurde Europa von Seuchenzügen heimgesucht, die im Verein mit Hun ger und Kriegsfolgen bekanntlich furchtbare Verwüstungen anrichteten. Typhus war anscheinend in der ersten Hälfte dieses Krieges, Pest in der zweiten Hälfte vorherrschend . 1632 fand eine Schlacht zwischen den Armeen Gustav Adolfs von Schweden und Wallensteins vor Nürnberg nicht statt, weil schon vor der Schlacht 18000 Soldaten an Typhus und Skorbut gestorben waren und die Überlebenden lieber das Weite suchten . Besser bekannt ist, dass die Armeen Napoleons in Russland nicht nur durch Winter, Hunger und russische Angriffe dezimiert wurden, sondern mehr noch durch Fleckfieber. 105000 Soldaten fielen, während 219000 Opfer von Krankheiten, allen voran Fleckfieber, wurden . In Russland und Italien kam es im 19. lahrhundert zu zahlreichen Fleckfieberepidemien. In den l ahren 1921 und 1922 wurden in der UdSSR 2 Mil!. Todesfalle durch Fleckfieber gemeldet. Auch auß erhalb Europas gab es Epidemien, vor allem in Mexiko, Südamerika, Nordafrika, Persien und China sowie in der ersten Hälfte dieses lahrhunderts auch in Nordamerika. Während des I. wie des 2. Weltkriegs unterblieben Fleckfieberepidemien auf deutscher Seite an der besonders gefährdeten Ostfront dank einer in großem Maßstab durchgeführten Läusebekämpfung. Eine kritische Situation entstand 1943, als in Neapel eine Fleckfieberepidemie ausbrach; sie wurde durch einen bis dahin noch nicht erprobten
Abb. 20-16: Übertragung von Fleckfieber durch die Kleiderlaus. Die Erreger gelangen mit einer Blutmahlzeit in den Darm der Laus, befallen die MitteIdarmzeIlen, vermehren sich darin und gelangen mit dem sehr trockenen Kot ins Freie. Der Mensch infiziert sich durch Inhalieren der Rickettsien. (Nach Geigy und Herbig 1955)
Masseneinsatz von DDT zur Läusebek ämpfung gestoppt. Vielleicht blieb dadurch das immunologisch gegen Fleckfieber nicht vorbereitete Mittel- und Westeuropa vor einer vernichtenden Epidemie bewahrt. Das Fünftagefieber oder Wolhynische Fieber wird von Rochalimaea (Ricke ttsia) quintana hervorgerufen. Es trat lediglich während der beiden Weltkriege beim Menschen in epidemischer Form auf. Im I. Weltkrieg verbreitete es sich an der Westfront gleichermaßen bei den deutschen, fran zösischen und englischen Truppen und erhielt damals den N amen Schützengraben-Fieber. In der als Überträger fungierenden Kleiderlaus dringen die Rickettsien nicht wie beim Klassischen Fleckfieber in das Darmepithel der Laus ein, sondern besiedeln lediglich die Oberfläche der Darmzellen sowie das Lumen des Darmes. Hier vermehren sie sich extrazellul är. Martini nahm an , dass diese Krankheit vor dem 2. Weltkrieg nicht beachtet wurde, weil sie nur unter verlausten Personen weit verbreitet gewesen sein könnte.
20.4.5 Übertragung von Spirochaeten Das europäische oder endemische Rückfallfieber oder Läuserückfallfieber kommt weltweit vor. Es wird von Spirochaeten der Art Borrelia recurrentis (syn. B. obermeieri) verursacht und sowohl von Kleider- wie auch Kopfläusen übertragen . Es wird aber weder beim Stich noch durch Läusekot übertragen, sondern kann nur nach dem Zerbeißen von Läusen in den Körper des Menschen gelangen. Diese Art Rückfallfieber wurde am Beginn dieses Jahrhunderts immer wieder aus Polen und den Balkanländern nach Mittel- und Westeuropa eingeschleppt. Zur Zeit ist es lediglich in Nordafrika von Bedeutung.
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c Abb. 20-17: Übertragung von Leishmania-Arten durch Phlebotomidae. A Sandfliege mit starker Behaarung und charakteristisch aufgestellten Flügeln . B Sandfliegen (Phlebotomlls, lutzomyis) nehmen beim Blutsaugen an einem infizierten Menschen amastigote Formen auf, die bis in den hinteren Mitteldarm gelangen und sich während dieser Wanderung in Promastigote umwandeln. Im hinteren Mitteldarm wird die Blutmasse samt Flagellaten von zahlreichen, vom Darmepithel sezernierten peritrophischen Membranen umgeben. Die Flagellaten vermehren sich lebhaft durch Teilung . Als infektionsfähige Promastigote gelangen sie wieder in den Ösophagus und können bei einer weiteren Blutmahlzeit der Mücke in einen neuen Wirt gelangen. In dessen Blut befallen sie Makrophagen, wandeln sich in Amastigote um und vermehren sich durch Teilung. An der Wand des Vorderdarms haften Paramastigote, an der des vorderen Mitteldarms Haptomonden. C Hautläsionen bei Befall mit Leishmania tropks. (A nach Lewis 1973. B nach Schlein 1993 und Geigy und Herbig 1952, C nach Piekarski 1954)
20.4.6 Übertragung von Flagellaten Die medizinisch wichtigsten Arten unter den Flagellaten gehören zu den Gattungen Leishmania und Trypanosoma und diese zur Gruppe der Kinetoplastida. Die Erreger der Hautleishmaniasis sind u.a. Leishmania tropica und L. aethiopica sowie der L. braziliense- und der L. mexicana-Komplex. Bei der Bezeichnung Hautleishmaniasis handelt es sich um einen Sammelbegriff für verschiedenartige Erkrankungen wie Orientbeule, Aleppobeule und Varianten der amerikanischen Haut- und
Schleimhautleishmaniasis, die in Südeuropa, Vorderasien, Indien, China, Innerasien, Nordafrika und Südamerika vorkommen . Überträger sind die nachts blutsaugenden Sandmücken der Gattungen Phlebotomus und in Südamerika Lutzomyia (Abb. 20-17). Die Erreger bleiben in der Nähe der Stichstelle in Zellen der Haut, um sich hier zu vermehren . Nach einer Inkubationszeit von mindestens einigen Wochen entstehen zunehmend größer werdende Läsionen und unansehnliche Geschwüre. Bei L. tropica heilen diese schließlich ab, und es bleibt eine lebenslange Immunität. Die Erreger der Eingeweideleishmaniase (Kala-Azar) sind Leishmania donovani, L. chagasi und L. in/anturn. Als Überträger fungieren ebenfalls Sandmücken . Die
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Erreger gelangen mit dem Blutstrom in verschiedene Organe und vermehren sich dort. Charakteristische Krankheitserscheinungen sind Fieber sowie starke Schwellungen von Leber, Milz und Lymphknoten. Unbehandelt verläuft diese Krankheit oft tödlich. Die beiden Erreger der Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei gambien se und T. b. rhodesiense kommen nur in Afrika in Bereichen vor, in denen die übertragenden Tsetsefliegen der Gattung Glossina leben (Abb. 20-18). Erst 2-4 Wochen nach der Infektion können die Para siten im Blutausstrich nachgewiesen werden. Bei der schubweisen Vernichtung der durch Antikörper angreifbar gemachten Trypanosomenpopulation werden Stoffwechselprodukte frei, die hohes Fieber verursachen. Obwohl hierbei über 98% der Trypanosomen vernichtet werden, erfolgt rasch die Vermehrung eines neuen Anti gentyps. Gelangen die Erreger in die Lymphe und nachfolgend während des Spätstadiums in das Zentralnervensystem, so setzt schwerer körperlicher Verfall ein. Die Schlafkrankheit hat ein großes Reservoir in Haus- und
Abb. 20-18: Übertragung der Schlafkrankheit. A Heutige Auffassung vom Wanderweg der Trypanosomen in der Tsetsefliege. B Entwicklung der Trypanosomen in der Tsetsefliege und im Menschen. Stadien mit surface coat sind punktiert. C Zur Bekämpfung der Tsetsefliegen haben sich massenhaft eingesetzte. leicht zu bauende Fliegenfallen aus Stoff bewährt, die mit Lockstoffund Insektizid versehen werden können. Bei der Anordnung der Schlupflöcher (schwarz) wurde das Anflugverhalten der Tsetsefliegen berücksichtigt. D Die Überträger der drei Unterarten von Trypanosoma brucei kommen nurin Afrika vor, und zwar in geeigneten Biotopen in dem grau gezeichneten Bereich. (C nach Busvine 1993)
Wildtieren . Nimmt die Tsetsefliege die Erreger beim Blutsaugen auf, so ist es für diese von Vorteil, wenn sie zunächst in den umfangreichen Kropf gelangen und hier die Umstellung vom glykolytischen Stoffwechsel, der im Säugetier blut möglich ist, zum oxidativen Stoffwechsel, der im Überträger erforderlich ist, durchführen können. Gelangen sie anschließend in den Mitteldarm, so sind die Trypanosomen in der Lage, die einschichtige peritrophisehe Membran am Beginn des Mitteldarms und nachfolgend das Mitteldarmepithel zu penetr ieren, um über die Hämol ymphe in die Speicheldrüsen zu gelangen. In den Speicheldrüsen erfolgen die Umwandlung der trypomastigoten in die epimastigote Form , eine Vermehrung sowie eine Umwandlung in die für Mensch und Tier infektions fähige sog. metazyklische trypomastigote Form . Diese kann bei einer erneuten Blutmahlzeit mit dem Speichel in ein Säugetier geraten . Die Dauer der nicht infektiösen Phase oder Präpatentperiode ist temperaturabhängig und kann 15-35 Tage da uern.
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Abb. 20-19: Die Chagaskrankheit in Südamerika. A Übertragung von Try-
panosoma cruzi. B Hemimetabole Entwicklung der übertragenden Raubwanzen der Gattung Triatoma. CVerbreitung der Chagaskrankheit in Süd- und Mittelamerika. (A, B nach Geigy und Herbig 1955)
Geschichte: Die Schlafkrankheit dezimierte in früheren Zeiten die Bevölkerung großer Gebi ete. Beispielsweise fiel im ersten Jahrzehnt un seres Jahrhunderts die Bevölkerung am Vikt ori asee zu 30% und in ga nz Uga nda zu 10% der Schl afkrankheit zum Opfer. Die N agana behinderte den Güterverkehr, für den früher Pferde und Ochsen als Zu gtiere unerlässlich waren, und stoppte Eroberungszüge durch Man gel an Nachschub, wie beispie lsweise bei der Ero beru ng des nördlichen Süd afrika durch die Buren . Die Chagaskrankheit wird von Trypan osoma cruzi veru rsa cht. Sie kommt nur in Lateinamerika vor und wird durch Raubwanzen (Red uviidae ) der G attungen Triatoma und Rh odnius übertragen (Abb. 20-19). Man schätzt, dass mindesten s 20 Mill . Men schen infiziert sind. D ie beim Blut saugen in den Darm der Wan zen gelangten tr yp om astigot en Formen wandeln sich in aund epimas tigo te Fo rmen um , vermehren sich und siedeln sich ma ssenhaft an der Cut icula des Enddarms an . Wenn nach einem erne uten Sau gakt das im aufgeno mmenen Blut entha ltene Wasser über den Enddarm abgegeben wird , so induziert dies eine Umwa ndlung der epimas tigoten in infekt ion sfähi ge tr yp om astigot e Formen . Die Infektion mit T. cruzi erfolgt nicht beim Stich , sondern durch Trypan osom en , d ie mit diesen Ausscheidungen der Wan zen a uf d ie Schleimh äute eines Menchen geraten oder in die H aut eingekratzt werd en . Sie infizieren zun äch st auch Makrophagen , werd en von diesen nicht vern ichtet, so ndern vermehren sich in ihnen als am astigote Formen. Die se können sich in epi- und na chfolgend tr ypomastigote Formen umw andeln, in die Blut-
bahn gelan gen und Herz-, Darm-, Mu skel- sowie Nervenze llen befallen . D a hun grige Wan zen vollgesogene Artgen ossen an stech en und a ussa ugen sowie zur Aufnahm e von darmbewohnenden Symbi onten Kot a ufsa ugen, kann durch diese Koprophagie eine Ausbre itung der Trypanosomen innerhalb einer Raubwanzenp opulation erfolgen. Im Men schen verläuft die Infekt ion zunäch st, wom öglich über 10-20 Jahre, sympto mlos in einer chronischen Form und kann dann plöt zlich zum Tod e führen. Der sicherste Nachweis der Parasiten erfolgt dadurch , dass Blut von Patienten a n nicht infizierte Raubwanzen verfütte rt wird . Ist das Blut eines Pat ient en infiziert, so vermeh ren sich die Par asiten innerha lb von etwa 3 Wochen im Darm der Wan ze so reichlich , da ss ein mikroskop ischer Nachweis ohne weiteres möglich ist.
20.4.7 Übertragung von Malaria Die Malaria gehört nach wie vor zu den gefähr lichsten Tropenk rankheiten. Die WeItgesundh eitsorganisation schätzt, dass pro Jahr 100 Mill. neue Malariafälle auftreten und dass die Zahl der jährlich durch Malari a verur sacht en Todesfälle im Bereich von 1,5-2,5 Millionen Menschen liegen dürfte. Die Todesfälle stellen nur einen Teil des Schadens dar, den die Malaria hervorruft. Von größter wirtschaftlicher Bedeutung ist, dass die
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Abb. 20·20: Malaria. A Es ist nur der Teil des Malariazyklus dargestellt, der in der Mücke abläuft. B Der dunkel gezeichnete Teil des Gesamtzyklus findet in der Mücke statt. C UnregelmäßigesAnfangsfieber und beginnende Fieberrhythmik bei Malaria tertiana, verursacht durch Plasmodium ovale. (A nach Geigy und Herbig 1955, Caus Piekarski 1954, verändert)
Kranken über längere Zeit nicht arbeitsfähig sind. Die Malaria des Menschen wird von 4 Arten der Gattung Plasmodium verursacht, die sich morphologisch und aufgrund des Fieberverlaufs unterscheiden lassen (Abb. 20-20): • Plasmodium vivax und P ovale: Malaria tertiana , jeden 3. Tag Fieberanfälle; • Plasmodium malariae: Malaria quartana, alle 4 Tage Fieberanfälle; • Plasmodium falciparum: Malaria tropica, unregelmäßige Fieberanfälle . Als Überträger der Malariaerreger kommen nur die Weibchen von etwa 60 Arten der Stechmückengattung Anopheles in Frage. Der Entwicklungsgang der Malariaerreger ist durch einen Generations-, Wirts- und Gewebswechsel kompliziert: Beim Stich einer infizierten Mücke werden Sporozoiten in die Blutbahn des Menschen übertragen, die zunächst in das Leberparenchym gelangen. Dort finden eine Reihe von Schizogonien statt . Die entstehenden Merozoiten wandern schließlich in die Blutbahn und befallen Erythrocyten. Einige bleiben aber als winzige Hypnozoiten
unter Umständen jahrelang in den Leberzellen und sind, außer bei Plasmodium fal ciparum, für Rückfälle (Rezidive)verantwortlich . Die ins Blut ausgewanderten und in Erythrocyten eingedrungenen Merozoiten sind von einer Membran, der parasitophoren Vakuole, umgeben, die sie ebenso wie die Plasmamembran des Erythro cyten ihren Bedürfnissen entsprechend verändern. Dadurch kann der Parasit das Hämoglobin, so weit er es abbauen kann , zu seiner Ernährung verwenden und weitere Substanzen aus dem Serum über die genannten Membranen importieren . In vielen Schizogoniezyklen entstehen über Schizonten immer neue Merozoiten, die weitere Erythrocyten befallen. Beim Zerfall der Erythrocyten werden Stoffwechselprodukte der Parasiten frei, die beim Menschen zu einer unspezifischen Reaktion in Form einer Temperaturerhöhung (Fieber) führen. Aus unbekannten Gründen werden schließlich Gamonten gebildet, die beim Blutsaugen in eine Mücke gelangen müssen, um in deren Mitteldarm die Gamogonie zu beginnen. Nach der Verschmelzung von Makro- und Mikrogamet entsteht eine runde Zygote, die zunächst eine einfache Plasmamembran besitzt. An einer Ausstülpung entsteht sodann die charakteristische dreischichtige Pellicula der Sporozoen und umgibt schließlich den schlanken Ookineten . Nach der Blutaufnahme sondert das
20.4 Insekten als Zwischenträger oder Überträger von Krankheitserregern Mitteldarmepithel der Mücke eine Vielzahl peritrophischer Membranen ab, die insgesamt eine die Blutmahlzeit umgebende peritrophe Hülle ergeben (s. 4.5.2). Erst etwa 48 Stunden nach der Blutaufnahme sezerniert das Mitteldamepithel Proteasen zur Verdauung der Blutnahrung. Plasmodien können eine Stechmückenart nur dann als Überträger nutzen, wenn sie in der Lage sind, ihre Gamogonie bis zur Bildung eines Ookineten in dieser Zeit zu durchlaufen. Die einfache Plasmamembran der Zygote wird von Proteasen abgebaut, während die Pellicula einige Zeit standhält. In dieser Zeit muss der Parasit die peritrophe Hülle durchbrechen und durch das Darmepithel bis in den Bereich zwischen basaler Zellmembran und Basallamina zu wandern . Während der Wanderung beginnt bereits eine Mehrfachteilung des Kernes, die nach der Bildung der Oocyste fortgesetzt wird und zur Entstehung von Tausenden von Sporozoiten führt. Diese wandern durch die Hämolymphe in die Speicheldrüsen und können bei einer erneuten Blutmahlzeit der Mücke auf einen Menschen übertragen werden. Die Entwicklung in der Mücke dauert je nach Umgebungstemperatur 8-16 Tage.
Bei der gefährlichsten Malariaform, der nur in den Tropen verbreiteten Malaria tropica, kommt es plötzlich zu hohem Fieber und nachfolgend zu unregelmäßig auftretenden Fieberanfällen. Es können Mortalitätsraten von 20-50% erreicht werden. Durch eine primäre Schädigung von Gefaßwänden kommt eine ganze Kaskade von Krankheitserscheinungen in Gang . Besonders gefährlich sind bei der schwersten Form, dem Schwarzwasserfieber, die Verstopfung von Kapillaren im Gehirn, die zum gefürchteten Koma führen kann sowie Schäden an Herz, Leber und Nieren. Letztere führen zur Ausscheidung eines dunkelroten bis schwarzbraunen Harns, der der Krankheitsform den Namen gegeben hat . Geschichte: Die Malaria ist wahrscheinlich seit mehr als 2500 Jahren eine Geißel der Menschheit. Hippokrates beschrieb schon 500 v. ehr. die verschiedenen, in Griechenland vorkommenden Malariaformen. Bereits im klassischen Altertum spielte die Malaria eine große Rolle im Mittelmeerraum. Sie hat auch in den folgenden Jahrhunderten in Europa historisch und wirtschaftlich, vor allem in Kriegszeiten, eine erhebliche Bedeutung gehabt . In erster Linie war hierfür in Europa das immer wieder auftretende und jegliche Aktivitäten lähmende Fieber und nicht allein die Zahl der Todesfälle verantwortlich. Entscheidend war dies u.a. während der Völkerwanderungszeit, während des Mittelalters bei den Pilger- und Kreuzzügen sowie der Feldzüge deutscher Kaiser und französischer Könige nach Italien . Die Zahl der Todesfälle durch Seuchen übertraf stets die durch Kampfhandlungen, und dies galt sogar noch während des I. Weltkiegs auf dem Balkan . Die Malaria spielte früher auch in Deutschland eine Rolle und kam noch nach dem 2. Weltkrieg in bestimmten Gebieten des Emslands vor. Fälschlich wird immer wieder angenommen, sie sei hierzulande deshalb nicht vorhanden, weil es keine Anopheles-Mücken gebe. Eine wesentliche Erkenntnis epidemiologischer Forschung ist, dass diese Krankheit sich nur
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halten und ausbreiten kann, wenn eine kritische Dichte von Kranken und übertragungsfähigen Anopheles-Mücken überschritten wird. Das ist in Deutschland nicht mehr der Fall. Die drei o. g. Malariaerreger kommen nur beim Menschen vor. Daher wäre es prinzipiell möglich, die Malaria auszurotten. Die Ausrottung der Malaria im früher stark verseuchten Mittelmeergebiet durch den Einsatz von DDT war eine bedeutende Leistung der Weltgesundheitsorganisation nach dem 2. Weltkrieg. Sie war eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Massentourismus in diesem Bereich. Der Erfolg des weltweit angelegten Ausrottungsprogramms wird in vielen Gebieten zunehmend in Frage gestellt durch das Auftreten von Resistenzen bei den Malariaerregern gegenüber Medikamenten und bei den als Vektoren dienenden Mücken gegenüber Insektiziden . Diese Resistenzen richten sich nicht gegen einzelne Verbindungen, sondern gegen ganze Verbindungsklassen . Neuerdings sucht man nach möglichst einfach anzuwendenden und preiswerten Verfahren. So hängt man in den Tropen mit einem Insektizid imprägnierte Moskitonetze vor Türen und Fenster, um den nächtlichen Einflug von Stechmücken in die Wohnräume zu unterbinden . Diese Netze müssen nach etwa 6 Monaten erneut imprägniert werden.
20.4.8 Übertragung von Filarien Filarien legen keine eigentlichen Eier. Entweder legen die Weibchen Mikrofilarien, die noch längere Zeit in der Eihülle leben (bescheidete Larven) oder es wird bereits im Uterus die Eihülle aufgelöst (unbescheidete Larven). Im folgenden sollen nur Wuchereria bancrofti, Brugia malayi und Onchocerca volvulus behandelt werden, weil sie die größte medizinische Bedeutung unter den Filarien haben. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 1984 waren 81,6 Mill. Menschen von W. bancrofti und 8,6 Mill. von Arten der Gattung Brugia befallen sowie über 900 Millionen gefährdet. Da die adulten Formen im Lymphsystem leben, bezeichnet man die Erkrankung als lymphatische Filariose. Die Onchocercose kommt nach Schätzungen der WHO bei 20--40 Mill. Menschen in Zentral-Afrika und bei etwa 1 Mill. in Mittelamerika vor. Die Adulten leben im Bindegewebe des Menschen. Wuchereria bancrofti: Die aufgeknäuelt im Lymphsystem des Menschen lebenden Weibchen sind 50-100 mm lang, haben aber nur einen Durchmesser von 0,3 mm, während die Männchen 40 x 0, I mm messen. Die nach 7-8 Monaten, nach anderen Angaben nach 1-2 Jahren geschlechtsreifen Weibchen geben weitere 6-7 Jahre gescheidete Mikrofilarien ab, die 250-300 mm lang sind und einen Durchmesser von 6-8 mm haben . Die Eihülle (Scheide) ist außerordentlich dehnbar und wird von der darin entstandenen Mikrofilarie zunehmend gestreckt (Abb.20-21). Die Mikrofilarien wechseln ihren Aufenthalt im peripheren Teil des Blutgefäßsystems und in der Lunge in einem circadianen Rhythmus, der hervorragend zur Aktivitätsperiodik der als Überträger fungie-
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Abb. 20-21: Von Wuchereria bancrofti und Brugia malayiverursachte lymphatische Filariose. A Stechmücken, 'vor allem Cu/ex quinquefasciatus, nehmen die Mikrofilarien MF bei einer Blutmahlzeit auf. Diese durchbrechen die Darmwand und siedeln sich in der Flugmuskulatur an, wachsen heran und werden bei einer weiteren Blutmahlzeit als Infektionslarven IF wieder abgegeben. Sie durchbrechen dabei die Rüsselscheide. B Die Mikrofilarie befindet sich in der überaus dehnbaren, vorn und hinten überstehenden Eihülle, der sog. Scheide. C Ein Beispiel für das circadiane Auftreten von Mikrofilarien im peripheren Blut. D Verbreitung von Wuchereria bancrofti und Brugia ma/ayi. E Massen von Mikrofilarien können nach langjährigem Befall und ständigem Neubefall lymphkanäle verstopfen und zu unmäßigen Auftreibungen führen . (A nach Bain und Philippon 1970, B nach Maclaren, 1972, verändert, C nach Hawking 1962, D nach Angaben der WHO 1996, Enach Martini 1952)
Literatur renden Mücken au s den Ga tt ungen Cu/ex . Ae des und Anophe/es passt. Der circadiane Rhythmu s des Par asiten orientiert sich anscheinend an der circadia nen Periodik der Körp ertemp eratur des Menschen. Die Mikrofilarien erscheinen nachts im peripheren Blut und werden von den nachtakti ven Mücken mit einer Blutmahlzeit aufgenommen. Erst im Mückendarm verlassen sie die Eihülle. Sie bohren sich durch die Darm wand der Mücke und gelangen in deren Flugmuskulatu r. Über zwei Häutungen entwickeln sie sich bei 28 °C innerhalb von etwa 12 Tagen darin zu infektionsfähigen Larven. Die Larvenhüllen werden bei den Häutungen nicht verlassen, sondern erst beim Auswandern aus der Muskulatur abgestreift. Die infektionsfähigen Larven wandern in die Rüsselscheide der Mücke und verlassen während der Blutaufn ahme den Rüssel, um sich in die Haut des Menschen einzubohren. Die als Elephantiasis bezeichnete Spätform des Mikrofilarienbefalls ist heute allenfalls in entlegensten Gebieten noch vorhanden. Sie kommt nach langfristigem , sta rkem Befall dadurch zustande, dass Massen von Mikrofilar ien Lymph staus verursachen und so das allmählich immer stärkere Anschwellen von Beinen, Armen und Genitalien verursachen (Abb. 20-21 E). Filarien der Gattung Wuchereria sind in den feuchtwarmen Gebieten Afrikas , Asiens, Mittel- und Südamerikas weit verbreitet. Sie werden vor allem von der menschliche Siedlungen bevorzugenden Art Cu/ex quinquef asciatu s (C. p ip iens fat igans) übertrage n, die sich in besonderem Ma ße in den ausufernden Siumgebieten heutiger tropischer G roßstädt e ausgeb reitet hat. Man spricht von "man made filar iasis" , weil der Mensch die Brutmöglichkeiten für diesen Überträger scha fft. In manchen Gebieten sind die Mikrofilar ien tagsüber und nacht s im Blut vorhanden. Im pazifischen Raum werden sie durch tagakt ive Stechmücken wie Aedes (S tegomy ia) po/yn esiensis übert ragen. Filarien der Gattung Brugia kommen in den feuchtwarmen Gebieten Süd- und Südostasiens vor. Adulte und Mikrofilarien sind etwas kleiner als die vorgenannte Art. Da s Weibchen kann bereits im Alter von 3 Monaten mit der Abgabe von Mikrofilarien beginnen . Die Mikrofilarien werden vorwiegend von Stechmückenar ten aus den Gattungen Man sonia und An opheles übertragen. Bei dieser sehr seltenen Elephantiasis sind praktisch nur die Beine betroffen, nicht aber der Genitalbereich. Die Onchocercose oder Flussblindheit wird von Onchocerca volvulus verursacht und spielt in Äquato rialAfrika, im Süden der arabischen Halb insel und in Mittelamerika eine Rolle. Sie wird offenbar nur du rch bestimmte Kriebelmücken von Mensch zu Mensch übertra gen; ein Reservoir in Wildtieren scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die Kran kheit wurd e vermutlich im Zu samm enhang mit dem Sklavenhand el nach Mitt elamerika verschleppt. Die erwachsenen Würmer leben beim Men schen zu mehreren im subkuta nen Bindegewebe in kart offelgroße n Knoten und können dar in bis zu 15 Jahre alt werden. Die Knoten können an Beinen, Rumpf und auch am Kopf entstehen. Die Männchen erreichen nur eine Länge von 2-3 cm, die Weibchen werden bis zu 50 cm lang. Die Weibchen geben unbescheidete 220-3 50 mm lange Mikrofilar ien ab, die in der Lage sind, die bindegewebige Kapsel zu penetrieren. Sie wandern im Körper umher und können dabei auch in die
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Augen gelangen, wo sie Hornh autt rübun gen, eine zunehmende Keratitis und Schäden an den Sehnerven verursachen können, die schließlich zur Blindheit führen. So können in endemischen Gebieten 5-25% der Erwachsenen schließlich blind werden. Die Mikrofilarie n sollen 6-30 Monate alt werden könn en. Sie halten sich nicht im Blut auf, sondern in Gewebslücken. Daher könn en sie nicht von Stechmücken aufgenommen werden, die Kapillar sauger sind, sondern nur von Überträgern, die größere Wunden veru rsachen und als Poolsauger bezeichnet werden; hierzu gehören Kriebelmücken und Bremsen. Werden die Mikrofilarien von einer Kriebelmücke aufgenommen, so penetrieren sie den Darm, wandern in die Flugmuskulatur und entwickeln sich darin über zwei Häutungen innerh alb von 6-12 Tagen zu einem infektionsfähigen Stadium, wandern in den Rüssel, verlassen diesen bei einem erneuten Saugakt der Mücke, und erreichen über den Stichkanal die Haut des Menschen. Bei der Bekämpfung dieser Fila rie erwies sich besonders Ivermectin als sehr wirksam (s. 20.2.1.2).
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21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung Konrad Dettner und Helmut Zwölfer
Die Vielfalt der Verfahren , die für die Bekämpfung von Insektenarten, die als Krankheitserreger, Krankheitsüberträger oder Pflanzenschädlinge auftreten, zur Verfügung stehen , hat im Verlauf des 20. Jahrhunderts stetig zugenommen. Gleichzeitig ist aber mit der wachsenden Weltbevölkerung und der Inten sivierung des Landbaus auch die Bedeutu ng vieler Schad insektenarten gestiegen und viele Bekämpfungsverfahren haben an Wirksamkeit verloren, bzw. neue Probleme geschaffen. Daher ist die Entwicklung geeigneter Schutz- und Bekämpfungsmethoden nach wie vor eine große Herausforderung für die angewandte Entomologie. Eine Voraussetzung dafür ist neben taxonomisch-systematischen Grundlagen eine umfa ssende Kenntnis der Biologie, der Physiologie, des Verhaltens und der Ökologie der betreffenden Arten, da sich hier vielfältige Ansatzpunkte für die Entw icklung neuer Bekämpfungsverfahren ergeben .
21.1 Biologische Schädlingsbekämpfung: Übersicht Helmut Zwölfer Ziel biologischer Bekämpfungsmaßnahmen ist es, die Populationsdichten schädlicher Tiere oder Unkräuter mithi lfe von planm äßig eingesetzten Organismen (= Gegenspielern) au f einem Niveau unt erhalb einer ökonomisch definierten Schaden sschwelle zu regulieren (s. 22.4). Angestrebt wird mit dieser Methode also nicht eine Ausrottung, sondern die Populationsbegrenzung innerhalb eines Dichtebereichs, bei dem die von dem Schadorgan ismus verur sachten wirtschaftlichen Schäden toleriert werden können. In den folgenden Abschn itten soll ein Überblick über biologische Bekämpfungsverfahren gegeben werden, bei denen entomophage bzw. phytophage Insektenarten eingesetzt bzw. genutzt werden. Bei beiden Gruppen kann als "klassische Methode" das sogenannte Ansiedlungsverfahren (= inoku lative biologische Bekämpfung) Anwendung finden . Dabei
werden nach entsprechenden Voruntersuchungen sorgfältig ausgewählte entomophage oder phytophage Insektenarten aus einem fremden Herkunft sgebiet in das Einfuhrgebiet gebracht, wo ihre permanente Einbürgerung angestrebt wird. Bestimmte entomophage Nutzarthropodenarten können auch in Massenzuchten produziert und periodisch freigesetzt werden. Diese "Überschwemmungsverfahren" (= inundative biologische Bekämpfung) müssen - ähnlich wie Biozidanwen dung en - regelmäßig wiederholt werden. Unter einer biologischen Bekämpfung im weiteren Sinne wird oft auch die Erhaltung und Förderung bereits vorhandener Entornophagen-Populationen versta nden. Andere Techniken der zu einem außerordentlich umfangreichen Wissensgebiet angewachsenen Biologischen Schädlingsbekämp fung bestehen im Einsatz von Pathogenen wie Viren, Bakterien , Pilzen, Proto zoen oder Nematoden (= mikrobiologische Schädlingsbekämpfung) und steriler Männ chen bzw. genetisch nicht kompatibler Geschlechtspa rtner (= Autozidverfahren). Auf sie kann hier nicht eingegangen werden. Der Leser sei für weiterführende Informationen auf das Lehrbuch von Krieg und Franz (1989) sowie zusammenfassende angelsächsische Werke, etwa DeBach und Schlinger (1973), Huffaker und Messenger (1976) oder Wood und May (1988), verwiesen (s. 22.2.2).
21 .1.1 Die Einbürgerung von Nutzorganismen Vorschläge und vereinzelte Versuche, Schadin sekten durch die Ansiedlung natürlicher Feinde unter Kontrolle zu bringen , gehen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurück . Aber das eigentliche Geburtsjahr dieses Bekämpfungsverfahren s ist 1888, als der amerikanische Regierungsentomologe R iley seinen Mitarbeiter Koebele nach Australien schickte, um dort nach Feinden der Wollschildlaus Icerya purchasi zu suchen. Dieser Pflanzen schäd ling war kurz zuvor nach Kalifornien eingeschleppt worden und bedrohte dort die wirtschaftlich wichtig gewordenen Citrus-Kulturen mit dem
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21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
Ruin . Bereits zu Beginn des folgenden Jahres konnten 129 aus Australien importierte Marienkäfer der Art Rodolia cardinalis in Kalifornien in einem Orangenhain freigelassen werden . D ieser Marienkäfer vermehrte sich so stark, dass schon nach kurzer Zeit hunderttausende von Tieren für die weitere Verbreitung zur Verfügung sta nden. Bereits gegen Ende 1889 war die Gefährdung der kalifornischen Citrus-Kulturen durch die Wollschildlaus gebannt. In den folgenden Jahrzehnten wurde Rodolia cardinalis in den Citrus-Kulturen von über 50 Ländern weltweit erfolgreich gegen die WolIschildlaus eingesetzt.
21 .1.1.1 Erfolgsaussichten und Einsatzmöglichkeiten Der außerordentliche Erfolg dieser ersten biologischen Bekämpfungsaktion führte zu einer euphorischen Überschätzung der Methode, zu vielen neuen Projekten und auch zu vielen Misserfolgen und Enttäu schungen. Nach 100 Jahren einer sehr wechselvolIen Geschichte ist heute eine sachlichere Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen einer Schädlingsbekämpfung durch die Einbürgerung natürlicher Feinde möglich . In rund 3000 zwischen 1890 und 1975 weltweit durchgeführten Projekten wurden nach einer Auswertung von Hall und Ehler (1979) und Hall et al. (1980) insgesamt rund 1000 Insektenarten zur biologi schen Bekämpfung von Schadinsekten und U nkräutern eingesetzt. Davon konnten 34% im Einfuhrgebiet erfolgreich angesiedelt werden . Aber nur mit 9 % der eingeführten Arten konnte ein "voller ökonomischer Erfolg " erzielt werden. Bei rund 20 % der eingeführten Arten konnte ein "mittlerer ökonomisc her Erfo lg" (messbare Verringerung des Schade ns, völlige oder teilweise Einste llung von Biozidanwendungen) verbu cht werden. Mithilfe der Einfu hr entomophager Insektenarten gelangen bis 1985 weltweit 180 volIe Bekämpfungserfolge gegen Schadinsekten (K rieg und Franz 1989). Bei der biologischen Unkrautbekämpfung mit phytophagen Insekten liegt die Erfolgsrate mit 13% vollständigem und rund 28 % mitt lerem Bekämpfungserfolg etwas höher als beim Einsatz von entomophagen Insekten. In Europa sind Entomophagen-Ansiedlungen mit einem vollständigen oder teilweisen ökonomischen Erfolg vorwiegend im Mittelmeerraum und im Süden der ehemaligen UdSSR durchgeführt worden. In Mitteleuropa waren bislang nur zwei biologische Bekämpfungsverfahren gegen aus Nordamerika eingeschleppte Wollbzw. Schildläuse erfolgreich. In klimatisch günstigen Gebieten (Schweiz, Südwestdeutschland) hat die Einfuhr der amerikanischen Kleinschlupfwespe Aphelinus mali zur weitgehenden Kontrolle der Blutlaus (Eriosoma lanigerum ) geführt. Ein beachtlicher Erfolg in Baden-W ürt-
temberg war die biologische Bekämpfung der San-JoseSchildlaus (Quadraspidiotus perniciosus) mithilfe der Kleinschlupfwespe Prospaltella perniciosi. Die Auswertung der An siedlun gserfolge zeigt, dass hin sichtlich ihrer Eignung zwischen Parasitoiden und Präd atoren kein Unterschied besteht. Wenn biologische Bekämpfungsprojekte auf Inseln durchgeführt wurden, lagen die Chancen höher als auf Kontinenten, was sicher damit zusammenh ängt, da ss die Fauna von Inseln durchschnittlich einen im Vergleich zum Festland gerin geren Sättigungsgrad an Arten aufweist. In intensiv bearbei teten landwirtschaftlichen Kulturen gelang die Ansiedlung von entomophagen Insekten arten seltener als in mäßig beeinflussten Agrarökosysteme (etwa Obstgärten) oder mehr oder weniger da uerhaften Öko systemen wie Wäl dern. Deutlich höhe r als bei einheimischen Schad insekten waren die Rate des Ansiedlungserfolgs und des ökonomischen Erfolgs bei biologischen Bekämpfungsprojekten gegen eingeschleppte Schädlinge. Verglichen mit chemischen Bekämpfungsmethoden erscheint die Erfolgsrate der biologischen Bekämpfung sehr niedrig. Bei diesem Vergleich muss aber berücksichtigt werden , dass eine erfolgreiche biologische Bekämpfungsaktion ein Schädlingsproblem dauerhaft zu lösen vermag, d. h. keine Folgekosten nach sich zieht. Außerdem werden Nachteile einer Biozidanwendung wie Rückstandsprobleme, die Selektion insektizidresistenter Schadinsektenstämme oder eine Beeinträchtigung der Leben sgemeinschaft (insbesondere der natürlichen Feinde von Schadorganismen) vermieden . D ie Entwicklung skosten bei modernen biologisc hen Bekämpfungsprojekten werden in der Regel unterschätzt. So wird in Kanada aufgrund langjähriger Erfahrungen mit 20 Wissenschaftler-Jah ren pro biologischem Un krautbekämpfungsprojekt gerechnet. Andererseits kann der durch erfolgreiche Projekte erzielte Wert - gemessen als Ertragsteigerung oder als Einspa rung an konventionelIen Bekämpfungskosten - so hoch sein, da ss trotz niedriger Erfolgsraten insgesamt ein sehr günstiges Nutzen-Kosten-Verh ältni s vorliegt. Beispielsweise haben Kosten-Nutzen-Berechnungen für Kalifornien ergeben , da ss jed er in biolog ische Bekämpfungsprojekte investierte Dollar dem Farmer 30 Dollar an Einsparungen bzw. zusätzlichem Gewinn gebracht hat (H uffaker und Messenger 1976). Nachteilig für den Einsatz "klassischer " (d. h. auf der Ansiedlung eingeführter Nutzorganismen beruhender) biologischer Bekämpfungsverfahren ist die geringe Erfolgsaussicht gegenüber einheimischen Schadorganismen, die insbesondere in Europa ins Gewicht fällt, da hier die meisten Schadorganismen nicht eingeschleppt, sondern boden-
21 .1 Biologische Schädlingsbekämpfung: Übersicht
ständig sind. Vor allem im landwirtschaftlichen Bereich kann ein weiterer Nachteil darin bestehen, dass biologische Verfahren immer nur gegen eine einzelne Schädlings- oder Unkrautart gerichtet sind, während bei einer chemischen Bekämpfung oft mehrere schädliche Arten gleichzeitig ausgeschaltet werden können. Auch kann die Anpassung von biologischen an weiterhin notwendige chemische Bekämpfungsmaßnahmen Schwierigkeiten bereiten . Ein grundsätzliches Problem für die Entwicklung klassischer biologischer Bekämpfungsmethoden liegt schließlich in dem Umstand, dass Erfolge nicht kommerziell vermarktet werden können . Die Bearbeitung von Einbürgerungsprojekten zur biologischen Bekämpfung kann daher nicht von der Industrie, sondern muss von der öffentlichen Hand finanziert werden. Anders ist dies bei Bekämpfungsverfahren, bei denen ein fortlaufender Bedarf an biologischen Bekämpfungsmitteln besteht (s. 21.1.2.3).
21.1.1.2 Methodische Grundlagen Voraussetzung für ein biologisches Bekämpfungsprojekt ist eine genaue Kenntnis des zu bekämpfenden Schadorganismus, seiner Herkunft, des von ihm verursachten Schadens und eine klare Definition des Bekämpfungsziels. Das bedeutet insbesondere, dass die noch tolerierbaren Populationsdichten des Schadorganismus abgeschätzt werden können, denn die Aussichten auf einen ökonomischen Erfolg eines biologischen Bekämpfungsprojekts hängen wesentlich davon ab, wie weit die vorliegende Populationsdichte des Schadorganismus abgesenkt werden muss, um den wirtschaftlichen Schaden auf ein vertretbares Maß zu senken. Sehr wichtig für biologische Bekämpfungsverfahren ist eine korrekte Determination. Gerade bei aus anderen Kontinenten eingeschleppten Schadinsekten und Unkräutern oder bei in der Dritten Welt geplanten Projekten erfordert sie oft umfangreiche taxonomische Untersuchungen. In der kurzen Geschichte der biologischen Bekämpfung gibt es zahlreiche Beispiele von Fehlschlägen, die auf falschen Bestimmungen von Schädlings- bzw. Nützlingsarten beruhen. In manchen Fällen ist über die korrekte Artbestimmung hinaus noch eine Berücksichtigung von Unterarten bzw. ökologischen Rassen notwendig . Wenn der betreffende Schadorganismus bereits in anderen Ländern Gegenstand einer biologischen Bekämpfungsaktion war, so kann eine Verwertung der dort vorliegenden Erfahrungen das Verfahren sehr vereinfachen, da dann meist schon Kandidaten für eine Einbürgerung bekannt sind. Daher lösen erfolgreiche Projekte wie die Bekämpfung der aust-
673
ralischen Wollschildlaus oft "Kettenreaktionen" aus. Bei einem neuen Bekämpfungsprojekt muss dagegen - nach Auswertung aller verfügbaren Informationen - zunächst das Gebiet ausgewählt werden, in dem die Suche nach natürlichen Feinden stattfinden soll. Im Idealfall ist dies das Ausbreitungszentrum des Schadinsekts oder Unkrauts, da dort die größte Mannigfaltigkeit an Feindarten erwartet werden kann. Außerdem spielt die klimatische und ökologische Ähnlichkeit mit dem vorgesehenen Einfuhrgebiet eine Rolle, da die Chancen einer erfolgreichen Einbürgerung steigen, wenn Herkunftsland und Einfuhrgebiet in den klimatischen Bedingungen und - soweit möglich - auch in den Vegetationsverhältnissen übereinstimmen. Die theoretisch wünschenswerte Lebenstafel-Analyse (s. 22.5.2) des Schadorganismus im Herkunftsgebiet wird in der Praxis in der zur Verfügung stehenden Zeit meist nicht zu vollziehen sein. Jedoch ist es in der Regel möglich, eine vergleichende Funktionsanalyse des Komplexes natürlicher Kontrollfaktoren durchzuführen. Dadurch wird eine Entscheidungshilfe für die Auswahl derjenigen Feindarten gegeben, die einer näheren Untersuchung unterzogen werden sollen. Bei biologischen Unkrautbekämpfungsprojekten (s. 21.1.3) spielt dabei die Wirtsspezifität der potentiellen für eine Ansiedlung infrage kommenden Phytophagen eine entscheidende Rolle. Sie erfordert aufwändige Sicherheitstests, die heute meist in dafür speziell eingerichteten Laboratorien durchgeführt werden. Ob eine Einfuhr und Ansiedlung der für ein biologisches Bekämpfungsprojekt vorgeschlagenen Arten möglich ist, hängt heute in fast allen Ländern von der Entscheidung eigener Kommissionen ab. Während in der Frühzeit der biologischen Bekämpfung der Transport der ausgewählten Arten vom Herkunftsland in das Einfuhrgebiet große logistische Probleme mit sich brachte, erlaubt heutzutage ein weltweites Netz von Flugverbindungen einen schnellen Versand. Bevor eine Freilassung der eingeführten Arten stattfindet, werden oft ergänzende Untersuchungen durchgeführt. Deren Ziel kann es z. B. sein, das Insektenmaterial auf entomopathogene Krankheitserreger hin zu prüfen . Wenn nur wenig Tiermaterial eingeführt wurde, kann eine zunächst in Insektarien erfolgende Vermehrung sinnvoll sein, sofern es dabei nicht zu Inzuchtproblemen kommt. Bei der Freilassung ist darauf zu achten , dass das Tiermaterial frei von Parasiten oder latenten Krankheitserregern wie Mikrosporidien ist. Wie groß die Anfangskolonien sein müssen, hängt von der jeweiligen Art ab. Bei dem oben erwähnten Marienkäfer Rodolia cardinalis sind für einen lokalen Ansiedlungerfolg in der Regel
674
21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
% Blattfraß
80 % 1-
-
-
-
% Parasitierung - - - - - - - - -----. 6 0 %
-
50 % 60 % • -1 4 0 %
40 %
r
30%
I
r1
20%
20 %
-- I
0%
1958
1959
10%
J 1960
-
Frostspanner
L
~ A.f laveolat um
0% 1961 _
1962
1963
C.alb icans
bereits 10 begattete Weibchen pro Kolonie ausreichend, bei der in Kanada gegen eine eingeschleppte Kiefernblattwespe eingeführten Erzwespe Dahlbominus fu scipennis wurden demgegenüber 10000 Tiere pro Kolonie freigelassen. Wün schenswert, aber wegen mangelnder Finanzierungsm öglichkeiten oft vernachlässigt, ist eine genaue Überwachung des weiteren Schicksals der ausgebrachten Kolonien . Auch wäre es sinnvoll, bei fehlgeschlagenen biologischen Bekämpfungsprojekten eingehender nach den Ursachen zu forschen. Einerseits könn ten damit nützliche Hinweise für eine Weiterentwicklung der Methodik der biologischen Bekämpfung gewonnen werden. Andererseit s stellt - unabh ängig vom Erfolg jedes biologische Bekämpfungsprojekt ein popu lationsökologisches Großexperiment dar, dessen Auswertung gerade auch für die entomologische und ökologische Grundlagenforschung von Interesse ist.
Die für ein biologisches Bekämpfungsprojekt notwendigen materiellen Voraussetzungen und der hohe Aufwand an qualifizierter wissenschaftlicher Arbeit erklären, dass biologische Bekämpfungsak tionen vorwiegend von großen Organisationen durchgeführt werden, die über ein internationales Netzwerk von Forschungsstationen mit fest angestelltem Mitarbeiterstab verfügen. Beispiele sind das International Institute of Biological Control (IIBC) mit der Zentrale in England, das amerikanische United States Department of Agriculture (USDA) oder das Australian Centre for International Agricultural Research (ACIAR) .
1964
Abb. 21-1: Die Entwicklung des Frostspannerbefalls (ausgezogene Linie = % Blattfraß an Roteiche) und der Parasitierungsraten der aus Europa eingeführten Parasitoiden Cycenis albicans (schraffierte Balken) und Agrypon flaveolatum (helle Balken). (Nach Daten von Embree 1969)
21.1.2 Schädlingsbekämpfung mit entomophagen Insekten 21.1.2.1 Ein Fallbeispiel: Die biologische Bekämpfung des Frostspanners in Kanada Die erfolgreiche biologische Bekämpfung des Frostspanners (Operophtera brumata) in Kanada soll hier zur Veranschaulichung eines biologischen Bekämpfungsprojekts dienen . Dieser polyphage Schmetterling war aus Europ a nach Kanada verschleppt worden, wo er 1949 erstmals in Nova Scotia beobachtet wurde. Der Frostspanner entwickelte sich dort schnell zu einem Großschädling an verschiedenen Laubbaumarten. Einheimische kanad ische Entomophage konnten diese Massenvermehrung nicht verhindern . So wurde zwar festgestellt, dass 19 kanadische Par asitoidenarten ihren Befall a uf die Populationen des neu eingeschleppten Wirts ausgedehnt hatten , als Gegenspieler blieben sie aber wirkungslos. Daher wurde bereits 1952 mit einem biologischen Bekämpfungsprogramm begonnen . Auf Grund einer Nachsuche nach Frostspanner-Parasitoiden in Frankreich konnte schon 1953 eine erste Sendung von ParasitoidenPuppen , die neben anderen Arten die Raupenfliege Cycenis albicans enthielt , nach Kanada geschickt werden. Jedoch war der 1954 in Nova Scotia mit sehr wenigen Tieren durchgeführte Ansiedlungsversuch nicht erfolgreich. Eine Massenaufsammlung von Frostspannerlarven in der Schweiz mit einer anschließenden Zucht der Parasitoiden ermöglichte 1955 die Freilassung von über 1000 C. a/bicans in Nova Scotia, womit eine erste perm anente
21.1 Biologische Schädlingsbekämpfung: Übersicht
Ansiedlung erreicht wurde. 1956 und 1957 erfolgten weitere Materialsendungen aus verschiedenen Ländern Westeuropas, die u.a. zur Freilassung von 507 Individuen der Schlupfwespe Agrypon flaveolatum führten, die als zweite Parasitoidenart erfolgreich eingebürgert wurde. Wie schnell sich die Parasitierung durch die beiden angesiedelten Parasitoiden auf die Frostspannerpopulationen in Nova Scotia auswirkte, zeigt Abb. 21-1. Während vor der biologischen Bekämpfungsaktion die mittleren Raupendichten pro Baum beim Frostspanner zwischen 2500 und 5000 lagen, wurden sie in den westkanadischen Waldgebieten durch die beiden eingeführten Parasitoiden auf ein Niveau unter 50 herunterreguliert (Embree 1966). In Kanada durchgeführte Folgeuntersuchungen zeigten, dass sowohl C. albicans wie auch A. flaveolatum auf Änderungen der Wirtspopulationen ausgesprochen positiv dichteabhängig reagieren (s. 22.1.3), wobei die Schlupfwespe vor allem bei niederen, die Raupenfliege dagegen bei höheren Wirtsdichten effektiv ist. Die beiden erfolgreich angesiedelten Parasitoidenarten stellen eine als Kontrollfaktoren sehr wirksame Artenkombination dar. Deswegen war es vermutlich günstig, dass bei 4 weiteren von Europa zur Bekämpfung der kanadischen Frostspannerpopulationen eingeführten Parasitoidenarten die Ansiedlung nicht gelungen war. Bemerkenswert ist, dass in Europa bei einer intensiven Bestandesaufnahme des Parasitenkomplexes von 0. brumata neben C. albicans und A. flaveolatum 24 weitere Parasitoiden- und Hyperparasitoidenarten nachgewiesen wurden. In diesem reichgegliederten Komplex mit zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den einzelnenArten haben sowohl C. albicans wie auch A. flaveolatum eine schwache Position. So ist C.albicans im Fall von Multiparasitismus gegenüber 14 und A. flaveolatum gegenüber 13 anderen Primärparasitoidenarten stets unterlegen. Überdies wird C. albicans von 3-4 Hyperparasitoiden angegriffen. Die beiden im Kontakt mit den anderen Frostspanner-Parasitoidenarten benachteiligten Arten vermögen sich im europäischen Parasitoiden-Komplex des Frostspanners vor allem durch ein hochspezialisiertes Wirtssuchvermögen und - im Fall der Raupenfliege auch durch ein sehr hohes Vermehrungspotenzial zu halten. In Kanada können sie ungehindert ihr volles Potenzial entfalten.
21.1.2.2 Ansiedlungserfolge bei unterschiedlichen Entomophagengruppen Tab. 21-1 gibt eine Übersicht über das Ausmaß von Ansiedlungserfolgen von entomophagen Insektenarten bei unterschiedlichen Gruppen von Beute- bzw. Wirtsinsekten. Als Entomophagengruppen waren dabei unter den Prädatoren in erster Linie Vertreter der Marienkäfer (Coccinellidae) beteiligt, eine wesentlich geringere Rolle spielen räuberische Arten der Laufkäfer (Carabidae), Wanzen (Heteroptera) und Netzflügler (Neuroptera) . Erfolgreich angesiedelte Parasitoidenarten gehören vor allem zu den Erzwespen (Eulophidae, Mymaridae, Pteromalidae, Encyrtidae, Aphelini-
675
Tab. 21·1: Übersicht über die Zahl und Rate erfolgreicherAnsiedlungenvon Entomophagenarten, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Insektenordnungen derSchädlingsarten . (Daten für die Zeitspanne von 1890 bis 1968 nach Hall und Ehler 1979) Gruppen der Beute- oder W'rtslnseKten
Fälle. In denen Entomophag erfolgreICh angesiedelt wurden
Erfolgsra e
Dermaptera. Orthoptere.
65
48%
Pflanzensauqer (Homoptera)
819
43%
Zweiflügler (Diptera)
258
37%
Hautflügler (Hymenoptera)
105
34%
Schmetterlinge (Lepidoptera)
628
27%
Kafer ((oleoptera)
364
23%
Ihysanoptera, Heteroptere. zusammen
dae), den Brackwespen (Braconidae), den Schlupfwespen im engeren Sinne (Ichneumonidae) und den Raupenfliegen (Tachinidae).
21.1.2.3 Auswahlkriterien für Entomophage Das Beispiel der biologischen Bekämpfung des Frostspanners zeigt, dass nicht die Gesamtzahl der mit einer Insektenart assoziierten Entomophagenarten für eine erfolgreiche Kontrolle ausschlaggebend ist. Entscheidend für einen biologischen Bekämpfungserfolg sind die Eigenschaften einzelner Parasitoiden- oder Prädatorenarten. Eine Voraussetzung für die Ansiedlung von Entomophagen ist, dass ihre Anforderungen an das Klima und bestimmte Ökosystemeigenschaften im Einfuhrgebiet erfüllt werden. Wesentlich für einen Bekämpfungserfolg ist vor allem ein hoch entwickeltes Wirtssuchvermögen der Entomophagenart. Sie sollte im Stand sein, bereits Wirtsindividuen in geringer Dichte aufzuspüren, und sie sollte sich auch dann in einem Areal halten können, wenn sich die Wirtspopulationen in der Latenzphase (s. 22.4) befinden. Um den Ausbruch von Massenvermehrungen des Schadinsekts zu verhindern, ist ein dichteabhängiges Wirts- oder Beutesuchverhalten, bzw. ein Aggregationsverhalten in Teilarealen mit besonders hoher Wirts- oder Beutedichte vorteilhaft. In der Regel ist diese Eigenschaft mit einer hohen Wirtsspezifität verbunden. Günstig ist auch ein
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21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
Dispersionsverhalten, das eine schnelle Ausbreitung und das Auffinden isolierter Einzelpopulationen des Wirts erlaubt. Eine günstige Voraussetzung um dem Wirt in seiner Populationsdynamik folgen zu können, ist ein großes Vermehrungspotential. Weiterhin muss die Parasitoiden- oder Prädatorenart mit den Wirtspopulationen im Einfuhrgebiet gut synchronisiert sein. Das betrifft einerseits die jahreszeitliche Entwicklung, wobei bei Entomophagenarten, die in einer anderen Erdhemisphäre eingebürgert werden sollen, die Anpassung an den abweichenden Jahresgang wichtig ist. Andererseits muss die Entomophagenart in ihrem Lebenszyklus ausreichend mit der Entwicklung des Wirts oder der Beute synchronisiert sein. Probleme können hier vor allem auftreten, wenn eine entomophage Insektenart, etwa eine Schlupfwespe mit mehreren Generationen pro Jahr, auf Zwischenwirte angewiesen ist, während die Wirtsart, die bekämpft werden soll, pro Jahr nur die Entwicklung einer einzelnen Entomophagengeneration erlaubt.
21.1.2.4 Die Überschwemmungsmethode Wenn Entomophagenarten im Gebiet, wo die Bekämpfung stattfinden soll, nicht dauerhaft angesiedelt werden können, bzw. wenn dort zum Bekämpfungszeitpunkt keine ausreichenden Dichten erzielt werden können, kann eine biologische Bekämpfung unter Umständen mithilfe von kommerziellen Massenzuchten und anschließenden gezielten Freilassungen erfolgen. Sehr bewährt hat sich diese "Überschwemmungsmethode" (= inundative biologische Bekämpfung) gegenüber Schadinsekten in Glashauskulturen, da hier einfach strukturierte und daher gut steuerbare ökologische Systeme vorliegen. So setzte 1994 die Hälfte aller Schweizer Gemüsebaubetriebe in ihren Gewächshäusern Nutzarthropoden zu einer inundativen biologischen Bekämpfung ein. Zu nennen ist hier vor allem die Kontrolle von Mottenschildläusen an Tomaten, Gurken und Paprika mit der Kleinschlupfwespe Encarsia formosa . Weitere Beispiele für eine erfolgreiche biologische Bekämpfung unter Glas sind die gegen Minierfliegen an Zierpflanzen oder Gemüse eingesetzten Brackwespen Diglyphus issaea und Opius pallidipes oder die an Blattläusen räuberisch lebende Gallmücke Aphidoletes aphidimyza. Eine Voraussetzung, die den Anwendungsbereich der Überschwemmungsmethode auf eine relativ kleine Zahl meist wenig wirtsspezialisierter Entomophagen einengt , liegt in der Notwendigkeit, die betreffenden Nützlingsarten in großer Indviduenzahl zu ökonomisch vertretbaren Bedingungen produzieren zu können . Das gilt vor allem für die Anwendung der Überschwemmungsmethode im Freilandbereich. wo beispielsweise beim Einsatz
des Eiparasitoiden Trichogramma gegen den Maiszünsler Aufwandmengen in der Größenordnung von 100000 Kleinschlupfwespen pro Hektar notwenig sind, um einen ausreichenden Wirkungsgrad zu erzielen. Für eine kommerzielle Großproduktion eignen sich hier als Ersatzwirte vor allem leicht züchtbare Vorratsschädlinge wie beispielsweise die Mehlmotte (= Ephestia kühni ella) oder die Getreidemotte (= Sitotroga cerealella). Gegen Schadinsekten im Freiland spielen bei Überschwemmungsverfahren vor allem Trichogramma-Arten und -Stämme, in den USA aber auch Florfliegen (= Chrysopa carnea) eine Rolle. So wurde 1995 der Maiszünsler Ostrinia nubilalis in der Schweiz auf rund 6500 ha und in Südwestdeutschland auf über 6000 ha kommerziell mit Trichogramma evanescens bekämpft. Gegen in Apfelkulturen schädliche Kleinschmetterlinge wurde eine Kombination von T. dendrolimi und T. cacoeciae verwendet. Ein selektionierter T. cacoeciae-Stamm erscheint Erfolg versprechend gegen den Traubenwickler im Weinbau ; mit einem speziellen Stamm von T. evanescens gelang es im Kohlanbau, die Kohleule zu kontrollieren. Diese Beispiele zeigen, dass es bei der inundativen Bekämpfungsmethode mit Trichogramma sehr auf die Auswahl geeigneter Arten und leistungsfähiger Zuchtstämme ankommt. Im Gegensatz zur Ansiedlungsmethode, bei der nach der Freilassung keine Möglichkeit mehr besteht, auf die Populationsgenetik der Entomophagen Einfluss zu nehmen, erlaubt die Überschwemmungsmethode, für den jewiligen Einsatz besonders effiziente Entomophagen-Rassen gezielt auszulesen .
21.1.2.5 Die Erhaltung und Förderung einheimischer Entomophagen Ein Problem der modernen Intensivlandwirtschaft aber auch forstlicher Monokulturen besteht darin, dass durch den Verlust der urspr ünglichliehen Strukturvielfalt der Umwelt die Entomophagenfauna besonders stark betroffen ist. Andererseits finden viele als Pflanzenschädlinge auftretenden Phytophagenarten besonders günstige Bedingungen. Verstärkt wird dieses Ungleichgewicht zwischen Entomophagen und Phytophagen noch durch viele chemische Pflanzenschutzmaßnahmen, die Pflanzenschädlinge jeweils nur kurzfristig ausschalten, Nutzarthropoden aber langfristig nachhaltig schädigen (s. 22.3.2). Eine Gegenmaßnahme, die die Lebensbedingungen entomophager Insekten verbessern kann, stellt die Einrichtung und/oder Erhaltung ökologischer Ausgleichsflächen dar. Dazu gehören Flurgehölze, Hecken , naturnahe Waldränder, Feldraine, Ackerrandstreifen, Brachland und ähnliche, mosaikartig in der Agrarlandschaft verteilte Flächen mit hoher Artenvielfalt. Gut untersucht ist die Rolle, die Feldhecken für die Erhaltung von Entomophagenpopulationen spielen. Ihr bandartiger Aufbau und ihre im Verhältnis zum Volumen große Oberfläche begünstigen Austauschprozesse mit dem landwirtschaft-
21.1 Biologische Schädlingsbekämpfung: Übersicht
677
Tab. 21-2: Kleinschmetterlinge an verschiedenen Heckengehölzen als Wirtsreservoir von Parasitoiden, die land- bzw. forstwirtschaftliche Schadinsekten befallen. (Nach Zwölfer et al. 1980) Wirtspflanze
Zahl der untersuch en Kleinschmetterfinqsarten
Zahl gezogener Parasiteidenarten
Wirtschafthch bedeutsame AlternativwIrte
Weißdorn
6
15
38
Wildrosen
7
18
42
14
24
43
Schlehe
In
der Hec e
lieh genutzten Heckenumland. Die Vegetationsvielfalt von Hecken, die hier überdurchschnittlich hohe Nutzung der pflanzlichen Primärproduktion durch phytophage Organismen (Zwölfer et al. 1984) und die im Verhältnis zum Umland höhere ökologische Stabilität liefert entomophagen Insekten vielfältige und zuverlässige Ressourcen. Dabei handelt es sich einerseits um Nahrung für die Imagines (Nektar, Pollen , Honigtau und Beutetiere), andererseits um Wirts- oder Beutetiere, die Entwicklungsmöglichkeiten für die Nachkommenschaft bieten. Außerdem sind Hecken mit ihrer Strukturvielfalt Refugien, die das Überleben während ungünstiger Witterungsperioden oder vom Menschen verursachter Störungen des Umlands ermöglichen. Ein paar Beispiele sollendie Verknüpfung der Nahrungsnetze an Hecken und im landwirtschaftlichen Umland zeigen: Über 65% der mit Klopfproben an Heckensträuchern gefundenen Wanzenarten gehören zu den im integrierten Pflanzenschutz in Obstanlagen als Nutzarthropoden nachgewiesenen Nützlingsarten. Die Kleinschmetterlinge an den Heckengehölzen Weißdorn, Wildrose und Schlehe beherbergen Parasitoidenarten, die auch eine beträchtliche Zahl von land- bzw. forstwirtschaftliehen Schadinsekten befallen können (Tab. 21-2). 14 als Gegenspieler von Blattläusen in Getreidefeldern auftretende Entomophagenarten konnten im Frühjahr zunächst im Heckenbereich nachgewiesen werden. Dazu gehören Vertreter der Marienkäfer, der Schwebfliegen, der Blumenwanzen. der Florfliegen und Parasitoiden an Blattlausarten. In der Agrarlandschaft sind im Frühjahr für diese Entomophagengruppen Nahrungsressourcen bzw. Brutmöglichkeiten praktisch nicht vorhanden, dagegen bieten die schon im Lauf des Aprils austreibenden Heckengehölze neben Pollen, Nektar und Honigtau ein reiches Angebot an Wirts- und Beuteinsekten. das vielen entomophagen Arten einen ersten Populationsaufbau ermöglicht. Untersuchungen über die tierökologischen Wechselbeziehungen zwischen Hecken und ihrem Umland haben gezeigt, dass diese .Relaisfunktion" für mobile Entomophagenarten bei weitem die Rolle der Hecken als Reservoir potentieller Schadinsekten überwiegt. Zur Förderung einheimischer Entomophagen gehören auch die weit verbreiteten Schutzmaßnahmen für Waldameisen der Formica rufa-Gruppe sowie Ansiedlungsversuche mit Waldameisen in gefährdeten Wäldern. Nachgewiesen werden konnte hier ein kontrollierender Einfluss auf Po-
pulationen der Kieferneule (Panolis flammea). Jedoch wird die forstliche Schutzwirkung der " roten Waldameise" vielfach wohl überbewertet. Der Aktionsradius der Völker ist relativ gering, die Bestandesdichte lässt sich nur schwer manipulieren, und im eingetragenen Beutespektrum überwiegen indifferente oder nützliche Insekten die Schadinsekten (Krieg und Franz 1989).
21.1.3 Unkrautbekämpfung mit phytophagen Insekten So wie in der biologischen Schädlingsbekämpfung mit entomophagen Insekten besteht auch das Prinzip der biologischen Unkrautbekämpfung im Aufbau einer neuen , stark vereinfachten zweigliedrigen Nahrungskette, in der der von den Antagonisten auf die Populationen des Zielorganismus ausgeübte Druck maximiert wird . Erfolgreich eingesetzt wurde die biologische Unkrautbekämpfung gegen Pflanzenarten, die ohne ihre natürlichen Feinde in andere Länder eingeführt oder eingeschleppt wurden und sich dort zu monokulturartigen Beständen entwickelten. In solchen Unkraut-Reinbeständen ist der Energie- und Biomassefluss gewissermaßen auf der Ebene des Produ zenten aufgestaut. Gelingt es, in dieses System geeignete Phytophage einzubringen, so entstehen neue "Energieflusskanäle". Diese machen einerseits die Primärproduktion der Unkrautpopulationen für weitere Glieder des Ökosystems verfügbar. Andererseits schwächen sie deren Konkurrenzkraft, sodass nun die zuvor verdrängte Vegetation sich wieder entwickeln kann. Erfolge der biologischen Unkrautbekämpfung, wie sie etwa in Australien mit dem Einsatz des Zünslers Cactoblastis cactorum gegen aus Amerika stammende Feigenkaktusarten der Gattung Opuntia (Wiedergewinnung von 24 Mill ionen ha Weideland) oder in den westlichen USA mit Blattkäfern der Gattung Chrysolina gegen das aus Europa eingeschleppte Johanniskraut (Hyperi cum perforatum) (Wiedergewinnung von einer Million ha Weideland) erzielt werden konnten , zeigen das ökologische Potential, das in einzelnen Phytophagenarten steckt.
678
21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
D
10 mg Biomasse
pr o gr Blkpf TG
Abb.21-2: Schematische Darstellung des trophischen Systems in den Blütenköpfen der Distel Carduus nutans. Die Pfeile geben den
Energie- und Stoff-Fluss an. Die Größe der Quadrate (Maßstab rechts oben) zeigt die auf ein Gramm Blütenkopftrockengewicht bezogene Insektenbiomasse (lebendgewicht ausgewachsener R! Phytophagenlarven). links: Nahrungsnetz in Blütenköpfen einer C. nutansPopulation von einer lokalität im Elsass (nördlich von Mulhouse), von der das für die biologische Bekämpfung in Nordamerika gesammelte Rhinocyllus conicus-Material stammt. Rechts: Nahrungsnetz im Gallatin Valley, Montana, USA, nach der Einbürgerung von Rh. conicus. C. NUTANS C. NUTANS N. AMERICA 1977 MULHOUSE 1971 U = die Bohrfliege Urophora solstitialis mit den Parasitoiden Eurytoma tibialis (1), E. robusta (2), Torymus sp. (3); R! = der Rüsselkäfer Rh. conicus mitden Parasitoiden Bracon sp. (4), Pterandrophysalis levantina (5), Habrocytus sp. (6), Bracon urinator (7); l = der Rüsselkäfer Larinus stumus mitden Parasitoiden B. urinator und Tetrastichus crassicomis (8); H = Kleinschmetterlinge der Zünslergattung Homoeosoma sp.; S = weitere Phytophagenarten. Schraffierter Anteil der Quadrate = durch die Parasitoide bzw. räuberische Zünslerlarven verursachte Mortalität. Bei Rh. conicus geben die wagrechten Pfeile den von U. solstitialis und L. stumus ausgehenden Konkurrenzdruck wieder. (Nach Zwölfer 1980)
t
Das Beispiel des Rüsselkäfers Rhinocyllus conicus, mit dem in Nordamerika und Neuseeland im Weideland Reinbestände der aus Europa eingeschleppten Distel Carduus nutans erfolgreich kontrolliert werden konnten, zeigt, dass dieses ökologische Potential in den Ursprungsländern verdeckt sein kann . Denn dort sind die betreffenden phytoph agen Insektenarten in der Regel in komplexe Nahrungsnetze eingebunden, wo sie ihrerseits auf mannigfache Weise kontrolliert werden (Abb. 21-2). In Europa ist der Rüsselkäfer Rh. conicus zwar weitverbreitet, aber im Phytoph agenkomplex von C. nutans in der Regel keineswegs dominierend , sondern lediglich ein Element in einem komplexen Nahrungsnetz. In vielen Gebieten Nord amerikas, wo er diese Wirtspflanze ohne spezialiserte natürliche Feinde und ohne zwischenartliehe Konkurrenz ausbeutet, konnte er hohe Populationsdichten aufbauen und damit die Konkurrenzkraft von C. nutans so schwächen, dass aus quadratkilometergroßen Distel-Reinbeständen wieder ein artenreiches Grasland wurde. Die bei der biologischen Unkrautbekämpfung gemachten Erfahrungen führen allerdings zu dem Schluß, dass nur ein relativ kleiner Teil der erfolgreich angesiedelten Phytophagenarten ein Rh. conicus vergleichbar hohes Bekämpfungs-Potential besitzen. In Kanada sind dies beispielsweise weniger als ein Viertel der 47 europäischen Phytophagenarten, die bis 1995 erfolgreich im Rahmen biologischer Unkrautbekämpfungsprojekte eingebürgert werden konnten.
Eine schwierige Aufgabe, die bei dieser biologischen Bekämpfungsmethode gelöst werden muss, besteht daher darin, phytophage Insektenarten zu finden, die einerseits einen genügend hohen Druck auf die zu kontrollierenden Unkrautarten ausüben, die aber andererseits wirtsspezifisch genug sind, um im Einfuhrgebiet auf keine anderen
Pflanzenarten überzugehen. Dabei kann die Wirtsspezifität (also die ökologische Unbedenklichkeit einer Ansiedlung) mithilfe von modernen Untersuchungsmethoden, die entwicklungsbiologische, ernährungs- und verhaltensphysiologische, ökologische und biosystematische Kriterien auswerten, zuverlässig ermittelt werden. Demgegenüber kann das ökologische Potential der für eine Ansiedlung infrage kommenden Phytophagenarten bislang allenfalls abgeschätzt , aber nicht exakt vorausgesagt werden. In Europa sind - vom Gebiet der vormaligen UdSSR abgesehen - bislang keine biologischen Unkrautbekämpfungsprojekte mit phytoph agen Insekten durchgeführt worden. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich jedoch hier eine Reihe eingeschleppter oder aus Gärten verwilderter Pflanzenarten zu aggressiven Neophyten entwickelt, deren Massenvermehrung eine Eindämmung mithilfe biologischer Bekämpfungsverfahren auch hier sinnvoll erscheinen lassen. Zu nennen wären hier beispielsweise nordamerikanische Goldrutenarten (So/idago spp.), das asiatische Springkraut (Impatiens g/andu/ijera), ostasiatische Staudenknöterich-Arten (Reynoutria spp.), der Riesenbärenklau (Herac/eum mant egazzianum) oder die nordamerikanische Traubenkirsche (Prunus serotina).
21.2 Chemische Schädlingsbekämpfung/Resistenz
21.2 Chemische Schädlingsbekämpfung! Resistenz Konrad Dettner Neben Unkräutern und phytopathogenen Pilzen richten tierische Schädlinge und hier insbesondere Insekten erhebliche Schäden in der Landwirtschaft an. Die weltweiten Produktionsverluste durch Insekten werden etwa mit 14% veranschlagt. Vorwiegend handelt sich hierbei um Ernteeinbußen , in geringerem Maße um Lagerschäden. Diese Ertragseinbußen müssen auf ein Minimum reduziert werden, denn ein 20%iger Ernteverlust am Rohertrag bedeutet für den Landwirt im Allgemeinen den völligen Verlust der Rendite. Die Bekämpfungsmittel gegen tierische Schädlinge bezeichnet man als Insektizide (gegen Insekten), Akarizide (gegen Milben) oder Nematizide (gegen Nematoden). Früher hatten Insektizide, aber auch Mittel gegen Pilzkrankheiten (Fungizide), prozentual eine größere Bedeutung, als Unkrautbekämpfungsmittel (Herbizide). Heutzutage sind Herbizide prozentual wichtiger, denn im Falle ihres Einsatzes entfällt die arbeitsintensive mechanische Unkrautbekämpfung. Wenn in ausreichendem Maße preiswerte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, wird Unkraut häufig noch mechanisch bekämpft, was zur Folge hat, dass Insektizide und Fungizide eine weit größere Bedeutung als die Herbizide haben können . Je nach Kulturpflanze kann der Einsatz von Insektiziden eine völlig unterschiedliche Bedeutung haben. So stehen Insektizide im Baumwollanbau und allenfalls noch im Gemüse- und Kernobstbereich im Vordergrund . Insgesamt wird geschätzt, dass der Anteil der Insektizide in industrialisierten Ländern etwa 10-30% aller Pflanzenschutzmaßnahmen umfasst, während entsprechende Werte in Asien, im Orient, in Afrika , Mittel- und Südamerika zwischen 40 und 80% liegen. Auf einige Schlüsselbegriffe muss vor der Besprechung der chemischen Schädlingsbekämpfung hingewiesen werden. Innerhalb der Insekten sind Insektizide gegen ganz unterschiedliche Zielgruppen gerichtet, die von Hygieneschädlingen und Krankheitsüberträgern (z. B. Fliegen, Schaben, Flöhe) bis zu Pflanzen-, Vorrats- und Forstschädlingen reichen können . Innerhalb derartiger Zielgruppen können die Wirkstoffe gegen unterschiedliche Stadien gerichtet sein, z. B. gegen Eistadien (Ovizide), Larven (Larvizide) oder gegen ausgewachsene Insekten . Die Aufnahme der Wirkstoffe (mit relativ hohem Dampfdruck) kann prinzipiell über die Atemwege (Atemgifte), über den Magen-
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Darm-Trakt (Fraßgifte) oder über das Integument durch Berührung (Kontaktgifte) erfolgen. Allerdings existieren häufig fließende Übergänge zwischen den einzelnen Wirkstoffgruppen. Eine besondere Gruppe sind die systemischen Insektizide, die mit dem Saftstrom in der Pflanze transportiert werden und dadurch in die an der Pflanze saugenden oder fressenden Herbivoren gelangen. Mit derartigen Mitteln sind auch versteckt lebende oder durch Wachsabsonderungen geschützte Schädlinge bekämpft worden . Auch die in Hautbeulen von diversen Säugern lebenden erwachsenen Larven der Dasselfliegen (Hypodermatidae) können mittels systemischer Insektizide bekämpft werden. Die auf dem Markt befindlichen Handelsprodukte enthalten Insektizide, denen Emulsionsmittel, Benetzungsmittel oder Duftstoffe, sowie Substanzen, die einen UV-Schutz gewährleisten, hinzugefügt werden, sie können aber auch in Form eines Puders, eines Granulates oder eines Schwimmpulvers vorliegen. Häufig wird erst durch diese Zusätze eine optimale Ausbringung, Verteilung und Entfaltung des jeweiligen Wirkstoffs möglich. Ferner dient die Aufbereitung von Insektiziden auch dem Schutz des Anwenders, der Haftfähigkeit usw. Die Ausbringung insektentötender Mittel erfolgt auf dreierlei Weise: • gasförmig (Gas- u. Räuchermittel, im Hygienebereich: Sprays, Elektroverdampfer, getränkte Papierstreifen), • flüssig (normalerweise verdünnte wässrige Lösung), • fest (pulverförmig, als Granulat). Wenn die unter Einwirkung von Licht, Wasser oder Luft erfolgte Geschwindigkeit des Abbaus und der Grad der Verdunstung, Ab- und Auswaschung eines Insektizids im Freiland bekannt ist, dann kann eine Wartezeit zwischen dem Zeitpunkt der Anwendung eines Insektizides bis zur Ernte, d. h. dem Verzehr oder Verfüttern der behandelten Pflanze festgelegt werden. Dadurch wird der Abbau der Substanz bis unterhalb der Grenze der Höchstmenge sichergestellt. Zur Festlegung der Wartezeit ist es notwendig, die Halbwertszeit, d. h. die Zeit, in der jeweils die Hälfte der Substanz abgebaut ist, zu kennen. Unter Einbeziehung von Toxizitätsdaten werden schließlich Grenzwerte für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln (Höchstmengen) festgelegt.um den Menschen vor unnötigen Belastungen durch solche Substanzen zu schützen . Die Aufnahme eines Insektizids in den Körper kann über verschiedene Pfade erfolgen. Neben einer Aufnahme durch den Mund (peroral) oder die Haut (dermal), können Insektizide auch über die Atemwege (inhalatorisch) in den menschlichen
680
21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
Tab. 21-3: Toxizität ausgewählter Insektizide auf unschädliche Nichtzielorganismen sowie Persistenz dieser Verbindungen (1 : ungiftig, bzw. niedrige Persistenz bis 5: hochgiftig, hohe Persistenz; Persistenz 1: unter 1 Monat, 2: 1-4 Monate, -12 Monate, 4: 1-3 Jahre, 5: 3-10 Jahre). (Nach Metcalf und luckmann 1994) GI' lasse
Permethrin (Pyrethroide) DDT (chlorierte Kohlenwasserstoffe) lindan (chlorierte Kohlenwasserstoffe) Elhyl-Paralhion (Phosphorsäureesler) Malalhion (Phosphorsäureester) Carbaryl (Carbamate) Diflubenzuron (Chitinsyntheseinhibitoren) Melhopren (Juvenilhormonanaloga)
Ra e
Fisch
Vogel
Honiqbrene
Persistenz
2
4 4
2 2 2 5
5 2
2 5
4 5 4 4 4
4
3
3 5 2 2 1 1
Körper gelangen. Hinsichtlich der Toxizität eines Insektizids muss bei einmaliger Aufnahme durch den Menschen je nach der Art der Aufnahme zwischen verschiedenen Toxizitäten unterschieden werden . In der Toxikologie ist es üblich, die Menge eines Giftes in mg pro kg Gewicht des Versuchstieres anzugeben, bei der 50% der Versuchstiere nach oraler Aufnahme der Substanz sterben. Die LD so bedeutet letale Dosis für 50% der betreffenden Versuchstiere. Im Allgemeinen ist die Bestimmung der LD so bei der Ratte oder der Maus oder bei beiden Arten vorgeschrieben. Neben derartigen Erhebungen zur akuten Toxizität wird auch die eventuelle chronische Toxizität über längere Zeiträume (z. B. Fütterungsversuche über 2 Jahre) getestet. Von neu entwickelten insektiziden Wirkstoffen wird schließlich deren Reizwirkung auf der Säugerhaut oder deren Metabolisierung und Ausscheidung überprüft. Darüber hinaus werden kan zerogene, mutagene, neurotoxische (das Nervensystem schädigende) und teratogene (den Embryo schädigende) Eigenschaften der natürlichen und synthetischen Insektizide ermittelt. Um die ökotoxikologische Bedeutung eines Insektizids abschätzen zu können, sind auch Werte zur Bienen-, Vogel- und Fischtoxizität von Bedeutung (Tab. 21-3). Schließlich muss das Rückstandsverhalten solcher Verbindungen überprüft werden, bevor die Zulassung durch das Bundesgesundheitsamt oder die Biologische Bundesanstalt erfolgt.
21.2.1 Wichtigste Typen von Insektiziden 21.2.1.1 Insektizide der 1. Generation Bereits die Chinesen, Griechen und Römer setzten Chemikalien wie S02 , Arsenverbindungen oder Asphaltdämpfe ein, um beispielsweise ihre Weinberge schädlingsfrei zu halten. Bis in die vierziger
3 2 2 1 1 1
1 1 1 1
2
2 1 2 4 2
Jahre unseres Jahrhunderts verwendete man vorwiegend anorganische Insektizide. So kamen z. B. überall Arsenpräparate als Fraßgifte zum Einsatz. Auf diese Weise wurde der Kartoffelkäfer in den USA bereits 1865 mit Kupferacetoarsenit (Pariser Grün) bekämpft. Da Arsenverbindungen die Glykolyse stören und für den Menschen relativ giftig sind, wurden andere, zum Teil weniger giftige anorganische Verbindungen ausgebracht. Hierzu gehören Schwefel, Borax , Phosphorverbindungen, und Fluorsalze wie Kryolith (Na 3AIF6) oder Fluorosilicate. Wegen ihrer hohen Wirksamkeit verwendete man außerdem auch giftige Quecksilbersalze oder Cyanwasserstoff. Cyanverbindungen blockieren die oxidative Phosphorylierung in der Atmungskette und sind gegen kaum zugängliche Insekten (z. B. Schildläuse) außerordentlich wirksam. Die bislang besprochenen anorganischen Insektizide müssen durch Besprühen der Fraßpflanze appliziert oder als Köder ausgebracht werden . Es handelt sich fast durchweg um Fraßgifte, deren orale Aufnahme und Absorption durch den beißend-kauenden Schädling erforderlich ist. Neben anorganischen Verbindungen wurden auch pflanzliche Naturstoffe als Kontaktgifte eingesetzt. Hierzu gehören beispielsweise Nicotinalkaloide aus Nicotiana-Arten. Das Nicotin ist relativ giftig für den Menschen (Abb. 21-3), es bindet an Rezeptoren für Acetylcholin. Rotenoide werden aus den Wurzeln tropischer Schmetterlingsblütler der Gattungen Derris und Lonchocarpus gewonnen, sie unterbinden die oxidative Phosphorylierung. Rotenoide sind relativ giftig (Abb. 21-3) und besitzen eine hohe Fischtoxizität (LD so von Rotenon 0,025 ppm!). Getrocknete Blüten der Gattung Pyrethrum (Chrysanthemum) kamen als Dalmatinisches Pulver Mitte des 19. Jahrhunderts aus Dalmatien nach Mitteleuropa. Extrakte aus diesen Kompositen können gegen diverse Schädlinge zum Einsatz kommen. Hierzu zählen vor allem die in den Haushalten vorkommenden Insekten, wie Stech-
681
21.2 Chemische Schädlingsbekämpfung/Resistenz
m,
7:.
N 3 1 0 CH3C:HO CH3 \\ C - O/ 0 "'--/ ~ , Pyrelhrin CH3 'tH3 LDso:580 - 900
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Nicotin LDso :83
Rotenon LDso :50 -75
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11
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Carbaryl LDso :540-850
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DDT LDso :113-118
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ODE LDso :880
C2H s-0
S
C2Hs-0
0~N02
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Parathion LDso :3,6 - 13 , ~ .. H3C-CO-0""" H3COOC \A <5
Azadirachlin LD50: >5000
o
0,(
Ryanodin LDso : 750
OCH 3 Methopren LDso >34000 CH3" N
CHI
r------/'V
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' Spinosyn A LOso: 3738 (0) >5000 (~)
nlN~
0=oee,", \
: : ". . I synergist
CH2(OC2H4)zOC4H9 Piperonylbutoxid LDso : 7950
Sexualpheromon
Spiromesifen LD50: >2500
Y .. Repellent
N, N - Diethyl -3 .. methyl - benzamid LDso: 2000
(Z) -7, (E) -11- Hexadecadienylacetal LDso > 15000
Abb. 21-3: Struktur ausgewählter Insektizide und Schädlingsbekämpfungsmittel der 1. (I) - 3. (111) Generation. Die LDso-Werte beziehen sich aufdie Ratte (oral mg/kg). Je giftiger eine Substanz ist, um so niedriger sind die LDso-Werte.
682
21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
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DDT Organophosphate Pyrethroide
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1940
1950
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1970
1980
1990
Jahre
Abb. 21-4: Resistenzentwicklung. Zunahme resistenter Insektenarten gegenüber DDT, Organophosphaten und Pyrethroiden. (Nach Metcalf 1995)
mücken , Flöhe, Schaben, Bettwanzen , Ameisen oder Silberfischchen. Die als Pyrethroide (Abb. 213) bezeichneten Wirkstoffe sind aufgrund mehrerer Asymmetriezentren im Molekül ein Gemisch von Isomeren, von denen jedoch nur ein Isomer wirksam ist. Pyrethroide wirken als Nervengifte indem sie die Funktion spannungsabhängiger Na+-Kanäle modifiz ieren. Bei relativ niedriger Säugertoxizität zeichnet sich Pyrethrum durch eine relativ hohe Fischtoxizität aus, es darf folglich nicht in aqu atische Lebensräume gelangen (Tab. 21-3). Die als Kontaktgift wirkenden Pyrethroide haben einen "knock-down"-Effekt und führen innerhalb weniger Minuten zur Lähmung des Insektes. Weil Pyrethroide im Insekt schnell entgiftet werden , führt die angewandte Dosis oft jedoch nicht zum Tode. Deshalb werden synthetische Pyrethroide vielfach mit Carbamaten oder Phosphorsäureestern kombiniert. Pyrethroide aus Ptlanzenextrakten sind instabil, sie sind empfindlich gegenüber Licht und Sauerstoff und sie sind relativ teuer . Daher wurden natürliche Pyrethroide nach 1940 immer mehr durch synthetische, photostabile Pyrethroide ersetzt. Kontakt- und Fraßgifte wie Cypermethrin, Permethrin, AlIethrin, Cytluthrin, Deltamethrin oder Fenvalerat zeichnen sich im Allgemeinen durch geringe Aufwandmengen von 12-25 g/ha aus, d. h. es wird pro Flächeneinheit weniger als bei klassischen Insektiziden ausgebracht. Ein erheblicher Marktanteil der weltweit, vor allem im Baumwollanbau eingesetzten Insektizide entfällt auf Fenvalerat (Aufwandmenge 100-200 g/ha), Die synthetischen Pyrethroide, die innerhalb der Insektizide weltweit einen Marktanteil von etwa 23% ausmachen, haben leider zwei Nachteile: sie
sind giftig für zahlreiche Nützlinge (z. B. Schlupfwespen, Raubrnilben) und Fi sche (Tab. 21-3). Darüber hinaus kommt es rasch zu einer deutlichen Zunahme resistenter Arten (Abb. 21-4). Synthetische Pyrethroide werden häufig mit ungiftigen Subst anzen wie Piperonylbutoxid kombiniert (Abb. 21-3). Derartige Synergisten hemmen enzymatische Entgiftungsprozesse und verstärken somit die Wirkung des Insektizids. 1939 entdeckte Paul Müller, der als Chemiker bei der Firma Geigy in Basel arbeitete, das Kontaktinsektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan, Abb. 21-3) und der Zoologe Robert Wiesmann stellte ein breites Wirkungsspektrum gegenüber schädlichen Insekten fest. Müller erhielt für seine Entdeckung 1948 den Nobelpreis für Medizin. Die preiswerte Synthese, einfache Handhabung, lange Wirkungsdauer, niedriger Dampfdruck und eine erh öhte Stabilität im Hinblick auf eine Photooxidation sind weitere Vorteile des bekanntesten Insektizids, von dem allmählich immer größere Mengen synthetisiert wurden. Ursprünglich war man der Überzeugung, mit DDT könnten alle Schädlinge eliminiert werden . Erst später stellte sich heraus, dass die weltweite Anwendung von DDT neben der raschen Entstehung resistenter Stämme (Abb. 21-4) zu einer massiven Anreicherung dieser Verbindung in der Nahrungskette führt (Abb. 21-5). Auch heute kann DDT bei der Bekämpfung der Überträger von Malaria, Typhus, Fleckfieber, der Schlafkrankheit, sowie bei der Bekämpfung von Läusen und Flöhen vor allem in asiat ischen Entwicklungsl ändern noch eine gewisse Bedeutung haben . Beispielsweise führte ein Verbot von DDT in Sri Lanka zu einem sofortigen Wiederautleben der Malaria. Vor allem ab 1940 wurde eine Vielzahl anderer Insektizide synthetisiert, welche teilweise als Insektizide der 1. Generation bezeichnet werden , die einerseits eine Breitbandwirkung besitzen und andererseits oft eine relativ hohe akute Toxizität aufweisen ("chemische Keule").
Chlorierte Kohlenwasserstoffe Außer DDT, Chlordan, Aldrin, Dieldrin, Endosulfan, Endrin, Heptachlor, Methoxychlor oder Toxaphen ist hierbei vor allem Lindan (y-HCH) zu nennen . Auf dem weltweiten Insektizidmarkt halten diese chlorierten Kohlenwasserstoffe einen Marktanteil von immerhin etwa 5%. Lindan ist wegen seiner höheren Wasserlöslichkeit, bzw. geringeren Lipidlöslichkeit und dem höheren Damp fdruck umwelttoxikologisch unbedenklicher als DDT oder Endosulfan, was sicher auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass es in Deutschland mit Einschränkungen noch einsetzbar ist (Tab. 21-3). Beim Dieldrin reicht bereits eine zwei bis dreijährige Behandlung aus, um 90% resistente Anopheles-Mücken zu bekommen. Eine DDT-Resistenz (Abb. 21-4) beruht auf der Produk-
21 .2 Chemische Schädlingsbekämpfung/Resistenz
683
Kleinkrebs (Primärkonsument) Kleinfisch Raubfisch Seeschwalbe (Fischfresser)
3,50 -18,50
13,80
26,40 Abb. 21-5: Anreicherung von DDT in der Nahrungskette. Angaben in ppm, bezogen aufdas Frischgewicht des ganzen Organismus. (Nach Hafner und Philipp 1978)
tion eines Enzyms, welches Chlor vom DDT entfernt und weniger giftiges DDE bildet (Abb. 21-3). Ein weiterer Grund für eine Resistenz kann auch darin beruhen, dass das Nervengewebe weniger empfindlich auf solche Substanzen reagiert. Sowohl im peripheren als auch zentralen Nervensystem verhindert DDT eine Impulsleitung. Wie Pyrethrum so wirkt auch DDT am spannungsaktivierten Na + - Kanal der Nervenzelle.
Phosphorsäureester Phosphorsäureester, von denen etwa 100 Präparate im Handel sind, wurden in den 30er Jahren durch G. Schrader (Farbenfabriken Bayer, Leverkusen), zusammen mit den Kampfstoffen Tabun und Sarin entdeckt. Die Wirkung der Phosphorsäureester beruht auf einer Blockierung der Acetylcholinesterase, was zu einer Dauererregung der Nervenzelle und schließlich zum Tod führt. Organophosphate sind teilweiseleicht hydrolytisch, enzymatisch bzw. biologisch abbaubar, was im Vergleich zu DDT und ähnlichen Verbindungen von Vorteil ist (Tab. 21-3). Hinzu kommt bei den weltweit mit etwa 34% Anteil am Insektizidmarkt vertretenen Phosphorsäureestern ein geringer Wirkstoffaufwand pro Flächeneinheit. Bekannte Organophosphate sind beispielsweise Diazinon, Dichlorvos, Parathion (E 605), Dimethoat, Metasystox oder Malathion. Dichlorvos ist ein Atem- und Kontaktgift , welches auch als Akarizid eingesetzt wird, Parathion kann als Kontakt-, Atem- und Fraßgift gegen saugende und beißende Insekten zum Einsatz kommen und besitzt allerdings, wie viele andere Phosphorsäureester, eine beträchtliche Toxizität gegenüber Säugern
(Tab. 21-3, Abb. 21-3). E 605 und Metasystox wurden als supertoxische Verbindungen für Selbstmordversuche verwendet. Diese Verbindungen führen nach Lähmung der Extremitäten, Krämpfen im Magen-Darmtrakt und der Herz-Lungen-Region zu einem langsamen, qualvollen Tod. Da das Organophosphat Malathion weniger giftig ist als E 605, wird es vor allem gegen Ektoparasiten und Insekten im Hause eingesetzt. Obwohl einigen Organosphosphaten eine gewissespezifische Wirkung zukommt, zeichnen sich viele Präparate durch ein breites Wirkungsspektrum aus. Diese fehlende Selektivität bedeutet, dass zahlreiche Insekten (Schädlinge und Nützlinge), aber auch Milben oder Nematoden getötet werden.
Carbamate Zu den Carbamaten gehören Präparate wie Carbaryl (Abb. 21-3), Carbofuran, Propoxur, Sevin, Isolan , Pirimicarb oder Methomyl. Viele der weltweit mit einem Marktanteil von 20% (Insektizide) vertretenen Carbamate wirken systemisch und können auch gegen Spinnrnilben eingesetzt werden. Pirimicarb wirkt speziell gegen Blattläuse und weist zudem eine gute Pflanzenverträglichkeit auf. Methomyl schließlich ist wenig bienentoxisch und kommt als wirksames, systemisches Insektizid zum Einsatz. Propoxur hingegen ist ein bienengefährliches Kontakt- und Fraßgift mit guter knock-downWirkung. Die Primärwirkung der Carbamate beruht auf einer Blockierung der Acetylcholinesterase, was zu einer Dauererregung und schließlich zum Tode führt. Einige Carbamate sind für Säuger bereits bei niedriger Dosis toxisch. Eine relativ rasche Entstehung resistenter Arten
684
21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
beruht auf einem erhöhten enzymatischen Abbau . Im allgemeinen ist bei den gut abbaubaren Carbamaten keine Bioakkumulation zu beobachten (Tab. 21-3).
21.2.1.2 Insektizide der 2. Generation Zu den so genannten Insektiziden der 2. Generation gehören Verbindungen wie Ryanodin (Abb. 21-3), Quassin oder Avermectine mit geringer Giftigkeit und mehr selektiver Wirkung. Ryanodin (Abb.21-3), ein Fraß- und Kontaktgift, stellt den insektiziden Bestandteil des so genannten Ryaniapulvers dar, welches aus trockenen Stengeln und Wurzeln der südamerikanischen Pflanze Ryania speciosa (Flacourtiaceae) gewonnen wird. Ryanodin ist viel stabiler gegen Lichteinwirkungen, als herkömmliche Insektizide. Die Primärwirkung der Substanz beruht darauf, dass Ca 2+-Kanäle in Muskelzellen geöffnet werden, was zu Muskelkrämpfen führt. Quassinoide, wie z. B. Quassin, repräsentieren Triterpene, welche vor allem aus dem Holz des südamerikanischen Baumes Quassia amara isoliert werden. Quassin stellt für Insekten einen Bitterstoff dar und wirkt fraßhemmend. Die geringe Säugertoxizität hat zur Folge, dass die Verbindung sogar im Lebensmittelbereich als Bitterstoff Amarum zugelassen ist. Avermectine sind Naturstoffe, die durch Fermentation aus dem im Boden vorkommenden Actinomyceten Streptomyces avermitilis hergestellt werden. Diese Makrolid-Antibiotika wurden erst 1970 entdeckt und wirken auf Chloridionenkanäle im Nervensystem von Wirbellosen. Mit diesen Verbindungen können u. a. die Kriebelmücken bekämpft werden, die die Erreger der Onchocercose übertragen (s. 20.4.8). Günstig ist ein rascher Abbau der Avermectine unter UV-Strahlung und deren schnelle Bindung an Bodenpartikel. Avermectine werden rasch und vollständig über den Kot landwirtschaftlicher Nutztiere ausgeschieden. Danach entfalten diese Substanzen allerdings toxische Wirkungen auf Dungbewohner, wie z. B. Fliegen oder Dungkäfer. Dies führt beispielsweise in Australien zu erheblichen Problemen. Der Kot, den in Australien eingeführte Rinder in großer Menge produzierten , konnte nicht remineralisiert werden, was rasch zur Zerstörung des Pflanzenwuchses, zur Zunahme der parasitischen Würmer der Rinder sowie zu Massenvermehrungen der Stechmücken führte. Nach der Einführung von vier Dungkäferarten und deren Vermehrung wurden die riesigen Dungmengen durch die Käfer in die Erde eingearbeitet und rasch abgebaut.
In den Ictzten Jahren wurden zahlreiche neue Insektizide entwickelt, die auf unterschiedlichste und neue Targets wirken. Beispielsweise wurde 1991
mit Imidacloprid ein Nitroguanidin zugelassen, welches Acetylcholinrezeptoren blockiert und somit Organismengruppen erfasst, die Resistenzen gegenüber anderen Insektizidgruppen entwickeln konnten. Weiterhin wurde 1997 mit Spinosad ein Breitbandinsektizid eingeführt, welches an einer bestimmten Position des nikotinischen Acetylcholinrezeptors rasch seine Wirkung entfaltet. Das Produkt Spinosad wird vom Bodenbakterium Saccharopolyspora spinosa gebildet und besteht aus den beiden makrozyklischen Laktonen Spinosyn A (Abb. 21-3; 85%) und Spinosyn D (15%). Der Naturstoff wirkt insbesondere gegen Schmetterlingsraupen, aber auch gegen Blattläuse, Zweiflügler, Schaben, Termiten und auch Milben und zeichnet sich durch eine geringe Säugertoxizität aus. Mit Spiromesifen (Abb. 21-3) wurde 2002 ein weiteres nichtsystemisches Insektizid bzw. Akarizid auf den Markt gebracht. Der Wirkstoff gehört zur neuen Klasse spirozyklischer, phenylsubstituierter Tetronsäurcn und kann mit Erfolg gegen weiße Fliegen (Bemisia; Trialeurodes) eingesetzt werden. Spiromesifen stört die Lipidsynthese der Insekten und wirkt auch als Ovizid. Besonders empfindlich auf Spiromesifen reagieren juvenile Stadien.
21.2.1.3 Insektizide der 3. Generation Neuerdings gilt das Interesse vor allem Substanzen mit geringer Toxizität für Säuger aber hoher Wirksamkeit bei Insekten . Diese so genannten Insektizide der 3. Generation greifen in der Regel nicht die Nervenzellen an, sondern beeinflussen insektenspezifische Prozesse wie Fortpflanzung, Entwicklung und Häutung, ohne sofort tödlich zu wirken. Zudem liegen die Herstellungskosten derartiger Entwicklungshemmer deutlich höher, als bei Insektiziden der 1. und 2. Generation, was wiederum bedeutet, dass diese Mittel in der praktischen Anwendung signifikant teurer sind. Chitinsynthesehemmer Zahlreiche Verbindungen, wie z. B. Diflubenzuron aus der Gruppe der AcylharnstofTe hemmen die Synthese von Chitin in relativ niedrigen Anwendungskonzentrationen (s. 1.3.2). Diese Komponente weist eine Kontaktund Fraßgiftwirkung insbesondere gegen holometabole Insekten auf und fungiert als systemisches Insektizid mit relativ niedriger Säugertoxizität (Tab. 21-3). Durch den Einsatz derartiger Insektizide wird die Häutung gestört , d. h. es erfolgt keine Entwicklung zum adulten Insekt. In vielen Fällen sterben die behandelten Tiere während oder unmittelbar nach der Häutung. AcylharnstofTe, wie Dimilin, werden beispielsweise erfolgreich gegen Schwammspinner, Fliegen und Stechmücken eingesetzt.
21.2 Chemische Schädlingsbekämpfung/Resistenz
Entwicklungshemmer Diese umfangreiche Gruppe von Wirkstoffen hat ähnliche Wirkungen wie Juvenilhormone (JH) oder Ecdyson (s. 12.3). Analoga von Juvenilhormonen führen zu einer negativen Beeinflussung der Embryogenese. Dana ch tritt der Tod des behandelten Insektes bereits bei geringer Dosis ein. Die abnorme Entwicklung des Integumentes der Postembryonalstadien nach Behandlung mit Juvenilhormon-Analoga hat zur Folge, dass lediglich ein völlig verkrüppelter Organismus zustand e kommt. Auch die unvollständige Metamorphose innerer Organe, Genitalien etc. führt zu einer Sterilität bzw. Unfähigkeit des Insektes, sich zu verpaaren . Entwicklungshemmer wie Methopren (Abb. 21-3) zeichnen sich durch geringe Toxizitäten gegenüber Säugern aus (Tab. 21-3). Sie haben ein breites Wirkungsspektrum gegen Pflanzen-, Hygieneund Vorratsschädlinge. Wie zu erwarten , sind auch Resistenzentwicklungen zu beobachten. Hormonanaloga lösen im Insekt eine dem jeweiligen Hormon entsprechende Wirkung aus, Antihormone setzen die Wirkung eines bestimmten Hormons herab. Beispielsweisekann Precocen zur Degeneration der Corpora allata, dem Syntheseort der Juvenilhormone führen . Folglich bilden mit dem Antihormon behandelte junge Larven adulte Merkmalsstrukturen aus, da die Juvenilhormon-Biosynthese gehemmt ist. Precocene stellen aus Ageratum -Zierpflanzen isolierte Chromenderivate dar. Mit Precocenen behandelte Insektenl arven sind zum Zeitpunkt der Verpuppung noch nicht ausgereift und nicht fortpflanzungsfäh ig. Die Substanz führt folglich zu einer vorzeitigen (= präcoxen) Metamorphose. Azadirachtine reprä sentieren Antiecdysteroide aus dem öligen Extrakt (Früchte, Blätter etc.) des Neembaums Azadirachta indica. Diese Naturstoffe (Abb. 21-3) verzögern oder unterbinden die Häutung und können wie Antijuvenilhormone zu Sterilität führen . Azadirachtin stellt primär ein Fraßgift für juvenile herbivore Insekten dar. Es verhindert die Eiablage und führt zu negativen Beeinflussungen der Embryonalentwicklung und Postembryonalentwicklung (z. B. geringere Eizahlen, Steigerung der Mort alität) . Azadirachtin wirkt außerordentlich selektiv auf Herbivore, d. h. Räuber und Para sitoide werden nicht geschädigt. Die chemisch komplizierte Verbindung kann nicht tot alsynthet isch hergestellt werden. Sie zeichnet sich dur ch eine niedrige Toxizität gegenüber Wirbeltieren und eine niedrige Persistenz aus. Allerdings setzt die Wirkung des Azadirachtins langsam ein und naturgem äß ist auch die Entwicklung von Resistenzen zu beobachten. Die Substanz kann derzeit noch nicht in größeren Mengen gewonnen werden, weshalb Rohextrakte vorwiegend in tropischen und subtropischen Entwicklung sländern hergestellt werden.
21.2.1.4 Die Suche nach neuen Insektiziden Die Suche nach neuen Insektiziden ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Einerseits ist dies auf die lange Zeit und die enormen Kosten zurückzuführen, welche für die Entdeckung, Entwicklung und Zulassung eines Insektizids anfallen, andererseits hat dies etwas mit der raschen
685
Entstehung resistenter Arten zu tun (s. 21.2.1.5). Durchschnittlich gelangt etwa alle sieben Jahre eines von 15000--40000 Präparaten zur Marktreife. Das bei der Suche nach neuen Insektiziden verfolgte Konzept beinhaltet einerseits die Suche nach neuen Klassen von Wirkstoffen, den so genannten Leitstrukturen. Andererseits wird aber auch in der Nachbarschaft bereits bekannter, wirksamer Verbindungen nach biologisch aktiven Komponenten gesucht. Neben der gezielten Synthese definierter Verbindungen gewinnt mehr und mehr die so genannte kombinatorische Synthese an Bedeutung. Hierbei wird durch Aneinanderfügen von chemischen Bausteinen nach dem Zufallsprinzip in kurzer Zeit eine Vielzahl von Substanzen erzeugt. Die in riesigen Mengen anfallenden chemischen Verbindungen müssen anschließend einem Test im Labor (dem sog. Screening = sieben, überprüfen) auf insektizide Wirkung unterzogen werden. Vermehrt kommen hierbei auch automatisierte, molekulare Testsysteme zum Einsatz, welche es erlauben, große Mengen unterschiedlichster Substanzen im Schnellverfahren zu testen. Bei erfolgreichem Verlauf des Screenings in der I . Testphase schließt sich unmittelbar der Labor-, Gewächshaus- u. Freilandversuch an. In dieser 2. Testphase scheiden etwa 99% der Verbindungen aus. Falls die entsprechende Verbindung diese 2. Hürde ebenfalls genommen hat, folgt die 3. Testphase. Es schließen sich nun zahlreiche Prüfungen an verschiedenen Kulturpflanzen und verschiedenen Insekten unter unterschiedlichen Klimabedingungen, z. B. an Versuchsstationen im Ausland an. Es folgen detaillierte Studien zur Toxikologie, zum Metabolismus, zur Rückstandsforschung und zum Umweltverhalten der Verbindung . Auch werden jetzt Methoden der Formul ierung , d.h. der Zubereitung der Substanz entwickelt, wobei eine einfache und sichere Handhabung durch den Anwender immer gewährleistet sein muss. Hierzu gehört z. B. die Mischung des Wirkstoffs mit Emulgatoren, Stäuben oder dessen Mikroverkapselung. Auch müssen Syntheseverfahren entwickelt werden, die es ermöglichen , den Wirkstoff in größeren Mengen zu synthetisieren . Vor 40-50 Jahren lag die Zahl der syntheti sierten Verbindungen pro Handelsprodukt bei etwa 2000. Hingegen müssen heute etwa 20000 Substanzen synthetisiert werden, um ein Produkt bis zur Marktreife zu führen . Dies liegt daran, dass die Wahrscheinlichkeit, dass heute entdeckte Wirkstoffe mit einem bereits bekannten Target agieren, sehr viel höher ist. Auch erweisen sich manche Produkte aus patentrechtliehen Gründen, wegen der Entwicklung von Resistenzen oder wegen ihres Rückstandsverhaltens nach einer gewissen Zeit als unbrauchbar. Aus diesen Gründen werden maxi-
686
21 Biologische. chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
male Verkaufszahlen für ein Insektizid bereits etwa 3-5 Jahre nach der Registrierung angestrebt. Die gesamten Entwicklungskosten betragen pro Präparat etwa 35--45 Millionen US-Dollar, wobei etwa 60% der Kosten der Absicherung gegen unerwünschte Nebenwirkungen dienen . Es ist erkennbar, dass sich zahlre iche Firmen, nicht zuletzt aufgrund der Widerstände in der Öffentlichkeit , teilweise vom Insektizidmarkt zurückziehen . Gewisse Chancen werden allenfalls den natürlich vorkommenden Insektiziden eingeräumt, allerdings ist deren Marktanteil derzeit verschwindend gering.
21.2.1.5 Probleme bei der Entwicklung und beim Einsatz von Insektiziden Beim Einsatz von Insektiziden treten mehrere Probleme auf: die Resistenzentwicklung, die Unspezifität, die Persistenz , sowie die möglichen Gesundheitsgefährdungen für den Menschen . Die Resistenzentwicklung gegen eines, oder sogar gegen mehrere Insektizide ist früher oder später je nach Zeitpunkt der Einführung eines Präparates zu beobachten (Abb. 21-4). Die große Bedeutung dieses Phänomens wurde erst relativ spät erkannt, obwohl solche Resistenzen, wie z. B. die Resistenz der San-Jese -Schildlaus gegen Schwefel oder von Musca domestica gegen DDT schon relativ früh beschrieben wurden . Insektizidresistenz, d.h. die Toleranz von Insekten gegenüber Insektiziden, ist eine Folge der schneller als normal verlaufenden Selektion . Durch Zufallsmutation tritt in einer Population plötzlich ein Gen auf, welches für die Resistenz verantwortlich ist. Dieses Gen setzt sich allmählich immer mehr in der Population durch . Existieren von Anfang an bereits resistente Individuen, so kann sich die Resistenz in der Population sofort ausbreiten. Eine Resistenz kann sich bei kontinuierlicher Anwendung von Insektiziden insbesondere bei rascher Generationenfolge schnell über mehrere Generationen entwickeln. Dabei kann sich nicht nur der Anteil resistenter Individuen an der Popul ation erhöhen, auch die Wirksamkeit der zu Resistenz führenden Mechanismen kann zunehmen. Im Labor weisen Stubenfliegen nach etwa zehn Generationen eine 5-10fache Resistenz, nach 30 Generationen eine etwa 1000fache Resistenz gegen DDT auf. Sobald eine Insektizidklasse, ob synthetische Verbindung oder Naturstoff, auf dem Markt erscheint , verläuft die Entwicklung der gegen diese Substanzen gerichteten resistenten Arten fast immer nach dem gleichen Muster eines exponentiellen Wachstums (Abb.21-4). Die Resistenz eines Insektes kann sogar gegenüber mehreren Substanzen entstehen. Bei der
Kreuzresistenz entwickeln resistente Arten auch gegenüber verwandten Insektiziden mit gleicher Wirkungsweise eine Resistenz. So tolerieren Parathion-resistente Insekten auch Malathion, DDTresistente Populationen entwickeln plötzlich auch eine Resistenz gegenüber Methoxychlor, oder Lindan-resistente Individuen tendieren auch dazu, Dieldrin zu tolerieren . Durch das Phänomen der Kreuzresistenz wird die Auswahl bestimmter Insektizide deutlich eingeengt. Dem Phänomen liegen offenbar gemeinsame Entgiftungsmechanismen der Chemikalien zugrunde. Noch schlimmer als die Kreuzresistenz ist die multiple Resistenz. Insekten weisen hierbei eine Resistenz gegenüber mehreren , chemisch unterschiedlichen Insektiziden mit unterschiedlicher Wirkungsweise auf. Offenbar liegen diesem Phänomen unterschiedliche Entgiftungssysteme in einem Individuum zugrunde. Aufgrund ihrer veränderten Acetylcholinesterasemoleküle zeigt die Stubenfliege Musca domestica weltweite Resistenz gegenüber allen Insektiziden , dabei sind die Pyrethroide oder Methopren mit eingeschlossen . Auch die an Baumwolle schädliche Eulenraupe der Spezies Heliothis zea kann gleichzeitig gegenüber DDT, Toxaphen, Endrin, Methylparathion, Carbaryl oder Pyrethroiden resistent sein. Die der Resistenz zugrundeliegenden Mechanismen sind recht vielfältig. Bei resistenten Individuen wird letztlich erreicht, dass weniger vom Insektizid den Wirkort erreicht. Neuerdings werden folgende Resistenzmechanismen angenommen: eine metaboli sche Resistenz, eine Modifizierung der Zielstruktur/des Zielorgans, eine morphologische Resistenz, eine Verhaltensresistenz, oder eine erhöhte Exkretion des Insektizids. Die metabolische Resistenz (= physiologische Resistenz) beruht in erster Linie auf einer vermehrten enzymatischen Entgiftung des aufgenommenen Insektizids. Generell werden Fremdstoffe, wie z. B. Insektizide, im Insekt durch Hydrolyse, Hydroxylierung, Methylierung, Acetylierung oder Konjugation mit Glycin, Glucose, Glucuronsäure, Phosphat etc. wasserlöslicher gemacht , um ihre Ausscheidung aus dem Insektenkörper zu ermöglichen. Physiologische Resistenz ist folglich gleichbedeutend mit qualitativen und quantitativen Änderungen im Enzymmuster des Insektes. Eine schnellere Entgiftung eines Insektizids kann so durch Erhöhung des jeweiligen Titers an abbauenden Enzymen zustande kommen. Auch kann ein abbauendes Enzym leicht verändert werden, wodurch neue Substrate besser abgebaut werden . Wenn Insektizide nur an einer Stelle in den Stoffwechsel eingreifen, können Resistenzen besonders schnell bei Arten mit schneller Generationsfolge nachgewiesen werden. Interessanterweise besitzen polyphag e Insekten , die erhebliche Mengen ver-
21.2 Chemische Schädlingsbekämpfung/Resistenz
687
schiedenartigster, sekundärer Pflanzenstoffe aufResistenzentwicklungen können durch zahlreinehmen, erhöhte Titer an entgiftenden Enzymen, che, unter dem Begriff Resistenz-Management zuden so genannten mischfunktionellen Oxidasen . sammengefasste Maßnahmen verhindert oder zuWorin liegen die biochemischen Grundlagen mindest minimiert werden. Neben einer integrieder Resistenz gegen DDT? Bei zahlreichen DDT- ten Schädlingsbekämpfung (s. 21.4) oder der Reresistenten Insekten wurden erhöhte Titer des En- duktion der Anwendungshäufigkeit und der Menge zyms Dehydrochlorinase registriert, welches das des gleichen Insektizids ist auch der Einsatz von giftige DDT (LDso: 113) "dechloriert" und daraus Insektizidmischungen oder eine abwechselnde das weniger giftige DDE (Dichlordiphenyldichlo- Verwendung verschiedener Insektizide möglich. rethen, LD so: 880) herstellt. Selbstverständlich Hierbei sollten vor allem Insektizide mit anderer gibt es auch andere Abbauwege für DDT. Wirkungsweise zum Einsatz kommen. Durch all Für die Ausbildung einer Resistenz kann auch diese Maßnahmen sind Schädlingspopulationen eine Modifizierung der Zielstruktur/des Zielorgans nicht längere Zeit einem einzigen, hohen Selekim resistenten Insekt infrage kommen. Somit füh- tionsdruck ausgesetzt. Zudem kann eine Erhören alle Mutationen, welche die Empfindlichkeit hung der Insektizid-Dosis resistente Organismen des Ziels für das Insektizid herabsetzen, zu er- abtöten, zumindest jene Individuen, die in bezug höhter Resistenz. Beispielsweise besitzen Pyre- auf das Resistenzgen heterozygot sind. Schließlich throid-resistente Individuen ein mutiertes Na +- ist zusätzlich zum Insektizid die Verwendung von Kanalprotein. Synergisten vorteilhaft, die selbst keine insektizide Außer der metabolischen Resistenz sind unter Wirkung besitzen, im Entgiftungsprozess jedoch Umständen auch rein physikalische Effekte für den Platz des Wirkstoffs einnehmen . Auf ein weiteres Problem beim Einsatz von eine erhöhte Widerstandsfähigkeit der Zielorganismen gegenüber Insektiziden verantwortlich. Insektiziden muss ebenfalls hingewiesen werden. Letztlich wird auch hierbei erreicht, dass weniger An sich schädliche Arten, die nicht das Ziel der vom Insektizid den Wirkort erreicht. Eine Ab- Bekämpfung sind, können durch die Behandlung nahme der Permeabilität des Integumentes für der Zielart mit Insektiziden ebenfalls eine Resisbestimmte Insektizide infolge morphologischer tenz als unerwünschte Begleiterscheinung erweroder biochemischer Veränderung, z. B. einer ver- ben. Dies kann dadurch erklärt werden, dass am stärkten Gerbung oder Verdickung, wird als mor- Rande eines mit Pestiziden behandelten Gebietes phologische Resistenz bezeichnet . Obwohl der Bei- geringere Pestizidkonzentrationen auftreten, d. h. trag der morphologischen Resistenz zur gesamten heterozygote Individuen verschiedener Arten könResistenz nach neueren Erkenntnissen eher gering- nen hier überleben. fügiger sein dürfte , so können doch hohe Resis- So konnte eine erhöhte Insektizidresistenz der Malaria tenzlevel bei einer Kombination von morpholo- übertragenden Stechmücke Anopheles albimanus in ungischer und physiologischer Resistenz erreicht mittelbarer Nachbarschaft von mit Insektiziden behanwerden. Eine erhöhte morphologische Resistenz delten Baumwollfeldern registriert werden. Während die kann jedoch auch dadurch erreicht werden, dass DDT-Resistenz der Stechmücke in unmittelbarer Nähe der Zutritt eines Insektizids in den Insektenkörper eines Baumwollanbaugebietes in Guatemala bei 79% modifiziert werden kann. Dies kann auf unter- liegt, werden in der weiteren Nachbarschaft nur Werte schiedliche Art und Weise erreicht werden, wie von 54 % erreicht. Entsprechende Befunde liegen für die Resistenz gegen Propoxur aus EI Salvador vor. z. B. durch pH -Veränderungen im Kropf, Vergrößerungen des Fettkörpers und dortige Akkumula- Letztlich stellt das Phänomen der Resistenz einen tion des Insektizides oder eine bessere .Abschot- Teufelskreis dar, der immer mehr Probleme und tung" des Zielgewebes (z. B. Nervengewebe). höhere Kosten verursacht. Ein Wiederanstieg der Da manchmal sogar deutliche, genetisch be- Schädlingspopulationen geht mit einer Massendingte Veränderungen im Verhalten resistenter In- vermehrung von Sekundärschädlingen einher. sekten zu beobachten sind, scheint auch eine Ver- Dies führt wiederum dazu, dass immer höhere haltensresistenz zu existieren. Dies wurde beispiels- Dosen von immer unterschiedlicheren Insektiziweise bei Dieldrin-resistenten Stechmücken oder den zum Einsatz kommen müssen. Ein gravierender Nachteil der Insektizide ist auch bei Pyrethrin-resistenten Individuen der Speihre Unspezifität, da nicht nur Schädlinge, sondern zies Plutella xylostella beobachtet. Eine Resistenz kann schließlich auch durch eine auch Nützlinge (z. B. Räuber, Parasitoide) und erhöhte Exkretion des Insektizids und dessen ver- Nichtzielorganismen, z. B. Fische oder Honigbiebessertes Ausschleusen aus dem Insektenkörper nen beim Einsatz von DDT, betroffen sein können zustande kommen . Es wurden sowohl erhöhte Ex- (Tab. 21-3). Durch den Einsatz von Breitbandgifkretionsraten als auch erhöhte Konjugattiter be- ten kann das ökologische Gleichgewicht nachhaltig gestört werden. Waren vor dem Einsatz des obachtet. Insektizids bestimmte Schädlinge von untergeord-
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21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
neter Bedeutung , so können diese nun plötzlich wichtig werden, da auch ihre natürlichen Feinde dezimiert wurden . Beispielsweise führte der Einsatz von DDT immer wieder zu großen Fischsterben . Dies führte zu einem Absterben der Jungfische, da sich DDT in deren Dottersack anreicherte. Größere Fische mussten verhungern, denn ins Wasser gelangtes DDT führte zum Absterben von deren Nahrungsinsekten, wie Larven von Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen oder Zuckmücken . Schließlich stellt die Gesundheitsgefährdung des Menschen durch Insektizide ein großes Problem dar. Man vermutet, dass sich allein etwa 400000 bis 2 Millionen Menschen pro Jahr beim Umgang mit Pestiziden vergiften bzw. schädigen . Seit dem Erscheinen des Buches "Der stumme Frühling" von Rachel Carson im Jahre 1962 wird diese Problematik vermehrt in der Öffentlichkeit diskutiert und es findet in zunehmendem Maße ein Umdenken statt. Während eine gewisse Persistenz eines Insektizides in der Natur ursprünglich als Vorteil galt (Tab. 21-3), erwies sich diese Eigenschaft später im Hinblick auf Rückstandsverhalten und Sicherheitsaspekte als Nachteil. So ist DDT auch noch nach Aufnahme in den Körper außerordentlich stabil, da es sich aufgrund seiner Lipidlöslichkeit im Fettgewebe und in Lipidmembranen anreichert. Dies führt zu einem Transfer in der Nahrungskette und zu einer Akkumulation in tierischen Organismen höherer trophischer Ebenen (Abb. 21-5) und betrifft vor allem Spezies am Ende der Nahrungskette. Solche Arten produzieren infolge einer Störung des Calciumstoffwechsels beispielsweise Eier mit viel zu dünner Schale. Die etwa 1,5 Millionen Tonnen DDT, welche in 25 Jahren weltweit ausgebracht wurden , dürften zu 60-75% unverändert oder in Form von Metaboliten auf der Erde verteilt sein. Ein wichtiger Punkt darf in der Sicherheitsdiskussion nicht vergessen werden: Die Ausbringung der Insektizide ist nicht besonders effizient. Weniger als 0,1 % der ausgebrachten Insektizidmengen werden oft benötigt, um Schädlinge abzutöten. Die restlichen 99,9% werden im Ökosystem verteilt. Jedoch sind im Einzelfall auch hier Optimierungen möglich: Die Bekämpfung der Feuerameise Solenopsis geminata kann mit sehr geringen Mengen von Insektiziden bei nur drei Ausbringungen pro Jahr erfolgreich durchgeführt werden. Das Insektizid wird in Maiskolbengries eingearbeitet und verteilt. Dieser Gries ist nur für die Feuerameise, nicht jedoch für andere Arten attraktiv. Diese Art der Bekämpfung der Feuerameise ist deshalb ökologisch und ökonomisch von Vorteil.
Hinzu kommt die Tatsache, dass meist die Anwender höhere Insektzidmengen ausbringen, als
vom Hersteller vorgesehen. Einmal in den Boden eingebracht, ergeben sich für ausgewählte halogenierte Kohlenwassserstoffe beispielsweise folgende Halbwertszeiten (in Jahren) : DDT: 2,8; Dieldrin : 2,5; Endrin : 2,2; Lindan: 1,2; Chlordan: 1,0; Heptachlor: 0,8. Hierbei kommt der geringen Wasserlöslichkeit dieser Insektizide eine besondere Bedeutung zu. Bei erhöhter Löslichkeit von Insektiziden in Wasser besteht auf der anderen Seite die Gefahr, dass diese Stoffe in Wasserläufe und das Grundwasser einsickern.
21.2.1.6 Vorteile des Einsatzes von Insektiziden Bei allen mit dem Insektizideinsatz verbundenen Risiken darf nicht vergessen werden, dass Insektizide auch erhebliche Vorteile mit sich bringen . Ein Großteil der für die weltweite Nahrungsversorgung erforderl ichen Monokulturen vor allem der Tropen und Subtropen könnte ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht aufrecht erhalten werden. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass Insektizide oder deren Rückstände bei erhöhten Temperaturen und erhöhter Luftfeuchte in den Tropen und Subtropen rascher abgebaut werden, als in gemäßigten Zonen . Bei der Schädlingsbekämpfung stellt der Einsatz von Insektiziden deshalb weltweit immer noch die wichtigste Methode dar, welcher Millionen von Menschen ihre Ernährungsgrundlage verdanken . Durch den Einsatz von DDT war eine erfolgreiche Bekämpfung der Malaria übertragenden Anopheles-Arten, der Schlafkrankheit übertragenden Tsetse-Fliegen oder der Fleckfieber übertragenden Kleiderläuse möglich (s. 20.4.4), d. h. diese Krankheiten konnten weltweit erheblich zurückgedrängt werden. Im Grunde ist das gesamte, seit dem Altertum bis zum 2. Weltkrieg von der Malaria geplagte Mittelmeergebiet nach dem 2. Weltkrieg in erster Linie mit DDT malariafrei gemacht worden (s. 20.4.7). Beispielsweise ist die Zahl von Malari afallen in Italien nach Einführung von DDT von 375000 im Jahr 1946auf Null im Jahr 1950zurückgegangen. Heutzutage wird der Einsatz von Insektiziden mit der integrierten Schädlingsbekämpfung kombiniert. Dabei sind vor allem Insektizide gefragt, welche selektiv wirken und geklumpt ausgebracht werden können .
21.2.2 Repellents Hierbei handelt es sich um Substanzen von eher geringer Säugertoxizität, die abwehrend auf andere Lebewesen, d. h. insbesondere auf Schädlinge und Lästlinge wirken (z. B. Blutsauger, Pflanzenfresser, Holzfresser, Pelzfresser). Von besonderer Bedeutung sind hierbei Stechmücken, Kriebel-
21.3 Biotechnische Schädlingsbekämpfung
mücken und Gnitzen (s. 20.3.4). In der Regel werden die menschliche und tierische Haut, die Oberfläche von Pflanzen oder bestimmte Produkte, wie Kleidungsstücke oder Vorräte, mit diesen Substanzen behandelt. Neben Birkenholzteer kommen hierbei als Lösung, Creme oder Lotion stark riechende etherische Öle, der Weichmacher Phthalsäuredimethylester, oder DEET (N, N-Diethyl-3-methylbenzamid, Abb. 21-3) zum Einsatz. Auch der dauerhafte Schutz der Wolle vor Larven der Kleidermotte oder Speckkäfern mittels Eulanisierung (s. 4.5.4.4) muss hier angeführt werden. In der Regel dienen Repellents im Human- und Veterinärsektor der Bekämpfung lästiger Insekten, die oft Infektionskrankheiten übertragen und daher hygienisch bedenklich sind. Viele Repellents dürften auch typische Körpergerüche unterdrücken bzw. maskieren .
21.2.3 Fumigantien Hierbei handelt es sich um gasförmige, d. h. bei Raumtemperatur siedende Insektizide, wie z. B. Methylbromid, Phosphorwasserstoff, Chloroform, Chlorpikrin oder sogar Blausäure. Solche gasförmigen, für Säuger meist hochgiftigen Insektizide kommen in geschlossenen Räumen, wie Schiffen, Lager, Mühlen oder Silos zum Einsatz (Abb. 217). Die Verwendung von Fumigantien zur Bekämpfung von Vorrats- und Gesundheitsschädlingen ist nur unter Einhaltung strenger Vorsichtsmaßnahmen möglich .
21.3 Biotechnische Schädlingsbekämpfung Konrad Dettner Die Verbreitung von schädlichen Insekten bzw. deren Massenvermehrung kann durch biotechnische Verfahren verringert, bzw. unter eine Toleranzschwelle gedrückt werden.
21.3.1 Physikalische Reize Häufig können allein mithilfe optischer Reize, d.h. mittels beleuchteter Objekte, Schadinsekten angelockt und vernichtet werden. So kann man durch mit Klebstoffen versehene oder mit Wassertrögen kombinierte Gelbtafeln schädliche Insekten sowohl im Freiland (z. B. Kirschfruchtfliege, Oliven-
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fliege, Blattläuse, Rapsschädlinge) als auch im Gewächshaus (Weiße Fliege, Miniermotten) anlocken und eliminieren . Dies gilt gleichfalls für Lichtfallen, mit deren Hilfe eine große Zahl nachtaktiver Spezies, Schädlinge wie Nützlinge, angelockt, gefangen und identifiziert werden kann. Rein physikalische Bekämpfungsmaßnahmen sind das Ausschneiden oder Abkratzen befallener Pflanzen teile oder mechanische Verfahren, wie z. B. das Absammeln von Schädlingen, die Verwendung von Moskitonetzen oder das Ausbringen von Leimringen. Die letztgenannte, allerdings arbeitsintensive Methode eignet sich z. B. zur Bekämpfung des Frostspanners, dessen ungeflügelte Weibchen im Herbst den Baumstamm passieren, um in der Kronenregion Eier abzulegen. Auch können mittels geeigneter Sinusgeneratoren akustische Signale erzeugt werden, welche den Flügelschlag des Weibchens bestimmter Stechmücken imitieren (Aedes aegypti: 480 Hz, Anopheles stephensi : 350 Hz) und dadurch die zugehörigen Männchen anlocken . Durch diese Fehlleitung männlicher Stechmücken kann die Begattungsrate der Weibchen reduziert werden. Für die Bekämpfung von Stechmücken im Haus sind allerdings kleine Stecker zu empfehlen, in welchen aus mit Malathion getränkten Kartonscheiben kontinuierlich das Insektizid verdampft.
21.3.2 Chemische Reize 21.3.2.1 Fraßlockstoffe Sich chemotaktisch orientierende Insekten können häufig mithilfe von Fraßlockstoffen gefangen und eliminiert werden. So werden im Frühjahr Wespenköniginnen mit gärendem Fruchtsaft angelockt und getötet. In gleicher Weise wird der Ungleiche Holzbohrer (Anisandrus dispar) mit Fallen bekämpft, welche mit Isopropylalkohol bestückt sind. Auch Schaben oder Drahtwürmer können mit Kartoffelstückchen, Termiten mit Holzextrakten geködert werden. Versierte Schmetterlingssammler setzen beim Fang Ködermischungen aus gärenden Sirup- und Zuckerlösungen ein. Besonders eindrucksvoll ist die Anlockung schädlicher pharmakophager, d. h. drogenfressender Insekten (s. 17.2.2.3). So können schädliche Gurkenblattkäfer (Diabroticinae) durch flüchtige aromatische Aldehyde aus großen Entfernungen sowie durch als Fraßlockstoffe wirkende Cucurbitacine im Nahbereich angelockt und danach mit einem beigegebenen Insektizid nach dem Verfahren: "Anlocken und Töten" (attract and kill) eliminiert werden. In entsprechender Weise werden afrikanische Heuschrecken der Spezies Zonocerus variegatus mithilfe von Pyrrolizidinalkaloiden angelockt und anschließend vernichtet.
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21 Biologische. chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
21.3.2.2 Fraßhemmstoffe
tistasis. Hierbei wird die Populationsdichte der vorratsschädlichen Insekten dermaßen vermindert , dass eine langfristige Lagerung von Nahrungsmitteln ohne nennenswerte Schädigung möglich wird. Insektistasis kann dadurch hervorgerufen werden, dass eine Schädlingspopulation aufgrund massenhafter Insektenfänge mittels Köderfallen (Sexual-, Aggregations- und Fraßlockstoffe) wiederholt verdünnt wird.
Viele Naturstoffe wirken fraßhemmend (Phagodeterrents; Fraßabwehrstoffe) bzw. sind in der Lage, schädliche Insekten auf eine gewisse Distanz hin abzuwehren (Repellentien, s. 4.1; 15.5.1; 21.2.2). Beispielsweise wirkt der Geruch von Tomatenpflanzen hemmend auf Raupen des Kohlweißlings. In der Praxis setzt man deshalb Tomatenpflanzen neben Kreuzblütler. Auch wird der Befall durch Möhrenfliegen gehemmt, wenn Speisezwie- Sexuallockstoffe beln zwischen Möhren gepflanzt werden. Neben solchen natürlichen Repellentien, wie oftmals Eine Vielzahl von Insekten setzt unterschiedlichste ätherische Öle, existieren auch eine größere Zahl Naturstoffe ein, um die beiden Geschlechter für synthetischer Repellentien (s. 21.2.2). Fraßhemm- die anschließend stattfindende Kopula zusammenstoffe wie z. B. Herzglykoside, Cucurbitacine, Ses- zubringen (s. 11 .3). Sehr häufig fungieren hierbei quiterpenlaktone, Alkaloide, Tannine, nicht pro- Weibchen als Sender, d.h. diese produzieren unterteinogene Aminosäuren, cyanogene Glykoside schiedlichste Sexualpheromone und locken die oder Senföle sind wenig flüchtig . In der Praxis männlichen Tiere (Empfänger) zur Lockstoffwurde vor allem das aus dem Neembaum isolierte quelle. Eine artspezifische Anlockung wird in der Azadirachtin eingesetzt (s. 21.2.1.3). Fraßhem- Regel durch ein Gemisch chemisch unterschiedlimende, wässrige oder alkoholische Neemextrakte cher Pheromone in exakt definiertem Volumenverwerden in geringer Dosierung (unter 0,4 ppm) hältnis und artspezifisch konstanter Abgaberate insbesondere gegen Heuschrecken, aber auch ge- erreicht. In einigen Fällen haben die beiden Gegen Schmetterlinge und diverse Käfer eingesetzt. schlechter ihre Rollen als Sender und Empfänger Fraßabschreckend wirken schließlich auch Mot- vertauscht. Werden diese Lockstoffe identifiziert, tenschutzmittel, die zur Bekämpfung keratinfres- synthetisiert und beispielsweise in Fallenkörper sender Insekten , wie z:B. Pelzmotte, Kleidermotte verbracht, so können schädliche Insekten angeoder Käfer der Gattungen Anthrenus und Attage- lockt, das heißt gezielt und umweltschonend bekämpft werden. Pheromone sind sehr gut abbaunus zum Einsatz kommen . bar und in der Regel für Säuger toxikologisch unbedenklich (s, Sexualpheromon . von Pectinophora in Abb. 21-3). Normalerweise werden Nütz21.3.2.3 Pheromone linge durch Pheromone nicht geschädigt. Allerdings können Sexuallockstoffe bestimmter InsekZwischen verschiedenen Individuen einer Spezies ten manchmal auch natürlichen Gegenspielern, wirkende Duftstoffe werden als Pheromone be- d. h. Räubern und Parasitoiden dieser Spezies als zeichnet. Mittlerweile sind hunderte solcher ver- Signale (Kairomone: nützlich für Empfänger, haltensmodifizierender Verbindungen bei Insekten schädlich für Sender) dienen, ihre Beute bzw. bekannt geworden. Wirte aufzuspüren. Mit Lockstoff bestückte FalMit Pheromonen versehene Fallen müssen über len müssen folglich so konstruiert sein, dass neben einen gewissen Zeitraum hinweg funktionieren, den Schädlingen nicht gleichzeitig auch Nützlinge d. h. es müssen biologisch relevante Mengen der eliminiert werden. Insgesamt ist der Einsatz von Lockstoffgemische kontinuierlich freigesetzt wer- Lockstoff-Fallen bei der Bekämpfung von Schädden. Dies wird beispielsweise dadurch erreicht , lingen von größtem Interesse. dass ein poröses Material mit Lockstoffen geIm Pflanzenschutz, aber prinzipiell auch bei der tränkt wird (Abb.21-6 A). Wird dieses poröse Bekämpfung von Lästlingen oder KrankheitsMaterial beidseitig mit ebenfalls durchlässigen überträgern, können drei Möglichkeiten der BeSchutzschichten versehen und ein Pheromondis- kämpfung schädlicher Insekten mittels Lockstofpenser hergestellt, so können in Abhängigkeit von fen unterschieden werden: I. Überwachung von der Dicke dieser Schutzschichten variable Ver" Schädlingspopulationen (Monitoring), 2. Direkter dampfungsraten der Pheromongemische erzielt Massenfang von Schädlingen und 3. Verwirrtechwerden. Darüber hinaus werden die Pheromone nik. häufig mit Stabilisatoren versehen, um einer vorDie sichere und gezielte Überwachung von zeitigen Zersetzung entgegenzuwirken . Schädlingen ist mithilfe von Lockstoffen häufig Werden in Vorratslagern kurative und präven- gewährleistet. So sind für die Überwachung von tive Maßnahmen der Schädlingsmanipulation mit- mehr als 250 Arten kommerzielle Produkte ereinander kombiniert, so spricht man von Insek- hältlich .
21 .3 Biotechnische Schädlingsbekämpfung
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Abb. 21·6: Dispenser und Pheromontallen. A Mehrschichtiger Pheromondispenser (Hercon) mit poröser, mit Lockstoffen getränkter Mitte/schicht (punktiert) sowie beidseitigen, ebenfalls durchlässigen Schutzschichten. B, 0 Borkenkäferfallen: B Flugfalle bestehend aus Prallfläche mit Fangschlitzen, Auffangbehälter und Lockstoffbehälter o Landefalle bestehend aus Kunststoffrohr (mit Einbohrlöchern), Auffangbehälter und Lockstoffbeutel. eKlebefalie für schädliche Wicklerarten (mit Köder und Leimboden). (Averändert nach Jutsum und Gordon 1989, B, Dverändert nach AID 1984, Cverändert nach Gebrauchsanweisung der Hoechst AG)
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Neben den unten aufgeführten Tortri eiden sind hierbei beispielsweise zu nennen: Apfelwickler (Cydia pomonella), Apfelschalenwickler (Adoxophyes reticulanai , Pflaumenwickler (Grapholitha funebranai , Pfirsichwickler (G mo/esta) , Dörrobstmotte (P/od ia interpunctella i , Mehlmot te (Ephestia kühn ie//a), Maiszün sler (Ostrinia nubi/alis), Kohleule (Mamestra brassieae), Roter Baumwollkapselwurm (Peetinophora gossypiella), Afrikanischer Baumwollwurm (Spodoptera littoraliss. Apfelbaum-Glasflügler (Synanthedon myopaejorm is), Schwammspinner (Lymnatria dispar), Nonne (Lymantria monaeha) , Forleule (Panolis flammea}, Kiefernspinner (Dendrolimus pini), Kiefernspanner (Bupa/u s pinariai , Khaprakäfer (Trogoderma granarium) , Mittelm eerfruchtfliege (Ceratit is eap itata), Olivenfliege (Daeus o/eae) oder Kiefernbuschhornblattwespe (Diprion pini) .
Sobald im Freiland oder in der Lagerhaltung (Abb. 21-7) Schädlinge in der mit Pheromonen
und Klebstoff versehenen Falle auftauchen oder mengenmäßig eine bestimmte Schwelle überschreiten, können andere Bekämpfungsmaßnahmen , wie Insektizidbehandlungen, Begasungen ode r die Freisetzung von Nützlingen einsetzen. Bewährt haben sich derartige Lockstoff-Fallen beispielsweise bei der Bekämpfung von Schädlingen an Weinreben, wie dem Einbindigen (Eup oecilia ambiguella) und dem Bekreuzten (Lob esia botrana) Traubenwickler. Die je nach klimatischen Bedingungen in mehreren Generationen pro Jahr auftretenden Wickler verursachen durch Raupenfraß bisweilen erhebliche Schäden . Die zur Zeit der Heuernte auftretenden Raup en der ersten Generation heißen Heuwürmer. Raupen der zweiten Generation heißen Sauerwürrner, da die zuvor von ihnen angefressenen Beeren du rch Bakterien- und Pilzbefall sauer werden. Wird im Inneren einer Pheromon falle ein Plastikschlauch mit den norm alerweise vom Weibchen
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21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
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Abb.21·7: Einsatz von Pheromonfallen zur Überwachung von Schädlingen. Monatliche Fänge der mit Pheromonfallen angelockten Männchen von Ephestia cautella ineiner Lagerhaltung für Erdnüsse. Linker Pfeil: nach Begasung des Lagerhauses rechter Pfeil: Lagerhaus geleert. (Verändert nach Jutsum und Gordon 1989) produzierten, synthetisch hergestellten Lockstoffen (Pheromon von Lobesia botrana: E,Z-7,9-Dode cadienylacetat; Pheromon von Eupoecilia ambiguella: Gemisch von Z-9-Dodecenylacetat und Z-ll-Dodecenylacetat im Volumenverhältnis 9:I) versehen, so kann über die Wochen und Monate eine exakte Populati onskurve dieser Schadfalter ermittelt werden, da die angelockten Männchen am Leimboden der Falle haften (Abb. 21-6 D). Je nach Temperatur, Feuchte, sowie anderen Bedingungen wird
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zu einem bestimmten Zeitpunkt nach dem maximalen Auftreten der Falterpopulation eine einmalige und gezielte Bekämpfung der schädlichen Larvalstadien durchgeführt (Abb. 21-8). Durch die exakte Berechnung des zu erwartenden maximalen Auftretens der schädlichen Raupenstadien anhand des durch Pheromonfallen ermittelten Maximums der männlichen Falter kann für jeden Weinberg ein exakter Bekämpfung szeitpunkt ermittelt werden. Ansonsten wären während eines längeren Zeitraums mehrere, prophylaktische Spritzungen mit Insektiziden in einem größeren Gebiet erforderlich gewesen. In der Regel wird der aus Plastik gefertigte Fallenkörper an den Weinreben aufgehängt. Der Winzer muss lediglich in einer Strichliste das maximale Auftreten der männlichen Falter ermitteln .
Neuerdings werden diese Tortricidenarten sowie zahlreiche andere schädliche Insekten mithilfe der Verwirrtechnik bekämpft. Im Weinberg werden hierzu in großer Zahl kleine Plastikbehälter ausge hängt, welche mit Pheromonen getränkt sind . Da die Empfänger sich in Richtung zunehmender Pheromonkonzentration orientieren, führt ein großflächiges Ausbringen von PheromonqueIIen dazu, dass die einzelnen lockenden Weibchen nicht mehr in der Lage sind, isolierte Duftstoff-Fahnen zu generieren. Durch die Überschwemmung einer Kultur mit Pheromonen wird folglich ein M änn-
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Abb. 21·8: Überwachung einer Traubenwickler-Population durch Pheromonfallen. Jahreszeitliche Häufigkeiten (Dunkelfärbung der horizontalen Balken) der vier Entwicklungsstadien einer Traubenwicklerart in Mitteleuropa. Die schraffierte Fläche symbolisiert eine Generation. Während mithilfe der Lockstoff-Fallen das maximale Auftreten männlicher Falter ermittelt wird, kann die einmalige Bekämpfung der schädlichen Raupenstadien (dicker Pfeil) zu einem je nach Klima und topographischer Lage des Weinbergs variablen Zeitpunkt (L:l.t) erfolgen .
21.3 Biotechnische Schädlingsbekämpfung
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Sexuallockstoff des Weibchens wahr und fliegt in Richtung Pheromonquelle. Unten: neben einer natürlichen Pheromonquelle (Weibchen) sind drei pheromonhaltige Dispenser im Baum fixiert. Aufgrund der zahlreichen Pheromonwolken ist das Männchen nicht mehr in der Lage. das Weibchen zu lokalisieren. (Verändert nach Pedigo 1996)
chenanflug, d. h. eine normale Geschlechterfindung sowie eine anschließende Kopula verhindert (Abb. 21-9). Für die Verwirrtechnik liegen von etwa 18 Lepidopterenarten Handelsprodukte vor und für den Massenfang existieren 20 Handelsprodukte von etwa 12 Lepidopterenarten. Aggregationspheromone
Aggregationspheromone wurden vor allem bei Borkenkäfern (Scolytidae) schon seit Jahrzehnten untersucht. Diese Art der chemischen Kommunikation mit Lock- und AblenkstotTen geht über eine bloße Geschlechteranlockung hinaus, denn es wird hierbei auch das Geschlechterverhältnis geregelt und generell der Besiedelungsablauf eines Baumes in optimaler Weise gesteuert. Das Geschlecht, welches bei Borkenkäfern die Wirtswahl trifft , erkennt geeignete Brutbäume an deren Alkohol" Fahne", Duftstoflbouquet und Geschmacksstoffen in der Rinde sowie an der Baumsilhouette. Der Baum setzt sich bei Befall durch Borkenkäfer mit Harzproduktion zur Wehr, die vom Käfer mitgebrachten Pilzhyphen blockieren jedoch häutig rasch das Leitungssystem des Baums und führen zu dessen Absterben. Von den in der Rinde (Rindenbrüter) oder im Holz (Holzbrüter) bohrenden Käfern (s. Abb. 15-7) werden Baumterpene eingeatmet und im Darmtrakt oxidiert, woran auch Mikroorganismen beteiligt sein können. Aggregationspheromone und Ablenkstoffe werden danach vom Käfer wieder mit dem Kot abgegeben. Häutig werden dem Kot neben pflanzenbürtigen Duftstoffen auch käferb ürtige Pheromone beigemischt, denn in synergistischer Weise führt letztlich nur das vollständige Duftstoffgemisch zu einer Anlockung, Landung und dem Einbohren angelockter Tiere. Nach Abklingen der Pheromonabgabe schreitet der Befall in der Regel von Stammpartie zu
Stammpartie fort. Darüber hinaus können die Tiere Ablenkstoffe produzieren, welche eine weitere Besiedelung eines Baumes verhindern oder auch einen Anflug sympatrisch am seiben Baum vorkommender Spezies unterbinden. Der Besiedelungsablauf der Ponderosakiefer in Kalifornien durch den Borkenkäfer Dendroctonus brevicomis ist in Abb. 21-10 exemplarisch dargestellt. Nach Besiedelung einer Kiefer durch weibliche Käfer wird das Wirtsterpen Myrcen sowie das bizyklische Ketal exo-Brevicomin freigesetzt , um vor allem weitere Käferweibchen anzulocken (oben). Ankommende M ännchen geben zusätzlich das bizyklische Ketal Frontalin ab, weiches zusammen mit exo-Brevicomin sowie Myrcen für eine ausgewogene Besiedelung des Baumes durch männliche und weibliche Käfer sorgt (Mitte). Nach der Kopula der Käfer unterbinden die von den Käfern freigesetzten Ablenkstoffe Verbenon und trans-Verbenol eine weitere Besiedelung des Baumes. Synthetische Pheromonmischungen können verwendet werden , um Borkenkäfer zu verwirren (Verwirrtechnik), wegzufangen (M assenfang), oder deren Abundanzdynamik zu erfassen (Monitoring). Beispielsweise wird das Pheromongemisch (2-Methyl-3-buten-2-o1 sowie cisVerbenol) des Buchdruckers Ips typographus in ein Plastikband eingearbeitet und in Plastikfolie eingeschlossen. Der Köder wird anschließend in Landefallen oder Flugbarrieren deponiert. Landefallen sind mit Pheromonen versehene, perforierte Kunststoffrohre durch deren Öffnungen die angelockten Käfer eindringen, um anschließend in einen Sammelbehälter zu fallen (Abb. 21-6 C). Flugbarrieren oder Flugfallen sind seitlich mit Schlitzen versehen . Die anfliegenden Käfer stoßen gegen die PralIfläche und stürzen anschließend in den Auffangbehälter (Abb. 21-6 B). Da der Wirkungsbereich solcher Fallen oft nur 20 bis 30 Meter beträgt, ist es erforderlich, einen gewissen Sicherheitsabstand zu gefährdeten Bäumen oder gelagertem Holz einzuhalten.
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21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
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Abb. 21-10: Besiedelungsablauf der Ponderosakiefer in Kalifomien durch den Borkenkäfer Dendroetonus brevicomis. Die zeitliche Abfolge ist von oben nach unten dargestellt. links: Geschlechterverhältnis am Baum. Mitte: freigesetzte verhaltensrnodfizierende Verbindungen. Rechts: grobe Anzahl angelockter bzw. abgelenkter (unten) männlicher und weiblicher Borkenkäfer. (Verändert nach Birch und Haynes 1982) Markierungspheromone
Weibchen mancher Bohrfliegenarten (Trypetidae) produzieren während der Eiablage Pheromone, welche die Eiablage konspezifischer Weibchen hemmen. Nach Belegung einer Frucht mit einem
Ei füh rt das Weibchen den Ovipositor über die Oberfl äche der belegten Fru cht , um dort ein je nach Trypet idenart spezifisches, im Darm produziertes Markierungspheromon abzulegen. Da kleine bis mittelgroße Früchte nur einer Fliegenmade genug Platz und Nahrung liefern , stellt die
21.3 Biotechnische Schädlingsbekämpfung
Abgabe von Markierungspheromonen eine wirkungsvolle Strategie der Weibchen dar, intraspezifische Konkurrenz zu verhindern . Das Markierungspheromon wird mithilfe von auf der Unterseite der weiblichen Vordertarsen gelegenen Schmeckborsten bei geringer Konzentration wahrgenommen (s. 11.3). Bei der Kirschfruchtfliege Rhagoletis pomonella kann das von einmal belegten Kirschen abgewaschene Pheromon oder das synthetisch hergestellte Pheromon dazu verwendet werden, um die Oberfläche unbelegter Kirschen damit zu behandeln. Der Befall derartig behandelter Kirschen durch die Kirschfruchtfliege geht danach signifikant zurück. Beim Pheromon handelt es sich um die Verbindung der 8,15-Dihydroxypalmitinsäure mit je einem Glucose- und einem Taurinmolek ül.
21.3.3 Insektemesistente Pflanzen (transgene Pflanzen) Zahlreiche Abwehrmechanismen von Pflanzen gegenüber Insekten, wie z. B. giftige pflanzliche Sekundärstoffe, Behaarung oder Bedornung dienen dem Schutz der Pflanze vor Herbivoren jeglicher Art (s. 15.5). Die Verstärkung derartiger Abwehrmechanismen ist in der Pflanzenzucht nicht unbedingt sinnvoll, denn die betreffenden pflanzlichen Produkte sollten für Mensch und Nutztiere immer noch schmackhaft bleiben. Aus diesem Grunde wurden zwischenzeit1ichzahlreiche transgene Pflanzen auf den Markt gebracht, die ausschließlich für Insekten giftig sind . Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand, denn es existieren keine freien Toxinmoleküle, die großflächig ausgebracht werden müssten, außerdem handelt es sich bei den Toxinen um leicht abbaubare Peptide und Proteine. Obwohl die Methode des Ausbringens insektenresistenter, transgener Pflanzen außerordentlich erfolgversprechend erscheint, so sind die ökologischen Konsequenzen dieser Maßnahme d. h. insbesondere die Toxinwirkung auf Nichtzielorganismen noch ungeklärt. Auch muss damit gerechnet werden, dass durch den permanent hohen Endotoxingehalt der transgenen Pflanzen eine beschleunigte Resistenzentwicklung bei den Insekten eintritt. Seit 1987 wurden die Gene für mehrere insektenpathogene Endotoxine von Bacillus thuringiensis kloniert, sequenziert und zum Transformieren von Tabak, Baumwolle oder Tomate verwendet. Bei der Sporenbildung dieses Bakteriums wird ein kristaIlines Pro tein synthetisiert, welches nach oraler Aufnahme im Insektendarm aktiviert wird und anschließend an das Darmepithel bindet. Letztlich kommt es zur Perforation und Lyse der Darmzellen durch das Endotoxin, was beim In-
695
sekt einen Fraßstop, Diarrhoe und eine charakteristische Turgorabnahme, die so genannte Schlaffsucht zur Folge hat (Abb. 21-11). Die von den transgenen Pflanzen gebildeten geringen Mengen der Toxine reichten aus, um Raupen von Manduca sexta oder Heliothis zea in wenigen Tagen abzutöten. Um mögliche Resistenzentwicklungen bei den Insekten minimieren zu können, werden Promotoren des Endotoxingens entwickelt, die erst auf ein bestimmtes äußeres Signal hin, wie das Anfressen eines Blattes, das Toxingen aktivieren. Auch werden mehrere Typen der Endotoxine miteinander kombiniert, um den Wirkungsbereich des Giftes zu vergrößern. Da Plastiden nicht durch Pollen übertragen werden, hat man weiterhin Versuche unternommen, Plastiden mit Endotoxingenen zu transformieren . Nach Insektenbefall produzieren befressene Pflanzen als induzierte Abwehrreaktion systemisch pflanzliche Proteinaseinhibitoren, die z. B. gezielt Darmproteasen des Insektes hemmen und einen Aufschluss des Materials im Insektendarm verhindern. Derartige Proteinaseinhibitoren wirken gegen mehrere Insektengruppen. Obwohl die Tiere kontinuierlich pflanzliche Nahrung aufnehmen , ist im Vergleich zur Kontrolle nach wenigen Tagen eine deutliche Gewichtsabnahme der Larven zu verzeichnen. Interessanterweise werden diese pflanzlichen Peptide beim Kochvorgang zerstört. In der Zwischenzeit wurden auch transgene Pflanzen hergestellt, welche nach Befraß durch herbivore Insekten niedermolekulare Wirkstoffe oder auch insektizide pflanzliche Lectine bereitstellen . Schließlich wurden auch transgene Pflanzen produziert, welche Amylase-Inhibitoren exprimieren , d. h. eine Verwertung von Samen wird bei den jeweiligen Insekten unterbunden, da diese die Amylose nicht aufschließen können. Als besonders interessant erscheint die Tatsache, dass transgene Tabakpflanzen mit bestimmten Proteinaseinhibitoren selektiv nur bei einer der getesteten Raupenarten Schäden hervorrufen. Andere Herbivorenarten werden durch diese Verbindungen hingegen in keiner Weise geschädigt.
21.3.4 Transgene Insekten Insekten können neuerdings in der Weise genetisch verändert werden, dass sie beispielsweise Krankheitserreger nicht mehr zu übertragen vermögen. So können Transposons ("springende Gene") oder transponierbare Elemente von einer Insektenart in eine andere Zielspezies eingebracht werden. In Abb. 21-12 wird verdeutlicht, wie das Transposon Hermes mit einem eingebauten fremden Gen in das Polplasma des Eies eines Zielinsektes injiziert
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Abb. 21-11: Lebenszyklus des Bakteriums Bacillus thuringiensis und Bildung des inaktiven, kristallinen Endotoxins (links). Aktivierung des Endotoxins im Insektendarm (Mitte), Wirkung des aktivierten Bt-Toxins im alkalischen Raupendarm (Spodoptera) und lysierung der Zellmembran der Epithelzellen des Mitteldarms durch Bildung von Endotoxinporen. Dabei bindet das Toxin an einen Membranrezeptor und induziert die Porenbildung (rechts), Blatt einer insektenresistenten transgenen Bt-Pflanze (links unten) mit bereits aktiviertem Endotoxin (Dettner 2000),
Iransgene Pflanze
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21.3 Biotechnische Schädlingsbekämpfung
Fliegenmannchen
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Fliegenweibchen
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Transposon Hermes Vergrößerung Fliegenovar
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Abb. 21-12: Herstellung transgener Fliegen. In der Grafik wird verdeutlicht, wie das Transposon Hermes mit einem eingebauten fremden Gen in das Polplasma des Eies eines Zielinsektes injiziert wird. Nur in diesem Eibereich befinden sich die Vorläufer derspäteren Keimzellen. Haben Polzellen dasfremde Gen in ihr Genom aufgenommen. so sind transgene EierimOvar des entstandenenWeibchens nachweisbar, d.h. es sind transgene Insekten entstanden.
wird. Nur in diesem Eibereich befinden sich die Vorläufer der späteren Keimzellen. Haben Polzellen das fremde Gen in ihr Genom aufgenommen, so tragen im ent standenen adulten Insekt einige Keimzellen das Trans gen (Keimbahnmosaik). Nach Verpaarung gegen wildtypische Insekten tragen manc he Nachkommen das Transgen sowohl in somatischen als auch in Keimbahnzellen und sind somit keimbahntransformiert (tra nsgen). Auch können auf diese Weise Insekten erzeugt werden, die als Bioreaktoren für den Menschen
interessante oder verbesserte Rohstoffe herstellen. Beispielsweise ist es japanischen Wissenschaftlern gelungen, transgene Seidenraupen zu erzeugen, die verbesserte Seide mit hohem Dehnungswiderstand, hoher Festigkeit und Biegsamkeit herstellen. Auch existieren Seidenraupen, die menschliches Prokollagen (Typ III) herstellen, welches in der Wundheilung und Gewebezucht eingesetzt werden kann . Mittlerweile wurden paratransgene blutsa ugende Raubwanzen erzeugt, die nicht mehr in der
698
21 Biologische, chemische und biotechnische Schädlingsbekämpfung
Lage sind, bestimmte Trypanosomen, die Erreger der Chagaskrankheit zu übertragen (s. 20.4.6). Hierzu wurden endosymbiontische Bakterien aus den Raubwanzen isoliert (s. 19.3.2.1) und in der Weise modifiziert, dass sie für den Krankheitserreger tödliche Gifte (Cecropine s. 17.2.3) ausschieden. Nach Reininfektion der Wanzen wurden im Labor Tiere erzeugt, die keine Trypanosomen mehr beherbergten . Transgene Insekten können auch im Zusammenhang mit der "Sterilen-Insekten-Technik" (= SlT; s. 20.1) von Bedeutung sein. So lassen sich Populationen von Schadinsekten dezimieren, wenn sie wiederholt mit sterilen Artgenossen (insbesondere mit vorher bestrahlten Männchen) überschwemmt werden. Wiederholte Schübe unfruchtbarer Tiere vernichten tatsächlich ganze Populationen. Zwar lassen sich diese Männchen konventionell durch Bestrahlung sterilisieren, doch führt hier gentechnisches Eingreifen gezielter zum Erfolg, z. B. indem in der Nachkommenschaft Embryonen in spezifischer Weise eliminiert werden. Auch eine effiziente Trennung der Geschlechter erscheint auf gentechnischem Wegeals möglich, so dass ausschließlich sterile Männchen freigesetzt werden. Mithilfe eines fluoreszierenden Transformationsmarkers können trans gene Insektenindividuen von wildtypischen unterschieden werden.
21.4 Integrierter Pflanzenschutz Helmut Zwölfer Da biologische Bekämpfungsverfahren allein viele Schädlingsprobleme nicht zu lösen vermögen, und da viele chemischen Verfahren ihrerseits mit beträchtlichen Nachteilen verbunden sind, wird heutzutage im Pflanzenbau weltweit ein dritter Weg angestrebt. Die in den angelsächsischen Ländern als "pest management" bzw. "integrated control" entwickelte Methode gewinnt als "Integrierter Pflanzenschutz" zusehends auch in Europa Bedeutung . Bei diesem Verfahren geht es um eine Kombination aller ökologisch, wirtschaftlich und toxikologisch vertretbaren Maßnahmen, um die Populationsdichte von Schadorganismen auf einem tolerierbaren Niveau zu begrenzen. Im Vordergrund stehen soll dabei die "bewusste Ausnutzung aller natürlichen Begrenzungsfaktoren" (Franz und Krieg 1982). Das Konzept des integrierten Pflanzenschutzes muss flexibel den einzelnen Kulturen sowie den jeweiligen Umlandbedingungen angepasst sein und muss jeweils verschiedene Bekämpfungsoptionen offen halten .
Ein Schwerpunkt des integrierten Pflanzenschutzes liegt in einer Förderung der natürlichen Begrenzungsfaktoren von Schadorganismen (s. 21.1.2.5) durch ökologische Maßnahmen und durch eine Reduktion des Pestizideinsatzes. Wie insbesondere die in Nordamerika vorliegenden Erfahrungen zeigen, erfordert dieses Pflanzenschutzkonzept einerseits zeit- und arbeitsaufwändige Voruntersuchungen und andererseits eine Überwachung der betreffenden Agrarökosysteme, die intensiver ist als bei der Befolgung fest vorgegebener chemischer Bekämpfungspläne (so genannter "Spritzkalender"). Da Schadorganismen nicht ausgerottet, sondern in den einzelnen Agroökosystemen lediglich unterhalb der ökonomischen Schadensschwelle stabilisiert werden, muss vom Produzenten gegebenenfalls ein begrenzter Ernteausfall in Kauf genommen werden. Damit spielt die jeweilige ökonomische Schadensschwelle, d. h. diejenige Befallsdichte, bei der die Bekämpfungskosten ebenso hoch wären wie der zu erwartende Schaden, eine Schlüsselrolle im integrierten Pflanzenschutz. Sie steigt mit zunehmender Intensivierung, d. h. mit dem Anbau von Hochleistungssorten und zunehmendem Einsatz von Mineraldüngung. Überdies hängt sie auch vom Standort, den Kulturmaßnahmen, den Behandlungskosten und den Witterungsbedingungen ab. Bei manchen Kulturen - etwa im Obstbau - steigt die ökonomische Schadensschwelle mit zunehmenden Ansprüchen der Verbraucher an die "optische Qualität" der Ernteerzeugnisse. Entscheidend für den reduzierten Einsatz oder den Verzicht auf chemische Bekämpfungsmittel im integrierten Pflanzenschutz ist die Entwicklung möglichst genauer Prognoseverfahren. Sie setzt eingehende Kenntnisse der Epidemiologie und Populationsdynamik der Schadorganismen (s. 22.5) voraus. Im Obstbau, im Getreidebau und einigen weiteren wichtigen Feldkulturen liegen heute für eine Reihe von Schadorganismen bereits mathematische, auf Kausalanalysen aufgebaute Modelle für die Populationsentwicklung vor, die unter den jeweiligen Witterungsverhältnisse erwartet werden kann. Sie vermögen den Befallsverlauf so wirklichkeitsnah vorauszusagen , dass den Landwirten verlässliche Empfehlungen gegeben werden können . Insgesamt bestehen aber noch beträchtliche Wissenslücken. Das betrifft nicht nur die Schadorganismen sondern auch deren natürliche Feinde. Um den Einfluss entomophager Insekten als Gegenspieler von Schädlingspopulationen zuverlässig beurteilen und ihre Wirkung entsprechend fördern zu können , besteht von der Taxonomie und Biosystematik bis zur Verhaltensphysiologie und Ökologie noch ein großer Forschungsbedarf
Literatur
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22 Regulation der Populationsdichte Helmut Zwölfer
Da die Populationen aller Organ ismen einerseits ein unbegrenztes Wachstumspotential besitzen, andererseits aber in einer räumlich begrenzten Umwelt leben , ist die Frage, welche Mechani smen da s jeweilige Population swachstum regeln und welches D ichteniveau eingehalt en wird, ein zentrales Th ema der Population sökologie. Die erst en Untersuchungen, die dieses Th ema aufgriffen, kamen fast ausschließlich aus dem Bereich der angewandten Entomol ogie: Plötzl ich auftretende Massenvermehru ngen von Landwirtschafts- und Forstschädlingen verlangten nicht nur Bek ämpfungsma ßna hmen, sondern gaben auch den Ansto ß, die einem solchen "M assenwechsel" von Insekt enpopulat ion en zugru nde liegend en Fakto ren zu analysieren. Seit dem Beginn dieses Jahrhundert s trugen au ch die im Rah men von biologischen Schädlingsbek ämp fungs-Projekten gemach ten Erfahru ngen zu einer intensiven und oft kont roversen Disku ssion der Mec ha nismen der Dich teregulation bei. U ntersuchungen zur Populat ionsdynamik der Insekten beziehen sich meist auf Abänderungen der Populat ionsdi cht en (= Abundanz) im Zeitablauf, d . h. sie beh andeln die Abundanzdynamik. Daneben können aber auch die rä umlichen Verteilun gsmu ster (Dispersions-M uster) zeitliche Veränderungen durchlaufen, sodass zur Abundanzdynamik eine Dispersionsdynamik hinzukommt. Populationsdynamische Untersuchungen finden bei Insekten besonders günstige Voraussetzungen: Die meisten Arten haben getrennte Generationen, was die quantitative Erfassung des Vermehrungspotentials und vieler Mortalitätsfaktoren erleichtert. Während ihrer Massenvermehrung sind die Populationen so umfangreich, dass genügend Stichproben entnommen werden können. Die Ergebnisse von Felduntersuchungen lassen sich bei Insekten oft durch entsprechende Laborzuchten überprüfen. Dort, wo Parasitoide wie Schlupfwespen oder Raupenfliegen, als Begrenzungsfaktoren auftreten, liegen überdies besonders einfache zahlenmäßige Beziehungen zwischen dem Fressfeind und der Beute vor. Diese haben schon frühzeitig zu dem Versuch geführt, die Populationsregulation mit mathematischen Modellen zu untersuchen. Eine gute Einführung in den Problemkreis der Dichteregulation bei Insekten geben Varley, Gr adweil & Ha ssel (1980) in ihrer " Populationsö kologie der Insekten" . Speziell mit den ökologischen Grundlagen des Schädlin gsbefalls an Pflanzen be-
fasst sich das Buch von Ohnesorge (199 1) "Tiere als Pflan zenschädl inge" . Da s von Barbosa & Schultz (1987) herausgegebene Buch .J nsect Outbreak s" behandelt eingehend da s Problem von Insekt en-M assenvermehrungen. Hassel (2000) ermöglicht eine Einarbeitung in die mathematische ModelIierung der Populationsdynamik von Räuber-Beute- und Parasitoid-Wirt -Systemen bei Insekten.
22.1 Grundbegriffe der Populationsdynamik 22.1.1 Steuerung, Begrenzung und Regulation Da die Begriffe Begrenzung, Regulation und Regelung im ökologischen Schri fttum nicht eindeutig festgelegt sind, und da überd ies auch der in englischen Arb eiten für Begrenzu ng und Regulation verwendete Ausdruck "control" mehrdeutig ist, soll kurz definiert werden, wie diese Begriffe hier gebrau cht werden. Mit dem allgemeinen Ausdruc k "Steuerung" ist jeder Faktor oder Prozess gemeint , der eine zeitliche Veränderung der Populationsdich te bewirkt. Eine "Begrenzung" (= Limitation) liegt vor, wenn das Popul ation swach stums auf einem bestimmten Dicht e-Ni veau zwangsläufig zum Stillstand kommt. "Regelun g" ist ein im technischen und physiologischen Bereich gebra uchter Begriff. Er bezeichn et den stre ng deterministischen Prozessablauf in einem Regelkreis, mit dem ein "Sollwert" der " Regelgrö ße" eingeha lten bzw. wiederhergeste llt wird. Zwischen einer deterministischen Regelun g und de r in ökologischen Systemen stoc has tisch ausg eprägten " Regulation" gibt es Ana logien (Abb. 22-1), aber auch Unterschiede. Gem einsam ist beiden Vorgängen, dass in einem System mit variablen Elementen ein bestimmter Zu stand beibeh alten, bzw. nach Störungen wieder herbeigeführt wird, und dass da bei die Aufna hme und Verarbeitung von In fo rm ation eine Rolle spielt. Bei der Regelung wird diese "Sollgröße" jeweils absichtlich (vom Techniker) oder
702
22 Regulation der Populationsdichte
Dichte-Regulation als Regelkreis
mittlere Populationsdichte (-SolIgroBe)
dichte-unabhängige Fak tor en (-Störe influ ss)
abweichende Populationsdichte (-RegelgroBe)
j / -
t DichteRegulation
dic ht eabhäng ige Faktoren (- Schalt glie d)
Abb. 22-1: Populationsdynamische Prozesse als Regelkreis. Erläuterungen im Text.
physiologisch vorprogrammiert (vom Organismus) eingestellt. In ökologischen Systemen existieren dagegen keine vorprogrammierten Sollgrößen, sondern lediglich Durchschnittswerte, die über eine längere oder kürzere Zeit mehr oder weniger genau eingehalten werden. Bei Regulationsprozessen ist zu unter scheiden, ob sie sich erst auf die jeweils nachfolgende Generation auswirken, also die Populationen der Generationsfolge beeinflussen (zeitliche Dichteregulation) oder als räumliche Dichteregulation innerhalb einer einzigen Generation bereits Dichteunterschiede ausgleichen . Damit spielt in ökologischen Systemen neben dem zeitlichen auch der räumliche Aspekt eine Rolle. Zu berücksichtigen sind nicht nur unterschiedliche zeitliche sondern auch räumliche Skalen: So ist beispielsweise das von einer Wirtspflanze ausgehende Nahrungsnetz phytophager und entomophager Insekten auf den EinzeIpflanzen und oft auch innerhalb eines einzelnen Wirtspflanzenbestands zeitlich und räumlich variabel und wenig stabil. Verfolgt man das System aber über längere Zeitspannen und ein größeres Areal hin, kann in der Regel eine klare NahrungsnetzStruktur erkannt werden, die auf ausgleichende Regulationsprozesse hinweist (Zwölfer, 1994).
22.1.2 Populationswachstum Zeitliche Schwankungen der Populationsdichte sind immer das Ergebnis von positivem oder negativem Populationswachstum. Zu unterscheiden ist hier zwischen zwei Typen: Bei überlappenden Generationen liegen kontinuierlich verlaufende Wachstumsprozesse vor. Ein Beispiel sind etwa einzelnen Blattlauskolonien auf ihren Sommerwirten, bei denen sich gleichzeitig Geburten, Tod durch Feinde und Auswanderungsprozesse abspielen können. Bei Insektenarten mit diskreten Generationen, beispielsweise den mitteleuropäischen Tagfalterarten, sind Geburts- und Sterb evorgänge zeitlich so weit getrennt, dass eine klare Generationen-Abfolge erkennbar ist. Bei beiden Wachstumstypen ergeben sich die Veränderungen der Populationsdichte aus der Bilanz von Geburten (Natalität) und Sterbefällen (Mortalität), zu denen unter Umständen zusätzlich Einwanderungsgewinne oder Abwanderungsverluste kommen können . Bei überlappenden Generationen kann , sofern eine stabile Altersstruktur vorliegt, das Populations-Wachstum durch eine einfache DifferentialGleichung (GI.I) dargestellt werden, in der "N" die jeweilige Populationsgröße (= Individuenzahl oder Individuendichte) und "r" die spezifische Zuwachsrate, d. h. die Bilanz aus der spezifischen Geburtsrate "b" und der spezifischen Sterberate .rn", ist. dN/dt = rN ; r=b-m
(GI.I)
Gleichung (I) beschreibt ein exponentiell es Population swachstum , das naturgemäß immer nur zeitlich begrenzt möglich ist. Die integrierte Form (GI. 2), in der "t" die Zeitspanne zwischen der Ausgangspopulation "No" und dem Anwachsen zur Populat ionsgröße "Nt" ist, zeigt, dass die spezifische Zuwachsrate als Exponent wirksam wird. Nt = Noexp(rt)
(GI.2)
Liegt bei exponentiellem Populationswachstum eine Kapazitätsgrenze "K" vor, so kann eine Population in Form einer "logistischen", d. h. S-förmi gen Wachstumskurve bis zur Kapazitätsgrenze anwachsen, wo sie stabilisiert wird. Die Gleichung (GI.3) lässt erkennen , dass hier ein "Steuerfaktor" in das exponentielle Wachstum (GI.I) eingreift, der bis zum Halbwert der Kapazitätsgrenze "K" die Wachstumsgeschwindigkeit kontinuierlich ansteigen lässt, um sie dann allmählich abzubremsen. Bei N == K, d.h. beim Erreichen der Kapazitätsgrenze, führt dieser Steuerfaktor dann einen Stillstand des Wachstums herbe i. dN/dt = rN([K-N]/K) = rN-rW/K
(GI.3)
22.1 Grundbegriffe der Populationsdynamik
Die Formel (GI. 3) zeigt, dass das Wachstums der Population (=dN/dt) einerseits durch hohe Werte der spezifischen Zuwachsrate (=r) und andererseits durch eine hohe Kapazitätsgrenze (=K) gefördert werden kann . Da die natürliche Auslese ein höheres Wachstumspotential begünstigt, liegen hier für die Evolution zwei unterschiedliche Optionen vor: Eine Selektion, die an der spezifischen Zuwachsrate ansetzt, führt zu "r-selektionierten" Arten ( = "r-Strategen"), d. h. zu Arten mit hohem Reproduktionspotential. Arten, die durch bessere Ausnutzung der Möglichkeiten ihrer Umwelt oder höhere Konkurrenzfähigkeit ihre Kapazitätsgrenze steigern, sind demgegenüber "K-selcktioniert" (= K-Strategen) . Zwischen einer ausgeprägten " r-Strategie" und einer ausgeprägten "K-Strategie" gibt es natürlich fließende Übergänge. Da Insekten mit einer r-Strategie schnell große Populationen aufbauen und oft auch als Pionierarten neue Nahrungsquellen opportunistisch ausbeuten können, finden sich in dieser Gruppe vielfach schädlich auftretende Arten. Umgekehrt gibt es unter den K-Strategen ein große Zahl von Arten, die durch Veränderungen ihres Lebensraums gefährdet sind . Bei den Tagfaltern ist etwa der Kohlweißling mit zwei und mehr Bruten pro Jahr und einer maximalen Eizahl zwischen 500 und 1000 ein typischer r-Stratege, während der einbrütige, ökologisch hochspezialisierte Apollo-Falter mit nur 60--120 Eiern zu den K-Strategen zu rechnen ist. Sinnvoll ist der Gebrauch der Begriffe "r-Strategen" und "K-Strategen" nur beim Vergleich von sich biologisch entsprechenden Arten . Zu berücksichtigen ist auch, dass sich nicht alle evolutionären Strategien in das r-K Schema einpassen lassen. Bei Populationen mit diskreten Gener ationen (GI. 4) ergibt sich die Populationsgröße der jeweiligen Folgegeneration durch Multiplikation der vorherigen Populationsgröße mit dem Vermehrungsfaktor "F", der ebenfalls eine Bilanz aus fördernden (Geburten, Zuwanderer) und hemmenden (Todesfälle, Auswanderer) EinzeIprozessen ist. Im Gegensatz zur spezifischen Wachstumsrate "r", die beim Wert Null zum Populationsgleichgewicht und bei Werten unter Null zu einer exponentiellen Abnahme führt , besteht bei diskreten Generationen ein Gleichgewicht, wenn der Vermehrungsfaktor "F" den Wert I annimmt.
703
22.1.3 Zeitliche Dichteabhängigkeit von Wachstumsfaktoren In der Populationsdynamik der Insekten werden das Vorzeichen und das Ausmaß der jeweiligen Wachstumsraten durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. Viele dieser Einflüsse sind von der jeweiligen Populationsgröße unabhängig ( = dichteunabhängig), sie vermögen daher das Populationswachstum nicht zu regulieren oder limitieren, d. h. so zu steuern, dass bestimmte Mittelwerte oder obere Grenzen eingehalten werden. Beispiele für solche dichteunabhängigen Einflüsse sind extreme Witterungsbedingungen oder viele anthropogene Maßnahmen. Auch die artspezifische Vermehrungsrate ist innerhalb gewisser Grenzen meist dichteunabhängig (Abb. 22-2 A). Bei Positiv dichteabhängigen Faktoren oder Prozessen nimmt die Intensität des Einflusses mit steigender Populationsdichte zu. Positiv dichteabhängige Mortalitätsfaktoren, wie etwa der wachsende Konkurrenzdruck um Nahrung, können kompensato risch auf Dichteänderungen der Population einwirken, d. h. dichte-regulierend, wirken (22-2 B, C). Negativ dichteabhängige Faktoren oder Prozesse nehmen an Intensität mit wachsender Populationsdichte ab. Beispiele liefern hier diejenigen Prädatoren und Parasitoide, deren Wirkung als Mortalitätsfaktor mit steigender Populationsdichte der Beute oder des Wirts sinkt. Negativ dichteabhängige Mortalitätsraten sind, genau wie positiv dichteabh ängige Natalitätsraten, desta-
B
Geburtenrate
A
c
-~+:""":::";""----4~
Sterberate
Populationsdichte - )
(GI.4)
Abb. 22-2: Geburts- und Sterberate als Funktion der Populationsdichte (=N). A = dichte-unabhängige Geburts-
Die hier dargestellten Gleichungen stellen sehr abstrakte Wachstumsmodelle dar. Sie sind zwar geeignet, bestimmte Grundelemente der Populationsdynamik zu veranschaulichen, für die Anwendung auf konkrete Populationssysteme müssen sie in mannigfacher Weise modifiziert werden (Hassel, 2000).
rate. B = Sterberate als Folge eines positiv dichteabhängigen Mortalitätsfaktors (z. B. natürliche Feinde), der bereits aufrelativ niedrigem Populationsniveau wirksam wird. C = positiv dichteabhängige Sterberate durch Ressourcenknappheit bei Erreichen der Kapazitätsgrenze. Für A und Bwurde jeweils eine stochastische Schwankung um den Mittelwert angenommen. DieGleichgewichtsdichten der Population (= N*) ergeben sich aus den Schnittstellen von Geburts- und Sterberate.
Nt+I=FNt
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22 Regulation der Populationsdichte
bilisierend, d.h. sie vermögen einen positiven oder negativen Wachstumstrend nicht abzubremsen. Ein zeit-verzögert dichteabhängig wirkender Prozess, etwa ein der Populationsentwicklung nachhinkender Trend in der durch Parasitoide verursachten Mortalitätsrate, wird in seinen Auswirkungen erst im Lauf der Generationenfolge erkennbar. Das bedeutet, dass er nur dort nachweisbar ist, wo über mehrere Generationen hin fortlaufende Datenreihen vorliegen. Dichte-limitierende Faktoren, beispielsweise die Kapazität einer Wirtspflanze als Nahrungsquelle für einen Phytophagen oder einer Wirtsinsektenlarve für Parasitoidenlarven, legen obere Dichtegrenzen fest. Sie spielen vor allem dann eine Rolle, wenn regulierende Faktoren fehlen oder zu schwach sind, um Populationsdichten unterhalb der Kapazitätsgrenze der Umwelt zu stabilisieren.
22.1.4 Räumliche Dichteabhängigkeit von Wachstumsfaktoren
verschont bleiben und damit die Kontinuität der Gesamtpopulation gewährleisten.
22.1.5 Umwelt- und Ressourcenstruktur Für ein Verständnis der Regulation der Populationsdichte bei Insekten spielen zwei unterschiedliche Typen des Umwelt- und Ressourcen-Einflusses eine Rolle, die im Englischen mit den Begriffen .fine-grained" (= feinkörnig) und "coarsegrained" (= grobkörnig) beschrieben werden. Da diese Begriffe im Deutschen nicht gebräuchlich sind, soll hier .fine-grained'' mit heterogener und "coarse-grained" mit homogener Umwelt- bzw. Ressourcenstruktur übersetzt werden. Der Ausdruck "Ressourcen" (im Sinne von "Hilfsmitteln für das Überleben") wird dabei in Anlehnung an den angelsächsischen Sprachgebrauch als SammelbegritTfür alle diejenigen Umweltfaktoren gebraucht , die die Existenz einer Population ermöglichen und sich positiv auf die spezifische Zuwachsrate auswirken. Wenn auch die Nahrung die bei weitem wichtigste Ressource darstellt , so darf doch nicht übersehen werden, dass daneben auch Faktoren wie beispielsweise spezifische Balz- und Rendez-vous-Plätze für die Geschlechtspartner, spezifische Eiablageplätze oder Strukturen, die Schutz und Überwinterungs-Möglichkeiten bieten oder Zeitgeberfunktio nen besitzen, eine wesentliche Rolle spielen können.
Die Bedeutung der Faktoren, die auf die Generationsfolge von Insekten einwirken, wurde schon im 19. Jahrhundert erkannt. Regulationsvorgänge, die sich bereits innerhalb einer Insekten-Generation auswirken, finden erst in den letzten Jahrzehnten eine besondere Beachtung. Eine Rolle haben dabei das zunehmende Interesse an Popula- Zu Insektengruppen mit homogener Umwelt- und tionsstrukturen (s. 22.3.6), aber auch Schwierig- Ressourcen-Struktur gehören echte, eng an ihren keiten, die beim mathematischen Modellieren der Wirt gebundene Parasiten , wie Tierläuse oder FeDynamik von Räuber-Beute-Systemen auftraten, derlinge. Das sind Insektenarten, für die einerseits Nahrungsquelle und Umwelt weitgehend zusamgespielt. Für die innerhalb einer Generation erfolgende menfallen und auch alle anderen lebensnotwendiräumliche Dichteregulierung sind zwei Vorausset- gen Faktoren konzentriert (= "grobkörnig") verzungen nötig: Die Individuen einer Insektenpopu- fügbar sind. Sobald bei Insekten dieser Kategorie lation müssen in ihrem Populationsareal deutlich der Wirtskontakt hergestellt ist, spielen Mangelheterogen verteilt sein, und es müssen ein oder situationen keine Rolle mehr. Die Nahrungssuche mehrere Mortalitätsfaktoren im Spiel sein, die in und die Suche nach einem Brutsubstrat erfordern Teilarealen mit hoher Teilpopulationsdichte deut- dann weder eine hohe Mobilität noch besonders lich überproportional, in Teilarealen mit niedriger hoch entwickelte Sinnesleistungen oder VerhalDichte aber unterproportional wirksam sind. tensformen . Die Regelung der Populationsdichte Beide Voraussetzungen sind bei sehr vielen In- erfolgt überwiegend durch Wirt-Parasit-Interaksektenpopulationen zu finden. So sind etwa bei tionen. den meisten Phytophagenarten die Individuen ei- Insektengruppen wie Libellen, Laufkäfer oder Kurzflügner Population in unterschiedlicher Dichte über ler leben demgegenüber in einer stärker heterogenen die einzelnen Wirtspflanzen des Gesamtareals ver- Umwelt und sind mit einer heterogenen Ressourcenteilt. Krankheitserreger, aber auch viele Präda- Struktur konfrontiert: Um an die verteilt (= "fein-körtoren und Parasitoide, konzentrieren ihren Befall nig") vorliegenden Ressourcen zu gelangen, müssen sie in denjenigen Teilarealen, in denen die Beute- bzw. beträchtliche Suchleistungen erbringen und vom Verhalten her in der Lage sein, immer wieder " EntscheiWirtsdichte besonders hoch ist (= Prädator-Ag- dungen" zwischen unterschiedlichen Alternativen zu gregation). Auf diese Weise werden diese Teil- tretTen. Da die für das Überleben notwendigen Faktoren populationen überdurchschnittlich belastet und hier nicht konzentriert vorliegen, kann das Ausmaß ihrer unter Umständen sogar eliminiert, während Teil- Verfügbarkeit die Populations-Dichte entscheidend bepopulationen geringer Dichte mehr oder weniger einflussen oder mitbeeinflussen.
22.2 Einfluss von Natalität und Mortalität Bei holometabolen Insekten besonders weit verbreitet ist ein dr itter Typ, der beides komb iniert: Im Larvenstadium wird ein Mik rohabitat besiedelt, wo mit dem Wirt eine konzentriert und mehr oder minder homogene (="grobkörnige") Na hrungsquelle verfügba r ist, während die Imagines im Ma krohabitat sich mit den Problemen einer heterogenen Umwelt und heterogen verteilten Ressourcen auseinander setzen müssen. Zu dieser Gruppe gehören das Heer der Parasitoidenarten (vor allem Schlupfwespen Lw.S. und Raupenfliegen ), fast alle Holometabolen mit phytoph agen Larven stadien , die Brutfürsorge oder Brutpfl ege betreibenden oder die staa tenbildenden Insektenart en, aber auch hemimetabole Gruppen, wie die Blattläuse. Entsprechend den zwei unterschiedlichen ökologischen Nischen, die bei diesem Insektentyp im Lauf des Lebens ausgebildet werden, sind die Anpassungen und Leistung en im Larvenstadium auf Nahrungserwerb und Wachstum , im Imaginal-Stadium dagegen auf Partnerfindung, Nahrungs- und Brutsubstra tsuche hin angelegt. Bei Parasitoiden und den vielen phytophagen Insekten mit endo phytisch lebenden oder kaum beweglichen Larven hängt die "Verantwortung" für eine geeignete und ausreichende Versorgung der Larvenpopulatio nen ausschließlich an der korrekten Brutsubstrat -Wahl der erwachsenen Weibchen. Hier treten unter schiedliche Komplexe von Mort alität sfakt oren auf, die auf zwei verschiedenen Ebenen zur Regulation der Populationsdichte beitragen können. Im Mikrohab itat können beispielsweise mehr ode r weniger spezialisierte Ei-, Larven- und Pup penpar asiten, aber auch Nahrungsund Raumk onkurrenz eine Rolle spielen, während bei den Imagines nicht spezialisierte Räuber ein wichtiger Mortalität sfakt or sein könn en. Dies gilt besonders für Insekten gruppen, wie etwa Par asitoide oder viele gallbildende Arten , bei denen der Zeitaufwan d bei der Brutsubstra tsuche ins Gewicht fällt (s. 22.5.2).
22.2 Einfluss von Natalität und Mortalität Der Populationszugang durch Geburten (=Natalität) und der Abgang durch die Sterblichkeit (=Mortalität) werden in der Popul ation sdynamik meist als Raten (=Geburtsrate, Sterberate) auf eine bestimmte Populationsgröße (D urchschnittg röße der Gesamtpopulation) bzw. eine festgelegte Individuenzahl (z. B. 1000 Individuen) bezogen und für eine bestimmte Zeiteinheit angegeben. Die individuellen Natalit äts- bzw. Mortalität sraten bezeichnen den pro Individuum und Zeiteinheit umgerechneten Anteil an Geburten bzw. Todesfällen einer Population. Da Zu wand erung sgewinne bzw. Abwanderung sverluste die Populationsentwicklung ebenso beeinflussen wie Geburten oder Todesfälle und vielfach nur schwer nachweisbar sind, werden sie meist mit der Natalität bzw. Mortalität zusammengefasst.
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22.2.1 Natalität und Natalitätsfaktoren Grundlage der Natalität ist das artspezifisch ausgebildete Vermehrung spotenzial, d. h. die theoretisch mögliche durchschnittliche Gesamtnachkommenzahl eines Weibchens, die bei allen eierlegenden Insekten arten mit der im Laufe des Lebens produzierten Eizahl pro Weibchen identisch ist. Für die hier auch benützten Begriffe Fekundität und Fertilität sind die Definitionen nicht eindeutig. In Anlehnung an den Gebrauch im Englischen sollte Fekundität (= fecundity ) für die mittlere potentielle Vermehrung skapazit ät benutzt werden, die dann vorliegen würde, wenn alle reifen Eier im Ovar befruchtet und gelegt werden. Mit Fertilität (=fertility) sollte demgegenüber die reale mittler e Vermehrungsleistung eines Weibchens, also die Zahl befruchteter (= "fertiler ") und gelegter Eier, bezeichnet werden. Da fast immer nur ein Teil der im Ovar ausgebildeten Eier befruchtet und gelegt wird, ist die tatsächlich zu beobachtende Fertilität geringer als die potentiell gegebene Fekundität. Die mitt lere Eizahl, die ein Weibchen während seines Lebens produzieren kann , schwankt bei Insekten insgesamt zwar außerordentlich (von 1- 2 bei der geschlechtlichen Generation wirtswechselnder Blattläuse bis zu vielen Millionen bei Termiten- und Ameisenköniginnen), sie liegt aber im allgemeinen unter 500. So haben drei Viertel aller mitteleuropä ischen Tagfalter beispielsweise ein Eipotential zwischen 60 und 250 EiernlWeibchen und nur bei 3% der Arten liegt dieses über 500 EierlWeibchen. Auch innerhalb ein und derselben Art besteht oft eine beträchtliche Variationsbreite. Dabei können die Entwicklungsbedingungen während der Lar valperiode eine wichtige Rolle spielen. Eine günstige Nahrungssituation kann zunächst zu höheren Larven- und Puppengewichten und schließlich zu einer höheren Fekundität der Weibchen führen (Abb. 22-3). Bei Arten , deren Eier sich erst nach dem Schlüpfen der adulten Weibchen vollständig zur Legereife entwickeln, hängt das Gesamt-Eipotential meist auch von der während der Imaginalph ase verfügbaren Na hrung ab. Da die Na hrung, beispielsweise die Quantität und Qualität von Wirt spflanzen , oft von Witterungsfaktoren mitbeeinflusst wird, können sich diese abiotischen Fakt oren auf indirektem Weg ebenfalls auf das Vermehrungspotential von Insekten auswirken. Trotz hoher Fekundität (= hohen Eipotential s) kann die Fertilität, d. h. die Rate entwicklungsfähiger und adäqu at abgelegter Eier durch ungünstige Bedingungen eingeschränkt sein. So ist bei allen Insektenarten, die sich nicht partheno-
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22 Regulation der Populationsdichte
Pflanze
Boden Witterung
% Parasitierung
I
+1 Fekundität
I
Abb. 22-3: Wechselbeziehungen von Faktoren (grau umrahmt), die sich auf den reproduktiven Erfolg (schwarz umrahmt) der Bohrfliege U. cardui auswirken. ,,+" =
signifikant positive Einflüsse, ,,-" = signifikant negative Einflüsse. Weitere Erläuterungen im Text. (Verändert nach Freese und Zwölfer 1996)
genetisch vermehren, eine hohe Befruchtungsrate Voraussetzung für eine hohe Fertilität. Insbesondere bei Arten mit kurzlebigen Imagines hängt die Befruchtungsrate einerseits von einer ausreichend hohen Männchendichte und andererseits auch von Witterungsverhältnissen ab, die der Paarung und gegebenenfalls der Balz zuträglich sind. Witterungsereignisse können das Ausmaß der Fertilität auch beeinflussen, indem das Auffinden von Brutsubstraten erschwert wird. Beispielsweise beeinträchtigen Kälteeinbrüche oder längere Regenperioden die der Eiablage vorgeschaltete Suche nach Wirts- oder Wirtspflanzenindividuen oder auch den oft zeitaufwendigen Eiablage-Prozess selbst. Ungünstige Witterungsverhältnisse können außerdem die Synchronisierung mit dem Wirt oder der Wirtspflanze beeinträchtigen. Das kann bei spezialisierten phytophagen Insekten oder Parasitoiden dazu führen, dass die kurze Zeitspanne, in der die Entwicklung des Wirts oder der Wirtspflanze eine erfolgreiche Eiablage erlaubt (= das "Zeitfenster" ) nicht optimal genutzt werden kann. Weiterhin ist für eine hohe Fertilität natürlich auch das Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Eiablage- bzw. Brutsubstraten notwendig. Bei hochgradig wirtsspezialisierten Arten , z. B. man-
ehen Blattlaus-Parasitoiden oder bestimmten Bohrfliegenarten, reicht in der Regel die Lebenszeit der adulten Weibchen nicht aus, um die in den Ovarien verfügbaren Eier auch nur annähernd vollständig abzulegen. Das gilt insbesondere für Arten, deren Eivorrat beim Schlüpfen schon voll ausgebildet ist. Hier wird die für die Wirtssuche und Eiablage verfügbare Zeitspanne der Gesamtlebenszeit zu einer "knappen Ressource" und die Fertilität ist daher "zeit-limitiert" . Arten, deren Eier großenteils oder vollständig erst während des Imaginallebens legereif werden, können andererseits bei hohem Wirtsangebot "ei-Iimitiert" sein, d. h. der kurzfristig verfügbare Eivorrat reicht nicht aus, um das Wirtsangebot voll zu nutzen.
22.2.2 Mortalität und Mortalitätsfaktoren Die auf eine Insektenpopulation einwirkenden Mortalitätsfaktoren lassen sich einerseits in eine abiotische (= d.h. physikalische oder chemische) und andererseits in eine biotische (= d. h. durch Organismen wirkende) Gruppe einteilen. Abiotische Einflussfaktoren können ihrerseits eine Insektenpopulation sowohl direkt wie auch indirekt beeinflussen. Sie sind in erster Linie meteorologischer Natur. Jedoch können- zumeist indirektauch Faktoren wie beispielsweise die Bodenbeschaffenheit, die Strömungsgeschwindigkeit von Fließgewässern oder die Wasserqualität eine Rolle spielen. Einen direkten Einfluss auf die Mortalitätsrate können extreme Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse, Überschwemmungen oder heftige Stürme ausüben. Wichtiger sind aber die indirekten Witterungseinflüsse. So kann ein milder Winter bei im Boden in einem Ruhestadium überdauernden Insektenarten die Mortalität durch Verpilzung oder andere Pathogene fördern . Eine sommerliche Trockenperiode kann Wirtspflanzen unter Wasserstress bringen, was sich wiederum negativ auf die Überlebensrate von Gallbildner auswirken kann, während andere Phytophage (z. B. viele Blattlausarten) dadurch im Populationswachstum gefördert werden. Ein Temperaturdefizit verlangsamt die Entwicklungsgeschwindigkeit der Jugendstadien, wodurch Insektenpopulationen einem länger wirkenden Feinddruck ausgesetzt sind. Außerdem kann die Synchronisation des Lebenszyklus mit dem Jahreslauf gestört werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn das an die Überwinterung angepasste Entwicklungsstadium nicht rechtzeitig erreicht wird. Die durch biotische Faktoren hervorgerufene Mortalität lässt sich analog den Regulationstypen (s. 22.3) nach der jeweiligen trophischen Ebene,
22 .2 Einfluss von Natalität und Mortalität
von der aus der Mortalitätsfaktor operiert, in drei Hauptgruppen, nämlich durch das Nahrungssubstrat, Feinde und Krankheitserreger oder Konkurrenz verursachte Sterblichkeit einteilen . Reaktionen des Nahrungssubstrats. Insektenarten, die Wirte oder Wirtspflanzen ausbeuten, können durch deren Gegenreaktionen Mortalität erleiden. So vermögen sich die Larven vieler Insektenarten gegen nicht-angepasste Parasitoide dadurch zu wehren, dass sie deren Eier mit einer hämozytischen Abwehrreaktion einkap seln und zum Absterben bringen (s. 17.2.3). In ähnlicher Weise können Wirtspflanzen auf Befall durch Blattminierer (s. 15.5) reagieren, indem sie die befallenen Blätter abwerfen. Durch ein Absterbenlassen (= Abortieren) befallener BlütenkopfKnospen können Disteln die Larvalentwicklung bestimmter Bohrfliegen- oder Rüsselkäferarten erschweren. Holzgewächse können sich durch Nekrosebildung in den besaugten Gewebebereichen gegen bestimmte Pflanzensauger schützen .
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vor allem bestimmte Bakterien-Gruppen, die als Mortalitätsfaktor Bedeutung erlangen können . Die verschiedenen Stämme von Bacillus thuringiensis werden deshalb auch in der biologischen Bekämpfung von manchen Schmetterlings-, Stechmücken- und Blattkäferarten eingesetzt. Tierische Krankheitserreger von Insekten finden sich unter den Protozoen in der Klasse der Sporozoen, insbesondere unter den Microsporidien. Bei den Pilzen sind fast 500 insekten pathogene Arten bekannt, wobei vor allem in der Familie der Entomophthoraceae wichtige Krankheitserreger vorkommen . Viren, Bakterien und Sporozoen werden vorwiegend mit der Nahrung aufgenommen, entomopathogene Pilze dringen dagegen durch das Integument in den Insektenkörper ein. Das gilt auch für manche insekten-parasitische Nematoden, die hauptsächlich im Bodenbereich lebende Entwicklungsstadien angreifen . Die hier genannten Krankheitserreger und Parasiten gelangen in erster Linie passiv in ihre Insektenwirte. Überdies Ein eindrucksvolles Beispiel ist die europäische Weiß- ist die Infektionsrate stark von den Außenbedintanne, die sich durch eine histologische Abwehrreaktion gungen, z. B. genügend hoher Feuchtigkeit, und gegen Massenvermehrungen der Weißtannen-Stammlaus von einer hohen Wirtsdichte abhängig. Entomophage Insekten (s.16; 20.1.2) gewinnen (DreyJusia piceae) so weitgehend schützen kann, dass sie keinen Schaden erleidet. Der kanadischen Balsamtanne als Räuber ihre Beutetiere oder befallen als Parasifehlt diese Abwehranpassung. daher wurde die Weiß- toide ihre Wirte aktiv. Einige wenige räuberische tannen-Stammlaus nach ihrer Einschleppung nach Insektenarten sind Lauerjäger oder Fallensteller. Nordamerika zu einem Großschädling der Balsamt- Die große Mehrzahl verfolgt ihre Beute als Suchanne. jäger. Das gleiche gilt für die Wirtssuche der ParaEine sowohl direkt wie auch indirekt wirkende sitoidenarten. Beide Gruppen können dabei oft Abwehrmöglichkeit von Pflanzen gegen Phyto- einen beträchtlichen Aktionsradius nutzen . Im phage besteht in der "induzierten, quantitativen Gegensatz zu fast allen räuberisch lebenden Inchemischen Abwehr" (s. 15.5.1). Durch diese kann sektenarten sind viele Parasitoide hochgradig die Larval entwicklung entweder verhindert oder wirtsspezialisiert . Die Spezialisierung auf ein oder so verzögert werden, dass die Mortalität durch wenige Wirtsarten ermöglicht VerhaltensanpasFressfeinde ansteigt. Indirekt können Pflanzen sungen, mit deren Hilfe auch sehr verborgen leMortalität auch dadurch verursachen, dass sie mit bende Wirtsinsekten aufgespürt werden können . Hilfe von Synomonen Parasitoide anlocken (s. Da sich auf Kosten eines einzigen Wirtsindividuums ein oder - bei Gregärparasitoiden - sogar 15.5.3). Feinde und Krankheitserreger. Einer weit ver- mehrere Parasitoiden-Individuen entwickeln könbreiteten Meinung zufolge werden die Populati- nen, sind Parasitoiden weniger von der Populaonsdichten phytophager Insekten (und ebenso an- tionsdichte ihrer Wirte abhängig als Räuber. Sie derer herbivorer Tiergruppen) vor allem durch können im Gegensatz zu Prädatoren als wirtsspeihre Gegenspieler, also durch Räuber, Parasitoide zifische Gegenspieler auch noch bei geringer Wirtund Krankheitserreger, so kontrolliert, dass im sdichte überleben . Sowohl räuberisch lebende InAllgemeinen keine Überausbeutung ihrer Nah- sekten wie auch Parasitoide sind dank ihrer sinrungsquelle, der Vegetation, erfolgt. In der Tat nesphysiologischen Ausstattung und ihres Verhalsind insbesondere die phytophagen Insekten meist tensrepertoires in der Lage, ihr Suchverhalten auf zahlreichen Fressfeinden und Krankheitserregern das Verteilungsmuster der Beute oder der Wirte ausgesetzt. Die sich dar aus ergebende Populati- hin auszurichten. Damit gewinnen sie eine gewisse Bedeutung als potenzielle Regulationsfaktoren (s. onsverluste können beträchtlich sein. Unter den Krankheitserregern spielen Viren, 22.1.4). Allerdings zeigte eine statistische Auswerinsbesondere Polyeder- und Granuloseviren eine tung , dass der regulierende Einfluss einzelner Pawichtige Rolle, da sie den Zusammenbruch von rasitoidenarten auf ihre Wirte nicht so häufig ist, Insektenmassenvermehrungen hervorrufen kön- wie oft angenommen wird. In einer Literaturnen. Neben den Rickettsien, über die aber bislang analyse wurde nur bei einem Viertel von insgesamt noch wenige Untersuchungen vorliegen, sind es 171 daraufhin geprüften Wirt-Parasitoid-Syste-
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22 Regulation der Populationsdichte
men eine positive Dichteabhängigkeit (s. 22.1.3) gefunden; in der Hälfte der Fälle waren Parasitoide ein dichte-unabhängiger Faktor, bei einem weiteren Viertel lag sogar eine negative Dichteabhängigkeit vor.
tenarten kann dann vorliegen, wenn der überlegene Nahrungskonkurrent im Gegensatz zu den benachteiligten Mitkonkurrenten in der Lage ist, auf zwei trophischen Ebenen zu operieren, also etwa von der Herbivorie zur Karnivorie oder vom Primärparasitismus zum Sekundärparasitismus Unter den Wirbeltieren sind insektenfressende Gruppen überzugehen. Hierher gehören Kleinschmettervon den Fischen bis zu den Säugern in allen Klassen vertreten (s. 17. I.I). Wegen ihres hohen Nahrungsbe- lingsarten, deren Larven in Blütenköpfen oder darfs spielen in Mitteleuropa besonders viele Familien Pflanzenstängeln leben, und die Larven konkurder Singvögel, sowie die Ordnungen der Insektenfresser rierender Phytophagenarten als zusätzliche Nahund Fledermäuse als natürliche Feinde von Insekten eine rung nutzen. Zahlreiche Beispielefinden sich auch wichtige Rolle. Sie sind insgesamt unspezifische Gegen- in Parasitoidenkomplexen, in denen eine urspieler, die wesentlich dazu beitragen, Insekten-Popula- sprünglich als Primärparasitoid (s. 17.2) lebende tionen auf einem tiefen Niveau zu stabilisieren. Jedoch Art beim Kontakt mit der Larve einer konkurrieversagt ihr regulierender Einfluss oft bei Insektenpopularenden Parasitoidenart zum Hyperparasitoid tionen, die oberhalb einer kritischen Dichteschwelle (s. wird. 22.4) zu einer Massenvermehrung schreiten können. Innerartliehe Konkurrenz um Nahrung und geKonkurrenten. Der unmittelbare Einfluss einer legentlich auch um Raum liegt bei Insekten in der zwischenartlichen Konkurrenz wird als wesentlicher Regel in der Form der Ausbeutungskonkurrenz Faktor für die Evolution einer Spezialisierung (= vor. Immer dann, wenn, wie bei Kahlfraßsitua"Einnischung") angesehen. Diese Konkurrenz- tionen, die zur Verfügung stehende Nahrungsform ist bei Insektengruppen, deren Stadien frei menge zum begrenzenden Faktor wird, ist diese leben, schwer als unmittelbare Mortalitätsursache Form von Konkurrenz im Spiel. Weiterhin kann zu beobachten. Jedoch gibt es bei biologischen innerartliehe Konkurrenz eine Verschlechterung Bekämpfungsprojekten, bei denen sukzessive öko- der Nahrungsqualität bewirken, wie dies etwa bei logisch ähnliche Parasitoidenarten eingeführt wur- Drosophila-Zuchten beobachtet wird. Bei manden, deutliche Hinweise auf einen Konkurrenzaus- chen Insektenarten, etwa bei den Larven endoschluss, d. h. auf die Verdrängung einer Art durch phytisch oder als Vorratsschädling lebender Foreinen konkurrenzstärkeren Neuankömmling. Ein- men führt innerartliehe Konkurrenz zum Kannideutig nachgewiesen werden kann eine durch zwi- balismus. sehenartliehe Konkurrenz bedingte Mortalität bei Ein Sonderfall innerartlicher Konkurrenz, der nicht zur Insektenarten mit endophytisch lebenden Lar- Mortalität aber zu einer Erhöhung der Auswanderungsvenstadien. Das Gleiche gilt für den Multiparasi- rate führt, ist bei vielen Blattlausarten gegeben. Eine tismus, d. h. die Belegung eines Wirtsindividuums zunehmende Dichte ungeflügelter Tiere kann hier als durch die Weibchen verschiedener Parasitoiden- sogenannter "Gedränge-Faktor" die Entwicklung geflüarten. Dabei liegt meist eine Interferenz-Konkur- gelter Tiere induzieren, die dann die Kolonie verlassen. renz (= aggressive Konkurrenz, interference competition) vor, d. h. der oder die Mitbewerber werl\oden von dem überlegenen Konkurrenten ausge- 22.2.3 Ein Fallbeispiel für schaltet, bevor der Wirt als Nahrung genutzt wird. Wechselwirkungen von Welcher Konkurrent überlegen ist, kann art speziFaktoren fisch festgelegt sein, aber auch vom jeweiligen Alter oder äußeren Umständen abhängen . In den Blütenköpfen mancher Distelarten, etwa der ni- Die Faktoren und Prozesse, die die Natalität und ckenden Distel Carduus nutans kann zwischen den die Mortalität beeinflussen, sind bei Insektenpoverschiedenen, hier als Larve endophytisch leben- pulationen unter Freilandbedingungen auf vielfalden, Phytophagen arten eine ausgesprochene Kon- tige Weise miteinander verknüpft . Das soll das kurrenz-Hierarchie bestehen (Zwölfer,1994). Eine Beispiel der Bohrfliege Urophora cardui, die an der Ausbeutungs-Konkurrenz (= exploitative competi- Ackerdistel auffällige Stengelgallen erzeugt, vertion) ist dann gegeben, wenn alle konkurrierenden anschaulichen (Abb.22-3). Das Eipotential der Individuen Zugang zu einer nur begrenzt ver- Ucardui-Weibchen besteht aus einem bereits beim fügbaren Nahrung haben. Das kann zur Folge Schlüpfen verfügbaren Anteillegereifer Eier und haben, dass für alle Konkurrenten Nahrungsman- weiteren, sich erst während der im Freiland maxigel herrscht. Diese Form von Konkurrenz wurde mal 10-20 Tage dauernden imaginalen Lebenszeit beim Multiparasitismus von Raupenfliegen (Fami- voll entwickelnden Eier. Die durchschnittliche Felie Tachinidae), einer evolutiv noch relativ jungen kundität liegt bei 130 EierfWeibchen. Dabei erParasitoidengruppe, beobachtet. Ein asymmetri- geben sich mit einem Vertrauensbereich von +/sches KonkurrenzverhäItnis zwischen zwei Insek- 50 Eiern pro Weibchen sehr große Schwankungen
22.2 Einfluss von Natalität und Mortalität der individuellen Fekundität, die ein Maximum von über 350 EierlWeibchen erreichen kann. In Käfigversuchen wurden pro Tag und Weibchen durchschnittlich 53, im Maximum 192 Eier abgelegt. Das Eipotential der Weibchen wird signifikant von ihrem Körpergewicht bestimmt, das wiederum auf dem Gewicht der Larven nach Abschluss ihrer Fressperiode beruht. Daher tragen die Entwicklungsbedingungen während der Larvenperiode wesentlich zur späteren Fekundität der UicarduiWeibchen bei . Günstige, zu hoher larvaler Biomasse und hohen larvalen Überlebensraten führende Bedingungen herrschen in Gallen, die einerseits viele Larvenkammern und andererseits viel Gallengewebe aufweisen (s.15 .2.4). Die Kammernzahl einer Galle wird maßgeblich durch die Gelegegröße bestimmt. Der Umfang des Gallengewebes, d. h . die " Q ua litä t " der Galle, hängt aber auch von der Wirtspflanze und den Witterungsbedingungen während der Phase des Gallenwachstums ab. Für die Ucardui-Weibchen wird damit die Suche nach optimalen Brutsubstraten und eine optimal angepasste Gelegegröße entscheidend für ihren Reproduktionserfolg. Die Gelegegröße, d.h. die Zahl der vom UcarduiWeibchen nach einem zeitaufwendigen Such- und Prüfvorgang in eine Knospenanlage der Ackerdistel abgelegten Eier, schwankt zwischen I und 29 Eiern/Gelege, wobei die Mittelwerte in Käfig- und Freilandexperimenten bei II und 12 Eiern/Gelege liegen. Für die Gelegegröße spielt einerseits der "interne Zustand" der Weibchen, d. h. sein Alter und Zahl und Umfang der bereits produzierten Gelege, andererseits aber auch die "Qualität " des jeweiligen Eiablageorts eine Rolle. Im Experiment steigt die durchschnittliche Gelegegröße mit wachsendem Durchmesser der ausgewählten Knospenanlage bis zu einem bei I,S-2,2mm liegendem Optimum, um dann rasch wieder abzufallen . Der Umfang der Knospenanlage wird dabei offensichtlich als Indikator für den Entwicklungszustand der Wirtspflanze benützt . Das ist wichtig, da Ucardui-Gallen nur an Ackerdistel-Stängeln in einer bestimmten Entwicklungsphase ausgebildet werden können . Neben dem Einfluss auf das Larvalgewicht und dem davon abhängenden Schlüpferfolg, ist die Gallengröße auch für das Ausmaß des Befalls durch Larvcnparasitoide von Ucardui von Bedeutung. In Gallen mit wenigen Kammern und/oder geringem Durchmesser steigt die durch Ektoparasitoide, insbesondere durch die Erzwespe Eurytoma robusta, verursachte Larvenmortalität überproportional an . Mit zunehmendem Umfang der Galle verliert E.robusta an Bedeutung, da deren Weibchen nicht mehr alle Larvenkammern mit dem Legebohrer zu erreichen vermögen . Davon profitiert der hoch spezialisierte Endoparasitoid Eurytoma serratulae, der beim Zusammentreffen in der Galle gegenüber E.robusta konkurrenzunterlegen ist, aber infolge einer vor oder zu Beginn des Gallenwachstums erfolgenden Eiablage noch alle oder doch einen großen Anteil der Ucardui-Junglarven mit dem Legebohrer erreichen kann. Überpro-
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portional profitiert aber die Bohrfliege von einer steigenden Kammernzahl/Galle und steigendem Gallendurchmesser: Während in kleinen Gallen (nur eine Kammer/Galle) durchschnittlich lediglich 30-40% der U cardui- Larven bis zur Verpuppung überleben , sind es bei großen Gallen (9 und mehr Kammern/Galle) So-90'Yo. Trotz dieser eindeutigen Vorteile großer Gallen mit hoher Kammernzahl kommen bei den Ucardui-Weibchen im Durchschnitt wesentlich mehr kleine und mittelgroße Gallen vor, und manche Gelege haben eine Eizahl, die deutlich unter der optimalen Kammerzahl liegt. Das liegt neben dem oben erwähnten unterschiedlichen "internen Zustand" der Weibchen auch daran, dass wegen des hohen Zeitbedarfs für das Aufsuchen und Prüfen geeigneter Eiablageorte nicht nur Knospen in einem optimalen Zustand belegt werden können . Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Ucardui-Weibchen während der Suche nach Eiablageplätzen durch Prädatoren, insbesondere durch auf Ackerdisteln häufige Kugelspinnen der Gattung Theridion, gefährdet sind. Überdies sind die zukünftige Entwicklung der einzelnen Distelstängel sowie die Witterungsbedingungen während der Gallenentwicklung, die die Gallenqualität beeinflussen können , nicht vorhersehbar. Damit können sich große Gelege unter Umständen als " Fehlinvestition" erweisen. Insgesamt kann das Eiablageverhalten von Ucardui als "Mischstrategie" interpretiert werden. Einerseits wird die Option genutzt, mit einem großen Einsatz (=großen Gelegen) einen großen Gewinn zu erzielen, andererseits wird aber auch eine .Risikostreuung'' betrieben .
22.2.4 Konfliktsituationen und Kompromisslösungen Aus den Natalitäts- und Mortalitätsfaktoren entsteht das Selektionssystem, das die Evolution von morphologischen, physiologischen und verhaltensbiologischen Anpassungen und LebenszyklusStrategien steuert. Vielfach kommt es dabei zu Kompromisslösungen. Rindenbrütende Borkenkäfer (s.15.2.3) können der Gefahr, die vom Harzdruck der befallenen Wirtspflanze ausgeht, durch die Anlage eines entsprechend dichten Brutgangsystems, wodurch das Abwehrpotenzial der Pflanze überfordert wird, begegnen. Damit steigt aber das Risiko einer Nahrungs- und Raumkonkurrenz bei den Larven. Borkenkäferfraßbilder lassen Verhaltensformen erkennen, die einen aus diesem Dilemma führenden Mittelweg einschlagen (Abb.15-7). Häufig sind Situationen, die einen Abgleich (= "trade-off') zwischen dem Sterberisiko der Mutter und dem Mortalitätsrisiko ihrer Nachkommenschaft erfordern . Ein langwieriges Wirtssuch- und Wahlverhalten kann der Nachkommenschaft optimale Brut-Möglichkeiten bieten, und eine räumliche Streuung der Eigelege kann die Gefahr verringern, dass die Nachkommen einem sich nach
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22 Regulation der Populationsdichte
der Beutedichte orientierenden Feind zum Opfer fallen. In beiden Fällen wächst aber mit dem Zeitaufwand das Mortalitätsrisiko des Weibchens. Entscheidend für eine optimale Strategie ist dabei nicht sein Todesrisiko selbst, sondern sein jeweilig noch vorhandener "reproduktiver Restwert". Der Fitness-Verlust eines bei der Wirtssuche umkommenden Weibchens ist umso größer, je mehr Nach kommenschaft es noch produzieren könnte. Dieser Konflikt kann gemildert werden, indem das Weibchen seine Wirtswahl-Strategie altersabhängig flexibel gestaltet. So wurde bei Experimenten mit Blattlaus-Parasitoiden gezeigt, dass mit abnehmender Lebenserwartung (d. h. mit abnehmendem reproduktivem Restwert) die Weibchen bei der Eiablage auch das Risiko einer Superparasitierung (s. 16.2) in Kauf nehmen. Bei Weibchen mancher Bohrfliegenarten wurde eine mit zunehmendem Alter wachsende Bereitschaft beobachtet, auch weniger geeignete Wirtspflanzen zu belegen bzw. größere Eigelege zu produzieren . Ein bei Insekten weit verbreiteter "Interessenkonflikt" betrifft die Alternative, entweder eine lokal verfügbare aber nicht optimale Eiablagemöglichkeit zu nutzen oder abzuwandern . Letzteres ist in der Regel ein "Hazard-Spiel", das einerseits mit einem stark erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden ist, andererseits aber gelegentlich ergiebige neue Nahrungsquellen und Existenzmöglichkeiten zu erschließen vermag. Insbesondere dort, wo Metapopulationen (s. 22.3.6) vorliegen, wo also Teilpopulationen zeitlich sehr begrenzt existieren, ist das gelegentliche Abwandern ~~nzelner Individuen eine Voraussetzung für das Uberdauern der betreffenden Arten. Auch hier lassen sich Verhaltensanpassungen finden, die eine Kompromisslösung zwischen einer intensiven Nutzung lokaler Wirts- oder Wirtspflanzen-Populationen und einem maximalen Dispersionsverhalten darstellen . Bei dem jeweiligen, art spezifisch unterschiedlichen Dispersionsverhalten spielt der zu erwartende Verfügungszeitraum der Nahrungsquellen, der die Existenz der einzelnen Populationen ermöglicht, eine wichtige Rolle. Koprophage Insektenarten, deren Larven in einem Kuhfladen heranwachsen, benötigen eine andere Überlebensstrategie als phytophage Insektenarten, die einen langlebigen Eichbaum ausbeuten. Weiterhin ist das Verteilungs-Muster, in dem die Nahrungsquellen vorliegen, von Bedeutung.
22.3 Regulations- und Rückkopplungstypen 22.3.1 Interaktive Populationsregulation Zwischen der Nahrung, etwa einem Wirtsinsekt oder einer Wirtspflanze und dem Nahrungs-Nutzer, z. B. einem Parasitoid oder phytophagen Insekt, kann eine wechselseitige Beeinflussung der jeweiligen Wachstumsraten vorliegen. Systeme, in denen eine solche Rückkopplung vorliegt, heißen interaktiv (Abb. 22-4 A). Beispiele für diesen Regulationstyp finden sich überall dort, wo biologische Bekämpfungsprojekte (s. 21.1) erfolgreich verlaufen sind. So hat nach seiner Einschleppung nach Kanada der Frostspanner (Operophtera brumata) Populationsdichten erreicht, die Kahlfraß an Laubbäumen verursachten . Nach Einfuhr von zwei europäischen Parasitoidenarten (s. 21.1.2.1) stieg deren Population steil an, während die Frostspannerpopulation innerhalb weniger Jahre auf ein tiefes Dichteniveau absank , was zur Folge hatte, dass auch die Populationsdichte der beiden Parasitoiden wieder zurückging. Seitdem sind Wirts- und Parasitoiden-Populationen dank einer
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Abb. 22-4: Dichteregulation zwischen Populationen auf zwei trophischen Ebenen. R = Nahrungsquelle (= Pflanze, Beute, Wirtsinsekten). K = Konsument (phytophages Insekt, Prädator, Parasitoid). Die Pfeile geben die Richtung des regulierenden Einflusses wieder. A Wechselseitige Regulation (.. LotkaVolterra-System"); B = Von der Nahrungsquelle gesteuerte Regulation bei einem spezialisierten Konsumenten; C Diffuse ressourcen-gesteuerte Regulation; D Regulation durch einen Konsumenten, der sich aufein breites Nahrungsspektrum stützt aber eine einzelne Beute- oder Wirtsart besonders stark be: lastet; ERegulation durch diffusen Konsumentendruck; FSelbstregulation bei Konsument und Nahrungsquelle.
22.3 Regulations- und Rückkopplungstypen
wechselseitigen Rückkopplung auf einem für die Wirtspflanzen unschädlichen Niveau stabilisiert. Interaktive Räuber-Beute-Systeme (häufig .Lotka-Volterra-Systerne" genannt, da die erste mathematische Beschreibung auf A.J. Lotka und V. Volterra zurückgeht) sind bei einem erfolgreichen biologischen Bekämpfungsprojekt deswegen besonders ausgeprägt, da hier ein Zielorganismus in einer neuen Umwelt in hoher Dichte auftritt und dann durch einen oder mehrere gezielteingeführten Gegenspieler kontrolliert wird. Dass dieser Regulationstyp aber auch bei einheimischen Insekten vorkommen kann, zeigt der in Abschnitt 22.4 besprochene Graue Lärchenwickler, Zeiraphera diniana. Eine interaktive Beeinflussung der Populationsdichten kann auch horizontal, d. h . auf der gleichen trophischen Ebene, vorkommen. Es liegt dann, z. B. bei Phytophagenarten , deren Larven in Pflanzenstrukturen leben, oder bei Parasitoidenarten, eine zwischenartliehe Konkurrenz um Raum und/oder Nahrung vor, die zu einer Regulation beitragen kann.
22.3.2 Ein einfaches Rückkopplungsmodell Ausgehend von der Gleichung des exponentiellen Wachstums (GI. 1) kann ein wechselseitiger Einfluss zwischen einer Räuberpopulation (R) und einer Beutepopulation (B) durch die .Lotka-Volterra-Gleichungen" (GI. 5 und GI. 6) dargestellt werden. Dabei sind "bi" und "b2" die spezifischen Geburtsraten und "m 1" und "m2" die spezifischen Sterberaten von Räuber und Beute. Durch die Verknüpfung der Geburtsrate des Räubers mit der jeweiligen Beutedichte und der Sterberate der Beute mit der jeweiligen Räuberdichte kommt es zu konstanten sinusförmigen Populationsfluktuationen von Beute und Räuber. dR/dt = (b1B-m.)R dB/dt = (brm2R)B
(GI .5) (GI. 6)
Der in diesem mathematischen Modell vorliegende Mechanismus interaktiver Beeinflussung ist nur beschränkt auf konkrete Räuber-Beute-Systerne anwendbar, da hier immer zusätzliche Faktoren ins Spiel kommen. Er lässt aber eine gerade für den angewandt-entomologischen Bereich wichtige Beziehung, das sogenannte Volterra-Prinzip, erkennen: Führt man in das Gleichungssystem einen zusätzlichen, die Räuber- und die Beutepopulation in gleichem Ausmaß treffenden Mortalitätsfaktor ein, so verschiebt sich ein vorher bestehendes Gleichgewicht zugunsten der Beute-Population. Werden beispielsweise Räuber und Beute durch den zusätzlichen Mortalitätsfaktor je um 50% reduziert, dann sinkt, da für "R" und "B" jetzt der
711
Wert 0,5 eingesetzt werden muss, beim Räuber die Geburtenrate auf 25% ab, während bei der Beute die Sterberate auf 25 % reduziert wird. Die vielfach belegte Tatsache, dass breitenwirksame Insektizide zwar kurzfristig Populationen von Schadinsekten senken, längerfristig aber oft das Verhältnis von Schad- und Nutzarthropoden ungünstig beeinflussen (s. 23.4) , findet im Volterra-Prinzip eine einleuchtende Erklärung.
22.3.3 Einseitige (nicht-interaktive) Steuerungssysteme Bei der Mehrzahl der genauer untersuchten Räuber-Beute-, Parasitoid-Wirt-, oder PhytophagenPflanzen-Systeme ist die wechselseitige Beeinflussung stark asymmetrisch bzw. völlig einseitig ausgebildet. Zwar können wechselseitige Rückkopplungen zwischen der Nahrungsquelle und dem Nahrungsnutzer nicht ausgeschlossen werden, jedoch fallen sie gegenüber dem vom Nahrungsproduzenten bzw. Konsumenten ausgehenden Einfluss nicht ins Gewicht. Eine durch die Nahrungsverfügbarkeit und Nahrungsqualität bedingte, also vom Produzenten her gesteuerte, nicht-interaktive Regulation (="bottom-up control" oder "donor control") (Abb.22-4 B) liegt dort vor, wo die Menge verfügbarer Nahrung für die Larven und Imagines die Populationsdichte des Konsumenten bestimmt, ohne dass Schwankungen in dessen Populationsdichte sich unmittelbar auf den Nahrungsspender auswirken. Produzenten von Nahrung sind dabei nicht nur Wirtspflanzen (= Primärproduzenten), sondern auch Tierarten, die als Sekundärproduzenten Nahrung für Arten auf einem höheren trophischen Niveau liefern . Beispiele für diesen Regulationstyp finden sich bei den Insektenarten, deren Populationsniveau von dem Ausmaß jährlich am Wald boden anfallender Laubstreu oder jährlich verfügbaren Totholzes abhängt. Weitere Beispiele liefern Insektenarten, deren Larven das Fruchtfleisch, nicht aber die Samen von Früchten, ausbeuten. Von der Nahrung her gesteuert kann auch die Populationsdynamik von Phytophagenarten sein, deren Populationswachstum von Abwehrmaßnahmen ihrer Wirtspflanzen, etwa einer quantitativen chemischen Verteidigung (s. 15.5.1), beeinflusst wird . Eine diffuse Regulation dieses Typs kommt bei räuberisch von einem breiten Beutearten-Spektrum lebenden Insektenpopulationen vor, wenn deren Druck auf die einzelnen Beutearten unbedeutend ist (22-4 C). Hier können Schwankungen des Beuteangebots, wie sie etwa durch meteorologische Einflüsse verursacht werden, einen entscheidenden Einfluss auf die
712
22 Regulation der Populationsdichte
Entwicklung der Prädatoren-Populationen ausüben. Von Fressfeinden beherrscht, will heißen vom Konsumenten gesteuert ("top-down control") (Abb. 22-4 D), ist eine Beziehung zwischen einem Nahrungskonsumenten und einem Nahrungsproduzenten dann, wenn von der höheren Nahrungsebene aus der entscheidende dichte-regulierende Einfluss auf eine Produzentenart erfolgt, ohne dass eine unmittelbare Rückwirkung auf den Konsumenten stattfindet. In den meisten Fällen wird es sich dabei um einen nicht-interaktiven, diffusen Prädatordruck handeln, wie er etwa von räuberisch im Bodenbereich lebenden Insekten (z. B. Laufkäfern oder Kurzflüglern) auf einzelne Insektenarten ausgeübt wird , deren Larven oder Puppen im Boden überwintern . Ein Beispiel für die Effizienz dieser Regulationsform sind die in Abschnitt 22.4 besprochenen Kleinschmetterlingsarten an Wildrosen. Während die Dichte einer einzelnen, nahrungsspezialisierten Konsumentenart, etwa einer streng wirtsspezifische Schlupfwespe, durchaus einseitig vom wechselnden Wirtsangebot her gesteuert werden kann, ist eine nichtinteraktive Regulation der Wirts- oder Beutedichte bei einem nahrungs-spezialisierten Räuber oder Parasitoiden nicht denkbar. Um eine einzelne Wirts- oder Beuteart ohne eine spezielle wechselseitige Rückkopplung besonders stark beeinflussen zu können, muss sich der betreffende Prädator oder Parasitoid auf ein breiter gestreutes Beute- oder Wirts-Spektrum stützen (Abb. 22-4 E). Dabei wird es oft eher zu einer Eliminierung als zu einer Regulation der bevorzugten Beute kommen. Beispiele hierfür sind verschiedentlich bei biologischen Unkrautbekämpfungsprojekten aufgetreten, bei denen einheimische, polyphage Prädatoren eingeführte Phytophagenarten am Aufbau hoher Populationen gehindert bzw. einen Ansiedlungserfolg überhaupt verhindert haben. Eine asymmetrische zwischenartliehe Konkurrenz, d. h. eine Beziehung, bei der zwei oder mehrere Arten den gleichen, nur begrenzt verfügbaren Faktor beanspruchen, aber eine Art eindeutig überlegen ist, ist eine weitere Konfiguration, bei der es zu einer einseitigen Dichteregelung kommen kann.
22.3.4 "Selbstregulation" bei Insektenpopulationen Der Ausdruck Selbstregulation ist in Anführungszeichen gesetzt, da er in der Literatur kontrovers diskutiert wird . Die hier als "Selbstregulation" aufgefassten Verhaltensformen sind nicht das Ergebnis einer hypothetischen Gruppenselektion, die altruistisches Verhalten fördert. Sie haben sich durch einen am Individuum ansetzenden Selek-
tionsdruck entwickelt und dann zu Territorialverhalten, dichteabhängigem Dispersionsverhalten oder zu bestimmten Formen des Fouragier-Verhaltens geführt. Dabei waren primär innerartliehe Konkurrenz, Risikostreuung oder Feindvermeidung die treibenden Kräfte. Sekundär tragen solche Verhaltensformen dazu bei, eine Überausbeutung von Nahrungsquellen zu verhindern und Populationsdichten zu stabilisieren. Ein Territorialverhalten, das, wie bei Vögeln oder Säugern, zur Sicherung von Brutplätzen und/oder Nahrungsquellen dient, ist bei vielen Ameisenarten bekannt. Beiden meisten Insektengruppen spielt sich das Territorialverhalten aber nicht im Rahmen einer innerartliehen Nahrungskonkurrenz sondern in der Konkurrenz um Geschlechtspartner ab. So haben Männchen bei Libellen, manchen Schmetterlingsarten oder Bohrfliegen ein oft auffälliges Verteidigungsverhalten von Territorienausgebildet, die als "Rendezvous-Plätze" dienen und den Zugang zu Weibchen zu sichern. Hinweise, dass Insekten Verhaltensformen entwickelt haben, die direkt oder indirekt dazu beitragen, Populationsdichten auf einem Niveau unterhalb der von der Nahrung und weiteren lebensnotwendigen Umweltfaktoren her gegebenen Möglichkeiten zu stabilisieren (Abb. 22-4 F) , liefern Populationsanalysen bzw. Experimente mit phytophagen Insekten. Hier kann bei einer Reihe von Arten ein mit steigender eigener Populationsdichte zunehmendes Dispersionsverhalten (= dichteabhängiges Dispersionsverhalten) nachgewiesen werden (Zwölfer und Völkl, 1997). Dieses kann dazu führen, dass unter Freilandbedingungen eine lokal verfügbare Wirtspflanzenpopulation nur unvollständig genutzt wird . Hindert man im Konzentrationsexperiment mit Freilandkäfigen die Tiere am Abwandern, so kann es zu einer vollständigen Ausbeutung der von der Wirtspflanzen-population gebotenen Möglichkeiten kommen . Einen weiteren Hinweis auf eine verhaltensbedingte Einschränkung der Nutzung von Nahrung oder Eiablagemöglichkeiten geben die im Zuge von biologischen Bekämpfungsaktionen (s. 21.1) gemachten Erfahrungen mit Hunderten von phytophagen und entomophagen Insektenarten, die in neuen Regionen angesiedelt werden konnten . Ein Großteil dieser hinsichtlich von Populationsgründungen "biologisch" erfolgreichen Arten entwickelte nie die hohen Populationsdichten und Nutzungsraten von Wirtspflanzen bzw. Wirtsinsektenarten, die Voraussetzungen eines ökonomischen Erfolgs einer biologischen Bekämpfung sind . Besonders auffallend ist dies bei biologischen Unkrautbek ämpfungsprojekten. bei denen phytophage Insektenarten ohne ihre spezialisierten Feinde in Regionen mit einer sehr hohen Dichte ihrer jeweiligen Wirtspflanzenpopulationen einge führt wurden. So erreichten in Kanada nur rund
22.3 Regulations- und Rückkopplungstypen
20% der gegen Unkräuter eingeführten bzw. dort spontan auftretenden phytophagen Insektenarten eine hohe Nutzungsrate ihrer Wirtspflanzen (80-100% Nutzung), während bei über 50% dieser Phytophagen die Nutzungsrate unter 20% liegt. Bei entomophagen Insekten konnten ebenfalls Verhaltensformen nachgewiesen werden, die zu einer eingeschränkten Nutzung lokal vorhandener Wirtspopulationen führen : Viele Blattlaus-Parasitoiden belegen trotz großen Eivorrats nur einen kleinen Anteil der in einer einzelnen Blattlauskolo nie verfügbaren Wirte. Diese Fouragierstrategie wird als Risikostreuung gedeutet, denn eine lokal konzentrierte Befallsverteilung erhöht die Gefahr des Auftretens von Hyperparasitoiden. Eine analoge Erklärung bietet sich bei phytophagen Insektenarten dort an, wo ein dichteabhängiges Dispersionsverhalten vorkommt: Eine räumlich zerstreute Verteilung der Individuen bzw. der Nachkommenschaft kann das Risiko, dichteabh ängigen Mortalitätsfaktoren wie Pathogenen oder bestimmten Parasitoiden bzw. Prädatoren zum Opfer zu fallen, verringern . Ein NebenefTekt dieses Verhaltens liegt in einem Schutz der Nahrungsquellen vor Überausbeutung und einem Beitrag zur Stabilisierung von Populationsdichten. Für das hier angeschnittene Problem einer Selbststabilisierung von Populationen durch dichteregulierende Verhaltensformen besteht bei Insekten noch ein großer Forschungsbedarf.
713
schen Minimaldichte kommt es zum Aussterben ; oberhalb dieses kritischen Punktes liegt ein Bereich, in dem die Population bis zu einem durch feindgesteuerte Regulation bestimmten Gleichgewicht (Abb. 22-2 B) anwachsen kann . Äußere Einflüsse, wie etwa ungewöhnliche Witterungsbedingungen oder eine Beeinträchtigung des Reservoirs an Gegenspielern, aber auch zufällige lokale Konzentrationen der Population, können dazu führen , dass die regulierende Beziehung zwischen der Population und ihren natürlichen Feinden gestört wird. Sie kann dann ihren Gegenspielern "ent kommen" und weiter wachsen, bis sie schließlich die durch die Kapazität des Systems festgelegte obere Wachstumsgrenze (Abb. 22-2 C) erreicht.
22.3.6 Regulation und Populationsstruktur
Bei der Untersuchung von Massenvermehrungen von Forstschädlingen, die lange ein Musterbeispiel für populationsdynamische Prozesse abgaben, konnte im allgemeinen von Großpopulationen in Großarealen, nämlich ausgedehnten Waidgebieten, ausgegangen werden. In dem Maß, in dem populationsökologische Untersuchungen auch an anderen Insektenarten, z. B. an in ihrem Bestand gefährdeten Arten (= Arten der " Rote Listen") begonnen wurden , zeigte sich, dass die Areal- und Populationsstruktur für die Populationsdynamik bedeutsam ist. Neben dem konventionellen Kon22.3.5 Kombinationen von zept von Großpopulationen müssen hier drei weiRegulationstypen tere Typen von Populationsstrukturen berücksichtigt werden (Hanski , 1999): Der "mainland-island"-Typ (Abb. 22-5 A) beDie hier vorgestellten Regulations- und Interaktionstypen können in vielfachen Kombinationen steht aus einer großen , zentralen Kernpopulation, auftreten. Dort, wo Insektenpopulationen im Ver- um die sich ein Kranz von kleinen Satellitenlauf einer Massenvermehrung die Nahrungskapa- Populationen in kleinen Habitatinseln schart. zität ihrer Umwelt voll beanspruchen, wie dies Analog zu einem festland-nahen Inselsystem spielt beispielsweise bei Forstsch ädlingen während einer hier bei den Satellitenpopulationen eine mehr oder Kahlfraß-Situation der Fall ist, tritt zwangsläufig minder häufige Einwanderung von der Zentraleine von der Nahrungsverfügbarkeit ausgehende population her eine Rolle, während deren PopulaBegrenzung des Populationswachstums auf. Die- tionsbestand von den Satellitenpopulationen nur selben Populationen können aber über lange Zeit- wenig beeinflusst wird. Bei dem "source-sink"-Typ (Abb. 22-5 B) beräume hin auf tiefem Populationsniveau in "endemischer Dichte" (= in der so genannten Latenz- siedeln die Satellitenpopulationen ökologisch so phase) existieren, wo ihre Regulation durch Fress- ungünstige Habitatinseln, dass ihre Populationen feinde, also von einem höheren trophischen nur dank eines dauernden Zustroms von der als Niveau aus gesteuert, erfolgt. Schließlich können "Besiedelungs-Quelle" wirkenden Kernpopulation Ereignisse eintreten , die Populationsdichte so her Bestand haben . Damit werden die Satellitenstark senken, dass es zum lokalen Aussterben populationen in ihrer Populationsdynamik von kommt. Das gilt vor allem für kleine Teilpopula- der Dynamik der zentralen Kernpopulation stark tionen, wie sie bei einem Metapopulations-System beeinflusst. Bei der .Metapopulatlon'' (Abb. 22-5 C) im (s. 22.3.5) vorliegen können . Dabei ergeben sich je nach der jeweiligen Populationsdichte unter- Sinne der ursprünglichen, 1969 gegebenen Definischiedliche Schwellenwerte: Unterhalb einer kriti- tion von Levins liegt ein locker verbundenes Netz-
714
22 Regulation der Populationsdichte
sammenbruch der Wirtspopulation führt . Dazu müsste im Durchschnitt jede Teilpopulation während ihrer Lebenszeit eine Tochterpopulation entstehen lassen. Die Metapopulationsdynamik im Sinne von Levins setzt eine ökologische Gleichwertigkeit, gleiche Größen und gleiche Zugänglichkeit der Teilareale voraus. Da diese Bedingungen in der Regel nicht gegeben sind, ist es verständlich, dass mit der Formel von Levins beschreibbare Struktur "klassischer" Metapopulationen bislang nur räumlich und zeitlich begrenzt nachgewiesen werden konnten .
22.4 Massenwechseltypen bei Insekten
Abb. 22-5: Populationsstrukturen. A "Mainland-island"System; B .Source-sink" -System; C Metapopulation im Sinne von Levins (1969), wobei die leeren Flächen unbesiedelte Teilhabitate darstellen. Die Pfeile geben die Richtung und das Ausmaß von Besiedlungsprozessen an. Weitere Erläuterungen im Text.
werk von Unterpopulationen vor. Deren Dynamik verläuft unabhängig . Es kommt in den Teilarealen, deren Dynamik zeitlich nicht synchronisiert ist, immer wieder zu Aussterbe- aber auch zu Neubesiedlungsereignissen. Dabei ist der Anteil besiedelter Habitate (= p) eine Funktion der Besiedelungsraten (= m) und der Aussterberaten (= e). Er kann nach einer von Levins aufgestellten Formel (l) berechnet werden: dp/dt
= mp(l-p) -ep
(GI. 7)
In einer Metapopulation, das mit dieser Formel (GI. 7) beschrieben werden kann, ist eine globale Regelung der Populationsdichte zu erwarten, die zu einem Gesamtgleichgewicht führt . In diesem Zustand liegt der Anteil besiedelter Teilareale bei dem Wert = (m-e)/m, er ist also unabhängig von den jeweiligen Ausgangsdichten und nur durch das Verhältnis von Besiedelungs- und Aussterberaten der Teilareale festgelegt. Bei einem Wirt-Parasitoid-System kann es zu einer Metapopulationsdynamik kommen, wenn Wirt und Parasitoid in Teilarealen vorkommen und die Teilpopulation des Parasitoiden einer Neubesiedlung durch den Wirt zeitverzögert nachfolgt, aber später zum Zu-
Der Begriff " Massenwechsel", der für Insektenarten mit Massenvermehrungen (so genannten Gradationen) geprägt wurde, bezieht sich auf den zeitlichen Verlauf der Dichteentwicklung von Insektenpopulationen. Hier gibt es verschiedene Grundtypen, von denen im Folgenden die wichtigsten aufgeführt werden. Typ I bezieht sich auf diejenigen Arten, deren Populationsniveau nur wenig um einen Gleichgewichtswert schwankt (= Gleichgewichts-Arten, Equilibrium-Arten). Da populationsdynamische Untersuchungen über längere Zeiträume hin bislang fast ausschließlich für Schadinsekten, insbesondere für Großschädlinge im Forst vorliegen, gibt es relativ wenige Daten für diese Insektengruppe. Ein eindrucksvolles Beispiel für Gleichgewichtsarten sind zwei an Wildrosen lebende Rosenwickler Pardia tripunctana und Notocelia roborana, die in einer durch Freilandexperimente ergänzten langjährigen Populationsstudie untersucht wurden. Die beiden Kleinschmetterlings-Arten zeichnen sich durch nur wenig fluktuierende Populationsdichten aus, die weit unterhalb der von der Wirtspflanze angebotenen Kapazitätsgrenze liegen. Eine Mortalitätsanalyse zeigte, dass Boden-Prädatoren die entscheidende Regulations-Komponente für die relative Stabilität der Wickler-Populationen waren. In unterschiedlicher Dichte im Bodenbereich exponierte Proben von Wicklerpuppen ergaben, dass die ausgeprägt dichteabhängige Puppen-Mortalität ein Regulationsmechanismus ist, der alle im Larvenstadium vorkommenden Dichteschwankungen exakt kompensiert. Alle anderen untersuchten Mortalitätsfaktoren, insbesondere die regelmäßig als Larvenparasitoide vorkommenden Schlupfwespen- und Brackwespenarten, waren dichteunabhängig, d. h. sie übten keinen regulierenden Einfluss aus (Bauer, 1958).
Voraussetzung für die Existenz von Gleichgewichtsarten sind stark dichteabhängig wirkende Regulationsmechanismen . Falls Rückkopplungen
22.4 Massenwechseltypen bei Insekten
mit einem Kontrollfaktor vorliegen, darf keine Zeitverzögerung bei der Gegenreaktion auftreten. Die schnell, d. h. innerhalb einer Generation, sich auswirkende räumliche Dichteabhängigkeit bestimmter Mortalitätsfaktoren dürfte bei Gleichgewichtsarten eine große Rolle spielen. Insgesamt sind Gleichgewichtsarten stärker unter den " KStrategen" (s. 22.1.2) vertreten . Wegen des meist relativ niedrigen Reproduktionspotentials finden sich in dieser Gruppe viele Arten , die bei einer Änderung der Umweltverhältnisse im Fortbestand gefährdet sind. Eine eingehendere Untersuchung der Populationsökologie von Gleichgewichtsarten ist daher auch für den Artenschutz wichtig. Typ 11. Besonders auffallend ist der Massenwechsel bei Insektenarten mit zyklischen Dichteschwanklungen. Dabei kann die Amplitude zwischen dem Tiefst-und dem Höchststand, je nach Art und Population, zwischen ein bis fünf Größenordnungen variieren . In Europa sind die periodischen Massenvermehrungen des Grauen Lärchenwicklers (Zeiraphera diniana) im Engadin das am besten untersuchte Beispiel für diesen Massenwechseltyp (Baltensweiler et al., 1977). In den Bergwäldern kommt es hier in Intervallen von 8-9 Jahren regelmäßig zu einer Massenvermehrung, die zum Kahlfraß an der Lärche führt. Damit ist gleichzeitig eine hohe, durch intraspezifische Nahrungskonkurrenz verursachte Larvenmortalität verbunden. Darauf setzt eine Gegenreaktion der Wirtspflanze ein: Sie treibt später aus, ihre Nadeln sind kürzer, sie haben einen erhöhten Rohfaseranteil und verringerten Proteingehalt, und die Harzproduktion steigt an. Zusammen mit einer nun stark zunehmenden Larvenparasitierung führt diese Verschlechterung der Nahrungsqualität zu einem drastischen Populationszusammenbruch des Phytophagen und einer sich anschließenden Erholung der Wirtspflanze. Für diese ist es aus Gründen der Stoffwechselbilanz günstiger, nun wieder normale Nadeln auszubilden, wodurch die Voraussetzungen für eine neue Gradationswelle gegeben sind . Dieser Massenwechselzyklus ist auf bestimmte, eng begrenzte Höhenlagen beschränkt, da hier der Temperaturjahresgang und andere Umweltbedingungen nur geringfügig schwanken und damit keine größeren stochastischen Störungen in das Rückkopplungssystem eingreifen. Als in einem Freilandexperiment der Zusammenbruch der Lärchenwicklerpopulation lokal durch das Einbringen von Puppenmaterial aus anderen Alpentälern abgeschwächt wurde, führte der folgenden Populationsanstieg dort nicht mehr bis zu einem Kahlfraß der Lärche. Denn bei diesem Experiment konnten die Populationen der Larvenparasiten des Lärchenwicklers die für sie kritische Phase des Populationstiefpunkts des Wirts besser überbrücken und während der be-
Puppen / 10 0 m' 1200
715
2549
r
f
Kiefernspanner Lelzlinger Heide 1881 -1940 1000 1-
8 00
600
400
20 0
o
. _1
' 8 8'
--J .I ' 88 0
L..I __I,I._.. ft L
,gOO
1 ....
,g ,O
,g20
,g30
, g 40
Abb. 22-6: Abundanzdynamik des Kiefernspanners. Bupalus piniaria, im Forstamt LetzIingen 1881·1940 (heute: Westpolen). Erfasst wurde die Dichte der in der Waldstreu überwinternden Puppen . Während der Latenzperioden lag die Puppendichte unter 0,1 1m 2 . (Nach Daten von Schwerdtfeger 1957)
ginnenden neuen Gradationsphase schneller anwachsen. Typ 111. Bei Insektenarten, wie Blattläusen oder Fransenflügler, die aufeinanderfolgende und sich überschneidende Generationen ausbilden, kommt es in der Regel im Jahresablauf zu einem Maximum und anschließendem Rückgang der Populationsdichte. Bei dieser Periodizität spielen nicht dichteabhängige Rückkopplungsmechanismen, sondern dichte-unabhängige jahresperiodische Faktoren die entscheidende Rolle. Ohnesorge (1991) spricht daher hier von einer "pseudozyklisehen Populationsdynamik". Typ IV. Manche Insektenarten, zu denen viele forstliche Großschädlinge wie die Nonne, der Kiefernspinner, der Kiefernspanner (Abb. 22-6), die Kieferneule oder der Schwammspinner gehören, verbleiben jahre- oder jahrzehntelang in einer sogenannten Latenz-Phase auf tiefem Populationsdichteniveau. In unregelmäßigen und unvorhersehbaren Zeitabschnitten erfolgt dann innerhalb weniger Generationen eine Massenvermehrung mit Kahlfraß und hoher innerartlicher Nahrungskonkurrenz. An dem darauf folgenden Populationszusammenbruch sind oft durch Viren oder andere pathogene Organismen verursachte Krankheiten mitbeteiligt. Bei Forstschädlingen an Nadelhölzern kann es dabei auch zum großflächi-
716
22 Regulation der Populationsdichte
gen Absterben der Wirtspflanzen kommen. In Abschnitt 22.3.5 wurden die diesem Massenwechseltyp zugrunde liegenden Regulationsmechanismen erläutert.
sichtigung von zu bestimmten Zeitpunkten gegebenen räumlichen Verteilungsmustern zu ergänzen. Für die graphische Darstellung von Abundanzmustern werden neben linearen meist auch logarithmische Skalen benutzt. Diese lassen bei großen Unterschieden zwischen den Einzelwerten kleine Minimalwerte besser erkennen als dies bei einer linearen Wiedergabe der Fall ist. 22.5 Populationsdynamische Wichtig ist der rechnerische Umgang mit MorUntersuchungsverfahren talitätsraten. Wenn die Mortalität als Prozentsatz der abgestorbenen Individuen eines bestimmten Untersuchungen über populationsdynamische Stadiums , also als Ei-, Larven- oder Puppen-MorProzesse bei Insekten sind grundlegend für die talit ät ausgedrückt wird, spricht man von einer Lösung angewandt-entomologischer Probleme im "apparenten Mortalität". Die apparente MortaliBereich des Pflanzenschutzes, der Veterinär- und tät ist zwar einfach zu berechnen, sie liefert aber Humanmedizin und neuerdings auch des biologi- nur ein unvollständiges Bild des für die Populaschen Artenschutzes. Die dazu notwendigen Ar- tionsdynamik relevanten Geschehens. Wenn die beitsschritte bestehen zunächst in einer über län- jeweiligen Sterbefälle eines Stadiums auf die Ausgere Zeiträume hin durchgeführten Erhebung von gangsgröße der Population bezogen werden, geben Freilanddaten und ergänzenden Laboruntersu- sie die reale Mortalität wieder. Die bei einer verchungen . Es folgt das Aufstellen von Lebenstafeln gleichenden Auswertung von Mortalitäts-Prozentund deren Analyse. Oft müssen die sich ergeben- werten auftretenden Schwierigkeiten können mitden Hypothesen mit Hilfe von Simulationsmo- hilfe logarithmisch umgerechneten Kenn-Werte dellen überprüft werden. Der nächste Abschnitt umgangen werden: Dies sind die sogenannten "kbringt ein Beispiel für die Konstruktion von Le- Werte" (= "killing power"). Man erhält sie aus der benstafeln . Hinsichtlich populationsdynamischer Differenz der Logarithmen der Populationsdichte Analysemethoden wird auf Varley, Gradwell & vor und nach dem Einwirken eines Mortalitätsfaktors . Wie das Beispiel im folgenden Abschnitt Hassell (1980) und Ohnesorge (1991) verwiesen. zeigt, können k-Werte als logarithmischer Ausdruck von Mortalitäten aufsummiert werden zu einem Gesamtwert "K", der die Rate der vom 22.5.1 Grundlagen Anfangs- bis zum Endstadium einwirkenden Mortalität anzeigt. Voraussetzung für eine populationsdynamische Bei Insektenpopulationen überlagern sich MorUntersuchung ist zunächst eine gründliche Kennt- talitätsfaktoren gelegentlich in ihrer Auswirkung. nis der Biologie der betreffenden Insektenart und Das ist etwa der Fall, wenn eine parasitierte ihres ökologischen Umfelds. Daten über die Abun- Schmetterling spuppe von einem Prädator gefresdanz und Mortalität einzelner Stadien müssen in sen wird. Da in der Lebenstafel für jeden Todesfall der Regel mithilfe von Stichproben gewonnen nur ein Faktor angeführt werden darf, ist es wichund für Flächen oder andere Bezugsgrößen umge- tig, die in der Zeitabfolge zuerst wirkenden Morrechnet werden. Damit werden statistische Ver- talitätsursache anzugeben . Nur so kann bei überfahren zu einem wichtigen Werkzeug populations- lagerten Mortalitätsfaktoren das potentielle Gedynamischer Untersuchungen. Für die Erfassung wicht der einzelnen Faktoren richtig eingeschätzt der durch Parasitoide verursachten Mortalität werden. empfiehlt sich eine Kombination von Zuchten und Sektionen derjenigen Entwicklungsstadien, die parasitiert sein können . Um den Einfluss von Prädatoren zu messen, können Ausschlussexperimente 22.5.2 Lebenstafeln hilfreich sein. Für quantitative Angaben über die Fekundität sind in der Regel Untersuchungen im Für die Auswertung populationsdynamischer DaLabor notwendig . Viele populationsökologisch be- ten ist in der Regel deren Zusammenfassung in deutungs volle Vorgänge entziehen sich der direk- sogenannten Lebenstafeln notwendig . Hier wird ten Erfassung und müssen daher auf der Grund- die Datenmenge so konzentriert, dass das Verhältlage bekannter Daten errechnet werden. Damit nis von Natalität und Mortalität im Detail bilanauch der räumliche Aspekt der Populationsdyna- ziert werden kann und deutlich wird, wie die Pomik berücksichtigt werden kann , ist es oft sinnvoll, pulation auf einzelne Faktoren reagiert. Zur Verdas aus der Untersuchung einer zeitlichen Abfolge anschaulichung bringt Tabelle 22-1 für die bereits gewonnene Bild einer Zeitreihe durch die Berück- in Abschnitt 22.2.3 vorgestellte Bohrfliege Uicar-
22.5 Populationsdynamische Untersuchung sverfahren
717
Tab. 22-1: Lebenstafel für eine U. cardui-Population (1991, Gebiet bei Belfort, 141 Gallen mit insgesamt 488 Kammern). Angegeben sind die Stadien, die Abundanz (= N), der Logarithmus der Abundanz (= log(N)), die für die Abundanzveränderung verantwortlichen Faktoren, diejeweiligeAbundanzänderung in % (= .apparente Mortalit ät") und der k-Wert. In eckigen Klammern: Vergleichsdaten aus dem Untersuchungsgebiet 1989-91, wobei jeweils der Median der k-Werte von 54 Einzelpopulationen angegeben wurde. Mit" *" dargestellte Werte wurden indirekt ermittelt. Weitere Erläuterungen im Text. Stadium Abgelegte Eier
Angelegte Kammern
Ausgebildete Kammern
Altlarven
Unparasitierte larven
Schlüpfende Imagines
Adulte Weibchen
N
log (N)
1626'
3,211'
488
437
407
290
254'
127*
Faktoren
Anderung
Faktor 1 Ei-/larven-Mortalitat
- 70%'
Faktor 2 Junglarven-Monalität
-10,4%
Faktor 3 E. serratulae
- 6,75%
3 =0,030 10,0761
Faktor 4 Ektoparasitoide
- 28,75%
k4 = 0,14810,101]
Faktoren (2-4) Gesamtmonalität vor Überwinterung
- 33,64%
kpar = 0,226[0,224]
Faktor 5 Winter-Mortalität
-12%*
k5 = 0,057* 10,057]
Faktor 6 Männchen-Anteil
-50%
k6 =0,301' 10,301}
-90,15%'
k, = 1,007*
2,688
2,640
2,610
2,462
2,405'
k-Wert 1 = 0,523' k2 = 0,048 10,041}
2,104' Faktor 7 130 Eier pro Weibchen
(Eipotential ohne . Restmortalität")
16510'
4,218' Faktor 8 •Res mortalu ä •
(Eipotential bei Papulationsgleichgewicht)
1626*
3,211'
dui eine Lebenstafel. In ihr ist aus einer Serie von in den Jah ren 1989-90 in der Region von Belfort gewonnenen Daten eine Einzelpopulation herausgenommen worden . Die Populationsentwicklung wird in Tabelle 22-1 durch 8 im Folgende n erläu terte Faktoren bestimmt: Faktor I verursacht die Sterbefälle zwischen dem Zeitpunkt der Eiablage und dem Beginn der Bildung einer Larvenkammer durch die Junglarve. Dieser Verlust lässt sich nur indirekt ermitteln, da bei einer Sektion der G allen die Ucardui-Eier nicht mehr nachweisbar sind . Er wird durch einen Vergleich der Verteilungen der Gelegegrößen (durchschnittlich 11,5 Eiern/Gelege) mit der Verteilung der Kammernzahl pro Galle (d urchschnitt lich 3,45 Kammern/Galle) berechnet. D ie hohe Verlustrate von 70% der abgelegten Eier hängt vor allem mit dem aufwendigen G allbildungsprozess bei U cardui zusammen, wird aber auch durch die Ablage unbefruchteter Eier mitbeeintlusst. Direkt bestimmt wurden die folgenden dre i in der Galle wirkende Mortalität sfakto ren. Faktor 2 führt zu einer
Verlustr ate von 10,4 %; sie betrifft diejenigen der von den Jun glarven begonnenen Kamm ern, die sich nicht weiter entw ickelt haben . Die Junglarven sind in diesen " Leerkamm ern " abgestorben, bevor sie eine Nährgewebeschicht (s. 15.2.4) ausbilden konnte. Oft liegt da s an einem missglückten Parasitierungsversuch durch die Erzwespe Eurytoma robusta , deren Jun glarve sich ebenfall s nicht weiter entwickeln konnt e. Mortalität sfaktor 3 ist die früh zeitig angreifende, end ep ara sitisch lebenden Erzwespe Eurytoma serrarulae. Sie verursacht einen 6,75%igen Verlust unter den in ihren Kammern heranwachsenden U.cardui-Junglarven. Ein Teil dieser Parasitoidenlarven fällt den spä ter auft retenden Ekto parasitoiden zum Opfer. In der Lebenstafel werden die gemeinsam von E.serrarulae und einem Ektopa rasito iden befallenen Wirtslar ven als Verlust durch den zuerst wirkend en Faktor (E. serrarulae) verbucht und bei Faktor 4 nicht mehr berü cksichtigt. Einen Verlust von 28,75% bewirkten als Mortalitätsfaktor 4 die später an greifenden ektoparasitisch lebende Erzwespen (vor allem Eurytoma robusta , in sehr geringem Ausmaß a uch Pteromalus elevatus und Torymus cyanim us). Bezogen auf die Gesa mtzahl der angelegten Kammern, betr ägt der Verlust der U.cardui-Po pulation 33,64 %.
718
22 Regulation der Populationsdichte
Den Faktoren 2 bis 4 entsprechen die k-Werte k2, k3 und k4. Der als Summe der Faktoren 2, 3 und 4 erhaltene k-Wert (= k pa r ) von 0,226 ist fast identisch mit dem Median-Wert von 54 weiteren während der Jahre 1989-91 untersuchten Gallenproben. Im Vergleich mit den übrigen Populationen des Beobachtungsgebiets waren E. serratulae (Faktor 3) in der in Tabelle 22-1 analysierten Probe unterdurchschnittlich, die Ektoparasitoiden (Faktor 4) dagegen überdurchschnittlich vertreten . Für die Parasitoidengilde von Llcardui ist wegen des häufigen Multiparasitismus ein solcher kompensatorischer Effekt charakteristisch: Die Abundanzen der einzelnen Parasitoiden schwanken wesentlich stärker als das Ausmaß der Gesamtparasitierung. Faktor 5 (Verlustrate 12%) umfasst die Wintermortalität und Verluste, die beim Schlüpfen der Imagines aus den Gallen entstehen. Faktor 6 berücksichtigt ein Geschlechterverhältnis von 50:50. Beide Faktoren sind Durchschnittswerte für Gallenmaterial aus der Region von Belfort. Faktor 7 ist das theoretisch verfügbare Eipotential der geschlüpften Ucardui-Welbchen . Der Mittelwert von 130 EiernlWeibchen bezieht sich auf Käfig- und Freilandversuche und geht von einer 5tägigen Eiablageperiode mit durchschnittlich 2 GeiegenITag aus. Im Untersuchungsgebiet schwankten die Dichten größerer Ucardui-Populationen während des Zeitraums von 1970-1995 nur relativ geringfügig, sofern die Wirtspflanzenpopulationen ungestört blieben. Daher wurde ein weiterer Faktor (Faktor 8) als diejenige Reduktion des Eipotentials berechnet, die für eine Beibehaltung der vorliegenden Populationsdichte notwendig ist. Dieser Ausfall an Eipotential kann durch unbefruchtete Eier, durch den Tod der Weibchen vor Beginn oder während der Eiablageperiode der Ucardui-Weibchen oder durch Abwandern zustande kommen. Eine wichtige Rolle für diese .Restmortalität" spielt der an Ackerdisteln im allgemeinen hohe Spinnen besatz . Rechnerisch wird der Faktor .Restmortahtät' ' nur relativ wenig von Abundanzschwankungen der U cardui-Gallenpopulationen zweier aufeinander folgenden Generationen beeinflusst: Selbst wenn die Dichte der in der Lebenstafel dargestellten Ucardui-Population sich in der nächsten Generation verdoppeln würde, läge die "Restmortalität" bei einem k-Wert von 0.706, d.h. sie wäre immer noch wesentlich größer als die direkt erfasste Mortalität. Bei sehr kleinen, kurzlebigen Teilpopulationen von U'cardui, d. h. bei Populationen mit weniger als IO Gallen, kann der sich auf einen breiten Wirtskreis stützende Ektoparasitoid E.robusta (= Faktor 4) für das Überleben der Teilpopulation entscheidend sein. Dieser Mortalitätsfaktor ist aber nicht dichte-abhängig und vermag daher auch nicht, das Populationssystem von U cardui zu regulieren. Zwei an umfangreichem Material durchgeführte Analysen haben überdies gezeigt, dass auf der Basis der Parasitierungsraten die Abundanzentwicklung der Gallenpopulationen nicht vorausgesagt werden kann.
22.5.3 Schlüsselfaktor-Analyse Unter einem Schlüsselfaktor versteht man in der Populationsdynamik einen Mortalitätsfaktor, der allein - d. h. unabhängig von der Größe der übrigen Mortalitätsfaktoren - für die Dichteänderungen der Population ausschlaggebend ist. Mit seiner Hilfe kann die Größe der Folgepopulation vorausgesagt werden. Ob ein solcher die Populationsdynamik steuernder Schlüsselfaktor vorliegt, kann erst erkannt werden, wenn über eine Reihe von Generationen hin Populationsdichten gemessen und Lebenstafeln mit den entsprechenden k-Werten aufgestellt wurden. Es wird dann über eine Korrelationsanalyse geprüft , ob die Schwankungen von "K", d.h. der logarithmisch erfassten Gesamtmortalität, im Wesentlichen durch die Änderungen eines einzelnen k-Werts bedingt sind. Im Fall der Ucardui-Populationen imGebiet von BeIfort und im Oberrheintal ist dieser Schlüsselfaktor der nach dem Schlüpfen der Weibchen entstehende Verlust an theoretisch verfügbaren Eipotenzial (= Faktor 8). Das stimmt mit der Erfahrung anderer Autoren (Varley, GradweIl & HasselI, 1980) überein, wonach eine nur indirekt messbare Restmortalität oft einen stärkeren Einfluss auf den Verlauf einer Populationsdynamik bei Insekten hat als direkt zu erfassende Mortalitätsursachen, wie etwa die Parasitierungsraten.
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719
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23 Tiergeographie Werner Peters
23.1 Allgemeines Die Tiergeographie beschreibt die heutige und frühere Verteilung der Tiergruppen auf der Erde. Sie versucht, die Evoluti on in Raum und Zeit sowie die Verbreitung der Tierarten und -gruppen zu erfassen und die komplexen Ursachen dieser Verbreitung zu deuten . Um diese Aufgaben lösen zu können, benötigt sie Erkenntnisse aus vielen benachbart en Wissenschaftszweigen: Taxonom ie, Botanik , Genetik, insbes. Populati onsgenetik , Ökologie, Bodenkunde, Geographie, Geologie, Paläont ologie und Klimakunde. Die vielseitigen Wechselbeziehungen dieser Wissenschaften haben immer wieder dazu geführt, die Tiergeographie entweder als Teilgebiet der Systematik, der Ökologie oder der Geographie aufzufassen. All diese Versuche sind aber stets im Sande verlaufen. Sie zeigen, dass die Tiergeographie offensichtlich ein eigenständiger Wissenschaftszweig ist. Tier- und Pflanzengeographie werden als Biogeographie zusammengefasst. Sie haben vielerlei Übereinstimmungen und ergänzen sich in vielfaltiger Weise. Bisher wurde vielfach zwischen beschreibender oder deskriptiver und kausaler Tiergeograph ie unterschieden. Dies hat wohl in erster Linie historische Gründe; beide Richtungen ergänzen eina nder und sind heute kaum streng voneina nder trennbar.
In neuerer Zeit ist, ausgeh end von zwei ganz verschiedenen Entdeckungen, in wesentlichen Bereichen der Tiergeographie ein beachtlicher Wandel eingetreten: • Unter dem Einfluss der Ideen Hennig s zur phylogenetischen Systematik entsta nd eine sta rke Tendenz zur Entwicklung einer phylogenetisch or ientierten Tiergeographie, die im taxonomischen Bereich ausschließlich von monophyletischen Einheiten ausgeht, um deren Aufgliederung und Ausbreitun g zu untersuchen . Von besonderer Bedeutung sind hierbei Gruppen, von denen umfangrei ches fossiles Material aus verschiedenen Erdperioden und aus unt erschiedlichen Gebieten bekannt ist. • Einen enormen Auftrieb erfuhr die histori sche Tiergeographie (s. 23.5) auß erdem durch die heute als weitgehend gesichert geltende Theorie der Kontinentalverschiebung und Plattentektonik. Dennoch gibt es namhafte Autoren auf dem Gebiet der Tiergeographie, die diese Fakten
noch nicht kannten oder sie nicht anerkennen oder sie skeptisch beurteilen . Ebenso gibt es Autoren, denen die Hennigsche Cladistik nicht als geeignetes Verfahren zur Aufklärung der Evolution und Verbreitung einer Tiergruppe erscheint. Bei der Lektüre von Arb eiten sollte man daher die Grundauffassungen der betreffenden Autoren berücksich tigen. Die Biogeographie der Insekten befindet sich im Grunde noch immer in den Anfängen. Die Ergebnisse älterer Arbeiten müssen vielfach unter Berücksichtigung der Methoden der phylogenetischen Systematik und neuerer Ergebnisse der Kontinenalverschiebung überpr üft werden.
23.2 Chorologie (Arealkunde) Das Verbreitungsgebiet einer Tierart wird als Areal bezeichnet. Diese einfach erscheinende Definition erfordert in vielen Fällen Anmerkungen. Als Verbreitung sgebiet kann nicht einfach das Gebiet aufgefasst werden, in dem jemals die betreffende Art gefunden wurde. Verdriftungen , Wand erungen , Veränderungen bei den Nahrungsquellen usw. können Ursachen für Schwierigkeiten bei der Feststellung des Verbreitungsgebietes sein. Grundlage der Chorologie ist die Faunenaufnahme kleiner Areale. Diese Arbe iten haben in neuerer Zeit dadurch erheblichen Auftrieb erhal ten, dass fauni stische und ökologische Untersuchungen in vordem ungekanntem Ausmaß kleinwie großr äumig erfolgen. Durch die Verwendung automatischer Sammelverfahren wird bei derart igen Arbe iten ein riesiges Material aus zahlreichen Tiergruppen zusammengetragen. Die sog. BarberFallen dienen dem Fang laufaktiver Insekten , Berlese-Trichter dem Sammeln versteckt lebender Bodenbewohner, Malaise-Fallen und Lichtfallen dem Fang fliegender Insekten sowie Emergenz-Fallen dem Einsammeln frisch geschlüpfter Insekten aus Abschnitten von Fließgewässern usw. In allen Erdteilen kam auf diese Weise ein riesiges Material zusammen, dessen Sichtung verblüffende Ergebnisse brachte. Viele neue Arten wurden gefunden und scheinbar seltene Arten erwiesen sich häufig als weiter verbreitet als ursprünglich angenommen
722
23 Tiergeographie
wurde. Die zunächst sporadischen Untersuchungsergebnisse wurden in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maße mithilfe immer leistung sfähiger werdender Computer und der für diese Aufgaben besonders entwickelten Software ausgewertet . Die Ergebnisse wurden in nationalen wie internationalen Datenbanken gesammelt. 1969 wurde in Europa ein internationales Programm unter der Bezeichnung European Invertebrate Survey (EIS) gestartet, mit dessen Hilfe die Verbreitung sangaben gesammelt und kartiert werden. Die zunächst in nationalen Zentren gesammelten Daten werden seither an diese Zentrale weitergeleitet. Auf Wunsch werden von der Zentrale die erstellten Karten ausgedruckt und verschickt, damit sie als Grundlage für weitere Untersuchungen und Eintragungen dienen können . Die Gittergröße der erstellten Rasterkarten variiert zwischen 10 km der regionalen Karten (Abb. 23-1), denen die Topografische Karte (Messtischblatt 1:25000) zugrunde liegt, und einem 50 km-Gitter (UTM) für Europa. Bei den Angaben der Fundorte wird vielfach die Glaubwürdigkeit älterer Angaben berücksichtigt, bei denen noch andere taxonomische Auffassungen vorherrschten oder ein Bezug zu heute gültigen Art namen nicht möglich ist. In diesen Fällen können Angaben vor 1950 oder 1960 und danach getrennt aufgeführt sein. Karten, aus denen die Fundorte und damit die Verbreitung einer Art hervorgehen, können als Rasterkarte (Abb. 23-1), Umrisskarte (Abb.23-2) oder Punktkarte (Inset in Abb. 23-3) ausgeführt sein. In eine Punktkarte werden die einzelnen Fundorte eingetragen ; ein Punkt entspricht daher mindestens einem Fund. Bei einer Rasterkarte ist das Gitternetz der verwendeten Karte hervorgehoben; sie wird im Allgemeinen bei regionalen Untersuchungen verwendet . Eine Umrisskarte verallgemeinert diese Befunde und zeigt durch Umrandung oder zusätzliche Musterung der Fläche das Verbreitungsgebiet eines Taxons. Die Größe der Areale kann sehr verschieden sein. Kosmopoliten oder Ubiquisten können in fast allen Erdteilen riesige Areale bewohnen . Zu den Kosmopoliten gehören auch manche Kulturfolg er sowie Arten, die dur ch den Menschen verbreitet wurden (s. 23.2). Innerhalb eines Verbreitungsgebietes können die Lebensbedingungen mehr oder weniger günstig sein. In diesen Zusammenhang gehört auch die auffallende Tatsache, dass bei zahlreichen Arten im Süden des europäis chen Verbreitungsgebietes geschlechtliche Fortpfl anzung , im Norden dagegen parthenogenetische Fortpflanzung vorherrscht.
Andererseits können endemische Arten in sehr kleinen Arealen , beispielsweise Gebirgstälern, Bergrücken, Inseln, Höhlen, Seen, Bächen usw.
vorkommen. Entscheidend ist, wo diese Arten ausreichende Lebensbedingungen finden . Thermophile Arten können beispielsweise auf Binnendünen beschränkt sein. Grundsätzlich ist Ortstreue durch ausreichende Nahrung, Brutmöglichkeiten usw. bedingt . Reliktareale (relictum, lat. = Übriggebliebenes) sind Reste eines früher größeren Areals. Die Einengung kann durch viele mögliche ökologische Faktoren zustande gekommen sein. Als Refugium bezeichnet man ein Zufluchts- oder Rückzugsgebiet. Dieses muss nicht für die betreffende Art optimale Bedingungen bieten . Zusammenhängende Areale nennt man kontinuierliche Areale. Ein diskontinuierliches Areal ist gekennzeichnet durch Lücken im Verbreitungsgebiet, die unter Um ständen zeitweise überbrückt werden, unter günstigen Umständen sogar für längere Zeit. Eine disjunkte Verbreitung liegt vor, wenn das Areal durch geographische Schranken oder andere Hindernisse über längere Zeiträume in mehrere Teile gegliedert ist (Abb. 23-2). Sind die Areale zweier nah e verwandter Arten vollständig voneinander getrennt, so spricht man von allopatrischer Verbreitung, besiedeln sie das gleiche Areal oder sind sie überwiegend nicht voneinander getrennt, so nennt man dies sympatrische Verbreitung. Ortstreue kann dadurch bedingt sein, dass ausreichend Nahrung, Brutmöglichkeiten usw. vorhanden sind. Wanderungen haben verschiedene Ursachen und unterschiedlichen Umfang. Bei regelmäßig wandernden Arten unterscheidet man zwischen Wohn- und Wanderraum . Man kann auch Wohn- oder Fortpflanzungsraum sowie Wander- oder Verkehrsraum angeben. Die Begrenzung des letzteren ist schwieriger festzulegen als die des Wohnraums. Die Grenzen zwischen Wohn- und Wanderraum können ebenso schwanken wie die Ausdehnung des Wanderraums. Im Wanderraum kann unter günstigen Bedingungen eine Fortpflanzung über 1-2 Generationen erfolgen. Die Ausbreitung ist ein fundamentaler und überaus vielschichtiger Aspekt der Tiergeographie. Inn ere Faktoren, die eine Ausbreitungstendenz zur Folge haben, können auf klimatische Veränderungen, Übervölkerung und damit einhergehend auf eine Einengung des Lebensraumes, ständige Störungen, Nahrungsmangel u. a. ansprechen . Die Geschwindigkeit der Ausbreitung einer Art hängt nicht allein von der Umwelt ab, sondern hat offensichtlich noch weitere Gründe. Auffallend ist, dass die einzelnen Arten eine unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit zeigen, sodass bei konkurrierenden Arten diejenigen mit rascher Ausbreitungstendenz im Vorteil sind. Die Ausbreitung von Aren kann behindert werden, wenn die klimatischen Bedingungen nicht zuträg-
23 .2 Chorologie (Arealkunde)
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
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Abb. 23-1: Rasterkarten zur Darstellung der regionalen Verbreitung von Köcherfliegen (Trichoptera) in Nordrhein-Westfalen. Als Rastereinheit dienen die Quadranten der Messtischblätter (Topographische Karte 1: 25000), die einer Kantenlänge von 10km entsprechen. Das Bergland ist in dieser Dasteilung dunkel hinterlegt, um es vom Tiefland unterscheiden zu können.O leerer Kreis Nachweis vor 1950, o halb ausgefüllter Kreis Nachweis nach 1950 glaubhaft, _ ausgefüllter Kreis Nachweis nach 1950 geprüft. A Drusus annulatus (Limnephilidae) bewohnt als Larve Bergbäche. B Limnephilus marmoratus (Limnephilidae) ist in der Norddeutschen Tiefebene weit verbreitet. (Nach Robert und Wichard 1994)
34 35 36 37 38 39 40 1"'l 41 42 "0 43 44
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lieh sind, schwer überwindbare Hindernisse auftreten, geeignete Nahrung und Brutmöglichkeiten fehlen usw. Flugfähige Insekten können sich aktiv ausbreiten, doch hat sich gezeigt, dass sie dabei insbesondere Luftströmungen oder in geringerem Maße Wasserströmungen zusätzlich nutzen . Als Luft-
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strömungen sind nicht nur die horizontalen, sondern auch die vertikalen, durch Thermik bedingten Luftströmungen von Bedeutung . In einer Luftsäule mit einem Querschnitt von einer Quadratmeile wurden im Pazifik Millionen von Insekten nachgewiesen. Aber nicht nur in tropischen oder subtropischen Gebieten erfolgen derartige Verdrif-
724
23 TIergeographie
Abb. 23-2: Disjunkte Verbreitung als Folge der Eiszeit am Beispiel von Zegris eupheme (Lepidoptera, Pieridae). Im Westen lebt die Unterart meridionalis, in Mitteleuropa ssp. eupheme (nicht eingezeichnet) und im Ostareal die ssp. sulphurea. (Nach de Lattin 1967)
tungen durch Th ermik. Auch in den Alpen kann man zahllose In sekten a uf dem Gl et scherschnee antreffen , die von den Almen dorthin verdriftet wur den; dies sind in ers ter Linie die gut fliegenden Syrphidae. Neuere U ntersuchungen haben gezeigt, dass Insekten in ganz anderem Maße als Wirbeltiere zu größeren Wanderungen über See befähigt sind. Fliegende Insekten mü ssen nicht die Gesamtstrecke in einem Zuge bewält igen , sondern können im Meer eine Zwischenstation einlegen, indem sie a uf der Wasseroberfläch e landen, eine Weile au sruhen und dann wieder weiterfliegen . "Island hopping" im Bereich der Molukken sowie im Pazifischen Ozean dürfte mehr als früher angenommen bei der Verbreitung von In sekten eine Rolle gespielt haben. Dabei geht es nicht allein um flugfähige In sekten, die mit günstigen Luftströmungen über teilweise erstaunliche Entfern ungen verdriftet werd en können, sondern teilweise a uch um wenig oder gar nicht flugfähige Insekten, die von der Thermik pas siv bis in große H öh en getragen und an schließend als " Luftplankton" verdriftet werden . Als Beispiel für die erstgenannte Gruppe sei eine Bremsenart erwähnt, Tabanus ceylonicus, die von Ceylon bis zu den Philippinen, den Salomon-Inseln und im nördlichen Queensland in Australien verbreitet ist. Beispiele für die zweite Gruppe liefern die Collembola, ungeflügelte Blattläuse und manche Mückenarten aus der Familie Chironomidae. Bis zu einem gewissen Grade kann eine Ausbreitung auch auf driftenden Baumstämmen, anderen natürlichen "Flößen", Eisbergen und dergleichen unter Ausnutzung von Meeresströmungen oder durch Nutzung der Schwimmfähigkeit aufgrund der
nicht benetzbaren Cuticula erfolgen. Es hat sich aber gezeigt, dass Luftströmungen von wesentlich größerer Bedeutung für die Ausbreitung von Insekten sind als Meeresströmungen. In den vergangenen Jahrzehnten wu rden die M öglichk eiten der Ausbreitung von Insekten durch aktiven Flug wie durch Verdriftung in vertika len und horizontalen Luftströmungen welt weit sehr gründlich untersucht, sodass man heute nicht mehr nur Vermutungen an stellen kann, sondern fundi ert e Belege zur Verfügung hat. Der Ausbreitung von Arten kann deren Ansiedlung folgen. Ein gelegentliches Einschleppen oder das Erreichen eines vom ursprünglichen Siedlung sgebiet entfernten Gebietes reicht dafür noch nicht au s. Entscheidend ist, da ss neben au sreichender Ernähru ng auch Möglichkeiten zur Fortpflanzung gegeben sind, sodass ein kontinuierlicher Aufenthalt möglich wird . Das Vorhandensein möglich st zahlreicher ökologischer Ni schen för dert die zunehmende Evolution neuer Arten aus den ur sprünglich einge wanderten Arten. Das Gegenteil, die Auslöschung , kann durch etliche Fak toren wie ökologisc he Bedingungen, üb erm ächtige Konkurren z od er übertriebene Spezialisierung bedingt sein. Manche Autoren halten die Möglichkeit einer Ausbreitung von einer Landrnasse zur anderen oder zwischen Inseln über größere Meeresgebiete hinweg nur dann für möglich, wenn in früheren Zeiten Landbrücken existierten, wie beispielsweise die Landbrücken in der BeringSee sowie im Bereich der Molukken (s. aber 23.5 und Abb. 23-8).
23.2 Chorologie (Arealkunde)
725
600
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Abb. 23·3: Verbreitung der thermophilen Schmetterlingsart Ammoconia senex (Noctuidae). Das Verbreitungsgebiet dieser im pontisch-mediterranen Bereich weitverbreiteten Art ist durch Graurasterung angedeutet. ImGebiet des Mittelrheins sowie derunteren Mosel und Nahe ist ein durch einen Pfeil gekennzeichnetes Reliktvorkommen in warmen Gebieten vorhanden . Im Inset sind die Fundorte in Form einer Punktkarte dargestellt. Postglazial haben sich diese Populationen zu einer Unterart (ssp. mediorhenana) entwickelt. (Nach de Lattin 1967)
Das WanderverhaIten der Insekten scheint eine ökologische Anpassungserscheinung zu sein, denn als Ursachen werden immer wieder knappe oder schlechter werdende Ernährungsbedingungen sowie Übervölkerung gesehen. Im Einzelnen sind die genetischen Hintergründe wie auch die auslösenden Faktoren noch wenig bekannt und nur bei wenigen Arten nachgewiesen und näher analysiert worden. Als "Wanderheuschrecken" bezeichnet man Feldheuschreckenarten , die unter bestimmten Bedingungen die Tendenz haben, Schwärme zu bilden, die hüpfend oder fliegend teilweise sehr ausgedehnte Wanderzüge unternehmen. Innerhalb einer Gattung kann es wandernde und nicht wandernde Arten geben. Die Bezeichnung
"Wanderheuschrecke" ist daher kein systematischer, sondern ein biologischer Begriff. Wanderheuschrecken haben Brutgebiete (Fortpflanzungsräume) (Abb. 23-4), in denen ein für die Entwicklung aller Stadien günstiges Mikroklima herrscht und ausreichend Nahrung vorhanden ist. Nach der Phasentheorie von Uvarov, die ursprünglich an Locusta migratoria entwickelt wurde, aber offensichtlich auch für die übrigen Wanderheuschrecken gilt, kann man eine solitäre und eine Schwarmphase unterscheiden , die jeweils ineinander übergegehen können. Wenn in den Brutgebieten in günstigen Jahren eine Massenvermehrung stattgefunden hat, anschließend aber eine zunehmende Trockenheit und Einengung des Lebensraumes zur Übervölkerung im immer kleiner werdenden Brutgebiet kommt , führt dies zur Induktion der Schwarmphase. Die Tiere sind in diesem Zustand durch eine starke Melanisierung der Cuticula, eine gegenüber
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23 Tiergeographie
Brutgebiete Wanderungen
Abb. 23-4: Brutgebiete und größere Wanderungen von Schwärmen der Wüstenheuschrecke
Schistocerca gregaria
im Jahre 1968. Während der Wanderungen werden Pausen zur Fortpflanzung in geeigneten Gebieten eingelegt. Somit sind die Individuen eines Schwarmes während der gesamten, unter Umständen sich über Jahre ausdehnenden Wanderungen nicht mehr diejenigen aus der Anfangszeit.
der solitären Form um 5-8 °C höhere Körpertemperatur, größere Flügel, größere Bewegungsaktivität und ein auffallendes gegenseitiges Nachahmungsve rhalten gekennzeichnet. Erreicht die Bevölkerungsdichte der Schwarmtiere ein bestimmtes Maß , so bilden sich Wanderschwärme, die nach und nach riesige Gebiete durchwandern können und in den Befallsgebieten ungeheure Nahrun gsmengen vertilgen. Die Wanderzüge können viele Jahre andauern (Abb. 23-4). Sie werden zeitweise unterbrochen , wenn in günstigen Gebieten eine Fortpflanzung möglich ist. Gerat en die Schwärm e in Wüsten oder fliegen sie aufs offene Meer hinaus, so gehen sie im allgemeinen zugrunde. Heuschreckenschwärme werden in schriftlichen Überlieferungen seit dem Altertum als furchtbare Plagen beschrieben, denen man einst hilflos ausgeliefert war (Abb , 23-5). Die riesigen, kilometerlangen, bis zu mehrere Milliarden Tiere enthaltenden Schwärme verdunkelten die Sonne. Wanderheuschrecken sind als Plage vor allem in Afrika (u.a. Locusta migratoria, Dociostaurusmaroccanus, Schistocerca gregaria; Locustana parda/ina in Südafrika) und Vorderasien (u. a. S. gregaria sowie L. migratoria) bekannt, kommen aber auch in Nordamerika (u.a. Melanoplus mexicanus) und Südamerika (u.a. Schistocerca paranensis), Australien (u.a. Chortoicetes terminifera, Gastrimargus musicus, L. migratoria) und Ostasien (L. migratoria) vor. In Mitteleuropa fielen im 14.-18 .Jh. immer wieder Schwärme von Wanderheuschrecken ein, deren Brutgebiete am Unt erlauf der Donau oder in Südrussland lagen (Abb. 23-5). In Europa und Nord amerika werden alle Jahre wieder im Frühjahr eine Reihe von Schmetterlingsarten mit
den warmen, nordwärts gerichteten Winden verdriftet, pflanzen sich mit 1-2 Generationen während des Sommers fort. Sie sind aber, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nicht in der Lage, in den nördlichen Gebieten, d. h. in Europ a nördlich der Alpen, zu überwintern . Ein bekannte s Beispiel ist der Admiral Vanessa ata/anta, der im Frühjahr von Italien her Mittel- und Nordeuropa sowie England besiedelt. Ein Teil der 2. Sommergeneration fliegt wieder nach Italien zurück, ein weiterer Teil geht im Winter zugrunde. Das Wanderverhalten von Schmetterlingen der Gattung Danaus in Nordamerika wird in Abschnitt 9.5.2.3 geschildert (Abb. 9-35). Die Cicadellide Circulifer tenellus kommt im Mittelmeeraum und in den semiariden westlichen Gebieten der USA an zahlreichen Kulturpflanzen und wilden Chenopodiaceen vor. Aus den Brutgebieten im Südwesten der USA wandern im Frühling und vielfach auch im Sommer, wenn die Nährpflan zen vertrocknen und Übervölkerung einsetzt, Teile dieser Populationen mehrere hundert Kilometer nord- bis ostwärt s. Im Oktober bis Dezember erfolgt in den USA die Rückwanderung der 3. und 4. Generation zur Überwinterung in den Ausgangsgebieten. Eine andere wirtschaftlich wichtige Zikadenart, Empoasca fabae, wandert regelmäßig im Frühling aus ihren Überwinterungsgebieten in den Staaten am Golf von Mexico nach Norden bis nach New York. Die Tiere fliegen in großen Schwärmen unter Ausnutzung der vorherrschenden Windrichtung bis zu 150 km pro Tag und können dabei bis in Höhen von 5000 m getragen werden.
23.3 Faunistik
Eine in Ostasien vorkommende Zikade, Nilaparvata lugens, die als Reisschädling gefürchtet ist, gelangt im Frühjahr mithilfe der stetigen Südwestwinde aus den Brut- und Überwinterungsgebieten im Süden Chinas weit nach Nordchina und kehrt im Herbst mithilfe der dann vorherrschenden Nordost-Winde wieder in die Ausgangsgebietezurück. Die anholozyklische an Mais lebende Blattlaus Rhopalo siphum maidis lebt in tropischen und subtropischen Gebieten und dringt im Sommer weit nach Norden vor, in Amerika bis nach Kanada, in Europa bis nach Skandinavien. Eine Rückwanderung findet in diesem Falle nicht statt und eine Überwinterung ist nicht möglich. Die in den Norden gelangten Populationen sterben im Herbst aus.
Inseln im Meer, Höhlen, aus einer Ebene aufragende Gebirgsstöcke oder Oasen in der Wüste sind Isolationsräume und haben gemeinsame Merkmale. In manchen dieser Räume wird die Evolution neuer Arten erheblich gefördert. Ein bekanntes Beispiel ist Neu-Guinea, dessen Artenfülle bedingt ist durch die zahllosen Möglichkeiten zur Einnischung in Bergregionen von mehr als 5000 m Höhe, deren Hänge wegen des feucht-tropischen Klimas bis in die höchsten Regionen besiedelt werden können.
727
23.3 Faunistik Die Faunistik stellt die einzelnen Tierformen als Faunenelemente bestimmter Gebiete zusammen, untersucht sie taxonomisch und versucht, ihr Verhältnis zu den anderen Tierformen innerhalb der Biozönosen zu ermitteln. Sie charakterisiert KernAreale, in denen diese Arten leben. Beispielsweise breiten sich wärmeliebende Arten, deren KernAreal im nördlichen Mittelmeerraum liegt , über Flußtäler bis weit in nördliche Gegenden aus. Auf diese Weise gelangen mediterrane Faunenelemente beispielsweise über das Rheintal bis in das Moselund Ahrtal oder über Gebirgstäler aus dem Mittelmeerraum bis tief in die Schweiz . Pannonische Faunenelemente erreichen über das Flusssystem der Donau bestimmte Gebiete in Deutschland oder über die Po-Ebene Gebirgstäler in der Schweiz . Die vielfältigen ökologischen Aspekte der Faunistik sollen hier nicht erörtert werden.
728
23 Tiergeographie
Tab. 23·1: Die tiergeographischen Regionen der landfauna. (Nach de Lattin, 1967) Region
Subregion
1. Holarktische Region
Paläarktische Subregion Nearktische Subregion
2. Orientalische (= Indische) Region 3. Äthiopische Region 4. Neotropische Region 5. Australische Region
23.4 Tiergeographische Regionen Im Jahre 1858 erschienen in den .Proceedings of the Linnean Society of London" nicht nur die berühmten Abhandlungen von D arwin und Wallace über die Evolution der Lebewesen durch na türliche Selektion, sondern auch die erste Definition tiergeographischer Regionen du rch Slater. Wallace erweiterte diese Ergebnisse. Slater (1858) und Wallace (1876) erkannten, da ss die Landfauna der Erde in großen Gebieten Übereinstimmungen aufwe ist. Daher kon zipierten sie ein Sy-
Afrikanische Subregion Madegassische Subregion Kontinental-australische Subregion Neuseeländische Subregion Polynesische Subregion
stem von 5 Regionen, das im Laufe der Zeit in mancherlei Hinsicht Veränderungen erforderte, aber im Prinzip erh alten blieb (Abb . 23-6). Die Ch arakterisierung tiergeographischer Regionen erfolgt anhand der nur in diesen Gebieten vorkommenden endemischen Arten . Zunächst dienten zur Charakterisierung dieser Regionen und ihrer Ausd ehnung vorwiegend da s Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Wirbeltierarten und -gruppen, in erster Linie Säugetiere und Vögel. Je mehr Tiergruppen im Laufe der Zeit für diese Charakterisierung herangezogen wurden, desto mehr Meinungsverschiedenheiten gab es im einzelnen. Dennoch blieb die regionale Gliederung der Land-
Abb. 23·6: Die tiergeographischen Regionen der Erde. Nur bei der Holarktis sind die Subregionen (Paläarktis und Nearktis), genannt. Die Ausdehnung der übrigen (s. Text) istlediglich durch gestrichelte Linien angedeutet. Misch- oder Übergangsgebiete sind durch Punktierung hervorgehoben. Sie können beträchtliche Größe erreichen. Das im Bereich der Sundainseln und Molukken liegende, als Wallacea bezeichnete Übergangsgebiet zwischen Orientalis und Australis ist um der Übersicht willen nicht punktiert. Die Antarktis ist nicht eingezeichnet. (Nach Ziswiler 1981 , verändert)
23.5 HistorischeTiergeographie fauna in allen wesentlichen Aspekten erhalten. Bemerkenswert ist die Übereinstimmung von Faunen- und Florenregionen. Problematisch bleibt die Grenzziehung zwischen zwei Regionen, wenn in umfangreichen Gebieten eine Durchmischung der für die benachbarten Kerngebiete charakteristischen Fauna erfolgt. Beispiele hierfür sind die sehr weiträumige Mischzone zwischen holarktischer und orientalischer Region in Ostasien, die fast ganz China betrifft (Abb. 23-6) sowie die sehr ausgedehnte nordafrikanische Mischzone zwischen Paläarktis und Äthiopis und die mittelamerikanische Mischzone zwischen Nearktis und Neotropis. Die Antarktis wird wegen der geringen Zahl der Arten nicht als 6. Region gezählt. Sie ist neuerdings von besonderem Interesse im Zu sammenhang mit der Besiedelung der Südkontinente während des Mesozoikums (s. 23.5).
Problematisch sind auch die Faunen küstenferner, kleiner Inseln, deren Endemiten dort auf unterschiedliche Weise eintreffen und einander auch dezimieren können. Nachträglich durch den Schiffsverkehr eingeschleppte Tiere, vor allem Ratten und Katzen, können zumindest Teile der ursprünglich angesiedelten Fauna vernichten. Daher werden Faunen küstenferner Inseln weder bei der Abgrenzung der großen Faunenregionen noch als gesonderte Bereiche berücksichtigt. Wegen der beachtlichen Fähigkeit der Insekten zu Wanderungen über See (s. 23.2) wurde neuerdings vorgeschlagen, Papua, Melanesien, Micronesien und Polynesien der Orientalischen Region zuzuordnen und anstelle der umstrittenen Subregion Wallacea eine Mischzone zwischen Orientalischer und Australischer Region im Bereich des südlichen Neuguinea und des nordöstlichen Australien anzunehmen .
23.5 Historische Tiergeographie Dieses Teilgebiet der Tiergeographie der Insekten erhielt starken Auftrieb durch die Entdeckung und Sicherung der Vorstellungen von der Kontinentalverschiebung und der Plattentektonik (Abb. 23-7) sowie durch die Entdeckung fossilen Materials, das zeigte, da ss viele Insektengruppen älter als erwartet sind. Von ganz besonderer Bedeutung sind in dieser Hinsicht die Neuentdeckungen von Fossilien im Bereich der Südkontinente, einschließlich Antarctica. Die Insekten dürften mindestens im Devon , wahrscheinlich aber schon früher im damals tropischen Laurentia (s.u.) entstanden sein. Die ersten geflügelten Insekten fand
729
man im Devon von Angara (Sibirien) (s. u.) sowie im mittleren Karbon von Laurentia, Nordamerika und Grönland. Im Allgemeinen reichen die Fossilfunde aber noch keineswegs aus, um gesicherte Vorstellungen über den Ort und Zeitraum der Entstehung einzelner Gruppen zu gewinnen . In Tab. 23-2 sind die Erdperioden und ihre jeweilige Dauer aufgeführt. Innerhalb der einzelnen Gruppen der Insekten kann man in einigen Untergruppen Phasen starker Aufgliederung (Radiation) zu verschiedenen Zeiten feststellen. Unter den Diptera entwickelten sich beispiel sweise die Nematocera und die primitiven Brachycera bereits während des mittleren Mesozoikums, während die Cyclorrhapha Schizophora erst im Terti är eine starke Aufgliederung zeigten. So kommt es, dass eng verwandte Arten der Nematocera sowohl in Süd amerika wie in Australien vorkommen. Bei manchen dieser Arten konnte wahrscheinlich gemacht werden , dass sie auf dem Wege über Antarctica entweder in der einen oder in de r anderen Richtung diese Verbreitung erreichten. Für Cyclorrhapha ist der gleichen nichts nachgewiesen . Nach einer übertriebenen Vorstellung hätten die Insekten nach ihrer Entstehung im Devon wegen ihrer Beweglichkeit hinreichend Zeit gehabt, sich weltwe it aus zubreiten, sodass ein Einfluss der erdgeschichtlichen Veränderungen und der Kontinentalverschiebung bedeutungslos sei. Alle bisher gewonnenen, einigermaßen gesichert erscheinenden Ergebnisse spre chen gegen eine derart radikale und zugleich na ive Auffa ssung.
Abb. 23-7 zeigt eine Darstellung der Veränderungen auf der Erde in 4 Erdperioden, die für die Phylogen ie der Lebewesen von besonderer Bedeutung sind. In diesen Zeiten erfolgte eine zunehmende Aufgliederung der ursprünglichen, bis zum Ende des Perm vorhandenen riesigen, Pangaea genannten Landrnasse durch sog. "seafloor spreading" und einer dadurch zustande kommenden Kontinentalverschiebung. In der Trias war auf der Nordhalbkugel eine riesige Landrnasse, Laurasia, bereits abgegliedert. Auf der Südhalbkugel wurde eine ähnlich große Landrnasse, Gondwana-Land, abgetrennt und zunehmend zergliedert. Dabei lösten sich von Antarctica sowohl Südamerika als auch Afrika und das damit noch verbundene Madagascar. Außerdem trennten sich von Antarctica nacheinander auch Indien und Australien. Alle diese Teile drifteten nordwärts. Während des Mesozoikums begann die Aufgliederung von Laurasia in Laurentia und Angara (Abb. 23-7). Letzteres war seit dem Kambrium nicht von Wasser bedeckt. Auf der Südhalbkugel trennten sich Südamerika und Afrika sowie Afrika und Madagaskar. Indien driftete während des Tertiär gegen die asiatische .Landmasse, wodurch es zur Auffaltung des Himalaja und der benachbarten Gebirge kam. Vermutlich verlor Neuseeland erst in der Unteren Kreide die Verbindung zu Antarctica, und zwar später als die Trennung Australiens von Antarc-
730
23 Tiergeographie
A
B
C
D
Abb. 23-7: Hypothetische Darstellung der Kontinentalverschiebungen während verschiedener Erdperioden aufgrund von Messungen der Ausweitung des Meeresbodens (sea floar spreading), des Paläomagnetismus und der darauf basierenden Plattentektonik. A Die Autoren nehmen an, dass im Perm eine einzige große Landmasse Pangaea existierte, die im Laufe der weiteren Erdgeschichte zunehmend aufgegliedert wurde. B In der Trias waren bereits ein Nordkontinent Laurasia und ein Südkontinent Gondwana entstanden. Südamerika, Afrika und Indien hatten sich bereits von Antarctica gelöst. C Am Ende der Kreidezeit hatten sich Afrika und Südamerika voneinander getrennt, Indien näherte sich Asien, während Australien sich allmählich von Antarctica trennte. D Während des Känozoikums kam die heutige Anordnung der Kontinente, der mittelozeanischen Rücken (gepunktete Linien) und der Subduktionszonen (als Banden dargestellt) zustande. (Nach Dietz und Holden 1970)
tica erfolgte. Neuseeland hat auch hinsichtlich der Insekten vorwiegend eine sehr eigenständige, von der australischen abweichende Fauna . Während des Känozoikums trennten sich Nordamerika und Europa, und Mittelamerika übern ahm die Verbindung zwischen Nord- und Südamerika. Im wesentlichen können diese Auffassungen vom Verlauf der Kontinentalverschiebung als gesichert gelten. In etlichen Bereichen sind jedoch noch Unklarheiten vorhanden, u. a. in den durch gepunktete Linien gekennzeichneten Partien der Abb. 23-7. Von besonderer Bedeutung für die Tiergeographie ist das während des Känozoikums etwa 600000 Jahre dauernde Pleistozän oder Diluvium, denn in dieser Zeit erfolgten weltweit beträchtliche Klimaänderungen und im Gefolge der mehrfachen Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten erhebliche Schwankungen des Meeresspiegels. Als Folge der
Senkung des Meeresspiegels entstanden Landbrücken: auf der Nordhalbkugel ist die Beringstraße von besonderer Bedeutung, auf der Südhalbkugel die Landverbindungen im Bereich der Sundainseln und Molukken (Abb. 23-8), zwischen Tasmanien und Ausstralien sowie zwischen den Falkland-Insein und Südamerika. Während der kälteren und wärmeren sowie feuchteren und trockeneren Perioden unterschiedlicher Dauer fanden nicht nur bemerkenswerte Wanderungen von Faunenelementen statt, sondern es wurde durch Isolation und andere Evolutionsfaktoren die Entstehung neuer Arten in besonderem Maße gefördert . Über die Beringstraße erfolgten anscheinend zu verschiedenen Zeiten Wanderungen , die zu der auffallenden Einheit der arktischen und subarktischen Faun a führten . Disteln (Cardueen) als Wirtspflanzen von Insekten konnten erst seit dem mittleren Tertiär von der Ostpaläarktis über die
23.5 HistorischeTiergeographie
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Abb. 23-8: Die Übergangszone zwischen Orientalis und Australis. Der Versuch einer Abgrenzung dieses überaus komplexen, vielfach und gründlich untersuchten Übergangsbereichs durch dieWallace-LinieimWesten, dieWeber-Linie inder Mitte sowie derim Osten verlaufenden Lydekker-Linie und die Benennung dieses Gebietes als Wallacea erwies sich im Laufe der Zeit als nicht befriedigend. (Nach de Lattin 1967)
Bering-Landbrücke nach Nordamerika einwandern. So bildete beispielsweise die Gattung Cirsium dort 50 endemische Arten, die inzwischen vorwiegend im Westen Nordamerikas verbreitet sind . Von den Phytophagen dieser Disteln erreichten Bohrfliegen des Tribus Terellini die Ostpaläarktis erst , als die Beringstraße nicht mehr pas sierbar war. Sie konnten aber mit ihren Wirtspflanzen nach Nordamerika einwandern, als im Pliozän eine weitere Hebung erneut eine BeringLandbrücke ergab. Im Pleistozän dürfte über diese Landbrücke auch die Bohrfliegen-Gattung Chaestome/la mit Distel-Arten der Gattung Cirsium nach Nordamerika gelangt sein. Ein intensiver Austau sch der Faunen und Floren dürfte auch über die breite, bis zum Ende der Kre idezeit existierende Verbindung zwischen Nordeuropa und dem heutigen Kan ad a erfolgt sein. D ie Bering straße war außerdem auch für die Besiedelung M ittel- und Süd amerikas von Bedeutung, denn die Insektenfauna der Nearktis und der Neotropis weisen viele Übereinstimmungen auf. Andererseits lässt die Fauna des südlichen Süd amerika deutlich erkennen, da ss sie in erheblichem Maße durch einen Austausch von Faunenanteilen auf dem Wege über Antarctica entstanden sein dürfte.
Während der Eiszeiten in Europa drangen , ausgehend von den skandinavischen Hochgebirgen einerseits und den Alpen andererseits, gewaltige Eismassen vor. In Norddeutschland unterscheidet man 3 Eiszeiten (Elster-, Saale-, Weichseleiszeit) , im Gebiet der Alpen 4 Eiszeiten (Günz-, Mindel-, Riss- und Würmeiszeit). Die se Eismassen zogen sich in Norddeutschland in 4, in den Alpen in 5 Stufen wieder zurück . Zahlreiche Faunenelemente
Tab. 23-2: Die Erdzeitalter. (Nach Hohl, 1981) Periode
in
esozoi um
ambnum OrdovlZIum
70 70
Silur Devon
35 55
Karbon Perm Trias
65 60
Jura Kano-,
eozoikum
30 55
Kreide 75 Iertiär 65 Quartär 1,5 Plelstozan (Diluvium) Holoz än (Alluvium)
732
23 TIergeographie
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Abb. 23·9: Die Ausdehnung der nordeuropäischen und alpinen Eismassen im Pleistozän, dieAbwanderung von Arten in wärmere Gebiete Südwest- und Südosteuropas und die Rückwanderung nach dem Ende der Eiszeiten. DieWanderungsrich tungen sind durch die Pfeilspitzen angedeutet. (Nach versch . Autoren, verändert)
wichen vor dem vordringenden Eis und dem damit einsetzenden kälteren Klima einerseits nach Südwesten und andererseits nach Südosten aus (Abb. 23-9). Anscheinend fanden viele Arten keine Ausweichmöglichkeit in wärm ere Gebiete und gingen zugrunde. In der Nachei szeit, dem Holozän oder Alluvium, da s etwa 12000 Jahr e andauerte, zogen die ausgewanderten Faunenanteile wieder in die zunehmend wärmer werdenden Gebiete ein. Je nach Wanderungsgeschwindigkeit und anderen Faktoren sind die heutigen Bcsiedelungsgrenzen der einzelnen Arten in unte rschiedlichen Bereichen zu finden . Vielfach haben sich bereits Subspezies ge-
bildet (Abb. 23-2). Ein Refugium während der Eiszeit wurde zum Ausbreitungsareal nach der Eiszeit. Vielfach ist der Mensch für die Ausbreitung von Arten verantwortlich. Bekannte Beispiele sind die Stubenfliege M usca domestica, die Stechmücke Cu/ex fat igans, die Kleiderlaus Pedicu/us humanus, die Filzlaus Pth irus pubis, zahlreiche Pflanzen schädlinge u. a. (s. Kap. 21). Europa und Nord amerika haben mind estens 5000 Tierart en gemeinsam. Die Hälfte davon dürfte durch den Menschen verschleppt worden sein, wobei etwa zehnmal so viel Arten von Europa nach Nordameri ka gelangten wie in umgekehrter Richtung. 63 nach No rdamerika eingeschleppten Schmetterlingsarten, darunter 16 Pyralidae
Literatur
733
Abb. 23-10: Die rasche Ausbreitung des Kartoffelkäfers Leptinotarsa decemlineata in Europa. (Aus Sedlag 1995)
und 10 Tortricidae, stehen nur 3 nach Europa verfrachtete Arten gegenüber. Besonders beachtet und vielfach kartiert wurde die Ausbreitung von Schädlingen nach ihrer erfolgreichen Einschleppung. Ein gutes Beispiel liefert ein gefürchteter Forstschädling, der Schwammspinner Lymantria dispar, der aus Europa in die USA importiert wurde. Besonders bekannt wurden die aus den USA nach Europa eingeschleppten Schädlinge Reblaus Viteus vitifolii und der Kartoffelkäfer Leptinotarsa decemlineata (Abb. 23-10). Vielfach mussten nach der Einschleppung von Schädlingen geeignete Parasiten zur biologischen Bekämpfung importiert werden . Das gilt nicht nur für tierische Schädlinge, sondern auch für die Un krautbekämpfung (s. 21.1). Nach der Einschleppung von Opuntien wurde in Australien zur Bekämpfung der Klein schmetterling Cactoblastis cactorum eingeführt. Die Rinderzucht erforderte in Australien die Einfuhr von Mistkäfern, um den Rindermist a uf den Weiden abzubauen (s. 21.2 .1.2). Einheimische Insekten waren nur zum Abbau von trockenem R indermist fähig. Zahlreiche weitere Beispiele für die absichtliche und unabsichtliche Faunenveränderung durch den Menschen könnten noc h angeführt werden .
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24 Systematik Klaus Honomichl
Die zoologische Systematik soll alle bekannten Tiere in sinnvoller Weise benennen und ordnen. I?as Benennen ist ein rein formaler Vorgang, der eine Grundlage für die Verständigung unter den Wissenschaftlern bietet; im Wesentlichen hat man sich schon seit mehr als zweihundert Jahren auf ein einheitliches Verfahren geeinigt. Das Ordnen dagegen, das die Vielfalt der Formen übersichtlicher machen soll, unterlag im Laufe der Zeit einem tief greifenden Wandel. Zwar wurde von je her die unterschiedlich große Ähnlichkeit der Tiere als Kriterium benutzt. Damit war aber das Ergebnis des Ordnens jeweils davon abhängig, wie ~an die Entstehung von Ähnlichkeiten interpretierte. Solange man von der Konstanz der Arten aus ging, konnte die Ähnlichkeit einer Gruppe von Tieren in bestimmten Merkmalen nur als Ausdruck eines zugrunde liegenden gemeinsamen "Bauplans" oder "Typus" interpretiert werden (typologisches System). Seit die Evolutionstheorie allgemein akzeptiert ist, wird Ähnlichkeit als Ausdruck der genealogischen Verwandtschaft verstanden, und es erscheint sinnvoll, nach gemeinsamer Abstammung zu ordnen (phylogenetisches System) . Auch typologische Systeme stellten ohne Zweifel ein hohes Maß an Übersichtlichkeit herein phylogenetisches System liefert darüber hinau~ jedoch Informationen über die Ab änderung der Formen in der Evolution.
24.1 Die systematischen Gruppen (Taxa) Schon beim Erstellen typologischer Systeme erkannte man, dass eine sinnvolle systematische Anordnung der Tiere zwei Eigenschaften aufweist: I. Ein System muss hierarchisch gegliedert sein: Die Tiere können auf unterschiedlichem Niveau zu Gruppen zusammengefasst werden; je geringer die Zahl der Merkmale ist, in denen Ähnlichkeit gefordert wird , desto umfassender ist die entstehende Gruppe. 2. Ein System muss enkaptisch sein: Eine untergeordnete Gruppe ist in genau einer Gruppe des nächst höheren Niveaus vollständig enthalten.
24.1.1 Die Art In der Natur begegnen uns ausschließlich Individuen. Das Zusammenfassen in Gruppen (Taxa) ist also ein Konstrukt des menschlichen Geistes - mit einer Ausnahme: Die Individuen zeigen durch ihr Verhalten, dass sie gruppenweise zu einer nächsthöheren Kategorie, der Art, gehören. Die meisten Biologen sind sich denn auch einig, dass die Kategorie "Art" eine reale, wenn auch in jeder Hinsicht schwer definierbare Natureinheit darstellt.
24.1.1.1 Der Artbegriff Die Eigenschaften des Taxons "Art" sind vielfältig, sodass man versuchen muss, mit mehreren Beschreibungen jeweils einen der verschiedenen Aspekte zu erfassen. Zunächst lässt sich eine Art aufgrund des Fortptlanzungsverhaltens ihrer Mitglieder charakterisieren : Eine Art ist eine geschlo ssene Fortptlanzungsgemeinschaft, deren genetische Sonderung von anderen Arten durch Isolationsmechanismen bedingt wird (Biospezies-Konzept) . Alle Mitglieder einer Art sind unter natürlichen Bedingungen zumindest potentiell ÜbermittIer eines dauernden Genflusses, während die Mitglieder aller anderen Arten von diesem Genfluss ausgeschlossen werden. Als Fortpflanzungsbarrieren gegenüber anderen Arten können sehr unterschiedliche Faktoren wirken: bei Insekten häufig wohl artspezifische Duftkomponenten, artspezifische Verhaltensmuster während der Balz, unterschiedliche Flugzeiten usw. Die Art ist aber nicht nur eine genetische, sondern auch eine ökologische Einheit: Eine Art ist gekennzeichnet durch ein nur ihr eigenes Mosaik an Wechselb~~iehungen ihrer Mitglieder mit ihrer Umwelt (Okospezies-Konzept). Die Summe dieser Wechselbeziehungen nennt man die ökologische Nische einerArt. Der Ausdruck "Nische" ist also nicht ausschließlich räumlich zu verstehen. Den Lebensmöglichkeiten oder ökologischen Lizenzen die die Umwelt bietet, stehen spezifische Ansprüche der Individuen einer Art - etwa in Bezug auf Nahrung, Fortpflanzungs- und Entwicklungsmöglichkeiten - gege~über. JedeArt bildetalso ihre eigenen Verknüpfungen ZWischen den angebotenen Lizenzen und ihren eigenen Ansprüchen und ist dadurch von anderen Arten sepa-
736
24 Systematik
riert. Es gibt ebenso viele Arten wie ökologische Nischen.
Eine dritte, für die Phylogenetiker besonders wichtige Betrachtungsweise der Art betont deren Existenz im Laufe der Zeit und berücksichtigt, dass sich die Mitglieder einer Art fortwährend verändern (evolutionäre Art). Da die Veränderung vermutlich ein kontinuierlicher Prozess ist, lassen sich Anfang und Ende der Existenz einer Art nur durch das Auftreten von Artneubildungen sinnvoll angeben : Eine evolutionäre Art besteht also aus der Aufeinanderfolge der Generationen ihrer Mitglieder zwischen zwei Artneubildungen; ihre Existenz gilt als beendet , sobald sie sich in zwei Tochterarten aufgespalten hat , und umgekehrt liegt der Zeitpunkt des Beginns ihrer Existenz da, wo sie selbst durch Aufspaltung aus einer Stammart entstanden ist. In den Abb. 24-1 bis 24-7 ist eine evolutionäre Art jeweils durch eine Linie zwischen zwei Aufzweigungen dargestellt.
24.1.1.2 Die Artbenennung Die grundlegende Bedeutung des Taxons Art als systematische Einheit hat dazu geführt, dass ein ausgefeiltes Regelwerk für die einheitliche Benennung von Arten ausgearbeitet wurde. In den Grundzügen geht es auf Carl von Linne (\707-1778) zurück . Jede Art wird mit zwei latinisierten Namen benannt (binäre oder binominale Nomenklatur) : einem Gattungsnamen, der gleichzeitig die Bezeichnung für die nächst höhere taxonomische Einheit (eben die Gattung) darstellt, und einem Beiwort, das oft auch als Artname bezeichnet wird. Um die Eindeutigkeit dieser Namensgebung zu gewährleisten, dürfen ein Gattungsname innerhalb des Tierreichs und ein Beiwort innerhalb einer Gattung nur einmal vergeben werden. Inzwischen hat sich eine Vielzahl weiterer Regeln als notwendig erwiesen. Sie wurden auf mehreren internationalen Kongressen beschlossen und für verbindlich erklärt. Über die Einhaltung der Regeln wacht seit 1913 eine "Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur". Eine Interpretation der Regeln findet man im Anhang von Mayr (1975). Einige dieser Regeln sind im Folgenden aufgeführt:
Um eine Art vollständig zu bezeichnen, müssen ihrem binären Namen noch der Name des Erstbeschreibers dieser Art sowie das Jahr der Veröffentlichung nach einem vorgeschriebenen Schema angefügt werden. In der Zoologie werden Autorenname und Jahreszahl durch ein Komma getrennt - also z. B.: Carabus auratus Linne, 1761. Wird eine Art aus systematischen Erwägungen heraus in eine andere Gattung versetzt, so macht man die sich ergebende Änderung des Gattungs-
namens dadurch deutlich, dass um die gesamte Ergänzung aus Autor und Jahreszahl Klammern gesetzt werden - wie z. B. bei: Aphodius satellitius (Herbst , 1789). Häufig auftretende Autorennamen können auch abgekürzt werden; z. B. schreibt man L. für Linne. Maßgebend für eine Artbenennung ist der erste für sie vergebene Name (Prioritätsregel). Spätere Benennungen, die in Unkenntnis der Erstbeschreibung vergeben wurden , heißen Synonyme und sind ungültig . Namen, die vor 1758 (dem Erscheinungsjahr der 10. Auflage von Linnes "Systema naturae") vergeben wurden, werden nicht berücksichtigt. Um Erstbeschreibungen leichter auffinden zu können, sind umfangreiche Werke herausgegeben worden, in denen die Zitate der Erstbeschreibungen - nach dem Kenntnisstand bei der Drucklegung dieser Werke - aufgelistet sind. So erfasst der "Nomenc1ator zoologicus" die Erstbeschreibungen von Gattungs- und Untergattungsnamen bis 1977 (wird fortgeführt) , der "Index animalium" die Gattungs- und Artnamen bis 1850. Die nach dem neuesten Stand der systematischen und nomenklatori schen Forschung gültigen Namen findet man in " Revisionen", die je nach Umfang entweder als Aufsätze in einschlägigen Zeitschriften oder in Buchform veröffentlicht werden. In ihnen werden Umbenennungen begründet und alle Synonyme angegeben.
Der Gattungsname wird groß geschrieben, das Beiwort grundsätzlich klein, auch wenn es von einem Personennamen abgeleitet ist, wie z: B. bei Metrioptera roeseli, Roesels Beißschrecke. Das Geschlecht des Beiworts, das an der Endung erkennbar ist, richtet sich nach dem Geschlecht des Gattungsnamens; ausgenommen sind substantivische Appositionen wie melanogaster bei Drosophila melanogaster. Die Endung des Beiworts kann sich
also ändern, wenn eine Art in eine andere Gattung versetzt wird. Ansonsten gilt grundsätzlich die vom Erstautor verwendete Schreibweise, auch wenn sie orthographisch falsch sein sollte oder gar sinnlose Buchstabenkombinationen enthält. Die Beschreibung einer Art wird nach einem einzigen Exemplar, dem Holotypus, vorgenommen. Dieser wird sorgfaltig und für Fachleute zugänglich - meist in Museen - verwahrt und dient zu Vergleichszwecken. Bestand das dem Erstbeschreiber vorliegende Material aus mehreren Exemplaren vom gleichen Fundort, so nennt man die übrigen Individuen Paratypen. Sie können, wie der Holotypus, als eindeutig zu erkennende Vertreter der beschriebenen Art gelten und werden häufig, um besseren Zugang zu ermöglichen, auf mehrere Museen verteilt aufbewahrt. Das Regelwerk zur Artbeschreibung hat sich durchaus bewährt. Man darf aber auch seine Schwächen nicht verkennen. Die schematische Anwendung der Prioritätsregel z. B. hat immer wieder zu Umbenennungen wohlbekannter Gattungen und damit zu Verwirrung geführt.
24.2 Methoden der Systematik So heißt die Chrysomeliden-Gattung Chrysome la seit kurzem aus Priorität sgründen Chryso lina, und die Gattung Melasoma musste in Chrysome la umbenannt werden - ein besonders misslicher Fall, da jetzt der geläufige Name Chryso me la in einer anderen, ebenfalls bekannten Gattung weiter existiert. Dagegen sind natürli ch Na mensänderungen, die auf die Aufspaltung von Gattungen zurückgehen, unumgänglich . Sie entsprechen der fortschreitenden Erkenntni s über Verwandtschaftsverhältni sse.
24.1.2 Die höheren Taxa F ür Taxa unterschiedlicher N iveau s sind seit Linne die folgenden Bezeichnungen geb räuchlich: Regnum (Reic h), Phylu m (Stamm), Classis (Klasse), Ordo (Ordnung), Familia (Fa milie), G enus (Gatt ung), Species (Art) . In letzter Zeit ist diese starre Benennung von taxonomischen Rängen jedoch mehr und mehr durch Systeme ersetzt worden, die nur noc h den Unterschied zwische n je zwei Niveaus angeben (24.2.2. 1). In de r Tat weist die Klassifizierung nach Linne eine leicht erkennbare Schw äche auf: D ie gleiche Bezeichnun g für ein taxonomisches Niveau bei unterschiedlichen Tiergruppen suggeriert die G leichwertigkeit diese s Niveaus, ohne dass es ein vernünftiges K riterium gibt, nach de m man Gleichwertigkeit definieren könnte. Oftmals darf man berechtigte Zwe ifel an der G leichwertigkeit haben. Das Taxon Insecta mit etwa 800 000 beschriebenen Arten gilt z. B. als Klasse und ist also mit 4 untergeordneten Hiera rchie-Ebenen (Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten) nur sehr unzureichend untertei lt. Der Übersichtlichkeit wegen war man schon frü hzeitig gezwungen, zahlreiche Zwischenstufen einzuführen (Über- und Unterordnungen, Fami lienreihen. Über - und Un terfami lien, Tribus, Subtribus usw.), was bei anderen Klassen des Tierreich s, etwa den Arnphibi a, wegen der viel geringeren Anzah l ihrer Mitglieder nicht nötig war. Eine unterschiedlich vielfältige Aufgliederung von Taxa gleichen Niveaus heißt aber, dass die betroffenen Taxa ein unterschiedlich breites Spektrum an Formen beinhalten und lässt daher vermuten, da ss sie - entgegen ihrer gleichen Einstufung - eher als ungleichwertig betrachtet werden müssen.
24.1.3 Die Artbildung Artbildungen können im Zusammenhang mit der Teilung einer Gründerart in zwei Tochterpopulationen erfo lgen (aIIopatrische Artbildung). Ursachen für die Teilung können geologische Ereignisse wie die Eiszeit in Mitteleuropa, das Verd riften einer Teilpopu lation u. a . sein. D ie Toch-
737
terpopulationen können anschließend eine getrennte und divergierende Entwicklung durchmac hen, indem die Selektion an verschiedenen Merkmalen ansetzt. Seltener scheint auch eine Artbildung ohne Separation (sympatr ische Artbildung) möglich zu sein . Dies ist denkbar, wenn Einzelindividuen von einer Veränderung betroffen sind, die sie vom Rest der Population iso lieren . Bei Tieren könnte eine solche Veränderung darin bestehen, dass Einze lindi viduen zur pa rt henogenetischen Fortpflanzung übergehen, wie z. B. bei Curculioni dae (Otio rhynchus) und Psychid ae (Sol enobia). Formenneub ildung ist ausschließlich auf dem Artnivea u vors tellba r, da sich die Weitergabe von Verände rungen nur inner ha lb einer Fortpflanzungsgemeinschaft abspie lt. D ie Ausdrucksweise " D ie Holometabola sind aus den Hem imet abola hervorgegangen" (vgl. Abb.24-6) ist also, gena u genommen, falsc h, da sie sich auf ein Taxon oberhalb des Artniveaus (Hemimetabola) als den Ursprung für neue Fo rme n bezie ht. Entsprechend können Verzweigu ngsschemata, die die Stammesgeschichte einer G ruppe darstellen, nur au s der Abfo lge von Arten bestehen. Jede Linie in den Abb. 24-1 bis 24-7 repräsentiert also eine Art, nicht etwa irgendein höheres Taxon.
24.2 Methoden der Systematik Das methodische Vorgehen in der Systematik lässt sich in zwei Stufen unterteilen. D ie erste Stufe besteht in der Rekonstrukt ion des Evolutionsverlau fs (24.2. 1): Ausgeh end von den jetzt existierenden Arten müssen sowohl die Aufe inanderfolge der Artaufspa ltunge n (Cladogenese) als auch die Veränderungen evolutio närer A rten im La ufe der Zeit (Anagenese) erschlossen werden. In der zweiten Stufe kann dann ein System formuliert werden: Der rekonstruierte Evo lut ionsverlauf mu ss sinnvoll in eine Liste von Taxa umge setzt werden (24.2.2). Erst dadurch entsteht die von der Systematik geforderte Übersichtlichkeit und Ordn ung bezüglich der Organismenvielfalt.
24.2.1 Rekonstruktion des Stammbaums D ie gr und legende Aufgabe bei der Rekonstru ktion des Stammbaums besteh t darin, die Verwandtschaftsverh ältnisse der Organismen zu bestimmen. Man kann zunächst davon ausge hen , dass enge r miteinander verwandte O rganismen einander ähn-
738
24 Systematik
lieher sind als entfernter verwandte. Es ist aber von grundlegender Bedeutung zu klären, von welchen der Ähnlichkeiten man allilehmen darf, dass sie Verwandtschaft ausdrücken.
bei der Nachahmung von Verhaltensweisen (Traditionshomologie).
Mantis (Mantodea) und Mantispa (Planipennia) sind
Die erste Aufgabe eines Systematikers besteht also im Erkennen homologer Merkmale. Allerdings muss man die gemeinsame Herkunft zweier Merkmale aus ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild erschließen, da man den ersten Träger, bei dem die Information entwickelt wurde, nicht kennt. Je unterschiedlicher homologe Merkmale ausgebildet sind, desto schwieriger wird diese Aufgabe. Zum Erkennen von Homologien stehen Kriterien zur Verfügung, die von Adolf Remane 1952 zusammengestellt wurden. Die wichtigsten sind die folgenden drei Hauptkriterien:
z. B. sehr ähnlich gestaltet: Es sind schlanke Lauerjäger mit lang gezogenem Prothorax; ihre Vorderbeine sind gleichartig zu Fangbeinen umgebaut (s. Abb. 16-28, 16-31, 25-14A,B; Abb. 16-9A, 25-46G). Die larvale Entwicklungverläuft jedoch bei Mantis wiebei hemimetabolen, bei Mantispa wie bei holometabolen Insekten. Man nimmt an, dass hier nur die Ähnlichkeiten in den Entwicklungsgängen relevant sind und also Verwandtschaft ausdrücken. Die morphologischen Ähnlichkeiten dagegen gelten als zufällig und unabhängig erworben (Konvergenzen, s. 24.2.1.1). Beide Gattungen werden demnach trotz ähnlicher Körperformen in weit entfernte Verwandtschaftsbereiche gestellt. Für Merkmale, die an Phänotypen direkt erfassbar sind, existieren zurzeit zwei sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie Ähnlichkeiten richtig bewertet werden können : die inzwischen klassische Methode der c1adistischen Analyse nach Hennig (24.2.1.1) und die pattern c1adistics (24.2.1.2). In den letzten Jahrzehnten hat sich mit der Molekularen Systematik ein neuer Forschungszweig etabliert, der die Ähnlichkeiten von Großmolekülen, insbesondere von DNA-Teilen, auswertet und dabei Gedankengut aus beiden anderen Methoden benutzt (24.2.1.3).
24.2.1.1 Cladistische Analyse nach Hennig Die c1adistische Analyse nach Hennig (Hennig 1950) geht davon aus , dass sich die Verwandtschaft von Arten anhand homologer Merkmale erkennen lässt. Das sind Merkmale, von denen man annehmen kann, dass sie von einem gemeinsamen Ursprung abstammen oder - anders ausgedrückt aufgrund einmal entstandener Informationen gebildet werden. Träger homologer Merkmale müssen einen gemeinsamen Vorfahren haben, bei dem diese Informationen erstmalig entwickelt wurden . Homologe Merkmale werden vor allem dadurch interessant, dass sie in den einzelnen Evolutionslinien ihrer Träger in Form und Funktion unterschiedlich abgewandelt werden können. Genau dadurch liefern sie wichtige Hinweise auf die Evolution, denn der Grad an Ähnlichkeit lässt sich zunächst einmal als Hinweis auf den Grad der Verwandtschaft der Merkmalsträger interpretieren . Der Homologie-Begriff ist hier in einem engeren Sinne gebraucht, synonym zu .Erbhomologie" (Sudhaus und Rehfeld 1992). Die einmal entstandene Information kann dabei nur in der Generationenfolge weitergegeben werden und überspringt nicht etwa Artgrenzen wie z. B.
Erkennen homologer Merkmale
Das Kriterium der spezifischen Qualität: Zwei Merkmale sind wahrscheinlich dann homolog, wenn sie in den Einzelheiten ihres Baus, also in ihren Substrukturen, übereinstimmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Homologie vorliegt, steigt mit zunehmender Komplexität der betrachteten Merkmale. So stimmen Skolopalorgane und Haarsensillen in ihrem zellulären Aufbau weitgehend überein. Trotz der unterschiedlichen Lage im Körperinneren bzw. an der Oberfläche und trotz ihres unterschiedlichen Aussehens können sie also als homolog betrachtet werden. Das Kriterium der Lage: Zwei Merkmale sind wahrscheinlich dann homolog, wenn sie in ihrer Lagebeziehung zu anderen, ihrerseits homologen Merkmalen übereinstimmen. Die Halteren der Diptera sind den hinteren Flugflügein
anderer Insekten homolog, da sie in vergleichbarer Lage am Metathorax und in vergleichbarer Lagebeziehung zu einer Reihe von homologen Flugmuskeln stehen. Das Kriterium der Stetigkeit: Zwei Merkmale sind wahrscheinlich dann homolog, wenn sie durch Zwischenformen verbunden sind . Dieses Kriterium bezieht sich auf zwei Fälle innerhalb eines Organismus: a) auf die Abwandlung eines Merkmals in der Ontogenese und b) auf Strukturen, die in einem Organismus mehrfach auftreten, weil sie Elemente in gleichen Bauabschnitten, z. B. in den Segmenten, darstellen (serial homologe homonome Merkmale) .
=
So können die Mundgliedmaßen und die Laufbeine von Insekten als serial homologe und damit homologe Strukturen angesehen werden, da sie in den entsprechenden Segmenten in gleicher Weise als Knospen angelegt werden. Häufig spricht man auch von Zwischenformen, wenn die Merkmale mehrerer Arten so in einer morphologischen Reihe angeordnet werden können, dass die Abwandlung auch zu einer extrem anderen Form schrittweise erkennbar wird. Es erscheint jedoch unnötig, die-
24.2 Methoden der Systematik sen Fall unter das dritte Kriterium zu subsumieren, da man hierbei im Grunde nur die beiden ersten Kriterien auf je zwei aufeinander folgende Arten der morphologischen Reihe anwendet.
o
739
b
Begründung eines monophyletischen Taxons Der nächste Schritt bei der Rekonstruktion des Stammbaums besteht darin, ein monophyletisches Taxon (oder Monophylum) abzugrenzen. Ein solches Taxon soll eine natürliche Verwandtschaftsgruppe kennzeichnen und besteht demzufolge aus einer Stammart und allen ihren Nachfahren - und darf natürlich keine Mitglieder enthalten, die nicht auf diese Stammart zurückführbar sind. In Abb. 24-1 bilden alle innerhalb der gestrichelten Umrandung liegenden Elemente zusammen ein monophyletisches Taxon . Allgemein sollen in einem Verzweigungsschema dieser Art (einem "Cladogramm") folgende Vereinbarungen gelten : Linien bedeuten evolutionäre Arten, Artneubildungen sind durch dichotome Aufspaltung dargestellt. Nach oben hin bewegt man sich auf die Jetztzeit zu, die in der obersten benut zten Waagrechten zu denken ist. Die hier eingetragenen Kreise stellen jeweils ein Taxon dar; es kann sich dabei um Arten oder auch um Taxa von höherem Niveau handeln. Die Artaufspaltungen sollen nur in ihrer relativen zeitlichen Aufeinanderfolge dargestellt sein (es gibt also keine Ordinate mit absoluter Zeiteinteilung). Weder der Winkel der abgehenden Linien zur Waagrechten noch ihre Länge sollen irgendeine Bedeutung haben .
Die Mitglieder eines Monophylums müssen, da sie miteinander verwandt sind und von einer gemeinsamen Stamm art abstammen, eine Reihe von Homologien aufweisen. Aber nicht alle Homologien leisten einen Beitrag zur Charakterisierung eines Monophylums. Entscheidend ist der Zeitpunkt des ersten Auftretens des Merkmals, das in homologen Ausprägungen vorliegt. Die jüngste gemeinsame Stammart des zu prüfenden Taxons muss sich dadurch ausgezeichnet haben, dass sie mindestens eines ihrer Merkmale in einer spezifischen Art und Weise ausgebildet hat. Die Neuentstehung eines Merkmals nennt man Apomorphie oder, wenn man sich ausdrücklich auf die betreffende Stammart beziehen will, auch Autapomorphie. Somit unterscheiden sich die Mitglieder eines Monophylums dadurch von allen anderen Tieren, dass sie von einer Stamm art mit dieser Autapomorphie abstammen. Ein monophyletischesTaxon wird also durch mindestens ein apomorphes Merkmal charakterisiert, das in seiner jüngsten gemeinsamen Stammart ausgebildet wurde. Eine Merkmalsausprägung, die früher als in der jüngsten gemeinsamen Stammart eines Taxons entstanden ist, nennt man bezüglich dieses Taxons eine Plesiomorphie. Sie ist natürlich nicht auf das
Abb. 24·1: Verzweigungsschema evolutionärer Arten. Die mit fetten Linien gezeichneten Arten bilden zusammen mit den Taxa c-f ein Monophylum mit der Stammart s, das durch die Apomorphie 1 gekennzeichnet ist.
zu prüfende Taxon beschränkt und trägt daher zu seiner Abgrenzung nichts bei. Man beachte: Ein und dieselbe Merkmalsausprägung kann sowohl eine Apomorphie als auch eine Plesiomorphie sein. Entscheidend ist, bezüglich welchen Taxons man die Merkmalsausprägung betrachten will. Für das Monophylum, in dessen Stamm art sie auftrat, ist sie eine Apomorphie; für jedes Teil-Taxon dieses Taxons ist sie jedoch eine Plesiomorphie, da sie in Bezug auf die Teil-Taxa nicht in der jüngsten gemeinsamen Stammart entstand. Wie in Abb. 24-2 dargestellt, ist z. B. das Merkmal "Mandibel mit zwei Gelenken" (I) eine Apomorphie in bezug auf das Taxon Dicondylia und grenzt es eindeutig gegen andere Gruppen ab. Für jedes der beiden Teil-Taxa Zygentoma und Pterygota ist dasselbe Merkmal bereits eine Plesiomorphie, da es früher als in der jeweils jüngsten gemeinsamen Stammart entstanden ist. Da beide Teil-Taxa das Merkmal " Mandibel mit zwei Gelenken " aufweisen , lassen sie sich dadurch nicht voneinander unterscheiden.
In der Regel wird eine Apomorphie der Stammart bei einer Reihe ihrer Nachfahren zu ganz anderen Strukturen abgewandelt und bleibt nur bei wenigen, ursprünglichen Nachfahren erhalten. Die verschiedenen Abwandlungen sind jedoch auf die Apomorphie selbst zurückführbar. In der Merkmalsmatrix 24-1 ist das Merkmal "Flügel" (3) als Apomorphie für das Taxon Pterygota angegeben . Die Flügel können sich aber z. B. bei Strepsiptera und Diptera zu Halteren umbilden, die ganz andere Funktionen übernehmen, oder auch , z. B. bei Siphonaptera und Anoplura, ganz reduziert werden . An Resten der
740
24 Systematik
keit der Mitglieder eines Paraphylums beruht allein auf Plesiomorphien.
Dicondylia
Entogn.
Archoeogn.
r
.,,---- - - - ......
I Zygent.
Pteryg.
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So ähneln sich, wie in Abb. 24-2 dargestellt, die Entognatha und Archaeognatha in dem Merkmal "Mandibel mit nur einem Gelenk" (2), das wahrscheinlich früher als in der Stammart der Insecta entstanden ist, und unterscheiden sich dadurch von den Dicondylia, in deren Stammart ein zweites Mandibelgelenk entwickelt wurde. Durch das Zusammenfassen von Entognatha und Archaeognatha hätte man ein Paraphylum gebildet: Beide Gruppen ähneln sich ausschließlich in einer Plesiomorphie und gehen auf eine jüngste gemeinsame Stammart zurück, zu deren Nachfahren auch die Dicondylia zäh-
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len. Abb. 24-2: Diagramm der phylogenetischen Verwandt· schaft einiger Taxa der Insekten. Entogn.: Entognatha; Archaeogn.: Archaeognatha; Zygent.: Zygentoma; Pteryg.: Pterygota; 1:Mandibel mitzwei Gelenken (Apomorphie); 2: Mandibel mit nur einem Gelenk (Plesiomorphie).
Flugmuskulatur oder der Flügel selbst kann man aber erkennen, dass alle diese Gruppen durchaus einmal zwei Paar Flügel besaßen.
Die Kennzeichnung eines Monophylums durch Apomorphien sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass die Stammart des gekennzeichneten Monophylums sie besaß. Im Grunde gelangt man durch die Methode der Cladistischen Analyse zu einer begründeten Vorstellung von den Merkmalen aller Stammarten. Man kann versucht sein, die ursprünglichen Teil-Taxa eines Monophylums, bei denen sich Apomorphien der Stammart unverändert erhalten haben, allein aufgrund dieser Ähnlichkeiten zu einer eigenen Gruppe zusammenzufassen, ohne dass man für diese Gruppe von Teil-Taxa eine eigene Apomorphie formulieren könnte. Eine solche Gruppe nennt man ein Paraphylum. Ihre Mitglieder gehen auf eine jüngste gemeinsame Stammart zurück, von deren Nachfahren nicht alle erfasst sind, diejenigen nämlich, bei denen die Apomorphien der Stamm art abgeändert wurden und bilden somit kein Monophylum. Die Ähnlich-
Entscheidend für die Begründung eines Monophylums ist also, dass man eine Merkmalsausprägung seiner Mitglieder als Apomorphie in Bezug auf dieses Monophylum erkennen kann. Das wichtigste Verfahren hierfür ist der Außengruppenvergleich. Man vergleicht die Ausprägung eines Merkmals in dem zu prüfenden Taxon mit der Ausprägung des homologen Merkmals bei Tieren der weiteren Verwandtschaft. Findet sich die spezielle Ausprägung eines Merkmals ausschließlich in dem zu prüfenden Taxon, so wird sie vermutlich in dessen Stammart entstanden sein und also eine Apomorphie für das zu prüfende Taxon darstellen. Das zu prüfende Taxon heißt in diesem Zusammenhang Innengruppe, alle anderen Tiere oder ein (nicht notwendigerweise monophyletischer) Teil von ihnen Außengruppe. In der Praxis kann man folgendermaßen vorgehen: Man bildet eine Merkmalsmatrix, die die zu prüfenden Taxa samt einer Außengruppe als Zeilen und die Ausprägungen von möglichst vielen homologen Merkmalen als Spalten enthält (Merkmalsmatrix 24-1). Die Merkmalsausprägungen werden als Alternativen mit einem ,,+" bzw. ,,-" eingetragen. Liegt ein Merkmal in abgestuften Ausprägungen vor, z. B. "Mandibeln mit nur einem Gelenk" bzw. " Mandibeln mit zwei Gelenken", so lässt sich jede dieser Ausprägungen einzeln in la-Nein-Alternativen auflösen : "Mandibeln mit nur einem Gelenk" - "Mandibeln nicht mit nur einem Gelenk" usw.
Merkmalsmatrix 24-1: (1)
(2)
(3)
Maxillarpalpus 7-gliedrig
Facettenauge reduziert
Besitz von Flugein
Pterygota
+
Zygentoma Archaeognatha restliche Mandibulata
+ +
(4) Mandibel mi 2 Gelenken
(5)
(6)
GeißeIantenne
Mandibel mit 1 Gelenk
+
+
+
+ +
+
+
24.2 Methoden der Systematik
741
Nach dem Prinzip des Außengruppenvergleichs hat man wahrscheinlich dann eine Autapomorphie für eine der aufgelisteten Gruppen gefunden, wenn sich in der betreffenden Merkmalsspalte ein einziges" +" findet. Nachder Merkmalsmatrix 24-1 sinddie Pterygota durch den Besitz von Flügeln als monophyletisches Taxon gekennzeichnet, denn alle anderen aufgeführten Gruppen weisen keine Flügel auf; nur die Archaeognatha besitzen 7-gliedrige Maxillarpalpen; nur die Zygentoma sind durch die weitgehende Reduktion der Facettenaugen charakterisiert. Der Außengruppenvergleich liefert nichts anderes als eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Eine Merkmalsausprägung, die nach dem Außengruppenvergleich als Apomorphie anzusehen ist, könnte Abb. 24-3: Cladogramm-Schema zum Begriff Schwesterdurchaus schon früher als in der jüngsten gemein- gruppen. Die Taxa A und A' sind ein Schwestergruppenpaar, samen Stammart des zu prüfenden Taxons ent- charakterisiert durch die Synapomorphie 1 (verbundene Rechtecke), Sie bilden zusammen das Monophylum B', das durch die standen sein, aber in der Außengruppe wegen Apomorphie 1 charakterisiert und seinerseits Schwestergruppe umfassender Abänderungen unerkannt bleiben. zu Bist. Bund B' werden durch die Synapomorphie 2 als Im Grunde hat man es bei der Suche nach einer Schwestertaxa ausgewiesen und bilden zusammen ein MonoApomorphie mit dem Problem zu tun, von zwei phylum, das durch die Apomorphie 2 gekennzeichnet ist. Ausprägungen eines homologen Merkmals die eine als die jüngere und damit abgeleitetere Ausprägung feststellen zu müssen. Die Festlegung ei- ben. Als Hilfen scheinen sie aber durchaus wertner Lesrichtung von Merkmalen ist ein altes und voll, da es oft möglich ist, durch eine Kombination schwieriges Problem, für dessen Lösung die Sys- mehrerer Kriterien und zusammen mit dem Autematiker schon vor der Entstehung der Cladis- ßengruppenvergleich die Entscheidung über eine tischen Analyse eine Reihe brauchbarer Kriterien Lesrichtung sicherer zu machen . Ein Rest Unsicherheit bleibt wohl immer. Bei entwickelten . Einige dieser Kriterien seien hier der Rekonstruktion des Stammbaums kann es aufgelistet : auch nur um ein dauerndes Korrigieren von HyI. Differenzierungsregel. Merkmale entwickeln sich häufig von strukturell einfacheren zu kom- pothesen gehen: Die in der Merkmalsmatrix aufplizierteren Formen. Mandibeln mit nur einem gelisteten Taxa sind Gruppen von Tieren , von Gelenk können z. B. als einfacher gelten als denen man zunächst nur annimmt, dass sie monophyletisch sind. Wenn sich aus der Matrix keine solche mit zwei Gelenken . Apomorphie ergibt, muss diese These zurückge2. Spezialisationsregel. Merkmale wandeln sich nommen und das betreffende Taxon aufgelöst häufig von unspezialisierten zu spezialisierten Ausprägungen, wobei sich die Vielfalt ihrer werden. Funktionen einengt (vgl. die Mundwerkzeuge von Wespen mit denen von Bienen). Suche nach dem Schwestertaxon und Erstellen eines 3. Konzentrationsregel. Strukturen lagern sich C1adogramms häufig zu größerer Konzentration zusammen (vgl. das lang gestreckte Zentralnervensystem Aus einzelnen Monophyla ergibt sich natürlich von Nematocera mit dem konzentrierteren von erst dann ein Stammbaum, wenn die verwandtschaftlichen Beziehungen der Monophyla unterCyclorrhapa). 4. Biogenetische Grundregel. Die Reihenfolge, in einander geklärt sind. Der wesentliche Schritt der gewisse Merkmale in der Embryonalent- hierbei ist, zu einem als monophyletisch erkannten wicklung auftreten, gibt häufig die Abfolge Taxon das Schwestertaxon zu suchen . Das Schwestertaxon (Adelphotaxon) zu einem ihrer Entstehung in der Stammesgeschichte gegebenen Taxon ist selbst ein monophyletisches wieder. 5. Manchmal lässt die als wahrscheinlich er- Taxon, das mit dem gegebenen Taxon eine nur kannte Evolutionsrichtung anderer Merkmals- diesen beiden Taxa gemeinsame Stammart besitzt. reihen Rückschlüsse auf eine problematische In Abb.24-3 sind zwei Schwestergruppen-Paare (A-A' bzw. B-B') durch verschieden eng unterMerkmalsreihe zu. brochene Linien gekennzeichnet. Zwei Schwestertaxa bilden zusammengenomDiese Regeln sind sicher nur mit Vorsicht anwendbar, denn zu allen lassen sich Ausnahmen ange- men wieder ein monophyletisches Taxon : das neu
742
24 Systematik
gebildete Taxon umfasst alle und nur die Nachfahren einer gemeinsamen Stammart, nämlich der jüngsten gemeinsamen Stammart beider Schwestertaxa zusammen (z. B. bilden A und A' zusammen das Monophylum B'). Das neu gebildete Taxon ist aber den beiden Schwestertaxa übergeordnet, denn beide sind in ihm enthalten. Mit diesem umfassenderen Taxon lässt sich das Verfahren der Suche nach dem Schwestertaxon wiederholen, sodass man fortschreitend zu immer höheren taxonomischen Niveaus gelangt. Man erhält letzten Endes die Aufeinanderfolge der Stammarten monophyletischer Taxa, die man direkt in ein Verzweigungsschema umsetzen kann . Ein solches Verzweigungsschema ist dadurch gekennzeichnet, dass jede Stammart sich durch mindestens eine in ihr aufgetretene Autapomorphie charakterisieren lässt, weshalb man es auch als begründeten Stammbaum (Cladogramm) bezeichnet. Welches ist nun das Schwestertaxon zu einem gegebenen monophyletischen Taxon? Da beide Schwestertaxa zusammen wieder ein monophyletisches Taxon bilden, darf man fordern, dass dieses übergeordnete Taxon selbst durch Apomorphien gekennzeichnet ist, die in seiner Stammart
Abb. 24·4: Cladogramm einiger höherer Taxa der Insekten. Archaeogn.: Archaeognatha; Zygent.: Zygentoma; Pteryg.: Pterygota. Archaeognatha, Zygentoma und Pterygota sind als monophyletische Gruppen durch die Apomorphien ,,7-gliedriger Maxillarpalpus" (1), "Facettenauge reduziert" (2) bzw. "Besitz von Flügeln" (3) charakterisiert. Zygentoma und Pterygota sind durch die Synapomorphie "Mandibel mit 2 Gelenken" (4; verbundene Rechtecke) als Schwestertaxa ausgewiesen; ihre gemeinsame Stammart muss dieses Merkmal als Apomorphie ausgebildet haben (4; einzelnes Rechteck). Das neu entstandene, übergeordnete Taxon Dicondylia ist wegen der Synapomorphie "Geißelantenne" (5) Schwestertaxon zu den Archaeognatha und bildet mit ihnen zusammen das Taxon Ectognatha, in deren Stammart das Merkmal "Geißelantenne " ausgebildet wurde.
Merkmalsmatrix 24-2: (1)
(2)
(3)
Vorderkopf verlange
Mandibeln und Laciniae zu
Flugel reduziert
Stechborsten Miridae
+
+
Cimicidae
+
+
Phthiraptera
+
+
Außengruppe (ohne weitere Heteroptera!)
entwickelt worden sind. Falls nun eine solche Autapomorphie der Stammart auf ihre beiden Tochterarten und damit auf die Stammarten der Schwestertaxa unverändert übergegangen ist, wäre dies eine Merkmalsausprägung, die ausschließlich bei diesen beiden Schwestertaxa auftritt. Eine solche, nur zwei Schwestertaxa gemeinsame Merkmalsausprägung heißt Synapomorphie. Sie wird in ein Verzweigungsschema als ausgefüllte, miteinander verbundene Rechtecke in die Stammarten der Schwestertaxa eingezeichnet. Eine Synapomorphie hat für jedes der beiden Schwestertaxa die Bedeutung eines plesiomorphen Merkmals, da es nicht in ihrer Stammart entstand. Aber dadurch, dass die Synapomorphie ausschließlich in zwei Taxa gemeinsam auftritt, charakterisiert sie beide als Schwestertaxa. Um zu einem gegebenen monophyletischen Taxon das Schwestertaxon zu finden, muss man also ein als monophyletisch ausgewiesenes Taxon suchen, das nur mit dem Ausgangstaxon mindestens eine Merkmalsausprägung gemeinsam aufweist. Schwestertaxa werden durch mindestens eine Synapomorphie gekennzeichnet. In der Merkmalsmatrix 24-1 ergibt sich z. B., dass ausschließlich die beiden monophyletischen Taxa Pterygota und Zygentoma das Merkmal " Mandibel mit zwei Gelenken" aufweisen. Damit sind sie Schwestertaxa und bilden das übergeordnete Taxon Dicondylia. Zu den Dicondylia findet man in gleicher Weisedie Archaeognatha als Schwestertaxon. da nur die Dicondylia und die Archaeognatha das Merkmal "Geißelantenne" aufweisen. In beiden Taxa und nur in ihnen sind - als weitere Synapomorphie - die basalen Teile der Mundgliedmaßen äußerlich zu sehen, weshalb das aus ihnen gebildete übergeordnete Taxon den Namen Ectognatha trägt. Abb.24-4 zeigt die Umsetzung der Merkmalsmatrix in ein Cladogramm.
In den seltensten Fällen wird sich ein begründeter Stammbaum so problemlos erstellen lassen wie im obigen Beispiel. Man muss davon ausgehen, dass sich die ähnliche Ausprägung eines Merkmals zweimal oder sogar öfter unabhängig voneinander ereignet hat, sodass man nicht auf einen gemein-
24.2 Methoden der Systematik samen Vorfahren schließen kann. Bei solchen Merkmalsübereinstimmungen spricht man von Analogien (z. B. bei lnsekten- und VogelflügeI), bei sehr weitgehender Ähnlichkeit von Konvergenzen (z. B. bei den kurzen Elytren von Dermaptera und Staphylinidae). Analogien bzw. Konvergenzen betreffen gemeinhin durchaus verschiedenartige Strukturen. Man beachte jedoch, dass z. B. im Falle der verkürzten Elytren von Dermaptera und Staphylinidae die Abwandlung zu ähnlichenStrukturen zwar unabhängig voneinandererfolgte, aber eine homologe Struktur, den Vorderflügel, betrifft. Ähnlichkeiten, die auf unabhängiger Abwandlung einer homologen Struktur beruhen, nennt man Homoiologien.
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ringsten Zahl an Konvergenzen auskommt. Eine weitere und sehr wichtige Hilfe basiert darauf, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der Merkmale homolog sind, unterschiedlich groß sein kann: Beim Erstellen des Cladogramms beginnt man mit denjenigen Merkmalen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Homologien darstellen, und betrachtet erst dann Merkmale, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit homolog sind. Auf diese Weise löst sich der anfangs geschilderte Fall von Mantis und Mantispa: Da von diesen beiden Tieren nur Mantispa eine holometabole Entwicklung aufweist, die Holometabolie wegen ihrer Komplexität aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf eine einmalige Erfindung zurückgeht, ergibt sich sofort, dass die Ähnlichkeiten in der Körperform beider Tiere nur von sekundärer Bedeutung sein können.
Konvergenzen stören, wenn sie denn auftreten und mithilfe der Homologiekriterien nicht sicher erkannt werden, die Eindeutigkeit bei der Suche nach dem Schwestertaxon. Ein konstruiertes Beispiel mag dies verdeutlichen. Angenommen, wir kennen von den Wanzen nur die - bereits 24.2.1.2 Pattern c1adistics als monophyletisch akzeptierten - Taxa Miridae (Weichwanzen) und Cimicidae (Bettwanzen) und wollen diese Zugegebenermaßen beruht die Beurteilung, mit beiden Taxa sowie die Phthiraptera (Tierläuse) nach welcher Wahrscheinlichkeit Merkmale homolog ihrem Verwandtschaftsverhältnis ordnen. In der Merksind, auf einer subjektiven Wertung. Auf der Sumalsmatrix 24-2 ist eine Auswahl von 3 Merkmalen che nach einer unangreifbaren, objektiven Meaufgeführt: Miridae und Cimicidae haben die Merkmale thode zur Rekonstruktion der Verwandtschafts(I) "Vorderkopf zu Schnauze verlängert" und (2) "Mandibeln und Lacinien zu Stechborsten umgebildet" ge- verhältnisse hat man daher versucht, die Bewermeinsam, Cimicidae und Phthiraptera gleichen sich im tung von Merkmalen als homolog bzw. nichtMerkmal (3) "Reduktion der Flügel". homolog zun ächst : ganz auszuklammern. Die Sucht man nun nach dem Schwestertaxon zu den Grundidee dabei ist folgende: Man betrachtet eine Cimicidae, so bieten sich sowohl die Miridae als auch die sehr große Anzahl von Merkmalen eines jeden Phthiraptera an: Taxons und entwirft (ohne sich allerdings über die Lösung I: Cimicidae und Miridae sind SchwesterHomologie der Merkmale Gedanken gemacht zu gruppen, denn nur sie ähneln sich in den Merkmalen (I) haben) ein Cladogramm, in dem die verwendeten und (2). Die beiden gemeinsame Stammart hat diese Merkmale also als Apomorphien entwickelt (Abb. 24- Merkmale eine möglichst identische oder hier5A). Für die Ähnlichkeit in Merkmal (3) erbringt der archische Verteilung haben (daher der Name) Außengruppenvergleich, dass es sich wahrscheinlich was, genau wie in der obigen Methode, darauf nicht um eine Plesiomorphie handelt: die übrigen Ptery- hinausläuft, ein Cladogramm mit möglichst wegota besitzen wohl ausgebildete Flügel. Man muss also nigen unabhängigen Entstehungen der Merkmale eine Konvergenz annehmen. zu erhalten. Wenn nun die unabhängige EntsteLösung 2: Cimicidae und Phthiraptera sind Schwes- hung gleicher Merkmale unwahrscheinlicher und tergruppen, denn nur sie ähneln sich in Merkmal (3). damit seltener ist als ihre einmalige Entstehung, Dann gibt es eine beiden gemeinsame Stammart, die dann wird - bei einer sehr großen Zahl von bediesesMerkmal als Apomorphie entwickelt hat (Abb. 245B). Nun sind aber zwei Ähnlichkeiten, nämlich dieje- trachteten Merkmalen - gleichsam von selbst ein nigen in den Merkmalen (I) und (2), als Konvergenzen Cladogramm entstehen, das die richtigen Verzu bewerten (wohlgemerkt: wir hatten vorausgesetzt, wandtschaftsverhältnisse aufzeigt. Aus ihm wäre keine anderen Wanzen zu kennen). Da die Entstehung dann nachträglich und, wie die Vertreter der patvon Konvergenzen unwahrscheinlicher ist als die Ähn- tern cIadistics sagen, mit größerer Sicherheit ablichkeit aufgrund von Verwandtschaft, muss diese Lö- zulesen , bei welchen Merkmalen es sich um Hosung insgesamt als die unwahrscheinlichere gelten. mologien handelt. Das Beispiel legt nahe, wie man sich in vielen Objektivität wird nach Meinung vieler pattern Fällen helfen kann: Das mehrfache unabhängige cIadists am besten dadurch erreicht, dass die beAuftreten einer gleichen Merkmalsausprägung ist trachteten Merkmale ungewichtet, also mit gleiunwahrscheinlicher als ihre einmalige Entstehung, cher Bedeutung behandelt werden. Das Ermitteln und also erfordert das Prinzip der einfachsten eines Cladogramms mit möglichst identischer oder Erklärung, dass man dasjenige Verwandtschafts- hierarchischer Verteilung der Merkmale ist dann verhältnis als richtig akzeptiert, das mit der ge- nur noch ein rein rechnerischer Vorgang. Die ra-
24 Systemati k
744
Miridae
Cimicidae
Phthiraptera
2
A
Miridae
Cimicidae
Phthiraptera
1~12 2
Auswahl der Merkmale eben doch auf die Homologiekriterien zurückzugreifen und nur Merkmale aufzunehmen, die nach ihnen - mit einem vorläufigen Status - wahrscheinlich homolog sind. Zum andern hat es sich als durchaus sinnvoll herausgestellt, die aufgenommenen Merkmale nach der Wahrscheinlichkeit , mit der sie homolog sind, zu gewichten. Das Cladogramm wird dann errechnet, indem zuerst die sicher homologen Merkmale berücksichtigt und die dabei entstehenden Verzweigungen festgehalten werden, wenn die weniger sicheren Merkmale hinzugefügt werden. Das erinnert sehr an die Hennig 'sche Methode, ein Cladogramm zu erstellen, diesmal nur mit einem Computer statt mit der Hand. Vorteile mögen sich dennoch ergeben: Es können mehr Merkmale berücksichtigt werden, und das Verfahren ist besser daraufhin überprüfbar, welche Annahmen jeweils zugrunde liegen.
24.2.1.3 Molekulare Systematik B
Abb. 24-5: Erläuterung der Argumentationsweise zum Erkennen von Konvergenzen. Die Lösung b wirdalsunwahrscheinlich abgelehnt. da man hier mehr Konvergenzen annehmen muss. Näheres im Text.
sante Entwicklung leistungsfähiger Computer kam diesem Ansatz sehr entgegen. Einschlägige Programme (z. B. PAUP, PHYLIP, HENNIG 96) liegen bereits in mehrfach überarbeiteten Versionen vor. Aber, auch wenn dieser Ansatz sehr überzeugend wirkt, ergeben sich Einwände gegen die Methode: Die grundlegende Voraussetzung, dass sehr viele Merkmale in die Betrachtung einbezogen sind, ist in der Praxis nicht erfüllbar. Bei der Eingabe von mehr Merkmalen steigt die Zahl der durchzurechnenden Möglichkeiten schnell ins Unermessliche, sodass auch leistungsfähige Computer an ihre Grenzen stoßen. Damit sinkt aber gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, wesentlich mehr homologe Merkmale als nicht-homologe Merkmale aufgenommen zu haben . Und weiterhin widerspricht die gleich gewichtige Behandlung der aufgenommenen Merkmale der inzwischen weithin akzeptierten Erkenntnis, dass die Wahrscheinlichkeit der Veränderung von Merkmalen durchaus unterschiedlich groß ist. Verbesserungen in der Methodik werden zurzeit heftig diskutiert (Haszprunar 1998). Sie laufen auf eine Art Synthese der pattern cladistics und der klassischen Methode nach Hennig hinaus: Zum einen wird vorgeschlagen, für die notwendige
In der Molekularen Systematik wird - wie in der Cladi stischen Analyse - die unterschiedliche Ähnlichkeit homologer Strukturen als Maß für die verwandt schaftliche Anordnung ihrer Träger benutzt. Allerdings spielen morphologisch erfassbare Merkmale keine Rolle. Vielmehr betrachtet man Makromoleküle wie etwa Eiweiße oder Eiweißcodierende Gene, deren Homologie man aufgrund der Übereinstimmung in der Aminos äure- bzw. Stickstoflbasensequenz feststellt: Zwei Moleküle gelten als homolog, wenn die Übereinstimmung ihrer Sequenzen so groß ist, dass sie wahrscheinlich nicht mehr auf Zufall beruhen kann. Die untersuchten Moleküle und angewandten Methoden sind je nach der gewählten Zielsetzung sehr unterschiedlich. Bei dem wohl ältesten Verfahren werden Allozyme, also Enzyme, die von den Allelen eines einzelnen Gens codiert werden, elektrophoretisch getrennt. Dabei erfasst man naturgemäß nur die auftretenden Ladungsänderungen im Molekül, sodass diese Methode vor allem dann sinnvoll erscheint, wenn man von vornherein von einer weitgehend ähnlichen Grundstruktur der betrachteten Moleküle ausgehen kann. Großen Erfolg hat diese Methode also dann, wenn die Individuen von Populationen oder Populationen miteinander verglichen werden sollen. Um die verwandtschaftlichen Beziehungen höherer Taxa zu untersuchen, muss man möglichst genau die einzelnen Veränderungen rekonstruieren, die zu dem unterschiedlichen Bau homologer Moleküle geführt haben . Mit der Entwicklung geeigneter Sequenzierungsverfahren für DNAMoleküle ist die Untersuchung von Eiweißen in diesem Zusammenhang stark zurückgegangen. Ei-
24.2 Methoden der Systematik
ner der Gründe hierfür ist, dass aus der Kenntnis der Aminosäuresequenz noch nicht eindeutig auf die Struktur des codierenden Gens zurück geschlossen werden kann. So bleiben verschiedene Ereignisse im Gen wie die synonyme Substitution von Stickstoflbasen (die keine Veränderung im Eiweiß hervorruft) unentdeckt, wodurch die Beurteilung der Ähnlichke it der betreffenden Eiweiße verfälscht wird. Für den Vergleich von Basensequenzen in DNA-Molekülen jedoch kann prinzipiell davon ausgegangen werden, dass die Träger umso näher miteinander verwandt sind, je mehr die verglichenen Moleküle in ihrer Basensequenz übereinstimmen. Nach verbreiteter Auffassung gilt dies sogar in höherem Maße als bei dem Vergleich von morphologisch erfassbaren Ähnlichkeiten . Die Evolutionsgeschwindigkeit einzelner Molekül e scheint zumindest innerhalb näher verwandter Artengruppen - relativ konstant und dabei so groß zu sein, dass viele der auftretenden Veränderungen sich gar nicht auf den Phänotyp auswirken und damit nicht dem Einfluss der Selektion unterliegen. Das Auftreten von Konvergenzen muss also weniger befürchtet werden als bei morphologischen Strukturen. Allerdings treten andere Schwierigkeiten auf: Basen können mehrfach mutieren und wieder rückmutiert werden, die möglichen Substitutionen durch andere Basen treten mit unterschiedlicher Häufigkeit auf und die Substitutionen sind zwischen den Codons eines Gens und zwischen den drei Codonpositionen ungleich verteilt. Trotzdem: Die Untersuchung der Zahl der wirklich stattgefundenen Substitutionen ist eine Frage von gut angepassten Rechenverfahren, und das Ergebnis lässt sich statistisch absichern. Insofern erinnert die Methodik der Molekularen Systematik an die Vorgehensweise der pattern cladistics, weil wertende Einflüsse weitgehend ausgeschaltet erscheinen. Die Untersuchung von DNA- bzw. RNA-Molekülen oder (was meist der Fall ist) Teilstücken daraus verspricht also klare Ergebnisse, und in der Tat existiert bezüglich der Insekten bereits eine Vielzahl von entsprechenden Arbeiten . Die bei weitem am häufigsten untersuchten Moleküle sind mitochondriale DNA (mtDNA) und nucleäre ribosomale DNA (rDNA). Allerdings wurden bisher nur wenige Teilstücke dieser Moleküle in einer größeren Zahl von Arbeiten gemeinsam benutzt : Für die mtDNA gilt dies vor allem für homologe Sequenzen der Gene für Cytochrom-Oxidase-I und 11 und l6S rDNA sowie, in etwas geringerer Anzahl , l2S rDNA. Nucleäre rDNA wurde vor allem im Bereich des l8S rRNA-Gens sequenziert und für die Untersuchung höherer Taxa benutzt , ferner 28S- und l8S-
745
Regionen, wobei auf die letzteren wohl die größeren Hoffnungen für die Zukunft gesetzt werden. Nucleäre Eiweiß-codierende Gene wurden weit seltener untersucht, vor allem elongation factor (EF) la. Zurzeit kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Molekulare Systematik noch mit anfänglichen Schwierigkeiten kämpft, wie sie bei jeder neuen Disziplin auftreten. Der Überschwang der Begeisterung für eine faszinierende Methodik führte in den bisherigen Veröffentlichungen nicht selten zu grundsätzlichen Fehlern : ungenaue Angabe der betrachteten Gensequenzen, ungenaue Determination der untersuchten Arten , vor allem aber - und dies weit verbreitet unerlaubte Schlüsse von wenigen untersuchten Arten und wenigen, oft nur einem einzigen betrachteten Molekülausschnitt auf die Monophylie und die Verwandtschaftsverh ältnisse von ganzen Gruppen. Ohne Zweifel ist die Molekulare Systematik jedoch in der Lage, wertvolle Beiträge und neue Erkenntnisse für die verwandtschaftliche Anordnung auch der höheren Taxa innerhalb der Insekten zu liefern. Dort, wo sie zu anderen Ergebnissen als die Cladistik kommt, ergeben sich fruchtbare Ansätze für weitere Untersuchungen. Wo sie die Erkenntnisse der konventionellen Methodik bestätigt, bedeutet sie eine wesentliche Absicherung, da ihre Ergebnisse mit anderen Methoden gewonnen wurden . Besondere Bedeutung erlangt sie sicherlich dort, wo morphologische Betrachtung zu sehr divergierenden Ergebnissen führt und einer Entscheidungshilfe bedarf. Ein Beispiel hierfür sind die Strepsiptera: Morphologische Untersuchungen liefern Anhaltspunkte sowohl für eine Verwandtschaft mit den Coleoptera als auch mit den Diptera, sie lassen sogar die Möglichkeit offen, dass die Strepsiptera gar nicht zu den Holometabola gehören . Mehrere molekularbiologische Untersuchungen stellen sie nun als Schwestergruppe zu den Diptera, was die Interpretation der morphologischen Daten in einem neuen Licht erscheinen lassen könnte.
24.2.2 Umsetzen des Stammbaums in ein System Das Umsetzen eines Stammbaums in ein System, also in eine Liste aus hierarchisch geordneten, enkaptischen Taxa, erscheint zunächst als formales und damit leicht lösbares Problem. Allerdings verliert man bei der Umformung zwangsläufig einige der Informationen, die der Stammbaum enthält, da ein wie auch immer geartetes Anordnungsmuster von Taxa weniger Strukturmerkmale
746
24 Systematik
als der Stammbaum aufweist. Die Form eines Systems hängt also wesentlich davon ab, welche Informationen man erhalten will. Zur Zeit existieren zwei sehr unterschiedliche Lösungen.
"Hemimetabola"
Holometabola
24.2.2.1 Cladistische Klassifikation Das wichtigste Prinzip der Cladistischen Klassifikation besteht darin, ausschließlich monophyletische Taxa (geschlossene Abstammungsgemeinschaften) im System aufzunehmen, also jeweils eine Stammart sowie alle nur von ihr abstammenden Arten. Schwestertaxa gelten als gleichrangig; Abb. 24-6: Erläuterung zum Begriff der paraphyletidas aus zwei Schwestertaxa gebildete übergeord- schen Gruppe, die entsteht, wenn man aufgrund von Plesionete Taxon erhält die nächsthöhere Rangord- morphien nicht alle Nachfahren einer Stammart zu einer Gruppe zusammenfasst. Die eingekreisten Taxa samt den nicht eingenung. zeichneten Palaeoptera werden häufig als .Hemirnetabola" Bei der Formulierung des Systems lässt sich die bezeichnet und damit - als paraphyletische Gruppe - gegen die Rangordnung z. B. durch unterschiedliches Ein- Holometabola abgesetzt. Plec. : Plecoptera; Paurom .: Pauromerücken vom linken Rand oder durch Numme- tabola; Paran.: Paraneoptera; 1: holometabole Entwicklung rieren ausdrücken. Die folgende Liste zeigt die .(Apomorphie); 2: hemimetabole Entwicklung (Plesiomorphie). Taxa der drei ranghöchsten Niveaus innerhalb der Die Fragezeichen sollen andeuten, dass die betreffenden Verzweigungen noch unklar sind. Weiteres imText. Insekten in einer kombinierten Darstellung: I Entognatha 1.1 Diplura 1.2 Ellipura 1.2.1 Protura 1.2.2 Collembola 2 Ectognatha 2.1 Archaeognatha 2.2. Dicondylia 2.2.1 Zygentoma 2.2.2 Pterygota Schwestertaxa erkennt man entweder daran, dass sie in gleicher Weise eingerückt sind und kein übergeordnetes Taxon zwischen ihnen steht , oder daran, dass die ihnen zugeordnete Ziffernfolge sich nur in der letzten Stelle unterscheidet. Der hervorstechendste Vorteil in dieser Art, ein System zu formulieren, liegt auf der Hand: Man erkennt unschwer sämtliche Verwandtschaftsbeziehungen und kann also das Verzweigungsschema des zugehörigen Cladogramms rekonstruieren. Außerdem wird das alte Kategoriensystem mit seiner starren Einteilung in Klassen, Ordnungen usw. vermieden (24.1.2). Allerdings hat sich herausgestellt, dass durch die Aufnahme aller monophyletischen Gruppen in das System eine Vielzahl von Gruppennamen (Ellipura!) neu gebildet werden muss.
24.2.2.2 Evolutionäre Klassifikation Es erscheint schwer, gegen die überzeugende Methodik der Cladistischen Klassifikation etwas einzuwenden . Man könnte sich vielleicht an dem
hohen Komplexitätsgrad dieses Systems stören. Immerhin werden l l-stellige Ziffernfolgen benötigt, um innerhalb der Insekten z. B. die Gruppen der Käfer und Schmetterlinge unterzubringen. Aber - so die Entgegnung der Cladisten - die Realität ist eben kompliziert, und im System muss sie wahrheitsgetreu abgebildet werden. Die Evolutionären oder Klassischen Phylogenetiker haben trotzdem einen sehr ernst zu nehmenden Widerspruch angemeldet (Mayr 1990) (Mayr 1990). Er bezieht sich darauf, dass viele monophyletische Taxa äußerst heterogen sind (24.2.1.1). Die ursprünglichen Mitglieder eines Monophylums unterscheiden sich oft nur in ein oder zwei Apomorphien vom Schwestertaxon, jedoch in zahlreichen Merkmalen von den stark abgeleiteten Mitgliedern des eigenen Taxons. Betrachten wir z. B. die Schwestertaxa Archaeognatha und Dicondylia (Abb. 24-7): Das Taxon Dicondylia enthält sowohl die ursprünglichen Zygentoma als auch die hoch abgeleiteten Holometabola, zu denen ' z. B. die Hautflügler mit den Bienen und Ameisen gehören. Man ist geneigt zuzugeben, dass die Unterschiede zwischen Zygentoma und Bienen (also zwischen Vertretern desselben Taxons) wesentlich größer sind als zwischen Zygentoma und Archaeognatha (also zwischen Vertretern zweier verschiedener Taxa gleicher Ranghöhe). Trotzdem treten Schwestertaxa im Cladistischen System gleichberechtigt nebeneinander auf, sozusagen ohne Rücksicht darauf, in welchem Maße sich manche ihrer Mitglieder vom Bau der Stammform entfernt haben. Für das Verständnis der Evolutionären Phylogenetiker ist es ein erheblicher
24.3 Cladogramm der Insekten
Mangel des Cladistischen Systems, dass ihm Informationen über die aufgetretenen Unterschiede innerhalb gleichrangiger Taxa fehlen . Evolutionäre Phylogenetiker tendieren dazu, solche Gruppen zu bilden , deren Mitglieder einen möglichst gleichen Entwicklungszustand aufweisen.
747
Antenne mit sekundärer Ringelung des letzten, muskel freien Gliedes"), das Tentorium und ein Ovipositor im weiblichen Geschlecht. Die bisher oft angenommene Monophylie der Entognatha (und damit auch das Schwestergruppenverhältnis von Entognatha und Ectognatha) ist jedoch sehr zweifelhaft geworden: Als einzige sichere ApomorEs entspricht dieser Denkweise also viel eher, wenn man z. B. (Abb. 24-6) die Holometabola aus dem Taxon Di- phie der Entognatha könnte die Öffnung der Speicondylia herausnimmt, weil dadurch die bedeutende cheldrüse an der ventralen Kopfoberfläche gelten, Neuentwicklung der Holometabolie besser betont wird. während die bisher angegebene Überwachsung der Die Rest-Gruppe weist in der hemimetabolen Entwick- Mundgliedmaßen durch Ausfaltungen der Kopflung ihrer Mitglieder große Ähnlichkeit untereinande r kapsel ("Entognathie") bei Ellipura und Diplura und mit den restlichen, ursprünglichen Insektentaxa auf, doch so unterschiedlich ausgeprägt ist, dass sie so dass es sinnvoll erscheint, alle diese Gruppen als jetzt in diesen beiden Gruppen als konvergent "H emimetabola" zusammenzufassen und gegen die Ho- entstanden angesehen wird . Andere mögliche lometabola abzusetzen. Apomorphien der Entognatha beziehen sich auf Nach Ansicht der Cladisten ist dies verboten, da Reduktionen einzelner Strukturen (z. B. der Malauf diese Weise Paraphyla entstehen, die nicht alle pighischen Gefäße) und sind von daher nur mit Nachfahren einer Stammart umfassen und deren höchster Vorsicht zu akzeptieren . Mitglieder sich höchstens in Plesiomorphien ähInnerhalb der Entognatha bleibt die Monophyneln (24.2.1.1). In der Tat ist es aber unter Zoo- lie der Diplura unklar. Als Apomorphie, die für logen durchaus üblich, paraphyletische Gruppen ihre Monophylie spricht, könnte z. B. der trochanfür die Verständigung zu benutzen. Man spricht terale Rotator des Femur gelten . Andererseits von "den Hemimetabola" und meint damit eine weist eine Teilgruppe der Diplura, die Campodeiwohl umrissene Gruppe mit einer best immten Ei- dae, kompakte sackförmige Ovarien ähnlich degenschaft, nämlich hemimetaboler Entwicklung. nen der Ellipura auf, während die Ovariolen einer Der Nachteil, hiermit keine vollständige Ver- anderen Teilgruppe, der Japygidae, wie bei den wandtschaftsgruppe benannt zu haben , wird da- Ectognatha segmental angeordnet sind. Letzteres durch wettgemacht, dass man auf einfache Weise könnte also eine Apomorphie der Stammart der Tiere mit ähnlichen Merkmalen zusammenfassen Insecta sein, wofür auch der Außengruppenverkann. Andererseits müssen die Evolutionären Phy- gleich mit den anderen Arthropoden-Gruppen logenetiker zugeben, dass die Grenzziehung zwi- spricht. Die Diplura müssten dann als paraphyleschen den unterschiedlichen Entwicklungsstufen tisch gelten . willkürlich ist, da es kein verbindliches Kriterium Ebenso scheint die Gruppe der Zygentoma pafür die Entwicklungshöhe gibt. raphyletisch zu sein, da eine ihrer Arten (Tri cholepidon gertschi Wygodzinski, 1961) im Kopf eine ligamentöse, endoskelettale Struktur wie bei Entognatha und Archaeognatha aufweist, die wohl auf eine der Insekten-Stammart zurück24.3 Cladogramm der Insekten geht. Apomorphie Sie wurde bei einem anderen Teil der Zygentoma (Lepismatidae) und allen Pterygota zurückAbb. 24-7 zeigt ein aus Platzgründen um 90° ge- gebildet und durch das Tentorium ersetzt. drehtes Cladogramm der höheren Insektentaxa. Die Pterygota sind durch den Besitz von FlüGut begründbare Stammarten sind als ausgezo- geln eine sicher begründbare monophyletische gene Linien dargestellt, nicht gut begründbare Gruppe. Auch einige ihrer großen Untergruppen Stammarten und unsichere Verzweigungsstellen lassen sich durch Apomorphien kennzeichnen: Die Neoptera sind gut charakterisiert durch die sind gestrichelt wiedergegeben. Wie man sieht, sind nur wenige der vermuteten Fähigkeit, die Flügel in Ruhe flach auf den Rücken verwandtschaftlichen Beziehungen gut gesichert. umzulegen. Die Eumetabola scheinen durch eine Dazu gehört unzweifelhaft die Monophylie der ganze Reihe von Apomorphien gut begründet zu Gesamtgruppe Insecta und der Teilgruppe Ectog- sein, vor allem durch bestimmte Eigenschaften des natha: Die Insecta sind vor allem durch die be- Fl ügelgeäders, durch den Entwicklungsmodus der sondere Aufteilung des Körpers in Tagmata, aber männlichen Genitalien (längs geteilte Phallus-Anauch z. B. durch die Ommatidienstruktur, die lage, nachfolgende Verschmelzung der medi alen Spermien-Ultrastruktur und verlängerte, nicht zur Loben zum Penis und Entwicklung der lateralen Fortbewegung gebrauchte Cerci gut begründet; Loben zu Klammerorganen) und möglicherweise Apomorphien der Ectognatha sind z. B. die Gei- ein ursprünglich polytrophes Ovar (von dem aus ßelantennen (abgeleitet von einer dreigliedrigen sich telotrophe und sekundär panoistische Ova-
748
24 Systematik
Collembola Protura Diplura(?) Insecla
~.
Dlcondylia
Archaeognatha j"""
!
.
Zygentoma(?) Ephemeroptera
1Ptery- 1 ~-------------- Odonata gola
I
Plecoptera Embioptera
'-1".:
Notoptera 1 .,'
:.' Neoplera
Pauro1 i"iiletab"öiii"!
,
I
I
I
~
L...•.••••.......••...............i
;_- - Dermaptera 1 _
- -
~I----
ii
Blattopteroidea Manlodea Blattodea Isoplera
Orthopteroidea Ensifera Caelifera Phasmida
~----- Zoraptera Paraneoplera
Psocodea Acercaria
Psocoplera(?) Phlhiraptera
,
; ;- Hemiptera ·······L Thysanoptera
1Eu-
metabola
,....----- Coleoptera Raphidioptera Megaloptera Planipennia
Neuroplero idea Holometabola
r------- Hymenoptera
-.rIL Mecopteroidea
Trichoptera Lepidoptera
r-[
Mecoptera Siphonaptera Diptera "'L Strepsiptera
~
..!;-
Abb. 24-7: Cladogramm der höheren Insekten-Taxa. Der Übersichtlichkeit halber ist zu einzelnen Stammarten der Name der aus ihnen hervorgegangenen Gruppe eingetragen. Nicht gutbegründbare Stammarten und unsichere Aufspaltungen sind gestrichelt wiedergegeben (die Mantophasmatodea sind nicht eingezeichnet).
rien entwickelten). Allerdings wird eingewendet, dass diese Ann ahmen vorerst noch auf einer zu geringen Zahl untersuchter Arten beruhen, und molekularbiologische Daten unterstütz en eher
eine Gruppe aus Plecoptera + Dermaptera + B1attopteroidea als Schwestergruppe der Holometabola. Die Holometabola schließlich sind gut charakterisiert durch die Neuanlage der Komplex-
24.3 Cladogramm der Insekten
augen bei der Imago, das Auftreten eines wenig beweglichen Puppenstadiums und dadurch, dass die Anlagen von Flügeln und Genitalanhängen in keinem Larvenstadium als äußere Anhänge auftreten . Eine Reihe von Schwestergruppen- Verhältnissen innerhalb der Pterygota ist jedoch nur schwer oder gar nicht begründ bar. So könnten Ephemeroptera und Odonata, vor allem wegen Ähnlichkeiten im Bau der Flügelbasis, sehr wohl Schwestergruppen sein ("Palaeoptera"). Andererseits könnten die Odonata auch die Schwestergruppe aller Neoptera sein, da sie mit diesen gemeinsam und im Gegensatz zu den Ephemeroptera - keine flugfähige, aber nicht geschlechtsreife Subimago aufweisen. Unklar erscheinen vor allem die Verwandtschaftsverhältnisse der hier unter .Paurometabola " zusammengefassten Gruppen. Dazu kommt, dass erst kürzlich (200I) erkannt wurde, dass zwei in Berlin bzw. London aufbewahrte Insekten aus Tanzania und Namibia sowie ein weiteres fossiles Exemplar eine eigene Ordnung bilden, die Mantophasmatodea. Auch über ihre verwandtschaftliche Zugehörigkeit lässt sich noch nichts aussagen. Innerhalb der Paraneoptera kann das Schwestergruppen-Verhältnis von Zoraptera und Acercaria nur unzureichend begründet werden. Die angegebenen Synapomorphien - reduzierte Anzahl der Tarsenglieder und Malpighischen Gefäße sowie Konzentration der Bauchganglien - könnten durchaus unabhängig entstandene Apomorphien sein, und darüber hinaus könnte der panoistische Ovariolentyp der Zoraptera gegen das genannte Schwestergruppen-Verhältnis sprechen, da in der Stammart der Eumetabola wahrscheinlich ein meroistischer Ovariolentyp als Apomorphie auftrat. Vor allem aufgrund des Baus der Lacinia scheint gesichert, dass die Gruppen Psocodea, Hemiptera und Thysanoptera zusammengenommen ein Monophylum bilden (Acercaria). Das verwandtschaftliche Verhältnis der einzelnen Gruppen untereinander jedoch ist unklar: Mögliche Synapomorphien, die für ein SchwestergruppenVerhältnis von Hemiptera und Thysanoptera ("Condylognatha") sprechen, sind die zu Stiletten umgeformten Mandibeln und Lacinien sowie eine Anhäufung von Follikelvorläuferzellen im Germarium . Andererseits sind die besondere Spermien-Ultrastruktur und die Ausformung der cibarialen Dilatatoren mögliche Synapomorphien von Thysanoptera und Psocodea . Die basale Aufspaltung der Holometabola ist so, wie sie im Cladogramm Abb. 24-7 angegeben ist (mit den Schwestergruppen Coleoptera + Neuropteroidea und Hymenoptera + Mecopteroidea), zwar durch eine Reihe morphologischer Merkmale
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wahrscheinlich gemacht, birgt jedoch durchaus noch Unsicherheiten . Dies hängt vor allem mit der möglicherweise unsicheren Stellung der Hymenoptera als Schwestergruppe der Mecopteroidea zusammen (s.u.). So wird auch vorgeschlagen, die Hymenoptera und eine Gruppe, die alle anderen Holometabola umfasst , als Schwestergruppen innerhalb der Holometabola anzusehen, wobei diese Anordnung auch durch molekularbiologische Untersuchungen an I8S und 28S rDNA unterstützt wird. Andere molekularbiologische Arbeiten kommen zu noch anderen Auffassungen, unterstützen jedenfalls nicht das hier vorgeschlagene Cladogramm . Allerdings wird an diesen Arbeiten deutlich, dass die Ergebnisse molekularer Untersuchungen stark von der Wahl der Außengruppe und der benutzten Rechenmethode abhängen. Übereinstimmungen im Bau der weiblichen Geschlechtsanhänge bei den Gruppen Megaloptera, Raphidioptera und Planipennia weisen diese Gruppen mit großer Wahrscheinlichkeit als ein Monophylum aus (Neuropteroidea). Es wird allerdings diskutiert, ob die Megaloptera als paraphyletisch zu betrachten sind: Die Sialidae weisen - wie die Raphidioptera - einen spezialisierten Typ eines telotrophen Ovars auf, während die Corydalidae panoistische und damit möglicherweise altertümliche Ovariolen besitzen. Andererseits gibt es gute Gründe, die aquatische Lebensweise der Megalopteren-Larven als Autapomorphie ihrer Stammart zu werten. Das Schwestergruppen- Verhältnis von Hymenoptera und Mecopteroidea kann bisher nur durch wenige morphologische Merkmale belegt werden, die zum Teil nur geringen Wert besitzen: die unpaare Klaue der thorakalen larvalen Beine (eine Reduktion!), den Kokonbau mit Hilfe der Labialdrüsen (im Gegensatz zu den Coleoptera und Neuropteroidea, die die Malpighischen Gefäße benutzen ; jedoch könnte der Zustand bei den Hymenoptera/Mecopteroidea durchaus plesiomorph sein, da ihn auch nicht-parasitische Psocodea aufweisen), schließlich jedoch - dies ist vielleicht die sicherste Apomorphie - durch die Sklerotisierung der Basis der Saugpumpe bei den Adulti , einhergehend mit dem Verlust der ventralen transversalen cibarialen Muskeln (tritt auch bei Coleoptera auf, jedoch nicht bei den ursprünglichen Formen, und ist daher hier eine Parallelentwicklung). Das Schwestergruppen- Verhältnis von Hymenoptera und Mecopteroidea wird in jüngster Zeit aber auch durch molekularbiologische Analysen bestätigt. Das bei Hymenoptera und ursprünglichen Lepidoptera auftretende ursprüngliche, bewegliche Labium der Adulti könnte für eine pollenfressende gemeinsame Stammart dieser beiden Gruppen sprechen. Die größte Unsicherheit innerhalb der Holo-
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24 Systematik
metabola betrifft unzweifelhaft die Stellung der Strepsiptera. Sie besitzen externe larvale Flügelanlagen, und die imaginalen Komplexaugen werden vom Larvenstadium übernommen. Beide Merkmale müssen, nimmt man ein Schwestergruppen-Verhältnis der Strepsiptera mit einer Untergruppe der Holometabola an, als sekundär erworben angesehen werden. Einige wenige Merkmale sprechen für ein Schwestergruppen- Verhältnis zu den Coleoptera, vor allem die ausschließliche Benutzung der Hintertlügel zum Flug, möglicherweise auch einige Ähnlichkeiten im Flügelgeäder. Andere Merkmale sprechen für eine Verwandtschaft mit den Diptera, wobei sowohl ein Schwestergruppen-Verhältnis mit den Diptera als auch mit der Gesamtgruppe aus Mecoptera, Siphonaptera und Diptera ("Antliophora") in Frage kommt : die blattförmigen Mandibeln und ihre kreuzweise Anordnung, der Verlust des prälabialen Lobus mitsamt der zugeordneten Muskulatur, die Reduktion der Gliedzahl im Labialpalpus oder das Fehlen eines Ovipositors. Für sehr überzeugend können diese Merkmale letztlich nicht angesehen werden, da es sich mehrheitlich um Reduktionen handelt. In jüngster Zeit allerdings wird ein Schwestergruppenverhältnis der Strepsiptera mit den Diptera in einer Reihe von molekularbiologischen Arbeiten favorisiert, so dass die aus morphologischer Sicht unentscheidbare Stellung der Strepsiptera vielleicht doch klarere Konturen erhält. Insgesamt gesehen sind die Vorstellungen von den verwandtschaftlichen Verhältnissen der großen Insektengruppen also recht weit gediehen. An vielen Stellen des Cladogramms lässt der gegenwärtige Kenntnisstand jedoch eine Entscheidung zwischen alternativen Denkmodellen nicht zu. Für die Zukunft darf man aber vermuten, dass diese Lücken durch weitere Anstrengungen in der Morphologie, vor allem aber auch durch die Diskussion mit anderen Disziplinen wie der Molekularbiologie, nach und nach verkleinert werden.
24.4 Datenverarbeitung in entomologischen Sammlungen Im Laufe der Zeit, insbesondere im 19. Jahrhundert , wurden in Naturkundemuseen und Privatsammlungen riesige Bestände an genadelten , oder in geringerem Maße nass konservierten Individuen zusammengetragen. Man nimmt an, dass weltweit etwa 2,5-3 Milliarden Individuen vorhanden sind. Neuerdings bemüht man sich, diese
großen Mengen mithilfe von geeigneten Computerprogrammen zu erfassen und in Datensammlungen zu vereinen, um sie innerhalb eines umfangreichen internationalen Netzwerks nutzbar zu machen. Anfänglich versuchten einzelne Sammler mit Kenntnissen der Datenverarbeitung ihre eigenen Bestände zu katalog isieren. Mittlerweile sind zunehmend geförderte, internationale Bemühungen in Gang gekommen, um möglichst viele Daten über die Einzelstücke zusammenzutragen. Eine speziell entwickelte Dokumentations- und Informationssoftware ist inzwischen vorhanden, mit deren Hilfe nur einmal alle wünschenswerten Daten aufgenommen werden können . Diese Daten können dann weltweit in übersichtlicher und vielseitig nutzbarer Form verwendet werden. Es gibt beispielsweise Datensammlungen von Typen, von systematischen Einheiten, Lautäußerungen usw. Die Angaben auf den Etiketten können bisweilen Schwierigkeiten bieten, wenn beispielsweise Fehlbestimmungen vorliegen, die geographischen Angaben nicht mit den heutigen übereinstimmen etc. Um eine Normierung zu erreichen, sind daher schon Überlegungen im Gange, die geographischen Koord inaten , wie sie in der Satellitenorientierung (OPS) üblich sind, zusätzlich zu den gängigen Fundorten zu verwenden, denn die Schreibweise einzelner Orte, die Zugehörigkeit zu einem Staat kann sich im Laufe der Zeit geändert haben, vor allem neuerdings. Die Umrechnung von Höhenangaben von Metern in feet oder yards usw. ist einfach zu lösen. Zur Erleichterung der Auffindbarkeit bei Vergleichen und Ausleihen dienen neben den Angaben über die Nummer der betreffenden klassischen Insektenkästen ein zunehmend üblicher werdendes Steckkästchen-System - eine Art Container-System . So können die üblichen Anfragen nach Sammlungsmaterial rasch am Computer und nicht mühselig durch Suchen in der Sammlung geklärt werden. Der Wert einer Sammlung hängt unter anderem von einer Überprüfung der Schreibweise von Namen der Taxa, der Autoren und evtl. auch der Jahreszahl der Aufsammlung , der korrekten Schreibweise entsprechend den Nomenklatur-Regeln sowie die Klärung, ob es sich um ein Synonym handelt oder nicht. Die einzelnen Datensammlungen von Museen, von Sammlern und Museen eines Landes oder auch weltweit können mit anderen vereinigt und so immer besser nutzbar gemacht werden. Es können relativ einfach nicht nur die systematischen Daten verglichen, sondern auch die einzelnen Sammler und Autoren herausgefunden werden. Klassische systematische Kataloge in Buchform gibt es schon seit längerer Zeit. Nunmehr wird es aber auch in zunehmendem Maße über das Inter-
literatur
net zugängliche weltweit ermittelte Artenregister geben - wie beispielsweise den Orthoptera Species File. So weit es das Speichervermögen erlaubt, kann man auch beispielsweise bei Typen von Orthopteren Bilder und Lautäußerungen aufnehmen.
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten Konrad Dettner und Werner Peters
Charakteristik der Insekten Die Insekten sind charakterisiert dur ch eine Dreiteilung des Körpers: Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen). Der Kopf (Caput) besteht entwicklungsgeschichtl ich aus sechs Segmenten . Ursprünglich sind ein Paar Gliederantennen, aus denen bei den meisten Insekten Geißelantennen wurden sowie drei Paar Mundwerkzeuge vorhanden. Die ungegliederten Mand ibeln sind ursprünglich mit einem Gelenk (monokondyl), bei den meisten Insekten aber mit zwei Gelenken (dikond yl) versehen. Die beiden folgenden Paare von Mundwerkzeugen, die MaxilIen, sind gegliedert und mit einem Taster (Palpus) ausgestattet. Das zweite MaxilIenp aar ist vielfach zu einem einheitlichen Labium verwachsen. Der Brustabschnitt (Tho rax) gliedert sich in Pro-, Meso- und Metathor ax, die je ein Paar Laufbeine mit ursprünglich sechs Gliedern (Podorneren) aufweisen. Ursprünglich waren die Insekten ungeflügelt; die meisten Insekten, die Pterygota , besitzen aber am Meso- und Metathorax je ein Paar Flügel. Der Hinterleib (Abd omen) besaß ursprüngli ch elf Segmente und das Telson. Außer bei einigen ursprünglichen Ordnungen sind mit Ausnahm e der Genitalsegmente bei den erwachsenen Tieren keine Extremitäten mehr an den Abdominalsegmenten vorhanden. Da s 11 . Segment besitzt ein Paar fühlerartige Cerci. Tracheen sind kein Charakteristikum der Insekten, denn sie kommen auch bei anderen Arthropoden vor. Phylogenetische Erört erungen wurden in diesem Kapitel absichtlich kurz gehalten. Sie sind ausführlich darg estellt im Lehrbuch der Speziellen Zoologie Teil 5, Insecta, begründ et von A. Kästner und in neuer Auflage herausgegeben von H. H. Dathe (Heidelberg 2003). Phylogenetische Erört erun gen würden leicht den Rahm en dieses Lehrbuchs sprengen.
25.1 Collembola, Springschwänze Die Springschwänze sind 0,2-10 mm lange, entognathe Insekten, die in und auf der Erde, in Moos, unter Rinde sowie aufWasseroberflächen und Gewässerufern (auch am Meer) und selten in Ameisen- und Termitennestern anzutreffen sind. Viele der etwa 7000 bekannten Arten sind weltweit verbreitet und besond ers auch währ end kühler Jahreszeiten zu finden . In Europa kommen 1500 Arten vor. Aufgrund ihrer hohen Individuenzahlen sind Springschwänze bodenbiologisch von erheblicher Bedeutung und maßgeblich an den Zersetzun gsvorgängen im Boden und an der Verbreitung von Mikroorganismen beteiligt. Collembolen repräsentieren eine wichtige Ind ikatorgruppe für Veränderungen der Bodenqualität. Die Tiere ernä hren sich in erster Linie von Algen, Pilzen, Pollen, Detritus und von mikrobiell zersetzten Pflanzenteilen. Außerdem wurden räuberi sche Form en und Aasfre sser beschrieben und zum Teil werden auch Kotballen größerer Bodenti ere aufgen ommen. Bei den Neanuridae wurde eine extraorale Verdauung beschr ieben. Einige Arten werden dur ch Benagen von Wurzeln oder Blattoberflächen von Kulturpflanzen, insbesondere von Keimlingen (z. B. Klee, Luzerne) schädlich oder können in der Pilzzucht Schäden verursachen. Man che Art en könn en sehr lange hun gern, wohl mit ein Grund für den großen ökologischen Erfolg vieler Collembolen. Häufig sind Aggregationen (z. B. bei Hyp ogastrura socialis) zu beobachten, die durch bestimmte Feuchtigkeiten, Temperaturen, erhöhte Kohlendi oxidgehalte und insbesondere durch Aggregationspheromone ausgelöst werden . Besonders bekannt sind die Massenansammlungen von "Gletscherflöhen" (Isotoma saltans) auf Eis und Schnee in Hochgebirgsregionen, bzw. von Podura aquatica auf der Oberfläche stehender Gewässer (Abb. 25-1 K). In vielen Fällen sind extreme Kälteresistenzen zu beobachten. Manche Arten sind echte Höhlenbewohner (Troglobionten) und repräsentieren oft auch Endemiten. Während Vertreter der Unterordnung Arthropleona, zu denen insbesondere die Poduridae (Abb. 25-1 C, D, K, 25-2 E, F), Hypogastruridae,
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
B
Abb. 25-1: Collembola. A, B Camphylothorax sp. mitein- und ausgeklappter Furka (Arthropleona, Entomobryidae). C Ceratrimeria duospinosa (Arthropleona, Poduridae). 0 Ceratrimeria dendyi (Arthropleona, Poduridae). E Entomobrya sp. (Arthropleona, Entomobryidae). F Sminthurus sp. (Symphypleona, Sminthuridae). G Onychiurus perforatus (Onychiuridae). H Pygicornides torridus (Symphypleona, Sminthuridae). I Corynephoria sp. (Symphypleona, Sminthuridae), bürzelartige Struktur dorsal am Abdomen, möglicherweise Wehrdrüse; Pfeil. J der Riesencollembole Tetrodontophora bielanensis (Arthropleona, Onychiuridae). K Podura aquatica (Arthropieona, Poduridae) auf der Wasseroberfläche. (A, B, E, F. G, K nach Schaller 1970, C nach Paclt 1956, D, I nach Wallace et al. 1970, H nach Wallace 1974, J nach Eisenbeis und Wichard 1985)
Neanuridae (Abb. 18-11), Onychiuridae (Abb. 25I G, J), Isotomidae, Tomoceridae, Entomobryidae (Abb. 25-1 A, B, E) und Cyphodcridae gehören, einen lang gestreckten, deutlich segmentierten zy-
lindrischen Körper aufweisen, sind die Kugelspringer der Unterordnung Symphypleona durch einen kugeligen, undeutlich segmentierten Körper charakterisiert (Neelidae, d.h. manchmal Neeli-
25.1 Collembola, Springschwänze
pleona , Dicyrtomidae, Sminthuridae, Abb. 25-1 F, H, I). Die winzigen, mit kurzen Körperanhängen versehenen Bewohner unterer Bodenschichten (euedaphische Arten) sind hell gefärbt , während die auf dem Boden oder in der Streuschicht lebenden Arten (epedaphische Arten) häufig dunkle Zeichnungen auf hellem Untergrund aufweisen (Abb. 25-1 E, F). In einigen Fällen ist physiologischer Farbwechsel nachgewiesen worden. Das unbenetzbare Integument der Collembolen weist häufig warzige Erhebungen mit Mikrotuberkeln oder ein Wabenmuster auf (Abb. 25-2 C). Vielfach finden sich krypt ische Färbungen, auch besitzen Collembolen unterschiedlich gestaltete Haare und Schuppen (Abb. 1-20 A). Die aus dem Unterdevon Schottlands bekannte Spezies Rhyniella praecursor lässt sich aufgrund ihrer entognathen Mundwerkzeuge, der viergliedrigen Antennen sowie des Ventraltubus eindeutig den Collembola, wahrscheinlich den Isotomidae zuordnen und stellt damit gleichzeitig das derzeit älteste fossile Insekt dar. Die Monophylie der Collembola erscheint gesichert, allerdings werden einige der Apomorphien auch als neotenische Bildungen gedeutet. Mit den Protura werden sie als Ellipura zusammengefasst (s. Abb. 24-7), was auch durch mitochondriale 12S rRNA-Daten gestützt wird. Der pro- oder hypognathe Kopf der Collernbolen verfügt über entogn athe, kauende, schabende oder stechend-saugende Mundwerkzeuge (Abb. 25-2 A). Die Mundteile werden auch zum Putzen der Körperanhänge mittels ausgewürgter Flüssigkeitströpfchen eingesetzt. Die primär viergliedrigen Gliederantennen tragen zahlreiche mechano- und chemosensitive Sensillen und sind bei manchen Taxa im männlichen Geschlecht zu Greif- bzw. Klammerantennen umgewandelt (Abb. 25-2 F). Hinter der Antennenbasis liegen bei einigen euedaphischen Familien in das Integument eingelassene, rosettenförmige Schläfen- oder Postantennalorgane (s. Abb. 25-2A). Die mit diesen , wohl der Temperatur- und Feuchtewahrnehmung dienenden, Organen assoziierten Sinneszellen sind mit dem Protocerebrum verbunden (s. Abb. 252A) . Die einfachen, manchmal auch reduzierten Komplexaugen bestehen aus lose verbundenen eukonen Einzelaugen (Ommen) und ermöglichen ein Hell-Dunkel-Sehen. Meist treten auch Stirnaugen (Ocelli) auf. Der Thorax weist drei Beinpaare auf, welchen durchweg ein Tibiot arsalgelenk fehlt. Der Prätarsus trägt eine von einer Hülle bedeckte, recht unterschiedlich ausgebildete Klaue sowie ein borstenförmiges Empodium. Das sechsgliedrige Abdomen der oligomeren Collembolcn erreicht nie die volle Segmentzahl,
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weist keine Cerci auf, besitzt aber abdominale Beinderivate (Abb. 25-2; Abb. 2-27). Ventral am I. Abdominalsegment inseriert ein mehrteiliger, stempelartiger Ventraltubus (Collophor) mit unpaarem Basalteil und durch Hämolymphdruck ausstülpbaren, paarigen Endblasen (Abb. 25-2 A). Der durch Retraktormuskeln wieder einziehbare Ventraltubus (Abb. 2-28 A, Abb. 5-6) stellt ein Multifunktionsorgan dar, denn er dient sowohl der Wasser- und Ionenaufnahme als auch der Respiration und Adhäsion an Oberflächen (Collembola; colla: Leim; emballein: schleudern s. Springgabel), kann aber auch als Putzapparat Verwendung finden. Auf der Unterseite des 3. Segmentes liegt das aus einem Grundglied sowie zwei gezähnten Fortsätzen bestehende Retinaculum (Abb. 2-28 B), welches der Befestigung der Furca (= Gliedmaßenpaar am 4. Abdominalsegment) in der Ruhelage dient. Die teils reduzierte, selten fehlende Sprunggabel (Furca) besteht basal aus dem unpaaren Manubrium (Abb. 2-28) sowie den jeweils paarigen Dente s und Mucrones. Die Furca ist im Ruhezustand nach vorne unter den Hinterleib geschlagen (Abb. 25-1 A). Wird ein Springschwanz gereizt, so wird die Furca durch plötzliche Muskelkontraktion schnell nach hinten geschlagen, wobei der Körper innerhalb von Millisekunden mehrere Zentimeter von der Unterlage hochschnellt und sich saltoartig dreht (s. Abb. 1617). Die Sprungapparate sind bei euedaphischen Collembolen meist reduziert. Die paarigen , sackförmigen , zum Teil gelappten Gonaden sind nicht in Hodenfollikel oder Eiröhren (rneroistisch-polytropher Typ) differenziert. Die Geschlechtsprodukte werden über einen unpaaren Gang ventral am 5. Abdominalsegment abgegeben (Abb. 25-2A). Bedingt durch die fehlenden äußeren Geschlechtsorgane wird Sperma als winziges Tröpfchen auf einem Stiel abgesetzt (Abb. 25-2 E, 13-31). Bei Collembol en findet sich ein besonderer Typ von Spermien, die so genannten Flagellospermien, die in eine Cyste eingeschlossen sind (s. Abb. 13-25). Anschließend können die Spermatophoren aktiv vom Weibchen in die Geschlechtsöffnung aufgenommen werden (Abb. 13-31). Zum Teil setzen Männchen einfach Spermatophoren im Lebensraum der Tiere ab, teilweise werden Weibchen von Männchen in die Nähe der Spermatophoren gedrängt (Abb. 13-32 D-F). Alte Spermatophoren werden vom Männchen gefressen und durch neue ersetzt. Paarbildung ist bei der Gattung Sminthurides ausgeprägt, wobei sich die kleineren Männchen mit ihren Klammerantennen (Abb. 25-2 F; 13-32 A, B) an den Fühlern der größeren Weibchen befestigen und sich vor der Ablage von Spermatophoren oft tagelang umhertragen lassen. Bei dieser Gattung werden die Weibchen vom Männchen regelrecht
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
D
E
G
H
Abb. 25-2: Collembola. A Bauplan von Podura aquatica (ein Hinterbein entfernt; Ma: Manubrium, De: Dens, Mu: Mucro). B Galerie- und Grottenbau durch Subisotoma variabilis unter Verwendung von Kotbällchen. C: Schematischer Aufbau der Collembolencuticula (Epicuticula oben; Exocuticula Mitte; Endocuticula unten). D Pyridopyrazin aus dem Wehrsekret von Tetrodontophora bielanensis. E: Spermatophore von Podura aquatica. F: Modifizierte Klammerantenne eines Sminthurides-Männchens. G-I: Postembryonale Differenzierung des Pigmentmusterseines Orchesella-Weibchens (G: etwa 6.-7. Stadium; H: etwa 12.-14. Stadium; I: 36. Stadium). (A nach Weber und Weidner 1974, B, E, G-I nach Schaller 1970, C, F nach Eisenbeis und Wichard 1985, D nach Dettner et al. 1997)
dazu gezwungen, abgesetzte Spermatophoren aufzunehmen (Abb. 13-32 C). Bei manchen Arten, vor allem den Bodenbewohnern , kommt Parthenogenese vor. Die einzeln oder in Klumpen abgelegten, kugeligen Eier enthalten relativ locker gelagerten Dotter, die Keimesentwicklung zeigt Übergänge zu totaler Furchung (s. Abb. 13-46). Am Keimstreif fehlen die Keimhüllen. Manchmal ent-
fernt das Weibchen Pilzhyphen von der Eioberfläche oder bedeckt das Gelege mit antimikrobieller Rectalflüssigkeit. Das Nervensystem ist vor allem bei den Sminthuriden konzentriert, denn die abdominalen Ganglien sind sowohl untereinander als auch mit dem 3. thorakalen Ganglion verschmolzen (Abb. 25-2A).
25.2 Protura, Beintastler Der Darm der Springschwänze stellt ein weitgehend ungegliedertes Rohr dar, der After befindet sich im 6. Abdominalsegment. Der Mitteldarm mit seinem auch exkretspeichernden Epithel wird, einzigartig innerhalb der Insekten, bei jeder Häutung mitgehäutet. Da Malpighische Gefäße fehlen, werden Exkrete wie Harnsäure vor allem im darmnahen Fettkörper gespeichert. Auch können Co1lembolen exkretbeladene Darmzellen bei Häutungen ausstoßen. Schließlich verfügen sie über gewundene, im Kopf befindliche Labialnieren, bzw. Labialnephridien (Abb. 25-2 A). Bei einigen Arten (Neanuridae) enthält die stark entwickelte vordere Speicheldrüse Riesenchromosomen . Vertreter der Onychiuridae besitzen überall auf der Körperoberfläche verteilte, ringförmige Pseudozellen (Abb. 17-13 F, G; 25-1 G) in artspezifischer Anzahl, welche bei Reizung aufreißen, und danach giftige Drüsensekrete beziehungsweise mit Abwehrstoffen beladene Hämolymphe abgeben. Zur effektiven Abwehr räuberischer Bodenarthropoden (s. Abb. 16-20; 16-22; 16-27) kommen z. B. Pyridopyrazine zum Einsatz (Abb. 25-2 D). Bezeichnenderweise ist die Springfähigkeit als Reaktion auf Feinde bei Onychiuriden nur gering ausgeprägt oder fehlt . Manche Spezies besitzen intensiv gefärbte, bürzelartige Körperfortsätze (s. Abb. 25-11), die möglicherweise Wehrdrüsen darstellen. Das Herz der Collembolen besitzt zwei bis sechs Ostienpaare (Abb. 25-2 A). Die Symphypleona verfügen über ein einfach gebautes Tracheensystem ohne Anastomosen sowie ein einziges, in der Halsregion befindliches Stigmenpaar (Abb. 6-1 B). Die arthropleonen Collembolen sind Hautatmer, deren dünne Körperoberfläche bei Überflutung ein Plastron (s. Kapitel 6) bildet. Die direkte, postembryonale Entwicklung umfasst 5-7 oligomere Larvenstadien bis zum Erreichen der Geschlechtsreife. Auch danach sind bis zu 50 weitere Häutungen möglich, wobei jeweils durch Krümmungen des Körpers das Integument zum Platzen gebracht wird (Abb. 25-2 G-I) . Allerdings hört die Größenzunahme nach etwa 15 Häutungen auf. Offenbar folgt bei adulten Collembolen auf ein Reproduktions-Stadium immer ein kurzlebiges, auf die Nahrungsaufnahme spezialisiertes Stadium. Saisonalbedingt kommt es manchmal zur Ausbildung unterschiedlicher Morphen. Das durchschnittliche Lebensalter der Collernbola liegt deutlich unter einem Jahr, allerdings gibt es auch zwei- bis mehrjährige Arten. Interessant ist das bei Trockenheit zu beobachtende Bauverhalten bei Subisotoma variabilis (Abb. 25-2 B). Aus eigenen Kotbällchen konstruieren die Tiere Galerien, Höhlen oder Vertiefungen, in welchen sie sich über Monate hinweg aufhalten.
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25.2 Protura, Beintastler Die erst 1907 erstmals beschriebenen Beintastler stellen eine artenarme weltweit verbreitete Gruppe entognather Insekten dar. Von den fast 700 bisher beschriebenen Arten mit den drei Überfamilien Acerentomoidea (Hautatmer ohne Tracheen), Sinentomoidea (mit Tracheen) und Eosentomoidea (mit Tracheen) kommen zwischen 30 und 100 auch in Mittc1europa vor. Die winzigen, feuchtigkeitsliebenden Tiere leben in den oberen Bodenschichten humusreicher Waldb öden, unter Steinen , unter Moos und Rinde, im Kompost oder in unterirdischen Säugernestern und saugen mit ihren stechend saugenden Mundteilen Pilzhyphen aus (Abb. 25-3 A, B). Deshalb werden die Tiere vor allem im Hyphenmantel der Wurzeln mykorrhizabildender Baumarten angetroffen. Je nach Bodentypus finden sich pro rrr' Bodenoberfläche 2000 bis knapp 10000 Individuen, die jedoch aufgrund ihrer geringen Biomasse bodenbiologisch eher von untergeordneter Bedeutung sind. Die winzigen, 0,5-2,5 mm langen, meist weichhäutigen Beintastler sind unpigmentiert bis bräunlich, blind und
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Prothorax M itteldarm
:· f ...
G
F
H
K Basalfortsatz
Genitalkammer
Abb. 25-3: Protura. A Kopf von Acerentomon (lateral). B Bauplan eines Männchens von Eosentomon. C Acerentomon beim Laufen, mit dem ersten Beinpaar tastend. D, E Letztes Thorakal- und vordere Abdominalsegemente (Ventralansicht, Beine abgeschnitten) mit paarigen Gliedmaßenresten (Styli) von Eosentomon (Eosentomidae, D) und Australentulus (Acerentomidae, E). F Seitliche Hälfte des 8. Abdominalsegementes von Acerentomon affine. Deckel (Pfeil) über der Abdominaldrüsenmündung. G-I Postembryonalstadien der Proturenart Acerentulus phrachedee (G: Larve I; H: Larve 11; I: Maturus junior). J Vordertarsus von Eosentomon foliaceum (Dorsalansicht). K Genitalarmatur eines Männchens der Gattung Acerentomon. (A, D, Enach Wallace et al. 1970, B nach Weber und Weidner 1974, C nach Kaestner 1973, F-I, K nach Janetschek 1970, J nach Rusek 1988)
ersetzen ihre Fühler funktionell durch die Vorderbeine (Abb. 25-3B, C). Die Protura sind wahrscheinlich monophyletisch und in vieler Hinsicht ursprünglicher als die Collembola . Zusammen mit den Collembola werden sie als Ellipura zusammengefasst (s. Abb. 24-7). Innerhalb der Entognatha bilden die durch mehrere abgeleitete Merkmale gekennzeichneten Ellipura die Schwestergruppe der Diplura. Die Ellipura sind durch eine auf besondere Weise gebildete Mundtasche, sowie eine Linea ventralis auf der Kopfunterseite gekennzeichnet. Auch in einem molekularen, auf mitochondrialer 12S rRNA basierendem Stammbaum sind Collembolen und Proturen am nächsten miteinander verwandt.
Im kleinen, konischen Kopf sind die kratzendsaugenden bis stechend-saugenden Mundwerkzeuge wie bei Collembolen und Dipluren tief in der Mundhöhle versenkt (Entognatha; Abb.25-3 A). Mandibeln und Maxillen sind stilettartig. Augen, Ocellen und Antennen fehlen bei allen Spezies in allen Entwicklungsstadien. Die beiden auf der Kopfoberseite befindlichen, ellipsoiden Pseudoculi (Abb. 25-3A) repräsentieren wahrscheinlich chemische Rezeptoren . Der flügellose Thorax weist ein verlängertes, vorderes Beinpaar auf, welches erhoben getragen wird und wahrscheinlich Antennenfunktion übernimmt (Abb. 25-3B, C). Während am 1. Beinpaar ein Tibiotarsalgelenk vorhanden ist, fehlt dieses
25.3 Diplura, Doppelschwänze
am 2. und 3. Beinpaar. Zwischen Tarsus und Klaue liegt ein winziger Ring, der als Prätarsus gedeutet wird (Abb. 25-3 J), weiterhin ist eine unpaare Klaue vorhanden. Der Fortbewegung dienen die bei euedaph ischen Formen kurzen , bei hemiedaphischen Spezies längeren meso- und metathorakaien Schreitbeine. Das Abdomen besteht aus II Abdominalsegmenten und dem Telson (Abb. 25-3 B). Die komplette Zahl der Segmente wird erst postembryonal erreicht (Anamerie). Die ersten drei Abdominalsegmente besitzen ventral ein- oder zweigliedrige, paarige Gliedmaßenreste, die terminal ausstülpbare Coxalbläschen (Atmungsorgane ?) tragen und teilweise wieder rückgebildet werden (Abb. 25-3 B-E). Die Extremitätenreste der ersten drei Abdominalsegmente sind bei den Eosentomoidea zweigliedrig, d. h. sie bestehen aus einem Grundglied und einer retraktilen Endblase (Abb. 25-3 D). Bei Acerentomoidea sind die Extremitätenreste des zweiten und / oder dritten Abdominalsegmentes stets eingliedrig (Abb. 25-3 E). Cerci fehlen. Die Gonaden sind als einfache Schläuche mit unpaaren (Weibchen) und paarigen (Männchen) Mündungen am 11. Abdominalsegment ausgebildet (Abb. 25-3 B). Die Gonaden stellen schlauchförrnige, panoistische und meroistische Ovariolen bzw. langgestreckte Hodenfollikel dar. Die Homologisierung der Teile der äußeren Genitalarmaturen ist in beiden Geschlechtern umstritten (Abb. 25-3 K). Die dotterreichen Eier können 1/3 der Körperlänge erreichen . Die Spermatozoen weisen entweder ein Flagellum auf, oder sie sind aflagellat und scheibenförmig (s. Abb. 13-26). Die Art und Weise der Spermienübertragung ist bei den oviparen Proturen unbekannt. Das Nervensystem ist kaum konzentriert und weist im Gegensatz zu den Collembolen 7 abdominale Ganglienpaare auf (Abb. 25-3 B). Den Darm repräsentiert ein weitgehend unditTerenzierter Schlauch , die 6 oder 12 Malpighischen Gefäße sind als Papillen ausgebildet (s. Abb. 5-14). Im Darmlumen sowie im viszeralen Fettkörper können zahlreiche Kristalle nachgewiesen werden, die vermutlich aus Guanin bestehen . Am 8. Abdominalsegment beider Geschlechter münden seitlich und unter einem Deckel verborgen große, voluminöse Reservoire zweier Wehrdrüsen aus (Abb. 25-3 B, F). Die Abgabe des sauren , klebrigen Sekretes erfolgt wie bei Staphyliniden durch Hochbiegen der Abdominalspitze. Im Kopf befinden sich paarige Maxillardrüsen sowie eine unpaare Labialdrüse. Das verkürzte Herz verläuft vom 7. Abdominalsegment bis zum 2. Thorakalsegment. Das teleskopartige Ein- und Ausstülpen der letzten Abdominalsegmente wird als Pumpbewegung zur Durchmischung der Hämolymphe interpretiert. Das Tra-
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cheensystem der Eosentomoidea besitzt zwei thorakale Stigmenpaare ohne Verschlussapparate und weist keine Längs- und Queranastomosen auf. Bei den Acerentomoidea fehlt es völlig, sie sind reine Hautatmer. Das I. Larvenstadium, die Prälarve, besitzt nur neun Abdominalsegmente. Während die nachfolgende Larve I ebenfalls noch neun Abdominalsegmente besitzt, wird bei der Larve II ein zusätzliches 10. Segment zwischen dem letzten und vorletzten Abdominalsegment eingeschoben (Abb. 25-3 G-I) . Sämtliche Folgestadien, die Maturus junior, Präimago, Imago genannt werden, weisen dann bereits ein zwölfgliederiges Abdomen auf. Diese, innerhalb der Insekten nur bei Proturen vorhandene Vermehrung von Segmenten während der Postembryonalentwicklung wird als Anamorphose bezeichnet. Die Häutung wird wie bei Myriapoden und Collembolen durch die Entstehung eines Querspalts am Hinterrand des Kopfes eingeleitet. Die Dauer der Postembryonalentwicklung dürfte 5-7 Monate, die Gesamtlebensdauer etwa I Jahr betragen . Manche Arten zeigen fakultative Parthenogenese . Ökologie sowie vor allem Biologie und Physiologie der Protura sind bislang weitgehend unbekannt.
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25.3 Diplura, Doppelschwänze Die Doppelschwänze repräsentieren kleine, etwa 2 mrn, selten bis 6 cm lange, zarte entognathe Insekten mit glatter, beborsteter oder beschuppter Oberfläche. Die Oberfläche des Integumentes weist ernergenzartige Mikrostrukturen auf, welche bei Überflutung des Lebensraumes ein Plastron bilden können. Die wurmförmigen Erdlückenund Streubewohner umfassen weltweit etwa 850 Arten, in Mitteleuropa ca. 50, die zu 3 Überfamilien gehören :
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
1. ÜFam.: Campodeoidea, mit langen, gegliederten Cerci (Abb. 25-4 H), 2. ÜFam.: Projapygoidea, mit kurzen , gegliederten, mit Drüsen versehenen Cerci (Abb. 25-
durch Muskeln wieder eingezogen werden. Bei Campodea und dessen Verwandten trägt das I. Abdominalsegment ventrolaterall Paar zweigliedriger Coxalfortsätze (Abb. 25-4 A, B). Die am 4 G), letzten Abdominalsegment inserierenden Cerci 3. ÜFam.: Japygoidea, mit zangenartigen Cerci sind bei den Campodeidae gegliedert und faden(Abb. 25-4 E, F). förmig (Abb. 25-4 H), bei den Projapygidae tasterförmig (Abb. 25-4 G) und bei den Japygidae zanDoppelschwänze können in gemäßigten und vor genförmig (Abb. 25-4 E, F). Bei einigen Japygiden allem wärmeren Zonen in 10-20 cm Tiefe im Bo- befinden sich an den Cerci die Mündungen von den sowie unter Blättern, Moos, Rinde oder Stei- Spinndrüsen (Abb. 25-4 E). Die blinden Dipluren nen, zum Teil auch in Höhlen angetroffen werden. nehmen ihre Beute mit Antennen und MundtasDie Tiere ernähren sich teils räuberisch von Dip- tern olfaktorisch oder mittels Mechanorezeptoren lura, Collembola, Mückenlarven, Oligochaeten, wahr. Die räuberischen Japygidae krümmen ihre teils werden Pilzmyzelien oder Detritus aufge- Hinterleibsspitze skorpionsähnlich nach Collemnommen . bolen oder anderen Dipluren, ergreifen die Beute Die blinden, pigmentarmen Dipluren besitzen mit ihren zangenförmigen Cerci und führen sie vielteilige Gliederantennen sowie fädige oder stär- zum Fressen den Mundwerkzeugen zu (Abb. 25-4 ker pigmentierte zangenförmige Cerci. Ihr 10- I, J). Hingegen werden die langen, mit zahlreichen gliedriges Abdomen besitzt paarige Gliedmaßen- Sinneshaaren versehenen Schwanzanhänge der reste in Form von Styli und Coxalbläschen. Die Campodeidae wie ein zweites Fühlerpaar verwenbereits im oberen Karbon fossil nachgewiesenen det. Doppelschwänze gehören zu den Entognatha. BeDie Dipluren besitzen paarige Gonaden mit je züglich einiger Merkmale (z. B. Fossilien; Fein- nach Spezies unterschiedlicher Zahl von Ovariolen struktur der Spermien, s. Kap. 13.1.1.11; Thora- (Campodea : I, Abb. 25-4 A, Japyx: 7) bzw. Hodenkalmuskulatur) ähneln die Diplura eher den Ptery- lappen. Die unpaare Geschlechtsöffnung findet gota als den Ellipura (= Parainsecta). In einem sich ventral am Hinterrand des 8. Abdominalmolekularen , auf mitochondrialer 12S rRNA ba- segmentes, äußere Geschlechtsorgane sind nicht sierendem Stammbaum sind die untersuchten Di- ausgebildet. Die Ovariolen sind panoistisch oder plura hingegen als monophyletische Gruppe basal polytroph. Bei der Gattung Campodea ist ein Receptaculum seminis nachgewiesen. von den Ellipura einzuordnen (s. Abb. 24-7). Bei Campodea setzt das Männchen ein kurzDer prognathe, mit fadenförmigen Gliederantennen versehene, augenlose Kopf (fossile Formen gestieltes Spermatröpfchen mit bis zu 12 Bündeln mit Facettenaugen) enthält die in eine Tasche ver- von Spermatozoiden auf einem erstarrten Sekretsenkten, schabenden oder stechenden Mundwerk- faden ab, welches vom Weibchen in die Gezeuge (Abb. 25-4 A). Hierbei handelt es sich um schlechtsöffnung aufgenommen wird. Da häufig die paarigen Mandibeln, MaxilIen sowie die da- Aggregationen beobachtet werden, dürfte das zwischen liegende, unpaare, zungenartige Lingua, Weibchen die Spermatröpfchen rasch wahrnehwelche einen Teil des Hypopharynx repräsentiert. men. Die Eier werden bei den Campodeidae in Sowohl das dorsale Labrum als auch das ventrale Gruppen zu 10, und bei den Japygidae bis 30, in Labium liegen frei und verbinden die seitlichen kleine Erdhöhlen unter der Bodenoberfläche abgeOralfalten des Kopfes miteinander. Auf den legt (Abb. 25-4 D). Dabei werden die Eiklumpen vielgliedrigen, innen mit zahlreichen Muskeln ver- mittels eines Stielchens an der Höhlendecke besehenen Antennen (= Gliederantennen) finden festigt. Die zentrolecithalen, von Periplasma umsich zahlreiche mechano- und chemosensorische gebenen Eier furchen sich superfiziell. Bis zum Haare. Schlüpfen der Larven wird die Brut vom Weibchen Der flügellose Thorax weist drei typisch fünf- bewacht und kann gegebenenfalls auch bedeckt gliedrige Beinpaare auf, welche jeweils paarige oder verteidigt werden. Im Rahmen dieser BrutKlauen besitzen. pflege weidet das Weibchen auch Pilzmycelien ab, Das Abdomen besteht aus 10 Abdominalseg- wobei die Eier vor Verpilzung bewahrt werden. menten, die ventral auf dem 1.-7. Segment jeder- Nach dem Schlüpfen der Larven werden diese seits einen Stylus, einen griffeiförmigen, beweg- betreut und gepflegt. Allerdings tritt dabei auch lichen Anhang sowie median davon meist aus- Kannibalismus auf. Je nach Spezies und Umgestülpbare unpaare oder paarige Coxalbläschen bungstemperatur dauert die Embryonalentwicktragen (Abb. 25-4 A-C). Die Coxalbläschen weisen lung zwischen 12 und 42 Tagen. ein Transportepithel auf und dienen der WasserDas Nervensystem besteht aus Gehirn, Unteraufnahme und dem Ionentransport. Sie können schlundganglion sowie 7-8 abdominalen Gangdurch Erhöhung des Blutdrucks ausgestülpt und lien. Vor allem am Vorder- und Hinterende des
25.3 Diplura, Doppe/schwänze
761
Malp igh . Gefäße
/ Coxalbläschen 2 gliedr. Abdominal extremität (Cf)
o
E
Abb. 25·4: Diplura. A Bauplan eines Weibchens von Campodea, B Erstes und zweites Abdominalsegment von Tricampa spec. (Campodoidea), Cb: Coxalbläschen, Cf: Coxalfortsatz, St: Stylus, C erstes Abdominalsegment von Heterojapyx (Japygoidea), D Mit Sekret an der Wand befestigter Eiballen von Protojapyx sp., E- G Cerci der Dipluren Parajapyx priesneri mit basal gelegenen Poren eines Drüsenfeldes (Japygoidea, E), Diplojapyx humberti (Japygoidea, F) und Symphylurinus sp. (Projapygoidea, G); H Habitus von Campodea staphylinus (Campodoidea); I Japygidae greifteinen Vertreter derGattung Campodea an, J die Beute wird anschließend mit den Cerci gepackt, zum Mund geführt und verzehrt. (A nach Weber & Weidner 1974, B, C, G nach Wallace und Mackerras 1970, D nach Paclt 1956, E, F nach Palissa 1964, H-J nach Kaestner 1973).
Körpers finden sich zahlreiche Mechanorezeptoren. Trotz fehlender Augen weist das Protocerebrum Globuli auf Der gerade Darm kann 6-16 papillenförmige Malpighische Gefäße aufweisen, die bisweilen auch fehlen. Die Labialdrüsen werden als Exkretionsorgane angesprochen . Das Herz besitzt im Abdomen 9 intersegmentale Ostienpaare, die Aorta reicht bis in den Kopf (Abb. 25-4 A).
Das Tracheensystem weist am Thorax 3 oder 4 Stigmenpaare auf Das Abdomen der Japygidae besitzt mehrere, das der Campodeidae keine Stigmen. Bei der Gattung Japyx treten einfache thorakale und abdominale Längsverbindungen und mindestens eine Queranastomose auf Die Japygiden sind eher als thermophile Trockenlufttiere einzustufen, während für die Vertreter der Gattung Campodea mit ihrem für Wasser permeablen
762
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Integument die Hautatmung von größerer Bedeutung ist. Die postembryonale Entwicklung der Diplura ist, im Gegensat z zu jener der Protura, dadurch gekennzeichnet , dass die volle Segmentzahl des Abdomens (lO + Telson) bereits in der Embryonalzeit erreicht wird. Daher erfolgen nur geringe gestaltliehe Veränderungen während der Postembryonalentwicklung. Beispielsweise erhöht sich die Zahl der Antennenglieder bei einigen Gruppen. Interessanterweise wird Campodea bereits nach 8 Wochen und nach der 8.-11. Häutung geschlechtsreif und häutet sich, ebenso wie Japyx, auch noch nach der Eiablage. Insgesamt kommt es zu etwa 30 Häutungen. Die Exuvien werden nach erfolgter Häutung aufgefressen. Vertreter der Gattung Campodea können sich 15 mal pro Jahr häuten und eine Gesamtlebensdauer von drei Jahren erreichen . Verlorene Körperanhänge werden regeneriert, teilweise kommt eine Autotomie der Cerci vor. Dipluren legen im Substrat Gänge und Wohnröhren an und zeigen häufig thigmotaktisches, manchmal auch Territorialverhalten. Ökologie und vor allem Physiologie der Diplura sind bislang weitgehend unbekannt. Literatur Dunger, W. (1983): Tiere im Boden. Die Neue BrehmBücherei. Bd. 327, 2. Aufl., Ziemsen, Wittenberg Dunger, W. (2003): 3. Ordnung Diplura, Doppelschwänze, 87-96, in: Dathe, H. H. (Hrsg .): Kaestn er Lehrbuch der Speziellen Zoologie 1/5, Bd.. I: Wirbellose Tiere. Teil 5: Insecta (2. Aufl.). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Eisenbeis, G., Wichard, W. (1985): Atlas zur Biologie der Bodenarthropoden. Gu stav Fischer, Stuttgart Naumann, 1.D. (1994): Systematic and applied Entornology. Melbourne Univ. Press, Melbourne Wallace, M. M. H., Mackerras, I. M. (1970): The entognathous hcxapods. In: The insects of Australia (CSIRO) . Melbourne Univ. Press. 205-216
25.4 Archaeognatha, Microcoryphia, Felsenspringer Die Ordnung der Archaeognatha umfasst weltweit etwa 500 Arten (Mitteleuropa: 15 Arten , Deutschland : 8 Arten) mit dorsal gewölbtem Körper aus zwei Familien (Farn. Meinertellidae: Antenne, Beine, abdominale Styli nicht beschuppt, Sternite klein; Farn. Machilidae: Antennen, Beine, Styli beschuppt, Sternite größer) sowie einer ausgestorbenen Familie (Triassomachiloidea). Mit Kom-
plexaugen und monocondylen Mandibeln (Abb. 25-5 B) versehene Vertreter sind bereits fossil aus dem Devon nachgewiesen, falls die wenigen Bruchstücke diese taxonomische Einordnung zulassen. Die Archaeognatha gelten als die ursprünglichsten Vertreter aller Ectognatha (s. Abb. 24-7). Letztere werden bisweilen als Insekten (im engeren Sinne) bezeichnet und den Entognatha gegenübergestellt. Felsenspringer bevorzugen steinige, nicht zu trockene Örtli chkeiten und finden sich demgemäß unter Steinen, an Mauern, im Moo s oder unter Rinde, wo die oft kryptisch gefärbten Feuchtlufttiere Algenbeläge oder Flechtenüberzüge abweiden, oder verpilztes Blattmaterial aufnehmen. Manche Arten sind halophil oder finden sich selbst in größeren Höhen. Auf Reizungen reagieren die Tiere durch Wegrennen oder Wegspringen (oft mehr als 10 cm). Verlorene Extremitäten können im Verlauf mehrerer Häutungen regeneriert werden. Die Oberfläche der Tiere ist mit unterschiedlich strukturierten Borsten bedeckt. Außerd em finden sich auf der Körperoberfläche unterschiedlich gefärbte, meist rundliche Schuppen (Abb.25-5 G). Das Schuppenkleid ist unmittelbar nach der Häutung vollständig ausgebildet. Die Schuppen stellen gleichzeitig immer auch Mechanorezeptoren dar. Vertreter der Archaeognatha besitzen zwei Cerci sowie ein Terminalfilament (Abb. 25-5 C, 0). Die Arch aeognatha wurden früher mit den Zygentoma als Thysanura (Borstenschwänze) zusammengefasst. Felsenspringer sind primär flügellose Insekten mit runden, hochgewölbten Thorakalsegmenten (Abb. 25-5A) und seitlich verlängerten Paranota. Sie besitzen einen hypognathen Kopf mit großen, dorsal zusammenstoßenden Facettenaugen und insgesamt drei Ocellen. Die Lage, Form und Größe der zwei Lateralocellen ist für die Taxonomie der Felsenspringer bedeutsam. Ihre Ommatidien mit den großen Kristallkegeln ähneln den Pterygota mehr als denen der Collembola. Die monocondyle Mandibel ist durch eine weit getrennte Molar- und Zahnregion gekennzeichnet (Abb. 25-5 B). Die Maxillen weisen lange, ventrad eingekrümmte, siebengliedrige Palpen (höchste Gliederzahl innerhalb der Insekten) mit ventrad parallel zueinander ausgerichteten Basalgliedern auf Die Labialpalpen sind dreigliedrig . Die primär als Tastorgan fungierenden Geißelantennen (max. 250 Glieder) liegen bei ruhenden Exemplaren meist seitlich, dicht am Körpe r (Abb. 25-5 A,C,D). Der flügellose Thorax ist durch Coxen der Mittel- und Hinterbeine gekennzeichnet, welche oft mit zum Teil langen Styli versehen sind (Abb. 25-5 A). Die Tarsen sind zwei- bis dreigliedrig , wobei das I . Tarsenglied meist relativ kurz ist (Abb. 25-5 A). Es sind immer 2 Klauen vorhanden. Bei der
25.4 Archaeognatha, Microcoryphia, Felsenspringer
c
763
D
Abb. 25-5: Archaeognatha. A Bauplan eines Felsenspringers (Machilis-Weibchen) in Seitenansicht (Genitalanhänge der rechten Seite auseinander gelegt). B Mandibel von Nesomachilis australiws. C Männchen von Allomachilis froggatti (Dorsalansicht). D Weibchen von Nesomachilis australiws (Ventralansicht, mit ausgestülpten Vesikeln, Schuppen nicht eingezeichnet). E Paarungsstellung und indirekte Spermaübertragung (Faden mitdrei Spermatröpfchen) bei Machilis germanica (unten: Männchen, oben rechts: Weibchen). F Hälfte eines Abdominalsegmentes von Petrobius sp. mit Stylus und zwei Coxalbläschen. G Schuppe der Gattung Machilis. (A nach Weber und Weidner 1974, B-D nach Watson 1970, E, Fverändert nach Sturm, G nach Handschin 1940)
Autotomie bricht das Bein an einer präformierten Stelle, die zwischen dem Trochanter und dem Femur liegt. Die Abdominalsternite 2-9 sind jeweils mit einem Paar Styli versehen (Abb. 25-5 A). Pro Abdominalsegment finden sich jeweils 1-2 Paar aus-
stülpbare, der Feuchtigkeitsaufnahme dienende Coxalbläschen (Abb. 25-5 A, D, F) . Das am 11. Abdominalsegment inserierende Terminalfilum ist länger als die Cerci (Abb. 25-5 C, D) . Die Ovipositoren der Weibchen bestehen aus jeweils 4 Gonapophysen, das obere Paar jeweils durch ein Nut-
764
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
und Federsy stem mit dem ande ren verbunden . Sie sind am Ende mit Sinnesborsten und ggf. mit Grabklauen versehen (Abb. 2-29). Männchen besitzen ein Penisrohr sowie kurze, gegliederte Go nopoden . Letztere sind zum Teil ungegliedert oder fehlen ganz. Das panoistische Ovar ist jederseits mit sieben (manchmal weniger), segmental angelegten Ovariolen (Abb. 13-1; 25-5 A) versehen . Hoden weisen drei bis vier Hodenlappen und ein gewundenes vas deferens auf. Das Strickleiternervensystem besitzt drei Thorakal- und acht Abdominalganglien. Der Darm ist wenig differenziert und mit 6 Blindsäcken sowie 12-20 Malpighischen Gefäßen (Abb. 25-5 A) versehen. Das lange Rückengefäß weist 9-11 Ostienpaare auf (z. T. auch unpaare Ostien vorhanden). Zumeist fehlen inter- bzw. intrasegmentale Anastomosen im Tracheensystem (Ausnahme Gattungen Dilta, Petrobius). Es sind zwei thorakale und sieben abdominale Stigmenpaare vorhanden (1. Abdominalsegment ohne Stigmen; Abb. 6-1 A). Fortpflanzungsbiologie: Teilweise kommt parthenogenetische Fortptlanzung vor. Es sind ganz unterschiedliche Variationen des Spermientransfers verwirklicht. Einerseits werden gestielte Spermatophoren auf dem Boden bzw. auf Fäden abgesetzt (Abb. 25-5 E). An schließend werden die Weibchen dazu gedrängt, bzw. in die erforderliche Position gebracht, um diese Spermien aufzunehmen (indirekte Spermaübertragung). Andererseits ist auch eine Übertragung der Spermien mithilfe des verlängerten Penis an die Basis des Ovipositors möglich. Die an diversen Obertlächen abgelegten, zuerst hellen, dann dunkel gefärbten Eier werden teilweise mit Detritus maskiert. Die wenige Stunden nach der Eiablage beobachtete Totalfurchung geht , wie bei Collembolen, in eine superfizielle Furchung über. Die Jungtiere sind im I. und 2. Stadium unbeschuppt, das Terminalfilum ist im Vergleich zu den Cerci stark entwickelt. Die Geschlechtsreife ist nach 9-10 Häutungen erreicht. Auch nach Erreichen der Geschlechtsreife erfolgen 15-20 Häutungen pro Jahr. Die gesamte Lebensdauer beträgt ca. 6 Monate bis drei Jahre .
Literatur Handschin, E. (1940) : Thysanura. Borstenschwänze. In: Schulze, P. (Hrsg.): Biologie der Tiere Deutschlands. Borntraeger, Berlin. 25.67-25.99 Larink, O. (1998): Aspekte der speziellen Zoologie von Archaeognatha und Zygentoma. Abh. Ber. Naturkundemuseum, Görlitz Mendes, L. F. (2002): Taxonomy of Zygentoma and Microcoryphia: historical overview, present status and goals for the new millennium. Pedobiologia 46: 225-233
Sturm, H. (2001): Verzeichnis der Felsenspringer (Archaeognatha (= Microcoryphia) Deutschlands. EntomofaunaGermanica 5: 3-6 Sturm, H., Machida, R. (2001) : Archaeognatha, Handbuch der Biologie, Bd. 37/IV, 213 S., de Gruyter, Berlin Watson, 1.A. L. (1970): Apterygota. In: The insects of Australia. (CSIRO), Melbourne Univ. Press. 217-223 Wygodzinsky, P. (1987): Order Microcoryphia. In: Stehr, F. W. (ed.): Immature insects. Kendall/Hunt, Dubuque. 68-70
25.5 Zygentoma, Fischchen Die Ordnung Zygentoma umfasst weltweit über 500 eher abgetlachte Arten in fünf Familien (Lepismatidae, Nicoletiidae, Ateluridae, Maindroniidae, Lepidothrichidae). Drei Vertreter sind als Dauergäste für Deutschland nachgewiesen. Die bereits im Karbon und Perm existierenden Vertreter der Monura stehen möglicherweise den Archaeognatha näher als den Zygentoma. Sichere Zygentoma sind seit der Unteren Kreide nachgewiesen. Die feuchteliebenden Silberfischchen sind Hausbewohner, kommen in Mitteleuropa selten auch im Freien unte r Steinen und Rinde sowie an xerophilen Standorten vor. Auch myrmekophile, termitophile und troglobionte Arten sind bekannt. Einige Lepismatidenarten aus den Gattungen Lepisma, Thermobia und Acrotelsa stellen wie Schaben bedeutende Hausschädlinge, vor allem in den Tropen und Subtropen, dar, denn sie benagen und fressen Papie r, Leim, Kleider, Nahrungsmittel oder nehmen Ptlanzenmaterial auf. Vertreter der Zygentoma, die sich ursprünglich von Algen, Pilzen und Detritus ernährten, können Cellulose mittels selbstproduzierter Cellulasen verdauen, bei den myrmekophilen Arten ist eine Beteiligung am sozialen Futterfluss der Ameisen nachgewiesen. Bei einigen Arten wurde eine Wasseraufnahme aus der Luft über den Analsack beobachtet. Eine Regeneration abgefallener Extremitäten ist im Verlauf mehrerer Häutungen möglich . Die Obertläche der Tiere ist mit einfachen, nackten, gefiederten oder gekämmten Borsten bedeckt (Abb. 25-6 DF) . Fiederborsten treten stets an exponierten Körperregionen auf (z. B. Kopf, Hinterränder der Segmente) und fallen leicht aus, bzw. können bei Bedarf gesträubt werden (Abb. 25-6 J). Dies spricht dafür, dass solche Borstenbüschel der mechani schen Abwehr dienen . Außerdem finden sich auf der Körperobertläche vieler Arten unterschiedlich gefärbte und skulpturierte, runde oder ovale Schuppen (Abb. 25-6 o-n. Das für die Bestimmung der Tiere wichtige Schuppenkleid ist unmittelbar nach einer Häutung vollständig aus-
25.5 Zygentoma, Fischchen
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E F
11
IV
Abb. 25-6: Zygentoma. A, B Silberfischchen Acrotelsella devriesiana (Lepismatidae), Dorsalansicht Männchen (A), Ventralansicht Weibchen (B). CMandibel von Ctenolepisma sp. 0·' Schuppen und Borstenformen der Zygentoma: 0, I Lepisma sp., E, F Silvestrella sp., G Acroltelsa sp., H Ctenolepisma sp. J Fiederborsten aus den Borstenkämmen des 6. Abdominalsegments bei verschiedenen Entwicklungsstadien (von links nach rechts: I, 11, 111, IV) von Thermobia domestica. (A-C nach Watson 1970, D-I nach Handschin 1940, J nach Larink 1998)
gebildet. Die Schuppen stellen gleichzeitig immer auch Mechanorezeptoren dar. Die Zygentoma besitzen zwei Cerci sowie ein Terminalfilament (Abb. 25-6 A, B). Zygentoma
wurden früher mit den Archaeognatha als Thysanura zusammengefasst. Es handelt sich um primär flügellose Insekten mit eher flachem, nicht gebogenem Körper und dicondylen Mandibeln
766
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
(s. Abb. 24-7). Die Thorakalbeine sind ohne Styli, am Abdomen fehlen Coxalsäckchen. Der eher pro- bzw. hypognathe Kopf besitzt kleine, dorsal getrennte Facettenaugen (Ommatidien mit kleinen Kristall kegeln) , die manchmal auch fehlen können. Die dicondyle Mandibel weist zumeist keine getrennte Zahn- und Molarregion auf (Abb. 25-6 C; Ausnahme: Lepidothrichidae). Die MaxilIen verfügen über kurze, nicht nach vorne gerichtete, fünfgliedrige Palpen, die Labialpalpen sind höchstens dreigliedrig (Abb. 25-6 A, B). Das zweite Antennenglied der Geißelantennen der M ännchen weist bei manchen Spezies spezielle Anhänge auf Die Coxen der Beine am Thorax sind immer ohne Styli . Die Tarsen sind zwei- bis fünfgliedrig, das I . Tarsenglied bleibt meist relativ lang (Abb. 25-6 A, B). Es sind 2 Klauen vorhanden . Den Abdominalsegmenten 1-6 fehlen die Styli in der Regel (Ausnahme: Nicoletiidae), hingegen weisen die Prägenital- und Genitalsegmente meist Styli auf (Abb. 25-6 B). Pro Abdominalsegmente 2-9 finden sich höchstens 1 Paar Coxalbläschen, welche manchmal fehlen können. Die vierteiligen Ovipositoren sind lang und beweglich (Abb. 25-6 B). M ännchen weisen kurze, gegliederte Gonopoden und ein Penisrohr a uf. Das panoistische Ovar besitzt jederseits 5-7 Ovariolen, die Hoden sind mit 2-7 Hodenfollikeln versehen . Das Strickleiternervensystem der Zygen toma ist mit drei Thorakal- und acht Abdominalganglien versehen. Der Darm weist häufig einen Kaumagen und 2-8 Malpighische Gefäße auf Im Kopfbereich münden ein Paar Labialnieren und zwei Paar Speicheldrüsen. Das lange Rückengeräß verfügt über 9-11 Ostienpaare. Im Tracheensystem der Zygentoma finden sich Längs- und Querverbindungen. An Thorax und Abdomen kommen zumeist 10 Stigmenpaare vor. In den Paranotallappen deuten sich leicht Flügeltracheen an. Fortpflanzungsbiologie: Im Verlauf eines Paarungstanzes werden vom Männchen Spermatophoren auf einem zuvor angefertigten Gespinst vor einem Weibchen abgesetzt, welches diese mit den Valvulae ihres Ovipositors aufnimmt und speziell die Spermien in die Spermatheca überführt. Die Eier werden in Hohlräume deponiert. Bei den Zygentoma geht die frühe Totalfurchung verloren und es findet sich die für Pterygota typische superfizielle Furchung. Die Jungtiere sind im I. und 2. Stadium unbeschuppt, das Terminalfilum ist im Vergleich zu den Cerci stark entwickelt. Die Ge schlechtsreife ist nach 9-10 Häutungen erreicht. Auch nach Erreichen der Geschlechtsreife erfolgen 15-20 Häutungen pro Jahr. Die frisch gehäuteten Geschlechtstiere müssen immer wieder besamt werden, da die Spermatheka mit den gespeicherten
Spermien mitgehäutet wird. Vereinzelt auch Parthenogenese vor (z. B. Nicolet ia). samte Lebensdauer eines Vertreters der toma beträgt 4-5 Jahre, im Extremfall bis (Ctenolepisma).
kommt Die geZygen8 Jahre
Literatur Handschin, E. (1940): Thysanura. Borstenschwänze. In: Schulze, P. (Hrsg.): Biologie der Tiere Deutschlands. Borntraeger, Berlin. 25.67-25 .99 Larink, O. (1997): Aspekte der speziellen Zoologie von Archaeognatha und Zygentoma. Abh. Ber, Naturkundemuseum, Görlitz 69: 119-134 Mendes, L. F. (2002): Taxonomy of Zygentomaand Microcoryphia: historical overview, present status and goals for the new millennium. Pedobiologia 46: 225-233 Sturm, H. (1956): Die Paarung beim Silberfischchen Lepisma saccharina. Zeitschr. f. Tierpsychologie 13: 1-12 Sturm, H. (1998): Erstnachweis fischchenartiger Insekten (Zygentoma, Insecta) für das Mesozoikum (Untere Kreide, Brasilien). Senckenbergiana lethaea 78: 135-140 Sturm, H. (2001): Verzeichnis der Silberfischchenartigen (Zygentoma) Deutschlands. Entomofauna Germanica 5: 7-8 Watson, 1.A. L. (1970): Apterygota. In: The insects of Austra1ia. (CSIRO), Melbourne Univ. press. 217-223 Wygodzinsky, P. (1987): Order Microcoryphia. In: Stehr, F. E. (ed.): Immature insects. Kendall/Hunt, Dubuque. 68-70
25.6 Ephemeroptera, Eintagsfliegen Es gibt etwa 2000 Arten, darunter 75 einheimische. Eintagsfliegen kommen in fast allen Erdteilen vor; ihr Verbreitungsgebiet reicht von arktischen Gebieten bis Süd afrika, Neuseeland und Feuerland . In der Antarktis fehlen sie. Der Verbreitungsschwerpunkt der Eintagsfliegen liegt in den gebirgigen Bereichen der gemäßigten Zonen. Die Larven leben nur im Süßwasser, die Im agines in der Nähe der Brutgewässer. Die Ephemeroptera werden an den Anfang der Pterygota gestellt (s. Abb. 24-7), weil bei ihnen noch eine Reihe ursprünglicher Merkmale erhalten sind : Die bereits im Perm vorhandenen Formen hatten gleichgroße Flügel. Bei den heutigen Arten sind die Hinterflügel nur halb so groß wie die Vorderflügel; sie können reduziert sein wie bei Baetis und Centroptilum, oder sie fehlen sogar gänzlich wie bei Cloeon und Caenis. Die Flügel
25.6 Ephemeroptera. Eintagsfliegen weisen eine starke, netzförmige Aderung auf. In der Ruhe werden die Flügel aufrecht zusammengelegt getragen. Sie könn en nicht flach auf den Hint erleib gelegt werden, weil die stä rkste Längsader, der Radiu s, ohne Gelenk in das Pterale übergeht. Neben den vielfach mehr als körperlangen, gegliedert en Cerci ist oft noch ein unpaares, medianes Terminalfilum vorhanden. Beide können die Flug steuerung unt erstützen und als Schwebefortsätze dienen. Nerven-, Tracheen- und Blutgefäßsystem sind noch weitgehend segmental gegliedert. Die ersten 8 Abdominalsegmente besitzen im Allgemeinen Stigmenpa are und Ganglien, da s Rückengefäß hat in den ersten 9 Abdom inalsegmenten Ostien. Urtümlich erscheinen auch die kammförmig gebauten Ovarien und Hoden sowie die paarige Mündung der Geschlechtsorgane. Bemerkenswert ist ferner, das s aus der letzten Larve zunächst eine geflügelte Subimago schlüpft, die sich kur z dar auf zu einer Imago häutet; einmalig unter den Insekten ist, dass sich hier ein geflügeltes Stadium noch einmal häutet. Merkmale der Imagines: Am Kopf fallen vor allem bei den Männch en die großen Komplexaugen auf. Bei den Männ chen mancher Gattungen, beispielsweise C1oeon und Baet is, könn en diese in einen größeren do rsalen - als Superpositionsauge - und einen kleineren ventralen - als Appositionsauge - mit großem Gesichtsfeld fungierenden Teil aufgegliedert sein (Abb. 25-7 B). Außerdem sind relativ große Ocellen vorhanden. Die Antennen sind kurz und pfriemenförmig . Die Mundwerkzeuge sind verkümmert und zur Nahrungsaufnahme ungeeignet. Der dünnwandig e Mitteldarm wird mit Luft gefüllt. Vorder- und Endd arm sind wie üblich mit Muskulatur und Cuticula versehen. In den Enddarm münden 40-100 Malpighische Gefäße. Die Eintagsfliegen sind unauffällige, gelblich oder graubraun gefärbte, kleine bis mittelgroße Insekten mit dünner Cuti cula. Sie sind schlechte Flieger. Bei den Weibchen mancher Arten sind alle Beine zu Stümpfen reduziert und beim Männ chen sind oft nur noch die Vorderbeine als Klamme rbeine ausgebildet. Die Imagines leben, da sie keine Nahrung aufnehmen, nur wenige Stund en bis einen Tag, bei kühlem Wetter, wenn die Kopulation verhindert ist, allenfalls ein paar Tage. Daher geiten die Eintagsfliegen in Kunst und Poesie als Sinnbild der Vergänglichkeit. Der Name Ephemera wird vom griechischen ephemeros, einen Tag lebend , abgeleitet und wurde scho n von Aristoteles erwähnt. Die Eintagsfliegen einer Art schlüpfen im Allgemeinen an einem Gewässer gleichzeitig. Die Auslöser für da s Massenschlüpfen sind bisher noch unbekannt. Es sichert wahrscheinlich bei den kurzlebigen Tieren die Begattung. In Mitteleuropa
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variiert die Schlüpfzeit von Art zu Art. Sie kann zwischen März und Okt ober liegen; die meisten Arten schlüpfen von Mai-August. Die Männ chen führen meist in der Abenddämm erun g eigenartige Balztlüge aus. Über der Ufervegetation fliegen sie immer wieder bis in eine bestimmte Höhe und lassen sich dann langsam sinken, wobei die abgespreizten Cerci und das Terminalfilament als Schwebefortsätze dienen. Die Weibchen fliegen in die Männ chenschwärme ein, werden von je einem Männ chen mit den langen Vord erbeinen von unt en ergriffen und meistens schon während des Absinkens in der Luft begattet. Bei C1oeon dipterum und anderen Art en kann die Kopulation bis zu 10 Minuten dauern. Bisweilenkann bereits die Subimag o begattet werden . Bei manchen Arten kommt Parthenogenese vor. Die Eiablage erfolgt vorwiegend nachts . Bei ovipa ren Arten können bis zu 8000 Eier abgelegt werden. Ovovivipare Arten, wie Cloeon dipterum, erzeugen nur einige hunde rt Nachkommen. Weibchen der Gattung Baetis tau chen ins Wasser und legen die Eier an Wasserpflanzen ab. Bei Arten, deren Larven sich in stehenden Gewässern entwickeln, können die Eier ballenweise im Fluge über dem Wasser abgeworfen werden. Die Eier (Abb. 25-7 F) von Arten, deren Lar ven in Fließgewässern leben, besitzen einen klebrigen Überzug oder sind mit Haftfäden versehen (Abb. 25-7), wie das in analoger Weise auch bei den in ähnlichen Gewässern lebenden Fischen der Fall ist. Bei den in Fließgewässern lebenden Larven kommt es während ihres relativ langen Lebens zwangsläufig zu einer mehr oder weniger starken Verdriftung flussabwärts . Dies wird durch den sog. Kompensationstlug wettgemacht, bei dem die Weibchen zur Eiablage teilweise kilometerweit flussaufwärt s fliegen. Während dieser Wanderung können sie von Beleuchtungseinrichtungen an Brücken, Straßen und Häusern angelockt werden. Lassen sie sich nieder, so können sie wegen der schwachen Beine und des Gewichts der Eimassen nicht wieder sta rten und gehen bisweilen in ungeheuren Massen zugrunde. Massenvorkommen von Eintagsfliegen waren noch bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts ein bekanntes Phänomen an den großen Flüssen Mitteleuropas. Massenflüge an wenigen Abenden im Hochsommer, die an Schneegestöber erinnern, kommen nur noch selten vor und werden in Unkenntnis der natürlichen Zusammenhänge als Kat astrophe oder Belästigung empfunden. An bestimmt en Stellen des Ma ins und der Naab wurd en noch Massenflüge von Ephoron virgo und an der Naab und Rot von Oligoneuriella rhenana beoba chtet. Das erste Larvenstadium, die Lar vula, hat im Gegensatz zu den folgenden Stad ien noch keine
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Ovar Subgenita lplatte Penis
A
Cercus Terminalfilament
c Cerc:G.
Term!naltilamenl
F
Abb. 25-7: Ephemeroptera. A Imago, Weibchen, B Kopf eines Männchensvon Cloeon dipterum mitzweigeteiltemKomplexauge: dem dorsalen Komplexauge (Turbanauge), einem Superpositionsauge, und dem lateralen Komplexauge, einem Appositionsauge. CHinterende eines Männchens mit paarigem Penis in Ventralansicht. D Larve von Ecdyonurus forcipula, die in schnell fließenden Bächen lebt. E Larve von Palingenia longicauda, die mit den schaufelartigen Mandibeln und Vorderbeinen im schlammigen Boden langsam fließender oder stehender Gewässer nach Nahrung wühlt. FEier ohne oder mitGallerte oder mitHaftfäden. (Anach WeberWeidner 1974, B nach Seifert 1970, C nach Weber 1954, D, Enach Schoenemund 1930, Fnach Smith aus Gleiß 1954)
Blattkiemen am Abdomen. Es häutet sich bereits nach einigen Tagen zum nächsten Stadium. Die weitere Entwicklung über 8-30 Häutungen kann im Allgemeinen I Jahr, in kalten und nährstoffarmen Biotopen bis zu 3 Jahre dauern . Die Larven besitzen am Kopf kurze, fadenförmig e Fühler,
große Facettenaugen sowie Ocellen und im Gegensatz zu den Imagines noch voll funktionsfähige Mundwerkzeuge (Abb. 1-8). Die Mandibel der Ephemeropterenlarven weist nach neueren Untersuchungen drei Art ikulationen mit der Kopfkapsel auf (Staniczek, 2000; Abb. 2-8). Die Ausgestaltung
25.7 Odonata, Libellen der Mandibeln hängt von der Nahrung der einzelnen Larven ab. Am Thorax sind Flügelanlagen vorhanden. 10 Abdominalsegmente sind erkennbar, von denen die vorderen 7 im Allgemeinen mit beweglichen, paarigen, blattförmigen oder gefiederten Tracheenkiemen versehen sind . In diese ragen bäumchenförmig verzweigte Tracheen. Die Tracheenkiemen gehen embryonal aus Anlagen abdominaler Extremitäten hervor. Neben den Kiemen kann auch der Enddarm als Atemorgan fungieren, indem Wasser durch Antiperistaltik in den Enddarm eingesogen wird . Die Larven leben nur im Süßwasser, vorwiegend in fließenden, seltener in stehenden Gewässern. Bewohner rasch fließender Bäche und Flüsse sind flach gebaut und klammern sich in Dellen und Spalten von Steinen fest. Einige im Sand- oder Schlamm boden stehender oder langsam fließender Gewässer lebende Arten haben zu Grabschaufeln umgestaltete Vorderbeine und besonders gestaltete Mandibeln, mit denen sie U-förmige Gänge graben können. Die Larven der Ephemeropteren fressen vor allem Diatomeen, Fadenalgen, Pflanzenteile und Kleinkrebse. Vor allem das Abschaben harter Diatomeen von Steinen führt zu einer sehr starken Abnutzung der Mundwerkzeuge (Abb. 1-8). Sie werden bisweilen bis zum basalen Bereich abgewetzt. Eine Erneuerung findet im Zusammenhang mit der nächsten Häutung statt. Autotomie und Regeneration von Extremitäten sind im Überlebenskampf wichtige Fähigkeiten. Die Metamorphoseform bezeichnet man als Prometabolie (s.o.).
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25.7 Odonata, libellen Libellen sind räuberische Vertreter der Palaeoptera, deren Flügel nicht auf das Abdomen zurückgelegt werden können (Abb.25-8 A, B). Sie besitzen einzigartige, sekundäre Geschlechtsorgane, die am 2. und 3. Sternit des Männchens liegen. Libellen stellen meist relativ große Insekten mit gut entwickelten Augen und sehr gutem Flugvermögen dar. Die Flügelspannweiten liegen zwischen 25 und 140 mm, die Abdominallängen betragen zwischen 15 und 85 mm . Die aquatischen campodeiformen Larvenstadien der Libellen sind räuberisch und weisen Sonderstrukturen, wie das vorstreckbare Labium (Fangmaske, Abb. 25-8 I) oder die larvalen, d. h. rektalen Tracheenkiemen auf (Abb. 6-1 F). Die Larven entwickeln sich in Süßgewässern aller Art oder im Brackwasser, manche Libellenlarven finden sich sogar in Phytothelmen und in feuchtem Waldboden. Junglarven fressen Kleintiere im Wasser, größere Larven können sogar Kaulquappen, Würmer oder kleinere Fische aufnehmen. Die eher langlebigen, häufig tagaktiven Imagines sind sonnenliebend und zeigen ein sehr gut ausgeprägtes Flugvermögen. Bei den Männchen wird manchmal Revierverhalten beobachtet, einige Arten zeigen ein gregäres Verhalten. Die Imagines sind im Vergleich zu den getarnten Larven eher metallisch gefärbt oder emailglänzend. Die oft vorhandenen Blautöne sind Strukturfarben und werden durch einen Trübkörper auf dunklem Untergrund hervorgerufen. Zum Teil ist ein physiologischer Farbwechsel nachgewiesen. Weltweit sind mehr als 6700 rezente sowie 600 fossile Arten bekannt (Mitteleuropa: 80 Arten). Die rezenten Arten gehören in die beiden Unterordnungen Zygoptera (Kleinlibellen; etwa 25 Familien; Caloptera, Lestomorpha, Coenagrionomorpha) und Epiproctophora [(2752 Arten; 32 Familien ; Epiophlebiidae, Anisoptera (Großlibellen; mit Petaluridae, Aeshnoptera, Gomphides, Caviolabiata)]. Vertreter der Zygoptera sind als Imagines durch die seitlich vergrößerte Kopfkapsel sowie die gleichartigen, einklappbaren Vorderund Hinterflügel gekennzeichnet (Abb. 25-8 A). Die schlanken Zygopterenlarven atmen über die drei lanzettförmigen Kaudalkiemen (Abb. 25-8 H), selten sind paarige ventrolaterale Abdominalkiemen vorhanden. Innerhalb der Epiproctophora stellen die Epiophlebiidae eine aus 2 Spezies bestehende Reliktgruppe dar (Japan, Himalaja), deren Vertreter sowohl Merkmale der Zygoptera als auch der Anisoptera aufweisen. Die Anisoptera sind als Imagines durch Komplexaugen gekennzeichnet, deren Ommatidien dorsal größer sind (Superpositionsauge) als auf der ventralen Augen-
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
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Epiproct
Abb. 25-8: Odonata. A Zygopteren-Männchen (Lestes, Dorsalansicht). B Anisopteren -Männchen (Aeshna mixta, Dorsalansicht). C, 0 Zunehmende Verkürzung des Labiums (punktiert) bei der schlüpfbereiten Larve (Larvenkopf letztes Stadium von Anax; Ventralansicht). E Imaginales Labium von Anax (Anisoptera; Abkürzungen siehe 1). F, G Baggerschaufelartig ausgebildete Ligula eines Lestes-Männchens dringtindas Receptaculum seminis (Rec. sem) des Weibehensein (F). Sperma des Vorgängerswird ergriffen und entfernt (G); rechts: paarige Ovidukte mit jeweils einem Ei (schwarz). H Zygopteralarve (Calopteryx). I Anisopterenlarve (Seitenansicht, Pm Postmentum, Prm Prämentum, SI Seiteniobus). (A, I verändert nach Weber und Weidner 1974, B, H verändert nach Engelhardt 1989, C, D verändert nach Schmidt 1996, E verändert nach St. Quentin und Beier 1968, F, G verändert nach Sternberg und Buchwald 1999).
hälfte (Appositionsauge). Außerdem sind die Flügel in Ruheposition senkrecht vom Körper abgespreizt (Abb. 25-8 B). Die Großlibellenlarven sind durch Enddarmtracheen charakterisiert (Abb. 6-I
F). Die paläozoischen und mesozoischen Vertreter der Odonata (Meganisoptera, Protanisoptera, Protozygoptera, Archizygoptera , Triadophlebiomorpha) besitzen im Gegensatz zu den rezenten
25.7 Odonata, Libellen
Vertretern noch keine geschlossene Discoidalzelle im Flügelgeäder. Die größten fossilen Arten aus der Gattung Meganeuropsis (Perm, Nordamerika) waren bis zu 37 cm lang und erreichten Flügelspannweiten von bis zu 75 cm. Der Kopf der Imagines ist sehr gut beweglich und mit winzigen, maximal 7-gliedrigen Antennen, zum Farbensehen befähigenden Facettenaugen (pro Auge 10000/Zygoptera bis 30000 Ommatidien/Anisoptera), drei Ocellen und beißendkauenden Mundwerkzeugen versehen (Abb. 25-8 A, B). Das Geruchsvermögen ist bei Libellen weniger gut ausgebildet. Der Thorax ist durch einen kleinen, beweglichen Prothorax und einen größeren, nach oben verlängerten Pterothorax (Mesound Metathorax) gekennzeichnet. Dadurch sind die langen, bedornten Beine der Imagines in der Nähe des Kopfes eingelenkt. Die Beine mit den fast immer dreigliedrigen Tarsen repräsentieren vor allem Klammerapparate und dienen dem Ergreifen der Beute (Fangkorb). In der komplexen Aderung der starren Flügel mit maximal bis zu 3000 Flügelzellen pro Flügel fällt ein deutlicher, dunkler Fleck, das Pterostigma, am Vorderrand des Flügels auf (Abb. 25-8 A, B). Die nicht faltbaren Flügel sind in der Regel durchsichtig, in manchen Fällen dichter pigmentiert. Typisch für Libellen ist das alternierende Schwingen beider Flügelpaare und das Vorhandensein direkter Flugmuskeln, welche direkt an der Flügelbasis angreifen. Das lang gestreckte, abgeplattete oder runde Abdomen besteht aus 10 Segmenten, wobei das Endsegment charakteristische Fortsätze trägt (Epiproct, Paraproct, Cerci; Abb. 25-8 A, B). Die stark sklerotisierten, umgebogenen Tergite sind relativ großflächig im Vergleich zu den schmalen Sterniten . Die Larven der Anisoptera besitzen sehr umfangreiche innere Rektalkiemen (s. Kap. 7) und rektale Chloridepithelien. Hingegen sind die Larven der Zygoptera mit Kaudalkiemen versehen (Abb.25-8 H) . Die Fortbewegung bei Anisopterenlarven erfolgt vor allem durch Ausstoßen eines Wasserstrahis aus der Analöffnung. Dieses Wasser war zuvor zur Aufnahme von Sauerstoff in den Enddarm aufgenommen worden . Auch bei Zygopterenlarven kann Rektalventilation beobachtet werden, diese dient jedoch allein der Osmoregulation . Einige neotropische Zygopteren sind durch blattförmige Tracheenkiemen an den Abdominalsegmenten 2-8 gekennzeichnet. Dem Darm der Imagines fehlt im Gegensatz zum Darm der Larve ein Kaumagen. Der imaginale Darm weist zahlreiche (zwischen 50-208) Malpighische Gefäße auf, die Speicheldrüsen sind klein. Das Rektum ist bei Larven mit drei, bei den Imagines mit sechs Papillen ausgestattet. Am Rückengefaß finden sich große Rückendivertikel und 8 Paar Ostien . Das Tracheensystem ist mit drei
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Paaren von Längsstämmen sowie zwei thorakalen und acht abdominalen Stigmenpaaren sowie großen Luftsäcken versehen. Die Hoden besitzen zahlreiche, rundliche Follikel, die Ovarien bestehen aus zahlreichen panoistischen Ovariolen . Fortpßanzungsbiologie: Vor der Kopula depo niert das Männchen die zu Spermienbündeln vereinigten Spermien aus seiner am Ende des Hinterleibs, d. h. am 9. Abdominalsegment befindlichen Geschlechtsöffnung in der sekundären, am 2. Abdominalsegment gelegenen Geschlechtsöffnung (Unterscheidung der Geschlechter!). Bei den Weibchen liegt die Geschlechtsöffnung hinter dem 8. Sternum . Bei der Kopula wird das Weibchen vom Männchen mithilfe zangenartiger, am Ende des Hinterleibs befindlicher Fortsätze (Appendices) in charakteristischer Weise ergriffen, bei den Zygoptera in der Prothorakalregion, bei den Anisoptera am Kopf (Abb, 13-35 A). Häufig folgt ein Umherfliegen in der so genannten Tandemposition (s. Abb. 13-35 G). Hierzu biegt das Weibchen seine Hinterleibsspitze zum sekundären Kopulationsapparat des Männchens am 2.13 . Sternit und entnimmt dort Spermien. Männchen mancher Arten sind hierbei in der Lage, mith ilfe ihres "sekundären Penis" Spermien aus früheren Paarungen aus dem Receptaculum des Weibchens zu entfernen (s. 13.4.3.4). Die Eiablage erfolgt unter Wasser, wobei die Eier langsam absinken können oder an Wasserpflanzen befestigt werden (Abb. 13-39 A). Hingegen weisen die Weibchen der Aeshnidae und Zygoptera teils säbelförmige Ovipositoren (Gonapophysen der Segmente 8-9) auf, welche eine endophytische Eiablage oberhalb und unterhalb der Wasseroberfläche in oft artspezifisch typischen Eiablagemustern ermöglichen . Die ursprünglich helleren, später rötlich verfärbten Eier sind von einem festen Chorion, bei manchen Arten zusätzlich von Gallerte umgeben. Libellenlarven sind meist gut getarnt, und können als Lauerj äger bezeichnet werden. Sie sind mit 10 Abdominalsegmenten und mehreren terminalen Fortsätzen (Epi- und Paraproct, Cerci) im Bereich der Analpyramide versehen (Abb. 25-8 H, I) und häuten sich etwa 10-15 mal, wobei sich die Flügelanlagen mit jeder Häutung vergrößern . Die Larvenzeit beträgt I bis mehrere Jahre. Die kurzlebigen, maden artigen Junglarven (Prolarven) besitzen einen auf der Stirn befindlichen, gesägten Eizahn . Die primitive Spezies Epiophlebia superstes (Epiophlebiidae) aus Japan zeichnet sich durch larvale Stridulationsorgane, eine lange Larvenphase (8 Jahre) und 14 Larvenstadien aus. Die Kaudalanhänge sind bei den Larven der Kleinlibellen zu blattförmigen Tracheenkiemen entwickelt, welche zum Teil bei Reizung abgeworfen werden können. Die larvalen Stigmen sind verschlossen, allerdings wird das mesothorakale Stig-
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
menpaar schon vor der Imaginalhäutung geöffnet , wenn die Larven mit ihrem Vorderkörper aus dem Wasser steigen . Libellenlarven besitzen gut entwickelte Facettenaugen und fadenförmige Antennen . Die mit spitzen Zangen versehene, vorschleuderbare Fangmaske dieser Lauerjäger existiert als Zangentyp (Aeshnidae, Abb. 25-8 I) sowie als Löffelmaske (s. Abb. 16-8). Beispielsweise besteht die Löffelm aske der Libellulidae aus Postmentum, Prämentum und Seitenloben. Die schlüpfreifen Larven verlassen das Gewässer über aus der Wasserobertläche ragende Strukturen, wie Hölzer, Blätter etc . Anschließend reißt die Larvenhaut zwischen den Flügelscheiden auf und die noch weiche Imago befreit sich aus der Exuvie. Bei der schlüpfbereiten Larve verkürzt sich das Labium (Abb. 25-8 C, D), welches bei den Imagines als maskenartiges Gebilde erhalten bleibt (Abb. 28-8 E).
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25.8 Plecoptera, Steinfliegen Es handelt sich um eine relativ kleine Ordnung von 3 bis 50 mm langen Fließwasserinsekten, die einen weichen Körper mit zwei Flügelpaaren a ufweisen (maximale Flügelspanne 112 mm) , aber selten tlügellos sind . Zahlreiche Steintliegenarten besitzen lange, fadenförmige Fühler und einen breiten Analteil in den Hintertlügeln (Abb . 25-9 A). Die oft braun, grünlich bzw. gelblich gefärbten Imagines besitzen zum Teil noch rudimentäre larvale Tracheenkiemen. Die aquatischen Larvenstadien (Abb. 25-9 C) verfügen meist über thorakale Tracheenkiemen und kommen häufig in sauerstoffreichen. kühlen Gewässern mit steinigem Untergrund vor. Bei wenigen Arten sind die Larven durch eine terrestrische Lebensweise gekennzeichnet, falls eine erhöhte Luftfeuchte vorhanden ist. Die Larven mancher Arten können durch windende Körperbewegungen aktiv schwimmen und auf diese Weise karnivoren Insektenlarven (Odonata, Dytiscidae) entweichen. Andere Larven aus der Familie der Taeniopterygidae zeigen bei Gefahr eine charakteristische Schutzhaltung (Abb. 25-9 D) . Die Larven stellen eine wichtige Nahrung vieler Süßwasserfische dar. Steintliegenlarven repräsentieren wichtige Bioindikatoren bei der Beurteilung der Gewässergüte. Die meist ungewandt tliegenden Adulti ähneln Vertretern der Embioptera, besitzen im Gegensatz zu den Embien jedoch Ocelli und sind durch eine abweichende, netzartige Flügeladerung und Struktur der Mundwerkzeuge gekennzeichnet (Abb . 25-9 A, B). Steintliegen entwickeln sich vor allem in Fließgewässern oder auch in kühlen stehenden Gewässern vorzugsweise höherer Lagen. Es handelt sich um nicht besonders geschickte Flieger, die bei Gefahr häufig wegrennen . Je nach Höhenlage und Spezies zeigen viele Steintliegenarten eine typische Phänologie, wobei viele Imagines in den Wintermonaten erscheinen. Die au sgewachsenen Stadien sind weichhäutig, austrocknungsempfindlich und oft unter Blättern ode r Rinde in Gewässernähe anzutreffen. Sie sind im Gegensatz zu den Larven kurzlebig und nehmen keine Nahrung auf oder ernähren sich von Algen oder Moosen. Die Larven sind Feinpartikelsammler, Weidegänger oder leben räuberisch. Die Steintliegen weisen etwa 2200 Arten auf (Mitteleuropa 115 Arten), die sich auf die Unterordnungen Antarctoperlaria und Arctoperlaria aufteilen . Die in Südamerika, Neuseeland und Australien vorkommenden Antarctoperlaria (4 Familien) besitzen Spezialmerkmale im Bereich der Prothoraxmuskulatur. Bei den Arctoperlaria (11 Familien) ist die Erzeugung von Substratschall bei der Partnerfindung von Bedeutung. Innerhalb
25.8 Plecoptera, Steinfliegen
773
E Abb. 25·9: Plecoptera. A, BWeibchen von Perla in (A) Dorsal- und (B) Ventralansicht (mit inneren Geschlechtsorganen). C Larve von Calineuria californica (Perloidea). D Brachyptera-Larve in Abwehrstellung. E Paragripopteryx munoai in typischer Kopulationshaltung. (A, B nach Weber und Weidner 1974, (-E nach Zwick 1980)
der Neoptera stellen die Steinfliegen wahrscheinlich die primitivste, isoliert stehende Insektenordnung dar (s. Abb. 24-7), deren Vertreter vor allem in der gemäßigten Zone vorkommen und seit dem Perm bekannt sind. Der prognathe Kopf sitzt fest auf dem Prothorax und weist gut entwickelte Facettenaugen, 2-3 Ocelli sowie lange, vielgliedrige Antennen auf (Abb. 25-9 A, B). Bei manchen Spezies fehlen die normalerweise vorhandenen, beißend-kauenden Mundwerkzeuge. Die etwa gleich großen Thorakalsegmente sind breit und frei. Die stabilen Beine weisen eine kurze Coxa, abgeflachte Femora und dreigliedrige, am Ende mit Klauen und Empodium versehene Tarsen auf. Es sind vier membran öse, in Ruhelage flach aufeinander liegende Flügel mit primitiver Flügeladerung vorhanden, welche meist deutlich über das Hinterende hinausragen (Abb. 25-9 E) und bei manchen Arten auch reduziert sind. Letztere gehören zusammen mit Paraprocten und Epiproct zum 11. Segment. Das weiche, zylindrische und dorsoventral ab-
geflachte Abdomen besteht aus 10 Segmenten und langen, gegliederten Cerci. Die weibliche Geschlechtsötfnung befindet sich am Hinterende des 8. abdominalen Sternits (Abb. 25-9 B). Der Ductus ejaculatorius des Männchens mündet am Ende des 9. Sternits. Paarige Stigmen sind vom Mesothorax sowie vom 2. bis zum 8. Abdominalsegment ausgebildet. Der Darm ist gerade, mit einem schwach bewehrtem Proventriculus versehen, teilweise sind Mitteldarmblindsäcke vorhanden. Imagines der Steinfliegen besitzen ein Paar Speicheldrüsen sowie 20-über 100 Malpighische Gefäße, Der Osmoregulation dienende Chloridzellen finden sich auf Körperpartien mit dünner Cuticula. Häufig verschmelzen Ovidukte und Vasa deferentia im frontalen Bereich hufeisenförmig miteinander (Abb. 13-2 C; 25-9 B). Weibliche Tiere sind durch panoistische Ovariolen sowie unterschiedlich geformte Spermatheken und eine Vagina mit sackförmigem Receptaculum seminis gekennzeichnet (Abb. 25-9 B). Die langgestreckten Hodenfollikel sind eiförmig. Fortpflanzungsbiologie: Die Geschlechterfin-
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
dung erfolgt durch synchrones Schlüpfen oder häufig durch Trommelsignale des Männchens, die von den Weibchen mithilfe der Subgenualorgane wahrgenommen werden. Eine typische Kopulationshaltung ist in Abb. 25-9 E dargestellt. Männchen besitzen oft zangenartige Abdominalanhänge, welche da s Festhalten weiblicher Körperteile ermöglichen. Ein membranöser Penis ist nur bei den abgeleiteten Perloidea vorhanden. Die Eiablage auf die Wasseroberfläche findet während des Flugs statt. Oft werden pro Weibchen mehr als I 000 und maximal 6000 kugelige, halbkugelige oder linsenförmige Eier abgelegt. Viele Weibchen tragen während mehrerer Tage ein ballenförmiges Gelege am Hinterende mit sich herum . Bei Austrocknung des Lebensraumes werden die Eier klebrig und haften dadurch am Substrat. Schlüpfbereite Eier der Perloidea können unter ungünstigen Entwicklungen im Bachbett jahrelang aktiv bleiben. Schlüpfreife Larven sprengen das Chorion mittels eines Eizahns. Pro Art finden bei den kleinen Arten 10-12, bei den großen Arten bis zu 30 Häutungen statt, wobei die Larvenperiode ein oder mehrere Jahre andauern kann . Plecopteren sind zumeist univoltin. Die Larven ähneln hinsichtlich der Körperform den Imagines (Archimetabolie, Abb. 25-9 A-C). Äußere Tracheenkiemen sind am Mentum, Submentum, Hals, den Thorakalsegmenten, den ersten Abdominalsegmenten, den Subanalplatten und dem Analbereich nachweisbar und fehlen bei manchen Spezies vollständig . Kleine Arten decken ihren Sauerstoflbedarf über Hautatmung.
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25.9 Embioptera, Tarsenspinner Tarsenspinner sind paurometabole, in der Regel 3-25 mm lange Insekten , mit langem, zylindrischem Körper (Abb. 25-10 C). Sie leben in Gespinströhren (Galerien) im Boden, unter Steinen und Rinde und tarnen diese Röhren teilweise mit Pflanzen teilen und Kot. Die Gespinströhren dienen gleichzeitig dem Schutz der Larven und Imagines (Abb. 25-10 H). Da mehrere Weibchen mit ihrer Brut zusammenleben , handelt es sich möglicherweise um eine subsoziale Insektengruppe. Die Tiere fressen tote Blätter, Blütenteile, Moose, Flechten- und Rindenstücke. Embien sind schmutzig gelbbraun bis schwarz gefärbt. Manche Arten können in Gewächshäusern durch Wurzelfraß Schäden an Orchideen verursachen . Derzeit sind etwa 300, vor allem tropische Arten (über 10 Familien, z. B. Anisembiidae, Australembiidae, Notoligotomidae, Oligotomidae, Oligembiidae, Embiidae, Teratembiidae) bekannt. Einige Arten kommen auch im Mittelmeerraum vor. Möglicherweise existieren sogar 2000 bis 3000 verschiedene Arten von Tarsenspinnern. Die wegen zahlreicher Autapomorphien (z. B. Spinndrüsen, Auftreten einer Gula) sicher monophyletischen Embioptera könnten aufgrund mehrerer abgeleiteter Merkmale im Kopf- und Thorakalbereich näher mit den Phasmida verwandt sein. Embioptera und Plecoptera sind hingegen lediglich durch gemeinsame Primitivmerkmale gekennzeichnet. Embienähnliche fossile Formen sind bereits aus dem unteren Perm bekannt. Da sich die Generationen überlappen, existieren die Kolonien längere Zeit. Manche Vertreter der Embioptera ahmen giftige Lyciden oder Kurzflügler der Gattung Paederus nach . Andere Embiopteren benagen Orchideen wurzeln in Gewächshäusern . Ansonsten kommt dieser Insektengruppe keine wirtschaftliche Bedeutung zu. Der Kopf der Embien ist prognath und mit 9-36-gliedrigen Antennen versehen (Abb.25-1O C). Die Mundwerkzeuge sind beißend-kauend (Abb. 25-10 D, insbesondere Männchen mit kräftigen Mandibeln), überdies ergreift das Männchen damit das Weibchen während der Kopula (Abb. 25-10 F). Die Maxillartaster sind fünfgliedrig, die Labialtaster weisen drei Glieder auf (Abb. 25-10 D). Die Facettenaugen bestehen aus wenigen Einzelaugen, die Komplexaugen der Männchen sind in der Regel größer als beim Weibchen. Der lange Thorax weist bei den männlichen Adulti zumeist zwei Paar gleichlange und fast gleichartige Flügel mit kleinem Analfeld auf. Männchen sind selten apter, hingegen sind Weibchen immer flügellos, bzw. die Flügel sind ru-
25.9 Embioptera,Tarsenspinner
775
Maxillarpalpus
Stipes
Submentum
E
Sammelraum Vielkernige Drüsenzelle
Ejactor (Spinnhaar)
Abb.25-10: Embioptera. A, B Ei von Haploembia solieri, Seitenansicht (A), Ventralansicht (B). C Oligotoma saundersii, Männchen, Dorsalansicht. D Ventralansicht vordere Kopfregion von Australembia incompta. E Oligotoma saundersii, Männchen, Hinterleibsanhänge (Dorsalansicht). F Paarungsstellung von Oligotoma nigra (Weibchen stärker punktiert). G Schnitt durch Spermatophragma von Embia spec. HVorderkörper einer Embie am Eingang einer selbstgefertigten Spinnröhre. I Längsschnitt durch den Vordertarsus einer Embie mit Spinndrüsen und Drüsenhaaren im 1. Tarsenglied. J Schema einer einzelnen Spinn- oder Seidendrüse von Embolyntha batesi. (A, B, F, G, nach Kaltenbach 1968, C, Enach Weber und Weidner 1974, D, I nach Ross 1970, H nach Chinery 1993, J nach Barth 1954).
dimentär (Abb. 25-10 C) . In Ruhe sind die Flügel auf dem Abdomen flach aufgelegt. Eigenartigerweise werden die extrem weichen Flügel der Männchen in Gespinströhren nach vorne gebogen, wenn die Tarsenspinner sich rückwärts bewegen (z. B. Fluchtbewegung nach rückwärts, vor allem vor Ameisen). Männchen verfestigen ihre Flügel während des Fluges (v. a. Flug zum Licht), indem sie Hämolymphe einpumpen. Die mit drei Tarsen versehenen Beine der Embioptera sind eher kurz (Abb. 25-10 C), das erste Tarsenglied der Vorderextremität ist infolge mehrerer Seidendrüsen vergrößert (Abb. 25-10 C, F, I, J). Die Seide wird in
vielkernigen Drüsenzellen synthetisiert, in den zentralen Sammelraum abgegeben und über r öhrenförmige Ausführgänge und hohle, auf der Tarsenunterseite gelegene Borsten, sogenannte Ejactoren nach außen transportiert (Abb. 25-10 I, J). Alle Larvenstadien und Geschlechter besitzen Spinnvermögen . Das Sekret härtet schnell an der Luft . Die Coxen der Beine sind bei den Embioptera weit voneinander getrennt, auch die Metafemora sind stark entwickelt. Das Abdomen ist kurz und II-gliedrig und abgeflacht (Männchen) oder gerundet (Weibchen). Die äußeren männlichen Geschlechtsorgane sind
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
kompliziert gebaut und asymmetrisch (Abb. 25-10 D). Die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane weisen modifizierte 8. und 9. Sternite auf, die Valviferen sind infolge von Neotenie rudimentär. Die gewöhnlich zweigliedrigen Cerci sind in beiden Geschlechtern kur z, beim Männ chen ist der linke Cercus meist asymmetrisch und oft eingliedrig, auch haben sich die terminalen Abdominalsegmente zu Hilforganen für die Kopul a spezialisiert (Abb. 25-10 E). Die hier lokalisierten Mechanorezeptoren sind wichtig bei Rückwärt sbewegungen in den Gespinströhren . Das Nervensystem ist dur chgehend . Der Darm beginnt mit einem Kropf und weist einen bezahnten Kaumagen auf. Weiterhin ist er mit 14-30 Malpighisehen Gefässen sowie 5-6 Rektalp apillen assoziiert. Beim Weibchen existieren 5 Paar panoistische Ovariolen, das Männchen verfügt über 5 Hodenpaare. Die Fort ptlanzungsbiologie zeigt folgende Charakt eristika: Ausgewachsene Männchen nehmen keine Nahrung mehr au f und fliegen auf der Suche nach Weibchen umhe r. Sie sterben nach der wenige Minuten dauernden Kopula. Es sind unterschiedliche Paarungsstellungen verwirklicht (Abb. 25-10 F), wobei das Männchen ein Sperrnatophragma (Abb. 25-10 G) an der Geschlechts öffnung des Weibchens befestigt. Das Sperrnatophragma wird aus Anh angsdr üsen der Genitalorgane des Männchens produzi ert und enth ält zahlreiche Spermien . Die etwa 80-200 länglichen Eier (mit Deckel, Abb. 25-10 A, B) werden vom Weibchen in Gruppen in den Gespinströhren abgelegt (z. T. in diverses Fremdmaterial eingebettet), gereinigt und mit den Larven bewacht. Die Weibchen leben 6 Monate oder mehr. In der Regel ist mit einer Generation pro Jahr zu rechnen. Bei einigen Arten (z. B. Gattung Haplo embia) kommen neben bisexuellen auch parthenogenetische Populationen vor. Die Larven ähneln den adulten Weibchen, wobei letztere dunkler gefärbt und etwas größer sind, aber auch mehr Antennenglieder aufweisen. Möglicherweise sind die Weibchen nichts andere s als neotene Larven . Die Embi optera sind durch eine paurometabole Entwicklung gekennzeichnet , sie machen in der Regel 4 Häutungen bis zum Erreichen der Geschlechtsreife (etwa 10 Monate) durch.
literatur Günther, K. K . (2003): 11 . Ordnung Embi optera , Tarsenspinner, Spinnfüßer, Emb ien, 167-1 72, in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. I: Wirbellose Tiere Teil 5 (H rsg. H. H. Dath e). Spekt ru m Aka demischer Verlag, Heidelberg Kaltenbach , A. (1968): Embi optera (Spinnfüßer). Handb. Zool. 4(2) 2/8 Lief. I: 1-29
Rähl e, W. (1970): Untersuchungen an Kop f und Proth o rax von Embia ramburi RIMSKY-KORSAKOW 1906 (Em bioptera, Embiidae). Zool. Jb. Anal. 87: 248-330 Ross, E.S ( 1970): Embioptera . In: T he insects of Austra lia. (CS IRO) , Melbourne Univ. press. 360-366 Ross, E. S. (1986) : Emb iidina (Em bio ptera). In: Scho ltz, C. H., H olm H. (ed.): Insects of so uthern Africa. Butterworths, Durban . 71-73 Ross, E. S. (1987): Order Emb iidina (E mbioptera) , 18. In : Stehr, F. W. (ed .): Immature insects. Kandall/Hunt, Dubuque. 179-1 83
25.10 Notoptera (Grylloblattodea) Es handelt sich um eine artenarme, erst seit 1913 bekannte Insektenordnung (26 Art en, Grylloblattidae mit Gattungen Grylloblatta, Grylloblattina, Grylloblatella, Galloisiana ) primiti ver, orthopteroider Insekten (Abb. 25-11). Vertreter dieser Gruppe besitzen einen verlängerten, lederarti gen Körper mit zylindrischem Abdomen. Der große Kopf besitzt lange Antennen (Abb. 25- 11 A, B), die Cerci sind mehrgliedrig (Abb. 25-11 C, E). Insgesamt weisen die monophyletischen Tiere sowohl Grillen- als auch Schabenmerkmale auf (z. B. Beine, Cerci). Bis zum späten Karbon existieren zahlreiche Fossilnachweise. Die flügellosen, etwa 14-34 mm langen Vertreter der Notoptera leben in höheren Lagen von Sibirien, Japan und dem nördlichen Teil Nordamerikas unter Steinen oder in Höhl en (Abb. 25II A). Larven und Adulte sind nacht aktiv und fressen insbesondere tote Insekten der Schneefelder bzw. sind generell saprophag. Vertreter der Notoptera finden sich vor allem an Gletscherrändern (Vorzugstemperatur 0 "C). Bei höheren Temperaturen vergraben sie sich in der Regel im Boden . Der flache und prognathe Kopf ähnelt Termiten- oder Ohrwurmköpfen und besitzt zwei dünne Antennen mit jeweils etwa 20-50 Antennengliedern (Abb. 25-11 A). Die Mandibeln sind einfach, die kleinen Augen können auch fehlen. Letzteres gilt auch für die Ocellen. Dem Thorax fehlen Flü gel, die Beine besitzen große Coxen und fünfgliedrige Tarsen (Abb. 25-11 A). Das zehngliedrige Abdomen ist mit zwei mittelgroßen Cerci versehen, deren Gliederzahl im Verlauf der Individualentwicklung zunimmt (Abb. 25-11 A, C, E). Hinter dem I. Sternit befindet sich ein ausstülpbares Ventralsäckchen unbekannter Funktion (D rüse? Wasserabsorption ?). Der Ovipositor erreicht fast die Länge der Cerci. Männchen besitzen stark asymmetrische Geschlechtsorgane. Bei
25.10 Notoptera (Grylloblattodea)
777
.,
c
. I
Samenblase
o
Abb. 25-11 : Notoptera. A Männchen von Galloisiana biryongensis. B Kopulierendes Notoptera-Paar (Männchen vorne). C Cercus des 1. und E des 3. Larvenstadiums (Seitenansicht) von G. nipponensis. 0 Innere männliche Geschlechtsorgane von G. nipponensis. (A-E nach Ando 1982)
der lang dauernden Kopulation nähert sich das Männchen dem Weibchen von der Seite und hält es mit den Mandibeln fest (Abb. 25-11 B). Pro Ovar sind etwa 14 panoistische Ovariolen vorhanden. Die Hodenbläschen sind von Fettkörper bedeckt (Abb. 25-11 D). Weiterhin sind zwei Paar Anhangsdrüsen, ein Paar Samenblasen sowie jeweils ein ausleitender Kanal vom Hoden aus vorhanden (Abb. 25-11 D). Spermatozoen und innere Geschlechtsorgane der Notoptera ähneln eher den Orthopteren. Die Eiablage erfolgt etwa 10-50 Tage nach der Kopula. Vertreter der Notoptera sind paurometabol. Pro Gelege werden etwa zwischen 15 und 145 dotterreiche Eier abgelegt, meist in den Boden. Die Embryonalentwicklung ähnelt
anderen orthopteren Insekten . Nach teils längerer Eidiapause schlüpfen die acht Larvenstadien, deren mehrjährige Entwicklungszeit bis ca. 5 Jahre umfassen kann . Das letzte Larvenstadium ist weiß gefärbt, zum Teil besteht eine Ähnlichkeit mit manchen Grillen und Phasmiden. Die Zahl der Antennen- oder Cercusglieder oder auch die Zahl der Ommatidien nimmt von Stadium zu Stadium zu (Abb. 25-11 A, C, E).
Literatur Ando, H. (1982): Biology of the Notoptcra. KashiyoInsatsu Co., Nagano
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Klass, K.-D. (2003): 9. Ordnung Notoptera (Grylloblattodea), 155-161 , in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. I: Wirbellose Tiere Teil 5 (Hrsg. H. H. Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Vrsansky, P., Storozhenko, S. Y., Labandeira , C. c., Ihringova, P. (2001): Galloisiana olgae sp. nov. (Grylloblattodea : Grylloblattidae) and the paleobiology of a relict order of insects. Ann. Ent. Soc. Am. 94:
179-184
25.11 Mantophasmatodea, Gladiatoren Es handelt sich um eine neue, erstmals 2002 beschriebene Insektenordnung. Nachdem im baltischen Bernstein (ca. 45 Millionen Jahre alt) zuerst mehrere Larven, dann ausgewachsene Stücke der Gattung Raptophasma (t) entdeckt wurden , gelang es in Namibia, weitere lebende Vertreter der beiden anderen Gattungen Mantophasma und Praedatophasma zu erbeuten. Die genaue taxonomische Stellung dieser orthopteroiden Ordnung ist bislang noch ungeklärt, da eindeutige Autapornorphien fehlen. Nächste Verwandte dieser Neoptera sind wohl Vertreter der Notoptera (mögl. Synapomorphie: Ausgestaltung der dreireihigen Polster des Proventriculus) und/oder Phasmatodea (mögl. Synapomorphie: große Aralien , Abb.25-l2 C) . Allerdings sind im Vergleich zu den Phasmatodea deutliche Unterschiede zu verzeichnen, denn die Gladiatoren sind beispielsweise durch einen hypognathen Kopf, das Fehlen prothorakaler Wehrdrüsen, sowie durch Unterschiede im Bau des weiblichen Subgenitallobus gekennzeichnet. Auch ergeben sich deutlich Unterschiede zu den Notoptera, Dictyoptera, und Dermaptera. Die bislang bekannt gewordenen Gladiatoren sind etwa 4 cm lange, hemimetabole Insekten . Der Kopf ist hypo- bzw. orthognath (Abb. 25-12 A, B), die Mandibeln weisen 3 kleine Zähnchen aue Die
B
Maxillar- bzw. Labialpalpen sind 5- bzw. 3-g1iedrig, die MaxilIen sind durch zungenförmige Galeae gekennzeichnet . Als abgeleitetes Merkmal wird der besondere Verlauf der Subgenalnaht interpretiert. Diese steigt vom hinteren Mandibelgelenk zum Tentorialursprung auf und fällt zum vorderen Mandibelgelenk ab. Die Antennen sind lang und vielgliedrig. Die Ocellen fehlen, die Komplexaugen der Mantophasmatodea sind von mäßiger Größe. Die Kopfkapsel ist ventral durch das Submentum verschlossen. Die Thorakalsegmente der flügellosen und ohne jegliche Flügelrudimente ausgestatteten Gladiatoren überlappen das jeweils nachfolgende Segment (s. Abb. 25-12 A, B), das Prothorakalpleuron ist besonders groß. Die großen Coxen sind leicht verlängert, an der Basis sind die paarigen Coxen einander stark genähert. Vorder- und Mittelschenkel sind verbreitert, die verlängerten Hinterbeine werden für kurze Sprünge genutzt. Das dritte Glied der pentameren, mit paarigen Klauen versehenen Tarsen ist oberseits mit einem dreieckigen Fortsatz ausgestattet (abgeleitetes Merkmal ; Abb. 25-12 C), zum Teil sind Tarsenglieder miteinander verschmolzen. Das große Arolium ist mit einem Borstenkranz versehen. Die lateral gelegenen Stigmen des Mesound Metathorax liegen jeweils am Segmentvorderrand . Das Abdomen mit seinen breiten Abdominalsegmenten weist paarige Stigmen in den weichen Pleuralmembranen I-VIII auf (s. Abb. 25-12 B). Hinter dem 10. Tergit inserierende Cerci bestehen nur aus einem Segment, im Gegensatz zum Weibchen sind sie beim Männchen lang, gekrümmt und sklerotisiert. Der Ovipositor des Weibchens besteht aus drei Paaren kurzer Valven und ist im Vergleich zum Subgenitallobus (= Coxosternum VII) vergrößert. Die Ovarien weisen jederseits etwa 10 Ovariolen auf Die Männchen besitzen zu membranösen Loben reduzierte primäre Kopulationsorgane. Das Tracheensystem der Gladiatoren ist holopneustisch. Geöffnete Därme von Vertretern der Gattung
c
Abb. 25-12: Mantophasmatodea A Dorsal- und Lateralansicht (B) des Weibchens von Mantophasma zephyra. C Dorsalansicht des rechten Mesotarsus von M. zephyra (Weibchen; Tarsenglieder nummeriert; Pfeil : dreieckiger Fortsatz aufTarsenoberseiten) (A-C nach Klass et al. 2002b).
25.12 Dermaptera, Ohrwürmer
Mantophasma waren mit Arthropodenfragmenten gefüllt, wobei wahrscheinlich auch die eigene Larvalcuticula gefressen wurde. Dies spricht dafür, dass Gladiatoren räuberisch leben und sich von anderen Insekten ernähren, die, wie bei anderen insectivoren Orthoptera, mit den stark bedornten Vorder- und Mittelbeinen ergriffen werden dürften . Der Vorderdarm von Vertretern der Gattung Mantophasma ist durch einen großen Kaumagen (Proventriculus) gekennzeichnet, welcher 24 schwach sklerotisierte Längsbänder aufweist , die auf der Innenseite zahlreiche, teils zugespitzte Papillen besitzen . Die Mitteldarmanhänge sind kurz und breit , die in großer Zahl vorhandenen Malpighischen Gefässe sind lang . Im mittleren Abdominalbereich sind Seitenarterien vorhanden, im gesamten Abdomen befindet sich ein ventrales Diaphragma. Die Eioberflächen weisen in der Gattung Mantophasma Plastronstrukturen auf.
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benden tierischen Materialien und sind in der Regel nachtaktiv. Darmuntersuchungen bei einigen Spezies ergaben einen Anteil von etwa 30% tierischer Nahrung. Die charakteristischen, je nach Geschlecht unterschiedlich geformten Zangen (= Cerci) am Ende des Abdomens (Abb. 25-13 C, D, G, H) werden in vielfältiger Weise eingesetzt: Beim Ergreifen der Beute, als Abwehrorgane, zum Fixieren des Geschlechtspartners bei der Kopula, bei der Körperreinigung oder zum Falten der weichhäutigen Hinterflügel. Außer in den Polarregionen sind Vertreter dieser Ordnung weltweit verbreitet, die meisten Spezies kommen in den Tropen vor, vorwiegend in der orientalische Region, wobei je nach Art Lebensräume von der Meeresküste bis ins Hochgebirge bevorzugt werden . Die Dermapteren werden in drei Unterordnungen gegliedert (Forficulina, Hemimerina, Arixenina), wobei die Forficulina etwa 99 % der weltweit etwa 2000 Arten umfassen. Fossile Formen mit zahlreichen Primitivmerkmalen Literatur (Ocellen, gegliederte Adultcerci, fünfgliedrige Tarsen) sind aus dem Oberen Jura bekannt geworden . Adis, J. (2002): Mantophasmatodea - die Entdeckung Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen den drei einer neuen Insektenordnung. Biologiein unserer Zeit Unterordnungen ist noch nicht geklärt. Bei den 32: 204-205 Arixenina und Hemimerina sind die kurzen Cerci Klass, K. D., Zompro , 0 ., Kristensen, N. P., Adis, J. (2002a): Mantophasmatodea: A new Insect order nicht zangenartig schließbar wie bei den Forficuwith extant members in the Afrotropics. Science 296: lina. Die wenigen Arten der blinden, flügellosen und lebendgebärenden Vertreter der Hemimerina 1456-1459 Klass, K. D., Zompro , 0 ., Adis, J. (2002b): 10. Ordnung leben epizoisch auf Hamsterratten. Die wenigen Mantophasmatodea, S. 161-166. In: Lehrbuch der Vertreter der Arixeniina sind ebenfalls lebendgeSpeziellen Zoologie. Bad. I: Wirbellose Tiere Teil 5 bärend und repräsentieren temporäre Epizoen (Hrsg. H. H. Dathe) . Spektrum Akademischer Ver- zweier indonesischer Fledermausarten, bzw. leben lag, Heidelberg im Kot dieser Säuger (Abb. 25-13 E). Zompro , 0 ., Adis, J., Weitschat, W. (2002): A Review of Dermapteren ähneln auf den ersten Blick Verthe order Mantophasmatodea (Insecta). Zoo\. Anz. tretern der Japygidae (augenlose, entognathe Di241: 269-279 plura) oder den Staphylinidae (Käfer: Abdominalspitze ohne zangenartige Cerci). Dermapteren sind möglicherweise mit den Grylloblattodea näher verwandt. Manche Arten sind ökonomisch 25.12 Dermaptera, Ohrwürmer durch den Verzehr von Maissamen, die Beschädigung von Gemüseblättern oder Früchten von BeLängliche (etwa 3-85 mm), zylindrische, teils ab- deutung. Häufig werden auch Blüten, Knospen geplattete, paurometabole Insekten mit ausge- und Blätter z. B. von Zierblumen wie Dahlien, prägten Cerci in beiden Geschlechtern. Die meist Nelken, Rosen befressen , was besonders bei Masabgeflachten, deutlich sklerotisierten, oft gelblich, senvermehrungen auffällt. Andererseits können braun bis schwarz gefärbten Tiere zeigen ein posi- häufigere Arten wie Forficula auricularia bis zu tiv thigmotaktisches Verhalten. Hierbei haben die einem gewissen Grade auch nützlich sein, denn sie Tiere (selbst die vorgestreckten Antennen) unmit- verzehren Blattlauskolonien, verborgene Eier telbaren und fast allseitigen Berührungskontakt schädlicher Schmetterlinge oder auch Mehltaumit dem umgebenden Substrat (Abb.25-l3 C). pilze. Werden den Tieren als künstliche Verstecke Ohrwürmer finden sich häufig in Lückensystemen nach unten hängende, mit Holzwolle gefüllte Bluz. B. unter Rinde, unter Steinen bzw. in Hohl- mentöpfe angeboten, so bevorzugen die Tiere räumen (z. B. Nistkästen), im Fallaub oder im gerne bodenferne Ruheplätze. Sand, wobei sie teilweise Wohnröhren anlegen . Der prognathe Kopf weist beißend-kauende Trotz ihrer Photophobie werden manche Arten Mundwerkzeuge auf. Die 6 bis l5-gliedrigen Andurch Licht angelockt. Die meisten Dermapteren tennen sind etwa halb so lang wie der Körper ernähren sich von pflanzlichen und toten wie le- (Abb. 25-13 C, E). Die Augen der Dermapteren
780
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Valvulae
medianer Oviduct
Tergit - 10 Paraproct
A
B
G
H
Abb. 25·13: Dermaptera. A Linker Hinterflügel von Forficula auricularia, sklerotisierte Bereiche dunkel. B Ventralansicht der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane von Lapidura riparia (Subgenitalplatte entfernt). CWeibchen von Labidura riparia aufin einer Bruthöhle befindlichem Gelege. D Männchen des Forficuliden Kosmetor bürgersi (Länge der Cerci variabel). EWeibchen von Arixenia esau (Arixeniina). F Männliches Genitalorgan von Lapidura riparia (GI: GenitalIobus). G, H Abdomen des Weibehens von Lapidura riparia, GVentralansicht mit6 freiliegenden Sterniten SII- SVII, H Dorsalansicht mitElytren (E) und eingefalteten Hinterflügeln (HfI). (A, C, D nach Günther und Herter 1974, B, E-H nach Giles 1970)
sind meist gut entwickelt, bei parasitischen Formen allerdings mehr oder weniger reduziert, auch Ocellen fehlen. Die Segmente des Thorax sind frei beweglich und bestehen aus zahlreichen Skleriten. Das Pronotum ist scheibenförmig. Die Vorderflügel der Dermapteren sind als verkürzte und sklerotisierte Elytren ausgebildet und manchmal reduziert. Die großen, halbkreisförmigen, membranösen Hinterflügel (Abb. 25-13 A) sind im Ruhezustand fast vollständig unter den kurzen Elytren verborgen , nachdem sie mehrfach geknickt und in komplizierter Weise auf ein Zehntel ihrer Fläche im entfalteten Zustand zusammengefaltet werden (Abb.25-13 C, H). Die Hinterflügel sind durch
interne Elastizität, d. h. durch den Einbau von Resilin so verspannt, dass sie sich von selbst zusammenfalten können. Bei manchen Arten werden die Hinterflügel völlig reduziert. Dermapteren besitzen typische Schreitbeine mit dreigliedrigen Tarsen, die am Endglied zum Teil mit Arolium bzw. Pulvillen versehen sind. Das lange Abdomen ist ziemlich flexibel, die 10 (Männchen) bzw. 8 (Weibchen) sichtbaren Abdominalsegmente können teleskopartig ineinandergeschoben werden (Abb. 25-13 C, G, H) . Die eingliedrigen Cerci sind im männlichen Geschlecht eher kräftiger, stärker gebogen und häufig mit Zähnchen oder Dornen versehen (Abb. 25-13 D) . Die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane der
25.13 Mantodea, Fangschrecken, Gottesanbeterinnen
781
Dermapteren sind reduziert. Die unpaare, etwa hinter dem 9. Tergit gelegene Geschlechtsöffnung führt in einen Gang (medianer Oviduct), welcher die paarigen Oviducte aufnimmt (Abb. 25-13 B). Zumeist werden die drei Paar Valvulae vom 7. Sternit bedeckt. Die äußeren männlichen Geschlechtsorgane liegen oberhalb der Subgenitalplatte (Stern it IX) und bestehen aus einem zylindrischen Basalteil und paarigen distalen Penisskleriten (= externe Par amere). Distomedian liegen die Genitalloben, in denen der Ductus ejaculatorius mündet (Abb. 2513 F) . Für die Taxonomie sind die externen männlichen Geschlechtsorgane von großer Bedeutung. Im Abdomen finden sich sechs freie Ganglien, welche über dicke Konnektive miteinander verbunden sind. Da s I. Abdominalganglion ist mit dem Metathorakalganglion verschmolzen. Dermapteren weisen einen orthopteroiden Verdauungstrakt mit großem Kropf auf. Weiterhin sind ein Kaumagen sowie etwa 5-16 lange, schmale Malpighische Gefäße vorhanden. Der gut entwickelte Fettkörper kann als Speicherniere für Urate fungieren . Dem Tracheensystem fehlen Luftsäcke. Weibchen sind durch polytrophe Ovariolen und eine Genitalkammer gekennzeichnet. Im vorderen Bereich des Abdomens liegen paarige, dorsal gelegene Wehrdrüsen (Stinkdrüsen), die chinonhaltige Abwehrsekrete bereitstellen und am Hinterende der Abdominaltergite III und IV ausmünden. Gereizte Ohrwürmer verbreiten einen typischen Chinongeruch. Fortpflanzungsbiologie: Vor der Kopula kann das Männchen einen kurzen Balztanz vollführen. Die meist in der Überzahl vorhandenen Weibchen speichern die Spermien über Wochen und Monate in der Spermatheca. Das Weibchen freilebender Arten legt etwa 20-90 Eier in einen Hohlraum,
sich etwa 8-10 Larven (Ovarialschwangerschaft). Im Hinblick auf die Entwicklung der Flügel und der Cerci existiert ein ausgeprägter Polymorphismus.
Gottesanbeterinnen sind räuberische, relativ große (10-170 mm) Vertreter der Neoptera mit zu Fangbeinen umgebildeten Vorderbeinen (Name). Diese wärmeliebenden, solitären hemimetabolen Insekten der gemäßigten Zonen und vor allem der Subtropen und Tropen erreichen im Allgemeinen am 45. Breitengrad der Nord- u. Südhalbkugel
welche anschließend bewacht und gereinigt wer-
ihre Verbreitungsgrenze. Gottesanbeterinnen re-
den (Brutpflege, Abb. 25-13 C) . Durch das konstante Belecken und Auffressen abgetöteter Eier wird offenbar deren Verpilzung verhindert. Selbst die ersten Larvenstadien werden vom Weibchen bewacht und gepflegt, bis sie sich nach I bis 2 Wochen verteilen . Die Larven sind blass gefärbt, verfügen über weniger Antennenglieder und ähneln den Adulti. Flügelanlagen erscheinen frühestens ab dem 2. oder 3. Larvenstadium. Die langen Cerci mancher primitiver Taxa können segmentiert und fadenförmig sein. Bei der letzten Häutung werden dann sämtliche Glieder außer dem Basalglied abgeworfen. Es treten vier bis fünf, selten sechs Häutungen auf, wobei Körpergröße und Zahl der Antennenglieder zunehmen. Flügelscheiden werden erst mit der vorletzten Häutung sichtbar. Die Gesamtlebensdauer kann bis zu einem Jahr betragen. Bei den lebendgebärenden Hemimerina entwickeln
präsentieren meist standorttreue Tiere, welche insbesondere in der Vegetation auf Sträuchern, Bäumen oder auf Rinde in LauersteIlung verharren (Abb. 25-14 A), um Insekten oder kleinere Wirbeltiere zu erbeuten (Lauerjäger, s. 16.1.7). Die manchmal krypti schen, durch blaue Gallenfarbstoffe und gelbe Carotinoide meist grün oder braun gefärbten Insekten sind seltener auf dem Boden , im Gras oder auf Sandboden anzutreffen. Bei Störungen rennen, hüpfen oder fliegen Gottesanbeterinnen weg. Zum Teil werden auch Beine abgeworfen, die bedornten Vorderbeine als Abwehrwaffen eingesetzt (Abb. 25-14 A, B), Warnfarben präsentiert oder es wird Vorderdarminhalt erbrochen. Coxa und Femur der Fangbeine oft mit farbigen und schwa rzen Mustern, sowohl Vorderals auch Hinterflügel können mit lebhaften Farbmustern und Augenflecken versehen sein. Manche Spezies weisen zum Teil morphologische und farb-
Literatur Günther, K., Herter, K. (1974): Dermaptera (Ohrwürmer) Handb. Zoo!. 4(2) 2/11 Lief. 23: 1-158 Giles, E.T. (1970): Dermaptera. In: The insects of Australia . (CSIRO), Melboume Univ. Press. 306-313 Haa s, F. (1995): The phylogeny of the Forficulina, a suborder of the Dermaptera. Syst. Ent. 20: 85-98 Haas, F. (2003): 12. Ordnung Dermaptera, Ohrwürmer, 173-180, in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. I: Wirbellose Tiere Teil 5 (Hrsg. H. H. Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Haas, F., Gorb , S., Wootton, R. 1. (2000): Elastic joints in dermapteran hind wings: materials and wing folding. Arthropod Structure & Development 29: 137-146 Steinmann , H. (1986): Dermaptera (Earwigs). In: Scholtz, C. H., Holm, E. ( ed.): Insects of Southern Africa. Butterworths, Durban. 66-69
25.13 Mantodea, Fangschrecken, Gottesanbeterinnen
782
25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
o
E
Maxillarpalpus Labialpalpus
Abb. 25-14: Mantodea. A Mantis religiosa in LauersteIlung. B Weibchen von Sphodromantis gastrica verspeist Männchen während Kopula. C Schlüpfreifer Embryo von Mantis religiosa. D Adulter Vertreter der Hymenopodidae. EVorder- und Hinterflügel von Sphodromantis viridis. F, G Tenodera australasiae, Abdominalspitze dorsal Männchen (F), Weibchen (G). H Kopf von Archimantis latistyla (Vorderansicht, Weibchen; Oe: Ocellen). I Eigelege von Mantisreligiosa. J Sagittalschnitt der Ootheca von Stagmomantis sp. (A nach Leonardi 1979, B, D verändert nach Schoeman 1986, C, E, I nach Beier 1968, F-H verändert nach Key 1979, J verändert nach Jacobs und Renner 1988)
liehe Ähnlichkeit mit Blüten oder Ameisen auf (Ameisenmimikry). Die weiblichen Gottesanbeterinnen sind sehr viel schwerer und deshalb weniger gut flugfähig als Männchen, d. h. eine Ausbreitung geht langsam vor sich. Wahrscheinlicher
ist eine Ausbreitung durch Verschleppung von Eikokons (Abb. 25-14 I, J). Nachts fliegen die Tiere häufig ans Licht. Die weltweit und insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent bekannten 2300 Arten der
25.13 Mantodea. Fangschrecken. Gottesanbeterinnen
783
Mantodea wurden zusammen mit den Isoptera da s 8. Tergum, die Supraanalplatte durch das 10. und Blattodea zu den wahrscheinlich monophyle- Tergit gebildet. 10. Tergit manchmal verlängert, tischen Dictyoptera zusammengefasst. Die Bezie- dahinter median meist ein rudimentäres 11. Tergit hungen der drei Taxa zueinander sind noch nicht (Epiproct). Männchen mit asymmetrischen Kopueindeutig geklärt. Fossilfunde der Dictyoptera rei- lationsorganen und einem Paar Styli im Bereich chen bis ins Oberkarbon zurück. Sowohl bei Scha- der Spitze der Subgenitalplatte (9. Sternit; ben als auch bei Gottesanbeterinnen werden vom Abb. 25-14 A, F, G). Im vom 7. Sternit des WeibWeibchen Eipakete, bzw. Eikokons gebildet (Abb. chens bedeckten Genitalatrium liegt ein mäßig 25-14 I, J). Insbesondere aufgrund der Struktur langer Ovipo sitor, Die Stigmen sind im Bereich der Vorderbeine werden bei den Mantodea etwa 8 der Pleuralmembranen lokalisiert. Der Darm der Mantodea ist gerade, weist einen Familien und 32 Unterfamilien unterschieden. Zahlreiche fossile Formen aus dem Paläo- und voluminösem Kropf sowie einen Kaumagen mit Mesozoikum lassen sich nicht eindeutig den Man- sechs chitinigen Längswülsten auf. Der MitteItodea zuordnen, die sicher erst ab der Kreide fossil darm ist vorne mit 8 ziemlich langen Blindsäcken versehen. Es sind paarige Speicheldrüsen und etwa nachweisbar sind. Gottesanbeterinnen besitzen einen orthogna- 100 Malpighische Gefäße vorhanden . Das Herz then , dreieckigen, gut beweglichen Kopf mit drei verfügt über etwa 12 Paar Ostien, dem Fettkörper Ocellen sowie mit großen, aus zahlreichen Omma- fehlen Mycetocyten. Das Ovar besitzt zahlreiche tidien bestehenden Facettenaugen, und schmalen, panoistische Ovariolen. Die Spermatheca und vor vielgliedrigen, oft gezähnten oder gekämmten allem die großen Anhangsdrüsen sind an der BilGeißelantennen (Abb. 25-14 H). Die beißend-kau- dung der Ootheca beteiligt. Die paarigen, mit enden Mundwerkzeuge bestehen aus gezähnten traubenförmigen Follikeln ausgestatteten Hoden Mandibeln, MaxilIen mit fünfgliedrigen Palpen sind groß und verfügen über paarige Samenblasen sowie Labien mit dreigliedrigen Palpen. Der Schei- und tubuläre, an der Bildung der Spermatophore tel ist bei manchen Spezies bisweilen zu einem beteiligte Anhangsdrüsen. Das Nervensystem besteht aus drei thorakalen und vier abdominalen spitzen Kegel ausgezogen (Pyrgomantis). Der Prothorax ist im Gegensatz zum Meso- Ganglienpaaren. Das letzte Abdominalganglion und Metathorax schmal und stark verlängert, das ist durch Verschmelzung von vier Ganglien entProsternum stark sklerotisiert (Abb. 25-14 A, 0). standen. Die mit Stigmen versehenen beiden folgenden FortptlanzungsbioIogie: In wenigen Fällen Thorakalsegmente sind fest miteinander verbun- wurde der Einsatz von Sexuallockstoffen beden und nicht verlängert. Mittel- und Hinterbeine obachtet. Nach dem Balzverhalten schließt sich repräsentieren nicht spezialisierte Laufbeine. Die die Kopula an , bei welcher vom Männchen eine Vorderbeine sind durch eine verlängerte Coxa ge- Spermatophore übertragen wird (Abb. 13-91). Vor kennzeichnet. Die zu Fangbeinen umgebildeten, und während der Kopula ist vor allem das Männd. h. ventral bedornten Profemora und Protibien chen auf das Weibchen fixiert, denn es besteht für fungieren als Klappmesser (Abb. 25-13 A, B; s. das Männchen immer die Gefahr (vor allem im Abb. 16-28; 16-31). Haarbüschel im apikalen Be- Labor), vom hungrigen Weibchen vom Vorderreich der Profemora dienen zur Reinigung der ende her verspeist zu werden. Männchen sind Facettenaugen. Die Vordertibia besitzt am Ende danach gegebenenfalls auch ohne Kopf in der einen besitzt am Ende einen Haken (Abb.25-14 Lage, die Kopulation fortzusetzen (Abb. 25-14 B), B), welcher von einer Furche des gegenüberliegen- da Kopulationsbewegungen (als auch Bau der 00den Femurs aufgenommen werden kann . Die Tar- thek beim Weibchen) vom letzten Abdominalgansen sind schmal und fast immer fünfgliedrig. Got- glion gesteuert werden . Die zylindrischen und tesanbeterinnen verfügen über ein unpaares Ge- dünnschaligen Eier werden in artspezifisch unterhörorgan zwischen dem metathorakalen Beinpaar. schiedlicher, häufig gattungstypischer Ootheca auf Die Flügel sind oft nur im männlichen Geschlecht Baumstämmen, Felsen oder im Boden etc. depovoll funktionsfähig, beim Weibchen sind sie oft niert. Material aus Anhangsdrüsen bildet schaureduziert oder fehlen. Die Vorderflügel (Tegmina) mige schaumige, aus Proteinen und Enzymen beder Gottesanbeterinnen sind schmäler und härter, stehende Flüssigkeit, welche durch Gerbstoffe (soals die dünnhäutigen, mit meist großem Analfeld wie Präsenz von Calciumionen) gehärtet wird versehenen Hinterflügel (Abb. 25-14 E). Oft über- (Abb. 25-14 I, J). Durch Bewegungen der Valven ragen die beiden Flügelpaare das Abdomen . Ei- der Ovipositoren wird das ursprünglich flüssige nige Arten mit tympanalern Hörorgan am meta- Material schaumig geschlagen und weiter geformt. Trotzdem sind oft viele Eier parasitiert, beispielsthorakalen Sternum. Das 10-gliedrige Abdomen ist dorsoventral ab- weise durch Schlupfwespen der Farn. Torymidae. geflacht und weist segmentierte Cerci auf Ein Weibchen stellt mehrere Ootheken mit je 10 (Abb. 25-14 A, F, G). Die Analplatte wird durch bis 400 Eiern her, wobei die Eibehältnisse manch-
784
25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
mal auch bewacht werden . Ootheken dienen dem mechanischen Schutz und schützen vor Witterungseinflüssen jeglicher Art. Bei wenigen Arten wurde parthenogenetische Fortpflanzung mit kleinen Kokons und ausschließlich weiblichen Larven beobachtet. Das späte, schlüpfreife Embryonalstadium (= Prälarve) ist durch fadenförmige Hinterleibsanhänge charakterisiert (Abb. 25-14 C). Die embryonale Cuticula, welche kurz nach dem Schlüpfen abge streift wird , weist eine verst ärkte Scheitel platte und nach hinten gerichtete D örnchen zum Befreien der Junglarve aus dem Kokon auf. Junglarven bleiben zuerst mit ihren Spinnfaden mit der Ootheca verbunden und verhindern dadurch, dass sie auf den Boden fallen . Die Larven unterscheiden sich durch ihre rudimentären Flügel und die geringere Anzahl von Antennengliedern von den Adulti. Gottesanbeterinnen haben je nach Art 3-12 Larvenstadien und können insgesamt etwa ein Jahr alt werden. Beim Männchen treten im Vergleich zum Weibchen weniger Häutungen auf. Larven können verlorene Körperanhänge wieder regenerieren.
Literatur Beier, M. (1968): 12. Ordnung Mantodea (Fangheuschrecken) 1--47 Handb. Zoo!. IV, 2-2112 Ehrmann, R. (2002): Mantodea - Gottesanbeterinnen der Welt. 519 S., Natur und Tier - Verlag, Münster Hevers, 1., Liske, E. (1991): Lauernde Gefahr - Das Leben der Gottesanbeterinnen, 1-67, Staat!. Mus. Braunschweig, Voigt, Gifhorn Key, K. H. L. (1979): Mantodea. In: The Insects of Australia (CSIRO), Melbourne Univ. Press. 294-301 Klass, K.-D., Ehrmann, R. (2003): 13. Ordnung Mantodea, Fangschrecken, Gottesanbeterinnen, 182-1 97, in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. I: Wirbellose Tiere Teil 5 (Hrsg. H. H. Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Prete, F. R., WeHs, H., WeHs, P. H., Hurd, L. E. (1999): The praying mantids. John Hopkins University Press Schoeman, A. S. (1986): Mantodea. In: Insects of Southern Africa, Butterworths, Durban. 62-65
25.14 Blattodea, Schaben Bisher sind weltweit etwa 3500 Arten beschrieben, einheimisch nur 12. Die Ordnung ist vorwiegend in tropischen und subtropischen Gebieten verbreitet. Von den 28 Familien sollen nur wenige erwähnt werden, weil einige ihrer Arten hygienische Bedeutung haben oder als Labortiere gehalten werden.
• Blaberidae: Arten der Gattungen Blaberus und Leucophaea werden vielfach als Labortiere gehalten. Cryptocercus punctulatus, eine kleine flügellose Art, lebt in Nordamerika unter Baumrinde und frisst morsches Holz. In ihrem mittleren Enddarm sind , ebenso wie bei Termiten und anderen Schabenarten, zahlreiche symbiontische Flagellatenarten (Polymastigina) und Bakterien vorhanden, die zum Holzaufschluss lebensnotwendig sind (Kap. 19). • Blattidae: Die Kulturfolger Blatta orientalis, die Küchenschabe oder Kakerlake, sowie Periplaneta ame ricana, die Amerikanische Schabe sind Kulturfolger. • Blatellidae: Weltweit verbreitet ist ein weiterer Kulturfolger, Blatella germanica , die Deutsche Schabe. • Ectobiidae: Freilebende einheimische Arten gehören zur G attung Ectobius. Charakteristisch für Schaben sind der abgefl achte Körper, das auffallend große Pronotum, unter dem der orthognathe Kopf verborgen ist, und die langen Antennen . Die derbe Cuticula hat eine weiche Wachsschicht, sodass die Tiere beim Anfassen un angenehm schmierig erscheinen (s. 1.3.6). Die Cuticula ist meistens braun oder schwarz gefärbt und nur selten grün oder mit gelber oder roter Zeichnung versehen. Die Schaben haben typische kauende, orthopteroide Mundwerkzeuge (s. 2.2.3). Sie leben in dunklen Verstecken und sind nachtaktiv. Daher haben die eukonen Komplexaugen Einrichtungen, die das Sehen bei geringer Lichtintensität erleichtern. Es können zwei Ocellen vorhanden sein. Die Antennen sind sehr lang und vielgliedrig. Die Flügel sind reich geadert und besitzen ein großes Analfeld, das in Ruhelage gefaltet wird . Sie werden aber nur von den Männchen mancher Arten zum Fliegen verwendet. Die Männchen von Periplan eta nutzen die Flügel für Schwirrflüge wäh rend der Balz, wenn sie das Weibchen umkreisen und Pheromon abgeben . Flügelreduktion kommt bei den Weibchen vieler Arten vor. Die langen Beine befähigen die Schaben zu schnellen Fluchtbewegungen. Die Tarsen besitzen 2 Klauen, ein Arolium und Haftläppchen (Euplantulae), sodass sie für eine Fortbewegung auf rauer wie glatter Unterlage geeignet sind . Auffallend sind die stark ausgebildeten Coxae (Abb. 25-15 A). Der Darm ist mit einem stark bezahnten Proventriculus versehen (Abb. 4-5 A). Am Eingang zum Mitteldarm ist ein Kranz von Caeca vor handen. Auffallend sind zahlreiche Malpighische Gefäße und die Länge des Enddarms (Abb. 2514C). Schaben sind Allesfresser. Das Tracheensystem hat ventrale, dorsale und laterale Längsst ämme, die durch zahlreiche, aufgeweitete Anteile
25.14 Blattodea, Schaben
785
i1l~~~S~ Penis
~-----:
Proventriculus /
Stylus
Bauchmark
I Hoden
A
I
Anhangsdrüse
o - Caecum - Kropf Ovar
Ovar Collateraldr üse
Rectum
B
Col lateral-
d rüse
c
Abb. 25-15: Blattodea. A Schema der Organisation eines Schaben-Männchens. B, C Freigelegte weibliche Geschlechtsorgane von Gromphadorhina laevigata, Ausmündung der weiblichen Organe verdeckt, B junges Weibchen mit noch leerer Genitalkammer, C gravides Weibchen, in dessen Genitalkammer sich schon eine fertige Ootheca befindet. D Reife, abgelegte Ootheca von Blatta orientalis in Frontal- und Seitenansicht. (A nach Weber und Weidner 1974, B, C nach Beier 1955, C nach Storch 1980)
verbunden sind; die Stigmen sind vollzählig entwickelt. Da s Herz reicht bis in den Mesothorax; es hat 12 Paar Ostien und 6 Paar Seitenarterien. Die Ovarien sind kammförmig, die Ovariolen panoistisch. Am Ausführgang sind ein Paar Receptacula seminis, ein Paar mächt iger, verzweigter Collateraldrüsen sowie eine Genitalkammer (Abb. 25-15 B, C) vorhanden. Drüsen geben ein
Sekr et in die Gen italkammer ab, das Proteine, aber kein Ch itin enthält. In dieses Sekret werden nacheinander die au s den Oviducten eintreffenden Eier in 2 Reihen alternierend eingeb ettet. Auf diese Weise entsteht im Verlauf von etlichen Stunden eine Ootheca, die wie ein kleines Handtäschchen au ssieht und die aufgereihten Eier schützt. Je nach Art können in einer Ootheca 15-37 Eier unter-
786
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
gebracht werden . Die Proteine der Ootheca werden sklerotisiert und so gegen enzymatischen Abbau geschützt. Für die Produktion dieser Proteine und Enzyme sind zwei unterschiedlich differenzierte Collateraldrüsen zuständig. Je nach Art werden nach und nach eine unterschiedliche Zahl von Oothecen erzeugt. Blatta, Periplaneta u. a. legen die Ootheca einen Tag nach der Fertigstellung ab, Ectobius trägt sie 10-16 Tage umher, Blaberus und L eucophaea behalten die Ootheca so lange im Körper, bis die Embryonalentwicklung durchlaufen ist. Dann wird die Ootheca abgelegt und die Jungen schlüpfen. Manche Arten wie Diploptera punctata sind vivipar. Schaben durchlaufen eine hemimetabole Entwicklung, bei der sie im Laufe von 5-12 Häutungen geschlechtsreif werden . Lebensweise: Manche Arten leben als Kulturfolger bevorzugt in Häusern und können sehr lästig sein (Periplaneta, Blatta, Blattella, s. 20.3.1), andere leben im Freien , beispielsweise Ectobius, die Waldschabe. Die meisten Arten leben in Wäldern unter Fallaub, wenige sind bis in Wüsten oder Höhlen vorgedrungen. Die hausbewohnenden Schaben sind nach Einsetzen der Dunkelheit für mehrere Stunden und in geringerem Maße in der Morgendämmerung aktiv. Bei geringsten Erschütterungen flüchten sie blitzschnell in ihre Verstecke. Substratschall wird vor allem mit dem Subgenualorgan, Luftschall mit den zahlreichen Trichobothrien auf den Cerci wahrgenommen. Holzfressende Schaben (Panesthia , Cryptocercu s, Polyzostera) leben ähnlich den Termiten in Elternfamilien , d. h. mit den heranwachsenden Larven zusammen, wohl um die Übertragung der lebenswichtigen Symbionten zu sichern .
literatur Beier, M. (1967): Schaben. Neue Brehm-Bücherei 379. Ziemsen, Wittenberg Beier, M. (1974): Blattariae (Schaben). In: Helmcke, Starck, Wermuth (Hrsg.): Handbuch der Zoologie. Vol. IV (2) 2. Aufl (13). De Gruyter, Berlin. 1-127 Bell, wi, Adiyodi, K.G. (eds.) (1981): The American Cockroach. Chapman & Hall, London , New York. 1-529 Chopard, D. (1965): B1attodea. In: Gras se, P.P. (ed.): Traite de Zoologie. Vol. 9. 355-385 Just, E , Walz, B. (1994): Salivary glands of the cockroach, Perip/aneta amer icana: New data from light and electron microscopy. 1. Morph. 220: 35--46 Slaytor, M. (1992): Cellulose digestion in termites and cockroache s show what role do symbionts play. Comp. Biochem. Physiol. 103B: 775- 784
25.15 Isoptera, Termiten Es sind über 2000 Arten beschrieben. Farn . Mastotermitidae. Nur eine, in Australien lebende Art Mastotermes darwiniensis. Farn. Calotermitidae. 330 Arten. Calotermes flavicollis im Mittelmeergebiet in Holz lebend. Farn. Termopsidae . 15 Arten. Farn . Hodotermitidae. 15 Arten. Farn . Rhinotermitidae. Etwa 170 Arten. Reticulitermes fla vicollis wurde aus Nordamerika nach Frankreich und Hamburg verschleppt; Nistet im Boden; baut Galerien, um Nahrung in Form von Baumholz, Weinstöcken, Bauholz usw. zu erreichen. R. lucifugus ist im Mittelmeergebiet ein wichtiger Holzschädling. Farn . Termitidae. Artenreichste Familie mit über 1500 Arten. Die Termiten sind recht primitiv gebaute Insekten mit einer hochentwickelten Staatenbildung (s. Kap. 14). Sie sind mit den Blattodea nahe verwandt. Die Flügel sind gleichartig gebaut; das Analfeld kann bei der urtümlichen Mastotermes gefaltet werden . Diese Art legt Eipakete, aber keine Ootheca ab. Termiten sind kleine bis mittelgroße Insekten. Groß, und zwar bis zu 14 cm lang, werden allenfalls die im Innern der Bauten volkreicher Staaten versteckt lebenden Königinnen. Während die Imagines dunkel gefärbt sind , bleiben die übrigen Stadien gelblich weiß gefärbt; daher rührt die volkstümliche, unsinnige Bezeichnung " weiße Ameisen " . Der mit kauenden Mundwerkzeugen ausgestattete orthognathe Kopf wird, im Gegensatz zu den Schaben, nicht vom Pronotum überragt. Die Antennen sind vielgliedrig . Komplexaugen können vorhanden sein, fehlen aber bei Arbeitern und Soldaten; 2 Ocellen sind vorhanden. Die Laufbeine sind stets gut ausgebildet. Als einzige geflügelte Stadien werfen die geschlechtsreifen Formen nach dem Hochzeitsflug sofort die Flügel an Sollbruchstellen ab. Die Cerci sind kurz mit wenigen Gliedern oder eingliedrig. Der Darm ist mit Kropf, Proventriculus, kurzem Mitteldarm und 2-8 Malpighischen Gefäßen versehen und besitzt am Beginn des in mehrere Abschnitte gegliederten Enddarms einen geräumigen Blindsack, den man als Gärkammer bezeichnet (Abb. 4-7 B).
Die Männchen haben keine äußeren Geschlechtsorgane. Die Ovarien sind bei den Königinnen mächtig entwickelt und bestehen aus panoistischen Ovariolen. Termiten weisen eine hemimetabole Entwicklung auf. Über die Kastendifferenzierung u. a. s. Kap . 14.
25.16 und 25.17 Ensifera und Caelifera, Langfüh ler- und Kurzfühlerschrecken
literatur
787
derbe Tegmina , welche die durchsichtigen oder farbig getönten Hint erflügel bedecken; die HinterSiehe Literatur zu Kapitel 14, Soziale Insekten. flügel könn en dabei gefaltet werden. Während die einheimischen Arten nur ku rze, bestenfalls einige Meter weite Schwirrflüge unt ernehmen, könn en tropische Wanderheuschrecken sehr weite Wan25.16 und 25.17 Ensifera und derfl üge unternehmen. Bei manchen Arten könCaelifera, Langfühler- und nen beide Flügelpaa re reduziert sein oder ganz fehlen. Cha rakteristisch sind die mehr oder minKurzfühlerschrecken der langen Hint erbeine, die mit ihren mächtigen Im Laufe der letzten 100 Jahre wurden unter der Femora als kräftige Sprungbeine fungieren. An Bezeichnung Orthoptera oder Geradflügler die den 5-g1iedrigen Tarsen könn en neben Klauen ein verschiedensten Gruppen vereinigt. Weltweit sind unp aares Arolium sowie Euplantulae vorh anden etwa 15000 Arten beschr ieben, einheimisch sind es sein. etwa 80, die zu den obengenannten beiden OrdAm Abdomen sind 10 Segmente erkennbar, wobei das reduzierte 1. mit dem Thorax verschmolnungen gehören. Ordnung Ensifera (Langfühlerschrecken) mit 7 zen ist. Die Cerci sind bei den Grillen lang und Familien, von denen hier nur erwähnt werden ungegliedert sowie mit zahlreichen langen Trichosollen: bothri en ausgestattet, bei Heuschrecken nur kurz • Farn. Gryllidae, Grillen , einheimisch 5 Arten. aber gegliedert. Die Lauterzeugung (Stridulation) erfolgt in unGrillus campes tris die Feldgrille; da s Heimchen A cheta domesticus lebt in Häu sern, im Sommer terschiedlicher Weise fast ausschließlich durch die auch im Freien; die Ameisengrille Myrmecophila Männ chen. Laubheuschrecken und Grillen reiben acervorum ist blind und flügellos und lebt in die mit Schrilleiste und -kante versehenen Vord erflügel aneinander, während die Feldheu schrecken Ameisenhaufen. • Farn. Gryllotalpidae, Maulwurfsgrillen. 50 Ar- eine Schrilleiste auf den Femora der Hinterbeine ten sind beschrieben, einheimisch I Art. Gryllo- haben, die sie gegen die Schrillkant e der Vordertalpa gry llotalpa hat zu Gr abbeinen umgeformte flügel reiben. Vorderbeine und wühlt wie ein Maulwurf Gä nge Die Gehörorgane (Abb. 25-16 E u. G, Abb. 11im Boden; dadurch wird sie zum Schädling, 16 u. 18, Kap. 11 .1.4.6) liegen bei den Laubheuschrecken in den Tib ien der Vorderbeine, bei den wenn sie in Gä rten lebt. • Farn. Gryllacrididae, über 1000 Arten bekannt. Feldheuschrecken im 1. Abd ominalsegment. Das Tracheensystem weist dorsale und laterale, Die Gewächshausschrecke Tachycines asynam onicht aber ventrale Längsstämme auf Das Bauchrus hat reduzierte Flü gel. • Farn. Tettigoniidae, Laubh euschrecken, mit etwa mark zeigt eine Tendenz zur Konzent ration von 6000 Arten, einheimisch 25. Ganglien am Hinterende. Es sind nur 6 Abdominalganglien erkennbar, da s erste lagert sich dem Ordnung Caelifera (Kurzfühlerschrecken): metathorakalen Ganglion an . Der Darm kann • Farn. Tetrigidae, Dornschrecken, einheimisch 8 gerade oder gewunden verlaufen, besitzt einen Arten. stark bezahnten Provent riculus, einen Kr anz von • Farn. Acrididae, Feldheu schrecken, über 5000 Caeca am Eingang zum Mitt eldarm und zahlArten bekannt, einheimisch 39. Am bekannreiche, lange Malpighi sche Geniße. Bei den Gr yllitesten sind die Wanderheuschrecken der Arten dae ist der Mitteldarm extrem kur z, ähnlich wie L ocusta migrator ia in Afrika und Vorderasien, bei den Asseln unt er den Krebsen; die Valvula Schistocerca gregaria in Vorderasien und Me lacardiaca reicht dadurch bis weit in den Hint ernoplus-Arten in Nord amer ika. darm . Die Hoden sind kamm- oder traub enförmig Am orthognathen Kopf sind meistens beißende Mundwerkzeuge mit sehr sta rken Mand ibeln vor- gebaut. Sie münde n in einen muskulösen, mit handen. Viele leben von tierischer, manche von zahlreichen Anhangsdrüsen ausgestatteten Ductu s pflanzlicher Kost. Die vielgliedrigen Fühler sind ejaculato rius, in dem Sperm ien und Dr üsensekrete bei den Laubheuschrecken und G rillen mehr als eine Spermatoph ore ergeben. Die Ovarien sind körperlang, bei allen übrigen allenfalls halb so kammförmig und mit einer sehr unt erschiedlichen lang wie der Körper oder recht kurz , wie bei den Zahl pano istischer Ovariolen versehen. LaubheuFeldheu schrecken (Abb. 25-16). Bei den meisten schrecken und Gr illen haben einen säbelartig ausArten sind große Komplexaugen und Ocellen sehenden Legeapparat, mit dem sie die Eier in den Boden oder in Pflanzenteile legen (Abb. 25-1 6 C, vorhanden. Die Flügel werden in der Ruhe dachartig über 0 ). Die Feldheuschrecken haben keinen derardem Abdomen getragen. Die Vorderflügel sind tigen Legeappar at. Sie graben den Hinterleib mit-
788
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
A
B
o
c
Tympanum
F
-
Tibia
G
G9 G8
E
Abb.25-16: Ensifera. Caelifera. Habitus A einer Grille und B einer Maulwurfsgrille. C. 0 Weibchen beider Gruppen beim Eierlegen: Ensifera (C) haben mehr als körperlange Antennen sowie einen sehr langen, säbelförmigen, starren Legestachel, mit dessen Hilfe sie die Eierin den Boden oder in Pflanzenteile befördern; Caelifera (D) besitzen kurze Antennen und bilden mithilfeder extrem dehnungsfähigen Cuticula der Abdominalsegmente eine lange Legeröhre. E Schematisierte Darstellung des Baues eines Fedheuschrecken-Weibchens. Gg Ganglion, Mand Mandibel, Stg Stigma, G8 und G9 Gonapophysen des 8. und 9. Segments. F Grabbein der Maulwurfsgrille. Cx Coxa, Fe Femur, Ta Tarsus, TI Iibia, Tr Trochanter. G In der Iibia der Ensifera befindet sich ein Gehörorgan. (A. E-G nach Weber 1954, B nach Weber und Weidner 1974, C, D nach Weidner 1953)
hilfe der G onapophysen am 8. und 9. Segment in den Boden und sind in der Lage, ihren mit extrem dehnb arer Cuticula ausgestatte ten Hinterleib zur Eiablage sehr weit in den Boden zu schieben. Die
Eier werden in ein stra ngförrniges, scha umig aussehendes und rasch erhärtendes Sekret abgelegt (Abb. 25-16 0). Manch e Arten legen die Eier auch in Pflanzenteile oder deponieren sie als Pakete in
25.18 Phasmida (Phasmatodea, Cheleutoptera), Stab- oder Gespenstheuschrecken
789
der Vegetation. Die Ensifera und Caelifera durchlaufen eine hemimetabole Entwicklung mit einer unterschiedlichen Zahl von Häutungen .
zarrem Aussehen, daher der Name "Gespenstheuschrecken" . Der Kopf ist orthognath, hat meist vielgliedrige Antennen, kauende Mundwerkzeuge und kleine, eukone Komplexaugen mit geringer Ommatidienliteratur zahl sowie 3 Ocellen. Das Pronotum ist klein, der Metathorax mit dem I. Abdominalsegment verAlbrecht, F. O. (1953) : The anatomy of the migratory einigt (Abb.25-17). Die Flügel sind verschieden locust. Athlone Press, London groß . Die Vorderflügel sind nicht faltbare TegBailey, W.J., Rentz , D. C. F. (1990) : The Tettigoniidae: mina , die in der Ruhe die Hinterflügel bei den Biology, Systematics and Evolution. Springer Verlag, Phasmatidae meist unvollständig bedecken, bei Berlin Borror, D. J., Triplehorn, C. A., Johnson, N. F. (1989): An den Phylliidae aber überragen . Die Hinterflügel introduction to the study of insects. Saunders College haben ein umfangreiches, faltbares Analfeld (Abb. 25-17 A), das herrlich rötlich, hellgrün usw. Pub\. , Philadelphia Chapman, R. F., Joern , A. (1990) : Biology of grasshop- gefärbt sein kann . Die Flügel schlagen beim Fliepers. Wiley & Sons, New York gen synchron , d. h. die Tegmina sind, im GegenChopard, L. (1949): Ordre des Orthopteres, In : Grasse, satz zu den Verhältnissen bei Käfern, am Flug P.P. (ed.): Traite de Zoologie. VoIIX. Masson, Paris, beteiligt. Vielfach sind beide Flügel zurückgebil617-722 det, beispielsweise bei den Stabheuschrecken. Die Harz, K. (1957): Die Geradflügler Mitteleuropas. Gu stav Beine sind vor allem bei den stabförmigen PhasFischer, Jena Harz, K. (1969) : Die Orthopteren Europas. W. Junk, The matidae sehr lange Schreitbeine mit kleinen Coxae und fünfgliedrigen Tarsen . Bei den Phylliidae sind Hague. I. 749 S., 11. 939 S. Hillerton, J. E., Vincent , J.F. V. (1982): The specific loca- sie stark verbreitert (Abb. 25-17 B). Manche Arten tion of zinc in insect mandibles. J. Exp. Bio\. 101: haben am Pronotum Drüsen , die ein Wehrsekret 333-336 ausspritzen können. Am Abdomen sind meistens Rage, D. R., Reynolds, W. J. (1998) : The songs of the 10 Segmente zu erkennen . Der Darm besitzt einen grasshoppers and crickets of Western Europe. Harley umfangreichen Kropf, aber keinen Proventriculus. Books, Colchester. 591 S. Der Mitteldarm ist mit Ampullen versehen, die Uvarov, B. P. (1966) : Grasshoppers and locusts. Camden Malpighischen Gefäßen ähneln . bridge University Press, Cambridge Die inaktive Phase der Phasmiden am Tage ist Vincent, J. F. v.. Wood, S. D. E. (1972) : Mechanisms of durch eine Körperstarre gekennzeichnet , die man abdominal extension during oviposition in Locusta . als Katalepsie bezeichnet . Bei Carausius morosus Nature 235: 167-168 ist ein mit dem Aktivitätsrhythmus gekoppelter physiologischer Farbwechsel vorhanden, dessen Steuerung bereits vielfach untersucht wurde. Bei den Phasmiden kommt geschlechtliche Fort25.18 Phasmida pflanzung sowie fakultative oder konstante Par(Phasmatodea, thenogenese vor. Die Art der Fortpflanzung kann innerh alb einer Art geografisch verschieden sein. Cheleutoptera), StabBei Bacillus rossii herrscht in Südfrankreich Paroder Gespenstthenogenese, in Nordafrika hingegen geschlechtliche Fortpflanzung vor. Carausius morosus verheuschrecken mehrt sich stets durch Parthenogenese. Die kammförmigen Ovarien enthalten panoistische OvarioBisher sind etwa 2500 Arten beschrieben. len. Die relativ großen , einzeln abgelegten, Farn. Phylliidae. Die bekannteste Gattung ist dunkelbraun gefärbten Eier weisen starke LängsPhyllium, da s Wandelnde Blatt, die im tropirippen auf und sehen dadurch wie Pflanzen samen schen Asien und auf Neu-Guinea vorkommt aus (Abb. 25-17 D, E). Die hemimetabole Entwick(Abb 25-17 B). lung erfolgt über 4-5 Häutungen zum Imaginal Farn. Phasmatidae. Am bekanntesten ist die viel stadium. gezüchtete, aus Indien stammende Stabheuschrecke Carausius (Dixipp us) morosus (Abb. 2517 C). Im Mittelmeergebiet kommt Bacillus rosliteratur sii vor. Stabheuschrecken sind vorwiegend in den Tropen verbreitete, nachtaktive Pflanzenfresser . Es sind mittelgroße bis teilweise ungewöhnlich große Formen von stabförmiger Gestalt und bisweilen bi-
Bedford, G. O. (1978) : Biology and ecology of the Phasmatodea. Ann. Rev. Entomo\. 23, 125-149 Beier, M. (1968) : Phasmida (Stab- oder Gespenstheuschrecken). In: Helmcke, Starck , Wermuth (Hrsg .):
790
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
B 11
Vorderflügel Costalfeld
A
o
E
Abb. 25-17: Phasmida. A Vetilia wuelfingi, eine Art aus Nordaustralien, links mit angelegten, rechts mit ausgebreiteten Flügeln. Die Hinterflügel besitzen ein ausgedehntes Analfeld. 1-111 Pro-, Meso-, Metathorax. B Ein Wandelndes Blatt, Phyllium frondosum, aus Neuguinea. C Die Stabheuschrecke Carausius morosus. D, E Eier von Ph. pulchrifolium und C. morosus. (A, B aus Weber und Weidner 1974, (-E nach Beier 1968)
Handbuch der Zoologie. Vol IV. (2) 2. Aufl (10). Oe Gruyter, Berlin . I-56 Dustmann, 1. H. (1964): Die Redoxpigmente von Carausius morosus und ihre Bedeutung für den morphologischen Fa rbwechsel. Z . vergl. Physiol. 49: 28-57 Leuzinger, H., Wiesmann, R ., Lehmann, F. E. (1926) : Zur Kenntnis der An atomie und Entwicklungsgeschichte der Stabheuschrecke Carausius morosus. Gustav Fi scher, Jena Reisinger, L. (1928): Katalepsie der ind ischen Stabheuschre cke (D ixippu s morosus). Biol. Zbl. 48: 162-167
25.19 Zoraptera, Bodenläuse Etwa 24 Arten sind bisher beschrieben, die alle zu einer Gattung, Zorotypus, gehören (Abb. 25-18). Sie kommen in allen Erdteilen außer Europa vor. Es handelt sich um kleine, höchstens 3 mm lange Insekten mit großem Kopf, vielgliedrigen Antennen, Komplexaugen , Ocellen, kauenden Mundwerkzeugen , gut ausgebildeten Laufbeinen mit stark reduzierten Tarsen und Flügeln, die weit über das Körperende ragen, nur wenige Adern aufweisen und abgeworfen werden können (Abb. 25-18). Bei manchen Imagines fehlen Augen und Flügel. Zoraptera leben in kleinen Kolonien
25.20 Psocoptera, Staubläuse, Flechtlinge, Rinden- und Bücherläuse
791
Abb. 25-18: Zoraptera. A Geflügelte Imago von Zorotypus brasiliensis. B Entflügelte Imago von Z. mexicanus. (Nach Silvestri 1946 und 1913)
unter der Rinde zerfallender Bäume oder in zerfallenden Ptlanzenteilen.
insbesondere unter feuchten Bedingungen vorkommen. Staubläuse stellen ubiquitäre Bewohner im Haushalt dar. Da bei etwa 30% von Patienten mit Atemwegserkrankungen Antikörper gegen literatur Psocopteren nachgewiesen wurden, müssen Staubläuse, neben Hausstaubmilben als wichtige InnenDenis, R . (1965): Zorapteres, In: Grasse, P.P. (ed.): Traite raumallergene angesprochen werden. Ihre große de Zoologie. Vo!. 9. 545-557 ökologische Bedeutung beruht darauf, dass PsoWeidner, H. (1970): Zoraptera (Bodenläuse). In: copteren durch ihre Fraßtätigkeit die aus einzeIHelmcke, Starck, Wermuth (Hrsg.): Handb. Zoo!. IV ligen Algen, Pilzen (Hyphen, Sporen), Flechten (2) 2. Aufl. (13) pp 12 oder Hefen bestehende Mikrotlora für andere Glieder der Nahrungskette verfügbar machen . Außerdem können Psocopteren Bruchstücke von Ptlanzen oder Insekten aufnehmen. Larven der 25.20 Psocoptera, Staubläuse, Staubläuse kommen häufig gregär unter Rinde Flechtlinge, Rinden- und oder unter Seidengespinsten vor. Tickende Geräusche werden von Staubläusen durch Schlagen des Bücherläuse Abdomens auf den Untergrund hervorgerufen (z. B. Trogium, Lepinotus) . Sie dienen möglicherDie Psocoptera (auch Corrodentia, Copeognatha) weise der Geschlechterfindung. sind kleine, 0,5-10 mm lange Vertreter der NeoInnerhalb der Psocoptera sind bislang etwa ptera mit großem, beweglichem Kopf, fadenförmi- 4000 Arten beschrieben worden (Mitteleuropa gen Antennen und aufgetriebenem Postclypeus etwa 100 Arten). Obwohl die höchsten Artenzah(Abb. 25-19 A-D). Die Männchen sind oft kleiner len in den Tropen vorkommen, finden sich Psoals die Weibchen. Falls überhaupt vorhanden, copteren häufig auch in gemäßigten Regionen . werden membranöse Flügel bei den Staubläusen Taxonomisch noch nicht eindeutig einzuordnende dachförmig über das Abdomen gelegt (Abb. 25-19 fossile Psocopterenformen sind seit dem Perm beB, C). Der Thorax ist groß. Psocopteren sind kannt. Auch ist eine reichhaltige Psocopterenhäufig polymorph, insbesondere ist die Reduktion fauna aus dem Tertiär (Bernsteinfauna) bekannt. der Flügel im weiblichen Geschlecht verbreitet. Die aufgrund von Autapomorphien der Eier und Staubläuse finden sich häufig auf und unter Embryonen als monophyletisch erkannten PsoRinde, auf Blättern, in der Bodenstreu oder unter coptera und ihre Schwestergruppe Phthiraptera Steinen. Sie stellen wichtige Vorratsschädlinge dar, bilden die Gruppe der Psocodea, welche früher als die auch in Herbarien und Insektensammlungen Schwestergruppe der Hemiptera + Thysanoptera
792
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Geschlechtsöffnung
E
Phallus
F
Abb. 25-19: Psocoptera. A Dorsalansicht von Trogium pulsatorium. Seitenansichten der Imagines von B Psococerastis sp. (Psocidae) und C Hemipsocus sp. (Hemipsocidae). D Seitenansicht Kopf von Ectopsocus sp. E, FSeitenansicht der Hinterleibsspitzen Edes Weibehens von Methylophorus sp. und F des Männchens von Mesopsocus sp. G Innere Organisation eines Psocopterenweibchens. H Schlupf aus dem Ei bei Ectopsocus briggsi (Eizahn in den ersten beiden Phasen dunkel). (8 nach Smithers 1986, A, D-F nach Günther 1974, G nach Weber und Weidner 1974, H nach Jacobs und Renner 1988)
betrachtet wurde (s. Abb. 24-7). Abgeleitete Merkmale hinsichtlich der Morphologie der Spermatozoen sowie des Dilatatormuskels der Cibarialpumpe sprechen dafür, daß die Psocodea eine Schwestergruppe der Thysanoptera reräsentiert. Sämtliche Arten verteilen sich auf 8 Familiengruppen mit insgesamt 36 Familien und die drei Unterordnungen Trogiomorpha (5 Familien in 2 Familiengruppen, 300 Arten), Troctomorpha (8 Familien in 2 Familiengruppen, 350 Arten) und
Psocomorpha (4 Familiengruppen, 23 Familien, 3200 Arten) . Die primitiveren Trogiomorpha weisen im Gegensatz zu den beiden anderen Unterordnungen mehr als 20 Antennensegmente auf. Die Psocomorpha sind außerordentlich artenreich, sie umfassen etwa 80% aller Staubläuse und besitzen im Vorderflügel ein verdicktes Pterostigma. Staubläuse sind aufgrund ihrer fleckenartigen Farbmuster meist sehr gut getarnt (Abb. 2519 B), Larven und Imagines können auch von
25.20 Psocoptera, Staubläuse, Flechtlinge, Rinden- und Bücherläuse
793
Detritus bedeckt sein, welcher beispielsweise an Paar Valvulae gebildet (Dorsal-, Ventral- u. LateDrüsenhaaren auf der Körperoberfläche haftet. ralvalven; Abb. 25-19 E). Zum Teil kommen bei Psocopterenlarven auch Fortptlanzungsbiologie: Innerhalb der PsocoSchuppenbildungen vor. pteren ist parthenogenetische Fortpflanzung verDer orthognathe, zuweilen prognathe Kopf der breitet , gelegentlich kommen auch vivipare Arten Staubläuse weist, besonders im männlichen Ge- vor. Vor dem Transfer von Spermien mittels eines schlecht, große Komplexaugen und lange Anten- unpaaren Penis über meist komplizierte Spermatonen mit häufig mehr als 13, manchmal sogar über phoren können die Männchen einen Balztanz voll50, oft geringelten Antennengliedern auf. Geflü- führen . Weibchen der bisexuellen Stämme produgelte Arten besitzen 3 Ocellen, während Ocellen zieren im Gegensatz zu den Weibchen der parbei apteren Arten vollständig fehlen. Der Post- thenogenetischen Stämme einen Sexuallockstoff. clypeus ist in charakteristischer Weiseaufgetrieben Die einzeln oder in Gruppen abgelegten, ellip(Abb. 25-19 A-D) . Die beißend-kauenden Mund- soiden bis ovalen Eier weisen raue oder glatte werkzeuge verfügen über gezähnte , asymmetrische Oberflächen auf. Sie können mittels Detritus, Kot Mandibeln und in die Kopfkapsel eingesenkte, oder Seidenmaterial bedeckt werden. Das extrem freibewegliche, meißelförmige Lacinien . dünne Chorion wird durch Eizähnchen auf dem Der Thorax besteht vor allem aus dem großem Kopf der Embryonen geöffnet (Abb. 25-19 H). In Meso- und Metathorax, dem Pterothorax, welcher wenigen Fällen wurde Viviparie bzw. Ovoviviparie den schmalen Prothorax überdeckt. Die relativ nachgewiesen. langen Beine besitzen jeweils 2-3 Tarsenglieder Im Gegensatz zu den Imagines besitzen die (Abb. 25-19 A-C) . Die paarigen Klauen sind vor sechs Larvenstadien der Psocopteren normalerallem bei den Rindenbewohnern gezähnt. Ein Stri- weise kürzere Antennen, außerdem fehlen ihnen dulationsorgan befindet sich im Bereich der Hin- Sinnesborsten und Ocelli. Bei ungeflügelten Spetercoxen . Sowohl im Vorder- als auch im etwas zies sind häufig nur 5-6 Larvenstadien anzutrefverkleinerten Hinterflügel ist eine reduzierte Flü- fen. Die Flügelanlagen sind bei geflügelten Forgeladerung zu verzeichnen und es finden sich men ab dem zweiten Larvenstadium, die äußeren relativ wenige Flügelzellen. Die Vorder- und Geschlechtsorgane erst im letzten Larvenstadium Hinterflügel sind über Hakenhaare miteinan- zu erkennen . Die Larven spinnen vor jeder Häuder gekoppelt. Auf den Flügeln finden sich tung zwei Netze, welche der Befestigung dienen oft charakteristische Mikrostrukturen, bei man- bzw. die Tiere vor dem Herabfallen bewahren . Je chen Familien kommt sogar eine Beschuppung nach Art werden pro Jahr 1 bis mehrere (4) Gehinzu . nerationen entwickelt. Das Abdomen der Psocopteren besteht aus II Segmenten und wird durch die Analplatten (= 11 . Segment) abgeschlossen: ein dorsaler Epiprokt, Literatur sowie zwei seitliche, mit Sinnesborsten versehene Paraprocte (Abb. 25-19 E, F). Der Darmtrakt Günther, K . (1974): Staubläuse, Psocoptera. Die Tierwelt Deutschlands. 61. Teil Gustav Fischer, Jena weist einen verlängerten Ösophagus auf und ist Günther, K. K. (2003): 19. Ordnung Psocoptera (Codurch einen großen Mitteldarm mit 4 Malpighipeognatha, Corrodentia), Staubläuse und Flechtlinge, sehen Gefäßen gekennzeichnet. Da s Cibarium 296-308, in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. I: fungiert als Saugpumpe. Die Cibarialpumpe dient Wirbellose Tiere Teil 5 (Hrsg. H. H . Dathe). Spekauch der Wasseraufn ahme aus der Luft . Das Tratrum Ak ademischer Verlag, Heidelberg cheensystem besitzt vor allem laterale Längs- Smithers, C. N. (1970): Psocoptera. In: The insects of stämme, es sind normalerweise acht Paar Stigmen Australia. (CSIRO), Melbourne Univ. Press. vorhanden. In dorsalen und ventralen Labialdrü367-375 sen wird Speichel oder Seide produziert. Das Ner- Smithers, C. N. (1986): Psocoptera. In : Scholtz, C. H., Holm, E. (eds.): Insects of southern Africa Buttervensystem der Psocopteren ist stark konzentriert. worths, Durban . 99-104 Das Herz ist meist kurz , Ostien fehlen (Abb. 25-19 G). Der dreiteilige, schlauchförmige Hoden ist mit von Keler, S. (1953): Staubläu se. Neue Brehm-B ücherei, Leipzig großen Samenblasen assoziiert , in welchen SperWeidner, H . (1972) : Copeognatha (Staubläuse). In: matophoren hergestellt werden. Die SubgenitalHandbuch der Zoologie 4 (2) 2/9: 1-94 platte der Männchen (= 9. Abdominalsternit) ist oft kompliziert sklerotisiert und zum Teil mit Haken versehen. Die büschelförmigen Ovarien enthalten 3-5 polytrophe OvarioIen. Die weibliche Geschlechtsöffnung der Staubläuse liegt hinter dem 8. Sternit, welcher die Subgenitalplatte bildet (Abb. 25-19 E, G) . Der Ovipositor wird aus drei
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
folgenden Pharynxpumpe Wirtsblut in den Kropf. Die Labialdrüsen sind in Form von paarigen schlauchförmigen und großen , bohnenförmigen Die Angaben über Artenzahlen differieren außer- Drüsen ausgebildet. ordentlich . Kaestner gibt 1973 an, dass etwa 3700 Bei den Anoplura sind die Mundwerkzeuge Arten bekannt seien, darunter 3300 Mallophagen- äußerlich nicht zu sehen. Während der Entwickund 400 Anoplura-Arten. Eichler (1978) nennt lung werden al1e Mundwerkzeuge angelegt, andemgegenüber 12000 Arten weltweit und etwa schließend erheblich modifiziert und in das Innere 1000 Arten in Mitteleuropa. des Kopfes verlagert. So kommt es zur Entstehung Die lange Zeit als Uo. geführten Mallophaga , einer sekundären Entognathie und eines ungeFederlinge und Haarlinge, werden neuerdings in 3 wöhnlichen Stechapparats, der aus einem engen Uo. aufgegliedert: Mundkegel ausgefahren werden kann (Abb.25I. Uo. Amblycera, auf Vögeln und Säugetieren 20). Die Ableitung der Anteile dieses Stechappalebend. rats von den ursprünglichen Mundwerkzeugen der 2. Uo. Ischnocera, ebenfal1s auf Vögeln und Säu- Insekten gelang erst neuerdings durch eine sorgfälgetieren zu finden. tige Untersuchung der Entwicklungsgeschichte so3. Uo. Rhynchophthirina, Elefantenläuse. Nur wie durch die Zuordnung der Muskeln und Nereine Gattung, Haematomyzus, mit 2 Arten be- ven. Das Labrum ist zu einem kragenförmigen kannt, die auf Elefanten sowie auf Warzen- Sklerit und einer tunnelförmigen Proboscis (Hausschweinen leben. tellum) umgebildet und kann vorgestreckt werden. 4. Uo. Anoplura, Siphunculata, 5 Farn., u. a. Pedi- Der Stachel besteht aus zwei cuticularisierten culidae, Haematopinidae. Halbrinnen, die miteinander gekoppelt sind und Die Phthiraptera können wahrscheinlich von den aus- und eingefahren werden können . Zwischen Copeognatha ähnlichen Vorfahren abgeleitet wer- ihnen verläuft der Speichelgang (Abb. 25-21). Die den. Alle Arten leben als Ektoparasiten auf Vögeln dorsale Halbrinne ist ein Derivat des Hypophaoder Säugetieren . Ihre Evolution erfolgte anschei- rynx, die ventrale ein Abkömmling des Labiums. nend paral1el zu der der Wirtstiere. Die Zahl der Im Inneren des Kopfes ist ein hydraulischer Appaauf Vögeln lebenden Arten ist erheblich größer als rat vorhanden, der beim Ein- und Ausfahren des die der auf Säugern vorkommenden. Amblycera Stechapparats gemeinsam mit Muskeln von Beund Ischnocera gingen vermutlich unabhängig deutung ist. Als Ausgleichsgefäß dient die Maxillardrüse (Laciniadrüse) . Der Kopfraum wird von Vögeln auf Säugetiere über. Die meisten Mallophagen leben von keratinhaI- vorn durch das Labrum und hinten durch das tigen Hautbestandteilen, Federn , Blutresten und Obturaculum abgedichtet; Letzteres lässt nur eiin manchen Fällen auch von Blut. Elefantenläuse nen Durchlass für Darm, Speichelgang und Nerven frei. Beim Stechvorgang wird zunächst das und Anoplura sind Blutsauger. Die Phthiraptera haben einen prognathen Kopf Labrum ausgestülpt und auf die Haut des Wirtes mit 3-5-gliedrigen Antennen, ohne Ocellen und gesetzt. Dann erst wird der Stachelapparat durch allenfalls mit wenigen Stemmata (Abb. 25-20). diese Dichtungsmanschette vorgeschoben . Durch abwechselnde Bewegung werden die beiden StaDas Tentorium ist mehr oder weniger reduziert. Die Mallophagen besitzen kauende , teilweise chelteile in die Haut des Wirtes getrieben. Verreduzierte Mundwerkzeuge (Abb. 25-20 A). Die letzen sie dabei ein Blutgefäß, so kann das ausdorsalen und ventralen Labialdrüsen verfügen tretende Blut über die rinnenförmigen Mandibeln (Abb. 25-21 D) und Galeae mithilfe der Cibarialüber eine gemeinsame Mündung. Elefantenläuse haben einen in Form eines Ros- und vor al1em der viel leistungsfähigeren Phatrums vorragenden Vorderkopf (Abb. 25-20 C, D). rynxpumpe in den Mitteldarm befördert werden. Ihre Mundwerkzeuge sind, mit Ausnahme der Über den Speichelgang (Abb. 25-21) wird Speichel Mandibeln, weitgehend reduziert. Die stark ge- in den Stichkanal gepumpt. Nach dem Saugakt zähnten Mandibeln befinden sich jederseits am wird der Stachelapparat samt dem Labrum wieder distalen Ende des Rostrums und werden durch in den Kopf zurückgezogen . Innerhalb der Phthiraptera besteht in zunehstarke Abduktoren sowie schwächere Adduktoren bewegt. So können sie sich - analog den Cheli- mendem Maße eine Tendenz zur Verschmelzung ceren der Zecken - in die Haut ihrer Wirte raspeln . der Thoraxsegmente; bei der Gattung HaematoHinter den Mandibeln befindet sich ein Kranz von myzus und bei den Anoplura sind sie vollständig Widerhaken , die ein Herausrutschen aus dem miteinander verschmolzen. Flügel oder FlügelanBohrgang verhindern. Im Innern des Rostrums lagen fehlen vollkommen. Die Beine sind in unterverläuft rohrförmig das Cibarium, das in der schiedlichem Maße zu Klammerbeinen umgebilKopfkapsel aufgeweitet und mit Muskeln versehen det (Abb. 25-20) und dadurch besonders gut zum ist. Dieser Pumpapparat schafft im Verein mit der Klettern im Feder- oder Haarkleid ihrer Wirte
25.21 Phthiraptera, Tierläuse
25.21 Phthiraptera, Tierläuse
Mandibel
795
Mundkegel <,
Mandibel Tarsus Tibia
II~I;-\-~- Proventriculus
c Wh
Vesicula seminalis
B Mycetom Anhangsdrüse - - Vag ina
A
_
G
Abb. 25-20: Phthiraptera. A Mallophaga: Dorsalansicht des Männchens einer Art aus der Gruppe der Amblycera. B Anoplura: Weibchen der Kleiderlaus. Der Übersichtlichkeit halber sind von den inneren Organen aufder linken Seite nur die Hauptstämme des Tracheensystems sowie aufder rechten Seite das Ovar und die Mycetome eingezeichnet. C Rhynchophthirina: Kopf der einzigen Art, der Elefantenlaus Haematomyzus elephantis. Kopf rüsselartig ausgebildet und mit Sinnesorganen sowie Mandibeln am Vorderende versehen. D Vorderende des Kopfes der Elefantenlaus. Die Mandibeln führen nach außen, und nicht wie sonst üblich, medial gerichtete Raspelbewegungen durch. E·G Eier von Mallophagen; E, G an Haar bzw. Feder angekittet. AbAbduktor der Mandibel, Ad Adduktor der Mandibel, MS Magenschild mit Symbionten, Pli Palpus labialis, Plm P. maxillaris, Rs Receptaculum seminis, Stg Stigma, Wh Widerhaken. (A-D verändert nach Weber 1954)
geeignet; bei Haematomyzus sind sie aber auch gut zum Laufen zu verwenden. Das Tracheensystem weist nur laterale Längsstämme mit Kommissuren auf, die im Kopf, in den Thoraxsegmenten und am Hinterende liegen. Statt des 2. thorakalen und I . abdominalen Stigmas ist lediglich eine Stigmennarbe vorhanden. Der Darm hat einen Kropf, bei den Amblycera einen mit Zähnchen versehenen, bei den Ischnocera einen unbezahnten Proventriculus. Am Mitteldarm sind vorn lateral zwei Caeca vorhanden. Der Enddarm besitzt vier Malpighische Gefäße und sechs Rektalpapillen . Das Herz ist extrem kurz. Es ist mit
2-3 Ostien und 3 Flügelmuskelpaaren ausgestattet. Das Nervensystem ist stark verkürzt ; die abdominalen Ganglien sind mit denen im thorakalen Bereich verschmolzen. Ein Legeapparat fehlt den Phthiraptera. In die Vagina münden umfangreiche, gelappte Anhangsdrüsen, mit deren Sekret die einzeln abgelegten Eier an Federn oder Haare des Wirts gekittet werden (Abb. 25-20 E-G). Die Metamorphose stellt eine Paurometabolie dar. Angaben zur Bedeutung der Läuse als Lästlinge und Krankheitsüberträger s. Kap. 20.3.2 und 20.4.4.
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
Maxillardrüse
Speich eldrüsengang
A
--. c Speichelgang
o
Abb. 25-21: Phthiraptera. A Embryonal wird bei Läusen zunächst der v?lIständige Komplex der Mu~dwerkzeuge an~elegt, anschließend aber sehr stark modifiziert. B, CSchematisierte Darstellung des em- und ausgefahrenen Stechrussels derSchwemelaus Haematopinus suis. D Räumliche Darstellung eines Anschnitts des Stachelapparats der Kleiderlaus. Pfeile geben die Stromungsrichtung von Blut und Speichel an. (A nach Young 1953, B, C nach Ramcke 1965, D nach Weber 1933)
Literatur Borror, D. 1., Triplehorn, C. A., Johnson, N. F. (1989): An introduction to the study of insects. Saunders College Publ., Philadelphia Eichler, W (1956): Neue Brehm-Bücherei. Bd. 186.Ziemsen, Wittenberg Ferris, G. F. (1951): The sucking Iice. Mem. Pacific Coast Ent. Soc. I: 1-320 Hirsch, F. (1986): Die Mundwerkzeuge von Phthirus pubis L. (Anoplura). Zoo!. Jb. Anal. 114: 167-204 Keler, S. v. (1969): Mallophaga (Federlinge und Haarlinge). In: Helmcke, Starck, Wermuth (Hrsg.): Handbuch der Zoologie. Vo!. IV. (2) 2. Aufl (17). De Gruyter, Berlin. 1-72 Königsmann, E. (1961): Zur Phylogenie der Parametabola unter besonderer Berücksichtigung der Phthiraptera . Beitr. Entom . 10: 705-744 Lehane, M. (1991): Biology of blood-sucking insects. Chapman & Hall, London
Maier, WA. (1976): Arthropoden als Wirte und Überträger menschlicher Parasiten : Pathologie und Abwehrreaktionen der Wirte. Z. Parasitenk. 48: 151 -179 Piotrowski, F. (1992): Anoplura (Echte Läuse). In: Helrncke, Starck, Wermuth (Hrsg.) Handbuch der Zoologie. Vo!. IV. (2) 2.Aufl (20). De Gruyter, BerlinNew York. I-52 Ramcke, 1. (1965): Kopf der Schweinelaus (Haematopinus suis L.) (Anoplura). Zoo!. Jb. Anal. 82: 547-663 Ribeiro, 1. M. C. (1987): Role of saliva in blood-feeding by arthropods. Ann. Rev. Entomo!. 32: 463-478 Risler, H. (1951): Der Kopf von Bovicola caprae (Gurlt) (Mallophaga). Zoo!. Jb. Anal. 71: 325-374 Risler, H., Gleisinger, K. (1965): Der Kopf von Gliricola gracilis (Mallophaga-Ischnocera), ein Beitrag zur Kopfmorphologie der Tierläuse (Phthiraptera). Zoo!. Jb. Anal. 82: 532-546 Schmutz, W (1954): Zur Konstruktionsmorphologie des männlichen Geschlechtsapparates der Mallophgen . Zoo!. Jb. Anal. 74: 211-316
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
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Stechborsten
I
A
B
Stechborste
c
o
Abb. 25-22: Hemiptera: Unterbringung sehr langer Stechborstenbündel bei Heteroptera und Homcptera, dargestellt anhand von längsschnitten durch das Vorderende. A Bei Rindenwanzen (Aradidae), die an Pilzhyphen saugen, wird das enorm lange Stechborstenbündel in einer umfangreichen Aussackung der Mundhöhle untergebracht. B Bei manchen Plataspididae (Heteroptera) wie Bozius respersus findet das Stechborstenbündel Platz in einer großen Aussackung des labiums. C Bei den larven des Apfelblattsaugers Psylla mali bildet das lange Stechborstenbündel beim Zurückziehen vor dem labium eine freiliegende Schlinge. D Die ebenfalls sehr langen Stechborsten von Schildläusen und larven der Aleyrodidae sowie mancher Plataspididae werden beim Zurückziehen in einer tiefen Tasche, der Crumena, untergebracht. Diese beginnt an der Basis des labiums und ragt mehr oder weniger weit in den Thorax. (A, C nach Weber 1930, B nach China 1931, D nach Weber 1928, alle aus Snodgrass 1935)
Tuxen, S. L. (ed.) (1970): Taxonomist's glossary of genitalia in insects. Brill, Leiden Weber, H., Wenk, P. (1969): Die Elefantenlaus. Zoologica (Stuttgart) Zlotorzycka, 1., Eichler, w., Ludwig, H. W. (1974): Taxonomie und Biologie der Mallophagen und Läuse mitteleuropäischer Haus- und Nutztiere. Parasitol. Schriftenr. 22: 3-100
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe) Die Gruppe ist vor allem durch die Ausbildung des Kopfes und die zu einem Stechrüssel umgebildeten Mundwerkzeuge charakterisiert (Abb. 43). Die zu feinen Stechborsten umgebildeten Mandibeln und MaxilIen reichen durch taschenförmige Bildungen tief in den Kopf hinein und können durch die am Tentorium ansetzenden Muskeln
bewegt werden. Im Falle der Mandibeln geschieht dies alternierend, bei den MaxilIen gleichzeitig. Beide sind sehr elastisch und können nicht nur wie eine Injektion snadel gerade in das Wirtsgewebe getrieben werden, sondern bisweilen einen stark gewundenen Weg nehmen . Bei den Rindenwanzen (Aradidae) ist das Stechborstenbündel etwa sechsmal so lang wie der ganze Körper. Die Stechborsten werden in der Ruhe, spiralförmig aufgerollt , in einer weiten Höhle im Kopf untergebracht (Abb. 25-22). Weitere Beispiele für die Unterbringung sehr langer Stechborstenbündel sind in Abb. 25-22 dargestellt. Die MaxilIen weisen zwei verschieden tiefe Rinnen auf, die bei fest aneinanderliegenden Maxillen zwei Rohre ergeben, den Nahrungs- und den Speichelgang (Abb. 4-3). Der Speichel wird mit einer besonderen Speichelpumpe vom Reservoir in den Speicheldrüsen zum Speichelgang befördert. Er kann lähmend , lysierend und verdauend wirken und bei Blutsaugern gerinnungshemmende Substanzen enthalten. Das rohrförmige Labium bildet vorn eine eingestülpte
798
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
-
-
A
'I
Labium
- Membran
Labialdrusen
Stechborsten bündel
5=---v,.--t- S
B'~ Abb. 25-23: Hemiptera: Charakteristika der Wanzen (Heteroptera). A Schematisierte Seitenansicht des Weibehens einer l andwanze. DieVorderflügel sind Halbdecken (Hemielytren)mit basalem Corium und distalerhäutiger Membran. Die Flügel liegen in der Ruh e flach auf dem Abdomen, wobei die Membranen der Vorderflügel übereinander angeordnet sind. Pn Pronotum, Sei Scutellum. B1-4 vorder- und Hinterflügelsind im Fluge miteinander verhakt (V) (Graphosomaitalicum). CStinkdrüsen (S) münden seitlich am Metathorax (Palomena sp.). (A nach Weber und Weidner 1974, B, C nach Weber 1930)
Rinne, in der die Stechborsten liegen (Abb. 4-3). Das Labium dient als Führung für die Stechborsten, dringt aber beim Einstich nicht in Pflanzenteile, Insekten oder die Haut von Wirbeltieren ein. Es hat an der Spitze eine Vielzahl von Sinneshaaren, die zur Prüfung der Einstichstelle dienen. Maxillar- und Labialp alpen sind reduziert. Das Labrum stellt eine kurze, vordere Abdeckung am Rüssel dar. In der Ruhe wird der Rüssel bei den meisten Arten zwischen den Basen der Beine eingeschlagen, womöglich in einer dort ausgebildet en
Rinne getragen. Unmittelbar vor dem Einstich wird er bei Pflanzensaugern nach unten oder bei räuberischen Formen und Blutsaugern nach vorn ausgeschwenkt. Bei Nahrungsspezialisten unter den Wanzen sowie bei den Schildläusen und Blattsaugern ist das Labium sehr viel kür zer als die extrem langen Stechborsten. Diese können in unterschiedlicher Weise untergebracht werden (Abb. 25-22). Bei den Blattläusen, Schildläusen und Blattsaugern mit sehr langen Stechborsten könn en diese in eine tief in den Kopf reichende,
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
womöglich noch gewundene Tasche, die Crumena, zurückgezogen werden (Abb. 25-22). Die 0. Hemiptera (Rhynchota) wird folgendermaßen gegliedert: Uo. Heteroptera, Wanzen Uo. Homoptera 1. Auchenorrhyncha Cicadina, Zikaden 2. Sternorrhyncha Aphidina, Blattläuse Coccinea, Schildläuse Aleyrodina, Mottenläuse Psyllina, Blatttlöhe
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wanzen), die vor allem in Südamerika artenreichen, aber bis ins Mittelmeergebiet vorkommenden Belostomatidae (Riesenwanzen) (Abb. 25-24 I), die bis zu 10,5 cm lang werden können, die Nepidae (Wasserskorpione) (Abb. 25-24 J), die Corixidae (Ruderwanzen) (Abb. 25-24) und die Aphelocheiridae. 3. Die Coleorhyncha oder Peloridiidina
Es handelt sich um eine kleine Gruppe von 25 Arten, die offensichtlich Reliktformen sind. Sie kommen nur in der südlichen Hemisphäre, im südlichen Südamerika, Australien und Neuseeland in Die Heteroptera sind offenbar eine monophyleti- feuchten Nathofagus-Wäldern vor. Sie saugen an sche Gruppe, während dies bei den Homoptera Moosen , Lebermoosen und Flechten . Einst waren noch zweifelhaft ist. Die hier aufgeführten Unter- anscheinend zahlreiche Arten im Gondwanaland gruppen der Homoptera gelten als monophyleti- (Abb. 23-7) verbreitet. Ihr Habitus ähnelt dem der sche Einheiten. Tingidae (Abb. 25-24 C). Nur die größte Art hat Hintertlügei, alle übrigen lediglich Vordertlügcl Unterordnung Heteroptera mit einem auffallend weitlumigen Adermuster. Die Artenzahl 40 000, einheimisch etwa 800. systematische Stellung dieser Artengruppe ist umstritten. Sie wird entweder - so wie hier - an die Heteroptera angelehnt oder als eigene Ordnung 1. Geocorisae, Gymnocerata, Landwanzen aufgefasst. Die Fühler sind 4-5-gliedrig und nach vorn geDie Mundwerkzeuge der vielgestaltigen und arrichtet. tenreichen Wanzen sind sehr einheitlich gebaut, Die zu den Amphibiocorisae zusammengefass- und dennoch sind diese Tiere in der Lage, viele ten 5 Familien leben auf der Wasserobertläche Nahrungsquellen zu nutzen . Sie saugen an Algen, oder am Rande von Gewässern. Hierher gehören Pilzmycelien, an Blättern, Stengeln, Wurzeln und u. a. die Familien Hydrometridae (Teichläufer), Samen von höheren Ptlanzen, an Insekten und Veliidae (Bachläufer) und Gerridae (Wasserläufer) anderen Kleintieren sowie an Wirbeltieren oder (Abb. 25-24), darunter u. a. die nur 3 mm langen, Aas; manche sind auf kleinste Muscheln speziadie Hochsee bewohnenden Arten der Gattung lisiert, andere fressen auch Detritus. Die unter Halobates. schiedliche Länge und Stellung der Antennen ist Zu den Cimicomorpha gehören 17 Familien, taxonomisch wichtig (s.o.). Die Komplexaugen u. a. die bildschönen Tingidae (Gitterwanzen) sind meist akon . Die auf der Wasserobertläche (Abb, 25-24 C), die in Südamerika als Krankheits- laufenden Gerridae nutzen die Fähigkeit, polaüberträger gefürchteten Reduviidae (Raubwan- risiertes Licht wahrzunehmen beim Fang von zen) (s. 20.3.3) sowie die Nabidae (Sichelwanzen), Beute, die unter der Wasserobertläche schwimmt. Cimicidae (Bettwanzen) (Abb. 20-5, Kap. 20.3.3), Meistens sind bei den Wanzen 2-3 Ocellen vorund die überaus artenreichen Miridae (= Cap- handen; sie fehlen u. a. bei den Miridae und Cimisidae, Blindwanzen, Abb. 25-24 0), mit etwa 300 cidae. Der hervorragend entwickelte Erschütteeinheimischen Arten . rungssinn ermöglicht den wasserbewohnenden Die Pentatomorpha enthalten 26 Familien, u. a. Wanzen eine genaue Ortung der Beute: Ranatra die Aradidae (Rindenwanzen), Lygaeidae (Ritter-) und Larven von Nepa haben Schweresinnesorgane (Abb. 25-24 G), Pyrrhocoridae (Feuer-), Coreidae am 3.-6., die Imagines von Nepa am 4.-6. Ab(Leder- und Rand-) sowie die keineswegs nur auf dominalsegment. Bäumen lebenden Pentatomidae (Baumwanzen) Stridulationsorgane gibt es nur bei den Männ(Abb. 25-24 F). chen einiger Familien. Am bekanntesten ist das für den Menschen hörbare Stridulieren der Corixidae unter Wasser; daher bezeichnet man sie als 2. Hydrocorisae, Cryptocerata, Wasserwanzen Wasserzikaden. Ein Feld von Cuticulazapfen an Die Antennen sind kürzer als der Kopf und von der Innenseite der vorderen Tibien wird bei der dorsal kaum zu sehen, weil sie in eine hinter oder Stridulation über den Seitenrand des Kopfes geunter dem Kopf befindliche Delle gelegt werden. strichen. Reduviidae und Phymatidae haben an Die Wasserwanzen leben fast alle unter Wasser. der Unterseite der Rüsselspitze Zähnchen, die sie Hierher gehören u. a. die Naucoridae (Schwimm- zur Lauterzeugung an Riefen am Prosternum rei-
800
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb. 25-24: Hemiptera: Wanzen. A-H Geocorisae, Landwanzen : A Wasserläufer Gerris lacustris, B Halobates sp., ein Hochseebewohner, CTIngide, Gitterwanze, 0 Mandragora venefica, eine Miride aus Guinea, E Myrmecoris graci/is, eine myrmekoide Art, Fdie Beerenwanze Dolycoris baccarum. G, H Die Ausdehnung des Scutellum kann stark variieren: G Chilacis typhae, eine Lygaeide, und H Coptosoma scutellatum. I, J Hydrocorisae, Wasserwanzen: I Belostoma cordofanum, eine tropische Riesenwanze, J Sigara hieroglyphica, eine Corixide. (A, B, E, H, nach Jordan 1962, D nach Weber 1930, Fnach Schneider-Orelli 1938, I nach Jordan 1950, J nach Hedicke 1935)
ben. Hörorgane in Form von paarigen Tympanalorganen, die als Druckgradientenempfänger fungieren, wurden bisher nur bei Wasserwanzen seitlich am Mesothorax nachgewiesen. Vom Thorax sieht man bei geflügelten Formen von dorsal meist nur das große Notum des Prothorax, das Pronotum (Halsschild) sowie das viel-
fach dreieckige Scutellum (Schildchen) des Mesothorax (Abb. 25-23 A). Das Scutellum kann sehr verschiedene Größen aufweisen. Im Extrem bedeckt es bei Coptosoma scutellatum (Cydnidae) (Abb. 25-24 H), den Aphylidae und unter den Pentatomidae bei den Eurygastrinae das gesamte Abdomen .
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe) Die Beine sind im Allgemeinen Schreitbeine, können aber in unterschiedlicher Weise modifiziert sein. Verbreiterungen können am Femur, der Tibia oder dem Tarsus auftreten. Pulvillen und Arolium sind bei Saftsaugern meistens gut ausgebildet, können bei räuberischen Formen aber fehlen. Bei den Wasserläufern (Gerridae) sind Coxa-Trochanter- und Femur-Tibia-Gelenk Scharniergelenke, die zueinander so stehen, dass sie wie ein Kreuzgelenk wirken und eine raumgreifende Beweglichkeit der langen Mittel- und Hinterbeine ermöglichen. Die Vorderbeine sind bei Wasserläufern und Wasserwanzen kürzer als die beiden anderen Beinpaare und werden als Raubbeine eingesetzt. In manchen Fällen sind die Raubbeine mit langer Bestachelung versehen oder bei den Phymatidae wie eine Subchela der Amphipoda unter den Krebsen ausgebildet. Bei manchen Erdwanzen (Cydnidae) sind die distalen Enden der beiden ersten Beinpaare in Form mächtiger Klauen entwickelt und sehr effektiv zum Graben geeignet. Die Detritus fressenden Corixidae schaufeln die Nahrung mit den löffelartig gebauten Tarsen der Vorderbeine zur Mundöffnung. Sprungvermögen besitzen unter den einheimischen Wanzen die Saldidae sowie Halticus- und Chlamydatus-Arten; sie können es zum Beuteerwerb wie zur schnellen Flucht verwenden. Häufig sind die Vorderbeine mit Putzeinrichtungen in Form besonders gestalteter Borstengruppen versehen. In den Tropen lebende Bachläufer (Veliidae) haben einen tief geteilten Tarsus mit ungleich großen Klauen und einem zwischen diesen befindlichen Haarfächer. Wasserwanzen, die unter Wasser leben, besitzen vor allem in Form der langen Hinterbeine Schwimmbeine, deren lange Behaarung den Ruderschlag effektiver macht, weil sie beim Ausholen angelegt und beim Schwimmschlag abgespreizt wird. Besonders geschickte Schwimmer sind die Corixidae und Notonectidae, weniger gute Schwimmer sind die Nau coridae und Belostomatidae. Selten und unbeholfen schwimmen der zwischen Wasserpflanzen versteckt lebende Wasserskorpion Nepa rubra und die im Sandgrund rasch fließender Flüsse versteckt lebende Aphelocheirus aestivalis. Die Raubwanze Reduvius personatus kommt bei uns in Häusern vor und weist eine Tarnung mit Schmutzpartikeln auf, sodass sie zunächst gar nicht als Wanze erkennbar ist. Wasserläufer (Gerridae) produzieren vermutlich in den Speicheldrüsen ein hydrophobes Sekret , mit dem sie die Beine einschmieren. Sie holen das Sekret mit den Vorderbeinen von der Rüsselspitze ab, nehmen es dann mit den Mittelbeinen ab und geben es an die Hinterbeine weiter. Dieses Sekret sowie die feinen Härchen an Beinen und Körper sorgen dafür, dass die Tiere auf der Wasseroberfläche laufen können,
801
ohne unterzugehen . Tibien und Tarsen weisen keine Dornen und Sporne auf, und die Klauen befinden sich nicht wie üblich am Ende des Tarsus, sondern liegen eingezogen in einer seitlichen Aussparung, sodass sie nicht das Oberflächenhäutchen durchstoßen . Auf dem Lande können Gerriden sich nur sehr unbeholfen fortbewegen. Die Flügel der Wanzen sind sehr verschieden ausgebildet. Die Vorderflügel sind größer als die Hinterflügel und werden mit diesen beim Entfalten vor dem Fliegen und während des Fluges über Kopplungseinrichtungen verbunden (Abb. 25-23) . Dadurch entsteht eine "physiologische Zweiflügeligkeit". Bei den Wanzen sind die Vorderflügel als Halbdecken (Hemielytren) ausgebildet, während die Hinterflügel stets weichhäutig sind und fächerartig gefaltet werden können . Der basale Bereich der Vorderflügel ist undurchsichtig, derb, lederartig, als sog. Corium ausgebildet. Nur ihr distaler Teil, die Membran, ist durchsichtig . Wegen dieser unterschiedlichen Struktur des Vorderflügels bezeichnet man die Wanzen als Heteroptera. Bei den Anthocoridae und Miridae ist vom Corium noch ein dreieckiger, beweglicher Teil abgesetzt, der Cuneus. In der Ruhe bedecken die beiden Flügelpaare das Abdomen, wobei die Membran des einen Vorderflügels die des anderen überdeckt (Abb. 25-23) . An der Innenseite des Coriums ist ein Streifen abgegrenzt, der Clavus, der am Scutellum verankert ist. Innerhalb einer Art kann es geflügelte und ungeflügelte Tiere wie auch solche mit mehr oder weniger reduzierten Flügeln geben. In Mitteleuropa gibt es mindestens 150 Arten mit verschiedenen Graden der Flügelreduktion. Dabei können nur die Hinterflügel reduziert sein, während die Vorderflügel vollständig ausgebildet sind. Es gibt Dimorphismus und Polymorphismus auf diesem Gebiet. Ferner kann ein Geschlechtsdimorphismus vorliegen; die Männchen haben normal ausgebildete und die Weibchen mehr oder minder reduzierte Flügel. Kurzflügeligkeit tritt häufiger im Norden als im Süden Europas, im Gebirge häufiger als in der Ebene auf. Die Flügelreduktion ist genetisch bedingt und kann durch Umweltfaktoren, vor allem wohl während der Entwicklung beeinflusst werden. Wasserwanzen können teilweise unerwartet gut fliegen. Die Corixidae können aufgrund ihres starken Auftriebs aus dem Wasser startend rasch auffiiegen; sie fliegen am Tage wie in der Nacht. Die Notonectidae müssen zunächst aus dem Wasser kommend trocken werden, bevor sie starten können und fliegen daher meist tagsüber. Stinkdrüsen, die ein charakteristisch riechendes Sekret produzieren, münden bei den Imagines am Metathorax (Abb. 25-23 D) und bei den Larven auf der Rückenfläche der ersten Abdominalsegmente; bei letzteren können sie farblieh markiert
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
EJ§) c Abb. 25-25: Hemiptera: Heteroptera. Eier von A Hydrometra stagnorum, B Cimex leetularius, C Corixa sp., D Piesma quadrata. (Nach verschiedenen Autoren aus Weber 1930)
sein. Das Sekret kann bisweilen, so etwa bei der einheimischen Beerenwanze Dolycoris baccarum, bis zu 20 cm weit ausgespritzt werden. Es dient als Abwehrmittel, beispielsweise gegenüber Ameisen und anderen Räubern und enthält als wirksame Komponente ungesättigte Aldehyde mit einer Kettenlänge von 6-10 C-Atomen; als Lösungsmittel ist Tridekan vorhanden. Das Abdomen ist bei den Wanzen dorsoventral abgeflacht. Das I. und 11. Abdominalsegment sind stark reduziert und das zweite ist kleiner als die folgenden . Der Gasaustausch erfolgt bei den ersten beiden Larvenstadien von Corixa und bei den Larven von Aphelocheirus aestivalis, die ein geschlossenes Tracheensystem haben, über die dünne Cuticula. Bei den meisten Wasserwanzen werden Luftblasen von einer dichtstehenden, wasserabweisenden Behaarung an der Ventralseite und an den Thoraxseiten sowie außerdem im Raum unter den Flügeln gehalten. Bei diesen Luftvorräten findet ein Austausch der Atemgase nach dem Prinzip der physikalischen Kieme statt. An der Wasseroberfläche wird Luft über ein Atemrohr oder eine besondere Atemöffnung in dieses Hohlraumsystem geleitet. Die Lufträume sind untereinander durch Furchen in der Cuticula verbunden. Bei den Corixidae schafft das umfangreiche Pronotum einen Hohlraum an den Thoraxseiten, in den die Stigmen münden . Der Austausch der Atemgase kann aus den Luftvorräten bestritten werden. Aus dem umgebenden Wasser kann Sauerstoff in diese Lufthülle eindiffundieren und Kohlendioxid abdiffundieren . Reicht der Sauerstoffvorrat nicht mehr aus, so muss die Wanze erneut an der Wasseroberfläche Luft aufnehmen. Temperatur und Sauerstoffgehalt des umgebenden Wassers sowie die Aktivität der Tiere beeinflussen die Häufigkeit des Luftholens. Die Nepidae haben ein zweiteiliges, durch Haare verbundenes, bei tropischen Formen K ör-
perlänge erreichendes Atemrohr. Bei den Belostomatidae ist das Atemrohr erheblich kürzer. Die übrigen Wasserwanzen haben kein Atemrohr. Bei den Rückenschwimmern konvergieren am Hinterende zwei von Haaren überdeckte Furchen auf der Ventralseite. Öffnet sich der Haarkranz, so kann das Tier Luft in die miteinander kommunizierenden Reservoire an Abdomen, Thorax und unter den Flügeln aufnehmen. Die Ruderwanzen (Corixidae) ragen beim Luftholen mit dem Vorderende aus dem Wasser, bewegen Kopf und Thorax rasch nach vorn und tauchen dann schnell wieder ab. Die Luftblasen haben nicht nur Bedeutung für die Atmung, sondern, vor allem bei den Rückenschwimmern, auch für den Auftrieb. Aphelocheirus aestivalis kann ständig untergetaucht am Grunde von sauerstoffreichen Flüssen leben, weil diese Art mit einer sehr feinen Behaarung und einer raffinierten Ausgestaltung der Stigmen den Gasaustausch nach dem Prinzip der Plastronatmung durchführen kann. Die Härchen stehen außerordentlich dicht beieinander, etwa 2 Millionen pro mrrr' und halten einen sehr flachen Luftvorrat mit gleichbleibendem Volumen . Die Ovarien der Wanzen sind büschelförmig und enthalten telotrophe Ovariolen. Die Spermaübertragung erfolgt in einigen Fällen in eigenartiger Weise. Bei den Bettwanzen ist die Vagina reduziert. Die Spermien werden durch den Penis in eine im 4. Abdominalsegment liegende Tasche, das nach seinem Entdecker benannte Ribagasche Organ, injiziert. Sie wandern dann durch das Hämocöl zum Ovar. Ähnliches kommt bei Anthocoridae und Polyctenidae vor. Die Eiablage erfolgt mithilfe eines orthopteroiden Ovipositors, der die Eier im Boden oder in Pflanzenstängeln deponieren kann. Viele Arten kitten die Eier mit dem Sekret von Anhangsdrüsen an geeignete Substrate oder legen sie einfach in Verstecken ab. Zum Thema Übertragung von Endosymbionten s. Kap. 19. Unterordnung Homoptera
1. Auchenorrhyncha, Cicadina 35000 Arten, die meisten in den Tropen und Subtropen, einheimisch etwa 480 Arten. Familien u. a.: • Fulgoridae: Vorderkopf weit vorragend. Laternenträger Dictyophara (Fulgora) und Laternaria (Abb. 25-27 D) in den Tropen, eine Art auch in Mitteleuropa, Fulgora europaea (Abb. 25-28 C). Cixiidae mit tliegenartigem Habitus (Abb. 25-28 A). • Cicadidae : Singzikaden. Große Tiere, deren Männchen tagsüber laute Balzgesänge erzeugen. Cicada plebeja und C. orni sind im Mittelmeergebiet die bekanntesten Cicaden. Magicicada
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
A
803
Epicranium
Membran
Labialpalpus
Auchenorrhyncha Maxille Membran
B
Labialpalpus
Clypeus -
1--
Labialpalpus
Maxille
Kopffortsatz
Mandibel
Sternorrhyncha Aphidomorpha
Sternorrhyncha Psyllomorpha
Abb. 25-26: Hemiptera: Homoptera. Verschiebung von Teilen des Kopfbereichs bei den Homoptera: A Auchenorrhyncha, B orthognathe Aphidina, C Psyllina. Das mit Augen und Fühlern versehene Epicranium wurde nach vorn, der Clypeus, sowie die Mundwerkzeuge (Stechborsten schwarz + Labium) wurden nach hinten verla gert. Die Mundwerkzeuge gelangen bei den Auchenorrhyncha in die Halsregion (gr. hoauchen, -enos der Hals) und schließlich bei den Sternorrhyncha in den sternalen Bereich (gr. to sternon die Brust). Die zunehmend ausgedehnteren membranösen Partien sind zart gepunktet. (Nach Weber 1933, verändert)
(Tibicen) septendecim, deren Larve 17 Jah re im Boden lebt, kommt in den Nordoststaaten der USA vor (Larve : Abb. 25-27). Fidicina chlorogena lebt im tropischen Südamerika. Die größt e Art ist die in Südostasien lebende Pomponia imperatoria mit 6,5 cm Länge und 18 cm Fl ügelspannweite . • Jassidae: Euscelis plebejus mit Saisondimorphismus. • Membracidae: Hierzulande kommen die Gattungen Centrotus und Gargara vor. In den Tropen leben bizarre Formen (Abb. 25-28 E- H). • Cercopidae, Schaumzikaden: Sehr bekannt sind die einheimischen Arte n Phi/aenus spumarius (Wiesenschaumcicade), die auffallende Blutcicade Cercopis sanguinea und die Weidenschaumzikade Aphrophora salicina.
Die Zikaden sind sprunggewaltige, flugfähige, hierzulande meist winzige, in den Tropen recht große Formen . Die Antennen sind kur z und pfriemenförmig. Die Komp lexaugen sind eukon . Im allgemeinen sind 2-3 Ocellen vorh anden ; selten fehlen sie. Im Gegensatz zu den Heteroptera ist das Hinterhaupt offen. Der Rüssel ist kurz und scheint in der Halsregion zu ent springen , dah er die Bezeichnung Auchenorrhyncha (s.o .) (Abb. 2525, 25-26). Die Imagines der Zikaden saugen an den oberirdischen Teilen, die Lar ven an den Wurzeln der gleichen Pflanzen. Die Vorderflügel sind meistens größer, aber nicht stärker sklerotisiert und gefärbt als die Hinterflügel. Beim Fliegen werden Vorder- und Hinterflügel miteinander verhakt , indem Häkchen am Vorderrand des Hinterflügeis in einen Falz am Hinterrand des Vorder-
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
A
F E Abb. 25-27: Hemiptera: Homoptera, Cicadina. A Schematisierte Darstellung eines Cicadiden-Männchens in Seitenansicht mit ausgebreiteten Flügeln . B Magicicada (Tibicen) septendecim bei der Eiablage an einem Zweig. CQuerschnitt durch und Aufsicht auf den Legeapparat. Die hinteren, medialen Gonapophysen des 9. Segments sind verschmolzen und bilden die Gleitschiene für die abwechselnd bewegten paarigen vorderen Gonapophysen des 8. Segments. Die Seitenansicht des Endabschnitts zeigt, dass die Spitzen mit bezahnten Leisten versehen sind. Die am Legevorgang nicht beteiligten lateralen hinteren Gonapophysen des 9. Segments sind nicht dargestellt. D Schnitt durch einen Zweig mit abgelegten Eipaketen. E Die im Boden Gänge grabenden Larven haben die Vorderbeine zu Grabbeinen umgebildet. F Die Larve von Megacicada (Tibicen) septendecim baut vor dem Schlüpfen eine schornsteinförmige oberirdische Röhre. (Anach Weber-Weidner 1974, B-D nach Marlatt 1907, Enach TIllyard aus Obenberger 1957, F nach Obenberger 1957)
flügels greifen (physiologische Zweiflügeligkeit). In der Ruhe werden die Flügel dachförmig auf das Abdomen gelegt. Die Lautäußerungen der Männchen von großen Singzikaden sind lange schon bekannt. Von Xenarchos wird die bissige Bemerkung überliefert: "Glücklich leben die Zikaden , denn sie haben stumme Weiber". Zur Wahrnehmung der Laute dienen Tympanalorgane an der Basis des Abdomens . Die Lautäußerungen der einheimischen Kleinzikaden liegen im Ultraschallbereich und werden erst seit den 50er Jahren analysiert; spezifische Gehörorgane sind noch nicht gefunden worden. Zur Eiablage wird mit den Gonapophysen des 8. Segments ein Gang in krautige
oder verholzte Pflanzenteile gesägt und mit einer unterschiedlichen Zahl Eier versehen (Abb. 2527). Magicicada septendecim legt bis zu 600 Eier. Manche Arten legen die Eier im Boden ab. Schäden werden von Zikaden durch die Verletzung von Pflanzenteilen bei der Eiablage verursacht , nicht aber durch das Saftsaugen. Außerdem sind Cicaden Überträger von Viruskrankheiten bei Nutzpflanzen. In den Tropen sind sie vor allem als Schädlinge in Reiskulturen von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Die Überwinterung erfolgt meistens im Eistadium, bei manchen Arten aber auch als Larve oder Imago. Die Embryonalentwicklung kann bisweilen sehr lange dauern, bei
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
A
805
c
G
Abb. 25-28: Hemiptera: Homoptera, Cicadina. A-C Einheimische Zikaden: A Cixius pilosus, 6 mm lang, B Conomelus limbatus, 3 mm lang, C Laternenträger: Dictyophara (Fulgora) europaea, 12 mm lang. D·H Tropische Zikaden: D Laternenträger aus Surinam Dictyophara (Fulgora) laternaria, 55 mm lang. E-H Membracidae aus dem tropischen Mittel- und Südamerika: E Umbonia spinosa, 11 mm lang, F Bocydium globulare, 6 mm lang, G Oeda inflata, 15mm lang, H Sphongophorus ballista, 6 mm lang. (A nach Haupt 1969, B nach Weber 1933, C, E, H nach Haupt 1953, D nach Burmeister 1838, F nach Obenberger 1957, G nach Heymons 1899)
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb. 25-29: Hemiptera: Hornoptera, Aphidina. Die Stechborsten der Blattläuse sind sehr biegsam und nehmen einen stark gewundenen interzellulären Weg entlang den MitteIlamelIen oder intrazellulär durch das Pflanzengewebe, bis sie dasPhloem ~rreichen . Die in den Stichkanal eingepumpte und erhartete Speichelkomponente (s. 1.6.2) kann - auch in älteren Stichkanälen - leicht mitwässriger oder alkoholischer Safraninlösung nachgewiesen werden. (Nach Zweigelt 1918)
der in Japan vorkommenden Cryptotympana japonensis bis zu 322 Tagen. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven leben im Boden und saugen an Pflanzenwurzeln. Die Larven der Singcicaden besitzen in Form des stark bedornten Femur und der wie eine Spitzhacke arbeitenden Tibia sehr wirksame Grabwerkzeuge (Abb. 25-27 E); der unscheinbare Tarsus spielt hierbei keine Rolle. Diese ~arven wühlen unterirdische Suchgänge, bis sie eme zum Saugen geeignete Wurzel gefunden haben. Dann bauen sie an dieser Stelle eine Wohnzelle. ~ährend der hemimetabolen Entwicklung werden insgesamt 5 oder 6 Larvenstadien durchlaufen. Vor dem Schlüpfen bauen die meisten Larven einen Schacht bis zur Erdoberfläche den sie mit Kot verfestigen. Vor der lmaginalhäu;ung verlassen sie ihr Gangsystem. Im Überschwemmungsgebiet des Amazonas lebende Larven von Fidicina chlorogena errichten oberirdisch bis zu 50 cm hohe schornsteinförmige Röhren mit einem Durchmesser von 3-5 cm (Abb.25-27). Manche Arten weisen mehrere Generationen pro Jahr auf. Große Singzikaden benötigen mehrere Jahre zur Entwicklung. Die Larven der in Nordamerika vorkommenden Magicicada (Tibicen) septendecim lebe~ 17 Jahre lang im Boden; die Tiere einer Population schlüpfen gleichzeitig, begeben sich in benachbarte Baumkronen und legen dort Eier. Aus den Eiern schlüpfende Larven lassen sich zu Boden fallen, graben sich ein und beginnen mit ihrem langen unterirdischen Dasein . Die Larven der Schaumzikaden schützen sich, wenn auch nicht immer erfolgreich, gegenüber Feinden dadurch dass sie sich mit einer umfangreichen Schaummasse umgeben. Bei diesen Tieren sind die Seitenpartien der Abdominalsegmente einwärts gewölbt, sodass median eine Rinne entsteht. In diese wird aus dem After Flüssigkeit abgegeben, die Proteine
und wohl auch Mucopolysaccharide enthält. Durch Einpumpen von Luft aus dem Tracheensystem, dessen Stigmen in die Rinne münden kommt es zur Schaumbildung. ' Bei einheimischen Kleinzikaden wurde ein Saisondimorphismus festgestellt, der durch die Dauer der täglichen Photoperiode gesteuert wird. Die Jasside Euscelis plebejus entwickelt 2 Generationen im Jahr, eine kleine, dunkelgefärbte Frühjahrsform und eine größere, hellere Sommerform; letztere weist einen mit distalen Häkchen versehenen Penis auf, der länger ist als der der Frühjahrsform.
2. Sternorrhyncha Aphidina, Blattläuse, etwa 3000 Arten, einheimisch etwa 850 Arten. Familien u. a.: • Lachnidae (Baumläuse) sind verhältnismäßig große, bräunliche Blattläuse, die an Laub- und Nadelbäumen, aber auch an Kräutern saugen und keinen Wirtswechsel zeigen. • Chaitophoridae (Borstenläuse) leben an Blättern und Trieben von Ahorn- , Pappel- und Weidenarten . Borstenläuse haben keinen Wirtswechsel. • Callaphididae (Zierläuse) leben ohne Wirtswechsel an Laubhölzern, Schmetterlingsblütlern und Sauergräsern . Die wollige Buchenlaus Phyllaphis fagi erzeugt einen Wachsflaum . • Aphididae (Röhrenläuse). Die artenreichste Familie. Mit Wirtswechsel. Bekannteste Arten : Aphis fabae an Bohnen, sehr schädlich durch Virusübertragung auf Kartoffeln ; A. sambuci an Holunder und Sauerampfer; Brevicoryne brassicae an Kohl u. a. Cruciferen; Myzus persicae an Pfirsich. • Pemph~gidae (Eriosomatidae). Eriosoma lanigerum , die Blutlaus, wurde aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt und 1802 in Deutschland entdeckt; sie ist ein gefährlicher Schädling an Apfel (Abb.25-31). Arten der Gattung Pemphigus bilden an Pappeln (Abb. 25-33) und Arten der Gattungen Schizoneura und Tetraneura an Ulmen art spezifische, auffallende Gallen. • Phylloxeridae (Wurzelläuse). Die bekannteste Art, die Reblaus Viteus vitifolii wurde Mitte des vorigen Jahrhunderts aus Nordamerika eingeschleppt und verursachte im Weinbau Deutschlands und Frankreichs verheerende Schäden ' sie spielt aber seit Jahrzehnten keine Rolle meh;. • Adelgidae (Chermesidae, Tannenläuse) leben an Nadelhölzern, haben keinen Ameisenbesuch nur zur Hälfte Wirtswechsel und bilden typisch~ sog. Ananasgallen (Abb. 25-32). Die Blattläuse sind kleine, wenige mm lange, zarte Insekten . Der Rüssel kann bisweilen körperlang
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
807
~ ~d;lriX
~
Dauerei~
~
aptere Exsules
Helerogonie
Wirtswechsel
Abb. 25-30: Hemiptera: Homoptera. Aphidina. Generationswechsel in Form der Heterogonie und Wirtswechsel der Traubenkirschenlaus Rhopalosiphum padi.
sein. Das Labium inseriert vor oder zwischen den vorderen Coxen. Das Stechborstenbündel ist bei manchen Stadien wesentlich länger als das Labium und wird in diesen Fällen in einer taschenförmigen , tief in den Körper reichenden, gewundenen Einstülpung, der Crumena, untergebracht (Abb. 25-32 D). Beim Einstich in Pflanzengewebe werden die MaxilIen alternierend, die Mandibeln synchron durch Muskeln in der Kopfkapsel bewegt. Die sehr dünnen Stechborsten können interzellulär einen gewundenen Verlauf aufweisen. Der Stichkanal wird durch Speicheldrüsensekret ver-
festigt (Abb. 25-29). Blattläuse saugen entweder Parenchymzellen aus oder sind Phloemsauger. Sobald das Stechborstenbündel eine Siebröhre angestochen hat, wird Phloemsaft unter Druck in den Nahrungskanal getrieben (weitere Einzelheiten zum Thema Nahrungsaufnahme und -verarbeitung s. Kap. 4.5.4.1). Stadien mancher Arten saugen an Pflanzenwurzeln . Durch die Saugtätigkeit der Blattläuse können mannigfaltige Gallen an den besogenen Pflanzen teilen entstehen (Abb. 25-31 und 32). Verursacht werden diese artspezifischen Bildungen wohl durch Substanzen, die mit dem
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb. 25-31: Hemiptera: Homoptera, Aphidina. Die Blutlaus Eriosoma lanigerum istein Beispiel fürausschließliche Vermehrung durch Parthenogenese bei Blattläusen. Auftretende Wintereier bzw. Fundatrices entwickeln sich nicht. Der Entwicklungszyklus ist unvollständig, anholozyklisch . Die Blutlaus wurde Anfang des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt. Sie lebt auf Apfelbäumen und kann auf diesen sowie im Erdboden überwintern. Oben links: Die Antennen von ungeflügelten und geflügelten Formen haben eine unterschiedliche Ausstattung mitSinnesorganen; darunter: langrüsslige Junglarve. (Nach SchneiderOrelli 1947)
Speichel abgegeben werden sowie durch die Plazierung und Häufigkeit der Stiche. Die Antennen der Blattläuse sind 4-5-gliedrig und durch spezifische chemische Sinnesorgane, die Rhinarien, gekennzeichnet (Abb. 25-31). Die Komplexaugen sind stets vorhanden, können aber bei den Ungeflügelten einer Art kleiner als bei den Geflügelten sein. Ocellen fehlen den Ungeflügelten stets. Die Flügel sind durchsichtig und werden dachförmig über dem Körper getragen; eine Ausnahme machen die Tannen- und Zwergl äuse, die ihre Flügel flach auf den Rücken legen. Die größeren Vorderflügel sind mit den kleineren Hinterflügein verhakt (physiologische Zweiflügeligkeit). Eine ganze Reihe von Arten produzieren Wachsabscheidungen, die einen gewissen Schutz vor Feinden und einen Schutz gegenüber wasserlöslichen Bekämpfungsmitteln bieten können . Aus einem Paar Siphonen können bei Beunruhigung durch Feinde Hämolymphe, Klebsekrete und Alarmpheromone abgegeben werden. Blattläuse haben keine Malpighischen Gefäße. Abgabe von Honigtau (s. Kap. 4.5.4.1). Die Imagines können in verschiedenen Morphen erscheinen, die geflügelt oder ungefl ügelt, eierlegend oder lebendgebärend sein können .
Hinzu kommt, dass Blattläuse einen Generationswechsel in Form der Heterogonie aufweisen. Dabei werden während des Sommers die günstigen Ernährungsbedingungen für eine rasche Vermehrung durch zahlreiche parthenogenetisch sich fortpflanzende Generationen genutzt und im Herbst im Verlauf einer geschlechtlichen Fortpflanzung meistens Dauereier als Überwinterungsstadien gebildet. Diese Art der Entwicklung bezeichnet man als holozyklisch. Bei Bewohnern wärmerer Länder konnte anscheinend im Laufe ihrer Phylogenie die geschlechtliche Fortpflanzung und Ausbildung von Dauereiern wegfallen. Derartige anholozyklisehe Arten konnten auch bei uns in Häusern, Gewächshäusern usw. Fuß fassen und sich als Schädlinge mit rascher, ausschließlich parthenogenetischer Vermehrung etablieren (Abb. 25-31). Die Jungen können schon innerhalb von 14 Tagen fortpflanzungsfähig werden. Die Ausbreitung einer Art auf der gleichen Wirtspflanze wie auch der Wirtswechsel wird durch geflügelte Formen gewährleistet (Abb. 25-30). Bei Laubgehölzen sinkt im Phloemsaft nach dem Austreiben der Blätter der Gehalt an Aminosäuren und deren Zahl drastisch ab. Blattläuse verlassen daher diese Wirte und wandern zu Kräutern und Gräsern oder sie
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
Abb. 25-32: Hemiptera: Homoptera, Aphidina. A Generationswechsel der Fichtengallenlaus Sacchiphantes (Chermes) abietis. Die ungeflügelte Stammmutter (Fundatrix) saugt im Frühjahr an der Basis einer Knospe und legt Eier, aus denen B kurzrüsselige Larven schlüpfen, die zwischen die Knospenschuppen wandern. Durch ihre Saugtätigkeit wird eine Gallbildung (Ananasgalle) verursacht. Die im Schutze der Galle entstehenden Geflügelten verlassen die Galle und fliegen entweder zu Lärchen oder bleiben auf Fichten. Auf Fichten vermehren sie sich zu einer Pseudofundatrix-Generation, die im folgenden Frühjahr wiederum Gallen erzeugt. Auf Lärchen entsteht die sog. Sistensgeneration, die sich zunächst parthenogenetisch fortpflanzt (Virginopare). CAus den Eiern schlüpfen langrüsselige Larven. Die geflügelten Nachkommen fliegen später wieder zur Fichte zurück und pflanzen sich als ungeflügelte Männchen und Weibchen (Sexupara) geschlechtlich fort. Das Weibchen legt nur ein Ei, aus dem bereits im September eine überwinternde FundatrixLarve schlüpft, die unter einem Wachsflaum an einer Winterknospe bis zum Frühjahr festgesaugt bleibt. Dieser komplexe zweijährige Zyklus besteht aus 5 Generationen. (Nach Schneider-Orelli 1947)
bilden Latenzstadien, die auf dem ursprünglichen Wirt bleiben, keine Nahrung aufnehmen und warten, bis wieder günstige Entwicklungsbedingungen eintreten (Abb. 25-30). Eine Verständigung über die vielfältigen Morphen, die genetisch, biologisch und morphologisch unterschiedlichen Formen, ist nur durch eine umfangreiche Terminologie möglich, die hier lediglich in ihren Grundzügen dargestellt werden kann (Abb. 25-30): Die Fundatrix , die Stammutter, schlüpft im Frühj ahr aus einem überwinterten Dauerei und ist fast immer flügellos. Sie pflanzt sich parthenogenetisch durch Oviparie oder Viviparie fort. Migrantes sind die parthenogenetisch aus der Fundatrix entst ehenden geflügelten Formen , die bei wirtswechselnden Arten die Wanderung von einem als Winter- oder Hauptwirt dienenden Laubholz zu einer als Sommer- oder Nebenwirt dienenden Pflanze durchführen. Die Virginoparae entstehen parthenogenetisch und erzeugen ebenso Nachkommenschaft , die entweder geflügelt, Alatae, oder als Apterae ungeflügelt sind. Parthenogenetisch entstandene Weibchen, die ebenfalls parthe-
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c Stechborste
nogenetisch Männchen und Weibchen hervorbringen, bezeichnet man als Sexupara ; bei den Aphididae heißen sie Gynopara (Abb. 25-30). Ein Weibchen, das nach der Kopulation eine geringe Zahl Dauereier legt, wird Ovipara genannt. Unter Exsules versteht man Blattläuse, die auf dem Sommer- oder Nebenwirt geboren wurden und ihn besiedeln. Manche Gruppen haben bes. Bezeichnungen für einige Stad ien. Coccinea, Schildläuse. Etwa 3000 Arten sind bisher bekannt, einheimisch etwa 185 Arten . Familien u. a.: • Ortheziidae (Röhrenschildläuse) sind zeitlebens beweglich, wenn auch langsam . Am bekanntesten ist Orthezia urticae, die an Brennnesseln lebt (Abb. 25-34). Andere Arten sind Wurzelsauger oder leben im Humus. • Dactylopiidae: Dactylopia cacti, die Cochenillelaus, wird u. a. in Mexico und auf Lanzarote an Opuntien gezüchtet und zur Gewinnung des roten Farbstoffs Karmin (Cochenille) verwendet. Der Farbstoff schützt diese Schildläuse vor räu-
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A
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
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berischen Arthropoden. Er wird nach der chemischen Aufarbeitung u. a. als Farbstoff in der Lichtmikroskopie sowie in der Lebensmittelchemie verwendet . • Pseudococcidae (Woll- oder Schmierläuse) sind als eingeschleppte, sich rasch vermehrende und schwer bekämpfbare Schädlinge an Zimmerpflanzen gefürchtet. Phenaco ccus aceris kommt an Blättern und Ästchen von Ahorn vor. Das Weibchen sezerniert einen bis 10 mm langen weißen Sack aus Wachs, in den die Eier gelegt werden . Im Herbst können Ahornblätter unterseits dicht damit bedeckt sein. Nach dem Schlüpfen besiedeln die Larven das ganze Blatt und überwintern anschließend im Boden . • Diaspididae (Deckelschildläuse) sind die artenreichste Familie. Arten der Kommaschildläuse Lepidosaphes leben an verschiedenen einheimischen Laubbäumen (Abb. 25-34). Quadraspidiotus perniciosus, die San-Jose-Schildlaus, wurde aus den USA nach Europa eingeschleppt und entwickelte sich in SW-Deutshland zu einem gefährlichen Obstschädling mit ungeheurem Vermehrungspotenzial. Zur biologischen Bekämpfung verwendet man Schlupfwespen (Abb. 25-33 G) . Schildläuse sind sehr unscheinbare, kleine, 1-6, höchstens 10 mm lange Insekten mit extremem Geschlechtsdimorphismus. Die nur wenige Stunden oder Tage lebenden Männchen haben noch den Habitus von Insekten, während die Weibchen meistens sessil und stark modifiziert sind . Die Männchen (Abb. 25-34 C) besitzen am deutlich erkennbaren Kopf gegliederte Antennen, stark reduzierte Augen und keinerlei Mundwerkzeuge. Der Thorax weist normale Laufbeine auf, hat aber nur Vorderflügel mit extrem reduzierter Aderung sowie Hinterflügel, die zu hakenförmigen Halteren umgebildet oder völlig reduziert sind . Im Ver-
c
Abb. 25-33: Hemiptera: Homoptera, Aphidina. Artspezifische Gallbildungen an den Blättern der Pappel Populus nigra, die von Blattläusen der Gattung Pemphigus erzeugt wurden: A Pemphigus bursarius, B P. spirothecae, C P. filaginis. (Nach Dixon 1976)
gleich zum Thorax ist das Abdomen sehr klein, aber ebenso wie der Thorax deutlich gegliedert. Am Hinterende ragt ein langer Penis vor. Die Weibchen der ursprünglich erscheinenden Ortheziidae (Abb.25-34 D), Pseudococcidae (Abb. 25-34 F) und Coccid ae verfügen noch über gut ausgebildete Beine und Laufvermögen. Die Weibchen der Diaspididae, der artenreichsten Familie der Schildläuse sind dagegen bewegungsunfähig, manche Arten schon seit dem 2. Larvenstad ium . Die Körpergliederung ist weitgehend verwischt, Beine und Fühler sind völlig, das Labium ist weitgehend zurückgebildet (Abb. 25-34 A, B). Die sehr langen Stechborsten können in eine tiefe Tasche, die Crumena zurückgezogen werden (Abb. 25-22 D). Etwa 60% der Schildlausarten saugen Phloemsaft, während die übrigen Arten Zellen aussaugen. Die meisten Art en sind ovipar, manche ovovivipar oder vivipar. Bei vielen Arten ist Parthenogenese nachgewiesen. Die Ablage von Eiern oder Larven erfolgt meistens im Frühsommer; bisweilen auch im Spätsommer. Die Eier werden durch Wachsabscheidungen oder vom Rückenschild des Weibchens geschützt (Abb. 25-34 D, E). Die Entwicklung ist eine Hemimetabolie mit 4-5 Häutungen im männlichen und 2-3 Häutungen im weiblichen Geschlecht. Diese Differenz hat zu der Vermutung geführt, dass bei den Weibchen Neotenie vorliegt. Im Sommer leben die Weibchen nur wenige Wochen, wenn sie überwintern auch mehrere Monate. Die Überwinterung erfolgt bei den einzelnen Arten auf unterschiedlichem Stadium , als Ei, Larve oder Weibchen, bei manchen auch auf mehreren Stadien gleichzeitig. Aleyrodina, Mottenläuse. Etwa 200 Arten sind bisher beschrieben, einheimisch etwa 15 Arten. Winzig kleine, nur 1-3 mm lange mit weißem Wachs bestäubte Insekten, die beim Auffiiegen wie kleine Motten oder Fliegen aussehen. Daher die
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
Gehirn
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-,
Stech -
A
Q
borsten
B
----
Geschlechtsöffnung
Ä I
Antenne
" Geschlechtsöffnung
o
E
G
Abb. 25-34: Hemiptere, Homoptera, Coccina. A Schematische Darstellung eines Schnitts durch eine weibliche Schildlaus (Diaspididae). BWeibchen inVentralansicht mitAngabe der Schnittebene von A. CEntwicklung eines Männchens einer Diaspidide. D Weibchen von Orthezia mit Eiern unter den Wachsplatten; Schnitt und Aufsicht. EWeibchen von Lepidosaphes (Kommaschildlaus) mitEiern unter dem Rückenschild; Aufsicht und Schnitt. F Pseudococcus (Schmier- oder Wallaus) mit Fortsätzen aus Wachs, Aufsicht. G Schlupfwespe bei der Eiablage an einer Schildlaus. (A nach Foldi 1990, B nach Weber-Weidner 1974, C nach Weber 1954, D-F nach Weber 1930, G nach Nikolskaja 1952)
etwas hilflos wirkenden Bezeichnungen Mottenschildläuse, Mottenläuse oder Weiße Fliegen. Männchen und Weibchen sind etwa gleich groß. Der Kopfist mit vielgliedrigen Antennen, bei manchen Arten geteilten Komplexaugen und 2 Ocellen versehen (Abb. 25-35 C). Die Lautbeine sind gut entwickelt und beim Flüchten zum Springen geeig-
net, Die Flügel liegen in Ruhe dachförmig über dem Körper. Sie besitzen, im Gegensatz zu den übrigen Hemipteren, keine Kopplungseinrichtungen. Die reduzierte Flügeladerung ist nicht ohne weiteres zu sehen, da die Tiere Flügel und Körper mithilfe der Beine mit Wachs bepudern, das von einem Drüsenfeld ventral im basalen Bereich des
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
E 11
o
G L4
Abb. 25-35: Hemiptera: Homoptera,Aleyrodina. A Dorsal- und B Seitensansicht. C Kopf mitzweigeteiltem Komplexauge. D Ei in einem Blatt verankert. E-H Die 4 Larvenstadien in Ventralansicht. (A, B nach Obenberger 1957, C-H nach Weber 1930)
Abdomens abgeschieden wird. Nach der Kopula- indem eine starke Verzögerung der Ausbildung tion legt das Weibchen die Eier einzeln auf der von imaginalen Merkmalen stattfindet und erst im Blattunterseite der Wirtspflanze ab. Mit dem Le- letzten Larvenstadium rasch aufgeholt wird; man geapparat stellt es einen Einschnitt im Blatt her bezeichnet diese Entwicklungsweise als Allemetaund schiebt dann den kurzen stielartigen Fortsatz bolie (Abb. 25-35 F-H). Sie führt über 4 Larvenam Ei hinein (Abb. 25-34 D). Bei den Aleyrodidae stadien zur Imago. Die Larven sind sehr flach kommt fakultative Parthenogenese vor. Die welt- gebaut und zeigen keinerlei Gliederung in Tagweit in Gewächshäusern schädliche Art Trialeu- mata. Nur das I . Larvenst adium ist beweglich rodes vaporariorum kommt in zwei Rassen vor, von (Abb. 25-34 F, H) und bestimmt mit dem Einstich denen bei der amerikanischen aus unbefruchteten in eine geeignete Blattpartie den Daueraufenthalt Eiern Männchen (Arrhenotokie) hervorgehen, während der weiteren Entwicklung, denn die folwährend bei der englischen Rasse aus unbefruch- genden Stadien haben so stark reduzierte Beine, teten Eiern Weibchen entstehen (Thelytokie). dass sie zur Fortbewegung nicht mehr fähig sind Die postembryonaleEntwicklung ist sehr bemer- (Abb. 25-36 D, E). Das 4. Larvenstadium nimmt kenswert. Es handelt sich um eine Hemimetabolie, noch so lange Nahrung auf, bis die Umkonstrukdie sehr stark einer Holometabolie angenähert ist, tion dies unmöglich macht. Da die Entwicklung
25.22 Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe)
Mycetom
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n~~~11
,
Ovar-Anlage Flügel- /' Anlagen
B Anlage der Kopulationsorgane
Anlage der Kopulalionsorgane
Abb. 25-36: Hemiptera: Hornoptera, Aleyrodina. A-( Diewährend des 4. Larvenstadiums erfolgende Metamorphose in Form einer Allometabolie. Während dieses Stadiums wird die zuvor verzögerte Ausbildung imaginaler Merkmale rasch aufgeholt. D. E Aleyrochiton complanatus von der Unterseite eines Ahornblatts. D Die Sommergeneration hatkeine Wachsabscheidungen auf der Cuticulaoberfläche, während die durch Kurztagsbedingungen induzierte Latenzform E im Herbst in zunehmendem Maße Wachs sezerniert (hell, Cuticula dunkel pigmentiert). (A-C nach Weber 1929)
der Imago innerhalb der Cutic ula dieses Stadiums stattfindet, bezeichnet man es in Analogie zu den Diptera Cyclorrhapha als P uparium. Die einheimischen Arten führe n eine versteckte Lebensweise oder werden wegen ihrer Kleinheit nicht beachtet , wenn sie bei Beunr uhigung beispielsweise aus Erdbeerpflanzen auffiiegen. Leicht zu finden ist Aleurodes proletella auf der Unterseite von Blättern des Schöllkrauts, von Kohl oder Tomaten. Diese Art entwickelt mehrere Generationen im Jah r. Aleurochiton complanatus lebt einzeln an der Unterseite der Blätter des Spitzahorns. Die beiden Generationen pro Jahr sind leicht zu unterscheiden. Die Sommerpuparien sehen grün aus, die Winterpuparien besitzen einen dicken Wachsbelag (Abb. 25-36 0 , E). Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass diese Unterschiede durc h die Länge der Photoperiode induziert werden. Psyllina, Blattflöhe. Über 1000 Arten sind beschrieben, einheimisch etwa 90 Arten.
Die kleinen, nur 2--4 mm langen, auf der Unterseite von Blättern lebenden Tiere können hervorragend springen - daher der Name Blattflöhe - , fliegen aber nur über kürzere Strecken . Die Flügel werden in der Ruhe dac hförmig über dem Körper getragen (Abb. 25-37). Im Fluge werden sie durch Kopplungseinrichtungen miteinander verbunde n. Die Hinterflügel sind etwas kleiner als die Vorderflügel (Abb. 25-37). Am Körper, vor allem um den After herum können viele Wachsdrü sen vorhanden sein. Nach der Kopulation werden die Eier in Pflanzengewebe versenkt. Die hemimetabole Entwicklung erfolgt über 5 Larvenstadien. Nur das 1. Lar venstadium ist beweglich. Im allgemeinen entsteht pro Jahr nur eine Generation. Am bekanntesten sind der Apfelblattsauger Psylla mali und die an Birne vorkommenden Arten P piri, P piricola und P pirisuga. Letztere wechselt den Wirt; im Frühjahr erfolgt die Eiablage an Birnen, die entstehende Imago fliegt im Sommer auf Nade lhölzer, überwintert daran und kehrt im Frühjahr zur Birne zurück.
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
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Abb. 25-37: Hemiptera; Homoptera, Psyllina. Apfelblattsauger Psylla mali, A Dorsalansicht, Flügel der rech ten Seite zur Demonstration des Flügelgeäders abgespreizt, B Seitenansicht, C Ei. (A nach Haupt 1935, B, C nach Speyer 1929)
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25.23 Thysanoptera, Fransenflügler, Blasenfüße, Thripse Kunze, L. (1959): Die funktionsanatomischen Grundlagen der Kopulation der Zwergzikaden untersucht an Euscelis p/ebejus (Fall .) und einigen Typhlocybinen (Homoptera, Auchenorrhyncha). Dtsch. ent. Z., N. F. 6: 322-387 Lampel, G. (1968): Die Biologie des Blattlaus-Generatonswechscls. Mit besonderer Berücksichtigung terminologischer Aspekte. Gustav Fischer, Jena Lloyd, M., Dybas, H. S. (1966): The periodical cicada problem. I. Population ecology. Evolution 20: 13314-9 M äkel , M. (1942): Metamorphose und Morphologie des Pseudococcus-Männchens mit besonderer Berücksichtigung des Skelett muskelsystems. Zoo!. Jb. Anat. 67: 461-512 Meinwald, 1., Smolanoff, 1., Chibnall, A. C, Eisner, T. (1975): Characterization and synthesis of waxes from homopterous insects. 1. Chem . Eco!. I: 269-274 Minks, A. K., Harrewijn, P. (1987-1989): Aphids, their biology, natural enemies and contro!. Vo!. 2A, 2B, 2C Elsevier, Amsterdam Moran, Nancy A. (1992): The evolution of aphid Iife cycles. Ann. Rev. Entomo!. 37, 321-348 Müller, H .1. (1942): Bau und Funktion des Legeapparats mitteleuropäischer Zikaden. Z. Morph. Öko!. Tiere 38: 534-629 Müller, H.1. (1992): Dormanz bei Arthropoden. Gustav Fischer, Stuttgart Müller, H.1. (1956): Über die Wirkung von Umweltfaktoren auf die Variabilität saisondimorpher Insekten, insbesondere der Gattung Euscelis. Verh. Dtsch. Zoo!. Ges. 1956: 450-462 Müller, H.1. (1962): Zur Biologie und Morphologie der Saison formen von Aleurochiton comp/anatus (Baerensprung 1849) (Hornoptera, Aleyroidae). Z. Morph. Öko!. Tiere 51: 345-374 Müller, H.1. (1962): Über die Induktion der Diapause und die Ausbildung der Saisonformen bei A/eurochiton comp/anatus (Baerensprung) (Homoptera, Aleyrodidae). Z. Morph. Öko!. Tiere 51: 575-610 Nault, LR. (1985): The leafhoppers and planthoppers. Wiley & Sons . New York Pesson, P. (1951): Ordre des Hornopteres (Homoptera, Leach 1815). In: Grasse, P.P. (ed.): Traite de Zoologie. Vol X. Masson, Paris. 1390-1656 Poisson, R . (1951): Ordre des Heteropteres, In: Grasse, P.P. (ed.): Traite de Zoologie. Vol XJ2. Masson, Paris. 1657-1803 Pollard, D.1. (1973): Plant penetration by feeding aphids (Hemiptera, Aphidoidea): A review (Horn.). Bull. Entomo!. Res. 62: 631-714 Remane, R., Wachmann, E. (1993): Zikaden. Naturbuchverlag, Augsburg. 288 S. Rosen, D. (1990): Armored scale insects, their biology, natural enemies and contro!. Vol 4A, 4B. Elsevier, Amsterdam Schuh, R. T., Slater, 1.A. (1995): True bugs of the world (Hemiptera: Heteroptera). Classification and natural history. Comstock, Ithaca Shambaugh, G. F. (1978): Antennal scnsilla of seventeen aphid species (Homoptera; Aphidinae). Int. 1. Insect Morpho!. Embryo!. 7: 389-404 Spence, 1. R., Andersen, N. M. (1994): Biology of water striders: Interactions between systematics and ecology. Ann. Rev. Entomo!. 39, 101-128
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25.23 Thysanoptera, Fransenflügler, Blasenfüße, Thripse Es handelt sich um kleine bis sehr kleine, durchschnittlich zwischen 1,5 und 2 mm lange, schmale, dünnhäutig bis deutlich sklerotisierte Vertreter der Neoptera. Extremwerte der Körperlängen liegen zwischen 0,5 mm und 15 mm. Die als Imagines meist abgeplatteten, als Larven drehrunden Fransenflügler besitzen asymmetrische Mundwerkzeuge sowie einen faltbaren, zwischen den Krallen befindlichen Pulvillus (Blasenfüße). Es existieren sowohl brachyptere, makroptere als auch aptere Formen. Falls die Flügel vorhanden sind, sind diese schmal, mit wenig Flügeladern und langen fransenartigen Haaren an den Rändern versehen (Abb. 25-38 D, E; 25-39 H). Es sind schwarze, gelbe, braun oder rot gefleckte Arten vorhanden
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
Abb. 25·38: Thysanoptera. A Kopf von Thrips tabaci an einem Baumwollblan saugend. B Hop/othrips pedicu/arius, abgeflachter lückenbewohner. C K/adothrips augonsaxxos, Blangallen erzeugende Art, mit von Eiern angefülltem Abdomen . D Frank/inothrips myrmicaeformis, schnell rennender Räuber. E Seitenansichteines Thysanopteren-Weibchens (Flügel etwas verkürzt eingezeichnet). (A-D nach lewis 1973, Everändert nach Weber und Weidner 1974)
(Abb.25-38 D), manchmal weisen vor allem die Larven grelle Farben auf. Als Pflanzensauger (Abb. 25-38 A) finden sich Thysanopteren auf Pflanzen und Pflanzen teilen aller Art . Blütensauger gibt es vor allem unter den Terebrantia. Manche Arten leben verborgen : Tu-
bulifera an Pilzsporen, an zerfallendem Pflanzenmaterial, in Vogelnestern, in der Bodenstreu, in Termitenbauten, unter Rinde, an im Wasser versenkten Pflanzenteilen oder als Bewohner von Gallen . Bestimmte Arten leben als Räuber, denn sie nehmen die Hämolymphe von Blattläusen,
25.23 Thysanoptera, Fransenflügler, Blasenfüße, Thripse
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Abb. 25-39: Thysanoptera. A-E Entwicklungsstadien von Haplothrips leucanthemi: A 1. Larvenstadium, B 2. Larvenstadium, C Präpuppe, D Puppe I, E Puppe 11. F Durch Thripse (Gynaikothrips uzeli) erzeugte Blattrollen bei Ficus retusa. G Kopulation von Aeolothrips fase/atus. H Vor dem Abflug eines Blasenfußes werden die Flügel mithilfe des Abdomens separiert. I Puppenzelle von Odontothrips loti aus mit Seide zusammengeklebten Sandpartikeln. (A-I nach Lewis 1973)
Milben, anderen Kleinstarthropoden und sogar Leibeshöhlenflüssigkeit von Nematoden auf. Andere Arten sind wiederum nützlich, denn sie bestäuben Ericaceen. Thysanopteren verursachen , vor allem bei Massenentwicklungen, erhebliche Schäden an sämtlichen besaugten Pflanzen teilen (Abb. 25-39 F). Zum Teil können Fransenflügler durch die Über-
tragung von pflanzenpathogenen Viren, Bakterien und Pilzen zusätzlich erhebliche Schäden anrichten. Gerade die weltweite Übertragung pflanzenpathogener Viren durch Thripse stellt ein besonderes Problem dar, denn Thysanopteren sind klein, häufig resistent gegen zahlreiche Insektizide, haben ein breites Wirtspflanzen spektrum und zeichnen sich durch eine versteckte Lebensweise aus.
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Speziell Tospoviren werden durch Thysanopteren übertragen, wobei nur nach der Akquisition der Viruspartikel im Erstlarvenstadium eine erfolgreiche Transmission möglich ist. Auch sind Thripse in der Lage, bei Säugern geringe Mengen von Schweiß und Blut zu entnehmen. Nach solchen Stichen sind vor allem bei Feld- und Gartenarbeitern winzige rote Flecken auf der Haut erkennbar. Als wichtige Bestandteile des Luftplanktons werden viele Thripse leicht durch Luftströme aktiv und passiv verdriftet. Weltweit sind derzeit über 5500 Thysanopterenarten bekannt (Mitteleuropa etwa 400; Deutschland: 214, ohne eingeschleppte Spezies, davon 13 Arten nur in Gewächshäusern), die sich auf die Unterordnungen Terebrantia (Bohr-Fransenflügler; 7 Familien) und Tubulifera (RöhrenFransenflügler; I bzw. je nach Autor bis zu 9 Familien) verteilen. Insgesamt weisen die mit den Hemiptera verwandten, seit dem Perm und Jura nachgewiesenen Thysanopteren eher "fortschrittliche" Merkmale auf. Der zumeist abgeplattete Kopf der Thysanopteren ist hypognath oder opisthognath und mit vierbis neungliedrigen Antennen versehen (Abb. 25-38 A, E). Im Vergleich zu den mit Stemmata ausgestatteten Larven besitzen die Adulti größere Facet tenaugen, bei den geflügelten ausgewachsenen Stadien finden sich zusätzlich drei Ocelli. Fransenflügler besitzen asymmetrische, stechend -saugende Mundwerkzeuge mit paarigen, aus den MaxilIen entstandenen Stechborsten und mit unpaarer, linker Stechmandibel. Die rechte Mandibel wurde reduziert. Dieses Saugrohr wird von einem aus Labrum, MaxilIen (Stipes) und Labium bestehenden Mundkegel umhüllt (Abb. 25-38 A). Durch die effektive Cibarialpumpe wird eine hochgradige Saugwirkung erzielt. Die Mundwerkzeuge mancher Arten dienen auch zum "Zertrümmern" der äußeren Pflanzenschichten. Am Thorax der Thysanopteren inserieren kurze, schmale Schreitbeine mit 1-2-gliedrigen Tarsen sowie ausstülpbaren, der Adhäsion dienenden Blasen (Arolia; Blasenfüße! Abb. 25-38B-E; 25-39 G, H). Bei den Tubulifera sind die Tarsen mit Zähnchen versehen. Die schmalen , bei den Terebrantia stark behaarten Flügel mit reduzierter Aderung werden in Ruhe flach aufs Abdomen gelegt. Oft sind die Vorderflügel derber als die Hinterfl ügel, manchmal sind sämtliche Flügel reduziert. Das Abdomen besteht aus l l Segmenten (Abb. 25-38 E). Da s 10. Segment ist bei den Terebrantia konisch und ventral geteilt, bei den Tubulifera zu einer Röhre ausgezogen . Der Gonoporus liegt beim Männchen zwischen dem 9. und 10. Segment. Die äußeren männlichen, bei den Tubu lifera weitgehend reduzierten Geschlechtsorgane besitzen bei den Terebrantia paarige oder unpaare
Parameren. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt bei den Terebrantia zwischen dem 8. und 9. Segment, zwei Valvenpaare bilden den gesägten Ovipositor. Bei den Tubulifera befindet sich die Gonopore zwischen den Segmenten 9 und 10, ein Ovipositor fehlt . Thysanopteren besitzen sowohl eine cibariale Saugpumpe als auch zwei Paare von Speicheldrüsen (Labialdrüsen) mit Speichelpumpe. Ihr relativ großer Mitteldarm ist mit 4 Malpighischen Gefäßen, der Enddarm mit 4-5 Rektalpapillen versehen, hingegen fehlen Kropf und Kaumagen (Abb. 25-38 E). Bei einigen Arten sind Mycetome bekannt geworden. Das konzentrierte Nervensystem kommt dadurch zustande, dass sich im vorderen Bereich des Abdomens nur ein Ganglienkomplex findet, der durch Verschmelzung von Abdominalganglien mit dem Metathorakalganglion entstanden ist. Das Weibchen besitzt pro Ovar vier panoistische Ovariolen. Beim Männchen sind ein oder zwei Paare größerer Anhangsdrüsen vorhanden. Kennzeichnend für die Fortpflanzungsbiologie der Fransenflügler ist die Tatsache, dass ThripsPopulationen innerhalb kürzester Zeit extrem anwachsen können. Überdies schwärmen viele Arten an schwülen Tagen in Massen und werden da durch lästig (Gewitterfliegen) . Ihre Eier sind relativ groß , oval bei den Tubulifera oder nierenförmig bei den Terebrantia, bei einigen Spezies tritt Ovoviviparie auf. Die Weibchen der Terebrantia schieben die Eier mithilfe des bezahnten Ovipositors einzeln ins Wirtsgewebe oder verteilen sie einfach auf der Oberfläche des Substrats. Die Männchen sind bei manchen Arten nicht bekannt, zum Teil tritt bei Thysanopteren Parthenogenese auf. Die Embryonalentwicklung verläuft ähnlich wie bei den Psocoptera und Hemiptera. Die Entwicklung der Thysanopteren ist durch zwei, manchmal drei, oft getarnte Ruhestadien gekennzeichnet, in welchen zum Teil die Metamorphose erfolgt. Den beiden ersten Larvenstadien fehlen Ocelli und Flügel, außerdem ist die Zahl der Antennenglieder bei ihnen reduziert und ihre Augen sind verkleinert (Abb. 25-39 A, B; s. Abb. 13-55). Flügelrudimente treten erstmals bei den Terebrantia im Präpuppenstadium auf, bei den Tubulifera sind sie ab dem Puppenstadium I erkennbar (Abb. 25-39 0 , E). Die Puppenstadien (Abb. 25-39 0, E) können noch nicht saugen, da die Mundregion noch verschlossen ist. Die Präpuppen (Abb. 25-39 C) mancher Arten halten sich in unterirdischen Erdzellen aus mit Seide zusammengeklebten Sandpartikeln (Abb. 25-39 I) auf. Bei den Thysanopteren, wie zum Beispiel den Aeolothripidae mit ihren Puppenkokons ist durchaus ein Evolutionstrend (Parallelevolution) in Richtung Holometabolie erkennbar.
25.24 Coleoptera, Käfer
Literatur
819
rere Millionen umfassen . Die Artenzahlen nehmen in Europa nach Süden zu und betragen 6500 Lewis, T. (1973): Thrips - their biology, ecology and (Deutschland), 8000 (Mitteleuropa) oder 12000 economic importance. Academ ic Press London (Italien) Marullo, R ., Mound, L. (2001) : Thrips and Tospviruses. Käfer kommen in allen tiergeographischen ReProceedings of the 7th International Symposium on gionen, in allen Höhenlagen (bis 5000 m), selbst Thysanoptera. Pdf-file, CSIRO/Univ. Reggio Calabria bis zur Region des ewigen Eises, von den Wüsten Moritz, G. (1994): Pictorial key to the economically important species ofThysanoptera in Central Europe. bis in den Polarbereich vor. Sie finden sich in fast jedem terrestrischen Biotop, im Süß- und BrackBull. OEPP/EPPO Bulletin 24: 181-208 Moritz, G. (2002): Thripse - Globetrotter im Auftrag des wasser und sind selbst in Höhlen durch zahlreiche blinde, pigmentlose Arten vertreten . SüßwasserBösen. 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In: The insects of freien Meer, jedoch sind sie an den Meeresufern im Australia. (CSIRO), Melbourne Univ. Press. Tang und Detritus in großer Zahl vertreten . Viele 458-464 Spezies finden sich in Lückensystemen aller Art Schliephake, G. (2001): Verzeichnis der Thysanoptesa (z. B. Staphylinidae). Käfer weisen Körperlängen (Fransenflügler) - Physopoda (Blasenfüße) - Thripse von 0,25 mm (Ptiliidae, z. B. Nanosella fungi; KörDeutschlands. Entomofauna Germanica 5: 91~ 106 Schliephake, G., Klimt, K. (1979): Thysanoptera, Fran- pergewicht 0,4 g) bis 16 cm (Dynastinae, wie Dysenflügler. In: Die Tierwelt Deutschlands. 66. Teil. nastes hereules unter den Lamellicorniern) auf. Der 21 cm lange Amazonas-Riesenbock Titanus Gustav Fischer, Jena Zur Strassen, R., Göllner-Scheiding, U. (2003): 21. Ord- giganteus erreicht ein Körpergewicht von 100 g, nung Thysanoptera (Physopoda), Fransenflügler, seine Larve ist 25 cm lang. Thripse , "Blasenfüße". 331-342. In: Lehrbuch der Auch die Ernährungsbiologie der Coleoptera Speziellen Zoologie. Begründet von Alfred Kaestner. weist enorme Unterschiede auf: Eine lockere AsBand I: Wirbellose Tiere. 5. Teil: Insecta . (Hrsg . soziation mit Holz sowie eine Aufnahme von PilzH. H. Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heihyphen und Pilzsporen (mycetophile Arten) kann delberg für primitive Gruppen angenommen werden. Unter den Herbivoren sind Larven und Imagines in der Lage, sämtliche lebenden, toten und zerfallenden Pfianzenteile, wie Wurzeln, Stamm , Rinde, 25.24 Coleoptera, Käfer Blätter, Blüten oder Samen zu nutzen . In seltenen Fällen kann bei Herbivoren ein sekundärer ÜberKäfer stellen nicht nur die größte Insektenord- gang zur Carnivorie stattfinden (Abb. 25-42 M). nung, sondern die größte Ordnung von Lebewesen Manche phylogenetisch alte Pflanzen können soüberhaupt dar. Diese zerfallt nach neuen Unter- gar durch Coleopteren bestäubt werden (Canthasuchungen in 187 Familien, 453 Unterfamilien rophilie), in einigen Fällen nehmen Käfer mit mound 4 Unterordnungen. Die Prachtkäfergattung difizierten Mundwerkzeugen Nektar auf (z. B. BuAgrilus stellt möglicherweise die größte Gattung prestidae, Meloidae) . Zum Teil fressen die Tiere aller lebenden Organismen dar, denn sie enthält im Inneren einer Pflanze, wie z. B. in einer Galle mindestens 2000 beschriebene sowie mindestens oder im Fruchtkörper höherer Pilze. Zahlreiche 350 zusätzliche, unbeschriebene Spezies. Schließ- Käferarten finden sich an Holz und verursachen lich finden sich bei Käfern alleine 40 Familien, dort zum Teil erhebliche Schäden . Xylophage Spewelche jeweils mehr als 1000 beschriebene Arten zies (Holzschädlinge) finden sich z. B. bei den Ceenthalten. Hinsichtlich ihrer Artenzahl sind die rambycidae, Buprestidae, Scolytidae (Abb. 15-7; endopterygoten Coleopteren mit den höheren 25-42 F), Anobiidae oder Bostrychidae. DarüberPflanzen vergleichbar und liegen derzeit bei etwa hinaus können solche Arten Pilze oder Viren über370000 beschriebenen Arten . Geht man von 30-50 tragen, die beispielsweise das Ulmensterben verurMillionen auf der Erde bekannter Insektenarten sachen. Viele koprophile Arten finden sich im aus, so dürfte die Zahl bekannter Käferarten meh- Dung vor allem pflanzenfressender Säuger (z. B.
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Schildchen
A
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Kaumagen Mitteldarm -u~~~"",,J]~ifF~5SJ;.= Maliph. Gefäße Herz After /
B
Pygidialdrüse Geschlechtsöffnung Maxillar palpus Mandibel
~~t1~;::::- Labium
Elytr e --.r---"''''-'- I
o
Abb. 25-40: Coleoptera. A, B Körpergliederung, Seitenansicht (A) sowie innere Organisation (B) eines Weibchens, Adephaga (Mes: Metepisternum, Mem: Metepimeron, Mt: Metasternum, R. S.: Receptaculum seminis). C, 0 Carabus monilis Dorsal-(C) und Ventralansicht (D) (Ep: Epipleuron, Me: Metacoxa, Ms: Mesosternum, Mse: Mesocoxa, Mt: Metasternum, Nn: Notopleuralnaht, Pe: Procoxa, Pem : Proepimeron, Pes: Proepisternum, Ps: Prosternum, St 1: 1. sichtbares Sternit). E Kopfoberseite Cicindela silvatica. F Kopfunterseite Eucarabus monilis. G Dorsalansicht Curculio nucum. (A, Bnach Weber & Weidner 1974, C-F nach Chatenet, 1986, G nach Zahradnik und Chvala 1993)
25.24 Coleoptera, Käfer
Scarabaeus sacer; Abb. 25-42 I). Ihnen kommt bei der Beseitigung großer Dungmengen erhebliche Bedeutung zu. Zahlreiche Käferarten wie Vertreter der Carabidae oder Staphylinidae sind räuberisch und manchmal sogar auf eine bestimmte Beute spezialisiert. Zum Teil handelt es sich aber auch um Generalisten, welche in seltenen Fällen auch parasitisch bei anderen Insekten leben können. Viele Käferarten sind Aasfresser (z. B. Dermestidae, Staphylinidae), leben in der Bodenstreu oder finden sich in Nestern sozialer Insekten (myrmekophile, termitophile Spezies). Auch sind zahlreiche Vorratsschädlinge und synanthrope Käferarten zu nennen, die z. B. getrocknete Lebensmittel, Textilien oder Lederwaren zerstören (Tenebrionidae, Dermestidae, Ptinidae, Curculionidae). Viele Käferarten wie Vertreter der Carabidae (fressen Schmetterlingsraupen), Coccinellidae (fressen Blatt- und Schildläuse, Spinnrnilben) oder Cleridae (fressen Larven von Borkenkäfern) sind als Schädlingsvertilger in der biologischen Schädlingsbekämpfung einsetzbar. Andere Arten sind nützlich als Unkrautvertilger oder tragen zum Abbau verrottenden Ptlanzenmaterials bei. Einige Spezies liefern biologisch aktive Substanzen mit Antitumorwirkung oder blasenziehender Wirkung, wie beispielsweise das Cantharidin (Meloidae , Oedemeridae, Abb. 17-10 D) oder das durch symbiontische Bakterien gebildete Pederin (Paederus, Abb. 17-10 Q, Kap. 19.1.5.5). Zahlreiche Käferarten verursachen Schäden in Forst-, oder Landwirtschaft (Borkenkäfer, Blattkäfer, Rüsselkäfer, Elateridae), an Vorräten (Anobiidae) oder in anderen vom Menschen genutzten Materialien , wie Textilien, Leder oder Tierpräparaten (Museumskäfer, Messingkäfer). Die Käfergifte Cantharidin und Pederin führen zu schweren Blasenbildungen bzw. Vergiftungen, vor allem in den Tropen stellt die unter dem Namen Pederosis bekannte Dermatitis ein ernstes Problem dar. In Südostasien können bestimmte Dungkäferarten der Gattung Aphodius den Enddarm schlafender Kinder besiedeln und verursachen dadurch Durchfalle. Der amerikanische Bockkäfer Acrocinus longimanus dient winzigen, unter den Käferelytren vorübergehend befestigten Pseudoskorpionen als Transportwirt (Abb. 25-42 L). Je nach Taxon sind Körperform, die jeweilige Skulptur, Hornbildungen, oder die Behaarung bei Coleopteren völlig unterschiedlich. Bei manchen Vertretern der Scarabaeidae, Dermestidae, Tenebrionidae und Curculionidae finden sich sogar Schuppenbildungen (Abb. 1-20 B). Auch die Farben der Imagines sind sehr variabel und reichen von zum Teil intensiven Zeichnungsmustern, Metall- und Schillerfarben bis zu Tarn- und Sekret-
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farben . Manche Käfer leben unter einer Kotmaske (Larven der Gattung Cassida, Abb. 17-2 N) oder tarnen sich durch Flechten und Algen, welche auf der Körperoberseite deponiert werden (Rüsselkäfer Gymnopholus) . Andere, meist giftige Arten sind auffällig und grell gefärbt (z. B. Cantharidae, Meloidae, Lycidae). Darüberhinaus ist bei zahlreichen Arten ein ausgeprägtes Fluchtverhalten (z. B. Elateridae, Alticidae, Kurzflügler der Gattung Stenus) oder ein Totstellreflex (Byrrhiden, Abb. 17-5 0) zu beobachten. Die holometabolen Käfer sind in der Regel stark skierotisiert, d. h. sie besitzen eine harte und feste Körperobertläche (Bsp. " Eisenpanzerkäfer" der Gattung Phloeodes) . Käfer sind dadurch mechanisch vor Fressfeinden (Trutztypus) und vor Austrocknung geschützt. In der Regel fehlen äußerlich sichtbare Membranen, denn diese sind ins Körperinnere verlagert. Vor allem im Kopfbereich ist ein reich gegliedertes Innenskelett vorhanden. Die Cuticula der meisten Coleoptera ist glatt , bei den basal stehenden Archostemata weist sie eine granuläre oder schuppige Obertlächenstruktur auf (Abb.25-4l E). Die Vordertlügel repräsentieren feste Elytren ohne Flügeladerung, deren Ränder zu Epipleuren verbreitert sind (Abb. 25-40). Die falt baren Hintertlügel fungieren als Flugorgane und werden in Ruhehaltung wie das Abdomen mit seinen weichhäutigen Tergiten von den Flügeldecken bedeckt. Der durch die starren Elytren gewährte mechanische Schutz ist dann hinderlich, wenn Lückensysteme im Boden oder unter der Rinde erobert werden sollen . Hierzu wird der Körper langgestreckt und es werden z. B. bei den Staphylinidae die Elytren verkürzt, wodurch ein bewegliches, mechanisch allerdings ungeschütztes Abdomen entsteht. Die Schwestergruppe der Käfer stellt das Taxon Neuropterida( =Neuropteroidea, s.Abb. 24-7:Neuroptera + [Megaloptera + Raphidioptera]) dar. Die Aderung der Elytren bei bestimmten fossilen Protocoleoptera aus dem Perm ähnelt den Megalopteren. Zur Stammlinie der Coleoptera gehören neben den Protocoleoptera die fossilen Permocupedidae, Rhombocoleidae oder Triadocupedidae. Die rezenten Coleoptera weisen zahlreiche Autapomorphien auf, wie z. B.: Präsenz von Epipleuren, in Ruhestellung gefaltete Hintertlügel, fest miteinander verbundene Sklerite, reduzierter 1. Sternit, invaginierte Segmente 9/10, ll-gliedrige Antennen, eingeschlagener Seitenrand des Pronotums oder verbreiterte Metacoxae. Während fossile Archostemata bereits aus dem oberen Perm bekannt sind , stammen die ältesten sicheren Käferfossilien aus dem unteren Perm . Die zu den Archostemata gehörenden Cupedidae und Ommatidae besitzen die am ursprünglichsten gebauten Elytren aller Käfer. Diese sind noch nicht
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
E B
G
Abb. 25-41 : Coleoptera. A Dineutus punastus (Gyrinidae). B Cerapterus smithii (Paussidae). C Sphaerius ovensensis (Sphaeriidae). D Crowsoniella relicte (Crowsoniellidae). E Cupes methesoni (Cupedidae). F Philonthus taterae (Staphylinidae). G Ptinella aptera (Ptiliidae). H Platypsyllus castoris (leptininae = Platypsyllinae leiodidae). I Dermestesater (Dermestidae). J Epuraea marseuli (Nitidulidae). K Cardiophorus spec. (Elateridae. L Evides pubiventris (Buprestidae). M Eurychora spec. (Tenebrionidae). N Leptinotarsa decemlineata (Chrysomelidae). (A, B, F, l verändert nach Endrödy-Younga 1986, C verändert nach Parker 1982, D verändert nach Chatenet 1986, E, K, M verändert nach Britton 1974, G verändert nach Brancucci 1986, H verändert nach Evans 1975, I verändert nach Peacock 1993, Jverändert nach Audisio 1993, N verändert nach Jacques 1988).
vollstä ndig sklerotisiert und lassen die ursprün glichen Quer- und Längsadern erkennen. Auch die Hinterflügel der Cupedidae werden nicht unter die Flügel gefaltet, sondern nur an der Spitze eingerollt. Allerdings muss die Beschuppung der Cupe-
diden-Elytren als abgeleitet bewertet werden. Die Archostemata sind die Schwestergruppe der übrigen drei rezenten Untero rdnungen. Nach Crowson waren im Mesozoikum in der Triaszeit bereits drei Käfergruppen vorhanden:
25.24 Coleoptera, Käfer
Die xylobionten Archostemata (Cupedidae), karnivore Adephaga sowie die Polyphaga (inklus. Myxophaga). Für den evolutionären Erfolg der Coleoptera (exklus. Archostemata) war wahrscheinlich die verbesserte Ökonomie im Bewegungsapparat, bedingt durch ein verfestigtes Skelett und damit korrelierte Muskelreduktionen verantwortlich. Später während der Kreidezeit und während der Entfaltung der Blütenpflanzen erfolgte hingegen eine massive Radiation der Polyphaga . Nachfolgend werden die vier Unterordnungen der Coleoptera nach den Angaben von Crowson und Lawrence & Newton mit den wichtigsten Taxa zusammengestellt. • UO. Archostemata Cupedidae sowie vier weitere Familien, teils im Holz bohrend, zum Teil andere Lebensweise (z. B. Crowsoniella Abb. 25-41 D, Omma), viele mesozoische Fossilien gehören hierher (Abb. 25-41 D, E, 25-43 D). • UO. Adephaga 1.-3. Abdominalsternit miteinander verschmolzen; Angliederung der Hinterhüften an 1. sichtbares Abdominalsternit (Abb.25-40 D). Unterscheidung von Geadephaga (wasserlebend; 4 rezente Familien) und Hydradephaga wasserlebend; 6 rezente Familien); wahrscheinlich lebten früheste Vertreter der Adephaga im ufernahen Bereich. Der Übergang zum Wasserleben ist an das Vorhandensein eines geschlossenen Subelytralraumes gebunden . Entweder wurde das Wasser dreimal und zeitlich unabh ängig voneinander besiedelt oder Vertreter der Hydradephaga eroberten den Lebensraum Süßwasser einmal. Fast ausschließlich räuberische Lebensweise, mit meist extraintestinaler Verdauung, polytrophen Ovariolen und abdominalen Pygidialdrüsen . Larven mit vollständiger Anzahl von Beingliedern und paarigen Klauen. Etwa 12% aller Käfer arten gehören hierher (10 Familien; Abb. 25-40 A-F, 25-41 A, B, 25-42 A, B, 25-43 A-C, Tl,T2, X, Z). • VO. Myxophaga 4 Familien, es handelt sich um die erst 1955 eingeführte Schwestergruppe der Polyphaga; keine fossilen Belege vorhanden; kleine Arten mit aquatischen bzw. hygropetrisehen Larven (Abb.25-41 C, 25-43 E). Das Schwestergruppenverh ältnis Polyphaga + Myxophaga ist durch die Verwachsung von Tibia und Tarsus (Larven) sowie von Propleura und Trochantinus (Imagines) bedingt. • UO. Polyphaga 169 Familien mit fast 90% der rezenten Coleopterenarten gehören hierher. Mit telotrophen Ovariolen, von außen nicht sichtbaren Notopleuraln ähten, vollständiger Kryptopleurie sowie Fehlen der Oblongumzelle im Hinterflügel. Antennenform und Tarsenformel , d. h. Zahl der Tarsenglieder an Vorder-, Mittelund Hinterextremität außerordentlich verschie-
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den. Möglicherweise sind bereits seit der Trias die drei folgenden Verwandtschaftskomplexe der Polyphaga vorhanden: Staphyliniformia, Scarabaeiformia + Elateriforrnia, Bostrichiformia + Cucujiformia . Die außerordentliche Entfaltung einiger Teilgruppen wie der Chrysomeloidea und der Curculionoidea ist sicher mit der Evolution der Angiospermen in der Kreide korreliert. Tibia und Tarsus sind bei den Larven nicht getrennt , außerdem findet sich eine unpaare Klaue. Die phylogenetischen Beziehungen zwischen und innerhalb der Teilgruppen der Polyphaga sind oft nicht abgesichert. A. Series Staphyliniformia (13 Familien mit zumeist reduziertem Flügelgeäder und bei den Larven gelenkig mit dem 9. Abdominalsegment verbundenen Urogomphi) - Hydrophiloidea(4Familien,Abb. 25-42C,D) - Staphylinoide a (9 Familien Abb. 25-41 F-H, 25-42 E, 25-43 F, G) B. Series Scarabaeiformia (Lamellicornia ; 13 Fa-
milien mit Antennen, die auf den letzten Gliedern einen einseitigen, blattförmigen Fächer aufweisen (Abb. 11 -31 D). TarsenformeI5-5-5; Larven zumeist "engerlingförmig". Oft mit hochentwickelter Brutfürsorge) . - Scarabaeoidea (13 Familien; Abb. 25-42 GJ, 25-43 S, V) C. Series Elateriformia (35 Familien; Larven zu-
meist ohne Mola und Urogomphi. Breite Gula und Prognathie der Larven werden als abgeleitet angesehen). - Scirtoidea (4 Familien) - Dascilloidea (2 Familien) - Buprestoidea (1 Familie Abb. 25-41 L,25-43 P)
- Byrrhoidea (12 Familien Abb. 17-5 D, E; 25-43 R) - Elateroidea (7 Familien Abb. 17-4 F; 18-2 B; 25-41 K) - Cantharoidea (9 Familien Abb. 17-4 G; 18-2; 18-3; 25-43 H) D. Series Bostrichiformia (8 Familien; die beiden nachfolgend genannten Überfamilien wahrscheinlich paraphyletisch) - Derodontoidea (l Familie) - Bostrichoidea (7 Familien Abb.25-41 I, 25-43 M, W) E. Series Cucujiformia (l00 Familien mit mehr als 50% aller Käferarten; sicher begründete monophyletische Teilgruppe. Abgeleitete Merkmale der Adulti : acone Ommatidien mit offenen Rhabdomen, kryptonephridische Malpighisehe Gefäße, Hintercoxen ohne Platten, 8. Abdominalsegment ohne Stigmen, 9. und 10.
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
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Abb. 25·42: Coleoptera, Eier, Biologie A Dytiscus marginalis (Dytiscidae; Weibchen bei der Eiablage). B D. marginalis (Wasserpflanze versehen mit Eitaschen/Eiern). C Helochares griseus (Hydrophilidae; Weibchen mit Eikokon; Vergrößerung Eikokon: D). E Bledius speetabilis (Staphylinidae; Brutbau im Sand des Meeresstrandes; AI kultivierte Algen, Ek Larven- bzw. Eikammern; Ab Abfall), F Fraßbild von Scolytus quadrispinosus (Scolytidae), G-H Scarabaeus Brutbirne mit Ei (G) und Larve (H); I: Pärchen des Pillendrehers Scarabaeus sacer beim Rollen und Eingraben der Pille. J Junglarve von Anomala aenea (Scarabaeidae) sprengt Eischale mitseitlichen metathorakalen Schalensprengern (Pfeil). K Ovoviviparie bei der Blattkäfergattung Eugonycha spec. (Chrysomelidae). L Zentralamerikanischer Bockkäfer Acrocinus longimanus als Transportwirt für Pseudoskorpione (unten : Vergrößerung). M Ludovix fasciatus (Curculionidae) beim Verzehr von Heuschreckeneiern (A, B verändert nach Blunck 1912, C, D, G, H, J verändert nach Meixner 1933-36, E, M verändert nach Klausnitzer 2002, F verändert nach White 1983, I verändert nach Bühler 1972, K, L verändert nach Evans & Bellamy 1996).
25.24 Coleoptera, Käfer
Abdominalsegment reduziert. Galea und Lacinia bei den Larven zumeist verschmolzen) - Lymexyloidea (1 Familie) - Cleroidea (8 Familien) - Cucujoidea (31 Familien Abb. 25-41 J, 25-43 J, 0, Y) - Tenebrionoidea (31 Familien Abb. 14-15 E, 17-4 E; 25-41 M, 25-43 1, N) - Chrysomeloidea (9 Familien Abb. 17-4 D, G, 25-41 N, 25-42 K, L, 25-43 L, Q, V) - Curculionoidea (20 Familien Abb. 25-40 G, 25-42 F, M, 25-43 K) Der stark sklerotisierte Kopf der Imagines ist häufig prognath (Abb. 25-39 A, B), seltener hypognath bis orthognath, er ist ventral von einer sklerotisierten Gula verschlossen (Abb. 25-39 F) und häufig partiell in den Prothorax eingezogen. Die maximal l l-gliedrigen , äußerst variablen Antennen sind fadenförmig, gesägt, gekämmt, keulenförmig, blätterförmig, gekniet oder anders modifiziert (Abb.25-41). Sie sind mit Chemo- und Mechanorezeptoren versehen und haben selten Drüsen- (Paussidae; Abb. 25-41 B) oder Atmungsfunktion (Hydrophilidae). Je nach Käfergruppe inserieren die Antennen an verschiedenen Positionen zwischen den Augen und der Mandibelbasis. Ocellen sind bei verschiedenen Gruppen, wie den Omaliinae oder Dermestidae vorhanden. Die Komplexaugen sind acon (ohne Kristallkegel), eucon (mit intracellulärem Kristallkegel), pseudocon (mit extracellulärem Kristallkegel), oder fehlen. Bei Gyriniden (Abb. 16-7; 25-41 A) sind die Facettenaugen separ iert in Über- und Unterwasseraugen, oft sind die Augen rundlich, nierenförmig eingeschnürt oder fehlen vollständig (Höhlenbewohner). Bei optisch jagenden Spezies (z. B. Cicindelidae) oder Leuchtkäfern (Lampyridae) sind die Facettenaugen stark vergrößert (Abb. 16-15). Die Mundwerkzeuge der Coleoptera sind fast durchweg orthopteroid. Bei den Curculionidae ist der Vorderkopf rüsselartig vorgezogen (Abb. 25-40 G). Das fast in allen Familien vorhandene und gut sichtbare Labrum ist zumeist beweglich mit dem Clypeus verbunden. Dahinter schließen sich Frons und Vertex an . Die auf der Innenseite oft gezähnten Mandibeln der Käfer sind relativ groß, weisen zum Teil einen Geschlechtsdimorphismus auf (verzweigte Mandibeln; Abb. 13-73; 13-79), selbst bei Puppen der Lucaniden, Abb. 25-43 U) oder sind stilettartig ausgeprägt bzw. reduziert. Bei den Männchen thailändischer Prioninen dienen die "Walrosszähne" (= Mandibeln) zum Festhalten der Weibchen bei der Paarung. Die Maxille besteht aus Cardo, Stipes, Subgalea und Palpiger sowie einer meist fein behaarten, häufig zweigliedrigen Galea , einer hakenförmig bedornten Lacinia und einem
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in der Regel viergliedrigen (3-6) Palpus (Abb. 2540 F). An der Basis des Labiums befindet sich das mit der Gula verbundene Submentum. Glossa und Paraglossa inserieren am Prämentum, welches wiederum mit dem Mentum verbunden ist. Die bei einigen Käfern als spezialisierte Mundteile vorhandenen, leckend-saugenden Mundwerkzeuge sind im Extremfall als Saugrüssel (bei Cerambyciden, Lucaniden , Lamellicorniern, trop. Meloiden) ausgebildet. Bei Collembolenjägern, wie bei StenusArten, ist ein vorstreckbares Labium entwickelt (Abb. 16-10). Der Labialpalpus ist dreigliedrig (2-4; Abb. 25-40 F). Der Hypopharynx ist mit dem Labium verwachsen. Der Thorax der Käfer besteht einerseits aus einem frei beweglichen Prothorax mit großem, stark sklerotisiertem, seitlich meist kantigem Halsschild, welcher lateral nach unten eingeschlagen ist (Abb. 25-40 A, D). Die Propleuren sind mit benachbarten Skleriten zu einem Komplex verschmolzen und liegen oberflächlich (Adephaga; Abb. 25-40 A) oder als Cryptopleura im Segmentinneren (Polyphaga) . Das ventrale Prosternum ist aus verschiedenen Anteilen zusammengesetzt. Sind die Propleuren separiert, so wird der vordere Sklerit als Proepisternum, der hintere als Proepimeron bezeichnet. Form und Position dieser Sklerite an den drei Thorakalsegmenten sind von großer taxonomi scher Bedeutung. Zum Teil ist der mediane Prosternalfortsatz mit der hinteren Pleura verbunden , wobei eine geschlossene Procoxalhöhle entsteht. Anderenfalls ist die Procoxalhöhle hinten geöffnet. Der Mesothorax ist beträchtlich kleiner als der Metathorax und mit letzterem mehr oder weniger starr verbunden (Abb. 25-40 D). Die mit Epipleuren versehenen Käferelytren sind starr und ohne Adern . Die Ober- und Unterseiten der Elytren sind fest durch Columnae vernietet. Zusammen mit dem fast immer dreieckigen, manchmal verborgenen Schildchen (= Scutellum, = Mesonotum) bedecken die Elytren die weichhäutigen , in Längs- und Querrichtung zusammenlegbaren Hinterflügel und die abdominalen Tergite. In einzelnen Fällen können die Elytren in der Mitte aneinandergekoppelt sein. Flugtechni sch ist von Bedeutung , dass die weichen Hinterflügel als eigentliche Flugorgane fungieren, die Vorderflügel werden beim Flug gespreizt oder bleiben bei Rosenkäfern und einigen Mistkäfern angelegt. Die Aderung der Hinterflügel variiert je nach Taxon betr ächtlich . Beispielsweise befinden sich bei den Adephaga zwischen den Hauptlängsadern Queradern, welche vier kleine Zellen bilden. Innerhalb der Polyphaga existieren mehrere Typen mit fehlenden Queradern. Die Reduktion der Hinterflügel ist gleichbedeutend mit fehlender Flugfähigkeit . Eine Verkürzung der Elytren kommt z. B. bei den Staphylinoidea (Abb. 25.41 EH), Me-
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
loiden oder bestimmten Canthariden und insbesondere bei Spezies vor, die in Wüsten oder Höhlen anzutreffen sind. Die Hinterflügel der winzigen Ptiliidae (Federflügler) bestehen aus einer schmalen Achse, welche mit langen Härchen besetzt ist (Abb.25-41 G). Die Infrarotstrahlung registrierenden Thermorezeptoren finden sich ventrolateral am anterioren Metathorax des Prachtkäfers Melanophila acuminata. Die Beweglichkeit der Coxen ist oft eingeschränkt, im Pro- und Mesothorax sind sie häufig eingesenkt, hingegen sind die Metacoxen meist quer und durch Gelenke fixiert. Form und Insertion des kleinen Trochanters zwischen Coxa und Femur sind wichtige Bestimmungsmerkmale. Der stark entwickelte Femur ist bei sprungfähigen Arten angeschwollen. Die Tibia ist häufig mit mehreren Dörnchen oder einem Sporn versehen oder kann in seltenen Fällen blattförmig verbreitert sein (Phyllocnema) . Die Tarsen der Käfer sind primär fünfgliedrig (pentamer), häufig erfolgt eine Reduktion des Basalgliedes (tetramer) oder man beobachtet zum Beispiel eine versteckte Lage des 4. Gliedes in der Höhlung des 3. Gliedes (pseudotetramer). Die Ausbildung der Tarsen bei den verschiedenen Taxa hat große Bedeutung als Bestimmungsmerkmal (Tarsenformel; s. Polyphaga) . An den Extremitäten finden sich normalerweise zwei, teilweise gezähnte oder ungleiche Klauen und ein Empodium. Auf der Unterseite der Tarsalia können v. a. im männlichen Geschlecht Sohlenbürsten ausgebildet sein. Die Beine der Coleoptera sind primär Lauf- und Schreitbeine. Je nach Lebensweise können solche Beine zu Putzbeinen , Grabbeinen (Abb. 25-42 I), Schwimmbeinen (Abb. 9-15), Sprungbeinen oder mit Hafthaaren versehenen Beinen umgewandelt werden. Das Abdomen besteht beim Männchen aus zehn, beim Weibchen meist aus 9 Segmenten. Das 1. Sternit ist im Grundplan nicht erkennbar vorhanden. Häufig ist das 2. Sternit nur lateral ausgebildet. Die sklerotisierten abdominalen Sternite bilden seitlich eine Kante, auf welcher die Elytren ruhen . Die von unten sichtbaren Seitenränder der Elytren werden als Epipleuren bezeichnet (Abb. 25-40 D). Im Bereich der weichen Flankenhäute befinden sich die Stigmen an den Segmenten 1-8 (Abb. 25-40 A). Die Tergite sind außer bei Arten mit verkürzten Elytren meist nur schwach sklerotisiert. Der männliche Kopulationsapparat (Aedoeagus) besteht aus einem Tegmen, zusammengesetzt aus Phallobasis und den paarigen, manchmal verschmolzenen Parameren, dem Penis und einem Endophallus. Der äußere weibliche Geschlechtsapparat besteht aus reduzierten Genitalanhängen 8 und Anhängen des Abdominalsegments 9 (Gonocoxit und Gonostylus). Die eher seltenen Stridulationsorgane sind bei
Käfern an verschiedenen Körperregionen vorhanden (Hygrobiidae, Cerambycidae) . Lauterzeugung dient der Partnerfindung oder sie erfolgt bei Störungen und stellt ein Abwehrsignal dar. Entsprechendes gilt für die bei Phengodiden, Elateriden und Lampyriden erzeugte Leuchtsignale. Während an den Vorderbeinen häufig Putzvorrichtungen anzutreffen sind, finden sich Sprungvorrichtungen beispielsweise bei Elateriden, bei welchen ein prosternaler Dom in eine Grube des Mesoventrits ragt. Vom Primitivzustand des Nervensystems, d. h. dem Vorhandensein von 3 Thorakal- und 7-8 isolierten Abdominalganglien bis zur Konzentration des Strickleiternervensystems durch Verschmelzung von vorderen Abdominalganglien mit den Metathorakalganglien (abgeleiteter Zustand) existieren zahlreiche Übergänge (Abb. 25-40 B). Im Gehirn der Käfer finden sich primitive Pilzkörpertypen. Der Darm ist je nach Ernährung variabel gestaltet (Abb. 25-40 B). Adephaga sind im Gegensatz zu den Polyphaga durch einen langen Ösophagus sowie einen großen Kropf und einen Proventriculus (Kaumagen) charakterisiert. Der Pharynx ist oft als kräftiger Pumpapparat ausgebildet. Der Mitteldarm ist mit zahlreichen Blindsäcken und über die gesamte Darmlänge oft mit Regenerationskrypten versehen (Abb. 4-6 C), Um harte Pollenkörner im Darmtrakt aufbrechen zu können setzen manche Scarabaeiden harte Steinzellen aus bestimmten Pflanzen als "Magensteine" ein. Zum Teil werden die notwendigen essentiellen Nahrungsbestandteile wie Vitamine, Steroide oder Aminosäuren über symbiontische Mikroorganismen beschafft. Manche Leuchtkäferweibchen der Gattung Photuris locken Männchen anderer Arten an, um in den Besitz von deren giftigen Herzglykosiden zu kommen . Käfer weisen zwischen 4-6 Malpighische Gefäße sowie gut ausgebildete Rektalpapillen auf. Bei einigen Gruppen finden sich sackförmige Rektalampullen mit Wehrsekreten (Dytiscus, Silphidae). Außerdem können die Malpigischen Gefäße eng mit dem Enddarm assoziiert sein, wodurch beispielsweise bei Tenebrioniden eine effektive Rückresorption von Wasser ermöglicht wird (Abb. 5-8; 5-27; 5-28). Exokrine Drüsen, wie z. B. Pygidialdrüsen oder Prothorakalwehrdrüsen finden sich an unterschiedlichsten Körperregionen, deren Sekrete dienen der Abwehr, Kommunikation, Ernährung (Speicheldrüsen) oder dem Imprägnieren der Körperoberfläche (Abb. 1-33; 17-6; 17-13). Wehrstoffe können jedoch auch in der Hämolymphe gespeichert und anschließend durch Reflexbluten abgegeben werden (z. B. Marienkäfer, Ölkäfer) . Die Vielzahl der Käferabwehrstoffe umfasst insbesondere Chinone, Karbonsäuren, Aromaten, Alkaloide, flüchtige Terpene oder Steroide, welche zu-
25.24 Coleoptera, Käfer
meist topikal als Insektizide, aber auch als Gifte oder Klebstoffe wirken. Bei Bombardierkäfern konnten sich in mehreren Taxa Reaktordrüsen mit explosionsartig abgegebenen , heißen Wehrsekreten entwickeln (Abb. 17-7 A). Im Tracheensystem der Käfer kommen in der Regel 10 Stigmenpaare (2 thorakale, 8 abdomi nale) sowie seitliche Längsstämme vor. Die Stigmen können verschlossen oder vollständig reduziert sein. Viele Arten besitzen zusätzlich thorakale und abdominale Luftsäcke . Aquatische Arten sind zum Teil Plastronatmer. Bei Käfern aus Trockengebieten finden sich oft versenkte, verschließbare Stigmen. Das Herz weist zwischen 5 und 8 Ostien auf (Abb. 25-39 B) und besitzt Paare von Flügelmuskeln. Bei den Lampyriden, Phengodiden und Elateriden sind Leuchtorgane bekannt (s. Kap. 18). Viele Käfer besitzen endosymbiontische Mikroorganismen, welche dem Wirt bei einseitiger Ernährung essentielle Verbindungen zur Verfügung stellen (Kap. 19). Die Geschlechtsorgane der Käfer sind morphologisch extrem vielgestaltig. Vertreter der Adephaga verfügen über paarige, tubulöse Hoden, während diese bei den Polyphaga oft büschelförmig sind. Darüber hinaus existieren 1-3 Paare von Anhangsdrüsen. Die paarigen Vasa deferentia führen zum Ductus ejaculatorius. Die kammförmigen Ovariolen sind bei den Adephaga polytroph (Abb. 13-10 B; 25-40 B), bei den Vertretern der Archostemata und Polyphaga hingegen telotroph . Die weiblichen Tiere besitzen weiterhin ein unpaares Receptaculum und oft eine damit assoziierte Anhangsdrüse. Die Vagina kann zu einer Bursa copul atrix erweitert sein. Weibliche (einfach oder doppelt) und männlich e Geschlechtsöffnungen befinden sich am Hinterrand des 8. Sternits. Die Fortpflanzungsbiologie der Käfer ist immer durch eine sexuelle Vermehrung gekennzeichnet. In zahlreichen Fällen spielen bei der Geschlechterfindung Sexual- und Aggregationspheromone oder auch die Erzeugung von Geräuschen eine Rolle. Oft schließt sich danach eine komplizierte Balz an , bei welcher sich die Geschlechtspartner intensiv mit den Ant ennen berüh ren, exokrine Sekrete aufnehmen (gustatorische Balz), sich gegenseitig Duftstoffe zufächeln oder bei der nach vorheriger Prüfung "Hochzeitsgeschenke" in Form von Cantharidin vom Männchen aufs Weibchen übertragen werden (s. Kap. 17). Bei einigen Taxa ist ein ausgeprägter Geschlechtsdimorphismus zu beobachten, denn die weiblichen Imagines sind larvenförmig (z. B. Lampyridae) oder das Männ chen weist vergrößerte Mandibeln (Lucanidae), längere Fühler (Cerambycidae) oder horn artige Auswüchse an Kopf- und Halsschild auf (Herkuleskäfer). In der Regel werden diese Mandibeln und hornartigen Strukturen bei Paarungskämpfen eingesetzt.
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Extrem vielfältig ist die Morphologie und Biologie der Eier sowie die Art der Eiablage. Sehr kleine Spezies legen nur einzelne Eier ab (Ptiliidae), Arten mit komplizierten Entwicklungszyklen wie die Meloid ae produzieren hingegen sehr große Mengen von Eiern . In manchen Fällen werden auf der Wasseroberfläche treibende Kokons mit mehreren Eiern hergestellt (Hydrophilidae; Abb. 13-40). Käfereier sind meist oval und mit einem dünnen Chorion sowie einer Mikropyle versehen. Oft werden sie einzeln, je nach Spezies auch in Gruppen an und im Substrat abgelegt und sind farblos, rot oder gelb gefärbt. In vielen Fällen werden sie mit klebrigen Sekreten oder Kot auf der Unterlage befestigt. Die Entwicklungsdauer ist recht unterschiedlich und reicht von mehreren Generationen pro Jahr bis zu Verhältnissen, bei welchen eine Larve mehrere Jahre benötigt, um ihre Entwicklung abzuschließen . Junglarven besitzen zum Schlüpfen aus der Eischale oft tho rakale (Abb.25-4l J) oder thorakoabdominale Eizähnchen. Häufig werden von Käfermännchen Spermatophoren in die Bursa copul atrix des Weibchens übertragen. Parthenogenetische Fortpflanzung tritt bei einzelnen Vertretern der Chrysomelidae, Curculionidae oder Ptiliidae selten (als Thelytokie) auf Viviparie findet sich bei einigen Chrysomelidenarten, Archostemata und Aleocharinae, meist erfolgt das Schlüpfen der Junglarven unmittelbar vor der Eiablage (Ovoviviparie; Abb. 2541 K). Ein Generationswechsel mit Paedogenese wird bei Vertretern der Micromalthidae beobachtet (s. 13.1.2.3). Bei zahlreichen Käferarten sind Mechanismen der Brutfürsorge (z. B. Scarabaeidae; Abb. 25-41 I) und der Brutpflege (z. B. Silphidae) beschrieben worden . So stellen manche Arten wie der Birkenblattroller Deporaus hetulae mittels Rüsseleinstichen hochentwickelte Blattwickel her, in welche anschließend Eier deponiert werden (Abb. 15-5). Andere Spezies bewachen die eigenen Eier (neotropischer Blattk äfer A cromis; Kurzflügler Bledius; Abb. 25-41 E) oder Larven bzw. füttern diese. Präso ziales Verhalten konnte bislang bei zahlreichen Käferfamilien nachgewiesen werden (z. B. Staphylin idae: Bledius; Silphida e: Ni crophorus; div. Tenebrionidae, Chrysomelidae). Bei wüsten bewohnenden Tenebrioniden der Gattung Parast izopus tragen Imagines, d. h. Elterntiere und ältere "Geschwister" Detritus in ihre unterirdischen Behausungen ein und betreiben Brutpflege. Zusätzlich sind kleptoparasitische Schwarzk äferarten (Gattung Eremostibes) in der Lage, in diese Brutbauten einzudringen, um an ihrer Wirtsart zu parasitieren. Die Entwicklung vom Ei bis zur Imago kann wenige Wochen (Carabidae, Dytiscidae) oder bei phytophagen Arten (z. B. Scarabaeidae) mehrere Jahre dauern. Besonders bei nährstoffarrnen,
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
schlechten Nahrungssubstraten kann sich die Entwicklung beträchtlich in die Länge ziehen (z. B. Bostrychiden: 35 Jahre; Cerambyciden : 45 Jahre ; Buprestidae : bis zu 51 Jahre) . Durch starke Panzerung wirksam geschützte Imagines können oft langlebig sein (mehrere Jahre). Die Lebensdauer des Gelbrandkäfers Dytiscus marginalis beträgt beispielsweise bis zu 5 Jahren, wobei die Gonaden mehrfach aktiviert werden können. Bei den Coleopteren kommen diverse Larvenformen vor, wobei insbesondere die campodeiden, eruciformen , scarabaeiformen, asseiförmigen und apoden Larven genannt werden müssen. Campodeide Larven wie z. B. die Larven der Adephaga und vieler Kurzflügler besitzen kräftige Beine und sind meist flinke Läufer bzw. Schwimmer (Abb. 25-43 A-C, F). In der Regel besitzen die vor allem bei räuberischen Formen anzutreffenden prognathen Larven ein Paar abdominaler Fortsätze am 9. Abdominalsegment (Urogomphi; z. B. Abb. 25-43 A, F). Die eruciformen Larven wie z. B. von Vertretern der Chrysomeloidea (Abb. 2543 L) sind eher raupenförmig und bewegen sich langsam . Urogomphi und Beine dieser herbivoren Larven sind kurz. Scarabaeiforme Larven (Engerlingtyp) sind weißlich gefärbt und weisen relativ lange Beine auf (Abb. 25-43 S). Sie leben im Boden und ernähren sich in erster Linie von zerfallendem Pflanzenmaterial. Bei den apoden Käferlarven sind Körperanhänge in der Regel verkürzt (z. B. Antennen) oder fehlen (z. B. Urogomphi), hingegen sind die Mundteile normal ausgebildet (z. B. Curculionoidea, Abb. 25-43 K; Buprestidae, Abb. 25-43 P). Oft finden sich diese Larven in Pflanzen und selten auch in Pflanzengallen. Viele Käferlarven sind abgeflacht (z. B. Psephenidae, Abb. 25-43 R), stark behaart (Dermestidae, Abb. 25-43 M), bezahnt (Silphidae, Abb. 25-43 G) oder besitzen wie Epilachna-Arten bizarre Körperauswüchse. Viele Larven von Wasserkäfern benützen zum Atmen ihr letztes Stigmenpaar oder setzen Tracheenkiemen ein (Abb. 25-43 A, B). Eine hypermetabole Entwicklung ist meist mit
Parasitismus oder Symbiose korreliert und tritt bei Meloiden oder Brachininen auf. Sie ist durch ein larvales Ruhestadium (Scheinpuppe) gekennzeichnet. Dem beweglichen I. Larvenstadium (Triungulinus, Dreiklauer, Abb. 16-43; 25-43 N) folgen die madenförmigen 2.--4. Stadien , das larvale Ruhestadium (Scheinpuppe), die madenförmige Verpuppungslarve (frisst nicht) und schließlich das Puppen stadium. Bei Käfern kommen zwischen 2-6 , selten mehr (14 !) Larvenstadien vor. Während der Larvalentwicklung können verlorene oder beschädigte Körperteile regeneriert werden. Die gut ausgebildete Kopfkapsel der Käferlarven ist häufig skIerotisiert, die meist 3--4-gliedrigen Antennen sind kurz, zum Teil durch sekundäre Ringelung stark verlängert (Abb. 25-43 0). Zum Teil sind mehrere (meist 6) larvale Seitenaugen (= Stemmata) vorhanden. Käferlarven besitzen in der Regel eine Coronalnaht sowie eine V-förmige Frontalnaht. Die in der Regel beißenden, mit Mola versehenen Mandibeln sind bei Käferlarven meist gut entwickelt. Die Saugzangen der Dytiscidenlarven stellen von einem Kanal durchbohrte, spitze Mandibeln dar (Abb. 16-13 B). Die Maxillen sind mit Galea, Licinia und dreigliedrigem Palpus, das Labium mit Submentum, Mentum, Praementum und 2-gliedrigem Palpus versehen. Manchmal sind die Galeae der Maxillen zu Klebepolstern umgebaut (Abb. 16-25). Der Kopf ist bei basalen Gruppen subprognath und posteroventral von einer kurzen Gula verschlossen. Die beißend-kauenden Mundwerkzeuge sind bei einigen Gattungen in stechendsaugende Mundwerkzeuge umgewandelt (Dytiscidae, Cerophytidae). Während der Tarsus bei den Adephagenlarven ein selbständiges Glied repräsentiert , fehlt dieser bei den Polyphaga oder ist dort mit der Tibia zum Tibiotarsus verschmolzen. Die Klauen der Adephagenlarven sind paarig, bei den Polyphaga sind sie hingegen einfach oder fehlend. Die Laufbeine sind fünf- (Myxophaga, Polyphaga) oder sechsgliedrig (Archostemata, Adephaga) und fehlen bei minierenden Formen (Cur-
Abb. 25-43: Coleoptera, larven (A - 5, Z; davon Seitenansichten: A, I-l, 5, ansonsten Dorsalansicht) und Puppen(T - l> V). A Hygrobia hermanni (Hygrobiidae). B Gyrinus minutus (Gyrinidae). C Carabus nemoralis (Carabidae). D Cupes varians (Cupedidae). E Hydroscapha natans (Hydroscaphidae). F Staphylinus similis (Staphylinidae). G Silpha spec. (Silphidae). H Drilus flavescens (Drilidae). I Tenebrio spec. (Tenebrionidae). J Coccinella spec. (Coccinellidae). K Rhynchites spec. (Curculionidae). l Crioceris spec. (Chrysomelidae). M Ctesias serra (Dermestidae). N Meloe spec. (Meloidae). 0 Helodes hausmanni (Helodidae). P Chrysobothris spec. (Buprestidae).Q Hylotrupes bajulus (Cerambycidae). R Sclerocyphon spec. (Psephenidae). 5 Melolontha spec. (Scarabaeidae) T Puppe von Lancetes angusticollis (Dytiscidae; Tl: Ventralansicht, T2: Dorsalansicht). U Puppe von Lucanus cervus (Lucanidae, Ventralansicht). V Puppe von Hylotrupes bajulus (Cerambycidae, Ventralansicht). W Puppe von Dermestes maculatus (Dermestidae, Dorsalansicht mit "gin traps"). X Puppenkonkons von Noterus clavicomis an den Wurzeln von Wasserpflanzen (Noteridae). Y Puppe von Coccinella spec. (Coccinellidae). Z Larve des Schwimmkäfers Agabus bipustulatus (Dytiscidae) stellt an Land eine Puppenhöhle her (Bauphasen 1-4). (A verändert nach Klausnitzer 2001, Bverändert nach Klausnitzer 1991 , C, E, F, H, 0 verändert nach Klausnitzer 1978, D, W verändert nach Parker 1982, G, I, J K, L, P, Sverändert nach Chatenet 1986, M verändert nach Peacock 1993, Nverändert nach Bologna 1991, Q,Vverändert nach Endrödy-Younga 1986, Rverändert nach Britton 19974, T verändert nach Brancucci und Ruhnau 1985, U verändert nach Reitter 1908, X verändert nach Balfour-Browne und Balfour-Browne 1940, Yverändert nach Jacobs und Renner 1988, Z verändert nach Blunck 1912).
25.24 Coleoptera, Käfer
culionoidea, Abb. 25-43 K, P). Das Abdomen der Käferlarven besteht primär aus ll Segmenten, ist in der Regel jedoch zehngliedrig, manchmal auch acht- bis neungliedrig. Wenn Urogomphi vorhanden sind, so inserieren diese am Abdominaltergit 9 gelenkig (Adephaga, basale Polyph aga) oder sie sind fixiert (z. B. Elateroidea , Cleroidea, Cucujoi-
N
dea). Während die aquatischen Gyrinidenlarven und Larven anderer Gruppen mit unterschiedlich strukturierten abdo minalen Tracheenkiemen ausgestattet sind (z. B. Abb. 25-43 A, B), besitzen die ebenfalls aquatischen Donacia-Larven dolchartige Körperfortsätze zum Anbohren lufthaItiger Interzellularen der Wasserpflanzen.
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25 Übersicht über die Vielfalt derInsekten
Käfer sind normalerweise durch eine Pupa adectica mit unbeweglichen Mandibeln und frei liegenden Beinen und Flügelsscheiden gekennzeichnet (Abb. 25-43 T-W). In den meisten Fällen handelt es sich um eine Pupa exarata mit freien Scheiden für Flügel und Beine. Eine Pu pa obtecta (Mumienpuppe) ist hingegen bei einigen Kurzflüglern und Marienkäfern (Abb. 25-43 Y) anzutreffen. Die Verpuppung erfolgt meist in Puppenkammern im Boden (Abb.25-43 Z), an der Pflanze oder selten im Wasser (Abb. 25-43 X). Zum Teil stellen die Käferlarven über Anus oder Mundöffnungen vorher Seidenkokons her, welche zusätzlich durch Kot oder Kalk imprägniert werden können . Manchnmal erfolgt die Verpuppung in der letzten larvalen Exuvie. Bei manchen Puppen sind die sklerotisierten Ränder benachbarter Tergite zu Klappfallen ("gin traps") umgebildet, wodurch Angreifer wie Milben , Prädatoren oder Parasitoide durch Quetschen vertrieben oder geschädigt werden (Abb. 17-5, D, E; 25-43 W). Manchmal sind Puppen von giftigen Drüsenhaaren bedeckt. Käferpuppen weisen 9 Tergite und 8 Sternite auf, die Stigmenzahl ist im Vergleich zu den Larven meist reduziert. Ein direktes Anliegen des Puppenkörpers an der Wand der Puppenhöhle wird zumeist durch charakteristische Borsten an Kopf und Körper (Abb. 25-43 T) verhindert. Außerdem wird die Puppenhöhle von der verpuppungsreifen Larve zuvor mit fungiziden und bakteriziden Sekreten behandelt.
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25.25 Megaloptera, Schlammfliegen
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25.25 Megaloptera, Schlammfliegen Schlammfliegen sind holometabole Vertreter der Neoptera, welche Flügelspannweiten bis zu maximal 17.5 cm aufweisen können (Abb. 25-44 A, B). Die meist dunkel gefärbten, kurzlebigen Imagines sitzen oft auf der Vegetation im Uferbereich kühler, sauberer Gewässer und entfernen sich somit nicht vom Lebensraum ihrer aquatischen Larven (Abb. 25-44 C, D). In der Dämmerung ist eine erhöhte Flugaktivität der Schlammfliegen zu verzeichnen. Die meist weichhäutigen Imagines der Megalopteren geben bei Reizung eine weißliche Flüssigkeit aus dem After ab. Die innerhalb der Endopterygota sehr primitive Ordnung umfasst weniger als 300 Arten (Mitteleuropa: 5 Arten), die zu zwei Familien gehören (Corydalidae, Sialidae). Sie kommen vor allem in den gemäßigten Zonen vor und sind fossil bereits seit dem Perm bekannt. Die Larven der Megalopteren stellen eine wichtige Fischnahrung dar, andererseits sind die aggressiven Larven auch als Räuber von Bedeutung. Im Vergleich zu den Kamelhalsfliegen (Abb. 25-45 A) fehlen den Megalopteren Pterostigma und Ovipositor. Auch die bei Planipenniern verzweigten Hauptflügeladern fehlen bei den Megalopteren. Im Hinblick auf die Verwandtschaft der rund 6.500 bislang beschriebenen Vertreter der Überordnung Neuropterida mit den 3 Ordnungen Megaloptera, Raphidioptera , und Neuroptera (Planipennia) gibt es derzeit zwei Vorschläge: Nach molekularbiologischen Untersuchungen könnten Megaloptera + Raphidioptera die Schwestergruppe der Neuroptera dar-
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stellen, während auch die Alternative diskutiert wird, wonach die Raphidioptera als Schwestergruppe der (Megaloptera + Neuroptera) in Frage kommen könnten (s. Abb. 24-7). Der prognathe Kopf ist mit herausragenden Augen, gut entwickelten Mandibeln, 5-gliedrigen Maxillarpalpen und 3-gliedrigen Labialpalpi versehen (Abb. 25-44 A, B). Mit ihren langen Mandibeln halten die Männchen der Corydalidae die Weibchen bei der Kopula fest. Ocelli finden sich bei den Corydalidae und fehlen den Sialidae. Die vielgliedrigen Antennen sind kürzer als die Vorderflügel und zeigen häufig einen Geschlechtsdimorphismus. Sämtliche drei Thorakalsegmente der Megaloptera sind frei beweglich und gut entwickelt, was insbesondere für den Pro thorax zutritTt. Die meist kurzen Beine verfügen über 5-gliedrige Tarsen. Die membranösen Flügel der Megalopteren weisen im Hinterflügel zahlreiche Haupt- und Queradern sowie ein Analfeld auf und werden in Ruhe dachförmig über dem Abdomen zusammengelegt (Abb. 25-44 A, B). Megalopteren besitzen ein weiches, plumpes, lO-gliedriges Abdomen, die Stigmen sind an den Segmenten 1-8 vorhanden. Männchen weisen ein 9. Tergit mit seitlichen Gonapophysen auf. Die Subgenitalplatte inseriert am 9. Sternit , der 10. Tergit verfügt über ein Paar Analzangen . Der Aedeagus der Megalopteren ist einfach oder paarig. Weibchen besitzen eine Subgenitalplatte am 8. Sternit. Deren großes 9. Tergit ist mit 1 Paar Gonapophysen, das 10. Segment mit unterschiedlich geformten Analplatten versehen. Der Darm der Megalopteren weist eine Aussackung des Kropfes sowie 6--8 Malpighische Gefäße auf. Das Nervensystem besitzt eine geringe Verschmelzungstendenz und besteht aus 3 Thorakal- und 7-8 Abdominalganglien. Die Ovarien weisen eine große Zahl panoistischer (Corydalidae) bzw. telotropher (Sialidae) Ovariolen auf. Die Fortpflanzungsbiologie der Megalopteren ist durch eine Kopulation auf der Vegetation im Bereich der Gewässerufer gekennzeichnet (Abb. 25-44 E). Hierbei dienen Pheromone und Vibrationssignale der Kommunikation, bevor die Männchen ihre Spermatophore aufs Weibchen übertragen. Danach kleben die Weibchen in schattigen Bereichen der Brutgewässer größere, einschichtige Gelege von 1000 bis 3000 Eiern auf der pflanzlichen oder steinigen Unterlage fest und bedecken die Eier mit erhärtendem Sekret ihrer Anhangsdrüsen. Nach dem Schlupf der Larven fallen diese häufig direkt ins Wasser. Die langgestreckten , teils bis 8 cm langen Larven sind mit einem prognathen Kopf, gut entwickelten, beißend-kauenden Mundwerkzeugen , mit Stemmata und 4-gliedrigen Antennen verse-
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb. 25-44: Megaloptera. A Imago von Sialis sp. (Sialidae). B Imago von Archichauliodes sp. (Corydalidae). CLarve von Sialis sp.. D Larve von Archichauliodes sp.. E Kopula von Sialis flavilatera, Männchen schwarz, Weibchen hell, Flügel punktiert. (A, E nach Jacobs und Renner 1988, B, D nach Riek 1970, C nach Engelhardt 1962)
hen (Abb. 25-44 C, D). Der Prothorax ist vielfach recht groß. Das Abdomen weist seitliche Tracheenkiemen auf, die möglicherweise umgewandelte Abdominalextremitäten darstellen. Die Segmente 1-7 sind bei den Sialidae mit segmentierten, behaarten Tracheenkiemen versehen und das 10.
Segment ist beträchtlich verlängert (Abb. 25-44 C). Bei den Corydalidae tragen die Segmente 1-8 gegliederte Tracheenkiemen (Abb. 25-44 D), bei den Corydalinae finden sich zusätzlich ventrale Kiemenbüschel. Das 10. Segment ist bei den Corydalidae verkürzt und weist ein Extremitätenpaar
25.26 Raphidioptera, Kamelhalsfliegen
mit Klauen auf. Auf diese Weise können sich diese Larven am Gewässergrund festheften . Die Larven der Megalopteren ähneln auf den ersten Blick G yrinidenlarven. Die Larvalentwicklung mit den meist 10-12 Larvenstadien dauert in der Regel 2-3 Jahre. Megalopterenlarven zeichnen sich durch eine räuberische Ernährungsweise aus . So werden beispielsweise Würmer, Erb senmuscheln und Zuckmückenlarven von ihnen gefressen. Ausgewachsene Larven konstruieren Puppenkammern im Uferbereich der Gewässer und verpuppen sich dort erst nach längerem Aufenthalt. Die Pupa dectica der Megaloptera mit beweglichen Beinen und Mandibeln ähnelt der Käferpuppe. Die Puppenruhe dauert zwischen zwei und vier Wochen .
Literatur Aspöck, H. (1999): Neuropterida: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera. Kamelhälse, Schlammfliegen, Ameisenlöwen. Stapfia 60/Neue Folge 138: 1-244 Aspöck, U. (2002): Phylogeny of the Neuropterida (lnsecta: Holometabola). Zoologica Scripta 31 : 51-55 Asp öck, U. (2002): Male Genital Sclerites of Neuropterida: an Attempt at Homologisation (lnsecta: Holometabola). - Zoolog. Anz. 241 : 161-1 71 Aspöck, U. & Aspöck, H. (2003): Neuropterida (Neuropteroidea, Neuroptera sensu lato), Ordnungen 28-30, 540-584, in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Begründet von Alfred Kaestner. Band I: Wirbellose Tiere. 5. Teil: Insecta. (Hrsg. H. H. Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Aspöck, H., Hölzel, H. & Aspöck, U. (2001): Kommentierter Katalog der Neuropterida (Insecta: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera) der Westpaläarktis. Denisia 2: 1-606 New, T. R., Theischinger, G. (1993): Megaloptera, Alderflies, Dobsonflies. 1-102. In: Handbuch der Zoologie 4, Arthropoda: Insecta, Teilband 3 (Hrsg. M. Fischer). De Gruyter, Berlin Riek, E.F. (1970): Megaloptera. In: The insects of Australia. (CSIRO), Melbourne Univ. Press. 465-471 Wachmann, E., Sauer, C. (1997). Netzflügler, Schlammund Kamelhalsfliegen. Naturbuch-Verlag, Augsburg Whiting, M. F., Carpenter, 1.c., Wheeler, Q. D., Wheeler, W C. (1997): The Strepsipteraproblem: Phylogeny of the holometabolous insect orders inferred from 18S and 28S ribosomal DNA sequences and morphology. Syst. Bio!. 46: 1-68
833
25.26 Raphidioptera, Kamelhalsfliegen Bei den Raphidiopteren handelt es sich um 9-11 mm (manchmal bis 16 cm) lange, holometabole Insekten. Der charakteristische, lange Prothorax hat ihnen den Namen eingetragen (Abb. 25-45 A) . Die landlebenden Larven finden sich häufig im Lückensystem unter Baumrinde oder am Boden. Imagines der Raphidioptera haben oft dieselbe Lebensweise wie Schlammfliegen. Sie sind in der Regel tag- bis dämmerungsaktiv, legen nur kürzere Distanzen im Flug zurück und kommen zumeist in Wäldern und an Waldrändern vor. Die Imagines der meisten Spezies ernähren sich räuberisch vor allem von Blattläusen oder von toten Insekten. Allerdings wird gelegentlich auch Nektar und Pollen aufgenommen. Die Ernährungsweise der agilen und angriffslustigen Larven ähnelt der der Imagines. Larven der Kamelhalsfliegen haben sich vor allem bei Nonnenkalamitäten als nützlich erwiesen, da sie mit Vorliebe die Eier dieser Schadfalter verzehren. Von den Raphidioptera, welche wahrscheinlich die Schwestergruppe der Meg aloptera + Neuroptera darstellen (s. Abb. 24-7), sind weltweit zwei Familien (Raphidiidae, Inocelliidae) mit rund 210 Arten (M itteleuropa: 16 Arten) bekannt. Die Arten sind in ihrem Vorkommen meist auf die nördliche Hemisphäre beschränkt. Fossile Kamelhalsfliegen sind aus dem Mesozoikum bekanntgeworden. Der sehr bewegliche, dorsoventral abgeflachte, prognathe Kopf einer Kamelhalsfliege tr ägt drei Ocellen (nur bei Raphidiidae), kauende Mundwerkzeuge sowie schmale, vielgliedrige Antennen. Charakteristisch für den Thorax ist das lange, hal sartige, seitlich stark herabgebogene Pronotum bei den Imagines, welcher gegen den Mesothorax sehr beweglich ist. Die Vorderbeine setzen erst am Hinterende des Prothorax an . Das 3. Segment der fünfgliedrigen Tarsen ist herzförmig-lappig ausgebildet. Die vier nahezu homonomen, durchsichtigen Flügel sind mit einem Pterostigma versehen. Sie liegen in Ruhe dachförmig auf dem Körper (Abb. 25-45 A) . Das Abdomen einer Kamelhalsfliege weist 10 sichtbare Segmente auf, wobei das letzte Segment lediglich als Tergit erhalten ist. Der sehr bewegliche Ovipositor des Weibchens besteht aus zwei paarigen, dorsal miteinander verschmolzenen Legescheiden (Gonapophysen) des 9. Segmentes und ist fast so lang wie das Abdomen (Abb. 25-45 A, C, D) . Das Tracheensystem weist je ein Stigmenpaar in Meso- und Metathorax sowie 8 abdominale Stigmen auf. Der Vorderdarm besitzt eine große Aussackung des Kropfes, welche weit ins
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb. 25-45: Raphidioptera. A Imago ' ~.
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von Turcoraphidia acerba, Weibchen. B Ei von Agulla astuta mit durchscheinender Larve. C Ovipositor von Phaeostigma notata. D Puppe von Agulla btsctea. E4. Larvenstadium von Dichrostigma flavipes. (Averändert nach Aspöck
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B
und Aspöck 2003, B, D, Everändert nach Aspöck und Aspöck 1971 , Cverändert nach Grasse 1951).
Abdomen reichen kann. Larven verfügen über Enddarmausst ülpungen. welche als Haftorgan fungieren. Von den 6 Malpighischen Gefäßen sind vier apikal mit dem Rectum assoziiert. Männchen weisen 12 schlauchförmige HodenfoIIikel auf, die Weibchen besitzen paarige Ovarien mit zahlreichen telotrophen Ovariolen . Für die Fortpßanzungsbiologie ist von Bedeutung, dass sich die Geschlechtspartner der Raphidioptera meist wohl olfaktorisch finden . Während der Balz sind Vibrationen des Abdomens von Bedeutung. Nach einer Balz erfolgt die Kopula, wobei das Männchen mit dem Rücken nach unten am Geschlechtsapparat des Weibchens verankert ist. Die 1,4 bis 1,7 mm langen, bananenförmigen Eier werden mithilfe des langen Ovipositors in Rindenritzen, in poröse Pflanzenteile oder direkt unter Schildläusen abgelegt (Abb. 25-45 B). Die Larven der Kamelhalsfliegen sind meistens schlank, dorsoventral abgeflacht und beweglich, vielfach bräunlich gefärbt und vorne stark sklerotisiert (Abb. 25-45 E). Sie kommen terrestrisch , auf und unter Rinde vor. Larven von Kamelhalsfliegen leben räuberisch und fressen unter anderem Eier und Larven diverser Forstsch ädlinge
(Nonneneier, Larven von Bock- und Borkenkäfern). Manchmal nehmen die Imagines auch pflanzliche Nahrung, wie zum Beispiel Pollenkörner auf. Je nach Spezies kommt eine unterschiedliche Zahl (9-14) von Larvenhäutungen vor. Hierbei werden zum Teil beschädigte Beine oder Antennenglieder regeneriert. Häufig überwintert die Larve in einer Rindenhöhle und verpuppt sich anschließend dort, ohne einen Kokon herzustellen . Die Puppe der Kamelhalsfliegen repräsentiert eine Pupa dectica mit freien Flügelscheiden (Abb. 2545 D). Die Puppe ähnelt weitgehend dem Imaginalstadium. Kurz vor der Imaginalhäutung ist die Puppe beweglich und kann frei umherlaufen. Die gesamte Lebensdauer beträgt bei Kamelhalsfliegen etwa 2, manchmal auch mehrere Jahre.
Literatur Aspöck, H. (1999): Neuropterida: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera. Kamelhälse, Schlammfliegen, Ameisenlöwen. Stapfia 60INeue Folge 138: 1-244 Aspöck, H. (2002): The biology of Raphidioptera: A review of present knowledge. Acta Zoo log. Acad. Seient. Hungar. 48 (Supp!. 2): 35-50
25.27 Planipennia, Neuroptera, Netzflügler
Aspöck, 0. (2002): Phylogeny of the Neuropterida (Insecta: Holometabola). Zoologica Scripta 31: 51- 55 Aspöck, 0. (2002): Male Genital Sclerites of Neuropterida: an Attempt at Homologisation (Insecta: Holometabola). - Zoolog. Anz. 241: 161-1 71 Aspöck, H., Aspöck, 0. (1971): 25. Raphidioptera (Kamelhalsfliegen) In: Helmcke, J. G., Starck, D., Wermuth, H. (Hrsg.): Handb. der Zoologie 4 (2) 2/25: 1-48
Aspöck, 0. & Aspöck, H. (2003): Neuropterida (Neuropteroidea, Neuroptera sensu lato), Ordnungen 28-30, 540-584, in: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Begründet von Alfred Kaestner. Band I: Wirbellose Tiere. 5. Teil: Insecta. (Hrsg. H. H. Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Aspöck, H., Aspöck, 0., Rausch, H. (1991): Die Raphidiopteren der Erde. Bd. I, 2. Goecke und Evers, Krefeld Aspöck, H., Hölzel, H. & Aspöck, U. (2001): KommentierterKatalogder Neuropterida (Insecta: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera) der Westpaläarktis. Denisia 2: 1- 606 Wachmann, E., Saure, C. (1997): Netzflügler, Schlammund Kamelhalsfliegen. Naturbuch-Verlag, Augsburg
25.27 Planipennia, Neuroptera, Netzflügler Netzflügler repräsentieren eine ursprüngliche, eher artenarme Ordnung endopterygoter Neopteren. Die Adulti weisen Flügel spannweiten zwischen 4 mm und 120 mm auf Zum Teil sind die Tiere inten siv gefärbt, oft mit Flecken, Haaren oder Wachsstaub bedeckt und ähneln Nachtfaltern oder Libellen. Die vier membranösen Flügel werden in Ruhe meist dachförmig über dem Abdomen getragen (Abb. 25-46 B, 0) und die Hauptflügeladern sind am Ende oft verzweigt. Viele Netzflüglerarten ernähren sich räuberisch, oft wird Pollen , Nektar und Honigtau aufgenommen. Die frei beweglichen Arten a us den Familien der Chrysopidae, Hemerobiidae oder Coniopterygidae stellen Blattläusen, Psylliden oder anderen Insekten nach. Andere Spezies kommen unter Baumrinde (Berothidae) oder in sandigen Bereichen (Ithonida e, Myrm eleontidae) vor. Manche Arten sind nur auf bestimmten Pflan zen , beispielsweise den Wirtspflanzen ihrer Beute anzutreffen. Die Larven der Osm ylidae leben semiaquatisch, die der Sisyridae und Nevrorthid ae aquatisch. Vor allem bei den Imagines verschiedener Gruppen sind exokrine Drüsen mit unterschiedlich riechenden Duftstoffen weit verbreitet. Sie dürften der chemischen Abwehr und Kommunikation dienen. Auß erd em wurden Stridulationsorgane festgestellt. Einige Planipennier haben eine gewisse ökonomische Bedeutung, denn sie fressen
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als Lar ve und Imago an zahlre ichen pflan zensaugenden, schädlichen Insekt en bzw. Milben und sind dadurch besonders nützlich (Hemerobiidae " Blatt lauslöwen" , Chrysopidae, Coniopterygidae). Eine einzige Florfliegenlar ve frisst während ihrer Ent wicklung 200-500 Blattl äu se und stündlich bis zu 50 Spinnrnilben. Zum Teil werden bestimmte Spezies zur Bekämpfung phytophager Insekten in Ma ssenzu chten vermehrt und anschließend freigelassen (s. 20. 1.2.4). Planipennier finden sich von der Wü ste bis in su balpine Region en. Zahlreiche Spezies fliegen nachts in großer Zahl Lichtquellen an. Es handelt sich artenmäßig eher um eine klein ere, in allen tiergeografischen Regionen vorkommende, etwa 6000 Arten umfassende Insektenordnung mit 18 Familien und 3 Unterordnungen : • Nevrorthiformia: Nevrorthidae • Hemerobiiformia: Polystoechotidae, Ithonidae (Abb. 25-47 H) , Rapismatidae, Osm ylidae (Bachhafte), Chrysopid ae (Florfliegen; Abb. 2546 A, F, H; Abb. 25-47 0), Hemerobiidae (Taghafte ), Sisyridae (Schwammhafte; Abb. 25-47 E, F), Coniopterygidae (Sta ubhafte; Abb. 25-46 0 ; Abb. 25-47 G ), Dilaridae, Manti spid ae (Fanghaft e; Abb. 25-46 G ; Abb. 25-47 I; Abb. 16-9 A), Rh achib erothidae, Berothidae. • MyrmeIeontiformia: Psychopsidae, Ne mo pteridae (Fa denha fte; Abb. 25-46 E, Abb. 25-47 A), N ymphidae (Abb. 25-47 C), Myrmele ontidae (Ameisenjungfern; Abb. 25-46 B, Abb . 25-47 B, J, Abb. 16-13 A; Abb. 16-32), Ascalaphidae (Schmetterlingshafte, Abb. 25-46 C).
=
Fossile Planipennier sind seit dem unteren Perm bekannt. Nach molekularbiologischen Untersuchungen stellen Megaloptera und Raphidioptera Schwestergruppen dar, welche wiederum die Schwestergruppe der Planipennia (= Neuroptera) repräsentieren. Der Kopf der Plan ipennia ist orthogn ath bis hypogn ath und mit großen Facettenaugen versehen, teilweise sind Ocellen vorha nden. Die vielgliedrigen, zum Teil sehr langen Antenn en sind bei manchen Arten am Ende verdickt. Imagin es der Planipennier weisen kau end e Mundwerkzeuge, 5-gliedri ge Maxillarpalpen und 2- 3-gliedrige Labialpalp en auf Der Thorax besitzt einen unt erschiedl ich geformten, beweglichen, bei den Mantispid ae sta rk verlänger ten Prothorax. Die Vorderbeine sind bei den Mantispida e und einigen Berothidae zu Fangbeinen umgebildet (Abb. 25-46 G ). Die fünfgliedrigen Tarsen sind in der Regel mit 2, manchmal verlängerten Klau en versehen. Die dünnhäutigen, zum Teil behaarten Flügel weisen eine meist sehr große Aderzahl auf Hingegen kann eine geringe Zahl von Adern als Primitivzustand oder als eine
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F
B
Abb. 25-46: Planipennia. A Männchen von Chrysopa sp. (Chrysopidae). B G/eno/eon pu/che//us (Myrmeleontidae). CAcmonotus magnus (Ascalaphidae). 0 Nimboa sp. (Coniopterygidae). E Laurhervasia sp. (Nemopteridae). F Puppe von Chrysopa in Kokon zwischen Pflanzenteilen. G linkes Vorderbein von Mantispa pagana. H Chrysopa-Gelege. (A-C nach Riek 1970, D, Enach Mansei 1986, F-H nach Jacobs und Renner 1988)
Reduktionserscheinung (Coniopterygidae, Sisyridae) gewertet werden. Je nach Taxon sind unterschiedliche Kopplungsmechanismen von Vorderund Hinterflügel verwirklicht worden. Bei den Nemopteridae (Abb. 25-46 E) sind die Hinterflügel
sehr lang, bei manchen Hemerobiidae sind sie zu einer Schuppe reduziert und bei den Coniopterygidae kommen teilweise auch brachyptere und aptere Arten vor. Manche Chrysopidae besitzen Chordotonalorgane an Flügeln und Beinen, mit
25.27 Planipennia, Neuroptera, Netzflügler
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Abb. 25-47: Planipennia. Netzflüglerlarven: A Nemopteridae. B Myrmeleontidae. C Nymphidae. D Chrysopa sp. (Chrysopidae). E Sisyra sp. (Sisyridae). F Abdomen von Sisyra sp. (Sisyridae), Ventralansicht. G Larve eines Coniopterygiden. H Larve Ithone sp. (Ithonidae). I Larve von Mantispa sp. (Mantispidae). J Trichter eines Ameisenlöwen (Myrmeleontidae). (A-I nach Riek 1970, J nach Mansei 1986)
deren Hilfe Ultraschalllaute von Fledermäusen registriert werden. Meistens besitzen Netzflügler ein aus 10 Segmenten bestehendes Abdomen ohne Cerci, bei den Chrysopidae sind nur 9 Segmente vorhanden. Manche männlichen Ascalaphidae verfügen über
einen Dorsalfortsatz am 2. Abdominalsegment (Abb. 25-46 C). Die Terminalia sind in beiden Geschlechtern modifiziert. Der Ovipositor ist bei den Dilaridae lang. Normalerweise sind bei den Planipennia polytrophe Ovariolen vorhanden. Die Kollateraldrüse der Chrysopidae ist - möglicher-
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weise im Zusammenhang mit der Produktion der Eistile - besonders gut entwickelt. Planipennier weisen 6-8 Malpighische Gefäße auf, in manchen Taxa besitzt der Kropf ein dorsales Nahrungsreservoir. Für die Verdauung von Nektar und Pollen sind im Kropf symbiontische Hefen vorhanden. Neuropteren besitzen eine Vielzahl exokriner Drüsen meist unbekannter Funktion (Osmylidae: Drüsen in Prothorax und männl. Abdomen ; Chrysopidae: Prothoraxdrüse; Nevrorthidae und Nemopteridae: voluminöse abdominale Drüsen; Myrmeleontidae: zahlreiche thorakale Drüsen) . Vielfach wurden akzessorische pulsatile Organe zur Hämolymphzirkulation nachgewiesen. Im Nervensystem finden sich 3 Thorakalund 7 abdominale Ganglien . In den meisten Familien der Planipennia, außer bei Coniopterygidae und Chrysopidae, wird eine Spermatophore übertragen . Die Fortpflanzungsbiologie der Planipennier ist außerordentlich vielfältig, wenngleich in zahlreichen Fällen noch unbekannt. Die Geschlechterfindung erfolgt durch Pheromone oder durch Substratvibrationen. Die eher ovalen Eier sind durch eine erhobene Mikropyle, sowie ein gezeichnetes und skulpturiertes Chorion charakterisiert. Die Eiablage erfolgt in den Sand oder in den Boden (Ithonidae, Myrmeleontidae, Nemopteridae), anderenfalls werden die Eier auf Gegenstände geklebt oder auf Stielehen gesetzt (Chrysopidae , Abb. 25-46 H, Berothidae, Mantispidae, Nymphidae). Auf den Eistielen vieler Chry sopa-Arten werden vom Weibchen ameisenabwehrende Substanzen deponiert. Die Junglarven befreien sich aus der Eihülle durch zähnchenartige Strukturen auf Labrum und Clypeus. Oft kommen mehrere, d. h. bis zu 5 Generationen pro Jahr vor. Die zumeist räuberischen Larven sind morphologisch außerordentlich vielgestaltig (Abb. 25-47 A-J). Ihr prognather Kopf trägt spezielle Mundwerkzeuge, bei welchen kombinierte Mandibeln und MaxilIen Saugröhren bilden. Diese dienen der Injektion von Giften und Verdauungsenzymen in die Beute und dem anschließenden Einsaugen der verflüssigten Nahrung (s. Abb. 16-13). Im Darmtrakt der Larven von Planipenniern sind Mitteldarm und Enddarm voneinander getrennt. Folglich müssen feste Nahrungsreste im Mitteldarm bis zum Schlupf der Imago gespeichert werden, um dann , von zahlreichen perotrophischen Membranen umhüllt, als festes Mekonium abgegeben zu werden. Bei den Larven sind normalerweise 2 Klauen und nur 1 Tarsenglied vorhanden. Die Spitze des Abdomens ist bei vielen Arten mit 2 behaarten oder bedornten Saugscheiben versehen. Es existieren zumeist drei Larvenstadien (manchmal auch 2 oder 4). Bei den Ithonidae wurden 5-9, bei Vertretern der Dilaridae sogar über 10 Lar-
venstadien festgestellt. Bodenbewohnende Larven sind vom Scarabaeus-Typ (Abb. 25-47 H, I). Zum Teil handelt es sich um Räuber von Spinnengelegen (Mantispinae; s. 16.2) oder von Süßwasserschwämmen (Sisyridae). Die Larven der Osmylidae, Sisyridae und Nevrorthidae besitzen stabförmige Mundwerkzeuge. Bei den Sisyra-Larven kommen ventral paarige, gegliederte Abdominalkiemen vor (Abb. 25-47 F). Chrysopiden- und Hemerobiidenlarven suchen auf Blättern und Zweigen nach pflanzensaftsaugenden Insekten . Manche Larven tarnen sich mit Fremdmaterialien auf ihrer Körperoberfl äche. Die Larven mancher Myrmeleontidae, die so genannten "Ameisenlöwen", graben Trichterfallen im Sand und verzehren die in den Trichter gefallenen Ameisen (Abb. 25-47 J, s. Abb. 16-32). Das jeweils letzte Larvenstadium der Planipennia konstruiert einen Puppenkokon, welcher aus der von den Malpighischen Gefäßen produzierten Seide hergestellt wird (Abb. 25-46 F). Die exarate Pupa dectica besitzt stark sklerotisierte, zugespitzte Mand ibeln, mit deren Hilfe der Puppenkokon geöffnet werden kann . Die aquatischen Larven der Nevrorthidae verpuppen sich in einem luftgefüllten Kokon unter Wasser.
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25.28 Hymenoptera, Hautflügler Bisher sind etwa 132000 Arten beschrieben; in Mitteleuropa sind die Hymenoptera die artenreichste Insektenordnung mit etwa II 300 Arten. Trotz aller Bemühungen konnte noch kein befriedigendes phylogenetisches System der Hymenopteren aufgestellt werden, weil unsere Kenntnisse in etlichen wesentlichen Punkten noch nicht ausreichen. Ansätze sind lediglich in Teilbereichen vorhanden. Im Folgenden wird daher auf das unbefriedigende althergebrachte System zurückgegriffen: 1. Unterordnung: "Symphyta" (Pflanzen wespen), stellen keine monophyletische Gruppe dar. U. a. Pamphilidae (Gespinstblattwespen), Siricidae (Holzwespen), Cephidae (Halmwespen), Tenthredinidae (Blattwespen), Diprionidae (Buschhornblattwespen). (Abb. 25-49)
2. Unterordnung: Apocrita, sind eine monophyletische Gruppe, in der 90 Familien seit langem in zwei Gruppen zusammengefasst werden. \. Gruppe "Terebrantes" (parasitisch lebende Hymenopteren), werden nicht als monophyletische Gruppe angesehen: u. a. Cynipidae (Gallwespen), Ichneumonidae (echte Schlupfwespen), Braconidae (Brackwespen), Aphidiidae (Blattläuse parasitierende Schlupfwespen), Chalcididae (Erzwespen); Mymaridae (Zwergwespen) und Trichogrammatidae sind winzige Parasiten von Insekteneiern. (Abb. 25-51 bis 25-53) 2. Gruppe Aculeata (Stachelwespen), sind eine monophyletische Gruppe: u. a. Chrysididae (Goldwespen), Mutillidae (Bienen- oder Spinnenameisen), Poneridae (Stachelameisen), Dorylidae (Treiber- oder Wanderameisen), Myrmicidae (Knotenameisen), Formicidae (Schuppenamei-
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sen), Pompilidae (Wegwespen), Vespidae (Faltenwespen), Sphecidae (Grab- oder Sandwespen), Andrenidae (Sandbienen) , Halictidae (Schmalbienen), Megachilidae (Blattschneiderbienen), Apidae (echte Bienen, zu denen neben den Honigbienen auch die Hummeln und stachellosen Bienen gehören) (Abb. 25-54). Die Hymenoptera sind die vielleicht artenreichste Ordnung der Insekten. Viele Arten, vor allem unter den Schlupfwespen, sind noch nicht beschrieben. Die Größe der Hymenoptera ist außerordentlich verschieden; es gibt winzige Eiparasiten von 0, I mm Länge unter den Chalcididae und große Holzwespen (Siricidae) von 40 mm Länge, ohne Berücksichtigung des Legebohrers. Imagines wie Larven sind so außerordentlich formenreich, dass es kaum möglich ist, Charakteristika zu nennen, die für sämtliche Vertreter dieser Ordnung gelten. Die meisten Imagines sind gelb, braun oder schwarz gefärbt , doch gibt es auch grüne, rote oder weiße sowie wunderschöne metallische Färbungen in Grün- oder Blautönen. Der Kopf der Imagines weist eukone Komplexaugen und 3 Ocellen auf; letztere sind bei ungeflügelten Formen vielfach reduziert. Die Antennen sind vielgliedrig, können gekämmt oder geknöpft sein, oder sie sind gekniet und haben einen langen Pedicellus (Abb. 25-48 A). Die Mundwerkzeuge sind ursprünglich kauend, können aber in mannigfacher Weise umgestaltet oder reduziert werden. Das Mundfeld kann vorgezogen und im Bereich von Cardo-Stipes der MaxilIen sowie von Submentum-Mentum des Labiums geknickt sein. Während Galeae, Glossa und Labialpalpen in dieser Entwicklungsreihe gefördert werden, bleiben Lacinien, Maxillarpalpen und Paraglossen klein. Die Mandibeln werden unterschiedlich genutzt. Bei räuberisch lebenden Formen dienen sie zum Greifen, Schleppen und Zerkleinern der Beute oder des Baumaterials für die Brutwaben . Bei der Honigbiene sind die Mandibeln einfache, zum Modellieren von Wachs geeignete Gebilde. Der übrige Komplex der Mundwerkzeuge ist zum Auflecken von Säften verwendbar (Abb. 25-48). Im Bereich des Thorax sind die aus der Halsregion stammenden lateralen Cervicalia mit den stark reduzierten Pleuren des Prothorax verschmolzen und ragen beiderseits bis an die Halshaut (Abb. 25-48 A). Sie sind mit zahlreichen mechanosensorischen Haaren versehen, die bei Kopfbewegungen von der Halshaut ausgelenkt werden und somit Informationen über die KopfsteIlung liefern können . Die Flügel sind durchsichtig, ungleich groß und beim Fliegen durch Kopplungsstrukturen so miteinander verbunden, dass physiologische Zweiflügligkeit zustande kommt; Häkchen am Vorderrand der Hinterflügel greifen in
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c
- -Terg um VIl
-
Putzsporn
A Glossa
Labialdrüse
Stigma VIII
B - - After Stachelkammer
Abb. 25-48: Hymenoptera. Die Honigbiene als Beispiel für den Bau der Aculeata. A Seitenansicht, der Rüssel ist ausgestreckt. B Schematisierter Längsschnitt, das Nervensystem des Kopfes ist nicht eingetragen und die Zahl der Malpighischen Gefäße (MG) vereinfacht dargestellt. Im großen Thorakalganglion sind die Thorakalganglien 2 und 3 sowie die Abdominalganglien I und 11 miteinander verschmolzen. C Rüssel ausgebreitet, von hinten gesehen. D Flügelverhakung. (Nach Weber 1956)
einen Falz am Hinterrand der Vorderflügel (Abb. 25-48 D). Die Flügeladerung wurde während der Evolution der Hymenoptera zunehmend reduziert. Bei den Aculeata sind die Analadern vollständig, Subcosta und Radiu s zunehmend reduziert. Es resultieren sehr schlanke Flügel, die in der
Ruhe flach auf das Abdomen gelegt werden; dabei können die Vorderflügel bei den Faltenwespen (Vespoidea) in der Ruhe gefaltet werden. Bei den Terebrantes kann die Flügeladerung sehr stark vereinfacht sein, beispielsweise bei den Gallwespen (Cynipidae). Bei manchen Arten können die Hin-
25.28 Hymenoptera, Hautflügler
1. 2. 3.
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4.
D
c E Afterfüße
I
Nachschieber
Abb. 25-49: Hymenoptera: 5ymphyta. Die Symphyta haben keine Wespentaille. A Die Männchen der Kiefernbuschhornblattwespe Diprion pini besitzen im Gegensatz zu den Weibchen auffallende kammförmige Antennen. B Der Kokon weist einen Deckel auf. CDie Holzwespe Urocerus gigas kann bis zu 4 cm Körperlänge erreichen. Weibchen. D Schmetterlingslarven besitzen am 1.und 2. Abdominalsegment keine Afterfüße. EDies giltbei den Larven der Symphyta nur fürdas 1.Abdominalsegment. (B, Cnach Berland 1951)
terf1ügel reduziert sein. Flügellosigkeit kommt bei manchen Erzwespen (Chalcidoidea) (Abb. 25-51), bei Ameisen und den Weibchen der Mutillidae vor. Die umfangreiche Flugmuskulatur der Vorderfl ügel führt dazu , dass der Mesothorax das beherrschende Thoraxsegment darstellt. Die Beine sind typische Schreitbeine mit fünfgliedrigen Tarsen und einem Paar Krallen . Wegwespen (Pornpilidae), Grab- und Sandwespen (Sphecidae) sowie solitäre Bienen können mit ihren Beinen erstaunlich tiefe Bauten für die Brut graben. Am distalen Ende der Vorderbeine sind kammartige Putzeinrichtungen vorhanden, mit denen Antennen und Mundwerkzeuge gesäubert werden. Beinsammler unter den Bienen (Apidae) haben zum Transport von Pollen besonders gestaltete Hinterbeine. Die Verbindung von Thorax und Abdomen erfolgt innerhalb der Hymenoptera in unterschiedlicher Weise. Die Symphyta besitzen keine sog. Wespentaille (Abb. 25-49); das Tergum des 1. Abdominalsegments liegt dem Thorax eng an, das zugehörige Sternum ist reduziert. Bei den Apocrita kommt während der Puppenphase eine tiefe Einschnürung zwischen dem I. und 2. Tergum des Abdomens zustande; das Tergum des I. Abdominalsegments bildet als sog. Mittelsegment den Abschluss des Thorax (Abb. 25-48 A). Das zugehörige Sternum fehlt auch in diesem Falle. Bei den
Ameisen wird entweder das gesamte 2. Abdominalsegment tief eingeschnürt und als Petiolus bezeichnet, oder es wird zusätzlich auch noch das 3. Abdominalsegment weitgehend eingeschnürt und Postpetiolus genannt. Das Abdomen erhält dadurch eine sehr widerstandsfähige Panzerung, dass die Terga teilweise über die Sterna ragen, und dass Terga wie Sterna die Intersegmentalmembranen überdecken . Auf diese Weise entsteht ein starker und dennoch beweglicher Panzer. Das 9. Abdominalsegment und die folgenden Segmente sind eingestülpt und stark reduziert (Abb.21-2, 25-48 B). Das Bauchmark weist ursprünglich 8 Ganglien im Bereich des Abdomens auf, doch findet man, ebenso wie in anderen Insektengruppen, auch bei den Hymenopteren eine Tendenz zur Konzentration des Zentralnervensystems. So sind bei den Apocrita das 2. und 3. Thorakal- samt dem 1. und 2. Abdominalganglion miteinander verschmolzen (Abb. 25-48 B). Das vor allem bei den staatenbildenden Aculeata hochdifferenzierte Gehirn wird an anderer Stelle behandelt (s. 8.5 und 10.2). Drüsen sind vor allem bei den Apidae im Kopf und im Abdomen besonders entwickelt. Die in einem Paar oder zwei Paaren vorkomende Mandibulardrüse mündet an der Basis der Mandibeln. Die Pharynxdrüse der Apiden-Weibchen wird
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auch als Futtersaftdrüse bezeichnet. Die Labialdrüsen sind meist mehrteilig und münden über einen unpaaren, mit einer Speichelpumpe versehenen Gang nach außen (Abb.25-48 B). Die Funktionen weiterer Drüsen im Abdomen werden im Kap. 14 und 20 behandelt (Abb. 20-2). Bei Schlupfwespen sowie solitär lebenden Wespen erfolgt die Lähmung des Wirtes durch Gift aus Anhangsdrüsen des Legeapparats. Die sehr plausible Behauptung, das Gift werde direkt in Ganglien injiziert, ist nicht eindeutig belegt oder durch experimentelle Untersuchungen widerlegt. Der Darm ist mit einer Cibarial- und einer Pharynx pumpe zum Aufsaugen der meist flüssigen Nahrung versehen. Der Vorderdarm weist vielfach einen Kropf und anschließenden Proventriculus auf. Bei sozial lebenden Arten dient der Kropf vor allem zum Transport von Nahrung und Wasser. In diesen Fällen ist der Proventriculus ein komplizierter Ventilapparat, der den Kropf gegen den Mitteldarm abschließen kann (Abb. 25-48 Bund Abb. 45 B). Der Kropfinhalt kann im Stock durch Regurgitation an die Larven und die Stockgenossinnen oder in die Vorratswaben abgegeben werden. Andererseits kann das Tier nach Öffnen des Ventils Nahrung in den Mitteldarm pumpen .
Abb. 25·50: Hymenoptera: Symphyta. Schutzmaßnahmen von Blattwespenlarven gegenüber Feinden. A Gespinste der gemeinschaftlich fressenden Larven der Fichtengespinstblattwespe Cephaleia abietis (Pamphiliidae) werden durch Kotballen maskiert; jede Larve lebtinnerhalb dieses gemeinsamen Gespinstes in einer eigenen Gespinströhre. B Eine aus Blättern zusammengedrehte Wohnröhre dient der Rosengespinstblattwespe Pamphilius inanitus als Schutz. Die Gattung Pontania bildet Gallen (s. Abb. 25-52) C Die Larven der Kiefernbuschhornblattwespe Neodiprion sertifer heben vor allem das Vorderende und geben aus der Mundhöhle eine Terpenoide enthaltende Flüssigkeit ab. Diese soll Fressfeinde, wie beispielsweise Ameisen, abschrecken. D Die Larven der an Birken vorkommenden Croesus septentrionalis (Tenthredinidae) können eine SchrecksteIlung einnehmen, indem sie den Körper s-förmig biegen und mit dem Abdomen um sich schlagen. E Die Larven der an Pappeln vorkommenden Trichiocampus viminalis und F der Birnenblattwespe Neurotoma saltuum (Tenthredinidae) drängen sich bei Gefahr zusammen. G Bei Perga dotsalis wandern die Larven nach Erschöpfung einer Nahrungsquelle im Gänsemarsch zur nächsten. (A, C, D nach Pschorn-Walcher 1982, B, E, F nach Berland 1947, G nach Evans 1934)
Die Zahl der Malpighischen Gefäße variiert sehr stark ; bei manchen Ameisen sind nur sechs, bei Bienen mehr als hundert Schläuche vorhanden . Das Tracheensystem ist bei den Imagines vieler Hymenopteren mit umfangreichen Luftsäcken ausgestattet. Bis zu 10 Stigmenpaare können vorhanden sein. Bei den Aculeata liegt das 8. abdominale Stigma an ganz versteckter Stelle, nämlich in der Stachelkammer. Das Herz ist nur bei den Larven langgestreckt und mit bis zu 8 Ostienpaaren versehen. Bei den Imagines befindet es sich dagegen nur im mittleren Bereich des Abdomens (Abb. 25-48 A); die Zahl der Ostien ist reduziert. Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus Hoden, den zu Sammelblasen erweiterten Vasa deferentia und einem Paar Anhangsdrüsen. Die Kopulationsorgane sind bei manchen Arten recht umfangreich. Die Ovarien können sehr verschiedenen Umfang haben. Extreme sind einerseits Schlupfwespen mit nur einem Follikel und andererseits die Honigbiene mit mehreren hundert Ovariolen. Ursprünglich ist ein Legeapparat vorhanden, der weitgehend dem orthopteroiden Typ entspricht. Die lateralen Gonapophysen des 9. Segments bilden die Stachelscheide, die mitein-
25.28 Hymenoptera. Hautflügler
ander verschmolzenen medialen Gonapophysen dieses Segments stellen eine Führungsschiene, die "Stachelrinne", dar und die Valviferen der Gonapophysen des 8. Segments fungieren als Sägeapparat oder Stechborsten, mit deren Hilfe Pflanzenteile, die Cuticula von Wirtstieren usw. angeritzt und für die Eiablage vorbereitet werden. Die unpaare Stachelscheide und die paarigen Stechborsten bilden gemeinsam ein Rohr, durch das die Eier abgelegt werden. Extrem lange Legeapparate von Schlupfwespen können das 14-fache der Körperlänge erreichen; sie werden wohl nicht zum Bohren, sondern zum Einführen der Eier in Bohrgänge der zu parasitierenden Wirtstiere verwendet. Bei einer in Kolumbien vorkommenden Braconide der Gattung lphiaulax ist der Körper 1,4 cm, der Legestachel 17,5 cm lang. Die einheimische Ichneumonide Rhyssa persuasoria hat eine Körperlänge von 40 mm und eine Stachellänge von 60 mm. Bei der zu den Platygasteridae gehörenden Gattung lnostemma ist am vorderen dorsalen Teil des Abdomens eine nach vorn bis über den Kopf ragende Tasche ausgebildet , in der der lange, in Ruhe äußerlich nicht in Erscheinung tretende Stachel in einer langen Schleife liegt (Abb. 25-51 I). Innerhalb der Hymenopteren besteht die Tendenz, die Segmente 8-10 in das Abdomen einzustülpen . Bei den Aculeata kommt so eine Stachelkammer zustande (Abb.20-2). Die Aculeata verwenden den Legeapparat nicht mehr zur Eiablage, sondern als Wehrstachel, der mit Gift produzierenden Drüsen gekoppelt wird (s. 20.2.2, Abb. 14-10). Die Ablage der Eier geschieht über eine Öffnung an dessen Basis. Die Fortpflanzung der Hymenopteren erfolgt im Allgemeinen zweigeschlechtlich. Bei vielen Arten ist aber Parthenogenese nachgewiesen. Thely-, amphi- oder arrhenotoke Parthenogenese ist möglich (s. 13.4.3). Bei Gallwespen (Cynipidae) kommt ein jahreszeitlich bestimmter Generationswechsel in Form der Heterogonie vor (Abb. 25-53 0). Unter den Schlupfwespen gibt es Arten , bei denen ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Teilungsvorgänge auf frühen Entwicklungsstadien stattfindet. Diese Erscheinung bezeichnet man als Polyembryonie. Sie ermöglicht eine Kompensation der geringen Zahl abgelegter Eier. So entstehen bei manchen Encyrtidae, Platygasteridae und Braconidae aus einem Ei Hunderte von Larven . Die Anlockung von Schlupfwespen zur Eiablage kann nicht nur durch den Wirt erfolgen, sondern auch durch Lockstoffe, die von dessen Wirtspflanze ausgehen . Parasiten von Schmeißfliegen werden durch Aasgeruch angelockt ; im Frühsommer sind es vorwiegend Braconidae, im Spätsommer Chalcididae (Nasonia (Mormoniella) vitripennis). Als Wirte von Schlupfwespen kommen in erster Linie alle Stadien von Insekten, aber auch
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Spinnen und Myriapoden in Frage. Dabei können Eier, Larven, Puppen oder Imagines von Insekten parasitiert werden. Die Eier können in die Nähe des Wirtes, an oder in seinen Körper gelegt werden. Manche Schlupfwespen steigen sogar ins Wasser, um in wasserbewohnende Insekten oder in deren Eier ihre Eier abzulegen. Die Körperhaltung und Stellung zum Wirt kann bei der Eiablage sehr unterschiedlich sein. Der Hinterleib kann zum Einstich nach vorn gebogen werden (Abb. 25-51), der Parasit steht vom Wirt abgewandt (Abb. 25-51 und Abb. 25-34), oder der Legeapparat wird nach unten in den Wirt eingestochen (Abb. 25-51). Die Dauer der Eiablage ist sehr verschieden, sie kann Sekunden oder mehrere Stunden dauern; längere Zeit ist erforderlich, wenn der Legestachel durch hartes Material bohren muss. Die Eier der Schlupfwespen sind teilweise von ungewöhnlicher Gestalt und bei manchen Arten mit einem langen Stiel versehen. Bei Rhyssa persuasoria ist dieser Stiel viermal so lang wie das eigentliche Ei, insgesamt sind Ei und Stiel 12 mm lang. Die Zahl der Eier ist sehr verschieden. Manche Schlupfwespen-Arten legen nur wenige Eier, andere bis zu 2000. Die Eier können von den Schlupfwespen einzeln oder zu mehreren in einen Wirt gelegt werden. In der Raupe eines Totenkopfschwärmers (Acherontia atropos) fand man 1200 Parasiten. In einer einzigen Raupe des Kohlweißlings können 30-150 Schlupfwespenlar ven vorhanden sein. Die 2. Generation des Kohlweißlings ist regelmäßig zu 100% parasitiert. Die Population kann nur durch das Überliegen von Puppen der 1. Generation aufrecht erhalten werden. Bei dotterarmen Eiern mancher Schlupfwespenarten findet eine totale und nicht eine superfizielle Furchung statt, wie sonst bei Insekten üblich. Zur Ernährung des Embryos kann eine zellige Hülle, das Trophamnion ausgebildet sein. Die Larven der Hymenopteren sind derart vielgestaltig, dass man sie nicht insgesamt charakterisieren kann . Die polypoden .Afterraupen" der Tenthredinidae haben 6-8 Afterbeinpaare. Sie unterscheiden sich von den Raupen der Schmetterlinge dadurch, dass sie auch am 2. Abdominalsegment Afterfüße aufweisen und dass diese Afterfüße keine Krallen an den Rändern haben (Abb. 25-49 0, E). Die oligopoden Larven der Pamphiliidae, Cephidae und Siricidae besitzen außer den 3 Beinpaaren am Thorax nur einen Nachschieber am Hinterende. Die Larven der Gallbildner unter den Symphyta haben Thorakalbeine. Die Larven der Terebrantes sind fußlos. Bei manchen dieser Arten ist eine ausstülpbare sog. Schwanzblase vorhanden, die der Atmung dienen soll, bei anderen trägt das Hinterende gabelförmige, mehr oder weniger lange Forts ätze (Abb. 16-
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Abb. 25-51: Hymenoptera: Schlupfwespen. A, B Aphidiidae legen ihre Eier in Blattläuse, wobei Trioxys sp. (A) das Opfer mit Zangen am Ende des Abdomens festhält. während Lysiphlebus testaceipes (B) die Eier mit nach vorn gehaltenem Abdomen appliziert. C, 0 Ichneumonidae. Bei Ophion impressus (C) ist der Legestacheläußerlich nicht sichtbar, bei Rhyssapersuasoria (D) ist er sehr lang. E-I Chalcidoidea. Trichogramma evanescens (E) und die winzige Mymaride Polynema longula (F) sind Eiparasiten und haben reduzierte Hinterflügel. Blastophaga psenes (G, H) zeigt einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus. Weibchen von Inostemma sp. (I, Platygasteridae) mit nach vorn gerichteter Tasche zur Unterbringung des langen Legestachels. (A, B nach Weber 1933, C, I nach Sedlag 1959, D nach Bachmaier 1969, E-H nach Nikolskaja 1952)
45; 16-46). Das erste Larvenstadium kann sehr unterschiedlich aussehen. Da s Planidium ist eine Wanderlarve bei Chal cididen , deren Weibchen die Eier in größerer Entfernung vom Wirt oder sogar in Abwesenheit eines Wirtes ablegen, d. h. diese Lar ve muss den Wirt entweder aktiv aufsuchen oder so lange warten, bis er vorüberkommt. Derarti ge Larven sind mit cuticularen Platten ver-
sehen, die von dorsal bis auf die Ventralseite reichen. Cyclopoid-Larven von Chalcididen sehen einem Krebs ähnlich er als einer Insektenla rve. Sie haben auffallend große Mandibeln, die gegenüber anderen Larven im gleichen Wirt zur Verteidigung oder zum Angriff verwendet werden. Ältere Larvenstadien sind madenförmig und recht träge. Bei den Apocrita gibt es apode , madenförmige Larven
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Abb. 25-52: Hymenoptera: GalJbildner. A Blattwespen (Tenthredinidae) der Gattung Pontania verursachen an den Blättern unserer Weidenarten auffallende blasenförmige Gallen. B In Europa erzeugen 7 Gallwespen-Arten der Gattung Rhodites charakteristische Gallen an Wildrosen, dieauch von Einmietern, Parasiten und Hyperparasiten bewohnt sein können. (A, Bnach Ross 1932)
mit vielfach reduzierte r Kopfk apsel und schwach entwickelten Mundwerk zeugen. Das Gehirn der Larven von Hymenopteren ist weniger differenziert als da s der Imagines, die Augen sind Stemmata oder fehlen, der Darm verläuft gerade durch den Körper. Bei etlichen Arten der Apocrita ist nachgewiesen, dass der Mitteldarm gegen den Enddarm durch einen Zellpfropf verschlossen ist (Abb. 4-18). Dieser wird vor Beginn des Puppenstadiums beseitigt, damit die während der Larvenzeit angesammelten Nahrungsreste über den Enddarm abgegeben werden können. Bei Arten , deren Waben mehrfach mit Brut belegt werden, kann man daher an den Kotresten erkennen, wie häufig dies schon geschah. Larven der Pamphiliidae (Gespinstblattwespen), der Cimbicidae und Diprionidae (Knopfhorn- und Buschhornblattwespen) führen bei Massenvermehrungen zu beträchtlichen Fraßschäden in der Forstwirtschaft. Zahlreiche Feinde und widrige Witterungsverhältnisse können zur Vernichtung von über 90% einer Population führen. Ihre totale Vernichtung wird in erster Linie durch das sog. Überliegen der Puppen verhindert, wodurch unter Umständen mehrere Schlüpfter-
mine übersprungen werden und die Erhaltung einer Population ermöglicht wird. Die Larven der meisten Symphyta bevorzugen Bäume und Sträucher, sind aber wenig wirtsspezifisch. An Weiden hat man 80 Arten festgestellt, darunter eine Reihe gallbildender Arten der Gattung Pontania (Abb. 25-53 A). Allgemein bekannt sind die Larven der Pflaumens ägewespen Hoplocampa jlava und H. minuta, die ebenso wie die der Stachelbeerblattwespe Pteronidia ribesii bisweilen beträchtlichen Schaden anrichten können. Viele Pamphilidae produzieren mithilfe von Labialdrüsensekreten umfangreiche Gespinste, in deren Schutz sie Fressgemeinschaften bilden. Die Gespinste können mit Kotrest en maskiert sein (Abb.25-51 A). Manche Arten nehmen bei Gefahr Schreckstellungen ein (Abb.25-51 D) oder geben zusätzlich Wehrsekrete ab. Die Larven der Holzwespe Urocerus gigas können kein Holz verdauen , denn sie haben weder eine Cellulase noch eine Lignase. Sie weiden in ihren Fraßg ängen im Holz, die eine Länge von 35 cm erreichen, den von ihnen selbst angelegten Pilzrasen ab. Das Ausgangsmaterial für die Pilzkulturen in Form von Oidien wird vom Weibchen in besonderen Taschen verwahrt und
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Dez.-Febr.
Abb. 25-53: Hymenoptera: Gallwespen. Gallwespen erzeugen an Eichen eine Vielzahl art- und stadienspezifischer Gallen. A Eichenrosen entstehen aus Seiten-, seltener Endknospen durch Andricus fecundator. B Galläpfel auf der Unterseite der Blätter stammen von Diplaiepis quercus-folii, einer Art, die schon linne kannte. CArten der Gattung Neuroterus verursachen verschiedene Iinsenförmige Gallen auf der Blattunterseite. D Die Heterogonie von Biorrhiza pallida: Von der zweigeschlechtlichen Generation werden im Sommer sog. Eichäpfel induziert, während die ungeflügelten Weibchen der parthenogenetisch sich fortpflanzenden Generation im Herbst Wurzelgallen an Eichen erzeugen. (Nach Ross 1932, Bü rgis 1992)
bei der Ablage der Eier samt einem Schleim über diese geschmiert (s. Abb. 19-4). Pro Jahr können von Schlupfwespen 1-2, aber auch zahlreiche Gener ationen durchlaufen werden. Die Zahl der Generationen hängt nicht nur von der Entwicklungsdauer ab, sondern auch von der Verfügbarkeit von Wirten; daher sind die meisten Schlupfwespen polyph ag. Die in der biologischen Schädlin gsbekämpfung eingesetzte Chalcidide Trichogramma evanescens zeigt ausgesprochene Polyphagie; sie kann die Eier von 150 Wirtsart en aus 7 Ordnungen der Insekten befallen. Aus den Gallen von Biorrhiza pallida (Abb. 25-53) schlüpft nicht nur diese Art , sondern
eine Vielzahl von weiteren Parasitenarten ; insgesamt wurden 75 Arten festgestellt. Schlupfwespen können Endo- oder Ektoparasiten sein oder die Entwicklung außerhalb des Wirtes beginnen und dann in ihm vollenden. Der zuerst in einem Wirt sich entwickelnde Parasit kann von einer anderen Art para sitiert werden und dieser womöglich wiederum von einer anderen Art. Dies bezeichnet man als Hyperparasitismus. Wird eine Blattlaus von der Larve einer Aphidiide (Ichneumonoidea) und der Larve einer Art der Gattung ' Aphelinus (Chalcidoidea) befallen, so überlebt die Aphidiid e. Treffen dagegen in einem Wirt die Larve einer Schlupfwespe und
847
25.28 Hymenoptera, Hautflügler
A
Abb. 25-54: Hymenoptera: Brutpflege bei solitären Wespen und Bienen. A-D Spheeidae, Grabwespen. A Die Sandwespe Ammophila campestris trägt durch einen Stich gelähmte larven als Nahrung für ihre eigene tarve in einen selbst gegrabenen Bau. B Nach dem Graben wird der Eingang zur Bruthöhle mit Sandkörnern verstopft. Bevor die Beute in den Bau geschafft werden kann, muss dieser Verschluss entfernt werden, dann wird die Raupe bis zum Grund der Höhle geschleppt, ein Ei daran abgelegt und die Kammer verschlossen. Andere Spheeiden, wie C Pison erythropus oder o Trypoxylon rejector bauen aus lehm kleine Nester. E-G Apoidea, Wildbienen bauen ebenfalls Brutkammern, die sie mit Nektar und Pollen versehen. Die Gattung Halictus (E) gräbt ein verzweigtes System von Brutkammern, während die Blattschneiderbiene Megachile centuncularis (F) Blattstücke oder Blütenblätter von Rosen abschneidet und in hohlen Pflanzenstängeln (G) zu Brutkammern verarbeitet. (A, B nach Baerends 1941 , C-G nach Handlirsch 1929)
einer Raupenfliege (Tachinidae) zusammen, so siegt die letztere. Bei solitären Wespen wird die durch einen Stich gelähmte und mit einem Ei versehene Beute ohne weitere Fürsorge für die Nachkommenschaft der Wespe gelassen. Bei den meisten Arten werden einzelne oder Gruppen von Brutkammern angelegt, mit gelähmter Beute oder Pollen und jeweils einem Ei versehen und verschlossen. Die gelähmte Beute wird fliegend oder zu Fuß in den Bau geschleppt. Letzterer kann auch aus größerer Entfernung wiedergefunden werden; aus Entfernungen bis zu 100 m ist dies nachgewiesen. Der Nestbau kann bei solitären Wespen vor oder nach dem Beutefang erfolgen . Brutkammern können von solitären Wespen und Bienen gegraben oder in Pflanzenstängeln, leeren Schneckenschalen usw. angelegt oder aus Lehm gemauert werden (Abb. 25-54). Manche Arten treiben Brutparasitismus in verschiedener Form, indem sie ihre Eier in die Bauten anderer Arten legen. Sie werden daher Kuckuckswespen oder -bienen genannt. Der Puppenkokon wird gegen Ende der Larvenzeit mithilfe der Spinnsekret liefernden Labial-
B
E
G
drüsen gebildet; bei manchen Arten kann eine doppelte Wandung gesponnen werden . Die Verpuppung kann bei den Schlupfwespen im Wirt oder außerhalb des Wirtes erfolgen . Die Puppe der Hymenoptera ist meistens eine Pupa libera; bisweilen kommt aber auch die Pupa obtecta vor, beispielsweise bei manchen ChaIcididae. Die Cimb icinae und Diprioninae bilden einen Kokondeckcl, der beim Schlüpfen abgesprengt wird (Abb. 2549). Bei den meisten Arten muss sich die Imago mithilfe der Mandibeln aus der Gespinsthülle nagen. Über den Polymorphismus bei staatenbildenden Hymenopteren wird im Kap. 14 berichtet.
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25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
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25.29 Trichoptera, Köcherfliegen Man kennt etwa 7000 Arten, darunter fast 300 einheimische. I. Uo , Annulipalpia : u. a. Farn. Rhyacophilidae mit etwa 40 Arten in Mitteleuropa, die ausschließlich in schnellfließenden Gewässern leben . Überfamilie Hydropsychoidea mit etwa 140 Arten in Europa, sind Stellnetzfänger in Fließgewässern (Abb. 25-57). 2. Uo , Integripalpia: u.a. Farn . Phryganeidae mit 20 Arten in Europa, bauen Köcher aus Pflanzenteilen ; Limnephilidae mit 287 Arten in Europa, bauen Köcher aus Pflanzenteilen und mineralischen Bestandteilen; Farn . Sericostomatidae mit 23 europäischen Arten und Molannidae mit 5 Arten, bauen Köcher aus Sandkörnchen. Die Köcherfliegen verdanken ihren Namen der Eigenart der meisten Larven, einen Köcher aus Gespinst und Steinehen oder Pflanzenmaterial zu bauen und in dessen Schutz zu leben. Die Imagines sind weniger bekannte, 0,3-6 cm lange, rnotten ähnliche, in Mitteleuropa unscheinbar bräunlich oder rauchschwarz gefärbte, dicht behaarte Tiere. Wegen der Behaarung ihrer Flügel heißen sie Trichoptera. Sie kommen vor allem in der gemäßigten Zone vor. Am Kopf der Imagines sind lange, vielgliedrige Fühler, seitlich vorstehende eukone Komplexaugen, und bei manchen Familien 3 Ocellen vorhanden . Die Mundwerkzeuge sind leckend-saugend (Abb. 25-55 B), vielfach aber reduziert. Wenn sie funktionsfähig sind , dann haben sie sehr stark reduzierte, nur noch stummeIförmige Mandibeln, eine lange Oberlippe, kurze Lacinien, flache Galeae und gut entwickelte Maxillar- und Labialpalpen. Im Gegensatz zu anderen Insekten mit leckend-saugenden Mundwerkzeugen ist der Hy-
25.29 Trichoptera, Köcherfliegen
849
.c '. · .o:.~t::-,
A
B Stemmzapfen
Frontoc1ypeus Oberlippe Mandibel Maxille
c
Spinndrüse
=Labialdrüse
Abb. 25-55: Trichoptera. A Habitus einer Köcherfliege Hydropsyche sp. Behaarung der Flügel weggelassen. B Schematische Darstellung der Imago einer männlichen Köcherfliege. Vorderbein der Übersicht halber weggelassen. Palpus max. P. maxillaris, Pli P. labialis, Stg Stigmen, IX 9. Segment. CSchematische Darstellung des Baus einer Köcherfliegenlarve. (Anach Sattler 1958, B, Cnach Weber 1954)
popharynx ungewöhnlich stark entwickelt und mit dem Labium verwachsen. Hypopharynx und Praementum bilden gemeinsam ein zungenförmiges, durch Blutdruck vorstülpbares und durch Muskeln zurückziehbares Haustellum. Dieser Saugapparat dient zum Auflecken und -saugen von Blütensäften . Bei den primitiven Rhyacophiliden ist er kurz, bei den abgeleiteten Gruppen, insbe-
sondere tropischen Formen, bisweilen recht lang, aber nie einem Schmetterlingsrüssel mit seinen hypertrophierten Galeae vergleichbar. Der Darm weist einen Kropf auf, hat aber keinen Proventriculus. Die Flügel werden in der Ruhe über dem Abdomen dachförmig zusammengelegt. Sie sind dicht behaart, aber nur ausnahmsweise beschuppt. Die langen Lautbeine haben 5 Tarsenglieder, 2
850
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
B
. . ..
c
o
E
L
M Puppe
\
Gespinst
I
Larven -Exuvie
Abb. 25-56: Trichoptera. A Verschiedene Laichformen, bei denen die Eier von Gallerte umgeben sind. B Larve von Rhyacophila sp., die weder Köcher noch Netze baut, sondern am Grunde von Gebirgsbächen nach Beute jagt. (-) Aus unterschiedlichem Material gebaute Köcher: aus Sandkörnchen bei ( Silo sp. (Goeridae) und D Molanna sp. (Molannidae), aus Sandkörnchen miteingelagerten Pflanzenteilen und Kot bei E der landbewohnenden Art Enoicyla pusilla, F aus Schneckenschalen oder Pflanzenteilen (G) bei Limnephilus flavicomis, Haus Pflanzenteilen bei Phryganea sp., ) aus Steinehen ergänzt durch außen angesetzte Zweigstückehen bei Anabolia sp. J Fangtrichter von Holocentropus dubius mit abwärts gerichteter Wohnröhre. K Fangtrichter von Neureclipsis sp. mit Larve (L). L Puppe von Ecclisopteryx guttulata. M Rhyacophila sp. verpuppt sich innerhalb des aus Steinehen gebauten Köchers, der mit Durchlässen versehen ist, um von Wasser durchströmt werden zu können. (A nach Jacobs und Renner 1976, B, F, H, I nach Engelhardt 1955, Enach Brauns 1964, G nach Ulmer 1911 , J nach Wesenberg-Lund 1943, Lnach Nielsen 1942, M nach Wichard 1988)
25.29 Trichoptera, Köcherfliegen
Klauen und ein kleines Arolium. Hoden und Ovarien sind paarig und büschelförmig gebaut; die Ovarien bestehen aus polytrophen Ovariolen. Die männlichen Kopulationsorgane können sehr verschieden gebaut sein und sind daher für die Taxonomie sehr wichtig. Die Köcherfliegen haben einen ausgeprägten Aktivitätsrhythmus. Die meisten Arten sind während ihres Imaginallebens in der Dämmerung oder nachts aktiv. Am Tage ruhen sie an der Unterseite von Blättern, Brücken und dergl. Geschlechtsreife Köcherfliegen schwärmen über der Ufervegetation, kopulieren aber nicht im Fluge, sondern auf fester Unterlage. Häufig dienen Sexualpheromone der Geschlechterfindung. Die Kopula kann sekundenschnell erfolgen oder im Extrem bis zu 12 Tage dauern. Bald darauf erfolgt die Eiablage. Bei vielen Arten der Limnephilidae, die in ephemeren Gewässern leben, sind die Gonaden nach dem Schlüpfen noch nicht entwickelt. Während des Sommers, d. h. bei Langtagsbedingungen, kommt es zu einer Diapause, die erst bei zunehmendem Kurztag im Herbst endet. Dann werden Eier abgelegt. Die Eier sind rund oder elliptisch und können gelb, braun oder grünlich gefärbt sein. Sie werden entweder am Substrat angekittet oder in einer aus besonderen Drüsen stammenden Gallerte abgegeben (Abb, 25-56) . In Südostasien, Australien und Neuseeland gibt es auch Arten, die Larven gebären. Die meisten Larven leben im Süßwasser; einige Arten kommen auch im Brackwasser und nur eine Art im Meer vor. Die Larven haben einen stark sklerotisierten Kopf mit unscheinbaren Fühlern, 6 Stemmata und beißenden Mundwerkzeugen (Abb. 25-55 und 25-56) . Die beiden sehr ausgedehnten, aus Speicheldrüsen hervorgegangenen Spinndrüsen münden gemeinsam auf dem Labium. Ihr Sekret liefert das Grundmaterial für den Köcher wie für den Puppenkokon. Jede Drüse produziert einen Faden, der aus einem zentralen Proteinstrang besteht, in dem vor allem die Aminosäuren Glycin , Serin und Arginin vertreten sind, sowie einer Ummantelung aus Proteoglykanen. Beide Fäden werden im Ausführgang zu einem Doppelfaden verklebt. Der Ausführgang kann durch Muskeln geöffnet oder geschlossen werden . Die Dorsalpartie des I. und 2., bisweilen auch des 3. Thoraxsegments weisen eine verstärkte, sklerotisierte Cuticula auf. Die Beine der Larven haben einen eingliedrigen Tarsus mit einer Klaue. Die Beinlänge spielt eine Rolle als Maßeinheit beim Bau von manchen Köchern und Stellnetzen. Die meisten köcherbewohnenden Larven haben auf dem I. Abdominalsegment einen, bisweilen auch bis zu 3 Stemmzapfen, mit dem sie den Körper auf Abstand zur Köcherwand halten
851
(Abb . 25-55) . Am 10. Abdominalsegment befinden sich zwei Analklauen (Pygopodien), die ursprünglich dreigliedrig sind und vermutlich modifizierte Gliedmaßen sind (Abb. 25-55). Sie dienen zum Festhalten am Köcher. Zwischen ihnen liegt der After, der bei vielen Spici- und Annulipalpia von meist 4-6 retraktilen Analpapillen umgeben ist. Das Tracheensystem der Larven ist bei den wasserbewohnenden Arten geschlossen; die Stigmen sind funktionslos und verkümmert. Bei Bewohnern sauerstoffreicher, kalter, schnell fließender Bäche erfolgt die Sauerstoffversorgung über die Cuticula des Abdomens. Arten, die in weniger sauerstoffreichen Gewässern leben, besitzen im allgemeinen auf dem 2.-8. Abdominalsegment in Gruppen oder Büscheln angeordnete, schlauchförmige Kiemen mit starker Tracheenversorgung (Abb . 25-55 C und 25-56 B), die bis unmittelbar unter die dünnwandige Cuticula reicht. Je sauerstoffärmer das Gewässer ist, desto zahlreicher sind die Tracheenkiemen. Osmoregulation s. Kap. 5. Der gerade verlaufende Darm ist mit einem Proventriculus und 6 Malpighischen Gefäßen versehen. Die Nahrung ist vielfältig: Es gibt Räuber, Aas-, Kot- , Pflanzen-, Bakterien-, Algen- und Detritusfresser, Weidegänger und Filtrierer. Die ursprünglichsten Formen, die Rhyacophilidae, bauen keine Gehäuse und leben räuberisch (Abb. 25-56 B). Charakteristisch für die Larven der meisten Arten ist der Bau von Köchern oder komplizierten Fanggespinsten mithilfe des von den Spinndrüsen gelieferten Fadens (Abb. 25-56 C). Die Köcher dienen den Larven als Schutzeinrichtung, in die sie sich bei Gefahr zurückziehen können. Nach dem Schlüpfen aus dem Ei spinnt die Larve auf einer festen Unterlage ein provisorisches Gespinst und beginnt dann mit dem Bau des Köchers. Sandkörnchen, Pflanzenteile, auch Rindenstücke und Ästchen sowie kleine Schneckenschalen werden je nach Art zusammengetragen und mit Spinnfaden verklebt. Ist der Köcher fertig, so wird die Innenseite mit Spinnfaden austapeziert und das Hinterende so verschlossen, dass eine Durchströmung des Köchers mit Atemwasser möglich ist . Schließlich wird der Köcher von der provisorischen Gespinstunterlage abgebissen . Immer wieder wird diese Bautätigkeit zur Nahrungsaufnahme unterbrochen. Während des Wachstums der Larve wird der Köcher am Vorderende erweitert, das Hinterende von Zeit zu Zeit abgebissen und erneut verschlossen. Anregungen zur Beobachtung des Köcherbaus findet man bei Gorter (1931). Die Larven der Überfamilie Hydropsychoidea bauen auf festem Untergrund röhren- oder trich terförmige, einfache bis raffinierte Gespinste. Diese bestehen aus einem Stellnetz und einer anschließenden Wohnröhre, in der die Larve sich
852
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
a ufhä lt (Abb. 25-56 J, K). Das Stellnetz wird optimal zur Strömung au sgerichtet. Die meisten Arten der Trichoptera haben 5, manche bis zu 7 Larvenstadien und eine Generationsdauer von etwa einem Jahr, wobei die Larvenzeit etwa 9-10 Monate beträgt. Die letzte Larve spinnt einen ortsfesten Kokon (Abb. 25-56 M) , in dem die Verpuppung stattfindet. Die Puppe besitzt freiliegende Flügelscheiden und Extremitäten (Abb. 25-56 L). Nach einer Ruhezeit von maximal einem Monat öffnet sie mit ihren starken, sklerotisierten Mandibeln den Kokon und begibt sich an die Wasseroberfläche, wo ihr die behaarten Beine die Bewegung a uf der Wasseroberfläche erleichtern. Die Imago schlüpft innerhalb von wenigen Minuten, und zwar bei den meisten Köcherfliegenarten nachts. Sehr bemerkenswert sind die Larven weniger Arten, die stets oder zeitweise terrestrisch leben. In Deutschland ist am besten Enoicyla pusillus untersucht, eine vor allem in Erlenbrüchen und feuchten Eichenwäldern lebende Art aus der Familie Limnephilidae. Die Larven bauen einen Köcher aus Sandkörnchen (Abb. 25-56 E), benötigen hohe Luftfeuchtigkeit und leben von Fallaub, das sie skelett ieren. Ihnen fehlen die für die wasserbewohnenden Limnephilidae charakteristischen Tracheenkiemen und die der Osmoregulation dienenden Chloridepithelien. Stigmen sind nicht vorhanden; die Atmung erfolgt über die Körperoberfläche . Im Spätsommer erfolgt die Verpuppung und im Herbst schlüpfen geflügelte Männchen und flügellose Weibchen.
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25.30 Lepidoptera, Schmetterlinge Bisher wurden üb er 150000 Arten beschrieben, einheimisch sind etwa 3000. Man unterscheidet mehr als 100 Familien. Schmetterlinge kommen in allen Faunengebieten vor. Sie wurden im Hochgebirge in erstaunlicher Zahl, im Himalaya sogar noch in 6000 m Höhe nachgewiesen . In der Tundra leben Schmetterlinge, und auf den Kerguelen gibt es zwei stummelflügelige Arten. Die systematische Gliederung dieser Artenfülle ist trotz zahlreicher Versuche immer noch nicht befriedigend gelöst. Die von Sammlern der Einfachheit halber verwendete Einteilung in Kleinschmetterlinge (Microlepidoptera) und Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) ist wissen schaftlich sicher nicht gerechtfertigt. Ebenso unwissenschaftlich ist die populäre Untergliederung in Tagfalter (Rhopalocera, im englischsprachigen Schrifttum "b utt erflies" genannt) und Nachtfalter (Heterocera, engl. "moths" ). 1. Uo. Zeugloptera: Mit kauenden Mundwerkzeugen, Pollensammler; Flügel im Fluge durch Jugum und Frenulum miteinander verbunden (Abb. 25-57) . Einzige Familie Micropterygidae. 2. Uo . Dacnonypha: u. a. Eriocraniidae, mit Saugrüssel. 3. Uo. Exoporia: Bursa und Vagina sind nicht durch einen Gang verbunden (Abb. 25-60). Hepialidae. 4. Uo. Monotrysia: Nur eine Ge schlechtsöffnung vorhanden, die der Begattung und der Einablage dient (Abb. 25-60) . U. a . Nepticulidae (Stigmellidae, Zwergmotten), Adelidae (Langhornmotten , Flügel metallisch glänzend, Fühler der Männchen extrem lang), Incurvariidae (Miniersackmotten) . 5. Uo. Ditrysia: Geschlechtsöffnung zur Begattung und Eiablage liegen get rennt voneinander (Abb. 25-60 B). U. a . Tineidae (Echte Motten), Psychidae (Sackträger), Lyonetiidae (Imago) (Abb. 25-59 F), Gracillariidae (Miniermotten),
25.30 lepidoptera, Schmetterlinge
853
Aedeagus
Palpus_~::::::;;d\'I'
labialis
A
B
[uqurn
c
D
HFI
Abb. 25-57: Lepidoptera. A Schematische Darstellung des Baus eines Männchens. Nervensystem des Kopfes weggelassen. Rüssel in Ruhestellung aufgerollt dargestellt. Verschmelzungstendenz bei den beiden hinteren thorakalen (G2) und den vorderen abdominalen Ganglien. B-D Kopplungseinrichtungen am Hinterrand des Vorder- MI) und am Vorderrand des Hinterflügels (HFI): B Jugatae sowie Frenatae CWeibchen und 0 Männchen. (A-D nach Weber 1954)
Coleophoridae (Sackträgermotten, Abb. 25-63 BE), Gelechiidae, Yponomeutidae (Gespinstmotten), Aegeriidae (Sesiidae, Glasflügler, Abb. 25-59 E), Cossidae (Holzbohrer), Tortricidae (Wickler, Abb. 25-63 G, H, Galle), Zygaenidae (Blutströpfchen), Pterophoridae (Federgeistchen, Abb. 25-59 G), Pyralidae (Zünsler), Hesperiidae (Dickkopffalter), Papilionidae, Pieridae (Weißlinge), Lycaenidae (Bläulinge, Abb. 25-59 B), Nymphalidae, Satyridae, Danaidae, Geometridae (Abb. 25-59 C, D, Männchen und flügelloses Weibchen), Uraniidae, Lasiocampidae (Glucken), Bombycidae (Seidenspinner), Saturniidae (Nachtpfauenaugen), Sphingidae (Schwärmer), Notodontidae (Zahn-
spinner), Lymantriidae (Schwammspinner), Aretiidae (Bärenspinner), Noctuidae (Eulen). Schmetterlinge sind gekennzeichnet durch die fast vollständige Bedeckung des Körpers und der Flügel mit Schuppen sowie durch Mundwerkzeuge, die zu einem Rüssel umgebildet sind. Eines dieser Merkmale allein genügt nicht zur Charakterisierung, denn es gibt bei den an den Anfang des Systems gestellten Micropterygidae noch kauende Mundwerkzeuge; Schuppen kommen nicht nur bei den Schmetterlingen, sondern auch bei anderen Insektenordnungen vor (s. 1.3.10; Abb. 120).
Die Schuppender Schmetterlinge sind in Größe,
854
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
/
Antenne
Maxillarpalpus
A
B
c
o
_ Trachee
Nerv
I
E
Septum
primärer Schräg muskel
sekundärer Schrägmuskel
F
Abb. 25·58: Lepidoptera: Rüssel der Schmetterlinge. A-C MaxilIen von Micropterygidae mit zunehmend verlängerter Galea. D Schematische Darstellung des Kopfesvon Pieris rapae, Rüssel in Ruhestellung. Beim Stipes ist die Cuticula medialsteif und lateral dehnungsfähig. EQuerschnitt am knickbarenTeil des Rüssels. Oben und unten sind die Schließen zu sehen. FAusfahren des Rüssels und unterschiedliche Stellungen bei der Nahrungsaufnahme. Die pfeilspitzen zeigen den abknickbaren Bereich. (A-C nach Philpott 1926, D nach Krenn 1990, Enach Eastham und Eassa 1955)
Gestalt, Färbung, Lage und Funktion verschieden. Schuppen sind extrem flache Haare (s. 1.3.10), an denen man eine obere und eine untere Lamelle unterscheiden kann . Sie stecken mit einer stark verjüngten Basis im Schuppen balg, der in der umgebenden Cuticul a durch seine chitinhaItigen Mikrofibrillen verankert ist. Nach der Bildung zieht sich das Plasma der Schuppenbildungszelle zurück , sodass die fertige Schuppe ein tote s Sekretionsprodukt ist (Abb. 1-21 A). Schuppen bedecken nicht nur den Körper und die Flügel, sondern auch die Beine, nicht aber den Rüssel. Zwischen den Schuppen können Cuticuladifferenzierungen in Form sehr kleiner unechter Haare vorhanden sein. Entfernt man die Schuppen durch Andrücken eines Flügels an eine klebrige Fläche oder durch Abpin seln, so kann man an den verbliebenen Schuppenbälgen die Anordnung von Schuppentypen erkennen, beispielsweise die Verteilung von Duftschupp en bei den Männchen mancher Arten (Abb. 1-22). Man unterscheidet entsprechend ihrer Lage auf dem Flügel Deck-, Mittel- und Tiefenschuppen. Sinnesschuppen sind ebenso wie Sinneshaare mit einer Sinneszelle ver-
sehen. Duftschuppen (s. a. 1.3.10) kommen in regelmäßiger oder gruppenweiser Anordnung auf den Flügeln der Männchen vieler, aber keineswegs aller Tagfalter vor. Diese Schuppen sind mit Drüsen gekoppelt, die Duftstoffe produ zieren; ihre Struktur soll vermutlich eine rasche Verdunstung der Duftstoffe erleichtern . Die Färbung der Schuppen kann durch die Strukturierung , vor allem der oberen Lamelle, oder durch die Einlagerung von Pigmenten bedingt sein. Strukturfarben entstehen als Interferenzerscheinungen des einfallenden Lichts, einschließlich des UV-Bereichs, an der Feinstruktur der sog. Schillerschuppen; vorwiegend entstehen prächtige Blau- (Morpho-Typ) oder Grüntöne (Urania-Typ). Für die Pigmentfarben sind sehr unter schiedliche chemische Verbindungen verantwortlich, die in den Schuppen abgelagert sind: Melanine, Ommochrome, Flavone, Pterine, Anthocyane oder Carotinoide. Sie können aus der Nahrung stammen oder als Stoffwechselprodukte anfallen (s. 1.4). Die Anordnung verschieden gefärbter Schuppen ergibt das char akteristische Zeichnungsmuster
25.30 Lepidoptera, Schmetterlinge
A
855
B
Abb. 25-59: Lepidoptera. A-C Haltung der Flügel in Ruhe, A bei zahlreichen "Motten", in diesem Falle ein Zünsler (Pyralidae); B zahlreiche Tagfalter bevorzugen die Ruhestellung eines Bläulings; Cviele Arten halten die Flügel in der Ruhe schräg nach hinten und zeigen 50 ihre Tarntracht, wie hier das Männchen des Großen Frostspanners Erannis defoliaria (Geometridae). D Flügellose Weibchen gibtes in mehreren Familien, als Beispiel istdas Weibchen des Großen Frostspanners dargestellt. E, F, GAusbildung der Flügel bei Schmetterlingen: E Glasflügler [Aegeriidae (Sesiidae)] mit glasklaren, unbeschuppten Flügeln, die an die Flügel von Hymenopteren erinnern: Dipsophecia ichneumoniformis, 7-9mm lang. FFlügel mitFransen kommen bei Kleinschmetterlingen häufig vor: Lyonetia clerke/la (Lyonetiidae), 3 mm lang. G Federgeistchen, Pterophoridae: Pterophorus pentadactylus, 12-14 mm lang. Stark aufgegliederte, schneeweiße Flügel. (A nach Brauns 1964, B nach Forster u. Wohlfahrt 1954, C, D nach Brauns 1991 , E-G nach Hannemann 1969)
der einzelnen Arten oder Gruppen. Die Färbung und Zeichnung kann bei Männchen und Weibchen verschieden sein (Geschlechtsdimorphismus). Sie kann bei der Frühjahrs- und Sommergeneration, induziert durch die unterschiedliche Tageslänge, verschieden ausfallen (Saisondimorphismus); am gründlichsten wurde dies beim Landkärtchen Araschnia levana analysiert. Als Melanismus bezeichnet man das Auftreten genetisch bed ingter, dominant vererbter Dunkelfärbung, besonders bekannt beim Birkenspanner Biston betularia, der ursprünglich hell gefärbt ist. In England hat man diese Erscheinung bei fast 70 weiteren Arten festgestellt. Ein domestikationsbedingter Albinismus, bedingt durch das Fehlen dunkler Pigmente,
kommt beim Seidenspinner Bombyx mori vor. Die Beschuppung der Flügel kann reduziert sein und bei den Glasflüglern (Aegeriidae, früher Sesiida e) zu glasklar durchsichtigen Flügelpartien führen (Abb. 25-59 E); zusammen mit den schmalen Flügeln und der Färbung ergibt dies einen Hymenopteren-ähnlichen Habitus. Der orthognathe Kopf der Imago ist mit vielgliedrigen Antennen versehen , die fadenförmig, bisweilen extrem lang (Adeleidae), keulenförmig, einfach oder doppelt gekämmt sind. Geschlechtsdimorphismus kommt häufig vor : Beim Pfauenaugenspinner Telea polyphemus wurden auf einer stark gefiederten Antenne des Männchens 700000 Sinneshaare, auf der Antenne eines Weibchens
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
dagegen nur 14000 Sensillen gezählt. Die Komplexaugen der Nachtfalter sind Superpositionsaugen und vielfach sehr groß , während die der Tagfalter Appositionsaugen sind (s. 11.4). Außerdem sind häufig 2 Ocellen vorhanden (s. 11.4.4). Die Evolution der Schmetterlinge erfolgte sehr wahrscheinlich parallel zu der der Blütenpflanzen, denn als Nahrung dienen den heute lebenden ursprünglichen Arten Pollen und den meisten übrigen Arten vorwiegend Nektar. Die Mundwerkzeuge sind nur bei einigen ursprünglich erscheinenden Formen, den Micropterigidae oder Zeugloptera, noch beißend-kauend und damit zur Verwertung von Blütenpollen geeignet. Bei der Mehrzahl der Arten sind die Mandibeln, einschließlich der zugehörigen Nerven, und die Laden des Labiums weitgehend oder vollständig reduziert. Gut ausgebildet sind aber die Labialpalpen (Abb. 25-28 D). Der Hypopharynx ist nicht mehr erkennbar, weil er eingeebnet und mit dem Cibarium verschmolzen ist. Reduziert sind bei den MaxiIIen Stipes und Lacinien, sehr klein sind die Maxillarpalpen, während die Galeae hypertrophiert und zu dem charakteristischen Saugrüssel umgebildet sind . Bei Amphimoea walkeri wurde mit einer Länge von 28 cm der längste Rüssel festgestellt ; er erreicht bei diesem Schwärmer die vierfache Körperlänge. Die Innenseiten der Galeae sind rinnenförmig. Beide Galeae werden durch einfache, aber wirkungsvolle Verschlusseinrichtungen beiderseits zusammengehalten und ergeben so ein Rohr, durch das die Nahrung eingesaugt werden kann (Abb. 25-58 E). Im Innern jeder Galea verlaufen in Längsrichtung ein oder zwei Septen, an denen bei den meisten Arten Serien von kleinen Muskeln ansetzen, die schräg zur Außen- bzw. Innenwand reichen . Dorso-ventral verlaufende Muskeln fehlen. Außerdem sind in jeder Galea ein Nerv und eine Trachee vorhanden. In der Ruhestellung liegt der Rüssel dicht aufgerollt an der Unterseite des Kopfes, bisweilen in einer Einsenkung. Die Windungen der Rolle werden , außer bei den Sphingiden, durch cuticulare Fortsätze an der Außenwand der Galeae verhakt. Ebenso sind kleine Cuticulahäkchen an der Unterseite des Kopfes vorhanden, die den Rüssel in der Ruhestellung festhalten . Somit sind keinerlei Muskelkontraktionen notwendig, um den Rüssel in dieser Position zu halten. Das Ausrollen des Rüssels erfolgt durch synchrones Einpumpen von Hämolymphe mithilfe der auf jeder Seite vorhandenen Stipites. Die Hämolymphe wird dabei mithilfe bestimmter Muskeln aus dem Kopfbereich angesogen. Ein Zurückströmen wird durch eine als Ventil fungierende Membran an den Stipites verhindert. Das Ausrollen des Rüssels erfolgt in 3-5 Schritten simultan auf ganzer Länge. Ein in funktioneller Hinsicht wichtiger Knickpunkt des Rüs-
sels (Abb. 25-58 F) tritt hierbei in Erscheinung. Er lässt sich auch an betäubtem oder frisch fixiertem Material nachweisen , wenn man den Rüssel mit einer Pinzette zusammendrückt. Bisher ist nicht bekannt, worauf das Abknicken beruht. Muskeln sind daran offensichtlich nicht beteiligt. Der Knickpunkt ermöglicht das Eintauchen des Rüssels in Blüten, auch in tiefere, und er gestattet ein rasches Absuchen vieler benachbarter Kelche ohne ständiges Ein- und Ausrollen des Rüssels. Für das Auf- und Abbewegen des Rüssels ist ein basales Gelenk wichtig. Seitwärtsschwenken wird durch ungleichen Hämolymphdruck in der linken oder rechten Galea ermöglicht. Besonders beweglich ist die mit zahlreichen kurzen chemosensorisehen Haaren versehene Rüsselspitze. Das Einsaugen von Nektar und anderen Flüssigkeiten wird durch starke Pumpeinrichtungen im Bereich des Cibariums und des Pharynx ermöglicht. Das Einrollen des Rüssels beginnt an der Spitze und setzt sich basalwärts fort. Während das Ausrollen durch den Druck der Hämolymphe erfolgt, wird das Einrollen bei nachlassendem HämoIymphdruck bis zu einem gewissen Grade durch die Elastizität der Cuticula der Galea bewirkt, in der auch Resilin vorhanden ist. Für das feste Einrollen vor Erreichen der Ruhelage (s.o.) sind aber zusätzlich noch die Muskeln im Innern der Galeae erforderlich. Eine ganze Reihe von Schmetterlingsarten nimmt als Imago keine Nahrung mehr auf und hat reduzierte Mundwerkzeuge. Im Bereich des Thorax ist die geringe Sklerotisierung des Prothorax und die starke Ausbildung des Mesothorax gegenüber dem Metathorax bei guten Fliegern wie beispielsweise den Sphingidae auffallend. Die Vorderflügel sind im allgemeinen stärker ausgebildet als die HinterflügeI. Die Flügelspannweite ist außerordentlich verschieden ; viele Kleinschmetterlinge erreichen nur 2 mm, die größte Eule Thysania agrippina 320 mm Spannweite. Vorder- und Hinterflügel sind bei den meisten Arten während des Fluges in besonderer Weise miteinander gekoppelt (Abb. 2557 B-D), sodass eine physiologische Zweiflügeligkeit zustande kommt. In der ursprünglicheren Unterordnung Jugatae erfolgt die Kopplung dadurch, dass das am Hinterrand des Vorderflügels vorhandene, mit Haaren versehene Jugum an den Vorderrand des HinterflügeIs ankoppelt. Bei den Männchen der Frenatae greift eine als Frenulum bezeichnete Borste am Vorderrand des Hinterflügels in eine eingerollte Falte des Vorderflügels, das Retinaculum. Das Frenulum der Weibchen ist ein Borstenbündel, das an einer Gruppe von Borsten an der Unterseite des Vorderflügels verankert wird. Viele Frenatae, insbesondere Tagfalter, haben keine Kopplungseinrichtungen .
25.30 Lepidoptera, Schmetterlinge
857
Receptaculum seminis VII I
I.
VIII Darm
I
I
I I
A
I Bursa copulatrix VII
Receptaculum seminis VIII I
Abb. 25-60: Lepidoptera. Schematische Darstellung der Ausmündung der weiblichen Geschlechtsorgane bei A Micropterigidae und B Ditrysia. Der Übersichtlichkeit halber sind die Anhangsdrüsen weggelassen. (Nach Richards und Davies 1977)
B
Bursa copulatrix
Die Ruhestellung der Flügel ist bei den einzelnen Familien verschieden. Bei vielen "Motten" werden die Flügel dachförmig über dem Körper getragen (Abb. 25-59 A). Viele Frenatae können ihre großflächigen Flügel im basalen Gelenk nur wenig drehen und daher nicht dachförmig über dem Körper anordnen. Bei den Tagfaltern werden sie parallel angeordnet aufwärts gestellt, sodass die Flügelunterseite zu sehen ist. Die Spanner (Geometridae) breiten die Flügel schräg nach hinten aus, sodass die Verbergtrachten der Flügeloberseiten besonders zur Geltung kommen . Sie können vielfach Tarntrachten aufweisen. Durch geeignete FlügelsteIlung können auch Warntrachten zur Schau gestellt werden (s. 17.2). Tagfalter können zur Regulation der Körpertemperatur die Flügel zur Sonne hin ausbreiten oder abkehren. Die Hinterflügel oder beide Flügel von Kleinschmetterlingen können an den Hinterrändern mit langen Fransen versehen sein (Abb. 25-59 F). Bei den Federgeistchen der Gattung Pterophorus sind die Vorderflügel zweifach, die Hinterflügel dreifach (Abb.25-59 G) und bei den Federmotten (Alucitidae) sind beide Flügel je sechsfach aufgefächert und mit langen Fransen an den Rändern ausgestattet. Ebenso wie in mehreren anderen Insektengruppen gibt es auch bei den Schmetterlingen alle möglichen Varianten der Flügelreduktion bis hin zur völligen Flügellosigkeit, beispielsweise bei den Weibchen der Frostspanner (Geometridae) (Abb. 25-59 0), der Gattung Orgyia (Lymantriidae) und vieler Sackträgermotten
/
Spermioduct
I
Kopulation söffnung
\
~ Geschlechtsöffnung Vagina
(Psychidae). Die Weibchen von A centropus niveus (Pyralidae) haben entweder normale Flügel oder nur Stummelflügei; die stummelflügeligen Weibchen leben ständig im Süßwasser, beide Varianten kopulieren an der Wasseroberfläche und legen ihre Eier an Wasserpflanzen . Die Schmetterlinge fliegen entweder in Form eines Flatterfluges mit Schlagfrequenzen von 10-15 Flügelschlägenls oder wirkungsvoller in Form des Schwirrfluges mit 40-50 Schlägels, wobei Geschwindigkeiten von 10-20 krn/h erreicht werden. Die besten Flieger sind die Schwärmer (Sphingidae), bei denen Fluggeschwindigkeiten von 50 krn/h gemessen wurden . Wegen ihrer hohen Flügelschlagfrequenz können Schwärmer wie Kolibris vor Blüten schwirren und mit ihrem langen Rüssel Nektar saugen; das bei uns verbreitete Taubenschwänzchen Ma croglossum stellatarum erreicht Flügelschlagfrequenzen von 73-85/s. Manche Schmetterlingsarten sind in der Lage, weite Wanderungen durchzuführen (s. Kap. 9.5.2.3; Abb.9-35). Im Bereich des Prothorax ist am Vorderrand des Pronotums jederseits eine rückwärts gerichtete Auffaltung der Cuticula, das Patagium, vorhanden (Abb. 25-57 A), das wohl als Ersatz für den fehlenden Halsschild fungiert. Die Basis der Vorderflügel wird jeweils von einer weiteren Cuticulafalte, der Tegula, bedeckt (Abb. 25-57 A). Die Sternite sind im Bereich des Thorax durch die Ausdehnung der Coxen verdrängt. Die Beine wirken bei den Schmetterlingen
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
unscheinbar. Sie sind schlank, haben einen 5-gliedrigen Tarsus, zwei Klauen und meistens ein Arolium sowie 2 Pulvillen. Die Vorderbeine sind meistens mit einem Putzsporn versehen oder bei manchen Noctuiden und vielen Tagfaltern zu krallenlosen Putzbeinen umgebildet. Das Nervensystem zeigt innerhalb der Imagines eine deutlichere Tendenz zur Konzentration als bei den Larven. Bei den Imagines können die beiden ersten Abdominalganglien mit dem Ganglion des Metathorax verschmelzen. Die Tendenz zur Verschmelzung der hinteren Abdominalganglien führt dazu , dass nur noch 4 oder 5 abdominale Ganglien erhalten bleiben (Abb. 25-57 A). Organe der Lauterzeugung und Hörorgane in Form von Tympanalorganen werden in Kap. 11.1 behandelt. Die lateralen Längsstämme des Tracheensystems besitzen 2 thorakale und 6-8 abdominale Stigmen. Der Darm beginnt bei den Imagines mit einer leistungsfähigen Cibarial- und Pharynxpumpe und geht dann in einen englumigen Pharynx über. Der umfangreiche Mitteldarm der Pollen fressenden Micropterigidae beginnt bereits im Thoraxbereich. Bei den meisten, flüssige Nahrung aufnehmenden Arten folgt am Beginn des Abdomens auf den langen Pharynx ein sehr umfangreicher Kropf und dann erst ein kleiner Mitteldarmabschnitt, oder es ist ein Kropf als mächtiger Blindsack vorhanden, der in den Mitteldarm mündet (Abb. 25-57 A). Neben Nektar saugen die Schmetterlinge an gärenden Früchten, Baumflüssen, Honigtau, durch Wasser verdünnten Exkrementen und in den Tropen Tränenflüssigkeit von Rindern sowie in Ausnahmefällen Blut. Für das Auffinden der Nahrung ist deren Duft und Farbe von besonderer Bedeutung . Bei der Nahorientierung spielen u. a. die chemosensorischen Haare an den Tarsen eine Rolle. Das Abdomen weist 10 Segmente auf. Beim Weibchen ist das Abdomen vom 7. Segment ab zu einer Legeröhre umgewandelt, während beim Männchen das reduzierte 9. Segment die Harpagonen trägt, zwischen denen der Aedeagus und dorsalwärts die Reste der Endsegmente samt After liegen (Abb. 25-57 A). Die Hoden sind nur bei manchen Gruppen paarig angelegt, doch sind die ausleitenden Vasa deferentia stets paarig. Sie gehen in den unpaaren Ductus ejaculatorius über, in dem die Spermien in eine Spermatophore verpackt werden, die aus den Sekreten von Anhangsdrüsen gebildet wird. Die Spermatophore wird mithilfe des komplizierten Kopulationsapparats in die Bursa copulatrix des Weibehens befördert. Die Ovarien bestehen aus büschelförmigen, polytrophen Ovariolen . Bei ursprünglich erscheinenden Formen wie den Micropterigidae münden Ovi-
dukte, Bursa copulatrix, Receptaculum senums und Enddarm über eine Kloake nach außen (Abb. 25-60 A). Bei den meisten Ditrysia sind dagegen getrennte Öffnungen von Endd arm sowie Geschlechts- oder Eiablageöffnung und Kopulationsöffnung vorhanden (Abb. 25-60 B). Fortpflanzungsverhalten s. 13.9. Nach der Kopulation werden die Spermien in der Bursa copulatrix aus der Spermatophore frei und wandern über den Spermioduct in das Receptaculum seminis (Abb.25-60). Beim Passieren der Öffnung des Receptaculums gelangen Spermien durch die Mikropyle in das Eiplasma . Die Ablage der Eier kann während des Fluges ungezielt erfolgen; meistens werden sie aber sorgsam in Erdspalten gelegt oder mithilfe von Sekreten aus Anhangsdrüsen der Ausführgänge an Pflanzen teile geklebt. Wegen ihrer beträchtlichen Verschiedenheit sind die Eier der Schmetterlinge auch taxonomisch von Bedeutung . Parthenogenese in Form fakultativer Amphitokie (s. 13.4.3) wurde bei manchen Psychiden und bei Orgyia-Arten gefunden. Während der Embryonalentwicklung entsteht ein Langkeim ohne Segmentspro ssungszone. Die Entwicklung ist eine echte Holometabolie. Die Larven sind in erster Linie im Kopfbereich sklerotisiert , sonst aber "weichhä utig" (Abb. 2561). Der Habitus ist außerordentlich mannigfaltig und wird von Form, Farbe, Haaren und Haarbüschein sowie Höckern und Fortsätzen bestimmt (Abb. 25-62). Gift-, Spiegel- oder Brennhaare s. Kap. 21. Die Kopfstellung ist im Allgemeinen orthognath, bei den permanenten Minierern aber prognath (Abb.25-61). Bei manchen Minierern kann der Kopf in den Thoraxbereich zurückgezogen werden. Die Antennen sind extrem kur z. Als Augen dienen wenige Einzelaugen (Stemmata) ; bei minierenden Arten können diese ganz fehlen. Die Mundwerkzeuge der Raupen sind kauend . Die Oberlippe ist beweglich, die Mandibeln sind kräftig und mit Zähnen ausgestattet, während die Maxillen kurz und gedrungen sind. Maxillar- und Labialpalpen sind sehr kurz ausgebildet. Das kegelförmige Labium weist an der Spitze eine aus den verschmolzenen Glossae hervorgegangene röhrenförmige Mündung der paarigen Labialdrüse auf, die als Spinndüsen fungieren (Abb. 25-61 C; s. a. 1.6.3). Diese können bei den Larven des Seidenspinners Bombyx mori (Saturniidae) extrem lang sein und mehrfache Körperl änge erreichen. Der zur Verpuppung gebildete Seidenfaden kann eine Länge von 1-4 km erreichen. Er besteht aus 2 Fäden des kristallinen Prote ins Fibroin, umgeben und zusammengeh alten von dem amorphen Protein Seriein. Aus wirtschaftl ichen Gründen wurde lediglich das Fibroin dieser Seide und der Tussahseide der Larven von Antheraea pernyi gründlich hinsichtlich seiner Aminosäurezusam-
25.30 Lepidoptera, Schmetterlinge
Gehirn
Aorta I
Mitleidarm
/
859
Herz
Malpighisches Gefäß
I
I
A
I
Nachschieber Prätarsus
Tibia
B Klammerfuß
Mandibel Antenne
o
Seidenspinndüse des Labiums
Labium Maxillartaster
Kranzfuß
E
Abb. 25-61: Lepidoptera. A Bau einer Schmetterlingsraupe. Troch.-Femur: Verschmelzungsprodukt der beiden Beinglieder Trochanter und Femur. BAfterfüße: Ausstattung der beiden häufigsten Typen mit Krallen und lateralen Borsten. C Mundwerkzeuge von ventral. D Orthognathe KopfsteIlung bei Raupen, die Blätter von der Kante oder Fläche her fressen. E Prognathe KopfsteIlung und Rückverlagerung des Kopfes in den Prothoraxbereich bei einer minierenden Raupe. (A, B, D, Enach Weber u.Weidner 1974, C nach Berland 1951)
mensetzung, molekularen Struktur und mechanischen Eigenschaften untersucht. 86% des Fibroins von Bombyx besteht aus den Aminosäuren Glycin, Alanin und Serin, wobei das Verhältnis 2:1:1 ist. Die Röntgenbeugung zeigte, dass die Proteinketten antip arallel verlaufen und Faltblattstruktur haben . Seidenfäden werden von vielen anderen Schmetterlingslarven zu unter schiedlichen Zwecken gebildet: als Gespinst zum Schutz zahlreicher Larven vor Feinden (u. a. Gespinstmotten, Yponomeutidae; Prozessionsspinner, Thaumetopoeidae; Wickler, Tortricidae) oder einzelner Larven (u. a. Sackträgerrnotten , Coleophoridae, Psychidae; echte Motten, Tineidae), zum Abseilen von Larven vor der Verpuppung (u. a. Wickler, Tortricidae), zur Herstellung eines Verpuppungsgespinstes und zur Befestigung der Puppe (Abb. 25-64). Die Thorakalbeine sind unvollständig gegliedert und mit einfacher Klaue versehen (Abb. 25-61 A). Aus Anlagen von abdominalen Extremit äten werden After- oder Bauchfüße entwickelt. Diese Afterfüße können höchstens am 3.-6. Abdominalsegment vorkommen (Abb. 25-61 A). Sie sind bei den Hepialiden und Kleinschmetterlingen als Kranz-
füße ausgebildet, bei denen an der Sohle ein vollständiger Kranz unechter Haare in Form kleiner Krallen vorhanden ist, mit denen sich die Larve am Substrat festhalten kann. Die übrigen Schmetterlinge haben Bauchfüße in Form sog. Klammerfüße mit lateralen Borsten, die zum Umgreifen von Pflanzenteilen geeignet sind (Abb. 25-62 B). Vielfach ist die Zahl der Afterfüße reduziert. Dies ist besonders bei den Geometridae der Fall, die nur 2 Paare am Hinterende aufweisen, mit denen ein "spannerartiges" Kriechen möglich ist (s. 8.1). Am 10. Segment ist ein Paar Nachschieber (Pygopodien) vorhanden (Abb. 25-61 A). Viele minierende Arten haben die Thorakal- und Afterfüße weitgehend oder vollständig rückgebildet . Beim Bauchmark besteht, ebenso wie in anderen Ornungen, eine Tendenz zur Verschmelzung der hinteren abdominalen Ganglien . Der Darm ist ein gerades Rohr. Der ausgedehnte Ösophagus ist mit einer komplexen Muskulatur versehen (Abb. 4-4). Proventriculus und Kropf sind nicht vorhanden. Der Mitteldarm ist ein voluminöses Rohr. Jederseits münden drei Malpighische Gefäße über einen gemeinsamen Gang in den Darm.
860
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb. 25-62: Lepidoptera: Larvenformen. A Die larve von Danaus chrysippus (Danaidae) besitzt eine glatte Cuticula . B Der Körper der larve des Gabelschwanzes Cerura (Dicranura) vinula (Notodontidae) endet in einer auffallenden eingekrümmten Gabel. C 1. und D 3. Stadium vom Nagelfleck Aglia tau (Saturniidae) sehen ganz verschieden aus. E Der Schlehenspinner Orgyia antiqua (lymantriidae) weist lange. unterschiedliche und in Gruppen angeordnete Haare auf. (A-E nach Gerassimow 1952)
Der Hinterdarm ist relativ kurz . Das Tracheensystem weist laterale Längsstämme auf. Das I . thorakale Stigma entstammt dem 2. Thoraxsegment, das Stigma des 3. Segments ist geschlossen. Am Abdomen sind 6-8 Stigmen vorhanden. Da s Herz erstreckt sich fast durch das gesamte Abdomen (Abb. 25-61 A). Viele Larven fressen im Schutze von Gespinsten und Gespinströhren , im Innern von Pflanzenteilen, wie Blättern , Stengeln, Früchten oder in Harzgallen (Abb. 25-63 A, F-H). Die Larven der Prozessionsspinner (Thaumetopoeidae) leben in Form einer Wohn- und Fressgemeinschaft zu Hunderten in Gespinstnestern, die 20 cm Durch-
messer erreichen können . Bei den Kiefern- und Eichenprozessionsspinnern wandern diese Gruppen gemeinsam vom Nest zum Fressplatz, bei den Pinien- und Kiefernprozessionsspinnern vom Nest zum Verpuppungsort im Boden. Dabei kann die Marschordnung ein- oder mehrreihig sein, mit 20-30 Larven nebeneinander und einer Gesamtlänge des Zuges bis zu 10 m. Ein Leittier übernimmt die Führung und alle anderen Raupen folgen einander entlang dem von jedem Tier gesponnenen Faden. Manche Lycaenidae und Tineidae leben in Ameisennestern. Nahrungsspezialisten sind die Larven der Wachsmotten Galleria mellonella und Achroia grisella sowie die Klei-
25.30 Lepidoptera, Schmetterlinge
861
". .
F
Abb. 25-63: Lepidoptera: Larven, die verborgen und geschützt ihre Nahrung aufnehmen. A Die Apfelblattminiermotte Lyonetia clerkella befällt Blätter von Obstbäumen und Rosengewächsen. B-E Larven der Psychidae (Sackträger) und Coleophoridae (Sackträgermotten) leben in einem selbstgesponnenen Sack, den sie mit Pflanzenteilen oder Schmutz tarnen: B Männliche und weibliche Larve von Canephora unicolo; C Solenobia triquetrella, D Cochliotheca crenulella, E die Lärchenminiermotte Coleophora laricella überwintert und frisst im Schutze des Raupensäckchens am Trieb; Raupensäckchen und daraus isolierte Larve. F Die Larve des Maiszünslers Ostrinia nubilalis frisst im Innern des Maiskolbens sowie imStiel und gibt Kot über das Bohrloch ab. G Die Larve des Kiefernharzgallenwicklers Evetria resinella verursacht besonders in jüngeren Kiefernbeständen an 1-3jährigen Sprossachsen die Bildung knollenförmiger Harzklumpen und lebt HimInneren in einemGangsystem. (A nach Heri ng 1953, Bnach Hannemann 1969, C nach Jacobs und Renner 1988, Dnach Hofmann 1894, E nach Brauns 1991 , F nach Sorauer 1949, G, Hnach Ross 1932)
derm otte Tineola bisselliella und eiruge weitere Tineidae. Giftproduktion (s. 4.1 u. 17). Eine Kuri osität sind die sog. Springbohnen . Am bekan ntesten sind die in Fruc htkapseln mexikanischer Wolfsmilchgewächse der Ga tt ung Seba stiana sich entwickelnden Rau pen von Carpocapsa saltitrans (Tortricidae, Wickler). Die Rau pen tapezieren das Inn ere der leergefressenen Fruchtka psel mit Spinnsekret. Bewegen sich die Rau pen, so rollt die Frucht umher; halte n sie sich am Gespinst mit dem Hinterende fest und schlagen mit dem Kopf gegen die Wand ung, so verursachen sie das ziellose Umherspringen der Fruc ht. Springbohnen könn en auch von anderen Pflanzenarten stammen und mit Larven anderer Tor tricidae ebenso wie mit Larven von Pyralidae und Curc ulionidae besetzt sein. Die Zahl der Häutungen ist nicht immer festgelegt; vielfach erfolgt die Verpuppung nach dem 4. Larvens tadium. Vor der Verpuppung wird ein ge-
eignetes Substrat aufgesucht und der Darm entleert. Die Puppe ist nur bei ursprünglichen Formen eine Pupa dectica , sonst eine Pupa obtecta (M umienp uppe) , bei der die Scheiden der Extremitäten durch erhärtete Hä utu ngsflüssigkeit an den Körper geklebt sind . Bei vielen Ar ten wird vom letzten La rvenstad ium ein mehr oder weniger umfangreiches Gespinst erzeugt, in dessen Schutz die Verpuppung erfo lgt. Larven von Tagfaltern (u. a. Nymphalidae, viele Satyridae) legen auf einer geeigneten Unterlage ein kleines Gespi nst an, verankern sich darin mit Häkchen des Nachschiebers (Cremaster) und hängen nach dem Verpuppen als Stürzpuppe (Pupa suspensa) kopfüber. Die verpuppungsreifen La rven anderer Tagfalter (u. a. Papilionidae, Pieridae, teilw. Lycaenidae) produzieren ebenfa lls ein Gespinst au f dem Substrat, veran kern da rin den Cremaster, befestigen den Körper mit Spinnfäden an Pflan zenteilen und ver-
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
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puppen sich dann zu einer aufrechten Gürtelpuppe (Pupa cingulata). Während der Puppenruhe sammeln sich im Enddarm weiße Exkrete in einer gelblichen Flüssigkeit als sog. Mekonium an. Es wird nach dem Schlüpfen der Imago abgegeben. Die Überwinterung kann im Ei-, Larven-, Puppen- oder Imaginalstadium stattfinden. KäIteresistenz wird durch Verringerung des Wassergehalts und Gefrierpunktserniedrigung durch Erhöhung der Menge niedermolekularer Stoffe in der Hämolymphe erreicht. Ob hierfür die leicht zu ermittelnden Verbindungen Glycerin und Trehalose allein ausreichen, scheint noch fraglich . Wanderungen der Imagines können der Erweiterung des Lebensraumes oder zum Aufsuchen von Überwinterungsgebieten dienen (s. Kap. 23). Eine Diapause ermöglicht das Überdauern ungünstiger Lebensverhältnisse und Ernährungsbedingungen. Sie wird in erster Linie durch die Photoperiode induziert und durch das Hormonsystem reguliert. Eine Diapause kann mehrere Vegetationsperioden andauern. Viele Arten sind Schädlinge an Nutzpflanzen aller Art , manche tendieren zu Massenverrnehrun-
Abb. 25-64: Lepidoptera: Puppenformen. ADer Windenschwärmer Herse convo/vuli (Sphingidae) besitzt eine Mumienpuppe (Pupa obteeta). B Die Larve des Stachelbeerspanners Abraxas grossu/ariata (Geometridae) verpuppt sich in einem lockeren Gespinst aufder Futterpflanze. C Umwandlung der Larve des Kleinen Fuchses Ag/ais urticae (Nymphalidae) zu einer kopfabwärts an einem Zweig hängenden Stürzpuppe. D Die Puppe des Schwalbenschwanzes Papilio machaon (Papilionidae) ist eine Gürtelpuppe; sie wird durch Sicherungsfäden um den Vorderkörper und durch den am Hinterende vorhandenen Cremaster an einem Zweig gehalten. E Der Kokon des Blutströpfchens Zygaena filipendu/ae besteht aus zwei Gespinstlagen, zwischen denen eine Schicht Calciumoxalat, als Whevellit kristallisiert, vorhanden ist. F Die Mumienpuppe des Kleinen Nachtpfauenauges Eudia pevonia (Saturniidae) ist von einem flaschenförmigen, aus Gespinst bestehenden Kokon mit Reusenverschluss umgeben. G Die Larven der Schlangenminiermotte Lyonetia c1erkel/a (Lyonetiidae) fertigen zur Verpuppung an der Unterseite von Kirschblättern eine an Fäden aufgehängte kleine, weiße Gespinströhre an. (A, D-F nach Lampert 1907, B nach Lengerken 1954, ( nach Berland 1951, G nach Sorauer 1949)
gen. Einige Arten leben in unseren Wohnungen und Vorratslagern und fressen von Vorräten sowie an Kleidung tierischer Herkunft.
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25.31 Mecoptera, Skorpionsfliegen Etwa 500 Arten sind bisher beschri eben , die auf 32 Gattungen und 9 Familien verteilt werden. 9 Arten au s 3 Gattungen und 3 Fa milien sind in Mitteleuropa na chgewiesen . Bereits im Unteren Perm
863
trat en Mecoptera als Holom etabola erstma ls in Er scheinung. Aus dem Me sozoikum kennt man 348 Arten , die in 87 G attungen und 34 Famili en zusam mengefasst werden. Die heute relativ artenarme Gruppe kleiner bis mittelgroß er Insekt en wurde in neuerer Zeit besonders im Hinblick auf die Verwandtschaftsverhältnisse zu den Lepidoptera , Diptera und Siphonaptera untersucht. Dabei stehen 3 Fa milien im Vordergrund: Pan orpidae, Boreidae und Bitt acidae. Pan orpidae kommen vorwiegend in der nördlichen Hemisphäre, Boreidae gleichermaßen in der Palaearktis und Nearktis und Bittacidae in der Neotropi s vor. Ch arakteristisch für Mecoptera ist die Verlängerung des orthognathen Kopfes zu einem Rostrum , Schnabel oder Rüssel (Abb. 25-65 A). Clypeus , Subgenae, Mentum und Stipites werd en beträchtlich verlängert. Die kauenden Mundwerkzeuge sind an dieser Verlängerung nicht beteiligt, sondern befinden sich am End e des Rostrums. D ie M andibeln sind bei den phytophagen Boreid ae kurz und kräft ig. Die räuberisch lebend en Bitt acidae besitzen spitze, lan ge und eina nder übergreifende Mandibeln , während die der saprophagen Pan orpidae intermediär zwischen diesen Extremen ausgebildet sind. Di e Antennen sind lan g und mit 20- 60 Gl iedern versehen; sie sind im Schema (Abb. 25-65) verkürzt da rgestellt. Die eukonen Komplexaugen sind gro ß. Außerdem sind vielfac h 3 Ocellen vorha nden . Im Bereich des Thorax ist der Prothorax schwächer ausgebildet als die beiden , mit mä chtigen Episternalia versehenen Teile des Pterothorax. Die Flügel sind annähern d gleich groß und können im Fluge miteinander gekoppelt werden; da s Analfeld ist nicht faltbar. Bei den Bitt acidae und den Weibchen mancher Panorpidae können die Flügel mehr oder weniger weitgehend reduziert sein. Die Flügel der weiblichen Boreidae sind nur unscheinbare, skleroti siert e Läppchen, während die der Männchen zu schlanken, sklerotisierten Haken umg ebildet sind, mit denen das bei der Kopulation oben sitzende Weibchen seitlich festgehalten wird. Die Beine sind bei den Panorpidae und Boreidae schlanke Schreitbeine mit 5-gliedrigem Tar sus, 2 Kr allen und Arolium. Boreiden können springen. Die Beine der Bittacidae sind lan gglied rige Raubbeine mit einer langen Kl aue , verlängerten tibialen Spornen und der Fäh igkeit des letzten Tarsom ers, gegen das vorletzte zu klappen (Abb. 25-66 D). Sie sind nicht nur zum Ergreifen der Beut e, sondern auch beim Lauern sowie beim Klett ern an Halmen und Zweigen von Nutzen. Di e Beute wird mit den Hint erbeinen gefangen und dann mit den Mittelbeinen zu den Mundwerk zeugen befördert. Das Nervensystem weist bei den Imagine s Verschmelzungen der 3 letzten G an glien auf. Das Tracheensystem besitzt 9-10 Stigmenpaare.
864
25 Übersicht über dieVielfalt der Insekten
-",;;;;;.oiiiiiO;;~- Sternum 9
,
B
Stigma 6 Rectum I
,
Cerci
C1ypeus
A Palpus _ maxillaris Mandibel Labialdrüse
I
Malpighisches Stigma 8 Gefäß
Antenne
c
After
Abb. 25-65: Mecoptera. Schematische Darstellung A des Baus eines Weibchens, B des Hinterendes eines Männchens und Ceiner Larve derGattung Panorpa. InA ist derKopf übertrieben groß, sind dieAntennen verkürzt, die Flügel zu klein und von den inneren Organen nur der Darmkanal dargestellt. (Nach Weber 1954)
Der Darm ist im vorderen Bereich mit starken Saugpumpen in Form der Cibarial- und Pharynxpumpe ausgestattet (Abb. 4-2), mit deren Hilfe die Nahrung eingesogen wird. Der Provcntriculus ist mit langen Acanthae versehen und dient als Filtereinrichtung (Abb. 25-65 und 25-66 A). Acanthae sind sockellose Haare, die in Einzahl über je einer Epithelzelle ausgebildet sind. Der Mitteldarm ist ein gerades, aufgetriebenes Rohr. 6 Malpighische Gefäße und ebenso viele Rektalpolster sind vorhanden. Die Labialdrüsen sind bei den Weibchen dürftig entwickelt, bei den Männchen der Panorpidae dagegen bis zu 12 mm lang . Diese beachtliche Länge hängt mit der Produktion eines Sekretballens zusammen, der dem Weibchen vor der Kopulation übergeben und von diesem während der Kopulation gefressen wird. Die Nahrung der Mecoptera ist vielseitig. Pan-
orpa frisst fast ausschließlich weichhäutige tote Arthropoden, und zwar zu mehr als 50 % Dipteren und stiehlt auch Beute aus den Netzen von Spinnen. Bittacidae fangen Insekten im Fluge oder während sie an Zweigen hängen (Abb. 25-66). Manche Arten leben nachtaktiv in den Kronen von Bäumen. Die Boreid ae fressen Moose. Boreus-Arten sind aufgrund des Vorhandenseins noch nicht näher charakterisierter Kälteschutzmittel in der Hämolymphe in der Lage, Unterkühlung zu ertragen und noch bei -6°C aktiv zu sein. Die Imagines schlüpfen erst im Spätherbst a us der Puppe und leben bis zum Frühjahr an windgeschützten, sonnenbeschienenen Waldr ändem, bei Tauwetter auch a uf dem Schnee. Das Abdomen der männlichen Mecoptera ist in den Segmenten V-VIII zunehmend verjüngt und aufwärts gebogen . Das IX . Segment ist bei Pan-
25.31 Mecoptera, Skorpionsfliegen Abb. 25-66: Mecoptera.ADer Proventriculus von Panorpa communis dient mit seinen zahlreichen Acanthae (Ac) als Reusenapparat. MD Mitteldarm, Oes Oesophagus. B Boreus westwoodi, Weibchen des Winterhafts. C Der Mückenhaft Bittacus sp. hat stark verlängerte Beinglieder. Die Beute wird mit den Hinterbeinen ergriffen, D wobei das letzte Glied der Tarsen gegen das vorletzte eingeschlagen werden kann. EBei der Kopulation von Bittacus tipularius verzehren beide Partner die vom Männchen beschaffte Hochzeitsgabe. FEier von Bittacus punetiger nach der Ablage und vor dem Schlüpfen . G Larve von Panorpa communis mithilfe der ausgestülpten Haftlappen am Boden festgeheftet und aufgerichtet. H Larve von Bittacus sp. (A nach Grell 1938, B nach Bürgis 1986, C, D nach Jacobs u. Renner 1988, Enach Eidmann 1941, Fnach Setty 1940, G, H nach Berland 1951)
865
A
B
orpidae und Boreidae stark aufgetrieben und fällt bei Panorpa durch seine rotbraune Sklerotisierung sofort auf. Die Haltung des Hinterendes und das Aussehen dieses Kopulationsorgans haben bei der Gattung Panorpa zu dem Namen Skorpionsfliege geführt. Zwischen mächtigen Coxopoditen und zangenförmigen Harpagonen befinden sich der Analkegel, flankiert von kleinen Cerci, und die Geschlechtsötfnung; ein Penis fehlt. Außerdem ist im Kopulationsapparat von Panorpa eine Pheromondrüse vorhanden, deren Sekrete Weibchen anlocken. Von den Hoden gelangen die Spermien über die Vasa deferentia zum unpaaren Ductus ejaculatorius und einem komplexen, mit Anhangsdrüsen versehenen Ausleitungsapparat. Die Vasa deferentia können mit Auftreibungen versehen sein, die als Vesiculae seminales fungieren. Eine Samenpumpe, die bei phylogenetischen Spekulationen über die Verwandtschaftsbeziehungen der Mecoptera eine beträchtliche Rolle spielt, fehlt bei zwei Familien. Beim Weibchen ist das Abdomen zu einer Legeröhre verjüngt (Abb.25-65 A). Der Endabschnitt mit Analkegel und einem Paar mit Sinneshaaren besetzter Cerci besteht aus den miteinander verschmolzenen Segmenten 10 und 11. Im Innern des 9. Segments befindet sich eine Genitalkammer, in die neben der Vagina folgende unpaare Gebilde münden: Receptaculum seminis, Bursa copulatrix und eine Anhangsdrüse. Die Ovarien bestehen bei den Panorpidae aus 8 polytrophen , bei Boreus aus panoistischen Ovariolen . Vom Männchen abgegebene artspezifische Pheromone, die bei Panorpa eine Reichweite von 8 m, bei Bittacidae sogar von 15 m haben, fördern die Kopulationsbereitschaft des Weibchens. Panorpa
E
F
präsentiert dem Weibchen eine Sekretmasse und ein Beutetier; beim Kopulationsverhalten dieser Gattung gibt es mehrere Varianten . BittacusMännchen präsentieren dem Weibchen lediglich Beute. Manche Arten kopulieren nur tagsüber, andere nachts. Bei Boreus wird eine Spermatophore übertragen. Die Eier sind bei den meisten Familien eiförmig, bei den Bittacidae aber vierkantig (Abb.25-66) . Sie nehmen während der Embryonalentwicklung beträchtlich an Größe zu: bei Panorpa nuptialis wurden 38 %, bei Boreus hiemalis 48% und bei Harpobittacus tillyardi sogar 100% Größenzunahme gemessen. Teils werden die Eier einzeln, wie bei den Boreidae, meistens aber in Gruppen in den Boden abgelegt. Die Larven sind recht unterschiedlich gebaut (Abb. 25-65 Bund 25-66 G, H). Die der Panorpidae, Bittacidae und der in Australien vorkommenden Choristidae sind eruciforme Larven mit sklerotisierter Kopfkapsel und sklerotisiertem Pronotum, wenig gegliederten Beinen mit nur einer Kralle, und mit Beinstummeln an den ersten 8 Abdominalsegmenten. Thorax und Abdomen sind mit borstentragenden Platten versehen: auf den Terga der Segmente VIII und IX befinden sich jeweils ein Paar Ausstülpungen, auf dem X. Segment eine einzelne starke, innen hohle, borstenförmige Ausstülpung (Abb. 25-65 B). Beim I. Larvenstadium kommen diese Gebilde auf allen Abdominalsegmenten vor. Bei den Larven der Bittacidae sind dorsale, dreigeteilte Auswüchse auf dem Meso- und Metanoturn sowie den Abdominalsegmenten I-IX vorhanden. Die Larven der Boreidae ähneln dem scarabaeiformen Typ, haben ein
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
dickes, kurzes, ventrad gebogenes Abdomen ohne Stummelbeine und plumpe Thorakalbeine mit einem röhrenförmigen Anhang. Die Antennen der Larven sind kurz . Die lateral am Kopf vorhandenen Augen sind bei Panorpa keine Stemmata, sondern Komplexaugen mit 30 oder mehr Ommatidien. Bei den untersuchten Bittacidae wurden 7, bei den Boreidae meist nur 3 Ommatidien festgestellt. Die Larven mancher Arten sind augenlos. Der Darm besitzt keinen Proventriculus und hat 6 Malpighische Gefäße, Die Labialdrüsen sind verzweigt. Die Larven der Panorpidae und Bittacidae können aus dem After 4 mit Häkchen versehene Haft- oder Anallappen ausstülpen, mit diesen können sie sich am Boden festheften und sich bei Beunruhigung aufrichten. Die Entwicklung der Larven geht schnell vonstatten. Panorpa communis benötigt im Labor bei 2ü-23°C nur 12-16 Tage, im Freiland wohl einen Monat. Anschließend bauen sie im 4. Larvenstadium eine Höhle im Boden und diapausieren darin als Präpupa während eines verschieden langen Zeitraums. Arten der Gattung Panorpa, die 2 Generationen im Jahr durchlaufen, haben eine sommerliche Diapause von einem Monat und eine winterliche von 6--7 Monaten. Anschließend erfolgt die Verpuppung in der gleichen Höhle. Sie ist bei Bittacus etwas offen, bei Panorpa aber mit einem Deckel verschlossen. Die Puppe ist eine Pupa exarata, die bei Reizung Abdomen, Mandibeln und bis zu einem gewissen Grade auch Beine und Flügel etwas bewegen kann .
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25.32 Siphonaptera (Aphaniptera), Flöhe Die Flöhe sind eine artenarme, recht gleichartig gebaute und damit gut charakterisierbare Gruppe, deren phylogenetische Herkunft umstritten ist. Bisher wurden 1550 Arten beschrieben, die auf 16 Familien verteilt werden, einheimisch sind mindestens 70 Arten. Bei der größten Art, dem Maulwurfsfloh Hystrichopsylla talpae, erreichen die Weibchen eine Länge von 6 mm. Die Imagines leben als Blutsauger ektoparasitisch auf Vögeln und vor allem auf Säugetieren und haben sich stammesgeschichtlich offensichtlich parallel zu ihren Wirtsgruppen entwickelt. Familien: Hystrichopsyllidae, Ctenophthalmidae, Ceratophyllidae, Ischnopsyllidae, Rhopalopsyllidae, Vermipsyllidae, Pulicidae (Pulex, Xenopsylla, Spilopsyllus), Tungidae . Der Körper der Imagines ist seitlich abgeplattet. Die Cuticula ist derb, stark sklerotisiert und dementsprechend gelblich bis schwarz gefärbt. Die großen , plattenförmigen Sklerite übergreifen einander wie Schuppen. Die Borsten und ebenso die bei den meisten Arten vorkommenden charakteristischen, stark sklerotisierten, dicken und unbeweglichen, meistens gruppenweise angeordneten Fortsätze der Cuticula, die Kämme oder Ctenidien, sind nach hinten gerichtet. Die einzelnen Körperabschnitte sind nicht gegeneinander abgesetzt. Der Kopf (Abb. 20-11) weist keine Ocellen auf. Bisweilen ist ein einlinsiges Auge mit etwa 60-70 Sehzellen unmittelbar vor der Basis der Antennen ausgebildet. Die sehr gedrungenen Antennen können abgespreizt werden. In der Ruhe liegen sie in seitlich am Kopf vorhandenen Gruben. Bei manchen Arten sind die Gruben beider Seiten durch eine Furche miteinander verbunden. Scapus und Pedicellus sind kurz , das Flagellum besteht aus kurzen Gliedern, die mit einer großen Zahl von Sinneshaaren besetzt sind. Die Mundwerkzeuge sind in der Ruhe schräg nach hinten gerichtet. Vor dem Einstich werden sie senkrecht nach unten gestellt. Beim Saugen vollführt der Floh regelrecht einen Kopfstand (s. Kap. 20, Abb. 20-11 E). Das Labrum ist kurz, die Mandibeln sind reduziert. Auffallend ist das blattförmige, distal zugespitzte Grundglied der Maxillen, an dem basal die viergliedrigen Palpen inserieren . Als Stechborsten fungieren die dünnen, paarigen Lacinien der MaxilIen
25.32 Siphonaptera (Aphaniptera), Flöhe
Labial-
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867
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IX
Vagina
labia lis
c Abb. 25-67: Siphonaptera: A Männchen. B Querschnitt durch den Rüssel, CWeibchen. Pli Palpus labialis. (Nach Weber 1954)
und der unpaare Epipharynx. Im Innern jeder Lacinie ist ein Speichelrohr vorhanden. Die Lacinien bilden die hintere Begrenzung des Nahrungsrohrs; dessen vorderen Teil liefert der rinnenförmige Epipharynx. Die viergliedrigen Labialpalpen sind lang und an der Innenseite rinnenförmig. Bei den Echidnophaginae sind sie ein- bis zweigliedrig. Die Labialpalpen bilden die Hülle und Führung für das Stechborstenb ündel, aber sie dringen ebenso wie bei den Stechmücken und Wanzen nicht in die Stichwunde ein. Die distal gezähnten Stechborsten werden beim Einstich alternierend durch im Kopf befindliche Pro- und Retraktoren bewegt. Das Blut wird nach dem Einstich durch das Nahrungsrohr mithilfe der Cibarial- und der Pharynxpumpe in den Darm befördert (s. Abb. 4-2).
Der Kopf geht ohne Absatz in den Thorax über, der sekundär flügellos ist. Während die Terga im Bereich des Thorax ann ähernd gleich groß sind,
nimmt die Größe der Coxae und Femora von vorn nach hinten zu. Das beachtliche Sprungvermögen ist vorwiegend auf die Konstruktion des Metathorax und der Hinterbeine und in etwas geringerem Maße der Mittelbeine zurückzuführen (s. 9.8). Die Tarsen sind mit Krallen , nicht aber mit Hafteinrichtungen versehen. Das Abdomenist nicht vom Thorax abgesetzt. 8 Segmente sind deutlich erkennbar, die weiteren reduziert und umgebildet (Abb. 25-67 A). Dorsal weist das 10. Segment eine dicht mit langen Trichobothrien besetzte Pygidialplatte auf; die Trichobothrien dürften der Wahrnehmung von Luftströmungen im Zusammenhang mit der Wirtsfindung dienen. Bei den Weibchen sind unmittelbar hinter der Pygidialplatte und nahe der schlitzförmigen Afteröffnung paarige Anhänge vorhanden, die als Cerci gedeutet werden; sie fehlen bei den Männchen. Die weibliche Geschlechtsöffnung befindet sich am Hinterrand des reduzierten 9.
868
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Sternits (Abb. 25-67 A). Die beiden Ovarien bestehen aus 4--8 polytrophen, kammförmig angeordneten Ovariolen . In den üblicherweise mazerierten Dauerpräparaten sieht man ohne weiteres die sklerotisierten, charakteristisch geformten und damit taxonomisch nutzbaren Receptacula semini. Der männliche Kopulationsapparat ist ungewöhnlich groß und sehr kompliziert gebaut. Er wird in der Ruhe ins Köperinnere verlagert und bei der Kopulation ausgestülpt. Wegen seiner sehr unterschiedlichen Bauweise wird er für taxonomische Zwecke verwertet. Die Hoden sind birnförmig und unifollikulär. Das Nervensystem zeigt eine Tendenz zur Verschmelzung der hinteren abdominalen Ganglien und zu einer Konzentration in der vorderen K örperhälfte, wie sie uns auch bei anderen Ordnungen begegnet. Der Proventriculus ist mit langen Acanthae (s. 1.4) ausgestattet. Der gerade, etwas aufgetriebene Mitteldarm dient als Vorratsdarm. Nach der Eiablage saugen die Weibchen im Nest des Wirtes excessiv dessen Blut und durchspülen den Darm regelrecht mit Blut. Das über den After abgegebene, in Form kleiner Stränge trocknende Blut ist die wichtigste Nahrungsquelle für die heranwachsenden Larven (s. 20.3.5). Flöhe besitzen 4 Malpighische Gefäße und am Rektum 6 Rektalpapillen. Die Labialdrüsen der Imagines sind zweilappig und wesentlich kleiner als die der Larven . Das Herz liegt fast am Körperende und ist mit nur 2 Paar Ostien und 2 Paar Flügelmuskeln versehen. Das Tracheensystem weist dorsale und laterale Längsstämme auf, die sich über 2 thorakale sowie 8 abdominale Stigmen nach außen öffnen. In der Literatur gibt es bereits eine ganze Reihe von Hinweisen, dass eine Steuerung des Fortptlanzungszyklus der Flöhe durch das Hormonsystem ihrer Wirte zustande kommt . Gründlicher ist dies allerdings nur bei einer Art, dem Kaninchenfloh Spilopsyllus cuniculi untersucht. Die Tiere saugen in Gruppen von 10-150 Individuen vorwiegend an den Ohren von Böcken und Weibchen ihres Wirtes, ohne sich zu paaren. Etwa 10 Tage vor der Geburt der Jungen steigt der Corticoidspiegel im Blute des Kaninchenweibchens. Dadurch wird bei den Flohweibchen die Einlagerung von Dotter in die Oocyten und außerdem starkes Blutsaugen und dadurch bedingt eine verstärkte Kotabgabe induziert. Unmittelbar vor und nach der Geburt verlassen die Flöhe das Wirtstier. Die neugeborenen Kaninchen scheiden mit dem Harn einen als Kairomon wirkenden Duftstoff aus, der die Kopulation der Flöhe induziert. Anschließend werden die Eier in das Nest der Wirtstiere abgegeben. Die schlüpfenden Larven ernähren sich von den getrockneten, strangförmigen Blutresten, die nach dem Blutsaugen von den Flöhen abgegeben wurden (s. 20.3.5) . 10-20 Tage nach der Geburt sinkt
der Corticoidspiegel im Blut der Nestlinge und die erwachsenen Flöhe wandern wieder auf die Muttertiere. Der Hühnerfloh Ceratophyllus gallinae kommt hierzulande bei etwa 30 Vogelarten vor. Wirt und Floh brüten im Frühjahr. Sekundär ging der Hühnerfloh auch auf die aus Südostasien eingeführten Haushühner über, die während des ganzen Jahres eine ergiebige Nahrungsquelle liefern. Dennoch ist bei dieser Flohart, wenn sie in Hühnerställen auftritt, die Fortpflanzungstätigkeit, ebenso wie beim Befall einheimischer Vogelarten, auf das Frühjahr beschränkt. Diese Art ist, ebenso wie andere Vogelfl öhe, ein ausgesprochener Nestbewohner, der den Wirt nur gelegentlich zum Blutsaugen aufsucht und im übrigen als Transportmittel nutzt. Die Larven der Flöhe sind nur durch ein Paar am Körperende vorhandener Nachschieber (Abb. 25-68 A) von den eucephalen Dipterenlarven zu unterscheiden . Flohlarven sehen weißlich aus, sind beinlos und blind. Sie haben eine vom langgestreckten, mit langen Borsten besetzten Rumpf abgesetzte sklerotisierte Kopfkapsel, unscheinbare Antennen und kauende Mundwerkzeuge. Der Darm besitzt im Gegensatz zu den Imagines keinen ausgeprägten Proventriculus. Der Mitteldarm ist ein gerades Rohr. 4 Malpighische Gefäße münden in den Pylorus. Das Rektum besteht aus zwei Gruppen unterschiedlich großer Zellen. Die Labialdrüsen sind auffallend groß . Vor der Verpuppung gibt die Larve den gesamten Darminhalt ab, krümmt sich ein und spinnt mit dem Sekret der Labialdrüsen einen Kokon. Dieser ist durch Schmutzpartikel getarnt (s. 20.3.5). Die Puppe ist eine Pupa exarata libera. Bei den Puppen zahlreicher Arten der Ceratophylloidea, nicht aber der Pulicidae, sind mesothorakale Anhänge vorhanden (Abb. 25-68 B). Histologische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Anhänge keine Flügelanlagen sind. Sie werden im weiteren Verlauf der Entwicklung zu Mesepimera. Am Prothorax sind derartige Anhänge generell nicht vorhanden. Am Metathorax entsteht eine nur histologisch, nicht aber äußerlich nachweisbare Falte, die während der weiteren Puppenentwicklung wieder verschwindet. Bei der Vorpuppe des Pestflohs, Xenopsylla cheopis, konnte histologisch im Meso- und Metathoraxjederseits eine äußerlich unter der Cuticula verborgene Faltenbildung der Epidermis nachgewiesen werden, die ebenso wie die im Metathorax der Ceratophalloidea im Verlauf der Puppenentwicklung wieder verschwindet. Im Bereich des Notums wurden keinerlei Flügelanlagen gefunden . Sehr bemerkenswert ist die sog. Kokonruhe der Flöhe, bei welcher der Floh nach dem Schlüpfen aus der Puppenhülle noch im Kokon verbleiben kann (s. 20.3.5)
25.33 Diptera, Zweiflügler
869
Proventriculus mesothorakaler Anhang
A
B Abb. 25-68: Siphonaptera: A Schematische Darstellung der Larve. B Puppen weisen bei vielen Arten, in diesem Falle bei einem Weibchen von Ceratophyllus gallinae, mesothorakale Anhänge auf, die keine Flügelanlagen sind . (A nach Weber 1954, B nach Poenicke 1969)
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25.33 Diptera, Zweiflügler Insgesamt gibt es etwa 85000 Arten , in Mitteleuropa etwa 7800. Die kleinsten Arten sind 0,8 mm lang. Der größte Zweiflügler der Welt ist mit 35 mm Körperläge die adulte einheimische Riesenschnake Tipula maxima. Am Habitus kann man die meisten Arten einer der beiden großen Gruppen der Diptera zuordnen: Die Mücken haben im Allgemeinen lange Beine, schmale Flügel und vielgliedrige Antennen, während die meisten Fliegen kurze Beine, breite Flügel und kurze Antennen besitzen. Ausnahmen sind beispielsweise die Haarmücken (Bibionidae) oder die Kriebelmücken (Simuliidae) (Abb. 20-9 C), oder langbeinige Fliegen mit schmalen Flügeln wie die Rhagionidae. Die Ursachen der doppelten Benennung einiger Familien der Dipteren: Meigen veröffentlichte 1800 eine Arbeit mit dem Titel "N ouvelle cIassification des mouches a deux ailes", die völlig unbemerkt blieb und auch von ihm selbst später gar nicht zitiert wurde. Vermutlich frustriert von diesem Fehlschlag veröffentlichte er 1803 in deutscher Sprache die gleiche systematische Eintei-
870
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
D
IX Cercus
~ arm
I
~ u e lu s _ ejacu lVIII laris B Ausgangslage
<,
Harpago
Aedeag us
IX
Krop f
...-~I.,...-:d;l~~=--7'
Gesehleehtsöffnung
- Palp us maxillar is
A
Abb. 25-69: Diptera: Nematocera. A Schematische Darstellung des Weibehens einer Stechmücke (Culicidae), linke Antenne verkürzt dargestellt, ausleitende Geschlechtsorgane angedeutet, Enddarm mit Rektalpapillen, Stechborsten s. Abb. 21-8, Stigmen nurimThorax eingezeichnet. B Hinterende eines Männchens: Geschlechtsapparat inAusgangslage. C Hinterende eines Männchens nach Drehung um 180°: Hypopygium inversum. (A-C nach Weber 1954)
lung, aber mit vielen anderen Namen, unter dem Titel "Versuch einer neuen Gattungseinteilung der europäischen zweiflügeligen Insekten". Leider entdeckte Hendel 1908 die erste Arbeit von Meigen und verlangte die Änderung aller Namen gemäß der Prioritätsregel. Damit waren aber die meisten Zoologen und auch die Nomenklaturkommission nicht einverstanden. Zu allem Unglück folgte Lindner in den "Dipteren der paläarktischen Region" dem Änderungswunsch Hendels. Seither muss der Dipterologe beide Namensgebungen Meigens kennen, wenn er sich in der Literatur zurechtfinden will. Dies ist ein Beispiel für den Schaden, den eine starre Anwendung der Prioritätsregel bescheren kann. In der folgenden systematischen Gliederung der Dipteren sind die umstrittenen Synonyme in Klammern angegeben. Insgesamt unterscheidet man bei den Dipteren etwa 120 Familien, von denen der Übersichtlichkeit halber im Folgenden nur die wichtigsten im Rahmen der von Hennig (1973) vorgeschlagenen Phylogenetischen Systematik erwähnt werden sollen:
1. ua. Nematocera (Mücken) I. Tipulomorpha Tipulidae (Erdschnaken), Trichoceridae (Petauristidae) (Wintermücken) , Limoniidae u. a. Familien
2. Psychodomorpha Psychodidae (Schmetterlingsmücken), Phlebotomidae (Sandmücken) u. a. 3. Culicomorpha Culicidae (Stechmücken), Dixidae, Chaoboridae (Corethridae) Chironomidae (Tendipedidae) (Zuckmücken) , Ceratopogonidae (Heleidae) (Gnitzen) . Simuliidae (Melusinidae) (Kriebelmücken) u. a. 4. Bibiomorpha Bibionidae (Haarmücken, Märzfliegen), Cecidomyiidae (Itonididae) (Gallmücken) . Sciaridae (Lycoriidae) (Trauermücken), Mycetophilidae (Fungivoridae) (Pilzmücken), Scatopsidae (Dungmücken) u. a. 2.
ua. Brachycera (Fliegen)
I. Tabanomorpha Stratiomyidae (Waffenfliegen), Rhagionidae (Leptidae) (Schnepfenfliegen), Tabanidae (Bremsen) 2. Asilomorpha Bombyliidae (Hummelfliegen oder Wollschweber), Asilidae (Raubfliegen), Empididae (Tanzfliegen) u. a. Familien 3. Cyclorrhapha (Fliegen mit Tönnchenpuppe) Platypezoidea: Lonchopteridae (Musidoridae), Phoridae (Buckelfliegen) u. a. Familien
25.33 Diptera, Zweiflügler
871
Mitteldarm Malpighisches Gefäß Receptaculum seminis Palpus maxillaris Labrum -FI~~1f Hypo- pharynx
E
/ ~ Labr~~nx
Labium
c
Nahrungsrohr
mit Speichelrohr
A Abb. 25-70: Diptera: Cyclorrhapha. A Schematische Darstellung einer weiblichen Fliege. Strömungsrichtung der Hämolymphe im Flügel wurde nach Young (1941) eingezeichnet. Die Legeröhre kann durch Hämolymphdruck ausgefahren und durch Muskeln eingezogen werden (Doppelpfeil). B Beim Fliegen werden die Antennen hochgestellt, sodass die an der Unterseite geschützt liegenden Riechgruben von Duftstoffen angeströmt werden können (Pfeil). CQuerschnitt durch den distalen Teil des Rüssels. D Das Hypopygium circumversum der Männchen istum 360 0 gedreht. Dies istnichtam Darm, wohl aber am Verlauf des Gonoduktes sowie Ean der Verdrillung der Nerven in Form einer Chiastoneurie erkennbar. Dieser Anteil des abdominalen Nervensystems ist in A nicht eingezeichnet. (A, C nach Weber 1954, D nach Hennig 1973, Enach Salzer 1968)
Eumuscomorpha Syrphoidea: (Schwebfliegen) Schizophora Acalyptratae: Drosophilidae (Taufliegen), Diopsidae, Braulidae u. a. Familien Calyptratae: Scatophagidae (Kotfliegen), Muscidae (Echte Fliegen), Glossinidae (Tsetsefliegen), Hippoboscidae (Lausfliegen), Calliphoridae (Schmeißfliegen), Tachinidae (Larvaevoridae) (Raupenfliegen) Die althergebrachte, vielfach erwähnte, im phylogenetischen System aber nicht mehr haltbare Gruppe Orthorrhapha, die Fliegen mit freier Puppe, entspricht den Tabanomorpha + Asilomorpha. Ebenso ist das Gegenstück zu den Schizophora, die Gruppe Aschiza, nach neueren Befunden nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die KopfsteIlung der Imago ist bei den Mücken vielfach prognath (Abb.4-2 E, 20-8 A), bei den Fliegen orthognath (Abb. 25-70 A). Die meisten Dipteren besitzen 3 Ocellen, doch können diese bei vielen Nematocera auch fehlen. Die Komplexaugen sind akon oder bei den Brachycera pseudokon
und fungieren bei den bisher daraufhin untersuchten Arten als neurale Superpositionsaugen (s. 11.4.). Die Oberflächenstruktur der Augen mancher Arten, vor allem der Tabanidae, führt bei Lichteinfall zur Bildung von Interferenzfarben. Bei vielen Arten sind die Augen der Männchen größer als die der Weibchen. Häufig sind bei den Augen der Männchen die dor salen Ommatidien in der Gr öße von den ventralen verschieden. Es können sogar zwei räumli ch getrennte Gruppen verschieden großer Ommatidien ausgebildet sein, wie bei den Doppelaugen mancher Ephemeroptera (Abb. 25-7 B). Die Anordnung der Sehzellen in den Ommatidien ist anscheinend bei allen Dipteren im dorsalen und ventralen Bereich spiegelbildlich verschieden (Abb. 25-73 C). Die Lage der Grenzlinie zwischen diesen beiden Bereichen kann lediglich ein wenig schwanken. Ferner weisen die Augen ursprünglich im vorderen und hinteren Bereich Unterschiede in der Anordnung der Sehzelle 8 auf. Sie liegt in der vorderen Augenpartie zwischen den Sehzellen 5 und 6 und im hinteren Augenteil zwischen I und 2 (Duo-Typ) . Bei den Syrphoidea und Schizophora unter den Cyclor-
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E
Abb. 25-71: Diptera: ungewöhnliche Dipteren. A Der Wollschweber Bombylius medius (Bombyliidae) hat ein hummelartiges Aussehen und Flugverhalten . B Diopsis tenuipes (Diopsidae) aus Afrika mit gestielten Augen. C Braula caeca (Braulidae) ist eine flügellose, weltweit in Bienenstöcken lebende Art. D Odontoxenia brevirostris (Termitoxeniidae) ist eine flügellose, auf Java in Nestern der Termite Odontotermes javanicus vorkommende Art. E Chionea lutescens (Limoniidae) ist eine flügellose Mücke, die im Winter auf Schnee existieren kann. F Crataerhina pallida (Hippoboscidae), die Lausfliege des Mauerseglers, hat reduzierte Vorderflügel. (A-D, F nach Seguy 1951, Enach Bürgis 1987)
rhapha befindet sich dagegen die Sehzelle 8 einheitlich zwischen den Sehzellen 1 und 2 (MonoTyp). Bei den meisten in den Tropen vorkommenden Diopsidae sowie einigen Gattungen anderer Familien befinden sich die Augen auf langen, seitlich gerichteten Stielen (Abb. 25-71 B). Die Stirnblase (Ptilinum) ist eine bei den Schizophora unter den Cyclorrhapha vorkommende Bildung in Form einer ein- und ausstülpbaren Aussackung der Kopfkapsel oberhalb der Antennen (Abb.25-73 Bund 25-78 E; 25-79 A). Sie ermöglicht durch ihre Kontraktionen das Schl üp-
fen aus dem Puparium und unter Umständen das Verlassen des Substrats (s.u.). Anschließend verkümmert sie. Die Antennen haben einen kurzen Scapus und Pedicellus. Bei den Mücken besteht das anschließende Flagellum aus vielen, untereinander recht gleichartigen Gliedern . Man nimmt an, dass das Flagellum ursprünglich 14 Glieder hatte. Die Männchen der Culicidae und Chironomidae besitzen an den Antennen in Wirteln stehende, auffallend lange Haare (Abb. 20-6 A u. 21-8 B), die im Verein mit dem bei ihnen stark entwickelten lohnstonschen Organ und der Basal-
25.33 Diptera, Zweiflügler
platte die Nutzung der Antenne als Gehörorgan ermöglichen (s. 11.1). Bei Cu/ex pipiens wurde nachgewiesen, dass das Johnstonsche Organ des Pedicellus auch als Schweresinnesorgan fungieren kann. Das Flagellum der Brachycera hatte vermutlich ursprünglich 8 recht gleichartige Glieder. Bei den meisten Arten dieser Gruppe ist das I. proximale Geißelglied vergrößert. Die folgenden Glieder sind im Allgemeinen ungleich groß, werden distalwärts immer kleiner oder das letzte Glied ist zu einer sog. Endborste umgebildet. Bei den Cyclorrhapha sind 3 Glieder vorhanden. Das 3. Fühlerglied, der Funiculus, stark vergrößert und mit einer deutlich abgesetzten, aus drei Gliedern bestehenden Arista versehen. Die Arista befindet sich nicht distal, sondern dorsobasal (Abb. 25-70). Sie kann ungefiedert , rundum gefiedert oder bei den Tsetsefliegen einzeilig gefiedert sein (Abb. 2574). In der Ruhe hängt das 3. Fühlerglied nach unten ; während des Fluges wird es durch Muskeln aufgerichtet (Abb. 25-70 B). Im Pedicellus befindet sich ein umfangreiches Johnstonsches Organ und ein Sensillum campaniforme. Beide sind an der Messung der Eigengeschwindigkeit im Flug wesentlich beteiligt. Der Funiculus ist mit zahlreichen Sinneshaaren bedeckt; an der Hinterseite sind Sinnesgruben mit jeweils einer größeren Zahl chemosensorischer Haare vorhanden. Wird die Antenne während des Fluges aufgerichtet, so sind diese Sinnesgruben besonders günstig dem Luftstrom ausgesetzt und zur Ortung von Nahrungsquellen geeignet. Die Mundwerkzeuge sind, dadurch dass die Basalglieder der Maxille und des Labiums in die Länge gestreckt sind, ebenso wie bei den Mecoptera , zu einem Rostrum oder Saugrüssel entwickelt. Sie können als leckend-saugende (Abb. 20-6, 25-70, 25-72) oder stechend-saugende Mundwerkzeuge ausgebildet sein (Abb. 20-8); mit Letzteren können entweder andere Insekten als Beute oder Wirbeltiere zum Blutsaugen angestochen werden. Leckend-saugende Mundwerkzeuge sind bei den recht urtümlichen Tipulidae vorhanden. Das auffallende Rostrum wird dorsal durch den spitz zulaufenden Clypeus sowie seitlich und ventral von den basalen Anteilen der Maxille und des Labiums gebildet; die Begrenzungen dieser Teile sind allerdings nicht erkennbar (Abb. 25-72). Mandibeln und Hypopharynx sind vollkommen reduziert. Distal inserieren am Rostrum die langen Maxillarpalpen. Außerdem sind dort die aus den Labialpalpen hervorgegangenen, polsterartigen Labellen vorhanden. Bei diesen ist die Innenpartie mit einem Rinnen system, den sog. Pseudotracheen, versehen, das sowohl als Speichelverteiler wie auch zum Einsaugen flüssiger oder verflüssigter Nahrung dient. Diese Konstruktion ist bei den Cyclorrhapha
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zu einem stempelförmigen Saugrüssel entwickelt, der in der Ruhe eingeklappt wird (Abb. 25-70, 25-72). Sobald eine Fliege mit den chemosensorischen Haaren an den Tarsen geniessbare Nahrung wahrgenommen hat , wird der Rüssel blitzschnell in die Saugposition gestreckt . Der Basalteil des Rüssels wird Rostrum , der folgende Teil Haustellum genannt. Distal befinden sich am Haustellum die polsterartigen, paarigen LabelIen, die viel stärker als bei den Tipulidae (Abb. 21-8 C) ausgebildet sind und die gleiche Funktion wie bei diesen haben. Ihre Randpartie ist mit langen kombinierten mechano- und chemosensorischen Haaren versehen, während zwischen den Pseudotracheen zahlreiche versenkte chemosensorische Haare vorhanden sind. Am dorsalen , nach vorn gerichteten Rostrum inserieren die Maxillarpalpen, im dorsalen Teil des Haustellums liegen in einer Rinne Labrum und Hypopharynx (Abb. 2572); im ventralen Bereich des Haustellums fällt das umfangreiche Mentum auf. Die Seitenpartien des Labrum sind ventrad zu einer Rinne gekrümmt, in deren Randfalze der im Innern mit einem Speichelrohr versehene Hypopharynx greift. Auf diese Weise entsteht ein weitlumiges Nahrungsrohr. Bei den blütenbesuchenden Syrphiden sind die LabelIen länglich-flach und zur Aufnahme von Pollen geeignet. Die Galeae sind bei ihnen lange Anhänge, die gemeinsam mit Labrum und Hypopharynx in der dorsalen Rinne des Labiums liegen. Bei den blutsaugenden Cyclorrhapha, den Gattungen Stomoxys, Glossina und bei den Lausfliegen ist das Haustellum zu einem sehr schlanken Rohr umgewandelt. Die LabelIen sind klein, sklerotisiert und mit ihren distal vorhandenen Zähnchen in der Lage, sich in die Haut des Opfers einzubohren (Abb. 25-72 C). Bei den stechend-saugenden Mundwerkzeugen der Nematocera, beispielsweise der Stechmücken (Culicidae), sind - im Gegensatz zu den meisten Dipteren - die Mandibeln erhalten und ebenso wie bei den räuberisch lebenden Mecoptera (Bittacidae) als schlanke Stechborsten ausgebildet. Labrum , Hypopharynx, Mandibeln und Lacinien sind zu einem Stechborstenbündel vereinigt, das vom Labium in der Ruhe umgeben und beim Einstich in das Opfer geführt wird (Abb. 20-8). Die Mandibeln sowie die am Vorderende gezähnten Lacinien sind zu feinen Stechborsten umgebildet. Das Labrum dient als Nahrungs-, der Hypopharynx als Speichelrohr. Das Labium ist im distalen Teil, den Labellen, mit Sinneshaaren besetzt. Die Basis des Stechborstenbündcls ragt, im Gegensatz zu den Verhältnissen bei den Hemiptera , nicht bis in den Kopf hinein. Während die Galeae reduziert sind, können die Maxillarpalpen unter schiedliche Länge aufweisen (Abb. 20-8).
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25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
A
Hypopharynx
c
Speichelgang Mund
F
Hypo- pharynx Labellum- \ haare
B
E
Fulcrum
01
02
Abb. 25-72: Diptera: Kopf und Mundwerkzeuge der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala. Schematisierter l ängsschnitt bei A eingezogenem und B ausgestrecktem Rüssel. C Rüssel einer Stechfliege. D Die Beweglichkeit der l abelIen der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala ermöglicht eine vielseitige Nutzung: 1 Haltung beim Prüfen einer möglichen Nahrungsquellemithilfe der randständigen, hier nichteingezeichneten labellumhaare. 2 Durch Ausbreiten aufder Nahrung kann der Speichel samt den in ihm enthaltenen Enzymen über dieSpeichelrinnen verteilt werden und anschließend die Nahrung aufgesogen werden . 3 Weiche wie festere Nahrung kann bei hochgestelltem l abellum mithilfe der dann exponierten kleinen Zähnchen abgeraspelt und nach Regurgitation von Flüssigkeit aufgesaugt werden. E l abellum von ventral. Zwischen den Speichelrinnen sind eingesenkte chemosensorische Haare als Punkte angedeutet. F Räumliche Darstellung eines Abschnitts einer Speichelrinne. (A, B, D, E, F nach Graham Smith 1930, C nach Weber 1954)
25.33 Diptera, Zweiflügler
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Endknopf
Dorsal-
Ventral-
Ansicht Stiel
-
Scapusplatte
basal
o
Abb. 25-73: Diptera: Besonderheiten der Dipteren.A Fühler einer Tabanide (oben) und einer Asilide (unten). B Ungewöhnlich großes, aus- und einstülpbares Ptilinum (Doppelpfeil). CAugen: Die Anordnung der Ommatidien ist in der dorsalen und ventralen Augenhälfte spiegelbildlich verschieden. D Die Halteren sind im basalen Teil mit zahlreichen Sinnesorganen versehen, die in ganz bestimmter Weise ausgerichtet sind. BP Basalplatte. HP Hickssche Papillen = Gruppen von Sensilla campaniformia. ChO Chordotonalorgan. (A, B nach Strickland 1953, C Ommatidien nach Wada 1991, D nach Pringle 1948)
Nur ein reativ geringer Prozentsatz der Mückenarten saugt Blut von Wirbeltieren, und zwar lediglich die Weibchen. Die meisten Arten und die Männchen der blutsaugenden Arten ernähren sich von Blütensäften. Der Hals ist bei den meisten Dipteren stark verengt und der Kopf sehr beweglich. Seine Lage wird u. a. durch die mechanosensorischen Haare der Cervicalia kontrolliert. Die Ausgestaltung des Thorax ist dadurch bedingt, dass nur noch die Vorderflügel zum Fliegen dienen . Der Mesothoax ist daher wesentlich stärker differenziert als Pro- und Metathorax. Die Flügeladerung ist stark reduziert zugunsten einer Konzentration der Längsadern im vorderen Flügelbereich und damit einer größeren mechani schen Belastbarkeit dieses Flügelteils während des Fluges. Aus dem kleinen Analfeld sind zwei Läppchen ausgegliedert, die Alula und das Flügelschüppchen. Das Flügelschüppchen ist bei den guten Fliegern stärker ausgebildet als bei den vorwiegend laufenden Arten. Das Thorakalschüppchen stammt vom Thorax ab und ist besonders bei den Brachycera entwickelt . Seit langem wird behauptet, es schütze Metathorakalstigmata und Halteren; wahrscheinlicher ist aber eine aerodynamische Funktion bei der Leitung des Luftstroms. Die Flügel sind mit Sinneshaaren versehen . Außerdem können unechte Haare auf der Fl ügelfläche,
Schuppen an den Flügeladern und am Körper von Stechmücken (Abb.l -25 D) und bei den Schmetterlingsmücken Fransen auf den Flügeln ebenso wie an deren Hinterrand vorhanden sein (Abb. 2017). Die Flügeltläche kann auch durch partiell vorhandene dunkle Flecken charakterisiert sein. Die Schlagfrquenz der Flügel kann zwischen 40 Herz bei Tipula oleracea und 1000 Herz bei Forcipomyia sp. liegen. Die Flugtonhöhe spielt bei der Geschlechterfindung der schwarmbildenden Mückenarten eine besondere Rolle (s. u.). Besondere Flugleistungen zeigen die Bombylidae und Syrphidae, die, bei hoher Fl ügelschlagfrequenz , nicht nur schweben, sondern auch blitzschnelle Seitwärtsbewegungen ausführen können. Die Hinterflügel der Dipteren sind zu Schwingkölbchen (Halteren) umgewandelt (Abb.25-69, 25-70 A), die während des Fluges gleichsinnig zu den Vordertlügeln bewegt werden . An ihrem aufgetriebenen Basalteil sind Sensilla campaniformia in bestimmter Richtung orientiert und gruppenweise angeordnet; man nennt diese Gruppen Hickssche Papillen, Basal- und Scapalplatte. Außerdem ist ein großes Chordotonalorgan vorhanden . Insgesamt dienen diese Sinnesorgane der Lagekontrolle während des Fluges (s. 11 .1); entfernt man die Halteren, so können die Tiere nicht mehr fliegen. Flügellosigkeit kommt bei annähernd 400 Arten
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vor, bisweilen nur bei Männchen oder nur bei ten Chiastoneurie der Nerven im vorderen Bereich Weibchen. Reduzierte oder gar keine Flügel haben der Segmente 7+8 erkennbar (Abb. 25-70 D). Die die sog. Bienenläuse der Gattung Braula, die bei eigenartige Asymmetrie der inneren und äußeren Termiten lebenden Termitoxeniidae (Abb. 25-71 Geschlechtsorgane im Bereich des männlichen D) und Arten , die unter extremen Bedingungen Postabdomens der Cyclorrhaph a soll mit der Konleben, wie beispielsweise an Meeresküsten oder auf struktion des in der Ruhe ein- und zur Kopulation windumtosten Inseln im Südatlantik. Vielfach ausklappb aren äußeren Geschlechtsapparats zusind dann auch die Halteren reduziert. Manch e sammenhä ngen. Art en weisen genetisch bedingt makro- , brachyDas Tracheensystem weist miteinander verbunund mikroptere Individuen auf Bei manchen dene dor sale und laterale Längsstämme auf und Lausfliegen brechen die Flügel an präformierter besitzt große pro- und metathorakale sowie eine Stelle ab, sobald die Tiere einen Wirt gefunden unter schiedliche Zahl abdominaler Stigmen. Letzhaben; andere Arten sind von vornherein flügel- tere können im Bereich der Pleuren oder der Terga los. liegen. Außerdem sind vor allem bei den Fliegen Die Beine sind Schreitbeine. Der Prätarsus be- Erweiterungen der Tracheen in Form großer Luftsitzt zwei Krallen und ferner urprünglich ein bla- säcke entwickelt (s. Kap. 6). senförmiges Arolium, meistens ein mit unechten Das Herz hat ursprünglich 8 Ostienpaare, doch Ha aren besetztes, spatel- oder bor stenförmiges wird ihre Zahl zunehmend reduziert. In den FlüEmpodium sowie ein Paar mit unechten Haaren geladern zirkuliert die Hämol ymphe in ganz beversehene Pulvillen. Letztere werden aus Drüsen stimmter Weise. Pulsierende Organ e, sog. Nebenüber ein Rinnen system mit Haft sekret versorgt herzen, versorgen die Fühler und wurden im Scu(Abb.l-14). Mit diesen Einrichtungen können die tellum bei vielen Arten nachgewiesen. Atmung Tiere auf rauen wie glatten Unt erlagen laufen. Bei und Kreislauf sind bei den Fliegen eng miteinden ektoparasitisch lebenden Lausfliegen sind ander gekoppelt (s. Kap. 6). sehr starke Klammereinrichtungen vorhanden. Das Nervensystem zeigt eine auch bei anderen Am Abdomen sind die Sterna reduziert , sodass Insektengruppen zu beobachtende Tendenz zur die Flankenhäute ventral liegen und die Terga bis Konzent ration im thorakalen Bereich (s. Kap. 8; auf die Ventralseite reichen. Bei den Weibchen Abb. 25-70). urtümli cher Nematocera sind noch lO Segmente Der Darm der Dipteren weicht von dem der erkennb ar. Die weibliche Geschlechtsöffnung be- Mecopt era in zwei Merkmalen ab: Der Vorderfindet sich hinter dem 8. Sternit. Bei den Fliegen darm ist mit einem unp aaren, meistens recht ausunterscheidet man ein Prä- und Postabdomen; gedehnten Kropf versehen und besitzt keinen Proletzteres ist gegenüber dem Präabdomen verjüngt. ventriculus. Stattdessen ist am Übergang vom VorDiese Verjüngung beginnt bei den Weibchen mit der- zum Mitteldarm eine Cardia vorhanden, die dem 6., 7. oder 8. Segment. Das Postabdomen der aus einem muskulösen Ventilapparat in Form der Weibchen fungiert bei den Fliegen als eine ein- Valvula cardiaca und einem aus großen Zellen und ausfahrbare sowie seitlich bewegbare Lege- bestehenden, peritrophische Membranen sezernieröhre (Abb. 25-70 A). Das am 11. Segment vor- renden Anfangsteil des Mitteldarmepithels besteht handene Paar Cerci ist mit zahlreichen Sinnes- (s. 4.5.2; Abb. 4-14, 4-15, 4-20). Innerhalb der organen versehen, die der Erkundung eines gün- Cyclorrh apha besteht die Tendenz, dieses Epithel stigen Ortes für die Eiablage dienen. Bei den zunehmend aufzufalten, sodass 2 oder 3 Polster Männchen der meisten Nematocera sowie der Ta- entstehen, die ständig und mit hoher Bildungsrate bano- und Asilomorpha wird das Postabdomen strukturell und biochemisch verschiedene peritrozeitweilig oder stä ndig um 180 gegenüber dem phi sehe Membranen sezernieren. Am Ende des Prä abdomen verdreht (Hypopygium inversum, Mitteldarm s münden bei den meisten Arten 4 Abb. 25-69). Die Drehung kann schon in der Malpighische Gefäße (s. Kap. 4 u. 5); außerdem Puppe, während der Kopulation oder in dem Zeit- befindet sich hier als Ventil eine Valvula pylorica raum zwischen Schlüpfen und Kopulat ion im Ver- und am Ende des Pylorus meistens eine Valvula lauf mehrerer Stunden entstehen; sie kann bei den rectalis. Der Cuticula des Hinterdarms kann mit Stechmücken im oder entgegen dem Uhrzeiger- Zähn chen versehen sein, die die peritrophischen sinn erfolgen. Das Postabdomen der Männchen Membranen mechani sch zerstören und so deren aller Cyclorrhapha beginnt mit dem 6. Segment. chemischen Abbau im Endd armbereich ergänzen . Es wird bereits während der Puppen phase um Am Rektum können 2-5 Rektalpolster vorhanden etwa 360 gedreht , sodass ein Hypopygium cir- sein (s. Kap. 5, Abb. 4-24). Vielfach kommen im cumversum, korrekter ein Postabdomen circumver- Darm symbiontische Bakterien vor (s. Kap. 4 und sum entsteht. Diese Torsion ist nicht am Darm, 18). wohl aber eindeutig an der Windung des Ductus Die paarigen Speichel- oder Labialdrüsen haejaculatorius um das Rektum und an der doppel- ben die Form von mehr oder weniger langen 0
0
25.33 Diptera, Zweiflügler
Schläuchen oder Lappen. Sie können in gesonderten Bereichen unterschiedliche Sekrete produzieren und speichern (s. Kap. 1.6.2 u. 4, Abb. 1-37). Bei Bedarf wird der Speichel mithilfe einer Speichelpumpe in das Speichelrohr des Hypopharynx befördert. Die paarigen Hoden sind jeweils ein einfacher aufgeknäuelter Schlauch (unifollikulär). Sie können mit einer Muskelschicht und zusätzlich mit einer bisweilen gefärbten bindegewebigen Hülle oder einer Lage Fettkörperzellen umgeben sein. Die Vasa deferentia sind vielfach zu einer Vesicula seminalis aufgeweit et. Anhangsdrüsen können vorkommen. Mit dem Ductus ejaculatorius ist eine Samenpumpe verbunden. Manche Mücken sind sekundär wieder zur Spermaübertragung mithilfe von Spermatophoren übergegangen. Die paarigen Ovarien sind ursprünglich traubenförmig bei den Nematocera und primitiven Brachycera. Bei den Cyclorrhapha sind sie büschel- oder schüsselförmig. Die Zahl der polytrophen Ovariolen variiert von 1-200 pro Ovar. Anhangsdrüsen sind vorhanden und bei den viviparen Tsetse- und Lausfliegen besonders stark entwickelt. Hier liefern sie Nährsekrete für die Ernährung der im Uterus sich entwickelnden Larven (s. 1.5.9, Abb. 1-36). Neben 2-3 Receptacula seminis können 1-2 Bursen vorhanden sein. Die Geschlechterfindung wurde ursprünglich wohl durch die Schwarmbildung ermöglicht. Es gibt Männchen-, Weibchen- und gemischte Schwärme, die zu verschiedener Tageszeit aktiv sind . Sie orientieren sich visuell anhand bestimmter Marken. Die Männchen erkennen die Weibchen entweder akustisch mithilfe der als Hörorgan fungierenden, exzessiv ausgebildeten Antennen (Abb. 20-6 A) oder optisch, vielleicht auch aufgrund von Pheromonen. Der Flugton der Weibchen ist bei den Culicidae niedriger als bei den Männchen, während er bei den Trichoceridae bei beiden Geschlechtern gleich ist . Bei Dung- und Aasfliegen finden die Geschlechter einander an Substanzen, die als Nahrung oder Brutmedium geeignet sind . Die Kopulation kann in allen nur denkbaren Stellungen erfolgen . Paedogenese wurde bei den Larven einiger Cecidomyidae, Zwitterturn wurde bei den Termitoxeniidae nachgewiesen. Alle möglichen Varianten der Viviparie gibt es in erster Linie bei den Cyclorrhapha: es können entweder schlüpfreife Eier oder Larven oder, bei Tsetsefliegen (s. Abb. 25-74) und Lausfliegen, verpuppungsreife Larven abgegeben werden . Die meist länglichen Eier sind mit verschieden ausgedehnten Plastronstrukturen versehen ; bei manchen Arten sind Atemhörnchen vorhanden . Bei der Ablage können die Eier in unterschiedlichem Entwicklungs- oder Diapausezustand sein.
877
Die Eihülle wird beim Schlüpfen der Nematocera mithilfe des Eizahns, bei den Cyclorrhapha mit den Mundhaken oder einem Rudiment des Labrums aufgebrochen. Die Zahl der Larvenstadien beträgt bei den Nematocera meistens 4-6, bei den Tabanidae 7-8 und bei den Cyclorrhapha 3; die vermeintliche 4. Larvencuticula im Puparium der letzteren ist lediglich eine zur Cuticula des 3. Larvenstadiums gehörende Lage Endocuticula, die von der Epidermis nach dem Sklerotisieren des Pupariums abgeschieden wird . Die meisten Larven sind langgestreckt und beinlo s; lediglich Stummelfüßchen oder Nachschieber kommen vor. Urtümliche Formen haben eine, in Relation zur Körpergröße kleine Kopfkapsel mit kurzen oder stark reduzierten Antennen sowie kauenden oder zum Filtern geeigneten Mundwerkzeugen (eucephale Larven) (Abb. 25-75). Innerhalb der Ordnung besteht eine Tendenz zur Reduktion des Kopfes und seiner Anhänge. Eine Reihe von Reduktionsformen wird unter der Bezeichnung hemicephale Larven zusammengefasst. Die am stä rksten abgewandelten acephalen Larven sind typisch für die cyclorrhaphen Fliegen . Bei diesen Maden sind die Derivate des Kopfes in den Pro thorax verlagert und zu einem Schlundgerüst (Cephalopharyngealskelett) umgewandelt (Abb. 25-76 A). Nach außen ragen lediglich die von kräftigen Muskeln bewegten Mundhaken, die, anders als die Mandibeln, in Richtung der Körperlängsachse bewegt werden. Am Vorderende sind Gruppen von kegelförmigen Sinnesorganen angeordnet, die reduzierten Antennen und Maxillartastern entsprechen (Abb. 25-76 B). Lichtsinnesorgane sind allenfalls in Form von wenigen Stemmata vorhanden. Innerhalb der Brachycera finden parallel zu diesen Veränderungen der Kopfkapsel und der Mundwerkzeuge beträchtliche Reduktionen und Verlagerungen der Stemmata statt (Abb. 25-77): Pigmentzellen verschwinden und das Pigment erscheint zunächst in den Sehzellen, aus denen es im weiteren Verlauf der Evolution ebenfalls schwindet. Semperzellen und Linse sowie nachfolgend die Mantelzellen werden reduziert, und schließlich sind auch die Rhabdome nicht mehr vorhanden. Sonderbildungen sind das tracheale Tapetum und die Umorientierung der Sehzellen (Abb. 25-77 B). Bei den Cyclorrhapha fungieren die Tentorialphragmata als Pigmentbecher (Abb. 25-77 C) und nach dem Verschwinden der Rhabdome entstehen zahlreiche, lange Microvilli im distalen Bereich der Sehzellen. Diese besonders stark reduzierten Lichtsinnesorgane werden auch als Bolwig-Organ bezeichnet. Sie erinnern an die reduzierten Licht sinnesorgane in anderen Tiergruppen, beispielsweise des Regenwurms. Die Ernährung der Larven ist überaus viel-
878
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Abb.25-74: Diptera. Bei den Larven gebärenden Tsetsefliegen der Gattung Glossina bleibt A das Labium beim Blutsaugen außerhalb des Stichkanals. B Die Kopulation erfolg nach der Blutaufnahme. CAnschließend entwickelt sich eine Larve im Mutterleib. D·F Nach der Ablage dringt die Larve in den Boden ein (E) und verpuppt sich (F). G Mithilfe ihrer Beine und der durch Blutdruck aufpumpbaren Stirnblase kann die aus dem Tönnchen geschlüphe Fliege den Boden verlassen. Erst im Freien erfolgt die Aushärtung der Cuticula und die endgültige Ausbildung der Flügel. (Nach Geigy und Herbig 1952, verändert)
sertig. Sie fressen lebende wie in Zersetzung be-
von sog. Stoppfborsten in den Pharynx befördert. findliche Pflanzenteile, Bakterien, Algen, Detritus, Dieser weist eine Filtereinrichtung auf, mit deren Baumfluss, Honigtau, Dung oder Aas, saugen Hilfe Nahrung in Form von Detritus, Bakterien, Blut von Nestlingen, parasitieren in Insekten oder Algen und Protozoen abgeseiht werden kann. Das leben räuberisch von Wirbellosen. Manche Arten gefilterte Wasser wird seitwärts wieder aus dem minieren in Pflanzenteilen, andere induzieren Mundraum ins Freie befördert. Die Larven der Simuliidae besitzen als Fangeinrichtung einen aus Gallen. Die Larven einiger Chironomidae und Limonii- dem Labrum hervorgegangenen Kopffächer, der in dae spinnen aus dem Sekret der Labialdrüsen eine der FangsteIlung abgespreizt und in der Ruhe nach Wohnröhre. Manche Chironomiden-Larven spin- median eingeschlagen wird (Abb. 20-9). Auf seinen nen vor dieser Wohnröhre ein klebriges Fangnetz, gebogenen Borsten wird ein klebriges, aus Drüsen das sie von Zeit zu Zeit abweiden. Stechmücken- an der Vorderseite Kopfes stammendes Sekret verLarven (Culicidae) strudeln mithilfe von Haar- teilt. Daran können Nahrungspartikel mit einem büscheln, die jederseits auf dem Labrum vorhan- Durchmesser von 0,1-350 11m gefangen und von den sind (Abb. 25-75 C, D), Geschwebe enthalten- Zeit zu Zeit von den dann nach innen geschlagedes Wasser in Richtung Mundfeld. Teilweise wird nen Kopffächern mithilfe der beborsteten Mandies direkt in den Pharynx eingesogen, teilweise beln ausgekämmt und in den Mund befördert werden die Partikel von den Borstenkämmen der werden. Mandibeln aus den Haarpinseln gekämmt und Man nimmt an, dass die Larven der Cyclorrha-
25.33 Diptera, Zweiflügler
Labialdr üse
Malpighisc~es
879
Gefäß Herz
Mitteldarm
A
B /'
Abdominale Stigmen 1-3 Atemrohr
2
3
2
3
5
4
, I
6
I
latero-ventraler Hauptstrang des Tracheenstrang Tracheensystems Haarbüschel auf dem labrum
Antenne Max. palpus ~-+-'I-1r- Mandibel .-c.:o:lI'\,~- Maxille Sellarborsten ~{L:~7Tl-- labium
........... ..... c
Abb. 25-75: Diptera: Nematocera. A Schematische Darstellung des Baus einer Mückenlarve (nach Weber, 1954, verändert). B Schema!. Darstellung eines urtümlichen Tracheensystems bei einer Mückenlarve. 1-111 Ihorax-, 1-8 Abdominalsegmente. C Mikrophage, filtrierende Mückenlarven. Stechmückenlarven der Gattungen Aedes und Culex filtrieren entweder im freien Wasser oder am Boden des Gewässers. 0, E Filtereinrichtungen am Kopf der mikrophagen Larven von Anopheles-Arten. 0 Ventralansicht des Kopfes der Larve von Anopheles maculipennis. E Dorsalansicht der mit Bürsten und Zähnen versehenen Mandibel von A. crucians. (A nach Weber 1954, verändert, B nach Keilin 1930, C nach Pucat 1965, D nach Peus 1942, Enach Harbach 1977)
pha ursprünglich saprophag waren. Mithilfe einer starken Pharynxpumpe wird bakterienreiche Nahrung eingesaugt , die im mittleren und hinteren Pharynxbereich durch ein aus dem Pharynxboden hervorgegangenes Filtersystem etwa 5-6fach konzentriert wird (Abb. 25-76 D). Das gefilterte Wasser wird wieder nach außen abgegeben, während die abfiltrierte Nahrung durch ein sehr rasch arbeitendes Pumpsystem am Ausgang des Pharynx in den Oesophagus gepumpt wird. Die Larve einer Schmeißfliege kann auf diese Weise innerhalb von 6 Minuten eine Nahrungsmenge aufnehmen, die der Hälfte ihres Körpergewichts entspricht. Viele
Cyclorrhapha sind von einer saprophagen zu einer räuberischen Ernährungsweise übergegangen . Bei diesen Arten ist das Filtersystem des Pharynxbodens eingeebnet. Bei den Cyclorrhapha ist vielfach ein umfangreicher Kropf vorhanden, der beträchtliche Nahrungsvorräte aufnehmen kann (Abb. 25-76 A). Vielfach weisen die Larven am Eingang zum Mitteldarm Caeca auf. Diese sind bei den Larven der Culicidae mit einem Ionentransportepithel ausgestattet, das der Osmoregulation dient (s. Kap. 4 u. 5). Ebenso wie bei den Imagines ist auch bei den Larven der Dipteren eine Cardia vor-
880
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
Cardia
A
I
Caecum
/
I.
Malpighische Gefäße I
I
I
I
I
Ganglienmasse
Mitteldarm
B
o
F
~
•
Stigma der ll - - _ .............. L2--:::::2 H" L3
Stigmennarbe L2
I
E
H
Abb. 25-76:Diptera: Fliegenlarven. A Schematische Darstellung des Baus einer Fliegenlarve. Muskeln am Vorderende setzen an kompliziertem Schlundgerüst an, das in C isoliert dargestellt ist. BVorderende einer Larve vonventral. C Schematisierte Darstellung des Cephalopharyngealskeletts von der Seite und von ventral. D Querschnitt durch den Pharynx mit Filtereinrichtung (Pfeile). Die Muskeln der Pharynxpumpe sind weggelassen. E Vorderstigma. F Aufsicht auf das Hinterende der Larve von Calliphora und G Hinterstigma. H Häutung der Hinterstigmen unter Hinterlassung von Stigmennarben imjeweilsfolgenden Stadium. (Anach Weber 1954, B, C, E-G nach Simin 1944, D nach Heig 1952, H nach Keilin 1944)
han den (s.o.), die nur ein einfac hes Polster großer entodermaler Zellen aufweist, von denen kontinuierlich eine schlauchförmige per itro ph ische Membran sezerniert wird, deren Feinstruktur sehr verschieden sein kann (s. Kap. 4). Tipulidenlarven haben einen umfangreichen Blindsack am Rectum, der als Gä rkammer fungiert (Kap. 4.7.1). Das Tracheensystem der Larve n ist redu ziert. Abdo mina le Stigmen kommen nur manchm al vor,
beispielsweise 10 bei den Bibioniden ode r mehrere bei den Pilzmücken (Abb. 25-75 B). Die acep ha len La rven der cycloraphen Fliegen habe n jederseits ein unsc heinbares Vorder- und ein auffallen des Hinterstigma (Abb. 25-76). Stechmücke nlarven besitze n nur ein H interstigma, das distal an einem Ate mro hr liegt (Abb. 25-75 C). Eristalis-Larven verfügen über ein bis zu 7 cm langes ein- und ausfa hr bares Atemro hr. Die Larven einer Reihe von wasserbewohne nden La rven aus verschiede-
25.33 Diptera, Zweiflügler
· W
881
Linse
~Cuticula I
e
A
,,'
0
~Ientigene Zelle Rhabdom
Sehzelle
Rhabdom
Abb. 25-77: Diptera: Verlagerung der Stemmata im Zusammenhang mit der Reduktion der Kopfkapsel bei den Larven der Brachycera.
Orientierungsskizze des Vorderendes der Larven von A Stratiomyidae, Aufsicht; B Rhagionidae, Seitenansicht; C Muscidae, Seitenansicht. Dargestellt ist außerdem jeweils ein schematisierter Längsschnitt nach elektronenmikroskopischen Aufnahmen durch die Stemmata. Am stärksten reduziert und modifiziert ist das Stemma bei den acephalen Larven der Cyclorrhapha. hier Muscidae. bei denen es nach ihrem Entdecker auch als Bolwig-Organ bezeichnet wird. (Nach Melzer und Paulus 19B9, verändert)
I
B
Stemma
Tentorialstab
c
nen Fa milien zap fen unter Wasser Luft aus Wasserpflanzen und br au chen dah er nicht zum Luftholen an die Wasserob erfläche zu kommen. Manche Arten haben gar keine Stigmen. Wäh rend der Häu tung entsteht bei den Culicidae ein immer größeres Stigma, während bei den T ipul om orpha eine zentrale und bei den Cyclorrhapha jeweils eine exzentrische Stigmennarbe gebildet wird (A bb. 25-76 H). Viele wasserbewohnende Larve n bewegen sich kr iechend durch Ko ntraktionswellen vora n; in Fließgewässe rn bieten Hakenk rän ze am H interende oder klebrige Sekre te Sch utz vor Verdriftung . In stark strö menden Bergbächen kön nen Lar ven der zu den Blephariceridae gehörenden Gatt un g Liponeura sich mith ilfe von 6 median auf der Bauch seite vorhandenen Saugnäpfen festha lten und umherkriechen. Schwimmen können in erster Linie die Stechmückenlarven. D ie Lar ven von Chaoborus nutzen ihr geschlossenes Tracheensystem, insbesondere 2 Paar Tracheensäcke, als hydros tatischen Apparat , mit dessen Hilfe sie in beliebiger Wasser tiefe schwebe n können . Stechmü-
ckenlarve n können dies nu r in geringere m M aße . Lan db ewohner kr iechen mithilfe von Muskelkontrakt ionen ; ein Zurückrutschen wird durch ringfö rmig an den einzelnen Segment en angeordnete G ru ppen von Cu ticuladornen verhindert. D iese Larven halt en einen beträchtlichen Binnendruck aufrec ht , der als hydrostatisches Skelett fungie ren könnte. Werden sie verletzt, so läu ft die Häm olymphe aus und das T ier verendet. Am Ende der La rvenentwicklung erfo lgt die Verpuppung und M etamorphose. Ma nche Larven spin nen vor dem Verp uppen einen Kokon, wie beispielsweise die Simu liidae (Abb. 20-9 E), viele Bibion idae und einige Muscidae. Die Pu ppen der Nematocera und der primiti ven Brachycera sind M umienpuppen (P upa obtecta), die beispielsweise bei den Stech mücke n sehr beweglich sein kön nen . Am Ende der Fress phase verlasse n die Larven de r Cyclo rr hapha das Nahru ngssubstrat, entleeren ihren Darm, reduzieren ihre n Wassergeha lt und verpu ppen sich in der Cuticula der Dritt lar ve zu einer un beweglichen Tönnchenpuppe (P uparium). An der Inn enseite des Pupariums findet man die abge-
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25 Übersichtüber dieVielfalt der Insekten
j'uppenhorn
-
Hinterstiqrna
B
1.. . .
!I ... .. ~ . .
A
!; . .. .
. ... . .-
o
Abb. 25·78: Diptera: Puppen der Brachycera. Puppenformen: A Dolichopodide, BAsilide, C aufgebrochen dargestelltes Puparium einer Schmeißfliege mit den Resten der larvalen Stigmen und dem sog. Puppenhorn als Atemöffnung der Puppe, o Tönnchenpuppe mit abgesprengtem Deckel und freipräparierter Puppe. E Durch Vorpressen des Ptilinums wird der Deckel abgesprengt und das Herausarbeiten aus dem Substratermöglicht; anschließend müssen noch die Flügel geglättet werden. (A nach Hennig 1952, B nach Hennig 1978, C nach Keister 1953, D, Enach Derbenjewa-Uchowa 1952)
sto ßenen Mundhaken sowie die Vorder- und Hinter stigmen sam t den a nhä ngenden großen Tracheenästen der Larve 3. Die eigentliche Puppe atmet über ein jederseit s nach außen vorragendes kleines Prothorakalhorn (A bb. 25-78), das die Wand des Pupariums an pr äformierter Stelle durchbricht. W ährend der Puppenruhe werden nur diejenigen Anteile der Larve umgebildet, die bei der Imago anders strukturiert sind . Bereits während der Entwicklung der Larven entstehen die Anlagen der imaginalen Organe in Form der Imaginalsch eiben, so a uch bei spielsweise die Flügel- und die bei acepha len Larven a n langen Stielen weit im Innern liegenden Beinimaginalsch eiben . Beim Schlüpfen wird die Stirnblase, das Pt ilinum (A bb 25-73 B, 25-78 E), aus gestülpt, indem durch Kontraktionen der Muskulatur de s Abdomens und Kopfbereich s der H ämolymphdruck erhöht wird. Di es wird so lange fort gesetzt, bis der präformierte Deckel des Pupariums abgesprengt ist. Anschließend kann sich die geschlüpfte Fl iege mithilfe ihrer Beine sowie durch weitere Pulsationen der Stirnbla se au s dem Substrat herausa rbeiten. Nach dem Schlüpfen verk ümmern die Stirnblase und die lediglich für da s Pul sieren der Stirnblase benötigten Muskeln im Kopf und Abdomen (Abb. 25-79 A).
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883
A
51
52 13 53
T4
54
55
B
Abb.25-79: Diptera. A Schlüpfen der Imago bei einer Fleischfliege der Gattung Sarcophaga. Die Filmsequenz mit 3/16 sec Aufnahmen in Seitenansicht zeigt deutlich die Volumenänderungen bei den Pumpbewegungen von Abdomen und Kopfblase (Ptilinum) (Pfeil). B, C Reduktion der Muskulatur des Abdomens nach dem Schlüpfen. Schematische Darstellung von Innenansichten des ausgebreiteten Integuments samt Muskulatur des Abdomens einer Körperseite. Die Ränder der Tergite (T1-T5) und Sternite (S 1-S5) sind nur angedeutet. B Muskulatur einer frisch geschlüpften Fliege. C Die bleibenden Muskeln einer 5 Tage alten Fliege. (Nach Cottrell 1962)
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25.34 Strepsiptera, Fächerflügler Die Strepsipter a (Fächerflügler, Kolbenflügler) repräsentieren Vertreter der Holometabola, deren systematische StelIung wegen des Innenparasitismus mehrerer Entwicklungsstadien noch nicht eindeutig geklärt ist (s. 16.3). Die dimorphen Geschlechter weisen Körperlängen zwischen 1-7,5 mm bei Männchen bzw. 1,5-30 mm bei Weibchen auf. Im Gegen satz zu den larvenähnli chen , meist als Innenparasiten lebenden Weibchen sind die weißlich bis schwar z gefärbten, geflügelten Männchen freilebend . Weltweit sind etwa 600, möglicherweise bis 1200 Strepsipterenarten (Mitteleuropa: etwa 20 Arten) aus zwei Unterordnungen bekannt (Unterordnung Mengenillidia: I rezente Familie, Unterordnung Stylopidia: 8 Familien) . Vertreter der Mengenillidia werden als Schwestergruppe der restlichen Strep siptera angesehen. Die Ar tenzah len nehmen von den Polen zum Äqu ator hin zu, wobei besonders in der Afrotropis eine hoh e Diversität zu beob achten ist. Die blattlausähnlichen, ungeflügelten, noch mit Beinen und Augenresten versehenen Weibchen aus der eher primiti ven Gruppe der Mengenill idia (s. Abb. 16-48 B) sind noch freilebend und kommen in Silberfischchen vor. Hingegen leben die durch ein weiches und dünnes Integument charakterisierten, madenförmigen weiblichen Vertreter der Stylopidi a im Wirtsinsekt, bzw. strecken lediglich ihr Kopfbruststück mit einem Paar Stigmen aus dem Wirtsinsekt (Abb. 25-80, I , J). Die kurzlebigen, in den Grundstrukturen fest sklerotisier-
25.34 Strepsiptera, Fächerflügler
ten Männchen der Strepsipteren sind geflügelt und freilebend (Abb. 25-80 A). Manche Strepsipterenarten können in der biologischen Schädlingsbekämpfung bei der Dezimierung schädlicher Wirte (z. B. Delphacidae an Reis, Zuckerrohr, Rüben) ein gewisse Bedeutung bekommen. Für die taxonomische Einordnung der monophyletischen Strepsipteren existieren mehrere Vorschläge ("Strepsipterenproblem") . Sie könnten einerseits die Schwestergruppe der Käfer darstellen oder die Stylopidae könnten eine Familie innerhalb der Käfer repräsentieren. Für ein Schwestergruppenverhältnis von Coleoptera und Strepsiptera würden folgende Argumente sprechen: freier Prothorax vorhanden; Hinterflügel repräsentieren Flugorgane; Sternite stärker skierotisiert als Tergite; 1. Larvenstadium ähnelt den Larven, der Rhipiphoridae, endoparasitisch lebender Käfer. Allerdings existieren auch zahlreiche Unterschiede zu den Coleopteren (Thoraxbau; Struktur Vorderu. Hinterflügei; Fehlen von Gula und Trochanter). Auch wurde aufgrund von Kopfkonstruktion und Flügelmuskulatur ein Verwandtschaftsverhältnis mit den Mecopterida diskutiert. Schließlich unterstützen - mittlerweile wieder umstrittene - molekularbiologische Daten ein Schwestergruppenverhältnis von Strepsipteren und Dipteren (s. 23.3). Der Kopf der Strepsipteren-Männchen ist breit und mit großen, vorstehenden Facettenaugen versehen, deren Ommatidien einzeln stehen und im Umriß nicht hexagonal, sondern kreisrund sind (Abb . 25-80 A, B). Offenbar handelt es sich hierbei um eine Ansammlung extrem leistungsfähiger Einzelaugen. Die vier siebengliedrigen Antennen sind ab dem 3. Glied häufig gefächert (Abb. 25-80 A, B), Mandibeln sind in den meisten Familien vorhanden . Antennen, Augen oder Mundteile der Weibchen fehlen oder sind stark reduziert, zumal die Adulti keine Nahrung mehr aufnehmen. Ein dunkelbraunes Kopfbruststück der Weibchen der Stylopidia ist stark sklerotisiert. Der Thorax der Männchen ist stark entwickelt und besteht hauptsächlich aus dem Metathorax (Pro- und Mesothorax sehr kurz) mit den fächerartig nach hinten zusamrnenfaltbaren, vergrößerten Hinterflügeln, welche lediglich einige kräftige Längsadern aufweisen (Abb . 25-80, A). Morphologisch und funktionell sind die am Mesothorax inserierenden reduzierten Vorderflügel männlicher Fächerflügler mit den Halteren (Schwingkölbchen, "Kolbenflügler") der Dipteren von Metathorax vergleichbar. Die Beine der Männchen besitzen 2-5 Tarsenglieder, ein Trochanter fehlt (Abb. 25-80 0). Die Weibchen der Stylopidia sind bein- und flügellos (Abb. 25-80 F, I, J). Das Abdomen des Männchens besteht aus 10 Segmenten. Am 9. Sternit inseriert ein stark sklerotisierter Aedoeagus (Abb. 25-80 C). Der weiß-
885
Iich aussehende Hinterleib des Weibchens der Stylopidia ist sackförmig. Der Darm der StylopidiaWeibchen ist hinten blind geschlossen. Männliche Tiere, die keine Nahrung mehr aufnehmen , haben ebenfalls keine Verbindung zwischen Mittel- und Enddarm, ihr Mitteldarm ist mit Luft gefüllt. Das konzentrierte Nervensystem beim Männchen ist durch ein cephalothorakales Ganglion und stark vergrößerte optische Loben gekennzeichnet. Geruchssinnesorgane des Männchens finden sich gehäuft auf Antennen, Maxillarpalpen und Beinen. Die Weibchen besitzen im Bereich des "Cephalothorax" ein ventrales Drüsenfeld. Fortpflanzung und Larven: Die reifen Eier flottieren frei in der Hämolymphe des Weibchens und gelangen aus den Ovarien über mehrere Gebärorgane zuerst in den Brutkanal, der über eine zwischen Kopf und Prosternum befindliche Brutspalte nach außen mündet (Abb . 25-80 F) . Folglich findet die Embryonalentwicklung bereits im Körper statt (Viviparie) . Die nur wenige Stunden lebenden Männchen werden wahrscheinlich durch Pheromone zum Weibchen gelockt. Darüberhinaus müssen sie die im Körper des Wirtes sitzenden Weibchen finden, um sie dort zu begatten. Die Besamung, d. h. die Injektion der Spermien erfolgt in der Regel über die Mündung des Brutkanals. Die nach Auflösung der Ovarien im Körper des Weibchens flottierenden Eier werden anschließend befruchtet. Da s Weibchen bringt mehrere hundert winzige Triungulidenlarven (s. 25.23) zur Welt, welche das Weibchen durch den Brutspalt verlassen (Abb.25-80 G, H) . Im Gegensatz zu den Meloiden besitzen die Triungulidenlarven (LI) der Rhipiphoridae und Strepsiptera keine drei tarsalen Klauen, der Begriff beruht lediglich auf äußerlichen Ähnlichkeiten. Diese freilebenden Primärlarven suchen anschließend aktiv ihre Wirtslarven auf, und dringen nach dem enzymatischen Auflösen der Wirtscuticula in deren Körperinneres ein. Diese Prim ärlarven besitzen Punktaugen und sind aufgrund von Borsten am Hinterleibsende sprungfähig. Auch können die Primärlarven aus Blüten von Wirtsimagines in die Wirtsnester eingetragen werden , wo ein Einbohren in junge Wirtslarven möglich ist. Die Wirtsspezifität ist nicht besonders ausgeprägt, doch sind folgende Insekten als Wirte bekannt geworden: Silberfi schchen, Orthopteren, Fangschrecken, Zikaden (Abb. 2580, I), Wanzen, Hautflügler (Abb . 25-80 J, Weg-, Grab- u. Faltenwespen, solitä re Bienen , Ameisen) sowie Dipteren (Bremsen) . Ein von Strepsipteren befallenes Insekt wird als stylopisiert bezeichnet. Die Lebenszyklen von Wirt und Parasit sind hochgradig synchronisiert, wahrscheinlich wird dies durch den Hormonhaushalt des Wirtes gesteuert. Auch kann die Entwicklung des Wirtes durch den Parasiten beschleunigt oder gehemmt werden . Die
886
25 Übersicht über die Vielfalt der Insekten
A Brutspalte
Fettkörper
Brutkanal
Rückengefäß
Gebärorgan Mitteldarm Mal./ piglisches Gefäß
E
Abb. 25-80: Strepsiptera. A-D: Männchen von Haliaophagus spec. (Stylopidia), A dorsal, B Kopf, C Hinterleibsende seitlich, D Vorderbein, EParasitische Larve von Haliaophagus spec. (Stylopidia) aus Pentatomide, F Innere Organisation eines Weibehens von Stylops melittae (Stylopidia, aus Andrena vaga), G, H: Triunguliden der Mengenillidia, G dorsal, H ventral, I Weibchen von Halietophagus sp. (Stylopidia; Pfeil) in Kleinzikade (Jassinae), J Männliches Puparium und Weibchen von Pseudoxenos sp. (Stylopidia) in Sceliphron sp. (Sphecidae), (A-E, G-J nach Riek 1970, F nach Pohl & Kinzelbach 2003).
meist durch Körperderfor mationen des Wirtes erkennb are Stylop isierun g kann zu einer Minderung der Vitalität bis zur Flugunfähigkeit führen, eine Erhöhung der Mort alitätsrate der Wirte ist jedoch nicht nachgewiesen. Interessanterweise führt Stre-
psipterenbefall auch zu Verhaltensänderungen und morphologischen Veränderungen (Veränderungen z. B. Kopfform , Prop ortionen, Flügelgeäder, Behaarun g, äußeren Geschlechtsorganen) beim Wirtsinsekt.
25.34 Strepsiptera, Fächerflügler
Eine Strepsipterenart kann das Verbreitungsareal ihres Hauptwirtes überschreiten und nimmt dann andere Wirtsarten an. Zum Teil wurden Fälle von Polyembryonie und Parthenogenese beobachtet. Die eingedrungene Primärlarve häutet sich zum madenartigen 2. Stadium , einem Freßstadium (Abb. 25-80 E). Insgesamt existieren 3 oder 4 Larvenstadien, wobei das letzte Stadium den Wirt zur Verpuppung verlässt (Mengenillidia) oder nur sein Vorderende durch das Wirtsintegument nach außen streckt . Die danach entstehende Puppe liegt folglich im Wirtsinsekt innerhalb der Larvenhaut. Alles in allem werden die Hauptorgane des Wirtes weitgehend geschont, allerdings wurden neben anderen Effekten (s. oben) parasitäre Kastrationen des Wirtes beobachtet.
887
Literatur Brandenburg, 1. (1976): Die Feinstruktur der dreifachen Cuticula des Sty/ops-Weibchens (Insecta, Strepsiptera). Sber. Ges. Naturf. Freunde Berlin 16: 98-106 Kinzelbach, R. K. (1971): 24. Ordnung Strepsiptera (Fächerflügler). Handb. Zoo!. 4(2) 2/24: 1-68 Lauterbach, G. (1954): Begattung und Larvengeburt bei den Strepsipteren. Zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Sty/ops-Weibchen. Z . f. Parasitenkunde 16: 255-297 Lawrence, 1.F., Newton, A. F. (1995): Families and subfamilies of Coleoptera (with selected genera, notes, references and data on family-group names), 634--797, in: Biology, phylogeny and classification of Coleoptera: papers celebrating the 80t h birthday of Roy A. Crowson (Hrsg. 1. Pakaluk, S. A. Slipinski). Warszawa: Muz. Inst. Zoologii PAN Pohl, H., Kinzelbach, R. K. (2003): 27. Ordnung Strepsiptera, Fächerflügler, 526--539, in: A. Kaestner Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Wirbellose Tiere, 5. Teil Insecta (Hrsg. H. H . Dathe). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Riek, E. F. (1970): Strepsiptera, 622-635, in: The Insects of Australia (CSIRO), Melbourne Univ. Press Whiting, M. F., Carpenter, 1.c., Wheeler, Q. D. & Wheeler, W.C. (1997): The Strepsiptera problem: Phylogeny ofthe holometabolous insect orders inferred from 18S and 28S ribosomal DNA sequences and morphology. Syst. Bio!. 46: 1-68
Artregister
Die kursiven Z ahlen verweisen auf Stichwörter in Abbildungen oder Tabellen. A Aasfliegen 516 Aaskäfe r 11 9, 576 Ab edus herberti 439, 440, 449 Abendpfauena uge 56 1,570,573 A cacia 517 A canthaspis 565 Acanthocephala 446 - femo rata 443 Acanthocoris 106, 446 A canthomy rmex 481 A carapis 49 1
Acari na 320 Ace nt ria 178
Acerento midae 758 Acerent omoidea 757, 759 A cerentomon 367, 758 - affine 758 - maju s 386 Acerentu lus - conftnis 386 - phrachedee 758 - trägardhi 386 A cherontia atrop os 170,194,270 A cheta 145,1 93, 366 - dom est icus 144, 147, 151, 282, 354,370,373,404, 412 ,618,787 Achroia grisella 445 A cilius 11 8 - sulcatus 39 1 Acinetobacter 630 Acrida turrit a 563, 565
Acridida 358 Acrididae 8, 176, 180, 20 7, 294j, 358, 379, 382, 787 A crocinus longimanus 82 1 A croltelsa 765 Acromy rmex 474, 489 f, 629 - octospi nosa 484 A cronicta alni 563 Acropyga 490 Acrotelsa 764 A crotelsella devriesiana 765 A crotrichis - fraterna 387 - intermedia 387 - serieans 248
Actinomyceten 623, 629 f, 684 A ctinopte ryx fucicola 387
Aculeata 36, 41, 190 f, 362, 840 Adalia bipunctata 28, 632 Ade1gidae 111 , 358, 508, 806 Ade nosty les 511 Adephaga 820, 823, 829
Aedes 104, 646, 647, 656, 658, 669 - aegypti 43, 86, 94, 109, 110, 111 , 114, 140, 141, 150, 178, 298, 314, 320, 368, 658, 659, 689 - campes tris 143 - cantans 647 - caspius 314 - comm unis 647 - detritus 143 - punctor 647 - (Stegomyia) po ly nesiensis 669 - sticticus 648 - taeniorhynchus 105, 146 - vexans 647
Aeolothripidae 818 Aeolothrips f asciatus 817 A eschna 161, 525 - cyanea 142, 350 - mixta 770 A eschna-Larve 166, 244
Aeschnidae 394, 771f Aeschnoptera 769 Aethria carnicauda 576
AlTen 566, 657 Afrika nischer Baumwollwurm 691 Afterraupen 199 Agabus 550 - bipustulat us 229, 828
Agaonidcn 516 Agapanthia 504 Ageratum 685 Ag1ais urticae 22 Ag rilus 819 Agriotypus arm atu s 139, 544 Agr iotyp us-La rve 139
Agromyzidae 499, 508 Agrotis segetum 296 Agrypo n fla veolatum 674,675 A leochara 448 A leyrochito n complanatus 813, 813
Aleyrodidae 37, 113, 389, 620 Aleyrodina 115,500,614,616,799, 810, 812f A1eyrodoidea 385, 387 Alligato rzikade 570, 573 Allodape 474 A lloma chilis fr oggatt i 763 A lloxysta 593 - victrix 55 1
Alloxystinae 551 Alo uatta 65 7
Alpendost 511 Alticidae 821
adephage Wasserkäfer 586 Adlerfarn 512 Admiral 22, 726
Amauris nia vius 567, 569 Amazo nas-Riesenbock 819 Amazonenameise 400, 497 Amb1ycera 794
Adoxophyes reticulana 69 1
Ambylteles subfu scus 547
Ameisen 97, 109, 11 4, 174, 175, 222,285,303, 304 f, 331, 341, 377,395, 407, 456, 465, 471, 474, 478, 480, 484, 485 f, 486, 488, 490 f, 494, 501f, 509, 512, 516f, 521, 526, 529, 537, 538, 544, 553, 556f, 559, 568, 572 f, 576f, 580, 582, 585- 587, 592 f, 614, 616, 639, 705 Ameisenbären 559, 587 Ameisenfischchen 491 Ameisengrille 787 Ameisenigel 559 Ameisenjungfer 97,522,536,53 7, 622 Ameisenlöwen 41, 92, 103, 108, 118,4 17, 536, 537, 543, 560, 563, 565, 622 Ameiscnparastoide 546 Ameisenspinnen 560 Ameletus 9
Amerikani sche Schabe 120, 3 16, 641 Ammenbienen 480 Ammo conia senex 725 Ammop hila pub escens 544 Amorphoscelis trigina 534
Amphibien 556 Amphib iocorisae 799 A mphizoa 590 A mphotis m arginata 491 Amy lostereum 543 Anabrus simplex 440 Anachalcos 36
Anapl asmose-Erreger 650 A nastrepha suspensa 443 A nax 770 Andrena 442, 548 Andricus fe cunda tor 846
Androcharinae 23 A nergates atratulus 495
Angiospermen 514,5 16 Anisandrus dispar 115, 689 Anisembiidae 774 A nisomo rpha 578 A nisops 179 f
Aniso ptera 118, 142, 394, 769, 770, 771 Annulipalpia 141 Anobiidae 114,614,616,618,819 Anochetus, Schnappreflex 231 Anomon eura mo ri 37 Anomotaenia 492 Ano pheles 354, 593, 645 f, 647, 656,
669, 682, 688 - albimanus 687 - albopictus 659 - maculipennis 646
890
Artregister
- messeae 646 - plumbeus 646 - stephensi 42,689 Anoplischia venusta 567
Anoplura 384,396,410,614,6/6, 623, 794, 795 Antarctoperlaria 772 Antennophorus 491,493 Antheraea 365 - pernyi 44, /87,300,372 - polyphemus 298, 300, 307, 309/
Anthicidae 58/, 582f Anthidium - maculosum 443, 449, 453 - manicatum 443
Anthocharinae 23 Anthocoridae 525,801 Anthomyiidae 499,614 Anthonomus 4/7 - grandis 162 Anthophora 442
Anthophoridae 471,474 Anthrax-Erreger 650 Anthrenus 19,99, 105,640 ,690 - verbasei 20 Anurida - granaria 601 - maritima 386 Aotus sp. 657 Apatura iris 27
Apfelbaum-Glasflügler 691 Apfelblattsauger 377,813,8/4 Apfelschalenwickler 691 Apfelwickler 691 Aphaenogaster sp. 492 Aphaereta scaptomyzae 541
Aphaniptera 866--869 Aphe1inidae 551,675 Aphelinus mali 672
Aphelocheiridae 799 Aphelocheirus 20 - aestivalis 179, /80, 801f
Aphidae 113, 308, 389 Aphiden 466 Aphididae 362, 389, 806, 844 Aphidina 145, 156, 500, 502,6/4, 6/6,799,803,806
Aphidioidae 385 Aphidius er vi 432 Aphidoletes aphidimyza 676 Aphis
- fabae 593, 806 - sambuci 806 Aphodius 821 Aphrophora salicina 119,803
Aphy1idae 800 Apidae 471,515,580 Apidenlarve 4/7 Apiomerus 587 Apion 617 Apis /66 , 192,395,397,404,
4/7 -
andreniformis 473 cerana (indica) 473, 473, 638 dorsata 473, 638 florea 473,638 - koshevnikovi 473 - laboriosa 473 - me/lifera 20, 38, 39, 6/ f, /53, 137,208,293,307,309,3/4,318, 3/9,398,400,473,638
- mellifica 105 Apocephalus 578, 592
Apocrita 195,469,499,844 Apodidae 557f Apoidea 499, 515, 551 Apollo 395
Apollo-Falter 703 Apomorphien 747 Apterygota 392, 412f Arachnocampa 602C 603 - luminosa 146,151 ,155, /56 , 522, 602f,603
Aradidae 108,797,799 Araneida 559
Australembiidae 774 Australentulus 758 Australische Kompasstermiten 488 Australische Wollschildlaus 673 Autographa gamma 270 Automeris 563 Azadirachta indica 685 Azteca 517
B
Araschnia levana 28
Bachhafte 155 Bachläufer 799,801 Bachstelzen 558
Archaea 613 Archaeognatha 21,52,97, 134,
- rossii 789
192,358,361,572,575,740,742,
746,762, 763, 764f Archimantis latistyla 782
Archizygoptera 770 Archostemata 509,823 Arcididae 6/4 Arctiidae 91,445,568, 572f, 582, 640 Arctocorisa distincta 561
Arctoperlaria 772 Arenivaga 135, 138 Argyronema laodice 23
Arixenina 779 Aronstab 516 Arthropleona 753, 754 Arthropoda 6, 429, 434, 529 Articulaten 55 Artogeia (Pieris) napi 23 Asaphes lucens 55/
Ascalaphidae 523, 525, 837 Asclepiadaceen 511, 569 Ascomyceten 613,618 asiatisches Springkraut 678 Asilidae 193, 528 Asiliden 92, 527 Asilomorpha 103 Asilus crabroniformis 523 Asobara tabida 541,549 Asphondylia 385
Bacillus 382 - thuringiensis 596, 707 Baetis 9, 766f - rhodani 372
Bakterien 500,575,582,591, 593f, 598,613,620,623,655 Balataea 578 Balgus schnusei 603
Bandwurm der Gattung Anomotaenia 492 Barathra brassicae 293
Bärenspinner 511, 570 Basidiomyceten 613,629 Baumgrillen der Gattung Oecanthus 291 Baumläufer 557 Baumläuse 806 Baumwanzen 799 Baumwollwanzen 137 Beauveria 593 Beerenwanze 800 Beintastler 757-759 Bekreuzter Traubenwickler 691 Bellicositermes 468, 488 - natalensis 466/ Belostoma cordofanum 800
Belostomatidae 439,449,458, 799, 802 Bemisia 684
Ateluridae 764
Bennettiteen 514 Bergblattkäfer 511 Berytidae 579 Bettwanzen 114,623 ,640,643,644, 799 Beuteltiere 558
AtemeIes 592 A temles pubicollis 491
Bibio 104 - nigriventris 59
Atlasspinner 182
Bibionidae 334, 383, 385 Bienen 20,83,95,97, 115, 137, 175, /89, 219-222,273, 276,293, 303f, 327, 330f, 339, 340f, 341, 395, 442f, 453, 456, 465, 469, 471,483,485,488,499,514,540, 545f, 553, 559, 569, 576, 598, 847 Bienenameisen 540 Bienenarbeiterin 208 Bienenauge 338 Bienenfresser 557f Bienenwölfe 266, 540, 551 Bilateria 420, 429f
Asseln 630 Asterolecanium 38 Ateles sp. 657 Atelura formicaria 491
Atrophaneura 569 AUa 109, 372, 489f, 627 - cephalotes 540, 578, 592 - sexdens 377,628 - texana 628 - vollenweideri 478 Attacus 20/ - atla s 170, /74 , 182, /97 ,575,
577 Attagenus 690 - pellio 111 - piceus 162
Attinen 629 Attini 511,614,628 Auchenorrhyncha 62, 500, 6/6, 799, 802,803
Augenfliegen 540 Australembia incompta 775
Biorrhiza pallida 846
Birkenblattroller 504 Birkenspanner 565 Biston betularia 565f Bittacidae 373, 394, 460, 525
Artregister Bittacus 522 B/aberus 108, 190, 784, 786 - craniifer 32, 33 - discoidalis 88 - fuscus 618 - giganteus 191 , 193
Blasenfüße 815-819 Blasenschrecke 290 Blässhuhn 558 B/astothix Blatta 786
- orientalis 94, 111, 641, 784, 785 Blattaria 614, 616 B/attella 99, 108, 131 - german ica 117, 120,237,240, 241,414,641,784 - germanica, Eier 110 Blattflöhe 240,500,502, 508f, 614, 616, 799, 813 Blatthornkäfer 413, 501,616 Blattkäfer 91,457,491 ,499-501, 508, 511f, 560, 563, 569f, 573, 576f, 588f, 616, 617, 677, 707, 821 Blattkäfergattung 518 Blattkäferlarven 563, 577, 583 Blattläuse 21,37,43, 78, 92, 108, 110,113, 115, 137,358, 500f, 502,505, 506, 509, 512, 525, 534, 542,544, 550f, 561, 568, 570, 572, 575, 579, 587, 593, 595, 614, 616f, 622, 684, 689, 705f, 708, 710,713,715,727,799,806,807,
816,821 Blattlausgallen 506 Blattodea 97,168, 175f, 180, 188f, 19lf, 199,202,211,362,366, 384,397,414,466,601, 783f, 785, 786 Blattoidea 348 Blattsauger 517 Blattschneiderameisen 484, 487, 489,511 ,540,592,614,627,628, 629 - der Gattung Atta 109,372 - der Gattung Acromyrmex 474 Blattwepsen 36,44,97,469,499, 500-502,501 ,505, 508f, 511, Blattwespenlarven 118,544,561, 567, 568, 573, 576 Blaufelchen 556 Blauhäher 563, 564 Bläulinge 23,493,501,592 Bläulingsraupen 512, 592 B/edius 591 - spectabilis 456, 590
blinde Asseln 491 blinde Fliegen 650 Blindwanzen 799 Blittidae 116 Blumenfliegen 499 Blumenkäfer 583 Blumenwanzen 502, 524 Blutbär 501, 511 Blütenböcke 515 Blutlaus 37, 111 ,372,672,806, 808
blutsaugende Mücken 104 blutsaugende Wanzen 97, 118 Blutsauger 575 Bockkäfer 114, 116, 176,453,499, 504,515,516,623,625,821
891
Bocydium g/obu/are 805 Boettcherisca peregrina 316
(
Bohrfliegen 375,443 , 499f, 505-509 , 512f, 616, 617, 622, 678,
Cactoblastis cactorum 677,733 Caelifera 59, 500, 787, 788, 789
694,706-708,710,712,716
- des Tribus Terellini 731 Bohr-Fransenflügler 818 Bolaspinnen 559 Bolith ophila (A rachnocampa) lumin osa 43
Bombardierkäfer 577,578, 827 Bombinae 473 Bombu s - hypnorum 480 - /apidarius 102,473 - terrestris 347,480
Bombycidae 389 Bombyliidae 417, 540, 546, 550 Bombyliiden 177 Bombyx 186,370, 398 - mori 8,44,298, 299f, 308f, 313 , 349-352 , 357, 369, 375, 399,405f Borkenkäfer 97, 114f, 118,443, 499,505,508,511,524,616,622,
693,694, 709, 821 Borrelia 602
Borstenläuse 806 Bostrychidae 614, 616, 819, 828 Bothriomyrmex decapitans 497 Both riponera tesserinoda 485
Brachycera 142,334,385,416,548, 729,871 ,882 Brachycolinae 602 Brachyptera 9, 773 Brackwespe 509,512,541 ,546, 570,593,594,595,675f Bracon 678 - hebetor 432, 546 - urinator 678
Braconidae 44, 180,389,407,538, 541,545, 547f, 550f, 570, 580, 593,594,595,675,843
Caenis 766 Ca/andra granaria 127 Caligo 201 Calineuria californica 773
Callaphididae 806 Callibaetis coloradensis 142 Calli/epis 557, 560 Callimorpha ja cobaea 566 Calliphora 108,168,1 70,172,176, 180, 187f, 189,191,196,202,
352 - erythro cepha/a 2,6,42,94, 103, 104, 110, 122, 218f, 250 ,253, 254,282, 286f, 366, 416, 651
- vicina 169,314, 317,318 - vomitoria 123 Callitaera menander 561 Callosobru chus 382 Ca/ogo 176
Calopt era 769 Ca/opt eryx 448, 770 Ca/otermes flavicollis 786 Calotermitidae 786 Ca/podes ethliu s 2, 14, 122, 124 Camerhynchus pallidus 558 Camphy/othorax 754 Campodea 357,367,407,415, 760,
76lf - chardardi 33, 35 - staphylinus 761
Campodeidae 384 campodeoide Larve eines Planipenniers 417 Campodoidea 760, 761 Camponotini 614 Camponotus 477, 483, 587 - floridanus 537, 538 - hercu/eanus 487
Bradysia tritici 375 Branchiostoma floridae 3 Bremsen 114,207, 553, 623, 650 Brevicorynebrassicae 806
- saundersi 485 - sericeus 485
Brotkäfer 110,618,621 ,625 Bruchidae 388
Cantharidae 568,821 ,826 Cantharidin 580
Bruchidius 406 Brug ia 669 - malayi 667,668
Brüllaffen 657 Buchdrucker 693 Buchen 799 Buchenlaus 37,806 Buchenspringrüssler 104 Bücherläuse 791-793 Buchnera 616
- pectinatae 561,563 Buckelfliege 540 Buckelzirpen 618,620 Buenoa 179 Bufo bufo 557 Bullacris membranciodes 290
Buntkäfer 524, 550 Bupa/us pinaria 365,564, 565, 691, 715 Buphaga 558
Buprestidae 168,616,819,828 Buprestidenlarve 417 Büschelmücke 141 Byrrhidae 570, 572, 821
- socius 485 Candida 623
Cantharis fusca 60, 239
Capniidae 614 Caprimulgidae 557f Capsidae 799 Carabidae 41,92,116,145, 388, 416,420, 525f, 529, 577, 675, 821 Carabus - auratus 24/ - monilis 820 - violaceus 364 Caraphractus cinctus 550 Carausius 167, 397 - (Dix ipp us) morosus 29, /24, 145, 167,236-241 ,298,300,354,367,
789f Carcharodus a/theae 23 Carcinocoris binghami 526
Cardueen 508f,512 Carduus nutans 678, 708 Carpocoris fus cipinus 618 Cassida 119,501,563,821
Cassididae 457 Cassidinae 563, 573
892
Artregister
Cataglyphis 236 - bombycina 302 f - f ortis 265 Catocala 563, 564, 573
Caviolabiata 769 Cecidomyidac 385- 387, 389, 499 Cecropia 517 Celator ia setosa 545 Cenocor ixa 118 Centaurea 512 - solstitialis 512 Centr is - adani 443 - pallida 443 Centroptilum 766 Centr otus 803 Cephalodesm ius 457 Cephalotus 555 Cerambycidae 98. 114,11 6, 145f, 169,499,567,569,575,614,616, 623,625,819 Cerapt erus sm ithii 822 Ceratinini 474 Ceratitis cap itata 596, 691 Cerat ophyllus - columbae 654 - gallinae 654 Ceratopogonidae 442,614,616, 649,650 Ceratr imeria - dendyi 754 - diospino sa 754 Cercopid ae 382, 803 Cercopis - sanguinea 119, 803 - vulnerata 62 Ceroma sia 191 Ceroplastes-Arten 38 Ceroplatu s testa ceus 603 Ceropoidea 113 Certhiidae 557 Cerura 570, 573 Cerylinodae 103 Ceten ophalides fe lis 653 Chaestomella 731 Chaetessa filata 534 Cha itophoridae 806 Chalcididae 178, 388f, 403, 407, 418,550,846 Chalcidoidea 540f, 546f, 550f, 551 Chalepox enus 495 Chamäleon 556 f, 563 Chaoborus 141,178,561,564,565 Charadriidae 557 Cheilox enia obesa 493 Chelentoptcra 789 f Cheliceraten 431 Chelonus 548 Chermes 809 Chermesidae 806 Chilacis typhae 800 Chilopoden 123 chinesischer Seidenspinner 372 Chironomidae 364, 374, 404 , 614 , 645,724 Ch ironomiden 188,401 Chironomiden-Larven 122, 178 Chironomus 104, 178 - halophilus 143 - salinarius 143 - tentan s 149, 351 Chiroptera 558
Chlamydatus 801 Chlamydia trachomatis 655 Chlorophanus viridis 257
Chloropidae 91,499 Chordata 429,499 Chorthippus biguttulus 453 Chortoicetes terminifera 726 Chrysanthemum 680 Chrysididae 572 Chrysiridia 27 Chrysis 570 - shanghaiensis 550 Chrysobothris 417 Chrysolina 677 - hyperici 588 Chrysom ela 511 - populi 575 - tremula 576 Chrysomelidae 9,91 , 145, 169,418, 420,491 ,499,501 ,508,572,582, 584,614,616,617 Chrysomeloidea 97 Chrysopa 44f,92, 108,408,413, 417,525 - carnea 396, 676 - perla 50 Chr ysopidae 294,297,582,836,838 Chrysops 650 Cicada - orni 295 - plebeja 802 Cicadcllidae 726 Cicadelloidea 113 Cicadidae 294, 382, 802 Cicadina 115, 145, 154,614,616, 799,802,804 Cicadoidea 113 Cicindela 382, 527 - hybrida 522 - silvatica 820 Cicindelidae 92, 521, 525, 543 Cimex - hemipterus 644 - lectularius 114, 643 - rotundatus 644 Cimicidae 393, 396, 614, 623, 799 Cionus 116, 145 Circulifer tenellus 726 Cirsium 512, 731 Citrus-Kulturen 672 Cixiidae 802 Cixius pilosus 805 Cleonus 618 Cleridae 383, 524, 550, 821 Cleroidea 825, 829 Cloeon 191,766f - dipterum 102, 767, 768 Clytra 563 - quadripun ctata 491 Coatonachthodes ovambolandicus 493 Cocada orni 802 Coccidae 38,614,810 Coccina 37f, 54,115,145,500,616, 811 Coccinca 799, 809 Coccinellidae 36,418,568,675, 821 Coccoidea 381, 385, 387 f, 420 Coccophagus 551 Coccus hesperidum 38 Cochenillelau s 78, 809 Coenagrionomorpha 769
Coleopa 406 - frigida 143
Coleophoridae 853 Coleoptera 8 f, 11, 36, 40, 43, 60, 62,97,104,111,116,145,154, 175f, 181, 186, 188f, 191, 193f, 216,291 ,316,361 ,365,372,375, 378,380,382-384,387-389,390, 391f, 394, 396,397, 399f, 403 f, 408,410, 412f, 417 f, 431, 435, 499, 514f, 521, 524, 526, 528f, 529,539,540,545,550,552,568, 572,596,601 ,614,616,675, 745, 819,820,821 ,822,823,824, 825-827,829,830-831 Coleorhyncha 799 Colias 22f - croceus 270 Collembola 11,16,21 , 40f, 51, 68, 70,92,97,99, 115, 119, 129f, 132, 134,135f, 137, 156-159, 165, 166,240,361 ,369,372,381 ,385, 386 ,392,403,410,500,524,529, 530 ,532, 533,534, 559, 572L 575,577,590,601 ,602,614, 724, 746,753, 754,755, 756, 757-759 , 762 Colobopsis 474 Condylognatha 749 Coni optcrygidae 836, 838 Conocephalus dorsalis 102 Conom elus limbatus 805 Conopidae 540, 550 Conopiden 545, 548 Copeognatha 21,43,791 Copiditia thonalmus 567 Copidosoma 549 - floridanum 432, 550 Copris - interioris 36 - lunaris 457 Copto soma 105 - scutellatum 618 ,625,800 Coraciidae 557 Cordatitales 508 Cordulia aenea 396, 397 Coreidae 399, 443, 614, 799 Corethra 561,563 Corixa 802 Corixidae 294, 799, 801 f Corrodentia 791 Coryneph oria 754 Cossyphus 562 Cotesia 593 - (Apanteles) zygaenarum 91 - congregata 548, 594 - margini ventris 512 Coyote 559 Crataegus 509 Creatonotus 511 Crematogaster 485, 486 - scutellaris 577, 579 Crioceris 563 Crowsoniella relicta 822 Crowsoniellidae 822 Cryptocephalus 563 Cryptocerata 799 Cryptocercus 115, 786 - pun ctulatus 457, 784 Cryptochetidae 547,548 Cryptoglossa verrucosa 131 Cryp tothrips latus 384
Artregister Cryptotympana japonensis 806 Ctenocepha/ides - canis 652 - fe/is 652 Ctenocephalus 382 Ctenolepisma 115, 135f, 765, 766 Ctenopha/ides canis 653 Ctenuchidae 569, 573, 576 Cubitermes 467 - fungifaber 466 Cucujoidea 825, 829 Cucu1idae 557 Culex 104, 646, 656, 669 - fatigans 732 - pipiens 114, /4/ ,3/4,398,646 - pipiens fatigans 669 - quinguefasciatus 86, 646, 668, 669 Culicidae 41, 104, 114, 157, 381-383 ,396,6/4,645 Cu/icoides 650 - obsoletus 649 Cu/iseta (Theobaldia) annulata 646, 656 Cupedidae 823 Curcu/io nucum 820 Curculionidae 21,98, 103,104, 145,499 , 505, 508, 572,614,616, 617f,821 ,829 Curculioniden1arve 4/7 Cyaniris semiargus 23 Cycenis albicans 674f Cychrus 527 cyclorraphe Dipteren 406, 431 Cyclorrhapha 41,385,431 Cyclorrhaphen1arve 4/7 Cydia pomonella 691 Cydnidae 108,617 , 800f Cynipidae 37/ , 373, 389, 499, 506, 508 Cynipoidea 541, 544, 551 Cynips - longiventris 506 - quercusfolii 506 Cyphoderidae 754 Cyphoderris strepitans 460 Cyrtodiopsis whitei 451,453 Cysticercoide von Bandwürmern 491
D Dacetini 529 Dactylopia cacti 809 Dactylopiidac 809 Dacus - cucurbitae 550 - oleae 691 - tryoni 118,375 Dahlbominus fuscipenni s 388, 674 Daldimia 627 Danaidae 91,573,586 Danaus 582, 726 - chrysippus 22, 567, 569 - hippocoon-Form 567 - plexippus 511,569,588 Dasselfliegen 108, 180, 679 Deckelschildläuse 810 Degeeria luctuosa 545 Deleaster 587 Dendro/imus pini 691
Dendroctonus 622 - brevicomis 693, 694 Deporaus betulae 503, 504 Dermaptera 60,361, 364, 380, 384, 389, 399, 403 f, 420, 446, 572, 575,675, 778f, 780,781 Dermestes 99 - lardarius 99, 111 ,148 Dermestidae 21, 115,572,579, 821 Dermogenys pusillus 557 Derris 680 Deuterostomia 429 Deutsche Schabe 120, 240,241,641 Dexia 550 - rustica 546 Diabroticinae 689 Diacamma 495 Diadegma chrysostictus 550 Diapause 201 Diapriidae 549, 603 Diaspididae 38, 108, 111 ,810,811 Diceroprocta apache 132 Dickkopffiiegen 540, 550 Dicondylia 53, 742, 746 Dicrocoelium dendriticum 491 Dictyophara 802 - (Fulgora) europaea 805 - (Fulgora) laternaria 805 Dictyoptera 349, 406, 778, 783 Dicyrtomidae 754f Diebsameisen 487 - der Gattung Solenopsis 487 Diglyphus issaea 676 Dilaridae 837 Dilta 764 Dineutus 391 - punctatus 822 Dinopis 559 Diolcogaster facetosa 570 Dionaea 555 Diplazon 548 Diplocladon 604 Diplojapyx humberti 76/ Diplolepis quercus-folii 846 Diplopoda 123,403 Diploptera 579 - punctata 786 Diplura 11, 33, 35, 51, 70, 92, 97, 115, 134, 145,191 , 192, 196f, 357, 377, 383f, 389, 407, 414f, 572, 575, 746, 758-760, 761, 762 Diprionpini 511,691 Diprionidae 587 Diptera 9,21 ,41 , 59f, 60, 61, 68, 88,91 ,94,96, 98f, 103, 111, 115f, 119, 143, 145, 146f, 150f, 154f, 156,161 ,172, 176f, 188f, 191 f, 194, 196f, 199,214,216, 222,375, 378f, 41, 43, 45, 294, 314,316, 327, 329, 332, 348, 357, 362, 366f, 374,381,383-387,392, 394, 396f, 399,403,406,408, 412,418,420,443,451 ,499,508, 514f, 521f, 523, 525, 526,527, 528,534, 539f, 541, 545, 547, 548, 549f, 556, 575, 595f, 601, 614,616,645,675, 729, 745, 869, 870-872,873, 874f, 876f, 878-883, 884 Dipterenlarven 16, 98, 143, 172, 191, 192,558 Discomyceten 6/4
893
Dissosteira caro/ina 230,379 Disteln 505,509,678, 707f, 731 Ditrysia 362, 363 Divales bipustulatus 383 Dixippus morosus 148 Dociostaurus maroccanus 726 Dolchwespen 540 Doldenblütler 516 Dolichoderinae 474,495, 497 Do/ichoderus 490 Dolichopodidae 527,528 Do/ichovespula 471,639 - adulterina 494 - omissa 494 Dolycoris baccarum 800, 802 Donacia 116, 145,617,829 Doppelschwänze 759-762 Dornschrecken 787 Doronomyrmex - goesswaldi 495 - kutteri 495 - pacis 488 Dörrobstmotte 691 Dorylus 475, 478 Draconis rusina 563 Drahtwürmer 501,689 Dreyfusia piceae 707 Drohnen 41,319 Drosera 555 Drosophila 76, 86, 100, 170, 175, 177,248,278,279,322-325,362, 363, 365-368 , 373, 375, 380, 382, 395,397-400, 403f, 406f, 412, 4/8,420,421,423,426-428,429, 431-433,435-437,425,443,541, 596,708 - bifasciata 387 - bifurcata 383 - hydei 150f,152 - melanogaster 7, 79, 86, 207, 212, 217,222,307,3/6, 351-353, 363, 367,370,372,373,395,399,401, 405,420,438,454,549,596,597 - pseudobscura 387 - subobscura 387 Drosophilidae 381,541 ,614 Drosophyllum 555 Drusilla 592 Drusus annulatus 723 Dryops luridus 570 Dungfliege 451,455 Dungk äfer 684,821 Dynastes hercules 819 Dynastinae 169,819 Dysdercus 137, 159 - intermedius 365 Dytiscidae 8,41, 168, 199,291, 417,420,448,528,584,772 Dytiscus 99, 118, 161,550 - margina/is 39,96,119,244, 364f, 391,448,529,575,828 Dytiscus-Larve 92,173
E Ecdyonurus fircopula 768 Echidnophaga gallinacea 654 Eciton 475 Ectobius 117, 784, 786 Ectognatha 50, 742, 746, 762 Ectopsocus 792 - briggsi 792
894
Artregister
Ehrenpreis-Blüten 516 Eichen 508 Eichenminiermotte 503 Eichenwickler 513,559 Eichhörnchen 559 Eidechsen 557, 573 Eier der Simuliidae 140 Einbindiger Traubenwickler 691 Eintagsfliegen 10, 71,72,102 ,142, 372,434,444,556,558,614, 766-769 - der Gattung Cloeon 142 Eintagsfliegenlarven 53f, 70, 101, 141 Einzeller 601 Eisenpanzerkäfer 821 ektoparasitische Milben der Gattung Antennophorus 493 Elateridae 240,501,567, 603f, 821 Elateriformia 603 Elefantenläuse 794 Elefantenspitzmäuse 558 Ellipura 746, 755, 758, 760 Embia 775 Embiidae 774 Embioptera 192,384,393,772, 774,775 Embolyntha batesi 775 Empididae 179,181,440,453,460, 523, 527 Empis borealis 440 Empoascafabae 726 Encarsia formo sa 246, 676 - Clap und Fling-Mechanismus 247 Encyrtidae 389,391 ,551 , 675 Endameise 495 endoparasitische Schlupfwespen 407 Engerlinge 415, 616 - eines Lamellicorniers 417 Ensifera 61,294,384,393,500, 526,787, 788, 789 Entamoeba histolytica 636, 655, 656 Entenvögel 558 Enterobacter 630 - aerogenes 622 Entognatha 50,52,72,361 ,740, 746f, 758, 760, 762 Entomobrya 754 Entomobryidae 754 Entomophthoraceae 707 Eosentomidae 758 Eosentomoidea 757, 759 Eosentomon 145, 357, 386, 758 - foliac eum 758 - transitorium 386 Eoxenos laboulbenei 552 Epeorus 9,10 Ephemerida 362, 377f, 393, 396, 404,410,420,556 Ephemeridae 191 ,329,575,614 Ephemeriden-Larve 166 Ephemeroptera 9,59, 141, 192, 197,249,349,361,367,378, 381, 383f, 386,387, 413f, 420, 434, 444,614, 766f, 768, 769 Ephemeropterenlarven 53 Ephestia 334, 336,337
- cautella 692 - kühniella 110, 137,676,691 Ephoron virgo 767 Ephydra riparia 143 Ephydridae 525, 630 Epilachna 579 Epimyrma 485, 495 - ravouxi 497 Epiophlebia superstes 771 Epiophlebiidae 769, 771 Epipona 470 Epiproctophora 769 Episyrphus balteatus 60 Epsilon 442 Erdferkel 559 Erdflöhe 240 Erdwanzen 617,801 Eremiaphila 533 - denticollis 534 Eretmapodites chrysogaster 645 Ericerus pela 38 Erinnyis ello 105 Eriosoma lanigerum 111, 372, 672, 806,808 - lanuginosum 37 Eriosomatidae 806 Eristalis 161, 172, 178 - tenax 103 Erlenholzwespe 544 Ernteameisen der Gattung Messor 474 Erzwespen 509, 516,543,544, 546f, 548, 549-551, 674, 709, 717 - der Gattung Nasonia (Mormoniella) 92 Escovopsis 629 Etruskerspitzmaus 558 Eubakterien 613 Eucalyptus 587 Eucarabus monilis 820 Eucharidae 546, 547 Euchistus - servus 618 - variolus 387 Eucoilidae 541 Euglossinae 472 Euglossini 514 Eulen 201,318,319,556-558,570, 595, 686 Eulophidae 675 Eumenes 543 Eumenidae 442 Euphorbia 511 Euploea core 27 Eupoecilia ambiguella 691f Euproctis 578 - chrysorrhoea 576, 578 Europäischer Laternenträger 618 Eurycantha 572 - horida 570 Eurygastrinae 800 Eurytoma - monemae 550 - robusta 678, 709, 717f - serratulae 709, 717f - tibialis 678 Euscelis plebejus 28, 803, 806 Euxoa ochrogaster 547 Exenterus - abruptorius 545 - adspersus 545 - amictorius 545
F Fabaceen 515 Fächerflügler 552, 884-887 Fächerkäfer 493, 550 Falagria sulcata 590 Falconidae 557 Falken 557 Fanghafte 521,525,526 Fangschrecken 561f, 565, 572f, 781-784 Fangwanze 524, 526 Fauchschabe 173 Federflügler 248, 448, 826 Federlibelle 404 Federlinge 614 Feigen 516 Feigenkaktus 677 Feigenwespen 516 Feldgrille 787 Feldheuschrecken 190, 290,294, 296,453,563,725,787,788 Feldwespen 471,494,576 - der Gattung Polistes 470 Felsenspringer 130,132, 134,135, 762, 763, 764 Feuerameisen 640, 688 Feuerkäfer 603 Feuerwanzen 32, 88, 799 Fichtenblattwespe 511 Fichtengalllaus 809 Fichtenläuse 508 Ficus 516 - retusa 817 Fidicina chlorogena 803, 806 Figitidae 541 Filarie 650 Filarien der Gattung - Brugia 669 - Wuchereria 646, 669 Filzlaus 641,642,643,732 Finken 558 Finnen 491 Fischchen 764-766 Fische 556,601 Flagellaten 466,500,614,617,618, 623-625, 630 Flatidae 561 Flavobakterien 614 Flechteneulen 561 Flechtlinge 791-793 Fledermäuse 540, 558, 570 Fledermausfliegen 616 Fleischfliegen 12, 117, 551 fleischfressende Pflanzen 555 Fliegen 12, 16,21,41,83,92, 103, 114, 118, 142, 176, 195,207f, 216,218,221,297,298, 300,307, 309, 327f, 334, 341,428,446, 493,545,559,580,591 ,614,651, 684,869 Fliegenlarven 12, 14, 104 Fliegenmaden 68 Fliegenschnäpper 557f, 566 Flockenblumen 512 Flöhe 44,97, 114, 135,173,242, 413,416, 526, 572, 575, 580, 598, 623,651,652,654,660,682, 866-869 Florfliegen 108, 576, 592f, 676 Florfliegenlarven 576
Artregister Forfieula 408 - aurieularia 8,60, 101f, 102, 779, 780 Forficulina 779 Forleule 416,691 Formiea 474,475,488,491 - polyetena 302,480,481 - rufa 495, 677 - yessensis 477 Formica-Arbeiterin 494 Formicidae 302,469,474,616 Formicinae 474,490, 495, 497, 639 Formicinen 484, 485 Formicinen-Gattung Polyergus 495 Formicini 614 Formieoxenus 494 - nitidulans 494 Franeisella (Pasteurella) tularenis 650 Franklinothrips myrmieaeformis 816 Fransenflügler 500, 502, 525, 715, 815-819 Fraus minima 170 Froschlurche 556 f Frostspanner 674f, 689, 710 Fruchtfliegen 8, 292 f, 550 Fuchs 559 Fulgora 570, 573, 802 - europaea 628, 802 - lanternaria 60 I Fulgoridae 573,601,618,802 Fungivoridae 522, 602 Futtersaftdrüse 41
G Gaillarida aristata 566 Galapagos-Spechtfink 558 Galeatus affinis 589 Galeruea 560 Galleria 99 - mellonella 12,111 ,115,145,350, 445 Galleriinae 615 Gallmücken 403,405, 499, 508 f, 547, 676 Galloisiana 776 - biryongensis 777 - nipponensis 777 Gallwespen 373,499,506, 508f, 846 Gambusia 556 Gammaeule 270 Gänse 558 Gargaphia solani 458 Gargara 803 Gartenlaubkäfer 117 Gasterophilidae 180 Gastrimargus musieus 726 Gastroidea viridula 397 Gehäuseschnecken 604 Geißblatt 516 Gelbfiebermücke 43, 109, 110, 298, 658 Gelbrandkäfer 39, 92, 96, 119, 244, 365,448 Gemeiner Leuchtkäfer 604f Geocorisae 799,800 Geode ssus 819 Geometridae 28, 365, 399 - Fortbewegungsform 236 Geometriden 561-563,572
Geometroidea 294 Geotrupes si/vatieus 289 Geotrupidae 378 Geotrupinae 378 Geradflügler 52, 500, 614 Gerridae 452, 524, 799, 801 Gerris 290, 561 - laeustris 800 - remigis 290 Gespenstschrecken 500, 561, 563, 572, 578, 789 f Gespinstblattwespen 502 Gespinstmotten 502, 853 Getreideblasenfuß 248 Getreidemotte 676 Gewächshausschrecke 787 Gewitterfliegen 248, 818 Gi/pina hereyniae 511 Gitterwanzen 799, 800 Gladiatoren 778 f Glanzkäfer 491 Glareolidae 558 Glasflügler 853 Gletscherflöhe 753 Gloeophyllum 622 Glossina 39, 357, 362, 650, 664 - morsitans 8, 17, 40, 83 f, 114, 133,162 - palpalis 314 Glossinae 616 Glossinidae 39, 614, 623, 650 Glossosomatidae 9 Glyphotaelius pellueidus 142 Gnitzen 580,616,649, 650, 689 Goeridae 142 Goldaugen 297 Goldfliegen 651 Goldlaufkäfer 241 Goldmullartige 558 Goldrute 678 Goldwespen 550, 570, 572 Goliathkäfer 192 Goliathus 176 Gomphidae 394 Gomphides 769 Gonepteryx 22 Gottesanbeterin Gottesanbeterinnen 44, 103, 191, 237,460,521,525,527,533-535, 534,536,552, 560f, 781-784 Grabwespen 445, 524, 540, 542, 543,548 Gracilariidae 503, 852 Granuloseviren 707 Grapholitha - funebrana 691 - molesta 691 Graphosoma italieum 95, 798 Grasmücken 557 f Graue Fleischfliege 650 Grauer Lärchenwickler 711,715 Greifvögel 556 Grillen 71, 86f, 96,98, 197,213, 283,286,287,288, 290f, 296, 297,298,341 ,354,446,449, 452-454, 542, 777, 787, 788 Grillenmännchen 291 Gromphadorhina 173 - laevigata 785 Großer Kohlweißling 44 Großer Kolbenwasserkäfer 397 Großes Johanniswürmchen 604
895
Großlibellen 521, 525, 572, 769 Großschmetterlinge 501 Grundwanze 179, 180 Grüne Tannenhoniglaus 561 Gryllacrididae 787 Gryllidae 394,396,614, 787 Grylloblatella 776 Grylloblalla 776 Grylloblattidae 776 Grylloblattina 776 Grylloblattodea 383, 389, 776, 779 Gryllotalpa 192 - gryllotalpa 384, 787 - hirsuta 542 - nitidula 542 Gryllotalpidae 787 Gryllus - bimaeulatus 240,241 ,259,349, 350, 453, 787 - eampestris 259,393, 787 - integer 452 - pennsylvanieus 453 - rubens 540 Gurkenblattkäfer 689 Gymnocerata 799 Gymnopholus 821 Gynaikothrips uzeli 817 Gyrinidae 8,177,391,524,822 Gyrinus 244,290,524 - marinus 391 Gyronotus 36
H Haarmücken 869 f Habrobraeon 420 Habroeytus 678 - eerealellae 538 Habroleptoides umbratilis 386 Haemagogus 657f Haematomyzus 794f - elephantis 795 Haematopinus 191 - suis 396 Haematopota 650 - pluvialis 651 Hafer 512 Hafnia 630 Haglidae 460 Halaeomyia petrolei 630 Halbaffen 559 Halbschnabelhechte 556, 557 Halietophagus 886 Haliplidae 8 Halmfliegen 499 Halmwespen 839 Halobates 799,800 Halticinae 240 Haltieus 801 Haploembia 776 - solieri 775 Haplothrips leueanthemi 817 Harlekinbär 270 Harpagoxenus 495 - sublaevis 481,482,484 Harpegnathus saltator 640 Harpobittacus 445, 460 - tillyardi 865 Hausbockkäfer 118 Hausgrille 151 Hausmausfloh 654 Hausmücken 114,646
896
Artregister
Hausratte 661 Hausstaubmilb en 791 Hautflügler 68,416,469,499,51 8, 556,614,632,638,675,839- 848, 885 Hechte 556 Heeresameisen 475,478 Hefen 500,614,61 7,620,623 Heimchen 282, 404, 617f, 618,787 Heleidae 870 Heliconiinae 568, 585 Heliconius 109, 512, 569 - erato 566, 567 Heliothis - punctigera 387 - zea 686, 695 Heliothrips 414 Helochares griseus 824 Helodes hausmanni 828 Helodidae 417,828 Helomyza 362 Helophorus 563, 565 Hemerobiidae 835, 838 Hemerobiiformia 835 Hemerocampida e 640 Hemerodromia 181 Hemimerina 779 Hemimetabola 54, 372, 375, 412, 415, 593 Hemimetabolen-L arven 64 Hemipepsis ustulata 443 Hemipsocidae 792 Hemipsocus 792 Hemiptera 35,41,97, 176, 193, 196, 294,347,361 ,379,381 ,386-388, 391, 393f, 396, 399,404,408, 435, 515, 596, 791, 797, 798, 799, 800,801 ,802-814,815,818 Hemipteren-Gattung - Anisops 179 - Buenoa 179 Hemipteroidea 348, 499 Hemirhamphidae 556 Hemisphaerota cyanea 573 Hepialiden 169,1 70 Heptageniidae 9,614 Heracleum mantegazzianum 678 Herkuleskäfer 827 Herse convolvuli 862 Hesperidae 560, 575 Hesperiidae 23, 560, 575, 852 Heterojapyx 761 Het eropsilopus cingulipes 528 Heteroptera 34f, 106, 108, 115, 145, 173, 175, 192,214, 378, 383f, 387,392,396,399,457,499,521 , 525,526,614,616,675,799,802 Hetrodinae 573 Heuschrecken 8, 14,41 ,52,79,82, 88,98,102, 115, 123, 151, 181, 205,207, 214f, 219f, 220,291 , 296,302,307,329,389,432,446, 500f, 526, 534, 540, 546, 553, 559,561,565, 569,573, 575f, 579, 583, 586, 593, 689 Heuschreckeneier 565 Hierodula membranacea 536 Hilara 460 - fem orata 523 Hippobosca equina 650 Hippoboscidae 363, 420, 616, 650, 871,872
Hirschkäfer 400,413,438,446,447 Hirschlausfliege 650 Hirundinidae 557f Hispinen 572 Hodotermitidae 386, 786 höhere Diptera 347, 349, 362 Holocentropus dubius 850 Holometabola 54,372,375,415, 705, 884 Holzbiene 372 Holzbohrer 852 Holzbohrkäfer 616 Holzwespen 543f, 616, 622, 627, 839, 841,845 Holzwespenlarve 550 Homoeosoma 678 Homoptera 37, 43, 108, 111, 294, 295,358,389, 399f, 403f, 502, 508,517,592,595,614,616,675, 799,802,803 Honigbienen 20, 38, 39, 41, 95, 96, 97,105, IOSf, 119, 121 ,153, 181 , 207, 220f, 274, 276, 284,293, 298,302,307,309,316-318 , 319, 320,321,357,375,389,400,406, 441,443,473,480,488,515,638, 839,840,842 Hoplocampa - j1ava 845 - minuta 845 Hoplothrips pedicularius 816 Hornisse 470 Hügelnester 488 Hühnerfloh 868 Hühnerküken 566 Hummelfliegen 870 Hummeln 102, 347, 443, 471-473, 480,491 ,494,514,556, 638f, 839 Hummelschweber 515,550 Hundefloh 652, 653 Hyalophora 349 - cecropia 7, 367, 369, 596 Hyänen 559 Hydati cus transversalis 391 Hydradephag a 823 Hydrocorisae 799,800 Hydrocyphon 417 Hydromantes 557 Hydrometra stagnarum 396 Hydrometridae 799 Hydrophilidae 397,456,824,825, 827 Hydrophiloidea 823 Hydrophilus 92 Hydropsyche 849 Hydropsychoidea 848, 851 Hydroscapha natans 828 Hydroscaphidae 828 Hydrous piceus 244, 397 Hygrobia hermanni 575, 828 Hygrobiidae 8, 826, 828 Hyles Iineata 133 Hylobittacu s apicalis 451, 452f Hylobius abietis 316 Hylotrupes bajulus 828 Hymenopodidae 782 Hymenoptera 6, 40f, 43f, 61f, 71, 111 , 116, 145, 154,173, 175, 181 , 193f, 196, 199,207,214,308, 314, 362,366,371, 375, 378~ 384, 388f, 391-393, 395-397 ,400, 403 f, 406, 412, 416-418, 431f,
443,456,461,466,477,499, 514f, 521, 524 f, 529, 534, 539, 540f, 543, 545f, 548-550 ,549, 558,575,596,614,616,638,675, 839,840-842,843,844-847,848 - soziale 110 Hypericum 588 - perforatum 677 Hypermastigina 115,617 Hyphomyceten 629 Hypoderma 108 Hypode rmatidae 679 Hypogastrura socialis 753 Hypogastrurid ae 753 Hypopharynx 41 Hy strichopsylla talpae 866 Hystrichopsyllidae 866
Ibalia leucospoides 544 lcerya 38 - purchasi 388,399,671 Ichneumon eumerus 592 Ichneumonidae 6, 41, 396, 542, 547f, 551, 580, 593, 595, 603, 675,839,843,844 Ichneumonidenlarven 551 Ichneumonoid ea 544, 846 Jlybius 8 Imagines - der Aculeata 36 - der Dipteren 41 - der Hemipteren 41 - der Neuropteren 41 - von Collembola 40 - von Dipteren 99 - von Mecoptera 97 Imago - von Galleria mellonella 145 - von Melolontha vulgaris 145 - von Myrmeleonformicarius 145 - von Psylla mali 145 Impatiens glandulifera 678 Inachis io 22 Incurvariidae 852 Inocelliidae 833 Inostemma 417,843,844 Insectivora 558 Insekten 517,542,753 Insektenfresser 558 insektenpathogene Pilze 582 Insekten-Populationen 708 Integripalpia 142, 848 Iphiaulax 843 Ipidae 499 Ips 443 - typographus 693 Ischnocera 794 Ischnop syllidae 866 Isoptera 40,97, 176,314,316,349, 381,385-388,406,556,614,616 lsotoma saltans 753 Istomidae 754 f Iteaphila macquarti 523 Ithomiidae 91,569 Ithone 837 Ithonidae 835, 837, 838 Iton ididae 508, 870 Ityraea 561,563 - nigroconcta 561 Ixodidae 320
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Jakobskrautbär 566 Jakobs-Kreuzkraut 511 Japanischer Schwalbenschwanz 575 Japygidae 383, 779 Japygoidea 760, 761 Japyx 115, 145, 358,414, 760-762 Jassidae 803 Jassinae 886 Johanniskraut 588, 677 Jugatae 853 Junglarve einer Platygasterine 417
K Käfer 16f,20, 52, 68, 99, 115, 134, 175f, 181,288,308,332,347, 389,405,416,446,459,499, 508f, 518, 522, 524-526, 530f, 538, 545, 559, 572, 575, 583, 585, 603, 604, 614, 622, 627, 675, 690, 819-831 - holzbewohnend e 417 Käferlarven 54, 141, 828 Kallima 563 Kallima paralecta 561 Kalotermes 32,381 ,479 - flavicollis 404,467,618 Kalotermitidae 386, 617 Kamelhalsfliegen 833-835 kanadische Balsamtanne 707 Kaninchenfloh 242,652 Kardinalkäfer 583, 589 Kartoffelkäfer 79, 83, 88, 680, 733 Käscherspinne 559 Katytidae 569 Katzenfloh 652, 653, 654 Kernkäfer 466 Keroplatidae 385 Keroplatus 602 Kerria (Tachardia) lacca 38 Khaprakäfer 691 Kiefern 501 Kiefernblattwespe 674 Kiefernbuschhornblattwespe 511, 545,691,841/ Kieferneule 677,715 Kiefernharzgallenwickler 861 Kiefernprozessionsspinner 20, 860 Kiefernrüssler 501 Kiefernschwärmer 561 Kiefernspanner 365,564,565,691 , 715 Kiefernspinner 691, 715 Kieferrüßler 316 Kinetoplastida 663 Kirschfruchtfliege 304, 315, 689, 695 Kiwis 558 Klabachiidae 413 Klammeraffen 657 Klasothrips augonsaxxos 816 Klebsiella 630 Kleiderlaus 114, 118,298 ,621 , 641f, 662, 688, 732 Kleidermotte 115, 689f, 860f Kleidotoma dolichocera 541 Kleincicaden 804 Kleiner Fuchs 22, 862 Kleiner Kohlweißling 44, 337
Kleiner Leberegel 491 Kleines Johanniswürmchen 604 Kleines Nachtpfauenauge 862 Kleinlibellen 448, 769 Kleinsäuger 587 Kleinschmetterlinge 501, 503, 509, 511,549, 677j, 708, 733, 852 Kleinschmetterlingsgattung Lithocolletis 503 Kleinstarthropoden 816 Kleinzikaden 289,291,502,886 Kloakentiere 558 Klopfk äfer 114,616 Knochenfische 601 Knopfhornblattwespen 845 Knotenameisen 839 Köcherfliegen 141 f, 522, 540, 556, 563,575,615,848,849,850-852 Köcherfliegen-Gattung Rhyacophila 140 Köcherfliegenlarven 43,44, 141, 142, 143,558 Kohleule 293,315,317,559,676, 691 Kohlweißling 23,27,91, 199,318, 690, 703, 843 kokkenförmige Bakterien 618 Kolbenflügler 884 Kolbenwasserkäfer 244 Kommaschildl äuse 810,811 Koniferen 50Sf,511 Königinnensubstanz 41 Kopflaus 625, 641, 642 Kornkäfer 127 Kosmetor bürgersi 780 Kotfliegen 871 Krabbenspinne 564, 565 Krebse 123 Kreuzblütler 690 Kriebelmücken 114,593,648,649, 669,684, 688f, 869f Krokodile 557 Küchenschabe 94, 111 Kücken 568 Kuckucke 557 Kuckucksbienen 551,847 Kuckuckswespen 847 Kugelspinnen 709 Kugelspringer 392, 500 Kugelwanze 618, 625 Kurzflügelkäfer 491, 526, 625 Kurzflügler 448, 456, 559, 577, 580, 587, 589j, 591f, 598, 603, 626, 704, 712, 821, 828-830 Kurzfühlerschrecken 500,787-789 Kurzschwanz-Spitzmäuse 558
L Labialdrüsen 41 Labiaten 515 Labium 41,43 Laccophilinae 8 Lachnidae 113,806 Lamellicornia 115f, 540,616,819, 823, 825 Lampyridae 584, 603f, 608, 609, 825-827 Lampyr~ 92, 606, 609 - noctiluca 604, 609 Lancetes angusticollis 828 Landkärtchen 28
897
Landwanzen 798, 799, 800 Langfühlerschrecken 500, 569, 787-789 Langhorn-Blattminiermotte 503 Langhornmotten 852 Langkopfzirpen 573 Laniidae 557 Laphria thoracica 528 Lapidura riparia 780 Lappentaucherarten 558 Lärche 715 Lärchenblattwespen 501 Lärchenminiermotte 861 Lärchentriebwickler 510 Larinus 504 - carlinae 504 - sturnus 678 - turbinatus 504 Larra - carbonaria 542 - scelesta 542 Larridae 542 Larvaevoridae 871 Larven der - Anisoptera 178 - Bienen /18 - Blattodea 415 - Blattwespen 96 - Blutzikaden 119 - Bockkäfer 145,623 - Buchenspringrüssler 104 - Caelifera 415 - Calliphora 187 - Carabidae 415 - Cercopidae 119 - Chrysopa 92 - Coleoptera 118,145,178 - Culex 141 ,166 - Diptera 21,41 ,97,99,103,178, 186 - Eintagsfliegen 69, 141,413 - Ensifera 415 - Ephemeroptera 100, 158, 177, 415 - Fliegen 12 - Gelbfiebermücke I1I - Hemiptera 415 - Holometabola /19 - Honigbiene 119,121 - Hymenoptera 36, 108, 119 - Isoptera 415 - Käfer 21, 109 - Kleidermotten /15 - Köcherfliegen 142f, 413, 849 - Kriebelmücken 39, 20 - Lamellicornia 41, 98 - Lepidoptera 8, 15, 40f, 44, 100, 118,158,178 - Mehlkäfer 30, llOf, 135 - Nashornkäfer 97, 102, 116 - Nematocera 41 - Neuroptera 41 - Notoptera 415 - Odonata 97, /18,415 - Phasmida 415 - Planipennia 116, 145 - Plecoptera 100,158,177 - Ptinidae 116, 145 - Sackträgermotten 43 - Schmeißfliegen 92, 121, 123 - Schmetterlinge 12, 96, 105, 122, 124
898
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-
Schwimmkäfer 417 Siphonaptera 41 Siricidae 417 Speckkäfer 99 Steinlliegen 141 Stratiomyidae 8, 178 Tabakschwärmer 75 Tenthredinidae 133 Teppichkäfer 19 Trichoptera 40, 100, 158, 177, 288 - Wachsmotte 111, 115 - Wasserkäfer 118 - Weidenschaumzikade 119 - Wespen 118 - Zygoptera 142, 177 Larvenköcher 43 Lasiocampidae 396, 640, 853 Lasiochalcidia igiliensis 543 Lasius 474, 485, 497 - alienus 497
Lepidopteren-Puppen 188 Lepidopterenraupen 417 Lep idosaph es 810,8/1 Lepidostomatidae 615 Lepidothrichidae 764, 766 Lep inotu s 791 L episma 135, 406f, 764, 765 - saccharina 136,240,391
Lepismatidae 130, 747, 764, 765 Leptidae 870 Leptininae 822 L eptinotarsa decemlineata 83,316, 375,733,822 Leptocola gracilima 534 Leptodiplosis 387
Locustiden 172, 192
654 - acervorum 495 Leptothorax-Arten 474, 477 Leptura rubra 625 Leptusa 590
Lassospinnen 559
Lerchensporn 516
Laternaria 802
Lesmodes inquilinus 391 Lestes 770
Le ishman ia 663 - aethiopica 663 - braziliense 663 - chagasi 663 - donovani 663 - in/anturn 663 - mexicana 663 - tropica 663 Leistus 532f, 534 Lep eorus 9
Lepidoptera /1,21 ,29, 40f, 43, 45, 83,91 , 111, 151 , 154, 162, 169, 172,173, 175f, 180f, 188f, 191f, 193, 194-197,201 f, 214, 216,294, 308,314,316, 348f, 358, 362, 364,365,367,372,375,378-384, 387, 388f, 391,394, 395f, 397, 399,403 f, 406f, 413, 415 f, 416, 418,435, 499f, 508, 514, 539, 540,568,572,596,615,675,724,
853-855,856,857,858,859-862 , 863 - Puppenformen 862 - wasserlebende 177 Lepidopteren-Larven 16, 40, 172
- pardalina 726 Lonchocarpus 680
- niger 475,477,490 - reginae 497 - umbratus 495 La sius-Arten 372, 495
Läuse 43, 98, 114, 572, 575, 580, 614,641 Lausl1iegen 363,616,637,650,871, 873, 876f lebendgebärende Schaben 86 lebendgebärende Tsetsefliegen 114 Lebia scap ularis 116, 145,416 Lecaniidae 618 Lederwanzen 799 Lehmwespe 442 Leiodidae 822
597, 725f, 787 - Sprungbeine 237 - viridissima 71
Leptopilina - clavipes 541 - heterotoma 371, 373 Leptopsylla (Ctenopsy llus) segnis Leptothorax 407, 474f, 477, 482,
Laurhervasia 836
213,288 - migratoria 78, 82, 92, 130, 137, 234 ,251,288,289,307,350, 353f, 367f, 395, 408, 409 ,432,
Leptoph1ebiidae 386
- fuliginosus 475,485,487, 490f, 495
Laternenträger 601 ,802,805 Laubheuschrecken 187,285,290, 296,297,298,440,455,501,563, 787 Laufkäfer 457,527, 529, 530f, 558, 569f, 675, 704, 712
Litomastix 549 - truncatellus 391 Lixus 504 Loa loa 650 Loania canadensis 552 Lob esia botrana 691f Lo custa 111 ,134,162,186,188,
492
Lestidae 396 Lestomorpha 769 Lestrimelitta ehrhardti 481 Lethocerus 231 - medius 459 Leuchtkäfer 92, 445, 522, 603f, 605 ,607,608,609,6/0,611 ,
826 L euciphaea 784 Leucoagaricus gongylophorus 490 L eucophaea 366, 786 - maderae 14, 353 Leu cophora 188
Lonchopteridae 870 Lorkera 526, 531f
- pilicornis 531,532/ Lotus 513 Loxostege sim ilalis 397
Lucanidac 446,614, 825, 827, 828 Lu canus cervus 400, 438, 828 Lu cihormetica fene strata 602 Lu cilia - cuprina 11,15,100, 109, 158 - sericata 54I Lucilia-Arten 65 I Luciola 607 - cruciata 606 Ludovix fas ciatus 824 Luffia lapidella 398 Lupinus 513 Lutzomyia 663
Luzerne 618 Lycaenidae 23, 493, 502, 573, 575, 853, 860f Lycidae 567, 568f, 774, 821 Lycorridae 870 Lyctidae 114 Lygaeidae 108, 568, 583, 614, 799 Lymantria
Leucoprini 629 Leuctridae 614
- dispar 236, 396,400,589,691 ,
L eurodes proletella 813
- monacha 691
Lianen 517 Libellen 70, 115, 142, 147,248, 331,443,448,459,524, 525,526, 528, 558, 704, 712, 769-7 72, 835 Libellenlarven 565 - Anisoptera 118 - zygoptere 69 Libellu1idae 394, 772
Lymantriidae 579, 582, 640, 853,
Licinus 527
Limacodidae 579, 640 Limnephilidae 142,615,723,848, 851f L imn ephilus - affinis 143 - marmoratus 723 Limnius 9
Limoniidae 872, 878 Limothrips cerealium 248 Linepithema humile 486 Liparoscelis 187 Liponeura 9, 881 Lipoptena cervi 650
Lippenblütler 518 Lispe 591 Lithinus 56I L ithocolletis 503
733 857,860
Lymexyloidea 825 Lyrnexylonidae 616, 627 Lyonetia clerkella 503, 855, 861/
Lyonetiidae 852, 855, 862 Lysiphlebus 593 - cardui 544 - testaceipes 844 Lytta vesicatoria 546, 640
M Machaerotidae I 19 Machilidae 29,32, 130, 167, 762 Machilis 69, 71, 358, 406, 763 - germanica 763 - helleri 358 Macroglossum stellatarum 270 ,
857 Macroleon quinquemaculatus 538
Macrolepidoptera 852 Macroscelidea 558 Macrotermes 468,481,627 Macrotermitinae 490 Ma culinea rebeli 592
Artregister
Maden 64 - von Mus ca /66 Madenh acker 558 Magenbremsen 180
Megalopterenlarven 70
Mimetica mortuifolia 563
Meganisoptera 770
Minierfliegen 499, 508, 676 Miniermotten 689, 852 Miniersackmotten 852
M egaselia abdita 436 Megathoposoma 36
413,543,802,804,806 Maikäfer 175,357,394,413,415, 513, 546, 550 Maindroniidae 764 Mais 512 Maiszünsler 547,691,86/
Mehlkäfer 99, 137, 154,255,372, 436, 550 Mehlmotte 110, 137,676,691 Mehlwürmer 137,155 Meinertellidae 762 Meisen 557f, 563, 565
Ma/acosoma - americana 96, /10 - neustria 397
Melanderia 527 - mandibu/ata 528 Me/anophila acuminata 261,301 ,
Mallophaga 98, 115, 135, 362, 384, 389,396,410, 575, 614, 616, 794, 795 Malvenfalter 23 Mamestra 601 - brassicae 691 Mandfragora venefica 800 Manduca 191,202, 597 - sexta 8,75, 78f, 81-83 , 86, 88,
162,212,223,230,247,249,250, 263,315, 337, 345, 347, 350, 352f, 353,548,594 Mansonia 178,656,669 - richiardii 648
Mantidae 294 Mantiden 98, 181 Mantis - austra/asia e 535f - religiosa 103,237,460,535,563,
782 Mantispa 837 - pagana 526, 836
Manti spidae 521,525,539,545, 835, 837, 838 Mantispinae 838 Mantodea 11,40,176,188,192, 294,362,397,521,525,533,781, 782, 783f Mantophasma 778f - zephyra 778
Mantophasmatodea 360 , 749, 778, 779 Marehiliden 166 Margarodidae 38 Marienkäfer 28, 502, 525, 550, 566, 569, 579f, 585f, 592, 632, 672, 674f, 826, 830 Marsupialia 558 Ma stotermes darw iniensis 383, 385, 466, 786 Mastotermitidae 386,617,786 Mauerbienen 442 Maulwurfsgrille 291, 542, 787, 788 Maus 428 Maxillardrüse 41 Mecoptera 11, 43, 61, 97, 193,197, 381,389,392,394,415,417,515, 521,525, 575, 863, 864f, 866 Mecopterida 885 Meerkatzen 657 Megacepha/a 585 Mega cicada (Tibicen ) septendecius 804 Megachile centuncu/aris 847
Megachilidae 638 Megalopgygidae 579,640 Megaloptera 59f, 177,361,367, 389,415,821,831 ,832,833
Milchkrautwanze 435
Meganeuropsis 771
Magicicada (Tibicen) sep tendecim
826 M e/anop/us 787 - differenzialis 111 - mex icanus 726 Me/anoma saliceti 405 Melilotus 513 Melipona 481 - pseudocentris 473
899
Miomantis paykullii 566
Miridae 799, 801 Mistkäfer 289, 442, 733, 825 - der Gattung Geotrupes 117 Mittelmeerfruchtfliege 691 mittlerer Weinschwärmer 501 Möhrenfliegen 690 Mo/anna 850
Molannidae 848, 850 Monarchfalter 27,91 ,511 ,569,588 Mondfleck 563 Mondhornkäfer 457 Mon ema flavescens 550 Monochamus scutellatus 453 Monomorium pharaonis 477,641
Meliponiae 472 Meliponinae 38,471,480,482,485
Monotremata 558 Monotrysia 852 Monura 764 Mormonengrille 440
Melittobia acasta 546 M e/oe 546, 828
Mormoniella 92 Morter 538
Meloidae 91,515,546,551,568, 580 , 586, 640, 819, 821, 825, 827, 828, 885 Meloinae 828 Melolontha 176, 828
Moskito s 80, 83 moths 852 Motten 275, 855, 857 Mottenlarve 137 Mottenl äuse 6/4, 799, 810 Mottenschildläuse 113, 500,616, 620, 672, 811 Mücken 140,416,442,445,580, 645, 869f, 872, 875 - Imagines 103 Mückenhafte 373, 521, 525
- melolontha 50 , 395 Me/ophagus ovinus 39f, 637, 650
Melusinidae 179, 870 Membrac idae 17,384,561,618, 803 Membracoidea 113 Mengeidae 552 Mengenillidae 887 Mengenillidia 552, 884, 886 Menschenfloh 651,652,653 Mermithidae 492 Meropidae 557f Mesca/cidodes 563 Meso chorus discitergu s 570 Meso/eius 501 Mesopsocus 792
Messingkäfer 821 Messor 474 - capitatus 377 Metaballus /itus 440 Metallyticus vio/aceus 534
Metazoa 422 M ethoca 543 Methy/ophous 792 Metoecus paradoxus 493 Metopia 551 - formicomendicu/a 493 Metriona bicolor 573 Metriotes diocles 570, 573 Miastor 403
Microcoryphia 762 Microdon 491,592 Microlepidoptera 372, 852 Micromalthidae 390 , 827 Mi croma/thus debilis 389,390 Microphorus yakimensis 523 Microplitis croceipes 550
Micropterigidae 417,854,856,857, 858 Mikrosporidien 593, 673 Milben 134,533,630,816,830,835
Murgantia histr ionica 618 Musca 166, 365, 398, 417 - autumnalis 146 - dom esti ca 8, 103, 110,208,216,
221,232,262,316,366,375,541, 650,651,656,686,732 Muscicapidae 557f Muscidae 381,515,650,871,881 Muscomorpha 103 Museumskäfer 20, 118,640,821 Musidoridae 870 Mutillidae 540, 575, 839 Mycetophilidae 381,385,602,870 Myga/opsis marki 297 M yiatropa florea 145 Mymar regalis 248
Mymaridae 675, 839 Myopa sp. 548 Myriapoda 134, 529, 559, 759 Myrmaridae 550, 844 Myrmecobiidae 559 Myrmecodia 476 Myrmecophaga 557
Myrmecophagidae 559 Myrmecophila acervorum 787 Myrmecoris gracilis 800 Myrmekodia 517 Myrme/eon 92, 97, 108, 537 - bore 622
- carolinus 537, 538 - europaeus 92, 103 - formicarius 145, 529 Myrmeleontidae 522, 536, 538, 543,835, 836f, 838
Myrmeleontiformis 835
900
Artregister
Myrmica 372, 475, 494, 640 - rubra 638 - rugiventris 638
Nepa 172, 178, 287, 799 - rubra 243f, 801 Nepenthes 555
Myrmicidae 839 Myrmicinae 474, 479, 484, 486, 495, 640 - der Gattung Stringylognathus 495 Mystacides azurea 381 Myxophaga 823, 828
Nepidae 799, 802 Nepticulidae 852 Nesameletus spec. 53
Myzus persicae 806
Nesomachilis australicus 763
Nestbewohner 868 Netzfliegen 538, 546, 548 Netzflügler 529, 545, 575, 675, 835f, 837, 838f Neumundtiere 429
N
Neuorthus 155 Neure clipsis 850
Nabidae 799 Nachtaffen 657 Nachtfalter 191, 197, 298, 516, 569, 835 Nachtfalter-Puppen 182 Nachtpfauenauge 307 , 309j, 310, 853 Nachtschmetterlinge 294, 296, 297 Nacktschnecken 604 Nagelfleck 860
Neuroptera 40,197,294,361,384, 41~ 515, 675, 821, 831, 83~ 835-839 Neuropterida 821,831 Neuropteroidea 193
Nan osellafungi 819
Napfschildläuse 618 Nasenkröten 556 Nasentermiten 468 Nashornkäfer 116, Il7, 169, 192 Nasonia 92 - (M orm oniella) vitripennis 843,
432 - vitripennis 373, 431, 541
Nasutcrmitinae 587 Nasutitermes 468 - magnus 494
Naucoridae 799 Naucoris 109 Nauphoeta cinerea 42, 350 Neanura mus corum 601,602
Neanuridae 753f,757 Nebengelenktiere 559 Nebria 533
Neelidae 754 Neelipleona 754 Nelken 516 Nematinae 576 Nematinenlarven 572 Nematocera 193, 384, 729,870, 876,879,881 Nematoden 188, 593, 630, 671, 707, 816 N emeritis 407 - canescens 550
Neuroterus - numismalis 506 - quercusbaccarum 506 Neurotoma saltuum 842
Nevrorthidae 835, 838 Nevrorthiformia 835 Nezara viridula 114, 162 nickende Disteln 708
Odontotermes 468 Odontothrips loti 817 Odontoxenia brevirostris 872 Oecanthus 291, 446 Oeciacus hirundinis 644 Oecophylla 475 - longinoda 487 Oeda inflata 805 Oedemera dispar 145 Oedemeridae 91,567,580,586,821
449 niedere Diptera 367 Nilaparvata lugens 622, 727
01igotomidae 774 Olivenfliege 689,691 Omaliinae 825 Oma1isidae 603
Nimboa 836
Nitidulidae 491,822 Noctuidae 29,296,297,371 ,373, 396,416, 547-549 , 561, 570, 573 Noctuoidea 294 Nonne 400,691,715, 833f nordamerikanische Mormonengrille 440 nordamerikanische Traubenkirsche 678 Nosopsyllusfasciatus 653,660 Noteridae 8, 828 Noterus clavicornis 828 Nothofagus 799 Not iophilus 530,531,533 - biguttatus 530-532 Notocelia roborana 714 Notodontidae 561,582,853,860
- undulata 261
Notonectidae 524,801 Notoptera 776, 777, 778 Notoxus monoceros 581,583 Nycterbilidae 420 Nycteribiidae 114,616 Nyctotherus, Ciliaten, Gattung 116 Nympha1idae 23, 169, 569, 853, 861 Nymphidae 835, 837, 838, 962
Neopyrochroa 581 - jlabellata 581, 583 Neotermes zuluensis 388
- Schnappreflex 231
Oligoneuriella rhenana 767 Oligotoma - nigra 775 - saundersii 775
Neobellieria (Sarcophaga) bullata
- sertifer 544, 545,842 Neodohrniphora curvinervis 540 Neoptera 249,773,778,791,815, 831
Odontomachus - bauri 526
Nico1etiidae 764, 766
Nemouridae 614 Neo caprit ermes 468 Neocondeellum dolichotarsum 386 Neodiprion 417
196,248,347,361,384,389,393, 394,396,397,399,404,406,410, 521, 523, 575, 769-772 Odonatenlarven 70
Nicotiana 680 Nicrophorus 445,457,827 - defodiens 461 - vespilloides 309, 445, 449, 457j,
Nicoletia 766
Notoligotomidae 774 Notonecta 109,179,196,260,287, 290, 644 - glauca 372, 383
351
Ochthera mantis 525, 526 Ocypus 572 Odagmia 104 - ornata 648 Odonata Il, 145, 180f, 188, 192f,
Ölkäfer 91, 545f, 558, 580, 826 Ofenfischchen 136 Ohrwürmer 8,101, 102,332,446, 457,776,779-781 Oligembiidae 774
Nemobius silvestris 96 Nemopteridae 835, 836j, 838 Nemoria arizonaria 28, 565
Nemestrinidae 538, 546
o
Nyssia zonaria 399
Omma 823
Ommatidae 821 Omocestus viridulus 59 Onchocerca 593 - volvulus 667, 669 Oncopeltus 366, 582f - fasciatus 393, 435 Oniscigaster wakefieldi 53 Ontherus digitatus 36
Onychiuridae 754, 757 Onychiurus 590 - armatus 601 - perforatus 754
Onychomyrmex 638 Onychophoren 123 Operophtera brumata 674f,710 Ophion impressus 844 Ophrys 512, 514 Opifexfuscus 143 Opius - jletcheri 550 - pallidipes 676 Opuntua 677
Orangen schildlaus 388 Orchesella 392, 756 - jlavescens 530 - villosa 136
Orchideen 517 Orchis 515
Ordensbänder 573 Oreina cacaliae 511 Orfelia 602 Orgyia 857f - antiqua 860
Orientalische Schabe 641
Artregister Orius tristocolor 524f Ormia 540 - ochracea 297,298,540 Orthezia 38
Ortheziidae 809f Orthoptera 1I, 111, 186, 189, 191 f, 199,213,224, 294j, 296, 349, 361, 379f, 382, 384, 391, 394, 404,406,432,445,453,459,460,
501,568, 575,614,675, 779, 787, 885 Orthopteroidea 394,396,399, 500 Orthorrhapha 41,871
parasitische Wespen 293, 494 Parasitoide 582, 674, 678 parasitoide Hymenopteren-Familien 180 parasitoide Wespen 293 Parastizopus 827 Paratenodera angustipennis 534 Paravespula 471 - germanica 61 Pardia tripunctana 714
Paridae 557 Parischnogaster 575
Paurometabola 749 Parus
Oryctes nasicornis 97,102,117 Oryzaephilus surinamensis 368 Osmia 442
- ater 564 - major 564
Osmylidae 835, 838
Passionsblumen 512
Osmylus 155
Pasteurella pestis 659
ostasiatischer Staudenknöterich 678 Osterluzeigewächse 569 Ostrinia nubilalis 676,691,861
Paussidae 822,825
Othezia urticae 809 Oxybelus 445 Oxycera 9 Oxytenis 563
p Pachnoda butana 20 Pachycondyla tridentata 578 Pachyneuron concolor 550
Paederinae 625 Paederus 559,580,582,625,626, 640, 774, 821 Palaeoptera 769 Palarus saishiuensis 543
Paleodictyopteren 508 Palingenia longicauda 768 Palomena 798
Pamphiliidae 502,839,842,843, 845 Pamphilus inanitus 842 Panesthia 786 Panolisflammea 416,677,691 Panorpa 443,445,459,864,865 - communis 61, 94, 394, 865 - nuptialis 865
Panorpidae 373, 863 Papilio 563, 584 - dardanus 567, 569 - machaon 194, 862 - memnon 569 - xuthus 328, 563, 575
Papilionidae 169,170,173,569, 573,577,853,861,862 Papilionoidea 373 Pappel 810 Pappel-Blasenläuse 505 Paragripopteryx munoai 773 Parajapyx priesneri 761 Paraleptophlebia 59 Paralipophrys trigloides 3
Paraneoptera 749 Paraphytus sancyi 36 Pararge aegeria 447 Parasarcophaga argyristoma 117,
152 parasitisch lebende Dipteren 297 parasitische Hymenoptera 370, 839 parasitische Milben 570 parasitische Sulcopolistes 471
Pectinophora 690 - gossypiella 691 Pediculus humanus 367, 732 - capitis 625,641 - corporis 298,641
Peloridiidina 799 Pelzbienen 442 Pelzkäfer 111 ,118 Pelzmotte 690 Pemphigidae 37, 358, 806 Pemphigus 505 ,806,810 - bursarius 505 , 810 - filaginis 810 - ovatooblongus 505 - spirothecae 505, 810 Pentatomidae 95, 106, 108, 114, 207 ,387,396,397,572,614,617,
799, 800, 886 Pentatomorpha 98 Penthetria 104 Perga 567, 568 - dorsalis 133, 842
Pergidae 587 Perilampidae 551 Perilitus 538 - coccinellae 545 Periplaneta 145,202, 300, 784, 786 - americana 8,42,43,96, 109,120, 148, 151,153, 156, 161 f, 208, 232 ,257,298,302,309,310,316,
317,349,641,784 - Fluchtreflex 258 Perla 145, 773 - marginata 388
Perlariae 377 Perlmutterfalter 23, 570 Perloidea 773, 774 Pestflöhe 114,652,654,868 Petaluridae 769 Petauristidae 870
901
Phaeigenes nigridens 547 Phaeistigma notata 834 Phaenaeus quadridens 36 Phalera bucephala 563
Pharaoameisen 477,487, 640f Phasmatidae 789 Phasmatodea 778, 789f Phasmatoidea 192 Phasmida 8, ll, 98, 362, 367, 38lf, 389, 396f, 500, 562, 774, 777, 789, 790 Phausis 606,609 - splendidula 604j, 609 Pheidole 474, 488, 578 - guilelmimuelleri 489 - pallidula 481, 489 Phenaco ccus aceris 810 Phengodes 604 Phengodidae 603,604, 826f Philaenus spumarius 28, 803 Philanisus plebeius 143 Philanthus 540, 551 - cruenatus 589 - sanbornii 540 - taterae 822 - triangulum 266
Phlebotomidae 649, 663, 870 Phlebotominae 385, 387 Phlebotomus 649 - papatasi 649, 659 Phloeodea 821
Pholidota 559 Phora pallipes 145
Phoridae 493, 540, 604, 870 Phormia 596 - regina 91, 11Of, 307, 316,541 - terraenovae 300,314,316 Photinus 606,610 - macdermotti 609,610 Photuris 522, 606f, 610f, 826 - pennsylvanica 605
- versicolor 610 Phratora vitellina 511 Phrixothrix 604
Phryganeidae 848 Phryne 104
Phthiraptera 192,791 ,794, 795j, 797 Phthirus pubis 641 Phthorimea operculella 395
Phycomyceten 613 Phyllaphis fagi 37, 806 Phylliidae 789
Petrobius 764
Phyllium - jrondosum 790 - pulchrifolium 563 Phyllobrotica 518 Phyllocnema 826 Phyllocrania 572 Phyllopertha horticola 117
Petroleumfliege 630
Phylloxeridae 111 , 358, 806
Pezzotettix 382
Phyllum 789
Pfauenaugenspinner 855 Pfauenspinner 168, 173, 199 Pfirsichwickler 691 Pflanzen 517,518 Pflanzenfresser 518 Pflanzen läuse 500, 502 Pflanzensauger 508, 675 Pflanzenwepsen 499,839 Pflaumensägewespen 845 Pflaumenwickler 691
Phymatidae 800f Physiphora demandata 443 Phytomyza xylostei 503 Phytonomus 116, 145
phytophage Dipterenlarven 116, 145 phytophage Raupen 199 Picidae 557 Pieridae 159, 162,565,724,853, 861
902
Artregister
Pierinae 23
Polymastigina 115, 617
Pieris - brass icae 23,27, 44,9 1, 131,
Polyn ema longula 844
152, 314, 315, 317, 318, 572 - rapae 44, 338, 854 Pieris-Puppen 168 Piesma quadrata 396 Pillenkäfer 570, 572
Pillenwespe 543 Pilze 555,575,59 1,593,598,601, 613,617, 622,629 pilzförmige Nester 467 Pilzmücken 514, 522,523,602,870, 880
Polyneoptera 361 Polyn eura 178 Polyommatinae 23 Polyphaga 361,823,825-829 Polyrh achis 495, 572 Polystoechotidae 835
Psocodea 791f Psocomorph a 792 Psocoptera 135, 389, 396, 399, 403, 420, 572, 575, 791, 792, 793, 818 Psocopterenlarven 793 Psocopterenweibchen 792 Psychidae 563, 572, 852, 857-8 59, 861 Psychoda 99, 104, 397, 649
Poly zostera 786
Pompilidae 540, 839 Pomp onia imperatoria 803
Pison ery throp us 84 7 P/agio/epsis pygmaea 377
Popilla 417 Popu/us nigra 810
Planipennia 43f, 97, 154f, 396, 399, 408,521 -52 3,525, 526,528, 529, 536, 539, 540, 545, 835, 836f, 837-839
PostilIon 270 Prachtbienen 514 Prachtkäfer 301, 616,8 19,826 Praedat ophasma 778
Plasm odium 593 - f alciparum 188, 666 - ma/ariae 666 - ovale 666 - vivax 666
Pria cma serrata 60
Pinus 587
Plataspidae 108 Plathypena 570 Platyarthru s hof fmannseggi 49 1 Platycnem is p/anipennis 404
Platygasteridae 407,4 15,41 7, 547, 549,843, 844 Platypezoidea 870 Platypodidae 466, 614 ,627 Platypsyllinae 822 Platyp sy llus casto ris 822 Plat yura 523, 602 - fluton i 523
Plecoptcr a 9, 97f, 141 , 145, 192, 197, 358,372,377, 382-38 4, 388~ 393,399, 407, 4 10, 415, 420, 435, 556, 575,614, 772, 773, 774 Pleocominae 378 Plodia interpun ctella 691 Ploearia dom estica 526 Plutella xyllostella 316, 687 Podura aquatica 392, 753, 754, 756
Podurida 410 Poduridae 753, 754 Poecilim on - affinis 259, 260 - ornatus 240 Poekilocerus 582 Pogonomyrmex rugosus 174 Polisia pisi 318, 319 Polist es 470, 494 - nimpha 575, 576
Polistinae 469 Polistini 469 polybiine Wespe 470 Polybiini 469 Polycentropidae 45
Primaten 559 primitive Brachycera 881 Prionope/ta 488 Prionus 176 Priony x parkeri 542
Proboscis 794 Proctotrup idae 415 Proctotrup oidea 540,547,549, 552 Prodoxidae 516 Projapygoidea 760, 761 Prospaltella perniciosi 672
Protanisoptera 770 Protenor belfragewi 399
ß-Proteob akter ien 614, 615 y-Proteobakterien 613-6 15,614 Prot eus - morganii 92 - vulgaris 92
Psococerast is 792
- alternata 145
Psychodidae 8, 362, 387, 389, 649, 870 Psychodinae 385 Psychodomorpha 870 Psychopsidae 835 Psylla - mali 145, 377, 813, 814 - pirisuga 8 13
Psyllidae 37, 113,240, 508, 835 Psyllina 115, 145, 500, 614,616, 799, 803, 813, 814 Psylloidea 385 Pt erandrophy salis levantina 678
Pteromalidae 373,538,541 ,544, 550,551,675 Pt eromalus elevatus 7 17 Pt eronidia ribesii 845
Pterophoridae 852, 855 Pt erophorus 857 - p entadactylus 855 Pt eropty x 609 Pt erost ichus 52 7 - metallicus 530 Pterygota 17, 740, 742, 746, 760,
762 Pthiru s pubis 732
Protocoleo ptera 821
Ptiliidae 387,448, 819, 822, 826f
Protojapyx 761 Protophormia terraenovae 236, 316
Ptin ella apt era 822
Protos tomia 429 Protozoen 593,613,617, 622, 671 Protozygoptera 770 Protura 92, 97, 134, 145, 357, 386, 387, 389, 415, 575, 587, 746, 755, 757, 758, 759, 762
Ptychoptera 191
Provespa 471 Providencia 630
Prozessionsspinner 33, 502, 579, 859 f Prunk käfer 416 Prunu s 512 - serotina 678
Psephenidae 179, 828 Psephenoides gahani 181 Pseudocharaza anth e/ea 23
Pseudococcidae 613f, 810
Polydnaviren 595 Polyederviren 707
Pseudococcus 811 Pseudolyn chia maura 650 Pseudom onas 626, 630 - aeruginosa 626
Polyergus 495 - ruf escens 400 ,497 Polygonia c-album 563
Pseudomyrmecinae 490 Pseudomyrmex 476, 517 Pseudophyllidae 563
Po/y centropus 384
- schaumi 552 Psilus silvestrii 549 Psithyru s 472, 494
Psocidae 792
Pipunculidae 540, 545
Pinienprozessionspinner 860
Pseudoskorpione 824 Pseudoxenos 886
- craddocki 570 Polysph incta 545
Pondero sakäfer 693 Poneridae 839 Ponerinae 474, 478f, 485, 495, 638, 640 Ponerinengattung Diacamma 479 Pontania 505, 842, 845
Pimpla 397 Pinguicula 555 ·
Pseudorhy ssa 550 - alpestr is 550
Ptinidae 21,98, 103, 821 Ptychopterid ae 178, 381 Pulex 866 - irritan s 651, 652, 653, 660
Pulicidae 866, 868 Pupipara 39, 420, 614 Puppen - der Culicidae 178 - der Liriopidae 178 Puppenk okons 43 Puppenruhe 201 Py cnopsyche gutt i/er 44 Pygicornides torridus 754 Pyra ctonema 610
Pyralidae 561, 563,732,852, 855, 857 Pyraloidea 294 Pyraust a nubilalis 547
Pyrenomycete, Hefen 614 Pyr ethrum 680 Pyrgomantis 783
Pyrgomorphid ae 91, 568 Pyrochroa coccinea 589
Pyrochroidae 581, 583
Artregister Pyrophorus 603 - noctilucus 604
Pyrrhocoridae 614, 799 Pyrrho coris apterus 32, 88 Pyrrhosoma nymphu/a 448
Q Quadraspidiotus perniciosus 672,
810 Quassia amara 684
R Rachenbremsen 180 Racken 557 Ranatra 196, 287, 572, 799 - linearis 524 Randwanzen 443, 799 Raphidiidae 833 Raphidioptera 361,821,831,833, 834, 835 Rapismatidae 835 Rapsglanzkäfer 513 Rapsschädlinge 689 Rapsweißling 23 Raptiformica sanguinea 497 Raptophasma 778 Rasenameisen 486 - der Gattung Tetramorium 485 Ratten 568 Rattenfloh 653f Rattenschwanz-Larven 178 Rattus - norvegicus 661 - rattus 661 Raubfliegen 92, 522, 523, 528, 545, 870 Raubmilben 572, 682 Raubwanzen 526, 565, 644, 801 - der Gattung Triatoma und Rhodnius 501,524,665 Raupen 64, 559 - der Blattwespen 70 - der Geometridae 415 - der Noctuidae 415 - der Schmetterlinge 70, 96 - von Manduca 191 Raupenfliege 545 Raupenfliegen 180,396,509, 540-542,545,546,548, 549, 674~ 701,705 ,708,846,871 Reblaus 733 Reduviidae 524, 579, 614, 644, 799f Reduvius personatus 801 Regenbremsen 523,650,651 Regenpfeifer 557f Reiskäfer 368 Reismehlkäfer 431 Remex 417 Rennfliege 436 Reptilien 556 Requena verticalis 440 Reticu/itermes - jlavico//is 786 - jlavipes 159 - /ucifugus 468, 786 - virginicus 317, 319 Reynoutria 678 Rhachiberothidae 835 Rhagionidae 522, 869f, 881
Rhago/etis - cerasi 315 - pomon e//a 314,509,695 Rhagonycha fu/va 62
Rhagophthalmidae 603 Rhinocy//us 504 - conicus 504, 678 Rhinophyrnidae 556 Rhinotermitidae 386f, 468, 617, 786 Rhipiphoridae 493, 550, 885 Rhitrogena 9, 10 Rhodites 845 - rosae 506 Rhodniu s 75,81 f, 188,501 ,524, 630,665 - prolixus 114, 116, 127, 144, 146, 150f, 162,367-369,395,630 Rhodnius- Larve 131 Rhodococcus rhodnii 630 Rhododipsa masoni 566 Rhombo coleidae 821 Rhopaea 309 Rhopalocera 852 Rhopalopsyllidae 866 Rhopa/osiphum - maidis 727 - padi 578, 807 Rhyacophila 140, 850 Rhyacophilidae 848,851 Rhynchaenus fagi 104 Rhyn chites 828 Rhynchophthirina 794, 795 Rhynchota 797-815 Rhynie//a praecursor 755 Rhyssa 6 - persuasoria 543, 545, 843, 844 Rhysse//a curcipes 544, 550 Rhyt idoponera 495 Rickett sia prowazeki 661 Rickettsien 120, 123,630,661 , 707 Rielia manticida 552 Riesenbärenklau 678 Riesenbockkäfer 372 Riesencollembolen 568 Riesenfledermäuse 559 Riesenschnake 869 Riesenwanzen 799 Rindenläuse 791-793 Rindenwanzen 561, 797, 799 Ritterfalter 567, 569, 591 Ritterwanzen 799 Rochalima ea (Rickettsia) quintana 661f Rodolia cardinalis 672, 674 Röhren-Fransenflügler 818 Röhrenläuse 806 Röhrenschildläuse 809 Romaleinae 579 Rondania dimidiata 545 Ropalidiini 469 Rosen 508 Rosengallwespe 506 Rosengespinstblattwespe 842 Rosenkäfer 116 Rosenkäferarten 491 Rosenwickler 714 Rossameisen der Gattung Camponotus 483 Rossameisen-Männchen 485 Rote Waldameise 302 Roter Baumwollkapselwurm 691
903
Rozite s gongy/ophora 490
Rückenschwimmer 179f, 196, 260, 372, 524, 644, 802 Ruderwanzen 179,799,802 Ruhramöbe 636, 655, 656 Rüsselkäfer 162,257, 499f, 503, 504,505, 508f, 513, 545, 561, 563, 565, 570, 616, 617f, 678, 707,821 - der Gattung Phytonomus 116 Ryania speciosa 684
s Saateulen 559 Sa ccharopo/yspora spinosa 684 Sa cchiphantes (Chermes) abietis 809 Sackträger 852, 861 Sackträgermotten 398, 563, 570, 853, 857, 859, 861 Saga pedo 526 Sägeschrecken 526 Sagidae 526 Saim iri 657 Saldidae 80I Saltatoria 43,91,97,173, 175f, 192f, 196, 202, 407 Samenfarne 514 Samenkäfer 406 Sammelbienen 276 Sandbienen 442, 548, 839 Sandfliegen 663 Sandfloh 652, 654 Sandlaufkäfer 329,521 ,522 Sandmücken 649, 870 - der Gattung Ph/ebotomus 663 Sandwespen 839, 847 San-lose-Schildlaus 672,686, 810 saprophage Dipterenlarven 1/6, 145 Sarcophaga 309, 596, 651, 883 - argyrostoma 307 - bu//ata 12 - carnaria 123, 650 Sarcophagidae 161, 515 Sarracenia 555 Saturniidae 45, 199,310, 562f, 575, 577,579,582,640, 853, 858, 860, 862 Satyridae 23,853,861 Säuger 517,555, 558f, 573, 617 Scapteriscus acletus 291 Scaptotrigona postica 377 Scarabaeidae 21, 34, 36, 116, 309, 442--446,457 f, 501, 614, 616, 821, 824,827,828 scarabaeide Käfer 192, 199 Scarabaeiformia 823 Scarabaeoidea 97, 823 Scarabaeus 824, 838 - sacer 821,824 Scathophaga stercoraria 451,455 Scatophagidae 871 Scatopsidae 870 Scelio fu/digus 549 Scelionidae 540, 542, 549 Seelioniden 552, 572 Sceliphron 886 Schaben 8, 11, 14, 15,32,33,41, 42,43, 88, 96, 103, IOSf, 115-117,119,123,130,135,148, 151,153,156,159,162,166,169,
904
Artregister
181 , 188,190, 191 , 193,202,205, 208,211 ,213, 22lf, 284, 288, 298,302,309, 310 ,317,357, 553,
569f, 575, 579, 601, 602 , 614 , 617,618,623, 640f, 684, 689, 783-786 - der Gattung Cryp tocercus 115 Schabenarten 8, 161 Schaflau sfliege 39f, 650 Schamlaus 641,643 Schaumzikaden 28,111,119,502, 563, 803, 806 Schedorh inotermes laman ianus 309f, 314, 316, 320
Schildkäfer 457, 501 Schildkäferlarven der Gattung Cassida 119 Schildläuse 37,38,43, 108, 111, 113f, 166, 399, 500, 502, 509, 517,547,550,614,616,680, 799, 809, 821, 834 Schildwanzen 207 ,617,618 Schilfk äfer 116 Schillerfalter 27 Schimmelpilze 457 Schistocerca 111 ,167, 172f, 176, 182,190, 196 - americana 432
- gregaria 95, 97, 105, 109f, 115, 136, 151,20 7,233,238,242,295, 354,370,432,726,797 Schi zaph is gram inum 616
Schizaspidia tenuicornis 547 Schizoneura 806
Schizophora 729,87lf Schlammfliegen 831-833 Schlangen 557 Schlangenminiermotte 862 schlanke Zygopterenlarven 769 Schlehe 677 Schlehenspinner 860 Schleuderzungensalamander 557 Schlupfwespen 71, 91, 139,246, 373,391 ,407,420,432,469,501, 509, 542-545, 547, 550, 570, 592, 595,675,682,701 ,705,712,811,
842f,844-847 - der Familie Braconid ae 389 - der Familie Chalcididae 389 - der Familie Encyrtidae 389 - der Familie Platygasteridae 389f, 415 - der Familie Proctotrupidae 415 Schmalbienen 839 Schmätzer 557 Schmeißfliegen 2, 11, 15,91 ,94, 103,104,109-111 ,152,158,250, 282, 286f, 317,318, 322,326, 416,541 ,651 ,871 ,874,882 Schmeißfliegenlarven 111, 121, 123 Schmetterlinge 2, t t. 14, 16,20,29, 33,91 , 108,110, 121 , 137, 152, 159, 175,291 ,320,339,347,348, 363, 371,415,417, 445f, 499-502 , 508f, 511f, 515, 518, 524, 540, 548-551 , 558-561 , 565, 570, 572, 575f, 579, 583, 601, 622, 675, 707, 712, 732, 852-863 - der Gattung Danaus 726 - der Gattung Heliconius 109 Schmetterlingsblütler 680 Schmetterlingshafte 525, 835
Schmetterlingslarven 8, 20, 44, 97, '123,413 Schmetterlingsmücken 649, 870, 875 Schmetterlingsraupen 68, 158, 558, 591,593,821 - der Art Telea polyph emus 127 Schmierläuse 614,810,811 Schmuckfliege 443 Schnabelkerfe 499,502,797-815 Schnaken 616, 645 Schnellkäfer 240, 603, 604 Schnellkäferlarven 50I Schnepfenfliegen 522, 870 Schnepfenvögel 558 Schuppenameisen 839 Schuppent iere 559 Schüt zenfische 556 Schwalben 557 Schwalbenschwanz 173, 328, 339, 417,563,569,862 Schwalbenwanze 644 Schwammhafte 835 Schwammspinner 396,691,715, 733,853 Schwanzlurche 557 Schwärmer 169, 171,173, 176f, 194, 222, 570, 853, 857 Schwärmer 173, 176f Schwarzkäfer 562, 827 Schwebfliegen 103 , 502, 515, 540, 556,569,592,871 - der Gattung Eristalis 178 - der Gattung Microdon 491 Schweinelaus 191,396 Schwimmkäfer 20 Schwimmwanzen 799 Sciaridae 381, 385, 870 Scirtoidea 823 S clerocyphon 828
Scoliidae 540 Scolytidae 114, 505, 508,614,616, 627,819, 824 Scolytus quadrispinosus 824 S cutellaria 518
Scutelleridae 34, 35 S cutigerella 157 Seba stiana 861
Segler 557 Seidenspinner 8, 44, 298, 308, 309-313,853,855,858 Sene cio ja cobaea 501 Senotainia 551
Sergentomy ia 649 Sericostomatidae 848 Serviformica 495
Sesiidae 852, 855 Shigella 636, 655 Sialidae 831, 832 Sialis 161 ,413,832 - flavilatera 832
- lutaria 59f Sichelwanzen 799 Sigara - hieroglyphica 800 - stagnalis 143
Silberameise 302f Silberfischchen 130, 135, 240, 553, 765, 885 - der Gattung Ctenolep isma 115 Silo 850 Silopi ceus 139
Sil opsyllu s cuniculus 242 Silpha 828
Silphidae 119,415,449, 826f, 828 Silvestrella 765
Simuliidae 39,381,383,385,614, 649, 684, 869f, 878, 881 S imulium 178 - damnosum 649 - venustrum 114,314 Simulium-Puppe 181
Sinentomoidea 757 Sinentomon 386
Singvögel 501 Singzikaden 802, 804 S iobla 573
Siphonaptera 41,43, 135,361 ,377, 389,396,403,866,867, 868,869 Siphunculata 794 Sirex - augur 627 - cyaneus 627 - juvenus 627
Siricidae 417,543,614,616,627, 839, 843 S isyra 155,837 Sisyridae 835, 837, 838 Sitona cylindr icollis 513 Sitotroga cerealella 676
Skalvenhalter 482 Skatitermes 469
Skatitoxenus 592 Skorpionsfliegen 94, 373,443, 445, 451,453 ,455,461 ,863-866 Smerinthu s ocellata 561,570,573
Sminthurida 410,500,754, 755f Sminthurides 755, 756 - aquaticus 392 Sminthurus 166, 754
Smiu ia 368, 374, 375, 397, 403 , 404 Solenob ia triquetrella 861 Solenopsis 489, 640 - figax 487 - geminata 687 - invicta 488 - richteri 486 S olidago 678
Sonnenblume 443 Sonnwend-Flockenblume 512 soziale Hymenopteren 95, 273, 487 Spanische Fliege 640 Spanner 415, 561, 565, 570, 857 - Fortbewegungsform 236 Spechte 557f, 579 Speckkäfer 111 , 689 Speerdistel-Blüte 507 Speerdistel-Bohrfliege 507 Speicheldrüse 40 Sperlinge 558 Sphaeriidae 822 Sphaerius ovensensis 822 Sphecidae 445,469, 515, 540,542, 551,839,847, 886 Sphe cius speciosus 543
Sphecodina abboti 570 Sphingidae 133,209,212,213,223, 515,548,573,853, 856f, 862 Sphingoidea 294 Sphinx ligustri 169 Sphodromantis
- gastrica 191 ,782 - viridis 782 Sphon gophorus ballista 805
Artregister Spicipalpia 141
S tigme/la argentipede/la 503
Spilop sy/lus 866 - cuniculi 652, 868
Stigmellidae 852
Spinnen 505, 515, 542, 555, 559, 582, 587 Spinnenameisen 839 Spinnentiere 123, 559 Spinner 187 Spinnmilben 821,835 Spirochaeten 625 - der Art Borrelia recurrentis (syn. B. obermeieri) 662 Spirotrichonympha 618 Splintholzkäfer 114 Spodoptera 371,696 - exempta 314 - littoralis 371,373,691 Sporozoen 666, 707 Spreitungsschwimmer 570 Springschwänze 240,500,517,529, 533, 559, 601, 614, 753-757 Stabheuschrecken 29, 148,236 , 239-241, 298 r, 354, 442, 447, 560f, 563, 565, 570 , 572f, 575,
Stomoxyinae 650
789, 790
Stachelameisen 638, 640, 839 - der Gattung Onychomyrmex 638 Stachelbeerblattwespe 845 Stachelbeerspanner 862 stachellose Bienen 38, 377,472, 473,480,481 ,482,839 Stachelwespen 839 Stachys 518 Stagmomantis 782 Staphylinidae 41,418,448,491 , 493, 525, 572, 576, 603, 640, 779, 819,821 ,822,824,827,828 Staphyliniformia 823 Staphylinoidea 823, 825 Staphylinus 572 - sim ilis 828 Star 558, 566 Staubhafte 835 Staubläuse 135, 791 -793 Stauronema compressicornis 575 , 576 Stechborstenbündel 873 Stechfliegen 650, 874 Stechmücken 12,41,42,43,94, 104, 1/4, 146, 150,320, 582, 622, 630,631 ,645,647,656,669, 687-689,707,732,870,873 Stechmückenarten der Gattung Man sonia und Anopheles 666, 669 Stechmückenlarven 20,98, 157, 880f S tegobium (S itodrepa) paniceum 110,618,621,625 Steinfliegen 435, 614, 772-774 Steinfliegenlarven 141 Steinhummel 473 Stenogastrinae 469 Stenus 526, 570, 598, 821, 825 - biguttu/us 245 - bipunctatus 245 - comma 526 Stephanitis pyri 589 Stereum 627 Sternorrhyncha 385, 500, 616, 799, 806 Stielaugenfliegen 438, 451, 453
St i/bocoris nata/ensis 453 St omoxys 873 - ca/citrans 650, 651 Strangalia 515
Stratiomyidae 870, 881 Streblidae 420 Strepsiptera 68, 360 , 384, 393, 406f, 420, 552, 553, 745, 750, 884f, 886, 887 Streptomyces - avermitilis 684 - tendae 6
Strigidae 557 Strongylognathus 495, 497 Strumigenys /udia 529
Stubenfliegen 8,103, 110,216,332, 394, 535, 650, 651, 656, 686, 732 Stummelaffen 657 Stylopidae 885 Stylopidia 884, 886 Stylopoidea 552 Sty/ops melittae 886 Sub isotoma variabilis 756, 757
Suchjäger 529 Su/copolistes 471,494
Sumpffiiege 526 Sun cus etruscus 558
Süßwasserfische 556 Süßwasserschwämme 838 Sylviidae 557 Symphile 491 Symphy/urinus 761
Symphypleona 754, 757 Symphyta 43 f, 154,499, 839,842, 843 Synanthedon myopaeformis 691
Syrphidae 172, 176f, 381, 492,587, 724,875 Syrphoidea 871
T Tabakschwärmer 209,211 ,213,247, 249,250,315,594
Tabanidae 193,207,396,515 ,650, 870,875 Tabanomorpha 103, 870f, 876 Tabanus 142, 636, 650 - cey/onicus 724
Tachini 545 Tachinidae 294, 297, 298, 396, 541f, 547, 550f, 593, 604, 675, 708,846,871 Tachinidenlarven 551
Tanzfliegen 440,453,455,460, 523, 870 Tapetenflunder 643 Tapinoma 497, 586 Tarsenspinner 774-776 Taubenschwänzchen 270, 857 Taufliegen 212,222,420,438,871 Taumelkäfer 244,391 ,524 Tausendfüßler 555, 559 Tegeticu/a y iccase/la 516
Teichläufer 799 Telea po/yphemus 127,855 Te/enomu s heliothidis 541f Te/eogry/lus oceanicus 297 Te/eutomyrmex schneideri 495 ,
497 Tendipedidae 870 Tenebrio 136,382,408,413,828 - molitor 30 ,99, 111 , 135, 136, 137, 154f, 166,255,350,372 Tenebrio-Larve 131,166 Tenebrionidae 821,822,826,827, 828 Tenebrionoidea 825 Tenodera austra/a siae 782
Tenthredinidae 396,41 7,501,839, 842,843,845 Tenthredinoidea 499 Tephritidae 499,505,508,512,614 Teratembiidae 774 Terebrantes 839, 843 Terebrantia 816,818 Terme s insitivu s 494 Termite/la 592
Termiten 97, 99, 115f, 118f, 159, 161,305, 309f, 317, 319f, 320, 357,404,441 ,456, 465f, 468, 471, 477f, 488, 494,500,511 , 529, 556, 559, 575, 577, 586-588, 592,614,617,618,621-624 ,627, 684, 705, 776, 786 - der Gattung Ka/ot erme s 32 Termitenfliegen 388 Termitenhügel 488 Termitenköniginnen 361 Termitidae 469,482,511,786 Termitoxeniidae 388,493,872, 876f Termitusa 592
Termopsidae 786 Termopsi s 386
Tetragoneuria 396, 397 Tetramorium 485, 490 - caespitum 486,495 - impurum 495, 497
Taeniopterygidae 772
Tetraneura 806 Tetraponera 488 - bingkami 476, 490 Tetrastichus - crassicornis 678 - gUCfardianus 550
Taeniorhyn chus 648
Tetrigidae 787
Tagfalter 194, 197,199,417,501, 511,516,518,569, 702f, 705, 855, 857 Taghafte 835 Tagpfauenauge 22, 501 Tangfliege 406 Tannenhoniglaus 563 Tannenläus e 111, 113, 806 Tannenmeisen 558 Tanrekartige 558
Tetrodontophora 568, 577 - bielanensis 590 , 754, 756 Tettigonia viridissima 61f, 239
Tachycines asynamorus 787
905
Tettigoniidae 295, 297, 440, 562, 787 Tettigonioidea 192 Thanas imus 524
Thaumetopoeidae 502, 582, 640, 859f Thaumetopoea pinivora 20
906
Artregister
Thecla 570 , 574 - togarna 258 Theridion 709 Thermobia 135f,764 - dom estica 32,391 , 765 Thonalmus suavis 567 Thrips tabaci 816 Thripse 815, 816j, 818f Thrixion 548
Trichoceridae 385, 645, 870, 877 Trichogramma 175,540,676
Throscidae 603 Thynninae 455
Trichopsidae 538 - clausa 546 - costatus 548
Urocerus gigas 61, 627,841 , 845 Urophora 507f - cardui 706, 708f, 716,7/7,718 - solstitialis 678 - stylata 507 Utetheisa - ornatrix 582 - pulchella 270 Utricularia 555
Trichoptera 9,41,43-45, 192,193, 197,216,378,381,384,392, 396f, 399,415,417, 540, 544,
v
Thyria jacobaeae 511 Thysania agrippina 856
Thysanoptera 115, 145,248 ,361, 381,384,400,414,415,466,500, 508,515,525, 575f, 675, 791f, 815, 816j, 817-819
Thysanura 70, 72,347, 377, 392, 404,415, 762, 765 Tierläuse 135, 794-797 Tineidae 852, 859f Tineola bisselliella 115, 137, 162, 861 Tingidae 577,579,589, 799,800 Tintenfische 601 Tipula 61
- lridescent Viren 105 - maxima 869 - oleracea 875
Tipulidae 116, 179, 385, 575, 614, 616,617 ,620,645,870,873
Tipulidenla rven 558, 880 Tipulomorpha 870,881 Tischeria complanella 503 Titanu s giganteus 372,819
Tomaten 690 Tomoceridae 754 Tomocerus 403
- vulgaris 70 Tortricidae 503, 733, 852, 859, 861 Tortrix viridana 513
Torymidae 783 Torymus 678 - cyanim us 717 Totengräber 309 , 442, 445, 449, 457j, 461
Totenkopfäffchen 657 Totenkopfschwärmer 168,270,575, 843 Toxotes 557
Toxotidae 556 Trabutina mannipara 114
Traubenkirschenlaus 807 Traubenwickler 676, 691,692 Trauermücken 375,870 Treiberameisen 521, 839 Triacis remulu s 549
- cacoeciae 676 - dendrolimi 676
- evanescens 550, 676, 846 Trichogrammatidae 839 Tricholepidon gertschi 747
Trichomonadina 115 Trichoplusia ni 29, 548, 595
556,572,596,615,723,848,849, 850 , 85lf Trichrous - divisus 567 - pilipennis 567 Trifolium 513 Trigona scaptotrigona 575
Trigonaloidea 545, 551 Trigoniophthalmus alternatus 132,
135 Trioxys 844 - angelicae 544
Triunguliden 885, 886 Troctomorpha 792 Trogiomorpha 792 Trogium 791 - pulsatorium 792 Trogoderma granarium 691 Troides plateni 170 Trypano soma 630,650, 663j, 698 - brucei 664 - brucei gambiense 664 - bruceirhodesiense 664 - cruzi 188,665 - equiperdum 636 - evansi 636 - melophagium 637 - uquinum 636
Trypetidae 596,616,617,694 Tryphon 544, 545 Tryphoninae 545 Trypoxylon rejector 847 Tsetsefliegen 8, 17, 40, 79, 82-84 ,
86,97, 114, 133, 162,320 ,362, 616,650,664,688,871,877
- der Gattung Glossina 39,664 Tubulidentata 559 Tubulifera 816, 818 Tularaemie 650 Tunga - penetrans 652 - (Sarcopsylla) penetrans 654
Triadocupedidae 821 Triadophlebiomorpha 770
Tungidae 866
Trialeurodes 684
Turdidae 557 Tygentoma 762 Typhlocybidae III
- vaporariorum 113,812
Triassomachiloidea 762 Triatoma 82, 630, 665 - infestans 83 Triatomidae 614,623 Triatominae 644 Triaxagidae 603 Tribolium 431,433, 435f - castaneum 431 - destructor 367 Tricampa 761 Trichiocampus viminalis 842
Turcoraphidia acerba 834
Typhloponemys 592 Tyria jacobaeae 50I
u Uferfliegen 377 Umbonia sp inosa 805
ungeflügelte Blattläuse 724 Ungleiche Holzbohrer 689 Urania 27
Uraniidae 853 Urbilateria 429,433 Urmund tiere 429
Vanessa atalanta 22, 726 Varroajacobsoni 491
Veilchen 516 Velia 245
Veliidae 524, 799, 801 Vermileo 522 - comstocki 523
Vermipsyllidae 866 Vespa 192 - crabro 50,470,471 ,639 - germanica 105 - vulgaris 20
Vespidae 469, 569, 580, 839 Vespinae 471 Vespioidea 543 Vespula 471,480, 565, 639 - germanica 102, 106 - saxonica 470 - vulgar~ 20,564,565 Vetilia wuelfingi 790 Vicia 512 Viteus vitifolii 733, 806 vivipare Dipteren 40
Vögel 454, 505, 556f, 563, 566, 569, 573, 587 Vogelflöhe 651,654
w Wachsmotten 445, 546, 860 Wachsmottenlarve 12 Wachtliella 403 - persicariae 405
Wadenstecher 650, 651 Waffenfliegen 870 Waldameisen 480,484,491,677 - der Gattung Formica 474, 488 Waldlaufkäfer 530 Waldmücken 647 Waldschabe 457 Wald-Schachbrett 447 Wandelndes Blatt 789, 790 Wanderameisen 475, 839 Wanderheuschrecken 16f, 83, 92, 95, 98, 103, 105, 109-111, 115, 130,134,138,176,213,237,279, 288,289,295,538,725,727,787 - der Gattung Locu sta III - der Gattung Schistocerca III Wanderratte 661 Wanderraupen 201 Wanzen 34, 41, 43, 52, 75, 81, 83, 92, 97f, 10Sf, 114, 116, 118, 127, 146, 150f, 159, 162,289, 357, 446,453,458,499, 502, 521~ 524f, 527, 540, 545, 553, 583,
Artregister 588,614,618,621,643,675, 799, 885 - der Gattung Cenocorixa 118 - der Gattung Coptosoma 105 Wasseramsel 558 Wasserkäfer 8,97, 139,456,524, 563, 565,575,576,598,819 Wasserläufer 290, 394, 452, 524, 561,799,800,801 Wasserskorpion 172, 178,243, 244, 799,801 Wasserwanzen 20, 139, 141, 143, 196,290,439,440,449,456-458, 459,524,576,799,800 Wasserzikade 561 Wasserzünsler 178 Weberameisen 469,487 - der Gattung Oecophylla 475 Weberknechte 603 Wegameisen 477 Wegwespen 524, 540, 839, 885 Wehrstachel 843 weibliche Schildlaus 811 Weiden 505,508, 511 Weißdorn 677 Weiße Fliegen 684, 689, 811 Weißlinge 159, 339,417,853 Weißtanne 707 Weißtannen-Stammlaus 707 Wendehals 558 Werftkäfer 616 Wespen 20,83,97,102,105, 114, 175, 177, 293, 442, 456, 465, 485, 515, 540f, 543-545 , 553, 559, 565, 569,576, 638f, 689,847 - solitär lebende 842, 846f Wespenbussard 558 Wickler 503, 714, 852, 859 Wiesenmücken 647 Wiesenschaumzikade 803 Wildbienen 847 Wildrose 677 Windenschwärmer 862 Winterhafte 865 Wintermücken 645, 870 Wirbellose 556
Wirbeltiere 511, 555f, 579, 582 Wo/bachia 630,631,632 Wollbienen 443, 449 Wollläuse 810,811 Wollschildläuse 671f Wollschweber 417, 540, 546, 870, 872 Wuchereria 646, 669 - bancroft i 667, 668 Würger 557f Wurzelläuse 806 Wüstenameisen 236, 265 Wüstenheuschrecken 136, 144, 151, 233, 238, 242, 726 Wüstenschabe 138 Wüstentenebrionide 131 Wüstenzikade 132
x Xantho/inus 603 Xantho/inus-Larve 602 Xanthomonas-Bakterium 622
Xenarthra 559 Xenop sylla 866 - cheopis 114,652,654,660,868 Xenos vesparum 552 Xeris spectrum 628 Xiphydria came/us 550 Xiphydriophagus meyerinckii 544 Xyelidae 509 Xy/ocopa 638 - violacea 372 Xy sticus 564, 565
y Yersinia pestis 659 Yponomeutidae 502, 852, 859 Yucca 516
z Zahnkarpfen 556 Zahnspinner 570,577,853 Zahnspinnerraupen 573
907
Zalambdodonta 558 Zecken 320, 794 Zegris eupheme 724 Zeiraphera diniana 711, 715 Ze/us /eucogrammus 526 Zeugloptera 852 Ziegenmelker 557 Zierläuse 806 Zikade 543 Zikaden 17,94,111,113,119,133, 137, 152, 154,291 ,294,295,296, 375, 445, 500, 502, 526, 534, 540, 543,545,553,561,563,568,614, 616,618, 620f, 623, 726f, 799, 885 Zipfelfalter 258, 570 , 574 Zitronenfalter 22 Zodariidae 560 Zonocerus variegatus 689 Zootermopsis 486, 624 Zophobas 596 Zoraptera 360, 389, 575, 790, 791 Zorotypus 790 Zuckerrübe 618 Zuckmücken 368, 403, 522, 603, 645, 870 Zuckmückenlarven 143 Zünsler 561,677,678,852,855 Zweifleckgrille 241 Zweiflügler 499, 675, 684, 869-884 Zwergläuse 111 Zwergmotten 503, 852 Zwergwespen 248, 839 Zwergzikade 28 Zygaena 583, 585 - fi/ip endulae 862 - trifoli 578 Zygaenidae 91, 582 f, 585, 852 Zygentoma 11, 21, 32,33, 53f, 97, 99, 192, 197,361 ,391,491,553, 572,575, 740, 742, 746f, 764, 765 Zygoptera 118, 142,448, 769, 770, 771
Sachregister
A i\as 442,445,452, 46 1 Aas fliegenblumen 516 aasfressende A rten 456 Aas fresse r 52 1, 82 1 Abdomen 48, 68, 287, 415, 753, 759 - Expansio n 181,182 , 198 - Kontrak tion 182 - Vibration 834 Abd om enmuskeln 69 Abdo mina ldrüse n 576, 758 Abdomina lextremit äten 69, 70,4 15 Abdom inalgan glien 99, 205f, 858 Abdomina lkieme n 838 Abdomina lsegmentieru ng 68, 182, 415,433,759, 761,841 Abdominalstigme n 176, 18 1, 842 Abd uktoren 52, 54 Ab sch reckstoffe 513 Ab sorpti onsspektru m 327 Absta ndsregel ung vom Boden 236, 286 Abunda nz 70 1, 716 Abunda nzdyna mik 70 1, 715 Abwehr - a ktive 570 - ak ustisc he 570, 575, 59 1 - primäre 560, 572, 593 Abwehra npass urigen 501 Abwehrd rüsen 568,576, 589f Abwehrfl üssigkeiten 576 Abw ehrger üche 577 Ab wehrmechanismen 188, 555, 560, 569, 591 f - sekun däre 569 f, 572, 593 Abwehrpherom on e 622 Abwehrse krete 173 Ab wehrstoffe 185, 575, 583 f, 584, 586, 59 1 - Wirkun g 585, 589, 638 Abwehrve rha lten 570 Acantha 97 Aca nt hae 18, 60f, 864, 868 Ace ta t 116, 318, 624 N'Acetylchito triose 3 Ace tylcholi n 207, 605 Acetylcho lines terase 683 Acetyl-Co A 80 N-i\cetyldopamin (Ni\Di\) 16 N -i\cetylglucosamin 3 Acini 4 1,42 Ac ron 411 i\CT (Antenno-Cerebra l-Trakt) 223 Ac tinfilame nte I, 232 Ac tino rnyceten 6 Acy lha msto ffe 6, 684 Add ukto ren 52, 54 Adelpho taxo n 74 1
Ade nosi ndi pho sp hat , siehe i\DP Ad enosinm onoph osph at . siehe i\M P Adenos innucleo tide 314 Adenosi ntri phospha t, siehe i\T P Adhäsion 16, 61 f, 168, 573 adi po kinetisches H orm on , siehe i\KH Ad ipo cyten 119 i\DP 43, 114, 311 , 315 Aerodynamik 245 Ae ro pylen 174, 370,371, 642 afo ka le Op tik 336 After 68,93,96, 106, 118, 363, 402, 412 Afterfüße 235, 415, 841, 859 Afterra upen, po lypode 843 Afterwolle 396 Agglut ine 595 Aggregationen 753, 760 Agg regationspheromone 524,622, 690, 693, 753, 827 Aggregationsver hal ten 675 Agrarökosysteme 698 agressive M imikry 562 Ägyptisc he Augenkrankheit 636, 655 Airy-Sc heibchen 330 Akarizid 679, 683 f i\KH (adi pok ineti sches H orm on ) 8 1, 83, 85, 87 r, 154, 208, 348, 354 Ak ron 48 Ak rosorn 381, 383j, 386 Aktionspotential 300 Aktivatorbindungsstellen 425 Aktivatoren 422, 425 f aktiver Tran spor t 150 Aktivit ätsperiodi k 645, 667, 851 akzessorische D rüsen 362 , 378, 395 akzessorische Körperehen 38 1f, 383,384 akzesso rische Ze lle 30, 31 Alanin 44, 84, 622 Ns ß-Alan yldop am in (N Bi\ D) 16 Alarmphero mo ne 276, 483, 525, 579, 592, 808 Alarmsekrete 485 Alarmstoffe 487 Alarrnuskeln 185, 189j, 202 Alatae 809 Albinis mus 27 Alcia nblau I I Aldrin 682 A leppo be ule 663 Alino tum 65, 434 Alka loide 91,2 11,315, 318,510, 513, 557, 568, 570, 576, 583, 585 f, 690, 826 Alkoh ole 8,318 Allatostatine 352
A llatotropine 352 Allelechemika lien 575 Allergien 20, 579, 638, 640, 644, 648 allergisc he Reaktion en 636 Alles-Oder-Nicht s-Potenti ale 312 Allethrin 682 All ometab olie 8 12,813 Allom on 575 Allosamidine 6 allo tro pe Blüten 5 15 All ozyrne 744 Alluvium 732 Alphaviren 657 Altern 4 19 Alterspigme nt 420 Altlarve 413,414,4 15 Alula 875 Amac rinze llen 217, 218 Amaranth 148 Ama rum 684 amastigota 663 Amb rosiapilze 627 f ameisen abwehren de Substanzen 838 Ameisen löwentric hte r 837 Ameisenmimikry 592, 782 Ameisennester 4 75, 476 Am eisen- Pflan zen-Mutualismu s 517 Am eisen säure 483, 491, 585, 639 Am eisenvölker 475, 478 Amine 91,208 - biogene 207,346,579,638 y-i\mino buttersäure, siehe Gi\Bi\ Aminopeptidase 107 Aminosäur edesam inasen 622 Aminosäu reexkretion 162 Aminosäuren 44, 79, 114, 121, 154, 161 f, 207, 62 1, 826 - essentie lle 622 ,626f - freie 185 - toxisch e 510 Am moniak 161,576,623 Ammo nio telie 161 Amnion 402,406, 407, 410,411 , 413 , 431 Amnion h öhle 406, 407 Amniose rosa 421 ,431 Am öben 466 i\M P 41, 43, 85, 315 Amphit okie 389 - fa kultative 858 Amplifika tio n 365 Ampu llen 151, 195, 196, 199,440, 789 Ampullenk örpe r 191 Am ylase-Inhibitoren 695 Amylase n 43, 106, 107, 108 An agenese 737
Sachregister Analadern 67 Analdrüse 486 Analfeld 67,789 Analkegel 865 Analklauen, siehe Pygopodien Anallappen 866 Analogien 743 Analpapillen 140f, 143,851 Anamerie 759 Anamorphose 415, 759 Ananasgalle 806, 809 Anaphylaxie 636, 638 Anatrepsis 407 Andrimid 595, 622, 623, 630 Andro conien 22, 33, 35 Andropine 596 Anemotaxis 263f, 305, 445 Anfang sfieber, unregelmäßiges 666 AngrifTszeit 564 Anhangsdrüse 358, 362, 865 - der Vagina 362 - des Eiablageapparats 505 - weibliche 596 Ankerfraß 501 Anlagenplan 421 , 432 Ansiedlung 671,675, 724 Anstellwinkel 9 Antagonisten 173, 230 Antarktis 728 Antecosta 64 antennale Sensillen 214 Antennallobus 222-224, 223 Antennen 47f, 51, 196,289,292, 298,308-310,435,645 ~ gefächerte 445 - Typen 51 Antennenampullen 196 Antennenarterien 191,192 Antennendrüse 40 Antennenherz 202 Antennennerv 224 Antennenpumpe 195 Antennenrezeptoren 253 Antennensklerit 49 anteriorer optischer Trakt 219 anteriores System 375, 423 anteroposteriore Achse 430 Antibiotika 490,595,621 ,622, 629-631, 655, 661 Antibiotika-Re sistenzgene 630 antidiuretische Hormone 354 Antiecdysteroide 685 Antigene 43, 638 Antihormone 685 Antijuvenilhormone 685 antimikrobielle Substanzen 576 Antiperistaltik 107, 769 antitrypanosomale Genprodukte 630 Antitumoraktivität 625, 630 Anus, siehe After Aorta 188, 191f, 410 Aortensack 192 Aphrodisiaka 446, 640 apikale Plaques 6 Apikalkomplex 379 Apikalzelle 379 Apodeme 17,18,49,230,410 Apolipophorin 83 Apolyse 12, 13, 14 Apomorphie 739, 739, 740f, 746 Apophyse 17, 18, 50, 230, 410
Apoptose 350 aposematische Färbung 566 Aposematismus 560, 566f, 592 aposymbiontische Insekten 621 Apparenz 510 Appendice s 771 Appositionsauge 218,329,330, 333, 337, 767, 769 Apterae 809 aptere Arten 836 aptere Formen 815 Apyrase 43 apyrene Spermien 378, 388 Äquationsteilung 380 Äquatorialplatten 400 Arb eiter 477,468 Arbeiterkasten, flügellose 478 Arbeiterinnen 474 ,477--479,481, 488 Arbeitsteilung, reproduktive 465 Arboviren (arthropod-borne viruses) 656 Archaebakterien 116 Archimetabolie 774 ARDRA618 Areal 72lf Arenabalz 441,443 Arginin 162, 608 Arista 292, 873 Arolia 818 Arolium 57f, 58, 60, 61j; 501, 778, 780, 784, 787, 863, 876 aromatische Verbindungen 583, 585f,826 Arre stin 325 Arrhenotokie 389,401,812 Arsenverbindungen 680 Artaufspaltung 737 ArtbegrifT 735 Artbenennung 736 Artbeschreibung 736 Artbildung 737 - Rote Liste 713 Artenregister 751 Artenzahlen 539f Arthropodenintegument 586 Arthropodium 52, 55 Artikulation 53f Arylphorine 2 Ascorbinsäure 622 AsphaItdämpfe 680 Assoziationszentren 214 asymmetrisches Konkurrenzverhältnis 708 Atemanhänge 370,371 Atemaufsätze 396 Atemgasaustausch 174, 175 Atemgifte 679 Atemhörnchen /78 , 373, 402, 877 - prothorakale 178 Atemregulation 180, 182 Atemrinnen 287 Atemrohr 802, 880 Atemsiphonen 178 Atemsystem 165 ätherische Öle 514,587,690 äthiopische Region 728 Athrocyten 123,124, 188 Atmung 87, 118 - im Flug 176 - in flüssigen Medien 177 Atmungskette 76
909
ATP 43, 76,78, 114,311,315,606 ATP-Produktion 608 Atrium 172, 173 Attacine 188, 596 Attrappenversuche 453 Auflösungs vermögen 530, 535 - zeitliches 326 Auftrieb 179, 245 Augenarterien 192 Augenflecken 570, 573, 591 Augenformen 327 Augenkapsel 49 Augenradius 330 Ausatmen 172, 175, 181 Ausbeutungs-Konkurrenz 708 Ausbeutungstheorie 465 Ausbreitung 722, 724, 732 Ausleitungsg änge 363 Ausscheidungen 417 Außengruppenvergleich 740 Außenskelett 1 AusströmöfTnung 173, 190, 19lf Ausströmvalven 190 Australien 517 australische Region 728 Austrocknung 459 Autan 648 Autapomorphie 742, 749 autoenzymatische Verdauung 114 autogene Form 648 autogene Stämme 110 Autokorrelationsanalyse 257 Autolysosomen 157 Automimikry 569 Autoparasitismus 551 Autophagie 350 Autophagosomen 40 Autosomen 400 Autothysie 587 Autotomie 575, 762f Autoventilation 176f, 181 Auto zidverfahren 671 Auxilia 58 Avermectine 684 Axialfilamentkomplex 381 Axillaria 67 Axon 210, 212, 332 Axonema 381 f, 384f, 387 Azadirachtin 681 , 685, 690 Azanfärbung 9
B Bacillus thuringien sis 695
Bacitracin 630 Baculovirus 355 bakterielles Hitzeschockprotein GroEL 622 Bakterien 114, 116, 1/ 7, 187f, 466 , 601,671 - gramnegative 120 - methanbildende 116f - methanogene 117 - symbiontische 20, 123, 630, 876 bakteriolytische Enzyme 595 Bakterizide 485, 586, 830 Balgbildungszelle 18 Ballonhaare 579,589 Balz 446,581 , 784 - akustische 446 - gustatorische 827 - opti sche 446
910
Sachregister
Balzflüge 767 Balzgesang 446 Balzgeschenke 443, 450, 453, 455, 459f Balzverhalten 292, 304, 437 Barber-Fallen 721 Basalari a 65 basale s Labyrinth 30,41 ,99, 141, 146 Basalkörper 381 Basallamina I f, 30, 99, 146, 186, 657 Basalmembran 123,124 Basalplatte 8 75 Basalring 18 Basalsklerite 50 Basicosta 56 Bateman s Prinzip 438 f Bates'sche Mimikry 511,567, 568f Baubiene 38 Bauchbürsten 471 Bauchfüße 415,859 Bauchganglienkette 411 Bauchm ark 205 f, 212 Baumh öhlen 470, 645 Bauplan 735,756,758, 761, 763 BeD 423 bcd-mRNA 423 bcd-Protein 423 Becherzellen 100, 157-159 Befruchtung 357,400,401,420 Befruchtungskammer 399 Begattung 357, 378, 391 Begattungsflug 393, 394 Begattungszeich en 395, 448 Beinanlagen 416 Beinkoordination 239 Beinluftsack 171 Bekämpfung 643f, 655, 664 - des Frostspanners in Kan ada 674 - von Insekten 631 - von Lästlingen 690 - von Läusen 682 - von Schädlingen 593 Belt'sche K örperehen 517 Benetzungsmittel 679 Benzoesäure 8, 576 Benzol 630 Benzothiazol 606 Benzoylhydrazin 355 Berlese-Trichter 721 Bernsteinfauna 791 Berührungsreize 286, 288 Besamung 391,395,398,458 Besänft igungsdrüsen 592 Beschädigung skämpfe 439 Beschallungsrichtung 294 Beschälseuche 636 Bestäubungsmutualismus 500 Bestäubungssymbiose 514,517 Bestäubungssystem 514f Betteln 483 Beugungskon trast -Elektronen mikroskopie 6 Beugungs-Kontrast-TransmissionsElektronenmikroskopie 7 Beugungsscheibchen 330 Beulenpest 660 Beute 491,572, 847 Beuteattrappen 535 Beutefang 290,521 , 525, 532, 534, 556,559
Beutelgallen 505, 506 Beuteschema 525 Bewegungsperzeption 256 Bewegungssehen 321 Bewusstlosigkeit 639 Bibel 655 bicoid (bcd) 423 bicoid-Protein 375 bidirektionaler Transport 191 Bienengift 596 Bienennester 546 Bienensprache 515 Bienentan z 266 Bienenwachs 111, 115 Bikomponententheorie 265 bikonvexe Linse 329 Bildungsepithel 104 Bildungsplasma 366 Bildungszellen 18, 24 Bildungszone 103 Bindehautentzündung 625 Binnendruck 413 binokulare Entfernungsschätzung 536 binokulares Triangu lationsverfahren 535 biochemische Prozesse in Leuchtorganen 606 biogenetische Grundregel 741 Biogeographie 721 Bioindikatoren 772 Biologische Bundesanstalt 680 biologische Schädlingsbekämpfung 541,671 f, 674f, 712, 821, 845, 885 biologische Unkrautbekämpfung 673, 712 biologische Verfahren 673 Biolumineszenz 601,603f Biomasse 678 Biopolymere 3 Bioreaktoren 697 Biospezies-Konzept 735 Biosynthese 3 Biotin 623, 625 biotische Mortalitätsfaktoren 706 Biozidanwendung 672 Biozönosen 727 birame Extremitäten 434 bisexuelle Populationen 776 Bisse 537 Bivalente 372 Blasenminen 503 Blastocoel 403 Blastoderm 402,402,403-406,405, 431f Blastodermzellen 404f, 421, 425 Blastokinese 402, 406, 4071 Blastoporus 429 Blastula 403, 429, 548 Blattfresser 91 Blattlauskolonien 546 Blattlausparasitoide 542 Blattlauspigmente 622 Blattminen 503 Blattminierer 304, 508, 560 Blattquerschnitt 502 Blattrollen 503, 817 Blattwickel 503 Blausäure 576, 583, 585, 689 Blausäureglykoside 583 Blei 157
Blinddarm 617 Blindheit 655, 669 Blindsack 96f, 106, 786, 880 Blinkrhythmen 445 Blockgallen 507, 508 Blut 104, 867f Blutaufnahme 648 Blüten 561 Blüten-Bestäuber 514 Blütenbe stäubung 499 - Anpassungen 515 Blütenbesucher, unspezifische 515 Blütendüfte 317 Blütenkopfbewohner 503 Blütennektar 648 Blütensäfte 645 Blütenstände 561 BI ütenstetigkeit 514 Blut-Hirn-Schranke 2111 Blutmahlzeit 97,99, 104, 114, 127, 146, 162, 354, 636, 646, 657, 660, 661,668,669 Blutsaugen 644,651 ,653,660, 873 Blutsauger 43,93, 105, 109, 114, 137, 315,623,630,635,645,648, 873 Blutspender 646 Blutung 636 Blut-Uterusschranke 637 Blutverdauung 649 Blutzellen 187, 593 Bolwig-Organ 877,881 Bombykol312,313f Borax 680 Borkenkäferfallen 691 Borsten 17,19,117,765 Borstenfelder 289 Borstenhaar 26, 285 Botenstoffe 312 brachyptere Arten (Neuroptera) 836 brachyptere Formen (Thripse) 815 Brackwasser 138, 142f Brakteen 512 Brechungsindex 27, 321, 329, 334 Breitb andinsektizid 684 Breitbandwirkung 591 Brennhaare 20, 858 Brennweite 330 Brutbauten 505, 824 Brutbehälter 543 Brutbirnen 457, 824 Bruteier 377 Brutfürsorge 396, 456, 458, 542, 545, 823, 827 Brutgebiete 725, 726 Brutgewässer 645, 647 f Bruth öhle 780, 847 Brutkammern 467, 846, 847 Brutkanal 885 Brutparasitismus 515,847 Brutpfleg e 442, 450, 456-459 , 458, 465,479,488,653,827,847 Brutpflegekapazität 477 Brutpl ätze 649 Brutwaben 473, 839 Brutzellen 442 Bubonenpest 660 Buccalhöhle 93 Buchner, P. 613 Bufadienolide 611 Bundesgesundheitsamt 680
Sachregister Bundes-Seuchengesetz 643 Bunyaviren 656 f Burcellose 636 Bursa copulatrix 358, 362, 363, 393, 448, 858, 865 Bursicon 15f, 353,418 Bürstenhaare 579 Buschgelbfieber 658 Buttersäure 318 (
CAD cad-Protein 423 Caeca 98, 157, 784,787,795,879 Caecum 92, 96, 106/ Calcium 100 Calciumionen 312,322,325,783 Calciumkanäle 325 Calciumoxalat, Whevellit 862 Calciumphosphat 156, 162 Calliphorin 121 Calyx 221, 358 Calyxepithel 595 cAMP 154f campaniforme Sensillen 253,281 , 283,285,286,288 Camphen 316 Canaliculi 37, 146, 147 Cantharidin 91,568, 580j, 582-584, 586, 591, 638, 640, 821 Cantharophilie 819 Capsid 655, 657 Capsomere 655 Caput 47 f, 436 Carbamate 680, 682f Carbaryl 680j, 683, 686 Carbifuran 683 Carbohydrasen 108 Carboxylasen 622 Carboxypeptidasen 107, 109 Cardenolide 569 Cardia 97, 103,104,876, Cardioblasten 410,411 Cardo 54 Carnitin 622 ß-Carotin 110 C4o-Carotin 327 Carotine 27, 122,327 Carotinoide 28, 781 Carrier 368 Cartridge 333 Casein 618 caudale Siphos 178 caudales viscerales Nervensystem 206, 225f Caudalfilamente 547 Cecidien 506 Cecidozoa 505 Cecropine 188, 596, 630, 698 Cellobiose 108, 114 Cellulasen 114,622,624,627, 764 Cellulose 3, 114, 116, 51Of, 616, 624 - Abbau 14, 97, 105, 114, 186,617, 626 Centriol 381,405 Cephalisation 205 Cephalopharyngealskelett 880 Ceratotoxine 596 Cerci 26,48, 69, 213, 284,287,288, 292,747,753,761 ,763,767,771 , 865
Cercuspumpe 197 Cerebralganglion 214 Cervicalia 839, 875 Cervix 48f Chaetotaxie 21 Chagaskrankheit 630, 644, 665, 698 Chaperonin 622 Chemilumineszenz 601 chemische Abwehr 510,573, 575f, 578, 589j, 591, 835 chemische Balz 446 chemische Energie 75 chemi sche Muster 316 chemische Ökologie 589 chemische Orientierungsreize 540 chemische Sinnesorgane 312,445 - Struktur 306 chemische Tarnkappe 544 chemischer Sinn 304 Cherno-Klinotaxis 305 Chemorezeption 35, 304 Chemorezeptoren 95,316,553 chemo sensitive Sensillen 307, 309 chemosensorische Haare 760, 874 Chemotaxis 445 Chem otaxonomie 8 Chemo-Tropotaxis 305 Chiasma 217,372 Chiastoneurie 871, 876 Chinin sulfat 566 Chinone 16, 568, 577, 579, 588, 591, 622, 826 chinonhaltige Abwehrsekrete 781 Chinonmethide 16 Chitin 1,3,7,79, 100,595,684 - Biosynthe se 4 - Synthese 5 f, 80 u-Chitin 7 ß-Chitin 7 y-Chitin 7 Chitinasen 3, 5 Chitinketten 5, 7 Chitinkristalle 6, 7 Chitin-Mikrofibrillen 5, 12, 14, 101,102 Chitin-Protein-Assoziationen 7 Chitinsynthesehemmer 684 Chitinsyntheseinhibitoren 680 Chitinsynthetase 1,4f Chitosan-Reaktion 3 Chloramphenocil 621 Chlordan 682, 688 Chlortluazuron 6 chloride transport stimulating hormone 154 Chloridepithelien 140,852, 140, 141f - abdominale 142f - anale 142 Chloridpumpe, elektrogene 153 Chloridzellen 118,140, 141,142, 143, 773 chlorierte Kohlenwass erstoffe 680, 682 Chloroform 689 Chlorophyll 27 f Chlorpikrin 689 Cholera 655 Cholesterin 75, 111 , 122,351 ,611, 622,623 Cholinesterase 115
911
Chordotonalorgan 253, 284, 295, 836,875 - pleurales 294 Chorion 373,365, 369,371 , 407, 413,432 Chorionhülle 174 Chorionmembran 370 Chorologie 721 Chromatinfibrillen 380 Chromatin-Modifikationen 427 Chromatinstruktur 422 Chromatocyten 561, 563 Chromatophoren 565 Chromenderivate 685 Chromophor 323,327,328,240 Chromosomen - Anzahl 399 - polytaene 365 chronische Toxizität 680 Chymotrypsin 43, 109 Cibarialpumpe 93,94, 792, 818, 842, 858, 867 Cibarium 51,91 ,93,94,225 Cilienzellen 31, 32j, 35 circadiane Uhr 218 circadianer Rhythmus 14,29,667, 669 Circumösophagealring 191 cis-regulatorische Elemente 422 f cis-Verbenol 693 Citratzyklu s 76, 77, 78, 84 Cladistik 721 cladistische Analyse 738 cladistische Klassifikation 721,746 Cladogenese 737 C1adogramm 360, 739, 742, 742, 747, 748 Classis (Klasse) 737 Clathrin 367 Clavus 801 Clearancerate 132 Clypeo-Labralfalte 48 Clypeolabrum 50 Clypeus 50, 53 CO z- 516, 606 - Geruchsempfindlichkeit 320 - Rezeptoren 320 - Toleranz 177 Coagulocyten 186 Coated Pits 367 f Coated Vesikel 123, 367f Cochenille 809 Cocoonase 45 Coelomsäcke 47 f, 402, 404, 408, 410,411 Coelothel 408,410 Coen zym A (CoA) 76 Coenzyme 110, 116 Coleoptericin 596 Collateraldrüsen 785 Collophor 755 Colon 116, 151 Columnae 825 Common Inhibitor Neurons 234 Computerprogramme 750 - HENNIG 744 - PAUP 744 - PHYLIP 744 Coprophagen 93 Corium 801 Cornealinse 329, 332f Coronalnaht 48
912
Sachregister
Corpora - allata 82,206,211,225, 345, 346-349,352,479,685 - cardiaca 81f, 88,155,206, 2ll, 216,225,345,346, 347,348f, 355,479 - pedunculata 216,221 Corpotentorium 50 Costa 67 Costalfeld 67 Coxa 52,54,56,57 Coxalbläschen 70, 134, 136, 759-761, 763, 766 Coxalfortsätze 760 f Coxen 287 Coxopodit 52,56, 71 Cremaster 417,861,862 Cristae 141 Crossing-Over 372, 380 Crumena 799, 807 Cryptonephridium 118 Cryptopleura 825 Crystallomitin 381 Ctenidien 866 Cubitus 67 Cucurbitacine 689 f Cumarin 513 Cuneus 801 cuprophile Zellen 100, 158 Cuticula 1-3,6, 7, 9, 13, 14,16,33, 168,410,413,572,665 - Abbauprodukte 14 - Permeationswiderstand 130 - Abscheidung 3, 24 - Auskleidung 95, 116 - Proteine 7 cuticulare Hohlräume 578, 583 cuticulare Hülle 24f cuticulare Permeabilität 132, 133, 134 cuticulares Diaphragma 284 Cuticulin 9,13 - Fasern 44 - Schicht 3, 10, 14 Cyanalanin 91 Cyanglucoside 91 cyanogene Glykoside 510, 582 Cyanwasserstoff 680 Cyclohexan 630 Cyclopoid-Larven 844 Cylluthrin 682 Cypermethrin 682 Cyste 385, 637 Cystein 115,622,623,636, 655f Cystocyte 186 Cytaster 405 Cytochrom-C-Oxidase 608
D Dalmatisches Pulver 680 Dämmerungssehen 338 DAPI-Färbung 617 Darm 106, 112,428, 759, 761 - Formen 96 - Gliederung 93 - Kompartimentierung 105, 107 Darmanalyse 555 Darmdivertikel 115 Darmepithel, Entwicklung 99 Darmllora, mikrobielle 161 Darmkanal618
Darmmuskulatur 410 Darmpassage 118, 636 Darmsymbionten 617f,623 Datenbanken 722 Datenverarbeitung 750 Dauerdunkel 29 Dauereier 808 Dauerlicht 29 Dauersauger 154 Dauerspuren 485 Dauerstadium 637 DDE 681,683,687 DDT 586,662, 680f, 682, 683, 686-688 - Anreichung in derNahrungskette 683 DDT-Resistenz 687 de Bary 613 de Ribaucourt 123 Deckborsten 287 Deckflügel 67 Deckschuppen 23,854 DEET 689 Defäkation 576 Defensine 596 Definitiventwicklung 412 Dehnungskräfte 285 Dehnungsrezeptoren 92 Dehydrochlorinase 687 3-Dehydroecdyson 352 Dekapitierung 461 Dclamination 406 Deltamethrin 682 Dendriten 24,209,219,221,233, 306 dendritische Verzweigungen 218 Denguefieber 657, 659 Dens 70,755 Depolarisation 285, 322, 322 Deposition 3 Dermatitis 625, 821 Desaturase 15 Desmosomen 282, 283 Determinanten 420 Determinierungszentrum 420 Deterrentcffekt 585 f Deterrentien 575 f Detritusfresser 161 Deutocerebrum 48,205,214,222, 223, 312, 316 Devon 518,729 Dextrane 105 Diacylglycerin 78, 80, 83, 86, 185 Diakinese 372 4',6-Diamidino-2-phenylindol 617 Diapause 28,87,92, 121,414,647, 851,862,877 Diapause-Proteine 122 Diapause-Puppen 173,175 Diaphragma 187, 189, 192f, 194 - dorsales 185, 188, 189f Diastole 192f Diäthyltoluamid 648 Diazinon 683 Dichlordiphenyldichlorethen 687 Dichlordiphenyltrichlorethan 682 Dichlorvos 683 Dichroismus 340 dichteabhängiges Dispersionsverhalten 712 dichte-limitierende Faktoren 704
Dichteregulation 710 - zeitliche 702 Dichtungssekret 173 Dieldrin 682, 686, 688 Dieldrinresistenz 687 N, N-Diethyl-3-methyl-benzamid 681,689 differenzielle Teilungen I, 18 Differenzierung 24 Differenzierungsperiode 378 Differenzierungsregel 741 Differenzierungszentrum 402, 420 diffuses endokrines System 350 Diffusion 173, 175, 177 Diffusionsatmung 173 Diffusionsbarriere 146 Diffusionsgeschwindigkeit 178 Diffusionsrate, Sauerstoff 175 Dillubenzuron 6, 680, 684 Diglyceride 122 8,15-Dihydroxypalmitinsäure 695 Dihydroxyphenylalanin (DOPA) 16 Dilatatoren 49, 92, 94, 116 Diluvium 730 Dimethoat 683 Dimethylphthalat 648 Dimorphismus 388,801 dioptrischer Apparat 327,329 Dipericin 596 Dipole 340 - Sehpigment 340 Dipterenblumen 516 Diptericine 596 disjunkte Verbreitung 722, 724 Dispenser 691 Dispersions-Muster 701 Disputatio juridica de pulicibus 652 Dissepimente 47 Disulfidbr ückcn 115 Disymbiose 620 Diurese 127, 137, 144, 150 diuretische Hormone 354 diurnale Rhythmik 92 Divergenzwinkel 330, 332 Divertikel 115 DNA 613,422 DNA-Sequenzdaten 436 E,Z-7 ,9-Dodecadienylacetat 692 Dodecan 630 Dodecanol 316 3,6,8-Dodecatrien-l-oI622 (Z,Z,E)-(3,6 ,8)-Dodecatrienol 318, 319 (Z,Z,E)-(3,6,8)-Dodecatrienol 318 (Z)-(7)-Dodecenylacetat 319 Z-9-Dodecenylacetat 692 Z-II-Dodecenylacetat 692 Domatien 517 Dopamin 208 Doppelaugen 871 Doppelspermien 391 Doppeltubuli 383, 385 f Dornen 17,417, 511, 561, 572 Dorsalgefäß 188, 191,191,411 Dorsallobus 222, 224 Dorsalorgan 408 dorsal-Protein 376 dorsoventrale Achse (DV) 375, 425, 430 dorsoventrales System 423 f Dorsoventralmuskel 68 Dotter 364, 407
Sachregister Dotterbildung 364 Dotter-Endoplasma-System 402 Dotterkerne 402 Dotterkugel 368 Dottermembran 405 Dottermenge 403 Dotterproteine 114,367 dotterreiche Eier 759 Dottersack 405 f Dotterschollen 368 Dotterstock 359 Dottersubstanzen 110 Dottersystem 402,402,405 Dotterzellen 407 Drehmoment 278 Dreibeinkoordination 238 Dreifachfärbung nach Mallory 9 Dreiklauer 828 Dreißigjähriger Krieg 662 Dreitage- Fieber 659 Dressurversuche 273 f, 338 Drittlarve 507 drogen fressende Insekten 689 Drohflüge 443 Drohnen 472, 474 Drosocin 596 Drosomycin 596, 597 Drosophilin 121 Druckamplitude 294 Druckdifferenzempfänger 294 Druckgradient 177, 195 Druckgradientenempfänger 292, 294 Druckpuls-Perioden 176 Drüsen 16,17, 29f, 33,34,36,486, 854 Drüsenacini 157 Drüseneinheiten 29f, 30, 32-34,36, 38 Drüsenepithel 45 Drüsenfeld 885 Drüsenhaare 29, 32f, 35,512,579, 589, 775, 793, 830 Drüsenkanäle 36 Drüsenkomplexe 29,31,34 Drüsenorgane 32 Drüsenplatten 37 Drüsenpolster 36 Drüsenreservoir 31, 576 Drüsenschlauch 44 Drüsenschuppen 29 Drüsensekrete 455, 537, 542, 573, 757 - Verdunstung 34 - wasserabweisende 598 Drüsenzellen 24,22,29,30, 31 f, 33,37-39,37,44,639 - vielkernige 775 Dschungel-Gelbfieber 657 Ductus - communis 362 - ejaculatorius 72, 377, 378, 773 - seminalis 363 Dufourdrüse 483, 486, 576 f, 598, 638 Duftdiskriminierung 316 Duftdressur 276 Duftdrüsen 34 Duftfahnen 305 Duftflecken 24 Duft-Gedächtnis 278 Duftgradientenfeld 305
Duftlernen 276-278, 277 Duftmolek üle. Transport 31I Duftreiz 275, 305 Duftschuppen (Androconien) 22, 23, 24, 29, 33, 854 Duftsignale 275, 483, 485 Duftspuren 485, 487 Duftstoffe 24, 512, 622, 679, 854 - von Wirtspflanzen 509 Dufttunnel 305 Duftwolken 305 Dulosis 495 Duloten 495 DUM-Neurone 233 DUM-Zellen 607 Dung 442 Dunkeladaptation 327,337/ Dunkelpotential 322 Durchfälle 655 f Durst 91 Dysenteriebazillen 636, 655 Dystropie 515
E E-605 683 Ecdysis 12,13, 16 Ecdyson 87, 165,351,352,548,685 Ecdysteroide 16,349,351 ,355,370, 418 - Systeme 350 Ecdysteroidrezeptor 351, 355 Ecdysteroidtiter 12 Ecdysteron 15 Echoortung 286, 297 Eclosion Hormone (EH) 12, 345, 347,352,418 effektiver Porenradius 106 Efferenzkopie 255 Ei-Attrappen 512 Eiablage 357, 363, 395, 398,458, 461,542,582,645,767,804,824 - bei Hyperparasitoiden 551 Eiablagehemmer 510 Eiablageplatz 444,451 Eiablagezeit 461 Eiaktivierung 420 Eiballen 761 Eibildung 9 Eichen 846 Eichenblatt 506 Eichenblütenmimikry 29, 565 Eichenrosen 846 Eideckel 642 Eidotter 121 Eier 114, 174,361 , 372,396,440, 582,642, 767f, 775,802,824, 834,843,865 Eiergang 362 Eifach 361 Eigelege 398, 579, 782 Eigenschutz 588 Ei-Gespinste 396 Eihüllen 369,41 1,667 Eikammern 359,361,373 Eikannibalismus 582 Eikapsel 362 Eikokon 398, 782f, 824 Eilarve 413 Ei-Larvenparasitoide 539 Ei-Larven-Puppenparasitoide 539 Ei-Nährzellenverband 359, 363, 364
913
Eindringlinge 187 Einemsen 491 Einengung des Lebensraumes 722, 725 eingeschleppte Tiere 729 Eingeweideleishmaniasis 663 Eingeweide- Nervensystem 206 Eingeweidesinus 189 Einischen 505 Einkapselung 188, 595 Einkugeln 572 Einmieter 508, 592, 845 Einrollen 407, 572 Einschleppung 724, 733 Einström-Ostien 189, 191 Einweg-Ostien 193 Einzelaugen 328 Eipakete 396, 783, 786 Eiparasitoide 539 f, 547 Eiplasma 361 Ei-Platten 396 Eipole 424 Eipotential 708 f Eiprotein 86 Eiräuber 459 Eiröhren 755 Eisberge 724 Eischale 361,364,369,371,374, 404,413 Ei-Schiffchen 396 Eisen 8, 100 Eistiel396 Eiszeiten 724, 730f Eitaschen 824 Eitypen 366 Eizahl 114 Eizahn 413, 771, 792,827,877 Eizell-Aktivierung 398 f Eizelle 121,361 ,363,399,620 Eizell-Reifung 399 Ejactoren 775 Ektoderm 1,207,402,404,406 - dorsales 421 Ektodermeinstülpungen 17 Ektoparasiten 432,491,552,572, 635, 846 Ektoparasitoide 539, 546, 550 ektoperitropher Raum 93, 105f Ektophagie 539 ektopische Expression 435 Ektosymbionten 511,616,626,627 Ektosymbiose 613,615,626 Ekzeme 642 Elaiosomen 516 Elastizität 7 elektrische Aktivität 322 elektrische Potentialdifferenzen 284 elektrische Potentialgradienten 110 elektrische Signalentstehung 209 elektrisches Potential 209 elektrisches Transmembranpotential 77 elektrogene Kaliumpumpe 150, 159 Elektrolyte 140, 142 Elektroosmose 136 Elektroretinogramm 322, 326 Elephantiasis 669 Elicitoren 595 Elstereiszeit 731 elterliche Investition 439 Elytren 68, 780 Embolie 406
914
Sachregister
Embryo 846,395,421 Embryogenese 395,398,402 Embryologie 420, 433 embryonale Achsen, Determination 376 Embryonalentwicklung 44, 69, 86, 357,395,402,404,430 Embryonalhüllen 402, 406, 408 Embryonalmycetome 620 Emergenzen 172 Ernergenz-Fallen 721 Empodium 57,58f, 60, 876 Emulsionsmittel 679 Encephalitis 657 encystiertes Spermium 386 Enddarm 106,116,117, 1I8f, 140, 155 Enddarmcuticula 21 endemische Arten 722, 728 endemische Dichte 713 endemische Herde 660 endemisches Rückfallfieber 661f Endochitin asen 5f Endo chorion 369,370, 373 Endocuticula 7,9, 12-16,756 endocuticulare Behälter 583 Endocytose 31, 100, 109,120,122, 657 - rezeptorvermittelte 121 , 124 Endocytosevesikel 367 endogene Abwehr 593 endogener circadianer Rhythmus 15 Endokrinologie 345 Endomi tosen 44, 365 Endoparasiten 432,491,552,635, 846 Endoparasitoide 539, 546, 548, 550 Endopeptidasen 109 endoperitropher Raum 93, 105f Endophagi e 539 Endophallus 73 endophytische Arten 502 endoplasmatisches Reticulum 86, 99 Endopodit 434 Endopolyploidie 413 Endoskelettplatten 64 Endo sulfan 682 Endosymbionten 500, 511, 580, 595, 616, 620, 827 Endo symbiose 500, 613,615 Endotoxine 695 Endrin 682, 686, 688 Endwirt 636 Energide 402, 406 Energie 75 Energie- und StofT-Fluss 678 Energieaufwand 82 Energiereserven 81 Energiespeicher, Mobilisierung , 88 Energiespeicherung 7, 82 EnergiestofTwechsel 75, 84f - hormonelle Kontrolle 87 Enhancer 422 - modularer Aufbau 426 enkaptisches System 735 Entapophysen 64,410 Entgiftung 122,622 Entgiftung smechanismen, biochemische 588
Entoderm 410,411 - primäres 408 Entognathie 747 entomogame Bestäubungssysteme 515f entom ogame Blütenpflanzen 514 entomopathogene Pilze 707 entomophage Insekten 509,517, 521, 527, 671f, 676, 707 Entomophagen - Ansiedlung 675 - Erhaltung und Förderung 676f Entomophagie 521 Entwässerung 97 Entwicklung 207,357,395 - hemimetabole 786, 789 - Larven 458, 866 - morphologische Veränderungen 110 - physiologische Veränderungen 110 - postembryonale 812 - von Drosophila 427 entwicklungsbiologische Sanduhr 431 Entwicklungsdauer 477, 480, 548 Entwicklungsgene 435 Entwicklungsgenetik 420, 433 Entwicklungshemmer 685 Entwicklungskosten 686 Entwicklungsstadien 34, 817 Entzündungen 638, 640 Enzymaktivität 109 enzymatischer Abbau 3 Enzyme 43,85,106 -108, 109, 185 Enzyminhibitoren 109, 355 Enzymkaskade 3241 Enyzmsynthese 109 Enzymverlust 107 Epibolie 406 Epicuticula 3,7-10,13, 14-16 ,30, 31, 141,285,756 Epidemien 658 Epidemiologie - Kopflaus 643 - Pest 653 epidermale Minen 503 Epidermis 1, 3, 14, 17,411 Epidermisdrüsen 512 Epidermiszellen 1,2, 14,29,34 epigamische Selektion 438 epimastigote Form 664 Epipharynx 50f, 867 Epipleuren 576 Epipodit 434 Epiproct 68, 771, 773, 793 Episternalia 863 Episternum 65 Epistomalleiste 50 Epistomalnaht 40 Epithelpfropf 365 Epithelverdoppelung en 118 Erdperioden 721 Ergatomorphe 479 Ergosterin 622 Erkennungsmechanismen 123 Erkennungsmoleküle 593 Erkennungsstrukturen 351 Ernährung 28,75,91,466,652,819 Ernährungszustand 211,444 Erregung 340 Erregungsmuster 300
Erregungssignale 181 Ersatzgeschlechtstiere 469, 479 Erstbeschreibung 736 Erstlarven 549 eruciforme Larven 828 Erucismus 579, 640 Erythem 636 Erythrocyten 666 essentielle Nahrungsbestandteile 826 essentielle Substanzen 110 f, 114 Essigsäure 318 Esterasen, unspezifische 121 etherische Öle 689 Ethyl-Parathion 680 Eukalyptusöl e 568 Eukrypsis 560 Eulanisierung 115 Euplantulae 58, 59f, 61f, 63, 784, 787 euplasmatischer Konus 375 euplasmatisches Polplasma 375 eupyrene Spermatozoen 382 europäi sches Rückfallfieber 662 European Invertebrate Survey 722 euryhaline Tiere 143 eusoziale Insekten 456 Euspermatozoen 378, 382, 387, 388 Euspermien 378,382,391 Eusternum 65 eutrope Blüten 515 Evaporationsgewebe 577 Evolution 735 - der Phytoph agie 508 - orthopteroide Mandibel 52 - Schmetterlinge 855 - von Gehörorganen 294 evolutionäre Art 736 evolutionäre Entwicklungsbiologie 433 evolutionäre Klassifikation 746 evolutionärer Erfolg 822 Evolutionsfaktoren 730 Evolution srichtung 741 evolutive Tendenzen 36 Exkremente 151 , 161 Exkrete 143, 156, 159 Exkretion 116, 127,128, 137, 143, 160 Exkretionsorgane 140, 156 exkretspeicherndes Epithel 757 Exkretspeicherung 156 exo-Brevicomin 693 Exochitinasen 5 Exochorion 369,370,373 Exocuticula 9, 12, 16, 756 Exocytose 31, 122, 345 exokrine Drüsen 29,305, 312,485, 826, 835 Exopeptida sen 109 Exopod it 434 Exoskelett 410 exotische Mikroorganismen 630 Expansionsschwimmen 244,245, 570 Expressionsdom änen 425 Expressionsmuster 427 Exsules 809 extracellular membrane layers (ECML) 108 extraembryon ale Membranen 431 extraflorale Nektarien 512
Sachregister extraintestinale Verdauung 41,527, 823 Extra-Nucleoli 365 extraokularer Lichtsinn 328 extrazelluläre Symbionten 616 extrazelluläre Verdauung 92 Extrazellulärraum 211 Extremitäten 47f, 402, 410, 434 - Beweglichkeit 55 Extremitätenanlagen 408, 412, 417 Extremitätenknospen 69,411,412 Extremitätenrudimente 68 Extrusion 147 Exuvialflüssigkeit 13, 14 Exuvie 14, 16,48, 158,413, 762
F Facettenaugen 321, 329f Facettenlinse 332 Fächer 648 Fadenhaare26,283,285,287 Fadenhaarsensillen 281,282,284, 292 Faeces 118, 151 f, 154, 161 Fahrtwind-Mechanismus 176 Fäkalien 656 Fallen 538, 652, 690 Fallensteller 522 Fallgruben 522 Fallstudien 529, 533, 536 ß-Faltblattstruktur 44 Faltenminen 503 Fam ilia (Familie) 737 Fangbeine 534, 536, 835 Fanggespinst 43 Fanggewebe 522 Fanghandlung 535 Fangkorb 771 Fangmaske 415,525, 769, 772 Fangorgane 525 f Fangschlag 527, 535 Fangtrichter 536--538, 850 Fangverhalten 560 Farbdressur 274 Farbensehen 273,274, 327, 338, 341 Farbkategorien 327 Farbstoffe 622 Farbtafel 274 Färbung 25f Farbwechsel 565 - physiologischer 29, 755, 789 Farnesol 472 Faserproteine 44 Faserrandschuppen 23 Fatty Acid Binding Proteine (FABP) 79 Faunenaufnahme 721 Faunenelemente 727 Faunenregionen 729 Faunistik 727 Federbuschschuppen 23 Fehlbestimmungen 750 Fehlwirt 636 Feinde 707 Feindschutz 452 Feindvermeidung 296 Fekundität 705 female defense polygyny 441 Femur 12,57
Fensterbildungen 563 Fensterfraß 501 Fenvalerat 682 Fernorientierung 513 Ferritin 2, 113 Fertilität 705 - zeit-limitierte 706 Fette 81, 84 f, 109, 368 fette Öle 5 14 Fettkörper 2f, 27, 38, 78, 80f, 83-86,110,119, 121f, 144, 156, 159, 161 f, 188, 194,351 f, 367f, 410,593,596,597,605,657 - Feinstruktur 120 - imaginaler 119 Fettkörperlappen 119 Fettk örperzelle, Genexpression 596 Fettreserven 84, 138 Fettsäureabbau 80 Fettsäurederivate 583 Fettsäuren 75, 84, 95, 109,318,585 - freie 8, 78, 83, 86 - höherkettige 80 - kurzkettige 116 Fettsäuresynthese 80 Fettspeicherorgan 121 Feuchtegradienten 134 Feuchtereize 300, 302 Feuchterezeptoren 298-300 Feuchtesinn 134 Feuchtlufttiere 134 Fibroin 44, 858 Fieber 666 Fieberrhythmik 666 Fiederborsten 765 filaments acides 123 Filippis Drüsen 43 f Filterkammer 93, 112, 112, 154 Filterreusen 172 f, 172 Filter-Strukturen 165 Filtersystem 879 Fischnahrung 831 Fischtoxizität 680 FISH 613 Fishersches Runaway-Modell 454 f Fitness 437 Flacourtiaceae 684 Flagellen 381,384, 385 Flagellospermien 382, 384, 385, 387, 755 Flatterflug 857 F1avin-adenin-dinucleotid (FADH 2 l 76 F1aviviren 656,657 Flavonoide 28, 622 Flechten 561 Fleckfieber 630, 661, 682 Fledermausblumen 514 Fliegenfallen 664 Flohlarven 653 Flohplagen 653 Flohstiche 652 FLRFamide 208 Fluchtreaktion 257, 535, 570 Fluchtreflex 278, 284 Fluchtverhalten 297 , 525, 570, 821 Flug 82 - aktiver 724 Flugaktivität 88 Flugapparat, Funktionsmorphologie 248 Flugbarrieren 693
915
Flugmuskel 77 Flugmuskulatur 483 Flügel 48, 66, 434, 753, 767 - gekoppelte 863 - Grundschema 67 - Ruhestellung, 857 - zurückgebildete 789 Flügelabwurf 481 Flügeladern 165 Flügelanlagen 414, 415f, 868, 869 Flügelentfaltung 167, 185,201 Flügelentwicklung 66 Flügelfächeln 303 Flügelgelenk - pleurales 67 - sekundäres 65 Flügelhaltung 855 Flügelheber 248 Flügelherzen 199 Flügel-Imaginalscheiben 186, 187 Flügelkinematik 247 Flügellosigkeit 875 f Flügelmuskeln 189 Flügelmuster 435 Flügeloberfläche 22 Flügelreduktion 784,801 Flügelrezeptoren 253 Fl ügelschlagamplitude 177 Flügelschlagfrequenz 252 , 293 Flügelschuppen 159, 162, 875 Flügelschwirren 488 Flügelsenker 248 Flügelstreckung 201 Flügeltracheen 165,198,201 Flügelverhakung 840 Flügelversorgung 197, 199 Flugfähigkeit 514 Fluggeschwindigkeit 255, 288, 289, 857 Flugjäger 523, 525, 528 Flugmanöver 250 Flugmuskeln 79, 82, 84, 194, 224, 248, 302f - asynchrone 252 - direkte 248, 771 - fibrilläre 231, 235 - ind irekte 248 - Os-Gehalt 177 - Rückbildung 87 Flugrhythmus 250, 252 Flugsimulator 278, 279 Flugstabilisierung 252 Flugsystem - Organisation 251, 254 - Physiologie 249 Flugtonhöhe 875 flugunfähige Insekten 723 Fluoresceinisothiocyanat (FITC) 105 Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung 613 Fluoreszenztransformationsmarker 698 Fluorsalze 680 Flussblindheit 669 Flüssigkeit, extrazelluläre 127 Flüssigkeitsabscheidung 133 Flutter-Phase 175 FMRFamide 208 Follikel 359,361,363,364,366, 842 Follikelepithel 121,365
916
Sachregister
Follikelzellen 359, 361, 363, 366, 370,373,424,620 Folsäure 622 Foramen occipitale 49, 50 Forstschädigung 733 Forstschädlinge 679,713,715,834 Fortbewegung 230 Fortbewegungsgeschwindigkeit 288 Fortpflanzung 85, 87, 357 - geschlechtliche 357, 389 - Kosten 86 Fortpflanzungserfolg 437 f, 444, 450,453,461 Fortpflanzungsformen 388 Fortpflanzungsperiode 419 f Fortpflanzungsräume 722, 725 Fortpflanzungstyp, explosiver 443 Fortpflanzungsverhaiten 437, 441 , 450,459 Fortpflanzungszyklus 868 Fossilien 729 Fouragierstrategie 713 Fraßabwehrstoffe 91 Fraßauslöser 513 Fraßbilder 501,505,824 Fraßgifte 679 f Fraßhemmer 91, 510, 513, 690 Fraßlockstoffe 91, 689 f Fraßschutz 611 Fraßspuren 563 Fremdbestäubung 415 Fremderkennung 187 Frenulum 853,856 Frequenz 290, 292 Fressaktivität 131 Fressfeinde 456--458, 842 Fressgemeinschaften 845 Fresspausen 75 Fressphase 106, 122 Fressverhalten, Steuerung 92 Frons 48f Frontaldrüse 40 Frontalganglion 93, 94, 95, 225 Frontalin 693 Frontalkonnektive 225 Frontalnerv 225 Frontalsack 191, 196 Fro schtoxine 557 Fruchtbohrer 502 Fr ühjahrsgeneration 28 Fühler 875 Fühlertrommeln 483 Fulcrum 65 Fumigantien 586, 689 Fundatrix 808/ Fünftagefieber 661 f Fungizide 6, 485, 586, 596, 679 fungizide Peptide 597 fungizide Sekrete 830 Funiculus 873 Funktionswandel 479 Furca 64, 70, 240, 755 Furchung 402f, 843 Furchungsenergiden 402, 403 f Furchungskerne 365, 404 Furchungsmitosen 402 Furchungsteilung 399 f Furchungszellen 403, 407 Furkasternum 65 Fusionsproteine, virale 657 Fussula spongiosa 58 Futter 488
Futteraustausch 485 Futterdressur 273 Futterinhaltsstoffe 314 Futterquelle 483 Futtersaftdrüsen 485, 842 Futtersammeln 488 Futtertäuschblumen 514
G GABA 208,210,233 Galaetanasen 622 Galaktosidase 107 Galea 54, 856 Galläpfel 506, 846 Gallbildner 37,500, 505f, 508, 516, 560,845 Gallbildungen 810 Gallen 505, 709, 807, 846 - linsenförmige 506, 846 - organoide 506 Gallenfarbstoffe 28, 781 Gallengröße 709 Gallentwicklung 507 Gallerte 850,851 Gall-Evolution 508 Gallwachstum 507 Gamogonie 666 Gangart 237f Ganglien 48,205,207, 348, 859 - Aufbau 212 - Fusion 99 - fusionierte 212 Ganglienpaare 47,410,412 Ganglienzellen 410 Ganglionmutterzellen 207 Gangminen 503 gap junctions 210,282,283, 367, 369 Gap-Gene 415 Gärkammer 97,109,116, 117, 466, 500, 616, 623, 786, 880 Gasaustausch 82, 134, 172, 177, 370 Gaschromatographie 7 Gaskiemen 139 Gäste und Parasiten bei sozialen insekten 491, 492 Gastraea-Theorie 429 Gastransport 173 Gastrula 429 Gastrulation 402, 406, 432 f Gattung 736 Gebärvorgang 885 Geburtsrate 703, 705 Gedächtnis 273, 277 f Gedächtnisbildung 222 Gefahrenalarm 482 Gefäßpflanzen 517 Gefrierschäden 144 Gefriersch utz 75 Gefrierschutzproteine 186, 352 Gegenfarbenneurone 340 Gegenfarbentheorie 339 Gegenschattierung 561, 591 Gegenspieler 671 Gegenstromprinzip 107, 107f, 154 Gegenwendeverhaiten 255 Gehirn 47f, 205f, 211, 214,215, 348 Gehörkapsel 295
Gehörorgane 240,286,292, 294f, 296-298, 783, 787, 788, 873 - Richtcharakteristik 259 Geißel 51 Geißelantennen 51,288, 742, 753, 762,783 Gelbfieber 657/ Gelbsucht 658 Gelege 370, 396, 459, 646, 709, 780,836 Gelenke 53, 55, 286 Gelenkflächen 48 Gelenkhäute 16,281 , 286f, 410 Gelenkkopf 52, 53 Gelenkmembran 18,281 ,283 Gemmae 479 Genae 48, 50, 53 Genduplikation 436 Gene 454 - altruistische 465 - bicoid 375 - cactus 376 - egoistische 465 - exuperantia (exu) 375 - hunchback 376 - knirps 376 - nanos 375 - staufen (stau) 375 - swallow (swa) 375 Generalisten 555 Generationen - diskrete 702 - überlappende 465, 702 - Zahl der 846 Generationsdauer 852 Generationswechsel 28, 389, 502, 666,808,809 genetische Variation 454 genetischer Polymorphismus 569 Genexpression 422, 597 - konservierte 433 - TOLL-Weg 596 Genfunktionen 436 Genitalanhänge 415 Genitalkammer 785, 865 Genitalsegmente 68 Genitalstrukturen 446 Genitaitasche 363 Genkaskade, hierarchische 421 Genkomplexe 429 Genkopie 436 Gennetzwerke 435, 437 Genomik 433 Genom-Kern-Plasma-Relation 365, 413 Genregulation 422 - gestörte 402 Genus (Gattung) 737 Gerbstoffe 783 Gerbung 15f, 413, 419 Gerinnungsproteine 188, 597 Germarium 359, 363 geruchsempfindliche Sinnesorgane 304 Geruchsensillen 307 Geruchsorgane 293 Geruchsreize 524 Geruchsrezeptoren 309, 317 Geruchssinn 305 Geruchsstoffe 543 Gesamtfitness 437 Gesangsfrequenz 298
Sachregister Geschlechter 438 Geschlechteranlockung 693 Geschlechterfindung 875 Geschlechterkonflikt 459 Geschlechterrollen 439 Geschlechtsbestimmung 395, 400, 400,462 Geschlechtschromosomen 400, 631 Geschlechtsdimorphismus 388, 80I, 810,827,854 Geschlechtshormone 114 Geschlechtsmerkmale 388 GeschlechtsöfTnung 68, 72, 358, 362,363,393 Geschlechtsorgane 377, 410 - äußere 71,71,357 - innere 40, 357, 362 - weibliche 362, 780 Geschlechtstiere 477, 480 Geschlechtsverhältnis 40 I, 462 Geschlechtswege 361,378 Geschmacksreize 305, 524 Geschmacksrezeptoren 309, 312, 314f,317 Geschmackssensillen 306, 307 Geschmackssinn 304 f Geschwüre 642 Gespinste 522,842,845,860 Gespinstfaden 416 Gespinsthülle 847 Gespinströhren 860 Gestaltsauflösung 561 Gestaltswahrnehmung 321 Gesundheitsgefährdung 688 Getrenntgeschlechtlichkeit 388 Gewässergüte 772 Gewebewasser 127 Gewebsdetermination 425 Gewebswechsel 637,666 Geweih 438 Gewichtseinsparungen 21 Gewölle 556 Giftblase 639 Giftdornen 578, 579 Giftdrüsen 30,71 ,362,485,486, 577, 638, 639 Giftdrüsensekret 487, 575, 580, 638, 826, 838 Gifte 30, 71, 582, 827, 842f - Biogenese 583 - Chemie 583 - Wirkung 589 Gifthaare 20,559, 576f, 578, 579, 589, 638, 640, 858 giftige Herzglykoside 577 giftige Schmetterlinge 573 giftige SekundärstofTe 580 Giftmorde 640 Giftreservoir 20, 640 Gifttiere 638, 640 Giftwirkung 91 gin trap 460, 828 Gleichgewichts-Arten 714 Gleiten 435 Glia 210 Gliazellen 208-212,223 Gliazellnetze 207 Gliederantennen 51,753,755,760 Glieder schuppen 23 Glomeruli 210, 223 f, 312 Glucose 3, 79, 87, 185,318,624, 686, 695
Glucose-6-Phosphat 79f Glucoseabbau 624 Glucosespiegel 81 Glucosidase 91 a-Glucosidase 43, 97 ß-Glucosidase 114 Glu cosinolate 315,318,510 Glucuronsäure 686 Glutamat 84,208,210 Glutaminsäure 44,208 Glutathion 622, 623 L-Glutamat 233 Glycerin 75, 78, 87, 109 Glycerin-J-Phosphat-Shuttle 77 Glycerol 144 Glycin 44,622,686 Glycoliprotein 188 Glykocalyx 387,382 Glykogen 75f, 79, 85, 111, 121, 124, 367f, 375 Glykogenphosphorylase 81 f, 85, 88 Glykogenreserven 81,120 Glykogensynthese 368 Glykolyse 76 Glykophospholipoproteine 367 Glykoproteine 159, 188,382 - zuckerbindende 595 Glykosidbildung 122 Glykoside 91, 638 N-Glykosylierung 6 Gnathocephalon 48,411 goblet cells 157 Gonaden 47, 144, 760 Gonapophysen 71,788,804,842 Gondwana 729,730 Gongylidia 628 Gonochorismus 357,388 Gonodukte 357,361 Gonopoden 764 Gonoporus 362 Gonosomen 400 G-Proteine 324,325,351 Gr abbeine 237, 788,804 Grab schaufeln 769 Gradationen 714 Gramicidin 150 Grana 113 Granula 119, 122f Granulocyten 186-188 Gras 561 Grasfresser 508 graue Salbe 643 Graustufen 274, 338 Gravitationsvektor 287 gregäre Parasitoide 538, 548f gregäres Verhalten 566, 568, 592 Greifzangen 393 Grenzzellen 373 Grönland 729 Großarbeiterinnen 489 Grubenorgane 301 Grundfarben 339 Grundhelligkeit 324, 326 Grundsubstanz I, 6 Guanase 622 Guanosintriphosphat (GTP) 76 Gula 825 Günzeiszeit 731 Gürtelpuppe 417,862 Gute-Gene-Modelle 453,455 Gyn ander 401
917
Gynandromorphismus 388,401 Gynomorphe 479--481 Gynopara 809
H Haarbälge 12 Haarbildung 19 Haarbildungszelle 18 Haare 19, 20f, 25, 572, 755 - keulenförmige 283,285, 287 - unechte 16,854 Haarfelder 285,286 Haarfilz 512 Haarpolster 288 Haarschuppen 22, 23 Haarsensillen 52, 283 Habituation 274 Haftfäden 767 Haftfortsätze 58 Haftlappen (Pulvillen) 39, 501, 866 Haftorgan 834 Haftpolster 58, 59f, 61, 63 Haftsekrete 17, 39, 876 Haftstrukturen 57--{j0, 62 Halbdecken (Hemielytren) 801 Halbseitenzwitter 40 I Halskonnektive 224 Halsregion 287 Halteren 68,254, 255,286, 875, 885 Haltevorrichtungen 178 häm( at)ocytopoietische Organe 186, 187 Hämagglutine 187 Hamilton 454 Hämocöl 175,194,547 Hämocyten 106, 119, 185,186, 188, 547, 593 f Hämoglobine 28, 122, 166, 178 hämoglobinhaltige Zellen 179 Hämolymphaustausch, periodischer 200 Hämolymphdruck 16, 134, 193, 526, 882 Hämolymphe 2,78,80,83, 112, 113,116,122,127,136,140, 142f, 149, 152, 158f, 160, 162, 172,175,180,185,211 ,351 ,367, 573, 596f, 638 - osmotische Konzentration 143 Hämolymphgifte 580, 582, 584 Hämolymph-Proteine 2, 121f Hämolymphraum 155 Hämolymphshift 182 Hämolymphstrom 156, 189 - retrograder 192 Hämolymphtransport 185, 190, 195 Hämolymphvolumen 176,185,192 Hämorrhagien 659 hämorrhagisches Denguefieber 659 Handicap-Prinzip 454 haplodiploide Geschlechtsbestimmung 461 Haplodiploidie 401 haploide Männchen 461 Haptomonade 663 Harn 140, 155, 161 Harnbildung 144, 148f Harnsäure 123, 151, 156, 159, 161f, 623, 624, 757 Harnsäurekristalle 159, 162
918
Sachregister
Harnstoff 156, 162, 623 Harnstoffexkretion 161 Harz 96,472,474,511 Hauptantriebsmuskulatur 248, 252 Hauptwirt 636, 809 Hauptzellen (primary cells) 146, 147 Hausschädlinge 764 Hautdrüsen 29, 34 Hautentzündungen 640 Hautläsionen 636 Hautleishmaniasis, amerikanische 663 Hautmuskelschlauch 47 Hautreizungen 33, 639 Häutung 9, 12,25,31,33, 121, 151, 185,306,413,880 Häutungsdrüsen 348,349, 350f Häutungshormone 350, 353 Häutungsmembran 14 Häutungsnaht 13, 16 Häutungszyklus 350 hb-Protein 424 y-HCH 682 Hebel-Struktur 173 Hecken 677 Hefen 623 helikoidale Lamellen 6 a-Helix-Proteine 44 Helladaptation 337,338 Helligkeitsänderung 324 Helligkeitsbestimmung 329 Helligkeitswert 273 Hemicellulasen 114 Hemicellulose 510,624 Hemidesmosomen I Hemielytren 801 hemimetabole Entwicklung 806, 813 hemimetabole Gruppen 705 Hemimetabolie 414,810 hemitrope Blüten 515 Hemmneuronen 233 Hemm stoffe 5, 479 Hemmung 340 Hemolin 593f Heptachlor 682, 688 Herbivore 576 Herbizide 490, 679 Hereinstrudeln von Nahrungspartikeln 20 Hermaphroditismus 357,388 Herz 185,187, 188,189-191, 194, 410 Herzglykoside 511, 568 f, 577, 580, 582 f, 586, 588, 690 Herzlumen 192 Herzschlagpause 198 Herzschlagrichtung, wechselnde 190,193 Herzschlagumkehr 200,201 Herzstillstand 191, 202 Heterochromosomen 400 Heterogonie 389, 808, 843 Heuschreckeneier 824 Heuschreckenschwärme 726 (E, Z)-(I0,12)-Hexadecadienol 313 (Z)-7 ,(E)-II-Hexadecadienylacetat 681 (Z)-(II)-Hexadecenylacetat 319 Hexan 630 Hexapeptid Neb-TMOF 351
Hexosen 114 Hickssche Papillen 875 Hierarchie-Ebenen 737 hierarchisches System 735 Hilfeleistung, gegenseitige 465 Hilfsherzen 196 Himalaja 729 Hinterdarm 92, 96, 106, 116 Hinterdarmanlage 402 Hinterflügel 68, 780 Hinterhaupt, offenes 803 Hinterhauptsloch 49 Hinterleib 48 Hinterleibsanhänge 775 Hinterleibsspitzen 792 Hinterpolbereich 375 Hinterschiene 570 Hinterstigma 880 Hirnstrukturen einer Heuschrecke 216 Histamin 208 Histidin 162 Histogenese 402, 416 histoide Gallen 506 Histolyse 416 hitaminerge Neuronen 208 "HMP"-Rezeptoren 315 Hochzeitsflug 472, 485, 489 Hochzeitsgeschenke 394, 827 Hochzeitskammer 505 Hoden 357,377, 378 Hodenfollikel 377, 379,379,382 Holarktis 728 holoblastische Furchung 403, 432 Holometabolie 414f, 416, 858 Holotypus 736 Holozän 732 Holzbohrer 502 Holzbrüter 505 Holzfresser 114 Homoiologien 743 homoi-osmotisch 138 homologe Chromosomen 372 homologe Merkmale 738, 744 homologe Sequenzen 744 Homologie-Begriff 738 Homologien 738 Homologisierung der Zellen 25 Homöobox 427 Homöodomäne 436 Hom öostase 127,305 homöotische Selektorgene 426, 427, 435 homöotische Transformation 427 Honig 96,472 Honigtau 113, 114, 162,490,502, 509, 544, 593, 623, 808 Honigtau-Erzeuger 113 Honigtöpfe 473 Hören 293, 296 Hormonanaloga 685 Hormondrüse 16,80,87,92, 128, 152, 185,211 ,345,351 hormonelle Steuerung 3,87, 128, 354, 370 Hormonproduzenten 350 Hormonrezeptoren 351 Hormonsynthese 350 Hormonsystem 868 Hörner 446 Hornhauttrübungen 669 Hörorgane 213
Hörschwellenkurven 297 host marking pheromone 315 Hox-Gene 427,428, 430f, 436 HzS 318 Hügelnester 488 Hüllen 111,407,470,471 Hüllstrukturen 382 Hüllzellen 24, 31,32,281 ,283 Humeralsklerit 67 Hummelkönigin 472,491 humorale Abwehr 549,594f humorale Einkapselung 550 humorale Reaktionen 188 hunckback 424 Hunger 81 f, 91, 121, 642 Hungerbedingungen 108 Hungerphasen 81,538 Hyaluronidase 11 Hydratation 129 Hydrochinonderivate 577 20-Hydroecdyson 548 Hydrogenkarbonat 185 Hydrolasen 108 Hydrolyse 7 hydrolytische Enzyme 595 Hydropyle 370, 598 hydrostatisches Skelett 47,236,881 p-Hydroxybenzoesäure 8 ß-Hydroxycarbonsäuren 585 ß-Hydroxydecansäure 628, 629 20-Hydroxyecdyson 80 Hydroxyethyl-isobutyl-piperidincarboxylat 648 3-Hydroxyretinal 323, 323 u-Hydroxysäuren 8 5-Hydroxytryptamin 41, 146,202 Hygieneschädlinge 679 Hygrorezeptoren 298, 300 hygroskopisches Eisekret 598 Hypericin 588 hypermetabole Entwicklung 828 Hyperparasiten 845 Hyperparasitismus 551,846 Hyperparasitoide 539,545, 550f, 570, 593, 675, 708 Hyperpolarisation 285 hypertrehalokämisches Hormon 88 Hypnozoiten 666 Hypocerebralganglion 225 hypognather Kopf 52 hypo-osmotische Regulation 139, 142 Hypopharynx 50-52 , 312, 527, 760 Hypopygium - circumversum 871 - inversum 870, 876 Hypostoma 49 hypotonischer Harn 142f
Idiobionten 539 Ileum 116, 144, 151 Imaginalanlagen 416 Imaginalhäutung 32,33, 185,413, 415 Imaginalparasitoide 539 Imaginalring 97, 116 Imaginalscheiben 353,416,4/8, 428, 882 Imaginalzellen 416 Imago 104,413,414
Sachregister IMD-Weg 596 Imidacloprid 641,655,684 Immersion 407 Immigration 406 immotile Samenzelle 386 Immunabwehr 185, 187 immune deficiency 596 immunologische Reaktionen 636 Immunosuppre ssion 595 Immunreaktion 547, 593, 639 Immunsystem 188, 547, 593, 595 Imponierbewegungen 538 Imprägnieren 116, 576 Impulsfrequenz 299 Incisivi 8, 53 inclusive fitness 437 Index animalium 736 Indikator 454 indirekte Spermaübertragung 391, 763,764 Individualentwicklung 395 3-Indolylessigsäure 628, 629 Induktion der Schwarmphase 725 Indusium 407 Industriemelanismus 27 induzierte Abwehr 510,707 induzierter Polymorphismus 565 Infektion 187,593,657,661,665, 669 Infrabuccaltasche 489, 629 Infrarotsinnesorgane 261 Infrarotstrahlung 301,825 Inhaltsstoffe der Fraßpllanze 28 Inhibitoren der Chitinsynthe se 5 Inkubationsze it 636,659,661 ,663 Innenraumallergene 791 innere Uhr 270, 328 Innervation 95, 233f inokulative biologische Bekämpfung 671 Inositoltrisphosphat 312 Inquiline 508, 521 Inquilinismus 495 Insekten - als Nahrungsquelle 557 - mit Fangbeinen 526 - und Mikroorganismen 613 Insektenbiomasse 678 Insekteneier 4// , 597 insektenfressende Vögel 558 insektenfressende Wirbeltiere 708 Insektizide - organische 680 - Toxizität 680 - Typen 680 Insektenpathogene 593, 595 Insekten-Pllanzen-Mutualismus 514 insektenresistente Pflanzen 695 Insektenstiche 636 Insektistasis 690 Insektizide 585f, 655, 667, 679f, 684f, 689, 860 - Probleme 686 - Struktur 68/ - Vorteile 688 Insektizidforschung 588 Insektizidresistenz 686 Inseln 727 - küstenferne 729 Integration zwischen Symbionten und Wirtsinsekt 6/5
integrierte Schädlingsbekämpfung 687 integrierter Pllanzenschutz 698 Integument 1,65, 144, 156, 159, 410, 755 interaktive Systeme 710 Interessenkonflikt 460 Interferenzerscheinungen 26f Interferenzfarben 25, 871 Interferenz-Konkurrenz 708 Interkalarsegment 48 interkalierend e Zelle 31 Intermorphe 479 intermoult 12 International Institute of Biological Control (IlBC) 674 Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur 736 Interneuronen 210,219,223,25/, 254,262,333,340 Inter segmentalfurche 47, 402 Intersegmentalmuskel 69 Intersexualität 388, 401f interspezifischer Transfer 582 Intertrepsis 407 Interzellularbrücken 363 Interzellularlakunen / 53 Interzellularräume I , 146, 153,210 Intima I, 152, 168,410 ,576 intrasexuelle Selektion 438 Intratrachealdruck 175f intravitelline Furchung 404 intrazelluläre Messungen 338, 339 Intuszeption 3 inundati ve biologische Bekämpfung 671,676 Invagination 407 Invertasen 43, 108, 622 Ionen-Barri ere 212 Ionenexkretion 157 Ionenlluss 106, /3 7, ISS Ionengradient 153 Ionenhaushalt 118 Ionenkanäle 159, /60, 325 - passive /50 Ionenkonzentration 186,3/6 Ionenkreislauf 140 Ionenmilieu 212 Ionenpumpe 140 Ionenregulation 127, /28 , 138, 140 Ionentransport /60, 281 Ionentransportzellen 106 Ipsdienol 622 Iridoide 568, 586, 591 Isobutter säure 585 isoelektrische Punkte 7 Isolan 683 Isolation 730 Isolationsr äume 727 Isopropylalkohol 689 Tvermectin 669
Jahreszyklus 477 Japanisches Flussfieber 661 Johnstonsches Organ 51,253,286, 288, 292f, 524, 872f Juckreiz 642, 652 Jugaladern 67 Jugum 67,853,856 Jungköniginnen 472, 474, 480
919
Junglarve 413,414,415, 507 Jura 508, 514 Juvenilhormonanaloga 355, 680 Juvenilhormone (JH) 45, 82, 87, 121,685 ,346,350-352,353,370, 418 Juvenilhormontiter 548
K Käfergifte 821 Kahlfraß 715 Kairomone 8, 540-542, 622, 690 Kala-Azar 663 Kalium 100, 149 Kaliumgehalt 158 Kalium-Ionen 211 Kaliumtransport ISO Kalk (CaC03) 8 Kallusgewebe 507 Kälteresistenz 753, 862 kaltes Licht 601 Kälteschutzmittel 864 Kaltrezeptor 299, 300 Kaltzelle 298 Kampf 446, 572 Kanalzelle 30, 31, 33f, 37,38 - sezernierende 41 Känozoikum 730 Kapazit ätsgrenze 702f Kapillaren , Verstopfung 667 Kappenzelle 294, 295 Kapsel 187,594 Kapselproteine 660 Karbon 729 Karbonsäu ren 568, 826 Karmin (Cochenille) 809 Karnivore 576 Karyogamie 357, 399 Kasten 468,478 Kastendetermination 479 f, 48/ Kastendifferenzierung 786 Kastendimorphismus 310 Kastenpolymorphismus 466, 477 Kastrationen, parasitäre 887 Katalase 124, 577 Katalepsie 789 Katalepsis 29 Katatrepsi s 407 Kationen 153, /59 Kationenpumpe 149 K+-ATPasen 588 Kaudalkiemen 769,771 Kaulade 52f KC1316 Keimanlage 372, 402, 406, 407 Keimbahn 375 Keimhüllen 402, 406, 407 Keimlager 359 Keimstreifen 402,406--408,431 f Kenyon-Zellen 221 Keratin 115,616 keratophage Mottenlarven 137 Kern 384, 386 Kerngröße 1,2 Kern-Plasma-Relation 365 Kerzen 38 Kesselfallenblumen 516 ß-Ketoaldehyde 585 u-Ketoglutarat 84 Ketone 318 Kiefer 572
920
Sachregister
Kiemen 161, 179,649 - physikalische 178, 179, 802 Kiemenblättchen 142, 177 Kiemenbüschel181 Kiemenkammer 142 Kieselsäure 510 kin selection 568 Kinasen 422 Kinderlähmung 655 Kinematik 245 Kinesis 256 Kinine 354 kissing bug 645 Kittdrüsen 362f Kittsubstanzen 362 Klammerantennen 755 Klammerapparate 771,876 Klammerbeine 70,641,650 Klammerfüße 501,859 Klammerorgane 73, 447, 459 Klappfallen 570, 572, 830 klassische Konditionierung 275, 275 klassisches Fleckfieber 637,661 Klauen 57,641 ,787 Klauenpolster 58, 60 Klebcfalle 691 Klebespeichel 587 Klebezungen 559 Klebfangorgane 526 Klebsekrete 587, 808 Klebstoffe 565, 579, 585f, 827 Kleinfeldneuronen 220 Kleptoparasiten 551,827 Klickmechanismus 525 klimatische Veränderungen 722 Klimatisierung 467 Kloake 363 Klon 380 klonale Restruktion 426 K+-Na+-Pumpen 306 Knock-down-Effekt 586, 682 Knoten 669 Koagulation 593 Koagulocyten 597 Koagulogene 597 Ko-Aktivatoren 422 Koaktivierung 237 Köcher 649,848,850,851 Köcherfliegengehäuse 139 Ködergifte 641 Ködermischungen 689 Koevolution 516-519 - diffuse 518 - reziproke 518 Koevolutions-Modelle 518 Kohlendioxid 185,624 Kohlenhydrate 75f, 79, 83, 87, 108, 185,318 Kohlenhydratreserven 82, 88 Kohlenwasserstoffe 8, 44, 573 Kohlrabi 628 Koinobionten 539, 548 Kokon 45,116,139,181,649,653, 836,841,881 Kokonbau 749 Kokondeckel 847 Kokonmaterial 105 Kokonruhe 472, 653 Kokonseide 45 Kolinearität 427 Kollagen 1,3,44
kollektiver Selbstmord 595 Kollisionswellen 191 kolloidales Gold 3 Koloniegründung 468 Kolonievermehrung 471 Koma 667 kombinatorische Synthese 685 Kommensalen 491 Kommensalismus 613, 615 Kommissuren 48,210,212 Kommunikation 482f, 484, 485, 835 Kompartimente 158, 426 Kompartimcntierung 100, 107, 121, 194,588 Kompensationsflug 767 Kompetenz 428 Komplexaugen 49,214-216,218 f, 253, 255, 321, 329f, 522f, 767, 784, 825, 871 Kompression 194, 286 konditionierter Reflex 275 konditionierter Reiz 275 Konditionierung 274f, 278, 279, 513, 541 Konfliktsituationen 709 Koniferenharz 511 Koniferennadeln 96 König 468 Königin 468, 471, 478f, 481,786 - Verlust 477 Königinsubstanz 318 Königpaar 477 Konkrementbildung 152, 158 Konkremente 100, 116, 145,147, 149-151 , 157, 159, 162 Konkrementvakuolen 146, 147j, 157,159 Konkurrenten 708 Konkurrenz 439,454 - innerartliehe 708 - intrasexuelle 446 - intraspezifische 414 - zwischenartliehe 708, 711 Konkurrenzausschluss 708 Konkurrenzdruck 457 Konkurrenzminderung 549 Konnektive 47,205,210,212 konstitutive Abwehr 510 Konsumenten gesteuerte Regulation 710, 712 Kontaktgifte 586, 679, 682 Kontaktinsektizid 682 Kontinentalverschiebung 721, 729, 730 Konvektion 173 Konvergenzen 743f Konzentrationsgefälle 110 Konzentrationsregel 741 konzentrische Zelle 605 Kooperation 459 kooperatives Verhalten 459 Koordinatengene 375,421 ,423 Koordination 182 Koordinationszentrum 47 Kopf 47f, 382, 526, 753, 758, 792 Kopfanhänge 51 Kopfarterien 192 Kopfdrüsen 40 Kopfextremitäten 51 Kopfformen 52 Kopfherz 200
Kopfkapsel 17,48, 50f, 206, 215, 411 - Reduktion 881 Kopflappen 402, 411, 412 Kopflausbefall 643 Kopfluftsack 170 Kopfmetameren 49 Kopfpulsationsorgan 195,200 Kopfskelett 17 KopfsteIlung 858, 859 Kopftracheen 167 Kopplungseinrichtungen, Vorderund Hinterflügel 853 koprophage Käfer 34 Koprophagie 665 koprophilc Arten 819 Kopula 304, 582, 782, 851 Kopulation 363,393, 394,451,453, 777,817 Kopulationsapparat 72, 357, 393, 448, 868 Kopulationsdauer 394, 459 Kopulationshaltung 394, 773 Kopulationshäufigkeit 449 Kopulationspfropf 395 Kopulationsporus 363 Kopulationsversuche 459 kopulatorisehe Balz 446 Körbchen 471 Ko-Repressoren 422 Körperachse 215,375,395 Körperflüssigkeit 138f Körpergewicht 709 Körpergliederung 47,820 Körpergrundgestalt 402,412, 430f Körperkreislauf 188 Körperkühlung 133 Körperoberfl äche 139f Körpertemperatur - Regulation 303 - Schwankungen 87 Kosmopoliten 722 Kot 116, 118, 145,563,661 ,662, 845 Kotabgabe 118 Kotanalyse 556 Kotballen 92, 107, 118, 842 Kotballenhülle 104f, 640 Kotmaske 119, 821 Kowalewsky 123 Kragen 370,371 ,373 Krallen 17, 863 Krallenbeugermuskel 230 Krallenblasen 501 Krankheitserreger 491,640, 645, 707 - Verschleppung 655 Krankheitsüberträger 679 Kranzfüße 859 Kranzzellen 123 Kräuselintima 171 Kreatin 156 Kreide 508,514, 516 Kreislauforgane 182 Kreislaufpumpe 176, 430 Kreislaufregulation 202 Kreuzresistenz 686 Kriechen 235 Kristalliten 7 Kristallkegel 329,331,334,335 Kriterium - der Lage 738
Sachregister - der spezifischen Qualität 738 - der Stetigkeit 738 kritische Feuchte 134, 136 kritische Transitionstemperatur 131 Kropf 92, 93, 94f, 96, 97, 107,471, 484, 795, 842, 858, 876, 879 Kropfinhalt 842 Kryolith 680 Krypsis 560, 563, 564 Kryptendarm 106, 617 kryptische Färbung 591,561, 755 Kryptonephridialkomplex 136, 146, 154f,156 Kryptonephridien 154-156 Kryptopleurie 823 K-Strategen 703 kubische Zel1en 113 Kuckucksspeichel 119 Kugelgelenke 55 Kühlflüssigkeit 185 Kühlung 133, 488 Kunstfliegen 556 künstliche Nahrung 618 Kupfer 100 Kupferacetoarsenit 680 Kursregelung 257 Kurzflügeligkeit 80I Kurzkeim 412,432,433 Kurztagsbedingungen 28 Kurzzeitgedächtnis 277 k-Werte 716 Kynurenin 27, 159, 162
L Label1um287, 873f Labialdrü se 41,43, 144, 156,396, 486,598,761,793,818,847,858, 876 Labialnieren 757, 766 Labialsegment 48f Labium 43,49,51 ,54,95,408,435, 527,644,647, 753, 770,798 Labrum 50,51 ,95,224,312 Labyrinth, basales I Laccase 15, 156 Lacceryl1accerat 37 Lacinia 54 Lactoflavin 622 Laden 54 Lähmung des Wirtes 842 Laichbal1en 396 Laichformen 850 Laichschnüre 396 Lakunen der Elytren 192 Lamel1en ll , 14,22,27 Lamel1enfilter 177 Lamina 151,215f Laminae anales 68 Lampenbürstenchromosomen 365, 372 Landbrücken 724, 730 Landefal1en 693 Langkeim 407,412,432,858 Längsmuskulatur 47,68, 95,98, 116 Langtagbedingungen 28 langwel1iges Licht 327 Langzeitgedächtnis 277 Larvalentwicklung 395 Larvalorgane 413,415
Larven 39,188,413, 415f, 523, 532/, 546, 624, 667, 759, 769, 773,828,868,877 - mikrophage 879 - unbescheidete 667 Larvenablage 40 Larvenformen 415 f, 860 Larvengänge 505 Larvenhaare 582 Larvenhül1en 669 Larvenkammern 506/, 508 Larvenköcher 43 Larvennahrung 649 Larvenparasitoide 539 larvenspezifische Vorratsproteine 121 Larvenstadien 414,646,812,834, 877 Larvizide 679 Larvula 767 Lästlinge 640, 644 Latenzphase 715 Latenzstadien 809 Latenzzeit 636 laterales Horn 216 Latex 511 Lauerjäger 521,534, 771 Laufen 236 - auf glatten Flächen 16 laufende Jäger 525 Laufextremität 52 Laufgeschwindigkeit 238 Laufstil 240 Laufsystem 238, 240 Laura sia 729, 730 Laurentia 729 Läusebekämpfung 662 Lautäußerungen 750,804 Lauterzeugung 291,453,483 - durch Stridulation 290 Lauterzeugungsapparat 7 Lautspektrum 291 LD so 680,681 Lebendvakzine 659 Lebensdauer 438 Lebensformtypen 500 - bei Laufkäfern 530 Lebenstafel-Analyse 673 Lebenstafeln 716, 717 Lebenszyklus - Ameisen 477 - Bacillus thuringiensis 696 Leberparenchym 666 Lectine 105, 187, 593, 596, 695 Legeapparat 71, 197,357,362,787, 804, 843 - orthopteroider 545 Legebohrer 71,362,544, 550, 627 Legeröhre 788, 858, 865, 871, 876 Legesäbel 71, 362 Legescheide 362 Legestachel 71,362, 788 Leibeshöhle, primäre 410 Leichtbauweise 21 Leimhül1enanlage 406 Leimringe 575, 576 Leitbündel 1I1 Leitstrukturen 685 Lek-Polygynie 441,443 Leks 443 Lepidopterenblumen 515 Lepidopterismus 579
921
Leptophragmata 137, 154,155/ Lerndisposition 276 Lernen 222,273,276 - assoziatives 274 Lernerfolg 278 Lernmutanten 278 Lernvermögen 274 Lesrichtung von Merkmalen 741 Letalität 661 Leuchtbakterien 601 Leuchten - primäres 60 I - sekundäres 60I Leuchtfeld 445 Leuchtflecken 556 Leuchtkäferluciferase 606 Leuchtorgane 119, 146, 155,609, 827,604 - Histologie 605 - Morphologie 605 Leuchtsignale 826 Libel1enlarven 524, 525 Lichtadaptation 326 Lichtbeugung 27 Lichtbündel 331 Lichtemission 609 Lichtempfindlichkeit 327 Lichtfal1en 721 Lichtintensit äten 334 Lichtleiter 321,329,331 f, 336,338 Lichtreiz 326 Lichtsignale 522 Lichtsinn, Bedeutung 320 Lichtsinnesorgane 877 Lichtsinneszel1en 321 Lichtstärke 336 Liebesspaziergang 468 Ligament 106 Liganden 422 Lignin 510, 624f Ligula 770 Limonen 316 Lindan 680, 682, 686, 688 Linea ventralis 758 Lingua 50 Linnes "Systema natu rae" 736 Linolsäure 11I Linse 331, 334 Linsenkörper, zelliger 329 Linsenzylinder 335 Lipasen 43, 78, 83, 85 f, 109 Lipide 3,7-10 ,77, 80, 83, 86f, 121 f, 124, 368 - Transport 78 Lipidreserven 82 Lipidschicht 10, 130, 139 Lipidsynthese 80, 88 Lipid-Transport-Proteine 185 Lipofuscin-Grana 420 lipophile Zellen 100, 158 Lipophorin 8, 78, 83, 188, 368 Lipopolysaccharide 187 Lipoproteine 9 f, 43, 78, 84 Lipovitel1in 368 Loben 216, 220f Lobopodium 55, 56 Lobula 215f, 217,218,262 Lochfraß 501 Locke 123 Lockgesang 259,291,446 Lockstoffe 114, 843 Lokomotion 47, 570
922
Sachregister
Lösungsmittelgemische 30 Lotka-Volterra-Ssytem 710, 711 Lucibufagine 611 Luciferase 606 f Luciferin 606 f Luciferin-Enzym-AMP-Komplex 606 Luciopterin 606 Lückenbewohner 816 Lückengene 425-427,433 - Aktivierung und Kreuzregulation 425 Lückensysteme 819 Luftfeuchtigkeit 28 Luftfilm 139,178 Luftkrafterzeugung 246 Luftplankton 557,724,818 Luftreservoire 68 Luftsäcke 166, 167f, 169,176,178, 181f, 192, 194, 199, 202, 842, 876 Luftschall 291 Luftstickstoff 624 Luftströmungen 181,288,289, 723f Luftströmungssinnesorgane 288 Luftvorrat 178 Luftzirkulation 303, 467 Lungenpest 660 Luzerne 618 Lycidenmimikry 567 Lydekker-Linie 731 Lymphatische Filariose 668 Lymphe 2 Lymphkanäle 668 Lyonnets Drüsen 43 Lysosomen 123f Lysozym 43, 124, 188, 595f, 621
M Maden 236, 415 Magenanalyse 555 Magenschild 795 Magnesium 100 Magnetfeld der Erde 274 mainland-island-Typ 713,714 Makroevolution 509,518 Makrogamet 666 Makroglomerulus 224 Makrolid-Antibiotika 684 Makrophagen 665 makroptere Formen 815 Malaise-Fallen 721 Malaria 567,637,665,666,682, 688 Malariazyklus 666 Malat 84 Malathion 680, 683, 686, 689 Malpighische Gefaße 79, 93, 96, 106,113, 115f, 117,119,136, 140, 144-146, 162,351,410,603, 759, 761, 823, 842 - Endabschnitte 155 - Feinstruktur 148 - Hauptzellen 158 - Varianten 145 Malpighische Papille 145 Maltose 108 man made filariasis 669 Mandibeldrüse 40,472,841 - der Honigbienenkönigin 485
Mandibeldrüsensekret 472 f Mandibelformen, Laufkäfer 527 Mandibeln 8, 49, 51,53,54, 77, 92, 408,434,438,447,527,531,763, 765,768 - dicondyle 766 - monocondyle 52 Mandibularsegment 48 Manducin 121 Mangan 8, 100 Manna 114 Männchen 441,446,448,451,460, 474,481,482,777,810 Mannitol 87 männliche Anhangsdrüsen 581, 596 männliche Brutpflege 458 männliche Geschlechtsorgane 777, 780 männlicher Vorkern 399 Mannose 121 Manubrium 70, 755, 756 Marienkäferalkaloide 580 Markgallen 506 Markierungspheromone 694 Marschordnung 860 Maskierungen 565 Massenrekrutierung 485 Massenschlüpfen 767 Massenspektrometrie 7 Massenvermehrung 113,401 ,648, 845, 862 Massenvorkommen 767 Massenwechsel 701, 714 Massenwechselzyklus 715 maternale Determination 420, 432 maternale Expression 436 maternale Systeme 423 Maternaleffektgene 424 maternaler Effekt 421 Matrixzelle 171 Maturus junior 758, 759 Mausgenom 428 maxillare Stechborsten 651 Maxillarnephridium 156 Maxillarpalpus 54 Maxillarsegment 48f MaxilIen 49, 51, 54, 111,408,527, 753 MaxilIentaster 516,647 mechanische Abwehr 570, 572, 591, 764 mechanische Reize 524 Mechanorezeption 281 mechanorezeptive Sensillen 281 Mechanorezeptoren 281,283,299, 301,328, 524, 531, 760-762, 765 mechanosensorische Haare 213, 286,760 Meconium 119, 123, 151, 162,480, 548 Media 67 mediane neurosekretorische Zellen (MNC) 80 medizinische Entomologie 635 Medulla 215f, 217, 218 Meer 138 Meeresspiegel, Schwankungen 730 Meeresströmungen 724 Meerwasser 142 Mehrfachpaarungen 455 Meiose 372,378-380, 398f Mekonium 582, 838, 862
Melanin 27, 187 melanisierte Kapsel 593 Melanisierung 15,25,27,594 - der Cuticula 725 Melanismus 27,855 Melittin 596 Melken 490 Membranabbau 146 Membranleitfähigkeit 327 Membranpumpen 212 Membranspannung 322, 326 Meningoencephalitis 657 Menotaxis 264 Menschenblut 646 Menthon 316 Mentum 54 Mercaptane 318 Merkmalsmatrix 740, 742 Merocosta 56 Meroisten 369 Meron 56 Merozoiten 666 Mesenteron 92 Mesoblasten 48 Mesocuticula 9 Mesoderm 123, 402, 404, 406, 411, 421,425,429 Mesodermzellen 379 f Mcsonotum 65 Mesotarsus 778 mesothorakale Flügel 435 Mesothorakalganglion 205,213, 349 Mesothorax 55, 65 Mesozoikum 729 Metabolie 414 metabolische Resistenz 686 metabolisches Wasser 154 Metallglanz 27 Metallothioeine 157 Metamere 47f, 55,408,425,430 metameres Expressionsmuster 426 Metamcrisierung 425 f, 433 Metamorphose 45, 121, 166, 186, 353, 413f, 416,881 - äußere 416 - innere 416 - Verhinderung 45 Metanephridien 47 f Metanotum 65 Metaphase 372, 375 Metaphaseplatte 372 Metaphasespindel 400 Metapleuraldrüsen 629 Metapopulation 713,714 Metarhodopsin 323, 325 Metasystox 683 Metathorakaldrüse 485, 486 Metathorakalganglion 205 metathorakale Flügel 435 metathorakale Schalensprenger 824 Metathorax 55, 65 Metathoraxstigmen 176 Metchnikowin 596 Methan 116, 117, 624 Methionin 122,622 methodische Grundlagen 673 Methomyl 683 Methopren 680/ Methoxychlor 682, 686 2-Methyl-3-buten-2-o1 693 6-Methyl-5-hepten-2-on 318
Sachregister Methylbromid 689 Methylenbrücken 115 methylierte Alkane 8 Methylparathion 686 Migrantes 809 mikrobiologische Schädlingsbekämpfung 671 Mikroevolution 509,518 Mikrofibrillen 1,6, 7, u , 12, 99, 101 - Orientierung l l , 255, 260f, 263, 266 Mikrofibrillenbündel 101 Mikrofilarien 645,667,668,669 Mikrogamet 666 Mikrohabitate 134 Mikroklima 302 Mikroorganismen 593,614 - Manipulation 630 - symbiontische 110, 113-115, 119, 826 Mikrophage 879 Mikropyle 362,370,371,373,388, 399, 402 Mikrostrukturen 759 Mikrotriehen 16, 17 Mikrotubuli 282 Mikrovilli I , 14,281 ,321 f, 341 Mikrovillisaum 31, 99, /01 , 102, 153,32/ Milben 684 Milchdrüsen 39, 40, 363 milchsaftführende Pflanzen 589 Mimese 521, 560f, 563, 564 Mimetika 355 Mimikry 561,568,591 ,610 - aggressive 559, 562 - chemische 568, 592 Mindeleiszeit 731 Minengang 503 Mineralien 137, 151 Minierer 502, 510 mischfunktionelle Oxidasen 511, 687 Mischzone 729 mitochondriale DNA (mtDNA) 745 Mitochondrien 77,82, 141,381 , 386, 608 Mitochondrienderivate 385 Mitochondrienpumpe 141 Mitosezyklen 403 f Mittelalter 643, 660 Mitteldarm 92, 93,97,106, 144, 156f, 408, 410, 411 - Innervierung der Muskulatur 99 - Kompartimentierung 100 - Stammzellen, Regenerationsmuster 98 - Verschluss 106 Mitteldarmanlage 408 Mitteldarmblindsack 96 Mitteldarmdivertikel 98 Mitteldarmepithel - Erneuerung 97, 99 - exkretorisches 156 Mitteldarmkrypten 623 MitteldarrnzelIen 5,98, 157 - Feinstruktur 99 Mittelplatte 67,402 Mitteirippen-BlasengalIe 505 Mittelschuppen 854
Mittelsegment 841 Mittelstück 382 Mixco coel 185,410 Modulation 320 , 326, 328 Modulator 208 Modulatorneuronen 233 moekularbiologische Untersuchungen 831 Mola (Kaufl ächen) 8, 53 Molekularbiologie 420 molekularbiologische Daten 885 molekularbiologische Methoden 7 molekulare Mim ikry 547 molekulare Phylogenetik 433 molekulare Systematik 738,744f Molekulargewicht 2, 7 Molukken 724 Monandrie 455 monochromatische Lichter 339 Monogamie 441 f, 455 monogyne Art 441 Monogynie 441 f, 455, 473, 477 monophyletische Taxa 739, 746 Monophylum 739 Monopolarzellen 217 Monosymbiose 620 Morphen 808 Morphendetermination 479,482 Morphogen 423 morphogenetischer Gradient 420, 425 morphologische Resistenz 687 Morpho-Typ 854 Mortalität 702, 705 f, 716 - apparente 716 Mortalitätsfaktoren 706 f, 714 Mortalitätsrate 659, 667 Morula 432 Mosaikeier 412 Mosaiktiere 401 Mo saikzwitter 401 Moskitofische 556 Moskitonetze 667 Motoneuronen 181,210,213,222, 224, 232 motorische Axone 212 mRNA 365, 368, 423 Mückenbekämpfung 648, 658 f Mückenplagen 647 Mucoproteine 113, 119,370 Mucro 70, 755, 756 MülIer, F. 569 Müller, P. 682 M üller'sche K örperehen 517 MülIer'sche Mimikry 569 M üller'sche Mimikry-Ringe 511 Multienzymkomplex 80 multilokuläre Gallen 508 Multiparasitismus 538, 550, 708 multiple Resist enz 686 multiple X-Chromosomen 401 multipolare NervenzelIe 287 multipolare Rezeptoren 282, 286 multitrophische Systeme 592 Mumie 551 Mumienpuppe 175,418, 830, 861, 862 ,881 Mund 93,106 Mundhaken 877,882 Mundkegel 641 Mundöffnung 47, 50f, 96, 402, 411 Mundtasche 629, 758
923
Mundwerkzeuge 9,48, 51, 95, 224, 411,528,856 - Abnutzung 769 - beißende 502 - Grundtyp 52 - kratzend-saugende 758 - leckend-saugende 848 - orthopteroide 49, 52, 54, 784 - stechend-saugende 758 Murein 613 Mureinsacculus 188, 595 murines Fleckfieber 661 Muskelaktivierung, synchrone 250 M uskeiansatzstelIen 17, 48 Muskel-Diaphragmen 176 Muskelfasern 231 Muskeln, Sprungbein 213 Mu skelzittern 488 Muskulatur 16,47,92, 95,428 Mu ster, periodische 426 (9+0)-Muster 385 (9+2)-Muster 383 f (9+9+ I)-Muster 385 (9+9+2)-Muster 384 (9+9+ 3)-Muster 385 Musterbildung 429f, 432f, 436, 437 - embryonale 420f - Variationen 431 Musterbildungssystem, anteriores 436 Mustergenerator, zentraler 252 Mutagenese-Experimente 420 Mutation 436 Muttergänge 505 Mutualismus 568,613 mutualist ische Beziehungen 502, 514,592 Mycetangien 32, 627, 628 Mycetocyten 119,120, 123,511 , 613,615,618 Mycetome 511,615,620,623,625, 818 mycetophile Arten 819 Myelin-Scheiden 210 Myi asis 635 Myiasis-Erreger 651 Myofibrillen 231 Myofilamente 231 myogene Aktivierung 250 Myosinfilamente 232 myotrope Hormone 353 Myrcen 693 Myriapoden 48 Myricylalkohol 115 Myrmekochorie 516f myrmekophile termitophile Spezie s 821 Myrmekophyten 517 Myrmicacin 629 Myzelwachstum 490
N Na+-ATPasen 588 Nachahmungsverhalten 726 Nachfolge-Evolution 518 Nachkommen, Geschlecht 461 Nachschieber 235,415,859,877 - siehe auch Pygopodien nachtaktive Mücken 669 nachtaktive Pflanzenfresser 789 Nachtfalterblumen 516
924
Sachregister
Na-Citrat 3/6 NaC13/6 Nadeln 561 Na3AIF6- 680 Nagerpopulationen 660 Nahfeldschall 267, 292 Nähreier 377 Nährfach 361 Nährflüssigkeit 363 Nährgewebe - primäres 507 - sekundäres 507 Nährkammer 620 Nährlösung 113 Nährpflanzen 726 Nährsekrete 877 Nährstoffe 75, 86, 626 Nährstrom 365 Nahrung 722 - der Königinlarven 480 - pflanzliche 186 - Verweildauer im Darm 109 Nahrungsabbau 108 Nahrungsaufnahme 52, 75,91 f, 458 Nahrungsballen 155 Nahrungsbedürfnis 110 Nahrungsbeschaffung 482 Nahrungserwerb , Strategien 555 Nahrungsmangel 138, 653, 722 Nahrungsmenge 555 Nahrungsnetz 678 Nahrungsopportunisten 556 Nahrungsquellen 555, 721, 868 Nahrungsreserve in Hungerzeiten 12 Nahrungsressourcen 444,457,459 Nahrungsreste 107, 118 Nahrungsrohr 867,867 Nahrungsspeicher 95 Nahrungsspezialisten 111,616 Nahrungssubstrat 707 Nahrungsversorgung der Larven 457 Nahrungsvorräte 97 Nährzellen 364f, 365,368,373,373 Na+-Kanäle 233, 682f n-Alkane 8 n-Alkene 8 nanos-Protein 376 Nasensoldaten 468, 469 Nasus 587 Natalität 702, 705 Natalitätsfaktoren 705 Natrium 149 Natrium-Ionen 211 Natriumtransport 150 natürliche Selektion 454 Nearktis 728 Nebenherzen 876 Nebenkern 381 Nebennierenrindenhormone 586 Nebenwirt 636, 809 Nectomonade 663 Neembaum 355, 685, 690 negativ dichteabhängige Faktoren 703 Negativkontrast 101 Nekrosen 638 Nektar 96f, 474, 499,514,516,847 Nektardrüsen 515 Nektarien 514
Nektarraub 514 Nektarsammler 508 Nektarzusammensetzung 317 Nematizide 679 Neotenie 389, 776, 810 neotropische Region 728 Nephridialorgan 157 Nephridien, rudimentäre 157 Nephrocyten 123, 144, 156, /57 Nervensystem 205f, 428, 756, 759 - abdominales 87/ - Konzentrationstendenzen 206, 207 - peripheres 410 - stomatogastrisches 41,95,225, 226 - ventrales 225 Nervenzellen 209,607 - dorsale 607 Nervi corporis - allati 225 - cardiaci I (NCC I) 225, 348 Nervus - connectivus 225 - recurrens 225 Nestbau 474, 847 Nester 470, 471, 474 Nestgeruch 487 Nestwechsel 482 netomogame BIütenpflanzen 515 Neukombination der Gene 372 Neuralwülste 410 Neurilemm 212 Neuriten 221 Neuroachse 215 Neuroblasten 207,410,411 Neurochemie 207,346 Neuroektoderm 425 - ventrales 421 neurogene Aktivierung 250 Neurogenetik 278 neurohämale Ausschüttungsorte 202 neurohämale Zonen 346 Neurohämalorgane 206,211,226, 345 Neurohormone 208, 370 Neuromodulation 208 Neuromodulatoren 346 neuronale Verschaltung 182 Neuronen 208,210-212,220,221, 223 - vielkernige 202 - visuelle 219 Neuronentypen 210,220 Neuroommatidium 333 Neuropeptide 345 Neuropeptidhormone 352 Neuropil 208f, 212f, 215, 217, 219, 22/,346 Neurosekrete 99,202,211 neurosekretorische Endbläschen 346, 348 neurosekretorische Zellen (NSZ) 208,216,225,345,346,347,351, 418 neurosekretorisches Material 225 neurosekretorisches System 348 Neurotransmitter 185,202,207, 209f - aminerge 346 - peptiderge 346
nicht wandernde Arten 725 nichtblutsaugende Mücken 645 Nicotin 579, 585, 680, 68/ Nicotinalkaloide 680 Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NADH) 76 Nicotinsäure 622 Nicotinsäureamid 622 niedermolekulare Effektoren 352 Nikkomycin 6 Nissen 642 Nistkasten 654 Nistplätze, neue 483 Nitroguanidin 684 NO 608 Noduli 219 Nomenclator zoologicus 736 Nomenklatur, binäre 736 Nomenklatur-Regeln 750 Nordamerika 729 NOS 424,608 nos-Protein 424 nos-RNA 424 Notalorgan 459 Notopleuralnähte 823 Notum 65 nucleärer Konzentrationsgradient 424f Nucleinsäurestoffwechsel 162 Nucleocapsid 657 Nucleolcn 380 Nutzorganismen, Einbürgerung 671 Nymphe 413-415
o Oasen 727 Oberflächendifferenzierungen 16 Oberflächenvergrößerung 1,99 Oberflächenwellen 290 Oberkiefer 51 Oberschlundganglion 206, 312 obligate symbiontische Beziehung 615 Occipitalnaht 49 Occiput 49 Ocellen 214f, 219, 253, 255, 328, 329, 755, 767 Octanol 316 Octopamin 87f, 202, 208, 233,352, 607f Oenocyten 3,8, 10f, 29f, 38, 119, 156 Öffnermuskel /73 Oidien 627f ökologische Ausgleichsflächen 676 ökologische Nische 724, 735 ökonomische Schadensschwelle 698 Ökospezies-Konzept 735 ökotoxikologische Bedeutung 680 Oktopamin 607f Okularsklerit 49 olfaktorische Beuteortung 556 olfaktorische Sensillen 293 Olfaktormeterversuche 541 Ommatidien 217,326,328,329, 330,331 -334 ,341 ,875 Ommatidienachse 331 Ommatidienstruktur 747 Ommatidienzahl 530 Ommen 755 Ommine 159
Sachregister Ommochrome 27, 159, 162,331 Onchocercose 669,684 Oncopodium 55, 56 Onnamide 626 Önocytoide 186, 188 Ontogenese 68, 165,395 Ontogenie 109,433 Oocyste 667 Oocyten 82,86, 359, 361, 364,365, 367f, 370, 373 Oocytenkern 375 Oocytenmembran 367 Oogenese 357,363,372, 395,420 Oogonien 359, 363 Ookineten 666 Oolemm 367,405 Oophagie 377 Ooplasma 361 Ooporus 363 Oosom 374, 375 Ootheca 362, 782,783-786 operante Konditionierung 279 operati onales Geschlechterverhältnis 441 Operculum 370,371, 373 Opsonine 596 opti sche Abwehr 570, 573, 591 optische Foci 219 optische Kommun ikation 6/0 opti sche Loben 215f, 217, 219, 221 optische Reize 445 optischer Trakt 219 optisches Beugungsdiagramm 6 optisches Ganglion 333 Optomotorik 256 optomotorische Reaktion 257 Ordo (Ordnung) 737 Organisation 428 Organisationszentrum 420 Organisatorgen 424 Organogenese 402,408,409, 428f Organophosphate 622, 682, 683 Orientalis 728 Orientbeule 663 Orientierung - aku stische 258 - allothetische 255 - an hand von Wasserwellen 260 Orientierungsleistungen. trop otaktisehe 305 Orientierungsverhalten 278 orthognather Kopf 52, 859 orthologe Gene 430, 436 orthopteroide Insekten 776 Ortsgedächtnis 222 Ortstreue 722 Ortswechsel 566 Osmeterien 573, 575, 584 Osmoregulation 116,127,128, 137-139,140, 142,773,851 Osmose 138f osmotische Gradienten 153 osmotischer Wert 154, 185 Ösophagus 95, 96, 106 Ostien 191, 193,757 - Zahl 842 Ostium bursae 193, 363 Oszillation 292 Oszillator 609 Ovarialschwangerschaft 781 Ovarien 40, 357, 362, 363, 785 - panoisti sche 766
Ovarientypen 358,360, 366 Ovariolen 40, 357-359 , 362, 827, 842 - meroistische 359, 759 - panoistische 359, 759, 777, 783, 785-787, 789, 818, 831, 865 - polytrophe 851,858,868,877 - polytroph-rneroistische 361,363 - telotrophe 369, 823, 831, 834 - telotroph-meroistische 361 Ovariolengallen 508 Ovariolenstiel 359,362 Ovariolentypen 359 Ovidukt 39,40, 357, 358, 362 Ovipara 809 Oviparie 420, 809 Oviposition 357,396 Ovipositor 71, 357, 362, 396, 541f, 593, 628, 763, 766, 771, 783, 833, 834 Ovizid 679, 684 Ovotestis 388 Ovoviviparie 420,793,810,818, 824,827 Ovulation 396 Ovum 372 Oxalsäure 522, 603 ß-Oxidation 76, 78 oxidative Phosphorylierung 77 Oxidoreduktasen 606 Oxyluciferin 606
p Paarbildung 755 Paarbindung 459 Paarregel-Gene 425,426,427,433 Paarung 392,453,461 ,471 - wiederholte 449 Paarungsaufwand 439 Paarungsbereitschaft 446 Paarungsdauer 452, 459 Paarungserfolg 438 Paarungsgesang 292 Paarungskette 393 Paarungskonkurrenten 446 Paarungspartner 441,450, 453f, 458 Paarungsplätze 446, 453 Paarungsrad 394 Paarungsrevier 448 Paarungsstellung 763, 775 Paarungssystem 441,443,455 Paarungstaktiken 448 Paarungstanz 766 Paarungsverhalten 305, 452, 459 Paedogene se 389,390,827,877 Paläarktis 728 Palaeozoikum 517 Paläontologie 433 Palmitinsäuremethylester 576 Palpen 47 Palpifer 54 Palpiger 54 Palpus - maxillaris 54 - labialis 54 Pandemien 660 f Pangaea 730 pannonische Faunenelemente 727 Panoi sten 369 Pansen 617
925
Pantothensäure 622, 623 Papataci-Fieber 657,659 Papel 636 Papillen 98, 161 Parabiose 613 Paraglossa 54 Parahox-Gene 430 parakristalline Substanzen 100 Parallel-Cladogenese 518 Parallelentwicklung 749 Paramastigote 663 Paranota 762 paraphyletische Gruppe 746 Paraphy1um 740, 747 Paraphyse 72, 73 Parapodien 47 Paraprocte 68,771 ,773,793 Parasegmente 426, 427 Parasiten 450,454,456,458,491, 521,538,551 ,637 Parasitenhypothese 454 parasitierte Insekteneier 563 Parasitierungsraten 674 parasitische Königin 495 Parasitismus 489,613,828 - permanenter 495 Parasitoide 188,298,450,456,509, 521,538-541 ,542,543,547-549 , 552, 555, 559, 572, 576, 592 f, 622, 675, 705 - Anpassungen 595 parasitoide Eier 188 parasitoide Entwicklung 539f Paraspermatozoa 378, 387, 388 Parasp ermien 378 Parathion 681,683,686 paratransgene Insekten 630 Paratypen 736 Parench ym 502 parenchymale Minen 503 parental care 456 Parietalzellen 41 Pars intercerebralis 211,216,225, 348 Parthenogenese 357,388,401,632, 756, 766f, 808, 810, 858, 886 - arrhenotoke 843 - fakultative 389,812 - Formen 389 parthenogenetische Fortpflanzung 784, 793, 827 parthenogenetische Generation 389 parthenogenetische Populationen 776 Parti aldruck 175, 179 Partnerbewachung 447 Partnerfindung 444 Partnerwahl 450 passive Abwehr 560 Patagium 857 pattern c1adistics 743 paurometabole Entwicklung 776 paurometabole Insekten 774, 779 Pavansche Drüse 486 pax-6/eye/ess Gen 430 p-Cym ol 316 Pectinase 43, 111, 622, 627 Pederin 559, 580, 582, 585 f, 622, 625,626,630,821 Pederosis 625, 821 Pedicellus 51,284,286,288,872 Pedunculus 221,370,374
926
Sachregister
Pellets 151 , 156 Penicillin 621 Penis 33, 72, 378, 393 - rudimentärer 393 - sekund ärer 448,459, 771 Penisdrüse 32 Penissklerite 781 Pentacosen 8 Pentanol 316 Pentosen 114 Peptidbindung 81 Peptide 207f, 622, 638 - ant ibakterielle 188 - antimikrobielle 596 Peptidhormone 350,352-354,418 Peptidoglycane 187 Peptidsynthese, induzierte 596 Peptidsynthetasen 606 Perforatorium 383, 386 Perikardialseptum 190 Perikardialsinus 185, 189 Perikardialzellen 123 Perikaryen 348 Perinephridialraum 154, 155/ perinephrische Membran 154,155/ Perineuralsinus 185,189, 193,194 , 195,198 Perineurium 212 periodische Herzschlagumkehr 182, 192 periphere Motoneurone 202 periphere Nerven 212 periphere Zellen 41 peripherer Kreislauf 196 Periplasma 403--405 periplasmatische Furchung 404 Periproct 68 Peristaltik 109, 175, 236 peristaltische Kontraktionswelle 188 perisympathische Organe 346 Peritonealhülle 377 peritrophe Hülle 93, 96, 102f, 106, 667 peritrophi sche Membranen 3,5, 93, 96, 98, 99, 100, 102-104, 106, 116, 118, 145,657,876 - Abbau 104 - Bildung 103 - Funktionen 104 - Permeabilität 105 - Sekretion 104 Periviszeralsinus 185, 189, 192 perivitelliner Raum 374, 424 perkutane Besiedelung 593 Perm 508f, 729 permanent parasit ische Arten 494 Permeabilität 108, 139, 150 - cuticulare 131 Permeabilität sbarriere 30, 105 Permeabilitätseigenschaften 105 permeable Körperabschnitte 161 Permethrin 680, 682 perorale Besiedelung 593 Peroxidasen 577,595 Peroxisomen 605, 608 Persistenz 680, 688 Pest 659f pest management 698 Pestherde 660 Petiolus 841 Pfanne 52, 53
Pfeilhaare 20, 572, 579, 640 Pflanzenbestäuber 489 Pflanzenfresser 93, 100, 109, 158, 521 Pflanzengallen 508f, 518 Pflanzengifte 588 Pflanzenreaktion, systemische 512 Pflanzensaft 162 Pflanzensamen 453, 562, 563 Pflanzensauger 109, t u, 162, 500, 502, 510, 592f Pflanzenschädlinge 679 Pflanzenschutz 630 Pflanzenschutzmittel 688 pflanzliche Nutzstoffe 680 pflanzliche Sekundärstoffe 589 pflanzliche Verteidigungsformen 510 Phagocytose 186, 594 Phagodeterrents 690 Phallobasi s 73 Phallusanlagen 72 Phänotypen 421 pharmakophage Insekten 582f, 689 Pharmakophagie 91, 511 Pharmazeutika 630 Pharynx 93-95 , 96, 880 Pharynxdrüse 841 Pharynxmuskeln 196 Pharynxpumpe 93, 94/, 842, 858, 867,879,880 Phasentheorie von Uvarov 725 PHB-Ester 576 Phenol 622 Phenola sen 43 Phenol 91,622 phenolische Polymere 510 phenolische Substanzen 9 Phenoloxidasen 15, 187,595,597 Phenoloxidasesystem 188 Phenylalanin 122 Phenylessigsäure 8, 628, 629 Pheromone 8,30,41,92, 118, 261, 304, 317f, 444, 445, 455, 461, 479,485,487,513,540,568, 690f, 831, 838, 865, 885 Pheromonfallen 313,691,692 Pheromonrezeptoren 224,311,313, 315 Pheromonwahrnehmung 319 pH-Gradienten 77 Phloem 111, 490, 502, 508 Phloemsaft 112, 154,511,810 Phloemsauger 111 ,113,616,623, 807 Phonotaxis 259, 297 Phoresie 546 phoretische Beziehungen 540 Phosph at 85, 686 Phosphoarginin 85 Phosphofruktokinasen 85 Phospholipase C 324 Phospholipide 83, lll, 122 Phosphors äureester 680, 682 Phosphorwasserstoff 689 Phosphorylierung 76 Phosvitin 368 Photoc yten 605-608 photogene Organe 605 Photon 322-324,325 Photoperiode 28, 862 Photopigmente 332
Photoregeneration 323, 324 Photorezeption 320 Photorezeptoren 217,321 ,323-326, 338,341 Photorezeptoraxone 217 Phototoxine 588 Phototransduktion 322, 324f, 327, 332 Phragma 64f,231 pH-Regulation 185 Phthalsäuredimethylester 689 phylogenetisch orientierte Tiergeographie 721 phylogenetische Verwandschaft 740 phylogenetisches System 735 Phylogenie 433 - der Spermienstruktur 385 phylotypisches Stadium 430,431 Phylum (Stamm) 737 physikalische Abwehr 511 physikalische Bekämpfungsmaßnahmen 689 physikalische Umweltbedingungen 457 physiokochemische Abwehrbarrieren 593 physiologische Resistenz 686 Physogastrie 361,493 Phytophage 186,315 ,500,510, 517,678 Phytophagie 499 Pigmente 25,28, 327, 565 Pigmentfarben 565 Pigmentgrana 322,332,338 Pigmentierung 22, 28 Pigmentverlagerung 29, 338, 565 Pigmentzellen 329,330,331 Pilzbefall 561 Pilze 6, 115, 188,601,671 Pilzgärten 467, 489f, 628, 628 Pilzgeruch 541 Pilzinfektion 593 Pilzkolonien 505 Pilzkörper 215f, 218,221,222,223 Pilzmyzel 109 Pilzsymbiosen von Termiten und Ameisen 489 Pilzzucht 489f, 511, 628 u-Pinen 316 ß-Pinen 316 Pinocytose 123f Piperonylbutoxid 681, 682 Pirimicarb 683 Planidien 546,551 ,843 Plaques 1,9,13, 14 Plasma 185, 382 Plasmamembran I Plasmatocyten 186, 187, 188,594 Plastron 139, 180/, 370,757,759 Plastronatmer 827 Plastronatmung 20, 179, 802 Plastronstrukturen 180, 779 Plattentektonik 721, 729 Platzminen 503 Pleistozän 730, 732 Plesiomorphie 739, 740, 746 Pleura 64f, 65 Pleuralarm 65 Pleuralleiste 65 Pleurite 65 Pleuropodien 411, 412, 415 Pleurostoma 49, 52
Sachregister plexiform surface coat 108 Plica vannalis 67 Podocyten 123,1561 POrGradienten 173 Polarisationsmuster 265, 340, 341 Polarisationsrichtung 339, 341 Polarisationssehen 341 polarisiertes Licht 274, 322, 339f Polarität 375 - der Eier 372f Polaritätsgene 375,421 ,423 Polgranula 375, 402 Polkerne 399 Pollen 97,472,474,499,514,856 - Transport 841 Pollenblumen 515 Pollenspeicher 473 Polplasma 402, 424, 697 Polregionen 424 Polyandrie 465 Polyembryonie 357, 389, 547, 549, 553, 843, 887 Polyester 598 Polyglycin-Fasern 44 polygyne Paarungssysteme 441 polygyne Sozietäten 477 Polygynie 442, 465, 473, 475, 477 Polyhydroxyalkohole 87 Polymegalie 378, 387 Polymerisation 5, 101 Polymorphismus 28, 309, 378, 387f, 502, 564, 566, 625, 801, 847 - phytochemischer 513 Polymorula 432 Polymyxin MI 622 Polyoxine 6 Polypeptide 2 Polyphagie 846 Polyphenoloxidasen 629 Polyploidie 1,44, 365 Polyploidisierung 30, 365 polyrame Extremitäten 434 Polysaccharide 159 Polyspermie 399 Polysymbiose 620 Polytaenie 413 polytrophe Ovariolen 369, 823 Polzellbildung 404 Polzellen 100, 158, 363,402,403, 404,424 Ponderosakiefer 694 pool feeder 635 Poolsauger 669 Populationsdynamik 701, 702 populationsdynamische Untersuchungsverfahren 716 Populationsentwicklung 471 Populationsgleichgewicht 703 Populationsgröße 702 Populationsregulation, interaktive 710 Populationsstrukturen 713, 7J4 Populationswachstum 702 Poren 25 Porenkanäle 3, 11,31 Porenplatte 37,38,141,172,318 Porentubulussystem 308 Porphyrine 27f Portasomen 150,151, 153, 158 Positionsinformation 420, 423,424, 426f,432
positiv dichteabhängige Faktoren 703 Postabdomen 876 Postantennalorgane 755 Postclypeus 791, 793 Postcubitus 67 postembryonale Entwicklung 395, 413, 757, 762 postembryonale Musterbildung 428 posteriores System 423f Postgenae 49 Postgenitalsegmente 68 Postglazial 725 Postmentum 54, 772 postmetabole Periode 395,419f Postnotum 65 Postoccipitalleiste 49 f Postocciput 49 Postpetiolus 484,841 Postpharynxdrüse 486 Präantennalsegment 48 Prädator-Aggregation 704 Prädatoren 555, 592 Prädetermination 395 Prädisposition 276 Prägenitalsegmente 68 Präimago 759 Prälarve 759, 784 Prämandibularsegment 48, 50 prämeiotische DNA-Synthese 372 Prämentum 54, 772 Präoralhöhle 93 Präoralraum 50--52 Präpatentperiode 636,657,664 Präpupa 416,866 präsoziales Verhalten 827 Prätarsus 16,57, 759 Prätarsusblase 58 Prävitellogenese 364, 367 Precocen 685 Pre-Gastrulationsphase 432 Primärharn 79, 144, 148, 151, 162 Primärharnbildung 116, 156 Primärlarven 413,885 Primärparasitoide 502,539, 550f, 708 Primitiventwicklung 412 Primitivrinne 402 Primordialzellen 416 Prioritätsregel 736, 870 Probestiche 541 Procephalon 48 Processus paratentorialis 53 Proctodaeum 92,402,408,410, 4JJ,412 Proctolin 202, 353 Procuticula 9,13, 14f, 48, 141 prognather Kopf 52, 859 Prognoseverfahren 698 Prohämocyten 186 Projektionsneurone 210, 223f Prolin 44, 79, 83f, 110, 153 Prolinstoffwechsel 84 promastigot 663 Prometabolie 769 Promotor 422 pronotale Drüsen 572 Pronotum (Halsschild) 65, 784, 800 Pronymphe 414, 415 Prophallus 393 Prophase 372 Propolis 472,473
927
Propoxur 683 Propriorezeptoren 182,210,250, 285, 286, 296 Propriozeption 286 Prosocerebrum 48 prosoplasmatisch 506 Prosternalorgan 297 Prostomium, Anneliden 48 Protandrie 388 protandrische Männchen 516 Proteasekaskade 424 Proteasen 43,79,92, 106, 10Sf, 629 Proteinaseinhibitoren 510,695 Proteindotter 374, 404 Proteine 7,9,79,83, 121 , 124,638 ~ antimikrobielle 596 - kristalline 381 - kristallisierte 368 - toxische 579 Protein-Epicuticula 9 Proteinmatrix 16 Proteinstoffwechsel 162 Proteinsynthese 81, 122, 124, 210, 367 Proteoglykane II Prothorakalganglion 205 Prothorakalhorn 882 Prothorakalstigmen 178 Prothorakalwehrdrüse 575,826 prothorakotropes Hormon (PTTH) 208,347,351 Prothorax 55, 65 Prothoraxdrüse 348, 349, 350, 479 Protocatechusäure 15 Protocerebralbrücke 215, 219f Protocerebrum 205,211, 214f, 218f, 223,225 Protonen 77, 160 Protonenpumpe 158, 160 - elektrogene 150 protopode Larven 415 Proventriculus 18,95,96,97,660, 773, 779, 784, 786f, 795, 842, 864,868 Pseudergaten 469,623 Pseudocellen 568, 577,590, 757 Pseudocilien 31, 32 Pseudoflagellen 31 Pseudotracheen 873 pseudozyklische Populationsdynamik 715 Psittakose 630 P-System 376 Pterale 67, 767 Pteridine 27, 161 f, 377 Pterostigma 771, 792, 833 Pterothorax 55,771,793 Ptilinalsack 176 Ptilinum 875, 8821 Puffersysteme 109 Puffs 351 Pulsationsorgane 197, 199,202,876 - akzessorische 185, 195, 1961 Pulswelle 191 Pulvilien 16, /7, 39, 58f, 501, 780, 815, 866, 876 Pulvillenhaare 60 Pumpbewegungen 175f, 182,200 Pumpeinrichtungen 189, 645 Pumpfrequenz 177 Pumpsystem 93 - des Vorderdarms 94, I11 f
928
Sachregister
Punktkarte 722 Pupa - adectica 417,830 - cingulata 862 - dectica 417, 832-834, 838, 861 - exarata 417, 830, 866, 868 - libera 417,847 - obtecta 417f, 830, 847, 861,862, 881 - pharata coarctata 417 - suspensa 861 Puparium 416, 551, 872, 881,882 Pupillenmechanismus 336, 337 Pupiparie 420 Puppen 170,413, 416f, 582, 649, 828,834 - überwinternde 37 puppeneigene Organe 417 Puppenhöhle 828 Puppenhorn 882 Puppenhüllen 417 Puppenkammern 628, 833 Puppenkannibalismus 582 Puppenkokon 44, 103, 104, 139, 416f, 473, 579,828,838, 847 Puppenparasitoide 539, 547 Puppenruhe 379, 653 Puppenstadium 151, 414f, 646 Puppentibia 171 Puppentracheen 165 Puppentypen 419 Puppenwiege 417 Puppenzelle 817 Purine 162 Purinstoffwechsel, Derivate 159 Putzeinrichtungen 20,801 ,841 Putzscharte 20 Putzsporn 20, 858 P 2-Wert 447 Pygidialdrüse 8, 34, 36, 485, 486, 598,638, 823,826 Pygidialplatte 651,867 Pygidium, Anneliden 68 Pygopodien 68,70, 85,235,415, 859 Pylorus 96, 116 Pyrazine 568 Pyrethrin 681 Pyrethroide 680,682 ,686 Pyrethrum 682 f Pyridopyrazine 568, 585, 756, 757 Pyridoxin 622 Pyrrolizidinalkaloide 580, 582 f, 591,689 Pyruvat 76, 79, 84
Q Quaddeln 636, 642, 644, 648 qualitative Abwehr 510 Quanten 330 Quarantäne 659 Quassin 684 Quassinoide 684 Quecksilbersalze 680 Querkommissuren 168 Querkompression 285 Quieszenz 121
R Radialader 561 Radiation 729,823 Radius 67 Rasterkarten 722, 723 Raubbeine 237 Räuber 93, 450, 491, 521f, 524, 538,572 Räuber-Beute-Beziehungen 555, 560 Räuber-Beute-Experimente 563 Räuberselektion 565 Raubzüge 478,495 räumliche Aktivierung 577 räumliche Dichteregulation 702, 704 Raupen 415,568,859 Raupendermatitis 20, 579, 640 Raupenhaare 417,640 rDNA 365 Reabsorption 354 Reaktionskammern 577 Reaktionsräume 29 Reaktionsspektren, überlappende 316 Reaktordrüsen 577, 578 Receptaculum 449, 462 - seminis 358, 362, 363, 393, 395, 399,439, 447f, 451, 472, 582, 770,868 Redoxpotential 115 Reduktionsäquivalente 77 - Transport 76 Reduktionsteilung 380, 400 Reflektorschicht 605 f Reflektorzellen 605 Reflex 275 - unkonditionierter 278 Reflexbluten 580,597,601,610 Reflexion 339 Refugium 722, 732 Regeneration 575, 764 Regenerationskrypten 98, 99 Regenerationsnester 99 Regenerationszellen 106, 157 Regionen , tiergeografische 728 Regnum (Reich) 737 Regulation 70 I, 712 - diffuse ressourcen-gesteuerte 710 - des Gausaustausch 165 - des Wasser- und Ionenhaushalts 92, 118,354 - durch Nahrungsquelle 710 - hyper-osmotische 140 - nicht-interaktive 711 ~ produzentengesteuerte 711 - spezifischer Färbungen 352 - und Populationsstruktur 713 - wechselseitige 710 Regulationseier 412 Regulationsprozesse 702 Regulationstypen 710, 713 regulatorische Verschaltung 435 Regurgitation 95, 483, 576, 660, 842,874 Regurgitations-Fütterung 484 Reifefraß 92, 420 Reifeteilung 400 Reifungsperiode 370,377,379,419 Reifungsplasma 372 Reinigungsflug 118
ReitersteIlung 501 Reize 210,275 - adäquate 285 - chemische 541, 689 - physikalische 689 Reizenergie 286 Reiz-Erregungs-Beziehung 317,319 Reiz-Erregungsumsetzung 284,311 Reizfrequenzen 326 Reizleitung, Sinneszellen 310 Reizlichtintensität 326 Reiztransduktion 281,284 Rektalampullen 119,826 Rektaldarm 178 rektale Chloridepithelien 142, 771 rektale Tracheenkiemen 769 Rektalepithel 137 Rektalkiemen 771 Rektalkomplex 137, 155 Rektalleisten 154 Rektalpapillen 118,152,153,155, 795, 826, 868, 870 Rektalpolster 117,118,152,153, 864,876 Rektalventilation 771 Rektum 96, 106, 118, 144, 151f, 153, 162 relative Luftfeuchte 299, 302 relative Molekulargewichte 107 Reliktareale 722 Rendevouz-Plätze 712 Repellents 487,510,575, 585-587, 648, 688, 690 Repetieren 651 Reportergen 422, 435 Repression 425 Repressor 422, 425 f Repressorbindungsstellen 425 reprimierende Regulationen 425 reproduktiver Erfolg 706 reproduktiver Restwert 513, 710 rER 40 Reserven 79, 81 - Mobilisierung 75 Reservestoffe 364 Reservoir 31 f, 34, 42, 104, 560, 577, 588, 637, 657, 664 Reservoirkrankheiten 637,657, 658, 659 Resilin 7,242, 780 resistente Arten 685 Resistenzen 355,454, 667, 679 Resistenzentwicklung 682,686 Resistenzgene 518 Resistenz-Management 687 Resonanzfrequenz 250 Resonator 291 Resorption 107, 152 Resource Defense Polygyny 441 Respiration 139 respiratorische Enzyme 381 respiratorische Epithel 142 Ressourcenaufteilung 528 Ressourcenstruktur 704 Ressourcenverknappung 549 Ressourcenverteidigung 442 Restmortalität 718 Retina 217, 329 Retinaculum 70, 755, 853, 856 Retinal 323 Retinotopie 217 retrocerebraler Komplex 225, 226
Sachregister Reusen 97, 172 Reviermarkierung 485 rezeptives Feld 261 Rezeptorblocker 355 Rezeptoren 114,222 ,281,304,351 , 367,422 Rezeptorlymphraum 281,282, 284f,306 Rezeptormolekül 281 Rezeptorneurone 210, 214 Rezeptorpotential 283,312,322, 325/ Rezeptorprojektion 224 Rezeptorproteine 311f Rezeptor-Tyrosinkinase 424 rezeptorvermittelte Endocytose 367 Rezeptorzellen 339 Rezidive 666 Rhabdom 327,329-331 ,332, 336f Rhabdomere 321,329,331 , 332j, 338, 341 Rhinarien 808 Rhodanese 81 Rhodopsin 321f, 321, 323-325 , 327 Ribagasches Organ 802 Riboflavin 622, 623 ribosomale DNA (rDNA) 365, 745 Richtcharakteristik 259, 260 Richtungskerne 399 Richtungsorientierung 321 Richtungsplasma 372, 375 Richtwirkung 294 Riechgruben 871 Riechrezeptoren 317 Riechsensillen 308 Riesenchromosomen 757 Riesenspermien 388, 399 Rinde 561 Rindenbohrer 502 Rindenbrüter 505 Ringdrüse 346, 349 Ringeltaenidium 170 Ringmuskulatur 95, 98, 116 Risseiszeit 731 RNA 420,424 - radioaktiv markierte 366 RNA-Polymerase 422,657 RNase 420 RNA-Synthese 657 RNA- Viren 656 Röntgenbeugung 3, 7 Röntgenmikroanalyse 100, 157 Rostrum 863 Rotenoide 680 Rotenon 68/ Rötung 638, 652 rRNA 365, 613 r-Strategen 703 Rückengefäß 185 Rückenschluss 402,410,411 Rückfälle 666 Rückkopplungsmodell 711 Rückkopplungsneuron 222 Rückkopplungstypen 710 Rückpuls 191,193, 197 Rückresorption 113, 127, 147, 150, 155, 162 Rückschlagventil 194 Rückstände von Pflanzenschutzmitteln 679 Rückstoßschwimmen 244 Rückstrom 191 f
Rückwanderung 727, 732 Rufinismus 27 Ruhe-Gasaustausch, diskontinuierlicher 175 Ruheplatz 649 Ruhestadien 414,818 Ruhr 655 Runaway-Modell 454f Rundtanz 267 Rüssel 7,504,645,840,854,874 RusselI, V. 123 Rüsselreflex 275,276, 307 Rüsselscheide 668 Rußtaupilze 114 Rüstungswettlauf 518 Ryanodin 629,681,684
s Saaleeiszeit 731 Säbelkiefer 495 Saccharase 108 Saccharose 108,318 Sacculus 34,156/ Saftmale 515 Saftsauger 105, 133, 137, 154,644 Saftstrom , Abriegeln 112 Sägeapparat 843 Saisondimorphismus 28, 854 Saisonpolymorphismus 28 Salicin 108, 511 Salicylaldehyd 511 Salivarium 51 Salmonellen 636 Salmonellosen 655 Salzkonzentration 138f, 141 Salzsee 138, 142 Salztoleranz 143 Salzwasserinsekten 143 Samenbewohner 503 Samenblase 378 Samenleiter 378 Samenpakete 392 Samenproduktion 513 Samenpumpe 377, 378, 393, 865, 877 Samenschläuche 377 Samenverbreitung, myrmekochore 516 Samenzellen 363 Sammelaktivität, Ameisen 303 Sammelbienen 639 Sammelkanäle 31f, 32, 34, 36, 41 Sammelkörbchen 480 Sammellinse 335 Sammelverfahren, automatische 721 Sammlerinnen 38, 488 Sand 563 Sanduhr-Modell 430 Saprophagen 93, 161 Saprophagie 509 Sarcomere 230f sarcoplasmatisches Reticulum 83, 232 Sarcotoxine 596 Sarin 683 Satelliten 448 Satellitenorientierung (GPS) 750 Sättigungsdefizit 129, 132, 134 Sauerstoftbedarf 182,547
929
Sauerstoff-Diffusion 172 Sauerstoffmangel 594 Sauerstoff-Partialdruck 175 Sauerstotftransport 82, 165, 170 Sauerstoffverbrauch 75,81 f Sauerstoffverknappung 550 Sauerstoffversorgung 328, 548 Säugerintegument 586 Säugetiere 558 Saughaare 21, 573 Saugmandibeln 529 Saugröhre 502, 838 Saugrüssel 856, 873 Saugspannung 139 Saugstellung 652,873 Saugventilation 175 Saugzangen 828 Säulenneuronen 217, 218 Scapalplatte 875 Scapus 51,872 Schabefraß 50I Schabendarm 116 Schadensschwelle 671 Schädlinge, Überwachung 692 Schädlingsbekämpfung 355 - biologische 541, 67lf, 674f, 712, 821, 846, 885 - biotechnische 671,689 - chemische 671,673,679 - mikrobiologische 671 - mit entomophagen Insekten 674 Schädlingsbekämpfungsmittel 681 Schädlingsvertilger 821 Schall 290f Schalleinfallsrichtung 260 Schallempfänger 292,293 Schallerzeugung 290 Schallquelle 297 Schallschatten 294 Schallsignale 290f, 296 Schallvibrationen 286 Schallwechseldruck 291f, 294f Schaltzelle 31 Scharniergelenk 55 Schartenfraß 501 Schaumbildung 119 Schaumzäune 575, 576 Scheide 668 Scheinwarntracht 568 Schellack 38 Schenkel 57 Scherungskräfte 285 Schichten, anisotrope und isotrope 14 Schiene 57 Schillerfarben 27 Schillerschuppen 22 Schirmpigmente 27, 159 Schizogonien 666 Schizonten 666 Schläfenantennalorgane 755 Schlaffsucht 695 Schlafkrankheit 682 Schlagfrequenz 177 Schlagrichtung, Änderung 202 Schlängelbewegungen 244 Schlangenkopfmimikry 570, 573 Schlangenminen 503 Schleimfaden 603 Schleimhautleishmaniasis 663 Schließmuskel 97, 173 Schlund 224
930
Sachregister
Schlundgerüst (Cephalopharyngealskelett) 877, 880 Schlundkonnektive 206, 224 Schlüpfen 12, 131,200,201,402, 413,419,647,882,883 Schlüpfhormon 12 Schlüsselfaktor-Analyse 718 Schlüssel-Schloss-Prinzip 393 Schmeckstoffe, Schwellenkonzentrationen 314 Schmerz 639 Schmetterlingsraupen 95, 640, 684, 859 Schmetterlingsschuppen 853 Schmundkonnektive 206 Schneckenminen 503 Schnicksschwimmen 244 SchrecksteIlungen 842, 845 Schrecktracht 50I, 573 Schreitbewegungen 239 Schrillader 291 Schrilleiste 291, 483, 787 Schrillkante 29Of, 484, 787 Schrittgenerator 237,239 Schrittmacherneurone 180 Oy-Schuld 177 Schuppen 18,21,22,23,27, 159, 172,572, 755, 763, 765 - Färbung 854 Schuppenanlage 22 Schuppenbalg 12,21,22,853 Schuppenbildung 19, 22 Schuppenstiel 22 Schüttelfrost 648 Schutz gegen Austrocknung 119 Schutzanpassung 502 Schützengraben-Fieber 662 Schutzhaltung 772 Schwächeanfälle 648 Schwanz 382 Schwanzblase 843 Schwänzeltanz 267,293,485 Schwarm 472 Schwarmaggregation 445 schwarmbildende Mückenarten 875 Schwarmbildung 471,474 Schwarmphase 725 schwarze Läuse 642 Schwarzer Tod 660 Schwarzwasserfieber 667 Schwebefortsätze 767 Schwefel 680, 686 schwefelhaltige Anwehrstoffe 585 Schweiß 114 Schwellungen 639,648 Schwerefeld 287 Schweresinnesorgan 873 Schwerkraft 286,287, 288 Schwestergruppen 741, 749 Schwestertaxa 741, 746 Schwimmbeine 244 Schwimmen 244 f Schwimmkammern 645 Schwingkölbchen (Halteren) 68, 254,255,286,875,885 Schwingphase 237 Schwingung 290, 294 Schwirrflug 247,248, 784, 787, 857 Scolexin 597 Scoli 577 Scolopidialorgan 284, 295 Scolopidien 25,284,295, 524
Scolops 284 scramble competition polygyny 441 Scramble-Konkurrenz 443 Screening 685 Scutellarorgane 197f, 199,202 Scutellum (Schildchen) 66, 800 Scutum 66 second messenger 351,354 Segment, echtes 408 segmentale Ganglien 211 Segmentalorgane 156 Segmentierung 48, 55, 63, 64, 68, 205,411 Segmentierungsgene 425, 430 Segmentierungsgenkaskade 426, 427,437 Segmentierungsmutanten 432 Segmentpolaritätsgene 425-427, 430, 433f Segmentspezifizierung 427 Segmentsprossungszone 858 Sehbahn 217 Sehfeld 218,341 Sehnenbildungen 17, 18 Sehnerven, Schäden 669 Sehpigment 336 Sehraumstruktur 531 Sehvermögen 274 Sehzelle 872 Seide 30 Seidendrüsen 33, 43, 44, 775 Seidenfaden 858 Seidenfibroine 44 Seidenkokon 830 Seidenproteine 116, 145 Seitenarterien 191 Seitengefäße 191 Seitenloben 772 Seitenplatte 402 Sekrete 8, 30, 33, 34, 40, 43, 62, 788 - aus Speichel- und Frontaldrüsen 469 - der Labialdrüsen 416, 868 - von Kittsdrüsen 396 Sekrethaare 577, 579,589 Sekretion 3, 116, 127, 144 - Enzyme 99 - Steuerung 30,41 - Verdauungsenzyme 98 Sekretionsmechanismus 40 Sekretionsprodukte I, 30 Sekretionszyklus 41 Sekretzellen 41 sekundäre Geschlechtsorgane 769 sekundäre Naturstoffe 583 sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe 315,319,510 Sekundärharn 156 Sekundärparasiten 551 Sekundärparasitoide 502, 539, 550f Sekundärstoffe 583 - toxische 595 Selbstbefruchtung 388 Selbsterkennung 187 Selbstregulation 710, 712 Selektionsdruck 437, 453-455, 459, 518 Selektionsvorteil 47 selektive Reflexion 27 Selektorgene 427 Semiochemikalien 621,627
Senfölglykoside 315 Sensibilisierung 638 Sensilla - campaniformia 25, 873, 875 - placodea 308 - styloconica 299f - trichodea 281,308-310,313 Sensillen 306 - keulenförmige 288 - kontaktchemosensitive 305 - mechanorezeptive 282 - scolopidiale 281, 285, 294, 296, 297,298 Sensillentypen 309 Sensilli capituli 300 Sensillum chaeticum 281 Sensitivierung 274 sensorische Axone 212 sensorische Fasern 224 sensorische Transduktion 284 Sepiapterin 27 Sepsis 651 Septum 194 Sequenzierungsverfahren 745 Sericin 44 f, 858 Serin 44, 622 Serosa 402,406,410,411,431 ,597 Serotonin 146, 202, 208 Serumalbumin 83 Sesquiterpene 541 Sesquiterpenlaktone 690 Setae 61,410 Sevin 683 Sexualdimorphismus 222,308, 310, 502,604 Sexualkannibalismus 460 Sexualkommunikation 609 Sexuallockstoffe 304, 309 f, 485, 487, 690, 783 Sexuallockstoffrezeptoren 309 Sexualpheromone 24,35, 313,442, 444f, 445, 559, 583, 622, 690, 827,851 Sexualtäuschblumen 514 Sexualverhalten 461, 603 sexuelle Selektion 437 f, 454 Sexupara 809 Shampoos 643 Sicherungs fäden 862 sichtbares Spektrum 339 Signal - akustisches 689 - aposematisches 60I - chemisches 304 - verhaltenswirksames 289 Signalcode, artspezifischer 609 Signalnormierung 569 Signalprotein 425 Signalstoffe, neuroaktive 207 Signaltransduktionsweg 351 Signalübertragungskaskaden 420, 422,424,428 Silencer 422 Silicium 8 Singen 446 Sinigrin 315 Sinnesborsten 236 Sinneshaare 24f, 25, 35, 95, 214, 281, 855 Sinnesmodalitäten 293 Sinnesorgane 47 - für Windströmungen 286
Sachregister Sinnesphysiologie 281 Sinnesschuppen 854 Sinneszellen 24,210, 281,286,295, 332J, 334 - primäre 282, 321 Sinusschupp e 22 Siphonen 178, 808 Siphonensekret 578, 579 Sistensgeneration 809 Skelettierfraß 50I Skelettmu skulatur 230, 410 Sklavenhaltung 494 f Sklavenhandel 669 Sklavennest 484 Sklerenchymbildung 507 Sklerite 56 Skleritr ing der Pleura 56 Skleritspangen 58 sklerotisierte Cut icula 12, 13 sklerotisierte Hülle 547 Skleroti sierung 15, 25, 27 Skulpturen 16 S0 2 680 Sohlenpolster 58--00, 62 Solda ten 468, 469, 474, 479, 489 solitä re Phase 725 Sollbruchstellen 165, 167, 413 Soma 209, 233 somatische Kn ospen 404 Somatolyse 561 Somazellen 404 Somit 408 Sommereier 480 Sommergeneration 28f, 726, 813 Sommerwirt 502, 809 Sonnenwand erun g. Kompensation 268 Sorbin säure 576 Sorbitol 87 source-sink-System 713, 714 soziale Bienen 473 soziale Insekten 305, 465, 559, 576, 592 soziale Wespen 470 sozialer Hyperparasit 495 Sozialpara siten, temporäre 494 Sozialparasitismus 494, 497 - temporärer 495 Sozialverhalten 465 Spaltbein 434 Spalthüfte 56 Spätreaktion 636 ' Species (Art) 737 Speichel 41,43,645 Speicheldrüsen 42, 92, 93,107, 156, 157,443,642, 757, 766, 876 Speicheldrüsenenzyme 502 Speicheldrüsenkanal 157 Speicheldr üsensekret 92, 506 Speichelgang 95, 797, 867 Speichelproteine 636 Speichelpumpe 41, 95, 797, 818, 84 1, 842, 877 Speichelreservoir 41 Speichelrinne 874 Speichelrohr 502 Speichelsekretion 41 Speichelverteilungsapp arat 42 Speicherexkrete 100 Speicherexkretion 11 3, 127, 162 Speicherorgan 121, 159 Speicherproteine 185
Speicherstoffe 368 Speichervaku olen 122, 146 Speichervermögen 751 Speicherzisternen 147 spektrale Empfindlichkeit 339, 341 Spektru m der Wellenlängen 324 Sperma 392 - llüssiges 394 Spermatheca 362, 393, 399, 766 Spermatiden 380, 382 Sperm ato(Spermio)desmata 391 Spermato(Spermio)zeugma 391 Spermatocysten 379 Sperm atocyten 380 Spermatocytogenese 379 Spermatogenese 357,363, 378f Sperm atogonium - primäres 380 - sekund äres 380 - Vermehrung 382 Sperm atohistogenese 379 Spermatophoren 33, 72, 363, 391, 392J, 394f, 440, 448, 451, 460, 755, 764, 766, 783, 787, 793, 827, 831, 838, 858, 865, 877 Spermatophragma 395, 775, 776 Spermatophylax 394, 440 Sperm atozoen 357, 363, 385, 395, 759, 792 - dimorph e 387 Sperm atröpfchen 33, 760 Sperm aübertragung 802 Sper mien 383,391 ,395, 440, 451, 455,458,461 - befruchtungsfähige 377 - llagellate 381 - oligopyrene 378 - Übertragung 461 Spermienbündel 391, 771 Spermienkonkurrenz 384, 447, 449, 459,461 Spermienspeicher 395 Spermientransfer 382, 392 Sperm ien-Ultrastruktur 747 Spermienverluste 395 Spermienzahl 380 Spermiocy togenese 378 Spermiohistogenese 378, 380, 387 f Sperrholzprinzip 11 Spezialisationsregel 741 Spezialisten 555 Spezifität 316 f Sphaerite 100, 113, 11 6, 145 f Sphä rulocyten 186 S-Phase 372 Sphinkter 96 Sphragis 395 Spiegelhaare 20, 33, 579, 640, 858 Spinae 64f Spindelebene 19 Spindeltubuli 381 Spinndrüsen 43, 396, 775, 851 Spinndr üsenmündung. unpaare 45 Spinnfäden 33, 43, 103,104 Spinnhaare 32 Spinnröhre 775 Spinn seide 116, 145,469 Spinn sekret 847 Spinosad 684 Spin osyn 681, 684 Spiraltaenidien 168, 170
931
Spiralversteifung 165, 168 Spiromesifen 681, 684 Sporn 20 Sporozoiten 666 Spreitungsschwimmen 570 Springbohnen 572, 861 Springen 240, 242 Spru ngbeine 7, 787 Sprunggabel 70, 240 Sprungleistun gen 241 Sprungverm ögen 651,867 Spurenelemente 110 Spurpheromone 317,319, 483, 486, 622 Spur sekrete 485, 486 Spur substanzen 487 Sputum 660 16S rDNA-Analyse 626 16S RNA 618 12S rRNA 755, 758, 760 staatenbildende Insekten 465, 705 Staatenbildung 786 Stabilisatoren 690 Stachelapp arat 71, 566, 572, 575, 577, 580, 638 Stach elgifte 638 Stachelkammer 842 Stacheln 11 9,480, 511 Stachelrinne 638, 843 Stachelscheide 638, 843 Sta mmart 739 f, 742 Sta mmbaum 745 - Rekonstruktion 737 Sta mmmuskulatur 68 Stammz ellen 18,19,24, 31, 98, 99, 363, 364,379 f Stängelbohrer 502, 560 Stän gelfresser 500 Starrezusta nd 29 statisches Organ 287 Stechapparate 638 Stechborsten 95, 502, 644, 647, 798, 806, 843, 866 Stechborstenbündel 43, 95, I11 r, 807, 867 Stechborstenscheide 71 Stechgewohnheiten 645 Stechrü ssel 647, 651 Stellnetze 851 Stellungshaare 283, 284J, 286-288, 297 Stemmata 328 f, 531, 858, 881 Stemmd orn en 416 Stemmphase 237 Stemmpolster 416, 503 Stemmzapfen 416, 851 Sterberate 703, 705 sterile Männ chen 671 Sterile-Insekten-Technik 698 Sterilisation der Königin 641 Sterilität 402 Sterna , red uzierte 876 Stern aldrü se 485, 486, 638 Sternm inen 503 Stern opleuralregion 65 Sternum 64 Sternzellen 146 f Steroid e 11 9, 318, 576, 584, 586, 621,622,627,826 Steroidh orm one 350 Steroidpyrone 611 Steuermu skulatur 252, 286
932
Sachregister
Steuerungssysterne, einseitige (nichtinteraktive) 711 Stiche 537 Stichkanal 43 Stichreaktionen 43 Stichstellen 642 Stichwirkung 636, 638, 648 Stichwunde 645 Stickstoffexkretion 161 Stickstoffmonoxidsynthase 608 Stickstoffmonoxid (NO) 607f Stielaugen 438 Stift (Scolops) 285 Stiftzelle 295 Stigma 134, 172,180,411 Stigmen 65,68,139,165,168,173, 177, 181 ,182,410 - Öffnen und Schließen 175, 181 Stigmenapparat 172, 182 Stigmenhöfe 16 Stigmenkiemen 179,181 Stigmennarben 880 Stigmenöffnen 175,181 Stigmenpaare 842 Stigmenschließmuskel 134, 182 Stigmenventile 173, 175 Stilette 43 Stinkdrüsen 34, 801 Stipes 54 Stirnapotom 48 Stirnaugen 328 Stirnblase 872, 882 Stirnhaare 288 Stoffstrom 364 Stofftransport I, 83, 185 Stoffwechsel 75, 121 - Reduktion 81 Stoffwechselintensität 87 Stoffwechselprodukte 664 Stoffwechselrate 82 stomatogastrisches System 99, 206, 214 Stomodaeum 92,402,411/ Strahlengang 331,334,336 Streckaktivierung 235, 252 Streckrezeptoren 114, 253 Streifenzylinder 257 Strepsipterenproblem 885 Streptomycin 621,626 Stress 121 Streuung 339 Streuungstextur 12, 102 Strickleiternervensystem 205, 410 Stridulation 290,291,484,575, 787,800 Stridulationsgeräusche 573 Stridulationsmechanismen 289 Stridulationsorgane 483, 771, 793, 826,835 Strömungsreize 288 Strömungswiderstand 288 Strudler 91 Strukturfarben 565, 769 Strukturproteine 16 - Quervernetzung 15 Stürzpuppe 417,861,862 Styli 71, 758, 760, 763 stylopisierte Insekten 553 Stylopisierung 886 Stylus 70, 760 Subalare 65 Subcosta 67
Subcostalader 561 Subcuticula 9 Subelytralraum 178, 823 Subgenae 49 f Subgenalleiste 50 Subgenalnaht 49, 778 Subgenitalplatte 781, 793 Subgenualorgan 290, 524, 774 Subimago 767 Submentum 54 submicrovilläre Cisternen 321, 322 Suboesophagialganglion 214, 347, 349 subsoziale Insekten 774 Substratschall 289,291,483,772 Substratvibrationen 286, 838 subterminaler Porus 25 Subtribus 737 Suchbild 541,564f Suchllüge 445 Suchjäger 521, 529 Südkontinente 729 Sulfakinine 354 Supercoil-Trachee 168, 170 superfizielle Furchung 402,421, 744 superfizieller Keimstreif 408 Superlinguae 51 Superparasitismus 538f, 549f, 595 Superpositionsauge 218, 329, 332, 334,767,769,871 surface coat 123 Suspensorium 50 Süßwasser 138 Süßwasserinsekten 143 Süßwasserkäfer 819 Symbionten 21,93,98, 106, 120, 121, 123,369,375,613,615,616, 617,637 Symbiontenball 375 Symbiontenbiomasse 617 Symbiontenkrypten 98 symbiontische Bakterien 20, 123, 630, 876 symbiontische Einzeller 466 symbiontische Mikroorganismen 110, 113-115 , 119,826 symbiontische Pilze 32, 543 symbiontische Wechselbeziehungen 621 symbiontischer Darmkanal 618 Symbiosen 489,510,512,517,828 - von Ameisen und Blattläusen 490 synanthrope Käferarten 821 Synapomorphie 51,358, 741, 742 synaposematische Fracht 569 Synapsen 209 synaptonemaler Komplex 372 Synchronisierung 459 syncytiales Blastoderm 402, 421, 424 Syncytium 403, 433 Syndese 55 Synergismen 586 Synergisten 682, 687 Syngamie 357,391,395, 398f Synomone 512, 707 Synonyme 736 Synthetasen 368 System DV 375 System T 375
Systematik 735, 737 systemische Gifte 580, 586 systemische Insektizide 679 systemische Wirkung 582, 585f Systole 192f Syzygie 391
T Tabun 683 taches bleux 643 Tachykinine 354 Taenidium 168f Tagfalterblumen 516 Tagmata 47,205,411 ,747 Taillenseptum 194 Taktgeberneurone 609 taktile Sinneshaare 213 Tandeml1ug 393 Tandemlauf 468, 483, 484 Tandemposition 771 Tangentialneurone 217,218 Tannasen 629 Tannenhonig 114 Tannine 29,510,690 Tanzsprache 274,483 Tarnfarbe 565 Tarnkappe 595 Tarnung 560,563,801 Tarsalia 57 Tarsalorgan 290 Tarsenformel 823 Tarsenglieder 16 Tarsus 17, 57 Tasthaare 531 Taurin 622, 623, 695 Täuschblumen 514 Täuschung von Phytophagen 512 Taxa 735 Taxis 256 taxonomische Einheit 736 Tegmina 67, 783, 789, 826 Tegula 67,253,857 Tegumentalnerv 224 Teilareale 675 Teilchenbewegung 292, 294 Teilungsspindel 18,31 Telopoditen 52, 54, 56 Telson 68, 41lf, 759, 762 Temperatur 28, 302 Temperaturabhängigkeit 303 Temperaturänderungen 299 Temperaturanstieg 647f Temperaturantwort 299 Temperaturerniedrigung 299 Temperaturgradient 298, 302 Temperaturregulation 185 - im Bienenstock 87,472 Temperaturreize 302 Temperaturrezeptoren 298 Temperaturschwankungen, saisonale 75 Temperatursinn 304 Tentorialarme 50 Tentorialmuskeln 54 Tentorium 17, 49, 50, 53f tergale Ampullen 197 tergale Wehrdrüsen 592 Tergalorgane 199 Tergalplattenmechanismus 249 Tergo-Trochanter-Muskel 243 Tergum 64f, 66f, 248
Sachregister terminales System 423 f, 433 Terminalfilamente 358 Terminalfilum 359, 763, 767f Terminalganglien 205f,212f Tcrminalia 68 Terminalstrukturen 424 Terminologie 809 Termitenhügel 467, 488 Termitenstaaten 466 Terpene 91,119,510,541 , 583f, 587, 622f - flüchtige 826 Terpenoide 842 Terpinolen 316 Territorialverhalten 446, 712 Territorium 447 Tertiär 508f, 514, 729 Tertiärparasitoide 502,539,551 Testes 357 Tetracyclin 630 (2)-(9)-Tetradecenylacetat 319 (2)-(\ 1)-Tetradecenylacetat 319 Texturen 101 , /02 Thanatose 570, 572 thecogene Zelle 24, 282, 299, 300, 306 thelytoke Arten 632 Thelytokie 389, 827 Theopederine 626 Theorie - der Geschlechtsunterschiede 438 - der Verwandtschaftsselektion 465 Thermik 724 thermo-/hygrosensitive Sensillen 298 thermo-/hygrosensitive Triade 299, 300 thermophile Arten 722 thermoregulatorisches Verhalten 302 thermorezeptive Neuronen 298, 301 Thermorezeptoren 298f, 301,825 Thiamin 622 thigmotaktisches Verhalten 779 Thiocyanat 588 Thoracopode 408, 412 Thorakalganglien 206,214,219 Thorakalsegment 402 Thorakalstigma 176 Thorax 48,55,287,436,753 Thoraxdrüse 41 Thoraxextremitäten 51, 55 Thoraxkieme 181 Thorax stigmen 182 Threitol 87 Tibia 57, 788 Tibialdrüse 486 Tibiotarsalgelenk 755, 758 Tibiotarsus 57 Tiefenschuppen 854 Tiergeographie 721 - histor ische 721, 729 tiergeographische Regionen 728 Tight junctions 212 Tiglinsäure 8 Titillatoren 73 Tochternester, Bildung 483 Tod 419 Todesfälle 648 Togaviren 656, 657 Toluol 630 Tönnchen 416
Tönnchenbildung 14,39 Tönnchenpuppe 417f, 881,882 Tonofilamente 18 tormogene Zelle 18,22,24,281, 300, 306 Torsionskräfte 285 Tospoviren 817 Totalreflexion 336 Totstellreflex 570, 572, 821 Toxaphen 686 Toxine 622,622,638 toxische Verbindungen 595 Toxizität 680 TrabekeIn 21,22 tracheale Wehrdrüsen 579 Tracheen 11, 117, 118, 167,168, 169,172,199,605,608 - Feinbau 170 Tracheenblasen 561,563 Tracheenkiemen 69f, 139,142,166, 177, 413, 415,547,769,774,832, 851 Tracheenstämme 167 Tracheensystem 134, 139, 144, 165, 166, 169, 175, 328,410,428, 761 Tracheentapetum 336 Tracheenventilation 176, 185, 195, 198 Tracheenversorgung 167 Tracheenvolumen 192 Tracheolarzelle 605 Tracheolen 165, 170-172, 180, 605 Tracheolenzellen 171 Trachom 636, 655 trade-off 709 Tragehaltung 484 Trägerfrequenz 291 Tränenflüssigkeit 858 Transduktion 299, 301 transepitheliale Spannung 283 transepitheliales Potential 306 transgene Fliegen 697 transgene Insekten 695, 697 transgene Pflanzen 695 Transitionszone 131 Transkription im Genom 367 Transkriptionsaktivator 423 Transkriptionsfaktor 424 f Transkriptionsfaktoren 420, 422, 424-426,428,433 Transkriptionskapazität 365 Transkriptionsmaschinerie 422 Translationsrepressor 423 Transmitter 208 transovariale Übertragung 657 Transpiration 127, 129f Transpirationsrate 130 Transpirationsschutz 130 Transpirationsverluste 134 transponierbare Elemente 695 Transportaktivität 146f Transportenzyme 150 Transportepithel 99, 134, 136, 142 Transporthemmer 150 Transportmechanismen 150f Transportprotein 121 f, 353 Transportwege 150 Transportwirt 636,821 ,824 Transportzellen 41, 107
933
Transposition 266 Transposons 695,697 transposonvermittelte Transformationen 435 trans-Verbenol 693 transzellulärer Transport 146 Trehalose 3,79-81 ,87, 108, 110, 121, 185 Trehalosespiegel 82 Trehalosesynthase 80 Triacylglycerin 80, 83 Trias 508, 514, 729 Tribus 737 Trichobothrien 651,867 trichogene Zelle 18,22,24,33,281 , 282,300,306 Tricholincitrat 316 Trichome 16,410,512 Trichterfallen 838 Trichterrolle 504 Triflurnuron 641 Triglyceride 122, 579 Trinken 131,136f Tritocerebrum 48,205,211,214, 224,312 Triungulinus-Larve 545,551 -553 , 828, 885 Triver's Theorie 439 Trochanter 57 Trochanterofemur 57 Trochantinus 65 Trockenhabitate 154 Trockenheit 134, 138, 725 Trockenlufttiere 132, 136f, 155 trockenresistente Insekten 131 Trockenrezeptor 299 Trockenstress 134 Troglobionten 753 Trommelorgane 291 Trommelsignale 774 Tröpfchenspermatophoren 392 Trophamnion 407,843 trophisches System 678 Trophobiose 490, 502 Trophocyten 119,121,122,618 Tropismus 256 Trübkörper 769 trypomastigote Form 664 Trypsin 43, 109 Trypsin Modulating Oostatic Factor 351 Tryptophan 27,41 , 110, 162 Tryptophanstoffwech sel 159 Tsutsugarnushi-Krankheit 661 T-System 171 Tubularkörper 24,25,35,281 f, 282,284,301 ,306 Tubu1us 123, 154,1561 Tunicamycin 6 Turgor 139, 185 Tussahseide 858 Tüten 483 Tymbal-Muskel 230 Tymbalorgane 289,291 Tympanalorgane 294f, 296,540, 783, 800, 804 Tympanum 294f Typhus 636, 655, 682 typologisches System 735 Typus 735 Tyrosin 122, 188 Tyrosinase 15, 16, 188,622
934
Sachregister
U Übelkeit 639 Überdruck im Tracheensystem 177 Überempfindlichkeit 43 Überfamilien 737 Überlebensrate 458 Überlebensstrategie 302 Überliegen 416,647,843,845 Überordnungen 737 Überschwemmungsverfahren 647, 671,676 Überträger 636, 657 - von Krankheitserregern 655 - von Malariaerregern 666 - von Viruskrankheiten 804 Übertragung - der Pest 660 - Schlafkrankheit 664 - von Bakterien 659 - von Filarien 667 - von Flagellaten 663 - von Fleckfieber 662 - von Krankheiten 637 - von Krankheitserregern 636 - von Leishmania-Arten 663 - von Malaria 665 - von Rickettsien 661 - von Spirochaeten 662 - von Viren 655 Übervölkerung 725 Überwachung 690 Überwinterung 480,646,649, 726f, 804, 862 Ubiquisten 722 Ubx-Regulation 436 UDP-GlucNAc 4 UDP-Glucose 79, 122 Ultrafilter 123 Ultrafiltration 116, 156 Ultraschallbereich 291,297 Ultrascha11laute von Fledermäusen 837 Umgebungsfeuchte 129, 131 Umgebungstemperatur 28 Umkehr der Geschlechterrollen 439 Umwachsungsgallen 506 Umweltmerkmale 513 Umweltstruktur 704 Umwelttemperatur 87 Ungezieferwahn 640 Unguis 57 Unguitractor 57 f unirame Extremitäten 434 United States Department of Agriculture (USDA) 674 Unkrautbekämpfung, phytophage Insekten 677 Unkrautvertilger 821 Unspezifität 687 Unterdruck 175 Unterfamilien 737 Unterkiefer 51 Unterlippe 49, 51, 54 Unterordnungen 737 Unterschlundganglion 41,48, 205f, 211 f, 214, 215, 224, 312 unverdauliche Nahrungsreste 118 Unverträglichkeit 636 Urania-Typ 854 Urat 121, 151, 159, 162 Uratkristalle 605
Uratzellen 119,123,159 urbanes Gelbfieber 658 Urease 622 Ureotelie 161 Ureter 151 Urgeschlechtszellen 357, 359, 363, 379,404 Urica se 622 Uricotelie 161 uricotelische Insekten 161 Urocyten 120, 156 Utriculi majores 156 UV-Anteil des Lichts 339 UV-Empfindlichkeit 327 UV-Reflexion 339
V Vagina 358, 362, 396 Vakuolen 121 Valvifer 71 Valvula - cardiaca 92, 96, 97, 107, 876 - pylorica 115f - rectalis 118 Valvulae 71, 793 van der Vecht'sches Organ 575/ Vancomycin 630 Variabilität der Nachkommenschaft 455 Vas deferens 378 Vasa - deferentia 72, 378 - efferentia 378 V-ATPase 151 Vektoren 636, 657 Vektorkomeptenz 658 Vektornavigation 265 Ventilapparat 842 Ventilation 173, 174, 176, 182 Ventilationsbewegungen 134, 167, 175, 181 - diskontinuierliche 180, 192 VentilationselTekte 175 Ventilationsrate 182 Ventilationsschübe 134 Ventile 95, 97, 116, 118, 165,172, 173, 19lf, 197 - der Stigmen 172 Ventilmechanismus 176 Ventraldrüsen 348 ventrales Diaphragma 185,193, 779 ventrales viscerales System 206, 226 Ventralsäckchen 776 Ventraltubus 70,136,755 Ventricularganglion 225 Verbenon 316,622,693 Verbindungsneuron 217 Verbreitung 725 - allopatrische 722 - sympatrische 722 - von Köcherfliegen 723 Verbreitungsgebiet 721 Verdauung 75,91 - alloenzymatische 114f Verdauungsenzyme 108,621 ,622, 838 Verdriftung 721, 724, 767 Verdunstung 303 Verdunstungskühlung 132 Verdunstungsschutz 173
verflüssigte Nahrung 92 Os-verfügbarkeit 607 Vergiftungserscheinungen 638 verhaltensmodifizierende Naturstoffe 622 Verhaltensschwelle 313 Verlausung 642 Verletzungen 188,596 Verletzungsrisiko 455 Vermehrungsfaktor 703 Vermehrungsperiode 363,379 Verpilzung 457, 459 Verpuppung 119,416,861 ,881 Verpuppungsort 860 Verpuppungsphase 116 Verschleppung von Krankheitserregern 656 Verschlusseinrichtung 97, 173 Verschlusspropf 43 Vertebraten , Insektenfresser 555 Verteidigung - chemische 510 - von Ressourcen 441 - von Weibchen 441 Verteidigungsverhalten 458 Vertex 48 Verwandtschaftsselektion 465 Verwandtschaftsverhältnisse 737, 743 Verweiblichung 631 Verwirrtechnik 692, 693 Verwundungen 593 Verzweigungsschema 739 Vesicula seminalis 378, 391 Vesikel 40, 119,346 Vestibulum 168 Vibration 289, 483, 834 Vibrationsorientierung 260 Vibrationssignale 291,831 Virämie 657 Viren 188,655,671 - insektenpathogene 595 Virginoparae 809 Virulenz-Gene 518 Viruskrankheit 659 Virusrezeptoren, spezifische 657 Virus-RNA 657 viscerales Nervensystem 206,211, 225 visuelle Orientierung 540 visuelle Zentren 218,219 visuelles Neuropil 217 Vitamine 621,622,626,630, 826 Vitellarium 359,361 Vitellin 86, 121 Vitellinmembran 369, 370j, 373, 373 Vitellogenese 364, 367 Vitellogenin 86f, 121,367 - Synthese 352 Vitellophagen 402,406 vivipare Arten 793 Viviparie 420,809,827,877,885 Vögel 565 Vogelblumen 514 Vogelblut 646 Vogelkotmimese 591 Volterra-Prinzip 711 Vorderbeinpumpe 196 Vorderdarm 49, 92, 93, 95 Vorderdarmanlage 402
Sachregister Vorderflügel 68 - reduzierte 872 Vorderpolbereich 373,374, 375 Vordertarsen, Drüsensekret 460 Vorkerne 400 - weibliche 399 Vorpuls 191, 193 Vorpulsperiode 198,200 Vorpuppe 868 Vorratsbehälter 96 f, 474 Vorratsfütterung 471 Vorratsschädlinge 131,679,791 Vorzugstemperatur 641 f
W Waben 470, 576 Wabenbau 38 Wabenteller 471 Wabentextur 102 Wachs 30,35, 37f, 115,472,473, 474, 81Of, 813 Wachsabscheidungen 15,28,37, 572, 808, 810 Wachsausblühungen 10f Wachsdrüsen 35f, 37,38,39,813 Wachsester 8 Wachsfilamente 131 Wachskanäle 11, 12, 31 Wachsschicht 8, 10, 15, 139, 370, 784 - Zerstörung 11 Wachsspiegel 38, 39 Wachstum 413 Wachstumsfaktoren, räumliche Dichteabhängigkeit 704 Wachstumsperiode 364, 378, 379 Wachstumsphase 368 Wahlverhalten 452, 454 Wahrnehmung 91 - von Luftströmungen 651 - von UV-Licht 339 Waldbrände 301 Waldhonig 114,490 Waldmücken 647 Waldsilhouetten 513 Wallacea 728, 729, 731 Wallace-Linie 731 Wanderflüge 270, 787 wandernde Arten 725 Wanderraum 722 Wanderschwärme 726 Wanderungen 131,648,721 f, 726, 729f, 732, 857, 862 Wanderungsgeschwindigkeit 732 Wanderverhalten 725 f Wandporen 24 Wärmevermittler 185 Warmzeiten 730 Warmzelle 298 Warnfärbung 566,568,586,591, 781 Warngeräusche 566, 568 Warngerüche 566, 568, 585 f Warnsignale 564, 566, 602 Warntrachten 511 Wasser, Eintragen 488 Wasserabgabe 131,174 Wasseraufnahme. Mechanismem 134 Wasserausbeute 138 Wasserausscheidung 202
Wasseraustausch 134 Wasserbedarf 154 Wasserdampf 134 Wasserdampfabsorption 134, 154 Wasserdampfausstrom 175 Wasserfluss 106 Wassergehalt 12, 16, 127 - der Nahrung 136 Wassergewinn 129 Wasserhaushalt 118, 127, 128, 129, 138 - hormonelle Regulation 354 - Regulation 11, 41, 92, 118, 354 Wasserinsekten 143 Wassermangel 151 Wasserpflanzen, Aerenchym 178 Wasserrezeptoren 300, 305f, 315, 316 Wasserstatus 134 Wasserstress 159 Wasserströmungen 723 Wassertransport 153, 172 Wasserüberschuss 154 Wasserverlust 129,131,134,175 - respiratorischer 133, 134 Wasserversorgung 138 Weber-Linie 731 Wehrdrüsen 119,560, 576f, 578, 587-590, 757, 759, 781 - abdominale 589f - tergale 592 Wehrdrüsenmembran 589 Wehrsekrete 91,485,559, 572f, 577, 583, 586, 789, 845 Wehrstachel 362, 843 Wehrstoffe 585, 826 Weibchen 460, 446, 448, 451, 544, 773,778,782,810 Weibchengesang 445 Weibchenlockstoff 309 Weibchen-Polymorphismus 569 Weibchenwahl 450-455, 459 Weichseleiszeit 731 Weichselzopf 643 Weidenarten 845 Weiselfuttersaft 480 Weiselwiegen 472 Weismann 123 Weizenkeim-Agglutinin (WGA) 3 welke Blätter 561 Wellenlänge 294, 339f Wellenleiter 331 Wendereaktion 261 Wespenlarven, hungrige 483 Wespentaille 68,841 Widerhaken 20 Wiesenmücken 647 Wildrose 845 Windgeschwindigkeit 289 Windhaare 253 Windrezeptoren 292 Windrichtung 288 Windsinnesorgane 289 Windstr ömung. Perzeption 289 Winkelauflösung 330 f, 334 Winkelbeschleunigungen 286 Winter 726 Wintereier 480, 808 Winterquartier 646 Winterruhe 646 Wintertraube 488 Winterwirte 502, 809
935
Wirbeltierblut 616 Wirkstoffe 591 Wirt -Parasit-Verhältnisse 636 Wirtseignung 513 Wirtsentwicklung 548 Wirtsfindung 513, 543 Wirtsinsekten 298,616 - Abwehrsysteme 595 Wirtskönigin 495 Wirtsrassenbildung 509 Wirtsspektrum 509 Wirtsspezifität 547, 637, 678 Wirtssuche 540, 675 Wirtswahl 513,710 Wirtswechsel 637,666 Witterungsereignisse 706 Wohn- und Fressgemeinschaft 860 Wohngespinst 43 Wohnraum 722 Wohnröhren 33, 119, 850 Wolhynisches Fieber 662 Wolle 115 Wundheilung 597 Wundpfropf 188 Wundreparatur, cuticulare 15 Wundverschluss 185, 187,597 Würmeiszeit 731 Wurzelbohrer 502 Wurzel fresser 500 Wurzelgallen 846 Wüstenhabitate 130
x Xanthopterin 27 X-Chromosom 400 XlO-Typ 400 Xylan asen 622,627 Xylem 1 11, 502 Xylemsaft 112f, 154 Xylemsauger 111 Xylol 630 Xylophage 161,819
y Y-Chromosom 400 Yellow Jack 659 XlY-Typ 400
z Zahn bildungen 97 Zähnchen 290,291 Zangen 779 Zeichnungsmuster 28, 854 zeitliche Dichteabhängigkeit von Wachstumsfaktoren 703 Zellatmung 185 Zellbrücken 380, 382 Zellen - ausdiffernzierte 98 - undifferenziert gebliebene 416 Zellhaften I , 124 Zellsaft l1I Zellschichten 429 Zelltypen 146 zelluläre Abwehr 594f zelluläres Blastoderm 403f,421 Zellwand 595 Zementschicht 11, 15 Zentralhirn 215
936
Sachregister
Zentralisation 205 Zentral komplex 215,218f, 220
Zentralkörper 215,219f Zentralnervensystem (ZNS) 48, 206,210,215,410,430 Zentraltubuli 383,386 Zentralzellen 41 Zentralzylinder 383, 385 Zersetzer 489 Zickzackllug 445 Zielorgane 351 Zink 8,100 Zirpen 290
ZNS, siehe Zentraln ervensystem Zoologie, vergleichende 433 zoophage Arten 456 Zucker 154 Zuckerrezeptoren 105 Zuckerrübe 618 Zuwachsrate 702f Zweillügeligkeit, physiologische 801, 804, 808, 839, 856 Zweige 561 zweigeschlechtliche Generation 389 Zweigmimikry 29, 565 Zweiweg-Ostien 192, 193
Zwischenhäutungs phase 12, 131 , 157 Zwischenträger von Krankheitserregern 655 Zwischenwirte 491,636 Zwitterbienen 401 Zwittertum 388, 877 Zyanidresistenz 583 Zygote 399, 667 Zygotenkern 403 zygotische Determination 432 zyklische Dichteschwankungen 715 zyklisches Guanosinmonophosphat 312