Springer-Lehrbuch
Rolf Mahnken
Lehrbuch der Technischen Mechanik - Dynamik Eine anschauliche Einführung
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Prof. Dr.-Ing. Rolf Mahnken, M.Sc. Universität Paderborn Fakultät für Maschinenbau Institut für Prozess- und Werkstofftechnik Lehrstuhl für Technische Mechanik Warburger Straße 100 33098 Paderborn Deutschland
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ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-540-36040-7 e-ISBN 978-3-540-36041-4 DOI 10.1007/978-3-540-36041-4 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Nahezu jede Konstruktion im Maschinenbau erf¨ahrt Bewegungen und dynamische Beanspruchungen, wof¨ur das Automobil ein allgegenw¨artiges Beispiel ist. In den t¨aglichen Nachrichten werden wir immer wieder mit Meldungen konfrontriert, in denen uber ¨ den Einsturz von Baukonstruktionen infolge von Ersch¨utterungen bei Erdbeben berichtet wird. Eine eingehende Besch¨aftigung mit Bewegungen und dynamischen Beanspruchungen ist f¨ur Studierende vieler Ingenieurbereiche also von grunds¨atzlicher Bedeutung, um die Sicherheitstechnik im sp¨ateren Berufsleben verantwortungsvoll umsetzen zu k¨onnen. Das vorliegende Buch richtet sich somit insbesondere an Studentinnen und Studenten der Fachrichtungen Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Technomathematik, Ingenieurinformatik, Mechatronik, Verfahrenstechnik und Lehramt sowie an Ingenieure in der beruflichen Praxis, die sich mit dynamisch beanspruchten Strukturen besch¨aftigen. Entsprechend wird die Dynamik starrer K¨orper umfassend behandelt. Zum Verst¨andnis des Buches werden die Grundlagen der Statik starrer K¨orper und der Festigkeitslehre vorausgesetzt. Das Buch ist aus gleichnamigen Vorlesungen entstanden, die der Autor im Wintersemester 1996/97 an der Universit¨at Hannover f¨ur Studenten des Bauingenieurwesens gehalten hat und seit dem Wintersemester 2002/03 an der Universit¨at Paderborn f¨ur Studenten des Maschinenbaus und der Technomathematik h¨alt. Dabei wurden und werden auch weiterhin die unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkte der verschiedenen H¨orerkreise ber¨ucksichtigt. Sie sind in dieses Buch eingegangen und tragen zu der umfassenden Darstellung der Dynamik starrer K¨orper bei. Besonders bedanken m¨ochte ich mich bei den Mitarbeitern des Lehrstuhls f¨ur Technische Mechanik, Universit¨at Paderborn, Herrn Dr.-Ing. Stefan Neumann, Herrn Dipl.-Ing. Manuel Hentrich, Herrn Dipl.-Ing. Stefan Wilmanns und Herrn Dipl.-Ing. Kim Sauerland ¨ f¨ur die Unterst¨utzung bei der Erstellung der Ubungsaufgaben. Des Weiteren sei den Hilfsassistenten Kai-Uwe Widany, David Wuttke, Vera Caylak und Jan Kohlhoff bei der Bear¨ beitung der Ubungsaufgaben und der Durchsicht des Skriptes gedankt. Den Gra¿kern Herrn Kai Yang und Herrn Qiang Xu sowie der Gra¿kerin Frau Ilka Crimi sei f¨ur die sorgf¨altige Anfertigung der anschaulichen Abbildungen gedankt. F¨ur die freundliche Bereitstellung von Bildmaterial bedanke ich mich bei dem Mercedes-Benz Werk Sindel¿ngen sowie der Firma ALSTOM (Schweiz) AG, Baden, Schweiz. Dem Springer Verlag und insbesondere Frau Eva Hestermann-Beyerle m¨ochte ich f¨ur die gute Zusammenarbeit danken.
Paderborn, im Juni 2009
Rolf Mahnken
Inhaltsverzeichnis
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Aufgabenstellungen der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Einige Meilensteine in der Geschichte der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Einteilung und Inhalte des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Ziele des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 5 6
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Die Kinematik des Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Integrationsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Die sechs Grundaufgaben der Punktkinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Aufgaben zu Abschnitt 2.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Raumfeste kartesische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Nat¨urliche Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Zusammenfassung zu den verschiedenen Koordinatensystemen . . . . . . 2.2.6 Aufgaben zu Abschnitt 2.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen . . . . . . . . . . 2.3.1 Kreisbewegungen um feste Achsen in mitrotierenden kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Kreisbewegungen um momentane richtungstreue Achsen . . . . . . . . . . . 2.3.3 Kreisbewegungen um momentane Achsen mit Richtungs¨anderungen . 2.3.4 Aufgaben zu Abschnitt 2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 9 14 16 21 26 26 28 31 37 45 46 51
Kinetik des Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die drei Newtonschen Axiome der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Vektorielle Formulierung des dynamischen Grundgesetzes und Ersatzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Das dynamische Grundgesetz in raumfesten kartesischen Koordinaten
69 69 71
3
51 55 59 64
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Inhaltsverzeichnis
3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7
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L¨osungsschritte f¨ur Aufgaben der Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gef¨uhrte Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das dynamische Grundgesetz in Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . Das dynamische Grundgesetz in nat¨urlichen Koordinaten . . . . . . . . . . . Das dynamische Grundgesetz in mitrotierenden kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 Zusammenfassung zu den verschiedenen Koordinatensystemen . . . . . . 3.2.9 Aufgaben zu Abschnitt 3.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Kraftgesetze der Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Einteilung von Kr¨aften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Das lineare Kraftgesetz f¨ur Federn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Das lineare Kraftgesetz f¨ur D¨ampfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Das Reibungsgesetz nach Coulomb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Der Rollwiderstand am Rad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Kraftgesetze f¨ur Bewegungen in einem Àuiden Medium . . . . . . . . . . . . 3.3.7 L¨osungen f¨ur geschwindigkeitsabh¨angige Beschleunigungen . . . . . . . . 3.3.8 Das Gravitationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.9 Die Keplerschen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.10 Aufgaben zu Abschnitt 3.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Das Prinzip von d’Alembert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Kr¨afte- und Momentengleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Zentrifugalkr¨afte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Aufgaben zu Abschnitt 3.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74 78 79 82 84 85 85 89 89 90 90 91 92 94 97 100 103 106 110 110 111 113
¨ den Massenpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . Der Arbeitssatz und der Energiesatz fur 4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Vorbetrachtungen zum Arbeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Berechnung der Arbeit im allgemeinen Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Das Arbeitsdifferenzial in raumfesten kartesischen Koordinaten . . . . . 4.1.4 Das Arbeitsdifferenzial in Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Das Arbeitsdifferenzial in nat¨urlichen Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Das Arbeitsdifferenzial in mitrotierenden kartesischen Koordinaten . . 4.1.7 Leistung und Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.8 Arbeit und Leistung bei einer Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.9 Aufgaben zu Abschnitt 4.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Arbeitssatz f¨ur den Massenpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Herleitung des Arbeitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Aufgaben zu Abschnitt 4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Kr¨afte mit und ohne Potenzialeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Potenzialfunktionen f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Herleitung des Energiesatzes f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte . . . . . . . . . 4.3.4 Der Energiesatz f¨ur beliebige Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Aufgaben zu Abschnitt 4.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115 115 115 116 118 118 118 119 125 127 128 132 132 133 134 134 135 137 138 141
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4.4 Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Eigenschaften von Potenzialkr¨aften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Der Energiesatz f¨ur Potenzialkr¨afte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Aufgaben zu Abschnitt 4.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147 148 151 152
Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Kinematik des Massenpunktsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Kinematische Gr¨oßen des Schwerpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Die Winkelgeschwindigkeit des starren Massenpunktsystems . . . . . . . 5.1.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Grundlagen der Kinetik f¨ur das Massenpunktsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Der Schwerpunktsatz f¨ur das Massenpunktsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Vektorielle Formulierung des Schwerpunktsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Der Schwerpunktsatz in verschiedenen Koordinatensystemen . . . . . . . 5.3.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Der Momentensatz f¨ur das Massenpunktsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Der Momentensatz mit dem Beschleunigungsvektor . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Der Momentensatz mit dem Drehimpulsvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Der Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in der Ebene . . . . . . . . . 5.5.1 Herleitung der skalaren Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 L¨osungsschritte bei Verwendung des Momentensatzes . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Der Momentensatz f¨ur die Rotation des starren Massenpunktsystems um eine feste Achse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Herleitung der skalaren Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Bedingungen f¨ur einen idealen Rotor und Auswuchten . . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur das Massenpunktsystem . . . . . . . . . . . 5.7.1 Herleitung des Arbeitssatzes und des Energiesatzes . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 Der Energiesatz f¨ur das starre Massenpunktsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.3 Die kinetische Energie f¨ur das starre Massenpunktsystem . . . . . . . . . . . 5.7.4 Aufgaben zu Abschnitt 5.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 155 155 158 162 163 165 165 166 168 169 169 170 172 172 176 179
Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Der starre K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die ebene Bewegung, Translation und Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Translation und Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Rollen und Gleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Der momentane Geschwindigkeitspol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.4 Regeln zur Bestimmung von Geschwindigkeiten und des Geschwindigkeitspols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5 Rastpolbahn und Gangpolbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.6 Der momentane Beschleunigungspol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201 201 202 205 205 209 211
182 182 186 189 191 191 194 195 198
212 214 217
X
Inhaltsverzeichnis
6.4 6.5
6.6
6.7
6.8
7
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6.3.7 Relativbewegungen in rotierenden Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.8 Aufgaben zu Abschnitt 6.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Massentr¨agheitsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Massentr¨agheitsmomente f¨ur einfache K¨orper bez¨uglich der Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Massentr¨agheitsmomente bei Verschiebung der Achsen: Der Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Aufgaben zu den Abschnitten 6.4 und 6.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rollen und Gleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Aufgaben zu Abschnitt 6.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Energiesatz f¨ur den starren K¨orper in der ebenen Bewegung . . . . . . . . . . . 6.7.1 Formulierung des Energiesatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.2 Aufgaben zu Abschnitt 6.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.1 Aufgaben zu Abschnitt 6.8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217 220 225 228 228 231 236 238 238 240 243 243 246 247 249 251 251 253 253 254
Grundlagen der Rotordynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Der Schwerpunktsatz und der Momentensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 De¿nitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Auf¿nden von Hauptachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Massentr¨agheitsmomente f¨ur einfache K¨orper bez¨uglich der Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Massentr¨agheitsmomente bei Parallelverschiebung der Koordinatenachsen: Der Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5 Massentr¨agheitsmomente bei Verdrehung der Koordinatenachsen . . . . 7.2.6 Bedingungen f¨ur einen idealen Rotor und Auswuchten . . . . . . . . . . . . . 7.3 Arbeit, Energie, Leistung, Drehimpuls und Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Aufgaben zu den Abschnitten 7.1 bis 7.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Die kritische Drehzahl von Rotoren mit biegeelastischer Welle . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Der Laval-L¨aufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 7.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
260 262 266 269 271 277 277 279
Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper . . . . . . . . . 8.1 Kinematik der Relativbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Zeitableitungen im bewegten Bezugssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Der Winkelgeschwindigkeits- und der Winkelbeschleunigungsvektor . 8.1.3 Aufgaben zu Abschnitt 8.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Kinematik im Raum mit Euler Winkeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Erkl¨arung der Euler Winkel an einem Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Beschreibung rotierender Bezugssysteme mit Euler Winkeln . . . . . . . . 8.2.3 Aufgaben zu Abschnitt 8.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281 282 282 285 288 291 291 292 296
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Inhaltsverzeichnis
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XI
8.3 Kinetik starrer K¨orper im Inertialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Der Schwerpunktsatz f¨ur den starren K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Der Momentensatz f¨ur den starren K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Alternative Herleitung des Momentensatzes f¨ur ebene Bewegungen . . 8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Der Schwerpunktsatz in bewegten Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Der Momentensatz in bewegten Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Koordinatendarstellungen des Momentensatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.4 Die permanente, stabile Verdrehung des momentenfreien Kreisels . . . . 8.4.5 Aufgaben zu Abschnitt 8.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Der Fall Ω = ψ˙ + θ˙ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Der Fall Ω = ω . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 8.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297 297 298 299 300 300 304 305 311 313 318 318 320 323
Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz f¨ur den starren K¨orper . . . . . . . . . . . 9.1.2 Impuls- und Impulserhaltungssatz f¨ur das System starrer K¨orper . . . . . 9.1.3 Aufgaben zu Abschnitt 9.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz f¨ur den starren K¨orper . . 9.2.2 Der Drehimpulssatz f¨ur den starren K¨orper mit Drehung um eine Hauptachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Der Drehimpulssatz f¨ur ebene Bewegungen des starren K¨orpers . . . . . 9.2.4 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz f¨ur das System starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.5 Aufgaben zu Abschnitt 9.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Der Stoß starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Begriffe zum Stoß und Einteilung des Stoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Annahmen zum Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Der gerade zentrische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.1 Voraussetzungen zum geraden zentrischen Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.2 Erster Sonderfall: Der elastische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.3 Zweiter Sonderfall: Der plastische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.4 Allgemeiner Fall: Der elastisch-plastische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.5 Aufgaben zu Abschnitt 9.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Der exzentrische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5.1 Formulierung des Impuls- und des Drehimpulssatzes . . . . . . . . . . . . . . . 9.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 9.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
329 329 329 331 333 336 336 337 337 339 341 344 344 346 347 347 348 348 349 356 359 359 364
XII
Inhaltsverzeichnis
10 Grundlagen der Schwingungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Einteilung von Schwingungen nach verschiedenen Merkmalen . . . . . . . . . . . . 10.2 Einteilung von Schwingungen nach dem zeitlichen Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 10.3 Die Zeigerdarstellung und die Uberlagerung von Schwingungen . . . . . . . . . . . 10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Schwingungsbewegungen starrer K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Ersatzsysteme elastischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.3 Ersatzfedern bei Federschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Vertikale Schwingungen starrer K¨orper im Schwerefeld . . . . . . . . . . . . 10.4.5 Pendelschwingungen starrer K¨orper im Schwerefeld . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.6 Pendelschwingungen des federgelagerten starren K¨orpers im Schwerefeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.7 Energiebetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.8 Aufgaben zu Abschnitt 10.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Die Normalform f¨ur freie ged¨ampfte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Starke D¨ampfung mit D > 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.3 Grenzd¨ampfung mit D = 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.4 Schwache D¨ampfung mit D < 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.5 D¨ampfung durch trockene Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.6 Schwingungen des feder- und d¨ampfergelagerten K¨orperpendels . . . . . 10.5.7 Aufgaben zu Abschnitt 10.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.1 Vier F¨alle mit periodischen Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.2 Vereinheitlichte L¨osung f¨ur die ged¨ampfte Schwingung mit Anregung 10.6.3 Schwingungen um die statische Ruhelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.4 Tabellarische Zusammenfassung der L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.5 Erzwungene unged¨ampfte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.6 Ergebnisse f¨ur die Beispiele aus Abschnitt 10.6.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.7 Aufgaben zu Abschnitt 10.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369 370 372 374 376 376 378 380 383 384
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1 Grundlagen der Vektorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.1 Rechenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.2 Vektorbasis und Basisdarstellung von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.3 Basiswechsel in der Ebene und Koordinatentransformation . . . . . . . . . . A.2 Beweis der Gleichungen (4.51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3 Herleitungen zum Abschnitt 8.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.4 L¨osungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.5 Lehrprogramme mit verschiedenen Schwerpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425 425 426 428 429 430 431 433 441
A
385 387 388 393 393 394 395 396 401 403 404 406 406 408 410 411 413 415 420
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellungen der Dynamik Das Schaukeln eines Kindes, die Beschleunigung eines Motorrades, der Looping eines Achterbahnwagens, die Fahrt einer Magnetbahn auf der Schnellstrecke, die Bewegung eines Industrieroboters, die Bewegung eines Elektrons im elektrischen Feld: Dieses sind Beispiele f¨ur Bewegungen, die uns in Freizeit, Sport und Beruf t¨aglich begegnen. Derartige Vorg¨ange, von denen einige in Abb. 1.1 dargestellt sind, verlangen nach Erkl¨arungen. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Ursachen h¨au¿g Kr¨afte und Momente sind. Ein stehender Handwagen wird durch eine ,,Zugkraft” beschleunigt, ein fahrender PKW wird durch eine ,,Bremskraft” zum Stillstand gebracht und die Bewegung von Rotoren ist Folge des ,,Antriebsmomentes”.
Abb. 1.1. Beispiele f¨ur Bewegungen einer Schaukel, eines Wagens im Achterbahnlooping, eines Robotersarmes
Umgekehrt k¨onnen Bewegungen Kr¨afte verursachen. F¨ahrt ein PKW mit hoher Geschwindigkeit in einer Kurve, so erfahren die Insassen eine nach außen gerichtete Fliehkraft. Die Fahrt des in Abb. 1.1 dargestellten Achterbahnwagens hat sehr komplexe Kraftwirkungen sowohl f¨ur die Fahrg¨aste als auch f¨ur die Stahlkonstruktion zur Folge. In der Rotorindustrie ist die Kenntnis von dynamischen Lagerkr¨aften an den rotierenden Systemen wichtig. Diese sind unerw¨unscht, da sie zu Ger¨auschentwicklungen und langfristig zu Verschleiß an
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1 Einleitung
den AuÀagern f¨uhren k¨onnen. Aus diesen und weiteren Beobachtungen ergeben sich zahlreiche Aufgabenstellungen f¨ur den in der Praxis t¨atigen Ingenieur, wie zum Beispiel: • • • • • • • • •
Bestimmung von Kr¨aften und Momenten infolge von Bewegungen einer Konstruktion, Bestimmung von Auslenkungen einer Konstruktion infolge von Kr¨aften und Momenten, Untersuchung der Resonanz bei schwingenden Systemen (z.B. Br¨ucken und Rotoren), Untersuchung der Dauerfestigkeit und Ermittlung der maximalen Auslenkung bei wechselnder Beanspruchung, Ermittlung von mechanischen Gr¨oßen wie verrichtete Arbeit, gespeicherte und freigesetzte Energie, Leistung sowie Wirkungsgrad, Anbringen von Massen zum Auswuchten bei rotierenden Systemen, Bestimmung der kritischen Drehzahl bei biegeelastischen Rotoren, z.B. dem LavalL¨aufer, Untersuchung von Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen (z.B. Dummypuppe oder Crashbox) beim PKW-Unfall, Bestimmung des Kreiselmomentes, z.B. an der Radachse eines PKWs in der Kurvenfahrt.
¨ Bei der Planung und Entwicklung, bei der Uberpr¨ ufung w¨ahrend des Betriebes und bei Inspektionen von technischen Konstruktionen m¨ussen diese Aufgabenstellungen von dem Ingenieur einwandfrei bearbeitet werden, so dass Sch¨aden f¨ur Personen, die Konstruktionen und die Umwelt ausgeschlossen bleiben. Dazu sind Kenntnisse aus verschiedenen ingenieurwissenschaftlichen Gebieten und der Technischen Mechanik notwendig. Hierzu geh¨ort auch ein Verst¨andnis der Wechselwirkungen zwischen Bewegungs- und Kraftgr¨oßen. Dass diese bereits f¨ur vergleichsweise einfache K¨orper komplex sein k¨onnen, macht beispielhaft ein Versuch mit dem Gyroskop in Abb. 1.2 deutlich. H¨alt man den sich drehenden K¨orper in der Hand und versucht, die Achse in eine gewisse Richtung zu bewegen, dann neigt sie dazu, sich in eine dazu senkrechte Richtung zu bewegen. Allgemein kann man feststellen, dass ein Kreisel bei einer Kraft- oder Momentenwirkung immer senkrecht zu der Richtung ausweicht, welche die Statik erwarten Abb. 1.2. Wechselwirkung zwischen Kraft l¨aßt. Diesen verbl¨uffenden Effekt beund Bewegung beim kreiselnden Gyroskop zeichnet man als Pr¨azession. Umgekehrt erf¨ahrt bei einer erzwungenen Pr¨azession der Kreisel ein sogenanntes Kreiselmoment. Dieser ebenso bemerkenswerte Effekt stellt sich z.B. bei dem drehenden Rad eines PKWs in der Kurvenfahrt ein und ruft eine zus¨atzliche Belastung der Radachse hervor. Die Erkl¨arung von Bewegungen ist also allein mit ,,statischem Denken” nicht m¨oglich, sondern erfordert dar¨uber hinausgehende Kenntnisse zur
1.2 Einige Meilensteine in der Geschichte der Dynamik
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• Kinematik: Lehre von Bewegungen ohne Ber¨ucksichtigung von Kr¨aftewirkungen und • Kinetik: Lehre von Kr¨aften und Bewegungen. Die Kinetik steht in Erweiterung zur Statik, die sich mit dem Kr¨aftegleichgewicht an nicht beschleunigten K¨orpern besch¨aftigt. Beide zusammen bilden die Dynamik, die sich mit der Wirkung von Kr¨aften befasst1 .
1.2 Einige Meilensteine in der Geschichte der Dynamik Die Erkl¨arung von Bewegungen war bereits in der Antike f¨ur die Gelehrten eine Herausforderung. Beispielsweise hat Aristoteles (384-322 v. C.) den Bahnverlauf des schr¨agen Wurfes behandelt. Nach seinen Lehren setzt sich dieser, wie f¨ur das Wurfgeschoß in Abb. 1.3.a dargestellt, aus drei Abschnitten zusammen: einer gerade ansteigenden Linie in Abschussrichtung, einem gekr¨ummten Kurvenst¨uck und einer senkrecht nach unten gerichteten geraden Linie. Als Ursache der ersten Phase wird eine ,,vis viva”, eine lebendige Kraft, angenommen, die schließlich ,,erlischt”, so dass der K¨orper in einer Kurve zu Boden f¨allt. Eine weitere, aus heutiger Sicht unhaltbare, Lehre von Aristoteles besagte, dass die Gesetze f¨ur Bewegungen im Himmel grundlegend anders als auf der Erde sind. Obwohl diese und andere Lehren h¨au¿g Widerspr¨uche aufkommen ließen, sollte es noch fast 2000 Jahre dauern, bis f¨ur die Gegenwart g¨ultige, wissenschaftlich begr¨undete Gesetze entwickelt worden sind.
Abb. 1.3. Wurfbewegungen: a) Drei Phasen nach Aristoteles, b) Wurfparabel nach Galilei
Zur mathematischen Beschreibung der Wurfbewegung hat Galileo Galilei (1564 - 1642) einen auch heute h¨au¿g verwendeten Ansatz eingef¨uhrt, indem er die komplexe Gesamtbewegung in einfache Teilbewegungen, in diesem Fall zwei Bewegungen, zerlegt hat: eine vertikale mit Beschleunigung und eine horizontale ohne Beschleunigung. Als Ergebnis seiner Untersuchungen erhielt er die in Abb. 1.3.b dargestellte Wurfparabel. 1
Diese Aufteilung wird vor allem in der Technischen Mechanik gebraucht. In der Physik wird dagegen meist der Ausdruck Dynamik statt Kinetik verwendet.
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1 Einleitung
Galilei war auch Experimentator im modernen Sinn, der anhand von Versuchen die Kinematik der (geradlinigen) Fallbewegung intuitiv richtig beantworten konnte. Aus der Beobachtetung, dass K¨orper unterschiedlicher Masse ,,gleich schnell” fallen, leitete er das zugeh¨orige Weg- ZeitGesetz ab. Außer Beitr¨agen zur Kinematik hat Galilei im Jahre 1638 mit der Formulierung des Tr¨agheitsgesetzes einen wichtigen Beitrag zur Kinetik geliefert, auch wenn er die Ursache von Bewegungen noch nicht endg¨ultig erkl¨aren konnte. Den historisch wichtigsten Beitrag zu dieser und anderen Fragestellungen der Physik hat Newton im Jahre 1687 mit dem Buch Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (Die mathematischen Prinzipien der Naturlehre) geleistet. Es gilt auf Grund mehrerer bahnbrechender Ans¨atze als eines der wichtigsten B¨ucher aller Zeiten. Außer den drei ber¨uhmten Newtonschen Axiomen werden z.B. eine Theorie der Gezeiten und das Gravitationsgesetz vorgestellt. Damit war Newton der Erste, der f¨ur die Erde und den Himmel g¨ultige Bewegungsgesetze formulierte und wesentlich zur Abkehr von der bis dahin allgemein anerkannten Lehre von Aristoteles beigetragen hat. Dar¨uber hinaus lieferte er die geometrische Argumentation f¨ur Keplers drei Gesetze.
Abb. 1.5. Sir Isaac Newton (1642-1727)
Obwohl das zweite Newtonsche Axiom in der Literatur h¨au¿g in der Formulierung “Kraft gleich Masse mal Beschleunigung” zu ¿nden ist, war es Euler, der diese grundlegende Bewegungsgleichung im Jahre 1752 in seiner Arbeit Entdeckung eines neuen Prinzipes der Mechanik ver¨offentlicht hatte. Nach der Ver¨offentlichung der Principia von Newton war die Erkl¨arung von Drehbewegungen, die zum Beispiel beim Rollen eine Rades oder der Schwingung eines ausgedehnten Pendelk¨orpers auftreten, eine weitere offene Frage. Auch Newton war sich dieser Problematik bewusst, als er in seinem Vorwort schrieb: ,,Wenn es doch gelingen w¨urde, auch die anderen Naturph¨anomene durch ¨ Uberlegungen gleicher Art aus mechanischen Prinzipien herzuleiten”. Diese L¨ucke hat Euler im Jahre 1775 mit der Formulierung des Momentensatzes geschlossen. Abb. 1.6. Leonhard Euler (1707-1783)
1.3 Einteilung und Inhalte des Buches
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1.3 Einteilung und Inhalte des Buches Das vorliegende Buch wendet sich als einf¨uhrendes Lehrbuch an Studenten der Ingenieurwissenschaften und soll auch den Ingenieur im Berufsleben bei dem Auffrischen von Grundlagenwissen unterst¨utzen. Auf der Grundlage einer modularen Einteilung des gesamten Stoffes in verschiedene Themen wurde großer Wert auf anschauliche Darstellungen und verst¨andliche Herleitungen gelegt. Bevor wir die Wechselwirkungen von Kr¨aften und Bewegungen beschreiben k¨onnen, ist es erforderlich, die Studierenden schrittweise auf die Lehre der Bewegungen (Kinematik) vorzubereiten. Ausgehend von den in Alltag und Schule bekannten Begriffen Geschwindigkeit und Beschleunigung werden f¨ur ausgew¨ahlte K¨orperpunkte von realen Strukturen in Kapitel 2 geradlinige, ebene und r¨aumliche Bewegungen behandelt. Auf Grund der großen technischen Bedeutung ist ein ausf¨uhrlicher Abschnitt den Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen gewidmet. Dabei erlaubt die Verwendung von mitrotierenden kartesischen Koordinaten zum Einen die Herleitung der Eulerschen Geschwindigkeitsformel und zum Anderen eine systematische Vorbereitung auf die Kinematik und Kinetik starrer K¨orper. Grundlage der Kinetik in Kapitel 3 ist das zweite Axiom von Newton, das auch das dynamische Grundgesetz, die Newtonsche Bewegungsgleichung oder einfach Newtonsches Gesetz genannt wird. Damit l¨aßt sich ein Zusammenhang zwischen der Kraft und der Beschleunigung ableiten. Die Anwendung auf reale K¨orper erfolgt mit einem vereinfachten Ersatzmodell und wird in den nachfolgenden Kapiteln mit dem Schwerpunktsatz auf den starren K¨orper erweitert. Die allgemein g¨ultigen Gesetze der Kinematik und Kinetik k¨onnen mit einer koordinatenfreien Vektorschreibweise mathematisch beschrieben werden. Zur L¨osung von praktischen Aufgabenstellungen sind diese Gesetze jedoch in geeigneten Koordinatensystemen darzustellen. Da deren Wahl und die damit verbundenen Vorzeichenregelungen den Studierenden anf¨anglich h¨au¿g Schwierigkeiten bereiten, werden die einzelnen Schritte zum Aufstellen der Bewegungsgleichungen ausf¨uhrlich in zahlreichen Praxisbeispielen erl¨autert. Aufgabenstellungen insbesondere mit Widerstandskr¨aften f¨uhren h¨au¿g auf a¨ hnliche Differenzialgleichungen. F¨ur drei verschiedene F¨alle werden deren L¨osungen, soweit in geschlossener Form berechenbar, in einer Tabelle (Tabelle 3.2) f¨ur drei verschiedene F¨alle zusammengefasst. Aufgaben der Dynamik f¨ur Massenpunkte k¨onnen grunds¨atzlich mit dem dynamischen Grundgesetz bearbeitet werden. Um den Rechenaufwand zur L¨osung der dabei auftretenden Differenzialgleichungen zu vermeiden, ist f¨ur bestimmte Aufgabenstellungen der Arbeitsatz oder der Energiesatz aus Kapitel 4 vorteilhafter. In diesem Zusammenhang werden mechanische Gr¨oßen wie Arbeit, Energie, Potenzial, Leistung und Wirkungsgrad eingef¨uhrt, welche z.B. beim Gr¨oßenvergleich von Maschinen und Anlagen in der Technik eine wichtige Rolle spielen. Ein gesonderter Abschnitt zur Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte dient dem mathematischen Verst¨andnis von Kr¨aften mit Potenzial. In Kapitel 5 werden die Gesetzm¨aßigkeiten f¨ur den Massenpunkt auf das Massenpunktsystem erweitert. Besondere Beachtung ¿nden dabei die Kinematik und Kinetik f¨ur das starre Massenpunktsystem.
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1 Einleitung
Die weiteren Kapitel behandeln verschiedene Themen zum starren K¨orper. Dazu werden die Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper separat in Kapitel 6 behandelt. Themen der Kinematik sind z.B. der momentane Geschwindigkeitspol, die Ermittlung von Rastpol- und Gangpolbahn und Relativbewegungen in rotierenden Bezugssystemen. Mit dem Schwerpunkt- und dem Momentensatz werden anschließend Bewegungen in der Ebene, wie z.B. die Dummy-Puppe bei einem Crash, umfassend behandelt. In einem weiteren Abschnitt erfolgt die Bestimmung von Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen. Das Kapitel 7 ist den Grundlagen der Rotordynamik gewidmet, wobei insbesondere verschiedene M¨oglichkeiten zur Anwendung des Momentensatzes erkl¨art werden. Weitere Themen sind die Bestimmung von Massentr¨agheitsmomenten und Hauptachsen, die Entstehung dynamischer AuÀagerkr¨afte und das Auswuchten. Ein weiterer Abschnitt behandelt die Bestimmung der kritischen Drehzahl f¨ur Rotoren mit biegeelastischer Welle (Laval-L¨aufer). Das zweite Newtonsche Axiom ist nur in einem sogenannten Inertialsystem g¨ultig. Oft ist es jedoch g¨unstiger, die Bewegungsgleichungen f¨ur bewegte Bezugssysteme zu formulieren. Dazu wird in Kapitel 8 die Kinematik und Kinetik starrer K¨orper im Raum unter Ber¨ucksichtigung von Relativbewegungen untersucht. Weitere Themen sind die Euler Winkel sowie die Ursache von Pr¨azessionsbewegungen und des Kreiselmomentes. Zus¨atzlich werden in Kapitel 9 Stoßvorg¨ange mit Anwendungen von Impulssatz und Drehimpulssatz in einem eigenst¨andigen Kapitel behandelt. Dabei werden wir außer dem zentrischen Stoß auch den exzentrischen Stoß behandeln. Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Technischen Mechanik ist das Thema Schwingungen. Dazu werden die Grundlagen f¨ur unged¨ampfte und ged¨ampfte Schwingungen mit und ohne Anregung in Kapitel 10 untersucht. Einige Beispiele und Aufgaben behandeln in diesem Zusammenhang das in der Technik wichtige Thema Dauerfestigkeit.
1.4 Ziele des Buches Das Studienfach ,,Technische Mechanik - Dynamik” ist ein Grundlagenfach der Ingenieurwissenschaften an deutschen Universit¨aten, Fachhochschulen und Ingenieurhochschulen. F¨ur die verschiedenen Studienrichtungen, wie z.B. Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Technomathematik, Ingenieurinformatik, Mechatronik, Verfahrenstechnik und Lehramt ergeben sich dabei unterschiedliche Anforderungen an den Lehrinhalt und den Lehrumfang. W¨ahrend beispielsweise f¨ur den Maschinenbauingenieur die Auslegung eines Rotors mit Drehung um eine feste Achse im Vordergrund steht, ist f¨ur den Bauingenieur die Auslegung des den Rotor tragenden Fundamentes aus Stahlbe¨ ton vorrangig. Der seit einigen Jahren andauernde Ubergang vom Diplom- zum Bachelor/Masterstudiengang hat weitere unterschiedliche Situationen f¨ur die verschiedenen Lehreinrichtungen insbesondere im Hinblick auf den Lehrumfang geschaffen. Mit der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Einteilung des Buches ist eine gegliederte Struktur der Themen gegeben. Damit kann verschiedenen Anforderungen von Studierenden und Lehrenden begegnet werden. Zu diesem Zweck werden in Anhang A.5 des Buches verschiedene Lehrprogramme mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorgeschlagen. Jedes Kapitel beschreibt jeweils ausf¨uhrlich die theoretischen Gesetzm¨aßigkeiten. Zur weiteren Veranschaulichung werden alle Themen in u¨ ber 100 vollst¨andig durchgerechneten
1.4 Ziele des Buches
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Beispiele behandelt. Das solide Verst¨andnis f¨ur die Gesetze der Technischen Mechanik kann jedoch nur durch selbst¨andige Bearbeitung von Aufgaben erhalten werden. Zu diesem ¨ Zweck werden zus¨atzlich an die 300 Ubungsaufgaben zum Rechnen angeboten. Bei deren Auswahl sind sowohl didaktische Gesichtspunkte als auch praktische Problemstellungen ber¨ucksichtigt worden. Dazu wechseln sich Aufgaben, in denen das Verst¨andnis einzelner Themen kurz abgefragt wird, mit Aufgaben ab, in denen komplexe Zusammenh¨ange und somit auch mehrere Themengebiete abgedeckt werden. Alle Aufgaben sind mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden von SG=1 (leicht) bis SG=3 (schwer) versehen. Die Aufgaben mit der Kennung SG = 3 haben zudem das Niveau einer Semesterabschlussklausur. Mit der Kennung SG = 3* sind Aufgaben versehen, die besonders schwierig sind oder die mit den u¨ blichen Hilfsmitteln unter Klausurbedingungen nicht zu l¨osen sind, bei denen also zum Beispiel numerische Verfahren eingesetzt werden m¨ussen. Um das Verst¨andnis der behandelten Themen zu f¨ordern, sind die einzelnen Kapitel vergleichsweise ausf¨uhrlich gestaltet. Dieses geschieht zu Lasten weiterer Themen der Dynamik, die in diesem Buch nicht behandelt werden, wie z.B. das Prinzip der virtuellen Arbeiten, die Lagrangeschen Gleichungen, Schwingungen mit mehreren Freiheitsgraden und die Darstellung von Schwingungen mit komplexen Zahlen. Die Herangehensweisen bei der Einf¨uhrung in die zahlreichen Themen der Dynamik sind in den Lehrb¨uchern der Technischen Mechanik teilweise sehr verschieden. Dieses betrifft z.B. die Einf¨uhrung des Momentensatzes f¨ur den starren K¨orper, der 1775 von Euler axiomatisch formuliert wurde. Seitdem sind zwei methodische Ans¨atze f¨ur dessen Einf¨uhrung bekannt. In dem ersten Ansatz wird auf der Grundlage der ,,Newtonschen Punktmechanik” eine Integration von Momentengleichungen u¨ ber die Massenpunkte des starren K¨orpers durchgef¨uhrt, siehe z.B. die Literaturstellen [5, 8, 13, 16, 22, 23, 25]. In dem zweiten Ansatz wird der Momentensatz f¨ur den starren K¨orper als Axiom eingef¨uhrt, siehe z.B. [2, 7, 29]. Diese beiden Vorgehensweisen werden in der Literatur von einer kontroversen Diskussion begleitet, siehe z.B. [2, 29]. Wir verfolgen in diesem Lehrbuch den ersten Ansatz. Dies geschieht in dem Wissen, dass damit einige Konzepte der Kontinuumsmechanik unber¨ucksichtigt bleiben. Dieser Weg erlaubt jedoch dem Anf¨anger einen nachvollziehbaren Zugang allein unter Verwendung des zweiten Axioms von Newton. Es sei hinzugef¨ugt, dass der zweite Ansatz zu gleichen Ergebnissen in der Dynamik starrer K¨orper f¨uhrt. ¨ Die Ubersetzung des griechischen Wortes Mechanike ist die ,,Kunst, Maschinen zu bauen”. Um diese ,,Kunst” erfolgreich im Studium und sp¨ater im Berufsleben umsetzen zu k¨onnen, sei den Leserinnen und Lesern Freude und Erfolg beim Erlernen und Anwenden der Inhalte dieses Buches gew¨unscht.
¨ Satelliten sind wichtige Kommunikations¨ubertr¨ager der heutigen Zeit. Die weltweite Ubertragung von Fernsehprogrammen wurde ab August 1964 mit dem Start des Satelliten SYNCOMII erm¨oglicht, der in 36 000 km H¨ohe u¨ ber der Erde scheinbar an einem Punkt ¿xiert in einer mit der Erdumdrehung synchronen Umlaufbahn stand. Er u¨ bertrug direkt die Olympischen Spiele von Tokio in die USA. Im Juli 1969 konnten etwa 200 Mio. Zuschauer in aller Welt live die ersten Schritte eines Menschen auf dem Mond erleben. Obwohl die Abmessungen von Satelliten mehrere Meter betragen k¨onnen, sind diese, relativ zu den Umlaufbahnen, vernachl¨assigbar klein. Zur mathematischen Beschreibung der Bewegungen im Weltall ist es daher ausreichend, einen repr¨asentativen K¨orperpunkt, etwa den Schwerpunkt des Satelliten, zu untersuchen.
2 Die Kinematik des Punktes
Mit der Vorstellung, dass ein K¨orper zu verschiedenen Zeiten verschiedene Positionen oder Lagen im Raum einnimmt, gelangt man zu dem Begriff der Bewegung. Deren Untersuchung ist Aufgabe der Kinematik, wobei Ursachen und Wirkungen, wie z.B. Kr¨afte und Momente, unber¨ucksichtigt bleiben. In diesem Kapitel untersuchen wir die Kinematik ausgezeichneter K¨orperpunkte (kurz: Punkte). Dabei ist ein Punkt als unendlich kleiner Bereich des K¨orpers eine Idealisierung. Eine wichtige Rolle spielt der Schwerpunkt, f¨ur den in den nachfolgenden Kapiteln u¨ ber die Kinetik starrer K¨orper die Kenntnis der Bewegung von großer Bedeutung ist. Wir de¿nieren im Folgenden zun¨achst die Begriffe Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung. Zus¨atzlich werden wir noch den Drehwinkel, die Winkelgeschwindigkeit und die Winkelbeschleunigung kennenlernen. Damit k¨onnen wir sechs Gr¨oßen mit dem Oberbegriff Bewegungsgr¨oße bezeichnen. Dieses geschieht in Analogie zum Oberbegriff Kraftgr¨oße der Raumstatik, womit Kr¨afte und Momente bezeichnet werden.
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten 2.1.1 Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung Der Personenkraftwagen in Abb. 2.1 f¨uhrt auf einer geradlinigen Teststrecke Vor- und R¨uckw¨artsbewegungen durch. Fassen wir das Fahrzeug vereinfachend als starren K¨orper auf, bei dem die Abst¨ande zweier beliebiger Punkte unver¨andert bleiben, dann haben alle Punkte zur gleichen Zeit den gleichen Bewegungsablauf. Somit ist es ausreichend, den Schwerpunkt S des Fahrzeuges als repr¨asentativen Punkt zu verfolgen. Dazu verwenden wir folgende Begriffe zur geradlinigen Bewegung von Punkten 1. 2. 3. 4. 5.
Bezugspunkt Koordinate (Ort) Zeit Zeitintervall Orts¨anderung (Verschiebung)
6. Durchschnittsgeschwindigkeit 7. Geschwindigkeits¨anderung 8. Durchschnittsbeschleunigung
0 x = x(t), [x]SI = m t, [t]SI = s Δt Δx = x(t + Δt) − x(t) Δx v˜ = Δt Δv = v(t + Δt) − v(t) Δv a ˜= . Δt
(2.1)
10
2 Die Kinematik des Punktes
Abb. 2.1. Personenkraftwagen auf geradliniger Teststrecke: a) x(t)-, b) v(t)- und c) a(t)- Diagramme. Karos repr¨asentieren Extrempunkte, Kreise Wendepunkte und Dreiecke Nullpunkte der jeweiligen Funktionen
Die Koordinate x gibt den momentanen Abstand des Punktes S von dem festen Bezugspunkt 0 und somit den Ort an. Da sich die Lage von S mit der Zeit t a¨ ndert, gilt der funktionale Zusammenhang x = x(t). F¨ur die Darstellung in dem Ort-Zeit-Diagramm in Abb. 2.1.a entstehen infolge der Vor- und R¨uckw¨artsbewegungen Extremwert- und Wendepunkte in der Funktion x(t). F¨ur bekannte Koordinaten x(t) und x(t + Δt) zu verschiedenen Zeiten t und t + Δt erh¨alt man in Gl.(2.1.5) die Orts¨anderung (oder: Verschiebung) Δx. Der Differenzenquotient (2.1.6) gibt die Durchschnittsgeschwindigkeit v˜ im Zeitintervall Δt an. In Abb. 2.1.a erkennt man, dass eine Verkleinerung von Δt eine Ver¨anderung von Δx und somit auch von v˜ zur Folge hat. Mit dem Grenz¨ubergang Δt → 0 entsteht somit die Definition Geschwindigkeit bei geradliniger Bewegung dx m Δx = = x, ˙ [v]SI = . v = lim Δt→0 Δt dt s
(2.2)
Hier und in den nachfolgenden Gleichungen kennzeichnet ein Punkt u¨ ber der betreffenden Gr¨oße deren zeitliche Ableitung. Die Geschwindigkeit ist somit gleich der zeitlichen Ableitung des Ortes x(t). In dem Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm in Abb. 2.1.b ergeben
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
11
sich Null- und Extremwertpunkte f¨ur die Funktion v(t), die aus den Extremwert- und Wendepunkten f¨ur den Ort x(t) entstehen. Mit den Geschwindigkeiten v(t) und v(t + Δt) zu den verschiedenen Zeiten t und t + Δt wird in Gl.(2.1.7) die Geschwindigkeits¨anderung erhalten. Der Differenzenquotient (2.1.8) beschreibt die Durchschnittsbeschleunigung a ˜ im Zeitintervall Δt. Wir bilden auch hier den Grenz¨ubergang Δt → 0 und erhalten die Definition Beschleunigung bei geradliniger Bewegung dv Δv m = = v˙ = x ¨, [a]SI = 2 . a = lim Δt→0 Δt dt s
(2.3)
Damit bestimmt man die Beschleunigung a(t) durch einmaliges Differenzieren der Geschwindigkeit v(t) bzw. durch zweimaliges Differenzieren des Ortes x(t). In dem Beschleunigung-Zeit-Diagramm in Abb. 2.1.c ergeben sich Null- und Extremwertpunkte f¨ur die Funktion a(t), die aus den Extremwert- und Wendepunkten f¨ur die Geschwindigkeit v(t) entstehen. Eine negative Beschleunigung beschreibt das Abbremsen des Fahrzeuges. Bemerkungen 2.1 1. Mit den Regelungen des Internationalen Einheitensystems (SI) folgt aus De¿nition (2.2) als Einheit f¨ur die Geschwindigkeit m/s. Zu der im Verkehrswesen h¨au¿g verwendeten Einheit km/h besteht der Zusammenhang 1
1000 m 1 m km = = h 3600 s 3.6 s
⇐⇒
1
m km = 3.6 . s h
(2.4)
Eine Geschwindigkeit von 100 km/h entspricht somit 100/3.6 m/s = 27.78 m/s. Ein L¨aufer, der f¨ur die 100-Meter Strecke 10 s ben¨otigt, hat eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100/10 m/s = 10 m/s = 36 km/h. Innerhalb der gelaufenen Zeit ist die momentane Geschwindigkeit v(t) jedoch zeitlich ver¨anderlich. Insbesondere ist sie zu Beginn des Laufes gleich Null. In der Schifffahrt werden die Einheiten Seemeile (Sm) f¨ur die L¨ange und Knoten (Kn) f¨ur die Geschwindigkeit verwendet. Dabei gilt der Zusammenhang 1Kn = 1
1600 m m Sm = = 0.44 h 3600 s s
⇐⇒
1
m = 2.27 Kn . s
(2.5)
2. Unter Beachtung von SI-Einheiten folgt aus De¿nition (2.3) als Einheit f¨ur die Beschleunigung m/s2 . In der Fahrzeugtechnik wird gelegentlich die Geschwindigkeits¨anderung in km/h auf das Zeitintervall von einer Sekunde bezogen, so dass 1
1000 m km 1 m = = hs 3600 · 1 s2 3.6 s2
⇐⇒
1
m km . = 3.6 s2 hs
(2.6)
Ein Fahrzeug, welches aus dem Stand die Geschwindigkeit 100 km/h nach 5 s erreicht, erf¨ahrt somit eine Durchschnittsbeschleunigung von 100/5 km/(h s) = 100·1000/(3600· 5) m/s2 = 5.56 m/s2 . Innerhalb der gefahrenen Zeit ist die momentane Beschleunigung a(t) im Allgemeinen zeitlich ver¨anderlich.
12
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.1 PKW auf gerader Strecke F¨ur den PKW in Abb. 2.1 ist der Ort-Zeit-Verlauf mit den Konstanten x0 , v0 und a0 gegeben: 1 x(t) = x0 + v0 t + a0 t2 . 2 a) Man bestimme die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) als Funktion der Zeit t und stelle die Funktionen x(t), v(t) und a(t) gra¿sch dar. b) Wie a¨ ndern sich die Darstellungen f¨ur den Fall a0 = 0? ¨ Voruberlegungen: Geschwindigkeit und Beschleunigung werden mit den De¿nitionen (2.2) und (2.3) durch Bestimmung der ersten und zweiten Ableitung der Funktion x(t) nach der Zeit t erhalten. L¨osung: a) Mit den De¿nitionen (2.2) und (2.3) folgt: v(t) = x(t) ˙ = v0 + a0 t,
a(t) = v(t) ˙ = a0 .
Abb. 2.2.a verdeutlicht, dass aus der quadratischen Funktion x(t) f¨ur den Ort eine lineare Funktion v(t) f¨ur die Geschwindigkeit und eine konstante Funktion f¨ur die Beschleunigung a(t) resultieren. Die Konstante x0 gibt den Ort zur Zeit t = 0 an, v0 charakterisiert die Anfangsgeschwindigkeit und a0 die konstante Beschleunigung. Eine derartige Bewegung bezeichnet man als gleichm¨aßig beschleunigte Bewegung. b) F¨ur diesen Aufgabenteil ist die Beschleunigung a(t) = 0. Damit ergibt sich die in Abb. 2.2.b dargestellte gleichf¨ormige Bewegung, bei der die Geschwindigkeit konstant ist.
Abb. 2.2. x(t), v(t), a(t)-Diagramme: a) gleichm¨aßig beschleunigte Bewegung, b) gleichf¨ormige Bewegung
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
13
Beispiel 2.2 Schwingung einer Kugel um die statische Ruhelage Die Kugel in Abb. 2.3 ist an einer Feder befestigt und schwingt um die statische Ruhelage x0 . Der Bewegungsvorgang, dessen Ursache erst in den nachfolgenden Kapiteln zur Kinetik behandelt wird, verh¨alt sich nach der Gleichung x(t) = b sin(ωt). Hierbei sind b und ω Konstanten. Gesucht sind a) die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) als Funktion der Zeit t, b) die Geschwindigkeit v(x) und die Beschleunigung a(x) als Funktion des Ortes x. ¨ Voruberlegungen: Die L¨osung der Teilaufgabe a) gelingt direkt mit den De¿nitionen (2.2) und (2.3). Zur L¨osung der Teilaufgabe b) wird eine Elimination der Zeit erforderlich, wof¨ur Beziehungen f¨ur trigonometrische Funktionen verwendet werden.
Abb. 2.3. Schwingung einer Kugel um die statische Ruhelage: a) x(t)-, b) v(t)-, c) a(t)-, d) v(x)- und e) a(x)Diagramme
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2 Die Kinematik des Punktes
L¨osung: a) Die Geschwindigkeit und die Beschleunigung folgen aus den De¿nitionen (2.2) und (2.3) durch ein- und zweimaliges zeitliches Differenzieren der Funktion x(t): v(t) = x(t) ˙ = bω cos(ωt),
a(t) = x ¨(t) = v(t) ˙ = −bω 2 sin(ωt).
In den Abbildungen 2.3.b und 2.3.c sind beide Funktionen dargestellt. b) Um die Geschwindigkeit v als Funktion des Ortes x zu erhalten, wird der quadratische Ausdruck v 2 (t) mittels der trigonometrischen Beziehung cos2 (ωt) + sin2 (ωt) = 1 und der gegebenen Funktion f¨ur x(t) umgeformt: v 2 (t) = b2 ω 2 cos2 (ωt) = b2 ω 2 (1 − sin2 (ωt)) = b2 ω 2 − ω 2 x2 (t). Damit gilt der funktionale Zusammenhang v 2 (x) = b2 ω 2 − ω 2 x2 . Die Funktion v(x) ist in dem Geschwindigkeit-Ort-Diagramm (oder: Phasendiagramm) in Abb. 2.3.d dargestellt. Die Phasenkurve stellt f¨ur das Beispiel eine Ellipse mit den Halbachsen b und ωb dar. Beginnend bei dem Wertepaar (x, v) = (0, ωb) kann jedem Punkt auf der Ellipse eine Zeit t in den Darstellungen a) und b) zugeordnet werden. Ein Umlaufsinn entspricht der Schwingungsdauer (oder: Periodendauer) T . Da sich der Bewegungsvorgang wiederholt, sind jedem Wertepaar (x, v) weitere Zeitpunkte t + nT , n = 0, 1, 2, ... zugeordnet. Um die Beschleunigung als Funktion des Ortes zu erhalten, wird die Beziehung f¨ur x(t) in a(t) eingesetzt, so dass a(t) = −ω 2 b sin(ωt) = −ω 2 x(t)
=⇒
a(x) = −ω 2 x.
In der Darstellung in Abb. 2.3.e erkennt man im Beschleunigung-Ort-Diagramm eine Gerade mit den Endpunkten (b, −ω 2 b) und (−b, ω 2 b), die den Extremwerten der Darstellungen a) und c) entsprechen. Beginnend bei dem Wertepaar (x, a) = (0, 0) ist jedem Punkt eine Zeit t zugeordnet. Ein Umlaufsinn entspricht der Schwingungsdauer T . Da sich der Bewegungsvorgang wiederholt, sind jedem Wertepaar (x, a) auch hier weitere Zeitpunkte t + nT , n = 0, 1, 2, ... zugeordnet. Bemerkung: Man bezeichnet die Bewegung dieses Beispiels als harmonische Schwingung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bewegungsvorgang durch eine Sinusfunktion dargestellt werden kann. Schwingungen werden ausf¨uhrlich in Kapitel 10 behandelt. 2.1.2 Integrationsaufgaben In den bisherigen Untersuchungen wurden die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) durch ein- und zweimaliges Differenzieren der Koordinate x(t) nach der Zeit t erhalten. H¨au¿g treten in der Kinematik jedoch weitere Aufgabenstellungen auf: Z.B. k¨onnen die Koordinate x(v) und die Beschleunigung a(v) f¨ur gegebene Geschwindigkeit v oder die Koordinate x(a) und die Geschwindigkeit v(a) f¨ur gegebene Beschleunigung a gefragt sein. Wie das folgende Beispiel zeigt, sind dann Integrationen unter Verwendung von Anfangsbedingungen durchzuf¨uhren.
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
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Beispiel 2.3 Freier Fall von zwei Kugeln Zwei Kugeln unterschiedlicher Masse werden aus der H¨ohe H mit der Anfangsgeschwindigkeit v=0 von einem Turm fallengelassen. Auf die beiden Kugeln wirkt die konstante Erdbeschleunigung g. Der Luftwiderstand kann vernachl¨assigt werden. Welche Aufprallgeschwindigkeit V haben sie beim Auftreffen auf den Boden, und welche Fallzeit T ist dann vergangen? Bekannt: g = 9.81 m/s2 , H = 30 m. ¨ Voruberlegungen: F¨ur die konstante Erdbeschleunigung werden die Geschwindigkeit und der Ort durch Trennung der Variablen und Integration der Gleichungen (2.2) und (2.3) erhalten. Die unterschiedlichen Massen der Kugeln spielen bei den Untersuchungen keine Rolle. Abb.2.4. Zwei Kugeln im freien Fall
L¨osung: Wir legen den Bezugspunkt 0 in H¨ohe des Abwurfes. Die Koordinate x ist nach unten gerichtet und somit f¨ur die Fallbewegung stets positiv. Damit erh¨alt auch die Beschleunigung a = g ein positives Vorzeichen. Mit den Anfangsbedingungen x0 = x(t0 =0) = 0 und v0 = v(t0 =0) = 0 folgt durch Trennung der Variablen aus den De¿nitionen (2.2) und (2.3) t v dv d˜ v=g dt˜ =⇒ v = gt a= = g =⇒ dv = gdt =⇒ dt 0 x 0 t dx t2 = gt =⇒ dx = gtdt =⇒ v= t˜dt˜ =⇒ x = g . d˜ x=g dt 2 0 0 Hier wurde die Tilde (˜) eingef¨uhrt, um die Integrationsvariablen t˜, x ˜, v˜ unter dem Integral von den oberen variablen Integrationsgrenzen t, x, v zu unterscheiden. Wir l¨osen das zweite Ergebnis nach der Zeit t auf, setzen es in das erste Ergebnis ein und erhalten 2x t(x) = =⇒ v(x) = gt = 2gx. g F¨ur x = H erh¨alt man die Aufprallgeschwindigkeit V und die Fallzeit T 2H km m V = v(x = H) = 2gH = 20.26 = 87.33 , T = = 2.47 s. s h g Bemerkung: Im Jahre 1638 hat Galileo Galilei (1564-1642) erkannt, dass alle K¨oper bei Vernachl¨assigung des Luftwiderstandes mit der gleichen Beschleunigung, der Erdbeschleunigung fallen. Damit hat er wesentlich zur Abkehr von der fast 2000 Jahre g¨ultigen Lehre von Aristoteles beigetragen, nach der schwere Massen schneller als leichte Massen fallen. Ob Galilei die Fallversuche vom schiefen Turm von Pisa, wie in Abb. 2.4 dargestellt, tats¨achlich durchgef¨uhrt hat, ist angesichts der Bedeutung seiner Erkenntnis eher nebens¨achlich.
16
2 Die Kinematik des Punktes
2.1.3 Die sechs Grundaufgaben der Punktkinematik Eine systematische Verallgemeinerung der verschiedenen Problemstellungen der Kinematik f¨ur eindimensionale Bewegungen wird im Folgenden in den sechs Grundaufgaben der Punktkinematik behandelt: Erste Grundaufgabe: Gegeben x = x(t), gesucht v = v(t), a = a(t) Diese Aufgabe wird direkt mit den De¿nitionen (2.2) und (2.3) gel¨ost: dx dv 1. v = = x, ˙ 2. a = = v˙ = x ¨. dt dt
(2.7)
Damit werden x(t) und v(t) durch Differenziation erhalten.
Zweite Grundaufgabe: Gegeben v = v(t), gesucht x = x(t), a = a(t) Aus Gl.(2.2) erh¨alt man durch Trennung der Variablen dx = v(t)dt, so dass durch Integration
x
t
v(t˜)dt˜
dx = x0
t0
˜ eingef¨uhrt, um die obere Integrationsgrenze t von der Varifolgt. Hierbei wurde die Tilde (·) ˜ ablen t unter dem Integral zu unterscheiden. Ber¨ucksichtigen wir noch die De¿nition (2.3) f¨ur die Beschleunigung, dann ergibt sich zusammenfassend t dv (2.8) = v. ˙ 1. x(t) = x0 + v(t˜)dt˜, 2. a(t) = dt t0 Damit wird x(t) durch Integration und a(t) durch Differenziation erhalten. Zur Auswertung von Gl.(2.8.1) muss eine Anfangsbedingung x0 = x(t0 ) zur Zeit t0 vorliegen. Dritte Grundaufgabe: Gegeben a = a(t), gesucht v = v(t), x = x(t) Aus den De¿nitionen (2.3) und (2.2) folgt durch Trennung der Variablen dv = a(t)dt,
dx = v(t)dt.
Nach Integration dieser Beziehungen erhalten wir zusammenfassend t t ˜ ˜ 1. v(t) = v0 + a(t)dt, 2. x(t) = x0 + v(t˜)dt˜. t0
(2.9)
t0
Damit ist in beiden F¨allen eine Integration erforderlich, wozu die Anfangsbedingungen v0 = v(t0 ) und x0 = x(t0 ) zur Zeit t0 vorliegen m¨ussen.
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
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Vierte Grundaufgabe: Gegeben v = v(x), gesucht t = t(x), a = a(x) Eine Trennung der Variablen in Gl.(2.2) sowie die Anwendung der Kettenregel in Gl.(2.3) liefern dt =
1 dx, v(x)
a=
dv dv dx dv = = v. dt dx dt dx
Nach Integration der ersten Gleichung sowie Ber¨ucksichtigung von dv 2 /dx = 2v dv/dx in der zweiten Gleichung ergibt sich zusammenfassend x 1 d 1. t(x) = t0 + d˜ x, 2. a(x) = 21 v 2 . (2.10) x) dx x0 v(˜ Somit wird in dieser Grundaufgabe der erste Teil durch Integration und der zweite Teil durch Differenziation gel¨ost. Dabei ist zur Auswertung von Gl.(2.10.1) eine Anfangsbedingung x0 = x(t0 ) zur Zeit t0 notwendig. F¨unfte Grundaufgabe: Gegeben a = a(x), gesucht v = v(x), t = t(x) Aus der De¿nition (2.3) folgt mit der Kettenregel dv dx dv dv = = v =⇒ a= dt dx dt dx
adx = vdv.
Die letzte Gleichung wird auf der linken Seite u¨ ber den Weg x und auf der rechten Seite u¨ ber die Geschwindigkeit v integriert. Verwenden wir noch das Ergebnis der vierten Grundaufgabe f¨ur t(x), so erh¨alt man nach einigen Umformungen x x 1 1. v(x) = v02 + 2 d˜ x. (2.11) a(˜ x)d˜ x, 2. t(x) = t0 + x) x0 x0 v(˜ In beiden F¨allen ist also in dieser Grundaufgabe eine Integration mit der Anfangsbedingung x0 = x(t0 ) notwendig. Es sei bemerkt, dass die f¨unfte Grundaufgabe auch durch L¨osen der Differenzialgleichung a = x ¨ behandelt werden kann.
Sechste Grundaufgabe: Gegeben a = a(v), gesucht x = x(v), t = t(v) Aus der De¿nition (2.3) k¨onnen mit der Kettenregel zun¨achst die Beziehungen a=
dv dv dx dv = = v dt dx dt dx
=⇒
dx =
v dv a(v)
gefolgert werden. Durch Trennung der Variablen folgt aus De¿nition (2.2) dt =
dv . da(v)
18
2 Die Kinematik des Punktes
Die Integration der letzten beiden Gleichungen liefert v v v˜ 1 1. x(v) = x0 + d˜ v, 2. t(v) = t0 + d˜ v. v) v) v0 a(˜ v0 a(˜
(2.12)
Wie in der f¨unften Grundaufgabe ist also auch hier in beiden F¨allen eine Integration notwendig. Dazu muss die Anfangsbedingung v0 = v(t0 ) gegeben sein. Alle L¨osungen der sechs Grundaufgaben sind in Tabelle 2.1 zusammengefasst. Fall
gegeben
1. L¨osung
2. L¨osung
1
x = x(t)
v(t) =
a(t) =
2
v = v(t)
v(t) = v0 +
dv = v˙ dt t x(t) = x0 + v(t˜)dt˜
dx = x˙ dt t x(t) = x0 + v(t˜)dt˜
3
a = a(t)
4
v = v(x)
5
a = a(x)
6
a = a(v)
t0 t
a(t˜)dt˜ t0 x
dv = v˙ dt
a(t) =
t0
1 d 2 d˜ x a(x) = 12 v t(x) = t0 + x) dx x0 v(˜ x x 1 v(x) = v02 + 2 a(˜ x)d˜ x t(x) = t0 + d˜ x x) x0 x0 v(˜ v v v˜ 1 x(v) = x0 + d˜ v t(v) = t0 + d˜ v v) v) v0 a(˜ v0 a(˜
Tabelle 2.1. L¨osungen zu den sechs Grundaufgaben der Punktkinematik
Beispiel 2.4 Freier Fall von zwei Kugeln Man l¨ose die Aufgaben in Beispiel 2.3 mit der 5. Grundaufgabe in Tabelle 2.1. L¨osung: Mit a(x) = g und Anfangsbedingungen t0 = 0, v0 = 0, x0 = 0 folgt H √ 2 g d˜ x = 2g(H − x) =⇒ V = v(x = 0) = 2gH v(x) = v0 + 2 0 H 1 2H T = t0 + . d˜ x= g 2g(H − x ˜) 0 √ Bemerkung: Bei der Bestimmung von T ist zu beachten, dass das Einsetzen von V = 2gH anstatt v(x)= 2g(H − x) in Gl. (2.11.2) f¨ur v(˜ x) zu einem falschen Ergebnis f¨uhrt.
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
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Beispiel 2.5 Tennisball im senkrechten Flug nach oben Ein Tennisspieler schl¨agt nach einem Wimbledon-Sieg einen Tennisball senkrecht nach oben. Der Abschlag erfolgt in der H¨ohe h, und die erreichte Gesamth¨ohe des Balles ist H. Unter Ber¨ucksichtigung der Erdbeschleunigung g bestimme man die Geschwindigkeit v0 des Balles unmittelbar nach dem Abschlag und die Zeit t1 bis der Ball die H¨ohe H erreicht. Der Luftwiderstand ist zu vernachl¨assigen.
Abb. 2.5. Tennisball im senkrechten Flug nach oben
Bekannt: g, h, H. ¨ Voruberlegungen: Unter Beachtung der in Abb. 2.5 eingef¨uhrten Richtung f¨ur die Koordinate x erf¨ahrt der Tennisball die konstante Beschleunigung a = −g. Damit stehen die 3., 5. und 6. Grundaufgabe in Tabelle 2.1 zur Auswahl. Da zus¨atzlich der Ort x1 = H als obere Integrationsgrenze bekannt ist, wird die 5. Grundaufgabe verwendet. L¨osung: Unter Beachtung von a = −g und der Anfangsbedingung x0 = h folgt aus der 5. Grundaufgabe f¨ur die Geschwindigkeit x v(x) = v02 + 2 (−g)d˜ x = v02 − 2g(x − h). h
Mit der Bedingung v(x1 = H) = 0 erh¨alt man v02 − 2g(H − h) = 0
=⇒
v0 =
2g(H − h).
Die Zeit t1 bis zum Umkehrpunkt wird mit Gl. (2.11.2) bestimmt. Dazu wird zun¨achst eine Darstellung f¨ur v(x) ben¨otigt. Man erh¨alt v(x) = v02 + 2g(h − x) = 2g(H − h) + 2g(h − x) = 2g(H − x) =⇒
x1
t1 = t0 + =
x0
1 d˜ x=0+ v(˜ x)
H
h
H 1 1 d˜ x= − 2g(H − x ˜) g 2g(H − x ˜) h
2(H − h) . g
Bemerkung: Bei der Bestimmung von t1 ist zu beachten, dass das Einsetzen von v0 = 2g(H−h) anstatt v(x)= 2g(H−x) in Gl. (2.11.2) zu einem falschen Ergebnis f¨uhrt.
20
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.6 Space Shuttle im Anflug Ein Space Shuttle kehrt von einer Weltraummission auf die Erde zur¨uck. Nach der ¨ Landung und Offnung des Fallschirmes zur Zeit t0 = 0 und der Geschwindigkeit v0 wird es mit der Beschleunigung Cv 2 abgebremst. a) Man ermittle die Funktionen x(t), v(t), a(t) und stelle die Verl¨aufe gra¿sch dar. b) Nach welcher Zeit t1 hat es die Geschwindigkeit v1 erreicht? Welche Strecke x1 hat es dann zur¨uckgelegt und wie groß ist die zugeh¨orige Beschleunigung a1 ?
Abb. 2.6. Space Shuttle im AnÀug
Bekannt: C = 0.004 1/m, v0 = 80 m/s, v1 = 10 m/s. ¨ Voruberlegungen: Auf Grund der Abh¨angigkeit a = a(v) f¨ur die Beschleunigung wird die 6. Grundaufgabe aus Tabelle 2.1 verwendet. L¨osung: a) Wir de¿nieren die Koordinatenrichtung von x in Bewegungsrichtung, so dass f¨ur die Beschleunigung a(v) = −Cv2 gilt. Mit den Anfangsbedingungen t0 = 0, x0 = 0 folgt aus der 6. Grundaufgabe
v v0 1 1 v 1 1 1 1 v 1 1 =⇒ v(t) = d˜ v=− − t(v) = d˜ v = = 2 a(˜ v ) C v ˜ C v ˜ C v v v Ct +1 0 0 v0 v0 v0 v v 1 1 1 v˜ v˜ 1 v v0 d˜ v = − [ln v˜]vv0 = − ln =⇒ x(v) = ln . x(v) = d˜ v=− 2 v) C v0 v˜ C C v0 C v v0 a(˜ Durch Einsetzen von v(t) in die Funktionen x(v) und a(v) = −Cv 2 werden die gesuchten Darstellungen f¨ur x(t) und a(t) ermittelt. Nach einigen Umformungen erh¨alt man x(t) =
1 ln(v0 Ct + 1), C
v(t) =
v0 , v0 Ct + 1
a(t) = −
Cv02 . (v0 Ct + 1)2
Zur Kontrolle veri¿ziere der Leser die Funktionen v(t) und a(t) mit der zeitlichen Ableitung von x(t). In Abb. 2.7 sind die Funktionen x(t), v(t), a(t) dargestellt. Da die Beschleunigung a)
x(t) [m]
b)
.
520
c)
v(t) [m/s] 80
.
a(t) 2
[m/s ]
.
10 t 21.9 [s]
t [s] 21.9
.25.6
Abb. 2.7. Space Shuttle im AnÀug: x(t)-, v(t)-, a(t)- Diagramme
21.9 t 0.4 [s]
.
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
21
a proprotional zu −v 2 ist, nimmt die Geschwindigkeit v st¨andig ab, so dass die Beschleunigung verringert wird. Im Grenzfall t → 0 streben v(t) und a(t) gegen Null. b) Durch Auswertung der Funktionen t(v) und x(v) f¨ur v1 = 10 m/s erh¨alt man die gesuchten Werte zu t1 = t(v1 = 10) = 21.9 s, x1 = x(v1 = 10) = 519.9 m, a1 = a(v1 = 10) = 0.4 m/s2 . 2.1.4 Aufgaben zu Abschnitt 2.1 Aufgabe 2.1 (Schwierigkeitsgrad SG = 1) Von gew¨ohnlichen Radaranlagen wird die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges momentan an einem bestimmten Ort gemessen. Bei der ,,section control” dagegen, die bereits in einigen europ¨aischen L¨andern ¨ (Ostereich, den Niederlanden und Großbritanien) praktiziert wird, werden Fahrzeuge bei der Einfahrt in eine bestimmte Zone und bei der Ausfahrt erfasst. Mit der gemessenen Zeit kann somit eine Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt werden. W¨ahrend der Fahrt innerhalb einer Radarzone sei der Ort eines PKWs durch die folgende Funktion gegeben: m m m x(t) = 20 t + 3 2 t2 − 0.4 3 t3 . s s s Gesucht sind die Geschwindigkeit v(t), die Beschleunigung a(t) zur Zeit t = 4 s , die Durchschnittsgeschwindigkeit v˜ nach 4 s und der Maximalwert der Geschwindigkeit vmax . Diskutieren Sie Vor- und Nachteile der verschiedenen Messverfahren. Aufgabe 2.2 (SG = 1) Die Geschwindigkeit des PKWs in Abb. 2.1 ist durch die Funktion v(t) =
30 m 2 s + 0.2 t
gegeben. Gesucht sind die Beschleunigung a(t = 3 s) und der Ort x(t = 3 s). Die Anfangsbedingung ist x(t0 = 0) = 0. Aufgabe 2.3 (SG = 1) Die Geschwindigkeit des PKWs in Abb. 2.1 ist durch die Funktion
a0 v(t) = v0 1 − exp − t v0 gegeben, wobei a0 und v0 Konstanten sind. Zur Zeit t1 = 0 hat das Fahrzeug die Position x1 = x(t1 ). Gesucht sind der Ort x(t), die Beschleunigungen a(t), a(v) und die Geschwindigkeit v(a). Man stelle alle Funktionen gra¿sch dar. Welche Interpretationen haben die Konstanten v0 , a0 ?
22
2 Die Kinematik des Punktes
Aufgabe 2.4 (SG = 1) Der Ort des PKWs in Abb. 2.1 ist durch die Funktion
v0 x(t) = x0 1 − exp − t x0 gegeben, wobei v0 und x0 Konstanten sind. Gesucht sind die Geschwindigkeiten v(t), v(x), die Beschleunigungen a(t), a(x), a(v) und der Ort x(v). Man stelle alle Funktionen gra¿sch dar. Welche Interpretationen haben die Konstanten x0 , v0 ? Aufgabe 2.5 (SG = 1) Ein Boot treibt mit abgeschaltetem Antrieb nach dem Beschleunigungsgesetz a = a(v) = −bv mit der Widerstandskonstanten b auf einem See. Als Anfangsbedingungen seien x(t = 0) = x0 und v(t = 0) = v0 gegeben. Bestimmen Sie 1. 2. 3. 4.
die Geschwindigkeit v(x), die Geschwindigkeit v(t), den Weg x(t), den maximalen Weg xmax , den das Schiff unter den gegebenen Bedingungen zur¨ucklegt, sowie die zugeh¨orige Zeit tmax .
Die berechneten Verl¨aufe sind gra¿sch darzustellen. Aufgabe 2.6 (SG = 2) Um die Tiefe eines Brunnens abzusch¨atzen, l¨asst man einen Stein hineinfallen. Die Zeit bis zum h¨orbaren Aufschlag betr¨agt 5 s. 1. Stellen Sie die Bewegung des Steins im Ort-Zeit Diagramm dar. 2. Bestimmen Sie die Gleichungen f¨ur den Fall des Steins und f¨ur die Ausbreitung des Schalls (vs = 340 m/s). 3. Nach welcher Zeit tH erreicht der Stein den Boden des Brunnens? 4. Welche Tiefe H hat der Brunnen?
m
H
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
23
Aufgabe 2.7 (SG = 2) In der Fahrschule lernt man folgende Regeln zum Verhalten im Straßenverkehr: Anhalteweg beim Bremsen: Dieser setzt sich aus dem Reaktionsweg sR und dem Bremsweg sB zusammen. Es gilt: sR = 3 · (v/10),
sB = (v/10)2 /2,
[sR ] = [sB ] = m, [v] = km/h. Sicherheitsabstand: Als Sicherheitsabstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug gilt der ,,halbe Tacho-Abstand” sS1 . Außerhalb geschlossener Ortschaften kann auch der ,,ZweiSekunden-Abstand” sS2 angewendet werden. Es gilt sS1 = v/2, sS2 = 6 · (v/10), [v] = km/h, [sS1 ] = [sS2 ] = m. ¨ ¨ ¨ Uberholen: F¨ur den Uberholweg sU und die Uberholzeit tU gelten folgende Regeln: sU v1 v2 L tU
= v1 · L/(v1 − v2 ) = Geschwindigkeit des u¨ berholenden Fahrzeuges, [v1 ] = km/h = Geschwindigkeit des u¨ berholten Fahrzeuges, [v2 ] = km/h ¨ = ,,Zwei-Sekunden-Abstand” vor und nach dem Uberholen plus L¨angen beider Fahrzeuge L = 6 · (v1 /10) + 6 · (v2 /10) + lF ahrzeug1 + lF ahrzeug2 , [L] = m, = sU /v1 , [v1 ] = m/s, [sU ] = m, [tU ] = s.
Bremsbeschleunigungen (Richtwerte aus [24]): PKW, gute Reifen Motorroller, trockene Straße, gute Reifen - trockener Beton, Sommerreifen a = 8 m/s2 - Bremsen mit beiden R¨adern a = 8 m/s2 - Bremsen mit Vorderrad allein a = 5.2 m/s2 - nasser Beton a = 4 m/s2 - Bremsen mit Hinterrad allein a = 2.8 m/s2 - Neuschnee, Sommerreifen a = 2 m/s2 - Eis, Winterreifen a = 2 m/s2 - Glatteis a = 1 m/s2 1. Begr¨unden Sie mit den De¿nitionen (2.2) und (2.3) die Regeln f¨ur den Reaktionsweg sR und den Bremsweg sB . Welche Reaktionszeit liegt zu Grunde? 2. Begr¨unden Sie die Faktoren 1/2 und 6/10 in den Regeln f¨ur den ,,halbe Tacho-Abstand” sS1 und den ,,Zwei-Sekunden-Abstand” sS2 . Berechnen Sie die Sicherheitsabst¨ande ss1 und ss2 f¨ur v = 30 km/h, v = 50 km/h, v = 80 km/h, v = 100 km/h nach beiden Regeln. 3. Zeichnen Sie die s(v)-Diagramme f¨ur den Anhalteweg. Bestimmen Sie die zugeh¨origen Sicherheitsabst¨ande nach der ,,halbe Tacho-” und der ,,Zwei-Sekunden-Regel”. 4. Berechnen Sie den Anhalteweg SA f¨ur die angegebene Bremsbeschleunigung eines PKWs auf trockenem Beton mit Sommerreifen bei v = 30 km/h, v = 50 km/h, v = 100 km/h, v = 130 km/h. Legen Sie eine Reaktionszeit von 1 Sekunde zu Grunde. Vergleichen Sie die Ergebnisse mit sRB = sR +sB . ¨ 5. Begr¨unden Sie die Regel f¨ur den Uberholweg. Welcher Wert ergibt sich f¨ur einen PKW (lP KW = 5 m, v1 = 100 km/h), der einen Lkw (lLKW = 12 m, v2 = 70 km/h) u¨ berholt?
24
2 Die Kinematik des Punktes
Aufgabe 2.8 (SG = 3) Zwei PKWs A und B fahren mit 80 km/h auf einer geradlinigen Landstraße im Abstand von 10 m. Auf der Gegenfahrbahn kommt ein PKW C mit der Geschwindigkeit von 80 km/h entgegen. Der Abstand vom vorausfahrenden PKW A zum PKW C betr¨agt 300 m, als sich der Fahrer von PKW B pl¨otzlich zu einem riskanten ¨ Uberholman¨ over entscheidet. Dabei f¨ahrt er mit der Beschleunigung a = 3 m/s2 auf die Gegenfahrbahn. Kann er den Zusammenstoß mit PKW C vermeiden, wenn er f¨ur den R¨uckwechsel auf die rechte Fahrbahn 2 s und gegen¨uber PKW A einen Vorsprung von 5 m ben¨otigt? Das Ergebnis ist gra¿sch zu erl¨autern. Aufgabe 2.9 (SG = 2) Zwei Schiffe S1 und S2 verlassen gleichzeitig die H¨afen H1 und H2 und fahren mit den Geschwindigkeiten v1 und v2 . Das schlechte Wetter begrenzt die Sicht auf d = 10 Sm. 1. Nach welcher Zeit t1 kommen die Schiffe in Sichtweite? 2. Wie lange bleiben sie in Sichtweite? 3. Wie groß ist die geringste Entfernung dmin der Schiffe voneinander? Bekannt: L = 30 Sm, v1 = v2 = 15 Kn, α1 = 30o , α2 = 60o , 1 Kn = 1 Sm/h.
Aufgabe 2.10 (SG = 2) F¨ur das Space Shuttle in Beispiel 2.6 wird eine Verringerung der Geschwindigkeit erforderlich. Wie groß muss die Konstante C in dem Beschleunigungsgesetz a = −Cv 2 gew¨ahlt werden, damit nach einer Strecke x2 = 500 m die Geschwindigkeit v2 = 5 m/s erreicht wird?
2.1 Die geradlinige Bewegung von Punkten
25
Aufgabe 2.11 (SG = 3) Auf einer Straße f¨ahrt ein PKW B. Der vorausfahrende Traktor A bewegt sich mit der halben Geschwindigkeit des Wagens B. Als der Fahrer des Wagens dieses realisiert, liegt zwischen den Fahrzeugen der Abstand l. Nach einer Schrecksekunde ts bremst er seinen Wagen ab. 1. Bestimmen Sie die zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mindestens erforderliche Verz¨ogerung bB . 2. Nach welcher Zeit tB und an welcher Stelle sB ber¨uhren sich die Fahrzeuge in diesem Fall? 3. Zeichnen Sie das s(t)- bzw. das v(t)-Diagramm des Wagens B bis zum Stillstand. Bekannt: l, vA , vB = 2vA .
Aufgabe 2.12 (SG = 3) Ein Punkt M auf einer Gitarrensaite bewegt sich nach dem Beschleunigungsgesetz a(x) = −ω 2 x. Als Anfangsbedingungen sind x(t = 0) = 0 und v(t = 0) = v0 bekannt. Bestimmen Sie 1. die Geschwindigkeit v(x), 2. den Weg x(t), 3. die Geschwindigkeit v(t) und stellen Sie die berechneten Verl¨aufe jeweils gra¿sch dar. dx x √ Hinweis: Es gilt = arcsin + C. 2 2 a a −x
26
2 Die Kinematik des Punktes
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten Im Allgemeinen verlaufen Bewegungen von K¨orpern, wie die des Hubschraubers in Abb. 2.8, auf r¨aumlichen Bahnen. Um die Kinematik f¨ur derartige F¨alle zu beschreiben, konzentrieren wir uns wie in dem vorherigen Abschnitt auf einen ausgew¨ahlten K¨orperpunkt. In Abb. 2.8 ist das der Schwerpunkt S. Die mathematische Beschreibung seines Ortes im Raum und in der Zeit geschieht mit den Methoden der Vektorrechnung, deren wichtigste Regeln in Anhang A.1 zusammengefasst sind. Als Symbole f¨ur Vektoren dienen fett gedruckte Buchstaben.
Abb. 2.8. Bahn des Schwerpunktes eines Hubschraubers, raumfester Beobachter A
2.2.1 Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung In Abb. 2.8 durchl¨auft der Schwerpunkt S die dargestellte Bahnkurve (kurz: Bahn). F¨ur die Festlegung seines Ortes im Raum ben¨otigen wir ein raumfestes Bezugssystem und w¨ahlen dazu die ErdoberÀ¨ache. Erg¨anzend zu den Begriffen (2.1) verwenden wir folgende Begriffe zur r¨aumlichen Bewegung von Punkten 1. 2. 3. 4. 5.
Raumpunkte Bahnkoordinate Ortsvektor Orts¨anderungs- (Verschiebungs-)vektor Geschwindigkeits¨anderungsvektor
0, 0 , R, R s(t), [s]SI = m x = x(t), [x]SI = m Δx = x(t + Δt) − x(t) Δv = v(t + Δt) − v(t).
(2.13)
Der Schwerpunkt S be¿ndet sich zu verschiedenen Zeiten t = 0, t > 0 und t + Δt an verschiedenen Raumpunkten 0 , R und R . Die Bahnkoordinate s(t) wird ausgehend von dem Raumpunkt 0 in Abh¨angigkeit der Zeit t gemessen. Damit gibt s(t) gleichzeitig die momentane Bahnl¨ange zur Zeit t an. Der Ortsvektor x(t) verbindet zur Zeit t momentan den raumfesten Bezugspunkt 0 mit dem Punkt S. Zur Zeit t + Δt ist x(t + Δt) der Ortsvektor, so dass Δx in Gl.(2.13.4) die Orts¨anderung (oder: Verschiebung) im Zeitintervall Δt angibt.
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
27
In Abb. 2.8 erkennt man, dass sich f¨ur kleiner werdendes Zeitintervall Δt der Vektor Δx an die Bahn im Punkt R anschmiegt. Kennzeichnen wir im Grenz¨ubergang Δt → 0 den differenziellen Ortsvektor mit dx, so ist dieser tangential zur Bahn gerichtet. Zur Beschreibung der Geschwindigkeit und der Beschleunigung werden die De¿nitionen (2.2) und (2.3) f¨ur r¨aumliche Bewegungen wie folgt erweitert: Definitionen Geschwindigkeitsvektor und Beschleunigungsvektor dx Δx m ˙ 1. v = lim = = x, [v]SI = Δt→0 Δt dt s m Δv dv ¨, 2. a = lim = = v˙ = x [a]SI = 2 . Δt→0 Δt dt s
(2.14)
Bemerkungen 2.2 1. Geschwindigkeitsvektor und Beschleunigungsvektor sind im Allgemeinen zeitabh¨angig, d.h., es gilt v = v(t) und a = a(t). 2. Da der Vektor dx tangential zur Bahn verl¨auft und dt ein Skalar ist, ist auch der Geschwindigkeitsvektor v = dx/ dt tangential zur Bahn gerichtet. Bezeichnen wir nach De¿nition (A.4) mit v = |v| den Betrag, dann folgt mit dem Bahninkrement Δs in Abb. 2.8 |dx| |dx| ds |Δx| = = 1 =⇒ ds = |dx| =⇒ v = |v| = = = s˙ . (2.15) Δs ds dt dt Zusammenfassend formulieren wir die lim
Δs→0
Eigenschaften des Geschwindigkeitsvektors v a) Die Richtung von v ist tangential zur Bahnkurve. b) F¨ur den Betrag von v gilt v = |v| = s˙ .
(2.16)
F¨ur den Vektor Δv in Gl.(2.13.5) ist in Abb. 2.8 beim Grenz¨ubergang Δt → 0 kein charakteristischer Zusammenhang zur Bahnkurve erkennbar. Der Beschleunigungsvektor in Gl.(2.14.2) hat daher im Allgemeinen keine Eigenschaften analog zu (2.16). 3. Die Vektoren v und a werden auch als Absolutgeschwindigkeit und Absolutbeschleunigung des Punktes S bezeichnet. Sie werden in Abb. 2.8 von einem raumfesten Beobachter A wahrgenommen, der mit der ErdoberÀ¨ache als raumfestes Bezugssystem verbunden ist. Ein Beobachter im Weltraum nimmt auf Grund der Erdrotation einen anderen Bahnverlauf und somit andere Gr¨oßen f¨ur Geschwindigkeit und Beschleunigung wahr. W¨ahrend in der Technik die ErdoberÀ¨ache als Bezugssystem meist ausreichend ist, w¨ahlt man bei meterologischen und erdnahen Problemen der Raumfahrt den Erdmittelpunkt und f¨ur Planetenbewegungen die Sonne als raumfestes Bezugssystem. 4. Die Anzahl der unabh¨angigen Bewegungsm¨oglichkeiten eines K¨orpers wird als Freiheitsgrad f bezeichnet. F¨ur einen Punkt auf einer gegebenen Bahnkurve ist f = 1, auf einer gegebenen r¨aumlichen Fl¨ache f = 2 und im Raum f = 3. Aufgabenstellungen der Kinematik werden zweckm¨aßig in geeigneten Koordinatensystemen behandelt. Dazu werden im Folgenden drei M¨oglichkeiten, raumfeste kartesische Koordinaten, Zylinderkoordinaten und nat¨urliche Koordinaten, vorgestellt.
28
2 Die Kinematik des Punktes
2.2.2 Raumfeste kartesische Koordinaten Wir verbinden in Abb. 2.9 das raumfeste Bezugssystem im Raumpunkt 0 mit drei senkrecht zueinander angeordneten Ebenen E1 , E2 , E3 . Die Abst¨ande eines Raumpunktes R von diesen Ebenen bezeichnet man bei Verwendung gleicher Maßst¨abe als kartesische Koordinaten (nach R. Descartes, genannt Cartesius, 1596-1650). In Abb. 2.9 be¿ndet sich der Schwerpunkt S zur Zeit t im Raumpunkt R. Die zeitliche Abh¨angigkeit der Position von S wird dann mit den kartesischen Koordinaten X(t), Y (t), Z(t) beschrieben.
Abb. 2.9. Raumfeste kartesische Koordinaten, Vektorbasis eX , eY , eZ im Raumpunkt R
Die Schnittlinien der drei Ebenen E1 , E2 , E3 liefern die drei raumfesten, orthogonalen und zeitlich unver¨anderlichen Koordinatenachsen X, Y, Z. Parallel zu deren Richtungen werden Einheitsvektoren eX , eY , eZ eingef¨uhrt, die wegen der Orthogonalit¨at eine Vektorbasis (siehe Abschnitt A.1.2) bilden. Diese Vektorbasis wird jedem Raumpunkt zugeordnet. In Abb. 2.9 ist sie nur f¨ur den Raumpunkt R dargestellt. Da sich der Schwerpunkt S w¨ahrend der Bewegung an verschiedenen Raumpunkten mit jeweils gleicher Vektorbasis be¿ndet, gilt: Die von S mitgef¨uhrte Vektorbasis eX , eY , eZ ist zeitlich unver¨anderlich. Die Basisdarstellung des zeitabh¨angigen Ortsvektors lautet analog zu Gl.(A.12.1) x(t) = X(t)eX + Y (t)eY + Z(t)eZ .
(2.17)
Der Geschwindigkeitsvektor wird nach De¿nition (2.14.1) als zeitliche Ableitung des Ortsvektors erhalten. Mit der Kettenregel erh¨alt man aus der Basisdarstellung (2.17) dx ˙ ˙ ˙ ˙ x + Y (t)e˙ Y + Z(t)e˙ Z . = x˙ = X(t)e X + Y (t)eY + Z(t)eZ + X(t)e dt Da die Basisvektoren zeitlich unver¨anderlich sind, gilt e˙ X = e˙ Y = e˙ Z = 0, wobei 0 den Nullvektor kennzeichnet. Damit folgt f¨ur den Geschwindigkeitsvektor v=
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
˙ vY = Y˙ , vZ = Z. ˙ v = vX eX + vY eY + vZ eZ , wobei vX = X,
29
(2.18)
Zur Vereinfachung der Notation ist hier die explizite Abh¨angigkeit von der Zeit t nicht angegeben. Nach De¿nition (2.14.2) erh¨alt man mit der Zeitableitung von v eine Basisdarstellung f¨ur den Beschleunigungsvektor a, worauf hier nicht im Einzelnen eingegangen werden soll. Die so erhaltenen Ergebnisse werden wie folgt zusammengefasst: Basisdarstellungen in raumfesten kartesischen Koordinaten 1. x = XeX + Y eY + ZeZ ˙ vY = Y˙ , vZ = Z˙ 2. v = vX eX + vY eY + vZ eZ , vX = X, ¨ ¨ 3. a = aX eX + aY eY + aZ eZ , aX = X, aY = Y¨ , aZ = Z.
(2.19)
Es sei noch bemerkt, dass kartesische Koordinaten nicht immer raumfest sind. In den nachfolgenden Abschnitten werden zus¨atzlich mitrotierende kartesische Koordinaten x, y, z eine wichtige Rolle spielen.
Beispiel 2.7 Hubschrauberbahn in raumfesten kartesischen Koordinaten Die Koordinaten des Schwerpunktes zur Zeit t1 = 0 f¨ur den in Abb. 2.9 dargestellten Hubschrauber lauten X1 = 20 m, Y1 = 100 m, Z1 = 550 m, und die Geschwindigkeiten werden f¨ur alle drei Koordinatenrichtungen mit den Gleichungen vX (t) = 0 m/s vY (t) = 0.02 m/s3 t2 vZ (t) = 0.4 m/s2 t − 0.3 m/s exp (−0.02 s−1 t) beschrieben. a) Man bestimme die Koordinaten, die Geschwindigkeiten und die Beschleunigungen f¨ur alle drei Richtungen zur Zeit t2 = 12 s. b) Wie lauten die zugeh¨origen Basisdarstellungen f¨ur Orts-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor? ¨ Voruberlegungen: Da keine Kopplung zwischen den Bewegungen in den drei Richtungen vorliegt, k¨onnen diese getrennt betrachtet werden. Dazu werden mit der zweiten Grundaufgabe in Tabelle 2.1 f¨ur alle drei Richtungen die Koordinaten durch Integration und die Beschleunigungen durch Differenziation erhalten. Durch Auswertung der Funktionen f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung werden die entsprechenden Werte zur Zeit t2 = 12 s berechnet.
30
2 Die Kinematik des Punktes
L¨osung: a) Durch Integration der drei Geschwindigkeiten folgt f¨ur die Koordinaten zur Zeit t2 = 12 s: t2 X(t2 ) = X1 + vX (t)dt = X1 = 20.0 m 0
Y (t2 ) = Y1 +
vY (t)dt = Y1 +
0
t2
t2 0
t2
1 0.02t dt = Y1 + 0.02 t3 3 2
t2
= 111.5 m
0
t2
(0.4t − 0.3 exp (−0.02 t)) dt 0 0 t2 1 2 −1 = 575.60 m. = Z1 + 0.4 t − 0.3 exp (−0.02 t) 2 0.02 0
Z(t2 ) = Z1 +
vZ (t)dt = Z1 +
Die Auswertung der drei Geschwindigkeiten zur Zeit t2 = 12 s liefert vX (t2 ) = 0 m/s
vY (t2 ) = 0.02 · 122 = 2.88 m/s vZ (t2 ) = 0.4 · 12 − 0.3 exp (−0.02 · 12) = 4.56 m/s .
Durch Differenziation der drei Geschwindigkeiten werden die Beschleunigungen ermittelt dvX = 0 m/s2 dt dvY = 0.02 · 2 t = 0.48 m/s2 = dt dvZ = = 0.4 − 0.3(−0.02) exp (−0.02t) dt = 0.405 m/s2 .
aX = aY aZ
b) Mit den Ergebnissen der Teilaufgabe a) erh¨alt man die Basisdarstellungen f¨ur Orts-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor zur Zeit t2 x = 20eX + 111.5eY + 590.6eZ m v = 0eX + 2.88eY + 4.56eZ m/s a = 0eX + 0.48eY + 0.405eZ m/s2 .
Abb. 2.10. Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor
Der Geschwindigkeits- und der Beschleunigungsvektor des Schwerpunktes S sowie deren Koef¿zienten bezogen auf die Basisvektoren eY , eZ sind in Abb. 2.10 eingetragen.
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
31
2.2.3 Zylinderkoordinaten Alternativ zu raumfesten kartesischen Koordinaten X, Y, Z kann die Lage eines Raumpunktes R mit drei Zylinderkoordinaten r, ϕ, z angegeben werden. Zur Erkl¨arung kennzeichnen ¯ die senkrechte Projektion des Raumpunktes R auf die XY -Ebene. wir in Abb. 2.11 mit R ¯ an, und ϕ beschreibt den Drehwinkel Die Gr¨oße r gibt den Abstand vom Bezugspunkt 0 zu R ¯ Die Koordi(kurz: Winkel) zwischen der X-Achse und der Verbindungslinie von 0 nach R. nate z=Z ist wie bei raumfesten kartesischen Koordinaten de¿niert. Gelegentlich werden r und ϕ auch als Polarkoordinaten zur Beschreibung ebener Bewegungen zusammengefasst. In Abb. 2.11 be¿ndet sich der Schwerpunkt S zur Zeit t im Punkt R. Die zeitliche Abh¨angigkeit der Position von S wird mit den Zylinderkoordinaten r(t), ϕ(t), z(t) beschrieben. Mit Zylinderkoordinaten kann jedem Raumpunkt R eine Vektorbasis er , eϕ , ez zugewie¯ gegeben. sen werden. Dabei ist die Richtung von er durch die Verbindung von 0 nach R Der Vektor ez ist wie bei kartesischen Koordinaten senkrecht zur X, Y -Ebene, und eϕ ist senkrecht zu er und ez , so dass die drei Basisvektoren er , eϕ , ez ein orthonormales Rechtssystem bilden. In Abb. 2.11 ist die zum Raumpunkt R zugeh¨orige Vektorbasis dargestellt. Im Gegensatz zur kartesischen Vektorbasis eX , eY , eZ ist sie f¨ur alle Raumpunkte unterschiedlich. Da sich der Schwerpunkt S w¨ahrend der Bewegung an verschiedenen Raumpunkten mit jeweils unterschiedlicher Vektorbasis be¿ndet, gilt: Die von S mitgef¨uhrte Vektorbasis er (t), eϕ (t), ez ist zeitlich ver¨anderlich. Wie in Abb. 2.11 erkennbar, gilt f¨ur den Ortsvektor zur Zeit t die Basisdarstellung x(t) = r(t)er (t) + z(t)ez .
(2.20)
Somit tritt keine Komponente in Richtung von eϕ auf. Zur Ermittlung von Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung muss gem¨aß den De¿nitionen (2.14) der Ortsvektor x einmal bzw.
Abb. 2.11. Zylinderkoordinaten
32
2 Die Kinematik des Punktes
zweimal nach der Zeit abgeleitet werden. Aus Gl.(2.20) ist erkennbar, dass wir dazu die zeitliche Ableitung des Basisvektors er - und sp¨ater auch die von eϕ - ben¨otigen. Zu diesem Zweck formulieren wir unter Ber¨ucksichtigung der Darstellungen in Abb. 2.12 folgenden Zusammenhang zwischen den raumfesten Basisvektoren eX , eY , eZ und den Basisvektoren er (t), eϕ (t), ez (vgl. auch (A.18.1-3)): 1. er (t) = cos ϕ(t) eX + sin ϕ(t) eY 2. eϕ (t) = cos ϕ(t) eY − sin ϕ(t) eX (2.21) 3. ez (t) = eZ . Auf Grund der zeitlichen Abh¨angigkeit f¨ur den Winkel ϕ = ϕ(t) folgt mit der Kettenregel
Abb. 2.12. Basisvektoren f¨ur kartesische Koordinaten und Zylinderkoordinaten
e˙ r (t) = (− sin ϕ(t) eX + cos ϕ(t) eY ) ϕ(t) ˙ = eϕ (t) ϕ(t) ˙ ˙ = −er (t) ϕ(t) ˙ e˙ ϕ (t) = (− sin ϕ(t) eY − cos ϕ(t) eX ) ϕ(t) e˙ z (t) = 0, wobei 0 den Nullvektor kennzeichnet. Zusammenfassend erhalten wir die Zeitableitungen der Basisvektoren ˙ eϕ (t), 1. e˙ r (t) = ϕ(t)
2. e˙ ϕ (t) = −ϕ(t) ˙ er (t),
3. e˙ z (t) = 0.
(2.22)
Mit den Ergebnissen Gl.(2.22.1) und Gl.(2.22.3) folgt der Geschwindigkeitsvektor als zeitliche Ableitung des Ortsvektors in der Darstellung (2.20): v = x˙ =
d (rer + zez ) = re ˙ r + r e˙ r + ze ˙ z + z e˙ z = re ˙ r + r ϕe ˙ ϕ + ze ˙ z. dt
(2.23)
Zur Vereinfachung der Notation ist die funktionale Abh¨angigkeit von der Zeit t hier nicht angegeben. In der Basisdarstellung (2.23) f¨allt auf, dass der Geschwindigkeitsvektor im Gegensatz zum Ortsvektor eine Komponente in Richtung von eϕ aufweist. Durch zeitliche Ableitung von (2.23) erh¨alt man nach De¿nition (2.14.2) den Beschleunigungsvektor .
˙ ϕ + r ϕe ¨ ϕ + r ϕ˙ e˙ ϕ + z¨ez + z e˙ z a = v˙ = r¨er + r˙ e˙ r + r˙ ϕe = r¨er + r˙ ϕe ˙ ϕ + r˙ ϕe ˙ ϕ + r ϕe ¨ ϕ − r ϕ˙ ϕe ˙ r + z¨ez = (¨ r − r ϕ˙ ϕ)e ˙ r + (2r˙ ϕ˙ + r ϕ)e ¨ ϕ + z¨ez ,
(2.24)
wobei wiederum die Gleichungen (2.22) ber¨ucksichtigt sind. Aus den Gleichungen (2.20), (2.23) und (2.24) erhalten wir zusammenfassend die Basisdarstellungen in Zylinderkoordinaten 1. x = rer + zez 2. v = vr er + vϕ eϕ + vz ez , vr = r, ˙ vϕ = r ϕ, ˙ vz = z˙ ar = r¨ − r ϕ˙ 2 , aϕ = 2r˙ ϕ˙ + r ϕ, ¨ az = z¨ . 3. a = ar er + aϕ eϕ + az ez ,
(2.25)
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
33
Bemerkungen 2.3 1. Zur Vereinfachung der Notation ist die funktionale Abh¨angigkeit von der Zeit t in den Gleichungen (2.25) nicht angegeben. 2. In (2.25) kennzeichnen vr und vϕ die Radial- und die Umfangsgeschwindigkeit. Entsprechend sind ar und aϕ die Radial- und die Umfangsbeschleunigung. ¨ 3. Zur Beschreibung der zeitlichen Anderung des Winkels ϕ formulieren wir folgende Definitionen
1. Winkelgeschwindigkeit 2. Winkelbeschleunigung
ω = ϕ, ˙ α = ω˙ = ϕ, ¨
[ω] = rad/s [α] = rad/s2 .
(2.26)
H¨au¿g wird f¨ur Maschinen die Anzahl der Umdrehungen pro Minute als Drehzahl n angegeben. Hierbei entsprechen n Umdrehungen pro Minute dem Winkel n · 2π, so dass ω=
2π rad 60 n · 2π rad =n· ⇐⇒ n = ω · s, [n] = min−1 , [ω] = rad/s. (2.27) 1 min 60 s 2π
4. Zylinderkoordinaten sind besonders bei Kreisbewegungen um die z-Achse vorteilhaft. Die Koordinaten r und z sind dann konstant, so dass r˙ = r¨ = 0 und z˙ = z¨ = 0. Aus den Gleichungen (2.25) folgen also die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in Zylinderkoordinaten ¨ eine Kreisbewegung fur vϕ = r ϕ˙ = rω, vz = 0 1. vr = 0, 2. ar = −r ϕ˙ 2 = −rω 2 , aϕ = r ϕ¨ = rα, az = 0.
(2.28)
Die Geschwindigkeit hat nur den zirkularen Anteil v = vϕ , der, wie in Abb. 2.13 f¨ur einen Punkt P dargestellt, tangential zur Kreisbahn auftritt. F¨ur die Beschleunigung entsteht außer dem tangentialen Anteil aϕ ein radialer Anteil ar . Dieser beschleunigt einen Punkt zum Zentrum hin und heißt auch Zentripetalbeschleunigung (petere = ziehen). Die Gleichungen (2.28) gelten ebenfalls bei einer Kreisbewegung f¨ur z = 0. 5. Bei einer gleichf¨ormigen Kreisbewegung ist ω konstant, so dass wegen vϕ = rω auch die Umfangsgeschwindigkeit in Abb. 2.13 konstant ist. Eine Tangentialbeschleunigung aϕ tritt wegen α = ω˙ = 0 nicht auf, und f¨ur die Radialbeschleunigung gilt ar = −rω 2 .
Abb. 2.13. Kreisbewegung eines Punktes P in Zylinderkoordinaten: a) Basisvektoren er , eϕ , b) Geschwindigkeit vϕ , c) Beschleunigungen ar , aϕ
34
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.8 Robotergesteuerter Massenpunkt Der Roboterarm in Abb. 2.14 ist so programmiert, dass der Massenpunkt M seine Position nach den folgenden Gesetzm¨aßigkeiten einnimmt: r(t) = r0 + r1 cos(Ωt) ϕ(t) = ϕ0 + ϕ1 sin(Ωt) z(t) = 0. Gesucht sind die Basisdarstellungen des Geschwindigkeitsvektors zur Zeit t1 = 12.1 s in a) Zylinderkoordinaten und b) raumfesten kartesischen Koordinaten.
Abb. 2.14. Robotergesteuerter Massenpunkt
Wie groß ist jeweils der Betrag des Vektors? Bekannt: r0 = 0.4 m, r1 = 0.3 m, ϕ0 = ϕ(0) = 0.1 rad, ϕ1 = ϕ(t1 ) = 0.5 rad, Ω = 2π rad/s. ¨ Voruberlegungen: Die Basisdarstellung f¨ur den Geschwindigkeitsvektor in Zylinderkoordinaten erfolgt nach Gl.(2.25.2). Da keine Kopplung zwischen den drei Koordinatenrichtungen vorliegt, werden diese separat betrachtet. Zur Umrechnung auf die Basisdarstellung (2.19) in raumfesten kartesischen Koordinaten ist eine Koordinatentransformation erforderlich. L¨osungen: a) Mit (2.25.2) werden zun¨achst die Geschwindigkeitskoef¿zienten berechnet und f¨ur die Zeit t1 = 12.1 s ausgewertet vr = r(t) ˙ = −r1 Ω sin(Ωt) = −1.11 m/s ˙ = (r0 + r1 cos(Ωt)) ϕ1 Ω cos(Ωt) vϕ = r(t)ϕ(t) = 1.63 m/s vz = z(t) ˙ = 0 m/s . Damit lautet die Basisdarstellung des Geschwindigkeitsvektors zur Zeit t1 = 12.1 s v = (−1.11 er + 1.63 eϕ + 0 ez ) m/s. (A)
Abb. 2.14.b. Geschwindigkeitsvektor in
raumfesten kartesischen und Zylinderkoordinaten F¨ur den Betrag erh¨alt man nach Gl.(A.16) v (A) = |v| = (−1.11)2 + (1.63)2 = 1.97 m/s.
b) F¨ur die Transformation auf raumfeste kartesische Koordinaten wird der Winkel ϕ zwischen den Basisvektoren eX und er zur Zeit t1 = 12.1 s ben¨otigt: ϕ(t1 ) = (0.1 + 0.5 sin(2π · 12.1)) rad = 0.3938 rad = 22.56o .
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
35
Unter Beachtung der geometrischen Zusammenh¨ange in Abb. 2.14.b veri¿ziere der Leser folgende Transformation auf raumfeste kartesische Koordinaten (vgl. auch (A.20.4-6)): vX = vr cos ϕ − vϕ sin ϕ = (−1.11) cos 22.6o − 1.63 sin 22.6o = −1.65 m/s vY = vr sin ϕ + vϕ cos ϕ = (−1.11) sin 22.6o + 1.63 cos 22.6o = 1.08 m/s . Mit Gl.(2.19.2) lautet die Basisdarstellung des Geschwindigkeitsvektors v = (−1.65eX + 1.08eY + 0 eZ ) m/s.
(B)
F¨ur den Betrag erh¨alt man den gleichen Wert wie im Aufgabenteil a) v (B) = |v| = (−1.65)2 + (1.08)2 = 1.97 m/s = v (A) . Bemerkungen: Beide Basisdarstellungen (A) und (B) sind zur vollst¨andigen Beschreibung des Geschwindigkeitsvektors v in Abb. 2.14.b geeignet. Wir k¨onnen die Koef¿zienten beider Darstellungen auch als Spaltenmatrizen zusammenfassen ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ −1.11 −1.65 v (A) = ⎣ 1.63 ⎦ , v (B) = ⎣ 1.08 ⎦ . 0 0 Stehen nur diese Matrixdarstellungen ohne Angabe der zugeh¨origen Basisvektoren als Informationen zur Verf¨ugung, so kann nicht vollst¨andig auf die Vektoreigenschaften von v, Richtung und Betrag, geschlossen werden. Beispiel 2.9 Satellit im Orbit in Zylinderkoordinaten Ein Satellit beschreibt im Abstand r eine Kreisbahn um die Erde. Welche Geschwindigkeit hat er? Hinweis: Wir bezeichnen mit RE den Erdradius und mit g die Erdbeschleunigung. Wie in dem nachfolgenden Beispiel 3.10 gezeigt wird, hat die zum Erdmittelpunkt gerichtete Gravitationsbeschleunigung dann den Wert
aG = g
RE r
2 .
¨ Voruberlegungen: Die Beschleunigung aG wird - unter Ber¨ucksichtigung der unterschiedlichen Richtungen gleich dem Wert ar in Gl.(2.28.2) gesetzt. Damit wird eine Winkelgeschwindigkeit ω bestimmt, die mit Gl.(2.28.1) die gesamte Geschwindigkeit v=vϕ liefert.
Abb. 2.15: Satellit im Orbit in Zylinderkoordinaten
L¨osung: Durch Gleichsetzen der Beschleunigungen aG und |ar | ergibt sich
g RE g RE 2 2 =⇒ v = vϕ = r ω = RE . = rω = |ar | =⇒ ω = aG = g r r r r Die Bestimmung der Geschwindigkeit vϕ im letzten Schritt erfolgte mit Gl.(2.28.1).
36
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.10 R¨uhrwerk mit einer Punktmasse F¨ur das R¨uhrwerk in Abb. 2.16 sollen zwei Laufphasen untersucht werden: a) In der Anlaufphase wird das R¨uhrwerk aus der Ruhelage zur Zeit t1 = 0 gleichm¨aßig beschleunigt. Zur Zeit t2 = 30 s ist die Drehzahl n = 500 min−1 erreicht. Wie groß ist die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Punktes M mit dem Abstand b = 10 cm von der Drehachse zur Zeit t = 15 s? b) In der anschließenden Betriebsphase rotiert das R¨uhrwerk mit der konstanten Abb. 2.16. R¨uhrwerk mit einer Punktmasse M Drehzahl n = 500 min−1 weiter. Wie groß sind jetzt Geschwindigkeit und Beschleunigung von M ? ¨ Voruberlegungen: Es ¿ndet eine Kreisbewegung um eine feste Drehachse AB statt. Unter Verwendung von Zylinderkoordinaten r, ϕ, z werden die gesuchten Gr¨oßen mit den Gleichungen (2.28) berechnet, wobei die z-Achse mit der Drehachse zusammenf¨allt. Dazu m¨ussen vorher Winkelgeschwindigkeit und -beschleunigung f¨ur beide Laufphasen berechnet werden. L¨osung: a) Die Umrechnung der Drehzahl auf die Winkelgeschwindigkeit erfolgt mit (2.27): 500 · 2π rad rad = 52.35 . 60 s s Da die Anlaufphase gleichm¨aßig beschleunigt wird, gilt f¨ur die Winkelbeschleunigung α(t) = α = konst. Durch Integration wird folgender Zusammenhang zwischen α und ω2 erhalten: t2 ω2 dω rad ω2 52.35 α = ω˙ = = konst =⇒ α = 1.74 2 . dt = dω =⇒ α = = dt t2 30 s 0 0 ω2 = ω(t2 ) = n · 2π rad =
Die Geschwindigkeit und die beiden Beschleunigungen des Punktes M werden mit den Gleichungen (2.28) bestimmt. F¨ur die Zeit t = 15 s erh¨alt man folgende Auswertungen: v = rω = b αt = 0.1 · 1.74 · 15 = 2.61 m/s aϕ = rα = b α = 0.1 · 1.74 = 0.174 m/s2 2 2 2 |ar | = rω = b (αt) = 0.1 · (1.74 · 15) = 68.12 m/s2 . W¨ahrend die Radialbeschleunigung ar quadratisch mit der Zeit anw¨achst, bleibt die Umfangsbeschleunigung aϕ konstant und ist f¨ur das Beispiel vernachl¨assigbar klein. b) In der Betriebsphase t ≥ t2 ist die Winkelgeschwindigkeit ω(t) = ω2 konstant, d.h. f¨ur die Winkelbeschleunigung gilt α = 0. Aus den Gleichungen (2.28) erh¨alt man v = rω = b ω2 = 0.1 · 52.35 = 5.235 m/s aϕ = rα = 0 |ar | = rω 2 = b ω22 = 0.1 · 52.352 = 274.05 m/s2 .
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
37
¨ 2.2.4 Naturliche Koordinaten In Abb. 2.17 ist die r¨aumliche Bewegung des Schwerpunktes S eines Achterbahnwagens dargestellt. Zur Zeit t hat S den Raumpunkt R erreicht. Ist wie in diesem Fall der Verlauf der Bahn bekannt, so hat S den Freiheitsgrad f = 1. Damit kann sein Ort durch die Bahnkoordinate s = s(t) angegeben werden, und der Ortsvektor ist darstellbar als x = x(s(t)).
(2.29)
Abb. 2.17. Nat¨urliche Koordinaten: a) Bahnverlauf, b) inkrementelle Bahn Δs in der Schmiegeebene
F¨ur Bewegungen auf einer bekannten Bahn ist eine von S mitgef¨uhrte Vektorbasis et , en , eb zweckm¨aßig, die sich st¨andig dem Bahnverlauf ,,nat¨urlich” anpaßt. Dazu wird die Bahn in der momentanen Position durch den Kr¨ummungskreis angen¨ahert. Dessen Kr¨ummungsmittelpunkt ist M , und die Strecke M R ist der Kr¨ummungsradius ρ. Der Kehrwert κ = 1/ρ heißt Kr¨ummung. Die Festlegung der Basisvektoren geschieht in drei Schritten: 1. Mit der Bahnkoordinate s wird et de¿niert als et =
dx . ds
(2.30)
Wie in Abschnitt 2.2.1 erkl¨art, ist dx tangential zur Bahn gerichtet. Da das Bahndifferenzial ds skalarwertig ist, verl¨auft auch et tangential zur Bahn. Mit den Beziehungen (2.15) gilt |dx|=ds und somit |et |=|dx|/|ds|=1, d.h. et hat die L¨ange Eins. Auf Grund dieser Eigenschaften f¨ur Richtung und Betrag wird et als Tangenteneinheitsvektor bezeichnet. 2. Der Vektor en zeigt vom Punkt R zum Kr¨ummungsmittelpunkt M . Da die Strecke RM normal zur Tangente ist, steht en senkrecht auf et . Des Weiteren verlangen wir noch, dass (gem¨aß Gl.(A.5)) en auf die L¨ange Eins normiert ist. Die Bezeichung f¨ur en ist Normaleneinheitsvektor, und die von en und et aufgespannte Ebene heißt Schmiegeebene.
38
2 Die Kinematik des Punktes
3. Der dritte Basisvektor, der Binormaleneinheitsvektor eb , folgt aus dem Kreuzprodukt eb = et × en .
(2.31)
Wie in Abb. 2.17 dargestellt, spannen eb und et die Streckebene und en und eb die Normalenebene auf. Da sich der Schwerpunkt S w¨ahrend der Bewegung an verschiedenen Raumpunkten mit jeweils unterschiedlicher Vektorbasis be¿ndet, gilt: Die von S mitgef¨uhrte Vektorbasis et (t), en (t), eb (t) ist zeitlich ver¨anderlich. Der Geschwindigkeitsvektor wird als Zeitableitung des Ortsvektors in Gl.(2.29) mit der Kettenregel, der De¿nition (2.30) und dem Ergebnis ds/dt = v in (2.16.2) erhalten: dx dx ds v = x˙ = = = et v. (2.32) dt ds dt Wie zu erwarten war, hat v nur eine Komponente in Richtung des tangentialen Vektors et , jedoch keine Anteile in den Richtungen von en und eb . Damit verl¨auft wie in Abb. 2.17.b dargestellt die Bewegung momentan in der Schmiegeebene. Zwischen einem Bahninkrement Δs und dem Winkelinkrement Δϕ besteht dabei der Zusammenhang Δϕ ≈ Δs/ρ. Wir teilen diese Gleichung durch das Zeitinkrement Δt und erhalten f¨ur Δt → 0 ϕ˙ = lim
Δt→0
1 1 Δϕ Δs = lim = s. ˙ Δt ρ Δt→0 Δt ρ
Wenden wir die De¿nition (2.26.1) f¨ur die Winkelgeschwindigkeit an und ber¨ucksichtigen nochmals das Ergebnis s˙ = v in Gl.(2.16.2), dann folgt: ω = ϕ˙ =
v 1 s˙ = ρ ρ
=⇒
(2.33)
v = ρ ω.
Dieses Ergebnis entspricht der Darstellung f¨ur vϕ in Gl.(2.28.1). Damit gilt: Der Punkt S f¨uhrt momentan eine Kreisbewegung mit Radius ρ und der Winkelgeschwindigkeit ω = v/ρ um den Mittelpunkt M in der Schmiegeebene durch. Da sich die Basisvektoren et und en mit dem Punkt S bewegen, erfahren sie momentan dieselbe Kreisbewegung. Diese Bewegung wiederum entspricht der Kreisbewegung der Basisvektoren er und eϕ in Abb. 2.12. Wir k¨onnen also (2.22) zur Berechnung von Zeitableitungen der Basisvektoren er , eϕ , ez verwenden, indem wir er , eϕ , ez durch −en , et , −eb ersetzen. Das Ergebnis lautet 1. e˙ n (t) = −ω et (t),
2. e˙ t (t) = ω en (t),
3. e˙ b (t) = 0.
(2.34)
Der Beschleunigungsvektor wird als zeitliche Ableitung des Geschwindigkeitsvektors in Gl.(2.32) erhalten. Mit der Kettenregel und den Ergebnissen (2.33), (2.34.2) folgt a=
d (v et ) v2 = v˙ et + v e˙ t = v˙ et + en . dt ρ
(2.35)
Zusammenfassend erhalten wir folgende ¨ Basisdarstellungen in naturlichen Koordinaten 1. x = xt et + xn en + xb eb 2. v = vt et , 3. a = at et + an en ,
vt = v, vn = 0, vb = 0 v2 at = v, ˙ an = , ab = 0. ρ
(2.36)
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
39
Bemerkungen 2.4 1. Alle von Null verschiedenen Gr¨oßen in den Gleichungen (2.36) sind im Allgemeinen abh¨angig von der Zeit t, d.h. es gilt zum Beispiel x = x(t), xt = xt (t), et = et (t) usw. 2. Die Koordinaten xt , xn , xb des Ortsvektors x in Gl.(2.36.1) haben im Allgemeinen nicht die praktische Bedeutung wie bei raumfesten kartesischen Koordinaten oder Zylinderkoordinaten. Auf deren Berechnung wird daher in der Regel verzichtet. 3. Die Geschwindigkeit in (2.36.2) hat nur einen Tangentialanteil vt . In (2.36.3) kennzeichnet at die Tangential- oder Bahnbeschleunigung, die in Richtung der Tangente zeigt, und an ist die Zentripetal- oder Normalbeschleunigung, die in Richtung der Hauptnormalen zum Kr¨ummungsmittelpunkt M gerichtet ist. 4. Mit den Rechenregeln der Kurventheorie wird die Kr¨ummung f¨ur eine Bewegung in der X, Y -Ebene auf der Bahn Y = Y (X) und den Abk¨urzungen Y = dY /dX und Y = d2 Y /dX 2 wie folgt erhalten (siehe z.B. [6]): 1 κ= = ρ
Y
1 + (Y )
2 3/2
(2.37)
.
5. F¨ur den Sonderfall einer Bewegung auf einem Kreis mit Radius r folgt aus Gl.(2.37) ρ = r (vgl. Aufgabe 2.24). Mit dem konstanten Radius r, den Beziehungen v = rω in (2.33) sowie α = ω˙ erh¨alt man dann aus den Gleichungen (2.36.2) und (2.36.3) die ¨ Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in naturlichen Koordinaten ¨ eine Kreisbewegung fur 1. vt = v = rω, vn = 0, vb = 0 an = rω 2, ab = 0. 2. at = r ω˙ = rα,
(2.38)
Ber¨ucksichtigt man, dass der Basisvektor er f¨ur Zylinderkoordinaten einen entgegenge¨ mit den Gleichunsetzten Richtungssinn zu en hat, so wird sofort die Ubereinstimmung gen (2.28) deutlich. Eine Darstellung der Geschwindigkeit vt und der Beschleunigungen at und ar eines Punktes P auf einer Kreisbahn erfolgt in Abb. 2.18. 6. Bei einer gleichf¨ormigen Kreisbewegung ist ω konstant, so dass wegen v =rω auch die Umfangsgeschwindigkeit vt konstant ist. Eine Tangentialbeschleunigung at tritt wegen α = ω˙ = 0 nicht auf, und f¨ur die Normalbeschleunigung gilt an = rω 2 . a)
Y
et
r=ρ M
P en s X
b)
vt = rω
c)
a t = rα an=r ω 2
ω α
Abb. 2.18. Kreisbewegung eines Punktes P in nat¨urlichen Koordinaten: a) Basisvektoren et , en , b) Geschwindigkeit vt , c) Beschleunigungen at , an
40
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.11 Ralley-Auto in einer Kurve Ein Ralley-Auto durchf¨ahrt eine Kurve mit der konstanten Geschwindigkeit v = 50 km/h. Der kleinste Kr¨ummungsradius der Kurve betr¨agt ρ = 20 m. Welche gr¨oßte Normalbeschleunigung erf¨ahrt das Fahrzeug? ¨ Voruberlegungen: Ein Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit v, dem Kr¨ummungsradius ρ und der Normalbeschleunigung an besteht in Gl.(2.36.3). Abb. 2.19. Ralley-Auto in einer Kurve
L¨osung: Mit den gegebenen Werten f¨ur v und ρ folgt aus Gl.(2.36.3) an =
(50/3.6)2 m/s2 m v2 = = 9.64 2 . ρ 20 m s
Beispiel 2.12 Satellit im Orbit in nat¨urlichen Koordinaten F¨ur den Satelliten aus Beispiel 2.9 bestimme man unter Verwendung nat¨urlicher Koordinaten die Geschwindigkeit. ¨ Voruberlegungen: Wie in Beispiel 2.9 wird die Beschleunigung
aG = g
RE r
2
gleich dem Wert an in Gl.(2.38.2) gesetzt. Damit wird eine Winkelgeschwindigkeit ω ermittelt, aus der mit Gl.(2.38.1) die gesamte Geschwindigkeit v = vt berechnet wird.
Abb. 2.20. Satellit im Orbit mit nat¨urlichen Koordinaten
L¨osung: Durch Gleichsetzen der Beschleunigungen aG und an ergibt sich
RE 2 g RE g =⇒ v = vt = r ω = RE . = rω 2 = an =⇒ ω = aG = g r r r r Im letzten Schritt wurde Gl.(2.38.1) zur Bestimmung von vt angewendet. Das Ergebnis stimmt mit dem Ergebnis aus Beispiel 2.9 u¨ berein.
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
41
Beispiel 2.13 Magnetschwebebahn in einer Kurve Die Magnetschwebebahn in Abb. 2.21 durchf¨ahrt eine Kurve mit der konstanten Geschwindigkeit v. Wie groß ist die Beschleunigung, wenn der Bahnverlauf durch eine Parabel beschrieben und die horizontale Koordinate X0 erreicht wird? Bekannt: v = 200 km/h, X0 = −300 m, Y = bX 2 , b = 0.001 m−1 .
Abb. 2.21. Magnetschwebebahn in einer Kurve, Bahnverlauf auf einer Parabel
¨ Voruberlegungen: Unter Verwendung von nat¨urlichen Koordinaten k¨onnen mit den Gleichungen (2.36.3) die Beschleunigungen bestimmt werden. F¨ur die Normalbeschleunigung an muss dazu der momentane Kr¨ummungsradius ρ der Bahn bekannt sein. Dieses geschieht unter Ber¨ucksichtigung von Gl.(2.37) f¨ur die Kr¨ummung. L¨osung: Auf Grund der konstanten Geschwindigkeit folgt aus Gl.(2.36.3) f¨ur die Tangentialbeschleunigung at = 0. Die Kr¨ummung an der Stelle X0 bestimmt man mit Gl.(2.37) zu
κ=
1 Y 1 2b = = = 1.26 · 10−3 . 3/2 3/2 ρ m 2 1 + (Y ) 1 + (2bX0 )2
Damit erh¨alt man den Kr¨ummungsradius und mit Gl.(2.36.3) die Normalbeschleunigung zu ρ=
an =
1 1 = = 793 m κ 1.26 · 10−3
(200/3.6)2 m/s2 m v2 = = 3.89 2 . ρ 793 m s
In Abb. 2.21.b. sind der momentane Kr¨ummungskreis mit den zugeh¨origen Tangentenund Normaleneinheitsvektoren et und en sowie der Beschleunigungsvektor a = an dargestellt. Abb. 2.21.b. Kr¨ummungskreis, Basisvektoren en , et und Beschleunigungsvektor a
42
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.14 Planet auf Ellipsenbahn Ein Planet bewegt sich mit konstanter Bahngeschwindigkeit v0 auf einer Ellipse um die Sonne. Gesucht sind a) die Tangenten- und Normaleneinheitsvektoren et , en in Abh¨angigkeit raumfester kartesischer Basisvektoren, b) die Bahnkr¨ummung, c) der Geschwindigkeits- und der Beschleunigungsvektor des Planeten, d) die maximale Beschleunigung und deren Ort auf der Ellipse.
Abb. 2.22. Planet auf Ellipsenbahn
Bekannt: v0 , a > b. ¨ Voruberlegungen: Der Tangenteneinheitsvektor et wird gem¨aß De¿nition (2.30) bestimmt. Zur Berechnung der Bahnkr¨ummung verweisen wir auf die nachfolgende Aufgabe 2.24. Der Geschwindigkeits- und der Beschleunigungsvektor werden mit den Gleichungen (2.36) ermittelt. Die gefundene Darstellung erlaubt abschließend die Berechnung der maximalen Beschleunigung. L¨osung: a) Wir stellen den Ortsvektor bez¨uglich einer raumfesten Vektorbasis dar: x = XeX + Y eY = a cos ϕeX + b sin ϕeY = x(ϕ).
(A)
Damit ist der Ortsvektor zun¨achst durch den Winkel ϕ parametrisiert. Gem¨aß De¿nition (2.30) wird zur Bestimmung von et jedoch die Ableitung nach dem Bahnparameter s ben¨otigt. Mit der funktionalen Abh¨angigkeit s(ϕ) gelingt dieses mit der Kettenregel wie folgt: et =
dx dx 1 dx dϕ dx 1 = = = . ds dϕ ds dϕ ds dϕ |dx| dϕ dϕ
Hierbei wurde noch das Ergebnis ds = |dx| der Gleichungen (2.15) verwendet. Mit der Darstellung des Ortsvektors x in Abh¨angigkeit von ϕ ergibt sich weiter dx dx dx |dx| = −a sin ϕeX + b cos ϕeY =⇒ = · = a2 sin2 ϕ + b2 cos2 ϕ, dϕ dϕ dϕ dϕ so dass et =
1 a2 sin2 ϕ
+ b2 cos2 ϕ
(−a sin ϕeX + b cos ϕeY ) .
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
43
F¨ur den Normaleneinheitsvektor en senkrecht zu et ¿nden wir durch ,,Ausprobieren” en =
1 a2 sin2 ϕ
+ b2 cos2 ϕ
(−b cos ϕeX − a sin ϕeY ) .
Durch Auswertung der Produkte en · en = 1, et · en = 0 u¨ berpr¨uft man einfach, dass die geforderten Eigenschaften (A.11) f¨ur orthonormale Basisvektoren erf¨ullt sind. b) Parametrisieren wir die Koordinaten X und Y in Abb. 2.22 durch den Umlaufwinkel ϕ, so kann die Bahnkr¨ummung mit der Formel ∗ ∗∗ ∗ ∗∗ XY −Y X 1 κ= =
ρ ∗2 ∗ 2 3/2 X +Y ∗
∗
und den Notationen X = dX/dϕ, Y = dY /dϕ der Aufgabe 2.24 bestimmt werden. F¨ur den Sonderfall der Ellipsenbahn gilt ∗
∗∗
X = a cos ϕ, X = −a sin ϕ, X = −a cos ϕ ∗
Y = b sin ϕ, Y =
∗∗
b cos ϕ, Y = −b sin ϕ ,
und man erh¨alt nach Einsetzen sowie einigen Umformungen f¨ur die Kr¨ummung κ=
ab 1 = 3/2 . 2 ρ a2 sin ϕ + b2 cos2 ϕ
c) Aus den Gleichungen (2.36.2) wird der Geschwindigkeitsvektor v = v0 et = v0
1 2
a2 sin ϕ + b2 cos2 ϕ
(−a sin ϕeX + b cos ϕeY )
berechnet. F¨ur den Beschleunigungsvektor folgt aus (2.36.3) mit at = v˙ = 0 a=
v02 v02 ab en = 2 (−b cos ϕeX − a sin ϕeY ) . ρ a2 sin2 ϕ + b2 cos2 ϕ
d) Der Betrag der Beschleunigung ist gem¨aß De¿nition (A.4) a = |a| =
v02 |en |. ρ
Wegen |en | = 1 wird die Beschleunigung maximal, wenn 1/ρ maximal ist. Dieses ist f¨ur a > b an der Stellen der maximalen Kr¨ummung f¨ur die Winkel ϕ = 00 und ϕ = 1800 der Fall. Somit gilt: ϕ = 00 , 1800 =⇒
a a 1 = 2 =⇒ amax = |a|max = v02 2 . ρ b b
44
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.15 Hubschrauberbewegung in nat¨urlichen Koordinaten F¨ur den Hubschrauber aus Beispiel 2.7 bestimme man die Beschleunigung in nat¨urlichen Koordinaten zur Zeit t= 12 s. Wie groß ist zu diesem Zeitpunkt der Kr¨ummungsradius ρ? Wo liegt der Kr¨ummungsmittelpunkt M relativ zu S? ¨ Voruberlegungen: Die Koef¿zienten des Beschleunigungsvektors sind f¨ur raumfeste kartesische Koordinaten aus Beispiel 2.7 bekannt. Zur Transformation auf bewegte nat¨urliche Koordinaten m¨ussen die Richtungen der Basisvektoren et und en berechnet werden. Dazu bestimmen wir die Richtung des Geschwindigkeitsvektors v, die nach Gl.(2.36.2) mit der Richtung von et u¨ bereinstimmt. Der Kr¨ummungsradius ρ wird mit (2.36.3) berechnet. L¨osung: Die Koef¿zienten bzgl. der Basis eY , eZ f¨ur Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor zur Zeit t2 = 12 s aus Beispiel 2.7 sind in Abb. 2.23 eingetragen und lauten vX = 0 m/s, vY = 2.88 m/s, vZ = 4.56 m/s, aX = 0 m/s2 , aY = 0.48 m/s2 , aZ = 0.405 m/s2 .
Abb. 2.23. Geschwindigkeitsvektor v und Beschleunigungsvektor a in raumfesten kartesischen und in nat¨urlichen Koordinaten, Lage des Mittelpunktes M
Die Richtung des zum Basisvektor et parallelen Geschwindigkeitsvektors v wird gem¨aß Abb. 2.23 mit den bereits bekannten Geschwindigkeitskoef¿zienten ermittelt: vZ 4.56 = 1.58 =⇒ ϕ = 57.7o . tan ϕ = = vY 2.88 F¨ur die Richtung von en wird zun¨achst angenommen, dass en und eZ ebenfalls den Winkel ¨ ϕ einschließen. Der Leser veri¿ziere mit geometrischen Uberlegungen - oder alternativ mit Gl.(A.20.1-2) - folgende Koordinatentransformation f¨ur die Koef¿zienten von a at = aY cos ϕ + aZ sin ϕ = 0.48 cos ϕ + 0.405 sin ϕ = 0.599 m/s2 an = −aY sin ϕ + aZ cos ϕ = −0.48 sin ϕ + 0.405 cos ϕ = −0.189 m/s2 . Mit dem Betrag der Geschwindigkeit v = |v| folgt der Kr¨ummungsradius aus Gl.(2.36.3) m2 v2 29.09 = −153.9 m. =⇒ ρ = = 2 s an −0.189 Das Minuszeichen f¨ur an bringt zum Ausdruck, dass, wie in Abb. 2.23 dargestellt, von S ausgehend, M in einer zu en entgegengesetzen Richtung liegt. Die tats¨achliche Richtung des Normaleneinheitsvektors en ist somit entgegengesetzt zu der angenommenen Richtung. v 2 = |v|2 = vY2 + vZ2 = 2.882 + 4.562 = 29.09
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
45
2.2.5 Zusammenfassung zu den verschiedenen Koordinatensystemen In Abb. 2.24 ist die ebene Bewegung eines Punktes in drei Abbildungen dargestellt. Die Kinematik des Punktes mit dem Ortsvektor x, dem Geschwindigkeitsvektor v und dem Beschleunigungsvektor a ist f¨ur die drei F¨alle identisch. Unterschiedlich sind dagegen die verschiedenen Basisdarstellungen in a) raumfesten kartesischen Koordinaten, b) Zylinderkoordinaten und c) nat¨urlichen Koordinaten.
Abb. 2.24. Basisdarstellungen von Orts-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor: a) raumfeste kartesische Koordinaten, b) Zylinderkoordinaten, c) nat¨urliche Koordinaten. In allen F¨allen sind die Vektoren x, v, a gleich.
Bemerkung 2.5 Die Basisdarstellungen von Vektoren f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung in bewegten Koordinatensystemen f¨uhren h¨au¿g zu Verst¨andnisschwierigkeiten. Im Hinblick auf die Zerlegungen in Abb. 2.24 sei dazu bemerkt, dass es keine Rolle spielt, ob die Basisvektoren raumfest oder beweglich sind. Es k¨onnen folglich absolute Geschwindigkeiten und Beschleunigungen - momentan - in einem ruhenden oder einem bewegten Koordinatensystem dargestellt werden. Ebenso lassen sich von einem mitfahrenden Beobachter relativ wahrgenommene Geschwindigkeiten in einem ruhenden oder einem bewegten Koordinatensystem darstellen.
46
2 Die Kinematik des Punktes
2.2.6 Aufgaben zu Abschnitt 2.2 Aufgabe 2.13 (SG = 1) Der Schleudergang in einer Waschmaschine erfolgt mit der Drehzahl n. 1. Welche Geschwindigkeit hat der Punkt W ? 2. Wie groß sind Radial- und Tangentialbeschleunigung des Punktes W ? Wie ist jeweils das Verh¨altnis zur Erdbeschleunigung g = 9.81 m/s2 ? 3. Wie groß ist die Winkelbeschleunigung, wenn die Drehzahl n gleichf¨ormig innerhalb eines Zeitintervalls Δt erreicht wird? Bekannt: n = 1400 min−1 , r = 16 cm, Δt = 20 s. Aufgabe 2.14 (SG = 1) F¨ur den Roboterarm in Beispiel 2.8 sind die Funktionen f¨ur den Radius und den Drehwinkel in Abh¨angigkeit der Zeit t gegeben r(t) = 1 m + 0.3
m 2 rad t , ϕ(t) = 3 t. s2 s
Gesucht ist der Geschwindigkeitsvektor v in Zylinderkoordinaten nach t = 5 s. Aufgabe 2.15 (SG = 1) Der Roboterarm in Beispiel 2.8 erf¨ahrt eine Winkelgeschwindigkeit ω = 12 rad/ s. Des Weiteren ist der Radius als Funktion des Drehwinkels gegeben r(ϕ) = 3 m sin(2ϕ). F¨ur den Drehwinkel ϕ = 20o bestimme man den Geschwindigkeitsvektor v(ϕ = 20o ) in Zylinderkoordinaten. Aufgabe 2.16 (SG = 2) Der Roboterarm in Beispiel 2.8 erf¨ahrt eine konstante Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ = ω0 . Des Weiteren ist die Radialgeschwindigkeit v(r) als Funktion des Radius’ gegeben v(r) = −Cr. Unter Ber¨ucksichtigung der Anfangsbedingung r(t1 = 0) = r1 bestimme man die Funktionen r(t), vϕ (r), ar (r), aϕ (r).
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
Aufgabe 2.17 (SG = 3) In einer Schubkurbel rotiert der Stab 1 mit der konstanten Drehzahl n. Daraus resultiert eine Horizontalverschiebung s des Stabes 2. Bestimmen Sie die Funktionen s(t), v(t), a(t), v(s), a(v), a(s) und stellen Sie die zugeh¨origen Diagramme dar. Bekannt: n = 100 min−1 , l = 20 cm. Aufgabe 2.18 (SG = 3) Eine Kreisscheibe ist mit der Exzentrizit¨at e an einer festen Drehachse befestigt, die mit der Drehzahl n rotiert. Die Scheibe treibt einen federgelagerten St¨oßel in vertikaler Richtung an. Gesucht sind 1. die St¨oßelgeschwindigkeit vP des Punktes P als Funktion des Drehwinkels ϕ und deren Maximalwert, 2. die St¨oßelbeschleunigung aP als Funktion des Drehwinkels und deren Maximalwert. Bekannt: n = 100 min−1 , e = 0.5 cm, r = 10 cm.
Aufgabe 2.19 (SG = 2) Eine Kanonenkugel soll vom Punkt A unter einem Winkel β mit einer Bahngeschwindigkeit v0 so abgeschossen werden, dass sie im Punkt B horizontal auf eine Burgwand trifft. 1. Leiten Sie die Gleichung f¨ur die Wurfparabel Y = Y (X) her. 2. Bestimmen Sie den erforderlichen Winkel β und die zugeh¨orige Geschwindigkeit v0 . Bekannt: h = 1 m, H = 13 m, L = 30 m, g = 9.81 m/s2 .
47
48
2 Die Kinematik des Punktes
Aufgabe 2.20 (SG = 2) Beginnend im Punkt A f¨ahrt ein PKW aus der Ruhelage mit konstanter Beschleunigung s¨ auf einer kreisf¨ormigen Bahn. An der Stelle B erreicht er zur Zeit tB die Bahngeschwindigkeit s˙ B . Berechnen Sie mit nat¨urlichen Koordinaten 1. die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren v(t) und a(t) zur Zeit tB /2, 2. die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren bei ϕ = ϕB /2. Bekannt: s¨ = konst, R, ϕB = π/2. Aufgabe 2.21 (SG = 2) Ein Golfspieler schl¨agt einen Golfball der Masse m von einem H¨ugel der H¨ohe H in ein Loch der Entfernung L. 1. Leiten Sie die Gleichung f¨ur die Wurfparabel Y = Y (X) her. 2. Berechnen Sie f¨ur einen vorgegebenen Schlagwinkel von β = 30o die erforderliche Anfangsgeschwindigkeit v0 . 3. Welche Anfangsgeschwindigkeit v1 ist mindestens erforderlich, damit der Ball das Loch im Flug erreicht? Unter welchem Winkel β1 l¨asst sich ein solcher Schlag durchf¨uhren? Bekannt: m, H, L = 10H, g = 9.81m/s2 . Aufgabe 2.22 (SG = 3) Das Pleuel eines Verbrennungsmotors rotiert mit der Drehzahl n. Gesucht sind 1. die Kolbengeschwindigkeit als Funktion der Zeit und deren Maximalwert, 2. die Kolbenbeschleunigung als Funktion der Zeit und deren Maximalwert. Bekannt: n=2000 min−1 , r=30 mm, r/L=1/4. √ Hinweise: 1 + x ≈ 1 + 1/2 x, sin2 ω = 1/2 (1 − cos 2ω) Aufgabe 2.23 (SG = 1) F¨ur den Roboterarm in Beispiel 2.8 bestimme man die Beschleunigung mit Zylinderkoordinaten und raumfesten kartesischen Koordinaten.
2.2 Die r¨aumliche Bewegung von Punkten
Aufgabe 2.24 (SG = 3∗ ) Eine Bahnkurve sei in der X, Y -Ebene durch den Drehwinkel ϕ parametrisiert, d.h.
49
Y
X = X(ϕ), Y = Y (ϕ). ∗
∗
1. Mit den Notationen X = dX/dϕ, Y = dY /dϕ veri¿ziere man unter Verwendung von Gl.(2.37) folgende Beziehung f¨ur die Kr¨ummung: ∗ ∗∗ ∗ ∗∗ − X Y Y X 1 κ= =
. 3/2 ρ ∗2 ∗ 2 X +Y
ϕ
s
X
2. Formulieren Sie eine Parameterdarstellung X = X(ϕ), Y = Y (ϕ) f¨ur eine Ellipsenbahn. Wie lautet das Ergebnis f¨ur die Kr¨ummung κ? 3. F¨ur einen Kreis mit Radius r zeige man außerdem den Zusammenhang ρ = r. Aufgabe 2.25 (SG = 2) Ein Fahrzeug bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit v0 auf einer Bahn, die durch die Parabel Y = aX 2 beschrieben wird. Gesucht sind 1. die Tangenten- und Normaleneinheitsvektoren et , en in Abh¨angigkeit raumfester kartesischen Basisvektoren, 2. die Bahnkr¨ummung, 3. die Beschleunigung des Fahrzeuges, 4. die maximale Beschleunigung und deren Ort. Aufgabe 2.26 (SG = 3) Ein Kind gleitet mit der konstanten Bahngeschwindigkeit v0 eine Rutsche mit dem Bahnverlauf einer Schraubenlinie hinunter. Berechnen Sie 1. den Tangentenvektor et und den Normaleneinheitsvektor en , 2. die Kr¨ummung der Bahn, 3. die Beschleunigung des Massenpunktes. Bekannt: Bahn mit Ortsvektor x(ϕ) = a cos(ϕ)eX + a sin(ϕ)eY + (B − bϕ)eZ , wobei a, b > 0.
50
2 Die Kinematik des Punktes
Aufgabe 2.27 (SG = 3*) Die Menge aller Punkte P , f¨ur welche das Y Produkt der Abst¨ande von zwei festen PunkP . ten F1 und F2 den Wert ((1/2)(F1 F2 ))2 besitzt, ist eine Lemniskate, siehe z.B. [10]. Mit Polarkoordinaten lautet die LemniskaF1 F2 X 0 √ tengleichung r = a 2 cos 2ϕ, wobei a = 0F1 = 0F2 . F¨ur −π/4 ≤ ϕ ≤ −π/4 erh¨alt _3 < < _5 - _41 π =< ϕ =< _14 π 4 π= ϕ= 4 π man den rechten, f¨ur −3π/4 ≤ ϕ ≤ 5π/4 den linken Teil der Kurve. Gesucht sind 1. die Tangenten- und Normaleneinheitsvektoren et , en in Abh¨angigkeit raumfester kartesischen Basisvektoren, 2. die Bahnkr¨ummung, 3. die Beschleunigung des Fahrzeuges, 4. die maximale Beschleunigung und deren Ort.
.
Aufgabe 2.28 (SG = 2) Ein Rad mit dem Radius R rollt auf einer ebenen Unterlage mit konstanter Geschwindigkeit. F¨ur den Punkt P des Umfangs, der im Zeitpunkt t0 = 0 die Unterlage ber¨uhrt, bestimme man
.
.
M vM
1. den Ortsvektor x = x(t) in raumfesten P kartesischen Koordinaten, 2. den Geschwindigkeitsvektor v=v(t) und den Beschleunigungsvektor a=a(t), 3. den Tangentenvektor et und den Normaleneinheitsvektor en bez¨uglich der Bahn des Punktes P , 4. den Kr¨ummungsradius ρ der Bahn. Hinweis: F¨ur den Kr¨ummungsradius verwende man das Ergebnis aus Aufgabe 2.24. Aufgabe 2.29 (SG = 3*) Eine H¨ulse bewegt sich von dem Drehwinkel ϕ = 0 ausgehend wie dargestellt auf einer Kreisbahn mit Radius r. Als Ortsvektor x wird der Verbindungsvektor von 0∗ zur H¨ulse de¿niniert. Gesucht sind der Ortsvektor x, der Geschwindigkeitsvektor v und der Beschleunigungsvektor a bezogen auf 1. die Vektorbasis er , eϕ , 2. die Vektorbasis ER , EΦ .
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
51
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen ¨ Komplexe Bewegungen lassen sich in vielen F¨allen durch Uberlagerung von einfacheren Bewegungen darstellen. Dabei treten h¨au¿g Kreisbewegungen anteilig auf. So ist z.B. f¨ur ¨ ein Fahrrad die Gesamtbewegung eines Reifenventils als Uberlagerung der Bewegung der Radachse und einer momentanen Kreisbewegung um diese Achse darstellbar. Kreisbewegungen haben in der Kinematik also eine besondere Bedeutung. In Erg¨anzung zu den vorherigen Abschnitten behandeln wir daher im Folgenden Kreisbewegungen von Punkten um 1. feste Achsen, 2. momentane richtungstreue Achsen und 3. momentane Achsen mit Richtungs¨anderungen. 2.3.1 Kreisbewegungen um feste Achsen in mitrotierenden kartesischen Koordinaten In Abb. 2.25.a beschreibt der Schwerpunkt S einer im Punkt 0 drehbar gelagerten Schranke eine Kreisbahn. Der feste Punkt 0 ist gleichzeitig der Durchstoßpunkt einer senkrecht zur Bewegungsebene gedachten festen Drehachse (kurz: Achse). In Abb. 2.25.b erfolgt die Kreisbewegung des Punktes P um eine feste Drehachse f¨ur ein R¨uhrwerk. Die beiden Beispiele in Abb. 2.25 haben zwei Merkmale: 1. Die Drehachse ist fest. 2. Man ¿ndet einen festen Bezugspunkt 0 auf der Drehachse, zu dem der Abstand des Punktes P (bzw. S) w¨ahrend der Bewegung zeitlich konstant ist. Die beiden Beispiele in Abb. 2.25 sind Sonderf¨alle der Kreisbewegung des Punktes P um eine feste Drehachse 00 in Abb. 2.26. Wir verwenden eine mitrotierende Vektorbasis ex , ey , ez . Dabei ist ez stets parallel zur festen Drehachse und somit zeitunabh¨angig. Die beiden anderen Vektoren rotieren gemeinsam mit dem Punkt P und der Winkelgeschwindigkeit ω um die Drehachse und sind somit zeitabh¨angig, d.h. ex = ex (t), ey = ey (t). Bezogen auf diese Vektorbasis sind die mitrotierenden kartesischen Koordinaten x, y, z im Gegensatz zu den raumfesten Koordinaten X(t), Y (t), Z(t) in (2.17) zeitlich konstant.
Abb. 2.25. Beispiele f¨ur Kreisbewegungen von Punkten um feste Drehachsen: a) Punkt S einer Schranke, b) Punkt P eines R¨uhrwerkes
52
2 Die Kinematik des Punktes
Abb. 2.26. Kreisbewegung eines Punktes P um eine feste Drehachse: a) r¨aumliche Darstellung, b) Draufsicht
Damit hat der Ortsvektor x(t) zur Zeit t die Basisdarstellung x(t) = xex (t) + yey (t) + zez .
(2.39)
F¨ur die gegenseitigen Abst¨ande der Punkte 0, 0 und P gilt √ 1. 0 P = r = x2 + y 2 , 2. 0P = |x| = x2 + y 2 + z 2 , 3. 00 = z 2 = z, (2.40) d.h., sie sind wie erwartet zeitlich konstant. Der Geschwindigkeitsvektor wird durch zeitliches Ableiten von x(t) in Gl.(2.39) erhalten v=
dx = x˙ = xe ˙ x + ye ˙ y + ze ˙ z + xe˙ x + y e˙ y + z e˙ z . dt
Wegen der zeitlichen Unabh¨angigkeit der Koordinaten gilt x˙ = y˙ = z˙ = 0. Zur Bestimmung der Zeitableitungen der Basisvektoren ersetzen wir die rotierenden Vektoren er (t), eϕ (t) in Abb. 2.11 durch ex (t), ey (t) in Abb. 2.26 und erhalten aus den Gleichungen (2.22) 1. e˙ x (t) = ω ey (t),
2. e˙ y (t) = −ω ex (t),
3. e˙ z (t) = 0.
(2.41)
F¨ur den Geschwindigkeitsvektor ergibt sich somit die Basisdarstellung v(t) = xωey yωex + 0 ez . Mit der De¿nition (2.14.2) wird in gleicher Weise in Aufgabe 2.35 der Beschleunigungsvektor a erhalten. Zusammenfassend folgen die Basisdarstellungen in mitrotierenden kartesischen Koordinaten ¨ die Kreisbewegung um eine feste Drehachse fur 1. x = xex + yey + zez 2. v = vx ex + vy ey + vz ez , vx = −yω, vy = xω, vz = 0 3. a = ax ex + ay ey + az ez , ax = −yα − xω 2 , ay = xα − yω 2 , az = 0.
(2.42)
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
53
Bemerkungen 2.6 1. Die Gleichungen (2.42) zur Beschreibung von Kreisbewegungen sind mit den folgenden Eigenschaften verkn¨upft: a) Die kartesischen Koordinaten x, y, z des Punktes P sind zeitlich konstant. b) Die Abst¨ande zwischen den Punkten 0, 0 und P sind zeitlich konstant. c) Die Drehachse 00 ist fest. d) Das Koordinatensystem und der Punkt P rotieren gemeinsam mit der Winkelgeschwindigkeit ω um die Drehachse 00 . e) Der Basisvektor ez ist parallel zur Drehachse. 2. In den Gleichungen (2.42.2) und (2.42.3) stellen wir fest, dass Geschwindigkeit und Beschleunigung keinen Anteil in z−Richtung haben. 3. F¨ur den Betrag der Geschwindigkeit erhalten wir mit der De¿nition (A.4.1) v = |v| = (v · v)1/2 = ((−yωex + xωey ) · (−yωex + xωey ))1/2 = (y 2 ω 2 + x2 ω 2 )1/2 (2.43)
=⇒ v = ωr.
Hierbei ist der Abstand r = 0 P in Gl.(2.40.1) gegeben. Die Geschwindigkeit v und deren Koef¿zienten vx , vy sind in Abb. 2.27.b dargestellt. 4. Der Beschleunigungsvektor in Gl.(2.42.3) kann mit dem Abstand r in Gl.(2.40.1) additiv wie folgt in einen tangentialen und einen normalen (radialen) Anteil zerlegt werden: 1. a = at + an 2. at = −yαex + xαey = atx ex + aty ey =⇒ at = |at | = rα 3. an = −xω 2 ex − yω 2 ey = anx ex + any ey =⇒ an = |an | = rω 2 .
(2.44)
Die hier verwendeten Gr¨oßen sind in Abb. 2.27.c dargestellt. 5. Unter Beachtung der Regeln (A.11) f¨ur Basisvektoren erh¨alt man f¨ur die Vektoren in (2.42) und (2.44) folgende Beziehungen (vgl. Aufgabe 2.38): x · v = 0,
x · at = 0,
x · an = −ω 2 r 2 ,
at · an = 0.
(2.45)
Mit den Darstellungen der Vektoren x, v, at und an in Abb. 2.26 und Abb. 2.27 kann man sich von der Orthogonalit¨at der Vektoren x und v, x und at sowie at und an u¨ berzeugen.
Abb. 2.27. Kreisbewegung in mitrotierenden kartesischen Koordinaten: a) Basisvektoren ex , ey und Koordinaten x, y, b) Geschwindigkeitsvektor v mit Koef¿zienten, c) Beschleunigungsvektoren at , an mit Koef¿zienten
54
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.16 Robotergesteuerter Massenpunkt Der Roboterarm aus Beispiel 2.8 ist so programmiert, dass der Massenpunkt M seine Position nach den folgenden Funktionen einnimmt: r(t) = r0 ϕ(t) = ϕ0 + ϕ1 sin(Ωt) z(t) = 0. Gesucht sind die Basisdarstellungen des Geschwindigkeitsvektors zur Zeit t1 = 12.1 s in mitrotierenden kartesischen Koordinaten x, y. Bekannt: r0 = 0.4 m, ϕ0 = 0.1 rad, ϕ1 = 0.5 rad, Ω = 2π rad/s.
Abb. 2.28. Robotergesteuerter Massenpunkt
¨ Voruberlegungen: Es werden k¨orperfeste, mitrotierende Basisvektoren nach Abb. 2.28.b gew¨ahlt. Die Basisdarstellung f¨ur den Geschwindigkeitsvektor erfolgt nach Gl.(2.42.2). L¨osung: F¨ur die Winkelgeschwindigkeit zur Zeit t1 = 12.1 s folgt: ω = ϕ˙ = ϕ1 Ω cos(Ωt) = 0.759 rad/s. In dem in Abb. 2.28.b gew¨ahlten mitrotierenden kartesischen Koordinatensystem gilt x = r0 , y = z = 0, so dass sich die Geschwindigkeitskoef¿zienten nach Gl.(2.42.2) wie folgt ergeben: vx = 0 vy = xω = r0 ω = 0.4 · 0.759 = 0.304 m/s vz = 0. Die Basisdarstellung des Geschwindigkeitsvektors zur Zeit t = 12.1 s lautet nach Gl.(2.25.2) somit
Abb. 2.28.b. Geschwindigkeitsvektor in mitrotierenden kartesischen Koordinaten
v = (0 ex + 0.304ey + 0 ez ) m/s. In Abb. 2.28 sind der Geschwindigkeitsvektor v sowie dessen Koef¿zient vy bezogen auf die mitrotierende Vektorbasis ex , ey dargestellt.
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
55
2.3.2 Kreisbewegungen um momentane richtungstreue Achsen In Abb. 2.29 sind zwei Beispiele dargestellt, in denen Kreisbewegungen anteilig bei komplexeren Gesamtbewegungen auftreten. In Abb. 2.29.a erf¨ahrt der Punkt F einer Dummy-Puppe beim Auto-Crash eine horizontale Bewegung. Zus¨atzlich bewegt sich der Schwerpunkt S auf einer momentanen Kreisbahn um eine durch F senkrecht zur Bewegungsebene gedachte bewegte Drehachse. In Abb. 2.29.b bewegt sich der Punkt P des Kranauslegers auf einer momentanen Kreisbahn, deren Drehachse entlang eines Schienenabschnittes parallel verschoben wird. Die beiden Beispiele in Abb. 2.29 haben zwei Merkmale: 1. Die Drehachse bewegt sich parallel, also translatorisch und ist somit richtungstreu. 2. Man ¿ndet einen bewegten Bezugspunkt F auf der Drehachse, zu dem der Abstand des Punktes P (bzw. S) w¨ahrend der Bewegung zeitlich konstant ist.
Abb. 2.29. Beispiele f¨ur Kreisbewegungen von Punkten um momentane Drehachsen: a) Punkt S einer DummyPuppe, b) Punkt P eines Kranauslegers
Diese beiden Beispiele sind Sonderf¨alle der Kreisbewegung des Punktes P um die richtungstreue Achse F F in Abb. 2.30, wobei die Abst¨ande der Punkte F , P und F zeitlich konstant sind. Wir w¨ahlen den Punkt F als bewegten Bezugspunkt f¨ur den Punkt P . Wir bezeichnen ihn als F¨uhrungspunkt, der das Koordinatensystem ,,f¨uhrt”. F¨ur den Ortsvektor von P gilt xP = xF + xFP .
(2.46)
Die Notation f¨ur den Verbindungsvektor xFP wird als ,,Ortsvektor von P relativ zu F ” gelesen. In F werden mitrotierende Basisvektoren ex (t), ey (t), ez angeordnet, wobei der Vektor ez stets parallel zur Achse ist. Damit gilt die Basisdarstellung xFP = xex (t) + yey (t) + zez .
(2.47)
56
2 Die Kinematik des Punktes
Abb. 2.30. Kreisbewegung eines Punktes P um eine momentane, richtungstreue Drehachse: a) r¨aumliche Darstellung, ortsfester Beobachter A und translatorisch bewegter Beobachter B, b) Draufsicht
Man beachte, dass x, y, z zeitlich konstant und nur ex (t), ey (t) zeitlich ver¨anderlich sind. Die im raumfesten Bezugssystem gemessene Geschwindigkeit von P wird nach De¿nition (2.14) durch Zeitableitung des Ortsvektors x bestimmt. Man erh¨alt zwei Anteile: vP = x˙ P = x˙ F + x˙ FP = vF + vPF .
(2.48)
Der erste Anteil vF ist die zeitliche Ableitung des Ortsvektors xF , d.h. vF = x˙ F . Wir wollen dessen Berechnung nicht weiter verfolgen und setzen die Basisdarstellung vF = vF x ex + vF y ey + vF z ez
(2.49)
voraus. Der zweite Anteil vPF ergibt sich durch zeitliche Ableitung des Verbindungsvektors xFP . Da die Basisdarstellungen in Gl.(2.47) und Gl.(2.39) gleich sind, ist das Ergebnis (2.42.2) auch f¨ur vPF g¨ultig. Zusammenfassend ergibt sich der Vektor der ¨ die Kreisbewegung um eine momentane, richtungstreue Achse Geschwindigkeit fur 1. vP = vF + vPF (2.50) 2. vF = vF x ex + vF y ey + vF z ez 3. vPF = −yω ex + xω ey + 0 ez . In gleicher Weise wird die im raumfesten Bezugssystem gemessene Beschleunigung des Punktes P gem¨aß De¿nition (2.14.2) ermittelt. Mit Anwendung von Gl.(2.42.3) auf die momentane Kreisbeschleunigung v˙ FP = aFP erh¨alt man zusammenfassend den Vektor der ¨ die Kreisbewegung um eine momentane, richtungstreue Achse Beschleunigung fur 1. aP = aF + aFP (2.51) 2. aF = aF x ex + aF y ey + aF z ez 3. aFP = (−y ω˙ − xω 2 ) ex + (xω˙ − yω 2 ) ey + 0 ez .
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
57
Bemerkungen 2.7 1. Die Terme vP und vF bzw. und aP und aF sind Absolutgeschwindigkeiten bzw. Absolutbeschleunigungen der Punkte P und F . Sie werden von dem Beobachter A in Abb. 2.30 in dem raumfesten Bezugssystem wahrgenommen. 2. Der Term vPF ist die Geschwindigkeit von P relativ zu F . Er beschreibt die momentane Kreisgeschwindigkeit des Punktes P um die richtungstreue Achse F F , so dass der Vektor vPF in Abb. 2.30 tangential zur momentanen Kreisbahn gerichtet ist. Sein Betrag ist nach Gl.(2.43) |vPF | = vPF = ωr, wobei r = (x2 + y 2 )1/2 .
(2.52)
Da x und y nach Voraussetzung zeitlich konstant sind, gilt dieses auch f¨ur r. Die Geschwindigkeit vPF wird von dem Beobachter B in Abb. 2.30 wahrgenommen, wenn er translatorisch von F mitgef¨uhrt wird ohne zu rotieren. 3. Der Term aFP in (2.51) ist die Beschleunigung von P relativ zu F . Diese Beschleunigung wird von einem translatorisch bewegten Beobachter B in Abb. 2.30 wahrgenommen. Der Vektor aFP kann wie in den Gleichungen (2.44) und den Darstellungen in Abb. 2.27 in einen tangentialen und einen radialen Anteil zerlegt werden. 4. W¨urde sich der Beobachter B in Abb. 2.30 zus¨atzlich zur translatorischen Bewegung mit F mit der Winkelgeschwindigkeit ω um die senkrechte Achse F F drehen, so w¨urde er keine Geschwindigkeit und keine Beschleunigung des Punktes P wahrnehmen. Dazu sei bemerkt, dass seine Wahrnehmung der Bewegungen des Punktes P von seiner Wahrnehmung der Tr¨agheits- oder Fliehkr¨afte, die er selbst erf¨ahrt, zu unterscheiden ist. Beispiel 2.17 Baukran in horizontaler Bewegung mit gleichzeitiger Rotation Ein Baukran bewegt sich auf einem Schienenabschnitt mit der Geschwindigkeit vX , w¨ahrend der Ausleger gleichzeitig eine Drehbewegung mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine senkrechte Achse durchf¨uhrt. Beide Bewegungen sind in Abh¨angigkeit der Zeit gegeben vX (t) = a0 t, ω(t) = ω0 (1 − exp(−bt)) . Zu dem Zeitpunkt t2 , wenn der Punkt A die Strecke l zur¨uckgelegt hat, bestimme man bezogen auf die dargestellten mitrotierenden kartesischen Koordinaten den GeschwindigAbb. 2.31. Baukran in horizontaler Bewegung mit Rotation keitsvektor vM des Punktes M .
58
2 Die Kinematik des Punktes
Bekannt: d = 10 m, h = 15 m, a0 = 0.02 m/s2 , ω0 = 0.02 rad/s, b = 0.05 1/s, l = 16 m. ¨ Voruberlegungen: Zun¨achst wird die Zeit t2 , die der Punkt A f¨ur die Strecke l ben¨otigt, mit der zweiten Grundaufgabe in Tabelle 2.1 bestimmt. Die Gesamtbewegung des Punktes M ¨ wird als Uberlagerung der Horizontalbewegung des Punktes A und einer Drehbewegung von M um die senkrechte Kranachse behandelt. Da der Abstand zwischen A und M konstant ist, kann vM mit den Gleichungen (2.50) und A als F¨uhrungspunkt berechnet werden. L¨osung: Die Bestimmung der Zeit t2 gelingt mit der zweiten Grundaufgabe in Tabelle 2.1: t2 t2 1 2 t2 1 2 l vdt = 0 + a0 tdt = l = X2 = X1 + a0 t = a0 t2 =⇒ t2 = 2 = 40 s. 2 2 a0 0 0 0 Die zugeh¨orige Geschwindigkeit des Punktes A in X-Richtung ist vAX = a0 t2 = 0.8 m/s, so dass bezogen auf eine raumfeste Basis die Komponentendarstellung vA = vAX eX + 0 eY + 0 eZ = 0.8 eX m/s folgt. Die Bestimmung des Drehwinkels ϕ zur Zeit t2 geschieht ebenfalls durch Auswertung der zweiten Grundaufgabe der Tabelle 2.1: t2 t2 t2 1 ϕ2 = ϕ1 + ωdt = 0 + ω0 (1 − exp(−bt)) dt = ω0 t + exp(−bt) b 0 0 0 1 (exp(−0.05 · 40) − 1) rad = 0.454 rad = 26o . = 0.02 40 + 0.05 Die Winkelgeschwindigkeit zur Zeit t2 ist ω(t2 ) = ω0 (1 − exp(−bt)) = 0.02 (1 − exp(−0.05 · 40)) = 0.0173 rad/s. Der Geschwindigkeitsvektor des Punktes M wird mit (2.50) berechnet. Dazu wird der Vektor vA auf die mitrotierende Basis bezogen, und man erh¨alt: x = 10 m, y = 0, vAx = vA cos ϕ = 0.719 m/s, vAy = −vA sin ϕ = −0.351 m/s =⇒
A vM = vA + vM = (vAx − yω)ex + (vAy + xω)ey + 0ez
= (0.719ex + (−0.351 + 10 · 0.0173)ey + 0ez ) m/s = (0.719ex − 0.178ey + 0ez ) m/s. Der Betrag von vM ist |vM | = 0.7192 + 0.1782 = 0.7407m/s. In Abb. 2.31.b sind der Geschwindigkeitsvektor vM sowie die Komponenten von vA und A bez¨ uglich der mitrotierenvM den Basisvektoren ex und ey dargestellt.
Abb. 2.31.b. Geschwindigkeitsvektor vM und Koef¿zienten
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
59
2.3.3 Kreisbewegungen um momentane Achsen mit Richtungs¨anderungen 1 Wir
verfolgen in Abb. 2.32.a die Bewegung eines Gyroskops. Dabei rotiert der Punkt P um eine Achse F F . Gleichzeitig rotiert diese Achse F F mit der Winkelgeschwindigkeit ψ˙ und dem Neigungswinkel θ um eine vertikale Achse, so dass sie nicht richtungstreu ist. In Abb. 2.32.b erf¨ahrt der Punkt P einer Mischtrommel momentan eine Rotation um eine Drehachse F F , die gleichzeitig auf Grund der Kurvenfahrt des LKWs eine Richtungs¨anderung erf¨ahrt. Die beiden Beispiele in Abb. 2.32 haben zwei Merkmale: 1. Die momentane Drehachse F F erf¨ahrt st¨andig eine Richtungs¨anderung und ist somit nicht richtungstreu. 2. Man ¿ndet einen festen (bzw. bewegten) Bezugspunkt F auf der Drehachse, zu dem der Abstand des Punktes P w¨ahrend der Bewegung zeitlich konstant ist. Da die momentanen Drehachsen st¨andig eine Richtungs¨anderung erfahren, sind die Gleichungen (2.50) und (2.51) nicht anwendbar und sollen im Folgenden erweitert werden.
Abb. 2.32. Kreisbewegungen von Punkten im Raum um momentane Achsen: a) Punkt P eines Gyroskopes, b) Punkt P der Mischtrommel eines LKWs in der Kurvenfahrt
Die beiden Beispiele in Abb. 2.32 sind Sonderf¨alle der Kreisbewegung des Punktes P in Abb. 2.33 um die Achse F F . Diese Achse erf¨ahrt gleichzeitig eine translatorische Bewegung und eine Rotation, wobei sich die Abst¨ande zwischen den Punkten F , P und F nicht ver¨andern. F¨ur die beiden repr¨asentativen Zeitpunkte ta und t > ta in Abb. 2.33 gilt analog zu Gl. (2.46) und Gl. (2.48) f¨ur die Orts- und Geschwindigkeitsvektoren xP = xF + xFP
=⇒
v = x˙ P = x˙ F + x˙ FP = vF + vPF .
(2.53)
Wir konzentrieren uns zun¨achst auf den momentanen Zustand zur Zeit ta in Abb. 2.33. Dieser entspricht dem Zustand in Abb. 2.30 mit vertikaler Drehachse. Damit gilt momentan die Basisdarstellung f¨ur vPF in Gl.(2.50.3), die wie folgt erweitert wird: ex ey ez vPF = −ωyex + ωxey = ex (0 z − ωy) − ey (0 z − ωx) + ez (0 y − 0 x) = 0 0 ω . x y z 1
Die Ergebnisse dieses Kapitels werden nur f¨ur das Verst¨andnis von Kapitel 8 vorausgesetzt.
60
2 Die Kinematik des Punktes
Abb. 2.33. Kreisbewegung eines Punktes P um eine momentane Achse mit Richtungs¨anderung. Zust¨ande zur Zeit ta und t > ta , ortsfester Beobachter A und bewegter Beobachter B
Der letzte Term ist mit der Determinantenregel (A.17) als Kreuzprodukt darstellbar: 1. vPF = ω × xFP , wobei 2. ω = 0ex + 0ey + ωez , 3. xFP = xex + yey + zez . (2.54) Hierbei stimmt Gl.(2.54.3) mit Gl.(2.47) f¨ur den Vektor xFP u¨ berein. Der neu eingef¨uhrte Vektor ω wird als Winkelgeschwindigkeitsvektor bezeichnet. Er beschreibt drei Eigenschaften: 1. Die Richtung der momentanen Drehachse - zu erkennen in Gl.(2.54.2). 2. Den Betrag der Winkelgeschwindigkeit - eine√Folge der Rechenregeln (A.11) f¨ur Ba√ ˙ sisvektoren und Gl.(2.54.2): |ω| = ω · ω = 0 + 0 + ω 2 ez · ez = ω = ϕ. 3. Den Drehsinn der Winkelgeschwindigkeit - unter Beachtung, dass der Drehsinn von ω bezogen auf die Vektorbasis ex , ey , ez dem einer Rechtsschraube entspricht. Auf Grund dieser drei Eigenschaften ist ω - wie der Momentenvektor der Raumstatik - ein axialer Vektor und wird mit einer Doppelpfeilspitze gekennzeichnet, vgl. Abschnitt A.1. Zur Zeit ta gilt zusammenfassend f¨ur die Geschwindigkeit von P relativ zu F t = ta : 1. vPF = ω × xFP ,
wobei
2. ω = ωez ,
3. |ω| = ω.
(2.55)
Wir wenden uns dem Zustand zur Zeit t > ta in Abb. 2.33 zu. Hier kennzeichnet eω = eω (t) den Einheitsvektor, der mit der momentanen Drehachse zusammenf¨allt. F¨ur die Vek¨ wie f¨ur den Zeitpunkt ta , torbasis ex (t), ey (t), ez (t) = eω gelten die gleichen Uberlegungen so dass die vektoriellen Gleichungen (2.55) direkt u¨ bernommen werden k¨onnen: t > ta :
1. vPF = ω × xFP ,
wobei
2. ω = ωeω ,
3. |ω| = ω.
(2.56)
Auf Grund der Rechenregel (A.6.1) f¨ur das Kreuzprodukt bilden die Vektoren ω, xFP , vPF ein Rechtssystem, wobei der Vektor vPF wie in Abb. 2.33 dargestellt stets senkrecht auf ω und xFP steht.
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
61
Durch Einsetzen von Gl.(2.56.1) in Gl.(2.53.2) erh¨alt man die Absolutgeschwindigkeit vP = vF + ω × xFP .
(2.57)
Der Beschleunigungsvektor ist nach De¿nition (2.14.2) die zeitliche Ableitung von vP = vP (t). Mit dem Ergebnis x˙ FP = vPF = ω × xFP in Gl.(2.56.1) folgt aus Gl.(2.57) d aP = v˙ P = v˙ F + (ω × xFP ) = aF + ω˙ × xFP + ω × ω × xFP , dt ¨ von ω wobei aF die Beschleunigung des F¨uhrungspunktes ist. Die zeitliche Anderung ber¨ucksichtigen wir mit der Definition Winkelbeschleunigungsvektor
˙ α = ω.
(2.58)
Aus der Darstellung (2.56.2) f¨ur die Winkelgeschwindigkeit erh¨alt man α = ω˙ = ωe ˙ ω + ω e˙ ω .
(2.59)
¨ Damit gibt ω˙ die Anderung des Betrages von ω an, w¨ahrend e˙ ω die Richtungs¨anderung (,,Kippen”) der momentanen Drehachse zum Ausdruck bringt. Wir k¨onnen die wesentlichen Ergebnisse dieses Abschnittes wie folgt zusammenfassen: Orts-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren ¨ Rotation um eine momentane Achse mit Richtungs¨anderung fur 1. xP = xF + xFP 2. vP = vF + vPF = vF + ω × xFP
(2.60)
3. aP = aF + aFP = aF + α × xFP + ω × ω × xFP .
Bemerkungen 2.8 1. Gl.(2.60.2) ist als Eulersche Geschwindigkeitsformel bekannt. 2. Die Terme vP und vF bzw. und aP und aF sind Absolutgeschwindigkeiten bzw. Absolutbeschleunigungen der Punkte P und F . Sie werden von dem Beobachter A in Abb. 2.33 in dem raumfesten Bezugssystem wahrgenommen. 3. Der Term vPF ist die Geschwindigkeit von P relativ zu F . Er beschreibt die momentane Kreisgeschwindigkeit des Punktes P um die richtungstreue Achse F F , wobei der Vektor vPF wie in Abb. 2.33 tangential zur momentanen Kreisbahn gerichtet ist. Der Term aFP ist die Beschleunigung von P relativ zu F . Er zerf¨allt, analog zu den (2.44), Gleichungen in einen tangentialen Anteil α × xFP und einen radialen Anteil ω × ω × xFP . Die Terme vPF und aFP werden von dem Beobachter B in Abb. 2.33 wahrgenommen, wenn dieser translatorisch von F mitgef¨uhrt wird. 4. W¨urde der Beobachter B in Abb. 2.33 zus¨atzlich zur translatorischen Bewegung mit F die Rotation der Vektorbasis ex (t), ey (t), ez (t) erfahren, dann w¨urde er keine Geschwindigkeit und keine Beschleunigung des Punktes P wahrnehmen. 5. F¨ur den Sonderfall einer richtungstreuen Drehachse gilt f¨ur die Zeitableitung von eω in ˙ ω . Wie in Aufgabe 2.40 gezeigt wird, ergeben sich aus Gl. (2.59) e˙ ω = 0, so dass α = ωe den Gleichungen (2.60.2) und (2.60.3) somit die Gleichungen (2.50) und (2.51).
62
2 Die Kinematik des Punktes
Beispiel 2.18 Aufprall eines Motorrades mit Fahrer Ein Fahrer springt mit dem Motorrad eine D¨uhne hinunter. Kurz vor dem Aufprall haben Motorrad und Fahrer in dem gemeinsamen Schwerpunkt S die Geschwindigkeit vS , deren Richtung wie in Abb. 2.34 dargestellt gegen¨uber der Horizontalen durch den Winkel β festgelegt ist. Zus¨atzlich erfahren Motorrad und Fahrer die gemeinsame Winkelgeschwindigkeit ω. Mit Gl.(2.60.2) und raumfesten kartesischen Koordinaten bestimme man zum Zeitpunkt des Aufpralls den Geschwindigkeitsvektor des Kontaktpunktes K (ohne Ber¨ucksichtigung der Rotation des Rades).
Abb. 2.34. Absprung und Aufprall eines Motorrades mit Fahrer
¨ ¨ Voruberlegung: Die Gesamtgeschwindigkeit von Motorrad und Fahrer wird als Uberlagerung der Schwerpunktgeschwindigkeit und einer Rotationsgeschwindigkeit um den Schwerpunkt S aufgefasst. Mit der Wahl von S als F¨uhrungspunkt F , kann der Geschwindigkeitsvektor f¨ur den Kontaktpunkt K mit Gl.(2.60.2) ermittelt werden. L¨osung: Mit den Bezeichnungen in Abb. 2.34 liefert Gl.(2.60.2) f¨ur den Geschwindigkeitsvektor des Punktes K S vK = vS + vK = vS + ω × xSK .
Mit den Basisdarstellungen xSK = −dS eX − hS eY + 0eZ vS = vS cos βeX − vS sin βeY + 0eZ ω = 0eX + 0eY + ωeZ eX eY eZ S 0 ω = ωhS eX − ωdS eY + 0eZ ω × xK = 0 −dS −hS 0
folgt
und schließlich vK = vS + ω × xSK = (vS cos β + ωhS )eX − (vS sin β + ωdS )eY + 0eZ .
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
63
Beispiel 2.19 Gyroskop in der Drehbewegung F¨ur das sich drehende Gyroskop in Abb. 2.35 ist der Winkelgeschwindigkeitsvektor wie folgt gegeben: ω = ωx ex + ωy ey + ωz ez , wobei ωx = ψ˙ sin θ sin φ + θ˙ cos φ,
ωy = ψ˙ sin θ cos φ − θ˙ sin φ,
˙ ωz = ψ˙ cos θ + φ,
˙ ψ, ˙ φ˙ und die Winkel θ, φ bekannt sind. Die Basisvekund die Winkelgeschwindigkeiten θ, toren ex , ey , ez sind k¨orperfest mit dem Gyroskop im Punkt 0 verbunden. Dabei f¨allt der Vektor ez mit der Rotationsachse des K¨orpers zusammen. Im sp¨ateren Abschnitt 8.2 u¨ ber die Kinematik im Raum mit Euler Winkeln wird erkl¨art, dass f¨ur den Winkel φ = 0 der k¨orperfeste Vektor ex gerade in der raumfesten XY -Ebene liegt. Bestimmen Sie f¨ur diesen Sonderfall die Geschwindigkeit des Punktes B. Abb. 2.35. Gyroskop in der Bewegung
Bekannt: φ˙ = 12 rad/s, θ˙ = 4 rad/s, ψ˙ = 6 rad/s, θ = 30o , φ = 0, R = 5 cm, H = 8 cm. ¨ Voruberlegungen: Die Geschwindigkeit des Punktes B wird mit Gl.(2.60.2) berechnet. Wir legen dazu den F¨uhrungspunkt F in den Punkt 0, der die Geschwindigkeit Null hat. L¨osung: Aus Gl.(2.60.2) folgt mit den Bezeichnungen in Abb. 2.35 und vF = v0 = 0 f¨ur den Geschwindigkeitsvektor des Punktes B F vB = vF + vB = v0 + ω × xFB = ω × x0B .
Mit den gegebenen Zahlenwerten erhalten der Winkelgeschwindigkeitsvektor ω und der Verbindungsvektor xFM folgende Basisdarstellungen ω = θ˙ ex + ψ˙ sin θ ey + (φ˙ + ψ˙ cos θ) ez = (4 ex + 3 ey + 17.20 ez ) rad/s x0B = R ex + 0 ey + H ez = (5 ex + 0 ey + 8 ez ) cm. F¨ur den Geschwindigkeitsvektor erh¨alt man mit der Determinantenregel (A.17) ex ey ez vB = ω × x0B = 4 3 17.196 = (24 ex + 53.98 ey − 15 ez ) cm/s. 5 0 8
64
2 Die Kinematik des Punktes
2.3.4 Aufgaben zu Abschnitt 2.3 Aufgabe 2.30 (SG = 2) Bestimmen Sie f¨ur den Kran aus Beispiel 2.17 die Beschleunigung bez¨uglich der in Abb. 2.31 angegebenen mitrotierenden Basisvektoren ex , ey , ez .
Aufgabe 2.31 (SG = 2) Der dargestellte Winkelrahmen rotiert aus der Ruhelage mit konstanter Winkelbeschleunigung α. Bestimmen Sie zum Zeitpunkt Δt f¨ur die Punkte 1, 2, 3 bezogen auf die dargestellten mitrotierenden Basisvektoren die Vektoren f¨ur 1. die Geschwindigkeiten, 2. die Beschleunigungen. Bekannt: α, Δt, L, Lx = 2L, Ly = 0.5L.
B
α Ly m3
Lx
L
L
m2 L
ez L
L
ey ex
L m1
Aufgabe 2.32 (SG = 1) Bestimmen Sie f¨ur den Roboterarm in Beispiel 2.16 die Beschleunigung in mitrotierenden kartesischen Koordinaten. Aufgabe 2.33 (SG = 2) L¨osen Sie Aufgabe 2.20 unter Verwendung von mitrotierenden kartesischen Koordinaten. Aufgabe 2.34 (SG = 2) Der Punkt M des Roboters bewegt sich nach den in Beispiel 2.16 gegebenen Funktionen. Zus¨atzlich erf¨ahrt der Drehpunkt A eine horizontale Geschwindigkeit vA und eine horizontale Beschleunigung aA . F¨ur den Punkt M bestimme man die Vektoren f¨ur 1. Geschwindigkeit, 2. Beschleunigung. Bekannt: vA = 0.5 m/s, aA = 0.5 m/s2 .
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
65
Aufgabe 2.35 (SG = 1) Leiten Sie Gl.(2.42.3) f¨ur die Basisdarstellung des Beschleunigungsvektors in mitrotierenden Koordinaten her. Aufgabe 2.36 (SG = 2) Eine R¨ohre ist gegen die Vertikale um einen Winkel β geneigt. Sie rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine vertikale Drehachse. F¨ur die Kugel im Punkt C bestimme man Gr¨oße und Richtung der Geschwindigkeit. Bekannt: β, b, h, ω.
Aufgabe 2.37 (SG =2) Die R¨ohre aus Aufgabe 2.36 wird mit der Winkelbeschleunigung α = ω˙ um die vertikale Drehachse bewegt. Bestimmen Sie Gr¨oße und Richtung der Beschleunigung f¨ur die Kugel im Punkt C. Aufgabe 2.38 (SG = 2) Leiten Sie unter Beachtung der Regeln (A.11) f¨ur Basisvektoren die Beziehungen (2.45) f¨ur die Vektoren der Gleichungen (2.42) und (2.44) her. Aufgabe 2.39 (SG = 2) Der Stab BC rotiert wie dargestellt mit der Winkelgeschwindigkeit ω2 um den Punkt B und ist in der momentanen Lage gegen die Vertikale um einen Winkel β geneigt. Zus¨atzlich rotiert der Stab AB mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 um eine vertikale Achse, und der Punkt A bewegt sich mit der Geschwindigkeit vA senkrecht nach unten. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit f¨ur den Punkt C. Bekannt: l, ω1 , ω2 , β.
66
2 Die Kinematik des Punktes
Aufgabe 2.40 (SG = 2) Leiten Sie f¨ur den Fall einer richtungstreuen Drehachse aus den Gleichungen (2.60.2) und (2.60.3) die Gleichungen (2.50) und (2.51) her. Aufgabe 2.41 (SG = 1) Die St¨abe AB und BC aus Aufgabe 2.39 erfahren zus¨atzlich die Winkelbeschleunigungen α1 = ω˙ 1 und α2 = ω˙ 2 . Bestimmen Sie die Beschleunigung f¨ur die Kugel im Punkt C. Aufgabe 2.42 (SG = 1) Der dargestellte Roboterarm f¨uhrt eine Drehbewegung der d¨unnen Rechteckplatte durch. Die momentane Winkelgeschwindigkeit sowie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Punktes F sind durch die folgenden Vektoren gegeben: ω = 5ex + 6ey + 8ez rad/s vF = 0.1ex + 0.2ey + 0.3ez m/s aF = 0.1ex + 0.2ey + 0.3ez m/s2 . Hierbei sind die Basisvektoren ex , ey , ez wie dargestellt k¨orperfest mit der Platte verbunden. Die Drehwinkelbeschleunigung ist α = 0. Gesucht sind f¨ur den Schwerpunkt S 1. der Geschwindigkeitsvektor, 2. der Beschleunigungsvektor. Bekannt: b = 0.05, m, l = 0.1m. Aufgabe 2.43 (SG = 1) Fahrer und Motorrad in Beispiel 2.18 erfahren im gemeinsamen Schwerpunkt die Erdbeschleunigung g = 9.81 m/s2 sowie eine Drehbeschleunigung α = ω˙ = 2 rad/s2 . Bestimmen Sie die Beschleunigung des Auftreffpunktes B. Aufgabe 2.44 (SG = 1) F¨ur den Kran in Beispiel 2.17 bestimme man bezogen auf raumfeste kartesische Koordinaten den Beschleunigungsvektor des Punktes M mit Gl.(2.60.3).
Aufgabe 2.45 (SG = 2) F¨ur das Gyroskop in Beispiel 2.19 bestimme man bezogen auf k¨orperfeste kartesische Koordinaten den Geschwindigkeitsvektor des Punktes P . Geben Sie eine anschauliche Interpretation des Ergebnisses.
2.3 Kreisbewegungen von Punkten um feste und momentane Achsen
67
Aufgabe 2.46 (SG = 3) Ein LKW f¨ahrt mit der sich mit ωT drehenden Mischtrommel in einer Kurve. Dabei bewegt sich der Punkt S mit konstanter Geschwindigkeit vS auf einer Kreisbahn mit konstantem Radius R. Zur Zeit t = 0 hat der Punkt P wie dargestellt die h¨ochste Lage, und f¨ur den Winkel Ψ in der XY Ebene gilt Ψ = 0. Bestimmen Sie bezogen auf die dargestellten raumfesten Basisvektoren eX , eY , eZ die Vektoren f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung zur Zeit t = 0. Bekannt: vS = 60 km, R = 100 m, l1 = l = 5m, l2 = 1.2l, r = 0.6 m, ωT = 4vS /R = konst, α = 30o . Aufgabe 2.47 (SG = 3*) Der Schwerpunkt S des Hinterrades eines Personenkraftwagens durchf¨ahrt eine Kurve mit Radius R und konstanter Geschwindigkeit vS . Der Radius des Reifens betr¨agt r. Zur Zeit t = 0 hat der Punkt P die h¨ochste Lage mit dem Winkel ϕ = 0, und f¨ur den Winkel Ψ in der XZEbene gilt Ψ = 0. Bestimmen Sie bezogen auf die dargestellten raumfesten Basisvektoren die Vektoren f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung zu den Zeiten 1. t = 0, Ψ = 0, ϕ = 0, 2. t = 5 s. Bekannt: vS = 50 km, R = 10 m, r = 30 cm,
Aus Erfahrung wissen wir, dass Kr¨afte den Bewegungszustand eines K¨orpers ver¨andern k¨onnen. Ein stehender Handwagen wird durch eine Zugkraft beschleunigt, ein fahrender PKW wird durch eine Bremskraft zum Stillstand gebracht. Umgekehrt k¨onnen Bewegungszust¨ande Kr¨afte verursachen. Drehbewegungen in einem Rotor, der nicht ausgewuchtet ist, f¨uhren zu AuÀagerkr¨aften und langfristig zu Sch¨aden an den AuÀagern. Die Fahrbewegungen des in der Abbildung dargestellten Achterbahnwagens haben sowohl f¨ur die Fahrg¨aste als auch f¨ur die Stahlkonstruktion komplexe Kraftwirkungen zur Folge. Bewegungs- und Kraftgr¨oßen stehen also in Wechselwirkungen. Bei der Planung und Entwicklung von Konstruktionen, wie z.B. eines Achterbahnloopings, m¨ussen diese von dem Berechnungsingenieur ber¨ucksichtigt werden, so dass Sch¨aden f¨ur Personen, die Konstruktionen und die Umwelt ausgeschlossen werden.
3 Kinetik des Massenpunktes
Wechselwirkungen zwischen Bewegungs- und Kraftgr¨oßen werden in der Kinetik auf der Grundlage des zweiten Axioms von Newton untersucht. In diesem Kapitel wird das Axiom auf diskrete Massenpunkte angewendet. Reale K¨orper werden mit einem Ersatzmodell behandelt, bei dem wir gedanklich die gesamte Masse in einem Punkt vereinigen. Eine solche Idealisierung ist dann zul¨assig, wenn Drehbewegungen, wie z.B. beim Àiegenden Golfball, nur geringen EinÀuss auf die Kinetik des K¨orpers haben.
3.1 Die drei Newtonschen Axiome der klassischen Mechanik Axiome sind nicht beweisbar, sondern werden aus Experimenten oder aus der Beobachtung und Analyse von Naturerscheinungen abgeleitet. Im Folgenden werden die Axiome von Newton zur Bewegung von materiellen K¨orpern zusammengefasst. Er hat sie im Jahre 1687 in der Arbeit Principia Mathematica Philosophia Naturalis (Die mathematischen Grunds¨atze der Naturphilosophie) ver¨offentlicht. Diese Gesetze bilden das Fundament der klassischen Mechanik und sind Grundlage von zahlreichen Berechnungen in der Technischen Mechanik.1 Am Anfang des Werkes formuliert Newton vier Begriffe, die sinngem¨aß wie folgt zusammengefasst werden k¨onnen: 1. Die Masse m kennzeichnet die ,,Menge der Materie”. 2. Der Impuls p ist das Produkt von Masse und Geschwindigkeit: p = m · v.
(3.1)
3. Die Tr¨agheit kennzeichnet das Widerstandsverm¨ogen einer Masse. Durch diese verharrt der K¨orper von sich aus in der geradlinigen, gleichf¨ormigen Bewegung. Der Ruhezustand ist ein Sonderfall dieser Bewegung. 4. Eine Kraft F ist eine physikalische Gr¨oße, welche den Zustand eines K¨orpers der Ruhe oder der geradlinigen, gleichf¨ormigen Bewegung zu a¨ ndern vermag. Unter Verwendung der vier Begriffe Masse, Impuls, Tr¨agheit und Kraft hat Newton seine drei ber¨uhmten Axiome, das Tr¨agheitsgesetz, das dynamische Grundgesetz und das Wechselwirkungsgesetz formuliert. In Abb. 3.1 sind diese zusammengefasst und werden mit den Wechselwirkungen zwischen Kr¨aften und Bewegungen f¨ur Inline-Skater veranschaulicht. 1
Da die Newtonschen Axiome aus Weiterentwicklungen der modernen Physik ableitbar sind, werden sie heute nicht mehr unbedingt als Axiome angesehen. Um der historischen Bedeutung der Gesetze gerecht zu werden, werden wir im Folgenden dennoch die Bezeichnung Axiome verwenden.
70
3 Kinetik des Massenpunktes
Die Newtonschen Axiome
Abb. 3.1.a. Der Inline-
Lex prima (Das Tr¨agheitsgesetz): Jeder K¨orper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichf¨ormigen und geradlinigen Bewegung, solange er nicht durch a¨ ußere Kr¨afte gezwungen wird, seinen Zustand zu a¨ ndern.
Skater w¨urde mit unver¨anderter Geschwindigkeit geradlinig weiterrollen, wenn nicht a¨ ußere Kr¨afte, insbesondere Reibungskr¨afte, auf ihn einwirken w¨urden.
Lex secunda (Das dynamische Grundgesetz): ¨ Die zeitliche Anderung des Impulses ist gleich der aufgepr¨agten Kraft und hat die Richtung dieser Kraft. Abb. 3.1.b. Bei zeitlich konstanter Masse m gilt f¨ur die zeitliche ¨ Anderung des Impulses p˙ = mv˙ = ma. F¨ur zwei Skater folgt bei gleicher Krafteinwirkung F = m1 a1 = m2 a2 . Der Skater mit kleinerer Masse m1 erf¨ahrt somit eine gr¨oßere Beschleunigung als der Skater mit gr¨oßerer Masse m2 .
Lex tertia (Das Wechselwirkungsgesetz): Die wechselseitigen Beeinflussungen zweier K¨orper aufeinander sind immer gleich groß und entgegengesetzt (“actio est reactio”). Abb. 3.1.c. Wenn zwei Skater sich voneinander abstoßen, dann ist die Kraft, die von der linken Person auf die rechte Person ausge¨ubt wird, gleich der Kraft, welche die rechte Person auf die linke Person aus¨ubt. Als Folge dieser Kraft bewegen sich beide Personen r¨uckw¨arts. Abb. 3.1. Zusammenfassung und Erl¨auterung der Newtonschen Axiome
Bemerkungen 3.1 1. Das erste Axiom wurde bereits von Galileo Galilei (1564-1642) in der Arbeit Discorsi e dimostrazione matematiche (1638) ver¨offentlicht. Obwohl es implizit im zweiten Axiom enthalten ist, wird es stets separat aufgef¨uhrt, da es wesentlich zur Abkehr von der bis dahin vorherrschenden Naturphilosophie von Aristoteles beitrug.
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
71
2. Das dritte Axiom gilt f¨ur Nahkr¨afte (z.B bei Kontakt) und Fernkr¨afte (z.B. bei Gravitation). F¨ur Nahkr¨afte kann dessen Aussage in der Statik aus dem Gleichgewichtsaxiom abgeleitet werden. Die Erweiterung auf Fernkr¨afte ist in der Tat axiomatisch, da sie nicht durch andere Axiome beweisbar ist. 3. Zwei weitere Axiome aus der Statik u¨ ber Kr¨afte sind auch in der Kinetik g¨ultig. Dieses sind das Parallelogrammaxiom (,,Zwei Kr¨afte werden vektoriell addiert”) und f¨ur starre K¨orper das Verschiebungsaxiom (,,Eine Kraft kann entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden”). Wie in der Statik ist auch das Eulersche Schnittprinzip anwendbar.
¨ den Massenpunkt 3.2 Das dynamische Grundgesetz fur 3.2.1 Vektorielle Formulierung des dynamischen Grundgesetzes und Ersatzmodell Wir wenden uns der mathematischen Formulierung des zweiten Newtonschen Axioms in heutiger Vektornotation zu. Dazu wird vorab eine Vereinfachung eingef¨uhrt: Anstatt des realen K¨orpers in Abb. 3.2.a verwenden wir das Ersatzmodell in Abb. 3.2.b, bei dem wir uns die gesamte Masse m in einem Massenpunkt vereinigt denken. Wir w¨ahlen dazu den Massenmittelpunkt des realen K¨orpers, der f¨ur technische K¨orper gen¨ugend genau mit dem Schwerpunkt S zusammenf¨allt. Die an dem realen K¨orper wirkenden Kr¨afte F1 , F2 , .... Fn werden in dem Ersatzmodell ohne Ber¨ucksichtigung des wirklichen Angriffspunktes dem Masssenpunkt zugeordnet und durch einen resultierenden Kraftvektor FR ersetzt. Wir wenden jetzt das zweite Axiom von Newton auf den Massenpunkt an. Dazu wird in Erweiterung von De¿nition (3.1) der Impulsvektor p als Produkt von Masse m und Geschwindigkeitsvektor des Massenpunktes v eingef¨uhrt, und wir erhalten
Abb. 3.2. Resultierende Kr¨afte und Bewegungen f¨ur a) den realen K¨orper, b) das Ersatzmodell mit Massenpunkt
Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt: Formulierung mit dem Impulsvektor 1.
p˙ = FR ,
2.
p = mv n FR = Fi
3.
wobei
(3.2)
Impulsvektor resultierender Kraftvektor.
i=1
Mit der Produktregel erh¨alt man f¨ur die Zeitableitung des Impulsvektors p˙ = mv ˙ + mv˙ = mv ˙ + ma.
(3.3)
72
3 Kinetik des Massenpunktes
F¨ur zeitlich konstante Masse gilt m ˙ = 0, und aus den Gleichungen (3.2) folgt Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt: Formulierung mit dem Beschleunigungsvektor bei konstanter Masse wobei 1. ma = FR , ¨ 2. a = v˙ = x Beschleunigungsvektor n Fi resultierender Kraftvektor. 3. FR =
(3.4)
i=1
Bemerkungen 3.2 1. Das dynamische Grundgesetz (3.4) - “Masse mal Beschleunigung gleich Summe aller Kr¨afte” - ist die Grundlage bei der Aufstellung von Bewegungs-Differenzialgleichungen (kurz: Bewegungsgleichungen) f¨ur zahlreiche Systeme der Technischen Mechanik. Der mathematische Zusammenhang F = ma zwischen einer Kraft F und einer Beschleunigung a wurde erstmals im Jahre 1752 von Euler in der Arbeit Entdeckung eines neuen Prinzipes der Mechanik und nicht von Newton selbst angegeben [29]. 2. Neben L¨ange und Zeit wird als dritte Grundgr¨oße der Mechanik die tr¨age Masse mit der Einheit Kilogramm (kg) eingef¨uhrt. Ein Kilogramm ist die tr¨age Masse einer in S`evres bei Paris aufbewahrten internationalen Standard-Masse aus Platin-Iridium, dem Urkilogramm [32]. Damit ergibt sich die Einheit einer Kraft, das Newton (N), aus dem dynamischen Grundgesetz (3.4.1) zu 1 N = 1 kg · 1 m/s2 = 1
kg m . s2
(3.5)
Es gilt: Ein N ist die Kraft, die der Masse 1 kg die Beschleunigung 1 m/s2 erteilt. 3. Da m eine skalare Gr¨oße ist, folgt aus Gl.(3.4.1), dass der Beschleunigungsvektor a wie in Abb. 3.2 dargestellt dieselbe Richtung wie der Kraftvektor FR hat. 4. Bezugssysteme, in denen das dynamische Grundgesetz in der Form (3.2) bzw. (3.4) gilt, werden als Inertialsysteme bezeichnet. Aus der Erfahrung ist sofort einsehbar, dass f¨ur Inline-Skater in einem abbremsenden Zug oder auf einem Rondell andere physikalische Gesetzm¨aßigkeiten als in Abb. 3.1 gelten, so dass jene keine Inertialsysteme sind. In der Technik gen¨ugt es meist, das Bezugssystem mit einem Punkt der ErdoberÀ¨ache fest zu verbinden. In Kapitel 8 wird das dynamische Grundgesetz auf Bezugssysteme erweitert, welche keine Inertialsysteme sind. 5. F¨ur den realen K¨orper in Abb. 3.2.a ist zu erwarten, dass infolge der nicht im Schwerpunkt S angreifenden Kraft FR außer einer translatorischen Bewegung auch eine Verdrehung (oder: Rotation) entsteht. Die f¨ur das Ersatzmodell in Abb. 3.2.b verschobene Kraft in den Schwerpunkt hat in ihrer Wirkung auf den realen K¨orper dagegen nur eine translatorische Bewegung zur Folge. Damit gilt: Die Wechselwirkungen zwischen Kr¨aften und Drehbewegungen eines realen K¨orpers werden mit dem dynamischen Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt nicht erfasst. Dessen war sich auch Newton bewusst, als er in dem Vorwort zur Principia schrieb: ,,Wenn es doch gelingen w¨urde, auch die an¨ deren Naturph¨anomene durch Uberlegungen gleicher Art aus mechanischen Prinzipien
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
73
herzuleiten” (Zitat aus [29]). Wir verschieben diese Thematik auf die nachfolgenden Kapitel u¨ ber Massenpunktsysteme und starre K¨orper und begr¨unden dann auch die Wahl des Massenmittelpunktes bzw. des Schwerpunktes f¨ur das Ersatzmodell. 6. In der Mechanik unterscheidet man die tr¨age Masse von der schweren Masse, die f¨ur den Anziehungseffekt verantwortlich ist. Dieser Effekt wurde erstmals von Newton mit dem Gravitationsgesetz ber¨ucksichtigt, siehe Abschnitt 3.3.8. Der damit verbundene experimentell best¨atigte Unterschied beider Massen ist in der klassischen Mechanik unerkl¨art und wird erst in der allgemeinen Relativit¨atstheorie verstanden [32]. 7. Sind die Geschwindigkeiten in der N¨ahe der Lichtgeschwindigkeit c = 3 · 108 m/s, so m¨ussen die Gesetze der Relativit¨atstheorie beachtet werden, die wesentlich von den Wissenschaftlern Lorents, Maxwell, Fitzgerald, Einstein gepr¨agt wurden. F¨ur Abmessungen eines K¨orpers im atomaren Bereich m¨ussen die Gesetze der Quantenmechanik beachtet werden, die von den Wissenschaftlern Planck, Schr¨odinger, Dirac gepr¨agt sind. In der Technischen Mechanik haben diese Aspekte jedoch keine Bedeutung. Zur L¨osung von Aufgaben der Kinetik wird das dynamische Grundgesetz zweckm¨aßig mit verschiedenen Koordinaten aus Kapitel 2 formuliert. Dieses wird im Folgenden erl¨autert. 3.2.2 Das dynamische Grundgesetz in raumfesten kartesischen Koordinaten Zur Formulierung des dynamischen Grundgesetzes in kartesischen Koordinaten werden beide Seiten von Gl.(3.4.1) (gem¨aß De¿nition (A.12)) bez¨uglich der Basisvektoren eX , eY , eZ dargestellt. Die linke Seite von Gl.(3.4.1) erhalten wir durch Multiplikation des Beschleunigungsvektors in den Gleichungen (2.19.3) mit der Masse m ¨ Z. ¨ X + mY¨ eY + mZe ma = mXe
(3.6)
Die rechte Seite von Gl.(3.4.1) folgt aus der Basisdarstellung Fi = FiX eX +FiY eY +FiZ eZ f¨ur die einzelnen Kraftvektoren und deren Summation zum resultierenden Kraftvektor n n n n Fi = FiX eX + FiY eY + FiZ eZ . (3.7) FR = n
i=1
i=1
i=1
i=1
Dabei ist z.B. i=1 FiX die Summe aller am Massenpunkt angreifenden Kr¨afte in Richtung des Basisvektors eX . Durch Koef¿zientenvergleich von Gl.(3.6) mit Gl.(3.7) folgt aus dem dynamischen Grundgesetz (3.4.1) Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt in raumfesten kartesischen Koordinaten ¨ = n FiX 1. X : mX i=1 2. Y : mY¨ = ni=1 FiY 3. Z : mZ¨ = ni=1 FiZ .
(3.8)
Dieses sind drei skalare Gleichungen, die f¨ur die drei Koordinatenrichtungen getrennt formuliert werden.
74
3 Kinetik des Massenpunktes
¨ Aufgaben der Kinetik 3.2.3 L¨osungsschritte fur In der Kinetik werden zwei Arten von Aufgaben unterschieden: 1. Bei bekannten Kr¨aften wird nach dem Bewegungsablauf gefragt. 2. Bei bekanntem Bewegungsablauf wird nach den auftretenden Kr¨aften gefragt. Die Vorhersage des Bewegungsablaufes eines K¨orpers im freien Fall oder beim schiefen Wurf sind Beispiele f¨ur den ersten Fall. Die Berechnung von Lagerkr¨aften in rotierenden Systemen ist ein Beispiel f¨ur den zweiten Fall. In beiden F¨allen kann nach den in Tabelle 3.1 zusammengefassten Schritten vorgegangen werden.
1. Idealisierung des realen Systems Hier wird das der Berechnung zu Grunde liegende mechanische System festgelegt. Dazu m¨ussen der Schwerpunkt (und ggf. die Schwerpunktlinie) bekannt sein und die Lagerbedingungen (Gelenke, Einspannungen, Reibungslager) festgelegt werden. 2. Eintragen eines geeigneten Koordinatensystems Zur Auswahl stehen insbesondere die verschiedenen Koordinatensysteme aus Kapitel 2: Raumfeste kartesische Koordinaten, Zylinderkoordinaten, nat¨urliche Koordinaten sowie mitrotierende kartesische Koordinaten. 3. Freischneiden Der K¨orper wird - in einer beliebigen, repr¨asentativen Lage - durch gedachte Schnitte von seinen Bindungen zu anderen K¨orpern oder Lagern gel¨ost. Anschließend werden die von anderen K¨orpern oder von AuÀagern zu u¨ bertragenden Kr¨afte als a¨ ußere Kr¨afte wirkend in den gedachten Schnitten eingetragen. 4. Formulierung des dynamischen Grundgesetzes in Koordinatenrichtungen Bez¨uglich der Vorzeichen gilt: Bewegungs- und Kraftgr¨oßen sind in den skalaren Bewegungsgleichungen positiv, wenn die zugeh¨origen Vektoren in die Richtungen der Basisvektoren zeigen. Die Beschleunigungsterme sind in den Bewegungsgleichungen auf den Schwerpunkt S zu beziehen. 5. Bearbeitung zus¨atzlicher Aufgabenstellungen Wird bei bekannten Kr¨aften nach dem Bewegungsablauf gefragt, so wird i.d.R. eine Integration der Bewegungsgleichungen unter Ber¨ucksichtigung der bekannten Anfangsbedingungen notwendig. Hierzu k¨onnen die L¨osungen der in Tabelle 2.1 zusammengestellten Grundaufgaben verwendet werden. Falls der Beschleunigungszustand bekannt ist, so k¨onnen die auftretenen Kr¨afte, wie z.B. Auflagerreaktionen, berechnet werden. Ggf. muss bei bekanntem Orts- und Geschwindigkeitszustand der Beschleunigungszustand durch zeitliche Ableitung ermittelt werden. Tabelle 3.1. L¨osungsschritte f¨ur Aufgaben der Kinetik mit dem dynamischen Grundgesetz
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
75
Beispiel 3.1 Geschwindigkeitsmarken eines Flugzeuges beim Start In der Startphase eines Fluges sind verschiedene Geschwindigkeitsmarken von Bedeutung. Die wichtigste ist die Entscheidungsgeschwindigkeit V1 (,,take-off decision speed”), die vor jedem Flug unter Ber¨ucksichtigung der Landung und der meterologischen Bedingungen errechnet wird. Abb. 3.3. Geschwindigkeitsmarken eines Flugzeuges beim Start
W¨ahrend der Startphase wird das Erreichen von V1 vom Co-Piloten bekanntgegeben, so dass der Flugzeugf¨uhrer zwischen Startfortsetzung und Startabbruch, z.B. wegen eines Triebwerkausfalls, entscheiden kann. Eine weitere Marke ist die Abhebegeschwindigkeit VLOF (,,lift-off speed”), bei der das Flugzeug abhebt. a) Zeigen Sie, dass die gegebene Schubkraft FS zum Erreichen von V1 innerhalb der Strecke S1 ausreichend ist. b) Welche Strecke SLOF wird beim Erreichen der Abhebegeschwindigkeit VLOF zur¨uckgelegt? Bekannt: Masse m = 250 t, FS = 700 kN, S1 =1 km, V1 = 260 km/h, VLOF = 280 km/h. Hinweise: Auf Grund der geradlinigen, horizontalen Bewegung kann die Startphase mit einer Koordinate X beschrieben werden. Die Schubkraft FS wird dabei als konstant angenommen. Die Widerstandskr¨afte infolge Luftstr¨omung, Reibungskr¨aften am Fahrgestell sowie der Rollwiderstand bleiben unber¨ucksichtigt. ¨ Voruberlegungen: Es wird eine X-Koordinate in horizontaler Richtung eingef¨uhrt. Die Berechnungen erfolgen auf der Grundlage des dynamischen Grundgesetzes (3.8.1) in raumfesten kartesischen Koordinaten. L¨osung: In dem Freischnitt in Abb. 3.3.b ist die in Bewegungsrichtung wirkende Schubkraft FS eingetragen. Das dynamische Grundgesetz (3.8.1) lautet X:
¨ = FS . mX
Abb. 3.3.b. Flugzeug mit Schubkraft FS
Da sich die Schubkraft FS mit dem Ort X nicht a¨ ndert, gilt die funktionale Abh¨angigkeit ¨ a(X) = X(X)= konst. Damit kann die Geschwindigkeit mit der f¨unften Grundaufgabe der
76
3 Kinetik des Massenpunktes
Tabelle 2.1 bestimmt werden. Mit den Anfangsbedingungen v0 = 0, X0 = 0 ergibt sich X X FS FS 2 v(X) = v0 + 2 dX = 2 X. a(X)dX = 2 m m X0 0 F¨ur den Teil a) der Aufgabenstellung folgt somit f¨ur X = S1 700 · 103 kg m2 v(X = S1 ) = 2 · 1000 = 74.8 m/s = 269.4 km/h > 260 km/h = V1 . 250 · 103 kg s2 F¨ur Teil b) wird die Beziehung f¨ur v(X) nach der gesuchten Strecke X=SLOF aufgel¨ost:
m 280 m 2 250 · 103 kg s2 2 SLOF = VLOF = 1080.2 m. = 2FS 3.6 s 2 · 700 · 103 kg m Beispiel 3.2 Flugbahn eines Golfballs Ein Golfball der Masse m wird an der ErdoberÀ¨ache unter einem Winkel α0 abgeschlagen. Bezogen auf das in Abb. 3.4 eingetragene Koordinatensystem bestimme man a) die Bahnkurve Z(X), b) die Steigzeit tS der Steigh¨ohe h, c) die zu tS geh¨orige Steigh¨ohe, ur die d) den Abschlagwinkel αH 0 f¨ maximal m¨ogliche Steigh¨ohe H, e) die Flugdauer tF , f) die zu tF geh¨orige Wurfweite l, ur die g) den Abschlagwinkel αL 0 f¨ maximale Wurfweite L. Abb. 3.4. Flugbahn eines Golfballs
¨ Voruberlegungen: Die Berechnung erfolgt mit den Gleichungen (3.8) f¨ur das dynamische Grundgesetz in raumfesten kartesischen Koordinaten. Obwohl die Bewegung in der X, ZEbene auftritt, werden zur vollst¨andigen Beschreibung der Flugbahn die Bewegungsgleichungen f¨ur alle drei Koordinatenrichungen formuliert. L¨osung: In einer beliebigen Lage des Golfballs wird in Abb. 3.4 die nach unten wirkende Gewichtskraft mg entgegen der Z-Richtung eingetragen. Aus (3.8) folgt dann ¨ = 0, X : mX
Y : mY¨ = 0,
Z : mZ¨ = −mg.
Wir teilen alle drei Gleichungen durch m und f¨uhren jeweils eine zweifache Integration durch: ¨ =0 X ¨ Y =0 Z¨ = −g
=⇒ =⇒ =⇒
X˙ = C1 Y˙ = C3 Z˙ = −gt + C5
=⇒ =⇒ =⇒
X = C1 t + C 2 Y = C3 t + C 4 Z = − 21 gt2 + C5 t + C6 .
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
77
Die Bestimmung der Konstanten C1 bis C6 geschieht f¨ur alle drei Koordinatenrichtungen unter Verwendung von Anfangsbedingungen f¨ur den Ort und die Geschwindigkeit X(t = 0) = 0 = C2 , Y (t = 0) = 0 = C4 , Z(t = 0) = 0 = C6 , ˙ = 0) = v0 sin α0 = C5 . ˙ = 0) = v0 cos α0 = C1 , Y˙ (t = 0) = 0 = C3 , Z(t X(t Damit k¨onnen die Koordinaten in Abh¨angigkeit der Zeit angegeben werden X(t) = v0 cos α0 t, Y (t) = 0, Z(t) = v0 sin α0 t − 12 gt2 , womit auch formal best¨atigt ist, dass in Y -Richtung keine Bewegung auftritt. a) Zur Ermittlung der Bahnkurve Z(X) wird die Zeit t aus den Beziehungen f¨ur X(t) und Z(t) eliminiert t=
X v0 cos α0
=⇒
Z(X) = X tan α0 − X 2
g . 2v02 cos2 α0
(3.9)
Damit beschreibt der Golfball eine Parabel (Wurfparabel). b) Die Steigzeit tS wird aus der Bedingung Z˙ = 0 bestimmt, d.h. v0 sin α0 . Z˙ = v0 sin α0 − gt = 0 =⇒ tS = g c) Die zu tS geh¨orige Steigh¨ohe h erhalten wir aus der oberen Beziehung f¨ur Z(t): h = Z(tS ) = v0 sin α0
v0 sin α0 1 v02 sin2 α0 1 v02 sin2 α0 = − g . g 2 g2 2 g
ur die maximal m¨ogliche Steigh¨ohe H folgt aus der Bedingung d) Der Abschlagwinkel αH 0 f¨ d Z(tS ) 1 π 1 v02 1 v02 = v02 2 sin α0 cos α0 = 0 =⇒ αH =⇒ H = sin2 αH . 0 = 0 = dα0 2g 2 2 g 2 g e) Die Flugdauer tF folgt aus der Bedingung
1 2 Z(tF ) = tF v0 sin α0 − gtF = 0 =⇒ tF = v0 sin α0 . 2 g f) Die zu tF geh¨orige Wurfweite l erhalten wir aus der oberen Beziehung f¨ur X(t): v2 2 l = X(tF ) = v0 cos α0 tF = v0 cos α0 v0 sin α0 = 0 sin 2α0 = X(α0 ). g g g) Der Abschlagwinkel αL ur die maximale Wurfweite L folgt aus der Bedingung 0 f¨ π v2 d X(α0 ) v0 π π L = 2 cos(2α0 ) = 0 =⇒ 2αL = = =⇒ α =⇒ L = X = 0. 0 0 dα0 g 2 4 4 g
78
3 Kinetik des Massenpunktes
¨ 3.2.4 Gefuhrte Bewegungen Bewegt sich ein K¨orper auf einer vorgegebenen Fl¨ache (Freiheitsgrad f =2) oder Kurve (f =1), spricht man von einer gef¨uhrten Bewegung. In Abb. 3.5.a bewegt sich die Kugel auf dem Billiardtisch, solange sie nicht den Tischrand ber¨uhrt, in zwei voneinander unabh¨angigen Richtungen, und hat somit den Freiheitsgrad f =2. Die Bewegungsbehinderung in vertikaler Richtung bewirkt eine vertikale Reaktionskraft. Abb. 3.5.b zeigt eine Magnetschwebebahn in einer Kurvenfahrt. Die Bewegung ist kinematisch an den vorgegebenen Bahnverlauf gebunden, so dass f¨ur den Freiheitsgrad f =1 gilt. Dabei entstehen Trag- und F¨uhrungskr¨afte senkrecht zur Bahn. Da wegen der Eigenschaft (2.16.1) die Geschwindigkeit v tangential zur Bahn verl¨auft, sind diese Reaktionskr¨afte auch stets senkrecht zur Geschwindigkeit.
Abb. 3.5. Beispiele f¨ur gef¨uhrte Bewegungen: a) Kugel auf Billiardtisch b) Magnetschwebebahn in einer Kurve mit Tragkraft FT und F¨uhrungskraft FF senkrecht zur Geschwindigkeit v
Wir wollen hier auf eine allgemeine Darstellung von gef¨uhrten Bewegungen im Raum (z.B. unter Verwendung Gaußscher Fl¨achenparameter) verzichten und uns stattdessen auf folgende Bemerkungen beschr¨anken: Bemerkungen 3.3 1. Gef¨uhrte Bewegungen eines K¨orpers rufen im Allgemeinen Reaktionskr¨afte hervor. Ist die Bewegung im Raum kinematisch an eine Fl¨ache gebunden (f = 2), so tritt eine Reaktionskraft senkrecht zu dieser Fl¨ache auf. Bei einer Bewegung entlang einer Bahn im Raum (f = 1) treten zwei unabh¨angige Kr¨afte in einer Ebene senkrecht zur Bahn auf. 2. Reaktionskr¨afte werden mit dem aus der Statik bekannten Schnittprinzip sichtbar gemacht und sind somit der Berechnung mit dem dynamischen Grundgesetz zug¨anglich. 3. Die Bindung der Bewegung an eine Fl¨ache wird mit dem dynamischen Grundgesetz durch zwei skalare Gleichungen beschrieben, die im Allgemeinen miteinander gekoppelt sind. Bewegungen auf einer Bahn k¨onnen durch eine skalare Gleichung beschrieben werden. 4. Raumfeste kartesische Koordinaten sind in vielen F¨allen nicht zur Berechnung von gef¨uhrten Bewegungen mit dem dynamischen Grundgesetz geeignet. H¨au¿g wird durch Einf¨uhrung anderer Koordinatensysteme eine Formulierung des dynamischen Grundgesetzes gefunden, die mathematisch einfacher zu behandeln ist. Dazu wird im Folgenden das dynamische Grundgesetz in Zylinderkoordinaten, nat¨urlichen Koordinaten und mitrotierenden kartesischen Koordinaten formuliert.
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
79
3.2.5 Das dynamische Grundgesetz in Zylinderkoordinaten Zur Formulierung des dynamischen Grundgesetzes in Zylinderkoordinaten werden beide Seiten von Gl.(3.4.1) (gem¨aß De¿nition (A.12)) bez¨uglich der Basisvektoren er , eϕ , ez dargestellt. Die linke Seite von Gl.(3.4.1) erhalten wir durch Multiplikation des Beschleunigungsvektors in den Gleichungen (2.25.3) mit der Masse m ma = m(¨ r − r ϕ˙ 2 )er + m(2r˙ ϕ˙ + r ϕ)e ¨ ϕ + m¨ z ez .
(3.10)
Die rechte Seite von Gl.(3.4.1) folgt aus der Basisdarstellung Fi = Fir er + Fiϕ eϕ + Fiz ez f¨ur die einzelnen Kraftvektoren und deren Summation zum resultierenden Kraftvektor n n n n FR = Fi = Fir er + Fiϕ eϕ + Fiz ez . (3.11) i=1
i=1
i=1
i=1
n
Dabei ist z.B. i=1 Fir die Summe aller am Massenpunkt angreifenden a¨ ußeren Kr¨afte in Richtung des Basisvektors er . Durch Koef¿zientenvergleich von Gl.(3.10) mit Gl.(3.11) folgt aus dem dynamischen Grundgesetz (3.4.1) Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt in Zylinderkoordinaten n 1. r : m(¨ r − r ϕ˙ 2 ) = i=1 Fir n 2. ϕ : m(2r˙ ϕ˙ + r ϕ) ¨ = i=1 Fiϕ 3. z : m¨ z = ni=1 Fiz .
(3.12)
Beispiel 3.3 Mathematisches Pendel Eine Kugel der Masse m h¨angt an einem masselosen Seil der L¨ange l. Sie wird in einer Anfangslage zur Zeit t = 0 mit dem Winkel ϕ(t = 0) = ϕ0 losgelassen und schwingt anschließend in einer Ebene im Schwerefeld der Erde. Gesucht ist die Bewegungsgleichung f¨ur den Winkel ϕ(t) bei Beschr¨ankung auf kleine Auslenkungen. Bemerkung: Ein K¨orper, der als idealisierter Massenpunkt um einen festen Punkt schwingt, wird als mathematisches Pendel bezeichnet. ¨ Voruberlegungen: Die Kugel beschreibt eine gef¨uhrte Bewegung auf einer Kreisbahn, die zweckm¨aßig mit Zylinderkoordinaten (bzw. Polarkoordinaten) r, ϕ beschrieben wird. Die Seilkraft wird durch Freischneiden der Punktmasse sichtbar gemacht. Unter Ber¨ucksichtigung der Gewichtskraft im Freischnitt wird das dynamische Grundgesetz mit den Gleichungen (3.12) formuliert.
Abb. 3.6. Mathematisches Pendel
80
3 Kinetik des Massenpunktes
L¨osung: Da die L¨ange des Seiles l sich w¨ahrend der Bewegung nicht a¨ ndert, kann die Lage des Massenpunktes in jedem Augenblick mit dem von der statischen Ruhelage aus z¨ahlenden Winkel ϕ angegeben werden. Im Freischnitt werden alle an der Kugel angreifenden Kr¨afte eingetragen. Dabei kennzeichnen FS die Seilkraft und mg die senkrecht nach unten wirkende Gewichtskraft. Aus den Gleichungen (3.12.1) und (3.12.2) folgt r:
m(¨ r − r ϕ˙ 2 ) = −mlϕ˙ 2 = mg cos ϕ − FS
ϕ:
m(2r˙ ϕ˙ + r ϕ) ¨ = mlϕ¨
Abb. 3.6.b. Freischnitt, Basisvektoren und Kr¨afte
= −mg sin ϕ.
Hierbei wurde r˙ = 0 ber¨ucksichtigt, da die Bewegung auf der Kreisbahn mit konstantem Radius r = l verl¨auft. Es stehen also zwei Differenzialgleichungen f¨ur die beiden Unbekannten ϕ und FS zur Verf¨ugung. Da in der zweiten Gleichung nur die Unbekannte ϕ auftritt, ist deren L¨osung zur Beschreibung des Bewegungsablaufes ausreichend. Teilt man diese Gleichung durch ml und bringt alle Terme auf die linke Seite so folgt g ϕ¨ + sin ϕ = 0. l Damit erh¨alt man eine nichtlineare Differenzialgleichung auf deren L¨osung hier nicht eingegangen werden soll. Bei Beschr¨ankung auf kleine Winkel gilt ϕ ≈ sin ϕ 2 , und es folgt die lineare Differenzialgleichung g ϕ¨ + ϕ = 0. l Wie man einfach nachpr¨ufen kann, wird diese Differenzialgleichung von dem Ansatz ϕ(t) = A sin(ωt) + B cos(ωt), ω = g/l erf¨ullt. Die Bestimmung der Konstanten A und B geschieht unter Ber¨ucksichtigung von Anfangsbedingungen f¨ur den Verdrehwinkel und die Winkelgeschwindigkeit zur Zeit t = 0: ϕ(t = 0) = ϕ0 ϕ(t ˙ = 0) = 0
=⇒ =⇒
B = ϕ0 , A = 0.
ϕ (t) ϕ0
Damit lautet die Bewegungsgleichung ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt).
t T= 2π/ω Abb. 3.6.c. Winkel als Funktion der Zeit
Der Schwingungsvorgang wird also f¨ur kleine Auslenkungen, wie in Abb. 3.6.c dargestellt und wie bereits in Beispiel 2.2 behandelt, durch eine harmonische Funktion mit der Schwingungsdauer T = 2π/ω beschrieben. 2
Man u¨ berpr¨ufe diese N¨aherung z.B. f¨ur den Winkel ϕ = 0.001234 rad mit einem Taschenrechner.
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
81
Beispiel 3.4 Stein in der Erdumlaufbahn Ein Stein wird von einer Bergspitze horizontal abgeworfen. Welche Geschwindigkeit m¨ußte er haben, damit er unter dem EinÀuss der Gewichtskraft nicht den Erdboden ber¨uhrt und an den Abwurfort zur¨uckkehrt? Hinweise: Die Bergspitze wird im Abstand RE = 6370 km vom Erdmittelpunkt angenommen. Die Erde kann als kugelf¨ormig angesehen werden, so dass der Bahnverlauf n¨aherungsweise kreisf¨ormig ist. Widerst¨ande jeglicher Art werden vernachl¨assigt.
Abb. 3.7. Stein in der Erdumlaufbahn
¨ Voruberlegung: F¨ur die kreisf¨ormige Bewegung wird das dynamische Grundgesetz zweckm¨aßig mit den Gleichungen (3.12) f¨ur Zylinderkoordinaten formuliert. Da Widerstandskr¨afte vernachl¨assigt werden, ist nur die Gewichtskraft mg als Kraftwirkung zu ber¨ucksichtigen. L¨osung: Aus den Gleichungen (3.12.1) und (3.12.2) in Zylinderkoordinaten folgen die Bewegungsgleichungen: r : m (−r ϕ˙ 2 ) = −mg ϕ : m r ϕ¨ = 0. Gl.(3.12.3) ist wegen z¨ = 0 trivial erf¨ullt. Mit dem konstanten Radius r = RE erh¨alt man aus der ersten Bewegungsgleichung g 2 RE ϕ˙ = g =⇒ ϕ˙ = . RE Damit ist die Winkelgeschwindigkeit konstant, was im Einklang mit der zweiten Bewegungsgleichung steht. Die Geschwindigkeit des Steines wird schließlich mit Gl.(2.28.1) berechnet: g km m = RE g = 7900 = 23700 . v = r ϕ˙ = RE ϕ˙ = RE RE s h ¨ Bemerkung: Uber die ¿ktive Bewegung in dieser Aufgabenstellung schreibt Newton selbst (Zitat aus [29], S. 270): “Dass durch die Zentralkr¨afte die Planeten in ihren Bahnen gehalten werden k¨onnen, ersieht man aus der Bewegung der Wurfgeschosse. Ein (horizontal) geworfener Stein wird, da auf ihn die Schwere wirkt, vom geraden Wege abgelenkt und f¨allt, indem er eine krumme Linie beschreibt, zuletzt zur Erde. Wird er mit gr¨oßerer Geschwindigkeit geworfen, so fliegt er weiter fort, und so k¨onnte es geschehen, dass er zuletzt u¨ ber die Grenzen der Erde hinausfl¨oge und nicht mehr zur¨uckfiele. So w¨urden die von einer Bergspitze mit steigender Geschwindigkeit fortgeworfenen Steine immer weitere Parabelb¨ogen beschreiben und zum Schluß - bei einer bestimmten Geschwindigkeit - zur Bergspitze zur¨uckkehren und auf diese Weise sich um die Erde bewegen.”
82
3 Kinetik des Massenpunktes
3.2.6 Das dynamische Grundgesetz in nat¨urlichen Koordinaten Zur Formulierung des dynamischen Grundgesetzes in nat¨urlichen Koordinaten werden beide Seiten von Gl.(3.4.1) (gem¨aß De¿nition (A.12)) bez¨uglich der Basisvektoren et , en , eb dargestellt. Die linke Seite von Gl.(3.4.1) erhalten wir durch Multiplikation des Beschleunigungsvektors in den Gleichungen (2.36.3) mit der Masse m ma = mve ˙ t+m
v2 en . ρ
(3.13)
Die rechte Seite von Gl.(3.4.1) folgt aus der Basisdarstellung Fi = Fit et + Fin en + Fib eb f¨ur die einzelnen Kraftvektoren und deren Summation zum resultierenden Kraftvektor n n n n Fi = Fit et + Fin en + Fib eb . (3.14) FR = i=1
i=1
i=1
i=1
n
Dabei ist z.B. i=1 Fit die Summe aller am Massenpunkt angreifenden Kr¨afte in Richtung des Basisvektors et . Durch Koef¿zientenvergleich von Gl.(3.13) mit Gl.(3.14) folgt aus dem dynamischen Grundgesetz (3.4.1) Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt ¨ in naturlichen Koordinaten n 1. t : mv˙ = i=1 Fit 2 v 2. n : m = ni=1 Fin ρ 3. b : 0 = ni=1 Fib .
(3.15)
Im Gegensatz zu den Gleichungen (3.8) f¨ur raumfeste kartesische Koordinaten und (3.12) f¨ur Zylinderkoordinaten gibt es bei nat¨urlichen Koordinaten immer eine Koordinatenrichtung, die in der Streckebene liegende Richtung von eb , in der die Summe aller Kr¨afte zu Null wird. In dieser Richtung liegt somit statisches Gleichgewicht vor.
Beispiel 3.5 Magnetschwebebahn in einer Kurve Die Magnetschwebebahn in Beispiel 2.13 f¨ahrt wie in Abb. 3.8 dargestellt auf einer Spurebene mit der Neigung β. Das Trag- und F¨uhrsystem der Bahn arbeitet nach einem elektromagnetischen Schwebeprinzip, so dass die Bewegung ber¨uhrungslos erfolgt. Wie groß sind die Tragkraft FT normal zur Spur und die F¨uhrungskraft FF tangential zur Spur f¨ur den unteren Tragmagneten und den seitlichen F¨uhrmagneten? Bekannt: v = 200 km/h, X0 = −300 m, Y = bX 2 , b = 0.001 m−1 , Masse der Magnetbahn m = 10 t, β = 10o .
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
83
Abb. 3.8. Magnetschwebebahn in einer Kurve: Bahnverlauf auf Parabel, Trag- und F¨uhrungskraft
¨ Voruberlegungen: Es handelt sich um eine gef¨uhrte Bewegung, bei der die Tragkraft FT und die F¨uhrungskraft FF stets senkrecht zum Bahnverlauf gerichtet sind. Zweckm¨aßig werden nat¨urliche Koordinaten verwendet, so dass mit dem Ergebnis f¨ur den momentanen Kr¨ummungsradius ρ aus Beispiel 2.13 die gesuchten Kr¨afte mit dem dynamischen Grundgesetz in den Gleichungen (3.15) berechnet werden k¨onnen. L¨osung: In Abb. 3.8.b sind die Basisvektoren et , en , eb eingetragen. (Man beachte, dass en in der horizontalen X, Y -Ebene und nicht in der Spurebene der Bahn liegt!) In Abb. 3.8.b erfolgt außerdem die Zerlegung von FT und FF in die Koordinatenrichtungen. Die Bewegungsgleichungen (3.15) lauten t : mv˙ =
n
i=1 Fit = 0
v 2 n = i=1 Fin = FT sin β + FF cos β ρ b: 0 = ni=1 Fib = mg + FF sin β − FT cos β. n: m
Die erste Gleichung best¨atigt, dass Reaktionskr¨afte keinen EinÀuss auf eine gef¨uhrte Bewegung tangential zur Bahn haben. Ohne Einwirkung tangentialer Kr¨afte bleibt die Geschwindigkeit somit konstant. Nach AuÀ¨osung der letzten beiden Gleichungen erh¨alt man mit dem Ergebnis ρ = 793 m aus Beispiel 2.13 f¨ur die zwei gesuchten Kr¨afte FT und FF v2 sin β + mg cos β = 105.24 kN ρ v2 FF = m cos β − mg sin β = 20.97 kN. ρ
FT = m
et
Bahn
en Lokaler Krümmungsradius parallel zur XY-Ebene
mg FF sinβ
FF eb
en
FF cos β FT F cos β T FT sin β
Abb. 3.8.b. Draufsicht und Querschnitt mit Basisvektoren und Kr¨aften
84
3 Kinetik des Massenpunktes
3.2.7 Das dynamische Grundgesetz in mitrotierenden kartesischen Koordinaten F¨ur Kreisbewegungen um eine feste Achse werden zur Formulierung des dynamischen Grundgesetzes in mitrotierenden kartesischen Koordinaten beide Seiten von Gl.(3.4.1) (gem¨aß De¿nition (A.12)) bez¨uglich der Basisvektoren ex , ey , ez dargestellt. Dazu multiplizieren wir den Beschleunigungsvektor in den Gleichungen (2.42.3) mit der Masse m ma = m(−y ω˙ − xω 2 )ex + m(xω˙ − yω 2 )ey + 0ez .
(3.16)
Die Basisdarstellung Fi = Fix ex + Fiy ey + Fiz ez f¨ur die einzelnen Kraftvektoren liefert nach Summation den resultierenden Kraftvektor n n n n Fi = Fix ex + Fiy ex + Fiz ez . (3.17) FR = n
i=1
i=1
i=1
i=1
Dabei ist z.B. i=1 Fix die Summe aller am Massenpunkt angreifenden a¨ ußeren Kr¨afte in Richtung des Basisvektors ex . Durch Koef¿zientenvergleich von Gl.(3.16) mit Gl.(3.17) folgt aus dem dynamischen Grundgesetz (3.4.1) Das dynamische Grundgesetz f¨ur Kreisbewegungen des Massenpunktes in mitrotierenden kartesischen Koordinaten 1. x : m(−y ω˙ − xω 2 ) = ni=1 Fix 2. y : m(xω˙ − yω 2 ) = ni=1 Fiy 3. z : 0 = ni=1 Fiz .
(3.18)
Beispiel 3.6 Mathematisches Pendel Man l¨ose die Aufgabenstellung f¨ur das mathematische Pendel in Beispiel 3.3 mit mitrotierenden kartesischen Koordinaten. ¨ Voruberlegungen: Das Koordinatensystem x, y, z wird mit dem Seil k¨orperfest verbunden, so dass f¨ur die Koordinaten der Masse gilt x = l und y = z = 0. Nach Freischneiden der Masse von dem Seil werden unter Ber¨ucksichtigung der Seilkraft FS und der Gewichtskraft mg f¨ur das ebene Problem die Bewegungsgleichungen (3.18.1) und (3.18.2) formuliert. L¨osung: Aus Gl.(3.18.1) und Gl.(3.18.2) folgt x:
m(−y ω˙ − xω 2 ) = m(−lω 2 ) = mg cos ϕ − FS
y:
m(xω˙ − yω 2 )
= mlω˙
= −mg sin ϕ.
Abb. 3.9. Mathematisches Pendel, Freischnitt und angreifende Kr¨afte
Beide Gleichungen sind wegen ω = ϕ˙ identisch zu den Bewegungsgleichungen in Beispiel 3.3, so dass die weiteren Schritte wie dort angegeben durchgef¨uhrt werden k¨onnen.
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
85
3.2.8 Zusammenfassung zu den verschiedenen Koordinatensystemen Abb. 3.10 veranschaulicht das dynamische Grundgesetz F = ma f¨ur verschiedene Koordinatensysteme in der Ebene. Dargestellt sind die F¨alle a) raumfeste kartesische Koordinaten, b) Zylinderkoordinaten, c) nat¨urliche Koordinaten und d) mitrotierende kartesische Koordinaten. In den F¨allen a), b), c) ist der Bahnverlauf beliebig, w¨ahrend im Fall d) eine Kreisbahn vorausgesetzt wird. FY eY
a) Y
a Y eY
F
a
aX eX
eY
b)
F
FY eX
eX
eϕ
Fϕ eϕ aϕeϕ er
X
c)
a ar er r ϕ
d) F
Fn en anen
en
at et
a
Ft et
et
Fr e r
F
y
F yey ay e y y ey
ω
ex
a axe x
Fx e x
x
x Kreisbahn
Abb. 3.10. Kinetisches Grundgesetz F = ma f¨ur verschiedene Koordinatensysteme in der Ebene: a) raumfeste kartesische Koordinaten, b) Zylinderkoordinaten, c) nat¨urliche Koordinaten, d) mitrotierende kartesische Koordinaten
3.2.9 Aufgaben zu Abschnitt 3.2 Aufgabe 3.1 (SG = 1) Ein Wagen der Masse m wird aus der Ruhelage von einer horizontalen Kraft F eine schiefe Ebene hinaufgeschoben. 1. Welche Geschwindigkeit hat der Wagen nach der Zeit t? 2. Welche Strecke wurde dann zur¨uckgelegt? Bekannt: m = 5 kg, F = 50 N, t = 5 s, β = 300 .
86
3 Kinetik des Massenpunktes
Aufgabe 3.2 (SG = 1) L¨osen Sie die Aufgabenstellung in Beispiel 3.4, Stein in der Erdumlaufbahn, mit mitrotierenden kartesischen Koordinaten. Aufgabe 3.3 (SG = 2) Eine Punktmasse m ist wie dargestellt an einem Faden befestigt, an dem u¨ ber eine Rolle mit der konstanten Kraft F gezogen wird. Ein Abheben der Masse nach oben bleibt bei der Bewegung ausgeschlossen. Welche Geschwindigkeit hat die Punktmasse, wenn diese die Strecke c zur¨uckgelegt hat? Bekannt: b, c, F, m. Aufgabe 3.4 (SG = 1) Ein Fahrer f¨ahrt mit einem Motorrad einen Looping in einem kreisf¨ormigen Metallgeh¨ause. Wie groß muss die gemeinsame Geschwindigkeit von Motorrad mit Fahrer mindestens sein, damit es nicht zum Sturz kommt? Wie groß ist dann die Winkelgeschwindigkeit ω? L¨osen Sie die Aufgabe mit Zylinderkoordinaten, nat¨urlichen Koordinaten und mitrotierenden kartesischen Koordinaten. Bekannt: R, h. Aufgabe 3.5 (SG = 2) Das R¨uhrwerk aus Beispiel 2.10 wird mit einem variablen Moment der Form MT (ϕ) = Cϕ angetrieben. Die Konstante C folgt aus der Bedingung bestimmt, dass nach n Umdrehungen der Endwert M0 erreicht ist. Gesucht ist die Geschwindigkeit des Massenpunktes m nach n Umdrehungen. Bekannt: n = 50, M0 = 0.1 Nm, m = 3 kg.
3.2 Das dynamische Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt
Aufgabe 3.6 (SG = 1) Die dargestellte Rinne in einer Scheibe rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine senkrechte Achse. In der Rinne be¿ndet sich eine Kugel, welche sich aus der Anfangslage im Abstand r vom Zentrum der Scheibe l¨ost. Wie groß ist die Geschwindigkeit der Kugel im Abstand R beim Austritt aus der Rinne? Bekannt: R, r, ω. Aufgabe 3.7 (SG = 2) Eine R¨ohre ist gegen die Vertikale um einen Winkel β geneigt. Sie dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine vertikale Drehachse. In der R¨ohre bewegt sich reibungsfrei eine Kugel der Masse m. Wie groß muss ω sein, damit die Kugel die H¨ohe h erreicht? Bekannt: g, β, m, ω.
Aufgabe 3.8 (SG = 2) Das Fahrzeug aus Aufgabe 2.25 erf¨ahrt w¨ahrend der Fahrt auf der parabelf¨ormigen Bahn Y = bX 2 eine konstante Antriebskraft FA . Die Fahrt beginnt aus der Ruhelage an dem Punkt (X0 , Y0 ). Wie groß ist die Geschwindigkeit im Punkt 0? Bekannt: X0 = −50 m, b = 0.04 1/m, FA = 2 kN, m = 1.4 t.
Hinweis: Kurvenintegral X1 X1 1 1 1 + Y (X)2 dX = arcsinh(2bX) + bX X 2 + 2 s= . 4b 4b X0 X0
87
88
3 Kinetik des Massenpunktes
Aufgabe 3.9 (SG = 3) Ein Spielzeugauto der Masse m bewegt sich auf einer Spielautorennbahn mit der konstanten Bahngeschwindigkeit vA auf eine Loopingschleife zu. Auf Grund der zu niedrigen Fahrgeschwindigkeit kommt es im Punkt C zu einer Flugphase. Berechnen Sie 1. die Lage des Punktes C (β und hC ), in der das Fahrzeug den Kontakt zu der Bahn verliert und 2. die L¨ange xD zum Punkt D, in der das Fahrzeug nach dem freien Flug aufschl¨agt. √ Bekannt: vA = 3.5 g · r.
Aufgabe 3.10 (SG = 3) Aus der Dachmitte A eines kugelf¨ormigen Iglus mit dem Radius r l¨ost sich ein Eiszapfen und rutscht ohne Reibung nach unten. An der Stelle B hebt der Eiszapfen von der DachÀ¨ache ab und Àiegt bis zur Stelle C, an welcher er am Boden aufschl¨agt. Gesucht sind 1. die H¨ohe h zwischen BodenÀ¨ache und der Stelle B, an welcher der Eiszapfen von der DachÀ¨ache abhebt, 2. der Abstand d der Aufprallstelle C von dem Iglu. Bekannt: r, m, g.
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
89
3.3 Kraftgesetze der Kinetik 3.3.1 Einteilung von Kr¨aften Zur Erl¨auterung von verschiedenartigen Kraftwirkungen betrachten wir in Abb. 3.11 einen Personenkraftwagen in einer Kurvenfahrt. In der rechten Darstellung sind die senkrecht nach unten gerichtete Gewichtskraft FG und die normal zur Fahrbahn gerichteten Normalkr¨afte N eingetragen. Ein Rutschen des Kraftfahrzeuges nach außen wird durch die nach innen gerichteten Reibungskr¨afte R verhindert. Infolge von Str¨omungseinÀ¨ussen tritt die der Fahrtrichtung entgegen wirkende Windwiderstandskraft FW auf. Gegebenenfalls ist bei starkem Seitenwind noch eine Windkraft FW i zu ber¨ucksichtigen. Außerdem erf¨ahrt das Kraftfahrzeug die nach außen gerichtete - und von dem Fahrer sp¨urbare - Zentrifugalkraft FZ . Auf einzelne Komponenten des Fahrzeuges wirken zus¨atzlich innere Kr¨afte, wie z.B. Feder- und D¨ampfungskr¨afte zwischen der Vorderachse und dem Fahrgestell.
Abb. 3.11. Verschiedenartige Kr¨afte an einem Kraftfahrzeug in einer Kurvenfahrt
In Abb. 3.12 erfolgt eine Einteilung von Kr¨aften in die drei Gruppen innere Kr¨afte, a¨ ußere Kr¨afte und Scheinkr¨afte. Die wesentlichen Kennzeichen dieser drei Kr¨aftearten sind: 1. Innere Kr¨afte treten im Inneren eines Systems stets paarweise und entgegengesetzt gerichtet auf. Sie haben keine Wirkung nach außen und somit keinen EinÀuss auf die Bewegung des Systems. Beispiele sind Feder-, D¨ampfungs- und Reibungskr¨afte. ¨ 2. Außere Kr¨afte sind in eingepr¨agte Kr¨afte und Reaktionskr¨afte gegliedert. a) Eingepr¨agte Kr¨afte sind physikalischen Ursprungs. Beispiele sind Feldkr¨afte (Magnetkraft, Gravitationskraft, Schwerkraft), die von der F¨uhrung bzw. der Lagerung der K¨orper unabh¨angig sind. Zur Gruppe der eingepr¨agten Kr¨afte z¨ahlen auch Antriebs-, Brems-, Widerstands-, Auftriebs-, Reibungs- und Federkr¨afte. b) Reaktionskr¨afte entstehen durch kinematische Zwangsbedingungen an AuÀagern und F¨uhrungen. Beispiele sind somit AuÀager-, Trag- und F¨uhrungskr¨afte. Wie in Abschnitt 3.2.4 erl¨autert, werden sie durch das Schnittprinzip sichtbar gemacht. 3. Scheinkr¨afte entstehen durch Bewegungs¨anderungen. Beispiele sind Tr¨agheits-, Zentrifugal- und Corioliskr¨afte. In dem dynamischen Grundgesetz (3.4) k¨onnen sie aus der linken Seite ma abgeleitet werden. Damit gilt: In einem Intertialsystem darf eine Scheinkraft nicht als Kraft Fi auf der rechten Seite in (3.4) auftreten. Bei den inneren und a¨ ußeren Kr¨aften unterscheidet man noch zwischen Potenzialkr¨aften und Nicht-Potenzialkr¨aften. Hierauf wird ausf¨uhrlich im n¨achsten Kapitel 4 eingegangen. Im Folgenden werden die wichtigsten Kraftgesetze f¨ur technische Anwendungen vorgestellt.
90
3 Kinetik des Massenpunktes
Kräfte
Innere Kräfte
Äußere Kräfte
Eingeprägte Kräfte
Scheinkräfte
Reaktionskräfte
Abb. 3.12. Einteilung der Kr¨afte
¨ Federn 3.3.2 Das lineare Kraftgesetz fur Federelemente werden z.B. zur Radaufh¨angung in einem Kraftfahrzeug eingesetzt. Zur Formulierung eines Kraftgesetzes betrachten wir in Abb. 3.13.a eine Feder, deren linke Seite gelagert ist und an deren rechte Seite eine Kraft FF angreift. In der entspannten Lage sind Auslenkung s und Kraft FF gleich Null; mit ansteigender Kraft FF wird die Auslenkung s gr¨oßer. In vielen F¨allen sind beide Gr¨oßen proportional zueinander. Damit folgt ¨ Federn Das lineare Kraftgesetz fur 1. FF = c s, wobei 2. c Federkonstante 3. s Auslenkung.
(3.19)
Die materialabh¨angige Federkonstante c muss in einem Versuch bestimmt werden. F¨allt die entspannte Lage mit einem Wert s0 = 0 zusammen, so wird das Gesetz (3.19.1) erweitert: FF = c (s − s0 ).
(3.20)
¨ D¨ampfer 3.3.3 Das lineare Kraftgesetz fur D¨ampferelemente werden z.B. zur Ger¨auschminderung an Wohnhaust¨uren oder Kraftfahrzeug-Heckklappen eingesetzt. Zur Formulierung eines Kraftgesetzes betrachten wir in Abb. 3.13.b einen D¨ampfer, dessen linke Seite gelagert ist und an dessen rechte Seite eine Kraft FD angreift. Im Gegensatz zum Verhalten bei einer Feder, ist die Auslenkung s nicht abh¨angig von der Gr¨oße der Kraft FD . Stattdessen steigt der Kraftaufwand mit der Gr¨oße der Geschwindigkeit s, ˙ mit der die Kraft FD aufgebracht wird. In vielen F¨allen sind beide Gr¨oßen proportional zueinander. Damit folgt ¨ D¨ampfer Das lineare Kraftgesetz fur 1. FD = d s, ˙ wobei 2. d D¨ampfungskonstante 3. s˙ Auslenkungsgeschwindigkeit.
(3.21)
Die materialabh¨angige D¨ampfungskonstante d muss in einem Versuch bestimmt werden.
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
91
Abb. 3.13. Vier Kraftgesetze der Mechanik: a) Das Federgesetz, b) das D¨ampfungsgesetz, c) das Reibungsgesetz, d) das Rollwiderstandsgesetz
3.3.4 Das Reibungsgesetz nach Coulomb In Abb. 3.13.c gleitet ein fester K¨orper mit der Geschwindigkeit s˙ u¨ ber einen Untergrund. Das Schnittprinzip liefert momentan eine Reibungskraft FR , die zur Gruppe der Widerstandskr¨afte geh¨ort. Sie ist der Geschwindigkeit s˙ entgegen gerichtet und somit bei Bewegungen im Raum tangential zur Bahn. Von Coulomb (1736-1806) wurde festgestellt, dass die Gr¨oße von FR n¨aherungsweise proportional zu der in der ReibungsÀ¨ache wirkenden Normalkraft ˙ Damit FN ist (mit diesem vereinfachten Ansatz also unabh¨angig von der Geschwindigkeit s). folgt
92
3 Kinetik des Massenpunktes
Das Reibungsgesetz nach Coulomb 1. FR = μ FN , wobei 2. FN Kraft normal zur ReibÀ¨ache (,,Normalkraft” ) 3. μ Gleitreibungskoef¿zient.
(3.22)
Der Koef¿zient μ wird in einem Versuch bestimmt und h¨angt insbesondere ab von a) der Werkstoffpaarung, d.h. von den Werkstoffen beider sich ber¨uhrenden K¨orper und b) der geometrischen und physikalischen OberÀ¨achenbeschaffenheit (Rauheit und Reinheit) der beiden K¨orper. 3.3.5 Der Rollwiderstand am Rad Wir betrachten in Abb. 3.13.d die rollende Bewegung eines Rades. Findet diese auf einem ¨ deformierbaren Untergrund statt, so entsteht zur Uberwindung der Deformationen eine der Bewegung entgegen gerichtete Kraft FRo . Deformationen des Rades w¨ahrend der Fahrt verst¨arken den EinÀuss von FRo . Diese Kraft geh¨ort zur Gruppe der Widerstandskr¨afte. Sie ist der Geschwindigkeit v entgegengerichtet und somit bei Bewegungen im Raum tangential zur Bahn. F¨ur die Gr¨oße des Rollwiderstandes wird folgende zu Gl.(3.22) a¨ hnliche Gesetzm¨aßigkeit verwendet: ¨ den Rollwiderstand Das Kraftgesetz fur 1. FRo = f FN , wobei 2. FN Kraft normal zur RollÀ¨ache (,,Normalkraft” ) 3. f Rollwiderstandsbeiwert. Besonders bei Fahrten im Gel¨ande spielt der Verformungswiderstand des Untergrundes eine Rolle, wobei er bei weichen B¨oden mehr als 15 % des Fahrzeuggewichtes betragen kann. Auf befestigten Straßen ergibt sich der Rollwiderstand fast ausschließlich aus der sogenannten Walkverlustarbeit des Reifens. Dabei sind die Walkamplitude (Einfederung, Radlast, Reifeninnendruck) und die Walkfrequenz (Fahrgeschwindigkeit) bestimmend. Vereinfachend kann der Rollwiderstandsbeiwert in den Gleichungen (3.23) als konstant angenommen werden. In Abb. 3.14 sind Werte f¨ur f in Abh¨angigkeit der Geschwindigkeit angegeben, siehe [4].
(3.23)
f 0,020
0,015 0,010 0,005
0
50
100
150 v (km/h)
Abb. 3.14. Rollwiderstandswert f als Funktion der Fahrgeschwindigkeit, aus [4]
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
93
Beispiel 3.7 PKW in Beschleunigungsphase am Hang Ein PKW der Masse m wird an einem Hang auf einer geradlinigen Fahrbahn aus der Ruhelage gleichf¨ormig beschleunigt. Nach der Zeit t1 ist die Geschwindigkeit v1 erreicht. Welche Antriebskraft FA ist hierzu notwendig, wenn der Rollwiderstand mit der Rollwiderstandszahl f ber¨ucksichtigt und der Luftwiderstand vernachl¨assigt werden?
Abb. 3.15. PKW in Beschleunigungsphase am Hang
Bekannt: m = 1.3 t, t1 = 8 s, v1 = 70 km/h, f = 0.018, β = 20o . ¨ Voruberlegungen: F¨ur die geradlinige Bewegung wird eine Koordinate X in Richtung der Aufw¨artsbewegung gew¨ahlt. Die Berechnung erfolgt mit der Bewegungsgleichung (3.8.1) in raumfesten kartesischen Koordinaten. Die Rollwiderstandskraft FRo wird nach Gl.(3.23) ber¨ucksichtigt und auf die Vorder- und Hinterachse gleichermaßen verteilt. L¨osung: Der PKW ist in Abb. 3.15.b freigeschnitten. In Bewegungsrichtung wirkt die Antriebskraft FA . Der Bewegungsrichtung wirken der Rollwiderstand FRo und die Komponente FG sin β der Gewichtskraft FG =mg sin β entgegen. Die Bewegungsgleichung (3.8.1) lautet X : maX = FA − FRo − mg sin β.
Abb. 3.15.b. Kr¨afte am fahrenden PKW
F¨ur die gleichf¨ormige Beschleunigung gilt (siehe hierzu auch Beispiel 2.1) aX =
m v1 70 1 = 2.43 2 . = t1 3.6 8 s
Die gesamte auf das Fahrzeug wirkende Rollwiderstandskraft wird nach Gl.(3.23) berechnet: FRo = f FG cos β. F¨ur die Antriebskraft erh¨alt man somit FA = maX + FRo + FG sin β = m (aX + f g cos β + g sin β) = 1.3 · 103 kg · (2.43 + 0.018 · 9.81 cos 20o + 9.81 sin 20o )m/s2 = 7.74 · 103 N.
94
3 Kinetik des Massenpunktes
¨ Bewegungen in einem fluiden Medium 3.3.6 Kraftgesetze fur Wir betrachten einen starren K¨orper, der sich durch ein Àuides Medium (kurz: Fluid) mit der Geschwindigkeit v bewegt. Dieses Medium kann sowohl in gasf¨ormiger als auch in À¨ussiger Form vorliegen. Als Beispiel ist in Abb. 3.16 die Luftstr¨omung dargestellt, die einen fahrenden PKW umgibt. Diese bewirkt eine Widerstandskraft FW , die der Geschwindigkeit v entgegengerichtet ist und somit bei einer Bewegung im Raum tangential zur Bahn ist. Sie stellt f¨ur das Fahrzeug eine a¨ ußere Kraft dar und ist daher gem¨aß der Einteilung in Abb. 3.12 eine eingepr¨agte Kraft. Wie die Erfahrung zeigt und Experimente best¨atigen, ist die Gr¨oße von FW außer von der geometrischen Form des K¨orpers und der Art des Fluids auch von der Gr¨oße der Geschwindigkeit abh¨angig.
FW
v
Abb. 3.16. Luftstr¨omungsfeld bei einem fahrenden PKW. Die Widerstandskraft FW ist der Geschwindigkeit v entgegengerichtet.
Bei kleinen Geschwindigkeiten ist die Str¨omung laminar. Die Widerstandskraft FW kann dann in vielen F¨allen proportional zur Geschwindigkeit angenommen werden: Die Widerstandskraft bei laminarer Str¨omung 1. FW = kv, wobei 2. k Widerstandsbeiwert 3. v Geschwindigkeit.
(3.24)
Dieses Gesetz hat somit die gleiche Struktur wie das D¨ampfungsgesetz (3.21). Die Konstante k ist ein Beiwert, der in einem Versuch bestimmt werden muss. Bei gr¨oßeren Geschwindigkeiten wird die Str¨omung turbulent. In dem Ansatz f¨ur die Widerstandskraft wird die Geschwindigkeit dann mit einem quadratischen Term wie folgt ber¨ucksichtigt: Die Widerstandskraft bei turbulenter Str¨omung ρF v 2 1. FW = cW AS , wobei 2 Widerstandsbeiwert 2. cW 3. ρF Dichte des Fluids BezugsÀ¨ache (,,SchattenÀ¨ache”). 4. AS
(3.25)
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
95
Hierbei ist AS die Projektion des K¨orpers auf eine Ebene senkrecht zur Anstr¨omrichtung (,,SchattenÀ¨ache”). Der Widerstandsbeiwert cW ist eine einheitenlose Gr¨oße, die insbesondere von der K¨orperform abh¨angt. Als Anhaltswerte k¨onnen die folgenden Zahlen verwendet werden [16]: 1. Str¨omung aus offener Halbkugel heraus 2. Str¨omung in offene Halbkugel hinein 3. Stromlinienk¨orper (z.B. TragwerksÀ¨ugel) 4. Kraftfahrzeuge
cW cW cW cW
= 0.34 = 1.33 ≈ 0.1 = 0.3 − 0.9.
(3.26)
Bemerkungen 3.4 1. F¨ur allgemeine F¨alle der Str¨omungsmechanik ist der cW -Wert auch von der Geschwindigkeit und somit von der Reynoldsschen Zahl Re abh¨angig, siehe z.B. [33]. F¨ur Anwendungen in der Kraftfahrzeugtechnik gilt im Allgemeinen Re > 1000, wobei der cW -Wert nahezu konstant ist. 2. Die Aerodynamik bzw. der Luftwiderstand spielen z.B. in der Kraftfahrzeugtechnik eine wichtige Rolle. Um den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, streben die Entwicklungsabteilungen der Automobilindustrie Fahrzeuge mit m¨oglichst niedrigem Luftwiderstand und somit niedrigem cW -Wert an. Abb. 3.17 verdeutlicht die Verringerung der durchschnittlichen cW -Werte w¨ahrend des 20. Jahrhunderts.
CW
1,2
0,9
0,6
0,3
0 1900
1920
1940
1960
1980
2000
Abb. 3.17. Entwicklung der Widerstandsbeiwerte cW im Automobilbau, in Anlehnung an [4]
96
3 Kinetik des Massenpunktes
Beispiel 3.8 PKW in Beschleunigungsphase mit Windwiderstand Ein PKW wird aus dem Stand auf einer horizontalen, geradlinigen Fahrbahn mit einer konstanten Antriebskraft FA beschleunigt. Infolge der Luftstr¨omung tritt eine Widerstandskraft FW auf, die nach Gl.(3.25) berechnet wird. Reibungskr¨afte am Fahrgestell sowie der Rollwiderstand sollen unber¨ucksichtigt bleiben. Welche Geschwindigkeit hat der PKW nach einer Fahrstrecke S?
X FW
FA Abb. 3.18. PKW in Beschleunigungsphase mit Windwiderstand
Bekannt: Antriebskraft FA = 2 kN, Masse des PKW m = 1.4 t, Zahlenwerte f¨ur Widerstandsbeiwert: ρL = 1.25 kg/m3 , cW = 0.24, AS = 2.0 m2 , zur¨uckgelegte Strecke S = 1 km. ¨ Voruberlegungen: F¨ur die geradlinige Bewegung wird eine Koordinate X in horizontaler Fahrtrichtung gew¨ahlt und die Berechnung mit der Bewegungsgleichung (3.8.1) in raumfesten kartesischen Koordinaten durchgef¨uhrt. Zur L¨osung der sich ergebenden Differenzialgleichung werden Anfangsbedingungen f¨ur den Ort X0 =X(t=0)=0 und die Geschwindigkeit v0 =v(t=0)=0 verwendet. L¨osung: Mit den horizontal angreifenden Kr¨aften in Abb. 3.18 lautet die Bewegungsgleichung (3.8.1) ¨ = FA − FW . mX F¨ur die Widerstandskraft berechnen wir nach Gl.(3.25) FW = cW
ρL v 2 ρL AS = kv 2 , wobei k = cW AS = 0.3 kg/m. 2 2
Einsetzen von FW in die Bewegungsgleichung und Division durch m liefert
FA 1 k 2 2 ¨ v X = (FA − kv ) = (A). 1− m m FA ¨ = X(v) ¨ Damit ist eine funktionelle Abh¨angigkeit X gefunden, so dass die sechste Grundaufgabe der Tabelle 2.1 zur Bestimmung des Ortes angewendet werden kann m v v˜
d v˜. X = X0 + k 2 FA v0 1− v˜ FA Zur Auswertung dieses Integrals wird eine Substitutionsvariable z(v) eingef¨uhrt: z=
k 2 v FA
=⇒
dz =
k 2v dv FA
=⇒
v dv =
FA dz. 2k
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
97
Damit folgt m FA FA 2k
z
d˜ z m = X0 + [− ln(1 − z)]zz0 ˜ 2k z0 1 − z ⎞ ⎛ k 2
1− v 1−z m m ⎜ FA ⎟ ⎟. = X0 − ln ln ⎜ = X0 − k 2⎠ 2k 1 − z0 2k ⎝ 1− v FA 0
X = X0 +
Die Auˬosung dieser Gleichung nach v (Bestimmung der Umkehrfunktion) liefert
FA k 2 2k 1− 1− , (B) v(X) = v exp (X0 − X) k FA 0 m so dass mit den Anfangsbedingungen X0 = 0, v0 = 0 schließlich folgt:
2k FA 1 − exp −X , vst = . v(X) = vst m k Mit den gegebenen Zahlenwerten erh¨alt man die Geschwindigkeit v(X = 1000 m) = 48.21 m/s = 174 km/h. Der Verlauf der L¨osung v(X) ist in Abb. 3.18.b dargestellt. Die Gr¨oße vst ist die Station¨argeschwindigkeit. Sie wird aus Gl.(B) f¨ur X → ∞ erhalten und kennzeichnet somit die Geschwindigkeit an die sich die Funktion v(X) asymptotisch ann¨ahert. Alternativ kann vst aus Gl.(A) f¨ur den Fall einer ¨ = 0, ergleichm¨aßigen Bewegung, d.h. X halten werden.
v(X) [km/h]
vst =207.84 Ohne Windwiderstand
192 174 Mit Windwiderstand
0
1000
X [m]
Abb. 3.18.b. PKW in Beschleunigungsphase: Geschwindigkeits-Weg Diagramm
Zusatzaufgabe: Man zeige f¨ur den Fall ohne Windwiderstandskraft das Ergebnis v(X = 1000 m) = 53.45 m/s = 192 km/h. Damit w¨urde der PKW nach 1000 m etwa 20 km/h schneller als mit Windwiderstand fahren. Wie in Abb. 3.18.b erkennbar, erh¨alt man bei Vernachl¨assigung des Windwiderstandes f¨ur X → ∞ jedoch eine unendlich große Geschwindigkeit, was nicht realistisch ist. ¨ geschwindigkeitsabh¨angige Beschleunigungen 3.3.7 L¨osungen fur Die Rechenschritte in Beispiel 3.8 zeigen, dass der Aufwand zur L¨osung der Differenzialgleichung vergleichsweise groß werden kann. Da viele Aufgabenstellungen mit Widerstandskr¨aften auf a¨ hnliche Differenzialgleichungen f¨uhren, sind in Tabelle 3.2 f¨ur drei verschiedene F¨alle die L¨osungen, soweit in geschlossener Form berechenbar, zusammengefasst. Dabei ist die Beschleunigung im ersten Fall konstant und in den anderen beiden F¨allen geschwindigkeitsabh¨angig. Die Ortsvariable wird mit x gekennzeichnet, und x0 =x(t0 ) und v0 =v(t0 ) sind die Anfangsbedingungen zur Zeit t0 .
98
3 Kinetik des Massenpunktes
Fall
Differenzialgleichung
1
m¨ x=F
2
m¨ x = F − kv 2
L¨osungen m x(v) = x0 + 12 (v 2 − v02 ) F F v(x) = v02 + 2 (x − x0 ) m m t(v) = t0 + (v − v0 ) F F v(t) = v0 + (t − t0 ) m ⎞ ⎛ k 2 v 1 − m ⎜ F ⎟ ln ⎝ x(v) = x0 − k ⎠ 2k 1 − v02 F
k 2k F 1 − 1 − v02 exp (x0 − x) v(x) = k F m F F +v − v0 R R m t(v) = t0 + √ ln 2 Fk F F −v + v0 R R √ kF F v0 t + artanh v(t) = tanh m k F/k
3
m¨ x = F − kv
v − v0 F x(v) = x0 − m + 2 ln k k
kv − F kv0 − F
v(x) = nicht in geschlossener Form berechenbar
kv − F m t(v) = t0 − ln k kv0 − F
F k k v(t) = 1 − 1 − v0 exp − (t − t0 ) k F m
k F m F x(t) = x0 + (t − t0 ) + − v0 exp − (t − t0 ) k k k m Tabelle 3.2. L¨osungen von Differenzialgleichungen f¨ur drei F¨alle. t0 , x0 , v0 sind jeweils Anfangswerte
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
99
Beispiel 3.9 Fallschirmspringer im freien Fall und mit ge¨offnetem Fallschirm Ein Fallschirmspringer der Masse m springt in ausreichender Flugh¨ohe aus einem Flugzeug. Unter Vernachl¨assigung von horizontalen Bewegungsanteilen bestimme man a) die Geschwindigkeit im freien Fall nach (i) h= 9 m, (ii) h= 280 m, ohne Ber¨ucksichtigung des Luftwiderstandes, ¨ b) die Geschwindigkeit nach dem Offnen des Fallschirms und weiteren 7 m im Fall a(i), c) die station¨are Sinkgeschwindigkeit vst mit ge¨offnetem Fallschirm. Die Widerstandskraft der Luft auf den ge¨offneten Fallschirm wird nach Gl.(3.25) ber¨ucksichtigt. Abb. 3.19. Ge¨offneter Fallschirm im Flug Bekannt: Masse m = 95 kg, ,,SchattenÀ¨ache” des Fallschirms AS = 33.18 m2 , Widerstandsbeiwert cW = 1.33, Dichte der Luft ρL = 1.25 kg/m3 . ¨ Voruberlegungen: F¨ur die geradlinige Bewegung wird eine Koordinate X gew¨ahlt, die vertikal nach unten gerichtet ist. Die Berechnung erfolgt mit der Bewegungsgleichung (3.8.1) f¨ur raumfeste kartesische Koordinaten. Die L¨osungen der Differenzialgleichungen f¨ur die F¨alle mit und ohne Luftwiderstand entnehmen wir Tabelle 3.2. L¨osung: Wir idealisieren in Abb. 3.19.b den Springer mit Fallschirm als Massenpunkt im gemeinsamen Schwerpunkt. Auf den Massenpunkt wirken die Gewichtskraft mg in Koordinatenrichtung und dieser entgegen gerichtet die Widerstandskraft FW . Die Bewegungsgleichung (3.8.1) lautet X:
¨ = FS − FW , mX
wobei
FS = mg = 931.95 N ρL v 2 FW = cW AS = kv 2 2 ρL k = cW AS = 27.58 kg/m. 2
X
FW mg
Abb. 3.19.b. Massenpunkt mit Kr¨aften
a) Hier ist FW = 0. Mit v0 = 0 und X0 = 0 folgt aus dem ersten Fall in Tabelle 3.2 FS FS v(X) = v0 + 2 (X − X0 ) = 2 h = 2gh. m m
100
3 Kinetik des Massenpunktes
F¨ur die gesuchten Geschwindigkeiten berechnet man somit (i) : v(h = 9 m) = ... = 13.29 m/s = 48 km/h (ii) : v(h = 280 m) = ... = 74.12 m/s = 267 km/h. b) In diesem Aufgabenteil ist FW = kv 2 = 0. Mit X0 =9 m, X=16 m, v0 =13.29 m/s2 folgt aus dem zweiten Fall in Tabelle 3.2
FS k 2 m km 2k v(X) = 1− 1− = ... = 6.02 = 22 . v0 exp (X0 − X) k FS m s h c) Zur Absch¨atzung der station¨aren Sinkgeschwindigkeit wird f¨ur X → ∞ die N¨aherung
2k exp (X0 − X) m
→0
erhalten. Damit folgt mit der L¨osung aus Aufgabenteil b) FS m km vst = = ... = 5.81 = 21 . k s h
48
v(X) [km/h]
22 vst=21 X [m] 9
16
Abb. 3.19.c. Geschwindigkeit-Weg Diagramm
Der Verlauf der Geschwindigkeit v(X) ist f¨ur die Phase a) Flug im freien Fall und Phase b) Flug mit ge¨offnetem Fallschirm in Abb. 3.19.c dargestellt. 3.3.8 Das Gravitationsgesetz Zus¨atzlich zu den drei Axiomen in Abb. 3.1 hat Newton in dem Buch Principia mit dem Gravitationsgesetz einen weiteren bedeutenden Beitrag in der Mechanik geleistet. Angeregt durch die Keplerschen Gesetze stellte Newton nach intensiven Beobachtungen des Erdmondes fest, dass die gleiche Kraft, die f¨ur den Fall eines K¨orpers auf die EroberÀ¨ache verantwortlich ist - n¨amlich die Erdgravitation -, auch den Mond auf seiner Umlaufbahn h¨alt. Weiter stellte er fest, dass die Gravitationskraft umgekehrt proportional zum Quadrat ihres gegenseitigen Abstandes ist. Ob ihm diese Erkenntnis, wie h¨au¿g berichtet wird, tats¨achlich beim Anblick eines fallenden Apfels von einem Baum kam, ist angesichts der Bedeutung des Gesetzes eher unwesentlich. Zur mathematischen Formulierung des Gravitationsgesetzes betrachten wir in Abb. 3.20 zwei kugelf¨ormige Massen mi und mk im Abstand rik . Die Masse mk u¨ bt eine Kraft Fik auf die Masse mi aus, und umgekehrt u¨ bt die Masse mi eine Kraft Fki auf die Masse mk aus. Nach dem Wechselwirkungsgesetz in Abb. 3.1 gilt der Zusammenhang Fik = Fki . ZusammenfasAbb. 3.20. Wechselwirkung zwischen zwei send erhalten wir Massen mi und mk
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
Das Newtonsche Gravitationsgesetz mi mk 1. Fik = Γ 2 = Fki , wobei rik 2. Γ = 6.6742 · 3. mi , mk
10−11 m3 /kg s2
101
(3.27) universelle Gravitationskonstante Massen in kg.
Bemerkung 3.5 Die historische Leistung von Newton mit der Formulierung des Gravitationsgesetzes sowie die Einsch¨atzung seiner eigenen Unfehlbarkeit wird in einem Zitat aus [28] treffend beschrieben: Das Gravitationsgesetz “...war das mc2 ihrer Zeit... und das mag ihm sehr wohl beim Anblick des fallenden Apfels eingefallen sein. Newtons Erkenntnis erfolgte nicht blitzartig, doch dieser Anblick war der Beginn einer langen mathematischen Reise, die in einem Gesetz von der Schwerkraft endete. Es sollte noch ein Jahrhundert dauern, bis es dem exzentrischen Physiker Cavendish gelang, den Wert f¨ur die Schwerkraftkonstante Γ zu bestimmen. Obwohl er diesen Wert nicht kannte, hielt Newton nichts davon ab, die tollsten Behauptungen u¨ ber sein neues Gesetz von sich zu geben, wie etwa, es sei im ganzen Universum g¨ultig. Das war nat¨urlich nur eine Hypothese. Newtons Berechnungen st¨utzen sich allein auf die Beobachtungen des Mondes und der damals bekannten Planeten. Doch Newton ließ keine Einw¨ande gelten, sondern behauptete k¨uhn: Hypotheses non fingo (Ich erfinde keine Hypothesen!). F¨ur uns ist schwer nachvollziehbar, auf welch wackeren F¨ußen jenes Gesetz stand, das Newton ausdr¨ucklich als allgemeines Gesetz der Schwerkraft bezeichnete. Eine der gr¨oßten Erkenntnisse der Menschheit war in Wirklichkeit nicht viel mehr als eine Vorahnung - eine h¨ochst geniale Ahnung.... Newtons k¨uhne Vermutung ver¨anderte die Welt. Fortan glaubten die Wissenschaftler daran, dass man alles, was sich im Weltall abspielt, mathematisch erkl¨aren kann; und an ¨ dieser Uberzeugung halten sie bis heute fest. Sie ist der Eckpfeiler bei der Suche nach der Theorie f¨ur alles, mit der das Funktionieren des Weltalls und all dessen, was es enth¨alt, erkl¨art werden soll.” Beispiel 3.10 Gravitationskraft von zwei Massen Zwei Massen mi = mk = m = 1000 kg haben den Abstand rik =10 cm. a) Wie groß ist die Gravitationskraft? b) Wie groß ist das Verh¨altnis von Gewichts- und Gravitationskraft? L¨osung: a) Aus dem Gravitationsgesetz (3.27) folgt f¨ur die Gravitationskraft Fik = Γ
2 3 3 3 mi mk −11 m 1.0 · 10 · 1.0 · 10 kg = 6.6742 · 10 = 6.67 · 10−3 N. 2 kg s2 (0.1)2 m2 rik
b) Das Verh¨altnis von Gewichtskraft G = mg = 9810 N und Gravitationskraft ist G/Fik = 1.47 · 106 . Somit sind Gravitationskr¨afte f¨ur Massen der hier betrachteten Gr¨oßenordnung vernachl¨assigbar klein.
102
3 Kinetik des Massenpunktes
Beispiel 3.11 Gravitationsbeschleunigung im Schwerefeld der Erde Mit dem Gravitationsgesetz (3.27) sch¨atze man den Wert g = 9.81 m/s2 f¨ur die Gravitationsbeschleunigung an der ErdoberÀ¨ache (,,Erdbeschleunigung“) ab. Wie groß ist der Wert der Gravitationsbeschleunigung f¨ur eine Masse m im Abstand r vom Erdmittelpunkt? Man zeige den Zusammenhang zwischen der Gewichtskraft G = mg und der Gravitationskraft F (r) = G(RE /r)2 . Bekannt: Masse der Erde M = 6 · 1021 t, Erdradius RE = 6370 km.
Abb. 3.21. Masse auf der Erdoberˬache und im Abstand r von der Erdoberˬache
¨ Voruberlegungen: Das Gravitationsgesetz (3.27) gilt nur f¨ur homogene Kugeln, was streng genommen f¨ur die Erde nicht zutrifft. Als zweite grundlegende Gesetzm¨aßigkeit wird das dynamische Grundgesetz mit den Gleichungen (3.12) f¨ur Zylinderkoordinaten verwendet. L¨osung: Mit den gegebenen Bezeichnungen folgt nach dem Gravitationsgesetz (3.27) f¨ur die Gravitationskraft F (r) einer Masse m im Abstand r vom Erdmittelpunkt der Masse M mM . r2 In Zylinderkoordinaten ergibt sich mit r ϕ˙ 2 = 0 aus der Bewegungsgleichung (3.12.1) F (r) = Γ
ΓM ΓM = −maG (r) =⇒ − r¨ = 2 = aG (r). 2 r r Da keine weiteren Kr¨afte auftreten, sind die Gleichungen (3.12.2) und (3.12.3) wegen ϕ˙ = 0, z¨ = 0 sofort erf¨ullt. Wir bezeichnen aG (r) als Gravitationsbeschleunigung im Abstand r vom Erdzentrum. Das Minuszeichen weist auf die Richtung zum Erdmittelpunkt hin. Werten wir die letzte Beziehung an der ErdoberÀ¨ache f¨ur r = RE aus, dann folgt mit dem Wert f¨ur die universelle Gravitationskonstante in Gl.(3.27.2) m¨ r = −F (r) = −m
aG (r) =
ΓM 6.6742 · 10−11 m3 /kg s2 · 6 · 1024 kg = = 9.87m/s2 ≈ 9.81m/s2 = g. 2 (6370 · 103 m)2 RE
Hierbei ist g die Gravitationsbeschleunigung an der Erdoberfl¨ache (,,Erdbeschleunigung”).3 F¨ur aG (r) und F (r) k¨onnen wir somit auch schreiben
2 RE ΓM ΓM g ΓM RE 2 RE 2 aG (r) = 2 = =g =g =⇒ F (r) = maG (r) = mg . r g r2 Γ M r2 r r Durch Auswertung von F (r) an der ErdoberÀ¨ache folgen die Beziehungen
RE 2 RE 2 =G . (3.28) 1. F (r = RE ) = mg = G =⇒ 2. F (r) = maG = mg r r Somit ist die Gewichtskraft G als Gravitationskraft im Abstand RE vom Erdmittelpunkt interpretierbar . 3
¨ Der Wert f¨ur g variiert an der ErdoberÀ¨ache von 9.781m/s2 am Aquator bis 9.831m/s2 an den Polen.
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
103
3.3.9 Die Keplerschen Gesetze Mit den beiden grundlegenden Gesetzen von Newton, dem dynamischen Grundgesetz und dem Gravitationsgesetz, l¨aßt sich die Bewegung von Planeten um die Sonne und die von Satelliten um die Erde beschreiben. Dazu wollen wir im Folgenden die drei Keplerschen Gesetze (Johannes Kepler, 1571-1630) herleiten, die in Tabelle 3.3 zusammengefasst sind. Die Keplerschen Gesetze 1. Die Bahnen der Planeten sind Ellipsen. In einem ihrer Brennpunkte steht die Sonne. 2. Der von der Sonne zu einem Planeten gezogene Radius u¨ berstreicht in gleichen Zeiten gleiche Fl¨achen (,,Fl¨achensatz“). 3. Die dritten Potenzen der großen Halbachsen der Bahnen verhalten sich wie die Quadrate der Umlaufzeiten.
E a b
e
S r
a
p
Tabelle 3.3. Die Keplerschen Gesetze
In Abb. 3.22.a ist die Bewegung des Planeten E um die Sonne S dargestellt. Die Sonne wird als ruhender Bezugspunkt angesehen, die gegenseitige BeeinÀussung anderer Planeten bleibt unber¨ucksichtigt und die Sonne und der Planet werden vereinfachend als Massenpunkte aufgefasst. Die Gravitationskraft F ist nach dem Gravitationsgesetz (3.27) stets auf die Sonne S gerichtet, so dass eine Zentralbewegung vorliegt. Der Geschwindigkeitsvektor v verl¨auft auf Grund der Eigenschaft (2.16.1) tangential zur Bahn, der Ortsvektor x zeigt von der Sonne S zum Planeten E, und ϕ kennzeichnet den Drehwinkel (oder: Umlaufwinkel).
Abb. 3.22. Planetenbewegungen um die Sonne: a) Orts-, Geschwindigkeits- und Kraftvektor, b) zur Herleitung des Fl¨achenelementvektors dA
Wir untersuchen zun¨achst das Kreuzprodukt x × v. Bezeichnen wir mit β den Winkel, den die Vektoren x und v einschließen, so folgt unter Beachtung von Gl.(A.6.2), |x| = r, |v| = v, vϕ = v sin β und vϕ = r ϕ˙ in Gl.(2.28.1) f¨ur den Betrag von x × v |x × v| = |x||v| sin β = r(v sin β) = rvϕ = rr ϕ˙ = r 2 ϕ. ˙
(3.29)
Nach Abb. A.2.d gibt |x × v| die Fl¨ache des von x und v aufgespannten Parallelogramms an. Bezeichnen wir diese mit 2dA, so folgt f¨ur die Fl¨achengeschwindigkeit dA˙ aus (3.29)
104
3 Kinetik des Massenpunktes
dA 1 1 1. dA˙ = = |x × v| = r 2 ϕ˙ dt 2 2
=⇒
2. ϕ˙ =
2A˙ . r2
(3.30)
Wie in Abb. A.2.d steht der Ergebnisvektor des Kreuzproduktes x × v senkrecht auf x und auf v. Die Richtung des Ergebnisvektors wird von dem Einheitsvektor eA˙ =
x×v x×v = |x × v| 2 dA˙
angegeben. Wir k¨onnen damit einen Fl¨achengeschwindigkeitsvektor ˙ = dA = 1 x × v = Ae ˙ ˙ A A dt 2
(3.31)
de¿nieren. Dieser Vektor steht wie x × v in Abb. 3.22.b senkrecht auf der Fl¨ache, die von ˙ = dA˙ gibt die Gr¨oße der Fl¨ache an, den Vektoren x und v aufgespannt wird. Der Betrag |A| die von dem Vektor x in der Zeit dt u¨ berstrichen wird. Wir bilden das Kreuzprodukt zwischen dem Ortsvektor x und beiden Seiten des dynamischen Grundgesetzes ma = F in Gl.(3.4.1). Da bei der Zentralbewegung der Kraftvektor F stets zum Ursprung (der Sonne) gerichtet ist, sind die Vektoren F und x parallel. Damit folgt x × ma = x × F = 0
=⇒
x × v˙ = 0.
Auf Grund dieser Beziehung und unter Ber¨ucksichtigung von v × v = 0 folgt f¨ur die zeitliche Ableitung des Fl¨achengeschwindigkeitsvektors 2
d ˙ d A= (x × v) = v × v + x × v˙ = 0 dt dt
˙ = Ae ˙ ˙ = konst. =⇒ A A
(3.32)
Dieses Ergebnis beinhaltet zwei Aussagen: • Der Vektor eA˙ a¨ ndert seine Richtung nicht, d.h. Planetenbewegungen sind eben. • A˙ = konst. = A˙ 0 , d.h. die Fl¨achengeschwindigkeit ist bei Zentralbewegungen konstant. Mit der zweiten Aussage ist der Fl¨achensatz und damit das 2. Gesetz von Kepler in Tabelle 3.3 bewiesen. Wir erhalten aus (3.29) und (3.30.1) auch den Zusammenhang 2A˙ = rv sin β, und da A˙ konstant ist, die Aussage: Planeten bewegen sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit. Sie werden schneller, wenn sie sich auf die Sonne hin bewegen und langsamer, wenn sie sich von ihr weg bewegen. Aus (3.30.2) folgt ferner: Die Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ und der Kehrwert des Quadrates vom Radius r sind umgekehrt proportional zueinander. Im Folgenden werden die Gleichungen f¨ur die Bahnen von Planetenbewegungen hergeleitet. Da diese auf einer Ebene verlaufen, verwenden wir wie in Abb. 3.22.a dargestellt zweckm¨aßigerweise Zylinderkoordinaten. Dann folgt aus dem dynamischen Grundgesetz (3.12.1) in radialer Richtung und dem Gravitationsgesetz (3.27) r:
m(¨ r − r ϕ˙ 2 ) = −Γ
Mm r2
=⇒
r¨ − r ϕ˙ 2 = −
ΓM . r2
(3.33)
Zur L¨osung dieser Differenzialgleichung verwenden wir die Substitution u = 1/r und das Ergebnis (3.30.2). Damit erh¨alt man
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
105
dr d 1 du dr dϕ dr 2A˙ 0 ˙ r˙ = = = = −2A˙ 0 . = −2A0 dt dϕ dt dϕ r 2 dϕ r dϕ Nochmaliges Differenzieren liefert unter Ber¨ucksichtigung von Gl.(3.30.2) d2 u 1 d2 u d2 u ϕ˙ = −(2A˙ 0 )2 2 2 = −(2A˙ 0 )2 u2 2 . 2 dϕ r dϕ dϕ Durch Einsetzen in Gl.(3.33) erh¨alt man r¨ = −2A˙ 0 2
d u −(2A˙ 0 )2 u2 2 − (2A˙ 0 )2 u3 = −Γ M u2 dϕ
=⇒
d2 u ΓM +u= . dϕ2 (2A˙ 0 )2
F¨ur diese inhomogene Differenzialgleichung 2. Ordnung lautet die allgemeine L¨osung u = A sin ϕ + B cos ϕ +
ΓM , (2A˙ 0 )2
wobei A und B Integrationskonstanten sind. F¨ur den Abstand r folgt 1 1 r= = . ΓM u A sin ϕ + B cos ϕ + (2A˙ 0 )2 Wir lassen ϕ an der Stelle der Bahn beginnen, an der r˙ verschwindet und erhalten nach kurzer Rechnung A = 0. Damit lautet die allgemeine Bahngleichung der Planetenbewegung p (2A˙ 0 )2 (2A˙ 0 )2 1. r = , wobei 2. p = , 3. = B = Bp. (3.34) 1 + cos ϕ ΓM ΓM Gl.(3.34.1) ist die Brennpunktgleichung von Kegelschnitten. In Abh¨angigkeit der Exzentrizit¨at sind wie in Abb. 3.23 dargestellt folgende Bahnen m¨oglich (siehe z.B. [6, 10]): 1.
|| > 1 Hyperbeln,
2. || = 1 Parabeln
(3.35) e = , 4. = 0 Kreise mit r = p. a a F¨ur || < 1 ist die Bahn eine Ellipse mit den Halbachsen a,b und dem Abstand e in Tabelle 3.3, womit auch das 1. Keplersche Gesetz in Tabelle 3.3 bewiesen ist. 3.
|| < 1 Ellipsen mit
b2
= p,
Zum Beweis des 3. Keplerschen Gesetzes beachten wir, dass f¨ur einen vollen Umlauf des Planeten mit der Umlaufzeit T gilt: A˙ 0 T = A = πab
=⇒
πab . A˙ 0 = T
Mit diesem Ergebnis folgt durch Gleichsetzung der Ausdr¨ucke f¨ur p in den Gleichungen (3.34.2) und (3.35.3) p=
b2 (2π)2 3 (2A˙ 0 )2 (2πab)2 = = 2 =⇒ T 2 = a . a ΓM T ΓM ΓM
Dieses ist das 3. Keplersche Gesetz in Tabelle 3.3.
Abb. 3.23. Verschiedene Bahnen
106
3 Kinetik des Massenpunktes
3.3.10 Aufgaben zu Abschnitt 3.3 Aufgabe 3.11 (SG = 2) Ein Wagen der Masse m wird von einer Kraft gezogen, die unter einem Winkel β angreift. Zwei Phasen sollen untersucht werden: 1. In der Startphase wird der Wagen aus der Ruhelage innerhalb der Zeit t1 auf die Geschwindigkeit v1 gleichm¨aßig beschleunigt. 2. In der zweiten Phase f¨ahrt der Wagen mit der konstanten Geschwindigkeit v1 . Wie groß ist jeweils die Kraft F , wenn der Rollwiderstand zu ber¨ucksichtigen ist? Bekannt: m = 30 kg, v1 = 2 m/s , t1 = 3s, f = 0.1, β = 30o . Aufgabe 3.12 (SG = 1) Eine Kiste der Masse m wird aus der Ruhelage von einer horizontalen Kraft F eine schiefe Ebene heraufgeschoben. Zwischen der Kiste und der Ebene wirkt Coulombsche Reibung mit dem Koef¿zienten μ. 1. Welche Geschwindigkeit hat der Wagen nach der Zeit t? 2. Welche Strecke wurde dabei zur¨uckgelegt? Bekannt: m = 5 kg, t = 5 s, β = 30o , μ = 0.2, F = 50 N. Aufgabe 3.13 (SG = 2) Eine Kiste der Masse m liegt im Abstand R vom Zentrum einer rotierenden Scheibe. Der Haftreibungskoef¿zient betr¨agt μH . Wie groß darf die Winkelgeschwindigkeit ω maximal sein, damit die Kiste nicht rutscht. Bekannt: R, m, μH .
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
107
Aufgabe 3.14 (SG = 2) L¨osen Sie die Aufgabenstellungen a) und b) in Beispiel 3.1, Geschwindigkeitsmarken eines Flugzeuges beim Start, unter Ber¨ucksichtigung einer Widerstandskraft FW = kv 2 und einer Rollwiderstandskraft FR = f mg. Bekannt: k = 0.0001 kg/m, f = 0.01. Aufgabe 3.15 (SG = 1) L¨osen Sie die Aufgabenstellung in Beispiel 3.11, Gravitationsbeschleunigung im Schwerefeld der Erde, unter Verwendung von mitrotierenden kartesischen Koordinaten. Aufgabe 3.16 (SG = 2) Ein PKW der Masse m f¨ahrt mit einer Geschwindigkeit v0 in einen Strohballenhaufen. Der dadurch entstehende Widerstand wird durch eine Kraft F = kv ber¨ucksichtigt. 1. Wie lautet der Zusammenhang zwischen der Strecke s und der Geschwindigkeit v? 2. Nach welcher Strecke l kommt der Wagen zum Stehen, wenn keine weiteren horizontalen Kr¨afte wirken? Bekannt: m = 1300 kg, v0 = 50 km/h, k = 1500 kg/s. Aufgabe 3.17 (SG = 2) Ein Fahrzeug der Masse m durchf¨ahrt ohne Antrieb einen Halbkreis mit Radius r von A nach B. Die Anfangsgeschwindigkeit im Punkt A ist vA . Der Bewegung wirkt eine geschwindigkeitsabh¨angige Widerstandskraft Fb entgegen. Gesucht sind 1. die Kraft FR (t) zwischen Fahrzeug und Fahrbahn, 2. die Beschleunigung a(t), welcher der Wagen w¨ahrend der Fahrt ausgesetzt ist. Bekannt: m, r, Fb = b1 v 2 , vA .
108
3 Kinetik des Massenpunktes
Aufgabe 3.18 (SG = 3) Ein Fahrzeug der Masse m wird im Bereich 0 ≤ s ≤ L mit der Kraft F (s) beschleunigt. Anschließend wird ein Fallschirm ge¨offnet, so dass das Fahrzeug auf Grund der Widerstandskraft FW (v) nach einer Strecke LB zum Stillstand kommt. W¨ahrend der gesamten Fahrt wirkt zus¨atzlich eine Rollwiderstandskraft FRo mit dem Beiwert f . Berechnen Sie 1. die Geschwindigkeit v(L) nach der Beschleunigungsphase, 2. den insgesamt zur¨uckgelegten Weg LB . Bekannt: F (s) =
F0 L , FRo = −f FN , FW (v) = −kv 2 , f, m, g, L. L+s
Aufgabe 3.19 (SG = 2) Eine Rakete wird in den Weltraum geschossen. 1. Wie groß muss die Anfangsgeschwindigkeit v0 sein, damit sie die H¨ohe h erreicht? 2. Welche Fluchtgeschwindigkeit muss v0 mindestens annehmen, damit die Rakete das Schwerefeld der Erde verl¨asst (h → ∞)? Bekannt: RE = 6370 km. Der Luftwiderstand und die Rotation der Erde bleiben unber¨ucksichtigt. Bemerkung: Die Fluchtgeschwindigkeit von der ErdoberÀ¨ache wird als zweite kosmische Geschwindigkeitsstufe bezeichnet, siehe z.B. [32].
Aufgabe 3.20 (SG = 2) Eine Masse wird in eine z¨ahe Fl¨ussigkeit eingetaucht und beginnt zu sinken. Welche Geschwindigkeit entsteht nach der Zeit t, wenn außer dem Eigengewicht der Masse zus¨atzlich eine Auftriebskraft FA = ρF gV und eine Widerstandskraft FW = kv ber¨ucksichtigt werden? Bekannt: t = 3 s, m = 50 g, k = 0.08 kg/s, V = 10 cm3 , ρF = 3000 kg/m3 .
3.3 Kraftgesetze der Kinetik
Aufgabe 3.21 (SG = 3) Ein Fahrzeug bewegt sich aus der Ruhelage auf einer Bahn, die durch die Parabel Y = bX 2 beschrieben wird. Der Anfangspunkt ist durch die Koordinate X0 gegeben. W¨ahrend der Fahrt wirkt die konstante Motorkraft FA und die Widerstandskraft FW . 1. Welche Geschwindigkeit hat das Fahrzeug nach der Zeit t? 2. Wie groß muss der Reibungskoef¿zient im Punkt 0 mindestens sein, damit das Fahrzeug nicht ins Rutschen kommt?
109
Y FA
Y=bX
s
2
FW X X0
0
Bekannt: t = 10 s, m = 1.4 t, FA = 2 kN, FW = kv 2 , k = 0.3 kg/m, X0 = 50 m, b = 0.04 1/m. Aufgabe 3.22 (SG = 3) Die Magnetschwebebahn aus Beispiel 3.5 bewegt sich auf einer Bahn, die durch die Parabel Y = bX 2 beschrieben wird. Sie wird an dem Ort (X0 , Y0 ) aus dem Stand auf 200 km/h in 120 s gleichm¨aßig beschleunigt. Widerstandskr¨afte werden nicht ber¨ucksichtigt. 1. 2. 3. 4.
Wie groß ist die erforderliche Antriebskraft FA ? Welche Strecke L hat sie zur¨uckgelegt? Wie groß sind F¨uhr- und Tragkraft an der Stelle X1 = −2943.93 m? Wie groß darf die Geschwindigkeit im Punkt 0 h¨ochstens sein, damit die F¨uhrkraft den Wert 280 kN nicht u¨ berschreitet?
Bekannt: X0 = −3000 m, b = 0.01 1/m, v = 200 km/h, m = 10 t, β = 20o .
110
3 Kinetik des Massenpunktes
3.4 Das Prinzip von d’Alembert 3.4.1 Kr¨afte- und Momentengleichgewichtsbedingungen Wir bringen in dem dynamischen Grundgesetz (3.4) alle Anteile auf die linke Seite und erhalten n Fi + m(−a) = 0. (3.36) FR = i=1
Der Vektor m(−a) mit der Einheit einer Kraft wird als d’Alembertsche Tr¨agheitskraft bezeichnet (nach Jean-Baptiste le Rond, genannt d’Alembert, 1717-1783) und geh¨ort zur Gruppe der Scheinkr¨afte (vgl. Abschnitt 3.3). Mit Gl.(3.36) haben wir das kinetische Problem des Massenpunktes formal auf ein Problem der Statik zur¨uckgef¨uhrt. Damit gilt: Die Summe aller am Massenpunkt angreifenden Kr¨afte, einschließlich der Tr¨agheitskraft m(−a), ist Null. Wie das dynamische Grundgesetz (3.4) kann Gl.(3.36) in verschiedenen Koordinatensystemen dargestellt werden. Dabei entstehen aus dem Vektor m(−a) Tr¨agheitskr¨afte. Aus (3.8) erh¨alt man in raumfesten kartesischen Koordinaten: 1. Fix + (−m¨ x) = 0, 2. Fiy + (−m¨ y ) = 0, 3. Fiz + (−m¨ z ) = 0, (3.37) aus (3.12) in Zylinderkoordinaten: r − r ϕ˙ 2 ) = 0, 2. Fiϕ + (−m(2r˙ ϕ˙ + r ϕ)) ¨ = 0, 1. Fir + −m(¨ 3. Fiz + (−m¨ z ) = 0,
(3.38)
aus (3.15) in nat¨urlichen Koordinaten: 1.
Fit + (−mv) ˙ = 0,
2.
v2 = 0, Fin + −m ρ
3.
Fib = 0
(3.39)
und aus (3.18) in mitrotierenden kartesischen Koordinaten: 1. Fix + −m(−yα− xω 2 ) = 0, 2. Fiy + −m(xα− yω 2 ) = 0, 3. Fiz = 0. (3.40) Bemerkungen 3.6 1. Bei der Vorzeichenregelung ist zu beachten, dass die Tr¨agheitskr¨afte ,,Masse × Beschleunigung” in den skalaren Bewegungsgleichungen (3.37) - (3.40) entgegen den Koordinatenrichtungen wirken. 2. Da wir mit der d‘Alembertschen Tr¨agheitskraft das Problem der Dynamik auf ein Problem der Statik zur¨uckgef¨uhrt haben, k¨onnen exzentrische Kr¨afte, wie z.B. Lagerkr¨afte an rotierenden Systemen, mit Momentengleichgewichtsbedingungen ber¨ucksichtigt werden. Bez¨uglich eines beliebigen Bezugspunktes F lauten z.B. f¨ur mitrotierende Koordinaten die Momentengleichungen mit den in (3.40) auftretenden Kr¨aften (F ) (F ) (F ) 1. Mix = 0, 2. Miy = 0, 3. Miz = 0. (3.41) Damit gilt: Die Summe der Momente aller am Massenpunkt zentrisch und exzentrisch angreifenden Kr¨afte - einschließlich der Tr¨agheitskr¨afte ist Null.
3.4 Das Prinzip von d’Alembert
111
3.4.2 Zentrifugalkr¨afte Man bezeichnet die vom Kr¨ummungsmittelpunkt zum Masssenpunkt gerichtete Tr¨agheitskraft als Flieh- oder Zentrifugalkraft (fugere = Àiehen). F¨ur den Sonderfall einer Kreisbewegung erh¨alt man f¨ur die verschiedenen Koordinatensysteme aus den Gleichungen (3.38) - (3.40) folgende Zentrifugalkr¨afte: 1. Zylinderkoordinaten: 2. Nat¨urliche Koordinaten: 3. Mitrotierende kartesische Koordinaten:
ZZ = m(r ϕ˙ 2 ) ZN = m(v 2 /ρ) ZR = m(rω 2 ), r 2 = x2 + y 2 .
(3.42)
In Abb. 3.24 sind diese Kr¨afte f¨ur alle drei F¨alle veranschaulicht. Wir bemerken noch, dass die Zentrifugalkraft jeweils mit der Zentripetalkraft (petere = ziehen) im Gleichgewicht ist, welche zum Mittelpunkt hin gerichtet ist.
Abb. 3.24. Zentrifugalkr¨afte bei Kreisbewegungen: a) Zylinderkoordinaten, b) nat¨urliche Koordinaten, c) mitrotierende kartesische Koordinaten
Beispiel 5.12 Mathematisches Pendel F¨ur das mathematische Pendel in Beispiel 3.3 bestimme man die Zentrifugalkraft Z(t). ¨ Voruberlegung: Mit der Wahl von Zylinderkoordinaten wird die Zentrifugalkraft nach Gl.(3.42.1) bestimmt. Dazu muss die Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ bekannt sein, die wir aus der L¨osung in Beispiel 3.3 erhalten. L¨osung: Aus der L¨osung f¨ur die Bewegungsgleichung in Beispiel 3.3 folgt: ˙ = −ϕ0 ω sin(ωt), ω = g/l. ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt) =⇒ ϕ(t) Damit erh¨alt man f¨ur die Zentrifugalkraft nach Gl.(3.42.1) g Z(t) = m(lϕ˙ 2 ) = mlϕ20 sin2 (ωt) = mϕ20 g sin2 (ωt). l Der Maximalwert Zmax = mϕ20 g wird periodisch zu den Zeiten t = π/(2ω) + nT /2, n = 0, 1, 2, .., mit der Schwingungsdauer T = 2π/ω erreicht.
112
3 Kinetik des Massenpunktes
Beispiel 3.13 R¨uhrwerk mit Punktmasse Das R¨uhrwerk in Abb. 3.25 besteht aus zwei masselosen St¨aben, die senkrecht zueinander angeordnet sind. Im Punkt C ist eine Punktmasse m befestigt. Die AuÀager A und B erlauben eine reibungsfreie Rotation. Man bestimme mit den d’Alembertschen Tr¨agheitskr¨aften die dynamischen Lagerreaktionen am AuÀager B bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ωc Abb. 3.25. R¨uhrwerk mit einer Punktmasse
¨ Voruberlegungen: In Abb. 3.25.b werden f¨ur die Kreisbewegung des Massenpunktes mitrotierende kartesische Koordinaten x, y, z gew¨ahlt. F¨ur den Massenpunkt lauten die Koordinaten x = d, y = 0, z = 2l. Da die Winkelgeschwindigkeit ω konstant ist, tritt nach Gl.(3.39.2) als d’Alembertsche Tr¨agheitskraft nur die in Gl.(3.42.3) de¿nierte, nach außen wirkende Zentrifugalkraft ZR = mdω 2 auf. Des Weiteren kennzeichnen Ax , Ay , sowie Bx , Bz die Kr¨afte in den Lagern A und B. Die Kraft Az ist gleich Null. Da nur nach dynamischen AuÀagerreaktionen gefragt ist, bleibt die Gewichtskraft unber¨ucksichtigt. Mit der Wahl F = A werden die Kr¨afte im Lager B mit den Momentengleichungen (3.41) direkt berechnet. L¨osung: Mit den Methoden der Statik werden die Momentengleichgewichtsbedingungen (3.41.1) bis (3.41.3) bez¨uglich des Lagers A formuliert: (A) Mx = 0 : −3lBy = 0 (i) (A) My = 0 : +3lBx + 2l ZR = 0 (ii) . F¨ur das Moment um die z-Achse gibt es keine Anteile. Die nach außen wirkende Zentrifugalkraft in Gl.(ii) hat nach Gl.(3.42.3) den Wert ZR = mdω 2 .
Abb. 3.25.b. Idealisiertes System, Freischnitt und Schnittkr¨afte
Aus den Gleichungen (i) und (ii) erh¨alt man mit α = ω˙ = 0 und ω = ωc die AuÀagerkr¨afte By = 0,
2 Bx = − dmωc2 . 3
3.4 Das Prinzip von d’Alembert
113
3.4.3 Aufgaben zu Abschnitt 3.4 Aufgabe 3.23 (SG = 2) L¨osen Sie die Aufgabenstellung in Beispiel 3.8 f¨ur den PKW in der Beschleunigungsphase mit der d’Alembertschen Tr¨agheitskraft. Aufgabe 3.24 (SG = 2) In Aufgabe 3.21 hat die Straße im Punkt 0 zus¨atzlich den Neigungswinkel β. Wie groß ist die Fliehkraft im Ursprung 0, und wie groß muss der Reibungskoef¿zient μ im Punkt 0 mindestens sein, damit das Fahrzeug nicht ins Rutschen kommt? Bekannt: t = 10 s, m = 1.4 t, FA = 2 kN, FW = kv 2 , k = 0.3 kg/m, X0 = 50 m, b = 0.04 1/m, β = 20o . Aufgabe 3.25 (SG = 2) Ein Fahrradfahrer muss zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit einem anderen Verkehrsteilnehmer stark abbremsen. Welche Bremsbeschleunigung a darf er mit der Vorderbremse ausl¨osen, damit er nicht gemeinsam mit dem Fahrrad nach vorne u¨ berkippt? Bekannt: Gemeinsame Masse m und gemeinsamer Schwerpunkt S von Fahrrad und Fahrer. Abst¨ande b, c, h. Aufgabe 3.26 (SG = 2) F¨ur das R¨uhrwerk in Beispiel 3.13 wird beim Anfahren mit konstanter Winkelbeschleunigung die Winkelgeschwindigkeit ωc nach der Zeit Δt erreicht. Man bestimme mit den d’Alembertschen Tr¨agheitskr¨aften 1. die dynamischen Lagerreaktionen am Auflager B, 2. das Antriebsmoment MT w¨ahrend des Beschleunigungsvorganges. Bekannt: Δt, ωc .
Zur Bef¨orderung eines Skifahrers von der Tal- zur Bergstation mit dem Sessellift wird Energie aufgewendet, so dass dem Skifahrer an der Bergstation Lageenergie zur Verf¨ugung steht. W¨ahrend der Abfahrt zur Talstation wird durch wiederholtes Abbremsen sowie durch Reibung zwischen Skiern und Schnee Reibungsarbeit verrichtet. Damit wird nur ein Teil der zur Verf¨ugung stehenden Lageenergie in kinetische Energie umgewandelt. Mit dem dynamischen Grundgesetz und den Kraftgesetzen des vorherigen Kapitels werden in diesem Kapitel Beziehungen zwischen verschiedenen Energieformen in dem Arbeitsatz und dem Energiesatz hergeleitet. In diesem Zusammenhang werden die physikalischen Gr¨oßen Arbeit, kinetische Energie und Potenzial eingef¨uhrt. Zus¨atzlich werden wir die Begriffe Leistung und Wirkungsgrad kennenlernen, die z.B. beim Gr¨oßenvergleich von Maschinen und Anlagen eine wichtige Rolle spielen.
4 ¨ den Massenpunkt Der Arbeitssatz und der Energiesatz fur
Aufgaben der Dynamik f¨ur Massenpunkte k¨onnen mit dem dynamischen Grundgesetz bearbeitet werden. Wie Beispiele in den vorherigen Kapiteln gezeigt haben, kann der Rechenaufwand zur L¨osung der Differenzialgleichungen dabei recht umfangreich werden. In diesem Kapitel werden der Arbeitssatz und der Energieerhaltungssatz (kurz: Energiesatz) hergeleitet. Diese Gesetze tragen in einigen F¨allen zur Vereinfachung der L¨osungsschritte bei.
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn 4.1.1 Vorbetrachtungen zum Arbeitsbegriff In Abb. 4.1.a bewegt sich ein Wagen infolge einer Zugkraft F eine Wegl¨ange Δs horizontal von einer Lage I in eine Lage II. Ein einfacher Ansatz zur Berechnung der Arbeit lautet: Arbeit = Kraft × Weg
=⇒
W = F Δs.
(4.1)
Abb. 4.1. a) Konstante Zugkraft F an einem Wagen, b) zeitabh¨angige Kraft F(t) an einem Hubschrauber
In Abb. 4.1.b ist die Bewegung eines Hubschraubers von der Position PI zur Position PII dargestellt. Auf den K¨orper wirkt eine Kraft F(t). W¨ahrend der Bewegung k¨onnen die folgenden F¨alle auftreten: • Die Kraft ist w¨ahrend der Bewegung nicht konstant, d.h. F = F(t). • Die Bewegung verl¨auft nicht geradlinig. • Der Winkel β zwischen der zeitabh¨angigen Kraft und der momentanen Bewegungsrichtung variert w¨ahrend der Bewegung.
116
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Es ist nicht m¨oglich, diese verschiedenen F¨alle mit dem einfachen Ansatz (4.1) zu ber¨ucksichtigen. Damit wird eine allgemeine De¿nition der Arbeit notwendig. 4.1.2 Berechnung der Arbeit im allgemeinen Fall F¨ur den differenziellen Verschiebungsvektor in Abb. 4.1.b folgt aus Gl.(2.14) dx = vdt. Da das Zeitdifferenzial dt eine skalare Gr¨oße ist und der Geschwindigkeitsvektor v wegen der Eigenschaft (2.16.2) tangential zur Bahn verl¨auft, ist auch der Vektor dx tangential zur Bahn gerichtet. Die Berechnung der gesamten Arbeit W I,II der Kraft F(t) entlang des Weges zwischen den zwei Bahnpunkten PI und PII geschieht in zwei Schritten: Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn 1. Arbeitsdifferenzial:
dW = F · dx
(4.2)
II
2. Arbeit:
W I,II =
II
dW = I
F · dx.
I
Bemerkungen 4.1 1. Das Arbeitsdifferenzial dW ist ein momentaner Wert, w¨ahrend die Arbeit W I,II die gesamte Arbeit einer Kraft angibt, die auf dem Weg zwischen zwei Bahnpunkten PI und PII und somit zwischen zwei zugeh¨origen Zeiten tI und tII verrichtet wird. 2. In Gl.(4.2) kennzeichnet der Punkt (·) das Skalarprodukt von zwei Vektoren gem¨aß Gl.(A.3). Bezeichnen wir mit β den von F und dx eingeschlossenen Winkel, dann gilt dW = F · dx = |F||dx| cos β.
(4.3)
3. Da das Arbeitsdifferenzial dW aus dem Skalarprodukt der beiden Vektoren F und dx entsteht, ist dW und somit auch W I,II eine skalare Gr¨oße. 4. Wir bringen Gl.(4.3) in die Form dW = (|F| cos β) |dx|. Gem¨aß Abb. 4.2 ist |F| cos β die Komponente der Kraft F auf dem Bahndifferenzial dx (kurz: Bahnkomponente der Kraft, oder: Projektion der Kraft). Damit besagt (4.2): 1. Das Arbeitsdifferenzial dW ist das Produkt der momentanen Gr¨oßen ,,Bahnkomponente der Kraft” und ,,Bahndifferenzial”. 2. Die Arbeit W I,II ist das Wegintegral (oder: Linienintegral) der ,,Bahnkomponente der Kraft” .
S |F|
F
β
dx |dx
|
cos
β
Abb. 4.2. Bahnkomponente (Projektion) |F| cos β der Kraft F auf dem Bahndifferenzial dx
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
117
5. Aus der De¿nition (4.2) ergibt sich als Einheit f¨ur die Arbeit 1[W ] = 1 Nm = 1 J = 1 Ws.
(4.4)
Das Joule J (nach James Prescott Joule, 1818 - 1889) und die Wattsekunde Ws sind somit gleichwertige Einheiten. 6. Falls die Vektoren F und dx ungleich dem Nullvektor 0 sind und wie in Abb. 4.3 β der von beiden Vektoren eingeschlossene Winkel ist, dann ergeben sich aus Gl.(4.3) f¨ur das Vorzeichen von dW die folgenden drei F¨alle: ⎧ ⎨ > 0, falls 0 ≤ β < 90o , 270o < β ≤ 360o = 0, falls β = 90o , 270o (4.5) dW ⎩ < 0, falls 90o < β < 270o . In Abb. 4.3 sind die drei F¨alle dargestellt und an Beispielen erkl¨art. Die Zugkraft eines Wagens verursacht somit entlang der Verschiebung dx ein positives Arbeitsdifferenzial. Die Arbeit einer Gewichtskraft entlang einer horizontalen Verschiebung dx ist immer gleich Null, und die Arbeit von Reibkr¨aften entlang ihrer Verschiebung dx ist immer negativ. 7. Widerstandskr¨afte (z.B. Wind-, D¨ampfungs- oder Reibungskr¨afte) sind der Bewegung stets entgegengerichtet (vgl. Abschnitt 3.3). Damit gilt in Erweiterung der oberen Bemerkung 4.1.6: Die Arbeit von Widerstandskr¨aften ist immer negativ. 8. Reaktionskr¨afte (z.B. Lager-, F¨uhrungs- und Tragkr¨afte) sind bei gef¨uhrten Bewegungen stets senkrecht zur Bahn gerichtet (vgl. Bemerkung 3.3.1). Damit gilt: Die Arbeit von Reaktionskr¨aften ist immer gleich Null. In den nachfolgenden Abschnitten wird das Arbeitsdifferenzial dW nach Gl.(4.2.1) f¨ur verschiedene Koordinatensysteme ausgewertet.
Abb. 4.3. Zur Veranschaulichung des Arbeitsdifferenzials: a) positives Vorzeichen (tritt z.B. f¨ur die Zugkraft eines Wagens auf), b) Wert gleich Null (tritt z.B. bei Gewichtskr¨aften auf, die horizontal verschoben werden), c) negatives Vorzeichen (tritt z.B. bei Reibungskr¨aften auf)
118
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
4.1.3 Das Arbeitsdifferenzial in raumfesten kartesischen Koordinaten In raumfesten kartesischen Koordinaten haben der Kraftvektor F und der Vektor des Verschiebungsdifferenzials dx mit den Basisvektoren eX , eY , eZ gem¨aß De¿nition (A.12) die Basisdarstellungen 1. F = FX eX + FY eY + FZ eZ ,
2. dx = dXeX + dY eY + dZeZ .
(4.6)
Zur Auswertung des Arbeitsdifferenzials nach De¿nition (4.2.1) wird zwischen allen Komponenten des Kraftvektors F und des Ortsvektors dx das Skalarprodukt gebildet. Auf Grund der Orthogonalit¨atseigenschaften (A.11) f¨ur die Basisvektoren gelten die Beziehungen eX · eX = 1, eX · eY = 0, eY · eY = 1 u.s.w., so dass dW = F · dx = FX dX + FY dY + FZ dZ.
(4.7)
Dieses Ergebnis erlaubt die folgende Interpretation: Die drei Kraftkoeffizienten FX , FY bzw. FZ liefern nur dann einen Beitrag zum Arbeitsdifferenzial, wenn in der jeweiligen Richtung der Basisvektoren eX , eY bzw. eZ eine Verschiebung auftritt. Die einzelnen Arbeitsanteile sind in Abb. 4.4.a f¨ur eine ebene Bewegung erkl¨art. 4.1.4 Das Arbeitsdifferenzial in Zylinderkoordinaten In Zylinderkoordinaten erhalten der Kraftvektor F und der Vektor des Verschiebungsdifferenzials dx mit den Basisvektoren er , eϕ , ez die folgenden Basisdarstellungen 1. F = Fr er + Fϕ eϕ + Fz ez ,
2. dx = drer + rdϕeϕ + dzez .
(4.8)
Hierbei erf¨ullen die Basisvektoren er , eϕ , ez die Orthonormalit¨atseigenschaften (A.11), so dass er · er = 1, er · eϕ = 0, eϕ · eϕ = 1 u.s.w. Damit berechnet man dW = F · dx = Fr dr + Fϕ rdϕ + Fz dz.
(4.9)
Dieses Ergebnis erlaubt die folgende Interpretation: Die drei Kraftkoeffizienten Fr , Fϕ bzw. Fz liefern nur dann einen Beitrag zur Arbeit, wenn in der jeweiligen Richtung der Basisvektoren er , eϕ bzw. ez eine Verschiebung auftritt. Die einzelnen Arbeitsanteile sind in Abb. 4.4.b f¨ur eine ebene Bewegung erkl¨art. ¨ 4.1.5 Das Arbeitsdifferenzial in naturlichen Koordinaten In nat¨urlichen Koordinaten wird die Basisdarstellung des Kraftvektors F mit den Basisvektoren et , en , eb erhalten. Die Basisdarstellung f¨ur den Vektor des Verschiebungsdifferenzials dx erfolgt wegen Gl.(2.30) allein mit dem Basisvektor et . Damit gilt 1. F = Ft et + Fn en + Fb eb ,
2. dx = dset .
(4.10)
Hierbei erf¨ullen die Basisvektoren et , en , eb die Orthonormalit¨atseigenschaften (A.11), so dass et · et = 1, et · en = 0, en · en = 1 u.s.w. Damit berechnet man
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
119
Abb. 4.4. Das Arbeitsdifferenzial im ebenen Fall: a) raumfeste kartesische Koordinaten, b) Zylinderkoordinaten, c) nat¨urliche Koordinaten, d) mitrotierende kartesische Koordinaten. In den F¨allen a), b), c) treten die gleichen Vektoren F und dx auf. Im Fall d) wird eine Kreisbewegung vorausgesetzt.
dW = F · dx = Ft ds.
(4.11)
Die Interpretation ist wie folgt: Im Gegensatz zu kartesischen Koordinaten und Zylinderkoordinaten liefert bei nat¨urlichen Koordinaten nur ein Kraftkoeffizient, n¨amlich der tangentiale Anteil Ft , einen Beitrag zum Arbeitsdifferenzial dW . Ist das Verschiebungsdifferenzial ds in Richtung von et gleich Null, ist auch dW gleich Null. Das Arbeitsdifferenzial dW ist in Abb. 4.4.c f¨ur den ebenen Fall erkl¨art. 4.1.6 Das Arbeitsdifferenzial in mitrotierenden kartesischen Koordinaten In mitrotierenden kartesischen Koordinaten erhalten der Kraftvektor F und der Vektor des Verschiebungsdifferenzials dx folgende Basisdarstellungen: 1. F = Fx ex + Fy ey + Fz ez ,
2. dx = dxex + dyey + dzez .
(4.12)
Die Basisvektoren ez , ey , ez erf¨ullen die Orthonormalit¨atseigenschaften (A.11), so dass dW = F · dx = Fx dx + Fy dy + Fz dz.
(4.13)
Gl.(4.13) wird wie bei raumfesten kartesischen Koordinaten in Abschnitt 4.1.3 interpretiert. In Abb. 4.4.d ist das Arbeitsdifferenzial f¨ur eine kreisf¨ormige Bewegung erkl¨art.
120
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Beispiel 4.1 Kind auf einer Rutsche Ein Kind der Masse m rutscht von der Ruhelage aus eine schiefe Ebene der L¨ange L hinab. Der Neigungswinkel betr¨agt β, und der Reibungskoef¿zient ist μ. Entlang der Wegstrecke L bestimme man die Arbeiten a) der Gewichtskraft G, b) der Normalkraft N , c) der Reibungskraft R. Abb. 4.5. Kind auf einer Rutsche
¨ Voruberlegungen: Die Arbeiten werden jeweils mit den zwei Berechnungsschritten (4.2) erhalten. Dazu bestimmen wir die Arbeitsdifferenziale nach Gl.(4.7) mit raumfesten kartesischen Koordinaten X, Y , wobei die X-Koordinate in Bewegungsrichtung zeigt. L¨osung: Aus der Bewegungsgleichung (3.8.2) folgt wegen Y¨ = 0 f¨ur die Normalkraft N = mg cos β. F¨ur die Reibungskraft gilt das Coulombsche Gesetz R = μN = μmg cos β. Sie ist der Bewegung entgegen gerichtet, so dass der X-Koef¿zient in der Basisdarstellung negativ ist. Die Basisdarstellungen f¨ur die Vektoren der Gewichtskraft FG , der Normalkraft FN , der Reibungskraft FR und f¨ur den differenziellen Verschiebungsvektor dx lauten somit FG FN FR dx
= mg sin β eX = 0 eX = −μmg cos β eX = dX eX
− mg cos β eY + mg cos β eY + 0 eY + 0 eY .
Hierbei ist ber¨ucksichtigt, dass in Y -Richtung kein Verschiebungsdifferenzial dY auftritt.
Abb. 4.5.b. Kr¨afte im Freischnitt
Damit folgen die differenziellen Arbeiten nach Gl.(4.7) sowie die gesamten Arbeiten von der Ausgangslage I in die Endlage II nach Gl.(4.2.2) f¨ur alle drei Kr¨afte: a) Gewichtskraft : =⇒
dWG = FG · dx = mg sin βdX L L dWG = mg sin β dX WGI,II = 0
b) Normalkraft : =⇒
= mg sin βL
0
dWN = FN · dx = 0 L I,II WN = dWN = 0 0
c) Reibungskraft : =⇒
dWR = FR · dx = −μmg cos βdX L L I,II dWR = −μmg cos β dX = −μmg cos βL. WR = 0
0
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
121
Bemerkungen: Die Ergebnisse best¨atigen die in Abb. 4.3 dargestellten F¨alle zur Vorzeichenregelung: Das Vorzeichen der Arbeit folgt aus der Gr¨oße des Winkels, den Kraft- und Verschiebungsvektor im jeweiligen Fall einschließen. Die Normalkraft ist wie im Fall b) in Abb. 4.3 als Reaktionskraft immer senkrecht zur gef¨uhrten Bewegung gerichtet und leistet somit keine Arbeit, vgl. Bemerkung 4.1.8. Wie in den Bemerkungen 4.1.6 und 4.1.7 erl¨autert, ist die Arbeit von Reibungskr¨aften stets negativ.
Beispiel 4.2 Robotergesteuerte Rechteckplatte im Raum auf verschiedenen Wegen Der Schwerpunkt S einer Rechteckplatte der Masse m wird mit einem Roboterarm von der Lage I in die Lage II im Raum verschoben. Es soll der EinÀuss der verschiedenen Verschiebungswege 1, 2, 3 auf die Arbeit der Gewichtskraft untersucht werden. Bekannt: Schwerpunktkoordinaten in Lage I und Lage II: XI , XII , YI , YII , ZI , ZII .
Abb. 4.6. Robotergesteuerte Rechteckplatte im Raum auf drei verschiedenen Wegen
¨ Voruberlegungen: Mit raumfesten kartesischen Koordinaten wird zun¨achst das Arbeitsdifferenzial nach Gl.(4.7) bestimmt. Die Gesamtarbeit ist das Wegintegral nach Gl.(4.2.2). L¨osung: Die Gr¨oße der Gewichtskraft ist mg, und deren Richtung zeigt entgegen der ZKoordinate in Abb. 4.6. Die Koef¿zienten des Kraftvektors in Gl.(4.6.1) lauten daher FX = 0,
FY = 0,
FZ = −mg.
(4.14)
Bestimmt man das Arbeitsdifferenzial mit Gl.(4.7) dW = Fx dX + Fy dY + Fz dZ = −mgdZ,
(4.15)
so folgt die gesamte Arbeit entlang eines Weges von Lage I in Lage II nach Gl.(4.2.2) zu W
I,II
xII
= xI
F · dx =
ZII ZI
II −mgdZ = −mg [Z]Z ZI = −mg(ZII − ZI ). (4.16)
Bemerkungen: Die Arbeit der Gewichtskraft ist das Produkt von der Kraft mg und der H¨ohendifferenz h = −(ZII − ZI ). Horizontale Verschiebungen in X- und Y - Richtung haben also keinen EinÀuss. Die Arbeit wird negativ f¨ur Verschiebungen nach oben und positiv f¨ur Verschiebungen nach unten. Weiter stellt man fest, dass die Kenntnis der Koordinaten ZI und ZII in der Anfangs- und Endlage ausreichend zur Bestimmung der Arbeit ist und dass der Bahnverlauf und Zwischenzust¨ande keinen EinÀuss haben. Allgemein gilt: Die Arbeit von Gewichtskr¨aften ist wegunabh¨angig.
122
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Beispiel 4.3 Arbeit einer Federkraft Eine H¨ulse ist mit einer Feder verbunden und kann entlang einer Stange reibungsfrei vertikal gleiten. Auf dem Weg von der Lage I in die Lage II bestimme man die Arbeit der an der H¨ulse angreifenden Federkraft. Bekannt: Federkonstante c, Zylinderkoordinaten f¨ur Lage I und II rI , rII , ϕI , ϕII , zI = zII = 0, Radius f¨ur entspannte Feder r0 . ¨ Voruberlegungen: Mit Zylinderkoordinaten wird zun¨achst das Arbeitsdifferenzial nach Gl. (4.9) bestimmt. Die Gesamtarbeit ist das Wegintegral nach Gl.(4.2.2). L¨osung: Nach dem Federgesetz (3.20) ist die Gr¨oße der Federkraft in dem Freischnitt in Abb. 4.7.b gleich FF = c(r − r0 ). Die an der H¨ulse angreifende Kraft ist dem Basisvektor er entgegen gerichtet und hat somit die Basisdarstellung F = −FF er = −c(r − r0 )er . Die Koef¿zienten in Gl.(4.8.1) sind Fr = −FF = −c(r − r0 ), Fϕ = 0,
(4.17)
Fz = 0.
Abb. 4.7.b. Federkraft im Schnittbild, Polarkoordinaten und Basisvektoren
Somit folgt aus Gl.(4.9) f¨ur die differenzielle Arbeit dW = Fr dr + Fϕ rdϕ + Fz dz = −c(r − r0 )dr.
(4.18)
Die gesamte Arbeit auf dem Weg von Lage I in Lage II errechnet sich mit Gl.(4.2.2): xII W
I,II
F · dx =
=
rII
xI
= ... =
−c(r − r0 )dr = −c rI
1 c (rI − r0 )2 − (rII − r0 )2 . 2
1 2 r − rr0 2
rII rI
(4.19)
Bemerkung: Die Kenntnis der Koordinaten rI und rII in der Anfangs- und Endlage ist ausreichend zur Bestimmung der Federarbeit. Der Bahnverlauf und Zwischenzust¨ande haben keinen EinÀuss. Allgemein gilt: Die Arbeit von Federkr¨aften ist wegunabh¨angig.
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
123
Beispiel 4.4 Arbeit von Reibungskr¨aften auf verschiedenen Wegen Eine Kiste wird auf zwei verschiedenen Wegen C1 und C2 von der Lage I in die Lage II verschoben. Zwischen der Kiste und dem Untergrund wirkt Coulombsche Reibung. Es soll der EinÀuss der verschiedenen Wege auf die Arbeit der Reibungskraft untersucht werden. Bekannt: Masse m, Abst¨ande a, Reibungskoef¿zient μG .
Abb. 4.8. Verschiebung einer Kiste auf zwei Wegen C1 und C2
¨ Voruberlegung: Mit dem Bahnparameter s berechnet man das Arbeitsdifferenzial mit Gl. (4.11) und die Gesamtarbeiten entlang der Wege C1 und C2 durch Integration mit Gl.(4.2.2). L¨osung: Nach dem Reibungsgesetz (3.22) ist die Gr¨oße der auf die Kiste wirkenden Kraft FR = μG mg. Sie ist dem Bahnparameter s stets entgegengerichtet, so dass die Tangentialkraft Ft in Gl.(4.11) negativ ist, d.h. Ft = −FR = −μG mg. Das Arbeitsdifferenzial ist nach Gl.(4.11) dW = Ft ds = −μG mg ds
(4.20)
und somit negativ (vgl. auch Bemerkung 4.1.7). Die gesamten Arbeiten entlang der endlichen Wege C1 und C2 von der Lage I in die Lage II errechnen sich mit Gl.(4.2.2): Bahn C1 :
WCI,II = 1
Bahn C2 :
WCI,II = 2
(C1 ) (C2 )
F · dx = F · dx =
(C1 ) (C2 )
Abb. 4.8.b. Reibungskraft und Bewegungsrichtung
−μG mgds = −μG mga −μG mgds = −μG mg 3a = WCI,II . 1
Die Arbeiten der Reibungskraft entlang der beiden Wege C1 und C2 sind also - im Gegensatz zur Arbeit der Gewichtskraft in Beispiel 4.2 - unterschiedlich. Allgemein gilt: Die Arbeit von Reibungskr¨aften ist wegabh¨angig.
124
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Beispiel 4.5 Abbremsen eines PKWs durch Strohballenhaufen Ein PKW der Masse m f¨ahrt mit der Geschwindigkeit v0 in einen Strohballenhaufen. Dadurch kommt es zum Abbremsen des PKWs. Der entstehende Widerstand wird vereinfachend mit dem Kraftgesetz FW = kv ber¨ucksichtigt.
Abb. 4.9. Abbremsen eines PKWs durch Strohballenhaufen
Wie groß ist die Arbeit dieser Kraft bis der Wagen zum Stillstand kommt? Bekannt: m = 1300 kg, v0 = 50 km/h, k = 1500 kg/s. ¨ Voruberlegungen: Die Berechnung der Arbeit erfolgt mit Gl.(4.2). Dazu wird vorab die differenzielle Arbeit nach Gl.(4.11) unter Verwendung nat¨urlicher Koordinaten bestimmt, wobei die s-Koordinate in Bewegungsrichtung zeigt. Die Ausgangs- und die Endlage werden mit I und II bezeichnet. F¨ur die Wegintegration in Gl.(4.2.2) besteht die Schwierigkeit, dass in dem Gesetz FW = kv die Kraft als Funktion der Geschwindigkeit und nicht des Weges s gegeben ist. Es wird daher eine Umparametrisierung FW (v) ≡ FW (s) notwendig, die mit den Ergebnissen in Aufgabe 3.16 (bzw. Tabelle 3.2, Fall 3 mit F = 0) gelingt. L¨osung: Mit der Umparametrisierung v = v0 − ks/m (siehe Aufgabe 3.16 oder Tabelle 3.2) lautet die Widerstandskraft s FW (s) = kv0 − k2 . (4.21) m Die Widerstandskraft FW ist der Bewegung entgegen gerichtet, so dass der Koef¿zient in der Basisdarstellung (4.10) negativ ist, d.h. Ft = −FW . Mit den Basisdarstellungen f¨ur die Vektoren der Widerstandskraft FW und des Verschiebungsdifferenzials dx wird das Arbeitsdifferenzial nach Gl.(4.11) berechnet
k2 s k2 s FW = −kv0 + et , dx = ds et =⇒ dW = FW · dx = − kv0 − ds. m m Die gesamte Arbeit von Lage I in Lage II wird mit Gl.(4.2.2) durch Integration entlang des Weges erhalten. Mit dem Ergebnis l = (mv0 )/k aus Aufgabe 3.16 folgt II l
k 2 l2 k2 s 1 I,II W ds = − kv0 l = − mv02 . = dW = − kv0 − m 2m 2 I 0 Bemerkungen: Das Ergebnis kann als Umwandlung der kinetischen Energie 1/2 mv02 in die Arbeit der Widerstandskraft FW interpretiert werden. Derartige Vorg¨ange bezeichnet man als Dissipation. Die Arbeit W I,II h¨angt insbesondere von der Anfangsgeschwindigkeit v0 ab. Eine Unabh¨angigkeit von dem Integrationsweg kann nicht gezeigt werden. Allgemein gilt: Die Arbeit von Widerstandskr¨aften ist wegabh¨angig.
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
125
4.1.7 Leistung und Wirkungsgrad Wir betrachten nochmals die Bewegung des Punktes S in Abb. 4.1.b und formulieren mit den momentanen Gr¨oßen Kraft F(t) und Geschwindigkeit v(t) zur Zeit t die Definition Leistung einer Kraft
(4.22)
P = F · v.
Bemerkungen 4.2 1. Auf Grund der De¿nitionen (2.14) f¨ur den Geschwindigkeitsvektor und (4.2.1) f¨ur die differenzielle Arbeit folgt der Zusammenhang F · dx dW dx = = . dt dt dt Damit gilt: Die Leistung ist die Ableitung der Arbeit nach der Zeit. 2. Aus der De¿nition (4.22) ergibt sich f¨ur die Einheit der Leistung P =F·v=F·
(4.23)
Nm J = 1 = 1 W. (4.24) s s Der Zusammenhang zwischen dem Watt (W) (nach James Watt 1736 - 1819) und der fr¨uher verwendeten Einheit PS lautet 1 [P ] = 1
⇐⇒
1 PS = 0.735 kW
1 kW = 1.36 PS.
3. Die Leistung in Gl.(4.22) wird wie das Arbeitsdifferenzial in Gl.(4.2.1) als Skalarprodukt von zwei Vektoren de¿niert. Kennzeichnet β den von F und v eingeschlossenen Winkel, dann gilt wie in Gl.(4.3) P = F · v = |F||v| cos β, und man erh¨alt analog zu den Fallunterscheidungen (4.5) und Abb. 4.3 ⎧ ⎨ > 0, falls 0 ≤ β < 90o , 270o < β ≤ 360o = 0, falls β = 90o , 270o P ⎩ < 0, falls 90o < β < 270o .
(4.25)
(4.26)
Die Auswertung der Leistung in verschiedenen Koordinatensystemen erfolgt in gleicher Weise wie in den Abschnitten 4.1.3 bis 4.1.6 f¨ur das Arbeitsdifferenzial. Da bei gef¨uhrten Bewegungen Reaktionskr¨afte stets senkrecht und die Geschwindigkeit stets tangential zur Bahn gerichtet sind, ist die Leistung von Reaktionskr¨aften gleich Null. 4. Die Leistung P ist ein momentaner Wert, w¨ahrend die Arbeit W I,II in Gl.(4.2.2) die gesamte Arbeit einer Kraft angibt, die auf dem Weg zwischen zwei Bahnpunkten PI und PII und somit zwischen zwei zugeh¨origen Zeiten tI und tII verrichtet wird. Mit Gl.(4.23) wird der folgende Zusammenhang zwischen beiden Gr¨oßen hergestellt II tII I,II = dW = P dt. (4.27) W I
tI
Damit gilt: Das Zeitintegral der Leistung zwischen den Zeiten tI und tII ist gleich der in diesem Zeitintervall verrichteten Arbeit.
126
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
5. Bei Maschinen und Anlagen tritt auf Grund von Widerstandskr¨aften, z.B. an Lagern oder F¨uhrungen, ein Teil der aufgewandten Arbeit WA als Verlustarbeit WV auf. F¨ur den vorgesehenen Zweck, z.B. den Antrieb einer Maschine, steht nur die Nutzarbeit WN = WA - WV zur Verf¨ugung. Zur Beurteilung einer Maschine wird daher der Wirkungsgrad WA − WV WN = (4.28) WA WA eingef¨uhrt. Entsprechend wird der momentane Wirkungsgrad aus dem Verh¨altnis der momentanen Nutzleistung PN und der momentanen aufgewandten Leistung PA gebildet η=
ηM =
PN . PA
(4.29)
Beispiel 4.6 PKW in der Beschleunigung am Hang Der PKW in Beispiel 3.7 erreicht aus der Ruhelage nach der Strecke X1 die Geschwindigkeit v1 . Außer dem Rollwiderstand FRo ist zus¨atzlich der Windwiderstand FW = kv 2 zu ber¨ucksichtigen. Wie groß ist die Mortorleistung PM , wenn der momentane Wirkungsgrad zwischen Motor und Antriebsr¨adern ηM = 0.9 betr¨agt? Bekannt: m = 1.3 t, X1 = 500 m, v1 = 70 km/h, f = 0.018, β = 20o , k = 0.2 kg/m.
Abb. 4.10. PKW in der Beschleunigung am Hang
L¨osung: Mit den Kr¨aften im Freischnitt in Abb. 4.10 lautet die Bewegungsgleichung (3.8.1) X : maX = FA − FRo − FG sin β − kv 2 = F − kv 2 =⇒ F = FA − FRo − FG sin β. F¨ur den Fall 2 in Tabelle 3.2 erh¨alt man mit X0 = 0, v0 = 0 und X1 f¨ur die Geschwindigkeit
F 2k . 1 − exp − X1 v1 = v(X1 ) = k m Mit FG = mg und FRo = f FG cos β ergibt sich f¨ur die Antriebskraft FA =
kv12
+ f FG cos β + mg sin β = 4695 N. 2k 1 − exp − X1 m
Die momentane Nutzleistung der Antriebskraft FA am Ort X1 ist nach Gl.(4.23) 70 m/s = 91.3 · 103 Nm/s = 91.3 kW. 3.6 Mit einem Wirkungsgrad ηM =0.9 erh¨alt man nach Umstellung von Gl.(4.29) f¨ur die momentane aufgewandte Motorleistung PN = FA v = 4695 N ·
PM =
PN 91.3 = = 101.4 kW = 138.0 PS. η 0.9
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
127
4.1.8 Arbeit und Leistung bei einer Kreisbewegung Fassen wir eine Kreisbewegung als gef¨uhrte Bewegung auf, so sind die Gleichungen f¨ur nat¨urliche Koordinaten in Abschnitt 4.1.5 zweckm¨aßig zur Bestimmung von Arbeit und Leistung geeignet. Bei einer Bewegung auf einem Kreis mit Radius r gilt f¨ur das Bahndifferenzial (4.30)
ds = rdϕ.
Damit berechnet man mit Gl.(4.11) das Arbeitsdifferenzial zu
Abb. 4.11. Kraft auf einer Kreisbewegung
dW = F · dx = Ft ds = Ft rdϕ = M dϕ.
(4.31)
Hierbei ist M = Ft r das Moment der Tangentialkraft Ft bez¨uglich des Koordinatenursprungs mit dem Hebelarm r. Der Kraftanteil Fn in Abb. 4.11 ist normal zum Bahndifferenzial ds und liefert somit keinen Beitrag zur Arbeit. Damit gilt bei einer Kreisbewegung: Arbeitsdifferenzial = Moment × Drehwinkeldifferenzial. Aus (4.2) erhalten wir die gesamte Arbeit zwischen zwei Bahnpunkten I und II und zugeh¨origen Winkeln ϕI und ϕII mit den folgenden Gleichungen: Arbeit bei einer Kreisbewegung 1. Arbeitsdifferenzial: dW = M dϕ 2. Arbeit:
W I,II =
(4.32) ϕII
II
dW = I
M dϕ. ϕI
In Gl.(4.32.1) wird ein Arbeitsdifferenzial dW berechnet, welches in Gl.(4.32.2) entlang der Bahnkurve von Lage I nach Lage II integriert wird. F¨ur die Leistung gilt nach Gl.(4.23) P =
M dϕ dϕ dW = =M = M ω, dt dt dt
(4.33)
wobei ω die Winkelgeschwindigkeit in Gl.(2.26.1) ist. Damit gilt bei einer Kreisbewegung: Leistung = Moment × Winkelgeschwindigkeit. Mit der Drehzahl n in Gl.(2.27) k¨onnen wir die Leistung auch schreiben als P =M
2π · n , 60
[n] = min−1 .
(4.34)
Ist in dieser Gleichung Nm die Einheit f¨ur das Moment M und (min−1 ) die Einheit f¨ur die Drehzahl n, dann folgt f¨ur die Leistung P die Einheit Watt (W).
128
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
4.1.9 Aufgaben zu Abschnitt 4.1 Aufgabe 4.1 (SG = 1) Ein Ball der Masse m wird u¨ ber mehrere Stockwerke um eine Strecke Δs nach oben bef¨ordert und anschließend fallengelassen. a) Wie groß ist die ,,Hubarbeit” WA0,I der a¨ ußeren Kraft FA f¨ur die Bef¨orderung von Lage 0 in Lage I? b) Wie groß sind die Arbeiten WG0,I und WG0,II der Gewichtskraft FG auf dem Weg von Lage 0 in Lage I bzw. von Lage 0 in Lage II = 0? Aufgabe 4.2 (SG = 1) Eine Kiste der Masse m wird um eine Strecke Δs von Lage 0 in Lage I und anschließend von Lage I in Lage II = 0 verschoben. Der Gleitreibungskoef¿zient ist μ. a) Wie groß ist die ,,Reibungsarbeit” WA0,I der a¨ ußeren Kraft FA f¨ur die Verschiebung von Lage 0 in Lage I? b) Wie groß sind die Arbeiten WR0,I und WR0,II der Reibungskraft FR auf dem Weg von Lage 0 in Lage I bzw. von Lage 0 in Lage II = 0?
Aufgabe 4.3 (SG = 1) Eine Feder wird um eine Strecke Δs von Lage 0 in Lage I ausgelenkt und anschließend losgelassen. a) Wie groß ist die ,,Federspannarbeit” WA0,I der a¨ ußeren Kraft FA von Lage 0 in Lage I? b) Wie groß sind die Arbeiten WF0,I und WF,II der Federkraft FF auf dem Weg von Lage 0 in Lage I bzw. Lage 0 in Lage II = 0? c) Vergleichen Sie das Ergebnis WF0,II und die Ergebnisse f¨ur WG0,II in Aufgabe 4.1 und WR0,II in Aufgabe 4.2 jeweils mit den ,,Fremdarbeiten” WA0,I .
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
129
Aufgabe 4.4 (SG = 2) Am freien Ende eines elastischen Kragtr¨agers mit Rechteckquerschnitt greift eine Kraft F an. Wie groß ist die Arbeit der Kraft F auf dem Weg der Durchbiegung w? Bekannt: F = 1000 N, E = 210 · 103 N/mm2 , h = 10 cm, b = 3 cm, l = 1 m. Aufgabe 4.5 (SG = 3) Eine H¨ulse der Masse m gleitet auf zwei verschiedenen Bahnen reibungsfrei von der Lage I in die Lage II. Der H¨ohenunterschied betr¨agt jeweils H. Im Fall a) verl¨auft die Bewegung auf einer Kreisbahn mit Radius R = H/2 und im Fall b) auf einer Parabel mit der Funktion Y = aX 2 . Wie groß ist die Arbeit der Gewichtskraft f¨ur beide F¨alle?
Hinweise: Bei Verwendung von Zylinderkoordinaten zeige man im Fall a) zun¨achst die Basisdarstellungen F = mg sin ϕeϕ − mg cos ϕer , dx = dϕ
H eϕ 2
f¨ur den Kraftvektor des Gewichtes und den inkrementellen Verschiebungsvektor, und im Fall b) f¨ur raumfeste kartesischen Koordinaten folgende Basisdarstellungen: F = −mgeY , dx = dX eX + 2a dX eY .
Aufgabe 4.6 (SG = 2) Bestimmen Sie f¨ur Fall a) in Aufgabe 4.5 den Arbeitsanteil der Gewichtskraft f¨ur mitrotierende kartesische Koordinaten.
130
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Aufgabe 4.7 (SG = 3) In Aufgabe 4.5 soll zus¨atzlich Reibung zwischen H¨ulse und Bahn mit der konstanten Reibungskraft R ber¨ucksichtigt werden. Wie groß sind f¨ur die F¨alle a) und b) die Arbeiten der Reibungskraft. Aufgabe 4.8 (SG = 2) An einem R¨uhrwerk mit zwei masselosen St¨aben ist wie dargestellt eine Punktmasse m angebracht. Es wird mit einem Moment MT (ϕ) = Cϕ angetrieben, wobei ϕ der Umlaufwinkel ist. Nach 50 Umdrehungen wird der Endwert M0 erreicht. 1. Gesucht ist die Arbeit des Antriebsmomentes w¨ahrend der Antriebsphase. 2. Wie groß ist die Leistung? Bekannt: n = 50, M0 = 0.1 Nm. Aufgabe 4.9 (SG = 3) Eine Kiste wird auf einer schiefen Ebene mit einem starren Seil u¨ ber eine masselose Rolle M = 0 von einer Kraft Z(s) gezogen. Dabei tritt zwischen der Kiste und der Ebene Coulombsche Reibung auf. Zus¨atzlich ist die Kiste u¨ ber eine Feder mit einem festen Lager verbunden. Die Auslenkung in der Ausgangslage betr¨agt rI , w¨ahrend r0 die Auslenkung der entspannten Feder ist. F¨ur eine Wegstrecke s bestimme man die Arbeiten WG der Gewichtskraft, WR der Reibungskraft, WZ der Zugkraft Z(s) und WF der Federkraft. Bekannt: m = 5 kg, Z(s) = Z0 (1 − exp(−bs)), Z0 = 50 N, b = 1.2 1/m, μ = 0.2, s = 0.3 m, rI = 0.2 m, r0 = 0.15 m, K = 150 N/m, β = 30o . Hinweis: Bei der Bestimmung der Reibungskraft nach dem Coulombschen Gesetz soll nur die Gewichtskraft ber¨ucksichtigt werden.
Aufgabe 4.10 (SG = 1) Bestimmen Sie f¨ur den PKW in der Beschleunigungsphase am Hang in Beispiel 3.7 die momentane Leistung bei Erreichen der Geschwindigkeit v1 .
4.1 Die Arbeit einer Kraft entlang einer Bahn
131
Aufgabe 4.11 (SG = 3) Die H¨ulse aus Aufgabe 4.5 ist wie dargestellt mit einer Feder der Konstanten K verbunden. In der Lage I ist die Feder entspannt. Man bestimme die Arbeit der Federkraft auf den Wegen 1. von Lage I nach Lage II, 2. von Lage I nach Lage III. Hinweis: F¨ur die Kinematik des Verbindungspunktes der H¨ulse und der Feder verwende man die Zylinderkoordinaten R, Φ in Aufgabe 2.29. Aufgabe 4.12 (SG = 3) Ein PKW f¨ahrt auf einer Ellipsenbahn vom Ort A zum Ort B. Gesucht sind die Arbeiten 1. der Rollwiderstandskraft, 2. der Gewichtskraft, 3. der Antriebskraft FA = F0 ϕ/(2π) in Abh¨angigkeit von ϕ nur f¨ur a=b, 4. der Antriebskraft FA = F0 ϕ/(2π) in Abh¨angigkeit von ϕ nur f¨ur a=2b. Man verwende hierzu eine numerische L¨osung. Bekannt: a, b, f , m, β,F0 . π
Hinweis zum Integral: 0
a2 sin 2ϕ + b2 cos2 ϕ ≈ π a + b + 2(a2 + b2 ) /2 ([10]).
Aufgabe 4.13 (SG = 2) Ein PKW der Masse m f¨ahrt mit der Geschwindigkeit v0 gegen eine Betonwand. F¨ur eine einfache Absch¨atzung des Aufpralls wird angenommen, dass die dargestellte Crashbox die gesamte Stoßkraft aufnimmt. Die untere Abbildung zeigt die Crashbox nach dem Aufprall, bei dem sie um die L¨ange Δl zusammengedr¨uckt wurde. Wie groß ist die Konstante k, wenn die Stoßkraft vereinfachend nach dem Gesetz F = kv angenommen wird? Bekannt: v0 = 100 km/h, Δl = 3.6 cm, m = 1000 kg. Hinweis: Zur L¨osung der Aufgabe verwende man Teilergebnisse aus Beispiel 4.5.
132
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
¨ den Massenpunkt 4.2 Der Arbeitssatz fur 4.2.1 Herleitung des Arbeitssatzes
Wir schreiben das dynamische Grundgesetz (3.4) in der Form ni=1 Fi =mdv/dt und multiplizieren diese vektorielle Gleichung skalar mit dem differenziellen Verschiebungsvektor dx. Mit De¿nition (2.14.1) f¨ur den Geschwindigkeitsvektor folgt nach weiteren Umformungen n
Fi · dx = m
i=1
dv dx 1 · dx = m dv · = m dv · v = m ( dv · v + v · dv) dt dt 2
1 1 = m d(v · v) = m d(v v) = mv dv. 2 2 Hierbei wurden das Kommutativgesetz (A.3.2) und nach De¿nition (A.4) die Bezeichnung v = |v| f¨ur den Betrag der Geschwindigkeit verwendet. Das Linienintegral zwischen zwei Bahnpunkten PI und PII , wie z.B. in Abb. 4.1.b dargestellt, liefert II n I
vII Fi · dx =
i=1
1 $ %v 1 1 2 m v dv = m v 2 vII = m vII − m vI2 . I 2 2 2
(4.35)
vI
Nach Gl.(4.2.2) stellt die linke Seite in Gl.(4.35) die Arbeit W I,II aller Kr¨afte Fi entlang des Integrationsweges dar. Auf der rechten Seite sind vI und vII die zu den Bahnpunkten PI 2 sind und PII geh¨orenden Geschwindigkeiten. Die skalaren Gr¨oßen 1/2m vI2 und 1/2m vII die zugeh¨origen kinetischen Energien. Damit folgt aus Gl.(4.35) ¨ den Massenpunkt Der Arbeitssatz fur 1. W I,II = T II − T I , 2. W I,II =
II n
Fi · dx
wobei Arbeit aller Kr¨afte
(4.36)
I i=1
3.
T = 21 mv 2
kinetische Energie.
Bemerkungen 4.3 1. Die Gleichungen (4.36) erlauben die folgende Interpretation: Die Arbeit, welche die angreifenden Kr¨afte zwischen zwei Bahnpunkten PI und PII an einem Massenpunkt ver¨ richten, ist gleich der Anderung der kinetischen Energie des Massenpunktes. 2. Der Arbeitssatz hat gegen¨uber dem dynamischen Grundgesetz dann einen Vorteil, wenn ¨ die Kraft eine gegebene Funktion des Bahnverlaufes ist und die Frage nach der Anderung der Geschwindigkeit zwischen zwei Bahnpunkten gestellt ist. Mit Anwendung des Arbeitssatzes hat man bereits eine Integration ,,hinter sich”, so dass die L¨osung einfacher erhalten wird. 3. Die Gr¨oße v in Gl.(4.36.3) kennzeichnet lediglich den Betrag der Geschwindigkeit und macht keine Aussage u¨ ber die Richtung.
4.2 Der Arbeitssatz f¨ur den Massenpunkt
133
Beispiel 4.7 Geschwindigkeit eines Kindes auf einer Rutsche F¨ur das Kind auf der Rutsche in Beispiel 4.1 bestimme man die Geschwindigkeit nach der zur¨uckgelegten Strecke L mit dem Arbeitssatz. ¨ Voruberlegungen: Zur Anwendung des Arbeitssatzes (4.36) werden die Ergebnisse aus Beispiel 4.1 f¨ur die einzelnen Arbeitsanteile verwendet. L¨osung: Einsetzen der Ergebnisse aus Beispiel 4.1 f¨ur die Arbeiten der Gewichtskraft G, der Normalkraft N und der Reibungskraft R liefert f¨ur die Gesamtarbeit entlang des Weges L I,II W I,II = WGI,II + WK + WRI,II
= mg sin βL + 0 − μmg cos βL = mgL(sin β − μ cos β). Die kinetischen Energien in den Lagen I und II sind 1 2 T I = 0, T II = mvII . 2 Mit dem Arbeitssatz (4.36) folgt 1 2 . (sin β − μ cos β)mgL = mvII 2 Die Geschwindigkeit nach der zur¨uckgelegten Strecke L ist somit vII = 2gL(sin β − μ cos β). W I,II = T II − T I
=⇒
4.2.2 Aufgaben zu Abschnitt 4.2 Aufgabe 4.14 (SG = 1) Bestimmen Sie f¨ur den Tennisball in Beispiel 2.5 die Anfangsgeschwindigkeit mit dem Arbeitssatz. Aufgabe 4.15 (SG = 2) Eine Punktmasse m ist wie dargestellt an einer masselosen Rolle (M = 0) befestigt. Die Rolle bewegt sich aus der dargestellten Ruhelage heraus, in der die Punktmasse die h¨ochste Lage einnimmt. Wie groß ist die Geschwindigkeit der Punktmasse, wenn sie die tiefste Lage erreicht hat?
Aufgabe 4.16 (SG = 1) Man bestimme in Beispiel 4.5 die Geschwindigkeiten der H¨ulse in der unteren Lage II f¨ur die F¨alle a) und b) mit dem Arbeitssatz. Reibung soll bei dem Vorgang nicht ber¨ucksichtigt werden.
134
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
¨ Gewichts- und Federkr¨afte 4.3 Der Energiesatz fur Wir wollen im Folgenden untersuchen, ob die Wegintegration in Gl.(4.2.2) vermieden werden kann, so dass die Anwendung des Arbeitssatzes (4.36) vereinfacht wird. Es zeigt sich, dass dieses Ziel f¨ur einige Kr¨aftearten unter Verwendung von Potenzialfunktionen erreicht wird. Bevor die mathematischen Gesetzm¨aßigkeiten dazu behandelt werden, wollen wir unterschiedliche physikalische Gesetzm¨aßigkeiten von Kr¨aften anschaulich beschreiben. 4.3.1 Kr¨afte mit und ohne Potenzialeigenschaften Wir betrachten in Abb. 4.12 drei Beispiele, in denen ein K¨orper nach Aufbringen einer ,,Fremdarbeit” sich selbst u¨ berlassen bleibt. Im Fall a) wird ein Ball der Masse m um eine Strecke Δs nach oben bef¨ordert und anschließend fallen gelassen. Im Fall b) wird an einer Kugel der Masse m, die an einer Feder befestigt ist, gezogen, und nach der Strecke Δs wird sie losgelassen. Im Fall c) wird eine Kiste der Masse m auf einem rauhen Untergrund um eine Strecke Δs verschoben und bleibt anschließend sich selbst u¨ berlassen.
Abb. 4.12. Zur Veranschaulichung der a¨ ußeren Arbeit einer Kraft FA und der Eigenarbeit f¨ur drei Kr¨aftearten: a) Gewichtskraft FG , b) Federkraft FF , c) Reibungskraft FR
In allen drei F¨allen wird ein K¨orper in der ersten Phase unter Wirkung einer a¨ ußeren Kraft FA von einer Lage 0 in eine Lage I u¨ berf¨uhrt, wobei eine Strecke Δs = sI − s0 zur¨uckgelegt wird. Die a¨ ußere Kraft FA ist betragsm¨aßig im Fall a) gleich der Gewichtskraft FG = mg, im Fall b) gleich der Federkraft FF = cs und im Fall c) gleich der Reibungskraft FR = μmg. Die Richtungen der Kraft FA und der Kr¨afte FG , FF bzw. FR sind dabei f¨ur die drei F¨alle entgegengesetzt. Es ergeben sich folgende ,,Fremdarbeiten”: sI FA ds = mg(sI − s0 ) a) “Hubarbeit” WA0,I = s0 sI sI 1 0,I b) “Federspannarbeit” WA = FA (s)ds = csds = c s2I − s20 (4.37) 2 s s0 0sI c) “Reibungsarbeit” WA0,I = FA ds = μmg(sI − s0 ). s0
4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte
135
Alle Arbeiten sind positiv, da in allen drei F¨allen die Richtung von FA mit der jeweiligen Richtung von Δs u¨ bereinstimmt. In der zweiten Phase bleibt in allen drei F¨allen der K¨orper sich selbst u¨ berlassen: Im Fall a) f¨allt der Ball infolge der Schwerkraft FG nach unten, w¨ahrend im Fall b) die Kugel auf Grund der Federkraft FF zur¨uckschnellt. In beiden F¨allen kehrt der K¨orper also selbst¨andig in eine Lage II zur¨uck, die mit der Lage 0 u¨ bereinstimmt. Im Fall c) dagegen verharrt der K¨orper in der Lage I. Damit leisten w¨ahrend der Lage¨anderung im Fall a) die Gewichtskraft FG und im Fall b) die Federkraft FF jeweils eine ,,Eigenarbeit” W I,II , die im Fall c) nicht auftritt. F¨ur die drei F¨alle gilt somit sII sII I,II = (−FG )ds = (−mg)ds = −mg(sII − sI ) = mg(sI − s0 ) = WA0,I a) W b) W I,II =
sI sII
c)
−csds
(−FF )ds = sI
W I,II
sI sII
sI
=− 12 c s2II − s2I = 12 c s2I − s20 = WA0,I (4.38) = WA0,I .
=0
Hier wurde die Beziehung sII = s0 f¨ur die F¨alle a) und b) ausgenutzt. Wir k¨onnen die bisherigen Ergebnisse und Erkenntnisse wie folgt zusammenfassen: 1. F¨alle a) und b): Allein auf Grund der neuen Lage I k¨onnen die K¨orper eine ,,Eigenarbeit” W I,II verrichten, die gleich der ,,Fremdarbeit” WA0,I ist. Man sagt, der K¨orper besitzt eine potenzielle Energie (oder kurz: ein Potenzial). 2. Fall c): Hier ist die aufgebrachte (Reibungs-) Arbeit WA0,I w¨ahrend der Bewegung von Lage 0 in Lage I in W¨arme umgewandelt worden. Man bezeichnet derartige Vorg¨ange, die einen Verlust der mechanischen Energie kennzeichnen, als Dissipation. Damit kann der K¨orper nicht wie in den F¨allen a) und b) selbst¨andig in die Lage 0 zur¨uckkehren, d.h.: er besitzt kein Potenzial. Durch nochmaliges Aufbringen einer a¨ ußeren Kraft kann der K¨orper zwar seinen Anfangszustand wieder erreichen, wegen der Ver¨anderung der Umgebung infolge der dabei auftretenden W¨armeentwicklung ist der Vorgang jedoch irreversibel [9]. 3. Energie und Arbeit sind wie folgt zu unterscheiden: Energie bezieht sich auf einen Zustand und kennzeichnet ein gespeichertes Arbeitsverm¨ogen. Arbeit bezieht sich auf einen Vorgang und kennzeichnet die verrichtete Arbeit einer Kraft entlang ihres Weges. ¨ Gewichts- und Federkr¨afte 4.3.2 Potenzialfunktionen fur Wie zu Beginn dieses Abschnittes erw¨ahnt, ist das Ziel die Formulierung von Potenzialfunktionen, so dass die Wegintegration in Gl.(4.2.2) zur Bestimmung von W I,II f¨ur den Arbeitssatz (4.36) vermieden werden kann. Dazu wiederholen wir zun¨achst die Ergebnisse zur Bestimmung der Arbeit: Gl.(4.16) f¨ur die Gewichtskraft und Gl.(4.19) f¨ur die Federkraft 1. Gewichtskraft: 2. Federkraft:
W I,II = −mg(ZII − ZI ) W I,II = 12 c (sI − s0 )2 − (sII − s0 )2 .
(4.39)
Hierbei ist im Gegensatz zum Beispiel 4.3 die Auslenkung mit s gekennzeichnet. Wie bereits in Beispiel 4.2 f¨ur die Gewichtskraft und in Beispiel 4.3 f¨ur die Federkraft gezeigt, ist die
136
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Kenntnis der Anfangs- und Endlage ausreichend zur Bestimmung der jeweiligen Arbeiten. Der Bahnverlauf und Zwischenzust¨ande haben keinen EinÀuss. De¿nieren wir die Potenzialfunktionen
1. Gewichtskraft: 2. Federkraft:
U (Z) = mg(Z − Z0 ) U (s) = 21 c(s − s0 )2 ,
(4.40)
dann k¨onnen mit den Notationen U I = U (ZI ), U II = U (ZII ) bzw. U I = U (sI ), U II = U (sII ) die Eigenarbeiten in den Gleichungen (4.39) wie folgt dargestellt werden: 1. Gewichtskraft: 2. Federkraft:
W I,II = −mg(ZII − ZI ) = −(U II − U I ) (4.41) W I,II = − 21 c (sII − s0 )2 − (sI − s0 )2 = −(U II − U I ).
Bemerkungen 4.4 1. Kr¨afte, bei denen die Eigenarbeit W I,II durch eine negative Potenzialdifferenz W I,II = −(U II − U I )
(4.42)
ersetzt werden kann, werden als Kr¨afte mit Potenzial (oder: Potenzialkr¨afte) bezeichnet. 2. F¨ur Gewichtskr¨afte wird i.d.R. eine Bezugslage Z0 = 0 gew¨ahlt, die auch als Nullniveau N N bezeichnet wird. Sie muss nicht unbedingt mit der Anfangslage I zusammenfallen. Auf den zur Bezugsebene parallelen Ebenen, den Potenzialfl¨achen, hat ein K¨orper dann die gleiche potenzielle Energie der Lage U = mgZ. Falls die Kr¨ummung der Erde ber¨ucksichtigt wird, gilt diese Eigenschaft auch f¨ur die Potenzialebenen. 3. F¨ur das Beispiel in Abb. 4.12.a werden in Abb. 4.13 zwei verschiedene Nullniveaus N N1 und N N2 verwendet, wobei f¨ur beide Bezugslagen Z0,1 =Z0,2 =0 gilt. Mit den Bezeichnungen U I = U (ZI ) und U II = U (ZII ) folgt f¨ur die zugeh¨origen Potenziale des Balles U1I = mgZI,1 = mgZI,2 = U2I U1II = mgZII,1 = mgZII,2 = U2II. Damit sind die Potenziale abh¨angig von der Wahl des Nullniveaus. Im Gegensatz dazu sind die Potenzialdifferenzen −(U1II − U1I ) = mgΔZ = −(U2II − U2I ) unabh¨angig von der Wahl des Nullniveaus.
Abb. 4.13. Zur Wahl verschiedener Nullniveaus
4. Die Bezugsl¨ange s0 f¨ur Federkr¨afte in Gl.(4.41.2) kennzeichnet den Zustand der entspannten Feder. Mit der so festgelegten Bezugsl¨ange wird die potenzielle Energie sowohl bei einer Verl¨angerung Δs = s − s0 > 0 als auch bei einer Verk¨urzung Δs = s − s0 < 0 positiv, d.h., in beiden F¨allen wird Arbeitsverm¨ogen gespeichert. 5. In Beispiel 4.4 wurde f¨ur die Arbeit W I,II von Reibungskr¨aften gezeigt, dass sie von dem Weg zwischen Anfangs- und Endpunkt der Verschiebung abh¨angig ist. Sie kann daher nicht wie in Gl.(4.42) durch eine negative Potenzialdifferenz dargestellt werden. Damit sind Reibungskr¨afte Kr¨afte ohne Potenzial (oder: Nicht-Potenzialkr¨afte).
4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte
137
¨ Gewichts- und Federkr¨afte 4.3.3 Herleitung des Energiesatzes fur Mit den Eigenschaften der Kr¨afte mit Potenzial kann deren Arbeit W I,II in dem Arbeitssatz W I,II = T II − T I
(4.43)
vereinfacht werden. Dazu setzen wir die Gleichungen (4.43) und (4.42) gleich, und es folgt ¨ den Massenpunkt (konservatives System) Der Energiesatz fur (4.44)
U I + T I = U II + T II .
Somit gilt: Falls die angreifenden Kr¨afte ein Potenzial besitzen, ist die Summe der kinetischen und potenziellen Energie zu jedem Zeitpunkt konstant. Da die gesamte Energie U +T erhalten bleibt, also konserviert wird, spricht man von einem konservativen System, bei dem keine Energieverluste auftreten. Eine ausf¨uhrlichere mathematische Darstellung der Vektoranalysis von Potenzialkr¨aften erfolgt im n¨achsten Abschnitt 4.4. Beispiel 4.8 Tennisball im senkrechten Flug nach oben Man bestimme die Anfangsgeschwindigkeit v0 des Beispiels 2.5 mit dem Energiesatz. ¨ Voruberlegungen: Als Kraft wirkt nur die senkrecht nach unten gerichtete Gewichtskraft mg auf den Tennisball. Da es sich hierbei um eine Potenzialkraft handelt, kann der Energiesatz in der Form (4.44) angewendet werden. L¨osung: Wir verlegen das Nullniveau N N auf die ErdoberÀ¨ache. Die Lage I liegt in der H¨ohe h, in welcher der Ball abgeschlagen wird, w¨ahrend die Lage II mit der maximalen H¨ohe H zusammenf¨allt.
Abb. 4.14. Tennisball im senkrechten Flug nach oben
Die Potenziale des Balles f¨ur Gewichtskr¨afte in den Lagen I und II folgen mit Gl.(4.41.a) zu sI = h =⇒ U I = U (sI ) = mgh,
sII = H =⇒ U II = U (sII ) = mgH,
und die zugeh¨origen kinetischen Energien in beiden Lagen sind T I = (1/2)mvI2 , T II = 0. Damit folgt aus dem Energiesatz 1 mgh + mvI2 = mgH + 0. 2 Die AuÀ¨osung der letzten Gleichung nach der gesuchten Geschwindigkeit ergibt schließlich vI = 2g(H − h). U I + T I = U II + T II
=⇒
Dieses Ergebnis ist identisch zur L¨osung f¨ur v0 in Beispiel 2.5.
138
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
¨ beliebige Systeme 4.3.4 Der Energiesatz fur Wir teilen die an einem Massenpunkt angreifenden Kr¨afte in zwei Gruppen auf: Die erste Gruppe besteht aus nP Potenzialkr¨aften FP,i , wie z.B. Gewichts- oder Federkr¨afte. Die zweite Gruppe ber¨ucksichtigt alle nK restlichen Kr¨afte FK,i, die kein Potenzial besitzen (Nicht-Potenzialkr¨afte, wie z.B. Widerstandskr¨afte, Reibungs- oder D¨ampfungskr¨afte) oder deren Potenzial nicht bekannt ist. Die gesamte Arbeit W I,II ist somit I,II , wobei 1. W I,II = WPI,II + WK
2. WPI,II =
II nP
FP,i · dx,
I i=1
I,II 3. WK =
II n K
(4.45) FK,i · dx.
I i=1
Hierbei kennzeichnet WPI,II den Arbeitsanteil der Potenzialkr¨afte FP,i , der f¨ur die nP Kr¨afte I,II wie in Gl.(4.42) durch negative Potenzialdifferenzen ersetzt werden kann. WK ist der Arbeitsanteil der restlichen Kr¨afte FK,i , der nach Gl.(4.45.3) berechnet wird. Damit folgt aus dem Arbeitssatz (4.36) ¨ den Massenpunkt (beliebiges System) Der Energiesatz fur
(4.46)
I,II U I + T I + WK = U II + T II .
Bemerkungen 4.5 1. Die Summe der kinetischen und potenziellen Energie in der Lage II ist gleich der Summe I,II , die bei der Bewegung des dieser Energien in der Lage I vermehrt um die Arbeit WK Massenpunktes von den restlichen Kr¨aften verrichtet wird. 2. Wie in Abschnitt 4.3.1 erkl¨art, wird die Arbeit von Reibungskr¨aften als W¨arme an die Umgebung abgeben. In Erweiterung hierzu erfolgt bei einem beliebigen System mit Nicht-Potenzialkr¨aften (z.B. Reibungskr¨aften) eine Energieumwandlung mit Verlusten (kurz: Dissipation). Damit bleibt die gesamte Energie U + T nicht erhalten, und das System ist nichtkonservativ. I,II 3. WK ist der Arbeitsanteil der restlichen Kr¨afte FK,i , der nach Gl.(4.45.3) berechnet wird. Dieser Anteil kann weiter in zugef¨uhrte Arbeit (z.B. Federarbeit) und abgef¨uhrte Arbeit (z.B. Reibarbeit) aufgeteilt werden: I,II I,II I,II = Wzu + Wab . WK
(4.47)
In Tabelle 4.1 sind die wesentlichen L¨osungsschritte f¨ur Aufgaben der Kinetik mit dem Energiesatz zusammengefasst.
4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte
139
1. Idealisierung des realen Systems Hier wird das der Berechnung zu Grunde liegende mechanische System festgelegt. Dazu m¨ussen z.B. der Schwerpunkt (ggf. die Schwerpunktlinie) berechnet und die Lagerbedingungen (Gelenke, Einspannungen, Reibungslager) festgelegt werden. 2. Freischneiden Der K¨orper wird - in einer beliebigen, repr¨asentativen Lage - durch gedachte Schnitte von seinen Bindungen zu anderen K¨orpern oder Lagern gel¨ost, und es werden die zugeh¨origen a¨ ußeren Kr¨afte eingetragen. 3. Bestimmung der Arbeitsanteile von Potenzialkr¨aften • Auswahl der Potenzialkr¨afte (z.B. Gewichts- und Federkr¨afte) • Festlegung des Nullniveaus N N und der Lagen I und II • Bestimmung der Potenziale U I und U II in den Lagen I und II. 4. Bestimmung der Arbeitsanteile von restlichen Kr¨aften • Auswahl der restlichen Kr¨afte (z.B. Widerstandskr¨afte, Reibungskr¨afte) I,II • Bestimmung des Arbeitsanteils WK (z.B. nach Gl.(4.45.3)). 5. Bestimmung der kinetischen Energien in zwei Lagen Berechnung von T I und T II in den Lagen I und II. 6. Formulierung des Energiesatzes I,II = U II + T II . U I + T I + WK
7. Bearbeitung zus¨atzlicher Aufgabenstellungen Hier wird z.B. die Geschwindigkeit eines Massenpunktes bestimmt. Tabelle 4.1. L¨osungsschritte f¨ur Aufgaben der Kinetik mit dem Energiesatz
Beispiel 4.9 Kind auf einer Rutsche F¨ur das Kind in Beispiel 4.1 bestimme man die Geschwindigkeit nach der zur¨uckgelegten Strecke L mit dem Energiesatz (4.46). ¨ Voruberlegungen: Aus Beispiel 4.1 ist bereits bekannt, dass drei verschiedenartige Kr¨afte auftreten. Hierbei ist die Gewichtskraft G eine Potenzialkraft, w¨ahrend die Reibungskraft R eine Nicht-Potenzialkraft ist. Die Normalkraft N ist eine Reaktionskraft, deren Arbeit stets Null ist. L¨osung: Das Nullniveau N N legen wir wie dargestellt in Lage II der Rutschbewegung. Damit lauten die Potenzialanteile in Lage I und Lage II
Abb.4.15. Kind auf einer Rutsche: Lage I, Lage II und Nullniveau
140
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
U I = mgL sin α, U II = 0. F¨ur die Arbeitsanteile der restlichen Kr¨afte, die Reibungskraft R und die Normalkraft N , folgt aus Beispiel 4.1 WRI,II = −μmg cos αL,
WNI,II = 0.
Die kinetischen Energien in den beiden Lagen sind T I = 0,
T II =
1 mv 2 . 2 II
Damit folgt aus dem Energiesatz (4.46) I,II = U II + T II U I + T I + WK
=⇒
1 2 mgL sin α + 0 − μmg cos αL = 0 + mvII . 2
Die AuÀ¨osung der letzten Gleichung nach der gesuchten Geschwindigkeit ergibt schließlich vII = 2gL(sin α − μ cos α). Beispiel 4.10 Gleith¨ulse auf einem Stab mit Federn An einem Stab sind wie dargestellt zwei Federn im Abstand l befestigt. Beide Federn haben die Federkonstante K. Eine H¨ulse der Masse m gleitet unter Einwirkung ihres Gewichtes mit dem Reibungskoef¿zienten μ u¨ ber den Stab. Die linke Feder wird durch Verschiebung der Gleith¨ulse um die Strecke sI gespannt. Nach dem Loslassen bewegt sich die H¨ulse auf die rechte Feder zu. Um welche Strecke sIII wird die linke Feder wieder gespannt, wenn die H¨ulse zu dieser zur¨uckgekehrt ist? Bekannt: μ, K, l, m, g, sI .
Abb.4.16. Gleith¨ulse auf Stab mit Federn: Ausgangslage mit entspannten Federn, Lagen I, II, III mit gespannten Federn
¨ Voruberlegungen: Grundlage der Berechnungen ist der Energiesatz (4.46), wobei die Arbeitsanteile der Federn durch Potenzialfunktionen ausgedr¨uckt werden k¨onnen. Die Reibungsarbeit dagegen wird durch Integration entlang des Verschiebungsweges berechnet, wobei zus¨atzlich zur L¨ange l die L¨angen sI , sII und sIII ber¨ucksichtigt werden m¨ussen. Damit entsteht neben sIII eine zweite Unbekannte sII , so dass der Energiesatz zweimal formuliert werden muss.
4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte
141
L¨osung: Die Potenzialanteile der beiden Federn in den Lagen I, II und III lauten 1 1 1 Ks2I , U II = Ks2II , U III = Ks2III . 2 2 2 Die kinetischen Energien sind UI =
T I = T II = T III = 0. Die Arbeitsanteile der Reibungskraft R = μmg zwischen der H¨ulse und dem Stab beim ¨ Ubergang von Lage I in Lage II und von Lage II in Lage III sind WRI,II = −μmg(sI + l + sII ),
WRII,III = −μmg(sII + l + sIII ).
¨ Mit dem Energiesatz f¨ur die Uberg¨ ange von Lage I in Lage II und Lage II in Lage III folgt somit U I + T I + WRI,II =⇒ 21 Ks2I + 0 − μmg(sI + l + sII )
= U II + T II = 12 Ks2II + 0
U II + T II + WRII,III = U III + T III =⇒ 21 Ks2II + 0 − μmg(sII + l + sIII ) = 12 Ks2III + 0. Eine AuÀ¨osung dieser Gleichungen liefert nach einiger Rechnung das folgende Ergebnis μmg μmg 2 μmg sIII = − + sI + s2I . K K K Falls keine Reibung auftritt, gilt μ = 0, und die H¨ulse kehrt in die Ausgangslage sIII = sI zur¨uck.
4.3.5 Aufgaben zu Abschnitt 4.3 Aufgabe 4.17 (SG = 1) Eine Kugel der Masse m ist an einem Faden befestigt. Sie wird in der Lage I losgelassen. In der Lage II st¨oßt der Faden gegen einen Wandabschnitt. Gesucht sind 1. die Geschwindigkeit der Kugel kurz bevor der Faden den Wandabschnitt ber¨uhrt, 2. die Geschwindigkeit der Kugel kurz nachdem der Faden den Wandabschnitt ber¨uhrt, 3. die maximale H¨ohe der Kugel der Kugel auf der Wandseite nach dem Stoß. Bekannt: m, R, g.
142
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Aufgabe 4.18 (SG = 1) Bestimmen Sie die Anfangsgeschwindigkeit f¨ur den Tennisball in Beispiel 4.8 mit einer anderen Wahl des Nullniveaus: 1. in der H¨ohe h des Ballabschlagens, 2. in der maximal erreichbaren Flugh¨ohe H. Aufgabe 4.19 (SG = 2) Ein M¨adchen hat in ihrem Zimmer eine Teststrecke f¨ur ein Spielzeugauto aufgebaut. Diese besteht im ersten Teil aus einer horizontalen Strecke AB, wobei im Pumkt A eine Feder mit der Stei¿gkeit K angeordnet ist. Die Strecke AB ist mit einem Teppich ausgelegt und kann mit einer Rollwiderstandszahl f ber¨ucksichtigt werden. Daran schließt sich eine Rampe BC an, f¨ur die keine Widerstandskraft ber¨ucksichtigt werden muss. Das M¨adchen m¨ochte, dass das Auto im freien Flug die leere Keksdose in D trifft. Berechnen Sie 1. die erforderlichen Geschwindigkeiten vB und vC an den Stellen B und C, 2. den erforderlichen Weg s f¨ur die Feder, 3. die maximale Flugh¨ohe H. Bekannt: l = 40 cm, a = 60 cm, β = 30o , K = 80 N cm−1 , f = 0.5, m = 1 kg.
Aufgabe 4.20 (SG = 2) Zur Vermarktung eines leistungsstarken Personenkraftwagens wird ein Werbe¿lm erstellt. Dazu soll der PKW eine Skischanze in zwei Phasen hinauffahren. Aus der Ruhelage im Punkt A beginnend wird in der ersten Phase die Antriebskraft FA konstant gehalten bis der Wagen den Punkt B erreicht. In der zweiten Phase wird die Antriebskraft gleichm¨aßig von FA auf den Wert Null reduziert, bis der Wagen am Punkt C angekommen ist. Widerstandskr¨afte bleiben unber¨ucksichtigt. 1. Wie groß muss FA sein, wenn die Geschwindigkeit im Punkt C gerade Null sein soll? 2. Wie groß ist die Motorleistung PM , wenn der Wirkungsgrad zwischen Motor und Antriebsr¨adern η = 0.9 betr¨agt? Bekannt: m = 1.2 t, L = 80 m, LA = 60 m, R = 60 m, β = 45o .
4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte
143
Aufgabe 4.21 (SG = 2) Eine Kiste der Masse m soll mit Hilfe einer Feder (Federkonstante K) entlang der Bahn von A bis C bewegt werden. Im Punkt A ist die Feder entspannt. Zwischen der Masse und der Bahn tritt nur im Bereich AB Reibung auf. 1. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit vA der Masse im Punkt A, so dass sie im Punkt B liegenbleibt. 2. Wie groß darf vB maximal werden, damit die Masse in B nicht abhebt? 3. Kann die Masse den Punkt C erreichen, ohne die Bahn zu verlassen? √ μmg 1 Bekannt: R = L 2, μG = √ , K = √ . 2 L 2 Aufgabe 4.22 (SG = 3) In dem skizzierten Teilabschnitt einer Achterbahn fahren Wagen der Massen m u¨ ber eine Rampe AB direkt in eine Loopingschleife BCDC, um anschließend auf ebener Strecke CEF auszurollen. Dabei tritt Reibung nur auf dem Abschnitt EF auf. 1. Welche H¨ohe h wird notwendig, damit die Fahrinsassen an der Stelle D mit 10% ihres K¨orpergewichtes in den Sitz gedr¨uckt werden? 2. Welche Geschwindigkeiten treten an den Stellen B, C und D auf? 3. Welcher Reibbeiwert μH ist erforderlich, damit sich die Geschwindigkeit des Wagens auf der Strecke EF halbiert? 4. Welche Zeit t vergeht w¨ahrend der Fahrt von E nach F ? Bekannt: h, rL , β, m.
144
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Aufgabe 4.23 (SG = 3) Eine Kiste der Masse m rutscht unter EinÀuss der Schwerkraft auf zwei verschiedenen Bahnen C1 und C2 vom Punkt A zum Punkt B. Auf der geradlinigen Bahn C1 wirkt der Bewegung eine Coulombsche Reibungskraft mit dem Gleitreibungskoef¿zient μG entgegen, w¨ahrend auf der parabelf¨ormigen Bahn C2 die Reibungskraft FR,C2 wirkt. Auf welcher der beiden Bahnen C1 , C2 erh¨alt die Kiste in B die gr¨oßere Geschwindigkeitskomponente vB,Y ? Bekannt: m, g, L = H = 1m, vA = 0, μ1 = μ2 = 0.1, Bahnkurve C1 : Gerade von A nach B, √ Bahnkurve C2 : Y (X) = aX 2 , a = 1/m, FR,C2 = 1/4 μ22 mg 1 + 4a2 X 2 .
Aufgabe 4.24 (SG = 3) Ein Massenpunkt wird in A aus der H¨ohe hAB fallen gelassen und tritt in B in ein Rohrsystem ein. Er durchl¨auft die skizzierte Bahn (A bis H) mit einer Flugphase zwischen C und D. Zwischen den Punkten E und F herrscht Gleitreibung (Reibzahl μ), die restlichen Abschnitte sind reibungsfrei. Im Punkt H trifft der Massenpunkt auf eine Feder. Berechnen Sie
m
A
g
hAB B hBC C
h CD
D
ϕ
hBE
LCD
1. die erforderliche Bahngeschwindigkeit vC von m im Punkt C und den zugeh¨origen Winkel β, damit der Punkt K D horizontal getroffen wird, 2. die zum Erreichen von vC erforderliche F E H G Anfangsh¨ohe hAB , LEF 3. die erforderliche Reibzahl μ, damit im Punkt F die Geschwindigkeit vF = 14 ms−1 betr¨agt, 4. den erforderlichen Federweg f = GH zum Abbremsen der Masse f¨ur eine Feder mit der Federkonstanten K. Bekannt: m = 0.2 kg, hCD = 1m, hBC = 4m, LCD = 4m, LEF = 3m, K = 2000 N/m.
4.3 Der Energiesatz f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte
Aufgabe 4.25 (SG = 3) In einer Apotheke wird ein Rohrpostsystem eingebaut, um Medikamente aus dem Lager im ersten Stockwerk m¨oglichst schnell eine Etage tiefer in den Verkaufsraum zu bef¨ordern. Das Rohrpostsystem besteht aus einem senkrechten Abschnitt AB und einem kreisf¨ormigen Abschnitt BC. Abschließend fallen die Medikamente wie skizziert in einen Korb. W¨ahrend der Bef¨orderung k¨onnen Widerstandskr¨afte vernachl¨assigt werden.
m A
h f
B r 1. Bestimmen Sie den Geschwindigkeitsverlauf der Masse im Rohrbogen BC. d C P Wie groß ist die Geschwindigkeit im Punkt C? 2. Welche Kontaktkraft wirkt auf der Strecke BC zwischen der Rohrwand und der Masse? 3. Welcher Abstand f ist notwendig, damit die Medikamente direkt in den Korb fallen? Bekannt: Masse m eines Medikamentes, Abmessungen h, r, d, f . Aufgabe 4.26 (SG = 1) Motorrad und Fahrer aus Beispiel 2.18 haben kurz vor dem Aufprall eine gemeinsame Schwerpunktgeschwindigkeit vS und rotieren mit der Winkelgeschwindigkeit ω. Kurz nach dem Aufprall ist die gemeinsame Geschwindigkeit v = 0.95 vS , w¨ahrend eine Rotation nicht auftritt. Wie groß ist der Verlust der kinetischen Energie durch den Aufprall? Bekannt: m, vS
, ω, Θ(S) , β.
eY eX ω
S β
vs K ds
hs
145
146
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Aufgabe 4.27 (SG = 2) Ein Skispringer gleitet eine Schanze hinunter. Der Gleitreibungskoef¿zient zwischen der Bahn und den Skiern betr¨agt μ. Welche Geschwindigkeit hat er beim Absprung unmittelbar vor Verlassen der Schanze? Bekannt: μ, L, R, β = 45o .
Hinweis: Eine genaue Ber¨ucksichtigung der Reibungskraft R in nat¨urlichen Koordinaten nach Gl. (3.15.1) ergibt in dem Kr¨ummungsbereich eine Abh¨angigkeit von der Geschwindigkeit. Vereinfachend darf daher der Ansatz R = μG cos(45o − ϕ) verwendet werden.
Aufgabe 4.28 (SG = 3) In der Schubkurbel aus Aufgabe 2.17 tritt im Punkt B eine konstante Reibungskraft R auf. 1. Wie groß muss das Antriebsmoment M sein, damit die Drehzahl n erreicht wird? 2. Wie groß ist die Leistung PM des Momentes? Bekannt: n = 100 min−1 , l = 20 cm, R = 100 N, m1 = 0, m2 = 10 kg.
Aufgabe 4.29 (SG = 3) Bearbeiten Sie Aufgabe 4.28 f¨ur den Fall, dass die Reibungskraft im Punkt B in der Form R = k v geschwindigkeitsabh¨angig ist. Bekannt: n = 100 min−1 , l = 20 cm, R = 100 N, m1 = 0, m2 = 10 kg, k = 100 kg/ s.
4.4 Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte
147
4.4 Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte 1 Die bisherigen
Darstellungen zu Potenzialfunktionen und die Herleitung des Energiesatzes erfolgten f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte. Das Ziel dieses Abschnittes ist deren Erweiterung auf beliebige Kraftfelder mit den Hilfsmitteln der Vektoranalysis. Zuvor wird ein weiteres Beispiel zur Wegunabh¨angigkeit von Arbeiten vorgestellt. Beispiel 4.11 Wegunabh¨angigkeit der Gewichtskraft im Schwerefeld der Erde Ein Satellit bewegt sich wie in Abb. 4.17 dargestellt im Schwerefeld der Erde. Die momentane Position ist mit den Polarkoordinaten r und ϕ bekannt. Eine Bewegung senkrecht zur betrachteten Ebene tritt nicht auf. F¨ur die Arbeit der Gravitationskraft auf dem Weg von Lage I in Lage II soll der EinÀuss verschiedener Bahnen untersucht werden. Bekannt: Radius der Erde RE , Masse des Satelliten m, Polarkoordinaten f¨ur die Lagen I und II: rI , rII , ϕI , ϕII .
Abb. 4.17. Gravitationskraft im Schwerefeld der Erde
¨ Voruberlegungen: Die auf den Satelliten wirkende Gravitionskraft ist in Gl.(3.28.2) angegeben. F¨ur Zylinderkoordinaten kann das Arbeitsdifferenzial mit Gl.(4.9) berechnet werden. Die Gesamtarbeit wird nach Gl.(4.2.2) durch Integration entlang des Weges von Lage I nach Lage II bestimmt. L¨osung: Mit dem Ergebnis (3.28.2) in Beispiel 3.11 und den in Abb. 4.17 dargestellten Basisvektoren er , eϕ folgt f¨ur den Vektor der Gravitationskraft die Basisdarstellung F=−
2 mgRE er . r2
Die Koef¿zienten der Kraft in Gl.(4.8.1) sind somit Fr = −
2 mgRE , 2 r
Fϕ = 0,
Fz = 0.
(4.48)
Das Arbeitsdifferenzial nach Gl.(4.9) betr¨agt dW = Fr dr + Fϕ rdϕ + Fz dz = −
2 mgRE dr, r2
(4.49)
und die gesamte Arbeit entlang eines endlichen Weges von der Lage I in die Lage II ist nach Gl.(4.2.2): 1
Dieser Abschnitt dient im Wesentlichen dem mathematischen Verst¨andnis der Eigenschaften von Kr¨aften mit Potenzial und ist nicht Voraussetzung f¨ur die Bearbeitung der nachfolgenden Kapitel.
148
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
xII W
I,II
rII F · dx =
= xI
rI
rII
2 mgRE 1 1 2 1 2 − dr = mgRE = mgRE − . r2 r rI rII rI
(4.50)
Die Kenntnis der Koordinaten rI und rII in der Anfangs- und Endlage ist also ausreichend zur Bestimmung der gesamten Arbeit. Der Bahnverlauf und Zwischenzust¨ande haben keinen EinÀuss. Damit ist die Arbeit einer Gravitationskraft wegunabh¨angig. 4.4.1 Eigenschaften von Potenzialkr¨aften In den Gleichungen (4.40) sind Potenzialfunktionen f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte angegeben. In weiteren Aufgaben und Beispielen dieses Kapitels wurde auch gezeigt, dass f¨ur derartige Kr¨afte das Wegintegral (4.2.2) zwischen zwei Punkten PI und PII wegunabh¨angig ist. Eine Verallgemeinerung dieser Aussagen auf Kraftfeldvektoren F(x) wird in der folgenden ¨ Ubersicht zusammengefasst: Eigenschaften von Potenzialkr¨aften Die folgenden Aussagen sind gleichwertig: II I
F · dx ist wegunabh¨angig. & 2. Ein beliebiges Ringintegral verschwindet, d.h. F · dx = 0. 1. Das Linienintegral
3. Das Kraftfeld besitzt eine Potenzialfunktion U (x) = Uc −
P (x) F PI
· dx.
(4.51)
4. Das Kraftfeld ist aus einer Potenzialfunktion ableitbar, d. h. F = − grad U. 5. Das Kraftfeld ist wirbelfrei, d.h. rot F = 0. 6. Es existiert ein totales Differenzial, so dass dU = −dW = −F · dx.
Bemerkungen 4.6 1. Ein Teilbeweis der Eigenschaften (4.51) erfolgt im Anhang in Abschnitt (A.2). 2. Es sei noch einmal hervorgehoben, dass alle Aussagen (4.51.1) bis (4.51.6) gleichwertig sind. Damit folgt beispielsweise f¨ur einen Kraftfeldvektor F, dessen Linienintegral wegunabh¨angig ist, auch die Wirbelfreiheit von F. Umgekehrt kann aus der Wirbelfreiheit von F auf die Wegunabh¨ angigkeit des Linienintegrals der Kraft F geschlossen werden. & 3. Als Ringintegral F · dx in (4.51.2) bezeichnen wir ein Linienintegral, bei dem der Anfangspunkt PI gleich dem Endpunkt PII ist. 4. Aus der Eigenschaft (4.51.3) folgern wir, dass eine Potenzialfunktion nicht eindeutig ist, sondern nur bis auf eine Konstante Uc angegeben werden kann. Die in (4.51.3), (4.51.4), (4.51.6) eingef¨uhrten Funktionen U m¨ussen somit nicht identisch sein. Die Potenzialdifferenz U II - U I ist dagegen eindeutig. 5. Die Eigenschaft (4.51.3) erkl¨art die Bezeichnung konservative Kraft. Sie ist in der Lage, Energie zu konservieren. Damit gilt: Potenzialkr¨afte sind konservative Kr¨afte.
4.4 Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte
149
6. Der Gradient der Potenzialfunktion grad U (x), die Rotation des Kraftvektors rot F(x) und das totale Differenzial d U werden f¨ur raumfeste kartesische Koordinaten wie folgt berechnet: eX eY eZ ∂ ∂ ∂ ∂U ∂U ∂U 1. grad U (x) = eX + eY + eZ 2. rot F = ∂X ∂Y ∂Z (4.52) ∂X ∂Y ∂Z FX FY FZ ∂U ∂U ∂U 3. dU = grad U · dx = dX + dY + dZ, ∂X ∂Y ∂Z wobei die Basisdarstellung (4.6.2) f¨ur den differenziellen Ortsvektor dx ber¨ucksichtigt wurde. F¨ur Zylinderkoordinaten gilt er eϕ ez 1 ∂U ∂U 1 ∂ ∂ ∂ ∂U er + eϕ + ez 2. rot F = 1. grad U (x) = ∂r r ∂ϕ ∂z r ∂r ∂ϕ ∂z (4.53) Fr rFϕ Fz ∂U ∂U ∂U 3. dU = grad U · dx = dr + dϕ + dz, ∂r ∂ϕ ∂z wobei die Basisdarstellung (4.8.2) f¨ur den differenziellen Ortsvektor dx ber¨ucksichtigt wurde. Im Folgenden werden die Eigenschaften (4.51) f¨ur Kraftfelder in den vorherigen Beispielen dieses Kapitels nachgewiesen. Beispiel 4.12 Potenzialeigenschaften der Gewichtskraft F¨ur die Gewichtskraft in Beispiel 4.2 u¨ berpr¨ufe man die Eigenschaften (4.51). L¨osung: Die Eigenschaft der Wegunabh¨angigkeit (4.51.1) ist f¨ur die Gewichtskraft bereits in Beispiel 4.2 festgestellt worden. Setzt man ZII = ZI in Gl. (4.16) ein, so folgt W I,II = 0, womit die Eigenschaft (4.51.2) f¨ur das Ringintegral veri¿ziert ist. Die Potenzialfunktion erhalten wir durch Einsetzen des Ergebnisses (4.16) in Gl.(4.51.3) U (X, Y, Z) = mg(Z − ZI ) + Uc .
(4.54)
Ersetzt man die Konstante −mgZI + Uc durch die Konstante −mgZ0 , so erh¨alt man die Potentialfunktion in Gl.(4.40.1). Die Koef¿zienten von grad U lauten mit Gl.(4.52.1) ∂U =0 ∂X
∂U = 0, ∂Y
∂U = mg. ∂Z
(4.55)
Diese stimmen mit den negativen Koef¿zienten von F in Gl.(4.14) u¨ berein, womit (4.51.4) bewiesen ist. Zus¨atzlich bestimmen wir mit Gl.(4.52) die Rotation des Kraftvektors F in kartesischen Koordinaten
150
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
⎡
⎤ eX eY eZ ⎢ ∂ ∂ ∂ ⎥ ⎢ ⎥ rot F = ⎢ ⎥ = 0, ⎣ ∂X ∂Y ∂Z ⎦ 0 0 −mg womit die Eigenschaft (4.51.5) veri¿ziert ist. Durch Einsetzen von Gl. (4.55) in Gl.(4.52.3) bestimmen wir das totale Differenzial und vergleichen das Ergebnis mit Gl.(4.15): dU =
∂U ∂U ∂U dX + dY + dZ = mgdZ = −dW. ∂X ∂Y ∂Z
Damit ist auch die Eigenschaft (4.51.6) gezeigt.
Beispiel 4.13 Potenzialeigenschaften der Federkraft F¨ur die Federkraft in Beispiel 4.3 u¨ berpr¨ufe man die Eigenschaften (4.51). L¨osung: Die Eigenschaft der Wegunabh¨angigkeit (4.51.1) von Federkr¨aften ist bereits in Beispiel 4.3 festgestellt worden. Setzt man rII = rI in Gl. (4.19), so folgt W I,II = 0, womit die Eigenschaft (4.51.2) f¨ur das Ringintegral veri¿ziert ist. Die Potenzialfunktion erhalten wir durch Einsetzen des Ergebnisses (4.19) in Gl.(4.51.3) 2 1 U (r, ϕ, z) = c (r − r0 )2 − (rI − r0 ) + Uc . 2
(4.56)
Ersetzt man die Konstante −(1/2)c ((rI − r0 )2 ) + Uc durch den Wert Null und verwendet die Notation r = s, so erh¨alt man die Potentialfunktion in Gl.(4.40.2). Die Koef¿zienten von grad U ergeben sich mit Gl.(4.53.1) zu ∂U = c(r − r0 ), ∂r
1 ∂U = 0, r ∂ϕ
∂U = 0. ∂z
(4.57)
Diese stimmen mit den negativen Koef¿zienten von F in Gl.(4.17) u¨ berein, so dass Gl. (4.51.4) gilt. Zus¨atzlich bestimmen wir mit Gl.(4.53) die Rotation des Kraftvektors F in Zylinderkoordinaten ⎡ ⎤ er eϕ ez ∂ ∂ ∂ ⎥ 1⎢ ⎢ ⎥ rot F = ⎢ ⎥ = 0, ∂r ∂ϕ ∂z ⎦ r⎣ −c(r − r0 ) 0 0 womit die Eigenschaft (4.51.5) veri¿ziert ist. Durch Einsetzen von Gl.(4.57) in Gl.(4.53.3) bestimmen wir das totale Differenzial und vergleichen das Ergebnis mit Gl.(4.18): dU =
∂U ∂U ∂U dr + dϕ + dz = c(r − r0 )dr = −dW. ∂r ∂ϕ ∂z
Damit ist auch die Eigenschaft (4.51.6) bewiesen.
4.4 Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte
151
Beispiel 4.14 Potenzialeigenschaften der Gravitationskraft F¨ur die Gravitationskraft in Beispiel 4.11 u¨ berpr¨ufe man die Eigenschaften (4.51). L¨osung: Die Eigenschaft der Wegunabh¨angigkeit (4.51.1) f¨ur die Gravitationskraft im Schwerefeld der Erde ist bereits in Beispiel 4.11 festgestellt worden. Setzt man rII = rI in Gl. (4.50), so folgt W I,II = 0, womit die Eigenschaft (4.51.2) f¨ur das Ringintegral veri¿ziert ist. Die Potenzialfunktion erhalten wir durch Einsetzen des Ergebnisses (4.50) in Gl.(4.51.3)
1 1 2 U (r, ϕ, z) = −mgRE − (4.58) + Uc . r rI Die Koef¿zienten von grad U ergeben sich mit Gl.(4.53) zu 2 mgRE ∂U = , ∂r r2
1 ∂U = 0, r ∂ϕ
∂U = 0. ∂z
(4.59)
Diese stimmen mit den negativen Koef¿zienten von F in Gl.(4.48) u¨ berein, womit die Eigenschaft (4.51.4) veri¿ziert ist. Zus¨atzlich bestimmen wir mit Gl.(4.53) die Rotation des Kraftvektors F in Zylinderkoordinaten ⎡ ⎤ er eϕ ez ⎢ ∂ ∂ ∂ ⎥ ⎥ 1⎢ ⎢ ⎥ = 0, rot F = ⎢ ∂r ∂ϕ ∂z ⎥ r⎣ ⎦ 2 mgRE − 0 0 r2 womit die Eigenschaft (4.51.5) nachgewiesen ist. Durch Einsetzen von Gl.(4.59) in Gl.(4.53.3) bestimmen wir das totale Differenzial und vergleichen das Ergebnis mit Gl.(4.49): dU =
2 mgRE ∂U ∂U ∂U dr + dϕ + dz = dr = −dW. ∂r ∂ϕ ∂z r2
Damit ist auch die Eigenschaft (4.51.6) bewiesen. ¨ Potenzialkr¨afte 4.4.2 Der Energiesatz fur
Die mathematischen Eigenschaften (4.51) k¨onnen verwendet werden, um den Energiesatz (4.44), der bisher nur f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte hergeleitet wurde, auf beliebige Potenzialkr¨afte zu verallgemeinern. Aus der Existenz des totalen Differenzials (4.51.6) folgt II dU = −dW
=⇒
II dU = U
II
−U =−
I
II F · dx = −W I,II
dW = −
I
I
I
bzw. W I,II = −(U II − U I ). Andererseits liefert der Arbeitssatz (4.36) W I,II = T II − T I . Nach Gleichsetzen der letzten beiden Gleichungen erkennt man T II − T I = −(U II − U I )
=⇒
U I + T I = U II + T II ,
womit der Energiesatz (4.44) f¨ur beliebige Potenzialkr¨afte hergeleitet ist.
(4.60)
152
4 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur den Massenpunkt
Bemerkungen 4.7 1. F¨ur den Fall, dass bei der Energieumwandlung Verluste auftreten oder das Potenzial einer Kraft nicht angegeben werden kann, ist der Energiesatz in der Form (4.46) zu verwenden. 2. Der Energiesatz in der Form (4.44) gilt nur f¨ur mechanische Energien. Beispiele f¨ur weitere Energieformen sind W¨armemenge, elektrische Energie, chemische Energie und Strahlungsenergie. Die physikalische Erfahrung zeigt, dass es ein allgemeing¨ultiges Prinzip der Erhaltung der Energie gibt, welches s¨amtliche Energieformen umfasst: dieses ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik. Wie in diesem Kapitel gezeigt, kann der Energiesatz f¨ur mechanische Energien auf der Grundlage des dynamischen Grundgesetzes hergeleitet werden. Dagegen ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik nicht durch andere Gesetze ableitbar und muss daher axiomatisch formuliert werden, siehe z.B. [9]. 4.4.3 Aufgaben zu Abschnitt 4.4 Aufgabe 4.30 (SG = 1) Eine Rakete der Masse m soll in eine Kreisbahn um die Erde gebracht werden. 1. Welche Energie ist erforderlich, um den Abstand h von der ErdoberÀ¨ache zu erreichen? 2. Welche Energie wird f¨ur h → ∞ erforderlich? 3. Welche Fluchtgeschwindigkeit muss v0 mindestens annehmen, damit die Rakete das Schwerefeld der Erde verl¨asst (h → ∞)? Bekannt: RE = 6370 km. Bemerkung: Die Fluchtgeschwindigkeit von der ErdoberÀ¨ache wird als zweite kosmische Geschwindigkeitsstufe bezeichnet, siehe z.B. [32]. Aufgabe 4.31 (SG = 1) 1. Zeigen Sie f¨ur eine Potenzialfunktion U (x) die Beziehung: rot grad U = 0. 2. Zeigen Sie f¨ur die Koef¿zienten einer Potenzialkraft F in Zylinderkoordinaten die Beziehungen: ∂(rFϕ ) ∂Fz = , ∂ϕ ∂z
∂(rFϕ ) ∂Fr = , dϕ dr
∂(rFϕ ) ∂Fr = . ∂r ∂ϕ
Aufgabe 4.32 (SG = 2) Gegeben ist ein Kraftfeld F(X, Y ). 1. Untersuchen Sie, ob es konservativ ist. 2. Wie groß ist die Arbeit, die an einer Masse m entlang einer Kurve C in der XY -Ebene verrichtet wird? Bekannt: F(X, Y ) = (X − 3Y )eX + (Y − 2X)eY , C = {(X, Y )|X = 2 cos ϕ, Y = 3 sin ϕ, 0 ≤ ϕ ≤ 2π} (Ellipse).
4.4 Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte
153
Aufgabe 4.33 (SG = 3) Gegeben ist ein Kraftfeld F(X, Y, Z). 1. Untersuchen Sie, ob es konservativ ist. 2. Wie groß ist die Arbeit, die an einer Masse m entlang einer Kurve C in der XY Z-Ebene verrichtet wird? Bekannt: F(X, Y, Z) = (2X − Y + Z)eX + (X + Y − Z 2 )eY + (3X − 2Y + 4Z)eZ , ) * hϕ C = (X, Y, Z)| cos ϕeX + sin ϕeY + ez ; 0 ≤ ϕ ≤ 2π (Schraubenlinie). 2π Aufgabe 4.34 (SG = 2) Die Masse m bewegt sich unter dem EinÀuss eines Kraftfeldes F(X, Y ) geradlinig von A nach B in der X, Y -Ebene. 1. Zeigen Sie, dass das Kraftfeld F(X, Y ) konservativ ist. Bestimmen Sie 2. das Potenzial des Kraftfeldes F(X, Y ), 3. die Koordinaten (XB , YB ) des Punktes B, an dem die Masse zur Ruhe kommt, d.h. vB = 0 ist, 4. die Zwangskraft Fn in nat¨urlichen Koordinaten, 5. die Bewegungsgleichung in nat¨urlichen Koordinaten.
X Bekannt: F = F0 1 − eX − F0 eY , a, F0 , vA = vB = 0. a Aufgabe 4.35 (SG = 2) Eine Masse m bewegt sich unter dem EinÀuss eines Kraftfeldes F(X, Y, Z) auf einem geschlossenen Weg C1 bis C4 . 1. Ist das Kraftfeld konservativ? 2. Bestimmen Sie die Arbeit, die an der Masse m auf dem geschlossenen Weg C1 bis C4 verrichtet wird. Bekannt: F = Y 2 − C 2 − 2Y Z eX − 2XZeY + 2XZeZ .
Da die Einweg-Raketen f¨ur bemannte Fl¨uge in den ,,Gr¨underjahren” der Raumfahrt sehr kostspielig waren, verzichtete die USA nach 1975 auf derartige Systeme und befasste sich mit der Entwicklung eines wiederverwendbaren Raumtransporters, dem Space Shuttle. In Europa wurde in den achziger Jahren die Ariane entwickelt. Die Hauptaufgaben dieser Raumtransporter sind das Aussetzen von Satelliten oder die Durchf¨uhrung wissenschaftlicher Experimente. Dabei geht man z.B. der Frage nach, wie sich die fast v¨ollig fehlende Schwerkraft bei der Z¨uchtung von Einkristallen oder der Herstellung von Superlegierungen auswirkt. In der Startphase eines Raumtransporters sind zus¨atzliche Antriebsraketen f¨ur den Auftrieb erforderlich. F¨ur die dynamischen Untersuchungen k¨onnen dazu der Raumtranstporter und die Antriebsraketen als Massenpunkte aufgefasst werden. Die Gesamtheit aller Flugk¨orper stellt ein Massenpunktsystem dar.
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Massenpunktsysteme bestehen aus einer endlichen Anzahl einzelner Massenpunkte, wobei diese wie in Kapitel 3 Ersatzsysteme f¨ur reale K¨orper sind. Wie die Beispiele in Abb. 5.1 zeigen, sind f¨ur verschiedene Systeme die Wechselwirkungen zwischen den kinematischen Bindungen und den Kraftreaktionen unterschiedlich. Im Beispiel a) hat die Erde keine feste Verbindung zum Mond, so dass nur die Gravitationskraft wirkt, im Beispiel b) werden Kr¨afte nur bei Kontakt u¨ bertragen, im Beispiel c) entstehen Federkr¨afte nur bei Relativbewegungen der Punktmassen, und im Beispiel d) erfolgt die Kraft¨ubertragung u¨ ber starre St¨abe. Wir bezeichnen ein System, bei dem wie in Beispiel d) die Abst¨ande der Massenpunkte erhalten bleiben, als starres Massenpunktsystem.
Abb. 5.1. Beispiele f¨ur Massenpunktsysteme
In diesem Kapitel werden die Gesetze der Kinematik und Kinetik des einzelnen Massenpunktes auf das Massenpunktsystem u¨ bertragen. Besondere Beachtung ¿ndet das starre Massenpunktsystem. Stoßvorg¨ange werden gesondert im nachfolgenden Kapitel 9 behandelt.
5.1 Kinematik des Massenpunktsystems 5.1.1 Kinematische Gr¨oßen des Schwerpunktes Wir betrachten in Abb. 5.2.a das System mit den Massenpunkten i = 1, ..., n. Ein repr¨asentativer Punkt i hat die Masse mi , und der zugeh¨orige Ortsvektor wird mit xi bezeichnet. Mit einer Systemgrenze wird das Massenpunktsystem von der Umgebung getrennt. In Abb. 5.2.b ist ein Ersatzmodell f¨ur einen Laptop in einem abbremsenden Zug dargestellt. Die Konsole hat auf Grund ausreichender Reibung mit dem Untergrund die gleiche Geschwindigkeit vZug wie der Zug. Infolge des Abbremsens des Zuges mit aZug erf¨ahrt der Bildschirm eine Verdrehung ϕ. In dem Ersatzmodell sind zwei Punktmassen in den jeweiligen Schwerpunkten
156
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Abb. 5.2. a) Kinematik zum Massenpunktsystem, b) Ersatzmodell f¨ur Laptop im abbremsenden Zug
S1 und S2 von Konsole und Bildschirm angeordnet. ,,Bhf “ kennzeichnet hier einen festen Bezugspunkt. Aus den De¿nitionen (2.14) erhalten wir sofort die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren des i-ten Massenpunktes 1. vi = x˙ i ¨i. 2. ai = v˙ i = x
(5.1)
In den nachfolgenden Abschnitten zur Dynamik des Massenpunktsystems wird die Kinematik des Schwerpunktes eine wesentliche Rolle spielen. Dazu ben¨otigen wir die folgenden Definitionen Orts-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor des Schwerpunktes eines Massenpunktsystems n n n mi xi mi vi mi ai 1. xS = i=1 2. vS = i=1 3. aS = i=1 m m m 4. m = ni=1 mi .
(5.2)
Bemerkungen 5.1 1. Anstatt der Bezeichnung ,,Schwerpunkt” f¨ur den Punkt S mit dem Ortsvektor xS ist die Bezeichnung ,,Massenmittelpunkt” formal richtig. Streng genommen stimmen beide Punkte nur dann u¨ berein, wenn die Vektoren aller an den einzelnen Massenpunkten angreifenden Gewichtskr¨afte parallel und die Erdbeschleunigung konstant sind. F¨ur technische Problemstellungen ist dieses im Allgemeinen in guter N¨aherung erf¨ullt. Zur Anschaulichkeit werden im Folgenden der Begriff Schwerpunkt und das Symbol S synonym f¨ur den Massenmittelpunkt beibehalten. 2. Wie in Abb. 5.2 erkennbar, f¨allt der Schwerpunkt S im Allgemeinen nicht mit einem der Massenpunkte zusammenfallen. 3. Die vektoriellen Gleichungen (5.2) werden analog zur Vorgehensweise in Kapitel 2 in verschiedenen Koordinatensystemen formuliert.
5.1 Kinematik des Massenpunktsystems
157
Beispiel 5.1 Laufrad mit drei Massen Drei Massen sind an einem Laufrad befestigt, das mit der Winkelgeschwindigkeit ω = ϕ˙ rotiert. F¨ur den Drehwinkel ϕ = 0 bestimme man bezogen auf die dargestellten raumfesten kartesischen Basisvektoren eX , eY die Basisdarstellungen f¨ur 1. den Ortsvektor 2. den Geschwindigkeitsvektor 3. den Beschleunigungsvektor des Schwerpunktes S. Die Massen der Speichen und des Ringes k¨onnen bei der Berechnung vernachl¨assigt werden. Abb. 5.3. Laufrad mit drei Massen Bekannt: m1 , m2 = 0.5m1 , m3 = 1.5m1 , R, ω. ¨ Voruberlegungen: Die gesuchten Vektoren werden mit den Gleichungen (5.2) bestimmt. F¨ur raumfeste kartesische Koordinaten k¨onnen die Koef¿zienten f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung aller drei Massen mit den Gleichungen (2.19) berechnet werden. F¨ur die ebene Bewegung k¨onnen wir auf die Angabe der Z-Komponenten verzichten. L¨osung: Die Gleichungen (2.19) liefern f¨ur den Drehwinkel ϕ f¨ur alle drei Massen folgende Koef¿zienten f¨ur Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung: X1 = R sin ϕ
2π X2 = R sin ϕ + 3
X3 = R sin ϕ +
4π 3
=⇒ =⇒ =⇒ =⇒ =⇒ =⇒
Y1 = R cos ϕ
2π Y2 = R cos ϕ + 3
4π Y3 = R cos ϕ + 3
=⇒ =⇒ =⇒ =⇒ =⇒ =⇒
v1X = X˙ 1 = Rω cos ϕ a1X = v˙ 1X = −Rω 2 sin ϕ
2π v2X = X˙ 2 = Rω cos ϕ +
3 2π 2 a2X = v˙ 2X = −Rω sin ϕ + 3
4π v3X = X˙ 3 = Rω cos ϕ +
3 4π a3X = v˙ 3X = −Rω 2 sin ϕ + 3 v1Y = Y˙ 1 = −Rω sin ϕ a1Y = v˙ 1Y = −Rω 2 cos ϕ
2π v2Y = Y˙ 2 = −Rω sin ϕ + 3
2π 2 a2Y = v˙ 2Y = −Rω cos ϕ + 3
4π v3Y = Y˙ 3 = −Rω sin ϕ + 3
4π . a3Y = v˙ 3Y = −Rω 2 cos ϕ + 3
158
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Mit den Basisdarstellungen xi = Xi eX + Yi eY , vi = viX eX + viY eY , ai = aiX eX + aiY eY f¨ur jeden Massenpunkt i = 1, 2, 3 und der Gesamtmasse m= m1 + m2 + m3 = 3m1 bestimmt man aus den Gleichungen (5.2) die Basisdarstellungen f¨ur Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung des Schwerpunktes. F¨ur den Winkel ϕ = 0 erh¨alt man folgende Ergebnisse: 1 (X1 m1 + X2 m2 + 3m1 = (−0.289 eX + 0 eY ) R
xS =
X3 m3 )eX +
1 (Y1 m1 + Y2 m2 + Y3 m3 )eY 3m1
1 1 (v1X m1 + v2X m2 + v3X m3 )eX + (v1Y m1 + v2Y m2 + v3Y m3 )eY 3m1 3m1 = (0 eX + 0.289 eY ) Rω
vS =
1 1 (a1X m1 + a2X m2 + a3X m3 )eX + (a1Y m1 + a2Y m2 + a3Y m3 )eY 3m1 3m1 = (0.289 eX + 0 eY ) Rω 2 .
aS =
Zusatzaufgabe: F¨ur den Fall gleich großer Massen m1 = m2 = m3 zeige man, dass die Gesamtbeschleunigung f¨ur beliebige Drehwinkel ϕ stets verschwindet.
5.1.2 Die Winkelgeschwindigkeit des starren Massenpunktsystems Wir untersuchen in diesem Abschnitt Besonderheiten der Kinematik starrer Massenpunktsysteme. Dabei werden wir f¨ur die ebene Bewegung feststellen, dass die momentane Winkelgeschwindigkeit des gesamten Systems durch eine Gr¨oße ω beschrieben werden kann. F¨ur die Bewegung im Raum ist ein Vektor ω zur Beschreibung der Winkelgeschwindigkeit des gesamten Systems ausreichend, so dass dieser ein freier Vektor ist. In Abb. 5.4 betrachten wir zwei starre Massenpunktsysteme mit jeweils zwei Massenpunkten i und k. In den beiden Darstellungen in Abb. 5.4.a setzen wir identische Bewegungen des ersten Stabes in der Ebene voraus. In den beiden Darstellungen in Abb. 5.4.b werden identische r¨aumliche Bewegungen des zweiten Stabes vorausgesetzt. F¨ur beide F¨alle werden in den linken und rechten Abbildungen Verbindungsvektoren xki und xik eingef¨uhrt, so dass 1. xi = xk + xki ,
2. xk = xi + xik .
(5.3)
F¨ur starre Massenpunktsysteme bleiben die Abst¨ande der Massenpunkte erhalten, so dass |xik | = |xi − xk | = |xk − xi | = |xki | = r = konst.
(5.4)
Die ebene Bewegung: Die Bewegungen in Abb. 5.4.a sind Sonderf¨alle der Kreisbewegung um die momentane richtungstreue Achse in Abschnitt 2.3.2. Wir lassen in der linken Darstellung die Masse k und in der rechten Darstellung die Masse i mit dem F¨uhrungspunkt F zusammenfallen. Mit Gl.(2.50.1) erh¨alt man somit die zugeh¨origen Geschwindigkeiten:
5.1 Kinematik des Massenpunktsystems
159
Abb. 5.4. Zur Kinematik starrer Massenpunktsysteme: a) Zwei identische ebene Bewegungen, b) zwei identische r¨aumliche Bewegungen
1. vi = x˙ i = vk + vik ,
2. vk = x˙ k = vi + vki .
(5.5)
Die Absolutgeschwindigkeit der Masse i ist somit die Absolutgeschwindigkeit der Masse k erweitert um die Geschwindigkeit vik der Masse i relativ zur Masse k. In gleicher Weise ist die Absolutgeschwindigkeit der Masse k gleich der Absolutgeschwindigkeit der Masse i erweitert um die Geschwindigkeit vki der Masse k relativ zur Masse i (siehe hierzu auch die Bemerkungen 2.7). Da wir ein starres Massenpunktsystem voraussetzen, beschreibt gem¨aß Bemerkung 2.7.2 die Masse i momentan eine Kreisbahn um die Masse k bzw. die Masse k eine Kreisbahn um die Masse i. Wie in Abb. 5.4.a erkennbar, verlaufen die relativen Geschwindigkeiten vik und vki tangential zu den momentanen Kreisbahnen. Da nach Voraussetzung die Bewegungen in den beiden Darstellungen in Abb. 5.4.a identisch sind, folgt durch Einsetzen von Gl.(5.5.2) in Gl.(5.5.1) vi = vi + vki + vik
=⇒
vki = −vik .
Dieses Ergebnis erlaubt zwei Interpretationen: 1. Die Vektoren vki und vik sind entgegengesetzt und parallel zueinander. 2. Deren Betr¨age sind gleich groß, d.h. |vik | = |vki |. F¨ur die Beschreibung der Kreisbewegungen f¨uhren wir zwei Winkelgeschwindigkeiten ωik und ωki ein. Wie in Abb. 5.4 dargestellt, kennzeichnet ωik die momentane Winkelge-
160
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
schwindigkeit, mit welcher die Masse i um die Masse k rotiert, und ωki ist die momentane Winkelgeschwindigkeit, mit der die Masse k um den Punkt i rotiert. Damit ist in beiden F¨allen Gl.(2.52) anwendbar, und mit Gl.(5.4) folgt ωik r = vik = |vik | = |vki | = vki = ωki r
=⇒ ωik = ωki = ω.
(5.6)
Die allgemeine r¨aumliche Bewegung: Die Bewegungen in Abb. 5.4.b k¨onnen mit den Ergebnissen f¨ur die Kreisbewegung um eine momentane Achse mit Richtungs¨anderung in Abschnitt 2.3.3 behandelt werden. Wir lassen in der linken Darstellung die Masse k und in der rechten Darstellung die Masse i mit dem F¨uhrungspunkt F zusammenfallen. Da auf Grund der Bedingungen (5.4) die Abst¨ande zwischen den Massenpunkten unver¨andert bleiben, kann Gl.(2.60.2) auf beide F¨alle angewendet werden: 1. vi = x˙ i = vk + ωki × xki ,
2. vk = x˙ k = vi + ω ik × xik .
(5.7)
Hierbei haben wir zur Unterscheidung die Winkelgeschwindigkeitsvektoren ω ki bzw. ω ik in beiden Gleichungen eingef¨uhrt. Der in Abb. 5.4.b dargestellte Vektor ω ki kennzeichnet in ¨ Ubereinstimmung mit Abb. 2.33 die momentane Winkelgeschwindigkeit, mit welcher die Masse i um eine durch den Punkt k verlaufende Achse rotiert. Entsprechend kennzeichnet ωik die momentane Winkelgeschwindigkeit, mit der die Masse k um eine durch den Punkt i verlaufende Drehachse rotiert. Da nach Voraussetzung die Bewegungen in beiden Darstellungen in Abb. 5.4.b identisch sind, folgt durch Einsetzen von Gl.(5.7.2) in Gl.(5.7.1) und Ber¨ucksichtigung der Beziehung xki = −xik vi = vi + ω ki − ω ik × xki =⇒ ω ki = ωik = ω. (5.8) Bemerkungen 5.2 1. Die Ergebnisse (5.6) und (5.8) erlauben folgende Interpretation: Rotiert bei einem starren Massenpunktsystem die Masse k mit der Winkelgeschwindigkeit ω (bzw. dem Winkelgeschwindigkeitsvektor ω) um die Masse i, dann rotiert die Masse i mit derselben Winkelgeschwindigkeit ω (bzw. demselben Winkelgeschwindigkeitsvektor ω) um die Masse k. 2. Das Ergebnis (5.6) gilt auch f¨ur die Rotation um eine richtungstreue Achse. ¨ 3. Der Winkelgeschwindigkeitsvektor ω beschreibt die zeitliche Anderung der gegenseitigen Verdrehung beliebiger Massenpunkte mi und mk des starren Massenpunktsystems. Da somit auf die Angabe der Indizes i und k verzichtet werden kann, ist ω ein freier, von Bezugs- und Endpunkt unabh¨angiger Vektor (siehe hierzu auch Abschnitt A.1). 4. Bezeichnen wir mit F den F¨uhrungspunkt eines Massenpunktsystems, so erhalten wir aus den Gleichungen (2.60) f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung aller Massenpunkte i = 1, ..., n 1. xi = xF + xFi 2. vi = vF + viF = vF + ω × xFi 3. ai = aF +
aFi
= aF + α ×
xFi
+ω× ω×
xFi
(5.9) .
Hierbei sind ω und α der Winkelgeschwindigkeitsvektor und der Winkelbeschleunigungsvektor des starren Massenpunktsystems (,,kein Index i f¨ur ω und α”).
5.1 Kinematik des Massenpunktsystems
161
Beispiel 5.2 Robotergesteuerte Rechteckplatte mit Massenpunkten Der in Abb. 5.5 dargestellte Roboterarm bewegt eine d¨unne Rechteckplatte. F¨ur die Punkte F , A und B werden bez¨uglich der dargestellten Vektorbasis ex , ey , ez die Geschwindigkeiten vF , vA und vB gemessen. Wie lautet die Basisdarstellung f¨ur den Winkelgeschwindigkeitsvektor ω? Abb. 5.5. Robotergesteuerte Rechteckplatte mit Eckpunkten A, B, C, F Bekannt: vA = 0ex + 0ey + vAz ez , vAz = −1.2m/s, vB = 0ex + 0ey + vBz ez , vBz = −0.2m/s. vF = 0ex + 0ey + vF z ez , vF z = 0.8m/s, l = 10 cm, b = 5 cm. F =v −v ¨ Voruberlegungen: Mit Gl. (5.9.2) werden die relativen Geschwindigkeiten vA A F F F F = ω × xA und vB = vB − vF = ω × xB erhalten. Schreibt man diese Gleichungen als Basisdarstellungen bez¨uglich der Vektorbasis ex , ey , ez , so kann man durch Koef¿zientenvergleich die Koef¿zienten f¨ur ω erhalten. L¨osung: Bez¨uglich der angegebenen Basisvektoren gilt f¨ur die relativen Vektoren F = v − v = vF e , vA A F Az z
xFA
= xA − xF =
xFA ex
+
F =v vAz Az − vF z Fe , yA y
F = y −y , xFA = xA − xF , yA A F
F = ω × xF bez¨ und die Auswertung vA uglich der Vektorbasis ex , ey , ez ergibt A ex ey ez F = 0e + 0e + v F e = ω ω ω = (−ω y F )e + (ω xF )e + (ω y F − ω xF )e . vA x y z A x z A y x A y A z Az z x y z xF y F 0 A A
Durch Koef¿zientenvergleich in den Koordinatenrichtungen x, y und z erh¨alt man F ωz yA = 0, ωz xFA = 0
=⇒
ωz = 0,
F F ωx yA − ωy xFA = vAz = vAz − vF z (A).
F = v − v = ω × xF : In gleicher Weise folgt aus der Basisdarstellung f¨ur vB B F B F = 0, ωz xFB = 0 ωz yB
=⇒
ωz = 0,
F F ωx yB − ωy xFB = vBz = vBz − vF z (B).
F = Wir k¨onnen Gl.(A) und Gl.(B) nach ωx und ωy auÀ¨osen und erhalten mit xFA = 0 m, yA F F F F 0.1 m, xB = 0.05 m, yB = 0.1 m, vAz = −1.2 − 0.8 = −2 m/s, vBz = −0.2 − 0.8 = −1 m/s
ωx =
F xF + v F xF vAz B Bz A = −20.0 rad/s, F xF − y F xF yA B B A
ωy =
F yF − vF yF vAz B Bz A = −20.0 rad/s. F xF − y F xF yA B B A
Damit hat der Winkelgeschwindigkeitsvektor die Basisdarstellung ω = (−20.0 ex − 20.0 ey + 0 ez ) rad/s.
162
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
5.1.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.1 Aufgabe 5.1 (SG = 1) Die Punktmassen der robotergesteuerten Rechteckplatte in Beispiel 5.2 haben die Massen mA = 2 m, mB = 3 m, mC = 4 m. Die Platte ist masselos. 1. Wie groß ist die Schwerpunktgeschwindigkeit? 2. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Punktes C? 3. Zus¨atzlich zu vF und ω sind die Beschleunigung aF = 0 und die Winkelbeschleunigung α = (0.2ex + 0.03ey − 0.05ez ) rad/s2 bekannt. Wie groß ist die Schwerpunktbeschleunigung? Aufgabe 5.2 (SG = 2) Der dargestellte Winkelrahmen rotiert aus der Ruhelage mit konstanter Winkelbeschleunigung α. Wie groß sind zum Zeitpunkt Δt 1. die Schwerpunktgeschwindigkeit, 2. die Schwerpunktbeschleunigung bezogen auf die dargestellte Vektorbasis? Bekannt: L, Lx = 2L, Ly = 0.5L, ωc , m1 = m2 = m3 = m, Δt = 3s. Hinweis: Zur L¨osung k¨onnen Teilergebnisse der Aufgabe 2.31 verwendet werden.
5.2 Grundlagen der Kinetik f¨ur das Massenpunktsystem
163
¨ das Massenpunktsystem 5.2 Grundlagen der Kinetik fur Wir betrachten in Abb. 5.6.a ein System mit den Massenpunkten i = 1, ..., n. Auf die Massenpunkte wirken verschiedenartige Kr¨afte, wie z.B. Feder-, Gewichts-, D¨ampfungsoder F¨uhrungskr¨afte. Mit der Systemgrenze werden a¨ ußere von inneren Einwirkungen abgegrenzt. Sie dient gleichzeitig als Schnittlinie, um die an den Massen mi angreifenden a¨ ußeren Kr¨afte Fi sichtbar zu machen. Der resultierende Kraftvektor der a¨ ußeren Kr¨afte ist FR . In Abb. 5.6.b ist ein Ersatzmodell f¨ur einen Laptop im abbremsenden Zug mit zwei Massenpunkten und a¨ ußeren Kr¨aften f¨ur Gewichte, Reibung und Normalkraft dargestellt.
Abb. 5.6. a) Massenpunktsystem mit inneren und a¨ ußeren Kr¨aften, Systemgrenze, b) Ersatzmodell f¨ur Laptop im abbremsenden Zug mit zwei Massenpunkten und a¨ ußeren Kr¨aften
Durch L¨osen der Bindungen in Abb. 5.6.a werden die paarweise auftretenden inneren Kr¨afte (z.B. Feder- oder D¨ampfungskr¨afte) sichtbar. Der Vektor Fij kennzeichnet die Kraft, die von der Masse j auf die Masse i ausge¨ubt wird. Umgekehrt wirkt die Fji von der Masse i auf die Masse j. Nach dem Wechselwirkungsaxiom (vgl. Abb. 3.1.c) gilt Fij + Fji = 0,
i, j = 1, 2, ..., n, i = j.
(5.10)
Mit den inneren und a¨ ußeren Kr¨aften sowie dem Impulsvektor pi = mi vi wird f¨ur jede Masse das dynamische Grundgesetz (3.2) formuliert. Damit folgen die n Gleichungen 1. 2. .. . i. .. . n.
p˙ 1 = 0 + F12 ...+ F1j + ..... F1n + F1 p˙ 2 = F21 + 0 ...+ F2j + ..... F2n + F2 p˙ i = Fi1 + Fi2 ...+ Fij + ..... Fin + Fi p˙ n = Fn1 + Fn2 ...+ Fnj + ..... 0
(5.11)
+ Fn .
Hierbei ist der Nullvektor 0 in jeder Gleichung nur aus Darstellungsgr¨unden eingef¨uhrt worden. F¨ur den Impulsvektor der i-ten Masse gilt nach Gl.(3.2.2) pi = mi vi , so dass bei konstanter Masse p˙ i = mi ai folgt. Damit lauten die Bewegungsgleichungen f¨ur alle Massen
164
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
mi ai = Fi +
n
Fij , i = 1, ..., n.
(5.12)
i=j=1
Diese vektoriellen Gleichungen k¨onnen wie in Abschnitt 3.2 beschrieben in verschiedenen Koordinatensystemen formuliert werden. F¨ur den Fall, dass kinematische Bindungen zwischen den Massenpunkten vorliegen, kann man einen Zusammenhang zwischen den Beschleunigungen ai , i = 1, ..., n herstellen. Beispiel 5.3 Bewegung von zwei Kisten Zwei Kisten der Massen m1 und m2 sind mit einem dehnstarren Seil u¨ ber eine masselose Rolle verbunden. Welche Winkelgeschwindigkeit ω hat die Rolle nach der Zeit t, wenn sich das System unter Einwirkung der Erdbeschleunigung aus der Ruhelage heraus bewegt? Bekannt: m1 = 5 kg, m2 = 4 kg, t = 3 s, R = 25 mm. ¨ Voruberlegungen: Mit dem Schnittprinzip werden die inneren Kr¨afte sichtbar gemacht. Anschließend wird das dynamische Grundgesetz (5.12) f¨ur beide Kisten getrennt formuliert, wobei zweckm¨aßig senkrechte Koordinatenrichtungen gew¨ahlt werden. Auf Grund der Dehnstarrheit des Seiles legen beide Kisten die gleiche Wegstrecke zur¨uck. L¨osung: Wir l¨osen das System in Abb. 5.7.b von den Bindungen und tragen die (¨außeren) Gewichtskr¨afte G1 , G2 und die (inneren) Schnittkr¨afte S1 , S2 ein. F¨ur beide Kisten werden unabh¨angige Koordinaten X1 und X2 gew¨ahlt, wobei diese in die zu erwartenden Bewegungsrichtungen zeigen. Das dynamische Grundgesetz lautet f¨ur die beiden K¨orper m1 X¨1 = m1 g − S1 ,
m2 X¨2 = −m2 g + S2 .
Da die Rolle masselos ist, gilt S1 = S2 = S, und wegen der Dehnstarrheit des Seiles folgt X1 = X2 = X. Wir k¨onnen dann S eliminieren und erhalten
Abb. 5.7.b. Freischnitt
¨ = X¨1 = X¨2 = m1 − m2 = 5 − 4 g = 1 g. X m1 + m2 5+4 9 Nach Integration erh¨alt man die Geschwindigkeit und schließlich die Winkelgeschwindigkeit v=
rad 1 1 m m v 3.27 gt = 9.81 · 3 = 3.27 =⇒ ω = = = 0.1308 · 10−3 . 9 9 s s R 0.025 s
5.3 Der Schwerpunktsatz f¨ur das Massenpunktsystem
165
¨ das Massenpunktsystem 5.3 Der Schwerpunktsatz fur 5.3.1 Vektorielle Formulierung des Schwerpunktsatzes Nach Summation der n Gleichungen (5.11) verschwinden wegen des Wechselwirkungsaxioms (5.10) die Summen der paarweise auftretenden inneren Kr¨afte Fij + Fji . Damit gilt n i=1
p˙ i =
n
Fi .
(5.13)
i=1
Unter Beachtung von pi = mi vi f¨ur den Impulsvektor der i-ten Masse und De¿nition (5.2) f¨ur die Schwerpunktgeschwindigkeit erh¨alt man n n n mi vi = mvS . pi = mi vi = m i=1 (5.14) m i=1
i=1
Somit folgt aus Gl.(5.13) ¨ das Massenpunktsystem: Der Schwerpunktsatz fur Formulierung mit dem Impulsvektor d 1. pS = FR , wobei dt 2. pS = mvS Impulsvektor des Schwerpunktes n Fi resultierender a¨ ußerer Kraftvektor. 3. FR =
(5.15)
i=1
F¨ur den Fall, dass jede Masse mi zeitlich unver¨anderlich ist, folgt mit Gl.(3.3) und den De¿nition (5.2) auf der linken Seite von Gl.(5.13) n n n mi v˙ i d p˙ i = (5.16) (mi vi ) = m i=1 = mv˙ S = maS . dt m i=1
i=1
Nach Einsetzen von Gl.(5.16) in Gl.(5.13) folgt somit ¨ das Massenpunktsystem: Der Schwerpunktsatz fur Formulierung mit dem Beschleunigungsvektor 1. maS = FR , wobei 2. aS = v˙ S n Fi 3. FR =
(5.17) Beschleunigungsvektor des Schwerpunktes resultierender a¨ ußerer Kraftvektor.
i=1
Bemerkungen 5.3 ¨ 1. Die Interpretation von Gl.(5.15.1) ist wie folgt: Die zeitliche Anderung des Schwerpunktimpulses ist gleich der Resultierenden aller a¨ ußeren Kr¨afte FR und hat die Richtung dieser Kraft. Diese Aussage entspricht der Aussage des 2. Newtonschen Axioms f¨ur den Massenpunkt in Abb. 3.1. Somit stimmen auch die Gleichungen (5.15) f¨ur das Massenpunktsystem formal mit den Gleichungen (3.2) f¨ur den Massenpunkt u¨ berein.
166
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
2. Eine Interpretation von Gl.(5.17.1) ist in Abb. 5.6 dargestellt und lautet: Die Schwerpunktbeschleunigung aS ist gleichgerichtet und proportional zur Resultierenden aller a¨ ußeren Kr¨afte FR . Somit stimmen die Gleichungen (5.17) f¨ur das Massenpunktsystem formal mit den Gleichungen (3.4) f¨ur den Massenpunkt u¨ berein. 3. Eine weitere Interpretation von Gl.(5.17.1) ist: Der Schwerpunkt S (genauer Massenmittelpunkt) eines Massenpunktsystems bewegt sich so, als ob die Gesamtmasse m in ihm vereinigt w¨are und die Resultierende aller a¨ ußeren Kr¨afte FR in ihm angreifen w¨urde. Damit ist nachtr¨aglich eine Begr¨undung f¨ur die Wahl des Schwerpunktes als Lastangriffspunkt der resultierenden Kraft FR in dem Ersatzmodell in Abb. 3.2 gegeben. 4. Der Beschleunigungsvektor aS und der resultierende Kraftvektor FR verlaufen in Abb. 5.6 nicht auf der gleichen Wirkungslinie. Eine ,,Verdrehung” des Massenpunktsystems kann somit allein mit dem Schwerpunktsatz nicht erfasst werden. Stattdessen m¨ussen die n Gleichungen (5.12) f¨ur alle Massenpunkte verwendet werden. F¨ur r¨aumliche Bewegungen f¨uhrt dieses auf ein System von 3n gew¨ohnlichen Differenzialgleichungen 2. Ordnung, was erhebliche mathematische Schwierigkeiten bereiten kann. In vielen F¨allen, insbesondere bei starren Massenpunktsystemen, kommt man stattdessen mit dem Momentensatz schneller zur L¨osung. Dieser wird im nachfolgenden Abschnitt eingef¨uhrt. 5. Anstatt ,,Schwerpunktsatz” ist die Bezeichnung ,,Massenmittelpunktsatz” formal richtig. Weitere Erl¨auterungen hierzu ¿nden sich in Bemerkung 5.1.1. 6. Innere Kr¨afte haben auf die Bewegung des Schwerpunktes keinen EinÀuss. F¨ur den Laptop in Abb. 5.6.b sind daher f¨ur den gew¨ahlten Freischnitt nur a¨ ußere Kr¨afte (Gewichtskr¨afte G1 , G2 , Reibungskraft R und Normalkraft N ) zu ber¨ucksichtigen. 5.3.2 Der Schwerpunktsatz in verschiedenen Koordinatensystemen Wie beim Vorgehen f¨ur den Massenpunkt werden aus der vektoriellen Darstellung (5.17) des Schwerpunktsatzes skalare Gleichungen in Koordinatenrichtungen erhalten. Aus den Gleichungen (3.8) f¨ur raumfeste kartesische Koordinaten, den Gleichungen (3.12) f¨ur Zylinderkoordinaten, den Gleichungen (3.15) f¨ur nat¨urliche Koordinaten und den Gleichungen (3.18) f¨ur mitrotierende kartesische Koordinaten ergeben sich folgende Beziehungen: ¨ das Massenpunktsystem Der Schwerpunktsatz fur in raumfesten kartesischen Koordinaten ¨ S = n FiX 1. X : mX i=1 2. Y : mY¨S = ni=1 FiY 3. Z : mZ¨S = ni=1 FiZ ¨ das Massenpunktsystem Der Schwerpunktsatz fur in Zylinderkoordinaten 1. r : m(¨ rS − rS ϕ˙ 2 ) = ni=1 Fir 2. ϕ : m(2r˙S ϕ˙ + rS ϕ) ¨ = ni=1 Fiϕ 3. z : m¨ zS = ni=1 Fiz
(5.18)
(5.19)
5.3 Der Schwerpunktsatz f¨ur das Massenpunktsystem
¨ das Massenpunktsystem Der Schwerpunktsatz fur ¨ in naturlichen Koordinaten n . 1. t : m vS = i=1 Fit 2.
n:
3.
b:
vS 2 n = i=1 Fin m ρ 0 = ni=1 Fib
¨ das Massenpunktsystem Der Schwerpunktsatz fur ¨ Kreisbewegungen in mitrotierenden kartesischen Koordinaten fur 1. x : m(−yS α − xS ω 2 ) = ni=1 Fix 2. y : m(xS α − yS ω 2 ) = ni=1 Fiy 3. z: 0 = ni=1 Fiz .
167
(5.20)
(5.21)
Die wichtigsten L¨osungsschritte zur Anwendung des Schwerpunktsatzes sind bereits in Tabelle 3.1 zusammengestellt. Dazu sei hervorgehoben, dass die Beschleunigungen in den Gleichungen (5.18) bis (5.21) auf den Schwerpunkt S zu beziehen sind.
Beispiel 5.4 Dynamische Lagerkr¨afte f¨ur Laufrad mit drei Massen F¨ur das Laufrad aus Beispiel 5.1 bestimme man f¨ur den Winkel ϕ = 0 die dynamischen Lagerkr¨afte. Gewichtskr¨afte bleiben unber¨ucksichtigt. ¨ Voruberlegung: Die Berechnung wird mit dem Schwerpunktsatz durchgef¨uhrt. Dabei beschr¨anken wir uns auf die X- und Y -Richtung des in Abb. 5.8 eingetragenen Koordinatensystems. ¨S L¨osung: Mit den Ergebnissen aus Beispiel 5.1, X 2 ¨ = 0.289 Rω und YS = 0, bestimmt man aus Gl. (5.18.1) und Gl. (5.18.2) die AuÀagerkr¨afte: X: Y :
¨ S = AX 3m1 X 3m1 Y¨S = AY
=⇒ =⇒
AX = 0.867Rω 2 m AY = 0.
Abb. 5.8. Laufrad mit drei Massen
Bemerkung: In Beispiel 5.1 wurde gezeigt, dass f¨ur gleich große Massen die Beschleunigungsterme f¨ur beliebige Winkel ϕ verschwinden. Lagerkr¨afte treten also nicht auf. Zusatzaufgabe: Veri¿zieren Sie mit den verschiedenen Koordinatensystemen in den Gleichungen (5.19) bis (5.21) die Ergebnisse f¨ur AX und AY .
168
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
5.3.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.3 Aufgabe 5.3 (SG = 2) Zwei Massen m1 und m2 sind mit einem dehnstarren Seil u¨ ber eine masselose Rolle verbunden und in eine z¨ahe Fl¨ussigkeit eingetaucht. Welche Winkelgeschwindigkeit hat die Rolle nach der Zeit t, wenn zus¨atzlich Auftriebskr¨afte FA1 = ρF gV1 , FA2 = ρF gV2 und Widerstandskr¨afte FW 1 = k1 v12 , FW 2 = k2 v22 ber¨ucksichtigt werden? Bekannt: m1 = 5 kg, m2 = 4 kg, t = 3 s, R = 25 mm, k1 = 0.3 kg/s, k2 = 0.2 kg/s, V1 = 1000 cm3 , V2 = 500 cm3 , ρF = 50 kg/m3 . Aufgabe 5.4 (SG = 2) Zwei masselose St¨abe sind wie dargestellt starr miteinander verbunden. Zus¨atzlich sind drei Massenpunkte der Masse m befestigt. Das Stabwerk wird zur Zeit t = 0 aus der Anfangslage ϕ(t = 0) = ϕ0 losgelassen und schwingt anschließend in einer Ebene im Schwerefeld der Erde. Gesucht ist die Bewegungsgleichung ϕ(t) bei Beschr¨ankung auf kleine Auslenkungen. Bekannt: m, l, g = 9.81 m/s2 . Aufgabe 5.5 (SG = 2) Das in Aufgabe 5.4 behandelte Stabwerk wird aus der Ruhelage mit dem Anfangswinkel ϕ = π/2 losgelassen. 1. Wie groß ist die maximale Winkelgeschwindigkeit? 2. Wie groß sind die zugeh¨origen Geschwindigkeiten der drei Massenpunkte? Aufgabe 5.6 (SG = 2) F¨ur welche Winkel ϕ werden die AuÀagerkr¨afte in Beispiel 5.4 maximal?
5.4 Der Momentensatz f¨ur das Massenpunktsystem
169
¨ das Massenpunktsystem 5.4 Der Momentensatz fur Wie bereits erl¨autert, k¨onnen Aufgaben zur Kinetik des Massenpunktsystems mit den n Gleichungen (5.12) gel¨ost werden. H¨au¿g kommt man jedoch einfacher mit dem Momentensatz zur L¨osung. Dazu geben wir im Folgenden zwei alternative vektorielle Darstellungen an. 5.4.1 Der Momentensatz mit dem Beschleunigungsvektor Wir w¨ahlen einen F¨uhrungspunkt F mit Ortsvektor xF , der in Abb. 5.9.a beispielhaft mit der Masse k zusammenf¨allt. Anschließend wird die i−te Gleichung in (5.11) von links vektoriell mit dem Verbindungsvektor xFi = xi − xF multipliziert. F¨ur alle Massen i = 1, ..., n folgt 1. xF1 × p˙ 1 = xF1 × (0 + F12 +... F1j + .... F1n + F1 ) 2. xF2 × p˙ 2 = xF2 × (F21 + 0 +... F2j + .... F2n + F2 ) .. . i. xFi × p˙ i = xFi × (Fi1 + Fi2 +... Fij + .... Fin + Fi ) .. . n. xFn × p˙ n = xFn × (Fn1 + Fn2 +... Fnj + .... 0
(5.22)
+ Fn ).
Durch Aufsummieren aller n Gleichungen entstehen mit dem Wechselwirkungsaxiom (5.10) f¨ur die paarweise auftretenden inneren Kr¨afte folgende Terme: xF1 × F12 + xF2 × F21 = (xF1 − xF2 ) × F12 = 0, xFi
× Fij +
xFj
× Fji =
(xFi
−
xFj ) ×
Fij = 0,
.... ....
Diese Terme verschwinden, da die Vektoren xF1 − xF2 und F12 , oder allgemeiner xFi − xFj und Fij , parallel sind, und somit nach der Rechenregel (A.6.3) deren Kreuzprodukte gleich Null sind. Somit gilt: Innere Kr¨afte m¨ussen bei der Formulierung des Momentensatzes f¨ur das Massenpunktsystem nicht ber¨ucksichtigt werden. F¨ur den Laptop im abbremsenden Zug in Abb. 5.9.b sind daher in dem Ersatzmodell nur a¨ ußere Kr¨afte, die Gewichtskr¨afte G1 , G2 , die Reibungskraft R und die Normalkraft N , ber¨ucksichtigt.
Abb. 5.9. a) Massenpunktsystem mit inneren und a¨ ußeren Kr¨aften, b) Ersatzmodell f¨ur Laptop im abbremsenden Zug mit a¨ ußeren Kr¨aften
170
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Auf den linken Seiten der Gleichungen (5.22) k¨onnen wir unter der Voraussetzung zeitlich konstanter Massen mi die zeitlichen Ableitungen der Impulsvektoren durch die Beschleunigungen gem¨aß p˙ i = mai ausdr¨ucken. Damit folgt nach Summation der n Gleichungen (5.22) n n F xi × mai = xFi × Fi . (5.23) i=1
i=1
Das Kreuzprodukt xFi × Fi ist der Momentenvektor der Kraft Fi bez¨uglich des Punktes F : (F )
Mi
= xFi × Fi .
(5.24)
Mit dieser Interpretation folgt aus Gl.(5.23) ¨ die r¨aumliche Bewegung des Massenpunktsystems: Der Momentensatz fur Formulierung mit dem Beschleunigungsvektor n 1. xFi × mi ai = M(F ) , wobei i=1
M(F ) =
2.
n
xFi × Fi
(5.25)
resultierender Momentenvektor.
i=1
5.4.2 Der Momentensatz mit dem Drehimpulsvektor 1 Wir
k¨onnen den Momentensatz (5.25.1) alternativ formulieren. Dazu ersetzen wir formal den Kraftvektor Fi in Gl.(5.24) durch den Impulsvektor pi = mi vi aus Gl.(3.2) und de¿nieren (F )
1. Di
= xFi × pi ,
2. D(F ) =
n
(F )
Di
i=1
=
n
xFi × pi .
(5.26)
i=1
(F )
Di ist der Drehimpulsvektor des Impulses pi bez¨uglich des (in Abb. 5.9.a dargestellten) (F ) Punktes F . Alternative Bezeichnungen f¨ur Di sind Drallvekor oder Momentenvektor des Impulses bez¨uglich des Punktes F . D(F ) ist der Drallvektor f¨ur das gesamte Massenpunktsystem, der formal dem Momentenvektor in Gl.(5.25.2) entspricht. Bez¨uglich des Schwerpunktes S oder eines festen Bezugspunktes 0 folgt aus Gl.(5.26.2) 1. D(0) =
n
xi × pi ,
i=1
2. D(S) =
n
xSi × pi .
(5.27)
i=1
Mit der Beziehung xi = xS + xSi sowie Gl.(5.2) und Gl.(5.15.2) f¨ur den Schwerpunkt und den Impulsvektor des Schwerpunktes folgt nach einigen Umformungen (vgl. Aufgabe 5.17) 1. D(0) = D(S) + xS × pS , 1
2. D(S) = D(0) − xS × pS .
(5.28)
Dieser Abschnitt ist nicht Voraussetzung f¨ur das Verst¨andnis der folgenden Abschnitte dieses Kapitels und der Kapitel 6, 7 und 10. Ausgehend von dem Abschnitt 9.2.3 kann auch der exzentrische Stoß in Kapitel 9 ohne Einf¨uhrung des Drehimpulsvektors behandelt werden.
5.4 Der Momentensatz f¨ur das Massenpunktsystem
171
Als n¨achstes soll eine Beziehung zwischen M(F ) und D(F ) erhalten werden. Dazu bilden (F ) wir die zeitliche Ableitung des Drallvektors Di . Mit den Beziehungen vi = x˙i = x˙ Fi +vF , vi × vi = 0 (vgl. (A.6.5)), v˙ i = ai , mi ai = Fi und Gl.(5.24) folgt f¨ur konstante Masse mi d F d (F ) Di = xi × mi vi = xFi × mi v˙ i + x˙ Fi × mi vi dt dt = xFi × mi ai + vi × mi vi − vF × mi vi (F )
= Mi
− vF × mi vi .
(F ) Mi
(5.29)
(F ) Di
und gefunden. Eine Summation u¨ ber Damit ist ein Zusammenhang zwischen alle Massenpunkte des zweiten Termes auf der rechten Seite von Gl.(5.29) liefert mit der Schwerpunktgeschwindigkeit in Gl.(5.2.2) folgenden Ausdruck: n ( ni=1 mi vi ) = vF × m vS . vF × mi vi = vF × m (5.30) m i=1
Nach Einsetzen von Gl.(5.29) in (5.25) folgt mit Gl.(5.26.2) und Gl.(5.30) schließlich ¨ die r¨aumliche Bewegung des Massenpunktsystems: Der Momentensatz fur Formulierung mit dem Drehimpulsvektor d (F ) D + vF × m vS = M(F ) , wobei 1. (5.31) dt n 2. D(F ) = xFi × pi resultierender Drehimpulsvektor 3.
M(F )
=
i=1 n i=1
xFi × Fi
resultierender Momentenvektor.
Bemerkungen 5.4 1. Die Gleichungen (5.25) und (5.31) gelten f¨ur allgemeine r¨aumliche Bewegungen und sind gleichwertig. Wir werden in diesem Kapitel die Formulierung (5.25) f¨ur ebene Bewegungen und r¨aumliche Bewegungen mit fester Drehachse verwenden und erst in nachfolgenden Kapiteln auf Formulierungen mit dem Drehimpulsvektor zur¨uckkommen. 2. Falls eine der beiden Bedingungen a) F = S: Der F¨uhrungspunkt ist gleich dem Schwerpunkt −→ vF = vS , b) F = 0: Der F¨uhrungspunkt ist fest (z.B. AuÀager) −→ vF = 0 erf¨ullt ist, dann vereinfacht sich Gl.(5.31.1) zu d (S) d (0) D = M(S) D = M(0) . 1. F = S : 2. F = 0 : (5.32) dt dt Damit gilt: Die zeitliche Ableitung des resultierenden Drehimpulsvektors eines Massenpunktsystems bez¨uglich des Schwerpunktes S oder eines festen Punktes 0 ist gleich dem resultierenden Momentenvektor der a¨ ußeren Kr¨afte bez¨uglich desselben Punktes. 3. Unter Ber¨ucksichtigung der Gleichungen (5.28) erh¨alt man nach einigen Umformungen aus den Gleichungen (5.32) f¨ur zeitlich konstante Massen mi (vgl. Aufgabe 5.17) d (S) d (0) 1. (5.33) D + xS × m aS = M(0) 2. D − xS × m aS = M(S) . dt dt
172
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
¨ das starre Massenpunktsystem in der Ebene 5.5 Der Momentensatz fur 5.5.1 Herleitung der skalaren Gleichungen Im Folgenden wird die vektorielle Gleichung (5.25.1) f¨ur die ebene Bewegung des starren Massenpunktsystems in Abb. 5.10 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten ausgewertet. Wir lassen dazu die Punktmasse mk mit dem F¨uhrungspunkt F zusammenfallen. Da die u¨ brigen Punkte i = 1, .., n, i = k den Abstand zu F nicht ver¨andern, f¨uhren sie momentan eine Kreisbewegung um F durch. Die Beschleunigung f¨ur jede Masse lautet nach Gl.(5.9.3) ai = aF + aFi .
(5.34)
Der zweite Anteil aFi , die Beschleunigung der Masse i relativ zu F , resultiert aus der momentanen Kreisbahn der Masse mi um den Punkt F in Abb. 5.10.b.
Abb. 5.10. Starres Massenpunktsystem in der Ebene: a) Vektoren xF , xF i , Fi , b) mitrotierende Basisvektoren ex , ey , zeitlich konstante Koordinaten xi , yi sowie Koef¿zienten Fix , Fiy und aF x , aF y
F¨ur die mitrotierende Vektorbasis sind die in der Bewegungsebene liegenden Basisvektoren ex , ey fest mit dem Massenpunktsystem verbunden. F¨ur Vektoren in Gl. (5.25.1) und Gl.(5.34) sowie f¨ur die Kraftvektoren Fi lauten die Basisdarstellungen: 1. 2. 3. 4.
xFi aF aFi Fi
= xi ex = aF x ex = (−yi α − xi ω 2 )ex = Fix ex
+ y i ey + aF y ey + (xi α − yi ω 2 )ey + Fiy ey
+ 0ez + 0ez + 0ez + 0ez .
(5.35)
Die Basisdarstellungen (5.35.1) und (5.35.2) k¨onnen mit den zugeh¨origen Koef¿zienten in Abb. 5.10.b anschaulich erkl¨art werden. Gl. (5.35.3) folgt aus der Anwendung von Gl.(2.42.3) auf die Punktmasse mi . Zus¨atzlich wurde hier noch das Ergebnis (5.6) ber¨ucksichtigt, so dass die Winkelgeschwindigkeit ω und die Winkelbeschleunigung α f¨ur alle Massen i gleich sind (,,kein Index i f¨ur ω und α”). (F ) F¨ur den Momentenvektor Mi = xFi × Fi in Gl. (5.25.2) erhalten wir mit den Gleichungen (5.35.1) und (5.35.4) und der Determinantenregel (A.17)
5.5 Der Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in der Ebene
ex ey ez (F ) = xFi × Fi = xi yi 0 = (xi Fiy − yi Fix ) ez = Miz ez . Fix Fiy 0
(F )
Mi
173
(5.36)
(F )
Das (polare) Moment Miz = xi Fiy − yi Fix ist aus der Statik f¨ur ebene Probleme bekannt. Zur Auswertung des Kreuzproduktes auf der linken Seite von Gl.(5.25.1) ersetzen wir in Gl.(5.36) die Koef¿zienten von Fi durch die Koef¿zienten von mi ai und erhalten xFi × mi ai = mi xi (aF y + (xi α − yi ω 2 )) − yi (aF x + (−yi α − xi ω 2 )) ez = mi (xi aF y − yi aF x ) + mi α x2i + yi2 ez . (5.37) Verwenden wir die Schwerpunktkoordinaten des Vektors xS in Gl.(5.2.1) xS =
n m i xi
m
i=1
,
yS =
n mi y i i=1
m
(5.38)
,
dann folgt mit Gl.(5.36) und Gl.(5.37) aus Gl.(5.25.1) durch Koef¿zientenvergleich =⇒
α
n n n n mi xi mi y i (F ) (x2i + yi2 )mi + m aF y − m aF x = Miz . m m +i=1 ,. +i=1 ,- . +i=1 ,- . +i=1 ,- . (F )
xS
Θz
yS
(F )
Mz
Zusammenfassend gilt somit ¨ das starre Massenpunktsystem bei ebenen Bewegungen Der Momentensatz fur 1.
(F )
αΘz
(F )
2.
Θz
3.
(F ) Mz
(F )
+ mxS aF y − myS aF x = Mz ,
=
n
=
mi (x2i + yi2 )
i=1 n
wobei (5.39)
(F )
Mz,i .
i=1
Bemerkungen 5.5 (F )
1. Die Gr¨oße Θz in Gl.(5.39.2) wird als Massentr¨agheitsmoment bez¨uglich des Punktes F bezeichnet. Da f¨ur das mitrotierende Koordinatensystem die Koordinaten xi , yi (F ) zeitlich unver¨anderlich sind, ist Θz ein zeitlich unver¨anderlicher Systemwert des starren Massenpunktsystems, der nur einmal berechnet werden muss. 2. Bei Anwendung des Momentensatzes (5.39) m¨ussen die gew¨ahlten Basisvektoren ex , (F ) ey , ey ein Rechtssystem bilden. Die Vorzeichen f¨ur die Momente Mz,i und den Verdrehungswinkel ω (,,positiv von x nach y”) sowie weiteren Termen in den Gleichungen (5.39) sind, wie beispielhaft in Abb. 5.10.b dargestellt, von den Richtungen der gew¨ahlten Basisvektoren abh¨angig.
174
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
3. Falls eine der beiden Bedingungen a) F = S: Der F¨uhrungspunkt ist gleich dem Schwerpunkt −→ xFS = 0, b) F = O: Der F¨uhrungspunkt ist fest (z.B. AuÀager) −→ aF = 0 erf¨ullt ist, dann vereinfacht sich Gl.(5.39.1) F = S oder 0 :
αΘz(F ) = Mz(F ) .
(5.40)
4. In dem dynamischen Grundgesetz ma = F ist die Masse m ein Maß f¨ur die Verschiebungstr¨agheit eines K¨orpers. Auf Grund der gleichen mathematischen Struktur in (F ) Gl.(5.40) gilt: Θz ist ein Maß f¨ur die Drehtr¨agheit des starren Massenpunktsystems. 5. Bei dem starren Massenpunktsystem in Abb. 5.11 treten (,,exzentrische”) Kr¨afte Fl , Fj in Angriffspunkten ohne Punktmasse auf. In dem Momentensatz (5.39) werden f¨ur derartige F¨alle ¿ktive Massen ml = mj = 0 angenommen. Mit diesem Ansatz k¨onnen z.B. Lagerkr¨afte f¨ur starre Massenpunktsysteme ermittelt werden. Abb. 5.11. Exzentrische Kr¨afte Fl , Fj
Beispiel 5.5 Mathematisches Pendel L¨osen Sie die Aufgabe f¨ur das mathematische Pendel in Beispiel 3.3 mit dem Momentensatz. ¨ Voruberlegung: Der Aufh¨angepunkt A ist gleichzeitig der F¨uhrungspunkt F (Mittelpunkt) der Kreisbewegung. Die Koordinaten x, y, z sind mit dem Seil k¨orperfest verbunden und somit zeitlich konstant. Da der F¨uhrungspunkt keine Beschleunigung erf¨ahrt, kann anstatt Gl.(5.39) die Bewegungsgleichung (5.40) verwendet werden. Dabei ist f¨ur die Anzahl der Massenpunkte n = 1 zu setzen. L¨osung: Nach Freischneiden der Masse von dem Seil werden die Seilkraft FS und die Gewichtskraft mg eingetragen. Bezogen auf das bewegte Koordinatensystem mit Ursprung 0 erh¨alt man mit den Koordinaten x = l, y = 0 f¨ur das Massentr¨agheitsmoment Θz(0)
2
2
2
= m(x + y ) = l m. (0)
Abb. 5.12. Mathematisches Pendel, Freischnitt und angreifende Kr¨afte
= −lmg sin ϕ folgt aus dem Momentensatz (5.40) g Θz(0) ϕ¨ = Mz(0) =⇒ l2 mϕ¨ = −lmg sin ϕ =⇒ ϕ ¨ + sin ϕ = 0. l Diese Gleichung ist identisch zur nichtlinearen Differenzialgleichung in Beispiel 3.3, so dass die weiteren Schritte wie dort angegeben durchgef¨uhrt werden k¨onnen.
Mit dem Moment Mz
5.5 Der Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in der Ebene
175
Beispiel 5.6 Kr¨afte in Radlagern eines Flugzeuges mit Shuttle Ein Flugzeug wird als ShuttleTr¨ager verwendet. In der Startphase wird es von einer Schubkraft FS angetrieben. Wie groß sind die vertikalen Kr¨afte NA , NB , die auf die Radlager wirken? Roll-, Auftriebsund Luftwiderstandskr¨afte bleiben unber¨ucksichtigt. Abb. 5.13. Flugzeug mit Shuttle beim AbÀug: Geometrie, Schubkraft FS , Kr¨afte NA , NB im Radlager
Bekannt: FS = 700 kN, Masse des Flugzeuges m1 = 250 t, Masse des Shuttles m2 = 50 t, b = 5e, c = e, d1 = 1.5e, d2 = 4e, e1 = 1.5e, e2 = e. ¨ Voruberlegungen: Als Ersatzmodell wird ein starres Massenpunktsystem mit Gewichtskr¨aften in den beiden Schwerpunkten verwendet. In den Punkten A und B der Radlager werden gem¨aß Bemerkung 3.5.5 ¿ktive Massen mA =mB = 0 angenommen, um den Schwerpunktsatz (5.18) und den Momentensatz (5.39) anwenden zu k¨onnen. Da w¨ahrend der Startphase keine Rotation erfolgt, ist die Winkelbeschleunigung α = 0, und es muss nicht zwischen raumfesten Koordinaten X, Y und mitrotierenden Koordinaten x, y unterschieden werden. L¨osung: In dem Freischnitt in Abb. 5.13.b sind alle angreifenden Kr¨afte eingetragen. Dabei wirkt in x-Richtung die Schubkraft FS . In senkrechter Richtung sind die Gewichtskr¨afte m1 g, m2 g und die auf die Radlager wirkenden Normalkr¨afte NA , NB zu ber¨ucksichtigen.
Abb. 5.13.b. Freischnitt und Kr¨afte
Mit der Wahl F = A f¨ur den F¨uhrungspunkt lauten der Schwerpunkt- und der Momentensatz x:
m¨ xS = FS
y:
m¨ y S = NA + N B − m 1 g − m 2 g = 0
ϕz :
mxS aF y − myS aF x = NB b − FS c − m1 ge1 − m2 ge2 .
Unter Verwendung der Schwerpunktkoordinaten f¨ur das Gesamtsystem d1 m1 + d2 m2 e1 m1 + e2 m2 , yS = m1 + m2 m1 + m2 und Ber¨ucksichtigung von m = m1 + m2 sowie aF x = x ¨S , aF y = y¨S = 0 erh¨alt man nach einiger Rechnung die folgenden Ergebnisse: xS =
x ¨S = 2.33 m/s2 ,
NB = 791.66 kN,
NA = 2208.34 kN.
176
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
5.5.2 L¨osungsschritte bei Verwendung des Momentensatzes In Tabelle 5.1 sind die wichtigsten Schritte zur L¨osung von Aufgaben der Dynamik f¨ur starre Systeme mit dem Momentensatz zusammengefasst. Hierbei werden in Schritt 4 außer dem (F ) (F ) (F ) Massentr¨agheitsmoment Θz weitere Gr¨oßen Θx , Θxy ,.... verwendet, die erst in nachfolgenden Abschnitten erkl¨art werden.
1. Idealisierung des realen Systems In diesem Schritt wird das der Berechnung zu Grunde gelegte mechanische System festgelegt. Mit einer Systemgrenze nach Abb. 5.6 wird das System von der Umgebung abgegrenzt. 2. Eintragen eines mitrotierenden Koordinatensystems Es wird ein mitrotierendes (k¨orperfestes) Koordinatensystem x, y,z (wie z.B. in Abb. 5.10.b f¨ur ebene Bewegungen) eingef¨uhrt, welches gemeinsam mit dem starren Massenpunktsystem um eine Achse mit F¨uhrungspunkt F rotiert. Der Abstand von F zu den u¨ brigen Massenpunkten ist dabei stets konstant. 3. Freischneiden Der betrachtete K¨orper, bzw. das im Schritt 1 durch die Systemgrenze festgelegte System, wird in einer beliebigen, repr¨asentativen Lage durch gedachte Schnitte von seinen Bindungen zu anderen K¨orpern oder AuÀagern gel¨ost. Anschließend werden die von anderen K¨orpern oder von AuÀagern zu u¨ bertragenden Kr¨afte als a¨ ußere Kr¨afte wirkend in den gedachten Schnitten eingetragen. 4. Bestimmung der Massentr¨agheitsmomente (F ) (F ) (F ) In diesem Schritt werden die Gr¨oßen Θx , Θxy ,...., Θz bestimmt. Bei deren Berechnung ist f¨ur das gew¨ahlte Koordinatensystem auf die Vorzeichenregelung zu achten. 5. Bestimmung der Momente Es werden mit den Regeln der Raumstatik die Momente bzgl. des F¨uhrungspunktes F berechnet. F¨ur das gew¨ahlte Koordinatensystem ist auf die Vorzeichenregelung zu achten. Tr¨agheitskr¨afte bleiben unber¨ucksichtigt. 6. Formulierung des Momentensatzes in Koordinatenrichtungen Mit den berechneten Massentr¨agheitsmomenten aus Schritt 4 und den Momenten aus Schritt 5 werden die Gleichungen des Momentensatzes aufgestellt. 7. Bearbeitung zus¨atzlicher Aufgabenstellungen Je nach Fragestellung werden in diesem Schritt weitere mathematische Umformungen der in Schritt 6 aufgestellten Gleichungen durchgef¨uhrt. Beispielsweise kann eine Integration der Bewegungsgleichungen unter Ber¨ucksichtigung von Anfangsbedingungen notwendig werden. Dazu k¨onnen die in Tabelle 2.1 zusammengestellten L¨osungen zu den Grundaufgaben ber¨ucksichtigt werden. Tabelle 5.1. L¨osungsschritte f¨ur Aufgaben der Kinetik mit dem Momentensatz f¨ur starre Systeme
5.5 Der Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in der Ebene
177
Beispiel 5.7 Aufprall einer Dummypuppe Eine Dummypuppe ist wie in Abb. 5.14 dargestellt in einem Autocrashversuch mit nur einem Beckengurt angeschnallt. Gesucht ist die Auftreffgeschwindigkeit vK relativ zur Fahrgeschwindigkeit, mit welcher die Stirn mit Abstand d vom Punkt A unter dem Winkel ϕ1 auf das Amaturenbrett prallt. Abb. 5.14. Aufprall einer Dummypuppe beim Crash
Hinweise: Die Dummypuppe kann als Pendelstange mit Drehpunkt in der H¨ufte (Punkt A) angesehen werden. F¨ur den Oberk¨orper und den Kopf werden die Massen im jeweiligen Schwerpunkt konzentriert. Bekannt: mK = m, mB = 5m, rK = 7/3r, rB = r, d = 5/2 r, a, ϕ1 . ¨ Voruberlegungen: Mit dem Momentensatz (5.39) werden die L¨osungsschritte in Tabelle 5.1 abgearbeitet. L¨osung: 1. Idealisierung des realen Systems: Das mechanische System besteht aus einem masselosen Stab, an den wie in Abb. 5.14.b dargestellt zwei Punktmassen angebracht sind. Gedanklich wird im Punkt A gem¨aß Bemerkung 3.5.5 eine ¿ktive Masse mA = 0 angeordnet.
Abb. 5.14.b. Freischnitt, Zerlegung der Gewichtskr¨afte und der Beschleunigung in Koordinatenrichtungen
2. Eintragen eines geeigneten Koordinatensystems: Der F¨uhrungspunkt F wird in den Drehpunkt A gelegt. Es werden mit der Dummypuppe k¨orperfest verbundene, mitrotierende Koordinaten x, y, z gew¨ahlt. Damit erh¨alt man f¨ur die Schwerpunktkoordinaten
yS = 0,
7 r6m + rm rB mB + rK mK 11 3 xS = = = r. mB + mK 6m + m 9
178
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Die Matrixdarstellungen f¨ur die Koef¿zienten des Ortsvektors im Schwerpunkt und des Beschleunigungsvektors lauten somit ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ aF x −a sin ϕ 11/9 xS xFS = ⎣ yS ⎦ = ⎣ 0 ⎦ r, aF = ⎣ aF y ⎦ = ⎣ −a cos ϕ ⎦ (A) aF z zS 0 0 3. Freischneiden: Das System wird wie in Abb. 5.14.b dargestellt freigeschnitten. Zus¨atzlich zu den AuÀagerkr¨aften Ax , Ay treten die Gewichtskr¨afte mK g und mB g auf, die in die Koordinatenrichtungen x, y zerlegt werden m¨ussen. 4. Bestimmung des Massentr¨agheitsmomentes: Mit den Koordinaten xK = 7/3 r, yK = 0 f¨ur den Kopf und xB = r, yB = 0 f¨ur den Oberk¨orper folgt 2 2 Θz(F ) = mB (x2B + yB ) + mK (x2K + yK ) 2 2 7 94 2 2 +m = 5m r + 0 r +0 = mr 2 . 3 9
5. Bestimmung der Momente: Dem Freischnitt in Abb. 5.14.b entnimmt man
7 22 (F ) Mz = rB mB g sin ϕ + rK mK g sin ϕ = r5m + rB m g sin ϕ = rmg sin ϕ. 3 3 6. Formulierung des Momentensatzes: Aus Gl. (5.39.1) folgt (F )
αΘz =⇒
α
+ mges xS aF y
− mges yS aF x
(F )
= Mz
22 94 2 11 mr + 6m r(−a cos ϕ) − 6m 0 (−a sin ϕ) = rmg sin ϕ. 9 9 3
7. Bearbeitung weiterer Fragestellungen: Eine Umformung der letzten Beziehung liefert α = ω˙ =
33 (g sin ϕ + a cos ϕ). 47r
Auf Grund der Abh¨angigkeit α = α(ϕ) kann die L¨osung dieser Differenzialgleichung z.B. mit der 5. Grundaufgabe in Tabelle 2.1 erhalten werden. Mit den Anfangsbedingungen ϕ0 = 0 und ω(t = 0) = 0 berechnet man ϕ 33 2 ω(ϕ) = ω0 + 2 α(ϕ)d ˜ ϕ˜ = 2 (g(1 − cos ϕ) + a sin ϕ). 47r ϕ0 Mit ϕ = ϕ1 ergibt sich die gesuchte Auftreffgeschwindigkeit schließlich zu 5 66 vK = dω(ϕ1 ) = r (g(1 − cos ϕ1 ) + a sin ϕ1 ). 2 47r
5.5 Der Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in der Ebene
5.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.5 Aufgabe 5.7 (SG = 1) L¨osen Sie Aufgabe 5.4 mit dem Momentensatz. Aufgabe 5.8 (SG = 2) Ein Fahrradfahrer muss zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit einem anderen Verkehrsteilnehmer stark abbremsen. Welche Bremsbeschleunigung a darf er mit der Vorderbremse ausl¨osen, damit er nicht gemeinsam mit dem Fahrrad nach vorne u¨ berkippt? Bekannt: Masse m und gemeinsamer Schwerpunkt S von Fahrrad und Fahrer. Abst¨ande b, c, h, Erdbeschleunigung g. Aufgabe 5.9 (SG = 2) Auf der LadeÀ¨ache eines LKW’s be¿ndet sich eine Kiste. Die linke untere Kante ist unverschieblich. Mit welcher maximalen Beschleunigung a darf der LKW anfahren, damit die Kiste nicht zu kippen beginnt? Bekannt: Masse der Kiste m, Abmessungen h, b, Erdbeschleunigung g. Aufgabe 5.10 (SG = 2) Der dargestellte PKW der Masse m wird auf einer horizontalen Fahrbahn beschleunigt. Es sollen die zwei F¨alle Antrieb a) u¨ ber die Vorderr¨ader und b) u¨ ber die Hinterr¨ader untersucht werden. F¨ur die Antriebskraft zwischen den R¨adern und der Fahrbahn wird dabei der Koef¿zient μH angenommen. Wie groß ist die maximale Beschleunigung in beiden F¨allen? Hinweis: Die Tr¨agheit der R¨ader infolge der Rotation wird vernachl¨assigt. Bekannt: m, b, h = b/2, μH , g.
179
180
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Aufgabe 5.11 (SG = 2) F¨ur die Auslegung einer Gondelbahn muss das Verhalten der Kabine beim Anfahrvorgang untersucht werden. Dazu soll die Gondel mit zwei Punktmassen idealisiert werden, die u¨ ber masselose St¨abe wie dargestellt im Punkt A drehbar am Tragseil befestigt sind. Das Seil ist um einen Winkel β geneigt und wird beim Anfahren der Seilbahn gleichm¨aßig mit aA beschleunigt. 1. Gesucht ist die Bewegungsgleichung der Kabine bez¨uglich des Winkels ϕ. 2. Gesucht ist der maximal auftretende Winkel ϕmax (ϕ˙ = 0) in Abh¨angigkeit von der Beschleunigung aA . Zur Vereinfachung k¨onnen kleine Winkelauslenkungen ϕ angenommen werden. Bekannt: m, d, l = 2d/3, aA , β, g. Aufgabe 5.12 (SG = 2)
Drei masselose St¨abe der L¨ange l sind wie dargestellt starr miteinander verbunden. An den Enden der St¨abe be¿nden sich Punktmassen m1 =m2 =m3 = m. Bei der Lagerung des Systems sind drei F¨alle zu unterscheiden: Im Fall a) liegt das System reibungsfrei auf einer ebenen Fl¨ache. Im Fall b) ist zus¨atzlich zu Fall a) der Schwerpunkt S gelenkig gelagert, und im Fall c) ist in Erg¨anzung zum Fall a) der untere Massenpunkt gelenkig gelagert. In allen drei F¨allen greift an der linken oberen Masse sprungartig eine Kraft F an. Wie groß ist jeweils im Augenblick des Lastangriffs die Beschleunigung des Schwerpunktes, die Winkelbeschleunigung und soweit vorhanden, die AuÀagerkraft?
5.5 Der Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in der Ebene
181
Aufgabe 5.13 (SG = 3) Ein PKW f¨ahrt mit der Beschleunigung a an, so dass die offenstehende T¨ur der Masse m zuschl¨agt. Berechnen Sie die Geschwindigkeit des Punktes C im Augenblick des T¨uranschlages. Dabei soll die T¨ur n¨aherungsweise als Punktmasse m im Schwerpunkt S behandelt werden. Bekannt: d = 1 m, m = 50 kg, a = 0.1g, g = 9.81 m/s2 .
Aufgabe 5.14 (SG = 2) F¨ur die dargestellte DummyPuppe bestimme man die Auftreffgeschwindigkeit vK relativ zur Fahrgeschwindigkeit, mit welcher die Stirn unter einem Winkel ϕ1 auf das Amaturenbrett prallt. Im Gegensatz zum Vorgehen in Beispiel 5.7 soll die Masse des Oberk¨orpers (Brustbereich und Kopf) wie dargestellt im gemeinsamen Schwerpunkt S konzentriert werden. Bekannt: Beschleunigung a w¨ahrend des Crashes. Masse des Oberk¨orpers mG = 6m, Schwerpunktabstand rB = 11/9 r, Abstand der StirnÀ¨ache d = 5/2 r, Auftreffwinkel ϕ1 , Erdbeschleunigung g.
182
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
¨ die Rotation des starren Massenpunktsystems um 5.6 Der Momentensatz fur eine feste Achse 5.6.1 Herleitung der skalaren Gleichungen Im Folgenden wird die vektorielle Gleichung (5.25.1) f¨ur die r¨aumliche Bewegung des starren Massenpunktsystems um eine feste Drehachse in Abb. 5.15 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten ausgewertet. Um die Allgemeing¨ultigkeit des Momentensatzes auszunutzen, w¨ahlen wir als F¨uhrungspunkt F eine Punktmasse mk , die nicht auf der Drehachse liegt. Da die u¨ brigen Punkte i = 1, .., n, i = k den Abstand zu F nicht ver¨andern, f¨uhren sie momentan eine Kreisbewegung um eine zur festen Drehachse parallele und somit richtungstreue momentane Achse mit F¨uhrungspunkt F durch. Die Beschleunigung f¨ur jede Masse i ist nach Gl.(5.9.3) ai = aF + aFi .
(5.41)
Der zweite Anteil aFi , die Beschleunigung der Masse i relativ zu F , resultiert aus der momentanen Kreisbahn der Masse i um die momentane Drehachse mit F¨uhrungspunkt F .
Abb. 5.15. Starres Massenpunktsystem mit fester Drehachse im Raum: a) Vektoren xF , xF i , Fi , ω, b) Draufsicht, mitrotierende Basisvektoren ex , ey , ez , zeitlich konstante Koordinaten xi , yi und xS , yS sowie Koef¿zienten Fix , Fiy und aF x , aF y
F¨ur die mitrotierende Vektorbasis zeigt der Basisvektor ez parallel zur Drehachse, und die auf ez senkrecht stehenden Basisvektoren ex , ey rotieren gemeinsam mit dem starren Massenpunktsystem um die momentane Drehachse. Damit ergeben sich f¨ur die Vektoren in Gl. (5.25.1) und Gl.(5.41) folgende Basisdarstellungen: 1. 2. 3. 4.
xFi aF aFi Fi
= xi ex = aF x ex = (−yi α − xi ω 2 )ex = Fix ex
+ y i ey + aF y ey + (xi α − yi ω 2 )ey + Fiy ey
+ zi ez + 0 ez + 0 ez + Fiz ez .
(5.42)
5.6 Der Momentensatz f¨ur die Rotation des starren Massenpunktsystems um eine feste Achse
183
Die Basisdarstellungen (5.42.1) und (5.42.2) k¨onnen mit den zugeh¨origen Koef¿zienten in Abb. 5.15.b anschaulich erkl¨art werden. Gl. (5.42.3) folgt aus der Anwendung von Gl.(2.42.3) auf die Punktmasse mi . Zus¨atzlich wurde hier noch das Ergebnis (5.6) ber¨ucksichtigt (siehe auch Bemerkung 5.2.2), so dass die Winkelgeschwindigkeit ω und die Winkelbeschleunigung α f¨ur alle Massen i gleich sind (,,kein Index i f¨ur ω und α”). (F ) F¨ur den Momentenvektor Mi = xFi × Fi in Gl. (5.25.2) erhalten wir unter Ber¨ucksichtigung der Basisdarstellungen (5.42.1) und (5.42.4) ex ey ez M(F ) = xFi × Fi = xi yi zi Fix Fiy Fiz = (yi Fiz − zi Fiy ) ex + (zi Fix − xi Fiz ) ey + (xi Fiy − yi Fix ) ez (F )
(F )
(F )
= Mix ex + Miy ey + Miz ez . (F )
(F )
(5.43)
(F )
Die (axialen) Momente Mix , Miy , Miz werden somit wie in der Raumstatik bestimmt. Zur Auswertung des Kreuzproduktes auf der linken Seite von Gl.(5.25.1) ersetzen wir in Gl.(5.43) die Koef¿zienten von Fi durch die Koef¿zienten von mi ai und erhalten xFi × mi ai = mi ( − zi (aF y + (xi α − yi ω 2 )) ) ex + mi zi (aF x + (−yi α − xi ω 2 )) ) ey 2 2 + mi xi (aF y + (xi α − yi ω )) − yi (aF x + (−yi α − xi ω ))) ez = (mi (−zi aF y ) + α(−mi xi zi ) − ω 2 (−mi yi zi )) ex + (mi (zi aF x ) + α(−m + ω 2 (−mi xi zi )) ey 2 i yi z2i) + (mi (xi aF y − yi aF x ) + α xi + yi mi ) ez .
(5.44)
Mit den Ergebnissen (5.43) und (5.44) folgt f¨ur Gl.(5.25.1) n
xFi × mai =
i=1
n
(F )
Mi
i=1
n mi (−zi aF y ) + α(−mi xi zi ) − ω 2 (−mi yi zi ) ex
=⇒
i=1
n mi (zi aF x ) + α(−mi yi zi ) + ω 2 (−mi xi zi ) ey +
+
i=1 n
(5.45)
mi (xi aF y − yi aF x ) + αmi x2i + yi2 ez
i=1
n (F ) (F ) (F ) = Mix ex + Miy ey + Miz ez . i=1
Verwenden wir die Schwerpunktkoordinaten des Vektors xS in Gl.(5.2.1) xS =
n m i xi i=1
m
,
yS =
n mi y i i=1
m
,
zS =
n mi zi i=1
m
(5.46)
184
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
und beachten nochmals die Unabh¨angigkeit der Winkelgeschwindigkeit ω und der Winkelbeschleunigung α von der Punktmasse i in dem Ergebnis (5.8), dann erhalten wir aus Gl.(5.45) durch Koef¿zientenvergleich die folgenden Beziehungen f¨ur die z-Komponente: n
αmi (x2i + yi2 ) + mi xi aF y
− mi yi aF x )
=
i=1
=⇒ =⇒
n
n
(F )
Miz
i=1
αmi (x2i + yi2 ) +
i=1 n
α
+i=1
n
−
mi xi aF y
i=1
mi (x2i + yi2 ) + m ,-
.
(F ) Θz
n
mi yi aF x
=
i=1
n m i xi
m +i=1 ,- .
aF y − m
n
(F )
Miz
i=1
n mi y i
m +i=1 ,- .
xS
aF x =
n
(F )
Miz .
+i=1 ,-
(F ) Mz
yS
.
In gleicher Weise werden die skalaren Gleichungen f¨ur die x- und y-Komponenten ausgewertet, worauf hier im Einzelnen nicht eingegangen werden soll. Aus Gl. (5.45) folgt schließlich f¨ur alle drei Koordinatenrichtungen ¨ die Rotation des starren Massenpunktsystems Der Momentensatz fur um eine feste Achse (F )
(F )
(F )
(F )
1. ϕx :
αΘxz − ω 2 Θyz − mzS aF y
2. ϕy :
αΘyz + ω 2 Θxz + mzS aF x
(F )
(F )
Θxz = −
n
(5.47)
= My
(F ) αΘz
3. ϕz : 4.
(F )
= Mx
(F ) Mz
+ mxS aF y − myS aF x = n n (F ) (F ) mi xi zi , Θyz = − mi yi zi , Θz = mi (x2i + yi2 ).
i=1
i=1
i=1
Bemerkungen 5.6 1. Falls eine der beiden Bedingungen a) F = S: Der F¨uhrungspunkt ist gleich dem Schwerpunkt −→ xFS = 0, b) F = 0: Der F¨uhrungspunkt ist fest (z.B. AuÀager) −→ aF = 0 erf¨ullt ist, dann vereinfachen sich die Gleichungen (5.47) wie folgt (F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
1. αΘxz −ω 2 Θyz = Mx , 2. αΘyz +ω 2 Θxz = My , 3. αΘz
(F )
= Mz
. (5.48)
2. Zur Bearbeitung von Aufgaben der Kinetik mit dem Momentensatz kann nach den in Tabelle 5.1 angegebenen L¨osungsschritten vorgegangen werden. (F ) (F ) 3. Man bezeichnet die in Gl.(5.47) de¿nierten Gr¨oßen Θxz , Θyz als Deviations- oder Zentrifugalmomente. Eine Veranschaulichung dieser Gr¨oßen erfolgt im anschließenden Abschnitt 5.6.2. 4. Die Ber¨ucksichtigung exzentrischer Kr¨afte, wie z.B. Lagerkr¨afte in rotierenden Systemen, gelingt, wie f¨ur den ebenen Fall in Bemerkung 5.5.5 beschrieben, durch Einf¨uhrung ¿ktiver Massenpunkte.
5.6 Der Momentensatz f¨ur die Rotation des starren Massenpunktsystems um eine feste Achse
185
Beispiel 5.8 R¨uhrwerk mit einer Punktmasse Ein R¨uhrwerk besteht wie in Abb. 5.16 dargestellt aus zwei masselosen St¨aben, die senkrecht zueinander sind. An dem Punkt C ist eine Masse m befestigt. Die AuÀager A und B erlauben eine reibungsfreie Rotation. Beim Anfahren mit konstanter Winkelbeschleunigung wird die Winkelgeschwindigkeit ωc nach der Zeit Δt erreicht. Man bestimme mit dem Momentensatz a) die dynamischen Lagerreaktionen Abb. 5.16. R¨uhrwerk mit einer Punktmasse am AuÀager B bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ωc , b) die dynamischen Lagerreaktionen am AuÀager B w¨ahrend des Anfahrens, c) das Antriebsmoment MT w¨ahrend des Anfahrens. ¨ Voruberlegungen: Es wird nach den L¨osungsschritten in Tabelle 5.1 vorgegangen. L¨osung: 1. Idealisierung des realen Systems: Das mechanische System besteht aus zwei masselosen St¨aben. An dem Stab senkrecht zur Drehachse ist wie in Abb. 5.16 dargestellt eine Punktmasse angebracht. In den Punkten A und B stellen wir uns gem¨aß Bemerkung 5.6.4 ¿ktive Massen mA = mB = 0 vor, in denen die AuÀagerkr¨afte wirken.
Abb. 5.16.b. Mechanisches System mit Freischnitt
2. Wahl des Koordinatensystems: Als Bezugspunkt und gleichzeitig festen F¨uhrungspunkt F = 0 wird der linke AuÀagerpunkt A gew¨ahlt. Das Koordinatensystem x, y, z ist k¨orperfest mit dem R¨uhrwerk verbunden. Die zeitunabh¨angigen Koordinaten des Massenpunktes C k¨onnen u¨ bersichtlich als Spaltenmatrix zusammengefasst werden: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ x d xFC = ⎣ y ⎦ = ⎣ 0 ⎦ . (A) z 2l 3. Freischneiden: An dem freigeschnittenen System in Abb. 5.16.b sind die AuÀagerkr¨afte an den Lagern A und B in die Richtungen der bewegten Koordinaten x, y, z eingetragen. Die Gewichtskraft bleibt unber¨ucksichtigt, da nur nach dynamischen AuÀagerreaktionen gefragt ist.
186
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
4. Bestimmung der Massentr¨agheitsmomente: F¨ur den Momentensatz (5.47) werden die (F ) (F ) (F ) Massentr¨agheitsmomente Θxz , Θyz , Θz ben¨otigt. Mit den Koordinaten in Gl.(A) folgt (F )
= −m d (2l) = −2dlm
(F )
= −m 0 (2l) = −0
Θxz = −mxz Θyz = −myz (F )
Θz
= m(x2 + y 2 ) = m(d2 + (0)2 ) = d2 m.
5. Bestimmung der Momente: Dem Schnittbild in Abb. 5.16.b entnimmt man (F )
Mx
(F )
= −3l By ,
My
= 3l Bx ,
(F )
Mz
= MT .
6. Formulierung des Momentensatzes: Da keine Beschleunigung von F auftritt, werden anstatt der Gleichungen (5.47) die Gleichungen (5.48) verwendet: (F )
(F )
(F )
1. ϕx : αΘxz − ω 2 Θyz = Mx =⇒ α(−2dlm) − ω 2 0 = −2 α dl m = −3l By (F ) (F ) (F ) 2. ϕy : αΘyz + ω 2 Θxz = My =⇒ α 0 + ω 2 (−2dlm) = −ω 2 2dlm = 3l Bx (B) (F ) (F ) 3. ϕz : αΘz = Mz =⇒ α(d2 m) = d2 mα = MT . 7. Bearbeitung weiterer Fragestellungen: Zur Beantwortung von Frage a) wird α = 0 gesetzt. Damit folgt mit ω = ωc aus den Gleichungen (B.1) und (B.2) By = 0,
2 Bx = − dmωc2 . 3
Zur Beantwortung von Frage b) bestimmt man zun¨achst die konstante Winkelbeschleunigung α = ωc /Δt. Aus den Gleichungen (B.1) und (B.2) erh¨alt man ωc 2 By = dm , 3 Δt
t 2 2 Bx = − dm ωc . 3 Δt
Die Beantwortung von Frage c) gelingt direkt mit Gleichung (B.3) aus Schritt 6: MT = d2 m
ωc . Δt
¨ einen idealen Rotor und Auswuchten 5.6.2 Bedingungen fur Bei technischen Konstruktionen mit Rotationen um eine feste Drehachse m¨ussen dynamische Lagerkr¨afte im Allgemeinen vermieden werden. Nach einer Beschreibung der m¨oglichen Ursachen von dynamischen Auflagerkr¨aften, geben wir in diesem Abschnitt Bedingungen f¨ur die Vermeidung derartiger Kr¨afte an. Des Weiteren beschreiben wir kurz das Auswuchten, womit dynamische AuÀagerkr¨afte an realen Systemen vermieden bzw. reduziert werden. Ursachen von dynamischen Lagerkr¨aften: Wir untersuchen das R¨uhrwerk aus Beispiel 5.8 mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ω.
5.6 Der Momentensatz f¨ur die Rotation des starren Massenpunktsystems um eine feste Achse
187
Dabei soll die Kraft im Lager B nicht mit dem Momentensatz, sondern mit der Zentrifugalkraft nach Gl.(3.42.3) berechnet werden. Bezeichnen wir in Abb. 5.17 die Koordinaten des Massenpunktes mit x, y = 0, z, dann hat die Zentrifugalkraft nach Gl.(3.42.3) den Wert ZR = mxω 2 . Die Momentenbedingung (3.41.2) f¨ur Gleichgewicht um die yAchse bez¨uglich des AuÀagers im Punkt F = Abb. 5.17. R¨uhrwerk mit Zentrifugalkraft A liefert und AuÀagerkr¨aften 2 (A) 2 (A) ω . (5.49) ω + 3lB =⇒ B = Θ Myi = 0 : ZR z +3lBx = xzm x x xz +,-. +,-. 3l (A)
MZy
(A)
−Θxz
Man erkennt, dass die Zentrifulgalkraft ZR bez¨uglich des Punktes A ein belastendes Moment (A) MZy =ZR z aufbaut. Dieses kann von der Konstruktion nur aufgenommen werden, wenn eine Lagerkraft Bx auftritt, die ein Moment 3lBx mit entgegengesetzer Drehwirkung bildet. (A)
Interpretationen des Deviationsmomentes Θxz : Wir k¨onnen die Beziehungen (5.49) auch zu Interpretationen nutzen. Aus den Termen in den geschweiften Klammern folgt: Das Devi(A) ∗(A) ∗z ationsmoment Θxz ist der negative Wert des axialen Momentes MZy = ZR ∗ = mxω 2 , ω = 1, Abstand z der Wirkungslinie vom Punkt A, • der Zentrifugalkraft ZR • bez¨uglich einer durch A verlaufenden y-Achse. (A)
Auf Grund dieser Eigenschaften wird f¨ur Θxz gelegentlich auch der Begriff Zentrifugalmo(A) ment verwendet. Das Deviationsmoment Θyz hat eine entsprechende Bedeutung. Falls die in (5.49) errechnete Kraft Bx von dem Lager B nicht aufgenommen werden kann, kommt es zu einer Verdrehung der Drehachse AB um die y-Achse. Damit gilt auch: (A) Das Deviationsmoment Θxz ist ein Maß f¨ur das Bestreben des starren Massenpunktsystems, seine Drehachse um die y-Achse zu verdrehen. Deviationsmomente und dynamische Lagerkr¨afte: Aus (5.49) folgern wir: Im Lager B tritt bei einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ω keine Kraft auf, wenn das Deviations(A) moment Θxz bez¨uglich des Punktes A verschwindet. Den allgemeinen Fall mit Winkelgeschwindigkeit ω und Winkelbeschleunigung α untersuchen wir mit dem Momentensatz (5.47): (A)
(A)
(A)
(A)
(A)
(A)
1. ϕx :
αΘxz − ω 2 Θyz = Mx
2. ϕy :
αΘyz + ω 2 Θxz = My
= −By 3l = 3Bx l.
Die zweite Gleichung liefert f¨ur α = 0 das gleiche Ergebnis f¨ur die Lagerkraft Bx wie (5.49). (A) (A) Die Momente Mx = −By 3l, My = Bx 3l und damit die Kr¨afte Bx , By sind gleich Null, falls die Terme auf den linken Seiten f¨ur beliebige Werte von ω und α verschwinden. Damit treten f¨ur das Beispiel dynamische Lagerkr¨afte im Lager B nicht auf, falls (A) (A) = Θyz = 0. Θxz
(5.50)
188
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
¨ einen ,,idealen Rotor”: Konstruktionen mit Rotation um eine feste Bedingungen fur Drehachse sollten so ausgelegt sein, dass bei beliebiger Winkelgeschwindigkeit ω und beliebiger Winkelbeschleunigung α an keinem Lager dynamische Kr¨afte auftreten. Wir verwenden daf¨ur den Begriff ,,idealen Rotor”. Die Bedingungen (5.50) allein sind daf¨ur jedoch noch nicht ausreichend. Dies erkennen wir aus dem Schwerpunktsatz, z.B. in der Formulierung (5.21). F¨ur xS = 0, yS = 0 entstehen auf den linken Seiten der Gleichungen Tr¨agheitskr¨afte, die durch Lagerkr¨afte Fix , Fiy ausgeglichen werden m¨ussen. F¨ur allgemeine F¨alle formulieren wir folgende ¨ einen ,,idealen Rotor” Bedingungen fur 1. Der Schwerpunkt des Rotors liegt auf der Drehachse. Dann verschwinden in dem Schwerpunktsatz (5.21) wegen xS = yS = 0 die Tr¨agheitskr¨afte und m¨ussen nicht durch Lagerkr¨afte ausgeglichen werden. (A) (A) 2. F¨ur die Deviationsmomente Θxz , Θyz bzgl. eines Punktes A auf der Drehachse gilt Gl.(5.50). Dann verschwinden in dem Momentensatz (5.47) die Momente der Tr¨agheitskr¨afte und m¨ussen nicht durch Momente der Lagerkr¨afte ausgeglichen werden.
(5.51)
Auswuchten: Durch Anbringen von Zusatzmassen, dem Auswuchten, kann die Wirkung von Zentrifugalkr¨aften ver¨andert oder sogar eliminiert werden. Dieses erkennen wir f¨ur das System in Abb. 5.18.a, bei dem eine zweite Masse m eine Zentrifugalkraft ZR2 hervorruft. Diese hebt die Wirkung der Kraft ZR1 auf, da sie den gleichen Wert ZR2 =ZR1 hat und entgegengesetzt gleich groß auf der Wirkungslinie von ZR1 verl¨auft. Damit bleibt eine ,,dynamische Belastung” aus und dynamische Lagerkr¨afte treten nicht auf. F¨ur den Fall, dass die zus¨atzliche Masse nicht den z-Abstand 2l vom Lager A hat, entsteht in Abb. 5.18.b ein Kr¨aftepaar der Zentrifugalkr¨afte entgegen dem Uhrzeigersinn. Zur Aufrecherhaltung des ,,dynamischen” Momentengleichgewichtes muss ein Kr¨aftepaar Bx 3l mit Drehwirkung im Uhrzeigersinn von den Lagerkr¨aften Ax = Bx aufgebaut werden. Weitere Anmerkungen zum Auswuchten ¿nden sich im nachfolgenden Abschnitt 7.2.6.
Abb. 5.18. R¨uhrwerke mit zwei Punktmassen: a) ausgewuchtetes b) nicht ausgewuchtetes System
5.6 Der Momentensatz f¨ur die Rotation des starren Massenpunktsystems um eine feste Achse
189
5.6.3 Aufgaben zu Abschnitt 5.6 Aufgabe 5.15 (SG = 2) Ein R¨uhrwerk besteht aus einem T-f¨ormigen R¨uhrarm, der auf einer Welle angebracht ist. An den Enden des R¨uhrarmes sind zwei Punktmassen der Masse m befestigt. Die Welle ist an den Stellen A und B drehbar gelagert und rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ωc . Bestimmen Sie 1. die Kr¨afte im Lager B bei einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ωc , 2. die Lagerreaktionen in B f¨ur einen Hochlaufvorgang des R¨uhrwerkes mit ω˙ = ωc /T und das dazu erforderliche Antriebsmoment MT . Bekannt: m, L, ωc , T . Aufgabe 5.16 (SG = 3) Die dargestellte unsymmetrische Nockenwelle ist in den Punkten A und B drehbar gelagert und rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω. Die Nocken d¨urfen als Punktmassen m bzw. 3m mit den Abst¨anden L bzw. 2L zur Drehachse vereinfacht werden. Bestimmen Sie 1. die Lagerreaktionen in B bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ω = ωc , 2. die Lagerreaktionen in B und das erforderliche Antriebsmoment M f¨ur einen Beschleunigungsvorgang mit ω˙ = ωc /T . Bekannt: m, L, ωc , T .
Aufgabe 5.17 (SG = 2) Leiten Sie die Gleichungen (5.28) und (5.33) her.
190
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Aufgabe 5.18 (SG = 2) Das dargestellte R¨uhrwerk rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ωc . An den Enden der beiden St¨abe sind Punktmassen M und M ∗ angebracht. 1. Bestimmen Sie die Kr¨afte in den Lagern A und B. 2. Wie k¨onnte eine Zusatzmasse angebracht werden, damit die Kr¨afte an beiden Lagern verschwinden? Bekannt: L, M, M ∗ , ωc .
Aufgabe 5.19 (SG = 2) Der dargestellte Winkelrahmen rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ωc . Bestimmen Sie 1. die Lagerkr¨afte in B, 2. das erforderliche Antriebsmoment MT f¨ur einen Hochlaufvorgang mit der Winkelbeschleunigung α = ωc /T , 3. die Stabl¨angen Lx und Ly , so dass die Lagerreaktionen in B verschwinden. Bekannt: L, m1 = m2 = m3 = m, ωc , MT .
Aufgabe 5.20 (SG = 1) Ein R¨uhrwerk besteht wie dargestellt aus zwei masselosen St¨aben. An einem Ende der St¨abe be¿ndet sich eine Punktmasse m. Die Rotation erfolgt mit der Winkelgeschwindigkeit ω. 1. Bestimmen Sie die Lagerkr¨afte im Punkt A. 2. Wie k¨onnte eine Zusatzmasse angebracht werden, damit Lagerkr¨afte nicht auftreten? Bekannt: m, l, ω, d.
5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur das Massenpunktsystem
191
¨ das Massenpunktsystem 5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz fur 5.7.1 Herleitung des Arbeitssatzes und des Energiesatzes Um die Vorteile von Arbeitsatz und Energiesatz auch f¨ur das Massenpunktsystem nutzen zu k¨onnen, werden einige wichtige Gleichungen aus Kapitel 4 auf das Massenpunktsystem erweitert. Wir betrachten dazu nochmals in Abb. 5.6.a das Massenpunktsystem mit n Massen. Auf einen repr¨asentativen Massenpunkt i wirken die a¨ ußere Kraft Fi sowie innere Kr¨afte ¨ Fi1 ,..., Fij ,..., Fin . F¨ur den Ubergang von einer Lage I in eine Lage II lautet der Arbeitssatz (4.36) f¨ur jeden Massenpunkt i 1. WiI,II = TiII − TiI , 2. WiI,II =
II
Fi +
I
3.
n
wobei
i=j=1
Fij
· dxi
(5.52)
Ti = 12 mi vi2 .
Hierbei ist Ti die kinetische Energie des i-ten Massenpunktes, und WiI,II ist die Arbeit der a¨ ußeren Kraft Fi und der inneren Kr¨afte Fij auf dem Weg von der Lage I in die Lage II. Summiert man die Terme in Gl.(5.52) u¨ ber alle Massenpunkte und trennt die Arbeit W I,II,au der a¨ ußeren Kr¨afte von der Arbeit W I,II,in der inneren Kr¨aften, so folgt ¨ das Massenpunktsystem Der Arbeitssatz fur 1. W I,II,au + W I,II,in = T II − T I , 2.
W I,II,au =
n au II
wobei
Fi · dxi
i=1 I
3.
W I,II,in =
II n in
n in
I i=1 i=j=1
4.
T =
n 1 m v2 2 i i i=1
Fij · dxi
Arbeit der a¨ ußeren Kr¨afte (5.53) Arbeit der inneren Kr¨afte kinetische Energie.
Im Gegensatz zum Schwerpunkt- und Momentensatz k¨onnen beim Arbeitssatz innere Kr¨afte im Allgemeinen also nicht vernachl¨assigt werden. Im n¨achsten Abschnitt zeigen wir, dass starre Massenpunktsysteme eine Ausnahme darstellen. In Kapitel 4 wurde die Arbeit von Potenzialkr¨aften nach Gl.(4.42) als negative Potenzialdifferenz ausgedr¨uckt. Wir unterscheiden wie in Abschnitt 4.3.4 mit den unteren Indizes P und K die Potenzialkr¨afte von den restlichen Kr¨aften (z.B. Nicht-Potenzialkr¨afte oder Kr¨afte, f¨ur die das Potenzial nicht angegeben werden kann) und mit den oberen Indizes in und au die inneren von den a¨ ußeren Kr¨aften. Damit gilt wegen Gl.(4.42) f¨ur Potenzialkr¨afte WPI,II,au = −(U II,au − U I,au ),
WPI,II,in = −(UPII,in − UPI,in ).
(5.54)
Hierbei stellen U in und U au die Potenzialfunktionen der inneren und a¨ ußeren Kr¨afte dar. Aus dem Arbeitssatz (5.53.1) folgt somit:
192
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
¨ das Massenpunktsystem (beliebiges System) Der Energiesatz fur U I,au + U I,in + T I + WRI,II,au + WRI,II,in = U II,au + U II,in + T II ,
WRI,II,au
Potenzial der a¨ ußeren Kr¨afte Potenzial der inneren Kr¨afte Arbeit der a¨ ußeren restlichen Kr¨afte
WRI,II,in T
Arbeit der inneren restlichen Kr¨afte Kinetische Energie des Massenpunktsystems.
U au U in
wobei (5.55)
Auf die formelm¨aßige Angabe der Potenzial-, Arbeits- und Energieanteile wird hier verzichtet. F¨ur Gewichts- und Federkr¨afte werden die Potenzialanteile beispielsweise mit den Gleichungen (4.40.1) und (4.40.2) bestimmt. Die Arbeitsanteile der restlichen Kr¨afte und die kinetische Energie sind den Gleichungen (5.53) zu entnehmen.
Beispiel 5.9 Gegenseitiges Abrutschen von zwei Kisten auf einer schiefen Ebene Die zwei in Abb. 5.19 dargestellten Kisten sind auf einer schiefen Ebene u¨ ber ein Seil und eine Rolle miteinander verbunden. Beide Kisten beginnen sich zu bewegen, wobei die untere Kiste nach unten und die obere Kiste nach oben rutscht. Welche Geschwindigkeit haben beide Kisten nach einer zur¨uckgelegten Wegstrecke l? Bekannt: Massen beider Kisten m1 , m2 , Neigungswinkel der Ebene β, Gleitreibungskoef¿zienten in beiden ReibÀ¨achen μ1 und μ2 . Die Rolle ist masse- und reibungsfrei, das Seil ist dehnstarr.
Abb. 5.19. Gegenseitiges Abrutschen von zwei Kisten auf einer schiefen Ebene
¨ Voruberlegungen: Die L¨osung wird mit den Schritten der Tabelle 4.1 erhalten.
5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur das Massenpunktsystem
L¨osung: 1. Idealisierung des realen Systems: Wir lassen die Abmessungen der Kisten unber¨ucksichtigt und fassen sie als Massenpunkte auf. 2. Freischneiden: Abb. 5.19.b zeigt einen Freischnitt unter Ber¨ucksichtigung der folgenden Kr¨afte: Gewichtskr¨afte m1 g, m2 g, Reaktionsk¨afte N1 , N2 , Reibungskr¨afte R1 , R2 und Seilkr¨afte S1 , S2 . 3. Bestimmung der Arbeitsanteile von Potenzialkr¨aften: – Auswahl: Als Potenzialkr¨afte treten Gewichtskr¨afte m1 g und m2 g auf. – Nullniveau festlegen: F¨ur beide K¨orper werden in Abb. 5.19 getrennte Nullniveaus N N1 und N N2 in die jeweiligen Schwerpunkte vor der Bewegung gelegt. – Bestimmung der Potenziale:
193
Abb. 5.19.b. Freischnitt und Schnittkr¨afte
U1I = 0, U1II = −m1 gl sin β U2I = 0, U2II =
m2 gl sin β.
4. Bestimmung der Arbeitsanteile von restlichen Kr¨aften: – Auswahl der Kr¨afte: Reibungskr¨afte R1 und R2 , Normalkr¨afte N1 und N2 und Seilkr¨afte S1 und S2 – Bestimmung des Arbeitsanteils f¨ur jede restliche Kraft: Als Wegkoordinaten werden die Bahnparameter s1 und s2 eingef¨uhrt. Auf Grund der Dehnstarrheit des Seiles gilt s1 = s2 = s. Die Kr¨afte N1 , N2 sind normal zu den Bahnparametern gerichtet und leisten somit keine Arbeit. Die Reibungskr¨afte in Abb. 5.19.b werden nach dem Coulombschen Gesetz bestimmt. Da die Rolle masselos ist, folgt S1 = S2 = S. (Hinweis: Wie im nachfolgenden Kapitel 6 gezeigt wird, gilt dieses auf Grund der Drehtr¨agheit nicht f¨ur starre K¨orper mit endlichen Abmessungen!) Die Arbeitsanteile f¨ur beide Kisten lauten somit l W1I,II = (−s1 R1 −s1 R2 − s1 S1 )ds = −lμ1 (m1 +m2 )g cos β −lμ2 m2 g cos β −lS 0 l W2I,II = (−s1 R2 + s2 S2 ) ds = −lμ2 m2 g cos β + lS. 0
5. Bestimmung der kinetischen Energien in zwei Lagen: Auf Grund der Dehnstarrheit des Seiles gilt s1 = s2 und somit v1 = s˙ 1 = s˙ 2 = v2 = v f¨ur die Geschwindigkeiten. Damit gilt f¨ur die kinetischen Energien beider Massen T1I = 0, T2I = 0,
T1II = 12 m1 v12 = 21 m1 v 2 T2II = 12 m2 v22 = 12 m2 v 2 .
194
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
6. Formulierung des Energiesatzes: 2 i=1
=⇒
UiI +
2 i=1
TiI +
2
WiI,II =
i=1
2
UiII +
i=1
2
TiII
i=1
0 + 0 + 0 + 0 − l μ1 (m1 + m2 )g cos β − l μ2 m2 g cos β − l S
−l μ2 m2 g cos β + l S = −m1 gl sin β + m2 gl sin β + 21 m1 v 2 + 21 m2 v 2 . 7. Bearbeitung zus¨atzlicher Aufgabenstellungen: Aus der letzten Gleichung erh¨alt man f¨ur die gesuchte Geschwindigkeit 2lg v= [m1 (sin β − μ1 cos β) − (sin β + μ1 cos β + 2μ2 cos β)m2 ]. m1 + m2
¨ das starre Massenpunktsystem 5.7.2 Der Energiesatz fur In diesem Abschnitt werden wir zeigen, dass f¨ur ein starres Massenpunktsystem die Arbeiten der inneren Kr¨afte W I,II,in in dem Arbeitssatz (5.53) nicht ber¨ucksichtigt werden m¨ussen. Dazu betrachten wir in Abb. 5.20 die beiden Massen i und k mit den zugeh¨origen inneren Kr¨aften Fik und Fki . Nach dem Wechselwirkungsaxiom gilt Fik = −Fki und somit f¨ur das Arbeitsdifferenzial beider Kr¨afte i = Fik · dxi + Fki · dxk dWik
= Fki · (dxk − dxi ).
(5.56)
Um diesen Arbeitsterm auszuwerten, formulieren wir mit Gl.(5.9.2) eine Beziehung zwischen den Geschwindigkeiten vk und vi : vk = vi + ω × xik
=⇒
d xk d xi = + ω × xik dt dt
Abb. 5.20. Innere Kr¨afte an einem starren Massenpunktsystem
=⇒
dxk − dxi = ω × xik dt.
Einsetzen dieser Beziehung in Gl.(5.56) ergibt f¨ur das Arbeitsdifferenzial der inneren Kr¨afte i = Fki · (ω × xik )dt = [Fki , ω, xik ]dt = 0. dWik
Hierbei wurde wie in Abb. 5.20 dargestellt die Parallelit¨at der Vektoren Fki und xik ausgenutzt. Mit der Rechenregel (A.8) verschwindet das Spatprodukt [Fki , ω, xik ] und somit die Arbeit der inneren Kr¨afte. Damit folgt aus den Gleichungen (5.55)
5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur das Massenpunktsystem
195
¨ das starre Massenpunktsystem (beliebiges System) Der Energiesatz fur 1.
I,II = U II + T II , wobei U I + T I + WK
I,II 2. WK =
3.
T =
4.
U
n K II
Fi · dxi
i=1 I n
1 m v2 2 i i i=1
Arbeit der a¨ ußeren restlichen Kr¨afte
(5.57)
kinetische Energie Potenzial der a¨ ußeren Kr¨afte.
Hierbei wurde auf den oberen Index au verzichtet. Das Potenzial der a¨ ußeren Kr¨afte h¨angt von der Art der jeweiligen Kraft ab und wird an dieser Stelle nicht n¨aher angegeben. F¨ur Gewichts- und Federkr¨afte werden die Potenziale mit Gl.(4.40.1) und Gl.(4.40.2) berechnet. ¨ das starre Massenpunktsystem 5.7.3 Die kinetische Energie fur Wir betrachten nochmals die ebene Bewegung eines starren Massenpunktsystems mit Drehung um einen bewegten F¨uhrungspunkt F in Abb. 5.10. Zur Anwendung des Energiesatzes (5.57) kann f¨ur derartige F¨alle die kinetische Energie f¨ur jeden Massenpunkt grunds¨atzlich nach der Formel Ti = 1/2 mi vi2 in Gl.(5.52.3) berechnet werden. F¨ur starre Massenpunktsysteme f¨uhrt i.d.R. jedoch eine Berechnung mit dem in Gl.(5.39) de¿nierten (F ) Massentr¨agheitsmoment Θz schneller zum Ziel. Mit Gl.(5.9.2) folgt f¨ur die kinetische Energie des i-ten Massenpunktes in Gl.(5.52.3) Ti = 12 mi vi2 = 12 mi vi · vi = 21 mi vF + viF · vF + viF = 12 mi vF · vF + mi vF · viF + 21 mviF · viF .
(5.58)
Zur Auswertung dieser Gleichung werden mitrotierende kartesische Basisvektoren ex , ey , ez verwendet. Mit den Basisdarstellungen 1. 2.
vF = vF x ex + vF y ey + 0 ez viF = −yi ωex + xi ωey + 0 ez
(5.59)
ergeben sich folgende Zwischenergebnisse viF · viF = ω 2 (x2i + yi2 ),
viF · vF = ωxi vF y − ωyi vF x ,
vF · vF = vF2 x + vF2 y .
F¨ur die kinetische Energie des i-ten Massenpunktes in Gl.(5.58) folgt Ti =
1 1 mi (vF2 x + vF2 y ) + mi ω (vF y xi − vF x yi ) + ω 2 mi (x2i + yi2 ). 2 2
(5.60)
Da die Geschwindigkeiten des F¨uhrungspunktes vF x , vF y und die Winkelgeschwindigkeit ω f¨ur alle Massenpunkte i gleich sind, folgt durch Summation u¨ ber alle Massenpunkte
196
T =
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems n i=1
1 Ti = 2
n
1 + ω2 2
(vF2 x
mi
i=1 n
+
vF2 y ) +
n m
i=1 mi ω (vF y xi
− vF x yi )
m
mi (x2i + yi2 )
+i=1
,-
(F )
.
Θz
1 = m(vF2 x + vF2 y ) + mωvF y 2
n
i=1 mi xi
m
n − mωvF x
i=1 mi yi
m
1 + ω 2 Θz(F ) . 2
Unter Ber¨ucksichtigung der De¿nitionen (5.46) f¨ur die Schwerpunktkoordinaten erh¨alt man ¨ das starre Massenpunktsystem in der Ebene Die kinetische Energie fur (F ) 1. T = 21 m(vF2 x + vF2 y ) + mω (vF y xS − vF x yS ) + 12 Θz ω 2 n (F ) 2. Θz = mi x2i + yi2 .
(5.61)
i=1
Bemerkungen 5.7 (F )
1. Das axiale Massentr¨agheitsmoment Θz ist aus Gl.(5.47.4) bekannt. 2. In Gl.(5.61.1) kennzeichnet der erste Summand auf der rechten Seite die Translationsenergie als Folge der Geschwindigkeiten vF x , vF y . Der zweite Summand resultiert aus der Translation und der Rotation des starren Massenpunktsystems. Der dritte Anteil ist Folge der Winkelgeschwindigkeit ω und beschreibt die Rotationsenergie. 3. Liegt der F¨uhrungspunkt F im Schwerpunkt S, dann gilt xS = yS = 0 und somit F =S:
1 1 T = m(vF2 x + vF2 y ) + Θz(S) ω 2 . 2 2
(5.62)
4. Liegt der F¨uhrungspunkt F in dem festen Punkt 0 (Beispiel AuÀager), dann folgt f¨ur die Geschwindigkeitsterme vF x =vF y =vF z = 0. Damit ist die kinetische Energie gleich der Rotationsenergie F =0:
1 T = Θz(0) ω 2 . 2
(5.63)
Ein Vergleich mit der kinetischen Energie T = 1/2 mv 2 in Gl.(4.36.3) verdeutlicht die gleiche Struktur beider Gleichungen. In beiden F¨allen tritt eine ,,Bewegungsgr¨oße” v (F ) bzw. ω und eine ,,Tr¨agheit” m bzw. Θz auf. 5. F¨ur das starre Massenpunktsystem mit fester Drehachse in Abb. 5.15 gelten ebenfalls die Gleichungen (5.61) (vgl. Aufgabe 5.27). In der Regel w¨ahlt man f¨ur derartige F¨alle den Schwerpunkt S oder einen festen Punkt 0 als F¨uhrungspunkt, so dass dann die Beziehungen (5.62) und (5.63) verwendet werden k¨onnen. Deviationsmomente werden also zur Berechnung der kinetischen Energie f¨ur die Bewegung in Abb. 5.15 nicht ben¨otigt.
5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur das Massenpunktsystem
197
Beispiel 5.10 Aufprall einer Schranke mit Gegengewicht auf einen Pfosten Eine Schranke rotiert wie skizziert um den Punkt A und f¨allt aus der senkrechten Lage (ϕ = 0) auf einen Pfosten im Punkt B. Um die Auftreffgeschwindigkeit vB im Punkt B zu reduzieren, wird am unteren Ende der Schranke ein Gegengewicht der Masse m2 angebracht. Wie groß ist vB ? Bekannt: L¨ange l und Masse m1 = m der Schranke, Abstand der Pfosten b, Masse des Gegengewichtes m2 = m/2 Hinweise: Die Masse m1 der Schranke darf n¨aherungsweise im Schwerpunkt konzentriert werden. Die Masse m2 des Gegengewichtes darf n¨aherungsweise als Massenpunkt am Ende der Schranke konzentriert werden.
Abb. 5.21. Aufprall einer Schranke auf einen Pfosten
¨ Voruberlegungen: Zur Bearbeitung der Aufgabe wird der Energiesatz (5.57) verwendet. Wir kennzeichnen mit I die senkrechte Ausgangslage und mit II die horizontale Endlage. Die Lage II legt gleichzeitig das Nullniveau N N f¨ur die Potenziale fest. Der Drehpunkt A, dessen Geschwindigkeit gleich Null ist, wird als F¨uhrungspunkt F gew¨ahlt, so dass zur Bestimmung der kinetischen Energie die einfachere Darstellung (5.63) verwendet werden kann. L¨osung: F¨ur die Potenzialanteile und die kinetischen Energien in den Lagen I und II gilt U I = m1 gl − m2 g l =
m 1 2 gl, T I = 0, U II = 0, T II = Θz(A) ωII . 2 2
Das Massentr¨agheitsmoment bezogen auf den Drehpunkt F = A ist Θz(A) = m1 l2 + m2 l2 = ml2 +
m 2 3 2 l = ml . 2 2
Mit dem Energiesatz (5.57) erh¨alt man U I + T I = U II + T II =⇒
13 2 2 m gl = ml ωII . 2 22
Die gesuchte Geschwindigkeit ergibt sich schließlich wie folgt: 2g 2g ωII = =⇒ vB = ωII b = b. 3l 3l
198
5 Kinematik und Kinetik des Massenpunktsystems
Beispiel 5.11 Kinetische Energie f¨ur R¨uhrwerk mit einer Punktmasse F¨ur das in Beispiel 5.8 untersuchte R¨uhrwerk bestimme man die kinetische Energie. L¨osung: Wir beziehen uns auf den in Abb. 5.16.b eingef¨uhrten F¨uhrungspunkt F = 0 am linken Auflagerpunkt und das mitrotierende Koordinatensystem. Wie in dem L¨osungsweg zu Beispiel 5.8 angegeben, lauten die Koordinaten des Massenpunktes in jedem Augenblick ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ x d F ⎣ ⎦ ⎣ xC = y = 0 ⎦ . z 2l Wie in Bemerkung 5.7.5 erl¨autert, bestimmt man die kinetische Energie mit Gl.(5.63), wobei das axiale Massentr¨agheitsmoment nach Gl.(5.61.2) verwendet wird (siehe auch Aufgabe 5.27): Θz(A) = m(x2 + y 2 ) = m d2
=⇒
1 1 T = Θz(A) ω 2 = md2 ω 2 . 2 2
5.7.4 Aufgaben zu Abschnitt 5.7 Aufgabe 5.21 (SG = 2) Das dargestellte Rad besteht aus drei Massen und zwei masselosen Ringen. Das Rad rollt in der Ruhelage beginnend eine schiefe Ebene hinunter. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Radschwerpunktes S nach der Strecke L? Bekannt: m1 = m2 = m3 , β, L. Aufgabe 5.22 (SG = 1) Bearbeiten Sie die Aufgabe 5.5 mit dem Energiesatz. Aufgabe 5.23 (SG = 1) Bestimmen Sie in Beispiel 5.10 die kinetische Energie T II mit Gl.(5.62) mit der Wahl F = S f¨ur den F¨uhrungspunkt. Aufgabe 5.24 (SG = 2) Welche Masse m2 muss das Gegengewicht in Beispiel 5.10 haben, damit die Auftreff1g geschwindigkeit vB = b betr¨agt? 8l Aufgabe 5.25 (SG = 1) Bestimmen Sie f¨ur den Winkelrahmen in Aufgabe 5.19 die kinetische Energie.
5.7 Der Arbeitssatz und der Energiesatz f¨ur das Massenpunktsystem
199
Aufgabe 5.26 (SG = 3) Wir untersuchen nochmals Motorrad mit Fahrer aus Aufgabe 4.26. Dabei sollen beide K¨orper als starres Massenpunktsystem mit zwei Massenpunkten vereinfacht werden. Kurz vor dem Aufprall hat das System die Schwerpunktgeschwindigkeit vS1 und rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω. Kurz nach dem Aufprall haben Motorrad und Fahrer die gemeinsame horizontale Geschwindigkeit v = 0.95 vS1 . Wie groß ist der Energieverlust durch den Aufprall? Bekannt: vS1 , ω, β, d1 , h1 , d2 = 0, h2 = 3h1 /2, m1 , m2 = 0.2m1 .
Aufgabe 5.27 (SG = 1) Zeigen Sie mit dem Ansatz (5.58), dass die Gleichungen (5.61) bis (5.63) f¨ur die kinetische Energie ebenfalls f¨ur das starre Massenpunktsystem mit fester Drehachse in Abb. 5.15 gelten. Aufgabe 5.28 (SG = 2) Zwei Massen m1 und m2 sind mit einem dehnstarren Seil u¨ ber eine masselose Rolle und zus¨atzlich jeweils mit einer Feder verbunden. Welche Winkelgeschwindigkeit hat die Rolle, wenn die Kisten aus der Ruhelage heraus unter Einwirkung der Erdbeschleunigung eine Strecke h zur¨ucklegen? Bekannt: m1 = 5 kg, m2 = 4 kg, R = 25 mm, K1 = 100 N/m, K2 = 200 N/m, h = 5 mm.
In den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen vieler Automobilhersteller werden Crashversuche mit DummyPuppen durchgef¨uhrt, um die vorhandenen Sicherheitskonzepte veri¿zieren und verbessern zu k¨onnen. Die dabei auftretenden Bewegungen sind im Allgemeinen sehr komplex. Mit vereinfachten Betrachtungen in der Ebene k¨onnen jedoch zumindest f¨ur Teilbewegungen grundlegende Erkenntnisse gewonnen werden.
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Das vorliegende Kapitel behandelt die Kinematik und Kinetik des starren K¨orpers f¨ur Bewegungen in der Ebene. Dazu fassen wir den K¨orper als starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Massenpunkten auf und k¨onnen somit die Herleitungen aus Kapitel 5 u¨ bertragen.
6.1 Der starre K¨orper Wir betrachten in Abb. 6.1.a einen K¨orper der Gesamtmasse m. In Abb. 6.1.b wird dieser in n Elemente mit den Massen mi , i = 1, ..., n zerlegt, so dass n
mi = m.
(6.1)
i=1
Wir denken uns die zu jedem Element geh¨orige Masse mi in einem Punkt konzentriert und fordern, dass die Massenpunkte starr miteinander verbunden sind. Damit entsteht ein starres Massenpunktsystem als Ersatzsystem f¨ur den starren K¨orper, bei dem nach Gl.(5.4) der Abstand |xi −xk | zwischen zwei Massen mi und mk erhalten bleibt. Die dynamischen Eigenschaften des starren K¨orpers werden umso besser erfasst, je feiner die Aufteilung ist. Damit die Gesamtmasse in Gl.(6.1) erhalten bleibt, werden die Teilmassen mi mit zunehmender Anzahl der Elemente n kleiner. F¨ur den Grenzfall mit unendlich vielen Massenpunkten formulieren wir die folgende
Abb. 6.1. Zur De¿nition des starren K¨orpers: a) Starrer K¨orper mit Verbindungsvektor xQ P = xP −xQ , b) starres Massenpunktsystem als Ersatzsystem mit Verbindungsvektor xki = xi − xk
202
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Definition starrer K¨orper Der starre K¨orper ist ein starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Massenpunkten und der Masse n mi = dm = m. lim n→∞
(6.2)
m
mi →0 i=1
F¨ur den starren K¨orper in Abb. 6.1.a bleibt somit der Abstand |xP − xQ | zwischen zwei Massendifferenzialen dmP und dmQ erhalten. Wir k¨onnen die Gleichung in De¿nition (6.2) erweitern, um auch andere physikalische Gr¨oßen, wie z.B. den Schwerpunktvektor oder den Gesamtimpulsvektor, f¨ur den starren K¨orper einzuf¨uhren. Zu diesem Zweck werden die f¨ur das Massenpunktsystem durch Summen de¿nierten Gr¨oßen durch entsprechende Grenzwerte dieser Summen - also Integrale - ersetzt. Dazu werden wir in den nachfolgenden Abschnitten und Kapiteln von der Rechenregel n b m = b dm (6.3) lim i i n→∞ mi →0 i=1
m
Gebrauch machen, wobei b eine skalar- oder vektorwertige Gr¨oße repr¨asentiert. Mit der Wahl b = 1 folgt beispielsweise aus Gl.(6.3) gerade die Masse m in De¿nition (6.2).
6.2 Die ebene Bewegung, Translation und Rotation Einen Sonderfall der r¨aumlichen Bewegung des starren K¨orpers ber¨ucksichtigen wir mit der Definition ebene Bewegung eines starren K¨orpers 1. Es existiert eine Ebene, die Bewegungsebene, mit der Eigenschaft, dass senkrecht zu ihr alle Bewegungen verschwinden. 2. In allen zur Bewegungsebene parallelen Ebenen sind die Bewegungen gleich.
(6.4)
In Abb. 6.2.a wird diese De¿nition f¨ur einen K¨orper veranschaulicht, der sich um eine bewegte, richtungstreue Achse dreht. Dabei verschwinden f¨ur alle Punkte der Ebene E1 die vertikalen Geschwindigkeiten, d.h. vZ = 0, w¨ahrend f¨ur die Geschwindigkeiten parallel zur X, Y -Ebene im Allgemeinen vX = 0 und vY = 0 gilt. Da der K¨orper starr ist, erfahren die Ebenen E1 und E2 gleiche Bewegungen. Ein weiteres Beispiel f¨ur eine ebene Bewegung ist in Abb. 6.2.b die Rollbewegung eines Rades als Folge der geradlinigen Bewegung eines PKWs. In der Kurvenfahrt ist die Bewegung des Rades also nicht mehr eben. Weitere Sonderf¨alle der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper ber¨ucksichtigen wir mit den Definitionen 1. Translation: Alle Punkte des K¨orpers erfahren die gleiche Geschwindigkeit. (6.5) 2. Rotation um eine feste Achse: Alle Punkte des K¨orpers rotieren mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit um eine feste Drehachse.
6.2 Die ebene Bewegung, Translation und Rotation
203
Abb. 6.2. Ebene Bewegungen eines starren K¨orpers: a) Zur De¿nition der Bewegungsebene. b) Das Rad f¨uhrt bei geradliniger Bewegung des PKWs eine Bewegung in der Ebene durch.
In Abb. 6.3 sind die Begriffe ebene Bewegung, Translation und Rotation f¨ur einen Motorzylinder veranschaulicht. Im Betrieb des Motors erf¨ahrt der Kolben infolge der Auf- und Abw¨artsbewegung eine Translation, die Kurbelwelle beschreibt eine Rotation um eine feste Achse, und das Pleuel f¨uhrt eine ebene Bewegung durch.
Abb. 6.3. Translation, Rotation und ebene Bewegung in einem Zylinder
Weitere Beispiele f¨ur die Translation eines K¨orpers in der Ebene sind in Abb. 6.4.a −→
dargestellt. Dabei erfahren z.B. alle auf dem K¨orper eingepr¨agten Verbindungslinien P Q oder k¨orperfeste Koordinatensysteme eine Parallelverschiebung, d.h., k¨orperfeste Verbindungslinien werden zu keinem Zeitpunkt verdreht. In Abb. 6.4.a wird zus¨atzlich die geradlinige Translation von der gekr¨ummten Translation unterschieden, d.h., Translation ist nicht
204
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Abb. 6.4. Ebene Bewegungen eines starren K¨orpers: a) Translation auf geradliniger und gekr¨ummter Bahn, b) Rotation um eine feste Achse, c) allgemeine Bewegung mit Translation und Rotation
nur eine geradlinige Bewegung. Außerdem gilt: Da alle Punkte des starren K¨orpers bei der Translation momentan die gleiche Geschwindigkeit, und somit auch die gleiche Beschleunigung, erfahren, wird sein Bewegungszustand durch den Bewegungszustand eines repr¨asentativen Punktes (z.B. des Punktes P in Abb. 6.4.a) beschrieben. In Abb. 6.4.b sind zwei Beispiele f¨ur eine Rotation um eine feste Achse dargestellt. Dabei −→
erfahren die eingepr¨agte Verbindungslinie P Q und das k¨orperfeste Koordinatensystem jeweils eine Rotation um den Punkt F . Im n¨achsten Abschnitt zeigen wir, dass bei der allgemeinen Bewegung starrer K¨orper in der Ebene, wie z.B. in Abb. 6.4.c, der momentane ¨ Geschwindigkeitszustand durch Uberlagerung von Translation und Rotation darstellbar ist.
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
205
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper 6.3.1 Translation und Rotation Wir kennzeichnen mit F in Abb. 6.5 einen F¨uhrungspunkt und mit P einen beliebigen Punkt eines starren K¨orpers in der ebenen Bewegung. Es werden k¨orperfeste Basisvektoren ex , ey , ez gew¨ahlt, wobei ez senkrecht zur Bewegungsebene gerichtet ist. Mit den relativen Koordinaten xFP , yPF gilt wie in Gl.(2.46) und Gl.(2.47) f¨ur den Ortsvektor von P 1. xP = xF + xFP ,
2. xFP = xFP ex + yPF ey + 0ez .
(6.6)
Abb. 6.5. Ebene Bewegung eines K¨orpers: a) Vektoren zur Kinematik, b) zugeh¨orgige Koef¿zienten
Da die ebene Bewegung in Abb. 6.5 ein Sonderfall der Bewegung um eine bewegte, richtungstreue Drehachse in Abb. 2.30 ist, folgt aus den Gleichungen (2.50) und (2.51): ¨ die Bewegung in der Ebene Der Geschwindigkeitsvektor fur vF + vPF 1. vP = 2. vF = vF x ex + vF y ey + 0ez 3. vPF = −yPF ωex + xFP ωey + 0ez .
(6.7)
¨ die Bewegung in der Ebene Der Beschleunigungsvektor fur aF + aFP 1. aP = 2. aF = aF x ex + aF y ey + 0ez 3. aFP = (−yPF α − xFP ω 2 )ex + (xFP α − yPF ω 2 )ey + 0ez .
(6.8)
F¨ur ω = 0 folgt aus (6.7) f¨ur jeden Punkt P des K¨orpers vP = vF , so dass der Sonderfall der Translation nach De¿nition (6.5.1) vorliegt. F¨ur vF = 0 erh¨alt man aus (6.7) eine Rotation um den festen Punkt F mit der Winkelgeschwindigkeit ω, so dass der Sonderfall nach De¿nition (6.5.2) vorliegt. Die Beschleunigung in (6.8) besteht dann wegen aF = 0 aus zwei Anteilen: 1. 2. 3.
aP = aFP = at + an at = −yPF α ex + xFP α ey + 0ez an =
−xFP ω 2
ex −
yPF ω 2
ey + 0ez .
(6.9)
206
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Die Vektoren v = vPF , at und an sind in Abb. 6.6.a und Abb. 6.6.b dargestellt. Der Vektor v ist wegen xFP · v = 0 stets senkrecht zum Vektor xFP und somit tangential zur Kreisbahn gerichtet. Dieses gilt auch f¨ur den Vektor at , w¨ahrend an zum Drehmittelpunkt F = 0 zeigt. F Mit der L¨ange |xP | = x2 + y 2 = r des Ortsvektors xFP ergeben sich, ohne Verwendung der Indizes P und F , f¨ur die relativen Koordinaten x, y, folgende Betr¨age f¨ur diese drei Vektoren: 1. v = |v| = (−ωy)2 + (ωx)2 = rω (6.10) 2. a = |a | = (−αy)2 + (αx)2 = rα t
t
3. an = |an | = ω 2 |xFP |
= rω 2 .
Alle Gr¨oßen sind in Abb. 6.6.c dargestellt. Man beachte, dass die Werte f¨ur v, at , an in den Gleichungen (6.10) Absolutwerte sind. Die Richtungen ergeben sich wie in Abb. 6.6.c veranschaulicht aus den Drehrichtungen f¨ur ω und α.
Abb. 6.6. Rotation eines starren K¨orpers in der Ebene um eine feste Achse: a) Geschwindigkeitsvektor v, b) Beschleunigungsvektoren at , an und a0P , c) Betr¨age von Geschwindigkeit und Beschleunigungen
Beispiel 6.1 Gelenkig verbundenes Stabwerksystem Zwei St¨abe der L¨ange L sind wie dargestellt gelenkig miteinander verbunden. In der momentanen Lage mit dem Winkel ϕ hat der untere Stab eine gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Winkelgeschwindigkeit ω1 . Gesucht sind a) die Geschwindigkeit des Punktes B, b) die Winkelgeschwindigkeit ω2 des Stabes 2 und die Geschwindigkeit vC des Punktes C. Bekannt: L, ω1 , ϕ = 30o . Abb. 6.7. Gelenkig verbundene St¨abe
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
207
¨ Voruberlegungen: Beide Aufgabenteile a) und b) werden mit den Gleichungen (6.7) behandelt. Dazu werden in Abb. 6.7.b Basisvektoren ex , ey eingef¨uhrt, die wir uns f¨ur beide St¨abe momentan als k¨orperfest vorstellen (vgl. auch Bemerkung 2.5). Im Aufgabenteil b) muss als kinematische Zwangsbedingung noch ber¨ucksichtigt werden, dass der Punkt C lediglich eine vertikale Verschiebungsm¨oglichkeit besitzt. L¨osungen: a) Wir beziehen uns auf die Basisvektoren ex , ey in Abb. 6.7.b. Die Koordinaten des Punktes B relativ zu A lauten √ 3 A o xB = −L cos 30 = −L , 2 √ 1 A yB . = L sin 30o = L 2 Mit vA = 0 folgt aus Gl.(6.7) die Geschwindigkeit des Punktes B √ 3 1 A vB = vB = −Lω1 ex − Lω1 ey . 2 2 b) Die Koordinaten des Punktes C relativ zu B lauten xB C
Abb. 6.7.b. Basisvektoren ex , ey und Geschwindigkeitsvektoren vB , vC
√ 3 , = L cos 30 = L 2 o
1 B yC = L sin 30o = L . 2
Aus Gl.(6.7) folgt f¨ur den Geschwindigkeitsvektor des Punktes C √ √ 3 3 1 1 B vC = vB + vC ey − Lω2 ex + Lω2 ey = −Lω1 ex − Lω1 2 2√ 2 2 3 1 = −(ω1 + ω2 )L ex − (ω1 − ω2 )L ey = vCx ex + vCy ey . 2 2 Da der Punkt C horizontal unverschieblich ist, muss der Koef¿zient vCx verschwinden: vCx = 0 :
=⇒
ω2 = −ω1 .
Das Minuszeichen gibt an, dass die Rotation des Stabes 2 der Rotation von Stab 1 entgegengesetzt ist. F¨ur die vertikale Geschwindigkeit des Punktes C folgt somit √ √ 3 = −ω1 L 3. vCy = −(ω1 − ω2 )L 2 Das Minuszeichen gibt an, dass die Verschiebung des Punktes C nach unten erfolgt.
208
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Beispiel 6.2 Zwei Uhren mit verschiedenen Aufh¨angepunkten Zwei Uhren sind an verschiedenen Punkten aufgeh¨angt. Infolge einer Ersch¨utterung erfahren sie eine Winkelgeschwindigkeit ω und eine Winkelbeschleunigung α. Gesucht sind f¨ur beide F¨alle Betr¨age und Richtungen der Geschwindigkeiten und der Beschleunigungen der Punkte P6 und P9 .
Abb. 6.8. Zwei Uhren mit verschiedenen Aufh¨angepunkten
¨ Voruberlegungen: In beiden F¨alle erfolgt eine Rotation um einen festen Punkt, so dass die Betr¨age f¨ur Geschwindigkeit und Beschleunigung einzelner Punkte mit den Gleichungen ¨ (6.10) bestimmt werden k¨onnen. Die Richtungen werden mit anschaulichen Uberlegungen gem¨aß der Darstellung in Abb. 6.6.c erkannt. L¨osungen: a) Aus den Gleichungen (6.10) folgt P6 : r6 = 2R =⇒ v6 = 2Rω, an6 = 2Rω 2 at6 = 2Rα, √ √ 2Rω, P9 : r9 = √2R =⇒ v9 = √ an9 = 2Rω 2 . at9 = 2Rα, Die Richtungen sind in Abb. 6.8.b eingetragen.
Abb. 6.8.b. Geschwindigkeiten und Beschleunigungen im Fall a)
b) Mit den Gleichungen (6.10) folgt P6 :
r6 = 3R/2 =⇒ at6 = 3(R/2)α, √ P9 : r9 = R √ 5/2 =⇒ at9 = R( 5/2)α,
v6 = 3(R/2)ω, an6 = 3(R/2)ω 2 √ v9 = R( √ 5/2)ω, an9 = R( 5/2)ω 2 .
Die Richtungen sind in Abb. 6.8.c eingetragen. Abb. 6.8.c. Geschwindigkeiten und Beschleunigungen im Fall b)
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
209
6.3.2 Rollen und Gleiten Zwei Sonderf¨alle von ebenen Bewegungen starrer K¨orper sind das Rollen und das Gleiten eines starren Rades auf starrem Untergrund in Abb. 6.9. Beim Rollen tritt w¨ahrend der Bewegung kein Schlupf zwischen Rad und Untergrund im Ber¨uhrpunkt B auf. Damit gilt die Rollbedingung:
vB = 0.
(6.11)
Abb. 6.9. Starres Rad auf starrem Untergrund: a) Rollen und b) Gleiten
Bemerkungen 6.1 1. Bei der Wahl des F¨uhrungspunktes f¨ur reines Rollen legt man diesen zweckm¨aßig in den Ber¨uhrpunkt B. Dann gilt wegen Gl.(6.11) vF = vB = 0, und die Geschwindigkeit v eines beliebigen Punktes des Rades verh¨alt sich nach Gl.(6.7.3). Damit ist auch Gl.(6.10.1) momentan g¨ultig, so dass bei bekannter Winkelgeschwindigkeit ω f¨ur die Geschwindigkeit eines beliebigen Punktes P des K¨orpers vP = rPB ω gilt. 2. Aus der Rollbedingung (6.11) l¨asst sich im Allgemeinen keine Bedingung f¨ur die Beschleunigung des Ber¨uhrpunktes B ableiten, d.h. im Allgemeinen gilt aB = 0. Somit sind die Gleichungen f¨ur die Beschleunigungen (6.10.2) und (6.10.3) nicht anwendbar. 3. Beim Gleiten des Rades in Abb. 6.9.b tritt ein Schlupf zwischen dem Ber¨uhrpunkt B und dem Untergrund auf. Damit ist vB = 0, so dass die Geschwindigkeit eines beliebigen Punktes P nicht wie in Bemerkung 6.1.1 angegeben berechnet werden kann. Beispiel 6.3 Fahrrad mit konstanter Geschwindigkeit Ein Fahrrad f¨ahrt mit der Geschwindigkeit v0 . Welcher der Punkte A, B, C, D hat die betragsm¨aßig gr¨oßte Geschwindigkeit? Bekannt: R, v0 . ¨ Voruberlegungen: Mit der Annahme f¨ur reines Rollen folgt f¨ur den Punkt A aus Gl.(6.11) vA = 0. Wie in Bemerkung 6.1.1 erl¨autert, kann mit Gl.(6.10.1) die Geschwindigkeit beliebiger Punkte eines Rades berechnet werden. Dazu muss vorher die Winkelgeschwindigkeit ω bestimmt werden.
Abb. 6.10. Fahrrad mit konstanter Geschwindigkeit
210
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Die Bestimmung der Winkelgeschwindigkeit des Rades gelingt mit Gl.(6.10.1), wobei wir die Kenntnis der Schwerpunktgeschwindigkeit des Rades vS = v0 ausnutzen. L¨osung: Aus Gl.(6.10.1) folgt vS = v0 = ωlR =⇒ ω =
v0 . R
F¨ur die Geschwindigkeiten der Punkte B, C, D erh¨alt man mit Gl.(6.10.1) √ √ vB = 2Rω = 2v0 vC = 2Rω = 2v0 √ √ vD = 2Rω = 2v0 .
Abb. 6.10.b. Punktgeschwindigkeiten
Damit hat der Punkt C die betragsm¨aßig gr¨oßte Geschwindigkeit. Beispiel 6.4 Kugellager mit zwei Wellen Zwei Wellen mit den Radien R1 und R2 haben die Winkelgeschwindigkeiten ω1 und ω2 entgegen bzw. in dem Uhrzeigersinn. Gesucht ist die Winkelgeschwindigkeit ω3 der Kugel 3 f¨ur reines Rollen in der KontaktÀ¨ache. ¨ Voruberlegungen: Die Kontaktpunkte der beiden Wellen f¨uhren je eine Kreisbewegung um den Punkt A durch, so dass deren Geschwindigkeiten mit Gl.(6.10.1) bestimmt werden k¨onnen. F¨ur reines Rollen treten beide Geschwindigkeiten auch an den Ber¨uhrpunkten 1 und 2 der Kugel 3 in Abb. 6.11.b auf. Mit dieser Kenntnis kann die Winkelgeschwindigkeit von Kugel 3 nach Gl.(6.7) berechnet werden. L¨osung: Mit Gl.(6.10.1) gilt f¨ur die Punkte 1 und 2 v1 = −R1 ω1 ,
Abb. 6.11. Kugellager mit zwei Wellen
v2 = R2 ω2 .
Hierbei ist ber¨ucksichtigt, dass f¨ur einen positiven Wert von ω1 die Richtung f¨ur v1 entgegengesetzt zum Basisvektor ex ist. Nach Gl.(6.7) lautet der Zusammenhang zwischen v1 und v2 in Richtung von ex v2 = v1 + v21 = v1 − y21 ω3 , wobei wir f¨ur ω3 einen positiven Drehsinn (,,von x nach y”) annehmen. Mit y21 = R2 − R1 folgt somit ω3 =
v1 − v2 −(R1 ω1 + R2 ω2 ) = . R2 − R1 R2 − R1
Abb. 6.11.b: Basisvektoren und Geschwindigkeiten
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
211
6.3.3 Der momentane Geschwindigkeitspol Grunds¨atzlich k¨onnen die Geschwindigkeiten starrer K¨orper f¨ur Bewegungen in der Ebene mit den Basisdarstellungen (6.7) analytisch untersucht werden. Wie wir im Folgenden zeigen werden, kommt man f¨ur praktische Berechungen jedoch h¨au¿g mit einem grafo-analytischen Verfahren unter Verwendung des momentanen Geschwindigkeitspols einfacher zum Ziel. Wir wenden die Gleichungen (6.7) auf zwei Punkte F und P in Abb. 6.12 an und erhalten vP = vF + vPF = vP x ex + vP y ey = vF x ex + vF y ey − yPF ωex + xFP ωey .
(6.12)
Mit den Koordinaten von P relativ zu F , xFP = xP − xF , yPF = yP − yF , ergeben sich folgende Koef¿zienten des Geschwindigkeitsvektors vP in Gl.(6.12): 1. vP x = vF x − ω(yP − yF ),
2. vP y = vF y + ω(xP − xF ).
(6.13)
Wir gehen jetzt der Frage nach, ob es einen Punkt G mit Koordinaten xG , yG gibt, f¨ur den die Geschwindigkeit momentan zu Null wird. Dazu ersetzen wir in (6.13) die Gr¨oßen f¨ur P durch Gr¨oßen f¨ur G, fordern f¨ur die Geschwindigkeiten vGx = vGy = 0 und l¨osen nach den gesuchten Koordinaten auf. Man erh¨alt: vF y ω vF x yG = yF + . ω
xG = xF −
(6.14) Abb. 6.12. Geschwindigkeitszustand und Geschwindigkeitspol G bei der ebenen Bewegung eines starren K¨orpers
Der Punkt G wird als momentaner Geschwindigkeitspol (oder kurz: Geschwindigkeitspol, Momentanpol oder Pol) bezeichnet. F¨ur ω = 0 k¨onnen dessen Koordinaten xG , yG mit den Gleichungen (6.14) eindeutig bestimmt werden. Wie in Abb. 6.12 dargestellt, kann G auch außerhalb des K¨orpers liegen. Wir w¨ahlen jetzt G als F¨uhrungspunkt. Mit den Koordinaten xG , yG der Gleichungen (6.14) folgt aus den Gleichungen (6.13) f¨ur die Geschwindigkeiten des Punktes P vP x = −ω (yP − yG ),
vP y = ω (xP − xG ).
(6.15)
Diese skalaren Gleichungen beschreiben die Rotation des Punktes P um den Punkt G. Wie in Abb. 6.12 dargestellt, gilt somit die 1. Darstellung der ebenen Bewegung Der momentane Geschwindigkeitszustand des starren K¨orpers in der Ebene ist die Rotation um den Geschwindigkeitspol G.
(6.16)
212
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Diese Eigenschaft ist auch in Abb. 6.13.a veranschaulicht. Zus¨atzlich wollen wir in Abb. 6.13 die vektorielle Beziehung vP = vF + vPF nach Gl.(6.12) interpretieren: Dazu beziehen wir uns auf ein Koordinatensystem mit der x-Achse parallel zur Verbindungslinie F P . Mit dem Abstand rPF der Punkte P und F folgt aus Gl.(6.13.2) die skalare Beziehung (6.17)
vP = vF + ω rPF . Wie in Abb. 6.13.b und Abb. 6.13.c erkennbar, gilt somit die 2. Darstellung der ebenen Bewegung: Der momentane Geschwindigkeitszustand des Punktes P eines starren K¨orpers ¨ in der Ebene ist die Uberlagerung der Translationsgeschwindigkeit vF eines F¨uhrungspunktes F mit der Rotationsgeschwindigkeit ωrPF um den F¨uhrungspunkt F .
Gesamte Geschwindigkeit = Rotation um G =
Translation von F
+
(6.18)
Rotation um F
Abb. 6.13. Zwei Darstellungen des Geschwindigkeitszustandes f¨ur einen K¨orper in der ebenen Bewegung
6.3.4 Regeln zur Bestimmung von Geschwindigkeiten und des Geschwindigkeitspols Ist der Geschwindigkeitspol G bekannt, so kann nach der 1.Darstellung (6.16) mit Kenntnis der Winkelgeschwindigkeit die Geschwindigkeit einzelner Punkte angegeben werden. Zur L¨osung von Aufgaben mit einem grafo-analytischen Verfahren werden im Folgenden einige Regeln zusammengefasst. H¨au¿g ist der Geschwindigkeitspol G jedoch nicht sofort bekannt und muss vorher ermittelt werden. Zu dessen Bestimmung werden daher im Folgenden ebenfalls die wichtigsten Regeln zusammengefasst. Bevor wir die Regeln aufstellen, beweisen wir folgende Beziehungen f¨ur die Geschwindigkeiten von zwei Punkten P und Q: vP y xP − xG =− , 2. vP = ωrPG 1. tan β = vP x yP − yG (6.19) rG vP 3. = PG , 4. vP Q = vQP . vQ rQ
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
213
G die Abst¨ande der Punkte G und P bzw. G und Q, die mit den KoordiDabei sind rPG und rQ naten (xG , yG ), (xP , yP ), (xQ , yQ ) der Punkte G, P, Q berechnet werden k¨onnen
1/2 1. rPG = (xP − xG )2 + (yP − yG )2 G = (x − x )2 + (y − y )2 1/2 . 2. rQ Q Q G G Wir wenden uns jetzt dem Beweis der Gleichungen (6.19) zu: Gl.(6.19.1) erh¨alt man durch Quotientenbildung der in Abb. 6.12 dargestellten und in den Gleichungen (6.15) angegebenen Geschwindigkeiten vy und vx . Auf Grund der Eigenschaft (6.16) k¨onnen wir G als momentanen Drehpunkt auffassen, so dass Gl.(6.19.2) direkt aus Gl.(6.10.1) folgt. Zur Herleitung von Gl.(6.19.3) wird Gl.(6.19.2) auf die Punkte P und Q gem¨aß vP = ωrPG und G angewendet. Das Ergebnis vQ = ωrQ folgt dann durch Quotientenbildung.
(6.20)
Abb. 6.14. Zur Abh¨angigkeit der gegenseitigen Geschwindigkeiten zweier Punkte
In Gl.(6.19.4) sind vP Q und vQP wie in Abb. 6.14 dargestellt die Geschwindigkeiten der Punkte P und Q in Richtung der Verbindungsgeraden. Die Gleichheit folgt aus der Starrheit des K¨orpers. ¨ Aus den bisherigen Uberlegungen k¨onnen die folgenden Regeln zur Bestimmung der Geschwindigkeiten von Punkten eines starren K¨orpers zusammengefasst werden: Regeln A: Gegeben ist der Geschwindigkeitspol G, gesucht sind Geschwindigkeiten A1 Die Richtung der Geschwindigkeit vp des Punktes P steht senkrecht auf der Verbindungsgeraden der Punkte G und P . A2 Der Betrag der Geschwindigkeit vP ist proportional zum Abstand rPG der Punkte P und G. (6.21) A3 Die Geschwindigkeiten vP und vQ zweier Punkte P und Q sind nicht unabh¨angig voneinander, sondern stehen im Verh¨altnis ihrer Abst¨ande rPG und G zum Geschwindigkeitspol zueinander. rQ A4 Die Geschwindigkeitsanteile vP Q und vQP von zwei Punkten P und Q in Richtung der Verbindungsgeraden dieser beiden Punkte sind gleich. F¨ur bekannte Geschwindigkeiten von Punkten eines starren K¨orpers k¨onnen umgekehrt die folgenden Regeln zum Auf¿nden des Geschwindigkeitspols G zusammengefasst werden:
214
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Regeln B: Gegeben sind Geschwindigkeiten, gesucht ist der Geschwindigkeitspol G B1 Ein geometrischer Ort f¨ur den Geschwindigkeitspol G ist eine Gerade durch den Punkt P senkrecht zur Geschwindigkeit vP . G zweier Punkte P und Q zum GeschwindigkeitsB2 Die Abst¨ande rPG und rQ pol G stehen im Verh¨altnis der Geschwindigkeiten vP und vQ . B3 Ein festes Gelenklager ist der Geschwindigkeitspol G eines verschieblichen starren K¨orpers. B4 Bei verschieblichen Lagern ist die Gerade senkrecht zur Richtung der Geschwindigkeit ein geometrischer Ort f¨ur den Geschwindigkeitspol G.
(6.22)
Regel B1 ist in Abb. 6.12 erkl¨art, w¨ahrend Regel B2 direkt aus Gl. (6.19.3) folgt. Die Begr¨undungen f¨ur die Regeln B3 und B4 sind offensichtlich. In Abb. 6.15 sind zwei Beispiele zum Auf¿nden von Geschwindigkeitspolen (kurz: Pole) dargestellt. In Abb. 6.15.a verlaufen die Geschwindigkeiten zweier Punkte P und Q senkrecht zur Verbindungsgeraden beider Punkte. Nach Regel B1 ist der erste geometrische Ort f¨ur G eine senkrechte Gerade zu den Geschwindigkeitsvektoren. Der zweite geometrische Ort ist nach Regel B2 eine Gerade durch die Endpunkte beider Vektoren. Der Schnittpunkt beider Geraden liefert G. In Abb. 6.15.b. ist das gelenkige Lager eines Stabwerksystems nach Regel B3 der Pol f¨ur Stab 1. Eine Gerade senkrecht zur Verschiebungsm¨oglichkeit am Lager C liefert nach Regel B4 einen geometrischen Ort f¨ur den Pol des Stabes 2. Nach Regel B1 ist die zur Geschwindigkeit vB senkrechte Gerade der zweite geometrische Ort f¨ur G2 .
Abb. 6.15. Beispiele zum Auf¿nden der Geschwindigkeitspole: a) Parallele Geschwindigkeiten, b) Ausnutzen der Lagerbedingungen beim Stabwerksystem
6.3.5 Rastpolbahn und Gangpolbahn In Abb. 6.16.a ist die Bestimmung des Geschwindigkeitspols G f¨ur einen Doppelschieber der L¨ange l erkl¨art. Man erh¨alt den Pol nach Regel B4 f¨ur die dargestellte Lage aus dem Schnittpunkt der zu den Geschwindigkeiten vA und vB senkrechten Geraden. Bei einer Bewegung des Schiebers ver¨andert der Geschwindigkeitspol seinen Ort. Die Verbindung all seiner Orte in der raumfesten Bewegungsebene liefert die Rastpolbahn (oder: Spurkurve). In Abb. 6.16.b erh¨alt man f¨ur den Schieber einen Viertelkreis mit dem Radius l. Wir k¨onnen die in Abb. 6.16.b erhaltenen Orte f¨ur den Geschwindigkeitspol unter Ber¨ucksichtigung der Gr¨oßen ri auch auf die k¨orperfeste Ebene beziehen. In Abb. 6.16.c ergibt sich f¨ur den Schieber ein Halbkreis mit dem Radius l/2.
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
215
Abb. 6.16. Ermittlung a) des Geschwindigkeitspols, b) der Rastpolbahn und c) der Gangpolbahn f¨ur einen Doppelschieber
In Abb. 6.16.c liegt der Pol G3 gleichzeitig auf der raumfesten Rastpolbahn und der k¨orperfesten Gangpolbahn. Außerdem sind zu jedem Zeitintervall die Wanderwege von G entlang beider Bahnen gleich lang. Damit gilt: Jede ebene Bewegung eines starren K¨orpers ist als Abrollen der k¨orperfesten Gangpolbahn auf der ortsfesten Rastpolbahn darstellbar. Beispiel 6.5 Kugellager mit zwei Wellen F¨ur das Kugellager in Beispiel 6.4 bestimme man die Winkelgeschwindigkeit ω3 der Kugel 3 mit dem Geschwindigkeitspol. ¨ Voruberlegungen: Die L¨osung der Aufgabe wird mit den Regeln A (6.21) und Regeln B (6.22) grafo-analytisch erhalten. Im Folgenden geben wir stichwortartig die jeweils verwendete Regel sowie den L¨osungsschritt an. L¨osung: B3: A1, A2: B1:
B2:
A2, A3:
G1 = G2 = A v1 = R1 ω1 , v2 = R2 ω2 1. geometrischer Ort f¨ur G3 durch Senkrechte auf Geschwindigkeiten v1 , v2 2. geometrischer Ort f¨ur G3 durch Verbinden der Geschwindigkeitsendpunkte v2 = r23 ω3 v2 v1 + v2 =⇒ ω3 = 3 = = R 2 − R1 r2 R1 ω1 + R2 ω2 . R2 − R1
Abb. 6.17. Kugellager mit zwei Wellen
Abb. 6.17.b. Geschwindigkeiten und Geschwindigkeitspol G3
216
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Beispiel 6.6 Gelenkig verbundenes Stabwerksystem F¨ur das gelenkig verbundene Stabwerksystem in Beispiel 6.1 bestimme man f¨ur ϕ = 300 a) die Lage der Momentanpole G1 , G2 , b) den Zusammenhang zwischen ω1 und ω2 , c) die Zusammenh¨ange zwischen vB und vC sowie zwischen vB und ω1 . Bekannt: L, ω1 , ϕ = 30o . ¨ Voruberlegungen: Zur L¨osung der Aufgabenstellungen werden die Regeln A (6.21) und die Regeln B (6.22) verwendet. Im Folgenden geben wir stichwortartig die jeweils verwendete Regel sowie den zugeh¨origen grafo-analytischen L¨osungsschritt an. L¨osung zu Teil a): B3: G1 = A A1: Geschwindigkeit vB senkrecht auf der Verbindungsgeraden von G1 und B, B1: Erster geometrischer Ort f¨ur G2 als Gerade durch B senkrecht zu vB B4: Zweiter geometrischer Ort f¨ur G2 als Gerade durch den Punkt C senkrecht zur Verschiebungsm¨oglichkeit. Der Schnittpunkt beider Geraden liefert G2 . Abb. 6.18. Momentane Geschwindigkeitspole 1 und r 2 die Abst¨ L¨osung zu Teil b): Wir bezeichnen mit rB ande zwischen B und G1 sowie B zwischen B und G2 und erhalten: 1 ω = Lω , A2 f¨ur Stab 1: vB1 = rB 1 1 2 ω = Lω A2 f¨ur Stab 2: vB2 = rB 2 2
Wegen vB1 = vB2 = vB folgt ω1 = ω2 . In Abb. 6.18 erkennt man, dass die Drehrichtung f¨ur ω2 entgegen dem Uhrzeigersinn ist. √ L¨osung zu Teil c): Nach Anwendung von A2 auf Stab 1 und cos ϕ = 3 erh¨alt man folgende Zusammenh¨ange zwischen vB und vC sowie zwischen vB und ω2 : 2 vC = rC ω2 = 2L cos ϕω2 = 2L cos ϕω1 = 2L cos ϕ
√ vB = 2 cos ϕvB = 3Lω1 . L
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
217
6.3.6 Der momentane Beschleunigungspol Wir wenden die Gleichungen (6.8) auf zwei Punkte F und P in Abb. 6.12 an und erhalten aP
= aF
+ aFP
= aP x ex + aP y ey = aF x ex + aF y ey − (yPF α + xFP ω 2 )ex + (xFP α − yPF ω 2 )ey .
(6.23)
Mit den Koordinaten von P relativ zu F , xFP = xP − xF , yPF = yP − yF , ergeben sich folgende Koef¿zienten des Beschleunigungsvektors aP in Gl.(6.23): 1. aP x = aF x − α(yP − yF ) − ω 2 (xP − xF ) 2. aP y = aF y + α(xP − xF ) − ω 2 (yP − yF ).
(6.24)
Wir gehen jetzt der Frage nach, ob es einen Punkt B mit Koordinaten xB , yB gibt, f¨ur den die Beschleunigung momentan zu Null wird. Dazu ersetzen wir in (6.24) die Gr¨oßen f¨ur P durch Gr¨oßen f¨ur B, fordern f¨ur die Beschleunigungen aBx = vBy = 0 und l¨osen nach den gesuchten Koordinaten auf. Man erh¨alt: 2 1 ω aF x − αaF y 4 +ω 2 1 ω aF y + αaF x . 2. yB = yF + 2 4 α +ω 1. xB = xF +
α2
(6.25)
Wir bezeichnen den Punkt B als momentanen Beschleunigungspol. F¨ur α2 + ω 4 = 0 k¨onnen dessen Koordinaten xB , yB mit den Gleichungen (6.25) eindeutig bestimmt werden. Die Kenntnis des momentanen Beschleunigungspols ist z.B. hilfreich, um Messger¨ate vor zu großen Beschleunigungen zu bewahren. 6.3.7 Relativbewegungen in rotierenden Bezugssystemen In Abb. 6.19 sind zwei St¨abe u¨ ber einen Schiebemechanismus verbunden. Bei einer Verdrehung ϕ ver¨andert sich der Abstand zwischen den Punkten P und F . Lassen wir das Basissystem ex , ey wie dargestellt mitrotieren, dann a¨ ndert sich die Koordinate xFP des Punktes P relativ zu F . Ein mit der Vektorbasis rotierender Beobachter B nimmt also xFP − xFP eine Relativverschiebung xFP Rel =ˆ und eine Relativgeschwindigkeit vPF Rel des Punktes P wahr.
Abb. 6.19. Relativbewegung in der rotierenden Vektorbasis, bewegter Beobchter B
Beim Auftreten von Relativverschiebungen gelten die Gleichungen (2.40) f¨ur die Abst¨ande beliebiger Punkte starrer K¨orper und somit auch die Gleichungen (6.7) und (6.8) f¨ur Geschwindigkeiten und Beschleunigungen nicht. Wir wollen daher im Folgenden den allgemeinen Fall mit Ber¨ucksichtigung von Relativverschiebungen zus¨atzlich behandeln.
218
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Wir betrachten in Abb. 6.20 die beiden Punkte P und F . F¨ur deren Ortsvektoren gilt der Zusammenhang xP = xF + xFP , so dass f¨ur die Geschwindigkeit von P folgt: 1. vP = vF + vPF 2. vF = x˙ F ,
(6.26)
3. vPF = x˙ FP .
F¨ur eine Basisdarstellung der Vektoren in (6.26) wird eine Vektorbasis ex , ey eingef¨uhrt, welche unabh¨angig von den Bewegungen der Punkte P und B mit der Winkelgeschwindigkeit ω in der Ebene rotiert. F¨ur den bewegten Bezugspunkt F nehmen wir die Basisdarstellung
Abb. 6.20. Punkte P und F mit Ortsvektoren, rotierende Vektorbasis, Beobachter A und B
vF = vF x ex + vF x ey
(6.27)
an. F¨ur den Orts- und den Geschwindigkeitvektor von P relativ zu F erh¨alt man 1. xFP = xFP ex + yPF ey
=⇒
2. vPF = x˙ FP = x˙ FP ex + y˙ PF ey + xFP e˙ x + yPF e˙ y . (6.28)
F¨ur die Zeitableitungen der rotierenden Basisvektoren verwenden wir die Ergebnisse (2.41) und erhalten durch Einsetzen von Gl.(6.27) und Gl.(6.28.2) in Gl.(6.26.1): ¨ die ebene Bewegung in der rotierenden Vektorbasis Der Geschwindigkeitsvektor fur 1. vP = vF + vPF = vF + vPF Rot + vPF Rel , wobei (6.29) vF x ex + vF y ey 2. vF = 3. vPF Rot = −yPF ωex + xFP ωey 4. vPF Rel = x˙ FP ex + y˙ PF ey . Durch Ableitung von vP nach der Zeit folgt (vgl. Aufgabe 6.16) ¨ die ebene Bewegung in der rotierenden Vektorbasis Der Beschleunigungssvektor fur 1. aP = aF + aFP = aF + aFP Rot + aFP Rel + aFP Cor , wobei aF x ex + aF y ey 2. aF = (6.30) F Rot F F 2 F F 3. aP = (−yP α − xP ω )ex + (xP α − yP ω 2 )ey 4. aFP Rel = x ¨FP ex + y¨PF ey 5. aFP Cor =
−2y˙ PF ωex +
2x˙ FP ωey .
Bemerkung 6.2 1. Die Geschwindigkeit des Punktes P ist wie in den Gleichungen (6.7) als Summe von zwei Vektoren vF und vPF darstellbar. Im Unterschied zu (6.7) zerf¨allt vPF in Gl.(6.29.1)
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
219
in zwei Anteile vPF Rot und vPF Rel . Der Vektor vPF Rot entsteht auf Grund der Rotation der Vektorbasis, und vPF Rel ber¨ucksichtigt die Geschwindigkeit von P relativ zur gedrehten Vektorbasis. Diese Relativgeschwindigkeit tritt in den Gleichungen (6.7) nicht auf. 2. Die Beschleunigung des Punktes P ist als Summe von zwei Vektoren aF und aFP darstellbar. Dabei zerf¨allt aFP in drei Anteile: zus¨atzlich zur Beschleunigung aFP Rot , die auf Grund der Rotation der Vektorbasis entsteht, treten die Beschleunigung von P relativ zur gedrehten Vektorbasis aFP Rel und die Coriolis-Beschleunigung aFP Cor auf. Die Anteile aFP Rel und aFP Cor erscheinen nicht in den Gleichungen (6.8). 3. vP und vF sind Absolutgeschwindigkeiten und aP und aF sind Absolutbeschleunigungen der Punkte P und F . Sie werden von dem Beobachter A in Abb. 6.20 wahrgenommen, der mit dem raumfesten Bezugssystem verbunden ist. vPF und aFP werden von dem Beobachter B in Abb. 6.20 wahrgenommen, wenn dieser translatorisch von F mitgef¨uhrt wird ohne zu rotieren. Ist der Beobachter B in Abb. 6.20 zus¨atzlich mit der Vektorbasis ex , ey verbunden, nimmt er nur die Gr¨oßen vPF Rel und aFP Rel + aFP Cor wahr. Beispiel 6.7 Stabwerk mit Relativverschiebungen In einem Stabsystem ¿ndet wie dargestellt auf Grund einer Aussparung eine Relativverschiebung des Punktes C im Stab 2 statt. In der momentanen Lage mit dem Winkel ϕ hat der Stab 1 eine im Uhrzeigersinn gerichtete Winkelgeschwindigkeit ω1 . Gesucht sind 1. die momentane Winkelgeschwindigkeit ω2 des Stabes 2, B Rel von C im 2. die Relativgeschwindigkeit vC Stab 2. Abb. 6.21. Gelenkig verbundene St¨abe
Bekannt: L, ω1 , ϕ = 45o .
¨ Voruberlegungen: Mit den Punkten A und B als Bezugspunkte in Gl.(6.29) werden f¨ur den Vektor vC zwei Basisdarstellungen erhalten. Nach Gleichsetzen beider Darstellungen und Koef¿zientenvergleich werden die unbekannten Gr¨oßen bestimmt. L¨osung: Wir beziehen uns auf die Basisvektoren ex , ey in Abb. 6.21. Die Koordinaten und die Geschwindigkeiten von C relativ zu den Bezugspunkten A und B sind √ √ √ A B B xA C = −L/ 2, yC = L/ 2, xC = −L/ 2, yC = 0, x˙ A C = 0,
A = 0, y˙ C
B Rel x˙ B C = vC ,
B = 0. y˙C
Mit vA = vB = 0 erh¨alt nach zweifacher Anwendung von Gl.(6.29) f¨ur vC √ √ ARot + vARel = 0 − Lω vC = vA + vC 1 2ex −Lω1 2ey + 0 C √ B Rel e + 0e . B Rot + vB Rel = 0 + vC = vB + vC 0ex −L 2ω2 ey + vC x y C √ B Rel = −L 2ω . Durch Koef¿zientenvergleich folgt ω2 = ω1 und vC 1
220
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
6.3.8 Aufgaben zu Abschnitt 6.3 Aufgabe 6.1 (SG = 1) Der Punkt A des dargestellten Rades erf¨ahrt die tangentiale Beschleunigung aA . Wie groß sind die Geschwindigkeit vA , die Winkelgeschwindigkeit ω, die Winkelbeschleunigung α und die resultierende Beschleunigung nach der Zeit t. Bekannt: aA = 2 m/s, R = 0.5 m, t = 3 s. Aufgabe 6.2 (SG = 1) Eine Leiter der L¨ange l rutscht an einer Wand entlang. In der dargestellten momentanen Lage hat der Punkt A die Geschwindigkeit vA . Bestimmen Sie die Winkelgeschwindigkeit der Leiter unter Verwendung 1. der Gleichungen (6.7), 2. des Geschwindigkeitspols. 3. Ermitteln Sie die Rastpol- und die Gangpolbahn. Aufgabe 6.3 (SG = 1) Bestimmen Sie die Geschwindigkeiten der Punkte B, C, D in Beispiel 6.3 mit den Gleichungen (6.7). Aufgabe 6.4 (SG = 1) Das in Beispiel 6.3 untersuchte Fahrrad beschleunigt mit a0 . Gesucht sind die momentanen Beschleunigungen der Punkte A, B, C, D in Abb. 6.10. Aufgabe 6.5 (SG = 2) Bestimmen Sie f¨ur das gelenkig verbundene Stabsystem in Beispiel 6.6 f¨ur den Winkel ϕ=0o 1. 2. 3. 4.
die Geschwindigkeitspole beider St¨abe, die Winkelgeschwindigkeit von Stab 2, die Geschwindigkeitsverteilungen beider St¨abe, die Rastpol- und die Gangpolbahn f¨ur Stab 2.
Bekannt: ϕ = 00 , ω1 .
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 6.6 (SG = 2) In dem dargestellten Stabsystem hat der Punkt C die Geschwindigkeit vC in dem geneigten, verschieblichen Lager. Gesucht ist die Winkelgeschwindigkeit des Stabes AB 1. mit den Gleichungen (6.7), 2. mit dem Geschwindigkeitspol. 3. Ermitteln Sie Rastpol- und Gangpolbahn des Stabes BC. Aufgabe 6.7 (SG = 1) Drei Rollen sind mit einem dehnstarren Seil verbunden. Die Kiste K hat die Geschwindigkeit vK . Zwischen dem Seil und den Rollen tritt stets Haftreibung auf. Gesucht sind die Winkelgeschwindigkeiten aller drei Rollen. Bekannt: R1 , R2 , R3 , vK .
Aufgabe 6.8 (SG = 2) Ein Stabsystem ist gelenkig verbunden. Der Punkt C ist vertikal verschieblich gelagert. Zu dem Zeitpunkt, an dem Stab 2 sich in einer horizontalen Lage be¿ndet, hat Stab 1 die Winkelgeschwindigkeit ω1 . Gesucht ist die Winkelgeschwindigkeit des Stabes 2. Bekannt: ω1 .
Aufgabe 6.9 (SG = 1) Ein Autoreifen hat die Geschwindigkeit v0 = 100 km/h. Innerhalb von 5 s wird dieser gleichm¨aßig auf die Geschwindigkeit v1 = 50 km/h abgebremst. Gesucht sind die Winkelbeschleunigung α und die Normalbeschleunigung an des Kontaktpunktes B. Bekannt: Radius R, v0 = 100 km/h, v1 = 50 km/h.
221
222
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 6.10 (SG = 3) Die momentane Lage des dargestellten Pleuels eines Verbrennungsmotors ist durch den Winkel ϕ = 30o festgelegt. Gesucht sind 1. der Kolbenhub H, 2. die Winkelgeschwindigkeit ωBC des Stabes BC, 3. die Winkelgeschwindigkeit ωS des Pleuels, 4. die Geschwindigkeit vK des Kolbens, 5. die Geschwindigkeit vB des Punktes B, 6. Rastpol- und Gangpolbahn des Stabes BC. Bekannt: Drehzahl n = 5000 min−1 , r = 30 mm, r/L = 1/4. Aufgabe 6.11 (SG = 3) Die momentane Lage des dargestellten Getriebes ist durch den Winkel ϕ festgelegt. Die Drehzahl des Stabes AD ist n. Gesucht sind 1. die Winkelgeschwindigkeit ωC , 2. die Winkelbeschleunigung αC des Stabes CE, C Rel . 3. die Relativgeschwindigkeit vE Bekannt: ϕ = 30o , n = 100 min−1 R1 = 40 mm, l1 = 80 mm, l2 = 100 mm, DE = 230 mm, R2 = 95 mm. Aufgabe 6.12 (SG = 2) Ein Stabsystem ist gelenkig verbunden. Der rechte Stab 1 hat die Winkelgeschwindigkeit ω1 . Der Stab 3 ist mit einem Zahnrad starr verbunden und hat momentan eine horizontale Lage. Die Zahnstange 4 ist horizontal verschieblich. 1. Wie groß ist die Geschwindigkeit v4 des Stabes 4? 2. Ermitteln Sie Rastpol- und Gangpolbahn des Stabes 2. Bekannt: ω1 , l, R.
6.3 Kinematik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 6.13 (SG = 2) Ein Stabsystem ist gelenkig verbunden. Der Stab CD hat die Winkelgeschwindigkeit ωCD . Gesucht ist die Winkelgeschwindigkeit des Stabes BC 1. mit den Gleichungen (6.7), 2. mit dem Geschwindigkeitspol. 3. Ermitteln Sie Rastpol- und Gangpolbahn des Stabes BD. Bekannt: l, ωCD = 8 rad/s. Aufgabe 6.14 (SG = 3) F¨ur das dargestellte Fahrgestell wird angenommen, dass es aus drei starren K¨orpern 1, 2, 3 besteht. Bestimmen Sie im Fall einer Torsionsbewegung mit den Winkelgeschwindigkeiten ω1 = ω3 1. die Winkelgeschwindigkeit ω2 des K¨orpers 2, 2. die Geschwindigkeiten der Punkte A und B. Bekannt: ω1 = ω3 , R, a = 0.8R. Aufgabe 6.15 (SG = 1) Ein Stahlwinkel, der im Punkt A aufgeh¨angt ist, hat eine Winkelgeschwindigkeit ω und eine Winkelbeschleunigung α. Die momentane Lage wird durch den Winkel ϕ festgelegt. Gesucht sind 1. der momentane Beschleunigungspol und 2. die Beschleunigung des Punktes C. Bekannt: Winkel ϕ = 450 , Winkelgeschwindigkeit ω, Winkelbeschleunigung α, Abmessungen b, c=0.5b.
223
224
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 6.16 (SG = 2) Leiten Sie die Gleichungen (6.30) f¨ur den Beschleunigungssvektor einer ebenen Bewegung im rotierenden Basissystem her. Aufgabe 6.17 (SG = 2) Der Stab 1 in Beispiel 6.7 hat zus¨atzlich die Winkelbeschleunigung α1 . Gesucht sind 1. die momentane Winkelbeschleunigung α2 des Stabes 2, 2. die Relativbeschleunigung von C im Stab 2.
Aufgabe 6.18 (SG = 2) An einer H¨ulse, die auf einem Kreisring gleitet, ist ein Stab befestigt. In Richtung der Stabachse wird eine relative Verschiebung erm¨oglicht. Der Stab hat in der momentanen Lage ϕ eine Winkelgeschwindigkeit ω. Wie groß ist die Relativgeschwindigkeit der H¨ulse in dem Stab 1. f¨ur den Winkel ϕ = 45o , 2. f¨ur den Winkel ϕ = 30o ? Bekannt: Winkelgeschwindigkeit ω, L¨ange r. Aufgabe 6.19 (SG = 2) Der dargestellte Kranausleger ist momentan um den Winkel β gegenu¨ ber der Horizontalen geneigt. Die Hydraulik im Stab AB erzwingt eine Relativverschiebung von B bez¨uglich A. Gesucht ist die Geschwindigkeit des Punktes P . Bekannt: L = 20 m, l = 10 m, β = ARel = 60o , d = 3 m, h = 1.0 m, vB 4 m/s.
6.4 Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
225
6.4 Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper Die Wechselwirkungen zwischen Bewegungs- und Kraftgr¨oßen starrer K¨orper werden wie bei Massenpunktsystemen mit dem Schwerpunktsatz und dem Momentensatz untersucht. Dazu wird der K¨orper gem¨aß De¿nition (6.2) als starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Elementen aufgefasst. Von den verschiedenen Darstellungsformen dieser beiden Gesetze in Kapitel 5 werden im Folgenden die Formulierungen (5.18) f¨ur raumfeste und (5.39) f¨ur k¨orperfeste Koordinaten auf den starren K¨orper f¨ur ebene Bewegungen u¨ bertragen.
F Abb. 6.22. Starrer K¨orper in der Ebene a) Vektoren xF orige Koordinaten und Koef¿zienten P , xS , aF , Fi , b) zugeh¨
Wir betrachten in Abb. 6.22 einen starren K¨orper in der ebenen Bewegung. Der F¨uhrungspunkt F hat den Ortsvektor xF und den Beschleunigungsvektor aF . F¨ur den Schwerpunkt S und einen Punkt P des K¨orpers sind xFS und xFP die Ortsvektoren relativ zu F , und ω ist die Winkelgeschwindigkeit des K¨orpers. Abb. 6.22.b veranschaulicht bez¨uglich der k¨orperfesten Basis ex , ey die zeitlich konstanten Koordinaten xS , yS von S und x = xP , y = yP von P , die Koef¿zienten aF x , aF y von aF sowie die Koef¿zienten Fix , Fiy des Kraftvektors Fi . Bez¨uglich der raumfesten Basis eX , eY sind FiX , FiY die Koef¿zienten von Fi . Fassen wir gem¨aß De¿nition (6.2) den K¨orper als starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Massenpunkten auf, so kann die Rechenregel (6.3) auf die linken Seiten des Schwerpunktsatzes (5.18) und des Momentensatzes (5.39) angewendet werden. Da lediglich Einzelkr¨afte Fi an dem K¨orper angreifen, bleiben die rechten Seiten der Gleichungen unver¨andert. Gewichtskr¨afte werden wie in der Statik als resultierende Kr¨afte in den Schwerpunkten behandelt. Damit folgen die ¨ ebene Bewegungen Bewegungsgleichungen des starren K¨orpers fur n ¨ 1. mXS = i=1 FiX (6.31) n ¨ 2. mYS = i=1 FiY , wobei m = dm m (F ) (F ) (F ) 3. αΘz + mxS aF y − myS aF x = ni=1 Mzi , wobei Θz = (x2 + y 2 )dm. m
226
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Die Gleichungen (6.31) vereinfachen sich f¨ur drei Sonderf¨alle: 1. Der F¨uhrungspunkt F liegt im Schwerpunkt S (xFS = 0): F =S:
1. 2.
¨ S = n FiX mX i=1 mY¨S = ni=1 FiY , (S)
3. αΘz
=
n
(S) i=1 Mzi ,
wobei m = (S)
wobei Θz
dm
m
=
(6.32)
(x2 + y 2 )dm.
m
2. Der F¨uhrungspunkt F liegt im Ursprung 0 (xF = 0, aF = 0, Beispiel AuÀager): ¨ S = n FiX F = 0 : 1. mX i=1 wobei m = dm 2. mY¨S = ni=1 FiY , (6.33) m n (0) (0) (0) 2 2 3. αΘz = i=1 Mzi , wobei Θz = (x + y )dm m
3. Es treten nur translatorische Bewegungen auf und es gilt x = X, y = Y : ω = 0 : 1. max = ni=1 Fix n 2. may = i=1 Fiy , wobei m = dm m n (F ) 3. mxS ay − myS ax = i=1 Mzi .
(6.34)
Bemerkungen 6.3 1. F¨ur die Anwendung der Bewegungsgleichungen (6.31) bis (6.33) m¨ussen die Massen(F ) (S) (0) tr¨agheitsmomente Θz , Θz bzw. Θz bekannt sein. Im nachfolgenden Abschnitt 6.5 werden diese Gr¨oßen f¨ur einige einfache K¨orper berechnet. 2. Gelegentlich ist es zweckm¨aßig, die Richtungen der Koordinatensysteme X, Y und x, y - momentan - zusammenfallen zulassen. 3. F¨ur den Schwerpunktsatz k¨onnen gelegentlich auch andere Koordinatensysteme, wie z.B. in den Gleichungen (5.19) bis (5.21) angegeben, vorteilhaft sein. 4. Da bei translatorischen Bewegungen keine Rotation auftritt, haben wir in den Gleichungen (6.34) gleiche Richtungen der Koordinaten X, Y und x, y zu jedem Zeitpunkt angenommen. Damit gelten die Beziehungen x ¨S = aF x = ax und y¨S = aF y = ay . Das (F ) Massentr¨agheitsmoment Θz wird nicht ben¨otigt, weil keine Rotation auftritt. 5. In den Bewegungsgleichungen (6.31) bis (6.33) ist zu ber¨ucksichtigen, dass die Beschleu¨ S , Y¨S jeweils auf den Schwerpunkt S zu beziehen sind. nigungen X 6. Zur Bearbeitung von Aufgaben kann nach den in Tabelle 5.1 angegebenen L¨osungsschritten vorgegangen werden. (F ) 7. Das Moment Mzi um die z-Achse kann wahlweise mit den Kr¨aften FiX , FiY oder den Kr¨aften Fix , Fiy in Abb. 6.22.b berechnet werden. 8. Der Geschwindigkeitspol G erf¨ullt im Allgemeinen nicht die Voraussetzungen zur Anwendung der Gleichungen (6.33).
6.4 Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
227
Beispiel 6.8 Fahrrad mit Fahrer beim Abbremsen Ein Fahrradfahrer muss zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit einem anderen Verkehrsteilnehmer stark abbremsen. Welche Bremsbeschleunigung a darf er mit der Vorderbremse ausl¨osen, damit Fahrer und Fahrrad nicht gemeinsam nach vorne u¨ berkippen? Bekannt: Masse m und Schwerpunkt S gemeinsam von Fahrrad und Fahrer. Abst¨ande b, c, h. Abb. 6.23. Fahrrad beim Abbremsen
¨ Voruberlegungen: Fahrrad und Fahrer bewegen sich translatorisch, so dass f¨ur diese Aufgabe zweckm¨aßig die Bewegungsgleichungen (6.34) verwendet werden. F¨ur den Grenzfall, bei dem Kippen gerade nicht auftritt, wird in dem Freischnitt in Abb. 6.23.b die vertikale Normalkraft NA f¨ur das Hinterrad zu Null angenommen. L¨osung: Nach Eintragen der Gewichtskraft mg, der Normalkraft NB und der Reibungskraft FR sowie der Wahl F = S f¨ur den F¨uhrungspunkt folgt aus den Bewegungsgleichungen (6.34) mit xS = yS = 0 (i) max = −FR may = −mg + NB (ii) 0 = NB c − FR h (iii). F¨ur die horizontale Beschleunigung in Gl.(i) und die gesuchte Beschleunigung a gilt der Zusammenhang ax = −a, so dass FR = ma betr¨agt. F¨ur die vertikale Beschleunigung in Gl.(ii) gilt ay = 0 und somit gilt NB = mg. Damit folgt aus Gl.(iii) mgc − mah = 0
=⇒
c a=g . h
Abb. 6.23.b. Freischnitt und Kr¨afte
Eine Kippgefahr wird also verringert, wenn der Fahrer sein Gewicht nach unten oder nach hinten verlagert. Bemerkung: Mit der Wahl F = B f¨ur den F¨uhrungspunkt folgt aus Gl. (6.34.3) mxS ay − myS ax = M (B) = mgc. Ber¨ucksichtigt man ay = 0 und yS = h, so folgt sofort c a = −ax = g , h d.h. diese Wahl des F¨uhrungspunktes f¨uhrt schneller zu dem gesuchten Ergebnis.
228
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
6.5 Massentr¨agheitsmomente Zur Anwendung der Bewegungsgleichungen (6.31) bis (6.33) m¨ussen die Massentr¨agheits(F ) (S) (0) momente Θz , Θz bzw. Θz bez¨uglich der Punkte F , S bzw. 0 bekannt sein. Im Folgenden werden wir f¨ur einige einfache K¨orper das Massentr¨agheitsmoment (kurz: Tr¨agheitsmoment) (S) Θz = (x2 + y 2 )dm (6.35) m
bez¨uglich des Schwerpunktes S berechnen. Soweit nicht anders angegeben, setzen wir dabei eine homogene Masse mit konstanter Dichte ρ voraus. Die Berechnung der Tr¨ag(F ) heitsmomente Θz bez¨uglich weiterer Punkte F geschieht mit dem Satz von Steiner, der in diesem Abschnitt ebenfalls erkl¨art wird. ¨ einfache K¨orper bezuglich ¨ 6.5.1 Massentr¨agheitsmomente fur der Schwerpunkte Beispiel 6.9 Massentr¨agheitsmoment eines Quaders (S)
F¨ur den in Abb. 6.24 dargestellen Quader der Masse m ist das Massentr¨agheitsmoment Θz bez¨uglich des Schwerpunktes S zu bestimmen.
Abb. 6.24. Quader
L¨osung: Wir beginnen mit der Berechnung des Integrals m y 2 dm. Dazu wird wie in Abb. 6.24 dargestellt eine Scheibe parallel zur x, z-Ebene herausgeschnitten. Mit der Dichte ρ, der Breite b, der L¨ange l und der Dicke dy folgt f¨ur die Masse der Scheibe dm = ρdV = ρ l b dy und somit 2 y dm = m
1 h/2 1 y ρ l b dy = ρ l b y 3 −h/2 = ρ l b 2 3 3 −h/2 h/2
2
In gleicher Weise berechnet man
x2 dm = m (S)
3 1 1 h = ρ l b h h2 = mh2 . 2 12 12
1 mb2 . 12
F¨ur das gesuchte Massentr¨agheitsmoment Θz ergibt sich aus De¿nition (6.35) schließlich 1 (S) Θz = (x2 + y 2 ) dm = m(b2 + h2 ). (6.36) 12 m
6.5 Massentr¨agheitsmomente
229
Beispiel 6.10 Hohlzylinder mit konstantem inneren und a¨ ußeren Radius (S)
F¨ur den in Abb. 6.25 dargestellen Hohlzylinder ist das Massentr¨agheitsmoment Θz bez¨uglich des Schwerpunktes S zu berechnen. Mit dem Ergebnis sollen zus¨atzlich die (S) Massentr¨agheitsmomente Θz f¨ur die in Abb. 6.26 dargestellten K¨orper a) Vollzylinder, b) d¨unner Stab, c) d¨unne Kreisscheibe und d) d¨unner Kreisring bestimmt werden.
Abb. 6.25. Hohlzylinder mit konstantem inneren und a¨ ußeren Radius
L¨osung: Unter Verwendung der in Abb. 6.25 dargestellten kartesischen Koordinaten x, y und dem Radius r schreiben wir f¨ur das Massentr¨agheitsmoment nach De¿nition (6.35) Θz(S) = (x2 + y 2 ) dm = r 2 dm = r 2 ρ dV = ρ r 2 dV. m
m
V
V
Hierbei ist ρ die Dichte, und f¨ur das in Abb. 6.25 dargetellte Volumen dV des Ringelementes gilt d V = 2πr dr dz. Damit folgt f¨ur das Massentr¨agheitsmoment
Abb. 6.26. Sonderf¨alle des dickwandigen Zylinders a) Vollzylinder, b) d¨unner Stab, c) d¨unne Kreisscheibe, d) d¨unner Kreisring
230
Θz(S)
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
2
l/2
Ra
r dV = ρ2π
=ρ
3
Ra
r dr dz = ρ2π −l/2
V
Ri
Ri
1 Ra l/2 r 3 dr |z|−l/2 = ρ2πl r 4 R i 4
1 1 1 = ρ πl(Ra4 − Ri4 ) = ρ πl(Ra2 − Ri2 )(Ra2 + Ri2 ) = ρV (Ra2 + Ri2 ) 2 2 2 1 = m(Ra2 + Ri2 ). (6.37) 2 Die in Abb. 6.26 dargestellten K¨orper sind Sonderf¨alle des Hohlzylinders in Abb. 6.25. Damit lassen sich aus Gl.(6.37) sofort die folgenden Ergebnisse ableiten: a) Vollzylinder:
Ri = 0,
Ra << 1, l l << 1, c) D¨unne Kreisscheibe: Ri = 0, Ra
b) D¨unner Stab:
Ri = 0,
d) D¨unner Kreisring:
Ri ≈ Rm ≈ Ra ,
(S)
= 12 mR2
(S)
= 21 mR2 ≈ 0
(S)
= 21 mR2
(S)
2 . ≈ mRm
=⇒
Θz
=⇒
Θz
=⇒
Θz
=⇒
Θz
(6.38)
Beispiel 6.11 Massentr¨agheitsmoment einer Kugel F¨ur die in Abb. 6.27 dargestellte Kugel bestimme man das Massentr¨agheitsmoment (S) Θz bez¨uglich des Schwerpunktes S. L¨osung: Wir beziehen uns auf die in Abb. 6.27 dargestellten Koordinaten x, y, z. (S) Zus¨atzlich zum Massentr¨agheitsmoment Θz in Gl. (6.35) de¿nieren wir die Massentr¨ag(S) (S) heitsmomente Θx und Θy , f¨ur die aus Abb. 6.27. Kugel mit Koordinaten x, y, z Symmetriegr¨unden folgt (S) (S) (S) Θx = (y 2 + z 2 )dm = Θy = (z 2 + x2 )dm = Θz = (x2 + y 2 )dm. m
m
m
Andererseits gilt Θx(S) + Θy(S) + Θz(S) = 2
(x2 + y 2 + z 2 ) dm = 2 m
r 2 ρ dV. m
Mit der Wahl eines Kugelschalenelementes im Abstand r vom Zentrum, der Dicke dr, der OberÀ¨ache 4πr 2 und dem Volumen dV = 4πr 2 dr erh¨alt man f¨ur die drei Massentr¨agheitsmomente Θx(S)
=
Θy(S)
=
Θz(S)
1 = 8πρ 3
R 0
r 4 dr =
2 mR2 . 5
6.5 Massentr¨agheitsmomente
231
6.5.2 Massentr¨agheitsmomente bei Verschiebung der Achsen: Der Satz von Steiner (S)
Die Massentr¨agheitsmomente Θz in Abschnitt 6.5.1 sind alle bez¨uglich der Schwerpunkte S berechnet. F¨ur die Bewegungsgleichungen (6.31) werden jedoch Tr¨agheitsmomente (F ) Θz = (x2 + y 2 )dm (6.39) m
bez¨uglich weiterer Punkte F = S ben¨otigt. Im Folgenden beweisen wir den Satz von Steiner. (S) (F ) Damit kann mit Kenntnis von Θz das Massentr¨agheitsmoment Θz bei einer Parallelverschiebung der Koordinatenachsen berechnet werden, ohne dass die Volumenintegration in Gl.(6.39) durchgef¨uhrt werden muss.
Abb. 6.28. Koordinatensysteme zur Herleitung des Satzes von Steiner
Wir betrachten in Abb. 6.28 einen starren K¨orper mit x, y-Achsen im Punkt F und hierzu parallelen x ˜, y˜-Achsen im Schwerpunkt S. Bez¨uglich der Schwerachsen x ˜, y˜ gilt y˜ dm x ˜ dm = 0, y˜S = m = 0. (6.40) Θz(S) = (˜ x2 + y˜2 )d m, x ˜S = m m m dm m dm Aus den letzten beiden Gleichungen folgt x ˜ dm = 0, Sx = y˜ dm = 0, Sy = m
(6.41)
m
wobei Sy und Sx die statischen Momente sind. Zwischen den beiden Koordinatensystemen in Abb. 6.28 besteht der Zusammenhang x = xS + x ˜,
(6.42)
y = yS + y˜.
Einsetzen dieser Gleichungen in die De¿nition (6.39) liefert f¨ur das Massentr¨agheitsmoment (F ) Θz = (x2 + y 2 )d m m (x2S + 2xS x ˜+x ˜2 + yS2 + 2yS y˜ + y˜2 )dm = m 2 2 d m + 2xS x ˜d m + 2yS y˜d m + (˜ x2 + y˜2 )d m. = (xS + yS ) m
m
m
m
232
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Hierbei wurde ausgenutzt, dass die Schwerpunktkoordinaten xS und yS unabh¨angig von den Integrationsvariablen x ˜, y˜ sind. Mit den Beziehungen (6.41) folgt Der Satz von Steiner (F ) Θz
=
(S) Θz
+
(x2S
+ yS2 )m,
wobei
(S) Θz
=
(˜ x2 + y˜2 )d m.
(6.43)
m
(S)
Das Massentr¨agheitsmoment Θz hat bez¨uglich der Schwerachsen somit immer den kleinsten Wert, da bei anderen Achsen der ,,Steiner-Anteil” hinzukommt. Beispiel 6.12 Massentr¨agheitsmoment bez¨uglich Randpunkt eines Kreisringes (F )
Man bestimme das Tr¨agheitsmoment Θz bez¨uglich des Randpunktes F f¨ur den in Abb. 6.29 dargestellten Kreisring. (S)
2 L¨osung: Mit dem Ergebnis Θz = mRm bez¨uglich des Schwerpunktes in Gl.(6.38.d) und den Schwerpunktkoordinaten xS = 0, yS = −Rm folgt mit dem Satz von Steiner (6.43)
Θz(F ) = Θz(S) + (x2S + yS2 ) m 2 2 + 02 + (−Rm )2 m = 2mRm . = mRm
Abb. 6.29. Kreisring mit x, y, z Koordinaten
Beispiel 6.13 Massentr¨agheitsmoment bez¨uglich Oberfl¨achenpunkt eines Quaders (F )
Man bestimme das Tr¨agheitsmoment Θz bez¨uglich eines OberÀ¨achenpunktes F f¨ur den in Abb. 6.30 dargestellten Quader. (S)
L¨osung: Mit dem Ergebnis Θz = m(b2 + h2 )/12 bez¨uglich des Schwerpunktes in Gl.(6.36) und den Schwerpunktkoordinaten xS = 0, yS = −h/2 folgt mit dem Satz von Steiner (6.43) Θz(F ) = Θz(S) + (x2S + yS2 ) m
2 h 1 = m(b2 + h2 ) + m 02 + − 12 2 =
1 1 mb2 + mh2 . 12 3
(6.44)
Abb. 6.30. Quader mit x, y, z Koordinaten
6.5 Massentr¨agheitsmomente
233
Beispiel 6.14 Pendelschwingung einer Kiste Eine Kiste der Masse m ist wie in Abb. 6.31 dargestellt gelenkig aufgeh¨angt. Sie wird zur Zeit t = 0 aus der Anfangslage ϕ(t = 0) = ϕ0 losgelassen und schwingt anschließend in einer Ebene im Schwerefeld der Erde. Gesucht ist die Bewegungsgleichung ϕ(t) bei Beschr¨ankung auf kleine Auslenkungen. Bekannt: m, h, b = h/2. ¨ Voruberlegungen: Die L¨osung wird wie in Beispiel 3.3 mit dem Momentensatz erhalten. Mit dem festen F¨uhrungspunkt F = 0 wird dazu Gl.(6.33.3) verwendet. L¨osung: Nach Freischneiden der Kiste am Auflager werden die Lagerkr¨afte Ax , Ay und die Gewichtskraft mg eingetragen. F¨ur das Massentr¨agheitsmoment erh¨alt man bezogen auf den Punkt 0 mit Gl.(6.44)
Abb. 6.31. Schwingung einer Kiste
1 1 1 Θz(0) = mh2 + mb2 = mh2 . 3 12 6 Mit dem Moment h Mz(0) = − mg sin ϕ 2 folgt aus dem Momentensatz (6.33.3)
Abb. 6.31.b. Kr¨afte im Freischnitt
g 1 2 h (0) (0) h mϕ¨ = − mg sin ϕ =⇒ ϕ¨ + 3 sin ϕ = 0. Θz ϕ¨ = Mz =⇒ 6 2 h Damit wird eine nichtlineare Differenzialgleichung mit gleicher Struktur wie in Beispiel 3.3 erhalten. Die weiteren Schritte k¨onnen somit wie dort angegeben durchgef¨uhrt werden. Bei Beschr¨ankung auf kleine Winkel erh¨alt man in gleicher Weise g ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt), mit ω 2 = 3 . h Der Schwingungsvorgang wird also wie f¨ur das mathematische Pendel in Abb. 3.6.c dargestellt durch eine harmonische Funktion beschrieben. Bemerkungen: 1. F¨ur den F¨uhrungspunkt ist die Wahl F = S nicht zweckm¨aßig, da dann die Lagerkraft Ax auf der rechten Seite des Momentensatzes auftreten w¨urde. Diese h¨atte man durch Anwendung des Schwerpunktsatzes wieder zu eliminieren. 2. Ein starrer K¨orper, der an einer horizontalen, festen Achse aufgeh¨angt ist, die nicht durch den Schwerpunkt verl¨auft und um diese Achse im Schwerefeld schwingt, bezeichnet man als physisches Pendel (oder: physikalisches Pendel), [32]. Pendelschwingungen werden weiter in Abschnitt 10.4.5 behandelt.
234
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Beispiel 6.15 Aufprall einer Dummypuppe Wir untersuchen nochmals den Aufprall einer Dummypuppe aus Beispiel 5.7. Zur genaueren Bestimmung der Auftreffgeschwindigkeit vS soll jedoch wie in Abb. 6.32 dargestellt der Oberk¨orper der Masse mB als Quader und der Kopf der Masse mK als Kugel angen¨ahert werden. Abb. 6.32. Aufprall einer Dummypuppe beim Crash
Bekannt: Beschleunigung a w¨ahrend des Aufpralls Abmessungen Quader b = 2/3 r, h = 2r, Schwerpunktabstand der Masse rK , Radius der Kugel f¨ur den Kopf R = 1/3 r, rK = 7/3 r, Abstand der StirnÀ¨ache d = 5/2 r, Auftreffwinkel ϕ1 , mK = m, mB = 5m ¨ Voruberlegungen: Mit dem Momentensatz (6.31.3) werden die L¨osungsschritte in Tabelle 5.1 abgearbeitet. L¨osung: 1. Idealisierung des realen Systems: Die Dummypuppe wird als starrer K¨orper mit momentaner Drehachse im Punkt A behandelt. Das mechanische System besteht somit aus einem Quader und einer Kugel. Abb. 6.32.b. Freischnitt, Zerlegung der Gewichtskr¨afte und der Beschleunigung in Koordinatenrichtungen
2. Eintragen eines geeigneten Koordinatensystems: Wie in Beispiel 5.7 wird der F¨uhrungspunkt F in den Drehpunkt A gelegt, und es werden mit der Dummypuppe k¨orperfest verbundene Koordinaten (x, y, z) gew¨ahlt. Damit folgen die Schwerpunktkoordinaten 7 r5m + rm 11 rB mB + rK mK 3 = r, = xS = rS = mB + mK 5m + m 9
yS = 0.
Die Matrixdarstellungen f¨ur die Koef¿zienten des Ortsvektors im Schwerpunkt und des Beschleunigungsvektors lauten somit ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ rS −a sin ϕ xS aF x xFS = ⎣ yS ⎦ = ⎣ 0 ⎦ , aF = ⎣ aF y ⎦ = ⎣ −a cos ϕ ⎦ (A). 0 zS aF z 0 3. Freischneiden: Das freigeschnitte System ist in Abb. 6.32.b dargestellt. Zus¨atzlich zu den AuÀagerkr¨aften Ax , Ay treten die Gewichtskr¨afte mB g und mK g auf, die jeweils in die Koordinatenrichtungen x, y zerlegt werden.
6.5 Massentr¨agheitsmomente
235
4. Bestimmung der Massentr¨agheitsmomente: Mit den Koordinaten xK = 7/3 r, yK = 0 f¨ur den Kopf und xB = r, yB = 0 f¨ur den Oberk¨orper folgt mit dem Satz von Steiner (6.43): (F )
Kopf :
Θz
(F )
Oberk¨orper:
Θz
=⇒
Θz
(F )
2 2 = mK R2 + mK x2K + yK 5
2 1 2 7 2 247 2 2 mr = m r +m +0 r 2 = 5 3 3 45 1 2 = mB b2 + h2 + mB x2B + yB 12 185 2 1 2 2 2 = 5m r + (2r) + 5m r 2 + 02 = mr 12 3 27 =
247 2 185 2 1666 2 mr + mr = mr . 45 27 135
5. Bestimmung der Momente: Mit den eingetragenen Kr¨aften in dem Freischnitt in Abb. 6.32.b folgt f¨ur das Moment bez¨uglich des F¨uhrungspunktes F
22 7 (F ) Mz = rB mB g sin ϕ + rK mK g sin ϕ = 5rm + rm g sin ϕ = rmg sin ϕ. 3 3 6. Formulierung des Momentensatzes: Aus Gl. (6.31.3) folgt (F )
αΘz =⇒
α
+ mges xS aF y
− mges yS aF x
(F )
= Mz
22 1666 2 11 mr + 6m r(−a cos ϕ) − 6m 0 (−a sin ϕ) = rmg sin ϕ. 135 9 3
7. Bearbeitung weiterer Fragestellungen: Eine Umformung der letzten Beziehung liefert α = ω˙ =
495 (g sin ϕ + a cos ϕ). 833r
Diese Differenzialgleichung wird wie in Beispiel 5.7 beschrieben gel¨ost. Mit der Anfangsbedingung ω(t = 0) = 0 und ϕ1 = 0 erh¨alt man f¨ur die Auftreffgeschwindigkeit des Kopfes 990 990 5 vK = dω(ϕ1 ) = r (g(1 − cos ϕ1 ) + a sin ϕ1 ), = 1.19. 2 833r 833 Bemerkung: Der Vergleich mit den Ergebnissen in Aufgabe 3.14 und in Beispiel 5.7 18 18 5 Massenpunkt: vK = r (g(1 − cos ϕ1 ) + a sin ϕ1 ), = 1.64 2 11r 11 5 66 66 (g(1 − cos ϕ1 ) + a sin ϕ1 ), = 1.40 Massenpunktsystem: vK = r 2 47r 47 zeigt, dass die Berechnung mit dem starren K¨orper den kleinsten Wert liefert.
236
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
6.5.3 Aufgaben zu den Abschnitten 6.4 und 6.5 Aufgabe 6.20 (SG = 2) Ein Bauh¨andler hat drei Kisten mit wertvollen WandÀießen auf seinen LKW geladen. Die unterste Kiste ist rutsch- und kippfest gesichert. Die dar¨uber liegenden zwei Kisten sind so gestapelt, dass ein Kippen in Form einer Drehung um eine untere Kante der Kiste m¨oglich ist. 1. Mit welcher maximalen Beschleunigung a darf der LKW anfahren, ohne dass die Kisten zu kippen beginnen? 2. Welche der beiden oberen Kisten kippt zuerst? Bekannt: Masse m, Abmessungen b, h f¨ur jede Kiste. Aufgabe 6.21 (SG = 2) Ein Gabelstabler hebt eine Last der Masse m3 . Der Gabelstabler hat die Masse m1 und wird vereinfacht durch einen Quader ersetzt. Zus¨atzlich ist wie dargestellt ein Gegengewicht der Masse m2 angebracht. Die R¨ader sind festgestellt. Mit welcher maximalen Beschleunigung darf die Last nach oben bef¨ordert werden, damit keine Kippgefahr f¨ur den Gabelstapler besteht? Bekannt: b, c = b 3/2, h = b, m1 = m, m2 = 0.5 m, m3 = 0.5 m. Aufgabe 6.22 (SG = 2) F¨ur die dargestellte halbe Kreisscheibe mit Radius R und der Masse m bestimme man die Massentr¨agheitsmomente
m g s
M
(M )
a) Θz bez¨uglich M , (S) b) Θz bez¨uglich S. 4 Bekannt: m, R, SM = s = R . 3π
S
R
6.5 Massentr¨agheitsmomente
Aufgabe 6.23 (SG = 3) Ein PKW f¨ahrt mit der Beschleunigung a an, so dass die offenstehende T¨ur der Masse m zuschl¨agt. Berechnen Sie die Geschwindigkeit des Punktes C in dem Augenblick des T¨uranschlages. Dabei soll die T¨ur n¨aherungsweise als Rechteckscheibe der Breite d und der H¨ohe h betrachtet werden. Bekannt: d = 1 m, h = 1.3 m, m = 30 kg, a = 0.1g, g = 9.81 m/s2 .
Aufgabe 6.24 (SG = 3) Ein Laptop steht auf einem Tisch in einem fahrenden Zug. Gesucht sind die Bremsbeschleunigungen aZug des Zuges, bei welcher 1. der Laptop auf dem Tisch zu rutschen beginnt, 2. der Bildschirm im Punkt A eine Drehung durchf¨uhrt. Der Laptop wird durch zwei d¨unne Platten ersetzt. Der Reibungskoef¿zient zwischen Laptop und Tisch ist μR , und das Reibmoment im (A) Punkt A ist MR . (A) Bekannt: h = 27 cm, m1 = 3 kg, m2 = 1 kg, β = 20o , μR = 0.55, MR = 3.6 Nm. Aufgabe 6.25 (SG = 3) Eine H¨ulse der Masse m1 kann wie dargestellt reibungsfrei horizontal auf einer Stange gleiten. An der H¨ulse ist ein Stab der Masse m2 gelenkig befestigt. Das System wird aus der Ruhelage um einen Winkel ϕ1 ausgelenkt und bleibt anschließend im Schwerefeld der Erde sich selbst u¨ berlassen. Gesucht ist die Bewegungsgleichung f¨ur den Auslenkungsdrehwinkel ϕ. Bekannt: L, m1 = m2 .
237
238
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
6.6 Rollen und Gleiten 6.6.1 Grundgleichungen In Abb. 6.9 haben wir bereits zwei spezielle ebene Bewegungen eines Rades auf starrem Untergrund, Rollen und Gleiten, kennengelernt. Als kinematische Bedingung f¨ur Rollen wurde die Rollbedingung (6.11) eingef¨uhrt, die f¨ur Gleiten nicht gilt. Die zugeh¨origen Kr¨aftebedingungen f¨ur Rollen und Gleiten lauten 1. Haftbedingung: 2. Gleitbedingung:
H ≤ μH N R = μG N.
(6.45)
Hierbei sind μH der Haftreibungskoef¿zient in der Ungleichheitsbedingung (6.45.1) und μG der Gleitreibungskoef¿zient in der Gleichheitsbedingung (6.45.2). Eine Darstellung der auftretenden Kr¨afte erfolgt f¨ur beide F¨alle in Abb. 6.33.
Abb. 6.33. Haft- und Gleitreibungskr¨afte f¨ur a) Rollen und b) Gleiten eines starren Rades auf starrem Untergrund
Beispiel 6.16 Haftreibungskoeffizient f¨ur Fahrrad beim Abbremsen Wie groß muss der Haftreibungskoef¿zient μH zwischen Reifen und Untergrund aus Beispiel 6.8 mindestens sein, damit kein Gleiten auftritt? L¨osung: In dem Grenzfall, bei dem gerade kein Gleiten auftritt, kommt die Haftbedingung (6.45.1) zur Anwendung. F¨ur die in Abb. 6.23.b eingetragenen Normal- und Reibungskr¨afte gilt somit FR ≤ μH NB . Mit den Ergebnissen a = g c/h und FR = ma aus Beispiel 6.8 ergibt sich somit folgende Ungleichung f¨ur den Mindestwert des Haftreibungskoef¿zienten μH ≥
FR m gc c ma = = . = NB mg mg h h
6.6 Rollen und Gleiten
239
¨ Beispiel 6.17 Fussball im Ubergang vom Gleiten zum Rollen Ein Fußball bewegt sich unmittelbar nach einem Abschuss zur Zeit ta translatorisch mit der Anfangsgeschwindigkeit vSa = 6m/s. Nach welcher Zeit te tritt Rollen ein? Bekannt: Radius des Balles r, Masse des Balles m, Anfangsgeschwindigkeit vSa , Gleitreibungskoef¿zient μG .
¨ Abb. 6.34. Fussball im Ubergang vom Gleiten zum Rollen
¨ Voruberlegungen: Abb. 6.34 zeigt die Geschwindigkeitsverteilungen zur Zeit ta bei translatorischer Bewegung und zur Zeit te , ab der Rollen eintritt. Grundlage der Berechnung sind die Bewegungsgleichungen (6.32) mit der Wahl F = S f¨ur den F¨uhrungspunkt. Die Bewegungsgleichungen (6.33) oder (6.34) k¨onnen nicht verwendet werden, weil die zugeh¨origen Voraussetzungen (festes AuÀager oder translatorische Bewegung) nicht erf¨ullt sind. Da in dem Zeitraum ta ≤ t ≤ te Rollen nicht auftritt, ist von den beiden Kr¨aftebedingungen (6.45) die Gleitbedingung (6.45.2) zu verwenden. Zus¨atzlich sind kinematische Beziehungen zu formulieren. L¨osung: Wir beginnen mit den Bewegungsgleichungen (6.32) ¨ S = −R mX
(1)
mY¨S = mg − N
(2)
(S) ϕΘ ¨ z
= Rr.
(3)
Die Gleitbedingung (6.45.2) lautet R = μG N.
(4)
Da die Bewegung horizontal verl¨auft, ist Y¨S = 0. In den Gleichungen (1) bis (4) treten die ¨S , ϕ¨ auf. Da jedoch auch te unbekannt ist, wird eine zus¨atzliche vier Unbekannten R, N, X Gleichung erforderlich. Zu diesem Zweck nutzen wir die Tatsache, dass zum Zeitpunkt te reines Rollen auftritt. Damit ist auch der Geschwindigkeitspol G im Ber¨uhrpunkt bekannt, so dass zur Zeit te aus Gl.(6.19.2) folgt vSe = rωe .
(5)
240
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Zur AuÀ¨osung der Gleichungen (1) bis (5) folgern wir zun¨achst aus den Gl.(2) und Gl.(4): R = μG N = μG mg.
(6)
Einsetzen dieser Beziehung in Gl.(1) und anschließende Integration liefern dvs = −R = −μG mg dt e e m dvs = μG mg dt =⇒ m(vSe − vSa ) = μG mgte . ¨S = m mX
=⇒
a
a
Wird diese Beziehung umgeformt und des Weiteren Gl.(5) verwendet, so ergibt sich vSe = vSa − μG gte = rωe
=⇒
ωe =
1 (vSa − μG gte ) . r
(7)
Zus¨atzlich wird Gl.(3) unter Ber¨ucksichtigung von Gl.(6) durch Integration ausgewertet: dω = Rr = μG mgr dt te ωe Θz(S) dω = μG mgr dt =⇒ Θz(S) (ωe − ωa ) = μG mgrte . ϕΘ ¨ z(S) = Θz(S)
=⇒
ωa
ta
Mit Gl.(7) und der Anfangsbedingung ωa = 0 folgt schließlich 1 1 Θz(S) vSa − Θz(S) μG gte = μG mgrte r r
6.6.2 Aufgaben zu Abschnitt 6.6 Aufgabe 6.26 (SG = 1) An einer Umlenkrolle der Masse mU sind zwei Massen m1 und m2 mit Seilen befestigt. Die Umlenkrolle wird als Kreisscheibe mit dem Radius R1 behandelt und setzt sich unter dem EinÀuss der Schwerkraft in Bewegung. Bestimmen Sie 1. die Winkelbeschleunigung α der Rolle sowie die Beschleunigungen der Massen m1 und m2 , 2. die Seilkr¨afte S1 und S2 in beiden Seilen. Bekannt: R1 , R1 = 1.5 R2 , m, m1 = 2m, m2 = m, mU = 3m.
(S)
=⇒
te =
Θz vSa (S)
μG mgr 2 + Θz μG g
.
6.6 Rollen und Gleiten
241
Aufgabe 6.27 (SG = 3) Das dargestellte System besteht aus einer d¨unnen Kreisscheibe m1 , die u¨ ber eine starre, masselose Stange mit einem d¨unnen Rad verbunden ist. Das Rad besteht aus einem Kreisring der Masse mKr , vier Speichen mSp und einer Nabe der Masse mN . Bestimmen Sie 1. die Bewegungsgleichung, 2. die Kraft FS , welche von der Stange u¨ bertragen wird, 3. den K¨orper, der bei zunehmendem Winkel β zuerst zu rutschen beginnt. Bekannt: μH , R, β, g, r1 = R/4, r2 = 3R/4, m1 = m, mKr = m/2, mSp = mN = m/10. Aufgabe 6.28 (SG = 3) Die halbe Kreisscheibe aus Aufgabe 6.22 schwingt auf einer ebenen Unterlage ohne zu rutschen. Bestimmen Sie die Bewegungsdifferenzialgleichung f¨ur kleine Auslenkungen in Abh¨angigkeit der Koordinate ϕ. 4 Bekannt: m, R, SM = s = R . 3π Aufgabe 6.29 (SG = 3) Eine Rechteckmasse (Masse m1 ) ist u¨ ber ein masseloses Seil mit einer Jo-Jo-Scheibe der Masse m2 gekoppelt. Dabei wird das Seil u¨ ber drei masselose, raumfeste Umlenkrollen gef¨uhrt und rollt ideal und stets straff gespannt ab. Der Bewegung der Rechteckmasse wirkt eine Coulombsche Reibungskraft (Reibzahl μ) entgegen. ..
1. Bestimmen Sie die Beschleunigung x (t) der Rechteckmasse m1 . 2. Geben Sie die Koordinate x(t) des Schwerpunktes S1 an. 3. Wie lange braucht die Jo-Jo-Scheibe m2 , damit ihr Schwerpunkt S2 die H¨ohe H zur¨ucklegt? Gegeben: m1 = 8m, m2 = m, m, R, r, g, β = 45o , H = 5R, μ. Anfangsbedingungen: ϕ(t = 0) = 0, x(t = 0) = 0.
242
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 6.30 (SG = 1) Eine Masse m1 zieht an einem Seil, welches auf einer Seilscheibe mit dem Radius R1 aufgewickelt ist. Die Seilscheibe selbst ist mit einem Seil u¨ ber den Radius R2 im Raum befestigt. Unter dem EinÀuss der Schwerkraft setzen sich Scheibe und Masse in Bewegung. Die Seilscheibe kann idealisiert als Kreisscheibe mit der Masse mU und dem Radius R1 betrachtet werden. Bestimmen Sie die Bewegungsgleichung des Systems. Bekannt: m, R1 , g, m1 = m, mU = 3m, R2 = 2/3 R1 . Aufgabe 6.31 (SG = 3) An einem d¨unnen Kreisring der Masse m1 ist ein d¨unner Stab der Masse m2 und der L¨ange l angebracht. Der Ring kippt aus der labilen Gleichgewichtslage und rollt dabei auf der rauhen Unterlage ohne zu rutschen ab. Berechnen Sie die Geschwindigkeit, mit der die Spitze des Stabes auf der Unterlage aufschl¨agt. Bekannt: l, r = l/2, g, m1 , m2 = m1 /2.
Aufgabe 6.32 (SG = 3) In dem dargestellten Endst¨uck des Kugelr¨ucklaufs einer Kegelbahn rollt eine Kugel der Masse m von der Lage A eine Kreisbahn mit Radius R in die Lage B hinauf. Hier hat sie die Schwerpunktgeschwindigkeit vB . Zwischen den Lagen B und C rutscht die Kugel, bis in Lage C wieder reines Rollen eintritt. Gesucht sind 1. die Zeit tR , bis reines Rollen eintritt, 2. der Abstand L zwischen B und C, 3. die Geschwindigkeit vC in Lage C. Bekannt: μ, R = 3r, r, m, vB = 2.4 m/s.
6.7 Der Energiesatz f¨ur den starren K¨orper in der ebenen Bewegung
243
¨ den starren K¨orper in der ebenen Bewegung 6.7 Der Energiesatz fur 6.7.1 Formulierung des Energiesatzes Wir fassen den starren K¨orper wieder als ein starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Massen auf, so dass wie bei der Herleitung der Bewegungsgleichungen die Formeln f¨ur das starre Massenpunktsystem direkt u¨ bertragen werden. Aus den Gleichungen (5.57) folgt somit ¨ den starren K¨orper (beliebiges System) Der Energiesatz fur
(6.46)
I,II U I + T I + WK = U II + T II .
Bemerkungen 5.4 I,II 1. Die Arbeit der a¨ ußeren restlichen Kr¨afte WK wird nach Gl.(5.57.2) bestimmt 2. Das Potenzial der a¨ ußeren Potenzialkr¨afte U h¨angt wie in Kapitel 4 erkl¨art von der Art der jeweiligen Kr¨afte ab. Beispielsweise erfolgt die Berechnung f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte mit den Gleichungen (4.40.1) und (4.40.2). 3. Die kinetische Energie wird mit den Ergebnissen f¨ur das starre Massenpunktsystem in Abschnitt 5.7.1 ermittelt. Bei Beschr¨ankung auf ebene Bewegungen folgt mit vF z = 0 aus Gl.(5.61)
¨ den starren K¨orper in der ebenen Bewegung Die kinetische Energie fur (F ) 1 1. T = 2 m(vF2 x + vF2 y ) + mω (vF y xS − vF x yS ) + 21 Θz ω 2 (F ) 2. Θz = (x2 + y 2 )dm.
(6.47)
m
(F ) ¨ Hierbei ist Θz das Massentr¨agheitsmoment aus (6.31). Im Ubrigen gelten die Bemerkungen 5.7 zum starren Massenpunktsystem auch f¨ur den starren K¨orper in der ebenen Bewegung. Damit kennzeichnet der erste Summand auf der rechten Seite in Gl.(6.47.1) die Translationsenergie als Folge der Geschwindigkeiten vF x , vF y . Der zweite Summand resultiert aus der Translation und der Rotation des starren K¨orpers. Der dritte Anteil ist Folge der Winkelgeschwindigkeit ω und beschreibt die Rotationsenergie.
Liegt der F¨uhrungspunkt F im Schwerpunkt S, dann folgt xS = yS = 0 und somit 1 1 T = m(vF2 x + vF2 y ) + Θz(S) ω 2 . (6.48) 2 2 Liegt F im Geschwindigkeitspol G oder in einem festen Bezugspunkt 0, dann gilt F =S:
1 T = Θz(F ) ω 2 , 2 d.h. die kinetische Energie ist gleich der Rotationsenergie. F = G oder F = 0 :
(6.49)
244
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Beispiel 6.18 Aufprall einer Schranke mit Gegengewicht auf einen Pfosten F¨ur die Schranke aus Beispiel 5.10 ist die Auftreffgeschwindigkeit vB auf den rechten Pfosten zu bestimmen. Dabei ist zur genaueren Berechnung die Schranke als d¨unner Stab zu behandeln. Bekannt: L¨ange l und Masse m1 = m der Schranke, Abstand der Pfosten b, Masse des Gegengewichtes m2 = m/2.
Abb. 6.35. Aufprall einer Schranke auf einen Pfosten
¨ Voruberlegungen: Die Aufgabe wird mit dem Energiesatz (6.46) bearbeitet. Dazu werden die Lagen I und II sowie das Nullniveau N N wie in Beispiel 5.10 festgelegt. Ebenso wird der Drehpunkt A als F¨uhrungspunkt F gew¨ahlt, so dass die kinetische Energie mit der einfachen Darstellung (6.49) berechnet werden kann. L¨osung: F¨ur die Potenzialanteile und die kinetischen Energien in den Lagen I und II gilt U I = m1 gl − m2 g l =
m 1 2 gl, T I = 0, U II = 0, T II = Θz(A) ωII . 2 2
F¨ur das Massentr¨agheitsmoment bezogen auf den Drehpunkt A = F berechnet man Θz(A) =
1 17 m1 (4l)2 + m1 l2 + m2 l2 = ml2 . 12 6
Damit folgt wie in den L¨osungsschritten in Beispiel 5.10 U I + T I = U II + T II
=⇒
m 1 17 2 2 gl = ml ωII 2 2 6
und schließlich ωII =
6 g . 17 l
=⇒
vB = ωII b =
6 g b. 17 l
Im Vergleich zur L¨osung in Beispiel 5.10 erh¨alt man ein um den Faktor kleineres Ergebnis.
6 2 / = 0.723 17 3
6.7 Der Energiesatz f¨ur den starren K¨orper in der ebenen Bewegung
245
Beispiel 6.19 Winkelgeschwindigkeiten f¨ur gelenkig verbundenes Stabwerksystem Das Stabsystem aus Beispiel 6.6 hat in der Ruhelage den Winkel ϕ0 = 45o und setzt sich unter dem EinÀuss der Erdbeschleunigung in Bewegung. Wie groß sind die Winkelgeschwindigkeiten ω1 und ω2 der St¨abe 1 und 2 f¨ur den Winkel ϕ = 0o ? ¨ Voruberlegungen: Die Aufgabe wird mit dem Energiesatz (6.46) bearbeitet. Wir kennzeichnen mit I die Ausgangslage f¨ur den Winkel ϕ = 45o und mit II die horizontale Endlage f¨ur ϕ = 0o . Das Nullniveau N N ist in Abb. 6.36 skizziert. Die kinetische Energie wird mit der einfacheren Darstellung (6.49) berechnet, wobei die dargestellen Pole G1 und G2 als F¨uhrungspunkte f¨ur Stab 1 und Stab 2 verwendet werden.
Abb. 6.36. Stabwerksystem: Nullniveau und Lagen der St¨abe
L¨osung: Bezogen auf das Nullniveau N N werden die H¨ohenkoordinaten der Schwerpunkte beider St¨abe in der Lage I mit h1 und h2 bezeichnet. Die Geschwindigkeiten sind in dieser Lage gleich Null. F¨ur das Potenzial und die kinetische Energie in Lage I gilt somit √ 3L L 3L L h1 = √ , h2 = √ =⇒ U I = m1 gh1 + m2 gh2 = mg √ + mg √ = mgL 2, 2 2 2 2 2 2 2 2 T I = 0. Bezogen auf die Momentanpole G1 und G2 in Lage II (vgl. Aufgabe 6.5) werden die Massentr¨agheitsmomente wie folgt berechnet:
2
2 1 L 1 1 3L 7 Θ1G1 = mL2 + m = mL2 , Θ2G2 = mL2 + m = mL2 . 12 2 3 12 2 3 F¨ur das Potenzial und die kinetische Energie nach Gl.(6.49) ergibt sich f¨ur Lage II 1 7 4 U II = 0 T II = 12 Θ1G1 ω12 + 12 Θ2G2 ω22 = mL2 ω 2 + mL2 ω 2 = mL2 ω 2 . 6 6 3 Hier wurde noch das Ergebnis ω1 = ω2 = ω aus Aufgabe 6.5 verwendet. Mit dem Energiesatz (6.46) folgt somit √ 4 3 g U I + T I = U II + T II =⇒ mgL 2 + 0 = 0 + mL2 ω 2 =⇒ ω 2 = √ . 3 2 2L Bemerkung: Werden nicht die Momentanpole G1 und G2 sondern die Schwerpunkte S1 , S2 als F¨uhrungspunkte gew¨ahlt, so kann die kinetische Energie nicht mit Gl.(6.49) bestimmt werden. Stattdessen ist Gl.(6.48) zu verwenden, so dass beispielsweise f¨ur den Stab 1 folgt 2
1 1 1 (S) 2 1 1 1 1 II 2 T1 = m1 vS1 + Θ1 ω1 = m vB + mL2 ω 2 = ... = mL2 ω 2 . 2 2 2 2 2 12 6
246
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
6.7.2 Aufgaben zu Abschnitt 6.7 Aufgabe 6.33 (SG = 2) Der dargestellte Stahlwinkel wird aus der Ruhelage mit dem Winkel ϕ = 90o losgelassen. Wie groß sind die Winkelgeschwindigkeit ω und Winkelbeschleunigung α = ω˙ f¨ur ϕ = 0o ? Bekannt: Radius ϕ0 = 900 , Abmessungen b, c.
Aufgabe 6.34 (SG = 2) Man l¨ose Aufgabe 6.31 f¨ur den d¨unnen Kreisring mit dem Arbeits- und Energiesatz. Aufgabe 6.35 (SG = 2) Ein Stabwerksystem wird wie dargestellt f¨ur den Winkel ϕ = 45o aus der Ruhelage losgelassen. Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit des Stabes f¨ur ϕ = 00 ?
Aufgabe 6.36 (SG = 3) Ein Zahnrad der Masse m1 rollt aus der Ruhelage heraus eine schiefe Ebene hinunter. Es wird wie skizziert u¨ ber eine Zahnstange der Masse m2 gef¨uhrt und kann als homogene Kreissscheibe idealisiert werden. Gesucht ist die Schwerpunktgeschwindigkeit des Zahnrades zu dem Zeitpunkt an dem 1. sich das Lager A am weitesten rechts unterhalb der F¨uhrungsebene be¿ndet, 2. sich der Stab der Masse m2 in der senkrechten Lage be¿ndet. Bekannt: β = 30o , m1 = m, m2 = m/2, l, r = l/10.
6.8 Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen
247
6.8 Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen In Abb. 6.37 ist die Sprengung eines Schornsteins dargestellt. Der Schornstein verdreht sich zun¨achst als starrer K¨orper, um dann unter einem bestimmten Neigungswinkel zu zerbrechen. F¨ur derartige Kippbewegungen werden die zeitlich ver¨anderlichen Schnittgr¨oßen ben¨otigt, um mit deren Maximalwerten den Bruch vorherzusagen. Weitere Anwendungen von Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen sind Rotorbl¨atter von Hubschraubern Abb. 6.37. Sprengung eines Schornsteins oder Windenergieanlagen. In Abb. 6.38.a ist ein Gesamtk¨orper der Masse m und in Abb. 6.38.b ein Teilk¨orper der Masse mT im Freischnitt dargestellt. In beiden F¨allen k¨onnen z.B. die Bewegungsgleichungen (6.31) verwendet werden. Die Berechnung der Schnittgr¨oßen erfolgt in zwei Schritten: 1. Bestimmung der Bewegungsgr¨oßen ¨ S , Y¨S , ϕ¨ f¨ur bekannte a¨ ußere Kr¨afte X Abb. 6.38. Stab in der Bewegung: Fi des Gesamtk¨orpers - z.B. mit den a) Gesamtk¨orper, b) Teilk¨orper mit Schnittgr¨oßen Gleichungen (6.31). ¨ ST , Y¨ST , ϕ 2. Bestimmung der Bewegungsgr¨oßen X ¨ des Teilk¨orpers u¨ ber kinematische Beziehungen. Mit diesen Gr¨oßen werden die Schnittgr¨oßen N (x), Q(x), M (x) berechnet. Dazu werden z.B. die Gleichungen (6.31) auf den Teilk¨orper der Masse mT angewendet. F¨ur den Sonderfall der Drehbewegung eines Stabes um einen festen Punkt 0 sind die Bewegungsgleichungen (6.31) nicht zweckm¨aßig. Wir u¨ bertragen daher den Schwerpunktsatz (5.21) und den Momentensatz (5.39) f¨ur das starre Massenpunktsystems mit k¨orperfesten Koordinaten auf den starren Teilk¨orper der Masse mT in Abb. 6.38.b. Dabei lassen wir f¨ur den Schwerpunktsatz die Stabachse mit der x-Achse zusammenfallen, so dass yS =0. Des Weiteren setzen wir ϕ˙ = ω, ϕ¨ = α und erhalten die ¨ die Drehung um einen festen Punkt Bewegungsgleichungen fur 1. x : −mT xST ϕ˙ 2 = ni=1 Fix wobei mT = dm. mT n 2. y: mT xST ϕ¨ = i=1 Fiy n (F ) (F ) (F ) 3. ϕz : ϕΘ ¨ zT = i=1 Mzi , wobei ΘzT = (x2 + y 2 )dm.
(6.50)
mT
Diese Gleichungen werden mit mT = m im ersten Rechenschritt auf den Gesamtk¨orper in Abb. 6.38.a und im zweiten Rechenschritt auf den Teilk¨orper der Masse mT in Abb. 6.38.b angewendet.
248
6 Kinematik und Kinetik der ebenen Bewegung starrer K¨orper
Beispiel 6.20 Schnittgr¨oßen bei der Sprengung eines Schornsteins Ein Schornstein der Masse m wird gesprengt und verdreht sich wie in Abb. 6.39 dargestellt um seinen Lagerpunkt A. Gesucht sind 1. die Schnittgr¨oßen f¨ur Normalkraft N (x), Querkraft Q(x) und Moment M (x). 2. der Ort xB des maximalen Momentes, 3. der Winkel ϕB , bei dem f¨ur ein Moment MB der Bruch eintritt. Bekannt: m, h, MB . Hinweis: Der Schornstein wird als d¨unner Stab mit der L¨ange h behandelt. Das Massentr¨agheitsmoment (S) bezogen auf den Schwerpunkt S ist Θz = ml2 /12.
Abb. 6.39. Schornstein in der Drehbewegung
¨ Voruberlegungen: Mit dem F¨uhrungspunkt F = 0 werden mit dem Momentensatz (6.50.3) zun¨achst die Bewegungsgr¨oßen ϕ¨ und ϕ˙ des Gesamtk¨orpers berechnet. Anschließend werden die Gleichungen (6.50) f¨ur den Teilk¨orper zur Bestimmung der Schnittgr¨oßen verwendet. L¨osung: Das Massentr¨agheitsmoment f¨ur den Gesamtk¨orper bezogen auf Punkt 0 betr¨agt
2 1 h 1 m = mh2 . Θz(0) = mh2 + m 12 2 3 (0)
Der Momentensatz (6.50.3) mit dem Moment der Gewichtskraft Mz =mg(h/2) sin ϕ liefert: h g 1 2 h mϕ¨ = mg sin ϕ =⇒ ϕ¨ = 23 sin ϕ. 3 2 h Mit der Anfangsbedingung ϕ(t = 0)=ϕ0 =0 folgt aus der 5. Grundaufgabe in Tabelle 2.1 ϕ 3g g 2 2 ϕ˙ = ϕ0 + 2 sin ϕd ˜ ϕ˜ = 3 (1 − cos ϕ). h 0 2h Wir wenden jetzt die Bewegungsgleichungen (6.50) auf den Teilk¨orper in Abb. 6.39.b. mit F = ST an: (0)
(0)
Θz ϕ ¨ = Mz
x: y: ϕz :
=⇒
−mT xS ϕ˙ 2 = −N (x) − mT g cos ϕ mT xS ϕ¨ = Q(x) − mT g sin ϕ h−x (S) ϕΘ ¨ zT = M (x) + Q(x) . 2
Mit den Massenwerten f¨ur den Teilk¨orper x h−x m= 1− m, h h x 3 1 mh2 1− = (h − x)2 = 12 12 h
mT = (S)
ΘzT
Abb. 6.39.b. Schnittgr¨oßen am Teilk¨orper
6.8 Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen
249
sowie xST = x + h/2 erh¨alt man nach einiger Rechnung folgende Ergebnisse f¨ur die Schnittgr¨oßen:
x 3 x N (x) = −mg 1 − − 1+ (1 − cos ϕ) cos ϕ h 2 h x x mg sin ϕ 1 − 1−3 , Q(x) = 4 h h x 2 x mgh sin ϕ 1 − . M (x) = 4 h h Der Verlauf der Schnittgr¨oßen ist qualitativ in Abb. 6.39.c dargestellt. Der Ort des maximalen Biegemonentes folgt aus der Extremalbedingung f¨ur M (x): Abb. 6.39.c. Schnittgr¨oßenverlauf am Gesamtk¨orper
dM mgh x x = sin ϕ 1 − 1−3 = 0 =⇒ dx 4 h h
x1 = h, x2 =
h . 3
Maßgebend ist der Wert x2 = h/3. Damit k¨onnen das maximale Moment Mmax und der ,,Bruchwinkel” berechnet werden:
mgh 27MB Mmax = sin ϕ, Mmax = MBruch =⇒ ϕB = arcsin . 27 mgh 6.8.1 Aufgaben zu Abschnitt 6.8 Aufgabe 6.37 (SG = 3) Ein Rotorblatt wird durch den dargestellen Balken angen¨ahert. In der Ruhelage beginnend wird es durch ein Antriebsmoment M0 belastet. Gesucht sind die Schnittgr¨oßen N (x), Q(x) und M (x) nach 3 Umdrehungen. Bekannt: Antriebsmoment M0 , L¨ange l, Masse m. Aufgabe 6.38 (SG = 3) Der dargestellte Balken mit drei Lagern wird durch eine Kraft F belastet, wobei pl¨otzlich das Lager B versagt. Gesucht sind die Schnittgr¨oßen N (x), Q(x) und M (x) f¨ur die Winkel ϕA = 0 und ϕA = 100 ? Bekannt: Kraft F , Abmessungen l1 = 2l/3, l2 = l/3, Massen m1 = m, m2 = m.
Quelle: ALSTOM (Schweiz) AG, Baden, Schweiz
Konstruktionen, bei denen eine Rotation um eine feste Drehachse auftritt, haben vielfache Anwendungen in der Technik. Als Beispiel ist in der obigen Abbildung eine Gasturbine dargestellt. Gasturbinen haben in den letzten Jahrzehnten in Kraftwerken stark an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen und erreichen heute Leistungen zwischen 150 und 250 MW. Beeindruckend ist dabei die auftretende kinetische Energie w¨ahrend des Betriebes. Wenn die Rotationsenergie eines Gasturbinenl¨aufers von 80 000 kg Masse in Translationsenergie umgewandelt w¨urde, dann k¨onnte dieser eine Bahngeschwindigkeit von ca. 850 km/h und damit eine H¨ohe von ca. 2700 m u¨ ber dem Kraftwerk erreichen. In der Rotorindustrie ist unter Anderem die Kenntnis von dynamischen Lagerkr¨aften an den rotierenden Systemen von Bedeutung. Derartige Kr¨afte sind unerw¨unscht, da sie zu Ger¨auschentwicklungen und langfristig zu Sch¨aden an den Auflagern f¨uhren k¨onnen. Falls Lagerreaktionen festgestellt werden, sind zu deren Vermeidung oder Reduzierung geeignete Maßnahmen, wie z.B. Auswuchten, zu treffen. Bei hohen Umdrehungszahlen (z.B. 3000 Umdrehungen pro Minute bzw. 50 Hz) erfahren die zus¨atzlich angebrachten Bauteile der Rotoren vergleichsweise große Zentrifugalkr¨afte. Diese sind neben der Temperaturbelastung, z.B. bei der Bemessung von Turbinenschaufeln, zu ber¨ucksichtigen.
7 Grundlagen der Rotordynamik
Dieses Kapitel gibt eine Einf¨uhrung in die Rotordynamik. Dazu behandeln wir zun¨achst die Rotation eines starren K¨orpers um eine feste, starre Drehachse mit dem Schwerpunktsatz und dem Momentensatz. Zur Herleitung dieser Gleichungen werden die Formulierungen (5.21) und (5.47) f¨ur das starre Massenpunktsystem auf den starren K¨orper u¨ bertragen. Am Ende des Kapitels wird die Elastizit¨at einer rotierenden Laval-Welle ber¨ucksichtigt.
7.1 Der Schwerpunktsatz und der Momentensatz Wir betrachten in Abb. 7.1 einen starren K¨orper, der mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine feste Achse rotiert und dabei mit Kr¨aften Fi belastet wird. Der F¨uhrungspunkt F , der im allgemeinen Fall nicht auf der Drehachse liegt, hat den Ortsvektor xF und den Beschleunigungsvektor aF . Die zum Schwerpunkt S und einem weiteren Punkt P des K¨orpers geh¨orenden Ortsvektoren relativ zu F kennzeichen wir mit xFS und xFP . Der Basisvektor ez
F Abb. 7.1. Rotation eines starren K¨orpers um eine feste Achse: a) Vektoren xF , xF P , xS , aF , Fi , b) zeitlich konstante Koordinaten xS , yS , x, y, Koef¿zienten aF x , aF y und Fix , Fiy bez¨uglich einer k¨orperfesten Vektorbasis ex , ey , ez
252
7 Grundlagen der Rotordynamik
zeigt in Richtung der Drehachse. Abb. 7.1.b veranschaulicht bez¨uglich der mitrotierenden k¨orperfesten Basis ex , ey die zeitlich konstanten Koordinaten xS , yS von S bzw. x, y von P , die Koef¿zienten aF x , aF y von aF und die Koef¿zienten Fix , Fiy von Fi . Der K¨orper wird gem¨aß De¿nition (6.2) als starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Massenpunkten aufgefasst. Damit kann die Rechenregel (6.3) auf die linken Seiten des Schwerpunktsatzes (5.21) und des Momentensatzes (5.47) angewendet werden. Da lediglich Einzelkr¨afte Fi an dem K¨orper angreifen, bleiben die rechten Seiten der Gleichungen unver¨andert. Gewichtskr¨afte werden wie in der Statik als resultierende Kr¨afte in den Schwer¨ punkten angreifend behandelt. Mit diesen Uberlegungen folgt aus den Gleichungen (5.21) ¨ die Rotation um eine feste Achse Der Schwerpunktsatz des starren Ko¨ rpers fur F =0 1. x: m(−yS0 α − x0S ω 2 ) = ni=1 Fix (7.1) 2. y: m(x0S α − yS0 ω 2 ) = ni=1 Fiy 3. z: 0 = ni=1 Fiz . dm. 4. m= m
Diese Gleichungen beziehen sich auf k¨orperfeste, mitrotierende kartesische Koordinaten x, y, z mit festem Bezugspunkt F =0. Da keine Bewegung in z-Richtung auftritt, sind die Kr¨afte Fiz im statischen Gleichgewicht. Mit Anwendung der Rechenregel (6.3) auf die linken Seiten von (5.47) wird der Momentensatz des starren K¨orpers f¨ur die Rotation um eine feste Achse erhalten. Dabei beschr¨anken wir uns im Folgenden auf zwei Sonderf¨alle: 1. Der F¨uhrungspunkt F liegt im Schwerpunkt S (xFS = 0), oder 2. der F¨uhrungspunkt F liegt im festen Ursprung 0 (xF = 0, aF = 0, Beispiel AuÀager). Damit folgt ¨ die Rotation um eine feste Achse Der Momentensatz des starren K¨orpers fur F = S oder F = 0 (F )
(F )
(F )
(F )
1. ϕx :
αΘxz − ω 2 Θyz
2. ϕy :
αΘyz + ω 2 Θxz
3. ϕz :
αΘz
4.
(F )
= = =
n
(F ) i=1 Mix
n
(F ) i=1 Miy
(7.2)
n
(F ) i=1 Miz
(F ) (F ) (F ) Θxz =− xzdm, Θyz =− yzdm, Θz = (x2 + y 2 )dm. m
m
m
Diese Gleichungen beziehen sich auf k¨orperfeste, mitrotierende kartesische Koordinaten x, y, z mit Bezugspunkt F =S oder F =0.
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
253
Bemerkungen 7.1 1. In dem Schwerpunktsatz (7.1) ist zu ber¨ucksichtigen, dass die Beschleunigungen auf den linken Seiten der Gleichungen auf den Schwerpunkt S zu beziehen sind. (F ) (F ) (F ) 2. Im nachfolgenden Abschnitt 7.2 werden die Massentr¨agheitsmomente Θz , Θxz , Θyz des Momentensatzes (7.2) f¨ur einige einfache K¨orper berechnet. 3. Bei der Bestimmung von dynamischen Lagerkr¨aften an statisch bestimmten Systemen kann nach den L¨osungsschritten der Tabelle 5.1 vorgegangen werden. Dazu wird der Momentensatz bzgl. zwei verschiedener F¨uhrungspunkte formuliert. Alternativ k¨onnen der Momentensatz f¨ur einen F¨uhrungspunkt und erg¨anzend der Schwerpunktsatz verwendet werden, wie dieses in der Statik mit einer Kraft- und einer Momentenbedingung geschieht.
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix 7.2.1 Definitionen (F )
(F )
(F )
In dem Momentensatz (7.2) treten die drei Massentr¨agheitsmomente Θxz , Θyz , Θz Weitere Gr¨oßen ber¨ucksichtigen wir mit der folgenden
auf.
Definitionen Massentr¨agheitsmomente 1. Axiale Massentr¨agheitsmomente (F )
Θx
=
m (y
2
(F )
+ z 2 ) dm, Θy
=
2 m (x
(F )
+ z 2 ) dm, Θz
=
2 m (x
+ y 2 ) dm
(7.3)
2. Deviationsmomente (F )
Θxy = − (F ) Θyx
=−
m xy dm, m yx dm,
(F )
Θxz = − (F ) Θzx
=−
m xz dm, m zx dm,
(F )
Θyz = − (F ) Θzy
=−
m yz dm m zy dm.
Bemerkungen 7.2 1. Gem¨aß Bemerkung 3.5.4 sind die axialen Massentr¨agheitsmomente ein Maß f¨ur die Drehtr¨agheit des K¨orpers, und nach Abschnitt 5.6.2 sind die Deviationsmomente ein Maß f¨ur das Bestreben des K¨orpers, seine Drehachse zu ver¨andern. 2. W¨ahrend die axialen Massentr¨agheitsmomente immer positive Gr¨oßen sind, k¨onnen die Deviationsmomente positiv oder negativ sein und insbesondere auch verschwinden. 3. Auf Grund der Eigenschaften (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) Θxy =− xy dm = − yx dm = Θyx , Θyz = Θzy , Θzx = Θxz (7.4) m
m
gibt es nur drei unterschiedliche Deviationsmomente. 4. Gelegentlich ¿ndet man in der Literatur f¨ur die axialen Tr¨agheitsmomente die Schreib(F ) (F ) (F ) weisen Θxx , Θyy , Θzz mit doppelten Indizes und f¨ur die Deviationsmomente die De(F ) ˆxy = ¿nitionen Θ m xy dm mit einem positiven Vorzeichen.
254
7 Grundlagen der Rotordynamik
Die Tr¨agheitsmomente der Gleichungen (7.3) k¨onnen wir in einer Matrix anordnen: ⎤⎡ ⎡ ⎤ (F ) (F ) (F ) 2 2 Θx Θxy Θxz − xydm − m xzdm ⎥ ⎥ ⎢ m (y + z )dm ⎢ (F ) (F ) (F ) ⎥=⎢ 2 + z 2 )dm Θ(F )=⎢ Θ Θ Θ − yxdm (x − m yzdm ⎥ yz ⎦ ⎣ ⎣ yx y ⎦. (7.5) m m (F )
(F )
(F )
Θzx Θzy Θz
−
m zxdm
−
m zydm
2 m (x
+ y 2 )dm
Wegen (7.4) folgt die Symmetrie der Massentr¨agheitsmatrix Θ(F ) . Eine Ver¨anderung des Koordinatensystems - Verschiebung oder Verdrehung - f¨uhrt im Allgemeinen zur Ver¨anderung der Zahlenwerte. Eine spezielle Verdrehung f¨uhrt auf die Haupttr¨agheitsachsen (kurz: Hauptachsen). Deren Richtungen ni = [ni1 , ni2 , ni3 ]T , i = 1, 2, 3 und die zugeh¨origen Haupttr¨ag(F ) (F ) (F ) heitsmomente Θ1 , Θ2 , Θ3 werden durch L¨osung eines Eigenwertproblems erhalten: ⎤ ⎡ ⎫ (F ) (F ) (F ) Θ ⎬ 1. Θ n = Θ n ⎥ ⎢ 1 (F ) (F ) (7.6) =⇒ 3. Θ(1,2,3) =⎣ ⎦. Θ2 ⎭ (F ) (F ) =⇒ 2. det(Θ − Θ 1) = 0 (F ) Θ3 Mit Ber¨ucksichtigung der Symmetrie von Θ(F ) zeigt man in der linearen Algebra [34] die Eigenschaften von Hauptachsen (F ) 1. In den Hauptachsen ist eines der Massentr¨agheitsmomente Θi , i = 1, 2, 3 maximal bzw. minimal gegen¨uber allen anderen Koordinatenrichtungen. 2. In den Hauptachsen verschwinden die Deviationsmomente. 3. Die Hauptrichtungen ni i = 1, 2, 3 sind normal zueinander.
(7.7)
7.2.2 Auffinden von Hauptachsen Technische K¨orper haben h¨au¿g gewisse Symmetrieeigenschaften, auf Grund derer man mindestens eine Hauptachse ohne Rechnung sofort angeben kann. Ein K¨orper besitzt eine Symmetrieachse, wenn er nach jeder Drehung um diese Achse um einen Winkel ϕ=
2π , n = 2, 3, 4, ... n
(7.8)
mit sich selbst zusammenf¨allt. Das gilt z.B. f¨ur den zweilippigen Spiralborer in Abb. 7.2. Ohne einen Beweis zu f¨uhren, verweisen Abb. 7.2. Zweilippiger Spiralbohrer mit n = 2 wir f¨ur einen K¨orper mit einer Symmetrieachse auf Regel (7.9.1). Wir betrachten in Abb. 7.3.a einen homogenen K¨orper, der symmetrisch zur yz-Ebene ist. F¨ur die Massendifferenziale dml = dmr mit den Koordinaten yl = yr und xl = −xr folgt yl xl dml + yr xr dmr = 0 und somit f¨ur das Deviationsmoment Θxy =− xydm = 0. Wegen der Symmetrie zur yz-Ebene gilt ebenfalls Θxz = − xzdm = 0. Allgemein gilt: Besitzt ein K¨orper eine Symmetrieebene, so verschwinden die Deviationsmomente mit einem Index der zu dieser Ebene senkrechten Koordinatenachse. Durch Einsetzen in (7.6.1) zeigt man sofort, dass diese Koordinatenachse auch Hauptachse ist, so dass die Regel (7.9.2) gilt. F¨ur den K¨orper in Abb. 7.3.a ist also wegen Θxy = Θxz = 0 die x-Achse eine Hauptachse. F¨ur den
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
255
Abb. 7.3. Zum Auf¿nden von Hauptachsen ohne Rechnung: a) K¨orper mit yz-Ebene als Symmetrieebene SE, b) K¨orper mit drei orthogonalen Symmetrieebenen SE1, SE2, SE3
K¨orper in Abb. 7.3.b ist die Schnittgerade von zwei Symmetrieebenen eine Symmetrieachse, wobei n = 2 in Gl.(7.8). Damit folgt die erste Aussage von Regel (7.9.3) aus Regel (7.9.1). Die zweite Aussage von Regel (7.9.3) folgt aus Regel (7.9.2). Regeln zum Auffinden von Hauptachsen 1. Besitzt ein K¨orper eine Symmetrieachse, so ist diese eine Hauptachse. 2. Besitzt ein K¨orper eine Symmetrieebene, so ist jede dazu senkrechte Achse eine Haupttr¨agheitsachse. (7.9) 3. Besitzt ein K¨orper zwei zueinander orthogonale Symmetrieebenen, so ist die Schnittgerade der beiden Symmetrieebenen eine Hauptachse. Dazu orthogonale Achsen in jeweils einer der beiden Symmetrieebenen sind ebenfalls Hauptachsen. W¨ahrend nach Regel (7.9.3) ohne Rechnung sofort ein komplettes Hauptachsensystem angegeben werden kann, ist nach Regel (7.9.1) und Regel (7.9.2) mit geringeren Symmetrieeigenschaften nur eine Hauptachse a priori bekannt. Die beiden anderen Hauptachsen lassen sich wie bei Fl¨achentr¨agheitsmomenten f¨ur ebene Probleme berechnen, vgl. Aufgabe 7.14. Beispiel 2.1 Stern mit Symmetrieeigenschaften F¨ur den in Abb. 7.4 dargestellen Stern gebe man alle Symmetrieachsen und Symmetrieebenen an. Welche Hauptachsen ergeben sich? L¨osung: Der K¨orper hat 4 Symmetrieachsen 1 (n = 3), 2, 3, 4 (n = 2) mit n nach Gl.(7.8) und 4 Symmetrieebenen E1 (Sternebene), E2 , E3 , E4 .
Abb. 7.4. Stern mit Symmetrieeigenschaften
256
7 Grundlagen der Rotordynamik
Hierbei werden die Ebenen E2 , E3 , E4 von den Achsen 1 und 2, 1 und 3, 1 und 4 aufgespannt. Sie sind jeweils orthogonal zu E1 aber nicht zueinander. Nach Regel (7.9.1) ist die 1-Achse eine Hauptachse. Nach Regel (7.9.2) liegen mehr als zwei Hauptachsen in der Sternebene E1 . Man kann zeigen, dass in diesem Fall alle in dieser Ebene liegenen Achsen Hauptachsen sind und dass die zugeh¨orgen Haupttr¨agheitsmomente alle gleich sind. ¨ einfache K¨orper bezuglich ¨ 7.2.3 Massentr¨agheitsmomente fur der Schwerpunkte In Tabelle 7.1 sind die Auswertungen der Integrale (7.3) f¨ur die Massentr¨agheitsmomente bez¨uglich der Schwerpunkte S f¨ur einige einfache K¨orper zusammengefasst. Da alle K¨orper mindestens zwei orthogonale Symmetrieebenen aufweisen, sind nach Regel (7.9.3) in Abschnitt 7.2.1 die Hauptachsen, in denen die Deviationsmomente verschwinden, bekannt. In zwei Rechenbeispielen sollen im Folgenden die Auswertungen der Integrale (7.3) erkl¨art werden. Beispiel 7.2 Massentr¨agheitsmomente eines Quaders F¨ur den Quader in Abb. 6.24 sind die Elemente der Massentr¨agheitsmatrix (7.5) bez¨uglich der Schwerpunktkoordinaten x, y, z zu bestimmen. Welche Werte ergeben sich f¨ur eine d¨unne Rechteckplatte mit l << b, h? (S)
L¨osung: Das Massentr¨agheitsmoment Θz ist bereits in Beispiel 6.9 berechnet worden. (S) (S) Zur Bestimmung von Θx und Θy verwenden wir weitere Ergebnisse aus Beispiel 6.9 f¨ur m x2 dm und m y 2 dm. Wir berechnen in gleicher Weise m z 2 dm und erhalten 1 1 1 2 2 2 2 y dm = mh , x dm = mb , z 2 dm = ml2 . 12 12 12 m m m Dann folgt mit den De¿nitionen (7.5) f¨ur die Diagonalelemente der Massentr¨agheitsmatrix 1 (S) Θx = (y 2 + z 2 ) dm = m(h2 + l2 ) 12 m 1 (S) (x2 + z 2 ) dm = m(b2 + l2 ) Θy = (7.10) 12 m 1 (S) Θz = (x2 + y 2 ) dm = m(b2 + h2 ). 12 m F¨ur eine d¨unne Rechteckplatte ergibt sich mit l << h, b aus den Gleichungen (7.10) 1 1 1 mh2 , Θy(S) ≈ mb2 , Θz(S) = m(b2 + h2 ). 12 12 12
(7.11)
Die zugeh¨origen Deviationsmomente sind wegen Regel (7.9.3) gleich Null.
(S)
Θx
≈
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
257
Beispiel 7.3 Hohlzylinder mit konstantem inneren und a¨ ußeren Radius F¨ur den Hohlzylinder in Abb. 6.25 sind die Elemente der Massentr¨agheitsmatrix (7.5) bez¨uglich des Schwerpunktes S zu bestimmen. Welche Werte ergeben sich f¨ur die in Abb. 6.26 dargestellten K¨orper: a) Vollzylinder, b) d¨unner Stab, c) d¨unne Kreisscheibe, d) d¨unner Kreisring? (S) L¨osung: Das Massentr¨agheitsmoment Θz ist bereits in Beispiel 6.10 ermittelt worden. Zur (S) (S) Berechnung der Massentr¨agheitsmomente Θx und Θy bilden wir zun¨achst die Summe (S) (S) (S) Θx + Θy + Θz = (y 2 + z 2 ) + (x2 + z 2 ) + (x2 + y 2 ) dm m z 2 dm = 2 (x2 + y 2 + z 2 ) dm = 2 (x2 + y 2 ) dm + 2 m m m (S) 2 = 2Θz + 2 z dm. m (S)
(S)
Aus Symmetriegr¨unden folgt Θx = Θy , und mit d m = ρ2πr dr dz erh¨alt man 1 (S) (S) (S) Θx = Θy = Θz + z 2 dm 2 m l/2 Ra Ra 1 l/2 1 z 2 r dr dz = ρ2π z 3 −l/2 r dr = Θz(S) + ρ2π 2 3 −l/2 Ri Ri
3 1 1 l 1 2 Ra = Θz(S) + ρ2π 2 r R i 2 3 2 2 1 1 1 1 = Θz(S) + ρπl(Ra2 − Ri2 ) l2 = m(Ra2 + Ri2 ) + m l2 . (7.12) 2 12 4 12 (S)
(S)
(S)
F¨ur die Deviationsmomente folgt mit Regel (7.9.3) Θxy = Θxz = Θyz = 0. Mit dem Ergebnis (S) (7.12) k¨onnen f¨ur die in Abb. 6.26 dargestellten Geometrien die Tr¨agheitsmomente Θx = (S) Θy als Sonderf¨alle bestimmt werden. (S)
a) Vollzylinder:
Ri = 0, Ra = R,
=⇒ Θx
b) D¨unner Stab:
Ri = 0, Ra /l << 1
=⇒ Θx
c) D¨unne Kreisscheibe: Ri = 0, l/Ra << 1
=⇒ Θx
d) D¨unner Kreisring:
(S) (S) (S)
Ri ≈ Rm ≈ Ra
=⇒ Θx (S)
Die zugeh¨origen Massentr¨agheitsmomente Θz
(S)
= Θy
(S)
= Θy
(S)
= Θy
(S)
= Θy
1 1 = mR2 + ml2 4 12 1 ≈ ml2 12 (7.13) 1 2 ≈ mR 4 1 2 ≈ mRm . 2
sind in Gl.(6.38) zusammengefasst.
258
7 Grundlagen der Rotordynamik
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
Tabelle 7.1. Massentr¨agheitsmomente f¨ur einige einfache geometrische K¨orper
259
260
7 Grundlagen der Rotordynamik
7.2.4 Massentr¨agheitsmomente bei Parallelverschiebung der Koordinatenachsen: Der Satz von Steiner Die in Tabelle 7.1 zusammengestellten Massentr¨agheitsmomente gelten f¨ur Koordinatensysteme mit Bezugspunkten im jeweiligen Schwerpunkt S. Mit dem Satz von Steiner kann wie in Abschnitt 6.5.2 eine Umrechnung auf zu den Schwerachsen parallelen Koordinatenachsen erfolgen. Die Herleitung f¨ur die Elemente der Massenmatrix (7.5) geschieht analog zur (F ) Herleitung von Θz in Gl.(6.43). Zusammenfassend erh¨alt man folgende Ergebnisse: Massentr¨agheitsmomente bei Parallelverschiebung der Koordinatenachsen: Der Satz von Steiner (F )
Θx
(F ) Θy (F )
Θz
(S)
= Θx =
(S) Θy (S)
= Θz
+ (yS2 + zS2 ) m, +
(x2S
+
zS2 ) m,
+ (x2S + yS2 ) m,
(F )
(S)
(F ) Θxz
(S) Θxz
Θxy = Θxy − xS yS m, =
(F )
(7.14)
− xS zS m,
(S)
Θyz = Θyz − yS zS m.
Die axialen Massentr¨agheitsmomente haben bez¨uglich der Schwerachsen somit immer den kleinsten Wert, da bei anderen Achsen die ,,Steiner-Anteile” hinzukommen. Beispiel 7.4 Massentr¨agheitsmatrix f¨ur einen d¨unnen Stab konstanter Dicke Man bestimme alle Massentr¨agheitsmomente f¨ur den dargestellten d¨unnen Stab bez¨uglich des Koordinatensystems im Eckpunkt F und fasse diese in einer Massentr¨agheitsmatrix Θ(F ) zusammen. L¨osung: Mit dem Satz von Steiner (7.14), den Ergebnissen in Tabelle 7.1.3 f¨ur den d¨unnen Stab und den Schwerpunktkoordinaten xS = yS = 0, zS = −l/2 ergeben sich f¨ur die Massentr¨agheitsmomente bez¨uglich F die Werte (F ) Θx
=
(S) Θx
(F )
= Θy
(F )
= Θz
Θy Θz
(S) (S)
y y
l/2
S l/2
z, z F
x Abb. 7.5: D¨unner Stab
2 l 02 + − m= 2
2 1 l 2 2 2 2 m= + (xS + zS ) m = ml + 0 + − 12 2 1 + (yS2 + zS2 ) m = ml2 + 12
+ (x2S + yS2 ) m = 0 + 0
x
1 2 ml 3 1 2 ml 3
= 0.
F¨ur die Deviationsmomente ergeben sich keine Beitr¨age, so dass f¨ur die Tr¨agheitsmatrix folgt ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ (F ) (F ) (F ) 1 2 Θx Θxy Θxz 0 0⎥ ⎥ ⎢ ml ⎢ ⎥ ⎢ (F ) (F ) (F ) ⎥ ⎢ 3 (F ) 1 2 ⎥. ⎥ ⎢ Θ =⎢ ⎢ Θyx Θy Θyz ⎥ = ⎢ 0 ml 0 ⎥ ⎦ ⎣ (F ) (F ) (F ) ⎦ ⎣ 3 Θzx Θzy Θz 0 0 0
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
261
Beispiel 7.5 Massentr¨agheitsmatrix f¨ur eine d¨unne Rechteckplatte Man bestimme alle Massentr¨agheitsmomente f¨ur die dargestellte d¨unne Rechteckplatte bez¨uglich des Koordinatensystems im Randpunkt F und fasse diese in einer Massentr¨agheitsmatrix Θ(F ) zusammen. L¨osung: Mit dem Satz von Steiner (7.14), den Ergebnissen f¨ur die Massentr¨agheitsmomente in Tabelle 7.1.7 f¨ur die d¨unne Rechteckplatte bez¨uglich des Schwerpunktes S und den Schwerpunktkoordinaten xS =b/2, yS =−h/2, zS =0 ergeben sich folgende Massentr¨agheitsmomente bez¨uglich des Randpunktes F (F ) Θx
(F )
Θy
(F )
Θz
(F )
Θxy
Abb. 7.6. D¨unne Rechteckplatte
h 2 2 = + + = +m − +0 2 1 b 2 (S) 2 2 2 2 = Θy + m (xS + zS ) = mb +m +0 = 12 2 2
2 1 b h (S) = = Θz + m (x2S + yS2 ) = m(b2 + h2 ) + m + − 12 2 2
h b (S) − = = Θxy - m xS yS =0 - m 2 2 (S) Θx
m (yS2
zS2 )
(F )
(S)
=0
(F )
(S)
=0
Θxz = Θxz - m xS zS Θyz = Θyz - m yS zS
1 = mh2 12
b - m 0 2
h - m − 0 2
1 mh2 3 1 2 mb 3 1 m(b2 + h2 ) 3 1 mb h 4
=0 = 0.
Damit folgt die Massentr¨agheitsmatrix zu ⎡ Θ(F )
(F )
Θx
(F )
(F ) ⎤
⎢ ⎢ (F ) (F ) ⎢ = ⎢ Θyx Θy ⎢ ⎣ (F ) (F ) Θzx Θzy
⎡
1 mh2 3 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢1 (F ) Θyz ⎥ ⎥=⎢ mb h ⎥ ⎢ ⎢4 ⎦ ⎣ (F ) Θz 0
Θxy Θxz
1 mb h 4 1 2 mb 3 0
⎤ 0 0 1 m(b2 + h2 ) 3
⎥ ⎥ ⎥ ⎥. ⎥ ⎥ ⎦
262
7 Grundlagen der Rotordynamik
7.2.5 Massentr¨agheitsmomente bei Verdrehung der Koordinatenachsen Die in Tabelle 7.1 zusammengestellten Massentr¨agheitsmomente sind auf ausgezeichnete Koordinatensysteme bezogen. F¨ur den Momentensatz (7.2) werden die Tr¨agheitsmomente jedoch h¨au¿g bez¨uglich gedrehter Koordinatenachsen ben¨otigt. Um die Integration nicht wiederholen zu m¨ussen, kann mit Hilfe von Transformationsformeln eine Umrechnung auf die neuen Koordinatenachsen erfolgen. Wir bezeichnen mit x∗ , y ∗ , z ∗ die Koordinaten vor der Transformation und mit x, y, z die neuen gedrehten Koordinaten. Bez¨uglich der Achsen x∗ , y ∗ , z ∗ lauten die Massentr¨agheitsmomente (F ) (F ) (F ) Θx∗ = (y ∗2 + z ∗2 ) dm, Θy∗ = (x∗2 + z ∗2 ) dm, Θz ∗ = (x∗2 + y ∗2 ) dm m m m (7.15) (F ) (F ) (F ) x∗ z ∗ dm, Θy∗ z ∗ = − y ∗ z ∗ dm. Θx∗ y∗ = − x∗ y ∗ dm, Θx∗ z ∗ = − m
m
m
Die Koordinatentransformation ist f¨ur allgemeine F¨alle mathematisch komplex. Wir beschr¨anken uns daher auf die in Abb. 7.7 dargestellen drei F¨alle: Verdrehung der Koordinatenachsen a) in der xy-Ebene, b) in der yz-Ebene, c) in der xz-Ebene.
Abb. 7.7. Drei F¨alle zur Koordinatentransformation: Verdrehung in der a) xy- b) yz- c) xz-Ebene
Wie in Abb. 7.8 dargestellt, gilt im Fall a) folgender Zusammenhang zwischen den Koordinaten x, y, z des gedrehten Koordinatensystems und den Koordinaten x∗ , y ∗ , z ∗ des Ausgangskoordinatensystems: x = x∗ cos β + y ∗ sin β y = y ∗ cos β − x∗ sin β (7.16) z = z∗ (vgl. auch (A.20.1-3)). Durch Einsetzen dieser Gleichungen in die (F ) De¿nition f¨ur Θx der Gleichungen (7.3) folgt
Abb. 7.8: Koordinaten bei Verdrehung der Koordinatenachsen
Θx(F ) =
m
= m
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
263
(y 2 + z 2 ) dm ∗2 2 x sin β + y ∗2 cos2 β − 2x∗ y ∗ sin β cos β + z ∗2 dm
∗2 2 x sin β + y ∗2 cos2 β − 2x∗ y ∗ sin β cos β + z ∗2 sin2 β + z ∗2 cos2 β dm m (y ∗2 + z ∗2 ) dm cos2 β + (x∗2 + z ∗2 ) dm sin2 β − 2 x∗ y ∗ dm sin β cos β =
=
=
m (F ) Θx∗ cos2 β
m (F ) + Θy∗ sin2 β
(F ) + 2Θx∗ y∗
m
sin β cos β,
wobei zus¨atzlich die Gleichungen (7.15) ber¨ucksichtigt sind. Die u¨ brigen Massentr¨agheitsmomente werden ebenfalls durch Einsetzen der Gleichungen (7.16) in die De¿nitionen (7.3) erhalten (vgl. Aufgabe 7.4). Wenden wir diese Vorgehensweise auf alle Tr¨agheitsmomente f¨ur die F¨alle a) bis c) in Abb. 7.7 an, so erh¨alt man folgende Transformationsregeln: Massentr¨agheitsmomente bei Verdrehung der Koordinatenachsen in der xy-Ebene Θx = Θx∗ cos2 β + 2Θx∗ y∗ sin β cos β + Θy∗ sin2 β Θy = Θx∗ sin2 β − 2Θx∗ y∗ sin β cos β + Θy∗ cos2 β ♦ Θz = Θz ∗ Θxy = −Θx∗ sin β cos β + Θx∗ y∗ (cos2 β − sin2 β) + Θy∗ sin β cos β ♦ Θxz = Θx∗ z ∗ cos β + Θy∗ z ∗ sin β ♦ Θy z = −Θx∗ z ∗ sin β + Θy∗ z ∗ cos β
(7.17)
Massentr¨agheitsmomente bei Verdrehung der Koordinatenachsen in der yz-Ebene Θy ♦ Θz Θx ♦ Θy z Θy x ♦ Θz x
= Θy∗ cos2 β + 2Θy∗ z ∗ sin β cos β + Θz ∗ sin2 β = Θy∗ sin2 β − 2Θy∗ z ∗ sin β cos β + Θz ∗ cos2 β = Θx∗ = −Θy∗ sin β cos β + Θy∗ z ∗ (cos2 β − sin2 β) + Θz ∗ sin β cos β = Θy∗ x∗ cos β + Θz ∗ x∗ sin β = −Θy∗ xx sin β + Θz ∗ x∗ cos β
(7.18)
Massentr¨agheitsmomente bei Verdrehung der Koordinatenachsen in der xz-Ebene ♦ Θz Θx Θy ♦ Θz x ♦ Θz y Θxy
= Θz ∗ cos2 β + 2Θz ∗ x∗ sin β cos β + Θx∗ sin2 β = Θz ∗ sin2 β − 2Θz ∗ x∗ sin β cos β + Θx∗ cos2 β = Θy∗ = −Θz ∗ sin β cos β + Θz ∗ x∗ (cos2 β − sin2 β) + Θx∗ sin β cos β = Θz ∗ y∗ cos β + Θx∗ y∗ sin β = −Θz ∗ y∗ sin β + Θx∗ y∗ cos β.
Die mit ♦ gekennzeichneten Gr¨oßen werden f¨ur den Momentensatz (7.2) ben¨otigt.
(7.19)
264
7 Grundlagen der Rotordynamik
Beispiel 7.6 R¨uhrwerk mit zwei schiefwinklig angeordneten St¨aben Das in Abb. 7.9 dargestellte R¨uhrwerk besteht aus zwei St¨aben mit den Massen m1 und m2 und den L¨angen 2l und 2d. Die St¨abe sind in den beiden Schwerpunkten verbunden und haben den Winkel β zueinander. Beim Anfahren mit konstanter Winkelbeschleunigung wird die Winkelgeschwindigkeit ωc nach der Zeit Δt erreicht. Man bestimme
Abb. 7.9. R¨uhrwerk mit schiefwinklig angeordneten St¨aben
a) die dynamischen Lagerreaktionen am Lager B bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ωc , b) die dynamischen Lagerreaktionen am Lager B w¨ahrend des Anfahrens, c) das Antriebsmoment MT w¨ahrend des Anfahrens. Bekannt: m1 = m2 = m, Δt, d, l. ¨ Voruberlegungen: Mit dem Momentensatz (7.2) werden die L¨osungsschritte nach Tabelle 5.1 abgearbeitet. L¨osung: 1. Idealisierung: Die St¨abe werden als ,,d¨unn” und die Lager als reibungsfrei angenommen. 2. Wahl des Koordinatensystems: Als Ursprung und gleichzeitig festen F¨uhrungspunkt F wird das linke Lager A gew¨ahlt. Es werden k¨orperfeste Koordinaten x, y, z verwendet, wobei die z-Achse mit der Drehachse des System zusammenf¨allt.
Abb. 7.9.b. Freischnitt: Kr¨afte und Antiebsmoment
3. Freischneiden: An dem freigeschnittenen System in Abb. 7.9.b sind die Kr¨afte und das Antriebsmoment an den Lagern A und B in die Richtungen der bewegten Koordinaten x, y, z eingetragen. Da nur nach dynamischen Lagerreaktionen gefragt ist, bleiben Gewichtskr¨afte unber¨ucksichtigt. 4. Bestimmung der Massentr¨agheitsmomente: Zun¨achst werden die Tr¨agheitsmomente des Stabes 1 berechnet. Dazu beachten wir, dass f¨ur die Bewegungsgleichungen (7.2) nur die (A) (A) (A) Massentr¨agheitsmomente Θxz , Θyz , Θz ben¨otigt werden. Bezogen auf das Koordinatensystem x, y, z erh¨alt man aus Tabelle 7.1 bez¨uglich des Schwerpuktes Stab 1:
Θz(S1 ) = 0,
(S1 ) (S1 ) Θxz = 0, Θyz = 0.
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
265
Die Tr¨agheitsmomente des Stabes 2 bez¨uglich des lokalen Koordinatensystems x∗ , y ∗ , z ∗ ergeben sich nach Tabelle 7.1 zu 1 1 (S ) (S ) (S ) (S ) m(2d)2 = md2 , Θz ∗ 2 = Θx∗2z ∗ = Θy∗ 2z ∗ = Θx∗2y∗ = 0. 12 3 Als n¨achstes erfolgt die Transformation der Massentr¨agheitsmomente auf das x, y, zKoordinatensystem. Die Drehtransformation in der xz-Ebene entspricht dem Fall 3 in Abb. 7.7, so dass mit den Gleichungen (7.19) folgt Stab 2: 1 (S ) = md2 sin2 β Θz 2 =Θz ∗ cos2 β + 2Θz ∗ x∗ sin β cos β + Θx∗ sin2 β 3 1 (S ) Θz x2 =−Θz ∗ sin β cos β +Θz ∗ x∗ (cos2 β −sin2 β)+Θx∗ sin β cos β = md2 sin β cos β 3 (S ) Θz y2 =Θz ∗ y∗ cos β +Θx∗ y∗ sin β = 0. (S )
(S )
Stab 2: Θx∗2 = Θy∗ 2 =
Mit dem Satz von Steiner und den Schwerpunktkoordinaten xS = 0, yS = 0, zS = l, werden die Massentr¨agheitsmomente bez¨uglich des F¨uhrungspunktes A bestimmt 1 1 Θz(A) = Θz(S2 ) − 2m(x2S + yS2 ) = md2 sin2 β − 2m(0 + 0) = md2 sin2 β 3 3 1 1 (A) (S2 ) Θzx = Θzx − 2mzS xS = md2 sin β cos β + 0 = md2 sin β cos β 3 3 (A) (S2 ) Θyz = Θyz − 2myS zS = 0. 5. Bestimmung der Momente: Dem Schnittbild in Abb. 7.9.b entnimmt man (A)
Mx
= −By 2l,
(A)
My
= Bx 2l,
(A)
Mz
= MT .
6. Formulierung des Momentensatzes: Mit den Gleichungen (7.2) folgt f¨ur F = A 1 (A) (A) (A) ϕx : αΘxz − ω 2 Θyz = α md2 sin β cos β − 0 = Mx = −2By l 3 1 (A) (A) (A) (B) ϕy : αΘyz + ω 2 Θxz = 0 + ω 2 md2 sin β cos β = My = 2Bx l 3 1 (A) (A) ϕz : αΘz = α md2 cos2 β = Mz = MT . 3 7. Beantwortung weiterer Fragestellungen: Zur Beantwortung der Frage a) setzen wir α = 0 und erhalten aus den Gleichungen (B) 1 md2 sin β cos β, By = 0. 6l Zur Beantwortung der Frage b) bestimmen wir die Winkelgeschwindigkeit ω = ωc t/Δt und die konstante Winkelbeschleunigung α = ωc /Δt. Aus den Gleichungen (B) folgt dann
ωc t 2 1 ωc 1 Bx = md2 sin β cos β, By = − md2 sin β cos β. Δt 6l Δt 6l Bx = ω 2
Zur Beantwortung der Frage c) verwenden wir die dritte Beziehung der Gleichungen (B): 1 ωc MT = md2 cos2 β . 3 Δt
266
7 Grundlagen der Rotordynamik
Wir bemerken noch, dass die Aufgabe alternativ mit der Formulierung (7.2) bez¨uglich des Schwerpunktes F = S bearbeitet werden kann. Dabei treten in dem Momentensatz zus¨atzlich die Lagerkr¨afte des Punktes A auf, die jedoch mit dem Schwerpunktsatz (7.1) eliminiert werden k¨onnen. ¨ einen idealen Rotor und Auswuchten 7.2.6 Bedingungen fur In Abschnitt 5.6.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei technischen Konstruktionen mit Rotationen um eine feste Drehachse dynamische Lagerkr¨afte im Allgemeinen vermieden werden m¨ussen. Nach einer Beschreibung der m¨oglichen Ursachen von dynamischen Auflagerkr¨aften geben wir in diesem Abschnitt Bedingungen f¨ur die Vermeidung derartiger Kr¨afte an. Des Weiteren beschreiben wir kurz das Auswuchten, womit dynamische AuÀagerkr¨afte an realen Systemen vermieden bzw. reduziert werden. Ursachen von dynamischen Lagerkr¨aften: Wir untersuchen in Abb. 7.10 zwei R¨uhrwerke mit zwei St¨aben. In Abb. 7.10.a sind die St¨abe wie in Beispiel 7.6 schiefwinklig unter einem Winkel β und in Abb. 7.10.b f¨ur den Sonderfall β = 90o rechtwinklig zueinander angeordnet. In Abb. 7.10.a haben zwei repr¨asentative Massendifferenziale dm1 = dm2 = dm die betragsm¨aßig gleich großen Werte |x| f¨ur die x-Koordinaten. Die Rotation erzeugt zwei gleich große, entgegengesetzt gerichtete differenzielle Zentrifugalkr¨afte, die nach Gl. (3.42.3) die Werte dZR1 = xω 2 dm1 und dZR2 = |x|ω 2 dm2 = dZR1 annehmen. Da diese Kr¨afte nicht auf der gleichen Wirkungslinie liegen, bilden sie ein Kr¨aftepaar. Die Summe (genauer: das Integral) der differenziellen Zentrifugalkr¨afte liefert ein resultierendes Kr¨aftepaar. Dieses kann von der Konstruktion nur aufgenommen werden, wenn Lagerkr¨afte Ax und Bx auftreten, die ein Kr¨aftepaar mit entgegengesetzer Drehwirkung bilden. F¨ur das R¨uhrwerk in Abb. 7.10.b entstehen f¨ur die Massendifferenziale dm1 und dm2 ebenfalls Zentrifugalkr¨afte dZR1 = xω 2 dm1 = dZR2 = |x|ω 2 dm2 . Sie sind auch hier entgegengesetzt gleich groß, liegen jedoch auf der gleichen Wirkungslinie und bilden daher kein Kr¨aftepaar. Die Summe (genauer: das Integral) dieser Kr¨afte liefert also kein resultierendes Kr¨aftepaar, so dass sich auch keine Lagerkr¨afte einstellen.
Abb. 7.10. R¨uhrwerke mit zwei St¨aben, Zentrifugal- und Lagerkr¨afte: a) schiefwinklig, b) rechtwinklig
7.2 Massentr¨agheitsmomente und Massentr¨agheitsmatrix
267
(A)
Interpretation des Deviationsmomentes Θxz : Wie in (5.49) formulieren wir mit den Methoden der Statik eine Momentenbedingung f¨ur Gleichgewicht um die y-Achse. Bez¨uglich des Auflagers im Punkt F = A in Abb. 7.10.a erh¨alt man (A) (A) Θxz ω 2 Myi = 0 : dZR z +2lBx = xzdm ω 2 + 2lBx = 0 =⇒ Bx = . 2l (7.20) + ,- . + ,- . (A)
(A)
−Θxz
MZy
(A)
∗(A)
Damit gilt: Das Deviationsmoment Θxz ist der negative Wert des axialen Momentes MZy =
∗(A)
∗(A)
dMZy . Hierbei ist dMZy
∗ z das differenzielle axiale Moment = dZR
∗ = dmxω 2 , ω = 1, Abstand z der Wirkungslinie vom Punkt A, • der Zentrifugalkraft dZR • bez¨uglich einer durch A verlaufenden y-Achse. (A)
Wie in Abschnitt 5.6.2 folgern wir zudem aus (7.20): Das Deviationsmoment Θxz ist ein Maß f¨ur das Bestreben des starren K¨orpers, seine Drehachse um die y-Achse zu verdrehen. Deviationsmomente und dynamische Lagerkr¨afte: Aus (7.20) folgern wir: Eine Lagerkraft Bx tritt bei einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ω nicht auf, wenn das Deviations(A) moment Θxz bez¨uglich des Punktes A verschwindet. Den allgemeinen Fall mit Winkelgeschwindigkeit ω und Winkelbeschleunigung α behandeln wir mit dem Momentensatz (7.2) (A)
(A)
(A)
(A)
(A)
(A)
1. ϕx :
αΘxz − ω 2 Θyz = Mx
2. ϕy :
αΘyz + ω 2 Θxz = My
= −By 2l = 2Bx l.
Die zweite Gleichung liefert f¨ur α = 0 das gleiche Ergebnis f¨ur die Lagerkraft Bx wie (7.20). (A) (A) Die Momente Mx = −By 2l, My = Bx 2l und damit die Kr¨afte Bx , By sind gleich Null, falls die Terme auf den linken Seiten f¨ur beliebige Werte von ω und α verschwinden. Damit treten f¨ur das Beispiel dynamische Kr¨afte im Lager B nicht auf, falls (A) (A) Θxz = Θyz = 0.
(7.21)
F¨ur die beiden Beispiele in Abb. 7.10 erh¨alt man f¨ur die Massentr¨agheitsmatrizen nach (7.5) ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ (A) (A) (A) 0 0 Θx Θx 0 Θxz ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ (A) (A) b) Θb = ⎣ 0 Θy(A) 0 ⎦ a) Θa = ⎣ 0 Θy 0 ⎦ (A) (A) (A) Θzx 0 Θz 0 0 Θz (A)
= (1/3)ml2 + (1/3)md2 cos2 β
Θx
(A)
= (1/3)ml2 + (1/3)md2
Θy
(A)
= (1/3)md2 sin2 β
Θz
Θx Θy Θz
(A)
(A)
Θzx = Θxz = (1/3)md2 sin β cos β
(A)
= (1/3)ml2
(A)
= (1/3)ml2 + (1/3)md2
(A) (A)
(7.22)
=0 (A)
Θzx = Θxz = 0.
Die Bedingung (7.21) ist im Fall a) in Abb. 7.10.a f¨ur β = 0 oder β = 90o immer erf¨ullt. Der Winkel β = 0 hat jedoch keine praktische Bedeutung, w¨ahrend f¨ur β = 90o der Fall b) in Abb. 7.10.b erhalten wird. AuÀagerkr¨afte an rotierenden Systemen k¨onnen also wie in diesem Beispiel durch gezielte Anordnung der St¨abe vermieden werden.
268
7 Grundlagen der Rotordynamik
Hauptachsen: Die Bedingung (7.21) f¨ur das Verschwinden der Deviationsmomente kann durch folgende Eigenschaft der Hauptachsen ersetzt werden: Sind die Bedingungen (7.21) erf¨ullt, dann und nur dann ist die z-Achse, welche mit der Drehachse u¨ bereinstimmt, gleichzeitig eine Hauptachse.
(7.23)
Wir wollen an dieser Stelle auf einen Beweis verzichten und stattdessen die Aussage (7.23) (A) (A) f¨ur die Matrizen Θa und Θb in (7.21) u¨ berpr¨ufen: (A) 1. Θ(A) a n = Θa n,
(A)
(A)
2. Θb n = Θb n.
(7.24)
Aus den Gleichungen (7.22) erkennen wir, dass Gl.(7.21) nur im Fall b) erf¨ullt ist. Aus dem Ergebnis in Aufgabe 7.14 folgt f¨ur den Fall a), dass keine der Hauptachsen mit der Drehachse in Abb. 7.10.a u¨ bereinstimmt. Im Fall b) l¨asst sich durch Einsetzen leicht u¨ berpr¨ufen, dass die Vektoren n1 = [1, 0, 0]T , n2 = [0, 1, 0]T , n3 = [0, 0, 1]T L¨osungen von Gl.(7.24.2) und somit Hauptachsen sind. Abb. 7.10.b verdeutlicht, dass die dritte Hauptachse mit der Drehachse zusammenf¨allt. ¨ einen ,,idealen Rotor”: Wie in Abschnitt 5.6.2 k¨onnen die Bedingungen Bedingungen fur f¨ur einen idealen Rotor mit dem Schwerpunktsatz, z.B. in der Formulierung (7.1), und den Gleichungen (7.21) formuliert werden. Wir k¨onnen auf Grund der Eigenschaft (7.23) die Gleichungen (7.21) durch eine Aussage u¨ ber Hauptachsen ersetzen und erhalten die ¨ einen ,,idealen Rotor” Bedingungen fur 1. Der Schwerpunkt des Rotors liegt auf der Drehachse. Dann verschwinden in dem Schwerpunktsatz (7.1) wegen x0S = yS0 = 0 die Tr¨agheitskr¨afte und m¨ussen nicht durch Lagerkr¨afte ausgeglichen werden. 2. Die Drehachse des Rotors ist gleichzeitig Hauptachse. Dann verschwinden (A) in dem Momentensatz (7.2) wegen (7.23) die Deviationsmomente Θxz , (A) Θyz , und die Momente der Tr¨agheitskr¨afte m¨ussen nicht durch Momente der Lagerkr¨afte ausgeglichen werden.
(7.25)
F¨ur die R¨uhrwerke in Abb. 7.10 sind die Schwerpunktabst¨ande zur Drehachse in beiden F¨allen gleich Null, so dass der Schwerpunktsatz (7.1) jeweils erf¨ullt ist. Wie oben erkl¨art, ist im Fall b) eine der Hauptachsen gleichzeitig Drehachse, was im Fall a) nicht zutrifft. Damit erf¨ullt nur der Fall b) beide Bedingungen (7.25) f¨ur einen idealen Rotor. Auswuchten: Bei realen Rotoren sind infolge von Inhomogenit¨aten und Herstellungsfehlern die Voraussetzungen (7.25) im Allgemeinen nicht erf¨ullt. Man kann dann durch Anbringen von Ausgleichsmassen die Konstruktion auswuchten. Dabei wird beim statischen Auswuchten durch geeignetes Anbringen von Zusatzmassen der Schwerpunkt auf die Drehachse verlagert. Beim dynamischen Auswuchten versucht man, durch geeignetes Anbringen von Zusatzmassen die Deviationsmomente bez¨uglich eines Punktes A auf der Drehachse auf den Wert Null zu reduzieren. Dazu hat man Instrumente entwickelt, die beide Abl¨aufe in einem Arbeitsgang erm¨oglichen. Alternativ zum Auswuchten mit Ausgleichsmassen k¨onnen Entlastungsbohrungen in die Konstruktion eingebracht werden.
7.3 Arbeit, Energie, Leistung, Drehimpuls und Energiesatz
269
7.3 Arbeit, Energie, Leistung, Drehimpuls und Energiesatz Arbeit: An einem K¨orper, der sich um eine feste Achse dreht, greift ein Drehmoment M an. Die Arbeit dieses Momentes ist nach Gl.(4.32) II W
I,II
=
ϕII dW =
I
M dϕ.
(7.26)
ϕI
Leistung: F¨ur die Leistung gilt nach Gl.(4.33) P = M ω,
(7.27)
d.h., bei der Drehung eines K¨orpers um eine feste Achse ist die Leistung das Produkt aus dem a¨ ußeren Drehmoment und der Winkelgeschwindigkeit des K¨orpers. Kinetische Energie: Mit der Rechenregel (6.3) folgt aus den Gleichungen (5.61) f¨ur das starre Massenpunktsystem die kinetische Energie f¨ur den starren K¨orper mit fester Drehachse (F ) T = 12 m(vF2 x + vF2 y + mω (vF y xS − vF x yS ) + 12 Θz ω 2 (F )
Θz
=
2 2 m (x + y )dm.
(7.28)
(F )
Hierbei ist Θz das Massentr¨agheitsmoment aus den Gleichungen (7.2.4) f¨ur den starren K¨orper. Deviationsmomente werden zur Bestimmung der kinetischen Energie f¨ur die ¨ r¨aumliche Bewegung mit fester Drehachse also nicht ben¨otigt. Im Ubrigen gelten die Bemerkungen 5.7 f¨ur das starre Massenpunktsystem. Damit folgt z.B. mit der Wahl F = G oder F = 0 f¨ur den F¨uhrungspunkt F = S oder 0 :
1 T = Θz(F ) ω 2 , 2
(7.29)
d.h. die kinetische Energie ist gleich der Rotationsenergie. Energiesatz: Mit den Ergebnissen in Gl.(7.26) und Gl.(7.28) k¨onnen wir den Energiesatz f¨ur das starre Massenpunktsystem in Abschnitt 5.7 auf den starren K¨orper u¨ bertragen. Aus den Gleichungen (5.57) folgt somit U I + T I + W I,II = U II + T II .
(7.30)
Damit gilt: Die Summe der kinetischen und potenziellen Energie in der Lage II ist gleich der Summe dieser Energien in der Lage I vermehrt um die Arbeit W I,II , die bei der Drehung eines K¨orpers um eine feste Achse von den am K¨orper angreifenden a¨ ußeren Drehmomenten verrichtet wird. Das Potenzial der a¨ ußeren Kr¨afte U h¨angt von der Art der jeweiligen Kr¨afte ab. Beispielsweise werden diese Anteile f¨ur Gewichts- und Federkr¨afte mit den Gleichungen (4.41.a) und (4.41.b) bestimmt.
270
7 Grundlagen der Rotordynamik
Drehimpuls: Wir fassen die Formulierungen f¨ur den Momentensatz (7.2) und die Gleichungen (5.32) mit den F¨uhrungspunkten F = S bzw. F = 0 wie folgt zusammen: Mz(F ) = Θz(F ) α =
d (F ) D , dt z
F = S oder 0.
(7.31)
(F )
Hierbei ist Dz der Koef¿zient des Drehimpulsvektors D(F ) in z-Richtung. Nach Integra(F ) tion dieser Gleichung folgt f¨ur zeitlich konstantes Massentr¨agheitsmoment Θz unter Ber¨ucksichtigung von ω˙ = α Θz(F ) ω = Dz(F ) ,
F = S oder 0.
(7.32)
Analogien zwischen Translation und Rotation: F¨ur einen starren K¨orper k¨onnen zwischen Translation und Rotation um eine feste Achse verschiedene Analogien aufgestellt werden. Diese sind in Tabelle 7.2 zusammengefasst. Danach ergeben sich die Gleichungen der Rotation aus denen der Translation, wenn man z.B. den Weg x durch den Drehwinkel ω, die Geschwindigkeit v durch die Winkelgeschwindigkeit ϕ, die Masse m durch das Massentr¨agheitsmoment Θ und die Kraft F durch das Moment M ersetzt. Zur Vereinfachung der Notation werden in Tabelle 7.2 die oberen und unteren Indizes F und z nicht angegeben. Rotation
Translation x v = x˙ .. a = v˙ =x m F p = mv ma = F T = 12 mv 2 W = F dx P =F v
Weg Geschwindigkeit Beschleunigung (tr¨age) Masse Kraft Impuls Schwerpunktsatz kinetische Energie Arbeit Leistung
ω Winkel ϕ = ω˙ Winkelgeschwindigkeit .. α = ϕ˙ =ω Winkelbeschleunigung Θ Massentr¨agheitsmoment M Moment D = Θω Drehimpuls Θα = M Momentensatz T = 12 Θω 2 kinetische Energie W = M dϕ Arbeit P = Mω Leistung
Tabelle 7.2. Analogien zwischen Translation und Rotation um eine feste Achse
Beispiel 7.7 Kinetische Energie f¨ur R¨uhrwerk mit St¨aben Man bestimme f¨ur das R¨uhrwerk in Beispiel 7.7 die kinetische Energie. L¨osung: Wie beziehen uns auf den in Abb. 7.9 eingef¨uhrten F¨uhrungspunkt F = A im Auflagerpunkt des Systems und das zugeh¨orige bewegte Koordinatensystem x, y, z. Damit ist nach Gl. (7.29) die kinetische Energie gleich der Rotationsenergie, und es gilt Θz(S) = Θz(S) =
1 md2 sin2 β 3
=⇒
T =
1 (S) 2 1 Θ ω = md2 sin2 β ω 2 . 2 z 6
7.4 Aufgaben zu den Abschnitten 7.1 bis 7.3
271
7.4 Aufgaben zu den Abschnitten 7.1 bis 7.3 Aufgabe 7.1 (SG = 2) Das dargestellte unsymmetrische Stabsystem mit einer Achse und zwei St¨aben erf¨ahrt in der Ruhelage die konstante Winkelbeschleunigung α. 1. Bestimmen Sie die Kr¨afte im Auflager B zur Zeit t1 . 2. Welches Antriebsmoment MT ist zum Erreichen dieser Beschleunigung erforderlich? 3. L¨osen Sie Teil 2 der Aufgabe mit dem Energiesatz. Bekannt: m1 , m2 = 2m1 , l, α, t1 . Aufgabe 7.2 (SG = 2) (in Anlehnung an [13]) Ein Autorad der Masse m mit Radius R hat einen Schwerpunkt mit Koordinaten xS = eS , yS = 0, der nicht auf der Drehachse liegt. Die Deviations(0) (0) momente sind Θxz = 0 und Θyz . 1. Welche Momente entstehen an der Drehachse, wenn der PKW mit einer konstanten Geschwindigkeit v0 f¨ahrt? 2. Welche Massen m1 und m2 m¨ussen an den Orten r1 und r2 angebracht werden, damit das Rad ausgewuchtet ist? (0) Bekannt: v0 , R, es , e1 , e2 , Θyz . Aufgabe 7.3 (SG = 2) An einer Drehachse be¿nden sich zwei Scheiben mit Exzentrizit¨aten e1 und e2 . Beide Scheiben sind gegen¨uber der Drehachse vertikal angeordnet. Die Exzentrizit¨aten unterscheiden sich wie dargestellt durch einen Winkel β gegen¨uber einer Vertikalen. Machen Sie einen Vorschlag zum Auswuchten mit Ausgleichsmassen. Bekannt: m1 = m2 , e1 , e2 , β.
272
7 Grundlagen der Rotordynamik
Aufgabe 7.4 (SG = 2) Veri¿zieren Sie die Gleichungen (7.17). Aufgabe 7.5 (SG = 2) Das dargestellte Stabwerksystem besteht aus drei St¨aben mit den Massen m1 , m2 , m3 . Es rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω. 1. 2. 3. 4.
Bestimmen Sie die Lagerkr¨afte in den Punkten A und B. Welche Biegemomente wirken an der Stelle C auf die Achse AB? Machen Sie einen Vorschlag zum Auswuchten des Systems. Bestimmen Sie die kinetische Energie des Systems (ohne Ausgleichsmassen).
Bekannt: m1 , m2 = m1 , m3 = m1 , L, ω.
Aufgabe 7.6 (SG = 2) Ein Paraboloid wird f¨ur die erste Absch¨atzung der mechanischen Eigenschaften vereinfacht. Dazu wird ein starres System mit einer Kreisscheibe und drei Kreisringen angenommen. Bestimmen Sie bez¨uglich der z-Achse und des Punktes B alle Massentr¨agheitsmomente. Bekannt: Masse der Kreisscheibe m = 20 kg, Masse der Kreisringe m1 = 10 kg, m2 = 20 kg, m3 = 30 kg.
7.4 Aufgaben zu den Abschnitten 7.1 bis 7.3
273
Aufgabe 7.7 (SG = 3) Auf Grund eines Montagefehlers stimmt die Drehachse eines Schwungrades nicht mit seiner Symmetrieachse u¨ berein. Um die hierdurch auftretenden Lagerkr¨afte zu kompensieren, sollen an den bezeichneten Stellen Entlastungsbohrungen mit einer Tiefe von 0.5d angebracht werden. Zur Berechnung des erforderlichen Durchmessers der Bohrungen sollen diese zun¨achst idealisiert als Massepunkte (negative Masse) angenommen werden. Das Schwungrad besteht aus einem Werkstoff mit der Dichte ρ und rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω. 1. Bestimmen Sie die Lagerkr¨afte in den Lagern A und B, welche durch den Montagefehler auftreten. 2. Welche Punktmassen mP m¨ussen durch die Bohrungen aus dem Schwungrad entfernt werden, damit die Lagerkr¨afte so gering wie m¨oglich werden? 3. Welchen Durchmesser muss die entsprechende Entlastungsbohrung aufweisen? 4. Wie groß ist der Fehler, der durch die Idealisierung der Bohrung als Punktmasse auftritt? Berechnen Sie dazu das genaue Tr¨agheitsmoment des Schwungrades. Bekannt: R, r = 0.9R, d = 0.1R, β = 0.01o . Aufgabe 7.8 (SG = 3) Eine abgesetzte Welle besteht aus drei Zylinderst¨ucken der Massen m1 , m2 und m3 . Sie rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω. Die Wellenachse schließt mit der Drehachse den Winkel β ein. Der Gesamtschwerpunkt der Welle liegt ebenfalls nicht auf der Drehachse. Bestimmen Sie die Kr¨afte in den Lagern A und B. Bekannt: L1 = L, L2 = 5L, L3 = 2L, m1 = m, m2 = 5m, m3 = 2m, β = 300 , R1 = 5R, R2 = 3R, R3 = 4R.
274
7 Grundlagen der Rotordynamik
Aufgabe 7.9 (SG = 3) Bei der Entwicklung eines Exzenterschleifers sollen in einem ersten Schritt die mechanischen Anforderungen abgesch¨atzt werden. Dazu vereinfacht man die reale Geometrie zu dem dargestellten Modell: Die Schleifplatte wird als d¨unne Kreisscheibe der Masse m1 abgebildet, welche um den Punkt P rotiert. Zur Verst¨arkung dieser Scheibe werden drei Rippen eingesetzt, welche im Mittelpunkt M der Scheibe zusammentreffen und als d¨unne St¨abe gerechnet werden k¨onnen. Der Antriebsmotor wird u¨ ber eine zylinderf¨ormige Masse m5 abgebildet. An den Stellen A und B wird die Welle gelagert. F¨ur diese erste Betrachtung soll die Schwerkraft vernachl¨assigt werden. 1. Bestimmen Sie das erforderliche Antriebsmoment des Motors, um die Schleifscheibe mit konstanter Winkelbeschleunigung hochlaufen zu lassen. 2. Berechnen Sie die bei diesem Beschleunigungsvorgang auftretenden Kr¨afte im Lager A in Abh¨angigkeit der Winkelgeschwindigkeit ω. 1 1 1 3 m1 , m5 = 5m1 , r, a = r, b = r, c ≈ 0, e = r, Bekannt: m1 , m2 = m3 = m4 = 10 2 2 4 1 f = r, β = 45o . 2 Aufgabe 7.10 (SG = 2) Der dargestellte Kreisel besteht aus einem Stab 1, einem Kegel 2 und einer Scheibe 3. Bez¨uglich des Gesamtschwerpunktes sind die Massentr¨agheitsmomente zu bestimmen. Dabei k¨onnen der Stab 1 und die Scheibe 3 als ,,d¨unn” betrachtet werden. Bekannt: L = 6 cm, R = 2.5 cm, A = 4 cm, H = 4 cm, B = 3 cm, m1 = m, m2 = 6m, m3 = 2m, m = 100 g. Hinweis: Volumen und Schwerpunkt des Kegels sind in Tabelle 7.1 angegeben.
7.4 Aufgaben zu den Abschnitten 7.1 bis 7.3
Aufgabe 7.11 (SG = 2) Eine hantelf¨ormige Konstruktion besteht aus einem d¨unnen Stab (L¨ange 2l, Masse mSt ), an dessen Enden zwei massive Kugeln (Radius R, Masse mK ) befestigt sind. Die Hantel rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um die Achse AB, die mit der L¨angsachse des Stabes den Winkel β einschließt. 1. Bestimmen Sie die AuÀagerreaktionen in A. 2. Welches Moment muss von der Verbindungsstelle zwischen Stab und Achse u¨ bertragen werden? Bekannt: mK = 3m, mSt = m, l = 5R, β.
Aufgabe 7.12 (SG = 3) Ein R¨uhrwerk besteht aus einem Zylinder (Masse m1 , L¨ange R, Radius R) und einem d¨unnen Stab (Masse m2 , L¨ange 2R). Der Zylinderschwerpunkt S hat zu den Lagerpunkten A und B jeweils den Abstand 3R. Der Stab ist gegen¨uber der XY Ebene um den Winkel β gedreht. Das R¨uhrwerk rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um die Achse AB, welche um den Abstand R/2 aus dem Schwerpunkt S verschoben wurde. 1. Bestimmen Sie die dynamischen Auflagerkr¨afte im Lagerpunkt B. 2. Bestimmen Sie die kinetische Energie des Systems. Bekannt: m1 , m2 , β = 45o , R, ω.
275
276
7 Grundlagen der Rotordynamik
Aufgabe 7.13 (SG = 3) Ein Fahrzeugrad weist Fertigungstoleranzen auf. Das mechanische Modell besteht aus zwei d¨unnen Zylindern der Massen m1 und m2 und einer d¨unnen Kreisscheibe der Masse m3 . Die Verbindungselemente zwischen den beiden Zylindern d¨urfen vernachl¨assigt werden. Das Rad l¨auft auf der Achse AB, welche gegen¨uber der Radnormalen um einen Winkel β geneigt ist; weiterhin weicht der Befestigungspunkt C des Rades an der Achse um den Abstand b vom tats¨achlichen Radmittelpunkt M ab. Diese Toleranzen treten ausschließlich in der dargestellten Ebene auf. Im Betrieb rotiert das Rad mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω. Bestimmen Sie die im Lager B auftretenden Kr¨afte. Anmerkung: Die Gewichtskraft darf bei dieser Betrachtung vernachl¨assigt werden. F¨ur das Maß t gilt t ≈ 0. Bekannt: r1 = 2r2 /3, m1 = m2 , m3 = m2 /2, a, b, β, ω. Aufgabe 7.14 (SG = 2) Bestimmen Sie f¨ur die gegebene Massentr¨agheitsmatrix die Hauptrichtungen (Eigenvektoren) und die Hauptmassentr¨agheitsmomente (Eigenwerte) ⎤ ⎡ (A) (A) Θx∗ 0 Θx∗ z ∗ ⎥ ⎢ ⎥ Θ(A) = ⎢ ⎣ 0 Θy∗ 0 ⎦ . (A)
Θz ∗ x∗ 0
(A)
Θz ∗
Hinweis: Ber¨ucksichtigen Sie zur L¨osung einen der F¨alle in Abb. 7.8 und formulieren durch Nullsetzen ausgew¨ahlter Deviationsmomente in den Gleichungen (7.17) bis (7.18) die zugeh¨origen Bedingungen.
7.5 Die kritische Drehzahl von Rotoren mit biegeelastischer Welle
277
7.5 Die kritische Drehzahl von Rotoren mit biegeelastischer Welle F¨ur die Untersuchung rotierender Systeme wurde in den vorherigen Abschnitten ein biegestarrer L¨aufer vorausgesetzt, bei dem die Drehachse starr ist. Bei einem realen System ist die Drehachse durch eine Welle gegeben, die jedoch immer eine gewisse Elastizit¨at aufweist, d.h., es liegt ein biegeelastischer L¨aufer vor. Beim Auftreten einer Fliehkraft (oder: Zentrifugalkraft) entsteht somit f¨ur die elastische Welle eine Deformation, die bei bestimmten Drehzahlen unzul¨assig groß werden kann und somit zur Zerst¨orung der Welle f¨uhrt. Wir wollen im Folgenden mit einigen vereinfachten Annahmen den Zusammenhang zwischen Verformung und Drehzahl beschreiben und die kritische Drehzahl berechnen. 7.5.1 Der Laval-L¨aufer Wir betrachten in Abb. 7.11 eine zweifach gelagerte Welle mit einem kreisf¨ormigen Querschnitt, die in der Mitte eine Scheibe der Masse m tr¨agt. Wir nehmen an, dass f¨ur die Masse der Welle mW elle << m gilt. Das vereinfachte Modell wird auch als Laval-L¨aufer bezeichnet (Carl Gustav Patrik de Lavel, 1845-1913). Ist die Voraussetzung mW elle << m nicht erf¨ullt, muss ein Mehrmassensystem verwendet werden. Die Drehachse des Systems ist die Verbindungslinie der Lagerpunkte A und B in Abb. 7.11.a. In Abb. 7.11.b ist die momentane Lage der Scheibe im ausgelenkten Zustand dargestellt. Die x, y-Koordinatenachsen sind k¨orperfest mit der Scheibe verbunden, wobei der Ursprung 0 momentan auf der Drehachse liegt. Der Punkt W ist der Wellendurchstoßpunkt der gebogenen Wellenachse mit der Scheibe. Auf Grund von Inhomogenit¨aten der Scheibe und Herstellungsfehlern f¨allt der Schwerpunkt S der Scheibe nicht mit dem Punkt W zusammen, sondern hat den Abtand e vom Punkt W . In Abb. 7.11.b nehmen wir vereinfachend an, dass die Punkte 0, W und S auf einer Geraden liegen. In genaueren Untersuchungen wird diese Annahme nicht getroffen, siehe z.B. [11]. Auf Grund der elastischen Verformung w (infolge einer Fliehkraft Z) entsteht eine R¨uckstellkraft, f¨ur die wir in dem Ersatzmodel in Abb. 7.11.b ein Federgesetz F = cw in (3.19)
Abb. 7.11. Elastiche Welle mit Scheibe (Laval-L¨aufer): a) Verformte Welle, b) Ersatzmodell f¨ur Scheibe c) statisches System zur Bestimmung der elastischen Durchbiegung
278
7 Grundlagen der Rotordynamik
annehmen. Die Vorgehensweise zur Bestimmung der Ersatzfederstei¿gkeit f¨ur das Ersatzsystem wird in Abschnitt 10.4.2 beschrieben. F¨ur das in Abb. 7.11.c darstellte System erh¨alt man infolge einer ¿ktiven Einzellast F ∗ in Tr¨agermitte die Durchbiegung w∗ an der gleichen Stelle und durch Vergleich mit dem Federgesetz F ∗ = cw∗ die Ersatzfederstei¿gkeit w∗ =
l3 F∗ 48EI
=⇒
c=
48EI . l3
(7.33)
In Abb. 7.11.b greift die Federkraft F = cw im Durchstoßpunkt W an und ist von W nach 0 gerichtet. Sie ist nach dem Prinzip von d’Alembert in Abschnitt 3.4 bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ω mit der Fliehkraft Z = m(e + w)ω 2 im Gleichgewicht, so dass Z=F
=⇒
m(e + w)ω 2 = cw.
(7.34)
Diese Gleichung wird f¨ur x0S = e + w, yS0 = 0, α = 0 auch mit dem Schwerpunktsatz (7.1.1) erhalten. Nach AuÀ¨osung von Gl.(7.34) nach der Durchbiegung w folgt eω 2 eω 2 c meω 2 = = , wobei 2. ω = 1. w = . (7.35) 0 c 2 − ω2 2 c − mω 2 m ω 0 −ω m Mit den De¿nitionen f¨ur die Abstimmung η und die Vergr¨oßerungsfunktion V (η) gilt 1. η =
ω , ω0
2. V (η) =
η2 1 − η2
=⇒
3. w = V (η)e.
(7.36)
Die Funktion V ist in Abb. 7.12 dargestellt. Bei von Null ausgehender Winkelgeschwindigkeit ω wird mit gr¨oßer werdendem ω die Funktion V (η) und somit die Durchbiegung w gr¨oßer. Damit nimmt auch die Fliehkraft Z = m(w + e)ω 2 solange zu, bis f¨ur ω = ω0 kein Kr¨aftegleichgewicht mehr m¨oglich ist. Mit Gl.(2.27) folgt f¨ur die kritische Drehzahl c 1 1 ω0 = . . (7.37) nK = 2·π 2·π m In dem Idealfall e = 0 be¿ndet sich die Welle f¨ur ω = ω0 in einem indifferenten Gleichgewichtszustand in dem eine kleine St¨orung gen¨ugt, so Abb. 7.12. Vergr¨oßergungsfunktion dass die Durchbiegung u¨ ber alle Grenzen anw¨achst. Durchf¨ahrt man die kritische Drehzahl, wird die Vergr¨oßerungsfunktion V und somit auch die Durchbiegung w negativ. Damit biegt sich die Welle elastisch entgegen der Richtung der
7.5 Die kritische Drehzahl von Rotoren mit biegeelastischer Welle
279
Exzentrizit¨at e aus. F¨ur sehr hohe Drehzahlen gilt V → 1, so dass die Wellenauslenkung w asymptotisch die Exzentrizit¨at erreicht und der Schwerpunkt S auf der Drehachse liegt. Diesen Vorgang bezeichnet man als Selbstzentrierung der Rotorachse. Nach dem heutigen Stand der Technik gilt: Wegen der Selbstzentrierung laufen Wellen im u¨ berkritischen Bereich immer ruhiger. Die kritischen Drehzahlen m¨ussen jedoch m¨oglichst schnell durchfahren werden, um das Aufschaukeln der Durchbiegungen zu vermeiden. Gustav de Laval hat diese Zusammenh¨ange 1883 als erster experimentell erkannt. Er zeigte, dass der Schwerpunkt der Scheibe jenseits der kritischen Drehzahl nach innen geklappt ist, und dass diese Position gegen St¨orungen unemp¿ndlich ist (die Corioliskr¨afte sorgen f¨ur Stabilit¨at). Den theoretischen Nachweis u¨ ber die Stabilit¨at des u¨ berkritischen Laufes lieferten F¨oppl 1895, Stodola 1904 und andere erst ein bzw. mehrere Jahrzehnte sp¨ater, siehe [11]. 7.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 7.5 Aufgabe 7.15 (SG = 3) Bei der dargestellten elastischen Welle mit einer Scheibe liegt der Schwerpunkt S infolge ungenauer Herstellung um e außerhalb der Drehachse. Die Scheibe wird mit hinreichender Genauigkeit als Massenpunkt behandelt. Wie groß muss die Masse der Scheibe m sein, damit die Welle im u¨ berkritischen Bereich mit η = 2 l¨auft? Bekannt: E = 200000 N/mm2 , I = π d4 /64, l = 800 mm, d = 50 mm, n = 300 1/min. Hinweis: Die Durchbiegung w∗ in Wellenmitte infolge einer Kraft F ∗ an gleicher Stelle kann f¨ur das dargestellte System nach Gl.(7.33) ermittelt werden. Aufgabe 7.16 (SG = 3) Bei einer Zentrifuge liegt der Schwerpunkt S infolge ungleichm¨aßiger F¨ullung um e außerhalb der Drehachse. Aus kunstruktiven Gr¨unden darf die Durchbiegung der Welle an der Stelle der Trommel bei der Betriebszahl n maximal den Wert w betragen. Die Trommel wird mit hinreichender Genauigkeit als Massenpunkt behandelt. Gesucht ist der Mindestdurchmesser d der Welle bei unterkritischem Betrieb. Bekannt: m = 200 kg, E = 200000 N/mm2 , I = π d4 /64, l = 800 mm, e = 1 mm, w = 0.5 mm, n = 300 1/min. Hinweis: Die Durchbiegung am Wellenende infolge einer Kraft F ∗ an gleicher Stelle ist w∗ = (h + l)h2 F ∗ /(EI).
Die Kontrolle der Bewegungen von Roboterarmen bei der Produktion von Automobilen erfordert umfangreiche Kenntnisse zur Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper. Quelle: Mercedes-Benz Werk Sindel¿ngen
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Die Wechselwirkungen zwischen Bewegungs- und Kraftgr¨oßen im Raum sind bereits f¨ur vergleichsweise einfache K¨orper komplex, was z.B. durch Versuche mit dem Gyroskop in Abb. 8.1 deutlich wird. Ist eine ausreichend große Winkelgeschwindigkeit vorhanden, so rotiert es zun¨achst um eine senkrechte, zeitlich konstante und damit feste Achse. Wird die Geschwindigkeit geringer, so bewirkt die Erdanziehungskraft eine Abweichung der Drehachse von der senkrechten Lage, ohne dass das Gyroskop zu Boden f¨allt. H¨alt man in einem weiteren Versuch das sich drehende Gyroskop in der Hand und versucht, die Achse in eine gewisse Richtung zu bewegen, dann neigt sie dazu, sich in eine dazu senkrechte Richtung zu bewegen (siehe auch Abb. 1.2). Derartige bemerkenswerte Effekte, die mit Kenntnissen der Statik nicht zu erkl¨aren sind, werden mit dem Schwerpunktsatz und dem Momentensatz untersucht. Diese grundlegenden Beziehungen wurden in den vorherigen Kapiteln - auf der Grundlage des zweiten Axioms von Newton - f¨ur Inertialsysteme formuliert. In vielen F¨allen ist es g¨unstiger, bewegte Bezugssysteme zu verwenden, die im Allgemeinen jedoch keine Inertialsysteme sind. Ist dagegen der Zusammenhang zwischen Bewegungs- und Kraftgr¨oßen in beiden Systemen bekannt, so k¨onnen der Schwerpunktsatz und der Momentensatz umformuliert werden, so dass sie auch in bewegten Systemen gelten. Bevor diese Gesetzm¨aßigkeiten zur Kinetik behandelt werden, wird die Kinematik der Relativbewegungen im anschließenden Abschnitt untersucht.
Abb. 8.1. Gyroskop in zwei Lagen: a) senkrechte Drehachse, b) geneigte Drehachse
282
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
8.1 Kinematik der Relativbewegungen 8.1.1 Zeitableitungen im bewegten Bezugssystem In Abb. 8.2 sind ein DrachenÀieger und ein Hubschrauber im Flug dargestellt. Zwei zugeh¨orige Punkte F und P haben die Absolutgeschwindigkeiten vF und vP sowie die Absolutbeschleunigungen aF und aP . Die Winkelgeschwindigkeiten beider Flugk¨orper sind Ω und ω. Diese Gr¨oßen werden von einem Beobachter A in einem raumfesten Bezugssystem wahrgenommen. Ein zweiter Beobachter B ist mit dem DrachenÀieger in einem bewegtem Bezugssystem und Basisvektoren ex , ey , ez verbunden. Er nimmt eine Winkelgeschwindigkeit ω Rel des Hubschraubers wahr, die sich im Allgemeinen von ω unterscheidet.
Abb. 8.2. R¨aumliche Bewegungen eines DrachenÀiegers und eines Hubschraubers. Beobachter A im festen Bezugssystem und Beobachter B im bewegten Bezugssystem.
Wir kennzeichnen mit b(t) einen zeitabh¨angigen, ansonsten beliebigen Vektor, der z.B. eine Bewegungs- oder Kraftgr¨oße repr¨asentiert. Die momentane Basisdarstellung lautet b(t) = bx (t)ex (t) + by (t)ey (t) + bz (t)ez (t).
(8.1)
Damit sind im allgemeinen Fall sowohl die Koef¿zienten bx (t), by (t), bz (t) als auch die Basisvektoren ex (t) ey (t), ez (t) zeitabh¨angig. F¨ur die zeitliche Ableitung von b folgt b˙ = b˙ x ex + b˙ y ey + b˙ z ez + bx e˙ x + by e˙ y + bz e˙ z .
(8.2)
Die Koeffizienten b˙ x , b˙ y , b˙ z sind Zeitableitungen in dem bewegten Bezugssystem. In Anhang A.3 erhalten wir f¨ur die Zeitableitungen der Basisvektoren in dem raumfesten Bezugssystem e˙ x = Ω × ex ,
e˙ y = Ω × ey ,
e˙ z = Ω × ez .
(8.3)
Bei einer reinen Translation des bewegen Bezugssystems mit dem Beobachter B ist Ω = 0, so dass in diesem Fall die Basisvektoren unver¨andert bleiben. Durch Einsetzen von (8.3) in (8.2) erh¨alt man unter Ber¨ucksichtigung der Basisdarstellung (8.1) Die zeitliche Ableitung von b b˙ = b˙ Rot + b˙ Rel , wobei b˙ Rot = Ω × b,
b˙ Rel = b˙ x ex + b˙ y ey + b˙ z ez .
(8.4)
8.1 Kinematik der Relativbewegungen
283
Damit zerf¨allt b˙ in zwei Anteile: Der Vektor b˙ Rot entsteht auf Grund der Rotation des bewegten Bezugssystems. b˙ Rel ist die zeitliche Ableitung von b relativ zum bewegten System, die vom Beobachter B wahrgenommen wird. Bei einer reinen Translation des bewegten Bezugssystems erkennen beide Beobachter A und B wegen Ω = 0 die gleiche Gr¨oße b˙ = bRel . Wir k¨onnen mit dem Ergebnis (8.4) Bewegungsgr¨oßen, die in beiden Bezugssystemen wahrgenommen werden, in Zusammenhang bringen. Dazu gehen wir von der Darstellung xP = xF + xFP ,
xFP = xex + yey + zez
(8.5)
f¨ur den Ortsvektor xP aus. Aus der Zeitableitung sowie Anwendung von (8.4) auf xFP folgt Der Geschwindigkeitsvektor im bewegten Bezugssystem 1. vP
= vF + vPF Rot + vPF Rel , wobei + ,.
2. vF = x˙ F 3. vPF Rot = Ω × xFP
F vP
(8.6)
4. vPF Rel = x˙ ex + y˙ ey + z˙ ez . Aus der Zeitableitung von (8.6) folgt mit Anwendung von (8.4) auf vPF (vgl. Aufgabe 8.4.1) Der Beschleunigungssvektor im bewegten Bezugssystem = aF + aFP Rot + aFP Rel + aFP Cor , wobei 1. aP + ,. 2. aF 3. aFP Rot 4. aFP Rel
aF
P = v˙ F ˙ × xF + Ω × (Ω × xF ) = Ω P P = x ¨ex + y¨ey + z¨ez
(8.7)
5. aFP Cor = 2 Ω × vPF Rel . Bemerkungen 8.1 1. Die Absolutgeschwindigkeit des Punktes P ist wie in Gl.(2.60.2) als Summe von zwei Anteilen vF und vPF darstellbar. In (8.6) zerf¨allt vPF nochmals in zwei Anteile: Der Term vPF Rot entsteht durch Rotation der Vektorbasis, und vPF Rel ist die Geschwindigkeit relativ zum bewegten Bezugssystem, die der Beobachter B wahrnimmt. F¨ur ebene Bewegungen ergeben sich als Sonderfall die Gleichungen (6.29) (vgl. Aufgabe 8.4.2). 2. Die Absolutbeschleunigung von P ist die Summe der beiden Anteile aF und aFP . Dabei zerf¨allt aFP in drei Anteile: Der Term aFP Rot entsteht durch Rotation der Vektorbasis, aFP Rel kennzeichnet die Beschleunigung von P relativ zum bewegten Bezugssystem, die der Beobachter B wahrnimmt, und aFP Cor wird nach dem franz¨osischen Mathematiker Coriolis (1792-1843) als Coriolis-Beschleunigung bezeichnet. Diese tritt auf, wenn sich das Bezugssystem infolge der Rotation Ω von der relativen Geschwindigkeit vPF Rel ,,abwendet”. Der Vektor aFP Cor steht senkrecht auf Ω und vPF Rel und verschwindet, wenn 1. Ω = 0, 2. vPF Rel = 0 oder 3. Ω und vPF Rel parallel sind. F¨ur ebene Bewegungen ergeben sich die Gleichungen (6.30) (vgl. Aufgabe 8.4.2).
284
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Beispiel 8.1 Bewegungen in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere ¨ Uber der rotierenden Erde mit Zentrum 0 be¿nden sich zwei Satelliten C und D in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere. Ihre Lagen sind wie in Abb. 8.3 dargestellt durch die Polarkoordinaten R, ϕ und R, −ϕ festgelegt. Beide Satelliten bewegen sich jeweils in n¨ordlicher Richtung mit der Geschwindigkeit v Rel . Der EinÀuss der Bewegung der Erde um die Sonne soll vernachl¨assigt werden. Bezogen auf die dargestellte bewegte Vektorbasis bestimme man f¨ur beide F¨alle 1. die Geschwindigkeiten vC , vD , 2. die Beschleunigungen aC , aD . Wie a¨ ndern sich die Beschleunigungen, wenn v Rel f¨ur beide Satelliten s¨udw¨arts gerichtet ist?
Abb. 8.3. Bewegungen in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere
¨ Voruberlegungen: Wir w¨ahlen die Sonne als festes Bezugssystem. Die gesuchten Vektoren werden mit den Gleichungen (8.6) und (8.7) und dem Zentrum der Erde 0 als Bezugspunkt bestimmt. Da die Bewegung um die Sonne vernachl¨assigt wird, ist der Bezugspunkt F = 0 fest, und es gilt vF = v0 = 0, aF = a0 = 0. L¨osung: Die Erde dreht sich in 24 Stunden von West nach Ost einmal um die Nord-S¨ud Achse1 . Also ist der Winkelgeschwindigkeitsvektor Ω ein nach Norden gerichteter Vektor: Ω=
2π = 7.27 · 10−5 s−1 , 24 · 3600
Ω = Ωez .
Mit der Basisdarstellung f¨ur den Ortsvektor von C relativ zu 0 x0C = xC = R cos ϕex + R sin ϕez folgt aus Gl.(8.6) und der Regel (A.17) Rot Rel vC = vC + vC , wobei Rot = Ω × xC = ΩR cos ϕ ey vC Rel vC = −v Rel sin ϕ ex + v Rel cos ϕ ez .
Entsprechend erh¨alt man f¨ur den Punkt D x0D = xD = R cos ϕex − R sin ϕez Rot Rel vD = vD + vD , wobei Rot = Ω × xD = ΩR cos ϕ ey vD Rel vD = v Rel sin ϕ ex + v Rel cos ϕ ez .
1
Abb. 8.3.b. Geschwindigkeiten in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere
Die genaue Zeit f¨ur eine Erdumdrehung ist der siderische Tag und dauert 23 h 56 min 4 s = 23.9344 h.
8.1 Kinematik der Relativbewegungen
285
Nach Auswertung der Vektoren in Gl.(8.7) folgt f¨ur die Beschleunigungsterme bei konstanter Relativgeschwindigkeit v Rel und konstanter Winkelgeschwindigkeit ω Rel Cor aC = aRot C + aC + aC , Rot 2 aC = −Ω R cos ϕ ex ,
Cor Rel aD = aRot D + aD + aD , wobei Rot 2 aD = −Ω R cos ϕ ex
aRel C = 0, Rel aCor C = −2Ω sin ϕv ey ,
aRel D =0 Rel aCor D = 2Ω sin ϕv ey .
Die Ursache der Coriolisbeschleunigung liegt darin, das der Satellit C infolge seiner relativen Geschwindigkeit an einen Ort gelangt, an dem die Umfangsgeschwindigkeit um die Nord-S¨ud-Achse kleiner ist. Umgekehrt kommt der Satellit D an einen Ort mit gr¨oßerer Umfangsgeschwindigkeit. Daher ist die Coriolisbeschleunigung auf der n¨ordlichen Hemisph¨are nach Westen und auf der s¨udlichen Hemisph¨are nach Osten gerichtet. In Abb. 8.4.b ist v Rel f¨ur beide Satelliten s¨udw¨arts gerichtet. Dann ist die Coriolisbeschleunigung auf der n¨ordlichen Hemisph¨are nach Osten und auf der s¨udlichen Hemisph¨are nach Westen gerichtet.
Abb. 8.4. Beschleunigungen in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere: a) Bewegungen nach Norden, b) Bewegungen nach S¨uden
8.1.2 Der Winkelgeschwindigkeits- und der Winkelbeschleunigungsvektor Wir k¨onnen mit Gl.(8.4) auch die zeitliche Ableitung des Winkelgeschwindigkeitsvektors ω in Abb. 8.2 bestimmen. Zuvor wollen wir uns davon u¨ berzeugen, dass f¨ur Winkelgeschwindigkeitsvektoren das Kommutativgesetz (A.1.1) der Vektoraddition gilt. Dass dieses nicht als selbstverst¨andlich angenommen werden kann, macht das folgende Beispiel klar: In Abb. 8.5 wird in der oberen Abbildung ein Buch um die z-Achse verdreht, gefolgt von einer Drehung um die y-Achse. In der unteren Abbildung tritt zuerst eine Drehung um die y-Achse auf, der eine Drehung um die z-Achse folgt. Dabei zeigt sich, dass die Endlagen der beiden Drehsequenzen unterschiedlich sind. Wir k¨onnen die Rotationen um die y- und z-Achsen auch durch die beiden Vektoren ϕy und ϕz beschreiben. Der Drehsinn ist jeweils, in Pfeilrichtung zeigend, als Rechtsdrehung de¿niert. Die Skalare ϕy = |ϕy | = π/2 und ϕz = |ϕz | = π/2 geben die Gr¨oßen beider
286
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Abb. 8.5. Rotationsbewegungen eines Buches: Oben: Drehung um z-Achse gefolgt von Drehung um y-Achse. Unten: Drehung um y-Achse gefolgt von Drehung um z-Achse. Die Endlagen beider Drehsequenzen sind unterschiedlich.
Drehwinkel an. Da die beiden Drehsequenzen in Abb. 8.5 nicht zu derselben Endlage f¨uhren, gilt f¨ur die Summe der Rotationsvektoren ϕy + ϕz = ϕz + ϕy .
(8.8)
Diese Ungleichung steht im Widerspruch zu Gl.(A.1.1). Damit folgt: F¨ur Vektoren zur Beschreibung endlicher Drehungen gilt im Allgemeinen nicht das Kommutativgesetz (A.1.2). In Anhang A.3 wird gezeigt, dass im Gegensatz zu Gl.(8.8) das Kommutativgesetz (A.29) f¨ur zwei Winkelgeschwindigkeitsvektoren ω1 und ω 2 gilt. Kennzeichnen Ω und ω Rel die Winkelgeschwindigkeitsvektoren, mit denen sich der Hubschrauber gegen¨uber dem festen und dem bewegten Bezugssystem in Abb. 8.2 verdreht, so folgt f¨ur die Winkelgeschwindigkeit des Hubschraubers, die der Beobachter A wahrnimmt, ω = Ω + ω Rel = ω Rel + Ω.
(8.9)
Mit (8.4) kann der Winkelbeschleunigungsvektor α = ω˙ = ω˙ Rot + ω˙Rel erhalten werden. Unter Beachtung von Ω × Ω = 0 (vgl. Gl.(A.6.3)) gilt f¨ur den Rotationsanteil ω˙ Rot = Ω × ω = Ω × (Ω + ω Rel ) = Ω × ωRel . Zusammenfassend erh¨alt man f¨ur den Winkelbeschleunigungsvektor α = ω˙ = αRot + αRel , wobei αRot = Ω × ω Rel , αRel = ω˙ x ex + ω˙ y ey + ω˙ z ez .
(8.10)
8.1 Kinematik der Relativbewegungen
287
Beispiel 8.2 Hinterrad eines PKWs in einer Kurve Der Schwerpunkt des Hinterrades eines Personenkraftwagens erf¨ahrt in einer Kurve mit Radius R=10 m die konstante Geschwindigkeit vS =50 km/h. Der Radius des Reifens betr¨agt r=30 cm. Man bestimme den Geschwindigkeitsvektor vP des Punktes P . Die L¨osung ist auf die dargestellte bewegte Vektorbasis ex , ey , ez zu beziehen, welche mit dem Schwerpunkt S des Hinterrades um den Kreismittelpunkt M rotiert.
Abb. 8.6. Hinterrad eines PKWs in einer Kurve
¨ Voruberlegungen: Die L¨osung wird mit den Gleichungen (8.6) erhalten. Dazu werden zun¨achst alle relevanten Vektoren auf die bewegte Vektorbasis ex , ey , ez bezogen. L¨osung: Die Winkelgeschwindigkeit des rotierenden Basissystems betr¨agt Ω =Ωy = vS /R und die des Reifens bezogen auf das Basissystem ist ω Rel = ωzRel = −vS /r. Daraus folgen die Winkelgeschwindigkeitsvektoren Ω = Ωy ey , ωRel = ωzRel ez ,
vS 50 rad = = 1.39 R 3.6 · 10 s vS 50 rad ωzRel = − =− = −46.29 . r 3.6 · 0.3 s Ωy =
Mit ω Rel bestimmen wir
Abb. 8.6.b. Relativgeschwindigkeiten im bewegten Koordinatensystem
vPM Rel = ω Rel × xM P . Dieses ist die Geschwindigkeit von P relativ zu M , die ein mit dem rotierenden Koordinatensystem bewegter Beobachter wahrnimmt. Mit dem Ortsvektor von P relativ zu M xM P = rex + 0ey + Rez = (0.3 ex + 0 ey + 10 ez ) m, der Bezugsgeschwindigkeit vM = 0 sowie dem gesamten Winkelgeschwindigkeitsvektor ω = Ω + ω Rel folgt zusammenfassend aus den Gleichungen (8.6) M Rel = ω Rel × xM vP = vPM Rot + vPM Rel , wobei vPM Rot = Ω × xM P , vP P . ex ey e z m vP = ω × xM . P = 0 1.39 − 46.29 = (13.90 ex − 13.89 ey − 0.42 ez ) s 0.3 0 10.
288
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
8.1.3 Aufgaben zu Abschnitt 8.1 Aufgabe 8.1 (SG = 1) Die dargestellte Rinne in einer Scheibe rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω. In der Rinne be¿ndet sich eine Kugel, die sich in radialer Richtung mit der Geschwindigkeit v Rel und der Beschleunigung aRel bewegt. Bezogen auf die Vektorbasis ex , ey , bestimme man 1. den Geschwindigkeitsvektor, 2. den Beschleunigungsvektor. Bekannt: r, ω, v Rel , aRel . Aufgabe 8.2 (SG = 2) Eine R¨ohre ist gegen die Vertikale um einen Winkel β geneigt. Sie dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω um eine vertikale Achse. In der R¨ohre bewegt sich eine Kugel C mit der Geschwindigkeit vr und der Beschleunigung ar . Wie lauten die Basisdarstellungen f¨ur die Vektorbasis ex , ey , ez f¨ur 1. den Geschwindigkeitsvektor, 2. den Beschleunigungsvektor? Welche Zahlenwerte ergeben sich f¨ur Lage 1 und Lage 2? Bekannt: β = 30o , vr = 4 m/s, ar = 4 m/s2 , ω = 4 rad/s, h = 5 cm, b = 3 cm. Aufgabe 8.3 (SG = 2) F¨ur das Hinterrad eines PKWs in Beispiel 8.2 bestimme man mit raumfesten Koordinaten den Geschwindigkeitsvektor des Punktes P in Abh¨angigkeit der Winkel ψ und ϕ.
8.1 Kinematik der Relativbewegungen
289
Aufgabe 8.4 (SG = 2) 1. Leiten Sie durch zeitliche Ableitung von (8.6) die Gleichungen (8.7) her. 2. Aus den Gleichungen (8.6) und (8.7) f¨ur den Geschwindigkeits- und Beschleunigungssvektor f¨ur Bewegungen im Raum leite man die Gleichungen (6.29) und (6.30) f¨ur ebene Bewegungen in der rotierenden Vektorbasis her. Aufgabe 8.5 (SG = 2) Das Hinterrad des PKWs in Beispiel 8.2 erf¨ahrt eine Schwerpunktbeschleunigung aS . Bestimmen Sie den Beschleunigungsvektor aP des Punktes P . Aufgabe 8.6 (SG = 2) Der Baukran bewegt sich mit der Geschwindigkeit vA . Gleichzeitig rotiert der Kranausleger mit der Winkelgeschwindigkeit Ω um die senkrechte Achse, und die Laufkatze C bewegt sich entlang des AusB Rel und der legers mit der Geschwindigkeit vC B Rel Beschleunigung aC relativ zum Punkt B. Bezogen auf die rotierende Vektorbasis ex , ey , ez bestimme man 1. den Geschwindigkeitsvektor, 2. den Beschleunigungsvektor. Bekannt: Ω = 0.02 rad/s, vA = 0.2 m/s, B Rel = 0.4 m/s, aB Rel = 0.4 m/s2 , β = 30o , vC C l = 5 m. Aufgabe 8.7 (SG = 2) Zum Mahlen von Keramiken wird h¨au¿g der sogenannte Kollergang verwendet, der nach dem dargestellten Prinzip arbeitet. Hierbei ist eine rotierende Mahlscheibe an einen horizontal bewegten Stab abgebracht, der um eine senkrechte Achse mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit Ω rotiert. 1. Gesucht ist die maximal auftretende Geschwindigkeit des Punktes P . 2. Welche Beschleunigung erf¨ahrt der Ber¨uhrpunkt B? Bekannt: Ω = 0.1 rad/s, R = 5 m, r = 0.3 m, α = 0.
290
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 8.8 (SG = 2) Das Anfahren f¨ur den Kollergang in Aufgabe 8.7 erfolgt mit der Beschleunigung α = Ω˙ = 0.1 m/s2 . Bestimmen Sie die Beschleunigung des Punktes B. Aufgabe 8.9 (SG = 3) Der dargestellte Kranausleger rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 um eine senkrechte Achse. Gleichzeitig erfolgt wie dargestellt eine Rotation ω2 um einen Punkt D. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Punktes P , wenn die momentane Lage des Armes DP gegen¨uber der horizontalen Ebene β2 betr¨agt? Bekannt: l, d, ω1 , ω2 , β2 .
Aufgabe 8.10 (SG = 3) Ein Roboter hat wie dargestellt einen beweglichen Arm BC mit mehreren Freiheitsgraden. In dem Augenblick, wenn der Arm BC den Winkel β gegen¨uber der Horizontalen Y -Achse hat, tritt eine Winkelgeschwindigkeit ω1 um die senkrechte zAchse und eine Winkelgeschwindigkeit ω2 in der xz-Ebene auf. Gleichzeitig bewegt sich der Punkt C B Rel relativ zum Punkt B. mit der Geschwindigkeit vC Wie lautet der Geschwindigkeitsvektor von C bezogen auf die mit ω1 rotierende Vektorbasis ex , ey , ez ? B Rel = Bekannt: ω1 = 3 rad/s, ω2 = 4 rad/s, vC o 0.4 m/s, l = 1.1 m, h = 1.0 m, β = 40 .
Aufgabe 8.11 (SG = 3) Ein K¨orper f¨allt auf der n¨ordlichen Halbkugel aus der H¨ohe h auf die Erde. Die Lage auf dem Meridiankreis ist durch den Winkel ϕ gegeben. Der Radius der Erde ist Re . Wie groß ist die Abweichung Δ f¨ur den Auftreffpunkt auf die Erde infolge der Erdrotation? Hinweis: Der EinÀuss der Bewegung der Erde um die Sonne soll vernachl¨assigt werden. Die Erdbeschleunigung wird mit g = konst angenommen und ist zum Erdmittelpunkt gerichtet.
8.2 Kinematik im Raum mit Euler Winkeln
291
8.2 Kinematik im Raum mit Euler Winkeln Einen starren K¨orper, der Drehbewegungen um einen festen Punkt im Raum, das sogenannte Rotationszentrum, durchf¨uhrt, bezeichnet man als Kreisel [32]. Dieser hat drei f = 3 Drehfreiheitsgrade. Entsprechend sind f¨ur die mathematische Beschreibung der Drehbewegungen im Raum drei unabh¨angige Variablen erforderlich. Zu diesem Zweck werden z.B. Kardanwinkel (s. [15]) oder Euler Winkel verwendet. Im Folgenden werden Euler Winkel behandelt. 8.2.1 Erkl¨arung der Euler Winkel an einem Beispiel Wir betrachten in Abb. 8.7 vier Kon¿gurationen eines Fasses. In der Ausgangskon¿guration in Abb. 8.7.a fallen die raumfeste Z-Koordinate des K¨orpers mit der sogenannten Figurenachse (FA) und die X-Achse mit der Knotenlinie (KL) zusammen. (Bei K¨orpern mit Rotationsachse ist diese h¨au¿g gleich der Figurenachse.) Die Kon¿gurationen b, c und d entstehen durch drei nacheinander durchgef¨uhrte Verdrehungen des K¨orpers. Eine Verdrehung mit dem Winkel ψ um die Figurenachse (FA) erzeugt die zweite Kon¿guration in Abb. 8.7.b. Infolge einer Rotation mit dem Winkel θ um die verdrehte Knotenlinie (KL) ergibt sich die dritte
Abb. 8.7. Euler Winkel: a) Ausgangskon¿guration, b) zweite Kon¿guration infolge Drehung ψ um die Figurenachse (FA) in der Ausgangskon¿guration, c) dritte Kon¿guration infolge Drehung θ um die Knotenlinie (KL), d) vierte Kon¿guration infolge Drehung φ um die gedrehte Figurenachse (FA)
292
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Kon¿guration in Abb. 8.7.c. Eine weitere Verdrehung mit dem Winkel φ um die geneigte Figurenachse (FA) liefert die vierte Kon¿guration in Abb. 8.7.d. Die Winkel ψ, θ, φ werden als Euler Winkel bezeichnet. Da nach Abschnitt 8.1.2 endliche Drehungen nicht kommutativ sind, muss die Reihenfolge der Verdrehungen in Abb. 8.7 eingehalten werden. Zusammenfassend gilt: ψ ist der Pr¨azessionswinkel. Er beschreibt die Drehung der Knotenlinie (KL) um die senkrecht gerichtete Figurenachse (FA) in der Ausgangskon¿guration. θ ist der Nutationswinkel. Er beschreibt die Drehung um die Knotenlinie (KL). φ ist der Eigenrotationswinkel. Er beschreibt die Drehung um die Figurenachse (FA) in der dritten Kon¿guration. 8.2.2 Beschreibung rotierender Bezugssysteme mit Euler Winkeln Wir bilden die Differenzenquotienten der drei Euler Winkelinkremente Δψ, Δθ, Δφ mit dem Zeitinkrement Δt und erhalten beim Grenz¨ubergang Δt → 0 die Winkelgeschwindigkeiten ˙ θ, ˙ φ. ˙ Diesen werden nach Gl.(2.56) die in Abb. 8.8 dargestellten Winkelgeschwindigkeitsψ, ˙ θ, ˙ φ˙ zugeordnet. F¨ur den starren K¨orper ist somit vektoren ψ,
Abb. 8.8. Vier F¨alle bei der Wahl der Basisvektoren f¨ur bewegte Bezugssysteme
8.2 Kinematik im Raum mit Euler Winkeln
˙ + θ˙ + φ, ˙ ω=ψ
293
(8.11)
der gesamte Winkelgeschwindigkeitsvektor. Auf Grund des Kommutativgesetzes f¨ur Winkelgeschwindigkeitsvektoren (A.29) ist die Reihenfolge der Additionen beliebig. ˙ θ, ˙ φ˙ kann jetzt der Winkelgeschwindigkeitsvektor Ω des bewegten Mit den Vektoren ψ, Bezugssystems und der Vektorbasis ex , ey , ez festgelegt werden. Dazu werden wie in Abb. 8.8 dargestellt vier F¨alle unterschieden: a) b) c) d)
Ω Ω Ω Ω
= 0, ˙ = ψ, ˙ ˙ = ψ + θ, ˙ + θ˙ + φ˙ = ω, =ψ
ωRel ωRel ω Rel ω Rel
˙ =ω = ψ˙ + θ˙ + φ ˙ ˙ = θ+φ ˙ = φ =0
(raumfest) (8.12) (k¨orperfest).
Mit Gl.(8.11) erhalten wir f¨ur alle vier F¨alle die Beziehung (8.9) und somit ω Rel = ω − Ω. Der Fall a) entspricht einer raumfesten Vektorbasis. Im Fall b) rotieren die Basisvektoren ex und ey um die raumfeste Z-Achse in der XY -Ebene. Im Fall c) erfolgt eine Verdrehung der Vektorbasis mit dem Winkel θ um die mit Ψ verdrehte Knotenlinie (KN entspricht x ). Damit verbleibt der Basisvektor ex st¨andig in der XY -Ebene. Der Fall d) entspricht einer k¨orperfesten Vektorbasis. Im Folgenden werden nur die F¨alle c) und d) n¨aher untersucht. Die F¨alle a) und b) werden in Aufgabe 8.15 behandelt. ˙ + θ: ˙ Mit den Basisvektoren ex , ey , ez in Abb. 8.9 Fall c), Bezugssystem rotiert mit Ω = ψ erh¨alt der Winkelgeschwindigkeitsvektor Ω die Basisdarstellung
Ω = Ωx ex + Ωy ey + Ωz ez , wobei ˙ Ωy = ψ˙ sin θ, Ωz = ψ˙ cos θ. Ωx = θ,
(8.13)
Damit ist die Rotation der Vektorbasis ex , ey , ez unabh¨angig vom Eigenrotationswinkel φ. Der K¨orper erf¨ahrt gegen¨uber dem Basissystem zus¨atzlich die relative Winkelgeschwindigkeit ˙ = ω Rel ex + ω Rel ey + ω Rel ez , wobei ω Rel = φ x y z (8.14) ˙ ω Rel = 0, ω Rel = 0, ω Rel = φ. x
y
z
˙ θ, ˙ φ˙ im Fall c) Abb. 8.9. Zerlegung der Winkelgeschwindigkeiten ψ,
294
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Der gesamte Winkelgeschwindigkeitsvektor lautet ω = Ω + ω Rel = ωx ex + ωy ey + ωz ez , wobei ˙ ωy = ψ˙ sin θ, ωz = φ˙ + ψ˙ cos θ. ωx = θ,
(8.15)
F¨ur die relative Zeitableitung des Winkelgeschwindigkeitsvektors ω˙ Rel gilt nach Gl.(8.4) αRel = ω˙ Rel = ω˙ x ex + ω˙ y ey + ω˙ z ez , ¨ ω˙ y = ψ¨ sin θ + ψ˙ θ˙ cos θ, ω˙ x = θ,
wobei ω˙ z = φ¨ + ψ¨ cos θ − ψ˙ θ˙ sin θ.
(8.16)
Fall d), k¨orperfestes Bezugssystem rotiert mit Ω = ω: In Abb. 8.10 werden die Winkelgeschwindigkeiten in die Richtungen der k¨orperfesten Basisvektoren ex , ey , ez zerlegt. Damit lautet die Basisdarstellung des Winkelgeschwindigkeitsvektors Ω Ω = Ωx ex + Ωy ey + Ωz ez , wobei Ωx = ψ˙ sin θ sin φ + θ˙ cos φ, Ωy = ψ˙ sin θ cos φ − θ˙ sin φ,
˙ Ωz = ψ˙ cos θ + φ.
(8.17)
Im Gegensatz zu den Gleichungen (8.13) ist die Rotation des k¨orperfesten Basissystems vom Eigenrotationswinkel φ abh¨angig. Mit den Beziehungen Ωx = ωx , Ωy = ωy , Ωz = ωz folgt f¨ur die relative Zeitableitung des Winkelgeschwindigkeitsvektors nach Gl.(8.4) wobei αRel = ω˙Rel = ω˙ x ex + ω˙ y ey + ω˙ z ez , ω˙ x = ψ¨ sin θ sin φ + ψ˙ θ˙ cos θ sin φ + ψ˙ φ˙ sin θ cos φ + θ¨ cos φ − θ˙ φ˙ sin φ ω˙ y = ψ¨ sin θ cos φ + ψ˙ θ˙ cos θ cos φ − ψ˙ φ˙ sin θ cos φ − θ¨ sin φ − θ˙ φ˙ cos φ ¨ ω˙ z = ψ¨ cos θ − ψ˙ θ˙ sin θ + φ.
(8.18)
˙ θ, ˙ φ˙ im Fall d) f¨ur ein k¨orperfestes Bezugssystem Abb. 8.10. Zerlegung der Winkelgeschwindigkeiten ψ,
F¨ur die F¨alle c) und d) kann mit αRot = Ω × ω Rel nach Gl. (8.10) der Winkelbeschleunigungsvektor α = αRot + αRel berechnet werden.
8.2 Kinematik im Raum mit Euler Winkeln
295
Beispiel 8.3 Winkelgeschwindigkeit und -beschleunigung f¨ur ein Gyroskop F¨ur ein Gyroskop sind die Winkelgeschwindigkeiten und -beschleunigungen f¨ur Pr¨azession, Nutation und Eigenrotation gegeben. Bei dem dargestellen Basissystem f¨allt ez mit der Symmetrieachse des Gyroskops zusammen. Der Basisvektor ex rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ψ˙ um die raumfeste ZAchse und verbleibt in der XY -Ebene. Bezogen auf die dargestellte Vektorbasis bestimme man die Basisdarstellungen f¨ur den Winkelgeschwindigkeitsvektor Ω des Bezugssystems sowie den Winkelgeschwindigkeitsvektor ω und den Winkelbeschleunigungsvektor α des starren K¨orpers. Bekannt: φ˙ = 12 rad/s, φ¨ = 5 rad/s2 , θ˙ = 4 rad/s, θ¨ = 3 rad/s2 , ψ˙ = 6 rad/s, ψ¨ = 2 rad/s2 , θ = 30o .
Abb. 8.11. Gyroskop in der Bewegung
¨ Voruberlegungen: Es liegt der Fall c) aus Abschnitt 8.2.2 vor. F¨ur die gegebenen Gr¨oßen werden die Vektoren Ω, ωRel und ω mit den Gleichungen (8.13), (8.14) und (8.15) bestimmt. Mit αRel in Gl.(8.16) wird α nach Gl.(8.10) berechnet. L¨osung: Im Fall c) in Abschnitt 8.2.2 lautet die Basisdarstellung (8.13) f¨ur Ω ˙ x + ψ˙ sin θey + ψ˙ cos θez = (4 ex + 3 ey + 5.2 ez ) rad/s, Ω = θe und f¨ur die Winkelgeschwindigkeit des Gyroskops relativ zur bewegten Vektorbasis erh¨alt man nach (8.14) ˙ z = 12ez rad/s. ω Rel = φe Damit ergibt sich aus (8.15) ˙ x + ψ˙ sin θey + (φ˙ + ψ˙ cos θ)ez = (4 ex + 3 ey + 17.5 ez ) rad/s. ω = Ω + ω Rel = θe Mit ¨ x + (ψ¨ sin θ + ψ˙ θ˙ cos θ)ey + (φ¨ + ψ¨ cos θ − ψ˙ θ˙ sin θ)ez αRel = θe = (3 ex + 21.78 ey − 5.27 ez ) rad/s2 ⎡ ⎤ ey ez ex αRot = Ω × ω Rel = ⎣ 4 3 5.2 ⎦ = (36 ex − 48 ey ) rad/s2 0 0 12 berechnet man aus (8.10) α = αRot + αRel = (39ex − 26.22ey + 5.27ez ) rad/s2 .
296
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
8.2.3 Aufgaben zu Abschnitt 8.2 Aufgabe 8.12 (SG = 2) L¨osen Sie Aufgabe 8.7 mit Euler Winkeln unter Verwendung von rotierenden Basissystemen nach (8.12.c). Aufgabe 8.13 (SG = 2) Ein Kegel rotiert wie dargestellt auf einer Ebene. Dabei verbleibt der Ber¨uhrpunkt B im Kreismittelpunkt. 1. De¿nieren Sie die Winkel f¨ur Pr¨azession ψ, Nutation θ und Eigenrotation φ. 2. Bestimmen Sie die Winkelgeschwindigkeitsvektoren Ω der Rotation des Bezugssystems, ω der Rotation des K¨orpers und den Vektor der Winkelbeschleunigung α des K¨orpers. Bei dem dargestellen Basissystem f¨allt ez mit der Rotationsachse des Kegels zusammen. Der Basisvektor ex rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ψ˙ um die raumfeste Z-Achse und verbleibt in der XY -Ebene. Bekannt: l = 8 cm, r = 2cm, Umdrehungen n =3 min−1 . Aufgabe 8.14 (SG = 3) F¨ur das Gyroskop aus Beispiel 8.3 sind der Nutationswinkel θ und die Winkelgeschwindigkeiten ψ˙ und φ˙ konstant. F¨ur welchen Winkel ϕ erh¨alt der Punkt B die maximale Geschwindigkeit? Wie groß ist dann die Geschwindigkeit? Bekannt: φ˙ = 12 rad/s, ψ˙ = 6 rad/s, θ = 30o , R = 3 cm, H = 3 cm.
Aufgabe 8.15 (SG = 3*) F¨ur die F¨alle a) und b) in den Gleichungen (8.12) und in Abb. 8.8 bestimme man die Winkelgeschwindigsvektoren Ω und ω Rel sowie die relative Zeitableitung des Winkelgeschwindigkeitsvektors ω˙ Rel nach Gl.(8.4) bezogen auf die jeweiligen Basisvektoren.
8.3 Kinetik starrer K¨orper im Inertialsystem
297
8.3 Kinetik starrer K¨orper im Inertialsystem ¨ den starren K¨orper 8.3.1 Der Schwerpunktsatz fur Wir betrachten in Abb. 8.12 einen starren K¨orper in der r¨aumlichen Bewegung, der durch Kr¨afte Fi belastet ist. Er wird nach De¿nition (6.3) als starres Massenpunktsystem mit unendlich vielen Massenpunkten mi , i = 1, ..., ∞ aufgefasst. Ersetzen wir in (6.3) den Vektor b durch die Vektoren x, v und a f¨ur den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung von Punkten P des starren K¨orpers, so folgen mit den Gleichungen (5.2.1-3) die zugeh¨origen Vektoren f¨ur den Schwerpunkt des starren K¨orpers. F¨ur b = 1 wird die Masse m des starren K¨orpers bestimmt. Zusammenfassend erh¨alt man m xdm
m vdm
Abb. 8.12. R¨aumliche Bewegung eines starren K¨orpers, Beobachter A und B m adm
, 4. m = m dm. (8.19) m m m Mit Anwendung von Rechenregel (6.3) auf den Impulsvektor in Gl. (5.14) wird der Schwerpunktsatz f¨ur Massenpunktsysteme (5.15) auf den starren K¨orper u¨ bertragen. Da lediglich Einzelkr¨afte Fi an dem K¨orper angreifen, bleibt die rechte Seite in Gl.(5.15.1) unver¨andert. Gewichtskr¨afte werden wie in der Statik als resultierende Kr¨afte in den Schwerpunkten behandelt. Aus den Gleichungen (5.15) folgt somit 1. xS =
,
2. vS =
,
3. aS =
¨ den starren K¨orper im Inertialsystem, Der Schwerpunktsatz fur Formulierung mit dem Impulsvektor n Fi = FR , wobei 1. p˙ S =
(8.20)
i=1
2. pS = mvS
Impulsvektor des Schwerpunktes.
In gleicher Weise folgt aus den Gleichungen (5.17) ¨ den starren K¨orper im Inertialsystem, Der Schwerpunktsatz fur Formulierung mit dem Beschleunigungsvektor
(8.21)
maS = FR . Der Geschwindigkeitsvektor vS in Gl.(8.20.2), der Beschleunigungsvektor aS in Gl.(8.21) und die Masse m sind in den Gleichungen (8.19) de¿niert. Die Basisdarstellungen von (8.21) bez¨uglich verschiedener Koordinatensysteme sind wie bei den Darstellungen (5.18) bis (5.21) f¨ur das Massenpunktsystem.
298
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
¨ den starren K¨orper 8.3.2 Der Momentensatz fur Ausgehend von dem Momentensatz (5.31.2) f¨ur das allgemeine Massenpunktsystem in Abb. 5.9 k¨onnen wir eine besondere Formulierung f¨ur das starre Massenpunktsystem erhalten. Dazu w¨ahlen wir den Punkt F mit der Geschwindigkeit vF als F¨uhrungspunkt. Da beim starren System die Abst¨ande von Massenpunkten i zu F stets konstant sind, beschreiben diese momentan eine Kreisbahn um F . Aus Gl.(2.60.2) folgt f¨ur die Geschwindigkeiten vi =vF +ω × xFi , wobei nach (5.8) der Winkelgeschwindigkeitsvektor ω ein freier Vektor und somit unabh¨angig vom Bezugspunkt F ist. Der Drehimpulsvektor lautet nach Gl.(5.31.2) n n n n D(F ) = xFi × pi = xFi × mi vi = mi xFi × vF + mi xFi × ω × xFi i=1
=
m xFS
i=1
× vF +
n
i=1
mi xFi
i=1
× ω×
xFi
i=1
.
Hierbei wurde von der De¿nition (5.2.1) f¨ur den Schwerpunkt Gebrauch gemacht. Mit dem Entwicklungssatz (A.6.4) schreiben wir f¨ur den zweiten Teil auf der rechten Seite n n (F ) Dω = mi xFi × (ω × xFi ) = mi (xFi · xFi ) ω − (xFi · ω) xFi . (8.22) i=1
i=1
Damit erh¨alt der Drehimpulsvektor des starren Massenpunktsystems die Darstellung ) F D(F ) = D(F ω + xS × mvF .
Mit der Wahl F = S folgt 1. F = S :
xSS
(8.23)
= 0, und f¨ur F = 0 folgt vF = 0. Zusammenfassend gilt somit (S)
D(S) = Dω ,
2. F = 0 :
(0)
D(0) = Dω .
(8.24)
Durch Einsetzen von Gl.(8.23) in die linke Seite von Gl.(5.31.1) und Ber¨ucksichtigung der Beziehungen xFS × vF = −vF × xFS , x˙ FS = vSF , vS − vSF = vF , v˙ F = aF erh¨alt man d (F ) d d F ) D + m vF × vS = D(F x × mvF + m vF × vS + dt dt ω dt S d ) = D(F + x˙ FS × mvF + xFS × mv˙ F + m vF × vS (8.25) dt ω d ) = D(F + xFS × maF . dt ω ¨ F¨ur den Ubergang vom starren Massenpunktsystem auf den starren K¨orper ersetzen wir den Ortvektor xFi der Masse i in Gl.(8.22) durch den Ortsvektor xFP des Punktes P in Abb. 5.9. (F ) Mit Anwendung der Rechenregel (6.3) auf Dω in Gl.(8.22) folgt mit b = (xFP · xFP ) ω− (xFP · ω) xFP aus dem Momentensatz f¨ur das starre System (5.31) ¨ den starren K¨orper im Inertialsystem Der Momentensatz fur d (F ) 1. D + m xFS × aF = M(F ) , wobei dt ω F F (F ) 2. Dω = (xP · xP ) ω − (xFP · ω) xFP dm m
3.
M(F )
=
n
i=1
xFi × Fi .
(8.26)
8.3 Kinetik starrer K¨orper im Inertialsystem
299
Bemerkungen 8.2 1. Falls eine der vier Bedingungen F = S: der F¨uhrungspunkt liegt im Schwerpunkt −→ xFS = 0, F = 0: der F¨uhrungspunkt ist fest (z.B. AuÀager) −→ aF = 0, F = B: die Beschleunigung von F ist momentan gleich Null −→ aF = 0, die Vektoren xFS und aF sind parallel −→ xFS × aF = 0 xFS || aF : erf¨ullt ist, dann verschwindet der Term xFS × aF in Gl.(8.26.1). Insbesondere gilt d (0) d (S) (8.27) 2. F = 0 : Dω = M(S) D = M(0) . dt dt ω Diese Beziehungen folgen mit (8.24) auch direkt aus den Gleichungen (5.32). 2. F¨ur die F¨uhrungspunkte F = S oder F = 0 erh¨alt man wegen (8.24) aus (5.33) folgenden Zusammenhang zwischen den Drehimpuls- und Momentenvektoren: 1. F = S :
d (S) d (0) Dω + xS × m aS = M(0) , 2. D − xS × m aS = M(S) . (8.28) dt dt ω 3. Der Momentensatz ist 1775 von Euler axiomatisch eingef¨uhrt worden. Seitdem gibt es in der Literatur eine kontroverse Diskussion u¨ ber M¨oglichkeiten einer Herleitung, siehe z.B. [2, 29]. Wir wollen uns dazu auf folgende Hinweise beschr¨anken: Die Herleitung des Momentensatzes (8.26) f¨ur den starren K¨orper aus den Gleichungen f¨ur das Massenpunktsystem ist an das sogenannte Boltzmann-Axiom gekn¨upft, wonach volumenhaft verteilt wirkende Momente nicht auftreten. Falls diese Voraussetzung nicht erf¨ullt ist, m¨ussen der Schwerpunktsatz und der Momentensatz getrennt voneinander als Axiome eingef¨uhrt werden. Beide Gesetze sind dann unabh¨angig voneinander. 1.
¨ ebene Bewegungen 8.3.3 Alternative Herleitung des Momentensatzes fur Mit dem Momentensatz in der Form (8.26) ist eine alternative Herleitung von Gl.(6.31.3) f¨ur ebene Bewegungen m¨oglich. F¨ur k¨orperfeste Basisvektoren ex , ey , ez in Abb. 6.22 lauten die Basisdarstellungen der Vektoren in den Gleichungen (8.26) 1. 2. 3. 4.
xFP xFS aF ω
= xex = xS e x = aF x ex = 0ex
+ yey + y S ey + aF y ey + 0ey
+ 0ez + 0ez + 0ez + ωez .
(8.29)
Mit den Ergebnissen xFP · xFP = x2 + y 2 , xFP · ω = 0 folgt f¨ur den Drehimpulsvektor in Gl.(8.26.2) 2 (F ) x + y 2 dm ω ez = Θz(F ) ω ez . Dω = (8.30) m
Hierbei ist
(F ) Θz
das Massentr¨agheitsmoment in Gl.(6.31.3). Außerdem gilt xFS × aF = (xS aF y − yS aF x ) ez .
(8.31)
Nach Einsetzen von (8.30) und (8.31) in den Momentensatz (8.26) erh¨alt man mit α = ω˙ nach Koef¿zientenvergleich die Beziehung (6.31.3).
300
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen 8.4.1 Der Schwerpunktsatz in bewegten Bezugssystemen Wir betrachten in Abb. 8.13 einen starren K¨orper, der durch Kr¨afte Fi belastet ist. In dem festen Bezugssystem misst ein Beobachter A die Schwerpunktbeschleunigung aS . Wir setzen voraus, dass dieses System ein Inertialsystem ist, so dass der Schwerpunktsatz (8.21) gilt. In einem bewegten Bezugssystem misst ein zweiter Beobachter B gleichzeitig die Schwerpunktbeschleunigung aFS Rel desselben K¨orpers. Gilt hier die Ungleichung maFS Rel = FR =
n
Fi ,
(8.32)
Abb. 8.13: R¨aumliche Bewegung eines starren K¨orpers, Beobachter A und B
i=1
dann ist das bewegte System kein Inertialsystem. Im Folgenden wollen wir eine Form des Schwerpunktssatzes angeben, die auch in bewegten Bezugssystemen gilt. Dazu verwenden wir die Gleichungen (8.7), die einen Zusammenhang zwischen den Wir wenden Gl.(8.7.1) auf Beschleunigungen a und aF Rel beider Bezugssysteme herstellen. die Beschleunigung aS im Schwerpunktsatz maFS Rel = ni=1 Fi an und erhalten maFS Rel =
n
% $ Fi − m aF + aFS Rot + aFS Cor .
(8.33)
i=1
Mit den Beschleunigungen in (8.7) kann diese Gleichung weiter umformuliert werden: ¨ den starren K¨orper in bewegten Bezugssystemen Der Schwerpunktsatz fur n Fi + FF + FFS Rot + FFS Cor , wobei 1. maFS Rel = 2. FF
i=1
= −maF
(8.34)
˙ × xF + Ω × (Ω × xF ) 3. FFS Rot = −maFS Rot = −m Ω S S
4. FFS Cor = −maCor = −2m Ω × vSF Rel . S Damit ist eine allgemeine Form des Schwerpunktsatzes in bewegten Bezugssystemen gefunden. Hierbei sind außer den wirklichen Kr¨aften Fi auch die vom Bezugssystem abh¨angigen Kr¨afte FF , FFS Rot , FFS Cor zu ber¨ucksichtigen. Sind diese Kr¨afte, die gelegentlich als Scheinkr¨afte bezeichnet werden, bekannt, dann kann der Schwerpunktsatz f¨ur das bewegte Bezugssystem wie f¨ur das Inertialsystem angewendet werden. Eine Absch¨atzung der Betr¨age der Scheinkr¨afte gibt Aufschluss dar¨uber, ob deren Vernachl¨assigung zul¨assig ist.
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
301
Beispiel 8.4 Scheinkr¨afte auf Satelliten in der n¨ordlichen und s¨udlichen Hemisphere F¨ur die beiden Satelliten C und D in Beispiel 8.1 sind folgende Aufgaben zu bearbeiten: 1. Man bestimme die Scheinkr¨afte nach Gl.(8.34) f¨ur Bewegungen nach Norden in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere. 2. Welche Richtungen ergeben sich f¨ur die Scheinkr¨afte f¨ur eine Bewegung nach S¨uden? 3. Wie groß sind die Verh¨altnisse zwischen Schein- und Gewichtskr¨aften? Bekannt: Radius: R = 6370 km, v Rel =100 km/h, ϕ = 60o , Masse m = 1000 kg. ¨ Voruberlegungen: Mit den Ergebnissen f¨ur die verschiedenen Beschleunigungsvektoren in Beispiel 8.1 werden die Scheinkr¨afte mit den Gleichungen (8.34) bestimmt. L¨osung: Als Bezugspunkt F wird der Erdmittelpunkt 0 in Abb. 8.14 verwendet. Da dieser Punkt in Beispiel 8.1 als fest angenommen wurde, verschwindet die Scheinkraft F0 = −ma0 in Gl.(8.34.2). Die weiteren Scheinkr¨afte f¨ur die Satelliten C und D lauten F0CRot = −ma0CRot = mΩ 2 R cos ϕ ex ,
F0DRot = −ma0DRot = mΩ 2 R cos ϕ ex
F0CCor = −ma0CCor = 2m Ω sin ϕv Rel ey ,
F0DRot = −ma0DCor = −2m Ω sin ϕv Rel ey .
Eine Darstellung dieser vier Kr¨afte erfolgt in Abb. 8.14.a. In Abb. 8.14.b sind die Scheinkr¨afte f¨ur eine Bewegung nach S¨uden eingetragen. Mit den gegebenen Zahlenwerten folgt f¨ur die Betr¨age der Kr¨afte und die Verh¨altnisse zur Gewichtskraft f¨ur den Satellit C |F0CRot | = 16.83 N
=⇒
|F0CRot | 16.83 = = 1.71 · 10−3 G 1000 · 9.81
|F0CCor | = 3.49 N
=⇒
|F0CCor | 3.49 = = 0.36 · 10−3 . G 1000 · 9.81
Abb. 8.14. Scheinkr¨afte infolge von Satellitenbewegungen in der n¨ordlichen und der s¨udlichen Hemisphere: a) Bewegungen nach Norden, b) Bewegungen nach S¨uden
Bemerkungen: Die aus der Erddrehung resultierenden Coriolis-Kr¨afte sind in der Regel relativ klein. F¨ur Vorhersagen u¨ ber lange Zeitr¨aume sollten sie dennoch nicht vernachl¨assigt werden, da ihre Folgen beachtlich sein k¨onnen. Als Beispiele sind in Abb. 8.15 Luftbewegungen
302
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Abb. 8.15. Luftbewegungen um ein Tiefdruckgebiet und Corioliskr¨afte in der a) n¨ordlichen und b) s¨udlichen Hemisphere
um ein Tiefdruckgebiet dargestellt. Auf der n¨ordlichen Hemisphere in Abb. 8.15.a erfahren die s¨udw¨arts gerichteten Luftmassen eine Coriolis-Kraft nach Westen und die nordw¨arts gerichteten Luftmassen eine Kraft nach Osten. Damit entsteht eine Kreisbewegung entgegen dem Uhrzeigersinn. Auf der s¨udlichen Hemisphere in Abb. 8.15.a entsteht umgekehrt eine Kreisbewegung im Uhrzeigersinn. Beispiel 8.5 Kugel in rotierender Scheibe Eine Scheibe rotiert mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit Ω um eine vertikale Achse. Auf der Scheibe be¿ndet sich eine Rinne, in der sich reibungsfrei eine Kugel C in radialer Richtung bewegt. Gesucht sind die Reaktionskr¨afte (seitliche F¨uhrungskraft FF und vertikale Tragkraft FT ) im Kontaktbereich. Bekannt: Ω, r(t = 0) = r0 , v(t = 0) = 0.
Abb. 8.16. Rotierende Scheibe mit Massenpunkt
¨ Voruberlegungen: In Abb. 8.16. b wird eine k¨orperfeste Vektorbasis eingef¨uhrt, wobei der Vektor ex parallel zur Rinne und ez parallel zur Drehachse der Scheibe gerichtet sind. Da dieses rotierende Bezugssystem kein Inertialsystem ist, werden der Schwerpunktsatz (8.34) mit Ber¨ucksichtigung von Scheinkr¨aften verwendet. L¨osung: Da der Ursprung 0 des bewegten Systems in der Scheibenmitte liegt, gilt f¨ur dessen Bewegung gegen¨uber einem erdfesten System v0 = 0,
a0 = 0,
Ω = Ωez ,
˙ = 0. Ω Abb. 8.16.b. Freischnitt
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
303
Rel Mit den Basisdarstellungen f¨ur den Ortsvektor und die relative Geschwindigkeit vC der Kugel C
x0C = xC = xex ,
0Rel Rel vC = vC = xe ˙ x
folgt f¨ur die Scheinkr¨afte in den Gleichungen (8.34) FB
= −ma0 = 0
FRot C
= −maRot C
˙ × xC + Ω × (Ω × xC ) = mxΩ 2 ex = −m Ω
FCor C
= −maCor C
Rel = −2m Ω × vC = −2mxΩe ˙ y.
Zus¨atzlich erkennen wir in Abb. 8.16.b folgende Basisdarstellungen f¨ur die Gewichtskraft FG , die seitliche F¨uhrungskraft FF und die vertikale Tragkraft FT FG = −mgez ,
FF = FF ey ,
FT = FT ez .
Damit lauten die Gleichungen (8.34) in den Koordinatenrichtungen x: y: z:
m¨ x = mxΩ 2 m¨ y = FF − 2mxΩ ˙ m¨ z = FT − mg
(A) (B) (C) .
Nach Division von Gleichung (A) durch m und Umstellung erh¨alt man eine homogene Differenzialgleichung 2. Ordnung x ¨ − xΩ 2 = 0. Durch Einsetzen u¨ berpr¨uft man leicht den folgenden L¨osungsansatz x(t) = C1 exp(Ωt) + C2 exp(−Ωt). Hierbei sind C1 und C2 Konstanten, die wie folgt mit den Anfangsbedingungen zur Zeit t = 0 bestimmt werden: x(t = 0) = r0 = C1 + C2 =⇒
v(t) = x(t) ˙ = ΩC1 exp(Ωt) − ΩC2 exp(−Ωt)
=⇒
v(t = 0) = Ω(C1 − C2 ) = 0
=⇒
C1 = C2 = 12 r0 .
Die endg¨ultige L¨osung der Differenzialgleichung lautet somit 1 x(t) = r0 (exp(Ωt) + exp(−Ωt)) = r0 cosh(Ωt). 2 Mit dieser L¨osung sowie y¨ = z¨ = 0 erh¨alt man mit den Gleichungen (B) und (C) nach kurzer Rechnung die gesuchten Reaktionskr¨afte: FF = 2mΩ 2 r0 sinh(Ωt),
FT = mg.
304
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
8.4.2 Der Momentensatz in bewegten Bezugssystemen In einem Inertialsystem hat der Momentensatz die Form (8.26). Wir wollen dieses Gesetz auf ein bewegtes Bezugssystem beziehen, welches kein Inertialsystem ist. Dazu versehen wir das bewegte Bezugssystem in Abb. 8.17 mit Basisvektoren ex , ey , ez , die mit der Winkelgeschwindigkeit Ω = ω gegen¨uber dem festen Bezugssystem rotieren. Zur Vereinfachung ist im Unterschied zu Abb. 8.13 das bewegte System fest mit dem F¨uhrungspunkt F verbunden, welcher gleichzeitig ein K¨orperpunkt des starren K¨orpers ist. Mit Gl.(8.4) erh¨alt man f¨ur die zeitliche (F ) Ableitung des Drallvektors Dω ) ˙ (F D ω
(F ) ˙ ωRot(F ) + D ˙ Rel =D , ω
Abb. 8.17. Starrer K¨orper im Raum, Beobachter A und B
wobei
(F ) (F ) (F ) (F ) (F ) ˙ ωRel(F ) = D˙ ωx ˙ Rot = Ω × Dω , D ex + D˙ ωy ey + D˙ ωz ez . D ω
(8.35)
Damit folgt aus dem im Inertialsystem g¨ultigen Momentensatz (8.26) ¨ den starren K¨orper in bewegten Bezugssystemen Der Momentensatz fur 1. 2.
) (F ) F ˙ ωRel(F ) + Ω × D(F D wobei ω + m xS × aF = MR , (F ) Dω = (xFP · xFP ) ω − (xFP · ω) xFP dm
(8.36)
m
3.
(F ) MR
=
n
i=1
xFi × Fi .
Bemerkungen 8.3 1. Wie in Bemerkung 8.2.1 angegeben, sind auch hier vier F¨alle m¨oglich, in denen der Term xFS × aF in Gl.(8.36.1) verschwindet. 2. Der zweite Term auf der linken Seite in Gl.(8.36.1) ) MK = −Ω × D(F ω
(8.37)
wird als Kreiselmoment bezeichnet. Dieser Vektor entsteht, wenn die Winkelgeschwin(F ) digkeit Ω des Bezugssystems und der Drallvektor Dω nicht parallel sind. Dieses gilt auch f¨ur gleichf¨ormige Drehbewegungen in denen Ω zeitlich konstant ist. (F ) 3. Wird das Kreiselmoment zu dem a¨ ußeren Moment MR addiert, so erh¨alt der Momentensatz die mathematische Struktur wie in (8.26) f¨ur das Inertialsystem. ˙ ωRel(F ) + m xFS × aF = M(F ) + MK . D R
(8.38)
Wie die Scheinkr¨afte in dem Schwerpunktsatz f¨ur bewegte Bezugssysteme (8.34) kann das Kreiselmonent somit als Scheinmoment bezeichnet werden.
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
305
8.4.3 Koordinatendarstellungen des Momentensatzes In diesem Abschnitt werden zun¨achst die skalaren Gleichungen des Momentensatzes (8.36) bezogen auf die in Abb. 8.17 dargestellten Basisvektoren ex , ey , ez und anschließend einige Sonderf¨alle mit verschiedenen Winkelgeschwindigkeiten Ω f¨ur das Bezugssystem erhalten. (F ) ˙ Rel in (8.35) sowie Mit der Basisdarstellung f¨ur D ω 1. xF = xF ex + yF ey + zF ez ,
2. aF = aF x ex + aF y ey + aF z ez
(8.39)
ergeben sich folgende skalare Gleichungen f¨ur den Momentensatz (8.36): 1. 2. 3.
(F ) (F ) (F ) (F ) D˙ ωx − Dωy Ωz + Dωz Ωy +myS aF z − mzS aF y = ni=1 Mxi (F ) (F ) (F ) (F ) D˙ ωy − Dωz Ωx + Dωx Ωz +mzS aF x − mxS aF z = ni=1 Myi (F ) (F ) (F ) (F ) D˙ ωz − Dωx Ωy + Dωy Ωx +mxS aF y − myS aF x = ni=1 Mzi .
(8.40)
Ausgehend von den Basisdarstellungen 1.
2. ω = ωx ex + ωy ey + ωz ez
xFP = xex + yey + zez ,
(8.41)
und den Zwischenergebnissen xFP · xFP = x2 + y 2 + z 2 ,
xFP · ω = xωx + yωy + zωz
erh¨alt man nach einiger Rechnung eine Basisdarstellung f¨ur den Drallvektor in Gl.(8.36.2) (F )
(F )
(F )
(F )
=
(F ) Θx ωx
+
(F ) Θxy ωy
+
(F ) Θxz ωz
=
(F ) Θyx ωx
+
(F ) Θy ωy
+ Θyz ωz
1.
Dω
2.
(F ) Dωx
3.
(F ) Dωy
4.
Dωz = Θzx ωx + Θzy ωy + Θz ωz .
= Dωx ex + Dωy ey + Dωz ez ,
(F )
(F )
(8.42)
(F )
(F )
(F )
wobei
(F )
(F )
(F )
Hierbei sind die Massentr¨agheitsmomente Θx , Θxy , Θxz , ... in den Gleichungen (7.3) de¿niert. Im Allgemeinen sind die Massentr¨agheitsmomente zeitabh¨angig, so dass die Terme (F ) (F ) (F ) D˙ ωx , D˙ ωy , D˙ ωz mit der Kettenregel bestimmt werden. Wir setzen im Folgenden konstante Massentr¨agheitsmomente voraus und erhalten f¨ur die relative Zeitableitung des Drallvektors 1.
Dω
Rel(F )
(F ) (F ) (F ) = D˙ ωx ex + D˙ ωy ey + D˙ ωz ez ,
2.
(F ) D˙ ωx
= Θx ω˙ x + Θxy ω˙ y + Θxz ω˙ z
3.
(F ) D˙ ωy
= Θyx ω˙ x + Θy ω˙ y + Θyz ω˙ z
4.
(F ) D˙ ωx
= Θzx ω˙ x + Θzy ω˙ y + Θz ω˙ z .
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
wobei (8.43)
Werden die Massentr¨agheitsmomente gem¨aß Gl.(7.5) in der Massentr¨agheitsmatrix Θ(F ) angeordnet, so ergibt sich folgende Matrixdarstellung der Gleichungen (8.42)
306
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
⎡
⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤ (F ) (F ) (F ) (F ) D Θ Θ Θ ωx x xy xz ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ωx ⎥ ⎢ (F ) ⎥ ⎢ (F ) (F ) (F ) ⎥ ⎢ ωy ⎥ , 1. ⎢ Dωy ⎥ = ⎢ Θyx Θy Θyz ⎥ ⎢ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦⎣ ⎦ (F ) (F ) (F ) (F ) ωz Dωz Θzx Θzy Θz
) (F ) 2. D(F ω, ω =Θ
(8.44)
und die Gleichungen (8.43) lauten in Matrixform (F ) ˙ D˙ ω = Θ(F ) ω.
(8.45)
Durch Einsetzen der Gleichungen (8.43) in die Gleichungen (8.40) folgt Der Momentensatz in bewegten Bezugssystemen in Koordinatenrichtungen 1.
(F )
(F )
(F )
Θx ω˙ x + Θxy ω˙ y + Θxz ω˙ z (F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
−Ωz (Θyx ωx + Θy ωy + Θyz ωz ) + Ωy (Θzx ωx + Θzy ωy + Θz ωz ) (F ) +myS aF z − mzS aF y = ni=1 Mxi 2.
(F )
(F )
(F )
Θyx ω˙ x + Θy ω˙ y + Θyz ω˙ z (F )
(F )
(8.46)
+Ωz (Θx ωx + Θxy ωy + Θxz ωz ) − Ωx (Θzx ωx + Θzy ωy + Θz ωz ) (F ) +mzS aF x − mxS aF z = ni=1 Myi 3.
(F )
(F )
(F )
Θzx ω˙ x + Θzy ω˙ y + Θz ω˙ z (F )
(F )
−Ωy (Θx ωx + Θxy ωy + Θxz ωz ) + Ωx (Θyx ωx + Θy ωy + Θyz ωz ) (F ) +mxS aF y − myS aF x = ni=1 Mzi . Die Gleichungen (8.46) k¨onnen auch in einer Matrixform geschrieben werden ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎤⎡ ⎡ (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) ω ˙ ωx 0 −Ω Ω x z y ⎥ ⎢ Θx Θxy Θxz ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ Θx Θxy Θxz ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ (F ) (F ) (F ) ⎥ ⎢ ω˙ y ⎥ ⎢ Ωz (F ) (F ) (F ) 0 −Ωx ⎥ ⎢ Θyx ⎢ Θyx Θy Θyz ⎥ ⎢ ⎥ + ⎢ Θy Θyz ⎥ ⎢ ωy ⎥ ⎦⎣ ⎦ ⎣ ⎦⎣ ⎦ ⎦⎣ ⎣ (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) ω˙ z −Ωy Ωx 0 ωz Θzx Θzy Θz Θzx Θzy Θz ⎡
0 − zS
⎢ ⎢ +m ⎢ zS ⎣ −yS
0 xS
yS
⎤⎡
aF x
⎤
⎡ n
(F ) ⎤
(8.47)
i=1 Mxi
⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ (F ) ⎥ n −xS ⎥ ⎥ ⎥ ⎢ aF y ⎥ = ⎢ i=1 Myi ⎦ . ⎣ ⎦ ⎦⎣ n (F ) 0 aF z i=1 Mzi
Bemerkungen 8.4 1. Ωx , Ωy , Ωz sind die x, y, z-Koef¿zienten der Winkelgeschwindigkeit Ω des bewegten Bezugsystems gegen¨uber dem raumfesten Bezugssystem, ωx , ωy , ωz sind die x, y, zKoef¿zienten der Winkelgeschwindigkeit ω des starren K¨orpers gegen¨uber dem raumfesten Bezugssystem, und ω˙ x , ω˙ y , ω˙ z sind die Zeitableitungen der Winkelgeschwindigkeiten ωx , ωy , ωz in dem bewegten Bezugssystem.
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
307
2. F¨ur k¨orperfeste Koordinaten folgt mit Ω = ω aus Gl.(8.4) ω˙ = ω˙ Rot + ω˙ Rel = ω × ω + ω˙ Rel = ω˙ Rel ,
(8.48)
d.h. die Koef¿zienten ω˙ x , ω˙ y , ω˙ z von ω˙ Rel in (8.10) in dem bewegten Bezugssystem sind die Koef¿zienten von ω˙ in dem raumfesten Bezugssystem. 3. Wir wiederholen, dass die Massentr¨agheitsmomente in den Gleichungen (8.46) und (8.47) zeitlich konstant sind. Dazu ist ein k¨orperfestes Koordinatensystem nicht Voraussetzung. Dieses erkennen wir z.B. f¨ur das Gyroskop in Abb. 8.1, bei dem die Rotationsachse gleichzeitig Symmetrieachse des K¨orpers ist. 4. F¨ur die Koef¿zienten des Vektors des Kreiselmomentes MK in Gl.(8.37) erh¨alt man aus den Gleichungen (8.46) folgende Darstellungen: (F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
1. MKx = Ωz (Θyx ωx +Θy ωy +Θyz ωz ) − Ωy (Θzx ωx +Θzy ωy +Θz ωz ) (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) 2. MKy = −Ωz (Θx ωx +Θxy ωy +Θxz ωz ) + Ωx (Θzx ωx +Θzy ωy +Θz ωz ) (8.49) (F )
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
3. MKz = Ωy (Θx ωx +Θxy ωy +Θxz ωz ) − Ωx (Θyx ωx +Θy ωy +Θyz ωz ). Damit gilt: Rotiert ein K¨orper mit den Winkelgeschwindigkeiten ωx , ωy , ωz um eine Achse, die sich mit den Winkelgeschwindigkeiten Ωx , Ωy , Ωz im Raum dreht, dann entstehen die Kreiselmomente MKx , MKy , MKz . Diese Scheinmomente belasten den K¨orper zus¨atzlich zu den Momenten der a¨ ußeren Kr¨afte. Im Folgenden behandeln wir einige Sonderf¨alle von (8.46). Der Fall Ω = ω: Hierbei rotiert das Bezugssystem gleichzeitig mit dem starren K¨orper. Dabei ist das Koordinatensystem (KOS) x, y, z k¨orperfest. Mit den Winkelgeschwindigkeiten Ωx = ωx , Ωy = ωy , Ωz = ωz folgen die skalaren Gleichungen des Momentensatzes sofort aus (8.46). In einer Matrixdarstellung ergibt sich aus Gl.(8.47) ⎡
(F ) ⎢ Θx ⎢ (F ) ⎢ Θyx ⎣ (F ) Θzx
⎡
(F ) Θxy (F ) Θy (F ) Θzy
⎤⎡
0 − zS
⎢ +m ⎣ zS −yS
⎤
(F ) Θxz ⎥ ⎢ ω˙ x ⎥ ⎥ (F ) ⎥ ⎢ Θyz ⎥ ⎢ ω˙ y ⎥ ⎦⎣ ⎦ (F ) ω˙ z Θz
0 xS
yS
⎡
0 −ωz
⎢ ⎢ + ⎢ ωz ⎣ −ωy
⎤⎡
aF x
⎤
⎢ ⎥ −xS ⎥ ⎦ ⎣ aF y ⎦ = 0 aF z
0 ωx ⎡
⎤⎡
(F ) ⎥ ⎢ Θx ⎢ (F ) −ωx ⎥ ⎥ ⎢ Θyx ⎦⎣ (F ) 0 Θzx
ωy
⎤
(F ) n Mxi ⎥ ⎢ i=1 ⎢ n M (F ) ⎥ . ⎣ i=1 yi ⎦ n (F ) i=1 Mzi
(F ) Θxy (F ) Θy (F ) Θzy
⎤⎡
⎤
(F ) Θxz ⎥ ⎢ ωx ⎥ ⎥ (F ) ⎥ ⎢ Θyz ⎥ ⎢ ωy ⎥ ⎦⎣ ⎦ (F ) ωz Θz
(8.50)
308
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Der Fall Ω = ω bei fester Drehachse: 1. Die Drehachse ist fest. 2. Die Basisvektoren sind k¨orperfest. 3. Die z-Achse f¨allt mit der Drehachse zusammen. 4. Der F¨uhrungspunkt F liegt im Schwerpunkt (F = S) oder im Ursprung (F = 0).
KOS körperfest für m 1
Aus diesen Voraussetzungen folgen f¨ur die Winkelgeschwindigkeiten des Bezugssystems und des starren K¨orpers Ωx = ωx = Ωy = ωy = 0, ω˙ x = ω˙ y = 0, Ωz = ωz . Wegen Voraussetzung 2. sind die Massentr¨agheitsmomente zeitlich unver¨anderlich. Wegen Voraussetzung 4. verschwinden die Schwerpunktkoordinaten oder die Beschleunigungsterme des F¨uhrungspunktes. Mit ωz = ω und α = ω˙ z erh¨alt man dann aus (8.46) die Gleichungen (7.2). Der Fall Ω = ω mit Drehung um Hauptachsen: 1. Die x, y, z-Achsen sind gleichzeitig die Hauptachsen der Matrix Θ(F ) , so dass die Deviationsmomente verschwinden. 2. In den x, y, z-Achsen sind die Haupttr¨agheitsmomente zeitlich konstant. Aus (8.46) erh¨alt man folgende Gleichungen: (F )
(F )
1. Θx ω˙ x − Θy (F )
(F )
2. Θy ω˙ y − Θz 3.
(F ) Θz ω˙ z
−
(F )
Ωz ωy + Θz
Ωy ωz + myS aF z − mzS aF y =
(F )
Ωx ωz + Θx
(F ) Θx Ωy ωx
+
Ωz ωx (F ) Θy Ωx ωy
+ mzS aF x − mxS aF z = + mxS aF y − myS aF x =
n
(F ) i=1 Mxi (F ) i=1 Myi n (F ) i=1 Mzi .
n
(8.51)
Der Fall Ω = ω mit Drehung um Hauptachsen: 1. Die Basisvektoren sind k¨orperfest. 2. Die 1, 2, 3-Achsen sind gleichzeitig die Hauptachsen der Matrix Θ(F ) . 3. Der F¨uhrungspunkt F liegt im Schwerpunkt (F = S) oder im Ursprung (F = 0). Dann folgt aus den Gleichungen (8.51)
(F )
(F )
(F )
(F )
(F )
Θ1 ω˙ 1 − (Θ2
− Θ3 ) ω2 ω3 =
2.
Θ2 ω˙ 2 − (Θ3
− Θ1 ) ω3 ω1 =
3. (F )
(F )
1.
(F ) Θ3 ω˙ 3 (F )
−
(F ) (Θ1
(F )
(F ) − Θ2 ) ω1 ω2
=
n
(F ) i=1 M1i n (F ) i=1 M2i n (F ) i=1 M3i ,
(8.52)
wobei M1i , M2i , M3i die Momente um die Hauptachsen sind. Damit sind die Eulerschen Gleichungen hergeleitet. Sie stellen ein System von nichtlinearen, gekoppelten Differenzialgleichungen erster Ordnung dar. Die Anwendung dieser Gleichungen setzt die Kenntnis der Hauptachsen voraus.
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
309
Beispiel 8.6 Kollergang in der Kreisbewegung Zum Mahlen von Keramiken wird h¨au¿g ein Kollergang verwendet, der nach dem in Abb. 8.18 dargestellten Prinzip arbeitet. Hierbei ist eine rotierende Mahlwalze an einen horizontal bewegten Stab abgebracht, der um eine senkrechte Achse mit der Winkelgeschwindigkeit Ω rotiert. Im Punkt G ist ein Gelenk angebracht, welches eine Verdrehung um eine horizontale Achse erlaubt. Gesucht sind a) die Mahlkraft FM infolge der Drehbewegung, b) die Gelenkkr¨afte im Punkt G, c) das Kreiselmoment und die Schnittmomente an der Radaufh¨angung im Punkt S. Bekannt: Ω, R, R0 , r. ¨ Voruberlegungen: Es wird eine Vektorbasis ex , ey , ez verwendet, welche mit der Winkelgeschwindigkeit Ω um den senkrechten Stab rotiert. Die Mahlwalze ist nicht k¨orperfest mit der Vektorbasis verbunden, so dass eine relative Winkelgeschwindigkeit ω Rel auftritt. Obwohl die x, y, z-Achsen nicht k¨orperfest sind, sind sie nach Regel (7.9.3) Hauptachsen der Mahlwalze. Damit kann der Momentensatz (8.51.1) mit dem Gelenk G als F¨uhrungspunkt F zur Bestimmung der Mahlkraft FM verwendet werden. Die Gelenkkr¨afte werden mit dem Schwerpunktsatz (7.1) und die Schnittmomente an der Radachse mit dem Momentensatz Abb. 8.18.b. Bewegtes Koordinatensystem (8.51.1) mit F = S als F¨uhrungspunkt berechnet. Da die L¨osungen mit verschiedenen Bezugspunkten erhalten werden, sind die relativen Koordinaten xFP , yPF , zPF im Folgenden mit oberen und unteren Indizes gekennzeichnet. L¨osung: a) F¨ur reines Rollen der Walze erh¨alt man nach zweifacher Anwendung von (6.10.1) mit den Bezugspunkten B und 0 einen Zusammenhang f¨ur beide Winkelgeschwindigkeiten: R . r Die Basisdarstellungen f¨ur die zugeh¨origen Winkelgeschwindigkeitsvektoren lauten somit vS = ΩR = ω Rel r
Ω = 0ex + 0ey + Ωez ,
=⇒
ω Rel = Ω
ω Rel = 0ex + ω Rel ey + 0ez .
Der gesamte Winkelgeschwindigkeitsvektor ω wird gem¨aß Gl.(8.9) durch Addition erhalten: ω = Ω + ω Rel = 0 ex + Ω
R ey + Ω ez . r
310
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Unter Ber¨ucksichtigung von Bemerkung 8.4.1 bestimmen wir die in dem Momentensatz (8.51.1) auftretenden Winkelgeschwindigkeiten, die Winkelbeschleunigungen sowie die Schwerpunktkoordinate zSG und die Beschleunigung aF z Ωx = 0, Ωy = 0, Ωz = Ω, R ωx = 0, ωy = Ω, ωz = Ω, r ω˙ x = ω˙ y = ω˙ z = 0, zSG = 0, aF z = 0. Damit wird f¨ur den Momentensatz (8.51.1) nur (G) das Massentr¨agheitsmoment Θy ben¨otigt. Aus Tabelle 7.1 sowie dem Satz von Steiner (7.14) G folgt wegen xG S = zS = 0
Abb. 8.18.c. Bewegtes Koordinatensystem
1 2 G 2 = Θy(S) = mr 2 . Θy(G) = Θy(S) + m (xG S ) + (zS ) 2 Mit der Wahl F = G f¨ur den F¨uhrungspunkt erh¨alt man aus dem Momentensatz (8.51.1) 1 R Mx(G) =⇒ − Ω 2 mr 2 = mgR0 − FM R0 . −Θy(G) Ωz ωy = 2 r Die gesuchte Mahlkraft betr¨agt somit 1 rR FM = FG + FΩ = mg + Ω 2 m . 2 R0 Die Kraft FΩ gibt die Erh¨ohung der Mahlkraft infolge der Kreiselwirkung der Mahlwalze an. Vorteilhaft ist also eine Mahlwalze mit vergr¨oßertem Radius r, die auf einer Kreisbahn mit vergr¨oßertem Laufradius R am kurzem Arm R0 mit Ω schnell verdreht wird. b) Zur Bestimmung der Gelenkkr¨afte wird der Schwerpunktsatz (7.1) des starren K¨orpers f¨ur die Drehung um eine feste Achse in k¨orperfesten Koordinaten angewendet x : m(−yS0 α − x0S ω 2 ) = Fix = −Gx y: m(x0S α − yS0 ω 2 ) = Fiy = Gy z: 0 = Fiz = −Gz + FM − mg. Mit α = 0, ω = Ω, yS0 = −R, x0S = 0 erh¨alt man die gesuchten Gelenkkr¨afte Gx = 0,
Gy = mΩ 2 R,
Gz = −mg + FM = FΩ =
rR 1 mΩ 2 . 2 R0
c) Das Kreiselmoment und der zugeh¨orige Vektor folgen aus den Gleichungen (8.49): 1. MK = MKx = Θy(S) Ωz ωy ,
2. MK = Mk ex .
(8.53)
Die Ursache von MK ist in Abb. 8.19 veranschaulicht: Aus der linearen Geschwindigkeitsverteilung in der x, y-Ebene der Walze entsteht nach Gl.(3.42.2) eine quadratische Verteilung
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
311
Abb. 8.19. Kollergang in der Kreisbewegung: a) Momente an der Radachse, b) Geschwindigkeitsverteilung in der Mahlwalze, c) Verteilung der Zentrifugalkraft und resultierendes Kreiselmoment MK
der Zentrifugalkraft, die vom Zentrum weg in die negative y-Richtung zeigt. Deren resultierendes Moment bez¨uglich des Schwerpunktes S um die x-Achse ist das Kreiselmoment MK . Der Zusammenhang zwischen der Verteilung der Zentrifugalkraft dZ in Abb. 8.19.c) (S) und dem Massentr¨agheitsmoment Θy wird in Aufgabe 8.30 untersucht. Damit gilt: An einem auf einer gekr¨ummten Bahn abrollenden Rad wirkt ein Kreiselmoment MK . Dessen Vektor MK ist tangential zur Bahn und kippt das Rad in seiner Wirkung nach außen. Somit belastet das Kreiselmoment zus¨atzlich die Radaufh¨angung. Die Schnittmomente in Abb. 8.19.a an der Radachse nahe S werden mit dem Momentensatz (8.51) und F =S als F¨uhrungspunkt bestimmt. Damit verschwinden die Schwer(S) punktkoordinaten. Mit dem Massentr¨agheitsmoment Θy und den Koef¿zienten f¨ur die Winkelgeschwindigkeiten aus Teil a) lauten die Gleichungen des Momentensatzes (8.51) −Θy(S) Ωz ωy = −MK = Mx , 0 = My , 0 = Mz .
8.4.4 Die permanente, stabile Verdrehung des momentenfreien Kreisels Wir kennzeichnen einen Kreisel als momentenfrei, wenn das Moment der a¨ ußeren Kr¨afte um den Schwerpunkt S oder um einen raumfesten Punkt 0 (z.B. ein Lager) verschwindet. Dieses trifft zum Beispiel auf den Satelliten in Abb. 8.20 zu, welcher Drehbewegungen im Weltraum durchf¨uhrt. F¨ur ein verschwindendes Moment bezogen auf S oder 0 lautet der Momentensatz (8.36) ˙ Rel(F ) + Ω × D(F ) = 0. F = S, 0 : D ω ω Diese Gleichung ist mit den beiden Bedingungen 1. DωRel(F ) = konst,
) 2. D(F ω = CΩ
Abb. 8.20. Satellit im Weltraum als momentenfreier Kreisel
(F = S oder 0)
(8.54)
312
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
erf¨ullt. Hierbei ist C eine Konstante. Damit ist beim momentenfreien Kreisel der Drallvektor parallel zur Winkelgeschwindigkeit Ω des Bezugssystems. F¨ur momentenfreie Kreisel ist h¨au¿g das Verhalten w¨ahrend eines Fluges von Interesse. Wir werfen dazu beispielhaft das sich mit einer Winkelgeschwindigkeit ω 0 drehende Gyroskop in Abb. 8.1 einer Person zu, die einige Meter entfernt steht. Da nur eine Gewichtskraft im Schwerpunkt angreift, handelt es sich um einen momentenfreien Kreisel. Dabei beobachten wir, dass die Achse w¨ahrend der gesamten Flugbahn in dieselbe Richtung zeigt, ohne ins ,,Taumeln” zu geraten. F¨ur eine derartige ,,ruhige” Drehbewegung des momentenfreien Kreisels sind zwei Kriterien zu erf¨ullen: 1. Permananz: Richtung und Betrag der Winkelgeschwindigkeit ω 0 a¨ ndern sich nicht. 2. Stabilit¨at: Kleine St¨orungen von ω 0 vergr¨oßern sich nicht. Permanente Drehbewegung: Wir w¨ahlen f¨ur den Satelliten in Abb. 8.20 ein k¨orperfestes Bezugssystem, so dass die Massentr¨agheitsmomente konstant sind. Damit sind auch die Komponenten f¨ur den Drallvektor in den Gleichungen (8.44) konstant, so dass die Bedingung (8.54.1) erf¨ullt wird. Wir lassen des Weiteren wie in Abb. 8.20 dargestellt die Winkelgeschwindigkeit ω0 mit der Hauptachse e1 , zusammenfallen. Dann folgt mit den Gleichun(F ) gen (8.44) Dω = Θ1 Ω, so dass auch Gl.(8.54.2) erf¨ullt ist. Allgemein gilt: Permanente Drehungen eines momentenfreien Kreisels sind nur m¨oglich, wenn die Winkelgeschwindigkeit ω0 mit einer der Hauptachsen zusammenf¨allt. Stabile Drehbewegung: F¨ur eine konstante Winkelgeschwindigkeit um die 1-Achse ω 0 = ω1 e1 nehmen wir eine kleine St¨orung ω∗ an, so dass ω ∗ = ω1∗ e1 + ω2∗ e2 + ω3∗ e3
=⇒
ω = ω 0 + ω ∗ .
(8.55)
Die Eulerschen Gleichungen (8.52) lauten dann wegen ω˙ 1 =0 f¨ur verschwindende Momente (F )
(F )
− Θ3 ) 2 ω2∗ ω3∗
(F )
(F )
− Θ1 ) (ω1 + ω1∗ )ω3∗ = 0
(F )
(F )
− Θ2 ) ω2∗ (ω1 + ω1∗ ) = 0.
1..
Θ1 ω˙ 1∗ − (Θ2
2.
Θ2 ω˙ 2∗ − (Θ3
3.
Θ3 ω˙ 3∗ − (Θ1
(F )
= 0.
(F )
(8.56)
(F )
F¨ur eine kleine St¨orung mit << 1 werden die quadratischen Terme vernachl¨assigt, so dass (F )
1.
Θ1 ω˙ 1∗
2.
(F ) Θ2 ω˙ 2∗
3.
Θ3 ω˙ 3∗ − (Θ1
(F )
=0 −
(F ) (Θ3 (F )
−
(F ) Θ1 ) ω1 ω3∗
(8.57)
=0
(F )
− Θ2 ) ω2∗ ω1 = 0.
Aus der ersten Gleichung folgt, dass die St¨orung von ω1 auf die Gr¨oße der Anfangsst¨orung ω1∗ beschr¨ankt bleibt. Aus den beiden weiteren Gleichungen werden durch Umformen zwei Differenzialgleichungen zweiter Ordnung mit einer abh¨angigen Variablen erhalten: 1.
ω ¨ 2∗ + λ2 ω2∗ = 0,
2.
ω ¨ 3∗
+
λ2 ω3∗
= 0.
mit λ2 = ω12
(F )
(Θ1
(F )
(F )
− Θ2 )(Θ1 (F )
(F )
Θ2 Θ3
(F )
− Θ3 )
(8.58)
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
Die L¨osung der Differenzialgleichung f¨ur ω2∗ lautet 2 f¨ur λ2 ≥ 0 A1 cos λt + A2 sin λt ω2 (t) = B1 exp λt + B2 exp −λt f¨ur λ2 < 0.
313
(8.59)
F¨ur λ2 ≥ 0 a¨ ndert sich ω2∗ periodisch. Da die St¨orung jedoch beschr¨ankt bleibt, bezeichnen wir die Drehung als stabil. Im Fall λ2 < 0 w¨achst die St¨orung exponentiell mit der Zeit, so dass eine instabile Drehung vorliegt. F¨ur ω3 ergeben sich entsprechende L¨osungen. Wir k¨onnen diese Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: Eine permanente, stabile Drehung um die Hauptachse 1 liegt vor, falls (F )
(Θ1
(F )
(F )
− Θ2 )(Θ1
(F )
− Θ3 ) > 0.
(8.60) (F )
Dieses ist der Fall, wenn die Drehachse mit dem gr¨oßten Haupttr¨agheitsmoment (Θ1 > (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) Θ2 , Θ3 ) oder mit dem kleinsten Haupttr¨agheitsmoment (Θ1 < Θ2 , Θ3 ) u¨ bereinstimmt. Eine permanente, stabile Drehung um die Achse mit dem mittleren Haupttr¨agheits(F ) (F ) (F ) moment (Θ1 < Θ2 < Θ3 ) ist nicht m¨oglich. Wir k¨onnen die Ergebnisse durch einen Versuch mit einem sich drehenden Gyroskop best¨atigen. Wird es einer anderen Person zugeworfen, so ist es w¨ahrend des Fluges, wie bereits erw¨ahnt, momentenfrei. Erfolgt die Drehung um die Rotationsachse (z.B. die 1-Achse), welche gleichzeitig Hauptachse ist, wird die Bedingung f¨ur eine permanente Drehung erf¨ullt. Die Haupttr¨agheitsmomente der anderen beiden Achsen (2- und 3-Achsen) sind gleich groß, so dass auch die Bedingung (8.60) f¨ur eine stabile Drehung mit diesem Versuch erf¨ullt ist. 8.4.5 Aufgaben zu Abschnitt 8.4 Aufgabe 8.16 (SG = 2) Bestimmen Sie f¨ur die Kugel in der Rinne in Aufgabe 8.1 die Corioliskraft. Aufgabe 8.17 (SG = 2) Bestimmen Sie f¨ur die Kugel in der R¨ohre in Aufgabe 8.2 die Corioliskraft. Aufgabe 8.18 (SG = 2) 1. Bestimmen Sie f¨ur den PKW in Beispiel 8.2 das Kreiselmoment an der Radaufh¨angung. 2. Wie groß sind die Schnittmomente Mx , My , Mz an der Radaufh¨angung? Hinweis: Gewichts-, Tr¨agheits- und Reibungskr¨afte des PKWs werden gleichm¨aßig auf alle vier R¨ader verteilt. Bekannt: Masse des Reifens m=20 kg, Masse des Pkws m=1400 kg.
314
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 8.19 (SG = 2) An dem Laufrad eines Ventilators sind wie dargestellt Schaufeln unter einem Winkel β befestigt. Die Luftteilchen an der Stelle C Rel haben eine relative Geschwindigkeit vC im Rel Laufrad. Die Richtung von vC ist durch die Winkel γ und β bekannt. Wie groß ist die Corioliskraft f¨ur ein Einheitsvolumen V ? Bekannt: Luftdichte ρ = 3.5 kg/m3 , Volumen des Luftteilchens V = 1·10−3 m3 , Drehzahl des Ventilators n = 1000 min−1 , β = 30o , γ = 30o , v Rel = 10 m/s.
Aufgabe 8.20 (SG = 1) Ein starrer K¨orper der Masse m hat bez¨uglich des x, y, z-Koordinatensystems im Schwerpunkt die Massentr¨agheitsmomente ⎡
Θ(S)
5 −2 = ⎣ −2 2 0 0
⎤ 0 2 0 ⎦ kg m . 3
Der Winkelgeschwindigkeitsvektor hat die Basisdarstellung ω = (3ex + 4ex + 5ex )rad/s. Eine Winkelbeschleunigung tritt nicht auf. Wie groß ist das resultierende Moment bez¨uglich des Schwerpunktes S? Aufgabe 8.21 (SG = 3) Die Antenne aus Aufgabe 7.6 verdreht sich in der dargestellten Lage mit den Winkelgeschwindigkeiten ω1 und ω2 . Bestimmen Sie die AuÀagerreaktionen im Punkt A. Bekannt: ω1 = 3 rad/s, ω2 = 4 rad/s, β = 30o .
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
315
Aufgabe 8.22 (SG = 1) Der starre K¨orper in Aufgabe 8.20 erf¨ahrt weiterhin die Winkelgeschwindigkeit ω, das resultierende Moment bez¨uglich des Schwerpunktes S verschwindet jedoch. Wie groß sind die Koef¿zienten α1 , α2 , α3 , des Winkelbeschleunigungsvektors α? Aufgabe 8.23 (SG = 3) Ein Motorblock M rotiert mit der Drehzahl n um eine Drehachse. Er ist wie dargestellt auf einem Ausleger A befestigt, welcher mit der Drehzahl N um eine vertikale Achse rotiert. N¨aherungsweise kann der Motor als Vollzylinder behandelt werden. Wie groß sind die Auflagerkr¨afte im Lager B des Motors? Bekannt: Masse des Motors m = 5 kg, n = 100 Umdrehungen pro Sekunde, N = 10 Umdrehungen pro Sekunde, l = 30 cm, R = l/4.
Aufgabe 8.24 (SG = 3) Ein Kran rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit Ω um die senkrechte Achse im Punkt D. Das F¨uhrerhaus hat die Masse m1 . Die momentane Lage des Kranauslegers mit der Masse m2 gegen¨uber der horizontalen Ebene ist β. Die Masse m3 der Hydraulikpresse wird vernachl¨assigt. Eine Winkelbeschleunigung tritt nicht auf. Welche Lagermomente entstehen im Punkt D? Bekannt: L = 20 m, β = 60o , e = 3 m, c = 1.0 m, Ω = 0.3 rad/ s, m1 = 2000 kg, (S) Tr¨agheitsmomente der Masse 1: Θx = 500 (S) (S) Nm, Θy = 700 Nm, Θz = 800 Nm, m2 = 500 kg. Der Kranausleger 2 kann als d¨unner Stab betrachtet werden.
316
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 8.25 (SG = 2) Ein Roboter hat wie dargestellt zwei bewegliche Arme. Der Arm AB verdreht sich um die feste vertikale z-Achse mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 , und der Arm BC mit der Winkelgeschwindigkeit ω2 um die bewegte y-Achse. Beide Arme k¨onnen vereinfacht als d¨unne St¨abe mit Schwerpunkt in Stabmitte betrachtet werden. Die Masse des Greifarmes bleibt unber¨ucksichtigt. Wie groß sind die Lagermomemte und die Lagerkr¨afte im Punkt A? Bekannt: m1 = m2 , l = h, β, ω1 , ω2 .
Aufgabe 8.26 (SG = 3) An einem Ventilator sind Laufschaufeln befestigt. Die SchaufelÀ¨ache hat wie dargestellt gegen¨uber der Drehachse einen Winkel β. 1. Wie lautet die Beziehung f¨ur das jede Schaufel belastende Drillmoment (,,Verstellmoment”) MV in Abh¨angigkeit der Breite b und der Masse m? 2. Wie groß ist die Schubspannung an der Einspannung infolge MV ? 3. Welche L¨ange c hat eine Ausgleichsmasse m2 , damit MV das Laufrad nicht belastet? Hinweise: 1. Die Laufschaufeln werden durch d¨unne Rechteckplatten und die Ausgleichsmasse durch einen d¨unnen Stab angen¨ahert. 2. F¨ur das Torsionswiderstandsmoment gilt 1 Wt = bt2 . 3 Bekannt: β = 30o , h = 400 mm, b = 250 mm, t = 3 mm, r = 200 mm, Drehzahl des Ventilators n = 1600 min−1 , m = 0.5 kg, m2 = 5.0 kg.
8.4 Kinetik starrer K¨orper in bewegten Bezugssystemen
317
Aufgabe 8.27 (SG = 3) Ein gef¨uhrter Kreisel verdreht sich gleichzeitig um eine horizontale und um eine vertikale Achse mit den Drehzahlen nA und nC . 1. Bestimmen Sie das Kreiselmoment im Punkt S. 2. Bestimmen Sie die AuÀagerreaktionen in den Punkten A und B. Bekannt: nA = 100 min−1 , nC = 200 min−1 l = 20 cm, Masse der Scheibe: m = 5 kg, die St¨abe sind masselos.
Aufgabe 8.28 (SG = 3) Man bestimme die Kr¨afte in den Lagern A und B der Aufgabe 7.8 mit den Eulerschen Gleichungen (8.52). Worin bestehen die Vorteile gegen¨uber dem L¨osungweg in Kapitel 7? Bekannt: L1 = L, L2 = 5L, L3 = 2L, m1 = m, m2 = 5m, m3 = 2m, β = 300 , R1 = 5R, R2 = 3R, R3 = 4R. Aufgabe 8.29 (SG = 2) Zeigen Sie ausgehend von der Darstellung
(F ) Dω
=
(xFP · xFP ) ω − (xFP · ω) xFP dm in
Gl. (8.36.2) f¨ur den Drehimpulsvektor die folgende Beziehung: F F (F ) (F ) (F ) Dω = Θ · ω, wobei Θ = (xP · xP )I − xFP ⊗ xFP dm. Hierbei ist I der zweistu¿ge Einheitstensor, der der Rechenregel I · a f¨ur beliebige Vektoren a gen¨ugt. Ferner kennzeichnet das Symbol ⊗ das Tensorprodukt von zwei Vektoren a, b. Es ist de¿niert als (a ⊗ b) · c = (b · c) a, wobei c ein beliebiger Vektor ist. Θ (F ) wird als Massentr¨agheitstensor bezeichnet. Aufgabe 8.30 (SG = 3) Bestimmen Sie aus der Verteilung der Zentrifugalkraft dZ in Abb. 8.19.c) das Kreiselmoment (S) MK und leiten durch Vergleich mit Gl.(8.53.1) das Massentr¨agheitsmoment Θy her.
318
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln ˙ + θ˙ 8.5.1 Der Fall Ω = ψ Wir nehmen an, dass die Drehung f¨ur einen rotationssymmetrischen K¨orper um die z-Achse, die Figurenachse (FA), erfolgt. Nach Regel (7.9.3) sind damit die Koordinatenachsen x, y, z gleichzeitig Hauptachsen des K¨orpers, so dass die Deviationsmomente verschwinden und (F ) (F ) Θx = Θy ist. Legen wir noch den F¨uhrungspunkt F in den Schwerpunkt S oder den festen Punkt 0, dann folgt durch Einsetzen von (8.13) bis (8.16) in die Gleichungen (8.51) ˙ F = S oder 0 ¨ Ω = ψ˙ + θ, Der Momentensatz mit Euler Winkeln fur (F ) (F ) (F ) (F ) (F ) 1. Θx θ¨ + Θz − Θx ψ˙ 2 sin θ cos θ + Θz φ˙ ψ˙ sin θ = ni=1 Mx (F ) ¨ (F ) ˙ ˙ (F ) 2. Θx ψ sin θ + 2ψ˙ θ˙ cos θ − Θz φθ + ψ˙ θ˙ cos θ = ni=1 My (F ) ¨ (F ) φ + ψ¨ cos θ − ψ˙ θ˙ sin θ = ni=1 Mz . 3. Θz
(8.61)
˙ + θ˙ veranschaulicht. In Abb. 8.21.a wird der Momentensatz (8.61) f¨ur den Fall Ω = ψ
˙ b) der Fall Ω = ω. Abb. 8.21. Der Momentensatz mit Euler Winkeln: a) Der Fall Ω = ψ˙ + θ,
Die station¨are Pr¨azession: Die kreisende Bewegung der Drehachse (oder Figurenachse FA) eines rotierenden K¨orpers infolge eines a¨ ußeren Momentes bezeichnet man als Pr¨azession. Ein Sonderfall ist die station¨are Pr¨azession. In diesem Fall gilt f¨ur die Euler Winkel θ = konst, ψ˙ = konst, φ˙ = konst. Damit reduzieren sich die Gleichungen des Momentensatzes (8.61) wie folgt: (F ) (F ) (F ) (F ) 1. Θz − Θx ψ˙ 2 sin θ cos θ + Θz φ˙ ψ˙ sin θ = Mx (F ) 2. 0 = My (F ) 3. 0 = Mz .
(8.62)
(8.63)
8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln
319
Die Gleichungen (8.63) k¨onnen auch auf andere Weise hergeleitet werden: Mit den Beziehungen (8.62) erh¨alt man aus den Gleichungen (8.16) ω˙ x = ω˙ y = ω˙ z = 0. F¨ur zeitlich unver¨anderliche Massentr¨agheitsmomente verschwindet wegen der Gleichungen (8.44) die relative ˙ ωRel(F ) = 0. F¨ur F = S oder F = 0 folgt somit aus Zeitableitung des Drallvektors, so dass D (F ) Gl.(8.36.1) Ω × D(F ) = MR . Da Haupttr¨agheitsmomente vorliegen, erh¨alt man mit (8.42), (8.13) und (8.15) schließlich den Momentensatz (8.63) f¨ur die station¨are Pr¨azession. Aus den Gleichungen (8.63) folgt, dass das erforderliche Moment bez¨uglich F = S oder F = 0 in der x-Richtung wirken muss. Auf Grund der konstanten Werte f¨ur θ, ψ˙ und φ˙ ist auch das resultierende Moment konstant. Des Weiteren ist das resultierende Moment senkrecht zur Ebene, welche durch die Pr¨azessionsachse (Z-Achse) und die Rotationsachse (z-Achse) de¿niert ist. Der Fall θ = π/2: Ein h¨au¿g auftretender Fall der Technik ist eine Pr¨azession senkrecht zur ˙ Rotorachse wie in Abb. 8.22.a dargestellt. Mit der Eigenrotations-Winkelgeschwindigkeit φ, (F ) dem Nutationswinkel θ = π/2, der Notation Θ = Θz und den vektoriellen Darstellungen (F ) ˙ y , ω = φe ˙ z folgt aus Gl.(8.63) M = Mx ez , Ω = ψe 1. Θz(F ) φ˙ ψ˙ = Mx(F ) ⇐⇒ 2. Θ Ω × ω = M. (8.64) Ein (¨außeres) Moment M, dass nach Abb. 8.22.a an einem Kreisel wirkt, verursacht also eine Pr¨azession Ω mit folgendem bemerkenswerten Effekt: Der Kreisel weicht bei der Momenten(bzw. Kraft-)einwirkung senkrecht zu der Richtung aus, die die Statik erwarten l¨aßt. Dabei gilt: Die Richtung der Pr¨azessionsdrehung ergibt sich aus dem Rechtssystem der Vektoren ω, M und Ω. In Abb. 8.22 ist der Zusammenhang zwischen ω, M und Ω dargestellt. Umgekehrt gilt: Zwingt man einem Kreisel, der um seine Figurenachse eine Rotation mit ˙ y festgelegte Drehung ˙ z ausf¨uhrt, eine durch Ω = ψe der Winkelgeschwindigkeit ω = φe (F ) ˙ ˙ auf, so ensteht nach Gl.(8.37) das Kreiselmoment MK = −Θz φψex (vgl. auch 8.49)). Bei gef¨uhrten oder gelagerten Systemen wirkt damit ein (¨außeres) Reaktionsmoment M = (F ) ˙ −MK = Θz φ˙ ψe oße |M| nach Gl.(8.64.1) berechnet wird. x , auf den Kreisel, dessen Gr¨
Abb. 8.22. Wechselwirkung zwischen ω, M und Ω f¨ur θ = π/2 a) beim liegenden, b) beim stehenden Kreisel. c) Die station¨are Pr¨azession unter Eigengewicht
320
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Die station¨are Pr¨azession unter Eigengewicht: Wir betrachten in Abb. 8.22.c einen Kreisel mit der Eigenrotations-Winkelgeschwindigkeit φ˙ und dem Nutationswinkel θ < π/2. Das (0) Moment Mx bez¨uglich des F¨uhrungspunktes F = 0 um die x-Achse ergibt sich aus dem Eigengewicht zu mge sin θ. Damit folgt aus Gl.(8.63) Θz(F ) − Θx(F ) ψ˙ 2 cos θ + Θz(F ) φ˙ ψ˙ = mge. (8.65) Falls φ˙ groß ist, muss ψ˙ klein werden, so dass der erste Anteil auf der linken Seite in Gl.(8.65) (F ) ˙ ω = φ˙ gilt vernachl¨assigt werden kann. Mit den Notationen Θ = Θz , Ω = ψ, mge Ω= . (8.66) Θω Der momentenfreie Kreisel: Treten keine a¨ ußeren Momente auf, so erh¨alt man aus Gl.(8.61.1) nach Ausklammern von ψ˙ sin θ = 0 und wegen θ¨ = 0 (8.67) Θz(F ) − Θx(F ) ψ˙ cos θ + Θz(F ) φ˙ = 0. Wegen Ωz = ψ˙ cos θ (siehe die Gleichungen (8.13)) sowie ωz = φ˙ + ψ˙ cos θ (siehe die Gleichungen (8.15)) folgt f¨ur die Eigenrotations-Winkelgeschwindigkeit um die Figurenachse (F )
Θx φ˙ =
(F )
− Θz (F )
Θz
(F )
Ωz =
Θx
(F )
− Θz (F )
Θx
ωz .
(8.68)
8.5.2 Der Fall Ω = ω Durch Einsetzen der Gleichungen (8.18) in die Gleichungen (8.51) ergibt sich f¨ur den Fall (F ) (F ) Θx = Θy ¨ Ω = ω, F = S oder 0 Der Momentensatz mit Euler Winkeln fur 1.
2.
3.
(F )
(F )
Θx ψ¨ sin θ sin φ + Θx θ¨ cos φ+ (F ) ˙ ˙ ˙˙ ˙˙ θ sin φ + ψ φ sin θ cos φ − θφ sin φ)) Θx (ψ θ cos (F ) (F ) ˙ = Mx(F ) (ψ˙ sin θ cos φ − θ˙ sin φ)(ψ˙ cos θ + φ) − Θy − Θz (F ) (F ) (8.69) Θy ψ¨ sin θ cos φ − Θy θ¨ sin φ+ (F ) ˙ ˙ ˙˙ ˙˙ θ cos φ − ψ φ sin θ sin φ − θφ cos φ)) Θy (ψ θ cos (F ) (F ) ˙ = My(F ) (ψ˙ sin θ sin φ + θ˙ cos φ)(ψ˙ cos θ + φ) − Θz − Θx (F )
(F )
(F )
Θz ψ¨ cos θ + Θz φ¨ − Θz ψ˙ θ˙ sin θ (F ) (F ) (F ) − Θx − Θy (ψ˙ sin θ sin φ + θ˙ cos φ)(ψ˙ sin θ cos θ − θ˙ sin φ) = Mz .
F¨ur bekannte Euler Winkel und deren erste und zweite Zeitableitungen k¨onnen somit die Momente berechnet werden. Falls umgekehrt die Momente bekannt sind, sind zur Bestimmung der Euler Winkel h¨au¿g numerische Verfahren erforderlich. In Abb. 8.21.b wird der Momentensatz mit Euler Winkeln f¨ur den Fall Ω = ω veranschaulicht.
8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln
321
Beispiel 8.7 M¨unze in der Kreisbewegung Eine M¨unze mit Radius r bewegt sich wie dargestellt auf einem Kreis mit Radius R. ˙ Die Kreisgeschwindigkeit betr¨agt Ω = ψ. Welcher Zusammenhang besteht zwischen ψ˙ und dem Nutationswinkel θ? Bekannt: Ω, θ, R, r. Hinweis: F¨ur die Berechnung kann eine station¨are Pr¨azession angenommen werden. Abb. 8.23. M¨unze in der Kreisbewegung
¨ Voruberlegungen: F¨ur die station¨are Pr¨azession gilt θ = konst, φ˙ = konst, ψ˙ = konst. Die gew¨ahlte Vektorbasis ex , ey , ez rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit Ω um den Kreismittelpunkt M . Dieses entspricht dem Fall c) in Abschnitt 8.2. Damit ist zus¨atzlich eine relative Winkelgeschwindigkeit ω Rel zu ber¨ucksichtigen. Grundlage der Untersuchungen zur Kinetik ist der Momentensatz (8.63). L¨osung: Mit der Winkelgeschwindigkeit Ω = ψ˙ folgen aus Gl.(8.13) und Gl.(8.14) die Basisdarstellungen f¨ur Ω und ω Rel ˙ z. Ω = ψ˙ sin θey + ψ˙ cos θez , ω Rel = φe Der gesamte Winkelgeschwindigkeitsvektor nach Gl.(8.15) lautet somit ω = Ω + ω Rel = ψ˙ sin θey + (φ˙ + ψ˙ cos θ)ez . Eine Beziehung zwischen den Winkelgeschwindigkeiten φ˙ und ψ˙ erhalten wir aus der Rollbedingung vB = 0 f¨ur den Ber¨uhrpunkt B. Nach Gl.(2.60) gilt vB = vS + ω × xSB . Mit RS = R − r cos θ folgen die Komponentendarstellungen vS = vS ex + 0ey + 0ez ˙ x + 0ey + 0ez , = RS ψe xSB = 0ex − rey + 0ez .
Abb. 8.23.b. Kinematik und Freischnitt
322
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Damit gilt ⎤ ez φ˙ + ψ˙ cos θ ⎦ 0
⎡
ex ey S vB = vS + ω × xSB = 0 + ⎣ 0 ψ˙ sin θ 0 −r ˙ x m/s = 0 = (RS ψ˙ + r ψ˙ cos θ + r φ)e
und somit φ˙ = −ψ˙
RS + cos θ r
= −ψ˙
R . r
F¨ur die station¨are Pr¨azession lautet der Momentensatz (8.63.1) bez¨uglich F = S
n Mx(S) . Θz(S) − Θx(S) ψ˙ 2 sin θ cos θ + Θz φ˙ ψ˙ sin θ =
(A)
i=1
F¨ur die Massentr¨agheitsmomente erhalten wir aus Tabelle 7.1 1 1 Θz(S) = mr 2 , Θx(S) = mr 2. 2 4 Das resultierende Moment um die x-Achse hat den Wert n
Mx(S) = −N r cos θ + T r sin θ.
i=1
Um die hierbei auftretenden Kr¨afte T und N eliminieren zu k¨onnen, verwenden wir den Schwerpunktsatz (7.1) bezogen auf ein mitrotierendes Koordinatensystem x ˜, y˜, z˜. Mit −˜ xM S ˙ = RS = R − r cos θ, ω = ψ, α = 0 erh¨alt man 1.
x ˜:
2 m(−˜ ySM α − x ˜M S ω )=T
2.
y˜ :
˜SM ω 2 ) m(˜ xM S α−y
=0
3.
z˜ :
0
= −mg + N (S)
(S)
Einsetzen der Ergebnisse f¨ur Θz , Θx ,
n
(S) i=1 Mx
=⇒
T = (R − r cos θ)ψ˙ 2 m
=⇒
N = mg.
˙ T und N in Gl.(A) liefert und φ,
R 1 1 2 ˙2 mr ψ sin θ cos θ − mr 2 ψ˙ 2 sin θ = −mgr cos θ + (R − r cos θ)mψ˙ 2 r sin θ. 4 2 r ˙ θ, R und r: Nach einigen Umformungen erh¨alt man folgenden Zusammenhang zwischen ψ, ψ˙ 2 =
4g . 3R sin θ − 5r sin θ cos θ
8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln
8.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 8.5 Aufgabe 8.31 (SG = 1) Die Turbine eines Flugzeuges rotiert mit der Drehzahl n im Uhrzeigersinn in Flugrichtung. Das Massentr¨agheitsmoment der Turbine um die Drehachse ist Θ. Das Flugzeug steuert mit einer Geschwindigkeit v in eine Linkskurve mit dem Kr¨ummungsradius ρ. Welches Moment entsteht f¨ur den TragÀ¨ugel? Welche Richtung hat das Moment f¨ur den in Flugrichtung sitzenden Piloten. Bekannt: Θ = 30 kg m2 , n = 6500 min−1 , v = 1000 km/h, ρ = 2000 m.
Aufgabe 8.32 (SG = 1) Der Rotor eines Hubschraubers hat drei Rotorbl¨atter der Masse m und der L¨ange l. Die Drehzahl ist n. Das Massentr¨agheitsmoment des Rotors um die Drehachse ist Θ. In der Vorw¨artsbewegung erfolgt eine Winkelver˙ Welches Moment wirkt auf den drehung ψ. Flugk¨orper? Welche Richtung hat das Moment f¨ur den Flugrichtung sitzenden Piloten. Bekannt: Masse m = 30 kg je Rotorblatt, l = 15 m, n = 650 min−1 , ψ˙ = 2 rad/s. Aufgabe 8.33 (SG = 3) Ein Ring vom Radius r bewegt sich wie dargestellt auf einem Kreis mit Radius R. ˙ Welcher Die Kreisgeschwindigkeit betr¨agt ψ. Zusammenhang besteht zwischen ψ˙ und dem Nutationswinkel θ? Bekannt: Ω, θ, R, r. Hinweis: F¨ur die Berechnung kann eine station¨are Pr¨azession angenommen werden.
323
324
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 8.34 (SG = 1) Ein Satellit hat bez¨uglich der k¨orpereigenen (S) Hauptachsen die Tr¨agheitsmomente Θx , (S) (S) Θy und Θz . Wie groß ist die Geschwin˙ wenn die digkeit des Pr¨azessionswinkels ψ, ˙ Eigenrotation φ und der Nutationswinkel θ gegeben sind? (S)
(S)
(S)
Bekannt: Θx = Θy = 5000 kg m2 , Θz = 2000 kg m2 , n = 10 Umdrehungen pro Sekunde (Eigenrotation), θ = 20o .
Aufgabe 8.35 (SG = 3) Die Mahlwalze des Kollerganges in Beispiel 8.6 be¿ndet auf einer schiefen Ebene. Gesucht sind 1. die Mahlkraft FM , 2. die Gelenkkr¨afte im Punkt G, 3. das Kreiselmoment an der Radaufh¨angung. Bekannt: Ω, R1 , R0 , r, β.
Aufgabe 8.36 (SG = 2) Der Kreisel aus Aufgabe 7.10 rotiert wie dargestellt auf einer Ebene. Es ¿nden 2 Umdrehungen pro Sekunde statt. Bestimmen Sie die auf die d¨unne Scheibe wirkende Reaktionskraft. Bekannt: Ω, weitere Angaben wie in Aufgabe 7.10.
8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln
Aufgabe 8.37 (SG = 3) Der Stab AB des gef¨uhrten Kreisels in Aufgabe 8.27 ist gegen¨uber der Horizontalen um einen Winkel β geneigt. 1. Bestimmen Sie das Kreiselmoment im Punkt S. 2. Bestimmen Sie die AuÀagerreaktionen in den Punkten A und B. Bekannt: nA = 100 min−1 , nC = 200 min−1 l = 20 cm, Masse der Scheibe: m = 5 kg, die St¨abe sind masselos, β = 10o .
Aufgabe 8.38 (SG = 3) Der Ausleger f¨ur den Motorblock in Aufgabe 8.23 ist um den Winkel θ geneigt. Wie groß sind die Auflagerkr¨afte im Lager B des Motors? Bekannt: Masse des Motors m = 5 kg, n = 100 1/s, N = 10 1/s, l = 30 cm, R = l/4, θ = 2o .
Aufgabe 8.39 (SG = 1) Eine Rakete hat bez¨uglich der k¨orpereigenen (S) Hauptachsen die Tr¨agheitsmomente Θx , (S) (S) Θy und Θz . Wie groß ist der Nutationswinkel θ, wenn die Geschwindigkeit des Pr¨azessionswinkels ψ˙ und die Eigenrotation φ˙ bekannt sind? (S)
(S)
(S)
Bekannt: Θx = Θy = 12000 kg m2 , Θz = 3000 kg m2 , 5 Umdrehungen pro Sekunde ˙ 1.8 Umdrehungen pro zugeh¨orig zu φ, ˙ Sekunde zugeh¨orig zu ψ.
325
326
8 Kinematik und Kinetik der r¨aumlichen Bewegung starrer K¨orper
Aufgabe 8.40 (SG = 3) Der Kreisel aus Aufgabe 7.10 rotiert mit der ˙ Der Pr¨azesEigenwinkelgeschwindigkeit φ. sionswinkel betr¨agt θ. Welcher Zusammenhang besteht zwischen ψ˙ und dem Nutationswinkel θ? Bekannt: θ = 20o , φ˙ = 130 rad/s.
Aufgabe 8.41 (SG = 2) Eine Person h¨alt ein rotierendes Gyroskop am oberen Punkt A fest und bewegt den unteren Punkt in horizontaler Richtung mit der Kraft F . Die Eigenrotations-Winkelge˙ Welche Beschleunigung schwindigkeit ist φ. aB erf¨ahrt der Punkt B? (S)
(S)
Bekannt: F =1 N, Θx = Θy = 0.12 kg m2 , (S) Θz = 0.3 kg m2 , φ˙ = 100 rad/s.
Aufgabe 8.42 (SG = 2) Das Rad des PKWs in Aufgabe 8.18 hat eine Schiefstellung. Bestimmen Sie 1. das Kreiselmoment an der Radaufh¨angung, 2. die Schnittmomente Mx , My , Mz an der Radaufh¨angung. Hinweis: Gewichts-, Tr¨agheits- und Reibungskr¨afte des PKWs werden gleichm¨aßig auf alle vier R¨ader verteilt. Bekannt: θ = 1o , Masse des Reifens: m=20 kg, Masse des PKWs: m=1400 kg.
8.5 Der Momentensatz mit Euler Winkeln
Aufgabe 8.43 (SG = 3) Ein LKW f¨ahrt mit der sich mit ωT drehenden Mischtrommel in einer Kurve. Dabei bewegt sich der Punkt S mit konstanter Geschwindigkeit vS auf einer Kreisbahn mit konstantem Radius R. Berechnen Sie die Kr¨afte Bx , By , Bz und Cx , Cy in den Lagern B und C bez¨uglich der LKW-festen Koordinaten x, y, z. Bekannt: vS , R, l1 = l, l2 = 1.2 · l, mT , ωT = 4vS /R = konst, α = 30o , Θx =Θy = 2Θz .
327
Im Straßenverkehr kommt es immer wieder zum Zusammenstoß von Fahrzeugen. In den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Automobil¿rmen wird deren Verhalten beim Crash daher intensiv analysiert. F¨ur die Sicherheitstechnik spielt dabei die Crashbox eine besondere Rolle. Sie dient dazu, die kinetische Energie zu absorbieren und somit von den Fahrzeuginsassen fernzuhalten. Als Resultat der Entwicklungen werden immer leichtere Materialien wie Aluminium oder hochfester Stahl eingesetzt. Zur Analyse von Crashboxen werden neben Laborexperimenten auch numerische Verfahren mit Hilfe von Computern verwendet. Die unteren Bilder zeigen Simulationsergebnisse der Deformation einer Crashbox mit der Finite-Elemente-Methode (FEM). Dabei ist die f¨ur Crashboxen typische Faltenbildung erkennbar. Crashboxen sind somit auf einen hohen Wirkungsgrad ausgelegt und speziell an das jeweilige Fahrzeug angepasst.
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Im Alltag, im Sport und in der Technik kommt es h¨au¿g zu einem kurzzeitigen Auftreffen zweier oder mehrerer K¨orper. Als Beispiele sind in Abb. 9.1 der Aufprall eines Balles und das Einschlagen eines Nagels dargestellt. Derartige Vorg¨ange bezeichnen wir kurz als Stoß. Um den Stoß im Rahmen einer elementaren Theorie untersuchen zu k¨onnen, werden zu Beginn des Kapitels der Impulssatz und der Drehimpulssatz hergeleitet.
Abb. 9.1. Stoßvorg¨ange: a) Aufprall eines Balles, b) Einschlagen eines Nagels
9.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz ¨ den starren K¨orper 9.1.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz fur Der starre K¨orper in Abb. 9.2.a hat eine Schwerpunktgeschwindigkeit vS und somit nach Gl.(8.20.2) einen Schwerpunktimpuls pS = mvS . Auf den K¨orper wirkt die resultierende a¨ ußere Kraft FR = ni=1 Fi , und wir nehmen an, dass die Masse m konstant ist. Durch Integration des Schwerpunktsatzes (8.20.1) u¨ ber das Zeitintervall Δt = t − t0 erh¨alt man mit der Bezeichnung pS 0 = pS (t = t0 ) t t t t d p˙ S dt = dpS = pS (t) − pS 0 = mvS (t) − mvS 0 = FR dt, pS dt = t0 t0 dt t0 t0 und zusammenfassend folgt
330
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
¨ den starren K¨orper Der Impulssatz fur t ˆ R. FR dt = F pS (t) − pS 0 =
(9.1)
t0
ˆ R wird als Impulskraft bezeichnet. Damit gilt: Die Anderung ¨ Die Gr¨oße F der Impulse eines ˆ R der auf ihn starren K¨orpers zwischen zwei Zeitpunkten t und t0 ist gleich der Impulskraft F wirkenden resultierenen a¨ ußeren Kraft. Wie bei der Herleitung der Gleichungen (3.8) f¨ur den Schwerpunktsatz werden aus der Vektorgleichung (9.1) f¨ur den Impulssatz skalare Gleichungen bez¨uglich eines raumfesten kartesischen Koordinatensystems abgeleitet. Bei Beschr¨ankung auf Bewegungen in der X, Y -Ebene erh¨alt man 1.
pSX (t) − pSX0
=
mvSX (t) − mvSX0 = 2.
pSY (t) − pSY 0
=
mvSY (t) − mvSY 0 =
t
FRX dt = FˆRX
t0
t
(9.2)
FRY dt = FˆRY .
t0
Falls keine a¨ ußeren Kr¨afte auftreten, folgt aus dem Impulssatz (9.1) ¨ den starren K¨orper Der Impulserhaltungssatz fur pS (t) = pS 0 = mvS (t) = mvS 0 = konst.
(9.3)
Somit gilt: Greifen an einem starren K¨orper keine a¨ ußeren Kr¨afte an, so bleibt dessen Schwerpunktimpuls pS (t) erhalten. Es sei bemerkt, dass in den Beziehungen (9.1) bis (9.3) jeweils die Geschwindigkeiten des Schwerpunktes S zu ber¨ucksichtigen sind.
Abb. 9.2. Zur Herleitung des Impulssatzes: a) Starrer K¨orper unter Einwirkung von Kr¨aften Fi , i = 1, ..., n und deren resultierenden Kraft FR , b) System starrer K¨orper unter Einwirkung von Kr¨aften Fi , i = 1, ..., n
9.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz
331
Beispiel 9.1 Kind auf einer Rutsche F¨ur das Kind aus Beispiel 4.1 und Beispiel 4.7 bestimme man die Zeit tR , die f¨ur das Rutschen von der Lage I in die Lage II vergeht. ¨ Voruberlegungen: F¨ur die eindimensionale Bewegung wird der Impulssatz ausreichend durch Gl.(9.2.1) f¨ur die X-Richtung beschrieben. Als a¨ ußere Kr¨afte sind der Anteil der Gewichtskraft in Bewegungsrichtung und die Reibungskraft entgegen der Bewegungsrichtung zu ber¨ucksichtigen.
Abb. 9.3. Kind auf Rutsche: Kr¨afte im Freischnitt
L¨osung: Mit den Bezeichnungen aus Beispiel 4.7 gilt f¨ur die Geschwindigkeiten in Gl.(9.2.1) vSX0 = v I = 0, vSX (t = tR ) = v II . Mit dem Gewichtskraftanteil mg sin β und der Reibungskraft R = μmg cos β lautet Gl.(9.2.1) dann tII FR dt m v II − m v I = = m v II − m 0 =
tI tR 0
(mg sin β − μmg cos β)dt = mg(sin β − μ cos β)tR .
Mit dem Ergebnis f¨ur v II aus Beispiel 4.7 errechnet sich die gesuchte Zeit zu 2gL(sin β − μ cos β) 2L 1 v II = = tR = . g(sin β − μ cos β) g(sin β − μ cos β) g (sin β − μ cos β)
¨ das System starrer K¨orper 9.1.2 Impuls- und Impulserhaltungssatz fur Wir untersuchen in Abb. 9.2.b ein System starrer K¨orper mit den Massen mi , i = 1, ..., n. Jeder K¨orper erf¨ahrt eine a¨ ußere Kraft Fi . Die Vektoren f¨ur Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung der Teilschwerpunkte Si werden mit xS i , vS i und aS i bezeichnet. Wie in den Gleichungen (5.2) werden die daraus sich ergebenden Vektoren f¨ur den Gesamtschwerpunkt S des Systems der starren K¨orper eingef¨uhrt: 1. xS =
4. m =
1 1 1 xS i mi , 2. vS = vS i mi , 3. aS = aS i mi , m m m n
n
n
i=1
i=1
i=1
n
mi .
i=1
Wir formulieren den Impulssatz (9.1) f¨ur jeden K¨orper und erhalten nach Summation
(9.4)
332
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper n
pS i (t) −
i=1
n
pS i0 =
n i=1
i=1
t
Fi =
t0
n
ˆ i. F
(9.5)
i=1
Unter Beachtung von (9.4.2) schreiben wir f¨ur die Summen der Impulsvektoren n n mi vS i = mvS = pS , pS i = m i=1 m
(9.6)
i=1
und aus Gl.(9.5) folgt ¨ das System starrer K¨orper Der Impulssatz fur n n n ˆ R. ˆi = F pS i (t) − pS i0 = pS (t) − pS 0 = F i=1
i=1
(9.7)
i=1
¨ Damit gilt: Die Anderung der Impulse eines Systems starrer K¨orper zwischen zwei Zeitpunkˆ R der auf das System wirkenden resultierenen a¨ ußeren ten t und t0 ist gleich der Impulskraft F Kraft. Wir bemerken noch, dass Gl.(9.7) die gleiche Struktur wie Gl.(9.1) hat. W¨ahrend der Vektor pS in Gl.(9.1) den Impuls eines starren K¨orpers meint, kennzeichnet er in Gl.(9.7) den Impuls eines Systems starrer K¨orper. Im Zweifelsfall muss man erl¨autern, was jeweils ˆ R. gemeint ist. Dieses gilt sinngem¨aß auch f¨ur die resultierende Impulskraft F Falls keine a¨ ußeren Kr¨afte Fi , i = 1, ..., n auftreten, folgt aus Gl.(9.7) ¨ das System starrer K¨orper Der Impulserhaltungssatz fur pS (t) = pS 0 = mvS (t) = mvS 0 = n n mi vS i (t) = mi vS i0 = konst. i=1
(9.8)
i=1
Somit gilt: Greifen an einem System starrer K¨orper keine a¨ ußeren Kr¨afte an, so bleibt der Schwerpunktimpuls pS (t) des Systems erhalten. F¨ur Bewegungen in der X, Y -Ebene lauten die zugeh¨origen skalaren Gleichungen 1.
pSX (t) = pSX0 = n i=1
mvSX (t) = mvSX0 = n mi vSXi (t) = mi vSXi0= konst i=1
(9.9) pSY (t) = pSY 0 =
2.
mvSY (t) = mvSY 0 = n n mi vSY i (t) = mi vSY i0 = konst. i=1
i=1
Es ist auch hier zu beachten, dass in den Gleichungen die Geschwindigkeiten der Schwerpunkte der einzelnen Massen auftreten.
9.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz
333
9.1.3 Aufgaben zu Abschnitt 9.1 Aufgabe 9.1 (SG = 1) Zwei Kisten mit den Massen m1 und m2 sind wie dargestellt mit einem dehnstarren Seil u¨ ber eine masselose Rolle verbunden. Die Kiste 1 gleitet mit dem Reibungskoef¿zienten μ u¨ ber eine schiefe Ebene. Welche Geschwindigkeiten haben die Kisten nach der Zeit t, wenn sie sich in der Ruhelage beginnend unter Einwirkung der Erdbeschleunigung g bewegen. Bekannt: m1 = 5 kg, m2 = 4 kg, t = 3 s, β = 30o , μ = 0.3. Aufgabe 9.2 (SG = 1) Ein Wagen m3 und zwei mitfahrende Personen m1 und m2 haben die gemeinsame Geschwindigkeit va . W¨ahrend der Fahrt springen beide Personen mit den relativen Geschwindigkeiten v1 und v2 von dem Wagen ab. Der Absprungwinkel β1 der Person m1 bezogen auf die Fahrtrichtung ist bekannt. 1. Wie groß muss der Absprungwinkel β2 der Person m2 sein, damit kein Impuls senkrecht zur Fahrtrichtung entsteht? 2. Wie groß ist die Geschwindigkeit ve des Wagens nach dem Absprung? Bekannt: m1 = 50 kg, m2 = 70 kg, m3 = 250 kg, v1 = 10 km/h, v2 = 15 km/h, va = 20 km/h, β1 = 45o . Aufgabe 9.3 (SG = 1) Ein Sandsack der Masse m1 wird mit der Geschwindigkeit v0 in einen stehenden Wagen der Masse m2 geworfen. Welche Strecke s wird von beiden K¨orpern zur¨uckgelegt, wenn ein Rollwiderstand mit dem Beiwert f ber¨ucksichtigt wird?
Bekannt: m1 = 10 kg, m2 = 50 kg, v0 = 10 m/s, f = 0.1.
334
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Aufgabe 9.4 (SG = 1) Ein Mann der Masse m1 springt von einem ruhenden Boot der Masse m2 ab. Die Richtung der Schwerpunktgeschwindigkeit v1 hat den Winkel β gegen¨uber der Horizontalen. Wie groß ist die horizontale Geschwindigkeit des Bootes unmittelbar nach dem Absprung? Aufgabe 9.5 (SG = 1) Ein Zug der Masse m f¨ahrt mit der Geschwindigkeit v0 einen abfallenden Hang mit Neigungswinkel β. Der Zugf¨uhrer bemerkt pl¨otzlich einen Gegenstand auf den Gleisen und bremst den Zug ab. Die hierbei auftretende Bremskraft FB kann als konstant angenommen werden.
1. In welcher Entfernung s kommt der Zug zum Stillstand? 2. Welche Zeit tB ist dann vergangen? Bekannt: m, v0 = 120 km/h, β = 1o , FB = mg/10. Aufgabe 9.6 (SG = 2) Eine Kugel der Masse m1 rollt, in der Ruhelage beginnend, eine Abrollb¨uhne hinunter. Diese ist mit einem Wagen starr verbunden, so dass die gemeinsame Masse von Abrollb¨uhne und Wagen m2 betr¨agt. Die Bewegung an den R¨adern des Wagens ist reibungsfrei. Der H¨ohenunterschied f¨ur die Kugel betr¨agt h. Welche Geschwindigkeiten haben die Kugel und der Wagen, wenn die Kugel die Abrollb¨uhne verl¨asst? Bekannt: m1 , m2 , h.
9.1 Impuls- und Impulserhaltungssatz
335
Aufgabe 9.7 (SG = 2) Zwei Wagen der Masse m1 und m2 be¿nden sich in einer Ruhelage und sind mit einem Seil so verbunden, dass eine Feder der Stei¿gkeit C um die Strecke s zusammengedr¨uckt wird. Welche Geschwindigkeiten ergeben sich f¨ur die Wagen unmittelbar nach dem Trennen des Seiles? Wie groß ist dann die Geschwindigkeit des gemeinsamen Schwerpunktes beider Wagen? Bekannt: m1 , m2 , C, s.
Aufgabe 9.8 (SG = 2) Beantworten Sie die Fragen aus Aufgabe 9.7 f¨ur den Fall, dass sich beide Wagen vor dem Trennen des Seiles mit der Geschwindigkeit v0 nach rechts bewegen.
Aufgabe 9.9 (SG = 3) Auf der LadeÀ¨ache eines LKW’s be¿ndet sich eine Kiste. Zwischen Fahrzeug und Kiste kann maximal eine Reibungskraft mit dem Reibungskoef¿zienten μg = μh u¨ bertragen werden. 1. Man bestimme die kleinste Zeit Tmin , in der das Fahrzeug aus der Ruhelage auf die Geschwindigkeit vf gleichm¨aßig beschleunigt werden kann, ohne dass sich die Kiste auf der LadeÀ¨ache verschiebt. 2. Das Fahrzeug hat zun¨achst einschließlich der Ladung eine konstante Geschwindigkeit v0 . Es soll f¨ur die Dauer einer Sekunde mit der Bremsbeschleunigung a0 verz¨ogert werden und sich dann mit der aus dem Bremsvorgang resultierenden Geschwindigkeit weiterbewegen. Um welche Strecke L verschiebt sich die Ladung infolge dieses Bremsvorganges? Bekannt: m, vf = 5 m/s, v0 = 4 m/s, a0 = 4 m/s2 , μg = μh = 0.25.
336
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
9.2 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz ¨ den starren K¨orper 9.2.1 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz fur Wir gehen von dem Momentensatz in der Formulierung (8.26.1) bez¨uglich eines bewegten F¨uhrungspunktes F aus. Nach Integration u¨ ber das Zeitintervall Δt = t − t0 erh¨alt man t t t t d (F ) F (F ) Dω dt + m xS × aF dt = dDω + m xFS × aF dt = t0 dt t0 t0 t0 ) D(F ω (t)
−
(F ) Dω0
t
+
m xFS
t0 (F )
t
× aF dt =
M(F ) dt,
t0 (F )
wobei die Bezeichnung Dω0 = Dω (t = t0 ) verwendet wurde. Zusammenfassend folgt ¨ den starren K¨orper Der Drehimpulssatz fur t t (F ) (F ) F ˆ (F ) . m xS × aF dt = M(F ) dt = M Dω (t) − Dω0 + t0
(9.10)
t0
ˆ (F ) wird als Impulsmoment bezeichnet. Damit gilt: Die Anderung ¨ der DrehimDie Gr¨oße M pulse eines starren K¨orpers zwischen zwei Zeitpunkten t und t0 erg¨anzt um das Zeitintegral t F ˆ (F ) des auf ihn wirkenden resultierenen t0 m xS × aF dt ist gleich dem Impulsmoment M a¨ ußeren Momentes. Falls keine a¨ ußeren Momente auftreten, folgt ¨ den starren K¨orper Der Drehimpulserhaltungssatz fur t (F ) (F ) Dω (t) + m xFS × aF dt = Dω0 .
(9.11)
t0
t
Falls zus¨atzlich eine der vier Bedingungen in Bemerkung 8.2 erf¨ullt ist, erh¨alt man t0 m xFS × aF dt = 0. Dann gilt die folgende Aussage: Greifen an einem starren K¨orper keine a¨ ußeren (F ) Momente an, so bleibt dessen Drehimpuls Dω (t) erhalten. F¨ur k¨orperfeste Basisvektoren ex , ey , ez , wie z.B. in Abb. 8.17 dargestellt, lautet die Basisdarstellung f¨ur den Drallvektor nach (8.42) 1. 2. 3. 4.
(F )
Dω
(F ) Dωx (F ) Dωy (F ) Dωz
(F )
(F )
(F ) Θx ωx (F ) Θyx ωx (F ) Θzx ωx
(F ) Θxy ωy (F ) Θy ωy (F ) Θzy ωy
(F )
= Dωx ex + Dωy ey + Dωz ez , = = =
+ + +
(F )
+ + +
wobei
(F ) Θxz ωz (F ) Θyz ωz (F ) Θz ωz .
(F )
(F )
(9.12)
Hierbei sind die Massentr¨agheitsmomente Θx , Θxy , Θxz , ... in den Gleichungen (7.3) (F ) (F ) de¿niert. F¨ur die Auswertung der Drehimpulse Dω (t) und Dω0 , z.B. in (9.10), sind f¨ur ¨ allgemeine F¨alle folgende Anderungen zwischen den Zeitpunkten t0 und t zu beachten: • Die Massentr¨agheitsmomente a¨ ndern sich mit der Rotation des K¨orpers. • Die Basisvektoren a¨ ndern ihre Orientierungen.
9.2 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz
337
¨ den starren K¨orper mit Drehung um eine Hauptachse 9.2.2 Der Drehimpulssatz fur Zur Auswertungvon (9.10) betrachten wir einen Sonderfall mit folgenden Voraussetzungen: 1. Die z-Achse f¨allt mit der Drehachse zusammen. 2. Die x, y, z-Koordinatenachsen sind Hauptachsen der Matrix Θ(F ) . 3. Der F¨uhrungspunkt F liegt im Schwerpunkt (F = S) oder im Ursprung (F = 0). Wegen Voraussetzung 1. gilt f¨ur die Winkelgeschwindigkeiten um die x, y-Achsen ωx = ωy = 0, und wegen Voraussetzung 2. verschwinden die Deviationsmomente. Damit reduzieren sich die Gleichungen (9.12) auf den Anteil um die z-Achse ) (F ) D(F ω = Θz ω, ω = ωz ez .
F = S, 0 :
(9.13)
Wegen Voraussetzung 3. verschwindet der Schwerpunktvektor xFS oder der Beschleunigungsvektor des F¨uhrungspunktes aF in Gl.(9.10). Kennzeichnen wir mit Θ(F ) das Massentr¨agheitsmoment um die Drehachse, die gleichzeitig Hauptachse ist, so folgt mit der Notation (F ) Θ0 = Θ(F ) (t = 0) aus (9.10) ¨ den starren K¨orper mit Drehung um eine Hauptachse Der Drehimpulssatz fur F = S, 0 :
(F )
Θ(F ) (t) ω(t) − Θ0
ˆ (F ) . ω0 = M
(9.14)
Die Richtungen von ω(t) und ω0 sind dabei im Allgemeinen nicht parallel. ¨ ebene Bewegungen des starren K¨orpers 9.2.3 Der Drehimpulssatz fur Grunds¨atzlich kann eine Formulierung des Drehimpulssatzes f¨ur ebene Bewegungen aus der vektoriellen Gleichung (9.10) wie in Abschnitt 9.2.2 hergeleitet werden. Im Folgenden wird eine andere Vorgehensweise f¨ur zeitlich konstante Massentr¨agheitsmomente gew¨ahlt. Dazu erinnern wir an die alternative Herleitung des Momentensatzes f¨ur ebene Bewegungen in Abschnitt 8.3.3. Aus den Ergebnissen (8.30) und (8.31) folgern wir, dass anstatt der Auswertung von Gl.(9.10) auch Gl.(6.31.3) u¨ ber das Zeitintervall Δt = t − t0 integriert werden kann, d.h.
t t0
Θz(F ) αdt
t
+
(mxS aF y − myS aF x )dt =
t0
t n t0 i=1
(F )
Mzi dt.
(9.15)
F¨ur eine k¨orperfeste Vektorbasis sind die Koordinaten x, y und somit das Fl¨achentr¨ag(F ) heitsmoment Θz sowie die Schwerpunktkoordinaten xS , yS zeitlich konstant. Damit k¨onnen die Integrale auf der linken Seite von Gl.(9.15) ausgewertet werden: Mit den Bezeichnungen ω0 = ω(t = t0 ), vF x0 = vF x (t = t0 ), vF y0 = vF y (t = t0 ) folgt t t Θz(F ) αdt = Θz(F ) ωdt ˙ = Θz(S) (ω(t) − ω0 )
t0
t t0
(myS aF x − mxS aF y )dt =
t0
t ta
(myS v˙ F x − mxS v˙ F y )dt
= myS (vF x (t) − vF x0 ) − mxS (vF y (t) − vF y0 ).
(9.16)
338
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
F¨uhren wir noch das Impulsmoment ˆ z(F ) = M
t n t0 i=1
(F )
(9.17)
Mzi dt
ein, so folgt ¨ ebene Bewegungen des starren K¨orpers Der Drehimpulssatz fur ¨ fur zeitlich konstante Massentr¨agheitsmomente (F ) Θz (ω(t)
− ω0 ) + mxS (vF y (t) − vF y0 ) − myS (vF x (t) − vF x0 ) =
(9.18) ˆ z(F ) . M
Liegt der F¨uhrungspunkt F im Schwerpunkt S oder im festen Ursprung 0, dann gilt F = S, 0 :
(F ) ˆ z(F ) . Θz (ω(t) − ω0 ) = M
(9.19)
ˆ (F ) folgt F¨ur konstantes Massentr¨agheitsmoment und gleiche Richtungen von ω(t), ω 0 , M diese Gleichung sofort aus Gl.(9.14). Beispiel 9.2 Aufprall einer Schranke mit Gegengewicht auf einen Pfosten Die Schranke aus Beispiel 6.18 f¨allt wie skizziert aus einer senkrechten Ausgangslage zur Zeit ta mit dem Winkel ϕa = 0 auf einen Pfosten. Die Aufprallzeit ist te . Am unteren Ende der Schranke ist ein Gegengewicht der Masse m2 angebracht. ˆ z(A) inWie groß ist das Impulsmoment M folge der Gewichtskr¨afte? Hinweis: Die Schranke wird als d¨unner Stab behandelt. Bekannt: L¨ange l und Masse m1 = m der Schranke, Abstand der Pfosten b, Masse des Gegengewichtes m2 = m/2.
Abb. 9.4. Aufprall einer Schranke auf einen Pfosten
¨ Voruberlegungen: Die Momente der beiden Gewichtskr¨afte bezogen auf den Punkt A sind (A)
Mz1 = m1 g sin ϕ,
(A)
Mz2 = −m2 g sin ϕ.
(A)
Die Integration u¨ ber die Zeit von ta bis te zur Auswertung von Gl.(9.17) wird dadurch erschwert, dass der funktionale Zusammenhang f¨ur ϕ(t) in den Gleichungen (A) nicht bekannt ist. Wir k¨onnen die Integration umgehen, indem wir die linke Seite des Drehimpulssatzes (9.19.2) f¨ur den festen F¨uhrungspunkt F = A unter Ber¨ucksichtigung der Ergebnisse aus Beispiel 6.18 auswerten.
9.2 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz
339
L¨osung: Die Drehimpulsgleichung (9.19) bez¨uglich des festen Punktes F =A lautet ˆ z(A) . Θz(A) (ωe − ωa ) = M Mit den Ergebnissen aus Beispiel 6.18 sowie den Beziehungen ωa = ωI = 0, ωe = ωII folgt 17 g 6 17 3 (A) 2 ˆ M = ml −0 = l g m. z 6 17 l 6 ¨ das System starrer K¨orper 9.2.4 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz fur In Abb. 9.2.b ist ein System starrer K¨orper mit den Massen mi , i = 1, ..., n dargestellt. Jeder K¨orper erf¨ahrt eine a¨ ußere Kraft Fi . Wir formulieren den Drehimpulssatz (9.10) f¨ur jeden K¨orper und erhalten nach Summation t n n n n t n (Fi ) (Fi ) (F ) Fi ˆ (Fi ) . (9.20) M Dωi (t)− Dω0i + mi xSi × aFi dt = Mi dt = i i=1
t0
i=1
i=1
i=1
t0
i=1
Im Folgenden beschr¨anken wir uns auf F¨uhrungspunkte, die in den Schwerpunkten Si oder in den festen Bezugspunkten 0i liegen. Somit verschwinden die Schwerpunktvektoren xFSii bzw. die Beschleunigungsvektoren aFi , und es folgt ¨ das System starrer K¨orper Der Drehimpulssatz fur n n n (F ) (F ) ˆ (Fi ) . Dωii (t) − Dω0ii = Fi = Si oder 0i : M i i=1
i=1
(9.21)
i=1
¨ Damit gilt: Die Anderung der Drehimpulse eines Systems starrer K¨orper zwischen zwei Zeitpunkten t und t0 ist gleich dem resultierenden Impulsmoment der auf das System wirkenden a¨ ußeren Momente. Falls keine a¨ ußeren Momente auftreten, folgt aus Gl.(9.21) ¨ das System starrer K¨orper Der Drehimpulserhaltungssatz fur Fi = Si oder 0i :
n i=1
(F )
Dωii (t) =
n
(F )
Dω0ii = konst.
(9.22)
i=1
Somit gilt: Greifen an einem System starrer K¨orper keine a¨ ußeren Momente an, so bleibt der gesamte Drehimpuls des Systems erhalten. Mit Anwendung von Gl.(9.14) auf jeden K¨orper und anschließender Summation folgt ¨ das System starrer K¨orper mit Drehungen um Hauptachsen Der Drehimpulssatz fur n n n (9.23) (F ) (F ) ˆ (Fi ) . Fi = Si oder 0i : M Θi i (t) ω i (t) − Θ0i i ω 0i = i i=1
i=1
i=1
Diese Gleichung ist auch f¨ur Bewegungen in der Ebene eines Systems starrer K¨orper g¨ultig, ˆ (Fi ) gleiche Richtungen haben. wenn ω i (t), ω 0i , M i
340
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Beispiel 9.3 Kuppeln von zwei Wellen Zwei Wellen haben die Anfangsdrehzahlen na1 , na2 = 0 und werden mit zwei masselosen Scheiben u¨ ber Reibung gekuppelt. 1. Wie groß sind die Drehzahlen ne1, ne2 nach dem Zusammenkuppeln der beiden Wellen? 2. Zur Zeit tB = 0 wird nach dem Kuppeln ein konstantes Bremsmoment MB aufgebracht. Nach welcher Zeit t0 kommt das gesamte System zur Ruhe? (S1 )
Bekannt: Θ1 = Θ1 n1a , n2a = 0, MB .
(S2 )
, Θ2 = Θ2
,
Abb. 9.5. Kuppeln von zwei Wellen
¨ Voruberlegungen: Beide Aufgabenteile werden mit dem Drehimpulssatz (9.23) bearbeitet. Im ersten Teil wirken keine a¨ ußeren Momente, so dass die rechte Seite verschwindet. F¨ur den zweiten Teil wird (9.23) mit der Anfangszeit tB und der gesuchten Endzeit t0 verwendet. L¨osungen: 1. Da die Richtungen beider Wellen vor und nach dem Kuppeln gleich sind, folgt aus der vektoriellen Drehimpulsgleichung (9.23) die skalare Gleichung Θ1 (ω1e − ω1a ) + Θ2 (ω2e − ω2a ) = 0. Nach dem Kuppeln sind beide Winkelgeschwindigkeiten gleich, so dass mit ω2a = 0 Θ1 Θ1 ω1a =⇒ n1e = n2e = n1a ω1e = ω2e = Θ1 + Θ2 Θ1 + Θ2 folgt. Hierbei wurde noch der Zusammenhang (2.27) zwischen Drehzahlen und Winkelgeschwindigkeiten ber¨ucksichtigt. Das Ergebnis f¨ur die Enddrehzahl ist also unabh¨angig von der Kupplungszeit, d.h. es spielt keine Rolle, ob schnell oder langsam gekuppelt wird. 2. Da die Richtungen beider Wellen vor und nach dem Kuppeln gleich sind, folgt aus der vektoriellen Drehimpulsgleichung (9.23) die skalare Gleichung t0 M dt. Θ1 (ω10 − ω1e ) + Θ2 (ω20 − ω2e ) = 0
Mit
t0 tB =0 M dt
= −MB t0 und den Werten ω10 = ω20 = 0 in der Ruhelage erh¨alt man t0 =
1 Θ1 (Θ1 + Θ1 )ω1e = ω1a . MB MB
Hinweis: Das Ergebnis wird auch erhalten, wenn die Drehimpulsgleichung (9.23) mit der Anfangszeit ta und der gesuchten Endzeit t0 formuliert wird.
9.2 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz
341
9.2.5 Aufgaben zu Abschnitt 9.2 Aufgabe 9.10 (SG = 1) Zwei Zahnr¨ader haben im Zustand a die Winkelgeschwindigkeiten ωa1 und ωa2 = 0. Wie groß sind die Winkelgeschwindigkeiten ωe1 und ωe2 im Zustand e nach dem Zusammenkuppeln der beiden Zahnr¨ader? Bekannt: r1 , r2 , Θ1 , Θ2 , ω1a .
Aufgabe 9.11 (SG = 2) Eine Scheibe der Masse m3 und zwei Personen der Massen m1 und m2 erfahren die gemeinsame Winkelgeschwindigkeit ωa . W¨ahrend der Rotation springen beide Personen gleichzeitig mit den relativen Geschwindigkeiten v1 und v2 von der Scheibe. Der dargestellte Absprungwinkel β1 von Person m1 ist bekannt. 1. Wie groß muss der Absprungwinkel β2 der Person m2 sein, damit kein Drehimpuls in der Scheibenebene entsteht? 2. Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit ωe der Scheibe nach dem Absprung? Bekannt: m1 = 50 kg, m2 = 70 kg, m3 = 250 kg, v1 = 10 km/h, v2 = 15 km/h, ωa = 3 rad/s, R = 2 m, β1 = 45o . Aufgabe 9.12 (SG = 1) Das R¨uhrwerk aus Beispiel 7.6 hat eine Winkelgeschwindigkeit ωa . Wir groß muss ein konstantes Bremsmoment MB sein, damit es nach der Zeit t0 zum Stillstand kommt? (A)
Bekannt: Θz
1 = md2 cos2 β, ωa , t0 . 3
342
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Aufgabe 9.13 (SG = 1) Ein Mann steht mit zwei Hanteln fest auf einer rotierenden Scheibe. Die Masse jeder Hantel ist m2 . Im Zustand a hat er die Arme nach außen gestreckt und mit der Scheibe die Winkelgeschwindigkeit ωa . Das gemeinsame Massentr¨agheitsmoment von Scheibe und Person (ohne Hanteln) f¨ur eine Drehung um die senkrechte Achse ist Θa . Im Zustand e hat er die Arme nach unten gestreckt. Das gemeinsame Tr¨agheitsmoment ist jetzt Θe . Welche Winkelgeschwindigkeit ωe stellt sich im Zustand e ein? Bekannt: m2 = 3 kg, la = 0.6 m, le = 0.25 m, Θa = 0.6 kg m2 , Θe = 0.55 kg m2 , ωa = 2 rad/s. Aufgabe 9.14 (SG = 2) Bei der Landung eines Flugzeuges erf¨ahrt das Rad des Fahrgestells unmittelbar nach dem Bodenkontakt eine Reibungskraft R(t). Zur Ber¨ucksichtigung des Coulombschen Reibgesetzes wird in einem Zeitintervall Δt ein linearer Verlauf f¨ur die Normalkraft N (t) angenommen. Das Rad hat die Masse m und wird als d¨unne Scheibe behandelt. Wieviel Zeit vergeht bis reines Rollen eintritt, wenn die Landegeschwindigkeit v0 konstant angenommen wird? Bekannt: m = 30 kg, r = 50 cm, μ = 0.6, v0 = 160 km/h, N (t) = N0 t/Δt, N0 = 1000 kg, Δt = 5 s. Aufgabe 9.15 (SG = 3) Eine Kiste der Masse m rutscht reibungsfrei eine schiefe Ebene hinunter und trifft auf eine Kante 1. Wie groß muss die H¨ohe H sein, damit sie den Drehwinkel ϕ=π/2−β u¨ berwindet? 2. Wie groß ist der Verlust der kinetischen Energie? F¨ur die Zeit des Kontaktes zwischen Kiste und Kante darf vereinfachend der Wert Δt = 0 angenommen werden. Bekannt: m, b, a=2b, β.
9.2 Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz
343
Aufgabe 9.16 (SG = 2) Das dargestellte Jojo wird aus der Ruhelage von einer konstanten Kraft F gezogen. Wie groß sind die Geschwindigkeit v1 und die Winkelgeschwindigkeit ω1 nach der Zeit t1 ? Bekannt: Θ(S) , F , t1 . Aufgabe 9.17 (SG = 3) Eine Kiste wird auf einer schiefen Ebene mit einem starren Seil u¨ ber eine Rolle der Masse M = m von einer Kraft Z(t) gezogen. Dabei tritt zwischen der Kiste und der Ebene Coulombsche Reibung auf. Zus¨atzlich ist die Kiste u¨ ber eine Feder mit einem festen Lager verbunden. Die Auslenkung in der Ausgangslage betr¨agt rI , w¨ahrend r0 die Auslenkung der entspannten Feder ist. Welche Geschwindigkeit hat das System nach der Zeit t1 ? Bekannt: m = M = 5 kg, Z(t) = Z0 (1 − exp(−bt)), Z0 = 50 N, b = 1.2 1/s, μ = 0.2, t = 12 s, rI = 0.2 m, r0 = 0.15 m, K = 150 N/m, β = 30o . Hinweis: Bei der Bestimmung der Reibungskraft nach dem Coulombschen Gesetz soll nur die Gewichtskraft ber¨ucksichtigt werden. Aufgabe 9.18 (SG = 3) Der dargestellte Kreisel hat in der Ausgangslage mit dem Winkel βa = 0 eine Drehzahl nC um die vertikale Achse, wobei nA = 0 ist. Wie groß sind die Drehzahlen nC und nA , nachdem der Stab AB eine Neigung βe erhalten hat? Bekannt: l = 50 cm, R = 5 cm, Masse der Scheibe: m1 = 0.5 kg, Masse des Stabes: m2 = 0.1 kg, die St¨abe sind masselos, βa = 0o , βe = 10o , M = 10 Nm.
344
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
9.3 Der Stoß starrer K¨orper F¨ur Vorg¨ange von kurzer Dauer, die z.B. in Abb. 9.1 dargestellt sind, formulieren wir die Definition Stoß Pl¨otzliches Aufeinandertreffen von zwei oder mehreren K¨orpern. Dabei erfolgen deren Geschwindigkeits¨anderungen in sehr kurzer Zeit, verglichen mit dem gesamten Bewegungsvorgang.
(9.24)
Beim realen Stoß kommt es in der Kontaktzone - wir denken z.B. an einen Autocrash - zu komplexen Deformations- und Spannungszust¨anden. Eine der Ursachen ist das nichtlineare, zeitabh¨angige Materialverhalten der beteiligten Werkstoffe. Wir verzichten in den nachfolgenden Untersuchungen auf eine genauere Ber¨ucksichtigung des Materialverhaltens und behandeln stattdessen den Stoß im Rahmen einer elementaren Theorie mit vereinfachenden Annahmen. 9.3.1 Begriffe zum Stoß und Einteilung des Stoßes Wesentliche Begriffe zum Stoß von zwei K¨orpern sind in Abb. 9.6 zusammengefasst. Dabei kennzeichnet K den Kontaktpunkt der beiden K¨orper 1 und 2 und E deren Kontaktebene, die tangential an beide K¨orper angelegt ist. n ist die senkrecht zu E liegende Kontaktnormale. W¨ahrend des Stoßes wird eine zeitabh¨angige Kontaktkraft F = F (t) aufgebaut, deren Wirkungslinie durch W L gekennzeichnet ist. Bei den Geschwindigkeiten wird zwischen den Gr¨oßen vK1 , vK2 im Kontaktpunkt K sowie vS1 , vS2 im Schwerpunkt S unterschieden. K: E: n: F : WL : vS1 , vS2 : vK1 , vK2 :
Kontaktpunkt Kontaktebene Kontaktnormale Kontaktkraft Wirkungslinie der Kontaktkraft Geschwindigkeiten von S1 und S2 Geschwindigkeiten beider K¨orper in K Abb. 9.6. Begriffe zum Stoß zweier K¨orper
Die Einteilung des Stoßes kann mit den Merkmalen Kr¨afte, Geschwindigkeiten und Deformationen erfolgen: Merkmal Kr¨afte: Die Einteilung des Stoßes nach Kr¨aften erfolgt in Abb. 9.7. Verl¨auft die Wirkungslinie W L durch beide Schwerpunkte S1 und S2 , so liegt ein zentrischer (oder: zentraler) Stoß vor, andernfalls ist der Stoß exzentrisch. Sind die K¨orper glatt, so haben die Kontaktkr¨afte die Richtung der Normalen n. Liegen beide Schwerpunkte auf der Normalen, so ist der Stoß wie in Abb. 9.7.a dargestellt zentrisch, andernfalls ist der Stoß wie in Abb. 9.7.b exzentrisch.
9.3 Der Stoß starrer K¨orper
345
Abb. 9.7. Einteilung des Stoßes nach Kr¨aften
Bei rauhen K¨orpern nehmen die Kontaktkr¨afte w¨ahrend des Stoßes Reibung auf, so dass auch Kraftkomponenten senkrecht zur Normalen n auftreten. Wie in Abb. 9.7.c erkennbar, kann der Stoß auch zentrisch sein, wenn nicht beide Schwerpunkte auf der Normalen liegen. Wir erinnern daran, dass das Coulombsche Reibungsgesetz R=μN im Grenzfall einen Reibungskegel de¿niert, welcher in Abb. 9.7.c dargestellt ist. Ein zentrischer Stoß ist also nur m¨oglich, wenn • der Reibungskegel um die Normale n den Schwerpunkt des K¨orpers einschließt und • die Wirkungslinie W L w¨ahrend des Stoßes innerhalb des Reibungskegels liegt. In Abb. 9.7.d ist der allgemeine Fall f¨ur einen exzentrischen Stoß mit Reibung dargestellt. Merkmal Geschwindigkeiten: Wir bezeichnen einen Stoß in Abb. 9.8 als gerade, wenn die Geschwindigkeiten vK1 und vK2 im Kontaktpunkt in Richtung von n verlaufen. Andernfalls tritt ein schiefer Stoß auf. Merkmal Deformationen: In den Darstellungen in Abb. 9.9 bezeichnen wir die Geschwindigkeiten von zwei K¨orpern vor dem Stoß mit v1a , v2a , w¨ahrend des Stoßes mit v1m = v2m und nach dem Stoß mit v1e , v2e . Dabei k¨onnen drei F¨alle unterschieden werden: • Der elastische Stoß: Die w¨ahrend des Stoßes auftretenden Deformationen gehen vollkommen zur¨uck (reversible Deformationen).
346
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Abb. 9.8. Einteilung des Stoßes nach Geschwindigkeiten
• Der plastische Stoß: Die w¨ahrend des Stoßes auftretenden Deformationen bleiben vollkommen erhalten (irreversible Deformationen). • Der elastisch-plastische Stoß: Die w¨ahrend des Stoßes auftretenden Deformationen gehen teilweise zur¨uck (teilweise reversible Deformationen). Weitere Bezeichnungen sind wirklicher Stoß oder realer Stoß. Der elastische und der plastische Stoß sind Idealisierungen. Tats¨achlich bleiben auch bei einem vollst¨andig elastischen Verhalten Spannungs- bzw. Deformationswellen in den K¨orpern zur¨uck, die erst nach einer gewissen Zeit infolge der inneren Werkstoff-D¨ampfung abklingen. Man verwendet daf¨ur den Begriff Viskoelastizit¨at. Auch der plastische Fall stellt eine Idealisierung dar, da immer eine Teilelastizit¨at vorhanden ist. 9.3.2 Annahmen zum Stoß Um die Stoßberechnung zu vereinfachen, treffen wir folgende Annahmen zum Stoß 1. Die Stoßdauer Δt ist so klein, dass w¨ahrend des Stoßvorganges keine Lage¨anderung auftritt. 2. Die im Kontaktbereich der K¨orper auftretenden Kr¨afte sind so groß, dass w¨ahrend des Stoßvorganges alle anderen Kr¨afte (z.B. Gewichtskr¨afte) vernachl¨assigt werden. 3. Die w¨ahrend des Stoßes auftretenden Deformationen werden vernachl¨assigt, d.h. die K¨orper werden als quasi-starr angenommen.
(9.25)
Diese Annahmen sind in vielen F¨allen, wie z.B. beim Aufprallen eines Balles, eine gute N¨aherung. In anderen F¨allen, wie z.B. beim Autocrash, k¨onnen sie nur f¨ur eine Absch¨atzung des Stoßvorganges verwendet werden. Mit genaueren Berechnungsmethoden, welche durch Computer unterst¨utzt werden, wird das jeweilige Materialverhalten wie z.B. Viskoelastizit¨at oder Viskoplastizit¨at wirklichkeitsnah ber¨ucksichtigt.
9.4 Der gerade zentrische Stoß
347
Abb. 9.9. Einteilung des Stoßes nach Deformationen
9.4 Der gerade zentrische Stoß 9.4.1 Voraussetzungen zum geraden zentrischen Stoß F¨ur den Stoß in Abb. 9.10 gelten folgende Voraussetzungen: 1. Der Stoß ist gerade, d.h. vK1 und vK2 haben die Richtung der Normalen n. 2. Der Stoß ist zentrisch, d.h. die Wirkungslinie W L verl¨auft durch S1 und S2 . 3. Es tritt keine Reibung auf, d.h. W L ≡ n. Mit diesen Voraussetzungen folgt f¨ur die Geschwindigkeiten vK1 = vS1 , vK2 = vS2 , so dass die Angabe der Indizes K und S entfallen kann.
Abb. 9.10. Der gerade zentale Stoß
Mit der Annahme 9.25.2 bleiben Einwirkungen a¨ ußerer Kr¨afte unber¨ucksichtigt. Damit ist der Gesamtimpuls p(t) = m1 v1 (t) + m2 v2 (t) konstant, und es gilt das Impulserhaltungsgesetz (9.8). Lassen wir noch die X-Achse mit der Kontaktnormalen n zusammenfallen, so folgt aus Gl.(9.9.1) die Impulserhaltung in Normalenrichtung m1 v1a + m2 v2a = m1 v1e + m2 v2e = (m1 + m2 )vS .
(9.26)
348
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Zur Bestimmung der Geschwindigkeiten v1e und v2e nach dem Stoß werden im Folgenden die in Abb. 9.9 dargestellen F¨alle getrennt betrachtet. F¨ur den plastischen und den elastischen Stoß werden wir feststellen, dass jeweils eine zus¨atzliche Gleichung ausreichend ist. F¨ur den elastisch-plastischen Stoß ist ein ausf¨uhrlicheres Vorgehen mit Ber¨ucksichtigung der Werkstoffpaarung erforderlich. 9.4.2 Erster Sonderfall: Der elastische Stoß Wir betrachten in Abb. 9.9.a die zwei K¨orper in den Lagen a=I vor und e=II nach dem Stoß. Sie stellen ein abgeschlossenes mechanisches System dar, so dass eine a¨ ußere Arbeit W I,II = W a,e in dem Energiesatz (5.57) nicht auftritt. Zum Zeitpunkt ta sei die potenzielle Energie U a . Zum Zeitpunkt tm w¨ahrend des Stoßes ist ein Teil der kinetischen Energie T a in elastische Form¨anderungsenergie (,,Federenegie”) ΔU m umgewandelt worden. Beim elastischen Stoß sind die w¨ahrend des Stoßes auftretenden Deformationen jedoch vollkommen reversibel. Damit wird der gespeicherte Energiezuwachs ΔU m wieder in kinetische Energie zur¨uckverwandelt, so dass U e =U a am Ende des Stoßes gilt. Wegen W a,e =0 folgt somit aus dem Energiesatz (5.57) die Gleichheit f¨ur die kinetischen Energien vor und nach dem Stoß: Ta = Te =
1 1 1 1 2 2 2 2 + m2 v2a = m1 v1e + m2 v2e . m1 v1a 2 2 2 2
Mit der Impulserhaltung (9.26) erh¨alt man nach einigen Umformungen die Geschwindigkeiten nach dem elastischen Stoß 1 ((m1 − m2 )v1a + 2m2 v2a ) m1 + m2 1 = ((m2 − m1 )v2a + 2m1 v1a ) . m1 + m2
v1e = v2e
(9.27)
9.4.3 Zweiter Sonderfall: Der plastische Stoß Bei dem plastischen Stoß in Abb. 9.9.b bleibt die gesamte Verformung nach dem Zusammentreffen der beiden K¨orper erhalten, und die K¨orper haben die gemeinsame Geschwindigkeit v1e = v2e . Durch Einsetzen dieser Bedingung in die Impulserhaltung (9.26) erh¨alt man die Geschwindigkeiten nach dem plastischen Stoß v1e = v2e =
m1 v1a + m2 v2a . m1 + m2
(9.28)
Die bei dem plastischen Stoß irreversiblen, d.h. bleibenden, Deformationen sind mit einem Energieverlust als Differenz der kinetischen Energien vor und nach dem Stoß verbunden:
1 1 1 2 2 ΔT = Ta − Te = m1 v1a + m2 v2a − (m1 + m2 )ve 2 . (9.29) 2 2 2
9.4 Der gerade zentrische Stoß
349
Durch Einsetzen von Gl.(9.28) erh¨alt man nach einigen Umformungen den Energieverlust beim plastischen Stoß ΔT =
1 m1 m2 (v1a − v2a )2 . 2 m1 + m2
(9.30)
9.4.4 Allgemeiner Fall: Der elastisch-plastische Stoß Der elastisch-plastische Stoß von zwei K¨orpern ist in Abb. 9.9.c veranschaulicht. Bei diesem allgemeinen Fall treten sowohl reversible als auch irreversible Deformationen und somit ein Energieverlust auf. Das Verhalten des elastisch-plastischen Stoßes wird mit den Diagrammen in Abb. 9.11 beschrieben. Das obere Diagramm zeigt die Geschwindigkeiten v1 (t) und v2 (t) der beiden K¨orper 1 und 2 in Abb. 9.9.c u¨ ber der Zeit t. Vor dem Stoß hat der K¨orper 1 die Geschwindigkeit v1a > v2a . Zur Zeit ta kommt es zum ersten Kontakt der beiden K¨orper. In der anschließenden Stoßphase verringert sich die Geschwindigkeit von K¨orper 1, und es erh¨oht sich die Geschwindigkeit von K¨orper 2 solange bis zur Zeit tm die Geschwindigkeiten beider K¨orper gleich sind. Ab der Zeit tm erh¨oht sich die Geschwindigkeit von K¨orper 2, und es verringert sich die Geschwindigkeit von K¨orper 1 solange bis zum Zeitpunkt te kein Kon- Abb. 9.11. Geschwindigkeits-Zeit Diagramm und Krafttakt mehr besteht. Zeit Diagramm beim elastisch-plastischen Stoß Wir k¨onnen die Stoßphase also in zwei Bereiche aufteilen: Das Zeitintervall ta bis tm , in dem beide K¨orper zusammengedr¨uckt werden, wird als Kompressionsphase bezeichnet, und das Zeitintervall tm bis te , in dem die Verformungen ganz oder teilweise zur¨uckgehen, ist die Expansionsphase (gelegentlich auch als Restitutionsphase bezeichnet). Danach bewegen sich die beiden K¨orper unabh¨angig voneinander mit den Geschwindigkeiten v1e und v2e weiter. In dem unteren Diagramm in Abb. 9.11 ist die Kontaktkraft F (t) u¨ ber der Zeit dargestellt, die vor, w¨ahrend und nach dem Stoß auf beide K¨orper wirkt. Ab dem Zeitpunkt ta des ersten Zusammentreffens nimmt diese Kraft von Null beginnend bis zum Umkehrpunkt tm zu, w¨ahrend sie in der Expansionsphase bis zur Zeit te vollkommen auf Null zur¨uckgeht. Lassen wir wieder die X-Achse mit der Kontaktnormalen n zusammenfallen, so erh¨alt man, wie f¨ur die rechte Seite von Gl.(9.2.1), durch Integration der Kraft F (t) u¨ ber die Zeit t f¨ur die Kompressions- und die Expansionsphase die folgenden Kraftimpulse:
350
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Kompressionsimpuls:
FˆK = FˆE =
Expansionsimpuls:
tm
F dt (9.31)
ta te
F dt. tm
Anschaulich geben die beiden Impulskr¨afte in Abb. 9.11 die Fl¨achen unterhalb der Funktion F (t) in der Kompressions- und der Expansionsphase an. Bei einem ideal elastischen, reversiblen Stoß ist der Kraftverlauf symmetrisch zur Zeit tm , so dass FˆK = FˆE . Bei einem ideal plastischen, irrevesiblen Stoß tritt ab der Zeit tm keine Kraft F (t) mehr auf, so dass FˆE = 0 ist. F¨ur den allgemeinen Fall formulieren wie die Stoßhypothese
FˆE = εFˆK ε ≡ Stoßzahl.
(9.32)
Auf Grund der Zusammenh¨ange elastischer Stoß: elastisch-plastischer Stoß: plastischer Stoß:
FˆE = FˆK , ε = 1 FˆE < FˆK , 0 < ε < 1 FˆE = 0, ε = 0
(9.33)
enth¨alt die Hypothese (9.32) die beiden Grenzf¨alle elastischer Stoß und plastischer Stoß. Zur Bestimmung der Geschwindigkeiten v1e und v2e wenden wir den Impulssatz (9.2.1) auf beide K¨orper in Normalenrichtung an. Ber¨ucksichtigen wir dabei, dass die auf den K¨orper 1 wirkende Kontaktkraft F (t) entgegengesetzt gleich groß zu der auf den K¨orper 2 wirkenden Kontaktkraft F (t) ist, so folgt f¨ur die Kompressions- und die Expansionsphase: Impulssatz K¨orper 1:
Impulssatz K¨orper 2:
m1 (vm − v1a ) = −
tm
F dt = −FˆK
tate
m1 (v1e − vm ) = − F dt = −FˆE tm tm m2 (vm − v2a ) = F dt = FˆK ta te m2 (v2e − vm ) = F dt = FˆE .
(9.34)
tm
Mit diesen vier Gleichungen und der Stoßhypothese (9.32) stehen f¨unf Gleichungen f¨ur die f¨unf Unbekannten FˆK , FˆE , vm , v1e , v2e zur Verf¨ugung. Ohne an dieser Stelle auf die Umformungen einzugehen (vgl. hierzu Aufgabe 9.20) ergeben sich folgende Geschwindigkeiten nach dem elastisch-plastischen Stoß m1 v1a + m2 v2a − εm2 (v1a − v2a ) m1 + m2 m1 v1a + m2 v2a + εm1 (v1a − v2a ) = . m1 + m2
1. v1e = 2. v2e
(9.35)
9.4 Der gerade zentrische Stoß
351
F¨ur ε = 0 erh¨alt man die Gleichungen (9.28) f¨ur den plastischen Stoß, w¨ahrend f¨ur ε = 1 die Gleichungen (9.27) f¨ur den elastischen Stoß entstehen. Das Ergebnis (9.35) kann noch zur Herleitung weiterer wichtiger Beziehungen genutzt werden. Beispielsweise liefert die Differenz von Gl.(9.35.1) und Gl.(9.35.2) v2e − v1e =
ε(m1 + m2 ) (v1a − v2a ) m1 + m2 = ε (v1a − v2a ) . m1 + m2 m1 + m2
(9.36)
Damit folgt f¨ur die Stoßzahl ε Die Stoßbedingung
ε=
v2e − v1e . v1a − v2a
(9.37)
F¨ur den gesamten Stoßimpuls Fˆ = FˆK + FˆE und den Energieverlust ΔT = Ta − Te erh¨alt man nach einigen Umformungen folgende Ergebnisse: m1 m2 (v1a − v2a ) m1 + m2
Stoßimpuls
Fˆ
Energieverlust
1 − ε2 m1 m2 (v1a − v2a )2 . ΔT = 2 m1 + m2
= (1 + ε)
(9.38)
F¨ur ε = 1 ist im elastischen Fall somit der Energieverlust gleich Null, w¨ahrend f¨ur ε = 0 im plastischen Fall der Energieverlust maximal wird. In Tabelle 9.1 sind f¨ur einige Matrialpaarungen Werte f¨ur die Stoßzahl ε angegeben. Werkstoffpaarung
Stoßzahl ε
Holz /Holz
≈ 0.5
Stahl/Stahl
0.6...0.8
Glas/Glas
0.94
Kork/Kork
0.5...0.6
Tabelle 9.1. Stoßzahl ε f¨ur einige Werkstoffpaarungen
F¨ur das vorgestellte Berechnungsmodell haben wir im Rahmen einer elementaren Theorie vereinfachend vorausgesetzt, dass die Stoßzahl ε nur von der Werkstoffpaarung abh¨angig ist. Die w¨ahrend des Stoßes zus¨atzlich auftretenden Effekte, wie große Deformationen und werkstoffabh¨angiges Materialverhalten (elastisch, viskoelastisch, plastisch oder viskoplastisch) bleiben wie bereits erw¨ahnt unber¨ucksichtigt. F¨ur viele Stoßvorg¨ange, wie z.B. beim Crash von Automobilen, werden genauere Ergebnisse unter Ber¨ucksichtigung dieser zus¨atzlichen Effekte im Rahmen erweiterter Modelle der Kontinuumsmechanik erhalten. Diese Vorgehensweise ist z.B. Grundlage der Finite-Elemente-Berechnung f¨ur die am Anfang des Kapitels gezeigte Crashbox.
352
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Beispiel 9.4 Bestimmung der Stoßzahl aus Fallversuch Ein Basketball der Masse m1 f¨allt aus der H¨ohe H auf den Boden einer Sporthalle. Nach dem Aufprall erreicht dieser die H¨ohe h. Wie groß ist die Stoßzahl ε? Bekannt: H = 1.5 m, h = 0.55 m. ¨ Voruberlegungen: Sind die vier Geschwindigkeiten v1a , v2a , v1e , v2e bekannt, so kann die Stoßzahl ε mit Gl.(9.37) ermittelt werden. Die Geschwindigkeiten des Hallenbodens vor und nach dem Aufprall sind v2a = v2e = 0. Zur Bestimmung der Geschwindigkeiten des Balles v1a und v1e vor und nach dem Aufprall wird der gesamte Bewegungsablauf in drei Phasen zerlegt: 1) Fallen des Balles, 2) Stoß zwischen Ball und Boden, 3) Aufsteigen des Balles. Die zugeh¨origen vier Lagen des Balles sind - Lage b: vor dem Fallen, - Lage a: Stoßbeginn, - Lage e: Stoßende, - Lage c: nach dem Aufsteigen. Eine zweifache Anwendung des Energiesatzes (4.44) Abb. 9.12. Bestimmung der Stoßzahl aus Fallversuch f¨ur Phase 1) und Phase 3) liefert die gesuchten Geschwindigkeiten v1a und v1e . ¨ L¨osung: Wir legen das Nullniveau N N in H¨ohe des Hallenbodens. F¨ur den Ubergang von Lage b in Lage a in Phase 1) lautet der Energiesatz (4.44) Ub + Tb = Ua + Ta ,
1 2 wobei Ub = m1 gH, Tb = 0, Ua = 0, Ta = m1 v1a . 2
Damit folgt 1 2 m1 g H = m1 v1a 2
=⇒
v1a =
2gH.
¨ Mit dem Energiesatz f¨ur den Ubergang von Lage e in Lage c in Phase 3) erh¨alt man Ue + Te = Uc + Tc
=⇒
1 2 m1 g h = m1 v1e 2
=⇒
v1e =
2gh.
F¨ur die Anwendung von Gl.(9.37) in Phase 2) m¨ussen wir ein unterschiedliches Vorzeichen f¨ur v1a und v1e ber¨ucksichtigen. Mit v2a = v2e = 0 f¨ur den Hallenboden erhalten wir folgendes Ergebnis f¨ur die Stoßzahl √ 2gh v2e − (−v1e ) −(−v1e ) h ε= = =√ = 0.61. = v1a − v2a v1a H 2gH
9.4 Der gerade zentrische Stoß
353
Beispiel 9.5 Einrammen eines Pfahles (aus Referenz [16]) Ein Pfahl der Masse m1 soll in den Erdboden eingerammt werden. Dazu wird ein Rammb¨ar der Masse m2 aus der H¨ohe H auf den Pfahl fallen gelassen. Nach dem Stoß sinken Rammb¨ar und Pfahl um die Wegstrecke h in den Boden. Gesucht sind a) b) c) d)
die Geschwindigkeit von Pfahl und Rammb¨ar nach dem Stoß, der Energieverlust ΔT , die Widerstandskraft FR , der Wirkungsgrad η.
Bekannt: m1 = 1500 kg, m2 = 200 kg, H = 2 m, h = 2 cm. Hinweis: Nach dem Aufprall haben Pfahl und Rammb¨ar die gleiche Geschwindigkeit .
Abb. 9.13. Einrammen eines Pfahles
¨ Voruberlegungen: Der gesamte Bewegungsablauf von Rammb¨ar und Pfahl wird in drei Phasen zerlegt: 1) Fallen des Rammb¨ars, 2) Stoß zwischen Rammb¨ar und Pfahl und 3) gemeinsames Einsinken von Rammb¨ar und Pfahl. In Abb. 9.13 werden die zugeh¨origen vier Lagen eingef¨uhrt: Lage b: vor dem Fallen, Lage a: Stoßbeginn, Lage e: Stoßende, Lage c: nach dem Einsinken. In Phase 1) ist die Geschwindigkeit des Pfahles gleich Null, w¨ahrend die Geschwindigkeit f¨ur den Rammb¨ar mit dem Energiesatz (4.44) erhalten wird. Da Pfahl und Rammb¨ar nach dem Stoß die gleiche Geschwindigkeit haben, wird Phase 2) mit Gl.(9.28) f¨ur den plastischen Stoß behandelt. Zur Ermittlung der Widerstandskraft FR in Phase 3) verwenden wir den Energiesatz (5.57) f¨ur das System Pfahl und Rammb¨ar. Der Wirkungsgrad wird in Anlehnung an Gl.(4.28) ermittelt.
354
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
L¨osungen: ¨ a) F¨ur den Ubergang von Lage b in Lage a in Phase 1) lautet der Energiesatz (4.44) f¨ur den Rammb¨ar Ub + Tb = Ua + Ta . Mit den Potenzial- und Energieanteilen in den Lagen b und a 1 2 Ub = m1 gH, Tb = 0, Ua = 0, Ta = m1 v1a 2 erh¨alt man die Geschwindigkeit des Rammb¨ars in der Lage a m 1 2 =⇒ v1a = 2gH = 6.26 . m1 gH = m1 v1a 2 s F¨ur die gemeinsame Geschwindigkeit von Pfahl und Rammb¨ar in Phase 2) folgt aus Gl.(9.28) m1 v1a + m2 v2a m1 v1a m = = 5.52 . v1e = v2e = ve = m1 + m2 m1 + m2 s b) Der Energieverlust ist nach Gl.(9.30) 1 m1 m2 (v1a − v2a )2 = 3457 Nm. 2 m1 + m2 c) Zur Bestimmung der Widerstandskraft FR formulieren wir den Energiesatz (5.57) f¨ur das starre Massenpunktsystem in Phase 3). F¨ur das System Pfahl und Rammb¨ar gilt f¨ur den ¨ Ubergang von Lage e in Lage c ΔT =
Ue + Te + We,c = Uc + Tc . Hierbei berechnen wir die Potenzialanteile und die kinetischen Energien sowie die Arbeit der Reibungskraft wie folgt: 1 (m1 + m2 ) ve2 , Uc = 0, Tc = 0, We,c = −FR h. 2 Durch AuÀ¨osen nach der Widerstandskraft FR erh¨alt man
m1 + m2 1 FR = gh + ve2 h 2 1500 + 200 1700 = (0.2 + 15.25) ≈ 15.25 = 1313 · 103 N. 0.02 0.02 d) In Anlehnung an Gl.(4.28) wird mit der oben durchgef¨uhrten N¨aherung f¨ur den Term gh + 1/2 ve2 der Wirkungsgrad wie folgt bestimmt: Ue = (m1 + m2 )gh, Te =
(m1 + m2 )(gh + 12 ve2 ) (m1 + m2 ) 12 ve2 Nutzarbeit FR h η= = = ≈ 1 m v2 1 m v2 Hubarbeit m1 gH 2 1 1a 2 1 1a
2 m1 v1a (m1 + m2 ) 12 m1 1 m1 + m2 = = =1+ = 0.88. 1 m v2 m + m m /m 1 2 2 1 2 1 1a
9.4 Der gerade zentrische Stoß
355
Beispiel 9.6 Auffahrunfall von zwei Personenkraftwagen Ein Auffahrunfall von zwei Personenkraftwagen soll mit der Stoßbedingung abgesch¨atzt werden. Dabei f¨ahrt ein PKW 1 der Masse m1 auf einen stehenden PKW 2 der Masse m2 auf, der nach einer Rutschl¨ange l zum Stehen kommt. Welche Geschwindigleit v1a hat der PKW 1 vor dem Aufprall, wenn ein gerader, zentrischer Stoß angenommen wird? Bekannt: m1 , m2 , l, μ, ε, v2a = 0.
Abb. 9.14. Auffahrunfall von zwei Personenkraftwagen
¨ Voruberlegungen: Der gesamte Bewegungsvorgang wird in zwei Phasen zerlegt: 1) der Stoß zwischen PKW 1 und PKW 2 und 2) das Rutschen von PKW 2. Die zugeh¨origen drei Lagen sind: Lage a: Stoßbeginn, Lage e: Stoßende, Lage b: nach dem Rutschen. Da die Rutschl¨ange l und der Reibungskoeef¿zient μ f¨ur PKW 2 bekannt sind, kann f¨ur Phase 2) die Geschwindigkeit v1e nach dem Stoß mit dem Arbeitssatz berechnet werden. Anschließend wird in Phase 1) die Anfangsgeschwindigkeit v1a mit der Stoßbedingung (9.37) berechnet. ¨ L¨osung: Der Arbeitssatz (4.36) f¨ur den Ubergang von Lage e nach Lage b in Phase 2) lautet f¨ur PKW 2 b We,b = Tb − Te ,
wobei We,b =
F d s,
1 T = m2 v 2 . 2
e
Mit der unbekannten Geschwindigkeit v2e in Lage e und der Geschwindigkeit v2b = 0 in Lage b folgt f¨ur die kinetischen Energien und die Reibungsarbeit Tb = 0,
1 2 Te = m2 v2e , We,b = 2
b F d s = −Rl = −μm2 gl e
und somit 1 2 −μm2 l = 0 − m2 v2e 2
=⇒
v2e =
2μlg.
356
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Aus der Stoßbedingung (9.37) f¨ur Phase 1) wird eine Bedingung f¨ur v1e erhalten ε=
v2e − v1e v2e − v1e = v1a − v2a v1a
=⇒
v1e = −εv1a + v2e = −εv1a +
2μlg.
Durch Gleichsetzen dieser Bedingung mit der Geschwindigkeit v1e in Gl. (9.35) folgt v1e =
m1 v1a + m2 v2a − εm2 (v1a − v2a ) m1 v1a − εm2 v1a = = −εv1a + 2μlg, m1 + m2 m1 + m2
so dass nach AuÀ¨osen schließlich das gesuchte Ergebnis f¨ur v1a erhalten wird
m1 + m2 m1 − εm2 + εm1 + εm2 = 2μlg =⇒ v1a = 2μlg . v1a m1 + m2 (1 + ε)m1
9.4.5 Aufgaben zu Abschnitt 9.4 Aufgabe 9.19 (SG = 2) Auf einem Bahnhof be¿nden sich drei G¨uterwagen im Rangierbetrieb. Vor dem Stoß haben sie die Anfangsgeschwindigkeiten v1 , v2 , v3 und die Abst¨ande a und 4a. Bestimmen Sie die Geschwindigkeiten f¨ur die F¨alle 1. plastischer Stoß, 2. elastischer Stoß, 3. elastisch-plastischer Stoß. Bekannt: m1 , m2 , m3 , v1 , v2 = 0, v3 = −3v1 , a.
Aufgabe 9.20 (SG = 1) Leiten Sie unter Verwendung der Stoßhypothese (9.32) und den Gleichungen (9.35) die Gleichungen (9.35) bis (9.38) her.
9.4 Der gerade zentrische Stoß
Aufgabe 9.21 (SG = 2) Zwei Billiardkugeln mit den Massen m1 und m2 haben vor dem Stoß die gleiche Bewegungssrichtung. Die Anfangsgeschwindigkeit v1a der Kugel 1 ist bekannt. Die Stoßzahl ist ε.
m1
m2
v1
v2
357
1. Wie groß muss die Geschwindigkeit v2a der Kugel 2 vor dem Stoß sein, damit die Kugel 1 nach dem Stoß die Geschwindigkeit αv1a hat? 2. Wie groß ist die Geschwindigkeit der Kugel 2 nach dem Stoß? Bekannt: α, β, m1 = m, m2 = βm, v1a , ε.
Aufgabe 9.22 (SG = 3) Ein Billiardspieler will eine Kugel 2 mit Hilfe der Kugel 1 in das Loch B stoßen. Vor dem teilelastischen Stoß (Stoßzahl ε) beider Kugeln im Punkt C bewegt sich Kugel 1 mit der Geschwindigkeit v1a in Richtung eY und Kugel 2 mit der Geschwindigkeit v2a in Richtung eX . Beide Kugeln haben die Masse m. 1. Bestimmen Sie die Geschwindigkeiten der beiden Kugeln vor dem Stoß bez¨uglich der Basisvektoren et , en . 2. Bestimmen Sie die Geschwindigkeiten der beiden Kugeln nach dem Stoß bez¨uglich der Basisvektoren et , en und eX , eY . 3. Wie groß muss die Geschwindigkeit v1a in Abh¨angigkeit von v2a vor dem Stoß sein, damit das Loch getroffen wird? 4. Bestimmen Sie mit v1a aus Aufgabenteil 3 den bei dem Stoß abgegebenen Energieverlust ΔW in Abh¨angigkeit von v2a . Bekannt: v1 = v1a eY , v2 = v2a eX , ε = 1/2, β = 45o , α = 60o , m, R.
358
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Aufgabe 9.23 (SG = 3) Eine Billiardkugel der Masse m1 st¨oßt mit der Geschwindigkeit v1 im Punkt P auf die ruhende Masse m2 . Beim Stoß ¿ndet nur in Richtung der Stoßnormalen ein Impulsaustausch statt. Die Stoßzahl ist ε. Bestimmen Sie 1. die Geschwindigkeitsvektoren v1a und v2a vor dem Stoß sowie v1e und v2e nach dem Stoß bez¨uglich der Basis et und en , 2. die Geschwindigkeitsvektoren v1a und v2a vor dem Stoß sowie v1e und v2e nach dem Stoß bez¨uglich der Basis eY und eX , 3. die Winkel β1 und β2 f¨ur die Bewegungen von m1 und m2 nach dem Stoß, 4. den Energieverlust Wstoß in Abh¨angigkeit vom Winkel β. Bekannt: m1 = m, m2 = m, v1a , v2a = 0, β, ε.
Aufgabe 9.24 (SG = 3) In der dargestellten Anlage werden Golfb¨alle der Masse m im Punkt A mit einer Federkanone abgeschossen. Deren Federkonstante hat den Wert K. Nach dem Abschuß durchlaufen die B¨alle die Bahn BCD. Im Punkt C mit glatter OberÀ¨ache ¿ndet ein inelastischer Stoß mit der Stoßzahl ε statt. 1. Wie groß muss die Federvorspannung sF sein, damit der Punkt C getroffen wird? 2. Berechnen Sie die Stoßzahl ε, damit der Ball in dem Loch D landet. Wie lange dauert der Flug von B nach C? 3. Wie groß ist der Energieverlust infolge des Stoßes? Bekannt: m, K, β = 60o , g, hA , hB , LC , LD .
9.5 Der exzentrische Stoß
359
9.5 Der exzentrische Stoß 9.5.1 Formulierung des Impuls- und des Drehimpulssatzes Bei den zentrischen St¨oßen in Abb. 9.7.a und Abb. 9.7.c des vorherigen Abschnittes 9.4 verlaufen die Wirkungslinien W L der Impulskr¨afte jeweils durch die Schwerpunkte der beteiligten K¨orper. Bei realen Stoßvorg¨angen trifft dieses h¨au¿g jedoch nicht zu. Beispielsweise entsteht beim Aufprall der Schranke auf einen Pfosten in Abb. 9.15 eine Impulskraft FˆB im Auftreffpunkt B, welcher nicht mit dem Schwerpunkt S der ¨ Schranke zusammenf¨allt. Gem¨aß der Ubersicht in Abb. 9.7 liegt ein exzentrischer Stoß vor, f¨ur den im Allgemeinen die geschlossenen Formeln aus Abb. 9.15. Exzentrischer Stoß beim Aufprall einer Schranke Abschnitt 9.4 nicht anwendbar sind. In diesem Abschnitt werden die wesentlichen Gleichungen zur Ber¨ucksichtigung des exzentrischen Stoßes zweier glatter K¨orper zusammengefasst. Zu diesem Zweck werden außer den Impulsgleichungen f¨ur Kr¨afte auch Drehimpulsgleichungen f¨ur Momente formuliert. Des Weiteren wird eine Stoßbedingung f¨ur die Kontaktzone angegeben. Abb. 9.16 veranschaulicht den exzentrischen Stoß zweier glatter K¨orper. Ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass in dem Augenblick des Stoßes die X- und x- Richtungen des raumfesten und des k¨orperfesten Koordinatensystems mit der Kontaktnormalen n zusammenfallen. Die Geschwindigkeitszust¨ande sind durch die Schwerpunktgeschwindigkeiten v1S , v2S und die Winkelgeschwindigkeiten ω1 , ω2 gegeben. In Abb. 9.16.b S , v S , v S und v S in den Koordinatenrichtungen eingetragen. sind die zugeh¨origen Anteile v1x 1y 2x 2y Die Gr¨oßen vor dem Stoß m¨ussen von den Gr¨oßen nach dem Stoß mit den weiteren Indizes a und e unterschieden werden. Auf Grund der glatten Oberf¨ache f¨allt die Wirkungslinie W L
Abb. 9.16. Exzentrischer Stoß f¨ur zwei starre K¨orper mit glatter OberÀ¨ache a) Geschwindigkeiten und Kraftimpulse, b) Freischnitt und Zerlegung in Koordinatenrichtungen. Die eingetragenen Werte f¨ur Geschwindigkeiten, Kr¨afte und Winkelgeschwindigkeiten sind als Absolutwerte zu verstehen.
360
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
der Kontaktkr¨afte mit der Richtung n der Kontaktnormalen zusammen. In Abb. 9.16.b sind beispielhaft die auftretenden Impulskr¨afte im Kontaktpunkt Fˆx , Fˆy in den Koordinatenrichtungen sowie die aus dem Stoß resultierenden Impulskr¨afte Aˆx , Aˆy an dem starren Lager eingetragen. Wir wenden den Impulssatz in der Form (9.2) auf beide K¨orper an und erhalten 1. x :
S m1 (v1xe
−
2. y :
S m1 (v1ye
S ) − v1ya
S ) v1xa
=
n1
Fˆ1ix ,
S m2 (v2xe
−
S v2xa )
Fˆ1iy ,
S m2 (v2ye
−
S v2ya )
=
i=1
=
n1
n2
Fˆ2ix (9.39)
i=1
=
i=1
n2
Fˆ2iy .
i=1
Hierbei kennzeichnen Fˆ1ix und Fˆ1iy die n1 Impulskr¨afte f¨ur K¨orper 1 in den Koordinatenrichtungen. In gleicher Weise wird diese Notation auf K¨orper 2 angewendet. Zus¨atzlich wird f¨ur jeden K¨orper eine Impulsgleichung f¨ur die Momente formuliert. Als erste M¨oglichkeit wenden wir dazu den Drehimpulssatz in der Form (9.19) auf beide K¨orper an, wobei deren F¨uhrungspunkte F1 und F2 mit den Schwerpunkten S1 und S2 zusammenfallen: F1 = S1 :
(S)
1. ϕz :
Θ1z (ω1e − ω1a ) =
2. ϕz :
(S) Θ2z (ω2e
n1
ˆ (S) M 1iz
i=1
F2 = S2 :
− ω2a ) =
n2
ˆ (S) . M 2iz
(9.40)
i=1
ˆ (S) die Impulsmomente beider K¨orper. In der zweiten ˆ (S) und M Hierbei kennzeichnen M 1iz 2iz M¨oglichkeit lassen wir die F¨uhrungspunkte F1 und F2 mit verschiedenen festen Bezugspunkten 01 und 02 (z.B. Auflager) zusammenfallen. Aus Gl.(9.19) folgt dann F1 = 01 :
(0)
1. ϕz :
Θ1z (ω1e − ω1a ) =
2. ϕz :
(0) Θ2z (ω2e
n1
ˆ (0) M 1iz
i=1
F2 = 02 :
− ω2a ) =
n2
ˆ (0) . M 2iz
(9.41)
i=1
Im Einzelfall ist auch eine Kombination der Gleichungen (9.40) und (9.41) von Vorteil. Als weitere Gleichung u¨ bertragen wir die Stoßbedingung (9.37) K − vK v2xe 1xe ε= K K v1xa − v2xa
(9.42)
formal auf den exzentrischen Stoß. Hierbei ist zu beachten, dass in Gl.(9.42) die Geschwindigkeiten des Kontaktpunktes K in Normalenrichtung eingehen, w¨ahrend in den Gleichungen (9.39) bis (9.40) die Geschwindigkeiten der Schwerpunkte S1 , S2 verwendet werden m¨ussen. K , v K , v K und v K in Richtung der KoordiIn Abb. 9.16.b sind die Geschwindigkeiten v1x 1y 2x 2y natenrichtungen f¨ur die K¨orper 1 und 2 eingetragen. Bez¨uglich der Vorzeichenregelung in den Gleichungen (9.39) - (9.42) gilt: Die Koef¿zienten f¨ur Geschwindigkeiten, Kr¨afte und Winkelgeschwindigkeiten sind positiv, wenn sie in positive Koordinatenrichtungen zeigen.
9.5 Der exzentrische Stoß
361
Beispiel 9.7 Aufprall eines Motorrades mit Fahrer F¨ur das Motorrad mit Fahrer in Beispiel 2.18 sind die Geschwindigkeit des Gesamtschwerpunktes und die Winkelgeschwindigkeit unmittelbar nach dem Aufprall gesucht. Dabei wird eine horizontale Impulskraft Fˆx vernachl¨assigt. (S)
Bekannt: vaS = |vaS |, ωa , β vor dem Aufprall, dS , hS , Θz , Stoßzahl ε, Gesamtmasse m. ¨ Voruberlegung: Grundlage der Berechnung sind 1. die Impulsgleichungen (9.39) und (9.40) mit Bezugspunkt F =S, 2. die Stoßbedingung (9.42) und 3. kinematische Beziehungen zwischen den Geschwindigkeiten der Punkte S und K. L¨osung: Mit der Impulskraft Fˆy in Abb. 9.17 lauten die Impulsgleichungen (9.39) und (9.40) f¨ur das System Motorrad mit Fahrer S − vS ) = F ˆx = 0 x : m(vxe xa
(1)
S − vS ) = F ˆy y : m(vye ya
(2)
ϕz :
(S) Θz (ωe
− ωa ) =
ˆ z(S) M
Abb. 9.17. Aufprall eines Motorrades mit Fahrer
= −Fˆy dS . (3)
Aus Beispiel 2.18 erh¨alt man folgende kinematische Beziehungen vor dem Stoß S = v S cos β, v K = v S + ω h , v S = −v S sin β, v K = v S − ω d . vxa a S a S a xa ya a ya xa ya
(4)
S , v K und die Winkelgeschwindigkeit ω nach F¨ur den Fall, dass die Geschwindigkeiten vye e ye dem Stoß in positive Koordinatenrichtungen gerichtet sind, folgt der Zusammenhang
K = vS − ω d . vye e S ye
(5)
Mit der Annahme, dass der Untergrund sich nicht bewegt, folgt aus der Stoßbedingung (9.42) f¨ur den Kontaktpunkt K (Untergrund entspricht K¨orper 2 in Gl.(9.42)) K − vK K v2ye −vye ye ε= K = . K K vya vya − v2ya
(6)
S = v S = v S cos β, und aus den Gleichungen (4) bis (6) folgt Wegen Gl.(1) und (4) gilt vxe xa a
K K S = −εvya =⇒ vye − ωe dS = −ε(−vaS sin β − ωa dS ). vye
Aus Gl.(2) und Gl.(3) erh¨alt man S S − vya )dS . Θz(S) (ωe − ωa ) = −m(vye
Nach weiteren Umformungen ergeben sich die gesuchten Geschwindigkeiten wie folgt: 1 ωe = (S) ωa (Θz(S) − εmd2S ) + vaS sin βmdS (1 + ε) Θz + md2S S = εv S sin β + ω d + εω d . vye e S a S a
362
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Beispiel 9.8 Der Stoßmittelpunkt Ein starrer K¨orper der Masse m ist in dem starren Lager A drehbar gelagert. In der Ruhelage erf¨ahrt er pl¨otzlich einen Stoßimpuls Fˆ . a) Wie groß sind die Lagerimpulskr¨afte Aˆx , Aˆy ? b) Welche Lage muss das Lager A haben, bzw. welche Werte m¨ussen xS und yS annehmen, damit Aˆx und Aˆy verschwinden? (A)
Bekannt: m, Θz , b, nur f¨ur Teil a) yS , xS . ¨ Voruberlegungen: F¨ur den K¨orper formulieren wir zwei Impulsgleichungen (9.39) f¨ur Kr¨afte und eine Impulsgleichung (9.41.1) bez¨uglich des Punktes A f¨ur Momente. Weitere Gleichungen werden als kinematische Beziehungen bereitgestellt.
Abb. 9.18. Stoß auf starr gelagerten K¨orper
L¨osung: a) Die Impulsgleichungen (9.39) und (9.41.1) lauten x:
S − v S ) = mv S m(vxe xa xe
= Aˆx
(1)
y:
S − v S ) = mv S m(vye ya ye
= Aˆy + Fˆ
(2)
ϕz :
(A) (A) ˆ z(A) = Fˆ b. Θz (ωe − ωa ) = Θz ωe = M
(3)
F¨ur den festen Drehpunkt A in Abb. 9.18 erhalten wir mit Gl.(6.10.1) die Geschwindigkeiten S = −ω y vxe e S
(4),
S =ω x . vye e S
(5)
¨ Die Vorzeichen folgen aus der Uberlegung, dass gem¨aß Abb. 9.18 ein positiver Wert f¨ur ωe (,,von x nach y” ) einen negativen und einen positiven Wert f¨ur die Geschwindigkeiten in xS = 0, v S = 0, ω = 0 stehen damit und y-Richtung erzeugt. Mit Ber¨ucksichtigung von v1xa a 1ya S , vS , ω , A ˆ ˆ , A zur Verf¨ugung. Nach f¨unf Gleichungen f¨ur die f¨unf Unbekannten v1xe e x y 1ye einigen Umformungen folgt S = −mω y = −mF ˆ b yS Aˆx = mvxe e S (A) Θz mx b S S −F ˆ = mωe xS − Fˆ = Fˆ −1 . Aˆy = mvye (A) Θz
(6) (7)
b) Aus der Forderung, dass die Impulskr¨afte verschwinden, erh¨alt man mit den Gleichungen (6) und (7) wie folgt die Abst¨ande des Lagers vom Schwerpunkt: (A)
Θz . mb Bemerkung: Ein Punkt, in dem bei einem Stoß die Impulskr¨afte gleich Null sind, wird als Stoßmittelpunkt bezeichnet. Die Kenntnis dieses Punktes wird z.B. bei Meßger¨aten, Schlagwerkzeugen und Sportartikeln ausgenutzt, um große Stoßwirkungen zu vermeiden. Aˆx = 0
=⇒
yS = 0,
Aˆy = 0
=⇒
xS =
9.5 Der exzentrische Stoß
363
Beispiel 9.9 Aufprall einer Schranke auf einen Pfosten Die Schranke aus Beispiel 6.18 f¨allt wie skizziert aus einer senkrechten Ausgangslage (ϕ = 0) auf einen Pfosten. Am unteren Ende der Schranke ist ein Gegengewicht der Masse m2 angebracht. Gesucht sind a) die Impulskraft im Pfosten B infolge des Aufpralls, b) der Abstand b, damit keine Impulskraft im Pfosten A auftritt. Die Schranke darf als d¨unner Stab behandelt werden. Bekannt: L¨ange l und Masse m1 = m der Schranke, Abstand der Pfosten b, Masse des Gegengewichtes m2 = m/2.
Abb. 9.19. Aufprall einer Schranke auf einen Pfosten
¨ Voruberlegungen: Da das Lager A fest ist, wird die Impulskraft FˆB im Pfosten B zweckm¨aßig mit dem F¨uhrungspunkt F = A und der Drehimpulsgleichung (9.41) bestimmt. Zus¨atzlich wird die Stoßbedingung (9.42) f¨ur die Geschwindigkeiten im Punkt B verwendet. Die AnB unmittelbar vor dem Stoß k¨ onnen den Ergebnissen aus fangsgeschwindigkeiten ωa und v1a Beispiel 6.18 entnommen werden. L¨osung: a) Mit dem F¨uhrungspunkt A und dem gew¨ahlten Koordinatensystem in Abb. 9.19 lautet die Drehimpulsgleichung (9.41) (A) ϕz : Θz (ωe − ωa ) = −FˆB b.
(1)
Wir kennzeichnen die Geschwindigkeiten der Schranke im Auftreffpunkt B vor und nach B und v B und die Geschwindigkeiten des Pfostens mit v dem Stoß mit v1a P a und vP e . Diese 1e Gr¨oßen sind positiv, wenn sie in y-Richtung des Koordinatensystems in Abb. 9.19 gerichtet sind. Da vP a und vP e verschwinden, lautet die Stoßbedingung (9.37) ε=
B −v B v1e v1e Pe = . B B vP a − v1a −v1a
(2)
B , v B und die Winkelgeschwindigkeiten ω , ω erh¨ F¨ur die Geschwindigkeiten v1a alt man mit e a 1e ¨ Gl.(6.10.1) und weiteren Uberlegungen zu den Vorzeichen die Beziehungen B =ω b v1a a
(3),
B = ω b. v1e e
(4)
B , v B zur Verf¨ ugung. Durch Damit stehen 4 Gleichungen f¨ur die vier Unbekannten FˆB , ωe , v1a 1e Einsetzen von Gl.(3) und Gl.(4) in Gl.(2) folgt B = −v B v1e 1a
=⇒
ωe b = −ωa b
=⇒
ωe = −ωa .
364
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper (A)
Mit diesem Ergebnis und dem Massentr¨agheitsmoment Θz = 17ml2 /6 in Beispiel 6.18 folgt aus Gl.(1) schließlich 1 1 1 17 2 ml ωa (1 + ). FˆB = Θz(A) (ωa − ωe ) = Θz(A) ωa (1 + ) = b b b 6 b) Aus der Impulsgleichung (9.40.2) folgt m(veS − vaS ) = −FˆA − FˆB . Nutzen wir unter Anwendung von Gl.(6.10.1) die kinematischen Beziehungen vaS = ωa l,
veS = ωe l = −ωa l,
so folgt f¨ur die Impulskraft im Lager A FˆA = −FˆB + m(vaS − veS )
1 17 2 17 l = . ml ωa (1 + ) + mωa l(1 + ) = (1 + )m l ωa 1 − b 6 6 b ,. + 0
Die Impulskraft FˆA verschwindet, falls der Klammerausdruck zu Null wird. Damit folgt f¨ur den Abstand b der beiden Pfosten 17 l. b= 6
9.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 9.5 Aufgabe 9.25 (SG = 2) Ein d¨unner Stab der Masse m2 liegt auf einer Ebene und ist im Fall a) drehbar gelagert, im Fall b) hat er keine Lagerung. In der Ruhelage des Stabes prallt eine Punktmasse m1 auf den Punkt B. 1. Wie groß ist in beiden F¨allen die Schwerpunktgeschwindigkeit des Stabes nach dem Stoß? 2. Wie groß sind die Impulskr¨afte im Lager A im Fall a? Bekannt: Massen m1 = 0.1 m, m2 = m, L¨ange l, ε = 0.7.
9.5 Der exzentrische Stoß
365
Aufgabe 9.26 (SG = 3) Eine Pendelstange (Masse m2 ), die n¨aherungsweise als d¨unner Stab der L¨ange L betrachtet werden kann, ist im Punkt A gelenkig gelagert und wird aus horizontaler Lage fallen gelassen. In senkrechter Lage trifft sie auf eine Kiste, wobei ein elastischplastischer Stoß statt¿ndet. 1. Bestimmen Sie die Winkelgeschwindigkeit ω2a der Pendelstange unmittelbar vor dem Stoß. 2. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit der Kiste unmittelbar nach dem Stoß in Abh¨angigkeit von der Stoßzahl ε. 3. Bestimmen Sie die Stoßzahl ε, so dass die Rechteckmasse in der dargestellten Lage liegen bleibt. Dabei gleitet die Kiste mit dem Gleitreibungskoef¿zient μ. Bekannt: L, L2 , m1 , m2 , μ, g, ε. Aufgabe 9.27 (SG = 2) Ein Winkel der Masse m2 liegt auf einer Ebene und ist im Fall a) drehbar gelagert, im Fall b) hat er keine Lagerung. In der Ruhelage des Winkels prallt eine Punktmasse m1 auf den Punkt B. 1. Wie groß ist in beiden F¨allen die Schwerpunktgeschwindigkeit des Winkels nach dem Stoß? 2. Wie groß sind die Impulskr¨afte im Lager A im Fall a? 3. Wo liegt der Stoßmittelpunkt? Bekannt: Massen m1 = 0.1 m, m2 = m, Abmessungen b, c, ε = 0.7.
366
9 Impuls, Drehimpuls und Stoß starrer K¨orper
Aufgabe 9.28 (SG = 3) Zwischen zwei Personenkraftwagen kommt es zu einem Zusammenstoß. Die Anfangsgeschwindigkeiten der beiden Wagen mit den Massen m1 und m2 sind v1a und v2a . Zur vereinfachten Absch¨atzung wird ein exzentrischer Stoß mit den dargestellten Abmessungen und der Stoßzahl ε f¨ur elastisch-plastisches Verhalten angenommen. Beide PKWs werden durch zusammengesetze Quader angen¨ahert, wobei sich die Massen m1 und m2 wie skizziert jeweils aufteilen. Wie groß sind die Schwerpunktgeschwindigkeiten und die Winkelgeschwindigkeiten der beiden PKWs nach dem Stoß? Bekannt: v1a = 80 km/h, v2a = 60 km/h, ε = 0.4, m1 = 1100 kg, m2 = 1320 kg.
Aufgabe 9.29 (SG = 3) Der dargestellte Quader f¨allt aus der Ruhelage unter einem Winkel β1 in eine horizontale Lage mit β = 0. Welchen maximalen Winkel β2 erreicht der Quader nach dem Aufprall, wenn der Stoß im Auftreffpunkt P mit der Stoßzahl ε ber¨ucksichtigt wird? Bekannt: a, b, β1 , m, ε.
9.5 Der exzentrische Stoß
367
Aufgabe 9.30 (SG = 3) Ein Fußball mit Radius r wird aus der Ruhelage wie dargestellt exzentrisch mit dem Fuß getroffen. Die Stoßkraft ist horizontal. Zwischen dem Ball und dem nassen Boden wird keine Reibung aufgenommen. 1. Welchen Wert muss die H¨ohe h haben, damit der Ball nach dem Stoß sofort rollt? 2. Wie groß ist der Haftreibungskoef¿zient μH ?
Aufgabe 9.31 (SG = 3) Auf einem Jahrmarkt soll ein ,,Hau-den-Lukas” eingerichtet werden. Dieser besteht aus einem Hammer (Masse mH ), einer Wippe (Masse mW ) und einer Kugel (Masse mK ). Die Kugel liegt in der Ausgangslage auf der Wippe.
Der Hammer trifft die Wippe mit einer senkrecht gerichteten Geschwindigkeit vHa . Der Stoßvorgang zwischen Hammer und Wippe ist elastisch-plastisch mit der Stoßzahl ε. Die Kugel wird in der H¨ohe h von einer Feder (Stei¿gkeit c) aufgefangen. Die Wippe wird als d¨unner Stab behandelt. 1. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit vHe der Kugel nach dem Stoßvorgang, so dass die Feder um die Strecke s gestaucht wird. 2. Wie groß muss die Geschwindigkeit vHa des Hammers sein, damit die Federauslenkung s erreicht wird? 3. Nach welcher Zeit te erreicht die Kugel die Feder? Bekannt: a, g, h, s, c, mH , mK , mW , ε = 0.7.
,,Die Tacoma-Br¨ucke u¨ berspannte eine Meeresenge bei der Stadt Tacoma im Bundesstaat Washington der USA. Bald nach der Er¨offnung beobachtete man schon bei leichtem Wind ein Vibrieren. Die Leute nannten sie daher ,,Galloping Gertie”. Am 7. November 1940 begann der Mittelteil der Br¨ucke bei nicht allzu starkem Wind zu schwingen. Physikalischer Hintergrund: Bei einer Windgeschwindigkeit von 60 km/h f¨uhrte der Mittelteil der Br¨ucke Auf- und Abschwingungen mit einer Frequenz von 0.6 Hz und einer Schwingungsweite von 0.5 m aus. Dann setzte eine Drehschwingung mit einer Frequenz von 0.2 Hz ein. Zeitweise war der linke Gehweg 8,5 m h¨oher als der rechte und umgekehrt. Der Grund f¨ur den Einsturz war die Resonanz: Der Wind hatte die Br¨ucke zu Schwingungen in ihrer Eigenfrequenz angeregt. Die gleichm¨aßige Wind verursachte immer st¨arkere Schwingungen und bewirkte so die Katastrophe. Die Br¨ucke wurde in gleicher Bauweise neu errichtet. Jedoch versteifte man die Konstruktion und a¨ nderte so die Eigenfrequenz. Normale Windst¨arken k¨onnen ihr jetzt nichts mehr anhaben. Eine Folge dieses Br¨uckeneinsturzes war, dass heute alle H¨angebr¨ucken vor ihrem Bau als Modell im Windkanal getestet werden.” (Zitat aus [35])
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Fl¨ussige und feste K¨orper in Natur und Technik unterliegen h¨au¿g Bewegungen mit zeitlichen Schwankungen und Wiederholungen. Beispiele sind der Wellengang auf See, der elektrische Stromkreis, die periodische Bewegung eines Betonr¨uttlers sowie die zyklische Belastung einer Materialprobe bei der Werkstoffpr¨ufung. F¨ur derartige Vorg¨ange formulieren wir die Definition Schwingung Zustands¨anderung eines Systems, bei der eine Ausgangslage mindestens zweimal in unterschiedlicher Richtung durchlaufen wird.
(10.1)
Abb. 10.1. Schwingende mechanische Systeme: a) Schaukelbewegung eines Kindes, c) Horizontalschwingung eines Fernsehturmes, b) Drehschwingung eines Wagens
In Abb. 10.1 sind Beispiele f¨ur schwingende mechanische Systeme dargestellt. Abb. 10.1.a zeigt die Schaukelbewegung eines Kindes. In Abb. 10.1.b ist die Horizontalschwingung eines Fernsehturmes dargestellt, die z.B. infolge einer Windbelastung oder eines Erdbebens entsteht. Der Wagen in Abb. 10.1.c erf¨ahrt Drehschwingungen um die L¨angsachse. Weitere Beispiele f¨ur Schwingungen bei diesem Wagen und bei Kraftfahrzeugen im Allgemeinen sind Schwingungen in vertikaler Richtung, in L¨angsrichtung und in Querrichtung sowie Drehschwingungen um die senkrechte Hochachse. Des Weiteren k¨onnen Achsen, R¨ader und Teile der Radaufh¨angung in Schwingungen geraten. Besonders gef¨ahrlich sind die Flatterschwingungen der gelenkten R¨ader. Falls die Schwingungen der Karosserie bestimmte Fre-
370
10 Grundlagen der Schwingungslehre
quenzen erreichen, kommt es zu Ger¨auschentwicklungen. St¨orend f¨ur den Fahrkomfort ist auch das ,,Dr¨ohnen” von Kunststoffverkleidungen im Innenbereich von Personenkraftwagen.
10.1 Einteilung von Schwingungen nach verschiedenen Merkmalen Wir beschr¨anken uns im Folgenden auf mechanische Systeme und bezeichnen eine physi¨ kalische Gr¨oße des Systems mit zeitlicher Anderung als Zustandsgr¨oße x(t). Beispiele sind der Ausschlagwinkel bei der Schaukelbewegung des Kindes oder die Horizontalauslenkung der Fernsehturmspitze in Abb. 10.1. Je nachdem, welches Merkmal zu Grunde gelegt wird, k¨onnen bei der Einteilung von Schwingungen die folgenden F¨alle unterschieden werden: Merkmal Amplitude: In Abb. 10.2 sind drei Schwingungsformen dargestellt. a) Unged¨ampfte Schwingung: Die Amplituden bleiben gleich. b) Ged¨ampfte Schwingung: Die Amplituden werden im Laufe der Zeit kleiner. c) Angefachte Schwingung: Die Amplituden werden im Laufe der Zeit gr¨oßer. Die unged¨ampfte Schwingung tritt z.B. in dem Beispiel 2.2 (Schwingung einer Kugel um die statische Ruhelage) auf. Unsere Erfahrung zeigt, dass derartige Schwingungen in Natur und Technik auf Grund von Reibungs- oder D¨ampfungseffekten nicht vorkommen. Stattdessen entwickeln sich wie in Abb. 10.2.b dargestellt ged¨ampfte Schwingungen. Dabei wird dem System mechanische Energie entzogen (Dissipation), so dass der Energieerhaltungssatz f¨ur ein konservatives System, z.B. in der Formulierung (4.44), nicht gilt. Die angefachte Schwingung in Abb. 10.2.c entsteht durch eine Anregung, d.h. in diesem Fall wird dem System mechanische Energie zugef¨uhrt (vgl. (4.47)). F¨ur das Kind auf der Schaukel in Abb. 10.1 wird dieser Effekt durch rythmische K¨orper- und Beinbewegungen erreicht.
Abb. 10.2. Einteilung der Schwingung nach der Amplitute: a) unged¨ampfte Schwingung, b) ged¨ampfte Schwingung, c) angefachte Schwingung
Merkmal Bewegungsform: In Abb. 10.3 werden vier F¨alle nach unterschiedlichen Bewegungsformen unterschieden. a) b) c) d)
L¨angsschwingungen (Longitudinalschwingungen), Querschwingungen (Transversal- oder Biegeschwingungen), Drehschwingungen (Torsionsschwingungen), Pendelschwingungen.
10.1 Einteilung von Schwingungen nach verschiedenen Merkmalen
371
Abb. 10.3. Schwinger mit verschiedenen Bewegungsformen: a) L¨angsschwingungen u(t), b) Querschwingungen w(t), c) Drehschwingungen ϑ(t), d) Pendelschwingungen ϕ(t)
Merkmal Anzahl der Freiheitsgrade der Schwinger: Die Anzahl der voneinander unabh¨angigen Bewegungsformen eines Systemes bezeichnet man als Freiheitsgrad, siehe auch Bemerkung 2.2.4. In Abb. 10.4 werden dazu drei F¨alle unterschieden. a) System (starrer K¨orper) mit einem Freiheitsgrad (f = 1), b) System (starrer K¨orper) mit drei Freiheitsgraden (f = 3), c) System (elastischer Balken) mit unendlich vielen Freiheitsgraden (f → ∞). In Abb. 10.4.c ist die Massenverteilung kontinuierlich. Wir fassen daher den Balken als System mit unendlich vielen differenziellen Massenelementen dm auf, die in ihrer Gesamtwirkung unendlich viele Biegeschwingformen durchf¨uhren k¨onnen.
Abb. 10.4. Schwinger mit verschiedenen Freiheitsgraden: a) ein Freiheitsgrad, b) drei Freiheitsgrade, c) unendlich viele Freiheitsgrade
372
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Merkmal Linearit¨at der Bewegungsgleichung: Die mathematische Beschreibung von Schwingungsproblemen f¨uhrt auf Differenzialgleichungen, die wie folgt unterschieden werden k¨onnen: a) Nichtlineare Differenzialgleichungen, b) lineare Differenzialgleichungen. F¨ur das mathematische Pendel in Beispiel 3.3 wird mit dem dynamischen Grundgesetz f¨ur beliebig große Auslenkungen ϕ die nichtlineare Differenzialgleichung ϕ¨ +
g sin ϕ = 0 l
erhalten, deren L¨osung vergleichsweise aufw¨andig ist. Bei Beschr¨ankung auf kleine Winkel folgt mit sin ϕ ≈ ϕ << 1 die lineare Differenzialgleichung
Abb. 10.5. Mathematisches Pendel
g ϕ¨ + ϕ = 0, l wof¨ur in Beispiel 3.3 eine vergleichsweise einfache L¨osung erhalten wird. Merkmal Entstehung der Schwingung: Hierbei unterscheidet man wie in Abb. 10.6 die beiden F¨alle a) freie Schwingungen (Eigenschwingungen), b) erzwungene Schwingungen. Bei der in Abb. 10.6.a dargestellten freien Schwingung treten keine a¨ ußeren Erregerkr¨afte auf. Dagegen entsteht die erzwungene Schwingung des Wagens in Abb. 10.6.b unter der Wirkung einer zeitabh¨angigen a¨ ußeren Belastung F (t). In gleicher Weise ist z.B. die wiederholte Windbelastung auf einer Br¨ucke eine erzwungene Anregung.
Abb. 10.6. a) freie Schwingung, b) erzwungene Schwingung
10.2 Einteilung von Schwingungen nach dem zeitlichen Verlauf In Abb. 10.7 erfolgt eine Einteilung von Schwingungen nach dem zeitlichen Verlauf. Dabei werden die folgenden F¨alle unterschieden: Regelm¨aßige Schwingungen: Diese verlaufen nach deterministischen Gesetzm¨aßikeiten und sind somit reproduzierbar. Im Gegensatz dazu treten unregelm¨aßige Schwingungen stochastisch auf. Diese Vorg¨ange sind im Allgemeinen nicht reproduzierbar. Die Bewegungen einer Br¨ucke infolge des Windes oder eines Hochhauses infolge eines Erdbebens sind Beispiele f¨ur unregelm¨aßige Schwingungen.
10.2 Einteilung von Schwingungen nach dem zeitlichen Verlauf
373
Abb. 10.7. Einteilung von Schwingungen nach dem zeitlichen Verlauf
Periodische Schwingungen: H¨au¿g wiederholt sich wie in Abb. 10.8 dargestellt eine Schwingung x(t) nach der Gesetzm¨aßigkeit x(t) = x(t + T ) = x(t + kT ), k = 1, 2, 3, ... .
(10.2)
Der kleinste Zeitabschnitt T , nach dem sich der Vorgang wiederholt, wird als Periodendauer (oder: Schwingungsdauer) bezeichnet. Der reziproke Wert f=
1 T
(10.3)
ist die Frequenz der Schwingung. Sie gibt die Anzahl der Schwingungen pro Zeiteinheit an. Die Einheit Hz ist nach Heinrich Hertz (1857-1894) benannt, wobei 1 Hz = 1 s−1 ist. Harmonische Schwingungen: Bei der harmonischen Schwingung verl¨auft als Sonderfall der periodischen Schwingung die Bewegung kosinus- bzw. sinusf¨ormig. Von den verschiedenen Darstellungsm¨oglichkeiten (vgl. Aufgabe 10.12) verwenden wir die Beziehung x(t) = D + C cos(ωt − γ)γ = D + C cos ω(t − ) . ω
(10.4)
Wie in Abb. 10.9 (oben) erkennbar, kennzeichnet C die Amplitude (oder: halbe Schwingungsbreite) einer Schwingung und D deren Mittelwert. Des Weiteren sind ωt − γ der Phasenwinkel (kurz: die Phase), γ der Nullphasenwinkel, γ/ω die Nullphasenzeit und ω die Eigenfrequenz (oder: Kreisfrequenz).
Abb. 10.9. Harmonische Schwingung
374
10 Grundlagen der Schwingungslehre
F¨ur die Periodendauer T folgt durch Einsetzen von Gl.(10.4) in Gl.(10.2) f¨ur k = 1 x(t) = D + C cos(ωt − γ) = x(t + T ) = D + C cos(ω(t + T ) − γ).
(10.5)
Damit sind die Terme in der Klammer f¨ur die Kosinusfunktion gleich, und man erh¨alt folgende Beziehungen zwischen der Eigenfrequenz ω, der Periodendauer T und der Frequenz f : 1.
ωT = 2π,
2.
ω=
2π = 2πf, T
3. T = 2π
1 1 = . ω f
(10.6)
W¨ahrend die Periodendauer T , die Eigenfrequenz ω und die Frequenz f ,,die Schnelligkeit“ einer Schwingung charakterisieren, geben die Amplitude C ,,die Gr¨oße” der Nullphasenwinkel γ und der Mittelwert D ,,die Lage” der Schwingung an. Mit dem Additionstheorem cos(x − y) = cos x cos y + sin x sin y folgt aus Gl. (10.4) x(t) = D + C cos ωt cos γ + C sin ωt sin γ. Die zu Gl.(10.4) gleichwertige Darstellung lautet dann x(t) = D + A cos ωt + B sin ωt, wobei A = C cos γ, B = C sin γ.
(10.7)
F¨ur bekannte Konstanten C und γ k¨onnen also die Konstanten A und B bestimmt werden. ¨ Damit kann wie in Abb. 10.9 dargestellt die harmonische Schwingung (10.4) durch Uberlagerung von zwei Teilschwingungen nach Gl.(10.7) erhalten werden. Umgekehrt gilt C 2 = C 2 (cos2 γ + sin2 γ) = A2 + B 2 ,
tan γ =
B C sin γ = , C cos γ A
(10.8)
d.h. f¨ur bekannte Werte von A und B k¨onnen auch C und γ bestimmt werden. Weitere zu (10.4) und (10.7) gleichwertige Darstellungen werden in Aufgabe 10.12 behandelt.
¨ 10.3 Die Zeigerdarstellung und die Uberlagerung von Schwingungen F¨ur D = 0 kann Gl.(10.4) auch zur Interpretation der sogenannten Zeigerdarstellung verwendet werden. Dazu betrachten wir in Abb. 10.10 den ,,Zeiger” der L¨ange C. Seine Ausgangslage zum Zeitpunkt t = 0 wird durch den Winkel γ zwischen dem Zeiger und der vertikalen Achse festgelegt. Von dieser Lage ausgehend rotiert der Zeiger mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω entgegen dem Uhrzeigersinn um einen festen Punkt 0. Die Projektion des Zeigers auf die x-Achse ergibt die harmonische Bewegung (10.4). Die Zeigerdarstellung ist vorteilhaft, wenn zwei Schwingungen gleicher Eigenfrequenz ω u¨ berlagert werden sollen. Zur Erkl¨arung betrachten wir die beiden Schwingungen x1 (t) = C1 cos(ωt − γ1 ),
x2 (t) = C2 cos(ωt − γ2 ).
Mit dem Additionstheorem cos(x − y) = cos x cos y + sin x sin y folgt x(t) = x1 (t) + x2 (t) = C1 (cos ωt cos γ1 + sin ωt sin γ1 ) + C2 (cos ωt cos γ2 + sin ωt sin γ2 ) = cos ωt(C1 cos γ1 + C2 cos γ2 ) + sin ωt(C1 sin γ1 + C2 sin γ2 ).
(10.9)
¨ 10.3 Die Zeigerdarstellung und die Uberlagerung von Schwingungen
375
Abb. 10.10. Zeigerdarstellung einer harmonischen Funktion
Wir f¨uhren die Abk¨urzungen C cos γ = C1 cos γ1 + C2 cos γ2 ,
C sin γ = C1 sin γ1 + C2 sin γ2
(10.10)
ein und erhalten x(t) = cos ωtC cos γ + sin ωtC sin γ = C cos(ωt − γ).
(10.11)
Die u¨ berlagerte Bewegung ist also eine harmonische Schwingung mit der gleichen Kreisfrequenz ω und der Amplitude C. Durch Quadrieren und Addieren der Terme in Gl.(10.10) folgt f¨ur die Amplitude (10.12) C = C12 + C22 + 2C1 C2 cos (γ1 − γ2 ). Den Nullphasenwinkel der u¨ berlagerten Schwingung erhalten wir ebenfalls aus den Gleichungen (10.10): tan γ =
C sin γ C1 sin γ1 + C2 sin γ2 = . C cos γ C1 cos γ1 + C2 cos γ2
Die resultierende Schwingung erh¨alt man also, indem man wie in Abb. 10.11 dargestellt die beiden Zeiger wie Vektoren addiert. Entsprechend k¨onnen auch drei oder mehr Schwingungen gleicher Eigenfrequenz u¨ ber¨ lagert werden. Zur Uberlagerung anderer Funktionen mit gleicher Frequenz als in Gl.(10.4) verweisen wir auf Aufgabe 10.12.
(10.13)
¨ Abb. 10.11. Uberlagerung von zwei Schwingungen gleicher Eigenfrequenz
¨ Wir wollen kurz (ohne Zeigerdarstellung) auf die Uberlagerung von zwei Schwingungen x1 (t) = C1 cos(ω1 t − γ1 ),
x2 (t) = C2 cos(ω2 t − γ2 )
mit verschiedenen Eigenfrequenzen ω1 und ω2 eingehen. Mit Hilfe des Additionstheorems cos(x − y) = cos x cos y + sin x sin y folgt
376
10 Grundlagen der Schwingungslehre
x(t) = x1 (t) + x2 (t) = C1 (cos ω1 t cos γ1 + sin ω1 t sin γ1 ) + C2 (cos ω2 t cos γ2 + sin ω2 t sin γ2 ). Die resultierende Funktion ist im Allgemeinen nichtharmonisch. Es sind zwei F¨alle zu unterscheiden: Fall 1: Die beiden Eigenfrequenzen stehen in einem rationalem Verh¨altnis ω1 p = , p, q ganzzahlig und teilerfremd. ω2 q F¨ur die beiden Perioden gilt wegen Gl.(10.6.1) T2 ω1 p =⇒ pT1 = qT2 = T. = = T1 ω2 q ¨ Dabei ist T die Periodendauer der durch Uberlagerung entstehenden Bewegung. Die Bewegung ist somit periodisch jedoch nichtharmonisch. ¨ Fall 2: Das Periodenverh¨altnis ist nicht rational. Die Uberlegungen zum Fall 1 sind nicht ¨ g¨ultig, so dass die durch Uberlagerung entstehende Bewegung nichtperiodisch ist. In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels beschr¨anken wir uns auf harmonische Schwingungen. Erg¨anzend sei erw¨ahnt, dass nichtharmonische Schwingungen mittels FourierZerlegung auf harmonische Schwingungen zur¨uckgef¨uhrt werden k¨onnen, was jedoch nicht Gegenstand der anschließenden Untersuchungen sein wird.
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen 10.4.1 Schwingungsbewegungen starrer K¨orper Ein Wagen der Masse m ist in Abb. 10.12 u¨ ber eine Feder mit einer starren Wand verbunden. Wir setzen den Wagen als starr voraus und nehmen an, dass die Bewegung zwischen Wagen und Untergrund reibungsfrei verl¨auft. F¨ur x=0 sei die Feder mit der Konstanten c entspannt. Die Anfangsbedingungen f¨ur Weg und Geschwindigkeit lauten ˙ = 0) = v0 . x(t = 0) = x0 , x(t
(10.14)
Gesucht ist das Weg-Zeit-Gesetz x(t). Dazu betrachten wir den Wagen in Abb. 10.12.b) in einer repr¨asentativen Lage mit der Auslenkung x in positiver Koordinatenrichtung. Im Freischnitt in Abb. 10.12.c) werden f¨ur diese Lage alle einwirkenden Kr¨afte eingetragen. Dieses sind die nach unten wirkende Gewichtskraft mg, sowie die nach oben wirkende Normalkraft N .
Abb. 10.12. Wagen mit Feder, unged¨ampft
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
377
Die auf den Wagen wirkende Federkraft cx ist der Auslenkung entgegen gerichtet und somit in negativer x-Koordinatenrichtung anzusetzen. Aus dem Schwerpunktsatz (6.31.1) folgt c 1. m¨ x = −cx =⇒ 2. x ¨ + x = 0. (10.15) m Da keine Bewegung in senkrechter Richtung auftritt, folgt aus den weiteren Gleichungen des Schwerpunktsatzes (6.31) unmittelbar N = mg. Dieses Ergebnis hat keinen EinÀuss auf Gl.(10.15.1), so dass wir Kr¨afte und Bewegungen senkrecht zur x-Koordinate im Folgenden nicht weiter ber¨ucksichtigen werden. Mit der De¿nition c ω= (10.16) m erhalten wir aus Gl.(10.15.2) die ¨ die freie unged¨ampfte Schwingung Normalform der Differenzialgleichung fur (10.17)
x ¨ + ω 2 x = 0.
Man bezeichnet ω als Eigenfrequenz (oder: Kreisfrequenz) der unged¨ampften Schwingung. ¨ Der Typ der Differenzialgleichung wird durch die folgende Ubersicht gekennzeichnet: homogen, linear, 2. Ordnung, mit konstanten Koeffizienten,
da rechte Seite gleich Null; da Auftreten von x, ˙ x ¨ (nicht jedoch z.B. x ¨2 , sin x, ...); da Zeitableitung h¨ochstens zwei; da Faktoren 1 und ω 2 zeitunabh¨angig (nicht jedoch ω(t)).
Als L¨osungsansatz wird die harmonische Schwingung (10.4) mit D = 0 verwendet: x(t) = A cos ωt + B sin ωt.
(10.18)
Durch Einsetzen zeigt man, dass dieser Ansatz die Differenzialgleichung (10.17) erf¨ullt: x ¨ = −Aω 2 cos ωt − Bω 2 sin ωt = ω 2 x(t)
=⇒ x ¨ + ω 2 x = 0.
Die Ansatzkonstanten A, B erh¨alt man durch Auswertung der Anfangsbedingungen (10.14): x0 = x(t = 0) = A cos(ω0) + B sin(ω0) = A 1 + B 0
=⇒ A = x0 v0 v0 = x(t ˙ = 0) = −Aω sin(ω0) + Bω cos(ω0) = −Aω 0 + Bω 1 =⇒ B = . ω Wie in Abschnitt 10.2 gezeigt wurde, ist Gl.(10.4) gleichwertig zu dem Ansatz Gl.(10.7). Aus den Beziehungen (10.8) k¨onnen daher die zugeh¨origen Konstanten ermittelt werden:
√ v0 2 B v0 2 2 γ = arctan . C = A + B = x0 2 + 2 , = arctan ω A ωx0 Die Konstanten C und γ k¨onnen f¨ur den Ansatz Gl.(10.4) auch mit den Anfangsbedingungen (10.14) bestimmt werden. Damit lauten die beiden gleichwertigen L¨osungsfunktionen v0 sin ωt 1. x(t) = x0 cos ωt + ω
(10.19) v0 2 v0 . 2. x(t) = x0 2 + 2 cos ωt − arctan ω ωx0
378
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Durch Einsetzen von Gl.(10.16) in Gl.(10.6.3) folgt f¨ur die Schwingungsdauer 1 m T = 2π = 2π . ω c
(10.20)
10.4.2 Ersatzsysteme elastischer Systeme Bei der freien Schwingung in Abb. 10.12 ist der Wagen mit einer Feder verbunden. Im Folgenden untersuchen wir das Schwingungsverhalten von Massenpunkten oder starren K¨orpern, die mit einem oder mehreren elastischen K¨orpern oder Systemen verbunden sind.
Abb. 10.13. Beispiele f¨ur reales System und Ersatzsystem: a) Welle mit starrer Scheibe, b) Stahlbetonrahmen
Als Beispiel betrachten wir in Abb. 10.13.a eine elastische Welle der Masse mW , an der eine starre Scheibe der Masse mS befestigt ist. Wegen der Elastizit¨at der Welle bewirkt die Kraft F eine senkrechte Verschiebung w. Die gleiche elastische Wirkung auf die Scheibe wird mit dem rechts dargestellten Ersatzsystem erreicht, wobei die Scheibe an einer Feder mit senkrechter Achse befestigt ist. Die Federkonstante cW bestimmt man aus der Bedingung, dass die Kraft F die gleiche Verschiebung w wie an dem realen System verursacht. In Abb. 10.13.b wird ein Stahlbetonrahmen bestehend aus zwei Stielen der Masse mS und einem Riegel der Masse mR durch ein Ersatzsystem mit einer Punktmasse und einer Feder vereinfacht. Dabei nehmen wir an, dass die Massen der Stiele klein gegen¨uber der Masse des Riegels sind (mS << mR ), dass der Riegel starr ist und dass seine Masse mR in einem Massenpunkt konzentriert werden kann. Die Federkonstante cW bestimmt man aus der Bedingung, dass die Kraft FH die gleiche Verschiebung w wie an dem realen System verursacht. In beiden Beispielen kann mit dem Ersatzsystem das Schwingungsverhalten des realen Systems abgesch¨atzt werden. Falls eine der oben getroffenen Annahmen nicht zutrifft, so wird eine genauere Untersuchung, evtl. unter Ber¨ucksichtigung der kontinuierlichen Massenverteilung der elastischen Systeme, erforderlich. Im Folgenden wird f¨ur einige einfache elastische Systeme die Federstei¿gkeit des zugeh¨origen Ersatzsystems ermittelt.
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
379
Beispiel 10.1 Ersatzsystem f¨ur Zugstab mit Einzelmasse Der Stab in Abb. 10.14 hat die Dehnstei¿gkeit EA und die L¨ange l. Am Ende des Stabes ist eine Punktmasse m angebracht. F¨ur eine Bewegung in Stabrichtung bestimme man unter Vernachl¨assigung der Masse des Stabes die Stei¿gkeit c der Feder des Ersatzsystems.
Abb. 10.14. Zugstab mit Einzellast und Ersatzsystem
¨ Voruberlegungen: Die Federkonstante c des Ersatzsystems wird mit Hilfe einer ¿ktiven Kraft F bestimmt, die auf beide Systeme aufgebracht wird. Durch Gleichsetzen der Verschiebungen in beiden Systemen erh¨alt man die gesuchte Federkonstante. L¨osung: Die L¨angen¨anderung ΔlS am Ende des Stabes infolge einer ¿ktiven Kraft F ergibt sich aus den Grundgleichungen zur Festigkeitslehre f¨ur einen eindimensionalen Stab. F¨ur das Ersatzmodell mit der L¨angen¨anderung ΔlE gilt das Federgesetz (3.19). Damit erh¨alt man l 1 F = ΔlE = F. EA c Durch Koef¿zientenvergleich erh¨alt man die gesuchte Federkonstante des Ersatzsystems ΔlS =
c=
EA . l
(10.21)
Beispiel 10.2 Ersatzsystem f¨ur Kragtr¨ager mit Einzelmasse Am Ende eines Kragtr¨agers der Biegestei¿gkeit EI und der L¨ange l ist eine Punktmasse m angebracht. F¨ur eine Durchbiegung an dieser Stelle bestimme man unter Vernachl¨assigung der Masse des Tr¨agers die Stei¿gkeit c der Feder des Ersatzsystems.
Abb. 10.15. Kragtr¨ager mit Einzellast und Ersatzsystem
L¨osung: Nach der Biegetheorie wird eine Durchbiegung wS des Tr¨agerendes infolge einer ¿ktiven vertikalen Last F berechnet. F¨ur das Ersatzmodell gilt das Federgesetz (3.19): l3 1 F = wE = F. (10.22) 3 EI c Durch Koef¿zientenvergleich erh¨alt man die gesuchte Federkonstante des Ersatzsystems wS =
c=
3EI . l3
(10.23)
380
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Beispiel 8.3 Ersatzsystem f¨ur Torsionsstab mit Einzelmasse Der Stab in Abb. 10.16 hat die Torsionsstei¿gkeit GIT und die L¨ange l. Am unteren Ende ist eine Punktmasse m angebracht. F¨ur eine Drehbewegung bestimme man unter Vernachl¨assigung der Masse des Stabes die Stei¿gkeit cT der Torsionsfeder des Ersatzsystems.
Abb. 10.16. Torsionsstab mit Einzelmoment und Ersatzsystem
L¨osung: Nach der Torsionstheorie wird eine Verdrehung ϑS des Stabendes infolge eines ¿ktiven Momentes MT berechnet. F¨ur das Ersatzmodell wird ein Federgesetz M = cT ϑE angenommen. Damit gilt: ϑS =
l 1 MT = ϑE = MT . GIT cT
Durch Koef¿zientenvergleich erh¨alt man die gesuchte Federkonstante des Ersatzsystems cT =
GIT . l
(10.24)
10.4.3 Ersatzfedern bei Federschaltungen H¨au¿g ist f¨ur das Schwingungsverhalten von Punktmassen und starren K¨orpern der EinÀuss von mehreren Federn in Federschaltungen verantwortlich. Zwei Beispiele sind in Abb. 10.17.a die Parallelschaltung und in Abb. 10.17.b die Reihenschaltung von jeweils zwei Federn mit den Federkonstanten c1 und c2 . In beiden F¨allen kann die Federschaltung durch eine Feder mit der Federkonstanten cG ersetzt werden. Um die Gr¨oße cG f¨ur die Parallelschaltung in Abb. 10.17.a zu erhalten, werden Ausgangsund Ersatzsystem jeweils um die L¨ange x ausgelenkt. In dem Ausgangssystem wirken auf die einzelnen Federn die Kr¨afte F1 = c1 x und F2 = c2 x, so dass die gesamte Kraft F = c1 x + c2 x = (c1 + c2 )x betr¨agt. F¨ur das Ersatzsystem gilt das Federgesetz F = cG x. Durch Koef¿zientenvergleich folgt cG = c1 + c2 .
(10.25)
F¨ur den allgemeinen Fall der Parallelschaltung von nF Federn mit den Konstanten ci besteht der Zusammenhang
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
381
Abb. 10.17. Punktmasse mit zwei Federn und Ersatzsysteme: a) Parallelschaltung, b) Reihenschaltung
cG =
nF
ci .
(10.26)
i=1
Damit gilt: Bei der Parallelschaltung ist die resultierende Federkraft die Summe der Teilfederkr¨afte, und die Ersatzfederkonstante cG ist die Summe der Teilfederkonstanten. Zur Bestimmung der Federkonstanten cG f¨ur die Reihenschaltung in Abb. 10.17.b werden das Ausgangssystem und das Ersatzsystem jeweils um eine L¨ange x ausgelenkt. F¨ur das Ausgangssystem entsteht in beiden Federn die gleich große Kraft F = c1 x1 = c2 x2 , und die gesamte Verl¨angerung x ist die Summe der Teilverl¨angerungen. F¨ur die Ersatzfeder gilt das Kraftgesetz F = cG x. Damit folgt x = x1 + x2 =
F F F + = , c1 c2 cG
so dass 1 1 1 + = . c1 c2 cG
(10.27)
F¨ur den allgemeinen Fall der Reihenschaltung von nF Federn mit den Konstanten ci besteht der Zusammenhang F 1 1 = . cG ci
n
(10.28)
i=1
Damit gilt: Bei der Reihenschaltung ist die resultierende Verl¨angerung die Summe der Teilfederverl¨angerungen, und der Kehrwert der Ersatzfederkonstenten 1/cG ist die Summe der Kehrwerte der Teilfederkonstanten.
382
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Beispiel 10.4 Randspannung am elastischen Stab mit Motor An einem eingespannten Stab ist am rechten Ende ein Motor und eine Feder angebracht. Der Querschnitt des Stabes, dessen Masse vernachl¨assigt wird, ist rechteckig. Gesucht ist der zeitliche Verlauf der Randspannung σR (t) im Punkt R an der Einspannstelle infolge einer Querschwingung. Bekannt: m = 0.1 kg, c = 50 N/mm, l = 100 Abb. 10.18. Eingespannter Stab mm, h = 6 mm, b = 3 mm, E = 20000 N/mm2 , mit Motor und Feder x0 = 0 mm, v0 = 5 mm/s. ¨ Voruberlegungen: Durch Vernachl¨assigung der Stabmasse, Ber¨ucksichtigung des elastischen Verhaltens des Stabes durch eine Feder und Ersetzen des Motors durch eine Punktmasse wird ein Ersatzsystem erhalten. Mit dem Schwerpunktsatz gelangt man zur Normalform (10.17), deren L¨osung x(t) durch Ausnutzen von Formeln zur Balkentheorie die Spannung σR (t) an der Einspannstelle liefert. L¨osung: Die Federkonstante des Ersatzsystems f¨ur vertikale Bewegungen ist nach Gl.(10.23) cb =
3EI b h3 . , wobei I = l3 12
Die Auslenkung am Stabende ist gleich der Auslenkung der vorhandenen Feder, so dass eine Parallelschaltung beider Federn in dem Ersatzsystem in Abb. 10.18.b vorliegt. Die Gesamtfederstei¿gkeit ist nach Gl.(10.26) cG = c + cb . Freischneiden und Anwendung des Schwerpunktsatzes am ausgelenkten Ersatzsystem liefert m¨ x = −(c + cb )x = −cG x. Die Normalform (10.17) lautet x ¨+
cg x = 0, m +,-. ω2
und deren L¨osung ist nach Gl.(10.19) v0 x(t) = x0 sin ωt + cos ωt. ω Um die aus der Auslenkung x(t) resultierende Randspannung σR (t) im Punkt R an der Einspannstelle zu erhalten, wird in Abb. 10.18.c eine zu x(t) proportionale ¿ktive Kraft F ∗ (t) am Stabende aufgebracht. Mit Gl.(10.22) gilt x(t) =
3EI F ∗ (t)l3 =⇒ F ∗ (t) = 3 x(t). 3EI l
Abb. 10.18.c. Verl¨aufe des Momentes im Stab und der Spannung an der Einspannstelle
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
=
4 Spannung [MPa]
Das Moment dieser Kraft ist M (t) = −F ∗ (t)l, und die resultierende Randspannung ist
M (t) h −F ∗ (t)l h σR (t) = · − = · − I 2 I 2
3 2 1
0 0.0 í1
lh 3EI 3 Eh x(t) x(t). = 3 l I2 2 l2
383
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
1.4
1.6
1.8
2.0
Zeit [s]
í2
F¨ur die in der Aufgabenstellung gegebenen Zahlenwerte k¨onnen jetzt alle Gleichungen numerisch ausgewertet werden. (Dazu k¨onnen z.B. Teilergebnisse der in Tabelle 10.3 angegebenen Scilab-Eingabedatei [27] verwendet werden.)
í3 í4
Abb. 10.18.d. Zeitlicher Verlauf der Randspannung σR (t)
Man erh¨alt folgende Zahlenwerte: I = 54 mm4 , cb = 3.24 N/mm, ω = 23.07 s−1 xmax = 0.2167 mm, σR,max = 3.90 MPa. In Abb. 10.18.d ist der zeitliche Verlauf der Randspannung σR (t) dargestellt. 10.4.4 Vertikale Schwingungen starrer K¨orper im Schwerefeld Wir untersuchen in diesem Abschnitt den EinÀuss von Gewichtskr¨aften und den aus dem Eigenwicht resultierenden Vorspannkr¨aften auf das Schwingungsverhalten. Als Beispiel wird in Abb. 10.19 eine Kugel an einer Feder senkrecht aufgeh¨angt. Abb. 10.19.a stellt die Ausgangslage dar. Infolge der Gewichtskraft ergibt sich die statische Ruhelage (oder: statische Gleichgewichtslage) mit der Auslenkung xst in Abb. 10.19.b. Mit der Gewichtskraft mg und der Vorspannkraft cxst in Abb. 10.19.c lautet die Gleichgewichtsbedingung f¨ur diesen Ruhezustand mg = cxst .
(10.29)
Ausgehend von der statischen Ruhelage kennzeichnet die relative Koordinate x ¯ in Abb. 10.19.d ¯, eine repr¨asentative Lage w¨ahrend der Schwingung. Die gesamte Auslenkung ist x=xst + x so dass die Federkraft c(xst + x ¯) betr¨agt. Mit den im Freischnitt in Abb. 10.19.e dargestellten Kr¨aften lautet der Schwerpunktsatz
Abb. 10.19. Schwingung einer Masse im Schwerefeld: a) Ausgangslage b) statische Ruhelage und c) zugeh¨origer Freischnitt, d) Auslenkung w¨ahrend der Schwingung und e) zugeh¨origer Freischnitt
384
10 Grundlagen der Schwingungslehre
¨ mx ¯ = −c (xst + x ¯) + mg. Unter Ber¨ucksichtigung von Gl.(10.29) erhalten wir die Normalform (10.17): c 2 ¨ , 1. x ¯+ω x ¯ = 0, 2. ω = m
(10.30)
(10.31)
d.h. die Eigenfrequenz hat den gleichen Wert wie bei der horizontalen Schwingung in Abschnitt 10.4.1. Damit lautet die allgemeine L¨osung f¨ur die gesamte Auslenkung 1. x = xst + x ¯,
2. x ¯ = C cos (ωt − γ) ,
(10.32)
wobei C und γ Integrationskonstanten sind. Wir fassen die Ergebnisse wie folgt zusammen: 1. Die Schwingung im Schwerefeld erfolgt um die statische Ruhelage xst . 2. Die Vorspannkraft cxst der statischen Ruhelage hat keinen Einfluss auf die Eigenfrequenz und das Schwingungsverhalten. 3. Ausgehend von der statischen Ruhelage xst kann die Schwingungsdifferenzialgleichung mit der relativen Koordinate x ¯ formuliert werden. Bleibt die Gewichtskraft unber¨ucksichtigt, so muss von der Federkraft nur der Anteil c¯ x ber¨ucksichtigt werden. Die gesamte Auslenkung ist x = xst + x ¯. 10.4.5 Pendelschwingungen starrer K¨orper im Schwerefeld Die Normalform (10.17) kann auch zur Untersuchung von Pendelschwingungen des starren K¨orpers im Schwerefeld der Erde in Abb. 10.20.a eingesetzt werden. Der K¨orper ist um eine feste horizontale Achse durch den Punkt 0 frei drehbar gelagert. Der Abstand vom Aufh¨angepunkt 0 zum Schwerpunkt S ist e, und das Massentr¨agheitsmoment bezogen auf den Schwerpunkt ist Θ(S) . Ein so aufgeh¨angter K¨orper wird als physisches Pendel bezeichnet. Wir suchen die Eigenfrequenz ωK und die Periodendauer TK f¨ur kleine Auslenkungen. Wie in Beispiel 6.14 wird mit F = 0 f¨ur den festen F¨uhrungspunkt der Momentensatz (6.33.3) verwendet. Dazu bestimmen wir zun¨achst mit Gl.(6.44) das Massentr¨agheitsmoment bezogen auf den Punkt 0 Θ(0) = Θ(S) + me2 .
(10.33)
(0)
Mit dem Moment Mz = −emg sin ϕ lautet der Momentensatz (6.33.3) (0)
¨ = Mz Θ(0) ϕ
= −emg sin ϕ.
F¨ur kleine Auslenkungen ergibt sich somit ϕ¨ +
emg ϕ = 0. Θ(0)
Abb. 10.20. a) Physisches Pendel, b) Mathematisches Pendel mit gleicher Schwingungsdauer
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
385
Diese Gleichung hat die Struktur der Normalform (10.17). Die Eigenfrequenz ωK ist somit die Wurzel des Faktors von ϕ, und die Schwingungsdauer folgt aus Gl.(10.6.3): 2π emg Θ(0) 1. ωK = , 2. T = = 2π . (10.34) K ωK emg Θ(0) Durch Umstellung von Gl.(10.34.2) folgt 2 mge TK . (10.35) 4π 2 Mit dieser Gleichung kann bei einem Pendelversuch durch Messung der Schwingungsdauer TK das Massentr¨agheitsmoment Θ(0) experimentell bestimmt werden. Unter der reduzierten Pendell¨ange lR versteht man die L¨ange eines mathematischen Pendels, dessen Schwingungsdauer TM der eines gegebenen physischen Pendel entspricht. Die Differenzialgleichung f¨ur das mathematische Pendel in Beispiel 3.3 lautet ϕ+ ¨ (g/l) ϕ = 0. Durch Vergleich mit der Normalform (10.17) erh¨alt man Eigenfrequenz und Periodendauer g l , 2. TM = 2π . (10.36) 1. ωM = l g
Θ(0) =
Nach Gleichsetzen der Schwingungsperioden bestimmt man lR mit (10.34.2) und (10.36.2): Θ(0) Θ(0) lR TK = TM =⇒ 2π = 2π =⇒ lR = . (10.37) emg g em Zum Vergleich ist auch das mathematische Pendel in Abb. 10.20.b dargestellt. Mit dem Zusammenhang (10.33) f¨ur die Massentr¨agheitsmomente folgt Θ(S) i2 Θ(S) + me2 =e+ = e + , wobei em em e Hierbei kennzeichnet i den Tr¨agheitsradius des starren K¨orpers. lR =
i2 =
Θ(S) . m
(10.38)
10.4.6 Pendelschwingungen des federgelagerten starren K¨orpers im Schwerefeld In Abb. 10.21 ist ein K¨orper in dem Punkt 0 drehbar gelagert und zus¨atzlich mit Federn verbunden. Der Winkel ϕst kennzeichnet die statische Ruhelage, (oder: statische Gleichgewichtslage), in der wegen des Eigengewichtes Vorspannkr¨afte in den Federn auftreten. Ausgehend von der statischen Ruhelage kennzeichnet der relative Winkel ϕ ¯ eine repr¨asentative Lage w¨ahrend der Schwingung. Der gesamte Winkel ist ϕ = ϕst + ϕ. ¯ Die L¨ange ri gibt den k¨urzesten Abstand zwischen der Wirkungslinie der i-ten Federachse und dem Punkt 0 an. Damit ist die ¯ Federauslenkung f¨ur kleine Winkel¨anderungen ri ϕ.
Abb. 10.21. K¨orperpendel mit Federn
386
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Abb. 10.22. Federgelagertes K¨orperpendel: a) statische Ruhelage, b) schwingende Auslenkung
Wir wollen den EinÀuss des Eigengewichtes und der Vorspannkr¨afte infolge des Eigengewichtes auf das Schwingungsverhalten untersuchen. Dazu nehmen wir in Abb. 10.22.a an, dass die i−te Feder infolge der Schwerkraft in der statischen Ruhelage die Auslenkung wi hat. Damit entsteht die Vorspannkraft ci wi . F¨ur die statische Ruhelage folgt aus der Bedingung f¨ur das Momentengleichgewicht bez¨uglich des Punktes 0 mge sin ϕst =
nF
(10.39)
ci wi ri .
i=1
In Abb. 10.22.b wird eine schwingende Auslenkung um den Winkel ϕ¯ betrachtet. F¨ur das Moment infolge des Eigengewichtes gilt in diesem Fall (0)
¯ = −emg(sin ϕst cos ϕ¯ + cos ϕst sin ϕ) ¯ MG = −emg sin(ϕst + ϕ) (10.40) n F ≈ −emg(sin ϕst + (cos ϕst )ϕ) ¯ = − i=1 ci wi ri − emg(cos ϕst ) ϕ, ¯ wobei die N¨aherungen sin ϕ¯ ≈ ϕ¯ und cos ϕ ¯ ≈ 1 f¨ur kleine Winkel sowie Gl.(10.39) ber¨ucksichtigt sind. Beachten wir, dass die Auslenkung wi in der statischen Ruhelage dem Schwingungsanteil ri ϕ¯ entgegengerichtet ist, so hat jede Feder in Abb. 10.22.b die gesamte Auslenkung wi − ri ϕ. ¯ Infolge der Federkr¨afte ci (wi − ri ϕ) ¯ entsteht das Gesamtmoment (0)
MF =
nF
ci (wi − ri ϕ)r ¯ i.
(10.41)
i=1
Mit den Ergebnissen (10.40) und (10.41) lautet der Momentensatz (6.33.3) (0)
(0)
Θ(0) ϕ ¯¨ = MG + MF = −emg(cos ϕst )ϕ¯ −
n F
2¯ i=1 ci ri ϕ.
Wir bringen diese Gleichung in die Normalform (10.17): nF cD 2 1. ϕ ¯¨ + ω ϕ¯ = 0, 2. ω = , 3. c = emg cos ϕ + ci ri2 . D st Θ(0) i=1
(10.42)
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
387
Damit lautet die allgemeine L¨osung f¨ur den gesamten Winkel 1. ϕ = ϕst + ϕ, ¯
2. ϕ¯ = C cos (ωt − γ) ,
(10.43)
wobei C und γ Integrationskonstanten sind. Wir k¨onnen die Ergebnisse zusammenfassen: 1. Eine Pendelschwingung im Schwerefeld erfolgt immer um die statische Ruhelage ϕst . 2. Die Vorspannkr¨afte ci wi in der statischen Ruhelage haben keinen Einfluss auf die Eigenfrequenz und das Schwingungsverhalten. 3. Ausgehend von der statischen Ruhelage ϕst kann die Schwingungsdifferenzialgleichung mit dem relativen Winkel ϕ ¯ formuliert werden. Infolge der Gewichtskraft und der Federkr¨afte werden nur die Momentenanteile ¯ (0) = −emg(cos ϕst )ϕ, 1. M ¯ G
¯ (0) = − 2. M F
nF
ci ri2 ϕ¯
(10.44)
i=1
¯ ber¨ucksichtigt. Die gesamte Auslenkung ist ϕ = ϕst + ϕ. 4. Falls keine Federn vorliegen, gilt f¨ur die statische Gleichgewichtslage ϕst = 0, und das Ergebnis (10.42.2) stimmt mit Gl.(10.34.1) u¨ berein. Die Gleichungen (10.42) verdeutlichen auch, dass der Einfluss des Eigengewichtes von dem Winkel ϕst abh¨angt. In Abb. 10.23 sind dazu drei Sonderf¨alle dargestellt.
Abb. 10.23. Pendelschwingungen des federgelagerten starren K¨orpers f¨ur drei Sonderf¨alle a) ϕst = 0, b) ϕst = π/2, c) ϕst = π
10.4.7 Energiebetrachtungen Wir betrachten nochmals den Feder-Wagen-Schwinger in Abb. 10.12 und wollen die einzelnen Energieanteile angeben. Dazu verwenden wir die allgemeine L¨osung (10.4) mit D = 0 und erhalten unter Ber¨ucksichtigung der Beziehungen sin2 β = 1/2 (1 − cos 2β), cos2 β = 1/2 (1 + cos 2β) f¨ur die zeitlichen Verl¨aufe von kinetischer Energie und Potenzial der Federkraft
388
10 Grundlagen der Schwingungslehre
1 T (t) = 12 mx˙ 2 = mω 2 C 2 sin2 (ωt − γ) = 2 1 = U (t) = 21 cx2 = cC 2 cos2 (ωt − γ) 2
1 mω 2 C 2 (1 − cos(2ωt − 2γ)) 4 (10.46) 1 2 cC (1 + cos(2ωt − 2γ)) . 4
Wie in Abb. 10.24 dargestellt, a¨ ndern sich beide Energieanteile periodisch mit der Frequenz 2ω. Wegen mω 2 = c sind die Amplituden gleich. F¨ur die Summe der beiden Energieanteile gilt zu jedem Zeitpunkt 1 1 1 1 T (t) + U (t) = mω 2 C 2 + cC 2 = mω 2 C 2 = cC 2 = E = konst, 4 4 2 2
(10.47)
wobei E die Gesamtenergie des Schwingers ist. Damit ist die Summe von kinetischer und potenzieller Energie zu jedem Zeitpunkt konstant, so dass die Bedingung (4.44) f¨ur ein konservatives System erf¨ullt ist. Abb. 10.24. Verl¨aufe von kinetischer und potenzieller Energie
10.4.8 Aufgaben zu Abschnitt 10.4 Aufgabe 10.1 (SG = 2) Eine Masse m ist wie dargestellt mir vier Federn verbunden. Die starren Platten sind masselos und k¨onnen sich nicht verdrehen. Gesucht ist die Eigenfrequenz des Systems. Bekannt: m, c1 , c2 , c3 , c4 . Aufgabe 10.2 (SG = 2) An einem Tr¨ager der Biegestei¿gkeit EI ist eine Einzelmasse der Gr¨oße m angebracht. Der Tr¨ager ist f¨ur drei F¨alle unterschiedlich gelagert: Fall a) beidseitig gelenkig, Fall b) beidseitig eingespannt und Fall a) beidseitig elastisch. Unter Vernachl¨assigung der Tr¨agermasse bestimme man die Eigenfrequenzen der drei Systeme f¨ur Vertikalschwingungen. Bekannt: EI, l1 , l2 , m, c1 , c2 .
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
389
Aufgabe 10.3 (SG = 3) Ein Rahmen besteht aus zwei elastischen Stielen und einem starren Riegel. Die Massen der Stiele mS d¨urfen vernachl¨assigt und die Masse des Riegels mR im Punkt S konzentriert werden. 1. Gesucht ist eine Absch¨atzung der Eigenfrequenz des Systems f¨ur horizontale Auslenkungen. 2. Wie groß ist die gesamte Energie des Systems? Bekannt: h = 2.50 m, Stiel: E = 2.1 · 105 N/mm2 , IS = 2000 cm4 , mR = 1000 kg, Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 = 5 cm, x(t ˙ = 0) = v0 = 0.
Aufgabe 10.4 (SG = 3) F¨ur die halbe Kreisscheibe aus Aufgabe 6.22 und Aufgabe 6.28 bestimme man die Eigenfrequenz und die Schwingungsdauer. Dabei k¨onnen Annahmen f¨ur reines Rollen und kleine Auslenkungen getroffen werden. 4 Bekannt: m, R, SM = s = R . 3π Aufgabe 10.5 (SG = 3) Die Eigenfrequenz eines Fernsehturmes soll f¨ur horizontale Bewegungen abgesch¨atzt werden. Dabei wird die Masse des Stieles vernachl¨assigt und die Masse m des Aussichtsforums in einem Punkt konzentriert. Zur Absch¨atzung des elastischen Verhaltens des Turmes wird das Fl¨achentr¨agheitsmoment linear ver¨anderlich mit den Randwerten Io und Iu angenommen. Bekannt: h = 250 m, Stiel: E = 2.1 · 105 N/mm2 , Io = 2000 m4 . Iu = 4 Io , Masse m = 30000 kg.
390
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Aufgabe 10.6 (SG = 2) Eine Kugel (Radius r, Masse m) f¨uhrt in einer kreisf¨ormigen Mulde (Radius R) eine Rollschwingung um die statische Gleichgewichtslage durch. Bestimmen Sie unter der Annahme kleiner Auslenkungen die Eigenfrequenz und die Periodendauer. Bekannt: r, R, m. Aufgabe 10.7 (SG = 2) Eine Kugel (Radius r, Masse m) ist mittels einer Feder an einer Wand befestigt und f¨uhrt auf einer horizontalen Ebene eine Rollschwingung um die statische Gleichgewichtslage durch. Bestimmen Sie unter den Annahmen kleiner Auslenkungen und reinen Rollens die Eigenfrequenz und die Periodendauer. Bekannt: r, R, m, c. Aufgabe 10.8 (SG = 2) F¨ur das K¨orperpendel in Abb. 10.20 bestimme man den Abstand e vom Aufh¨angepunkt 0 zum Schwerpunkt S, so dass die Schwingungsdauer T minimal wird. Bekannt: m, Θ(S) . Aufgabe 10.9 (SG = 2) Ein starrer Stab der Masse m ist mittels einer Feder f¨ur drei F¨alle unterschiedlich gelagert. An einem Ende des Stabes ist jeweils eine Punktmasse m angebracht. F¨ur die drei dargestellten F¨alle bestimme man unter Ber¨ucksichtigung des Eigengewichtes die Eigenfrequenzen. Bekannt: m, l, c.
10.4 Freie unged¨ampfte Schwingungen
391
Aufgabe 10.10 (SG = 2) F¨ur eine Motoraufh¨angung soll das Schwingungsverhalten abgesch¨atzt werden. Hierzu wird ein Ersatzmodell verwendet, welches wie dargestellt aus drei Federn besteht. Die Masse des Motors ist mP . Bestimmen Sie die Eigenfrequenz des Systems f¨ur Vertikalschwingungen.
Bekannt: mP = 80 kg, c1 = 40 kN/m, c2 = 60 kN/m. Aufgabe 10.11 (SG = 2) Aus der Schwingungsdauer einer Schere als physisches Pendel ist das Massentr¨agheitsmoment bestimmbar. Dazu wird die Schere in zwei Stellungen wie dargestellt aufgeh¨angt. Die Zeit f¨ur 10 kleine Schwingungen wurde f¨ur die offene Schere mit 7 s und f¨ur die geschlossene Schere mit 6 s gemessen. Mit einer Waage wurde das Gewicht der Schere m = 71 g abgelesen. Der Schwerpunktabstand von der Aufh¨angung betr¨agt e = 7 cm. Bestimmen Sie f¨ur beide F¨alle das Massentr¨agheitsmoment Θ(0) bez¨uglich des Aufh¨angepunktes.
Aufgabe 10.12 (SG = 2) Alternativ zu (10.4) und (10.7) k¨onnen die folgenden drei Funktionen zur Beschreibung harmonischer Schwingungen verwendet werden: x(t) = D + C1 sin(ωt − γ1 ) = D + C2 cos(ωt + γ2 ) = D + C3 sin(ωt + γ3 ). 1. Wie lauten die Zusammenh¨ange zu den Konstanten C und γ in (10.4) bzw. A und B in (10.7). 2. Wie muss die Zeigerdarstellung in Abb. 10.10 modi¿ziert werden?
392
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Aufgabe 10.13 (SG = 2) Ein Metronom besteht aus einem Stab der Masse m2 , an den zwei Massen m1 und m3 angebracht sind. Der Stab wird durch eine Torsionsfeder in vertikaler Lage gehalten. Nach Auslenkung des Systems kommt es zu Schwingungen um die senkrechte Gleichgewichtslage. Der Stab m2 wird als d¨unner Stab und die Massen m1 und m3 werden als Punktmassen angenommen. 1. Welche Eigenfrequenz hat das Metronom f¨ur den Fall kleiner Schwingungen? 2. Wie groß ist die gesamte Energie des Systems? Bekannt: m1 =3m, m2 =m, m3 =9m, cT =20 Nmm, m = 20 g, l =100 mm, e = 10 mm, b = 30 mm, ϕmax = 50 .
Aufgabe 10.14 (SG = 2) F¨ur die Radaufh¨angung eines PKW-Anh¨angers wird das dynamische Verhalten f¨ur vertikale Schwingungen untersucht. Die Achse ist wie skizziert durch zwei Federn mit den Konstanten cF an dem Aufbau angebracht. Die Federung des Reifens wird mittels Federkonstanten cR ber¨ucksichtigt. Die Achse des Wagens wird als starr angenommen. 1. Zur Bestimmung der Federkonstanten cR wird der Wagen mit vier Kisten der Masse mK beladen. Dadurch erf¨ahrt der Aufbau eine Verschiebung xA . Wie groß ist die Federkonstante cr der Reifen? 2. Welche Eigenfrequenzen hat der Anh¨anger mit und ohne Kisten f¨ur cr =∞? Bekannt: mW = 5m, mk = m, cF .
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
393
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen In dem Abschnitt 10.4 u¨ ber freie unged¨ampfte Schwingungen verbleibt die Amplitude stets gleich groß. Aus Erfahrung wissen wir, dass bei Schwingungen ohne Anregung solange eine allm¨ahliche Abnahme der Amplitude statt¿ndet, bis das System zur Ruhe kommt. Ursache hierf¨ur sind Widerstandskr¨afte wie z.B. Reibungs- oder D¨ampfungskr¨afte. D¨ampferelemente werden zum Beispiel im Fahrzeugbau verwendet, um ein vorgegebenes Schwingungsverhalten zu erzielen. Die Modellierung des D¨ampfungsverhaltens geschieht im Folgenden mit dem Kraftgesetz (3.21), welches mit der D¨ampfungskonstanten d einen linearen Zusammenhang zwischen Kraft und Auslenkungsgeschwindigkeit angibt. ¨ freie ged¨ampfte Schwingungen 10.5.1 Die Normalform fur In dem Beispiel in Abb. 10.25 ist ein Wagen u¨ ber eine Feder und einen D¨ampfer mit einer starren Wand verbunden. Gesucht ist f¨ur die Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 ,
(10.48)
x(t ˙ = 0) = v0
das Weg-Zeit-Gesetz x(t). Dazu betrachten wir den Wagen in Abb. 10.25.b in einer repr¨asentativen Lage mit der Auslenkung x in positiver Koordinatenrichtung nach rechts. Im Freischnitt in Abb. 10.25.c sind f¨ur diese Lage die einwirkenden Kr¨afte in horizontaler Richtung eingetragen. Dabei ist die Federkraft entgegen der Auslenkung nach links gerichtet. Erfolgt die Bewegung in positiver Koordinatenrichtung mit der Geschwindigkeit x˙ nach rechts, so zeigt die D¨ampfungskraft dx˙ entgegen der Bewegungsrichtung nach links.
Abb. 10.25. Wagen mit Feder und D¨ampfer
F¨ur die Bewegung in Abb. 10.12 wurde festgestellt, dass Kr¨afte senkrecht zur x-Achse keinen EinÀuss auf das Schwingungsverhalten haben, so dass wir sie hier nicht weiter ber¨ucksichtigen wollen. Der Schwerpunktsatz (6.31.1) liefert m¨ x = −Cx − dx˙ und mit den De¿nitionen
1. ω =
=⇒
C , m
x ¨+
d C x˙ + x = 0, m m
2. δ =
d 2m
(10.49)
erhalten wir die ¨ die freie ged¨ampfte Schwingung Normalform der Differenzialgleichung fur x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = 0.
(10.50)
394
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Hierbei ist ω Eigenfrequenz der unged¨ampften Schwingung aus Gl.(10.16), und δ ist der Abklingkoeffizient. Gl.(10.50) stellt eine homogene, lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koef¿zienten dar. Da die Faktoren 1, 2δ und ω 2 in der Differenzialgleichung (10.50) konstant sind, muss deren L¨osungsfunktion ihrer 1. und 2. Ableitung proportional sein. Diese Bedingung wird von der Exponentialfunktion erf¨ullt. Der Ansatz f¨ur eine allgemeine L¨osung lautet daher x = Aeλt ,
(10.51)
wobei die beiden Ansatzkonstanten A und λ im allgemeinen Fall komplex sein k¨onnen. Mit ¨ = Aλ2 eλt folgt durch Einsetder ersten und zweiten Ableitung nach der Zeit x˙ = Aλeλt , x zen in die Differenzialgleichung (10.50) x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = Aλ2 eλt + 2δAλeλt + ω 2 Aeλt = Aλeλt λ2 + 2δλ + ω 2 = 0. Da λeλt f¨ur alle Werte von t von Null verschieden ist, muss der Klammerausdruck verschwinden. Damit entsteht eine charakteristische Gleichung mit zwei Nullstellen: √ (10.52) 1. λ2 + 2δλ + ω 2 = 0 =⇒ 2. λ1,2 = −δ ± δ2 − ω 2 . Wegen der Existenz von zwei Nullstellen folgt aus dem Ansatz (10.51), dass die allgemeine L¨osung der Differenzialgleichung (10.50) eine Linearkombination von zwei Teill¨osungen ist: x(t) = A1 eλ1 t + A2 eλ2 t .
(10.53)
Hierbei sind A1 und A2 Integrationskonstanten (oder: Ansatzkonstanten). F¨ur nachfolgende Untersuchungen ist die De¿nition f¨ur das Lehrsche D¨ampfungsmaß (oder: D¨ampfunggrad) D=
δ ω
zweckm¨aßig, so dass f¨ur die Nullstellen λ1,2 in Gl.(10.52.2) λ1,2 = −δ ± ω D 2 − 1
(10.54)
(10.55)
erhalten wird. Die Gr¨oße von D ist entscheidend daf¨ur, ob die Wurzel in Gl.(10.55) reell, imagin¨ar oder Null wird. Dazu sind die folgenden drei F¨alle zu unterscheiden: 1. D > 1 : 2. D = 1 : 3. D < 1 :
starke D¨ampfung (aperiodische Bewegung) Grenzd¨ampfung (aperiodischer Grenzfall) schwache D¨ampfung (freie ged¨ampfte Schwingung).
(10.56)
10.5.2 Starke D¨ampfung mit D > 1 Die L¨osungen (10.55) der charakteristischen Gleichung (10.52.1) sind f¨ur D > 1 reell. Mit √ √ (10.57) λ1,2 = −δ ± ω D 2 − 1 = −δ ± κ, wobei κ = ω D2 − 1 folgt f¨ur die allgemeine L¨osung (10.53)
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
x(t) = A1 eλ1 t + A2 eλ2 t
= e−δt A1 eκt + A2 e−κt .
395
(10.58)
F¨ur die Anfangsbedingungen (10.48) ergeben sich folgende Ansatzkonstanten A1 und A2 v0 + x0 (κ + δ) −v0 + x0 (κ − δ) (10.59) , A2 = . 2κ 2κ In Abb. 10.26 sind m¨ogliche L¨osungsverlaufe f¨ur verschiedene Anfangsbedingungen qualitativ dargestellt. F¨ur v0 > 0 wird der K¨orper von der Ruhelage weg, f¨ur v0 < 0 zur Ruhelage hin gestoßen. In allen F¨allen vollzieht der K¨orper auf Grund der starken D¨ampfung mit δ > κ in Gl.(10.58) eine exponentiell abklingende Bewegung. Bei starkem Anstoß zur Ruhelage hin, v0 < 0, |v0 | > x0 δ, kann der K¨orper einmal (aber nur einmal) u¨ ber die Ruhelage hinausschwingen. Bei den u¨ brigen Kurven ergibt sich kein Nulldurchgang. Abb. 10.26. Aperiodische Bewegungen Sie stellen somit keine Schwingung nach De¿nition f¨ur D > 1 bei verschiedenen (10.1), sondern eine aperiodische Bewegung (oder: Anfangsbedingungen Kriechbewegung) dar. A1 =
10.5.3 Grenzd¨ampfung mit D = 1 F¨ur D = 1 verschwindet die Wurzel in den L¨osungen (10.55) der charakteristischen Gleichung (10.52.1). Damit liefert der Ansatz (10.51) f¨ur die allgemeine L¨osung nur einen Term: 2. x(t) = Ae−δt . 1. λ1,2 = −δ ± ω D2 − 1 = −δ =⇒ Die mathematische Forderung an allgemeine L¨osungen von Differenzialgleichungen 2. Ordnung verlangt jedoch zwei unabh¨angige Terme. Mit der Methode der Variation der Konstanten wird dazu der Ansatz x(t) = C(t)e−δt verwendet, wobei der Ansatzparameter C(t) im Gegensatz zu der Konstanten A in Gl.(10.51) zeitabh¨angig ist. Bestimmen wir die erste und die zweite Ableitung nach der Zeit −δt − C(t)δe−δt , x −δt − 2C(t)δe −δt + C(t)δ 2 e−δt , ¨ ˙ ˙ ¨(t) = C(t)e x(t) ˙ = C(t)e
so folgt durch Einsetzen in die Differenzialgleichung (10.50) 0=x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x
−δt − 2C(t)δe −δt + C(t)δ 2 e−δt + 2δ C(t)e −δt − C(t)δe−δt + ω 2 C(t)e−δt ˙ ˙ ¨ = C(t)e −δt . ¨ − δ2 C(t) + ω 2 C(t) e−δt = C(t)e ¨ = C(t)
Hierbei wurde noch wegen D = δ/ω = 1 der Zusammenhang δ2 − ω 2 = 0 ber¨ucksichtigt. −δt wird f¨ ¨ = 0 zu Null. Durch zweifache Integration folgt ¨ ur C(t) Der Ausdruck C(t)e
396
10 Grundlagen der Schwingungslehre
C(t) = A1 + A2 t,
(10.60)
wobei A1 und A2 zwei neue zeitunabh¨angige Konstanten sind. Die allgemeine L¨osung f¨ur die freie ged¨ampfte Schwingung mit D = 1 lautet jetzt x(t) = e−δt (A1 + A2 t) .
(10.61)
Aus den Anfangsbedingungen (10.48) berechnet man f¨ur die Ansatzkonstanten A1 = x0 , A2 = v0 + δx0 .
(10.62)
In Abb. 10.27 ist der Verlauf der Funktion x(t) qualitativ dargestellt. Wie im Fall D>1 klingt die L¨osung infolge der D¨ampfung exponentiell ab.
Abb. 10.27. L¨osungsfunktion (10.61) f¨ur D = 1
10.5.4 Schwache D¨ampfung mit D < 1 F¨ur den Fall D < 1 wird die Wurzel f¨ur die L¨osungen (10.55) der charakteristischen Gleichung (10.52.1) imagin¨ar. Damit erh¨alt man zwei konjugiert komplexe Nullstellen √ √ λ1,2 = −δ ± ω D2 − 1 = −δ ± ω (1 − D 2 )(−1) = −δ ± iωd , i = −1, und mit der Eigenfrequenz des ged¨ampften Systems ωd = ω 1 − D 2 < ω
(10.63)
lautet die allgemeine L¨osung (10.53) x(t) = A1 eλt + A2 eλt = e−δt A1 eiωd t + A2 e−iωd t . Mit der Eulerschen Formel e±iϕ = cos ϕ ± i sin ϕ wird diese Gleichung umgeschrieben: x(t) = e−δt ((A1 + A2 ) cos ωd t + (A1 − A2 )i sin ωd t) . F¨uhren wir die Substitutionen A1 = (A − iB) /2, A2 = (A + iB) /2 mit den reellen Zahlen A und B ein und ber¨ucksichtigen die Beziehung i2 = −1, dann lautet die allgemeine L¨osung f¨ur die freie ged¨ampfte Schwingung mit D > 1 x(t) = e−δt (A cos ωd t + B sin ωd t) .
(10.64)
Aus den Anfangsbedingungen (10.48) erh¨alt man f¨ur die Ansatzkonstanten A und B A = x0 ,
B=
v0 + δx0 . ωd
(10.65)
In Abschnitt 10.2 wurde gezeigt, dass der Ausdruck A cos ωd t + B sin ωd t gleichwertig zu C cos(ωd t − γ) ist. Damit k¨onnen wir x(t) auch in folgender Form schreiben:
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
x(t) = e−δt C cos(ωd t − γ).
397
(10.66)
Die Ansatzkonstanten C und γ werden durch Einsetzen von (10.65) in (10.8) erhalten:
v0 + δx0 2 v0 + δx0 2 (10.67) C = x0 + , tanγ = . ωd ω d x0 In Abb. 10.28 ist die L¨osungsfunktion (10.66) qualitativ dargestellt. Im Gegensatz zu den F¨allen D > 1 und D = 1 tritt eine Schwingung mit wiederholter Umkehr der Bewegungen auf, wobei die Amplitude infolge der D¨ampfung exponentiell abklingt. Aus Gl.(10.63) erkennt man, dass die Eigenfrequenz ωd der ged¨ampften Schwingung kleiner ist als die Eigenfrequenz ω der unged¨ampften Schwingung. Damit gilt Td =
2π 2π = T, > ωd ω
(10.68)
d.h. die Schwingungsdauer Td des ged¨ampften Systems ist gr¨oßer als die des unged¨ampften Systems. Auf Grund des Abklingens der Amplitude gilt im Gegensatz zu Gl. (10.2) x(t + T ) = x(t),
(10.69)
d.h. die Funktion (10.66) ist nicht periodisch, sondern lediglich periodisch 2. Art. Da die Exponentialfunktion in Gl.(10.66) stets von Null verschieden ist, sind die Bedingungen f¨ur die Nullstellen tn0 der Funktion x(t) und der Kosinusfunktion gleich, d.h.
n 1 γ π(2n − 1) , n = 1, 2, 3, ..., (10.70) =⇒ tn0 = − Td + ωd tn0 − γ = 2 2 4 ωd wobei Gl.(10.68) ber¨ucksichtigt wurde. Die Nulldurchg¨ange tn0 haben also den Abstand Td /2. In Abb. 10.28 sind auch die ,,einh¨ullenden” Funktionen ±Ce−δt eingetragen. Sie
Abb. 10.28. L¨osungsfunktion (10.67) f¨ur D < 1
398
10 Grundlagen der Schwingungslehre
ber¨uhren die Funktion x(t) zu den Zeiten tBn , wenn die Kosinusfunktion die Werte −1 und +1 annimmt. Die Bedingungen f¨ur die Ber¨uhrpunkte lauten also
n 1 γ ωd tnB − γ = π(n − 1) =⇒ tnB = , n = 1, 2, 3, ... . (10.71) − Td + 2 2 ωd Damit haben auch die Ber¨uhrpunkte jeweils den Abstand Td /2. Aus Gl.(10.70) und Gl.(10.71) folgt der Zusammenhang Td , n = 1, 2, 3, ..., (10.72) 4 d.h. die Abzissen der Ber¨uhrpunkte tnB liegen jeweils in der Mitte zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen t(n−1)0 und tn0 . Durch Ableitung der Funktion x(t) erh¨alt man die Extremwerte. Man kann zeigen, dass die Abst¨ande ihrer Abzissen den Wert Td /2 haben, siehe hierzu Aufgabe 10.17. Die Abst¨ande zu den Nulldurchg¨angen sind jedoch wie in Abb. 10.28 dargestellt ungleich Td /4. Als n¨achstes betrachten wir zwei Funktionswerte zu den Zeiten t und t+nTd, n = 1, 2, ..: tn0 = tnB +
x(t)
= Ce−δt cos(ωd t − γ)
x(t + nTd ) = Ce−δ(t+nTd ) cos(ωd (t + nTd ) − γ) 2π = Ce−δ(t+nTd ) cos(ωd t + ωd t − γ) = Ce−δ(t+nTd ) cos(ωd t − γ). ωd Damit folgt f¨ur das Verh¨altnis dieser beiden Ausschl¨age zu den Zeiten t und t + nTd n2πD nδ2π √ x(t) e−δt 2 δnTd ω =e d =e 1−D , = −δ(t+nT ) = e d x(t + nTd ) e
(10.73)
wobei noch die Beziehungen (10.54), (10.63), (10.68) ber¨ucksichtigt wurden. Wir bilden den nat¨urlichen Logarithmus dieser Gleichung und teilen das Ergebnis durch n: Λ=
2πδ D x(t) 1 = 2π √ . ln = δTd = n x(t + nTd ) ωd 1 − D2
(10.74)
Den Parameter Λ bezeichnet man (f¨ur n = 1) als Logarithmisches Dekrement. Ist Λ aus der Messung von zwei Ausschl¨agen bekannt, so kann das Lehrsche D¨ampfungsmaß D durch Umformen von Gl.(10.74) berechnet werden: D=√
Λ . 4π 2 + Λ2
(10.75)
Bei Schwingungen mit D¨ampfung interessieren wir uns f¨ur die dissipierte mechanische Energie. Mit den Auslenkungen x(t) und x(t + nTd ) in Gl.(10.73) bestimmen wir dazu die Differenz der gespeicherten potenziellen Federenergie nach n Schwingungen: ⎛ ⎞ −4nπD √ 1 1 1 ⎜ 2⎟ ΔU = U (t)−U (t+nTd ) = cx2 (t)− cx2 (t+nTd ) = cx2 (t)⎝1−e 1 − D ⎠. (10.76) 2 2 2
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
399
Beispiel 10.5 Randspannung am elastischen Stab mit Motor und D¨ampfung An dem eingespannten Stab in Beispiel 10.2 ist am rechten Ende zus¨atzlich ein D¨ampfer mit der Konstanten d angebracht. Gesucht ist der zeitliche Verlauf f¨ur die Randspannung σR (t) an der Einspannstelle. Wie groß ist die dissipierte Energie nach 5 Schwingungen? Bekannt: m = 0.1 kg, c = 50 N/mm, d = 0.17 kg/s, l = 100 mm, h = 6 mm, b = 3 mm, E = 20000 N/mm2 , x0 = 0.5 mm, v0 = 0 mm/s.
Abb. 10.29. Stab mit Motor, Feder und D¨ampfer
¨ Voruberlegungen: Wie in Beispiel 10.2 wird die elastische Wirkung des Kragarmes durch eine Feder ersetzt. Das Ersatzsystem besteht aus dem Massenpunkt, einer Feder und einem D¨ampfer. Mit dem Schwerpunktsatz f¨ur das Ersatzsystem gelangt man auf die Normalform (10.50). In Abh¨angigkeit der Fallunterscheidungen (10.56) f¨ur das Lehrsche D¨ampfungsmaß werden die Auslenkung der Schwingung und schließlich die Spannung ermittelt. Die dissipierte Energie nach 5 Schwingungen wird mit Gl.(10.76) berechnet. L¨osung: Die Auslenkung am Stabende ist gleich den Auslenkungen der vorhandenen Feder und dem D¨ampfer, so dass in dem Ersatzsystem in Abb. 10.29.b eine Parallelschaltung aller Elemente vorliegt. Freischneiden und Anwendung des Schwerpunktsatzes liefert mit der Federkonstanten cG = c + cb Abb. 10.29.b. Ersatzsystem und Freischnitt
Spannung [MPa]
m¨ x = −dx˙ − cG x. Die Normalform nach Gl.(10.50) lautet 10
d c + cb x = 0. x ¨+ x˙ + m ,- . +,-. + m 2δ
ω2
Wie unten angegeben erh¨alt man mit den gegebenen Zahlenwerten f¨ur das Lehrsche D¨ampfungsmaß nach Gl.(10.54) D = 0.0368 < 1. Damit liegt gem¨aß den Fallunterscheidungen (10.56) der Fall 3 mit einer schwachen D¨ampfung vor. Die zugeh¨orige L¨osung wird in Gl.(10.64) mit den Ansatzkonstanten (10.65) angegeben.
8 6 4 2
0 0.0 í2
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
3.5
4.0
4.5
5.0
Zeit [s]
í4 í6 í8 í10
Abb. 10.29.c. Randspannung in Abh¨angigkeit der Zeit
Diese Gleichungen k¨onnen f¨ur die in der Aufgabenstellung gegebenen Zahlenwerte z.B. mit der in Tabelle 10.3 angegebenen Scilab-Eingabedatei [27] ausgewertet werden. Man
400
10 Grundlagen der Schwingungslehre
erh¨alt folgende Zahlenwerte: I = 54 mm4 , cb = 3.24 N/mm, δ = 0.85 [-], ω = 23.07 s−1 , D = 0.0368. Die Randspannung σR (t) wird in Abh¨angigkeit der Auslenkung x(t) wie in Beispiel 10.2 bestimmt. In der Darstellung in Abb. 10.29.c erkennt man, dass die Amplitude nach 5 Schwingungen auf ungef¨ahr die H¨alfe der Anfangsamplitude reduziert ist. F¨ur die Federenergie zur Zeit t = 0 nach Gl.(4.40.2) und die dissipierte Energie nach n = 5 Schwingungen nach Gl.(10.76) erh¨alt man U (t = 0) =
1 cG x20 = 6.66 Nmm, ΔU = 6.00 Nmm. 2
Beispiel 10.6 x(t)-Diagramm einer freien Schwingung F¨ur den Schwinger in Abb. 10.25 wird der Weg x in Abh¨angigkeit der Zeit t gemessen. Das resultierende Messdiagramm ist in Abb. 10.30 dargestellt. Aus den Versuchsdaten ermittle man die Schwingungsdauer Td , die Kreisfrequenz ωd , den Abklingkoef¿zient δ und die D¨ampfungskonstante d. Die Masse des Wagens ist m= 3 kg.
Abb. 10.30. x(t)-Diagramm einer freien Schwingung
¨ Voruberlegungen: Zun¨achst werden f¨ur zwei Ausschl¨age nach Gl.(10.74) der Parameter Λ und nach Gl.(10.75) das Lehrsche D¨ampfungsmaß D bestimmt. Damit werden aus Gl.(10.74) der Abklingkoef¿zient δ und aus Gl.(10.49.2) die D¨ampfungskonstante d berechnet. Die Genauigkeit wird verbessert, wenn mehrere volle Schwingungen und nicht nur eine Schwingung ber¨ucksichtigt werden. L¨osung: Wir w¨ahlen als Anfangszeit ta = 1s und als Endzeit te = 21 s. Dazwischen liegen f¨unf volle Schwingungen. Damit erh¨alt man die Schwingungsdauer Td und mit Gl.(10.68) die Eigenkreisfrequenz des ged¨ampften Systems 5Td = te − ta = 20 s
=⇒
Td =
20 =4s 5
=⇒
ωd =
2π 2π = 1.57 s−1 . = Td 4s
Zur Ermittlung des Abklingkoef¿zienten d verwenden wir die Amplituden der ersten und der f¨unften Schwingung x(ta ) = 9.2 cm, x(ta + 5Td ) = 1.86 cm. Aus Gl.(10.74) erh¨alt man Λ=
1 x(t) 1 9.2 ln = ln = 0.319. 5 x(t + 5Td ) 5 1.86
F¨ur das Lehrsche D¨ampfungsmaß D gilt nach Gl.(10.75) D=√
0.319 Λ =√ = 0.0507. 2 2 +Λ 4π + 0.3192
4π 2
F¨ur die D¨ampferkonstante ergibt sich aus Gl.(10.49.2) sowie δ = Λ/TD (vgl. (10.73)) d=2δm=
2 · 0.319 · 3 2Λm = 0.4785 kg/s. = Td 4
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
401
10.5.5 D¨ampfung durch trockene Reibung Wir behandeln den EinÀuss der Reibung auf das Schwingungsverhalten von Systemen mit einem Freitsgrad. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir dazu in Abb. 10.31 eine Kiste, die u¨ ber eine Feder mit einer Wand verbunden ist und sich auf einem rauhen Untergrund bewegt. Der Koef¿zient f¨ur die Coulombsche Gleitreibung ist μ. Gesucht ist das Weg-Zeit-Gesetz x(t). Die Anfangsbedingungen f¨ur Weg und Geschwindigkeit lauten x(t = 0) = x0 , x(t ˙ = 0) = v0 . (10.77) In Abb. 10.31 werden f¨ur die Kiste in einer Lage mit positiver x-Koordinate zwei F¨alle f¨ur den Freischnitt unterschieden. In der linken Abbildung tritt die Geschwindigkeit x˙ > 0 auf. Dabei zeigen sowohl die Federkraft cx als auch die Reibungskraft R = μmg entgegen der Auslenkung nach links. In der rechten Abbildung tritt die Geschwindigkeit x˙ < 0 auf. Auf Grund der Auslenkung in positiver Koordinatenrichtung zeigt die Federkraft cx nach links, w¨ahrend wegen der Bewegung nach links die Reibungskraft R = μmg nach rechts zeigt. Der Schwerpunktsatz (6.31.1) liefert f¨ur beide F¨alle
Abb. 10.31. Kiste mit Feder und Reibung
x˙ > 0 :
m¨ x = −cx − μmg
=⇒
x˙ < 0 :
m¨ x = −cx + μmg
=⇒
c x = −μg m c x ¨ + x = +μg. m
x ¨+
Mit den Abk¨urzungen 1. ω =
c , m
2. r =
μg R = ω2 c
(10.78)
folgen die ¨ die freie Schwingung mit trockener Reibung Normalformen fur x˙ > 0 : x˙ < 0 :
x ¨ + ω 2 x = −ω 2 r x ¨+
ω2x
=
(10.79)
+ω 2 r.
Wir erhalten somit zwei verschiedene Differenzialgleichungen 2. Ordnung f¨ur die Bewegung nach rechts und nach links. Im Gegensatz zu Gl.(10.17) sind die rechten Seiten nicht gleich Null, so dass die Differenzialgleichungen inhomogen sind. Der allgemeine L¨osungsansatz besteht aus einem homogenen Anteil xh (t) und einem partikularen Anteil xp (t) x(t) = xh (t) + xp (t).
(10.80)
402
10 Grundlagen der Schwingungslehre
F¨ur die homogene L¨osung k¨onnen wir den Ansatz (10.18) u¨ bernehmen: xh (t) = A cos ωt + B sin ωt.
(10.81)
Durch Einsetzen in (10.79) u¨ berpr¨uft man sofort folgende Partikularl¨osungen: x˙ > 0 : xp (t) = −r,
x˙ < 0 : xp (t) = r.
(10.82)
Damit lauten die allgemeinen L¨osungen der Normalform (10.79) 1.
x˙ > 0 :
x(t) = A cos ωt + B sin ωt − r,
2.
x˙ < 0 :
x(t) = A cos ωt + B sin ωt + r.
(10.83)
Ein Vergleich mit der allgemeinen Darstellung (10.7) zeigt, dass Gl.(10.83.1) einer harmonischen Schwingung um den Mittelwert −r entspricht, w¨ahrend Gl.(10.83.2) eine harmonische Schwingung um den Mittelwert r darstellt. Mit den Anfangsbedingungen (10.77) k¨onnen die Ansatzkonstanten A und B in (10.83) f¨ur die einzelnen Bewegungsabschnitte ausgewertet werden. Ber¨ucksichtigt man hierbei, dass sich die Kiste in dem ersten Bewegungsabschnitt von rechts nach links mit der Geschwindigkeit x˙ < 0 bewegt, ergeben sich folgende L¨osungen (vgl. Aufgabe 10.16): 0 ≤ ωt ≤ π π ≤ ωt ≤ 2π 2π ≤ ωt ≤ 3π 3π ≤ ωt ≤ 4π ... .
: : : :
x(t) = (x0 − r) cos ωt + r, x(t) = (x0 − 3r) cos ωt − r, x(t) = (x0 − 5r) cos ωt + r, x(t) = (x0 − 7r) cos ωt − r
(10.84)
Der Verlauf der Schwingung ist in Abb. 10.32 dargestellt. Bei jeder Halbschwingung nimmt die Amplitude also um 2r ab. Allgemein gilt f¨ur die relative Amplitude an nach jeder Halbschwingung an = x0 − (2n − 1)r, n = 1, 2, 3, ... . Wenn an einem Umkehrpunkt der Betrag des Ausschlages |x| kleiner als r wird, dann folgt wegen Gl.(10.78.2) |x| < r =
R =⇒ |cx| < R. c
(10.85)
Die Federkraft |cx| wird dann kleiner als die Abb. 10.32. Verschiebungs-Zeit-Diagramm bei trockener Reibung Haftreibungskraft R = μmg, so dass die Kiste zum Stillstand kommt. Mit diesen Ergebnissen kann auch der Energieverlust nach jeder Halbschwingung berechnet werden: 1 1 ΔT = mx20 − mx2n , n = 1, 2, ... . (10.86) 2 2
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
403
10.5.6 Schwingungen des feder- und d¨ampfergelagerten K¨orperpendels In Abb. 10.33 ist ein K¨orperpendel dargestellt, f¨ur das anstatt der Feder in Abb. 10.21 im Punkt P2 ein D¨ampfer angebracht ist. F¨ur den allgemeinen Fall eines K¨orperpendels mit nF Federn und nD D¨ampfern sind die Eigenfrequenz ω und der Abklingkoef¿zient δ bei Beschr¨ankung auf kleine Schwingungen gesucht. Unter Ber¨ucksichtigung der Ergebnisse in Abschnitt 10.4.6 wird die Auslenkung ausgehend von der statischen Gleichgewichtslage ϕst - in der D¨ampfungskr¨afte keinen EinÀuss haben - mit dem relativen Winkel ϕ¯ betrachtet. Dabei werden die Momente infolge des Eigengewichtes und der Federkr¨afte mit den Gleichungen (10.44) erhalten: ¯ (0) = −emg cos ϕst ϕ, ¯ M G
Abb. 10.33. K¨orperpendel mit Federn und D¨ampfern
¯ (0) = − M F
nF
ci ri2 ϕ. ¯
(10.87)
i=1
Der Punkt P2 erf¨ahrt infolge der Winkelgeschwindigkeit ϕ ¯˙ nach Gl.(6.10.1) die Geschwin˙ ¯ Die resultierende D¨ampferkraft hat nach Gl.(3.21.1) den Wert dr2 ϕ ¯˙ und ist der digkeit r2 ϕ. Bewegung entgegengerichtet. Der Hebelarm bez¨uglich des Punktes 0 ist r2 . Das Moment aller D¨ampferkr¨afte ist somit (0)
MD = −
nD
di ri2 ϕ. ¯˙
(10.88)
i=1
Damit lautet der Momentensatz (6.33.3) Θ
(0)
¯ (0) + M (0) = −emg cos ϕst ϕ¯ − ¯ () + M ϕ ¯¨ = M G F D
nF i=1
ci ri2 ϕ¯
−
nD
di ri2 ϕ. ¯˙
i=1
Diese Gleichung wird in die Normalform (10.50) umformuliert: nD nF 1 1 ¯˙ = 0. ¯ + (0) ϕ ¯¨ + (0) emg cos ϕst + ci ri2 ϕ di ri2 ϕ Θ Θ i=1 i=1
(10.89)
Die Eigenfrequenz ω ist die Wurzel des Faktors von ϕ, ¯ und der zweifache Abklingkoef¿zient ˙ 2δ ist der Faktor von ϕ: ¯ 3 4 nD nF 4 1 1 2 (10.90) 2. δ = 1. ω = 5 (0) emg cos ϕst + ci ri , di ri2 . (0) Θ 2Θ i=1 i=1 Damit k¨onnen nach Gl.(10.54) das Lehrsche D¨ampfungsmaß D = δ/ω bestimmt und in Abh¨angigkeit der Fallunterscheidung (10.56) weitere Untersuchungen durchgef¨uhrt werden.
404
10 Grundlagen der Schwingungslehre
10.5.7 Aufgaben zu Abschnitt 10.5 Aufgabe 10.15 (SG = 2) Bei dem Rahmen aus Aufgabe 10.3 werden mit dem dargestellten D¨ampfer zus¨atzlich D¨ampfungseigenschaften ber¨ucksichtigt. 1. Gesucht ist die Auslenkung nach 10 s. 2. Wie groß ist die dissipierte Energie nach 5 Schwingungen? Bekannt: h = 2.50 m, Riegel: E = 2.1 · 105 N/mm2 , IR = ∞, Stiel: E = 2.1 · 104 N/mm2 , IS = 2000 cm4 , d = 3000 N/m, mR = 1 t, Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 = 5 cm, x(t ˙ = 0) = v0 = 0. Aufgabe 10.16 (SG = 1) Wir untersuchen nochmals die Kiste mit trockener Reibung aus Abschnitt 10.5.5. 1. Veri¿zieren Sie die L¨osungen (10.84) f¨ur die Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 und x(t ˙ = 0) = v0 = 0. 2. Bestimmen Sie die Reibungsarbeit nach jeder Halbschwingung und vergleichen Sie das Ergebnis mit dem Energieverlust in Gl.(10.86). Aufgabe 10.17 (SG = 1) F¨ur die Schwingung mit schwacher D¨ampfung in Abschnitt 10.5.4 bestimme man die Zeitpunkte der Extremwerte unter Ber¨ucksichtigung der Anfangsbedingungen (10.48). Aufgabe 10.18 (SG = 2) F¨ur das dargestellte Stabsystem soll das Schwingungsverhalten untersucht werden. 1. Gesucht ist die Auslenkung nach 10 s. 2. Wie groß ist die dissipierte Energie nach 5 Schwingungen? Bekannt: m = 5 kg, l = 1.5 m, h = 1.20 m c = 300 kN/m, d = 100 Ns/m, x0 = 2 cm, v0 = 0, β = 30o .
10.5 Freie ged¨ampfte Schwingungen
405
Aufgabe 10.19 (SG = 3) F¨ur einen LKW-Anh¨anger soll mit Hilfe des dargestellten Ersatzmodells das Schwingungsverhalten abgesch¨atzt werden. 1. Wie groß ist die Eigenfrequenz f¨ur vertikale Hubbewegungen der Achse ohne und mit D¨ampfern. 2. Wie groß ist die Eigenfrequenz f¨ur Drehschwingungen der Achse ohne und mit D¨ampfer? 3. Wie groß ist die dissipierte Energie nach 5 Schwingungen? Bekannt: Masse des Aufbaus m = 3000 kg, Massentr¨agheitsmoment des Aufbaus Θ(S) = 600 kg m2 , Spurweite l = 2.1 m, Federspur b = 1.7 m, Ersatzfederkonstante des Reifens cR = ∞, Wagenfederkonstante cW = 106 N/m, D¨ampfungskonstante d = 100 Ns/m.
Aufgabe 10.20 (SG = 3) F¨ur ein Fahrrad mit Federgabel wird das Schwingungsverhalten abgesch¨atzt. Hierzu wird ein Ersatzmodell verwendet, welches aus drei St¨aben der Masse m und einer Punktmasse mP besteht. Der zus¨atzliche Hilfsstab ist masselos (mH = 0). Die Gabel hat eine Feder mit der Konstanten c und einen D¨ampfer mit der Konstanten d. 1. Wie groß sind die Eigenfrequenz ωd und die Schwingungsdauer Td ? 2. Welche Auslenkung ergibt sich nach 5 s f¨ur die Anfangsauslenkung x0 =2 cm und die Anfangsgeschwindigkeit v0 =0? 3. Wie groß ist die dissipierte Energie nach 5 Schwingungen? Bekannt: m, mP = 4m, l = 0.5m, hP = 1.20m, h = 0.8m, c = 40 kN/m, d = 1000 Ns, x0 = 2 cm, v0 = 0.
406
10 Grundlagen der Schwingungslehre
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen Bei einer erzwungenen Schwingung wird ein System einer Anregung von außen ausgesetzt. F¨ur Maschinen entstehen periodische a¨ ußere Anregungen z.B infolge einer Unwuchterregung oder einer Schubkurbelbewegung. F¨ur eine Br¨ucke oder ein Hochhaus stellt z.B. eine Windbelastung oder eine Ersch¨utterung durch Erdbeben eine a¨ ußere Anregung dar. Die Arten der Anregung und die Erregerfrequenz haben wesentlichen EinÀuss auf das Schwingungsverhalten des Systems. Um dieses zu zeigen, werden zu Beginn des Abschnittes f¨ur vier F¨alle mit periodischen Anregungen und ein Beispiel mit der Schwingung um die statische Ruhelage die Differenzialgleichungen hergeleitet. Diese Gleichungen werden in einer vereinheitlichten Darstellung, der Normalform der Differenzialgleichung, zusammengefasst, f¨ur die eine allgemeine L¨osung gefunden werden kann. 10.6.1 Vier F¨alle mit periodischen Anregungen Fall 1 Kraftanregung: In Abb. 10.34 ist ein Wagen u¨ ber eine Feder und einen D¨ampfer mit einer Wand verbunden. Die Anregung erfolgt durch eine harmonisch ver¨anderliche Kraft F (t) = FA cos Ωt mit der Kraftamplitude FA und der Erregerfrequenz Ω. Die Anfangsbedingungen sind x(t = 0) = x0 ,
x(t ˙ = 0) = v0 .
(10.91)
Wir betrachten den Wagen in Abb. 10.34.b in einer repr¨asentativen Lage mit der Auslenkung x in positiver Koordinatenrichtung. Im Freischnitt in Abb. 10.34.b sind alle Kr¨afte in horizontaler Richtung eingetragen. Der Schwerpunktsatz (6.31.1) liefert m¨ x = −Cx − d¨ x + F (t) Mit den De¿nitionen 1. ω =
C , m
Abb. 10.34. Wagen mit Feder, D¨ampfer und Kraftanregung
=⇒ x ¨+
2. δ =
d C FA C x ¨+ x= cos Ωt. m m C m
d , 2m
3. xA =
FA C
(10.92)
folgt die Normalform x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = xA ω 2 cos Ωt.
(10.93)
Hierbei sind ω die Eigenfrequenz der unged¨ampften Schwingung, δ der Abklingkoef¿zient und xA die statische Auslenkung infolge der Kraft FA . Die Normalform (10.17) ist eine lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koef¿zienten. Im Unterschied zu (10.17) ist die rechte Seite ungleich Null, so dass die Differenzialgleichung inhomogen ist.
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
407
Fall 2 Federanregung: In Abb. 10.35 wird der Wagen u¨ ber eine Feder harmonisch mit der Funktion xF (t) = xA cos Ωt angeregt. Dann ist xF − x die Verl¨angerung der Feder, welche im Freischnitt in Abb. 10.35.c die Kraft C(xF − x) hervorruft. Der Schwerpunktsatz (6.31.1) liefert m¨ x = −d¨ x + C(xF − x) =⇒ x ¨+
C C C d x ¨ + x = xF = xA cos Ωt. m m m m
Mit den De¿nitionen f¨ur ω und δ in Gl.(10.92.1) und Gl.(10.92.2) folgt die Normalform x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = xA ω 2 cos Ωt.
(10.94)
Abb. 10.35. Wagen mit D¨ampfer und Federanregung
Diese Gleichung entspricht der Normalform (10.93) f¨ur die ged¨ampfte Schwingung mit Kraftanregung. Fall 3 D¨ampferanregung: In Abb. 10.36 ist der Wagen u¨ ber eine Feder mit einer Wand verbunden. Zus¨atzlich wird er u¨ ber einen D¨ampfer mit der Funktion xD (t) = xA sin Ωt harmonisch angeregt. Dann ist x˙ D − x˙ die Relativgeschwindigkeit zwischen Kolben und Geh¨ause des D¨ampfers, die im Freischnitt in Abb. 10.36.c die ˙ hervorruft. Mit dem SchwerKraft d(x˙ D − x) punktsatz (6.31.1) folgt m¨ x =⇒
= −Cx + d(¨ xD − x ¨) d C d x ¨+ x=x ¨D m m m d = xA Ω cos Ωt. m
x ¨+
Abb. 10.36. Wagen mit Feder und D¨ampferanregung
Mit der Abstimmung als Verh¨altnis von Erregerfrequenz und Eigenfrequenz Ω , (10.95) ω sowie den De¿nitionen f¨ur ω, δ und D in den Gleichungen (10.92) und (10.54) erhalten wir die Normalform η=
x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = 2DηxA ω 2 cos Ω.
(10.96)
Im Unterschied zur Normalform (10.93) f¨ur die ged¨ampfte Schwingung mit Kraftanregung ist in Gl.(10.96) die rechte Seite außer von xA und ω 2 auch vom D¨ampfungsgrad D und der Abstimmung η abh¨angig.
408
10 Grundlagen der Schwingungslehre
¨ Fall 4 Anregung uber Fliehkr¨afte: In Abb. 10.37 hat der Wagen die Masse mW . Eine Unwucht der Masse mU rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit Ω um den Schwerpunkt S. Auf Grund der Rotation der Unwucht entsteht eine radial nach außen gerichtete Fliehkraft mit der Gr¨oße F = mU Ω 2 r nach Gl.(3.42.1). Der horizontale Anteil zur Zeit t hat den Wert Fx (t) = F cos(Ωt) = mU Ω 2 r cos(Ωt) und ruft eine frequenzabh¨angige Kraftanregung f¨ur den Wagen hervor. Fassen wir die beiden Teilmassen zur Gesamtmasse m = mW + mU zusammen, folgt mit dem Schwerpunktsatz (6.31.1) m¨ x = −Cx − d¨ x + F (t) =⇒ x ¨+
d C mU Ω 2 r x ¨+ x= cos Ωt. m m m
Mit dem Ausdruck xA =
mU r mW + mU
sowie den De¿nitionen f¨ur ω, δ und η in den Gleichungen (10.92) und (10.95) erh¨alt man die Normalform x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = η 2 xA ω 2 cos Ωt.
(10.97)
Damit ist im Unterschied zur Normalform (10.93) die rechte Seite in Gl.(10.97) außer von xA und ω 2 auch von der Abstimmung η abh¨angig.
Abb. 10.37. Wagen mit Feder, D¨ampfer und Fliehkraftanregung
¨ die ged¨ampfte Schwingung mit Anregung 10.6.2 Vereinheitlichte L¨osung fur Wir wollen uns in diesem Abschnitt den L¨osungen der Differenzialgleichungen (10.93), (10.94), (10.96) und (10.97) zuwenden. Dazu werden diese Gleichungen mit von der Zeit unabh¨angigen Faktoren E1 = 1, E2 = 1, E3 = 2Dη und E4 = η 2 f¨ur die F¨alle 1 bis 4 in eine vereinheitlichte Form gebracht. Man erh¨alt die ¨ die ged¨ampfte Schwingung mit Anregung Normalform der Differenzialgleichung fur 2 x ¨ + 2δx˙ + ω x = E xA ω 2 cos Ωt, (10.98) wobei der Faktor E von der Zeit unabh¨angig ist. Die L¨osung der Differenzialgleichung (10.98) enth¨alt einen homogenen und einem partikularen Anteil: x(t) = xh (t) + xp (t).
(10.99)
Die homogene L¨osung erf¨ullt die Differenzialgleichung (10.50), so dass wir die Ergebnisse aus Abschnitt 10.5 f¨ur die freie ged¨ampfte Schwingung u¨ bernehmen k¨onnen. Wie in den Abildungen 10.26, 10.27 und 10.28 dargestellt, klingen die L¨osungen f¨ur alle drei F¨alle D > 1, D = 1, D > 1 wegen der D¨ampfung exponentiell ab, so dass xh (t) → 0 f¨ur t → ∞.
(10.100)
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
409
Man bezeichnet die Phase des Abklingens als Einschwingvorgang. In vielen F¨allen l¨auft dieser wegen des exponentiellen Verhaltens der homogenen L¨osung im Vergleich zur gesamten Schwingdauer relativ schnell ab und wird daher bei praktischen Untersuchungen des Langzeitverhaltens von Schwingungen h¨au¿g vernachl¨assigt. Ein Ansatz f¨ur die partikulare L¨osung xp (t) in Gl.(10.99) kann aus den Darstellungen in Abb. 10.38 entwickelt werden, wobei wir uns auf den Fall 1 mit Kraftanregung in Abschnitt 10.6.1 beziehen: Da die Kraftanregung F (t) periodisch mit der Erregerfrequenz Ω auftritt, ist auch f¨ur das Antwortverhalten xp (t) ein periodischer Verlauf mit der Frequenz Ω zu erwarten. Auf Grund der D¨ampfung wird die Funktion xp (t) der Anregung F (t) jedoch um eine Phasenverschiebung ϕ (oder: Phasen-Frequenzgang) ,,nachhinken”. Des Weiteren ist noch u¨ ber die Amplitude der Antwort zu entscheiden. Dazu f¨uhren wir den Vergr¨oßerungsfaktor V (oder: Amplituden-Frequenzgang) ein, der das Verh¨altnis von Antwortamplitude xmax (dynamischer Ausschlag) zur Amplitude der Anregung xA (statischer Ausschlag) ¨ angibt. Mit diesen Uberlegungen entsteht der folgende Ansatz vom Typ der rechten Seite: xp (t) = xA V cos(Ωt − ϕ).
(10.101)
F¨ur den Sonderfall ϕ = 0 sind Anregung und Antwortverhalten in Phase, w¨ahrend f¨ur ϕ = π beide Funktionen in Gegenphase sind.
Abb. 10.38. Phasenverschiebung ϕ zwischen Anregungs- und Antwortverhalten
Zur Bestimmung von V und ϕ setzen wir die zeitlichen Ableitungen von xp (t) x˙ p = −xA V Ω sin(Ωt − ϕ),
x ¨p = −xA V Ω 2 cos(Ωt − ϕ)
(10.102)
in Gl. (10.98) ein: −xA V Ω 2 cos(Ωt − ϕ) − 2δxA V Ω sin(Ωt − ϕ) + ω 2 xA V (cos Ωt − ϕ) = xA ω 2 cos ΩtE. Nach Teilen dieser Gleichung durch xA und Verwendung der trigonometrischen Funktionen cos(x − y) = cos x cos y + sin x sin y und sin(x − y) = sin x cos y − cos x sin y folgt V (ω 2 − Ω 2 ) (cos Ωt cos ϕ + sin Ωt sin ϕ) −V 2δΩ (sin Ωt cos ϕ − cos Ωt sin ϕ) = ω 2 cos ΩtE =⇒ cos Ωt V (ω 2 − Ω 2 ) cos ϕ + 2V δΩ sin ϕ − ω 2 E + sin Ωt V (ω 2 − Ω 2 ) sin ϕ − 2V δΩ cos ϕ = 0. Damit diese Gleichung f¨ur beliebige Anregungungsfrequenzen Ω zu allen Zeiten t erf¨ullt ist, m¨ussen die beiden Klammerausdr¨ucke verschwinden, so dass 1. V (ω 2 − Ω 2 ) cos ϕ +V 2δΩ sin ϕ − ω 2 E = 0 = 0. 2. (ω 2 − Ω 2 ) sin ϕ − 2δΩ cos ϕ
(10.103)
410
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Gl. (10.103.1) wird nach V und Gl. (10.103.2) nach tan ϕ aufgel¨ost: Eω 2 2δΩ , tan ϕ = 2 . 2 2 (ω − Ω ) cos ϕ + 2δΩ sin ϕ (ω − Ω 2 ) Mit den trignometrischen Beziehungen tan ϕ 1 sin ϕ = , cos ϕ = 2 1 + tan ϕ 1 + tan2 ϕ kann der Vergr¨oßerungsfaktor weiter umgeformt werden: Eω 2 1 + tan2 ϕ Eω 2 = 2 V = (ω − Ω 2 ) + 2δΩ tan ϕ 2δΩ tan ϕ (ω 2 − Ω 2 ) + 1 + tan2 ϕ 1 + tan2 ϕ 4δ2 Ω 2 Eω 2 1 + 2 (ω − Ω 2 )2 Eω 2 (ω 2 − Ω 2 )2 + 4δ2 Ω 2 . = = 2δΩ (ω 2 − Ω 2 )2 + 4δ2 Ω 2 (ω 2 − Ω 2 ) + 2δΩ 2 (ω − Ω 2 ) Mit der Abstimmung η in Gl.(10.95) ergeben sich f¨ur Vergr¨oßerungsfaktor und Phasenverschiebungswinkel schließlich folgende Darstellungen: V =
1. V
=
Eω 2 (ω 2
−
Ω 2 )2
+
4δ2 Ω 2
=
E (1 −
η 2 )2
+ 4D 2 η 2
(10.104) 2Dη 2δΩ = 2. tan ϕ = 2 . (ω − Ω 2 ) 1 − η2 Im Hinblick auf die Abh¨angigkeit des Vergr¨oßerungsfaktors von der Abstimmung η wird V (η) auch als Vergr¨oßerungsfunktion bezeichnet. 10.6.3 Schwingungen um die statische Ruhelage In den vorherigen Abschnitten 10.4.4 bzw. 10.4.6 u¨ ber Schwingungen um die statische Ruhelage wurden jeweils spezielle Koordinaten x ¯ und ϕ¯ verwendet, die in der statischen Ruhelage Null sind. Wie wir im folgenden Beispiel zeigen werden, k¨onnen auch andere Koordinaten gew¨ahlt werden. Dazu untersuchen wir in Abb. 10.39 einen Wagen mit Feder und D¨ampfer auf einer schiefen Ebene. Die Koordinate x wird hier so gew¨ahlt, dass die Federkraft f¨ur x = 0 verschwindet. Zur Herleitung einer Schwingungsdifferenzialgleichung sind im Freischnitt in Abb. 10.39.c alle in x-Richtung einwirkenden Kr¨afte eingetragen. Abb. 10.39. Schwingung um statische Ruhelage
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
411
Auf Grund der Hanglage tritt in x-Richtung der Anteil mg sin β der Gewichtskraft mg auf. Der Schwerpunktsatz (6.31.1) liefert m¨ x = −Cx − dx˙ + mg sin β
=⇒
x ¨+
d C mg sin β C x˙ + x = . m m C m
Mit den Abk¨urzungen f¨ur ω und δ in (10.92) und xst =
mg sin β = konst C
(10.105)
f¨ur die statische Auslenkung folgt die ¨ die ged¨ampfte Schwingung mit statischer Auslenkung Normalform fur x ¨ + 2δx˙ + ω 2 x = xst ω 2 .
(10.106)
W¨ahrend die Koordinate x ¯ in der Differenzialgleichung (10.31) einen relativen Ausschlag um die statische Ruhelage angibt, kennzeichnet die Koordinate x in der Normalform (10.106) den gesamten Ausschlag. Die L¨osung der Differenzialgleichung (10.106) setzt sich wie in Gl.(10.99) aus einem homogenen Anteil xh (t) und einem partikularen (oder: speziellen) Anteil xp (t) zusammen x(t) = xh (t) + xp (t).
(10.107)
Die homogene L¨osung erf¨ullt die Differenzialgleichung (10.50), so dass die Ergebnisse aus Abschnitt 10.5 f¨ur die freie ged¨ampfte Schwingung u¨ bernommen werden k¨onnen. Durch Einsetzen in die inhomogene Differenzialgleichung (10.106) u¨ berpr¨uft man die partikulare L¨osung xp (t) = xst .
(10.108)
Da xst ein konstanter Wert ist, beschreibt die L¨osung (10.107) eine Schwingung um die statische Ruhelage xst . Im Vergleich zur L¨osung (10.32) f¨ur vertikale Schwingungen starrer K¨orper im Schwerefeld und zur L¨osung (10.43) f¨ur Pendelschwingungen des federgelagerten starren K¨orpers im Schwerefeld entsprechen x ¯(t) und ϕ(t) ¯ somit der homogenen L¨osung xh (t) in Gl.(10.107), w¨ahrend xst und ϕst in (10.32.1) und (10.43.1) der partikularen L¨osung xp (t) in Gl.(10.107) entsprechen. 10.6.4 Tabellarische Zusammenfassung der L¨osungen Eine Zusammenstellung der L¨osungen f¨ur ged¨ampfte Schwingungen mit Anregung und statischer Auslenkung ist in Tabelle 10.1 zu ¿nden. Die homogene L¨osung xh (t) folgt aus den Ergebnissen in Abschnitt 10.5 f¨ur die freie ged¨ampfte Schwingung: Gl.(10.58) f¨ur D > 1, Gl.(10.61) f¨ur D = 1, Gl.(10.64) f¨ur D < 1. Die inhomogenen L¨osungen xp (t) und xst ergeben sich aus Gl.(10.101) f¨ur ged¨ampfte angeregte Schwingungen und aus Gl.(10.108) zur Ber¨ucksichtigung einer statischen Auslenkung.
412
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Normalform der Differenzialgleichung ..
x + 2δx˙ + ω 2 x = xA Eω 2 cos Ωt + xst ω 2 Koeffizienten δ D= ω Ω η= ω √ μ = ω D2 − 1 √ ωd = ω 1 − D 2
Lehrsche D¨ampfung Abstimmung
Eigenfrequenz des ged¨ampften Systems
Allgemeine L¨osung x(t) = xh (t) + xp (t) + xst Homogene L¨osung ⎧ −δt A1 eμt + A2 e−μt D>1 ⎨e D=1 xh (t) = e−δt (A1 + A2 t) ⎩ −δt (A1 cos ωd t + A2 sin ωd t)) D < 1 e Partikulare L¨osung xp (t) = xA V cos(Ωt − ϕ) V
=
tan ϕ =
E (1 −
2Dη 1 − η2
xmax = xA V
η 2 )2
+ 4D2 η 2
Vergr¨oßerungsfunktion Phasenverschiebung Amplitude
Tabelle 10.1. Zusammenfassung der allgemeinen L¨osung f¨ur ged¨ampfte Schwingungen mit Anregung und statischer Auslenkung
Zur L¨osung von praktischen Aufgaben wird die Schwingungsdifferenzialgleichung zun¨achst in die in Tabelle 10.1 dargestellte Normalform gebracht. Dabei ist zu beachten, dass lediglich das Produkt xA E eindeutig de¿niert ist, jedoch nicht die Konstanten xA und E selbst. Damit ist E frei w¨ahlbar (z.B. E = 1). Mit den weiteren Koef¿zienten D, η, μ, ωd der Tabelle 10.1 wird anschließend unter Ber¨ucksichtigung von Anfangsbedingungen die allgemeine L¨osung erhalten. Wie bereits bemerkt, ist f¨ur Untersuchungen des Langzeitverhaltens der Einschwingvorgang in der Regel nicht von Interesse, so dass die homogene L¨osung dann nicht ben¨otigt wird. Damit konzentriert sich die Berechnung auf die Bestimmung von xmax und wegen xmax = xA V auf die Ermittlung des Vergr¨oßerungsfaktors V .
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
413
10.6.5 Erzwungene unged¨ampfte Schwingungen Im Folgenden soll der Sonderfall der erzwungenen unged¨ampften Schwingungen diskutiert werden. In diesem Fall ist der Abklingkoef¿ent δ gleich Null, so dass mit der Abstimmung η nach Gl.(10.95) f¨ur die Vergr¨oßerungsfunktion in Gl.(10.104.1) |V | = 1/|1 − η 2 | folgt. Aus Gl.(10.104.2) erh¨alt man zwei Werte f¨ur die Phasenverschiebung: F¨ur ϕ = 0 sind Anregung und Ausschlag in Phase und f¨ur ϕ = π in Gegenphase. Wie in Aufgabe 10.23 gezeigt wird, k¨onnen weitere Erkenntnisse zum Schwingungsverhalten auch aus den Gleichungen 1. x ¨ +ω 2 x = xA ω 2 cos Ωt, 2. xp (t) = xA Vˆ cos Ωt, 3. Vˆ =
ω2 1 = 2 2 ω −Ω 1−η 2
(10.109)
gewonnen werden. Hierbei ist Gl.(10.109.1) die Differenzialgleichung der erzwungenen unged¨ampften Schwingung und Gl.(10.109.2) deren partikulare L¨osung. Die Vergr¨oßerungsfunktion Vˆ (η) in Gl.(10.109.3) und somit das Schwingungsverhalten werden also wesentlich vom Verh¨altnis der Anregerfrequenz Ω und der Eigenfrequenz ω ¨ beeinÀusst. Eine Ubersicht zu verschiedenen F¨allen wird in Tabelle 10.2 gegeben, und eine Darstellung der Vergr¨oßerungsfunktion |Vˆ (η)| erfolgt in Abb. 10.40.a. Von besonderem Interesse ist der Fall, bei dem sich die Anregerfrequenz Ω der Eigenfrequenz ω ann¨ahert. Dann folgt wegen η → 1 f¨ur die Vergr¨oßerungsfunktion |Vˆ | → ∞, und die Schwingungsausschl¨age werden unendlich groß. Dieses Verhalten nennt man Resonanz . Um den Resonanzfall f¨ur Konstruktionen oder Bauteile technischer Systeme auszuschließen, soll auf zwei grundlegende Regeln hingewiesen werden. • Eine bestehende Konstruktion darf nicht mit einer harmonischen Anregerfrequenz Ω belastet werden, die nahe der Eigenfrequenz ω der Konstruktion liegt. • Bei der Entwicklung und Auslegung von Konstruktionen ist darauf zu achten, dass die Eigenfrequenz ω nicht nahe einer zu erwartenden Erregerfrequenz Ω liegt. Wir wenden uns noch der Differenzialgleichung (10.109.1) im Fall der Resonanz zu. Sobald eine Anregung mit der Eigenfrequenz erfolgt, liefert die L¨osung (10.109.2) wegen |Vˆ (η→1)| → ∞ eine unendlich große Amplitude. Dieses Verhalten entspricht jedoch nicht der Erfahrung. Stattdesssen erwartet man ein allm¨ahliches Ansteigen der Amplituden mit zunehmender Anzahl der Schwingungen. Dieses geschieht z.B. bei einer Schaukel, die durch
Abb. 10.40. Erzwungene unged¨ampfte Schwingungen: a) Vergr¨oßerungsfunktion, b) L¨osung im Resonanzfall
414
10 Grundlagen der Schwingungslehre
η=
Ω ω
Vˆ =
1 1 − η2
Ω=0
η=0
Ω<ω
η<1
Vˆ = 1 Vˆ > 0
Ω>ω
η>1
Vˆ < 0
Ω=ω
η=1
|Vˆ | → ∞
Ω >> ω
η→∞
Vˆ → 0
statischer Ausschlag f¨ur xp (t) F (t) und xp (t) sind in Phase, d.h. erreichen gleichzeitig ihre Maxima und Minima: unterkritischer Bereich F (t) und xp (t) sind in Gegenphase, d.h. erreichen nicht gleichzeitig ihre Maxima und Minima: u¨ berkritischer Bereich unendlich große Amplitude: Resonanz kein Ausschlag bei sehr großer Erregerfrequenz
Tabelle 10.2. Erzwungene unged¨ampfte Schwingungen: Vergr¨oßerungsfunktion Vˆ in Abh¨angigkeit der Abstimmung η
eine Person infolge von K¨orperbewegungen angeregt wird, und ist auch in den Abbildungen zur Tacoma Katastrophe am Beginn dieses Kapitels erkennbar. Zudem liefert die L¨osung (10.101) f¨ur die gespeicherte Energie T = 1/2mx˙ 2 einen unendlich großen Wert, was physikalisch nicht m¨oglich ist. F¨ur die Differenzialgleichung (10.109.1) wird daher der alternative Ansatz xp (t) = xA V¯ t sin Ωt = xA V¯ t sin ωt gew¨ahlt. Mit der zweiten zeitlichen Ableitung ..
xp = 2xA V¯ ω cos ωt − xA V¯ ω 2 t sin ωt erh¨alt man durch Einsetzen des Ansatzes in die Differenzialgleichung (10.109.1) 2xA V¯ ω cos ωt − xA V¯ ω 2 t sin ωt + ω 2 xA V¯ t sin ωt = xA ω 2 cos ωt
=⇒
ω V¯ = . 2
Damit lautet die partikulare L¨osung im Resonanzfall 1 (10.110) xp (t) = xA ωt sin ωt. 2 Die Darstellung der Funktion (10.110) in Abb. 10.40.b verdeutlicht, dass die Amplituden erst nach einer endlichen Anzahl von Schwingungen beliebig groß werden. Dieses Verhalten, welches die L¨osung (10.101) nicht leisten kann, entspricht der Erfahrung bei einer Anregung mit der Eigenfrequenz.
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
415
¨ die Beispiele aus Abschnitt 10.6.1 10.6.6 Ergebnisse fur Wir k¨onnen Tabelle 10.1 zur L¨osung der vier F¨alle in Abschnitt 10.6.1 verwenden. Dazu werden die bereits eingef¨uhrten De¿nitionen E1 = 1 im Fall 1, E2 = 1 im Fall 2, E3 = 2Dη im Fall 3 und E4 = η 2 im Fall 4 verwendet. In Abb. 10.41 sind die zugeh¨origen Vergr¨oßerungsfunktionen Vi , i = 1, 2, 3, 4 und die Phasenverschiebung ϕ f¨ur verschiedene D¨ampfungsgrade D dargestellt. W¨ahrend die Vergr¨oßerungsfunktionen Vi von den Faktoren Ei abh¨angen, ist der Phasenverschiebung ϕ f¨ur alle vier F¨alle gleich. Abb. 10.41.a zeigt Vi f¨ur die F¨alle 1 und 2. Dabei gilt insbesondere Vi (η = 0) = 1,
Vi (η = 1) =
1 , 2D
Vi (η → ∞) → 0,
i = 1, 2.
√ F¨ur D2 ≤ 0.5 entstehen die Maximalwerte Vim = 1/(2D 1 − D2 ) an den Stellen ηm = √ 1 − 2D 2 . F¨ur kleine D¨ampfungsgrade D << 1 folgt f¨ur die Stelle des Maximalwertes ηm ≈ 1 und Vim ≈ 1/2D, womit nahezu der Resonanzfall erreicht ist. F¨ur D 2 > 0.5 verlaufen die Funktionen Vi (η) monoton fallend gegen Null. Abb. 10.41.b veranschaulicht V3 f¨ur den Fall der D¨ampferanregung. F¨ur drei verschiedene Werte von η gilt hier V3 (η = 0) = 0,
V3 (η = 1) = 1,
V3 (η → ∞) → 0.
Abb. 10.41. Vergr¨oßerungsfunktionen Vi, i = 1, 2, 3, 4 f¨ur die F¨alle 1 bis 4 und Phasenverschiebung ϕ f¨ur verschiedene D¨ampfungsgrade D
416
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Der Maximalwert tritt f¨ur alle Werte von D an der Stelle ηm = 1 auf. In Abb. 10.41.c wird V4 f¨ur den Fall 4 dargestellt, bei dem die Erregung u¨ ber eine rotierende Unwucht erfolgt. F¨ur drei verschiedene Werte von η gilt hier V4 (η = 0) = 0,
V4 (η = 1) =
1 , D
V4 (η → ∞) → 1.
√ F¨u√ r D2 ≤ 0.5 entstehen die Maximalwerte maxVi = 1/(2D 1 − D2 ) an den Stellen ηm = 1 − 2D 2 . F¨ur kleine D¨ampfungsgrade D << 1 folgt f¨ur die Stelle des Maximalwertes ηm ≈ 1 und Vm ≈ 1/2D, womit wie im Fall 1 nahezu der Resonanzfall erreicht ist. F¨ur D 2 > 0.5 verlaufen die Funktionen V4 (η) monoton wachsend gegen Eins. In Abb. 10.41.d wird die Phasenverschiebung f¨ur die F¨alle 1 bis 4 in Abh¨angigkeit von η f¨ur verschiedene Werte von D dargestellt. F¨ur drei verschiedene Werte von η gilt hier ϕ(η = 0) = 0,
ϕ(η = 1) =
π , 2
ϕ(η → ∞) → π.
F¨ur kleine Erregerfrequenzen (η << 1) sind Erregung und Ausschlag in Phase (ϕ ≈ 0) und f¨ur große Erregerfrequenzen (η >> 1) in Gegenphase (ϕ ≈ π). Im Grenzfall D → 0 ergibt sich bei η = 1 ein Sprung in der Phasenverschiebung von 0 nach π. Auch hier sind f¨ur η < 1 Anregung und Ausschlag in Phase und f¨ur η > 1 in Gegenphase. Beispiel 10.7 Dauerfestigkeit f¨ur elastischen Stab mit Motor und D¨ampfung Der Motor in Beispiel 10.5 hat konstruktionsbedingt eine Unwucht der Masse Δm im Abstand e von der Rotationsachse. Die Drehzahl betr¨agt n. F¨ur die F¨alle 1. Ω = ω, d = 0, 2. Ω = ω, d = 0.17 kg/s, 3. Drehung mit n, d = 0.17 kg/s ist mit der zul¨assigen Biegewechselspannung σW,zul ein Dauerfestigkeitsnachweis durchzuf¨uhren. Das Eigengewicht von Stab und Motor bleibt bei der Spannungsberechnung unber¨ucksichtigt.
Abb. 10.42. Stab mit Motor und Unwucht
Bekannt: m = 0.1kg, c = 50 N/mm, d = 0.17kg/s, l = 100mm, h = 6mm, b = 3mm, E = 20000 MPa, n = 250 min−1 , e = 16.04 mm, Δm = 0.001 kg, x0 = 0 mm, v0 = 5 mm/s, σW,zul = 40 MPa. L¨osung: F¨ur die Ersatzfederkonstante bei einer Querschwingung gilt nach Beispiel 10.2 c=
3EI b h3 . , wobei I = l3 12
Freischneiden und Anwendung des Schwerpunktsatzes am ausgelenkten Ersatzsystem in Abb. 10.42.b liefert unter Vernachl¨assigung von Gewichtskr¨aften
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
417
m¨ x = −dx˙ − (c + cb )x + Fx (t). Den vertikalen Anteil Fx (t) der Fliehkraft FA erh¨alt man analog zum Fall 4 in Abschnitt 10.6.1: FA = Δm e Ω 2 , Fx (t) = FA cos ϕ = FA cos Ωt, Ω = n 2π/60.
Abb. 10.42.b. Ersatzsystem und Belastung
Damit folgt nach Umformung in die Normalform der Differenzialgleichung x ¨+
c + cb FA d FA c + cb x˙ + x= E cos Ωt. cos Ωt = m m m c + cb + ,m . +,-. +,-. + ,- . + ,- . 1 2δ
ω2
xA
ω2
Wir verwenden die L¨osungen der Tabelle (10.1) und werten dazu mit den gegebenen Zahlenwerten die folgenden Gleichungen aus: D=
δ , ω
V =
(1 −
ωd E η 2 )2
+
4D 2 η 2
,
√ = ω 1 − D2 , 2Dη , 1 − η2
tan ϕ =
η=
Ω , ω
x(t → ∞) = xmax = xA V.
Wie weiter unten gezeigt wird, liegt von den F¨allen (10.56) der Fall 3 mit einer schwachen D¨ampfung vor. Die Integrationskonstanten f¨ur die homogene L¨osung ergeben sich zu A1 = x0 − xA V cos ϕ, A2 = −
xA V v0 + δx0 (Ω sin ϕ + δ cos ϕ) + , ωd ωd
und die allgemeine L¨osung lautet x(t) = xh (t) + xp (t) = e−δt (A1 cos ωd t + A2 sin ωd t)) + xA V cos(Ωt − ϕ). Die Randspannung σR (t) wird in Abh¨angigkeit von x(t) wie in Beispiel 10.2 bestimmt: σR (t) =
3 E h x(t) . 2 l2
Wie in dem Beispiel 10.2 k¨onnen f¨ur die in der Aufgabenstellung gegebenen Zahlenwerte alle Gleichungen ausgewertet werden. Dazu kann z.B. die in Tabelle 10.3 angegebene ScilabEingabedatei [27] verwendet werden. Man erh¨alt unter Anderem folgende Zahlenwerte: I = 54 mm4 , cb = 3.24 N/mm, δ = 0.85 [-], ω = 23.07 s−1 , FA = 11 N, D = 0.0368. In Abb. 10.43 werden f¨ur die drei F¨alle der Aufgabenstellung die maximalen Spannungen an der Einspannstelle σR (t) dargestellt. Fall 1, Ω = ω, d = 0: Nach Tabelle 10.2 liegt Resonanz vor. F¨ur die Maximalwerte der Auslenkung und der Randspannung an der Einspannstelle gilt
418
10 Grundlagen der Schwingungslehre
// --- Gegebene Daten c = 50; // Federsteifigkeit d = 0.17; // Daempfer l = 100; // Laenge des Stabes h = 6; // Querschnittshoehe b = 3; // Querschnittsbreite E = 20000; // E-Modul m = 0.1; // Masse Deltam = 0.001 // Unwucht e = 16.04; // Exzentrizitaet n = 250; // Drehzahl // --- Anfangsbedingungen x0 = 0.0; // Auslenkung v0 = 5; // Geschwindigkeit // --- Konstanten fuer Kragarm // Flaechentraegheitsmoment I = (b*h3 )/12 // Federkonstante cb = (3*E*I)/l3 // --- Faktoren fuer Normalform delta = d/(2*m) // Abklingkoeffzient omega = sqrt((c+cb)/m) // Eigenkreisfrequenz // --- Anregung pi = 3.1415926 Omega = n*2*pi/60 FA = Deltam*e*Omega*Omega Omega = omega*1.05; Zum Testen xA = FA/(c+cb) // --- Formeln Tabelle 10.1 Ei = 1 // Anregungskonstante D = delta/omega // Lehrsche Daempfung eta = Omega/omega // Abstimmung // Eigenkreisfrequenz gedaempft omegad = omega*sqrt(1-D2 ) // Vergroesserungsfaktor Vi = (Ei)/(sqrt((1-eta2)2 + 4*D2 *eta2 )) phi = atan((2*D*eta)/(1-eta*eta)) // Phasenverschiebung xmax = xA*Vi // Amplitude // --- Integrationskonstanten aus ABn A1 = x0 - xA*Vi*cos(phi) A2 = (-(xA*Vi)*(Omega*sin(phi)+delta*cos(phi))+ (v0 + delta*x0))/omegad // --- Zeitintervalle t=linspace(0,5,1000); // --- Hilfsgroessen fi = t; sigfac= (3*E*h)/(2*l*l) // --- Auslenkung und Spannung, zeitabhaengig for i=1:1:length(t) xh(i) = exp(-delta*t)*(A1*cos(omegad*t) + A2*sin(omegad*t)); xp(i) = xA*Vi*cos(Omega*t-phi); x(i) = xh(i) + xp(i); sigma(i) = sigfac*x(i); end Tabelle 10.3. Dauerfestigkeitsnachweis f¨ur elastischen Stab mit Motor und D¨ampfung: Scilab-Datei
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
Fall 1 : Ω = ω, d = 0 σ(t → ∞) = ∞
Fall 2 : Ω = ω, d = 0.17 kg/s σ(t → ∞) = 50.48 MPa 60
200 150 100 50 0 0.0 í50
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
3.5
4.0
4.5
Zeit [s]
5.0
Spannung MPa
250
Spannung [MPa]
419
40 20 0 0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
3.5
4.0
í20
í100 í150
4.5
5.0
Zeit [s]
í40
í200
í60
í250
Spannung [MPa]
Fall 3 : n = 250 min−1 , d = 0.17 kg/s σ(t → ∞) = 12.42 MPa 60 40 20 0 0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
3.5
4.0
4.5
5.0
Zeit [s]
í20 í40 í60
Abb. 10.43. Dauerfestigkeitsnachweis f¨ur elastischen Stab mit Motor und D¨ampfung: Zeitlicher Verlauf der Randspannung σR (t) an der Einspannstelle f¨ur drei verschiedene F¨alle
|x(t → ∞)| → ∞,
|σR (t → ∞)| → ∞ > 40 MPa = σW,zul .
In der Darstellung in Abb. 10.43.a erkennt man, dass die zul¨assige Spannung an der Einspannstelle bereits im 5. Zyklus u¨ berschritten wird. Fall 2, Ω = ω, d = 0.17 kg/s: In diesem Fall gilt |x(t → ∞)| = 2.804 mm,
|σR (t → ∞)| = 50.48 MPa > 40 MPa = σW,zul .
In Abb. 10.43.b bleibt hier, im Gegensatz zum Fall 1, die Spannung beschr¨ankt, die zul¨assige Spannung wird dennoch u¨ berschritten. Fall 3, n = 250 min−1 , d = 0.17 kg/s: Es gilt |x(t → ∞)| = 1.61 mm,
|σR (t → ∞)| = 12.42 MPa < 40 MPa = σW,zul .
d.h. in diesem Fall wird, wie in Abb. 10.43.c erkennbar, die zul¨assige Spannung zur Dauerfestigkeit eingehalten.
420
10 Grundlagen der Schwingungslehre
10.6.7 Aufgaben zu Abschnitt 10.6 Aufgabe 10.21 (SG = 3) Die Abbildung zeigt einen Seismographen zur Messung von Erdbebenschwingungen. Die Masse m ist u¨ ber Feder und D¨ampfer an die ErdoberÀ¨ache gekoppelt, welche pl¨otzlich mit der Anregung xe (t) zu beben beginnt. Auf der rotierenden Messwalze wird die Relativauslenkung xr aufgezeichnet. 1. Bestimmen Sie die Bewegungsgleichung in der Koordinate xr . 2. Skizzieren Sie das auf der Messwalze aufgezeichnete Diagramm xr (t). 3. Berechnen Sie die Schwingung im eingeschwungenen Zustand w¨ahrend des Erdbebens. √ Bekannt: m, d, c, g, 2d = mc, xe (t) = xe0 cos(Ωt), Ω = 0.5 ω. Aufgabe 10.22 (SG = 3) Ein Schallplattenspieler greift mit einer d¨unnen Nadel die Tonspur einer Vinylplatte ab. Diese Nadel ist an einem Tonabnehmer befestigt, welcher wiederum an einem drehbar gelagerten Tonarm ange¨ bracht ist. Uber ein Gegengewicht wird die Kraft eingestellt, mit welcher die Nadel die Schallplatte ber¨uhrt. Ein Ersatzmodell des Plattenspielers idealisiert Tonabnehmer und Gegengewicht als Punktmassen mT bzw. mK und den Tonarm als d¨unnen Stab der Masse mA . Die Nadel wird durch eine Feder mit der Stei¿gkeit cN ersetzt. Da die Schallplatte nicht ganz eben ist, wird der Aufsetzpunkt der Nadel mit einer Weganregung xe (t) angeregt. 1. Bestimmen Sie die Bewegungsgleichung des Systems in der Koordinate xN . 2. Mit welcher Kraft liegt die Nadel im statischen Fall auf der Vinylplatte auf und welche Auslenkung besitzt das System dabei? 3. Welche Eigenfrequenz besitzt das System? 4. L¨osen Sie die Bewegungsdifferenzialgleichung f¨ur die gegebenen Anfangsbedingungen. Bekannt: mA = m, mT = 2m, mK = 11m, b, a = 5b, cN , xe (t) = Λ cos(Ωt), Ω = 0.5ω, ˙ = 0) = v0 = 0. Anfangsbedingungen: x(t = 0) = x0 = 0, x(t
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
421
Aufgabe 10.23 (SG = 1) Leiten Sie f¨ur die erzwungene unged¨ampfte Schwingungen in Abschnitt 10.6.5 die Vergr¨oßerungsfunktion (10.109.3) her. Setzen Sie dazu einen Ansatz vom Typ der rechten Seite ¨ + ω 2 x = xA ω 2 cos Ωt ein. xp (t) = xA Vˆ cos Ωt in die Differenzialgleichung x Aufgabe 10.24 (SG = 3) Das dynamische Verhalten einer Waschmaschine soll mit einem Ersatzmodell n¨aherungsweise untersucht werden. Die Trommel der Masse mT ist mit einer Feder und einem D¨ampfer an das Geh¨ause gekoppelt. Die Trommel kann sich nur in vertikaler Richtung bewegen. Die W¨asche kann als Punktmasse mW im Abstand r von der Aufh¨angung A betrachtet werden. 1. Berechnen Sie die Abstimmung, die Eigenkreisfrequenz des ged¨ampften Systems und das Lehrsche D¨ampfungsmass. 2. Bestimmen sie den D¨ampfungskoef¿zieten d, so dass im station¨aren Betrieb eine maximale dynamische Auslenkung der Achse von 3 cm nicht u¨ berschritten wird. Bekannt: mT =5 kg, mW =mT /3, c=100 kN/m, r = 0.3 m, n = 500 1/s, d = 1500 kg/s. Aufgabe 10.25 (SG = 3) Auf dem Rahmen aus Aufgabe 10.15 ist ein Motor angebracht, der konstruktionsbedingt eine Unwucht der Masse mM im Abstand r von der Rotationsachse aufweist. Die Drehzahl betr¨agt n. 1. Leiten Sie die Bewegungsgleichung f¨ur horizontale Bewegungen mit den Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 und x(t ˙ = 0) = v0 her. 2. Untersuchen Sie unter Ber¨ucksichtigung der Spannung σW b die Dauerfestigkeit des Systems. 3. Wie muss das Fl¨achentr¨agheitsmoment Is und damit die Konstruktion ge¨andert werden, so dass die Eigenfrequenz des Rahmens das doppelte der Erregerfrequenz betr¨agt? Riegel: mR = 1 t, IR = ∞, h = 2.50 m, Stiel: IS = 2000 cm4 , E = 2.1 · 105 N/mm2 , mS = 0, Motor: mM = 5 kg, r = 10 cm, d = 3000 Ns/m, Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 = 0, x(t ˙ = 0) = v0 = 0, σW b = 200 MPa.
422
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Aufgabe 10.26 (SG = 3) Das Schwingungsverhalten eines Zylinders der Masse m soll auf einem Pr¨ufstand untersucht werden. Der Kolben, dessen Masse vernachl¨assigbar klein ist, wird periodisch mit der Funktion xe (t) angeregt. Die ZylinderÀ¨ussigkeit verh¨alt sich wie ein viskoser D¨ampfer mit der Konstanten d2 . Die Befestigung des Zylinders am Pr¨ufstand kann durch eine Feder der Stei¿gkeit c und einen D¨ampfer der Viskosit¨at d1 nachgebildet werden. Bestimmen Sie 1. die Bewegungsgleichung des Zylinders, 2. die Abstimmung η und das D¨ampfungsmaß f¨ur Ω = αω, 3. seine ged¨ampfte Eigenfrequenz ωd , 4. die Vergr¨oßerungsfunktion V (α), 5. die partikulare L¨osung xp (t) der Bewegungsgleichung, 6. die maximale Federkraft Fmax im station¨aren Zustand. 1√ 3√ 2cm, d2 = 2cm, xe (t) = xe0 sin(Ωt), α. Bekannt: m, c, d1 = 4 4 Aufgabe 10.27 (SG = 3) In dem dargestellten Kurbelantrieb bewegt sich der masselose Stab 1 mit der Drehzahl n um einen Punkt A. Dadurch erf¨ahrt der starre Kolben 2 horizontale Vor- und R¨uckw¨artsbewegungen. Die St¨abe 3 und 4 der L¨ange l verhalten sich elastisch. Der starre Wagen 5 ist u¨ ber einen D¨ampfer mit einer starren Wand verbunden.
Bestimmen Sie 1. 2. 3. 4. 5. 6.
die Bewegungsgleichung des Wagens 5, die Abstimmung η und das D¨ampfungsmaß, seine ged¨ampfte Eigenfrequenz ωd , den Vergr¨oßerungsfaktor V , die partikulare L¨osung xp (t) der Bewegungsgleichung, den Mindestwert der zul¨assigen Spannung σW f¨ur Dauerfestigkeit der St¨abe 3 und 4. Bekannt: m1 = m2 = m3 = m4 = 0, EA = 100N , m5 = m, d = 2EAm/l, n = 50 s−1 .
10.6 Erzwungene ged¨ampfte Schwingungen
423
Aufgabe 10.28 (SG = 3) In dem dargestellten Feder-Masse-D¨ampfer-System erf¨ahrt die Punktmasse m1 eine Anregung xe (t). Die masselose Rolle 2 und die Masse 3 f¨uhren Auf- und Abw¨artsbewegungen durch. Bestimmen Sie 1. die Bewegungsgleichung der Masse 3 und die Eigenfrequenz ω, 2. die Abstimmung η und das D¨ampfungsmaß, 3. die ged¨ampfte Eigenfrequenz ωd , 4. den Vergr¨oßerungsfaktor V , 5. die partikulare L¨osung xp (t) der Bewegungsgleichung. √ Bekannt: m1 = m2 = 0, m3 = m, c, d= c m, Ω= 0.5ω, xe0 , xe (t) = xe0 cos(Ωt). Aufgabe 10.29 (SG = 3) Auf dem dargestellen Rahmen sind zwei Motoren mit Unwuchten der Massen Δm1 und Δm2 im Abstand r angebracht. Die Winkelgeschwindigkeit ist jeweils Ω. Die D¨ampfung des Systems wird durch den dargestellten D¨ampfer ber¨ucksichtigt. 1. Leiten Sie die Bewegungsgleichung f¨ur horizontale Bewegungen mit den Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 und x(t ˙ = 0) = v0 her. 2. Untersuchen Sie die Dauerfestigkeit des Systems. Bekannt: Riegel: mR = 1 t, IR = ∞, h = 2.50 m, Stiel: IS = 3000 cm4 , E = 2.1 · 105 N/mm2 , mS = 0, Motoren: Δm1 = 2 kg, Δm2 = 7 kg, r = 10 cm, D¨ampfung: d = 2500 Ns/m, Ω = 1000 Hz, quadratischer Querschnitt f¨ur Stiel, Masse des Riegels: mR = 200 kg, Anfangsbedingungen: x(t = 0) = x0 = 0, x(t ˙ = 0) = v0 = 0, σW b = 200 MPa.
424
10 Grundlagen der Schwingungslehre
Aufgabe 10.30 (SG = 3) Ein PKW f¨ahrt mit der Geschwindigkeit v und einem Anh¨anger u¨ ber eine wellige Fahrbahn. Diese Fahrbahn kann n¨aherungsweise durch eine Kosinusfunktion dargestellt werden. Die Achse ist wie skizziert durch zwei Federn mit der Konstanten cF an dem Aufbau angebracht. Die Federung des Reifens bleibt unber¨ucksichtigt (cR1 = ∞). Bestimmen Sie 1. 2. 3. 4. 5.
die Bewegungsgleichung des Aufbaus und die Eigenfrequenz ω, die Abstimmung η und das D¨ampfungsmaß, die ged¨ampfte Eigenfrequenz ωd , den Vergr¨oßerungsfaktor V , die partikulare L¨osung xp (t) der Bewegungsgleichung.
Bekannt: v = 60 km/h, b = 1.50 m, h = 0.03 m, mW = 5 m, mK = m, m = 40 kg, cF = 180 N/mm, cR = ∞, d = 1000 kg/s.
A Anhang
A.1 Grundlagen der Vektorrechnung In diesem Abschnitt werden einige wichtige Rechenregeln zur Vektorrechnung zusammengefasst. Vektoren repr¨asentieren physikalische Gr¨oßen, die durch die beiden Angaben Betrag und Richtung charakterisiert sind. Beispiele sind der Kraftvektor und der Geschwindigkeitsvektor. Dagegen ist f¨ur die Arbeit und die Leistung die Angabe des Zahlenwertes ausreichend, so dass diese Gr¨oßen keine Vektoren sind. Im folgenden dienen fette Buchstaben zur Kennzeichnung eines Vektors. In der Literatur → ¿ndet man auch die Bezeichnung a = a . Wir stellen einen Vektor a in Abb. A.1 durch einen Richtungspfeil dar, dessen Betrag (oder: L¨ange ) |a| und Richtung mit der Gr¨oße und Richtung der zu beschreibenden physikalischen Gr¨oße u¨ bereinstimmt. In der Physik unterscheidet man folgende Vektoren: −→
a) Punktgebundener Vektor: Ein Vektor a = P Q, der wie in Abb. A.1.a dargestellt, zwei Punkte P und Q im Raum verbindet. Dabei gibt die Pfeilspitze den Richtungssinn an. Gelegentlich ist es zweckm¨aßig, den Zielpunkt Q anzugeben. Dazu wird die Bezeichnung a = aQ verwendet. Ist auch die Angabe des Bezugspunktes notwendig, dann wird die Notation a = aPQ verwendet. Diese wird als ,,Ortsvektor des Punktes Q relativ zu P ” gelesen.
a)
Q
|a|
b)
c)
feste Linie a
d)
a
a
a=aQ =a =PQ P Q
P Abb. A.1. Verschiedene Vektoren: a) punktgebundener Vektor, b) liniengebundener Vektor, c) freier Vektor, d) axialer Vektor
426
A Anhang
b) Liniengebundener Vektor: Ein Vektor, der entlang seiner Wirkungslinie verschoben werden kann. Ein Beispiel ist der Kraftvektor, der auf einen Stark¨orper wirkt. c) Freier Vektor: Ein Vektor, der unabh¨angig von Anfangs- und Endpunkt ist. Beispiele sind der Momentenvektor und der Winkelgeschwindigkeitsvektor des starren K¨orpers. d) Axialer Vektor: Ein Vektor, dem man neben dem Betrag und Richtung auch noch einen Drehsinn zuordnet. Er wird mit einer Doppelpfeilspitze gekennzeichnet. Eine positive Drehrichtung erfolgt nach De¿nition wie bei einer Rechtsschraube. Beispiele sind der Vektor des axialen Momentes einer Kraft und der Winkelgeschwindigkeitsvektor zur Beschreibung der Rotation eines Punktes um eine Achse. A.1.1 Rechenoperationen Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Rechenoperationen zur Vektorrechnung zusammen. a) Die Vektoraddition: Bei der Addition von zwei Vektoren a und b wird wie in Abb. A.2.a der Anfangspunkt des Vektors b an den Endpunkt des Vektors a angelegt. Dabei entsteht ein neuer Vektor c = a + b, der vom Anfangspunkt des Vektors a zum Endpunkt des Vektors b zeigt. Es gelten unter Anderem die folgenden Regeln: 1. a + b = c 2. a + b = b + a
(kommutativ).
(A.1)
b) Multiplikation mit einem Skalar: Bei der Multiplikation eines Vektors a mit einem Skalar α ∈ R entsteht wie in Abb. A.2.b dargestellt ein neuer Vektor b, b = αa.
(A.2)
Die L¨ange von b ist α|a|. F¨ur α < 0 kehrt sich der Richtungssinn um. c) Das Skalarprodukt: Wie in Abb. A.2.c erkennbar, schließen zwei Vektoren a und b einen Winkel ϕ ein. Als Maß hierf¨ur wird das Skalarprodukt eingef¨uhrt. Zwei wichtige Regeln sind 1. a · b = |a||b| cos ϕ 2. a · b = b · a
(kommutativ).
(A.3)
Die Gr¨oße |b| cos ϕ gibt die Projektion des Vektors b auf den Vektor a an. Mit dem inneren Produkt kann der Betrag (oder die L¨ange) eines Vektors bestimmt werden: √ |a| = a · a ≥ 0. (A.4) Die L¨ange des Vektors a ist in Abb. A.2.a dargestellt. F¨ur |a| = 1 bezeichnet man a als Einheitsvektor. Insbesondere ist somit e= ein Einheitsvektor.
a |a|
(A.5)
A.1 Grundlagen der Vektorrechnung
427
Abb. A.2. Grundregeln der Vektorrechnung: a) Addition von zwei Vektoren, b) Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar, c) Skalarprodukt von zwei Vektoren, d) Kreuzprodukt von zwei Vektoren, e) Spatprodukt von drei Vektoren
d) Das Kreuzprodukt von zwei Vektoren: Wie in Abb. A.2.d erkennbar, entsteht beim Kreuzprodukt (oder: Vektorprodukt) von zwei Vektoren a und b ein neuer Vektor c, der senkrecht auf a und b steht. Der Betrag |c| gibt den Inhalt der von a und b aufgespannten Fl¨ache an. Unter Anderem gelten die folgenden Regeln: 1. a × b = c, wobei |c| = |a × b| = |a||b| sin ϕ 2. a × b = −b × a (nichtkommutativ) (A.6) 3. a × b = 0 ⇐⇒ a = 0 ∨ b = 0 ∨ a||b 4. a × (b × c) = (a · c)b − (a · b) c (Entwicklungssatz). e) Das Spatprodukt von drei Vektoren: In Abb. A.2.e ist das Spatprodukt von drei Vektoren a, b, c veranschaulicht. Hierbei ist ϕ der Winkel zwischen den beiden Vektoren a und b. Es l¨aßt sich zeigen, dass [a, b, c] den Volumeninhalt des von a, b c aufgespannten Parallelepipeds angibt. Es gelten die folgenden Rechenregeln:
428
A Anhang
1. [a, b, c] = a · (b × c) 2. [a, b, c] = [b, c, a] = [c, a, b] = −[a, c, b] = −[b, a, c] = −[c, b, a] 3. [a, b, c] = 0 ⇐⇒ a, b, c linear abh¨angig
(A.7)
Aus Gl.(A.7.3) folgt insbesondere der Zusammenhang c = αa
=⇒
[a, b, c] = 0.
(A.8)
A.1.2 Vektorbasis und Basisdarstellung von Vektoren Sind drei Vektoren e1 , e2 , e3 linear unabh¨angig, d.h. α1 e1 + α2 e2 + α3 e3 = 0
⇐⇒
α1 = α2 = α3 = 0,
(A.9)
dann bilden diese eine Vektorbasis. Die Indizes 1, 2, 3 werden f¨ur die vier verwendeten Koordinatensysteme in diesem Buch wie folgt benannt: • • • •
raumfeste kartesische Koordinaten: k¨orperfeste kartesische Koordinaten: Zylinderkoordinaten: nat¨urliche Koordinaten:
1 = X, 2 = Y, 3 = Z 1 = x, 2 = y, 3 = z 1 = r, 2 = ϕ, 3 = z 1 = t, 2 = n, 3 = b.
(A.10)
Besondere Bedeutung haben orthonormale Basisvektoren mit den folgenden Eigenschaften: 1. 2. 3.
e1 · e1 = 1, e2 · e2 = 1, e3 · e3 = 1 e1 · e2 = 0, e2 · e3 = 0, e3 · e1 = 0 e1 × e2 = e3 , e2 × e3 = e1 , e3 × e1 = e2
Normalit¨at Orthonormalit¨at Rechtssystem.
(A.11)
Auf Grund der De¿nitionen (A.4) und (A.11.1) sind die Basisvektoren gleichzeitig Einheitsvektoren. Mit den Basisvektoren e1 , e2 , e3 erfolgt in Abb. A.3 die Basisdarstellung eines Vektors a = a1 e1 + a2 e2 + a3 e3 =
3
ai ei . (A.12)
i=1
Das Skalarprodukt von zwei Vektoren a und b in den Basisdarstellungen a = a1 e1 + a2 e2 + a3 e3
(A.13)
b = b1 e 1 + b 2 e 2 + b 3 e 3
(A.14)
Abb. A.3. Basisdarstellung eines Vektors
wird auf Grund der Orthonormalit¨atseigenschaften (A.11.1) und (A.11.2) wie folgt berechnet: a · b = (a1 e1 + a2 e2 + a3 e3 ) · (b1 e1 + b2 e2 + b3 e3 ) 3 ai bi . = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 = i=1
(A.15)
A.1 Grundlagen der Vektorrechnung
Zur Bestimmung der L¨ange eines Vektors a folgt aus der De¿nition (A.4) 3 4 3 4 √ 2 2 2 |a| = a · a = a1 + a2 + a3 = 5 a2i .
429
(A.16)
i=1
Die Basisvektoren k¨onnen auch zur Bestimmung des Kreuzproduktes nach der Determinantenregel verwendet werden: e1 e2 e3 c = a × b = a1 a2 a3 b1 b2 b3 = (a2 b3 − a3 b2 )e1 + (a3 b1 − a1 b3 )e2 + (a1 b2 − a2 b1 )e3 = c1 e1 + c2 e2 + c3 e3 =⇒
c1 = a2 b3 − a3 b2 , c2 = a3 b1 − a1 b3 , c3 = a1 b2 − a2 b1 .
(A.17)
A.1.3 Basiswechsel in der Ebene und Koordinatentransformation Vektoren sind grunds¨atzlich mit verschiedenen Vektorbasen darstellbar. Als Beispiel betrachten wir in Abb. A.4 eine Vektorbasis e1 , e2 , e3 , welche mit dem Winkel ϕ in eine zweite Vekˆ1 , e ˆ2 , e ˆ3 u¨ berf¨uhrt wird. Auf Grund der Eigenschaften trigonometrischer Funktiotorbasis e nen ergeben sich die folgenden Zusammenh¨ange f¨ur eine Vor- und eine R¨ucktransformation: ˆ1 = cos ϕ e1 + sin ϕ e2 1. e ˆ2 = − sin ϕ e1 + cos ϕ e2 2. e ˆ3 = 3. e e3
ˆ1 − sin ϕ e ˆ2 4. e1 = cos ϕ e ˆ1 + cos ϕ e ˆ2 5. e2 = sin ϕ e ˆ3 . 6. e3 = e
(A.18)
Die Gleichungen (A.18.1-3) k¨onnen mit Hilfe der Darstellung in Abb. A.4.a leicht u¨ berpr¨uft werden. Die Gleichungen (A.18.4-6) sollte der Leser selbst veri¿zieren. Es wird auch emˆ2 , e ˆ3 zu ˆ1 , e pfohlen, die Orthogonalit¨atseigenschaften (A.11) f¨ur die neuen Basisvektoren e u¨ berpr¨ufen.
Abb. A.4. a) Drehung einer orthonormalen Vektorbasis, b) Basisdarstellungen eines Vektors a in zwei Koordinatensystemen
430
A Anhang
Alternativ zur Basisdarstellung (A.12) kann der Vektor a wie folgt dargestellt werden: ˆ1 + a ˆ2 + a ˆ3 = ˆ2 e ˆ3 e a=a ˆ1 e
3
ˆi . a ˆi e
(A.19)
i=1
Man beachte, dass, wie in Abb. A.4.a f¨ur den ebenen Fall dargestellt, die Koef¿zienten a ˆi in Gl.(A.19) im Allgemeinen verschieden von den Koef¿zienten ai in Gl.(A.12) sind. Man erh¨alt die folgenden Beziehungen f¨ur eine Vor- und eine R¨ucktransformation: 4. a1 = cos ϕ a ˆ1 − sin ϕ a ˆ2 5. a2 = sin ϕ a ˆ1 + cos ϕ a ˆ2 6. a3 = a ˆ3 .
1. a ˆ1 = cos ϕ a1 + sin ϕ a2 2. a ˆ2 = − sin ϕ a1 + cos ϕ a2 3. a ˆ3 = a3
(A.20)
Die Gleichungen (A.20.1-3) k¨onnen mit Hilfe der Darstellung in Abb. A.4.b leicht u¨ berpr¨uft werden. Die Gleichungen (A.20.4-6) sollte der Leser selbst veri¿zieren. F¨ur allgemeine F¨alle einer Basis¨anderung verweisen wir auf die Literatur zur Vektorrechnung, siehe z.B. [3].
A.2 Beweis der Gleichungen (4.51) F¨ur einen vollst¨andigen Beweis der Aussagen (4.51.1) bis (4.51.6) m¨ussen notwendige und hinreichende Bedingungen u¨ berpr¨uft werden, worauf wir an dieser Stelle verzichten wollen. Beginnend mit Gl.(4.51.6) dU = −dW = −F · dx
(A.21)
werden im Folgenden lediglich die u¨ brigen f¨unf Aussagen nachgewiesen. Dies geschieht unter Verwendung von kartesischen Koordinaten. Wir integrieren Gl.(A.21) zwischen einem festen Bahnpunkt PI und einem variablen Bahnpunkt P (x) und erhalten
P (x)
W =
dW = −
PI
P (x)
dU = −(U (x) − UI ).
(A.22)
PI
Durch Umstellung folgt mit dW = F · dx in Gl.(A.21) P (x) U (x) = UI − W = UI − F · dx,
(A.23)
PI
so dass mit der Wahl UI = Uc Gl.(4.51.3) gezeigt ist. Aus Gl.(A.22) erkennen wir, dass der Endwert f¨ur W nur von der Anfangslage PI und der Endlage P (x) abh¨angt, womit die Wegunabh¨angigkeit in (4.51.1) folgt. Fallen die Punkte PI und P (x) zusammen, erh¨alt man die Aussage (4.51.2). Die Eigenschaft eines totalen Differenzials besagt dU =
∂U ∂U ∂U dX + dY + dZ. ∂X ∂Y ∂Z
Durch Vergleich mit dem Arbeitsdifferenzial (4.7) folgt somit aus Gl.(A.21)
(A.24)
A.3 Herleitungen zum Abschnitt 8.1
∂U ∂U ∂U = −FX , = −FY , = −FZ . ∂X ∂Y ∂Z
431
(A.25)
Dieses sind die Koef¿zientengleichungen f¨ur die Basisdarstellung der Vektorgleichung Grad U =
∂U ∂U ∂U eX + eY + eZ = −FX eX − FY eX − FZ eX = −F, ∂X ∂Y ∂Z
(A.26)
so dass Gl.(4.51.4) erhalten wird. Leiten wir in (A.25) die erste Beziehung nach Y und die zweite nach X ab, so gilt ∂FX ∂ 2U ∂FY ∂2U =− = =− ∂X∂Y ∂Y ∂Y ∂X ∂X
=⇒
∂FY ∂FX − = 0. ∂X ∂Y
Durch zyklisches Vertauschen der Koordinaten erh¨alt man zusammenfassend aus den drei Gleichungen (A.25) ∂FY ∂FZ ∂FX ∂FY ∂FX ∂FZ − = 0, − = 0, − = 0. ∂Y ∂Z ∂X ∂Z ∂X ∂Y Unter Ber¨ucksichtigung der Determinantenregel chungen der Vektorgleichung eX eY ∂ ∂ rot F = ∂X ∂Y FX FY
(A.27)
(A.17) sind dieses die Koef¿zientengleieZ ∂ ∂Z FZ
=0
(A.28)
womit Gl.(4.51.5) bewiesen ist.
A.3 Herleitungen zum Abschnitt 8.1 ¨ Winkelgeschwindigkeitsvektoren Gl.(8.9) Das Kommutativgesetz fur Zur Veri¿kation des Kommutativgesetzes f¨ur Winkelgeschwindigkeitsvektoren betrachten wir in Abb. A.5 einen starren K¨orper, der gleichzeitig die beiden Winkelgeschwindigkeiten ω 1 und ω2 erf¨ahrt. Diese haben nach Gl.(2.60.2) f¨ur den Punkt P die Geschwindigkeiten v1 = ω 1 × xFP ,
v2 = ω 2 × xFP
zur Folge. Mit (2.14.1) ergeben sich die differenziellen Verschiebungen dx1 = v1 dt = ω1 × xFP dt, dx2 = v2 dt = ω 2 × xFP dt.
Abb. A.5. Starrer K¨orper unter der Wirkung von zwei Winkelgeschwindigkeiten
432
A Anhang
Da Verschiebungsvektoren kommutativ sind, folgt dx = dx1 + dx2 = dx2 + dx1 = (ω 1 + ω 2 ) × xFP dt = (ω 2 + ω 1 ) × xFP dt. Diese Gleichung ist f¨ur beliebige Verbindungsvektoren xFP = 0 erf¨ullt, falls ω = ω 1 + ω 2 = ω2 + ω1 ,
(A.29)
d.h. f¨ur Winkelgeschwindigkeitsvektoren gilt das Kommutativgesetz (A.1.2). Zeitableitung von Basisvektoren in Gl.(8.3) Unter Beachtung des Kommutativgesetzes f¨ur Winkelgeschwindigkeitsvektoren (A.29) zerlegen wir den in Abb. A.6 dargestellten Winkelgeschwindigkeitsvektor Ω in die Richtungen der Basisvektoren Ω = Ωx + Ωy + Ωz = Ωx ex + Ωy ey + Ωz ez . Beschr¨anken wir uns zun¨achst auf die Zeitableitung der Basisvektoren infolge des Winkelgeschwindigkeitsvektors Ω z = Ωz ez , so folgt aus den Gleichungen (2.41) Abb. A.6. Starrer K¨orper mit rotierenden Basisvektoren
1. e˙ x = Ωz ey ,
2. e˙ y = −Ωz ex ,
3. e˙ z = 0.
F¨ur e˙ x k¨onnen wir alternativ schreiben ⎡ ⎤ ex ey ez e˙ x = ⎣ 0 0 Ωz ⎦ = Ω z × ex . 1 0 0 Entsprechende Beziehungen k¨onnen f¨ur e˙ y und e˙ z gefunden werden, so dass gilt e˙ x = Ω z × ex ,
e˙ y = Ω z × ey ,
e˙ z = Ω z × ez .
Analog werden die Zeitableitungen der Basisvektoren infolge der Winkelgeschwindigkeitsvektoren Ω x und Ω y bestimmt. F¨ur die gesamten Zeitableitungen infolge des Winkelgeschwindigkeitsvektors Ω = Ω x + Ω y + Ω z folgt schließlich das Ergebnis (8.3).
A.4 L¨osungen zu den Aufgaben
433
A.4 L¨osungen zu den Aufgaben L¨osungen zu Kapitel 2 2.1 v(t = 4s) = 24.8 m/s = 89.25 km/h, a(t = 4s) = −3.6 m/s2 , vmax = v(t = 2.5s) = 27.5 m/s = 99 km/h, v˜ = 27.5 m/s = 99 km/h, 2.2 a(t = 3s) = −0.888m/s2 , x(t = 3s) = 3.936m „ „ „ « «« „ « a0 v v2 a0 2.3 x(t) = x1 + v0 t − 0 1 − exp − t , , a(t) = a0 exp − t , a(v) = a0 1 − a v0 v0 v0 „ «0 a v(a) = v0 1 − a0 „ « „ « v0 v0 v2 v0 v0 (x0 − x), a(t) = − 0 exp − t , a(v) = − v, 2.4 v(t) = v0 exp − t , v(x) = x x x x x 0 0 0 0 0 « „ « „ v v02 x , x(v) = x0 1 − a(x) = exp 1 − x0 x0 v0 v0 2.5 1. v(x) = b(x0 − x) + v0 , 2.v(t) = exp(−bt)v0 , 3.x(t) = x0 + (1 − exp(−bt)), b v0 4.xmax = x0 + b 2 2.6 2. x(t) = − 1 gt 2 H (Stein), x(t) = −H + 340(tges − tH ) (Schall), 3. tH = 4.68 s, 4. H = 107.59 m 2.7 1. t = 1.08 s, 2. ss1 (30) = 15 m, ss2 (30) = 18 m, ss1 (50) = 25 m, ss2 (50) = 30 m, ss1 (80) = 40 m, ss2 (80) = 48 m, ss1 (100) = 50 m, ss2 (100) = 60 m, 4. SA (30) = 12.67 m, SRB (30) = 13.5 m, SA (50) = 25.95 m, SRB (50) = 27.5 m, SA (100) = 76.01 m, SRB (100) = 80 m, SA (130) = 117.61 mSRB (130) = 123.5 m 5. Su = 396, 67 m 2.8 Verbleibender Abstand 40.6 m 2.9 t1 = 1h 4 min, Δt = 35 min, dmin = 7.76 Sm
2.10 C =
1 v2 ln = 0.0055 m−1 x2 v1
2 vA l 2.11 1. bB = − + ts , sB = 3l − vA ts , 2.tB = 2 2(vA ts − l) vA r v02 v0 sin(ωt), v(t) = v0 cos(ωt) 2.12 v(x) = ω − x2 , x(t) = ω2 ω 2.13 1. ω = 146.6 rad/s, v = 32.25 m/s, 2. at = 0, an = 4728 m/s2 = 482 g, 3. α = 7.33 rad/s2 , at = 31.62 m/s2 , an (t = 20) = 4728 m/s2 , m m 2.15 v(ϕ = 20◦ ) = (55.16er + 23.14eϕ ) 2.14 v(t = 5s) = (3er + 25.5eϕ ) s s 2.16 r(t) = r1 exp(−Ct), vϕ (r) = ω0 r, ar (r) = r(C 2 − ω02 ), aϕ (r) = −2ω0 Cr √ 2 2 2 2.17 s(t) = r sin ωωt, v(t) = rω √ cos ωt, v(s) = ω r − s , a(t) = −rω sin ωt, 2 a(s) = −ω s, a(v) = −ω r 2 ω 2 − v 2 „ « g g 2 2.19 1. Y (X) = h − 1 + tan(ϕ)X, 2. ϕ = arctan L = 40.91◦ , 3. v0 = 24.6m/s X 2 v02 cos2 (ϕ) v02 „ « „ « π tB tB 1 √πR¨ = 2 = s¨eϕ − s¨er s eϕ , a 2.20 1. v 2 2 4 r “ϕ ” “ϕ ” π π B B = R¨ s eϕ , = s¨eϕ − s¨er 2. v a 2 2 2 2 p p g 2 2.21 1. Y (X) = tan(β)X − 2 X , 2.v0 = 9.82 H m/s2 , 3.v1 = 9.42 H m/s2 , β1 = 42.14◦ 2vx0
2.22 1. v(t) = r[sin(ωt) ω + (λ/2) sin(2ωt) ω], vmax = 6.47 m/s, 2. a(t) = rω 2 [cos(ωt) + λ cos(2ωt)], amax = 986.97 m/s2 m 2.23 a = (−13.73er − 5.63eϕ ) 2 s
434
A Anhang ∗
∗∗ ∗
∗ ∗∗
dY dϕ dY d2 Y Y Y X−Y X = = = ∗ =⇒ “ ∗ ”3 dX dϕ dX dX 2 X X Einsetzen in Gl.(2.37 liefert das Ergebnis. ab 2. X(ϕ) = a cos ϕ, Y (ϕ) = b sin ϕ =⇒ κ = ` ´3/2 2 2 a sin ϕ + b2 cos2 ϕ 1 1 3. a = b = r =⇒ κ = = ρ r 1 1 (ex + 2axey ) , en = p (−2axex + ey ) , 2.25 1. et = p 1 + (2ax)2 1 + (2ax)2 2.24 1. X = X(ϕ), Y = Y (ϕ), =⇒
2a 2av02 1 = , 3. a = (−2axex + ey ) , 4. amax = 2av02 f¨ur x = 0 3/2 2 ρ (1 + (2ax)2 )2 (1 + (2ax) ) a 2.26 κ = 2 a + b2 r « « „ „ 9 cos 2ϕ cos 2ϕ 2 cos 2ϕ eX + sin ϕ − 0.5 cos ϕ eY , 2. κ = 2.27 1. et = cos ϕ + 0.5 sin ϕ , sin 2ϕ sin 2ϕ 2a2 2a √ 3. x ¨= “ v2ϕ ” 3 “v ”3 2cos 2ϕ · 2 cos 2 2 2 “v ” 3 M M vM M vM t − R sin vM − vM cos t t sin t 7 R R 7 7 6 6 6 R R , 2. v , a 2.28 1. x = 4 = = 5 4 4 2 5 “v ” 5 “v ” “ vM ” vM M M t t R − R cos vM sin cos t R R R R » – » – 1 1 R 1 − cos ϕ − sin ϕ 3. et = p , en = p , 4. ρ = cos ϕ − 1 2(1 − cos ϕ) sin ϕ 2(1 − cos ϕ) 1 − cos ϕ 2. κ =
˙ ϕ , a = r ϕe ¨ ϕ − r ϕ˙ 2 er 2.29 1. x = r(1 − 2 sin ϕ)er − 2r cos ϕeϕ , v = r ϕe ˙ ˙ ¨ − RΦ˙ 2 )eR + (RΦ ¨ + 2R˙ Φ)e ˙ Φ 2. x = (R − 2 cos Φ)eR + 2r sin ΦeΦ , v = ReR + RΦeΦ , a = (R ´ ` 3 3 2 2.30 a = 14.81 · 10 ex − 7.41 · 10 ey m/s 2.31 1. v1 = 2LαΔtey , v2 = −LαΔtex + LαΔtey , v3 = 0.5LαΔtex − 2LαΔtey 2. a1 = −2Lα2 Δt2 ex + 2Lαey , a2 = −L(α + α2 Δt2 )ex + L(α − α2 Δt2 )ey , a3 = (0.5Lα + 2Lα2 Δt2 )ex + (−2Lα + 0.5Lα2 Δt2 )ey m 2.32 a(t2 ) = (−2.58ex − 4.64ey + 0ez ) 2 s p 2.33 1. v(t =p tB /2) = (1/4)a0 πRe p Y , a(t = tB /2) = a0 ey − (1/4)πa0 ex 2. tB = πR/2a0 , v(tB ) = a0 πR/2ey , a(tB ) = a0 ey − (1/2)πa0 ex ` ´ 2.34 1. vM = `vA cos ϕex + r0 ϕ1 Ω cos(Ωt)´− vA `sin ϕ ey ´ 2. aM = aA cos ϕ − r0 ϕ21 Ω 2 cos2 (Ωt) ex − aA sin ϕ + r0 ϕ1 Ω 2 sin(Ωt) ey 2.35 a = (−yα − xω 2 )ex + (xα − yω 2 )ey 2.36 v = ω(h tan β + b)eY , |v| = ω(h tan β + b) 2.37 a = −ω 2 (b + h tan β)eX + α(bh tan β)eY , |a| = (b + h tan β)
p
(α2 + ω 4 )
2.39 v = ω2 l cos βeX + ω1 (l + l sin β)eY + (−vA − ω2 (l + l sin β))eZ ` ´ 2.41 a = `α2 l cos β − ω2 vA − (ω22 +´ω12 )(l + l sin β) ex + (α1 (l + l sin β) + ω1 ω2 l cos β) ey 2 − α1 (l + l sin β) + ω2 l cos β ez 2.42 1. vs = (−0.3ex + 0.4ey + 0.4ez ) m/s,
2. aS = (−0.7ex − 4.2ey + 4.1ez ) m/s2
2.43 aB = (ω 2 dS + αhS )ex + (ω 2 hS − αdS − g)ey
2.44 aM = 0.0167ex − 9.769 · 10−5 ey m/s2
2.46 xP = [R + cos α l2 − sin α r]eY + [sin α l2 + cos α r]eZ = 104.2 m eY + 4.73 m eZ , vP = [−vS − ωT r − (vS /R)(cos α l2 + sin αr)]eX = −19.04 m/s eX , aP = [((vS /R)(cos α l2 + sin αr) + ωT r)((vS /R) − sin αωT )]eY − [((vS /R)(cos α l2 + sin αr) + ωT r)(− cos αωT )]eZ = −0.399 m/s2 eY − 1.376 m/s2 eZ
A.4 L¨osungen zu den Aufgaben
435
2.47 1. t = 0 : xP = 0.3m eZ + 10 m eZ , vP = 27.8 m/s eX , aP = 1282.51 m/s2 eY + 28.48 m/s2 eZ 2. t = 5s : xP = 5.98 m eX + 0.17 m eY + 8.01 m eZ , vP = 40.76 m/s eX − 11.52 m/s eY + 4.06 m/s eZ , aP = −844 m/s2 eX + 111.55 m/s2 eY − 331.34 m/s2 eZ
L¨osungen zu Kapitel 3 3.1 v(t = 3s) = 18.78m/s, x(t = 3s) = 46.94m 3.2 v = vy ey = 7905.04 ey m/s r r p g F 3.5 v = 3.236 m/s 3.3 v(C) = 2 (b2 − 2C 2 ) 3.4 v = (R − h)g, ω = m R−h r √ g 3.6 v = ω 2R2 − r 2 3.8 v = 18.22m/s 3.7 ω = b tan β + h tan2 β 2 3.9 1. β = arcos(−0.5) = 1200 , hC = 1.5R, 2. xD = 0 3.10 1. h = r, 2. d = 0.124r 3 3.11 1. F = 53.96N, 2. F = 32.13N 3.12 1. v = 18.78m/s, 2. s = 46.96m r μg 3.13 ω = 3.14 1. V (X = 1000m) = 73.51 m/s ≡ 264.64 km/h, 2. X(VLOF ) = 1119.5 m R «2 „ RE m k ex 3.16 1. s(v) = s0 − (v − v0 ) , v(s) = v0 − s, 2. l = 12.03 m 3.15 a = ax ex = −g r k m „ «2 « „ 2 mvA 1 m b1 mvA mvA 3.17 1. FR (t) = , 2. a(t) = e + en t r b1 tvA + m (b1 tvA + m)2 b1 tvA + m r 0 1 r C 1 F0 L m B C 3.18 1. v(L) = 2 ln 2 − 2f gL, 2. LB = L − ln B A k 2 m 2k @ 1+ v (L) f mg s « „ 1 1 , 2. lim v0 = 11.2 · 103 m/s ≡ 40.32 · 103 km/h − 3.19 1. v0 = 2gRe2 h→∞ Re h 3.20 v(t = 3s) = 2.432m/s
3.21 1. v(t = 5s) = 7.12m/s,
2. μ = 2.64
3.22 1. FA = 4.63 kN, 2. L = 3333.6 m, 3. FF = −33.552 kN, FT = 92.184 kN, 4. vmax = 147 km/h
3.24 Zn =22.399 kN,
μ=0.131
3.25 a = gc/h
3.26 1. By = 0, Bx = −2/3 md(αΔt)2
L¨osungen zu Kapitel 4 4.1 4.2 4.3 4.6
WA0,I = mgΔs, WG0,I = −mgΔs, WG0,II = 0 WA0,I = μmgΔs, WR0,I = −μmgΔs, WR0,II = −2μmgΔs √ 0 4.5 vII = 2gH WA0,I = 1/2 k(Δs)2 , WF0,I = −1/2 k(Δs)2 , WF0,II = p I,II 4.8 W = 15.71 Nm W = mgH 4.7 1. WR = −μmgH, 2. vII = 2gH(1 − μ)
4.9
WG = −7.36 Nm, WR = −0.797 Nm, WZ = 2.4 Nm, WF ≈ −2.55 Nm 1 `√8− √5−1´2 Kr 2 , 2. W I,II = 0 P = 150.4 kW ≡ 194.5 PS 4.11 1. W I,II = 2 ”„a − b« “ p 1 , 2. WG = −2amg sin β, 1. WRo ≈ f mgπ cos β a + b + 2(a2 + b2 ) 4 a+b F0 aπ 3. WA = , 4. WA = 955.05 · 10−3 F0 b 4 p √ √ 4.15 v = 4 g R k = mv0 /Δl = 106 kg/s 4.14 v1 = 2g(H − h) 4.16 vII = 2gH r r p p g 2g , 2. ω2 = , 3. h2 = R 1. ω1 = 4.18 1. v1 = 2g(H − h), 2. v2 = 2g(H − h) 2R R
4.10 4.12
4.13 4.17 4.19
1. vC = 2.1 m/s, vB = 3.43 m/s, 2.s = 3.83 cm, 3.H = 25.6 cm
436
A Anhang
4.20
1. FA = 7452 N, 2. PM = 176.2 PS p √ √ 2 = 2gL( 2 − 1 + π/4) 1. vA = 2gL(1 + μ), 2. vB = Lg, 3. vB Kiste hebt vor C ab und verl¨asst die Bahn q ` p ´ √ 1. h = 2.55rL , 2. vB = 2g h − rL (1 − cos β) , vC = 2gh, vD = 2g(h − 2rL ), r“ ” 2 vE 2 3vE vE 3. μH = + EF , 4. t = ± a a 8gEF Bahn 1: vB1,Y = 2.97 m/s, Bahn 2: vB2,Y = 12.37 m/s
4.21 4.22
4.23
4.32
1. vC = 8.859 m/s, 2. hAB = 0 m, 3. μ = 0.67 4. f = 0.14 „ « √ √ h−r 1. vC = 2gh, 2. FN = mg 2 + 2 sin ϕ , 3. f = s hd r 2 2 + 0.04875mv ) (Θω ΔW = 1 s s2 » „ « „ «– 1 R L L −μ √ + √ vII = 2g √ + R 1 − √ 2 2 2 2 4.29 1. M = 6.67 Nm, 2. PM = 69.81 W 1. M = 6366 Nm, 2. PM = 66.66 k W mgRE RE + 2h , 2. lim W = mgRE 1. W = h→∞ 2 RE + h 1. grad F = 0 ex − 0 ey + 1ez = 0 =⇒ nicht konservativ, 2. W = 6π
4.33
1. grad F = −2 + 2π ex − 2 ey + 2ez = 0 =⇒ nicht konservativ, 2. W = 2π + 2h2 −
4.24 4.25 4.26 4.27 4.28 4.30
4.34
4.35
„ « X2 1. konservativ, 2. U (X) = UC − F0 2X − , 3. XB = 4, YB = −4 2a !! r √ F0 s π − t 4. Fn = − F0 , 5. s(t) = 2 2a 1 − sin 2a 2 2ma
h2 π
1. grad F = 2Xex − 2(Y + Z)ey − 2Y ez = 0 =⇒ nicht konservativ, 2. WC = −4/3
L¨osungen zu Kapitel 5 5.1 5.2 5.3 5.5 5.7 5.10 5.11 5.12
5.13 5.15
1. vS = 0.467ez m/s, 2. aS = (6.67ex − 6.67ey + 0.0099ez ) m/s2 7 1 1 1 1 1. vS = LαΔtex + LαΔtey , 2. aS = − L(α + 2α2 Δt2 )ex , + L(α − α2 Δt2 )ey 6 3 6 3 2 g ω = 111.04rad/s 5.4 ϕ ¨ = − ϕ, ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt) l r √ π g π 5gl 1. |ϕ˙ max | = , 2. va = 2 l 4 r 7g gc gb ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt), ω = 5.8 amax = 5.9 amax = 6l h h g g 1. amax = μH , 2. amax = μH 2(1/μH + h/2b) 2(1/μH − h/2b) d 2aA d aA cos β − 2 gϕ, 2.ϕmax = cos β 1. ϕ ¨= 2 d + l2 d + l2 g F F F ¨S = , Y¨S = 0, α = − , b) AX = −F, AY = 0, α = − a) X 3m 6ml 6ml F F ¨S = F c) BX = − , BY = 0, α = − , X 4 4ml r 4m √ 18 5 (g(1 − cos ϕ1 ) + a sin ϕ1 ) 5.14 vK = r vC = 2 ab 2 11r 2 1. Bx = −ωc mL, By = 0, Bz = 2mg, ωc ωc 2. Bx = −ωc2 mL, By = mL , Bz = 2mg, MT = 4mL2 T T
A.4 L¨osungen zu den Aufgaben 5.16
5.18 5.19
5.20
5.23
1. Bx = −2ωc2 mL, By = 0, Bz = 0, ωc ωc 2. Bx = −2ω 2 mL, By = −2 mL, Bz = 0, MT = 14mL2 T T 1 3 Bx = − ω 2 M L, By = ω 2 M ∗ L, Bz = 0 4 2 ω2 ω2 1. Bx = − c (2mLx − 3mL), By = c (2mLy − Lm) 3 3 ωx 3 1 2. MT = (6mL2 + m(L2x + L2y )), 3. Lx = L, Ly = L T 2 2 √ «« „ mgd md 3 1. Ay = − sin ϕ, Ax = (cos ϕ − ω 2 l − d 4l 2 2 √ 3 2. z.B. m∗ = m, x∗ = −d/2, z ∗ = l − d 2 “ ” 1 1 m(L2 + L2 ) ω 2 m 5.25 T = 3mL2 + 2 m2 = 5.28 v = 0.108 m/s x y 31
L¨osungen zu Kapitel 6 6.1 6.2
6.4 6.7 6.8 6.14 6.20 6.22 6.24
6.28
vA (t = 3s) = 6m/s, ω(t = 3s) = 12rad/s, α(t = 3s) = 4rad/s2 , an (t = 3s) = 72m/s2 2 a(t = 3s) √ = 72.11m/s d √ √ 2 6.3 |vB | = 2v0 , |vC | = 2v0 , |vD | = 2v0 ω1 = 2 √ vA ls 5 r « „ 4 v04 v0 2 , |a |aB | = 2 + a | = 2 + a20 , |aC | = |aB | C 0 2 R R2 vM vM vM , Rolle 2 : ω2 = , Rolle 1 : ω1 = Rolle 3 : ω3 = R3 R2 R1 q √ 1 2 ω2 = l12 ω12 + vC − 2l1 ω1 vC 6.13 ωBC = −ωCD l2 1. ω2 = 1.37 ω1 , 2. vA = ωa, vB = 3.419ω a 6.19 vP = 2.51 m/s b 6.21 amax = 2.5g 1. amax = g, 2. Beide kippen gleichzeitig. h 2 R m 32 + 9π (M ) , 2.Θz(S) = mR2 6.23 vC = 1.7155 1. Θz = m 2 18π s g 1. a = 5.4 m/s2 , 2. a = 31.94 m/s2 6.25 ϕ(ϕ) ¨ = 6 sin ϕ L “ ” (S) Θz + m(R − s)2 ϕ ¨ + mgsϕ = 0
L¨osungen zu Kapitel 7 7.1 7.2
7.5
7.6 7.7
1 5 5 1 13 ωmL ˙ − ω 2 mL, Bx = − ωmL ˙ − ω 2 mL, 2.MA = ωm ˙ 1 L2 4 2 2 4 3 0 mes e2 − Θyz v0 0 1. Mx0 = −ω 2 Θyz , My0 = Mz0 = 0, ω = , 2. m1 = , R r1 (e1 + e2 ) 0 mes e1 + Θyz m1 m1 7.3 e∗1 = e1 ∗ , e∗2 = e2 ∗ m2 = − r2 (e1 + e2 ) m1 m2 1. By =
3lω 2 − 12g sin ϕ 12g cos ϕ − lω 2 3lω 2 − 12g sin ϕ m1 , Bx = m1 , A y = m1 , 8 8 8 12g cos ϕ − lω 2 3lω 2 − 6g sin ϕ 6g cos ϕ + lω 2 C C m1 , 2. Mx = m1 l, My = − m1 l Ax = 8 4 4 3. St¨abe r¨uckw¨arts verl¨angern 1. By =
(B)
(B)
(B)
(B)
(B)
(B)
Θxx = 460 kgm2 , Θyy = 460 kgm2 , Θzz = 305 kgm2 , Θxy = Θxz = Θyz = 0 −5
−5
1. Bx = 0, By = 2.17 · 10 mRω, Ax = 0, Ay = −2.17 · 10 mRω (S) 2. mp = 9.6 · 10−4 m, 3.d = 0.088R, 4.ΔΘyz = −5.37 · 10−10 mR2
437
438 7.8
7.9 7.10 7.11 7.12 7.14
7.15
A Anhang
„„ «√ 51 3 ω2 64 − mR2 + + mL2 −8mb(5L + a) ) 10L 4 3 2 √ „„ « 2 51 3 ω 64 − mR2 + mL2 Ay = 0, Ax = − −8mb(5L − a) ) 10L 4 3 2 √ √ 205 + 4 2 2 2 (A) 2 (A) (A) , 2. By = ω Θyz , Bx = ωΘ ˙ yz , Θyz = (5.5 + 2)r 2 m2 1. M = ωm ˙ 2 r2 16 3r 3r (S) (S) (S) Θx = Θy = 2.898 kgcm2 , Θz = 2.725 kgcm2 , 1. Ay = 0, Ax = −6.476mst Ω 2 R, 2. M = −97.14mst R2 Ω 2 „ „ « « 7 ω2 3 ω2 m1 R + 24.06m2 R − m2 r22 sin β cos β − 5m2 ba By = − 7.13 Bx = 6 2 a s 9 «2 „ Θx∗ − Θz ∗ Θx∗ z ∗ 1 (Θ ∗ − Θ ∗ )± , ΘI,III = 2 tan 2β = + Θx2 ∗ z ∗ Θ2 = Θx∗ , n1 x z 1 (Θ ∗ − Θ ∗ ) 2 x z 2 = [sin β, 0, 0]T , n2 = [0, 1, 0]T , n3 = [0, 0, cos β]T . Die Zuordnung zwischen I, III und 1, 2 geschieht mit den Gleichungen (7.18). m=115.05 kg 7.16 d=168.4 mm By = 0, Bx =
L¨osungen zu Kapitel 8 8.1
1. vC = v Rel ex + rω ey , 2. aC = (aRel − rω 2 ) ex + 2v Rel ω ey
8.2
1. vC = sin βvr ex + ωx ey + cos βvr ez Lage 1: vC = (2 ex + 0.12 ey + 3.464 ez ) m/s Lage 2: vC = (2 ex + 0.235 ey + 3.464 ez ) m/s
8.3
8.6
vC = (RΩ cos ϕ − rΩ sin ψ cos ϕ − RΩ cos ψ sin ϕ) ex − (RΩ cos φ) ey « „ „ “ v ”2 « 1 S ez aP = a S − r ex − aS 1 + R R Rel Rel vP = (vA + vC cos β)ex + (lΩ cos β) ey + (vC sin β) ez = (0.546 ex + 0.087 ey + 0.2 ez ) m/s
8.7
1. vP = 1 ex m/s, 2. aB = (0.5 ex + 0.05 ey ) m/s2
8.8
aB = (1.0 ex − 0.05 ey + 0.03 ez ) m/s2
8.10
vC = −2.53 eX + 3.211 eY − 3.051 eZ m/s
8.13 8.18 8.19
max 8.14 φ = (3/2) π, vB α = 17.034 ex rad/s2 2 Mx = −mrvS /(2R), My = Mz = 0 Rel Cor = −1.83 N, FyCor = −6.34 N aCor C = 2vC Ω (sin γ sin β ex + cos γ ey ) , Fx
8.20
M(S) = (−50 ex − 10 ey − 22 ez ) Nm
8.5
8.23 8.26 8.31 8.38 8.43
B = 51.38 N
(A) My
8.9 vP = −ω2 l sin β sex + l cos β dω1 ey + ω2 l cos β) ez 2ωh 3 = 60 cm/s
8.11 Δ =
2h 2π cos ϕ, ω = rad/s g 24 · 3600
8.22 α = [−13.3, −8.3, 7.3] rad/s2 (A)
= 5.08 kNm, Mx
(A)
= Mz = 0 p 2 2 2 1. MV =ω mb sin(2β)/24, 2. τ =126.61 N/mm , 3. c=b m/m2 = 79.05 mm M =2833.2 Nm 8.32 M =810.0 kNm 8.34 ψ˙ = 44.57 rad/s B = 51.81 N ! r v02 3 7 mT v02 mT v02 1 1.2mT gl cos α + Θz 2 , By = , Bx = − , Ay = − Ax = − 2.2 R2 2.64 R2 2.2l R 4 2 ! r v2 3 7 1 − mT gl cos α − Θz 02 , Az = mT gl sin α 2.2l R 4 2 8.24
L¨osungen zu Kapitel 9 9.1 9.3
v(t = 3s) = 1.00 m/s 9.2 1. β2 = 19.67o , 2. ve = 14.63 km/h m1 s = 2.04 m 9.4 v2e − v1 cos β 9.5 1. s = 686 m, 2. t = 41.2 s m2
9.6
9.8 9.10
9.13 9.19
9.23
9.24
9.26
9.31
A.4 L¨osungen zu den Aufgaben v u cs cs 2gh 2gh u „ « t, v2 (t) = t 9.7 v1 (t) = − m1 , v1 = u m1 m2 m2 t m2 1+ 1 + m2 m1 m1 cs cs t + v0 , v2 (t) = t + v0 9.9 1. Tmin = 2.039 s, 2.L = 2.774 m v1 (t) = − m1 m2 1 r1 /r2 1 ωa , ω2e = ω1a 9.12 MB = md2 cos2 β ω1e = ω1a 3 t0 Θ2 r12 Θ2 r12 1+ 1+ Θ1 r22 Θ1 r22 ωe = 5.97 rad/s 9.14 t = 3.33 s 9.15 1. H = 3.347 b, 2. ΔE/E = 0.85 m1 v1 − 3m3 v1 m1 v1 − 3m3 v1 ∗∗ = , v3∗∗ = 1. v1,2 m1 + m2 + m3 m1 + m2 + m3 m1 − m2 4m21 − 3(m1 + m2 )(m3 − m2 ) ∗∗ ∗∗ v1 2. v1 = v1 , v2 = −3v1 , v3∗∗ = m1 + m2 (m1 + m2 )(m2 + m3 ) m1 − εm2 (1 − ε)(1 + ε)m1 m2 m3 + εm2 v2 − 3 3. v1∗∗ = v1 , v2∗∗ = v1 , m1 + m2 (m1 + m2 )(m2 + m3 ) m2 + m3 2 2 (1 + ε) m1 2(m3 − εm2 ) v1 v3∗∗ = v1 − (n1 + m2 )(m2 + m3 ) m2 + m3 m1 v1 cos β εv1 cos β − m2 1. v1a = v1 sin βet − v1 cos βen , v2a = 0, v1e = v1 sin βet + en m1 1+ m 2 1 0 m1 εv cos β − v1 cos β m1 B 1 C m2 v2e = − + v1 cos β A en @ m1 m2 1+ m2 0 11 m1 εv1 cos β − v1 cos β ` B CC m2 2. v1a = v1 eX , v2a = 0, v1e = v1 sin2 β − cos β @ AA eX m1 1+ m 2 1 0 0 1 m1 v1 cos β εv1 cos β − C B B C m2 + @sin β @ A + v1 cos β sin β A eY m1 1+ m2 1 − ε2 m1 m2 4. ΔW = − (v1 cos β) 2 m1 + m r2 3 2 s r √ v + 2ghB hB 3 mv02 3v02 4 0 , t= +2 , 2. ε = g v0 ± 1. sF = 2 K 2g g g (LD − LC ) v0 ! r g 3 2 1 v + 2ghB − (LD − LC ) 2. ΔW = m 2 4 0 v0 r 2g 2εω2a L « , 2.v1e = „ 1. ω2a = 9.30 1. h = 7r/5 L m1 3 1− 2m2 „ « r c 2 vHe 7 2 3 s , 2. vHa = mH − mW − mG 1. vHe = 2g(h + s) + mg 1.7 · mH 2 18 3 s 2 vHe vHe 2h ± − 3. te = g g2 g
v u v1 = u t
L¨osungen zu Kapitel 10 s 10.1
ω=
C1 C2 (C3 + C4 ) ` ´ C2 (C3 + C4 ) + C1 (C3 + C4 + C2 ) m
439
440
A Anhang r
10.2
1. ω =
10.3
ω=
10.6
v u ω=u t
r
10.8 10.10 10.13 10.14 10.15 10.18 10.19 10.20 10.21
10.22
10.24 10.25
10.26
10.28 10.29
10.30
s 3EIl3 3l2 C1 C2 EI , 3.ω = 3 3 2 l1 l2 (3l2 C2 EI + 3l12 C1 EI + l12 l22 lC1 C2 )m s Θ(M ) + Rm(R − s)2 10.4 TK = 2π 10.5 ω = 91.55 s−1 mgs v u2 2 r r u r + R2 t cr 2 Θz + r 2 m , T = 2π 5 , 10.7 ω = , T = 2π Rg Θz + r 2 m cr 2 2 s
3EIl , 2.ω = l12 l22 m
24EIS h3 m
Rg 2 2 r +R r 5 r r r Θ(S) 1.5mg + cl cl − 1.5mg 1.5mg + cl e= 10.9 1. ω = , 2. ω = , 3. ω = 2m 1.25ml 1.25ml 1.25ml (0) (0) ω = 38.17s−1 10.11 Θoffen = 604.9 kgm2 , Θgeschl. = 444.4 kgm2 −1 1. f = 1.597 = 39.806 mm r „ s , 2. b « r −1 1 g 9g 2xA − 1. cR = , 2. ωmit K. = , ωohne K. = 9mg cF xA 5xA x(t = 10 s) = −4.46 · 10−9 m ϕ(t) = −0.715 · 10−4 + exp(−30.48t)(0.749 cos(533.63s−1 t) + 22.81 sin(533.63s−1 t)) 1. ω = 25.82s−1 , ωd ≈ ω, 2. ω = 49.07s−1 , ωd ≈ ω −1 , Td = 157.6 · 10−3 m, 2. x(t = 5s) = 1.898mm 1. ωd = 39.86s r 1 c c 1. x ¨r + x˙ r + xr = −g − xe0 Ω 2 cos Ωt,, 2. xp (t) = −0.316xe0 cos(Ωt − 18.4o ) 2 m m 25cN 25dL 25cN 5 mg mg 1. x ¨N + x˙ N + xN = g+ xe (t), 2. xN,stat = , , FC,N = − 68mr 68m 68 68m 5cN 5 c 3. ωd = 0.525 , 4. xN (t) = xN,stat + exp(−δt)(A1 cos ωd t + A2 sin ωd t) + V Λ cos(Ωt − ϕ), m 1 , A1 = −V Λ cos(−ϕ) − xN,stat , A2 = (−δV Λ cos(−ϕ) − δxN,stat + V ΛΩ sin(−ϕ)) ω d r 25c , V = 1.109, ϕ = 33.69o δ= 272m s r « „ 3c 4mT kg 3d2 , η=Ω , 2. d = 51965 1− 1. ωs = 4mT 16mT c 3c s d c mM rΩ 2 ω 2 1. x ¨+ x˙ + x= cos Ωt, 2. σb,max = 35.61M P a, s = 1.97, mR mR mR ω 2 r c d 1 + d2 c d2 1. x ¨+ x˙ + x = − xe0 Ω cos Ωt 2. ωd = 0.707 , 3. η = α, D = 0.707, m m m m d2 α d2 α xe0 cos(Ωt − ϕ), , 5. xp (t) = p 4. V (α) = p 4 Cm(1 + α4 ) „ Cm(1 + α )« 2α d2 ϕ = arctan √ , Fmax = xe0 Ω √ 2) 2(1 − α 1 + α2 r r 4c 2c c c 1. x ¨+ x˙ + x = xe (t), 2. ωd = 1.936 , 3. η = 0.5, 4. D = 0.25, V = 0.633, m m m m o 5. xp (t) = 0.633xe0 cos(Ωt − 18.43 ) ´ −1 ` 1. e−1.25s t −2.767 · 10−3 m cos(139.1s−1 ) + 67.5 · 10−6 m sin(139.1s−1 ) + N 387 · 10−6 m cos(1000s−1 t + 0.01384), 2. σb,max = 38.4 mm2 2CF 2d x˙r + xr = −g − Ω 2 xe (t), Ω = 69.81s−1 , ω = 31.62s−1 , 2. η = 2.208, 1. x¨r + 9m 9m −3 D = 87.84 · 10 , 3. ωd = 31.5s−1 , 4. V = 1.252, 5. xp (t) = 12.52 mm cos(Ωt + 100.46 · 10−3 )
A.5 Lehrprogramme mit verschiedenen Schwerpunkten
441
A.5 Lehrprogramme mit verschiedenen Schwerpunkten Mit einem modularen Aufbau werden in diesem Lehrbuch die verschiedenen Anforderungen von Studierenden und Lehrenden an deutschen Universit¨aten, Fachhochschulen und Ingenieurhochschulen in den verschiedenen Studienrichtungen wie z.B. Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Technomathematik, Ingenieurinformatik, Mechatronik, Verfahrenstechnik und Lehramt ber¨ucksichtigt. Zu diesem Zweck werden im Folgenden einige Lehrprogramme mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorgeschla¨ f¨ur die Anzahlen n und m der Vorlesungs- und Ubungstunden ¨ gen. Dabei stehen die Abk¨urzungen nV und mU je Semester.
¨ L1. Schwerpunkt: Ebene Bewegungen (1V, 1U) Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6
ohne Abschnitt 2.3.3 (Kreisbewegungen um momentane Achsen mit Richtungs¨anderungen) ohne Abschnitt 3.3.8 (Das Gravitationsgesetz), ohne Abschnitt 3.3.9 (Die Keplerschen Gesetze) ohne Abschnitt 4.4 (Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte) in Abschnitt 5.1.2 nur die ebene Bewegung, ohne Abschnitt 5.4.2 (Der Momentensatz mit dem Drehimpulsvektor), ohne Abschnitt 5.6 (Momentensatz f¨ur das starre Massenpunktsystem im Raum mit fester Drehachse), vollst¨andig, evtl. ohne Abschnitt 6.3.7 (Relativbewegungen in rotierenden Basissystemen)
¨ L2. Schwerpunkte: Ebene Bewegungen, Rotordynamik, Stoß (3V, 2U) Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6
Kapitel 7 Kapitel 9
ohne Abschnitt 2.3.3 (Kreisbewegungen um momentane Achsen mit Richtungs¨anderungen) ohne Abschnitt 3.3.8 (Das Gravitationsgesetz), ohne Abschnitt 3.3.9 (Die Keplerschen Gesetze) ohne Abschnitt 4.4 (Vektoranalysis der Potenzialkr¨afte) in Abschnitt 5.1.2 nur die ebene Bewegung, ohne Abschnitt 5.4.2 (Der Momentensatz mit dem Drehimpulsvektor) ohne Abschnitt 6.3.3 (Der momentane Geschwindigkeitspol), ohne Abschnitt 6.3.4 (Regeln zur Bestimmung von Geschwindigkeiten und des Geschwindigkeitspols), ohne Abschnitt 6.3.5 (Rastpolbahn und Gangpolbahn), ohne Abschnitt 6.3.6 (Der Momentane Beschleunigungspol), ohne Abschnitt 6.3.7 (Relativbewegungen in rotierenden Basissystemen), ohne Abschnitt 5.4.2 (Der Momentensatz mit dem Drehimpulsvektor) vollst¨andig vollst¨andig, evtl. ohne Abschnitt 9.2.1 (Der Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz)
¨ L3. Schwerpunkte: Ebene Bewegungen, Rotordynamik, Schwingungen (3V, 2U) Kapitel 2 bis Kapitel 7: wie in Abschnitt L2. Kapitel 10 vollst¨andig, evtl. ohne Abschnitt 10.3 (Die Zeigerdarstellung), evtl. ohne Abschnitt 10.5.5 (D¨ampfung durch trockene Reibung), evtl. ohne Abschnitt 10.5.6 (Das feder- und d¨ampfergelagerte K¨orperpendel)
¨ L4. Schwerpunkte: Ebene Bewegungen, Stoß, Schwingungen (3V, 2U) Kapitel 2 bis Kapitel 6: wie in Abschnitt L2. Kapitel 9 vollst¨andig, evtl. ohne Abschnitt 9.2.1 (Der Drehimpuls- und Drehimpulserhaltungssatz) Kapitel 10 vollst¨andig, evtl. ohne Abschnitt 10.3 (Die Zeigerdarstellung), evtl. ohne Abschnitt 10.5.5 (D¨ampfung durch trockene Reibung), evtl. ohne Abschnitt 10.5.6 (feder- und d¨ampfergelagerten K¨orperpendel)
L5. Schwerpunkte: Ebene Bewegungen, Stoß, Rotordynamik, Ra¨ umliche Bewegungen, ¨ im 1 Semester und 2V, 2U ¨ im 2 Semester) Schwingungen (3V, 2U Kapitel 2
bis Kapitel 10 vollst¨andig. Zus¨atzlich k¨onnen noch weitere Themen, wie z.B. Lagrange Gleichungen, Schwingungen mit mehreren Freiheitsgraden und Schwingungen mit komplexen Zahlen aufgenommen werden, die in diesem Buch nicht behandelt sind.
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Index
1. Hauptsatz der Thermodynamik, 152 Abklingkoef¿zient, 394, 413 Abstimmung, 278 Achse, 51, siehe Drehachse Additionstheorem, 374, 375 Amplitude, 370, 373, 374, 397 Amplituden-Frequenzgang, 409 Anfangsbedingungen, 14, 16, 376, 393, 401, 406 Anregerfrequenz, 413 aperiodische Bewegung, 394 aperiodischer Grenzfall, 395 Arbeit, 115 Eigen-, 135 f¨ur das Massenpunktsystem, 191 f¨ur den starren K¨orper, 269 Federspann-, 135 Fremd-, 134, 135 gesamte, 116 Hub-, 135, 354 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten, 119 in nat¨urlichen Koordinaten, 118 in raumfesten kartesischen Koordinaten, 118 in Zylinderkoordinaten, 118 Nutz-, 126 Reibungs-, 135 Verlust-, 126 von D¨ampfungskr¨aften, 117 von F¨uhrungskr¨aften, 117 von Lagerkr¨aften, 117 von Reaktionskr¨aften, 117 von Reibungskr¨aften, 117 von Tragkr¨aften, 117 von Widerstandskr¨aften, 117 von Windkr¨aften, 117 Wegintegral, 116 Arbeitsdifferenzial, 116–119, 127 Arbeitssatz, 132 f¨ur das Massenpunktsystem, 191
f¨ur den Massenpunkt, 132 f¨ur den starren K¨orper, 269 Vorteil, 132 Aristoteles, 3, 4, 15, 70 Auswuchten, 186, 188, 266 AuÀagerkr¨afte, 186, 266 dynamisch, 268 statisch, 268 Axiom, 69 dynamische Grundgesetz, 69 Gleichgewichts-, 71 Newtonsches, 4, 69 Parallelogramm-, 71 Tr¨agheits-, 69 Verschiebungs-, 71 Wechselwirkungsgesetz, 69, 163 Bahn, 26 -beschleunigung, 39 -komponente, 116 -koordinate, 27 -kurve, 26 -l¨ange, 27 -parameter, 27 im Raum, 26, 78 Kreis-, 51, 57, 61 tangential zur, 27, 78 Basisdarstellung, 428 des Beschleunigungsvektors, 29, 32, 38, 45, 52 des Drallvektors, 305, 337 des Geschwindigkeitsvektors, 29, 32, 38, 45, 52, 56 des Kraftvektors, 73, 79, 82, 84, 172 des Ortsvektors, 29, 32, 38, 45 des Winkelgeschwindigkeitsvektors, 295 f¨ur Kreisbewegung um eine feste Achse, 51 f¨ur Massenpunktsysteme, 182 im bewegten Bezugssystem, 282 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten, 51, 84 in nat¨urlichen Koordinaten, 38, 82
446
Index
in raumfesten kartesischen Koordinaten, 29, 73 in Zylinderkoordinaten, 32, 79 begleitendes Dreibein, 37 Beobachter, 27 bewegter, 45, 61, 282 raumfester, 27, 282, 286 rotierender, 217, 282, 283 Beschleunigung, 9, 10, 26 -Ort-Diagramm, 14 -Zeit-Diagramm, 11 Absolut-, 27, 45, 57, 61, 282, 283 Bahn-, 39 bei Massenpunktsystemen, 156 beim Rollen, 209 Coriolis-, 219, 283 Durchschnitts-, 10, 11, 26 ebene Bewegung, 205, 218 Einheit der, 11 geradlinige Bewegung, 11 im rotierenden Basissystem, 283 im rotierenden Basisysstem, 219 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten, 52 in nat¨urlichen Koordinaten, 38 in raumfesten kartesischen Koordinaten, 29 in Zylinderkoordinaten, 33 Normal-, 39, 206 Radial-, 33 relative, 57, 61, 219, 283 Tangential-, 33, 39, 206 Umfangs-, 33, 36 Winkel-, 33 Zentripetal-, 39 Beschleunigungsvektor De¿nition, 27 Bewegung, 1, 9 ¨ Uberlagerung von B.-en, 55, 204 ebene, 158, 330, 337 ebene B. des Massenpunktsystems, 172 ebene B. starrer K¨orper, 201, 225, 243 eindimensionale, 16 gef¨uhrte, 78, 117, 125 geradlinige, 10, 69 gleichf¨ormige, 12, 69 gleichm¨aßig beschleunigte, 12 harmonische, 374 kreisf¨ormige, 33, 51, 55, 59, 119 Kriech-, 395 Planeten-, 72, 104 r¨aumliche, 26, 37, 59, 160, 182, 281, 299 rollende, 92 Wurf-, 3 Zentral-, 103 Bewegungsebene, 172, 202 Bewegungsgleichung, 72, 163, 372 Bewegungsgr¨oße, 9, 69
Bezugspunkt, 9, 26, 31 Bezugssystem, 72 Beschleunigung im bewegten, 283 bewegtes, 281–283, 293, 294, 300, 304 Euler Winkel, 292 Geschwindigkeit im bewegten, 283 raumfestes, 27 Rotation des B.-s, 283 Biegestei¿gkeit, 379 Binormaleneinheitsvektor, 38 Boltzmann-Axiom, 299 charakteristische Gleichung, 394, 395 Coriolis, 283 -Beschleunigung, 219, 283 -Kraft, 89, 301, 302 Coulombsches Reibungsgesetz, 91 Crashbox, 131, 328 d’Alembert, 110 -sche Tr¨agheitskraft, 110, 113 D¨ampfer, 393, 406, 410 Kraftgesetz, 90 D¨ampfung, 90 Grenz-, 395 K¨orperpendel mit, 403 schwache, 396 starke, 394 D¨ampfungskonstante, 90 D¨ampfungskraft, 89, 393 Dauerfestigkeit, 382, 399, 416 Deformationen irreversible, 348 reversible, 348 Descartes, 28 Deviationsmoment, 184, 186, 187, 253, 254, 266, 267 Differenzialgleichung, 97, 115, 372 2. Ordnung, 394 allgemeine L¨osung, 394, 408, 412, 413 homogene, 377, 394 homogene L¨osung, 408 inhomogene, 406 lineare, 394 partikulare L¨osung, 408 spezielle L¨osung, 408 Dissipation, 124, 135, 138, 370 Drallvektor, 170 Drallvektor (s.a. Drehimpulsvektor), 170 Drehachse, 51 feste, 51 mit Richtungs¨anderung, 59 momentane, 59, 61 richtungstreue, 55, 57, 61 Drehbewegung, 311 gleichf¨ormige, 304
Index permanente, 311 stabile, 311 Drehimpuls, 170, 336 -erhaltungssatz, 336 -satz, 336, 360 ebene Bewegungen, 337 Koordinatendarstellung, 337 -vektor, 170, 298 Drehwinkel, 9, 31, 46 Drehzahl, 33 kritische, 277 Dummypuppe, 177, 234 Dynamik, 3 Dynamisches Grundgesetz f¨ur den Massenpunkt, 71 im Inertialsystem, 72 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten, 84 in nat¨urlichen Koordinaten, 82 in raumfesten kartesischen Koordinaten, 73 in Zylinderkoordinaten, 79 vektorielle Formulierung, 71 ebene Bewegung des Massenpunktsystems, 172 starrer K¨orper, 202 Eigenfrequenz, 373, 394, 397, 413, 414 Eigenrotationswinkel, 292 Einheit Arbeit, 117 Beschleunigung, 11 Geschwindigkeit, 11 Hertz, 372 Internationales Einheitensystem (SI), 11 Joule, 117 Kilogramm, 72 Leistung, 125 Newton, 72 SI, 11, 72 Watt, 117, 125 Einheitsvektor, 28, 31, 37, 104, 426 Einstein, 73 Ellipse, 42, 131 Energie, 135 und Arbeit, 135 chemische, 151 elektrische, 151 f¨ur den starren K¨orper, 269 kinetische, 124, 132, 135, 243, 387 kinetische E. des Massenpunktes, 191 potenzielle, 135, 137, 138, 387 Rotations-, 196, 243 Strahlungs-, 151 Translations-, 196, 243 W¨armemenge, 151
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Energieerhaltungssatz, siehe Energiesatz Energiesatz, 134, 137 ebene Bewegung, 243 f¨ur beliebige Systeme, 138 f¨ur das starre Massenpunktsystem, 194 f¨ur Federkr¨afte, 137 f¨ur Gewichtskr¨afte, 137 f¨ur konservative Systeme, 137, 138 f¨ur Massenpunktsysteme, 191 f¨ur Nicht-Potenzialkr¨afte, 138 f¨ur nichtkonservative Systeme, 138 f¨ur Potenzialkr¨afte, 138 L¨osungsschritte mit dem, 139 mit Verlusten, 138 ohne Verluste, 137 Erdbeschleunigung, 15 Ersatzfeder, 380 Ersatzmodell, 71, 73, 155, 163 Ersatzsystem, 278, 378, 382 f¨ur Drehbewegungen, 380 f¨ur Durchbiegung, 379 Federkonstante eines E.-s, 380 Euler, 4 -sche Formel, 396 -sche Geschwindigkeitsformel, 61 -sche Gleichungen, 308, 311, 313 -sches Schnittprinzip, 71 Winkel, 292, 318 Eigenrotation, 292 Figurenachse, 292 Knotenlinie, 292 Nutation, 292 Pr¨azessions, 292 Expansionsphase, 349 exzentrische Kr¨afte, 174, 184 F¨uhrungspunkt, 55, 56, 59, 158, 160, 169, 171, 172, 174, 184, 195, 196, 205, 209, 225, 226, 251, 252, 269, 299, 318, 336, 338, 360 f¨ur das Massenpunktsystem, 171 Fall -versuch, 15 -zeit, 15 freier, 15, 18 Fallschirm, 99 Feder, 393 -konstante, 378–380, 382 -kraft, 89, 393, 401, 402 -schaltungen, 380 Ersatz-, 378, 380 K¨orperpendel mit, 385, 403 Kraftgesetz f¨ur, 90 Potenzial, 135 Federkraft
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Index
Potenzialfunktion der, 136 Figurenachse, 318, 320 Fl¨achengeschwindigkeit, 104 Fl¨achensatz, 104 Fliehkraft, 1, 111, 277, 408 -anregung, 408 Fluchtgeschwindigkeit, 108 Fluid, 94 Fourierzerlegung, 376 Freiheitsgrad, 27, 78, 371 Dreh-, 291 Freischnitt, 166, 376, 393, 401 Frequenz, 372 Anreger-, 413 Erreger-, 406, 409 Galilei, 3, 4, 15 freier Fall, 4, 15 Gangpolbahn, 214 Geschwindigkeit, 9, 10, 26 -Ort-Diagramm, 14 -Zeit-Diagramm, 11 ¨ Uberlagerung von G.-en, 212 Absolut-, 27, 45, 57, 61, 219, 282, 283 bei Massenpunktsystemen, 156 Durchschnitts-, 10, 26 Einheit der, 11 im rotierenden Basissystem, 219, 283 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten, 52 in nat¨urlichen Koordinaten, 38 in raumfesten kartesischen Koordinaten, 29 in Zylinderkoordinaten, 33 Radial-, 33 relative, 57, 61, 158, 219, 283 Tangential-, 206 Umfangs-, 33, 285 Winkel-, 33 Geschwindigkeitspol, siehe momentaner Geschwindigkeitspol Geschwindigkeitsvektor De¿nition, 27 Eigenschaften, 27 Gewichtskraft Potenzialfunktion der, 136 Gleiten, 238 Gravitationsgesetz, 4, 73, 100 Gravitationskonstante, 101 Gravitationskraft, 100–102, 147, 151 Potenzial der, 151 Grundaufgaben der Punktkinematik, 16 Gyroskop, 2, 313 Hauptachsen, 254, 268, 308, 312, 313, 337 Auf¿nden von, 254, 255
Eigenschaften, 254 Haupttr¨agheitsachsen, siehe auch Hauptachsen, 268 Hertz, 372 Impuls, 69, 329 -erhaltungssatz, 330, 348, 350 -kraft, 330, 350, 359, 360 -moment, 338, 360 -satz, 330, 350, 360 -vektor, 71 Schwerpunkt-, 329 Inertialsystem, 72, 281, 297, 300, 302, 304 irreversibler Vorgang, 135 Joule, 117, 125 K¨orper, starrer, 201 K¨orperpunkt, 9, 26 Kardanwinkel, 291 Kepler, 103 -sche Gesetze, 4, 103 Kilogramm, 72 Kinematik, 2 des Punktes , 9 des K¨orpers, 205 ebene Bewegung, 205 Relativbewegung, 217, 282 des Massenpunktsystems, 155 ebene Bewegung, 158 r¨aumliche Bewegung, 160 Kinetik, 2 des K¨orpers, 225 bewegtes Bezugssystem, 300 ebene Bewegung, 225 Inertialsystem, 297 des Massenpunktes, 69 des Massenpunktsystems, 163 Kollergang, 309 Kompressionsphase, 349 konservative Kr¨afte, 148 konservatives System, 137, 387 Koordinaten -achsen, 28 -system bewegtes, 45 ruhendes, 45 -transformation, 34, 44, 262, 265 f¨ur geradlinige Bewegung, 10 mitrotierende kartesische, 51, 84, 428 nat¨urliche, 37, 38, 82, 428 Polar-, 31, 122, 147, 284 raumfeste kartesische, 28, 29, 73, 428 Zylinder-, 31, 32, 79, 428 Kr¨afte Einteilung der, 89
Index Kr¨ummung, 37, 49 Kr¨ummungskreis, 37, 38 Kr¨ummungsmittelpunkt, 37, 39 Kr¨ummungsradius, 37 Kraft a¨ ußere, 89 Brems-, 89 D¨ampfungs-, 89 eingepr¨agte, 89 F¨uhrungs-, 78 Feder-, 89 Gewichts-, 89 Gravitations-, 89 innere, 89, 166, 191 konservative, 148 Magnet-, 89 Nicht-Potenzial-, 89, 138 Potenzial-, 89, 134, 136, 138 Reaktions-, 89 Reibungs-, 91, 136 restliche, 138, 191 Schein-, 89, 110, 301, 302 Schub-, 75, 175 Schwer-, 89 Tr¨agheits-, 89 Trag-, 78 Vorspann-, 384, 385 Widerstands-, 91, 126 Wind-, 89 Windwiderstands-, 89 Kraftgr¨oße, 9, 69 Kragtr¨ager, 129, 379 Kreisbewegung, 51, 172, 182 Arbeit und Leistung bei einer, 127 gleichf¨ormige, 33, 39 um feste Achse, 51 um momentane Achse, 55, 59 um momentanen Drehpunkt, 38 Kreisel, 291, 311, 319, 320 -moment, 304, 307, 310, 324–326 momentenfreier, 311, 320 permanenter, 311 Pr¨azession eines K.-s, 319 stabiler, 311 Kreiselpr¨azession, 2 Kreisfrequenz, siehe Eigenfrequenz Kenn-, 394 Kriechbewegung, 395 Laval, 277 -L¨aufer, 277 Lehrsches D¨ampfungsmaß, 394, 398, 403 Leistung, 125, 126 einer Kraft, 125
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eines Momentes, 127 Einheit der, 125 f¨ur den starren K¨orper, 269 Lemniskate, 50 Logarithmisches Dekrement, 398 Luftwiderstand, 95, 96, 99 Magnetschwebebahn, 41, 78, 82, 109 Masse, 72 Einheit, 72 schwere, 73 tr¨age, 72, 73 Massenmittelpunkt, 71, 73, 156, 166 Massenpunkt, 69, 71 Ersatzmodell, 69 Massenpunktsystem, 155, 191 Massenmittelpunkt, 156 Schwerpunkt, 156 starres, 155 Massentr¨agheitsmatrix, 253, 254, 260, 261, 305, 336, 337 Eigenwertproblem, 254 Haupttr¨agheitsmomente, 254 Massentr¨agheitsmoment, 173, 174, 195, 226, 228, 253, 267, 305, 312, 336, 337 axiales, 253 d¨unne Kreisscheibe, 257 d¨unner Kreisring, 257 d¨unner Stab, 257 experimentelle Bestimmung, 385 f¨ur einfache K¨orper, 258 Hauptachsen, 254 Hohlzylinder, 229, 257 Koordinatentransformation, 262 Kugel, 230 Quader, 228, 256 Satz von Steiner, 231, 260 Verdrehung der Achsen, 262 Verschiebung der Achsen, 260 Massentr¨agheitstensor, 317 Matrix -darstellung des Momentensatzes, 306 des Ortsvektors, 177 Massentr¨agheits-, 253, 305 Metronom, 392 Moment, 336 -envektor, 304, 336 Schein-, 304, 307 momentaner Beschleunigungspol, 217 momentaner Geschwindigkeitspol, 211–216 Momentanpol, siehe momentaner Geschwindigkeitspol Momentensatz, 4 Boltzmann-Axiom, 299
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Index
Euler Winkel, 318 f¨ur das Massenpunktsystem, 169 f¨ur ebene Bewegung starrer K¨orper, 225, 299 f¨ur starre K¨orper, 251, 252, 281 Formulierung mit dem Beschleunigungsvektor, 169 Formulierung mit dem Drehimpulsvektor, 170 Herleitung des -es, 299 im bewegten Bezugssystem, 304, 305 L¨osungsschritte mit dem, 176 Motorrad, 62, 361 Newton, 4, 69, 81, 101 -sche Axiome, 69 das Gravitationsgesetz von, 100 nichtkonservatives System, 138 Normalenebene, 38 Normaleneinheitsvektor, 37 Nullniveau, 136 Nullphasenwinkel, 373 Nullphasenzeit, 373 Nutationswinkel, 292 Nutzarbeit, 126, 354 Ort, 9, 26 -Zeit-Diagramm, 10 in mitrotierenden kartesischen Koordinaten, 52 in nat¨urlichen Koordinaten, 38 in raumfesten kartesischen Koordinaten, 29 in Zylinderkoordinaten, 33 Ortsvektor, 26 differenzieller, 27 Relativ-, 55 Pendel, 384 das federgelagerte, 385 mathematisches, 79, 385 physikalisches, siehe physisches Pendel physisches, 233, 384 Periodendauer, 373, 374, 376, siehe Schwingungsdauer Phase, 373 Gegen-, 409 in Phase, 409 Phasen-Frequenzgang, 409 Phasendiagramm, 14 Phasenkurve, 14 Phasenverschiebung, 409, 410, 415, 416 Phasenwinkel, 373 Planetenbewegungen, 72, 104 Pol, siehe momentaner Geschwindigkeitspol Potenzial, 135 -differenz, 136, 148 -ebenen, 136 -À¨achen, 136 -funktion, 134, 147
f¨ur Federkraft, 135 f¨ur Gewichtskraft, 135 Gradient der, 148 -kr¨afte, 147, 148, 151 Pr¨azession, 318 Pr¨azessionswinkel, 292 Projektion, 116 Punkt, 9 Quantenmechanik, 73 Querschwingung, 382, 399, 416 Rakete, 152, 325 Rastpolbahn, 214 Raumpunkt, 26, 28, 31, 37 Reibung Gleit-, 238 Haft-, 238 trockene, 401 Relativbewegung, 217, 282 Relativit¨atstheorie, 73 allgemeine, 73 Resonanz, 413, 415 Restitutionsphase, 349 resultierende Kraft, 71, 225, 252, 297 resultierender Drehimpulsvektor, 171 resultierender Kraftvektor, 71–73, 82, 84 resultierender Momentenvektor, 170, 171 Reynoldssche Zahl, 95 Ringintegral, 148 Roboter, 34, 54, 161 Rollen, 92, 238 Rollwiderstand, 92, 126 Kraftgesetz zum, 92 Rotation, 202, 251 des Bezugssystem, 283 starrer K¨orper, 251 Rotationsenergie, 196, 243, 269, 270 Rotationszentrum, 291 Rotor biegestarrer L¨aufer, 277 elastischer L¨aufer, 277 idealer, 188, 268 Selbstzentrierung, 278 Ruhelage, 395 statische, 13, 370, 383, 385, 410 Satellit, 40, 147, 311 schiefe Ebene, 120, 192 Schmiegeebene, 37, 38 Schnittgr¨oßen in bewegten Systemen, 247, 248 Schnittprinzip, 71, 89 Schubkurbel, 47, 146 Schwerpunkt, 9, 26, 51, 71, 73
Index des K¨orpers, 344 ebene Bewegung, 225, 226, 228 Massentr¨agheitsmomente, 256 Rotation, 251–253 des Massenpunktsystems, 156, 167, 171, 196 des starren K¨orpers, 202, 330, 332, 338, 339, 344 Schwerpunktsatz, 4, 225, 300, 401 f¨ur das Massenpunktsystem, 165–167 f¨ur ebene Bewegung starrer K¨orper, 225 f¨ur starre K¨orper, 251, 277, 281 Schwingungen, 13 Abstimmung, 407 angefachte, 370 Anregung von, 370 Biege-, 370 De¿nition von, 369 Dreh-, 370 Eigen-, 372 Einschwingvorgang, 409 Energie, 387 Erregerfrequenz, 406 erzwungene, 372 erzwungene ged¨amfte, 406 erzwungene unged¨ampfte, 413 freie, 372 freie ged¨ampfte, 396 Freiheitsgrad, 371 ged¨ampfte, 370 harmonische, 14, 373 homogene Differenzialgleichung, 377 im Schwerefeld, 383 inhomogene Differenzialgleichung, 406 L¨angs-, 370 mechanische Systeme, 370 Mittelwert, 373 nichtharmonisch, 376 nichtlineare Differenzialgleichungen, 372 nichtperiodische, 376 Pendel-, 370 periodische, 373 Quer-, 370 regelm¨aßige, 372 Torsions-, 370 unged¨ampfte, 370 unregelm¨aßige, 372 Zeigerdarstellung, 374, 391 Zustandsgr¨oße, 370 Schwingungsbreite, siehe Amplitude halbe, 372 Schwingungsdauer, 14, 80, 373, 378, 384, 385, 387, 397 Skalarprodukt, 116, 118, 125, 132, 426 Arbeit als, 116, 125 Spannung infolge Querschwingung, 382, 399, 416
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starrer K¨orper, 9, 201 ebene Bewegung, 201 Rotation, 251 Statik, 3, 71, 110, 186, 281 station¨are Pr¨azession, 319, 321 Sinkgeschwindigkeit, 99 Steiner Satz von, 231, 260 Stoß -bedingung, 351 -dauer, 346 -hypothese, 350, 360 -impuls, 351 -mittelpunkt, 362 -zahl, 351 Annahmen zum, 346 De¿nition des Stoßes, 344 Deformationen beim, 346 elastisch-plastischer, 346, 349 elastischer, 345, 348 Energieverlust beim, 349, 351, 354 exzentrischer, 344, 359 gerader, 345, 347 Kontakt, 344, 346 -ebene, 344 -kraft, 344, 346 -normale, 344, 359, 360 plastischer, 346, 348 realer, 346 Reibung beim, 344 schiefer, 345 wirklicher, 346 zentraler, siehe zentrischer Stoß zentrischer, 344, 347 Str¨omung laminare, 94 turbulente, 94 Streckebene, 38 Symmetrieachse, 254 Symmetrieebene, 254 Systemgrenze, 155, 176 Tangenteneinheitsvektor, 37 Tiefdruckgebiet, 302 Torsionsfeder, 392 Torsionsschwingungen, 370 Torsionsstab, 380 Torsionsstei¿gkeit, 380 Torsionswiderstandsmoment, 316 Tr¨agheitsgesetz, 4 Tr¨agheitsmoment, siehe auch Massentr¨agheitsmoment Haupt-, 307, 313 Tr¨agheitsradius, 385
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Index
Translation, 202, 203 des Bezugssystems, 282, 283 des Massenpunktsystems, 196 des starren K¨orpers, 243 gekr¨ummte, 203 geradlinige, 203 Translationsenergie, 196, 243 Trennung der Variablen, 15, 16, 18 Umlauf -winkel, 103 -zeit, 105 Unwucht, 408, 416 Vektorbasis, 28, 31, 38, 161, 428 mitrotierende, 51 Vektoren Addition von, 426 axiale, 60, 425 Basisnormierte, 428 orthonormale, 428 Rechtssystem von, 428 Basisdarstellung von, 428 Basiswechsel, 429 Einheits-, 426 freie, 425 Kreuzprodukt von, 38, 60, 103, 169, 170, 426 liniengebundene, 425 Multiplikation mit Skalar, 426 punktgebundene, 425 Skalarprodukt von, 426 Spatprodukt von, 194, 427 Vektorprodukt, siehe Vektoren, Kreuzprodukt von Vergr¨oßerungsfaktor, 409, 410 Vergr¨oßerungsfunktion, 278, 410, 413–416 Verlustenergie, siehe Energieverlust Verschiebung, 10, 26 Verstellmoment, 316 Viskoelastizit¨at, 346 Viskoplastizit¨at, 346 Vorzeichen, 74, 176 W¨arme, 151 Walk -amplitude, 92 -frequenz, 92 -verlustarbeit, 92
Waschmaschine, 46, 421 Watt, 117, 125 Wegintegral, 116 Welle elastische, 277 kritische Drehzahl, 277 Widerstandsbeiwert, 94, 95, 99 Widerstandskraft, 94, 97, 117 Windwiderstand, 126 Winkel, siehe Drehwinkel Winkelbeschleunigung, 9, 33 des starren Massenpunktsystems, 172, 183 starrer K¨orper, 206 Winkelbeschleunigungsvektor, 61 des starren Massenpunktsystems, 160 Kommutativgesetz, 286 starrer K¨orper, 285, 286, 294, 307 Winkelgeschwindigkeit, 9, 33, 38, 39, 51, 59, 127 der Erde, 284 des starren Massenpunktsystems, 158, 160, 172, 183, 196 Einheit der, 33 relative, 293 starrer K¨orper, 202, 206, 209, 213, 225, 243, 251, 293, 307, 312, 374, 403 Winkelgeschwindigkeitsvektor, 60, 61 als freier Vektor, 160 Basisdarstellung, 294 des starren Massenpunktsystems, 160 starrer K¨orper, 285, 286, 293, 294 Wirbelfreiheit, 148 Wirkungsgrad, 125, 126, 354 momentaner, 126 Wirkungslinie, 266 Wurf, 76, 81 -dauer, 76 -parabel, 3, 47, 48, 77 -weite, 76 Zentralbewegung, 103 Zentrifugalkraft, 89, 111, 112, 186, 266, 277 Zentrifugalmoment, 184 Zentripetalbeschleunigung, 33, 39 Zentripetalkraft, 111 Zugstab, 379 Dehnstei¿gkeit f¨ur den, 379 Ersatzsystem f¨ur den, 379