Florence Tsagué Assopgoum Migration aus Afrika in die EU
VS RESEARCH
Florence Tsagué Assopgoum
Migration aus Afrik...
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Florence Tsagué Assopgoum Migration aus Afrika in die EU
VS RESEARCH
Florence Tsagué Assopgoum
Migration aus Afrika in die EU Eine Analyse der Berichterstattung in deutschen und senegalesischen Zeitungen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Sigrid Baringhorst
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation am Fachbereich 1 der Universität Siegen, 2010 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Dr. Tatjana Rollnik-Manke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: setzwerk, Siegen (www.setzwerk-siegen.de) Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18373-2
Ich widme diese Arbeit: Mama Konfodoh Melaga Odette und Papa Fodoh Melaga Jean Djutitsa II, ohne die mein akademischer Werdegang in Deutschland nicht möglich wäre, meinem Sohn Derryl, Familie Fodoh, meinem Bruder Edouard Nguetsop. In Erinnerung an Béatrice Toukem, Jean Dedieu Tsakem Tsagué und vor allem an Augustin Ymlaï, dessen soziale und akademische Leistungen mich inspiriert haben.
Geleitwort
Auch wenn Migrant/innen aus Subsahara-Afrika (SSA) nur einen relativ geringen Anteil an der Gesamtzahl der Zuwanderer/innen in Deutschland ausmachen, ist die wirtschaftliche, soziale und politische Relevanz der Zuwanderung aus Afrika nach Europa insgesamt erheblich. Angesichts eines Geburtenüberschusses und extrem hoher Arbeitslosigkeit und damit verbundener Armut wächst die Wohlstandsdifferenz zwischen den Staaten der EU und den Ländern SSA und damit einerseits die Bereitschaft, durch Migration die eigenen Lebenschancen wie die Zukunftsaussichten ganzer Familien zu verbessern, und andererseits auf Seiten der europäischen Gesellschaften die Angst vor einer Gefährdung des eigenen Wohlstands durch Massenzuwanderung aus Afrika. Basierend auf einer umfassenden Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstands zu Ausmaß, Ursachen und Folgen der Migration aus SSA nach Europa untersucht Florence Tsagué Assopgoum in der vorliegenden Forschungsarbeit die mediale Thematisierung dieser Migration in ausgewählten deutschen und senegalesischen Tageszeitungen. Ausgehend von einer konstruktivistischen erkenntnistheoretischen Position fragt sie nach der landes- und zeitungsspezifischen medialen Erzeugung von Wahrnehmungsmustern der Migration aus Afrika in die EU. Dabei analysiert sie die mediale Thematisierung von Typen afrikanischer Migrant/innen, der Ursachen der Abwanderung, der Integration in die Aufnahmegesellschaft sowie Reaktionen der Regierungen von Herkunftsland und Zuwanderungsland auf die Migration. Zentral ist dabei die Frage nach der Bewertung des Migrationsprozesses als Chance für die Entwicklung afrikanischer Länder und Lösung sozialer und ökonomischer Probleme in den Zuwanderungsgesellschaften oder als Bedrohung für die soziale Integration der Zuwanderungsgesellschaften und Verlust für die ökonomische Entwicklung afrikanischer Gesellschaften. Diese erkenntnisleitende Perspektive wird überzeugend aus gegenwärtigen Forschungen zur Veränderung von Migrationsbewegungen im Kontext von Prozessen der Globalisierung abgeleitet. Deutlich wird unter anderem die bezogen auf andere europäische Länder besonders stark ausgeprägte Bedrohungswahrnehmung in der deutschen Gesellschaft: Während in Deutschland 2008 49 % der Bevölkerung Migration aus Afrika vor allem als Bedrohung und nur 38 % als Chance betrachteten, gaben 46 % der
8
Geleitwort
Franzosen an, sie als Chance zu sehen; nur 35 % von ihnen sahen sie, so die Ergebnisse der Studie »Transatlantic Trends: Immigration« von 2008 vor allem als Problem. Die Autorin geht in ihrer empirischen Untersuchung von der Annahme aus, dass in den senegalesischen Zeitungen Migration aus Afrika in die EU aufgrund der wichtigen Rücküberweisungen und der Entlastung der heimischen Arbeitsmärkte eher als Chance für die Entwicklung betrachtet wird, während in den deutschen Mediendarstellungen eher Deutungen im Sinne der Betonung von Gefahren und Bedrohungen zu erwarten sind. Die empirischen Befunde bestätigen die Annahme eines Bedrohungsdiskurses in Deutschland jedoch nur zum Teil. Die meisten Artikel der FAZ und SZ enthalten sich eindeutiger Beurteilungen, auch wenn insgesamt mehr über Risiken und weniger über Chancenwahrnehmung geschrieben wird. Interessant ist, dass auch in den senegalesischen Zeitungen die Chancenwahrnehmung sehr gering ist und eher für Gefahren sensibilisiert wird und wenig von positiven Möglichkeiten für einzelne Migrant/innen wie für das Abwanderungsland gesprochen wird. In beiden Ländern überwiegt deutlich der Fokus auf irreguläre Migration, wobei noch immer der von NGOs und UNO-Organisationen kritisierte Begriff der »illegalen« Migrant/innen dominiert. Unterschiedlich ist die Kausalattribuierung in beiden Ländern: während in den deutschen Medien Migration schlicht auf die Armut in den afrikanischen Gesellschaften zurückgeführt wird, argumentieren die senegalesischen Journalisten insofern komplexer, als sie die Armut auf dem Hintergrund kolonialer Ausbeutungserfahrungen und deren Folgen thematisieren. Aufschlussreich sind auch die Befunde zu den genutzten Quellen wie z. B. den Nachrichtenagenturen, afrikanischen und europäischen Wissenschaftler/innen und Migrationsexpert/innen. Diese Studie ist insgesamt ein wichtiger und innovativer Beitrag zur Erforschung internationaler Migrationsprozesse wie zur vergleichenden Analyse politischer Kommunikation. Wie zu Recht in den abschließenden Erläuterungen hervorhoben wird, ist insbesondere der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung ein bedeutsames Forschungsgebiet der Zukunft ebenso wie die noch zu wenig erforschten Interdependenzen zwischen medialer Thematisierung und gesellschaftlichen Prozessen der Ausgrenzung. Prof. Dr. Sigrid Baringhorst
Vorwort
Das Gelingen dieses Buches wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von zahlreichen Menschen und Institutionen. An erster Stelle gebührt ein großer Dank meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Sigrid Baringhorst für ihre wertvollen Anregungen, vorbildliche Betreuung, Geduld, Kritik und Unterstützung. Mein Dank geht zudem an Prof. Dr. Jürgen Bellers, Prof. Dr. Gerhard Hufnagel, Dr. Danielle Hoppe, Dr. Brigitte Pichon Kalau v. Hofe und Dr. habil. Leila Bentabed. Ich danke der Universitätsbibliothek Siegen, Frau Sibylle Schwantag und Herrn Dr. Karsten Velbinger. Für die Beschaffung der Zeitungsartikel in Senegal bedanke ich mich bei Herrn Abdoulaye Touré, Herrn Chérif Thiam von »Le Soleil«, außerdem danke ich der Nachwuchsförderung und dem Dekanat des Fachbereichs 1 der Universität Siegen für die finanzielle Unterstützung. Mein Dank gilt auch Frau Birgit Kölsch, Frau Anke Krause und Frau Eleonore Althaus im Fachbereichssekretariat. Der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gilt mein besonderer Dank für die ideelle und finanzielle Förderung durch das Stipendium für die Begabtenförderung mit Mitteln des Auswärtigen Amtes und Prof. Dr. Jürgen Schlösser als Vertrauensdozent dieser Stiftung an der Universität Siegen. Ein weiterer Dank gilt auch dem DAAD, den Sozialwissenschaften der Universität Siegen für die finanzielle Unterstützung aus den LOM-Mitteln. Besonderer Dank an Sonja Lesniak für die Korrektur, an Jun.-Prof. Dr. Kocra Assoua, Renate Helm, Gisela Reppel, Dr. rer. pol. Leonard Jamfa und Julia Boger für den wissenschaftlichen Austausch. Des Weiteren waren die Arbeit mit Insa Onken an ihrem Filmprojekt »Rich Brother« und die Filmvorführung in Kamerun für die Gewinnung neuer Erkenntnisse im Migrationsbereich sehr hilfreich. Herzlichen Dank an die afrikanische Gemeinde in Siegen, Efoe Messan, Cyriaque Nyonzima, Sara Liles, meinen Lebenspartner Landry Neguem, Regine und Prosper Tsagué, Anne Redeker, Franz Vielberg, Michel Forlemu, Familien Nlend, Mboudou-Feugap und Vollmer-Redeker (Elspe). Florence Tsagué Assopgoum
Inhalt
Geleitwort
7
Vorwort
9
1
Einführung und theoretische Grundlage
21
1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.2.1 1.4.2.2 1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.7 1.8
Problemstellung Forschungsstand und Relevanz der Arbeit Deutschland und Senegal – Zur Auswahl der Länderbeispiele Methodische Vorgehensweise Deskription, Kontext und Extra-Medien-Daten Diskursanalyse Quantitative Analyse und Kategorienbildung Deutungsmusteranalyse als Diskursanalyse Feldzugang und aufgetretene Forschungsprobleme Begriffserklärung Migration und Globalisierung Migration und internationale Beziehungen Migration und Entwicklung Größenordnung der internationalen Migration Aufbau der Arbeit
21 25 30 31 31 32 33 33 35 37 40 43 45 47 50
2
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
53
Binnenmigration in Afrika Migration von Europa nach Afrika Migration von Afrika nach Europa Migranten aus Afrika in Deutschland
53 58 60 62
2.1 2.2 2.3 2.4
12
Inhalt
2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6 2.7
Kategorien von Migranten Asylsuchende, Flüchtlinge und irreguläre Migranten Afrikanische Minderjährige in der Migration Feminisierung der Migration aus Afrika Hochqualifizierte und »Brain Drain« Rückkehr und Reintegration Soziale und ökonomische Netzwerke Zwischenfazit
65 65 71 73 77 81 84 87
3
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
89
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika Demographische Faktoren Umweltbezogene Faktoren Wirtschaftliche Faktoren Politische Faktoren Soziale Faktoren Kulturelle Einflüsse aus Europa Ungleiche Nord-Süd-Beziehung und kultureller Imperialismus Folgen der Migration aus Afrika Wirtschaftliche Folgen Geldtransfer und Armutsbekämpfung Entwicklungspolitische Netzwerke Demographische Folgen Soziokulturelle Folgen Zwischenfazit
92 94 97 98 102 104 107 110 114 115 116 120 121 123 126
4
Steuerung der Migration aus Afrika
127
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Die Einwanderungspolitik Deutschlands Die Migrationspolitik der EU Die Asylpolitik der EU Die Migrationspolitik von Senegal Die Migrationspolitik der AU und die Zusammenarbeit mit den EU-Staaten Migration und internationale Sicherheit
128 135 140 142
4.6
152 157
13
Inhalt
4.7 4.8
Diaspora und Entwicklungszusammenarbeit Zwischenfazit
159 160
5
Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
163
5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.4 5.5
Kulturelle und journalistische Strukturen Die Presse in Deutschland: Historischer Überblick Die aktuelle Lage der Zeitungen in Deutschland Framing von Migranten in den deutschen Zeitungen Die Presse in Senegal: Historischer Überblick Rahmenbedingungen und Pressefreiheit in Senegal Die Probleme der Presse in Senegal Framing von Migranten in senegalesischen Zeitungen Hypothesenbildung Zwischenfazit
164 166 168 171 176 179 180 182 184 186
6
Migration aus Afrika in die EU in deutschen und senegalesischen Zeitungen: Eine Diskursanalyse
187
6.1 Diskurs und Diskurstheorien: Definition 6.1.1 Diskursanalyse 6.1.2 Diskursanalyse in der Politikwissenschaft 6.2 Datensammlung und Methode 6.2.1 Das deutsche Sample 6.2.1.1 »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) 6.2.1.2 »Süddeutsche Zeitung« (SZ) 6.2.2 Das senegalesische Sample 6.2.2.1 »Walfadjri« 6.2.2.2 »Sud Quotidien« 6.2.2.3 »Le Soleil« 6.2.3 Datensammlung 6.2.4 Methodisches Vorgehen 6.2.5 Korpusbildung und Kodierung 6.2.6 Quantitative Entwicklung der Berichterstattung 6.2.6.1 Das deutsche Sample 6.2.6.2 Das senegalesische Sample 6.2.7 Zwischenfazit
187 190 192 193 194 195 196 197 198 198 199 199 201 203 206 206 215 221
14
6.3 6.3.1
Inhalt
6.4.2.1 6.4.2.2 6.4.2.3 6.4.3 6.4.3.1 6.4.3.2 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.7.1 6.4.7.2
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien Ergebnisse der untersuchten Kategorien und Unterkategorien nach Häufigkeiten Die deutschen Zeitungen Die senegalesischen Zeitungen Zwischenfazit Qualitative Deutungsmusteranalyse Datenbasis Kodierung und Beschreibung der Deutungsmuster und ihrer Unterkategorien Deutungsmuster (»D1«) »Migration aus Afrika als Bedrohung« Deutungsmuster (»D2«) »Migration aus Afrika als Chance« Neutral/ambivalent (»N/A«) Ergebnisse der untersuchten Deutungsmuster Die deutschen Zeitungen Die senegalesischen Zeitungen Überprüfung von Hypothesen Zuschreibung der Verantwortlichkeit Thematisierung der kolonialen Vergangenheit Die Rolle der Nachrichtenagenturen und Experten Die deutschen Zeitungen Die senegalesischen Zeitungen
253 256 257 259 262 265 276 284 286 289 291 292 293
7
Zusammenfassung
301
7.1 7.2
Anmerkungen zur angewendeten Methode Theoretische Verortung der Untersuchungsergebnisse im Prozess des »Kommunikations- und Kulturimperialismus« Wissenschaftlicher Beitrag der Studie und Ausblick
304
6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2
7.3
222 226 226 237 245 247 251
307 308
Literatur
311
Anhang: Verzeichnis der für die qualitative Deutungsmusteranalyse verwendeten Artikel
331
Abbildungen
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4:
Anzahl der Migranten weltweit in (in Mio.) Kriege und Flüchtlinge in Afrika Statuswechsel des Migranten Migrationsrouten von irregulären Migranten aus Afrika nach Europa Abbildung 5: Migrationsbestimmende Faktoren nach dem »klassischen« Push-Pull-Ansatz Abbildung 6: Migration und Entwicklungsprozess Abbildung 7: Opfer der Naturkatastrophen in Afrika zwischen 1971 und 2000 Abbildung 8: Kriege in Afrika seit 1960 Abbildung 9: Wechselwirkung zwischen Informationsübermacht des Nordens und Migration aus dem Süden Abbildung 10: Zuzüge von Drittstaatsangehörigen im Jahr 2008 nach ausgewählten Aufenthaltszwecken (Gesamtzahl: 190.353) Abbildung 11: Zielländer und Zielregionen von Migranten aus Senegal Abbildung 12: Ablauf der Diskurs- und Deutungsmusteranalyse Abbildung 13: Anzahl der Artikel der FAZ und der SZ im Vergleich Abbildung 14: Artikelanzahl der senegalesischen Zeitungen im Vergleich Abbildung 15: Alle Unterkategorien der FAZ-Artikel Abbildung 16: Alle Unterkategorien der Artikel der SZ Abbildung 17: Alle Unterkategorien der Artikel aus »Walfadjri« Abbildung 18: Alle Unterkategorien der Artikel aus »Sud Quotidien« Abbildung 19: Alle Unterkategorien der Artikel aus »Le Soleil« Abbildung 20: Verteilung der FAZ-Artikel auf die Deutungsmuster Abbildung 21: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den FAZ-Artikeln Abbildung 22: Verteilung der SZ-Artikel auf die Deutungsmuster Abbildung 23: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den SZ-Artikeln Abbildung 24: Verteilung von „Walfadjri“-Artikeln auf die Deutungsmuster Abbildung 25: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den »Walfadjri«-Artikeln Abbildung 26: Verteilung von „Sud Quotidien“-Artikeln auf die Deutungsmuster Abbildung 27: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den »Sud Quotidien«-Artikeln Abbildung 28: Verteilung von »Le Soleil«-Artikeln auf die Deutungsmuster Abbildung 29: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den »Le Soleil«-Artikeln
50 57 67 70 90 91 98 107 113 132 146 203 214 220 228 234 239 243 245 266 267 270 271 277 277 278 279 279 280
Tabellen
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25:
Staatsangehörigkeit von Ausländern in Deutschland Formen des sozialen Kapitals Bevölkerung in Europa und Afrika im Vergleich (2005) Lebenserwartung in einigen europäischen und afrikanischen Ländern Lebenserwartung und Anteile an der Migration im Vergleich Indikatoren zur Rüstung, Demokratie und Migration in einigen afrikanischen Ländern und Industrieländern Geldüberweisungen in einige Länder Afrikas 2007 (Mio. US$) Migrantenanteil in einigen EU-Staaten (2005) Rücküberweisungen von senegalesischen Migranten (1997–2009) Auflagenentwicklung der FAZ Auflagenentwicklung der SZ Auswahl der Artikel im Zeitraum von 1998 bis 2008 FAZ-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 1998 bis 2008 SZ-Artikel zum Thema „Migration aus Afrika in die EU“ 1998 bis 2008 »Walfadjri«-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 2000 bis 2008 »Sud Quotidien«-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 2000 bis 2008 »Le Soleil«-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 2001 bis 2008 Kategorien und Unterkategorien Kategorien und Unterkategorien der FAZ-Artikel Kategorien und Unterkategorien der Artikel der SZ Kategorien und Unterkategorien der Artikel aus »Walfadjri« Kategorien und Unterkategorien der Artikel aus »Sud Quotidien« Kategorien und Unterkategorien der Artikel aus »Le Soleil« Deutungsmuster und Unterkategorien Auftretenshäufigkeit der Unterkategorien der Deutungsmuster in den deutschen und senegalesischen Zeitungsartikeln
63 86 95 101 102 106 117 135 147 195 196 206 209 213 216 218 219 223 227 233 238 242 244 255 263
Abkürzungen
ACP: Africa, Caribbean and Pacific AGEF: Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte AFP: Agence France Presse AP: Associated Press APS: Agence de Presse Sénégalaise BAMF: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAOS: Bureau d’Accueil, d’Orientation et de Suivi des Actions de Réinsertion des Émigrés BDS: Bloc Démocratique Sénégalais BDZV: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BMZ: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BVFG: Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz CSAO: Club du Sahel et de l´Afrique de l´Ouest CDA: Critical Discourse Analysis CEDEAO: Communauté Économique des Etats d´Afrique de l´Ouest CEMAC: Communauté Économique et Monétaire de l´Afrique Centrale CESTI: Centre d´Études des Sciences et Techniques de l´Information CIGEM: Centre d´Information et de Gestion des Migrations CIM: Centrum für Internationale Migration und Entwicklung CNA: Commission Nationale d´Acceptabilité COMPAS: Centre on Migration, Policy and Society DA: Discourse Analysis DDR: Deutsche Demokratische Republik DNB: Deutsches Nachrichten-Büro DNZ: Deutsche National-Zeitung ECOWAS: Economic Community of West African States EGKS: Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ESAM: Enquête Sénégalaise Auprès des Ménages ESG: Evangelische Studierendengemeinde EUROSUR: European Border Surveillance System Eurostat: Statistical Office of the European Union EWG: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft FAZ: Frankfurter Allgemeine Zeitung FCFA: Franc de la Communauté Financière Africaine Frontex: Frontières Extérieures FZ: Frankfurter Zeitung GDP: Gross Domestic Product GFK: Genfer Flüchtlingskonvention
20 GCIM: Global Commission on International Migration GOANA: Grande offensive agricole pour la nourriture et l‘abondance GTZ: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH MDGs: Millenium Deveolpment Goals HDR: Human Development Report HIS: Hochschulinformationssystem IISS: International Institute for Strategic Studies INED: Institut National d´Études Démographiques INSEE: Institut National de la Statistique et des Études Économiques ISSIC: Institut des Sciences de l’Information et de la Communication IOM: International Organization for Migration ISRA: Institut Sénégalais de Recherches Agricoles IPDC: International Programme for the Development of Communication IPS: International Passenger Survey IPS: Inter Press Service IWF: Internationaler Währungsfonds IZA: Institut zur Zukunft der Arbeit KED: Kirchlicher Entwicklungsdienst MIMOSA: Migration Modelling for Statistical Analyses MIDA: Migration for Development in Africa NANAP: Non-Aligned News Agencies Pool NATO: North Atlantic Treaty Organisation (Nordatlantikpakt) NRO: Nichtregierungsorganisation NWICO: New World Information and Communication Order OAU: Organization of African Unity ODA: Official Development Assistance OECD: Organization for Economic Co-operation and Development PANA: Pan-African News Agency PARIC: Programme d´Appui au Retour des Immigrés Camerounais PDS: Parti Démocratique Sénégalais PSS: Parti Socialiste Sénégalais REVA: Retour vers l´Agriculture SANSA: South African Network of Skills Abroad SNEP: Société Nationale des Entreprises de Presse SOPEMI: Système d´Observation Permanente des Migrations SSA: Subsahara-Afrika SSPP: Société Sénégalaise de Presse et de Publications SZ: Süddeutsche Zeitung UNECE: United Nations Economic Commission for Europe UNESCO: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation UNFPA: Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNHCR: United Nations High Commissioner for Refugees UNICEF: United Nations Children´s Fund UNO: United Nations Organization WUS: World University Service ZAV: Zentrale für Arbeitsvermittlung
Abkürzungen
1
Einführung und theoretische Grundlage
1.1
Problemstellung
Bilder von Afrikanern,1 die von den Küsten Nordafrikas aus versuchen, spanischen oder italienischen Boden zu erreichen, symbolisieren einen seit einigen Jahren in den deutschen Medien vielfach thematisierten relativ neuen Typus irregulärer Migration.2 Die Bilder dokumentieren nicht nur die Tragödie und die Hoffnungslosigkeit von Millionen Jugendlichen, die in ihren afrikanischen Heimatländern nur schwer eine Lebens- und Arbeitsperspektive finden können, sondern auch ihren Willen, im Ausland zu bestehen und ein besseres Leben zu finden. Die aus europäischer Perspektive in der Regel als unerwünscht, da unkontrolliert, empfundene Migration aus Afrika in die Europäische Union (EU) wird in den Medien und von den politischen Akteuren vor allem unter dem Aspekt der politischen Steuerbarkeit und unterschiedlicher Steuerungsmaßnahmen diskutiert. Beispiele europäischer Regulierungsmaßnahmen sind Kooperationsabkommen mit einigen der afrikanischen Auswanderungsländer oder die Etablierung von Aufnahmelagern außerhalb der europäischen Migrationszone. In der Wissenschaft weiß man bisher wenig über die Thematisierung der Migration aus Afrika nach Europa durch die afrikanischen Zeitungen. Allgemein ist aber davon auszugehen, dass die Abwanderung von zum Teil hoch qualifizierten Migranten in afrikanischen Medien als Ausdruck eines allgemeinen Humankapitalverlustes, oft auch »Brain Drain« genannt, gewertet wird.3 Regulierungsbestrebungen, die von Seiten europäischer Akteure als legitime Steuerungsmaßnahmen zur Sicherung von Außengrenzen oder als notwendige Maßnahmen zum Erhalt europäischer Wohlfahrtsstaaten ge-
1 2 3
Der Ausdruck »Afrikaner« wird auch für Afrikanerinnen verwendet, ebenso wie alle anderen Bezeichnungen wie z. B. »Migranten«, »Ausländer«, »Einwanderer«, die sich auf beide Geschlechter beziehen. Vgl. Bendel 2006, S. 124. Dies lässt sich schließen aus einer Online-Umfrage von »Jeune Afrique« unter www.jeuneafrique. com über die politische Absicht Frankreichs, eine Politik der »migration choisie« durchzuführen und über die Kritik von denjenigen, die dies als eine neue Form von Humanverlust und Ausbeutung der afrikanischen Intellektuellen sehen. Von 8.739 Umfragebeteiligten sehen 37,7 diese geplante Maßnahme als das Arbeitsmarktgesetz, während 55,9 der Meinung sind, dass Frankreich die afrikanischen Länder entschädigen sollte. Vgl. Jeune Afrique 2006, S. 129.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
22
Einführung und theoretische Grundlage
deutet werden, stoßen in Afrika auf starke Kritik und werden als Ausdruck einer illegitimen Diskriminierung afrikanischer Migranten betrachtet.4 Im Jahr 2006 lebten ca. 4,6 Mio. Menschen mit der Staatbürgerschaft eines afrikanischen Landes in der Europäischen Union.5 Von den 6,76 Mio. Ausländern, die Ende 2006 in Deutschland lebten, stammten 275.000 aus Afrika.6 Die Beweggründe dieser afrikanischen Migranten stehen in einem engen Zusammenhang mit den komplexen strukturellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Problemen der afrikanischen Länder, u. a. Diktaturen mit repressiven Militärsystemen, soziale und ethnische Aufstände, Bevölkerungswachstum, schlechte Gesundheitssysteme, Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheiten. Die Präsenz von Migranten afrikanischer Herkunft in den europäischen Ländern – sei sie nun als gering oder hoch eingeschätzt – ist aufgrund der Hautfarbendifferenz sichtbarer als die Präsenz von Migranten aus anderen Erdteilen.7 Laut Jean-Pierre Guengant bilden die afrikanischen Migranten einen sehr geringen Anteil der Gesamtmenge der internationalen Migranten, die größtenteils aus China, Indien und von den Philippinen stammen. Auch wenn die Migration aus Afrika nach Deutschland quantitativ weitaus geringer ist als etwa die aus Osteuropa und der Türkei, wird ihr doch in den Medien große Aufmerksamkeit unter dem Aspekt der »illegalen Einwanderung« sowie der Bedrohung geschenkt.8 Und auch im Alltag sind Menschen afrikanischer Abstammung aufgrund ihrer Hautfarbe mit Diskriminierung und Rassismus konfrontiert.9
4 5 6 7
8
9
Der ehemalige Präsident der AU-Kommission Alpha Oumar Konaré kritisiert die Politik der »Migration choisie« der Industrieländer im Folgenden: »Nous n’accepterons pas ce que certains pays développés appellent l’immigration choisie. C’est de la pure traite«. Barry 2005. Schmid/Borchers 2009, S. 15. Im Jahr 2005 lebten 15,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Vgl. Statistisches Bundesamt 2007. »Il y a 200 millions de migrants internationaux dans le monde. Les plus importantes diasporas sont chinoises, indiennes et philippines, mais c’est surtout dans les pays du Nord qu’elles s’installent, car c’est là que la promotion sociale est la plus facile. Les migrations africaines vers le Nord, elles, restent peu importantes, même si des discours xénophobes tentent de faire croire le contraire.« Tuquoi 2007, S. 14. »Die meisten Immigranten kommen aus jenen Staaten Europas, die nicht der EU angehören, einschließlich Russlands und der Türkei (27 ). Dahinter folgen mit 24 die neuen und mit 16 die alten EU-Mitgliedstaaten vor Asien mit 15 . Afrika spielt mit 4 kaum eine Rolle. Das größte Interesse an Deutschland zeigen mit rund 18 die Polen.« Geinitz 2006, S. 12. »Anfang der achtziger Jahre lebten mehrere hunderttausend Ausländer aus der Dritten Welt in Spanien, drei Viertel davon illegal. Je mehr es werden und je auffälliger sie sind, desto größer wird die Fremdenfeindlichkeit, die Afrikanern gegenüber längst zum Rassenhass geworden ist. Son-
Problemstellung
23
Es wird neben der oben erwähnten Frage der politischen Steuerung von Migrationsprozessen auch der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung thematisiert:10 Dies gilt sowohl hinsichtlich der Frage nach den Bestimmungsfaktoren der Migration als auch hinsichtlich der Frage nach den Folgen der Migration. In der Forschungsarbeit soll ein besonderer Fokus auf die Analyse der unterschiedlichen medialen Deutungsmuster der Abwanderung von Migranten aus Subsahara-Afrika (SSA) nach Europa gelegt werden. Inwiefern wird, so die zentrale Fragestellung der Arbeit, diese Migration medial als Bedrohung für die Sicherheit und den materiellen Wohlstand europäischer Länder durch unkontrollierte Zuwanderung konstruiert oder aber als Chance für die Entwicklung der afrikanischen Staaten vermittelt? Die Arbeit geht von einer konstruktivistischen Perspektive aus.11 Medien sind danach nicht bloßer Spiegel gesellschaftlicher und politischer Wirklichkeit. Medien, insbesondere Massenmedien, sind an der Erzeugung dieser Wirklichkeit maßgeblich beteiligt. Aus der Vielzahl zu berichtender Ereignisse selektieren die medialen »Gatekeepers«12, die Journalisten, nach Maßgabe relevanter Nachrichtenfaktoren, wie etwa Aktualität, Tragweite, Elitestatus der beteiligten Akteure, der Institutionen oder Visualisierungsmöglichkeit, bestimmte Ereignisse und Bilder und steuern damit die politische Agenda der von ihnen erzeugten politischen Öffentlichkeit. Darüber hinaus wird die Realitätswahrnehmung der Rezipienten durch die spezifische Deutung, die ausgewählten Themen und Ereignisse in den Medienberichten beeinflusst. Diese für moderne Gesellschaften notwendige Funktion der Reduktion gesellschaftlicher Komplexität durch Massenmedien wird dann problematisch, wenn durch die medialen Deutungsmuster gesellschaftliche Prozesse, wie die Migration von Afrika nach Europa, einseitig verzerrt dargestellt werden und
derausweise für Farbige, Restaurants und Schwimmbäder, die Afrikanern den Zutritt verwehren, ein Wirt, der sein Restaurant in einen Bereich für Schwarze und für Weiße trennt. Südafrika oder Spanien? Apartheid mitten in Europa.« Werner 1992, S. 30. 10 Mehr zu Migration und Entwicklung: de Haas 2006. 11 Nach den unterschiedlichen Ansätzen des Konstruktivismus ist äußere Realität nicht unmittelbar zugänglich und wird durch die verwendeten Wahrnehmungen und Begriffe konstruiert. Vgl. Flick 2000, S. 150. Laut Keller ist der Zugang vom Menschen zur »Welt an sich« nicht unmittelbar. Unser Wissen über die Welt ist auf eine symbolische Ordnung, ein »gesellschaftlich hergestelltes symbolisches System« rückführbar, die in und durch Diskurse produziert wird. Vgl. Keller 1997, S. 315. 12 Bei den Massenmedien wird die Informationsmenge durch Auswahl von Themen, die als kommunikationswürdig beurteilt werden, begrenzt. Vgl. http://www.stefre.de/Grundlagen_der_ Nachrichtenforschung.pdf
24
Einführung und theoretische Grundlage
die Medien weniger zu einer ausgewogenen kritischen Analyse der Ursachen und Folgen der Migration beitragen als zu einer Legitimation politischer Steuerungsmaßnahmen. Die mediale Konstruktion von Migration aus Afrika nach Europa ist nicht nur hinsichtlich der Legitimation politischer Steuerungsmaßnahmen sowie der allgemeinen Deutung des Zusammenhangs zwischen Migration und Entwicklung relevant. Wenig weiß man bisher über die Bedeutung afrikanischer Medien für die Abwanderung. Inwiefern wird in der afrikanischen Berichterstattung Migration als Chance oder Bedrohung für die Entwicklung gedeutet? Inwiefern gibt die mediale Berichterstattung Anreize zur Abwanderung in ein verschönt dargestelltes Europa? Inwiefern fungieren dort die Medien als kritische Kontrollinstanz oder aber als politischer Legitimationsbeschaffer für staatliche Politik? Pressezensur und unzureichende Pressefreiheit beeinträchtigen die Medienlandschaft in vielen afrikanischen Ländern. Dies führt dazu, wie ein erster Blick auf die Berichterstattung in afrikanischen Zeitungen zeigt, dass diese sich wenig kritisch mit der massiven Auswanderung nach Europa und Nordamerika auseinandersetzen. Endogene Ursachen der Abwanderung, wie schlechte Wirtschaftspolitik und Korruption in den Regierungen, werden wenig thematisiert. Die Berichterstattung in deutschen wie afrikanischen Medien wird, so soll mit Hilfe dieses Forschungsvorhabens dokumentiert werden, auch von unterschiedlichen kulturellen Stereotypen, Annahmen über deutsche bzw. europäische und über afrikanische Eigenschaften, Handlungsmotive und Verhaltensweisen geprägt. Wie, so ist zu untersuchen, beeinflussen stereotype Deutungsmuster mediale Aussagen über Abwanderungsmotive bzw. politische Steuerungsmotive? Da die Medien bestimmte Aspekte der Realität selektieren und im Deutungsprozess neu erzeugen, stellt sich die Frage, welche Deutungsmuster in der Berichterstattung über die Migration aus SSA in die EU vorherrschen. Die Analyse der medialen Darstellung der Migration in die EU im Zusammenhang mit Afrika in deutschen und senegalesischen Zeitungen soll unter folgenden Leitfragen erfolgen: (1) Welche kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Vorstellungen beeinflussen die Darstellung von afrikanischen Migranten, die in die EU abwandern? Welche Reaktionen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft werden vermittelt? (2) Welche Typen von afrikanischen Migranten werden in den Medien konstruiert und wie werden ihre Migrationswege nach Europa dargestellt? Werden in den Medien authentische Erfahrungen von Migranten dargestellt?
Forschungsstand und Relevanz der Arbeit
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(3) Welchen Stellenwert nimmt die Integration von Migranten afrikanischer Herkunft in den europäischen Zuwanderungsgesellschaften in den Medien ein? (4) Welche Ursachen und Folgen der Migration aus SSA werden in den ausgewählten Medien thematisiert? (5) Wie werden die Maßnahmen zur Regulierung der Migration medial kommuniziert? Inwiefern kommt den Medien eine kritische Kontroll- oder eine Legitimationsfunktion zu? (6) Wie wird die afrikanische Migration in deutschen und senegalesischen Zeitungen bewertet? Wird sie aus europäischer Sicht als Bedrohung für die EU gesehen oder von senegalesischer Seite als Chance für die Entwicklung? Wie wird der Humankapitalverlust der afrikanischen Länder interpretiert als »Brain Gain« oder als »Brain Drain«? (7) Welche Rolle spielen die Nachrichtenagenturen bei der Agenda der untersuchten Zeitungen beim Thema Abwanderung aus Afrika und welche Experten werden in die Berichterstattung miteinbezogen? In der vorliegenden Arbeit sollen diese Fragen anhand ausgewählter Zeitungen bearbeitet werden. Um dabei sowohl die europäische als auch die afrikanische Seite gleichgewichtig zu untersuchen, dienen Deutschland und Senegal als Untersuchungsländer. Der Untersuchungszeitraum umfasst die Jahre von 1998 bis 2008. Die der Untersuchung zugrunde liegenden Printmedien sind die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) und die »Süddeutsche Zeitung« (SZ) für Deutschland sowie »Walfadjri«,13 »Sud Quotidien« und »Le Soleil« für Senegal. 1.2
Forschungsstand und Relevanz der Arbeit
Die Migration aus Subsahara-Afrika nach Europa hat in den vergangenen zwei Dekaden ein großes Ausmaß angenommen und erklärt zum Teil das zunehmende Interesse der breiten Öffentlichkeit sowohl in Europa als auch in Afrika. Im Vergleich zu den Migrantengruppen aus Regionen wie Ost-Europa oder Asien war die Migration aus SSA in Europa bis zu den 1980er Jahren zwar sehr gering, aber bedeutsam für den afrikanischen Kontinent. Empirisch ist die Thematik kaum untersucht worden. Aus einigen Studien über Einwanderer in den deutschen Medien
13 In dieser Arbeit wird für »Walfadjri l’Aurore« die abgekürzte Form »Walfadjri« verwendet, wie es auch in Senegal üblich ist.
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Einführung und theoretische Grundlage
kann die Problematik der Darstellung von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft abgeleitet werden, wie von Mathias Ludynia festgestellt: Die Darstellung der Schwarzen in der Werbung entspricht der grundsätzlichen Darstellung von Fremden in den Medien. Afrika ist in den deutschen Medien kaum präsent und wenn, dann in Verbindung mit Hungersnöten oder Kriegen. Auch über die knapp 7 Mio. Ausländer, die in Deutschland leben, wird ähnlich berichtet […].14
Hinsichtlich der historischen Entwicklung der Thematisierung von Einwanderung in den politischen und öffentlichen Debatten nach 1945 gibt das Buch von Karen Schönwälder15 einen differenzierten Überblick. Schönwälder führt eine vergleichende Studie über Einwanderung und ethnische Pluralität in der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien durch. Sie untersucht die Entwicklung integrationspolitischer Entscheidungen und die öffentliche, medial vermittelte Debatte um diese Entscheidungen von den 1950er bis zu den 1970er Jahren, indem sie neben politischem Archivmaterial Auszüge aus nationalen Zeitungen analysiert. Daraus ergibt sich, dass im populären Bild der »Gastarbeiter« aus Ost- und Südeuropa und der afroamerikanischen Angehörigen der Militärkräfte Stereotypen wie »Exotik«, »Gewalt« und »Kriminalität« vorherrschten. Relevant ist auch die Arbeit von Heinz Bonfadelli.16 Sie zeigt, dass die in der Schweiz und in Deutschland lebenden Migranten seit den frühen 1970er Jahren als »Fremde« bezeichnet werden. Diese werden nicht nur im Alltag marginalisiert, sondern auch in den Medien. In der medialen Berichterstattung werden sie häufig in einem kriminellen Zusammenhang dargestellt. Georgios Galanis17 befasst sich speziell mit dem Thema der Kriminalität von Migranten in der deutschen Presse. In seinem Buch »Migranten-Kriminalität in der Presse« werden die Darstellungen der Straffälligkeit von Migranten in den Zeitschriften »Quick« und »Stern« verglichen. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass sowohl »Quick« als auch »Stern« in ihren Berichten die Gewalttaten der Migranten mit einer starken Betonung von »Gewalt-Kriminalität« in den Vordergrund stellen. Mit der Methode der textanalytischen Diskursanalyse untersucht Thomas Kirwel18 den ausländerfeindlichen Diskurs in vier deutschen Zeitungen, nämlich in der »Bild«, der FAZ, der taz und der »Deutschen National-Zeitung«. Seine Stu-
14 15 16 17 18
Ludynia 2006, S. 298. Schönwälder 2001. Bonfadelli 2007, S. 95–116. Mehr dazu: Merten 1986. Galanis 1987. Kirwel 1996.
Forschungsstand und Relevanz der Arbeit
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die ergibt, dass die »taz« allgemein einen Diskurs der Integration und Gleichbehandlung von Ausländern vertritt. Diese Zeitung könnte sogar als Vertreterin des »Gegendiskurses« gelten, insofern, dass diskriminierende Kollektivsymbole wie das »Flut-Symbol« und negativ konnotierte Bezeichnungen wie »Asylant« in ihrer Berichterstattung vermieden werden. Außerdem werden neutrale Bezeichnungen wie »Immigranten«, »Asylbewerber« und »Flüchtlinge« in Kommentaren und Reportagen angewendet. Die FAZ ist durch eine ausgewogene Berichterstattung, eine strikte Trennung von Fakten und Kommentierung gekennzeichnet. Auch wenn negativ konnotierte Bezeichnungen wie »Asylant«, »Wirtschaftsflüchtling«, »Armutsflüchtling« öfter auftreten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Diskurs der FAZ ausländerfeindlich sei, so Kirwel. In »Bild« treten Bezeichnungen wie »Asylant«, »Asylantenschwemme«, »Asylmissbrauch«, »Asylantenflut« oder »Wirtschaftsasylant« sehr häufig auf und ein direkter Zusammenhang zwischen der Zahl der Ausländer in Deutschland und ihrer kriminellen Taten wird hergestellt. Ein eindeutig ausländerfeindlicher Diskurs ist bei der »Deutschen NationalZeitung« festzustellen, die die Informationswiedergabe und Kommentierung vermischt und den Eindruck vermittelt, dass die Straffälligkeit der Ausländer generell höher ist als die der deutschen Bürger.19 Zu den grundlegenden wissenschaftlichen Arbeiten über die Thematisierung der Migration in den Medien zählt das diskurshistorische Wörterbuch »Ausländer und Migration im Spiegel der Presse« von Matthias Jung, Thomas Niehr und Karin Böke.20 Diese Autoren dokumentieren Kurzbelege aus der Presse seit 1949 und verknüpfen sie mit relevanten zeitgeschichtlichen Daten über Einwanderung und sprachlichen Wandel. Das Buch liefert typische Zitate, die ein unmittelbares Bild der Diskussion über Einwanderung in Deutschland entstehen lassen. Dominierende Themen dieser politischen und medialen Darstellung sind die Anwerbevereinbarungen zwischen Deutschland und den Herkunftsländern der »Gastarbeiter«, die Flüchtlinge und Asylsuchende, die Ausgrenzung und Ablehnung der Ausländer und deren Integration und Assimilation sowie anschließend die Debatte über Deutschland als »Einwanderungsgesellschaft«. Die mediale Konstruktion der Migration aus Afrika in die EU entspricht, so soll in dieser Arbeit dokumentiert werden, zum Teil dem allgemeinen Bild Afrikas bzw. der »Dritten Welt«, das in den europäischen Medien vorherrscht.21 Einen in-
19 Vgl. Kirwel 1996, S. 155–162. 20 Jung et al. 2000. 21 Mehr zum Thema Dritte Welt in den Medien: Baringhorst 1993, S. 1390–1399; Unland 1986.
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Einführung und theoretische Grundlage
teressanten Aufschluss über das allgemeine Afrika-Bild in deutschen Medien gibt die empirische Studie »The Sub-Saharan African Image in the German Elite Press 1979–1999. A Case Study of the Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, die Welt, and Neues Deutschland« von Messan Mawugbe.22 Mit der qualitativen und quantitativen Inhaltsanalyse deutscher Prestigemedien untersucht Mawugbe exemplarisch, wie europäische Kulturen und Medien im Laufe der Zeit das Bild Afrikas konstruiert und vermittelt haben. Die Berichterstattung der untersuchten Printmedien ist, so ein zentrales Ergebnis dieser Arbeit, hauptsächlich sensations- und krisenorientiert. Die Berichterstattung über Afrika ist, wie sich aus der Arbeit von Mawugbe schlussfolgern lässt, in hohem Maße durch die kolonialen Stereotype, die internationalen Beziehungen, die Ideologien und die interkulturelle Kommunikation geprägt, die im Laufe der Geschichte die Wahrnehmung dieses Kontinents in Deutschland dominiert und bestimmt haben. Das Bild von Afrika und von Menschen afrikanischer Herkunft in den deutschen Medien ist in den Stereotypen der Sklaverei und der Kolonialzeit verwurzelt, wobei eine Dichotomie von »Kultur« versus »Natur« suggeriert, dass die »Naturvölker« keine »Kultur« hätten und deswegen kolonialisiert und »zivilisiert« werden müssten.23 Ein Beitrag von Joachim Zeller24 analysiert die Darstellung von schwarzen Menschen in Berlin in Massenblättern des Jahrzehntes vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Schwarze Berliner, Kolonialmigranten, Afroamerikaner und Deutsch-Afrikaner wurden durch die Instrumentalisierung von Bildern (Gemälde, Gebrauchsgrafik, Plakate, Pressefotografie, Postkarten) sehr häufig in Verbindung mit Exotismus, Rassismus und Kolonialismus dargestellt. Wenn man sich mit der Thematik der medialen Darstellung von Migration in afrikanischen Medien beschäftigt, stellt man fest, dass kaum wissenschaftliche Arbeiten vorliegen. Seitdem die Situation von »irregulären« Migrationswilligen, die über die nordafrikanischen Länder Europa erreichen wollen katastrophale Ausmaße angenommen hat, setzen sich zunehmend die nationalen und internationalen Medien der betroffenen afrikanischen Herkunfts- und Transitländer mit dieser Problematik auseinander. Laut eines Berichtes des CSAO/CEDEAO über die Presse des Jahres 2007 in Europa und Afrika waren folgende Themen medial stark vertreten: Migration, neue Weltgeopolitik, Demokratisierung, Frieden und Sicher-
22 Mawugbe 2002. 23 Vgl. Kritik von: Arndt 2006, S. 11–25. 24 Zeller 2006, S. 413–441.
Forschungsstand und Relevanz der Arbeit
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heit. Weiter bestätigt der Bericht, dass 2007 Migrationsthemen die Berichterstattung der afrikanischen und europäischen Zeitungen dominiert haben.25 Die Migration als eines der wichtigsten Themen der Berichterstattung sowohl in Afrika als auch in Europa zeigt die Relevanz dieses Themas in den afrikanischen Medien. Trotz unterschiedlicher Ansätze und Interessen der Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer befassen sich die europäischen und die afrikanischen Zeitungen mit den Determinanten, Formen und Effekten der Migration und insbesondere der irregulären Migration. Die malische Zeitung »Les Échos« vom 2. November 2007 schreibt, dass Europa und Afrika zu dieser Frage zwei nicht zu vereinbarende Positionen vertreten. Für Europa ist die Migration aus Afrika eine Sicherheitsfrage und für Afrika ein Frage der Entwicklung, also »une question sécuritaire pour eux, un enjeu de développement pour nous«.26 Anknüpfend an den Bericht von CSAO/CEDEAO können die Ansätze der afrikanischen und europäischen Presse in vier Hauptthemen zusammengefasst werden: Unterschiede der Ansätze angesichts der Migration durch Europa und Afrika, Bericht über Probleme und Ursachen der »illegalen« Migration, regionale Lösungsansätze, internationale Vereinbarungen zur Steuerung von Migration.27 In der internationalen afrikanischen Wochenzeitschrift »Jeune Afrique« sind Schlagzeilen wie »Immigration« häufig zu lesen. Viele dieser Artikel analysieren die Hintergründe des neuen Typus der Abwanderung aus Afrika und den Zusammenhang mit internationalen politischen, wirtschaftlichen Konstellationen. Mit dem Titel »Immigration. Tragique Odyssée« thematisiert ein Artikel aus »Jeune Afrique« die Tragödie von Tausenden »illegalen« afrikanischen Abwanderungskandidaten im Zeitraum vom 11. bis 17. Juni 2006, die auf der Suche nach einem besserem Leben versuchen Europa über Ceuta und Melilla, die Kanarischen Inseln und Teneriffa zu erreichen. Diese Odyssee wird mit den Migrationstragödien von Phnom Penh (Kambodscha) 1975 und von Südvietnam und Laos verglichen. Mit dramatischen Bildern und Geschichten von Ausbeutung, Massakern und Seuchen empfing die Welt diese Migrationswelle aus Asien bis zum Ende der 1970er Jahre
25 CSAO/CEDEAO 2008 S. 1. 26 CSAO/CEDEAO 2008, S. 2. 27 Vgl. CSAO/CEDEAO 2008, S. 2–4.
30
Einführung und theoretische Grundlage
mit Mitleid, Gastfreundschaft und Integration.28 »Jeune Afrique« kritisiert den derzeitigen Mangel an Bereitschaft seitens der Industrieländer, Opfer von Kriegen in Liberia, Sierra Leone und von Rebellenaufständen in Côte d’Ivoire und Zentralafrika aufzunehmen und zu integrieren. Europa als Migrationsziel auszuwählen und von ihm Integration und Gastfreundschaft zu hoffen, hängt laut Valerie Thorin in »Jeune Afrique« mit der Vergangenheit ehemaliger europäischer Kolonialmächte und ihrer ehemaligen afrikanischen Kolonien zusammen. Migrationswillige aus den frankophonen Ländern Afrikas konnten, ihrer Meinung nach, ihren Anspruch auf Aufnahme und Integration in Frankreich einfordern, und zwar mit der Begründung, dass diese als Zeichen der Anerkennung der kolonialen Ausbeutung gewertet werden sollten. Sie argumentiert wie folgt: Les Sénégalais, les Guinéens ou les Maliens qui interpellent aujourd’hui leur ancien colonisateur français ne réclament pas autre chose que cette loyauté de la part d’une nation qui a profité de leurs richesses dans le passé.29
Im Hinblick auf die geringe vorhandene Literatur ergibt sich insofern, dass Forschungen zur Migration aus Afrika und deren mediale Konstruktionen in den deutschen und in den senegalesischen Medien noch lückenhaft sind und dass die empirischen Forschungen zu diesem Thema in Bezug auf SSA noch in den Anfängen stecken. Dieser wissenschaftliche Mangel begründet die Relevanz des vorliegenden Forschungsvorhabens, das durch die Untersuchung der medialen (De-)Konstruktion der Abwanderung von Afrika nach Europa den Versuch unternimmt, diese Lücke zu schließen. 1.3
Deutschland und Senegal – Zur Auswahl der Länderbeispiele
In der vorliegenden Arbeit wird das Ziel verfolgt, den Zusammenhang von Migration, Entwicklung und Medien in einer komplexen Nord-Süd-Beziehung bzw. Europa-Afrika-Beziehung zu untersuchen. Dabei sollen die Deutungsmuster, die den medialen Diskursen um die Migration aus Afrika zugrunde liegen, diskursanalytisch untersucht werden. Artikel aus den deutschen sowie den senegalesischen Zei-
28 Auch wenn die internationale Gemeinschaft bis zum Ende der 1970er Jahre die »Boat People« mit Gastfreundschaft empfangen hat, machten das Ende der Herrschaft der »Khmers Rouges« in Kambodscha, die neue Welle der Wirtschaftsmigration und der Fall der Berliner Mauer 1989 als Zeichen des Endes des Kalten Kriegs den Status des politischen Asyls schwieriger. Vgl. Thorin 2006, S. 94 f. 29 Thorin 2006, S. 94.
Methodische Vorgehensweise
31
tungen dienen dabei als empirisches Untersuchungsmaterial. Die Wahl der Länder »Deutschland und Senegal« wird im Folgenden begründet. Im Rahmen der europäischen Presselandschaft ist die Wahl der deutschen Zeitungen auf die besondere Position und Bedeutung Deutschlands als ein jüngeres Zielland für viele Migranten aus SSA zurückzuführen. Als eines der wirtschaftlich bedeutsamen Länder und als Mitglied der EU ist die Bundesrepublik Deutschland nicht nur in wichtige europäische Maßnahmen zur Steuerung der Einwanderung involviert, sondern es ist auch, obwohl es keine Grenzlage einnimmt, in der EU seit einigen Jahren zum zentralen Ziel- und Aufnahmeland für viele Migranten aus SSA geworden. Der Senegal, ein westafrikanisches Land mit günstigem Zugang zum Atlantischen Ozean, dient aufgrund seiner kolonialen Geschichte und geographischen Lage als Entsende- und Transitland für viele Migranten aus SSA auf ihrem Weg nach Europa.30 Durch die Analyse und den Vergleich der Berichterstattung in den ausgewählten Tageszeitungen Deutschlands und Senegals soll untersucht werden, wie die Medien der Entsende- und der Zielländer diese Thematik vermitteln und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihre Berichterstattung aufweist. Dabei beschränkt sich die Analyse auf zwei führende Prestigezeitungen in Deutschland (»Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Süddeutsche Zeitung« und drei in Senegal (»Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil«). 1.4
Methodische Vorgehensweise
1.4.1
Deskription, Kontext und Extra-Medien-Daten
Die ausgewählten schriftlich fixierten Daten (Zeitungsartikel) für die Diskursanalyse dienen einerseits zur Information über das Forschungsthema (Migration), anderseits als empirisches Material zur Rekonstruktion von Diskursen.31 Dabei wird auf unterschiedliche Formen des Kontextwissens, wissenschaftliche Materialien und Sekundärliteratur zurückgegriffen.32 Im ersten Arbeitsschritt werden Grundzüge der Migration aus Afrika in die EU herausgearbeitet. Um die Deutung
30 Bereits während der Sklaverei galt Senegal aufgrund seiner geographischen Lage als eine der wichtigsten Stationen, von der aus die Sklaven aus Afrika nach Amerika gebracht wurden. »L’Île de Gorée«, eine Insel vor Senegal, gilt heute als das Symbol des Sklavenhandels, da von dort aus Sklaven in die Neue Welt verschifft wurden. 31 Vgl. Keller 1997, S. 326. 32 Vgl. Keller 2007, S. 76.
32
Einführung und theoretische Grundlage
der Presseberichterstattung einschätzen zu können, bedarf es einer Rekonstruktion der wesentlichen migrationspolitischen Entscheidungen Deutschlands bzw. der EU und Senegals bzw. der Afrikanischen Union (AU). Darüber hinaus sollen Informationen über das Ausmaß, die Formen, die Ursachen und die Folgen der Migration aus Afrika gewonnen werden. Diese Gewinnung von Hintergrundinformationen über die Deutung der Migration erfolgt durch: • • • •
Sekundärliteratur, Protokolle von Konferenzsitzungen zur Migration, Protokolle von Parteisitzungen zur Migration, Berichte der Arbeitskreise, Ministerien, nationalen und internationalen statistischen Ämter und Organisationen, die sich mit menschlicher Wanderung und Bevölkerung oder mit Statistiken über Migration und ähnlichen Themen beschäftigen, wie z. B.: die Vereinten Nationen, der International Organisation for Migration (IOM), Migration for Development of Africa (MIDA), United Nations Development Programme (UNDP), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das Statistische Bundesamt, Eurostat, Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), Système d’Observations permanentes des Migrations (SOPEMI), Economic Community of West African States (ECOWAS), Enquête Sénégalaise Auprès des Ménages (ESAM), • Vereinbarungen, Abkommen und Absichtserklärungen zur Migration • sowie Pressemitteilungen über Migration.
1.4.2
Diskursanalyse
Michel Foucault definiert den Terminus »Diskurs« als »eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören«.33 Weiter definiert Keller in Anlehnung an Foucault den »Diskurs« als eine Menge von Aussagen, die an unterschiedlichen Stellen auftreten. Diese verstreuten Aussagen, die nach demselben Muster gebildet worden sind, können demselben Diskurs beigemessen werden.34 Welche Diskurse herrschen in der Berichterstattung der deutschen und senegalesischen Zeitungen, was die Migration aus Afrika anbelangt? Mit welchen Methoden lassen sie sich quantitativ und qualitativ untersuchen?
33 Foucault 1973, S. 156. 34 Vgl. Keller 2007, S. 44.
Methodische Vorgehensweise
33
1.4.2.1 Quantitative Analyse und Kategorienbildung Im einen quantitativen Arbeitsschritt wird das Untersuchungsmaterial – zum einen die Artikel der FAZ und der SZ (Deutschland), zum anderen die Artikel von »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« (Senegal) – erhoben und quantitativ ausgewertet. Das Korpus umfasst alle gefundenen Artikel über die Migration aus SSA in die EU in den ausgewählten Zeitungen. Die quantifizierende Methode zielt darauf ab, Rückschlüsse über die quantitative Thematisierung von Migration in Bezug auf Afrika von 1998 bis 2008 zu ziehen. Dabei wird geprüft, wie häufig das untersuchte Thema in den einzelnen Zeitungen überhaupt auftritt und wie sich die Berichterstattung quantitativ entwickelt hat. Weiter werden anknüpfend an die »Grounded Theory« die Zeitungsartikel den Kategorien und Unterkategorien zugeordnet, damit die Schwerpunkte und Schlüsselereignisse, die die mediale Thematisierung von Migration von Afrika in Richtung Europa dominiert haben, identifiziert werden können. Migrantentypen, Integration und politische Maßnahmen zur Steuerung dieser Migration, die durch die deutschen und senegalesischen »Qualitätszeitungen« konstruiert werden, werden inhaltsanalytisch untersucht. Als eine fundierte methodische Vorgehensweise der Kategorienbildung werden sowohl deduktive als auch induktive Ansätze angewendet, um relevante Kategorien und deren Unterkategorien festzulegen. In einem weiteren Schritt wird die Auftretenshäufigkeit der Kategorien untersucht. Diese Untersuchungsphase ist für die anschließende Deutungsmusteranalyse von großer Bedeutung, indem die durch das Kategoriensystem identifizierten entscheidenden Migrationsereignisse als Repertoire für die Festlegung des Untersuchungskorpus dienen. 1.4.2.2 Deutungsmusteranalyse als Diskursanalyse Die Frage, welche gesellschaftlichen Frames,35 Vorstellungen, Stereotypen und Deutungsmuster die mediale Darstellung der Migration aus SSA in die EU in den letzten elf Jahren bestimmt haben, wird mit der Methode der Deutungsmusteranalyse als eine für die Forschungsziele dieser Arbeit wissenschaftlich fundierte Methode der Diskursanalyse bearbeitet.36 Zur Untersuchung der Frage, welche Deu-
35 Durch Framing werden bestimmte Aspekte und Bilder der Realität in den Medien selektiert und konstruiert, um eine wahrscheinliche Interpretation der Realität zu bestimmen. Vgl. Norris et al. 2003, S. 11. 36 Die Diskursanalyse zielt »auf die Formen, Mechanismen und Regeln, durch die Text und Kontext diskursiv verknüpft werden«. Argenmüller 2001, S. 8.
34
Einführung und theoretische Grundlage
tungsmuster den medialen Umgang mit der Migration aus Afrika beeinflussen, ist die Zusammenstellung des Datenkorpus von großer Bedeutung. Eine thematische Eingrenzung hilft hierbei, die Datenmenge forschungsrealistisch zu halten. Jedoch muss der Umfang eines solchen empirischen Materials den verfolgten Fragestellungen der Untersuchung angepasst werden. Die thematische Eingrenzung bietet den Vorteil einer überschaubaren Datenbasis, die eine gute Voraussetzung für die hermeneutische Interpretation der aufgetretenen Diskurse bildet. Anhand wichtiger Migrationsereignisse, die zwischen 1998 und 2008 die Agendasetzung der Medien zum Thema Migration mitbestimmt haben, werden Berichte von bestimmten Tagen vor und nach dem Ereignis ausgewählt, um die Datenbasis für die Deutungsmusteranalyse festzulegen. In den Artikeln werden Aussagen, Indikatoren und Diskurspassagen codiert, die Aufschluss über die Deutungsmuster der Migration geben. Damit werden die Artikel den Deutungsmustern zugeordnet. Wichtig bei diesen Artikeln ist auch die Codierung der Ursachen, Folgen und Steuerungsmaßnahmen in Bezug auf die Migration aus Afrika. Die Frage, ob die deutsche Presse die Migration aus Afrika als Bedrohung sieht und die senegalesische sie als Chance wahrnimmt, wird durch eine hermeneutische Interpretation der Ergebnisse zu beantworten sein. Entsprechend den Fragestellungen werden im dritten Arbeitsschritt die in den deutschen und senegalesischen Zeitungen vorherrschenden Themen, Deutungsmuster und Argumentationslinien zur interkontinentalen Abwanderung aus Afrika ausgewertet. Nicht zu vernachlässigen ist die Analyse der Rolle von Nachrichten- und Presseagenturen, die als »Gatekeepers« die Nachrichten selektieren und über deren Wichtigkeit und Aktualität entscheiden. Die Handlungsmöglichkeiten, die durch die zu behandelnden Zeitungen gefordert werden, werden interpretiert und darüber hinaus die Zuschreibung der Verantwortlichkeit hinsichtlich des Migrationspotenzials aus SSA. Anschließend wird ein Vergleich zwischen den Ergebnissen der diskursanalytischen Untersuchung der deutschen und der senegalesischen Zeitungen gezogen. Dadurch lässt sich feststellen, welche Ähnlichkeiten oder Unterschiede die Medien zweier Regionen (Herkunfts- und Zielregion) hinsichtlich der Migrationsthematik aufweisen. Zur Überprüfung der Reliabilität der Forschungsmethode wurden zusätzlich die Artikel durch Studenten codiert.37 Eine solche Codierung durch externe Codie-
37 Die Kodierung der deutschen Zeitungsartikel fand im Rahmen des Social-Sciences-Seminars »Migrationsdiskurse in Deutschland« im Wintersemester 2009/2010 und die Kodierung der se-
Feldzugang und aufgetretene Forschungsprobleme
35
rer, die in Anlehnung an klare Kodierungsanweisungen erfolgte, diente dazu, die Gültigkeit der in den Diskursen aufgetretenen Deutungsmuster und der dafür angewendeten Methode zu überprüfen. Lassen sich die oben skizzierten Forschungsergebnisse der medialen Diskurse von FAZ und SZ zu einem deutschen Diskurs verallgemeinern? Liefern sie ein allgemeines Bild über die Migrationsdebatte bezüglich Afrikas? Inwieweit sind die Migrationsdiskurse von »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« im senegalesischen Kontext verallgemeinerbar? Welche Rückschlüsse können auf die allgemeine mediale Migrationsdebatte gezogen werden? Das deutsche Korpus kann zwar eindeutige Erkenntnisse zu der Berichterstattung über die Migration aus Afrika liefern, jedoch lassen sich angesichts der Vielfältigkeit der Zeitungen diese Ergebnisse nicht einfach verallgemeinern. Es ist davon auszugehen, dass sich die Berichterstattung mancher Boulevard-Zeitungen wie z. B. der »Bild«-Zeitung über Migranten aus Afrika mehr an sensationellen Schlagzeilen orientiert, als die der hier untersuchten Eliten-Zeitungen es tut. Weiter könnte ein solches Thema in den rechtsorientierten Zeitungen wie z. B. in der »Deutschen Nationalen Zeitung« mit sehr negativen Deutungen und Stereotypen vermittelt werden. 1.5
Feldzugang und aufgetretene Forschungsprobleme
Die Statistiken über die Migration aus Afrika in die EU können durch Sekundärliteratur, Zeitungsberichte, Internet-Archive, Berichte der europäischen, afrikanischen Ministerien und Institutionen und mithilfe von statistischen Ämtern und nationalen und internationalen Institutionen gewonnen werden. Einige davon sind: die Welt Bank, SOPEMI, INSEE, UNO, OECD, Eurostat, UNHCR, IOM, OECD, BAMF, Statistisches Bundesamt, ECOWAS, ESAM. Diese Quellen liefern wichtiges Material zur Analyse der Lage der Migration. Es ist zu erwähnen, dass einige internationale Quellen unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Statistiken vorweisen. Solche methodischen Hürden bei der Erhebung internationaler Wanderungsstatistiken sind in Bezug auf Europa durch eine Studie der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration38 wie folgt zusammengefasst worden: negalesischen Zeitungen im Rahmen des Romanistik-Seminars »Les Phénomènes migratoires en Afrique Francophone: Le Sénégal« im Sommersemester 2010 an der Universität Siegen statt. Mein Dank gilt hierbei den Teilnehmern dieser Seminare. 38 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration 2004, S. 4.
36
Einführung und theoretische Grundlage
• die Aktualität der Daten aus den verschiedenen Ländern Europas ist sehr unterschiedlich, • die Datengrundlagen der Wanderungsstatistiken sind heterogen, • die Datenqualität ist sehr unterschiedlich, • es existieren unterschiedliche Erfassungskriterien, • die Datenverfügbarkeit für einzelne Personengruppen ist nicht gewährleistet, • die Verfügbarkeit für einzelne Statistiken ist nicht gewährleistet, • es existieren verschiedene Definitionen für denselben Begriff wie z. B. »Migrant«39, »Migration«, »illegale« bzw. »irreguläre Migration«, • aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen sind Daten schlecht vergleichbar. Es ist zu erwähnen, dass die Statistiken der aus Senegal stammenden Migranten schwierig zu erfassen sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Transitmigranten aus Nicht-ECOWAS-Ländern, die die Kanarischen Inseln über den Seeweg erreichen wollen, sich bei ihrer Durchreise innerhalb Westafrikas zum Überlebenszweck als Senegalesen ausweisen. Aufgrund des lückenhaften Migrationsdatenbanksystems sind die genauen Statistiken über die Ein- und Auswanderung schwer festzustellen. Die Daten der Auswanderungsbehörden mancher Staaten könnten unter- oder überbewertet sein, wenn sie darauf abzielen, den politischen Zwecken der zuständigen Regierenden zu dienen. Für eine wissenschaftliche fundierte Analyse werden solche Daten unterschiedlicher Quellen überprüft und verglichen. Die Artikel der FAZ werden durch die Datenbank »FAZ-BiblioNet«40 und die der SZ zum Teil mithilfe von CD-Roms und über die Datenbank »Librarynet«41 ausgewählt. Was die senegalesische Presse angeht, erfordert die Beschaffung der Zeitungsartikel lokale Recherchen in den Archiven der jeweiligen Printmedien und Presseagenturen. Wie in vielen Entwicklungsländern können auch hier des Öfteren Probleme bezüglich der Erhaltung von Archiven und der unzureichenden Digitalisierung auftreten. Der Zugang zur Information kann sich aufgrund der schlechten Lage der Bibliotheken und elektronischen Verfügbarkeit der Daten als schwierig erweisen.
39 Vgl. Abschnitt 1.7. 40 Vgl. Abschnitt 6.2.1.1. 41 Vgl. Abschnitt 6.2.1.2.
Einführung und theoretische Grundlage
1.6
37
Begriffserklärung
Eine Erläuterung von relevanten Begriffen der Migration erweist sich hierbei als sinnvoll, um bei der Auswertung der Artikel zu analysieren, welche Begriffe im Diskurs auftauchen und wie sie im Bezug auf die Migration im afrikanischen Kontext verwendet werden. Das Interesse seitens Wissenschaft und Politik an Migrationsfragen ist ab Mitte der 1980er Jahre gewachsen. Da die Mobilität der Menschen der Gegenstand der Forschung verschiedener Disziplinen ist, sind im Laufe der Zeit unterschiedliche theoretische Ansätze und somit auch Terminologien entwickelt worden. »Migration« stammt vom lateinischen Wort »migratio« ab, und bedeutet »Wanderung«. In »Das kleine Afrika-Lexikon« definiert Karl Vorlaufer Migration als »eine temporäre oder permanente Wohnsitzverlegung von Individuen oder Gruppen«.42 Des Weiteren werden alle Formen der lokalen Mobilität, die mit regionaler oder internationaler, intra- oder innerkommunaler Wohnsitzverlegung zu tun haben, als Migration bezeichnet. Auch jede Form der Wanderung mit einem kurzfristigen oder langfristigen Wechsel des Wohnortes wird als Migration bezeichnet.43 In Bezug auf Deutschland definiert das Statistische Bundesamt Migranten als: […] Personen, die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik, sondern im Ausland geboren sind (›foreign born‹). Sie sind nach Deutschland zugezogen (Zuwanderer). Sie können je nach Staatsangehörigkeit Deutsche (z. B. Spätaussiedler) oder Ausländer/innen sein. Sie gehören zu den ›Personen mit Migrationshintergrund‹.44
In dieser Arbeit handelt es sich um die internationale bzw. um die interkontinentale Migration von Afrika nach Europa, wie in folgender Definition der IOM und Vereinten Nationen festgelegt: International migrants are persons who take up residence in a foreign country. […] International migrants do not include the tourists, business, travellers, religious pilgrims, or persons seeking medical treatment who make millions of visits to a foreign country each year. Rather those foreigners who remain for an extended stay in a new country are counted as international migrants.45
42 43 44 45
Vorlaufer 2000, S. 121. Vgl. Hannken 2004, S. 14. Statistisches Bundesamt 2008, S. 326. IOM/United Nations 2000, S. 4.
38
Einführung und theoretische Grundlage
Je nachdem ob Wanderungsbewegungen durch Kriege, Umweltkatastrophen oder Armut verursacht werden, sind ihre Ursachen, Richtungen, Umfänge und Auswirkungen vielfältig und komplex, zeitlich und räumlich differenziert. Daher ist es nicht möglich, alle Formen der Migration systematisch zu klassifizieren.46 Der Begriff der »internationalen Migration« umfasst alle Wanderungen, die grenzüberschreitend sind. Nuscheler stellt folgende Formen dar:47 freiwillige Auswanderung, Familienzusammenführung, irreguläre Migration48, zeitlich begrenzte Auslandsaufenthalte (z. B. von Studierenden) und die durch Kriege, politische Verfolgung, existentielle Notlagen oder Umweltkatastrophen erzwungene Flucht. Weiterhin stellt Nuscheler bei der oben skizzierten Vielzahl von Migrationsformen viele Übergänge und Mischformen fest, u. a. die saisonale Arbeitsmigration, die definitive oder temporäre Migration, die Migration zur Subsistenzsicherung,49 die Transitmigration auf dem Weg zu einem anderen Zielland, die Pendelmigration, die Elitenmigration von Akademikern, Künstlern, Spitzensportlern und Führungskräften der multinationalen Unternehmen, die Heiratsmigration und die staatlich gesteuerten Rückwanderungen von Minderheiten aus der Diaspora wie im Fall der deutschstämmigen »Spätaussiedler«.50 Unter Emigranten und Auswanderern versteht man Personen, die ihre Herkunftsgesellschaft dauerhaft verlassen haben, um sich ein neues Leben in einer anderen Gesellschaft aufzubauen. In dieser Arbeit sind mit den afrikanischen Auswanderern (Emigranten) die Afrikaner gemeint, die in ein Land außerhalb des afrikanischen Kontinents hauptsächlich in EU bzw. in ein EU-Land eingewandert sind. »Immigranten« und »Einwanderer« werden synonym benutzt und bezeichnen Personen, die aus einem anderen Land abgewandert sind und sich in einer Aufnahmegesellschaft niederlassen. In den Zuwanderungsländern beeinflussen verschiedene Bestimmungsfaktoren wie z. B. gesetzliche Regelungen des Aufenthaltsstatus, der Einbürgerung und Integration die Definition des Einwanderers, wie die OECD feststellt:
46 Vorlaufer 2002, S. 121. 47 Vgl. Nuscheler 2004, S. 52. 48 Nach der Sprachregelung der Vereinten Nation wird den Begriff »illegale« Migration durch »irreguläre« Migration ersetzt. Die angelsächsische Diktion bezeichnet sie als »nicht-dokumentierte Migration«, da die Betroffenen ohne gültige Papiere in dem Aufnahme- oder Zielland leben. Vgl. dazu: Nuscheler 2004, S. 52. 49 Der Subsistenzmigrant hat als Ziel, seine Lebenslage im Ausland zu verbessern. 50 Nuscheler 2004, S. 52 f.
Begriffserklärung
39
Des différences importantes résident dans la façon de définir les immigrés. Plusieurs pays ont traditionnellement mis l’accent sur des données portant sur les résidents étrangers (il s’agit des pays européens, du Japon et de la Corée). D’autres pays se réfèrent aux personnes nées à l’étranger (foreign-born). Il s’agit des pays d’installation: l’Australie, le Canada, les États-Unis et la Nouvelle-Zélande. Cette différence majeure résulte de la nature et de l’histoire des systèmes migratoires ainsi que de la législation sur la citoyenneté et sur l’acquisition de la nationalité.51
In dieser Arbeit werden die Menschen als afrikanische Einwanderer bezeichnet, die in der EU bzw. in einem EU-Land leben und aus einem SSA-Land stammen. Der Begriff »Senderegion« (»Herkunftsregion«, »Herkunftsland«) umfasst entsprechend die Länder oder die Regionen, aus denen die Migranten herkommen, beispielsweise Subsahara-Afrika. Mit den Begriffen »Aufnahmeländer«, »Zuzugländer« und »Zielländer« oder »Zielregionen« sind die Länder oder Regionen gemeint, in denen Migranten sich dauerhaft oder längerfristig sesshaft machen. Umfassend wird in dieser Arbeit der Oberbegriff »Migrant«/»Migranten« übernommen, um Immigranten und Emigranten zu bezeichnen. Der Begriff »Remigrant« oder »Rückkehrer« wird verwendet, wenn es um Migranten geht, die zwar im Ausland gelebt haben, aber in ihre Heimatländer zurückkehren. Im Gegensatz zu der Migration geht es bei der Remigration um einen direkten Weg zwischen Zuzugland und Herkunftsland. In dieser Arbeit bedeutet die Remigration den Rückkehrprozess von afrikanischen Migranten in ihre Heimatländer. Flüchtlinge bilden einen nicht zu vernachlässigenden Teil der afrikanischen Migration sowohl innerhalb afrikanischer Staaten, zwischen den afrikanischen Ländern als auch außerhalb Afrikas. Es handelt sich hierbei um eine unfreiwillige Migration. Flüchtlinge definiert Richter als: »Menschen, die aufgrund von Verfolgung oder Krieg ihren angestammten Lebensraum unfreiwillig verlassen, um vorübergehend oder dauerhaft in einem anderen Gebiet Zuflucht zu suchen.«52 Im Gegensatz zu einem internationalen illegalen Migranten, der sich wegen unbefriedigender Lebensverhältnisse in seinem Heimatland oder seiner begrenzten finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten illegal auf die Suche nach neuen Lebensperspektiven in einen anderen Land macht, ist ein Flüchtling durch eine körperlich bedrohliche Situation zur Flucht gezwungen. Da sich in manchen Fällen
51 http://www.oecd.org/dataoecd/59/22/43180136.pdf, S. 6. 52 Richter 2002, S. 60. In seinem Vortrag über freiwillige und unfreiwillige Migration in Afrika südlich der Sahara vertritt John O. Oucho den Standpunkt, dass freiwillige und unfreiwillige Wanderungsbewegungen nur dann getrennt behandelt werden sollten, wenn einige Indikatoren die Trennung erfordern. Vgl. Oucho 2009, S. 11.
40
Einführung und theoretische Grundlage
die Beweggründe der Migration vermischen, lassen sich freiwillige von unfreiwilligen Wanderungen, Wirtschaftsmigranten von Flüchtlingen schwer unterscheiden. Zurzeit hat der Ausdruck »Brain Drain« in den Debatten über Migration aus den Entwicklungsländern nach den Industrieländern besonders an Gewicht gewonnen. Dem »Brain Drain« schreibt man negative Effekte auf die Wirtschaft und Produktivität der Herkunftsländer von qualifizierten Personen zu. Dagegen wird eine positive permanente Nettoimmigration qualifizierter Menschen als »Brain Gain« bezeichnet. Was »Brain Drain« für das Herkunftsland ist, kann »Brain Gain« für das Zielland sein. Wenn sich aus der Sicht der Herkunfts- und Ankunftsländer sowie des hochqualifizierten Migranten positive Auswirkungen ergeben, spricht man von einer »Win-win-Situation«. In dieser Arbeit wird von »Brain Drain« gesprochen, wenn hochqualifizierte Menschen aus SSA nach Nordamerika und Europa auswandern. Heutzutage wird in Deutschland in der amtlichen Sprache die Begrifflichkeit »Menschen mit Migrationshintergrund« verwendet. Menschen mit Migrationshintergrund können als Zugehörige jener Personengruppen angesehen werden, die in der amtlichen Statistik mit Bezug auf Migration registriert werden wie z. B. Ausländer, Eingebürgerte, Vertriebene, Aussiedler, Spätaussiedler, Asylbewerber sowie Menschen, bei denen ein Bedarf an Integration besteht.53 Nach einer Definition des Statistischen Bundesamtes gehört zu den Personen mit Migrationshintergrund die ausländische Bevölkerung, alle Zugewanderten sowie eine Reihen von Menschen, die in Deutschland mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind, aber aufgrund des Migrationsstatus der Eltern einen Migrationshintergrund haben.54 Im Folgenden werden weitere relevante Begriffe, die mit der Migration zusammenhängen, definiert. 1.6.1
Migration und Globalisierung
Inwieweit begünstigen die Globalisierung55 und deren Folgen die Migrationsbewegungen aus Afrika und wie wird der Zusammenhang in deutschen und se-
53 Statistisches Bundesamt 2008, S. 5. 54 Vgl. Statistisches Bundesamt 2008, S. 326. 55 Globalisierung wird einerseits als »Bedrohung« und anderseits als »Chance« betrachtet. Wie Globalisierung sich von der Internationalisierung und dem Bedeutungsverlust nationalstaatlicher Grenzen unterscheidet, ist umstritten. In der wissenschaftlichen Debatte stellt sich die Frage, wie
Begriffserklärung
41
negalesischen Medien thematisiert? Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Globalisierung und Migration im Zeitalter der Globalisierung und der Transnationalität56 stellt Steffen Angenendt die Frage nach der Rolle des Nationalstaates bei der Steuerung von grenzüberschreitenden Phänomenen wie internationalen Wanderungsbewegungen.57 Dazu stellt Johannes Varwick fest, dass Gesellschaften und Problembereiche heutzutage zunehmend durch Globalisierung verbunden werden.58 Als Ausdruck für die zunehmende internationale wirtschaftliche, kulturelle und politische Verflechtung findet seit Anfang der 1970er Jahre der Begriff »Globalisierung« in der politischen Diskussion Verwendung. Die Definition von Globalisierung zeigt, dass sich die vielen Problembereiche, wie oben erwähnt, zunehmend verflechten und dies stellt die Nationalstaaten vor neue Herausforderungen, die sich ohne andere Staaten und Organisationen nicht einfach bewältigen lassen. Zu diesen Herausforderungen gehören die internationalen Wanderungsbewegungen. Die Optimisten der Globalisierung59 warnen vor einer Wahrnehmung der Globalisierung als »Chance« für die Einen und »Bedrohung« für die Anderen, wobei die Industriestaaten als »Gewinner« und die Entwicklungsländer als »Verlierer« gelten. Die Kritiker der Globalisierung befürchten den Verlust sozialer Sicherheit, des Wohlstands, der kulturellen Traditionen, der Arbeitsplätze und der Sozialleistungen.60 Und solche Rahmenbedingungen sind Pull-Faktoren (Anziehungskräfte) für die reichen Länder, die Millionen Menschen in den armen Ländern auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven zur Migration bewegen. In einer immer mehr vernetzten Welt ermöglicht die Globalisierung wirtschaftlicher und kultureller Aktivitäten neue Migrationsformen, wie Peter Opitz argumentiert: Auch die sich ständig verbessernden Informationsnetze sowie sinkende Transportkosten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der Migrationsdruck aus den ärmeren Regionen der Welt auf
der Nationalstaat, der immer mehr an Bedeutung in den internationalen Steuerungs- und Legitimationsmechanismen verliert, im Zeitalter der Globalisierung eine zentrale Rolle in der internationalen Politik spielen kann. 56 57 58 59 60
Goeke 2007. Vgl. Angenendt 2006, S. 38. Vgl. Varwick 2000, S. 137. Vgl. Mathiopoulos 2005, S. 207–213. Merkel 2005, S. 47.
42
Einführung und theoretische Grundlage
die wohlhabenderen Regionen mittelfristig weiter wachsen wird, wo die Armen und Verfolgten der Welt beides zu finden hoffen: Schutz vor Verfolgung und/oder eine gesicherte wirtschaftliche Existenz.61
Nuscheler erkennt vier Wirkungszusammenhänge zwischen Globalisierung und Migration.62 Erstens verengt die Verbesserung des Verkehrswesens die Räume und erhöht die Mobilität der Menschen. Die Migration begrenzt sich nicht nur auf Regionen, sondern geht über größere Räume hinaus. Die billigen und schnellen Flugzeuge verkürzen die Reisezeiten. Für Reisen, für die man früher tagelang mit dem Schiff unterwegs war, benötigt man heute nur noch ein paar Stunden mit dem Flugzeug.63 Zweitens erleichtert die Globalisierung der Telekommunikation die Vernetzung der Welt. Neben Werttransfer und Konsumanreizen erzeugt sie Migrationsanreize. Durch Fernsehen, Zeitschriften und Internet werden Bilder vom »besseren Leben« oder »Paradies« im Westen bis in den letzten Wohnvierteln der armen Länder vermittelt. Durch diese verschönte Informationsvermittlung werden bei den Armen die regionalen und internationalen Wohlstandsunterschiede sichtbarer und können als Push- und Pull-Faktoren der Abwanderung gelten.64 Dank des Abbaus kultureller Barrieren durch Informationstechnologien werden Menschen aus allen Regionen der Welt kulturell immer besser vernetzt und nehmen dadurch am weltweiten Informationsaustausch teil. Der Wohlstand im Norden und die Armut im Süden führen dazu, dass Millionen Menschen aus dem Süden nach Norden abwandern oder abwandern wollen und die Globalisierung beeinflusst Entwicklung, Ursachen, Formen und Folgen der internationalen Migration. Drittens erzeugt die Globalisierung der Produktions- und Arbeitsmarktstrukturen eine soziale Klassendifferenzierung der Migration. Manager, Ingenieure, Wissenschaftler, Diplomaten und Beamte reisen als gut bezahlte Beschäftigte rund um den Globus, während Migranten mit geringeren Qualifikationen als billige Arbeitskräfte in privaten Haushalten, im Bauwesen und in der Landwirtschaft als Saisonarbeiter beschäftigt werden. Immer öfter werden irreguläre Arbeitsmigranten und Frauen Opfer von Menschenhandel. Auch der wachsende Anteil von Frauen
61 Opitz 2000, S. 275. 62 Nuscheler 2006, S. 26. 63 »New technologies enable the rapid transfer of capital, goods, services, information and ideas from one country and continent to another.« Report of the Global Commission on International Migration GCIM 2005, S. 1. 64 Vgl. Kapitel 3.
Begriffserklärung
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und Kindern ist eine der Folgen der Nachfrage nach geschlechterspezifischen Dienstleistungen im Pflegebereich, in Haushalten und in der Prostitution.65 Viertens ist die Elitenmigration eine Folge der Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung. Industrieländer wie etwa die USA holen aus den Entwicklungsländern die »besten Köpfe«, die sie durch ihre kapitalkräftigen Stiftungen fördern. Dieser »Brain Drain« bedeutet für die Herkunftsländer der Migranten einen starken Verlust an Humankapital. Franck Düvell66 resümiert drei Ursachen für die Zunahme von Migration im Zeitalter der Globalisierung. Zunächst wurden zuvor nicht-kapitalistische Subsistenzwirtschaften an die Weltwirtschaft gekoppelt, wodurch die Bevölkerungen dieser Wirtschaftssysteme in die weltweiten Sozialprozesse integriert wurden. Anschließend hat die Reduzierung von Preisen und Risiken sowohl in der Informationsund Kommunikationstechnologie als auch im Transportwesen dazu geführt, dass immer mehr Menschen Zugang zu Informationen über Lebensbedingungen, Arbeitsplätze und Wohnungen in den Zielländern erhalten. Schließlich haben die Ungleichheiten hinsichtlich der Einkommen und des Handelsgewichtes zwischen verschiedenen Ländern und Regionen der Welt die Motive und die Notwendigkeit zur Migration erhöht. Hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Globalisierung und Migration ist hervorzuheben, dass internationale Wanderungsbewegungen nicht als zwangsläufige Folge der Globalisierung zu verstehen sind.67 Trotz »negativer« Folgen der kulturellen Einflüsse des Nordens auf den Süden, die durch die Revolutionierung der Kommunikation ermöglicht werden, sind sich die Befürworter der Globalisierung68 einig, dass sie eine Chance für die Entwicklung darstellt. Die Beziehung zwischen Migration und Globalisierung zeigt, dass die Migration ein wichtiger Aspekt der internationalen Beziehungen geworden ist.69 1.6.2
Migration und internationale Beziehungen
Der Diskurs über die Migration aus Afrika ist auch ein transnationaler Diskurs, der von internationalen Beziehungen und den Machtpositionen der Länder und
65 66 67 68 69
Siehe Abschnitt 3.3.5. Düvell 2006, S. 195. Angenendt 2006, S. 37. Mehr zu Chancen und Risiken der Globalisierung: Merkel 2005, S. 47–52. Mehr zu Globalisierung und Migration: Westermann 2009, S. 21–24.
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Einführung und theoretische Grundlage
Regionen beeinflusst wird. Es wird im Kapitel 6 auch darum gehen, zu analysieren, inwieweit die FAZ und die SZ den europäischen Diskurs über die Einwanderung vertreten, konstruieren und ob sie ihn legitimieren, kritisieren, dekonstruieren oder neutral vermitteln. Auf der senegalesischen Seite wird untersucht, ob der Diskurs von »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« den afrikanischen Migrationsdiskurs widerspiegelt oder auch einen Teil des internationalen Diskurses übernommen hat. Verfolgen die ausgewählten Zeitungen die Migrationsdiskurse ihrer Staaten oder einen international dominanten Diskurs? Woher beziehen sie ihre Informationen? Migration war für lange Zeit nicht in die Disziplin der internationalen Beziehungen miteinbezogen. Diese Vernachlässigung ist damit zu erklären, dass die Migranten in vielen Aufnahmeländern nicht als wichtige Entwicklungspartner wahrgenommen und als »Eindringlinge« angesehen wurden. Sie wurden nicht als wichtige Akteure des weltweiten Geschehens erkannt,70 auch wenn sie inzwischen ein Teil davon geworden sind.71 Badie und Wihtol de Wenden72 zeigen wichtige Faktoren auf, die die Eingliederung der Migration in die internationalen Beziehungen beeinflusst haben. Erstens ist die Welt im Zuge der Globalisierung nicht mehr nur auf Nationalstaaten fokussiert. Zweitens wird erkannt, dass Wanderungsbewegungen höhere Auswirkungen auf ein weltweites Gleichgewicht als herkömmliche diplomatische Initiativen haben können. Drittens ist eine gegenseitige Mitwirkung der regionalen Bevölkerungen durch Globalisierung festzustellen. Viertens ist dank technischer Fortschritte ein Massenfluchtverhalten gegenüber politischen, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen alltäglich geworden. Fünftens begünstigen die Krisen der Nationalstaaten, der Sozialstaaten im Norden, der »failed states« und der »quasi-states« im Süden neue Formen von Solidaritätsnetzwerken, die sich durch die Staaten schwer steuern lassen. Zur schwierigen Steuerungsmöglichkeit und Zusammenarbeit zwischen den Staaten bezüglich der Migrationsströmungen stellen Badie und Wihtol de Wenden fest: On peut négocier avec une Église ou une firme multinationale et réduire ainsi les effets d’aléas qui dérivent de la transnationalisation du monde. Il est, en revanche, pratiquement impossible de traiter avec des flux qui résultent de la seule agrégation de choix individuels ou, en tout cas, de micro-stratégies.73
70 71 72 73
Badie/Wihtol de Wenden 1994, S. 11. Wihtol de Wenden 2009, S. 7. Badie/Wihtol de Wenden 1994, S. 11–12. Badie/Wihtol de Wenden 1994, S. 13.
Begriffserklärung
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Es sei praktisch unmöglich über Migration zu verhandeln, denn sie ist eine Folge der individuellen Entscheidungen und Mikrostrategien. Eine Spannung zwischen der Logik des Nationalstaates und der der Migration ist entstanden und es resultiert daraus eine Dramatisierung der Zweiten.74 Die Netzwerke und Ressourcen, die für das Migrationsgeschehen notwendig sind, sind unterschiedlich und schwer überschaubar. Mittlerweile fokussieren sich die Staaten nicht nur auf die negativen Effekte, sondern auch auf die positiven Impulse der Migration für die Entwicklung. Deswegen stellen die Diasporagemeinschaften mit ihren unübersichtlichen Strukturen und Partnerschaften ein wichtiges Potenzial für die Entwicklung ihrer Herkunfts-, Transit- sowie Aufnahmeländer dar. 1.6.3
Migration und Entwicklung
Die Frage, ob Migration eine Chance oder eine Bedrohung für die Herkunfts- und Aufnahmeländer darstellt, wird seit einigen Zeiten wissenschaftlich intensiv untersucht. Diese Frage bildet einen wichtigen Bestandteil des empirischen Teils dieser Arbeit. Es wird überprüft, wie die senegalesischen und die deutschen Zeitungen den Zusammenhang von Migration und Entwicklung medial konstruieren und vermitteln. In der Debatte um Migration und Entwicklung herrschte in den 1960er und 1970er Jahren der Begriff »Brain Drain« vor. Jedoch befassen sich die Wissenschaft und die Politik erst seit jüngster Zeit mit der Frage, welchen Einfluss Migration auf Armutsbekämpfung haben kann.75 Dieses Interesse am Zusammenhang von Migration und Entwicklung ist nicht nur auf den Druck der neuen Migrationswellen aus den Entwicklungsländern zurückzuführen, sondern auch auf das Potenzial von Migranten und Diaspora-Gemeinden für die Entwicklung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Es geht darum, entwicklungspolitische Maßnahmen neu zu definieren und umzusetzen, damit auch von Armut betroffene Menschen von der Globalisierung und Migration profitieren. Weiter müssen die Ursachen, die Millionen Menschen zum Abwandern treiben, bekämpft werden. Denn in der öffentlichen Debatte herrscht allgemein die Überzeugung, dass eine Minderung der Armut in den Entwicklungsländern zu einer Abnahme des Einwanderungspo-
74 Badie/Wihtol de Wenden 1994, S. 14. 75 Düvell 2006, S. 164.
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Einführung und theoretische Grundlage
tenzials und besonders der illegalen Einwanderung in die Industrieländer führen kann.76 Wenn vor einigen Jahrzehnten die Probleme der so genannten »Dritten Welt« in den öffentlichen Arenen der Industrieländer noch als entfernte Probleme debattiert wurden, kommen diese Realitäten durch Einwanderung und Umweltprobleme immer näher. Des Weiteren setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Zielländer der Migranten die Entwicklungsländer, vor allem die afrikanischen Länder, nicht allein ihrem Schicksal überlassen können. Außerdem erweist es sich als utopisch, Migration durch gesetzliche und repressive Maßnahmen zu regulieren. Deshalb sind die Einbeziehung von entwicklungspolitischen Projekten und die Förderung der fairen internationalen Wirtschaftspolitik unabdingbar, um die Determinanten des Migrationsdrucks von der Wurzel her besser zu analysieren und zu regulieren und um die Wirkung der Migration auf die Entwicklung zu verbessern. Im Rahmen der Rückkopplung von Migration und Entwicklung hat die Mitteilung der Europäischen Kommission »Migration und Entwicklung: Konkrete Leitlinien«77 vom September 2005 vier zentrale Bereiche formuliert, damit der Dialog zwischen der EU und den Herkunftsregionen von Flüchtlingen und Migranten effizient stattfinden kann. Diese vier Bereiche konzentrieren sich auf die Überweisungen von Migranten in ihren Ländern, die Vernetzung der Diaspora mit ihren Herkunftsländern, die temporäre Rückkehr von hochqualifizierten Migranten und die Regulierung der Elitenabwanderung zugunsten der Herkunftsländer mit akutem Mangel an Fachkräften wie z. B. im Medizinbereich. Bereits im Dezember 2002 zielte die erste Mitteilung78 darauf ab, den Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung festzulegen, damit die beiden Politikfelder im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Herkunftsländern besser gekoppelt werden können. Was die Herkunftsländer anbelangt, haben die afrikanischen Länder während ihrer Treffen und durch Mitteilungen die Beziehung zwischen Migration und Entwicklung bekräftigt und sich dafür engagiert, positive Effekte daraus zu erzielen. In
76 Eine vermutliche Reduzierung der Migration als Folge der Armutsminderung bezieht sich auf die Analyse von Motiven der Migranten aus den EL. Aber hierbei ist zu erwähnen, dass auch eine Minderung der Armut in den EL nicht zwangsläufig die Migration stoppen kann, wenn man davon ausgeht, dass Migration ein »natürliches Phänomen« der Menschheit sei. Jedoch ist wünschenswert, dass Menschen aus den armen Regionen sich in Zukunft freier bewegen können, nicht, weil sie durch Armut zur Abwanderung getrieben werden, sondern weil sie die Wahl haben, wie Bürger aus den reichen Regionen. 77 Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2005, S. 4–10. 78 »Einbeziehung von Migrationsbelangen in die Beziehungen der Europäischen Union zu Drittländern«- KOM 2002.
Größenordnung der internationalen Migration
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der »Draft African Common Position on Migration and Development« von 2006 definieren die Migrationsexperten der AU diesen Zusammenhang wie folgt: Migration can be an effective tool for development by enhancing income distribution, promoting productive work for growth in Africa, enhancing women empowerment and gender equality, combating AIDS/HIV, Malaria and Tuberculosis amongst migrant population and improving partnership amongst the developed and African countries and other stakeholders. However, poverty is one of the main causes of migration. Creating development opportunities in countries of origin would mitigate the main reasons for young people to engage in migration, thereby also dealing with the problem of brain drain.79
Die AU erkennt an, dass Armut der Hauptgrund für Migration ist, denn Armut stellt den Ursprung aller weiteren Probleme, wie etwa mangelhafte Gesundheit und Gender-Ungleichheit, dar. Gleichzeitig sieht die AU die Migration als ein wirksames Instrument zur Verbesserung der Entwicklung an, indem entsprechende Strategien umgesetzt werden. 1.7
Größenordnung der internationalen Migration
In diesem Kapitel ist es relevant, einige statistische Daten der internationalen Wanderungsbewegungen darzustellen. Diese Darstellung ist für einen Vergleich der Wanderungen im Bezug auf Afrika im internationalen Kontext hilfreich. Ferner ist im Kapitel 6 zu untersuchen, inwiefern die ausgewählten Zeitungen statistische Daten zur Abwanderung aus Afrika anwenden, um die Migration als »Flucht«, »Ansturm«, »Bedrohung«, »Arrivée massive« oder »Avalanche« zu deuten. Die Migrationsproblematik weist eine Verwirrung von Begriffen und Zahlen auf. Allein für den Begriff des »Migranten« und seinen Status bestehen verschiedene Definitionen, weil die Zuwanderungsländer unterschiedliche Kriterien für den Status des Einwanderers festlegen. In Deutschland z. B. werden ausländische Personen, die in die Meldestatistik mit Wohnsitz gemeldet sind, als Migranten in der Zuzugsstatistik registriert, während in Schweden Migranten diejenigen sind, die beabsichtigen dort mehr als ein Jahr zu leben.80 In Großbritannien dagegen existiert kein Registersystem wie bei Geburts- oder Todesfällen, das die Ein- und Ausreise sowie die Niederlassung von Einwanderern erfasst. Die Information über Ein-
79 African Union, Experts’ Meeting on Migration and Development 2006, S. 4. 80 Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2004, S. 4.
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Einführung und theoretische Grundlage
und Abwanderung basiert auf Stichproben an Flughäfen durch die »International Passenger Survey« (IPS).81 In Senegal sind die meisten Einwanderer aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit im informellen Sektor beschäftigt und sind deswegen in offiziellen Statistiken kaum registriert. Zusammenfassend findet in den Zuwanderungsländern die Sammlung von Statistiken zur Einwanderung anhand verschiedener Erhebungen z. B. zur Arbeitserlaubnis, zu Asylanträgen, Anmeldungen oder Ein- und Ausreisen von Ausländern statt. Nuscheler stellt fest, dass das, was in den amtlichen Statistiken als »Zuwanderung« definiert wird, nichts anderes ist, als ein großer Teil an Familienzusammenführungen und Nachwuchs der Zugewanderten. In den 1990er Jahren bestand etwa 70 % der legalen Einwanderung in die USA aus Familienzusammenführungen.82 Öfter werden Kinder von Einwanderern, die noch über die Staatsangehörigkeit der Herkunftsländer ihrer Eltern verfügen, in den Statistiken zur Einwanderung erfasst, obwohl diese Kinder selber nicht eingewandert sind. In seiner Definition unterscheidet das Statistische Bundesamt zwischen »Personen mit Migrationshintergrund im engeren Sinne«83 und »Personen mit Migrationshintergrund im weiteren Sinne«84, damit nicht nur Menschen mit Migrationserfahrung berücksichtigt werden, sondern auch Kinder der zweiten Generation von Migranten.85 In Nordrhein-Westfalen wird der Versuch zur Verbesserung des Integrationsmonitorings unternommen, die Begrifflichkeit »Migrationshintergrund« und die Generation mit der »Zuwanderungsgeschichte« einheitlich zu definieren.86 Dies zeigt, dass manche Migrationsstatistiken mit Vorsicht betrachtet werden sollten und dass manche Statistiken bestimmter Institute oder Staaten einer genaueren Interpretation bedürfen.87 Die Datenbanken der Migranten sind aufgrund komplexer Migrationsmuster und nicht-dokumentierter Fälle lückenhaft. Viele Organisationen und Staaten bie-
81 82 83 84
UK Statistics Authority 2009, S. 2. Nuscheler 2004, S. 54. Damit sind Personen gemeint, die selbst migriert sind. Darunter können Personen verstanden werden, die zwar nicht selbst migriert sind, deren Großeltern oder ein Elternteil jedoch eingewandert sind. 85 Statistisches Bundesamt 2008, S. 6. 86 Im Jahre 2005 lebten in Deutschland 15,4 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund 18,7 der Bevölkerung). Davon waren 7,3 Mio. Ausländer. Vgl. Statistisches Bundesamt 2008, S. 7. 87 Es kann geschehen, dass Staaten, die unter Einwanderungsdruck stehen, die Zahlen der Einwanderer absichtlich überschätzen, um das Problem in der Öffentlichkeit zu verschärfen.
Größenordnung der internationalen Migration
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ten unterschiedliche Zahlen an. Sowohl die afrikanischen Herkunfts- und Transitländer als auch die EU-Staaten versuchen, ihre statistischen Datenbanken zu verbessern. Das Projekt »MIMOSA« von Eurostat zielt darauf ab, u. a. eine bessere Harmonisierung von statistischen Definitionen und Berechnungsmethoden der Einwanderung und der ausländischen Bevölkerung zu unterstützen, so dass die Widersprüche zwischen verschiedenen Datenbanken der EU-Länder dadurch aufgehoben werden können.88 Um die Widersprüche im Rahmen der Abwanderung innerhalb der Länder Westafrikas zu auszugleichen, zielte ein Workshop von IOM und CEDEAO in Dakar (vom 30. September bis 04. Oktober 2002) darauf ab, eine gemeinsame Terminologie, einen gesetzlichen Rahmen sowie ein Sammlungssystem von Informationen über Migration zu definieren, damit die internationalen Wanderungsbewegungen besser gesteuert werden kann.89 Unumstritten ist jedoch, dass die internationale Migration stetig zugenommen hat, so dass sie sich in 35 Jahren verdoppelt hat. Nach Einschätzung der »United Nations Population Division« stieg die Zahl der internationalen Migranten von 75 Mio. 1965 auf 150 Mio. im Jahre 2000.90 Der »World Migration Report 2005« schätzt die Zahl der internationalen Migranten auf rund 175 Mio. im Jahr 2000. Wie die Abbildung 1 darstellt, lag im Jahr 2009 diese Zahl bei 200 Mio.91 Auch ein Bericht der »Global Commission on International Migration« (GCIM) schätzt die Zahl der außerhalb ihres Geburtslandes lebenden Menschen für das Jahr 2002 auf rund 200 Mio., darunter 9,2 Mio. Flüchtlinge und Asylsuchende.92 Auch wenn die weltweiten Wanderungsbewegungen immer mehr Staaten, Organisationen und Wissenschaftler beschäftigen, repräsentieren die 200 Mio. Migranten nur 3 % der Weltbevölkerung.93
88 89 90 91 92 93
Mehr hierzu: Raymer/Abel 2008. Ndione/Broekhuis 2006, S. 11. IOM/United Nations 2000, S. 5. http://images.gmanews.tv/html/research/2007/12/world_migration_report_2005.htm. Angenendt 2006, S. 40. Die Weltbevölkerung wird auf sechs Milliarden geschätzt. Wihtol de Wenden 2009, S. 7.
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Einführung und theoretische Grundlage
Abbildung 1: Anzahl der Migranten weltweit in (in Mio.)
Quelle: Eigene Zusammenstellung in Anlehnung an die Daten aus den Jahren 1965, 1975, 1985, 1990 und 2000: IOM/United Nations 2000, S. 5 und den Daten aus dem Jahr 2009: Human Development Report 2009, S. 2.
Als wichtigstes Aufnahmeland der internationalen Migranten standen die USA im Jahre 2005 auf dem ersten Platz der Aufnahmeländer und die Russischen Föderation an der zweiten Stelle. Deutschland kam an dritter Stelle, gefolgt von der Ukraine, Frankreich, Saudi-Arabien, Kanada, Indien, Großbritannien und Spanien.94 1.8
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Im ersten Kapitel werden die allgemeinen Fragestellungen der vorliegenden Forschungsarbeit entfaltet und der Forschungsstand zusammengefasst bzw. bestehende Forschungsdefizite aufgezeigt. Darüber hinaus werden zentrale Begriffe der Arbeit erläutert. Das zweite Kapitel behandelt die historische Entwicklung der Migration auf dem afrikanischen Kontinent sowie der internationalen Wanderungsbewegungen zwischen Afrika und Europa. Weiter werden die verschiedenen Kategorien von
94 Wermelskirchen 2006, S. 9.
Aufbau der Arbeit
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Migranten, die aus Afrika in die EU abwandern, dargestellt wie etwa Asylsuchende, Flüchtlinge, irreguläre Migranten, Hochqualifizierte und Sportler, Minderjährige, Frauen sowie Rückkehrer. Nicht außer Acht zu lassen sind auch soziale und ökonomische Netzwerke und Ressourcen, die der Migrationsentscheidung und dem Abwanderungsgeschehen zugrunde liegen. Die komplexen Formen und Typen der Migration aus Afrika in die EU werden durch verschiedene Faktoren verursacht und beeinflusst, die es im dritten Kapitel dieser Arbeit zu untersuchen gilt. Demographische, umweltbezogene, wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche und kulturelle Bestimmungsfaktoren sowie ungleiche Nord-Süd-Beziehungen, mediale und kulturelle Einflüsse aus Europa als wesentliche Determinanten der Migration werden herausgearbeitet. Die Entwicklung deutscher und europäischer und afrikanischer Maßnahmen zur Steuerung der Migration wird im vierten Kapitel skizziert, wobei Grundzüge der Einwanderungs-, Einbürgerungs- und Asylpolitik Deutschlands, der Europäisierung dieser Politikbereiche, der Auswanderungspolitik Senegals und der Migrationsvereinbarungen zwischen der EU und afrikanischen Herkunfts- und Transitländern dargestellt werden. Im fünften Kapitel werden Grundstrukturen der medialen Berichterstattung in Deutschland sowie Senegal erläutert, wobei insbesondere Aspekte der rechtlichen Rahmenbedingungen (Pressefreiheit) vorgestellt werden. Des Weiteren wird ein Einblick in den medialen Umgang mit den Migranten darüber Aufschluss geben, wie Migration geframt und gedeutet wird. Ein solcher Überblick über die mediale Berichterstattung zum Teil durch Sekundärliteratur, aber auch durch einige Presseartikel, ermöglicht, Hypothesen für die empirische Untersuchung zu formulieren. Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der empirischen Analyse zusammen. Zu Beginn wird das methodische Vorgehen erläutert. Es werden Kategorien gebildet, um die in den ausgewählten deutschen und senegalesischen Zeitungen behandelten Themen und dominanten Diskurse über Migration aus Afrika in die EU systematisch untersuchen zu können. Die quantitative Entwicklung der Berichterstattung im Untersuchungszeitraum von 1998 bis 2008 wird dargestellt. In einem reduzierten Datenkorpus werden die vorherrschenden Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Chance«, »Migration aus Afrika als Bedrohung« und Argumentationslinien in Bezug auf die thematisierten Bestimmungsfaktoren sowie die thematisierten Folgen und Auswirkungen der Migration und der Steuerungsmaßnahmen codiert, analysiert und interpretiert. Damit werden die Hypothesen überprüft, inwieweit sie sich durch die Untersuchungsergebnisse bestätigen lassen. Ferner werden die Rolle der Nachrichtenagenturen, die Zuschreibung der Verantwortlichkeit und die Thematisierung der kolonialen Vergangenheit in den untersuchten Zeitungen analysiert und die Ergebnisse der Untersuchung verglichen.
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Einführung und theoretische Grundlage
Anschließend werden im siebten Kapitel die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst, wobei aufgetretene Schwierigkeiten bei der angewendeten Methode angemerkt werden. Es wird ein Versuch unternommen, die Untersuchungsergebnisse im Prozess des »Kommunikations- und Kulturimperialismus« zu verorten. Im Anschluss an die Studie werden weiterführende Untersuchungen und Anregungen für wissenschaftliche Diskussionen hinsichtlich der Migration im Zusammenhang mit Afrika formuliert.
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Im Rahmen der Diskursanalyse soll untersucht werden, welche geschichtlichen Zusammenhänge bei der Thematisierung der Abwanderung aus Afrika in die EU zur Legitimierung oder Diskreditierung der Migrationspolitiken medial konstruiert oder dekonstruiert werden. Welchen Zusammenhang, so wird gefragt, stellen die deutschen und senegalesischen Zeitungen zwischen der aktuellen Auswanderung nach Europa und der Kolonialisierung Afrikas durch Europa her? Um die mediale Konstruktion bewerten zu können, ist es sinnvoll die Geschichte der Zuwanderung darzustellen. Ein historischer Überblick über die Binnenmigration in Afrika und die Migration aus Europa nach Afrika erweist sich dabei als relevant, um zu erforschen, welche Rolle die historischen Beziehungen zwischen beiden Kontinenten bei der Migrationsdebatte spielen. Aus welchen Ländern Afrikas stammen die Migranten und welche sind ihre Zielländer in Europa? Durch welche Netzwerke findet die Migration statt? Bevor die Migranten aus Afrika und ihre Zielländer in Europa genauer skizziert werden, sollen zunächst interne Wanderungen in Afrika analysiert werden. 2.1
Binnenmigration in Afrika
Der »Human Development Report« von 2009 schätzt, dass ca. 740 Mio. Menschen innerhalb der Länder wandern, diese Zahl ist damit viermal höher als die der internationalen Migranten. Von den internationalen Migranten wandert nur ein Drittel von einem Entwicklungsland zu einem entwickelten Land, weniger als 70 Mio.1 Der große Teil der afrikanischen Migration findet innerhalb der Länder Afrikas bzw. des Kontinents statt. Nach einer Einschätzung der »World Bank« bilden die Länder SSA den größten Teil der Süd-Süd-Migration mit 64 % der internationalen Migranten, die innerhalb des Kontinents bleiben. Nur 27 % aus SSA wandern
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Human Development Report 2009, S. 1–2.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
nach den OECD-Ländern ab.2 Hierbei wird Binnenmigration als Wanderungsbewegungen innerhalb eines Landes (Land-Stadt-, Stadt-Land-Migration) und innerhalb eines Kontinentes definiert. Es ist zu erwähnen, dass vor der Kolonialzeit nur wenige staatliche Grenzen existierten und viele Bevölkerungsgruppen ständig ihren Wohnsitz änderten. Die komplexen Ursachen, Formen, Erscheinungsformen und Auswirkungen der Binnenmigration in Afrika lassen sich schwer typologisieren. In vielen afrikanischen Regionen ist die Land-Land-Migration die älteste und umfangreichste Form. Eine solche Wanderung umfasst nahezu alle Völker oder ethnischen Gruppen. Die Ursachen solcher Massenwanderungen waren in der Vorkolonialzeit kriegerische Auseinandersetzungen, längere Trockenzeiten und Hungersnöte, die die Menschen dazu brachten, ihre Heimat zu verlassen und nach besseren Lebensmöglichkeiten in anderen Gebieten zu suchen. Jedoch ist hervorzuheben, dass die Okkupation neuer Gebiete auch durchaus friedlich verlief.3 Während der Kolonialzeit waren die Hauptziele von Migranten innerhalb afrikanischer Länder diejenigen Gebiete, wo sich europäische Firmen und Plantagen befanden. Diese Siedlerkolonien wie z. B. in Kenia, im ehemaligen Rhodesien (Simbabwe), in Angola, Südafrika und Teilen des damaligen Deutsch-Ostafrikas hatten einen hohen Bedarf an Arbeitskräften. Die Firmen und Plantagenbesitzer beschäftigten hauptsächlich männliche Arbeitskräfte gegen niedrige Löhne. Männer mussten ihre Dörfer verlassen, um in den Zentren arbeiten zu können. Sie kehrten saisonal zu ihren in den Dörfern verbliebenen Familien zurück.4 Die Einführung der Lohnarbeit, die vor der Kolonialisierung in den afrikanischen Gesellschaften kaum bekannt war, beschleunigte die Migration aus ländlichen Gebieten in die städtischen Zentren. Viele junge Männer konnten durch diese geringere Lohnarbeit ihren Brautpreis und ihre Kopfsteuer bezahlen.5 Wie bereits erwähnt, waren im kolonialen Wirtschaftssystem hauptsächlich männliche Arbeitskräfte beschäftigt. Die Löhne waren niedrig und die beengten Unterkünfte nur für Männer gebaut und geeignet, so dass die Beteiligung von Frauen an der Migration sehr gering war. Die Folgen davon waren Prostitution,
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Bakewell 2009, S. 20. Hierzu zählen die Bantu-Migration, die Wanderung der Feldbauern und Händler in Westafrika und die temporären Wohnsitzverlegungen von Nomaden. Vgl. dazu: Schlee 2002, S. 143–145. Es entwickelte sich in den östlichen und südlichen Gebieten Afrikas die zirkuläre Migration und das Pendeln zwischen Ein- und Auswanderungsregion. Vgl. Vorlaufer 2002, S. 121. Hierbei ist zu erwähnen, dass andere Push-Faktoren wie Hungerkatastrophen die Land-Stadt Migration beschleunigten. Vgl. Vorlaufer 2002, S. 121.
Binnenmigration in Afrika
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ein großer Anteil an Männern in den Zuwanderungsregionen6 und ein Frauenüberschuss in den Abwanderungsregionen. Die Wirtschaft der Kolonialmacht expandierte und benötigte immer mehr Arbeitskräfte mit niedrigen Löhnen. Deshalb fing man an, zunehmend Frauen und Kinder zu beschäftigen. Frauen waren hauptsächlich in Haushalten tätig, woraus sich später auch der informelle Sektor entwickelte.7 In Westafrika werden die heutigen Wanderungsströme zum Teil durch Armut in den übervölkerten Gebieten der Trockensavannen verursacht, in denen Subsistenzwirtschaft besteht.8 Auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensperspektiven strömen Menschen in die marktorientierten Gebiete und Städte der Küstenregionen. Côte d’Ivoire ist seit den 1970er Jahren aufgrund ihrer boomenden Agrarwirtschaft eine Attraktion und Hauptziel für Migranten aus anderen Ländern Westafrikas geworden, so dass in den 1990er Jahren ca. 30 % der Bevölkerung von Côte d’Ivoire Ausländer waren. Westafrika ist durch Wanderungen so stark geprägt, dass im Jahre 1975 ca. 17 % der Bevölkerung von Burkina-Faso, 7 % der Bevölkerung von Mali, 13 % der Bevölkerung von Togo und 10 % der Bevölkerung von Gambia in anderen westafrikanischen Ländern lebten.9 Um ein weiteres Beispiel anzuführen, erlebte Nigeria in den 1970er Jahren den Ölboom und wurde deshalb zum Ziel zahlreicher Migranten aus anderen afrikanischen Ländern, überwiegend aus Ghana, das damals unter einer Wirtschaftskrise litt. Diese Wanderungsströme hatten als Hauptursachen Armut, soziale und wirtschaftliche Krisen. Auch der Handel mit Minderjährigen findet im Zusammenhang mit solchen Wanderungen statt. Die internationale Gemeinschaft und einige Nichtregierungsorganisationen (NRO) richten ihre Aufmerksamkeit auf die Verschleppung von Kindern aus Mali, Benin und Togo, die ihren Familien abgekauft oder entführt werden und in den Plantagen in Nigeria und Côte d’Ivoire zur Arbeit gezwungen werden.10
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1910 bildeten in den Bergbauzentren Männer 93 der afrikanischen Bevölkerung. Vgl. Vorlaufer 2002, S. 121. 7 Was die Land-Stadt-Migration in vielen afrikanischen Gesellschaften betrifft, sind laut Vorlaufer die Gründe der Migration von afrikanischen Frauen in die Stadt u. a. das Streben nach einem eigenständigen Leben ohne rigide familiäre Kontrollen, die Flucht aus der Landarbeit, die Suche nach einer unabhängigen Erwerbstätigkeit. Vgl. Vorlaufer 2002, S. 124. 8 Mehr zu Wanderungen und Staaten innerhalb Westafrika: Fall 2004. 9 Vorlaufer 2002, S. 125–126. 10 Vgl. http://www.infosdelaplanete.org/3469/trafics-en-afrique-de-l-ouest-sur-la-piste-des-enfantsesclaves.html (13. 07. 2009).
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Offiziell lebten in Südafrika im Jahr 2007 400.000 Ausländer, während zwischen 3 bis 6 Mio. irreguläre Migranten geschätzt wurden.11 Das Land ist seit dem Ende des Apartheid-Regimes ein wichtiges Ziel der Migranten aus Malawi, Sambia, Simbabwe, Mosambik, Swasiland, Botswana und Lesotho. Seit fast 100 Jahren sind Arbeitskräfte aus den Nachbarländern hauptsächlich im Bergbau, in der Industrie und in der Landwirtschaft beschäftigt. Die Einwanderungsbestrebungen aus anderen afrikanischen Ländern verstärken sich stetig und haben als Folge sowohl die drastische Verschärfung der Einwanderungspolitik und der Migrationsgesetze Südafrikas als auch die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit. Dabei herrscht in den Medien eine negative Darstellung der Einwanderer als Gefahr für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, als Kriminelle und Verantwortliche für die Ausbreitung von HIV/AIDS vor.12 Einige der Hauptmotive der oben skizzierten inter-afrikanischen Wanderungen sind Krisen und Kriege in Ländern wie Angola, Kongo, Liberia und Sierra Leone, sowie wachsende Rebellenbewegungen. Sie verursachen umfangreiche Wanderungsbewegungen sowohl in die Nachbarstaaten als auch nach Europa, Nordamerika und den Golfstaaten. Auch Wim Naudé bestätigt, dass Konflikte die Hauptdeterminanten der ungewollten Migration in Afrika sind.13 Abbildung 2 veranschaulicht diese Krisensituation und deren Auswirkungen auf die Zwangsmigration innerhalb und außerhalb Afrikas. Allein die Kriege in Sierra Leone (1991–2002) und Liberia (1989–2003) zwangen 411.500 Menschen dazu, nach Guinea zu flüchten. Durch den Krieg in Angola (1975–2002) mussten 149.800 Flüchtlinge in Sambia, 20.600 im Kongo (Brazzaville), 137.000 in der Demokratischen Republik Kongo und 2.500 in Namibia Zuflucht suchen. Einige von diesen Flüchtlingen wanderten außerhalb des Kontinents aus. 2.900 Flüchtlinge flohen aus Angola nach Frankreich und Brasilien. Die Wanderungen innerhalb Afrikas haben gezeigt, dass der große Teil der afrikanischen Migranten auf dem Kontinent bleibt. Jedoch angesichts der wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Probleme, mit denen die Zuwanderungsländer wie Südafrika konfrontiert sind, werden auch ihre Aufnahmemöglichkeiten begrenzt. Nach den Einschätzungen der IOM wird der Migrationsdruck aus Afrika in den folgenden Jahren größer. Dies bedeutet, dass die internen Migranten nach urbanen Zentren oder in die anderen afrikanischen Länder auswandern, sich
11 Wihtol de Wenden 2009, S. 45. 12 Vgl. Danso/ McDonald 2000, S. 4. 13 Mehr dazu: Naudé, 2009, S. 26.
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Binnenmigration in Afrika
aber auch aufgrund mangelnder Arbeitsmöglichkeiten und Infrastrukturen zunehmend in Richtung Europa bewegen werden.14 Abbildung 2: Kriege und Flüchtlinge in Afrika Conflit du Sahara occidental réfugiés en Algérie
Guerre civile au Liberia Et troubles en Sierra Leone personnes, dont: Sierra Leone: réfugiés en provenance du Liberia et déplacés à l’intérieur du pays. Guinée: réfugiés en provenance du Liberia et de Sierra Leone. Ghana: réfugiés en provenance du Liberia. Côte-D’Ivoire: réfugiés en provenance du Liberia et de la Sierra Leone. Liberia: réfugiés en provenance de la Sierra Leone et réfugiés rentrés au Liberia, mais restant sous la protection du HCR. Nombre de réfugiés
Guerre en Angola: réfugiés, dont: Zambie: . Congo: . République démocratique du Congo: . Namibie: . France et Brésil:
Guerres dans la corne de l’Afrique: personnes, dont: Conflits au Burundi, au Rwanda et guerre dans l’est de l’ex-Zaïre: personnes, dont: Rwanda: réfugiés en provenance de la République démocratique du Congo et déplacés à l’intérieur du pays. Burundi: réfugiés en provenance de la République Démocratique du Congo et déplacés à l’intérieur du pays. Tanzanie: réfugiés en provenance du Burundi et de la République démocratique du Congo. République démocratique du Congo: réfugiés en provenance du Burundi et du Rwanda.
Soudan: réfugiés en provenance de l’Erythrée. Ouganda: réfugiés en provenance du Soudan. Djibouti: réfugiés en provenance de la Somalie. Ethiopie: réfugiés en provenance de la Somalie et du Soudan. Yémen: réfugiés en provenance de la Somalie. République démocratique du Congo: réfugiés en provenance du Soudan. Kenya: réfugiés en provenance de la Somalie et du Soudan. Somalie: réfugiés rentrés en Somalie, mais restant toujours sous la protection du HCR.
Sources: Haut-Commissariat des Nations unies pour les réfugiés HCR, décembre .
Quelle: http://www.monde-diplomatique.fr/cartes/afriquerefugiesmdv51 (13. 02. 2007).
14 Vgl. IOM/United Nations 2000, S. 157.
58 2.2
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Migration von Europa nach Afrika
Welche Rolle spielt die koloniale Geschichte bei der Darstellung der Migration? Wie wird in deutschen und senegalesischen Zeitungen die Rolle der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Migration thematisiert? Die Migrationsgeschichte zeigt, dass Europa im 19. Jahrhundert ein großer Auswanderungskontinent war und »ein Gutteil seiner sozialen Frage durch Auswanderung exportiert hat«.15 Zwischen 1820 und 1930 wanderten ca. 40 Mio. Menschen aus ökonomischen, religiösen, politischen und sozialen Gründen aus. Es waren überwiegend »Wirtschaftsflüchtlinge«. Die heutige Migration unterscheidet sich von der früheren Migration durch die Tatsache, dass die früheren europäischen Migranten nach »leeren Räumen« suchten, die die Fluchtwellen aus den übervölkerten Kerngebieten Europas aufnehmen konnten, während die heutigen Wanderungen durch die zunehmende »Verengung der Fluchträume« entstehen.16 Um ihre Kolonien mit Arbeitskräften zu versorgen, organisierten die Kolonialimperien den transatlantischen Sklavenhandel. Sklaven aus Afrika wurden nach Amerika verschleppt und mussten in den Zuckerrohrplantagen arbeiten. Vielerorts in Amerika wurden multi-ethnische Gesellschaften hinterlassen. Die Suche nach »leeren Räumen« entstand oft durch Vertreibung der einheimischen Bevölkerung, kulturelle Zerstörung, Massenmord, Versklavung und Kolonialisierung. Die historische Einwanderung von Europäern und zum Teil auch von Arabern nach Afrika ist eine Folge, aber auch eine Ursache von Versklavung, Kolonialisierung und Vertreibung.17 In Afrika erzeugte das koloniale Arbeitssystem grenzüberschreitende Wanderarbeit wie z. B. das System von weißen Siedlungsgebieten im damaligen Ostafrika und die Minen in Nordrhodesien18 und in Südafrika. Die Arbeitskräfte wurden in den französischen und portugiesischen Kolonien dorthin gebracht, wo sie gebraucht wurden, und dies trug zu innergesellschaftlichen und weltwirtschaftlichen Veränderungen von Strukturen bei. Bevor Afrika durch die Kolonialmächte in Kolonialterritorien aufgeteilt wurde, aus denen »Nationalstaaten« entstanden sind, herrschte in den afrikanischen Gesellschaften kaum strenge Einwanderungs-
15 16 17 18
Nuscheler 2004, S. 33. Vgl. Nuscheler 1995, S. 45. Zu den Wanderungen aus Nordeuropa nach Südafrika, siehe: Kuparinen 1991. Das heißt das heutige Namibia.
Migration von Europa nach Afrika
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kontrolle oder Ausgrenzung.19 Der Unterschied zur Gegenwart ist, dass die europäischen Einwanderer in Afrika sich darauf verlassen konnten, eine Arbeit zu finden und sich niederlassen zu können, auch wenn damals noch kein universell anerkanntes Menschenrecht auf Freizügigkeit galt.20 Es gab eine gute Chance auf dauerhaften Aufenthalt und Integration.21 Man kann feststellen, dass Einwanderung und Besetzung sich damals vermischten. Einwanderung und Niederlassung bereiteten den Weg zur Missionierung und Kolonialisierung vor. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges zwangen rund 60 Mio. Menschen zur Flucht. Es war eine der ersten erzwungenen Fluchtbewegungen im »Jahrhundert der Flüchtlinge«. Das Ausmaß dieser größten Auswanderung könnte mit dem chinesischen Bürgerkrieg vor der kommunistischen Machtübernahme verglichen werden. Laut Nuscheler hat Europa längst die Auswanderung erlebt, die andere Regionen bzw. Kontinente heutzutage erleben.22 Auch wenn Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund der politischen Stabilität und der wirtschaftlichen Fortschritte zur Zielregion von Migranten wurde, war es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch eine Entsenderegion mit den meisten Flüchtlingen der Welt. Die Geschichte Europas zeigt, wie schnell eine Region sich von einer Auswanderungs- zur Einwanderungsregion wandeln kann. Spanien und Italien dienen hierbei als interessantes Beispiel.23 Angesichts dieser Migrationsgeschichte Europas stellt sich die Frage, warum die Arbeitsmigranten, die Flüchtlinge und die sogenannten »Wirtschaftsmigranten«, die heute in Europa nach besseren Lebensperspektiven oder nach Zuflucht suchen, nicht entsprechendes Verständnis und Empathie vorfinden.24 Es ist zu erwähnen, dass Afrika heutzutage sowohl als Abwanderungs- als auch als Einwanderungskontinent gelten kann, vor allem für chinesische Investoren mit 56 Milliarden Dollar Investitionen im Jahr 2007 und indische Investoren mit 30 Milliarden Dollar Investitionen.25
19 Erst mit den Nationalstaaten, die durch die Aufteilung Afrikas entstanden sind, wurden die einund ausgrenzenden Nationalitäten geschaffen. Die Wanderungen von Nomaden und Saisonarbeitern wurde zu einem Problem. Vgl. Nuscheler 2004, S. 31. 20 Das Menschenrecht auf Freizügigkeit ist heutzutage durch die Grenzen der Nationalstaaten und ihre Visumsregelungen schwer geltend zu machen. 21 Diese Chance hing von der jeweiligen Gesellschaft ab. Da Kolonialisierung sich meistens hinter Einwanderung versteckte, wehrten sich auch viele Afrikaner vehement dagegen. 22 Vgl. Nuscheler 2004, S. 32. 23 Zwischen 1876 und 1985 wanderten aufgrund wirtschaftlicher Motive mehr als 30 Mio. Italiener nach dem Ausland ab. Vgl. Bozonnet 2008–2009, S. 120. 24 Vgl. Nuscheler 2004, S. 33. 25 Wihtol de Wenden 2009, S. 44.
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
2.3
Migration von Afrika nach Europa
Eine neue Form der internationalen Migration aus Afrika hat sich seit den 1960er Jahren entwickelt, so dass man im Gegensatz zu den früheren Diasporagemeinschaften afrikanischer Herkunft von der »nouvelle diaspora africaine«26 (die neue afrikanische Diaspora) sprechen kann.27 Diese Migration hat ein großes Ausmaß in den vergangenen drei Dekaden angenommen. Jedoch bleiben die Zahlen der Migranten aus SSA, die in die EU abwandern, im Vergleich zu den Migranten aus Nordafrika, Asien und europäischen Nicht-EU-Ländern relativ gering. Bei den aus vielen afrikanischen Ländern stammenden Migranten können unterschiedliche Migrationstypen kategorisiert werden: • die Bildungsmigration von jungen Migranten und Hochqualifizierten, die zum Zweck der Bildung und Ausbildung nach Europa kommen, • die Familienzusammenführung mit dem Zuzug von Menschen zu ihren bereits in Deutschland lebenden Eltern, älteren Geschwistern, Verwandten oder Partnern, • die Asylmigration der Flüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge und irregulären Migranten, deren Zahl seit Anfang der 1990er Jahre durch politische und wirtschaftliche Spannungen zugenommen hat, • die Arbeitsmigration28 der Arbeiter und Unternehmer, • die Migration der Sportler und Künstler. Die Zuwanderung aus den afrikanischen Ländern nach verschiedenen europäischen Ländern hat ihre Wurzeln zum Teil in der Kolonialisierung.29 Auch wirtschaftliche, kulturelle und politische Affinitäten zwischen den Ländern spielen dabei eine wesentliche Rolle.
26 Nach der Definition von Michel Bruneau unterscheidet sich die »diaspora communautaire« von einer »diaspora hybride«. Die erste ist sehr zentriert organisiert, während die zweite, die im angelsächsischen Forschungsraum anhand der schwarzen Diaspora in Amerika untersucht wurde, durch kulturelle Vermischungen und durch eine fehlende Bindung an das Herkunftsland geprägt ist. Mehr zur Definition der Diaspora und zum Unterschied zwischen Diaspora und einer Gemeinschaft von Einwanderern vgl. Bruneau 2008–2009, S. 90–91. 27 Black/Tiemoko 2003. 28 Die afrikanischen Arbeitsmigranten in Deutschland stammen überwiegend aus den nordafrikanischen Ländern wie Marokko (ab 1963) und Tunesien (ab 1965) und wurden als ausländische Gastarbeiter angeworben. Mehr dazu: Abschnitt 4.1. In der DDR gab es einige Gastarbeiter aus sozialistisch orientierten Staaten Afrikas südlich der Sahara wie z. B. Mosambik. 29 Mehr zu Migrationsbeziehungen ehemaliger Kolonialländer, siehe: Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2004, S. 22.
Migration von Afrika nach Europa
61
Laut den Statistiken stammten im Jahre 2006 60 % der Einwanderer in den EUStaaten aus Nicht-EU-Ländern, darunter 13 % aus Afrika.30 Dieser Anteil von Migranten, die aus Afrika in die EU abwandern, hat leicht zugenommen, so dass er 2008 bei 15,2 % lag.31 Während 1993 noch ca. 3 Mio. Menschen aus Afrika in der EU lebten, lebten im Jahre 2006 bereits rund 4,6 Mio. Menschen mit der Staatsbürgerschaft eines afrikanischen Landes dort.32 Wie die afrikanischen Migrantengruppen verteilt sind, hängt ab von ihrer Herkunft, den Lebensbedingungen und Perspektiven in den Herkunftsländern, von den Wanderungsmotiven und -zielen sowie von wirtschaftlichen und sozialen Netzwerken, geographischer Nähe, sprachlichen und kolonial-historischen Beziehungen zwischen dem Herkunfts- und dem Zielland.33 Interkontinentale Migranten aus Afrika wandern aus diesen genannten Motiven hauptsächlich nach Europa aus, wobei die Zuwanderer aus Nordafrika auch stark vertreten sind. Die ersten freiwilligen Abwanderungen aus SSA ab den 1960er Jahren orientierten sich an den kolonialen und historischen Beziehungen zwischen ihren Ländern und den ehemaligen Kolonialmächten. Auch wenn diese Tendenz heutzutage gesunken ist, findet man in den europäischen Ländern immer noch große Diasporagemeinschaften aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien. 2006 lebten z. B. in Großbritannien 16.213 Menschen aus Südafrika. In Portugal findet man überwiegend Migranten aus den portugiesischsprachigen afrikanischen Ländern wie z. B. die Kapverden34 Guinea-Bissau, Angola oder Mosambik.35 Im Jahre 1999 lebten 77.000 Westafrikaner in England, die meisten aus Ghana und Nigeria stammend. 80.000 Ivorer und 60.000 Senegalesen lebten 2001 in Frankreich. Zwischen Senegal und Frankreich besteht nach wie vor ein intensiver akademischer, wissenschaftlicher und kultureller Austausch, der durch historische und sprachliche Beziehungen (Kolonialisierung und die französische Sprache) und ähnliche Bildungssysteme begünstigt wird.36 Deswegen ist Frankreich immer noch das wichtigste Zielland von Studenten aus Senegal, nämlich mit 9.200 senegalesischen Studenten im Jahre 2006.37 Man kann allgemein feststellen, dass Migranten aus Ghana und Nigeria überwiegend in England, Deutschland und Holland ansässig sind, während Migranten 30 31 32 33 34 35 36 37
Herm 2008, S. 3. Vasileva 2009, S. 2. Schmid/Borchers 2009, S. 15. Hervorzuheben ist, dass diese die Wahl des Ziellandes von komplexen persönlichen und strukturellen Gründen beeinflusst wird, die wissenschaftlich noch nicht genügend erforscht wurden. 2006 lebten ca. 1.723 kapverdische Einwanderer in Portugal. Vgl. Hern 2008, S. 10. Mehr dazu: Crause 1998. Panizzon 2008, S. 5. www.Senat.fr.
62
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
aus den Kapverden hauptsächlich in Portugal, Italien, Holland und Spanien zu finden sind, wohingegen die kamerunischen und malischen Auswanderer überwiegend in Frankreich leben.38 Heutzutage sind südeuropäische Länder wie Spanien und Italien aufgrund der Beschäftigungsmöglichkeiten für wenig qualifizierte Einwanderer attraktiver geworden. Im Jahre 2000 waren 36.000 Senegalesen offiziell in Italien registriert.39 Nach den Einschätzungen von SOPEMI nahm z. B. die Zuwanderung von Senegal und Nigeria nach Spanien in den vergangenen fünf Jahren jährlich zwischen 25 % und 15 % zu.40 Um ein weiteres Beispiel anzuführen, bildet die kamerunische Diaspora in Deutschland eine der wichtigsten afrikanischen Gemeinschaften. Die Zahl der Menschen kamerunischer Herkunft in Deutschland hat sich von 1991 bis 2006 fast versechsfacht.41 In den letzten Jahren ist die Zahl der Migranten aus Côte d’Ivoire in Großbritannien von 5000 auf 7000 gestiegen, wobei es sich überwiegend um Studenten handelt.42 Dabei ist Großbritannien nicht das klassische Zielland von Migranten aus frankophonen Ländern Afrikas. Diese Zunahme der Zahl der Ivorer in Großbritannien und der Kameruner in Deutschland zeigt, dass die Wahl des Ziellandes durch komplexe Gegebenheiten und Netzwerke beeinflusst wird und sich im Laufe der Zeit verändert. 2.4
Migranten aus Afrika in Deutschland
Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Österreich und Schweden sind die EU-Staaten mit dem höchsten Anteil von Drittstaatsangehörigen.43 In Deutschland lag dieser Anteil bei 7,2 Mio.44 Im Jahre 2005 lebten 10.143.626 Migranten in Deutschland und bildeten 12,3 % der Bevölkerung45 mit einem Flüchtlingsanteil von 8,3 %. Die Deutschen, die auswanderten, bildeten knapp 5,0 % der Bevölke-
38 Es ist davon auszugehen, dass England, Frankreich, Spanien und Italien die bevorzugten Zielländer von Migranten aus Afrika in Europa bleiben. 39 Black/Richmond 2003, S. 7. 40 OECD/SOPEMI 2007, S. 2. 41 Mehr dazu: Schmelz 2007. 42 Diese Zahlen ergeben sich in Anlehnung an: Black/Tiemoko 2003, S. 7. 43 Tomei 2001, S. 20. 44 Statistisches Bundesamt 2009, S. 32. 45 Die Einwohnerzahl in Deutschland lag 2006 bei 82 Mio.
63
Migranten aus Afrika in Deutschland
rung.46 Die zehn wichtigsten Herkunftsländer der Einwanderer in Deutschland sind die Türkei, Serbien und Montenegro, Italien, Griechenland, Polen, Kroatien, Österreich, Bosnien und Herzegowina, Russland und Portugal. Diese lassen sich statistisch in der folgenden Tabelle 1 erfassen: Tabelle 1: Staatsangehörigkeit von Ausländern in Deutschland47 Türkei
1.688.370
Italien
523.162
Polen
393.848
Griechenland
287.187
Kroatien Russische Föderation
188.253
Serbien und Montenegro (ehem.)
177.330
Österreich
175.434
Bosnien-Herzegowina
156.804
Serbien
136.152
Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland 2009, S. 33.
Die Türkei steht an der Spitze der Herkunftsländer der Migranten mit 1.688.370 Staatsangehörigen.48 Darauf folgt Italien mit 523.162 Angehörigen. Afrika allgemein erscheint nicht in dieser Statistik, da der Anteil von den in Deutschland lebenden Menschen mit einer afrikanischen Staatsangehörigkeit im Vergleich zu den Migranten anderer Staatsangehörigkeit der oben dargestellten Abbildung immer noch gering ist. Aus Tabelle 1 lässt sich ableiten, dass Deutschland im Vergleich zu Frankreich, Italien und Großbritannien bislang ein weniger attraktives Einwanderungsland für die afrikanischen Migranten zu sein scheint. Jedoch nimmt die Zahl der Migran-
46 http://siteresources.worldbank.org/INTPROSPECTS/Resources/334934-1199807908806/Germany.pdf (03. 03. 2010). 47 Stand: 31. 12. 2009. 48 Hierbei ist zu erwähnen, dass viele Migranten inzwischen eingebürgert worden sind und deswegen nicht mehr in diesen Statistiken erfasst werden.
64
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
ten aus Afrika zu. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes stammten 12,3 % der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer im Jahre 2003 aus Asien, 4,2 % aus Afrika (270.000), 3,1 % aus Amerika und 0,2 % aus Australien und Ozeanien.49 Der Anteil der Staatenlosen oder nichtdeutschen Personen mit unbekannter Staatsangehörigkeit bildete knapp 1 %. Die größte Nationalitätengruppe der ausländischen Bevölkerung in Deutschland stellten die Türken mit 26,1 %. Im Jahre 2005 (31. Dezember) lebten 274.929 Menschen aus Afrika in Deutschland. Historisch gesehen, lassen sich aus den verschiedenen afrikanischen Ländern zwei Hauptwanderungsbewegungen identifizieren: • die erste Einwanderungsgruppe, die überwiegend aus Marokko50 und Ghana stammt, • die zweite Einwanderungsgruppe, die hauptsächlich aus Kamerun und Kenia stammt.51 In Deutschland ist die Zahl der Migranten aus Westafrika zwischen 1995 und 2000 gestiegen.52 Im Jahre 1995 wurde die Zahl der westafrikanischen Migranten auf 75.372 geschätzt. Im Jahre 2000 war sie mit 85.026 leicht gestiegen. Jedoch ist ein leichter Rückgang bei manchen Ländern zu verzeichnen wie z. B. bei den Kapverden, Tschad und Liberia.53 Die Zahl der kamerunischen Migranten in Deutschland hat sich fast verdoppelt. 1995 lebten offiziell 4.513 Kameruner in Deutschland; nach fünf Jahren waren es 9.311.54 Laut einer Studie des »Hochschulinformationssystems« (HIS)55 gehörte Kamerun im Wintersemester 2006/2007 zu den wichtigsten Herkunftsländern ausländischer Studierender in Deutschland. Nach Marokko stand Kamerun an zweiter Stelle mit 5.368 Studenten.56 China stand an erster Stelle mit 25.651 Stu-
49 Statistisches Bundesamt 2007. 50 Der große Anteil von Marokkanern und Tunesiern an der afrikanischen Abwanderung nach Deutschland ist in erster Linie mit der Gastarbeiterrekrutierung der 1960er Jahre in Deutschland und dem darauf folgenden Familiennachzug zu begründen, vgl. Baraulina/Borchers/Schmid 2008, S. 15. 51 Baraulina et al. 2008, S. 11. 52 70 bis 90 der Migranten aus Westafrika sind Männer, meistens zwischen 20 und 39 Jahre alt. 53 Black/Tiemoko 2003, S. 20. 54 Hervorzuheben ist, dass die Migration aus Kamerun überwiegend eine Bildungsmigration ist. 55 Vgl. Hammer 2008, S. 16. 56 Vgl. Hammer 2008, S. 16. 27,0 der kamerunischen Migranten leben in Nordrhein-Westfalen, 16,8 in Baden-Württemberg, 9,4 in Hessen und 6,2 in Bayern.
Kategorien von Migranten
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denten, Bulgarien befand sich auf dem zweiten Platz mit 11.816, Polen belegte den dritten Platz mit 11.651 Studenten. Die oben durchgeführte Analyse zeigt, dass die Zahl der afrikanischen Migranten in Europa wächst und dass Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien und England zu interessanten Ziele für diese Migranten werden. Welche Typen lassen sich bei diesen Migrationsbewegungen unterscheiden? 2.5
Kategorien von Migranten
Eine der wesentlichen Forschungsfragen lautet: Welche Typen von afrikanischen Migranten werden in den Medien konstruiert? Diese Frage erfordert eine Analyse der unterschiedlichen Typen von afrikanischen Migrationsbewegungen. In Anlehnung an Untersuchungen über die Wahrnehmung von Ausländern in den deutschen Medien wird hierbei vermutet, dass die Thematisierung der afrikanischen Migranten hauptsächlich auf die »illegalen« bzw. die »nicht-dokumentierten« Migranten fokussiert ist. Die afrikanischen Migranten werden allgemein in zwei Kategorien dargestellt: die legalen Einwanderer, die in den Aufnahmeländern erwünscht und besser integriert sind, und die illegalen Einwanderer, also die nichtdokumentierten und nicht erwünschten. Im Folgenden werden Migranten zwar nicht im Sinne dieser zwei Kategorien behandelt, aber hervorzuheben ist, dass nicht alle komplexen Migrantentypen in diesem Kapitel typologisiert werden können. Denn es entstehen ständig wechselnde Konstellationen in den Migrationsbewegungen und neue gemischte und komplexe Formen. 2.5.1
Asylsuchende, Flüchtlinge und irreguläre Migranten
Aufbauend auf die These, dass die Debatte über die Migration aus Afrika in den medialen Konstruktionen stark auf die »illegalen« Migranten fokussiert ist, stellt sich die Frage, wie dieser Migrationstypus in der Literatur dargestellt wird. Zwischen den Kategorien der irregulären Migranten und der Flüchtlinge, so stellt auch Sophie Westermann fest, wird die Trennlinie immer durchlässiger, so dass beide Kategorien oft nicht klar unterschieden werden können. In dieser Arbeit werden neben der Bezeichnung »illegale Migranten« auch Begriffe wie »irreguläre« und »undokumentierte« Migranten als Synonyme verwendet. In den letzten fünfzehn Jahren ist ein Rückgang der Erstanträge von afrikanischen Asylsuchenden in Deutschland festzustellen. 1992 lag die Zahl bei 67.408, sank aber im Folgejahr auf 37.570. Im Jahre 2000 waren 9.594 Erstanträge afri-
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
kanischer Asylsuchender registriert worden, während es im Jahre 2007 nur noch 3.486 waren. Die Hauptherkunftsländer dieser Asylantragsteller waren Algerien, Äthiopien, die Demokratische Republik Kongo (ehemals Zaire), Nigeria, Togo und Ghana.57 Es ist zu erwähnen, dass in Deutschland die Zahl der Anerkennung von Anträgen afrikanischer Asylsuchender relativ gering ist. Die Asylberechtigungsrate lag im Jahre 2007 bei 0,6 % und die Rate von Abschiebeschutz und Abschiebeverbot bei 12,5 %. Der Rückgang dieser Anträge ging einher mit einer Änderung des Asylrechts. Anträge aus Herkunftsländern, die von Deutschland als relativ sicher klassifiziert werden, werden am häufigsten abgelehnt. Die Zahl der Erstanträge von Asylsuchenden aus Ghana zum Beispiel sank in den letzten Jahren, da das Land seit 1993 zu den sicheren Ländern gezählt wird.58 In den USA werden die irregulären Migranten auf 12 Mio. und in der EU auf zwischen 5 und 7 Mio. geschätzt.59 Die »irreguläre« Migration wird unterschiedlich definiert. Die Begriffe »illegal« in Deutschland, »sans papiers« (Papierlose) in Frankreich und »clandestini« in Italien weisen auf die Schwierigkeit der Definition hin. Allein die Tatsache, »illegal« zu sein, bedeutet, überhaupt nicht existieren zu dürfen und ohne Rechte zu leben. Die Illegalität impliziert eine Normenverletzung.60 Der Status »legal« oder »illegal« wird von den Gesetzen konstruiert.61 Laut Jahn definieren die Gesetze, was als »legal« oder als »illegal« gilt.62 Die Verschärfung der Einwanderungsbedingungen in den EU-Ländern einerseits und der erhöhte Wanderungsdruck anderseits lösen eine vermehrte illegale Zuwanderung aus. Wann und wie entsteht »illegale« Migration?63
57 58 59 60 61 62
Baraulina et al. 2008, S. 21. Ebd. Wihtol de Wenden 2009, S. 11. Jahn 1999, S. 99. Mehr zur Konstruktion des Begriffs »Flüchtling«: Seukwa 2007, S. 69–83. Der Grad der Illegalität hängt stark von dem Land bzw. der Region ab, wo der Migrant sich befindet. Daraus folgt, dass Illegalität ein relativer Begriff ist. 63 »Bislang hat die Erforschung irregulärer Migrationsbewegungen gezeigt, dass »irreguläre Arbeitsmigranten« insbesondere in Europa vielfach mit einem Touristenvisum einreisen, um während der üblicherweise dreimonatigen Aufenthaltserlaubnis unerlaubt zu arbeiten, oder aber, einmal eingereist, nicht wieder auszureisen.« Düvell 2006, S. 77.
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Kategorien von Migranten
Abbildung 3: Statuswechsel des Migranten
Immigranten
illegale Grenzüberschreitung
legale Grenzüberschreitung
legaler Aufenthalt/ Visum
Ablauf des Visums/ keine Verlängerung
Regulierung der Situation
keine Regulierung der Situation
legaler Migrant
Statuswechsel vom legalen zum illegalen Migranten
Statuswechsel vom illegalen zum legalen Migranten
der Migrant bleibt illegal oder wird abgeschoben
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Jahn 1999.
Ein Ausländer, dessen Aufenthalt legal ist, kann seinen legalen Status verlieren und sich in einer illegalen Situation befinden, wenn er nicht mehr die Bedingungen des Bleiberechts erfüllt. Hervorzuheben ist auch, dass ein Mensch mit einem illegalen Status64 das Aufenthaltsrecht erhalten kann und sein Status somit legalisiert wird, wie Abbildung 3 darstellt.
64 Im Forschungsbereich der irregulären Migration ist die Dunkelziffer vermutlich sehr hoch, da viele irreguläre Migranten statistisch nicht erfasst sind. Sie gelten als illegal und es gelingt ihnen, in dem Aufnahmeland zu bleiben, weil sie nicht registriert sind und deswegen nicht abgeschoben werden können.
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In der letzten Dekade des 20. Jahrhundert hat die Zahl der Afrikaner, die über den Seeweg europäischen Boden erreichen wollen, stetig zugenommen. Mit den »Cayucos« (selbstgebaute kleine Boote) wird versucht, Europa auf dem Seeweg zu erreichen. Schlepper versprechen gegen exorbitante Geldsummen Hilfe und Erfolg bei der illegalen Einreise. Jedoch endet die Odyssee oft katastrophal, mit unzähligen Todesfällen und traumatisierten Überlebenden und Verletzten.65 Allein im Jahr 2004 erklärte Libyen, 54.000 Afrikaner, die illegal auf dem Weg nach Europa waren, abgeschoben zu haben. Von Januar bis Oktober 2006 waren 27.000 illegale afrikanische Einwanderer auf den kanarischen Inseln (Spanien) und ca. 17.000 auf der Insel Lampedusa (Italien) gelandet. Bei den gefährlichen Überfahrten in seeuntüchtigen Booten kommt es jährlich in den nordafrikanischen Transitländern zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen.66 Vor den Küsten Europas werden tragische Unfälle und Todesfälle registriert. Von 1993 bis 2009 hat das europäische Netzwerk gegen Nationalismus, Rassismus, Faschismus und zur Unterstützung von Migranten und Flüchtlingen, »UNITED for Intercultural Action«, 13.250 Todesfälle von »Seeflüchtlingen« dokumentiert. Die meisten davon stammten aus Afrika.67 Die verstärken Grenzkontrollen der EU seit 2005 durch die europäische Grenzschutzagentur mit Sitz in Warschau, Frontex,68 halten die Migrationswilligen nicht ab, sondern zwingen sie, neue gefährliche Routen zu suchen, was wiederum zu mehr Todesfällen führt.69 Allein im Jahr 2003 gab es nach den offiziellen Angaben ca. 358 und 2004 233 Todesfälle.70 Nach Einschätzung der Vertretung der Vereinten Nationen in Nairobi (Kenia) seien derzeit ca. 18 Mio. Menschen in Afrika »auf dem langen Marsch nach Norden«,71 sei es auf legalem oder irregulärem Weg. In der Zeit nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Kolonien von den jeweiligen Kolonialmächten waren die ersten Migranten hauptsächlich Studenten und Industriearbeiter. Heutzutage haben sich neue Prägungen entwickelt. Woher und 65 Die legale Migration von Süden nach Norden mittels eines Visums ist im Zeitalter der Globalisierung und der starken Nord-Süd-Kluft sehr schwierig geworden. 66 Sechs Immigranten wurden vermutlich zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla von marokkanischen Sicherheitskräften bei einem Massenansturm erschossen. Allein innerhalb von zwei Wochen wurden 2005 in Melilla und Ceuta vierzehn Menschen bei exzessiver Gewaltanwendung getötet. Vgl. Burghardt 2008, S. 7. 67 http://www.unitedagainstracism.org/pdfs/listofdeaths.pdf. 68 Frontex bedeutet »Frontières extérieures« oder »European Agency for the Management of Operational Cooperation at the External Borders of the Member States of the European Union«. 69 Vgl. Clochard 2008–2009, S. 124. 70 Prantl 2005, S. 2. 71 Chimelli 2005, S. 2.
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wohin die »irregulären« Migrationswilligen aus Afrika auswandern, hängt stark von komplexen Faktoren wie Migrationsnetzwerken, Migrationskapital und auch von Zufällen ab, die im Laufe der Wanderung vorkommen. Bei vielen sogenannten »Abenteuern« sind sowohl das Migrationsziel als auch die Wege nicht von vornherein kalkuliert. Die Ankunft in einem EU-Land ist im Rahmen des ersten Migrationsabschnitts ein Erfolg. Die »irreguläre« Form der Abwanderung aus Afrika nach Europa über den Atlantik, die sich seit Ende der 1990er Jahre entwickelt und stark zugenommen hat, findet sowohl in der internationalen Medienarena als auch in den Medien der Herkunfts-, Transit- und Zielländer ein besonderes Interesse. In SSA stammen die Migrationswilligen überwiegend aus Westafrika, wo es einen besseren Zugang zum Meer gibt. Neben den nordafrikanischen Ländern sind Länder wie Senegal und Mauretanien inzwischen nicht nur Entsendeländer, sondern auch Transitländer geworden. In Senegal, wo das Phänomen ein großes Ausmaß angenommen hat, ist die Migration nach Europa über den Seeweg eine alltägliche und soziale Angelegenheit.72 Mit der Hilfe von Schleppern nutzen die überwiegend aus West-, Zentralund Ostafrika stammenden Migrationswilligen zwei Hauptrouten: Menschen vom Horn von Afrika (aus Somalia, Eritrea und Äthiopien) gelangen durch Sudan nach Libyen. In Libyen durchqueren sie die Oase Kufra und treffen dort auf Menschen aus Tschad, Nigeria und Kamerun. Eine weitere Hauptroute verläuft von Westafrika nach Agadez in Niger. Von dort ziehen viele in die libysche Oase Sebha weiter und dann zur libyschen Mittelmeerküste, nach Tunesien oder nach Algerien. Diejenigen, die über höhere finanzielle Mittel verfügen, fliegen mit dem Flugzeug nach Niger oder Tschad und von dort führen sie ihre Reise nach Europa weiter. Die folgende Karte (Abbildung 4) veranschaulicht diese Hauptrouten vom Süden im Richtung Norden:
72 Es entsteht sogar ein neues Vokabular, das diese Abwanderung beschreibt. Sie wird als »Djihad« bezeichnet. Dies bedeutet, dass die Jugendlichen, die es riskieren, auf dem Seeweg nach Europa ums Leben zu kommen, sich als »heilige Krieger« sehen. »Mbeukeu« bezeichnet diese Reise als einen abenteuerlichen Weg ins fremde Land.
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Abbildung 4: Migrationsrouten von irregulären Migranten aus Afrika nach Europa
Quelle: FAZ-BiblioNet, 13. 10. 2005, S. 6.
Im medialen und politischen Diskurs über Migration aus Afrika werden die Begriffe »illegal«, »irregulär« und »Flüchtlinge«73 oft synonym verwendet oder gleichgestellt. Auch von afrikanischen Regierungen und Medien werden diese Begriffe übernommen und verwendet.74 Es wird bei der Definition des Flüchtlings, englisch »Refugee«, eine persönliche Verfolgung vorausgesetzt. Die Anerkennung des Status von afrikanischen Flüchtlingen erfolgt in der postkolonialen Zeit. Die ehemaligen afrikanischen Kolonien konnten sich erst nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit mit der Flüchtlingsproblematik auseinandersetzen, da nur souveräne Staaten als Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention (1955) gelten konnten. Hierbei werden die Fluchtbewegungen der vorkolonialen und kolonialen Zeit in Afrika nicht berücksichtigt. In Anlehnung an die OAU75-Flüchtlingskonvention von 1969 erkannte die Flücht73 Wie bereits in Abschnitt 1.6 definiert, sind Flüchtlinge Menschen, die aufgrund von Verfolgung oder gewalttätigen Konflikten unfreiwillig ihren gewohnten Lebensraum verlassen müssen, um einen neuen Aufenthaltsort in einem sicheren Gebiet zu suchen. 74 Marfaing 2008, S. 2. 75 Organisation for African Unity (Organisation der Afrikanischen Einheit).
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lingskonvention auf internationaler Ebene Menschen als Flüchtlinge an, die durch Krieg bedroht sind.76 […] The majority of the world’s refugees move within the South. Many of these have been in exile for long periods and there is increasing concern about the impact of such protracted displacement on the identities and livelihoods of the displaced, as well as the security and stability of source and host countries.77
Nach Einschätzung des UNHCR spielen sich die größten Flüchtlingsdramen nicht in Europa, sondern in den ärmeren Regionen der Welt ab.78 Laut Loren B. Landau79, Direktor des »Forced Migration Studies Programme« der Witwatersrand-Universität in Johannesburg in Südafrika, steht Afrika an der Spitze aller Formen der internen und externen Wanderungsbewegungen. Diese freiwilligen oder unfreiwilligen Bewegungen sind auf die sozialen, politischen, wirtschaftlichen und sicherheitsbezogenen Probleme der Kontinente zurückzuführen. Die unfreiwilligen Abwanderungen verursachen Sicherheits- und Identitätsprobleme sowohl in den Herkunftsländern als auch in den Aufnahmeländern. Viele zwischenstaatliche Kriege sind zum Teil entstanden durch die von den Kolonialmächten willkürlich gesetzten Grenzen und das Zusammenfügen von unterschiedlichen Völkern, ebenso durch diktatorische Militärregime, interne Konflikte zwischen ethnischen Gruppen oder Milizengruppen. Diese Kriege sind die Hauptgründe, die jährlich Millionen Menschen in Afrika dazu veranlassen, ihren Heimat- oder Wohnort unfreiwillig zu verlassen, um in den Nachbardörfern und -regionen, aber auch außerhalb Afrikas Zuflucht zu suchen. 2.5.2
Afrikanische Minderjährige in der Migration
Unter Kindern in der Migration versteht man Minderjährige, die aus Migrantenfamilien stammen, die ihr Geburts- und Heimatland verlassen, um zu ihren Eltern zu gelangen und mit ihnen im Aufnahmeland zu leben. Nicht nur in der legalen Migration sind Kinder Akteure, sondern ihre Zahl nimmt auch in der irregulären Migration stetig zu. Im Bezug auf diese Problematik stellt die AU fest:
76 Hierbei ist zu erwähnen, dass Menschen, die innerhalb eines Landes geflohen sind, nicht als Flüchtlinge gelten, sondern als »innerstaatlich Vertriebene« (»internally displaced persons«). Vgl. Richter 2002, S. 61. 77 Bakewell 2009, S. 57. 78 Bauer 2001, S. 13. 79 Landau 2009, S. 75.
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In many parts of the world, including certain regions in Africa, child trafficking is a critical challenge that must be addressed from different angles including targeted prevention campaigns, protection and assistance to victims of trafficking, training of relevant authorities on how to address trafficking challenges and prosecution of traffickers and their accomplices. Children born migrants should receive special attention.80
Auch im »Muscles Drain«, gemeint ist die Abwanderung von Sportlern, sind zahlreiche Minderjährige aus den Entwicklungsländern registriert. Im Rahmen der Kindermigration sind in Italien 1.006 Fußballspieler unter fünfzehn Jahren registriert, die aus Nicht-EU-Ländern stammen. Nach den Einschätzungen der Behörden ist ein Teil von diesen Kindern nach Italien eingeschleust worden. Die Vermittler, die seit Jahren in Afrika, Lateinamerika und Australien auf der Suche nach Talenten sind, verlassen diese Kinder, wenn sie nicht die erwartete sportliche Leistung bringen, so ein Bericht der Süddeutschen Zeitung.81 Afrika gilt als eine der großen Herkunftsregionen von Fußballspielern für viele europäische Fußballmannschaften.82 Auch wenn der Fußballsport ein großer Markt für den afrikanischen Kontinent geworden ist, erzielt dieser Kontinent jedoch nicht die entsprechenden Gewinne, wie Jean-Michel Meyer festgestellt: »Devenue une usine à produire des footballeurs, l’Afrique exporte ses jeunes champions dans le monde entier. Un marché en pleine expansion, dont elle peine à récupérer les bénéfices.«83 In weltweiten Profiligen spielen mehr als 1.000 afrikanische Sportler.84 Diese tragen zum positiven Image des Kontinents bei, finanzieren und unterstützen dank ihrer großen Verdienste soziale Projekte in ihren Herkunftsländern. Aber je attraktiver das Fußballgeschäft für die Jugend in Afrika wird, desto mehr nehmen dubiose und kriminelle Geschäfte zu, wie etwa der Menschenhandel.85 Nicht nur junge Erwachsene erhalten von undurchsichtigen Geschäftsmännern und Vermittlern oftmals falsche Versprechungen hinsichtlich des Erfolgs und der Mannschafts80 African Union, Experts’ Meeting on Migration and Development 2006, S.8. 81 SZ, 28. 02. 2000, S. 44. 82 Raffaele Poli notiert, dass afrikanische Fußballspieler 20 der ausländischen Spieler in den europäischen Mannschaften repräsentieren. Vgl. Mandard 2006, S. 21. 83 Meyer 2008, S. 65. 84 Seitz 2009, S. 99. 85 Der Roman von Fatou Diome stellt die Situation einer senegalesischen Migrantin dar, die in Frankreich lebt und deren Bruder nach Europa auswandern will, um seinen Traum vom großen Fußballspieler zu verwirklichen. Die Schwester, die selbst bittere Erfahrungen als Migrantin macht, versucht ihren Bruder vor der Abwanderung zu warnen. Sie unterstützt ihn darin, eine Grundexistenz zuhause in Senegal aufzubauen. Vgl. Diome 2004.
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mitgliedschaft in Europa, sondern es werden jährlich auch Tausende afrikanische Minderjährige nach Europa gebracht, ausgebeutet und sich selbst überlassen.86 In Frankreich stammen diese minderjährigen Fußballspieler hauptsächlich aus Mali, Senegal, Benin, Guinea, Côte d’Ivoire und Kamerun. Im Jahre 2008 wurden mehr als 1.000 Minderjährige und Jugendliche ohne Begleitung, genannt »mineurs étrangers isolés«, aus verschiedenen Entwicklungsländern am französischen Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle eingetroffen. Viele davon stammten aus den afrikanischen Ländern.87 Auch in der irregulären Migration nach Europa werden immer mehr afrikanische Kinder registriert, sogar bei den Migrationsrouten über den Seeweg. Wie viele bisher bei der Überquerung des Meeres ums Leben gekommen sind, ist ein Rätsel. Nun stellt sich die Frage, welchen Platz sowohl dieser besonderen Gruppe von Migranten, den Kindern, als auch den Frauen in der medialen Debatte gewährt wird. 2.5.3
Feminisierung der Migration aus Afrika
Der Weltbevölkerungsbericht 2006 des »Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen« (UNFPA) stellt eine »Feminisierung der Migration« fest. Von den weltweit 191 Mio. Migranten sind fast die Hälfte Frauen, insgesamt 95 Mio.88 Der Anteil von Frauen in der internationalen und interkontinentalen Migration wächst ständig. Im Jahre 2000 betrug der Frauenanteil bei der weltweiten Migration 47,5 %. In den Industrieländern lag er bei 50 %.89 Von den Migrationsgesetzen wird ein besserer Schutz für Frauen gefordert, denn Millionen von ihnen sind Opfer von Menschenhandel, Ausbeutung und Misshandlung.90 Nach der Einschätzung des »Human Development Report« lag im Jahr 2005 der Anteil der Frauen in der internationalen Migration aus Afrika bei 47,8 %.91 Auch die afrikanische Migration wird weiblich. Allein bei den Migranten aus Kap Verde in Italien lag 2005 der Frauenanteil bei 85 %.92 Selbst bei den neuen »irregulären« Migrationswellen mittels des gefährlichen nordafrikanischen Seeweges nimmt der Anteil von Frauen und Kindern zu.
86 87 88 89 90 91 92
Seitz 2009, S. 101. Mandraud 2009, S. 19. Dieser Abschnitt basiert hauptsächlich auf: Tsagué Assopgoum 2010a, S. 33–34. FAZ, 03. 11. 2000, S. 8. Wermelskirchen 2006, S. 9. Human Development Report 2009, S. 146. Simon 2008–2009, S. 68.
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Eine Studie von Sieveking über Migrantinnen afrikanischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen zeigt einen hohen Anteil an Frauen. Bei Migranten aus Ghana beträgt der Frauenanteil 56 %, aus Kongo 50 %, aus Kenia 71 % und aus Kamerun 44 %.93 Die kamerunischen Migrantinnen verfügen über einen hohen Bildungsgrad. Was die Bildungsmigration in Deutschland anbelangt, betrug im Jahr 2007 der Frauenanteil aus Afrika (einschließlich Nordafrika) 21,9 %. Bei Migranten aus Südafrika beläuft sich dieser Anteil auf 45,7 %. Bei den Studierenden aus Kenia liegt der Frauenanteil sogar bei mehr als 53 %. Madagaskar zeigt ebenfalls eine starke Frauenbeteiligung mit über 50 %.94 Auch bei den Bildungsmigranten aus Kamerun in Deutschland ist ein starker Anstieg der Frauenbeteiligung innerhalb der letzten zehn Jahre festzustellen. Im Jahre 2006 lebten 5.732 kamerunische Frauen in Deutschland. Dies entspricht 39,8 % der kamerunischen Migrantengruppe. Der Anteil von Studentinnen aus Kamerun lag im Wintersemester 1995/1996 bei 20,7 % (1.601 kamerunische Studierende und darunter 332 Frauen). Im Wintersemester 2005/2006 betrug er 31,3 % (5.521 kamerunische Studierende und darunter 1.730 Frauen).95 Bei den in Deutschland lebenden Afrikanern, die im Jahre 2007 eine zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen erhalten hatten, lag der Anteil von Frauen bei 48,3 %.96 Der wachsende Anteil von afrikanischen Frauen in der heutigen internationalen Migration ist auf unterschiedliche kulturell-soziale, religiöse, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen zurückzuführen. Betrachtet man die Entwicklung der Alphabetisierungsrate in vielen afrikanischen Ländern, stellt man fest, dass der Anteil von Frauen und Mädchen ebenfalls gestiegen ist. Diese Alphabetisierung ermöglicht Frauen nicht nur einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern eröffnet für sie neue Perspektiven. Zu diesen Perspektiven gehören Weiterbildung und die Suche nach anderen Entfaltungsmöglichkeiten in einer globalisierten Welt. Laut Nadine Sieveking ermöglicht die internationale Migration den Frauen mehr Selbständigkeit, sich als Arbeitskräfte und »nicht mehr nur als Hausfrauen und Mütter« zu behaupten.97 Anhand der Fallstudien in den Sahel-Ländern über die Veränderungen der Lebenssituationen von Frauen durch die Arbeitsmigration stellt Grawert fest, dass die bestehenden Geschlechterverhältnisse in den betroffenen Ländern für die
93 94 95 96 97
Sieveking 2009, S. 14. Baraulina et al. 2008, S. 23. Schmelz 2007, S. 7. Baraulina et al. 2008, S. 21. Vgl. Sieveking 2009, S. 7.
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Migration der Männer günstiger sind als für die Frauenmigration.98 Durch die ungleichen Geschlechterverhältnisse und Ressourcen treffen Frauen und Männer unterschiedliche Abwanderungsentscheidungen und erfahren unterschiedliche Abwanderungsprozesse, wie Sieveking erläutert: Männer migrieren anders als Frauen. Sie durchleben und erfahren den Migrationsprozess auf verschiedene Weise, migrieren aus unterschiedlichen Gründen, unter verschiedenen Bedingungen, haben unterschiedlichen Zugang zu ökonomischen Ressourcen und sozialen Netzwerken und finden unterschiedliche Hindernisse oder Möglichkeiten vor.99
Dennoch wandern in die europäischen und nordamerikanischen Länder immer mehr afrikanische Frauen als Studentinnen, Ehefrauen, Ehefrauen ohne Begleitung von ihren Ehemännern, geschiedene Frauen, Arbeitsuchende, Pflegekräfte, Beschäftigte im Haushalt oder Geschäftsfrauen aus. Die Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften auf internationaler Ebene wächst zwar, aber Missbrauch und Gewalt in Haushaltsjobs100 und in der Sex-Industrie stellen für Frauen eine große Gefahr dar. Viele Frauen sind vor der Gewalt in ihren Herkunftsgesellschaften geflohen und haben in den Aufnahmeländern anstelle von Schutz und Hilfe wieder nur Gewalt und Missbrauch erfahren. Laut dem Bericht der Vierten Weltfrauenkonferenz von Beijing 1995 sind Frauen und Kinder am häufigsten die ersten Opfer gewalttätiger Konflikte. Häufige Folgen sind unfreiwillige Auswanderungen.101 In vielen afrikanischen Gesellschaften haben sich die Geschlechterverhältnisse durch das Gender Mainstreaming102 verändert und verbessert, so dass Frauen besseren Zugang sowohl zu den Bildungsressourcen als auch zu den Netzwerken der Migration haben. Wenn die Einschulung und Bildung von Frauen und Mädchen selbstverständlicher geworden sind, wird auch die Finanzierung des Migrationsprozesses von weiblichen Kindern leichter akzeptiert. Außerdem haben sich die Gesetze wie im Falle von Kamerun zugunsten der Mobilisierung von Frauen geändert. Die Migration von Frauen aus Gesellschaften mit ungleichen geschlechterspezifischen Verhältnissen kann eine Flucht darstellen und Ausdruck einer Suche
98 Grawert 1994, S. 217. 99 Sieveking 2009, S. 7. 100 Mehr zu Gender, Migration und Haushaltsjobs in Europa: Gallotti 2009. 101 Die Aktionsplattform von Beijing 1995 widmet ein Kapitel ihres Berichtes dem Thema Frauen und bewaffnete Konflikte. 102 Gender Mainstreaming ist die Strategie, die darauf abzielt, die unterschiedlichen Auswirkungen aller Vorhaben und Entscheidungen auf Frauen und Männer zu überprüfen. Dabei müssen unterschiedliche Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern berücksichtigt werden.
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nach mehr Freiheit, anderen Lebensweisen und Entfaltungsmöglichkeiten für die Frauen sein: So können Frauen, anders als Männer, in der Migration eine Chance sehen, da sie ihnen neben einer qualifizierten Ausbildung die Emanzipation von der patriarchalen Herrschaftsordnung ermöglicht.103
Die Abwanderung bedeutet für die afrikanischen Frauen mehr Möglichkeiten, sich besser auszubilden und ihr Potential sowohl für das Aufnahmeland als auch für das Herkunftsland zu nutzen. Männer erleben in den europäischen Aufnahmeländern eine andere Rollenverteilung, denn geschlechtsspezifische Statuszuschreibungen werden durch andere Rahmenbedingungen als in den afrikanischen Gesellschaften bestimmt. Die Chancen der Frauen afrikanischer Herkunft in der Migration sollten auch nicht überbewertet werden. Im Westen erleben sie andere Formen von Frauendiskriminierung bzw. Sexismus und Rassismus. Im Gegensatz zu den Männern begegnen sie anderen geschlechtsspezifischen Hindernissen und werden öfter bei den Migrationsfragen vernachlässigt. Genauso wie die Männer in der Migration leiden diese Frauen an mangelnder Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation in den Aufnahmeländern. Die Afrikanische Union fordert deswegen eine Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Hindernissen bei der Migration und einen besonderen Schutz für Frauen.104 Die schwache Präsenz von afrikanischen Frauen an der Spitze von Migrantenorganisationen in Deutschland führt dazu, dass die Thematisierung der afrikanischen Migration öfter zu sehr auf die Männer fokussiert ist. Dennoch leisten diese Frauen wichtige Arbeit an der Basis und organisieren sich aufgrund der schwierigen Vereinbarung von Arbeitsplanung und Familie mehr in informellen Freundeskreisen. Frauen unterstützen laut einem Bericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNFPA ihre Familie und die Erziehung der Kinder in der Heimat
103 Günther 2006, S. 411. 104 »The increasing feminization of migration is a reflection of the changing demands for particular types of skills including the growing demands in the service industries especially for domestic workers, nurses, teachers and other typically female dominated professions. Migrant women’s vulnerabilities to exploitation are highlighted by the frequently abusive conditions under which they work, especially in the context of domestic service and sex industries in which migrant trafficking is heavily implicated. It is therefore important to give particular attention to safeguarding the rights (labour, human rights, inter alia) of migrant women in the context of migration management.« African Union, Experts’ Meeting on Migration and Development 2006 S. 6–7.
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durch regelmäßige Rücküberweisungen.105 Afrikanische Frauen leisten darüber hinaus außerdem nachhaltige entwicklungspolitische Arbeit durch die Gründung kleinerer Geschäftsstrukturen in den Herkunftsländern. 2.5.4
Hochqualifizierte und »Brain Drain«
Die Elitenmigration, als Folge der Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung, ist ein von den Industrieländern geprägter »Kampf um die besten Köpfe« der Entwicklungsländer. Für die Herkunftsländer bedeutet dies einen starken Verlust an Humankapital. Zu den komplexen Beweggründen der intellektuellen Migration und der Bildungsmigration106 aus Afrika zählt das Phänomen des »Brain Overflow«.107 Es werden immer mehr qualifizierte Arbeitskräfte ausgebildet, während weniger Arbeitsplätze für diese zur Verfügung stehen. Weiterhin herrscht in den afrikanischen Ländern eine Verschwendung von intellektuellen Kräften, die aufgrund des Mangels an passenden strukturellen Rahmenbedingungen Tätigkeiten ausüben müssen, für die sie überqualifiziert sind. Die Statistiken über den Verlust von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Ärzten aus Afrika sind alarmierend: 2006 bildeten afrikanische Hochqualifizierte 13,5 % der in der EU lebenden hochqualifizierten Migranten, gefolgt vom Asien mit 9 %.108 Es wird geschätzt, dass jeder vierte afrikanische Arzt im Ausland arbeitet. Allein aus Uganda, wo auf 1000 Einwohner nur 0,1 Arzt kommt (2007),109 sind in letzter Zeit ca. 500 Ärzte nach Europa und in arabische Staaten abgewandert.110 65.000 afrikanische Physiker und 70.000 Fachkräfte im Bereich der Medizin und Pflege arbeiteten im Jahre 2000 in den Industrieländern.111 Laut African Youth Organisation (AYF) haben ca. 30.000 Doktoren, Universitätslektoren, Ingenieure und andere Fachleute seit 1990 den afrikanischen Kontinent verlassen. Mittlerweile verfügen 40.000 der 400.000 qualifizierten Afrikaner in der Diaspora über einen Doktorgrad.112 Erstaunlicherweise gibt der Kontinent jährlich vier Milliar-
105 Simon 2008–2009, S. 69. 106 In Deutschland nimmt die Bildungsmigration aus Afrika zu. Vgl. Baraulina et al. 2008, S. 22–25. 107 Worku Anglana, http://www.africansocieties.org/fr_giugno2002/fr_guidealanuuvelle.htm (13. 07. 2007). 108 Vgl. Katseli/Lucas/Xenogiani 2006, S. 13. 109 http://www.statistiques-mondiales.com/ouganda.htm 110 Seitz 2009, S. 116. 111 Dayton-Johnson et al. S. 7. 112 Jansen 2006, S. 4.
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den US$113 aus, um 100.000 westliche Fachleute zur technischen Unterstützung ins Land zu holen. Trotz dieses erheblichen Verlusts von afrikanischen Hochqualifizierten plädieren weiterhin einige europäische Politiker wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy für eine »immigration choisie«. Dieser »Brain Drain« wird sowohl u. a. von der Zivilgesellschaft als auch von den in Europa lebenden und auch bereits integrierten Migranten aus SSA abgelehnt.114 Die Abwanderung von aktiven und hochqualifizierten Fachkräften aus Afrika verursacht soziale, kulturelle, wirtschaftliche und demographische Probleme in den Herkunftsländern, die die Afrikanische Union (AU) als Hindernisse für die nachhaltige Entwicklung in den Entwicklungsländern betrachtet: This issue is of great concern to African countries since essential skills for development in the region have been lost worsening the already inadequate capacity to meet development challenges. […] Thousands of African professionals including medical doctors, nurses, accountants, engineers, managers and teachers leave their home country each year to pursue better prospects in other countries – both on and off the continent. While this movement may have some limited beneficial effects in certain locales, in developing countries this ›brain drain‹ is a handicap for sustainable development.115
Das letzte Jahrzehnt hat eine neue Form von »Brain Drain« erlebt, nämlich den so genannten »Care Drain«. Während bereits ein akuter Mangel an Personal im Gesundheitswesen in vielen afrikanischen Ländern besteht, wandern immer mehr Fachkräfte des Medizin- und Pflegesektors in die Industrieländer ab. Festgestellt wurde, dass mehr als 21.000 nigerianische Ärzte in den USA praktizieren, wobei in Nigeria auf 1000 Einwohner nur 0,3 Arzt kommt (2006).116 Ungefähr 60 % aller ghanaischen Universitätsabsolventen der Medizin sind seit 1980 ausgewandert, obwohl in Ghana nur 0,2 Arzt für 1000 Einwohner zur Verfügung steht (2007).117 In Manchester arbeiten mehr Ärzte malawischer Herkunft als in ganz Malawi,118 während in Malawi auf 1000 Einwohner knapp 0,02 Arzt kommt (2004).119
113 Vier Milliarden US$ entsprechen 35 der gesamten offiziellen Entwicklungshilfe für Afrika. Vgl. Jansen 2006. 114 Laut einer Befragung sind 69 der Franzosen afrikanischer Herkunft gegen Sarkozys »immigration choisie«. Bertoin 2008, S. 34. 115 African Union, Experts’ Meeting on Migration and Development 2006, S. 4–5. 116 http://www.statistiques-mondiales.com/nigeria.htm. 117 http://www.statistiques-mondiales.com/ghana.htm. 118 Vgl. Wihtol de Wenden 2009, S. 45. 119 http://www.statistiques-mondiales.com/malawi.htm.
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Trotz der akuten Lage, des pandemischen Ausmaßes der Infektionskrankheiten wie HIV/AIDS120 und der Zunahme der Erkrankungen, steigt die Emigration der medizinischen Kräfte aus Südafrika jährlich an. Laut OECD kostete allein dieses Defizit im Medizinbereich Südafrikas von 1995 bis 2002 über eine Milliarde Dollar.121 Das Beispiel Südafrikas122 zeigt, wie die Verschlechterung des Gesundheitswesens und der Arbeitsbedingungen dazu führt, dass dringend benötigtes Personal auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen ins Ausland auswandert. Zur Bekämpfung dieser Missstände im Gesundheitswesen musste Südafrika Ärzte aus dem Ausland (überwiegend aus Kuba) anwerben. Nach den Statistiken der Aufnahmeländer üben in Australien, Kanada, den USA, Neuseeland und Großbritannien ca. 23.400 Menschen südafrikanischer Herkunft einen medizinischen Beruf aus. Diese Zahl entspricht 9,8 % des gesamten Gesundheitspersonals in Südafrika. Die Zahl der in England eingesetzten Krankenschwestern und der anderen Fachkräfte im Medizinbereich aus Südafrika wird als sehr hoch eingeschätzt. Die USA kommen an zweiter Stelle. Von 2000 bis 2002 hat sich die Zahl der Krankenpfleger aus Südafrika in Großbritannien fast verdoppelt. Erwähnenswert ist, dass diese Mobilität zwischen Südafrika und England auf die historischen Beziehungen der beiden Länder zurückzuführen ist. Es wird geschätzt, dass zwischen 2000 und 2005 16.000 ausgebildete afrikanische Krankenschwestern den Kontinent Afrika verlassen haben, um in Großbritannien zu arbeiten. Großbritannien schließt durch diesen »Care Gain« erhebliche Lücken in seinem Medizin- und Pflegesystem.123 Während der »Care Drain« für die afrikanischen Herkunftsländer einen enormen Verlust darstellt, gilt er als »Care Gain« für die EU. Schließlich wurde das Studium oder die Ausbildung dieses Personals durch das Herkunftsland finanziert. Genauso wie in Südafrika besteht das Problem des »Care Drains« in den anderen afrikanischen Ländern. Die schlechten Arbeitsbedingungen, das Bevölkerungswachstum, Korruption, soziale Unsicherheit, die schlechte Wirtschaftspolitik,
120 2007 starben in Südafrika schätzungsweise 350.000 Menschen an AIDS und die Infektionsrate bei 15- bis 49-Jährigen lag bei 18,1 der Bevölkerung. Vgl. http://www.statistiques-mondiales. com/afrique_du_sud.htm. 121 Mundt 2004, http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/10-2004/schwer_art2.html (14. 04. 2007). 122 Südafrika galt in der Vergangenheit als Einwanderungsland für Nachbarländer und für viele europäische Länder. Es hat einen internationalen Ruf, was die Ausbildung von Gesundheitspersonal angeht. 123 Vgl. Goldberg 2009, S.5.
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Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
niedrige Löhne, geringe Zukunftsperspektiven und geringe Anerkennung durch das System in den afrikanischen Ländern sind die Hauptgründe für die zunehmende Emigration von Arbeitskräften und hochqualifizierten Menschen nach Europa und Nordamerika. Das Gesundheitssystem der meisten afrikanischen Staaten ist laut Volker Seitz, ehemaliger Botschafter Deutschlands in Kamerun, durch folgende Merkmale gekennzeichnet: […] eine geringe Zahl von Krankenhäusern, mangelnde Hygiene in diesen Krankenhäusern, administrative Unzulänglichkeiten, unzureichend ausgebildetes medizinisches Personal, keine Nothilfestationen und kaum Krankenwagen, keine medizinische Hilfe ohne finanzielle Vorleistung, teure Medikamente, die oft durch unsachgemäße Aufbewahrung unbrauchbar werden.124
Angesichts der akuten Lage im Gesundheitswesen und der schlechten Gesundheitsversorgung in vielen ihrer Länder setzten die Gesundheitsminister der AKPLänder bei ihrem Treffen vom 25. bis 26. Oktober 2007 in Brüssel ihre Schwerpunkte auf die Zusammenarbeit und Forschung im Gesundheitsbereich, die Schaffung konkreter Rahmenbedingungen und die adäquate Ausbildung von Pflegekräften und Medizinern.125 Die Frage, die offen bleibt, ist, inwiefern die zunehmende Abwanderung von medizinischen Fachkräften und anderen wichtigen Fachleuten nach Europa und Nordamerika kompensiert werden kann. Können die afrikanischen Herkunftsländer einen »Brain Gain« durch Rücküberweisungen, doppelte Staatbürgerschaften, Rückkehrer und andere Investitionen ihrer Migranten erzielen? Betrachtet man die Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung wie z. B. das Humankapital, dann lässt sich die Frage stellen, ob die Gewinne, die die Herkunftsländer durch Migration erzielen, längerfristig wirksam bleiben. Ferner ist auch anzuzweifeln, dass Afrika durch die Anwerbung ausländischer Entwicklungsexperten ein solches Personaldefizit ersetzen kann, denn durch die Rekrutierung ausländischer Experten im Rahmen der technischen Zusammenarbeit mit Hilfe internationaler Organisationen wie UNO, GTZ, USAID oder AFD entstehen für die afrikanischen Länder Schuldenberge.126 Insofern ist davon auszugehen, dass eine nachhaltige Entwicklung in Afrika zwar nicht durch die Abwanderung kurzfristig bedroht ist, aber durch die Effekte dieser Migration optimal beschleunigt werden kann, wenn
124 Seitz 2009, S. 134. 125 »Dans la foulée, les ministres ont décidé de promouvoir des partenariats avec les compagnies pharmaceutiques afin de faciliter l’accès, à un coût abordable, aux médicaments brevetés, ainsi que mobiliser des financements pour la recherche et la mise au point de nouveaux médicaments ou moyens de diagnostic.« Buckens 2008, S. 8. 126 Jamfa 2007, S. 19 f.
Kategorien von Migranten
81
die Migranten und vor allem die Hochqualifizierten in ihre Heimatländer physisch, virtuell oder saisonal zurückkehren. Nur durch eine starke Miteinbeziehung in die Entwicklungsprojekte können ihre im Ausland erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen entsprechend genutzt werden. 2.5.5
Rückkehr und Reintegration
Die Auswanderung von Hochqualifizierten aus Afrika verursacht soziale, kulturelle, wirtschaftliche und demographische Probleme in den Herkunftsländern. Die Afrikanische Union betrachtet diese Abwanderung als ein Hindernis für die nachhaltige Entwicklung in den Entwicklungsländern. Kamerun z. B. ist stark vom »Brain Drain« betroffen, und wenn keine konkreten Maßnahmen zur Förderung der Rückkehr und auch der virtuellen Rückkehr getroffen werden, könnte dies langfristig auf die Entwicklung des Landes negativ wirken.127 Jedoch ist festzustellen, dass der Mangel an statistischen Informationen und Forschungen über die Rückkehrer die Analyse der Effekte von Remigration auf die Entwicklung und die Faktoren der Reintegration erschweren. Die Gründe für die Rückkehr sind vielfältig und hängen von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ab, aber auch von der Migrantengruppe, das heißt, davon, ob es sich um Studenten, Arbeitsmigranten, Hochschulabsolventen, Asylsuchende, irreguläre Migranten, abgeschobene Personen oder anerkannte Flüchtlinge handelt. Ein Vergleich zwischen Ghana und Kamerun zeigt, dass die positive wirtschaftliche und politische Entwicklung in Ghana die Rückkehrer anzieht, während der Status quo in Kamerun ein Hindernis für die Rückkehr darstellt. Auch der Großteil der kenianischen Qualifizierten entscheidet sich aufgrund der politischen Instabilität und der fehlenden Infrastruktur Kenias im Ausland zu bleiben.128 Wegen des hohen Anteils von Kamerunern an der Bildungsmigration von Afrika nach Deutschland ist der Fall Kameruns hervorzuheben. Zu den Rückkehrinitiativen zählt das entwicklungspolitisch orientierte Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), genannt »Programm Rückkehrende Fachkräfte«, das rückkehrende Studienabsolventen und berufserfahrene Fachkräfte fördert. Durch die Zusammenarbeit zwischen
127 Mehr dazu: Tsagué Assopgoum 2009a, S. 28–29. 128 Baraulina et al. 2008, S. 31.
82
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Deutschland und Kamerun werden die Rückkehr von Fachkräften und die nachhaltige Entwicklung Kameruns unterstützt.129 Die erhebliche Schwierigkeit, sich eine Existenz in Kamerun zu schaffen, trägt dazu bei, dass sich wenige Kameruner für eine Rückkehr entscheiden. Laut Leonard Jamfa kannte die kamerunische Gemeinde in Frankfurt 2007 nur vier Fälle der Rückkehr, trotz der Tatsache, dass mehr als zwanzig Studenten in demselben Zeitraum das Studium absolviert hatten und nach Kanada, Frankreich und den USA weitergewandert sind.130 Das »Programme d’Appui au Retour des Immigrés Camerounais« (PARIC) konnte in Zusammenarbeit mit Deutschland bislang 140 kamerunische Migranten bei ihrer Rückkehr unterstützen.131 Im Vergleich zu den in Deutschland lebenden Kamerunern ist diese Zahl der Rückkehrenden gering.132 Viele Vereine, Stiftungen und entwicklungspolitische Organisationen, die die Kameruner bei ihrem Studium in Deutschland aufgrund ihres Engagements fördern, unterstützen die Rückkehr. Das Stipendienprogramm des Kirchlichen Entwicklungsdienstes (KED), das Stipendien an Studierende aus Entwicklungsländern vergibt (mit einer großen Zahl von Kamerunern), schickte vom 15. bis 29. September 2007 sieben Referenten der Studienbegleitprogramme zu einer Fortbildungsreise nach Kamerun mit dem Ziel, Wissen über das Herkunftsland und den kulturellen Kontext der kamerunischen Studierenden zu gewinnen. Weiter sollten vor Ort die Rahmenbedingungen für Rückkehrer am Arbeitsmarkt und die Erfahrungen der Reintegration nach dem Studiumsabschluss im Ausland erkundet werden.133 Die Rückkehrer stoßen auf schwierige Reintegrationsprobleme in ihren Heimatländern. Ihnen stehen viele Hindernisse im Weg. Vom Umgang mit Behörden über die finanzielle Planung von Geschäftsvorhaben bis zur Einschulung der Kinder verfahren die Rückkehrer mit unterschiedlichen Strategien.134 Da persönliche Kontakte und exklusive Netzwerke bei der Arbeitssuche eine wesentliche Rolle
129 Die Rückkehrprogramme und die vorbereitenden Seminare für die Rückkehr werden durch das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung CIM, die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ GmbH, die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung ZAV, den World University Service WUS und die Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte gGmbH 130 Jamfa 2007, S. 23. 131 Matia 2008. 132 Evina 2009, S. 56. 133 Vgl. Forum 3 der ESG Geschäftsstelle 2007, S. 2. 134 Die verhinderte Rückkehr basiert auf komplexen Gründen. Nach einer Untersuchung von Hannken bei Auswanderern aus Eritrea, ist festzustellen, dass das am häufigsten geäußerte Argument gegen eine Remigration Kinder sind. Dies betrifft die Migranten, die Kinder im Aufnahmeland
Kategorien von Migranten
83
spielen, wie Julia Boger in einem Artikel in der Zeitschrift »Africa Positive«- über Rückkehr nach Ghana und Kamerun feststellt, ist die Frage eines möglichen Arbeitsplatzes bei der Rückkehrentscheidung von großer Bedeutung.135 Dazu kommen schlechte Arbeitsbedingungen und Gesundheitsvorsorge, Korruption, soziale Unsicherheit, schlechte Wirtschaftspolitik, niedrige Löhne, schlechte Zukunftsperspektiven und geringe Anerkennung durch das System. Die Rückkehrer verfügen zwar über internationale Erfahrung und die Absolventen über eine internationale Ausbildung, aber sie müssen sich an die Realität ihrer Heimat erst anpassen, nämlich an die neuen Arbeitsbedingungen, Strukturen und Arbeitsmentalitäten. Manche Rückkehrer wandern wieder nach Europa oder Nordamerika ab, wenn ihre Reintegration nicht erfolgreich verläuft. Die Effekte der Remigration sind in vielen Fällen zwiespältig. Die Rückkehrer kehren mit neuen Ideen und Impulsen heim, die man in der Heimat möglicherweise gewinnbringend nutzen könnte. Diese Kenntnisse können sowohl positiv als auch negativ vom sozialen Umfeld aufgenommen werden, denn sie wurden in anderen soziokulturellen und politischen Kontexten erworben. Viele afrikanische Migranten, die für längere Zeit in Europa leben, entfernen sich von der Realität und den Werten der Heimat, so dass man von einer Entfremdung sprechen kann. Bei der Remigration in die Heimat müssen sie sich nochmals neu anpassen. Aber wenn ihre Reintegration in den lokalen Strukturen nicht erfolgreich ist, droht ihnen die Ausgrenzung von der Gesellschaft. Es kann dadurch ein Verlust der im Ausland erworbenen Kenntnisse und des Know-hows entstehen.136 Der Begriff der Rückkehr und der Ausdruck »Ko-Entwicklung« (»co- développement«) haben einen Bedeutungswandel erfahren. In den 1990er Jahren wurde damit die freiwillige Rückkehr von Migranten gemeint, vor allem von afrikanischen Einwanderern in Frankreich, die mit der Hoffnung, ihr Know-how für die Entwicklung ihrer Herkunftsländer einsetzen zu können, heimkehrten. Heutzutage versteht man unter Ko-Entwicklung europaweit die Zusammenarbeit mit Migranten zugunsten der Entwicklung ihrer Länder. Dabei wird nicht mehr die Rückkehr
haben. Wenn die Kinder noch in der Schule sind, ist es schwierig, mit ihnen zurückzukehren und sie in einem anderen Schulsystem einzuschulen. Deswegen kehren manche Eltern erst zurück, wenn ihre Kinder selbständig werden. Vgl. dazu: Hannken 2004, S. 318–319. 135 80 der Stellen werden in Kamerun und Ghana nicht offiziell ausgeschrieben. Vgl. Boger 2010a, S. 35. 136 Baraulina et al. 2008, S. 23.
84
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
auf die physische Rückkehr reduziert. Soziale und ökonomische Projekte in den Herkunftsländern der in Europa lebenden Migranten werden unterstützt.137 Im Vergleich zu klassischen Initiativen der Rückkehrprogramme nach Afrika setzt sich das Programm MIDA (Migration for Development in Africa) in Zusammenarbeit mit der IOM (International Organisation for Migration) auch für eine vorübergehende Rückkehr sowie virtuelle Rückkehr von Migranten ein. Ein Beispiel von solch einem virtuellen Rückkehrprogramm ist die Initiative der afrikanischen Diaspora-Mitglieder in Deutschland, welche die Schüler in äthiopischen Schulen via E-Learning unterrichten.138 Weiterhin ist eine Plattform in Form einer Webseite geschaffen worden, auf der die Mitglieder der afrikanischen Diaspora ihre Geschäftsideen für Projekte und Entwicklung in Afrika veröffentlichen können.139 2.6
Soziale und ökonomische Netzwerke
Das Migrationsgeschehen hängt nicht nur von den lokalen Push-Faktoren im Herkunftsland, sondern auch von den Pull-Faktoren im Zielland und von den Migrationskosten, Risiken, Netzwerken und historischen und bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern ab. Die Wahl des Ziellandes ist zum Teil durch komplexe Faktoren wie z. B. historische Beziehungen zwischen afrikanischen Ländern und ihren ehemaligen europäischen Kolonialmächten beeinflusst, wie bereits im Abschnitt 2.3 analysiert. Nicht zu vernachlässigen sind persönliche Faktoren wie z. B. Lebens- und Lohnniveau, Geschlecht und Alter des Migranten, die bei der »primären Phase« der Migrationsentscheidung von großer Bedeutung sind. Eine Studie von ESAM II in Senegal kommt zum dem Ergebnis, dass 58 % der internationalen Migranten aus Senegal selbst die Entscheidung für ihre Abwanderung getroffen haben.140 Während die Migranten aus Nordafrika und zum Teil aus Westafrika in den 1970er Jahren überwiegend angelernte Arbeiter waren, hat sich heutzutage die soziale Herkunft sehr verändert. Die Dauer und das Abwanderungsziel hängen von den Investitionsmöglichkeiten, der finanziellen Lage der Migranten und deren Familien oder Gemeinschaften ab, die an der Reise eventuell moralisch und finanziell beteiligt sind. Es ist anzumerken, dass die Migranten aus Afrika keine homogene 137 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609556.pdf. 138 Klatte 2005, S. 31. 139 Unter www.isupportafrica.com. 140 République du Sénégal 2004, S. 251.
Soziale und ökonomische Netzwerke
85
Gruppe bilden, so dass die Nutzung von Netzwerken und Ressourcen auch variieren kann. Die Fallstudien der Arbeitsmigration von Männern in El Ain (Sudan),141 Kutum (Westsudan)142 und in der Provinz Yatenga (Burkina Faso)143 zeigen, dass sich Migranten ärmerer und kleinbäuerlicher Familien tendenziell kurzfristig und auf kleinerem Raum bewegen, während Migranten, die weiträumig und langfristig abwandern, überwiegend aus der Mittelschicht stammen. Migranten aus ärmeren Schichten können sich kaum die höheren Kosten der weiträumigen Migration leisten. Es kann aus dieser Studie abgeleitet werden, dass die Abwanderung von Afrika nach Europa für die große Zahl von Migranten aus der Mittel- und Oberschicht weniger eine Überlebensstrategie in akuter Notlage ist, sondern vielmehr eine Strategie zur Unterhaltssicherung und Verbesserung des Lebensstandards. Die sozialen und ökonomischen Netzwerke sind im Prozess des Migrationsgeschehens sehr relevant. Es kann von ihnen abhängen, ob die Migration geschieht oder nicht. Von der Informationsvermittlung, dem Visum und der Reise bis hin zur Integration im Aufnahme- oder Zielland spielt das Netzwerk eine bedeutsame Rolle. Die Migrantennetzwerke informieren über die Lebensumstände, das Studium, die Migrationskosten, die Einschreibung an einer Universität oder an einer Sprachschule in dem Zielland sowie die Möglichkeiten zur Überwindung der Abwanderungs- und Integrationshürden. Die bereits in dem bevorzugten Zielland lebenden Afrikaner pflegen enge Verbindungen mit den Herkunftsländern und erleichtern durch wichtige Informationsvermittlungen an den Zuwanderungswilligen und Orientierungshilfen für die neuen Ankömmlinge die Migration weiterer Personen.144 In einer Welt mit einer zunehmenden Kluft zwischen den Lebensstandards in Afrika und Europa (bzw. Nordamerika) erhöhen eine solche Verbesserung des Zugangs zu Informationen über die europäischen (bzw. nordamerikanischen) Zielländer und eine Strukturierung der Netzwerke den Abwanderungsdruck aus Afrika.145 Es entsteht dadurch eine »Kettenmigration«. Auch die weiteren Verwandtschaften, Freundschaftsbeziehungen und die Vorbilder erfolgreicher Migranten beeinflussen die Entscheidung über das Zielland.
141 Myers/Hamid 1994, S. 46–80. 142 Grawert 1994, S. 97–115. 143 Heuler-Neuhaus 1994, S. 133–156. 144 Schapendonk/Van Moppes 2007, S. 9. 145 Schmid/Borchers 2009, S. 15.
86
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Susanne Bührer146 definiert die familiären und persönlichen Netzwerke als wichtigste Faktoren für die Migrationsentscheidung. Diese sozialen Netzwerke sind eine Erweiterung der familiären Netzwerke. Dabei gibt es unterschiedliche Motive, einen Angehörigen der Familie bzw. des Netzwerkes zu unterstützen. Eigeninteressen und moralische, familiäre und gesellschaftliche Verpflichtungen spielen dabei eine Rolle. Das soziale Kapital, das beim Prozess der Migration wichtig ist, kann in den folgenden Formen zusammengefasst werden: Tabelle 2: Formen des sozialen Kapitals147 Quelle
Motivation
Auswirkungen
Beispiele
Werte
altruistisch
Ressourcentransfer auf der Basis genereller moralischer Imperative
Eltern-KindBeziehungen
gebundene Solidarität
altruistisch
Ressourcentransfer aufgrund der Identifikation mit den Bedürfnissen und Zielen der Wir-Gruppe
Ko-Ethnien, religiöse Gruppen
Reziprozität
instrumentell
Ressourcentransfer auf der Basis der Erwartung ausgleichender Belohnungen
Markt: Informationen und anderes
enforceable Trust
Instrumentell
Ressourcentransfer auf der Basis eines höheren Gemeinschaftsstatus und kollektiver Sanktionen
Verzicht auf Vertragsgarantien
Quelle: Bührer 1997, S. 96.
Die Rolle der Medien ist bei der Migrationsentscheidung bedeutsam, insofern dass sie ein bestimmtes Image des Ziellandes vermitteln. Bei der Entscheidung für ein Studium spielt die Familie, die die Migrationswilligen unterstützt, eine wichtige Rolle. Im afrikanischen Kontext spielen die sozialen und verwandtschaftlichen Netzwerke eine bedeutsame Rolle von der Wanderungsentscheidung bis
146 Bührer 1997, S. 89. 147 Abbildung leicht modifiziert.
Zwischenfazit
87
zum Migrationsgeschehen. Laut Schapendonk und Van Moppes bildet die Konkurrenz innerhalb der Familie, aber auch innerhalb der Gemeinschaft in Senegal ebenfalls einen entscheidenden Push-Faktor von Migration.148 Denn Migration wird als erfolgversprechend wahrgenommen. Die familiären Verbindungen und Unterstützungen sind auf das soziale System der Gesellschaften zurückzuführen. In armen Familien beeinflussen die Haushaltsentscheidungen nicht nur die Migrationsentscheidung, sondern auch die Wahl, welches Familienmitglied auswandern darf, und wie die Beiträge der Familienmitglieder für die Reise aufgeteilt werden. Die Unterstützung des Migranten durch die Familie oder soziale Netzwerke wird in vielen Fällen als eine Investition wahrgenommen wie Laurence Marfaing beschreibt:149 In den meisten Fällen hat seine Familie [die des Migranten] oder sogar ein ganzes Dorf seine Reise finanziert – als eine Investition in ein Unternehmen, das Gewinne vor allem in Form von Geldtransfer durch den Migranten und der Entstehung eines Brückenkopfes für weitere Migranten verspricht.150
2.7
Zwischenfazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass unterschiedliche komplexe Typen bei der Abwanderung aus Afrika nach Europa zu verzeichnen sind: Arbeitsmigranten, Studenten, Hochqualifizierte, Asylsuchende, Flüchtlinge, irreguläre Migranten, Unternehmer, Abgeschobene. Zwischen irregulären Migranten und Asylsuchenden bleibt eine Kategorie, die weder abgeschoben werden, noch als Asylberechtigte anerkannt werden können, in Frankreich die »ni ni« genannt.151 Der Anteil von Frauen bei der afrikanischen Migration steigt und ist mit geschlechtsspezifischen Problemen verknüpft. Die Zuwanderung von afrikanischen Bürgern nach Deutschland aus familiären Gründen ist von großer Bedeutung. 23,5 % aller in Deutschland lebenden Afrikaner verfügten im Jahre 2007 über eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen.152
148 Schapendonk/Van Moppes 2007, S. 8. 149 Durch diese Unterstützung bei dem Migrationsgeschehen können die Familienmitglieder bzw. die Unterstützer hohe Erwartungen an den Migranten stellen, indem sie von ihm erwarten, sie finanziell oder ihre Kinder bei der Migration zu unterstützen. Und ein solcher psychischer Druck kann auf die Gesundheit des Migranten negativ wirken. Vgl. Boger 2004. 150 Marfaing/Hein 2008, S. 6. 151 »Ni expulsables ni régularisables« (»weder abzuschieben, noch anzuerkennen«). Vgl. Wihtol de Wenden 2009, S. 13. 152 Vgl. Baraulina et al. 2008, S. 22.
88
Migration zwischen Afrika und Europa, Netzwerke und Akteure
Die irreguläre Migration wächst stetig trotz der wachsenden Anzahl von Toten und Verletzten. Obwohl es bereits Regulierungsmaßnahmen der EU gibt, z. B. die Grenzüberwachung Frontex oder die Guardia Civil, und trotz der Sensibilisierungsprogramme in den Ländern ist festzustellen, dass diese Form von Migration schwer zu bekämpfen ist, wenn die Push-Faktoren, die ihr zugrunde liegen, nicht bekämpft werden. Deshalb ist im nächsten Kapitel der Frage nachzugehen, welche Push- und Pull- Faktoren für die afrikanische Abwanderung nach Europa bestimmend sind. Welches sind die Auswahlkriterien in Bezug auf Aufnahme- und Zielländer der Migranten? Bei internationalen Migrationen sind wirtschaftlich und politisch stabile Länder die Hauptziele der Migranten. Neben den Pull-Faktoren in den Zielländern, die als wichtige Auswahlkriterien bei der Migration gelten, tragen die Migrationsnetzwerke zur Verwirklichung der Migration bei. Nachdem die Pull-Faktoren des Ziellandes analysiert wurden und eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt worden ist, stellt der Migrationswillige die Frage, welche Netzwerke ihm zur Verfügung stehen.
3
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Wie bereits erwähnt, bezieht sich die Forschungsfrage, die die vorliegende Arbeit leitet, auf die Art der Darstellung der afrikanischen Migration in die EU in deutschen und senegalesischen Zeitungen und darauf, wie die Relation zwischen Migration und Entwicklung implizit oder explizit formuliert wird. Diese Frage wird mit Hilfe von fünf Zeitungen – jeweils zwei aus Deutschland und drei aus Senegal – empirisch untersucht. Dabei wird zum Teil untersucht, wie die Ursachen und Folgen der afrikanischen Migration medial gedeutet werden. Es ist deswegen erforderlich, in diesem Kapitel mit Hilfe der Sekundärliteratur die komplexen Bestimmungsfaktoren und Folgen der Abwanderung aus Afrika in Richtung Europa darzustellen. Welche Faktoren liegen den Migrationsentscheidungen und dem Migrationsgeschehen zugrunde? Welche Push- und Pull-Faktoren sind in den afrikanischen Herkunfts- und Transitländern und in den europäischen Aufnahme- und Zielländern für die heutige Migration aus Afrika entscheidend? Eine wesentliche theoretische Grundlage der Untersuchung ist hierbei das Pushund Pull-Modell, nach dem wichtige Bestimmungsfaktoren der Migration in Abbildung 5 dargestellt werden. Nach dem Push-Pull-Ansatz bestehen in dem Herkunftsland des abwanderungswilligen Menschen Abstoßungsfaktoren und in dem bevorzugten Zielland Anziehungskräfte, die ihn zur Abwanderung bewegen. Solche Faktoren beziehen sich auf strukturelle Rahmenbedingungen der Herkunfts- und Zielregion wie etwa das Lohnniveau, Gesundheitsversorgung, Bildungswesen und Sicherheit.1 Hinzu kommen persönliche Faktoren wie subjektive Einschätzung von Chancen und Risiken, Geschlecht, finanzielle Lage, Beruf, Bildungsgrad, ethnische Zugehörigkeit des Migranten sowie mögliche Hindernisse, die im Zuge des Abwanderungsgeschehens überwunden werden müssen. Dazu zählen u. a. die Bedingungen zur Erlangung des Visums, Grenzkontrollen, Integrations- und Einwanderungsgesetze in dem Zuwanderungsland.2
1 2
Schmid/Borchers 2009, S. 26. Ebd.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
90
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Abbildung 5: Migrationsbestimmende Faktoren nach dem »klassischen« Push-Pull-Ansatz
Quelle: Schmid/Borchers 2009, S. 25.
Hervorzuheben ist, dass das Push- und Pull-Modell die aktuellen Wanderungsströme aus Afrika nach Europa nur zum Teil erklären kann. Deshalb werden für die vorliegende Analyse andere theoretische Ansätze, nämlich die makroanalytischen, mikroanalytischen und verbindenden Ansätze (also die Ansätze auf Makro-, Mikro- und Mesoebene), der transnationale Ansatz und der internationalplurale Ansatz3 berücksichtigt. Weiter werden die Migrantennetzwerke und die Rolle der Diaspora bei der Abwanderungsentscheidung und beim Migrationsvorgang in Betracht gezogen. Die folgende Abbildung stellt den Zusammenhang zwischen den Determinanten der Abwanderung in dem Herkunftsland, dem Migrationsprozess, der Integration in dem Aufnahmeland, den Transferleistungen sowie die Rolle von Migranten bzw. der Diasporagemeinschaften zur Entwicklung ihrer Herkunftsländer dar:
3
Mehr dazu: Hannken 2004.
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Abbildung 6: Migration und Entwicklungsprozess
Quelle: Vgl. Chappell/Glennie 2009, S. 6.
91
92 3.1
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
Hinsichtlich der Push- und Pull-Faktoren von Migration aus den armen nach den reichen Ländern sagte bereits der damalige Staatschef Algeriens, Houari Boumedienne, voraus: »Millionen von Menschen werden die südlichen, armen Teile der Erde verlassen und, um zu überleben, in die relativ leicht zugänglichen Räume der nördlichen Hemisphäre einbrechen.«4 Auch der ehemalige Präsident von Senegal, Abdou Diouf, warnte bereits vor ungefähr zwei Jahrzehnten, dass die Europäer in der Zukunft mit einer Masseneinwanderung von Afrikanern rechnen müssten.5 Diese Visionen lassen erst heutzutage angesichts des Anstiegs des Einwanderungspotenzials aus den Entwicklungsländern die Wechselwirkung zwischen Armut und Migration und die daraus resultierten komplexen Folgen erkennen. Die Frage, welche Ursachen und welche Folgen der Migration aus Afrika in den Medien thematisiert werden, wird einen wichtigen Bestandteil des empirischen Teils dieser Arbeit bilden. Wichtig wird dabei sein, welche Deutungen die Medien den Ursachen und Folgen der Migration aus Afrika geben. Wie werden die Determinanten der Migration durch die Wissenschaft gedeutet? Bertrand Badie und Catherine Wihtol de Wenden heben die Rolle von Globalisierung, Bevölkerungswandel, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Spannungen sowie von technischem Fortschritt im Zeitalter von Wanderung, Flucht und Vertreibung hervor.6 Der Globalisierungsprozess hat die Interdependenz zwischen regionalen Bevölkerungen erheblich beeinflusst und verstärkt. Dank des Fortschritts, der Technik und der Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten ist die Flucht vor politischen, sozialen und ökonomischen Spannungen selbstverständlich geworden. Laut Hannken7 können drei Beweggründe, nämlich ein Angebot, Unzufriedenheit oder eine Gefahr können den Menschen veranlassen, sein vertrautes Heim zu verlassen und für einen längerfristigen Zeitraum oder für immer an einem ande-
4 5 6
7
Zitiert in: Chimelli 2005, S. 2. Ebd. »Des constats d’évidence y sont pour beaucoup: les processus de mondialisation mettent en relief la manière dont les démographies régionales interagissent les unes sur les autres et deviennent interdépendantes; ils montrent aussi comment les comportements collectifs de fuite, d’escapisme ou d’exit devant des tensions politiques, économiques ou sociales deviennent naturels, banals et parfois facilités par le progrès technique.« Badie/Wihtol de Wenden 1994, S. 11. Hannken, 2004, S. 14.
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
93
ren Ort eine neue Existenz zu gründen.8 Ein relevantes Motiv des Wanderungsgeschehens ist auf der persönlichen Ebene einzuordnen. Hierbei erklärt der mikroanalytische Ansatz (d. h. der Ansatz auf der Mikroebene) die Migration aus der persönlichen Motivation der Migranten. Im Gegensatz zum mikroanalytischen Ansatz erklärt der makroanalytische (kollektivistische) Ansatz (d. h. der Ansatz auf der Makroebene) das Wanderungsgeschehen mit strukturellen Bedingungen wie z. B. den politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Faktoren. Es besteht in jedem System eine Wechselwirkung zwischen Macht und Prestige, also eine Übereinstimmung darüber, was materiell oder immateriell wertvoll ist.9 Ein Beispiel für materielle Güter ist Einkommen, und Bildung ist ein Beispiel für ein immaterielles Gut. Dementsprechend entstehen strukturelle Spannungen in dem System, wenn einzelne Personen oder Gruppen von Menschen sich von einer Ungleichheit zwischen Macht und Prestige benachteiligt fühlen. Spannungen entstehen, da kein Ausgleich erreicht werden kann. Diese Spannung kann nur kompensiert werden, wenn die Betroffenen sich Alternativen suchen. Folgende Möglichkeiten zum Spannungsausgleich können in Betracht gezogen werden:10 • der »Rückzug aus dem System durch innere Emigration«, • die »Aufgabe von Werten und Positionen, auf die eine soziale Mobilität erfolgt«, • die »Wanderung in ein anderes System«, also die »geographische Mobilität«.11 Die Abwanderung aus Afrika in ein anderes System, das günstigere Rahmenund Lebensbedingungen für die Entfaltung des Menschen bietet (in diesem Fall die EU), ist das zentrale Thema der vorliegenden Forschungsarbeit.12
8
Erwähnenswert ist, dass diese drei Gründe noch nicht zwangsläufig die Migration begründen müssen, da andere Faktoren auch eine wichtige Rolle bei der Entscheidung zur Auswanderung spielen, z. B. finanzielle Mittel, gesetzliche Rahmenbedingungen des Entsendelandes und des Aufnahme- oder Ziellandes. 9 Hannken 2004, S. 15. 10 Ebd. 11 Ebd. 12 Auch wenn die Ungleichheit im System als Hauptursache vieler Migrationsbewegungen erscheint, ist jedoch hierbei zu erwähnen, dass der Migration mehr Beweggründe zugrunde liegen, als das hier erwähnte Ungleichgewicht zwischen beanspruchter Ressourcenverfügung (Prestige) und realer Ressourcenverfügung (Macht).
94
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Der kollektivistische Ansatz berücksichtigt dagegen äußere Faktoren13 und strukturelle Rahmenbedingungen, die zur Abwanderung veranlassen, aber lässt persönliche Beweggründe des Migranten außer Acht. Der verbindende Ansatz (d. h. der Ansatz auf der Mesoebene) vereinbart die Kernelemente der makro- und mikroanalytischen Ansätze. Jedes Wanderungsvorhaben ist mit verschiedenen Faktoren und Hindernissen verbunden, die in Verbindung mit dem Herkunfts- und Zielland stehen. Nach Santels Modell des Entscheidungsprozesses freiwilliger14 Migration lassen sich drei Entscheidungsphasen unterscheiden: bei der ersten Phase informiert sich der potentielle Migrant über die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen der Zielregion; danach schätzt er in der Phase zwei die Vor- und Nachteile, die Lebensbedingungen in dem Zielgebiet ein,15 führt also eine »Kosten-Nutzen-Analyse« durch, die materielle Komponenten wie Arbeitslohn, Lebensunterhaltkosten sowie nichtmaterielle Komponenten wie verfügbare soziale und ethnische Netzwerke berücksichtigt. Anschließend findet in der dritten Phase die Migration statt, wenn dadurch die Verbesserung der Lebenssituation zu erwarten ist.16 Im Folgenden wird zu überprüfen sein, inwiefern die oben vorgestellten theoretischen Ansätze der Migration von Afrika in Richtung Europa zugrunde liegen. 3.1.1
Demographische Faktoren
Innerhalb von vier Jahrhunderten (zwischen 1500 und 1900) ist die Bevölkerung Afrikas aufgrund der Sklaverei und der Kolonialisierung kaum gewachsen. Manche sprechen sogar von einem Rückgang, währenddessen sich die weltweite Bevölkerung mehr als verdreifacht hat, die von China und Europa verfünffacht. Im 20. Jahrhundert ist die afrikanische Bevölkerung stark gestiegen – sie hat sich versiebenfacht – und sie wächst weiter mit 2,5 % jährlich, zweimal schneller als die Bevölkerungen der anderen Entwicklungsländer, so dass ihr Anteil an der Weltbevölkerung bei 15,0 % liegt (2009).17 Die Fruchtbarkeit ist in vielen afrikanischen Ländern sehr hoch und der Geburtendurchschnitt liegt bei ungefähr fünf Kindern pro Frau. Trotz der hohen Sterblichkeitsrate aufgrund von Krankheiten wie HIV/ AIDS und Malaria schätzen die Demographen, dass der Anteil Afrikas an der
13 Hannken 2004, S. 15. 14 Die Migrationsentscheidungen des Flüchtlings geschehen aufgrund der Dringlichkeit und Gefährdung seines Lebens nicht unbedingt nach diesem Modell. Mehr dazu: Santel 1995, S. 24. 15 Auch wenn diese häufig nur vage bekannt sind und nicht exakt durchdacht werden können. 16 Vgl. Santel 1995, S. 23–24. 17 Vgl. Statistiques Mondiales, http://www.statistiques-mondiales.com/afrique.htm (26. 03. 2010).
95
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
Weltbevölkerung im Jahr 2050 bei 20 % liegen wird. Dagegen wird Europa nur 7 % der Weltbevölkerung ausmachen, Asien jedoch 59 %. Im Vergleich zu den europäischen Ländern sind die Bevölkerungen der afrikanischen Länder sehr jung, wie die folgende Tabelle verdeutlicht: Tabelle 3: Bevölkerung in Europa und Afrika im Vergleich (2005) Westafrika
Europa
unter 20 Jahre
56 %
23 %
unter 25 Jahre
65 %
30 %
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Commission de la CEDEAO 2007, S. 6.
Die Tabelle 3 zeigt, dass 56 % der Bevölkerung in Westafrika im Jahr 2005 unter 20 Jahre und 65 % unter 25 Jahre alt war, mehr als die Hälfte der Bevölkerung. In Europa dagegen waren 23 % unter 20 Jahre und 30 % unter 25 Jahre alt. Eine solche junge Bevölkerung in Afrika ist schwer in das Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die ECOWAS-Länder heben deswegen die positiven Effekte für die Entwicklung ihrer Region hervor, die durch die Abwanderung dieser jungen Menschen erzielt werden können. Viele Regionen Afrikas sind im Vergleich zu Europa schwach besiedelt.18 Aber berücksichtigt man die klimatischen Gegebenheiten, die Infrastrukturen, die politischen und sozialen Strukturen, stellt man fest, dass auch die schwach besiedelten Länder heutzutage nicht alle in der Lage sind, entsprechende Lebensbedingungen und Infrastrukturen für ihre Bewohner zur Verfügung zu stellen. Bis zum Jahr 1950 existierte in Afrika keine Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern. Nur Johannesburg hatte 1960 eine Million Einwohner.19 Jedoch wachsen heutzutage in vielen afrikanischen Ländern urbane Bevölkerungen stetig, so dass akute Probleme wie Armut, Kriminalität und der Mangel an Infrastrukturen herrschen. Gesundheit, Bildung, Nahrungsmittel und Arbeitsmarkt sind in
18 1900 rechnete man in Afrika 4 Bewohner pro Quadratmeter. Heutzutage rechnet man 32 Bewohner pro Quadratmeter. In Mauretanien ist die Bevölkerungsdichte von drei auf 529 Einwohner pro km² gestiegen, in Senegal von 48 auf 391 und in Somalia von 14 auf 817. Vgl. Tuquoi 2007, S. 14. 19 Subsahara-Afrika bleibt mit 35 im Vergleich zu anderen Ländern der Welt am wenigsten besiedelt. Lagos (Nigeria) ist die einzige afrikanische Stadt mit mehr als 10 Mio. Einwohnern, vgl. Tuquoi 2007, S. 14.
96
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
diesen Städten nicht für alle zugänglich. Die Bevölkerung z. B. von Lagos in Nigeria lag 2005 bei 10.886.000 Einwohnern.20 Hierbei ist zu erwähnen, dass auch wenn die afrikanischen Migranten mit den Metaphern von »Strom« und »Ansturm« in den europäischen Medien beschrieben werden, der größte Teil afrikanischer Migration innerhalb des Kontinents stattfindet und nur ein geringer Teil des Bevölkerungsüberschusses nach Europa abwandert.21 Angesichts der immer schneller alternden Gesellschaften der europäischen Industriestaaten besteht bereits in vielen Sektoren wie Landwirtschaft, Tourismus, Bau oder Altenpflege ein Mangel an Arbeitskräften,22 der durch die Migration abgedeckt werden kann. 82 % (5,4 Milliarden) der Weltbevölkerung (ca. 6,7 Milliarden) leben in den am wenigsten entwickelten Regionen der Welt. Dagegen leben nur 1,2 Milliarden in den entwickelten Ländern. Das Bevölkerungswachstum in Afrika und der Bevölkerungsrückgang in Europa könnten im Jahre 2050 dazu führen, dass jedem Europäer drei Afrikaner gegenüberstehen.23 Die Bevölkerung Afrikas bildet heutzutage 13 % der Weltbevölkerung. 1950 lag sie noch bei 9 %.24 Ca. 60 % der Bevölkerung Afrikas ist unter 27 Jahre alt. Fast 75 % der Menschen leben mit weniger als 2 Dollar pro Tag.25 Millionen Jugendliche sehen die Chance auf ein besseres Leben in der Abwanderung nach Europa und Nordamerika. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre und der politische Status quo in vielen Ländern SSA machen es schwer, die wachsenden Bevölkerungen zu integrieren. Die Folgen davon sind sowohl soziale Unruhen als auch internationale Wanderungsbewegungen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Bevölkerungswachstum in Afrika einen der wichtigen Bestimmungsfaktoren für die Abwanderung nach Europa bildet. Für Schmid und Borchers spielt eher die Vereinbarkeit von Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Umwelt eine wesentliche Rolle: Die demographische Entwicklung allein ist nicht der Grund für das wachsende Migrationspotenzial, sondern die problematische Wechselwirkung von Bevölkerungsentwicklung und wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Mangelfaktoren.26
20 21 22 23 24 25 26
Vgl. Statistiques mondiales, http://www.statistiques-mondiales.com/metropoles.htm (26. 03. 2010). Engelhard 2000, S. 70. Wihtol de Wenden 2009, S. 5. Martin 2009, S. 2. Ebd., S. 1. Jamfa 2007 S. 21. Schmid/Borchers 2010, S. 8–9.
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
3.1.2
97
Umweltbezogene Faktoren
Das Bevölkerungswachstum kann nicht nur soziale, ökonomische und politische Strukturen belasten, sondern auch die Umwelt. 2004 lebten 41 % der Bevölkerung von SSA in extremer Armut und 34 von den 50 wenig entwickelten Ländern waren 2005 in Afrika zu finden.27 Trotz der Naturvielfalt, der diversifizierten natürlichen Ressourcen und des breiten Angebots an Ökosystemen der afrikanischen Ländern, wie z. B. Regenwälder, bewaldete Savannen, Flüsse und Seen, sind enorme Umweltprobleme festzustellen, die durch dauerhafte Nutzung der biologischen Vielfalt, Landwirtschaft, Verkehr, Abholzung, Urbanisierung und Fehlplanungen verursacht wurden. In vielen Ländern herrschen Wasserknappheit und Knappheit der Landfläche zum Feldanbau, die zu Interessenskonflikten um Wasser- und Landnutzung und Grundbesitz führen. Diese Probleme werden häufig politisch instrumentalisiert. Nicht außer Acht zu lassen sind Naturkatastrophen wie z. B. Überschwemmung, Dürren, Trockenheit, die jährlich die Existenz von Millionen von Menschen bedrohen oder vernichten und viele dazu veranlassen, ihre Lebensräume zu verlassen und in andere Länder zu wandern. Der Umfang von Folgen solcher Naturkatastrophen für die Menschen in Afrika wird in Abbildung 7 dargestellt. Was den weltweiten Ressourcenverbrauch anbelangt, herrscht eine erhebliche Asymmetrie. Im Jahre 2004 lag der Energieverbrauch der Industrieländer bei 45 %. Ihre CO2- Emissionen betrugen 40 %, obwohl sie nur 14 % der weltweiten Bevölkerung ausmachten.28 Der Kontinent Afrika, der wenig zur Überlastung der globalen Umwelttragfähigkeit und zur Übernutzung der weltweiten Ressourcen beigetragen hat, ist am stärksten von negativen Folgen des weltweiten Klimawandels betroffen. Der CO2-Ausstoß in Afrika betrug im Jahr 2007 knapp 0,37 Tonnen pro Einwohner, während er bei den OECD-Ländern bei 10,97 Tonnen lag.29 Die Sahelzone30 breitet sich jährlich um 2000 Quadratkilometer aus und weitere Folgen dieser Wüstenausbreitung sind u. a. Dürren, Wassermangel. Eine Studie des »Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie« schätzt, dass die Ernteerträge in Afrika durch die Effekte der Klimaveränderung bis zu einem Drittel
27 28 29 30
Grote/Warner 2009, S. 29. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie 2008, S. 124. Statistiques mondiales, http://www.statistiques-mondiales.com/emissions_co2.htm (26. 03. 2010). Länder der Sahelzone sind z. B. Senegal, Mauretanien, Sudan, Äthiopien, Eritrea, Nigeria, Tschad, Niger, Mali, Burkina Faso.
98
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
sinken werden.31 Dadurch entfallen die Existenzgrundlagen der betroffenen Bevölkerungen und diese Menschen werden wiederum zum Verlassen ihres vertrauten Heimatortes gezwungen. Abbildung 7: Opfer der Naturkatastrophen in Afrika zwischen 1971 und 2000
Quelle: Grote/Warner 2009, S. 31.
3.1.3
Wirtschaftliche Faktoren
Zu Beginn der 1980er Jahre herrschten in Afrika wirtschaftliche und soziale Krisen, die durch die Strukturanpassungsprogramme32 der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds verschärft wurden. Die wachsende Bevölkerung, die nur schwer wirtschaftlich und gesellschaftlich integrierbar war, trug zur Verarmung der Massen bei. Die 1980er Jahre galten als ein »verlorenes Jahrzehnt«33 für Afrika, während die 1990er Jahre das Scheitern der Demokratisierungsversuche in vielen Ländern erlebten, wobei Rebellen und ethnische Gruppen auf militärische und re-
31 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie 2008, S. 40. 32 Mehr dazu: Jamfa 2007, S. 38–40. 33 Vgl. Nuscheler 1991, S. 29–47.
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
99
pressive Maßnahmen zurückgriffen.34 In den vergangenen zwanzig Jahren ist der Anteil Afrikas am Welthandel von 5 auf unter 2 % gesunken.35 Die Statistiken über die Lebensbedingungen in Ländern in Subsahara-Afrika sind alarmierend. Schätzungsweise leben 55 % der erwerbstätigen Menschen unterhalb der Armutsgrenze und zwar mit 1 US$ Einkommen pro Tag. Die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als 0,6 US$ pro Tag. Ein Vergleich von Wirtschaftsindikatoren zeigt, dass Europa über ein hohes Bruttonationaleinkommen von 24.329 US$ pro Kopf verfügt, während sich Afrika mit einem niedrigen Bruttonationaleinkommen von 2.430 US$ wirtschaftlich schlecht behaupten kann. Dies lässt darauf schließen, dass sich Wirtschaft und wachsende Erwerbsbevölkerung in Afrika schlecht vereinbaren lassen.36 Angesichts der wachsenden Armut sehen die Jugendlichen die Lösung in der Abwanderung nach Europa und Nordamerika. Die Länder verlieren dadurch ihre aktiven Arbeitskräfte. Die meisten Migranten wandern aus wirtschaftlichen Gründen aus und sind vor allem auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen.37 Um die wirtschaftlichen Motive der Abwanderung erfassen zu können, ist ein Überblick über die wirtschaftlichen Strukturen der afrikanischen Märkte unentbehrlich. Kamerun dient hierbei als Beispiel. Unter den CEMAC-Staaten (Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation) erweist sich Kamerun als ein wirtschaftlich starkes Land. Jedoch leben ca. 40 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.38 Im industriellen Sektor sind seit Jahrzehnten die Fortschritte nur bescheiden geblieben. Aufgrund von Unsicherheit, Korruption und schlechter Bürokratie investieren wenige ausländische Unternehmen in Kamerun sowie in vielen Ländern Afrikas. Die wirtschaftlichen Interessen von französischen Konzernen wie »Elf« und »Total« werden durch das politische Interesse Frankreichs gesichert. So konnten sich diese Konzerne nach der Entdeckung umfangreicher Erdölvorkommen in den 1950er und 1960er Jahren die Ausbeutungsrechte sichern. In Kamerun führt der Verkauf von natürlichen Rohstoffen nicht zur Investition in nachhaltige Projekte, sondern veranlasst
34 Der nachkoloniale Staat ist in seinem Wesen ein kolonialer Staat geblieben: ein Apparat der Herrschaft und Repression. So wurde der Militär- und Polizeiapparat weiterentwickelt, der Aufbau der Verwaltung in den Bereichen Bildung und Entwicklung dagegen vernachlässigt. Vgl. Nuscheler 1995, S. 338. 35 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie 2008, S. 160. 36 Schmid/Borchers 2010, S. 9. 37 68 der senegalesischen Migranten haben Senegal mit dem Zweck der Arbeitssuche verlassen. Vgl. Abschnitt 4.4. 38 Plate 2009, S. 26.
100
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
die Korruption. Die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts liegt bei ca. 4,2 %. Der primäre Sektor trägt mit 45 % erheblich zur Wirtschaft bei und besteht hauptsächlich aus Land- und Forstwirtschaft. Der Anteil des sekundären Sektors liegt bei 17 % und der von Dienstleistung und Handel bei 39 %. Nach den Statistiken des Nationalen Statistikinstituts von Kamerun liegt der Anteil der arbeitenden Kameruner im informellen Sektor bei über 90 %.39 Daher lässt sich vermuten, dass dieser Sektor, ein Sektor des Überlebens, vermutlich mehr als der formelle Sektor erwirtschaftet.40 Solche Indikatoren des kamerunischen Arbeitsmarkts sind Anhaltspunkte dafür, dass angesichts der wachsenden Armut die Jugendlichen ohne Perspektiven die Lösung in der Abwanderung nach Europa, Nordamerika und den Golfstaaten sehen.41 Diese Realität kann auch in anderen afrikanischen Ländern vermutet werden, wie der folgende Appell von zwei Jugendlichen aus Guinea, Yaguine Koïta und Fodé Tounkara, aus einem 1999 hinterlassenen Brief an die politischen Machtinhaber in Europa zeigt:42 À l’attention des Excellences et des officiels de l’Europe. Nous souffrons énormément en Afrique. Aidez-nous. Nous avons des problèmes en Afrique. Les droits des enfants n’existent pas. Nous avons la guerre, les maladies. Nous manquons de nourriture... Nous voulons étudier et nous vous demandons de nous y aider pour que nous puissions être comme vous en Afrique.43
Diese Jugendlichen, die bei ihrer illegalen Abwanderung nach Europa als blinde Passagiere in einem Flugzeug starben, beklagen das Elend, Kriege, Krankheiten, Hunger und die Verletzung von Kinderrechten in Afrika. Keine Situation hat die Verzweiflung der afrikanischen Jugend so deutlich wie diese ausgedrückt. Mehr als ein Jahrzehnt danach hat sich Lage der Jugendlichen in Afrika stattdessen verschlechtert, so dass das illegale Abwanderungspotenzial stetig zugenommen hat.44 In Afrika wird Europa als ein »Paradies« und die »Heimat von Wohlstand und Menschenrechten« dargestellt und wahrgenommen. Medien und Märkte sind überschwemmt von Konsumgütern, die überwiegend aus Europa, aus den Golfstaaten und neuerdings auch aus China stammen, so dass sich die einheimischen Produkte gegenüber dieser gigantischen Konkurrenz nur schlecht verkaufen. Die
39 40 41 42
Foaleng, Michel 2009, S. 30 Plate 2009, S. 26. Tsagué Assopgoum 2009, S. 9–11. Diese zwei Jugendlichen flogen in einem belgischen Sabena-Flugzeug von Conakry (Guinea) nach Brüssel (Belgien) und erfroren. Ihre Leichen wurden am 02. 08. 1999 auf dem Internationalen Flughafen Brüssel entdeckt und ihr Brief bewegte weltweit die Medien. Vgl. http://www. rougemidi.org/spip.php?article4747 43 Dambisa 2009. 44 Mehr zu den Determinanten von Migration aus Kamerun: Tsagué Assopgoum 2009.
101
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
Oberschicht der afrikanischen Gesellschaften konsumiert europäische Güter und glorifiziert Europa als die »Beste aller Welten«. Die internationale Wirtschaftsordnung leidet an der ungleichen Machtverteilung zwischen den Industrieländern und den armen Ländern. Die Subventionierung der Agrarwirtschaft und der Protektionismus in den Industrieländern erschweren den Entwicklungsländern den Zugang zum Weltmarkt. Die negativen Folgen solcher ungleichen Wirtschaftsbeziehungen beeinflussen am stärksten die afrikanischen Länder südlich der Sahara, die gegenüber den Industrieländern sehr schwach sind und nur schwer ihre Produkte in diese Regionen exportieren können.45 Durch den Reichtum im Norden und die Armut im Süden ist eine erhebliche Kluft entstanden und diese wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen Europa und Afrika tragen zu dem grenzüberschreitenden Migrationsdruck und zu den Fluchtbewegungen aus Afrika bei. Karl Engelhard gibt hierbei zu bedenken: Die Industriestaaten tragen auf vielfältige Weise zu den heutigen Migrations- und Fluchtbewegungen bei: durch die Machtverteilung in der Weltwirtschaft, durch die privilegierte (und umweltschädliche) Nutzung von Ressourcen, durch das ›Aufladen‹ von Regionalkonflikten mit Waffenlieferungen.46
Die in den folgenden Tabelle 4 und 5 verglichenen Indikatoren für die Lebenserwartung in einigen afrikanischen Ländern und anderen Regionen der Welt und die Anteile dieser Regionen an internationaler Migration verdeutlichen nur zum kleinen Teil die drastischen Entwicklungsdifferenzen und Wohlstandsgefälle zwischen Europa und Afrika und das daraus resultierende Migrationspotenzial:47 Tabelle 4: Lebenserwartung in einigen europäischen und afrikanischen Ländern
LebensErwartung bei Geburt (2007)
Nigeria
Sambia
47,7
44,5
Senegal Frankreich 55,4
81,0
Groß- Deutschland britannien 79,3
79,8
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: UNDP – Human Development Report 2009.
45 Moyo Dambisa plädiert gegen die Zahlung von Entwicklungshilfe an korrupte Regierungen in Afrika und stattdessen für ausländische Investitionen und eine gerechte wirtschaftliche Weltordnung. Vgl. Dambisa 2009. 46 Engelhard 2000, S. 70. 47 Dazu auch: Schmid/Borchers 2010.
102
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Tabelle 5: Lebenserwartung und Anteile an der Migration im Vergleich OECD
EU (EU27)
Lateinamerika und karibische Staaten
Afrika
Lebenserwartung bei Geburt (2007)
79,0
79,0
73,4
51,5
Anteil an weltweiten Flüchtlingen (2007) in %
1,7
0,1
1,0
20,0
Anteil an internationaler Emigration 2005 (in Tausend)
97,622.8
41,596.8
6,869.4
17,678.6
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Human Development Report 2009.
Ausgehend von den Entwicklungsindikatoren aus den oben dargestellten Tabellen 4 und 5 lässt sich annehmen, dass die »Unterentwicklung« in Afrika ein relevanter Push-Faktor ist, der die perspektivlosen Jugendlichen zur Auswanderung veranlasst. Neben der schlechten wirtschaftlichen Lage konstituieren die autokratischen politischen Systeme der meisten afrikanischen Länder einen wesentlichen Push-Faktor des Abwanderungsdrucks in Richtung Europa und Nordamerika. Jedoch müssen zunächst die politischen Determinanten behandelt werden, an die die wirtschaftliche Entwicklung eng gekoppelt sein kann. 3.1.4
Politische Faktoren
Aufgrund des Mangels an verlässlichen statistischen Untersuchungen lässt sich ein Zusammenhang zwischen politischen Systemen und Auswanderung nur schwer feststellen. Jedoch liefern folgende Indikatoren wichtige Hinweise über den Grad der Demokratisierung von Ländern und ihre Stellung in der weltweiten Rangordnung. Kamerun z. B. steht auf Platz 126 der Demokratie, Burkina-Faso auf Platz 122, Zentralafrika auf Platz 162, Gabun auf Platz 139, Guinea (Bissau) auf Platz 160, Nigeria auf Platz 124 und Senegal auf Platz 93.48 Betrachtet man die politische Lage
48 Statistiques mondiales, http://www.statistiques-mondiales.com/indice_de_democratie.htm (26. 03. 2010).
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
103
derjenigen Länder, die große Migrationswellen hervorbringen, wie z. B. Kamerun, Senegal oder Nigeria, kann man vermuten, dass schlechte Regierungsführung die Abwanderung mittelbar oder unmittelbar veranlasst. Dies kann sowohl an den Auswirkungen von Regierungsversagen, Instabilität, Diktaturen, politischer Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen als auch an den negativen Effekten der schlechten Governance auf die Wirtschaft liegen. Dagegen üben Demokratie, politische und soziale Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in Europa eine Sogwirkung auf die Abwanderungskandidaten in Afrika aus.49 Thomas Straubhaar und Achim Wolter fassen die Beziehung zwischen Politik und Abwanderung in einem Prinzip von Strafe bzw. Belohnung zusammen. Für sie wird eine schlechte Politik »zunehmend durch Abwanderung bestraft, gute durch Zuwanderung belohnt.«50 Afrika wird in den Medien als »verlorener Kontinent« dargestellt und mit Kriegen, Hungerkatastrophen, Krankheiten, Diktaturen, Bildungsnotstand und schlechten Wirtschafts- und Gesundheitssystemen verbunden. Auch wenn Afrika durch schlechte Governance, Korruption und Misswirtschaft einen wichtigen eigenen Anteil an seiner Misere hat, ist durch Sklaverei, Kolonialismus und Neokolonialismus die Rolle Europas bei gegenwärtigen wirtschaftlichen, politischen, soziokulturellen und ökologischen Krisen in Afrika nicht zu unterschätzen.51 Es herrschen in den meisten afrikanischen Ländern diktatorische Regime, die zum Teil durch politische Anerkennung und militärische Unterstützung von einigen europäischen Mächten, ohne Machtteilung und ohne Rücksicht auf ihre Bevölkerungen willkürlich regieren. So ist z. B. im Fall von Frankreich die AfrikaPolitik nach Einsicht von François-Xavier Verschave immer noch eine Fortsetzung der Kolonialpolitik.52 Da Verletzungen der Pressefreiheit und der Menschenrechte in vielen Ländern üblich sind, sehen die politisch Verfolgten oft keine andere Mög49 Schmid/Borchers 2010, S. 10. 50 Straubhaar/Wolter 1999, S. 8. 51 Der Berliner Kongress von 1884/1885 führte zur Teilung des Kontinents Afrika. Europäische Mächte besetzten Afrika ohne jene Rücksicht auf kulturelle Zusammengehörigkeit. So entstanden in Afrika willkürliche Grenzen, die bis heute zu massiven Auseinandersetzungen führen. In den 1960er Jahren wurden einige Kolonien zwar unabhängig, aber sie blieben wirtschaftlich von Europa so stark abhängig, dass ihre politische Selbstbestimmung und ihr kulturelles Selbstwertgefühl bis heute beeinträchtigt sind. 52 Diktatorische Regime in den frankophonen Ländern wie Togo, Gabun, Kamerun (ehemalige Kolonien) werden unterstützt, wenn die Interessen Frankreichs dadurch gesichert werden. Verschave hat in seinem Leben durch seine Veröffentlichungen und den Verein »Survie« für Klarheit in der Afrika-Politik des französischen Staates plädiert. Mehr dazu: Verschave 2000.
104
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
lichkeit, als ins Ausland zu fliehen. Nigeria z. B. erlebte zwischen 1993 und 1998 unter der Diktatur von Sani Abacha eine große Auswanderungsbewegung. In den afrikanischen Ländern, wo die oppositionellen Kräfte unterdrückt werden und wo eine kritische Haltung gegenüber der politischen Macht und der Machtpartei lebensgefährlich sein kann, ist alles politisiert, wie Leonard Jamfa ironisch konstatiert: Besonders in Afrika südlich der Sahara ist alles politisch. Sogar der Sauerstoff, den man atmet, ist eine Gunst des Staatspräsidenten. Die Gehaltszahlung für die Beamten wird im Prinzip im nationalen Rundfunk angekündigt, als ob es sich um eine sehr außergewöhnliche Gunst des Staatspräsidenten handelte. In einer solchen Gesellschaft kann eine abweichende politische Meinung zur Regierungspolitik sehr risikoreich sein. Um ihr Leben zu schützen, entscheiden sich viele afrikanische Intellektuelle deshalb, ihre Karriere anderswo zu machen.53
Die Politik dringt in alle Lebensbereiche ein und die Bürger, die eine andere Meinungsäußerung als die der Machthaber vertreten, werden eingeschüchtert bzw. bedroht. Ein junger Mensch, der versucht ein Geschäft aufzubauen, sieht sich gezwungen, sich vollkommen nach der tonangebenden Regierungspartei zu richten. In einem solchen Investitionsklima, in dem der Staat, anstatt Schutz und Sicherheit des Eigentums zu gewährleisten, die Vielfalt und den politischen Pluralismus vernichtet, sind die Bürger gezwungen, sich anzupassen oder zu politischen Mitteln wie Protesten, Wahlen und Petitionen zu greifen. Jedoch kann sich die zweite Alternative in einem nicht-demokratischen Kontext als lebensbedrohlich erweisen. In diesem Fall wirkt Migration als »Ventil«54 für kreative Köpfe und unzufriedene Bürger, die nach Alternativen im Ausland suchen. Für die wenigen Profiteure der korrupten Regime bedeutet die Abwanderung von potentiellen unzufriedenen Bürgern eine Entlastung, wie der ehemalige deutsche Botschafter in Kamerun, Volker Seitz, im Bezug auf Kamerun feststellt.55 Auf allen Ebenen der Staatsverwaltung stößt man auf Korruption und Klientelismus, die die Investitionsmöglichkeiten und Karrierechancen beeinträchtigen. Diese Hindernisse tragen zum größten Teil zu der Misswirtschaft und Unterentwicklung der Strukturen bei.56 3.1.5
Soziale Faktoren
Armut und fehlende Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen sind wichtige Faktoren, die die jungen Menschen in Afrika dazu veranlassen, nach besseren Le53 54 55 56
Jamfa 2007, S. 23–24. Gächter 2001, S. 16. Seitz 2009, S. 90–91. Mehr dazu: Seitz 2009, S. 90–93.
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
105
bensbedingungen im Ausland zu suchen. Die durch Dürreperioden ausgelösten Ernteausfälle bringen z. B. in vielen Dörfern der Sahel-Zone die Männer dazu, zu migrieren,57 um außerhalb der Heimat den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. In den afrikanischen Gesellschaften, in denen das Leben in der Gemeinschaft von großer Bedeutung ist, gibt es eine Art gegenseitiger Beeinflussung der Mitglieder der Gemeinschaft. Diese Beeinflussung bewirkt allerdings in den modernen Gesellschaften mit ihren unterschiedlichen Lebensniveaus nicht nur positive Konkurrenz, sondern auch Neid. Studium und Arbeit im Ausland, bevorzugt in Europa, Nordamerika, Südafrika und in den Golfstaaten, sind ein großes Privileg der oberen und mittleren Schichten. Der Aufenthalt im Ausland dient nicht nur zum Erwerb vom Wissen für die Entwicklung des Heimatlandes, sondern in manchen Fällen zur Erhöhung des Lebensstandards der Daheimgebliebenen. Die Entscheidung zur Migration wird zum größten Teil durch die Erwartungen der Familie beeinflusst. Das erworbene soziale Ansehen und der erhöhte Lebensstandard der Familien von Migranten motivieren andere Familien der Gemeinschaft oder der Nachbarschaft, ihre jungen Familienmitglieder ins Ausland zu schicken. Dabei gilt die Unterstützung der Abwanderung durch andere Familienmitglieder als eine Investition.58 Auch wenn positive Modernisierungstendenzen in vielen afrikanischen Ländern zu beobachten sind, sind immer noch in einigen Ländern Kriminalität und soziale Unsicherheit entwicklungshemmend. In Swaziland z. B. waren im Jahr 2000 88,6 Morde pro 100.000 Einwohner registriert, wobei Frauen besonders häufig die Opfer waren.59 In einem Stadtbezirk Sambias fürchten sich 93 % der Frauen vor Gewalt. Bei ihnen steht nach der Sorge um sauberes Wasser die Angst vor Gewalt und sexuellem Missbrauch an zweiter Stelle.60 Dieses Klima der Unsicherheit und Kriminalität hemmt sowohl die Entfaltung der Bürger als auch die Investitionen und den Tourismus. Wie bereits im Abschnitt 2.1 dargestellt, herrschen in fast allen Regionen des afrikanischen Kontinents soziale Konflikte, Machtputsche und Kriege, wobei Mil-
57 Grawert 1994, S. 219. 58 Mehr dazu: Abschnitt 2.6. Der Film »Rich Brother« von Insa Onken schildert das Leben eines jungen Kameruners, Bernard Donfack, der als Asylbewerber nach Deutschland kam und später Profiboxer wurde. Von seinen Familienangehörigen wird er »als reicher Bruder wahrgenommen, der mehr geben könnte, als er gibt« und steht unter dem Druck, die Erwartungen der Daheimgebliebenen zu erfüllen. Vgl. Boger 2010b, S. 43. 59 Swaziland steht an der weltweiten Spitze. http://www.statistiques-mondiales.com/champions_du_ monde.htm. 60 Marque 2005, S. 40.
106
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
lionen Waffen nach Afrika importiert werden. Tabellarisch lassen sich die Anteile von Rüstungsausgaben einiger afrikanischer Länder und Industrieländer an ihrem BIP (Bruttoinlandsprodukt) wie folgt vergleichen: Tabelle 6: Indikatoren zur Rüstung, Demokratie und Migration in einigen afrikanischen Ländern und Industrieländern Staaten
Gambia Ghana Angola Eritrea
USA Deutsch- Japan land
0,5 (2005)
0,8 (2006)
5,7 (2006)
6,3 (2006)
4,3 (2008)
1,2 (2008)
0,8 (2008)
DemokratieIndikatoren (Weltweite Stellung) 2008
111
94
131
153
18
13
17
MigrationsSaldo in % (2009)*
0,30
- 0,53
1,34
-
4,31
2,19
-
militärische Ausgaben (% des BIP)
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Statistiken von: Statistiques Mondiales, www.statistiques-mondaiels.com (26. 03. 2010). * Migrationssaldo ist die jährliche Differenz zwischen Ein- und Abwanderung pro 1.000 Einwohner. Wenn dieser Prozentsatz positiv ist, bedeutet dies, dass mehr Menschen in das Land eingewandert sind, und beim negativen Prozentsatz sind mehr Menschen abgewandert.
Wie die Tabelle 6 zeigt, weisen zwar nicht alle afrikanischen Staaten einen höheren Anteil an militärischen Ausgaben auf (der militärische Anteil von Gambias BIP betrug 2005 knapp 0,5 % und der militärische Anteil von Ghanas BIP 2006 0,8 %), jedoch stehen einige oben auf der weltweiten Rangliste. Eritrea z. B. stand 2006 auf dem fünften Platz mit 6,3 % vom Bruttoinlandsprodukt nach Oman (11,5 %), Israel (8,8 %), Saudi-Arabien (8,5 % im Jahre 2008) und Yemen (6,6 %). Seit 1960 sind mehr als 9 Mio. Menschen in Afrika durch Kriege und Massaker gestorben.61 Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen, die durch Abbildung 8 veranschaulicht werden, entstehen Zwangsarbeit, sexuelle Gewalt, Re-
61 Statistiques Mondiales, http://www.statistiques-mondiales.com/depenses_militaires.htm (26. 03. 2010).
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
107
krutierung von Kindersoldaten und Zwangsrekrutierung durch die Rebellen. Migrationswellen und Flüchtlingsströme innerhalb und außerhalb des Kontinents sind nur einige Folgen davon. Abbildung 8: Kriege in Afrika seit 1960
Quelle: http://www.statistiques-mondiales.com/carte_afrique.htm (31. 03. 2010).
3.1.6
Kulturelle Einflüsse aus Europa
Die europäische Kultur kennt zahlreiche Denkfiguren und Symbole, die die Farbe Schwarz verteufeln und die Farbe Weiß als unschuldig und friedlich darstellen. Man heiratet in Weiß, lässt sich in Weiß taufen. »Schwarz« wird negativ gedeutet und Afrika südlich der Sahara, auch »Schwarzafrika« genannt, wird deswegen mit
108
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
negativen Figuren verbunden.62 Die heutigen Beziehungen zwischen Europa und Afrika sind immer noch durch Sklaverei, Kolonialismus und Neokolonialismus geprägt, so dass die afrikanischen Identitäten immer noch zwischen Selbst- und Fremdbestimmung stark eingeengt sind.63 Durch die Kulturindustrie und die informationelle Übermacht des Westens werden europäische Werte64 in Afrika vermittelt und traditionelle Lebensweisen der afrikanischen Gesellschaften verlieren stark an Bedeutung. Diese Bewunderung und die Nachahmung europäischer Lebensweisen führen zu einer Entfremdung der Menschen. Die Menschen konsumieren Produkte aus Europa und vernachlässigen die in ihren Ländern oder in den anderen afrikanischen Ländern hergestellten Produkte. Alles, was mit »made in Germany« oder »made in France« etikettiert ist, wird mit Begeisterung gekauft, während »made in Cameroon« oder »made in Nairobi« nicht geschätzt wird.65 Dieser Konsum von Produkten aus Europa wird als ein Beweis von Modernität und von hohem Lebensstandard angesehen. Die Oberschicht und die Touristen verkörpern das Lebensmodell der Europäer. Die Mitglieder der Oberschicht konsumieren lieber teuren Champagner aus Frankreich als Palmwein, der vor Ort produziert wird. Es ist ein luxuriöser Lebensstandard, der in vielen Fällen aufgrund niedriger Löhne schwer zu halten ist. Deshalb verfallen viele in Korruption und Bestechung, um das Lebensniveau halten zu können. Doch nicht nur durch Touristen, Medien und die einheimische Oberschicht wird Europa als »Standard«, als »Eldorado« und »ideal« vermittelt. Viele afrikanische Migranten, die in Europa leben, wagen es nicht, den daheim gebliebenen Verwandten von ihrer Realität und den schwierigen Lebensbedingungen in Europa zu erzählen.66 Mit ihren Ersparnissen stellen sie sich während des Urlaubs in der Heimat als reich dar und verkaufen eine Illusion von »Europa als Paradies« an Aus-
62 Mehr zu Bildern und Darstellungen von Afrika/Afrikanern in der Literatur des 20. Jahrhunderts: Allerkamp 1991. 63 Mehr zu afrikanischen Identitäten und europäischen Einflüssen: Kumpfmüller 2000. 64 Diese Vermittlung europäischer Werte wird durch die überwiegend von den Kolonialmächten eingerichteten Schul- und Universitätssysteme verstärkt. 65 »Sie [Tansanier] lehnten z. B. Kleiderstoffe ab, die in ihrem Land hergestellt wurden. Aber sie waren sehr scharf auf die gleichen Stoffe, nachdem man sie im Nachbarstaat Kenya mit dem Stempel »made in Nairobi« versehen und nach Tansania eingeführt hatte, weil sie dachten, sie wären aus Europa und automatisch von besserer Qualität, da Kenya im allgemein nur europäische Stoffe anzubieten hat.« Bizimana 1985, S. 182. 66 Eine senegalesische Frau in Spanien antwortet wie folgt auf die Frage, warum die in Europa lebenden Afrikaner nicht die Wahrheit über ihre Lebensumstände erzählen: »When I go back to Senegal for holidays, I take my most beautiful dresses with me, just to show my family and friends I am doing more than fine … African people are just not telling the truth about living in
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wanderungswillige, die glauben, dass ein besseres Leben nur in Europa möglich sei.67 Wenn viele von diesen Interessenten nicht auswandern können, bleiben sie traurig und unglücklich in Afrika zurück mit der Vorstellung, »dass ihre Lebensweise schlecht und die der Weißen ideal ist.«68 Neben der Vermittlung von Europa als Raum für Freiheit durch Information und als »Paradies« zum Teil durch Migranten selber, bilden die erheblichen Rücküberweisungen der Migranten nach ihren Heimatländern einen nicht zu vernachlässigen Anreiz für andere Abwanderungskandidaten, wie Wihtol de Wenden konstatiert: L’Information, qui donne à voir un eldorado occidental, parfois à proximité, fait de consommation et de libertés. Cet imaginaire migratoire est aussi alimenté par les migrants eux-mêmes qui transfèrent des fonds et reviennent en vacances avec les symboles de la prospérité.69
Bildungssysteme in den afrikanischen Ländern, die noch sehr stark an europäischen Modellen orientiert sind, in denen in den Sprachen der ehemaligen Kolonialherren unterrichtet wird, führen nicht nur zur Entfremdung der Menschen, sondern vermitteln ein Wissen, das mit den afrikanischen Lebensweisen und Kulturen schwer zu vereinbaren ist. In Kamerun z. B. sind die kolonialen Strukturen des Bildungswesens erhalten geblieben, so dass Frankreich anhand bestimmter Kooperationsverträge immer noch einen großen Einfluss im Bildungssektor hat.70 Über das schlechte Bildungsangebot in SSA als eine mögliche Ursache der Abwanderung nach Europa gibt Michel Foaleng, Leiter der pädagogischen Hochschule in Bandjoun/Kamerun, zu bedenken: Schule in Kamerun, wie anderswo im südlichen Afrika, bleibt ein ›Wurmfortsatz‹ des Westens. Sie bringt allenfalls Menschen hervor, die dann nach Europa auswandern wollen, anstatt in Afrika zu bleiben. Dies ist jedoch unter anderem durch ein schlechtes Ausbildungsangebot – auch im universitären Bereich – bedingt. Der so genannte ›Brain Drain‹ ist auch dem inadäquaten und schlechten Bildungssystem in vielen Ländern des südlichen Afrikas geschuldet.71
Es wird weniger in die Bildung investiert und für Universitäten, für Forschung und Lehre steht weniger Geld zu Verfügung als für den Staatsapparat. Studenten und vor allem begabte Studenten werden nicht angemessen gefördert, so dass
Europe. Why? Because they just cannot! And when they are telling the truth about the difficulties here, people in Africa would just not believe them. Why? Because all the information they receive is telling them the opposite.« Schappendonk/Van Moppes 2007, S. 10. 67 68 69 70 71
»L’enfer est chez soi et le paradis ailleurs.« Zitiert in: Ndione/Broekhuis 2006, S. 12. Bizimana 1985, S. 182. Wihtol de Wenden 2009, S. 9. Vgl. Ambach et al. 2001, S. 439. Foaleng 2009, S. 36.
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viele nicht eine gute Leistung erbringen können.72 Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne im Bildungswesen versucht das Lehrpersonal durch Nebentätigkeiten zurechtzukommen, was sich negativ auf die Unterrichtsqualität auswirkt. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der Medien und der soziokulturellen Annäherung, die die Süd-Nord-Migration erleichtern. Satellitenfernsehen, das in den großen Städten vieler afrikanischer Staaten empfangen wird, trägt dazu bei, dass kommunikative Barrieren zwischen Herkunfts- und Zielstaaten von Migranten abgebaut werden. Dabei wird ein Bild von Europa als »Eldorado«73 vermittelt. Diese kulturelle Vernetzung der Welt dank der modernen Kommunikation hat erhebliche Folgen für die kulturellen Lebensweisen der Gesellschaften des Südens. Im Zeitalter der Globalisierung helfen die modernen Kommunikationstechniken und Informationstechnologien den Afrikanern, Informationen über den Westen zu erhalten und dadurch auch Auswanderungsmöglichkeiten zu analysieren. Aus den oben skizzierten extremen Unterschieden zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern ist ein Nord-Süd-Konflikt entstanden, der Aufschlüsse über das Migrationspotenzial von Afrika in Richtung Europa geben kann. 3.1.7
Ungleiche Nord-Süd-Beziehung und kultureller Imperialismus
Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff »Imperialismus« angewendet, um die Eroberung des Kontinents Afrika durch europäische Kolonialmächte zu bezeichnen. Ab dem 20. Jahrhundert bedeutete dieser Begriff weiterhin, den Willen einer Nation oder einer Gruppe, andere Nationen zu unterwerfen und dadurch ihre politische, wirtschaftliche und kulturelle Hegemonie zu erweitern. Durch verschiedene Methoden und Wege wie z. B. Gewalt, Eroberung, Druck oder Korruption kann Imperialismus in einem Land erfolgen.74 Nach Johan Galtung sind folgende fünf Typen von Imperialismus zu unterscheiden: • ökonomischer Imperialismus,75 • politischer Imperialismus, • militärischer Imperialismus,
72 73 74 75
Seitz 2009, S. 115. Seitz 2009, S. 115. Guignard 2007, S. 37. Mehr zum ökonomischen Imperialismus: vgl. O’Connor 1973, S. 124–186.
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
111
• Kommunikationsimperialismus, • kultureller Imperialismus.76 In dem »Zwei-Nationen-Welt«-Modell von Galtung, nach dem Nationen im Zentrum und andere in der Peripherie bestehen, hat jede Nation ihrerseits ein eigenes Zentrum und eine eigene Peripherie. In dieser Konstellation wird der Imperialismus »als ein spezieller Typ von Herrschaftsverhältnis zwischen organisierten Kollektiven, insbesondere Nationen«77 verstanden. In diesem »strukturellen Verhältnis« übt die »Nation im Zentrum« Macht über »die Nation an der Peripherie« aus.78 Im Gegensatz zur »militärischen Invasion«, die durch ein gewaltsames Eindringen stattfindet, erfolgt der kulturelle Imperialismus durch ein gewisses komplizenhaftes Verhalten der einheimischen Eliten. Durch ihr Verhalten, ihre Anpassung der Strukturen an die des »Zentrums« (Europa und Nordamerika), Korruption, Gewalt, den Konsum der europäischen Produkte und ihre Faszination für diesen Lebensstil werden die afrikanischen Eliten Förderer der Kulturen der Europäer zuungunsten ihrer eigenen Kulturen. In diesem Prozess erzeugen Medien in Zusammenarbeit mit diesen Eliten und Machthabern eine Faszination, die zur kulturellen Abhängigkeit der Länder des Südens vom Norden führt. Eine solche kulturelle Abhängigkeit dient wiederum den wirtschaftlichen Interessen der Metropole, wobei eine kulturelle Entfremdung der Menschen im Süden entsteht. Der »free flow of information«, in dessen Rahmen ab 1944 in den USA für den freien Informationsfluss in der Welt plädiert wurde,79 hatte zwar bedeutsame Auswirkungen im Bereich der Massenmedien wie z. B. der Presse, jedoch zugunsten der amerikanischen Medien bzw. der Medien der Industriestaaten. In seiner Doktorarbeit zu Senegal, Internet, Medien und Identität sieht Thomas Guignard in der durch die »free flow information«-Doktrin propagierten philanthropischen Kommunikation/Entwicklung ein liberales und industrielles Projekt, das den Interessen von Europäern und Amerikanern dient.80
76 77 78 79 80
Galtung 1973, S. 55. Galtung 1973, S. 29. Galtung 1973, S. 35. Guignard 2007, S. 32. Guignard 2007, S. 34.
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Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Zwischen dem Norden und dem Süden81 herrschen solche ungleiche Beziehungen, dass von einem »Nord-Süd-Konflikt« gesprochen wird. Dieser Konflikt ist auch durch ungleiche strukturelle Verhältnisse sowie wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle Entwicklungsgefälle entstanden. Hinzu kommen ökologische, sicherheitspolitische und demographische Aspekte und deren Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen dem Norden und dem Süden.82 Durch solche Gefälle wird der Druck, nach Europa abzuwandern, verstärkt. Auch Jacques Attali hebt die negativen Effekte der Teilung der Welt in zwei Blöcke (Reich gegen Arm) auf die globale Entwicklung hervor.83 Die Beziehungen zwischen den Entwicklungsländern (EL) und den Industrieländern (IL) sind nicht nur durch ungleiche ökonomische und politische Akteure geprägt, sondern auch durch technologisch und kommunikativ höchst ungleiche Akteure. Aufgrund der schwachen Medien und Mediennetzwerke der EL und der Vormachtstellung des Nordens auf dem weltweiten Kommunikations- und Kulturmarkt herrscht zwischen dem Norden und dem Süden eine »Ein-Weg-Kommunikation«, also ein einseitiger Kommunikationsfluss.84 Kulturindustrielle Produkte wie Filme oder Fernsehshows werden aus den Industriegesellschaften importiert und Menschen in Afrika werden täglich mittels Fernsehen mit Bildern der Lebensweisen der reichen Industrienationen »überschwemmt«. Wenn die Migration aus den ärmeren Regionen durch niedrigere Transportkosten und Vernetzung begünstigt wird, wird sie zum Teil auch durch die ungleiche kommunikative Beziehung ausgelöst. Die Wechselwirkung zwischen Informationsübermacht85 des Nordens und Migration aus dem Süden lässt sich in folgender Abbildung verdeutlichen:
81 Zum Nord-Süd-Begriff ist hier zu erwähnen, dass diese geographisch »imaginäre« (künstliche) Linie eigentlich unterscheidet zwischen den marktorientierten Industriestaaten (OECD-Länder) und den Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Vgl. Woyke 2000, S. 339. 82 Santel 1995, S. 131. 83 »Jacques Attali a souvent souligné l’impact global négatif de la dichotomisation du monde en bloc riche se protégeant et en pays laissés pour compte.« Goutier 2009, S. 16. 84 Mehr zur internationalen Kommunikation: Mawugbe 2002, S. 56–58. 85 Das Informationsmonopol der westlichen Industriestaaten und ihrer Nachrichtenagenturen ist so hegemonial, dass seit den frühen 1970er Jahren für eine neue weltweite Medienordnung plädiert wurde. Das Informationsmonopol der westlichen Industriestaaten und ihrer Nachrichtenagenturen wurde seit den frühen 1970er Jahren durch die sogenannte Zweite und Dritte Welt kritisiert. Im Rahmen der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation) wurde für eine Liberalisierung des Medienmarkts plädiert. Diese Forderung hing auch zusammen mit dem Diskurs über eine »Neue Weltordnung der Information und Kommunikation« NWICO. Mehr zu NWICO: Wittmann 2007, S. 242.
Bestimmungsfaktoren für die Migration aus Afrika
113
Abbildung 9: Wechselwirkung zwischen Informationsübermacht des Nordens und Migration aus dem Süden
Quelle: Eigene Darstellung.
Zusammenfassend gesagt, fließen aus dem Norden Informationen und kulturindustrielle Konsumgüter nach Süden, die dazu beitragen, dass der Norden eine starke Sogwirkung auf den Süden ausübt. In der vorliegenden Arbeit wird die Dominanz des Nordens in der internationalen Medienordnung berücksichtigt, die sich im Prozess des kulturellen Imperialismus als einflussreich und wirksam bewiesen hat. Damit wird überprüft, inwieweit sich diese These der medialen Do-
114
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
minanz des Nordens durch die Untersuchungsergebnisse von Diskursen über die Migration aus Afrika nach Europa in deutschen und senegalesischen Zeitungen bestätigen lässt. 3.2
Folgen der Migration aus Afrika
Um die historische Bedeutung des Migrationspotenzials aus Afrika für die europäischen Aufnahmegesellschaften zu erfassen, kann auf eine Vorhersage des damaligen französischen RPR-Parteichefs und späteren Präsidenten Frankreichs, Jacques Chirac, aus dem November 1984 zurückgegriffen werden: »In 30 Jahren wird es nicht mehr möglich sein, die Menschen des Südens daran zu hindern, nach Norden zu wandern.«86 Die heutigen Migranten aus Afrika haben unterschiedliche Motive, so können sie z. B. Arbeitsmigranten, Akademiker, Fachkräfte, Flüchtlinge oder Asylsuchende sein. Die Präsenz von Migranten afrikanischer Herkunft in den europäischen Ländern – sei sie nun als gering oder hoch eingeschätzt – ist aufgrund der Hautfarbendifferenz sichtbarer als die Präsenz von Migranten aus anderen Erdteilen und verursacht bei vielen Einheimischen Angst und Ausländerfeindlichkeit, so dass der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung weniger wahrgenommen wird. Jedoch sind gegen diese Befürchtungen die Frage nach den Ursachen sowie die Frage nach den Folgen der Migration für die Entwicklung der Auswanderungsund der Aufnahmeländer von großer Bedeutung. Es ist heute unmöglich, sich mit der neuen afrikanischen Diaspora auseinanderzusetzen, ohne sich mit der Problematik des »Brain Drains« auseinanderzusetzen, da ein wichtiger Teil von Migranten aus SSA über eine Universitätsausbildung verfügt und überwiegend aus den großen Städten und mittleren Schichten stammt. Die Auswanderung dieser ausgebildeten und talentierten Afrikaner nimmt stetig zu und wird von vielen Experten als ein großer Verlust für den Kontinent bezeichnet. Dagegen schätzen andere, dass diese besondere Form der Migration auch für die Herkunftsländer profitabel sein kann, wenn sie in eine Form von »Brain Exchange« umgewandelt wird.
86 Chimelli 2005, S. 2.
Folgen der Migration aus Afrika
3.2.1
115
Wirtschaftliche Folgen
Angesichts der Befürchtung, dass Einwanderer zur Belastung für öffentliche Haushalte werden können und der schwierigen Integration vieler ehemaliger Gastarbeiter und ihrer Nachkommen in den Arbeitsmarkt wird oft die Frage der Integration in Deutschland im Zusammenhang mit den fiskalischen Kosten der Einwanderung gestellt.87 Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) kommt am Beispiel des Untersuchungsjahres 2004 zu dem Ergebnis, dass Deutschland durch Zuwanderung einen positiven ökonomischen Effekt erzielt. Festgestellt wurde, dass jeder in Deutschland lebende Ausländer im Jahr 2004 ca. 2000 Euro in die Sozial- und Staatskasse eingezahlt hat.88 Deswegen erweist sich die Zuwanderung langfristig als positiv für die Stabilisierung des Sozialstaats. Laut Holger Bonin vom IZA würden die Beiträge der Einwanderer zur Entwicklung Deutschlands durch eine Steuerung der Zuwanderung dank des Punktesystems und einer besseren Integration in den Arbeitsmarkt erheblich steigern.89 Trotz der Arbeitslosigkeit bleiben in einigen EU-Ländern wie Deutschland aufgrund des Mangels an entsprechenden qualifizierten Arbeitskräften Arbeitsstellen wie z. B. jene im IT-Bereich vakant. Tätigkeiten mit niedriger Entlohnung, die keine besondere Qualifikation erfordern, haben als Risiken die drohende Arbeitslosigkeit und werden von den Einheimischen nicht gern erledigt. Solche Stellen können durch ausländische ungelernte Arbeitskräfte besetzt werden. Die Beschäftigung von nicht qualifizierten Arbeitskräften aus Afrika könnte sowohl Europa helfen, die Lücke in seinem Arbeitsmarkt zu schließen als auch Afrika die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen zu bekämpfen. Laut »L’Express« besteht in vielen EU-Ländern ein akuter Mangel in vielen Wirtschaftssektoren, wie im Baubereich, in der Gastronomie und dem Reinigungssektor. Dieses Manko ist u. a. mit dem Rückgang der Bevölkerung zu begründen. Die durchgeführten Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Mangels an Arbeitskräften sind in den europäischen Ländern unterschiedlich: In Italien z. B. wird jährlich die Einwanderungsquote durch ein Dekret festgelegt.90 Großbritannien plant unter dem Druck der britischen Ar87 Bonin 2006, S. 1. 88 Einige Einnahmen des öffentlichen Haushalts, die der Staat durch Migranten erzielte, sind z. B. Lohn- und Einkommensteuer, Steuer auf Grundbesitz, Kapitalbesitz oder Vermögen, Mehrwertsteuer, Versicherungen. Vgl. Bonin 2006, S. 3. 89 Bonin 2007, S. 43–44. 90 Im Jahre 2007 wurden 520.000 Aufenthaltstitel erteilt. 170.000 sind für 2008 geplant. Die Migrationswilligen, die einen Arbeitsvertrag erhalten möchten, nehmen an einer »Einwanderungslotterie« (»Loterie des immigrés«) via Internet teil. Vgl. Chabrun/Saintourens 2008, S. 69.
116
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
beitgeber, 200.000 Einwanderern Aufenthaltstitel zu erteilen. Einige politische Parteien in Deutschland weisen auf einen Bedarf an ausländischen Fachkräften hin und plädieren für eine Steuerung der Zuwanderung durch die Vereinfachung der Fachkräftezuwanderung. Dennoch findet ein gerechter Wettbewerb um die »klügsten Köpfe« in Deutschland aufgrund des bis vor einigen Jahren noch bestehenden Vorrangprinzips der deutschen vor den ausländischen Bewerbern kaum statt.91 Außerdem sind die Meinungen über die Notwendigkeit eines Punktesystems92 immer noch zurückhaltend. Was Frankreich anbelangt, wurden 200 Aufenthaltstitel mit dem Namen »compétences et talents« im Jahre 2008 im Rahmen der bilateralen Vereinbarungen an die am besten qualifizierten Senegalesen für 60 Berufe vergeben. Von den Demographen der »Commission Attali« bis zu der Quotenpolitik des jetzigen »Ministère de l’Immigration, de l’Identité nationale et du Co-développement« sind sich alle über die Notwendigkeit der Einwanderung in manchen Bereichen der europäischen Märkte einig. Aber die Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, besteht in der Lösung des Problems, ohne eine weitere Sogwirkung auf die illegale Migration auszuüben und ohne die Entwicklung der afrikanischen Herkunftsländer dadurch zu schädigen. Diese schwierige Frage der Migration formuliert der französische Minister für Immigration, Integration, nationale Identität und Ko-Entwicklung, Brice Hortefeux, wie folgt: »Favoriser une immigration de travail sans créer d’appel d’air pour les clandestins ni piller leurs pays d’origine.«93 3.2.2
Geldtransfer und Armutsbekämpfung
Der Beitrag von Migranten zu der Entwicklung ihrer Länder gewinnt zunehmend an Bedeutung.94 Eine Studie des »Sussex Centre for Migration Research« hebt den Beitrag von senegalesischen Arbeitern in Italien für entwicklungspolitische Projekte in ihrer Heimat wie z. B. Wasserversorgung, Schulsystem, Moscheen oder kleine Unternehmen hervor.95 Diese Arbeiter werden häufig nicht entsprechend
91 Wolff 2008, S. 21 f. 92 Das Punktesystem definiert die Kriterien, wer nach Deutschland einwandern darf. Es betrifft besonders die hoch qualifizierten Arbeitnehmer, Saisonarbeitskräfte, Studenten mit deutschem Studienabschluss und Arbeitnehmer spezieller Branchen oder mit besonderen Fähigkeiten. Als Mindestanforderung müssen die Einwanderungsbewerber u. a. eine gute Gesundheit, einen guten Ruf, die Sicherung ihres Lebensunterhalts und Deutschkenntnisse vorweisen. Vgl. Wolff 2008, S.22. 93 Chabrun/Saintourens 2008, S. 69. 94 Chappell/Glennie 2009. 95 Hierzu mehr: Grillo/Riccio 2003.
117
Folgen der Migration aus Afrika
als entwicklungspolitisches Potenzial wahrgenommen und ihnen wird in den Medien nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Der Weltbank-Bericht »Global Economic Prospects« schätzt, dass von dem Geld, das im Jahre 2005 die Entwicklungsländer erreichte, 167 Milliarden US$ von Migranten stammten.96 Von den gesamten Rücküberweisungen stammten 8,1 % aus Deutschland. Die USA standen an erster Stelle mit 28,4 % und Saudi-Arabien folgte an zweiter Stelle mit 15,1 %.97 Die positive Rolle der Diaspora hinsichtlich der Entwicklung Afrikas zeigt sich an der Höhe ihrer Rücküberweisungen nach Afrika: Im Jahre 2002 wurden zwölf Milliarden US$ von der Diaspora nach Afrika überwiesen. Dies entspricht mehr als dem Doppelten der weltweiten Mittel von ODA-Leistungen (Official Development Assistance), die nach Afrika fließen.98 2007 haben sich die Rücküberweisungen von Afrikanern im Ausland verdreifacht und lagen nach der Berechnung des »Human Development Report 2009« bei 36.850 (in Mio. US$).99 Tabelle 7: Geldüberweisungen in einige Länder Afrikas 2007 (Mio. US$) Länder
Geldüberweisungen
Kap Verde
139
Botswana
141
Namibia
17
Südafrika
834
Kenia
1588
Sudan
1769
Uganda
849
Lesotho
443
Kamerun
167
96 Elvers-Guyot 2006, http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1845312,00.html (17. 12. 2006). 97 Mundt 2004, http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/10-2004/schwer_art2.html (14. 04. 2007). 98 Klatte 2005. 99 Human Development Report 2009, S. 162.
118
Länder Côte d’Ivoire
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Geldüberweisungen 179
Nigeria
9221
Senegal
925
Äthiopien
359
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: UNDP/Human Development Report 2009.
Wie durch Tabelle 7 verdeutlicht, wurden 2007 179 Mio. US$ nach Côte d’Ivoire überwiesen. Mit vier Mio. Auswanderern (dies entspricht einem Drittel der Bevölkerung) ist Mali eines der Länder, welches stark von den Rücküberweisungen seiner Bürger im Ausland abhängig ist. Nach den behördlichen Angaben werden ca. 200 Milliarden FCFA (ca. 300 Mio. Euro) jährlich nach Mali und 309 Milliarden FCFA nach Senegal überwiesen.100 Die Bank von Ghana schätzt 400 Mio. US$ (dies entspricht in etwa den Exportgewinnen von Kakao und 20 % des Gesamtexports des Landes), die im Jahr 2001 von den ghanaischen Auswanderern in den USA nach Ghana überwiesen wurden.101 Die eritreischen Experten schätzen, dass 20 % der Bevölkerung in Eritrea durch die Auslandseritreer direkt unterstützt werden.102 Eine Studie der statistischen Abteilung des Finanzministeriums von Senegal von 2008 hat gezeigt, dass die Rücküberweisungen 31 % der senegalesischen Empfänger ermöglichten, aus der Armut zu kommen.103 Diese Gelder werden nicht nur in Immobilien und Konsumgüter investiert, sondern auch in Bildung und die medizinische Versorgung der Familienmitglieder, die in der Heimat geblieben sind. Die Investitionen im Bildungs- und Gesundheitsbereich tragen dazu bei, dass die Chancen im Arbeitsleben steigen und dadurch auch das Einkommen und das Lebensniveau der Emigrantenfamilien erhöht werden. Das regionale Wachstum erfährt durch den darauf folgenden erhöhten Konsum eine gewisse Dynamik. Viele Geldinstitute wie Western Union, MoneyGram oder Afriland First Bank Group104 legen mittlerweile einen Schwerpunkt auf den Geldtransfer der Diaspora.
100 Perdrix 2005, S. 43. Mehr zum Geldtransfer von Senegalesen: Some 2009, S. 60–62. 101 Die Gelder, die nicht durch die Banken und über offizielle Wege überwiesen wurden, sind nicht berücksichtigt. Vgl. Düvell 2006, S. 166. 102 Hannken 2004, S. 320. 103 Gueye 2009, S. 105. 104 Fokam/Numbem 2002, S. 7.
Folgen der Migration aus Afrika
119
Angesichts dieses erheblichen Geldtransfers preist das US-Magazin Newsweek in der Ausgabe vom 19. 01. 2004 die Rücküberweisungen als »effectively a new form of foreign aid«105 an und der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen sieht diese als ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern der Migranten.106 Gegen die positiven Einschätzungen der Rücküberweisungen lässt sich feststellen, dass der größte Teil für Konsumgüter und zum Erhalt des Lebensstandards der Familien der mittleren und oberen Schichten verwendet wird. Ein negativer Aspekt des Geldtransfers der Emigranten ist die starke wirtschaftliche Abhängigkeit vieler afrikanischer Familien von den Migranten, die in manchen Fällen dazu führt, dass die zurückgebliebenen Angehörigen ihre zusätzlichen Einkommensquellen vernachlässigen und Druck auf den Migranten ausüben.107 Die Rücküberweisungen werden als komfortable Einkommensquelle wahrgenommen und veranlassen viele Regionen, sich »auswanderungsabhängig« zu machen. Sie verlieren ihre aktiven Arbeitskräfte und spezialisieren sich somit auf den »Export« von Migranten. Der ugandische Präsident, Yoweri Museveni, lobt die Abwanderung als »le premier produit d’exportation« (»das erste Exportprodukt«) seines Landes an.108 Wie oben analysiert, tragen die Auswanderer aus den Entwicklungsländern durch regelmäßige Geldüberweisungen zum sozialen Überleben ihrer Familien bei. Jedoch sollten die Gelder nicht nur zum Überleben der Familien, sondern auch zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung durch Investitionen in produktive Anlagen wie Existenzgründungen investiert werden. Würden diese Gelder hauptsächlich für den Konsum von lokalen Produkten verwendet und nicht für Luxusprodukte aus dem Ausland, dann würden sie erheblich zur Armutsbekämpfung beitragen. Es muss auch ein sicheres Banken- und Kreditsystem aufgebaut werden, welches es den Familien ermöglicht, effektiver zu sparen, um in einem günstigeren Investitionsumfeld investieren zu können.109 Weiter bleibt zu untersuchen, wie den ländlichen Gegenden ein einfacher Zugang zu den Banken ermöglicht werden kann, wie die Transferkosten gesenkt werden können, und wie Frauen besseren Zugang zum Transfernetzwerk und zu Informationen erhalten können. Damit die
105 Zitiert in: Mundt 2004, http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/10-2004/schwer_art2. html (14. 04. 2007). 106 Wermelskirchen 2006, S. 9. 107 Laut Solange Nzimegne-Gölz führt ein der Erwartungsdruck, dass Migranten die materiellen Bedürfnisse ihrer Angehörigen in Afrika befriedigen, sogar dazu, dass Migranten in Europa mögliche Erkrankungen, seien sie auch tödlich, verdrängen. Vgl. Nzimegne-Gölz 2006, S. 25. 108 Wade Ndoye 2003. 109 Mundt 2004, http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/10-2004/schwer_art2.html (14. 04. 2007).
120
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
Potenziale, die Ressourcen und das Wissen der afrikanischen Migranten effizient genutzt werden können, müssen auch ihre Rechte in den Herkunfts-, Transit- und Ankunftsländern garantiert werden.110 3.2.3
Entwicklungspolitische Netzwerke
Die afrikanischen Migranten vermitteln durch ihre Bildungs- und Informationsarbeit, kulturellen Veranstaltungen und die Ausübung ihrer Berufe die afrikanische Kultur und ihr Know-how in den Aufnahmeländern. In Deutschland z. B. sind viele Projekte und Vereine durch das Engagement von Menschen afrikanischer Herkunft entstanden. Diese Migranten dienen als »Brücke« zwischen Heimat und Aufnahmeland und können in die entwicklungspolitischen Projekte miteinbezogen werden, da sie die Lage und die Bedürfnisse in ihren Ländern besser einschätzen können.111 Eine Studie von Helga Hannken über die Immigration, Emigration und Remigration in Eritrea zeigt, dass sich die Remigranten durch ihre geschäftlichen, religiösen, politischen und kulturellen Kontakte zu dem ehemaligen Aufnahmeland und durch Tätigkeiten in nationalen und internationalen Organisationen weltweit am Austausch von Ideen beteiligen und diese in ihrem Herkunftsland umsetzen. Die eritreischen Rückkehrer spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung Eritreas.112 Die entwicklungspolitischen Netzwerke der Migranten sind so relevant geworden, dass kein Herkunftsland es sich heutzutage leisten kann, seine Diaspora zu vernachlässigen. In diesem Rahmen hat Senegal z. B. ein »Ministère des Sénégalais à l’Étranger« eingerichtet. Mittlerweile werden weltweit besondere Netzwerke aufgebaut, die dazu dienen, die Mitglieder der Diaspora zusammenzubringen. Dadurch erweisen sich Migranten als »Brückenbauer«, wie das Programm »Rückkehrende Fachkräfte« es formuliert:
110 Massarenti 2009, S. 29. 111 Ein Beispiel für solche Initiativen ist die togoische Diaspora in Siegen, die 1997 den Verein Kékéli e.V. gründete, der mit togoischen und deutschen Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeitet. Zu den Aufgaben dieses Vereins gehören z. B. die Arbeit mit Straßenkindern, die Einrichtung öffentlicher sanitärer Anlagen, die Versorgung von kleineren Ortschaften und Dörfern mit Strom, die Unterstützung von Basisgesundheits-Zentren und Krankenhäusern mit Krankenhausmaterial, sowie die Beschäftigung mit der Problematik der Müllentsorgung in Togo. Vgl. Helm 2007, S.84–91. 112 Hannken 2004, S. 429.
Folgen der Migration aus Afrika
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Als ›Brückenbauer‹ zwischen verschiedenen Ländern etablieren Migranten oft langfristige Handelsbeziehungen, Wissensnetzwerke und soziale Kontakte, die Aufnahme- sowie Herkunftsländern gleichermaßen zugute kommen.113
Die zunehmenden transnationalen Netzwerke von Intellektuellen und Hochqualifizierten organisieren sich heutzutage zum größten Teil dank der Fortschritte in den Kommunikationstechnologien. Sie tragen erheblich zum Austausch, zur Vernetzung und zum Wissens- und Technologietransfer zwischen Herkunfts- und Aufnahmeländern bei.114 Mercy Brown und Jean-Baptiste Meyer stellen in diesem Rahmen folgende »knowledge networks« der Diasporagemeinschaften aus den afrikanischen Ländern fest: Association of Kenyans Abroad – AKA (Kenia), Morrocan Association of Researchers and Scholars Abroad – MARS (Marokko), The Tunisian Scientific Consortium – TSC (Tunesien), Association of Nigerian Abroad – ANA (Nigeria) und The South African Network of Skills Abroad – SANSA (Südafrika).115 3.2.4
Demographische Folgen
Viele europäische Länder sind mit der Bevölkerungsschrumpfung konfrontiert, die durch einen starken Rückgang der Geburten entstanden ist. Deutschland z. B. ist seit den 1970er Jahren durch eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt gekennzeichnet. Diese Geburtenrate liegt momentan bei 1,3 Geburten pro Frau.116 Der Geburtenrückgang führt zu einer demographischen Alterung und verlangsamt das Bevölkerungswachstum. 2006 lag die Bevölkerung Deutschlands bei 82 Mio.117 Die Folgen der demographischen Alterung machen sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Das Angebot an Arbeitskräften und Verbrauchern sinkt, ebenso wie die Zahl der Beitragszahler, die die sozialen und öffentlichen Systeme sichern. Als Lösungsansätze zur Bewältigung dieser demographischen Lücke im Arbeitsmarkt wurden marktwirtschaftliche Instrumente wie z. B. die Erhöhung der Lebensarbeitszeit und Arbeitsproduktivität, die Verkürzung der Ausbildungszeiten und die Vereinbarung von Familien und Beruf 118 vorgeschlagen.
113 Afrika-Asien-Rundbrief, Zeitschrift des Arbeitskreises Afrikanisch-Asiatischer Akademikerinnen und Akademiker, Jahrgang 24, Heft 1, 2009, 15. 114 Hierzu mehr: Vertovec 2002. 115 Brown/Meyer 1999. 116 In Frankreich liegt die Geburtenrate bei 2 Kindern pro Frau. Im Jahre 2007 waren es noch 1,98. 117 http://siteresources.worldbank.org/INTPROSPECTS/Resources/334934-1199807908806/Germany.pdf (03. 03. 2010). 118 Die Vereinbarung von Familien und Beruf zielt auf bessere Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt ab.
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Es ist fraglich, ob sich solche Alternativen wie die Erhöhung der Lebensarbeitszeit und die Verkürzung der Ausbildungszeiten längerfristig positiv auf die Erwerbstätigen wirken können. Einige Studien sehen die Nettozuwanderung ebenfalls als geeigneten Lösungsansatz.119 Würde die Einwanderung aus Afrika den Geburtenund Bevölkerungsrückgang in Europa ausgleichen? Engelhard hebt die Notwendigkeit der Einwanderung hervor: Die Industriestaaten wehren heute Menschen ab, die sie morgen brauchen werden. Selbst wenn das Boot voll zu sein scheint oder Engpässe nicht zu übersehen sind: die Alteingesessenen in Europa werden nicht nur relativ, sondern absolut immer weniger, und ihre Altersstruktur wird immer ungünstiger für die Rentenfinanzierung.120
Auch wenn die Staaten der EU die Zuwanderer benötigen, um die Lücke in ihren Bevölkerungsstrukturen und den Bedarf an Arbeitskräften zu kompensieren, »muss der Zustrom begrenzt und gesteuert werden«, wenn man diesen Menschen »ein menschenwürdiges Leben ermöglichen will.«121 Hierbei lässt sich die Frage der Rahmenbedingungen und Integrationsmöglichkeiten der Aufnahmegesellschaften stellen. Die Abwanderung aktiver Arbeitskräfte und »kluger Köpfe« aus Afrika belastet die Bevölkerungsstrukturen ihrer Herkunftsländer. Betrachtet man jedoch die hohe Arbeitslosigkeit in den betroffenen Ländern, kann man ebenso davon ausgehen, dass die Abwanderung dazu beiträgt, den Arbeitsmarkt zu entlasten. Die afrikanischen Länder bewerten die Rücküberweisungen ihrer Emigranten äußerst positiv, aber diese Euphorie ist nur eine kurzfristige Lösung für das Problem einer nachhaltigen Entwicklung. Auch wenn nur wenig verlässliche statistische Daten vorhanden sind, um die Auswirkungen der Abwanderung auf die Bevölkerungsstruktur und Entwicklung der Ländern SSA zu messen, ist zu vermuten, dass in ferner Zukunft ein akuter Bevölkerungsrückgang entstehen könnte.122 119 »While many of the industrialized states are cautious in acknowledging it, their continued prosperity will depend in part on international migration. Many of the world’s most affluent societies have low and declining birth rates, and as a result their populations are becoming progressively smaller and older. As a result, they may find it difficult to maintain existing levels of economic productivity, to sustain their pensions and social security systems, and to find the caregivers required to meet the needs of an ageing population.« In: Report of the Global Commission on International Migration GCIM 2005, S. 6. 120 Engelhard 2000, S. 70. 121 Engelhard 2000, S. 70. 122 Es wird davon ausgegangen, dass Kamerun aufgrund der massiven Abwanderung von kamerunischen Frauen vor einer Bevölkerungsschrumpfung steht, wenn nicht entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden. Vgl. Okala 2001.
Folgen der Migration aus Afrika
123
Nicht nur der demographische Rückgang in den EU-Staaten und das Bevölkerungswachstum in den afrikanischen Ländern haben einen großen Einfluss auf die Migrationswellen vom Süden nach Norden, viel stärker sind die Auswirkungen der Klimawende spürbar. Die afrikanische Sahelzone ist bereits von Dürre, Nahrungsmittelknappheit und Hunger stark betroffen. Die Folgen sind sowohl Migration und Flucht innerhalb Afrikas als auch außerhalb. Auch wenn die Annahme herrscht, dass Europa nicht die Probleme der Welt lösen kann, kann es diese Probleme fernhalten oder durch Abschreckung und Abschottung den »Flüchtlingsstrom« regulieren? 3.2.5
Soziokulturelle Folgen
Die Migration verursacht komplexe Folgen in den Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländern. Was die Auswanderung aus Afrika betrifft, sind heutzutage die soziokulturellen Auswirkungen in Afrika und Europa unterschiedlich zu bewerten. In den Aufnahmeländern kann die Einwanderung zu einer multikulturellen Gesellschaft beitragen aber auch zu komplexen sozialen Integrationsproblemen. Die Kulturdifferenzhypothese123 geht davon aus, dass der Migrant vor der Einwanderung an eine andere kulturelle Realität gewöhnt war und sich in der neuen Kultur der Einwanderungsgesellschaft neu orientieren und anpassen muss. Die Modernitätsdifferenzhypothese dagegen vertritt die These des Modernitätsgefälles zwischen Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft des Einwanderers. Dieses Gefälle führe dazu, dass der Migrant, der aus einem »vorindustriell-ländlichen« Lebensraum stamme, sich in den »fortgeschrittenen Industriegesellschaften« nur schwer anpassen könne.124 Die Konfrontation mit der unbekannten fremden Kultur könnte zu einem Kulturschock, zu Verunsicherung und Angst führen. Der zweiten Hypothese liegt ein Werturteil von Kulturen zugrunde, da sie von der Annahme ausgeht, dass manche Migrantengruppen durch ein Defizit an Modernität gekennzeichnet und deshalb wenig anpassungsfähig seien. Aufbauend auf diese Theorien könnten die Integrationsprobleme zum Teil durch einen Unterschied zwischen ethnisch-kulturellen Elementen, die die Zuwanderer mitgebracht haben, und der Kultur der Aufnahmegesellschaft erklärt
123 Wolf-Dietrich Bukow und Roberto Llaryora sehen dieses Verständnis kritisch, das im Alltag, in der Politik wie in der Wissenschaft tendiert, die Integrationsprobleme von Ausländern mit ihrer Herkunft zu erklären. Sie zeigen, wie die Migranten von vornherein als »ethnische Minorität« etikettiert werden. Mehr dazu: Bukow/Llaryora 1998. 124 Bukow/Llaryora 1998, S. 40–48.
124
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
werden.125 Viele dieser Menschen, die aufgrund der Armut und Perspektivlosigkeit ihre Länder verlassen haben und auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen und Arbeit nach Europa gekommen sind, finden öfter hier auch Arbeitslosigkeit, Armut, wenig Toleranz und Rassismus.126 Welche Stadt könnte diese Situation besser illustrieren als der Großraum von Paris, in dem Anfang der 1990er Jahre schätzungsweise ca. 700.000 Menschen aus Afrika lebten? In einer der glänzendsten Metropolen der Welt gibt es inzwischen Viertel, die sich keinen Deut von den Slums afrikanischer Großstädte unterscheiden. Immer mehr afrikanische Frauen sind hier zu sehen, mit Kindern auf dem Rücken, in bunte Tücher gewickelt, den Wassereimer auf dem Kopf balancierend, weil es in den Abbruchhäusern, in denen sie hausen, längst kein Wasser mehr gibt: die Stadt hat ihnen den Hahn abgedreht, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen.127
In ihrer Untersuchung über soziale Distanz und Ausgrenzung von Migranten aus Kap Verde und Guinea weist Julia Crause darauf hin, dass rassistische Vorurteile keineswegs im theoretischen Diskurs außer Acht gelassen werden, »da Rassismus nach wie vor zu den elementaren Erfahrungen afrikanischer MigrantInnen gehört.«128 In den Integrationsdebatten spiegeln sich manchmal Rassismus,129 Diskriminierung, Stereotype und Ausländerfeindlichkeit wider.130 Dabei wird allgemein die Migration in Europa und in den USA eher als Bedrohung denn als Chance gesehen, wie die Studie »Transatlantic Trends: Immigration« von 2008 ergründet hat: 47 % der befragten Europäer und 50 % der Amerikaner nehmen die Einwanderung als ein Problem wahr.131 Die Sorgen der Befragten (52 % der Europäer und 47 % der US-Amerikaner) betreffen die Zunahme von Kriminalität und Konkurrenz am Arbeitsmarkt durch Einwanderung. 49 % der Deutschen sahen in der Einwanderung eine Bedrohung, während nur 38 % in ihr eine Chance sahen. Im Gegensatz zu Deutschland sahen die französischen Befragten in der Einwanderung nach Frankreich häufiger eine Chance (46 %) als ein Problem (35 %). Großbritannien steht an erster Stelle der Länder in Europa, die Immigration eher als Bedrohung (62 %) denn als Chance
125 Müller 2007. 126 Boger 2004, S. 44. 127 Werner 1992, S. 29. 128 Crause 1998, S. 80. 129 Werner 1992, S. 28–30. 130 Laut Margret Jäger spricht man von Rassismus, wenn »Personen, die anders aussehen und/oder andere Sitten und Gebräuche pflegen und/oder eine andere Sprache sprechen, insgesamt also anders sind als die Mehrheit der Bevölkerung, negativ beurteilt werden und diese Beurteilung im Einklang mit dem hegemonialen Diskurs der betreffenden Gesellschaft steht.« Jäger (Margret) 1996, S. 74. 131 Transatlantic Trends 2008, S. 4.
Folgen der Migration aus Afrika
125
(24 %) wahrnehmen.132 Diese Haltung zur Einwanderung kann u. a. mit den politischen Orientierungen der Bürger erklärt werden. Aufgrund der Studie ist festzustellen, dass die Mehrheit der Befragten, die sich positiv über die Einwanderung äußerten, selbst angab, politisch links orientiert zu sein. Diejenigen hingegen, die in der Einwanderung eher ein Problem sahen, ordneten sich als politisch rechts orientiert ein.133 Jedoch sieht eine starke Mehrheit der Befragten in Europa (65 %) die Migration als einen Impulsgeber für die europäische Kultur. Neben den politischen persönlichen Orientierungen und Überzeugungen der Einheimischen in der Aufnahmegesellschaft könnten die Ursachen der negativen Einstellung gegenüber Immigranten sowohl in den Strukturen der Gesellschaft als auch in der fehlenden Integration liegen. Die Ausschreitungen von Jugendlichen afrikanischer Herkunft in den französischen Vororten sind nur ein Beispiel der zum Teil gescheiterten Integrationspolitik in Frankreich. Diese Krawalle belegen die Notwendigkeit einer effizienten Integration durch adäquate Maßnahmen. Eine Vergleichsstudie von Ferdinand Ezembé134 über Bildung in Afrika und in der Immigrationsgesellschaft zeigt, dass viele afrikanische Eltern in Frankreich, die überwiegend aus Senegal, Mauretanien und Mali stammen und ein schwaches Bildungsniveau vorweisen, nur schwer ihren kulturellen Hintergrund, ihre Erziehung und ihr Wertesystem mit dem Sozial- und Schulsystem Frankreichs vereinbaren können. Diese schwierige Vereinbarung von den mitgebrachten Werten mit denen der Aufnahmegesellschaft kann eine strukturelle Integration erschweren.135 Von den 6,76 Mio. Ausländern, die Ende 2006 in Deutschland lebten, stammten 275.000 aus Afrika.136 Im Vergleich zur Migration aus Regionen wie Ost-Europa oder Asien ist die Migration aus SSA bis zu den 1980er Jahren in die EU sehr gering gewesen.137 Heutzutage leben, studieren und arbeiten zahlreiche Menschen aus Afrika in Deutschland. Für die Einen ist Deutschland inzwischen zur Wahlhei-
132 Transatlantic Trends 2008, S. 5. 133 Transatlantic Trends 2008, S. 6. 134 Ezembé 1997. 135 Strukturelle Integration umfasst Bereiche wie Wirtschaft, Politik, Bildung, Gesundheit, Arbeit. 136 2005 lebten 15,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, Statistisches Bundesamt 2007. 137 Laut Bade waren die Migration kolonialer und postkolonialer Herkunft und die europäische interne Arbeitsmigration in den 1980er und 1990er Jahren relativ gering. Die Zahl der Migranten hat aufgrund des Bevölkerungswachstums bei der Migrantenbevölkerung in den Aufnahmeländern und aufgrund der Familienzusammenführungen zugenommen. Vgl. Bade 2003, S. 8.
126
Bestimmungsfaktoren und Folgen der Migration aus Afrika
mat geworden, für die Anderen ist es lediglich ein Gastland, in dem man für einen bestimmten Zeitraum lebt, um später wieder in das Heimatland zurückzukehren. Dennoch herrscht bei vielen Einheimischen in Europa einerseits die Angst vor multikulturellen Gesellschaften und anderseits die Angst vor Parallelgesellschaften.138 3.3
Zwischenfazit
Es lässt sich zum Schluss dieses Kapitels festhalten, dass sich die Analyse der Migrationsakteure und der Motive und Folgen von Abwanderung aus SSA für die spätere Diskursanalyse als nützlich erwiesen hat. Jedoch haben sich die Migrationsformen, die neueren Entwicklungen der Push- und Pull- Faktoren in einer sich immer wandelnden Welt als komplex gezeigt. Es hat sich herausgestellt, dass die nachhaltige wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Entwicklung Afrikas durch die Emigration und besonders durch den »Brain Drain« beeinträchtigt werden kann. Allerdings konnte auch festgestellt werden, dass die Rücküberweisungen von afrikanischen Migranten ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung in ihren Ländern darstellen.139 Der »Brain Drain« für Afrika und der »Brain Gain« für die EU können sich in eine Form von »Brain Exchange« bzw. in eine »Win-win-Situation« verwandeln, wenn entsprechende Rahmenbedingungen sowohl in den Aufnahmeländern als auch in den Herkunftsländern geschaffen werden, um die Potenziale der Migranten zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen. Inwieweit sich die in diesem Kapitel durchgeführten Analysen mithilfe der Diskurse der ausgewählten deutschen und senegalesischen Zeitungen belegen lassen, wird im Kapitel 6 anhand der Deutungsmusteranalyse überprüft. Dabei wird untersucht, wie die Akteure, Bestimmungsfaktoren und Effekte der Migration in der medialen Berichterstattung reproduziert werden.
138 Zu den Effekten der Migration in den Herkunftsländern siehe: Katseli et al. 2006, S. 44–47. 139 Vgl. Abschnitt 3.2.2.
4
Steuerung der Migration aus Afrika
Die politischen Steuerungsinstrumente sind unterschiedlich und können wie folgt zusammengefasst werden:1 • positive Sanktionen, Anreize, Gebote und Belohnungen, wie z. B. finanzielle Förderung, • negative Sanktionen wie z. B. Verbote und Strafen durch Gesetze, • Persuasion und Überzeugung durch Kommunikations-, Informationsund Sensibilisierungskampagnen sowie Werbungen.2 Im Kontext der Migration aus Afrika können positive Sanktionen in Form von Einwanderungsquoten, Integrationsangeboten in den Zuwanderungsländern, legaler, saisonaler und zirkulärer Migration, technischer Hilfe zusammengefasst werden. Dazu zählen auch erhöhte Entwicklungshilfe für afrikanische Herkunftsländer mit Kooperationsbereitschaft, die Bereitschaft zur Aufnahme ihrer aus der EU abgeschobenen irregulären Migranten und Förderung für freiwillige Rückkehrer. Negative Sanktionen betreffen Abschiebungen und Verstärkungen bis hin zur Sperrung der Grenzen, während sich persuasive Maßnahmen mit Sensibilisierungskampagnen und Informationen über die Lebensbedingungen in Europa befassen. Anknüpfend an Sophie Westermann können politische Ansätze zur globalen Steuerung der Migration und besonders der irregulären Migration wie folgt zusammengefasst werden: internationaler Dialog innerhalb des UN-Systems durch Verträge, Agendasetzungen, Empfehlungen und internationaler Dialog außerhalb des UN-Systems durch Organisationen wie IOM. Was die EU anbelangt, bestehen Maßnahmen und Instrumente wie z. B. externe Grenzkontrollen und -sicherung, Grenzsicherung im EU-Raum, Grenzsicherungsmaßnahmen in Kooperation mit
1 2
Zur Steuerung von Integrationsprozessen siehe: Baringhorst et al. 2006. Vgl. Görlitz/Burth 1998.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Steuerung der Migration aus Afrika
Drittstaaten, Visumzwang für Nicht-EU-Angehörige, Sanktionierung von Transportunternehmen zur Beförderung von irregulären Einwanderern, Einrichtung von Auffanglagern in Nordafrika, interne Kontrollinstrumente wie Arbeitgebersanktionen gegen illegale Beschäftigung und Bekämpfung von Schleuserwesen, Rückkehrförderung.3 Einige dieser Fragen werden in dieser Arbeit näher untersucht. Die Frage, die sich hinsichtlich der Migration aus Afrika nach Europa stellen lässt, ist, welche dieser drei benannten Maßnahmen für eine effektive Steuerung geeignet oder kontraproduktiv sind. Inwieweit erweisen sich angesichts des Migrationsdrucks die repressiven Maßnahmen und die Grenzschließung von der Seite der europäischen Länder als unwirksam? Können die positiven Sanktionen wie z. B. saisonale Migration, zirkuläre Migration und Förderung »legaler« Migration die massive irreguläre Abwanderung aus Afrika eindämmen? Sind eher Sensibilisierungskampagnen und erhöhte Entwicklungshilfe für die Bekämpfung der Push-Faktoren in den afrikanischen Ländern effizient und nachhaltig? Welche politischen Maßnahmen liegen der Regulierung der Migration zugrunde? Welche Schwerpunkte setzen Deutschland und Senegal bei ihrer Einwanderungspolitik? Wie wird die Abwanderung aus Subsahara-Afrika auf den EU- und AU-Ebenen politisch gesteuert? Welche bilateralen und multilateralen Vereinbarungen werden zwischen Europa und den afrikanischen Ländern getroffen? Welche Rolle spielen die internationale Sicherheit und die Entwicklungszusammenarbeit bei den diesen Vereinbarungen? Diese sind die wesentlichen Fragestellungen, die dieses Kapitel leiten. 4.1
Die Einwanderungspolitik Deutschlands
Da davon ausgegangen wird, dass zwischen den Medien und den politischen Debatten wechselseitige Einflüsse herrschen, erweist sich eine Analyse der politischen Steuerung der betroffenen Herkunfts-, Transit- und Ankunftsregionen für die spätere mediale diskursanalytische Untersuchung der Migration aus Afrika in die EU als nützlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Deutschland einen wirtschaftlichen Aufschwung und betrieb aufgrund des Arbeitskräftemangels eine intensive Anwerbepolitik. Mitte der 1950er Jahre wurden Anwerbeabkommen mit vielen südlichen
3
Mehr dazu: Westermann 2009.
Die Einwanderungspolitik Deutschlands
129
und südosteuropäischen Staaten abgeschlossen, wie z. B. mit Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968).4 Die Anwerbung zielte darauf ab, den Arbeitskräftemangel in der Bundesrepublik Deutschland kurzfristig zu beseitigen.5 Als 1966/1967 die Wirtschaftskrise herrschte, ging in der BRD die Ausländerbeschäftigung um ca. 30 % auf 0,9 Mio. zurück. Zahlreiche Ausländer verloren ihre Arbeit und mussten das Land verlassen. Die kurzfristige Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte erwies sich im Laufe der 1960er Jahre als problematisch. Man hatte damit gerechnet, dass die ausländischen Gastarbeiter nach Ende ihres Einsatzes in ihre Heimatländer zurückkehren würden. Diese Erwartung erwies sich als illusorisch,6 weil mittlerweile die Mehrheit dieser Menschen in Deutschland beheimatet war und seit 1966 ihre Familienangehörigen in die BRD holte. Außerdem waren die Deutschen nicht mehr bereit, die »niedrigen« Tätigkeiten, die die Gastarbeiter erledigten, zu übernehmen. Nach der Ölkrise von 1973 und dem Anwerbestopp betrugen die ausländischen Arbeitskräfte in Deutschland über 2,6 Mio. und die ausländische Wohnbevölkerung stieg auf 4 Mio. an. Die ausländische Beschäftigung sank von 11,9 % auf 7,7 % im Jahre 1986 und blieb stabil bis 1990. Die Angebote zur finanziellen Unterstützung von der Seite des deutschen Staates im Falle der Rückkehr hatten wenig Wirkung bei den Gastarbeitern. Es folgten Integrationsprobleme der Familienangehörigen und Sprach- und Berufsschwierigkeiten der Gastarbeiterkinder der zweiten und dritten Einwanderungsgeneration. Diese Probleme wurden Themen der öffentlichen Debatte. Klaus Bade und Jochen Oltmer stellen eine öffentliche Debatte, beladen mit Diskriminierung, fest: Der bald in der öffentlichen Diskussion, nicht im amtlichen Sprachgebrauch-eingebürgerte Begriff ›Gastarbeiter‹ implizierte eine beruflich-soziale Klassifizierung mit dem Schwergewicht auf un- bzw. angelernten Arbeitern, vorwiegend in Zentralbereichen der industriellen Produktion.7
Mit dem Ausdruck »Ausländer« waren damals häufig die türkischen Zuwanderer gemeint, die von den deutschen Einheimischen als finanzielle und soziale »Belastung« wahrgenommen wurden.8 Margret Jäger hebt hervor, dass der Einwan-
4 5 6 7 8
Jung et al. 2000, S. 20. Mehr zum historischen Überblick über die deutsche Einwanderungspolitik. Vgl. Birsl 2003, S. 129–147. Mehr dazu: Jung et al. 2000, S. 161–214. Bade/Oltmer 2007, S.160. »Zuzugsperren« für Gebiete mit hohem Ausländeranteil wurden gefordert und scheiterten aus rechtlichen, humanitären und praktischen Gründen.
130
Steuerung der Migration aus Afrika
derungsdiskurs in der (alten) Bundesrepublik durch rassistische Ressentiments geprägt war.9 Ab den 1980er Jahren kamen Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien ins Land. Der asylpolitische Diskurs entwickelte sich, so Birsl, zunehmend ausländerfeindlich: Die Debatte um die Asylrechtsänderung war durch fremdfeindliche Ressentiments bis hin zu pogromartigen und gewalttätigen Übergriffen auf Flüchtlingswohnheime begleitet, die eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit erfuhren.10
Laut Birsl gab es in Deutschland offiziell nur zwei hauptsächliche Einwanderungsmöglichkeiten, die sogenannten »gates of entry«, nämlich die Inanspruchnahme des Grundrechts auf Asyl und die Familienzusammenführung.11 Heutzutage kann man gegen alle Behauptungen, dass die BRD kein Einwanderungsland sei,12 mit Birsl feststellen, dass in Deutschland bereits eine Politik der Zulassung von Einwanderung besteht, die aber öffentlich nicht als solche kommuniziert wird.13 Folgend werden die hauptsächlichen Migrationsgruppen in der BRD mit ihren rechtlichen Stellungen skizziert: • die deutschstämmigen Migranten z. B. aus Russland. Als Deutsche gelten sie aufgrund von »deutscher Volkszugehörigkeit« nach Artikel 116. I Grundgesetz, • die EU-Ausländer, deren Einreise- und Niederlassungsfreiheit zunächst in den Ländern der sogenannten »Schengen-Gruppe« (ausgenommen Großbritannien und Irland) gilt. Dies wird mittlerweile durch den Amsterdamer Vertrag seit 1999 gewährleistet,
9 10 11 12
Jäger 1996, S. 73–74. Birsl 2003, S. 140. Birsl 2003, S. 140. Bis 1998 bekräftigte die Bundesregierung immer noch ihre Position, nach der »Deutschland kein Einwanderungsland« sei oder keine Absicht habe, es zu werden. Diese Position stand im Widerspruch zu der Klarstellung der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer, Schmalz-Jacobsen. Nach Jacobsen gilt Deutschland als Einwanderungsland seit dem Tag des ersten Anwerbevertrags zwischen der Republik Italien und Deutschland. Vgl. Tomei 2001, S. 20. 13 Birsl 2003, S. 143.
Die Einwanderungspolitik Deutschlands
131
• die Arbeitsmigranten, die »Gastarbeiter«, also die ausländischen Arbeitskräfte, die, wie bereits erwähnt, durch bilaterale Abkommen zwischen 1955/1960 und 1968 angeworben wurden, • die Green-Card-Inhaber, die Experten mit Studienabschluss sind und in Deutschland für eine Aufenthaltsdauer von fünf Jahren beschäftigt werden sollten.14 • die Saisonarbeitnehmer, die seit 1991 zum Teil über die Zentrale für Arbeitsvermittlung (ZAV) zur »kurzzeitgebundenen Beschäftigung« vermittelt werden. Durch bilaterale Vereinbarungen zwischen Deutschland und den ost- und südeuropäischen Ländern werden diese Arbeitnehmer saisonal für drei Monate in der Forst- und Landwirtschaft, im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Obst- und Gemüseverarbeitung, im Schaustellergewerbe und in Sägewerken beschäftigt. Bis 1993 arbeiteten sie auch im Baugewerbe, • die Werkvertragsarbeitnehmer, die von den deutschen Firmen über Werkverträge mit ausländischen Firmen eingestellt werden können, • die Asylberechtigten, die in ihren Herkunftsländern politisch verfolgt werden sowie andere Flüchtlinge, • die Konventionsflüchtlinge und Kontingentflüchtlinge, die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommen werden, • die De-facto-Flüchtlinge, die weder über einen formalen Flüchtlingsstatus verfügen, noch aus humanitären Gründen aufgenommen werden, keinen Antrag auf Asyl gestellt haben oder deren Asylantrag abgelehnt wurde,15 • die Bildungsmigranten aus Nicht-EU-Staaten, für die ein Studium in Deutschland immer öfter attraktiver und günstiger als in anderen EU-Ländern erscheint. Für welche Zwecke die Einwanderer der oben dargestellten Kategorien nach Deutschland kommen, zeigt folgende Abbildung der Aufenthaltszwecke von Drittstaatsangehörigen:
14 Zwischen dem 01. 08. 2000 und dem 31. 12. 2004 wurden 13.041 Arbeitserlaubnisse für IT-Fachkräfte erteilt, obwohl 17.931 ursprünglich zugesichert wurden. Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2004, S. 15. 15 Vgl. Birsl 2003, S. 141–142.
132
Steuerung der Migration aus Afrika
Abbildung 10: Zuzüge von Drittstaatsangehörigen im Jahr 2008 nach ausgewählten Aufenthaltszwecken (Gesamtzahl: 190.353) 6RQVWLJH
$XIHQWKDOWV JHVWDOWXQJXQG 'XOGXQJ (8 $XIHQWKDOWVWLWHO 1LHGHUODVVXQJV HUODXEQLV )DPLOLlUH *UQGH
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Quelle: Bundesamt für Migration 2008, S. 32.16
Die Abbildung 10 zeigt, dass mehr als ein Viertel (26,4 %) der Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten im Jahr 2008 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Familienzusammenführung in Deutschland erhielt, wobei die Familienmitglieder sich meistens in Deutschland dauerhaft niederließen. 15,9 % zogen aus beruflichen Gründen nach Deutschland. Von großer Bedeutung sind 15,6 %, die zum Zweck des Studiums nach Deutschland zogen, 2,8 % wegen sonstiger Ausbildung und knapp 2,7 % wegen einem Sprachkurs oder Schulbesuch. Erwähnenswert ist, dass Studenten, Sprachkursbesucher und andere Auszubildende in der Regel mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach Deutschland einreisen, aber nach der Ausbildung bzw. nach dem Abschluss des Studiums einen entsprechenden Beruf in Deutschland längerfristig ausüben können.17 Dies gilt vor allem seit der Zuwanderungsgesetzreform von 2004/2005.18 Vor der »Green-Card-Debatte« wurde häufig in der deutschen Debatte die Einwanderung negativ als Bedrohung gedeutet, wie von Bernhard Santel bestätigt:
16 Unter »Sonstige« werden u. a. Personen mit einem EU-Aufenthaltstitel oder Personen, die einen Aufenthaltstitel beantragt haben, gefasst. 17 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2008, S. 33. 18 Das Zuwanderungsgesetz regelt die Steuerung der Zuwanderung, den Aufenthalt und die Integration von Unionsbürgern und Ausländern in Deutschland. Die öffentlichen Diskussionen um die Reform fanden zwischen 2000 und 2004 statt. Das Zuwanderungsgesetz wurde 2004 verabschiedet und ist 2005 in Kraft getreten.
Die Einwanderungspolitik Deutschlands
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In Deutschland wird Einwanderung hingegen […] bis heute kaum positiv als Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung betrachtet, sondern viel häufiger im Kontext von Verdrängung und Überfremdung diskutiert.19
Die »Green-Card-Debatte« zur Erleichterung der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für ausländische Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten rückte im Jahre 2000 den Diskurs der Gastarbeiter in den Hintergrund.20 Der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte Anfang des Jahres 2000 auf der Computer-Messe »Cebit« seine Absicht, die Einwanderung ausländischer Fachkräfte, vor allem IT-Fachkräfte, durch eine deutsche »Green Card« zu erleichtern. Damit wurde anerkannt, dass die Einwanderung für Deutschland nicht eine Bedrohung, sondern eine Bereicherung bzw. eine Notwendigkeit zur ökonomischen und demographischen Sicherung darstellt. Die »Süssmuthkommission« wurde im Sommer 2000 ins Leben gerufen, um die Vorschläge von politischen und kirchlichen Kräften, Gewerkschaften und Arbeitgebern zur besseren Gestaltung der Einwanderung miteinzubeziehen. Die Unionsparteien lehnten im Sommer 2001 diese ab, mit der Begründung, dass sie »zu liberal« seien. Als Konsens wurde in dem kurz danach durch das Bundesinnenministerium vorgelegten Gesetzesentwurf der Begriff »Zuwanderung« (statt »Einwanderung«) angewendet, der den zeitlich begrenzten Aufenthalt markiert.21 Infolge der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 wurde in Deutschland eine Debatte über innere Sicherheit im Zusammenhang mit Einwanderungsfragen geführt, da einer der mutmaßlichen Attentäter Migrant war und zuvor in Hamburg lebte. Durch die »Antiterrorpakete« vom Dezember 2001 wurden Einschränkungen im Ausländerrecht vorgenommen und bei der CDU/CSU ging es vielmehr um ein »Zuwanderungsbegrenzungsgesetz« als um ein Zuwanderungsgesetz.22 Trotz konservativer Versuche mit Slogans wie »Kinder statt Inder«23 von dem damaligen NRW-Ministerpräsident, Jürgen Rüttgers (CDU), gegen die neuen Regelungen der rot-grünen Bundesregierung im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf im Jahr 2000 hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass »Deutschland eine gesteuerte Einwanderungspolitik braucht und sich nicht länger der Tatsache verschließen kann, längst ein Einwanderungsland zu sein.«24
19 20 21 22 23 24
Santel 1995, S. 18. Vgl. Hell 2005, S. 57. Vgl: http://baustein.dgb-bwt.de/PDF/C8-Zuwanderungsgesetz.pdf (23. 03. 2010). Vgl. ebd. Jung et al. 2000, S. 22. Ebd.
134
Steuerung der Migration aus Afrika
Diese Erkenntnis, dass sich die Einwanderer in Deutschland längst niedergelassen haben und nicht in ihre Heimatländer zurückkehren werden, markierte einen Wendepunkt nicht nur in der Migrationspolitik, sondern auch im Migrationsdiskurs. Durch die Reform der Einbürgerung von 2000 gilt zwar das Bodenrecht, jedoch müssen die eingebürgerten Ausländer ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit aufgeben. Einer der wichtigen Schritte, die Zuwanderungsreform von 2005 veranlasst durch die rot-grüne Koalition, führte die Sprachkurse mit Landeskunde, Kultur- und Geschichtsunterricht für Ausländer ein, die sich in Deutschland niederlassen möchten. Auch die CDU, die sich am Anfang gegen die Einbürgerungsreform einsetzte, hat sich mittlerweile von der Notwendigkeit von Integration überzeugt. Auf Initiative der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde im Juli 2007 ein bundesweiter Integrationsplan verabschiedet. Förderung der Sprache und Chancengleichheit für Migranten in Schule, Ausbildung und Beruf bildeten einige der Prioritäten dieses Plans. Für diese Ziele investiert die Bundesregierung jährlich 750 Mio. Euro in verschiedene Integrationsprojekte. Jedoch herrschen in Deutschland, wie von Cécile Calla festgestellt, spannungsgeladene Verhältnisse zwischen der deutschen Gesellschaft und den Einwanderern, die durch die Verschärfung von Bestimmungen der Familienzusammenführung seit 2007, die Debatte über das Sprachniveau von Einwanderern und über die »Leitkultur« hervorgerufen worden sind.25 In Bezug auf die Frage von Integration oder »Assimilation« von Einwanderern in Deutschland löste der türkische Ministerpräsident, Recep Tayyip Erdogan, eine Diskussion aus, als er sich 2008 in der Kölnarena vor rund 20.000 Menschen mit größtenteils türkischstämmigen Zuhörern äußerte: »Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit«.26 Die Eingliederung der Einwanderer bleibt eine zentrale Herausforderung sowohl an die Politik und Gesellschaft als auch an die Migranten selbst. Laut Baringhorst, Geißler und Pfau müssen den ethnischen Minderheiten in Deutschland gleiche Chancen in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen eingeräumt werden, damit diese sich sozial integrieren und nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.27 Eine weitere Herausforderung Deutschlands ist, seine Einwanderungspolitik und seine nationalen Interessen mit den noch nicht einheitlichen Einwanderungsrichtlinien der EU zu vereinbaren.
25 Dieser Abschnitt basiert auf einem Artikel von: Calla 2008–2009, S. 137. 26 www.Süddeutsche.de (13. 02. 2008). 27 Vgl. Baringhorst et al. 2005, S. 12.
135
Steuerung der Migration aus Afrika
4.2
Die Migrationspolitik der EU
Bereits 1992 deutete Jan Werner die Einwanderung irregulärer Migranten und Asylsuchender als eine »Invasion der Armen« und forderte von der europäischen Seite härtere Schutzmaßnahmen gegen diese »unerwünschten Gäste«. Sein Appell lautet: Wir [Europäer] müssen endlich einsehen, dass wir die Probleme der ganzen Welt nicht lösen können. Es geht nur noch darum, sie von Europa, von uns und vor allem von unseren Kindern, so gut wie nur möglich fernzuhalten.28
Erweist sich angesichts der Armut im Süden und dem daraus entstandenen Abwanderungsdruck eine solche sicherheitspolitische Maßnahme überhaupt als menschlich und realistisch? Zunächst soll ein Einblick in die Migrantenanteile der EU-Länder helfen, die Problematik der Einwanderung und der politischen Steuerung zu erfassen. Tabelle 8: Migrantenanteil in einigen EU-Staaten (2005) Deutschland
Spanien
Großbritannien
Frankreich
Migranten (in Tausend)
10.597,9
6.478,6
5.837,8
4.607,9
Prozent der Bevölkerung
12,9
10,7
9,7
10,6
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Human Development Report 2009, S. 143.
Nach den Statistiken des Jahres 2005 (Tabelle 8) ist Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten durch einen hohen Migrantenanteil gekennzeichnet, nämlich 12,9 % seiner Gesamtbevölkerung. Spanien steht an der zweiten Stelle mit 10,7 %. Die Statistiken von anderen Nicht-EU-Staaten zeigen, dass die Gesamtbevölkerung Liechtensteins zu 34,2 % aus Ausländern besteht. Die Schweiz folgt mit
28 Werner 1992, S. 260.
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Steuerung der Migration aus Afrika
22,3 %.29 Diese Unterschiede sind zum größten Teil mit der unterschiedlichen Migrations- und Einbürgerungspolitik der betroffenen Länder zu erklären.30 Die wesentlichen Fragen, die dieses Kapitel leiten, sind: Inwieweit kann die EU angesichts verschiedener Faktoren, Interessen und administrativer Einheiten ihrer Mitgliedstaaten eine gemeinsame Einwanderungspolitik gestalten?31 Mit welchen Instrumenten kann diese Politik umgesetzt werden? Laut Christoph Gusy und Katja Ziegler liegen die Hindernisse eines gemeinsamen europäischen Einwanderungsgesetzes u. a. bei den unterschiedlichen Richtungen und Rahmenbedingungen der EU-Mitgliedstaaten: The main problems of a common European immigration legislation are the divergent points of view of the member states facing different patterns of immigration; the division of administrative competence between the trial EU-Member States, federal states; the geographic conditions in the East and South of the Union; the established traditions of immigration (e. g. Art. 116 of the German Constitution).32
Damit eine gemeinsame europäische Migrationspolitik auf europäischer Ebene wirksam sein kann, sind nach Gusy und Ziegler folgende Kriterien von großer Relevanz:33 • die Berücksichtigung des Bedarfs an Einwanderern, • die Analyse der Aufnahmemöglichkeiten der Aufnahmeländer der EU, • Möglichkeiten und Strukturen für die Aufnahme und die Integration von Migranten wie etwa Unterkunft, soziale Sicherheit und Arbeit, • die Legitimierung der Interessen der Einwanderer unter Berücksichtigung der Einwanderungsmotive, wie z. B. Familienzusammenführung, Flucht vor Gewalt und Bedrohung im Herkunftsland. Die Europäische Gemeinschaft (EG) begriff sich bereits bei ihrer Gründung im Jahre 1957 als eine Wirtschaftsgemeinschaft und ein gemeinsamer Arbeitsmarkt. Daraus entstand die Leitidee »Europa der Bürger«, die später den europäischen Integrationsprozess der EU-Staaten begleitete. Ein gemeinsames Migrationssystem ist seit dieser Gründung ein wichtiger Bestandteil der Politik. Den Bürgern 29 Human Development Report 2009, S. 143. 30 Wenn man von der Einbürgerung der deutschen Aussiedler absieht, stellt man fest, dass Deutschland 1985 knapp 5 der ausländischen Bevölkerung eingebürgert hatte, was im Vergleich zu anderen EU-Ländern (Schweden mit 58,7 , Holland mit 44,7 ) ein sehr geringer Anteil war. Vgl. Bade 2003, S. 4. 31 Mehr zu neueren Entwicklungslinien der europäischen Migrationspolitik: Bendel 2009. 32 Gusy/Ziegler 1997, S. 373. 33 Ebd., S. 373–374.
Die Migrationspolitik der EU
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der Mitgliedstaaten sind das Freizügigkeitsrecht und die Inländergleichbehandlung innerhalb der Gemeinschaft gewährt. Dieses Recht erleichtert den Bürgern, in anderen Mitgliedstaaten zu arbeiten und sich frei zu bewegen. Das Projekt eines Binnenmarktes, das freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen garantiert, wurde in der einheitlichen Europäischen Akte von 1987 festgeschrieben. Ein bilaterales Abkommen, das vor der zweiten Direktwahl des Europäischen Parlaments im Juni 1984 in Saarbrücken unterzeichnet wurde, führte zum schrittweisen Abbau von Personenkontrollen an den deutsch-französischen Grenzen und wurde durch das Schengener Abkommen bekräftigt.34 Verabschiedet am 14. Juni 1985, zielte das Schengener Abkommen auf mehrere Faktoren ab, nämlich den Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, Ausgleichsmaßnahmen beim Wegfall der Binnengrenzen, ein einheitliches Visum, eine gegenseitige Anerkennung bei kurzfristigen Aufenthalten, eine Zuständigkeitsverteilung für Asylbewerber, Regeln über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit und die Einrichtung eines Informationssystems.35 Was die migrationsrelevanten Bereiche der EU anbelangt, sind die Mitgliedstaaten zur Koordination und Kooperation laut des Maastricht-Vertrags verpflichtet.36 Zu den »Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse« (Art.K.1 EUV)37 gehören die Bereiche der Asylpolitik, Außengrenzkontrollen und Einwanderungspolitik. Die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, zusammenzuarbeiten, damit die migrationspolitischen Ziele der Union verwirklicht werden können. Der Amsterdamer Vertrag von 1997, der am 1. Mai 1999 in Kraft trat, brachte eine Neuerung in der Migrationspolitik der EU, nämlich die »Vergemeinschaftung«38 migrationspolitischer Bereiche aufgrund des dringenden Bedarfs an einer einheit34 Tomei 2001, S. 35. 35 Wolter 1999, S. 24. Zur Schengen-Gruppe gehören neben den Erstunterzeichnerstaaten mittlerweile alle weiteren EU-Länder mit Ausnahme von Großbritannien und Irland. Das Binnenprojekt von 1992 hatte als Ziel die Abschaffung der Binnenkontrollen nicht nur für Güter, Dienstleistungen und Kapital, sondern auch für Personen. Der Schengen-Vertrag bedeutet für die in einem EU-Staat legal lebenden Nicht-EU-Bürger eines der wichtigsten Abkommen der EU bezüglich Migration und Integration. Die Freizügigkeit als eines der Ziele der Union ermöglicht ihnen sich frei innerhalb der EU zu bewegen (mit Ausnahme von Großbritannien und Irland). 36 Dieser Vertrag ist am 01. 11. 1993 in Kraft getreten. 37 Tomei 2001, S. 54. 38 Diese »Vergemeinschaftung« der relevanten Bereiche der Migrationspolitik der EU gilt im Prinzip nur für zwölf Staaten. Drei Protokolle regeln die Position der anderen drei Mitgliedstaaten: das »Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands«, das »Protokoll über die Anwendung bestimmter Aspekte des Artikels 14 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf das Vereinigte Königreich und auf Irland« und das »Protokoll über die Position Dänemarks«. Vgl. Tomei 2001, S. 60–61.
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Steuerung der Migration aus Afrika
lichen Steuerungspolitik im Bereich der Visumspolitik. Hierbei müssen auf Vorschlag der Kommission die Entscheidungen hinsichtlich der Liste der visumpflichtigen und visumbefreiten Länder und der einheitlichen Visumserteilung mit einer Mehrheit getroffen werden. Erwähnenswert ist, dass die Empfehlungen und Beschlüsse der EU-Staaten nur Absichtserklärungen darstellen, die rechtlich nicht bindend sind und den Nationalstaaten immer noch einen weiten Handlungsspielraum lassen. Seit der Gründung der EG bis zur Entstehung der EU sind viele Schritte zur Europäisierung der jeweiligen nationalen Migrationspolitik der Mitgliedstaaten gemacht worden, wie im Folgenden zu analysieren ist. Aber die oben genannten Hindernisse bei der Bindungswirkung völkerrechtlicher EU-Verträge und die nationalen Spielräume heben hervor, welche Herausforderungen die EU angesichts des ständig wachsenden Migrationsdrucks noch zu überwinden hat. Die wachsenden Zahlen von »irregulären«39 Migranten aus Afrika zeigen, dass die einzelnen europäischen Staaten allein diesen Einwanderungsdruck nicht erfolgreich regulieren können. Außerdem erscheint der Versuch diese neuen Wanderungsbewegungen zum Ende des 20. Jahrhunderts mittels nationaler Migrationspolitiken in Europa, wie Straubhaar und Wolter feststellen, »endgültig obsolet«.40 Das Ende der 1980er Jahre ist durch den Wegfall des Grenzregimes im Osten Europas und die steigenden Wanderungszahlen geprägt. Die wachsende Armut im Süden und die Zunahme der Einwanderer in die EU üben einen enormen Druck auf die externe Grenzkontrollpolitik der EU-Staaten aus. Der mögliche Verzicht auf Grenzkontrollen zwischen den EU-Mitgliedstaaten erfordert entsprechende gemeinsame migrationspolitische Maßnahmen zur Regulierung der Einwanderung aus den Nicht-EU-Staaten. Weiter wurde neben der legalen Einwanderung seit dem Beginn der 1980er Jahre ein neues Weltproblem dringend, nämlich die weltweiten Flüchtlingsbewegungen, die bereits im Abschnitt 2.5.1 im Bezug auf Afrika analysiert wurden.41 Jeder der 27 EU-Mitgliedstaaten von 2008 hat bislang seine eigene Einwanderungspolitik betrieben. Seit dem Amsterdamer Vertrag bestehen viele Einzelabkommen und Aktionspläne bezüglich z. B. der Visumvergabe, der Integration von Einwanderern und des Umgangs mit Asylsuchenden. Zum Zweck des besseren
39 Vgl. Abschnitt 2.5.1. 40 Straubhaar/Wolter 1999, S. 8. 41 Opitz 2000, S. 269.
Die Migrationspolitik der EU
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Managements und gemeinsamer effizienter Kontrolle von EU-Außengrenzen ist 2004 durch die Verordnung des Rates der Europäischen Union »Council Regulation (EC) 2007/2004/ (26. 10. 2004, OJ L 349/25. 11. 2004)«42 die Europäische Grenzschutzagentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen Europas, Frontex, entstanden. Während der Präsidentschaft des Rates der EU durch Frankreich wurde neben der europäischen Solidarität und Wettbewerbsfähigkeit ein Schwerpunkt auf die europäische Asyl- und Migrationspolitik sowie auf die gemeinsame Regulierung der irregulären Einwanderung unter dem Titel »Auf dem Weg zu einem erneuerten politischen Engagement hinsichtlich Asyl und Immigration« gelegt. Weiter wurden Mechanismen und Richtlinien zur Abwehr irregulärer Einwanderung und zum Umgang mit Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis in einem EU-Staat vorgeschlagen, die am 18. Juni 2008 durch das Europäische Parlament verabschiedet wurden.43 Marfaing und Hein fassen die Schwerpunkte des geplanten Einwanderungsabkommens44 zur besseren Koordinierung der Einwanderung in die EU unter der französischen Ratspräsidentschaft45 wie folgt zusammen:46 • »immigration choisie« (ausgewählte Migration), • Harmonisierung der Asylpolitik der EU-Mitgliedstaaten, • Vereinheitlichung der Abschiebungsregelungen, • Erfassung biometrischer Daten der Migranten an den Grenzen der EU, • Ablehnung von »Massenregelungen«, • Verträge über die Integration durch Sprachunterricht und Vermittlung nationaler und europäischer Werte, • Partnerschaft zwischen den Ursprungs-, Transit- und Zielländern der Migranten.47
42 COUNCIL REGULATION 2004. 43 »Illegale« können bis zu sechs Monate inhaftiert werden. Wenn die Rückkehr durch den Betroffenen oder sein Herkuftsland erschwert wird, kann die Inhaftierung bis zu 18 Monate verlängert werden. Die »illegalen Migranten« können auch in die Transitländer abgeschoben werden und ihnen wird eine Einreise in die EU für fünf Jahre verboten. Vgl. Marfaing/Hein 2008, S. 3. 44 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609556.pdf. 45 Frankreich übernimmt am 01. 07. 2008 die Präsidentschaft des Rats der Europäischen Union, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609556.pdf (23. 03. 2010). 46 Marfaing/Hein 2008, S. 3. 47 Zum Zweck der Annäherung zwischen der EU und ihren Nachbarn hat Frankreich die Mittelmeerunion ins Leben gerufen. Vgl. http://www.iv-mitgliederservice.at/iv-all/dokumente/ doc_2660.pdf (06. 01. 2010).
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Steuerung der Migration aus Afrika
Unter dem Blickwinkel der »immigration choisie«, also der ausgewählten Migration, werden lediglich hochqualifizierte Arbeitskräfte bevorzugt48 und darüber hinaus soll die Nachfrage nach illegalen Arbeitern in den Industrieländern Europas verstärkt bekämpft werden. Um qualifizierte Arbeitskräfte im Rahmen des Wettbewerbs um die »besten Köpfe« aus dem Ausland in die EU anzuwerben,49 wurde im November 2008 dem Entwurf einer europäischen »Blue Card« durch das Europäische Parlament zugestimmt. Hierbei ist die Frage berechtigt, was die Verschärfung und Abwehrmaßnahmen der EU-Einwanderungspolitik für die irreguläre Migration aus Afrika bedeutet. Diese Frage wird im Abschnitt 4.5 näher thematisiert. 4.3
Die Asylpolitik der EU
Aufgrund ihrer geographischen Nähe und hohen wirtschaftlichen Verflechtung untereinander können die nationalen Steuerungsmaßnahmen der einzelnen EUStaaten in den anderen Ländern erhebliche Auswirkungen haben. Die von Spanien durchgeführte Legalisierung von irregulären Einwanderern im Jahr 2005 und die daraus entstandene Sogwirkung auf das Einwanderungspotenzial ist nur eines der Beispiele.50 Die Dependenz der EU-Staaten untereinander ist seit Mitte der 1980er Jahre noch stärker geworden und hat sich später im Jahre 1993 deutlich gezeigt, als die restriktive Asylrechtsreform Deutschlands eine drastische Zunahme der Asylbewerberzahlen in den Niederlanden verursachte.51 In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre und Anfang der 1990er Jahre standen die europäischen Staaten wegen der großen Zahl von Asylbewerbern unter Handlungsdruck und die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention52 erforderte dabei aufwendige Verfahren mit Einzelfallprüfung. Infolge einer Überlastung der Systeme durch die Bearbeitung von Fällen und die Verlängerung der Verfahren über Jahre hinaus waren viele Länder mit hohen Kosten der Sozialleistungen für Asylbewerber konfrontiert. Jedoch ist hervorzuheben, dass nicht nur die Frage der Kosten des Asylverfahrens die europäischen Staaten beschäftigte, sondern auch 48 Der ehemalige Präsident von Mali, Alpha Oumar Konaré bezeichnet die »migration choisie« als Unrecht und als eine neue Form der Sklaverei denunziert. Vgl. Barry 2005. Für den ehemaligen Präsidenten von Senegal, Abdou Diouf, ist diese Politik moralisch und politisch unakzeptabel. Vgl. Barry 2006. 49 Vgl. Bendel 2009, S. 19. 50 Mehr zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der europäischen Asylpolitik: Waldstein 1993. 51 Tomei 2001, S. 33. 52 Die Genfer Flüchtlingskonvention ist 1951 verabschiedet worden.
Die Asylpolitik der EU
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die Feststellung, dass die Einwanderungsbeschränkungen dazu führten, dass das Asylsystem missbraucht wurde. Es entstehen immer größere Schwierigkeiten, die Prinzipien des Flüchtlingsschutzes in einer Welt mit komplexen Migrations- und Flüchtlingsmotiven zu definieren, darüber hinaus gibt es aber den Druck, eine gemeinsame EU-Asylpolitik zu formulieren. Welche Strategien sind von den EUStaaten entwickelt worden, um die Einwanderung zu steuern? Welchen Platz finden die Respektierung von Menschenrechten und das Prinzip des Flüchtlingsschutzes in den europäischen Steuerungsmaßnahmen der Migration? Im Oktober 1999 fand ein EU-Sondergipfel zum Bereich der Innen- und Justizpolitik in Tampere statt. Aufbauend auf dem Aktionsplan vom Dezember 1998 in Wien wurden bei diesem Gipfel Beschlüsse zu den Themen Einwanderung, Asyl, Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und Schaffung eines europäischen Rechtsraums gefasst. Die Asyl- und Einwanderungspolitik wurde wie folgt formuliert: Im Bereich Asyl und Einwanderung wurde ein umfassendes Migrationskonzept der EU anvisiert, welches Aktivitäten gegenüber potentiellen Herkunftsländern, gemeinsame Standards für ein angemessenes Asylverfahren und die Schaffung von Integrationsmöglichkeiten für Asylanten umfasst.53
Angesichts der neuen Herausforderungen von Migration haben die Länder an der Südküste Europas wie Spanien und Italien begriffen, dass die Bekämpfung von irregulärer Migration durch einen Alleingang einzelner EU-Staaten, durch repressive Maßnahmen und die Errichtung von Mauern nahezu unmöglich ist. Nach dem Vorschlag von dem für die Innen- und Rechtspolitik zuständigen EU-Kommissar, Franco Frattini, ist eine gemeinsame Stärkung des Grenzschutzes durch die EU erforderlich. Zu den geplanten Maßnahmen für den Grenzschutz gehört ein multinationales Expertenteam, das verstärkt werden muss, um die Grenzschutzbehörden bei dem »Zustrom« von Flüchtlingen zu unterstützen. Die Ausbildung dieses Expertenteams sollte durch Frontex, gewährleistet werden. Schwarzarbeit, die in Spanien und Italien als einer der Anreize für »illegale« Einwanderung gilt, sollte bestraft werden.54 Nicht entsprechend in den Blick der politischen Steuerungen irregulärer Migration aus Afrika genommen sind die Bestimmungsfaktoren in den Herkunftsregionen der Migranten.
53 Hrebek 2000, S. 102. 54 FAZ, 20. 07. 2006, S. 4.
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Steuerung der Migration aus Afrika
Zusammenfassend erscheint es mittlerweile auch aus europäischer Sicht als unrealistisch, angesichts der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme in Afrika die irreguläre Migration mit repressiven Maßnahmen und der Schließung der Grenzen bekämpfen zu können. Um diese Migration effektiv zu steuern ist die EU nicht nur auf eine starke Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern angewiesen, es muss auch die legale Migration gefördert und die Armut stärker bekämpft werden.55 4.4
Die Migrationspolitik von Senegal
Um die Regulierungsmaßnahmen und die Position Senegals56 gegenüber der heutigen Abwanderung von Afrikanern nach Europa beleuchten zu können, erweist sich ein Überblick über die Geschichte der Migration Senegals als hilfreich.57 Bereits während der Kolonialzeit galt Senegal aufgrund seiner geographischen Lage als eine der wichtigen Stationen, von wo aus die Sklaven nach Amerika gebracht wurden.58 Heutzutage gilt das Land nicht nur als ein wichtiges Herkunftsland von Migranten, die nach Europa auswandern, sondern auch als ein Transitland für Migrationswillige überwiegend aus den westafrikanischen Ländern, die von dort aus nach den kanarischen Inseln Spaniens illegal über den Seeweg abwandern wollen. In Senegal bilden die Wolof und Lébou die Hauptbevölkerungsgruppe der senegalesischen Bevölkerung mit 45,0 %. An der zweiten Stelle kommen die Pular mit 25,2 % und die Serer mit 13,8 %. Hinzu kommen die Diola mit 5 % und die Manding und Socé mit 3,9 % sowie die Soninké mit weniger als 2 %. Eingebürgerte Senegalesen bilden knapp 1,2 %.59 Wie in vielen afrikanischen Ländern findet man in
55 Ein Beispiel ist die am 25. 11. 2008 veranstaltete Konferenz in Paris, an der 27 EU-Länder und 27 afrikanische Länder teilnahmen. Frankreich hat bereits seit 2006 Verträge mit Senegal, Gabun, Kongo-Brazzaville, Benin, Tunesien, Mauritius und Kap Verde. Diese Länder verpflichteten sich, ihre Abwanderung besser zu kontrollieren und diejenigen ihrer Bürger, die sich illegal in Frankreich befinden, wiederaufzunehmen. Diese Länder haben die Abwanderung als ein wichtiges wirtschaftliches und diplomatisches Mittel in ihren Beziehungen mit den Industrieländern wahrgenommen und bekommen im Gegenzug für ihre Zusammenarbeit von Frankreich Entwicklungshilfe und Möglichkeiten zur legalen Migration. Nur Mali weigerte sich angesichts der hohen Rücküberweisungen seiner in Frankreich lebenden Bürger (ca. 183 Mio. Euro jährlich), diesen Vertrag zu unterschreiben. Vgl. Bernard 2008, S. 9. 56 Zur Geschichte Senegals, siehe: Schicho 2001, S. 284–309. 57 Zu Steuerung der Migration in Senegal: vgl. Tsagué Assopgoum 2010c, S. 35–52. 58 Der Insel Gorée ist noch heute das Symbol des Sklavenhandels. 59 République du Sénégal 2004, S. 32.
Die Migrationspolitik von Senegal
143
Senegal ethnische Gruppen, die über grenzüberschreitende Verwandtschaftsbeziehungen verfügen.60 Die Grenzen Senegals zu Mali, Mauretanien, Gambia und Guinea-Bissau werden nicht streng kontrolliert, was einen freizügigen Verkehr der Bürger zwischen diesen Staaten ermöglicht.61 In der westafrikanischen Region gibt es zahlreiche Verflechtungen der Länder untereinander, jedoch scheiterten die Versuche zur Bildung einer gemeinsamen Föderation zwischen Senegal, Gambia und Mali. Die Konflikte mit den Nachbarstaaten wie Mauretanien und der bewaffnete Konflikt um die Casamance62 seit Anfang der 1980er Jahre führten in Senegal zu einer Verschärfung der Ausländerpolitik. Da Senegal und vor allem die Hauptstadt Dakar eine wirtschaftliche Anziehungskraft für die westafrikanische Region besitzen, findet man dort ca. 200.000 Arbeitsmigranten aus der ECOWAS63 und aus anderen afrikanischen Staaten. Die freie Bewegung innerhalb der ECOWAS-Länder für Bürger der Mitgliedstaaten vereinfacht die regionale Migration, aber auch die Transitmigration für andere Migrationswillige aus SSA, die Europa mittels des Seewegs erreichen wollen. Senegal ist durch seine Tradition der Gastfreundschaft, »téranga«, geprägt und stellt sich gern als ein großes Einwanderungsland dar.64 Einwanderer, die zum größten Teil Studenten und Arbeitsmigranten sind, stammen aus den afrikanischen Nachbarstaaten wie Guinea, Guinea-Bissau, Gambia, Mali, Mauretanien, Burkina-Faso-, Côte d’Ivoire, Nigeria, Kap Verde, Ghana, Benin und Niger. Nicht zu vernachlässigen sind auch Einwanderer aus Nordafrika, Libanon und Europa (vor allem aus Frankreich).65 Anfang dieses Jahrhunderts ist eine Einwanderung von Chinesen, die überwiegend Handel betreiben, festzustellen. Insgesamt lebten im Jahr 2005 325.940 Einwanderer in Senegal und bildeten 2,8 % der Bevölkerung 60 Da die Grenzen der Länder während der Kolonialzeit willkürlich durch die Kolonialherren gesetzt wurden, wurden ethnische Gruppen getrennt und in vielen Fällen auf zwei bis drei verschiedene Länder aufgeteilt. 61 Die Daten zu der Zuwanderungspolitik Senegals in diesem Kapitel stammen überwiegend aus: Henn 2003, S. 564–566. 62 Diese Konflikte haben dazu geführt, dass Kontrollen an den Grenzen zu Guinea-Bissau verstärkt werden und die Freizügigkeit innerhalb Senegal begrenzt wird. Dabei werden die Menschenrechte von ausländischen Bürgern, die in dem Verdacht stehen, mit der Rebellenbewegung »Mouvement pour le fédéralisme et la démocratie constitutionnels« (MFDC) zusammenzuarbeiten, extrem verletzt. Vgl. Amnesty International 1998. 63 Die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, ECOWAS, ist 1975 gegründet worden, besteht aus fünfzehn Mitgliedstaaten und hat als Ziel, die Wirtschaftsintegration in Westafrika zu fördern. Die Mitgliedsstaaten sind Burkina-Faso, Benin, Kap Verde, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra-Leone und Togo. Vgl. www. ecowas.int 64 Fall 2003, S. 10. 65 Fall 2003, S. 4 f.
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Steuerung der Migration aus Afrika
(12 Mio. im Jahre 2006), wobei die Flüchtlinge 6,4 % ausmachten.66 Der Status des Einwanderers und dessen Integration wird durch folgende Gesetze geregelt: • das Gesetz Nr. 61-10 vom 7. März 1961, das die senegalesische Staatbürgerschaft definiert, • das Gesetz Nr. 71-10 vom 25. Januar 1971 und der Erlass 71-860 vom 28. Juni 1971, die den Aufenthalt und die Integration von Ausländern bestimmen.67 Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit (48 %)68 und der Armut (40,6 % der senegalesischen Haushalte sind als arm eingestuft)69 haben Einwanderer erhebliche Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sie sind im informellen Sektor beschäftigt.70 Diese Beschäftigung im informellen Sektor führt dazu, dass sich nicht alle Einwanderer offiziell registrieren lassen. Was die senegalesische Diaspora anbelangt, bilden die Mouriden-Auswanderer einen wichtigen Teil.71 Die Wolof, die die Mehrheit der Mouriden bilden, machen 46,7 % der Senegalesen im Ausland aus. Darauf folgen die Poular mit 28 %, die Serere mit 5,8 %, die Diola mit 3,8 %, die Soninké mit 3,7 % und die Mandingue mit 3,5 %.72 Vor der Abwanderung dieser Bruderschaftsmitglieder fand die senegalesische Abwanderung nach Europa und besonders nach Frankreich während des Ersten Weltkrieges statt, als Senegalesen in der französischen Armee als Soldaten, die sogenannten »Tirailleurs«, dienten. Nach der Unabhängigkeit Senegals 1960 wanderten viele Senegalesen nach Frankreich ab und ließen sich in Paris und in den Industriezentren wie Marseille nieder. Sie gehörten überwiegend den Bevölkerungsgruppen Soninké, Serere und Toucouleur an. Welche Faktoren lagen dieser Abwanderung zugrunde? Die wachsende Abwanderung von Senegal nach Europa ist zum Teil auf die seit den 1970er Jahren herrschende Krise zurückzuführen, die sich in den 1990er Jahren noch verstärkt hat. Außerdem war der Wirtschaftsboom in Europa einer
66 http://siteresources.worldbank.org/INTPROSPECTS/Resources/334934-1199807908806/Germany.pdf (23. 03. 2009) 67 Fall 2003. S. 9. 68 http://www.statistiques-mondiales.com/senegal.htm (25. 03. 2010). 69 République du Sénégal 2004, S. 250 f. 70 Fall 2003, S. 10. 71 Mehr als 90 der Bevölkerung in Senegal sind Muslime und überwiegend Mitglieder von »Sufi« oder der religiösen Bruderschaften. Die größten Bruderschaften sind die Tidjaniyya, Mouridiyya, Quadriyya und Layenne. Die Mitglieder stammen aus unterschiedlichen Ethnien. Die Mehrheit der Mitglieder der Mouridiyya-Bruderschaft stammt aus der Ethnie »Wolof«. 72 Vgl. République du Sénégal 2004, S. 228.
Die Migrationspolitik von Senegal
145
der Pull-Faktoren, die diese Migration begünstigt hat. Senegal wurde zu einem Auswanderungsland.73 Die Untersuchung ESAM-II von 2004 zeigt, dass 76 % der Familien in den Städten in Senegal einen Familienangehörigen haben, der ausgewandert ist.74 Unterstützt wurden die Migranten durch Familiennetzwerke und die Abwanderung wurde durch die Tatsache begünstigt, dass Senegalesen der »Quatres Communes«75 damals sowohl die senegalesische als auch die französische Staatsbürgerschaft besaßen. Heutzutage bilden die wirtschaftliche und politische Krise, die Trockenheit, der Mangel an Ressourcen und kultivierbaren Böden und die hohe Arbeitslosigkeit die wesentlichen Push-Faktoren der Abwanderung junger Senegalesen. Nach den Statistiken des »Migration and Remittances Factbook 2008« der World Bank lebten 2005 ca. 463.403 Senegalesen im Ausland, was 4,0 % der Bevölkerung ausmachte. Ihre Hauptziele sind Gambia, Frankreich, Italien, Mauretanien, Spanien, Gabun, die USA, Nigeria, die Demokratische Republik Kongo und GuineaBissau.76 Neben Gambia findet man in Italien die größte senegalesische Immigration. Einige Statistiken bestätigen die wachsende Abwanderungstendenz: Lebten im Jahre 1968 5.688 Senegalesen in Frankreich und im Jahre 1982 32.350, waren es 1990 ca. 40.00077 und 1999/2000 ca. 40.848.78 Im Vergleich zu Frankreich ist die Zahl von senegalesischen Migranten in Deutschland sehr gering. Im Jahre 2000 lebten ca. 2.363 Senegalesen in Deutschland und im Jahre 2005 waren es lediglich 2.214.79 Die Senegalesen repräsentieren in Deutschland 3 % der westafrikanischen Migranten und 0,8 % der Afrikaner. Jedoch auf das gesamte Europa bezogen, hat die Zahl der irregulären Migranten aus Senegal erheblich zugenommen.80 Nach Einschätzungen von Cheikh Omar Ba, Forscher bei ISRA (Institut Sénégalais de
73 »Le Sénégal est devenu par la force des choses une terre d’émigrations. Nos compatriotes se sont progressivement installés sur tous les continents. Depuis la suppression du visa de sortie, par la loi du 6 mai 1981, cette tendance à s’installer à l’étranger est demeuré forte au moment où les pays d’accueil délivrent difficilement les visas.« Vgl. Mbaye 1990. 74 République du Sénégal 2004, S. 244. 75 Die Bürger der »Quatres Communes« Dakar, Rufisque, Gorée und Saint Louis erhielten während der Kolonialzeit die französische Staatsbürgerschaft. 76 http://siteresources.worldbank.org/INTPROSPECTS/Resources/334934-1199807908806/Senegal. pdf (23. 03. 2009). Es ist zu notieren, dass diese Zahl sehr unter anderen Einschätzungen liegt: Die senegalesischen Emigranten werden auf 1,5 bis 2 Mio. geschätzt. Vgl. Prothmann 2008, S. 25. 77 Mbaye 1990. 78 Jettinger 2005, S. 4. 79 Davon 1.555 Männer und 659 Frauen. Vgl. Faye 2007, S. 3. 80 Von den 26.000 irregulären Migranten, die auf den kanarischen Inseln landeten, waren mehr als die Hälfte Senegalesen. Vgl. http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/africa/6039624.stm. (23. 03. 2009).
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Steuerung der Migration aus Afrika
Recherches Agricoles) bilden die Senegalesen 60 % der Afrikaner, die den illegalen Seeweg nach Europa nutzen.81 Die Entwertung des FCFA führte wie in vielen frankophonen Ländern Afrikas zu einer sozialen Krise. In Senegal stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel zwischen 25 und 30 % wie z. B. der Preis von Reis, der in diesem Land das Hauptnahrungsmittel ist. Diese Krisen führten in den letzten Jahren nicht nur zur Abwanderung in andere afrikanische Länder wie Côte d’Ivoire oder Mauretanien, sondern auch zur interkontinentalen Auswanderung nach Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und anderen Ländern Europas und Amerikas. Abbildung 11: Zielländer und Zielregionen von Migranten aus Senegal $QGHUH DIULNDQLVFKH /lQGHU
*XLQHD %LVVDX 0DOL &{WHG ,YRLUH
(XURSD86$ XQG.DQDGD
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: République du Sénégal 2004, S. 232.
Die senegalesischen Emigranten werden auf 1,5 bis 2 Mio. geschätzt,82 wobei ungefähr 16 % davon Frauen sind.83 Heute leben ca. 125.000 Migranten aus Senegal in der EU. Fast zwei Drittel davon leben aufgrund der kolonialen und sprachlichen Beziehungen in Frankreich, nämlich 40.848, in Italien sind es ca. 38.982, gefolgt
81 Barry 2004. 82 Prothmann 2008, S. 25. Die Studie ESAMII von 2004 schätzt stattdessen nur 168.953 senegalesische Migranten weltweit, was weit unter anderen Einschätzungen liegt. Vgl. République du Sénégal 2004, S. 227. 83 République du Sénégal 2004, S. 227.
Die Migrationspolitik von Senegal
147
von Spanien (6.657) und Deutschland (2.660).84 Die Bedeutung dieser Migranten zeigt sich durch ihre hohen Transferleistungen. Damit tragen sie zur Wirtschaft ihres Landes bei. Nach den Berechnungen der »World Bank« im »Migration and Remittances Factbook 2008« haben die Rücküberweisungen der senegalesischen Migranten erheblich zugenommen. Während die Senegalesen im Ausland im Jahr 1997 150 Mio. US$ nach Senegal überwiesen hatten, haben sich diese Rücküberweisungen 2008 mehr als verachtfacht und betrugen 1.288 Mio. US$, was 9,8 % des BIP ausmachte.85 Die folgende Tabelle 10 verdeutlicht diese stetige Entwicklung der Rücküberweisungen von senegalesischen Migranten:86 Tabelle 9: Rücküberweisungen von senegalesischen Migranten (1997–2009) Year
Workers’ remittances, compensation of employees, and migrant transfers, credit (US$ million)
1997
150
1998
147
1999
186
2000
233
2001
305
2002
344
2003
511
2004
633
2005
789
2006
925
2007
1.192
84 Vgl. Jettinger 2005, S. 5. Es ist zu erwähnen, dass die Hauptziele von senegalesischen Migranten die afrikanischen Länder wie Côte d’Ivoire, Gabun, Mali und Guinea sind. 85 World Bank 2008. 86 Hier ist zu erwähnen, dass die Rücküberweisungen, die durch inoffizielle Kanäle fließen, sehr bedeutsam sind, und dass sich die hier angegebenen Angaben nur auf offizielle Quellen wie z. B. das »International Monetary Fund‘s Balance of Payments Statistics Yearbook« beziehen.
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Steuerung der Migration aus Afrika
Year
Workers’ remittances, compensation of employees, and migrant transfers, credit (US$ million)
2008
1.288
2009
1.276
Quelle: Eigene Darstellung anhand der Daten von: World Bank 2008.
Die Höhe der gesamten Rücküberweisungen von Senegalesen im Ausland zeigt ihre Bedeutung für die Entwicklung ihres Herkunftslandes Senegal. Inwieweit werden diese Migranten von dem senegalesischen Staat und von den Aufnahmeländern als Entwicklungspotenzial und Partner in Entwicklungsprozessen wahrgenommen und miteinbezogen? Welche Gesetze, Programme und Rahmenbedingungen werden verabschiedet oder geschaffen, um die Migration besser zu verwalten? Zusammenfassend lässt sich eine Typologie der internationalen Migranten aus Senegal wie folgt darstellen:
Internationale Migranten • • • • • • • • • • • • • • •
sind hauptsächlich Männer (84 %); sind unter 35 Jahre alt (71,7 %); sind Singles (46,5 %); stammen aus den Städten (52 %); sind Angehörige der Wolof-Ethnie (47 %); stammen aus den Regionen von Dakar (31 %) und Saint-Louis (18 %); leben in Europa (46 %); haben Senegal mit dem Zweck der Arbeitsaufnahme verlassen (68 %); haben selbst ihre Reise finanziert (46 %); haben selbst die Entscheidung zur Abwanderung getroffen (58 %); sind berufstätig (46 %); schicken regelmäßig Geld zur ihren Familien (42 %); kommen aus Familien mit vielen Angehörigen (mindestens 10 Personen); kommen aus Familien, die durch Männer geführt werden (ca. 81 %) und besitzen: Radio (78 %), Fernseher (27 %) und Kühlschrank (17 %).87
87 Eigene Übersetzung, geringfügig verändert. République du Sénégal 2004, S. 250 f.
Die Migrationspolitik von Senegal
149
In der Vergangenheit wurde die Abwanderung in Senegal positiv wahrgenommen. Diese positive Einschätzung der Migration ist wie bereits erwähnt in der Tradition des »téranga« verankert. Erst mit den massiven irregulären Abwanderungen in Richtung Europa über das Meer wird die Migration in Senegal mit zwiespältigen Reaktionen aufgenommen und die politischen Verantwortlichen werden zunehmend unter Druck gesetzt. Ferner ist zu notieren, dass dieses westafrikanische Land als Entsende- und Transitland eine wichtige Rolle bei den internationalen Migrationsvereinbarungen spielt. Im Jahre 1979 unterzeichnete Senegal neben anderen Mitgliedern der ECOWAS das Protokoll über Freizügigkeit von Personen und Recht auf Wohnsitz innerhalb anderer Länder der Union.88 Außerdem unterzeichnete das Land unterschiedliche internationale Verträge und Initiativen für den Schutz der Flüchtlinge und Arbeitsmigranten, wie z. B. das Flüchtlingsabkommen der OAU im Jahre 1969 oder das UN-Abkommen für die Rechte der Arbeitsemigranten und deren Familienmitglieder im Jahre 1990. Der Vertrag von Cotonou, der 2000 durch die Europäische Kommission und die AKP-Länder89 unterschrieben wurde und 2003 in Kraft getreten ist, behandelte u. a. die Migrationsfrage, nämlich die Vorbeugung, die Bekämpfung der irregulären Migration und die Wiederaufnahme von irregulären Migranten durch ihre Herkunftsländer. Angesichts der Problematik der irregulären Migration auf den Kanarischen Inseln im Jahr 2006 haben Spanien, Senegal, die Europäische Kommission und die IOM ein Memorandum, »Rapid Reaction Mechanism Plan for Senegal«, unterschrieben. Dieser Plan hatte das Ziel, den Umgang mit dieser humanitären Krise zu erproben, die Angriffe von Frontex legal zu definieren und die Wiederaufnahme von abgeschobenen Migranten zu fordern. Dieses Memorandum, das ferner darauf abzielte, die Rückkehrprogramme der IOM zu unterstützen, sollte als Wegweiser für künftige Abkommen zwischen Senegal, Frankreich oder Spanien dienen.90 Durch eine bilaterale Vereinbarung mit Frankreich konnte 1983 ein Ausbildungsprogramm zur Unterstützung von freiwilligen senegalesischen Rückkehrern finanziert werden. In diesem Rahmen wurde 1987 durch beide Länder ein Büro
88 So heißt es über das Niederlassungsrecht: »Le droit de résidence comporte le droit de répondre à des employs effectivement offerts, de se déplacer librement sur le territoire des États membres, de séjourner et de résider dans un des États membres afin d’y exercer un emploi. Les citoyens admis sans visa sur le territoire d’un État member sont soumis, s’ils désirent résider à la formalité de l’obtention d’une carte de résident ou d’un permis de résident.« Tandina 2008, S. 17. 89 Senegal ist ein Mitgliedstaat. 90 Panizzon 2008.
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Steuerung der Migration aus Afrika
für Aufnahme, Orientierung und Unterstützung von Aktionen und Reintegration von Migranten (Bureau d’Accueil, d’Orientation et de Suivi des Actions de Réinsertion des Émigrés: BAOS) eingerichtet.91 Wegen seines Einsatzes und der Zusammenarbeit mit der EU bei der Sensibilisierung und Bekämpfung der »illegalen« Migration erhielt Senegal 1.016.945 Euro von der Europäischen Kommission im Rahmen der afrikanisch-europäischen Konferenz vom Juli 2006 in Rabat, um die Kontrollkapazitäten der senegalesischen Behörden zu erhöhen. Außerdem wurde ein Sechs-Millionen-Dollar-Projekt im Bereich der Landwirtschaft für den Zeitraum 2007 bis 2011 in acht westafrikanischen Ländern durch die Industriestaaten und die »African Development Bank« finanziert. Zu diesen Ländern gehört auch Senegal.92 Durch all diese finanziellen Unterstützungen bezwecken die Zuwanderungsländer die Herkunftsländer in die Lage zu versetzen, die positiven Effekte der Migration auf die Entwicklung zu lenken und die irreguläre Abwanderung einzudämmen. Zu den politischen Maßnahmen zur Regulierung der Einwanderung in den Aufnahmeländern zählen u. a. die Abschiebung von irregulären Immigranten und abgelehnten Asylbewerbern. Dazu wird die Zusammenarbeit der Herkunftsländer benötigt, um die Abschiebung zu erleichtern. In dieser Beziehung hat Senegal verschiedene Abkommen mit den europäischen Ländern wie z. B. Frankreich und Spanien unterzeichnet. Diese Zusammenarbeit wird in Senegal nicht immer mit Verständnis aufgenommen, wie dieser Fall der Proteste von Rückkehrern bestätigt: »Zunächst setzte die Regierung von Senegal ihre Zusagen aus, nachdem die ersten Rückkehrer protestierten, und ließ dann wieder diskret ein paar Heimflüge identifizierter Landsleute zu.«93 Die Landwirtschaft und die Fischerei bilden die wichtigsten Wirtschaftssektoren Senegals und sind am stärksten von der wirtschaftlichen Krise betroffen. Diese Krise hatte Anfang der 1970er Jahre einige ländliche Gebiete getroffen, aber nahm in den 1980er und 1990er Jahren zu und wurde zu einem Phänomen der Städte.94 Dies erklärt den großen Anteil von Fischern und Bauern in der irregulären Abwanderung, deren Existenzgrundlagen in den ländlichen Gebieten durch Umweltprobleme und Übernutzung von Fischreserven durch europäische Fischunternehmen zerstört wurden. Von dieser Erkenntnis ausgehend zielen wesentliche Programme der senegalesischen Regierung auf die Bereiche der Landwirtschaft ab.
91 92 93 94
Gerdes 2007, S. 3. Gerdes 2007, S. 4. Wieland 2006, S. 6. Ndione/Broekhuis 2006, S. 6.
Die Migrationspolitik von Senegal
151
Es sind solche Programme wie REVA, »Retour vers l’Agriculture« (Rückkehr zur Landwirtschaft),95 oder die GOANA, »Grande offensive agricole pour la nourriture et l‘abondance« (»Große landwirtschaftliche Herausforderung für Ernährung und Überfluss«). Durch diese Projekte sollten Arbeitsplätze geschaffen und damit den Migrationswilligen bessere Lebenschancen gegeben werden, um daheim zu bleiben. Trotz Kritik von den Fischern, die keine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben möchten, zeigt eine Bilanz der Wirtschaft von Senegal, dass der Primärsektor im Jahr 2008 einen Aufschwung (+ 12,7 % gegenüber 5,5 % im Jahr 2007) dank der Landwirtschaft erlebt hat. Dazu haben nicht nur günstige Regenzeiten beigetragen, sondern auch das Programm GOANA.96 Der Wille der senegalesischen Regierung, die Rückkopplung zwischen Migration und Entwicklung zu fördern, die klugen Köpfe im eigenen Land zu halten und den Menschen bessere Lebens- und Arbeitsperspektiven zu schaffen, ist nicht nur durch Programme, Projekte und Sensibilisierungskampagnen gekennzeichnet, sondern auch durch politische Rahmenbedingungen. Zu diesem Zweck hat der Präsident Abdoulaye Wade97 ein Ministerium für Senegalesen im Ausland (Ministère des Sénégalais à L’Extérieur) gegründet und nominierte einen Botschafter für die Emigranten, damit ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Potenziale zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung genutzt und ihre Belange besser wahrgenommen werden können. Die Debatte über die politische Steuerbarkeit der Migration von Afrika nach Europa ist heutzutage zu einem wichtigen Instrument der bilateralen Beziehungen zwischen Senegal, Spanien, Italien und Frankreich geworden. Die Frage nach der Rückkehr oder Abschiebung von irregulären afrikanischen Migranten wird durch die Politik in Senegal mit nuancierten Positionen gedeutet. Auch wenn die Regierung von Wade erklärt hat, die sich irregulär in Europa befindenden Bürger wiederaufzunehmen, sind längst die Migranten durch ihre Rücküberweisungen für das Land ein wichtiger Einkommenszweig und daher unverzichtbar. Der Minister für Senegalesen im Ausland begründet die unklare Abwanderungspolitik seiner Regierung mit der Tatsache, dass die Rücküberweisungen von Migranten inzwischen die Entwicklungshilfe übersteigen und deswegen sein Land kein Interesse daran hat, »die Auswanderung zu bremsen«.98
95 Sadio 2006. 96 Devey 2010, S. 166. 97 Abdoulaye Wade ist der Gründer der Partei PDS (Parti Démocratique Sénégalais, 1974) in Senegal. Während der Wahlkampagne von 2000 wurde er »Papst der Sopi« genannt. »Sopi« stammt aus der Wolof-Sprache und bedeutet »Wechsel« (»Changement«). 98 Zitiert in: Behrendt 2006, S. 13.
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Steuerung der Migration aus Afrika
Die Steuerungspolitik der Abwanderung in Senegal kann in folgenden Schwerpunkten zusammengefasst werden: Sensibilisierung junger Menschen in Bezug auf irreguläre Migration, Grenzkontrollen, gesetzliche Rahmenbedingungen für legale Migration, Austausch zwischen Hochqualifizierten im Ausland und in Senegal, Einbeziehung von Migranten in entwicklungspolitische Projekte, Re-Integration von Rückkehrern, Förderung des kulturellen Austausches zwischen Senegal und den Zielländern, Forschung und Aufbau einer Migrationsdatenbank und Gesetze gegen Menschenhandel.99 In der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und Afrika hat Senegal aufgrund seiner Position als Herkunfts- und Transitland für viele Migrationswillige aus Afrika eine wichtige Stellung. Diese besondere Stellung begründet zum Teil die Auswahl der senegalesischen Zeitungen für die vorliegende Arbeit. 4.5
Die Migrationspolitik der AU und die Zusammenarbeit mit den EU-Staaten
Angesichts des zunehmenden Abwanderungsdrucks aus Afrika nach Europa und Nordamerika bilden die Migrationsfragen einen Schwerpunkt der Politik der AU (African Union).100 Jedoch ist es schwierig, von einer gemeinsamen wirksamen Migrationspolitik zu sprechen. Trotz des Mangels an effizienten Verwaltungsstrukturen sind sich die Mitgliedstaaten einig, dass konkrete Vereinbarungen, Armutsbekämpfung und eine gemeinsame Migrationspolitik notwendig sind. In dieser Aussicht verabschiedete die AU im Jahre 2006 die »Draft African Common Position on Migration and Development«, von welcher die wichtigsten Ziele im Folgenden dargestellt werden:101 • Sammlung von Informationen und das Erstellen einer Datenbank über Migration, • Durchführung von Sensibilisierungskampagnen zur Migration, • Definition legaler Instrumente zur Bekämpfung irregulärer Migration, 99 Some 2009, S. 95. 100 Die OAU (Organization of African Unity) wurde am 23. 05. 1963 in Addis Abeba von dreißig afrikanischen Staaten gegründet. Die Afrikanische Union AU trat im Jahre 2002 die Nachfolge der »Organisation für afrikanische Einheit« OAU an. Die Mitglieder sind alle Staaten Afrikas mit Ausnahme von Marokko, das wegen des Konfliktes um die Demokratische Arabische Republik Sahara aus der OAU ausgetreten ist. Mauretanien ist seit 2005 wegen des dortigen Militärputsches vorübergehend suspendiert worden. www.africa-union.org. 101 African Union, Experts’ Meeting on Migration and Development 2006, S. 4.
Die Migrationspolitik der AU und die Zusammenarbeit mit den EU-Staaten
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• Förderung einer besseren Kontrolle und Management von Grenzen, • Umsetzung des »Ouagadougou Plan of Action on Employment and Poverty«, • Umsetzung der Milleniumsziele (MDGs: Millenium Development Goals), • Synergie von Migration und Entwicklung, • Förderung des Beitrages der afrikanischen Diaspora-Gemeinschaften zur Entwicklung ihrer Heimatländer und darüber hinaus zur Entwicklung Afrikas, • Sicherheit und Lösungen für bewaffnete Konflikte, • Verbesserung der Arbeitschancen von Jugendlichen, • Förderung von Good Governance. Zur Erreichung dieser Zielvorgaben ist die Zusammenarbeit mit der EU bzw. mit den europäischen Transit- und Zielländern unentbehrlich. Damit diese Zusammenarbeit zwischen der EU und den Herkunftsregionen von Migranten effizient stattfinden kann, formulierte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in ihrer Mitteilung »Migration und Entwicklung: Konkrete Leitlinien«102 vom September 2005 vier zentrale Bereiche: • • • •
die Rücküberweisungen der Migranten in ihre Heimatländer, die Vernetzung der Diaspora mit ihren Herkunftsländern, die temporäre Rückkehr hochqualifizierter Migranten, die Regulierung der Elitenabwanderung zugunsten der Herkunftsländer mit akutem Mangel an Fachkräften wie z. B. im Medizinbereich.
Wenn man diese Zielvorgaben der EU und der AU näher analysiert, lässt sich feststellen, dass auch wenn die Rolle der Diaspora bei der Entwicklung der Herkunfts- und Zuwanderungsländer von großer Bedeutung ist, sich dennoch die verschiedenen Interessen beider Regionen bzw. Kontinente widerspiegeln. Die EU als Zielregion setzt einen Schwerpunkt auf die Rückkehr, während beim Herkunftskontinent Afrika die Push-Faktoren der Abwanderung, wie z. B. Armut, schlechte Politik, Arbeitslosigkeit von Jugendlichen, Unsicherheit und bewaffnete Konflikte im Mittelpunkt stehen.103
102 Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2005 KOM (2005) 390 endgültig, S. 4–10. 103 Es wird in sechstem Kapitel zu überprüfen sein, wie diese verschiedenen politischen Interessen in den Berichterstattungen thematisiert werden. Dienen dabei die Medien als Legitimation oder eher als Kritikinstrumente?
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Steuerung der Migration aus Afrika
Bereits im Dezember 2002 zielte die erste Mitteilung104 der Europäischen Kommission darauf ab, den Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung zu analysieren. Dadurch wurde offensichtlich versucht, die beiden Felder im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Herkunftsländern der Migranten besser zu vernetzen. China (mit ca. 35 Mio. Migranten im Ausland) und Indien (mit ca. 20 Mio.) dienen hierbei als Beispiel. Die Beiträge ihrer riesigen Diasporagemeinschaften zur Entwicklung der Herkunftsländer haben bewiesen, dass der »Brain Drain« und der »Brain Gain« zum »Brain-Exchange« umgewandelt werden können, wenn entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dies bedeutet, dass eine »Win-win-Situation« (Gewinn für Herkunfts-, Zielländer und Migranten) durch die Migration erzeugt werden kann, so dass sowohl die Zuwanderungsländer als auch die Herkunftsländer von den Potenzialen der Migranten profitieren können. Diesen Beispielen folgen mittlerweile viele afrikanische Länder und Diasporagemeinschaften im Ausland, damit Brücken zwischen dem Heimat- und dem Aufnahmeland geschlagen werden, damit das Know-How von Migranten für die Entwicklung ihrer Herkunftsländer effizient genutzt wird. Die Einsicht findet zunehmend Verbreitung, dass die Migration von Afrika in Richtung Europa nur durch die Bekämpfung von Armut und die Kooperation aller betroffenen Herkunfts-, Transit- und Ankunftsländer steuerbar ist. Mit diesem Ziel trafen sich zum ersten Mal vom 10. bis 11. Juli 2006 in Rabat Diplomaten aus den betroffenen Ländern. Dabei nahmen Vertreter aus mehr als fünfzig Staaten an einer zweitägigen Konferenz105 über »Migration und Entwicklung« teil. Das Treffen zielte darauf ab, die Einwanderung aus Afrika nach Europa einzudämmen. Politische und operative Fragen sowie die Unterentwicklung als Ursache der massiven Abwanderung aus Afrika wurden diskutiert. Nicht nur im Interesse der europäischen Länder liege es, die Wanderungsbewegungen zu kontrollieren, sondern auch im Interesse der afrikanischen Staaten, die durch die Abwanderung fürchten müssen, ihre Eliten zu verlieren, bekräftigte der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos.106 Es wurde hervorgehoben, dass die Grenzkontrolle nur eine
104 »Einbeziehung von Migrationsbelangen in die Beziehungen der Europäischen Union zu Drittländern«- KOM (2002) 703 vom 03. 12. 2002. 105 Die Konferenz wurde von Frankreich, Spanien und dem Gastgeberland Marokko organisiert. 106 Zur Unterstützung der Grenzkontrollen erhielt Marokko als Transitland für Flüchtlinge bereits erhebliche Mittel von der EU. Auch Mauretanien, Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg zu den kanarischen Inseln, bekam von der EU ein Maßnahmepaket von 2,45 Mio. Euro. Vgl. http://www. nds-fluerat.org/pdf/infomaterial/rabat_migrationconference2006.pdf
Die Migrationspolitik der AU und die Zusammenarbeit mit den EU-Staaten
155
Übergangslösung sei, und dass eine effektive Regulierung der Migration nur durch die Armutsbekämpfung in den Herkunftsländern möglich sei.107 Die Themen der Bekämpfung irregulärer Migration und Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika stehen ganz oben auf den Agenden der internationalen Migrationskonferenzen: Bei dem Expertentreffen in Rabat (Marokko) im März 2008 handelte es sich um legale Migration, in Ouagadougou im Mai 2008 stand die irreguläre Migration auf der Tagesordnung und in Dakar wurde im Juli 2008 die Beziehung zwischen Migration und Entwicklung behandelt. Die erste euro-afrikanische Ministerkonferenz zu Migration und Entwicklung fand in Rabat im Juli 2006 statt, gefolgt von einer zweiten Konferenz am 25. November 2008 in Paris im Rahmen der französischen Präsidentschaft der EU. Verschiedene europäische und afrikanische Staaten und Organisationen verabschiedeten ein Programm zur Zusammenarbeit für viele Jahre. Dabei wurden drei Hauptziele festgelegt: Förderung der legalen Migration, Bekämpfung der irregulären Migration und Synergie zwischen Migration und Entwicklung. Ein weiterer Punkt der Migrationspolitik der EU gegenüber Afrika betrifft die Abschottungs- und Sicherheitspolitik.108 Zu diesem Zweck werden afrikanische Transitländer mit Überwachungs- und Sicherheitsinfrastrukturen unterstützt. Beispiele dafür sind die Überwachungssysteme in Algerien im Jahr 2002, durch Europa finanziert mit 10,5 Mio. Euro, die Finanzierung der Kommunikationsausrüstung und Radargeräte Tunesiens für rund eine Million Euro und der Ankauf von Militär-Autos für Marokko für rund 4,5 Mio. Euro. Auch die AU wird bei der Krisenbewältigung durch das Programm »Peace Facility for Africa« unterstützt. Nach Ansicht einiger Experten dienen die Unterstützungsmaßnahmen und die Einflussnahme der EU in Afrika dazu, die unkontrollierte Migration durch exterritoriale Lager einzudämmen.109 Im Rahmen der Grenzkontrolle hat die EU die Herangehensweisen der USA bei der Grenzschutzoperation »Gatekeepers« in Zusammenarbeit mit Mexiko 1994 erprobt. Zwischen Marokko und Spanien diente ein ähnliches System zur Bekämpfung der irregulären Migranten aus SSA, die Marokko als Transitland nutzten. Dies führte leider zu den Flüchtlingsdramen von Ceuta und Melilla 2005.110 Die Vorschläge des damaligen deutschen Bundesinnenministers im Jahre 2004, Otto Schily, Flüchtlinge aus Afrika in »Aufnahmeeinrichtungen« in den nordafri107 FAZ, 11. 07. 2006, S. 4. 108 Mehr zur europäischen Steuerung der Migration aus Afrika: Tsagué Assopgoum 2010b, S. 16–17. 109 Hagenloch 2006. 110 Marfaing/Hein 2008, S. 3.
156
Steuerung der Migration aus Afrika
kanischen Ländern aufzuhalten und von der Reise über das Meer nach Europa abzuhalten, haben eine Vorgeschichte. Bereits 1998 schlug die damalige österreichische EU-Ratspräsidentschaft ein Flüchtlingskonzept vor. Nach diesem Modell zur Migrationsabwehr sollten Flüchtlingsdramen in die Herkunfts- und Transitländer oder in deren Nähe behandelt werden.111 Andere Abkommen zwischen nordafrikanischen Transitländern und europäischen Ankunftsländern zielen darauf ab, nicht nur die irreguläre Abwanderung zu bekämpfen, sondern fordern von den Transitländern, die Rückkehrenden aufzunehmen. Zwischen Marokko und Spanien, Mauretanien und Spanien, Libyen und Italien, Senegal und Frankreich sowie anderen afrikanischen Staaten wurden bereits solche Abkommen unterzeichnet. Im Rahmen des Gesetzes vom September 2007, das einen DNA-Test als Bedingung für Familienzusammenführung verlangte, plante Frankreich Abkommen mit Kamerun, Ghana, Angola, Madagaskar, Guinea und mit den Kapverdischen Inseln.112 Für Visumvergabe an hochqualifizierte Afrikaner in bestimmten Bereichen wie Landwirtschaft, Verkehrswesen, Informatik und Bankwesen hat Frankreich Abkommen mit einigen afrikanischen Ländern unterzeichnet wie z. B. Gabun im Juli 2007, Kongo-Brazzaville im Oktober 2007, Benin im Oktober 2007, Senegal im Februar 2008 und Tunesien im April 2008. Diese Abkommen beinhalten eine Rücktransferklausel, nach der jede Partei ihre irregulären Bürger, die sich auf dem Territorium des anderen befinden, wieder aufnehmen sollte. Frankreich engagiert sich, die freiwilligen Rückkehrer zu unterstützen.113 Nach dem Vorbild des Grenzprogramms Australiens von 2001, genannt »Pacific Solution«, das darauf abzielte, die Migranten außerhalb des Territoriums zu behandeln, wurde im Rahmen der EU das Projekt von »Auffanglagern« außerhalb des europäischen Territoriums vorgeschlagen. In Anlehnung an den Vorschlag des ehemaligen deutschen Innenministers, Otto Schily, wurden im Juli 2004 »Sicherheitszonen« in Nordafrika errichtet und von der EU finanziert. Großbritannien schlug im März 2005 die »processing centres« außerhalb der Landesgrenze vor. Damit wurde der Versuch unternommen, das zunehmende Problem von Flüchtlingen aus Afrika »offshore« zu behandeln. Solche Zentren sollten die Asylanträge prüfen, Migranten orientieren, für die Unterbringung von Flüchtlingen sorgen und diese über Rückkehrmöglichkeiten informieren.114 111 112 113 114
Prantl 2005, S. 2. Marfaing/de Hein 2008, S. 3–4. Belibi 2009, http://www.quotidienmutations.info/novembre/1259043550.php (06. 01. 2010). Marfaing/Hein 2008, S. 4.
Migration und internationale Sicherheit
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Die EU-Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern in Afrika kann man als eine Politik von »Zuckerbrot und Peitsche« deuten. Dies bedeutet, dass die Länder in Afrika wie z. B. Senegal, Tunesien, Marokko, Mauretanien, Mali, Algerien und Libyen, die kooperieren und sich für den Grenzschutz Europas und die Bekämpfung irregulärer Abwanderung verpflichtet haben, von der EU als Belohnung finanzielle Hilfe erhalten.115 Außerdem unterstützt Frontex Senegal und Mauretanien bei Grenzkontrollen. In diesem Rahmen wurden 2006 vor den Küsten beider Länder 3.887 irreguläre Migranten bei einer Frontex-Überwachungsaktion festgenommen und nach Nouadhibou in Mauretanien in ein mit den Mitteln der EU in Höhe von 2,45 Mio. Euro errichtetes Flüchtlingslager gebracht.116 Ohne an der Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika zu zweifeln, weist Alpha Oumar Konaré (ehemalige Vorsitzende der Kommission der AU) darauf hin, dass Armut immer noch der wichtigste Grund für die Abwanderung aus Afrika nach Europa ist und bei vielen Programmen nicht im Vordergrund steht. Weiter tragen die ungleichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Afrika mit dem Beispiel der EU-Agrarsubventionen und deren verheerenden Auswirkungen auf die Existenzgrundlage von afrikanischen Bauern erheblich zu dieser Armut bei. Deswegen ist es fraglich, ob die Abschottungspolitik und die Einrichtung von Auffanglagern in Afrika für eine nachhaltige Problemlösung geeignet sind.117 4.6
Migration und internationale Sicherheit
Die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington haben in gewissen Maßen die Verwundbarkeit der USA sowie der anderen OECD-Länder verdeutlicht. Seitdem wurde Migranten aus der arabisch-islamischen Welt misstraut, und sowohl der Fundamentalismus der Mullahs als auch die radikale Predigt in manchen Moscheen in den Großstädten Europas und Nordamerikas werden als ernste Bedrohung des Westens wahrgenommen. Der Islam wird mit den Begriffen »Fundamentalismus« und »Terrorismus« etikettiert. Thesen vom internationalen Kulturkampf werden herangezogen. Es wird darüber debattiert, ob die größeren Migrations- und Fluchtbewegungen ein Risiko für die innere Sicherheit 115 Marfaing/Hein 2008, S. 4. 116 Ebd. 117 Hagenloch 2006, http://www.algeria-watch.de/de/artikel/migration/zero_migration.htm (09. 03. 2009).
158
Steuerung der Migration aus Afrika
der Aufnahmeländer darstellen. Die Migranten werden latent verdächtigt, die »Gastfreundschaft« der westlichen Länder zu missbrauchen und Migranten aus muslimischen Ländern werden als potenzielle Terroristen wahrgenommen. Muslimische Studierende stoßen auf viele Vorbehalte und Vorurteile bei Behördengängen, besonders was die Visumsangelegenheiten anbelangt.118 Maßnahmen gegen verdächtige Ausländer werden verschärft. Darüber schreibt die »Süddeutsche Zeitung« vom 11. September 2002: Vor dem Jahrestag des Terroranschlages vom 11. September und kurz vor der Bundestagswahl hat Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) einen Vorstoß für eine Abschiebung von Ausländern auch ohne konkreten kriminellen Verdacht unternommen.119
Zu der Verschärfung von Sicherheitsgesetzen, die von dem ehemaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein gefordert wird, gehören u. a. die Abschiebung von Einwanderern, die unter Verdacht stehen, den internationalen Terrorismus zu unterstützen, die Speicherung biometrischer Daten in Pässen und Dokumenten, die neuen Formen der Rasterfahndung und das Verbot von verdächtigen ausländischen Vereinen. Dies sind die Maßnahmen, die die Parteien CDU (Christliche Demokratische Union) und CSU (Christliche Soziale Union) fordern, damit die Gefahrenabwehr verbessert wird. Die Problematik der Migration wird seit dem 11. September 2001 im Katalog der »erweiterten Sicherheit« geführt und beschäftigt die Verteidigungsministerien, die Gremien der NATO und Einrichtungen wie das »International Institute for Strategic Studies« (IISS). Nach Ansicht dieser Ministerien und Institute könnte die Migration nicht nur ein Problem für die innere Sicherheit und Stabilität der europäischen und nordamerikanischen Aufnahmeländer darstellen, sondern auch für die internationale Weltsicherheit. Welche Bedeutung hat diese Misstrauenspolitik für Afrika? Die Migranten aus SSA werden nicht unmittelbar als ein Sicherheitsrisiko und als eine Bedrohung durch den Terrorismus gedeutet. Allerdings werden die Anschläge auf die Botschaften der USA in Tansania und Kenia und die wachsenden religiösen Konflikte zwischen Christen und Muslimen in Ländern wie Nigeria sowie die ökonomischen Probleme in Afrika als mögliche Beweggründe gewertet,
118 In Nordrhein-Westfalen müssen seit Ende 2007 Menschen aus 26 Ländern bei der Ausländerbehörde in einem Fragebogen angeben, ob sie über eine Flugausbildung verfügen, ob sie sich im Gebrauch von Chemikalien und Sprengstoffen auskennen oder ob sie Kontakte zu einer terroristischen Organisation pflegen. Vgl. Hammer 2008 S. 20. 119 Höll 2002, S. 6.
Diaspora und Entwicklungszusammenarbeit
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die Radikalismus in Afrika stiften könnten. Außerdem gelten diese Probleme als Push-Faktoren der Abwanderung. Strategisch gesehen, stellt Afrika für die innere Sicherheit Europas zwar keine ernst zu nehmende Bedrohung dar, jedoch wird diskutiert, inwiefern die wachsende Armut und Frustration zu Radikalisierung und Hass gegenüber dem Westen beitragen könnten. Die häufigere mediale und politische Stigmatisierung der Migranten aus Afrika als Flüchtlinge und hilfsbedürftige Asylsuchende verstärkt die Ängste der Bevölkerung in den Wohlstandsstaaten. Hierbei ist davon auszugehen, dass eine solche negative Deutung der afrikanischen Migranten dazu führt, dass ihre Potenziale nicht angemessenen geschätzt und genutzt werden. Aus dem Vorangegangenen resultiert die Frage, inwiefern der 11. September 2001 die mediale Darstellung der afrikanischen Migranten beeinflusst hat. Haben die Anschläge auf New York und Washington den Diskurs verdrängt oder verstärkt? 4.7
Diaspora und Entwicklungszusammenarbeit
Mit den Armutsbekämpfungsprogrammen in den Herkunftsländern der Migranten zielt die EU darauf ab, den Migrationsdruck zu verringern. Wenn vor einigen Jahrzehnten die Probleme der so genannten »Dritten Welt« in den politischen Debatten der Industrieländer noch als sehr entfernt wahrgenommen wurden, rücken sie heutzutage durch Einwanderung und Umweltprobleme immer näher. Weiterhin setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Entwicklungsländer und vor allem die afrikanischen Länder nicht ihrem Schicksal allein überlassen werden können. Angesichts der ungeheuerlichen Armut in vielen Ländern SSA erweist sich die Regulierung der Migration durch repressive Maßnahmen als schwierig. Welchen Entwicklungsbeitrag kann die afrikanische Diaspora120 leisten, damit die Migration positiv gesteuert wird? Der Beitrag der afrikanischen Diaspora-Gemeinschaften in Europa zur Entwicklung ihrer Heimatländer hängt nicht nur von ihrem Willen ab, sondern auch von den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowohl in den Aufnahmeländern als auch in den Herkunftsländern. In einer Zeit, in der die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung in
120 Zur Geschichte und Entwicklung der afrikanischen Diaspora, siehe: Dorsch 2003.
160
Steuerung der Migration aus Afrika
der Entwicklungspolitik zunehmend an Bedeutung gewinnt, kann kein Herkunftsland auf das Potenzial seiner Diaspora verzichten. In dieser Hinsicht haben afrikanische Regierungen Initiativen ergriffen, um die aktive Beteiligung ihrer Diaspora am Entwicklungsprozess zu bestärken. Kamerun z. B. hat eine Konferenz namens »Cameroun-Diaspora« zum Thema Wirtschaft und Diaspora ins Leben gerufen, um den Beitrag der kamerunischen Diaspora zur Wirtschaft Kameruns zu dynamisieren. Dabei sollten auch bessere und günstigere Rahmenbedingungen für Investitionen und Remigration gestaltet werden. Ghana hat 2001 ein Gesetz zur Doppelstaatsangehörigkeit, »Dual Citizenship Law«, verabschiedet, um die Rückkehr, Reintegration und Investition von Ghanaern im Ausland mit anderen Staatsbürgerschaften zu vereinfachen.121 Weltweit sind mittlerweile afrikanische Netzwerke organisiert, die darauf abzielen, die Mitglieder der Diaspora zusammenzubringen, um die Erfahrungen im Wissenschaftsbereich auszutauschen.122 Die Migration, die zum Teil durch Armut verursacht wird, kann als wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung und zur Verbesserung der Partnerschaft zwischen den Industriestaaten und den afrikanischen Ländern dienen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass ihre positiven Effekte nur erreicht werden können, wenn nötige und entsprechende Instrumente, Strategien, Mittel und Strukturen eingesetzt werden. Als wesentlicher Akteur im Entwicklungsgeschehen gilt hierbei die afrikanische Diaspora. 4.8
Zwischenfazit
Die europäischen Steuerungsmaßnahmen der Migration aus Afrika sind durch Verstärkung der Grenzkontrollen, Patrouillen und »Brain Drain« geprägt. Legale Einwanderung, Arbeitsmigration und zirkuläre Migration sind bislang durch die EU-Gesetze und den Arbeitsmarkt nicht hinreichend gefördert worden. Den Push-Faktoren der Abwanderung wie etwa Armut, Kriege, schlechte Governance, Misswirtschaft, aber auch ungleiche Beziehungen zwischen den Industrieländern und Afrika wird bei den Steuerungsmaßnahmen nicht die entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt.
121 Statement by Hon. Albert Kan Dapaah, Minister for Interior at the 61st UN General Assembly High-Level Dialogue on International Migration and Development, New York 14. bis 15. 09. 2006, S. 2, http://www.un.org/webcast/migration/pdfs/ghana-e.pdf (01. 03. 2010). 122 Siehe Abschnitt 3.2.3.
Zwischenfazit
161
Die untersuchungsleitende Frage dieses Kapitels, die auch für die spätere Diskursanalyse im Kapitel 6 forschungsrelevant ist, lässt sich wie folgt formulieren: Wie werden die Steuerungsmaßnahmen zur Regulierung der Abwanderung aus Afrika nach Europa medial kommuniziert? Da eine solche diskursanalytische Studie eine minimale Kenntnis über die Medien der Länderbeispiele erfordert, setzt sich das nächste Kapitel mit den medialen Strukturen von Deutschland und Senegal auseinander.
5
Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
Regelmäßig strahlen die Medien neue Bilder von afrikanischen Flüchtlingen aus, die über den Seeweg die südlichen Küsten erreichen. Medien spielen heutzutage eine wesentliche Rolle bei der Informationsvermittlung und bilden einen unverzichtbaren Bestandteil der Öffentlichkeit. Göktürk fasst die drei wesentlichen Funktionen der Massenmedien, die im politischen Integrationsprozess einer Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen, wie folgt zusammen:1 • Massenmedien als Meinungsbildner, • Massenmedien als politische Sozialisations- und Integrationsinstanz, • Massenmedien als politische Kontrollinstanz.2
Durch realitätsgerechte Informationen sollen die Massenmedien als »Gestalter der öffentlichen Meinung« einen vorurteilsfreien Beitrag zur Integrationspolitik leisten.3 Damit tragen sie zur Entwicklung der politischen Kultur bei, unterstützen, begleiten, informieren und sensibilisieren im politischen Kulturprozess. Dabei wird den Menschen eine bestimmte politische Weltsicht vermittelt. Diese durch die Medien vermittelte Weltsicht ist durch ökonomische, soziale, kulturelle und historische Deutungen beeinflusst.4 Darüber hinaus wird durch die wechselseitige Beeinflussung von Medien, Politik und Gesellschaft die Frage der politischen und sozialen Verantwortung der Medien hervorgehoben. Welchen Beitrag leisten die Medien hinsichtlich der Einwanderung, um den Wandel zur plurikulturellen Gesellschaft zu begleiten und neue Wege der Integration zu eröffnen? Frederike Wolf formuliert diesen Beitrag wie folgt: Medienangebote mit ihrer Öffentlichkeitsfunktion leisten einen wesentlichen Beitrag zur Konstruktion sozialer Wirklichkeit und die Gesellschaft verständigt sich mithilfe der Medien über
1 2 3 4
Göktürk 1981, S. 65–72. Ebd., S. 67. Ebd., S. 68. Ebd.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
Geschehnisse, die mit Einwanderung und Integration verbunden sind. Sie bereiten wichtige Informationen für die Meinungsbildung auf und beeinflussen so das Bewusstsein der Menschen.5
Eine der wichtigen Aufgaben der Massenmedien, die Vielfältigkeit der Gesellschaft mit allen Facetten widerzuspiegeln und den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft zu fördern, wird nicht immer entsprechend erfüllt, wie Wolf anhand aktueller Studien feststellt, »dass sich Einwanderer bislang häufig stereotypisch und vorurteilsbelastet in den Medienangeboten wiederfinden.«6 Die Präsenz von Migranten afrikanischer Herkunft löst nicht nur Debatten über Integration, Toleranz und Rassismus aus, sondern auch die Frage, wie die Potenziale und Erfahrungen von diesen Menschen zugunsten der Armutsbekämpfung in Afrika sowie zur Entwicklung in den europäischen Aufnahmeländern genutzt werden können. Wie gehen die Medien mit diesen Fragen um? Welche Rolle spielen die Pressestrukturen Deutschlands und Senegals bei der Thematisierung des Zusammenhangs von Migration und Entwicklung? Die Analyse solcher Thematisierungen erfordert zunächst eine kurze Darstellung der kulturellen sowie der journalistischen Strukturen beider Länder. 5.1
Kulturelle und journalistische Strukturen
Die Berichterstattung über ein bestimmtes Ereignis kann durch verschiedene komplexe Faktoren beeinflusst werden. Hinsichtlich des Framings des 11. Septembers 2001 und des Angriffs auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania durch die afrikanische und die amerikanische Presse stellt Todd M. Schaefer fest: Cultural and journalistic values and ways of seeing (or perhaps more accurately - national culture as well as professional or journalistic culture) are also expected to influence how the attacks are reported. […] The cultural traditions of both the society within which the journalist operated and their own professional class, can lead to potentially different presentations of reality.7
5 6 7
Wolf 2009, S. 8 f. Wolf 2009, S. 9. Laut Todd M. Schaefer basieren die westlichen Pressetraditionen auf Betonung der Fakten und verfahren mit empirischen Methoden. Weiter argumentiert er, dass die US-Medien allgemein innerhalb der amerikanischen Gesellschaft als solche angesehen werden, die professionell und objektiv arbeiten. Meiner Meinung nach ist der Begriff »Objektivität« hierbei fragwürdig, denn es geht eigentlich um eine »subjektive« Wahrnehmung der amerikanischen Medien durch die amerikanische Gesellschaft. Vgl. Schaefer 2003, S. 96.
Kulturelle und journalistische Strukturen
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Die Untersuchung über das Framing des 11. Septembers 2001 (der Angriff in New York und Washington, DC) und des Angriffs auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi (Kenia) und in Dar es Salaam (Tansania) ergibt, dass beide Ereignisse unterschiedlich in afrikanischen und in US-amerikanischen Printmedien reproduziert wurden.8 Die unterschiedlichen Ansätze von Medien beider Regionen zeigen, inwiefern landesspezifische kulturelle Normen, Stereotypen und politische Kulturen der Journalisten die jeweilige Berichterstattung in den Ländern prägen. Hinsichtlich des Framings von Abwanderung aus Afrika in deutschen und senegalesischen Zeitungen spielen sowohl die kulturellen Normen und Deutungsmuster als auch das Mediensystem und die Position der betreffenden Zeitungen im Kommunikationssystem ihrer Länder eine wesentliche Rolle.9 Laut Todd M. Schaefer hebt der afrikanische Journalismus weniger die Fakten, die objektive Beschreibung und Trennung von Fakt und Meinung hervor, vielmehr benutzt er häufiger Darstellungen entsprechend mündlichen Erzählformen.10 Dabei ist zu erwähnen, dass der afrikanische Journalismus seit der Kolonialzeit durch Einflüsse der anderen Pressetraditionen beeinflusst wurde und sich im Laufe der Zeit immer mehr professionalisiert hat. Die Schwierigkeiten in der Ausübung des Journalistenberufs in vielen afrikanischen Ländern sind zum größten Teil auf die politischen Systeme und den Mangel an Infrastrukturen und Defizite in der Aus- und Fortbildung zurückzuführen. Zusammenfassend sind die deutschen und senegalesischen Printmedien durch unterschiedliche Medienlandschaften und Kulturen geprägt. Dabei spielen auch unterschiedliche materielle Interessen und kulturelle Selbstverständnisse eine wichtige Rolle. Es ist zu vermuten, dass die deutsche mediale Thematisierung der Migration aus Afrika stark von der Verteidigung der Wohlstandsinteressen und dem Erhalt der kulturellen Identität europäischer Länder geprägt wird. Dagegen werden die senegalesischen Zeitungen wahrscheinlich Kritik sowohl an Diskriminierung, am »Brain-Drain« und der Abschiebungspolitik der europäischen Ziel-
8
In dieser Studie von Todd M. Schaefer wurden für die afrikanischen Zeitungen die »Daily Nation« aus Nairobi und Dar es Salaams »Daily News« untersucht und für US-Amerika die »New York Times« und die »Washington Post«. Schaefer 2003 9 Dies bedeutet nicht, dass die verschiedenen Medien eines Landes dieselben Rahmungen und Berichtweisen haben. Die Art und Weise, wie eine Boulevardzeitung über ein Ereignis berichtet, kann sich von der einer Elitezeitung unterscheiden. 10 Schaefer 2003, S. 96–97.
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länder als auch an schlechten Regierungspraxen der afrikanischen Regierenden üben. Nicht außer Acht zu lassen sind die Einflüsse von gesetzlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen auf die Wertvorstellungen und Deutungsmuster der Journalisten und deren Ausübung ihres Berufs. 5.2
Die Presse in Deutschland: Historischer Überblick
Die Geschichte der gedruckten Medien ist im deutschen Sprachraum eng mit Johann Gensfleisch zur Laden, genannt Johannes Gutenberg, verknüpft,11 der in Mainz um 1445 das Drucken mit beweglichen Lettern erfand.12 Die Frühformen der Presse bestanden aus Korrespondenzen und geschriebenen Zeitungen, Flugblättern und »Neuen Zeitungen«, Flugschriften und »Messrelationen«.13 Im 16. und 17. Jahrhundert war die Zeitung ein urbanes Phänomen und Druckereien waren nach dem Reichsabschied von 1570 nur in fürstlichen Residenzen, Universitätsstädten und in freien Reichsstädten zugelassen.14 Das periodische Erscheinen von Zeitungen ist bis ins Jahr 1609 zurückzuführen.15 Es erschienen regelmäßig zwei Zeitungen einmal pro Woche, nämlich die Straßburger »Relation« und der Wolfenbütteler »Aviso«.16 Im 17. Jahrhundert breitete sich das Zeitungswesen rasch in ganz Europa aus, jedoch blieb Deutschland das Zentrum.17 11 Mehr dazu: Venzke 2000. 12 Hierbei muss man erwähnen, dass es vor Gutenberg bereits einfache Druckapparate gab. Durch Aufmalen mit Pinseln sowie durch wiederholtes Abschreiben mit Federkielen wurden Schriften und Bücher in Europa vervielfältigt. Vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 37. 13 Die »Messrelationen« als Typus der periodischen Presse sind zwischen der Form des Buchs und der der Zeitschrift zu klassifizieren. Sie erschienen meist halbjährlich und ihre Nachrichten stammten von Korrespondenzpartnern. Mehr dazu: Stöber 2005, S.53–58. 14 Es ist zu erwähnen, dass Handelszentren bessere Rahmenbedingungen für die Zeitungsherstellung boten. 15 Neue pressehistorische Forschungsarbeiten widersprechen der These, dass das Jahr 1609 als Geburtsjahr der Zeitung angesehen werden muss und erklären, dass einer der beiden Titel bereits vier Jahre früher erschienen sei, nämlich die »Relation aller fürnemmen und gedenckwürdigen Historien« oder kurz »Relation«. Sie ist demnach vermutlich ab Oktober 1609 in Straßburg im Elsass erschienen. Vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 45–47. 16 Erste (Wochen-)Zeitungen erschienen kurz nach dem Erscheinen von »Relation« und »Aviso« u. a. in Basel (1610), Frankfurt (1615), Berlin (1617), Hamburg (1618), Stuttgart, Freiburg, Danzig (1619), Köln und Antwerpen (1620), London (1621), Wien, Zürich, Königsberg, Paris (1631). Vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 47. 17 Die Aufgabe der Zeitschriften war zwischen Information und Unterhaltung angesiedelt. Der »Götter-Both Mercurius« (1674/75), der als die älteste deutsche Zeitschrift gilt, war kaisertreu. Die
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Das Jahrhundert der Aufklärung fand auch Resonanz im Pressewesen. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich der Zeitschriftenmarkt in Deutschland sehr schnell. Die Zeitschriften trugen zur Herausbildung von Nationalkultur, Theater und Literatur und zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache bei. Das Ende des 18. Jahrhunderts war durch die bürgerliche Aufklärung mit dem Ruf nach mehr Pressefreiheit geprägt. Jedoch wurde die Liberalisierung des deutschen Pressewesens durch das Zensurgesetz (1810) von Napoleon in den Reichsgebieten, die von Frankreich besetzt wurden, verhindert. In den deutschen Ländern Nassau, Sachsen-WeimarEisenach, Württemberg und Bayern wurde eine begrenzte Pressefreiheit erst ab 1814 eingeführt, nachdem Napoleon besiegt worden war. Im 19. Jahrhundert war das deutsche Pressewesen vielfältig. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebten die Zeitschriften neue Entwicklungen, die bei den Zeitungen erst ab Mitte dieses Jahrhunderts zu beobachten waren.18 Die Presseentwicklung im 19. Jahrhundert wurde durch das Bundespressegesetz von 1819 geprägt. Gesandte aus Preußen und Österreich verfassten im Sommer 1819 in Karlsbad die »Karlsbader Beschlüsse«, auf deren Grundlage das Bundespressegesetz vom September 1819 beruhte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kam es im Zeitungswesen zu Modernisierungen und zur Zunahme von Zeitungsgründungen. Dies geschah dank der Aufhebung der Zensur 1848, der rasch wachsenden Wirtschaft der Gründerzeit, der Erfindung der Schnellpresse, der industrialisierten Papierverarbeitung (Rolle statt Bögen) und der wachsenden Alphabetisierung der Bevölkerung. Das Reichspressegesetz von 1874 als »symptomatischer Kompromiss der Bismarckzeit«19 beendete die Zeitungskaution, Zeitungsstempel und Vorzensur und gewährleistete die Pressefreiheit. Dies führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung im Pressewesen. Der Nachteil war, dass dieses Gesetz, das ein »einfaches Reichsgesetz« war, keinen verfassungsrechtlichen Schutz gewährte und mit einfacher Reichstagsmehrheit abgeändert oder außer Kraft gesetzt werden konnte. Mit dem Schriftleitergesetz ergänzten die Nationalsozialisten das Reichspressegesetz. Die Verleger wurden in ihrem Hausrecht geschwächt und der Staat übernahm anderen frühen Zeitschriften waren die »Gesprächspresse« und setzten sich mit den Problemen der Zeit in fiktiven Dialogen auseinander. Durch diese Fiktion konnten sich die Zeitschriften vor Eingriffen der Zensur schützen. Vgl. Stöber 2005, S. 87. 18 Die unpolitischen Zeitschriften wurden weniger häufig zensiert und die frühen Populärtitel unter den Zeitschriften fanden ein zunehmendes Interesse des Publikums. Vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 63–64. 19 Stöber 2005, S. 146.
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die Aufsicht der Verleger.20 Mit Zeitungsverboten wurde die oppositionelle Presse beseitigt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war für die Alliierten (USA, Großbritannien und Frankreich) die demokratische Kommunikationspolitik für den Neuanfang in Deutschland besonders wichtig.21 Zu den »D-Zielen« der Alliierten zählte neben Demilitarisierung und Demontage auch die Demokratisierung. Die Medien sollten die Demokratisierung durch die Umerziehung des deutschen Volkes fördern. Die Presseregelung der Alliierten-Zeit kann in folgende Phasen aufgeteilt werden: • Die »Blackout«-Phase (von Briten und Amerikanern so genannt), wobei die Propaganda des Nationalsozialismus beendet werden sollte, • Die Phase, in der nur Zeitungen, die in der Verantwortung der regionalen Militärmachthaber der Besatzungsmächte waren, erschienen, • Die Lizenzphase, in der die Presse unter Kontrolle der Alliierten in deutsche Hände übergeben wurde. Die sogenannten »Altverleger«, die durch ihre Vergangenheit in der Zeit vor 1945 belastet waren, sollten keine Lizenz erhalten. Die Lizenzzeit wurde durch Lizenzvergabe, Zensur, Nachrichten-, Papier- und Ausbildungskontrolle geprägt.22
5.2.1
Die aktuelle Lage der Zeitungen in Deutschland
Ebenso wie die senegalesischen Zeitungen ist das deutsche Zeitungswesen mit wirtschaftlichen und medienstrukturellen Problemen konfrontiert, so dass sogar die Existenz der Zeitungen infrage gestellt wird: »Die Zeitung - ein sterbendes Medium?« fragt sich der ehemalige Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Wilhelm Sandmann.23 Weiter stellt die »Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern« in ihrem Bericht zum Jahresende 2009 einen Auflagenrückgang der Tagespresse zum Jahresende 2009 fest.24 20 Die Presse konnte durch Presseanweisungen und Tagesparolen gelenkt werden und man schätzt, dass zwischen 1933 und 1945 ungefähr 80.000 bis 100.000 Presseanweisungen erlassen wurden. Vgl. Stöber 2005, S. 151. 21 Laut Stöber waren die Alliierten überzeugt, dass die Medien vor 1933 für die Machtergreifung der Nationalsozialisten verantwortlich waren und dass sie bei der Stabilisierung der Macht geholfen hatten. Vgl. Stöber 2005, S. 152. 22 Stöber 2005, S. 153. 23 Sandmann 1997, S. 133. 24 http://www.ivw.de/index.php?menuid=37&reporeid=10#tageszeitungen (22. 01. 2010).
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Seit Mitte der 1990er Jahre hat das deutsche Pressewesen Entwicklungen erlebt, auf die die aktuelle Lage der Presse zurückzuführen ist. Diese Entwicklungen teilen Pürer und Raabe in vier Phasen ein:25 (a) Die Phase relativer Stabilisierung26 Mitte der 1990er Jahre stabilisierte sich der deutsche Pressemarkt. Die Zahl der Tageszeitungen blieb konstant. Im Vergleich zu den alten Bundesländern blieben in den neuen Bundesländern die Anzeigen- und Beilagenerlöse eher bescheiden. Im Zeitschriftenwesen war eine Dynamik zu beobachten, da ständig neue Titel gegründet wurden. Zeitungen und Zeitschriften begannen sich stark durch InternetAuftritte zu behaupten. (b) Die Phase des Aufschwungs27 Die überregionalen Tages- und Kaufzeitungen erlebten ab 1998 ein wirtschaftliches Wachstum vor allem im Anzeigenbereich, das zum Teil auf die Investitionen zahlreicher Unternehmen in die Börsengänge der Zeitungen Ende der 1990er Jahre zurückzuführen ist. Dieser Aufschwung dauerte ungefähr drei Jahre. Zur Jahrhundertwende war die konjunkturelle Lage der Medien gut und die Anzeigenbudgets wurden erhöht. Im Jahr 2000 nahm der Umsatzzuwachs der Zeitungen gegenüber dem Vorjahr über 6,6 % zu, wobei die überregionalen Tageszeitungen und die Straßenverkaufszeitungen die größten Gewinne erzielten. Infolge des Aufschwungs wurde das publizistische Angebot der Zeitungen erweitert, vor allem das der überregionalen Zeitungen. (c) Die Phase der Krise28 Nach der Phase des Aufschwungs im Zeitungswesen waren die Medien in Deutschland und vor allem die überregionalen Tageszeitungen in Westdeutschland mit einem starken Rückgang der Werbeeinnahmen konfrontiert. Die Folgen dieses Rückgangs waren u. a. die Entlassung von Journalisten und Personal, die Schließung von vielen Lokalredaktionen und die Einstellung von Zeitungsausgaben. Zur Bewältigung der Krise kürzte z. B. die »Süddeutsche Zeitung« infolge der Verluste in den Jahren 2001/2002 Stellen und die Budgets für einzelne Ressorts und reduzierte den Seitenumfang ihrer Zeitung. Des Weiteren wurden das Jugendmagazin, die »Berliner-Seiten« sowie die Ausgabe für Nordrhein-Westfalen (gestartet im
25 26 27 28
Dieser Teil basiert hauptsächlich auf: Pürer/Raabe 2007. Pürer/Raabe 2007, S. 387. Ebd., S. 388–392. Pürer/Raabe 2007, S. 394–397.
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Frühjahr 2002) eingestellt. Auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« kürzte u. a. Stellen und reduzierte das Feuilleton und den Seitenumfang insgesamt. Spar- und Restrukturierungsmaßnahmen hatten erhebliche Auswirkungen auch bei Online-Auftritten. Da viele Online-Nutzer nicht bereit waren, für Inhalte zu zahlen und da die Werbeeinnahmen zu gering waren, beendeten zahlreiche Zeitungen ihre Online-Auftritte. Folgende konjunkturelle Gründe erklären zum Teil die Krise im deutschen Zeitungswesen ab Jahresmitte 2001 bis zum Jahr 2004: das schwache Wirtschaftswachstum, der Niedergang der Internet-Euphorie, das Fallen der Kurse am Aktienmarkt, der Rückgang des Konsums angesichts der ansteigenden Arbeitslosigkeit, mangelnde Reformen in der deutschen Politik und Unsicherheiten in der internationalen Politik wegen des Krieges im Irak. Was die medienstrukturellen Gründe anbelangt, haben sich mittlerweile viele Anzeigenrubriken z. B. die Bereiche Job, Immobilien und Kraftfahrzeuge aus den deutschen Tageszeitungen ins Internet verlagert und dort in Form von Onlinebörsen wie etwa »Jobpilot.de« oder »ImmobilienScout24« etabliert. Viele Internetnutzer bevorzugen Anzeigen im Internet, das bequeme Suchfunktionen und Zusatzinformationen anbietet. (d) Die Phase der Wege aus der Krise29 Neben dem Rückgang der Anzeigenerlöse ist seit Jahren auch ein langsamer Rückgang der Zeitungsauflagen zu beobachten. Die jungen Leser bevorzugen visuelle Medien und das Internet. Durch verschiedene Lösungsansätze, nämlich z. B. das Angebot von Zeitungen in Kompaktausgaben bzw. im kleinen neuen Format, genannt »Tabloid-Format«, versuchen die Zeitungsverleger diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.30 Einige Neugründungen von Tabloids im Jahre 2004 sind »Welt kompakt«, »20 Cent«, »News« und »Kölner Stadt-Anzeiger Direkt«. Laut einer qualitativen Studie schätzen die Nutzer von »Welt kompakt« u. a. ihre Handlichkeit wegen des kleineren Formats, den günstigen Preis, die Vereinfachung und die Kürze der Inhalte sowie aktuelle, überregionale und neutrale Informationen. Wissen und Witz werden vermisst, was für den Leser Information und Unterhaltung bedeutet.31 Weiter bieten die Zeitungen neue bzw. Zusatzprodukte wie z. B. Bücher, Lexika, DVDs und CD-ROMs an. Besonders erwähnenswert ist, dass diese Möglichkeit
29 Pürer/Raabe 2007, S. 397–406. 30 Im Vergleich zu den anderen größeren Formanten ist das Tabloid-Format durch seine Handlichkeit gekennzeichnet und oftmals halb so groß wie die Original-Formate. Vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 398. 31 Pürer/Raabe 2007, S. 402.
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aufgrund des Verbots der Verknüpfung von Zeitungsverkauf mit einem Buch (das sogenannte Koppelungsgeschäft) auf dem deutschen Markt nur schwer umzusetzen ist. Deswegen müssen die Zeitungen andere Vertriebsmöglichkeiten nutzen und spezifische Kooperationsverträge und Vereinbarungen mit Musikhandlungen, Kiosken, Bahnhofsbuchhandlungen und anderen Geschäften schließen.32 Hervorzuheben ist hierbei der Verlust des Monopols des klassischen Journalismus, der eine schwierige Zeit angesichts der wachsenden Konkurrenz durch die zahlreichen Weblogs erlebt. 5.2.2
Framing von Migranten in den deutschen Zeitungen
Eine Analyse der Darstellung von Migranten in deutschen Medien ermöglicht es, einen Überblick über historische Veränderungen im sprachlichen Gebrauch und in der Verwendung der Begriffe »Migranten«, »Ausländer« und »Flüchtlinge« zu gewinnen. Matthias Jung, Thomas Niehr und Karin Böke unterscheiden dabei drei unterschiedliche Gruppen von Einwanderern, die seit 1945 im deutschen Migrationsdiskurs überwiegend dargestellt werden: • Die Zuwanderung Deutscher bzw. Deutschstämmiger aus dem Osten, • die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte und ihrer Familienangehörigen, • die Zuwanderung ausländischer Flüchtlinge und Asylsuchender.33
Das Bild der Migranten in Deutschland34 seit den 1950er Jahren ist mit der Geschichte der Vertriebenen, Flüchtlinge und Gastarbeiter eng verbunden. Laut Jung, Niehr und Böke35 verlor ab den 1950er und 1960er Jahren die Diskussion um Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten aufgrund der Integration dieser Personengruppen, des Generationswechsels sowie der politischen Entwicklung in den 1970er Jahren allmählich an Bedeutung. Darauf folgend rückten neue Personenkreise ins Zentrum der Debatte, vor allem die Gastarbeiter. Mit der Zunahme ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland wuchs auch das Interesse der Presse an dieser Personengruppe. Die ausländischen Arbeiter wurden als exotische Fremde wahrgenommen und lösten anfangs eine mediale Sensation
32 Ebd., S. 403. 33 Jung et al. 2000, S. 18. 34 Hierbei wird das Bild der Migranten in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengefasst, ohne den Unterschied zwischen der BRD und der DDR und die internen politischen Veränderungen zu berücksichtigen. Es geht um das allgemeine Bild der Ausländer im Spiegel der Presse. 35 Jung et al. 2000, S. 24.
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aus. Jedoch verbreitete sich schnell in den Berichten über Anwerbeverfahren und Lebenssituation der Gastarbeiter eine Unsicherheit in Bezug auf die Dauer ihres Aufenthalts.36 In der öffentlichen Debatte war nicht klar, ob die dauerhafte Präsenz von Ausländern in der Bundesrepublik eine Einwanderung bedeutete, an die die Deutschen sich von nun an gewöhnen mussten. Dazu bemerkt Valentin Siebrecht, der damalige Präsident des Landesarbeitsamts Südbayern, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung »die Tragweite dieser Entwicklung noch nicht erkannt hatte«.37 In der Presse wurden die Gastarbeiterkinder als Mitleid erregend beschrieben, ihre Väter wurden pauschal als bedrohliche und körperlich attraktive »Südländer« charakterisiert, die erst in Deutschland in Kontakt mit der »Modernität« gekommen seien und nur unter Anleitung der Deutschen zurechtkämen. Sie wurden fast wie »Wilde« dargestellt: Auch im populären Bild der Gastarbeiter, wie es etwa die BILD ZEITUNG in ihrer ›Nix Amore‹Serie vom April 1966 zeichnete, mischten sich Elemente, die bereits für das kolonialistische und traditionelle rassistische Denken typisch gewesen waren. Die Gastarbeiter der BILD ZEITUNG waren körperlich attraktive und sexuell potente, vielleicht nicht gerade »Wilde«, aber doch aus dem Mittelalter gerissene ›Südländer‹.38
Da die Anzahl der Männer in der ausländischen Gastarbeitergemeinschaft überwog, spielten ausländische Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurden auf die Rollen von Ehefrau und Hausfrau reduziert. Man sprach von »Ramona und Juana« aus Spanien und Krankenschwestern aus Korea. Sie wurden im Zusammenhang mit den in ihren Herkunftsländern herrschenden Geschlechterrollen und Normen weiblichen Verhaltens und Familienlebens in Verbindung gesetzt. Ausländische Frauen wurden als »Hilfsbedürftige« und »Opfer« wahrgenommen. Mitte der 1960er Jahre waren mit dem Begriff »Ausländer« die »Gastarbeiter« gemeint. Neben Italienern kamen auch Jugoslawen, Kroaten, Türken und Algerier in den Fokus der Berichterstattung.39 Jedoch ist hervorzuheben, dass die in Deutschland Mitte des Jahres 1966 beschäftigten 120.000 Arbeiter aus Österreich und den Niederlanden kaum als »Ausländer« wahrgenommen wurden.
36 37 38 39
Schönwälder 2001, S. 161. Ebd., S. 162–163. Schönwälder 2001, S. 166. Die FAZ titelte am 29. 03. 1962: »Viertausend Algerier in Deutschland«; am 13. 04. 1962 »Die italienischen Gastarbeiter und der Kommunismus«; am 10. 05. 1962 »Die jugoslawische Emigration in der Bundesrepublik«. Schönwälder 2001, S. 191.
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Auch wenn die Präsenz von Einwanderern aus Subsahara-Afrika in Deutschland erst in den letzten Jahrzehnten sichtbar geworden ist, wurde dennoch bereits in den 1960er Jahren der Begriff »Ausländer« auch mit »Farbigen« assoziiert. Es ging um die US-afroamerikanischen und nigerianischen Soldaten, die aufgrund ihrer dunkleren Hautfarbe in den Nachrichten präsent waren. Schlagzeilen wie »Farbige Gastsoldaten werden abgeschoben«, »Farbiger Arzt wies eine schwerverletzte Frau ab« oder »Neger terrorisieren unsere Stadt« dominierten die Presse. Afroamerikanische Soldaten gerieten immer mehr in die Schlagzeilen; ihnen wurden Überfälle, Gewalt- und Sexualtaten ohne jegliche Berücksichtigung der Wortwahl vorgeworfen.40 Mit dem Begriff »Neger« bezeichnete man nicht nur dunkelhäutige Menschen, sondern auch die Gastarbeiter. Denn »Neger« wurde mit Armut konnotiert. Daher assoziierte die Presse mit dem Ausdruck »Nigger Europas« pauschal die Gastarbeiter aufgrund ihrer miserablen Wohnverhältnisse.41 »Neger« war nicht nur eine Metapher für Exotik und Armut, sondern hatte auch die Bedeutung »Menschen zweiter Klasse«.42 Ein dritter Personenkreis geriet ab den 1970er Jahren ins Blickfeld der öffentlichen Debatte: die Asylbewerber und die Flüchtlinge. In der öffentlichen Diskussion und in der Berichterstattung der Presse dominierte eine negative Haltung zu den Asylsuchenden und Flüchtlingen. Zur Bezeichnung von Flüchtlingen benutzte man Wörter, die zum semantischen Feld »Flüchtlinge« gehören und in Bezug auf verschiedene Kontexte und Personengruppen angewendet werden. Aus dem Zusammenhang der Migration aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten stammen z. B. diese Wörter: »Flüchtlinge«, »Vertriebene«, »Aus-«, »Um-« oder »Übersiedler«, »Asylanten« und »Asylbewerber«. Man spricht auch von »Flucht« und »Vertreibung«, um den Migrationsprozess zu beschreiben. Mit den Wörtern »Vertriebene«, »Heimatvertriebene« oder »Flüchtlinge« bringt man mit emotionaler Konnotation zum Ausdruck, dass diesen Gruppen Unrecht zugefügt und Zwang angetan wurde. Demgegenüber wird mit den Ausdrücken »Aus-«, »Um-« oder »Übersiedler« nichts über einen erzwungenen Ortswechsel ausgesagt. Die Beispiele folgender Gruppen lassen annehmen, dass die Betonung und Nuancierung des Begriffs davon abhängen, woher die »Flüchtlinge« stammen: DDR-Flüchtlinge, Mauerflüchtlinge, Botschaftsflüchtlinge, Indochina-, Vietnam-, Bosnien-, Kosovo-Flüchtlinge, Bürgerkriegsflüchtlinge, politische Flüchtlinge.
40 Schönwälder 2001, S. 191–192. 41 Schönwälder 2001, S. 584. 42 Mehr zum Thema Dritte Welt und Afrika als Zeichen von Exotik: Baringhorst 1993, S. 1390–1399.
174
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Die Begriffe der Einwanderung haben im Zuge der Integration von Einwanderern Wandlungen durchlaufen. Für Vertriebene nutzte man zögernd den Begriff »Neubürger«. Daneben bestehen auch Begriffe, die die Beweggründe und die Moral der Asylsuchenden in Frage stellen. Dies sind z. B. »Scheinasylanten«, »Wirtschaftsflüchtlinge«, »Berufsflüchtlinge«, »Asylbetrüger« und »-touristen«, »Armutsflüchtlinge«. »Asylant« wird pejorisiert und negativ konnotiert.43 Martin Wengeler44 vergleicht in Anlehnung an unterschiedlich verwendete Argumentationsmuster die Einwanderungsdiskurse Deutschlands mit denjenigen in Österreich und der Schweiz zu Anfang der 1970er Jahre. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Einwanderung in diesen drei Ländern unter dem Aspekt von »betriebs- oder volkswirtschaftlichen Nutzen-Erwägungen« betrachtet wurde.45 Die Nutzen-Erwägungen dominierten bei der Ablehnung von Einwanderung. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gefahren im Falle des Rückgangs der Einwandererzahlen oder der Nicht-Integration von Migranten wurden gefürchtet. Deutliche Unterschiede in den drei Ländern lagen bei den Topoi »Gefahren, Belastung und Finanzen«. Während in der BRD diese drei Topoi häufig vorkamen, wurden sie im österreichischen Diskurs moderater formuliert. In der Schweiz fand eine öffentliche Debatte von Initiativen gegen Überfremdung statt. Es dominierten daher politische Überlegungen, die Belastungs- und Gefahrenaspekte voraussetzten. In der BRD wurden die Zuwanderer sowohl als »Bedrohende« als auch als »Bedrohte« gedeutet, also in einem »Opfer und Täter«-Diskurs. Es herrschte eine »Strom-Metaphorik« vor, die die Migranten als »bedrohliche Masse« je nach der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lage darstellte. Diese Wahrnehmung der Zuwanderer als Bedrohung und Gefahr nahm besonders in den 1980er Jahren an Bedeutung zu. Eine Untersuchung von Karin Böke (1997) stellt fest, dass »[…] besonders in den 80er Jahren Zuwanderer als Bedrohung und Gefahr gesehen wurden und man Zuwanderung stärker als je zuvor problematisierte.«46 Die Zuwanderungsdiskussion in Deutschland von 1998 bis 2002 ist laut einer Untersuchung von Matthias Hell47 durch Diskontinuitäten geprägt:
43 44 45 46 47
Vgl. Niehr 2000, S. 27–29. Die Studie von Wengeler wird zusammengefasst in: Niehr/Böke 2004, S 345. Vgl. Niehr/Böke 2004, S. 345. Die Studie von Böke (1997) ist zusammengefasst in: Niehr/Böke 2004, S. 344. Hell 2005.
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• Die erste Phase wird als »Nichteinwanderungsland Deutschland« bezeichnet und bezieht sich auf die Zuwanderungspolitik der Regierung von Helmut Kohl, nach der »Deutschland kein Einwanderungsland« sei. Jedoch ist zu erwähnen, dass diese Auffassung bereits vor Kohl in der deutschen Einwanderungspolitik verankert war.48 • Die zweite Phase lautet »Anerkennung der Zuwanderung« und resultiert aus dem Bruch in der Ausländer- und Zuwanderungspolitik 1998, als es den Oppositionsparteien SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und Bündnis 90/Die Grünen gelang, der Einwanderungspolitik eine neue Richtung zu geben. Die Politik der CDU wurde als veraltet dargestellt.49 • Im Jahre 2000 erklärte der damalige Bundeskanzler Schröder auf der Computer-Messe »Cebit« in Hannover seine Absicht, die Einwanderung von ausländischen Fachkräften durch Einführung einer »Green Card« zu erleichtern. Diese Phase, genannt »Zuwanderung als ökonomische Notwendigkeit«, fand positive Resonanz und der »Wettbewerb um die besten Köpfe« wurde angekündigt und Zuwanderung als ökonomisch notwendig thematisiert.50 • Die Terroranschläge vom 11. September 2001 prägten die vierte Phase der Zuwanderungsdiskussion in Deutschland, genannt »Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung«. Die Steuerbarkeit der Einwanderung stand im Mittelpunkt der Debatte. Ausländische Extremisten wurden als potenzielle Bedrohung der inneren Sicherheit verdächtigt.51 Zuwanderung wurde im Zusammenhang mit Sicherheit behandelt, wie bereits im Abschnitt 4.6 erwähnt. Zusammenfassend dominieren seit den 1950er Jahren in den Schlagzeilen der deutschen Presse exotische und negative Bilder von Gastarbeitern und ausländischen Mitarbeitern. Bestimmte Aspekte der Lebensweisen dieser Menschen wurden geframt, strukturiert, konstruiert, medial vermittelt oder ausgeblendet und außer Acht gelassen.
48 49 50 51
Ebd., S. 56. Ebd., S. 57. Hell 2005, S. 57 f. Hell 2005, S. 58.
176 5.3
Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
Die Presse in Senegal: Historischer Überblick
Die Geschichte der kollektiven Medien in Afrika ist auf die vorkolonialen Zeiten zurückzuführen. In den vorkolonialen Gesellschaften bildeten die »Griots«, Sänger und Geschichtenerzähler, die interpersonalen, kollektiven Medien und Intermediäre. Sie waren an den Königshöfen angestellt. Bereits am Ende des 15. Jahrhunderts nahm das Buch eine wichtige Rolle im Reich »Songay« ein.52 In den französischen Gebieten Senegals sind die ersten Zeitungen im Jahre 1881 entstanden. Der Franzose Crespin, ein Wahlkandidat für das Parlament in Dakar, gründete 1885 die wöchentliche »Réveil du Sénégal«. Die politische und antiklerikale Zeitung »Le Petit Sénégalais« erschien 1886 in Saint-Louis, wurde aber kurz darauf aufgelöst. »L’Afrique Occidentale« (Juli 1896) und »L’Union Africaine« (1896) gehörten zu den bedeutsamen Publikationen der 1890er Jahre. Ab dem Jahr 1900 erschienen radikale Zeitungen, die sich für den Kampf gegen den Kolonialismus engagierten. Dazu zählten »L’Avenir du Sénégal« (1907–1910) und »Le Radical Sénégalais«, die sich stark mit den politischen Debatten auseinandersetzten. Neben den politischen Zeitungen erschienen auch Wirtschaftsperiodika. In Saint-Louis und Dakar erschienen Mitteilungsblätter der Handelskammer. Auch religiöse Publikationen wie »L’Echo de Saint-Louis« waren im Pressewesen vertreten. Erwähnenswert ist, dass die Leserschaft dieser Publikationen aufgrund des niedrigen Bildungsstandes der senegalesischen Bevölkerung sehr klein war. Das französische Presserecht von 1881 galt auch in den »Quatre Communes« von Senegal. Die politischen Entscheidungsträger hatten verstanden, dass sich ihre politischen Parteien ohne die Presse nicht etablieren konnten. Daher gründete jede Partei ihre eigene Zeitung. Auf Initiative der politischen Parteien in diesen vier Gebieten entstanden die meisten Zeitungen zum Zweck des Wahlkampfes.53 Mit Sitz in Dakar und einem zweimal wöchentlichen Erscheinungstermin, wurde im
52 Wittmann 2007, S. 232. 53 In den 1930er Jahren wurden die ersten afrikanischen Wahlen für das französische Parlament in Senegal organisiert. Einige politische Zeitungen und Zeitschriften wurden gegründet und von politischen Kandidaten finanziert. Sie waren für eine kleine Anzahl von Alphabetisierten bestimmt. »La Démocratie du Sénégal« wurde von Yvan d’Oxoby gegründet, um seinen republikanischen Parteifreund Blaise Diagne in seinem Wahlkampf zu unterstützen. Als Diagne, der Abgeordneter des französischen Parlaments war, sich der Kolonialverwaltung anschloss, verweigerte ihm diese Zeitung ihre Unterstützung. er gründete 1927 »La France Coloniale« als Parteiorga. »La France Coloniale« wurde 1934 zu »Le Franco-Sénégalais Indépendant«. Vgl. Séne 2003, http:// www.african-geopolitics.org/show.aspx?ArticleId=3515 (31. 05. 2007). Zeitungen wie »La Sirène Sénégalaise« (1932–1934) in Saint-Louis berichteten gegen Diagne und die französische Koloni-
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Jahr 1947 »Afrique Nouvelle« durch den katholischen Orden »Les Pères Blancs« gegründet. Die in den Kolonien lebenden Franzosen gründeten ihre eigenen Zeitungen. Charles de Breteuil, ein junger französischer Verleger, gab ab 1933 in Senegal seine erste Zeitschrift »Paris-Dakar« für die in Senegal lebenden Franzosen heraus.54 Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, gab es in Senegal ca. 17 offizielle periodische Titel, 52 Nachrichten- und politische Zeitungen und 13 andere Publikationen. Darüber hinaus erwies sich Senegal als Vorreiter des Pressewesens im frankophonen Afrika. Während des Zweiten Weltkrieges engagierten sich zahlreiche afrikanische und überwiegend senegalesische Soldaten auf der Seite der französischen Soldaten gegen Deutschland. Nach dem Krieg kehrten die Soldaten zurück nach Afrika und fingen an, die Übermacht und den Mythos des »weißen Mannes« in Frage zu stellen. Außerdem studierten inzwischen viele Afrikaner in Frankreich und England und brachten Ideologien der Befreiung in ihre Heimatländer mit. Viele dieser Intellektuellen kehrten zurück und nutzten die Presse als Mittel zur Sensibilisierung der Bevölkerung und zum Kampf gegen die Kolonialmacht. Damit erlebte das Pressewesen auch in Senegal einen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Léopold Sédar Senghor gründete die »Condition Humaine«, um seine politische Doktrin zu verbreiten.55 In Senegal war die Presse ein Bestandteil des politischen Lebens. Sie diente als Arena für politische Auseinandersetzungen. Von 1945 bis 1960 gab es in Senegal über 170 Titel. Aufgrund der kleinen Leserschaft mussten viele Titel bald wieder eingestellt werden. 1966 wurde das politische System von Senegal ein Einparteisystem. Unter politischem Druck wurden viele Parteien, Vereine und Zeitungsorgane gezwungen,
alverwaltung. Die ersten unabhängigen Medien litten unter der Kontrolle und den Presserechtsverletzungen der Kolonialverwaltung. Mit Hilfe der Kolonialverwaltung behinderte Diagne das Erscheinen von Oppositionszeitungen, die die Methoden des Kolonialismus heftig kritisierten. 54 Nach der Unabhängigkeit vieler afrikanischer Länder ab 1960 war die Zukunft der Presse von de Breteuil genauso unsicher wie die der Kolonialmacht. Die Druckereien und technischen Ausstattungen waren veraltet. Die Zeitschrift, die de Breteuil für die afrikanische Leserschaft veröffentlicht hatte, hieß »Bingo«. Sein Sohn, Michel de Breteuil erbte diese Zeitschrift und führte sie im postkolonialen frankophonen Afrika weiter. Vgl. Barton 1979, S. 64. 55 Im Jahre 1929 wurde die erste politische Partei Senegals, die PSS (Parti Socialiste Sénégalais) gegründet. Leopold Sedar Senghor war Mitglied dieser Partei, gründete aber 1948 die BDS (Bloc Démocratique Sénégalais). Senghors Absicht war es, die Politik und Kultur Senegals eng mit den Grundlinien der französischen Politik und Kultur zu verflechten. Am 05. 09. 1960 wurde er zum ersten Staatpräsidenten des unabhängigen Senegals gewählt.
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ihre Presseaktivitäten aufzugeben. Bestanden in den 1970er Jahren nur ca. sieben Zeitungen,56 so gab es im Jahre 1999 fünf, im Jahre 2003 zwölf und im Jahre 2006 neunzehn Tageszeitungen.57 Erwähnenswert ist, dass die Presse in Senegal in ihren Anfängen fast nur auf Französisch berichtete. Dies grenzte weite Teile der Bevölkerung aus, die nur die lokalen Sprachen wie z. B. »Wolof« sprachen.58 Anfang der 1970er Jahre erlaubte der Präsident Senghor das Mehrparteiensystem. So wurde die erste unabhängige senegalesische Wochenzeitung »Le Politicien« 1978 gegründet. Mit seiner satirischen Form karikiert und kritisiert »Le Politicien« Korruption und schlechte Verwaltung der Regierung. In den 1980er Jahren erschienen mehr und engagierte Wochenzeitungen, die kritisch über die Aktivitäten der Regierung berichteten. Die Gruppe »Wal Fadjri« gründete eine Publikation mit demselben Namen. »Sud Communication« gab das »Sud Magazine« heraus, das zunächst zu »Sud Hebdo« und später zu »Sud Quotidien« wurde. Auch die regierungsnahe Zeitung »Le Soleil« gab ihren Hofjournalismus auf, um professionelle Berichterstattung zu liefern. Die unterschiedlichen Titel boten der senegalesischen Bevölkerung verschiedene Ansichten über Politik an. Die satirischen Zeitungen wie »Cafard Libéré« karikierten die Politiker und die Zeit der Straffreiheit der politischen Entscheidungsträger kam dadurch langsam zu einem Ende. Frank Wittmann fasst das Angebot des senegalesischen Printmedienmarkts in vier Kategorien:59 • die regierungsnahe Presse wie die Tageszeitung »Le Soleil« und die Zeitschrift »Zénith«, die privaten Tageszeitungen »Le Messager« und »Il est Midi«, • die Qualitätspresse wie »Le Témoin«, »Nouvel Horizon«, »Sud Quotidien« und »Walfadjri«, • »special Interest«-Zeitungen wie das politische Magazin »Nouvel Horizon«, die Wirtschaftswochenzeitung »Le Journal de l’Économie«, die religiöse Zeitung »Khassaïdes«, eine Monatszeitung, die in Nationalsprachen verfasst ist: »Lasli/Njelbéen«, die Sporttageszeitung »Stades«, • die populären Titel, die sensationsorientiert sind und besonderen Wert auf die Themen Freizeit, Unterhaltung und Gerüchte legen wie »Le Popu-
56 Feuereisen/Schmacke 1973, S. 184 f. 57 Wittmann 2007, S. 250. 58 Zeitungen in Nationalsprachen sind heutzutage in Senegal vertreten wie z. B. »Lasli/Njelbéen«. Wittmann 2007, S. 251. 59 Ebd., S. 251.
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laire«. Neue Skandalblätter wie »Tract«, »Frasques«, »Moeurs«, »Scoop«, »Volcan«, »Révélations« und »La Source« wurden seit 2000 gegründet. In Senegal wird die private Presse als »Gegenmacht« und weniger als »vierte Macht« verstanden, wie von Séne Nabo festgestellt: »Contre-pouvoir et non pas quatrième pouvoir, la presse privée continue à veiller et à alerter, consciente de la nécessaire prise en charge de leur destin par les populations.«60 Hatte die Presse während der kolonialen Zeit eine Kritikfunktion gegenüber der Kolonialherrschaft und kurz nach der Unabhängigkeit gegenüber den senegalesischen Politikern, hat sie sich heutzutage eine Sensibilisierungsrolle in Bezug auf die Gefahren der irregulären Migration zugeschrieben. Diese Sensibilisierungsarbeit erfolgt nicht immer ohne Schwierigkeiten, die im Folgenden näher analysiert werden. 5.3.1
Rahmenbedingungen und Pressefreiheit in Senegal
Wie bereits erwähnt, war die Wiedereinführung des Mehrparteiensystems durch Senghor ein Anlass für die Oppositionsparteien in Senegal, unabhängige Medien zu gründen. Das Ausbildungsinstitut für Journalisten »Centre d’Études des Sciences et Techniques de l’Information« (CESTI) wurde 1967 gegründet und bildet zahlreiche Journalisten für Radio und Presse aus ganz Westafrika aus. Diese Schule hat in ihren vielfältigen Angeboten wie Sport-, Wirtschafts-, Politik-, Rechts- und Kulturjournalismus einen guten Ruf erlangt. Aber erst im Jahre 1996 mit der Gründung des »Institut des Sciences de l’Information et de la Communication« (ISSIC) durch »Sud Communication« wurde die journalistische Ausbildung effektiver.61 Hinsichtlich der Presse ist eine der wichtigen gesetzlichen Verabschiedungen Senegals das Gesetz von 1979 über die Presseorgane und den Beruf des Journalisten. Dieses Gesetz wurde zwar durch das französische Pressegesetz von 1881 beeinflusst, schrieb aber den Journalisten mehr Aufgaben als Rechte zu. Nach einer Reform des Gesetzes werden seit 1996 dank der Mitwirkung von Gewerkschaften und der öffentlichen und privaten Presse mehr die Bedürfnisse der Journalisten berücksichtigt. Im Hinblick auf die Presseorgane für soziale Kommunikation und die Berufe von Journalisten und Technikern garantierte das Gesetz vom 2. Februar 60 Séne 2003, http://www.african-geopolitics.org/show.aspx?ArticleId=3515 (31. 05. 2007). 61 Diese Schule bietet neben der technischen Ausbildung eine Ausbildung zur Verwaltung der Presse und zur Nutzung der neuen Technologien und ihre Unterrichtsmethoden passen sich den senegalesischen Realitäten an.
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1996, dass professionellen Journalisten der Zugang zu vertraulichen Informationen und das Ermittlungsrecht über alle öffentlichen Angelegenheiten ermöglicht wird.62 5.3.2
Die Probleme der Presse in Senegal
Wie es in den meisten afrikanischen Ländern der Fall ist, so leiden auch die senegalesischen Printmedien an erheblichen Schwierigkeiten, die die Ausübung des Journalistenberufes beeinträchtigen. Einige davon sind Gewalt gegen Journalisten, Presserechtsverletzungen, mangelnde Qualität der Presse (unzureichende Informationsquellen), schlechte wirtschaftliche Lage des Pressewesens und inadäquate Aus- und Weiterbildung von Journalisten. Seit den Demokratisierungsbewegungen der 1990er Jahre versuchen die diktatorischen Regimes durch verfälschte Wahlen und Pseudo-Koalitionen den Eindruck zu erwecken, dass Demokratie und Meinungsfreiheit in ihren Ländern herrschen. Sie nutzen illegale Mittel wie Terror, Verhaftungen, Erpressung, Mord, Einschüchterung und Zensur, um die freie Presse mit ihrer kritischen Berichterstattung zum Schweigen zu bringen. Mit allen Mitteln versuchen die Machthaber die Presseverlage zu schwächen; häufig werden Oppositionszeitungen beschlagnahmt. Die Kontrolle der öffentlichen Meinung ist eine der wichtigsten Prioritäten vieler afrikanischer Regierender.63 Jedoch muss auch hervorgehoben werden, dass viele Zeitungen, die sich als Oppositionszeitungen definieren, weniger nach Objektivität und Ausgewogenheit in der Berichterstattung streben.64 Laut Wittmann »hat die Pressefreiheit in Senegal unter der Regierung von Wade abgenommen.«65 Es wird eingeschätzt, dass mehr Zeitungen in der Regierungszeit von Abdoulaye Wade erschienen sind als während der Regierungszeit seines Vorgängers Abdou Diouf. Jedoch zeigt eine Bilanz seiner Amtszeit, dass gleichzeitig mehr Journalisten verklagt, gefoltert und verhaftet worden sind als in der Amtszeit von Diouf. Eine Studie des »Freedom House«, »Press Freedom Survey 2005«, kommt anhand legaler, politischer und wirtschaftlicher Indikatoren zu dem Ergebnis, dass die Presse in Senegal als »partly free«, also nur zum Teil frei ist.66
62 63 64 65 66
Séne 2003, http://www.african-geopolitics.org/show.aspx?ArticleId=3515 (31. 05. 2007). Vgl. Seitz 2009, S. 125. Herrberg 2009, S. 39. Wittmann 2007, S. 263. http://africanelections.tripod.com/fhpf_2005.html#Legal_Environment (22. 01. 2010).
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In Senegal gibt es viele Mängel in den Vertriebsinfrastrukturen, die dazu führen, dass Zeitungen meistens nur am Erscheinungsort verkauft werden. Damit bleibt die Presse ein städtisches Medium. Aufgrund des niedrigen Bildungsniveaus67 und der geringen Kaufkraft der Bevölkerung ist der Zugang zur Presse immer noch ein Privileg der mittleren und oberen Stadtklassen und einer Minderheit, die überwiegend französischsprachig sind.68 Neben dem Mangel an professioneller Arbeitsausstattung wie Aufnahmegeräten, Kameras, Computern und Druckern wirkt sich das niedrige Lohnniveau69 und somit die prekäre finanzielle Situation besonders hart auf die Ausübung des Journalistenberufs aus. Daher verlassen viele erfahrene Journalisten ihren Beruf, um Karriere in anderen Branchen (z. B. Nichtregierungsorganisationen, Privatschulen, Stadtverwaltung) zu machen. Viele Zeitungen werden von dem Staat unterdrückt und erhalten von ihm kaum finanzielle Unterstützung. Dies führt dazu, dass manche Berichte liefern, ohne gründliche Recherchen durchgeführt zu haben.70 Zu den negativen Faktoren, die die Arbeit der Presse in den afrikanischen Ländern erschweren, zitiert der Gründer von »Reporters sans frontières« Robert Ménard u. a. die Probleme der Beschaffung und Richtigkeit von Informationen sowie unzureichende Informationsquellen.71 Aufgrund der mangelnden Professionalität mancher Journalisten wird die Pressefreiheit oft missbraucht und die Verantwortung der Medien außer Acht gelassen. Anne Herrberg weist auf die mediale Verantwortung hin: Doch Pressefreiheit ist keine Freikarte per se, sie bindet die Medien auch an die Pflicht, ihrer öffentlichen Aufgabe mit Professionalität und dem Bewusstsein um die eigene Verantwortung nachzukommen.72
Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern, die eine große Anzahl verschiedener Religionen aufweisen, ist Senegal hinsichtlich der Religion eine fast
67 Die Analphabetismusrate liegt bei Männern bei 55 und bei Frauen bei 74 . Wittmann 2001, S. 12. 68 Vgl. Wittmann 2001, S. 11 f. 69 Je nach Berufserfahrung und Position beträgt das monatliche Gehalt der Journalisten zwischen 90.000 und 300.000 FCFA (225 bzw. 750 CHF). Wittmann 2007, S. 277. 70 Die unprofessionellen Berichte, die manchmal auf Gerüchten basieren, verstärken die Tradition der mündlichen Überlieferung im Journalismus. Über Journalismus in Afrika und den wenig objektiven Gebrauch der Fakten stellt Todd M. Schaefer fest: »African Journalism puts less emphasis on facts and mere description and on the separation of fact and opinion. It includes oral-narrative story forms more akin to fiction and reporting of sensational or supernatural ›events‹ such as ornate conspiracy theories or miracles.« Schaefer 2003, S. 97. 71 Goutier 2009, S. 4. 72 Herrberg 2009, S. 38.
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Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
homogene Gesellschaft. Der Islam bildet die größte Glaubensgemeinschaft. Die Verfassung Senegals garantiert die Trennung von Politik, Justiz, Wirtschaft, Religion und Medien. Jedoch besteht in der Praxis aufgrund der historischen Macht der Muslim-Bruderschaften und ihrer gesellschaftlichen Vermittlungsposition keine klare Trennung zwischen Staat und Religion. Dies führt dazu, dass die senegalesische Presse auch mit religiösen Akteuren in Konflikt gerät.73 Auch im privaten Medienbereich nehmen die religiösen Familien der »Marabout« Einfluss.74 Anhand der Analyse des senegalesischen Pressewesens lässt sich festhalten, dass die Presseakteure trotz gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Hürden die Globalisierung und die Liberalisierung des Medienmarkts genutzt haben, um das Angebot von Kommunikation, Unterhaltung und Information zu pluralisieren.75 In dieser Hinsicht sind viele neue Zeitungen und Zeitschriften entstanden und darüber hinaus strukturiert und professionalisiert sich der Printmedienmarkt immer mehr. 5.3.3
Framing von Migranten in senegalesischen Zeitungen
Mit der Zunahme von irregulärer Abwanderung nach Europa über das Meer ist die Thematik der interkontinentalen Migration in den Fokus der Nachrichtenwelt Senegals gerückt. Nachrichten über Rassismus, Intoleranz und schlechte Lebenssituationen von Migranten in vielen Ländern der EU und die katastrophale Lage von irregulären Migranten widersprechen zum Teil dem Bild von Europa als »Paradies«.76 Zur Thematisierung der Abwanderung hat sich die senegalesische Presse eine »Sensibilisierungsfunktion« zugeschrieben. Sie berichtet über Todesfälle und miss-
73 Die »Marabouts« sind in Senegal religiöse »Führer«. Wenige Journalisten wagen, öffentlich die Marabuts zu kritisieren oder über ihre Aktivitäten negativ zu berichten. Vgl. Wittmann 2007, S. 275. 74 Ein Beispiel dafür ist das Medienunternehmen »Walfadjri«. Mehr dazu: Wittmann 2007, S. 274. 75 Vgl. Wittmann 2007, S. 279. In der senegalesischen Presse ist die klassische Qualitätspresse mit der Konkurrenz der neuen Boulevardpresse konfrontiert, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Mit »aggressiven Titeln in fetten Lettern, großen Fotos und Fotomontagen, sarkastischen Cartoons in Wolof« versucht diese neue Presse (Boulevardpresse) ihre Leserschaft zu gewinnen und zu unterhalten. 76 Jedoch ist dieses Bild Europas als »Paradies« in den Köpfen der Menschen in Afrika so stark verankert, dass auch negative Schlagzeilen oder Berichterstattung über alle Facetten dieses Kontinents nicht dieses Vorurteil abbauen können. Die Gründe dafür wurden ausführlich im Kapitel 3 dargestellt.
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lungene Versuche bei den Überfahrten nach Europa und die Verhaftungen durch die senegalesische Polizei.77 Dadurch wird der Versuch unternommen, die künftigen Kandidaten der irregulären Abwanderung abzuschrecken. Mit diesem Zweck berichteten allein im Dezember 2006 zahlreiche Artikel von »L’Observateur« über Senegalesen bzw. Afrikaner, die bei dem Versuch, Europa über den Atlantik zu erreichen, gescheitert waren. Aber auch die Reaktionen der Bevölkerung der betroffenen Regionen, die Zeugen eines menschlichen Dramas wurden, kamen zum Ausdruck.78 Sowohl die Wanderungsbewegungen innerhalb der afrikanischen Länder, die interkontinentale Migration als auch die Initiativen der AU und CEDEAO und die nationalen politischen Maßnahmen zur Regulierung der Abwanderung beschäftigen die Presse der westafrikanischen Länder. Eine Studie von 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass die Debatte über Migration in Westafrika zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine CSAO-Studie stellt: En Afrique, les débats sur les migrations intra et extra-continentales sont désormais à l’ordre du jour. Les initiatives de la CEDEAO et de l’Union africaine sont passées en revue, illustrées par un aperçu des politiques migratoires nationales ouest-africaines.79
Mit den Titeln wie »Émigration Clandestine« et »Saint-Louis renoue avec les voyages de la mort« berichtet »L’Observateur« über eine Wendung in der Gesetzgebung in Senegal hinsichtlich der irregulären Auswanderung. Nicht nur die »Passeurs«, also die Schlepper,80 werden gesetzlich verfolgt, sondern auch die ir-
77 Vgl. Mamady 2006; Thiam 2006, S. 4. 78 »L’Observateur« berichtete am 20. 12. 2006 über 25 Überlebende von über hundert Senegalesen, die illegal mit einem Paddelboot die kanarischen Inseln erreichen wollten. Die jungen Überlebenden wurden in einem erbärmlichen Zustand am Samstag, den 16. Dezember von den Bewohnern des Dorfs Doune Baba Diéye entdeckt. Den Aussagen der Überlebenden zufolge waren es ca. 105 bis 150 Menschen im Alter von bis zu 30 Jahren und aus elf Regionen Senegals, die versuchten Spanien zu erreichen, um dort nach einem besseren Leben zu suchen. L’Observateur, 20. 12. 2006. 79 Actualités du CSAO 2008, http://www.oecd.org/dataoecd/53/24/41700188.pdf (11. 01. 2009). 80 Es ist zu erwähnen, dass die Migrationswilligen nicht nur Opfer von Schleppern sind, die ihnen gegen erhebliche Summen eine erfolgreiche Reise nach Europa versprechen, sondern auch von kriminellen Fischern, die Geld und Material von diesen Migrationswilligen stehlen und sie dann im Stich lassen. Vgl. Tall 2006, S. 4. Aber auch die traditionellen Häuptlinge werden verdächtigt, aufgrund von Bestechungen durch die Schlepper die illegale Auswanderung zu unterstützen, wie z. B. in den Dörfern Djogué, Elinkine und Karabane.
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Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
regulären Migranten können bestraft werden.81 El Hadji Tall von »L’Observateur« schreibt: L’arrestation des candidats à l’émigration est une première car seuls les passeurs étaient poursuivis par la justice […] D’après une source proche du dossier, les candidats à l’émigration pourraient être condamnés. Ce qui serait une première depuis que le phénomène de l’émigration clandestine a débuté.82
In der Presse wird die irreguläre Abwanderung mit Metaphern wie »croisière de la mort«83 in Zusammenhang gebracht. Neben zahlreichen Kampagnen zielen solche harten Metaphern in den Schlagzeilen darauf ab, die Bevölkerung für die Gefahren der irregulären Migration zu sensibilisieren.84 Auch das Leben von afrikanischen Immigranten in Europa findet in der Berichterstattung der senegalesischen Presse seine Thematisierung. Es wird nicht nur über Erfolgsgeschichten berichtet, sondern auch über Faktoren, die das Leben von afrikanischen Migranten in Europa erschweren. Die dargestellten Erfahrungen in Europa bezwecken, den Migrationswilligen in Afrika und ihren Angehörigen die europäischen Realitäten schonungslos zu vermitteln. Einige solcher Probleme in Europa sind Diskriminierung, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Altersvorsorge und Visumsangelegenheiten.85 5.4
Hypothesenbildung
Es ist anzumerken, dass zum Thema »Migration aus Afrika« in senegalesischen Zeitungen nur sehr wenig empirische Forschungen durchgeführt worden sind und kaum theoretische Fachliteratur existiert. Aus diesem Grund beziehen sich die Hypothesen über die senegalesischen Zeitungen zum größten Teil auf das Material (senegalesische Zeitungsartikel), das in dieser Arbeit für die Diskursanalyse
81 Jedoch ist es fraglich, ob die Verurteilung von Migrationswilligen eine wirksame und nachhaltige Lösung darstellt. Schließlich ist die Armut, deren Bekämpfung der Regierung nicht gelingt, die Hauptursache der Abwanderung. Man könnte sagen, dass durch solche repressiven Maßnahmen die Opfer und nicht die Täter bestraft werden. 82 Tall 2006. 83 Tall 2006, S. 4. 84 Vgl. Thiam 2006. 85 Die Migranten leben in der ständigen Angst, dass ihr Visum nicht rechtzeitig verlängert wird, dass sie abgeschoben werden, keine Rente erhalten. Deshalb fordert die senegalesische Diaspora in Italien, dass ihre Regierung entsprechende Vereinbarungen mit Italien trifft, damit die Migranten durch ihre Arbeit im Aufnahmeland eine sichere Zukunft erwirtschaften können. Solche Maßnahmen wurden bereits zwischen Italien, Marokko und Tunesien getroffen und ermöglichen den Auswanderern, für ihre Rente und Wohnung während ihres Aufenthalts und der Dauer ihrer Beschäftigung im Gastland zu sparen. Vgl. Samb 2006, S. 6.
Hypothesenbildung
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verwendet wird. Aufbauend auf die aus der Theorie und Empirie gewonnenen Erkenntnisse und Fragestellungen sowie eigene Überlegungen sind folgende Hypothesen über die Reproduktion der Migration aus Afrika in Europa durch die Printmedien in Senegal und Deutschland zu formulieren: Hypothesen über die senegalesischen Zeitungen H1: Die senegalesischen Zeitungen als Medien des Herkunfts- und Transitlandes von Migranten aus SSA deuten angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Bedeutung der Rücküberweisungen von Migranten bei der Armutsbekämpfung in Senegal die Abwanderung nach Europa als Chance. H2: Die starke irreguläre Abwanderung aus Senegal bzw. aus Afrika nach Europa und die daraus resultierenden negativen Folgen führen zu einer dominanten Berichterstattung über diese Kategorie. Hypothese über die deutschen Zeitungen H3: Aus der Perspektive des Aufnahmelandes vertreten die deutschen Zeitungen im Zusammenhang mit der Migration aus Afrika einen Bedrohungsdiskurs. Hypothese über die deutschen und senegalesischen Zeitungen H4: Die senegalesischen Zeitungen als Medien eines Herkunfts- und Transitlandes von Migranten sehen die Abwanderung aus Afrika nach Europa als Chance, während die deutschen Printmedien aus der Perspektive des Zuwanderungslandes diese Migration eher als Bedrohung reproduzieren. Die oben formulierten Hypothesen gründen sich auf die Tatsache, dass Senegal als Herkunftsland stark auf die Rücküberweisungen der Auswanderer angewiesen ist und kein großes Interesse daran hat, die Abwanderung zu regulieren. Außerdem ist das Land angesichts der hohen Arbeitslosigkeit nicht in der Lage, genügende Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen und ihnen bessere Lebensperspektiven zu bieten. Aus dieser Perspektive könnte die Abwanderung als »Ventil« für den eigenen Arbeitsmarkt wirken und positiv durch die Presse gedeutet werden. Als eine bedeutende Industrienation und ein politisch stabiles Land ist Deutschland seit einigen Jahren ein attraktives Zielland für Migranten aus Afrika geworden. Jedoch könnte die Tatsache, dass sich dieses Land bis vor einigen Jahren nicht
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Mediale Strukturen und Framing von Migranten in Senegal und Deutschland
als »Einwanderungsland« verstand86 und die Einwanderung kaum als eine ökonomische und demographische Notwendigkeit wahrgenommen wurde, dazu führen, dass afrikanische Einwanderer durch die Medien als eine »Bedrohung« geframt werden. 5.5
Zwischenfazit
Es lässt sich also festhalten, dass die Deutung von Migration aus Afrika in deutschen und senegalesischen Zeitungen von den medialen Landschaften, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie von den in diesen Ländern herrschenden Deutungsmustern und vorhandenen Stereotypen beeinflusst wird. Irreguläre Abwanderung über die west- und nordafrikanischen Grenzen nach Europa wird in der senegalesischen Presse mit Tod, Gefahr, Katastrophe und Elend gleichgesetzt. Rahmungen wie »clandestins en péril«, »voyages de la mort«, »Barça ou Barsax« (»Barcelona oder Hölle«)87 und »croisière de la mort« bilden die Schlagzeilen von vielen Zeitungen wie z. B. »L’Observateur«, »Le Soleil« und »Sud Quotidien«. In deutschen Zeitungen herrschen die Metaphern von »Flucht«, »Wasser« und »Ansturm«. Es lässt sich also annehmen, dass die Migration aus SSA überwiegend als »Bedrohung« und »Ansturm« geframt wird, was im folgenden Kapitel durch die Diskursanalyse der Zeitungsartikel zu untersuchen ist. In dieser Arbeit geht der theoretische Ansatz davon aus, dass soziale und politische Entwicklungen und Ereignisse durch die Medien ausgesondert, strukturiert, rekonstruiert oder dekonstruiert werden. Diese Selektion von Fakten geschieht durch die Medien-Gatekeepers (»Schleusenwärter«) in Anwendung kultureller Deutungsmuster. Welche Deutungsmuster liegen den medialen Debatten über die Migration aus Afrika in Europa zugrunde? Wie wird die Migration im Zusammenhang mit Afrika durch die deutsche und senegalesische Presse thematisiert und gedeutet? Im folgenden Kapitel gilt es zu überprüfen, inwiefern sich diese Feststellungen anhand der ausgewählten Zeitungsartikel bestätigen lassen.
86 Siehe Abschnitt 5.3.2. 87 Sud Quotidien, 26. 05. 2006, S. 6.
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Migration aus Afrika in die EU in deutschen und senegalesischen Zeitungen: Eine Diskursanalyse
Nachdem die Migrationsbewegungen aus Afrika nach Europa anhand theoretischer Überlegungen analysiert wurden, geht es nun darum, eine Diskursanalyse der Migration am Beispiel von ausgewählten deutschen und senegalesischen Zeitungen durchzuführen. Es erweist sich als relevant, die Deutung im Kontext der Herkunftsregion sowie der Ankunftsregion von afrikanischen Migranten systematisch zu untersuchen. Im ersten Arbeitsschritt wird eine Kategorienbildung nach der Methode der quantitativen Inhaltsanalyse unternommen, um die Fragen zu beantworten, welche Migrantentypen, welche Integrationsprobleme und Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Bezug auf die Migration aus Afrika medial thematisiert werden. So kann ausgewertet werden, inwieweit sich die Berichterstattung in den Printmedien im Laufe der Jahre quantitativ verändert hat. Damit die Deutungsmuster, die den medialen Diskursen der deutschen und senegalesischen Zeitungen über die Abwanderung von Afrika in Richtung Europas zugrunde liegen, methodisch untersucht werden können, wird anschließend eine qualitative Deutungsmusteranalyse durchgeführt. 6.1
Diskurs und Diskurstheorien: Definition
Was versteht man unter »Diskurs«? Der Diskursbegriff 1 wird in verschiedenen Zusammenhängen je nach Disziplin und Forschungsziel unterschiedlich definiert. Ab dem 16. Jahrhundert bezeichnete der Begriff »Diskurs« häufig »gelehrte« Arbeiten. Im angelsächsischen Raum wird er in der Alltagsprache angewendet, um ein Gespräch – »discourse« – zu bezeichnen. Im französischen Raum ist damit eine Rede – »discours« – gemeint. Seit den 1960er Jahren dient der »Diskurs« in
1
Das Wort »Diskurs« leitet sich von dem altlateinischen »discurrere« oder »discursus« ab. Vgl. Keller 2007, S. 14.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und Forschungsansätzen wie der sprachanalytischen Philosophie (John Austin und John Searle), dem symbolischen Interaktionismus (Herbert Blumer), dem ethnomethodologischen Ansatz (Harold Garfinkel) und der Soziolinguistik (William Labov, Aaron Cicourel) zur Analyse von Gesprächen, »das heißt von mündlicher Kommunikation und deren Regeln.«2 Weitere Strömungen und Verwendungstraditionen der Diskursanalyse sind u. a. die Diskursethik3 von Jürgen Habermas, die »Discourse Analysis«,4 die linguistisch-historische Diskursanalyse,5 die kritische Diskursanalyse,6 die kulturalistische Diskursforschung7 und die wissenssoziologische Diskursanalyse.8 Durch die Arbeiten von Michel Foucault9 zum geschichtswissenschaftlichen Poststrukturalismus ist eine »spezifische wissenschaftliche Vorstellung von Diskursen« als »institutionalisierte Form(en) der Textproduktion«10 entstanden. Der Diskurs wird definiert als eine Gruppe von Redeweisen, die geregelt und institutionalisiert sind und deren Grundeinheiten einzelne Sätze sind. Die Bedeutung liegt in der Gestaltung von Wirklichkeit durch Sprache. Michel Foucault definiert den Terminus Diskurs als »eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören«.11 Weiter definiert Keller in Anlehnung an Foucault den »Diskurs« als: Eine Menge von an unterschiedlichen Stellen erscheinenden, verstreuten Aussagen, die nach dem selben Muster oder Regelsystem gebildet worden sind, deswegen ein- und demselben Diskurs zugerechnet werden können und ihre Gegenstände konstituieren.12
Im Rahmen des der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Forschungsvorhabens ist die mediale und öffentliche Dimension von großer Bedeutung. Als »public discourse« besteht die öffentliche Diskussion über politische Themen, die durch die Medien vermittelt werden »als eine Art indirektes Gespräch unter Abwesenden.«13 Des Weiteren definieren Keller et al. den Diskurs im Zusammen-
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Vgl. Keller 1997, S. 310. Keller 2007, S. 18. Ebd., S 20–22. Ebd., S. 22–26. Mehr dazu: Jäger, M. /Jäger, S. 2007. Keller 2007, S. 34–41. Ebd., S. 56–59. Zum Beispiel »Archäologie des Wissens« (Foucault 1973), »Die Ordnung des Diskurses« (Foucault 1991). Keller 1997, S. 312. Vgl. Foucault 1973, S. 156. Keller 2007, S. 44. Ebd.
Diskurs und Diskurstheorien: Definition
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hang mit der »konkreten Gestalt«,14 in der sich Diskurse manifestieren. Der Diskurs ist ein Sprachgebrauch von mündlichen und schriftlichen Texten, die »im Hinblick auf (formale) Regelstrukturen oder inhaltliche Strukturierungen« untersucht werden.15 Der Kontext sprachlicher Äußerungen ist von großer Bedeutung. Der Diskursbegriff bezeichnet »die Verknüpfung von einzelnem Sprachereignis und kontextabhängiger Bedeutungszuweisung«.16 Nach Keller lassen sich die Diskurse: […] als mehr oder weniger erfolgreiche Versuche verstehen, Bedeutungszuschreibungen und Sinn-Ordnungen zumindest auf Zeit zu stabilisieren und dadurch eine kollektiv verbindliche Wissensordnung in einem sozialen Ensemble zu institutionalisieren.17
Diskurse sind nicht die Ergebnisse von Prozessen, die machtneutral sind, sondern sind an unterschiedliche Mechanismen der Macht und an Institutionen gekoppelt.18 Auf Diskurse wird Bezug genommen, wenn der Untersuchung und den Forschungsfragen die Konstruktion oder die Reproduktion von Bedeutung zugrunde liegen. Prozesse, die dabei angesprochen werden, werden wissenschaftlich durch Diskursanalysen bzw. Diskurstheorien untersucht. Es besteht eine wechselseitige Beziehung und Verbindung zwischen Diskurs und Macht bzw. Institutionen. Foucault geht davon aus, dass die Produktion des Diskurses in jeder Gesellschaft durch gewisse Prozeduren der Ausschließung (z. B. das Verbot, das Tabu) kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird. Solche Prozeduren unterdrücken die Stärke, die unberechenbare Wirkung des Diskurses. Den Diskurs sollte man keineswegs als ein transparentes und neutrales Element sehen. Die Verbote, die ihn im Laufe der Zeit geprägt haben, zeigen, dass er von der Macht kontrolliert wird. Der Diskurs dient nicht nur zur Übersetzung der Kämpfe oder der Systeme der Beherrschung in Sprache, sondern auch als Mittel für Machtkämpfe. Durch diese besondere Rolle in Machtprozessen wird auch er selbst zu einer Form von Macht.19
14 15 16 17 18 19
Keller 1997, S. 318. Keller et al. 2001, S. 9. Keller 2007, S. 14. Ebd., S. 7. Mehr zu Diskursen: Foucault 1973, S. 34. Foucault 1991, S. 11.
190
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Keller fasst die Diskurse zusammen als »themenbezogene, disziplin-, bereichsoder ebenspezifische Arrangements von (Be-)Deutungen«.20 Dabei bleibt die Frage offen, mit welcher Methode sich diese Diskurse wissenschaftlich untersuchen lassen. 6.1.1
Diskursanalyse
Die Diskursanalyse gewinnt in den Sozial- und Geisteswissenschaften wie z. B. in den Geschichts- und Politikwissenschaften oder in der Soziologie zunehmend an Bedeutung. Die Methode der wissenssoziologischen Diskursanalyse erweist sich für die Deutungsmusteranalyse als hilfreich.21 Sie nimmt ihren Ausgangspunkt in der soziologischen Wissenstheorie von Peter Berger und Thomas Luckmann und verbindet kulturalistische Ansätze mit der Diskurstheorie.22 Beide Ansätze gehen davon aus, dass die Wahrnehmungen und Erfahrungen des Menschen über sozial konstruiertes und typisiertes Wissen (Bedeutungen, Deutungsschemata) vermittelt werden. Das Weltwissen entsteht nicht unmittelbar, sondern ist auf gesellschaftlich erzeugte symbolische Systeme oder Ordnungen zurückzuführen, die in und durch Diskurse produziert werden. Die wissenssoziologische Diskursanalyse beschäftigt sich mit den Prozessen und Praktiken, die das Wissen auf der Ebene der institutionellen Felder produzieren und vermitteln. Sie untersucht auch die Folgen der symbolischen Ordnungen, das heißt die Gesetze, Techniken, Statistiken und Klassifikationen. Sie rekonstruiert Prozesse der sozialen Konstruktion, Kommunikation und Legitimation von Deutungs- und Handlungsstrukturen auf der Ebene von Institutionen, Organisationen und sozialen Akteuren. Des Weiteren analysiert sie die Wirkungen dieser Prozesse auf die Gesellschaft. Die wissenssoziologische Diskursanalyse als empirische Sozialwissenschaft begrenzt sich nicht nur auf Texte, um die Praktiken der Diskursproduktion zu untersuchen, sondern berücksichtigt auch die Rolle sozialer Akteure und die gesellschaftlichen Kontexte, in denen die Diskurse stattfinden.23 Die wissenssoziologische Diskursanalyse beschäftigt sich mit den Deutungen der sozialen und politischen Handlungszusammenhänge und damit, wie sie produziert und verbreitet werden und sich verändern.24 Anknüpfend an die deutsch-
20 21 22 23
Keller 1997, S. 317. Keller 2007, S. 56–59. Mehr zu Diskurstheorien: Keller 2007, S. 42–56. Zur empirischen Anwendung der wissenssoziologischen Diskursanalyse siehe: Keller 2004, S. 197–232. 24 Vgl. Hirseland et al. 2001.
Diskurs und Diskurstheorien: Definition
191
sprachige wissenssoziologische Tradition formuliert Keller das Vorhaben der Diskursanalyse wie folgt: Der Diskursanalyse geht es darum, Prozesse der sozialen Konstruktion, Objektivation, Kommunikation und Legitimation von Sinnstrukturen auf der Ebene von Institutionen, Organisationen beziehungsweise kollektiven Akteuren zu rekonstruieren und die gesellschaftlichen Wirkungen dieser Prozesse zu analysieren.25
Die Texte und die Beziehungen, die die Diskurse bei spezifischen Verflechtungen untereinander verbinden, bilden den Untersuchungsgegenstand der Diskursanalyse. Als Feld der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung wird die institutionelle Regulierung von kollektiven Wissensordnungen, Sinnstrukturen, deren sozialen Akteuren, Regeln und Ressourcen der Prozesse und gesellschaftlichen Folgen untersucht. Des Weiteren wird in der Diskursforschung die Verknüpfung der sozialen Praktiken (Sprechen/Schreiben) mit der (Re-)Produktion von Wissensordnungen erforscht.26 Nach Keller können vier Merkmale der Ansätze von Diskursanalysen und Diskurstheorien im Folgenden genannt werden: Diskurstheorien und Diskursanalysen • beschäftigen sich mit dem tatsächlichen Gebrauch von (geschriebener oder gesprochener) Sprache und anderen Symbolformen in gesellschaftlichen Praktiken; • betonen, dass im praktischen Zeichengebrauch der Bedeutungsgehalt von Phänomenen sozial konstruiert und diese damit in ihrer gesellschaftlichen Realität konstituiert werden; • unterstellen, dass sich einzelne Interpretationsangebote als Teile einer umfassenden Diskursstruktur verstehen lassen, die vorübergehend durch spezifische institutionell-organisatorische Kontexte erzeugt und stabilisiert wird, und • gehen davon aus, dass der Gebrauch symbolischer Ordnungen rekonstruierbaren Regeln des Deutens und Handelns unterliegt.27
Die Forschungsfrage, wie die deutschen und senegalesischen Printmedien die Migration aus Afrika in die EU darstellen, wird mittels der Deutungsmusteranalyse beantwortet. Die Struktur der medialen Diskurse wird über die Analyse der Zeitungsartikel aus der FAZ, SZ, »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« untersucht. Die Problemdefinitionen und Argumente, die diese Migration als Chance oder als Bedrohung deuten, die Deutungsmuster, die die Kategorien in den gefundenen Artikeln bilden und die Thematisierung bestimmter Themen werden untersucht.
25 Keller 1997, S. 319. 26 Keller 2007, S. 7. 27 Ebd., S. 8.
192
6.1.2
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Diskursanalyse in der Politikwissenschaft
Aufgrund u. a. der geringen Einbeziehung bzw. der Ablehnung postpositivistischer Theorien28 und Methoden fanden die Diskursanalysen in der Politikwissenschaft29 zunächst kaum Anwendung, so dass ein politikwissenschaftliches diskursanalytisches Verfahren nicht ausgearbeitet wurde. Erst in den 1990er Jahren wandte man sich in der politikwissenschaftlichen Forschung der Diskursanalyse zu. In den letzten Jahren haben die diskursanalytischen Ansätze für empirische Untersuchungen in der Politikwissenschaft stark an Bedeutung gewonnen. Relevante gesellschaftliche Themen wie Umweltprobleme,30 Abtreibung,31 Gentechnologie, Kriege32 und Migration wurden zunehmend Themen der politikwissenschaftlichen Diskursanalyse. Realitäten können zu politischen Themen gemacht werden, wenn diese in bestimmten Rahmen diskutiert werden. Mateusz Stachura z. B. untersucht anhand integrationspolitischer Debatten in Deutschland den Stellenwert von nationalen, demokratischen, menschenrechtlichen und europäischen Deutungsmustern in der politischen Kultur der Bundesrepublik.33 Die politikwissenschaftliche Diskursanalyse kann als ein Instrument zur Analyse verstanden werden, wie die politische Realität durch Diskurse gedeutet wird und wie soziale Akteure und Akteure der Medien diese Realität wahrnehmen und vermitteln. Dabei werden Prozesse der sozialen Konstruktion, Kommunikation und Legitimation von Strukturen auf den Ebenen der Institution, der Organisation und der Akteure rekonstruiert und gesellschaftliche Wirkungen dieser Prozesse untersucht.34 Aus politikwissenschaftlicher Sicht geht es darum, die Untersuchung eines relevanten Themas auf alle Ebenen der Gesellschaft zu fokussieren, um herauszufinden, wie die Konstruktion und Legitimation sowie die Kommunikation von politischen und gesellschaftlichen Akteuren entstehen und produziert, reproduziert, vermittelt oder überliefert werden. Ferner ist es von großer Relevanz, wie
28 Postpositivistische Theorien sind u. a. poststrukturalistische, sozialkonstruktivistische, interpretative, hermeneutische und wissenssoziologische Theorien und Methodologien. Vgl. Nullmeier 2001, S. 285. 29 Mehr zur Diskursanalyse in der Politikwissenschaft: Nullmeier 2001, S. 285–311. 30 Hajer untersucht den Diskurs um den »sauren Regen« mit der Methode der argumentativen Diskursanalyse. Vgl. Hajer 2004, S. 271–298. 31 Jürgen Gerhards führt eine vergleichende Untersuchung über die öffentliche Abtreibungsdiskussion in den USA und in Deutschland mit der inhaltsanalytischen Diskursanalyse durch. Vgl. Gerhards 2004, S. 299–324. 32 Michael Schwap-Trapp untersucht die deutsche Diskussion über den Kosovokrieg. Vgl. SchwapTrapp 2004, S. 169–195. 33 Mehr dazu: Stachura 2005. 34 Vgl. Keller 1997, S. 319.
Datensammlung und Methode
193
sich Macht und Institutionen diskursiv vermitteln. Die politische Diskursanalyse berücksichtigt die institutionelle Dimension des Diskurses.35 Unter diesem Aspekt liefert Maarten A. Hajer folgende Definition von Diskursanalyse: Diskursanalyse ist insofern eine alternative Art der Betrachtung von Institutionen, die darauf abzielt, das Funktionieren dieser Institutionen zu beleuchten, darauf, wie Macht sich in institutionellen Arrangements diskursiv manifestiert und wie politischer Wandel sich in solchen Arrangements vollzieht.36
Wie bereits erwähnt, gibt es in den Ansätzen der Diskursanalysen keinen »Königsweg« und keine einheitliche empirische Forschungsvorgehensweise. Jedoch für eine fundierte empirische Untersuchung mit diskursanalytischer Methode, wie Keller zu Recht warnt, »müssen die getroffenen Entscheidungen doch hinreichend plausibel und begründungsfähig sein«.37 6.2
Datensammlung und Methode
Zur Beantwortung der Frage, wie die deutschen und senegalesischen Printmedien die Migration darstellen, wird im Folgenden die Methode der Diskursanalyse angewendet. Für das Forschungsziel dieser Arbeit, die Untersuchung der Art und Weise der Thematisierung von Migration aus Afrika nach Europa, erweisen sich die öffentlichen Medien (Zeitungen), die die öffentlichen Diskurse über das betroffene Thema vermitteln, als geeignete Forschungsgegenstände. Im Unterschied zu Spezialdiskursen, die nur teilöffentlich sind und den Zugang nur begrenzten Teilnehmern und Fachpublikum gewähren, sind die Diskurse der Zeitungen einem allgemeinem Publikum zugänglich. Somit bilden »natürliche«38 Daten, nämlich schriftliche Texte (Zeitungsartikel) die empirische Grundlage für die vorliegende Diskursanalyse. Der Verlauf der Debatte über die Migration aus Afrika nach Europa in der Presse von 1998 bis 2008 wird zunächst anhand einer quantitativen Analyse untersucht. Damit gültige Aussagen über den Verlauf der Diskurse getroffen wer-
35 Hajer definiert die institutionelle Dimension als ein spezifisches Netzwerk von Ideen, Konzepten und Kategorisierungen, die »in einem bestimmten Set von Praktiken produziert, reproduziert und transformiert werden« und durch welche »den physischen und sozialen Realitäten Bedeutung gegeben wird«. Vgl. Hajer, 2004, S. 289. 36 Hajer 2004, S. 289 f. 37 Keller 1997, S. 327. 38 Ebd., S. 326.
194
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
den können, werden alle gefundenen Artikel mit einem Bezug zum Thema dieser Forschungsarbeit, »Migration aus Afrika nach Europa«, quantitativ aufgelistet und in verschiedene Kategorien aufgeteilt. Anhand der »Grounded Theory«39 werden dabei immer wieder neue Kategorien, die entstehen, hinzugefügt. Anschließend wird aus dem gesamten Datenkorpus ein Datenkorpus für die qualitative Analyse ausgewählt. Eine quantifizierende Kategorienanalyse wird durchgeführt und gilt als Ausgangspunkt für die qualitative Analyse. Zur Materialaufbereitung werden die Zeitungen aus Deutschland und Senegal nach politischer und gesellschaftlicher Verortung, Leserschaft und Auflage ausgewählt. 6.2.1
Das deutsche Sample
Medien, die aufgrund ihrer Bedeutung für die Meinungsbildung neben Parlament, Regierung und Justiz als »vierte Gewalt« bezeichnet werden, »sind heute als eine überaus wichtige Diskursebene im gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu begreifen«.40 Sie tragen eine Mitverantwortung durch die Vermittlung zwischen Alltag, Wissenschaft und Politik. Dabei spielen sie eine wesentliche Rolle bei der Strukturierung von Diskursen. Durch die Art und Weise, wie sie berichten, können die Medien gewisse Aussagen und Themen verstärken oder abschwächen bzw. außer Acht lassen. Verschiedene Akteure haben Zugang und beeinflussen durch ihre sozialen Positionierungen und Macht die Diskurse der Medien unterschiedlich. Durch die Rolle und Bedeutung der Medien für die Konstruktion der Wirklichkeit erweisen sich für das Forschungsziel dieser Arbeit die Zeitungsartikel als Analysematerial besonders geeignet. Das deutsche Pressesample besteht aus zwei überregionalen Abonnementzeitungen, nämlich der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und der »Süddeutschen Zeitung«. Eine Befragung von Uenk zeigt, dass die Leserschaft dieser beiden Tageszeitungen überwiegend aus »gebildeten« Menschen besteht.41 Die Auswahl der überregionalen Qualitätszeitungen ist damit zu begründen, dass diese Zeitungen ausgewogene Hintergrundinformationen in ihrer Berichterstattung liefern.
39 Mehr zu Grounded Theory: Dey 1999. 40 Scharathow 2007, S. 90–91. 41 Uenk 1977, S. 47.
195
Datensammlung und Methode
Im Rückgriff auf unterschiedliche Datenbanken wie z. B. Pressearchive, Bibliotheken, Spezialarchive und Texte auf CD-ROM-Basis oder auch das Internet wurden die Daten zusammengestellt.42 6.2.1.1 »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) Für die vorliegende Arbeit erscheint die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« aus zwei Gründen als besonders interessant: Die FAZ ist eine deutsche überregionale und konservativ-liberale Abonnementzeitung. Sie »hat die ausgewogenste überregionale Verbreitung«43 und wird als Hauptkonkurrentin der »Süddeutschen Zeitung« betrachtet. Ihre Zielgruppe bilden vor allem Angestellte, Beamte, Unternehmer, Intellektuelle und Kulturschaffende. »Die FAZ ist also der wichtigste Vertreter einer seriösen ›bürgerlichen‹ Tageszeitung«.44 Weiter ist sie eine der wenigen erfolgreichen Zeitungen, die nach Ablauf der Lizenzzeit gegründet wurden. Mit Hans Baumgarten, Erich Dombrowski, Karl Korn und Paul Sethe als Begründer erschien die erste Ausgabe der FAZ am 1. November 1949. Die Zeitung ist seit 1959 im Besitz der »Fazit-Stiftung«. Die FAZ versteht sich nicht als Nachfolgerin der »Frankfurter Zeitung« (FZ), die 1943 verboten wurde, auch wenn einige ihrer Mitarbeiter früher bei der Redaktion der »FZ« tätig waren.45 Bis 1990 steigerte sich die Auflage auf ca. 360.000. Kurzfristig wurden 400.000 Exemplare erreicht, dann aber sank die Auflage wieder auf knapp unter 380.000 Exemplare.46 Folgende Tabelle stellt die Auflagenentwicklung der FAZ dar: Tabelle 10: Auflagenentwicklung der FAZ Jahr
1950
1970
1980
1990
2004
Auflage
47.607
272.365
330.806
412.512
377.720
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Stöber 2005, S. 265.
42 Es kann, wie auch Keller notiert, eventuell zu Veränderungen der Daten gegenüber den Quellen kommen. Die Originalkontexte und -formate der Veröffentlichung und einige wichtige Zusatzinformationen können ebenfalls fehlen, vor allem bei Zeitungsartikeln, die im Internet verfügbar sind aber nicht ursprünglich dafür erstellt wurden. Vgl. Keller 2007, S. 85. 43 Stöber 2005, S. 264. 44 Kirwel 1996, S. 45. 45 Dohrendorf 1990, S. 9. 46 Stöber 2005, S. 264.
196
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Die Sonntagsausgabe heißt »FAS« (»Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«). Ursprünglich nur auf die Region Rhein-Main begrenzt, wird sie seit dem 30. September 2001 bundesweit vertrieben, hat 1.209.000 Leser und eine Auflage von 314.611 Exemplaren (Stand: 2006). Die FAZ ist eine Elitenzeitung mit internationalem Status. Als »Zeitung für Deutschland« wird sie mit »Le Monde« und der Londoner »Times« verglichen. Auf die Artikel der FAZ konnte durch das FAZ-Archiv für Bibliotheken und Intranets »BiblioNet« an der Universität Siegen zugegriffen werden.47 6.2.1.2 »Süddeutsche Zeitung« (SZ) Zur größten überregionalen Abonnementzeitung Deutschlands hat sich die »Süddeutsche Zeitung« (SZ) aus München entwickelt. Gegründet während der Lizenzzeit, erschien die erste Ausgabe der SZ am 6. Oktober 1945. Die SZ definiert sich als neutral und sozial. Sie ist liberal orientiert und international anerkannt. Als Elitenzeitung wird sie mit der FAZ verglichen. Ihr Verbreitungsschwerpunkt ist bis heute Süddeutschland geblieben. Bis 1990 steigerte sich ihre Auflage auf ca. 380.000 und liegt zurzeit bei ca. 440.000.48 Die folgende Tabelle stellt die Auflagenentwicklung der SZ dar: Tabelle 11: Auflagenentwicklung der SZ Jahr
1948
1991
2004
Auflage
285.200
389.097
430.107
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf: Stöber 2005, S. 262.
Im Gegensatz zur FAZ besitzt die SZ seit 1969 ein Redaktionsstatut, das für die Regelung der inneren Pressefreiheit zuständig ist. Mit Hilfe der Stichwörter »Migration«, »Migranten«, »Asylbewerber«, »Flüchtlinge«, »Integration«, »Abschiebungen«, »Einwanderer«, »Asyl« und »Asylsuchende« wurden Artikel über die Migration aus Afrika in die EU ausgewählt. Die Ausgaben der SZ von 1998 bis 2004 waren auf CD-Rom vorhanden, während auf
47 http://www.faz-archiv.de/biblio. 48 Stöber 2005, S. 264.
Datensammlung und Methode
197
die Jahre 1997, 2005 und 2006 über die Online-Datenbank der SZ durch das Internetportal der Universität Siegen zugegriffen werden konnte.49 6.2.2
Das senegalesische Sample
In Senegal dominieren sieben Zeitungen den Markt der Tagespresse. Sie haben insgesamt eine Tagesauflage von 70.000 Exemplaren. Anhand einer Erhebung über das Leseverhalten der Leser wurde das Verhältnis der Zeitungen untereinander abgeleitet. Im Ergebnis ist die Zeitung »Walfadjri« die meistgelesene Tageszeitung mit 28,9 % Leseranteil. Danach folgen »Sud Quotidien« mit 24,5 %, »Le Soleil« mit 24,3 %, »Le Populaire« mit 20,1 %, »Le Matin« mit 12,8 %, »Info 7« mit 11,8 % und »Tract« mit 6,3 % Leseranteil.50 Für die vorliegende empirische Arbeit wurden für Senegal die drei Tageszeitungen »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« ausgewählt. Diese Zeitungen konnten die Liberalisierung des Medienmarktes und die Förderung der Meinungsfreiheit für sich nutzen und sich als Qualitätszeitungen etablieren: Sie verschrieben sich in den 1990er Jahren einem investigativen Journalismus, der sich auch mit der Regierung von Abdou Diouf kritisch auseinandersetzte. Das erste Mal in der Geschichte des Senegals wurden neo-patrimoniale Praktiken analysiert und in der Öffentlichkeit publik gemacht.51
Genauso wie in vielen Ländern Afrikas südlich der Sahara ist es schwierig, in Senegal Marktforschung zu betreiben. Informationen über die Leserschaft und ihre Verteilung sind kaum vorhanden, deswegen kann die Presse die Bedürfnisse ihrer Leser schlecht identifizieren. Wie in Deutschland (Abschnitt 6.2.1) besteht auch in Senegal die Leserschaft der »Qualitätspresse« überwiegend aus »gebildeten« Menschen: Die Qualitätspresse sieht ihre Klientel in der Bildungselite der urbanen Zentren. Als Gruppen werden insbesondere die Politiker, Geschäftsleute, Intellektuellen, Wissenschaftler, Gewerkschafter und Mitglieder der Zivilgesellschaft identifiziert.52
Für den Zugang zu den Daten von ausgewählten senegalesischen Zeitungen ist die Zeitung »Le Soleil« durch eine gute Archivierung und Digitalisierung ge-
49 50 51 52
http://librarynet.szarchiv.de. Wittmann 2001, S. 15. Wittmann 2001, S. 246. Ebd., S. 330.
198
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
kennzeichnet. Dagegen bewahrt »Sud Quotidien« die Zeitungsartikel in Alben auf, wobei jeweils zwei Monate einen Band bilden. »Walfadjri« archiviert die Artikel ebenfalls in Alben. 6.2.2.1 »Walfadjri« Die Zeitung »Walfadjri« hat ihren Ursprung in einem Versuch der Islamisierung der senegalesischen Gesellschaft. Eine Generation junger senegalesischer Intellektueller, die sich von der islamischen Revolution inspirieren ließ, richtete sich gegen den sufischen Volksislam der senegalesischen Bruderschaften und gegen europäische Einflüsse. Sie plädierte für eine Modernisierung des Islams nach iranischem Vorbild. Der aus den drei großen Marabut-Familien der Bruderschaft der Tidjaniyaa stammende Bruder Sidy Lamine Niasse gründete 1984 das islamische Meinungsblatt und Monatsmagazin »Walfadjri« (dies bedeutet im Arabischen »die Morgenröte«). 1987 wurde es zu einer Wochenzeitung und ab 1993 eine Tageszeitung. Die Verantwortlichen von »Walfadjri« fühlten sich in ihren religiösen Zielen auch durch die Wahl von Abdou Diouf, dem ersten muslimischen Präsidenten Senegals, bestätigt. Ihr Ziel war es, durch »Walfadjri« dem Islam seinen Platz in Senegal wiederzugeben. Sowohl »Walfadjri« als auch Niasse und die senegalesischen Anhänger der iranischen Revolution wurden von politischen Kreisen als radikal eingestuft. Die professionellen Journalisten von »Walfadjri« wie Mame Less Camara und Tidiane Kassé veranlassten Niasse dazu, seine Redaktion in eine kommerzielle Mediengruppe zu verwandeln. Diese neue Mediengruppe verfolgt eine liberale Redaktionslinie; heute gilt »Walfadjri« als »kritischste Tageszeitung in Senegal«.53 6.2.2.2 »Sud Quotidien« Bis 1993 war »Le Soleil« die einzige Tageszeitung in Senegal. Im Jahre 1994 wurde eine Wochenzeitung der Holding »Sud Communication« zu »Sud Quotidien« umgewandelt und als erste private nationale Tageszeitung »et demeure aujourd’hui un quotidien incontournable de l’espace médiatique sénégalais.«54 Ihr Vertrieb erfolgt durch die hauseigene Agentur »Marketing Press«.55 Die Tageszeitung »Sud Quotidien« wird aufgrund ihrer politischen Ausrichtung gelesen. Sie definiert sich als
53 Wittmann 2007, S. 244. 54 Guignard 2007, S. 144. 55 Wittmann 2007, S. 245.
Datensammlung und Methode
199
unabhängig und liberal. Sie arbeitet mit der privaten Presse der Nachbarländer zusammen, wodurch sie inhaltlich internationalisiert wird.56 6.2.2.3 »Le Soleil« Gegründet am 14. Februar 1970, erschien die erste Ausgabe der senegalesischen Tageszeitung »Le Soleil« am 20. Mai 1970. Die Zeitung hat eine Auflage von ca. 25.000; 23.000 Exemplare werden regelmäßig verkauft. Ihr Namen stammt vom ersten Präsidenten Senegals, Léopold Sédar Senghor. Diese Zeitung ersetzte »Dakar-Matin« (1961–1970). Früher berichtete die regierungsnahe »Le Soleil« über Senegal und die Aktivitäten der Regierung ohne jede kritische Haltung. Die Einführung der Privatpresse in Senegal bewirkte, dass auch die staatliche Presse pluralistische Meinungen in ihren Organen zu Wort kommen lässt. Außerdem musste die Staatspresse mit ihrer Tradition des »griotisme«57 brechen, so Marie-Soleil Frère.58 Auch »Le Soleil« berichtete immer weniger im Interesse der Machtpartei, wie von Wittmann festegestellt: »Die ehemalige Regierungszeitung Le Soleil hat nach dem Regierungswechsel ihr Hofberichterstattungskonzept aufgegeben und nimmt eine Service-public-Funktion ein.«59 Mit umfassender und ausgewogener Berichterstattung gilt »Le Soleil« als eine »Qualitätszeitung«. Ihre Schwerpunkte sind innen- und außenpolitische Nachrichten sowie Dossiers zu Gesundheit, Kultur, Wirtschaft und Umwelt. 6.2.3
Datensammlung
Für das Forschungsvorhaben wurden zwei Qualitätszeitungen aus Deutschland und drei aus Senegal ausgewählt. Die Auswahl von drei Zeitungen aus Senegal ist damit zu begründen, dass im Vergleich zu Deutschland wenige Zeitungsartikel bei der Datenerhebung in Senegal vorhanden waren.60 Dieses Ausgleichproblem kann durch eine zusätzliche Zeitung behoben werden.
56 Wittmann 2001, S. 16. 57 In der westafrikanischen Tradition erzählen die »griots« die Geschichte des Volkes durch mündliche Überlieferung. Mit der Tradition des »griotisme« in den Medien ist gemeint, dass die politischen und wirtschaftlichen Machthaber und bestimmte Persönlichkeiten von den Journalisten gelobt und ihre Taten beschönigt werden. 58 Séne 2003, http://www.african-geopolitics.org/show.aspx?ArticleId=3515 (31. 05. 2007). 59 Wittmann 2001, S. 16. 60 Mehr dazu: Abschnitt 1.5.
200
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Zuerst wurden von der Grundgesamtheit »die deutschen Qualitätstageszeitungen« und »die senegalesischen Qualitätstageszeitungen« alle Printmedien abgegrenzt, die nicht zur Definition unseres Forschungsziels passten. Ausgeschlossen wurden alle Druckerzeugnisse, deren Verlagsort außerhalb Deutschlands liegt. Dagegen wurden alle regelmäßig erscheinenden Qualitätstageszeitungen mit Verlagsort in Deutschland berücksichtigt.61 Zur Auswahl der zu analysierenden Printmedien wurden Kriterien wie Auflagenhöhe, Art der Presse (Qualitätszeitung) und politische Ausrichtung (liberal, neutral) herangezogen. Eine Frage, die eine entscheidende Rolle bei der Beantwortung der Forschungsfrage spielt, ist, welcher Aufwand notwendig ist, um das Forschungsziel zu erreichen. Die Untersuchung aller Zeitungen erfordert viel Zeit und ist kostspielig. Eine solche Untersuchung verspricht außerdem zwar eine hohe Validität, aber verschlechtert die Reliabilität, deshalb konzentriert sich die vorliegende Forschungsarbeit auf bedeutsame und große deutsche und senegalesische Tagesprintmedien. Bei umfangreichem Material ist es ratsam, aus den Tagen des Analysezeitraums eine Stichprobe zu nehmen. Erwähnenswert ist, dass ein solches Auswahlverfahren nur bei Tageszeitungen angewendet werden kann. Jedoch ist dieses Auswahlverfahren für das Forschungsziel dieser Arbeit nicht geeignet, denn über Migration, Migranten und Ausländer wird in der deutschen Presse häufig berichtet, aber speziell über die Migration aus Afrika südlich der Sahara seltener. Damit die Validität der Untersuchung gewährleistet wird, wurden alle Archive der ausgewählten Tageszeitungen herangezogen und alle Artikel, die die Themen »Migranten« oder »Migration aus Afrika in die EU« behandeln, wurden ausgewählt. Jaeger schlägt vor, dass man bei einer Frage »wie in Politik, Medien oder Alltag Rassismus verbreitet wird und in welchen Formen er auftritt« nicht den Suchbegriff Rassismus benutzt, um herauszufinden, wo dieses Ideologem im Text auftritt. Stattdessen sollte man nach dem thematischen Bereich suchen, in dessen Zusammenhang Rassismus auftreten kann. Dieser Bereich ist der Diskurs über »Einwanderer, Flucht, Asyl etc.«62 Was die vorliegende Arbeit betrifft, wurde nicht nur nach dem thematischen Ort gesucht, wo das Ideologem »Migration« auftritt. Der Ort des Diskurses über afrikanische Einwanderer, Asylsuchende und Flüchtlinge wurde gesucht. Die Artikel wurden mit Hilfe der digitalen Stichwortsuche ausgewählt. Folgende Stichwörter wurden verwendet: »Migration«, »Migranten«, »Asylbewerber«, »Flüchtlinge«, »Integration«, »Abschiebungen«, »Einwanderer«, »Asyl«, »Asylsuchende« usw.
61 Mehr dazu und ein Beispiel in: Früh 1991, S. 128–131. 62 Jaeger 1999, S. 136.
Datensammlung und Methode
201
Um die Suche zu vereinfachen, wurde jedes Stichwort mit dem Wort »Afrika« kombiniert. Für die quantitative Inhaltsanalyse wurden alle diese Artikel berücksichtigt. Berücksichtigt wurden alle Artikel, die die Migranten bzw. Migration aus Afrika allgemein oder aus SSA behandeln. Für die Diskursanalyse wurden die Zeitungsartikel anhand wichtiger Migrationsereignisse ausgewählt und analysiert.63 Was Senegal betrifft, konnte das Auswahlverfahren aufgrund der mangelhaften Archivierung nicht computergestützt erfolgen. 6.2.4
Methodisches Vorgehen
Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob bestimmte Zeitungsartikel bestimmten Kategorien oder Deutungsmustern der Migration aus Afrika zuzuordnen sind, ist eine fundierte wissenschaftliche Methode der Diskursanalyse unentbehrlich. Die Zeitungsartikel wurden zwar mit Hilfe eines Verfahrens der qualitativen Deutungsmusteranalyse untersucht, jedoch wurde der qualitativen Analyse eine quantitative Analyse vorangestellt. »Quantifizierende Zugänge rekonstruieren zunächst an einzelnen Texten Kategorien, die zur Grundlage inhaltsanalytischer Codierbögen für größere Textmengen werden,«64 so Keller. Diese Quantifizierung der Zeitungsartikel zielt darauf ab, die zeitliche Entwicklung des Diskurses über die afrikanische Migration in die EU quantitativ auszuwerten und daraus abzuleiten, wann bestimmte Ereignisse in bestimmten Zeiträumen mehr oder weniger stark thematisiert wurden. Das quantitativ-qualitativ gemischte Verfahren ermöglicht es, die Ergebnisse der quantitativen Wortanalyse als Ausgangsbasis für die qualitative Diskursanalyse anzuwenden. Anschließend wird untersucht, inwiefern der Diskurs über die Migration aus Afrika ab 2004 auf die irreguläre Migration fokussiert wird. Welche Lösungsansätze der politischen Institutionen zur Regulierung dieser Migration werden dargestellt? Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurden folgende Schritte unternommen:
63 Es ist möglich, dass manche Artikel von der Suche nicht erfasst werden, obwohl sie für das Thema relevant sind, wenn sie nicht zu den angegebenen Suchwörtern passen. Um dieses Risiko gering zu halten, wurden so viele zu dem semantischen Feld von Migration passende Schlagwörter angegeben, wie möglich. 64 Keller 2007, S. 75.
202
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
(a) Kategorienbildung Schritt 1: Häufigkeit der Berichterstattung: Wie hat sich die Berichterstattung über die Migration aus Afrika in die EU von 1998 bis 2008 entwickelt? Welche Themenschwerpunkte und Diskurse herrschten vor? Mit Hilfe einiger Methoden der Dokumentation und quantitativen Datenanalyse65 werden alle gefundenen Artikel zum Thema gezählt, aufgelistet, nach Jahr, Tag und Monat geordnet und graphisch oder tabellarisch dargestellt. Dadurch wird ein Überblick über die Häufigkeit der Berichterstattung gewonnen. Anschließend werden diese Artikel den Kategorien, die den Deutungsrahmen bilden, zugeordnet. Dabei wird mit Hilfe des zeitlichen Kontextes versucht zu erklären, warum der Deutungsrahmen in einem bestimmten Zeitraum mehr oder weniger in der Presse thematisiert wird. Schritt 2: Hierbei werden wichtige Ereignisse hinsichtlich der Migration aus Afrika nach Europa identifiziert, die sowohl in den deutschen als auch in den senegalesischen Medien und der Literatur thematisiert werden. (b) Qualitative Diskursanalyse Die Deutungsmusteranalyse dient dazu, die ausgewählten Artikel aus den wichtigsten Zeiträumen in der Geschichte der afrikanischen Migration anhand des Kontextes den Deutungsmustern zuzuordnen. Darüber hinaus werden die Veränderungen im Migrationsdiskurs analysiert. Welche Migrationsereignisse finden in der medialen Berichterstattung eine besondere Aufmerksamkeit? Wie wird die Migration vor und nach diesen Ereignissen medial (de-)konstruiert? Deutet das Agenda-Setting der deutschen oder der senegalesischen Zeitungen auf eine bestimmte Tendenz in Bezug auf die Darstellung der Migration aus Afrika als Chance oder als Bedrohung hin? Im Folgenden (Abbildung 12) wird der Ablauf der Diskurs- und Deutungsmusteranalyse dargestellt:
65 Mehr zur quantitativen Datenanalyse: Hadler 2005.
Datensammlung und Methode
203
Abbildung 12: Ablauf der Diskurs- und Deutungsmusteranalyse
Quelle: Eigene Darstellung.
6.2.5
Korpusbildung und Kodierung
Wie häufig werden bestimmte Themen zur Migration dargestellt? Können sie etwas über Migrationsdiskurse aussagen? Um in der vorliegenden empirischen Untersuchung diskursanalytisch vorzugehen, wird auf Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse zurückgegriffen.66 Aufbauend auf die Fragestellungen und das Untersuchungsmaterial wird ein Kategoriensystem gebildet. Angesichts der großen Menge von Daten benötigt man eine Orientierung, um den Datenumfang entsprechend den Forschungserfordernissen abzugrenzen. Als Leitfragen zur Erhebung der Daten für die Diskursanalyse schlägt Keller folgende Fragen vor:
66 Waldschmidt 2004, S. 155.
204
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Leitfragen zur Datenerhebung (Korpusbildung) • Welche Daten passen zur verfolgten Fragestellung? Welche Zeiträume und sozialräumlichen Einheiten sollen erfasst werden? • Stehen diese Daten im anvisierten Gegenstandsbereich zur Verfügung? • Welcher Datenumfang kann im Rahmen der verfügbaren Ressourcen erhoben und mit der anvisierten Form der Datenanalyse bearbeitet werden? • Durch welche Quellen können die Daten erschlossen werden? • Sind diese Quellen selektiv? Nach welchen Kriterien treffen sie ihre Vorauswahl? Ist deswegen eine Ergänzung bzw. Korrektur der Datensammlung notwendig? • Eignen sich die erhobenen Daten tatsächlich für die Fragestellung, bspw. im Hinblick auf die verfolgten Zeithorizonte, thematische Breite und Spezifizierung, Erfassung von Akteuren? • Sind Nacherhebungen notwendig? • Wann entspricht der Datenumfang den Forschungserfordernissen, d. h. wann ist die Datensammlung abgeschlossen? Wie kann das begründet werden?67
Bei den Zeitungsartikeln wurden die Kategorien »Meldung«, »Bericht«, »Reportage«, »Kommentar«, »Dokumentation« und »Sonstiges« berücksichtigt, um ein möglichst vollständiges Bild der Thematik zu erhalten. Nicht mit in die Analyse aufgenommen werden Leserbriefe und Werbung. Es wurden nicht nur Artikel ausgewählt, deren Überschriften das Thema afrikanische Migranten/Migration in die EU oder in einen EU-Staat beinhalten, sondern auch Artikel, die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Äußerungen über Migration behandeln und speziell die Abwanderung aus Afrika nach Europa als Beispiel erwähnen.68 Für die Auswahl der zu analysierenden Artikel wurden folgende Kriterien zugrunde gelegt: • Berichte über Erfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund69 wegen ihrer Situation als Migranten aus SSA, • Berichte über Migration in die EU im Zusammenhang mit Afrika,
67 Keller 2007, S. 86–87. 68 Für eine Untersuchung zum Thema »Kernkraft« schlägt Früh beispielsweise folgendes Verfahren vor: »Das Thema muss nicht in der Überschrift stehen und auch nicht wichtigstes Thema des Artikels sein. Es empfiehlt sich deshalb, neben Beiträgen zu Energiefragen und Umweltproblemen auch Artikel zu Wirtschaftsthemen und Politik und Äußerungen zum Thema »Kernkraft« abzusuchen.« Vgl. Früh 1991, S. 153. 69 Vgl. Abschnitt 1.6.
Datensammlung und Methode
205
• die explizite oder implizite Erwähnung der Begriffe »Migration«/»Migranten« im jeweiligen Artikel, • Berichterstattungen über Menschen afrikanischer Herkunft, die in der EU leben, noch über die Staatsangehörigkeit eines afrikanischen Landes verfügen, bereits eine EU-Staatsangehörigkeit erworben haben, dort illegal leben oder Asyl beantragt haben, • internationale Ereignisse, die einen Bezug zur afrikanischen Migration nach Europa haben, z. B. internationale Konferenzen oder Vereinbarungen über die internationale afrikanische Migration in die EU, • Artikel, die über politische Steuerungen der Migration in SSA oder in der EU berichten. Nicht berücksichtigt werden Artikel, die z. B.: • ausschließlich von afrikanischen Migranten aus Nordafrika berichten, • allgemein über Ausländer oder Migranten berichten, ohne Afrika, ein afrikanisches Land oder Menschen mit afrikanischer Herkunft zu erwähnen, • von afrikanischen Migranten in anderen Erdteilen außer Europa und Afrika handeln, • Migranten thematisieren, die in afrikanischen Ländern leben ohne eine Absicht in die EU auszuwandern, • über »Schwarze« allgemein berichten, ohne Hinweise auf ihre afrikanische Herkunft, z. B. wenn ein Artikel über »Schwarze in Holland« berichtet und damit Menschen aus Amerika gemeint sind, • Migranten aus der EU in Afrika thematisieren. Aus der Artikelrecherche sind folgende Artikelzahlen von den drei senegalesischen und den zwei deutschen Qualitätstageszeitungen in das Sample aufgenommen worden:
206
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Tabelle 12: Auswahl der Artikel im Zeitraum von 1998 bis 2008 Land
Zeitung
Anzahl der Artikel 172
Deutschland
Frankfurter Allgemeine Zeitung Süddeutsche Zeitung
221
Senegal
Gesamt 393
Walfadjri
40
Sud Quotidien
51
Le Soleil
88
179
572
6.2.6
Quantitative Entwicklung der Berichterstattung
Die quantitativen Ergebnisse der Auswertung der ausgewählten Artikel, die sich mit Migration aus Afrika zwischen 1998 und 2008 beschäftigten, werden im Folgenden erläutert. 6.2.6.1 Das deutsche Sample »Frankfurter Allgemeine Zeitung« Aufbauend auf die Forschungsfrage, wie die deutschen und senegalesischen Zeitungen die Migration aus Afrika in die EU darstellen, ist eine Analyse der quantitativen Entwicklung der Berichterstattung wichtig, um erste Anhaltspunkte für mögliche Argumentationslinien zu erhalten. Diese Analyse bildet den Ausgangspunkt für die Identifizierung wichtiger Migrationsereignisse, die sowohl in deutschen als auch in senegalesischen Medien eine besondere Resonanz erfahren haben. Daraus entsteht die Datenbasis für die Deutungsmusteranalyse. Tabelle 13 verdeutlicht die Entwicklung der Berichterstattung über die Migration aus Afrika in der FAZ. Aus der Tabelle lässt sich die Entwicklung der Berichterstattung der FAZ erkennen. Insgesamt werden 172 Artikel ausgewählt. Bis zum Jahre 2003 wird verhältnismäßig selten über Abwanderung aus Afrika berichtet (und zwar mit weniger als 15 Artikeln pro Jahr), während von 2004 bis 2007 das Thema eine große Aufmerksamkeit findet. Man kann vermuten, dass die Berichterstattung aus den Jahren 1998 und 1999 die Afrikaner in Deutschland bzw. Europa fokussiert. Es
Datensammlung und Methode
207
handelt sich um regionale Nachrichten, die über das alltägliche Leben von afrikanischen Einwanderern berichten. Die Anzahl der Artikel im Jahr 2004 beträgt 30, d. h. 17,44 % der gesamten FAZ-Artikel. Das Interesse wird zunehmend auf die Maßnahmen zur Regulierung und Bekämpfung der irregulären Migration gelenkt. Dies könnte zum Teil auf die Diskussion um die Rettungsaktion von afrikanischen Flüchtlingen des deutschen Vereins Cap Anamur zurückzuführen sein, die in den Medien Schlagzeilen gemacht hatte und die Aufmerksamkeit auf die irregulären Migranten gelenkt hatte.70 Es lässt sich hier vermuten, dass eine solche internationale mediale Aufmerksamkeit auf die Einwanderung aus Afrika die Thematisierung der Ursachen und Herkunft von Migranten voraussetzt. Dies wird später bei der Deutungsrahmenanalyse zu überprüfen sein. Zusammengefasst bilden folgende Themen die Hauptschwerpunkte der Berichterstattung über Abwanderung aus Afrika in der FAZ von 1998 bis 2008:71 • Leben und Erfahrung von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland, vor allem von Fußballspielern afrikanischer Herkunft, • Kriminalität von Afrikanern oder gegen Afrikaner, • irreguläre Abwanderung: die Befürchtungen und Herausforderungen Europas angesichts der Zunahme von Flüchtlingen, die in die spanische Enklave Ceuta in Nordafrika drängen,72 • Abschiebungen und Todesfälle von Afrikanern, • Aktionen der Hilfsorganisationen wie z. B. Cap Anamur und die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer, • das durch den Bundesinnenminister a. D. und Mitglied der SPD, Otto Schily, vorgeschlagene Projekt zur Einrichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge in Afrika,73
70 Am 20. 06. 2004 entdeckte die Besatzung eines Schiffes der deutschen Not-Ärzte Hilfsorganisation Cap Anamur nordöstlich von Djerba irreguläre Migranten in einem Schlauchboot in Seenot. Statt diese zum nächstgelegenen Hafen in Malta zu bringen, brachte Cap Anamur sie nach Italien. Dies führte zu einem Streit um die Zuständigkeit und die Aufnahme von Flüchtlingen. Im Juli löste der Fall große Schlagzeilen in der Weltpresse aus. Die 37 Passagiere, die sich als Flüchtlinge aus dem Sudan ausgaben, stammten vermutlich aus Ghana, Nigeria und Sierra Leone. Später wurden fast alle von Italien aus in ihre Heimatländer abgeschoben. Vgl. http://www.georg-elserarbeitskreis.de/texts/bierdel.htm 71 Diese Schwerpunkte sind nicht nach Häufigkeit klassifiziert. 72 Die mediale Thematisierung dessen ist ab Ende 1998 bemerkbar, siehe: FAZ, 11. 11. 1998. 73 Siehe: FAZ, 23. 07. 2004.
September
August
Juli
27.
7./11.
Mai
Juni
6.
9./12./25.
April
9./13.
1.
5./29.
12./14.
1999
März
Februar
Januar
1998
27.
22./23./26.
31.(2)
18.
4.
18./23.
13.
2000
17./27.
2./3./6./26.
21.
6.
2001
21./27.
26.
14./15.
16.
16.
2002
6.(2)
3./21./24.
17./20.
19.
12./22.
29.
2003
14./22.
5./17./18./ 22./23./26./ 29./30.
12./14./15./ 18./20./ 22./23.(2)/ 24.(2)/25./ 27./28.(2)
18.
3./5.
31.
2004
3./24./30.
3./16./19.
26.
7./16./23.
2006
21./ 22.
10./13./16./ 1./7./8./ 18./25. 12./14./16./
5./17.
23.
7.
2005
Tabelle 13: FAZ-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 1998 bis 200874
24.
5./26.
23./30.
27.
29.
1./11.
16./17.
2007
4./19./27.
29.
2.
4.(2)
27.
11.
2008
208 Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
4,06
5,81
8,13
14
6./17.
11.
2000
6,39
11
14.
10./11.
2001
5,81
10
16.
5./15.
2002
6,39
11
2003
17,44
30
4./18.
2004
16,86
29
23./27.
17./28.
6./8./9.(2)/ 10.(2)/ 12.(2)/ 13.(2)/ 19./20./21.
2005
13,95
24
14.
25.
2006
8,72
15
11.
18.
24.
2007
6,39
11
19.
2008
74 Die oberste Zeile der Tabelle bezeichnet das Jahr, die linke Spalte den Monat und die Zahlen in den Tabellenfeldern das genaue Tagesdatum, an dem der jeweilige Artikel erschienen ist. In Klammern ( ) ist die Zahl von Artikeln angegeben, die am selben Tag erschienen sind. Alle in diesem empirischen Teil untersuchten Artikel werden nicht mehr extra im Literaturverzeichnis angegeben.
%
10
Insgesamt: 172
7
20.
11.
13.
1999
Dezember
November
Oktober
1998
Datensammlung und Methode
209
210
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
• Grenzkontrollen, Strategien der EU bzw. der EU-Staaten zur Bekämpfung sowohl von irregulärer Migration als auch von Ursachen der Abwanderung, • Sensibilisierungskampagnen und Zusammenarbeit zwischen EU und afrikanischen Herkunfts- und Transitländern, • Kontrolle der Migrationsbewegungen durch Zusammenarbeit mit den wichtigsten nordafrikanischen Transitländern wie Algerien, Marokko und Libyen. »Süddeutsche Zeitung« Tabelle 14 veranschaulicht die Entwicklung der Berichterstattung über Migration aus Afrika in der »Süddeutschen Zeitung«. Im Vergleich zur FAZ weist die SZ eine sehr umfangreiche Berichterstattung zum Thema Migration aus Afrika auf. Die Artikelrecherche von 1998 bis 2008 ergibt insgesamt 221 Artikel, wobei die jährliche Verteilung sehr unterschiedlich ist. Hierbei ist zu erwähnen, dass die hohe Anzahl der Artikel in der SZ im Vergleich zu denen der FAZ mit der Behandlung von Themen wie Kriminalität, Abschiebung von Afrikanern in der Region Bayern und Gewalt gegen Afrikaner zusammenhängt. Allein die Berichte über die Fälle von Alberto Adriano75 aus Mosambik im Juni 2000 und von Oury Jallohs76 aus Sierra Leone im Januar 2005 erweisen sich als zahlreich. Beide Todesfälle in Dessau haben nicht nur Proteste hervorgerufen, sondern auch eine umfangreiche mediale Thematisierung. Zusammengefasst haben folgende Themen die Berichterstattung der »Süddeutschen Zeitung« im Hinblick auf die Migration von Afrika nach Europa zwischen 1998 und 2008 dominiert: • Kriminalität von Afrikanern, • Diskriminierung, Rassismus und Gewalt gegen Afrikaner,
75 Alberto Adriano war ein aus Mosambik stammender Fleischer, der 1980 als Vertragsarbeiter in die DDR geholt wurde. Er starb am 14. 06. 2000, nachdem die Neonazis ihn brutal in der Nacht vom 10. auf den 11. 06. 2000 angegriffen hatten. 76 Oury Jalloh, ein in Deutschland geduldeter Sierra-Leoner, kam am 07. 01. 2005 während des Brandes einer Zelle des Polizeireviers Dessau ums Leben. Laut Polizeibericht wurde er unter dem Einfluss von Alkohol und Kokain und nachdem er mehrere Frauen belästigt hatte bei einer Personenkontrolle der Polizei, festgenommen. Das Opfer sollte trotz seiner Fesselung die Matratze in Brand gesetzt haben und deswegen wurden die wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Polizisten vom Landgericht Dessau freigesprochen. Dieser Fall löste Empörung bei vielen Menschenrechtsorganisationen aus. Vgl. http://www.thevoiceforum.org/5_monate
Datensammlung und Methode
211
• Asylsuchende und Flüchtlinge, irreguläre Abwanderung, • Abschiebungen, • Leben und Integration von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland,77 • Asylpolitik und politische Maßnahmen zur Regulierung irregulärer Zuwanderung,78 • Zusammenarbeit mit den afrikanischen Herkunfts- und Transitländern, • Maßnahmen afrikanischer Herkunftsländer zur Kontrolle von Abwanderung, • Leben und Integration afrikanischer Menschen in anderen europäischen Nachbarländern,79 • Cap Anamur und das Projekt der Auffanglager für Flüchtlinge.
77 Hierbei wird insbesondere über den deutschen Nationalfußballspieler ghanaischer Herkunft, Gerald Asamoah, berichtet. SZ, 21. 03. 2001. 78 SZ, 26. 06. 2003. 79 Brüssel liefert durch das schwarze Viertel der kongolesischen Gemeinschaft, Matongué, ein interessantes Beispiel. SZ, 26. 08. 2003.
6.
April
3./8./25.
3./7./19.
Juli
August
September 5./9./17.
30.
Juni
Mai
23.
4./14./26.
Februar
März
8./12.
Januar
1998
11.
19.(2)/ 21./24.
16./23./31.
2001
11./13.
1./2./8./16./ 23./24.(2)/ 25./26./31.
4./12./24./ 26./27./31.
18.
20./31.
10./12./17. 15.(2)/28.
6./26./ 27./28.
6.
9./29.(2)
10.
2000
1./2./5.(2)/ 15./16./17. 7./26./29.
12./21./ 29./31.
30.
23./24.
1999
21.
31.
14.
16.
10.
2002
4.
26.
17.
24./25./ 26./30.
28.
13./22.
2003
2.(2)/4./18.
17./21./ 22./29.
4.
23./29.
14.
2004
2006
20./26./28.
29.
7.
7.
1.
12.
12./15.
18./21./31.
8./10.(2)/ 11./25.
1./16.
31.
8.
10./24./31. 5./21./26.
2005
Tabelle 14: SZ-Artikel zum Thema „Migration aus Afrika in die EU“ 1998 bis 200880
14./26.
3./17.
5./9./19./ 20./30.
12.
2.
2007
16./22.
5./13./
9./19.(2)/ 28./29.
28.
10./23.
16./22.
2008
212 Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
23
Insgesamt: 221
8,14
18
19,00
42
7.
3./8./21.
13./16./18./ 19./30.
2000
6,33
14
11.
2001
4,52
10
24.(2)
17./19./21.
2002
4,52
10
2003
6,78
15
3.
2./9.
2004
2006
12,21
27
3./19./25.
11,76
26
1./16./29.
23.
1./5.(5)/6./ 14./28.(2) 7.(2)/8./ 11./13./27.
2005
6,78
15
6./11.
24.
11.
2007
9,50
21
8./27./31.
1./6.(2)/9.
2008
80 Die oberste Zeile der Tabelle bezeichnet das Jahr, die linke Spalte den Monat und die Zahlen in den Tabellenfeldern das genaue Tagesdatum, an dem der jeweilige Artikel erschienen ist. In Klammern ( ) ist die Zahl von Artikeln angegeben, die am selben Tag erschienen sind.
10,40
5./8.(2)
Dezember
%
11.
3.
November
27.
12.
31.
1999
Oktober
1998
Datensammlung und Methode
213
214
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Abbildung 13 verdeutlicht die mediale Entwicklung der Thematisierung der afrikanischen Migration in den beiden deutschen Zeitungen (FAZ und SZ). Beide Kurven zeigen, dass sich die Berichterstattung im Laufe der Jahre unterschiedlich entwickelt hat. Ab 2004 nimmt die Berichterstattung in der FAZ zu (30 Artikel im Jahr 2004), während sich bei der SZ nur 15 Artikel (2004) mit der Thematik afrikanischer Abwanderung nach Europa beschäftigen. Über die gesamten 11 Jahre hinweg weist die SZ eine große Anzahl von Artikeln (221) auf. Was die FAZ anbelangt, ist die Anzahl der Berichte mit 172 Artikeln relativ gering. Es könnte daraus abgeleitet werden, dass konservative Zeitungen wie die FAZ insgesamt weniger über irreguläre Migranten berichten. Hervorzuheben ist, dass die SZ überwiegend auf die Region Bayern bezogene lokale Nachrichten über afrikanische Migranten veröffentlicht, während die FAZ mehr Hintergrundinformationen über die Ursachen und Folgen der Abwanderung gibt. Abbildung 13: Anzahl der Artikel der FAZ und der SZ im Vergleich
Daraus ist abzuleiten, dass bestimmte Migrationsereignisse die oben dargestellten Themenschwerpunkte beeinflusst haben. Aus diesem Grund wird das Korpus für die Deutungsmusteranalyse anhand relevanter Ereignisse festgelegt. Solche Ereignisse sollten den Umgang mit Migration sowohl in Senegal als auch in Deutschland medial geprägt haben.
Datensammlung und Methode
215
6.2.6.2 Das senegalesische Sample Das Datenkorpus senegalesischer Zeitungen liegt leider nur begrenzt in digitalisierter Form vor. Für die Auswahl der Artikel bedeutet dies, dass unter Umständen nicht alle interessanten Artikel gefunden und berücksichtigt werden konnten. Aufbauend auf diese Erkenntnis lassen sich die Artikel nur schwer quantifizieren. Die analysierten Artikel entsprechen nicht unbedingt der tatsächlichen Anzahl von Berichterstattungen und sagen nur bedingt etwas über die quantitative Entwicklung der medialen Thematisierung der Abwanderung aus Afrika nach Europa aus.81 »Walfadjri« Die Artikelrecherche in »Walfadjri« ergibt insgesamt 40 relevante Artikel von 2000 bis 2008 (vgl. Tabelle 15). Die Berichterstattung des Jahres 2006 ist im Vergleich zu anderen Jahren sehr umfangreich und entspricht mehr als der Hälfte aller Artikel, d. h. 52,5 % (21 Artikel). Senegal gilt sowohl als Entsende- als auch als Transitland für Migrationswillige aus anderen Ländern Westafrikas, die über die kanarischen Inseln nach Europa gelangen wollen. Senegal ist aufgrund dieser Betroffenheit in vielen internationalen Vereinbarungen und Projekten zur Steuerung der Migration miteinbezogen. Darüber hinaus ist die Thematik der Abwanderung von besonderer Bedeutung bei den senegalesischen Medien. Mit der Zunahme der undokumentierten Migration über den Seeweg nach Europa steigt in Senegal die Aufmerksamkeit für die Abwanderung sowohl in gesellschaftlich-politischen Debatten als auch in der medialen Berichterstattung. Deswegen behandelt eine große Anzahl der Artikel die Kategorie »irreguläre Migranten« und die Maßnahmen des senegalesischen Staats sowie die Vereinbarungen und die Zusammenarbeit zwischen der EU, einzelnen EU-Staaten und Senegal.
81 Aufgrund der schlechten Qualität der Kopien sind einige Zeitungsartikel aus Senegal ohne Seitenangaben.
10.
5,00
2
5,00
2
26.
5 12,5
10,00
4
3./26.
6.
7,5
3
27.
52,5
21
18./21./30.
5,00
2
27.
22.
2007
2,5
1
29.
2008
82 Die oberste Zeile der Tabelle bezeichnet das Jahr, die linke Spalte den Monat und die Zahlen in den Tabellenfeldern das genaue Tagesdatum, an dem der jeweilige Artikel erschienen ist. In Klammern ( ) ist die Zahl von Artikeln angegeben, die am selben Tag erschienen sind.
%
Insgesamt: 40
Dezember
November
Oktober
September
August
4./27.
19.(2)/21.(2)/ 22.(2)/25./28.(2)
14./28.
2006
Juli
5/12
2005
1./7./22.(2)/23.
21.
2004
Juni
Mai
25.(2)
April
11.
2003
6./26.
13./23.
2002
März
Februar
Januar
2000
Tabelle 15: »Walfadjri«-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 2000 bis 200882
216 Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Datensammlung und Methode
217
»Sud Quotidien« Die Artikelrecherche in »Sud Quotidien« ergibt insgesamt 51 Artikel von 2000 bis 2008 (vgl. Tabelle 16). Umfangreich ist die Berichterstattung der Jahre 2006 und 2008. Allein im Jahre 2008 sind 26 Artikel über die Migration aus Afrika in die EU zu registrieren. Diese bilden 50,98 % der ausgewählten Artikel.83 An zweiter Stelle folgt das Jahr 2006 mit 16 Artikeln (31,37 %). »Le Soleil« Insgesamt wurden bei »Le Soleil« 88 Zeitungsartikel zwischen 2001 und 2008 ausgewählt (vgl. Tabelle 17). Dieser im Vergleich zu anderen senegalesischen Zeitungen (»Walfadjri« und »Sud Quotidien«) große Umfang der Berichterstattung ist nicht nur auf die historische Bedeutung von »Le Soleil« in Senegal und ihre Informationsqualität zurückzuführen, sondern auch auf die bessere Archivierung und Digitalisierung ihrer Artikel. Die Berichterstattung des Jahres 2006 nimmt einen prominenten Platz mit 28 Artikeln (31,8 %) ein. Eine Steigerung der Berichterstattung im Laufe der Jahre ist festzustellen. Dieser besondere Fokus auf die afrikanischen Migranten sowohl bei »Le Soleil« als auch bei »Walfadjri« und »Sud Quotidien« ist u. a. mit der Zunahme von nicht dokumentierten afrikanischen Migranten zu erklären, die versuchen Europa über den Seeweg zu erreichen. Aber auch die wachsende Zusammenarbeit zwischen Senegal und den europäischen Staaten, was die Finanzierung von Grenzkontrollen, die Abschiebung von Senegalesen und Sensibilisierungskampagnen gegenüber irregulärer Migration anbelangt, rückt immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit.
83 Die umfangreichen Berichterstattungen von 2008 könnten u. a. mit dem besseren Zugang zu den Archiven von 2008 durch das Internet erklärt werden.
218
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Tabelle 16: »Sud Quotidien«-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 2000 bis 200884 2000
2004
2005
Januar
2006
2007
2008
6.
Februar März
5.
15./16.
April
2./5.(2)/ 9./10.
Mai
16./26.(10)
8./26./28.
Juni
6./28.
Juli
10.
10./16./ 17./31.
August
3.
22.(2)
September
27.
24.
Oktober
4./11./18.
13.(2)/27.
13./22./28.
5.
3./25./28.
November
8.
Dezember
21.
Insgesamt: 51
3
1
4
16
1
26
5,88
1,96
7,84
31,37
1,96
50,98
%
13.
84 Die oberste Zeile der Tabelle bezeichnet das Jahr, die linke Spalte den Monat und die Zahlen in den Tabellenfeldern das genaue Tagesdatum, an dem der jeweilige Artikel erschienen ist. In Klammern ( ) ist die Zahl von Artikeln angegeben, die am selben Tag erschienen sind.
219
Datensammlung und Methode
Tabelle 17: »Le Soleil«-Artikel zum Thema »Migration aus Afrika in die EU« von 2001 bis 200885 2001
2007
2008
Januar
20.
21.
Februar
6./7.
4./24.
März
2003
2005
5.
April Mai
14.(2)
Juni Juli
25.
30.
September Oktober
November
21.(2)
Dezember
%
31.
30.
24.
10./26./27.
9./17./19./20. (2)/26./27./31. (2)
12./29.
2./8./10. 13.
29.
25.
5./11./13./21.
19.
9./10./11.
3./9./11./ 14./22.
9.
12./13./19.
21./28.
16./26.
6.(2)/28.
3./5./6./9./ 10.(2)/11.(3)/ 14./18./19./ 21./23./27./ 28./29.
7.
11./30.
29.
20.
6.
27.
1./10./22.
1.
August
Insgesamt: 88
2006
3
4
24
28
17
12
3,40
4,54
27,27
31,81
19,31
13,63
85 Die oberste Zeile der Tabelle bezeichnet das Jahr, die linke Spalte den Monat und die Zahlen in den Tabellenfeldern das genaue Tagesdatum, an dem der jeweilige Artikel erschienen ist. In Klammern ( ) ist die Zahl von Artikeln angegeben, die am selben Tag erschienen sind.
220
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Abbildung 14: Artikelanzahl der senegalesischen Zeitungen im Vergleich
Die Deutungsmuster, die die Wahrnehmung und die Darstellung der Migration beeinflussen, sind je nach den Gesellschaften und Ländern unterschiedlich. Aus Sicht des Herkunfts- und Transitlandes ist Senegal von der afrikanischen Migration nach Europa anders betroffen als Deutschland, das als Aufnahmeland gilt. Die Interessen und Strategien, Gewinne, Verluste, Ursachen und Folgen der Migration sind in Senegal oder Deutschland bzw. in Afrika oder der EU unterschiedlich zu bewerten. Ausgehend von der Annahme, dass eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Medien besteht, lässt sich die Frage stellen: Welche wichtigen Migrationsgeschehnisse finden eine Thematisierung in senegalesischen Zeitungen? Die Auswertung der Artikel aus den drei senegalesischen Tageszeitungen lässt folgende Schwerpunkte erkennen, die die Berichterstattung über Abwanderung dominieren: • Abenteuer und Misserfolge von nicht-dokumentierten Migrationswilligen, • Vereinbarungen zwischen Senegal und der EU bzw. den EU-Staaten, • Steuerungsmaßnahmen Senegals, • Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung und Vorbeugung von irregulärer Abwanderung und Sensibilisierungsprogramme, • Integration und Probleme von senegalesischen bzw. afrikanischen Migranten in den EU-Ländern,
Datensammlung und Methode
221
• irreguläre Abwanderung von Senegalesen und anderen Menschen aus SSA und deren Odyssee auf dem Seeweg zu den kanarischen Inseln, • Maßnahmen der EU-Länder und der EU und Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern, • Abschiebung von senegalesischen oder afrikanischen Flüchtlingen und irregulären Migranten aus Europa, • Kritik an der französischen Migrationspolitik »immigration choisie«, • Leben und Integration von Menschen afrikanischer Herkunft in Europa, • Diskriminierung, Kriminalität, Gewalt von Afrikanern oder gegen Afrikaner, • Determinanten von Abwanderung. 6.2.7
Zwischenfazit
Die quantitative Auswertung von Artikeln zeigt, dass in den deutschen Zeitungen zwischen 1998 und 2003 im Rahmen der Berichterstattung über Menschen afrikanischer Herkunft besonders Berichte über Afrikaner als Täter oder Opfer von Gewalt, Asylsuchende, Flüchtlinge und Abgeschobene dominieren. Die »Süddeutsche Zeitung« bestätigt diese Tendenz in ihren regionalen Nachrichten. Jedoch führt die Zunahme afrikanischer Flüchtlinge, die an den südlichen Küsten Europas landen, zu einer starken medialen Auseinandersetzung mit der Kategorie »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge«. Auch die FAZ berichtet in ihrer internationalen Rubrik zunehmend über diese Kategorie und die daraus resultierende Debatte der europäischen Aufnahmeländer über Einwanderer aus Afrika. In den senegalesischen Berichten dominiert die Perspektive des Herkunftslandes. Die »illegale« Abwanderung findet hohe Aufmerksamkeit, aber auch Maßnahmen der Regierung von Senegal sowie der EU-Länder. Im Vergleich zu den deutschen Zeitungen, die die nationalen Regierungsmaßnahmen der afrikanischen Länder wenig thematisieren, berichten die senegalesischen Zeitungen sowohl über die afrikanischen Programme als auch über die europäischen politischen Maßnahmen zur Steuerung der Einwanderung und die Schwierigkeiten der EU, eine gemeinsame Einwanderungspolitik zu entwickeln. Durch die quantitative Auswertung können erste Hinweise über die dargestellten Kategorien und Migrationsereignisse, die sich in Deutschland sowie in Senegal als relevante mediale Themen erweisen, identifiziert werden. Die Frage, die im folgenden Kapitel zu behandeln ist, ist welche Kategorien der Migration aus den Ländern Afrikas südlich der Sahara thematisiert werden. Welche Akzente setzen die deutschen Zeitungen aus der Sicht des Aufnahmelandes und Senegal aus der Sicht des Herkunftslandes?
222 6.3
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
Hierbei sollte eine adäquate Methode (qualitative Inhaltsanalyse) zur Auswertung der vorhandenen Zeitungsartikel über das Forschungsthema gewählt werden. Aufbauend auf die folgenden Fragestellungen, die die Arbeit leiten, wird für die Kodierung des vorhandenen Korpus (572 Artikel) das »Verfahren kontrollierter Kategorienbildung«86 angewendet: Welche Typen von afrikanischen Migranten werden in den Medien konstruiert und wie werden ihre Migrationswege nach Europa dargestellt? Welchen Stellenwert nimmt die Integration von Migranten afrikanischer Herkunft in den europäischen Zuwanderungsgesellschaften in den Medien ein? Welche Reaktionen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft werden vermittelt? Nach Bernd Reinhoffer können die Kategorien in der qualitativen Inhaltsanalyse entweder induktiv direkt aus dem Material gewonnen oder aber deduktiv formuliert werden. […] Weiter können Kategorien aus empirisch bereits abgesicherten Theorien bzw. Theorieteilen abgeleitet werden.87
Bei der deduktiven Kategorienbildung kann auf Theorien oder Theorieteile zurückgegriffen werden, um die Kategorien zu bilden.88 Diese Vorgehensweise bietet zwar »die Chance größtmöglicher Systematik und regelgeleiteten Vorgehens«, ihr könnte aber eine gewisse Offenheit fehlen.89 Das heißt, dass manche Kategorien, die nicht in den theoretischen Ausführungen festgelegt wurden, nicht berücksichtigt werden können. Wenn einige Aspekte außer Acht gelassen werden, kann die Offenheit der Methode beeinträchtigt werden. Um solche Mängel zu vermeiden, ist eine Ergänzung von deduktiven Ansätzen mit induktiven Vorgehensweisen zu empfehlen. Die induktiven Ansätze gehen vom Material aus und ermöglichen mehr Interpretationen.90 Um die Möglichkeiten der beiden Vorgehensweisen (deduktive und induktive Vorgehensweise) zu nutzen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Kombination von deduktiver und induktiver Kategorienbildung vorgenommen. Durch eine solche Kombination »lassen sich die Vorteile der jeweiligen Vorgehensweise
86 87 88 89 90
Keller 1997, S. 327. Reinhoffer 2005, S. 125. Mehr zur theoriegeleiteten Kategorienbildung: Früh 1991, S. 132–134. Reinhoffer 2005, S. 127. Mehr zur induktiven Kategorienbildung: Früh 1991, S.135–140.
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
223
einbinden.«91 So können die größtmögliche Systematik, das regelgeleitete Vorgehen (der deduktiven Kategorienbildung), die Offenheit und die größtmögliche Varianz in der Interpretation von Daten und Aussagen (der induktiven Kategorienbildung) erzielt werden. Infolgedessen empfiehlt Früh92 ein gemischtes theorieund empiriegeleitetes Vorgehen. Dieses Vorgehen vereinbart die Konstruktebene (Forschungsfrage) und die Objektebene (Textmaterial). Mit der Konstruktebene repräsentieren die Kategorien ein theoretisches Gliederungsprinzip und mit der Objektebene eine Identifizierungs- und Klassifizierungsstrategie. Um die Fragen, welche Typen von Migranten, Erfahrungen und Maßnahmen zur Regulierung der Migration aus Afrika in den deutschen und senegalesischen Zeitungen thematisiert werden, methodisch beantworten zu können, wurde anhand der aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse und der zu untersuchenden Zeitungsartikel ein Kategoriensystem entwickelt. Ein solches Kategoriensystem zielt darauf ab, die zeitliche Entwicklung des medialen Umgangs mit der Migration aus Afrika systematisch zu erfassen und Themenschwerpunkte der herrschenden Diskurse zu identifizieren. Im Folgenden werden Kategorien und Unterkategorien erläutert, die sich aus den deduktiven und induktiven Ansätzen entwickelt haben: Tabelle 18: Kategorien und Unterkategorien Migrantentypen
Integration
Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
• Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge • berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte • Frauen • Minderjährige
• Afrikaner als Täter • Afrikaner als Opfer • weder Täter noch Opfer
• Staat • Wirtschaft • Gesellschaft
91 Reinhoffer 2005, S. 133. 92 Früh 1991, S. 132.
224
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Kategorie »Migrantentypen« Folgende Unterkategorien sind der Kategorie »Migrantentypen« zuzuordnen: »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge«, »berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte«, »Frauen« und » Minderjährige«. Die Artikel werden der Kategorie »Migrantentypen« je nach politischem Status, Qualifikation, Profession und Geschlecht des Migranten zugeordnet. Diese Kategorisierung erfolgt anhand des Analysematerials (Zeitungsartikel) und der Analyse afrikanischer Migrantentypen mit ihren in den Medien konstruierten und dargestellten Abwanderungswegen. Ein Artikel wird dieser Kategorie zugeordnet, wenn in ihm hauptsächlich über bestimmte Migrantentypen wie Asylbewerber, irreguläre Migranten und Flüchtlinge,93 Frauen oder Minderjährige berichtet wird. Sowohl im alltäglichen Diskurs als auch in einigen medialen und politischen Debatten wird zwischen Asylbewerber, Asylberechtigtem, Flüchtling, geduldetem und irregulärem Migranten kein klarer Unterschied gemacht. Der Status dieser Migrantengruppe ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Deutung oft mit »Illegalität« und »Gefahr« verbunden. Deshalb ist die Gruppe »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« als eine Unterkategorie von »Migrantentypen« zu behandeln und umfasst somit auch alle afrikanischen Migranten, die über keinen klaren Status oder eine Aufenthaltsgenehmigung in den EU-Einwanderungsgesellschaften verfügen. Artikel, die der Unterkategorie »Frauen« zugerechnet werden, berichten nicht nur von einer bestimmten afrikanischen Frau oder Frauen in der Migration, sondern thematisieren auch frauenspezifische Aspekte der Migration. Wenn z. B. von einer Asylbewerberin gesprochen wird, wird der Artikel der Unterkategorie »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« zugeordnet. Aber wenn es sich um eine Asylbewerberin handelt, die aufgrund ihrer geschlechtsspezifischen Situation z. B. im Zusammenhang mit Beschneidung, Frauenhandel, Gewalt gegen Frauen oder Unterdrückung das Migrationsgeschehen anders erlebt als ein Mann, dann wird der Artikel der Kategorie »Frauen« zugeordnet.
93 In der Literatur und in vielen Artikeln werden die Bezeichnungen »Illegale« und »Flüchtlinge« im selben semantischen Feld gebraucht. Was die »irregulären« Migranten betrifft, die die nordafrikanischen Grenzen überqueren, bezeichnen viele Artikel diese Migranten mal als »Illegale«, mal als »Flüchtlinge«. Auch Sophie Westermann stellt diese durchlässige Trennlinie zwischen irregulären Migranten und Flüchtlingen fest. Vgl. Westermann 2009, S. 11.
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
225
Kategorie »Integration« Welche spezifischen Erfahrungen machen afrikanische Einwanderer, welchen Integrationshürden begegnen sie und wie wird dies medial vermittelt? Eine erfolgreiche Integration von Einwanderern ist nicht nur stark mit ihrer Integrationsbereitschaft verbunden, sondern auch mit den Rahmenbedingungen und Infrastrukturen der Aufnahmegesellschaft. Weiterhin spielen auch die Hintergründe und Erfahrungen, die die Migranten mitbringen, eine wesentliche Rolle. Zur Kategorie »Integration« werden alle Artikel gezählt, in denen die relevanten Themen des Lebens, Aktivitäten und Erfahrungen afrikanischer Migranten in Deutschland oder in einem EU-Land behandelt werden. Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« Mit der Zunahme irregulärer Abwanderung aus Afrika nach Europa über den Seeweg dominiert im europäischen Migrations- und Sicherheitsdiskurs die Debatte über die Regulierung und Bekämpfung irregulärer Einwanderung. Bei der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« werden Artikel berücksichtigt, in denen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Argumentationsstränge im Zusammenhang mit der Migration aus SSA dargestellt werden. In vielen Artikeln werden diese drei komplexen Argumentationsstränge verbunden. Als »Reaktionen vom Staat« auf Migration aus Afrika werden diejenigen Artikel berücksichtigt, in denen politische Maßnahmen von Staaten zur Regulierung, Bekämpfung oder Förderung der Migration erörtert werden. Es sind z. B. Artikel, die über politische Initiativen, Projekte oder Vereinbarungen zwischen der EU, einem EU-Staat und einem afrikanischen Land oder einer Organisation berichten. Des Weiteren werden auch mediale Debatten der politischen Entscheidungsträger dieser Kategorie zugeschrieben. Als wirtschaftliche Reaktionen gilt die Berichterstattung, in der eine Rückkopplung zwischen Migration und Arbeitsmarkt oder zwischen Produktion und wirtschaftlichem Wettbewerb dargestellt wird, sowie die Reaktionen von Unternehmen, der ILO (International Labour Organisation) oder wirtschaftlichen Institutionen wie der Welthandelsorganisation (WTO). Zur Unterkategorie »Gesellschaft« werden Artikel gezählt, die sich mit den Reaktionen der politischen Parteien und der Zivilgesellschaft auf die Migration z. B. durch NRO, bürgerliche Initiativen, Expertenmeinungen oder bürgerliche Proteste auseinandersetzen.
226
6.3.1
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Ergebnisse der untersuchten Kategorien und Unterkategorien nach Häufigkeiten
Die quantitative Auswertung der ausgewählten Zeitungsartikel aus Deutschland und Senegal, die sich mit der Migration aus Afrika zwischen 1998 und 2008 beschäftigten, führt zu folgenden Ergebnissen. 6.3.1.1 Die deutschen Zeitungen Die Forschungsfrage, wie die ausgewählten deutschen Zeitungen über die Migration aus Afrika in die EU berichten, wird im Folgenden untersucht, indem anhand der Artikel aus der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und der »Süddeutschen Zeitung« thematische Kategorien erstellt werden. »Frankfurter Allgemeine Zeitung« Insgesamt führt die Auswertung der Artikel aus der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, die zwischen 1998 und 2008 über die Zuzüge aus Afrika in die EU berichteten, zur folgenden Klassifizierung: 80 Artikel werden der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« zugeordnet. Als zweitgrößte Kategorie folgt »Migrationstypen« mit 64 Artikeln. Die Kategorie »Integration« steht an der dritten Stelle mit 37 Artikeln.
1 1
Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge
berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte
1
Staat
1
1
2
1
1
4
6
6
21
24
8
8
172 Artikel wurden mehrfach verschiedenen Unterkategorien zugeordnet.
1
1
5
5
1
1
2
1
2
3
Gesellschaft
3
1
2
2
5
4
2
6
2
2
3
2
5
1
8
2
1
3
Wirtschaft 1
2
Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft 3
2
1
weder Täter noch Opfer
2 1
2
Afrikaner als Täter
5
1
1
1
3
Afrikaner als Opfer
3
Integration
Minderjährige
Frauen
2
Migrantentypen
2
8
10
1
1
2
1
18
19
1
3
16
20
1
1
1
1
4
6
1
8
9
1
1
1
5
6
3
3
4
1
1
6
2
2
6
6
68
80
15
11
11
37
3
13
48
64
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Gesamt
Tabelle 19: Kategorien und Unterkategorien der FAZ-Artikel
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
227
228
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Abbildung 15: Alle Unterkategorien der FAZ-Artikel FAZ: Unterkategorien von »Migrantentypen« )UDXHQ
EHUKPWH 3HUV|QOLFK NHLWHQXQG +RFK TXDOLIL]LHUWH
0LQGHUMlKULJH
,UUHJXOlUH$V\O VXFKHQGHXQG )OFKWOLQJH
FAZ: Unterkategorien von »Integration« $IULNDQHUDOV 7lWHU
ZHGHU7lWHU QRFK2SIHU
$IULNDQHUDOV 2SIHU
FAZ: Unterkategorien von »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« *HVHOOVFKDIW :LUWVFKDIW
6WDDW
Bei den FAZ-Artikeln der Kategorie »Migrantentypen« lässt sich feststellen, dass die Unterkategorie »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« mit 48 von 64 Artikeln, d. h. etwa 75 %, stark repräsentiert ist. Die hohe Zahl der Berichte über Flüchtlinge und nicht-dokumentierte Migranten könnte mit der Zunahme von »illegalen« Auswanderern aus SSA, die versuchen Spanien und Italien über den Seeweg zu erreichen, erklärt werden. Dieser Migrantentypus rückt immer mehr in
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
229
den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit, insbesondere ab 2003. In vielen Überschriften der FAZ werden die erklärten europäischen Ziele der Einwanderungspolitik wie z. B. die Abschottung gegenüber unerwünschter Zuwanderung und der Kampf gegen »illegale Einwanderung« reproduziert. Grenzkontrollen und Fahndungsoperationen im Mittelmeer wie z. B. die Operation »Odysseus« zur Abwehr gegen afrikanische Flüchtlinge werden besonders thematisiert.94 Im Jahr 2005 erweist sich die Berichterstattung mit 18 Artikeln als sehr umfangreich. Im Laufe des Untersuchungszeitraums nimmt das mediale Interesse an den »Seeflüchtlingen« zu.95 Es ist zu anzunehmen, dass die Ereignisse um die Hilfsorganisation Cap Anamur vom Juni 2004 und die darauf folgenden Anklagen gegen die zuständigen Kapitäne einen wichtigen Beitrag zur Mediatisierung des damaligen Flüchtlingsdramas beigetragen haben. Bei den Artikeln der FAZ ist eine inkonsequente Verwendung der Ausdrücke »Flüchtlinge«,96 »Wirtschaftsflüchtlinge«, »Seeflüchtlinge«, »Asylsuchende«, »Asylbewerber«, »Illegale« und »Irreguläre« zu notieren. Die Flüchtlinge im CapAnamur-Fall stammten, laut den italienischen Behörden, nicht aus den afrikanischen Ländern, wo kriegerische Auseinandersetzungen herrschen (wie z. B. Sierra Leone, Kongo und Sudan) und galten deswegen nicht als Asylberechtigte. Betrachtet man jedoch die Entwicklungsdifferenzen und das Wohlstandsgefälle zwischen der Herkunftsregion Afrika und der angestrebten Zielregion Europa, dann ist davon auszugehen, dass Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Governance sowie Naturkatastrophen die Push-Faktoren sind, die diese Menschen zur Abwanderung bewegt haben. Solche Fakten werden jedoch in der Berichterstattung unzureichend analysiert.97
94 FAZ, 29. 01. 2003, S. 9. 95 FAZ, 03. 06. 2003, S. 6. 96 Ein Flüchtling ist jemand, der wegen Krieg oder politischer Verfolgung seine Heimat verlässt bzw. verlassen muss. Ihm kann Asyl gewährt werden, wenn seine Verfolgung bewiesen wird. Er kann auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer verfolgten Minderheit als Flüchtling gelten. Er wird als politischer Flüchtling oder aufgrund von körperlicher Gefährdung durch den Krieg als Kriegsflüchtling anerkannt. 97 Da Wirtschaftsflüchtlinge in den Zuwanderungsländern vom Gesetz nicht als Asylberechtigte anerkannt werden, weigern sich diese Auskunft über ihre Herkunft bzw. Identität zu geben. Man spricht von »Asylmissbrauch«. Diese Menschen, die durch Armut und Not zum Auswandern getrieben werden, werden in einigen Artikeln als »Armuts-« bzw. »Wirtschaftsflüchtlinge« bezeichnet.
230
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
In einigen Artikeln werden Erfahrungen der Migranten vermittelt, wie die Geschichte von einem Abwanderungswilligen aus Nigeria, Brice, auf dem Weg nach Europa. Seine Träume und seine Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa werden thematisiert: »Komfortables Leben, schöne Kleidung, Arbeit und die Möglichkeit, sich etwas aufzubauen.«98 Die Ankunft von Afrikanern wird mit sensationellen Bildern und Metaphern des »Ansturms«, des »Zustroms« und des »fließenden Wassers«, das Europa überschwemmt, gedeutet: Diese Afrikaner bleiben nicht in Ceuta. Sie bilden einen Menschenstrom, der von Süden kommt, sich eine Weile in der Enklave staut und schließlich über die Meerenge nach Norden fließt. Sein Ziel ist die ›Peninsula‹, das spanische Festland.99
Schapendonk und van Moppes stellen eine Dramatisierung der Einwanderung aus Afrika durch manche Zeitungen und Politiker fest.100 Diese Befürchtung, von irregulären Afrikanern »überschwemmt« zu werden, findet in der Berichterstattung der FAZ einen überspitzten Vergleich mit der Angst vor Terrorismus. So lautet eine Diagnose in Bezug auf Spanien: »Auf der Sorgenliste der Spanier ist die unkontrollierte Einwanderung schon vor dem baskischen und islamistischen Terrorismus auf einen Spitzenplatz geklettert.«101 Wie von Nuscheler festgestellt, werden Migranten aus Afrika als »Transporteure von tropischen Krankheiten« wahrgenommen.102 Diese Annahme lässt sich auch durch den medialen Umgang der FAZ mit den Einwanderern aus Afrika bestätigen: Die ›Cayucos‹, die oft voller Fäkalien, schmutziger Kleider und verdorbener Lebensmittel in die Häfen geschleppt werden, gelten vielen als neue potentielle Quelle ansteckender Krankheiten, von der Krätze bis zum Gelbfieber.103
Des Weiteren wird über Sportler berichtet. Im Gegensatz zu anderen Migrantentypen wie Frauen oder bekannten Persönlichkeiten treten regelmäßig Fußballspieler afrikanischer Herkunft, die in den deutschen bzw. europäischen Mann98 FAZ, 11. 11. 1998, S. 13. 99 FAZ, 11. 11. 1998, S. 13. 100 »Although the number of sub-Saharan migrants is increasing in Europe, it is still a fraction of total European immigration. Nevertheless, some newspapers and politicians suggest that an invasion of black African immigrants is taking place.« Vgl. Schapendonk/Van Moppes 2007, S. 3. 101 FAZ, 24. 08. 2006, S. 6. 102 Nuscheler 2004, S. 23. 103 Wieland 2006, S. 3.
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
231
schaften spielen, in der Berichterstattung auf. Gerald Asamoah z. B., der erste deutsche Nationalfußballspieler afrikanischer Abstammung (Ghana), wird in einigen Artikeln porträtiert. In gewisser Hinsicht symbolisiert er ein beispielhaftes Integrationsvorbild. Der Kategorie »Integration« werden insgesamt 37 Artikel zugeordnet. Damit wird die Integration von Afrikanern in Deutschland relativ selten thematisiert. Auch den Straf- und Gewalttaten von oder gegen afrikanische Migranten wurde nur relativ geringere Beachtung geschenkt. Dies könnte zum Teil die aus einem afrikanischen Blickwinkel heraus aufgestellte These widerlegen, dass afrikanische Migranten in den deutschen Medien vorwiegend im Zusammenhang mit Straftaten und misslungener Integration dargestellt werden. Die Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« ist die dominanteste Kategorie in der Berichterstattung der FAZ mit 46,52 %, wobei überwiegend über Regulierungsmaßnahmen der Staaten berichtet wird. Dabei handelt es sich um politische Steuerungen, die darauf abzielen, die Einwanderung aus Afrika zu regulieren und zu begrenzen. Italien und Spanien, EU-Grenzstaaten, die aufgrund ihrer Nähe zu Nordafrika und ihrer früheren umfangreichen Einbürgerungen von irregulären Einwanderern (Italien 2002, Spanien 2005)104 für Migrationswillige besonders anziehend geworden sind, geraten im Vergleich zu anderen EU-Staaten stärker in den Fokus des medialen Interesses. Auch Vereinbarungen und die Zusammenarbeit zwischen EU-Staaten und afrikanischen Herkunfts- und Transitländern wie Libyen, Marokko, Algerien, Senegal und Mauretanien werden häufig thematisiert. Die Unterkategorien »Wirtschaft« und »Gesellschaft« sind mit jeweils 6 Artikeln unterrepräsentiert. Reaktionen aus der Wirtschaft sind bislang zurückhaltend. Auch wenn manche Bereiche der Wirtschaft der europäischen Länder, vor allem die Landwirtschaft in Spanien und der Baubereich in vielen EU-Staaten auf billige Arbeitskräfte und auf Zuwanderung angewiesen sind, wird über Reaktionen und Forderungen in Bezug auf die Rückkopplung zwischen Einwanderung und Wirtschaft kaum berichtet. Die geringe mediale Resonanz der Wirtschaft lässt vermuten, dass in der Berichterstattung der FAZ der wirtschaftliche Bedarf bzw. Nicht-Bedarf an Einwanderern weniger Gehör findet als der Bedarf der politischen Akteure.
104 Schapendonk/Van Moppes 2007, S 11.
232
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Gesellschaftliche Reaktionen auf die Migration aus SSA sind vielfältig. Berichtet wird z. B. über Proteste gegen die Diskriminierung von Migranten und die »ungerechte« Migrationspolitik der europäischen Aufnahmeländer. Dass die FAZ über solche Proteste berichtete, kann als Indikator für das Ausmaß solcher Aktionen gewertet werden. Hierbei ist es methodisch relevant, zu erwähnen, dass die Trennlinie zwischen den Reaktionen der Staaten und denen der Wirtschaft in vielen Artikeln kaum eindeutig ist. Politische und wirtschaftliche Argumente werden oft verknüpft und vermischen sich. Aus diesem Grund wurden einige Artikel gleichzeitig mehreren Unterkategorien von »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« zugeordnet. Es ist davon auszugehen, dass »Qualitätszeitungen« seriöse Analysen und Hintergrundinformationen liefern und nicht nur Vorurteile gegen bestimmte Gruppen reproduzieren. Inwiefern lässt sich diese Annahme durch die FAZ-Berichterstattung über Migration aus Afrika in die EU bestätigen? Liefert diese »Qualitätszeitung« durch die Artikel, die der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« zugeordnet werden, ausgewogene Hintergrundanalysen über die Bestimmungsfaktoren der Migration in Afrika und Europa? Weiter unten wird diesen Fragen anhand der qualitativen Deutungsmusteranalyse nachgegangen. »Süddeutsche Zeitung« Die Artikel der »Süddeutschen Zeitung« von 1998 bis 2008 über die Abwanderung aus Afrika nach Europa lassen sich in drei Kategorien und deren Unterkategorien wie folgt einteilen:
2 1 1
Afrikaner als Täter
Afrikaner als Opfer
weder Täter noch Opfer
4
9
2
11
13
3
3
1
7
8
27
2
29
2
2
2
1
6
1
8
1
4
5
1
1
1
2
2
5
1
6
7
1
1
2
2
2
1
1
1
1
1
2
5
3
7
10
Gesamt: 221 Artikel (4 Artikel wurden mehrfach verschiedenen Unterkategorien zugeordnet.)
Gesellschaft
Wirtschaft
Staat
13
4
Integration
Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
1
Minderjährige
1
1
1
3
4
Frauen
1
5
2
5
Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge
2
berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte
6
Migrantentypen
2
17
19
3
1
4
3
2
5
1
2
16
19
1
2
3
1
3
4
1
1
6
8
1
1
2
1
6
7
3
1
5
9
4
4
4
8
12
18
5
90
113
6
48
7
61
7
4
13
33
57
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Gesamt
Tabelle 20: Kategorien und Unterkategorien der Artikel der SZ
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
233
234
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Abbildung 16: Alle Unterkategorien der Artikel der SZ SZ: Unterkategorien von »Migrantentypen« 0LQGHUMlKULJH )UDXHQ
EHUKPWH 3HUV|QOLFK NHLWHQXQG +RFKTXDOLIL]LHU WH
,UUHJXOlUH$V\O VXFKHQGHXQG )OFKWOLQJH
SZ: Unterkategorien von »Integration« ZHGHU7lWHU QRFK2SIHU
$IULNDQHUDOV 7lWHU
$IULNDQHUDOV 2SIHU
SZ: Unterkategorien von »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« *HVHOOVFKDIW :LUWVFKDIW
6WDDW
Die Verteilung der Artikel über die Migration aus Afrika aus der SZ zwischen 1998 und 2008 zeigt, dass überwiegend die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reaktionen zur Steuerung der Einwanderung behandelt werden. Die Zahl der Artikel der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« liegt bei 113, wobei sich die Unterkategorie »Staat« mit 90 Artikeln als sehr umfangreich erweist. Dieses hohe Auftreten bestätigt die Annahme einer Wech-
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
235
selwirkung zwischen Politik und Medien. Diese Wechselwirkung lässt hier annehmen, dass die hohe Thematisierung der staatlichen Reaktionen mit den starken politischen Interessen und den daraus resultierenden Programmen und Projekten zu erklären ist. Trotz der Herausforderungen in Zeiten der Globalisierung ist der Staat immer noch der wichtigste »Stakeholder«, also der Entscheidungsträger und Hauptverantwortliche der Einwanderung, der über die Gesetze und Bestimmungen zu Einreise, Aufenthalt und Integration entscheidet. Dabei dienen die Medien in gewissem Maße als Legitimation für politische Entscheidungen. Weiter wird bei der qualitativen Diskursanalyse überprüft, inwiefern die Auseinandersetzungen, Maßnahmen und Vereinbarungen sowohl von europäischen Zuwanderungsländern als auch von afrikanischen Herkunftsstaaten für die Agenda von Medien bestimmend sind. Es ist hervorzuheben, dass das Thema »irreguläre Migration« in der SZ im Mittelpunkt der Vermittlung staatlicher Reaktionen steht. Wenig thematisiert werden die Regulierung legaler Einwanderung und die Migration von gut ausgebildeten Arbeitskräften aus Afrika. Auch wenn die legale Einwanderung im Zusammenhang mit politischen Migrationssteuerungen auftritt, wird sie nur nebenbei als alternative Abwehrstrategie irregulärer Migration erwähnt, genauso wie Entwicklungshilfe und Armutsbekämpfung. Solche Maßnahmen drücken eine gewisse Hilflosigkeit der EU-Aufnahmeländer angesichts des Einwanderungspotenzials aus Afrika und der unterschiedlichen Interessen der Akteure aus. So lautet eine Darstellung der Erwartungen im Vorfeld der Rabat-Konferenz vom 10. bis 11. Juli 2006: Polizisten, Grenzschützer, Patrouillenboote, Überwachungs-Flugzeuge – die traditionelle Abwehr unerwünschter Einwanderer wird auch in Rabat eine Rolle spielen. Daneben soll aber ein Aktionsplan neue Formen der Entwicklungshilfe und Wege der legalen Einwanderung nach Europa aufzeigen. Das erhoffte politische Signal von Rabat wird ein europäisch-afrikanischer Kompromiss sein. Denn schon in der Vorbereitung der Konferenz ist klar geworden, dass es jenseits gemeinsamer Ziele weiter unterschiedliche Interessen gibt. Den europäischen Staaten geht es zunächst darum, die illegale Einwanderung einzudämmen und die Heimatländer der Migranten dazu zu bringen, ihre Armutsflüchtlinge wieder zurückzunehmen. Die Afrikaner dagegen machen Druck, um vor allem den Jungen legale Zugänge zum europäischen Arbeitsmarkt zu sichern.105
Bei der Kategorie »Migrantentypen« (57 Artikel) ist die Unterkategorie »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« mit 33 Artikeln stark vertreten. Diese Auftretenshäufigkeit bestätigt zum Teil die Hypothese, dass das mediale Interesse in
105 SZ, 08. 07. 2006, S. 9.
236
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Deutschland trotz der unterschiedlichen Migrantentypen aus Afrika besonders auf die »illegalen« Migranten fokussiert ist, obwohl diese nur einen relativ kleinen Teil der afrikanischen Einwanderer bilden, wie Gleiß-Mbappou in ihrer qualitativen Inhaltsanalyse der irregulären Migration aus Afrika in deutschen, französischen und spanischen Zeitungen auch feststellt.106 Nach der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« steht die Kategorie »Integration« an der zweiten Stelle der Auftretenshäufigkeit mit 61 Artikeln. Afrikaner werden sowohl als »Bedrohende« als auch als »Bedrohte« gedeutet, es entsteht also ein »Täter-und Opfer-Diskurs«, wobei eine geringere Ausprägung der Unterkategorie »Afrikaner als Täter« mit knapp sieben Artikeln festzustellen ist. Dies entkräftet die Annahme, dass die deutsche mediale Darstellung von Menschen afrikanischer Herkunft häufig auf Straftaten fokussiert ist. Oft berichtet die SZ über Straftaten, die gegen Afrikaner verübt werden. Die häufige Darstellung von Afrikanern als »Opfer« von Diskriminierung und Gewalt in Deutschland (mit 48 Artikeln), überwiegend in der Region Bayern aber auch in anderen europäischen Staaten wie Spanien und Italien, spiegelt eine Zunahme von Gewaltbereitschaft gegen diese Menschen sowie gegen Einwanderer im Allgemeinen wider. Diese zunehmende Feindseligkeit in den europäischen Aufnahmegesellschaften gegenüber den Einwanderern könnte auch auf das starke Einwanderungspotenzial zurückgeführt werden. Sechs Artikel erweisen sich als neutrale Berichte, die Afrikaner weder als Täter noch als Opfer von Diskriminierung und Gewalt darstellen. Diese Artikel berichten über den Alltag und soziale und kulturelle Aktivitäten in den Gemeinden. Zusammenfassend lässt sich durch die Zuordnung von deutschen Zeitungsartikeln zu den Kategorien festhalten, dass »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« nicht nur als häufigste Unterkategorie der Kategorie »Migrantentypen« vorkommt, sondern auch in der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« häufig auftritt. Dieser Fokus auf Menschen afrikanischer Herkunft, die im Zusammenhang mit »Flucht«, »Zustrom« und »Bedrohung« gedeutet und als »Last« für die Wohlfahrtsstaaten in Europa wahrgenommen werden, beeinflusst und bestimmt die mediale Agenda. Die Berichterstattung der SZ im Zusammenhang mit Migranten aus Afrika beschäftigt sich zwischen 1998 und 2008 zum größten Teil mit lokalen und re-
106 »Der Prozentsatz der MigrantInnen aus Afrika, die sich ohne einen regulären Status in der EU aufhalten, macht nur einen kleinen Teil der EinwanderInnen aus. Dennoch dominieren sie die Medien und damit auch die öffentliche Debatte.« Gleiß-Mbappou 2008.
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
237
gionalen Themen wie Ausländerkriminalität, Gewalt gegen Menschen afrikanischer Herkunft, Asylmissbrauch und Abschiebungen. Die untersuchten deutschen »Qualitätszeitungen« als Medien der Aufnahmeregion von Migranten aus Afrika (EU) setzen sich mit internationalen Migrationsereignissen wie z. B. Migrationsgipfel und »Seeflüchtlingsdramen« von Afrikanern, die der perspektivlosen Realität ihrer Länder durch Flucht übers Meer entgehen wollen, auseinander. Hinzu kommen die dagegen ergriffenen Abwehrmaßnahmen. Solche Ereignisse bestimmen, wie bereits erwähnt, zum größten Teil die Themensetzung der Medien hinsichtlich der Migration. In vielen Artikeln werden Metaphern wie »Ansturm«, »Flucht« oder »Strom von Illegalen« verwendet, um das »Bedrohungsszenario« der Migration hervorzuheben. Die forschungsleitende Hypothese, dass die FAZ und die SZ als Medien des Zuwanderungslandes einen Bedrohungsdiskurs vertreten, kann durch die qualitative Analyse der Artikel nur zum Teil bestätigt werden. Diese Hypothese lässt sich später durch die Deutungsmusteranalyse ausführlicher überprüfen. 6.3.1.2 Die senegalesischen Zeitungen Wie wird über die Migration aus Afrika in senegalesischen Zeitungen berichtet? Wird angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und Armut die Abwanderung aus afrikanischer Sicht als Chance für die Entwicklung dargestellt? Wie wird die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte der afrikanischen Länder durch die untersuchten »Qualitätszeitungen« interpretiert, als »Brain Drain« oder als »Brain Gain«? »Walfadjri« Von den 40 Artikeln aus »Walfadjri«, die über die Abwanderung von Afrika nach Europa berichteten, können insgesamt 19 der Kategorie »Migrantentypen«, drei der Kategorie »Integration« und 24 der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« zugeschrieben werden.107
107 Aufgrund des schwierigen Zugangs zu den Archiven von »Walfadjri« musste das Korpus auf das Jahr 2000 bis 2008 begrenzt werden.
6 Artikel wurden mehrfach verschiedenen Unterkategorien zugeordnet.
1
1
2
1
4
Gesellschaft
1
1
3
1
1
1
1
Wirtschaft
Staat
Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
weder Täter noch Opfer
Afrikaner als Opfer
Afrikaner als Täter
Integration
Minderjährige
Frauen
berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte
Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge
Migrantentypen
4
8
13
2
1
3
5
16
3
19
2000 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Gesamt
Tabelle 21: Kategorien und Unterkategorien der Artikel aus »Walfadjri«
238 Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
239
Abbildung 17: Alle Unterkategorien der Artikel aus »Walfadjri« Walfadjri: Unterkategorien von »Migrantentypen« EHUKPWH 3HUV|QOLFK NHLWHQXQG +RFK TXDOLIL]LHUWH
)UDXHQ
0LQGHUMlKULJH
,UUHJXOlUH$V\O VXFKHQGHXQG )OFKWOLQJH
Walfadjri: Unterkategorien von »Integration« $IULNDQHU DOV 7lWHU
ZHGHU 7lWHU QRFK2SIHU
$IULNDQHU DOV 2SIHU
Walfadjri: Unterkategorien von »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« *HVHOOVFKDIW :LUWVFKDIW
6WDDW
Die Auswertung der Artikel aus »Walfadjri« lässt eine Dominanz der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« erkennen. Wegen des hohen Anteils der Unterkategorie »Staat« kann vermutet werden, dass der senegalesische Staat aufgrund der Zunahme nicht-dokumentierter Migration aus Afrika die Migrationsfrage als wichtiges politisches Themenfeld betrachtet. Dies gilt sowohl für
240
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Senegal als Herkunfts- und Transitland als auch für Deutschland als Zielland bzw. als Mitglied der Zielregion EU. »Walfadjri« vermittelt besonders die Kritik an dem »passiven Umgang« der senegalesischen Regierenden mit den Push-Faktoren der Abwanderung. So wird eine Beschwerde der Bewohner von Thioraye-sur-mer (Senegal) geschildert: »Ils pointent aussi un doigt accusateur vers les gouvernants sénégalais, coupables de passivité face aux maux qui assaillent les populations de Thioraye-sur-mer.«108 Im Gegensatz zu den deutschen Zeitungen, die sich mehr auf den Migrationsprozess zwischen Afrika und Europa und die Folgen für Europa fokussieren und weniger über die nationalen Regulierungsmaßnahmen der afrikanischen Staaten berichten, finden in »Walfadjri« die EU-Entscheidungen zur Einwanderung sowie die Pläne der gemeinsamen EU-Migrationspolitik eine besondere Aufmerksamkeit. Besonders geraten die Migrationskonferenzen von europäischen Staaten wie z. B. das Treffen der EU-Innenminister vom 29. September 2006 in Madrid in den Fokus. Diese Konferenz zielte darauf ab, die Zuwanderungspolitik zu reformieren, um den starken Zuzug irregulärer Migranten auf die kanarischen Inseln zu bremsen. Während Spanien mehr Solidarität von anderen EU-Staaten zur Überwindung des Einwanderungsdrucks forderte, schlug der damalige Innenminister Frankreichs, Nicolas Sarkozy, folgende Maßnahmen vor: die nationalen Einwanderungspolitiken der EU-Staaten abzustimmen, einen »Europäischen Pakt« zu ratifizieren und massive Legalisierung irregulärer Einwanderer, wie es 2005 in Spanien und 2002 in Italien der Fall war, entschieden abzulehnen. »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« thematisieren die Abwehrpolitik der EU-Länder angesichts des Ansturms aus Afrika, wie in einem Artikel von »Walfadjri« vom 30. September 2006: Les gouvernements des Etats de l’Europe du sud veulent renforcer la frontière maritime commune, face aux afflux des émigrants clandestins en provenance des pays subsahariens et nordafricains. Près de 25 000 clandestins ont débarqué cette année dans l’archipel espagnol des Canaries, à bord de grandes pirogues motorisées, transportant dans des conditions difficiles et surtout dangereuses parfois plus de 100 personnes. Ces clandestins proviennent surtout des pays côtiers d’Afrique occidentale : Sénégal, Gambie, Guinée Bissau et Conakry, et Mauritanie.109
Das Vorantreiben und der Erfolg einer gemeinsamen EU-Einwanderungspolitik könnten für die Afrikaner bedeuten, dass die europäischen Grenzen stärker
108 Walfadjri, 27. 06. 2008. 109 Walfadjri, 30. 09. 2006.
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
241
kontrolliert und die Einreisemöglichkeiten für sie begrenzt werden. Es lässt sich vermuten, dass je strenger die Kontrolle der Grenzen Europas wird und mehr Migranten zurückgewiesen werden, desto gefährlicher werden neue Migrationsrouten und mehr kriminelle Menschenschmuggelnetzwerke entstehen.110 Dies bedeutet, dass eine Verschärfung der europäischen Grenzkontrollen nicht das Problem der irregulären Abwanderung aus Afrika lösen würde, sondern die verzweifelten Migrationswilligen dazu bringen könnte, weitere komplexe Wege nach Europa zu suchen und dadurch ihr Leben noch stärker zu gefährden. Genauso wie bei den untersuchten deutschen Zeitungen ist bei der Kategorie »Migrantentypen« die absolute Dominanz der Unterkategorie »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« besonders auffallend. Weitere Unterkategorien sind kaum repräsentiert. Dies lässt darauf schließen, dass die Debatte um Migration, die in Senegal erst seit Ende der 1990er Jahre medial kommuniziert wurde, durch den Diskurs um irreguläre Abwanderung nach Europa bestimmt wird. Die Hypothese (H1), dass die senegalesischen Zeitungen als Medien des Herkunfts- und Transitlandes von Migranten aus SSA einen Opfer- und Diskriminierungsdiskurs führen, kann bei »Walfadjri« zum Teil durch die Dominanz der Unterkategorie »Afrikaner als Opfer« bestätigt werden. Die Unterkategorien »Afrikaner als Täter« und »weder Täter noch Opfer« sind gar nicht präsent.111 In den drei untersuchten Artikeln der Kategorie »Integration« wird über Fälle von Diskriminierung afrikanischer Migranten in Europa bzw. in Frankreich berichtet.112 »Sud Quotidien« Infolge der Zuordnung von Artikeln aus »Sud Quotidien« zu den Kategorien werden 19 Artikel der Kategorie »Migrantentypen«, fünf der Kategorie »Integration« und 28 der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« zugeschrieben. Genauso wie bei den untersuchten Artikeln von »Walfadjri« ist der Anteil der Unterkategorie »Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge« innerhalb der Kategorie »Migrantentypen« relativ hoch, während die anderen Unterkategorien,
110 Marfaing/Hein 2008, S. 6. 111 Die mangelnde Repräsentation von einigen Unterkategorien ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass aufgrund der schlechten Lage der Archive in Senegal nicht alle erschienenen Artikel über Migration gefunden werden konnten. Deshalb wird diese Lücke mit »kaum« und nicht mit »absolut« bezeichnet. 112 Wie bereits im Abschnitt 4.4 erwähnt, ist Frankreich aufgrund kolonialer und sprachlicher Beziehungen das klassische europäische Zielland für Migranten aus Senegal. Dies erklärt, warum die Berichterstattung über die Situation von Senegalesen bzw. von Afrikanern in Europa besonders auf Frankreich fokussiert ist.
242
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
also »berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte«, »Frauen« und »Kinder«, kaum auftreten. Zu erwähnen ist das Auftreten der Unterkategorien »Afrikaner als Täter« und »weder Täter noch Opfer« jeweils mit einem und mit drei Artikeln. Tabelle 22: Kategorien und Unterkategorien der Artikel aus »Sud Quotidien« 2000 2004 2005 2006 2007 2008 Gesamt Migrantentypen Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge
1
1
10
7
19
berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte Frauen Minderjährige Integration Afrikaner als Täter
1
Afrikaner als Opfer
1
weder Täter noch Opfer
1
1 1 1
1
3
15
24
Wirtschaft
3
3
Gesellschaft
1
1
Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Staat
1
2
5
1
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
243
Abbildung 18: Alle Unterkategorien der Artikel aus »Sud Quotidien« Sud Quotidien: Unterkategorien von »Migrantentypen« EHUKPWH 3HUV|QOLFKNHLW HQXQG+RFK TXDOLIL]LHUWH
)UDXHQ
0LQGHUMlKULJH
,UUHJXOlUH$V\O VXFKHQGHXQG )OFKWOLQJH
Sud Quotidien: Unterkategorien von »Integration« $IULNDQHUDOV 7lWHU
ZHGHU7lWHU QRFK2SIHU
$IULNDQHUDOV 2SIHU
Sud Quotidien: Unterkategorien von »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« :LUWVFKDIW
*HVHOOVFKDIW
6WDDW
» Le Soleil« Bei der Kategorienzuordnung von »Le Soleil« können 17 Artikel der Kategorie »Migrantentypen«, drei der Kategorie »Integration« und 85 der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« zugeschrieben werden. Auffallend im Vergleich mit der Kategorie »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft«
244
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
bei »Walfadjri« (24 Artikel) und »Sud Quotidien« (28 Artikel) ist, dass der Anteil bei »Le Soleil« mit 85 Artikeln sehr beträchtlich ist. Dies lässt sich zum Teil mit der Tatsache erläutern, dass die Abwanderung zu einer Priorität der politischen Agenda Senegals geworden ist.113 Die Stellung von »Le Soleil« als ehemalige Regierungszeitung spielt vermutlich eine wesentliche Rolle bei der Vermittlung von Steuerungsmaßnahmen der senegalesischen Regierung. In den Berichten wird besonders auf die positiven Programme und Initiativen der Regierung zur Regulierung der Abwanderung und zur Armutsbekämpfung hingewiesen. Tabelle 23: Kategorien und Unterkategorien der Artikel aus »Le Soleil« 2001 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Gesamt Migrantentypen Irreguläre, Asylsuchende und Flüchtlinge
2
7
5
4
1
17
berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte Frauen Minderjährige Integration Afrikaner als Täter Afrikaner als Opfer
1
weder Täter noch Opfer
1
1
1
2
Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Staat
1
3
Wirtschaft Gesellschaft
113 Mehr dazu: Panizzon 2008.
1
15
23
11
9
62
1
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4
3
15
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1
1
8
Beschreibung und Zuordnung von Artikeln zu Kategorien
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Abbildung 19: Alle Unterkategorien der Artikel aus »Le Soleil« Le Soleil: Unterkategorien von »Migrantentypen« EHUKPWH 3HUV|QOLFK NHLWHQXQG +RFK TXDOLIL]LHUWH
)UDXHQ
0LQGHUMlKULJH
,UUHJXOlUH$V\O VXFKHQGHXQG )OFKWOLQJH
Le Soleil: Unterkategorien von »Integration« $IULNDQHUDOV 7lWHU
$IULNDQHUDOV 2SIHU
ZHGHU7lWHU QRFK2SIHU
Le Soleil: Unterkategorien von »Reaktionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft« *HVHOOVFKDIW :LUWVFKDIW
6WDDW
6.3.2
Zwischenfazit
In allen untersuchten Artikeln aus dem senegalesischen Sample treten die Unterkategorien »berühmte Persönlichkeiten und Hochqualifizierte«, »Frauen« und »Minderjährige« in der Oberkategorie »Migrantentypen« kaum auf. Dies führt zu
246
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
der Schlussfolgerung, dass auch die senegalesischen Zeitungen über Migranten aus Afrika stärker im Zusammenhang mit den Asylsuchenden, Flüchtlingen und Nicht-Dokumentierten berichten. Auffallend bei allen untersuchten senegalesischen Zeitungen ist, dass die Feminisierung der weltweiten Migration,114 die auch in Senegal langsam steigt, in den untersuchten Artikeln von »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« nicht thematisiert wird. Dabei können die körperlich und seelisch extrem belastenden Reisebedingungen für die Abwanderungskandidaten auf dem Seeweg eine Erklärung liefern, warum die nicht-dokumentierte Migration durch einen überproportionalen Anteil von Männern geprägt ist. Und diese Dominanz von Männern führt wiederum dazu, dass geschlechtsspezifischen Problemen der Migrantinnen bzw. der weiblichen Migrationswilligen nur ein geringes Interesse geschenkt wurde.115 Insgesamt wurden aus dem Zeitraum zwischen 1998 und 2008 572 Artikel, davon 393 aus den deutschen Zeitungen und 179 aus den senegalesischen Zeitungen, ausgewählt, quantitativ ausgewertet und den Kategorien und Unterkategorien zugeordnet, um den quantitativen und thematischen Verlauf der Debatte über die Migration aus Afrika methodisch zu untersuchen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Interesse an dieser Abwanderung zwar zunimmt, der besondere Fokus jedoch auf der irregulären Migration liegt. Was sagen die Ergebnisse über den Verlauf des Diskurses aus? Aufbauend auf den durch das Kategoriensystem festgestellten relevanten Migrationsereignissen werden anschließend für die Diskursanalyse Aussagen mit ihren Inhalten codiert und den Deutungsmustern zugeordnet. Dabei werden auch die Konnotationen und Bedeutungszusammenhänge miteinbezogen. Die Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Chance« und »Migration aus Afrika als Bedrohung«, die dem medialen Umgang mit Migration aus Afrika zugrunde liegen, werden im Folgenden diskursanalytisch untersucht sowie die Be-
114 Der Anteil der Frauen in der internationalen und interkontinentalen Migration wächst ständig. Im Jahre 2000 betrug der Frauenanteil bei der weltweiten Migration 47,5 . In den Industrieländern liegt er bei 50 . Vgl. FAZ, 03. 11. 2000, S. 8. 115 Bis vor Kurzem lehnte die senegalesische Gesellschaft die internationale Migration von Frauen ohne männliche Begleitung ab. Die ersten senegalesischen Migrantinnen in Europa in den 1960er Jahren waren Studentinnen und Frauen, die im Rahmen einer Familiezusammenführung ihren bereits in Europa lebenden Männern nachfolgten. Heutzutage ziehen immer mehr selbstständige senegalesische Frauen allein ins Ausland, auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven. Aber auch im Zuge dieser neuen Tendenz in interkontinentalen Wanderungsbewegungen werden immer mehr Frauen und Kinder Opfer vom Menschenhandel in der Arbeits- und Sexindustrie in der internationalen Migration. Siehe: Ndione/Broekhuis 2006, S. 7 f.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
247
stimmungsfaktoren, Folgen, Zuschreibungen der Verantwortlichkeit des Abwanderungspotenzials aus Afrika nach Europa, die Rolle der Nachrichtenagenturen und Experten und die Thematisierung der kolonialen Vergangenheit. 6.4
Qualitative Deutungsmusteranalyse
Nachdem verschiedene Kategorien und Unterkategorien der Migration aus SSA nach Europa mit der Methode der inhaltsanalytischen Kategorienbildung identifiziert wurden, besteht der nächste Schritt darin, die Ursachen, Folgen, die Steuerung und Verantwortungszuschreibung mit der Methode der Deutungsmusteranalyse zu untersuchen. Zuerst sollen jedoch theoretische Überlegungen, die der Diskursanalyse bzw. der Deutungsmusteranalyse zugrunde liegen, gemacht werden. Wie bereits im Abschnitt 6.1 erläutert, beschäftigen sich Diskursanalysen mit empirischen Untersuchungen von Diskursen, mit der Rekonstruktion des Regelsystems, nach dem »verstreute Aussagen« gebildet worden sind und demselben Diskurs zugerechnet werden können.116 Unter Diskursanalyse sollte nicht eine Forschungsmethode verstanden werden, sondern eine »Forschungsperspektive auf besondere, eben als Diskurse begriffene Forschungsgegenstände«.117 Im Folgenden werden die Fragen, welche Bestimmungsfaktoren und Folgen, welche Steuerung und Verantwortlichkeit der Abwanderung aus Afrika in welcher Art und Weise durch die ausgewählten Zeitungen in Deutschland und Senegal thematisiert werden, behandelt. Daran anschließend wird der Fragestellung nachgegangen, ob die Abwanderung aus Afrika nach den Deutungsmustern »Bedrohung« oder »Chance« medial kommuniziert wird oder als ambivalent bzw. neutral gedeutet wird. Des Weiteren werden die Rolle der Nachrichtenagenturen und anderer Quellen und die Rolle der kolonialen Vergangenheit von Afrika und Europa hinsichtlich der Agenda wie der Deutungsmuster der untersuchten Zeitungen berücksichtigt. Zunächst sollen der Begriff »Deutungsmuster« und die Untersuchungsmethode »Deutungsmusteranalyse« erklärt werden.
116 Keller 2007, S. 44. 117 Keller 2007, S. 8.
248
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Unter »Deutungsmuster«118 werden »Formen der Organisation alltäglicher Wahrnehmung« verstanden.119 Deutungsmuster, so definiert Reinhold Sackmann in seiner Untersuchung von »Generation«, orientieren das Mitglied einer Gesellschaft in der Welt und ermöglichen ihm die Wahrnehmung und den Umgang mit Objekten und Sachverhalten.120 In der Tradition der Wissenssoziologie bedeuten Deutungsmuster »kollektive Produkte«, die sich im Wissensvorrat der Gesellschaft befinden und konkret in der Sprache geäußert werden.121 Des Weiteren definieren Meuser und Sackmann Deutungsmuster als »kollektive Sinngehalte«, die dem Individuum als »Wahrnehmungs- und Interpretationsform der sozialen Welt, Schemata der Erfahrungsaufordnung und Horizont möglicher Erfahrungen sowie Mittel zur Bewältigung von Handlungsproblemen« dienen.122 Deutungsmuster unterscheiden sich von alltäglichen Routinen und können für einen längeren Zeitraum bestehen bleiben. Bestimmte historische Geschehnisse können einen Bruch oder Wandel, eine Konstruktion oder Dekonstruktion eines Deutungsmusters in einer Gesellschaft hervorrufen. Ein solcher Bruch bzw. Wandel kann dazu führen, dass das soziale Problem, das mit Hilfe dieses Deutungsmusters interpretiert wurde, aus einem anderen Blickwinkel wahrgenommen wird. Die Ursachen, Folgen, Verantwortlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten müssen dann neu oder anders gedeutet und betrachtet werden. Yvonne Schütze zeigt mit ihrer Untersuchung des Deutungsmusters »Mutterliebe«, wie die »Überlastung« dieses Musters zusammen mit gesellschaftlichen Veränderungen hinsichtlich der Stellung von Frauen in den 1980er Jahren zu einem Muster führte, »das immer mehr handlungsbelastend als -entlastend geworden war.«123 Die Bedeutung der Deutungsmusteranalyse in der deutschen soziologischen Diskussion ist auf ein von Ulrich Oevermann veröffentlichtes Papier im Jahr 1973 zurückzuführen. Damit wurde der Terminus »Deutungsmuster« in die wissenschaftliche Diskussion in Deutschland eingeführt. In den von ihm formulierten methodischen Perspektiven sollten in der Deutungsmusteranalyse Deutungen und gesellschaftliche Verhältnisse miteinander konfrontiert werden. Laut Ronald Hitzler und Anne Honer in ihrer Einführung in die »Hermeneutik in der deutschsprachigen Soziologie heute« befasst sich die Deutungsmusteranalyse »[…] jedoch ›le118 In der vorliegenden Arbeit wird in Anlehnung an Keller (2004) der wissenssoziologische Begriff »Deutungsmuster« statt »Frames« oder »Rahmen« bevorzugt. Laut Keller gilt dieser Begriff als eine angemessene deutsche Übersetzung von »Frame«. Vgl. Keller 2004, S. 209. 119 Hitzler/Honer 1997, S. 17. 120 Vgl. Sackmann 1992, S. 199. 121 Vgl. Keller 2004, S. 209. 122 Meuser/Sackmann 1992, S. 16 und 19. 123 Meuser/Sackmann 1992, S. 32. Mehr zum Deutungsmuster »Mutterliebe«: Schütze 1992, S. 39–48.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
249
diglich‹ mit sozial verfestigten Wissenskonzepten zur Vermittlung von objektiven Handlungsproblemen und deren je subjektiver Bewältigung.«124 In der vorliegenden empirischen Untersuchung geht es auch darum, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturprobleme, die die Deutungen der Abwanderung aus Afrika beeinflussen, zu berücksichtigen. Diskurse lassen sich durch mehrere ähnlich gesagte oder geschriebene Aussagen erkennen. Innerhalb von Diskursen bestehen Einheiten, Deutungsmuster, die einen gewissen Sinn zu einem bestimmten Thema tragen. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, solche Deutungsmuster und »diskursive Praktiken« zu identifizieren und zu beschreiben. Die Zeitungsartikel bilden den »einheitlichen Rahmen« und die wichtigste Einheit der Auswertung für diese Analyse. In den Artikeln formulieren und vermitteln die Autoren ihre Aussagen, die einem bestimmten Diskurs zuzuordnen sind. Durch ihre Aussagen beschreiben, beurteilen oder verteidigen die Verfasser der Artikel einen Gegenstand, einen Sachverhalt oder ein Thema, das in diesem Fall die Migration aus Afrika ist, wobei Einzelaussagen (mit formalen und inhaltlichen Merkmalen) eine Argumentations- bzw. Problemstruktur bilden. Nach der Identifikation von Deutungsmustern und ihren Unterkategorien in Betrachtung einzelner Textaussagen, die in den Artikeln wiederkehren und den medialen Diskurs über die Migration aus Afrika charakterisieren, wird das Auftreten von Deutungsmustern bei der repräsentativen Textsammlung analysiert. Welche Kernaussagen liegen den Deutungsmustern zugrunde? Inwieweit variieren ihre Strukturen? Um die Forschungsfrage, wie die deutschen und senegalesischen Zeitungen über die Migration aus Afrika in die EU berichten, beantworten zu können, erweist sich die Methode der qualitativen Diskursanalyse unter Anwendung der Deutungsmusteranalyse als geeignet und wissenschaftlich von Vorteil. Der Vorteil des Deutungsmusteransatzes besteht darin, dass nicht nur manifeste Inhalte der Medien die Untersuchung leiten, sondern, dass die Rückkopplung auf die gesellschaftliche Realität berücksichtigt werden kann. Das heißt, dass es den medialen Diskurs der gewählten Zeitungen über die Wanderungsbewegungen aus Afrika mit einer Rückkopplung auf die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Diskurse zu rekonstruieren gilt.
124 Hitzler/Honer 1997, S. 17.
250
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Mit der Methode der Deutungsmusteranalyse werden im Gegensatz zur Inhaltsanalyse nicht nur die formalen und inhaltlichen Merkmale der Texte untersucht, vielmehr werden auch die gesellschaftlichen Aspekte, die bei dem Informationsprozess der Medien einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss haben, berücksichtigt. Das Interesse gilt nicht nur der Frage, welche Diskurse durch Zeitungen vermittelt, konstruiert oder dekonstruiert werden, sondern auch welche »kollektiven Sinngehalte« der Berichterstattung zugrunde liegen. Besonders interessant ist auch die Frage, auf welche Handlungsforderungen die medialen Diskurse abzielen. Damit wird überprüft, ob sich die Ergebnisse des oben angewendeten Kategoriensystems und deren Themenschwerpunkte in den zu untersuchenden Deutungsmustern bestätigen lassen. Weiter wird ermittelt, auf welche Art und Weise die Ereignisse um die Abwanderung aus Afrika nach Europa medial selektiert, erörtert und vermittelt werden, welcher Deutungen sich die Zeitungen bei ihrer Berichterstattung bedienen. Dabei wird sich überprüfen lassen, woraus die Zeitungen ihre Quellen beziehen und welche Experten miteinbezogen werden. Anhand der Argumentationsanalyse werden die Zeitungsartikel den Deutungsmustern zugeordnet, ihre Unterkategorien identifiziert und kategorisiert. Laut Michael Schetsche gehört die »Kollektivität« zu den entscheidenden Eigenschaften des Deutungsmusters.125 Auch wenn einige Autoren von individuellen und gruppenspezifischen Deutungen sprechen, schlägt er vor, dass in den Sozialwissenschaften die Kategorie »Deutungsmuster« nicht für solche »individuelle« Deutungen angewendet werden sollte, sondern nur für »überindividuelle Denkformen«, die für die kollektive Denkform der Gesellschaft oder des großen Teils der Gesellschaft charakteristisch sind.126 Wenn in dieser Arbeit von »Deutungsmuster« gesprochen wird, dann geht es allgemein um das Kollektive. Solche kollektiv geteilten Muster spiegeln sich in den zu untersuchenden Migrationsdiskursen der deutschen und senegalesischen Zeitungen durch die Berücksichtigung von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wissensvorräten wider. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für die Deutungsmusteranalyse als Methode zur Untersuchung von Diskursen durch Rekonstruktion von Deutungsmustern kein »eigenständiges Verfahren der Dateninterpretation« entwickelt wurde.127 Aufbauend auf verschiedene theoretische und empirische Ansätze von Dis-
125 Weitere Eigenschaften, die für das Deutungsmuster charakteristisch sind, sind die »relative Zeitstabilität«, die »unmittelbare Handlungsrelevanz«, die »Mindestkomplexität«, die »Latenz« und die »Ausschließlichkeit«. 126 Schetsche 1992, S. 55. 127 Hitzler/Honer 1997, S. 17.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
251
kursanalysen wird die für diese Arbeit angewendete Methode an die formulierten Fragestellungen und Forschungsziele angepasst werden. Deshalb sollen zunächst relevante Schritte der methodischen Vorgehensweise skizziert werden, die die Rekonstruktion von Deutungsmustern anleiten. Im Folgenden werden das Korpus definiert und die Kodierungskriterien, nach denen Textpassagen in den Zeitungsartikeln einem Deutungsmuster zugeordnet werden, festgelegt. 6.4.1
Datenbasis
Das Ziel der vorliegenden Analyse besteht darin, die in den gegenwärtigen Migrationsdiskursen und in der Migrationsliteratur vorherrschenden Deutungsmuster anhand des Pressematerials systematisch zu rekonstruieren und zu entschlüsseln. Der qualitative Teil dieser Arbeit basiert auf der Diskursanalyse, wobei Deutungsmuster zu analysieren sind. Für diesen Schritt ist die Zusammenstellung des Datenkorpus von großer Bedeutung. Eine thematische Eingrenzung hilft hierbei, die Datenmenge forschungsrealistisch zu halten. Jedoch muss der Umfang eines solchen empirischen Materials den verfolgten Fragestellungen der Untersuchung angepasst werden. Laut Keller kann das empirische Material eine doppelte Funktion erfüllen. Zum einen informiert es über das Untersuchungsfeld, zum anderen dient es zur Rekonstruktion der Diskurse.128 Die thematische Eingrenzung bietet den Vorteil, eine überschaubare Datenbasis für die Analyse auszuwählen. Willy Viehöver z. B. schließt in seiner narrativen Diskursanalyse über den Klimawandel aus dem Sample solche Texte aus, die nicht spezifisch das Thema Klimadebatte und deren Effekte behandeln, und auch solche, in denen »nicht mehr als ein Satz auf den empirischen Referenten Klimawandel Bezug nahm.« Jedoch muss bei dieser thematischen Eingrenzung die Gefahr berücksichtigt werden, dass einige diskursiv wichtige Artikel übersehen werden könnten.129 Sozialwissenschaftliche Diskursanalysen sind mit dem Problem großer Textmengen konfrontiert; die qualitative Analyse wird meist bei kleinen Textmengen angewendet. Die Textkorpora müssen, so Keller, »an diskursanalytische Forschungsinteressen angepasst werden.«130 Nachdem einige Aspekte der Diskurse über die Migration aus Afrika nach Europa durch eine quantifizierende Herangehensweise bzw. ein Kategoriensystem mit einem umfangreichen Textkorpus (alle gefundenen
128 Keller 2007, S. 75. 129 Viehöver 2004, S. 244. 130 Keller 2007, S. 75.
252
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Zeitungsartikel aus den untersuchten deutschen und senegalesischen Zeitungen) untersucht wurden, erweist sich für die qualitative Deutungsmusteranalyse eine Verkleinerung der Textmenge für das Erreichen der Forschungsziele als notwendig. Welche Geschehnisse finden in der Berichterstattung einen prominenten Platz? Welche Faktoren bestimmen die Intensität dieser Berichterstattung? Kann den Ereignissen das Potenzial beigemessen werden, Dynamik in symbolische Ordnungen zu bringen, wie in der Wissenssoziologie angenommen?131 Hier wird davon ausgegangen, dass die Berichterstattung über die Abwanderung aus Afrika in vieler Hinsicht bestimmte Schlüsselereignisse der Migration widerspiegelt, aber auch wiederum von ihnen beeinflusst und bestimmt wird. Ereignisse können einen großen Einfluss darauf haben, welchen Stellenwert dem Thema Migration in Zeitungen beigemessen wird.132 Solche Ereignisse haben Auswirkungen auf die Themenberichterstattung hinsichtlich der Abwanderung aus Afrika sowohl in deutschen als auch in senegalesischen Zeitungen. Nur durch eine ausgewogene Berücksichtigung dieses Umstandes bei beiden Ländern lässt sich die qualitative Analyse vergleichen. Die bereits durchgeführte Analyse der Kategorien umfasste einen Untersuchungszeitraum von 11 Jahren (von Januar 1998 bis Dezember 2008 für die deutschen Zeitungen, bei den senegalesischen Zeitungen wich der Zeitraum jedoch ab).133 Innerhalb dieses Untersuchungszeitraums wurden relevante Ereignisse identifiziert, die für die Berichterstattung über Migration in Bezug auf Afrika entscheidend sind134 und eine wesentliche Auswirkung auf den Stellenwert der Themenberichterstattung sowohl in Deutschland als auch in Senegal hatten. Es ist davon auszugehen, dass bestimmter Ereignisse bei den internationalen Migrationsfragen einen unmittelbaren Einfluss auf die Agenda der Medien in Bezug auf Migration ausüben.135 Als von großer Relevanz sind folgende internationalen Schlüsselereignisse ausgewählt worden: 131 Mehr dazu: Viehöver 2005, S. 208. 132 Das Interesse an einem Ereignis oder seine Wahrnehmung als öffentliches Thema hängt von der Art und Weise ab, wie es thematisiert wird. 133 Bei den senegalesischen Zeitungen konnten aufgrund des schlechten Zugangs zu den Archiven nur Artikel von »Walfadjri« und »Sud Quotidien« im Zeitraum von 2000 bis 2008 und bei »Le Soleil« von 2001 bis 2008 gefunden werden. 134 Jedoch handelt es sich in der vorliegenden Arbeit nicht um eine Analyse medialer Ereignisthematisierungen, stattdessen dienen die gewählten Ereignisse grundsätzlich zur Festlegung von entscheidenden Momenten, in denen die Berichterstattung über die Migration aus Afrika besonders erheblich sein kann. 135 Bei jedem Ereignis wurden Zeitungsartikel aus dem Zeitraum von 2 Tagen vor dem Ereignis und 10 Tage danach ausgewählt. Damit kann die Intensität der Berichterstattung vor und nach dem
Qualitative Deutungsmusteranalyse
253
• 11. September 2001: Anschläge auf das World Trade Center • 20. Juni 2004: Diskussion um die Flüchtlingsrettungsaktion von Cap Anamur28. September 2005 und die folgenden Tage: Tausende afrikanische Flüchtlinge versuchen, in Marokko über die Zäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla und damit in die EU zu gelangen. • 5. Oktober 2005: Größter Ansturm auf Ceuta und Melilla. Marokko setzt Flüchtlinge in der Wüste aus. • 6. April 2006: Konferenz von Algier gegen illegale Einwanderung • 19. Mai 2006: Plan Afrikas zur Abschiebung illegaler Einwanderer • 5. bis 6. Juli 2006: Konferenz von Tripolis • 10. bis 11. Juli 2006: Euro-afrikanischer Gipfel in Rabat • 11. Dezember 2007: Spot der EU und der Schweiz gegen illegale Migration • 6. Oktober 2008: Eröffnung des Zentrums für Migration, Information und Management (Cigem) in Mali Aus dieser Datenbasis ergab sich ein Textkorpus von insgesamt 93 Artikeln für die Deutungsmusteranalyse. Für die deutschen Zeitungen waren es 42 Zeitungsartikel (FAZ: 19 und SZ: 23) und für die senegalesischen Zeitungen 51 Artikel (»Walfadjri«: 13, »Sud Quotidien«: 15 und »Le Soleil«: 23). 6.4.2
Kodierung und Beschreibung der Deutungsmuster und ihrer Unterkategorien
Als »gegenstandsbegründete oder -verankerte Theorie« erlaubt es die »Grounded Theory«, eine Theorie zu formulieren, die dafür geeignet ist, die untersuchten sozialen Phänomene zu beschreiben und zu erklären. Durch die Kodierung der Artikel und deren Inhalte anhand dieser Theorie entsteht ein fundiertes Verfahren, so dass die Auswertungsmethode an die Fragestellungen angepasst wurde. Der Vorteil einer solchen Methode liegt bei der Materialbeschaffung, die sich am »Theoretical Sampling« orientiert. Dabei lässt sich das Korpus je nach der Forschungsfragestellung erweitern. Durch die Kodierung sollen die Aussagen, Textpassagen oder Abschnitte zu bestimmten Konzepten oder Kategorien zugeordnet werden. Andreas Böhm definiert das Kodieren als das »Verschlüsseln oder Übersetzen von
Ereignis ermittelt werden. Bei den senegalesischen Zeitungen wurden zur Korpuserweiterung auch Artikel, die bis zu einem Monat nach dem ersten Tag des Ereignisses erschienen sind, ausgewählt. Diese Erweiterung ist damit zu begründen, dass das senegalesische Korpus im Vergleich zu dem der deutschen Zeitungen aufgrund des schwierigen Zugangs zu den Archiven in Senegal klein ist. Vgl. Abschnitt 1.5.
254
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Daten«, das »die Benennung von Konzepten wie auch ihre nähere Erläuterung und Diskussion« umfasst.136 Die Kodierung der Artikel für die vorliegende Forschungsarbeit erfolgte in Anlehnung an die »Grounded Theory«, wobei einige Aspekte der qualitativen Inhaltsanalyse miteinbezogen wurden.137 Innerhalb der Zeitungsartikel wurden diejenigen Passagen und »Indikatoren für das interessierende Phänomen«138 (Migration) ausgewählt, die die Aussagen139 über die Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« und »Migration aus Afrika als Chance« enthalten. Bei diesen Passagen konnte es sich um einen Satz oder um mehrere Sätze, die zusammengehören, um Abschnitte, Zitate, Kapitel oder ganze Texte handeln. Wichtig dabei ist es, Ähnlichkeiten und Unterschiede zu suchen. Des Weiteren wurden solche Artikel als »neutral/ambivalent« kategorisiert, in denen es keine trennscharfen diskursiven Inhalte gab oder deren Argumentationsstruktur sich als neutral erwies. Es wurde anschließend überprüft, ob die ausgewählten Textpassagen den Bedeutungsgehalt des betroffenen Deutungsmusters bezeichnen können. Zusammenfassend lässt sich die Vorgehensweise der Kodierung wie folgt skizzieren: In einem ersten Arbeitsschritt wurde jeder Artikel (mehrfach) sorgfältig gelesen. Erst nach diesem Schritt wurde eine Übersicht über die Textstruktur sowie angesprochene Themen, Argumente, konstruierte Problemstruktur (kausale Zusammenhänge, Folgen, Steuerung und Verantwortungszuschreibung der Migration) geschaffen. Nach Keller dient eine solche Übersicht »als Grundlage für die Beschreibung der diskursspezifischen Story-Lines und Interpretationsrepertoires.«140 Diese Argumentationsstruktur, in der verschiedene Elemente des Themas benannt wurden, führte in einem dritten Schritt zur Zuordnung von Artikeln zu einem Deutungsmuster. Nach der offenen Kodierphase141 wurde eine weitere Kodierphase, nämlich das »axiale Codieren«142 durchgeführt, in der die »Codes« noch überprüft und nach
136 Böhm 2000, S. 476. 137 Mehr zur Inhaltsanalyse: vgl. Mayring 2000, S. 468–475. 138 Böhm 2000, S. 477. 139 Mehr zu »Aussagen«: vgl. Foucault 1973, S. 154–171. 140 Keller 2004, S. 219. 141 Für ein »offenes Codieren« schlägt Böhm einige Fragen vor, die an Text gestellt werden sollten: »Was? Worum geht es hier? Welches Phänomen wird angesprochen? Wer, welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rollen spielen sie dabei? Wie interagieren sie? Wie? Welche Aspekte des Phänomens werden angesprochen (oder nicht angesprochen)? Wann? Wie lange? Wo? Wie viel? Wie stark? Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich erschließen? Wozu? In welcher Absicht, zu welchem Zweck? Womit? Welche Mittel, Taktiken und Strategien werden zum Erreichen des Ziels verwendet?« Böhm 2007, S. 477–478. 142 Böhm 2000, S. 478.
255
Qualitative Deutungsmusteranalyse
Bedarf erweitert, überarbeitet oder außer Acht gelassen wurden. Diese »Codes« wurden anschließend den Unterkategorien zugeteilt, die den Deutungsmustern zugehören. Nachdem alle wichtigen »Codes« identifiziert und kategorisiert wurden, konnte die Kodierung beendet werden und der nächste Schritt der Analyse, nämlich die qualitative Deutungsmusteranalyse, durchgeführt werden. Bevor die Kriterien und Kodieranweisungen für die Identifizierung der Deutungsmuster und ihrer Unterkategorien vorgestellt werden, werden im Folgenden die Deutungsmuster und deren Unterkategorien tabellarisch erfasst: Tabelle 24: Deutungsmuster und Unterkategorien »D1« »Migration aus Afrika als Bedrohung«
»D2« »Migration aus Afrika als Chance«
»N/A« »neutral/ambivalent«
Ursachen
Ursachen
Ursachen
politisch
politisch
politisch
wirtschaftlich
wirtschaftlich
wirtschaftlich
sozio-kulturell
sozio-kulturell
sozio-kulturell
ökologisch und demographisch
ökologisch und demographisch
ökologisch und demographisch
humanitär
humanitär
humanitär
Folgen
Folgen
Folgen
politisch
politisch
politisch
wirtschaftlich
wirtschaftlich
wirtschaftlich
sozio-kulturell
sozio-kulturell
sozio-kulturell
ökologisch und demographisch
ökologisch und demographisch
ökologisch und demographisch
humanitär
humanitär
humanitär
Steuerung
Steuerung
Steuerung
256
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
6.4.2.1 Deutungsmuster (»D1«) »Migration aus Afrika als Bedrohung« Beim Lesen eines Zeitungsartikels werden die Argumentationslogik und auch bestimmte Aussagen143 zu dem behandelten Migrationsthema identifiziert. Die Artikel werden dann dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« zugeordnet, wenn in ihnen negative Effekte, die durch Migration aus Afrika entstanden sind, hervorgehoben werden. Es kann sich dabei um die Auswirkungen handeln, die die Entwicklung, Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur sowohl der Herkunfts- und Transitländer als auch der Zielländer in Europa betreffen. Damit wird die Migration aus SSA explizit oder implizit negativ gedeutet. Das Deutungsmuster kommt in bestimmten Passagen, Wörtern bzw. Sätzen, die von dem Autor verwendet werden, zum Ausdruck. Solche Wörter, Ausdrücke oder Sätze sind z. B. »ungebetene Gäste«, »Afrikaner müssen draußen blieben«, »bedrohliche Belagerung ihrer Festung«, »Flüchtlingsoffensive«. Jedoch ist anzumerken, dass das Auftreten eines solchen Ausdruckes nicht allein einen Hinweis für ein Deutungsmuster liefert. Vielmehr muss, wie im folgenden Beispiel, die Argumentationslogik in Richtung Bedrohungsdiskurs tendieren. Umgeben sind sie [zwei Männer aus Gambia] von Fluchtgenossen aus Mali, Kamerun, GuineaBissau, Benin – meist ebenso junge Gesellen mit ebenso abenteuerlichen Geschichten. Fetzen verschiedener Sprachen und Dialekte fliegen durch die warme, staubige Luft. Angesichts des Ansturms wurde das Camp um Zelte von Armee und Rotem Kreuz erweitert, annähernd 2000 Personen drängen sich darin. Es ist eng und schwer bewacht, anders, als sich die Männer das Paradies erträumt hatten. […] Weitere Flüchtlingsoffensiven aber konnte auch das nicht verhindern. Im Schutz der Dunkelheit kommen die verbotenen Grenzgänger zu Hunderten aus den gegenüberliegenden Hügeln hinunter, in der Nacht zum Donnerstag gab es sechs Tote unter den Afrikanern – erschossen oder zu Tode getrampelt, wie die Behörden mitteilten. […] Nun sollen also viele der ungebetenen Gäste nach Marokko abgeschoben werden, mit ihren Herkunftsländern gibt es meist keine Vereinbarungen. Hauptsächlich herrscht Verwirrung.144
In dieser Aussage wird eindeutig im Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« berichtet, indem mit Bedrohungsszenarien und der Verwendung von negativen Symbolen wie »Ansturm« militärische Abwehrstrategien einer kriegsähnlichen Situation angedeutet werden. Dass die »ungebetenen Gäste« (Flüchtlinge) nach Marokko abgeschoben werden sollen, weil kein Abschiebungsabkommen mit ihren Herkunftsländern bestehen, deutet auf das komplexe politische
143 Eine Aussage ist »der typisierbare und typische Gehalt einer konkreten Äußerung bzw. einzelner darin enthaltener Sprachsequenzen, der sich in zahlreichen verstreuten Äußerungen rekonstruieren lässt.« Vgl. Keller 2007, S. 64. 144 SZ, 07. 10. 2005, S. 3.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
257
Management und die Ausweglosigkeit in Flüchtlings- und Asylfragen (Steuerung) hin. 6.4.2.2 Deutungsmuster (»D2«) »Migration aus Afrika als Chance« Eine Studie von Pascal Goeke zum Thema der Transnationalität bei Migration stellt fest, dass die untersuchten Forschungen dazu neigten, die Migration positiv zu deuten.145 Werden bei der Berichterstattung über die Migration aus Afrika positive Aspekte und Effekte hervorgehoben? Vertreten die senegalesischen Zeitungen einen Chance-Diskurs? Hat in Deutschland der bestehende Bedarf an hochqualifizierten ausländischen Fachkräften und nicht qualifizierten ausländischen Arbeitern für Jobs mit niedriger Entlohnung146 zu einer positiven Deutung der Migration aus Afrika geführt? Zu dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Chance« werden Zeitungsartikel gezählt, deren Argumentationsstränge eindeutige Hinweise zur Migration als Bereicherung für Afrika und/oder Europa oder für die persönliche Entfaltung des Migranten enthalten. Die Argumentationslinien solcher Artikel sollen, wie in der folgenden Textpassage, gewisse Aspekte enthalten, die Migration positiv bewerten und implizit oder explizit als Chance deuten. ›Die Überweisungen von Migranten seien längst wichtigster Einkommenszweig Marokkos, vor Tourismus und Phosphatabbau‹, sagte Berriane. Rückkehrer belebten Bank- und Bauwesen, öffneten die Gesellschaft. ›Die neue Mobilität hat sehr positive Auswirkungen auf das Herkunftsland.‹ Anders ausgedrückt: Der Schlüssel zur Beseitigung von Migrationsgründen ist die Migration selbst. Berriane plädiert daher für eine flexible europäische Einwanderungspolitik, die den entstehenden Handelsnetzen der Migranten Rechnung trägt. Andernfalls, warnte er, bleibt nur der ›Wiederaufbau der Berliner Mauer‹ in Ceuta und Melilla.147
In dem obigen Argumentationsstrang wird für eine bessere Migrationspolitik der EU zugunsten Afrikas plädiert und zwar mit der Anmerkung, dass die Rücküberweisungen der Migranten für ein Land wie Marokko z. B. zu einer der wichtigsten Einnahmequellen geworden sind und eine gewisse Dynamik in die Wirtschaft gebracht haben (Folgen, wirtschaftlich). Darüber hinaus wird eindeutig argumentiert, dass durch solche positiven Effekte der Abwanderung die Armut, Hauptbestimmungsfaktor der Migration, bekämpft werden kann.
145 »Insgesamt neigten die Forschungen dazu, die positive Seite von Migration zu betonen und selbst bei tragischen Migrationsfällen den kreativen Umgang von Migranten mit misslichen Lagen zu unterstreichen.« Vgl. Goeke 2007, S. 18. 146 Vgl. Abschnitt 3.2.1. 147 SZ, 01. 10. 2005, S. 14.
258
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Wie in vielen Feuilleton-Artikeln, die im Gegensatz zu vielen anderen medialen Textsorten eine positive oder neutrale Tendenz in ihrer Berichterstattung aufweisen, wird in einigen Artikeln eindeutig für Migration als Chance argumentiert. So lautet ein Plädoyer in der FAZ: Eine kontrollierte Einwanderungspolitik dürfte also nicht die Formen von Kulturschock auslösen, die heute noch viele Spanier befürchten. Solch eine Politik kann vielmehr, vielleicht auch mit einem Zufallsmoment wie er bei der jährlichen Green-Card-Verlosung in den Vereinigten Staaten wirksam wird, Menschen Hoffnungen geben und lässt ihnen auch im Falle der Abweisung ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Würde. Und: Nicht alle wollen für immer bleiben. […] Jedenfalls muss, um eine Entwicklung zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, hart gearbeitet werden, sehr hart. Harte Handarbeit bildet nicht nur die Grundlage für viele Einwandererexistenzen in Europa, sie könnte auch die Wende im Leben vieler in Europa geborener Arbeitsloser sein. […] Versuchen wir, die Migranten auch als Gesandte und Pioniere zu sehen, denen wir, wenn es sich ergibt, unter kontrollierten und eindeutigen Bedingungen, eine Chance schuldig sind. […] Es würde auch unsere überalterten Gesellschaften in neue Zustände initiieren, uns frei machen vom belastenden Erbe des kolonialen Denkens, das manchmal gefährlicher und beängstigender zu sein scheint als die Realität.148
Die obige Aussage, die mehreren Unterkategorien zugeordnet werden könnte, dementiert die vielen düsteren Prognosen,149 die davon künden, dass alle Menschen in Afrika auf »gepackten Koffern« sitzen und nur noch auf ihre Gelegenheit warten, nach Europa zu migrieren. Vielmehr plädiert der Autor für eine den USA ähnliche »Green-Card«-Politik (Steuerung). Aus dem Kontext des Artikels wird ersichtlich, dass mit einer solchen Politik nicht nur auf die Hochqualifizierten aus den Entwicklungsländern abgezielt wird, sondern dass Europa auch den Abwanderungswilligen mit niedrigem Bildungsniveau eine Chance schuldig ist (Verantwortungszuschreibung). Eine solche Politik, so lässt sich seine Argumentation interpretieren, könnte die Form des »humanitären Dramas«, das sich heute zwischen Afrika und Europa abspielt, unter Berücksichtigung der Würde der Menschen (Migranten) eindämmen. Eine besser kontrollierte Einwanderung hätte nicht nur positive Folgen für Migranten, sondern würde auch eine neue Dynamik in die alternde europäische Gesellschaft bringen und die Europäer von »rassistischen« Vorurteilen gegenüber Afrikanern befreien (Folgen, sozio-kulturell).
148 FAZ, 09. 10. 2005, S. 29. 149 Ein FAZ-Autor schreibt: »Afrika, der Kontinent der verlorenen Hoffnungen und der leeren Versprechungen, sitzt auf gepackten Koffern. Und es gibt nahezu nichts, was ein entschlossener Afrikaner nicht bereit wäre zu tun, um auszuwandern.« FAZ, 13. 10. 2005, S. 6.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
259
6.4.2.3 Neutral/ambivalent (»N/A«) In vielen Artikeln war nicht klar zu erkennen, ob die Argumentationsstränge dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« oder »Migration aus Afrika als Chance« zuzuordnen sind. Diese häufige Vermischung von Argumenten kann auf die Komplexität der Migration zurückgeführt werden. Auch wenn in den Medien eine allgemeine Tendenz besteht, das breite Spektrum der Migration aus Afrika durch Bedrohungsszenarien zu dominieren, sind die Motive, Formen, Typen, Folgen, Akteure und Steuerungsmaßnahmen der Migration so vielschichtig, dass sich das Thema schwer mit einer einseitigen Argumentation behandelt lässt. Diese Schwierigkeit lässt sich durch die große Zahl der Artikel mit neutraler und zwiespältiger Argumentationsstruktur bestätigen. Die Unterbringung von Artikeln mit neutralen und ambivalenten Argumentationssträngen in einer einzigen Kategorie wird bewusst gewählt, da in den ambivalenten Artikeln häufig versucht wird, ein Gleichgewicht zu finden, um der Problematik gerecht zu werden. Es wird versucht, Verständnis sowohl für Herkunfts- und Aufnahmegesellschaften als auch für Migranten zu vermitteln, ohne eindeutig parteiisch zu wirken. Zusammenfassend werden in die Kategorie »N/A« (neutral/ambivalent) Artikel eingestuft, in denen neutral über Migration berichtet wird oder in denen sich Argumentationsstränge der Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« und »Migration aus Afrika als Chance« vermischen. Ein Deutungsmuster wird aufgegriffen, um ein gesellschaftlich relevantes Thema zu verstehen und zu vermitteln. Dabei werden die Ursachen, Folgen, Verantwortlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten dargestellt, die die Unterkategorien der Deutungsmuster bilden. Im Folgenden gilt es diese zu erläutern. »Ursachen« Eine Aussage oder ein Argumentationsstrang wird immer der Unterkategorie »Ursachen« zugeordnet, wenn in ihr/ihm Determinanten der Abwanderung im Zusammenhang mit Afrika hervorgehoben werden. Diese Push- und Pull-Faktoren der Abwanderung von Afrika in Richtung Europa können sowohl in den afrikanischen Herkunftsländern als auch in den europäischen Aufnahmegesellschaften vorhanden sein. • Unter »politisch« werden die Ursachen der Abwanderung aus politischer Sicht, im Zusammenhang mit politischen und staatlichen Institutionen
260
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
und Strukturen, Parteien, Parlamenten, Regierungen, politischen regionalen Organisationen wie EU, AU und OECD erfasst. • Aussagen werden als »wirtschaftlich« verzeichnet, wenn das Thema Migration im wirtschaftlichen Kontext behandelt wird. Es handelt sich um die ökonomischen Bestimmungsfaktoren der Abwanderung wie etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt, niedrige Löhne, schwache wirtschaftliche Strukturen, Unternehmenspolitik oder der Welthandel. • Es handelt sich bei »sozio-kulturell« um die gesellschaftlichen und kulturellen Push- und Pull-Faktoren, die für die Abwanderung nach Europa verantwortlich sind. Es sind z. B. Familienstrukturen, gesellschaftliche Probleme, gewalttätige ethnische Auseinandersetzungen, Kriege, Armut, geschlechterspezifische Benachteiligungen. • Unter »ökologisch und demographisch« werden Berichte erfasst, die sich mit umweltspezifischen und demographischen Bestimmungsfaktoren der Abwanderung auseinandersetzen. Es sind Umweltkatastrophen wie z. B. Dürre, Trockenheit, Mangel an fruchtbarem Boden, Überschwemmung, Verwüstung und Bevölkerungswachstum. • Der Unterkategorie »humanitär« werden Passagen zugeordnet, die eine humanitäre Dimension der Ursachen von Migration enthalten. Es sind in vielen Fällen Faktoren, die bei den Migrationsentscheidungen auf der persönlichen Ebene zu finden sind und die persönlich für einzelne Migranten oder Abwanderungswillige entscheidend sind. In der folgenden Aussage werden komplexe endogene und exogene Ursachen der Abwanderung in Bezug auf Afrika skizziert, wobei auf einen gemeinsamen »Ursprung der Menschheit« hingewiesen wird und darüber hinaus auf eine gemeinsame Verantwortung von Afrika und Europa angesichts der Problematik des Migrationspotenzials: Doch die heutige Situation von Deregulation und Massenelend in Afrika macht eine weitaus grundsätzlichere Dimension sichtbar: Afrika ist ein Kontinent, der sehr leicht menschliches Leben hervorbringt, auch das unserer Vorfahren, die ihre Vorfahren wiederum mit den Vorfahren der heutigen Afrikaner gemeinsam haben. Aber Afrika ist auf Dauer nicht gut geeignet, menschliches Leben zu unterhalten, schon gar nicht in Zeiten erdrückender Gefälle auf dem Weltmarkt für afrikanische Waren und einer schwindenden Staatlichkeit auf dem ›schwarzen Kontinent‹.150
150 FAZ, 09. 10. 2005, S. 29.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
261
»Folgen« Eine Aussage, ein Argumentationsstrang wird dann der Unterkategorie »Folgen« zugeordnet, wenn in ihr/ihm Effekte der Abwanderung im Zusammenhang mit Afrika hervorgehoben werden. • Der Unterkategorie »politisch« sind Auswirkungen zuzuordnen, die auf politischer Ebene festzustellen sind. Sie betreffen die politischen Strukturen und Institutionen wie die EU, AU, Regierungen, Staaten, Parteien in Afrika und/oder Europa. • Unter der Kategorie »wirtschaftlich« werden Aussagen bzw. Argumentationsstränge erfasst, die die Effekte der Abwanderung für Arbeitsmarkt, Unternehmen oder wirtschaftliche Strukturen thematisieren. • Die Unterkategorie »sozio-kulturell« erfasst die sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen Folgen der Migration aus Afrika wie z. B. Rassismus, Diskriminierung, soziale Unruhen, Integration, zerfallene gesellschaftliche Strukturen in Afrika. • Unter »ökologisch und demographisch« werden die Folgen der Migration auf Bevölkerungsstrukturen, Wachstum oder Schrumpfung, Umwelt und Urbanisierung eingeordnet. • Bei der Unterkategorie »humanitär« handelt es sich um Folgen von Abwanderung auf humanitärer und persönlicher Ebene. Es sind die unmittelbaren Auswirkungen der Abwanderung für den einzelnen Menschen. Die meisten der 70.000 Einwohner der alten Garnisonsstadt verabscheuen die Zäune, die ab 1999 aufgebaut wurden. Sie fühlen sich wie in einem Gefängnis. Seit Jahrhunderten leben in diesem Schmelztiegel die Kulturen und Religionen zusammen, mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist islamisch, am Mittwoch hat der Ramadan begonnen. Doch mittlerweile habe viele Angst. Man flüstert von Aids und Tbc und davon, dass die Gesundheitsversorgung zusammenbricht. Sie fürchten, überschwemmt zu werden. Es blühen die Verschwörungstheorien.151
Diese Aussage enthält typische Elemente, die das in den Medien verbreitete allgemeine Bild von Afrika und von Afrikanern widerspiegeln. Sie deutet die Folgen von Migration aus Afrika im Zusammenhang mit Krankheit und der Bedrohung der gesundheitlichen und sozialen Strukturen »sozio-kulturell«.
151 SZ, 07. 10. 2005, S. 3.
262
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
»Steuerung« Unter »Steuerung« werden Passagen erfasst, die den Umgang, die Regulierung, die Verwaltung bzw. das Management der Ab- und Einwanderung aus Afrika thematisieren. Da die Staaten und andere politische Institutionen der Regionen die Regulierungsakteure der Migration sind, betrifft die Unterkategorie »Steuerung« hauptsächlich die politischen Steuerungsinstrumente der Herkunft-, Transit- und Aufnahmestaaten sowie der regionalen politischen Organisationen wie die OECD, EU und AU. Der folgende Bericht macht eindeutige Aussagen zur Steuerung der Einwanderung aus Afrika: Der spanische Außenminister Moratinos unterzeichnete am Dienstag in Rabat zusammen mit dem marokkanischen Außenminister Benaissa ein Memorandum, das eine euro-afrikanische Konferenz unter Einbeziehung aller Auswanderungs-, Transit- und Zielländer der Region vorsieht. Sie soll auf Außenministerebene möglich rasch in Marokko organisiert werden und der Entwicklung von ›gemeinsamen‹ Mechanismen zur Steuerung der Emigrantenströme dienen. Sie soll zugleich den Grund für eine vertiefte ›Partnerschaft‹ legen, welche das Auswanderungsthema mit dem der wirtschaftlichen Entwicklung verbindet.152
6.4.3
Ergebnisse der untersuchten Deutungsmuster
Folgen Tabelle 25 stellt die Auftretenshäufigkeit der Unterkategorien der Deutungsmuster in den deutschen und senegalesischen Zeitungsartikeln dar. Unter diesem quantitativen Gesichtspunkt zeigt die Kategorisierung der Zeitungsartikel zur Migration von Afrika nach Europa Tendenzen, die im Folgenden qualitativ zu interpretieren sind.
152 FAZ, 12. 10. 2005, S. 14.
263
Qualitative Deutungsmusteranalyse
Tabelle 25: Auftretenshäufigkeit der Unterkategorien der Deutungsmuster in den deutschen und senegalesischen Zeitungsartikeln FAZ
SZ
Walfadjri
7
9
7
5
9
politisch
3
6
1
2
2
wirtschaftlich
5
5
8
3
3
gesellschaftlich
5
4
2
3
3
ökologisch und demographisch
4
2
3
»D1« »Migration als Bedrohung«
Sud Le Soleil Quotidien
Ursachen
humanitär Folgen politisch
1
3
wirtschaftlich
4
2
3
4
3
gesellschaftlich
5
4
4
8
2
humanitär
12
8
4
Steuerung
24
30
14
ökologisch und demographisch 21 8
30
264
»D2« »Migration als Chance«
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
FAZ
SZ
Walfadjri
Sud Le Soleil Quotidien
1
2
1
1
Ursachen politisch
1
wirtschaftlich
3
2
gesellschaftlich
1
1
wirtschaftlich
1
1
6
gesellschaftlich
1
1
2
ökologisch und demographisch humanitär Folgen politisch
ökologisch und demographisch humanitär
1
Steuerung
2
1 1
14
265
Qualitative Deutungsmusteranalyse
FAZ
SZ
Walfadjri
11
12
6
10
13
politisch
3
2
7
6
2
wirtschaftlich
3
6
7
11
6
gesellschaftlich
4
4
5
5
4
ökologisch und demographisch
1 1
5
1
2
1
2
»N/A« »neutral/ambivalent«
Sud Le Soleil Quotidien
Ursachen
humanitär Folgen politisch wirtschaftlich
2
2
1
3
9
gesellschaftlich
5
2
1
4
5
humanitär
3
13
1
8
14
Steuerung
21
22
8
24
59
ökologisch und demographisch
6.4.3.1 Die deutschen Zeitungen Um eine der Kernfragen der vorliegenden Arbeit zu beantworten, nämlich wie die deutschen Zeitungen über die Migration aus Afrika in die EU berichten und ob sie diese eher als Bedrohung darstellen, wurden Artikel aus der FAZ und der SZ anhand relevanter Migrationsereignisse ausgewählt und den Deutungsmustern zugeordnet. In vielen Artikeln erweist sich die Trennschärfe zwischen den Deutungsmustern als sehr niedrig, so dass viele davon als »neutral/ambivalent« zu klassifizieren sind. Jedoch sollte eine solche Dominanz von Artikeln mit einer neutralen oder ambivalenten Tendenz nicht zu Fehldeutungen in Bezug auf
266
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
die Migrationsdebatte in der Presse führen. Erst nach einer ausführlichen Analyse und Interpretation der Artikel können die Deutungsmuster qualitativ rekonstruiert werden. »Frankfurter Allgemeine Zeitung« Die FAZ-Artikel und Aussagen sind wie folgt auf die Deutungsmuster und Unterkategorien zu verteilen: Abbildung 20: Verteilung der FAZ-Artikel auf die Deutungsmuster '
1$
'
Die Zuordnung der Artikel aus der FAZ (19 Artikel) zu den Deutungsmustern ergibt, dass die Argumentationslinie tendenziell neutral oder ambivalent ist. So können 12 Artikel als »neutral/ambivalent« (»N/A«) bewertet werden, sechs dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« (»D1«) und ein Artikel »Migration aus Afrika als Chance« (»D2«) zugeordnet werden. Was sagen diese Ergebnisse über die Deutung der Migration aus Afrika nach Europa aus? Der Diskurs über die Abwanderung aus Afrika in den untersuchten Artikeln der FAZ zwischen 1998 und 2008 ist zwar durch eine neutrale oder ambivalente Argumentation geprägt, jedoch sind auch Indikatoren für einen Bedrohungsdiskurs vorhanden. Es ist zu erwähnen, dass eine Trennung von Faktenwiedergabe und Kommentierung in den Textsorten »Nachricht« und »Bericht« herrscht. Dies erklärt die große Zahl der Artikel, die als »neutral« bewertet werden. Es sind überwiegend kurze informative Nachrichten über die Ankunft von irregulären Migranten aus Afrika in Italien oder Spanien. In den Fokus der Berichterstattung geraten oft die »illegalen« Migranten und die (europäischen) Steuerungsmaßnahmen der Einwanderung. Bei den Artikeln des Deutungsmusters »D1« können 24 Aussagen und bei »N/A« 21 Aussagen der Steuerung von Migration zugeordnet werden.
267
Qualitative Deutungsmusteranalyse
Abbildung 21: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den FAZ-Artikeln Auftretenshäufigkeit von »D1« 6WHXHUXQJ
8UVDFKHQ
)ROJHQ
Auftretenshäufigkeit von »D2« 6WHXHUXQJ
8UVDFKHQ
)ROJHQ
Auftretenshäufigkeit von »N/A« 8UVDFKHQ
6WHXHUXQJ
)ROJHQ
Eine solche starke Thematisierung der Steuerungsmaßnahmen kann damit erklärt werden, dass die Agenda der Medien mit der politischen Agenda ihrer Länder oder Region eng gekoppelt ist. Dies bestätigt zum Teil die Hypothese, dass die FAZ als Zeitung des Ziellandes bzw. der Zielregion von Migranten aus Afrika
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
die politischen Migrationsdiskurse und Sichtweisen europäischer politischer Eliten wiedergibt. Eine starke Thematisierung von Maßnahmen zur Regulierung von Migration spiegelt die Debatte um den politischen Umgang mit der Einwanderung in Europa wider. Da Deutschland im Vergleich zu Spanien und Italien wenig von der irregulären Einwanderung aus Afrika betroffen ist, weist seine Mediendebatte insofern eine starke Europäisierung auf, als die deutschen Zeitungen über Belange der am meisten betroffenen EU-Staaten berichten. Staaten der südlichen Grenze der EU wie Spanien und Italien treten häufiger in den Zeitungsartikeln auf als andere EU-Länder. Nicht nur rechtliche Regelungen der EU-Staaten als Steuerungsmaßnahmen der Einwanderung werden in der FAZ thematisiert, sondern auch symbolische Kommunikationsmittel. In diesem Rahmen wird häufig über Pläne, Vereinbarungen zwischen den afrikanischen und den europäischen Staaten, Absichtserklärungen und Gipfel zum Thema Migration aus Afrika berichtet. Einige relevante Beispiele dafür sind die Konferenz von Algier gegen irreguläre Einwanderung am 6. April 2006, die Konferenz von Tripolis vom 5. bis 6. Juli 2006 und der euro-afrikanische Gipfel in Rabat vom 10. bis 11. Juli 2006. Solche symbolisch wichtigen Ereignisse werden von der FAZ nicht nur als Legitimationsbasis für die Einwanderungspolitik der EU-Staaten wiedergegeben, sondern auch angesichts des Migrationsdrucks von Afrika in Richtung Europa kritisch hinterfragt. Dabei werden die Problematik der Umsetzung der Ergebnisse solcher Gipfeltreffen sowie eine gewisse Machtlosigkeit sowohl der Herkunfts- und Transit- als auch der europäischen Ankunftsländer thematisiert. In dem Feuilleton-Artikel, der eindeutig den Chance-Diskurs vertritt, wird die Migration aus Afrika als eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt der europäischen Gesellschaften gesehen. Diese Gesellschaften sind mit zunehmender Bevölkerungsalterung und Schrumpfung konfrontiert. In den Artikeln mit einer neutralen oder ambivalenten Tendenz kann man 11 zu den Ursachen und 7 zu den Folgen zählen. In solchen Artikeln werden zwar die positiven Folgen der Migration aus Afrika für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Afrika und/oder in Europa sowie für die persönliche Entfaltung der Migranten hervorgehoben, jedoch werden auch die negativen Effekte dieser Abwanderung behandelt. Heutzutage wird über die Migration zum einen als Bereicherung aufgrund von Rücküberweisungen und der Bevölkerungsalterung in den Industrieländern und zum anderen als Bedrohung für die Herkunftsländer der Migranten wegen des »Brain Drains« debattiert. Deshalb herrscht in der Politik immer noch die Schwierigkeit, adäquate Steuerungsinstrumente umzusetzen, um die Migration zugunsten der Entwicklung zu regulieren. Diese Ambivalenz prägt auch die Berichterstattung in der Presse; Migration aus Entwicklungsländern in die westlichen
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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Industriestaaten wird weder eindeutig als Chance noch als Bedrohung gedeutet, stattdessen ist in vielen Artikeln eine abwägende Pro- und Contra-Argumentation zu finden. Die Determinanten und Folgen der Abwanderung werden in den Artikeln der FAZ ausgewogen reproduziert und thematisiert. Bei dem Deutungsmuster »D1« werden 17 Aussagen den Ursachen und 22 den Folgen zugeordnet. Die Bestimmungsfaktoren und Effekte der Einwanderung werden zwar skizziert, jedoch finden die Steuerungsmaßnahmen der europäischen Länder eine große Resonanz. Armut, Kriege und schlechte Politik in den afrikanischen Ländern werden pauschal als wichtige Push-Faktoren des heutigen Migrationsdrucks nach Europa dargestellt. Weiter wird auf die ungleichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Industriestaaten und den afrikanischen Staaten hingewiesen als ein wesentlicher Faktor, der die Abwanderung junger arbeits- und hoffnungsloser Menschen von Afrika nach Europa und Nordamerika begünstigt. Als Folgen werden Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und begrenzte Infrastrukturen und Aufnahmemöglichkeiten der europäischen Aufnahmegesellschaften, aber auch der Verlust des Humankapitals in den afrikanischen Ländern genannt. Zusammenfassend kann man über die Berichterstattung der FAZ zur Migration aus Afrika in die EU festhalten, dass zum Teil ein Bedrohungsdiskurs vertreten wird, in dem negativ konnotierte Kollektivsymbole wie »Strom«, »Ansturm«, »Flut« oder »illegale Einwanderung« verwendet werden und in Richtung Gefahr argumentiert wird. Solche starken Symbole könnten bei den Rezipienten, also bei den europäischen Bürgern, den Eindruck vermitteln, dass Europa durch die Ankunft afrikanischer Migranten »überschwemmt« werde, obwohl, wie bereits erwähnt, die Zahl der Migranten aus Afrika im Vergleich zu anderen Migrantengruppen relativ gering ist und die irregulären Migranten nur einen kleinen Bruchteil der afrikanischen Migranten ausmachen. Hervorzuheben ist ebenfalls, dass auch ein ambivalenter Diskurs entwickelt wird, in dem sowohl positive als auch negative Aspekte dieser Migration behandelt werden. Deswegen wird die Darstellung insgesamt als ambivalent gedeutet. Eine neutrale Tendenz zielt darauf ab, die Fakten so realitätsnah wie möglich wiederzugeben, ohne eindeutige Kommentare und Deutungen zu liefern. »Süddeutsche Zeitung« Im Folgenden werden die Verteilung der SZ-Artikel und deren Aussagen auf die Deutungsmuster und Unterkategorien dargestellt:
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Abbildung 22: Verteilung der SZ-Artikel auf die Deutungsmuster '
1$ '
Welche Ursachen, Folgen und Steuerungsmittel werden in den untersuchen Artikeln der SZ thematisiert? Welche Deutungsmuster liegen der Thematisierung der Migration nach Europa im Zusammenhang mit Afrika zugrunde? Was die Berichterstattung über die Migration aus Afrika anbelangt, kann bei der SZ von einer relativ ambivalenten Berichterstattung die Rede sein, ähnlich wie bei der FAZ. Von den 23 untersuchten Artikeln gehören 9 dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« und nur zwei Artikel dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Chance« an. 12 Artikel sind als »neutral/ambivalent« zu bewerten. Wie bei der FAZ wird die Abwanderung aus Afrika in einem Bedrohungsszenario medial vermittelt. Dies geschieht durch Anwendung unterschiedlicher Metaphern und negativ konnotierter Bezeichnungen wie z. B. »Strom der Flüchtlinge«, »Ansturm«, »ungebetene Gäste«, »unerwünschte Migranten«, »illegale Immigration«, »globale Misere«, »Ansturm auf die Union des Wohlstands«, »Armutsflüchtlinge«, »Wirtschaftsflüchtlinge« etc., die häufig und vor allem in den Reportagen und Kommentaren auftauchen. Auch mit der Anwendung von Kriegs- und Militärmetaphern wird der Eindruck vermittelt, dass sich Europa in einem Flüchtlingskrieg befinde. Aussagen und Ausdrücke wie z. B. »nach mehreren Krisensitzungen in diesen blutigen Tagen« und »Flüchtlingsoffensive« sind in den Artikeln zu finden. Es kann bei den SZ-Artikeln über irreguläre Migranten auch ein »Distanz-Frame« festgestellt werden, bei dem mit den verallgemeinernden Bezeichnungen »Afrikaner«, »Schwarzafrikaner«, »ungebetene Gäste« oder »Abschiebung illegaler Einwanderer aus der EU« eine gewisse Distanz zu den Migranten gehalten wird. Es ist zu erwähnen, dass die Herkunftsländer einzelner irregulärer Migranten in den Artikeln benannt werden, vorausgesetzt, dass diese ihre Staatsangehörigkeit preisgegeben haben. Daher könnte man daraus ableiten, dass die Verallgemeinerung
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Qualitative Deutungsmusteranalyse
»Afrikaner« oder »Afrika« auch auf die Tatsache zurückführbar ist, dass manche Flüchtlinge keine Auskunft über ihre Herkunft geben, um sich einer möglichen Abschiebung zu entziehen. Abbildung 23: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den SZ-Artikeln Auftretenshäufigkeit von »D1« 6WHXHUXQJ
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Auftretenshäufigkeit von »D2« 6WHXHUXQJ
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Auftretenshäufigkeit von »N/A« 6WHXHUXQJ
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Sowohl bei der FAZ als auch bei der SZ kommen in einigen Artikeln die Migranten in indirekter Rede zu Wort, um ihre Geschichten selbst zu schildern.153 Dabei handelt es sich jedoch hauptsächlich um irreguläre Migranten oder Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa über das Mittelmeer, die über die Push-Faktoren in ihren Herkunftsländern, ihre Erwartungen hinsichtlich eines Lebens in Europa, die Erwartungen der Familie zu Hause und ihre Odysseen berichten. Dabei wird hauptsächlich auf den Abwanderungsprozess, also auf die Reise, und weniger auf die Fluchtursachen fokussiert. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Push-Faktoren der Abwanderung in Afrika werden eher nebenbei und in vielen Fällen nur pauschal benannt. Die afrikanischen Transitländer wie Marokko, Algerien und Libyen werden häufig in den Artikeln thematisiert. Die Migration aus Afrika wird dabei nicht nur als ein Problem für die europäischen Zielländer, sondern auch als eine Bedrohung für die nordafrikanischen Transitländer dargestellt. Die Durchreise durch die nordafrikanischen Länder geschieht nicht ohne gesellschaftliche, sicherheitspolitische und diplomatische Folgen für die Herkunfts-, Transit- und Zielländer sowie für die Migranten selbst. Viele Abwanderungswillige aus SSA leben für Jahre in den nordafrikanischen Transitländern und manche lassen sich dort nieder. Dies führt u. a. zu Toleranzproblemen, da die Einheimischen eine Konkurrenz durch diese billigen Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt befürchten. Hier zeigt sich eine Intoleranz, die durch die vorhandenen Vorurteile und Stereotypen gegenüber Menschen aus SSA verstärkt wird. Die SZ thematisiert eine gewisse »Geringschätzung« von Afrikanern aus SSA durch Nordafrikaner, allerdings mit pauschalen Wertungen wie z. B. »Nordafrikas Araber mögen die Schwarzen nicht.«154 Eine solche Darstellung deutet darauf hin, dass Afrikaner bereits innerhalb ihres eigenen Kontinents nicht gut behandelt werden und auf Akzeptanzprobleme stoßen, die häufig nur im Zusammenhang mit ihrem geplanten Aufenthalt in Europa geäußert werden. Die Untersuchung der Deutung von Migration ergibt, dass die SZ und die FAZ immer noch den Begriff »illegal« anwenden, um die irregulären Migranten zu beschreiben. Außerdem ist die Trennlinie zwischen den »illegalen« Migranten und den »Flüchtlingen« durchlässig. Beide Kategorien werden in vielen Artikeln vermischt, so dass man ihren Status schlecht unterscheiden kann. Daraus entsteht ein negatives Bild von irregulären Migranten, deren Status überwiegend durch Ge-
153 SZ, 07. 10. 2005, S. 3. 154 SZ, 05. 10. 2005, S. 2.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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setze der Aufnahmeländer definiert wird und die als »Verbrecher« gedeutet und wahrgenommen werden. Die von der UNO und humanitären Nichtregierungsorganisationen bevorzugte Bezeichnung »irregulär« scheint sich nicht durchgesetzt zu haben. Bei den Artikeln der SZ, deren Argumentationslinien die Abwanderung von Afrika nach Europa als Bedrohung deuten, geht es primär um Maßnahmen zur Steuerung der Migration (34 Aussagen). In solchen Artikeln werden häufig die Bekämpfungs- und Abwehrmaßnahmen der europäischen Staaten reproduziert. Den zweiten Platz belegen die Migrationsfolgen mit 18 Aussagen, wobei die Effekte in den europäischen Zuwanderungsländern eine besondere Resonanz finden. 16 Aussagen thematisieren die Migrationsursachen. Wie bereits erwähnt werden diese Folgen in den Artikeln mehr im Bezug auf die Ankunftsregion betrachtet. Ängste der lokalen Bevölkerung in den EU-Grenzländern wie Spanien und Italien werden als Effekte der irregulären Einwanderung aus Afrika vermittelt. Einige Beispiele dafür sind die Befürchtungen der einheimischen Bevölkerung, durch die afrikanischen Einwanderer »überschwemmt« zu werden und die Wahrnehmung dieser Menschen als »Transporteure« von ansteckenden Krankheiten wie z. B. Aids und Hepatitis. In den Migrations- und Asylfragen werden zunehmend die Folgen der Migration und die Abwehrmaßnahmen berücksichtigt, während die Determinanten in den Hintergrund rücken. Der ehemalige Präsident der AU-Kommission, Alpha Oumar Konaré, bemerkte zu Recht, dass Armut immer noch der wichtigste Bestimmungsfaktor des Abwanderungsdrucks von Afrika in Richtung Europa ist. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Afrika, insbesondere die EU-Agrarsubventionen und deren verheerende Auswirkungen auf die Existenzgrundlage von afrikanischen Bauern, tragen erheblich zu dieser Armut bei.155 Faktoren wie die Wirtschaftsbeziehungen werden in den Artikeln zwar nebenbei erwähnt, jedoch ohne einen eindeutigen Zusammenhang mit den sogenannten »Wirtschaftsflüchtlingen« zu thematisieren. Es ist zu erwähnen, dass die Armut als der wichtigste Grund für das Migrationspotenzial in Richtung Europa in der SZ nicht in Bezug auf ganz Afrika abstrakt dargestellt wird, sondern vielmehr in Bezug auf einzelne Herkunftsländer der irregulären Migranten, deren Schicksal vorgestellt wird. Gambia, das Herkunftsland eines irregulären Migranten in Melilla mit dem Pseudonym El Bari, wird wie folgt beschrieben:
155 Hagenloch 2006.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Gambia ist für ihn (El Bari) keine Alternative. In der Liste der Nationen belegt die ehemalige britische Kolonie hinter Bangladesch Platz 151. Die Lebenserwartung liegt bei 53 Jahren, 60 % der eine Million Einwohner sind hilfebedürftig, die Politik ist eine Katastrophe.156
Armut, schlechte Regierung, niedrige Lebenserwartung und Mangel an Lebensperspektiven werden als die Bestimmungsfaktoren genannt, die El Bari zur Suche nach einem besseren Leben in Europa getrieben haben. Arbeit, Wohlstand, Freiheit und Demokratie werden als Pull-Faktoren zitiert, die den Push-Faktoren in Gambia entgegenstehen. Auch über die Flucht aus »der Armut Malis oder Sierra Leones«157 und über den »Wohlstand« der EU als Sogwirkung berichtet die SZ. Das Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Chance« ist bei den untersuchten Zeitungsartikeln der SZ schwach repräsentiert. Nur zwei Artikel lassen sich diesem Deutungsmuster zuordnen. In diesen Artikeln plädieren die Autoren für mehr Verständnis angesichts der Migration aus Afrika. Im Vergleich zu den Artikeln des Bedrohungsdeutungsmusters und denen mit neutraler und ambivalenter Tendenz werden in diesen Artikeln mehr eindeutige Aussagen über die Ursachen, die Folgen sowie über die Maßnahmen zur Steuerung von Migration aus Afrika getroffen. Als Lösungsansatz für das Problem des Abwanderungsdrucks in Afrika wird Migration als »der Schlüssel zur Beseitigung von Migrationsgründen« gesehen.158 Weiter werden in dem Chance-Deutungsmuster die positiven Folgen der Migration von Sportlern dargestellt. Dabei wird die Ankunft eines senegalesischen Sportlers in Deutschland als ein Gewinn für den Fußball bewertet. Auch sein persönlicher Marktwert spielt in der Berichterstattung eine Rolle. Vermittelt wird, dass er durch Migration seine wirtschaftliche Zukunft auf Dauer auf eine komfortable monetäre Basis stellen könne. Auch die Erfahrungen, die der Spieler in verschiedenen Ländern gesammelt hat und die seine Migrationsbiographie bereichert haben, werden durch Hinweise auf seine hohe sprachliche Kompetenz (Deutsch, Englisch und Französisch) als positiv gedeutet. Artikel, die weder »D1« noch »D2« zugeordnet werden, werden als »neutral/ambivalent« bewertet. Aus dem Korpus der SZ werden 10 Artikel als neutral bzw. ambivalent bewertet. Diese Neutralität deutet darauf hin, dass die SZ hinsichtlich der Migration aus Afrika auch einen neutralen Diskurs vertritt. Das Auftreten der negativ konnotierten Bezeichnungen wie »illegal« oder »Ansturm« kann in diesen
156 SZ, 07. 10. 2005, S. 3. 157 SZ, 05. 10. 2005, S. 2. 158 SZ, 01. 10, 2005, S. 14.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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Artikeln keinen Aufschluss darüber geben, dass eindeutig ein Bedrohungs- oder ein Chance-Diskurs vorhanden ist. Solche Artikel sind überwiegend Berichte über Sportler mit afrikanischem Migrationshintergrund in Europa und Meldungen über aktuelle Migrationsereignisse wie z. B. die Ankunft von irregulären Migranten aus Afrika in den südeuropäischen Grenzstaaten. Aber auch lange Artikel aus den Feuilleton- und Politik-Rubriken, in denen keine eindeutige Tendenz zum Bedrohungs- oder zum Chance-Diskurs zu finden ist, werden als neutral bzw. ambivalent eingestuft. Eine reine Trennung von Meinung und Zitaten, von Fakten und Kommentierung ist auch ein Hinweis auf die Neutralität des Artikels. Einige Artikel zitieren z. B. die Position eines Dritten, bewahren dabei aber ihre neutrale Haltung. Ein Beispiel dafür ist ein Artikel mit dem Titel »Herzlich unwillkommen«. Er berichtet über die Inhalte des TV-Spots der IOM und der Schweiz, der innerhalb einer Aufklärungskampagne in einigen afrikanischen Herkunftsländern ausgestrahlt wurde, und über die Reaktionen darauf aus der Gesellschaft und Politik.159 Eindeutig ist festzustellen, dass der Artikel die Migration nicht als Bedrohung darstellt, sondern die Inhalte des Spots und die Sichtweisen anderer sozialer und politischer Akteure analysiert, ohne klar Stellung zu nehmen. Der Kampagne wird von sozialen Akteuren vorgeworfen, die Afrikaner vor der Abwanderung nach Europa abzuschrecken. Kritisch betrachtet auch die SZ die Asylpolitik der EU. Als »stellvertretender Flüchtlingsschutz« wird das Konzept der EU beschrieben, das darauf abzielt, das Flüchtlingsproblem »offshore«, also außerhalb der EU-Grenzen in den »Aufnahmeeinrichtungen« in den nordafrikanischen Ländern zu behandeln. Der ehemalige deutsche Bundesinnenminister Otto Schily wird häufig als Urheber dieser Politik genannt.160 Nicht nur die Argumente Schilys werden thematisiert, sondern auch die Wolfgang Schäubles, der Schilys Vorschlag von »Flüchtlingslagern« in Afrika als mit der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vereinbar bezeichnet. Ferner wird auch vermittelt, dass die vorgeschlagene Vorgehensweise von Schily mittlerweile bei manchen EU-Politikern Sympathie finde.161 In Bezug auf die Einwanderungsproblematik kann die Anwendung statistischer Daten durch die Medien dazu dienen, das Problem zu dramatisieren oder zu entschärfen. Was die FAZ und die SZ anbelangt, wird die Ankunft irregulärer Mig-
159 SZ, 11. 12. 2007, S. 11. 160 Vgl. Abscnhnitt 4.5. 161 SZ, 05. 10. 2005, S. 2.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
ranten mit Hilfe von Zahlen dargestellt, die den Eindruck einer »Überschwemmung« erwecken. Die Metapher des »Ansturms« wird häufig durch hohe Zahlen von Migranten illustriert. Auch die Todesfälle von Migranten bei den Überfahrten an den Küsten Europas werden in statistischen Daten erfasst. Statistiken zur Zuwanderung anderer Migrantentypen wie z. B. Arbeiter, Bildungsmigranten und Hochqualifizierte in EU Ländern gibt es kaum, so dass der Leser nur schlecht die verschiedenen Kategorien der Migration aus Afrika unterscheiden kann. Die afrikanischen Migranten bilden in Europa eine »sichtbare Minderheit« und werden in der europäischen medialen Berichterstattung oft mit negativen Deutungen assoziiert und als Armutsflüchtlinge dargestellt, die Europa nichts anderes zu bieten hätten, als vom Sozialsystem profitieren zu wollen. Der Zusammenhang zwischen der negativen medialen Darstellung von Afrikanern und ihrer sozialen Diskriminierung lässt sich zwar schwer feststellen, jedoch könnte man davon ausgehen, dass sich der Kampf gegen Rassismus und Intoleranz wegen solcher dauerhaften negativen Bilder über einen Kontinent und seine Menschen als besonders schwierig erweisen kann. Auch die Angst der einheimischen Bevölkerung vor einem »Ansturm« durch Migranten lässt sich angesichts der medialen Konstruktion schlecht abbauen. Die Hypothese (H1), die davon ausgeht, dass die deutschen Zeitungen aus der Perspektive des Aufnahmelandes im Zusammenhang mit der Migration aus Afrika einen Bedrohungsdiskurs vertreten, kann durch die Diskursanalyse nur zum Teil bestätigt werden, da auch Hinweise auf eine neutrale Berichterstattung zu finden waren. Aufgrund der Zunahme der irregulären Einwanderung und der Versuche der europäischen Länder, eine gemeinsame Einwanderungspolitik zu formulieren, hat sich die Debatte um die Einwanderung aus Afrika in den deutschen Zeitungen internationalisiert und europäisiert. 6.4.3.2 Die senegalesischen Zeitungen »Walfadjri« Die »Walfadjri«-Artikel und deren Aussagen sind wie folgt auf die Deutungsmuster und Unterkategorien zu verteilen:
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Qualitative Deutungsmusteranalyse
Abbildung 24: Verteilung von „Walfadjri“-Artikeln auf die Deutungsmuster 1$
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Abbildung 25: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den »Walfadjri«-Artikeln Auftretenshäufigkeit von »D1« 6WHXHUXQJ
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Auftretenshäufigkeit von »N/A« 6WHXHUXQJ
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Die Zuordnung von senegalesischen Zeitungsartikeln zu den Deutungsmustern ergibt, dass sieben Artikel von »Walfadjri« hauptsächlich dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« und sechs Artikel als »neutral/ambivalent«
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
zuzuordnen sind. In den Artikeln mit einer neutralen oder ambivalenten Tendenz treten häufig Aussagen zu den Bestimmungsfaktoren der Migration (24 Aussagen) auf. Darauf folgt die Erwähnung von Maßnahmen zur Steuerung mit zehn Artikeln. Schwach reproduziert werden die Folgen mit nur vier Aussagen. Was das Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« anbelangt, sind die Ursachen (11 Aussagen), Folgen (11 Aussagen) und Steuerungsmaßnahmen (14 Aussagen) fast gleichmäßig repräsentiert. »Sud Quotidien« Die Verteilung der »Sud Quotidien«-Artikel und deren Aussagen auf die Deutungsmuster und Unterkategorien wird im Folgenden dargestellt: Abbildung 26: Verteilung von „Sud Quotidien“-Artikeln auf die Deutungsmuster '
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Die Berichterstattung der untersuchten Zeitungsartikel von »Sud Quotidien« wird durch eine Dominanz der Kategorie »neutral/ambivalent« mit 10 Artikeln geprägt. Das Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« ist mit fünf Artikeln vertreten. Kein Artikel lieferte eindeutige Hinweise zu einer Deutung von Migration als Chance. Artikel, in denen der Bedrohungsdiskurs reproduziert wird, beinhalten 8 Aussagen zu den Push-Faktoren, 14 zu den Folgen und 8 zu den Maßnahmen zur Regulierung der Migration. In den Artikeln, die als neutral bzw. ambivalent zu bewerten sind, werden 23 Aussagen zu den Ursachen, 16 zu den Folgen und 24 zur Steuerung getroffen.
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Qualitative Deutungsmusteranalyse
Abbildung 27: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den »Sud Quotidien«-Artikeln Auftretenshäufigkeit von »D1« 6WHXHUXQJ
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Auftretenshäufigkeit von »N/A« 6WHXHUXQJ
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»Le Soleil« Eine Verteilung von „Le Soleil“-Artikeln auf die Deutungsmuster und von Aussagen auf die Unterkategorien lässt sich wie folgt darstellen: Abbildung 28: Verteilung von »Le Soleil«-Artikeln auf die Deutungsmuster '
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Abbildung 29: Auftretenshäufigkeit von Unterkategorien der Deutungsmuster in den »Le Soleil«-Artikeln Auftretenshäufigkeit von »D1« 6WHXHUXQJ
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Auftretenshäufigkeit von »D2« 8UVDFKHQ )ROJHQ
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Auftretenshäufigkeit von »N/A« 8UVDFKHQ
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Was »Le Soleil« anbelangt, können 9 Artikel dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Bedrohung« und einer dem Deutungsmuster »Migration aus Afrika als Chance« zugeordnet werden. 13 Artikel werden als neutral oder ambivalent bewertet. Bei dem Bedrohungsdeutungsmuster ist mit 30 Aussagen eine starke Auftretenshäufigkeit von Aussagen zu den Steuerungsmaßnahmen festzustellen. Auch
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die Migrationsfolgen erweisen sich mit 29 Aussagen im Vergleich zu den Ursachen (mit nur 8 Aussagen) als relativ hoch. Bei den Artikeln mit einer neutralen bzw. ambivalenten Tendenz sind die Regulierungsmaßnahmen der Migration stark repräsentiert, und zwar mit 59 Aussagen. Dann kommen die Folgen mit 30 Aussagen und anschließend die Ursachen mit 14 Aussagen. Beim Artikel des Deutungsmusters »Chance« ist die Kategorie »Steuerung« dominant mit 14 Aussagen und die »Folgen« mit 9 Aussagen. Nur eine Aussage trifft auf die Kategorie »Ursachen« zu. Aufgrund des Dramas der irregulären Abwanderung findet die Debatte in den senegalesischen Zeitungen eine negative Resonanz. Diese negative Deutung der Abwanderung hat Handlungsempfehlungen und -möglichkeiten nicht nur auf politischer Ebene hervorgerufen, sondern auch auf medialer Ebene. Scheinbar hat sich die Presse in Senegal die Aufgabe zugeschrieben, die Leserschaft und damit auch die Abwanderungswilligen über die Gefahren der irregulären Abwanderung aufzuklären und sie dafür zu sensibilisieren. Dies kann durch die Berichterstattung der in dieser Arbeit untersuchten »Qualitätszeitungen« aus Senegal bestätigt werden. Wie die zwei untersuchten deutschen Printmedien benutzt die senegalesische Presse Symbole aus dem Bereich der Naturkatastrophen und aus der Militärsprache wie »Ruée«, »Arrivée massive«, »Avalanche«, »Deferlante d’Émigrés« oder »L’Europe est une Forteresse«, um die katastrophalen Folgen der Abwanderung junger Afrikaner nach Europa über den Seeweg zu verdeutlichen. Militärische Abwehrstrategien, die auf einen kriegerischen Zustand hindeuten, werden reproduziert, um die »massive« Einwanderung mit einem gefährlichen Angriff gleichzusetzen. Beispiele dafür sind Sätze wie: »Les autorités espagnoles s’organisent pour faire face.«162 Politische Maßnahmen, die durch den senegalesischen Staat zum besseren Management der Abwanderung ergriffen werden, werden in »Le Soleil«, ehemaliges Regierungsblatt, positiv gedeutet. Programme in den Bereichen der Bau- und Landwirtschaft zur Armuts- und Arbeitslosigkeitsminderung wie z. B. REVA und GOANA werden insbesondere von dieser Zeitung kritiklos reproduziert und als »Allheilmittel« zur effektiven Steuerung des Abwanderungspotenzials in Richtung Europa vermittelt. Härtere Steuerungsmaßnahmen durch das senegalesische Recht und die Gesetze wie etwa die Verurteilung und Inhaftierung irregulärer Migranten und ge-
162 Le Soleil, 17. 05. 2006.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
scheiterter Abwanderungswillige werden von der Presse als effektive Abschreckungsstrategien reproduziert. Diese Wiedergabe der negativen Sanktionen als »beispielhaft« für die künftigen Abwanderungskandidaten kann als eine Legitimierung der Regierungspolitik interpretiert werden. Eine Regierungspolitik, die zwar nicht in der Lage ist, Arbeit und Wohlstand für die Bürger zu schaffen, die sie jedoch für ihre Träume von einem besseren Leben bestraft. »Le Soleil« berichtet von solchen Strafen als »avertissement«,163 also als eine Warnung vor »illegaler« Abwanderung. Die Zusammenarbeit zwischen Senegal und Spanien, Frankreich oder Italien steht ebenfalls im Fokus der Berichterstattung. Besonders »Le Soleil« stellt diese Zusammenarbeit und die daraus resultierenden Verträge zur Abschiebung, Überwachung, Vorbeugung und Grenzkontrolle an der Küste Senegals als den Willen der Herkunfts- und Zielregionen dar, die Migration in Richtung Norden besser zu verwalten. Dass die junge Bevölkerung durch Armut und Arbeitslosigkeit zur Flucht getrieben wird, ist unumstritten. Jedoch wird hervorgehoben, dass solche Lebensumstände kein Grund sein dürfen, sich auf den lebensbedrohlichen Weg nach Europa zu begeben. Weiter wird die Jugend dargestellt, als eine Generation, die sich weigere, ihre Chance im eigenen Land wahrzunehmen und stattdessen eine einfache Lösung in der Migration suche. Im Gegensatz zu »Le Soleil« setzt sich »Walfadjri« mit den Ursachen der Abwanderung kritischer auseinander. Nicht nur wirtschaftliche und politische Push-Faktoren, also die schlechte Governance der afrikanischen Staaten, werden von dieser religiös geprägten Zeitung thematisiert, sondern auch die kulturelle Identität der afrikanischen Jugend, die zwischen kolonialer Vergangenheit und Gegenwart zerrissen sei und deswegen eine Orientierung u. a. in der Abwanderung suche. Von großer medialer Bedeutung ist der »Brain Drain« aus Afrika. Dabei wird in den senegalesischen Printmedien zwischen »migration choisie« (ausgewählte Migration) und »fuite des cerveaux« (Abwanderung »kluger Köpfe«) unterschieden. Über die erstgenannte Abwanderung wird vom Zielland entschieden, während bei der zweiten Art die Entscheidung zum Teil von den Hochqualifizierten und Intellektuellen selbst getroffen wird. Die senegalesischen Zeitungen kritisieren die »migration choisie« à la Nicola Sarkozy als eine einseitige Steuerung und Entscheidung des französischen Staates, die menschlichen Ressourcen des Kontinents Afrika zu »plündern«. Die »migration choisie« wird in einigen Artikeln mit
163 Le Soleil, 26. 05. 2006.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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der Deportation von gesunden und starken Afrikanern nach Amerika während des Sklavenhandels verglichen. Der Unterschied zum Sklavenhandel liegt nach der Ansicht der Medien darin, dass es heutzutage um die »klugen Köpfe« geht, während es damals um gesunde und starke Menschen für die harte Arbeit in den Plantagen in Amerika ging. Wie manche gesellschaftlichen Akteure plädiert die Presse für eine Wiedergutmachung von der Seite der »Profiteure« des »Brain Drains«, also die europäischen Zuwanderungsländer, und zwar mit der Begründung, dass die Ausbildung dieser Hochqualifizierten durch die afrikanischen Länder finanziert wird.164 Besonders bei »Walfadjri« und »Sud Quotidien« werden der »Brain Waste«165 und die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen als wichtige Determinanten der Abwanderung gut ausgebildeter und qualifizierter Menschen von Afrika nach Europa benannt. Nicht außer Acht zu lassen ist die Thematisierung der Migration von niedrig qualifizierten Arbeitskräften als ein Lösungsansatz für das Problem der Bevölkerungsalterung in den europäischen Industrieländern. Dabei stellt die senegalesische Presse einen Widerspruch im öffentlichen Umgang mit den irregulären Migranten aus Afrika fest, deren Ankunft auf den Kanarischen Inseln in Spanien stark mediatisiert werde. Auf der einen Seite bestehe aufgrund der Bevölkerungsalterung in vielen EU-Ländern ein Bedarf an diesen jungen Afrikanern mit prekärem Status (irreguläre Migranten), die bereit seien, niedrige Tätigkeiten mit niedrigen Löhnen zu erledigen, die die europäischen Einheimischen nicht mehr erledigen wollen. Auf der anderen Seite werden diese Menschen öffentlich als »unerwünscht« dargestellt. In den Berichten der senegalesischen Presse tauchen häufig neben Senegal und anderen Ländern SSA Transitländer wie Marokko, Algerien, Libyen, Mauretanien und Marokko auf. Klassische europäische Zielländer senegalesischer Migranten wie Frankreich werden öfter erwähnt, aber auch neue Aufnahmeländer für irreguläre Migranten wie Spanien und Italien. Auch die Kanarischen Inseln, Ceuta und Melilla als Ziel- und Transitregionen für Migranten aus SSA werden häufig erwähnt.
164 Der afrikanische Verein »African Development Initiative« (ADI) plädiert für eine Migrationssteuer, die von den Afrikanern im Ausland gezahlt werden sollte. Vgl. http://www.a-d-i.info/. Mehr dazu: Jamfa 2007, S. 14–68. 165 Man spricht von »Brain Waste«, wenn gut ausgebildete Menschen Tätigkeiten erledigen, für die sie überqualifiziert sind. Viele Hochqualifizierte befinden sich in dieser Situation, wenn sie in ein anderes Land eingewandert sind und ihre Kenntnisse und Diplome dort nicht anerkannt werden.
284
6.4.4
Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Überprüfung von Hypothesen
Die Hypothese (H1), nach der die senegalesischen Zeitungen als Medien des Herkunfts- und Transitlandes von Migranten aus SSA angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Senegal die Abwanderung nach Europa als Chance deuten, kann sich durch die durchgeführte Diskursanalyse nicht bestätigen lassen. Hauptsächlich wird über die Gefahren der irregulären Abwanderung nach Europa, die prekäre Situation vieler Migranten afrikanischer Herkunft in den europäischen Ländern, die Abschiebung irregulärer Einwanderer, die Vereinbarungen zwischen Senegal und europäischen Zuwanderungsländern zur Abwehr irregulärer Migration und den Verlust für die afrikanischen Länder durch die Abwanderung gut ausgebildeter Menschen nach Europa und Nordamerika berichtet. Über die erfolgreichen Migranten wird sehr wenig berichtet. Es ist daraus abzuleiten, dass die Nicht-Thematisierung der Erfolgsgeschichten dazu dient, die Illusionen der künftigen Abwanderungswilligen abzubauen. Auch die ständige Präsenz negativer Kollektivsymbole zur Deutung der Abwanderung und vor allem der irregulären Abwanderung als Bedrohung könnte als eine Strategie zur Dekonstruktion des Bildes von Europa als »Eldorado« interpretiert werden. Als Strategie der Dekonstruktion des verschönten Bildes von Europa in den Medien und im Alltag in Afrika werden authentische individuelle Schicksale reproduziert. In den Geschichten schildern in vielen Fällen erfolglose Abwanderer Motive, die bei allen ähnlich sind, nämlich, dass sie von Armut und Arbeitslosigkeit zur Abwanderung nach Europa getrieben wurden. Darauf folgt der Migrationsweg voller Hürden und Lebensgefahr und anschließend die Rückkehr. Wichtig dabei ist jeweils die Lehre am Ende der Geschichte, die einen klaren Appell an die Menschen richtet, ihr Glück in der Heimat zu suchen und sich nicht in die irreguläre Migration zu begeben. Auch wenn Arbeitslosigkeit und Armut häufig als Hauptmotive der Abwanderung erwähnt werden, wird auch darauf hingewiesen, dass die Lösung trotzdem nicht in der »Irrfahrt« über das Meer nach Europa liege. Metaphern des Todes wie »Voyage vers la mort« erklären das irreguläre Abwanderungsprojekt nicht nur als zum Scheitern verurteilt, sondern auch als lebensbedrohlich. Um nicht alle Migrationsformen pauschal zu verurteilen, wird darauf hingewiesen, dass die legale Migration der bessere und einzig sichere Weg nach Europa bleibe. Die geringe Thematisierung von Aspekten der akademischen, legalen und zirkulären Migration, Arbeitsmigration und Familienzusammenführung in allen untersuchten Zeitungen könnte Aufschluss darüber geben, dass die irreguläre Migration den ganzen Diskurs über Abwanderung von Afrika in Richtung Europa überschattet und darüber hinaus zu einem negativen Image von afrikanischen Migranten
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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und Afrika beiträgt. Die Hypothese (H2), die davon ausgeht, dass die Zunahme irregulärer Abwanderung aus Senegal bzw. aus Afrika nach Europa seit Ende des 20. Jahrhunderts und deren dramatische humanitäre Folgen zu einer überproportionalen medialen Berichterstattung über diese Kategorie geführt haben, findet durch die Ergebnisse dieser Studie Bestätigung. Die Hypothese (H4) über die Berichterstattung der ausgewählten deutschen und senegalesischen Printmedien geht davon aus, dass die senegalesischen Zeitungen als Medien eines Herkunfts- und Transitlandes die Abwanderung aus Afrika nach Europa als Chance für die Entwicklung sehen, während die deutschen Zeitungen aus der Perspektive des Zuwanderungslandes diese Migration eher als Bedrohung vermitteln. Anknüpfend an die oben durchgeführten Analysen der Zeitungsartikel mit der Methode der Deutungsmusteranalyse lässt sich im Folgenden ein Vergleich der qualitativen Analyse durchführen. Die vorliegende Analyse zeigt, dass in der Berichterstattung der deutschen und senegalesischen Zeitungen zwischen 1998 und 2008 zwar ein Bedrohungsdeutungsmuster dominiert, jedoch auch ein neutraler Diskurs und ein »Critical Framing« festzustellen ist. Verschiedene soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Interessen und Muster liegen diesem Deutungsmuster zugrunde. Als Aufnahmeland herrscht in Deutschland zum Teil »Angst vor [einem] Ansturm auf den Wohlstand« durch die nicht-qualifizierten Einwanderer. Dies ist eine Befürchtung, die durch die Medien reproduziert wird. Die FAZ und die SZ behandeln in vielen Artikeln das Thema Migration aus Afrika unter dem Aspekt des »Distanz-Frames« und der Anwendung distanzierter Ausdrücke wie »Afrikaner«, »verzweifelte Afrikaner« oder »ungebetene Gäste«. Ferner sind auch Ausdrücke wie z. B. »arme Flüchtlinge« zu finden, die die Lage der irregulären Migranten aus Afrika mit Empathie vermitteln. Es entsteht daraus ein Opfer-Diskurs, wobei die Migranten nicht als Akteure des Migrationsgeschehens dargestellt werden, sondern als Opfer von Schleppern oder von schlechten Lebensumständen in ihren Heimatländern. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass der humanitäre Aspekt in allen untersuchten Zeitungen eine Thematisierung findet. Dabei wird die irreguläre Migration als ein »humanitäres Drama« gedeutet. Nachgegangen wird der Frage nach den fundamentalen Menschrechten und der Würde der Migranten. In den untersuchten Zeitungsartikeln beider Länder ist eine eindeutige ChanceDeutung sehr schwach vertreten. Wie die deutschen Zeitungen reproduzieren auch die senegalesischen Zeitungen einen Bedrohungsdiskurs, in dem die irreguläre Abwanderung, die Steuerungsmaßnahmen der Staaten sowie die Zusammenarbeit zwischen Senegal und den europäischen Ländern einen prominenten Platz
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
finden. Dies mag vielleicht an der Dominanz der irregulären Migration im Diskurs liegen, die häufig von Wissenschaft, Politik sowie von den Medien negativ gedeutet wird. Hervorzuheben ist, dass neutrale und ambivalente Diskurse sowohl in den deutschen als auch in den senegalesischen Zeitungen vertreten sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Diskurse über die Migration aus Afrika, die in den deutschen und senegalesischen Zeitungen zwischen 1998 und 2008 (re-) konstruiert werden, zum Teil unter einem Bedrohungsaspekt medial reproduziert werden. Dies geschieht durch Wasser-, Bedrohungs-, Kriminalitäts-, Kriegs- und Naturkatastrophen-Metaphern wie z. B. »vague«, »avalance humaine«, »attaque«, »ruée«, »arrivée massive des clandestins«, »Offensive«, »Angriff«, »Lawine von Illegalen«, »Ansturm« und »Flut« und negative Kollektivsymbole wie »Armutsflüchtlinge«, »Wirtschaftsflüchtlinge«, »Ansturm von Illegalen«, »unerwünschte Afrikaner«. Das Deutungsmuster »Bedrohung« hat sich zum Teil durchgesetzt und erweist sich in den untersuchten deutschen sowie in den senegalesischen Zeitungen als ein hegemoniales Deutungsmuster in Migrationsfragen. 6.4.5
Zuschreibung der Verantwortlichkeit
Sowohl in den untersuchten senegalesischen als auch in den deutschen Zeitungen werden die Rahmenbedingungen in den afrikanischen Ländern als entscheidend für das Abwanderungspotenzial analysiert. Die weltweite Wirtschaftsordnung, die Subventionspolitik der europäischen Länder im Agrarsektor und deren negative Effekte auf die Exporte der afrikanischen Bauern bilden die wichtigsten Bestimmungsfaktoren des wachsenden Migrationsdrucks aus Afrika, die durch die Presse dargestellt werden. Die senegalesischen Zeitungen schreiben den ungleichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Norden und dem Süden und der Kolonialisierung Afrikas einen wichtigen Beitrag zur Armut in Afrika zu. Auch die Migrationspolitik der EULänder, die die legale Einwanderung aus Afrika nicht entsprechend fördert, wird dargestellt als einer der Faktoren, der die lebensbedrohliche irreguläre Abwanderung begünstigt. Was die Zuschreibung von Verantwortlichkeit an die afrikanischen bzw. senegalesischen politischen Verantwortlichen anbelangt, wird ihre schlechte Wirtschaftspolitik und ihre Unfähigkeit, genügend Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen, kritisiert. Die Zurückhaltung vieler afrikanischer Regierender angesichts des Migrationsdramas und des Umgangs mit afrikanischen Irregulären in den europäischen Ländern gerät häufig in die Kritik sowohl der senegalesischen als auch
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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der deutschen Presse. Die senegalesische Presse sieht dieses Schweigen nicht nur als ein Zeichen der Unfähigkeit der afrikanischen Staaten, adäquate Lösungen für die Probleme der Jugend zu finden, sondern auch als eine Verantwortungslosigkeit gegenüber der eigenen Bevölkerung. Dagegen wird dieses Verhalten in den deutschen Zeitungen als eine gewisse Legitimation aller Formen der Abwanderung verurteilt. Das »komplizenhafte« Schweigen könnte damit erklärt werden, dass die afrikanischen Herkunftsländer auf die Rücküberweisungen ihrer Diasporagemeinschaften im Ausland und besonders in Europa und Nordafrika angewiesen sind und daher weniger Interesse haben, die Abwanderung einzudämmen. In Senegal wird die Haltung von afrikanischen Regierenden überwiegend durch »Sud Quotidien« und »Walfadjri« kritisiert, während »Le Soleil« eher das Migrationsmanagement der Regierung legitimiert. Neben den politischen Machthabern wird in der Berichterstattung der senegalesischen Zeitungen den Familien der Migranten die Verantwortung zugeschrieben. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Kinder zur irregulären Abwanderung anzustiften und sie zu unterstützen. Die Familien würden in der Hoffnung auf ein besseres Leben durch die Niederlassung eines Angehörigen im Ausland ihre Söhne ermutigen, illegal nach Europa auszuwandern und sie dabei finanzieren.166 »Walfadjri« berichtet über den Umgang mancher Eltern mit den Gefahren eines solchen Abenteuers. So wird von Müttern berichtet, die dafür beten, dass ihre Söhne die gefährliche Überfahrt des Mittelmeers oder des atlantischen Ozeans erfolgreich bestehen. Mit einer fatalistischen Wahrnehmung bedauern sie nicht, dass ihre Söhne diese Mutprobe gewagt haben. Mittlerweile haben die senegalesischen Zeitungen die Deutungen der irregulären Migranten übernommen, die die Reise nach Europa über das Meer als »Djihad« gegen Armut und Aussichtslosigkeit bezeichnen. Solche Ausdrücke und Metaphern wie »Mbeuk-mi« (eintauchen), »la guerre sainte« (Heiliger Krieg), »attentat suicidaire« (Selbstmordattentat) und »Mbeukeu« (Reise in das Unbekannte) tauchen häufig in den Artikeln auf.167 Neben der Verantwortlichkeit der Regierenden und der Familien wird in ein paar Zeitungsartikeln die Rolle der religiösen »Führer«, in Senegal genannt »Marabouts«, bei den Migrationsentscheidungen ihrer Anhänger unter die Lupe genommen. Diese »Marabouts« haben einen erheblichen Einfluss auf junge Männer, die
166 20 der Bevölkerung in Senegal ist unterernährt. Vgl. http://www.statistiques-mondiales.com/ senegal.htm. 167 Vgl. Walfadjri, 19. 05. 2006.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
bereits als Koran-Schüler, »Talibés«, eine religiöse Erziehung bei ihnen absolviert haben. Ihren geistlichen Lehrern treu, berücksichtigen diese jungen Männer in wichtigen Lebensentscheidungen die Meinung ihrer »Marabouts«.168 Abwanderung gilt heutzutage in Senegal sowie in vielen anderen Entwicklungsländern als eine relevante Lebensentscheidung. Den »Marabouts« wird durch die Presse die Mitverantwortung beigemessen, ihre Anhänger zur Abwanderung zu motivieren. Diese geistliche Mitwirkung der »Marabouts« mag nicht nur aus altruistischen Gründen geschehen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass eine erfolgreiche Niederlassung des »Talibé« in einem europäischen Land auch finanzielle Einnahmen für die Gelehrten in der Heimat bedeuten könnte. Nicht zuletzt wird den Migranten als Hauptakteuren die Verantwortung zugeschrieben. Da die Medien zum Teil die Deutungen der Politik übernehmen und sie medial reproduzieren, findet eine solche Zuschreibung der Verantwortlichkeit in einem Kontext statt, in dem die Politik selbst weder nachhaltige Maßnahmen zur Steuerung noch adäquate Lösungen zu den Ursachen der Migration gefunden hat. Abwanderungswillige, die nach einem besseren Leben im Ausland streben, werden zu Kriminellen erklärt. Ohne große Kritik reproduzieren Zeitungen wie »Le Soleil« die Strafmaßnahmen gegen Abwanderungsversuche und legitimieren dadurch die Kriminalisierung von Abwanderungskandidaten durch die Gesetze. Als Zuwanderungsland im südlichen Europa geriet Spanien häufig in den Fokus der Berichterstattung der deutschen Zeitungen. In den untersuchten deutschen Artikeln werden zwar die Steuerungsversuche der europäischen Staaten und der EU stärker thematisiert, jedoch ohne unmittelbare Hinweise auf die Verantwortlichkeit der europäischen Regierenden. Ungleiche Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und Afrika, Armut in Afrika, schlechte Governance und Misswirtschaft werden als wichtige Determinanten des Abwanderungsdrucks in Afrika betrachtet. Aber auch die Verantwortung der afrikanischen Staatschefs, die keine pragmatischen und verantwortungsvollen Lösungen des Abwanderungsproblems bieten und mit Lethargie und »Verharmlosung« reagieren, rückt in den Fokus einiger deutscher Zeitungsartikel. Die FAZ schreibt: Afrikanische Staatschefs äußern sich gemeinhin nicht gerne zu dem Thema [Migration] und wenn, dann verharmlosen sie. Der malische Präsident Amadou Toumani Touré etwa findet
168 Der heutige senegalesische Präsident, Abdoulaye Wade, gehört zu der »Mouriden«-Bruderschaft und berücksichtigt auch in wichtigen politischen Fragen die Ratschläge des »Führers« seiner Bruderschaft.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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die rigorose Abschiebepraxis der Franzosen ›unglücklich und ungerechtfertigt‹ […]. Dahinter steckt einzig und allein wirtschaftliches Kalkül. In der Gewissheit, die Grundversorgung der eigenen Bevölkerung nicht gewährleisten zu können, sind die Auslandsüberweisungen der Flüchtlinge aus Sicht der afrikanischen Regierungen ein willkommenes soziales Netz, das sie nicht selbst zu spannen brauchen. Speziell in der Sahelzone leben ganze Landstriche von dem Geld derjenigen, die ausgezogen sind, ihr Glück woanders zu finden.169
Auch die Mitverantwortung der Familien der Migranten wird in sehr wenigen Artikeln der deutschen Zeitungen erwähnt. Dabei geht es um afrikanische Familien, die zur Abwanderungsentscheidung eines Angehörigen nach Europa beigetragen haben. Sie verfügen in vielen Fällen über die Ressourcen, die der Migrant benötigt, um die Abwanderung zu organisieren und den Abwanderungsprozess erfolgreich zu absolvieren. Eine solche Unterstützung gilt als Investition in die Zukunft. Die Zuschreibung von Verantwortung fordert von den Verantwortlichen Handlungsstrategien zur Lösung des Problems. Allgemein wird von Seiten der deutschen Presse argumentiert, dass die afrikanischen Länder als Hauptverantwortliche zur Schaffung von Rahmenbedingungen für eine gute Marktwirtschaft, Governance und Entfaltung der Bürger verpflichtet seien, damit das Abwanderungspotenzial gemindert werde. Jedoch wird auch auf die Verantwortung der europäischen bzw. der Industrienationen hingewiesen, die durch bessere Entwicklungszusammenarbeit und Förderung der legalen Migration die Einwanderung besser steuern müssten. Was die senegalesische Presse betrifft, wird an die afrikanischen Regierungschefs appelliert, die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklung ihrer Länder voranzutreiben, damit junge Afrikaner in ihren Heimatländern besser ausgebildet werden und einen Beruf in lebenswürdigen Umständen ausüben können. Wichtig ist in dieser medialen Zuschreibung der Verantwortung angesichts des Abwanderungsdrucks die entscheidende Rolle, die Europa aufgrund u. a. seiner kolonialen Vergangenheit, die immer noch die Beziehungen mit Afrika belastet, in der Armutsbekämpfung zu spielen hat. 6.4.6
Thematisierung der kolonialen Vergangenheit
Wie thematisieren die Medien die koloniale Vergangenheit zwischen Europa und Afrika im Zusammenhang mit der Migration? Dient diese Vergangenheit zur Rechtfertigung oder zur Legitimierung der Migration?
169 FAZ, 13. 10. 2005, S. 6.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Aus der Perspektive des Zuwanderungslandes beschäftigen sich hauptsächlich die deutschen Zeitungen mit den Folgen und Maßnahmen zur Steuerung der Zuwanderung aus Afrika in die EU, während die senegalesischen Zeitungen auf die Determinanten sowie auf die komplexen Folgen für Senegal bzw. für den afrikanischen Kontinent fokussieren. In den deutschen Zeitungen wird zwar die Dimension der Menschenrechte und -würde in Migrationsfragen thematisiert und auf die ungleichen Wirtschaftsbeziehungen am Weltmarkt, die schwache Beteiligung von Afrika an weltweiten Exporten sowie auf die Armut als wichtiger Determinante des Abwanderungspotenzials hingewiesen, jedoch wird kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Kolonialisierung Afrikas durch die europäischen Kolonialmächte und dem heutigen Migrationsdruck hergestellt. In den senegalesischen Zeitungen wird hinsichtlich der Determinanten der Abwanderung auch die Problematik der Kultur und Identität hinterfragt. Es wird argumentiert, dass der wirtschaftlichen Entwicklung einer Nation solide kulturelle Werte zugrunde liegen und dies leider in den meisten afrikanischen Ländern nicht der Fall sei, da ihre Kulturen, Identitäten und Wirtschaftssysteme durch die Kolonialsysteme zerstört wurden. Durch Unterdrückung, Einführung neuer Religionen, Erziehungs- und Bildungssysteme sowie eines Entwicklungsmodells nach westlichem Vorbild seien die Afrikaner ihrer kulturellen Wurzeln entfremdet worden. »Walfadjri« deutet deswegen die heutigen Beweggründe von Migranten als Folgen der Kolonialisierung. Solche Beweggründe sind z. B. Identitätskrisen oder die Vernachlässigung afrikanischer Werte zugunsten der westlichen Lebensweisen. Auch die Medien mit ihrer häufig einseitigen Vermittlung des Westens als »Paradies« und »monde idyllique« in Kino, Musik, Sport und Showbusiness werden als »Anstifter« zur Migration kritisiert.170 In den senegalesischen Zeitungen wird der historische Zusammenhang zwischen der Kolonialisierung Afrikas, der heute herrschenden Armut in vielen afrikanischen Ländern und dem daraus resultierenden Abwanderungsdruck betont. Dabei wird für eine gewisse Legitimation der Abwanderung von Afrikanern nach ihren ehemaligen Kolonialmächten und der Verantwortung Europas angesichts Afrikas plädiert. Besonders in der »kritischsten Tageszeitung in Senegal«171, »Walfadjri«, ist dieser Diskurs deutlich zu erkennen. In den untersuchten deutschen Zeitungen wird demgegenüber der Armut, den fehlenden Strukturen und Politiken in den af-
170 Walfadjri, 25. 05. 2006. 171 Vgl. 6.2.2.1.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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rikanischen Ländern die Hauptursachen des Abwanderungsdrucks zugeschrieben, während eine eindeutige Beziehung zwischen der Migration und der kolonialen Vergangenheit selten hergestellt wird. 6.4.7
Die Rolle der Nachrichtenagenturen und Experten
Die Fragestellung, welche Rolle die Nachrichtenagenturen bei der Agenda der untersuchten Zeitungen zum Thema Abwanderung aus Afrika spielen und welche Experten in die Berichterstattung miteinbezogen werden, wird im Folgenden behandelt. Die Analyse der sozialen Akteure (Medien, Entscheidungsträger und Publikum), die im komplexen Prozess des »Agenda-Settings« mitwirken,172 zeigt, dass Journalisten, Medienkonsumenten und Menschen mit besonderem Kontakt zu Medien an der Entstehung der medialen Agenda erheblich beteiligt sind. Medien sind nicht nur Mittel und stellen Verfahren bereit zur Verbreitung von Informationen, Bildern und Nachrichten, sondern sie beeinflussen, über welche Themen Menschen sich Gedanken machen. Hinsichtlich der Schaffung einer Agenda der öffentlichen Meinungsbildung berücksichtigen sie nicht nur die Wichtigkeit eines Themas, eines Ereignisses oder eines Sachverhalts, sondern auch die Deutungsmuster, die die Zielgruppe bei der Wahrnehmung dieses Problems orientieren. Relevant in diesem Prozess sind auch die gesellschaftlichen machtpolitischen Interessen. Ob sich ein Thema oder ein Ereignis überhaupt als medial interessant erweist, hängt wesentlich von der Selektion durch die Informationsquelle ab. Dabei spielen die Nachrichten- und Presseagenturen, die im weltweiten Nachrichtenfluss Informationen über aktuelle Ereignisse liefern, eine zentrale Rolle. Laut Oliver BoydBarrett und Terhi Rantanen führt die Tatsache, dass die Nachrichtenagenturen im Hintergrund agieren, dazu, dass sie noch stärker seien, als es wahrgenommen werde.173 Nachrichtenagenturen werden »Gatekeepers« genannt, da sie überwiegend über die Relevanz und den Wert eines Ereignisses entscheiden. Ihre Redakteure erstellen Nachrichten, die an Korrespondenten und Redakteure von Medien geschickt werden. Häufig werden die Nachrichtenagenturen im Mediensystem den am wenigsten interessanten und begehrten Kategorien zugeordnet. Dagegen repräsentieren sie, so Boyd-Barrett und Rantanen, »an extreme form of a journalism of
172 Guignard 2007, S. 95. 173 Boyd-Barrett/Rantanen 1998, S. 7.
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information«.174 Anzumerken ist, dass auch wenn Objektivität, Unabhängigkeit, Ethik und Unparteilichkeit175 bei der Vorauswahl der Ereignisse von großer Relevanz sein müssen, die Nachrichtenangebote mancher Nachrichtenagenturen nicht immer frei von Ideologien und Interessen sind. Dies kann dazu führen, dass die Trennlinie zwischen »journalism of opinion« und »journalism of information« durchlässig wird.176 Deshalb können die Nachrichtenagenturen, wie die Geschichte gezeigt hat,177 in manchen Fällen neben ihrer erwähnten Machtposition im Dienst der Propaganda stehen. Welchen Einfluss haben diese Agenturen auf die Berichterstattung über die Migration aus Afrika in Europa in senegalesischen und deutschen Zeitungen? 6.4.7.1 Die deutschen Zeitungen Was die deutschen Zeitungen anbelangt, beziehen die FAZ und die SZ ihre Quellen und insbesondere das Bildmaterial zu Migrationsfragen in Bezug auf Afrika hauptsächlich von AFP (Agence France Presse), DPA (Deutsche Presse Agentur), Reuters178 und AP (Associated Press). Besonders für die Berichterstattung über die irreguläre Migration wird auf die Nachrichten von AFP, Reuters und AP zurückgegriffen. Die DPA liefert Nachrichteninformationen zu den Ereignissen, die in Deutschland stattfinden. Obwohl Spanien und vor allem seine Grenzinseln, die Kanarischen Inseln sowie die Exklaven Ceuta und Melilla in der Berichterstattung häufiger als andere europäische Länder und Städte erwähnt werden, wird selten eine spanische Presseagentur als Nachrichtenquelle genannt. Die AFP ist die wichtigste Informationsquelle. Diese Dominanz von AFP könnte mit der Position und dem besonderem Interesse Frankreichs an der Migration aus Afrika und vor allem der aus den frankophonen Ländern erklärt werden. Viele dieser Migranten nutzen zwar Spanien oder Italien als Transitland, ziehen jedoch Frankreich (aber auch Großbritannien) als Zielland in Erwägung. Aufgrund der kolonialen Vergangenheit und der jetzigen Beziehun-
174 Boyd-Barrett/Rantanen 1998, S. 6. 175 Mehr dazu: Sebgers 2007, S. 122–126. 176 Es wird zwischen privaten und staatlichen Nachrichtenagenturen unterschieden. Vgl. Kivikuru 1998, S. 136. 177 Während des Ersten Weltkrieges spielten Nachrichtenagenturen wie z. B. »Reuters« und »Havas« eine wesentliche Rolle bei der Propaganda der Regierung in Deutschland. Vgl. Boyd-Barrett/Rantanen 1998, S. 7. 178 Mit Hauptsitz in London war »Reuters« die weltweit größte internationale Nachrichtenagentur. Seitdem der Konzern 2008 von der Thomson Corporation gekauft wurde, heißt er »Thomson Reuters« und hat seinen Hauptsitz in New York.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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gen zu seinen ehemaligen Kolonien weist Frankreich im Vergleich zu Deutschland eine lange Einwanderungstradition in Bezug auf Afrika auf. Außerdem ist die AFP in Afrika, wie bereits erwähnt und von Guignard bestätigt, gut etabliert und dient auch zum Teil den staatlichen Interessen Frankreichs. Darüber hinaus werden von den deutschen Zeitungen französische Zeitungen wie »Le Monde« zitiert. In den untersuchten deutschen Zeitungsartikeln sind keine afrikanischen Nachrichtenagenturen als Informationsquellen zu finden. Wenig werden die Sichtweisen afrikanischer Migrationsexperten berücksichtigt.179 Jedoch finden sich häufig Meinungen von europäischen Experten, Mitarbeitern von NRO, entwicklungspolitischen und internationalen Organisationen wie z. B. »Pro Asyl«, »Cap Anamur« oder IOM. Europäische politische Eliten und Experten beherrschen den medialen Diskurs. So werden die Sichtweisen dieser Eliten in vielen Artikeln unreflektiert wiedergegeben. Vertreter der europäischen Regierungen äußern sich über den Umgang Europas mit der Einwanderung aus Afrika und legitimieren die Standpunkte und Steuerungspolitik ihrer Staaten. Die afrikanischen politischen Vertreter und Migrationsexperten kommen in deutschen Zeitungen wenig zu Wort, was eine Erklärung dafür liefert, dass in den Migrationsfragen die wichtigsten Ursachen der Abwanderung nicht bzw. kaum berücksichtigt werden. Die einzelnen Schicksale irregulärer Migranten, ihre Motive und Erwartungen angesichts Europas werden geschildert. Jedoch kommen ausgewanderte Arbeiter, Hochqualifizierte und Sportler, die sich bereits in vielen europäischen Ländern erfolgreich etabliert haben, sowie die »erfolgreichen« Rückkehrer wenig zu Wort, um andere Facetten der Migration aus Afrika vorzustellen. Was die afrikanischen Länder anbelangt, wird abgesehen von einigen Herkunftsländern der irregulären Migranten wie Gambia, Guinea, Kamerun oder Senegal häufig über Marokko als eines der wichtigsten Transitländer vieler Kandidaten der irregulären Abwanderung nach Spanien berichtet. Weitere Transitländer wie Libyen, Algerien und Mauretanien erscheinen auch in der Berichterstattung der deutschen Zeitungen. 6.4.7.2 Die senegalesischen Zeitungen Dass das Auftreten und die Etablierung eines neuen Deutungsmusters zu einer neuen Handlungsmöglichkeit führt, lässt sich in den senegalesischen Zeitungen durch die Koppelung der Deutung von irregulärer Abwanderung mit den dafür
179 SZ, 01. 10. 2005, S. 14.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
geforderten Steuerungsmaßnahmen bestätigen. Als eine »Problematik«, die nicht nur Senegal als Herkunftsland betrifft, sondern auch die Transitländer wie Marokko, Libyen, Algerien und die europäischen Ankunftsländer, sind die Migration und vor allem die »unerwünschte Migration« aus Afrika von internationalem Interesse. Bei ihrer medialen Vermittlung spiegeln sich deshalb nicht nur die Deutungsmuster wider, die national entstanden sind, sondern auch diejenigen, die international über die Medien und andere Informationskanäle transportiert werden. Zu dem bereits erwähnten kulturellen, wirtschaftlichen und politischen »Imperialismus«,180 der zum Teil der internationalen Weltordnung und den Beziehungen zugrunde liegt, kommt ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt hinzu, nämlich die internationale mediale Dominanz durch die Industrieländer, also der »Kommunikationsimperialismus«. Im Prozess dieses Imperialismus schildert Guignard die Abhängigkeit der afrikanischen Länder von internationalen Nachrichtenagenturen wie folgt: D’autres formes de dépendance viennent conforter les observations précédentes. On peut citer le recours ›obligatoire‹ des médias aux agences internationales comme l’AFP qui disposent d’un large réseau de correspondants en Afrique. Deux services de l’AFP à Paris s’occupent du continent africain: la section diplomatique et le Desk Afrique.181
In vielen afrikanischen Ländern sind die Nachrichtenagenturen als Informationsagenturen für Regierungen entstanden. In den 1970er Jahren änderten viele nationale Agenturen ihre Namen, jedoch ohne erhebliche Veränderungen in ihren Netzwerken vorzunehmen. Dieser Status quo hat als Folge, dass sich die sogenannten »unabhängigen Medien« weigern, sich auf die Nachrichten dieser zu beziehen, die sie als nicht neutral verurteilen.182 Die UNESCO und die Entwicklungsländer plädierten in den 1970er Jahren für einen ausgewogenen Informationsfluss zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern. Als Antwort wurde der »Non-Aligned News Agencies Pool« (NANAP) ins Leben gerufen, um den Informationsaustausch zwischen den Entwicklungsländern zu verbessern. Eine weitere Initiative war 1964 die Gründung von »Inter Press Service« (IPS) in Zusammenarbeit mit unabhängigen Journalisten. Es folgte 1979 mit Hilfe der UNESCO die Gründung der »Pan African News
180 Vgl. 3.1.7. 181 Guignard 2007, S. 123. 182 Vgl. Kivikuru 1998, S. 138.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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Agency« (PANA).183 Diese skizzierten Initiativen können als Versuch verstanden werden, den Nachrichtenagenturmarkt zu pluralisieren, die Entwicklungsländer von der Übermacht der Industriestaaten und dem Neokolonialismus zu befreien. Als interstaatliches Organ zur Förderung der afrikanischen Einheit ist PANA finanziell von den afrikanischen Mitgliedstaaten und insbesondere von internationalen UN-Organen abhängig. PANA hat nicht die Unabhängigkeit erreicht, die bei ihrer Gründung erhofft wurde. Ursprünglich zielte sie darauf ab, nicht die internationalen Agenturen in Afrika zu vertreten, sondern »alternative« Informationen für Medien in den afrikanischen Ländern zu bieten. Aufgrund von inadäquaten Infrastrukturen ist PANA mit der riesigen Konkurrenz von Reuters und AP konfrontiert,184 die besser ausgerüstet und in vielen Fällen schneller sind. Was bedeutet diese Medienordnung für den Zugang der Medien in Senegal zur Information über Migration? Für die Berichterstattung über Migration greifen die senegalesischen Zeitungen neben eigenen Recherchen von Reportern und Korrespondenten auf die senegalesische Presseagentur APS (Agence Presse Sénégalaise) zurück, die 1959 gegründet wurde und eine Monopolstellung in der Verbreitung von Informationen der internationalen Presseagenturen in Senegal hat. Eine bedeutsame Informationsquelle ist die oben dargestellte PANA.185 Für viele internationale Ereignisse werden häufig die Kurznachrichten der französischen Nachrichtenagentur AFP benutzt. Besonders »Le Soleil« reproduziert kurze Nachrichten von AFP zur Odyssee afrikanischer irregulärer Migranten in Marokko, Ceuta und Melilla und auf den Kanarischen Inseln ohne inhaltliche Veränderungen. Die Zeitungen beziehen ihre Nachrichten der englischen Nachrichtenagentur »Reuters«, die als zweitwichtigste internationale Nachrichtenagentur gilt.186 Diese Nutzung internationaler Nachrichtenagenturen könnte auf die oben genannten Medienstrukturen und historischen Beziehungen zwischen Senegal und Frankreich zurückgeführt werden. 183 1983 wurde PANA operativ. Vgl. Forbes 1998, S. 155. PANA wurde im Rahmen der OAU in Zusammenarbeit mit 42 nationalen Nachrichtenagenturen und mit Hilfe des »International Programme for the Development of Communications« IPDC der UNESCO gegründet, um die afrikanische Einheit zu fördern. Sie ist eine interstaatliche Pressegentur der afrikanischen Länder im Rahmen der OAU. Vgl. Boyd-Barrett/Rantanen 1998, S. 11. 184 Forbes 1998, S. 156. 185 Eine Studie von Wittmann analyisert die Nutzung der Informationsquellen der senegalesischen Zeitungen. Vgl. Wittmann 2001, S. 11. 186 Es ist hervorzuheben, dass neben Berichten von Reportern in den untersuchten Zeitungen in Senegal häufig Reportagen von Korrespondenten im Ausland (Spanien, Frankreich und Marokko) zu dem Thema Migration aus Afrika veröffentlicht wurden.
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Laut einer Umfrage zwischen 1988 und 1990 bezogen 74 % der befragten senegalesischen Journalisten ihre Informationen von AFP.187 »Reuters« war die Informationsquelle für 52 % der interviewten senegalesischen Journalisten.188 Trotz Veränderungen und Fortschritten durch neue Informationstechnologien und die Gründung nationaler Presseagenturen ist diese Tendenz heutzutage in vielen afrikanischen Ländern noch festzustellen. Michael Segbers bestätigt die führende Position von AP, Reuters und AFP als die »großen drei globalen Agenturen«, die unterschiedlichen Konzepte verfolgen, um in »fremden« Märkten eine Präsenz zu schaffen und Gewinne zu erzielen. Dies geschieht durch Kooperationsverträge mit nationalen Nachrichtenagenturen, die das Material dieser »globalen Agenturen« in ihren Nachrichtenangeboten verwenden.189 Frankophone Länder Afrikas wie z. B. Senegal und Benin nutzen häufig französische Agenturen als Informationsquelle, während englischsprachige Länder wie Tansania ihre Information von englischen Presseagenturen beziehen. Diese Abhängigkeit ist zum Teil mit der Dominanz der jeweiligen Sprachen der ehemaligen Kolonialmächte zu begründen, die trotz der Unabhängigkeit der Kolonien in Afrika weiter bestehen und als Amtssprachen in fast allen Ländern gelten. Außerdem spielen die oben erwähnten Strukturen der Medienweltordnung auch eine wesentliche Rolle. Eine solche kulturelle Abhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht führt nicht nur zur Internationalisierung der Medieninhalte, sondern auch zur Übernahme der hegemonialen Deutungsmuster, was bestimmte internationale Themen anbelangt. Interkontinentale Migration ist ein Beispiel im Falle der vorliegenden Untersuchung. Auch wenn viele afrikanische Länder inzwischen über eigene nationale Presseagenturen verfügen wie z. B. APS in Senegal, ist die internationale Medienordnung immer noch stark von den Industriestaaten dominiert. Mit ungeeigneten finanziellen und technischen Mitteln sind die afrikanischen lokalen Medien angesichts der gut ausgerüsteten europäischen Medien kaum konkurrenzfähig.190 Des Weiteren verfügen internationale Presseagenturen über Korrespondentennetzwerke und Büros auf dem ganzen afrikanischen Kontinent und sind als »Informationsvermittler« in der Informationswelt unentbehrlich geworden, so Guignard: »Les agences de presse internationales, grâce à l’implantation de bureaux et à un réseau
187 In Tansania waren es 23 der befragten Journalisten und in Benin 81 . 188 In Tansania waren es 77 und in Benin 23 , vgl. Guignard 2007. 189 Segbers 2007, S. 45. 190 Ein Beispiel dieser Dominanz ist »Radio France International« mit vier Stationen in Senegal im Jahr 2004. Vgl. Guignard 2007, S. 118.
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de correspondants disséminés sur le continent, sont devenues des intermédiaires incontournables.«191 Es ist auch zu notieren, dass sich der Nachrichtenfluss innerhalb der Länder im Süden heutzutage durch das Internet verbessert hat und die Informationswege verkürzt worden sind. Neben der Rolle der internationalen Presseagenturen bei der Bildung der Agenda von Zeitungen zum Thema Abwanderung ist die Stellung von Experten von großer Bedeutung. In den senegalesischen Zeitungen werden die Odysseen gescheiterter Migranten geschildert. Die Reproduktion authentischer Geschichten wird als journalistische Strategie angewendet, um die künftigen Abwanderungskandidaten von der gefährlichen Überfahrt nach den Kanarischen Inseln abzuhalten. Weiter werden Misserfolge dieser Menschen als Lektion dargestellt, wie der Titel eines Artikels von »Walfadjri« verdeutlicht: »Les mises en garde d’un modou-modou.«192 Die Abwanderung wird heutzutage in den Medien kaum mit Erfolgsgeschichten illustriert, damit keine Sogwirkung bei den künftigen Migrationswilligen entsteht. Vielmehr konzentriert sich die Presse auf die Migranten, die es zwar bis nach Europa schaffen, die aber schwierige Lebensbedingungen in den Zuwanderungsgesellschaften vorfinden und eine Warnbotschaft zu ihren daheimgebliebenen Mitbürgern in Senegal schicken. Die europäischen Migrationsexperten werden zwar berücksichtigt, jedoch im Vergleich zu den afrikanischen Experten in geringerem Ausmaß. Afrikanische bzw. senegalesische politische Eliten dominieren den medialen Diskurs, um ihre politischen Maßnahmen zum Migrationsmanagement zu legitimieren. Migrationsexperten kommen häufig zu Wort, um sich mit den Ursachen und Folgen der Abwanderung für den Kontinent Afrika auseinanderzusetzen. Politisch Verantwortliche nutzen zur Vermittlung, Verteidigung und Legitimierung ihrer Steuerungspolitik die regierungsnahen Zeitungen, während die politische Opposition in der kritischen Presse den Umgang der Regierung mit dem Phänomen der Abwanderung kritisiert. Bei einer Zeitung wie »Le Soleil« könnte man von einem »Supporting Framing« sprechen, da sie mit wenig Kritik die Steuerungsmaßnahmen und die symbolische Kommunikation (z. B. Pläne oder Migrationsgipfel) der senegalesischen Regierung reproduziert.
191 Guignard 2007, S. 123. 192 Walfadjri, 09. 05. 2006. »Modou-modou« bezeichnet in Senegal männliche Migranten, die im Ausland niedrige Tätigkeiten erledigen, um ihre Familien zu Hause zu unterstützen. Viele haben in Senegal Frau und Kinder zurückgelassen. Senegalesische Migrantinnen dieser Kategorie werden »Fatou fatou« genannt.
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Migration aus Afrika in die EU: Eine Diskursanalyse
Sowohl in deutschen als auch in senegalesischen Zeitungen werden die Sichtweisen der internationalen und Nichtregierungsorganisationen in Bezug auf den Umgang mit Einwanderern behandelt. Die deutschen Zeitungen reproduzieren neben den Ansichten der IOM überwiegend die Kritik von deutschen Organisationen wie Pro Asyl, Cap Anamur, aber auch spanischer NRO an den Einwanderungsfragen, während die senegalesischen Zeitungen internationale Organisationen wie die UNO, die IOM, humanitäre Organisationen wie Ärzte Ohne Grenzen, das Rote Kreuz und afrikanische und senegalesische Organisationen zu Wort kommen lassen.193 Bei den deutschen Zeitungen kommt die malische »Association Malienne des Expulsés« zu Wort, die die Eröffnung des Informationszentrums CIGEM (Centre d’Information et de Gestion des Migrations) als eine Strategie der europäischen Zuwanderungsländer zur Abwehr von Migranten kritisiert.194 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rolle der internationalen Nachrichtenagenturen, Experten und anderen Informationsquellen hinsichtlich der Abwanderung aus Afrika nach Europa nur zum Teil unter dem Aspekt der medialen Dominanz Europas gegenüber Afrika, also im Rahmen des »kulturellen Imperialismus« oder des »Neokolonialismus«, erklärt werden kann. Trotz der Tatsache, dass solche Agenturen wie z. B. AFP bestimmte geopolitische Ziele verfolgen und in manchen Fällen als Erben der Kolonialisierung betrachtet werden können, kann ihnen nicht nur die Funktion der Herrschaft und der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Interessenbewährung ihrer Länder in den afrikanischen Ländern zugeschrieben werden. In vielen Ländern SSA, in denen Medien durch die Machteliten kontrolliert werden und der politischen Opposition kaum Zugang zum öffentlichen Raum gewährt wird, haben vor allem die internationalen Medien eine Bühne für Ideen, Kritik und Visionen der Opposition zur Verfügung gestellt und darüber hinaus die öffentliche Meinung von Demokratie und Menschenrechten unterstützt. Es ist davon auszugehen, dass das Medienmonopol mancher afrikanischer Regierungen durch solche Medien geschwächt wurde. Deswegen ist ihnen ein gewisser Beitrag zur Demokratisierung und Pluralisierung der Medien beizumessen. Des Weiteren ist die dominante Produktion ausländischer Medien, die niedrige endogene Produktion und Vielfalt auch auf die Tatsache zurückführbar, dass viele frankophone Länder in Afrika zwar eine Medienpluralisierung eingeführt haben, 193 Ein Beispiel dafür ist die »Fédération Internationales des Ligues de Droits de l’Homme« (FIDH), die sich gegen die schlechte Behandlung von irregulären Migranten aus Afrika einsetzte. Vgl. Sud Quotidien, 13. 10. 2005. 194 SZ, 06. 10. 2008, S. 8.
Qualitative Deutungsmusteranalyse
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jedoch eine restriktive Politik zur Vergabe der Genehmigungen üben, wobei Genehmigungen vor allem im audiovisuellen Bereich schneller an machtnahe Personen und ausländische Unternehmen erteilt werden.
7
Zusammenfassung
Anknüpfend an die relevante wissenschaftliche Literatur und das Pressematerial, die die Informationsquellen zum Forschungsfeld dieser Arbeit bildeten, wurden die Bestimmungsfaktoren, Effekte, Akteure, Verantwortlichen, die Steuerungsund Handlungsmöglichkeiten zur Migration von Afrika nach Europa untersucht. Um Aufschluss über das Umfeld, in dem die Debatte über diese Abwanderung stattfindet, zu gewinnen, wurden die Rahmenbedingungen der Presse in Deutschland sowie in Senegal miteinbezogen. Der größte Teil der afrikanischen Wanderungsbewegungen findet innerhalb der Länder Afrikas statt. 64 % der internationalen Migranten bleiben innerhalb des Kontinents.1 Die interkontinentale Migration in Richtung der EU zeichnet sich durch unterschiedliche Migrantentypen und Formen aus: Der Abwanderung von Bildungsmigranten, Hochqualifizierten, Asylsuchenden, Flüchtlingen, irregulären Migranten, Arbeitsmigranten bis hin zu Sportlern und Künstlern liegen komplexe Ursachen zugrunde. Auch eine Tendenz zur Feminisierung ist im Zusammenhang mit der internationalen Migration aus Afrika festzustellen. Zudem steigt die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen sowohl bei der legalen als auch bei der irregulären Migration. Die komplexen Ursachen der Abwanderung können in Form von Push- und PullFaktoren zusammengefasst werden. Solche Faktoren sind als Abstoßungsfaktoren (Push) in den Herkunftsländern der Migranten bzw. der Abwanderungswilligen und als Anziehungskräfte (Pull) in den bevorzugten Zielländern vorhanden. Im afrikanischen Kontext sind diese Faktoren u. a. Arbeitslosigkeit, Armut, Diktatur und das Wachstum vor allem der jungen Bevölkerung, die in der Wirtschaft und im Arbeitsmarkt schlecht integriert ist. Statistiken2 zu den Lebensbedingungen in den Ländern SSA zeigen, dass Armut und Arbeitslosigkeit einige der wichtigsten
1 2
Siehe Abschnitt 2.1. Siehe Abschnitt 3.1.3.
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Faktoren sind, die die Menschen dazu veranlassen, nach Europa und Nordamerika abzuwandern. So lebt beispielsweise die Hälfte der Bevölkerung in Afrika mit weniger als 0,6 Dollar pro Tag unter der Armutsgrenze. In Europa bestehen Faktoren, die von den Abwanderungswilligen als positiv und günstig zur Verbesserung ihrer Lebenslage eingeschätzt werden. Solche Faktoren sind u. a. das Lohnniveau, der Lebensstandard, die Achtung von Menschenrechten, die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten. Betrachtet man die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lagen in den Herkunfts- und Ankunftsregionen von afrikanischen Migranten, kommt man zum Schluss, dass der Migrationsdruck, der heutzutage in den Ländern SSA besteht, auch durch das Entwicklungsgefälle zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern bewirkt oder verstärkt wird. Trotz seines geringen Beitrags zum weltweiten Ressourcenverbrauch ist der Kontinent Afrika am stärksten von den negativen Effekten des Klimawandels betroffen. Umweltprobleme wie z. B. Wasserknappheit und Fehlplanungen führen zu Ressourcenkrisen und Interessenkonflikten. Dazu kommen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren, die jährlich die Existenz von Millionen von Menschen bedrohen, vernichten und viele dazu veranlassen, ihre Lebensräume zu verlassen und in andere Länder abzuwandern. Das verschönte Bild von Europa als »Paradies« und »Heimat von Wohlstand und Menschenrechten« in den Medien trägt bei den Menschen in Afrika zu einer Idealisierung von Europa und einer Wahrnehmung von Afrika als einem Ort bei, wo man sich heutzutage nur schwer eine Zukunft aufbauen kann. Angesichts solcher medialen Verzerrungen und einseitiger Vermittlungen von Realitäten ist es keine Überraschung, wenn sich junge Menschen in Senegal mit Slogans wie »Barcelone ou la mort« um jeden Preis auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer oder zu den Kanarischen Inseln begeben, auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa. Kriegerische Auseinandersetzungen, Machtputsche, schlechte Regierungen, Korruption, Diktaturen und Ethnisierung des politischen Geschehens sowie Pressefreiheits- und Menschenrechtsverletzungen sind in vielen Regimen der Länder SSA an der Tagesordnung. In einer solchen sozialen und politischen Atmosphäre wirkt die Auswanderung ins Exil als »Ventil« für unzufriedene Bürger, deren körperliches und geistiges Leben in Gefahr gerät. Bei den Effekten der Abwanderung hat sich herausgestellt, dass die nachhaltige wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Entwicklung Afrikas durch Emigration und besonders durch den »Brain Drain« beeinträchtigt wird, allerdings konnte auch festgestellt werden, dass die Rücküberweisungen von afrikanischen Migranten erheblich zur Armutsbekämpfung in ihren Herkunftsländern beitra-
Zusammenfassung
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gen.3 Außerdem stellt die Abwanderung für den Arbeitsmarkt in den Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit und »Brain Overflow«4 eine temporäre Entlastung dar. Der »Brain Drain« für Afrika und der »Brain Gain« für die europäischen Zuwanderungsländer können in eine Form von »Brain Exchange« bzw. eine »Win-winSituation«5 verwandelt werden, wenn dafür entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auch wenn die Steuerungsmaßnahmen angesichts des zunehmenden Abwanderungsdrucks einen Schwerpunkt der Vereinbarungen zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern von Migranten bilden, besteht keine gemeinsame Migrationspolitik von AU und von EU. Für einige afrikanische Herkunftsländer wie z. B. Senegal ist Migration mittlerweile auch ein Instrument der Entwicklungszusammenarbeit geworden, während die Einwanderungspolitik der EU-Staaten verstärkt durch Grenzkontrollen, Patrouillen und »Migration choisie« (ausgewählte bzw. gewünschte Einwanderung) geprägt wird. Welche Erkenntnisse ließen sich anhand der oben skizzierten Merkmale der Migration aus Afrika im Forschungsprozess über die medial vermittelten Diskurse in Deutschland und Senegal gewinnen? Die vorliegende Arbeit hat den Versuch unternommen, die Art und Weise der Berichterstattung über die Migration in ausgewählten »Qualitätszeitungen« der Herkunfts- und der Zielregion der afrikanischen Migranten diskursanalytisch zu untersuchen. Diese Untersuchung der Migration aus Afrika in der Berichterstattung von Zeitungen unterschiedlicher politischer und redaktioneller Ausrichtungen liefert neue Erkenntnisse zu den vielschichtigen Migrationsdiskursen, die innerhalb eines Landes oder einer Region medial reproduziert werden. Es zeigt sich infolgedessen, dass sowohl in den untersuchten senegalesischen als auch in den deutschen Zeitungen Migration aus Afrika nach Europa primär als Bedrohung gedeutet wird. Jedoch spielen dabei unterschiedliche Interessen und gesellschaftliche Aspekte der Länder eine wesentliche Rolle. Da die Medien zum Teil die Deutungsmuster der Regierungen ihres Erscheinungsortes übernehmen, konstruieren oder dekonstruieren, kann festgestellt werden, dass die deutschen Zeitungen aus der Perspektive des Ziellandes zum großen Teil die Steuerungs- und die Abwehrpolitik Deutschlands bzw. der EU reproduzieren, legitimieren und darüber hinaus einen Bedrohungsdiskurs vertreten. Jedoch ist hervorzuheben, dass auch die Steuerungspolitik der europäischen Zielländer und die negative Deutung der Migra3 4 5
Siehe Abschnitt 3.3.2. Man spricht von einem »Brain Overflow« in einem Land, wenn mehr Menschen ausgebildet als adäquate Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Für die Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer und für die Migranten selbst.
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Zusammenfassung
tion in einigen Artikeln kritisiert und dekonstruiert werden. Dies konnte durch eine große Anzahl von Artikeln mit neutraler oder ambivalenter Tendenz belegt werden. In der medialen Auseinandersetzung mit der Abwanderung aus Afrika spiegeln sich komplexe Determinanten, Folgen, Formen und Typen wider, die sich im Laufe der Zeit entwickeln und verändern. Die Zusammenführung der Ergebnisse aus beiden Teiluntersuchungen zeigt, dass häufig über die Kategorie der irregulären Migranten berichtet wird sowie über Steuerung der Migration aus Afrika nach Europa. Daraus kann abgeleitet werden, dass die starke Fokussierung auf die »illegale« Migration und deren Steuerung dazu führt, dass die Debatte über Migration unter einem Bedrohungsaspekt geführt wird. Bezogen auf die Diskurse über die Migration aus Afrika nach Europa weisen die FAZ als eher konservativ und die SZ als eher linksorientierte Zeitung wenige Differenzen auf. Als Medien des Herkunfts- und Transitlandes (Senegal) von vielen Migranten aus SSA zielen »Walfadjri«, »Sud Quotidien« und »Le Soleil« durch ihren besonderen Fokus auf die irreguläre Abwanderung und deren Tragödien darauf ab, die Abwanderungswilligen von den gefährlichen Migrationsrouten abzuhalten. Diese Presse dient dadurch als »Sensibilisierungspresse« sowie als eine kritische Instanz angesichts der wachsenden Armut, Arbeitslosigkeit und der Unfähigkeit afrikanischer und europäischer Länder, adäquate Lösungen zu finden. Neben dieser Sensibilisierungsfunktion plädieren einige senegalesische Zeitungsartikel für ein besseres Verständnis von Migranten und für die Legitimation der Abwanderung von Afrikanern nach Europa. Ein solches Plädoyer lehnt sich an die koloniale Vergangenheit sowie an das allgemeine Menschenrecht auf Freiheit und Bewegung an. 7.1
Anmerkungen zur angewendeten Methode
Die quantitative Entwicklung der Berichterstattung über die Abwanderung aus Afrika in den gewählten deutschen und senegalesischen Zeitungen lässt sich nur schwer vergleichen. Dies ist mit dem Quantitätsgefälle zwischen den deutschen und den senegalesischen Zeitungen zu erklären. Das Archivmaterial in Deutschland und in Senegal ist unterschiedlich zugänglich und verfügbar. Die bessere Archivierung und Digitalisierung von SZ und FAZ sind für das Forschungsvorhaben vorteilhaft, während der schwierige Zugang zu den Archiven und die mangelhafte Digitalisierung von Daten in Senegal dazu führen, dass im Vergleich zu Deutschland nur wenige senegalesische Zeitungsartikel verfügbar sind.
Anmerkungen zur angewendeten Methode
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Die Materialerhebung der deutschen Zeitungen ergibt insgesamt 393 Artikel, während das Korpus der senegalesischen Zeitungen nur bei 179 Artikeln liegt, weniger als der Hälfte der deutschen Zeitungsartikel. Dieses Korpusgefälle könnte zu der Fehldeutung führen, dass die deutschen Zeitungen häufiger über die Migration aus Afrika berichten als die senegalesische Presse. Deswegen ist hierbei hervorzuheben, dass die niedrige Artikelzahl der senegalesischen Zeitungen wenig über die quantitative Entwicklung der Berichterstattung aussagt, allerdings ist sie durchaus aussagekräftig für die qualitative Entwicklung. Mit der Zunahme der irregulären Abwanderung nach Europa und dem daraus resultierenden Druck sowohl von der senegalesischen Bevölkerung als auch von den europäischen Zielländern ist in Senegal die Migrationsfrage seit einigen Jahren ein relevantes Thema der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Auseinandersetzung geworden, das eine umfassende mediale Debatte ausgelöst hat. Deshalb ist zu vermuten, dass bei einer besseren Archivierung mehr als 179 Artikel über das Thema hätten gefunden werden können. Da das Gefälle bei der quantifizierenden Auswertung (aufgrund der oben erwähnten Probleme des Feldzugangs) keine eindeutigen Rückschlüsse für einen Vergleich zulässt, lässt sich die Behandlung der Thematik durch eine qualitative Deutungsmusteranalyse besser vergleichen. Die Deutungsmusteranalyse erweist sich in dieser Arbeit als eine wissenschaftlich fundierte Methode der Diskursanalyse. Dabei können die dominanten Deutungsmuster, die die Abwanderung von Afrika in Richtung Europa kennzeichnen, methodisch untersucht und interpretiert werden. Genauso wie bei der inhaltsanalytischen Kategorienbildung ergibt sich bei der Deutungsmusteranalyse, dass die mediale Debatte über Migration aus Afrika in Deutschland und Senegal zwischen 1998 und 2008 stark auf die irreguläre Migration und deren Steuerung fokussiert ist. Die Trennlinie zwischen der deutschen und der senegalesischen Debatte ist besonders bei den reproduzierten Deutungen der Steuerungspolitiken der jeweiligen Länder zu erkennen. Als Medien der Herkunfts- und Transitregion von afrikanischen Migranten thematisieren und kritisieren die drei untersuchten senegalesischen Zeitungen zwar die Migrationssteuerung ihres Staates, jedoch mit besonderer Betonung der Rolle der kolonialen Vergangenheit beim heutigen Abwanderungsdruck in Afrika. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Schuld am Abwanderungspotenzial nicht nur den europäischen Ländern zuzuschreiben ist, sondern auch den afrikanischen Ländern. Die deutsche Presse thematisiert zwar solche Zusammenhänge in den Feuilleton-Artikeln wie z. B. die ungleiche Teilhabe an der Weltwirtschaft,
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die Dominanz der Industrieländer, die schlechten Regierungen in vielen afrikanischen Ländern und die menschenrechtliche Dimension der Migration, jedoch werden die Integrationsprobleme und die Folgen dieser Abwanderung für die Zuwanderungsgesellschaften hervorgehoben. In allen untersuchten Zeitungen beider Länder dominiert die Anwendung bestimmter Metaphern und negativer Kollektivsymbole wie »illegale Einwanderer«, »unerwünschte Gäste«, »Ansturm«, »voyage de la mort« oder »une avalanche des clandestins/illégaux«, die die Migration aus Afrika negativ deuten. Eine Deutung von Migration aus Afrika als Chance findet sich selten. Dies deutet darauf hin, dass sich bisher das Bedrohungsdeutungsmuster durchgesetzt hat. Die interkontinentale Migration aus Afrika wird nur in wenigen Artikeln als Bereicherung für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung von Afrika und/oder Europa vermittelt. Rücküberweisungen für die Herkunftsländer, kulturelle Vielfalt und billige Arbeitskräfte für die europäischen Zuwanderungsländer werden als positive Folgen dieser Migration benannt. Medien und Politiker bedienen sich vorhandener Deutungsmuster der Gesellschaft und beeinflussen sich wechselseitig, um ein Problem zu vermitteln, Verantwortung zuzuschreiben und Handlungsmöglichkeiten zu definieren. Dies könnte erklären, warum Migration von Medien und Politik im Zusammenhang mit den Steuerungsmaßnahmen behandelt wird. Da Deutschland nur mittelbar von der irregulären Abwanderung aus Afrika betroffen ist, weist seine mediale Debatte eine Europäisierung auf, in der es vor allem um die irreguläre Zuwanderung nach Spanien und Italien geht. Dagegen werden in den senegalesischen Zeitungen zwar häufig andere afrikanische Herkunfts- oder Transitländer wie z. B. Mauretanien, Guinea, Gambia, Libyen, Marokko oder Algerien erwähnt, jedoch steht Senegal im Mittelpunkt der Berichterstattung. Dies mag daran liegen, dass Senegal stark vom Phänomen der Migration betroffen ist.6 Ein zuletzt nicht zu vernachlässigendes Problem der Thematik der vorliegenden Arbeit liegt in der Tatsache, dass sich Migrationsformen ständig vermischen und neue Migrationsrouten, Migrationstrends und -konstellationen entstehen. In der Folge verändert sich auch der Forschungsstand zum Forschungsgegenstand, so dass ständig neue Erkenntnisse im Prozess der eigenen Forschung reflektiert werden mussten. Um das Problem einer permanenten Anpassung an den neuesten
6
Die senegalesischen Zeitungen zitierten häufig die europäischen Zielländer wie z. B. Spanien, Italien, Frankreich.
Theoretische Verortung der Untersuchungsergebnisse
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Forschungsstand zu lösen, wurden, wie von Reiner Keller vorgeschlagen, die verschiedenen Phasen des empirischen Vorhabens nicht im streng linearen Ablauf umgesetzt.7 Solche Arbeitsphasen sind die Formulierung der Forschungsfragen, die Analyse der theoretischen Überlegungen, die Auswahl methodischer Ansätze und anschließend die Auswertung relevanter wissenschaftlicher Literatur, die Erhebung, Auswertung und Analyse der Daten. Es bestanden Wechselbewegungen zwischen den verschiedenen Arbeitsphasen, sodass die angewendeten Erhebungsund Auswertungsmethoden immer wieder überprüft und besser an die formulierten Forschungsfragestellungen und Forschungsziele gekoppelt werden konnten, um so zu zuverlässigen Ergebnissen zu führen. Inwieweit lassen sich diese Ergebnisse der Diskursanalyse zur Migration aus Afrika im Prozess des »Kommunikations- und Kulturimperialismus« verorten? 7.2
Theoretische Verortung der Untersuchungsergebnisse im Prozess des »Kommunikations- und Kulturimperialismus«
Im Zeitalter der Globalisierung und der Mediengesellschaft herrschen immer noch große Asymmetrien zwischen den Entwicklungs- und den Industriestaaten. Viele afrikanische Länder haben Prozesse der Globalisierung und Liberalisierung des Medienmarkts genutzt, um ihre Angebote von Kommunikation, Unterhaltung und Information zu pluralisieren. Die Fortschritte der Informationstechnologien haben in diesen Ländern die Verbreitung von Nachrichten verbessert. Mittlerweile verfügen viele Zeitungen über Internetauftritte und erreichen damit auch die Diasporagemeinschaften im Ausland. Dennoch sind die afrikanischen Medien heutzutage immer noch mit beträchtlichen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Schwierigkeiten konfrontiert. Zwischen der EU als wichtiger Zielregion für die meisten afrikanischen Migranten und Afrika herrschen große Gefälle in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Medien. Solche Differenzen spiegeln sich in medialen Darstellungen und Deutungen wider. Auch wenn die Medien der afrikanischen Länder durch das Internet einen besseren Zugang zu einem breiten internationalen Publikum gewonnen haben (z. B. die Diasporagemeinschaften, ausländische Experten und Interessierte), kann dadurch die These des Imperialismus im Rahmen der internationalen Beziehungen nicht endgültig widerlegt werden.
7
Vgl. Keller 2004, S. 198 f.
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Zusammenfassung
Güter und Dienstleistungen werden zwar leichter zwischen Afrika und Europa ausgetauscht. Menschen aus den Industrieländern reisen ohne größere Schwierigkeiten in die Entwicklungsländer. Aus dem Süden fließen hauptsächlich Rohstoffe in den Norden, während immer mehr Hürden für die Menschen aus dem Süden aufgebaut werden. Die irreguläre Abwanderung ist auch damit zu erklären, dass die legale Migration aus den Ländern von SSA wenig gefördert wird. Diese Asymmetrien führen dazu, dass der Diskurs über die Migration durch das hegemoniale Deutungsmuster der Bedrohung beeinflusst wird. Dies ist ein Muster, das zum größten Teil aus dem Umgang der Zuwanderungsländer mit Migration entstanden ist bzw. aufrechterhalten wird. In seiner Studie über das Bild Afrikas in deutschen Qualitätszeitungen kommt Mawugbe zu dem Ergebnis, dass Journalismus ein Teil der Gesellschaft ist und es dessen Rolle ist, die politischen Ideologien der eigenen Gesellschaft durch internationale mediale Konstruktion zu vermitteln. Dies lässt sich durch die Analyse der deutschen und senegalesischen Zeitungen bestätigen, die zum Teil Deutungen der politischen Eliten übernehmen und damit die Abwanderung unter dem Aspekt der »Illegalität« und Bedrohung rahmen und reproduzieren. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung legen es nahe, sowohl die senegalesischen als auch die deutschen medialen Diskurse im Rahmen der internationalen Medienordnung zu verorten und zu erklären. Diese Verortung ist in der Dominanz des Deutungsmusters der Bedrohung in den deutschen und senegalesischen Migrationsdiskursen erkennbar. 7.3
Wissenschaftlicher Beitrag der Studie und Ausblick
Die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen zur Migration aus Afrika nach Europa fokussieren auf Bestimmungsfaktoren, Typen, Ursachen, Folgen, Effekte und Steuerung der Migration, ohne die mediale Thematisierung dieser Aspekte zu berücksichtigen. Um diese Forschungslücke zu schließen, wurde in dieser Arbeit die Rolle der Medien in der gesellschaftlichen Transformation untersucht, da davon ausgegangen wurde, dass gerade bei einem Thema wie der Migration in der Ära der Globalisierung der Einfluss medialer Darstellungen nicht zu vernachlässigen ist. Die vorliegende Studie hat den medialen Diskurs über Migration aus Afrika in den europäischen Staaten über einen langen Zeitraum erforscht. Der Untersuchungszeitraum zwischen 1998 und 2008 hat sich als geeignet erwiesen, um die Diskurse, deren Entwicklung und die Deutungsmuster, die ihnen zugrunde lie-
Wissenschaftlicher Beitrag der Studie und Ausblick
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gen, in einem relativ langen Zeitabschnitt zu beobachten, zu quantifizieren und zu interpretieren. Durch die Kategorienbildung sowie die Deutungsmusteranalyse konnten die wesentlichen Aspekte der dominanten medialen Diskurse über die Migration aus Afrika umfassend und detailliert analysiert werden. Dabei wurde nicht nur untersucht, wie eine Kategorie wie z. B. die irreguläre Migration medial (re-)produziert wird, vielmehr konnten die komplexen Migrantentypen, ihre Integration in die Aufnahmegesellschaften, die Reaktionen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Ursachen, Folgen, Verantwortungszuschreibungen und Handlungsmöglichkeiten mit den kombinierten Methoden der Inhaltsanalyse und der Deutungsmusteranalyse diskursanalytisch untersucht werden. Festzuhalten ist, dass sowohl die senegalesischen als auch die deutschen Zeitungen die Kategorie der irregulären Migration sehr häufig thematisieren, wobei jedoch statt des »neutralen« Terminus »irregulär« in der Regel der pejorative Begriff »illegal« benutzt wird. Als eine »unerwünschte« Kategorie der Migration trägt die besonders starke Thematisierung irregulärer Migration zu einer relativen Dominanz des Deutungsmusters »Bedrohung« bei. Was die Migration anbelangt, werden die senegalesischen Zeitungen sowohl durch einen nationalen politischen Diskurs als auch einen europäischen Diskurs beeinflusst. Der besondere Fokus dieser Arbeit liegt auf Migrationsprozessen, den Pushund Pull-Faktoren, den verschiedenen Migrantentypen sowie den Steuerungsmaßnahmen zur Regulierung von Ab- bzw. Zuwanderung. Normatives Ziel der Untersuchung ist ein besseres Verständnis der Migration in Bezug auf Afrika sowie die Förderung eines toleranten Umgangs mit Migranten bzw. ihrer besseren Integration in die europäischen Zuwanderungsgesellschaften. Die durchgeführte Untersuchung der medialen Diskurse in Deutschland und Senegal zeigt, dass die Wahrnehmung von Afrikanern in Europa nicht einfach mit der der anderen Migrantengruppen gleichzusetzen ist. Denn Afrikaner werden als eine »sichtbare Minderheit«, die zudem aus einem symbolisch sehr negativ aufgeladenen Kontinent kommen, in europäischen Medien in der Regel stereotypisiert dargestellt. An dieser Stelle soll nun skizziert werden, welche weiterführenden Untersuchungen hinsichtlich der Migrationsbewegungen außerhalb des Kontinents Afrika folgen könnten und sollten. In einem Zeitalter wachsender Interdependenzen zwischen Ländern und Regionen ist insbesondere der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung ein wichtiges Forschungsgebiet der Zukunft. Studien über die Effekte der medialen Berichterstattung auf die Abwanderungsentscheidungen in den afrikanischen Herkunftsländern auf der einen Seite und auf die Aufnahmebereitschaft von Einwanderern in den europäischen Zuwanderungslän-
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Zusammenfassung
dern auf der anderen Seite sind wissenschaftlich als interessantes Untersuchungsthema zu empfehlen. Den Wechselwirkungen zwischen medialen Konstruktionen von Migration und Integration sowie realgesellschaftlichen Prozessen der Akzeptanz und Toleranz bzw. Ausgrenzung von Migranten soll eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eine solche Untersuchung der Interdependenzen zwischen Medien und Gesellschaft sowie Politik könnte einen Beitrag dazu leisten, die Rolle der Medien in Migrations- wie Integrationsprozessen besser zu erfassen und ihnen eine angemessene Bedeutung zuzuweisen.
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Anhang: Verzeichnis der für die qualitative Deutungsmusteranalyse verwendeten Artikel
A. »Frankfurter Allgemeine Zeitung« 08. 10. 2005, Nr. 234, S. 3: Nichts zu verlieren – außer dem Leben. Wo Afrika nach Europa überquillt, wird aus einem Traum mit Risiken ein Albtraum für viele 09. 10. 2005, Nr. 40, S. 1: »Flüchtlinge in der Wüste ausgesetzt« Vorwürfe gegen Rabat. Berichte über erste Tote 12. 10. 2005, Nr. 237, S. 39: Die Kunst hat es vorausgesagt – Ankündigung des Ansturms auf Europa 26. 05. 2006, Nr. 121, S. 3: Der afrikanische Teufelskreis. Spanien sucht die »dritte Welle« illegaler Einwanderer einzudämmen 05. 07. 2006, Nr. 153, S. 6: Die tägliche Tragödie der Einwanderer. Der Ansturm nach Europa wird größer und fordert weitere Todesopfer – jetzt findet dazu ein Gipfeltreffen statt 09. 10. 2005, Nr. 40, S. 29: Märtyrer oder Pioniere? Wer sind die Leute, die gegen die Zäune Europas anrennen, und was fangen wir mit ihnen an? Ein Plädoyer 10. 10. 2005, Nr. 235, S. 2: Marokko holt Flüchtlinge aus der Wüste zurück. Vorwürfe von Menschenrechtlern / Zapatero schickt Außenminister nach Rabat / Grenzstreifen verbreitert 10. 10. 2005, Nr. 235, S. 2: Vor Europa 10. 10. 2005, Nr. 235, S. 35: In der Ferne. Eine Tagung der Gesellschaft für Völkerkunde in Halle 12. 10. 2005, Nr. 237, S. 4: Enttäuschung in Marokko. Mehr Hilfe von EU erwartet / »120 Millionen Euro für Repatriierung« 13. 10. 2005, Nr. 238, S. 6: Die Hauptrouten der Schlepper. Algerien und Libyen sind die wichtigsten nordafrikanischen Transitländer für Flüchtlinge 13. 10. 2005, Nr. 238, S. 6: EU legt Strategie für Afrika vor 13. 10. 2005, Nr. 238, S. 6: Flucht vom Kontinent der verlorenen Hoffnungen. Agadez in Niger, Adré in Tschad und Gao in Mali – Anlaufpunkte für Emigranten, Umschlagplätze der Schleuserindustrie 07. 04. 2006, Nr. 83, S. 7: Afrikanischer Plan gegen illegale Migration
F. T. Assopgoum, Migration aus Afrika in die EU, DOI 10.1007/978-3-531-94076-2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Anhang: Verzeichnis der für die qualitative Deutungsmusteranalyse verwendeten Artikel
16. 04. 2006, Nr. 15, S. 24: Der afrikanische Traum – verkauft! 18. 07. 2006, Nr. 164, S. 5: Europäische Patrouillen suchen illegale Einwanderer vor Afrikas Küste. »Nicht Gewalt, sondern Überredung und Registrierung« / Spanien erwägt weitere Amnestie 11. 12. 2007, Nr. 288, S. 7: Ausland in Kürze B. »Süddeutsche Zeitung« 28. 09. 2005, S. 9: Auf Leitern nach Europa. Der Zustrom illegaler Immigranten aus Afrika in die spanische Exklave Melilla alarmiert Madrid – jetzt wird der Grenzzaun erhöht 05. 10. 2005, S. 2: Der lange Marsch. 18 Millionen Afrikaner sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen auf dem Weg nach Norden, aber viele von ihnen stranden an der Küste des Mittelmeers 05. 10. 2005, S. 2: Afrikaner müssen draußen bleiben. Zukunft des Flüchtlingsschutzes 05. 10. 2005, S. 2: Ansturm auf die Union des Wohlstands. Hunderte rennen jede Nacht gegen die Grenzwälle an, mit denen sich die EU abschottet 07. 10. 2005, S. 3: Eingeschlossen in der Freiheit. Von Westafrika aus sind zwei Männer in Richtung Wohlstand aufgebrochen – gestrandet sind sie im Niemandsland zwischen Diesseits und Jenseits 08. 10. 2005, S. 7: Flüchtlingssterben in Melilla. Spanien schickt 73 Immigranten nach Marokko zurück / Kritik von Menschenrechtlern 08. 07. 2006, S. 9: Hoffen auf Rabat. Erstmals kommen Vertreter der Ziel- und Heimatländer von afrikanischen Flüchtlingen zusammen 11. 07. 2006, S. 6: Aktionsplan gegen illegale Einwanderung 09. 10. 2008, S. 43: Karge Schöne. Lampedusa lebt vom Tourismus und will sein schlechtes Image als Flüchtlingsinsel loswerden 10. 10. 2005, S. 14: Die Mauer muss weg. Was Europa aus dem Sturm auf Ceuta und Melilla lernen kann 06. 10. 2008, S. 26: Ungebändigte Kreativität. Beim 2:1 gegen Frankfurt steigert Hoffenheims Demba Ba seinen Marktwert 18. 09. 2001, S. 52: Gospelchor aus Afrika droht die Abschiebung 26. 09. 2005, S. 8: 24 Flüchtlinge im Meer ertrunken 05. 10. 2005, S. 2: Flucht nach Europa 05. 10. 2005, S. 2: »Viele haben keine andere Wahl« UN fordern einheitliche Asylpolitik 06. 10. 2005, S. 9: »Von Polizisten erstickt« 07. 10. 2005, S. 8: Sechs Tote bei Flucht nach Melilla
Anhang: Verzeichnis der für die qualitative Deutungsmusteranalyse verwendeten Artikel
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11. 10. 2005, S. 11: Abschiebung gestartet. Marokko setzt Einwanderer weiter in der Sahara aus. Flüchtlingsdrama in Ceuta und Melilla 13. 10. 2005, S. 6: Reaktion auf Flüchtlingsdramen um spanische Exklaven. Europäer wollen Marokko helfen. Union steckt Geld in Ausbildung der Grenzpolizei. Innenminister billigen »regionale Schutzzentren« 10. 07. 2006, S. 13: Gnadenlos profitabel. Warum alle Welt am Flüchtlingsbusiness verdient 10. 07. 2006, S. 12: Millionenfacher Aufbruch 11. 12. 2007, S. 11: Herzlich unwillkommen. Die EU und die Schweiz zeigen in Afrika einen abschreckenden Spot über Afrika 06. 10. 2008, S. 8, Europa startet Pilotprojekt gegen illegale Migration aus Afrika C. »Walfadjri« 09. 05. 2006, Filière d´Emigration en Espagne. Les mises en garde d´un modoumodou 22. 05. 2006, Emigrations vers l´Espagne. Guet-Ndar se dépeuple 22. 05. 2006, Emigration clandestine. Djiffer, autre »port« d´embarcation 28. 05. 2006, Émigration Clandestine. 642 Sénégalais interceptés à Nouadhibou 28. 05. 2006, Cent trente-trois jeunes et trois passeurs jugés hier. Deux ans de prison avec sursis pour les clandestins 01. 06. 2006, Pont Aérien. L´Espagne va refouler 800 Clandestins d´ici le 6 juin 07. 06. 2006, La garde civile espagnole aux trousses du négrier qui avait organisé le voyage 27. 10. 2005, Drames de Ceuta et Melilla. Alpha Konaré exige une enquête judiciaire 04. 07. 2006, Ceuta et Melilla. Deux immigrants meurent aux portent de l´Espagne 19. 05. 2006, Alioune Mar Maire de Rufisque-Ouest »C´es la rareté du poisson qui pousse les jeunes à partir« 25. 05. 2006, Emigration Clandestine ou les jeunes à la quête d´une identité 21. 05. 2006, Emigration Clandestine. Huit embarcations en un jour 21. 05. 2006, Contre l´Emigration clandestine. L´Espagne adopte un »Plan Afrique« pour contenir la vague D. »Sud Quotidien« 27. 10. 2005, Frontière Maroc Espagne. Le Film du dernier assaut 05. 11. 2005, Immigration. Un réseau de faussaires dont des Sénégalais, démantelé 16. 05. 2006, Le Sénégal point de départ des embarcations 26. 05. 2006, Comment planifier le voyage vers la mort
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Anhang: Verzeichnis der für die qualitative Deutungsmusteranalyse verwendeten Artikel
26. 05. 2006, Immigration Clandestine. Quand les chiffres parlent... 26. 05. 2006, »Artiste«, ce créneau porteur 13. 10. 2005, Expulsion de Clandestins. La (?) Maroc critiqué par l´Onu 13. 10. 2005, Morts dans des enclaves Espagnoles. Des eurodéputés réclament une enquête 13. 10. 2005, Tirs de balles, arrestations et mauvais traitements des immigrants clandestins. La Fidh s´indigne 26. 05. 2006, De Madrid à Palma de Mallorque 26. 05. 2006, Voir Barca ou Barsax (l´enfer) 26. 05. 2006, Immigration Clandestine. Les »barques peoples« arrivent 26. 05. 2006, L´immigration choisie de Sarkozy. La France se barricade 26. 05. 2006, Mbour: De Mbeuki Mi ou la percée frontale vers les Îles Canaries. Fortunes diverses pour les candidats à l´immigration 26. 05. 2006, Le bonheur du désespoir 10. 07. 2006, Une diplomatie qui commence à porter ses fruits E. »Le Soleil« 11. 10. 2005, Mettre fin au drame de l´émigration clandestine 11. 10. 2005, Émigration clandestine vers l´Espagne: Le rêve brisé dans une odyssée 28. 10. 2005, En route pour Melilla via le Maroc. La suicidaire odyssée des candidats à l´émigration 20. 05. 2006, Emigration clandestine en Espagne. Madrid tente d´enrayer le mal à la source 20. 05. 2006, Immigration clandestine à partir de Mbour. Des candidats à l´Espagne arrêtés au moment d´embarquer 20. 05. 2006, Emigration vers l´Espagne. Le capitaine prend un an, les clandestins six mois avec sursis 17. 05. 2006, Déferlante d´émigrés Africains aux Canaries. Les autorités espagnoles s´organisent pour faire face 27. 05. 2006, St-Louis – Contre l´immigration clandestine: Farba Senghor préconise la création de pôles agricoles 21. 07. 2006, Musique: Le nouvel album »Abdou Guité« fustige l´émigration illégale 14. 10. 2005, Abdoul Malal Diop, Ministre des Sénégalais de l´Extérieur: »Si on s´amuse à rapatrier des Sénégalais de l´extérieur, cela coûterait 40 milliards Fcfa« 28. 09. 2005, Emigration clandestine: Un millier d´Africains prennent d´assaut Melilla 03. 10. 2005, Nouvel Assaut d´une violence inédite à Melilla: 135 émigrés blessés
Anhang: Verzeichnis der für die qualitative Deutungsmusteranalyse verwendeten Artikel
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05. 10. 2005, Nouvel Assaut à la frontière de l´Espagne: Soixante-cinq immigrants passent à Melilla 06. 10. 2005, Émigration illégale: Six Africains tués dans un assaut avorté sur Melilla 09. 10. 2005, Émigration clandestine: Des diplomates africains rapatrient leurs concitoyens du Maroc 10. 10. 2005, Maroc. Trois cents émigrants sénégalais regroupés dans l´Est 10. 10. 2005, Émigration clandestine. Des diplomates africains rapatrient leurs concitoyens du Maroc 11. 10. 2005, Le Raddho pour une enquête sur l´immigration 19. 05. 2006, Immigration »choisie« et FUITE DES CERVEAUX: si on parlait aussi de compensations financières? 31. 05. 2006, Aliou Sow plaide pour une sensibilisation plus accrue 05. 07. 2006, Reçu par Macky Sall à Paris: Sarkozy prône une immigration dans les conditions concertées 11. 07. 2006, Entre l´immigration zéro et l´immigration sans limite: Nicolas Sarkozy choisit de faire la balance 13. 07. 2006, Nicolas Sarkosy veut »une immigration choisie«