Mit Monstern über Stock und Stein Die ersten Grand-Prix-Rennen
Ein Doppelartikel für „sport auto“ von Bernd Ratfisch er...
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Mit Monstern über Stock und Stein Die ersten Grand-Prix-Rennen
Ein Doppelartikel für „sport auto“ von Bernd Ratfisch erschienen in „sport auto“ 2/1980 und 3/1980
Wiedergabe als PDF-Datei mit freundlicher Genehmigung Vereinigte Motor-Verlage GmbH & Co. KG
Fotos: Süddeutscher Verlag, Archiv
Bernd Ratfisch und Vereinigte Motor-Verlage GmbH & Co. KG, Stuttgart www.butterfisch.com
Sport: Grand Prix vor dem ersten Weltkrieg
Die ersten Grand-Prix-Rennen
Mit Monstern über Stock und Stein Am 13. Januar begann in Buenos Aires die Grand Prix Saison 1980. In knapp zwei Stunden war alles vorbei. 1906 wurde in Frankreich der erste Grand Prix überhaupt gefahren. Er dauerte über 12 Stunden. Grand Prix, das war damals etwas völlig Neues. Quasi die zweite Phase im noch jungen Autorennsport. Nach dem ersten Rennen 1894 - von Paris nach Rouen - folgten weitere Rennen von Stadt zu Stadt, ehe diese Ära 1903 nach schweren Unfällen beim Rennen Paris-Madrid abgebrochen wurde. Parallel dazu liefen von 1900 bis 1905 die sogenannten Gordon-Bennett-Rennen, die zum Teil schon auf Rundstrecken ausgefahren wurden. Allerdings nicht auf permanenten Rennkursen wie wir sie heute gewöhnt sind. Vielmehr wurden einfach vorhandene öffentliche Straßen zu einem Kurs verbunden. Damals ohne festen Belag. 1906 begann die Grand-Prix-Ära, zwei Jahre später gab es den ersten deutschen Sieg. Es war der 7. Juli 1908, auf einer 76,8 km langen Rundstrecke bei Dieppe veranstaltete der A.C.F., der Automobilclub von Frankreich, seinen dritten Grand Prix. Zum ersten Mal bei einem bedeutenden Rennen befanden sich die Boxen an der Start-Ziel-Geraden, jede vertretene Marke bekam dort ein kleines Depot. Zum ersten Mal wurde bei einem Grand Prix ein Fahrzeug vom Veranstalter für das Rennen nicht zugelassen, weil eine konstruktive Neuerung an dem Fahrzeug das Mißfallen einer Schar von Fahrern und des Veranstalters fand. Der Napier des Engländers Selwyn Francis Edge erschien auf abnehmbaren Speichenrädern, seine gesamte Konkurrenz dagegen war immer noch mit den konventionellen Holzrädern ausgestattet, wobei die Felge fest mit der Achse verbunden war. Damals war es üblich, bei einem Reifenwechsel lediglich die Reifendecke und den Schlauch auszuwechseln, die Felge blieb am Auto. Am Napier waren nun die Felgen abnehmbar, somit konnten die Räder komplett ausgetauscht werden. Dabei gab es Speichenräder schon seit 1902, und die abnehmbaren Speichenräder debütierten 1906 bei einem Rennen in Amerika, 1907 wurden mit ihnen in England schon Rekordversuche angestellt. Trotzdem sollte S. F. Edge beim Grand Prix 1908 nicht starten. Der A.C.F. fand zwei Gründe gegen diese Speichenräder: Zum ersten seien abnehmbare Speichenräder für das alltagstaugliche Automobil weder üblich noch wäre eine
Entwicklung in diese Richtung zu erkennen, zweitens sähe der A.C.F. die Felge als einen festen Bestandteil des Automobils an wie auch den Motor und das Getriebe. Am Vortag des Grand Prix hatte man den Zuschauern ein Voiturette Rennen geboten, ein Rennen mit kleineren Rennwagen. Dieser Wettbewerb hinterließ auf der frisch geteerten Fahrbahndecke allerdings seine Spuren, und Probleme mit den Reifen kennzeichneten so den Grand Prix. Zudem löste sich die Straßenoberfläche weiter auf, so daß Wagen und Fahrer mit einer dicken Schicht pulverisiertem Teers bedeckt waren. Als erster startete Dario Resta, ein Italiener, der bald darauf amerikanischer Staatsbürger werden sollte, ein Indy-Sieger in spe, auf seinem 100 PS starken Austin. Doch er ließ sich auf der ersten Runde Zeit, und so ging nach 77 km Otto Salzer mit seinem Mercedes als erster in die zweite Runde. Salzer fuhr eine Zeit von 36.31 Minuten (127,03 km/h), es sollte die schnellste Runde bleiben. Ihm waren zwei französische Fahrer dicht auf den Fersen, Bablot und Théry, schließlich folgte der Ungar Szisz auf Rang vier. Probleme mit dem Motor ließen Otto Salzer allerdings schon in der zweiten Runde stark zurückfallen, der Italiener Felice Nazzaro kletterte dafür an die Spitze und führte nun mit zwei Minuten Abstand vor dem übrigen Feld. Schwierigkeiten mit den Reifen zwangen ihn jedoch gegen Ende der dritten Runde, die Führung an seinen Teamkollegen, den FiatFahrer Louis Wagner, abzugeben. Zwei deutsche Autos lagen nun an zweiter und dritter Position, der Benz von Hemery vor dem 135 PS-Mercedes des Württembergers Christian Lautenschlager. Christian Lautenschlager, Jahrgang 1877, arbeitete seit 1899 bei den Daimler Motorenwerken, zuerst als Mechaniker, später als Meister der Fahrabteilung. Er war also der Cheftestfahrer. Als man sich bei Daimler entschloß, 1908 mit drei Mercedes in Dieppe zu starten, vertraute man ihm einen der Wagen an. Christian Lautenschlager fuhr sein erstes Rennen. In der vierten Runde fielen beide Fiats aus, und Lautenschlager ging an Victor Hemery vorbei in Führung. An dritter Stelle folgte ein weiterer Benz mit René Hanriot am Steuer. An diesen drei Positionen änderte sich bis ins Ziel nichts mehr. Christian Lautenschlager gewann nach zehn Runden vor den Benz von Hemery und Hanriot. Zum
ersten Mal hat ein Deutscher einen Großen Preis gewonnen. Christian Lautenschlager gewann, obwohl der Streckenzustand auch ihm Reifenprobleme bescherte. In der siebten Runde bekam er die letzten vier Reifen auf die Räder montiert, die Mercedes im Depot zur Verfügung standen. Aber mit vorsichtigem Fahrstil erreichte Lautenschlager dennoch das Ziel, ohne von seinen Verfolgern eingeholt zu werden. Die letzten zwei Runden fuhr er ganz auf Ankommen, nur auf der Geraden nutzte er den Wagen voll aus, die Kurven nahm er mit Rücksicht auf die Reifen ganz vorsichtig. Trotzdem hatte er im Ziel noch neun Minuten Vorsprung vor dem Benz von Hemery. Und mit einer Zeit von 6:55 h erreichte er immerhin einen Schnitt von 111 km/h. Aber das Rennen endete nicht nur mit einem Triumph für Lautenschlager und Mercedes, es ist das beste Ergebnis, das deutsche Rennwagen bis dahin überhaupt bei einem großen Rennen erzielt haben.
französischen Panhard als Sieger im Ziel. Außer Frankreich hatten die Automobilclubs aus Deutschland, England, Belgien Osterreich, der Schweiz und Italien teilgenommen. Zu späteren Rennen kamen auch Autos aus den USA. Gordon Bennett selbst hatte nie eines der Rennen, die seinen Namen trugen, besucht. Automobile faszinierten ihn persönlich wenig, er fuhr auch nie in seinem Leben in einem Auto. In den Rennen sah er nur ein nachrichtenträchtiges Spektakel für seine Zeitung. 1902 gewann erstmals ein Nichtfranzose, der Engländer Selwyn F. Edge. Deshalb fand das Rennen 1903 in Irland statt. Und auf der Athy-Rundstrecke gewann der Belgier Camille Jenatzy, einer der schnellsten Männer jener Epoche um die Jahrhundertwende. Er siegte auf einem 60 PS starken Mercedes und legte somit das Rennen von 1904 nach Deutschland.
Ein Zeitungsverleger hatte eine Idee... Nach dem tragischen Unfall des Franzosen Henry Cissac, der wie Lautenschlager sein erstes Rennen bestritt, und in der neunten Runde, als ihm auf der Geraden ein Reifen platzte, tödlich verunglückte, plazierten sich unter den ersten sieben sechs deutsche Automobile. Ein Mercedes und zwei Benz waren die ersten drei, vierter wurde Victor Rigal mit einem französischen Clément-Bayard, fünfter schließlich der dritte Mercedes-Fahrer, Willi Poege. Als sechsten sah man einen Opel mit Carl Jörns, und siebter wurde ein weiterer Benz. Zwei Jahre zuvor hatte der A.C.F. dieses Rennen, seinen Grand Prix, zum ersten Mal veranstaltet. Er löste sich damit von den Gordon-Bennett-Rennen, für deren Austragung der A.C.F. von 1900 bis 1905 gesorgt hatte, und von denen er doch noch so manches Gedankengut in die Grand-Prix-Rennen zu adoptieren wußte. Wenige Wochen vor Ende des 19. Jahrhunderts entschloß sich der Verleger des „New York Herald“, James Gordon Bennett, einen Pokal für internationale Automobilrennen zu stiften. Die Rennen sollten jährlich einmal, und zwar im Sommer, stattfinden. Mit der Organisation und mit der Schaffung der ersten konkreten Rennformel beauftragte Gordon Bennett den französischen Automobilclub, da der A.C.F. damals der größte und fortschrittlichste Club war, über 50 Prozent der Automobile auf der Welt befuhren in jenen Tagen französische Straßen. Nur soweit mischte Gordon Bennett sich noch in die Formel für seine Rennen ein: Es sollten keine Rennen für Fahrer oder Firmen sein, sondern welche für Automobilclubs. Jeder Club sollte bis zu drei Wagen ins Rennen schicken dürfen, die Fahrer repräsentierten automatisch den Club, für den sie starteten. Und: Die Fahrzeuge mußten in allen Teilen in dem Land, in dem der Club ansässig war, für den sie fuhren, konstruiert und gebaut sein. Der A.C.F. erweiterte diese Bestimmungen noch um die Vorschriften, daß die Wagen Zweisitzer sein mußten, daß sie mindestens 400 kg Leergewicht haben mußten und daß die Rennlänge zwischen 550 und 650 Kilometern liegen sollte. Das Rennen sollte ferner immer in dem Land veranstaltet werden, für das der Vorjahressieger gestartet war. Das erste Rennen legte man auf den 14. Juni 1900, es lief in Frankreich ab, litt noch stark unter organisatorischen Mängeln, und sah den Franzosen Fernand Charron auf einem
Widerstand gegen Gordon-Bennett-Rennen Schon zu jener Zeit, als Jenatzy gewann, wuchs in Frankreich der Widerstand gegen das Gordon-BennettRennen. Der A.C.F. fühlte sich durch das Reglement, das pro Land nur drei Wagen zum Rennen zuließ, eingeschränkt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es in Frankreich in jener Zeit eine Fülle von Konstrukteuren
gab, die alle an der Teilnahme am Gordon-BennettRennen interessiert waren, mußte der A.C.F. schon damals Qualifikationsrennen abhalten, um drei Teilnehmer zu ermitteln, die Frankreich dann im Rennen vertreten durften. Die Automobilclubs in Belgien, Österreich und der Schweiz dagegen hatten stets Mühe, drei taugliche Fahrzeuge ins Rennen zu schicken. Deshalb wünschte der A.C.F. sich Rennen, die den Bedürfnissen der französischen Hersteller eher entsprachen. Dies war jedoch innerhalb des Reglements der Gordon-Bennett-Rennen nicht möglich. 1904 und 1905 gab es dann aber doch noch GordonBennett-Rennen, und in beiden Jahren gewann der Franzose Léon Théry, der in den Rennen scheinbar keinen Gegner fand. Nach dem Rennen von 1905, das in der Auvergne veranstaltet worden war, gab man nun endgültig den Auftrag zur Organisation der Rennen an den Initiator zurück und verkündete darüber hinaus, daß es 1906 ein internationales Rennen geben würde, einen Grand Prix des A.C.F. Die grundsätzlich neue Idee an der Ausschreibung des Grand Prix war die, daß jeder interessierte Automobilhersteller auch starten durfte. Damit wurde der professionelle Rennsport vom ersten Grand Prix an stark
gefördert, die Zahl der Berufsrennfahrer, die an den Grand-Prix-Rennen teilnahmen, war sofort höher als bei den clubabhängigen Gordon-Bennett-Rennen, und sie stieg bis zum Ersten Weltkrieg ständig weiter an. Die französischen Konstrukteure hätten sich auch für den Grand Prix eine ähnliche Ausschreibung gewünscht, wie sie von den Gordon-Bennett-Rennen her schon bekannt war, nämlich eine Limitierung der Teilnehmer je Nation. Ein Teilnehmerfeld stellten sie sich so vor: Es sollten fünfzehn französische Wagen starten, dazu je sechs aus Deutschland und England und je drei aus Belgien, Österreich, Italien, der Schweiz und den USA. Der A.C.F. distanzierte sich jedoch von solchen Vorstellungen, zumal sie auch auf den Protest ausländischer Automobilhersteller stießen. In erster Linie waren es deutsche und italienische Firmen, die damit nicht einverstanden waren. Zuletzt fiel auch jenes Argument, derart viele Fahrzeuge in einem Rundstreckenrennen seien einfach zu viel und damit ein Sicherheitsrisiko. Der erste Grand Prix lief am 26. und 27. Juni 1906. Eine 103 km lange Rundstrecke bei Le Mans, die mit der heutigen Strecke nicht identisch war, sollte an zwei Tagen insgesamt 12mal umfahren werden. Le Mans lebte wie nie zuvor, die Zuschauer strömten zu Zehntausenden an die Strecke, Hotels und Gaststätten im Umkreis von 100 km waren ausgebucht. Nie zuvor konnte man so viele Automobile auf einem Haufen bewundern. Um sechs Uhr morgens wurde gestartet. Die 32 Rennwagen, die sich eingefunden hatten, wurden in Abständen von 90 Sekunden auf den Weg geschickt. Nach einer Runde führte Paul Baras auf einem Brasier, auf einem der 23 französischen Wagen im Feld. Paul Baras war es auch, der mit 118 km/h die schnellste Runde markierte. In der dritten Runde ging der Ungar Ferenc Szisz auf einem 90 PS Renault in Führung, er sollte sie in diesem Rennen nicht mehr abgeben. Ferenc Szisz kam im Jahre 1900 aus Ungarn zu Renault, er arbeitete dort als Mechanikermeister. 1902 und 1903 nahm er als Mechaniker von Louis Renault schon an Rennen teil und fiel durch sein Improvisationstalent, vor allem im Rennen Paris-Wien 1902, allgemein auf. Ab 1905 fuhr er dann selbst, nahm in diesem Jahr an zwei großen Rennen teil, eines davon war das Qualifikationsrennen für das Gordon-Bennett-Rennen. Technische Probleme an seinem Rennwagen verhinderten jedoch jeden Erfolg. Beim Grand Prix sah es anders aus:
Den ersten Lauf am 26. Juni beendete Ferenc Szisz mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 106 km/h vor dem jungen Albert Clément auf einem Clément-Bayard und Felice Nazzaro auf einem 130 PS-Fiat.
Mit zwölf Litern Hubraum der Kleinste im Feld Auch während des zweiten Laufs am darauffolgenden Tag blieb die Führung von Ferenc Szisz ungefährdet. Der rote Renault hatte einen Vierzylindermotor von 13 Litern Hubraum, damit war er aber noch lange nicht das größte „Monster“, der Panhard brachte es auf 18,3 Liter, und selbst der Fiat holte seine Kraft noch aus über 16 Litern. Einer der kleinsten Wagen im Feld war der flinke Brasier mit knapp 12 Litern. Die Leistung betrug ungefähr 105 PS. Am zweiten Tag fiel Albert Clément wegen eines Reifenschadens auf den dritten Rang zurück, so daß der Fiat von Felice Nazzaro in der Endabrechnung auf Platz zwei erschien. Für die Gesamtdistanz benötigte der Sieger Szisz eine Zeit von 12:14.07,0 Stunden, daraus resultierte ein Durchschnitt von 101,25 km/h. Der Zweite, Felice Nazzaro, lag auf seinem Fiat über 32 Minuten zurück. Auch Mercedes hatte an diesem Rennen teilgenommen, man vertraute auf den erfahrenen Camille Jenatzy und
auf ein Modell mit 125 PS. Unterstützt wurde dieses Werksteam noch von dem Privatfahrer Mariaux, und trotzdem kam nicht mehr dabei heraus als ein vorletzter Platz. Sportlich war der Grand Prix 1906 ein voller Erfolg, jedoch kam der A.C.F. nicht auf seine Kosten, er machte trotz allem ein Verlustgeschäft. So war es eine ganze Weile fraglich, ob es 1907 wieder ein Rennen geben würde, bis eine Zeitschrift als Sponsor eintrat und den nächsten Grand Prix finanziell absicherte.
Fortsetzung in sport auto Nr. 3: Der größte Grand Prix 1914 Der Anfang mit den Grand-Prix-Rennen war gemacht. Vor dem Ersten Weltkrieg blieb der GP des A.C.F. der einzige überhaupt, und er wurde so zum wichtigsten Rennen des Jahres. Einen Höhepunkt gab es 1914 kurz vor Kriegsbeginn. In einem dramatischen Rennen, das in die GP-Geschichte als eines der größten einging, siegte Mercedes zum zweiten Male. Hintergründe in der MärzAusgabe. Bernd Ratfisch
Sport: Grand Prix vor dem ersten Weltkrieg
GP-Geschichte (2. Teil)
Höhepunkt und Abschluß einer Ära Die Ära der Grand-Prix-Rennen begann 1906. Das Rennen von 1914 - kurz vor Kriegsausbruch - wurde zum Höhepunkt. Viele sagen sogar, es war der größte Grand Prix, den es je gegeben hat. 1907 fuhr man auf einer 76,8 km langen Rundstrecke bei Dieppe, auf derselben Strecke schon, auf der im Jahr darauf auch Christian Lautenschlager gewinnen sollte. Der Betriebsstoffverbrauch wurde 1907 mit 30 Litern pro 100 km begrenzt, damit hatte man allerdings ein sehr großzügiges Limit in dieser Formel gesetzt, denn selbst die durstigen Renner von 1906 kamen mit weniger aus. Mehr Fahrzeuge als im Jahr zuvor, nämlich 37 Stück, erschienen zum Rennen, bis auf einen sollten alle starten. Albert Clément, dritter ein Jahr zuvor in Le Mans, wurde während einer Trainingsfahrt aus einer der Kurven getragen. Der 24 Jahre alte junge Mann, dessen Laufbahn so brillant begonnen hatte, war sofort tot. Mit Albert Cléments Unfall begannen auch im Grand-PrixSport die Diskussionen um den Sinn dieses Sports. Albert Clément war der erste Grand-Prix-Fahrer, der am Steuer eines Rennwagens zu Tode kam. Während des Rennens selbst ereignete sich schließlich ein weiterer tragischer Unfall, als der Darracq-Fahrer Marius Pin mit einem Pferdefuhrwerk kollidierte und starb. Zehn Runden waren zurückzulegen. Die ersten vier Runden wurden von einem Duell um die Spitze bestimmt, das sich Vincenzo Lancia (Fiat) und Arthur Duray (De Dietrich) lieferten. Dann fiel Lancia zurück, als der Motor nur noch auf drei Zylindern lief. Duray dominierte weiter, bis in die neunte Runde hinein, nun verfolgt vom Fiatfahrer Felice Nazzaro. Ein Getriebeschaden warf ihn dann aus dem Rennen. So konnte Felice Nazzaro als erster die Ziellinie überqueren, sieben Minuten später erreichte Vorjahressieger Ferenc Szisz auf Renault das Ziel, und 21 Minuten nach Nazzaro wurde Paul Baras auf Brasier dritter. Nazzaro erreichte einen Schnitt von 113,4 km/h. 1908 war dann Christian Lautenschlager auf Mercedes erfolgreich. Die Überlegenheit deutscher Rennwagen beim Großen Preis 1908 versetzten dem A.C.F. und den französischen Konstrukteuren einen fürchterlichen Schlag, hatte man den Grand Prix doch als Rennen gedacht, um der ausländischen Konkurrenz zu zeigen, wie überlegen der französische Automobilbau war. Konnte dies 1906 ausnahmslos und 1907 immerhin noch befriedigend gelingen, so war 1908 alles von den Deutschen verblasen worden. So kam es, daß der nächste Grand Prix erst wieder 1912 veranstaltet wurde. Das Rennen wurde nach freier Formel ausgetragen, also ohne technische Beschränkung. An zwei Tagen sollten je ein Lauf über 10 Runden auf der bereits bekannten Rundstrecke von Dieppe gefahren werden. Damit lief dieser Grand Prix über eine Gesamtdistanz von 1536 km und war damit das längste Rundstreckenrennen, das es bis dahin gegeben hatte. Und sogar noch heute ist dies der zweitlängste Grand Prix in der Geschichte des Rennsports.
Da einige große Firmen dem Rennen fernblieben, so traten etwa Mercedes und Opel nicht an, und Fiat verzichtete auf den Einsatz des Italieners Nazzaro, wurde der Grand Prix des A.C.F. mit einem anderen Rennen gekoppelt, mit dem „Coupe de l'Auto“, um ein umfangreiches Starterfeld zu garantieren. Der Coupe de l'Auto war für Rennwagen bis drei Liter Hubraum vorbehalten.
Streunender Hund verhinderte Sieg Beim ersten Lauf nahmen dann auch siebenundvierzig Wagen das Rennen auf, zum Teil wurden veraltete Autos von echten Veteranen gelenkt. Dreizehn der teilnehmenden Rennwagen waren Grand-Prix-Wagen mit mehr als drei Litern Hubraum, der Rest, 34 Autos, gehörte zu den Kleinwagen. David Bruce-Brown dominierte bei bestem Wetter mit seinem 140 PS starken Fiat, mit dem er kurz zuvor schon in seiner Heimat, in den USA, erfolgreich gefahren war. Er gewann mit einem Schnitt von 120,6 km/h den ersten Lauf zwar ohne Probleme, aber knapp vor Georges Boillot auf einem 7,6 Liter Peugeot und Louis Wagner, ebenfalls auf Fiat, die in diesem Jahr Motoren von 14,1 Litern verwendeten. Die schnellste Runde ging mit 123,6 km/h ebenfalls auf das Konto von Bruce-Brown. Am nächsten Tag war es kühl und regnerisch, die Strecke war glatt. Der führende David Bruce-Brown wurde von seinem Glück verlassen, als er einen Hund überrollte und dabei die Benzinleitung zerstört wurde. Zwar versuchte er einen Ausfall zu verhindern und tankte auf der Strecke nach, dies war aber, wie auch das Nachfüllen von Öl und Wasser, nur an der Box gestattet, also wurde er disqualifiziert. Den zweiten Lauf gewann Georges Boillot, er wurde damit auch automatisch der Grand-Prix-Sieger. Die Zuschauer waren damit einverstanden, denn Georges Boillot war schon vor dem Rennen der prominenteste französische Fahrer, und nichts erwartete man mehr von diesem Rennen, als daß er gewinnen würde. Boillot war ein draufgängerischer Fahrer, der hinter dem Lenkrad arbeitete wie ein römischer Wagenlenker, er wirbelte in den Kurven mit seinen Drifts buchstäblich mehr Staub auf als jeder andere. Mit einem Schnitt von 110 km/h gewann er also vor dem Fiat von Louis Wagner und vor Victor Rigal auf einem Dreiliter-Sunbeam. Rigal wurde damit außerdem Gewinner des Coupe de l'Auto, sein Schnitt: 105 km/h. Ein Feld von zwanzig Teilnehmern fand sich ein, als der Grand Prix des A.C.F. 1913 auf einer 32 km langen Rundstrecke bei Amiens gestartet wurde. Diese Strecke war schmal, allerdings sehr schnell, die Start- und Zielgerade maß 13 km Länge.
Die Formel dieses Jahr war ziemlich rigoros: Das Gewicht der Rennwagen mußte zwischen 800 kg und 1100 kg liegen, und der Kraftstoffverbrauch durfte 20 Liter pro 100 km nicht übersteigen. Das Rennen wurde stark von den beiden Peugeot beherrscht, die mit Georges Boillot und dem frischgebackenen Indianapolissieger Jules Goux das übrige Feld vom Start weg anführten. Die ersten zwei Runden führte Georges Boillot, dann ging Jules Goux an die Spitze, die er bis zur siebenten Runde behielt. In dieser Runde wurden beide Peugeot etwas langsamer, und der junge Albert Guyot kletterte mit seinem Delage in Führung. Etwa in dieser Phase des Rennens fuhr Guyot mit 123 km/h auch die schnellste Runde. Georges Boillot schlief allerdings nicht, er überholte seinen Teamkameraden wieder und gab Guyot keine Chance, sich von ihm abzusetzen. In der 17. Runde übernahm Georges Boillot wieder die Spitze, als Guyot durch einen Reifenschaden über eine Viertelstunde aufgehalten und auf den fünften Rang zurückgeworfen wurde. Nach 29 Runden war das Ziel erreicht. Georges Boillot hatte als erster die Distanz von 917 km zurückgelegt und als erster Fahrer zwei große Preise gewonnen. Zweiter wurde Jules Goux und dritter, schon abgeschlagen, der junge Jean Chassagne auf einem Sunbeam. Der Grand Prix des Jahres 1914 wird noch heute oft als der größte Große Preis bezeichnet, veranstaltet wurde er am 5. Juli, auf einer annähernd dreieckigen Rundstrecke von 37,5 km Länge bei Lyon. Diese Strecke war aus der Sicht der Zuschauer geradezu ideal, denn an jedem Punkt der Strecke konnte man das Rennen über mehrere Kilometer verfolgen.
Die Lage in Europa war zu diesem Zeitpunkt schon gespannt, und als hätte man geahnt, daß es bald jahrelang keine großen Autorennen mehr geben würde, fand sich jeder Motorsportfan und Autoliebhaber ein, um dieses Ereignis nicht zu versäumen. Der Veranstalter verzeichnete einen Zuschauerrekord. Hotels, Gasthäuser und Cafés waren von morgens bis in die Nacht hinein überfüllt. Zwei Tage vor dem Rennen wurde die Strecke offiziell geöffnet, um die Fahrer trainieren zu lassen, aber vor allem den französischen Fahrern war sie bereits bekannt, sie waren längst auf ihr gefahren. Auch Zuschauer durften in diesen Tagen mit ihren Automobilen auf die Piste, und mancher riskierte Kopf und Kragen, um genauso gekonnt wie Boillot, Nazzaro oder Lautenschlager durch die Kurve zu fegen. Dieses Jahr begrenzte die Formel den Hubraum auf 4,5 Liter. Dadurch erhielt man 1914 die kleinsten Grand-Prix-
Wagen bis dahin. Peugeot präsentierte einen 112 PS starken Motor, der diesmal nur eine obenliegende Nockenwelle besaß. Peugeot, Delage und Fiat starteten erstmals mit Vierradbremse. Mercedes schickte fünf Wagen mit 115 PS starken Vierzylindern auf die Reise, als Favoriten wurden diese Rennwagen jedoch nicht angesehen, sie waren zwar außerordentlich niedrig, der Schwerpunkt lag vergleichsweise günstig, doch bremsten die Mercedes-Wagen nur mit den Hinterrädern. Und Testfahrten von Peugeot hatten ergeben, daß die Vierradbremse die Wagen um eine Minute pro Runde schneller gemacht hatte.
Fünf Mercedes gegen 32 Konkurrenten Zwanzig Runden sollten gefahren werden, eine Distanz von 752,6 km lag vor den Fahrern. Siebenunddreißig Fahrzeuge stellten sich zum Start auf. Peugeot setzte ein Team von drei Wagen ein, es fuhren Georges Boillot, Jules Goux und Victor Rigal. Für Delage starteten ebenfalls drei Wagen mit erfahrenen Fahrern, Guyot, Bablot und Duray. Nazzaro probierte diesmal sein Glück mit einer Eigenkonstruktion, mit der er jedoch nicht ins
Geschehen um die ersten Plätze eingreifen konnte. Fiat versuchte es noch einmal mit Alessandro Cagno, einem Veteranen aus der Gordon-Bennett-Zeit, sowie mit zwei jungen Leuten. Fünf Fahrer fuhren Mercedes, Christian Lautenschlager, Otto Salzer und der erstmals in Erscheinung tretende Max Sailer, sowie die beiden Ausländer Louis Wagner und Theodor Pilette. Opel vertraute erneut auf Carl Jörns sowie auf zwei weitere deutsche Fahrer, Erdtmann und Bruckheimer. Die Fahrzeuge wurden paarweise alle dreißig Sekunden gestartet. Die ersten beiden, die losgeschickt wurden, waren der Ungar Ferenc Szisz, der Sieger von 1906, der für die neue Marke Alda fuhr, und der Opel von Carl Jörns. Der Alda war allerdings zu schlecht, als daß Szisz damit eine Chance gehabt hätte. Zudem wurde er das Opfer eines Unfalls. Beim Reifenwechseln auf der Strecke streifte ihn einer der Opel, und Ferenc Szisz mußte mit einer Armverletzung aufgeben.
Unerfahrenheit oder Regie-Anweisung? Für die Zuschauer begann das Rennen erst eine Minute später, als mit der Nummer 5 Georges Boillot das Rennen aufnahm. Tosender Beifall begleitete ihn, als er losfuhr und kurz darauf auch die Führung übernahm. Die Menge am Rande der Piste erwartete von ihm, daß er zum dritten Mal dieses Rennen gewinnt. Mit der Startnummer 14 begann wenig später Max Sailer sein Rennen, und er fuhr so schnell er konnte. Nach dem Rennen sollte jahrelang nachgedacht werden, ob dies Stallorder war oder nicht, ob man bei Mercedes vorgesehen hatte, Boillot mit dem Wagen von Sailer zu jagen, um ihn zu schnellerer Fahrt zu veranlassen, und damit die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls seines Peugeot zu vergrößern. Lautenschlager und Wagner sollten derweil im Mittelfeld warten, bis der gefährlichste Konkurrent angeschlagen war. Wahrscheinlich hat es so eine Regieanweisung bei Mercedes jedoch nicht gegeben, und die stürmische Aufnahme des Rennens war eher Unerfahrenheit des international noch nicht in Erscheinung getretenen Mannes, der schnell fuhr, und dabei vergaß, die Kräfte des Wagens so einzuteilen, daß es auch bis ins Ziel reichte. In der vierten Runde lag Max Sailer vorne, er hatte es geschafft und Georges Boillot eingeholt. In den nächsten zwei Runden baute er seinen Vorsprung auf Georges Boillot kontinuierlich aus, auf knapp drei Minuten, dann kam er nicht mehr vorbei. In der sechsten Runde blieb sein Wagen mit gebrochener Welle liegen. Somit führte der Peugeot von Boillot das Feld wieder an, zweiter war inzwischen Christian Lautenschlager, etwa eine Minute zurück. An dritter Stelle folgte der Peugeot von Jules Goux vor den Mercedesfahrern Wagner und Salzer. Von jetzt an dominierten nur noch Mercedes und Peugeot, alle anderen Fahrzeuge, Delage, Fiat, Sunbeam, lagen weit zurück. Nach der zehnten Runde, zur Hälfte des Rennens, führte Mercedes bei den drei noch im Rennen befindlichen Wagen Routineboxenstops durch. Da dieser Boxenaufenthalt bei Christian Lautenschlager etwas länger dauerte, lag Louis Wagner eine Zeitlang auf Rang zwei, und Lautenschlager verbannte nach einigen Überholmanövern Jules Goux auf Rang vier. In der fünfzehnten Runde fuhr Louis Wagner zum Reifenwechseln an die Box, und so schob sich Christian Lautenschlager wieder hinter Georges Boillot auf Rang zwei. Und es sah zu diesem Zeitpunkt so aus, als ob der
Vorsprung von 2.28 Minuten des Peugeot reichen könnte, dieses Rennen noch als Sieger zu beenden, auch wenn der Württemberger immer schneller wurde. Zu Anfang der 18. Runde verfügte Georges Boillot immer noch über einen beruhigenden Vorsprung von über zwei Minuten, doch dann verlor der Peugeot an Geschwindigkeit, eine halbe Runde später trennten den Mercedes nur noch wenige Sekunden von der Führung. Auf der Geraden, zu Beginn der 19. Runde, lag Lautenschlager vorn, er führte schon mit einer Minute vor dem Peugeot, der bald darauf auch von Louis Wagner eingeholt wurde und auf Platz drei zurückfiel. In der 20. und letzten Runde fiel die endgültige Entscheidung: wenige Kilometer vor dem Ziel überdrehte Georges Boillot beim Zurückschalten versehentlich den Motor, ein Ventil brach, der Peugeot blieb stehen.
Dreifacher Erfolg für Mercedes Das Rennen wurde von Christian Lautenschlager nach genau 7:08,18,4 Stunden mit einem Schnitt von 105,1 km/h gewonnen. Auf Rang zwei folgte Louis Wagner auf Mercedes, etwa eineinhalb Minuten später, und Otto Salzer brachte es fertig, mit dem dritten Mercedes das Ziel noch vor dem Peugeot des Franzosen Jules Goux zu erreichen. Dieser Mercedes-Triumph war der erste Dreifachsieg in der Geschichte des Motorsports. Die schnellste Runde stoppte man für Max Sailer mit 20.06 Minuten, damit erreichte der Mann, der während der ersten Runden für Tempo sorgte, einen Schnitt von 112,33 km/h.
Der große Verlierer war eindeutig der Peugeot-Fahrer Georges Boillot. Die Zuschauer verhielten sich nach dem Rennen allgemein still, nur ein paar Deutsche grölten: „Deutschland über alles!“ Die übrigen Menschen rund um die Strecke entfernten sich schweigend von ihren Plätzen, der Starfahrer einer ganzen Nation war gedemütigt worden. Christian Lautenschlager war eigentlich kein Siegertyp, kein Fahrer wie Boillot oder Nazzaro, die von vornherein für einen Sieg in Frage kamen. Er war - wie schon 1908 ein Überraschungssieger, mit dem selbst Experten nicht gerechnet hatten. Christian Lautenschlager startete auch noch nach dem Ersten Weltkrieg für Mercedes, er fand jedoch nicht mehr zu seiner alten Form zurück. Er beendete 1922 und 1924 die Targa Florio beide Male als zehnter, und 1923 fuhr er in Indianapolis. Hier zerschmetterte er das Auto an der
Mauer. Danach arbeitete er noch bis zu seiner Pensionierung bei Daimler-Benz in Untertürkheim. Er starb 1954. Mehr Erfolg nach dem Krieg erreichte Felice Nazzaro. Für Fiat fuhr er weitere Grand-Prix-Rennen und gewann 1922 noch einmal den Großen Preis von Frankreich. Den 1921 erstmals ausgetragenen Grand Prix von Italien beendete er 1922 und 1923 jeweils als zweiter. Noch bis 1929 startete er gelegentlich bei Sportwagenrennen, ehe er seine 1900 begonnene Laufbahn abschloß. Als er 1940 starb, steckte er noch voll in seiner Arbeit als Chef der Fiat-Rennabteilung. Ferenc Szisz bestritt nach dem Krieg keine Rennen mehr. Genau drei Tage vor Ausbruch des Ersten
Weltkriegs, 18 Tage nach dem Grand Prix, fuhr er zum letztenmal. Mit einem Lorraine-Dietrich gewann er überlegen ein kleineres Rundstreckenrennen bei Anjou. Er überlebte alle seine damaligen Gegner. Ferenc Szisz starb im Juni 1970 im Alter von 97 Jahren. Die letzten Jahre hatte er in seiner Heimat, in dem Dorf Tiszaszentimre, verbracht. Georges Boillot, der Sieger in den Jahren 1912 und 1913, und der große Verlierer 1914, starb 1916 im Ersten Weltkrieg, als sein Flugzeug an der Westfront abgeschossen wurde. Bernd Ratfisch