Herausgeberbeirat
Adriano Aguzzi, Zçrich Heinz Bielka, Berlin Falko Herrmann, Greifswald Florian Holsboer, Mçnchen Stef...
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Herausgeberbeirat
Adriano Aguzzi, Zçrich Heinz Bielka, Berlin Falko Herrmann, Greifswald Florian Holsboer, Mçnchen Stefan H. E. Kaufmann, Berlin Peter C. Scriba, Mçnchen Gçnter Stock, Berlin Harald zur Hausen, Heidelberg
Molekulare Medizin Aus dem Themenbereich der molekularen Medizin sind bereits folgende Titel der Herausgeber D. Ganten und K. Ruckpaul erschienen: Molekular- und Zellbiologische Grundlagen (1997) ISBN 3-540-61954-2 Tumorerkrankungen (1998) ISBN 3-540-62463-5 Herz-Kreislauf-Erkrankungen (1998) ISBN 3-540-62462-7 Immunsystem und Infektiologie (1999) ISBN 3-540-62464-3 Erkrankungen des Zentralnervensystems (1999) ISBN 3-540-64552-7 Monogen bedingte Erbkrankheiten 1 (2000) ISBN 3-540-65529-8 Monogen bedingte Erbkrankheiten 2 (2000) ISBN 3-540-65530-1 Molekularmedizinische Grundlagen von hereditåren Tumorerkrankungen (2001) ISBN 3-540-67808-5 Molekularmedizinische Grundlagen von Endokrinopathien (2001) ISBN 3-540-67788-7 Molekularmedizinische Grundlagen von nicht-hereditåren Tumoren (2002) ISBN 3-540-41577-7 Grundlagen der Molekularen Medizin, 2. çberarbeitete und erweiterte Aufl. (2003) ISBN 3-540-43207-8 Molekularmedizinische Grundlagen von håmatologischen Neoplasien (2003) ISBN 3-540-41640-4 Molekularmedizinische Grundlagen von rheumatischen Erkrankungen (2003) ISBN 3-540-43735-5 Molekularmedizinische Grundlagen von altersspezifischen Erkrankungen (2004) ISBN 3-540-00858-6 Molekularmedizinische Grundlagen von fetalen und neonatalen Erkrankungen (2005) ISBN 3-540-20138-6
Detlev Ganten Klaus Ruckpaul gemeinsam mit Josef Kæhrle
(Hrsg.)
Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen Mit Beitrågen von Jerzy Adamski, Eduardo Arzt, Johann Bauersachs, Annette G. Beck-Sickinger, Stefan R. Bornstein, Antje Bættner, Hayo Castrop, Markus Clemenz, Jocelyn de Heer, Georg Ertl, Burkhard Gæke, Rçdiger Gæke, Patricia Grabowski, Daniel Gygax, Andreas Hoeflich, Lorenz C. Hofbauer, Hubertus Jarry, Wieland Kiess, Josef Kæhrle, Jçrgen Kratzsch, Heiko Krude, Eric Kçbler, Harald Lahm, Anton Luger, Thomas A. Luger, Ulrike Pfaar, Roland Pfåffle, Andreas F. H. Pfeiffer, Janine Prange-Kiel, Ulrich Renner, Klaus Rohr, Gçnter Ross, Gabriele M. Rune, Hans Scherçbl, Hartmut Schlçter, Klaus-Dieter Schlçter, Roland M. Schmid, Gçnter Schneider, Jçrgen Schnermann, Torsten Schæneberg, Michael Schoppet, Joachim Spranger, Gçnter K. Stalla, Ulrike Muscha Steckelings, Luc St-Onge, Michael Stumvoll, Andreas P. Sutter, Thomas Unger, Andrea Vortkamp, Ilias Vrezas, Martin Wagner, Uta Wegewitz, Johannes Weigel, Holger S. Willenberg, Eckhard Wolf
Mit 184 Abbildungen und 36 Tabellen
12
Professor Dr. med. Detlev Ganten Der Vorstandsvorsitzende (CEO) Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Schumannstr. 20/21 10117 Berlin Professor Dr. Klaus Ruckpaul Max-Delbrçck-Centrum fçr Molekulare Medizin (MDC) Robert-Ræssle-Straûe 10 13122 Berlin-Buch Professor Dr. Josef Kæhrle Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Charit Campus Mitte Institut fçr Experimentelle Endokrinologie Schumannstraûe 20/21 10117 Berlin
Legende zur Einbandabbildung: Exemplarische Darstellung der endokrinen, parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation im Follikel des Rattenovars mit einer Oozyte (mod. nach A. Amsterdam et al., Steroids 68, 861± 867 (2003)). Image eines Affymetrix Gene Chip Microarrays: ein heller Fleck entspricht einer groûen Menge RNA; bei dunklem Fleck ist keine Transkription erfolgt.
ISBN-10 ISBN-13
3-540-28781-7 Springer Berlin Heidelberg New York 978-3-540-28781-7 Springer Berlin Heidelberg New York
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet çber abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschçtzt. Die dadurch begrçndeten Rechte, insbesondere die der Ûbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfåltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfåltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulåssig. Sie ist grundsåtzlich vergçtungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wåren und daher von jedermann benutzt werden dçrften. Produkthaftung: Fçr Angaben çber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewåhr çbernommen werden. Derartige Angaben mçssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit çberprçft werden. Planung: Dr. Rolf Lange Redaktion: Susanne Dathe Herstellung: Elke Beul-Gæhringer Satz: K + V Fotosatz GmbH, 64743 Beerfelden-Airlenbach Umschlaggestaltung: design & production, 69121 Heidelberg, unter Verwendung einer Abbildung, die dankenswerterweise von Herrn Professor Dr. Norbert Hçbner (Max-Delbrçck-Centrum fçr Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch) zur Verfçgung gestellt wurde. Gedruckt auf såurefreiem Papier
27/3151/gæh-5 4 3 2 1 0
Vorwort
Der Band ,Molekularmedizinische Grundlagen von Endokrinopathien` im Rahmen der Buchreihe ,Molekulare Medizin` erschien im Jahre 2001. Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Bandes waren auf Krankheiten gerichtet, denen hormonelle Stærungen endokriner Drçsen1 als krankheitsbestimmende Ursache zugrunde liegen. Offen geblieben war in diesem ersten Band die Darstellung der lokal gebildeten und wirksamen Gewebshormone und Signalsubstanzen und deren para-, autound intrakrine hormonelle Regulation. Darçber hinaus hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die traditionellen Grenzen zwischen hormoneller, neuronaler und immunologischer Informations- und Signalçbertragung verschwimmen. Diese Regulationssysteme sind eng miteinander vernetzt, nicht nur, was die beteiligten molekularen Mechanismen anbelangt, sondern auch die beteiligten Komponenten. Diese kænnen auf lokaler Ebene der organ- und zellspezifischen Wirkung kaum noch bezçglich ihrer Herkunft eindeutig einem der drei klassischen Kommunikationssysteme multizellulårer und komplex organisierter Vertebraten zugeordnet werden. Inzwischen hat der molekularbiologische Erkenntnisfortschritt (die Aufklårung der menschlichen Genomsequenz und die darauf basierende funktionelle Genomik und Proteomik) zu einer erheblichen Wissenszunahme gefçhrt. Dies betrifft zum einen eine vertiefte Einsicht in sehr komplexe Regulationsprozesse auf molekularer Ebene. Zum anderen haben bereits viele molekularbiologische und gentechnische Verfahren Eingang in die klinische Praxis gefunden und zu bemerkenswerten diagnostischen Umwålzungen gefçhrt beispielsweise durch die Einfçhrung von Genchips als wichtiges diagnostisches Hilfsmittel. Neben der Diagnostik stellt die Biotechnologie ein bedeutendes Anwendungsgebiet fçr den molekularbiologischen Erkenntnisfortschritt dar. Durch die Entwicklung und Nutzung biotechnologischer Prozesse zur Gewinnung biologischer Wirkstoffe wurden und werden bis dahin nicht realisierbare therapeutische Mæglichkeiten erschlossen und haben bereits in breitem Umfang Eingang in die Diagnostik und Therapie endokrin verursachter Stærungen gefunden. Durch diese Entwicklung haben die lokal gebildeten und wirksamen Hormone als ein wichtiges neues Regulations- und Wirkprinzip bei der Entstehung bestimmter Erkrankungen und durch diese lokal wirksamen Signalsubstanzen verursachten Endokrinopathien 2 an Bedeutung gewonnen.
1 Endokrinologie bezeichnet ein Forschungsgebiet, dessen Gegenstand die Untersuchung endokriner Drçsen hinsichtlich ihrer Morphologie und Funktion sowie die Erforschung der Regulationsund Wirkungsmechanismen der von ihnen in die Blutbahn sezernierten Hormone umfasst. Zu den endokrinen Drçsen gehæren: Hypothalamus, Hypophyse (Vorder- und Hinterlappen), Epiphyse, Schilddrçse, Nebenschilddrçse, Pankreas (die Langerhans'schen Inseln), Nebennieren (Nebennierenmark [Katecholamine] und Nebennierenrinde [Gluko- und Mineralokortikoide], Keimdrçsen, Plazenta. 2 Endokrinopathien sind Krankheiten, denen hormonelle Stærungen als krankheitsbestimmende Ursachen zugrunde liegen.
VI
Vorwort
Einhundert Jahre nach der Prågung des Hormonbegriffs durch Ernest Henry Starling (1905) werden lokal wirksame Hormone und Gewebshormone als biologische Wirkstoffe (Inhibitoren/Aktivatoren) charakterisiert, die neben den von klassisch endokrinen Drçsen in die Blutbahn sezernierten Hormonen bei der Ûbertragung von Signalen vielfåltige Funktionen ± parakrine 3, autokrine 4 und intrakrine 5 ± ausçben und damit an der Regulation lebenswichtiger Kærperfunktionen wie Wachstum, Zelldifferenzierung und Zellstoffwechsel beteiligt sind. Stærungen der Bildung, Freisetzung und Wirkung von lokalen und Gewebshormonen kænnen zu Regulationsstærungen fçhren, die Ursache von Krankheiten sein kænnen. Wie fçr endokrine Krankheitsbilder sind auch bei Stærungen der lokal aktiven Hormonsysteme die Ursachen vielfåltig. Sie reichen von vermehrter oder verminderter Hormonproduktion, çber Stærungen regulatorischer Vorgånge bei Transport, Freisetzung und Wirkung, verånderter Ansprechbarkeit der peripheren Organe infolge von Rezeptordefekten oder Verånderungen der zellulåren Signalçbertragung bis zu sekundåren Endokrinopathien bei ursåchlich nicht hormonell bedingten Erkrankungen. Allerdings ist es wesentlich schwieriger als bei klassischen endokrinen Organen und ihren Hormonsystemen eindeutige Ursache-Wirkungsbeziehungen und pathophysiologische Mechanismen dieser lokalen Systeme nachzuweisen, die eindeutig als Ursache solcher lokal verursachten Endokrinopathien diagnostiziert und therapiert werden kænnen. Dies liegt in der Natur der vor Ort regulierten Hormonsysteme, die sich nicht obligat in Stærungen der systemischen Hormonregulation widerspiegeln mçssen und damit der klassischen Diagnostik schwer zugånglich sind. Wegen çberlappender Wirkungsweisen kann nicht immer scharf getrennt werden zwischen Wirkungen von glandulåren Hormonen und Gewebshormonen. Eindeutig hingegen ist die Art der Sekretion, die zum einen in die Blutbahn erfolgt (glandulåre Sekretion) ± und auf der anderen Seite nur fçr die betreffende Zelle (autokrine Sekretion) oder in das unmittelbar benachbarte Gewebe (parakrine Sekretion). Neben diesen lokalen Sekretionsformen gibt es auch eindeutige Hinweise auf Produktion, Metabolisierung und Wirkung hormonell aktiver Signalsubstanzen innerhalb einer Zelle, ohne dass die wirksame Form die Zelle verlåsst (intrakrine Wirkung). Insbesondere wåhrend der Entwicklung der Lebewesen sowie bei Dedifferenzierungsprozessen, z. B. der Tumorentstehung, sind intrakrine zusammen mit para- und autokrinen Regulationsprinzipien von essentieller Bedeutung. Sicher kænnen nicht alle durch Gewebshormone bedingten Stærungen bis hin zu Erkrankungen in diesem relativ begrenzten Rahmen dargestellt werden. Deshalb wurden solche Erkrankungen ausgewåhlt, deren Kenntnisstand bereits weit vorangeschritten ist und damit eine molekularmedizinische Darstellung erlaubt oder deren Krankheitsbild aus morbiditåts- oder mortalitåtsstatistischen Grçnden eine Darstellung rechtfertigt bzw. notwendig macht. Die in diesem Band dargestellten lokalen hormonellen Regulationsmechanismen und ihre Stærungen sind wesentliche Grundlage von dynamisch ablaufenden Adaptions- und Kompensationsprozessen. Sie spielen insbesondere wåhrend der Entwicklungsphase sowie entlang der Lebensachsen eine entscheidende Rolle, weil hier eine beachtliche Plastizitåt der beteiligten hormonellen Regulationssysteme zur 3 Parakrin: Als parakrin bezeichnet man einen Prozess, bei dem eine Zelle ohne direkte Beteiligung des Blutkreislaufes Wirkstoffe in die unmittelbar benachbarte Umgebung sezerniert und damit direkt umliegende Zellen beeinflusst. 4 Autokrin bezeichnet einen Vorgang, bei dem in einer Zelle gebildete bioaktive Wirkstoffe auf die produzierende Zelle selbst zurçckwirken. 5 Intrakrin bezeichnet einen Vorgang, bei dem in einer Zelle gebildete biologisch aktive Wirkstoffe innerhalb der produzierenden Zelle direkt oder nach intrazellulårer Umwandlung wirksam werden, ohne dass sie zuvor von der Zelle an den interstitiellen Raum, die benachbarte Zelle oder die Blutbahn abgegeben werden.
a
Vorwort
Aufrechterhaltung homæostatischer Bedingungen erforderlich ist. Die lokalen, dezentralen - teilweise unabhångig vom systemischen Regulationssystem ± ablaufenden Prozesse sind håufig nicht mehr hierarchischen Organisationsprinzipien der klassischen Endokrinologie unterworfen, sondern sehr viel stårker in direkter Wechselwirkung mit neuronalen, immunologischen und nutritiven Signalçbertragungsprozessen vernetzt. Trotzdem lassen sich eindeutig klassische Feedback-Regulationsmechanismen positiver und negativer Regelkreise auch auf lokaler Ebene identifizieren. Hierbei finden sich sehr viel ausgeprågter als im klassischen endokrinologischen System reversible Modifikationen der an der lokalen Signalçbertragung beteiligten Komponenten wie beispielsweise Phosphorylierungen, Proteinoder Substanzmodifikationen einschlieûlich Redox-abhångiger Verånderungen, die in enger Beziehung zum zellulåren Stoffwechsel stehen. Auffållig im lokalen hormonellen Regulationssystem ist, dass im Gegensatz zu den traditionellen Klassen hormonell aktiver Substanzen hier alle wichtigen biochemischen Stoffklassen beteiligt sind von Peptid- und Proteohormonen, aus Aminosåuren abgeleiteten Signalsubstanzen, Derivaten von Fettsåuren und Lipiden bis zu Kohlehydratstrukturen, die z. B. bei der para- und juxtakrinen Molekçlwechselwirkung zwischen Zellen, extrazellulårer Matrix und Signalsubstanzen von Bedeutung sind. Sogar NukleosidDerivate zåhlen zu den relevanten lokalen Signalçbertragungssubstanzen. Nicht zuletzt spielen auch gasfærmige Molekçle wie beispielsweise NO oder CO bei der lokalen Signalçbertragung eine zunehmend besser verstandene Rolle. Die pathophysiologische Relevanz lokaler hormoneller Regulationssysteme wird sehr gut illustriert durch einige seltene monogene Erkrankungen, bei denen durch Stærungen der lokalen Prå-Rezeptorkontrolle der Bildung oder Inaktivierung hormonell aktiver Liganden åhnliche oder identische Endokrinopathien entstehen wie bei Stærungen der Hormonrezeptoren. Die am besten charakterisierten Beispiele liefern Gendefekte der Aromatase oder anderer Steroid metabolisierender Enzyme im Vergleich mit entsprechenden Rezeptordefekten. Fçr die lokale Regulation der Hormonwirkung durch para-, auto- und intrakrine Prinzipien sind vor allem Hormonbindungsproteine fçr die meisten Signal çbertragenden Substanzen von eminenter Bedeutung, da sie die lokal verfçgbaren freien Hormonkonzentrationen messbar und biologisch relevant beeinflussen und damit die Bioverfçgbarkeit der Signalkomponenten fçr die Zielzellen modifizieren. Die Bedeutung von lokalen Hormonsystemen wird sicher in den nåchsten Jahren noch erheblich zunehmen durch das wachsende Verståndnis von Prozessen auf molekularer Ebene aber mehr noch durch die aus der Forschung hervorgegangenen Arzneimittel wie z. B. in Form von Hemmstoffen oder Aktivatoren von Rezeptoren. Der Inhalt umfasst einen breiten thematischen Bogen, der in 6 Abschnitte gegliedert ist. Dieser wird eingefçhrt mit einem Abschnitt çber ,Prinzipien und Mechanismen der para- und autokrinen Regulation` und reicht çber ,Para- und autokrine Aspekte der Neuro- und Immunoendokrinologie`, ,Para- und autokrine Regulation im kardiovaskulåren System`, und des Intermediårstoffwechsels sowie Mechanismen des Knorpel-, Knochen- und Hautstoffwechsels bis hin zu endokrinologisch relevanten Mechanismen reproduktionsendokrinologischer Vorgånge und ihrer hormonellen Beeinflussung. In insgesamt 25 Kapiteln werden die wichtigsten Themengebiete von ausgewiesenen Autoren kompetent dargestellt und vermitteln dem Leser in eindrucksvoller Weise neue molekularmedizinische Einsichten in dieses interessante Gebiet. Den Herausgebern ist es ein besonderes Anliegen, den Autoren, der Redaktion ,Biomedizin` und dem Hersteller fçr die stets konstruktive Zusammenarbeit zu danken und auch diesem Band eine interessierte Leserschaft zu wçnschen. Berlin, im Frçhjahr 2006
Die Herausgeber
VII
Inhaltsverzeichnis
1
Prinzipien und Mechanismen der para- und autokrinen Regulation
1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Josef Kæhrle
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Luc St-Onge und Martin Wagner
1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
59
Klaus Rohr und Heiko Krude
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
Roland Pfåffle, Johannes Weigel und Antje Bættner
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems . . . . . . . 109 Andreas Hoeflich, Harald Lahm und Eckhard Wolf
1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems . . . 133 Klaus-Dieter Schlçter und Gçnter Ross
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Ulrike Pfaar, Eric Kçbler und Daniel Gygax
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Hartmut Schlçter
2
Para- und autokrine Aspekte der Neuro- und Immunoendokrinologie: Gastrointestinale und Gewebshormone-Tumorendokrinologie
2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide . . . . . . . . . . . . . . . 225 Janine Prange-Kiel und Gabriele M. Rune
X
Inhaltsverzeichnis
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para- und autokrinen Hypophysenregulation durch Zytokine und Wachstumsfaktoren . . . . . . . . .
239
Ulrich Renner, Eduardo Arzt und Gçnter K. Stalla
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation . . . . . . . . . . . . . . .
261
Burkhard Gæke, Jocelyn de Heer und Rçdiger Gæke
2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291
Patricia Grabowski, Andreas P. Sutter und Hans Scherçbl
2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms: Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
Gçnter Schneider und Roland M. Schmid
2.6 Stærungen der neuro-, immuno- und endokrinen Regulation in der Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
Holger S. Willenberg, Ilias Vrezas und Stefan R. Bornstein
3
Para- und autokrine Regulation im kardiovaskulåren System
3.1 Kardiovaskulåres Remodeling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Johann Bauersachs und Georg Ertl
3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren . . . . . .
353
Jçrgen Schnermann und Hayo Castrop
3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Markus Clemenz, Ulrike Muscha Steckelings und Thomas Unger
4
Para- und autokrine Regulation des Intermediårstoffwechsels
4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms . . . . . . . . . . . . . . . .
411
Antje Bættner, Jçrgen Kratzsch, Annette G. Beck-Sickinger, Michael Stumvoll und Wieland Kiess
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spranger, Uta Wegewitz und Andreas F. H. Pfeiffer
445
a
5
Inhaltsverzeichnis
Molekulare Mechanismen des Knorpel-, Knochenund Hautstoffwechsels/Kalziumregulierende Hormone
5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Andrea Vortkamp
5.2 Die Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Lorenz C. Hofbauer und Michael Schoppet
5.3 Regulation der Hautfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Anton Luger und Thomas A. Luger
6
Molekulare Mechanismen reproduktionsendokrinologischer Regulation
6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Jerzy Adamski
6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 Hubertus Jarry
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 581 Torsten Schæneberg
Sachverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607
XI
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Jerzy Adamski GSF-Forschungszentrum fçr Umwelt und Gesundheit Institut fçr experimentelle Genetik Abteilung Genomanalysezentrum Ingolstådter Landstraûe 1, 85764 Neuherberg
Dr. Markus Clemenz Charit-Universitåtsmedizin Center for Cardiovascular Research (CCR) Institut fçr Pharmakologie und Toxikologie Campus Charit Mitte Hessische Straûe 3±4, 10115 Berlin
Dr. Eduardo Arzt Universidad de Buenos Aires Laboratorio de Fisiologia y Biologia Molecular Dept. de Fisiologia y Biologia Molecular, FCEN Ciudad Universitaria ± Parabellon II C 1428 EHA Buenos Aires, Argentinien
Dr. Jocelyn de Heer Institute of Medical Physiology C Panum Institute University of Copenhagen Blegdamsvej 3 2200 Kopenhagen, Denmark
PD Dr. Johann Bauersachs Bayerische Julius-Maximilians-Universitåt Universitåtsklinikum Wçrzburg Medizinische Klinik und Poliklinik I Josef-Schneider-Straûe 2, 97080 Wçrzburg
Prof. Dr. Georg Ertl Bayerische Julius-Maximilians-Universitåt Universitåtsklinikum Wçrzburg Medizinische Klinik und Poliklinik I Josef-Schneider-Straûe 2, 97080 Wçrzburg
Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger Universitåt Leipzig Institut fçr Biochemie Brçderstraûe 34, 04103 Leipzig
Prof. Dr. Burkhard Gæke Ludwig-Maximilians-Universitåt Klinikum der Universitåt Mçnchen Klinikum Groûhadern Medizinische Klinik II Marchioninistraûe 15, 81377 Mçnchen
Prof. Dr. Stefan R. Bornstein Universitåtsklinikum Carl-Gustav-Carus Medizinische Klinik III Abt. fçr Endokrinologie, Diabetes und Stoffwechsel Fetscher Straûe 74, 01307 Dresden Dr. Antje Bættner Universitåtsklinikum Leipzig Klinik und Poliklinik fçr Kinder und Jugendliche Oststraûe 21±25, 04317 Leipzig Dr. Hayo Castrop Universitåt Regensburg Institut fçr Physiologie Universitåtsstraûe 31, 93040 Regensburg
Prof. Dr. Rçdiger Gæke Praxis fçr Endokrinologie und Diabetologie Niederrheinische Straûe 29, 35274 Kirchhain Dr. Patricia Grabowski Universitåtsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Medizinische Klinik I Gastroenterologie/Infektiologie/Rheumatologie Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Prof. Dr. Daniel Gygax Hochschule fçr Life Sciences Pråsident Swiss Biotechnet Institut fçr Chemie und Bioanalytik Grçndenstraûe 40, 4132 Muttenz, Schweiz
XIV
Autorenverzeichnis
PD Dr. Andreas Hoeflich Ludwig-Maximilians-Universitåt Mçnchen Lehrstuhl fçr Molekulare Tierzucht und Biotechnologie Genzentrum Feodor-Lynen-Straûe 25, 81377 Mçnchen
PD Dr. Harald Lahm Ludwig-Maximilians-Universitåt Mçnchen Lehrstuhl fçr Molekulare Tierzucht und Biotechnologie Genzentrum Feodor-Lynen-Straûe 25, 81377 Mçnchen
PD Dr. Lorenz C. Hofbauer Philipps-Universitåt Zentrum fçr Innere Medizin Klinik fçr Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel Baldingerstraûe, 35033 Marburg
Prof. Dr. Anton Luger Medizinische Universitåt Wien Universitåtsklinik fçr Innere Medizin III Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel Wåhringer Gçrtel 18±20 1090 Wien, Ústerreich
Prof. Dr. Hubertus Jarry Universitåtsfrauenklinik Klinik und Experimentelle Endokrinologie Robert-Koch-Straûe 40, 37075 Gættingen
Prof. Dr. Thomas Luger Universitåtsklinikum Mçnster Klinik und Poliklinik fçr Hautkrankheiten Von-Esmarch-Straûe 58, 48149 Mçnster
Prof. Dr. Wieland Kiess Universitåtsklinikum Leipzig Klinik und Poliklinik fçr Kinder und Jugendliche Oststraûe 21±25, 04317 Leipzig
Dr. Ulrike Pfaar Novartis Pharma AG Oncology Business Unit Klybeckstraûe 141 4057 Basel, Schweiz
Prof. Dr. Josef Kæhrle Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Charit Campus Mitte Institut fçr Experimentelle Endokrinologie Schumannstraûe 20/21, 10117 Berlin
Prof. Dr. Roland Pfåffle Universitåtskinderklinik Oststraûe 21±25, 04317 Leipzig
Prof. Dr. Jçrgen Kratzsch Universitåt Leipzig Institut fçr Laboratoriumsmedizin Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik Liebigstraûe 27, 04103 Leipzig PD Dr. Heiko Krude Charit Universitåtsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum Otto Heubner Centrum fçr Kinderund Jugendmedizin Institut fçr Experimentelle Pådiatrische Endokrinologie Endokrinologisches Forschungslabor R.2.0546 Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Dr. Eric Kçbler Hochschule fçr Life Sciences Institut fçr Chemie und Bioanalytik Grçndenstraûe 40 4132 Muttenz, Schweiz
Prof. Dr. Andreas Pfeiffer Deutsches Institut fçr Ernåhrungsforschung Potsdam Abteilung Klinische Ernåhrung Arthur-Scheunert-Allee 114±116, 14558 Nuthetal und Universitåtsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Medizinische Klinik I Endokrinologie, Diabetes und Ernåhrungsmedizin Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin PD Dr. Janine Prange-Kiel Universitåtsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum fçr Experimentelle Medizin Institut fçr Anatomie I Zellulåre Neurobiologie Martinistraûe 52, 20246 Hamburg Dr. Ulrich Renner MPI fçr Psychiatrie Neuroendokrinologie Kraepelinstraûe 10, 80804 Mçnchen
a PD Dr. Klaus Rohr Universitåt Kæln Institut fçr Entwicklungsbiologie Gyrhofstraûe 17, 50923 Kæln Dr. Gçnter Ross Justus-Liebig-Universitåt Gieûen Physiologisches Institut Aulweg 129, 35392 Gieûen Prof. Dr. Gabriele M. Rune Universitåtsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum fçr Experimentelle Medizin Institut fçr Anatomie I Zellulåre Neurobiologie Martinistraûe 52, 20246 Hamburg PD Dr. Hans Scherçbl Universitåtsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Medizinische Klinik I Gastroenterologie/Infektiologie/Rheumatologie Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Prof. Dr. Hartmut Schlçter Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Nephrologie (Med. Klinik IV) Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Prof. Dr. Klaus-Dieter Schlçter Justus-Liebig-Universitåt Gieûen Physiologisches Institut Aulweg 129, 35392 Gieûen Prof. Dr. Roland M. Schmid Technische Universitåt Mçnchen Klinikum rechts der Isar II. Medizinische Klinik und Poliklinik Ismaninger Straûe 22, 81675 Mçnchen Dr. Gçnter Schneider Technische Universitåt Mçnchen Klinikum rechts der Isar II. Medizinische Klinik und Poliklinik Ismaninger Straûe 22, 81675 Mçnchen Dr. Jçrgen Schnermann National Institutes of Health National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK, NIH) Bldg. 10 ± Room 4 D51 10 Center Drive MSC 1370 Bethesda, Maryland 20892, USA
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Torsten Schæneberg Universitåt Leipzig Medizinische Fakultåt Institut fçr Biochemie Abteilung Molekulare Biochemie Johannisallee 30, 04103 Leipzig Dr. Michael Schoppet Philipps-Universitåt Zentrum fçr Innere Medizin Klinik fçr Kardiologie Baldingerstraûe, 35033 Marburg Dr. Joachim Spranger Deutsches Institut fçr Ernåhrungsforschung Potsdam Abteilung Klinische Ernåhrung Arthur-Scheunert-Allee 114±116, 14558 Nuthetal und Charit Universitåtsmedizin Campus Benjamin Franklin Abteilung fçr Endokrinologie, Diabetes und Ernåhrungsmedizin Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Prof. Dr. Gçnter K. Stalla MPI fçr Psychiatrie Abteilung Innere Medizin, Endokrinologie und Klinische Chemie Kraepelinstraûe 10, 80804 Mçnchen Dr. Ulrike Muscha Steckelings Charit-Universitåtsmedizin Berlin Center for Cardiovascular Research (CCR) Institut fçr Pharmakologie und Toxikologie Campus Charit Mitte Hessische Straûe 3±4, 10115 Berlin Dr. Luc St-Onge Affectis Pharmaceuticals AG Kraepelinstraûe 2, 80804 Mçnchen Prof. Dr. Michael Stumvoll Universitåt Leipzig Medizinische Klinik und Poliklinik III Philipp-Rosenthal-Straûe 27 04103 Leipzig Dr. Andreas P. Sutter Schering AG Experimental Toxicology 13342 Berlin
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XVI
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Thomas Unger Charit-Universitåtsmedizin Center for Cardiovascular Research (CCR) Institut fçr Pharmakologie und Toxikologie Campus Charit Mitte Hessische Straûe 3±4, 10115 Berlin Prof. Dr. Andrea Vortkamp Universitåt Duisburg-Essen Zentrum fçr Medizinische Biotechnologie Abteilung fçr Entwicklungsbiologie I Universitåtsstraûe 2, 45117 Essen Dr. Ilias Vrezas Universitåtsklinikum Dçsseldorf Klinik fçr Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie Moorenstraûe 5, 40225 Dçsseldorf PD Dr. Martin Wagner Universitåt Ulm Medizinische Klinik Abteilung fçr Gastroenterologie und Stoffwechselerkrankungen Robert Koch Straûe 8, 89081 Ulm
Dr. Uta Wegewitz Deutsches Institut fçr Ernåhrungsforschung Potsdam Abteilung Klinische Ernåhrung Arthur-Scheunert-Allee 114±116, 14558 Nuthetal Dr. Johannes Weigel Universitåt Leipzig Klinik und Poliklinik fçr Kinder und Jugendliche Oststraûe 21±25, 04317 Leipzig Dr. Holger S. Willenberg Universitåtsklinikum Dçsseldorf Klinik fçr Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie Moorenstraûe 5, 40225 Dçsseldorf Prof. Dr. Eckhard Wolf Ludwig-Maximilians-Universitåt Mçnchen Lehrstuhl fçr Molekulare Tierzucht und Biotechnologie Genzentrum Feodor-Lynen-Straûe 25, 81377 Mçnchen
Abkçrzungen und Erlåuterungen
a-Untereinheit Ein Protein aus 92 Aminosåuren, das in den gonadotropen und thyreotropen Zellen sowie in der Plazenta gebildet wird. Es ist Bestandteil der Hormone LH, FSH, TSH und Choriongonadotropin 3a-HSD 3a-Hydroxysteroid-Dehydrogenase: ein Enzym, das Steroide stereospezifisch in der Position 3a modifiziert A1-Adenosin- Adenosinrezeptor (A1AR), dessen rezeptor Aktivierung durch Adenosin oder pharmakologische Analoga zu einer Hemmung der Adenylatcyclase und zu einer Aktivierung der Phospholipase C fçhrt aa Amino acids: Aminosåuren ACC-2 Acetyl-CoA-Carboxylase 2 ACE Angiotensin-converting enzyme: (EC 3.4.15.1.) ist eine Dipeptidylcarboxypeptidase, die die Konversion von Angiotensin I zum blutdruckaktiven Angiotensin II katalysiert. ACE ist auch in der Lage, Bradykinin zu inaktivieren und wird deshalb auch als Kininase II bezeichnet. Weitere Namen von ACE sind Peptidyldipeptidase A, Carboxycathepsin, CD 143 oder ACE1 AchondroDiese Skelettdysplasie ist durch plasie einen dysproportionierten Minderwuchs und durch verkçrzte Extremitåten gekennzeichnet. Ursache dafçr ist die verånderte enchondrale Ossifikation der langen Ræhrenknochen und der Schådelbasis. Achondroplasie wird durch Mutationen des ¹fibroblast growth factor receptor 3ª verursacht, die zu einer Aktivierung des FGF-Signalwegs fçhren Acrolein Oxidationsprodukt der Lipidperoxidation
ACTH ActRII und I
AD Ad Adenylylcyclase
Adipositas Adrenalin
AGE
aGSU
Adrenokortikotropes Hormon Bezeichnung fçr zwei Subtypen des Aktivinrezeptors. ActRII ist der håufigste Subtyp des Aktivinrezeptors und ist diffus çber die gesamte Adenohypophyse verteilt, wobei die Unterform ActRIIb in den gonadotropen Zellen exprimiert wird Alzheimer-Demenz Adenoviraler Vektor AC (EC 4.6.1.1): Lyase, die ATP enzymatisch in 3',5'-zyklisches AMP (cAMP) und Pyrophosphat umwandelt. Die AC (auch Adenylatcyclase genannt) wird durch andere Proteine, z. B. G-Proteine aktiviert. Bei den Såugern sind 8 Klassen von AC bekannt ? cAMP Fettsucht, Fettleibigkeit, çbermåûige Vermehrung oder Bildung von Fettgewebe Zu den Katecholaminen gehærender Neurotransmitter, Bildung im Nebennierenmark, in chromaffinen Geweben und Paraganglien des Sympathikus Advanced glycation end products: bei einem erhæhten Glukosespiegel kommt es zur verstårkten nichtenzymatischen Reaktion zwischen Glukose und Aminogruppen von Proteinen, Lipiden und DNA. In der Summe bilden sich im Rahmen einer Amadori-Reaktion stabile Glykosylierungsprodukte, genannt ¹advanced glycation end productsª (AGE). Diese kænnen an einen spezifischen Rezeptor binden (RAGE) und auf diesem Wege eine Kaskade von unterschiedlichsten Reaktionen in verschiedenen Geweben auslæsen Alpha glycoprotein subunit
XVIII
Abkçrzungen und Erlåuterungen
AKT
Aktivine
Alarmone
Allel
Alopezie ALS
Die Proteinkinase AKT, auch PKB oder Rac genannt, spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Ûberlebensrate und Apoptose. AKT steht unter der Kontrolle von Insulin sowie verschiedender Wachstums- und Ûberlebensfaktoren. AKT wird innerhalb des PI3-Kinase-Signalwegs durch die PDK aktiviert und reguliert die Aktivitåt einer Vielzahl von Signalmolekçlen (Bad, Forkhead-Transkriptionsfaktoren, Caspase-9). AKT vermittelt zusåtzlich auch metabolische Effekte vom Insulin und blockiert die Glykogensynthese durch Phosphorylierung und Inaktivierung der Glykogen-Synthase-Kinase(GSK)-3a und -b. Ûber den Einfluss auf die Aktivitåt von GSK-3b besitzt AKT auch eine progressive Rolle fçr den Zellzyklus (z. B. durch eine Hemmung der Cyclin-D1-Degradation). Auf der anderen Seite hemmt AKT die CDK-Inhibitoren p27 KIP und p21 WAF1. AKT ist çber die Aktivierung von mTOR bzw. durch die Inaktivierung des mTOR-Inhibitors Tuberin auch ein wichtiger Effektor der Proteinsynthese Wachstumsfaktoren aus der TFG-bFamilie. Sie bestehen aus zwei homologen oder heterologen Untereinheiten und enthalten intramolekulare Cysteinknoten-Motive. Aktivin wird aus zwei b-Untereinheiten des Inhibins gebildet und stimuliert die FSH-Freisetzung Der Begriff Alarmon setzt sich aus den Worten Alarm und Hormon zusammen. Alarmone regulieren zellulåre Prozesse, die Lebewesen auf Stressoren reagieren lassen und damit ihre Ûberlebenswahrscheinlichkeit erhæhen Individuelle DNA-Sequenz auf einem Chromosom bzw. eine oder mehrere Varianten eines Gens an demselben Genort Erworbener Verlust der Behaarung, der den ganzen Kærper oder Teile davon (z. B. Kopf) betreffen kann Amyotrophische Lateralsklerose ist eine chronisch-degenerative Er-
AMD AMH
AML AMPK Amyloid Amyotrophische Lateralsklerose ANF Ang I
Ang II
Angiogenese
krankung des zentralen Nervensystems, die mit einer Atrophie der Skelettmuskulatur und Pyramidenbahnzeichen verbunden ist. Fçr die Entstehung von ALS werden sowohl Virus- als auch Autoimmunerkrankungen sowie eine genetische Disposition beschrieben Altersabhångige Makuladegeneration Anti-Mçllerian hormone: ist ein Mitglied der Familie der TNF-b-Zytokine. Es wird von den Sertoli-Zellen gebildet. AMH bindet an den Typ-II-AMH-Rezeptor und induziert die Regression des Mçllerschen Ganges in der Fetogenese Akut myeloische Leukåmie Adenosinmonophosphatkinase, 5'-AMP-aktivierte Proteinkinase Extrazellulår sich ablagernder Proteinkomplex Progressive degenerative Erkrankung des 1. und 2. motorischen Neurons Atrialer natriuretischer Faktor ? ANP Angiotensin I selbst hat kaum biologische Effekte, spielt jedoch im Renin-Angiotensin-System (RAS) eine wichtige Rolle als Zwischenprodukt bei der Spaltung von Angiotensinogen zum Haupteffektor Angiotensin II. Ang I besteht aus 10 Aminosåuren Angiotensin II ist das wichtigste und wirksamste Hormon des RAS und besteht aus 8 Aminosåuren. Es entsteht çber das Zwischenprodukt Ang I aus dem Vorlåufermolekçl Angiotensinogen. Ang II ist in der Lage, çber eine Reihe verschiedener Mechanismen blutdrucksteigernd zu wirken: Es ist ein potenter Vasokonstriktor, færdert in der Nebenniere die Freisetzung von Aldosteron und wirkt antinatriuretisch. Durch Bindung an Rezeptoren im Gehirn stimuliert Ang II das Durstgefçhl, færdert den Salzhunger und steigert die Sekretion von Vasopressin und ACTH Bildung von neuen Blut- oder Lymphgefåûen durch Aussprossen aus bereits vorhandenen Gefåûen.
a
Annotierung
Anoikis
ANP Anterior Antigen Antikærper
AP-1
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Angiogenese wird durch verschiedenste Stimuli ausgelæst und ist ein hochkomplexer Prozess, an dem eine Vielzahl auto-/parakrin wirksamer Faktoren (z. B. VEGF, FGF2, PDGF) beteiligt sind. Nach dem Aufweichen der extrazellulåren Matrix am Ort der Aussprossung und nach lokaler Stimulation der Endothelzellproliferation migrieren die Endothelzellen unter Ausbildung tubulårer Strukturen in das Zielgewebe Listung/Beschreibung einer Sequenz und/oder hiermit assoziierter Merkmale (z. B. chromosomale Lokalisation, Funktion oder bekannter Erkrankungen) in einer Datenbank Anoikis bezeichnet den programmierten Zelltod von Zellen, die den Kontakt mit der extrazellulåren Matrix verloren haben. Unempfindlichkeit gegençber Anoikis ist eine der frçhen Voraussetzungen einer Tumorzelle, auûerhalb des Zellverbandes çberleben zu kænnen und stellt damit eines der frçheren Ereignisse der malignen Transformation dar ? Apoptose Atriales natriuretisches Peptid ? ANF Vorderer; Gegensatz zu posterior (hinterer) Substanz, die die Bildung von Antikærpern induziert Serumprotein, das als Antwort auf eine Immunisierung von B-Lymphozyten synthetisiert wird und das spezifisch mit dem Antigen reagiert, welches zu seiner Bildung gefçhrt hat Der Transkriptionsfaktor AP-1 wird von einer groûen Zahl physiologischer und pathologischer Stimuli induziert und reguliert vielfåltige zellulåre Prozesse, darunter Zellproliferation, -tod und -çberleben sowie Zelldifferenzierung. AP-1 gehært zur Familie der Basic-region-leucine-zipper(bZIP)-Proteine. AP-1 ist kein Einzelprotein, sondern entsteht durch Dimerisierung von Proteinen, die zu den Unterfamilien Jun (c-Jun, JunB, JunD),
Fos (c-Fos, FosB, Fra-1, Fra-2), Maf (c-Maf, MafB, MafA, MafG/F/K, Nrl) und ATF (ATF2, LRF1/ATF3, B-ATF, JDP1, JDP2) gehæren. Die Bindungsstellen dieser Proteine sind entweder ¹12-O-tetradecanoylphorbol-13-acetate (TPA) response elementsª (5'-TGAG/ CTCA-3') oder ¹cAMP response elementsª (CRE, 5'-TGACGTCA-3') ? c-fos und ? c-jun APC-Gen Tumorsuppressorgen: ist assoziiert mit adenomatæser Polyposis coli (Adenomatosis coli) Apoptose Programmierter Zelltod, der aktiv durch die Zelle selbst ausgelæst wird. Die Apoptose spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der Embryonalentwicklung und bei der Regulation der physiologischen Regeneration. Eine gestærte (aufgehobene) Apoptose wird mit dem Malignomwachstum in Verbindung gebracht. Der Zelltod wird ausgelæst z. B. durch Killerzellen, Glukokortikoide, den Tumor-Nekrose-Faktor oder nach Entzug von Wachstumsfaktoren. Die Apoptose weist spezifische morphologische und molekulare Charakteristika auf, die die Unterscheidung von anderen Todesarten der Zelle ermæglichen. Im Vergleich zur Nekrose treten bei der Apoptose keine entzçndlichen Prozesse auf ? Anoikis Apparentes AME-Syndrom: da der AldosteronMineralokorti- rezeptor nicht nur durch Aldostekoidexzessron, sondern auch durch Kortisol Syndrom aktiviert werden kann, muss Kortisol intrazellulår inaktiviert werden, um eine spezifische Aldosteronwirkung zu ermæglichen. Dies geschieht intrazellulår durch 11bHydroxysteroid-Dehydrogenase Typ 2, die das Kortisol in das biologisch inaktive Kortison umwandelt. Ist die Aktivitåt dieses Enzyms entweder durch einen genetischen Defekt oder z. B. durch exzessiven Lakritz-Genuss vermindert, wird Kortisol nicht ausreichend metabolisiert und aktiviert somit den Aldosteronrezeptor. Bei den betroffenen Menschen wird zu hoher Blut-
XIX
XX
Abkçrzungen und Erlåuterungen
APUD
AR Arachidonsåure
ARE
ARI Arx Aspartylprotease
Astrozyten
AT1
druck, Hypokaliåmie und niedrige Reninaktivitåt im Plasma beobachtet Amine precursor uptake and decarboxylation: Fåhigkeit einiger Zellen und daraus entstandener Tumore, Monoamine wie 5-Hydroxytryptophan, Noradrenalin oder DOPA aufzunehmen und zu decarboxylieren Androgenrezeptor Vierfach ungesåttigte essentielle Fettsåure, Bestandteil von zahlreichen Phospholipiden, wird durch spezifische Enzyme (Phospholipasen) freigesetzt und dient als Substrat der Cyclooxygenasen Antioxidant responsive element: Promotorsequenz, die die Genexpression von Antioxidanz-Genen reguliert Aldosereduktase-Hemmer Homæodomån-Transkriptionsfaktor Aspartylproteasen sind eine von vier Hauptgruppen proteolytischer Enzyme. Proteasen bzw. Peptidasen spalten Peptidbindungen von Proteinen und werden Hydrolasen genannt, wenn dabei ein Wassermolekçl verwendet wird. Aspartylproteasen werden auch als Aspartatproteasen, saure oder Carboxyproteasen bezeichnet und besitzen in ihrem aktiven Zentrum einen oder mehrere funktionelle Aspartatreste. Prominente Vertreter sind Renin, Pepsin, Chymosin und die HIV-1-Protease Gliazellen mit sternfærmiger Morphologie, die fçr die parakrine Interaktion mit den GnRH-Neuronen von Relevanz sind Angiotensin-Typ-1-Rezeptor: er gehært zur Familie der 7-transmembranåren G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Die Bindung eines Agonisten (i. d. R. Ang II) kann die Phospholipasen A, C und D, den Phosphoinositolmetabolismus, mehrere Serin/Threonin- und Tyrosinkinasen und Ionenkanåle aktivieren und die Adenylatcyclase inhibieren. Nahezu alle ¹klassischenª Wirkungen von Ang II, wie Blut-
druck- und Osmoregulation, Zellproliferation, Matrixsynthese u. a. werden dem AT1 zugeschrieben. Nagetiere besitzen zwei Isoformen des AT1: AT1A und AT1B . AT2 Angiotensin-Typ-2-Rezeptor: er gehært wie der AT1 zur Familie der 7-transmembranåren G-Protein gekoppelten Rezeptoren. Er hat ungefåhr 30% Homologie zum AT1. Funktionell wird er zunehmend als Gegenspieler des AT1 angesehen. Er inhibiert Zellwachstum und vermittelt Apoptose und Zelldifferenzierung ATP Adenosintriphosphat AutoDruckabhångige Widerstandsånderegulation rung in Arterien und Arteriolen ohne nervæse oder endokrine Ursache, besonders ausgeprågt im Gehirn und in der Niere, wo sie die Konstanthaltung des Blutflusses bei Verånderungen des Perfusionsdrucks bedingt 3b-HSD 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 11b-HSD 11b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 17b-HSD 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase: Enzym, das Steroide stereospezifisch in der Position 17b modifiziert BALBronchoalveolåre Lavage: Spçlung Flçssigkeit der Bronchien mit physiologischer Kochsalzlæsung BartterGenetische Erkrankung mit HypoSyndrom kaliåmie, Alkalose, Kalziurie, Hyperreninåmie und erhæhter Prostaglandinbildung (daher auch als Hyperprostaglandin-E-Syndrom bezeichnet), verursacht durch eine defekte NaCl-Resorption in der Henle-Schleife aufgrund von Mutationen im Gen des Na/K/2Cl-Kotransporters (NKCC2), des apikalen Kaliumkanals (ROMK) oder des basolateralen Chloridkanals (Clcnkb) bzw. dessen regulatorischer Untereinheit Barttin Basaliom Semimaligner Hauttumor, der von einer undefinierten Zelle der Basalschicht der Epidermis ausgeht, lokal infiltrierend und destruierend wåchst, aber nicht metastasiert Basalmembran Verdichtungszone aus extrazellulårem Material mit Kontakt zur basalen Seite von Epithelzellen. Die Ba-
a
B2BKR
Bcl-2
Bcl-x BDNF BER Betaglykan
bFGF
Abkçrzungen und Erlåuterungen
salmembran grenzt Epithelzellschichten oder Muskelgewebe beispielsweise von Bindegewebsschichten ab. Charakteristische Bestandteile der Basalmembran sind vor allem Typ-IV-Kollagen, aber auch Laminin, Fibronektin und Proteoglykane Bradykininrezeptor B2 (BDKRB2): bindet Bradykinin, vermittelt den bradykinininduzierten Chloridionenfluss und spielt eine Rolle bei der Schmerzantwort B cell leukaemia/lymphoma (Onkogen): das B-Zell-Leukåmie-2Protein ist der Prototyp einer Genfamilie, die entweder proapoptotische Gene wie Bax, Bak oder Bok oder antiapoptotische Gene wie Bcl-2, Bcl-xL oder Bcl-w codiert. Bcl-2 verhindert Apoptose çber eine Inhibition der Zytochrom-CFreisetzung, wodurch die Aktivierung von bestimmten Caspasen blockiert wird. Gesteigerte Bcl2-Aktivitåt wurde mit der Pathogenese verschiedener Karzinome in Zusammenhang gebracht Regulator der Apoptose, gehært zur Bcl-2-Familie: Gruppe der Antagonisten der Apoptose Brain derived neurotrophic factor Basenexzisionsreparatur: DNA-Reparatur durch Herausschneiden von Basen Protein, das in den gonadotropen Zellen gebildet wird und nach Bindung von Inhibin einen Komplex mit ActRII bildet. Es ist ein mæglicher Inhibinrezeptor Basic fibroblast growth factor oder auch fibroblast growth factor 2 (FGF2): ein mitogener, angiogener und neurotropher Faktor mit sehr groûem Wirkspektrum. In vielen Geweben und Zelltypen findet sich eine niedrige Grundexpression von bFGF. Hohe Konzentrationen finden sich im Gehirn und in der Hypophyse. bFGF wurde mit einer Vielzahl physiologischer und pathologischer Prozesse in Zusammenhang gebracht, darunter Extremitåtenentwicklung, Angiogenese, Wundheilung und Tumorwachstum
BFU-E
BICOID
Biologische Aktivitåt
Biomarker Blut-RetinaSchranke BMI BMP
BMP-4 BNP Brachydaktylie
Burst-forming unit erythroidderived cells: erythroide Progenitorzellen und damit festgelegte, erythroide Stammzellen, die aus myeloiden Progenitorzellen entstanden sind. Aus myeloiden Stammzellen entwickeln sich BFU-E, die sich wiederum nach Stimulation mit Erythropoietin zu ¹erythroid colony-forming unitsª (CFU-E) und dann weiter in Erythroblasten differenzieren Homæodomånprotein, welches wåhrend der frçhen Embryologie der Drosophila die anterior-posteriore Achse des Embryos festlegt Anteil an z. B. agonistisch wirksamen Hormon in einer Pråparation. So kænnen z. B. eine pråparationsbedingte Denaturierung eines Proteinhormons oder Unterschiede in der posttranslationalen Modifizierung die Menge an biologisch wirksamen Molekçlen in einer Pråparation deutlich reduzieren Substanz, die als Kenngræûe (Parameter) fçr bestimmte biologische Zustånde gilt Die Blut-Retina-Schranke verhindert physiologischerweise einen Ûbertritt von spezifischen Substanzen aus der Zirkulation in das Auge Bodymass-Index Bone morphogenetic protein: Gruppe von Wachstumsfaktoren innerhalb der TGF/BMP-Familie mit wichtigen Funktionen im Bereich der Embryogenese, Morphogenese und des Knochenstoffwechsels. Sie gehæren zur Gruppe von TGF-bProteinen und bestehen meist aus zwei Untereinheiten. BMP enthalten intramolekulare Cysteinknoten-Motive. BMP signalisieren çber transmembranåre Rezeptoren der Serin/ Threonin-Kinase-Familie Bone morphogenic protein 4: Wachstumsfaktor der TGF-b-Familie B-type/brain natriuretic peptide Extremitåtenfehlbildung, die durch eine Verkçrzung einzelner oder mehrerer Finger oder Zehen gekennzeichnet ist. Sie wird autosomal-dominant vererbt
XXI
XXII
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Bradykinin
Brn4 8-BromocGMP Bumetanid
CAM cAMP
Caspasen
Catenin
Protein aus der Gruppe der Kinine bestehend aus 9 Aminosåuren. Die Kininogenase Kallikrein stellt aus dem Vorlåufermolekçl ¹high molecular weight kininogenª (HMWK) durch proteolytische Spaltung Bradykinin her. Bradykinin ist ein potenter Vasodilatator im Bereich von Gefåûen; in anderer Lokalisation dagegen fçhrt es zur Kontraktion glatter Muskeln. Es steigert weiterhin die Kapillarpermeabilitåt. Seine Wirkungen åhneln denen von Histamin Brain4: POU-Homæodomån-Transkriptionsfaktor Hydrolysestabiles und Phosphodiesterase-resistentes cGMP-Analog Diuretikum mit Wirkort in der Henle-Schleife. Der diuretische Effekt beruht auf einer Hemmung des Na/K/2Cl-Kotransporters Chorio-Allantois-Membran Zyklisches Adenosinmonophosphat (cyclic AMP oder 3',5'-cyclic adenosine monophosphate) entsteht aus Adenosintriphosphat (ATP). Es ist ein Second-messenger-Molekçl, zu dessen Hauptfunktionen die Aktivierung von Proteinkinasen und die Regulation des Kalziumstroms durch Ionenkanåle gehæren ? Adenylylcyclase Protease-Familie, deren Mitglieder Cystein-Aspartat-Bindungen spalten. Caspasen vermitteln apoptotische Signale. Man unterscheidet Initiator-Caspasen (Caspase-8, -9, -10 und -12) und Effektor-Caspasen (Caspase-3, -6 und -7). Multifunktionales Protein mit Beteiligung an der Adhåsion von Zellen. Catenin (a, b, c) vernetzt das Ankerprotein E-Cadherin mit dem intrazellulåren Aktinskelett. Als Signalmolekçl des WNT-Signalwegs hat b-Catenin aber eine weitere Funktion: Wenn das Glykoprotein WNT an seinen Zelloberflåchenrezeptor (Frizzled) bindet, wird der Abbau von b-Catenin verhindert. Dadurch steigt die intrazellulåre Konzentration von b-Catenin an, welches in den Zellkern transloziert
Cathepsin G
CCK CCKA(B)-R CCR CD44 CDK C/EBP
c-fos
und dort nach Bindung an bestimmte Transkriptionsfaktoren (LEF/TCF-Familie) die Transkription spezifischer Zielgene reguliert CTSG, chymotrypsin-like proteinase (EC 3.4.21.20). Cathepsin G gehært zur Familie der Serinproteasen. Es ist eine 26 kDa-Peptidase der Familie S1 mit einer Spezifitåt åhnlich dem Chymotrypsin C. Neutrophile polymorphnukleåre Leukozyten enthalten azurophile Granula mit u. a. Cathepsin G und Elastase, die beim Verdau von inkorporierten Pathogenen und beim Bindegewebsremodeling bei Inflammation eine Rolle spielen kænnen Cholezystokinin Cholezystokinin-A(B)-Rezeptor Chemokine (C-C motif) receptor Adhåsionsmolekçl Cyclin dependent kinase Die Familie der C/EBP (CCAAT/enhancer binding protein; Transkriptionsfaktoren: a, b, d und e) besteht aus weit verbreiteten Proteinen, die in einer Vielzahl von Geweben exprimiert sind. Die Domånen enthalten ein in der Evolution konserviertes Motiv aus 5 Aminosåuren (das regulatorische Domånenmotiv RDM), das mit der Konsensussequenz (I/V/L) KXEP konform geht. Eine der Hauptrollen dieser Faktoren ist die metabolische Regulation in Leber- und Fettzellen. Studien weisen auf eine wichtige Rolle von C/EBP-Proteinen bei der Differenzierung von Pråadipozyten zu Adipozyten hin. Aus neurologischer Sichtweise wurden C/EBP in Zusammenhang mit der Wirkung des Nervenwachstumsfaktors NGF, mit verånderter synaptischer Plastizitåt und mit Inflammationsvermittlung bei Alzheimer-Patienten gebracht Das humane nukleåre onkogene Phosphoprotein c-fos gehært zur bZIP-Familie und zur Fos-Unterfamilie. Es wurde als erster Transkriptionsfaktor identifiziert, der eine kritische Funktion bei der Entwicklungsregulation von unterstçtzenden und formenden Zellen
a
CGD
cGK cGMP
CGRP Chaperone
Chelator CHO-Zellen
Abkçrzungen und Erlåuterungen
des Skeletts innehat. C-fos ist eine Hauptkomponente des Aktivatorprotein-1(? AP-1)-Transkriptionsfaktorenkomplexes und çbernimmt eine wichtige Rolle bei der Signaltransduktion, Zellproliferation und -differenzierung Chronic granulomatous disease: chronische Granulomatose, genetischer Defekt des oxidativen Metabolismus der Granulozyten. Durch fehlende Bildung von toxischen Sauerstoffmetaboliten ist die intrazellulåre Keimabtætung gestært Proteinkinase, exprimiert in zwei Isoformen cGK I und cGK II, die durch ? cGMP aktiviert wird Zyklisches Guanosinmonophosphat: ein aus Guanosintriphosphat (GTP) abgeleitetes, zyklisches Nukleotid, das ± åhnlich wie cAMP ± als Second messenger fungiert und vor allem nach Bindung von nicht membrangångigen Peptidhormonen an der åuûeren Zelloberflåche intrazellulåre Proteinkinasen aktiviert Calcitonin gene-related peptide: Produkt des Calcitoningens Proteine, die bei der Proteinfaltung assistierend mitwirken. Nach der Polypeptidsynthese wird in einem ersten Schritt die falsch- oder ungefaltete Polypeptidkette stabilisiert, um eine Selbstaggregation zu verhindern. In einem zweiten Schritt gewåhrleistet das Chaperon die richtige Faltung. Dabei entstehen Zwischenprodukte mit einer charakteristischen Struktur, die als ¹molten globuleª bezeichnet wird. Durch Mutationen fehlgefaltete Proteine werden nach missglçckten Faltungsversuchen dem Degradationsweg zugefçhrt Ligand, der Metallionen komplexiert Zelllinie aus den Ovarien des chinesischen Hamsters Cricetulus griseus. Die Spezies ist ein beliebtes Modell fçr zytogenetische Studien wegen ihrer geringen Chromosomenanzahl. Die Zelllinie wird håufig als Modell zum Studium genetischer Verånderungen in kultivierten Såugerzellen genutzt
Chondrodysplasie
Erblich bedingte Stærung der Knorpelentwicklung und Knorpelbildung Chondroitin- Im Bindegewebe vorkommende sulfat Glykosaminoglykane. Es handelt sich um Derivate des Chondroitins, deren Galaktosaminrest mit einem Sulfatrest verestert ist ChorionCG: plazentares Glykoproteinhorgonadotropin mon, das sich aus einer a-Kette und einer b-Kette aufbaut. Wesentliches Strukturmerkmal der Glykoproteinhormone ist neben ihrer Glykosylierung das Vorhandensein von Cysteinknoten. Ektopisch kann es auch in Hodentumoren gebildet werden. CG bindet mit hæherer Affinitåt als LH an den LH-Rezeptor Chymase Chymotryptische Serinprotease, die zur Familie der S1-Peptidasen gehært (EC 3.4.21.39). Sie wird in Mastzellen exprimiert und spielt eine Rolle bei der Degradierung der extrazellulåren Matrix, bei der Sekretionsregulation submukæser Drçsen und bei der Produktion vasoaktiver Peptide. Im Herzen und in den Blutgefåûen ist dieses Protein neben ACE verantwortlich fçr die Konversion von Ang I zu Ang II und bildet damit ein Target fçr die Therapie von kardiovaskulåren Krankheiten Chymostatin- ? Chymase sensitives Ang-II bildendes Enzym c-jun Das Onkogen JUN ist das putative Transformationsgen des Geflçgelsarkomavirus 17 (avian sarcoma virus 17). Es scheint von einem Gen des Hçhnchengenoms abgeleitet zu sein und besitzt Homologe in mehreren anderen Vertebratenspezies. Der Name JUN kommt aus dem japanischen ¹ju-nanaª, was fçr die Zahl 17 steht. Das subzellulår im Nukleus lokalisierte Protein c-jun aus der bZIP-Familie und JUN-Subfamilie ist ein Teil des Transkriptionsfaktors AP-1. C-jun bildet mit c-fos ein Heterodimer und interagiert mit SMAD3/ SMAD4-Heterodimeren und mit TCF20. Phos-
XXIII
XXIV
Abkçrzungen und Erlåuterungen
phorylierung verstårkt seine transkriptionale Aktivitåt (? AP-1) CML N-e-carboxymethyliertes Lysin c-myc C-myc ist ein 64 kDa-Tumorprotein, dessen Genfamilie MYC von Drosophila bis zu den Vertebraten hochkonserviert ist. C-myc ist Gegenstand intensivster Forschungen der Tumormedizin, da es nach Aktivierung eine wichtige Rolle bei der Entstehung verschiedener humaner Karzinome spielt. C-myc gehært zu den wichtigsten Onkogenen beim Mammakarzinom (20±30% weisen Amplifikationen dieses Onkogens auf). Das MYCGen liegt auf Chromosom 8 (q24.12), enthålt 4 Promotoren und stellt zwei Proteine her: c-myc1 und das kçrzere c-myc2. C-myc enthålt ein Leucinzippermotif (LZ), ein Helix-Loop-Helix-Motif (HLH) am C-Terminus, einen transkriptionalen Transaktivator am N-Terminus und ein Kernlokalisationssignal in der Mitte CNT Nukleosidtransporter (concentrative nucleoside transporters), die im Kotransport mit Natrium in der Regel die zellulåre Aufnahme von Nukleosiden vermitteln CNV Chorioidale Neovaskularisation CockayneAngeborene Erkrankung mit ÛberSyndrom empfindlichkeit gegençber UVLicht, eine seltene Form der Zwergwçchsigkeit verbunden mit frçhen Alterungserscheinungen, rezessiv vererbbar Cp Caeruloplasmin (Plasmaprotein) CPR NADPH-Cytochrom P450 Reduktase CPT-1 Carnitin-Palmitoyl-Transferase 1 CPTHR C-terminaler PTH-Rezeptor: ein bislang molekular noch nicht identifizierter PTH/PTHrP-Rezeptor, der die biologischen Wirkungen C-terminaler Peptidfragmente auslæst CRH Kortikotropin-releasing-Hormon Cross-linking Vernetzung von Biomolekçlen CXCR Chemokine (C-X-C motif) receptor Cycline Proteine, die die Aktivitåt cyclinabhångiger Kinasen (CDK, cyclindependent kinase) regulieren. Cycline færdern die Zellzyklusprogres-
sion und sind in einer Vielzahl von Tumoren dereguliert, d. h. meist çberexprimiert CyclohexylSelektiver A1-Adenosin-Rezeptoradenosin Agonist (CHA) CyclooxyDie beiden Isoformen des Enzyms genase (COX), COX-1 und COX-2, katalysieren die sauerstoffabhångige Cyclisierung von Arachidonsåure zu Prostaglandin G2 und H2 CYP11B1 11b-Hydroxylase, welche den letzten Schritt der Glukokortikoidsynthese katalysiert CYP11B2 Aldosteronsynthase CYP21-Gen 21-Hydroxylase-Gen CYP450 Zytochrom-P450-Monooxygenasen: modifizieren Xenobiotika chemisch, damit diese leichter vom Organismus eliminiert werden kænnen Cys Cystein, eine Mercaptoaminosåure, die aufgrund ihrer Sulfhydrylgruppe dimerisieren kann und wie Glutathion ein Redoxsystem bildet. Cystein ist ein Haupttråger des Schwefels in Proteinen Cysteinknoten Spezifisches Strukturmotiv, das in vielen Peptiden und Proteinen vorkommt. Intramolekulare Disulfidbrçcken formen eine knotenåhnliche Struktur, die die Polypeptidkette in einer definierten biologisch aktiven Konformation fixiert C-Zellen Calcitonin bildende Zellen DAG Diacylglycerol: second messenger, der genau wie das Inositoltriphosphat (IP3) durch das membranståndige Enzym Phospholipase C (PLC) generiert wird. Wåhrend IP3 ins Zytosol diffundiert, bleibt DAG aufgrund hydrophober Eigenschaften nahe der Plasmamembran. Funktionell stimuliert DAG in der Zelle die Proteinkinase C (PKC) und stellt einen Baustein der Prostaglandine dar D-bifunktio- Stærung der b-Oxidation der Fettnale Protein- såure verursacht durch Mutationen defizienz in der 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase Typ 4. Die betroffenen Menschen çberleben das erste Lebensjahr nicht und zeichnen sich durch muskulåre Hypotonie, faziale Dysmorphien sowie psychomotorische Entwicklungsverzægerung aus
a DC
DCCT
Deiodasen
D4, D5
Dermatansulfat
Desensitivierung Desmale Ossifikation
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Dendritische Zelle: auf Antigenpråsentation spezialisierte Zellen des Immunsystems, die sich von einer makrophagozytåren/monozytåren Vorlåuferstufe ableiten Diabetes Control and Complications Trial: wegweisende Studie, die belegt hat, dass eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung das Auftreten von mikrovaskulåren Komplikationen bei Patienten mit Typ1-Diabetes effektiv verhindern kann Enzyme, die das Hauptsekretionsprodukt der Schilddrçse, das Prohormon Thyroxin (T4), reduktiv zum thyromimetisch aktiven T3 deiodieren unter Freisetzung von Iodid. Diese Reaktion wird von zwei unterschiedlichen Enzymen, den 5'-Deiodasen Typ I und Typ II katalysiert, die unterschiedliche katalytische Eigenschaften, Regulation und gewebe- und entwicklungsspezifische Expression aufweisen. Die Inaktivierung des aktiven T3 sowie des Prohormons T4 und des aktiven T3 erfolgt durch die Typ-III5-Deiodase sowie nach Sulfokonjugation an der phenolischen OHGruppe der Iodthyronine auch durch die Typ-I-Deiodase Symbolische Beschreibung einer Doppelbindung in einem Kohlenwasserstoffgerçst, hier zwischen dem 4. und 5. Atom bzw. zwischen dem 5. und 6. Atom Ein natçrliches, hauptsåchlich in Haut und Bindegewebe vorkommendes Glykosaminoglykan. Es unterscheidet sich vom Chondroitinsulfat A durch eine Iduronsåure anstelle der Glukuronsåure am Kohlenstoffatom 5 Fçr zahlreiche Rezeptoren beobachtetes Phånomen eines (teils raschen) Wirkungsverlusts des jeweiligen Rezeptoragonisten Durch diesen Prozess werden die Schådelknochen und Teile der Gesichtsknochen angelegt. Hierbei differenzieren mesenchymale Vorlåuferzellen direkt in Knochenmatrix produzierende Osteoblasten
DGAT 5'DI (Dio1) 5'DII (Dio2) Diabetische Retinopathie
Diadenosine
Diacylglycerol-Acetyl-Transferase Typ-I-5'-Deiodase, ein Selenoenzym Typ-II-5'-Deiodase, ein Selenoenzym Mikrovaskulåre Komplikation bei lange bestehendem Diabetes mellitus. Die nichtproliferative diabetische Retinopathie (NPDR) zeichnet sich in Frçhstadien durch Mikroaneurysmen, Exsudate und intraretinale Blutungen aus, wåhrend fçr die proliferative Retinopathie (PDR) neovaskulåre Gefåûproliferationen typisch sind Diadenosine oder auch Diadenosinpolyphosphate genannt, gehæren zur Gruppe der ? Dinukleosidpolyphosphate. Die allgemeine Kurzformel lautet ApnA. n bezeichnet die Zahl der Phosphatgruppen. Diadenosintetraphosphat hat die Kurzformel Ap4A ? Diadenosine
Diadenosinpolyphosphate DimethylInhibitor der Na/H-Austauscher amilorid Dinukleosid- Nukleotide, die sich aus zwei Ribopolyphosphate nukleinsåure-Bausteinen zusammensetzen, die çber ihre Phosphatgruppen miteinander verknçpft sind, so dass die Phosphatgruppen die beiden Nukleoside miteinander verbinden. Die Phosphatkette ist jeweils çber die 5'-Hydroxylgruppe mit den Ribosen der Nukleoside verknçpft. Der offizielle chemische Name dieser Substanzklasse lautet Nukleoside(5')-oligophospho(5')nukleosid bzw. P1,Pn-bis(5'-nukleosidyl)oligophosphat nach der Nomenklatur der IUPAC-IUB-Kommission. Ebenfalls gebråuchlich ist die Bezeichnung Dinukleotid Dinukleotide ? Dinukleosidpolyphosphate DipeptidylEnzym, das hydrolytisch Dipeptide carboxyvom Carboxyende hoch- und niepeptidase dermolekularer Peptide abspaltet. Synonyme: Dipeptidocarboxypeptidase, Peptidyldipeptidase, EC 3.4.15. Ein prominenter Vertreter ist das ¹angiotensin-converting enzymeª (ACE)
XXV
XXVI
Abkçrzungen und Erlåuterungen
1,3-Dipropyl8-Cyclopentylxanthin Dipyridamol Divergente Selektion
DNA DOPA Dopamin DOT DPP DR E-Cadherin ECE ECM
Selektiver A1-Adenosin-RezeptorAntagonist (DPCPX)
EC-Zellen
Inhibitor der ENT (? ENT) Durch zielgerichtete Selektion auf bestimmte Parameter des Wachstums (hohes und niedriges 8-Wochen-Gewicht oder hoher und niedriger Muskelansatz) çber viele Generationen hinweg kænnen sehr ausgeprågte Phånotypen erzeugt werden. Die dem Phånotyp zugrunde liegenden Mechanismen kænnen durch die vergleichende umfassende Analyse (genomweit, transkriptomweit, proteomweit) oder durch die sog. Kandidatengenanalyse identifiziert werden. Die Validierung der ermittelten Gene muss allerdings im transgenen Modellorganismus erfolgen. Derart validierte Kandidatengene gelten als sehr wertvoll und sind definitionsgemåû physiologisch relevant Deoxyribonucleic acid: Desoxyribonukleinsåure, DNS; Tråger der genetischen Information 3,4-Dihydroxyphenylalanin Neurotransmitter: Produktion in der Substantia nigra des Zentralnervensystems Dopamintransporter Dipeptidylpeptidase: Enzym, das Peptide vom N-Terminus her spaltet Diabetische Retinopathie Zelladhåsionsmolekçl ? NCAM Endothelin-Konversionsenzym Extrazellulåre Matrix (extracellular matrix): jedes Material, das von der Zelle produziert und in das umgebende Milieu abgegeben wird. Im Bindegewebe findet sich reichlich ECM, und die Eigenschaften der ECM definieren den Gewebscharakter. ECM besteht aus drei Hauptkomponenten: fibræse Elemente (z. B. Kollagen, Elastin, Reticulin), Brçckenproteine (z. B. Fibronectin, Laminin) und platzausfçllende Molekçle (z. B. Glykosaminoglykane). Die ECM kann das Verhalten von Zellen und ganzen Geweben maûgeblich beeinflussen
EGF
EGFR
Egr-1
Einzelnephronfiltrat Ekto-5'Nukleotidase
Ekzem
ELISA
Enterochromaffine Zellen des Gastrointestinaltraktes; Sekretion von z. B. Serotonin Epidermal growth factor: ein polypeptidischer Wachstumsfaktor von 6 kDa, der zuerst in den Unterkieferdrçsen der Maus entdeckt wurde. Der humane EGF wurde ursprçnglich aus Urin isoliert und aufgrund seiner Fåhigkeit, die Magensekretion zu inhibieren, Urogastron getauft. EGF çbt eine groûe Vielfalt von biologischen Effekten auf viele Zellarten aus, wie z. B. verstårkte Proliferation und Differenzierung mesenchymaler und epithelialer Zellen. EGF wird u. a. in Hirn, Nieren, Speicheldrçse, Magen gebildet und kommt in vielen Kærperflçssigkeiten vor. Epidermal growth factor receptor: bindet und vermittelt Signale der Familie der EGF verwandten Wachstums- und Differenzierungsfaktoren Early growth response 1 protein gehært zur EGR-Familie der Zinkfingerproteine des C2H2-Typs. Es ist ein nukleåres Protein und fungiert als transkriptionaler Regulator. Die Produkte der durch ihn aktivierten Zielgene sind fçr Prozesse der Differenzierung und Mitogenese erforderlich. Studien weisen auf eine Rolle als Tumorsuppressorprotein hin Filtrat eines einzelnen Nephrons im Gegensatz zum Gesamtfiltrat der Niere, welches der Summe der Einzelnephronfiltrate entspricht Membranståndiges extrazellulåres Enzym, das die Dephosphorylierung von Nukleotidmonophosphaten wie AMP (Produkt ist hier Adenosin) katalysiert. Synonym: CD73 Morphologisch durch die Ekzemreaktion charakterisierte Intoleranzreaktion der Haut gegen Schådigungen der Epidermis durch meist åuûerlich einwirkende nichtinfektiæse Noxen Enzyme-linked immunosorbent assay: ein immunbiochemisches Verfahren zur quantitativen Bestimmung von Substanzen
a Endochondrale Ossifikation
Die Knochen des axialen und appendikulåren Skeletts sowie die meisten Gesichtsknochen werden in einem mehrstufigen Prozess gebildet, bei dem zunåchst eine knorpelige Anlage angelegt und spåter durch Knochen ersetzt wird Endometriose Endometriose ist eine chronische, aber gutartige Erkrankung von Frauen. Gewebe, åhnlich dem Endometrium, tritt dabei im Unterleib auf und siedelt sich dort an den Eierstæcken, den Eileitern, dem Darm, der Blase oder dem Bauchfell an. In den meisten Fållen werden diese Endometrioseherde von den Hormonen des Monatszyklus beeinflusst Enkephalin Enkephaline sind natçrliche pentapeptidische Opiate, die ursprçnglich aus dem Schweinegehirn isoliert wurden. Leuenkephalin (YGGFL) und Metenkephalin (YGGFM) binden verhåltnismåûig stark an den Opioidrezeptor eNOS Endothelial nitric oxide synthase ? NO-Synthasen E-NPP Ekto-Nukleotid-Pyrophosphatase/ Phosphodiesterase-Familie (EC 3.1.4.1 und EC 3.6.1.9). E-NPP zåhlen zu den Dinukleotid metabolisierenden unspezifischen Nukleotidasen ENT Equilibrative nucleoside transporter: Nukleosidtransporter, die einen bidirektionalen, konzentrationsgetriebenen Nukleosidaustausch vermitteln EPC Endothelial precursor cell Epiphysenfuge Diese Knorpelzone wird auch als Wachstumsfuge bezeichnet und beschreibt diejenigen Chondrozyten, die sich zwischen dem Schaft (Diaphyse) eines Ræhrenknochens und seinem gelenkzugewandten Abschluss (Epiphyse) befinden. Diese Fuge ist fçr das Långenwachstum des Ræhrenknochens verantwortlich EP1-Rezeptor Membranrezeptor fçr Prostaglandin E2; Aktivierung des EP1-Rezeptors fçhrt zu einer+ Erhæhung der intrazellulåren Ca2 -Konzentration ER Ústrogenrezeptor (estrogen receptor): eine Familie von Steroidhor-
Abkçrzungen und Erlåuterungen
monrezeptoren, die nach Aktivierung als Dimer åhnlich einem Transkriptionsfaktor durch Bindung an DNA die Expression von Zielgenen hemmen oder steigern kann ErbB Avian erythroblastic leukemia viral (v-erbB) oncogene homolog ErbB-2 In einer Reihe von Tumortypen exprimiert, verkçrzte Form des EGFRezeptors (EGFR), die auch ohne Ligand konstitutiv aktiv und als Onkogen wirksam ist ERK Extracellular signal-regulated kinase (EC 2.7.1.37), auch unter dem Namen ¹mitogen-activated protein kinaseª (MAPK) bekannt. Diese Proteine stellen einen Schlçssel fçr viele zellulåre Prozesse dar: Proliferation, Differenzierung, Transkriptionsregulation und Entwicklung. Die Aktivierung erfolgt durch Phosphorylierung von stromaufwårts gelegenen Kinasen, danach gelangen die ERK in den Nukleus, um dort ihre Zielmolekçle zu phosphorylieren. Zwei Splicevarianten (ERK1 und ERK2) codieren das gleiche Protein und unterscheiden sich in der nichttranslatierten Region (UTR) Erythropoietin Wachstumsfaktor, der in der Niere gebildet wird und im Knochenmark die Vorlåuferzellen von Erythrozyten zur Differenzierung und Vermehrung anregt E-selectin Synonyme: Selectin E (SELE) und ¹endothelial adhesion molecule 1ª. Dieses Protein ist ein Adhåsionsmolekçl aus der Familie der Selektine. Es scheint verantwortlich fçr die Akkumulation der Blutleukozyten in Entzçndungsregionen und ist mitverantwortlich bei der Pathogenese der Atherosklerose ESR Elektronenspinresonanzspektroskopie ESS Euthyroid sick syndrome: NiederT3-Syndrom ES-Zellen Embryonale Stammzellen ETA/BEndothelin-Rezeptor A bzw. B Rezeptor ET-1 Endothelin-1 (EDN-1, ET-1) ist ein potentes Vasokonstriktorpeptid mit 21 Aminosåuren, das von Gefåûen-
XXVII
XXVIII Abkçrzungen und Erlåuterungen dothelzellen produziert wird. Weiterhin wurden Effekte auf das ZNS und auf die neuronale Erregbarkeit beschrieben Exanthem Groûflåchige entzçndliche Hautverånderung mit stadienhaftem Ablauf Extrazellulåre Netzwerk aus Glykoproteinen, ProMatrix teoglykanen und Glykosaminoglykanen, welches Adhåsion, Migration und Wachstum von Zellen unterstçtzt. Die extrazellulåre Matrix fçllt den Raum zwichen benachbarten Zellen aus und enthålt neben Struktur- und Adhåsionsmolekçlen zusåtzlich auch Wachstumsfaktoren Eya Mutiertes Gen der ¹Eyes-absentMutanteª F2-Isoprostan Abbauprodukt von nichtenzymatischer Lipidoxidation FABP Fatty acid binding protein FAK Focal adhesion kinase ? fokale Adhåsionskinase FatigueWåhrend der Schwangerschaft håuSyndrom fig zu beobachtender Erschæpfungszustand FentonEisenkatalysierte Bildung von HydReaktion roxyl-Radikalen aus H2O2 (benannt nach Henry John Horstman Fenton) FFA Freie Fettsåuren FGF Fibroblast growth factor; Fibroblasten-Wachstumsfaktor FGF-Familie Proteine der Fibroblast-growthfactor-Familie, die als læsliche Wachstums- und/oder Differenzierungsfaktoren von mesenchymalen und epithelialen Zellen gebildet werden Fgf3 Fibroblast growth factor 3 Fgf7 Fibroblast growth factor 7 Fgf10 Fibroblast growth factor 10 FGFR2 Fibroblast growth factor receptor 2 FHIT Fragile histidine triad protein: Mitglied der HIT-Protein-Familie. Das FHIT codierende Gen ist auf der Position 3p14.2 des Chromosoms 3 lokalisiert. FHIT befindet sich in dem Chromosomenbereich FRA3B, der die hæchste Fragilitåt von allen bekannten instabilen chromosomalen Positionen im menschlichen Genom aufweist. FHIT ist ein Protein, dem eine Funktion als Tumorsuppressor zugesprochen wird.
FHIT besitzt zusåtzlich eine Ap3A bzw. Ap4A hydrolysierende Aktivitåt. Zur Zeit ist der Zusammenhang zwischen der Diadenosin hydrolysierenden und der Tumorsuppressoraktivitåt noch nicht geklårt Fibronektin Glykoprotein, das dimer gelæst im Plasma und di- und multimer an der Zelloberflåche und in der ? ECM vorkommt. Es ist bei Zelladhåsions- und -migrationsprozessen wåhrend Embryogenese, Wundheilung, Blutkoagulation, Immunabwehr und Metastasierung beteiligt Fischer-344- Rattenstamm, der als Tiermodell Ratten fçr Prolaktinome dient, da sich in diesen Ratten nach Applikation von Ústradiol innerhalb weniger Wochen Makroprolaktinome entwickeln FollikuloFS-Zellen: Zellen im Hypophysenstellare Zellen vorderlappen, die keine Hormone sezernieren, aber parakrine Faktoren (Follistatin, Interleukine) freisetzen. Sie haben eine zentrale Funktion bei der para-/autokrinen Regulation der Hypophysenfunktion und fçr die strukturelle Organisation der Adenohypophyse. Die FS-Zellen bilden ausgedehnte zytoplasmatische Auslåufer und ein vernetztes Geflecht untereinander, das çber Gap-Junctions und deren Kanåle kommuniziert, wie z. B. durch Ca2+-Wellen gezeigt werden kann, und sind S-100- und GFAP-positiv. FS-Zellen bilden Wachstumsfaktoren, Zytokine und Signalsubstanzen und sind von besonderer Bedeutung fçr die Interaktion zwischen dem endokrinen und dem Immunsystem ? FS-Zelle Follikel FSH ist eines der beiden hypophystimulierendes såren Gonadotropine. Das PeptidHormon hormon, das aus der FSH-spezifischen b-Untereinheit (117 Aminosåuren) und der a-Untereinheit (92 Aminosåuren) besteht, stimuliert im Ovar das Wachstum der Follikel und im Testis die Spermatogenese Follistatin Ein cysteinreiches, glykosyliertes einstrångiges Peptid, das in zwei Hauptformen mit 315 oder 288 Aminosåuren vorkommt. Follistatin
a
Fokale Adhåsionskinase
Foregut
Forskolin
Foxa1
Foxa2
FOXE1 Foxe1 FSH
FS-Zelle
Furosemid
Abkçrzungen und Erlåuterungen
ist ein hochaffines Aktivinbindungsprotein FAK: intrazellulåre Tyrosinkinase, die in den fokalen Adhåsionen lokalisiert ist. Fokale Adhåsionen sind komplexe Strukturen, die die extrazellulåre Matrix mit dem Zytoskelett verbindet. Die FAK vermittelt unter Kontrolle verschiedener Integrine Effekte auf Zellmigration, Adhåsion und Ûberleben sowohl çber den MAPK- als auch den PI3-Kinase-Signalweg Embryonale Vorderdarmanlage, umfasst Lunge, Bronchien, Speiseræhre, Magen, Bauchspeicheldrçse, Zwælffingerdarm Aktivator der Adenylatcyclasen, experimentell zur Erhæhung der intrazellulåren cAMP-Spiegel verwendet Forkhead-Box-Faktor 1: Transkriptionsfaktor, auch als ¹hepatocyte nuclear factor 3aª (HNF-3a) bezeichnet Forkhead-Box-Faktor 2: Transkriptionsfaktor, auch als ¹hepatocyte nuclear factor 3bª (HNF-3b) bezeichnet Forkhead-Domånen-Protein der Gruppe E des Menschen Forkhead-Domånen-Protein der Gruppe E der Maus Follikel stimulierendes Hormon (Follitropin): Glykoproteinhormon der Adenohypophyse, das sich aus einer a-Kette und einer b-Kette aufbaut. Wesentliches Strukturmerkmal der Glykoproteinhormone ist neben ihrer Glykosylierung das Vorhandensein von Cysteinknoten Follikulostellare Zelle: ein nicht Hormon produzierender Zelltyp des Hypophysenvorderlappens (ca. 5% aller Vorderlappenzellen). Die Bedeutung und Funktionen von FSZellen, die innerhalb der Hypophyse ein zellulåres Netzwerk ausbilden, sind zum Teil noch unklar Wie ? Bumetanid ein Diuretikum mit Wirkort in der Henle-Schleife. Der diuretische Effekt beruht auf einer Hemmung des Na/K/2Cl-Kotransporters
G-Protein
GABA GAP43
GAPDH Gastrin
Gastrinom
Heterotrimeres Guaninnukleotide bindendes Protein, das aus drei Untereinheiten (a, b und c) aufgebaut ist. Die a-Untereinheit bindet GDP. Nach Rezeptoraktivierung wird dieses gegen GTP ausgetauscht. Danach dissoziieren das G-Protein in die a-Untereinheit und den b/c-Komplex. Beide Anteile kænnen intrazellulåre Effektoren in ihrer Funktion modulieren. Die a-Untereinheit besitzt eine GTPase-Aktivitåt und reassoziiert mit dem b/c-Komplex nach Hydrolyse von GTP. Die Bezeichnung G-Protein steht vereinfacht fçr Guanosinnukleotid bindendes Protein oder GTP bindendes Protein. G-Proteine besetzen eine Schlçsselposition in der Signalçbertragung zwischen Rezeptor und nachfolgenden Second-messengerSystemen. Man unterscheidet zwischen membranståndigen heterotrimeren G-Proteinen und zytosolischen sog. kleinen G-Proteinen. Die G-Proteine kænnen funktionell in drei Klassen eingeteilt werden: Gs (s = stimulatorisch), Gi/o (i = inhibitorisch, o = olfaktorisch) und Gq (chemotaktisch) c-Aminobuttersåure Growth associated protein 43: Protein, das spezifisch in Axonen und Wachstumskolben von Neuronen exprimiert wird und als Marker fçr Axonwachstum Verwendung findet Glyceraldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase Peptidhormon aus 17 Aminosåuren, das von den G-Zellen der Schleimhaut des Magenantrums produziert wird. Die Freisetzung wird ausgelæst durch Vagusreizung sowie durch Dehnungs- oder Chemorezeptoren im Magen; Hemmung erfolgt bei Antrum-pH-Wert < 2. Es regt die Sekretion von Magensåure an und aktiviert die Magen-Darm-Muskulatur einschlieûlich der Kardia und des Pylorus. Erhæhte G-Konzentration im Serum bei ? Zollinger-Ellison-Syndrom Gastrin produzierender Tumor (des Magens, Zwælffingerdarms oder
XXIX
XXX
Abkçrzungen und Erlåuterungen
GC-MS
GDNF
Gefitinib
GFAP GFG
GH GI-Trakt Gliazellen
Glomerulus
GLP-1(2) Glukagonom
Pankreas); Symptom: ? ZollingerEllison-Syndrom Gas chromatography mass spectrometry: analytische Methode basierend auf Gaschromatographie zur Auftrennung von Substanzgemischen mit einem Massendetektor zur Charakterisierung und Identifizierung von Substanzen Glial cell line-derived neurotrophic factor: GDNF ist ein neurotropher Faktor aus der Familie der ¹transforming growth factorsª (TGF). Die GDNF-Signaltransduktion erfolgt çber einen Rezeptor der trk-Superfamilie mit der Bezeichnung Ret Tyrosinkinase-Inhibitor, der spezifisch die ? Tyrosinkinase des ? EGFR inhibiert. Wird klinisch bislang nur zur Therapie des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms eingesetzt Glial fibrillaric acid protein: Markerprotein fçr Astrozyten Protein, das das Produkt FGF2-Antisense-mRNA darstellt. GFG wirkt als natçrlicher Gegenspieler von ? FGF2 Wachstumshormon (growth hormone), Somatotropin Gastrointestinaltrakt Håufigster Zelltyp im zentralen Nervensystem mit einem Verhåltnis 9 : 1 zu den Neuronen. Die Gliazellen des ZNS kænnen in zwei groûe Untergruppen geteilt werden: Makroglia (Astrozyten, Oligodendrozyten und ependymale Zellen) und Mikroglia (Makrophagen des ZNS) Kapillarknåuel am distalen Ende der afferenten Arteriole, umgeben von der Bowman'schen Kapsel; stellt die Filtrationseinheit des Nephrons dar Glucagon-like peptide 1 (2) Glukagon produzierender Tumor (Adenom oder Karzinom) der A2-Zellen des Inselorgans, der sich manchmal durch ein spezielles Hautsyndrom (Epidermolysis acuta toxica = Syndrom der verbrçhten Haut) manifestiert
Glukosetoleranz
Vertråglichkeit von verzehrter Glukose, widergespiegelt in normalen Blutzuckerspiegeln GnRH Gonadotropin-Releasinghormon: hypothalamisches Dekapeptid, das die Freisetzung von luteinisierendem Hormon (LH) und Follikel stimulierendem Hormon (FSH) in der Adenohypophyse initiiert GnRHIn seiner Zusammensetzung noch Pulsgenerator weitgehend unbekanntes hypothalamisches neuronales Netzwerk, das die synchrone und phasische Aktivitåt der GnRH-Neurone reguliert, was zur pulsatilen GnRH-Freisetzung fçhrt Gonadotrope Zellen im HypophysenvorderlapZellen pen, die LH und FSH sezernieren GonadotroDekapeptid, das aus den hypothalapin-Releasing- mischen GnRH-Neuronen in der hormon Eminentia mediana in die portalen Gefåûe des Hypophysenstiels sezerniert wird und die Ausschçttung der Gonadotropine LH und FSH stimuliert GonadoBezeichnung fçr die Proteohormotropine ne LH und FSH, da beide hypophysåre Hormone die endokrine Aktivitåt der Gonaden regulieren. Sie bestehen aus zwei Untereinheiten (a und b), wobei die a-Untereinheit auch Bestandteil des Thyreoidea stimulierenden Hormons (TSH) und des Choriongonadotropins (CG) ist GPCR G-Protein-gekoppelter Rezeptor: Membranrezeptorfamilie mit 7 transmembranåren Domånen, die an heterotrimåre GTP-bindende Proteine koppeln. Man unterscheidet 3 groûe Familien, zu denen in der Familie A das Rhodopsin oder die Glykoproteinhormonrezeptoren, in der Familie B der Sekretinrezeptor und in der Familie C der GABA-Rezeptor gehæren Gpl30 Membranståndiges Glykoprotein (gp) mit einem Molekulargewicht von 130 kD. Das gpl30-Protein induziert die intrazellulåren Signale der sog. Gpl30-Zytokine (IL-6, IL-11, LIF, OSM, CNTF, CT-1 u. a.). Nach Bindung der Zytokine an ihre Rezeptorproteindimere interagieren diese mit gpl30, woraufhin dieses
a die JAK-STAT-Signalkaskade in Gang setzt GPx Glutathionperoxidase Granulozyten Gehæren zur Gruppe der weiûen Blutkærperchen (Leukozyten) und sind Teil der zellulåren Immunabwehr GRP Gastrin-releasing peptide Gs/Adenylyl- Ein Signaltransduktionsweg der cyclase-System Glykoproteinhormonrezeptoren rekrutiert das Gs-Protein. Die a-Untereinheit wirkt aktivierend auf Adenylylcyclasen. Letztere membranståndige Cyclase bildet den Second messenger cAMP aus ATP GSH Glutathion-Sulfhydryl, reduziertes Glutathion, zum Redoxsystem gehærendes wichtiges Tripeptid (c-Glutamyl-cysteinyl-glycin mit freier Mercaptogruppe) GSSG Oxidiertes Glutathion, ein dimeres Tripeptid mit Disulfidbrçcke GT1-Zellen Durch gerichtete Tumorgenese mit einem Konstrukt aus dem GnRHPromotor und dem SV40-Virus-TAntigen erzeugte Zellen, die nahezu vollståndig die zell- und molekularbiologischen Eigenschaften von normalen GnRH-Neuronen besitzen GuanylatEnzyme, die die Bildung von cGMP cyclasen aus GTP unter Abspaltung von Ppi katalysieren. Es wird zwischen der zytosolischen Guanylatcyclase, die durch NO aktiviert wird und der membranståndigen Guanylatcyclase, die den Rezeptor fçr das atriale natriuretische Peptid (ANP) darstellt, unterschieden Hb9 Homæobox-Transkriptionsfaktor, der vom Hb1x9-Gen codiert wird Hedgehog Dieser sezernierte Faktor spielt wåhrend vieler entwicklungsbiologischer Prozesse eine wichtige Rolle. Der Name leitet sich von seiner Entdeckung als Segmentspolaritåtsgen in Drosophila ab: Larven mit einem Funktionsverlust von Hedgehog zeigen einen verkçrzten, vollståndig mit Haaren bedeckten und deshalb igelåhnlichen Phånotyp. In Vertebraten existieren drei Hedgehog-Homologe: Sonic Hedgehog (Shh), Desert Hedgehog (Dhh) und Indian Hedgehog (Ihh)
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Henle-Schleife Abschnitt des Nephrons zwischen dem proximalen und distalen Konvolut. Unterschiede in Permeabilitåt und Transport zwischen absteigenden und aufsteigenden Schenkeln der HS sind entscheidend fçr die Harnkonzentrierung, verantwortlich fçr etwa 25% der NaCl-Resorption, die im dicken aufsteigenden Anteil der Henle-Schleife stattfindet HER-2/Neu Unterfamilie der epidermalen Wachstumsfaktorrezeptorfamilie ? EGFR HES-TranHairy/enhancer-of-split; Basicskriptionshelix-loop-helix-Transkriptionsfakfaktoren toren (bHLH), Zielgene des NotchSignalwegs HESX1 Homeobox gene expressed in embryonic stem cells 20-HETE 20-hydroxyeicosatetraenoic acid; Zytochrom-P450-Produkt, Vasokonstriktor HGF Hepatocyte growth factor HHEX Human hematopoietically expressed homeobox gene HHG Hypogonadotroper Hypogonadismus: eine Unterfunktion der Gonaden wird allgemein als Hypogonadismus bezeichnet. Dessen Symptomatologie und Erscheinungsbild sind einerseits durch das Ausmaû des daraus resultierenden Steroidhormonmangels sowie andererseits vom Zeitpunkt der Manifestation geprågt. Man unterscheidet zwischen einem primåren und einem sekundåren Hypogonadismus. Letzterer wird durch eine Stærung oder Erkrankung der çbergeordneten Regulationszentren oder -organe wie Hypothalamus und Hypophyse verursacht und ist durch eine verminderte Gonadotropinsekretion charakterisiert, so dass diese Form auch als hypogonadotroper Hypogonadismus bezeichnet wird HHL Hypophysenhinterlappen HHN-Achse Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse 5-HIES 5-Hydroxyindolessigsåure: Abbauprodukt von Serotonin, wird im Urin zum Nachweis eines ? Karzinoid-Syndroms verwendet HIF Hypoxia inducible factor
XXXI
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Abkçrzungen und Erlåuterungen
Highmobilitygroup-Proteine (HMG)
Hindgut Hirsutismus HINT HIT
4-HNE HNF-1a HNF-1b HNF-4a H2O2
HMG-Proteine binden çber positiv geladene Proteindomånen an die kleine Furche der DNA-Doppelhelix. Durch diese Interaktion kænnen Histone verdrångt werden, wodurch eine entspannte Form des Chromatins begçnstigt wird. HMG-Proteine fungieren zusåtzlich auch als Stabilisatoren von Transkriptionsfaktoren durch direkte Interaktion mit der DNA. Somit kænnen HMGProteine zwar eigentliche Transkriptionsfaktoren aktivieren oder blockieren, jedoch selbst keine eigene Transkriptionsfaktorfunktion erfçllen. HMG-Proteine kontrollieren beispielsweise die Promotoraktivitåten des Cyclin-A-Gens oder des DNA-Reparatur-Gens ERCC1. Sie sind an zentralen biologischen Prozessen (Embryogenese, Differenzierung, Apoptose, maligne Transformation) beteiligt Embryonale Hinterdarmanlage, umfasst linke Kolonflexur, Sigma und Rektum Vermehrte Behaarung vom månnlichen Typ bei der Frau Histidine triad nucleotide binding protein: Mitglied der HIT-Proteinfamilie Histidine-Triad-Proteine: ProteinSuperfamilie, die sich durch einen konservierten Bereich auszeichnet, der nur 6 Aminosåuren umfasst. Drei dieser 6 Aminosåuren sind Histidine. Das konservierte HITMotiv zeigt eine hohe Affinitåt zu Adenosin 4-Hydroxynonenal, reaktives Abbauprodukt der Arachidonsåure Hepatonuclear factor 1a: Zielgen der MODY3-Mutation Hepatonuclear factor 1b: Zielgen der MODY5-Mutation Hepatonuclear factor 4a: Zielgen der MODY1-Mutation Wasserstoffperoxid: entsteht im Rahmen der Autooxidation von Dopamin. Diese relativ schwach reaktive Substanz wird z. B. durch Reaktion mit Eisen in deutlich stårker reaktivere Sauerstoffradikalspezies çberfçhrt
Homæodomåne
Homæostase
Hormone
Hoxa3 HPA-Achse HRE HSL 5HT3Rezeptor 5HT4Rezeptor HVL Hypertrophe Chondrozyten
Typische Proteindomåne einer Vielzahl von fçr die Embryonalentwicklung zentralen Transkriptionsfaktoren. Weit verbreitete, hochkonservierte Proteinsequenz von ca. 60 Aminosåuren Långe. Bei einer Vielzahl von Transkriptionsfaktoren nachweisbar und meist fçr die DNA-Bindung des Proteins (mit)verantwortlich Die Tendenz des Organismus, ein Flieûgleichgewicht (Steady state) des Stoffwechsels durch neuronale, hormonelle und nutritive Regulationsfaktoren aufrechtzuerhalten Hochwirksame biologische Signalsubstanzen, die ihren Informationsgehalt çber Rezeptormolekçle oder andere biochemische Zielstrukturen durch molekulare Wechselwirkungen an nachgeschaltete responsive Systeme çbertragen und dadurch eine spezifische biologische Antwort auslæsen Homæobox enthaltendes Gen der Gruppe A Nummer 3 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse Hypoxia response element Hormonsensitive Lipase Serotonin-3-Rezeptor Serotonin-4-Rezeptor
Hypophysenvorderlappen Knorpelzellen, auch als Blasenknorpel bezeichnet. Diese Art des Knorpels entsteht durch Differenzierung und Græûenzunahme der Chondrozyten in der Wachstumsfuge und wird wåhrend des Prozesses der endochondralen Ossifikation durch Knochen ersetzt HypogonaUnvollkommene oder fehlende Ausdismus bildung oder Rçckbildung der Geschlechtsmerkmale infolge einer unzureichenden Produktion von Sexualhormonen in den Gonaden Hypophysen- Tumoren der Hypophyse oder adenome Hirnanhangdrçse. Einige dieser Tumoren produzieren Hormone, die in die Steuer- und Regelkreise der Hypophysenhormone eingreifen
a Fehlbildung der Harnræhre, verursacht durch Testosteron- oder Dihydrotestosteronmangel wåhrend der embryonalen Entwicklung, z. B. bei Pseudohermaphroditismus Hypothalamus Gebiet des Gehirns, in dem Releasing- und Inhibiting-Faktoren gebildet werden. Die hypothalamischen Neurohormone steuern die endokrine Aktivitåt der Adenohypophyse IAP Inhibitor of apoptosis protein ICAM-1 Intercellular adhesion molecule 1 (CD54, ICAMI, ¹human rhinovirus receptorª) ist typischerweise auf Endothelzellen und auf Zellen des Immunsystems exprimiert. ICAM-1 bindet an Integrine des Typs CD11a/CD18 oder CD11b/CD18 und wird vom Rhinovirus als Rezeptor genutzt Ichthyosis Angeborene Verhornungsstærung (Keratosis) mit fischschuppenartig verånderter Haut; kann durch Steroid-Sulfatase-Defizienz verursacht werden IDDM Insulin-dependent diabetes mellitus IFN Interferone (IFN-a, -b, -c) kommen mit vielen Subtypen, die zum Teil glykosyliert sind, vor. IFN-a wird von Monozyten und Makrophagen gebildet, IFN-b von Fibroblasten und IFN-c von T-Zellen. Sie reagieren mit den Growth-hormone-, Prolaktin- und Zytokinrezeptorfamilien und besitzen antivirale, antiproliferative und immun-modulatorische Wirkungen IGF Insulin like growth factor (Somatomedin C): Die Wachstumsfaktoren IGF-1 und IGF-2 sind dem Insulin åhnliche Polypeptide, die an Rezeptoren der Insulinrezeptorfamilie binden. Es handelt sich dabei um monomere Proteine, die in Leber, Fibroblasten und vielen Zellen gebildet werden, mit der Tyrosinkinaserezeptorfamilie reagieren und fçr viele Zellen eine mitogene und differenzierende Wirkung besitzen IGF-1R Insulin-like growth factor 1 receptor: Tyrosinkinaserezeptor, der in enger struktureller Beziehung zum Insulinrezeptor steht. Obwohl er im
Abkçrzungen und Erlåuterungen XXXIII
Hypospadie
IGFBP-1 Ihh Ihh-PTHrPRçckkopplungskreis
IjB IL-1
IL-6
Imprinting
Allgemeinen als IGF-1-Rezeptor bezeichnet wird, bindet er sowohl IGF-1 als auch IGF-2 mit hoher Affinitåt Insulin-like growth factor binding protein 1 Indian Hedgehog ? Hedgehog Die beiden sezernierten Faktoren Indian Hedgehog (Ihh) und ¹parathyroid hormone-related hormoneª (PTHrP) regulieren das Einsetzen der hypertrophen Differenzierung, welches essentiell fçr das kontrollierte Långenwachstum der Knochen ist. Ihh wird von den frçhen hypertrophen Chondrozyten exprimiert und aktiviert PTHrP am distalen Ende des Skelettelements. Die Aktivierung von PTHrP fçhrt zu einer Inhibition der Differenzierung von proliferierenden in hypertrophe Chondrozyten und verhindert somit indirekt die Expression von Ihh Inhibitor of NF-jB Interleukin-1: pleiotropes Zytokin, das bei verschiedenen Immunantworten, Inflammationsprozessen und bei der Håmatopoese eine Rolle spielt. Es wird von Monozyten und Makrophagen als Proprotein hergestellt, das proteolytisch gespalten und nach Zellverletzung freigesetzt wird Interleukin-6: potentes pleiotropes Zytokin, das Zellwachstum und -differenzierung reguliert und eine wichtige Rolle bei der Immunantwort spielt Elternspezifische epigenetische Modifikation (Methylierung) des Genoms. Aus der unterschiedlichen Methylierung der elterlichen Allele resultiert die monoallelische Expression bestimmter Gene. In der Maus wird çber genomisches Imprinting die Expression des våterlichen IGF-2R-Gens sowie die Expression des mçtterlichen IGF-2Gens unterdrçckt. Fehlerhaftes Imprinting spielt eine Rolle bei Wachstumsstærungen in Menschen (Beckwith-Wiedemann-Syndrom) oder Nutztieren (Large-offspringSyndrome)
XXXIV Abkçrzungen und Erlåuterungen Immunhisto- Biochemische/histologische Methochemie de, mit der Proteine mit Hilfe von Antikærpern in Zellen im Mikroskop sichtbar gemacht werden kænnen. Damit kann bestimmt werden, in welchem Gewebe das Protein vorhanden ist und in welchem Kompartiment der Zelle es lokalisiert ist Indomethacin Unspezifischer Inhibitor von Cyclooxygenasen, klinische Verwendung als Entzçndungshemmer und in der Behandlung des Hyperprostaglandin-E-Syndroms ? BartterSyndrom IFN-c Interferon-c: wird von T-Lymphozyten produziert, die von Mitogenen oder Antigenen sensibilisiert wurden. Es ist såurelabil und unterscheidet sich serologisch von aund b-Interferon Inhibine Inhibine sind Glykoproteine, die von den Sertoli-Zellen des Hodens und den Theca-, Granulosa- und Lutein-Zellen des Ovars sezerniert werden. Sie bestehen aus einer a-Untereinheit, die çber eine Disulfidgruppe an eine von zwei b-Untereinheiten, die bA-Untereinheit (Inhibin A) und die bB-Untereinheit (Inhibin B), gebunden ist. Ein heterodimeres Peptidhormon, das aus einer allen Inhibin-Isoformen gemeinsamen a-Untereinheit und entweder einer bA- oder bB-Untereinheit gebildet wird, die so zum Inhibin A (abA) oder Inhibin B (abB) fçhren. Inhibin hemmt die FSH-, nicht aber die LH-Sekretion Inkretin Darmhormon, das nach Freisetzung von endokrinen Darmzellen durch Nahrungsbestandteile die Senkung von erhæhten Blutzuckerspiegeln bewirkt iNOS ? NO-Synthasen Insulinom Insulin produzierendes Inselzelladenom: in 10±15% der Fålle maligne; Symptom: Hypoglykåmie Integrine Heterodimere Rezeptoren aus 18aund 8b-Untereinheiten. Durch die Kombination einer a- und einer b-Untereinheit entstehen 24 a,b-heterodimere Rezeptoren. Die Untereinheiten sind nichtkovalent ver-
knçpft und bestehen aus einer groûen extrazellulåren und in der Regel kurzen zytoplasmatischen Domåne. Integrine verknçpfen die extrazellulåre Matrix mit dem intrazellulåren Zytoskelett. Zusåtzlich modulieren die Integrine intrazellulåre Signalkaskaden (MAPK; PI3-K). Sie sind daher relevant fçr Adhåsion, Migration und Anoikis. Ihnen wird eine wichtige Funktion bei der Tumorprogression zugeschrieben Interleukine Proteine, die vorwiegend von Zellen des Immunsystems gebildet werden und åhnlich wie Hormone auto-, para- oder endokrine Wirkung auf das Immunsystem, aber auch andere Zellen oder Organe entfalten kænnen. Derzeit sind bereits mehr als 30 verschiedene Arten bekannt Internalisation Nach Bindung eines Liganden an seinen Rezeptor wird der Komplex in die Zelle umverteilt und dort der Rezeptor vom Liganden befreit Inositol-1,4,5-triphosphat: entsteht IP3 durch Spaltung des MembranPhospholipids Phosphatidyl-4,5-biphosphat in Diacylglycerol (DAG), und IP3 und fungiert als Second messenger. Die Spaltung erfolgt durch die Phosphatidylinositol-spezifische Phospholipase C (PI-PLC) nach Aktivierung Gq-Proteingekoppelter Rezeptoren. IP3 reagiert mit dem IP3-Rezeptor des endoplasmatischen Retikulums und setzt so aus dem endoplasmatischen Retikulum Ca2+ ins Zytoplasma frei IRF-1 Interferon regulierender Faktor 1: dient als Aktivator sowohl fçr die IFN-a- und -b-Transkription als auch fçr IFN-a-, -b- und -c-induzierte Gene vom Typ 1. Des Weiteren spielt IRF-1 eine Rolle bei der Regulation von Apoptose und Tumorsuppression IRF-2 Interferon regulierender Faktor 2: verhindert kompetitiv die IRF-1vermittelte Aktivierung der IFN-aund -b-Transkription und vermutlich auch von anderen IFR-1-indu-
a zierten Genen. IRF-2 dient auch als Transkriptionsaktivator fçr das Histon H4 IRS Insulin response sequence: auf Insulin ansprechende Sequenz Isl1 Islet1: die LIM-Homæodomåne codierender Transkriptionsfaktor mit zentraler Rolle fçr die Entwicklung des pankreatischen Mesenchyms Isoproterenol Spezifischer Agonist adrenerger b-Rezeptoren JAK Janus-Kinase (Tyrosinkinase, EC 2.7.1.112). Diese Kinase ist vor allem in zytokininduzierte Signaltransduktionskaskaden involviert JAK-STATIntrazellulåre Signalkaskaden, an Kaskade denen Janus-Kinasen (JAK) und verschiedene ¹signal transducer and activator of transcriptionª (STAT) beteiligt sind. Gpl30-Zytokine aktivieren z. B. mittels gpl30 die Janus-Kinasen JAK1, JAK2 oder Tyk2, die ihrerseits STAT1 und STAT3 phosphorylieren. Dimere der phosphorylierten STAT wandern in den Zellkern, wo sie die Transkription verschiedenster Zielgene induzieren Janus-Kinasen Zytoplasmatische Tyrosinkinasen, die sich durch das Vorhandensein einer aktiven Kinasedomåne und einer katalytisch inaktiven Pseudokinasedomåne sowie durch die Abwesenheit von SH2- oder SH3-Domånen auszeichnen. Janus-Kinasen interagieren mit unterschiedlichen membranståndigen Rezeptoren und sind bei der Aktivierung der intrazellulåren Rezeptordomånen sowie bei der Rekrutierung und Aktivierung ihrer Substrate (beispielsweise STAT) beteiligt. Sie werden durch Zytokine (IL-2 bis IL-7 und IL-9 bis IL-13) und eine Reihe von Wachstumsfaktoren aktiviert (z. B. durch GH, Insulin, Leptin, EGF). Die relativ junge Proteinfamilie der Janus-Kinasen besitzt nach gegenwårtigem Erkenntnisstand vier Mitglieder (JAK1, JAK2, JAK3 u. Tyk2) JNK c-jun N-terminal kinase, Synonym: Mitogenaktivierte Proteinkinase (MAPK)
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Juxtaglomeru- JGA: anatomische Struktur im lårer Apparat Kontaktbereich von Henle-Schleife und Glomerulus, bestehend aus tubulåren Macula-densa-Zellen, extraglomerulårem Mesangium und granulierten, Renin bildenden Zellen der afferenten Arteriole Juxtamedullå- Nephrone, die im Gegensatz zu sure Nephrone perfiziellen Nephronen aus tief im Kortex gelegenen Glomeruli entspringen KarzinoidGastrointestinale Hypermotilitåt Syndrom mit Diarrhoe, Flush (Erythem im Gesicht, am Nacken und an den oberen Rumpfpartien); asthmaåhnliche Bronchialobstruktion und Rechtsherzendokardfibrose mit klinisch manifester Trikuspidalinsuffizienz als Folge einer starken Serotoninausschçttung bei neuroendokrinen Tumoren. Am håufigsten ist ein Karzinoid-Syndrom bei Lokalisation des Primårtumors im Ileum. Diagnose çber klinische Zeichen sowie 5-HIES im 24-h-Urin. Therapie symptomatisch mit Somatostatinanaloga (Octreotid) zur Besserung der Kardinalsymptome, antiproliferativ zur Reduzierung der Tumormassen (a-Interferon, Chemotherapie, chirurgische Intervention). Die Prognose des KarzinoidSyndroms ist relativ gçnstig Kat Katalase: Enzym, das H2O2 abbaut kDa Atomare Maûeinheit: Kilodalton Knock-outGentechnisch generierter MausMaus stamm, bei dem mittels homologer Rekombination in embryonalen Stammzellen ein Gen inaktiviert wurde Kollagen Kollagen ist ein komplexes GlykoTyp 1 protein und natçrliches Gerçsteiweiû bei Såugetieren. Typ 1 ist ein nichtfibrillåres (parallel und in der Långsrichtung gegeneinander versetzte Molekçlanordnung) Kollagen und ein Bestandteil des Bindegewebes vor allem in der Haut, den Knochen und den Sehnen Kortikotrope Zellen im HypophysenvorderlapZellen pen, die Adrenokortikotropes Hormon (ACTH) sezernieren Kortikotrophe ? Kortikotrope Zellen k-ras Onkogen
XXXV
XXXVI Abkçrzungen und Erlåuterungen Kurzdarmsyndrom
Laktotrope Zellen Laktotrophe LC-MS
LDCV LH
LHRH
LHX Liberine
LIF
LIM
Entsteht nach chirurgischer Entfernung græûerer Anteile des Dçnndarms und verursacht eine mangelhafte Aufnahme von Nahrungsbestandteilen aus dem Darm in den Organismus Zellen im Hypophysenvorderlappen, die Prolaktin sezernieren ? Laktotrope Zellen Liquid chromatography mass spectrometry: analytische Methode basierend auf Flçssigchromatographie zur Auftrennung von Substanzgemischen mit einem Massendetektor zur Charakterisierung und Identifizierung von Substanzen Large dense core vesicles: Speicherungsgranula in neuroendokrinen Zellen Luteinisierendes Hormon (Lutropin): Glykoproteinhormon der Adenohypophyse, das sich aus einer a-Kette und einer b-Kette aufbaut. Wesentliches Strukturmerkmal der Glykoproteinhormone ist neben ihrer Glykosylierung das Vorhandensein von Cysteinknoten Luteinisierendes Hormon-Releasing-Hormon, Synonym: GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon = Gonadorelin). LHRH stimuliert pulsatil die Freisetzung von ? FSH (Follikel stimulierendes Hormon) und LH. FSH und LH regulieren den ovariellen Zyklus der Frau und dabei auch die Freisetzung von Ústrogenen und Progesteron LIM-Homæobox Hypothalamische Releasing-Hormone (CRH, GnRH, GhRH, Dopamin, TRH), die in der Adenohypophyse die Bildung und Freisetzung der glandotropen Hormone, der Tropine ACTH, FSH, LH, GH, PRL oder TSH regulieren Leukemia inhibitory factor: Wachstums- und Differenzierungsfaktor, der an einen Rezeptor der Håmatopoietin/Zytokin-Gruppe bindet Proteindomåne von Transkriptionsfaktoren wie ? Isl1. Akronym aus Lin11, Isl-1 und Mec-3, LIM-Domånen sind Zinkfingerdomånen, die in diesen Proteinen und spåter ei-
ner groûen Anzahl weiterer Transkriptionsfaktoren als homologe Strukturen erkannt wurden Lin-11 Transkriptionsfaktor, identifiziert im Nematoden Caenorhabditis elegans, enthålt LIM-Domåne LipoxyKatalysieren die Bildung von Leugenasen kotrienen, HETE und Lipoxinen aus Arachidonsåure L-NAME N1-Nitro-L-Arginin-Methylester, unspezifischer Hemmer aller NOSynthasen ? NO-Synthasen LOH Loss of heterocygosity: Verlust eines heterozygoten Allels z. B. durch Deletion; in Tumoren oft mit Funktionsverlust von Tumorsuppressoren assoziiert LOX-1 Low density lipoprotein oxidized receptor 1, OLR1: lectin-like oxidized-LDL receptor 1. Dieses Rezeptorprotein gehært zur Superfamilie der Typ-C-Lectine und wird durch eine cAMP-Signalkaskade reguliert. Es bindet, internalisiert und degradiert oxidiertes LDL. Mutationen des Gens sind mit Alzheimer, Atherosklerose und Herzinfarkt assoziiert LPA Lipoprotein A: eine Familie von Lipoproteinen, die in Abhångigkeit der Protein-Lipid-Ratio und der Proteinzusammensetzung in Græûe und Dichte variieren. Es besteht eine Korrelation zwischen hohem LPA im Serum und Atherosklerose LPL Lipoprotein-Lipase LPS Bakterielles Lipopolysaccharid LRR Leucin-rich repeats: leucinreiche repetitive Strukturelemente in verschiedenen Proteinen. Mehrere LRR ordnen sich håufig hufeisenfærmig an Luteinisieren- LH ist eines der beiden hypophydes Hormon såren Gonadotropine. Das Peptidhormon, das aus der LH-spezifischen b-Untereinheit (121 Aminosåuren) und der a-Untereinheit (92 Aminosåuren) besteht, stimuliert im Ovar und im Testis die Steroidsynthese Lyonisierung Eines der X-Chromosome wird wåhrend der embryonalen Entwicklung inaktiviert
a Lysophosphatsåure
Phosphatsåure, bei der nur eine der beiden Hydroxylgruppen des Glycerolphosphats verestert ist. Am håufigsten ist das C1-Atom des Glycerols verestert (z. B. 1-Acylglycerol-3-phosphat) Macula densa Spezialisierte tubulåre Zellen der Henle-Schleife am Kontaktpunkt von Henle-Schleife und Glomerulus Makulaædem Fokales Makulaædem: gekennzeichnet durch umschriebene Údemzonen kombiniert mit intraretinalen Blutungen und harten Exsudaten. Diffuses Makulaædem: Charakterisiert durch ein Údem und harte Exsudate im Bereich des gesamten hinteren Augenpols. Es kommt zu einer massiven Stærung der BlutRetina-Schranke mit deutlicher Visusverschlechterung MAP Mitogen-activated protein MAPK Ras/Raf/Mitogen-aktivierte Proteinkinase, ? ERK MAP-Kinasen Mitogenaktivierte Proteinkinasen, die zusammen mit weiteren Proteinen Bestandteile der intrazellulåren MAP-Kinase-Signaltransduktionswege darstellen. Man unterscheidet 4 MAP-Kinase-Signalsysteme: p38-MAP-Kinase-; Erk( = p42/44)MAP-Kinase-; JNK( = SAPK)-MAPKinase- und Erk5-MAP-Kinase-Signalweg. Die MAP-Kinase-Signalkaskaden werden durch Wachstumsfaktoren, Zytokine, Stresssignale, Entzçndungsmediatoren, Bestrahlung u. v. a. m. induziert. Die MAP-Kinase-Signalkaskaden kænnen untereinander und mit anderen zellulåren Signalsystemen interagieren MCP Monocyte chemoattractant protein: Chemokin, das am Ort der Infektion gebildet wird und durch Bindung an Proteoglykanmolekçle eine Matrix ausbildet, auf der Leukozyten wandern kænnen, nachdem sie die Endothelschranke çberwunden haben MCP-1 Monocyte chemoattractant protein 1 M-CSF Macrophage colony-stimulating factor MCT8 Monocarboxylattransporter 8, T3-Transporter
Abkçrzungen und Erlåuterungen XXXVII
MDA Mec-3
Malondialdehyd Transkriptionsfaktor, identifiziert im Nematoden Caenorhabditis elegans, enthålt LIM-Domåne Meclofenamat Wie Indomethacin ein unspezifischer Cyclooxygenase-Inhibitor MEF Mouse (murine) embryo fibroblast cells: Primårzellen aus Måuseembryos, die meist von einer transgenen Maus stammen, um damit Genfunktionsstudien durchzufçhren Melanom Von Melanozyten ausgehender bæsartiger Tumor der Haut, seltener auch der Schleimhåute oder in anderer Lokalisation. Ungeschçtzte Sonnenexposition kann das Auftreten von Melanomen begçnstigen MEN1 Multiple endokrine Neoplasie-Typ 1: autosomal-dominante Erkrankung mit Tumoren/Adenomen der Adenohypophyse, Nebenschilddrçse, Nebennierenrinde und Pankreas. Die MEN1 wird durch eine Keimbahnmutation im Menin-Gen verursacht Meningeome Langsam wachsende gutartige Tumore, die von den Meningen, den Deckzellen der Arachnoidea mater (Spinnwebenhaut) des Gehirns und Rçckenmarks ausgehen Met Methionin: Methylthioaminosåure, die als wichtigster physiologischer Lieferant von Methylgruppen dient und Schwefellieferant fçr Proteine ist MethylHemmen in niedriger Konzentraxanthine tion alle Adenosinrezeptoren und in hæherer Konzentration die Phosphodiesterasen MHC Myosin heavy chain MIBG Meta-iodobenzylguanidin MIBGMeta-iodobenzylguanidin-SzintiSzintigraphie graphie MIF Makrophagen inhibierender Faktor MikroKleine Aussackungen der retinalen aneurysmen Gefåûe, die typischerweise im Frçhstadium der diabetischen Retinopathie gefunden werden Mikroarray- Die DNA-Array-Technik basiert auf Technologie der Hybridisierung von Nukleinsåuren. Auf einem Tråger immobilisierte DNA (Oligonukleotide) hybridisiert mit unterschiedlich fluo-
XXXVIII Abkçrzungen und Erlåuterungen
Mikrodialyse
Mikropunktion Milrinon Mip-1a MKP-1
MMP
MODY
MPHD MPO MR mRNA MSH Msr
reszenzmarkierten Targetnukleinsåuren aus verschiedenen zu vergleichenden Geweben. Die Orte und die Intensitåt der Target-Hybridisierungen werden nach Abwaschen unspezifisch gebundener Targets çber Fluoreszenz-Scanning analysiert Methode zur Gewinnung von interstitieller Flçssigkeit und darin befindliche niedermolekulare Substanzen durch miniaturisierte Dialyse in lebendem Gewebe. Dabei wird eine artifizielle Kapillare, bestehend aus einem sehr dçnnen Dialyseschlauch, in ein Organ implantiert. Dadurch kænnen Proben von in den Extrazellulårraum freigesetzten Substanzen gewonnen werden Punktion eines einzelnen Nephrons zur kontrollierten Perfusion eines Nephronabschnitts und/oder zur Gewinnung von Tubulusflçssigkeit Spezifischer Inhibitor der Phosphodiesterase III Macrophage inflammatory protein-1a MAP-Kinase-Phosphatase oder auch DUSP1 (dual specificity phosphatase 1). Das Protein wird durch oxidativen und Hitzestress sowie durch Wachstumsfaktoren induziert und dephosphoryliert und inaktiviert spezifisch die MAP-Kinase Matrixmetalloproteinasen: Familie von proteolytischen Enzymen, die am Abbau und Umbau von extrazellulårer Matrix beteiligt sind Maturity onset diabetes of the young: Gruppe monogenetischer, autosomal-dominant vererbter Formen des Diabetes mellitus, die primår die b-Zell-Funktion betreffen Multiple pituitary hormone deficiency: Kombinierte Hypophysenvorderlappeninsuffizienz Myeloperoxidase Magnetresonanz oder Mineralokortikoid Rezeptor Messenger-Ribonukleinsåure (ribonucleic acid) Melanozyten stimulierendes Hormon Methioninsulfoxid-Reduktase
MutT
MutT ist ein Sequenzmotiv, das das Kennzeichen der ? Nudix-Proteinfamilie darstellt. Es ist in der Aminosåuresequenz der menschlichen Ap4A-Hydrolase zu finden NAD(P)HNicotinamide adenine dinucleotide Oxidase phosphate oxidase (NOX): ein redoxpotentialabhångiger Protonenbzw. Hydrogenkanal, der eine Rolle spielt bei der Bildung freier Radikale z. B. wåhrend inflammatorischer Prozesse Naevus Umschriebene Fehlbildung der Haut verschiedener Natur (Muttermal) Na/K/2Cl-Ko- NKCC2 (=BSCl, bumetanide-sensitransporter 2 tive cotransporter): elektroneutraler Transporter in der apikalen Membran der Zellen der aufsteigenden Henle-Schleife, der fçr etwa 80% der NaCl-Resorption in diesem Abschnitt des Nephrons verantwortlich ist NatriumSetzt in Læsung NO frei und gehært nitroprussid damit zur Gruppe der sog. NO-Donoren NBC Na+/HCO-Symporter gehæren zur Familie der ¹sodium bicarbonate cotransporterª (NBC) und sind ein Teil der Bikarbonat-TransporterSuperfamilie. Funktionell spielen sie eine Rolle bei der pH-Regulation NCAM Neural cell adhesion molecule: Adhåsionsmolekçle, die fçr die Zelladhåsion eine Rolle spielen. Bei der Tumorausbreitung durch Verlust der Zell-Zell-Interaktion erhæhte Metastasierungsrate N-Cadherin Zelladhåsions- und Signalmolekçl NCX1 Natrium/Kalzium-Austauscher, solute carrier family 8 (sodium/calcium exchanger) member 1 (SLC8A1). NCX1 sorgt fçr die Kalziumentfernung aus der (Herz-) Muskelzelle wåhrend der Relaxation und ist wichtig fçr die Digitaliswirkungen NET Noradrenalintransporter NeuroD Neurogenic differentiation Neuroendo- Von den ortsståndigen neuroendokriner Tumor krinen Zellen ausgehender Tumor mit unterschiedlichem Differenzierungs- und Wachstumsverhalten, je
a
Neuroendokrine Zellen
Nexin-1
NF-jB
Abkçrzungen und Erlåuterungen XXXIX
nach Charakteristika als gut differenzierte endokrine Tumore, gut differenzierte endokrine Karzinome oder schlecht differenzierte endokrine Karzinome bezeichnet Ûber den ganzen Kærper verstreute ortsståndige Zellen, die zum einen durch ihre elektrische Aktivierbarkeit Øhnlichkeit mit Nervenzellen haben, zum anderen wie andere endokrine Zellen Hormone produzieren, speichern und sezernieren kænnen. Im Gastrointestinaltrakt machen diese Zellen ca 2% aller Zellen aus Synonyme: Proteaseinhibitor 7 (PI7), Protease Nexin 1 (PN1), Serpin2. Die 44-kD-Protease Nexin-1 wird von Fibroblasten und Gliazellen freigesetzt und inhibiert trypsinartige Serinproteasen wie Thrombin, Urokinase, Plasmin und Trypsin selbst Nukleårer Faktor-jB: Transkriptionsfaktor, der eine Vielzahl von Genen reguliert, die bei Apoptose, Tumorgenese, Entzçndungsreaktionen, Autoimmunerkrankungen u. a. eine Rolle spielen. NF-jB-Untereinheiten liegen im Zytoplasma als Komplexe mit verschiedenen Inhibitoren von jB (IjB) vor und sind in dieser Form inaktiv. Bei der Aktivierung von NF-jB durch unterschiedliche Stimuli (Zytokine, Wachstumsfaktoren, UV-Strahlen, diverse Pharmaka, Stress u. a.) wird IjB phosphoryliert und degradiert. Die freigesetzten NF-jB-Untereinheiten wandern in den Nukleus und induzieren die Transkription entsprechender Zielgene. NF-jB1 (nuclear factor jB1) oder NF-jB2 sind an REL, RELA oder RELB gebunden und ergeben zusammen den NF-jB-Komplex. Dieser Komplex wird inhibiert durch I-jB-Proteine (inhibitory jB proteins). Inhibition der I-jB-Proteine durch Phosphorylierung aktiviert den NFjB-Komplex, der in den Zellkern transloziert und dort DNA bei jBBindemotiven bindet
NGF
Nerve growth factor: der polypeptidische Nervenwachstumsfaktor spielt bei der Regulation von Wachstums- und Differenzierungsprozessen von sympathischen und bestimmten sensorischen Neuronen eine Rolle. NGF besteht aus drei Subtypen, a, b, und c, die zusammen einen 7S-130 kD-Komplex formen Ngn Neurogenin: Basic-helix-loop-helixTranskriptionsfaktoren NG-108-15Neuronale Hybrid-Zelllinie aus Zellen Neuroblastom-X-Gliom Synonyme: euthyroid sick syndrome Nieder-T3Syndrom (ESS) oder non-thyroidal illness (NTI). Charakterisiert durch inadåquat niedrige Serum-T3-Werte, nicht erhæhtes TSH, normales bis niedriges T4 und erhæhtes rT3 7-Nitroindazol 7-NI-spezifischer Inhibitor der neuronalen NO-Synthase (nNOS). Die Spezifitåt von 7-NI fçr nNOS gegençber den anderen ? NO-Synthasen beruht auf der im Vergleich zu anderen Zellen bevorzugten Aufnahme von 7-NI durch neuronale Zellen Nk2 Nirenberg-kim-Gen Nr. 2: Gene der Fruchtfliege benannt nach den Erstbeschreibern NKX2.1 NK2-Gen des Menschen der Gruppe 1 Nkx-Proteine Nkx2.2 und Nkx6.1 gehæren zur Familie der NK/HomæodomånTranskriptionsfaktoren NLS Nuclear localization sequence: Aminosåureabschnitt auf Proteinen, der fçr den intrazellulåren Transport eines Proteins vom Zytosol in den Kern als Erkennungssequenz genutzt wird NMDAExzitatorischer AminosåurenrezepRezeptor tor fçr Glutamat nNOS ? NO-Synthasen NNR Nebennierenrinde: ein Organ mit einer sehr hohen Steroidbiosynthese NO Nitric oxide, Stickstoffmonoxid, synonym mit dem ¹endothelium-derived relaxing factorª (EDRF): freies radikales Gas, das von vielen Såugerzellen endogen hergestellt wird, synthetisiert aus Arginin durch die ? NO-Synthase. Es wird von vaskulårem Endothel freige-
XL
Abkçrzungen und Erlåuterungen
setzt und ist fçr die gefåûrelaxierende Wirkung verschiedener Vasodilatoren (Acetylcholin, Bradykinin) verantwortlich. NO vermittelt Antiaggregation und Antiadhåsion von Blutplåttchen und steigert durch Aktivierung der zytosolischen Guanylatcyclase den intrazellulåren cGMP-Gehalt Noradrenalin Neben ? Adrenalin gebildetes Hormon mit Neurotransmitterfunktion. Bildungsorte sind Nebennierenmark und das gesamte sympathische Nervensystem NOS Nitric oxide synthase NO-Synthasen Familie von Enzymen, die sauerstoffabhångig aus Arginin Stickstoffmonoxid (NO) synthetisieren. Dazu gehæren die neuronale (nNOS), die induzierbare (iNOS) und die endotheliale (eNOS) NOSynthase NotchDelta, Serrate und Jagged binden Liganden an Notch-Rezeptoren und fçhren zu einer proteolytischen Freisetzung der Transaktivierungsdomåne NotchFamilie von drei Rezeptoren (Notch Proteine 1, 2 und 4) mit einer extrazellulåren Liganden-Bindungsdomåne und einer intrazellulåren Transaktivierungsdomåne. Notch 3 agiert als intrazellulårer Regulator des NotchSignalweges NPDR Nichtproliferative diabetische Retinopathie NPP ? E-NPP Nrf2-Protein NF-E2 related factor 2: Transkriptionsfaktor NS-309 Spezifischer Inhibitor der Cyclooxygenase 2 (COX-2) NTI Non-thyroidal illness; Nieder-T3Syndrom Nudix Proteinfamilie mit dem MutT-Motiv. Die Nudix-Proteine umfassen eine Reihe von Nukleotid-Hydrolasen. Es wird vermutet, dass diese Hydrolasen toxische Nukleotid-Metabolite eliminieren Nukleosom Rosenkranzartige Struktur mit Eukaryotenchromatin. Es besteht aus einer kurzen Strecke DNA, die um eine Spule aus Histonproteinen gewickelt ist
Null-Mutante Gånzliches Fehlen der Expression von einem Gen. Kann durch Herstellung einer Knock-out-Maus oder durch eine natçrliche Mutation hervorgerufen werden OAT1C1 Organic anion transporter 1C1: TH-Transporter OCIF Osteoclastogenesis inhibitory factor: ? OPG Oct1 Octamer-binding transcription factor 1, auch POU domain class 2 transcription factor 1, POU2F1 ODF Osteoclast differentiation factor: ? RANKL OGG1 Glykosylase, die im Nukleus vor allem 8-OxoG-Låsionen repariert 21-OH 21-Hydroxylase 8-OHdG 8-Hydroxy-2'-deoxyguanosin 5-OHmdU 5-Hydroxymethyl-2'-deoxyuridin OMIM Online Mendelian Inheritance in Man: Datenbank çber Erbkrankheiten beim Menschen, www.ncbi.nlm.nih.gov/omim Onecut1 Transkriptionsfaktor der Familie der Cut-Homeodomain-Transkriptionsfaktoren, auch als HNF-6 bezeichnet OPG Osteoprotegerin: læslicher Rezeptor fçr ? RANKL, der die biologischen Effekte von RANKL antagonisiert OPGL Osteoprotegerin-Ligand: Synonym von ? RANKL Oxidativer Stærung des Gleichgewichts zwiStress schen der Erzeugung prooxidativer Signale und Antioxidanzien. Hyperglykåmie fçhrt zu einer vermehrten Freisetzung von oxidativen Radikalen wie z. B. Superoxid. Eine Hemmung der mitochondrialen Produktion von Superoxid wurde mit einer verminderten Aktivierung der ? PKC, vermindertem Auftreten von ? AGE sowie einem verminderten Flux in den Polyol- und Hexosamin-Signalweg assoziiert 8-OxoG 8-Hydroxyguanin p16, p21, p27 Tumorsuppressorgene, spielen eine Rolle bei der Regulation des Zellzyklus PACAP Pituitary adenylate-cyclase activating polypeptide: Ein 38 Aminosåuren langes Peptid, das im Hypothalamus, in der Adenohypophase, im Gastrointestinaltrakt und in ver-
a
PAF
PAI-1
PanIN Papillom Patched PAX Pax2/5/8 Pax2 Pax5 Pax8 Pax-Gene Pbx1
PCNA PCO PCOS
Abkçrzungen und Erlåuterungen
schiedenen anderen Organen exprimiert wird. Als auto- und parakriner Faktor stimuliert es in der Adenohypophyse vor allem die Hormonsekretion der gonadotropen Zellen. Platelet-activating factor: Phospholipid, das eine starke thrombozytenaggregationsfærdernde Wirkung besitzt und auûerdem zur Ausbildung einer systemischen anaphylaktischen Symptomatik beitrågt Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 oder auch Serpin 1: Mitglied aus der Proteinfamilie der Serpine. Es inhibiert sowohl den Gewebetyp als auch den Urokinasetyp des Plasminogen-Aktivators. Pharmakologisch wurde das Protein als Serinprotease-Inhibitor charakterisiert Pankreatische intraepitheliale Neoplasie Meist benigner, vom Oberflåchenepithel ausgehender Hauttumor mit groûem Bindegewebsanteil Rezeptor fçr Hedgehog-Proteine Paired-Box-Gen: Homæobox-Gen mit Homologie zu dem DrosophilaEntwicklungsfaktor Paired Vorlåufer der Paired-Domåne enthaltende Transkriptionsfaktoren Paired-Domåne enthaltende Transkriptionsfaktoren Nummer 2 der Maus Paired-Domåne enthaltende Transkriptionsfaktoren Nummer 5 der Maus Paired-Domåne enthaltende Transkriptionsfaktoren Nummer 8 des Menschen Proteine, die fçr paired-homeodomain-Transkriptionsfaktoren codieren Mitglied der TALE (three aminoacid loop extension)-Familie der die Homæodomåne codierenden Transkriptionsfaktoren Proliferating cell nuclear antigen Proteincarbonyl Polyzystisches Ovar-Syndrom: Vergesellschaftung einer ovariellen Dysfunktion mit dem klinischen Zeugnis eines Hyperandrogenismus
(Hirsutismus, Akne, månnlicher Haarwuchstyp) und/oder Hyperandrogenåmie. Kann durch 5a-Reduktase-Typ-2-Defizienz verursacht werden PC12W-Zellen Zelllinie aus dem Phåochromozytom einer Ratte, die nur den AT2Rezeptor und nicht den AT1-Rezeptor exprimiert. Sie eignet sich daher sehr gut, um AT1-unabhångige Effekte von Ang II zu untersuchen PC12-Zellen Phåochromozytomzellen, die ATPRezeptoren vom P2X-Typ exprimieren und deshalb als Biosensoren fçr die Detektion von ATP verwendet worden sind. ATP fçhrt in diesen Zellen nach Bindung an P2XRezeptoren (? P2X-Rezeptoren) zu einer Erhæhung der intrazellulåren Ca2+-Konzentration PDE III Phosphodiesterase III (? Phosphodiesterasen): eine durch ? cGMP gehemmte cAMP-spaltende Phosphodiesterase PEDF Pigment epithelium-derived factor PerichondKollagen-bindegewebige Knorpelrium haut, die den hyalinen und elastischen Knorpel bedeckt. Das Perichondrium fehlt am Gelenk- und Faserknorpel Periosteum In der embryonalen Knorpel/Knochenanlage der ossifizierte Teil des Perichondriums, der den hypertrophen Knorpel und den Knochen umschlieût PDGF Plateted derived growth factor: Dimeres Protein aus verwandten Peptidketten. PDGF wird in Megakaryozyten, Makrophagen, Endothelund Gliazellen gebildet. Es reagiert mit der Tyrosinkinase-Rezeptorfamilie. Es existieren 4 Subtypen des platelet derived growth factors: PDGF-A bis -D. Alle PDGF-Molekçle liegen als Homodimere vor; lediglich PDGF-A und -B sind auch in der Lage, Heterodimere zu bilden. Die vier PDGF-Grundformen sind durch ein konserviertes Motiv von 8 Cysteinresten charakterisiert. PDGF ist ein potenter, mitogener Faktor fçr mesenchymale Zellen, vermittelt aber auch Zelldifferenzierung und -migration
XLI
XLII
Abkçrzungen und Erlåuterungen
PDR
Proliferative diabetische Retinopathie Pdx1 Homæodomåne-kodierender Transkriptionsfaktor und zentraler Regulator der Pankreasentwicklung, auch bekannt als Idx1, Ipf1, Stf1 oder IUF1; Zielgen der MODY4Mutation PGC-1 PPAR-c-Koaktivator 1 PGE2 Prostaglandin E2 wird aus Prostaglandin H2 synthetisiert durch Katalyse der Prostaglandin-E2-Synthase p53-Gen Das am håufigsten in menschlichen Tumoren mutierte Tumorsuppressorgen. Es moduliert ? Apoptoseund Zellzyklusregulation PhosphodiPDE: Enzymfamilie, die zyklische esterasen Nukleotide wie ? cAMP oder ? cGMP zu AMP bzw. GMP spaltet Phospholipase Esterasen, die Lipide des GlycerinA1, A2, C3 typs in Position C1, C2 bzw. C3 spalten ? PLA Phospholipase Signaltransduktionsweg verschieC/IP3-Signal- denster Gq-Protein-gekoppelter Rekaskade zeptoren. Die Phospholipase C ist ein Schlçsselenzym des Phosphatid-Inosit-Stoffwechsels und wird durch Proteine der Gq-Familie aktiviert. Sie setzt aus membranståndigen Phospholipiden second messenger Inositoltrisphosphat (InsP3) und Diacylglycerol (DAG) frei. InsP3 bindet an InsP3-Rezeptoren am ER, worauf Kalzium aus dem ER in das Zytoplasma freigesetzt wird. DAG kann die Proteinkinase C und Ionenkanåle der TRP-Familie aktivieren PhytoæstroPflanzliche Substanzen, die eine gene æstrogenåhnliche Wirkung in Tieren und Menschen verursachen PI3-Kinase Phosphatidylinositol-3-Kinase PIT1 Pituitary specific transcription factor 1, auch POU domain class 1 transcription factor 1, POU1F1 PKA Proteinkinase A: gehært zur Familie der cAMP-abhångigen Proteinkinasen. Das inaktive Holoenzym der cAMP-abhångigen Proteinkinase besteht aus einem Dimer von zwei regulatorischen Untereinheiten und zwei monomeren katalytischen Untereinheiten. Durch die Bindung von
PKC
PLA
PLC
PLD
p38/MAPKinase
PNMT
jeweils zwei Molekçlen cAMP an die beiden regulatorischen Untereinheiten werden die katalytischen Untereinheiten aktiviert. Diese kænnen dann andere Proteine durch Phosphorylierung in ihren biologischen Eigenschaften veråndern Proteinkinase C (EC 2.7.1.): intrazellulåres Enzym, das in eine Vielzahl von Signaltransduktionskaskaden interkaliert ist und verschiedenste Zielproteine phosphoryliert, die in Prozesse der Zellproliferation und -differenzierung involviert sind. Ursprçnglich als kalziumaktivierte Proteinkinase bezeichnete Proteinkinase, die als intrazellulårer Signalbotenstoff wichtig ist und durch Phosphorylierung von Zielproteinen die biologische Aktivitåt entfaltet. Sie braucht neben Kalzium vor allen Dingen Diacylglycerol als Aktivator Phospholipase A: Phosphatidacylhydrolase, die die Hydrolyse einer der Acylgruppen von Phosphoglyceriden oder Glycerophosphatidasen katalysiert. Es existieren zwei Subtypen: Phospholipase A1 (PLA1, EC 3.1.1.32) hydrolysiert die Acylgruppen an Position 1, und Phospholipase A2 (PLA2, EC 3.1.1.4) hydrolysiert die Acylgruppe an Position 2 Phospholipase C: Enzyme der Phospholipase-C-Familie (EC 3.1.4.3) katalysieren die Hydrolyse von Phospholipiden zu Diacylglycerolen und Inositoltriphosphaten Phospholipase D (EC 3.1.4.4, Phosphatidylcholin Phosphatidhydrolase): hydrolysiert Phosphatidylcholin zu Phosphatidat, welches weiter zu Diacylglycerol dephosphoryliert wird 38 kD groûe, durch Stressfaktoren wie UV-Licht, Hypoxie, Chemotherapeutika o. å. aktivierbare Kinase (mitogenaktivierte Proteinkinase), die bei der Modulation der ? Apoptose und Zellzyklusregulation eine zentrale Bedeutung hat Phenylethanolamin-n-Methyltransferase
a POMC
Proopiomelanocortin, gemeinsames Prohormon von ACTH, a-MSH, b-Endorphin, Lipotropin u. a. POU Akronym aus Pit1, Oct1, Unc86, beschreibt die Sequenzhomologie in einer der Homæobox benachbarten Region einer Familie von (POU-) Homæoproteinen PP Pankreatisches Polypeptid: Leithormon der PP-Zellen PPAR Peroxisome proliferator-activated receptor P1-Rezeptoren P1-Rezeptoren sind aus 7 transmembranalen Domånen aufgebaut und binden Adenosin sowie zum Teil Diadenosin. Man unterscheidet eine Reihe von Subtypen (A1, A2A, A2B, A3) Pri RT Primitive Rathke-Tasche PRL Prolaktin Proæstrus-Tag Der Tag, an dem innerhalb des 4 Tage dauernden Sexualzyklus der Ratte das pråovulatorische Maximum der Gonadotropinausschçttung erfolgt PROP1 Prophet of pit 1, Transkriptionsfaktor ProteinPKA: Proteinkinase, die durch kinase A cAMP aktiviert wird ProteinPKC: ein intrazellulårer Glukosekinase C anstieg kann çber eine vermehrte Synthese von Diacylglycerol zu einer Aktivierung der PKC-b fçhren. Diese PKC-Aktivierung ist erneut mit einer komplexen intrazellulåren Antwort verbunden, wobei insbesondere eine vermehrte Generierung von oxidativen Substraten eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Als Endstrecke sind erneut verschiedene Zytokine wie ? TGF-b oder ? VEGF differentiell reguliert ? PKC Proteoglykane Makromolekçle an der Zelloberflåche oder innerhalb der extrazellulåren Matrix. Proteoglykane besitzen ein relativ kleines Proteingrundgerçst und einen græûeren Anteil an O- oder N-glykosidisch gebundenen Zuckerketten. Durch die Bereitstellung zahlreicher Bindungsstellen mit Komponenten der extrazellulåren Matrix gewåhrleisten die Proteoglykane Zugfestigkeit und Elastizitåt,
Abkçrzungen und Erlåuterungen
weshalb sie Hauptbestandteile von Knorpel sind. Proteoglykane sind çber Fibronektin mit Integrinen vernetzt. Neben ihrer Bedeutung fçr die mechanischen Eigenschaften kommt den Proteoglykanen auch Korezeptorfunktion zu. So bindet FGF zunåchst an das Proteoglykan Syndecan, von dem es dann an den FGF-Rezeptor weitergeleitet wird. In jçngerer Zeit wird vor allem die Beteiligung der Proteoglykane an der malignen Progression intensiv untersucht Proteomics Proteomik: umfasst die Erforschung des Proteoms, d. h. der Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem Lebewesen exprimierten Proteine sowie dessen dynamischer Entwicklung Zellulåres Prionprotein PrPC PseudoherMånnliche Neugeborene (genetisch maphroditis- XY) zeigen weiblichen Kærperbau; mus wird z. B. durch Defekte der 17b-HSD Typ 3 oder 5a-Reduktase Typ 2 verursacht. Im Laufe der Pubertåt oft Entwicklung in Richtung des månnlichen Phånotyps. Form der Intersexualitåt mit eindeutigem chromosomalem (XX oder XY) Geschlecht und dazu passenden Keimdrçsen. Der Pseudohermaphroditismus femininus zeigt einen intersexuell bis vollståndig månnlichen Phånotyp bei einem chromosomal und gonadal weiblichen Geschlecht. Bei einem Pseudohermaphroditismus masculinus findet man einen månnlich hypoplastisch, intersexuellen bis vollståndig weiblichen Phånotyp bei einem chromosomal und gonadal månnlichen Geschlecht PSH Protein-thiol, Proteine mit Sulfhydrylgruppen Psoriasis Genetisch bedingte entzçndliche (Autoimmun-)Erkrankung der Haut mit gesteigerter Proliferation und gestærter Differenzierung von Keratinozyten PTC Patched: Rezeptor fçr Proteine der Hedgehog-Familie Ptd-FGFR4 In Hypophysentumorzellen exprimierte trunkierte Form des FGF-
XLIII
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Abkçrzungen und Erlåuterungen
Ptf1a/p48
PTH
PTH1R
PTH2R
PTH3R PTHrP
PTP
Rezeptors 4. Ptd-FGFR4 wird in mehr als 50% aller Hypophysenadenome exprimiert und ist konstitutiv aktiv, so dass ptd-FGFR4 mæglicherweise ein hypophysenadenomspezifisches Onkogen ist Kodiert einen ¹Basic-helix-loophelix(bHLH)-Transkriptionsfaktorª, der in dem heterotrimeren Pankreas-Transkriptionsfaktor 1 (PTF1) die Sequenz fçr die spezifisch DNA bindende Untereinheit darstellt Parathormon: Peptidhormon, das den Kalzium- und Phosphathaushalt kontrolliert. Innerhalb des Knochenstoffwechsels wirkt PTH çber osteoblaståre Rezeptoren. Bei kontinuierlicher Gabe kommt es zur Færderung des Knochenverlusts, wåhrend die intermittierende Gabe zum Knochenaufbau fçhrt PTH-Rezeptor Typ 1: der zuerst entdeckte Rezeptor fçr PTH und PTHrP, der in der Regel durch Aktivierung der Adenylylcyclase und Phospholipase C die intrazellulåre Wirkung von PTH und/oder PTHrP vermittelt PTH-Rezeptor Typ 2: ein weiterer PTH/PTHrP-Rezeptor, der ursprçnglich als selektiver Rezeptor fçr die Wirkungen von PTH beschrieben wurde und der durch PTHrP nicht aktiviert werden kann. Inzwischen identifiziert als spezifischer Rezeptor fçr Tuberinfundibularpeptid aus 39 Aminosåuren (TIP39) PTH-Rezeptor Typ 3: ein beim Zebrafisch identifizierter PTH/PTHrPRezeptor mit Pråferenz fçr PTHrP Parathormone-related peptide: ein mit dem Parathormon verwandtes Peptid, welches von Tumorzellen sezerniert wird und eine schwere Hyperkalzåmie auslæsen kann Protein-Tyrosinphosphatasen (EC 3.1.3.48): bilden eine Enzymgruppe, die spezifisch Phosphotyrosylreste ausgewåhlter Proteine dephosphorylieren. Zusammen mit den Protein-Tyrosinkinasen regulieren sie die Tyrosinphosphorylierung und -dephosphorylierung bei
der zellulåren Signaltransduktion und spielen eine Rolle bei Zellwachstum und Karzinogenese PTX Paired-Like Homæodomån-Transkriptionsfaktor Purinerge Transmembranale Rezeptoren, die Rezeptoren von Nukleosiden oder Nukleotiden aktiviert werden, auch Purinozeptoren genannt. Man unterscheidet ? P1-Rezeptoren, die speziell Adenosin, aber auch Dinukleotide binden, und P2-Rezeptoren, die Mono- und zum Teil Dinukleotide erkennen. Mitglieder der P2-Rezeptorfamilie werden zudem in ? P2X- und ? P2Y-Rezeptoren unterteilt Putamen Græûtes und am weitesten lateral gelegenes Basalganglion. Das Putamen ist Teil des Neostriatums und formiert ± zusammen mit dem Globus pallidus ± einen Teil des Nucleus lentiformis P2XFamilie von ATP-aktivierten Rezeptoren Ca2+-Kanålen. P2X-Rezeptoren zåhlen zu den ? purinergen Rezeptoren. P2X-Rezeptoren sind ionotrope Rezeptoren (ligandenabhångige Ionenkanåle). Von den P2X-Rezeptoren sind eine Reihe von Subtypen bekannt (P2X1 bis P2X7), die sich zum Teil deutlich in ihrer Aminosåuresequenz und in ihrem pharmakologischen Verhalten unterscheiden P2YG-Protein-gekoppelte (metabotrope) Rezeptoren Rezeptoren. Von den P2Y-Rezeptoren sind eine Reihe von Subtypen bekannt, die sich åhnlich wie die P2X-Subtypen (P2Y1, P2Y2, P2Y4, P2Y6, P2Y11±P2Y14) in ihrer Struktur und in ihren Eigenschaften voneinander unterscheiden. Ihre intrazellulåren Effekte fçhren typischerweise çber eine Aktivierung des Phospholipase C/Phosphoinositol-Wegs zu einer Erhæhung der intrazellulåren Ca2+-Konzentration PyridoxalPyridoxalphosphat-6-azophenylphosphat-6- 2',4'-disulfonsåure azophenyl-2',4'disulfonsåure rAAV Rekombinantes adenoassoziiertes Virus
a RAF RANK
RANKL
Ras RAS Rb RBP-Jj Reaktive Sauerstoffspezies Releasing/ InhibitingFaktoren
Retinoide Rezeptor
RNA
RNS Rofecoxib
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Raf proto-oncogene serine/threonine protein kinase Receptor activator of NF-jB: der fçr die RANKL-Wirkung erforderliche Rezeptor findet sich vor allem auf Osteoklasten und dendritischen Zellen Receptor activator of NF-jB ligand: der Ligand fçr RANK und OPG kontrolliert verschiedene Funktionen von Osteoklasten und dendritischen Zellen Håufig mutiertes Onkogen in verschiedenen Tumoren, aktiviert Kinasesignalwege Renin-Angiotensin-System Retinoblastom-Tumorsuppressor Interaktionspartner von Notch in der Transaktivierung von Zielgenen Sammelbegriff fçr reaktive Sauerstoffverbindungen radikalischer und nichtradikalischer Natur Kurze Peptide (3±40 Aminosåuren, Ausnahme ist der Prolaktin-Inhibiting-Faktor Dopamin), die in hypothalamischen Neuronen produziert werden und in der Eminentia mediana in die portalen Gefåûe des Hypophysenstiels freigesetzt werden. Diese Peptide stimulieren bzw. hemmen die Freisetzung von Hormonen des Hypophysenvorderlappens Synthetische und natçrliche Derivate von Vitamin A Proteine, die als integrale Membranproteine, als zytoplasmatische Proteine oder als Kernproteine vorliegen und mit Signalmolekçlen in Wechselwirkung treten und dann eine nachgeschaltete Signalkette stimulieren oder inhibieren (Signaltransduktion) Ribonucleic acid (Ribonukleinsåure): ein Polynukleotid, meist als Einzelstrang vorliegend, das aus ribosehaltigen Nukleotiden besteht und als mRNA (Messenger-RNA), rRNA (ribosomale RNA) und als tRNA (Transfer-RNA) vorkommt Reactive nitrogen species, reaktive Stickstoffspezies Spezifischer Inhibitor der Cyclooxygenase 2 (Handelsname Vioxx)
ROP ROS
RPE RT-PCR
R3T3-Zellen Rubeosis iridis
Sauerstoffradikale
SCD-1 SDR
Seborrhoe
Second messenger
Sekretin
Retinopathy of prematury, Frçhgeborenenretinopathie Reactive oxygen species: Gruppe von Ionen oder Molekçlen, die durch die inkomplette Reduktion von einem Elektron des Sauerstoffs entstanden sind. Es kann sich dabei u. a. um ein einzelnes Sauerstoffatom, Superoxide, Peroxide, Hydroxylradikale und Hypochlorsåure handeln. Die mikrobizide Aktivitåt von Phagozyten wird angeregt, Signaltransduktion und Genexpression werden reguliert, und Nukleinsåuren, Proteine und Lipide werden oxidativ geschådigt Retinales Pigmentepithel Reverse Transkription, gefolgt von einer Polymerasekettenreaktion zur Quantifizierung von mRNA-Expressionen Fibroblastenzelllinie der Maus Gefåûneubildungen im Bereich der Augenvorderkammer. Dieses sehr schmerzhafte Sekundårglaukom kann letztlich håufig nur noch durch eine Entfernung (Enukleation) des betroffenen Auges beherrscht werden Sauerstoffverbindungen mit einem ungepaarten Elektron (z. B. Hydroxylradikal ·OH), die sich durch hohe Reaktivitåt und Oxidationskraft auszeichnen ? ROS Stearoyl-CoA-Desaturase 1 Short chain dehydrogenase/reductase: Bezeichnung einer Proteinfamilie: Enzyme aus dieser Familie metabolisieren u. a. Steroide, Retinole, Fettsåuren, Zucker oder Aminosåuren Neigung zu fettiger Gesichtshaut und fetten Haaren durch çbermåûige Talgproduktion ohne weitere klinische Symptome Nachgeschaltete intrazellulåre Botenstoffe (z. B. cAMP), die çber eine Kaskade von Aktivierungsschritten einen hormonspezifischen Effekt am Zielmolekçl auslæsen Gastrointestinales Polypeptid (27 Aminosåuren), das im Duodenum bei Såureçbertritt aus dem Magen
XLV
XLVI
Abkçrzungen und Erlåuterungen
freigesetzt wird und vorwiegend eine Erhæhung der Bicarbonatproduktion des Pankreas und eine Hemmung der gastrinstimulierten Magensekretion bewirkt SERCA2 Sarkoplasmatische Kalzium-ATPase Serin-/ Gruppe von Enzymen, die die ThreoninPhosphorylierung von Serin- und kinase Threoninresten in Proteinen katalysiert, mit ATP oder anderen Nukleotiden als Phosphatdonor Serin-/ Proteinphosphatase 2A (EC Threonin3.1.3.16) ist eine heterotrimere Sephosphatase rin-/Threoninphosphatase, die rePP2A gulatorische Kontrolle çber die DNA-Replikation ausçbt. Die PP2A hat ein sehr komplexes Set an regulatorischen Untereinheiten, die ihre Funktionen und Lokalisation regulieren. Die strukturelle Untereinheit A formiert ein katalytisches Zentrum mit der katalytischen Untereinheit C. Die Substratspezifitåt wird von der Untereinheit B gewåhrleistet SERM Selektive Rezeptormodulatoren Serotonin 5-Hydroxytryptamin: ein Indol-Derivat, ein biogenes Amin, das beim Menschen aus L-Tryptophan (in Zentralnervensystem, Lunge, Milz, EC-Zellen der Darmschleimhaut) biosynthetisiert wird; wird in Thrombozyten, Mastzellen gespeichert. Die Umsatzrate ist bei Tumoren enterochromaffiner Zellen (vor allem neuroendokrine Tumore des Dçnndarms) zu Ungunsten der Eiweiûsynthese erhæht. Ein Gewebshormon, wirksam als Neurotransmitter der Peristaltikanregung, der Vasodilatation bzw. -konstriktion (dosisabhångig) und der Muskeltonussteigerung im Atmungstrakt. Inaktivierung und Abbau erfolgen durch Monoaminooxidasen und Aldehydoxydasen (zu 5-Hydroxyindolessigsåure) Serpin Serinproteaseinhibitor ? PAI 1 SERT Serotonintransporter sgk serum and glucocorticoid inducible kinase SF Steroidogenic factor SH-Domånen Modulhafte Taschen in zahlreichen intrazellulåren Signalmolekçlen, die an phosphorylierte Tyrosinreste
(SH2) oder an prolinreiche Regionen binden (SH3). Ihre Spezifitåt wird durch die flankierende Sequenz der Aminosåuren der Tyrosinreste bzw. der prolinreichen Region definiert. SH-Domånen fungieren als universelle Adapter in unterschiedlichen Signalsystemen Shh Sonic Hedgehog: Signalmolekçl der Hedgehog-Familie. Gen des SonicHedgehog-Wachstumsfaktors der Maus SignalEin nach der Reaktion von Hormotransduktion nen bzw. Zytokinen mit einem Rezeptor gebildeter Hormon-Rezeptor-Komplex læst die Bildung eines intrazellulåren Signalmolekçls aus. Dieser Mechanismus wird als Signaltransduktion bezeichnet, im Fall eines mehrstufigen Prozesses als Signalkaskade Single-cellEinzelzell-reverse TranskriptaseRT-PCR Polymerase-Kettenreaktion: Technik, mit der die RNA einer einzigen Zelle in cDNA çberfçhrt und vervielfåltigt wird SIX Sine-occulis-Homæobox Sklerodermie Heterogene Gruppe chronischentzçndlicher Autoimmunerkrankungen des kollagenen Bindegewebes, die mit dem klinischen Merkmal der Hautsklerose einhergehen und mit oder ohne Beteiligung innerer Organe ablaufen kænnen Smad/Smad- Smad-Proteine sind intrazellulåre Proteine Signalfaktoren, die die Effekte von Mitgliedern der TGF-b-Proteinfamilie induzieren. Man unterscheidet Liganden/Rezeptor-spezifische R-Smad-Proteine (z. B. Smad1, Smad2) und unspezifische KoSmad-Proteine (z. B. Smad4). Nach Bindung der Liganden an entsprechende Rezeptoren werden R-Smad-Proteine phosphoryliert und bilden Komplexe mit KoSmad-Proteinen. Die Proteinkomplexe wandern in den Zellkern, wo sie nach Interaktion mit Transkriptionsfaktoren und DNA-Bindungsproteinen die Transkription verschiedenster Zielgene induzieren. Smad-Proteine sind Substrate der Typ-I-Rezeptor-Ser/Thr-Kinasen
a Smo
Smoothened: G-Protein-gekoppelter 7-Transmembrandomånen-Rezeptor, der Signale des Hedgehog-Signalwegs vermittelt SNP Single nucleotide polymorphism: Variation (Mutation) in einem einzigen Nukleotid der genetischen Sequenz SOCS Suppressor of cytokine signaling: Mitglieder der SOCS-Proteinfamilie, supprimieren die Wirkung von Zytokinen, indem sie auf unterschiedliche Weise die JAK-STAT-Signalkaskade blockieren SOD Superoxiddismutase Somatomedin- Nach der ursprçnglichen Somatohypothese medinhypothese aus dem Jahre 1957 wird der Effekt von Wachstumshormon (GH) nicht direkt ausgeçbt, sondern durch eine zunåchst unbekannte Substanz aus der Leber vermittelt. Diese Substanz wurde als Somatomedin bezeichnet und wegen seiner hohen Sequenz und Strukturhomologie zum Insulin spåter Insulin-åhnlicher Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) genannt. Die Somatomedinhypothese wurde mittlerweile mehrfach modifiziert, nachdem einerseits gezeigt werden konnte, dass GH eigene IGF-unabhångige Effekte auf das Wachstum ausçbt und andererseits IGF-1 auch von nichthepatischen Zellen synthetisiert wird Somatostatin Growth hormone release inhibiting hormone: Somatostatin hemmt die Sekretion von Wachstumshormonen, Insulin und Glukagon. Es ist ein Tetrapeptid, das çber G2-Protein, cAMP und çber eine Senkung des zytosolischen Ca2+ wirkt Somatostatin- Hemmen wie das physiologisch analoga vorkommende Somatostatin die Freisetzung von Wachstumshormon und senken die zirkulierenden IGF1-Spiegel, weshalb sie experimentell als Therapie bei proliferativer diabetischer Retinopathie eingesetzt werden. Die Halbwertszeit ist långer als die von Somatostatin, weshalb ein therapeutischer Einsatz mæglich ist. Wåhrend das natçrlich vorkommende Somatostatin alle
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Somatostatinrezeptoren gleichermaûen aktivieren kann, binden die synthetischen Analoga mit unterschiedlicher Aktivitåt an die derzeit bekannten 5 Rezeptoren Somatostatin- Rezeptorfamilie von G-Protein-gerezeptoren koppelten Rezeptoren, z. Z. sind fçnf verschiedene Subtypen charakterisiert (SSTR1±5) Somatotrope Zellen im HypophysenvorderlapZellen pen, die Wachstumshormon (GH) sezernieren Somatotrophe ? Somatotrope Zellen SOX SRY related Homeobox Spin Eigendrehimpuls von Elementarteilchen und Atomkernen, der je nach Ladungsverteilung mit einem mehr oder weniger starken magnetischen Moment verknçpft ist Spinaliom Plattenepithelkarzinom Splicing Spalten von Transkripten eines Gens mit Entstehen unterschiedlicher mRNA src Onkogen SRY Sex reversal gene on the Y-chromosome SSTR Somatostatinrezeptor SSV Small synaptic vesicles: Speicherungsvesikel in neuroendokrinen Zellen ST Sulfotransferase StAR Steroidogenic acute regulatory protein: StAR ist ein intrazellulåres Transportprotein fçr Cholesterol. Es transportiert Cholesterol zur inneren Mitochondrienmembran, wo es mittels Zytochrom P450 zu Pregnenolon umgesetzt wird STAT Signal transducers and activators of transcription: werden durch die Janus-Kinase aktiviert. Nach Stimulation mit Zytokinen und Wachstumsfaktoren werden die Mitglieder der STAT-Familie von rezeptorassoziierten Kinasen phosphoryliert, formieren Homo- oder Heterodimere, translozieren in den Zellnukleus und aktivieren die Transkription. Die STAT kænnen von verschiedenen Faktoren aktiviert werden: Interferon-a und -c, EGF, PDGF und Interleukin-6. Nach ihrer Aktivierung oligomerisieren STAT und translozieren in
XLVII
XLVIII Abkçrzungen und Erlåuterungen
Stiff-manSyndrom
Stop-flowDruck
STS Substantia nigra
Substanz P
Subtilisin Suramin Survivin
den Zellkern, wo sie an die Promotor-Region spezifischer Zielgene binden und deren Transkription aktivieren Es handelt sich hierbei um eine neurologische Erkrankung, verursacht durch eine Autoimmunreaktion gegen hemmende Neurone des zentralen Nervensystems. Bei den Patienten werden Antikærper gegen kærpereigene Proteine, wie 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase Typ 4 oder Glutamatdecarboxylase, beobachtet Tubulusdruck bei unterbrochenem tubulåren Harnfluss; glomerulusnah ist er proportional zum glomerulåren Kapillardruck; seine Ønderungen sind ein indirektes Maû fçr den Widerstand der afferenten Arteriole, wird daher oft zur Charakterisierung des tubuloglomerulåren Feedbacks benutzt Sulfatase Eine Schicht stark pigmentierter grauer Substanz im Mittelhirn, die in Assoziation zum Corpus striatum steht. Die Substantia nigra ist in metabolische Stærungen involviert und wird mit Morbus Parkinson und Morbus Huntington assoziiert Kininartiges Peptid vor allem in Dçnndarmmuskulatur und Gehirn; darmanregend, blutdrucksenkend, speichelfærdernd; als Transmitter sensorischer Neurone wirksam. Ein Neurotransmitter, der aus 11 Aminosåuren besteht und sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem existiert. Substanz P ist in die Schmerzleitung involviert, verursacht schnelle Kontraktionen der glatten Muskulatur des Gastrointestinaltrakts und moduliert inflammatorische und Immunantworten Unspezifische Protease aus Bacillus subtilis Inhibitor der P2X-Rezeptoren 16,4-kD-Protein: Mitglied der Inhibitor-of-apoptosis-Familie; verschiedene Splicevarianten mit unterschiedlicher Funktion, hochregu-
3,5-T2 T3 T4 TACE TALE
Tanyzyten
T1DM Tenascin
TGF
TGF-a
TGF-b
liert in verschiedenen epithelialen Tumoren 5'-Deiodierungsprodukt von T3, gebildet durch Dio1 3,3',5-Triiod-L-Thyronin, biologisch aktives Schilddrçsenhormon, Bildung durch Dio1 und Dio2 3,3',5,5'-Tetraiod-L-Thyronin, Prohormon der Schilddrçse, Vorstufe von T3 TNF-a-converting enzyme-like protease: Metalloprotease, die den zellståndigen RANKL abspalten kann Three aminoacid loop extension: Proteindomåne von Transkriptionsfaktoren, Pbx1 ist ein typischer Vertreter Spezielle ependymale Zellen, die den 3. und 4. Ventrikel des Gehirns auskleiden und mit ihren langen Fortsåtzen Verbindungen zum benachbarten Hypothalamus und zur Eminentia mediana herstellen Typ-1-Diabetes mellitus Hexameres extrazellulåres Matrixglykoprotein, das in vielen sich entwickelnden Organen transient exprimiert wird und sich håufig in Tumoren findet. Beim Erwachsenen ist es im zentralen und peripheren Nervensystem, in glatter Muskulatur und in Sehnengewebe vorhanden Transforming growth factor: Wachstumsfaktor mit mitogener Eigenschaft, es existieren verschiedene Formen (u. a. TGF-a, TGF-b) Transforming growth factor a: monomeres Protein (MG 6000), in Hepatozyten, Thrombozyten und Makrophagen gebildet, reagiert mit der Tyrosinkinase-Rezeptorfamilie, mitogen fçr viele Zellarten. Ein 50 Aminosåuren langes Protein, das u. a. in Astrozyten gebildet wird. Dort induziert es als autokriner Faktor die Sekretion von Prostaglandin E2, welches wiederum parakrin die Aktivitåt des GnRHPulsgenerators moduliert Transforming growth factor b: homodimeres Protein (MG ~ 28000± 30000), existiert in vielen Isoformen, wird in Megakaryozyten, Ma-
a krophagen, Lymphozyten und Chondrozyten gebildet und besitzt eine eigene Rezeptorfamilie; wirkt auf viele Zellen wachstumsinhibierend und entfaltet eine chemotaktische Wirkung. Wachstumsfaktor der TGF-b-Familie. Als strukturelles Merkmal besitzt TGF-b Untereinheiten mit mindestens 6 konservierten Cysteinresten, die einen intramolekularen Cysteinknoten bilden. Die Mitglieder der TGF-b-Familie realisieren ihre Signaltransduktion çber Membranrezeptoren der Familie der transmembranåren Serin/Threonin-Kinasen. TGF-b ist ein ubiquitår exprimierter Faktor. Bei der Induktion der PhånotypTransformation funktioniert er synergistisch mit TGF-a und hat eine Rolle als negativer autokriner Wachstumsfaktor. TGF-b hat eine potentielle Funktion bei der Embryonalentwicklung, Zelldifferenzierung, ECM-Synthese, Hormonsekretion und Immunfunktion. Ein Protein, das in einer Vielzahl von Zellen, u. a. Astrozyten, gebildet wird und aus zwei identischen Proteinketten (Homodimer) besteht, die jeweils aus 112 Aminosåuren aufgebaut sind. TGF-b ist ein parakriner Faktor innerhalb des GnRHPulsgenerators TGF-b-Familie Proteine der Transforming-growthfactor-b-Familie, die als læsliche Wachstums- und/oder Differenzierungsfaktoren von mesenchymalen und epithelialen Zellen gebildet werden TGR Ratten mit einem zusåtzlichen mu(m-REN2)rinen Renin-Gen. Die Tiere haben 27-hyperten- eine Hypertonie mit hohem Renin siv-transgene und niedrigem NO-Gehalt Ratten TH Thyroid hormones, Schilddrçsenhormone Theophyllin Unspezifischer Adenosinrezeptorantagonist ThromboDieses Protein ist eine Untereinheit spondin-1 eines homotrimeren Proteins, das (THBS1) mit Disulfidbrçcken verbunden ist. Es ist ein Adhåsionsglykoprotein, das Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktionen vermittelt. THBS1 kann
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Fibrinogen, Fibronektin, Laminin, Typ-V-Kollagen und die Integrine a-V und b-1 binden und hat funktionelle Relevanz bei der Plåttchenaggregation, Angiogenese und Tumorgenese Thromboxan Vasokonstriktorisches, prothrombotisches Prostanoid Thyreotrope Zellen im HypophysenvorderlapZellen pen, die Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH) sezernieren Thyreotrophe ? Thyreotrope Zellen TIMP Tissue inhibitor of metalloprotease TIP39 Tuberinfundibularpeptid bestehend aus 39 Aminosåuren. Ein PTHstrukturverwandtes Peptidhormon des zentralen Nervensystems, das vermutlich aber eine weiter gehende Verbreitung hat Titf1 Thyroid transcription factor 1 der Maus ? Ttf 1 TMD Transmembranåre Domåne: håufiges Strukturelement von Plasmamembranrezeptoren, das aus çberwiegend hydrophoben Aminosåuren besteht. Diese Polypeptidketten formen meist a-Helices, kænnen aber auch eine b-Faltblattstruktur annehmen TNF Tumor necrosis factor: Familie von Zytokinen, die neben TNF-a, TNF-b, RANKL und TRAIL auch TWEAK, LIGHT, APRIL, TALL-1 und CD40-Ligand umfasst und wichtige Funktionen im Bereich von Differenzierung, Proliferation und Apoptose von Zellen reguliert. Ein zu den Zytokinen gehærender, von Zellen des Makrophagen/ Monozyten-Systems (TNF-a) bzw. aktivierten T-Zellen (TNF-b) gebildeter Faktor. TNF-a ist ein zentraler Mediator der systemischen Entzçndungs- und Immunreaktion mit Wirkung auf eine Vielzahl von Target-Zellen (Granulozyten, Endothelzellen, Hepatozyten, Hypothalamus, Fett- und Muskelzellen, Monozyten/Makrophagen). TNF-b wirkt çberwiegend als lokaler Entzçndungsmediator (Leukozytenadhåsion und -migration, funktionelle Aktivierung neutrophiler Granulozyten)
XLIX
L
Abkçrzungen und Erlåuterungen
TNF-a
TNF-b
TNFR Toll-likeRezeptoren
Tumor-Nekrose-Faktor a: monomeres Protein (MG ~ 17000), in Makrophagen, T-Zellen, Fibroblasten und glatten Muskelzellen gebildet, reagiert mit der Growth-hormone-, Prolaktin- und ZytokinRezeptorfamilie, bewirkt eine Zytolyse von Tumorzellen in vitro, besitzt eine chemotaktische Wirkung, ist mitogen fçr Fibroblasten und bewirkt Wachstum bei Endothelzellen. TNF-a ist ein proinflammatorisches Zytokin, das von Monozyten und aktivierten Makrophagen produziert wird. In vivo fçhrt es zu einer verstårkten Expression zahlreicher Entzçndungsmediatoren und zur Angiogenese. In vitro wirkt es in verschiedenen Tumorzelllinien stark zytotoxisch. Es hat 30% Homologie zu TNF-b Tumor-Nekrose-Faktor b: monomeres Glykoprotein (MG ~ 117000), in T-Lymphozyten und Leukozyten gebildet, gleiche Wirkung wie TNF-a, reagiert mit derselben Rezeptorfamilie Tumor necrosis factor receptor: fçr die TNF-Familie spezifische, meist zellståndige Rezeptoren In Såugetierzellen exprimierte Gruppe von derzeit insgesamt 10 verschiedenen Rezeptoren (Tlr1 bis Tlr10), die zur IL-1-Rezeptorfamilie gehæren und die Øhnlichkeiten mit dem Toll-Rezeptor von Drosophila haben. Tlr auf Immunzellen spielen eine Schlçsselrolle bei der angeborenen Immunantwort. Sie binden zum Teil spezifisch pathogen wirksame Komponenten (Zellwandbestandteile, DNA u. å.) von Bakterien, Viren, Pilzen, Protozoen und induzieren dann die Immunantwort. In Epithelzellen exprimierte Tlr sind beim Eindringen pathogener Keime an der Induktion von Entzçndungsreaktionen beteiligt. Da Tlr auch mit Stressproteinen (hsp70, hsp90 u. a.) und tumorassoziierten Bestandteilen der extrazellulåren Matrix interagieren, wird vermutet, dass Tlr Immunzellen zur Bekåmpfung von Tumorzellen aktivieren
Tonin
TPA
Tpit TR TRAF
TRAIL
TRANCE Transgene Transkriptionsfaktor
TRAP TRH Tropine
TSH
TSHR
Tonin (EC 3.4.21.35 Homolog): Enzym (Serinprotease), welches eine ? ACE-unabhångige Spaltung von Angiotensin I zu Angiotensin II katalysieren kann Tissue plasminogen activator (EC 3.4.21.68): Serinprotease, die das Proenzym Plasminogen in das fibrinolytische Plasmin umwandelt. TPA wird therapeutisch zur Lyse thrombotischer Gefåûverschlçsse bei Herzinfarkt und Apoplex genutzt T-box factor pituitary T3-Rezeptor Tumor necrosis factor receptorassociated factor: Nach ? RANKAktivierung sind insgesamt 6 verschiedene TRAF fçr die Aktivierung intrazellulårer Signalwege verantwortlich TNR-related apoptosis-inducing ligand: Mitglied der TNF-Familie, der den programmierten Zelltod in bestimmten Geweben færdert. Wird ebenso wie ? RANKL auch von ? OPG gebunden TNF-related activation-induced cytokline: Synonym von RANKL Gentechnisch verånderte Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen, die speziesfremde Gene tragen Faktoren, die an Promotoren von Genen binden und dort die Transkription der entsprechenden Gene und damit die mRNA-Synthese induzieren bzw. supprimieren Tartrate-resistant acidic phosphatase, Tartrat-resistente saure Phosphatase Thyreotropin-Releasing-Hormon, Thyroliberin Hormone der Adenohypophyse (ACTH, FSH, LH, GH, PRL oder TSH), die in ihren Zielorganen die Hormonproduktion regulieren Thyreoidea stimulierendes Hormon: in den basophilen Zellen des Hypophysenvorderlappens gebildetes Glykoproteinhormon, das die T3/T4Freisetzung und andere Funktionen der Schilddrçse reguliert Rezeptor des Schilddrçsen stimulierenden Hormons
a Ttf1
Thyroid transcription factor 1 der Maus (synonym fçr Nkx2.1) TTF2 Thyroid transcription factor 2 des Menschen Tubuloglome- TGF: Regelkreis, der auf einer Konrulårer trolle des Tonus der afferenten ArFeedback teriole und damit der glomerulåren Filtration eines einzelnen Nephrons in Abhångigkeit von der tubulåren Salzbeladung an der Macula densa des betrffenden Nephrons beruht Tumor-Neo- Gefåûneubildung in Tumoren. Nur vaskularibis zu einer Græûe von max. 1 mm sation Durchmesser ist die Versorgung von Zellen in einem Tumor mittels Diffusion mæglich, ab dann werden vorwiegend unter dem Einfluss einer intratumoralen Hypoxie Prozesse in Gang gesetzt, die zur Entwicklung eines Tumorgefåûsystems mittels Angiogenese fçhren. Im Gegensatz zur Gefåûentwicklung wåhrend der Embryogenese und bei der Græûenzunahme von Organen ist die Tumorneovaskularisation nur måûig gut kontrolliert, so dass das Tumorgefåûsystem zum Teil als chaotisch erscheint (ungleich dicke Gefåûe und Gefåûwånde, blind endende Gefåûe u. å.) TumorSubstanz (z. B. Transkriptionsfaktor, suppressor Zellzyklusregulator), die die Bildung und Progression von Tumoren unterdrçckt Tyr Tyrosin, aromatische Aminosåure, die eine Vorstufe des Melanins, Adrenalins und des Thyroxins ist TyrosinEnzyme, die die Phosphorylierung kinasen von Proteinen spezifisch an Tyrosinresten katalysieren. Tyrosinkinasen sind mit Wachstumsfaktorrezeptoren assoziiert und an deren ? Signaltransduktion beteiligt TyrosinMembranståndige Rezeptoren fçr kinaseWachstumsfaktoren (? EGF, Rezeptor ? VEGF, ? FGF usw.) mit intrazellulårer Kinasedomåne, die nach Bindung des Liganden Tyrosinreste phosphoryliert, die ihrerseits Substrate fçr weitere intrazellulåre Kinasen von Signaltransduktionskaskaden darstellen Tyrosin? PTP phosphatase
Abkçrzungen und Erlåuterungen
Ubiquitin
Zellulåres Polypeptid, dessen Aminosåurensequenz im Laufe der Evolution hoch konserviert blieb. Ubiquitinmarkierte Proteine werden dem gezielten Proteinabbau durch das Proteasom zugefçhrt UCP Uncoupling protein UGT Uridindiphosphat-5'-Glukuronosyltransferase UKPDS United Kingdom Prospective Diabetes Study: Wegweisende Studie, die belegt hat, dass eine Verbesserung der Blutzucker- und Blutdruckeinstellung das Auftreten von mikrovaskulåren Komplikationen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes effektiv verhindern kann Unc86 Transkriptionsfaktor aus Caenorhabditis elegans VCAM-1 Gefåûendothelzell-Adhåsionsmolekçl 1 (vascular cell adhesion molecule 1): Sialoglykoprotein der Immunglobulinfamilie, wird vor allem von zytokinaktiviertem Endothel, aber auch von vielen weiteren Zelltypen wie z. B. Fibroblasten, Makrophagen und glatten Muskelzellen exprimiert. VCAM-1 ist maûgeblich verantwortlich fçr die Leukozyten-Extravasation und spielt eine Rolle bei der Pathogenese z. B. der Atherosklerose und rheumatoiden Arthritis VEGF Vascular endothelial growth factor: vermutlich der potenteste angiogenetisch wirksame Faktor. Bewirkt u. a. die Gefåûneubildung und wird daher von vielen Tumoren sezerniert VEGFR Vascular endothelial growth factor receptor Ventrale und Ventrale bzw. dorsale Anteile des dorsale Pank- Vordarms, die sich çber zwei Ausreasanlage sackungen des Vordarms differenzieren und im Rahmen der embryonalen Darmrotation zum Pankreas fusionieren VernerSynonym: WDHA-Syndrom (wåssMorrisonrige Diarrhoe profus, zu ElektrolytSyndrom verlusten und Exsikkose fçhrend, ¹pankreatische Choleraª). Hypokaliåmie, Hyperglykåmie und Achlorhydrie. Hervorgerufen durch einen Pankreastumor (? VIPom), der zu einer vermehrten Produktion von
LI
LII
Abkçrzungen und Erlåuterungen
VIP (vasoactive intestinal polypeptide) fçhrt; ferner leichte Hypophosphatåmie, evtl. erniedrigte Steroidausscheidung und Flush. Therapie: operative Tumorentfernung, symptomatisch mit dem Somatostatinanalogon Octreotid, welches die vermehrte VIP-Sekretion des Tumors hemmt; bei rascher Tumorprogredienz palliative Chemotherapie VIP Vasoactive intestinal peptide (28 Aminosåuren) wird im Dçnndarm gebildet und ist zusammen mit ? PACAP einer der wichtigsten Neurotransmitter des Gastrointestinaltraktes VIPom Vasoactive intestinal peptide produzierender, sehr seltener, meist maligner Pankreastumor (meist Nichtb-Inselzell-Tumoren und/oder Ganglioneurone, -blastome, selten bei diffuser Inselzellhyperplasie). Symptom: ? Verner-Morrison-Syndrom VMAT1 und 2 Vesikulåre Monoamintransporter 1 und 2: Aufnahmetransportersysteme fçr Serotonin, Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin aus dem Zytoplasma der neuroendokrinen Zelle in die Vesikel Wachstums- Ursprçnglich Sammelbegriff fçr faktor von unterschiedlichen Kærperzellen gebildete Polypeptid-Wachstumsfaktoren, die çber membranståndige Rezeptoren das Wachstum von Zellen beeinflussen. Heutzutage werden mit dem Begriff oft alle Arten von kærpereigenen Substanzen (Peptid- und Steroidhormone, kurzkettige Peptide, Zytokine u. v. a. m.) bezeichnet, die das Zellwachstum beeinflussen Western blot Biochemische Methode, mit der die Konzentration von Proteinen mit Hilfe von Antikærpern gemessen werden kann. Das Verfahren beinhaltet zunåchst eine Auftrennung der Proteine eines Gewebe-/Zellextraktes mittels Gelelektrophorese, einem Transfer der Proteine auf eine Kunststoffmembran, gefolgt von einer Darstellung der Proteine durch eine Antikærperreaktion WNT Wingless type MMTV integration family
Wnt/b-Catenin Signaltransduktionsweg, der in verschiedenen Tumoren (z. B. Kolonkarzinom) mutiert, in der Regel aktiviert ist und das Zellwachstum steigert Xanthine ? Methylxanthine XDH Xanthindehydrogenase Xenobiotika Kærperfremde Substanzen, die den Kærper zum Teil zu Abwehrreaktionen veranlassen XIAP X-linked inhibitor of apoptosis protein XO Xanthinoxidase XOR Xanthin-Oxidoreduktase Zellzyklus Lebenszyklus einer Zelle: unterteilt in Stadien G1, S, G2 und M-Phase. Zellen mit nicht mehr vorhandener Teilungsfåhigkeit (z. B. Nervenzellen) befinden sich stets in der G1Phase (dann mit G0 bezeichnet). Zytostatika und ionisierende Strahlen greifen je nach Wirkmechanismus in bestimmte Phasen ein, worauf die Zelle håufig mit einer Arretierung des Zellzyklus reagiert ZNS Zentralnervensystem ZollingerFolge einer çberschieûenden GastEllisonrinproduktion durch ein ? GastSyndrom rinom. In schneller Folge auftretende, zum Teil atypisch gelegene peptische Geschwçre (Ulkus, auûer an Magen und Duodenum auch an Speiseræhre, Jejunum) infolge massiver Hyperaziditåt des Magensaftes; ferner evtl. Durchfålle mit Fettstçhlen (Steatorrhoe), Mineral- und Flçssigkeitsverlusten (Exsikkose) Zytochrom c Porphyrinproteid, das Elektronen in der Atmungskette von den Flavoproteiden auf das Zytochrom a transportiert ZytochromMonooxygenase, die Zytochrom P450-Enzym P450 fçr die enzymatische Katalyse benætigt Zytokin Ursprçnglich Bezeichnung fçr Proteine (Monokine, Lymphokine, Interleukine, Wachstumsfaktoren u. a.), die von Zellen des Immunsystems produziert werden und das Wachstum von Immunzellen und anderen Zelltypen regulieren. Die meisten dieser Faktoren werden jedoch auch von Zellen auûerhalb des Immunsystems produziert
1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe * Josef Kæhrle Discovery is to see what everybody else has seen, and to think what nobody else has thought. (Albert Szent-Gyærgyi, Nobelpreistråger) Inhaltsverzeichnis 1.1.1
Die klassische Hormondefinition und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
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11
Komponenten und Beispiele hypophysårer lokaler Hormonregulation . .
12
1.1.2 Besondere Formen hormoneller Sekretion 1.1.2.1 Neuroendokrine Sekretion . . . . . . . . . . 1.1.2.2 Parakrine Sekretion und Wirkung von Hormonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2.3 Autokrine Sekretion und Wirkung von Hormonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2.4 Juxtakrine Sekretion und Wirkung von Hormonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2.5 Intrakrine Sekretion und Wirkung von Hormonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2.6 Experimentelle Ansåtze zum Nachweis para-/autokriner Regulation . . . . . . . . . 1.1.3
1.1.3.1 Zentrale Rolle der Follikulostellarzellen fçr die hypophysåre para-/autokrine Regulation . 1.1.3.2 Regulation der FSH-Sekretion als exemplarisches Beispiel kombinierter endokriner, parakriner und autokriner Regulation in der Adenohypophyse . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.3 Para-, auto- und intrakrine Regulation der Hypophysen-Schilddrçsenhormon-Achse . . . Para- und autokrine Regulation endokriner Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4.1 Para-/autokrine Regulation der Schilddrçse . 1.1.4.2 Auto-/parakrine Regulation im Gastrointestinaltrakt . . . . . . . . . . . . .
12
13 14
1.1.4
1.1.5
1.1.6
1.1.1 Die klassische Hormondefinition und ihre Grenzen Hundert Jahre nach Prågung des Begriffes Hormon (oqlom, griechisch, steht fçr: antreibend, anregend, in Bewegung setzend) durch E. H. Starling 1905 (Starling 1905) und nach der Beschreibung der ersten Hormone, z. B. Sekretin (ebenfalls durch Starling und Bayliss 1902; siehe Ûbersicht in Henderson 2005), spåter Insulin, Thyroxin, Steroide u. a. in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, hat sich eine grundlegende Ønderung des Konzeptes und des Verståndnisses hormoneller Regulation und Steuerung entwickelt. Endokrinologie im Jah-
* Die Anfertigung dieses Kapitels und die Mitherausgabe dieses Bandes wurde ermæglicht durch die groûzçgige Drittmittelunterstçtzung des Instituts und der Arbeitsgruppe des Autors im Rahmen des Projektces EnForC, das durch die Technologiestiftung Berlin und den Zukunftsfonds Berlin gefærdert wird sowie durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, Bonn.
17 17 18
Funktionelle Expression para-, autound intrakriner Regulationssysteme in verschiedenen Geweben und Organen . . .
19
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
re 2005 ist nicht mehr die klassische ¹Drçsenwissenschaftª des letzten Jahrtausends, sondern hat sich zu der biologischen Kommunikations- und Informationswissenschaft par excellence gewandelt. Der modernen Definition entsprechend sind Hormone hochwirksame biologische Signalsubstanzen, die ihren Informationsgehalt çber Rezeptormolekçle oder andere biochemische Zielstrukturen durch molekulare Wechselwirkungen an nachgeschaltete responsive Systeme çbertragen und dadurch eine spezifische biologische Antwort auslæsen (Tabelle 1.1.1). Mit diesem Verståndnis erfçllen Hormone als Signalsubstanzen nicht mehr alle Definitionen des klassischen Hormonbegriffes und sind somit auch nicht mehr klar von den drei anderen klassischen Informationsçbertragungssystemen abzugrenzen, was beteiligte Molekçle und Strukturen, Ûbertragungswege und -mechanismen, Aktivierung und Inaktivierung von Stoffwechselwegen, Regulations- und Steuermechanismen anbelangt. Somit gibt es heute eine Vielzahl von Ûberschneidungen çber die Neuroendokrinologie mit der neuronalen Informationsçbertragung, çber Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
4
J. Kæhrle Tabelle 1.1.1. Hormoneller Informationstransfer. Gegençberstellung der klassischen und der modernen Endokrinologie als Wissenschaft der biologischen Informationsçbertragung oder biologischer Kommunikationswissenschaft Klassische Endokrinologie
Moderne Endokrinologie
Glandulåre Hormonsynthese Glandulåre oder zellulåre und -sekretion Synthese von Vorstufen Stimulierte Freisetzung und Konstitutive, pulsatile, Transport çber das Blut rhythmische Freisetzung Zellulåre Aufnahme und Wirkung
Regulierte zellulåre Aufnahme (Transporter) bzw. Wirkung Prozessierung in Zielzellen
Klassische Membran- oder Kernrezeptoren und Signaltransduktion
Rezeptoren und Modulatoren Regulierte Inaktivierung in Nichtzielzellen Para-, auto-, juxta-, intrakrine Regulation
Endokrine Regulation
Tabelle 1.1.2. Klassische charakteristische Eigenschaften und Abgrenzung zwischen Zytokinen und Hormonen Zytokine
Hormone
Synthese
Zahlreiche verschiedene Zelltypen
Ein spezialisierter sekretorischer Zelltyp (Drçse)
Eigenschaft
Redundant, pleiotrop Eine bevorzugte Funktion
Zielzellen
Zahlreiche
Einige, spezialisierte
Wirkweise
Autokrin, parakrin, juxtakrin, selten endokrin
Endokrin, çber die Blutbahn
Substanzklassen
Peptide, Proteine
Aminosåurederivate, Peptide, Proteine, Lipidderivate
Wachstumsfaktoren, Zytokine und Gewebshormone (Tabelle 1.1.2.) mit der immunologischen Informationsçbertragung und nicht zuletzt çber nutritive Komponenten und Metabolite mit der klassischen Biochemie und Physiologie. So wurden z. B. in der letzten Dekade eine Reihe von Rezeptoren fçr Metabolite des Zitratzyklus, fçr Nahrungsinhaltsstoffe und verschiedene Bausteine der Biomolekçle beschrieben, die in die zellulåre und systemische Regulation des Stoffwechsels und Energiehaushalts und die Regulation der Kærperfunktion eingreifen (z. B. Succinat) (He et al. 2004). Grundelemente auch des modernen Hormonbegriffes bleiben jedoch erhalten: das Hormon (first messenger) bindet an einen spezifischen Rezeptor, der die biologische Information an ein
nachgeschaltetes signalçbertragendes zellulåres System çbertrågt, welches im Falle von Membranrezeptoren (in der Regel) second messenger bildet. Diese wiederum leiten die Information an (meistens) zellulåre Zielmolekçle (z. B. Enzyme, Ionenkanåle, Transkriptionsfaktoren) weiter, die ihre Aktivitåt daraufhin entsprechend der Konzentration, Art und zeitlichen Muster der Hormonwirkung an der Zelle veråndern. Hormone, die als Liganden intrazellulårer Rezeptoren an die DNA des Zellkerns und der Mitochondrien (!) binden, modulieren (stimulieren oder hemmen!) in der Regel als Liganden von Transkriptionsfaktoren die Expression hormonresponsiver Gene. Hierbei kommt es zu vielfåltigen Wechselwirkungen zwischen hormoneller, neuronaler, nutritiver, immunologischer und mechanischer Signalçbertragung, sog. ¹crosstalkª verschiedener Signaltransduktionskaskaden, die sich teilweise verstårken oder antagonisieren kænnen. Somit resultiert die ¹Hormonantwortª einer Zelle aus der hormonellen Stimulation, dem Rezeptorbesatz, der Ausstattung mit Komponenten der Signalçbertragung und der begleitenden Exposition der betreffenden Zellen gegençber anderen, nichthormonellen Signalen. Oft wirken dabei mehrere Hormone auf eine Zielzelle, wobei es dann zu permissiven, synergistischen oder antagonistischen Effekten kommen kann. Verånderungen des klassischen Hormonbegriffes deuteten sich schon sehr frçh in der endokrinologischen Forschung an. Das Ehepaar Ernst und Berta Scharrer (Schçler des Nobelpreistrågers Karl von Frisch) entdeckten bereits in den 30er Jahren Sekretgranula in hypothalamischen Neuronen und postulierten deren direkte Sekretion in die Portalgefåûe, stieûen jedoch mit diesem Konzept auf erbitterten Widerstand sowohl der neurologischen als auch der jungen endokrinologischen Fachwelt. Heute ist dieses Prinzip der neuroendokrinen Sekretion eine akzeptierte zentrale Komponente zum Verståndnis vieler endokriner Regelkreise auf der Ebene des Hypothalamus (Releasing-Hormone oder ¹Liberineª) und der Hypophyse (¹Tropineª) (Guillemin 2005), aber neuroendokrine Sekretion ist auch ein Schlçsselprinzip im græûten endokrinen System, dem Gastrointestinaltrakt. Auch das vom Nobelpreistråger Henry H. Dale formulierte Postulat ¹one cell ± one messengerª, entwickelt bei seinen Untersuchungen zur Oxytocinwirkung von Hypophysenextrakten und zur Funktion von Acetylcholin bei der neuromuskulåren Erregungsçbertragung, war zunåchst konzeptionell bei der Identifizierung vieler neuroendokrin aktiver Neurone und ihrer neuroendokrinen Peptidhormone oder
a
1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
von Aminosåuren abgeleiteten Transmitter sehr hilfreich, war jedoch wie andere Dogmen in Wissenschaft, Religion und Gesellschaft nicht von Bestand, sondern hat zum Teil sogar den Wissenschaftsfortschritt behindert. Heute gehen wir eher von einer Pluripotenz, wenn nicht gar in der Øra der Stammzellforschung, von einer Totipotenz, zumindest jedoch von einer groûen Plastizitåt vieler endokrin aktiver und anderer Zellen aus. Abhångig vom Proliferations- und Differenzierungsstand sind die Zellen in der Lage, mehrere Komponenten mit Signalfunktion zu produzieren, speichern und reguliert oder konstitutiv zu sezernieren, wobei mit zunehmender Differenzierung und Einbindung in einen Zell- oder Gewebeverband (Parenchym, Epithel, Organ, endokrin aktive Drçse) die Spezialisierung in Richtung einer oder mehrerer Sekretionsfunktionen die Regel ist. Jedoch ist auch fçr die Aufrechterhaltung dieses Differenzierungszustandes eine kontinuierliche Regulation und Kontrolle durch das System des Organismus und der benachbarten Zellen erforderlich: ¹maintenance of differentiation requires continuous regulationª (Helen Blau, Blau u. Baltimore 1991). Fçr diese kontinuierliche lokale und systemische Kommunikation und Funktion der Zellen und ihres Organismus ist das von Claude Bernard 1872 formulierte Prinzip des ¹milieu intrieurª essentiell als regulatorische Komponente, die eine lokale vom System unabhångige Funktion und Steuerung ermæglicht, gewissermaûen eine Grundvoraussetzung fçr autokrine und parakrine Regulation unter Kontrolle des endokrinen Systems in einer sich veråndernden und immer neu herausfordernden Umgebung. Nur mit Hilfe dieser kontinuierlichen Kommunikation zwischen Zellen, Geweben und Organen kænnen die physiologischen Aufgaben in komplexen Organismen gemeistert werden. Das von Walter B. Cannon 1932 beschriebene Prinzip der Homæostase, die Tendenz des Organismus ein Flieûgleichgewicht (steady state) aufrechtzuerhalten, erwies sich zunåchst als sehr fruchtbar fçr die Entwicklung der Endokrinologie (Cannon 1932), hat andererseits jedoch das Verståndnis endokriner Funktions- und Regulationsprinzipien deutlich erschwert. Viele der hormonellen Sekretions-, Funktions- und Steuerungsvorgånge basieren gerade auf episodischen, pulsatilen, zirkadianen, monatlichen, jahreszeitlichen und insbesondere auch entwicklungs- und altersabhångigen Schwankungen der informationsçbertragenden Hormone und Signalsubstanzen, so dass geradezu die Auslenkung und Abweichung von der Steady-state-Konstellation ein entscheidendes Moment der Funktion und
Wirkung darstellen. Hier haben die Entwicklungen der Kybernetik und der Bioinformatik der letzten Jahre, z. B. durch Einbeziehung von (neuronalen) Netzwerkmodellen und Chaostheorie wichtige neue Impulse zum besseren Verståndnis, zur Interpretation der gemessenen Hormonparameter und auch zu neuen Ansåtzen der Intervention gebracht. Die ersten endokrinologischen Erkenntnisse basierten auf dem bereits 1849 von Arnold Berthold in Gættingen am Beispiel der Kastration von Håhnen beschriebenen und praktizierten Prinzip der Entfernung und Retransplantation endokriner Organe bzw. Ersatz derselben durch Gabe bioaktiver Extrakte daraus (Berthold 1849). Diese Ansåtze wurden spåter zum Teil jedoch partiell diskreditiert durch den franzæzischen Arzt Charles BrownSquard, der sich im Alter von 72 Jahren selbst Testesextrakte verschiedener Spezies verabreichte und deren vermeintliche Wirkung wortreich beschrieb, jedoch geht man heute davon aus, dass es sich bei diesen wåssrigen Extrakten nur um Placeboeffekte handeln konnte. Erst die Isolierung, chemische und pharmakologische Charakterisierung und in den meisten Fållen erfolgreiche chemische oder rekombinante Totalsynthese der aktiven Hormonformen und ihrer Analoga ermæglichte die systematische Analyse der endokrinen Regulation und Funktion. Mit der enormen und exponentiellen Entwicklung der Biowissenschaften, Bioanalytik, Bioinformatik und neuer Bioassays stehen nun die Methoden und Konzepte zur Verfçgung, die es erst erlauben, auf zellulårer, subzellulårer und molekularer Ebene Bildung, Freisetzung, Wirkung und Stoffwechsel der in niedrigsten Konzentrationen hæchst wirksamen endokrin, parakrin, autokrin oder intrakrin aktiven Informationsçbertråger, der Hormone, nachzuweisen und zu verstehen. Das Konzept der endokrinen Signalçbertragung unter Nutzung hochspezifischer Rezeptormolekçle und nachgeschalteter Informationsçbertråger hat sich als extrem erfolgreiches Paradigma der modernen Lebenswissenschaften erwiesen, illustriert z. B. dadurch, dass Hormon- und andere Rezeptoren sowie die nachgeschalteten Informationsçbertragungssysteme zu den aussichtsreichsten Zielstrukturen der gegenwårtigen Entwicklung von Pharmaka gehæren und Prinzipien der hormonellen Signalçbertragung und -erkennung die Grundlagen fçr die Entwicklung innovativer Nanotechnologien (z. B. Biosensoren) liefern. Die klassische Hormondefinition erfordert die regulierte Synthese und Freisetzung einer biologisch hochaktiven Substanz aus spezialisierten, sekretorisch aktiven Zellen, lokalisiert in einer Drçse
5
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J. Kæhrle
ohne Ausfçhrungsgang, in die Blutbahn, çber die sie Zielorgane und Zielzellen erreicht (Abb. 1.1.1 a). Dort entfaltet diese Substanz, das Hormon (First messenger), nach Wechselwirkung mit spezifischen Rezeptoren auf der Zelloberflåche oder innerhalb der Zelle spezifische biologische Wirkungen, die der Struktur und Konzentration des Hormons entsprechen. Im Gegensatz zur eigentlichen Bedeutung des Hormonbegriffes kænnen diese Wirkungen auch hemmend sein, was fçr zunehmend mehr Prozesse beschrieben wird. Die Hormonwirkung wird durch biochemische Verånderung, in der Regel durch Abbau der Hormone, beendet. Die biologischen Halbwertszeiten der Hormone sind sehr variabel und reichen von Sekunden, çber Minuten und Stunden zu Tagen, wenn die Hormone an Bindungs- oder Verteilerproteine im Blut gebunden sind. Als biologisch wirksam wird die freie, nicht proteingebundene Hormonform betrachtet (Mendel 1989). Eine Speicherung des von der produzierenden Zelle gebildeten Hormons in sekretorischen Vesikeln ist nicht obligat (siehe Steroidhormone, die auf Bedarf synthetisiert und ohne Speicherung sezerniert werden), der Transport der Hormone zum Zielorgan kann frei (bei einigen Peptid- und Proteohormonen und Katecholaminen) oder proteingebunden (in der çberwiegenden Zahl der Peptid- und Proteohormone sowie der niedermolekularen Hormone) erfolgen.
Klassische Hormone gehæren verschiedenen Substanzklassen der Biomolekçle an, in der Regel sind sie von Aminosåuren und Lipiden abgeleitet, Derivate der Kohlenhydrate oder Nukleinsåuren werden nicht zu den klassischen Hormonen gerechnet. Der Signalcharakter gasfærmiger Molekçle, NO und CO bei Tieren oder Øthylen bei Pflanzen, ist erst seit kurzem bekannt. Viele Aspekte und Details der einzelnen Schritte der Synthese, der Sekretion ins Blut, des Transports und der Verteilung der Hormone im Blutkreislauf, des Erreichens der Zielzellen und der Beendigung der Hormonsignalçbertragung sind trotz enormer Fortschritte der Molekular- und Zellbiologie noch weitgehend unbekannt. Wåhrend die Regulation der Hormonachsen und Rçckkopplung sowie die Interaktion zwischen Hormonen und Rezeptoren und die nachgeschaltete Signalçbertragung schon so genau analysiert sind, dass eine Reihe von hochspezifischen Hormonanaloga und verwandten Pharmaka in der Diagnostik oder Therapie erfolgreich eingesetzt werden, bestehen çber essentielle Schritte der klassischen Hormondefinition nur rudimentåre Vorstellungen, z. B. · Wie çberwinden Hormone den interstitiellen Raum und die Zellmembranen zwischen produzierender Zelle, Kapillarbett und Zielzelle? · Wie werden bei sehr niedrigen Hormonkonzentrationen im Blut und regelhafter Bindung fast
Abb. 1.1.1 A±F. Schematische Darstellung der hormonellen Regulation durch das endokrine System und der verschiedenen Formen der Hormonsekretion und Wirkung. A Endokrine Sekretion, B neuroendokrine Sekretion, C parakrine Sekretion, D autokrine Sekretion, E juxtakrine Sekretion,
F intrakrine ¹Sekretionª. H: Hormon, N: Neuropeptid, R: Rezeptor. Nichtzielzellen sind dadurch charakterisiert, dass sie keine Hormonaufnahme- oder Rezeptorsysteme exprimieren oder dass sie aktive Liganden inaktivieren, bevor eine Rezeptorbindung erfolgen kann
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
aller Klassen von Hormonen an spezifische und hochaffine Bindungs- und Verteilungsproteine signifikante Konzentrationen an Zielzellen erreicht? · Wie werden Hormone, hochpotente Biomolekçle, reguliert in Zielzellen aufgenommen, mit oder ohne ihre Bindungsproteine, nach dem Prinzip des trojanischen Pferdes oder, wie von Carl Mendel postuliert, nur als freie Hormone (Mendel 1989)? · Wie werden Nichtzielzellen vor einer unangemessenen Exposition in Konzentration, Zeit und Ort vor diesen hochpotenten Signalsubstanzen geschçtzt? · Wie werden die Hormonsignale beendet, werden Rezeptor-Hormon-Komplexe inaktiviert, erfolgt nur eine einfache Dissoziation der Komplexe, werden diese hochpotenten Substanzen in einem ¹nachhaltigenª Prozess wiederverwendet wie manche Rezeptoren, werden diese Signale proteasomal oder lysosomal terminiert? Abgesehen von diesen Fragen ergab sich schnell mit der Entwicklung und Prçfung der sehr fruchtbaren Hypothesen hormoneller Signaltransduktion und Regulation vieler Lebensvorgånge die Notwendigkeit, das ursprçngliche Konzept der klassischen Hormondefinition zu erweitern und so weit zu fassen, dass heute die Grenzen zur Neurobiologie, Immunologie, Physiologie, Pharmakologie, Ernåhrungswissenschaft und verschiedenen Zweigen der Biochemie so verwischt worden sind, dass die moderne Endokrinologie eine echte Systembiologie, die ¹interdisziplinårsteª Lebenswissenschaft geworden ist. Hormone gibt es in Organismen ohne Blutkreislauf, nåmlich den Pflanzen. Die Feinregulation der hormonellen Wirkung erfolgt çber para-, auto-, juxta- und intrakrine Mechanismen, Hormonbestimmungen im Blut erlauben teils nur (noch) grobe, gewissermaûen integrale Aussagen çber Funktion oder Fehlfunktion einer bestimmten Hormonachse. Surrogatparameter, Biomarker und Analyse von Endpunkten der Hormonwirkung sind erforderlich, um die Funktion oder Hormonantwort eines bestimmten Organs oder eines Zelltyps zu erfassen, etwa bei vielen Konstellationen von Hormonresistenzen, die wie z. B. die Insulinresistenz Grundlage sogar von Volkskrankheiten wie dem Diabetes mellitus Typ 2 sind. Hierbei erwies sich die Erweiterung des klassischen Hormonbegriffs als sehr fruchtbar und erlaubt heute sogar die Entwicklung selektiver Rezeptormodulatoren (z. B. SERM), gewebespezifischer Hormonanaloga (z. B. Renin-Angiotensin-System) oder tumorspezi-
fischer Diagnostika und Therapeutika (z. B. Somatostatinanaloga).
1.1.2 Besondere Formen hormoneller Sekretion 1.1.2.1 Neuroendokrine Sekretion Die Entdeckung von Sekretgranula in bestimmten hypothalamischen Neuronen der europåischen Elritze (ein Fisch) in den 20er Jahren stimulierte das Ehepaar Scharrer, systematisch das Konzept der neuroendokrinen Sekretion gegen erhebliche Widerstånde zu entwickeln. Durch ihre beharrlichen systematischen Arbeiten ist heute allgemein anerkannt, dass bestimmte Neurone in Sekretgranula gespeicherte Signalsubstanzen, nåmlich Hormone, direkt nach ihrer Stimulation in die Blutbahn sezernieren (Abb. 1.1.1 b) und nicht wie typische Neurone in den synaptischen Spalt abgeben. Remember, synaptic chemical transmission wasn't even known at the time of our first neurosecretion publications. The idea that neurons may be capable of dispatching neurohormonal, or blood-borne signals, an activity previously associated only with endocrine cells, met with powerful resistance (Berta Scharrer, zit. in ¹On journeys well traveledª in Millen 1989). Diese neuroendokrin aktiven Neurone weisen typische Neuroneigenschaften auf wie ein verlångertes Axon, Dendriten und Synapsen, sie sind auch auûerhalb des ZNS, z. B. im gesamten Gastrointestinaltrakt, lokalisiert, und ihre Granula enthalten in der Regel mehrere hormonell aktive Substanzen, zum Teil auch typische Neurotransmitter einschlieûlich (Di-)Nukleotidderivaten (Jankowski et al. 2005), die als sog. Alarmone wirken kænnen (Kap. 1.8). Die Details der morphologischen und zellbiologischen Vorgånge zwischen regulierter Abgabe des hochwirksamen Inhalts der Sekretgranula der neuroendokrinen Zellen und Ûbergang der Neurohormone in die Blutbahn sind unzureichend bekannt. Jedoch erlaubt der Einsatz bestimmter Katheter und sensitiver Messverfahren den Nachweis pulsatiler Sekretion der Neurohormone z. B. aus hypothalamischen Strukturen in das Portalgeflecht der Adenohypophyse oder den Nachweis der Freisetzung von Neurohormonen aus (ektopischen) neuroendokrin aktiven Tumoren. Die Arbeiten von Geoffrey W. Harris lieferten den Nach-
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weis der Kontrolle des Hypophysenvorderlappens durch humorale, çber das Blut çbertragene hypothalamische Faktoren, die Releasing-Hormone. So fçhrt die mechanische Unterbrechung der Kommunikation durch den Hypophysenstiel zur verringerten Sekretion der Hypophysenhormone Wachstumshormon (GH), Follikel stimulierendes Hormon (FSH), luteinisierendes Hormon (LH), Thyreoida stimulierendes Hormon (TSH) und adrenokortikotropes Hormon (ACTH) und zur erhæhten Sekretion von Prolaktin (PRL) und Melanozyten stimulierendem Hormon (MSH). Eine Transplantation der Hypophyse unter die Nierenkapsel hat åhnliche Auswirkungen auf die hypophysåre Sekretionsaktivitåt, wåhrend eine elektrische Stimulation bestimmter Hypothalamuskerne ebenfalls die Verånderung der Hypophysenhormonsekretion hervorruft. Trotz dieser und vieler nachfolgender Experimente sind noch nicht alle adenohypophysåren Regulatoren identifiziert, z. B. der postulierte Prolaktin-Releasing-Faktor.
Die nåchste Erweiterung der klassischen Hormondefinition ergab sich mit dem Nachweis, dass viele Hormon produzierende Zellen ihr Produkt nicht in die Blutbahn abgeben, sondern in den intersti-
tiellen Spalt, von wo aus benachbarte Zellen erreicht werden und, soweit sie Rezeptoren fçr die gebildeten Hormone haben, davon reguliert werden kænnen. Der Nachweis dieses parakrinen Sekretions- und Wirkprinzips (Abb. 1.1.1 c), nåmlich regulatorische Beeinflussung benachbarter Zellen, stellt extrem hohe Anforderungen an die Analytik und erfordert genaue Kenntnis çber Hormon, Rezeptor, nachgeschaltetes Signalçbertragungssystem sowie Endpunkte der Hormonwirkung, um dieses Regulationsprinzip von der klassischen endokrinen Regulation unter Einbeziehung des Weges çber die Blutbahn unterscheiden zu kænnen (Abb. 1.1.1 c). Viele der autokrinen Regulationssysteme konnten erst mit aufwendigen In-vitro-Zell- und Organkulturmodellen und hochsensitiver Analytik einschlieûlich moderner bildgebender Verfahren sowie molekularbiologischer Technologien wie der PCR-Reaktion und der In-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden. Wichtige Meilensteine wurden hier mit der Etablierung von Kokulturen oder Reaggregatkulturen unterschiedlicher endokrin aktiver Zelltypen der Hypophyse in der Arbeitsgruppe von Denef erreicht (Allaerts et al. 1990; Denef et al. 1989; Denef 1994; Houben u. Denef 1990). Diese systematische Analyse der essentiellen paraund autokrinen Funktion der hypophysåren Follikulostellarzellen (Abb. 1.1.2) (Herkenham 2005) ist leider noch heute in kaum einem Lehrbuch der Neuroanatomie oder Endokrinologie zu finden.
Abb. 1.1.2. Rolle der Follikulostellarzellen (FS-Zellen) der Adenohypophyse in der Vernetzung zwischen Endokrinium, Immunsystem und Stresshormonachse. Durch Einflçsse der Stresshormon-HPA-Achse und des Immunsystems (schwere Krankheit, Entzçndung) werden in FS-Zellen lokal Wachstumsfaktoren und Zytokine gebildet, welche die Hormonbildung und Freisetzung in der Adenohypophyse beeinflussen. In thyrotropen (TT-)Zellen der Adenohypophyse wird die Produktion von TSH durch Interleukin-6 inhibiert und
durch Wachstumsfaktoren stimuliert. Die hypophysåre Thyrotropin-(TSH-)Bildung steht unter negativer Rçckkopplung durch Schilddrçsenhormone. In thyrotropen Zellen wird durch die lokale exprimierten 5'-Deidoase-Enzyme das Prohormon T4 zum aktiven T3 umgewandelt. Faktoren der FSZellen modulieren die Deiodase-Aktivitåt und kænnen so die negative Rçckkopplung unterbrechen. Die T3-Bildung aus T4 durch die Typ-I-5'-Deiodase ist bei schweren Erkrankungen ebenfalls verringert (Nieder-T3-Syndrom)
1.1.2.2 Parakrine Sekretion und Wirkung von Hormonen
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
Die Follikulostellarzellen stellen mindestens 10% der hypophysåren Zellen und sind die entscheidenden Kommunikatoren zwischen dem endokrinen und dem Immunsystem auf der Hypophysenebene. Durch die regulierte Produktion und Freisetzung wirksamer Zytokine und Wachstumsfaktoren sowie die Expression von funktionellen Hormonrezeptoren, z. B. TSH-Rezeptor (Brokken et al. 2005; Prummel et al. 2004), sind sie nicht nur an der Regulation der hypophysåren Hormonfreisetzung beteiligt, sondern erfçllen durch ihre topologische Anordnung zwischen den Hormon produzierenden und kapillaren Zellen selbst Informationsçbertragungsfunktionen. Parakrine Wechselwirkungen sind insbesondere wåhrend der Entwicklung und Differenzierung der endokrinen Organe von zentraler Bedeutung bei der Wanderung der primordialen endokrinen Zellen zu ihrer endgçltigen Position (vgl. Schilddrçsen- oder Gonadenentwicklung) oder bei der Differenzierung der komplexen endokrinen Drçsen wie z. B. Hypophyse oder Langerhans-Inseln des Pankreas (Jones et al. 1990; Matera 1996; Payne u. Hales 2004; PazosMoura et al. 2003; Rindi et al. 2004). Stærungen und Fehlregulationen parakriner Regelkreise werden vor allem auch im Rahmen der Tumorgenese, Proliferation und Metastasierung beobachtet (Abb. 1.1.3) (Anderson et al. 2004). Parakrine Regulationsmuster werden auch auûerhalb von hormonregulierten Prozessen beobachtet, z. B. in der Immunologie und Biochemie. Eigentlich stellt die neuronale Signalçbertragung einen typischen parakrinen Prozess dar (Kap. 2.1). Fçr die parakrine Regulation gelten die gleichen Kriterien wie fçr die endokrine Regulation: Geregelte Freisetzung einer biologisch aktiven Substanz in den interstitiellen Raum, Bindung an einen spezifischen Rezeptor in benachbarten Zielzellen, Auslæsung einer nachgeschalteten biologischen spezifischen Antwort adåquat zur Art, Konzentration und zeitlichen Produktion des ersten Botenstoffes, des parakrin aktiven Hormons. Viele dieser Kriterien sind unter Invivo-Bedingungen bisher nur schwer, zum Teil noch gar nicht nachzuweisen.
1.1.2.3 Autokrine Sekretion und Wirkung von Hormonen Analog und in Fortfçhrung der Beschreibung der parakrinen Hormonsekretion gibt es klare Daten und Hinweise auch fçr eine autokrine Form der Sekretion und Wirkung bestimmter Hormone (Abb. 1.1.1 d), definiert durch Wirkung des von ei-
ner Zelle ins Interstitium sezernierten Hormons zurçck auf die gleiche, das Hormon produzierende Zelle (oder den gleichen Zelltyp im gleichen Zellverband). Hierbei wird ebenfalls vorausgesetzt, dass die betreffende Zelle Rezeptoren und nachgeschaltete Signalçbertragungssysteme fçr dieses ¹eigeneª Hormon besitzt und dass dadurch wiederum eine dem Signal angemessene Antwort ausgelæst wird. Dabei kann es zu einem lokalen positiven oder negativen Feedback kommen, die Antwort kann dabei aber auch die Empfindlichkeit dieser Zelle fçr andere Signale modulieren. Wiederum erfordern die Nachweise solcher Signal- und Reaktionsketten aufwendige und hochsensitive Analytik, gelingen oft nur in isolierten Zellkulturmodellen und sind schwer mit In-vivo-Modellen und Analysen zu dokumentieren. Allerdings konnte insbesondere fçr viele Fragestellungen in der Tumor- und Entwicklungsendokrinologie autokrine Regulation plausibel dokumentiert oder nachgewiesen werden (Abb. 1.1.3). Øhnlich wie beim Nachweis parakriner Regulation ist auch hier der Einsatz spezieller Mikrotechniken wie z. B. Mikrodialyse etwa im Ovar (Abb. 1.1.4), elektrophysiologischer Verfahren, Mikroinjektion und Monitoring rekombinanter Sensorzellen sowie empfindlicher molekularbiologischer Verfahren erforderlich, um
Abb. 1.1.3. Mæglicher endokriner Mechanismus, durch den Steroidhormone die Proliferation des normalen humanen Mammaepithels çber Bildung para- und autokriner Faktoren stimulieren. Ústrogen (E) und Progesteron (P) wirken auf Zellen mit entsprechender Rezeptorausstattung, die mit Synthese und Sekretion parakriner/juxtakriner Faktoren reagieren. Diese beeinflussen die Proliferationsaktivitåt benachbarter teilungsfåhiger Epithelzellen. Verschiedene experimentelle Systeme zeigen die Beteiligung von Mitgliedern der Familie der ¹epidermal growth factorsª (EGF) zusammen mit ¹leukaemia inhibitory factorª (LIF), ¹receptor acivator of NF-jB ligandª (RANKL) und Mitgliedern der Wingless-type-(wnt-)Familie als epithelial gebildete Mediatoren der Steroidhormonwirkung. Stromale Faktoren, wie ¹insulin-like growth factor 2ª (IGF-2), und Mitglieder der Fibroblastgrowth-factor(FGF-)Familie spielen wohl auch eine Rolle bei der Steroidhormonwirkung auf das Mammaepithel. (Mod. nach Anderson u. Clarke 2004)
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låsst sich kaum noch von zellbiologischen Adhåsions-, Kontakt- und Migrationsvorgången unterscheiden, hat aber wiederum eine groûe Bedeutung wåhrend der Entwicklung (Organigenese, Angiogenese, Nidation des Fetus) sowie in der Tumorbiologie und Immunologie (Matrixinvasion, Metastasierung, Homing von Lymphozyten).
1.1.2.5 Intrakrine Sekretion und Wirkung von Hormonen Abb. 1.1.4. Zell-Zell-Wechselwirkungen beim Ûbergang vom primordialen zum primåren Follikel. Kit-Ligand (KL) und ¹leukemia inhibitory factorª (LIF) werden von Granulosazellen gebildet und wirken parakrin auf die Oocyte. KL stimuliert die Rekrutierung von Thekazellen. Basischer Fibroblasten-Wachstumsfaktor (bFGF) wird durch die Eizelle produziert und wirkt auf somatische Zellen. Insulin ist ein endokrines Hormon, das auf die Eizelle wirkt. Anti-MçllerHormon (AMH) entsteht in fortgeschritteneren Follikelstadien und hemmt den Ûbergang von primordialen zum primåren Follikel. (Mod. nach Kezele et al. 2002)
In-vitro-Beobachtungen auch im intakten Organismus zu dokumentieren. Viele konzeptionelle und kybernetische Probleme der autokrinen Regulation und ihrer Steuerung durch das benachbarte parakrine oder das çbergeordnete endokrine System sind hierbei jedoch noch zu læsen. Die çberzeugendsten Informationen zur biologischen Relevanz autokriner Regulation liegen fçr die Adenohypophyse, Gonadenfunktion, Zellen des Immunsystems sowie Tumorzellen vor (Houben u. Denef 1994; Kezele et al. 2002; Matera 1996; McDuffie et al. 2004; Payne u. Hales 2004; Pazos-Moura et al. 2003).
1.1.2.4 Juxtakrine Sekretion und Wirkung von Hormonen Ein bisher wenig untersuchter und charakterisierter Spezialfall der parakrinen Sekretion und Wirkung ist die juxtakrine Regulation (Abb. 1.1.1 e). Die Besonderheit dieser Konstellation der interzellulåren Kommunikation ist, dass sie çber Liganden vermittelt wird, die ebenso wie ihre komplementåren Rezeptoren auf der benachbarten Zelle in der åuûeren Oberflåche der Membran der produzierenden Zelle verankert sind. Typische juxtakrine Regulationsvorgånge spielen sich zwischen Rezeptorkomponenten der Extrazellulårmatrix und sezernierter Zytokine und wachstumsfaktorartiger Hormone ab. Diese hormonelle Regulationsform
Das konzeptionell spannendste hormonelle Regulationsprinzip ist die intrakrine Regulation (Abb. 1.1.1 f): Der biologisch relevante Rezeptorligand wird innerhalb der Zielzelle gebildet, entfaltet dort seine Wirkung und ist in der Regel auûerhalb der betreffenden Zelle nicht direkt nachweisbar, sondern nur durch seine Metabolite und/oder biologischen Effekte zu erfassen. Dieses Regulationsprinzip stellt natçrlich auch die hæchsten Anforderungen an die Analytik und die Experimente, und viele vermuteten intrakrinen Effekte bedçrfen noch der akzeptierten Dokumentation. Biologisch gibt es schon seit langem Hinweise auf dieses wichtige hormonelle Regulationssystem, und insbesondere im Bereich der Wirkungsanalyse von Hormonen mit intrazellulåren Rezeptoren, z. B. (Seco-)Steroide, Schilddrçsenhormone, Vitamin-D-Hormone, Retinoide und andere niedermolekulare Liganden, die an Transkriptionsfaktoren binden und deren Aktivitåt modulieren, gibt es fçr normale und pathologische Stoffwechselkonstellationen Ergebnisse, welche das Konzept der intrakrinen Hormonbildung und -wirkung stçtzen. Bereits sehr frçh wurde zum Verståndnis der Schilddrçsenhormonwirkung insbesondere bei hypothyreoten Konstellationen das Konzept der ¹hidden pools of T3ª entwickelt (Obregon et al. 1979, 1981). Intrazellulår aus zirkulierendem, lokal aufgenommenen oder gebundenem T4 gebildetes T3 ist biologisch aktiv, ohne dass es durch Analyse von Blut oder Kærperflçssigkeiten erfasst werden kann. Dieses Konzept wurde aus physiologischen Tierexperimenten formuliert, lange bevor die Existenz des Selenoenzyms Typ-II-5'-Deiodase (Dio2) bekannt war, das fçr den lokalen, intrazellulåren Bedarf die Hormonvorstufe T4 zum thyromimetisch aktiven T3 umwandelt. Intrakrine Regulationprozesse ermæglichen auch die langfristige Produktion von Steroiden in hormonabhångigen Tumoren und in der normalen Physiologie der Steroidproduktion und Wirkung (Masamura et al. 1995; Santen et al. 2003) (Abb. 1.1.4). Aber auch im Bereich der Syn-
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
these und Wirkung von Peptid- und Proteohormonen sind intrakrine Regulationsprinzipien insbesondere wåhrend der Entwicklung und Differenzierung und wiederum in der Tumorendokrinologie beschrieben und gut dokumentiert, z. B. fçr Parathormone-related Peptide (PTHrP) (FiaschiTaesch u. Stewart 2003; Labrie et al. 2003).
1.1.2.6 Experimentelle Ansåtze zum Nachweis para-/autokriner Regulation Die klare Definition und Abgrenzung endokriner Regulation von parakrinen oder autokrinen Interaktionen erfordert aufwendige und hochsensitive experimentelle Ansåtze, die zunåchst leichter in vitro mit verschiedenen Zellkulturmodellen nachvollzogen werden kænnen, bevor dann auch der noch aufwendigere In-vivo-Nachweis gefçhrt werden kann. Fçr viele para-/autokrine Effekte steht der klare In-vivo-Nachweis noch aus. Basierend auf Zellkulturmodellen ist ein wichtiger Ansatz der Einsatz und die detaillierte Charakterisierung des Effektes konditionierter Zellkulturmedien auf diese oder andere Zellen. Die regulierte Produktion und Sekretion regulatorischer Faktoren in das Kulturmedium (Konditionierung) bestimmter zu untersuchender Zellen liefert zunåchst den Ausgangspunkt fçr weitere biochemische, analytische und funktionelle Charakterisierung der regulatorischen Komponenten. Diese kann durch klassische Analytik, Einsatz spezifischer neutralisierender Antiseren oder mit moderner siRNAoder mikroRNA-Technologie sowie unter Verwendung von Zelllinien erfolgen, in denen die Expression, Produktion und/oder Sekretion der zu untersuchenden Faktoren mit molekularbiologischen Verfahren veråndert ist, z. B. Knock-out-, Knockdown-, Knock-in- oder Ûberexpressionsmodelle. Mit histologischen und immunologischen Methoden (Immunohistochemie, In-situ-Hybridisierung) kann und sollte danach auch die regulierte Expression der Transkripte und Translationsprodukte dokumentiert werden, gefolgt von funktionellen Tests der produzierten para-/autokrinen Signalsubstanzen in geeigneten Bioassays. Vor allem die hochsensitive Microarray-Technik zur Analyse der Genexpression bringt hier neue Mæglichkeiten, da empfindliche Endpunkte und Biomarker verånderter Genexpression und Funktion identifiziert werden kænnen, z. B. wurden in gonadotrophen Hypophysenzellen ca. 200 GnRH-regulierte Gene beschrieben (Kakar et al. 2003). Wie beim konventionellen Nachweis der biologischen Wirksamkeit von
Substanzen mçssen auch hier klare Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen, Spezifitåt und Selektivitåt der Wirkung, Identifizierung beteiligter Rezeptoren und nachgeschalteter Signaltransduktionssysteme dokumentiert werden. Insbesondere der Einsatz geeigneter kompetitiver Liganden, Agonisten oder Antagonisten ist hilfreich. Der schwierigste Teil des Nachweises para-/autokriner Regulation ist sicher die Beschreibung relevanter para-/autokrin aktiver In-vivo-Konzentrationen und Wirkungen im untersuchten Modell und der Nachweis physiologischer Relevanz des Prozesses. Fçr diese Aspekte bieten pathophysiologische Konstellationen håufig fruchtbare Ausgangspunkte, jedoch gibt es nur sehr wenige klare Nachweise (patho-)physiologisch relevanter definitiver para-/ autokriner Regulationsaspekte beim Menschen. Vermehrte Information ergibt sich jedoch in den letzten Jahren durch den erfolgreichen Einsatz rekombinanter Tiermodelle, in denen regulierbar wåhrend der Entwicklung oder im adulten Organismus gewebe- oder zellspezifisch bestimmte Komponenten auto-/parakriner oder endokriner Regulation exprimiert werden kænnen, z. B. durch die cre-lox-Technologie (Rajewsky et al. 1996). Fçr die initiale Beschreibung para-/autokriner Regulation wurden erfolgreich verschiedene Zelloder Organkulturmodelle etabliert, die mittlerweile breite Verwendung finden. Ausgangspunkt waren zunåchst Organperfusionsmodelle, zunåchst mit Blut oder Serumkomponenten, teils mit voll synthetischen Medien oder Plasmaersatzkomponenten, die wie z. B. Fluorokarbonmedien hohe O2-Bindungs- und Transportkapazitåt aufweisen. Rezirkulation des Perfusionsmediums oder unidirektionale Perfusion kann hier eingesetzt werden, um para-/ autokrin sezernierte Faktoren zu gewinnen oder deren Effekte zu untersuchen. Hierbei kænnen auch nach- oder parallelgeschaltete Organe oder Zellen perfundiert werden, und der Einsatz von verschiedenen Membranen oder Filtern (z. B. Græûenselektion oder Abtrennung bestimmter biochemischer Substanzklassen) erlaubt erste Hinweise auf die biochemische Natur der aktiven sezernierten und wirksamen Komponenten. Einen groûen technischen Fortschritt brachte die Entwicklung permeabler oder semipermeabler Membranen unterschiedlicher Porengræûe mit geeigneten Zellkulturfiltereinsåtzen (z. B. Millicell und verwandte Produkte) mit sich, die es erlauben, durch diese Membranen physikalisch getrennte Zellen in Kokultur zu halten und somit die parakrine Sekretion und Wirkung von Komponenten zu testen oder die Kultur eines Zelltyps im kon-
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ditionerten Medium anderer (parakrin) oder der gleichen Zellen (autokrin) durchzufçhren. Diese noch immer relativ artifiziellen experimentellen Ansåtze kænnen jedoch nåher an die Invivo-Situation angepasst werden, wenn es gelingt, in vitro Organoidkulturen zu etablieren. Dies wurde zum Beispiel erfolgreich mit Reaggregatkulturen von Hypophysenzellen dokumentiert, die ermæglichten, eine Reihe parakriner Regulationswege der Kontrolle der hypophysåren Hormonsekretion zu untersuchen und anschlieûend auch in vivo im Tiermodell zu beståtigen. In diesem Modell werden Hypophysenzellen zunåchst mit çblichen Verfahren zum Teil unter Kollagenasebehandlung vereinzelt und aus ihrem Organverband gelæst und anschlieûend in geeigneten chemisch definierten (serumfreien) Kulturmedien unter konstanter Rotationsbewegung gehalten. Das Schçtteln verhindert eine Anheftung der Zellen an die Kulturschalen und fçhrt zur Reorganisation der Hypophysenzellen in organåhnlichen Gruppen (Reaggregaten) zum Teil sogar mit Proliferation der Zellen. Diese Reaggregate enthalten alle Typen Hormon produzierender Zellen und die Follikulostellarzellen. Endothelzellen und die Reorganisation des hypophysåren Kapillarsystems konnten jedoch noch nicht nachgewiesen werden. Allerdings hatte die Etablierung des Reaggregatmodells erlaubt, im Gegensatz zu Monolayerkulturen, eine Reihe von Feedback- und parakrinen Regulationsnachweisen zu erbringen, z. B. fçr die Funktion von ¹pituitary adenylate cyclase activating peptideª (PACAP) (Benter et al. 1995) oder fçr TSH (Baur et al. 1997, 2000; Baur u. Kæhrle 1999). Wichtiges Handwerkszeug bei diesen Analysen sind substanzspezifische Antikærper, mit denen durch Immunoneutralisation der lokal gebildeten para-/autokrinen Faktoren Nachweise fçr deren Beteiligung an regulatorischen Vorgången geliefert werden kænnen (da Veiga et al. 2004) (Kap. 2.3). Moderne Ansåtze zum Nachweis intrakriner Regulation kænnen durch Einsatz spezifischer Inhibitoren der Faktoren oder ihrer Rezeptoren sowie durch antisense RNA, siRNA oder Mikro-RNA verfolgt werden. (Long et al. 1995; Poy et al. 2004).
1.1.3 Komponenten und Beispiele hypophysårer lokaler Hormonregulation 1.1.3.1 Zentrale Rolle der Follikulostellarzellen fçr die hypophysåre para-/autokrine Regulation Aus diesen und anderen Untersuchungen mit Hypophysenzellen zeigte sich, dass insbesondere die Follikulostellar-(FS-)Zellen, die >10% der Zellen ausmachen, eine zentrale Funktion nicht nur bei der para-/autokrinen Regulation der Hypophysenfunktion, sondern auch fçr die strukturelle Organisation der Adenohypophyse haben (Abb. 1.1.2). Die FS-Zellen umfassen und strukturieren gemischte Aggregate der verschiedenen Hormon produzierenden Hypophysenzelltypen, sie bilden ausgedehnte zytoplasmatische Auslåufer und ein vernetztes Geflecht untereinander, das çber Gap-Junctions und deren Kanåle kommuniziert, wie z. B. durch Ca2+-Wellen gezeigt werden kann (Allaerts et al. 1996; Danila et al. 2000; Fauquier et al. 2002; Herkenham 2005; Horvath u. Kovacs 2002; Inoue et al. 1992; Soji et al. 1997; Stojilkovic 2001). In den S-100- und GFAP-positiven FS-Zellen ist der Nachweis einer Reihe hochwirksamer Hormone, Wachstumsfaktoren, Zytokine und Signalsubstanzen gelungen, die erwiesenermaûen in die hypophysåre Hormonbildung und Sekretion eingreifen (Kap. 6.2, 2.2 u. a.). Von besonderer Bedeutung sind die FS-Zellen fçr die wichtige Interaktion zwischen dem endokrinen und dem Immunsystem. Zum Beispiel stimuliert bakterielles Lipopolysaccharid (LPS) im Tiermodell die Produktion des Makrophagen inhibierenden Faktors (MIF), der in der Lage ist, die glukokortikoidmediierte Hemmung der LPS-induzierten Zytokinproduktion in Makrophagen zu hemmen. Dadurch wird im Hypophysenvorderlappen çber einen lokalen parakrinen Mechanismus die Produktion von ACTH aufrechterhalten, indem die glukokortikoidvermittelte lokale IL-6-Freisetzung gebremst wird (Herkenham 2005). Die entwicklungsbiologische Herkunft bzw. Einwanderung der FS-Zellen in die Adenohypophyse ist noch nicht vollståndig geklårt. Eine humane FS-Zellinie PDFS wurde ebenfalls etabliert, exprimiert Follistatin and Aktivin A, weist einen intakten AktivinSignalweg auf und ist damit ein gutes Modell fçr die Analyse humaner parakriner Hypophysenregulation (Danila et al. 2000).
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
1.1.3.2 Regulation der FSH-Sekretion als exemplarisches Beispiel kombinierter endokriner, parakriner und autokriner Regulation in der Adenohypophyse Seit langem ist die unterschiedliche Regulation, Bildung und Freisetzung der Gonadotropine FSH und LH aus den identischen gonadotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens Gegenstand von Untersuchungen, und erst die Einbeziehung der Konzepte der para- und autokrinen Regulation sowie der Rolle der FS-Zellen konnte einen groûen Teil der In-vivo-Befunde sowie auch beachtliche Speziesunterschiede der Regulation erklåren. Testosteron unterdrçckt und Ústradiol erhæht die GnRH-stimulierte LH- und FSH-Sekretion in Rattenhypophysenzellen, wåhrend im Affenmodell kein (Dihydro-)Testosteroneffekt und ein biphasischer E2-Effekt beobachtet wird, anfångliche Stimulation gefolgt von starker Suppression. Zum Teil werden diese Effekte durch Regulation der GnRH-Rezeptorexpression erklårt, jedoch spielen hypophysåre Faktoren hier eine regulatorische Rolle (Winters u. Moore 2004). Erst mit der Entdeckung und einem besseren Verståndnis der Regulation der lokalen und systemischen Expression und Funktion von Aktivin, Inhibin und Follistatin war die unterschiedliche Regulation und Sekretion von FSH und LH aus den gleichen Zellen mæglich (Kap. 6.2). Follistatin ist ein cysteinreiches glykosyliertes monomeres Protein mit sehr kurzer Halbwertszeit, das von allen Hypophysenzellen exprimiert wird und als hochaffines Aktivin bindendes Protein wirkt und dessen Rezeptorbindung verhindert. Aktivin erhæht und Follistatin und Inhibin hemmen selektiv die Expression des FSHb-Gens in gonadotrophen Zellen und regulieren die Expression des GnRH-Rezeptors. Aktivin und Follistatin werden von gonadotrophen Zellen und FS-Zellen produziert und entfalten ihre para- bzw. autokrinen Effekte lokal. Der Hauptanteil von Inhibin entstammt der testikulåren Synthese, in geringem Umfang wird jedoch auch Inhibin lokal in der Adenhypophyse gebildet (Winters u. Moore 2004). Mehr als 50 Jahre lang entzog sich das testikulåre Inhibin der genauen Charakterisierung, und erst mit der nachfolgenden Beschreibung der lokalen und systemischen Wirkungen von Follistatin und Aktivin konnte die 1932 von McCullagh beobachtete Bildung der ¹Kastrationszellenª der Adenohypophyse (eine funktionelle Aktivierung und Proliferation der gonadotrophen Zellen) erklårt werden (McCullagh 1932). Mittlerweile ergibt sich folgendes Bild zur selektiven Regulation der FSH-Produktion (Abb. 6.2.3):
Nach Knock-out des Aktivinrezeptors gibt es keine FSH-Sekretion ebenso wie nach Blockade des Aktivinrezeptors durch Inhibin. Wenn Follistatin an Aktivin bindet und damit die Rezeptoraktivierung verhindert, erfolgt ebenfalls keine FSH-Produktion ebenso wie nach Blockade von Aktivin B durch neutralisierende Antikærper. Die intrazellulåre Signalçbertragung des Aktivinrezeptors wird çber Smad-Proteine vermittelt. Aktivin verstårkt die GnRH-Stimulation der FSHb-Expression, die ± vermittelt çber den Transkriptionsfaktor Pitx2 ± vorwiegend auf die gonadotrophen Zellen beschrånkt ist. Pitx2 bindet an den FSHb-Promotor und stimuliert die basale und aktivinstimulierte FSHb-Expression. Aktivin ist damit der in der Adenohypophyse gebildete Faktor, der selektiv die FSH-Synthese und Freisetzung stimuliert und keinen Effekt auf LH aufzuweisen scheint. Ønderungen der Expression der einzelnen Komponenten sowie alternativer Proteinformen wie z. B. Follistatin 288 mit unterschiedlicher Wirkung werden fçr die Ønderungen der Gonadotropin-Expression und Funktion wåhrend der frçhkindlichen Entwicklung und Pubertåt diskutiert. Die Spiegel von Follistatin 288 fallen reziprok zum Anstieg von FSHb und synergistisch mit der Abnahme der Inhibinwerte wåhrend der Pubertåt (Moore et al. 2003). Es sollte noch darauf hingewiesen werden, dass in der humanen Hypophyse die Aktivin-bB-Untereinheit in gonadotrophen und thyrotrophen Zellen der Adenohypophyse exprimiert ist, wåhrend die bA-Untereinheit in gonadotrophen, somatotrophen und laktotrophen Zellen immunhistochemisch nachgewiesen wurde (Uccella et al. 2000). Die Bedeutung dieser Befunde fçr die anderen Hormonachsen ist noch nicht geklårt. Berçcksichtigt werden mçssen auch deutliche Speziesunterschiede in der Regulation der FSH-Bildung. In Primaten (Affen) kommt es ohne GnRH-Stimulation nicht zur FSH-Produktion im Unterschied zu Nagern, und das Aktivin-Inhibin-System fçr die parakrine Regulation funktioniert wohl nur bei ansteigender GnRH-Stimulation, wobei die FS-Zellen Follistatin produzieren. Somit scheint die para-/autokrine Regulation in Primaten stårker als in Nagern ausgeprågt zu sein. In Ratten gibt es dagegen einen betråchtlichen Follistatinanstieg nach Kastration im Gegensatz zum Affenmodell. Auch die Pulsfrequenz der GnRH Stimulation wirkt sich unterschiedlich aus, eine langsame Pulsfrequenz reguliert FSH, schnelle Pulse vor allem LH und die Produktion der a-Untereinheit der hypophysåren Glykoproteohormone.
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1.1.3.3 Para-, auto- und intrakrine Regulation der Hypophysen-SchilddrçsenhormonAchse Schilddrçsenhormone (TH) regulieren Entwicklung, Wachstum, Zelldifferenzierung, Thermogenese, Grundumsatz und fast alle anabolen und katabolen Reaktionen des Stoffwechsels zum Teil direkt çber T3-Rezeptoren oder in permissiver Weise in enger Interaktion mit anderen hormonellen, neuronalen und nutritiven Systemen (Kæhrle 2000 b). Die Produktion, Freisetzung, Wirkung und Verstoffwechselung von Schilddrçsenhormonen wird von einer hierarchisch organisierten endokrinen Kaskade gesteuert. Das hypothalamische Tripeptid TRH (Thyroliberin) stimuliert in thyrotrophen Zellen der Adenohypophyse die TSH-Produktion und -Freisetzung. TSH ist çber den Blutkreislauf der zentrale Regulator der Schilddrçsenhormonproduktion durch die in Follikeln organisierten Thyrozyten der Schilddrçse. Das Hauptsekretionsprodukt der Schilddrçse, das Prohormon T4, wird in Zielzellen der Hormonwirkung reduktiv unter Freisetzung von Iodid zum thyromimetisch aktiven T3 deiodiert. Diese Reaktion wird von zwei unterschiedlichen Enzymen, den 5'-Deiodasen Typ I und Typ II, katalysiert, die unterschiedliche katalytische Eigenschaften, Regulation und gewebe- und entwicklungsspezifische Expression aufweisen. Die Inaktivierung des aktiven T3 sowie des Prohormons T4 erfolgt durch die Typ-III-5-Deiodase sowie nach Sulfokonjugation an der phenolischen OH-Gruppe der Iodthyronine auch durch die TypI-Deiodase (Kæhrle 2002). Durch negativen Feedback im Hypothalamus und in der Hypophyse durch T4 und T3 wird das System reguliert. Dazu ist jedoch eine Voraussetzung, dass T4 lokal in beiden Geweben zum aktiven T3 deiodiert wird, das çber nukleåre T3-Rezeptoren die TRH- und TSHProduktion supprimiert. Zirkulierendes T3 hemmt erst in hæheren Konzentrationen diese stimulatorischen Signale. Somit kommt der lokalen Bereitstellung und Verfçgbarkeit in hypothalamischen TRH produzierenden Neuronen und in thyrotrophen Hypophysenzellen eine Schlçsselrolle der Regulation zu. Bei mehreren pathophysiologischen Konstellationen wird eine inadåquate Reaktion der TRH-TSH-TH-Achse beobachtet, die nicht mit diesem negativen Feedback çbereinstimmt, z. B. Inflammation, Hunger (genauer Kohlenhydratentzug) sowie bei verschiedenen schwereren klinisch-chirurgischen Eingriffen. Diese Konstellation wird unter dem Terminus Nieder-T3-Syndrom oder ¹euthyroid sick syndromeª (ESS) oder ¹non-thyroidal
illnessª (NTI) zusammengefasst, charakterisiert durch inadåquat niedrige Serum-T3-Werte, nicht erhæhtes TSH, normales bis niedriges T4 und erhæhtes rT3, ein TH-Metabolit, der durch die TypIII-5-Deiodase gebildet und durch die TypI-5'-Deiodase abgebaut wird. Offensichtlich kommt es unter diesen klinisch relevanten Konstellationen zu einer Stærung der zentralen endokrinen Feedbackregulation, bei der para- und autokrine Mechanismen eine bedeutende Rolle spielen. Die Funktion der Hormon produzierenden Zellen der Adenohypophyse wird durch eine Vielzahl von Faktoren aus dem Hypothalamus und der Peripherie gesteuert. In den letzten Jahren håuften sich aber auch die Hinweise auf ein zusåtzliches, lokales, intrahypophysåres Kontrollsystem, beruhend auf der Kommunikation zwischen den verschiedenen Zellen des Gewebes (Denef 1994). Neben diffusiblen Faktoren, die als auto-/parakrine Signalsubstanzen wirken, erfolgt auch eine Kommunikation çber Gap-Junctions (Morand et al. 1996), juxtakrine Interaktionen und Zelladhåsionsmolekçle (Perez et al. 1995). Diese lokalen Interaktionen kænnen klassische hypophysåre Feedbackregulationen çberlagern und modulieren (Kap. 2.2). Zur Aufrechterhaltung der euthyreoten Gleichgewichtslage unterstehen die beiden çbergeordneten Zentren der Schilddrçsenhormonachse, nåmlich Hypothalamus und Hypophyse, der negativen Feedbackkontrolle durch Schilddrçsenhormone: Im Hypothalamus wird die Synthese und Freisetzung von TRH gehemmt (Dyess et al. 1988; Lechan et al. 1994; Tu et al. 1997), in der Adenohypophyse wird die Expression des Schilddrçsenhormonrezeptors TRb2 und des TRH-Rezeptors vermindert, die Expression des TRH-abbauenden Ektoenzyms induziert (Kæhrle et al. 1995; Kæhrle 2000 a; Schomburg u. Bauer 1995) und Synthese und Freisetzung von TSH gehemmt (Chin et al. 1993) (Abb. 1.1.2). Das Feedbacksignal von T4, dem Hauptsekretionsprodukt der Schilddrçse, wird jedoch erst nach der lokalen 5'-Deiodierung zu T3 vermittelt. Der Groûteil des T3, das in der Hypophyse an die Rezeptoren gebunden ist, stammt aus dieser lokalen, intrahypophysåren Deiodierung durch Deiodase-Isoenzyme (Silva et al. 1978) und ist in Bezug auf TSH-Suppression wirksamer als T3 aus der Peripherie. So sind in Abwesenheit von T4 mehr als doppelte T3-Konzentrationen erforderlich, um TSH effektiv zu supprimieren (Larsen et al. 1981). Lange Zeit wurde angenommen, dass in der Hypophyse die Typ-II-5'-Deiodase das vorherrschende Enzym ist und in den thyrotrophen Zellen der
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
Adenohypophyse die wesentliche Steuerrolle beim TSH-Feedback çbernimmt. Allerdings låsst sich aufgrund der Regulation der 5'DII durch Schilddrçsenhormone kein logischer Feedbackregelkreis konstruieren. In der Hyperthyreose ist die Aktivitåt der 5'DII vermindert, d. h. es wird lokal weniger T3 gebildet, das an die Rezeptoren bindet, und somit wåre auch die Suppression der TSH-Synthese und Freisetzung vermindert. Folglich wçrde es trotz hyperthyreoter Bedingungen zu einem weiteren TSH-Anstieg kommen. Das Gegenteil wåre in der Hypothyreose der Fall. Der TSH-Feedback-Regulation mçssen also komplexere Mechanismen zugrunde liegen. Eine Beteiligung anderer Zelltypen çber parakrine Mechanismen kænnte hierbei eine Rolle spielen und/oder eine Regulation çber die Aktivitåt der Typ-I-5'-Deiodase, denn das wçrde einen logischen Feedbackregelkreis ergeben. In der euthyreoten Hypophyse von Ratten ist die Aktivitåt der 5'DI hæher als die der 5'DII und wird schnell durch T3 stimuliert (Kæhrle et al. 1995; Kæhrle 2000 a; Schomburg u. Bauer 1995). Dies deutet darauf hin, dass die 5'-DI eine weitaus græûere Rolle in der T3-abhångigen Hypophysenregulation spielt, als bisher angenommen. Deshalb wurde die Expression und Regulation der Deiodase-Isoenzyme, vor allem der Typ-I-5'Deiodase, in verschiedenen Modellen der Adenohypophyse analysiert. Durch Kombination von Invivo- (euthyreote Ratten) und In-vitro-Modellen (Reaggregatkulturen, Monolayerkulturen, Kokulturmodelle), wurde die Verteilung der Deiodase-Isoenzyme, ihre Regulation durch Schilddrçsenhormone (T3 und sein 5'-Deiodierungsprodukt 3,5-T2), Zytokine und parakrine Mechanismen untersucht. Die Untersuchungen brachten Hinweise auf die Bedeutung der Isoenzyme fçr T3-abhångige, para-/autokrine Regulationsmechanismen in der gesunden Adenohypophyse und bei pathophysiologischen Zustånden, bei denen T3-abhångige Prozesse gestært sind (Nieder-T3-Syndrom, Adenome) (Boelen et al. 2004 a, b). Vor kurzem wurden erste Daten zum Knock-out-Mausmodell fçr die Typ-II-5'-Deiodase vorgestellt (Schneider et al. 2001). Serum-T4 and TSH sind verglichen mit Wilddtypmåusen erhæht, und nur T3, nicht aber T4 supprimiert TSH, was fçr eine Beteiligung der 5'DII an der TSH-Feedbackregulation spricht. Bisher wurden nur wenige Faktoren beschrieben, die die Aktivitåten der beiden 5'-Deiodasen in der gleichen Richtung veråndern. Meistens werden gegenlåufige Regulationen beobachtet, oder nur eine der beiden Enzymaktivitåten wird veråndert. Zytokine jedoch çbten in Hypophysenmodel-
len stimulatorische Effekte auf beide Deidoase-Isoenzyme aus (Baur et al. 2000). Die Stimulation beider 5'-Deiodasen in der Adenohypophyse durch proinflammmatorische Zytokine bietet deshalb eine erste Erklårungsmæglichkeit fçr den bisher unverstandenen, ausbleibenden TSH-Anstieg, der im Nieder-T3-Syndrom beobachtet wird, das mit erhæhten Zytokinwerten assoziiert ist. Neben direkten Effekten proinflammatorischer Zytokine auf die TSH-Freisetzung kænnte die vermehrte, lokale Bildung von T3 und 3,5-T2 durch gesteigerte Deiodase-Aktivitåten zur TSH-Suppression beitragen (Baur et al. 1997, 1999, 2000). Der Nachweis der NFkB-Aktivierung durch Zytokine in unterschiedlichen Modellen der Adenohypophyse deutet darauf hin, dass dieser Transkriptionsfaktor eine wesentliche Rolle bei der Regulation verschiedener Hypophysenfunktionen spielt. GX-Zellen, die responsiv gegençber proinflammatorischen Zytokinen sind, wie durch die NFjB-Aktivierung gezeigt werden konnte, und auch 5'-Deiodasen exprimieren (Baur et al. 1999, 2000), stellen ein neues, humanes Modell zur Untersuchung von parakrinen Interaktionen zwischen Immunsystem und Endokrinium der Hypophyse dar. Die 5'DI wird in den Hormon produzierenden Zellen der Adenohypophyse exprimiert, unter anderem in thyrotrophen, somatotrophen und kortikotrophen Zellen, nicht aber in Follikulostellarzellen (Araki et al. 2003; Baur et al. 1997, 1999; Kim et al. 1998; Koenig u. Watson 1984; Volpato u. Nunes 2001). Die Hormon produzierenden Zellen der Adenohypophyse kænnen somit ihr aktives Schilddrçsenhormon T3 fçr den lokalen Bedarf aus dem Prohormon T4 aktivieren. Auch im Zwischenlappen der Hypophyse wird die 5'DI stark exprimiert und kænnte an der Regulation der Prohormonkonvertasen durch Schilddrçsenhormone beteiligt sein. Die beiden 5'-Deiodasen Typ I und Typ II werden in verschiedenen Hormon produzierenden und inaktiven humanen Hypophysenadenomen exprimiert (Baur et al. 2002; Tannahill et al. 2002). Die 5'DI ist, wie auch in humanen somatomammotrophen GXZellen, in Adenomen beteiligt an der Inaktivierung der Schilddrçsenhormone und somit an der ¹Abschaltungª des T3-Signals. Ob diese Regulationsmechanismen in Hypophysenadenomen gestært sind, bleibt zu klåren. Beschrieben wurde eine niedrigere Zahl von Follikulostellarzellen in Hypophysenadenomen, die dort auch vorwiegend in den peripheren Bereichen und nicht mehr netzartig çber das ganze Organ hin lokalisiert sind (Kap. 2.2). Proinflammatorische Zytokine stimulieren in Hypophysenmodellen beide Deiodase-Isoenzyme.
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Die Stimulation der 5'-Deiodasen in der Adenohypophyse durch proinflammmatorische Zytokine bietet eine Erklårungsmæglichkeit fçr den bisher unverstandenen ausbleibenden TSH-Anstieg, der im Nieder-T3-Syndrom, das mit erhæhten Zytokinwerten assoziiert ist, beobachtet wird. Neben direkten Effekten proinflammatorischer Zytokine auf die TSH-Freisetzung kænnte die vermehrte lokale Bildung von T3 und 3,5-T2 durch gesteigerte Deiodase-Aktivitåten zur TSH-Suppression beitragen. Mehrere andere hormonelle Faktoren beeinflussen die hypophysåre TSH-Sekretion in para- und/ oder autokriner Weise. Die Sensitivitåt der thyrotrophen Zellen auf leptinvermittelte Hemmung der TSH-Sekretion wird in der Hypothyreose deutlich herabgesetzt, bleibt jedoch bei Euthyreose und kurzfristiger Hyperthyreose erhalten (da Veiga et al. 2004). Die Gabe von Leptinantiserum zur Blockade des lokal gebildeten Leptins erhæht die TSH -Freisetzung. Auch die Hemmung der hypophysåren TSH-Freisetzung durch Neuromedin-B wird vom Schilddrçsenstatus beeinflusst (Jones et al. 1994; Ortiga Carvalho et al. 1995; Pazos-Moura et al. 2003). Schilddrçsenhormone erhæhen die hypophysåre Neuromedin-B-Produktion und vermitteln so eine lokale parakrine Regulation ihrer eigenen Kontrolle. Die hypophysåre Leptinbildung wird durch Steroidhormone und GH beeinflusst (McDuffie et al. 2004). Auch im Zwischenlappen der Hypophyse wird die 5'DI exprimiert und kænnte folglich an der Regulation der Prohormonkonvertasen fçr Propiomelanocortin(POMC)-Genprodukte durch Schilddrçsenhormone beteiligt sein oder Einfluss auf die Sekretion des Melanozyten stimulierenden Hormons (MSH) wåhrend der frçhen Embryonalentwicklung oder in verschiedenen Vertebraten beitragen. Musterbeispiele parakriner Kommunikation unter Beteiligung von Schilddrçsenhormonen liefern die Entwicklung des Innenohrs oder des Auges in Tiermodellen sowie die Entwicklung des ZNS der Vertebraten. Hier erfordert die zellulåre Kompartimentierung der einzelnen Komponenten der Bildung des aktiven Schilddrçsenhormons T3 aus dem Prohormon T4, der regulierte Abbau des aktiven T3-Rezeptor-Liganden T3 und die zellspezifische Expression der unterschiedlichen T3-Rezeptor-Formen (TRa1, TRb1 und TRb2) sowie der neu identifizierten T3- und T4-Transporter (z. B. MCT8 und OAT1C1) eine feine zeitlich und konzentrationsabhångige Abstimmung und Koordination der Ligandenverfçgbarkeit insbesondere wåhrend der Entwicklung des ZNS, aber auch im adulten Organismus in allen T3-regulierten und T3-un-
abhångigen Geweben oder Zellen. So ist z. B. das T3 bildende Enzym Typ-II-5'-Deiodase in stromalen Zellen, der T3-Rezeptor in den inneren Haarzellen wåhrend der Innenohrentwicklung lokalisiert, und Stærungen sowohl der 5'DII-Expression als auch des T3-Rezeptors fçhren zur Taubheit, ein klassisches Symptom der prånatalen Schilddrçsenunterfunktion oder eines Iodmangels wåhrend der kindlichen Entwicklung (Forrest et al. 2002; Ng et al. 2004). Eine åhnliche unterschiedliche zellulåre Verteilung der T3-Bildung und Wirkung wurden bei der Entwicklung des Auges in Amphibien und Måusen beobachtet, wobei Stærungen der einzelnen Komponenten der Regulation der T3-Verfçgbarkeit sich negativ auswirkten (Cai u. Brown 2004; Marsh-Armstrong et al. 1999). An der Regulation der zellulåren Verfçgbarkeit des lokal (oder systemisch) gebildeten aktiven T3 sind insbesondere auch die vor kurzem neu entdeckten zellulåren T3-Transporter beteiligt, die das geladene Schilddrçsenhormon, (ein Aminosåurederivat!), energieabhångig çber die Zellmembran transportieren. Mutationen im T3-Transporter MCT8, dessen Gen auf dem Xq13.2-Chromosomenabschnitt lokalisiert ist, fçhren zu schweren psychomotorischen Entwicklungsstærungen in betroffenen Jungen (Friesema et al. 2004). Diese Daten sprechen fçr eine essentielle Funktion und Expression von MCT8 in bestimmten Neuronen (Abb. 1.1.5) und lassen weitere zellspezifisch exprimierte und regulierte Schilddrçsenhormontransporter erwarten. Insbesondere wird dies durch die bisherigen Befunde im ZNS nahe gelegt, wo die T3-Bildung durch das 5'DII-Enzym in Astrozyten und Tanyzyten stattfindet (Bernal 2002, 2005; Heuer et al. 2005; MonteroPedrazuela et al. 2003; Ng et al. 2004; Quignodon et al. 2004), wåhrend die T3-Rezeptoren und das T3 abbauende Enzym, die Typ-III-5-Deiodase in Neuronen lokalisiert sind, was eine zusåtzliche regulierte Transporterfunktion in beiden Zellen fçr Export und Import voraussetzt. Gleichermaûen ist teilweise beschrieben und muss auch gefordert werden, dass der Schilddrçsenhormontransport çber die Blut-Hirn-Schranke, aber auch çber die Blut-Liquor-Schranke unter Einbeziehung des Epithels des Choroidplexus reguliert mit Hilfe von spezifischen Transportern verlåuft. Transporter sind ebenso wie lokal exprimierte Deiodase-Enzyme auch in den Plazentamembranen sowie im Uterusepithel beschrieben, wo sofort nach Implantation des Conceptus lokale Gradienten des aktiven Schilddrçsenhormons T3 durch das 5'DII-Enzym aus der Vorstufe T4 gebildet werden und benachbart das T3 abbauende Enzym Typ-III-5-Deiodase
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
Abb. 1.1.5. Modell der para- und intrakrinen Neuron-Astrozyten-Kommunikation fçr Schilddrçsenhormone unter Beteiligung der Blut-Hirn- sowie der Blut-Liquor-Schranke. Das Prohormon T4 erreicht gebunden an Schilddrçsenhormonverteilungsproteine (TBG, Transthyretin, Albumin) die Gehirnkapillaren und erhålt çber unbekannte Prozesse in der Blut-Hirn-Schranke Zugang zu Astrozyten oder Tanyzyten. Diese exprimieren Typ-II-5'-Deiodase, welche T4 zum aktiven T3 deiodiert. T3 wird çber die spezifischen T3-Transporter in der neuronalen Zellmembran, MCT8, aufgenom-
men und bindet an die T3-Rezeptoren im Zellkern der Neuronen. Die Inaktivierung von T3 erfolgt in Neuronen durch die Typ-III-5-Deiodase. Die Kapillaren des 3. und 4. Ventrikels und das Epithel des Choroidplexus exprimieren ebenfalls spezifische Schilddrçsenhormontransporter (OATP14 und MCT8), und das Schilddrçsenhormonverteilungsprotein Transthyretin (TTR) wird ebenfalls im Choroidplexusepithel synthetisiert und in die Zerebrospinalflçssigkeit (CSF) sezerniert, wo es das Hauptprotein darstellt. (Mod. nach Bernal 2005 und Heuer et al. 2005)
stark exprimiert wird, um vor inappropriater T3(oder T4-) Exposition zu schçtzen (Kæhrle 2003; Wasco et al. 2003).
Steuerung der Schilddrçsenfunktion, der Hormonsynthese und Freisetzung erfolgt durch das hypophysåre Glykoproteohormon TSH, das einen G-Protein-gekoppelten Serpentinrezeptor in der basolateralen Zellmembran der Thyrozyten aktiviert. Darçber hinaus sind auch Wachstumsfaktoren wie IGF-1, EGF und andere an der Steuerung der Proliferation der Thyrozyten und der Follikelneubildung beteiligt. Verschiedene Untersuchungen in unterschiedlichen Tiermodellen sowie In-vitroKulturmodellen porciner und humaner rekonstitutierter oder isolierter Follikel ergaben dabei jedoch, dass unter Iodmangelbedingungen die Sensitivitåt der Thyrozyten fçr TSH zunimmt (Brabant et al. 1992)und dass es dabei auch zu einer lokalen para- und autokrinen Produktion von Wachstumsfaktoren durch Thyrozyten selbst und/oder das in
1.1.4 Para- und autokrine Regulation endokriner Systeme 1.1.4.1 Para-/autokrine Regulation der Schilddrçse Parakrine Effekte sind auch von zentraler Bedeutung bei der Regulation des Wachstums der Schilddrçse unter noch immer in Mitteleuropa pråvalenten Iodmangelbedingungen. Die zentrale
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der Schilddrçse extrem abundante Endothel kommt (Gårtner 1993; Gårtner et al. 1997; Hofbauer et al. 1995). Hierbei sollte daran erinnert werden, dass alle Thyrozyten direkt von lokalen Mikrokapillaren versorgt werden(Fujita u. Murakami 1974; Fujita 1988; Imada et al. 1986; Kæhrle et al. 1999), eine der Grundvoraussetzungen fçr die effiziente Iodidanreicherung durch den ebenfalls in der basolateralen Membran lokalisierten NatriumIodid-Symporter (Kæhrle u. Schmutzler 2004). IGF-1 und andere lokal gebildete Wachstumsfaktoren stimulieren dann Hypertrophie und wohl auch die Hyperplasie der Thyrozyten, die letztendlich zur (irreversiblen) Kropfbildung fçhrt. Welche lokalen para- oder autokrinen Faktoren letztlich zur akuten Verringerung der Schilddrçsendurchblutung nach Iodidgabe fçhren, ist bisher nicht geklårt (Arntzenius et al. 1991). Dieser Effekt wird jedoch seit langem fçr die Operationsvorbereitung der extrem stark durchbluteten Schilddrçse ausgenutzt. Einige der angiogenen Faktoren der Schilddrçse und ihre Rezeptoren wurden bereits charakterisiert und spielen vor allem in der Karzinogenese und Metastasierung von Schilddrçsentumoren eine bedeutende Rolle (Eggo et al. 2003). Schilddrçsentumoren sind die håufigsten Tumoren des endokrinen Systems, und die Schilddrçse ist die græûte der klassischen endokrinen Drçsen, die sich abhångig von der genetischen Prådisposition mit hoher Plastizitåt an verånderte Iodversorgung durch Hyperplasie und Hypertrophie anpassen kann.
1.1.4.2 Auto-/parakrine Regulation im Gastrointestinaltrakt Im gesamten Gastrointestinaltrakt sind eine Vielzahl endokrin aktiver Zellen mit lokalen Wirkmechanismen ihrer Hormone und Transmitter beschrieben. Darçber hinaus gibt es auch eine enge Wechselwirkung zwischen pankreatischen endokrin aktiven Sekretionsprodukten, der Leberfunktion sowie der gastrointestinalen Regulation der Motilitåt und Verdauungsfunktion. Erst seit kurzem ergeben sich auch enge regulatorische Wechselwirkungen mit der Organisation, Proliferation, Differenzierung, Funktion und Regulation der baumartigen Struktur der Gallengånge und der Gallensekretion. Cholangiopathien fçhren hier zu gravierenden Verånderungen dieser Strukturen und ihrer Funktionen bis zur Cholestase und zum Leberversagen. Im Pankreas bewirkt Serotonin, von enterochromaffinen Zellen sezerniert, çber pa-
rakrine Mechanismen eine Hemmung der Sekretin- und Acetylcholinsekretion (Suzuki et al. 2001). Sekretin induziert die Cholerese çber einen von cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) abhångigen Prozess, und Insulin hemmt die Sekretinproduktion. Somit gibt es enge endokrine Interaktionen bei der Regulation der nahrungsabhångigen Galleproduktion. Ein wichtiges Modell fçr diese Untersuchungen stellt die Ligation des Gallengangs in der Ratte dar. Es ist bekannt, dass Gastrin Wachstum und funktionelle Aktivitåt des ligierten Gallengangbaums hemmt (Glaser et al. 2000). Ústradiol stimuliert Wachstum und choleretische Funktion von Cholangiozyten in Ratten (Alvaro et al. 2002). Vor kurzem wurde nun gezeigt, dass in diesem Modell Serotonin, das unter Ligationsbedingungen von Cholangiozyten vermehrt produziert wird, das Wachstum und die choleretische Aktivitåt des Gallengangbaums autokrin inhibiert (Marzioni et al. 2005). Die Signaltransduktion erfolgt çber Serotonin-1A- und -1B-Rezeptoren, die auf der basolateralen Zellmembran der Cholangiozyten lokalisiert sind. Serotonin fçhrt zunåchst zu einer Stimulation der intrazellulåren IP3- und Ca2+-Freisetzung. Diese hemmen die Aktivierung der ProteinkinaseA(PKA)-vermittelten Stimulation des Src-KinaseERK1/2-Weges. Eine Blockade der Serotoninproduktion, der Einsatz von Antagonisten oder Serotoninantiseren, unterbrechen diese Signalkette und fçhren wiederum zu einer Aufhebung der Hemmung der IP3-Ca2+-gehemmten Src-Kinase-ERK1/ 2-Kaskade. Wegen der Gallengangsligatur proliferierende Cholangiozyten çberexprimieren Serotonin, wåhrend nichtaktivierte Zellen nur geringe Serotoninproduktion aufweisen. Diese Erkenntnisse zur autokrinen Serotoninproduktion und -wirkung (Cholestase) kænnten von groûer therapeutischer Relevanz werden, wenn es gelingt, diesen ¹circulus vitiososª der autokrinen Serotoninproduktion zu unterbrechen. Somit kommen dem archaischen neuroendokrinen Hormon und Transmitter Serotonin neben seinen vielfåltigen Wirkungen auf die Proliferation vieler Zelltypen weitere spezifische Funktionen im Gastrointestinaltrakt zu (Azmitia 2001). Die auto-/parakrine Sekretion von Serotonin durch hepatische Cholangiozyten reguliert also deren Proliferation und Funktion bei der Gallenproduktion. Para- und autokrine Regulationsprozesse spielen auch eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des endokrinen (und exokrinen) Pankreas (Kap. 1.2) und dessen Funktion bei der hormonellen Regulation der Glukosehomæostase. Fçr die Funktion
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
und das Ûberleben der Insulin produzierenden b-Zellen sind dabei die glukoseabhångige Produktion und autokrine Sekretion von Insulin und Nervenwachstumsfaktor (NGF) von eminenter Bedeutung (Navarro-Tableros et al. 2004), die an entsprechende Rezeptoren (Insulinrezeptor und TrkA der b-Zellen binden, intrazellulåre Signaltransduktion auslæsen und damit die Apoptose der b-Zellen verhindern. Durch Einsatz von spezifischen Antiseren, siRNA-Technologie und Verwendung von Zellen, die aus entsprechenden Knock-out-Måusen etabliert wurden, konnten diese Effekte und neue Regulatoren der Insulinsekretion wie z. B. Myotrophin nachgewiesen werden (Poy et al. 2004). Unklar bleibt aber noch, ab welchem Differenzierungsgrad pankreatischer und anderer Stammzellen diese autoregulatorischen Regelkreise wirksam werden.
1.1.5 Funktionelle Expression para-, autound intrakriner Regulationssysteme in verschiedenen Geweben und Organen Neben den klassischen endokrinen Organen zeigen einige andere Gewebe und Organe wie z. B. Knochen, Haut oder Fettgewebe klar nachweisbare lokal exprimierte auto-, para, und intrakrine Regulationssysteme. In der Haut sind fast alle Komponenten der Steroidbiosynthese und Wirkung einschlieûlich der essentiellen endokrin relevanten Faktoren der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) exprimiert, wobei sich einzelne Hauttypen in der relativen Expression der einzelnen Komponenten funktionsassoziiert unterscheiden (Kap. 5.3) (Slominski et al. 2002). Die spezifische Expression von Steroidrezeptoren, steroidmetabolisierenden Enzymen, deren Modulation durch Zytokine und Wachstumsfaktoren und die dort ebenfalls beschriebene essentielle Interaktion mit Komponenten des lokalen Immunsystems liefern die Grundlage fçr die lebenswichtige Schutzfunktion der Haut, der Wundheilung nach Verletzungen und deren Beteiligung an der lichtund umweltabhångigen Hormonproduktion fçr den Organismus (z. B. Vitamin-D-Hormonsystem). Verschiedene Wachstumsfaktor- und Zytokinsysteme spielen bei der Chondrozyten- und Knochenentwicklung eine para- und autokrine Schlçsselrolle, teils unter hormoneller systemischer, teils unter lokaler Kontrolle (Kap. 5.1, 1.8 und 5.2). Die bei der Knochenentwicklung zuerst beschriebenen
parakrin oder autokrin aktiven Komponenten wie z. B. das PTHrP-PTH-Rezeptor-System, das Sonic(shh)- und Indian-Hedgehog(ihh)-Netzwerk, die groûe Bone-morphogentic-protein(BMP)- und Fibroblast-growth-factor(FGF)-Familie von Wachstumsfaktoren und damit verknçpfter Rezeptorund Ligandensysteme einschlieûlich der nachgeschalteten Signaltransduktionssysteme (Abb. 1.1.6) sind in der Zwischenzeit als Schlçsselwege bei der Embryonal- und Fetalentwicklung (Kap. 1.3), aber auch bei der Tumorentstehung (Kap. 2.2, 2.4 und 2.5) erkannt worden. Somit hat die ursprçnglich endokrin orientierte Analyse långst das enge Feld der hormonartigen Signalçbertragung verlassen. Die zunåchst in der Endokrinologie entwickelten Prinzipien, Modelle und Paradigmen der rezeptorvermittelten zellulåren und systemischen Signalçbertragung haben sich långst zu allgemein gçltigen und hilfreichen Vorgehensweisen in verschiedenen Zweigen der Lebenswissenschaften entwickelt wie z. B. der Pharmakologie, Physiologie, Entwicklungsbiologie, Biochemie und Immunologie, so dass Grenzen zwischen diesen Disziplinen verschwimmen und mittlerweile obsolet erscheinen. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass in fast allen Geweben, Organen und Zellen die lokale und systemische Produktion und Sekretion von Hormonen, hormonartigen Faktoren, Wachstumsfaktoren, Gewebs- hormonen und Zytokinen sowie der entsprechenden Rezeptoren und nachgeschalteten Signalwege nachgewiesen werden konnte (z. B. Herz, Fettgewebe, Leber, Niere, Muskel, Haut) (Slominski et al. 2002). Damit ist das enge, drçsenbezogene klassische Konzept der Endokrinologie nicht mehr zeitgemåû, nåmlich die Produktion spezifischer, in kleinsten Mengen hochwirksamer Hormone, deren endokrine Sekretion in die Blutbahn eine Wirkung çber spezifische Rezeptoren an entfernten Wirkorten in Zielorganen oder Zielzellen entfaltet. Dieses klassische Hormonsystem der glandulåren Produktion und Freisetzung in den Blutkreislauf wird çberlagert von lokaler Produktion und Wirkung von Signalsubstanzen, die ihre Information lokal para- oder autokrin çbertragen, teilweise ohne im Blut nachweisbar zu sein, oder gar in juxta- oder intrakriner Form wirken, ohne dass die Signalsubstanzen den interzellulåren Raum erreichen, was natçrlich den Nachweis dieser Art der Informationsçbertragung erschwert. Nur diese Erweiterung der klassischen drçsenbezogenen Endokrinologie erlaubt ein besseres Verståndnis der Feinregulation, der physiologischen und pathophysiologischen Adaption und der entwicklungs- und altersabhångigen
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Abb. 1.1.6. Para- und autokrine Hormonwirkung in der Wachstumsfuge der Knochen. Die Effekte von Wachstumshormon (GH), insulinåhnlichem Wachstumsfaktor (IGF-1), Glukokortikoiden (GC) und T3 auf die Wachstumsfuge der Chondrozyten und die Regionen, in denen die Hormone lokal wirken. Der Indian-Hedgehog(ihh)-/PTHrP-FeedbackLoop reguliert die Geschwindigkeit der endochondralen Ossifikation. Ihh wird von pråhypertrophen Chondrozyten sezerniert und wirkt auf perichondriale Zellen wåhrend der
Entwicklung oder auf proliferative Chondrozyten wåhrend des postnatalen Wachstums, um die Freisetzung von PTHrP zu stimulieren. PTHrP wirkt auf PTHrP-Rezeptoren (PTHrPR), die in ¹uncommittedª pråhypertrophen Chondrozyten die Differenzierung verzægern und die Zellproliferation aufrechterhalten. GHR: ¹growth hormone receptorª, TR: T3-Rezeptor, GR: Glukokortikoidrezeptor. (Mod. nach Robson et al. 2002)
Verånderungen der hormonellen Achsen und Regulationssysteme und deren Beeinflussung durch nutritive, neuronale, immunologische und pharmakologische Prozesse und Faktoren. Musterbeispiele para- und autokriner Regulationswege liefern die Vorgånge der Spermatogenese, des Menstruationszyklus, der Schwangerschaft und der Entwicklung sowie der Laktation oder Prozesse, die mit der Tumorbildung, Proliferation und Metastasierung assoziiert sind (Beuschlein et al. 2004; Dontu et al. 2004; Muttukrishna et al. 2004; Robson et al. 2002; Waters u. Conway-Campbell 2004). Das Verståndnis der normalen und pathologischen Funktion und der hormonellen Regulation des kardiovaskulåren und des Immunsystems oder metabolischer Stærungen wie Adipositas, Polycystisches-Ovar-Syndrom, Lipidstoffwechselstærungen und deren Behandlung ist ohne Einbeziehung parakiner und autokriner Regulationsmechanismen und lokal gebildeter und wirksamer Substanzen nicht mehr mæglich, da hier in der Regel die Kommunikation und Informationsçbertragung zwischen unterschiedlichsten Zelltypen auf engsten Raum beschrånkt erfolgen (Conrad u. Novak 2004; Krantic et al. 2004; Spinazzi et al. 2005) und dabei noch immer neue hormonell aktive Komponenten und Konzepte identifiziert werden (Jankowski et
al. 2005; Javitt 2004; Stulnig u. Waldhausl 2004; Tomlinson u. Stewart 2002). Insbesondere wurden bei der Embryonalentwickung, Organ- und Gewebedifferenzierung lokale hormonelle Regulationssysteme und vor Ort gebildete und entlang von Konzentrationsgradienten transportierte Signalsubstanzen nachgewiesen, die z. B. in Lipidvesikeln mit molekularen Motoren an der Zelloberflåche weitergeleitet werden (Hirokawa u. Takemura 2005). Lokale Bildung hormonell aktiver Faktoren ist nicht auf die Gruppe der Proteo- und Peptidhormone oder der lipidartigen Gewebshormone (z. B. Prostanoide) beschrånkt, sondern zentrales Biosynthese-, Stoffwechsel- und Regulationsprinzip auch der niedermolekularen hydrophoben Hormone der Steroid-, Secosteroid-, Schilddrçsenhormon-, Retinoid- und Fettsåureklassen, die vorwiegend çber nukleår lokalisierte ligandenmodulierte Transkriptionsfaktoren wirken. Allerdings gibt es auch in dieser Gruppe von lipophilen Hormonen klare Befunde und Hinweise auf weitere spezifische Rezeptoren, die in der Zellmembran oder in intrazellulåren Membranen (endoplasmatischces Retikulum, Mitochondrien) lokalisiert und mit anderen Signalwegen (z. B. çber G-Protein-gekoppelte Rezeptoren) eine zusåtzliche Wirkung zur kernrezeptorvermittelten Signaltransduktion entfalten
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1.1 Grundlagen der parakrinen, autokrinen und intrakrinen Regulation endokriner Organe
(Casas et al. 2003; Lindemann et al. 2005; Revankar et al. 2005). Diese neuen Erkenntnisse para-, auto-, juxtaund intrakriner Regulation erweitern das Spektrum mæglicher Therapieansåtze çber die klassische endokrin orientierte Therapie hinaus, und mehrere der in den letzten Jahren neu entdeckten Komponenten der lokalen Signalçbertragung sind bereits aussichtsreiche Targets oder Zielmolekçle der diagnostischen und therapeutischen klinischen und pharmakologischen Forschung geworden. Erste rekombinante Therapeutika, die auf neuen parakrinen und autokrinen Signalçbertragungswegen basieren, sind bereits in der klinischen Erprobung oder schon in der Anwendung (Krantic et al. 2004).
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1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas Luc St-Onge und Martin Wagner
Inhaltsverzeichnis 1.2.1
Ûbersicht çber die endokrine und exokrine Funktion des Pankreas . . . 1.2.1.1 Strukturelle Organisation des Pankreas . . 1.2.1.1.1 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 1.2.2.1 1.2.2.2 1.2.2.2.1
1.2.2.2.2 1.2.2.2.3 1.2.2.2.4 1.2.2.2.5 1.2.2.3 1.2.2.4 1.2.2.5 1.2.3 1.2.3.1 1.2.3.2 1.2.3.2.1 1.2.3.2.2 1.2.3.2.3 1.2.3.2.4
Embryonalentwicklung des Pankreas . . . Spezifikation der endodermalen Pankreasanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Transkriptionsfaktoren in der Spezifikation des Endoderms . . . . Pdx1 als zentraler Faktor der Pankreasentwicklung . . . . . . . . . . . Hb9 in der Entwicklung der dorsalen und ventralen Pankreasanlage . . . . . . . . Pbx1 als Interaktionspartner von Pdx1 . . . PTF1/p48 in der Differenzierung des exokrinen Pankreas . . . . . . . . . . . . Isl1 in der Entwicklung des pankreatischen Mesenchyms . . . . . . Hedgehog-Proteine in der Spezifikation des Endoderms . . . . Entwicklung der dorsalen Pankreasanlage . Entwicklung der ventralen Pankreasanlage Differenzierung, Expansion und Organisation der embryonalen Pankreasanlage . . . Zellulåre Differenzierung in die endokrine und exokrine Zelllinie . . . . . . . . . . . . . Molekulare Kaskaden der endokrinen Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Duale Funktion von Pdx1 in der reifen b-Zelle . . . . . . . . . . . . . . Isl1 in der reifen b-Zelle . . . . . . . . . . . . Beteiligung von Pax-Genen an der Differenzierung von b-Zellen . . . . Transkriptionsfaktoren der NK-Familie in der Entwicklung der endokrinen Zellen
25 25 26 28 28 29 29 30 30 31 31 31 33 33
1.2.3.2.5 Beta2/NeuroD in der quantitativen Differenzierung von b-Zellen . . . . . . . . . 1.2.3.2.6 Brn4 in der Transkription des Glukagongens 1.2.3.2.7 Unterschiedliche Effekte von Arx und Pax4 in der endokrinen Differenzierung . . . . . . 1.2.3.3 Organisation der endokrinen Zellen in den Langerhans-Inseln . . . . . . . . . . . 1.2.3.4 Aktuelle Hypothesen zur Entwicklung der endokrinen und exokrinen Zelllinie aus distinkten Vorlåuferzellen . . . . . . . . . Erkrankungen des endokrinen Pankreas . Monogenetische Formen des Diabetes mellitus. . . . . . . . . . . . . . 1.2.4.1.1 MODY 2 durch Mutationen im Glukokinasegen . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4.1.2 MODY durch Mutationen in verschiedenen Transkriptionsfaktoren . . . . . . . . . . . . 1.2.4.1.3 Nachweis von Mutationen des Pax4-Gens in diabetischen Patienten . . . . . . . . . . . 1.2.4.2 Fehlanlagen des Pankreas und ihre Beziehung zu Entwicklungskontrollgenen . . . . 1.2.4 1.2.4.1
40 40 40 40 41
.
42
.
42
.
44
.
44
.
45
.
45 46 46
34
1.2.5 1.2.5.1 1.2.5.2
35
1.2.5.3
37
1.2.5.4
37 38
1.2.5.5
Neue Therapieansåtze des Diabetes mellitus Transplantation von Langerhans-Inseln . . . Differenzierung embryonaler Stammzellen in Insulin produzierende Zellen . . . . . . . . Regeneration im adulten Pankres und in Tiermodellen . . . . . . . . . . . . . . Differenzierung adulter Stammzellen in Insulin produzierende Zellen . . . . . . . . Alternative Quellen adulter Stammzellen . .
1.2.6
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
39
1.2.7
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
46 47 48 49
39
1.2.1 Ûbersicht çber die endokrine und exokrine Funktion des Pankreas 1.2.1.1 Strukturelle Organisation des Pankreas Das Pankreas erstreckt sich retroperitoneal, leicht S-færmig von der Konkavitåt des Duodenums nach links aufsteigend bis zur Milz (Abb. 1.2.1). Das Organ låsst sich funktionell in ein exokrines und ein
endokrines Kompartiment unterteilen. Die azinåren, exokrinen Zellen produzieren groûe Mengen an Verdauungsenzymen (kohlenhydrat-, lipid-, protein- und nukleinsåurespaltende Enzyme), die stimulationsabhångig çber ein komplexes System von Pankreasgangzellen in den Verdauungstrakt transportiert werden (Abb. 1.2.2 c). Die duktalen Zellen tragen mit einem natriumbikarbonatreichen Sekret zur exokrinen Funktion des Organs bei. Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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L. St-Onge und M. Wagner
Abb. 1.2.1. Zellulåre Organisation des Pankreas. Im adulten Organismus befindet sich das Pankreas unterhalb des Magens und grenzt an den Dçnndarm. Das exokrine Pankreas produziert Verdauungsenzyme, die çber die azinåren Zellen abgesondert und çber Pankreasgangzellen in den Ver-
dauungstrakt transportiert werden. Das endokrine Pankreas ist aus b-, a, d- und PP-Zellen aufgebaut, die Insulin, Glukagon, Somatostatin bzw. ein pankreatisches Polypeptid produzieren. Endokrine Zellen bilden die Langerhans-Inseln, die im exokrinen Gewebe eingebettet sind
Im exokrinen Pankreas eingebettet, liegen die Langerhans-Inseln als Funktionseinheit des endokrinen Pankreas (Abb. 1.2.2 a, b). Die endokrinen Zellen stellen 1±5% der Gesamtzellpopulation. Die Langerhans-Inseln sind aus vier unterschiedlichen Zellpopulationen aufgebaut: a-, b-, d- und PP-Zellen (Abb. 1.2.1). Die b-Zellen repråsentieren zwischen 60 und 80% der endokrinen Zellen und finden sich beim Menschen çberwiegend im Zentrum der Inseln. Das Leithormon der b-Zelle ist Insulin (Abb. 1.2.2 b). Die Glukagon produzierenden a-Zellen sind in der Peripherie der Langerhans-Inseln lokalisiert und stellen 15% der endokrinen Zellpopulation (Abb. 1.2.2 b). Die d- und PP-Zellen sind weniger zahlreich und produzieren die Leithormone Somatostatin und das pankreatische Polypeptid (PP). Die Hormone Insulin und Glukagon regulieren die Glukosehomæostase. Die Insulinwirkung auf die Leber, die quergestreifte Muskulatur und das Fettgewebe fçhrt zu einer verstårkten Glukoseaufnahme und Umwandlung in Glykogen oder Speicherfett in diesen Geweben. Glukagon hingegen erhæht unter anderem çber eine verstårkte Glykogenolyse in der Leber die Konzentration der Glukose im Blut. Die beiden Hormone Somatostatin und PP erfçllen ihre Wirkung auf die Sekretion von Verdauungsenzymen in komplexen lokalen und zentralen Regelkreisen. Die arterielle Versorgung des Pankreas çber die arteriellen Gefåûe des Verdauungstrakts, einen intrapankreatischen Blutfluss von den Langerhans-Inseln zu den exokrinen
Anteilen und die venæse Drainage in das portalvenæse System der Leber verbinden die endokrine und exokrine Funktion dieses komplexen Organs.
1.2.1.1.1 Diabetes mellitus Im Verlauf der vergangenen Dekade konnten grundlegende molekulare und genetische Mechanismen der Embryonalentwicklung des Pankreas aufgeklårt werden. Aus pathophysiologischer Sicht bilden die Zusammenhånge zwischen der embryonalen Entwicklung der Insulin produzierenden b-Zellen und der Erkrankung an einem Diabetes mellitus einen Schwerpunkt dieser Forschungsanstrengungen. Der Diabetes mellitus stellt mit çber 100 Millionen erkrankten Individuen weltweit ein hoch relevantes medizinisches, gesundheitsækonomisches und soziales Problem dar. Grundlage der Erkrankung ist die inadåquate Produktion und/oder Wirkung von Insulin als zentralem Hormon der Glukosehomæostase. Diese Stærung betrifft den Kohlenhydrat-, Protein- und Fettstoffwechsel und ist im unbehandelten Zustand durch den Leitbefund einer chronischen Hyperglykåmie gekennzeichnet. Aufgrund der Pathophysiologie und des klinischen Erscheinungsbilds werden mit dem Diabetes Mellitus Typ 1 und Typ 2 zwei Hauptformen der Erkrankung unterschieden (Kuzuya u. Matsuda 1997). Die Stoffwechselstærung stellt beim Diabetes Typ 1 den Endpunkt einer autoimmunen Zerstærung der Insulin produzierenden b-Zellen dar.
a
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
Fçr den Diabetes Typ 1 besteht ein absoluter Mangel an b-Zellen und an zirkulierendem Insulin (Kuzuya u. Matsuda 1997). Dieser Verlust ist aus heutiger Sicht endgçltig. Eine relevante Regeneration von humanen b-Zellen konnte bisher nicht ausreichend belegt werden (Johnson et al. 1980). Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ 1 sind tåglich und ein Leben lang von Insulininjektionen abhångig. Die Qualitåt der metabolischen Einstellung korreliert hierbei direkt mit dem Zeitpunkt des Auftretens und dem Schweregrad von Spåtkomplikationen der Erkrankung. Die durch die Grundkrankheit bedingten Folgeerkrankungen und Komplikationen resultieren in einer deutlichen Einschrånkung der Lebensqualitåt und der Lebenserwartung betroffener Patienten (Group 1993). Die diabetische Stoffwechsellage von Typ-2-Diabetikern ist hingegen durch einen komplexen Wirkungskreis einer primåren Insulinresistenz peripherer Organe und einer Stærung der adåquaten Insulinsekretion und erst im weiteren Verlauf durch eine verminderte Insulinsekretion und einen relativen Verlust der b-Zell-Funktion gekennzeichnet (Cederholm u. Wibell 1985; Kuzuya und Matsuda 1997; Lillioja et al. 1993). Die Typ-2-Diabetiker stellen mit 90% den Hauptanteil der an Diabetes mellitus erkrankten Patienten. Weiterhin fçhren eine Reihe genetischer Defekte der b-ZellFunktion (auch als MODY 1±6 bezeichneten Formen), medikamentæs-toxischer Effekte und Erkrankungen des exokrinen Pankreas zum Diabetes mellitus. Eine Sonderform stellt der gestationsbedingte Diabetes mellitus dar (Kuzuya u. Matsuda 1997). Fçr die Zukunft besteht die berechtigte Hoffnung, dass unser Grundlagenwissen çber die Zusammenhånge der Embryonalentwicklung der bZellen helfen wird, die Pathophysiologie des Diabetes mellitus besser zu verstehen. Weiterhin ist dieses Wissen die Grundlage fçr die Entwicklung neuer Therapieansåtze, um die gestærte b-ZellFunktion çber eine Transplantation von Insulin produzierenden Zellen wiederherzustellen. 3 Abb. 1.2.2. a Aus exokrinem Gewebe isolierte Langerhans. b Die Langerhans-Inseln sind mit einem insulinspezifischen (grçn fluoreszierend) und glukagonspezifischen (rot fluoreszierend) Antikærper gefårbt. c Toluidinblau-Fårbung des exokrinen Pankreas. In den azinåren Zellen sind Zymogengranula erkennbar, die Verdauungsenzyme enthalten. ZG: Zymogengranula, N: Kern. (Abb. 1.2.2 a, b mit freundlicher Genehmigung von M. Rupnick, Europåisches Neurowissenschaftliches Institut, Gættingen)
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1.2.2 Embryonalentwicklung des Pankreas 1.2.2.1 Spezifikation der endodermalen Pankreasanlage Unser grundlegendes Wissen çber die Pankreasentwicklung leitet sich von Untersuchungen in typischen Tiermodellen wie Måusen (St-Onge et al. 1999), dem Hçhnchenmodell (Kim et al. 1997 b), dem Krallenfrosch Xenopus laevis (Kelly u. Melton 2000) und dem Zebrafisch (Field et al. 2003; Ober et al. 2003) ab. Im weiteren Verlauf wird aus Grçnden der Ûbersichtlichkeit çberwiegend auf die spezifischen Stadien der Embryonalentwicklung des murinen Pankreas eingegangen. Die endokrinen und exokrinen Anteile des Pankreas entwickeln sich aus Zellen des endodermalen Keimblattes. Nach Abschluss der Gastrulation entsteht aus dem endodermalen Keimblatt unter anderem das Epithel des Vordarms. Diese tubulåre Struktur zieht entlang der longitudinalen Achse des Embryos. Aus dem Epithel des Vordarms entwickeln sich unter anderem die Lunge, die Leber und das Pankreas als kleine Aussackungen entlang einer anterioren-posterioren Achse, die im Weiteren dorsal-ventral spezifiziert werden. Eine Besonderheit der Pankreasanlage ist die Ausbildung sowohl einer ventralen und als auch einer dorsalen Aussackung aus dem Vordarm (Abb. 1.2.3). Die ventrale und die dorsale Pankreasanlage fusionieren erst im weiteren Verlauf der Pankreasentwicklung zum Gesamtorgan. Die dorsale Pankreasanlage in der Maus grenzt sich morphologisch zum Zeitpunkt 9.5 postcoitum (pc) der Embryonalentwicklung der Maus ab. Die ventrale Anlage entwickelt sich mit Tag 10.25±10.5 pc leicht verzægert. Im weiteren Verlauf der Entwicklung proliferieren beide Pankreasanlagen, das Epithel verzweigt sich in das umgebende Mesenchym und differenziert in die distinkten Zell3 Abb. 1.2.3. Entwicklung der dorsalen und ventralen Pankreasanlage. Das Notochord produziert Signalmolekçle wie Aktivin und FGF2, die fçr die Repression der Shh-Expression im dorsalen Pankreasepithel essentiell sind und die Expression von pankreatischen Transkriptionsfaktoren wie Pdx1, Ptf1 und Hb9 ermæglichen. Die pankreatische Differenzierung des ventralen Endoderms wird von Signalmolekçlen blockiert, die vom kardialen Mesoderm und vom Mesoderm der Lateralplatte gebildet werden. Ngn3-Expression ist fçr die Differenzierung des pankreatischen Epithels essentiell, wåhrend die Expression von Ptf1 und Hes1 die Entwicklung der azinåren Zellen beeinflusst. Anschlieûend exprimierte Faktoren wie Pax4, Pax6, Nkx2.2 und Nkx6.1 sind an der Differenzierung von b-Zellen beteiligt
a populationen des Pankreas. Durch die embryonale Vordarmrotation kommen beide Anlagen in Kontakt und fusionieren zum Gesamtorgan. Die ventrale Anlage bildet hierbei Teile des Pankreaskopfes und den Processus uncinatus, die dorsale Anlage hingegen den Korpus und den Pankreasschwanz. Interessanterweise spiegelt sich die unterschiedliche Herkunft aus zwei Pankreasanlagen im adulten Organ in einer quantitativ unterschiedlichen Zusammensetzung der Langerhans-Inseln wider (Orci u. Unger 1975; Orci 1982). Im Menschen und der Ratte finden sich PP-positive Zellen çberwiegend im Pankreaskopf, wåhrend der Anteil der Glukagon produzierenden a-Zellen in den Langerhans-Inseln im Pankreasschwanz deutlich hæher ist. Weiterhin belegen selektive Perfusionsstudien, dass Langerhans-Inseln aus dem Pankreasschwanz nach Glukosestimulation deutlich mehr Insulin ausschçtten (Stefan et al. 1987; Trimble et al. 1982). Eine komplexe Aktivierung und Repression von gewebespezifischen molekularen Faktoren geht der Bildung der beiden Pankreasanlagen voraus. Wåhrend der gesamten Embryonalentwicklung wird die Differenzierung der endokrinen und exokrinen Anteile des Pankreas çber parakrine Signale und die Interaktion mit dem umgebenden Mesenchym beeinflusst und gesteuert. Die mesenchymalen Faktoren leiten sich in frçhen Entwicklungsstadien vom Notochord und spåter vom kardialen Mesoderm, dem umgebenden Mesenchym und von Blutgefåûen ab. Die individuellen Faktoren dieser epithelialen-mesenchymalen Interaktion in der Embryonalentwicklung sind nur teilweise bekannt. Wichtige Funktionen erfçllen Peptide der Transforming-growth-factor-b(TGF-b)- und der Fibroblast-growth-factor(FGF)-Familie, die als læsliche Wachstums- und/oder Differenzierungsfaktoren und mit einer graduierten Expression das Wachstum und die Differenzierung der distinkten Populationen im Pankreas beeinflussen. Weiterhin sind die Signaltransduktionswege çber den Notch-Rezeptor und des Hedgehog-Signal-Wegs essentiell fçr die korrekte Spezifikation des Vordarmepithels. Gemeinsam aktivieren diese parakrinen Faktoren im pankreatischen Endoderm transkriptionelle Kaskaden, die letztendlich die Differenzierung der verschiedenen Zellpopulationen und die Morphogenese des Pankreas bewirken. Es erscheint heute eher unwahrscheinlich, dass diese kurze Darstellung allen Faktoren der epithelial-mesenchymalen Interaktion Rechnung trågt. Vielmehr muss von weiteren, bisher unbekannten Faktoren ausgegangen werden, welche die komplexe Spezifikation des putativen pankreatischen Endoderms steuern oder beeinflussen.
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
1.2.2.2 Zentrale Transkriptionsfaktoren in der Spezifikation des Endoderms In der frçhen Pankreasanlage zeigt sich eine distinkte Expression verschiedener Transkriptionsfaktoren, welche die Spezifikation und Differenzierung dieses Bereichs des Vordarms steuern (Abb. 1.2.3). Unser Wissen çber die Funktion dieser Transkriptionsfaktoren ergibt sich çberwiegend aus Experimenten, in denen die Proteine im murinen Modell ausgeschaltet (¹Knock-out-Experimenteª) oder fehlexprimiert wurden. Zusammen ergeben diese Experimente ein Modell, in dem Transkriptionsfaktoren ihre Funktion çber direkte Wirkungen und/oder çber permissive Signale der oben genannten mesenchymalen Faktoren ausçben. Die folgende Darstellung gibt keine komplette Ûbersicht çber alle beteiligten Faktoren, vielmehr sollen exemplarisch wichtige Prinzipien der Pankreasentwicklung dargestellt werden.
1.2.2.2.1 Pdx1 als zentraler Faktor der Pankreasentwicklung Das Pdx1-Gen (auch bekannt als Idx1, Ipf1, Stf1 oder IUF1) codiert einen durch eine Homæodomåne charakterisierten Transkriptionsfaktor (Ahlgren et al. 1996; Jackson et al. 1999; Offield et al. 1996). Die Expression von Pdx1 ist auf den Teil der Vordarmregion beschrånkt, welche spåter zum Pankreas und Duodenum differenziert. Eine Expression von Pdx1 låsst sich bereits zum Zeitpunkt 8.0±8.5 pc und somit deutlich vor der morphologischen Ausbildung der ventralen und dorsalen Aussackung nachweisen. Inaktiviert man Pdx1 im murinen Knock-out-Modell, so unterbleibt die Pankreasentwicklung. Entsprechend wurde eine homozygote, humane Mutation des Pdx1/Ipf1-Gens beschrieben, die im betroffenen Individuum in einer Agenesie des Pankreas resultierte (Stoffers et al. 1997). Analysiert man die Pdx1-defizienten Måuse genauer, so zeigt sich, dass ein Differenzierungsblock zum Zeitpunkt 10.5 pc der Maus auftritt. Entsprechend diesem Entwicklungsstadium kænnen in Pdx1-defizienten Måusen kleine Cluster insulin- und glukagonpositiver Zellen im Bereich der Vordarmregion der Pankreasanlage nachgewiesen werden. Auch bildet sich die initiale ventrale und dorsale Aussackung aus der Vordarmregion (Ahlgren et al. 1996; Offield et al. 1996). Eine mægliche Schlussfolgerung aus diesen Befunden ist, dass Pdx1 lediglich fçr die Expansion der Pankreasanlage, nicht aber fçr deren Spezifikation erforderlich ist. Im Widerspruch hierzu stehen jedoch Ex-
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perimente, in denen epitheliale und mesenchymale Komponenten aus defizienten Tieren und Wildtypkontrollen in unterschiedlicher Weise rekombiniert werden. Diese Experimente belegen, dass Pdx1 zellautonom die Kompetenz des zukçnftigen Pankreasepithels beeinflusst, auf Wachstumssignale des umgebenden Mesenchyms zu reagieren (Ahlgren et al. 1996; Offield et al. 1996). Entsprechend ist eine ektope Expression von Pdx1 im Hçhnchenmodell hinreichend fçr die Ausbildung einer ektopen Pankreasanlage (Grapin-Botton et al. 2001). Zusammenfassend muss Pdx1 als essentieller und zentraler Faktor der frçhen Pankreasentwicklung gesehen werden. Dies fçhrt zur Frage, welche Faktoren die Expression von Pdx1 wåhrend der Pankreasentwicklung beeinflussen. Einer dieser Transkriptionsfaktoren ist der Forkhead-Box-Faktor 2, Foxa2 (auch als Hepatocyte nuclear factor 3b, HNF-3b bezeichnet). Foxa2/HNF-3b reguliert die Expression von Pdx1 çber mehrere spezifische DNA-Bindungsstellen im Pdx1-Promoter (Lee et al. 2002; Wu et al. 1997). Diese Regulation legt eine Funktion von Foxa2/HNF-3b oberhalb des Pdx1-Gens in der molekularen Kaskade der Pankreasentwicklung nahe. Entsprechend zeigen Foxa2/HNF-3b-defiziente Måuse schwere Defekte in der Endodermentwicklung. Somit kann in diesen Tieren keine anterioreposteriore und keine dorsal-ventrale Spezifikation des Endoderms und keine Spezifikation der Pankreasanlage erfolgen (Ang u. Rossant 1994; Weinstein et al. 1994). In Ûbereinstimmung mit dieser Hypothese unterbleibt in Foxa2/HNF-3b-defizienten embryonalen Stammzellen die Expression von bekannten Faktoren der b-Zell-Entwicklung, wie Foxa1/HNF-3a, Tcf1/HNF-1a, HNF4 oder Pdx1 in vitro nach einer Behandlung entsprechend den Protokollen fçr eine Differenzierung von ES-Zellen in b-Zellen (Duncan et al. 1998; Gerrish et al. 2000).
1.2.2.2.2 Hb9 in der Entwicklung der dorsalen und ventralen Pankreasanlage Der Homæobox-Transkriptionsfaktor Hb9 wird vom Hblx9-Gen codiert und wird transient in der zukçnftigen dorsalen und ventralen Pankreasanlage des Vordarms und in den Regionen, die sich zu Lunge und Darm entwickeln, exprimiert. Hb9 wird zum Zeitpunkt 8.0 pc von allen Zellen des zukçnftigen Pankreasepithels exprimiert. Im weiteren Verlauf wird Hb9 zum Zeitpunkt 10 pc herunterreguliert, und die Expression ist in der spåteren Embryonalentwicklung des Pankreas auf die b-Zellen beschrånkt (Harrison et al. 1999; Li et al. 1999).
Somit ist Hblx1 in der dorsalen Anlage vor Pdx1, in der ventralen Anlage parallel mit Pdx1 exprimiert. Interessanterweise ist Hblx9 im Knock-out-Modell nur fçr die Entwicklung des dorsalen Pankreas essentiell. In Hb9-defizienten Måusen bildet sich keine dorsale Pankreasanlage aus, den adulten Tieren fehlt der Pankreasschwanz. Da Pdx1 im dorsalen Epithel des Vordarms in diesen Tieren nicht nachweisbar ist, liegt eine Funktion von Hb9 oberhalb von Pdx1 in der dorsalen Pankreasanlage nahe. Im Gegensatz hierzu ist die Expression von Pdx1 in der ventralen Anlage von Hb9 unabhångig. Dieser Teil des Pankreas entwickelt sich in den Hb9-defizienten Tieren weitgehend normal. Lediglich die relative Anzahl und die Organisation der Langerhans-Inseln ist in neugeborenen, Hb9- defizienten Tieren gestært. Dieser Phånotyp der Hb9-defizienten Måuse fçhrt zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. die Entwicklung der dorsalen und ventralen Pankreasanlage folgt einer unterschiedlichen hierarchischen Abfolge der Expression der fçr die Pankreasentwicklung essentiellen Gene, und 2. die Expression von Pdx1 ist in der ventralen und dorsalen Anlage von unterschiedlichen Faktoren abhångig. Im weiteren Verlauf der Pankreasentwicklung ist die zeitliche Expression und Repression von Hb9 nach dem Zeitpunkt 10 pc von zentraler Bedeutung. Wird Hb9 im Tierexperiment çber den Zeitpunkt 10 pc im Pankreasepithel exprimiert, ist das Wachstum und die Morphogenese des Organs mit der Konsequenz einer verminderten endokrinen und exokrinen Differenzierung gestært. Das Pankreasepithel, aber auch das umgebende Mesenchym nimmt unter diesen Bedingungen eine darmåhnliche Differenzierung an (Li u. Edlund 2001).
1.2.2.2.3 Pbx1 als Interaktionspartner von Pdx1 Das Pbx1-Protein ist Mitglied der TALE-(¹three aminoacid loop extensionª-)Familie der Homæodomåne codierenden Transkriptionsfaktoren. TALE-Faktoren agieren als Bestandteile heteromerer Proteinkomplexe, welche die Expression von Entwicklungskontrollgenen regulieren und einen differenzierten Phånotyp aufrecht erhalten. Die Expression von Pbx1 im Vordarm beschrånkt sich zum Zeitpunkt 9±10.5 pc auf die frçhe Pankreasanlage und stellt einen Marker fçr diese Region dar (Kim et al. 2002). Pbx1 interagiert mit Pdx1 in vitro, und Pbx1 reguliert in diesen Proteinkomplexen die transkriptionelle Aktivitåt von Pdx1 (Peers
a et al. 1995; Swift et al. 1998). Darçber hinaus ist das embryonale Wachstum des Pankreas reduziert, wenn eine Pdx1-Mutante, die Pbx1 nicht mehr binden kann, in vivo exprimiert wird (Dutta et al. 2001).
1.2.2.2.4 PTF1/p48 in der Differenzierung des exokrinen Pankreas -Das PTF1a/p48-Gen codiert einen ¹Basic-helixloop-helixª(bHLH)-Transkriptionsfaktor, der in dem heterotrimeren Pankreas-Transkriptionsfaktor 1 (PTF1) die sequenzspezifische, DNA-bindende Untereinheit darstellt. Die weiteren Untereinheiten dieses Proteinkomplexes stellen die ubiquitår exprimierten Proteine p75 und p65 dar. Der Transkriptionsfaktor PTF1 wurde als transkriptioneller Regulator exokriner Enzyme wie Amylase und Lipase in azinåren Zellen identifiziert (Krapp et al. 1996). Untersuchungen im Tiermodell belegen jedoch eine weiter reichende Funktion von Ptf1a/p48 fçr die Spezifikation des Endoderms des Vordarms in ein Pankreasepithel (Kawaguchi et al. 2002; Krapp et al. 1998). In Ptf1a-defizienten Måusen verschiebt sich die Differenzierung des Endoderms der Pankreasanlage in Richtung der intestinalen Differenzierung. Wie schon im Beispiel der Hb9defizienten Tiere zeigen sich hier jedoch Unterschiede in der Differenzierung der putativen ventralen und dorsalen Pankreasanlage. Die ventrale Anlage entwickelt sich in Abwesenheit von Ptf1a in Darmepithel. Hingegen ergibt sich fçr die Differenzierung der putativen dorsalen Anlage ein komplexer Phånotyp. So differenzieren diese Zellen vergleichbar mit der ventralen Anlage teilweise in Darmepithelien. Ein weiterer Teil dieser Zellen bildet tubulåre Strukturen, die sich im umgebenden Mesenchym bis zur Milz ausbreiten. Diese Zellen differenzieren in der Milz in Insulin-, Glukagon-, Somatostatin- und PP-positive Zellen. Somit ist Ptf1a nicht nur ein Regulator der exokrinen Differenzierung und spåteren Funktion dieser Zellpopulation, vielmehr determiniert Ptf1a wie Pdx1 in der frçhen Pankreasanlage die spåtere Differenzierung der Vorlåuferzellen, sowohl in die exokrine als auch in die endokrine Zelllinie. Die dargestellten çberlappenden und distinkten Aktivitåten der Faktoren Pdx1, Hb9, Pbx1 und Ptf1a resultieren aus heutiger Sicht in der Spezifikation des Vordarmepithels auf eine weitere Entwicklung und Differenzierung in das endokrine und exokrine Pankreas.
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
1.2.2.2.5 Isl1 in der Entwicklung des pankreatischen Mesenchyms Die Aussackung der dorsalen Pankreasanlage ist mit einer Kondensation des umgebenden Mesenchyms verbunden. Ûber die Transkriptionsfaktoren, die diese Vorgånge regulieren, ist bis zum heutigen Tag wenig bekannt. Dies ist um so erstaunlicher, als in der mesenchymal-epithelialen Interaktion ein zentraler Mechanismus der Pankreasentwicklung zu sehen ist. Islet1 (Isl1), ein LIMHomæodomåne codierender Transkriptionsfaktor, ist einer der wenigen bekannten Faktoren, welche die Kondensation des Mesenchyms und damit direkt die mesenchymal-epitheliale Interaktion beeinflussen. Das Mesenchym um die dorsale, nicht aber um die ventrale Pankreasanlage ist Isl1-positiv. Weiterhin wird Isl1 in einer Subpopulation der Pankreasanlage und in allen differenzierten, endokrinen Zellen exprimiert (Thor et al. 1991). In Isl1-defizienten Tieren unterbleibt die Kondensation und die folgende Entwicklung des dorsalen Mesenchyms. Die Differenzierung der dorsalen Pankreasanlage ist im weiteren Verlauf blockiert. Der exokrine Anteil der ventralen Anlage entwickelt sich weitgehend normal, doch eine Differenzierung der endokrinen Zellen bleibt aus (Ahlgren et al. 1997). Auch in den Isl1-defizienten Tieren ergibt sich somit ein spezifischer Defekt der dorsalen Pankreasanlage, der in einer gestærten Interaktion der mesenchymal-epithelialen Interaktion begrçndet ist. Zusammen mit dem oben beschriebenen Phånotyp der Hb9-defizienten Måuse belegt dies, dass sowohl die intrinsischen molekularen Kaskaden als auch die extrinsischen Einflçsse der mesenchymal-epithelialen Interaktion fçr die ventrale und dorsale Pankreasanlage unterschiedlich sind.
1.2.2.3 Hedgehog-Proteine in der Spezifikation des Endoderms Sezernierte Proteine der Hedgehog-Familie vermitteln integrale Signale, die die zukçnftige Pankreasanlage des Vordarms spezifizieren. Zur Familie der Hedgehog-Proteine gehæren Desert- (Dhh), Indian(Ihh) and Sonic-Hedgehog (Shh). Alle drei Proteine zeigen teilweise çberlappende, teilweise distinkte zeitliche und råumliche Expressionsmuster in der Embryonalentwicklung. Sie sind an einer Vielzahl entwicklungsbiologischer Vorgånge wie der intestinalen Differenzierung, der Diversifikation der Motorneurone im Rçckenmark, der Spezifikation der Finger der sich entwickelnden Extremitåt, der kar-
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Abb. 1.2.4. Signaltransduktion von Hedgehog. Die Expression von Shh wird durch wnt-Signal-Molekçle induziert. Durch Bindung von Shh an Ptc wird die Blockade von Smo durch Ptc aufgehoben, und die intestinale Differenzierung erfolgt. TGF-Signal-Molekçle wie Aktivin unterdrçcken die Expression von Shh. In Abwesenheit von Shh unterdrçckt Ptc die Aktivitåt von Smo und ermæglicht die Expression von Transkriptionsfaktoren, die die Pankreasentwicklung færdern
dialen Morphogenese und der Kontrolle der Stammzellproliferation beteiligt (als Zusammenfassung Ingham u. McMahon, 2001). Hedgehog-Proteine vermitteln ihre Wirkung çber Rezeptoren wie Patched (Ptc), die einerseits freie Hedgehog-Proteine binden und somit die Reichweite der Signalwirkung beschrånken und andererseits Signale von der Zelloberflåche zum Zellkern der Zielzelle vermitteln. Die Signaltransduktion der Hedgehog-Proteine ist bis heute nur teilweise aufgeklårt. In Abwesenheit eines Liganden reprimiert Ptc die Aktivitåt des G-Protein-gekoppelten Rezeptors Smoothened (Smo). Nach Ligandenbindung wird diese Repression aufgehoben, und Smo kann aktiviert werden. Dies fçhrt wiederum çber eine weitere Signalkaskade zur Vermittlung von Signalen zum Zellkern (Abb. 1.2.4). Somit regulieren Hedgehog-Proteine die Expression von nachgeschalteten Zielgenen çber eine Blockade der inhibitorischen Aktivitåt des Ptc-Rezeptors auf den G-Protein-gekoppelten Rezeptor Smo. Shh und Ihh sind im Epithel des Vordarms exprimiert, und die weitere Embryonalentwicklung und
Differenzierung dieser Struktur hångt von der korrekten zeitlichen und råumlichen Expression beider Proteine ab. Lediglich im Bereich der zukçnftigen dorsalen und ventralen Pankreasanlage ist die Expression von Shh und Ihh unterdrçckt (RamalhoSantos et al. 2000; Ying et al. 1998). Dieses råumliche Expressionsmuster legt eine mægliche, die Pankreasentwicklung unterdrçckende Funktion der Hedgehog-Proteine im restlichen Epithel des Vordarms nahe. Nur in dem Bereich des Vordarms, in der kein Hedgehoge-Protein exprimiert ist, kann sich nach dieser Hypothese die Pankreasanlage ausbilden. Diese Hypothese wird durch die Beobachtung unterstçtzt, dass eine ektope Ûberexpression von Shh in der Pankreasanlage mit einem Verlust der Differenzierung in endokrine und exokrine Zellen verbunden ist. Das umgebende Mesenchym differenziert unter diesen Bedingungen in intestinales Mesenchym bis hin zu glatten Muskelzellen (Aqelqvist et al. 1997; Hebrok et al. 1998). Somit vermittelt Shh Signale an das umgebende Mesenchym, die einen duodenalen Phånotyp der betreffenden
a Region spezifizieren. Entsprechend fçhrt eine chemische oder antikærpervermittelte Inhibition des Hedgehog-Signals zur Ausbildung ektoper Pankreasanlagen bis hin zur endokrinen Differenzierung dieser Zellen (Kim u. Melton 1998). Interessanterweise verbindet eine erst kçrzlich erschienene Arbeit diese entwicklungsbiologischen Aspekte direkt mit der Tumorgenese des Pankreaskarzinoms (Thayer et al. 2003). So låsst sich in den Vorlåuferlåsionen des humanen Pankreaskarzinoms (PanIn) und im duktalen Pankreaskarzinom eine De-novo-Expression von Shh nachweisen. Dieses Expressionsniveau korreliert hierbei mit dem Grad der Dsyplasie. Entsprechend zeigen transgene Tiere, die Shh unter Kontrolle des Pdx1Promoters çberexprimieren, dysplastische tubulåre Strukturen, die den humanen PanIn-Låsionen gleichen. Eine pharmakologische Inhibition von Shh mit Cyclopamin kann in Pankreaskarzinomzellen und im Mausmodell Apoptose induzieren (Thayer et al. 2003).
1.2.2.4 Entwicklung der dorsalen Pankreasanlage Die molekularen Mechanismen, welche die Expression von Shh in der zukçnftigen Pankreasanlage unterdrçcken, sind letztendlich nicht verstanden. Fçr die dorsale Anlage ist der enge Kontakt mit dem Notochord essentiell fçr die Repression der Shh-Expression (Hebrok et al. 1998; Kim et al. 1997 a). Zum Zeitpunkt 8.5 pc und somit bevor sich die dorsale Aussackung bildet, liegt das Epithel des Vordarms in enger Nachbarschaft mit dem Notochord. Trennt man das putative Pankreasepithel in In-vitro-Organkulturen vorzeitig vom Notochord, ist die Expression pankreasspezifischer Marker wie Pdx1 im Epithel der Vordarmregion reprimiert. Zum Zeitpunkt der Spezifikation der Pankreasanlage werden von den Zellen des Notochords eine Reihe potenter Signalmolekçle wie FGF2 und Aktivin-bB, ein Mitglied der TGF-b-Familie, sezerniert. Die Rezeptoren fçr FGF2 und Aktivin-bB lassen sich auf den epithelialen Zellen der Pankreasanlage nachweisen. In Organkulturexperimenten kænnen FGF2 und Aktivin-bB in Verbindung mit isoliertem Notochordgewebe die Expression von Shh unterdrçcken und parallel die Expression pankreasspezifischer Gene aktivieren. Entsprechend resultieren inaktivierende Mutationen des Typ-2-Aktivinrezeptors (ActR2B) in einer fehlenden Repression der Shh-Expression in der zukçnftigen Pankreasanlage und einer Blockade der Pankreasentwicklung (Kim et al. 2000).
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
Die enge Verbindung zwischen Notochord und Pankreasanlage wird erst durch die Fusion der zunåchst paarigen dorsalen Aorta getrennt. Zu diesem Zeitpunkt (9.5 pc) wird die Repression von Shh in der dorsalen Pankreasanlage çber bisher unbekannte Mechanismen aufrecht erhalten (Aqelqvist et al. 1997; Hebrok et al. 1998). So wird Shh im dorsalen Pankreasepithel durch eine Ûberexpression der Transkriptionsfaktoren Pdx1, Hb9 und Mnr2 reprimiert (Grapin-Botton et al. 2001), doch im Tiermodell der Hb9-defizienten Måuse wird keine ektope Expression von Shh im Bereich der dorsalen Pankreasanlage beobachtet (Li et al. 1999). Da im dorsalen Epithel der Hb9-defizienten Tiere auch eine Expression von Pdx1 unterbleibt, muss Mnr2 alleine fçr die Unterdrçckung der ShhExpression verantwortlich sein, oder es partizipieren weitere Faktoren an der Repression von Shh. Weitere selektive Effekte auf die Differenzierung und Morphogenese der dorsalen Pankreasanlage ergeben sich aus der Analyse N-Cadherin-defizienter Måuse (Esni et al. 2001). Das Zelladhåsionsund Signalmolekçl N-Cadherin ist initial nur im dorsalen Mesenchym exprimiert und låsst sich erst im weiteren Verlauf der Pankreasentwicklung in den epithelialen Zellen nachweisen. In N-Cadherin-defizienten Tieren ist die Differenzierung und Morphogenese der dorsalen Pankreasanlage blockiert. Vergleichbar dem Phånotyp der Isl1-defizienten Tiere (Ahlgren et al. 1997) bilden sich zwar frçhe Cluster endokriner Zellen in der dorsalen Anlage, doch eine weitere Expansion und Morphogenese dieser Population unterbleibt. Eine genauere Analyse des Phånotyps der N-Cadherin-defizienten Tiere belegt, dass die essentielle Funktion von N-Cadherin in diesem Kontext die eines ¹Survival-Faktorsª fçr das dorsale Mesenchym ist. Als attraktive Hypothese kænnten Zelladhåsionsmolekçle wie N-Cadherin auch an der Regulation der Expressionsdomånen von Pdx1 und Shh partizipieren. Leider liegen solche Expressionsstudien fçr die N-Cadherin-defizienten Tiere nicht vor.
1.2.2.5 Entwicklung der ventralen Pankreasanlage Die bisher dargestellten Untersuchungen belegen klare Unterschiede in den molekularen Kaskaden, welche die Spezifikation, Differenzierung und Morphogenese der dorsalen und ventralen Pankreasanlage steuern. So kann die Repression der Shh-Expression im Bereich der ventralen Anlage nicht auf einen Kontakt mit dem Notochord zurçckgefçhrt
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werden. Welche notochordunabhångigen Signale Shh in diesem Bereich unterdrçcken, ist unklar. Mæglicherweise werden diese Signale çber das kardiale Mesoderm und/oder das Mesoderm der Lateralplatte vermittelt (Kumar et al. 2003). Mæglicherweise spielen mesodermale Signale fçr die Differenzierung der ventralen Anlage nur eine untergeordnete Rolle. So differenziert das ventrale Epithel, im Gegensatz zum dorsalen Epithel, in Organkultur auch in Abwesenheit von mesodermalem Gewebe zu Pdx1-positivem Epithel. Da sich aus dem ventralen Epithel des Vordarms auch Anteile der Leber differenzieren, finden sich in diesem Bereich des Vordarms mæglicherweise distinkte Vorlåuferzellen mit einer Differenzierungskapazitåt sowohl in Pankreas- als auch in Leberzellen (Deutsch et al. 2001). Da sich aus diesen Ûberlegungen Konsequenzen fçr mægliche therapeutische Ansåtze ergeben, sind die Faktoren, die zwischen einer Differenzierung zu Pankreas oder Leber unterscheiden, von besonderem Interesse. Fçr eine Differenzierung der Leber sind permissive Signale des kardialen Mesoderms essentiell. Diese Signale kænnen wiederum die Differenzierung der ventralen Pankreasanlage blockieren. Ein mæglicher Kandidat, der diese Effekte vermittelt, ist FGF2. Hierbei stellt nicht nur die Anwesenheit dieses Wachstums- und Differenzierungsfaktors, sondern vielmehr die effektive, lokale Konzentration von FGF2 das entscheidende Signal dar. So færdern hohe FGF2-Konzentrationen die Leberdifferenzierung, wåhrend geringe Konzentrationen von FGF2 eine weitere Differenzierung der ventralen Pankreasanlage ermæglichen. Fehlt das FGF2-Signal vollståndig, wird in einer verbreiterten Zone die Shh-Expression unterdrçckt und Pankreasmarkergene wie Pdx1 werden exprimiert (Deutsch et al. 2001). Dies belegt, dass fçr das ventrale Epithel des Vordarms die Differenzierung in Pankreasepithel den vorbestimmten Weg darstellt und dass die lokale Konzentration von FGF2 diese Differenzierung in Richtung einer hepatischen Differenzierung çberfçhrt. Weitere Faktoren beeinflussen die Spezifikation des ventralen Endoderms (Kumar et al. 2003; Rossi et al. 1998). So ist die Wirkung des Bone morphogenic protein 4 (BMP-4) notwendig fçr die hepatische Differenzierung. Die Differenzierung der ventralen Pankreasanlage hingegen wird durch BMP-4 blockiert. Allerdings sind BMP-vermittelte Signale allein nicht hinreichend fçr eine Induktion einer leberspezifischen Genexpression. Vielmehr vermitteln BMP-abhångige Signale vermutlich die Kompetenz des ventralen Endoderms, auf induktive mesodermale Signale wie beispielsweise FGF2 zu reagieren.
Obwohl die Differenzierung der ventralen und dorsalen Anlage durch FGF-vermittelte Signale beeinflusst wird, ist der Effekt ein und desselben Signalmolekçls (hier FGF2) fundamental unterschiedlich. Entzieht man das ventrale Endoderm der mesenchymal-epithelialen Interaktion, so entwickelt sich dieses in Pankreasgewebe. Somit stellt sich fçr diesen Anteil des Endoderms die Entwicklung in Pankreasgewebe als vorbestimmter Differenzierungsweg dar. Das dorsale Endoderm hingegen differenziert sich unter diesen Bedingungen in intestinale Strukturen. Wåhrend die mesodermalen Signale essentiell fçr die Unterdrçckung der ShhExpression im dorsalen Epithel und somit fçr eine Differenzierung in die Pankreaslinie sind, wird Shh in der ventralen Anlage vermutlich mesodermunabhångig unterdrçckt. Mesodermale Signale stellen fçr die ventrale Anlage ein induktives Signal fçr die hepatische Differenzierung dar.
1.2.3 Differenzierung, Expansion und Organisation der embryonalen Pankreasanlage Die Differenzierung der Pankreasanlage in die endokrine und exokrine Zelllinie wird çber molekulare Kaskaden aufeinander folgender Ereignisse bestimmt. Diese sequenziellen Ereignisse sind durch die Expression spezifischer Transkriptionsfaktoren charakterisiert. In der Maus differenzieren sich erste insulin- und glukagonpositive Zellen in der dorsalen Pankreasanlage zum Zeitpunkt 9.5 pc. Die funktionelle Bedeutung dieser Zellpopulation ist nicht abschlieûend geklårt. So deuten Experimente, in denen die Zelllinien çber die Expression induzierbarer Markergene im Zeitverlauf verfolgt wurden, darauf hin, dass diese Population nicht zur definitiven endokrinen Population der Langerhans-Inseln beitrågt. Auch fehlt diesen insulinpositiven Zellen die Expression einiger, fçr die Funktion der b-Zelle essentieller Gene wie der Glukosetransporter GLUT2 und die Glukokinase. Die çberwiegende Mehrzahl der endokrinen Zellen differenziert sich aus Vorlåuferzellen zum Zeitpunkt 13.5 pc und den folgenden Tagen der Embryonalentwicklung. Die Entwicklung der exokrinen, azinåren und duktalen Zellen låsst sich ab Tag 14.5 pc nachvollziehen. Zu diesem Zeitpunkt liegen die endokrinen Zellen als individuelle Zellen innerhalb der Pankreasgånge oder bilden kleine Cluster auûerhalb des Gangsystems. Die Organisation der endokrinen Zellen in ihre Funktionseinheit, die Langerhans-Insel, erfolgt erst zum Ende
a
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
exokrine Differenzierung
endokrine Differenzierung
Abb. 1.2.5. Rolle des Notch-Signal-Wegs in der Pankreasentwicklung. In einem vereinfachten Schema vermitteln verschiedene Mediatoren die Signale des Notch-Signal-Transduktionswegs. (1) Die Bindung der Liganden Jagged oder Delta-like an die extrazellulåre Domåne des Notch-Rezeptors fçhrt zur proteolytischen Abspaltung (wahrscheinlich durch Proteasen wie Presenilin) der intrazellulåren Domåne des Notch-Rezeptors. (2) Der intrazellulåre Anteil von Notch interagiert mit dem DNA-bindenden Protein RBP-JK und (3) aktiviert die Expression von Zielgenen wie den Transkrip-
tionsfaktor Hes1. (4) Hes1 reprimiert die Expression von Ngn3 und Beta2 und færdert somit die exokrine Differenzierung. (5) Die Notch-Expression ist teilweise çber Wachstumsfaktoren wie FGF7 und 10 reguliert. Die endokrine Differenzierung wird çber die Expression von Ngn3 gefærdert, (6) die ihrerseits teilweise çber den Transkriptionsfaktor HNF6 reguliert ist. (7) Ngn3 kann die Expression von Beta2 aktivieren und (8) nimmt mæglicherweise an der Regulation der Expression der Notch-Liganden Jagged und Delta-like teil
der Embryonalentwicklung und wird erst nach der Geburt abgeschlossen.
Jensen et al. 2000 a, b; Schwitzgebel et al. 2000). Die Notch-Proteine bilden eine Familie von drei Rezeptoren (Notch 1, 2 und 4) mit einer extrazellulåren Ligandenbindungsdomåne und einer intrazellulåren Domåne, die nach Ligandenbindung freigesetzt wird und im Zellkern direkt transkriptionelle Zielgene aktivieren kann. Dem Notch-3-Protein fehlt die extrazellulåre Domåne, und das Protein agiert als intrazellulårer Regulator des Notch-Signal-Wegs (fçr eine Zusammenfassung siehe Nam et al. 2002). Die Notch-Rezeptoren werden nach Bindung der Liganden Delta, Serrate oder Jagged aktiviert. Fçr den Notch-Rezeptor sind im Menschen bisher fçnf Liganden (Jagged 1/Serrate 1, Jagged 2/Serrate 2, Del-
1.2.3.1 Zellulåre Differenzierung in die endokrine und exokrine Zelllinie Im Mittelpunkt der frçhen Pankreasdifferenzierung steht die Entscheidung, ob sich eine Vorlåuferzelle in die endokrine oder in die exokrine Zelllinie differenziert. Diese Entscheidung çber das ¹Schicksalª einer Vorlåuferzelle wird çber Signale des NotchSignal-Wegs vermittelt (Abb. 1.2.5) (Apelqvist et al. 1999; Gradwohl et al. 2000; Jacquemin et al. 2000;
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ta-like 1, Delta-like 3 and Delta-like 4) identifiziert. Diese Aktivierung induziert eine proteolytische Freisetzung der intrazellulåren Domåne, eine Translokation dieser Domåne in den Zellkern und im Komplex mit RBP-Jkappa eine Aktivierung entsprechender Zielgene. Bekannte Zielgene des Notch-Signal-Wegs sind unter anderem die Basic-helix-loophelix-Transkriptionsfaktoren (bHLH) ¹hairy/enhancer-of-splitª HES, welche ihrerseits die Expression der bHLH-Transkriptionsfaktorfamilie der Neurogenine (ngn) reprimieren. Da die letzteren Transkriptionsfaktoren die Expression der Notch-Liganden Delta-like und Jagged aktivieren, ergibt sich eine negative Rçckkopplung, die im Modell als laterale Inhibition bezeichnet wird (Abb. 1.2.5). Im Epithel der dorsalen und ventralen Pankreasanlage sind Notch 1 und wenig spåter Notch 2 nachweisbar (Lammert et al. 2000). Eine starke Expression von Notch 3 zeigt sich im umgebenden Mesenchym. Notch 4 und die Liganden Jagged 1 und Jagged 2 hingegen werden von endothelialen Zellen in der Umgebung der endokrinen Zellen gefunden. Die Inaktivierung des bHLH-Transkriptionsfaktors Neurogenin 3 (Ngn3) im murinen Modell belegt, dass dieser Transkriptionsfaktor essentiell fçr die Differenzierung der endokrinen Zellpopulation ist (Gradwohl et al. 2000), wåhrend eine ektope Ûberexpression von Ngn3 zu einer vorzeitigen Differenzierung der Vorlåuferzellen in a-Zellen fçhrt (Apelqvist et al. 1999). Weiterhin stellt Ngn3 einen Marker der endokrinen Vorlåuferzellen dar (Schwitzgebel et al. 2000). Elegante Untersuchungen der Entwicklung der endokrinen Zelllinien belegen, dass alle endokrinen Zellen zumindest transient Ngn3 exprimieren (Gu et al. 2002; Jensen et al. 2000 b). In der Maus kann Ngn3 ab Tag 9.0 pc mit einem Maximum um Tag 15.5 pc nachgewiesen werden. Im weiteren Verlauf ist die Ngn3-Expression reduziert und zum Zeitpunkt der definitiven Organisation der endokrinen Zellen zu den Langerhans-Inseln vollståndig reprimiert. Dieses enge Zeitfenster der Ngn3-Expression reflektiert die Bedeutung der Ngn3-Expression fçr die Differenzierung der endokrinen Zellpopulation. Die Entscheidung, ob sich eine endokrine Vorlåuferzelle in eine a-, b-, d- oder PP-Zelle weiterentwickelt, hångt jedoch von weiteren Faktoren ab. Dennoch deuten die Ergebnisse der ektopen Ûberexpression von Ngn3 (Apelqvist et al. 1999) darauf hin, dass die Differenzierung in Glukagon produzierende a-Zellen in Abwesenheit von weiteren Differenzierungsfaktoren den vorbestimmten Weg der endokrinen Vorlåuferzelle darstellt. Der Transkriptionsfaktor Hes1 stellt ein zentrales Zielgen des Notch-1-Signalwegs im Pankreas
dar. Hes1 inhibiert die Expression von Ngn3 und induziert eine Differenzierung der Vorlåuferzellen in die exokrine Zelllinie. In Ûbereinstimmung mit dieser Funktion låsst sich Hes1 in endokrinen Zellen nicht nachweisen. Hes1-defiziente Måuse zeigen eine vorzeitige Differenzierung der Vorlåuferzellen in endokrine Zellen. Weiterhin zeigt das exokrine Kompartiment eine vermehrte Apoptose und Hypoplasie der azinåren Zellen (Jensen et al. 2000 a). Vergleichbare Phånotypen ergeben sich fçr Delta-like Ligand 1 und RBP-Jkappa-defiziente Tiere (Apelqvist et al. 1999). Eine Blockade des Notch-Signal-Wegs in den Pdx1-positiven Vorlåuferzellen fçhrt somit zu einer Verschiebung der Differenzierung in Richtung der endokrinen Zelllinie. Diese vorzeitige Differenzierung resultiert in einem weitgehenden Verlust des exokrinen Kompartiments und einer Reduktion der Zellularitåt, da die Expansion der Vorlåuferpopulation durch die vorzeitige Differenzierung ausbleibt. Das Modell der lateralen Inhibition çber den Notch-Signal-Weg bietet eine attraktive Erklårung fçr diese Effekte. So ist die Notch-Wirkung in den Ngn3-positiven Vorlåuferzellen blockiert. Gleichzeitig exprimiert diese Zellpopulation NotchLiganden und kann so den Notch-Signal-Weg in benachbarten Zellen aktivieren. In dieser Notch-positiven Population wird so die endokrine Differenzierung blockiert, und diese Zellen stellen einen Pool an weiteren Vorlåuferzellen dar. Sobald diese Zellen in die exokrine Zelllinie differenzieren, muss allerdings auch hier die Notch-Expression reprimiert werden, erst dann ist eine Differenzierung in azinåre Zellen mæglich (Hald et al. 2003). Neben dieser direkten Interaktion wird der Effekt des Notch-Signal-Wegs teilweise çber FGF10-abhångige Signale moduliert. FGF10 vermittelt seine Wirkung çber den FGF-Rezeptor 2b (FGFR2b). Die Ûberexpression von FGF10 in den pankreatischen Vorlåuferzellen verhindert eine zeitgerechte Inaktivierung des Notch-Signal-Wegs und vermindert so die Ngn3-Expression in der Vorlåuferpopulation. Hieraus resultiert eine Proliferation des Pankreasepithels, eine Hyperplasie des Pankreas und eine gestærte Differenzierung und Morphogenese des Organs (Hart et al. 2003). Vergleichbare Befunde ergeben sich auch in Pankreasorgankulturen. Hier stimuliert die Zugabe von FGF7/KGF und FGF10 die Proliferation duktaler Zellen und blockiert zugleich die Differenzierung endokriner Zellen (Pulkkinen et al. 2003). Untersucht man hingegen die Pankreasentwicklung in FGFR2b- oder FGF10-defizienten Måusen, so zeigt sich eine Hypoplasie des Pankreas (Bhushan et al. 2001; Ohuchi et al. 2000). Weitere
a Mitglieder der FGF-Familie wie FGF1 und FGF2 regulieren die Proliferation der exokrinen und endokrinen Zellen (Le Bras et al. 1998; Miralles et al. 1999). Blockiert man den FGF-Signal-Weg durch die Expression eines dominant-negativen FGFR3b, dem spezifischen FGF7-Rezeptor, so ist die Zellularitåt des Pankreas reduziert (Celli et al. 1998). Weiterhin belegen Untersuchungen in FGFR2b-defizienten Måusen, dass Signale, die çber diesen Rezeptor vermittelt werden, fçr die Expansion der duktalen Zellen und fçr die weitere Morphogenese des tubulåren und stark verzweigten Gangsystems essentiell ist. Hingegen sind die Effekte auf die azinåre und endokrine Differenzierung in diesen Tieren weniger ausgeprågt (Pulkkinen et al. 2003). Der Nachweis multipler Hes1-Bindungsstellen im Promoter des Ngn3-Gens belegt die oben funktionell beschriebene Interaktion zwischen dem NotchHes1- und Ngn3-Signal-Weg (Lee et al. 2001). Darçber hinaus lassen sich im Ngn3-Promoter DNABindungsstellen fçr weitere, in der Pankreasanlage exprimierte Transkriptionsfaktoren wie Foxa1/ HNF-3a, Foxa2/HNF-3b und Onecut1/HNF-6 nachweisen (Jacquemin et al. 2000). In vivo agiert Onecut1/HNF-6 als Aktivator der Ngn3-Expression. Dieser Transkriptionsfaktor gehært zur Familie der ¹Cut-Homeodomain-Transkriptionsfaktorenª und ist in allen Zellen der Pankreasanlage exprimiert. Nach der Geburt wird die Expression von Onecut1/HNF-6 in den Langerhans-Inseln reprimiert (Rausa et al. 1997). Die Onecut1/HNF-6-defizienten Tiere zeigen eine deutliche Reduktion der Ngn3-Expression, die endokrine Zellzahl ist verringert, und eine Morphogenese der Langerhans-Inseln unterbleibt (Jacquemin et al. 2000). Erstaunlicherweise entwickeln sich Langerhans-Inseln in diesen Tieren çber einen Zeitraum von 5±10 Wochen nach Geburt. Dies fçhrt zur Hypothese, dass in der Morphogenese und Regeneration der Langerhans-Insel in der adulten Maus weitere Faktoren çber die bisher beschriebenen Mechanismen der Embryonalentwicklung aktiv sind. Neben dem Notch-Signal-Weg ist die mesenchymal-epitheliale Interaktion fçr die Differenzierung der pankreatischen Vorlåuferzellen, die Balance zwischen endokrinen und exokrinen Zellen und die Morphogenese des Organs von zentraler Bedeutung. So ist die exokrine Differenzierung in Organkulturen des Pankreasepithels ohne Mesenchym teilweise blockiert, und die Kulturen entwickeln sich vorrangig in die endokrine Zelllinie (Gittes et al. 1996). Ein Teil dieser Effekte låsst sich çber Wirkungen von Agonisten und Antagonisten des TGFb-Signal-Wegs erklåren. Agonisten des TGF-b-Sig-
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
nal-Wegs, wie Aktivin und TGF-b1 færdern die Entwicklung der endokrinen Zelllinie, wåhrend Antagonisten wie Follistatin die Entwicklung der endokrinen Zelllinie blockieren und in Richtung der exokrinen Differenzierung verschieben (Miralles et al. 1998 b). Aktivin induziert hierbei die Expression von Ngn3 und Pax4 (Ueda 2000; Zhang et al. 2001). Diese Transkriptionsfaktoren sind fçr die Differenzierung der endokrinen Vorlåuferpopulation (Ngn3, siehe oben) und der b-Zellen (Pax4, siehe unten) essentiell. Die Ûberexpression eines dominant-negativen, aber auch eines konstitutiv aktiven Aktivinrezeptors in transgenen Måusen fçhrt zur Hypoplasie der Langerhans-Inseln (Yamaoka et al. 1998). Hingegen beeinflusst die Ûberexpression eines dominant-negativen TGF-b2-Rezeptors die azinåre Proliferation und deren Differenzierung (Bottinger et al. 1997). Diese Ergebnisse belegen, dass nicht ein individueller Faktor, sondern vielmehr ein Øquilibrium der Signalmolekçle Follistatin, Aktivin und TGF-b1 (und wahrscheinlich weiterer Komponenten dieses Signalwegs) fçr die quantitativ regelrechte Differenzierung und Morphogenese des Pankreas entscheidend ist.
1.2.3.2 Molekulare Kaskaden der endokrinen Differenzierung Die weitere Differenzierung der Ngn3-positiven Vorlåuferpopulation in die vier verschiedenen endokrinen Zelltypen wird çber nachgeschaltete Faktoren reguliert (Abb. 1.2.6). Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre belegen einen direkten oder indirekten Einfluss einer stetig wachsenden Zahl von Transkriptionsfaktoren auf die Differenzierung der a-, b-, d- und PP-Zellen. Neben diesem Einfluss auf die zellulåre Differenzierung wåhrend der Embryonalentwicklung ist ein Teil dieser Faktoren fçr die Funktion der endokrinen Zellen im adulten Pankreas wichtig.
1.2.3.2.1 Duale Funktion von Pdx1 in der reifen b-Zelle Die Funktion von Pdx1 fçr die Spezifikation des Vordarmepithels und der Pankreasanlage ist in Abschn. 1.2.2.2.1 dargestellt. Im weiteren Verlauf der Differenzierung der Pankreasanlage wird die Expression von Pdx1 reprimiert und beschrånkt sich spåter auf die b- und d-Zellen. In der ausgereiften b-Zelle reguliert Pdx1 die Expression des Insulingens (Guz et al. 1995; Ohlsson et al. 1993; Peers et al. 1995; Serup et al. 1995), wåhrend Pdx1 in
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Abb. 1.2.6. Das vereinfachte Modell zeigt die Rolle der Transkriptionsfaktoren bei der Differenzierung der exokrinen und endokrinen Zelltypen des Pankreas
der d-Zelle fçr die physiologische Somatostatinexpression erforderlich ist (Andersen et al. 1999 b; Miller et al. 1994). Weiterhin reprimiert Pdx1 den Glukagonpromoter in vitro (Ritz-Laser et al. 2003). Die transkriptionelle Regulation einer regelrechten basalen und stimulierten Insulinexpression wird von Pdx1 im Kooperation mit weiteren Transkriptionsfaktoren wie Pax6, Beta2/NeuroD und Isl1 erfçllt. Die Rolle von Pdx1 fçr die Differenzierung und Funktion der b-Zelle wurde in konditionellen Knock-out-Måusen mit einer spezifischen Deletion des Pdx1-Gens in b-Zellen genauer untersucht (Ahlgren et al. 1998). In diesen Tieren ist Pdx1 fçr die Transkription von Insulin, dem Glukosetransporter Typ 2 (GLUT2), dem Glukokinasegen und fçr die Expression des Inselamyloidpolypetids (IAPP) von Bedeutung. Phånotypisch entwickeln sich diese Tiere zunåchst normal, erst im Zeitverlauf erkranken sie an einem Diabetes mellitus. Ein Teil dieses Phånotyps erklårt sich durch vermehrte Apoptose von Pdx1-defizienten b-Zellen (Johnson et al. 2003). Die transkriptionelle Aktivitåt von Pdx1 wird çber die intrazellulåre Verteilung des Proteins reguliert. In der ausgereiften b-Zelle låsst sich Pdx1 bei geringen extrazellulåren Konzentrationen von Glukose und Insulin im Zytoplasma und in der Peripherie des Zellkerns nachweisen. Steigende Glu-
kose- und/oder Insulinkonzentrationen induzieren eine Translokation des Transkriptionsfaktors in den Zellkern und ermæglichen so die Aktivierung der Pdx1-abhångigen Zielgene (Macfarlane et al. 1999; Rafiq et al. 1998; Wu et al. 1999). Die Translokation von Pdx1 in den Zellkern wird çber eine direkte Phosphorylierung von Pdx1 çber die Signalwege der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3-Kinase) und den SAPK/p38-Signalweg vermittelt (Elrick u. Docherty, 2001; Rafiq et al. 2000).
1.2.3.2.2 Isl1 in der reifen b-Zelle Isl1-defiziente Måuse sterben embryonal zum Zeitpunkt 9.5 pc. Eine Analyse des Phånotyps der ausgereiften b-Zelle ist somit in diesen Måusen nicht mæglich. Neben der entscheidenden Rolle fçr das dorsale Mesoderm legt die Expression von Isl1 in allen vier endokrinen Zelltypen eine Rolle von Isl1 fçr die weitere Differenzierung dieser Zellen nahe. Kultiviert man Pankreasrudimente aus Isl1-defizienten Tieren, differenzieren diese exklusiv zu exokrinen Zellen (Ahlgren et al. 1997). Dies deutet auf eine Funktion von Isl1 in der Differenzierung der endokrinen Vorlåuferpopulation hin. Eine definitive Klårung dieser Fragen ist jedoch nur mit einem konditionellen Knock-out-System, vergleich-
a bar den oben dargestellten Versuchen zur Rolle von Pdx1, mæglich.
1.2.3.2.3 Beteiligung von Pax-Genen an der Differenzierung von b-Zellen Pax2, 4 und 6 sind wåhrend der Embryonalentwicklung der endokrinen Zellen im Pankreas exprimiert. Pax4 und 6 sind in einer Subpopulation des zukçnftigen Pankreasepithels ab Tag 9.5 exprimiert. Im weiteren Verlauf beschrånkt sich die Expression von Pax4 auf die differenzierenden b- und d-Zellen. In ausgereiften Langerhans-Inseln ist Pax4 nicht nachweisbar. Pax6 kann in allen endokrinen Zellen und den adulten Langerhans-Inseln nachgewiesen werden. Pax4-defiziente Måuse entwickeln keine bund d-Zellen. Die Zahl der a-Zellen ist in diesen Tieren vermehrt (Sosa-Pineda et al. 1997). Im Gegensatz hierzu fehlen in den Pax6- defizienten Tieren die a-Zellen, wåhrend die Anzahl der b-, d- und PPZellen im Vergleich zu Wildtyptieren reduziert ist. Die endokrinen Zellen bilden keine Langerhans-Inseln, was auf eine Funktion fçr die strukturelle Organisation der Inseln hindeutet (Sander et al. 1997; St-Onge et al. 1997). In Pax4- und -6-defizienten Tieren bleibt eine Differenzierung der endokrinen Zellen aus (St-Onge et al. 1997). Die Koexpression von Pax4 und Pax6 in einer Subpopulation der endokrinen Vorlåuferzellen legt somit die Differenzierung dieser Zellen in b- und d-Zellen fest. Die Vorlåuferzellen, welche nur Pax6 exprimieren, sind nach dieser Vorstellung auf eine Differenzierung in a-Zellen festgelegt. Des Weiteren sprechen fçr dieses Modell die funktionelle Repression des Glukagonpromoters durch Pax4 (Ritz-Laser et al. 2002) und die Aktivierung dieses Promoters durch Pax6 (Andersen et al. 1999 a; Ritz-Laser et al. 1999). Die Bedeutung von Pax4 fçr die Entwicklung der b-Zellen zeigt sich in der transkriptionellen Aktivierung des Pax4-Promoters çber funktionelle DNA-Bindungsstellen fçr die bereits diskutierten Transkriptionsfaktoren Ngn3, Foxa1/HNF-3a und HNF-4 (Smith et al. 2003). In Ngn3-defizienten Tieren wird keine Expression von Pax4 beobachtet (Gradwohl et al. 2000). Weiterhin wird die Expression von Pax4 çber extrazellulåre Faktoren, welche die endokrine Differenzierung færdern, aktiviert (Ueda 2000; Zhang et al. 2001). Somit stellt sich Pax4 als direktes Zielgen von Ngn3 und als zentraler Faktor fçr die Differenzierung der b- und d-Zellen dar. Pax2 ist in den endokrinen Zellen des Pankreas exprimiert. Funktionell bindet Pax2 den Glukagonpromoter und trågt mæglicherweise zur Expression von Glukagon in den a-Zellen bei
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
(Ritz-Laser et al. 2000). Ein spezifischer Defekt der endokrinen Pankreasentwicklung liegt in Pax2-defizienten Tieren nach den bisherigen Untersuchungen jedoch nicht vor. Auch spielt Pax2 fçr die physiologische Kontrolle der Glukagonexpression offensichtlich eher eine untergeordnete Rolle (Flock u. Drucker 2002).
1.2.3.2.4 Transkriptionsfaktoren der NK-Familie in der Entwicklung der endokrinen Zellen Nkx2.2 und Nkx6.1 zåhlen zur Familie der NK/Homeodomain-Transkriptionsfaktoren. Nkx2.2 låsst sich in der dorsalen und ventralen Pankreasanlage ab Tag 8.5±9.0 nachweisen. Zunåchst kann Nkx2.2 weitgehend homogen in der Pankreasanlage nachgewiesen werden, erst im weiteren Verlauf der Entwicklung beschrånkt sich diese Expression auf a-, b- und PP-Zellen. In d-Zellen ist keine Expression des Proteins nachweisbar (Sussel et al. 1998). Trotz dieser sehr frçhen Expression in der Pankreasanlage zeigen Nkx2.2-defiziente Tiere einen selektiven Defekt in der Differenzierung der Insulin produzierenden b-Zellen. Die Expression von Pdx1 und IAPP ist in diesen Tieren erhalten. Da andererseits die Expression von GLUT2 und der Glukokinase als Marker fçr die terminale Differenzierung der b-Zelle ausbleibt, muss von einem Defekt der terminalen Ausreifung dieser Zellpopulation ausgegangen werden. In Nkx6.1-defizienten Måusen bleibt die Differenzierung von b-Zellen zum Zeitpunkt 13 pc, d.h. zum Zeitpunkt der quantitativ vorrangigen b-ZellDifferenzierung, aus. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Differenzierung und die Anzahl der endokrinen Zellen vergleichbar mit den Wildtyptieren. Dieser Defekt resultiert in neugeborenen Tieren in einer ca. 95%igen Reduktion der ausgereiften bZellen (Sander et al. 2000). Die Differenzierung der a-, d- und PP-Zellen ist in den Nkx6.1-defizienten Tieren nicht betroffen. Dieser selektive Defekt in der zweiten Phase der b-Zell-Differenzierung deutet auf zwei unterschiedliche molekulare Kaskaden der Entwicklung dieser Zellpopulation hin. Wåhrend die frçhe Differenzierung von Nkx6.1 unabhångig ist, wird die transkriptionelle Aktivitåt von Nkx6.1 fçr die zweite Phase der bZell-Differenzierung und damit fçr die Entwicklung des çberwiegenden Anteils der spåter Insulin produzierenden b-Zellen benætigt. Da die Nkx2.2/ Nkx6.1-doppelt-defizienten Tiere eine Phånokopie des Nkx2.2-Phånotyps sind, liegt die Funktion von Nkx6.1 in der molekularen Kaskade der b-Zell-Differenzierung vermutlich unterhalb der von Nkx2.1.
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L. St-Onge und M. Wagner
1.2.3.2.5 Beta2/NeuroD in der quantitativen Differenzierung von b-Zellen
1.2.3.2.7 Unterschiedliche Effekte von Arx und Pax4 in der endokrinen Differenzierung
Der Transkriptionsfaktor Beta2/NeuroD ist in der ventralen und dorsalen Pankreasanlage ab Tag 9.5 pc exprimiert. Im Verlauf låsst sich Beta2/NeuroD in den frçhen Gangepithelien und in den ersten glukagonpositiven Zellen nachweisen. Zum Zeitpunkt 14.5 pc ist Beta2/NeuroD çberwiegend in Ansammlungen endokriner Zellen, aber nicht mehr im Pankreasgangepithel nachweisbar. Die ausgereiften Zellen in der Langerhans-Insel exprimieren homogen Beta2/NeuroD. Die Beta2/NeuroD-defizienten Tiere zeigen eine quantitative Reduktion aller endokrinen Zellen, vorrangig ist jedoch die b-Zell-Linie betroffen (Naya et al. 1997). In Ngn3-defizienten Tieren bleibt eine Aktivierung von Beta2/NeuroD aus. Zusammen mit Aktivierung des Beta2/NeuroD-Promoters durch Ngn3 (Huang et al. 2000) legen diese Befunde eine Funktion von Beta2/NeuroD in der molekularen Kaskade der Differenzierung der endokrinen Zellen unterhalb von Ngn3 nahe. Die Beobachtung, dass Hes1 die Expression von Beta2/NeuroD reprimiert, verbindet die Effekte des Notch-Signal-Wegs mit spåteren Ereignissen der b-Zell-Differenzierung (Jensen et al. 2000 b). Die exakte Funktion von Beta2/NeuroD in der Embryonalentwicklung der endokrinen Zellen ist nicht vollståndig geklårt. Zudem zeigen In-vitro-Untersuchungen, dass Beta2/NeuroD an der Regulation der Insulin- und Glukagonexpression beteiligt ist (Andersen et al. 1999 a, b). Andererseits kann diese Funktion nicht essentiell sein, da die Beta2/NeuroD-defizienten Tiere in vivo Insulin und Glukagon produzieren.
Die Rolle von Arx in der Differenzierung der endokrinen Zellen im embryonalen Pankreas wurde erst kçrzlich beschrieben (Collombat et al. 2003). Arx ist im Pankreas ab Tag 9.5 pc nachweisbar. Diese Expression ist Ngn3-abhångig. In den Langerhans-Inseln ist Arx auf die a- und d-Zellen beschrånkt. In Arx-defizienten Måusen lassen sich keine glukagonpositiven Zellen nachweisen. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der b- und d-Zellen zu. Die Anzahl aller endokrinen Zellen und die Morphogenese der Langerhans-Inseln wird durch die Inaktivierung von Arx nicht beeinflusst. Somit ist Arx essentiell fçr die Differenzierung der a-Zellen und scheint repressive Effekte auf die Differenzierung der b- und d-Zellen zu haben. Vergleicht man die Phånotypen der Knock-outMåuse von Arx und Pax4, so erfçllen diese Proteine gegenlåufige Funktionen. Dies legt antagonistische Funktionen von Arx und Pax4 in der embryonalen Differenzierung der endokrinen Zelllinien nahe. Vermutlich legt die Expression von Pax4 eine Vorlåuferzelle auf eine Differenzierung in die b-Zell-Linie, Arx hingegen eine Differenzierung in die a-Zell-Linie fest. Ein weiterer Beleg fçr diese Hypothese ist die Ûberexpression von Pax4 in den Arx-defizienten Tieren und umgekehrt die Ûberexpression von Arx in den Pax4-Knock-out-Måusen. Somit stellt die Balance zwischen Arx und Pax4 den ¹Schalterª zwischen a- und b-Zell-Differenzierung dar. Mæglicherweise wird diese Funktion çber eine gegenlåufige Inhibition zwischen beiden Proteinen erzielt.
1.2.3.2.6 Brn4 in der Transkription des Glukagongens Der POU-Homeodomain-Transkriptionsfaktor Brn4 (Brain4) låsst sich ab Tag 10 pc selektiv in den frçhen glukagonpositiven Zellen nachweisen. In vitro bindet und aktiviert Brn4 den Glukagon-Promoter (Hussain et al. 2002). Die Brn4-defizienten Måuse zeigen aber keinen Defekt in der Differenzierung und Expansion der a-Zellen. Andererseits resultiert eine ektope Ûberexpression von Brn4 in b-Zellen in einer Koexpression von Insulin und Glukagon in diesen Zellen (Hussain et al. 2002). Somit ist Brn4 vermutlich fçr die regulierte Expression von Glukagon, nicht aber fçr die Differenzierung der a-Zellen mitverantwortlich.
1.2.3.3 Organisation der endokrinen Zellen in den Langerhans-Inseln Die endokrinen Zellen sind im adulten Pankreas in den Langerhans-Inseln organisiert. Untersucht man die Zusammensetzung der Langerhans-Inseln in chimåren Måusen, so stellen sich die Inseln aus endokrinen Zellen zusammengesetzt dar, die sich von unterschiedlichen Vorlåuferzellen der initial aggregierten Mauslinien ableiten (Deltour et al. 1991). Die Morphogenese einer individuellen Insel ist somit nicht Resultat einer klonalen Expansion und Differenzierung individueller Vorlåuferzellen. Vielmehr migrieren und aggregieren polyklonale endokrine Zellen vor der Bildung der LangerhansInsel. Die Migration der endokrinen Zellen wird çber Matrixmetalloproteinasen (MMP) reguliert
a (Miralles et al. 1998 a). Die MMP bilden eine Familie von proteolytischen Enzymen, die am Abbau von Kollagenen, Fibronectin und Laminin beteiligt sind. Die proteolytische Aktivitåt dieser Proteine ist entscheidend fçr die Morphogenese und fçr Migrationsvorgånge (Vu u. Werb 2000). In der Pankreasentwicklung sind MMP2 und MMP9 exprimiert. Wird die Aktivitåt der MMP durch exogene Inhibitoren in der Pankreasentwicklung inaktiviert, so wird die Morphogenese der LangerhansInseln blockiert. Die Regulation der MMP in der Pankreasentwicklung wird teilweise çber Signale des TGF-b-Signal-Wegs reguliert (Miralles et al. 1998a). Weiterhin ist die Regulation der MMP çber den Epidermal-growth-factor-Rezeptor(EGFR)-Signal-Weg moduliert. Der Phånotyp der EGFR-defizienten Måuse belegt die zentrale Rolle der MMP fçr die Differenzierung der b-Zellen und Morphogenese der Inseln. Die Expression und Aktivitåt der MMP ist in EGFR-defizienten Tieren vermindert (Miettinen et al. 2000). In diesen Tieren sind die Verzweigungen des Pankreasgangsystems deutlich reduziert, und die endokrinen Zellen liegen in enger Nachbarschaft mit den Pankreasgången, ohne sich von diesen zu læsen. Umgekehrt fçhrt eine Ûberexpression von EGF in den b-Zellen zu deutlich vergræûerten und irregulår aufgebauten Inseln. Interessanterweise ist die Glukosehomæostase in diesen Tieren nicht beeintråchtigt (Krakowski et al. 1999). Die endokrine Differenzierung und Morphogenese der Langerhans-Inseln wird weiter çber Interaktionen mit den Bestandteilen der extrazellulåren Matrix (Gittes et al. 1996) und mit Zelladhåsionsmolekçlen wie Ep-CAM beeinflusst (Cirulli et al. 1998). Nach Abschluss der endokrinen Differenzierung koordinieren Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktionen die Aggregation und Organisation der endokrinen Zellen in den Langerhans-Inseln. Diese Vorgånge sind von der Expression und Funktion spezifischer Integrine auf der Zelloberflåche der endokrinen Zellen abhångig (Kantengwa et al. 1997; Streuli 1999). Hierbei stehen a-vb3- und a-vb5-Integrine im Mittelpunkt der Adhåsion und Migration der endokrinen Vorlåuferzellen (Cirulli et al. 2000). Die Interaktion mit der umgebenden extrazellulåren Matrix ist darçber hinaus fçr die Funktion der ausgereiften b-Zellen wichtig. So verlieren isolierte b-Zellen in Zellkultur auf Plastiksubstraten ihre Fåhigkeit, auf verånderte Glukosekonzentrationen mit einer modulierten Insulinantwort zu reagieren. Unter Kulturbedingungen mit der Zugabe extrazellulårer Matrixbestandteile kann diese physiologische Funktion wiederhergestellt werden (Bosco et al. 2000).
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
Neben dieser Zell-Matrix-Interaktion tragen ZellZell-Interaktionen zur Struktur der Langerhans-Inseln bei. Diese Interaktion wird teilweise çber Ca2+-abhångige Zelladhåsionsmolekçle (CAM) und Ca2+-abhångige Mitglieder der Cadherin-Familie vermittelt (Dahl et al. 1996; Esni et al. 2001; Rouiller et al. 1991). Verschiedene Mitglieder der CadherinFamilie wie N-, R- und E-Cadherin sind auf den Zellen der Langerhans-Inseln pråsent. Die Ûberexpression eines dominant-negativen E-Cadherins stært die embryonale Morphogenese der Inseln erheblich (Dahl et al. 1996). Weiterhin ist die Inselarchitektur in NCAM-defizienten Måusen veråndert. In diesen Tieren sind die a-Zellen nicht in der Peripherie, sondern vielmehr im Zentrum der Insel lokalisiert (Esni et al. 2001). Erstaunlicherweise resultiert diese gestærte Architektur jedoch nicht in einer offensichtlichen Funktionsstærung der endokrinen Zellen in den untersuchten Tierlinien.
1.2.3.4 Aktuelle Hypothesen zur Entwicklung der endokrinen und exokrinen Zelllinie aus distinkten Vorlåuferzellen Die Aufklårung der Abstammung der individuellen Zellpopulationen im adulten Pankreas und deren Entwicklung aus definierten Vorlåuferzellen konnte in den letzten zwei Jahrzehnten nur teilweise geklårt werden. Noch in den 70er Jahren ging man von einer Differenzierung der endokrinen Zellen aus neuronalen Vorlåuferzellen aus. Diese Vorstellung beruhte çberwiegend auf immunohistochemischen Untersuchungen und auf der Expression von gemeinsamen Markern auf Neuronen und den Zellen der Langerhans-Insel (Pearse 1969, 1973, 1982; Pearse u. Polak 1971; Pearse et al. 1973). Erst im chimåren Transplantationsexperiment (in Hçhnchen-Wachtel-Chimåren) (Fontaine u. Le Douarin 1977; Fontaine et al. 1977; Le Douarin 1988) und in embryonalen Organkulturen der Ratte (Pictet et al. 1976) konnte der Beweis gefçhrt werden, dass sich sowohl die endokrinen als auch die exokrinen Anteile des Pankreas aus endodermalen Vorlåuferzellen entwickeln. Dennoch muss in diesem Zusammenhang die erstaunliche Ûberlappung der fçr die neuronale und Pankreasdifferenzierung aktiven Signaltransduktionswege (wie beispielsweise die Beteiligung von Notch, Hedgehog, Isl1, Hb9, Pax6 and Beta2) festgehalten werden. Untersucht man die frçhe Pankreasanlage immunhistochemisch auf die Expression der Leithormone der verschiedenen endokrinen Zellpopulationen, so lassen sich glukagonpositive Zellen ab
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Tag 9.5 pc der Embryonalentwicklung der Maus, insulinpositive Zellen ab Tag 10.5±11.5 pc und somatostatinpositive Zellen erst nach Tag 15.5 pc nachweisen (Alpert et al. 1988; Teitelman et al. 1993). Wie im Abschn. 1.2.2.3 dargestellt wurde, erfolgt die Organisation dieser Zellen in die funktionelle Struktur der Langerhans-Insel erst nach dem Tag 18.5 pc der Embryonalentwicklung. Exokrine Zellen lassen sich auf Grund der Expression bestimmter Marker ab Tag 14.5 pc nachweisen. Im deutlichen Gegensatz zur murinen Embryonalentwicklung lassen sich beim Menschen somatostatinund PP-positive Zellen ab der 7. Gestationswoche, insulin- und glukagon-positive Zellen jedoch erst nach der 9. Gestationswoche nachweisen (BocianSobkowska et al. 1997). Die Morphogenese der Langerhans-Inseln låsst sich in Form von kleinen Aggregaten endokriner Zellen, die aus dem Pankreasepithel auswachsen, ab der 12. Gestationswoche nachweisen. Die typische Organisation der Langerhans-Inseln mit dem Nachweis zentral gelegener b-Zellen und peripheren glukagon- und somatostatinpositiven Zellen zeigt sich ab der 17.±20. Gestationswoche (Bocian-Sobkowska et al. 1997; Hahn von Dorsche et al. 1988; Polak et al. 2000). Eine Vielzahl von Genen, die an der Differenzierung und Entwicklung des Pankreas beteiligt sind, konnten in den letzten zwei Jahrzehnten identifiziert werden. Trotz dieses umfangreichen Wissens ist unser Kenntnisstand çber die Abstammung der unterschiedlichen Zellpopulationen von distinkten Vorlåuferpopulationen bis heute græûtenteils spekulativ. Zwar konnte die Ngn3-positive Zelle als gemeinsame Vorlåuferzelle aller endokrinen Zellen identifiziert werden (Gu et al. 2002), doch die weitere Differenzierung in die reife, nur ein Hormon exprimierende endokrine Zelle ist nicht vollståndig geklårt. Einerseits belegen Untersuchungen, dass sich die reifen a- und b-Zellen aus einer gemeinsamen, fçr beide Hormone positiven Vorlåuferpopulation entwickeln (Teitelman et al. 1993), andererseits zeigen neuere, auf dem Cre/LoxP-System basierende Experimente klar, dass die Entwicklung der a- und b-Zellen getrennt verlåuft (Herrera 2000). Mæglicherweise existieren also zwei unterschiedliche Populationen von endokrinen respektive b-Zellen, die sich çber unterschiedliche Signalwege und Zwischenstufen entwickeln (Sander et al. 2000). Es bleibt kçnftigen Untersuchungen und weiterentwickelten Technologien çberlassen, diese Fragen endgçltig zu klåren. Trotz aller Einschrånkungen låsst sich auf der Basis der bisherigen Ausfçhrungen folgende Modellvorstellung als Hypothese ableiten (Abb.
1.1.12): Die zukçnftige Pankreasanlage wird im Bereich des endodermalen Vordarms durch die Repression von Shh und die Aktivierung der Transkriptionsfaktoren Pdx1, Pbx1, Hbx9, Ptf1 und Onecut1/Hnf6 definiert. Die Differenzierung der azinåren Zellen hångt von der weiteren Expression von Ptf1, der Repression von Pdx1, der Aktivierung von Hes1 und somit der Repression von Ngn3 und der Inhibition der endokrinen Differenzierung ab. Parallel zu diesen Vorgången entwickelt sich in der Pankreasanlage eine endokrine Vorlåuferzelle, die durch die Expression von Ngn3 und Isl1 und die Repression von Ptf1 gekennzeichnet ist. Die Differenzierung dieser Vorlåuferzellen in reife b-Zellen erfordert eine geordnete Aktivierung von Pax4, Nkx2.2, Nkx6.1, Pax6 und Beta2, eine Inaktivierung von Ngn3 und eine Herunterregulation von Pdx1 und Hbx9. Die endgçltige Reifung in funktionell aktive b-Zellen erfordert dann die Herunterregulation von Pax4 und eine Induktion der Expression von Pdx1 und Hbx9, die zusammen mit Pax6, Beta2 und Isl1 fçr das b-zellspezifische Transkriptionsprogramm von entscheidender Bedeutung sind. Die Differenzierung der a-Zellen hångt von der Aktivierung von Arx und Pax6 und der Expression von Brn4, Pax2 und Cdx2/3 ab. Letztere sind hierbei fçr die optimale Transkription des Glukagongens von Bedeutung. Die Pankreasgangpopulation entsteht aus einer bisher nicht definierten Vorlåuferpopulation. Aktuelle Abstammungsuntersuchungen zeigen, dass sich die Vorlåuferzellen der Pankreasgånge von den exokrinen und endokrinen Vorlåuferzellen unterscheiden und dass die Bestimmung dieser Zellpopulation bis zum Tag 12 pc festgelegt wird (Gu et al. 2003). Die genauen Mechanismen der Differenzierung der d- und PP-Zellen sind bis heute unklar.
1.2.4 Erkrankungen des endokrinen Pankreas 1.2.4.1 Monogenetische Formen des Diabetes mellitus Der Diabetes mellitus (Abschn. 1.2.1.1.1) stellt eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen dar. Das gemeinsame Merkmal der Erkrankung ist ein unphysiologisch erhæhter Blutzuckerspiegel des nçchternen Patienten und/oder eine pathologische Blutzuckererhæhung nach enteraler oder parenteraler Glukosebelastung. Eine Sonderform der Er-
a
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
krankung stellt der MODY(¹maturity onset diabetes of the youngª)-Diabetes dar. Unter dieser Bezeichnung wird eine Gruppe monogenetischer, autosomal-dominant vererbter Erkrankungen zusammengefasst, die primår die b-Zell-Funktion betreffen. In diesen Patienten ist die Insulinwirkung auf periphere Organe normal oder nur geringfçgig eingeschrånkt. Der zentrale Defekt beim MODY betrifft verschiedene Signalwege der b-Zelle und resultiert letztlich in einer ungençgenden, dem Blutzuckerspiegel nicht angepassten Insulinsekretion (Winter u. Silverstein 2000). Charakteristisch fçr den MODY-Diabetes ist eine autosomal-dominante Vererbung, eine Manifestation der Erkrankung zwischen dem 10. und 25. Lebensjahr und im Regelfall eine çber viele Jahre erhaltene Sekretion bzw. Restsekretion von Insulin. Typischerweise pråsentieren sich Patienten mit einem MODY als nichtçbergewichtige Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene mit einer milden, oligosymptomatischen Hyperglykåmie. Wegweisend ist eine positive Familienanamnese çber
mehrere, aufeinander folgende Generationen mit einem autosomal-dominanten Vererbungsmuster. Die Penetranz der Erkrankung ist hoch, und alle Patienten, die den genetischen Defekt tragen, entwickeln im Regelfall einen Diabetes. Der zugrunde liegende genetische Defekt ist so schwerwiegend, dass sich ein Diabetes mellitus auch bei normaler Insulinempfindlichkeit entwickelt. Aktuelle Schåtzungen gehen davon aus, dass eine monogenetische MODY-Erkrankung bei 1±5% aller Diabetiker vom Typ 2 vorliegt (Fajans et al. 2001). Die Erkrankungsmanifestation und die Schwere der Blutzuckerentgleisung wird durch åuûere Umstånde wie Infektionen, Pubertåt oder Schwangerschaft beeinflusst. Im Vergleich zur zweiten groûen Gruppe der Diabetiker, den Typ-2-Diabetikern, spielen exogene Faktoren jedoch eine deutlich untergeordnete Rolle. Zum heutigen Zeitpunkt wurden sechs genetische Defekte identifiziert, die einen MODY verursachen. Diese aktuelle Zusammenfassung (Tabelle 1.2.1) ist sicherlich nicht vollståndig. So konnten weltweit weitere Familien identifiziert
Tabelle 1.2.1. Monogenetische Formen des Diabetes mellitus MODYTyp
Gen
MODY 1
HNF-4a
MODY 2
Glukokinase Diabetes, pathologische Glukosetoleranz
MODY 3
HNF-1a
MODY 4 PDX1/IPF1
Klinische Pråsentation/ homozygot
Håufigkeit
Interaktion mit HNF-1a und Selten anderen Transkriptionsfaktoren im Netzwerk der MODYassozierten Transkriptionsfaktoren
Diabetes, håufige mikrovaskulåre Komplikationen
Neonataler Diabetes
Reduzierte Insulinsekretion, 10±65% a Stimulation der Insulinsekretion erst durch erhæhte Blutzuckerspiegel Reduktion der b-Zell-Masse, 20±75% a reduzierte Insulinsekretion nach Stimulation, reduzierte Expression von Glut2, Insulin und Pdx1
Diabetes, mikrovaskulåre Komplikationen, Glukosurie
Diabetes
Molekulare Grundlage des Phånotyps
Agenesie des Pankreas, neonataler Diabetes
Zentraler Regulator der Pan- Selten kreasentwicklung, reduzierte Expression von Insulin, Glukokinase und Glut2, mæglicherweise vermehrte Apoptose von b-Zellen
MODY 5
HNF-1b
Diabetes, Fehlanlagen der Nieren, progredientes Nierenversagen
Sehr selten Transkriptionsfaktoren im Netzwerk der MODY-assozierten Transkriptionsfaktoren
MODY 6
Beta2/ NeuroD
Diabetes
Zentraler Transkriptionsfak- Sehr selten tor in der Embryonalentwicklung der b-Zellen
MODY X Unbekannt a
Klinische Pråsentation/ heterozygot
Variabel
Unbekannt
Deutlich variable Inzidenz in unterschiedlichen Populationen.
Unbekannt
Unbekannt
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werden, die das klinische Bild eines MODY zeigen, ohne jedoch Mutationen in einem der bekannten MODY-Gene zu tragen. Diese MODY-Formen werden unter der Bezeichnung MODY X zusammengefasst. MODY als eigenståndige Entitåt des Diabetes mellitus wurde lange Zeit auch kontrovers diskutiert (Fajans 1990). Genetische Untersuchungen im Form von klassischen ¹Linkage-Analysenª in den betroffenen Familien legten den Grundstein fçr die Identifikation der betroffenen Gene. So konnten Regionen der Chromosome 7, 12 und 20 als mægliche Loci fçr die autosomal-dominante Vererbung der Erkrankung identifiziert werden (Bell et al. 1991; Froguel et al. 1992; Vaxillaire et al. 1995). Ausgehend von diesen Studien wurden im weiteren Verlauf die betroffenen Gene identifiziert und zum Teil mehrere MODY-assoziierte Mutationen in den individuellen Genen beschrieben. Die genetische Basis des Diabetes mellitus Typ 2 ist deutlich komplexer und beinhaltet genetische und exogene Faktoren. Im Zusammenwirken dieser Faktoren entscheidet sich, ob und wann sich ein Diabetes mellitus entwickelt. Im Gegensatz zum MODY beeintråchtigt hier nicht ein einzelner genetischer Faktor die b-Zell-Funktion, vielmehr ist der Diabetes mellitus eine Folge der ungençgenden Anpassung der b-Zelle an die Bedingungen der Umgebung. In der Entdeckung der MODY-assoziierten Gene begrçndete sich die Hoffnung, den typischen Diabetes mellitus Typ 2 besser verstehen zu lernen. Doch bis heute scheint keines der bekannten MODY-Gene eine entscheidende Rolle fçr die Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2 zu spielen.
1.2.4.1.1 MODY 2 durch Mutationen im Glukokinasegen Die Glukokinase ist das Schlçsselenzym der Glykolyse in der Leber und den b-Zellen des Pankreas. Die Phosphorylierung von Glukose zu Glukose6-Phosphat durch die Glukokinase startet den glykolytischen Abbau dieses Zuckers. In der b-Zelle stellt die Glukokinase den zentralen Glukosesensor dar. Somit betreffen die MODY-2-Mutationen direkt den Regelkreis der Glukosehomæostase. Bisher wurden fçr das Glukokinasegen çber 130 MODY-assoziierte Mutationen beschrieben (Pearson et al. 2001). Die heterozygote MODY-2-Mutation im Glukokinasegen resultiert in einer reduzierten Expression des funktionstçchtigen Allels und einem milden Diabetes mellitus. Hingegen fçhrt die homozygote Mutation zu einem schweren insulinpflichtigen neonatalen Diabetes mellitus (Njolstad et al. 2001).
Die erhæhten Blutzuckerspiegel bei MODY-2-Patienten sind Folge einer reduzierten Insulinsekretion der b-Zelle und einer verminderten Glykogenspeicherung in der Leber (Byrne et al. 1996; Velho et al. 1996). Wåhrend unter physiologischen Bedingungen eine Glukosekonzentration von 90 mg/ dl (5,0 mmol/l) die Insulinsekretion stimuliert, zeigen Patienten mit MODY-2-assozierten Mutationen im Glukokinasegen einen Anstieg der Insulinsekretion erst ab Glukosekonzentrationen von 108± 126 mg/dl (6,0±7,0 mmol/l). Somit ergeben sich in Patienten mit einer MODY-2-Mutation permanent leicht erhæhte Blutzuckerspiegel (Byrne et al. 1996). Diese Befunde aus klinischen Untersuchungen konnten im Tiermodell verifiziert werden (Sreenan et al. 1998).
1.2.4.1.2 MODY durch Mutationen in verschiedenen Transkriptionsfaktoren Mutationen in einer Reihe von Transkriptionsfaktoren verursachen einen MODY. Typischerweise sind die betroffenen Transkriptionsfaktoren fçr die normale Embryonalentwicklung des Pankreas von zentraler Bedeutung (siehe oben). Im Einzelnen wurden MODY-assozierte Mutationen im HNF4a-Gen (MODY 1) (Yamagata et al. 1996 a), im HNF1a-Gen (MODY 3) (Yamagata et al. 1996 b), im Pdx1/Ipf1-Gen (MODY 4) (Stoffers et al. 1997), im HNF-1b-Gen (MODY 5) und im NeuroD1/Beta2Gen (MODY 6) (Malecki et al. 1999) identifiziert. Die Transkriptionsfaktoren HNF-1a, HNF-1b und HNF-4a regulieren die gewebsspezifische Transkription unter anderem in der Leber und der b-Zelle. Neben genetischen Studien ergeben Experimente im Knock-out-Tiermodell (sofern diese Tiere lebensfåhig sind) klare Hinweise auf die Funktion dieser Transkriptionsfaktoren bei der Entwicklung eines MODY. So zeigen beispielsweise HNF-1a-defiziente Måuse eine reduzierte b-ZellMasse und einen erhæhten Blutzuckerspiegel (Dukes et al. 1998). Patch-Clamp-Untersuchungen belegen in diesen Tieren eine gestærte Antwort auf verschiedene Stimuli, welche die Insulinsekretion normalerweise beeinflussen. Interessanterweise zeigen bereits asymptomatische Tråger der MODY3-assozierten Mutation eine reduzierte Insulinsekretion nach Stimulation (Byrne et al. 1996). Weiterhin sind die Transkriptspiegel fçr den Glukosetransporter GLUT2 und Insulin, aber auch die Expression von Pdx1, HNF-4a und NeuroD1/Beta2 in HNF-1a-defizienten Tieren deutlich reduziert (Shih et al. 2001). Diese funktionellen Daten sind çber eine Lokalisation der MODY-3-assozierten Muta-
a tionen in den DNA-bindenden Motiven und/oder in den fçr Transaktivierung wichtigen Motiven von HNF-4a erklårt (Yamagata et al. 1996 b). Die Zielgene von HNF-1a in der b-Zelle machen das Netzwerk von Transkriptionsfaktoren der MODYassozierten Gene deutlich. Dieses Netzwerk reguliert die Expression von Insulin und weiteren Genen der Glykolyse, des Glukosetransports und des mitochondrialen Stoffwechsels. Gemeinsamer Effekt all dieser Mutationen und den daraus resultierenden Verånderungen ist eine Stærung der geordneten und bedarfsgerechten Sekretion von Insulin. Interessanterweise betreffen die bisher beschriebenen Mutationen neben direkten Effekten auf die Funktion des jeweiligen Proteins auch Promoterelemente der Gene. Diese Mutationen resultieren in einer abgeschwåchten Aktivierung des betroffenen Gens durch die weiteren Mitglieder des Regulationsnetzwerks. So aktivieren sich HNF-1a (MODY 3) und HNF-4a gegenseitig. Mutationen in der jeweiligen DNA-Bindungsstelle fçhren somit zu Phånokopien der Mutation in den jeweiligen Transkriptionsfaktoren (Boj et al. 2001; Gragnoli et al. 1997). Weiterhin besteht in diesem Netzwerk von Transkriptionsfaktoren eine Interaktion zwischen HNF-4a und Pdx1 (Thomas et al. 2001). Der Phånotyp von jeweils fçr ein Allel der Transkriptionsfaktoren Pdx1-, HNF-1a- und -1b- defizienten Tiere beståtigt diese Ûberlegungen. Wåhrend die einfach defizienten Tiere keine oder nur eine milde diabetische Stoffwechsellage zeigen, sind die mehrfach defizienten Tiere manifest diabetisch. Entsprechend verstårken sich auch die Effekte auf die Transkription der fçr die Funktion der b-Zelle wichtigen Zielgene. Nicht zuletzt ist auch die Morphogenese der Langerhans-Inseln in diesen Tieren gestært (Shih et al. 2002). Wie bereits dargestellt, ist Ipf1/Pdx1 einer der entscheidenden Transkriptionsfaktoren fçr die Embryonalentwicklung des Pankreas. Interessanterweise erfçllt dieser Transkriptionsfaktor embryonal und in der adulten b-Zelle eine duale Funktion (Abschn. 1.2.3.2.1). Neben der zentralen Rolle fçr die Entwicklung des Pankreas (Jonsson et al. 1994; Stoffers et al. 1997, 1998 b) ist Ipf1/Pdx1 in der reifen b-Zelle an der transkriptionellen Regulation der Expression von Insulin, Glukokinase und Glut2 entscheidend beteiligt. Die spezifische Deletion von Ipf1/Pdx1 in adulten b-Zellen çber ein CreLox-System in der Maus verursacht einen dem MODY vergleichbaren Phånotyp im Tiermodell (Ahlgren et al. 1998). Mutationen im Ipf1/Pdx1Gen resultieren in einem MODY 4 (Stoffers et al. 1997, 1998 a, b).
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
Weiterhin zeigt ein kleiner Anteil von Patienten mit einem Typ-2-Diabetes mellitus Mutationen im Pdx1-Gen. Personen mit Pdx1-Mutationen zeigen eine reduzierte Insulinsekretion nach Glukosebelastung oder Stimulation mit GLP-1 (¹glucagon-like peptide 1ª). Interessanterweise låsst sich in heterozygot Pdx1-defizienten Måusen eine gesteigerte Apoptose der b-Zellen nachweisen. Dies wçrde im Tiermodell erklåren, warum der assozierte MODY erst im Verlauf der Adoleszenz auftritt (Johnson et al. 2003). Eine sehr seltene MODY-Mutation (MODY 6) betrifft den Transkriptionsfaktor Beta2/NeuroD. Wieder ist mit Beta2/NeuroD ein Protein mit zentraler Bedeutung fçr die embryonale Differenzierung der b-Zellen betroffen. Dies belegt den engen Zusammenhang der Embryonalentwicklung und der Funktion der reifen b-Zelle (Malecki et al. 1999).
1.2.4.1.3 Nachweis von Mutationen des Pax4-Gens in diabetischen Patienten Im Gegensatz zur zentralen Rolle des Pax4-Gens fçr die embryonale Differenzierung der b-Zellen, spielen Pax4-Mutationen fçr das Risiko, einen Diabetes mellitus zu entwickeln, offensichtlich eine untergeordnete Rolle. Lediglich in einer japanischen Studie konnte bisher ein Zusammenhang einer Pax4-Mutation mit dem Typ-2-Diabetes mellitus belegt werden (Shimajiri et al. 2000, 2001). Interessanterweise betrifft diese Mutation die ¹Paired-Domåneª des Proteins und somit das fçr die Interaktion mit der DNA zentrale Motiv.
1.2.4.2 Fehlanlagen des Pankreas und ihre Beziehung zu Entwicklungskontrollgenen Eine Fehlregulation des Hedgehog-Signal-Wegs fçhrt im murinen Modell zu einer Reihe von kongenitalen Fehlanlagen. So zeigen diese Tiere unter anderem eine Stenosierung des Duodenums und Fehlanlagen der Ganglien des enterischen Nervenplexus (Litingtung et al. 1998; Ramalho-Santos et al. 2000). Eine Inaktivierung von Ihh oder Shh resultiert in einer Vergræûerung der ventralen Pankreasanteile. Humanpathologisch zeigt sich mit dem Pankreas annulare ein vergleichbares Bild (Hebrok et al. 2000; Ramalho-Santos et al. 2000). Ursåchlich fçr die Ausbildung eines Pankreas annulare in diesen Tieren ist eine asymmetrische und insgesamt vermehrte Verzweigung des ventralen Pankreasgangsytems. Entsprechend zeigt sich
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in Måusen mit einer heterozygoten Inaktivierung der Gene Shh und Ihh ein Defekt in der Fusion der ventralen und dorsalen Pankreasanlagen. Dieser Befund ist mit dem Bild des Pankreasdivisums in Patienten vergleichbar (Hebrok et al. 2000). Die funktionelle Bedeutung der homozygoten inaktivierenden Mutation des Pdx1-Gens wurde bereits detailliert beschrieben. Diese Mutation resultiert in einer Pankreasagenesie im Menschen und im murinen Modell (Jonsson et al. 1994; Stoffers et al. 1997) und beleuchtet wie keine andere Verånderung die enge Verknçpfung der Entwicklungskontrollgene mit humanpathologischen Verånderungen der Bauchspeicheldrçse.
1.2.5 Neue Therapieansåtze des Diabetes mellitus 1.2.5.1 Transplantation von Langerhans-Inseln Die Transplantation von Langerhans-Inseln stellt aus theoretischen Ûberlegungen den einzigen kurativen Therapieansatz fçr den Typ-1-Diabetes mellitus dar. Im klinischen Alltag spielte diese Therapie bis zur Entwicklung neuer Protokolle der Immunsuppression und deutlich verbesserter technischer Voraussetzungen keine wesentliche Rolle. Erst diese verånderten Voraussetzungen (Lakey et al. 2003) machen die Transplantation von b-Zellen zu einer echten therapeutischen Alternative (Ryan et al. 2001; Ryan et al. 2002; Shapiro et al. 2000). Dennoch bleibt die mangelnde Verfçgbarkeit an Spenderorganen der limitierende Faktor fçr eine breite Anwendung des Verfahrens, und die Zahl der Patienten, denen eine Transplantation ermæglicht wird, wird in absehbarer Zeit gering bleiben (Hirshberg et al. 2003). Eine Expansion der isolierten b-Zellen ex vivo gelingt bis heute nicht in ausreichendem Maû. Ein Grund hierfçr ist die Verkçrzung der Telomere und die vorzeitige Seneszenz der b-Zellen in Kultur (Halvorsen et al. 2000). Als Ausweg bieten sich alternative Quellen von b-Zellen an. Aus ethischen und schweren Sicherheitsbedenken scheidet die Durchfçhrung von Xenotransplantationen oder die Verwendung von aus Tumorzelllinien abgeleiteten b-Zellen aktuell aus (Bach et al. 1998; Butler et al. 1998). Deshalb steht die gezielte genetische Manipulation und Erzeugung von Insulin produzierenden b-Zellen (Levine u. Leibowitz 1999; McClenaghan u. Flatt 1999) und/oder die Expansion und Differenzierung von
geeigneten Stammzellen im Mittelpunkt der aktuellen Bestrebungen, Surrogat-b-Zellen in vitro zu erzeugen. Die zentrale Frage ist, ob diese Zellpopulationen in der Lage sein werden, eine exakte Kontrolle des Blutzuckerspiegels zu gewåhrleisten (Halban et al. 2001).
1.2.5.2 Differenzierung embryonaler Stammzellen in Insulin produzierende Zellen Eine mægliche Quelle fçr die b-Zell-Transplantation sind embryonale Stammzellen (ES-Zellen) und/ oder embryonale Keimzellen (¹germ stem cellsª, EG-Zellen). ES-Zellen leiten sich von der inneren Zellmasse von Embryonen vor der Implantation ab (Martin 1981; Nagy et al. 1993; Resnick et al. 1992), wåhrend EG-Zellen aus den embryonalen Gonaden isoliert werden (Resnick et al. 1992; Stewart et al. 1994). Beide Zelltypen kænnen dauerhaft in Kultur gehalten werden und behalten unter geeigneten Bedingungen die Fåhigkeit zur pluripotenten Differenzierung. Unter distinkten Kulturbedingungen kænnen diese Zelllinien in Zellen aller drei Keimblåtter und in eine Vielzahl spezialisierter Zellen differenzieren (Czyz et al. 2003; Wobus 2001; Wobus et al. 2001). Sowohl ES-Zellen als auch EG-Zellen kænnen aus menschlichen Embryonen isoliert werden (Shamblott et al. 1998; Thomson et al. 1998) und stellen somit ein geeignetes Ausgangsmaterial fçr innovative Therapieansåtze einer Zell- bzw. Organersatztherapie dar. ES-Zellen der Maus (Blyszczuk et al. 2003; Lumelsky et al. 2001; Soria et al. 2000) und des Menschen (Assady et al. 2001) differenzieren unter geeigneten Bedingungen in Insulin produzierende und Insulin ausschçttende Zellen. Diesen positiven Untersuchungen stehen einzelne Befunde gegençber, die fçr eine Aufnahme und Speicherung von Insulin aus dem Medium und gegen eine zellulåre Produktion von Insulin sprechen (Rajagopal et al. 2003). Die spontane Differenzierungsrate der ESZellen in Insulin produzierende Zellen ist gering, und die Produktion von Insulin pro Zelle ist in aller Regel ungençgend. Aus den Erkenntnissen der Embryonalentwicklung der b-Zellen ergeben sich mehrere Strategien, diese Einschrånkungen zu çberwinden. So wurde eine Antibiotikaresistenz unter Kontrolle des Insulinpromoters in ES-Zellen eingefçhrt, um eine Selektion der Insulin produzierenden Zellen zu ermæglichen (Soria et al. 2000). Eine effizientere Differenzierung von Insulin produzierenden Zellen aus ES-Zellen kann auch çber eine gezielte Selektion von nestin-positiven
a Vorlåuferzellen, eine Behandlung mit Nicotinamid und/oder eine Behandlung mit Inhibitoren der PI3-Kinase (Hori et al. 2002) erreicht werden. Weiterhin kann mit einer konstitutiven Expression von Pax4 (im geringeren Umfang auch durch eine Expression von Pdx1) in ES-Zellen die Effizienz und die Insulinproduktion und -ausschçttung pro Zelle deutlich verbessert werden (Blyszczuk et al. 2003). Die auf diesem Weg generierten Insulin produzierenden Zellen kænnen im Tiermodell die erhæhten Blutzuckerspiegel diabetischer Måuse nach Transplantation unter die Nierenkapsel normalisieren. So vielversprechend diese Ansåtze auch sind, stehen einer therapeutischen Anwendung von ESZellen doch schwerwiegende Fragen und Einwånde entgegen. Die Verwendung humaner Stammzellen bringt komplexe ethische Probleme mit sich (Gershon 2003). Ein gesellschaftlicher Konsens çber diese Fragen konnte in Deutschland bis heute nicht erzielt werden. Weiterhin kænnen mit den bisherigen Differenzierungsprotokollen nicht annåhernd die Insulinspiegel pro Zelle erreicht werden, die physiologischerweise fçr die reife b-Zelle charakteristisch sind. Die im Tiermodell beobachtete Entstehung von Teratomen und Teratokarzinomen nach Transplantation von ES-Zellen (Reubinoff et al. 2000; Wobus et al. 1984) wirft darçber hinaus die Frage nach der Sicherheit einer mæglichen ESZell-Therapie auf. Aus rein technischer Sicht sind deshalb geeignete Selektionsmethoden der differenzierten Zellen beispielsweise çber fluoreszenzaktivierte Zellsortierung (FACS) von entscheidender Bedeutung (Pipeleers 1987; Soria et al. 2000).
1.2.5.3 Regeneration im adulten Pankreas und in Tiermodellen Im Tiermodell låsst sich, nach einer akuten Schådigung, eine Neogenese der Langerhans-Inseln nach partieller Pankreatektomie (Bonner-Weir et al. 1983, 1993; Hardikar et al. 1999), im Modell des ¹cellophane wrappingª (Rosenberg et al. 1983, 1989; Rosenberg 1995) und nach Unterbindung des Pankreasgangs (Wang et al. 1995) nachweisen. Grundlage fçr diese Regeneration ist eine Differenzierung endokriner Vorlåuferzellen und/oder eine Expansion der b-Zellen in den Langerhans-Inseln (Fernandes et al. 1997). Hingegen konnte eine relevante Regeneration von b-Zellen fçr an Diabetes mellitus erkrankten Patienten bisher nicht belegt werden. Einschrånkend stehen einem solchen Nachweis methodische Probleme entgegen.
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
Ûbereinstimmende Befunde einer fehlenden Inselzellregeneration lassen sich auch in gångigen Tiermodellen des autoimmun vermittelten Diabetes mellitus wie der NOD(¹non-obese diabeticª)Maus oder der BB(¹biological breedingª)-Ratte nachweisen (Like 1985). Mæglicherweise werden bei diesen autoimmunen Formen des Diabetes mellitus schon die sich differenzierenden Vorlåuferzellen vom Immunsystem erkannt und zerstært. Auch nach einer medikamentæs-toxischen Schådigung adulter Måuse ist die Regenerationskapazitåt der Langerhans-Insel marginal. Ein kontråres Bild stellt sich nach Streptozotozin-Schådigung in neonatalen und neugeborenen Tieren dar. Hier kann eine weitgehende Wiederherstellung der Inselzellmasse und der endokrinen Funktion nachgewiesen werden (Bonner-Weir et al. 1993). Ausgangspunkt dieser Regeneration sind, entsprechend der physiologischen Inselentwicklung, die frçhen Pankreasgånge. Eine logische Erklårung fçr dieses Phånomen liegt in der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Embryonalentwicklung des Pankreas, d. h. die Schådigung trifft auf ein plastisches Organ, in dem embryonale Vorlåuferzellen aktiv sind. Vergleichbare Befunde ergeben sich auch nach einer toxischen Schådigung des Pankreas mit Alloxan (Waguri et al. 1997). Das adulte Pankreas von Måusen und Ratten zeigt auch nach partieller Resektion die Fåhigkeit zur Regeneration (BonnerWeir et al. 1993). Diese Regeneration ist mit einer De-novo- bzw. einer Ûberexpression von Faktoren begleitet, die auch fçr die Embryonalentwicklung von Bedeutung sind. Somit kann tierexperimentell das molekulare Programm der embryonalen Pankreasentwicklung reaktiviert werden. Weiterhin låsst sich in der Schwangerschaft von Menschen und Måusen eine deutliche b-Zell-Hyperplasie und eine Proliferation innerhalb der Langerhans-Inseln nachweisen. Mæglicherweise wird diese Expansion der Insulin produzierenden Zellen çber erhæhte Serumspiegel von Wachtumshormon, Prolaktin und Plazentalaktogen vermittelt (Nielsen et al. 2001). In genetisch definierten Mausmodellen zur Immunpathogenese des Diabetes mellitus Typ 1 ergibt sich eine relevante Regeneration von Inselzellen im Modell der RIP-INF-c-transgenen Maus (Arnush et al. 1996; Gu und Sarvetnick, 1993; Gu et al. 1994). Die Tiere exprimieren Interferon-c (INF-c) unter Kontrolle des Insulinpromoters in adulten b-Zellen. Dies resultiert in einer entzçndlichen Zerstærung der Langerhans-Insel in transgenen Tieren. Dennoch entwickeln diese Tiere keinen Diabetes mellitus, da sich parallel eine kon-
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tinuierliche Neogenese von endokrinen Zellen vollzieht. Weiterhin sind diese Tiere weitgehend resistent gegen die toxische Schådigung mit Streptozotozin (Gu et al. 1995). Die Inselneogenese endokriner Zellen aus duktalen Vorlåuferzellen in diesem Modell ist mit einer sequentiellen Expression der wåhrend der Pankreasentwicklung aktiven Transkriptionsfaktoren, wie Pdx1, Pax6 und Isl1, verbunden (Kritzik et al. 2000). Entsprechend ist die Neogenese der Langerhans-Inseln in diesen Tieren in Abwesendheit von Pdx1, Pax4 oder Pax 6 unterdrçckt (Krakowski et al. 2000). Weiterhin kann eine Neogenese der Langerhans-Inseln ausgehend von den Gangzellen in TGF-a(Transforming growth factor a)-transgenen (Song et al. 1999) und Pax6-transgenen (Yamaoka et al. 2000) Måusen beobachtet werden. Alternativ zur Neogenese endokriner Zellen aus Vorlåuferzellen låsst sich im Tiermodell unter bestimmten Voraussetzungen eine Expansion der bestehenden b-Zellen nachweisen. Als Beispiel sei hier die Expression einer aktiven Mutante der Akt1/PKB-a-Kinase in den b-Zellen genannt (Bernal-Mizrachi et al. 2001). In diesen transgenen Tieren proliferieren b-Zellen. Dies resultiert in einer Hypertrophie und Hyperplasie der Langerhans-Inseln und in einer konsekutiven Hyperinsulinåmie. Die Bedeutung des Akt1/PKB-a-Kinase-SignalWegs fçr die Homæostase der adulten b-Zell-Masse wird weiter çber Akt2/PKB-b-defiziente Tiere belegt. Diese Tiere zeigen eine periphere Insulinresistenz und ein dem Diabetes mellitus åhnliches Bild (Cho et al. 2001).
1.2.5.4 Differenzierung adulter Stammzellen in Insulin produzierende Zellen Adulte Stammzellen stellen eine ethisch und aus praktischen Grçnden deutlich unproblematischere Alternative zu ES- oder EG-Zellen dar. Solche adulten Stammzellen konnten aus einer Reihe von Geweben wie der Nabelschnur, dem Knochenmark, dem zentralen Nervensystem, quergestreiftem Muskel, der Haut und der Leber isoliert werden (Fuchs u. Segre 2000). Aus den Untersuchungen zur Regeneration des Pankreas nach akuter Schådigung (Abschn. 1.2.5.3) ergibt sich die Hypothese einer adulten Stammzelle des Pankreas im Pankreasgangsystem. Die Identitåt dieser putativen Stammzelle im Pankreas ist bis heute nicht abschlieûend geklårt. Prinzipiell kænnen neue endokrine Zellen durch die Teilung bestehender endokriner Zellen und/
oder durch die Differenzierung und Migration von pankreasgangståndigen Vorlåuferzellen entstehen (Leonard et al. 1973). Auf Grund der deutlich gesteigerten Proliferation und der Aktivierung embryonaler Gene im Pankreasgangepithel in der Regeneration wird die Aktivierung einer bisher nicht charakterisierten Vorlåuferzelle im Pankreasgangepithel als Ausgangspunkt der Inselneogenese favorisiert. Alternativ besteht die Mæglichkeit, dass den duktalen Zellen die Fåhigkeit zur Retrodifferenzierung in ein Vorlåuferzellstadium immanent ist (Bonner-Weir et al. 1997). Unklar ist hierbei, ob dies ein Potential aller duktalen Zellen oder nur von Subpopulationen, wie beispielsweise der zentroazinåren Zellen, ist. Auch sind die molekularen Kaskaden, welche die Aktivierung einer putativen Vorlåuferzelle oder die Retrodifferenzierung duktaler Zellen steuern, weitgehend unbekannt. Letztlich kænnte eine Vorlåuferzellpopulation auch innerhalb der Langerhans-Inseln selbst bestehen (Petropavlovskaia u. Rosenberg 2002; Zulewski et al. 2001). Es ist offensichtlich, dass die Identifikation einer adulten Pankreasstammzelle von entscheidender Bedeutung fçr das Verståndnis und die Therapie des Diabetes mellitus ist (Weir u. Bonner-Weir 1997). Aktuelle Bestrebungen zielen auf die Identifikation, Ex-vivo-Expansion und Differenzierung dieser hypothetischen Zellpopulation. Alternative Bestrebungen zielen auf eine Ex-vivo-Expansion der Insulin produzierenden Zellen, um so eine ausreichende Zellzahl fçr die Transplantation zu gewinnen. Allerdings weisen humane endokrine Zellen sowohl in vitro (Brelje et al. 1993) als auch in vivo (Bouwens et al. 1997; Bouwens u. Pipeleers 1998) nur geringe Proliferationsraten auf. Durch spezielle Kulturbedingungen kann die Proliferation zwar gesteigert werden, jedoch resultiert eine solche Stimulation in einer Reduktion bzw. in einem Verlust der Insulinproduktion dieser Zellen (Beattie et al. 1999; Kerr-Conte et al. 1996; Lefebvre et al. 1998). Mæglicherweise stellt die Expression von Nestin in einer Subpopulation der Pankreasgangzellen und der Inselzellen einen Marker fçr die Stammzellpopulation dar (Zulewski et al. 2001). Dieses Konzept einer nestinpositiven Stammzelle ist jedoch umstritten und bedarf sicherlich der weiteren Klårung. So konnte eine Nestinexpression in den epithelialen Zellen des embryonalen Pankreas nicht von allen Gruppen reproduziert werden (Selander u. Edlund 2002). Wegweisend fçr das Ziel, ex vivo Insulin produzierende Zellen aus somatischen Stammzellen
a zu generieren, etablierte die Gruppe von Susan Bonner-Weir und John O'Neil ein spezielles Kultursystem fçr die Expansion und Differenzierung humaner Pankreasgangzellen in Insulin produzierenden Zellen (Bonner-Weir et al. 2000). Nach einer moderaten Expansion duktaler Zellen in Monolayerkulturen wurden diese mit Matrigel çberschichtet. In diesem Gel bildeten sich dann dreidimensionale, der Langerhans-Insel sehr åhnliche Strukturen aus. Diese Zellkulturen produzieren und sekretieren unter basalen Bedingungen Insulin. Die Insulinsekretion låsst sich durch Zugabe von Glukose zum Kulturmedium weiter stimulieren. Vergleichbar mit der Embryonalentwicklung lassen sich im Verlauf der endokrinen Differenzierung unreife endokrine Zellen çber die Expression von mehreren Hormonen nachweisen. Interessanterweise zeigen die Daten auch, dass vermutlich nur die Pankreasgangepithelien der kleinen Gånge das Potential zur In-vitro-Differenzierung aufweisen, nicht jedoch die Epithelien der græûeren Gånge. Durch vergleichbare aus Pankreasgangzellen differenzierte endokrine Zellen kann in diabetischen NOD-Måusen die Stoffwechsellage normalisiert werden (Ramiya et al. 2000). Zum jetzigen Zeitpunkt steht die geringe Proliferationsrate und die Abhångigkeit von græûeren Mengen Spendergewebes einer Verwendung dieser Zellpopulation fçr eine Organersatztherapie entgegen. Dennoch eræffnen diese Daten die Mæglichkeit einer ex-vivo-genetischen Manipulation der Vorlåuferzellpopulation, um auf der Grundlage unseres Wissen çber die Embryonalentwicklung die Differenzierungsvorgånge effektiver zu steuern (Soria et al. 2001).
1.2.5.5 Alternative Quellen adulter Stammzellen Das Pankreas, die Leber und der obere Intestinaltrakt entwickeln sich embryonal aus einer gemeinsamen Anlage. So existiert eine gemeinsame Vorlåuferpopulation in den ventralen Anteilen des Vordarms, die sich in Abhångigkeit von den Umgebungsbedingungen und den aktiven Signalwegen in Richtung Pankreas oder Leber entwickeln kann (Abschn. 1.2.2.5) (Deutsch et al. 2001). Die Leber und der Darm des oberen Intestinaltrakts weisen eine auûergewæhnliche Regenerationskapazitåt auf, die von Vorlåuferzellen in diesen Organen abhångt (Clatworthy u. Subramanian 2001; Fausto 2000; Fausto 2001; Suzuki et al. 2002) So låsst sich im Pankreas von Ratten, die mit einer kupferdefizienten Diåt behandelt werden, eine Transdifferenzierung in Hepatozyten nachweisen (Rao et al. 1989;
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas
Reddy et al. 1991). Umgekehrt kænnen isolierte Ovalzellen der Leber in vitro in endokrine Zellen differenzieren (Yang et al. 2002; Zalzman et al. 2003). Diese Zellen kænnen den Blutzuckerspiegel hyperglykåmischer Tiere normalisieren. Eine Expression von GLP-1 oder die Expression von Pdx1 und Isl1 zusammen induzieren eine Differenzierung intestinaler Zellen in Insulin produzierende Zellen. Eine direkte Transfektion der Leber diabetischer Måuse mit einem Pdx1 oder einem Beta2 und Betacellulin exprimierenden Adenovirus resultiert in insulinpositiven Zellen in der Leber und in einer Normalisierung der Blutzuckerspiegel diabetischer Tiere (Ferber et al. 2000; Kojima et al. 2003). Als weitere potentielle Quelle adulter Stammzellen kommen håmatopoetische Stammzellen in Frage. Unter geeigneten Bedingungen gelingt es auch, diese Zellpopulation zu einer glukoseabhångigen Insulinsekretion zu stimulieren (Ianus et al. 2003). Diesen Ansåtzen gemein ist die bestechende Ûberlegung, dass diese adulten Stammzellen in græûerer Menge und deutlich leichter als Stammzellen des Pankreas verfçgbar sind. Ob diese Ansåtze allerdings diese Versprechen halten kænnen, muss die Zukunft zeigen.
1.2.6 Ausblick Die Erkenntnisse der letzten Dekade gewåhren uns einen Einblick in die genetischen und molekularen Kaskaden der Pankreasentwicklung und eræffnen in der Perspektive neue Therapieansåtze fçr die Behandlung des Diabetes mellitus und anderer Pankreaserkrankungen. Eine Reihe der zentralen Signalwege und der transkriptionellen Regulatoren der Pankreasentwicklung sind heute bekannt. Dieses Wissen ist der Schlçssel fçr die Differenzierung Insulin produzierender Zellen in vitro und in vivo und fçr die Entwicklung einer hierauf basierenden Zellersatztherapie. Bevor diese Grundlagen in direkte therapeutische Ansåtze und somit zum Nutzen der vielen betroffenen Patienten çberfçhrt werden kænnen, mçssen eine Reihe von Fragen und Problemen gelæst werden. Die Klårung dieser Fragen wird die Grundlagenforschung sicherlich noch fçr eine Reihe von Jahren oder Jahrzehnten beschåftigen. Erst wenn sie geklårt sind, erscheint eine effektive therapeutische Anwendung mit einem ausreichenden Sicherheitsprofil mæglich. Unser Wissen çber die individuelle Rolle einzelner an den Prozessen der Pankreasentwicklung be-
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teiligter Transkriptionsfaktoren ist grundlegend fçr unser Verståndnis. Doch es wird Aufgabe der kommenden Jahre sein, dieses Puzzle zu einem Gesamtbild der Interaktion der beteiligten Faktoren auf genetischer und zellulårer Ebene zusammenzufçgen. Transkriptionsfaktoren regulieren die Expression von Zielgenen und nehmen eine Schlçsselrolle fçr Differenzierungsvorgånge ein. Bis auf wenige Ausnahmen kennen wir die Zielgene der zentralen Regulatoren der Pankreasentwicklung wie Pdx1, Ngn3 und Pax4 bis heute nicht. Noch viel weniger ist ihre Abhångigkeit vom zellulåren Kontext und dem jeweiligen Entwicklungsstand klar. Unter diesen Zielgenen werden sich Enzyme, Zellzyklus- und Apoptoseregulatoren, Zelladhåsionsmolekçle und Chaperone finden, die von zentraler Bedeutung fçr die Funktion und Identitåt der individuellen Zellen des Pankreas sind. Umgekehrt fangen wir erst an, die diesen zentralen Regulatoren çbergeordneten Signalwege zu verstehen. Die Anstrengungen des Endokrinen Pankreas Konsortiums, mit Hilfe der Mikroarraytechnik regulierte Gene in der Pankreasentwicklung zu identifizieren, zeigen, dass mehrere tausend Gene in diesen komplexen Differenzierungsvorgången reguliert werden (Kaestner et al. 2003; Scearce et al. 2002). Die Erklårung, wie diese Gene reguliert werden und welche dieser Faktoren fçr die korrekte Differenzierung der b-Zellen und fçr mægliche therapeutische Ûberlegungen von Bedeutung sind, stellt eine immense Aufgabe dar. Bis heute kennen wir die genaue Abstammung der verschiedenen Zelllinien im Pankreas nicht. Die Klårung dieser Frage ist von zentraler Bedeutung fçr die Ûberlegung, welche der Vorlåuferzellen fçr bestimmte therapeutische Ansåtze in Frage kommt. In Anbetracht des umfangreichen Wissens çber die Entwicklung des Pankreas ist es erstaunlich, dass die zentrale Frage, çber welche Vorlåufer- und Zwischenstufen sich b-Zellen entwickeln, nicht hinreichend geklårt ist. Wie soll in einem Invitro-System der Beweis gefçhrt werden, dass dieses System tatsåchlich die molekularen Kaskaden der b-Zell-Entwicklung reflektiert und dass das Resultat ausgereifte b-Zellen sind, ohne die Klårung dieser zentralen Frage? Neben diesen Aspekten der Embryonalentwicklung wird die Identifikation der adulten Stammzelle im Mittelpunkt der folgenden Jahre stehen. Existiert eine solche Zelle und kann sie als Ausgangsmaterial fçr therapeutische Ansåtze genutzt werden? Oder ergeben sich mit hepatischen und/ oder intestinalen Stammzellen sinnvolle oder sogar çberlegene Alternativen?
Auch wenn diese offenen Fragen heute zum Teil noch unlæsbar erscheinen, kann man den enormen Fortschritt der letzten Jahre auf dem Gebiet der Pankreasentwicklung und der Grundlagenforschung çber die Mæglichkeiten einer Organersatztherapie nicht hoch genug einschåtzen. Neue Konzepte und neue technische Mæglichkeiten entwickeln sich mit nie da gewesener Geschwindigkeit. Auûer Frage steht, dass sich die Anstrengungen der Grundlagenforschung und die Aufklårung der Zusammenhånge der Embryonalentwicklung des Pankreas mit der Differenzierung der b-Zellen im adulten System und/oder Ex-vivo-System in nåherer Zukunft in einen direkten Vorteil fçr betroffene Patienten umsetzen lassen wird.
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1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas Rossi JM, Dunn NR, Hogan BLM, Zaret KS (1998) Distinct mesodermal signals, including BMPs from the septum transversum mesenchyme, are required in combination for hepatogenesis from the endoderm. Genes Dev 15: 1998±2009 Rouiller DG, Cirrulli V, Halban P (1991) Uvomorulin mediates calcium-dependent aggregation of islet cells, whereas calcium-independent cell adhesion molecules distinguish between islet cells types. Dev Biol 148: 233±242 Ryan E et al. (2001) Clinical outcomes and insulin secretion after islet transplantation with the Edmonton protocol. Diabetes 50: 710±719 Ryan EA, Lakey JRT, Paty BW et al. (2002) Successful islet transplantation ± Continued insulin reserve provides long-term glycemic control. Diabetes 51: 2148±2157 Sander M, Neubçser A, Kalamaras J, Ee H, Martin G, German M (1997) Genetic analysis reveals that Pax6 is required for normal transcription of pancreatic hormone genes and islet development. Genes Dev 11: 1662±1673 Sander M, Sussel L, Conners Jet al. (2000) Homeobox gene Nkx6.1 lies downstream of Nkx2.2 in the major pathway of b-cell formation in the pancreas. Development 127: 5533±5540 Scearce LM et al. (2002) Functional genomics of the endocrine pancreas ± The pancreas clone set and PancChip, new resources for diabetes research. Diabetes 51: 1997± 2004 Schwitzgebel V, Scheel D, Conners J et al. (2000) Expression of neurogenin3 reveals an islet cell precursor population in the pancreas. Development 127: 3533±3542 Selander L, Edlund H (2002) Nestin is expressed in mesenchymal and not epithelial cells of the developing mouse pancreas. Mech Dev 113: 189±192 Serup P, Petersen HP, Petersen EE et al. (1995) The homeodomain protein IPF-1/STF-1 is expressed in a subset of islet cells and promotes rat insulin 1 gene expression dependent on an intact E1 helix-loop-helix factor binding site. Biochem J 310: 997±1003 Shamblott M, Axelman J, Wang S et al. (1998) Derivation of pluripotent stem cells from cultured human primordial germ cells. Proc Natl Acad Sci USA 95: 13726±13731 Shapiro A, Lakey J, Ryan E, Korbutt G, Toth E, Warnock G, Kneteman N, RV R (2000) Islet transplantation in seven patients with type 1 diabetes mellitus using a glucocorticoid-free immunosuppressive regimen. N Eng J Med 343: 230±238 Shih DQ, Screenan S, Munoz KN et al. (2001) Loss of HNF1a function in mice leads to abnormal expression of genes involved in pancreatic islet development and metabolism. Diabetes 50: 2472±2480 Shih DQ, Heimesaat M, Kuwajima S, Stein R, Wright CV, Stoffel M (2002) Profound defects in pancreatic b-cell function in mice with combined heterozygous mutations in Pdx-1, Hnf-1a, and Hnf-3b. Proc Natl Acad Sci USA 99: 3818±3823 Shimajiri Y, Sanke T, Furuta H et al. (2000) A missense mutation of the Pax4 gene in Japanese type 2 diabetic subjects. Diabetes 49: A202 Shimajiri Y, Sanke T, Furuta Het al. (2001) A missense mutation of Pax4 gene (R121W) is associated with type 2 diabetes in Japanese. Diabetes 50: 2864±2869 Smith SB, Gasa R, Watada H, Wang JH, Griffen SC, German MS (2003) Neurogenin3 and hepatic nuclear factor 1 cooperate in activating pancreatic expression of Pax4. J Biol Chem 278: 38254±38259
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a Yamagata K et al. (1996 b) Mutations in the hepatocyte nuclear factor-1a gene in maturity-onset diabetes of the young (MODY3). Nature 384: 455±458 Yamaoka T et al. (1998) Hypoplasia of pancreatic islets in transgenic mice expressing activin receptor mutants. J Clin Invest 102: 294±301 Yamaoka T, Yano M, Yamada T et al. (2000) Diabetes and pancreatic tumours in transgenic mice expressing Pax 6. Diabetologia 43: 332±339 Yang LJ, Li SW, Hatch H, Ahrens K, Cornelius JG, Petersen BE, Peck AB (2002) In vitro trans-differentiation of adult hepatic stem cells into pancreatic endocrine hormoneproducing cells. Proc Natl Acad Sci USA 99: 8078±8083 Ying LT, Li L, Westphal H, Chin C (1998) Sonic hedgehog is essential to foregut development. Nature Genet 20: 58±61
1.2 Regulation der Entwicklung des Pankreas Zalzman M, Gupta S, Giri RK et al. (2003) Reversal of hyperglycemia in mice by using human expandable insulinproducing cells differentiated from fetal liver progenitor cells. Proc Natl Acad Sci USA 100: 7253±7258 Zhang Y, Mashima H, Kojima I (2001) Changes in the expression of transcription factors in pancreatic AR42 J cells during differentiation into insulin-producing cells. Diabetes 50: S10±S14 Zulewski H, Abraham EJ, Gerlach MJ et al. (2001) Multipotential nestin-positive stem cells isolated from adult pancreatic islets differentiate ex vivo into pancreatic endocrine, exocrine, and hepatic phenotypes. Diabetes 50: 521±533
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse Klaus Rohr und Heiko Krude
Inhaltsverzeichnis 1.3.1 1.3.1.1 1.3.1.2 1.3.1.3 1.3.1.4 1.3.2 1.3.2.1 1.3.2.2 1.3.2.2.1 1.3.2.2.2 1.3.2.3 1.3.2.3.1 1.3.2.3.2 1.3.2.3.3
Grundlagen der Schilddrçsenentwicklung Schilddrçsenentwicklung im medizinischen Kontext . . . . . . . . . . . Verlauf der Schilddrçsenentwicklung . . . . Evolution der Schilddrçse . . . . . . . . . . . Werkzeuge des Molekularbiologen: Modellorganismen . . . . . . . . . . . . . . .
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1.3.2.3.4 FGFR2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.4 Rolle der Neuralleiste in der Schilddrçsenentwicklung . . . . . . . 1.3.2.5 Der Zebrafisch als Modellorganismus der Schilddrçsenentwicklung . . . . . . . . .
65
1.3.3
.
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. . . .
66 66 66 67
. . . .
67 67 69 69
Regulation der Schilddrçsenentwicklung Induktion und Ablæsung der Schilddrçse vom Kiemendarm . . . . . . . . . . . . . . . Relokalisierung des Primordiums . . . . . Cadherine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . FOXE1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierung des follikulåren Zellverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . NKX2.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . HHEX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PAX8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.3.1 Grundlagen der Schildrçsenentwicklung 1.3.1.1 Schilddrçsenentwicklung im medizinischen Kontext Die Schilddrçse ist ein bemerkenswert einfach strukturiertes Organ und weist eine sehr çbersichtliche Funktion auf: Die Drçse besteht aus lediglich zwei verschiedenen Hormon produzierenden Zellpopulationen, die zwei Hormone sezernieren. Die Schilddrçsenzellen (Thyreozyten), die zu Follikeln zusammengelagert sind, bilden das Schilddrçsenhormon Tetraiodthyronin (T4, Thyroxin) bzw. dessen biologisch aktives Derivat Triiodthyronin (T3). Die zwischen den Follikeln eingelagerten C-Zellen synthetisieren das Hormon Calcitonin. Die C-Zellen repråsentieren nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtvolumen der Drçse (Abb. 1.3.1). Trotz çbersichtlicher Morphologie und Syntheseleistung der Schilddrçse sind die Wirkungen von T4 bzw. des biologisch aktiven T3 mannigfaltig. Fast jede Kærperzelle weist Schilddrçsenhormonrezepto-
Defekte der Schilddrçsenentwicklung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3.1 Defekte, die zu einer Athyrose fçhren: FOXE1-Mutation . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3.2 Defekte, die zu einer Hypolasie fçhren: THS-Rezeptor, NKX2.1 und PAX8 . . . 1.3.3.2.1 TSH und TSH-Rezeptor-Mutationen . . 1.3.3.2.2 NKX2.1-Mutationen . . . . . . . . . . . . 1.3.3.2.3 PAX8-Mutationen . . . . . . . . . . . . .
70 70 71
. . .
72
. . .
73
. . . .
. . . .
74 74 75 75
1.3.4
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.3.5
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . .
ren auf, so dass die biologische Wirkung des Hormons sich in einer Vielzahl von physiologischen Leistungen widerspiegelt. Der Mangel an Schilddrçsenhormon (Hypothyreose) fçhrt daher zu einer schweren Beeintråchtigung der erkrankten Individuen, die bis zum Verlust aller Kærperfunktionen in einem komatæsen Zustand fçhren kann (myxædematæses Koma). Die physiologische Bedeutung des Calcitonins fçr den Knochen- und Kalziumstoffwechsel steht beim Menschen anders als bei anderen Spezies in Frage. So weisen Patienten mit sehr hohen oder nicht nachweisbaren Calcitoninspiegeln normale Kalziumwerte auf. Aus diesem Grund muss nach Thyrektomie in der Regel kein Calcitonin substituiert werden. Der Schwerpunkt dieses Abschnitts liegt daher auf der Entwicklung und Funktion der follikulåren Schilddrçsenanteile. Die zentrale Bedeutung des Schilddrçsenhormons fçr die physiologischen, aber auch fçr entwicklungsbiologische Prozesse zeigt sich besonders bei der angeborenen Hypothyreose. Diese findet sich bei ca. einem von 3500 Neugeborenen und betrifft in Deutschland ungefåhr 200 Kinder jåhrGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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K. Rohr und H. Krude
a Abb. 1.3.1. a, b. Zellulårer Aufbau der Schilddrçse im Menschen. a Ausschnitt aus der adulten Schilddrçse. Blau: Follikel, grçn: C-Zellen, rot: Blutgefåûe. b Aufbau einer Follikelzelle.
b Die apikale Zelloberflåche wird von Mikrovilli geprågt. Transportkanåle sind spezifisch an apikaler oder basaler Membran lokalisiert. TPO: Thyroperoxidase, TG: Thyroglobulin
Abb. 1.3.2. Kretinismus als Folge von kongenitaler Hypothyreose. Historische Darstellung (Osler 1897). Die frçhzeitig aufgetretene Wachstumsstærung (links) besserte sich nach Nahrungsergånzung mit Extrakten aus tierischen Schilddrçsen (rechts)
lich. Diese Kinder weisen ohne Substitution des fehlenden Schilddrçsenhormons eine eingeschrånkte kærperliche und geistige Entwicklung auf, mit der Folge eines schweren Kretinismus mit Kleinwuchs und mentaler Retardierung (Gruters et al. 2002) (Abb. 1.3.2). Dank der frçhzeitigen Behandlung mit Schilddrçsenhormon, die heutzutage durch die Einfçhrung der Neugeborenen-Screeningprogramme in den ersten Lebenstagen begin-
nen sollte, erreichen die betroffenen Kinder eine normale Entwicklung. Bei den meisten Patienten mit angeborener Hypothyreose findet sich eine fehlgebildete Schilddrçse, oder es låsst sich kein Schilddrçsengewebe nachweisen (Athyreose). Fehlbildungen kænnen in Form zu kleiner Schilddrçsen (Hypoplasie), halbseitiger Schilddrçsen (Hemithyroidea) oder fehlpositionierten Schilddrçsengewebes (Ektopien) vor-
a
1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
Abb. 1.3.3 a±d. Morphologische Formen der Schilddrçsenfehlbildung. a, b Mittels Ultraschall låsst sich die normale Form und Struktur sowie das Volumen der Schilddrçse gut darstellen. Die normale Schilddrçse des Neugeborenen misst 1 ml (a). Bei einer Hypoplasie (b) findet sich oft nur ein Restgewebe, das dann håufig eine dichtere Struktur aufweist (das Schilddrçsengewebe ist zur besseren Orientierung mit roten Punkten markiert). c Agenesie der Schilddrçse, wie
sie in einer Szintigraphieuntersuchung darstellbar ist. Die normale Lage der zu erwartenden Schilddrçse ist in Form der blauen Kreise angedeutet. d Eine Fehlpositionierung im Sinne einer Ektopie findet sich håufig im Bereich der Zunge, wie hier ebenfalls mittels Szintigraphie dargestellt. Die rote Anreicherung (Pfeil) entspricht dem ektopen Schilddrçsengewebe
liegen (Abb. 1.3.3). Diese unterschiedlichen Grade der als Schilddrçsendysgenesien zusammengefassten Fehlbildungen weisen darauf hin, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlicher Ausprågung Stærungen der embryonalen Schilddrçsenentwicklung aufgetreten sind (Krude et al. 2000). Die molekularen Mechanismen, die zu einer Schilddrçsenfehlbildung fçhren kænnen, sind noch wenig verstanden. An verschiedenen Modellorganismen gewinnen wir aber mehr und mehr Informationen çber die Normalentwicklung der Schilddrçse, so dass wir nun ansatzweise erste Zusammenhånge der Regulation der Schilddrçsenentwicklung verstehen. Fçr die Ausbildung der follikulåren Grundstruktur kænnen wir intensive ZellZell-Interaktionen zwischen den Thyreozyten annehmen. Auch fçr die embryonale Entwicklung des Schilddrçsenprimordiums mit unterschiedlichen Aspekten wie Induktion, Positionierung und
Differenzierung erwarten wir nach Kenntnis von anderen Organsystemen ganz wesentliche parakrine oder juxtakrine Interaktionen mit umgebendem Gewebe. Unsere bisherige Kenntnis von molekularen Vorgången in der Schilddrçsenentwicklung wird von zellautonomen Funktionen einiger Transkriptionsfaktoren dominiert. Im Folgenden werden wir diese daher zusammenfassend darstellen und in den Zusammenhang mit mæglichen parakrinen Vorgången stellen. Auch wenn die molekulare Natur der Interaktion der Schilddrçse mit umgebendem Gewebe in der Entwicklung noch weitgehend unbekannt ist, so ist doch festzustellen, dass wir in naher Zukunft hier erheblichen Informationszugewinn erwarten. Erst diese Kenntnis, die an Modellorganismen experimentell zu gewinnen ist, wird uns dann in die Lage versetzen, humanpathologische Schilddrçsenfehlbildungen zu verstehen.
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1.3.1.2 Verlauf der Schilddrçsenentwicklung Im Grundbauplan der Wirbeltiere wird der kraniale Teil des Verdauungstrakts als Kiemendarm ausgebildet, und als Relikt der Wirbeltierevolution durchlaufen auch hæhere Wirbeltiere Entwicklungsstadien, bei denen ein Kiemendarm mit Kiementaschen vorçbergehend ausgebildet wird. Die follikulåre Schilddrçse ist entwicklungsgeschichtlich ein Derivat des Kiemendarms (Noden 1991; Walker u. Liem 1994) (Abb. 1.3.4). Eine mediane Gruppe von Zellen des ventralen Kiemendarmepithels læst sich, etwa auf der Hæhe zwischen dem ersten und zweiten Kiementaschenpaar, vom Kie-
mendarm ab und verlagert sich als Zellverband tief in das Kopfmesenchym. Die Zellen, die im Kiemendarm zunåchst nur als Verdickung des Epithels auffallen, lassen sich aufgrund ihres epithelialen Charakters nach ihrer Ablæsung vom Kiemendarm histologisch verfolgen. Es handelt sich um Zellen, die schlieûlich in der Schilddrçse aufgehen, und somit um das Schilddrçsenprimordium. Die Relokalisation, oft auch als ¹Wanderungª bezeichnet, sorgt dafçr, dass die vom Kiemendarm ausgehende Anlage schlieûlich ihre endgçltige Position frontal der Trachea einnimmt. Der Weg, den die Schilddrçse im zervikalen Mesenchym beschreibt, bleibt eine begrenzte Zeit
Abb. 1.3.4 a±c. Entwicklung der Schilddrçse. Stark vereinfachte und schematische Darstellung der Ablæsung vom Kiemendarm, Relokalisierung und Morphogenese der Drçse in Såugetieren wie Maus oder Mensch. a Herkunft der primordialen Bestandteile von Schilddrçse und Nebenschilddrçse aus dem embryonalen Kiemendarm. Medianes Primordium der Schilddrçse in Blau, branchiogene Organe in Gelb und Grçn. Die farbigen Pfeile deuten die Ablæsungs- und Relokalisierungsrichtung der Primordien an. Nummern der Kiementaschen in ræmischen Ziffern. b Etwas spåteres Stadium als a. Die branchiogenen Organe haben sich vom Kiemendarm abgelæst. c Morphogenese der Schilddrçse nach Erreichen der endgçltigen Position frontal der Trachea. Blick von dorsal auf die nebenschilddrçsenbesetzte Rçckseite der Schilddrçse. Der linke Lappen ist schematisch aufgeschnitten, um die zellulåre Zusammensetzung zu zeigen
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
wåhrend der Embryonalentwicklung als Ductus thyroglossus erhalten. Gelegentlich finden sich entlang dieses Weges Schilddrçsenektopien, und nicht selten ist die Schilddrçse als Lobus pyramidalis entlang des Ductus kranial erweitert. Der Ursprung der primordialen Knospe im Kiemendarmepithel, Ausgangspunkt der Relokalisation, bleibt als Foramen caecum am Zungengrund erhalten. Nach der Ablæsung vom Kiemendarm mehren sich die Zellen der Schilddrçsenanlage. Dies geschieht nicht nur durch Proliferation der Zellen, die direkt dem Schlundepithel entstammen, sondern nach Erreichen der endgçltigen Position zusåtzlich durch Einwanderung weiterer Zelltypen. Als Erstes ist hier ein Paar distinkter Zellverbånde, die Ultimobranchialkærper, zu nennen. Ihren Namen erhalten sie durch ihre zeitweilige Lokalisierung an dem am weitesten kaudal gelegenen embryonalen Kiementaschenpaar. Eine solche Position an den Kiementaschen ist kennzeichnend fçr die sog. branchiogenen Organe, zu denen auch die Nebenschilddrçse (Parathyroidea) und der Thymus gehæren. Die Zellen, die die Ultimobranchialkærper bilden, stammen jedoch ursprçnglich aus der Neuralleiste, und ihre Assoziation mit den Kiementaschen stellt nur eine Zwischenstation dar (Fontaine 1979; Le Douarin et al. 1974). Wåhrend die Ultimobranchialkærper in den meisten Wirbeltieren eigenståndige Organe, zumeist in der Nåhe des Herzens, ausbilden, verschmelzen sie in fast allen Såugetieren einschlieûlich Maus und Mensch mit der Schilddrçse (Cordier u. Haumont 1980). Hier differenzieren sie sich zu C-Zellen, die Calcitonin produzieren, ein Hormon des Kalziumstoffwechsels. Ihre physiologische Funktion gilt als unabhångig von der Hormonproduktion der Thyreozyten, allerdings vermischen sich die Zellpopulationen, so dass C-Zellen unregelmåûig, einzeln oder in kleinen Nestern, eingestreut zwischen den Schilddrçsenfollikeln anzufinden sind. Die kompakte, wachsende Schilddrçsenanlage wird noch von mindestens einem weiteren Zelltyp geprågt, der ebenfalls einwandert: Endothelzellen. Diese bilden das Netz aus Kapillaren und græûeren Blutgefåûen, die erst das wachsende Primordium und schlieûlich die funktionelle Schilddrçse mit Blut versorgen. Weiterhin sind im Zusammenhang mit der Entwicklung der Schilddrçse vier Zellgruppen zu nennen, die sich åhnlich wie die Ultimobranchialkærper als bilaterale Knospen von den Kiementaschen ablæsen (branchiogene Organe) und nach einer entsprechenden Relokalisation an der Rçckseite der Schilddrçse anlagern. Sie bilden die sog. Nebenschilddrçsen oder Parathyroidea.
Der Ursprung der Parathyroideazellen ist, im Gegensatz zu den C-Zellen/Ultimobranchialkærpern aus der Neuralleiste, endodermal (Okabe u. Graham 2004). Die ursprçnglich ungeteilte mediane Schilddrçsenanlage teilt sich in zwei Lappen auf, die çber einen medianen Isthmus verbunden bleiben. Hierdurch entsteht die endgçltige Form der humanen Schilddrçse, wie wir sie auch in der Maus, nicht jedoch notwendigerweise in anderen Såugetieren finden. Das Schwein hat z. B. eine ungeteilte mediane Drçse. Ferner wird die Schilddrçse beim Menschen und fast allen Wirbeltieren von einer Bindegewebshçlle umgeben. Trotz dieser Hçlle neigt die Schilddrçse dazu, akzessorisches Gewebe auszubilden, d. h. lokale Herde von Schilddrçsengewebe auûerhalb der normalen Position. Wir stellen zusammenfassend fest, dass die Schilddrçse zum einen aus einer medianen Knospe des Kiemendarms entstammt (hypobranchialer Usprung), zum anderen aber auch Komponenten branchiogenen Ursprungs enthålt, die entweder mit der hypobranchialen Anlage verschmelzen (C-Zellen) oder sich anlagern (Nebenschilddrçse). Es wird angenommen, dass alle oder die meisten Thyreozyten der hypobranchialen Anlage entstammen und damit endodermalen Ursprungs sind. Die Ultimobranchialkærper bzw. C-Zellen stammen aus der Neuralleiste (Le Douarin et al. 1974). Die Neuralleiste ist der Rand des Ektoderms, der sich bei der Neurulation des frçhen Embryos çber dem sich ablæsenden Neuralrohr schlieût. Die endothelialen Zellen der Blutgefåûe schlieûlich sind mesodermalen Ursprungs. Es ist also tatsåchlich so, dass Abkæmmlinge aller drei Keimblåtter an der Morphogenese der Schilddrçse Anteil haben. Dennoch wird traditionell die Schilddrçse, ebenso wie die etwas weiter kaudal dem Kiemendarm entspringende Lunge, aufgrund des çberwiegend hypobranchialen Ursprungs vereinfachend als ¹endodermales Organª bezeichnet.
1.3.1.3 Evolution der Schilddrçse Nicht nur Menschen oder Såugetiere haben eine Schilddrçse: Dieses endokrine Organ ist ein Merkmal aller Wirbeltiere, einschlieûlich der ursprçnglichsten, der kieferlosen Neunaugen. Sofern untersucht stimmt die Physiologie des Schilddrçsenhormons in allen Wirbeltieren zumindest in groben Zçgen çberein. Aus der vergleichenden Betrachtung kænnen wir Schlçsse çber die Evolution der Schilddrçse und ihrer Entwicklung ziehen.
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Abb. 1.3.5 a±d. Endostyl und Schilddrçse im Lanzettfischchen und in Neunaugen. a Querschnitt durch das Lanzettfischchen Amphioxus (= Branchiostoma), schematisch. Das Endostyl (blau) befindet sich in allen Lebensstadien als seitlich versetzte Rinne im ventralen Kiemendarm. b Embryonalentwicklung des Endostyls in Neunaugen, schematisch. Oben jçngeres, unten ålteres embryonales Stadium. Im Gegensatz zu Amphioxus læst sich das Endostyl (blau) vom Kiemendarm ab. Damit erinnert die Endostylentwicklung besonders an die Schilddrçsenentwicklung. c Immunhistochemischer Nachweis von Thyroglobulin im Endostyl des Bachneunauges Lampetra fluviatilis. Anterior links, dorsal oben. Die auf dem Bild sichtbaren Kiemenbægen sind mit
ræmischen Ziffern beschriftet. Der Antikærper gegen humanes Thyroglobulin kreuzreagiert in bestimmten Endostylzellen, die auch fçr die Expression anderer schilddrçsentypischer Proteine bekannt sind. Diese Zellen sind als Strånge çber die gesamte Långe des Endostyls zu sehen (Pfeile). Deren dorsale Krçmmung an beiden Enden des Endostyls spiegelt die Form des Endostyls wider. d Immunhistochemischer Nachweis von Thyroglobulin in der Schilddrçse des adulten Bachneunauges Lampetra fluviatilis L. Follikellumen. Der Antikærper kreuzreagiert besonders stark mit der apikalen Membran der Follikel (Pfeil), aber auch mit dem gesamten Zytoplasma einzelner Zellen
In den Larven von Neunaugen, einer ursprçnglichen Wirbeltiergruppe sowie in Cephalochordaten und den Urochordaten, den nåchsten Verwandten der Wirbeltiere, finden wir eine Struktur, von der angenommen wird, dass sie zumindest in Teilen homolog zu der Schilddrçse der Wirbeltiere ist. Es handelt sich hierbei um das Endostyl, eine Hypobranchialrinne im ventralen Kiemendarm (Mçller 1873) (Abb. 1.3.5 a±d). Bestimmte Zellen im Endostyl haben iodbindende Fåhigkeit, und ebenso wurde nachgewiesen, dass diese Zellen Thyroglobulin, das Vorlåuferprotein des Schilddrçsenhormons, bilden (Fujita u. Honma 1969; Fujita u. Sawano 1979; Suzuki u. Kondo 1973; Wright et al. 1978). Im Gegensatz zu der Schilddrçse der Wirbeltiere, die sich aus einem kleinen Stçck Kiemendarm auf der Hæhe von erster bis zweiter Kiementasche bildet, erstreckt sich das Endostyl mit
seinen iodbindenden Zellen fast çber die gesamte Långe des Kiemendarms. Durch die Entschlçsselung des Genoms des Urochordaten Ciona intestinalis (Dehal et al. 2002) und die Identifikation bisher unbekannter, im Endostyl exprimierter Gene (Sasaki et al. 2003) wird der vergleichende evolutionåre Ansatz zugleich auch Ausgangspunkt fçr die Suche nach Genen der Wirbeltier-Schilddrçsenentwicklung. Wie sich die Schilddrçse in der Evolution aus dem Endostyl entwickelt haben kænnte, wird sich wohl nie exakt klåren lassen, schlieûlich sind die lçckenhaften Fossilfunde die einzigen Zeitzeugen. Gewissen Einblick verschaffen uns jedoch die oben erwåhnten Neunaugen. Wenn die Neunaugenlarve die Metamorphose zum adulten Fisch durchlåuft, wandelt sich das larvale Endostyl, oder zumindest ein Teil davon, in die follikulåre Schilddrçse um,
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
wie sie fçr alle Wirbeltiere typisch ist (Mçller 1873). Somit veranschaulichen Neunaugen, wie die Schilddrçse als Derivat des Kiemendarms evolviert ist, auch wenn wir nicht vergessen dçrfen, dass Neunaugen selbst als sog. ¹lebende Fossilienª nicht exakt den gemeinsamen Vorfahr von ursprçnglichen Chordaten und Wirbeltieren widerspiegeln. Wir werden jedoch bei der Besprechung der molekularen Grundlagen wieder auf diese evolutiven Prozesse zurçckkommen.
1.3.1.4 Werkzeuge des Molekularbiologen: Modellorganismen Soll die Funktion von Genen und Proteinen in einem Entwicklungsprozess nåher untersucht werden, so stehen verschiedene Modellorganismen der modernen Molekularbiologie zur Verfçgung. In solchen Organismen lassen sich gezielt bestimmte Genfunktionen untersuchen, wobei auch entwicklungsbiologisch frçhe Stadien zugånglich sind. Das Methodenspektrum reicht heute von Mikrooperationen bis zu dem gezielten, gewebespezifischen An- und Ausschalten von Genen. Insbesondere erlauben Experimente in Modellorganismen natçrlich, der Frage nach parakrinen Wirkmechanismen nachzugehen. Einen einzelnen idealen Modellorganismus gibt es weder in Bezug auf die Schilddrçse noch in Bezug auf andere Aspekte der Entwicklungsbiologie, denn jede Tierart weist bestimmte experimentelle Vor- und Nachteile auf. Da ist z. B. die Maus, die als Såugetier relativ nahe mit dem Menschen verwandt ist und sich gut halten und zçchten låsst. Durch eine kurze Generationszeit ermæglicht sie genetisches Arbeiten, und durch die Manipulation embryonaler Stammzellen lassen sich bestimmte Genloci gezielt veråndern. An der Maus wurden einige Gene identifiziert und analysiert, die in der Schilddrçsenentwicklung eine Rolle spielen. Allerdings spielt die Maus ihre Vorzçge als Modellorganismus vor allem aus, wenn Kandidatengene bekannt sind, die dann manipuliert werden kænnen. Fçr die Identifizierung von bisher unbekannten Genen, die in der Schilddrçsenentwicklung eine Rolle spielen, ist ein anderer Modellorganismus, der Zebrafisch, sehr gut geeignet. Dazu werden adulte Zebrafische mit einem chemischen Mutagen behandelt, so dass in den Keimzellen Mutationen ausgelæst werden. Die Nachkommen werden dann nach einem Kreuzungsschema so hingezçchtet, dass embryonal letale rezessive Mutationen in der F2-Generation aufgrund ihres homozygoten Phånotyps identifiziert werden kænnen (¹large scale mutagene-
sis screensª). Es werden also gewissermaûen zufållige Erbkrankheiten erzeugt. Das weitere Vorgehen ist dann die Identifizierung von Mutanten, die Schilddrçsendefekte aufweisen, und anschlieûend die Analyse der molekularen Natur der interessanten Mutationen (Haffter et al. 1996). Die Vorteile des Zebrafisches, die dieses Vorgehen ermæglichen, reichen von einer kurzen Generationszeit und einer groûen Eizahl pro Weibchen (ca. 100 Eier) çber die Embryonalentwicklung auûerhalb der Mutter bis zur Transparenz der Embryonen. Tatsåchlich wird der Zebrafisch seit einigen Jahren zur Suche nach bisher unbekannten Faktoren in der Schilddrçsenentwicklung eingesetzt (Elsalini u. Rohr 2003; Elsalini et al. 2003; Rohr u. Concha 2000; Wendl et al. 2002). Trotz einiger Unterschiede in der adulten Morphologie der Drçse sind die basalen Mechanismen der Entwicklung identisch zum Menschen, und es werden derzeit neue Gene, die an der Schilddrçsenentwicklung beteiligt sind, nåher charakterisiert. Um die Mechanismen von Entwicklungsprozessen zu verstehen, ist zuweilen selbst das Hinzuziehen exotischer Modellorganismen sinnvoll. So hilft uns die Analyse der Endostylentwicklung im Neunauge, die Evolution der Schilddrçse zu verstehen. Im Folgenden werden die Gene vorgestellt, die in der Entwicklung der Schilddrçse in Tiermodellen der Maus, des Zebrafischs und des Neunauges untersucht wurden.
1.3.2 Regulation der Schilddrçsenentwicklung Um die beteiligten molekularen Mechanismen zu verstehen, ist es hilfreich, die Schilddrçsenentwicklung in verschiedene Teilschritte zu gliedern: 1. Der erste Schritt einer Organentwicklung ist die Induktion des Primordiums aus kompetentem Gewebe. Induktionsprozesse werden oft von parakrinen Mechanismen vermittelt. 2. Das Schilddrçsenprimordium læst sich vom Kiemendarmepithel ab, ein Prozess, der z. B. Verånderungen in Zellform und Adhåsion beinhaltet. 3. Der primordiale Zellverband relokalisiert. Råumliche Verånderung beinhaltet komplexe para- und juxtakrine Wechselwirkungen mit umgebendem Gewebe. 4. Die primordialen Zellen proliferieren, das Primordium wåchst. Jede Zelle erhålt einen molekularen Status, so dass Zellen entweder ohne Teilungen am Leben bleiben, proliferieren oder auch programmierten Zelltod durchlaufen.
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5. Die Zellen differenzieren sich zu Follikelepithelien. Dieser Prozess beinhaltet die Aggregation benachbarter Zellen zu einem lokalen, abgegrenzten Verband. Die Unterteilung in solche Teilschritte erfolgt thematisch, nicht unbedingt chronologisch. So spielt die Definition des Zellstatus immer eine Rolle, frçh im Endoderm ebenso wie im differenzierten Follikel. Zu jedem Teilschritt sind fçr eine normale Entwicklung jeweils unterschiedliche molekulare Mechanismen notwendig. Die Definition der verschiedenen molekularen Programme erfolgt çber die Expression zellautonom wirkender Transkriptionsfaktoren. Wåhrend in den letzten Jahren recht umfassende Erkenntnisse çber die schilddrçsenspezifischen Transkriptionsfaktoren erzielt wurden, ist erst sehr wenig çber die Proteine bekannt, die als parakrine oder juxtakrine Faktoren Einfluss auf die Entwicklung der Schilddrçse nehmen.
1.3.2.1 Induktion und Ablæsung der Schilddrçse vom Kiemendarm Zu Beginn der Schilddrçsenentwicklung muss das entsprechende Kiemendarmgewebe kompetent sein, auf induktive Signale zu reagieren. In der frçhen Musterbildung vieler Tiere spielen unterschiedliche morphogenetische Gradienten entlang der embryonalen Achsen eine wichtige Rolle. Solche Gradienten parakriner Faktoren kænnten daran teilhaben, ein Feld im anterioren Endoderm zu definieren, das die Kompetenz besitzt, auf diese Faktoren zu reagieren. Die Induktion selbst dçrfte das Ergebnis bisher unbekannter parakriner Signale des umgebenden Gewebes sein. Sowohl entlang der anterior-posterioren Achse als auch in der lateralen Ausdehnung durchlåuft das anteriore Endoderm Differenzierungsprozesse, die schlieûlich in die Ausgestaltung des Kiemendarms mçnden. Es ist anzunehmen, dass schon frçh, wahrscheinlich wåhrend der Gastrulation, die Achsen im anterioren Endoderm molekular festgelegt werden. Retinsåure, ein Vitamin-A-Derivat, kann çber græûere Distanzen morphogenetisch wirken und dabei z. B. im Neuroektoderm komplexe Funktionen in der Musterbildung wahrnehmen (Chen et al. 1994; Cho u. De Robertis 1990; Sive u. Cheng 1991). Wird der Retinsåuregradient experimentell veråndert, so hat das Einfluss auf die Entwicklung des Pankreas im posterioren Endoderm (Stafford u. Prince 2002). Die Schilddrçse scheint in diesen Experimenten unbeeinflusst zu bleiben,
so dass Retinsåure wohl keine entscheidende Rolle in ihrer Frçhentwicklung spielt. Die molekularen Mechanismen, die die frçhe Induktion der Schilddrçse von den Musterbildungsprozessen im anterioren Endoderm bis zur Definition einer klar begrenzten Schilddrçsenanlage steuern, liegen derzeit im Dunkeln. Wie nachfolgend gezeigt, sind die bisher identifizierten Gene, die die Schilddrçsenentwicklung regulieren, nicht fçr die frçhe Induktion des Primordiums verantwortlich, da in allen untersuchten Modellen bei Abwesenheit der jeweiligen Gene die Induktion und frçhe Entwicklung des Primordiums stattfindet.
1.3.2.2 Relokalisierung des Primordiums Wenn wir verschiedene Relokalisierungsprozesse in der Wirbeltierentwicklung betrachten, dann mçssen wir zwischen aktiven und passiven Zellbewegungen unterscheiden. Bei aktiven Wanderbewegungen ist es die Zelle selbst, die z. B. aufgrund von sich gegeneinander verschiebenden Mikrofilamenten im Zytoplasma ihre Form åndert und so gerichtet wandern oder wachsen kann. Bei morphogenetischen Bewegungen in der Entwicklung spielen aber auch passive Zellverschiebungen eine wesentliche Rolle. Zellen und Gewebeverbånde werden aufgrund græûerer Gewebeverschiebungen auf vorgezeichneten ¹Wegenª der extrazellulåren Matrix gezogen oder geschoben.
1.3.2.2.1 Cadherine Die lange Distanz der Schilddrçsenrelokalisierung ist einmalig unter den ¹endodermalenª Organen, und dennoch haben sich bisher nur wenige Studien mit den molekularen Mechanismen der Schilddrçsenrelokalisierung befasst. Aus anderen Geweben ist bekannt, dass zum Zwecke einer aktiven Wanderung ein epithelialer Zellverband zwischenzeitlich mesenchymale Charakteristika annimmt. Mesenchymale Zellen verfçgen dann çber die Fåhigkeit, aktiv zu wandern. Typisch fçr diese mesenchymalen Zellen ist die Expression bestimmter Oberflåchenmolekçle aus der groûen Familie der Cadherine, die an der Etablierung von Zellpolaritåt und anderen Eigenschaften im Epithel beteiligt sind. Epithelien exprimieren E-Cadherin (Cadherin 1), ein Mitglied der Cadherin-Superfamilie, das Zell-Zell-Adhåsion vermittelt (Boggon et al. 2002). Im aktiv wandernden, mesenchymalen Zellzustand wird typischerweise die Expression von E-Cadherin durch die Expression von N-Cadherin ersetzt.
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
In der Schilddrçse der Maus wurde beobachtet, dass çber die gesamte primordiale Entwicklung E-Cadherin stark exprimiert wird, und ein zeitweiser Ûbergang in mesenchymale Zellen konnte weder morphologisch noch anhand von N-CadherinExpression festgestellt werden (Fagman et al. 2003). Diese Studie legt nahe, dass die Relokalisierung der Schilddrçse passiv erfolgt.
1.3.2.2.2 FOXE1 Bisher konnte ein Transkriptionsfaktor beschrieben werden, der im Schilddrçsenprimordium selbst (also zellautonom) an der Relokalisierung beteiligt ist. Hier handelt es sich um einen Transkriptionsfaktor aus der Familie der Forkhead-Domånen-Proteine, FOXE1 (vormals auch TTF2 genannt, ¹thyroid transcription factor 2ª. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Nomenklatur der Gene des Menschen und der Maus vorsieht, die menschlichen Genkçrzel in Groûbuchstaben und die der Mausgene in kleinen Buchstaben zu schreiben, dabei aber im Gegensatz zum Protein immer kursiv, also entsprechend FOXE1 oder Foxe1). Entsprechende homologe Gene, die fçr dieses Protein codieren, konnten aus Mensch, Ratte und Maus kloniert werden (Civitareale et al. 1989; Zannini et al. 1997). Wie der ursprçngliche Name nahe legt, ist dieser Faktor bereits bei der gezielten Suche nach schilddrçsenspezifischen Proteinen identifiziert worden. Tatsåchlich ist das Foxe1-Gen der Maus sowohl im anterioren Kiemendarmepithel als auch im Schilddrçsenprimordium exprimiert (Dathan et al. 2002). Um die Funktion des Foxe1-Gens in der Såugetierentwicklung zu verstehen, wurden mittels homologer Rekombination transgene Foxe1±/±-Måuse hergestellt. Diese zeigen einen Phånotyp, der die Expression des Gens widerspiegelt (De Felice et al. 1998). Die defizienten Måuse weisen eine Gaumenspalte auf, die sich auf Defekte in der Entwicklung des kraniofazialen Endoderms zurçckfçhren lassen. Fçr die initialen Schritte der Schilddrçsenentwicklung ist Foxe1 nicht erforderlich, denn in Foxe1±/±-Måusen ist das Primordium anfånglich nicht von wildtypischen Måusen zu unterscheiden. Etwas spåter jedoch, wenn sich das Primordium normalerweise vom Kiemendarmepithel abgelæst hat, låsst sich in der Hålfte der Foxe1±/±-Måuse kein Schilddrçsenprimordium mehr nachweisen. Dieser Zustand entspråche einer Athyreose des Menschen. In der anderen Hålfte der Fålle jedoch bleibt das Primordium erhalten, und schlieûlich entsteht in diesen Fållen auch funktionelles Folli-
kelgewebe. In diesen Fållen jedoch unterbleibt die Relokalisierung des Primordiums, die Schilddrçse entwickelt sich ektop am Zungengrund. Dies wçrde einer Schilddrçsenektopie des Menschen entsprechen. Wie wir spåter noch sehen werden, konnten tatsåchlich auch beim Menschen FOXE1Defizienzen als Ursache fçr eine angeborene Hypothyreose mit Athyreose ermittelt werden (Clifton-Bligh et al. 1998). In welchem regulatorischen Geflecht FOXE1 an der Relokalisierung der Schilddrçse beteiligt ist, bleibt derzeit unbekannt. Als Signale von auûen, die die Relokalisierung steuern, kommen parakrine Faktoren in Frage, also diffusible Signale des umliegenden Gewebes (z. B. von Mesenchym, Blutgefåûen, Trachea, Knorpel). Die Zielgene von FOXE1 sind unbekannt. Sie kænnten fçr Rezeptoren codieren und so die Reaktion des Schilddrçsenprimordiums auf Signale vermitteln oder auch fçr Strukturproteine codieren, die Zellformverånderung oder Zellbeweglichkeit beeinflussen. Interessanterweise scheint aber Foxe1 nicht immer fçr ein weiteres Ûberleben der ektopen Schilddrçsenzellen obligat zu sein, da in der Hålfte der Fålle Schilddrçsengewebe persistiert und differenziert. Diese Beobachtung legt nahe, dass die Hauptwirkung von Foxe1 in der Relokalisierung der Schilddrçsenanlage besteht und dass fçr das weitere Ûberleben und Ausreifen der Anlage andere Gene eine græûere Rolle spielen. Diese werden im nåchsten Abschnitt besprochen.
1.3.2.3 Differenzierung des follikulåren Zellverbandes Neben Foxe1 werden bereits zu einem sehr frçhen Zeitpunkt drei weitere Transkriptionsfaktorgene in der Schilddrçsenanlage exprimiert: HHEX/Hhex, NKX2.1/Nkx2.1 (vormals auch Ttf1 oder Titf1 genannt) und PAX8/Pax8 (Abb. 1.3.6). Bei gezielter Inaktivierung eines dieser drei Gene differenziert sich das Schilddrçsenprimordium nicht zu funktionellem Follikelgewebe, statt dessen geht die Schilddrçsenanlage nach anfånglicher Entwicklung unter. Im Unterschied zu Foxe1 findet sich bei gezielter Inaktivierung dieser drei Gene in der neugeborenen Maus nie Schilddrçsengewebe, es liegt somit immer eine Athyreose vor.
1.3.2.3.1 NKX2.1 Anfang der 90er Jahre wurde von verschiedenen Gruppen ein Homæoboxgen beschrieben, das bei
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Abb. 1.3.6. Expression von Nkx2.1 und Pax8 im Schilddrçsenprimordium von Mausembryonen am Tag 10,5. In-situHybridisierungen an Whole-mount-Mausembryonen. Das Signal der In-situ-Hybridisierung ist blau und zeigt die
mRNA-Expression der entsprechenden Gene an. Die verschiedenen Expressionsorte sind beschriftet. SD: Schilddrçsenanlage, L: Lungenanlgae, MHG: Mittelhirn-HinterhirnGrenze, O: Ohranlage, N: Nierenanlage, KB: Kiemenbogen
Maus und Mensch im Gewebe der Schilddrçsenanlage exprimiert wird (Homæoboxgene codieren fçr Transkriptionsfaktoren und die namengebende Homæobox fçr ein kennzeichnendes DNA-bindendes Motiv, die Homæodomåne). Der von diesem Gen codierte Transkriptionsfaktor wurde zunåchst entweder als ¹thyroid specific enhancer binding proteinª (T/ebp) oder als ¹thyroid transcription factor 1ª (Ttf1, Titf1) bezeichnet (Civitareale et al. 1989; Guazzi et al. 1990; Kimura et al. 1996; Lazzaro et al. 1991). Neben der Homæodomåne findet sich eine weitere konservierte Domåne aus 17 Aminosåuren, wie sie typisch ist fçr die Genprodukte der zuerst in Drosophila beschriebenen nk2-Gen-Familie. Aufgrund dieser Verwandtschaft hat sich inzwischen der Name Nkx2.1 durchgesetzt (Price et al. 1992). Wie der vormalige Name ¹Thyroid transcription factor 1ª nahelegt, wurde Nkx2.1 unter anderem wegen seiner Beteiligung an der Regulation von schilddrçsenspezifischen Proteinen (Thyreoglobulin und andere) identifiziert, und tatsåchlich ist das Nkx2.1-Gen in den Thyrozyten der adulten Drçse exprimiert (Lazzaro et al. 1991). In der Embryonalentwicklung wird Nkx2.1 sehr frçh im hypobranchialen Primordium exprimiert, sobald dieses sich von dem Kiemendarmepithel ablæst. Diese Expression dauert wåhrend der gesamten Entwicklung an und umfasst spåter auch die Zellen, die aus den Ultimobranchialkærpern stammen und mit dem hypobranchialen Primordium verschmelzen, um die C-Zellen zu bilden (Mansouri et al. 1998; Suzuki et al. 1998).
Ein Schritt zum Verståndnis der Funktion von Nkx2.1 erbrachte die gezielte Inaktivierung dieses Gens in der Maus (Kimura et al. 1996). Nkx2.1±/±Måuse zeigen Defekte in der Entwicklung der Schilddrçse (Kimura et al. 1996; Kimura et al. 1999), der Lunge (Minoo et al. 1999) und des ventralen Vorderhirns (Sussel et al. 1999). Diese Abnormalitåten lassen sich alle direkt mit dem Expressionsmuster korrelieren, da Nkx2.1 nicht nur in der Schilddrçse, sondern auch in der Lunge und in ventralen Vorderhirnregionen exprimiert ist. In Nkx2.1±/±-Måusen findet man am Tag 10.5 der Embryonalentwicklung zunåchst noch ein Schilddrçsenprimordium, das sich vom Kiemendarm ablæst. Dieses zeigt jedoch zunehmend Anzeichen von Zelltod, und bereits in einem Alter von 12 Tagen kann histologisch kein Schilddrçsenprimordium mehr gefunden werden (Kimura et al. 1999). Demzufolge ist Nkx2.1 nicht fçr die frçhesten Schritte der Schilddrçseninduktion erforderlich, sondern fçr die weitere Ausreifung des Primordiums. Im Unterschied zu Måusen mit gezielter Foxe1-Inaktivierung, bei denen in 50% ein ektopes Schilddrçsengewebe resultiert, ist ohne Nkx2.1 kein weiteres Ûberleben der Schilddrçsenanlage mæglich. Welche Signale induziert Nkx2.1? Die Nkx2.1Expression im ventralen Vorderhirn ist von Sonic Hedgehog abhångig, einem parakrinen Faktor, der generell fçr die Spezifizierung ventraler Gehirnregionen verantwortlich ist (Pabst et al. 2000; Shimamura u. Rubenstein 1997). Eine detaillierte Studie im Zebrafisch konnte ferner als weiteres para-
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
krines Signal den Nodal-Faktor aus der TGF-b-Familie als verantwortlich fçr einen Teil der Zebrafisch-nk2.1a-Expression (entspricht Nkx2.1 in der Maus, siehe unten) identifizieren (Rohr et al. 2001). Als Quelle fçr sowohl Hedgehog- als auch Nodal-Signale konnte in Bezug auf das Gehirn das unter der Neuralplatte liegende axiale Mesoderm ausgemacht werden. In der Schilddrçsenentwicklung hingegen erscheint eine Rolle von Sonic Hedgehog aufgrund der Pråsenz der Schilddrçse in Shh±/±-Mausembryonen unwahrscheinlich (Pabst et al. 2000). Im Zebrafisch zeigte sich, dass bei Defizienz im Nodal-Signalweg zwar die nk2.1a-Expression im Gehirn betroffen ist, nicht jedoch die Schilddrçse (Elsalini et al. 2003). Die Faktoren, die fçr die Nkx2.1-Expression in der Schilddrçse notwendig sind, bleiben also vorerst unbekannt.
1.3.2.3.2 HHEX Der Name HEX oder HHEX (beide Versionen sind çblich, HHEX ist der korrekte Name fçr das humane Protein) leitet sich von dem Namen ¹hematopoietically expressed homeo boxª ab, der sich aus dem Expressionsmuster des dafçr codierenden Gens ergibt. Das HHEX-Gen wird unter anderem in den gemeinsamen Vorlåuferzellen von Blut- und Blutgefåûzellen exprimiert, daneben aber auch frçh in Geweben der Gastrula, in Teilen des Endoderms und spåter in der Schilddrçsen-, sowie Leber- und Pankreasanlage (Bedford et al. 1993; Bogue et al. 2000; Martinez Barbera et al. 2000; Thomas et al. 1998). Måuse, denen das Hhex-Gen homozygot fehlt, zeigen einen relativ variablen Phånotyp, der entsprechend einer frçhen Rolle des Gens in der Gastrulation groûe Teile des Embryos betrifft (Martinez Barbera et al. 2000). Auch das Endoderm und die davon abgeleiteten Organe wie Schilddrçse, Pankreas und Leber sind betroffen. Wåhrend Hhex+/±-Måuse eine normale Schilddrçsenentwicklung zeigen, ist das Schilddrçsenprimordium in Hhex±/±-Embryonen entweder reduziert oder fehlt ganz. Zumindest im Mausmodell bleibt die genaue Rolle von Hhex in der Schilddrçsenentwicklung aufgrund dieser Variabilitåt unsicher. Ein klareres Bild ergibt sich aus der Analyse der hhex-Defizienz im Zebrafisch (siehe unten).
1.3.2.3.3 PAX8 Die Pax-Gene codieren fçr Transkriptionsfaktoren, die molekular durch eine Paired-Domåne sowie durch eine Homæodomåne charakterisiert sind.
Bei der Paired-Domåne handelt es sich um ein konserviertes Aminosåuremotiv, das seinen Namen nach dem Entwicklungsgen paired aus Drosophila melanogaster erhalten hat. PAX8 wird im Menschen wie in der Maus auûer in der Niere und dem Mittelhirn auch im Schilddrçsenprimordium exprimiert und spåter weiterhin in den Thyreozyten (Plachov et al. 1990). Die Analyse von Pax8±/±-Måusen ergab, dass sich zwar ein hypobranchiales Schilddrçsenprimordium bildet, allerdings die Differenzierung zu Follikelepithelien ausbleibt (Mansouri et al. 1998). Dieser morphologische Befund wird dadurch gestçtzt, dass weder TPO noch Thyroglobulin in Pax8±/±Måusen nachweisbar sind. Tatsåchlich ist es so, dass sich das hypobranchiale Primordium nicht weit çber das E12-Stadium hinausentwickelt. Andererseits gelangen die Ultimobranchialkærper an den korrekten Ort, und sie sind es, die den Groûteil des Schilddrçsenrudiments in Pax8±/±-Måusen stellen. Interessanterweise finden also in diesem Mausmodell die lateralen Ultimobranchialkærper auch ohne die weitere Differenzierung von Schilddrçsenfollikeln den korrekten Ort ihrer weiteren Entwicklung in der Mittellinie des Halses. Eine parakrine gegenseitige Regulation dieser beiden Strukturen scheint offensichtlich nicht zwingend notwendig zu sein. Obwohl Pax8 in der Maus ebenfalls in der Niere und in der Mittelhirnanlage exprimiert wird, fanden sich in der Pax8±/±-Maus keine weiteren Fehlbildungen dieser Anlagen. Somit scheinen die Niere und das Mittelhirn den Verlust von Pax8 durch andere Faktoren kompensieren zu kænnen. Diese Kompensationsmechanismen kænnten çber andere Gene der Pax-Familie vermittelt werden, da z. B. Pax2 dem Pax8-Gen strukturell sehr åhnlich ist und zusammen mit Pax5 einem gemeinsamen Vorlåufer innerhalb der Pax-Gen-Familie entstammt (Dorfler u. Busslinger, 1996; Walther et al., 1991). Pax2 wird in der Niere und im Mittelhirn, allerdings nicht in der Schilddrçse (Wendl et al. 2002) çberlappend mit Pax8 exprimiert. Somit låsst sich vermuten, dass in Bereichen çberlappender Expression Pax2 den Verlust von Pax8 kompensieren kann. Fçr eine solche funktionelle Kompensation in einem Teil der Organe spricht die Beobachtung, dass bereits die zusåtzliche Inaktivierung auch nur eines Pax2-Allels im genetischen Hintergrund einer Pax8±/±-Maus (Pax8±/±, Pax2+/±) eine komplette Nierenagenesie zur Folge hat (Bouchard et al. 2002). Eine Vergleichbare summarische Wirkung mehrer Pax-Gen-Defekte auf die Hirnentwicklung wurde bisher noch nicht beschrieben.
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1.3.2.3.4 FGFR2 Bisher haben wir uns mit Transkriptionsfaktoren befasst, die als ¹Downstream-Zieleª von parakrinen Faktoren in Frage kommen oder ihrerseits parakrine Faktoren als Zielgene haben kænnten. Wie schon erwåhnt, sind unsere Vorstellungen von parakrinen Wechselwirkungen der Schilddrçse mit umliegenden Gewebe bisher weitgehend spekulativ. Ein Rezeptor fçr parakrine Signale, der fçr die Entwicklung der Schilddrçse nætig ist, konnte jedoch identifiziert werden, FGF-Rezeptor 2 (Fgfr2). Dieser Rezeptor gehært zur Familie der RezeptorTyrosinkinasen, die von ¹fibroblast growth factorsª (FGF) aktiviert werden. FGFs sind parakrine Signale, die von einer groûen Genfamilie codiert werden; in Mensch und Maus sind bisher mindestens 22 Fgf-Gene identifiziert worden (Ornitz u. Itoh 2001). Vier Gene codieren fçr FGF-Rezeptoren, wobei diese jeweils als unterschiedliche Isoformen vorliegen kænnen. In transgenen Mausembryonen, die fçr die fgfr2-IIIb-Isoform defizient sind, fehlt die Schilddrçse (Revest et al. 2001) ebenso wie in transgenen Måusen, die eine læsliche dominant-negative Form dieser Rezeptor-Isoform exprimieren (Celli et al. 1998). Daraus låsst sich schlieûen, dass FGFSignale fçr die Schilddrçsenentwicklung essentiell sind. Als Kandidaten fçr Signale aus dem umliegenden Mesenchym kommen verschiedene FGF in Frage: Fgf1, Fgf3, Fgf7, Fgf10 (De Moerlooze et al. 2000). Fçr die Schilddrçsenentwicklung kommt Fgf10 Bedeutung zu, da in entsprechend defizienten Fgf10±/±-Mausembryonen ebenfalls die Schilddrçse fehlt (Ohuchi et al. 2000). Die Funktion von Fgf10 in der Schilddrçsenentwicklung ist allerdings noch unbekannt. Unpublizierte Daten scheinen eher auf eine Funktion in der Erhaltung des Primordiums oder in der Regulation der mitotischen Aktivitåt hinzudeuten (De Felice u. Di Lauro 2004) als auf eine induktive Funktion, wie sie zum Beispiel fçr die Lunge nachgewiesen wurde (Min et al. 1998; Sakiyama et al. 2003).
1.3.2.4 Rolle der Neuralleiste in der Schilddrçsenentwicklung Wir hatten eingangs besprochen, dass mit den Ultimobranchialkærpern auch solche Zellen Anteil an der Schilddrçse haben, die ursprçnglich aus der Neuralleiste stammen. Selbstverståndlich stellt sich die Frage, inwiefern diese Neuralleistenzellen mit Thyreozyten kommunizieren, sei es çber parakrine
Mechanismen oder çber Zell-Zell-Kontakte. Betrachten wir uns also zunåchst Gene, die in den Ultimobranchialkærpern bzw. C-Zellen exprimiert werden und deren Defizienz zu Abnormalitåten der Schilddrçsenentwicklung fçhren. In der Maus wird das Hoxa3-Gen im Boden des Kiemendarms und in der sich daraus ablæsenden Schilddrçsenanlage exprimiert (Gaunt 1988; Gaunt et al. 1989). Ferner findet sich Hox3a-Gen-Expression in den posterioren Kiementaschen, in den Neuralleistenzellen dieser Region und auch in den Ultimobranchialkærpern, die aus der schon eingangs erwåhnten Interaktion von Kiemendarm und Neuralleiste hervorgehen (Manley u. Capecchi 1995). In Hoxa3±/±-Mausembryonen zeigen zunåchst weder die Zelltypen des hypobranchialen Schilddrçsenprimordiums noch die der Neuralleiste abnormales Verhalten, und die grundlegenden Relokalisierungsprozesse laufen normal ab (Chisaka et al. 1992; Manley u. Capecchi 1995). Schlieûlich jedoch kommt es zu variabel gestærter Schilddrçsenbildung. Sowohl die Zellen endodermaler Herkunft als auch die Zellen aus den Ultimobranchialkærpern sind zum Zeitpunkt der Schilddrçsendifferenzierung in der Anzahl reduziert. Ferner scheinen in vielen Hoxa3±/±-Embryonen die zwei Zelltypen nicht zu einem Organ zu verschmelzen, sondern als zwei separate Strukturen erhalten zu bleiben. Nun gehært Hoxa3 zu der groûen Familie der Hox-Gene, und andere nahe verwandte Gene dieser Familie, z. B. Hoxb3 und Hoxd3, sind åhnlich exprimiert. Sie kænnten, åhnlich wie wir es zuvor fçr die Pax-Gene besprochen haben, in einer Mutante teilweise die fehlende Funktion des Hoxa3Gens kompensieren. In Doppelmutanten, in denen neben Hoxa3 jeweils die Gene Hoxb3 oder Hoxd3 fehlen, wird zwar die Hypoplasie der Schilddrçse etwas verstårkt, es kommt jedoch nicht zu einer vollståndigen Agenesie der Schilddrçse (Manley u. Capecchi 1998). Dies spricht dafçr, dass den Genen der Hox3-Gen-Gruppe nur eine Rolle in der spåten Morphogenese der Schilddrçse zufållt. Hier sei noch darauf hingewiesen, dass die Beteiligung weiterer Hox-Gene an der Schilddrçsenentwicklung nicht ausgeschlossen werden kann (in der adulten menschlichen Schilddrçse werden 23 von 39 HOX-Genen exprimiert (Takahashi et al. 2004)). Die Tatsache, dass in Hoxa3±/±-Måusen wenigstens einige Thyreozyten und C-Zellen terminal differenzieren, andererseits dann aber oft råumlich getrennte Gruppen dieser Zelltypen vorliegen, låsst vermuten, dass in diesem Mausmodell die Kommunikation zwischen beiden Zelltypen gestært sein kænnte.
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
Hinweise auf Interaktionen zwischen C-Zellen und Thyreozyten in der terminalen Differenzierung stammen ferner aus Eya1±/±-mutanten Mausembryonen. Das Eya1-Gen, benannt nach der Drosophila-Mutante ¹eyes absentª, codiert eine Phosphatase und wird in den Kiemenbægen und in den branchiogenen Derivaten, nicht jedoch im Schilddrçsenprimordium exprimiert (Xu et al. 2002). In der Mutante tritt ein Defekt in der spåten Schilddrçsenmorphogenese auf, der dem von Hoxa3±/±-Måusen åhnelt. Wiederum fusionieren die Ultimobranchialkærper nicht mit dem hypobranchialen Primordium, und beide Strukturen differenzieren sich råumlich getrennt (Xu et al. 2002). Die Anzahl der sich differenzierenden Follikel ist gering, und die Schilddrçse ist insgesamt hypoplastisch. Zusammen mit den Befunden aus der Pax8±/±Maus, bei der sich ein prominentes Schilddrçsenrudiment aus C-Zellen auch in Abwesenheit des hypobranchialen Primordiums ausbildet, wird anhand der Hoxa3±/±- und der Eya1±/±-Mutanten klar, dass Ultimobranchialkærper und hypobranchiales Primordium unabhångig voneinander korrekt relokalisieren und einen gewissen Entwicklungsstand einschlieûlich terminaler Differenzierung erreichen. Die normale Proliferation differenzierter oder sich differenzierender Thyreozyten sowie deren korrekte Morphogenese scheint aber in einem gewissen Ausmaû von C-Zellen abzuhången. Im Hinblick auf parakrine Signale ist hier besonders hervorzuheben, dass Organbestandteile unterschiedlicher Herkunft im Verlaufe der Entwicklung ihren gemeinsamen Ort finden: Sowohl C-Zellen als auch Nebenschilddrçsenzellen und Thyreozyten kommen hier an einem Ort frontal der Trachea zusammen. Es wird sehr interessant sein herauszufinden, welche Signale hier ein mæglicherweise gemeinsames Attraktionszentrum fçr alle diese Primordien schaffen. Aufgrund der råumlichen Nåhe sind insbesondere die Blutgefåûe eine mægliche Signalquelle, aber auch der Knorpel, die Trachea und andere anatomische Strukturen.
1.3.2.5 Der Zebrafisch als Modellorganismus der Schilddrçsenentwicklung Wie einleitend erwåhnt, lassen sich bestimmte Aspekte der Entwicklung in verschiedenen Organismen unterschiedlich gut analysieren. In den letzten Jahren wurde der Zebrafisch zu einem wichtigen Modellorganismus auch fçr die Schilddrçsenentwicklung. Betrachten wir zunåchst die Rolle der schilddrçsenspezifischen Transkriptionsfaktoren.
In der Evolution der Fische wurde das ursprçngliche orthologe Gen zu NKX2.1/Nkx2.1 dupliziert, und so weist der Zebrafisch zwei paraloge Gene, nk2.1a und nk2.1b, auf (Rohr et al. 2001). Von diesen ist nur nk2.1a in der Schilddrçse exprimiert (Rohr u. Concha 2000). Wird die Translation von nk2.1a in Zebrafischembryonen experimentell unterbunden, so entwickelt sich das Primordium zunåchst einschlieûlich der Ablæsung vom Kiemendarmepithel. Im Laufe der Relokalisierung jedoch sind andere Schilddrçsenmarkergene wie pax8 und hhex nicht mehr nachweisbar, und schlieûlich bleibt auch die Entstehung von Hormon produzierenden Follikeln aus. Der Funktionsverlustphånotyp im Zebrafisch gleicht also dem in der Maus und beståtigt somit eine Funktion von Nkx2.1/nk2.1a in den spåteren Schritten der Schilddrçsenentwicklung (Elsalini et al. 2003). Im Zebrafisch wird das hhex-Gen åhnlich wie in der Maus sowohl wåhrend der Gastrulation als auch spåter in den endodermalen Organen Schilddrçse, Pankreas und Leber exprimiert (Elsalini et al. 2003; Ho et al. 1999). Im Zebrafisch gibt es eine Deletionsmutante (Liao et al. 2000), und es ist ferner mæglich, die Translation von hhex experimentell zu blockieren (mit Hilfe von Antisense-Morpholino-RNA). Die Mutantenanalyse ergab, dass die Defekte, die auf eine Funktion von hhex in der Gastrulation zurçckzufçhren sind, milder sind als in der Maus (Elsalini et al. 2003). In Bezug auf die Schilddrçse wird beobachtet, dass das Primordium anfangs immer vorhanden ist und sich auch vom Kiemendarm ablæst. Das Primordium ist dann jedoch gegen Ende der Relokalisierung, åhnlich wie im Falle einer nk2.1a-Defizienz, mit molekularen Markern wie nk2.1a oder pax8 nicht mehr nachweisbar. Eine differenzierte Schilddrçse bildet sich schlieûlich nicht aus. Diese Beobachtung legt nahe, dass im Zebrafisch das hhex-Gen, åhnlich wie nk2.1a, zellautonom fçr die Differenzierung der Schilddrçsenzellen benætigt wird. Der Blick auf die Funktion der Pax-Gene in verschiedenen Organismen bringt uns noch einmal zurçck zu der Frage, wie die Entwicklung der Schilddrçse in den Chordaten evolvierte. Wie oben erwåhnt, setzt sich eine Pax-Unterfamilie aus Pax2, Pax5 und Pax8 zusammen (Dorfler u. Busslinger 1996). In der Maus finden wir ausschlieûlich Expression von Pax8 im Schilddrçsenprimordium, nicht jedoch Pax5 oder Pax2 (Plachov et al. 1990; Wendl et al. 2002). Die Funktion von Pax8 haben wir weiter oben ja kennen gelernt, und von Pax2 und Pax5 kænnen wir annehmen, dass sie, wenn sie nicht im Schilddrçsenprimordium exprimiert
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werden, hier auch keine Funktion erfçllen. Im Krallenfrosch Xenopus hingegen wurde beobachtet, dass Pax2, nicht jedoch Pax8 in der Schilddrçse exprimiert wird (Heller u. Brandli 1999). Auch wenn wir keine funktionellen genetischen Tests in Xenopus durchfçhren kænnen, so legt das Expressionsmuster doch nahe, dass hier in der Schilddrçsenentwicklung Pax2 dieselbe Rolle wie Pax8 in der Maus spielt. Im Zebrafisch wurde nun gefunden, dass sowohl pax2.1 (pax2a) als auch pax8 im Schilddrçsenprimordium exprimiert werden (Wendl et al. 2002). Es sei angemerkt, dass im Laufe der Evolution der Fische ein ursprçngliches Pax2-Gen ebenso wie das oben besprochene Nkx2.1-Gen dupliziert wurde, so dass hier pax2.1 (pax2a) neben pax2.2 (pax2b) vorliegt (durch åhnliche Duplikationen ist die Pax2/Pax5/Pax8-Unterfamilie in der Evolution der Wirbeltiere entstanden). In der Schilddrçse ist allerdings nur pax2.1 exprimiert, wåhrend pax2.2 offenbar seine Expression und Funktion im Laufe der Evolution verloren hat. Die Analyse der Genfunktion im Zebrafisch fçhrte zu der Annahme, dass hier pax2.1 in der Entwicklung der Schilddrçse dieselbe Rolle spielt wie Pax8 in der Maus, d. h. pax2.1 ist essentiell fçr die Differenzierung der Thyreozyten. Im Zebrafisch scheint pax8 dagegen von der pax2.1-Expression abhångig zu sein, wobei komplexe Interaktionen zwischen Pax-Genen aus anderen Entwicklungsaspekten bekannt sind und nicht çberraschen (Wendl et al. 2002). Die vergleichende Betrachtung von Expression und Genfunktion in verschiedenen Wirbeltieren fçhrt uns vor Augen, dass ursprçnglich ein Vorlåufer-Pax-Gen fçr die Schilddrçsenfunktion essentiell war und dass in verschiedenen Wirbeltierlinien diese Funktion nur noch von einzelnen, unterschiedlichen Genfamilienmitgliedern wahrgenommen wird. Gewissermaûen als Beståtigung fçr eine ursprçngliche Funktion der Pax2/5/8-Familie in der Schilddrçse finden wir, dass das gemeinsame Vorlåufergen pax2/5/8 in dem ¹ursprçnglichenª Chordaten Amphioxus, dem Lanzettfischchen, im Endostyl exprimiert wird (Kozmik et al. 1999). Wie wir einleitend festgestellt haben, ist das Endostyl als hypobranchiales Organ hæchstwahrscheinlich homolog zu der Schilddrçse der Wirbeltiere. Neben pax2/5/8 wird auch nkx2.1 im Endostyl des Lanzettfischchens exprimiert (Ogasawara 2000; Venkatesh et al. 1999). Die Evolution der Schilddrçse aus dem Endostyl spiegelt sich also auch molekular wider. Nun stellt sich die Frage, welche Bedeutung diese Befunde fçr die molekulare Medizin haben. Sie
verdeutlichen, dass in der Evolution Unterschiede im regulatorischen Netzwerk der Gene einen wesentlichen Anteil an der Gestaltbildung eines Organismus haben. Stærungen der Organentwicklung mçssen immer im Zusammenhang mit diesen regulatorsichen Netzwerken gesehen werden. So kann das Fehlen eines Transkriptionsfaktorgens in einer Organanlage durch åhnliche Gene kompensiert werden, nicht aber bei weiteren Defekten in diesem Netzwerk, wie z. B. fçr die Situation der Pax8±/±-, Pax2+/±-Maus beschrieben. Organfehlbildungen des Menschen treten oft sporadisch auf oder kænnen in Familien sehr unterschiedlich ausgeprågt sein. Diese Unterschiede in der Manifestation von Organfehlbildungen lassen sich nach den bisher dargestellten Erkenntnissen durch summarische Unterschiede in den regulatorischen Netzwerken erklåren. So kænnen sich einzelne Individuen einer Familie an verschiedenen Stellen der regulatorischen Netzwerke unterscheiden und weisen somit eine unterschiedliche Kompensationsmæglichkeit fçr einen Gendefekt auf. Zu berçcksichtigen ist ferner, dass auch Polymorphismen innerhalb von Genen oder regulatorischen Sequenzen funktionelle Auswirkung haben kænnen und somit phånotypische Variabilitåt innerhalb von Familien mit scheinbar gleicher Mutation verursachen kænnen. In folgenden Abschnitten sollen die bisher beim Menschen beschriebenen Gendefekte der Schilddrçsenentwicklung zusammengefasst werden.
1.3.3 Defekte der Schilddrçsenentwicklung des Menschen Schilddrçsenfehlbildungen treten fast immer sporadisch auf. Dieses Fehlen von familiårer Håufung hat bisher die Identifizierung von genetischen Defekten der Schilddrçsenentwicklung erschwert, denn nur bei familiåren Fållen gelingt die Identifizierung neuer Gendefekte mit Hilfe der sog. Genomscreeninguntersuchung. Bei sporadischen Fållen ist man dagegen auf die gezielte Suche von Mutationen in bekannten Kandidatengenen angewiesen. Basierend auf den Kenntnissen von Genen der Schilddrçsenentwicklung in der Maus konnten so in den letzten Jahren erstmals in den homologen Genen des Menschen Mutationen nachgewiesen werden. Es konnten Defekte in vier Genen beschrieben werden, die zu unterschiedlichen Krankheitsbildern der Schilddrçsenentwicklung fçhren (Tabelle 1.1.4).
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
Tabelle 1.3.1. Ûbersicht çber regulatorische Molekçle in der Entwicklung der Schilddrçse Protein-/Peptidname
Art des Molekçls
Modellorganismus: Spezifische Funktion in der Schilddrçsenentwicklung (sofern bekannt)
Mensch: Auf Gendefekt (+/± oder ±/±) zurçckgefçhrtes Krankheitsbild
E-Cadherin, Cadherin 1, CDH1
Zell-Zell-Adhåsionsmolekçl
Unbekannt (frçh letal)
+/±: Erhæht Risiko fçr diffuses familiåres Magenkarzinom; keine Auswirkung auf die Schilddrçse bekannt
FOXE1/Foxe1
Transkriptionsfaktor
Maus: Relokalisierung, mæglicherweise auch Differenzierung
±/±: KH, Athyreose, Gaumenspalte
NKX2.1/ Nkx2.1/nk2.1a Transkriptionsfaktor (TTF1, TITF1, TEBP)
Maus, Zebrafisch: Differenzierung des Primordiums
+/±: KH, Hypoplasie der Schilddrçse, Choreoathetose, pulmonårer Stress
Hhex, hhex (PRHX, PRH)
Transkriptionsfaktor
Maus, Zebrafisch: Differenzierung des Primordiums
Unbekannt
PAX8, Pax8
Transkriptionsfaktor
Maus: Differenzierung des Primordiums
+/±: KH, variable Hypoplasie
PAX2, pax2.1
Transkriptionsfaktor
Zebrafisch: Differenzierung des Primordiums
+/±: Renales Coloboma-Syndrom oder renale Hypoplasie; keine Auswirkung auf die Schilddrçse bekannt
Hoxa3, Hox-1.5, (HOXE1)
Transkriptionsfaktor
Maus: Differenzierung der C-Zellen, Morphogenese der gesamten Thyroidea
Unbekannt
Eya1
Phosphatase
Maus: Differenzierung der C-Zellen, Morphogenese der gesamten Thyroidea
Branchiootorenale Dysplasie; keine Auswirkung auf die Schilddrçse bekannt
Fgf10
Parakrines Signalmolekçl
Maus (Isoform IIIb): Differenzierung (?)
Aplasie der Trånen- und Speicheldrçsen; keine Auswirkung auf die Schilddrçse bekannt
FGFR2
Rezeptor-Tyrosinkinase
Maus: Differenzierung (?)
Variable klinische Auswirkung (Crouzon-, Pfeiffer-, Apert- und andere Syndrome); keine Auswirkung auf die Schilddrçse bekannt
TSH
Endokrines Signal
Maus: keine Funktion (kein prånataler Entwicklungsdefekt bei Abwesenheit von TSH in pit1dw±/± mutanten Måusen)
±/±: KH bei unauffålliger Schilddrçse
TSHR
Membrangebundener Rezeptor
Maus: keine Funktion (kein prånataler Entwicklungsdefekt)
±/±: KH durch TSH-Resistenz (Inaktivierung des Rezeptors), zum Teil Hypoplasie; +/±: Hyperthyreose durch aktivierende Mutationen
KH Kongenitale Hypothyreose; ±/± Homozygotie einer Mutation oder Transheterozygotie von zwei Mutationen im selben Locus; +/± Heterozygotie der Mutation.
1.3.3.1 Defekte, die zu einer Athyrose fçhren: FOXE1-Mutationen Ausschlaggebend fçr die Identifizierung des ersten FOXE1-Gen-Defektes war die Beschreibung eines Krankheitsbildes mit Assoziation einer Athyreose und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (nach dem Erstbeschreiber ¹Bamforth-Syndromª genannt, OMIM 6702617). Die gleiche Assoziation dieser Fehlbil-
dungen in der Foxe1±/±-Maus (siehe oben) (De Felice et al. 1998) fçhrte zu der richtigen Hypothese, dass ein Defekt in dem homologen menschlichen Gen fçr das Bamforth-Syndrom verantwortlich sein kænnte. Es wurden daraufhin bisher drei Fålle von inaktivierenden Mutationen des FOXE1-Gens gefunden, die alle mit einer Athyreose und einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte korrelierten (Castanet et al. 2002; Clifton-Bligh et al. 1998). In die-
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sen wenigen Fållen trat der FOXE1-Gen-Defekt rezessiv auf, da die jeweils heterozygoten Eltern keine Symptome aufwiesen. Dieser rezessive Erbgang entspricht den Befunden der Foxe1-defizienten Maus, bei der die heterozygoten Tiere ebenfalls normal sind. Eine bei der Geburt fehlende Schilddrçse, so wie es beim FOXE1-Gen-Defekt der Fall ist, kænnte auf einen primåren Defekt der Schilddrçseninduktion oder auf einen spåteren Verlust der anfånglich normal angelegten Schilddrçse hindeuten. Diese Unterscheidung ist an Patienten nicht mæglich. Allerdings lassen die Befunde der zuvor diskutierten Ergebnisse der Foxe1±/±-Maus darauf schlieûen, dass es sich bei dem Gendefekt nicht um einen primåren Induktionsdefekt handelt, da ja noch ein Primordium initial gebildet wird. Man muss daher davon ausgehen, dass die Athyreose der Patienten mit FOXE1-Gen-Defekt auf ein Ausbleiben der Ausreifung der zunåchst normal induzierten Schilddrçse zurçckgeht. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, die Zielgene von FOXE1 zu identifizieren. Daher bleibt es offen, welche molekulare Interaktion des Schilddrçsenprimordiums mit den umgebenden Strukturen bei FOXE1-Gen-Verlust kritisch unterbrochen ist.
1.3.3.2 Defekte, die zu einer Hypoplasie fçhren: TSH-Rezeptor, NKX2.1 und PAX8 Im Unterschied zu der zuvor beschriebenen FOXE1-Defizienz findet sich bei allen anderen bisher in Patienten nachgewiesenen Gendefekten der Schilddrçsenentwicklung ein Restgewebe (Hypoplasie). Im Folgenden stellen wir als Ursache fçr Schilddrçsenhypoplasie einerseits Mutationen im TSH-Rezeptor vor, die einen endokrinen Einfluss auf die Schilddrçsenentwicklung dokumentieren. Andererseits besprechen wir die Auswirkung von Mutationen in den schilddrçsenspezifischen Transkriptionsfaktoren NKX2.1 und PAX8.
1.3.3.2.1 TSH und TSH-Rezeptor-Mutationen Die physiologische Funktion der Schilddrçse wird maûgeblich von Thyreotropin (¹thyroid-stimulating hormoneª, TSH) reguliert. TSH, ein von der Adenohypophyse sezerniertes Glykoproteohormon, bindet an einen membranståndigen Rezeptor der Thyreozyten (¹thyroid-stimulating hormone receptorª, TSHR) und stimuliert hier die Biosynthese von Schilddrçsenhormon. Neben der physiologischen Wirkung kommt TSH und TSHR auch eine
Funktion im Follikelwachstum der adulten Drçse zu. So kann zum Beispiel ein durch ein Hypophysenadenom erhæhter TSH-Spiegel eine Struma (Kropf) verursachen (Beck-Peccoz u. Persani 2002). In der Embryonalentwicklung wird der TSH-Rezeptor erst exprimiert, nachdem die Schilddrçse ihre endgçltige Position im vorderen Halsbereich eingenommen hat und nach Beginn der Differenzierung der Thyreozyten (Tag 15 in der Mausentwicklung, Lazzaro et al. 1991). Daher erwarten wir keine Funktion von TSH oder TSHR in der Embryonalentwicklung. Tatsåchlich zeigte sich in der Maus, dass TSHR-defiziente Måuse bei der Geburt eine normale Schilddrçse aufweisen (Postiglione et al. 2002). Somit ist TSH bzw. der TSH-Rezeptor fçr die Entwicklung der Schilddrçse zumindest in der Maus bis zur Geburt verzichtbar. Im Gegensatz zur Maus scheinen TSH und TSHR im Menschen eine Rolle in der prånatalen Schilddrçsenentwicklung zu spielen. Dies zeigte sich bei einer Patientin mit TSH-Rezeptor-Defekt, deren Schilddrçsenvolumen nur 0,2 ml betrug, im Vergleich zu ca. 1 ml bei einem Neugeborenen (Biebermann et al. 1997). TSH stimuliert beim Menschen also wahrscheinlich das Schilddrçsenwachstum schon vor der Geburt. Da die Schilddrçsenanlage gegen Ende der Embryonalzeit beim Menschen nur ein Volumen von weniger als 0,1 ml aufweist, wåre eine Rolle von TSH im fætalen Wachstum der Schilddrçse denkbar. Eine normale Schilddrçsengræûe bei TSHR-defizienten Måusen zum Zeitpunkt der Geburt weist jedoch auf zusåtzliche, TSH-unabhångige Mechanismen im prånatalen Schilddrçsenwachstum hin, die auch im Menschen eine Rolle spielen kænnten. Zusammenfassend stellen wir fest, dass neben parakrinen auch endokrine Mechanismen Anteil an der Entwicklung der menschlichen Schilddrçse haben. Diverse Mutationen im TSH-Rezeptor konnten beschrieben werden und resultieren in unterschiedlichen Funktionsstærungen, die von Funktionsverlust zu dominantem Funktionsgewinn reichen, aber çberwiegend die physiologische Aktivitåt der Drçse betreffen (OMIM 603372). Partielle Funktionsverluste des Rezeptors fçhren z. B. oft auch zu einer Erhæhung des TSH-Spiegels bei normalem Volumen der Drçse und normaler Schilddrçsenfunktion (Hyperthyreotropinåmie) (Fuhrer et al. 2003). Im Gegensatz zu den folgenden Faktoren, die von Entwicklungsgenen codiert werden, spielt TSHR keine Rolle in frçhen Aspekten der Schilddrçsenentwicklung.
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
1.3.3.2.2 NKX2.1-Mutationen
1.3.3.2.3 PAX8-Mutationen
Die bisher identifizierten NKX2.1-Gen-Defekte wurden in gezielten Untersuchungen von Patienten gefunden. Grundlage fçr diese Studien waren die Befunde der Nkx2.1±/±-Maus, die neben einer Entwicklungsstærung der Schilddrçse durch Fehlbildungen der Lunge und der Basalganglien charakterisiert ist (Kimura et al. 1996). Entsprechend dieses Spektrums an Fehlbildungen in der Nkx2.1±/±Maus wurden Patienten ausgewåhlt, die neben einer Schilddrçsendysgenesie weitere assoziierte Symptome der Lunge und der Basalganglien (Bewegungsstærungen) aufweisen. Ûber diese fokussierte Mutationssuche gelang der erste Nachweis von Mutationen im NKX2.1-Gen des Menschen (Krude et al. 2002). Es zeigte sich, dass die identifizierten Patienten heterozygote NKX2.1-Mutationstråger sind und dass das Krankheitsbild dominant vererbt wird (OMIM 600635). Somit scheint, ebenso wie bei Mutationen des PAX8-Gens, der Mensch sensibler auf einen NKX2.1-Gen-Dosisdefekt zu reagieren als die Maus, bei der heterozygote Nkx2.1±/±-Embryonen von wildtypischen Geschwistern nicht zu unterscheiden waren. In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass alle Patienten mit einer NKX2.1-Mutation eine schwere Bewegungsstærung im Sinne einer Choreoathetose aufweisen, dass aber andererseits eine Schilddrçsenentwicklungsstærung nicht obligat bei Mutationstrågern auftritt (Breedveld et al. 2002). In den meisten Fållen findet sich kein Zeichen einer Schilddrçsenstærung, in einigen lediglich eine leichte Schilddrçsenfunktionsstærung mit erhæhtem TSH und normalen Schilddrçsenhormonwerten. Lungensymptome mit einer neonatalen Anpassungsstærung oder håufigen schweren pulmonalen Infektionen finden sich ebenfalls nur bei sehr wenigen Mutationstrågern. Darçber hinaus gelang in einer hollåndischen Studie der Nachweis, dass die sog. ¹familiåre gutartige Choreaª (OMIM 118700), die durch eine dominant vererbte Choreoathetose charakterisiert ist, durch Mutationen in NKX2.1 verursacht wird (Breedveld et al. 2002). In der Zusammenstellung dieser heterogenen Gruppe von Patienten zeigt sich, dass die Bewegungsstærung ganz im Vordergrund des Krankheitsbildes steht. Somit scheint die Entwicklung der Basalganglien im Vergleich zur Entwicklung der Schilddrçse und der Lunge sensibler auf eine Reduktion der NKX2.1-Gen-Dosis zu reagieren.
Das PAX8-Gen wird sehr frçh nach der Induktion in der Schilddrçsenanlage exprimiert. Der Verlust der Pax8-Gen-Funktion im Mausmodell fçhrt zu einem schwerwiegenden Entwicklungsdefekt mit dem Bild einer Athyreose bei Geburt der Måuse (Mansouri et al. 1998). Wie weiter oben ausgefçhrt, konnte in der Pax8±/±-Maus gezeigt werden, dass ohne Pax8 eine erste Induktion der Schilddrçsenanlage auftritt, dass aber das Schilddrçsenprimordium nicht ausreift und bis zur Geburt kein follikulåres Schilddrçsengewebe persistiert. Pax8±/±-Måuse wiesen neben der Athyreose keine weiteren Organfehlbildungen auf, obwohl das Gen in der Niere und dem Mittelhirn exprimiert wird. Die heterozygoten Pax8+/±-Måuse sind vællig unauffållig. Auf Grund der Befunde aus der Pax8±/±-Maus wurden bisher mehrere hundert Patienten mit Schilddrçsenhypoplasie und Athyreose ohne weitere sichtbare Fehlbildungen auf Mutationen im PAX8-Locus untersucht. In einigen dieser Patienten mit Hypoplasie wurden tatsåchlich PAX8-Mutationen gefunden (OMIM 167415) (Congdon et al. 2001; Macchia et al. 1998; Vilain et al. 2001). Es handelte sich im Unterschied zur Maus ausschlieûlich um heterozygote Funktionsverlustmutationen. Somit scheint die Schilddrçsenentwicklung des Menschen empfindlicher auf eine Reduktion der PAX8-Gen-Dosis (50%-Verlust bei Heterozygotie einer Funktionsverlustmutation) zu reagieren, als die Schilddrçse der Maus. Es konnten wenige Familien identifiziert werden, in denen heterozygote PAX8-Mutationen zu einem dominant vererbten Schilddrçsendefekt fçhren (Macchia et al. 1998). Die Ausprågung der Hypoplasien war sehr unterschiedlich, auch innerhalb der Familien. Auffållig ist hierbei, dass das Bild stark variiert und zum Teil durch asymmetrische Schilddrçsendefekte charakterisiert ist. Diese Befunde sprechen dafçr, dass PAX8 eine Rolle in der Interaktion des Schilddrçsenprimordiums mit dem umgebenden Gewebe spielen kænnte, insbesondere in der spåteren embryonalen Entwicklung des Wachstums und der Positionierung im vorderen Halsbereich. Interessanterweise fanden sich bei einigen Patienten mit Mutationen im Pax8±/±-Locus bei der Geburt nur sehr geringe Abweichungen der Schilddrçse vom Normalbild mit einer noch normalen Schilddrçsenhormonbildung. Diese war allerdings im Verlauf langsam rçcklåufig. Entsprechend dieser Beobachtung kann fçr PAX8 im Menschen eine
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K. Rohr und H. Krude
Rolle in der postnatalen Reifung bzw. Aufrechterhaltung einer normalen Schilddrçsenfunktion angenommen werden.
1.3.4 Ausblick Die Entwicklung der Schilddrçse stellt ein gutes Modellsystem dar, an dem grundlegende entwicklungsbiologische Mechanismen untersucht werden kænnen. Die Einfachheit des morphologischen Aufbaus, die geringe Diversitåt der beteiligten zellulåren Strukturen und die Existenz von detailliert beschriebenen Tiermodellen der Schilddrçsenentwicklung stellen eine gute Vorraussetzung hierfçr dar. Die Håufigkeit der Schilddrçsenfehlbildungen des Menschen macht darçber hinaus das Studium der Schilddrçsenentwicklung zu einem Thema mit Relevanz fçr die molekulare Medizin. Die groûe Herausforderung fçr die Zukunft bedeutet, zellulåre Interaktionen und parakrine Mechanismen in der Schilddrçsenentwicklung zu verstehen. Nur FGF-Signale konnten bisher als parakrine, fçr die Schilddrçsenentwicklung notwendige Signale identifiziert werden. Welche Signale die Schilddrçse und ihr Repertoire an Transkriptionsfaktoren induzieren und woher sie kommen, bleibt zu untersuchen. Die Zielgene der schilddrçsenspezifischen Transkriptionsfaktoren, Nkx2.1, Hhex und Pax8, sind bisher vor allem im Hinblick auf die funktionelle Maschinerie der Hormonproduktion untersucht worden (Damante et al. 2001). Warum aber diese Transkriptionsfaktoren auch fçr das Ûberleben des Primordiums notwenig sind und inwiefern von ihnen Kommunikation mit umliegendem Gewebe vermittelt wird, ist bisher unverstanden. Eine besonders wichtige Frage stellt sich auch im Hinblick auf die Positionierung der Schilddrçse. Ektopien sind nicht selten und treten vor allem entlang der Relokalisierungsstrecke auf. Parakrine Signale kænnten eine wichtige Rolle bei der Definition der Relokalisierung spielen, und es bleibt herauszufinden, welche anatomischen Strukturen hier involviert sind. Was sind mægliche Ansåtze, um Erkenntnisse çber die molekularen Mechanismen der Schilddrçse im Kontext mit dem umliegenden Gewebe zu gewinnen? Hier erwarten wir in den nåchsten Jahren durch die vergleichende Genexpressionsanalyse der Schilddrçsenanlage mit dem umgebenden Gewebe wesentliche Erkenntnisgewinne. Ferner werden weitere Mutagenese-Screens, z. B. im
Modellorganismus Zebrafisch, bei der Identifikation bisher unbekannter Schlçsselfaktoren helfen. Obwohl in den letzten Jahren eine Vielzahl der Patienten mit Schilddrçsenfehlbildungen untersucht wurde, ist nur in wenigen Fållen die verantwortliche molekulare Ursache gefunden worden. Erst mit dem Verståndnis der Komplexitåt der Schilddrçsenentwicklung werden sich systematisch weitere genetische Ursachen von Schilddrçsenfehlbildungen aufklåren lassen.
1.3.5 Literatur Beck-Peccoz P, Persani L (2002) Medical management of thyrotropin-secreting pituitary adenomas. Pituitary 5: 83±88 Bedford FK, Ashworth A, Enver T, Wiedemann LM (1993) HEX: A novel homeobox gene expressed during haematopoiesis and conserved between mouse and human. Nucleic Acids Res 21: 1245±1249 Biebermann H, Schoneberg T, Krude H, Schultz G, Gudermann T, Gruters A (1997) Mutations of the human thyrotropin receptor gene causing thyroid hypoplasia and persistent congenital hypothyroidism. J Clin Endocrinol Metab 82: 3471±3480 Boggon TJ, Murray J, Chappuis-Flament S, Wong E, Gumbiner B M, Shapiro L (2002) C-cadherin ectodomain structure and implications for cell adhesion mechanisms. Science 296: 1308±1313 Bogue CW, Ganea GR, Sturm E, Ianucci R, Jacobs HC (2000) Hex expression suggests a role in the development and function of organs derived from foregut endoderm. Dev Dyn 219: 84±89 Bouchard M, Souabni A, Mandler M, Neubuser A, Busslinger M (2002) Nephric lineage specification by Pax2 and Pax8. Genes Dev 16: 2958±2970 Breedveld GJ, Dongen JW van, Danesino C et al. (2002) Mutations in TITF-1 are associated with benign hereditary chorea. Hum Mol Genet 11: 971±979 Castanet M, Park SM, Smith A et al. (2002) A novel loss-offunction mutation in TTF-2 is associated with congenital hypothyroidism, thyroid agenesis and cleft palate. Hum Mol Genet 11: 2051±2059 Celli G, LaRochelle WJ, Mackem S, Sharp R, Merlino G (1998) Soluble dominant-negative receptor uncovers essential roles for fibroblast growth factors in multi-organ induction and patterning. EMBO J 17: 1642±1655 Chen Y, Huang L, Solursh M (1994) A concentration gradient of retinoids in the early Xenopus laevis embryo. Dev Biol 161: 70±76 Chisaka O, Musci TS, Capecchi MR (1992) Developmental defects of the ear, cranial nerves and hindbrain resulting from targeted disruption of the mouse homeobox gene Hox-1.6. Nature 355: 516±520 Cho KW, De Robertis EM (1990) Differential activation of Xenopus homeo box genes by mesoderm-inducing growth factors and retinoic acid. Genes Dev 4: 1910±1916 Civitareale D, Lonigro R, Sinclair AJ, Di Lauro R (1989) A thyroid-specific nuclear protein essential for tissue-
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1.3 Transkriptionelle und parakrine Regulation der Entwicklung der Schilddrçse
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1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse Roland Pfåffle, Johannes Weigel und Antje Bættner
Inhaltsverzeichnis 1.4.1 1.4.1.1 1.4.1.2 1.4.1.3 1.4.1.4 1.4.2 1.4.2.1 1.4.2.2 1.4.3 1.4.3.1 1.4.3.1.1 1.4.3.1.2 1.4.3.2 1.4.3.3 1.4.3.3.1 1.4.3.3.2 1.4.3.3.3 1.4.3.4 1.4.3.4.1 1.4.3.4.2
. .
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. . .
83 83 83
Signale des Hypothalamus an die sich entwickelnde Hypophyse . . . . BMP4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonic Hedgehog (SHH) . . . . . . . . . . . .
85 86 86
Grundlagen der Hypophysenentwicklung Anatomie der Hypophyse . . . . . . . . . . Hormon produzierende Zellen der Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . . Follikulostellarzellen . . . . . . . . . . . . . Embryologie der Hypophyse . . . . . . . .
Wichtige Transkriptionsfaktoren wåhrend der Entwicklung des Hypophysenvorderlappens . . . . . . . PTX-Gen-Familie . . . . . . . . . . . . . . . PTX1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PTX2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LIM-Homæodomåntranskriptionsfaktoren LHX3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LHX3-Mutationen beim Menschen . . . . Vererbungsmodus von LHX3-Mutationen Hypophysenmorphologie bei Patienten mit LHX3-Mutationen . . . . . . . . . . . . LHX4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LHX4-Genmutation beim Menschen . . . Vererbungsmodus und Håufigkeit von LHX4-Mutationen . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
86 86 86 88 88 88 89 91
. . .
91 91 91
.
92
1.4.1 Grundlagen der Hypophysenentwicklung Die Hypophyse ist ein zentrales Organ bei der hormonellen Steuerung aller Såugetierorganismen. Es integriert eine Vielzahl von lebenswichtigen Regelkreisen auf engstem Raum. So sezerniert sie Peptide und Proteohormone, welche die Stressantwort des Organismus (Nebennierenachse), seine Fortpflanzung (Gonadenachse), sein Wachstum (Wachstumshormonachse) und seinen Energiehaushalt (Schilddrçsenachse) steuern. In den letzten 20 Jahren wurden eine Vielzahl von hypophysåren Transkriptionsfaktoren identifiziert, welche die embryonale Entwicklung und die Funktion des Hypophysenvorderlappens steuern (Wat-
1.4.3.5 1.4.3.5.1 1.4.3.5.2 1.4.3.5.3
1.4.3.6.6 1.4.3.7 1.4.3.8 1.4.3.9
PROP1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Aufbau des PROP1-Gens . . . . . . . . . . . . 92 PROP1-Mutation beim Menschen . . . . . . . 93 Variabilitåt des Phånotyps von PROP1-Mutationen . . . . . . . . . . . . . 94 Morphologie der Hypophyse bei Patienten mit PIT1- und PROP1-Gen-Mutation . . . . 96 PIT1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Aufbau von PIT1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Funktion des PIT1-Molekçls . . . . . . . . . . 97 Tiermodelle zu PIT1-Defekten . . . . . . . . 97 PIT1-Mutation beim Menschen . . . . . . . . 97 Variabilitåt des Phånotyps bei PIT1-Mutation . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Vererbungsmodus von PIT1-Gen-Mutationen 98 PAX6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 SIX3 und SIX6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 HESX1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
1.4.4 1.4.4.1 1.4.4.2 1.4.4.3
Weitere Transkriptionsfaktoren SF1 . . . . . . . . . . . . . . . . . TPIT . . . . . . . . . . . . . . . . SOX3 . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.5
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 102
1.4.6
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
1.4.7
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
1.4.3.5.4 1.4.3.6 1.4.3.6.1 1.4.3.6.2 1.4.3.6.3 1.4.3.6.4 1.4.3.6.5
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
100 100 100 101
kins-Chow u. Camper 1998; Dasen u. Rosenfeld 1999; Savage et al. 2003). Mit der Untersuchung dieser Faktoren lieûen sich zum einen einige der Mechanismen aufklåren, welche fçr den Funktionsausfall dieses Organs verantwortlich sein kænnen, zum anderen erbrachten sie Erkenntnisse çber den genauen Ablauf der embryonalen Entwicklung dieses Organs. Da sich in der Hypophyse wåhrend der Embryonalentwicklung mindestens 5 verschiedene Hormon produzierende Zelllinien (die Wachstumshormon produzierenden somatotrophen, die Prolaktin produzierenden laktotrophen, die ACTH produzierenden kortikotrophen, die LH und FSH produzierenden gonadotrophen und die TSH produzierenden thyreotrophen Zellen) aus einer ursprçnglichen Organanlage entwickeln, tragen diese UntersuchungsGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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R. Pfåffle et al.
ergebnisse auch zum grundsåtzlichen Verståndnis embryonaler Entwicklungsprozesse komplexer Organsysteme bei. Die genetischen Mechanismen, welche beispielsweise die spezifische Transkription des GH1-Gens regulieren, mçssen zum einem sehr effektiv, zum anderen jedoch auch sehr spezifisch die Expression innerhalb der Wachstumshormon produzierenden somatotrophen Zelle gewåhrleisten. Die adulte etwa 600 mg schwere Hypophyse produziert tåglich etwa 1±3 mg diese Proteohormons. Etwa die Hålfte aller Zellen des Hypophysenvorderlappens sind somatotrophen Ursprungs und in ihrem Transkriptionsapparat auf diese optimierte Syntheseleistung eingerichtet. Jeder Defekt innerhalb des Transkriptionsapparates kann dessen Effektivitåt empfindlich beeinflussen und daher funktionelle Konsequenzen fçr den Organismus tragen (z. B. einen hypophysåren Kleinwuchs). Darçber hinaus haben viele der beschriebenen Transkriptionsfaktoren auch zentrale Funktionen wåhrend der embryonalen Differenzierung und Proliferation einzelner hypophysårer Zelllinien. Ein Defekt innerhalb der hypophysår exprimierten Transkriptionsfaktoren geht daher in der Art und dem Umfang des Hormonausfalls çber das hinaus, was sich aufgrund seines Expressionsmusters in der adulten Hypophyse vermuten låsst. In diesem Abschnitt wird der derzeitige Wissensstand çber die Funktion der Faktoren wiedergegeben, welche fçr die Entwicklung
Abb. 1.4.1. Schema der Anatomie der Hypophyse. Der Hypophysenvorderlappen (HVL) untergliedert sich in eine Pars distalis, die aus dem vorderen Anteil der Rathke-Tasche hervorgeht, eine Pars intermedia (oder Mittellappen), die aus dem hinteren Anteil der Rathke-Tasche entspringt, und die Pars infundibularis, welche dem Hypophysenstiel entspricht. Der Hypophysenhinterlappen (HHL) gliedert sich in die Pars nervosa mit den axonalen Nervenendigungen hypothala-
und Funktion vor allem des Hypophysenvorderlappens von Bedeutung sind.
1.4.1.1 Anatomie der Hypophyse Das durchschnittliche Gewicht der Hypophyse beim Erwachsenen betrågt etwa 600 mg, wobei es einer starken interindividuellen Schwankung (400± 900 mg) unterliegt. Frauen haben im Durchschnitt ein etwas græûeres Organ, speziell wåhrend und nach der Schwangerschaft, welches dann mehr als 1 g wiegen kann. Das Gewicht der Hypophyse beim Neugeborenen betrågt zumeist schon etwa 100 mg (Thorner et al. 1992). Da fast die Hålfte aller Zellen des Hypophysenvorderlappens somatotrophen Ursprungs sind, d. h. Wachstumshormon produzieren, gehen isolierte oder inkomplette Ausfålle der Wachstumshormonsekretion håufig mit einer deutlichen Verkleinerung des Hypophysenvorderlappens einher (Magalhaes et al. 1995). Die starken interindividuellen Unterschiede in der Græûe und Form des Hypophysenvorderlappens verbieten jedoch in der Praxis zumeist Rçckschlçsse von der Græûe der Hypophyse auf die Funktionskapazitåt des Organs. Die Diagnose einer Hypophyseninsuffizienz ergibt sich daher zunåchst immer aus dem pathologischen Ergebnis eines Hypophysenstimulationstests.
mische Kerne, den Hypophysenstiel und die Pars infundibularis. Die arterielle Versorgung des HVL erfolgt vor allem aus Østen der A. hypophysea sup. und zum Teil aus der A. hypophysalis inf., die Gefåûversorgung des HHL aus der A. hypophysea inf. Hypothalamische Releasing-Hormone werden çber die Eminentia mediana in den hypophysåren Portalkreislauf an die Zielzellen befærdert
a Die reife Hypophyse setzt sich aus zwei Anteilen zusammen: · dem Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) und · dem Hypophysenhinterlappen (Neurohypohyse). Anatomisch låsst sich die Adenohypophyse, die einen Groûteil des Hypophysenvolumens und -gewichts ausmacht, in drei Anteile unterteilen: Pars distalis, Pars intermedia (auch Hypophysenmittellappen) und Pars infundibularis (Abb. 1.4.1). Beim Menschen finden sich die meisten Hormon produzierenden Zellen im Bereich der Pars distalis, wåhrend die Pars intermedia weitaus weniger differenziert ist. Multiple, von einem einschichtigen Zylinderepithel ausgekleidete zystische Strukturen durchsetzen diesen Anteil der Hypophyse (Asa u. Kovacs 1984; Asa et al. 1988). Die Pars intermedia produziert das sog. Proopiomelanocortin (POMC), das Vorlåuferprotein fçr das Melanozyten stimulierende Hormon (MSH) und Endorphine (Petitou et al. 1986). Hier finden sich auch MSH produzierende sog. melanotrophe Zellen. Die Pars intermedia setzt sich kranial in den Hypophysenstiel fort (Pars infundibularis).
1.4.1.2 Hormon produzierende Zellen der Hypophyse Die Adenohypophyse enthålt fçnf Hormon produzierende Zelllinien, welche nach dem Hormon, das produziert wird, in somatotrophe (GH produzierende), laktotrophe (Prolaktin produzierende), gonadotrophe (LH und FSH produzierende), kortikotrophe (ACTH produzierende) sowie thyreotrophe (TSH produzierende) Zellen eingeteilt werden. Der Hypophysenhinterlappen ist neuronalen Ursprungs und enthålt die terminalen synaptischen Endungen von Neuronen, deren Zellkærper im Hypothalamus liegen und die Oxytocin und Vasopressin sezernieren. Der Hypophysenhinterlappen (HHL) setzt sich aus drei Anteilen zusammen, dem Infundibulum, dem Hypophysenstiel und der Pars nervosa der Hypophyse (Abb. 1.4.1). Der HHL enthålt verschiedene Nuclei mit neuronalen Projektionen in verschiedene Hirnregionen (Thorner et al. 1992). Fçr die Funktion des Hypophysenvorderlappens (HVL) hingegen sind vor allem hypothalamische Projektionen in den Bereich der Eminentia mediana wichtig. Die Eminentia mediana stellt ein portales Gefåûsystem dar, das Hormone von den Nervenendigungen in diesem Bereich zu ihren Zielzel-
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
len im Bereich des Hypophysenvorderlappens transportiert.
1.4.1.3 Follikulostellarzellen Neben den fçnf Hormon produzierenden Zelllinien existiert eine weitere Zelllinie, die sich im gesamten Bereich des Hypophysenvorderlappens findet und etwa 5±10% seiner Zellmasse ausmacht. Follikulostellare Zellen sind epitheloide Zellen neuroektodermalen Ursprungs, die zwar sekretorische Granula enthalten, jedoch selbst keine Hormone freisetzen (Ooi et al. 2004). Sie besitzen weit ausgedehnte zytoplasmatische Auslåufer, die zwischen die anderen hormonell aktiven Zellen projizieren. Follikulostellare Zellen koordinieren vermutlich die zyklische Freisetzung der Hormone aus den verschiedenen Hormon produzierenden Zelllinien des Hypophysenvorderlappens untereinander. Eine pulsatile Sekretion hypophysårer Hormone ist auch nach Unterbrechung des hypothalamisch-hypophsåren Portalkeislaufes, d. h. ohne zentral koordinierenden Einfluss von hypothalamischen Releasing-Hormonen, nachweisbar (Fauquier et al. 2002). Follikulostellare Zellen besitzen fçr ihre koordiniernde Funktion vermutlich ein Repertoire von Signalmechanismen. So produzieren sie Aktivin und Follistatin, was wiederum einen direkten Einfluss auf die Erregbarkeit der gonadotrophen Zellen in der Hypophyse hat. Fçr die interzellulåre Signaltransduktion jedoch entscheidend ist eine zyklisch nachweisbare Ønderung intrazellulårer Ca2+-Konzentrationen und damit eine elektrische Erregbarkeit der Zelle. Fçr die Weiterleitung dieser Signale existieren synapsenartige Verbindungen zwischen follikulostellaren Zellen untereinander sowie vermutlich auch zwischen den Hormon produzierenden Zelllinien und den follikulostellaren Zellen selbst (Fauquier et al. 2001). Ûber die embryonalen Entstehungsmechanismen des follikulostellaren Zellsystems in der Hypophyse ist bislang wenig bekannt.
1.4.1.4 Embryologie der Hypophyse In den letzten 20 Jahren ist das Verståndnis çber die Vorgånge, welche bei der Organogenese des Hypophysenvorderlappens eine Rolle spielen, immens gewachsen. Dies resultierte aus der Untersuchung von Mutationen beim Menschen, aber auch im Tiermodell sowie umfangreiche in-vitroUntersuchungen von hypothalamisch-hypophysåren Transkriptionsfaktoren, die wåhrend der Em-
83
84
R. Pfåffle et al.
Abb. 1.4.2. Schema der Hypophysentwicklung am Beispiel der Maushypophyse. In der frçhen Phase am Embryonaltag (e) 8.5 kommt es durch Sekretion von Signalpeptiden zur Induktion einer Zone des oralen Ektoderms (OE), die sich spåter verdickt und zur Rathke-Tasche evaginiert. Diese Zone ist zuvor dadurch gekennzeichnet, dass hier die Expression von Sonic Hedgehog (Shh) sistiert. Im weiteren Verlauf
formt sich zunåchst eine primitive Rathke-Tasche (pri RT) und unter dem Einfluss hypophysårer Transkriptionsfaktoren die definitive Rathke-Tasche (def RT) aus. Eine Kaskade von Entwicklungsfaktoren fçhrt schlieûlich zur Ausformung des endgçltigen Organs und zur Differenzierung der unterschiedlichen Hormon produzierenden Zelllinien
bryogenese in diesem Bereich nachgewiesen werden kænnen. Der Hypophysenvorderlappen mit der Pars intermedia entwickelt sich embryonal aus der Rathke-Tasche, welche ursprçnglich eine Ausstçlpung des oralen Ektoderms darstellt. Anschlieûend kommt es im Regelfall zur vollståndigen Separation vom oralen Ektoderm und zur Anlagerung der Rathke-Tasche an das Infundibulum, einer Ausstçlpung des ventralen Diencephalons. Die Rathke-Tasche entsteht bereits in der 3. Embryonalwoche bei einem 3 mm langen menschlichen Feten; die Wachstumshormon produzierenden somatotrophen Zellen entwickeln sich gemeinsam mit den Prolaktin produzierenden laktotrophen Zellen aus der somatolaktotrophen Zelllinie (Simmons et al. 1990). Differenzierte Wachstumshormon produzierende Zellen sind beim Embryo etwa in der 9. Lebenswoche erkennbar. Etwa zum gleichen Zeitpunkt bildet sich die komplexe Gefåûversorgung des Hypophysenvorderlappens aus,
welche dann das hypothalamohypophysåre Portalgefåûsystem bildet. Zu Beginn ist die Rathke-Tasche eine noch rudimentåre Ausstçlpung, die sich in ihren kaudalen Abschnitten zunehmend ausformt und spåter schlieût, um sich dann vom Stomadeum zu trennen (Abb. 1.4.2). Die Zellen des ventralen Anteils der Tasche proliferieren und differenzieren sich dabei, um spåter den Hypophysenvorderlappen zu formen. Die Zellen des dorsalen Anteils zeigen eine geringere Proliferationsrate und bilden schlieûlich den Hypophysenmittellappen (Pars intermedia). Wåhrend der Entwicklung des Hypophysenvorderlappens differenzieren sich Hormon produzierende Zellen nach einem festen Zeitplan, welcher bislang am besten im Mausmodell untersucht ist (Simmons et al. 1990; Japon et al. 1994). Interessanterweise entwickeln sich dabei verschiedenen Zellpopulationen in spezifischen Regionen der Anlage des Hypopyhsenvorderlappens (Abb. 1.4.3):
a
Abb. 1.4.3. Fçnf unterschiedlich differenzierte Zelllinien prågen den Hypophysenvorderlappen. Sie entstehen unter dem Einfluss einer Reihe sukzessive exprimierter hypophysårer Transkriptionsfaktoren (hier nur zum Teil dargestellt), die alleine oder in Kombination die Identitåt der kortikotrophen (K), thyreotrophen (T), somatolaktotrophen (S/L), somatotrophen (S), laktotrophen (L) und gonadotrophen (G) Zell-
· Kortikotrophe Zellen finden sich in den dorsalen Anteilen des Vorderlappens an seinem rostralen Ende, · gonadotrophe Zellen bilden sich in den ventralen Anteilen, · thyreotrophe Zellen werden in zentralen Abschnitten nachgewiesen, · somatotrophe und laktotrophe Zellen, die sich aus einer gemeinsamen Vorlåuferzelllinie entwickeln, machen die dorsalen Anteile des Hypophysenvorderlappens aus (Kioussi et al. 1999). · Eine nur vorçbergehend nachzuweisende Zellpopulation von Thyreotrophen werden in den rostralen Anteilen des Hypophysenvorderlappens nachgewiesen (Lin et al. 1994). Einschrånkend muss man hinzufçgen, dass diese råumliche Aufteilung in der adulten Hypophyse von Måusen, wie auch bei Primaten und Menschen, nicht mehr so deutlich abgegrenzt nachweisbar ist.
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
linien festlegen. Die Zeitpunkte wåhrend der Embryonalentwicklung bei der Maus, an denen diese Zelllinien erstmalig nachgewiesen werden, sind dargestellt. Analog ist ein ungefåhres Zeitraster der Embryonalentwicklung bei Menschen wiedergegeben. Das Auftreten der Thyreotrophen beim Menschen erfolgt verhåltnismåûig spåter
1.4.2 Signale des Hypothalamus an die sich entwickelnde Hypophyse Die Zellen, die spåter die Rathke-Tasche und damit die Hypophyse formen, stammen ursprçnglich aus den vordersten Abschnitten der Neuralleiste. Dieser Abschnitt knickt wåhrend der embryonalen Kopfentwicklung nach ventral ab und bildet den Abschnitt des spåteren oralen Epithels aus, welches das Rachendach und seine daraus abgeleiteten Strukturen einschlieûlich der Rathke-Tasche bildet (Rubenstein et al. 1998). Der eigentliche Beginn der Hypophysenentwicklung wird aber durch eine Verdickung dieser zunåchst gleichmåûig dicken Epithelzone markiert (bei der Maus am Embryonaltag 8.5) (Abb. 1.4.2). Jedoch bereits am Embryonaltag 9 der Maus ist dort die Invagination der RathkeTasche zu erkennen. Fast zeitgleich evaginiert ein Abschnitt des ventralen Diencephalons (das spåtere Infundibulum) und nimmt Kontakt zu den dorsalen Abschnitten der Rathke-Tasche auf. Wåhrend dieses frçhen Stadiums der Hypophysenentwicklung spielen Interaktionen des ventralen Dienzephalons mit der Rathke-Tasche eine wichti-
85
86
R. Pfåffle et al.
ge Rolle fçr die Ausdifferenzierung des Organs. Klassische embryologische Experimente konnten nachweisen, dass dieser Kontakt auch fçr die Festlegung der hypophysåren Zelllinien von Bedeutung ist (Watanabe 1982; Daikoku et al. 1982). Diese Interaktion zwischen Infundibulum und Rathke-Tasche erfolgt dabei in beidseitiger Richtung und wird durch læsliche Signalpeptide vermittelt (Ericson et al. 1998; Treier et al. 2001). Diese Signaltråger scheinen vor allem die Expression hypophysårer Transkriptionsfaktoren zu initiieren, welche damit das Programm der Organentwicklung im Folgenden festlegen. Zu diesen Signalpeptiden gehæren der Fibroblastenwachstumsfaktor (FGF), das ¹bone morphogenic proteinª 4 (BMP4) und ¹wingless typeª 5 (WNT5), welche alle im Bereich des ventralen Diencephalon sezerniert werden, sowie BMP2 und WNT4 aus der Rathke-Tasche (Dasen u. Rosenfeld 1999; Kioussi et al. 1999; Treier et al. 2001).
1.4.2.1 BMP4 BMP4 (OMIM 112262) gehært zu den Signalpeptiden der Transforming-growth-factor-b(TGF-b)-Familie (Hogan 1996). BMP4 wird im ventralen Diencephalon, aber auch in weiteren embryonalen Geweben exprimiert. Wird die Wirkung von BMP4 im Bereich des Hypothalamus des Mausembryos gezielt antagonisiert, so bleibt die Hypophysenentwicklung am Entwicklungstag 10 stehen, und es kommt zum vollståndigen Verlust aller hypophysåren Zelllinien (Treier et al. 1998). Auch Embryos mit einem Knockout fçr BMP4 weisen keine Hypophysenanlage auf, diese Embryos sterben jedoch zum Zeitpunkt der initialen Hypophysendifferenzierung ab (Takuma et al. 1998).
det, festlegt (Treier et al. 2001). Die Folgen eines Defekts im SHH-Gen sind phånotypisch sehr variabel, am markantesten jedoch pråsentieren sie sich im klinischen Bild die Holoprosenzephalie (Belloni et al. 1996; Roessler et al. 1996). Auffålligkeiten der Hypophyse sind ein mæglicher, aber eher selten zu beobachtender Bestandteil des Symptomenkomplexes, der durch SHH-Mutationen bedingt werden kann (Nanni et al. 1999).
1.4.3 Wichtige Transkriptionsfaktoren wåhrend der Entwicklung des Hypophysenvorderlappens Es gibt eine lange Liste von Transkriptionsfaktoren, welche sich wåhrend der Hypophysenentwicklung innerhalb des Organs nachweisen lassen (Tabelle 1.4.1). Zum groûen Teil sind sie in ihrer genauen Funktion noch nicht bekannt, und entsprechende Tier-Knock-out-Modelle sind noch nicht untersucht. Im Folgenden werden vor allem regulatorische Proteine beschrieben, die eine herausragende Rolle wåhrend der Hypophysenentwicklung spielen und bei denen die klinisch assoziierten Krankheitsbilder im Tiermodell oder beim Menschen bereits bekannt sind.
1.4.3.1 PTX-Gen-Familie PTX-Proteine enthalten eine Homæodomåne, welche sich der Untergruppe der BICOID-Homæodomånen zuordnen låsst.
1.4.3.1.1 PTX1
1.4.2.2 Sonic Hedgehog (SHH) Sonic Hedgehog (SHH) (OMIM 600725) spielt eine entscheidende Rolle wåhrend der frçhen Entwicklungsphase einer ganzen Reihe von Organsystemen. In der Frçhphase der Hypophysenentwicklung wird SHH im gesamten Bereich des oralen Ektoderms exprimiert, wobei kurz vor Invagination der Rathke-Tasche genau der Bezirk im oralen Ektoderm in seiner Expression ausgespart bleibt, der zur Rathke-Tasche invaginiert (Abb. 1.4.2). SHH scheint daher in den Prozess der Hypophysenentwicklung einzugreifen, indem es die Region des oralen Ektoderms, in der die Interaktion zwischen Hypothalamus und Rathke-Tasche stattfin-
Ptx1 (OMIM 602149) wurde zunåchst charakterisiert als ein Aktivator des POMC-Gens und als ein Interaktionspartner von Pit1 (Lamonerie et al. 1996; Szeto et al. 1996). Måuse mit Ptx1-Defekten zeigen Auffålligkeiten in der Entwicklung der Hyophyse, in der Knochenform ihrer Hinterbeine und oral im Bereich des Schådels (Lanctot et al. 1999; Szeto et al. 1999). Ptx1 wird in einem relativ frçhen Stadium der Hypophysenentwicklung in der Rathke-Tasche exprimiert gefunden (Abb. 1.4.2). Eine transaktivierende Eigenschaft auf eine Reihe von Hypophysenvorderlappenhormonen und Transkriptionsfaktoren ist nachgewiesen (Szeto et al. 1996; Lanctot et al. 1999).
a
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Tabelle 1.4.1. Auflistung von Transkriptionsfaktoren, welche einen Einfluss auf die Entwicklung des Hypophysenvorderlappens haben. (Aus Savage et al. 2003) Faktor
Alternative Namen
DNA-bindende Domåne
Funktion bzw. Expressionsmuster
AP1
Fos + Jun Heterodimer
Basic Zipper
Funktion in der basalen Genregulation
bHLH
Funktion in der basalen Genregulation
POU3F4
POU-HD
Ventral induziert wåhrend der Hypophysenentwicklung
AP2 BRN4 DAX1
NR0B1
Nukleårer Rezeptor-like
Entwicklung der gonadotrophen Zelllinien
EGR1
KROX24, NGFIA, ZIF268
Zinkfinger
Entwicklung der gonadotrophen und somatotrophen Zelllinien
ERa
ESR1, ESRA
Nukleårer Rezeptor
Wichtig fçr die Genexpression von PRL und Gonadotropinen sowie laktotrophes Zellwachstum
Erb
ESRZ,ESRB
Nukleårer Rezeptor
Expression in der Hypophyse
ETS
Wichtig fçr die PRL-Gen-Expression
ETS1 FOXL2
PFRK
Winged Helix/Forkhead Box Expression in der frçhen Hypophysenentwicklung
GATA2
NF-E1b
Zinkfinger
Regulation der gonadotrophen und thyreotrophen Zelldifferenzierung
ISL1
LIM-HD
Expression in der frçhen Hypophysenentwicklung
ISL2
LIM-HD
Expression in der frçhen Hypophysenentwicklung
LHX2
LH2, LH-2A
LIM-HD
Expression in der frçhen Hypophysenentwicklung
LHX3
P-LIM, LIM3
LIM-HD
Notwendig fçr Entwicklung des Hypophysenvorderund mittellappens Sowie Differenzierung der GH, PRL, TSH, LH, FSH produzierenden Zellen
LHX4
GSH4
LIM-HD
Notwendig fçr Entwicklung des Hypophysenvorderund mittellappens
MSX1
HOX7, MSH
HD
±
bHLH
Wichtig fçr POMC Genregulation in kortikotrophen Zellen
NEUROD1 BETA2 NFY
CBF, CP1
Heterotrimeric
Wichtig fçr die Regulation der LHb und FSHb Gene
NHLH2
NSCL2, HEN2
bHLH
Entwicklung der gonadotrophen Zelllinien
NZF1
MyT1
Zinkfinger
Expression in der Hypophyse; kann das PIT1-Gen regulieren
OCT1
OTF1, POU2F1
POU-HD
Wichtig fçr die Transkription des GH-Gens
OTX1
Bicoid-related HD
Entwicklung der gonadotrophen und somatotrophen Zelllinien
PAX6
Paired-HD
Ermæglicht die frçhe Verbindung zwischen dorsalen und ventralen Hypophysenzellen
POU-HD
Entwicklung der thyreotrophen, laktotrophen und somatotrophen Zelllinien
PREB
WD Motiv
Unterdrçckt GH und PRL-Gene in Nichthypophysenzellen
PROP1
Paired-like HD
Entwicklung der thyreotrophen, laktotrophen, gonadotrophen und somatotrophen Zelllinien
PIT1
GHF1, POU1F1
PITX1
P-OTX/PTX1/OTLX1/BFT
Bicoid-related HD
Wichtig fçr die frçhe Hypophysenentwicklung und die spåtere Aktivierung der Hormongene
PITX2
RIEG/PTX2/OTLX21/ARP1
Bicoid-related HD
Wichtig fçr die frçhe Hypophysenentwicklung und die spåtere Aktivierung der Hormongene
PITX3
PTX3
Bicoid-related HD
Expression in der Hypophyse
RARs
Retinolsåurerezeptoren
Nukleårer Rezeptor
PIT1- und GH-Genregulation
HESX1
RPX
Paired-like HD
Wichtig in der frçhen Hypophysenentwicklung
87
88
R. Pfåffle et al. Tabelle 1.4.1 (Fortsetzung) Faktor
Alternative Namen
DNA-bindende Domåne
Funktion bzw. Expressionsmuster
SF1
Ad4BP, Nr5a1, FtzF1
Nukleårer Rezeptor
Entwicklung der gonadotrophen Zelllinien
Sine oculis HD
Expression in der Hypophysenentwicklung
Sine oculis HD
Notwendig fçr die Proliferation hypophysårer Prekursorzellen
Zink Finger
Funktion in der basalen Genregulation
SIX3 SIX6
OPTX2
SP1 SP3 T3Rs
Zinkfinger
Funktion in der basalen Genregulation
Schilddrçsenhormonrezeptoren
Nukleårer Rezeptor
Regulation der thyreotropen Zellfunktion
PAR bZIP
Kann das TSHb-Gen aktivieren
TBX19
T box
Wichtig fçr POMC-Gen-Expression in kortikotropen und melanotropen Zellen
Zinkfinger/Homæodomåne
Wichtig fçr die Regulation des GH-Gens
Zinkfinger
Aktivator des GH-Gens
TEF TPIT ZFHEP ZN16
ZN15, ZFP15
1.4.3.1.2 PTX2 Ptx2 (OMIM 601542) ist mit Ptx1 nahe verwandt und wird in der Maushypophyse wåhrend eines frçhen Entwicklungsstadiums exprimiert gefunden (Gage u. Camper 1997). Måuse mit einem Ptx2- Defekt zeigen ein weites Spektrum von Entwicklungsstærungen, wie Links-rechts-Asymmetrien und Defekte im Bereich der Hypophyse, des Herzens, der Augen sowie der Zahn- und Schådelentwicklung (Gage u. Camper 1997). Ptx2 zeigt seine Wirkung wåhrend der Induktion der Rathke-Tasche sowie bei der folgenden Differenzierung der gonadotrophen, thyreotrophen, somatotrophen und laktotrophen Zellen in der Hypophyse (Suh et al. 2002). Die Wirkung von Ptx2 wird çber die Aktivierung von Zielgenen wie Cyclin D2 oder C-Myc vermittelt, was hypophysår eine Zellproliferation zur Folge hat (Kioussi et al. 1999). Ptx2 kann jedoch auch die Expression von FSH-b und Prolaktin direkt steigern, was ein Hinweis auf seine Funktion auch auf ausdifferenzierte Zellen des Hypophysenvorderlappens ist (Amendt et al. 1999; Suszko et al. 2003). Mutationen innerhalb des PTX2-Gens wurden bei Patienten mit Rieger-Syndrom, Iiridodysgenesie, Irishypoplasie und der sog. Peter-Anomalie gefunden (Amendt et al. 1998; Saadi et al. 2001).
1.4.3.2 LIM-Homæodomåntranskriptionsfaktoren Bei Såugetieren sind mindestens 12 verschiedene Lim-Homæodomåntranskriptionsfaktoren nachweisbar. Das Protein beinhaltet eine charakteristi-
sche Homæodomåne, welche die DNA-Bindung des Faktors vermittelt, sowie zwei sog. Lim-Domånen mit Zinkfingerstruktur, welche die DNA-Bindung und Transkriptionsaktivierung durch Interaktion mit anderen Proteinen modulieren. Lim-Homæodomånfaktoren lassen sich in einer Reihe von endokrinen Geweben, aber auch im zentralen Nervensystem nachweisen (Hobert u. Westphal 2000). Auch in der Hypophyse finden sich mehrere LimFaktoren wie ISL1, ISL2, LHX2, LHX3 und LHX4 (Fujii et al. 1994; Bach et al. 1995; Appel 1999).
1.4.3.3 LHX3 Lhx3 (OMIM 600577) gehært zu der Familie der Transkriptionsfaktoren, die eine Homæodomåne tragen. Lim-Homæoboxproteine gehæren zu der Familie der Transkriptionsfaktoren, die neben einer Homæodomåne zwei Zinkfingerdomånen (Lim-Domånen) in ihrem aminoterminalen Anteil besitzen (Abb. 1.4.4). Der Name leitet sich als Akronym der drei ursprçnglichen Mitglieder dieser Subfamilie ab, nåmlich der Lin11, Islet1 und Mec3 (Sheng et al. 1996). Die LIM-Domånen, d. h. die Zinkfingerproteinanteile von Lhx3, scheinen an der DNABindung dieses Transkriptionsfaktors nicht unmittelbar beteiligt zu sein (Bridwell et al. 2001). Hierfçr ist in erster Linie die Homæodomåne des Proteins verantwortlich. Die Lim-Domånen hingegen spielen eine wichtige Rolle bei der Interaktion mit weiteren Transkriptionsfaktoren. Das menschliche LHX3-Gen wird auf Chromosom 9q34.3 codiert und besteht aus sechs Exons
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1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Abb. 1.4.4. Humane LHX3-Mutationen. Das humane LHX3 wird in sechs Exons codiert. Das Protein ist charakterisiert durch zwei aminoterminal gelegene LIM-Domånen (LIM), welche Zinkfingermotive enthalten. C-terminal davon liegt
die DNA-bindende Homæodomåne (Homæo). Alle bislang beim Menschen beobachteten LHX3-Mutationen werden rezessiv vererbt (hellblaue Punkte). Sie betreffen såmtlich die Homæodomåne sowie die LIM-Domånen des Proteins
(Mbikay et al. 1995; Sloop et al. 2000). Exon 1 wird in zwei unterschiedlichen Formen (1A und 1B) an das zweite Exon gespliced (Sloop et al. 1999). Die daraus resultierenden Genprodukte differieren an ihrem aminoterminalen Ende und resultieren in Proteinen von 397 bzw. 402 Aminosåurenlånge. Funktionelle Untersuchungen ergaben, dass LHX3a die aktivere Form des Lhx3-Gens darstellt (Sloop et al. 2001a). Beide Isoformen werden wåhrend der embryonalen Entwicklung und in der adulten Hypophyse exprimiert (Zhadanov et al. 1995). Die hypophysåren Gene, die durch Lhx3 aktiviert werden, sind in ihrer Gesamtheit nicht bekannt. Nachgewiesen ist jedoch ein aktivierender und stimulierender Effekt auf die Transkription des Gens fçr die a-Untereinheit der hypophysåren Glykoproteinhormone (TSH und LH/FSH). Zudem aktiviert es in Kombination mit Pit1 den Prolaktingen Promotor (Rhodes et al. 1996; Sloop et al. 2001b; Savage et al. 2003). Die Funktion von Lhx3 ist jedoch sicher nicht auf die Transaktivierung von Zielgenen innerhalb der Hypophyse beschrånkt. So kommt es im Mausmodell schon frçh wåhrend der Embryonalentwicklung zur Expression des Lhx3 in der Rathke-Tasche (Zhadanov et al. 1995; Sheng et al. 1996) (Abb. 1.4.2 und 1.4.3). Sheng und Mitarbeiter konnten dokumentieren, dass es bei Lhx3-Knockout-Måusen zu Auffålligkeiten der Hypophysenentwicklung im Stadium der Ausbildung der definitiven Rathke-Tasche kommt (Sheng et al. 1996). In der Folge bleibt die Spezifizierung der somatotrophen, laktotrophen, thyreotrophen und gonadotrophen Zellreihen aus. Lediglich die kortikotrophe Zelllinie schien unbeeintråchtigt. Dieser Phånotyp war lediglich bei homozygoten Knock-out-Måusen zu beobachten, dann jedoch war er so schwer aus-
geprågt, dass die Tiere schon sehr frçh postnatal verstarben.
1.4.3.3.1 LHX3-Mutationen beim Menschen Aufgrund dieser Tatsache bestanden lange Zweifel, ob ein entsprechender Phånotyp beim Menschen çberhaupt beobachtet werden kænnte. Netchine und Mitarbeiter beschrieben bei zwei unabhångigen Familien mit einem erblichen Mangel an Wachstumshormon (GH), Prolaktin, TSH und den Gonadotropinen LH und FSH eine Mutation im LHX3-Gen (Netchine et al. 2000). Der Phånotyp war charakterisiert durch eine ausgeprågte Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, welche sich bereits bei Geburt manifestierte. Zudem hatten alle betroffenen Patienten eine auffållige Rotationseinschrånkung ihres Halses, welche klinisch als kurzer Hals mit hoch stehenden Schulterblåttern imponierte. Dabei zeigten sich in Ræntgenbildern und auf Magnetresonanztomographien jedoch keine Auffålligkeiten an der Halswirbelsåule. Dieses phånotypische Merkmal ist am ehesten mit einer fehlerhaften Innervation der Nackenmuskulatur in Zusammenhang zu bringen. Lhx3 wird embryonal nicht nur in der Hypophyse, sondern wåhrend der frçhen Entwicklungsphase auch im Hypothalamus und entlang des Spinalkanals exprimiert gefunden (Zhadanov et al. 1995). Zusammen mit anderen neuronalen Entwicklungsfaktoren hat Lhx3 hier eine wichtige Rolle fçr die Lenkung der Migration von synaptischen Fortsåtzen aus a-Motoneuronen zu den innervierten Muskelgruppen der Halswirbelsåule (Sharma et al. 1998). Warum Patienten mit LHX3-Mutationen diese Auffålligkeit nur im Bereich der Nackenmuskulatur aufweisen, ist noch unklar. So besteht ein Gradient der Expression fçr das
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c Abb. 1.4.5 a±c. Phånotypische Variabilitåt von LHX3 Mutationen. a Unterschiedliche Wachstumskurven bei Patienten mit LHX3-Mutationen (W224ter und A210V) vor Beginn einer Wachstumshormonsubstitutionstherapie (leere Kreise) und unter Therapie (gefçllte Kreise). b Familie mit zwei betroffenen Kindern (LHX A210V), welche eine ausgeprågten hypophysåren Kleinwuchs sowie einen kurzen Hals und eine
eingeschrånkte Nackenrotation aufwiesen. c Variabilitåt in der Darstellung der Hypophysen von Patienten mit LHX3Mutationen: links hypoplastischer Hypophysenvorderlappen mit normotop gelegener Neurohypophyse (Deletion des LHX3), Mitte und rechts Hyperplasie des Hypophysenvorderlappens bei zwei Patienten mit Punktmutation innerhalb der Homæodomåne (LHX3 A210V)
Lhx3-Protein entlang des Spinalkanals, der diese segmentale Ausprågung erklåren kænnte. Zu einem gewissen Teil kænnten die Folgen eines Funktionsverlusts von Lhx3 entlang des Spinalkanals aber auch durch andere strukturell åhnliche Entwicklungsfaktoren wie das Lhx4 kompensiert werden. LHX3-Mutationen scheinen insgesamt selten Ursache eines Hypophysenvorderlappenausfalls zu sein. Unsere eigenen Untersuchungen bei çber 200 Personen mit einem kombinierten Hormonausfall des Hypophysenvorderlappens weisen bei weniger als 2% der Patienten LHX3-Mutationen nach. Die Mehrzahl der Mutationen betrifft die LIM-Domånen bzw. die Homæodomåne des Proteins und fçhrt zu einem Funktionsverlust des Faktors durch das vollståndige Fehlen der DNA-Bindung der Mutanten (Abb. 1.4.4).
Ein Groûteil der Patienten mit LHX3-Mutationen weist einen sehr ausgeprågten Hypopituitarismus auf, der sich bereits kurz nach Geburt als Zeichen eines neonatalen Wachstumshormonmangels, z. B. mit Hypoglykåmien manifestiert. Die Patienten sprechen gut auf eine Substitutionstherapie mit Wachstumshormon und Schilddrçsenhormon an. Sie mçssen alle jedoch zum Zeitpunkt der Pubertåt aufgrund eines hypogonadotrophen Hypogonadismus mit Sexualsteroiden substituiert werden (Abb. 1.4.5 a±c). Bezçglich der langfristigen Funktionsfåhigkeit der kortikotrophen Zelllinie låsst sich aufgrund der wenigen bislang beobachteten Fålle keine endgçltige Aussage treffen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass ein ACTH-Mangel kein typisches Symptom eines LHX3-Defektes darstellt. Alle Patienten mit
a dem schweren Phånotyp eines multiplen hypophysåren Hormonausfalls aufgrund eines LHX3-Defektes wiesen auch eine eingeschrånkte Nackenrotation mit der Anmutung eines kurzen Halses auf. In Einzelfållen, in denen die Mutation des LHX3-Gens nicht direkt die Homæodomåne betraf (Mutation LHX3 W224ter), war ein deutlich schwåcher ausgeprågter Phånotyp zu beobachten. Der multiple hypophysåre Hormonausfall wurde nicht direkt postnatal, sondern wesentlich spåter diagnostiziert (mit 12±15 Jahren), und eine eingeschrånkte Beweglichkeit des Halses war nicht zu beobachten (Abb. 1.4.5). Funktionell lieû sich bei dieser Mutante des LHX3 eine Restbindung des Proteins in vitro an seine Zielsequenzen nachweisen. In funktionellen Analysen wies die LHX3-Mutante keine Aktivierung der Reportergenexpression durch Zielgenpromoter (a-Untereinheit[aGSU]-Gen und Prolaktingenpromoter) mehr auf. Diese Befunde weisen darauf hin, dass die Funktionen des LHX3-Proteins in der frçhembryonalen Entwicklung der Hypophyse vielfåltig sind. Funktionelle Untersuchungen an den Zielgenen des differenzierten Hypophysengewebes geben aber wahrscheinlich nur einen Teil des Funktionsspektrums dieses Entwicklungsfaktors wieder.
1.4.3.3.2 Vererbungsmodus von LHX3-Mutationen LHX3-Mutationen manifestieren sich klinisch nur in homozygoter Form. Insgesamt sind sie verglichen mit Mutationen innerhalb des PROP1-Gens als Ursache eines multiplen hypophysåren Hormonausfalls sehr selten. Bislang konnte auch noch kein Hotspot fçr Mutationen innerhalb des LHX3-Gens identifiziert werden (Abb. 1.4.4).
1.4.3.3.3. Hypophysenmorphologie bei Patienten mit LHX3-Mutationen Øhnlich wie bei den PROP1-Patienten zeigt sich eine auffållige Variabilitåt der Hypophysenmorphologie bei Patienten mit LHX3-Mutationen. Die Mehrzahl der Patienten zeigt eine ausgeprågte Hypoplasie des Hypophysenvorderlappens, wobei sich der Hypophysenhinterlappen an normaler Stelle nachweisen låsst (Netchine et al. 1998). In ca. 20± 30% der Fålle wird jedoch auch eine Vergræûerung des Hypophysenvorderlappens beobachtet, åhnlich wie sie bei Patienten mit PROP1-Mutation beobachtet wurde (Abb. 1.4.5). Ûber die Øtiologie dieser Hypophysenvorderlappenvergræûerung ist bislang nur wenig bekannt. Bei den Patienten mit einem nur milde ausgeprågtem Phånotyp und erhaltener Nackenrotation wurden bei magnetreso-
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
nanztomographischen Untersuchungen Hypophysen ohne eine auffållige Græûenabweichung beobachtet. Aufgrund der wenigen bislang beobachteten Fålle ist das volle phånotypische Spektrum von LHX3-Mutation noch nicht klar einzugrenzen. Festzuhalten bleibt, dass man von einer unterschiedlich schweren Formen einer Hypophyseninsuffizienz und unterschiedlichen Ausprågungen assoziierter klinischer Symptome (z. B. dem Zeichen des ¹kurzen Nackensª) ausgehen kann.
1.4.3.4 LHX4 Lhx4 (OMIM 602146) ist strukturell dem Lhx3 nahe verwandt. Die Aminosåuresequenz stimmt im Bereich der LIM-Domånen zu 70±80% mit denen des Lhx3 çberein. Das menschliche Gen ist auf Chromosom 1q25 lokalisiert, es codiert fçr ein 390 Aminosåuren langes Protein, das wiederum aminoterminal zwei LIM-Domånen und C-terminal eine dem LHX3 sehr åhnliche Homæodomåne besitzt (Yamashita et al. 1997). An Knock-out-Måusen untersuchten Sheng und Mitarbeiter Mutationen, die zum vollståndigen Funktionsverlust des LHX4-Proteins fçhrten (Sheng et al. 1996). Lhx3 und Lhx4 haben redundante Funktionen bei der Formation der sog. definitiven Rathke-Tasche (Sheng et al. 1997). Der Phånotyp der homozygoten Lhx4-Maus zeigte sich nicht so ausgeprågt wie der der Lhx3-Knock-out-Maus. Jedoch zeigten sich bei der Doppel-Knock-out-Maus fçr LHX3 und LHX4 die schwersten Formen einer Hypophysenaplasie. Dies lieû vermuten, dass Lhx3 und Lhx4 zum Teil synergistische Funktionen bei der Induktion, Differenzierung und spåteren Proliferation hypophysårer Zelllinien haben (Sheng et al. 1997).
1.4.3.4.1 LHX4-Genmutationen beim Menschen Mutationen innerhalb des LHX4-Gens sind ebenfalls selten. Bislang gibt es die Beschreibung einer Familie aus Frankreich, in der die betroffenen Patienten mit heterozygoter LHX4-Mutation einen multiplen hypophysåren Hormonausfall (MPHD) mit einem Mangel an GH, Prolaktin, TSH, Gonadotropinen und ACTH aufwiesen. Die Patienten hatten zusåtzlich morphologische Auffålligkeiten im Bereich der Sella turcica sowie im Bereich des Kleinhirns im Sinne einer Arnold-Chiari-Malformation (Machinis et al. 2001). Verånderungen im Bereich der Halswirbelsåule bestanden jedoch nicht.
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1.4.3.4.2 Vererbungsmodus und Håufigkeit von LHX4-Mutationen Bislang konnten wir drei verschiedene Mutationen innerhalb des LHX4-Gens in heterozygoter Form beobachten. Alle Mutationen fçhrten zu einem invitro-Funktionsverlust des Proteins und wurden bei Patienten mit sehr variablen Formen einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz nachgewiesen. In den meisten Fållen bestand ein GH-Mangel, alle weiteren Zelllinien des Hypophysenvorderlappens waren dagegen unterschiedlich schwer betroffen. Auch waren die in der Erstpublikation beschriebenen beobachteten Symptome einer Hypoplasie der Sella turcica sowie die zerebellåre Malformation nicht konstant ausgeprågt. Die Håufigkeit von LHX4-Genmutationen ist niedrig. In einem von uns untersuchten Patientenkollektiv von çber 350 Familien mit multiplem hypophysåren Hormonausfall lieû sich eine LHX4Genmutation nur bei drei Familien nachweisen. Warum die LHX4-Mutationen beim Menschen nur in heterozygoter Form nachweisbar sind, ist noch unklar. Diese Tatsache ist çberraschend, weil sich der Lhx4-Phånotyp bei der Maus nur bei homozygoten Knock-out-Tieren und dann schwåcher ausgeprågt darstellte, als dies bei Lhx3-Knock-outMåusen der Fall war. Ein sog. ¹dominant negativer Effektª der von uns beobachteten Mutationen war in den çblichen Funktionstests bei den Mutanten nicht nachweisbar. Dies und die Variabilitåt des Phånotyps bei den Patienten sprechen daher eher fçr einen dosisabhångigen Effekt dieser Mutationen wåhrend der frçhen Stadien der Hypophysenentwicklung, in denen eine maximale Expression des LHX4-Molekçls beobachtet wird.
Zusåtzlich fanden sich auch einige auffållige phånotypische Unterschiede zwischen den AmesZwergmåusen (dw) und den Jackson- und SnellZwergmåusen (dwS und dwJ). Wåhrend in der Hypophyse der Pit1-Mutanten keine somatotrophen Zellen nachweisbar waren, fanden sich in den Hypophysen von Ames-Zwergmåusen immerhin noch 0,1±1% der somatotrophen Zellen von Wildtypmåusen (Li et al. 1990). Zudem lieû sich bei einem Teil der Ames-Zwergmåuse eine Form von sekundårem Hypogonadismus nachweisen, welcher bei den Snell- und Jackson-Zwergmåusen nicht zu beobachten war. Sornson und Mitarbeiter fçhrten umfangreiche Untersuchungen zur Lokalisierung des Gens durch, welches fçr den Ames-Zwergwuchs verantwortlich war (Sornson et al. 1996). Schlieûlich wurde ein Gen fçr einen hypophysår exprimierten Transkriptionsfaktor identifiziert, welcher als DNA-Bindungsdomåne wiederum eine Homæodomåne enthålt. Das an den Hypophysen von Mausembryonen erhobene Expressionsmuster dieses Faktors zeigte eine Expression vor allem innerhalb der Zelllinien, welche spåter auch Pit1 produzieren. Zusåtzlich fand sich der neue Faktor jedoch auch in gonadotrophen Zelllinien. Die Expression von Prop1 zeigt ihr Maximum vor der von Pit1 und anders als bei Pit1 im weiteren Verlauf der Hypophysenvorderlappenentwicklung einen deutlichen Abfall. Aufgrund dieses Expressionsmusters wurde dieser neue Faktor ¹prophet of pit1ª genannt (Sornson et al. 1996; Nakamura et al. 1999). Neuere Untersuchungen zum Expressionsmuster des Prop1-Molekçls bei Måusen legen nahe, dass die Synthese von Prop1 bis zur Geburt nicht vollståndig versiegt, sondern unter Umstånden auf einem relativ niedrigen Niveau auch in adulten Hypophysenzellen nachweisbar ist.
1.4.3.5.1 Aufbau des PROP1-Gens
1.4.3.5 PROP1 Bei der Untersuchung einer Zwergmauslinie mit einem kombinierten Hypophysenvorderlappenausfall fçr Wachstumshormon, Prolaktin und TSH, der sog. Ames-Zwergmaus (dw), lieûen sich trotz der phånotypischen Øhnlichkeiten mit Zwergmåusen, die Pit1-Mutationen aufweisen (Snell-und JacksonZwergmåuse; dwS und dwJ), keine Pit1-Mutationen nachweisen (Li et al. 1990). Mit Rçckkreuzexperimenten lieû sich der Locus des beobachteten Kleinwuchses bei Ames-Zwergmåusen auf Maus-Chromosom 11 festlegen (Buckwalter et al. 1991; Lin et al. 1994), wohingegen das Pit1-Gen der Maus auf Chromosom 16 lokalisiert ist (Ohta et al. 1992 b).
Das murine Prop1-Gen codiert in drei Exons ein Protein von 223 Aminosåurenlången. Das humane PROP1-Gen (OMIM 601538) liegt auf Chromosom 5q35.3. Das humane Peptid hat eine Långe von 226 Aminosåuren und beinhaltet ein Segment von 58 Aminosåuren, das strukturell einer sog. PairedHomæodomåne zuzuordnen ist (Dutour 1997). Øhnlich der POU-Homæodomåne im Pit1-Molekçl enthålt die Paired-Homæodomåne ein sog. Helix-TurnHelix-Motiv, das einen Groûteil der DNA-Bindungseigenschaften dieses Proteins ausmacht (Wilson et al. 1995; Olson et al. 2003) (Abb. 1.4.6). In der Hypophyse des Mausembryos låsst sich Prop1 vom Embryonaltag 10 an nachweisen (E10) (Sornson et al.
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1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Abb. 1.4.6. Humane PROP1-Mutationen. Das humane PROP1-Gen wird in drei Exons codiert. Das Protein ist charakterisiert durch eine zentral gelegene Homæodomåne. Såmtliche bislang nachgewiesene Mutationen wurden rezessiv vererbt. Die am håufigsten beobachteten Mutationen ent-
sprechen Mikrodeletionen (DA150 und DGA301/302), welche zu einer Verschiebung des Leserasters ab dieser Position fçhren und durch Einfçhrung frçher Stopp-Codons (V164ter bzw. S109ter) gekennzeichnet sind. Alle nachgewiesenen Mutationen betreffen die Homæodomåne des Molekçls
1996). Eine maximale Expression erfolgt jedoch um den 12. Entwicklungstag in den mediokaudalen Abschnitten der Adenohypophyse. In diesen Anteilen des Hypophysenvorderlappens beginnt die Expression von Pit1 um den Entwicklungstag 12. Der Phånotyp der Ames-Zwergmaus resultiert aus einer Punktmutation innerhalb des Prop1-Gens, welche das Serin in Position 83 in Prolin verwandelt (S83P) (Sornson et al. 1996). Im Gegensatz zu dem mutierten Pit1-Molekçl der Snell-Zwergmåuse, in deren Hypophysen keine Pit1-Expression mehr nachweisbar ist, låsst sich das S83P-Prop1 in den Hypophysen der Ames-Zwergmaus nachweisen. Das mutierte Prop1 scheint im Vergleich zum Wildtyp-Prop1 sogar långer verstårkt exprimiert zu werden. Die Zielgene von Prop1 sind bislang noch nicht eindeutig identifiziert. Eine Autoamplifikation der Gentranskription durch Bindung an den eigenen Promoter, wie sie bei Pit1 nachweisbar ist (Chen et al. 1990), ist bei Prop1 nicht vorhanden.
(Fluck et al. 1998; Mendonca et al. 1999; Rosenbloom et al. 1999). Auch scheint der Zeitpunkt, an dem die Hormonproduktion der betroffenen Zellreihen endgçltig versiegt, variabel zu sein. So sind bei einem Teil der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eines Wachstumshormonmangels oder einer sekundåren Hypothyreose noch normale Prolaktinkonzentrationen zu beobachten. Die maximal erreichten Wachstumshormonspiegel in einem Stimulationstest sind im Vergleich zu den Patienten mit PIT1-Mutationen zwar deutlich hæher, befinden sich jedoch bei allen Patienten ausnahmslos in einem pathologisch niedrigen Bereich (Pfåffle et al. 1993, 1996). Øhnliche Befunde zeigen sich in TRH-Stimulationstests, bei denen sich maximale TSH-Werte finden, die fçr eine sekundåre Hypothyreose typisch sind, die aber nicht den vollståndigen Verlust der thyreotrophen Zellen anzeigen. Fçhrt man bei Kindern und Adoleszenten mit einem PROP1-GenDefekt im Verlauf mehrerer Jahre wiederholte Tests durch, so låsst sich ausnahmslos ein zunehmender Funktionsverlust der betroffenen Zellen nachweisen (Abb. 1.4.7). Naturgemåû ist der eindeutige Nachweis der gonadotrophen Unterfunktion erst zu einem relativ spåten Zeitpunkt mæglich. Wåhrend der pråpubertåren Phase lassen sich in GnRH-Tests keine signifikanten Steigerungen von LH und FSH induzieren. Patienten mit PROP1-Gen-Defekt unterscheiden sich hierin pråpubertår nicht signifikant von ihren gesunden Altersgenossen. Zum Zeitpunkt der Pu-
1.4.3.5.2 PROP1-Mutation beim Menschen Der Phånotyp der PROP1-Mutationen beim Menschen unterscheidet sich von dem der PIT1-Mutationen durch den zusåtzlichen Ausfall der gonadotrophen Zellreihen (Wu et al. 1998). Zudem scheint der Phånotyp etwas variabler zu sein. Eine retrospektive Analyse von Patienten mit nachgewiesenen PROP1-Mutationen zeigte, dass anders als bei Patienten mit PIT1-Mutationen eine Manifestation zum Zeitpunkt der Geburt eher selten ist
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Abb. 1.4.7. Progressiver Abfall der Hypophysenvorderlappenhormone bei 9 Patienten mit PROP1-Mutationen (unterschiedliche Linienfarben) in wiederholten Stimulationstests. Es zeigt sich ein statistisch signifikanter Abfall der maximal erreichten Werte fçr GH und TSH wåhrend Kindheit und Adoleszenz, wobei jedoch die Werte fçr GH und TSH schon beim ersten Test in einem pathologisch niedrigen Bereich liegen. Die Interpretation der Gonadotropinsekretion vor der
Pubertåt fållt naturgemåû schwer; wåhrend Adoleszenz und im Erwachsenenalter wird ein hypogonadotropher Hypogonadismus eindeutig nachweisbar. Der Ausfall der kortikotrophen Zellreihe erfolgt spåter. Die Mehrzahl der Patienten hat zunåchst noch normale Kortisolspiegel, die Entwicklung eines Hypokortikolismus scheint jedoch nur eine Frage der Zeit zu sein. Untere Reihe: Mittelwert der maximalen Hormonspiegel in den ersten und zweiten durchgefçhrten Tests
bertåt jedoch wird ein sekundårer Hypogonadismus offensichtlich. Von einigen Ausnahmen abgesehen, in denen sich erste Anzeichen einer Pubertåt entwickelten, weisen Patienten mit einem PROP1- Defekt primår einen vollståndigen hypogonadotropen Hypogonadismus auf, welcher einen infantilen Habitus und damit eine Infertilitåt zur Folge hat. Die håufigsten bislang entdeckten PROP1-Mutationen entsprechen Mikrodeletionen im PROP1Gen (Cogan et al. 1998; Deladoey et al. 1999; Vallette-Kasic et al. 2001a). So scheint eine Zweibasenpaardeletion (DGA 301/302) und eine Einbasenpaardeletion (DA 150) zumindest im europåischen und nordamerikanischen Raum besonders håufig zu sein (Abb. 1.4.6). Beide Mutationen fçhren zu einer Verschiebung des Leserasters ab Aminosåure 50 bzw. 100 mit der Einfçhrung eines frçhen StoppCodons in Position 109 bzw. 164. Die resultierenden PROP1-Molekçle verlieren ihre DNA-Bindungseigenschaften vollståndig, da die Paired-Homæodomåne zerstært ist. Die beobachteten Deletionen in den PROP1-Molekçlen liegen in Regionen mit sog. GA-Repeats innerhalb des PROP1-Gens (Abb. 1.4.8). Dies kænnte ihr håufiges Auftreten erklåren. Interessant ist jedoch, dass die Pråvalenz dieser Mutationen in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich håufig ist. Wåhrend sie in den osteuropåischen Lån-
dern eine sehr hohe Pråvalenz aufweist, ist sie beispielsweise in Japan sehr selten. Die çbrigen beobachteten Mutationen innerhalb des PROP1-Gens lassen sich dagegen sehr viel seltener nachweisen (Rosenbloom et al. 1999; Mody et al. 2002; Paracchini et al. 2003; Park et al. 2004; Voutetakis et al. 2004 b). Sie betreffen ausschlieûlich Aminosåuren innerhalb der Paired-Homædomåne (Abb. 1.4.8).
1.4.3.5.3 Variabilitåt des Phånotyps von PROP1-Mutationen Bei Diagnosestellung ist die Variabilitåt des Phånotyps von PROP1-Mutationen relativ gering, da zu diesem Zeitpunkt meist alle typischerweise betroffenen Hypophysenachsen (fçr Wachstumshormon, Prolaktin, TSH und Gonadotropine) eine verminderte Hormonsekretion aufweisen (Abb. 1.4.8). Im Vergleich zu PIT1-Mutationen ist der Zeitpunkt der klinischen Manifestation jedoch weitaus variabler. Die anfangs erwåhnte Restfunktion der hypophysåren Zelllinien bei PROP1-Patienten scheint fçr diese Heterogenitåt verantwortlich zu sein (Fluck et al. 1998). Eine mægliche Erklårung fçr diese Variabilitåt findet sich in der Tatsache, dass Prop1, anders als Pit1, nur passager in der Hypophyse exprimiert wird und sein Fehlen eine Wei-
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1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Abb. 1.4.8. a Nachweis von Prop1-Mutationen beim direkten Sequenzieren von PCR-Fragmenten. Die am håufigsten nachweisbaren DA150- und DGA301/302-PROP1-Mutationen (jeweils homozygot) im Vergleich zum Wildtyp und die F117IMutation (heterozygot). b Wachstumsverlauf von 9 Patienten mit Prop1-Mutationen. Bei normaler Geburtslånge kommt es postnatal zu einem zunehmenden Kleinwuchs, solange die Patienten noch unbehandelt sind (offene Symbole). Dieser Kleinwuchs normalisiert sich unter einer Wachstumshormonbehandlung (geschlossene Symbole). c Hypophysenmor-
phologie von Patienten mit PROP1-Mutationen. Typischerweise zeigt sich ein hypoplastischer Hypophsenvorderlappen mit normaler Lage der Neurohypophse. d Bei einem Teil der Patienten zeigt sich eine pathologische Vergræûerung der Hypophyse (links), welche zumeist jedoch spontan wieder abnimmt. Abgebildet sind die Hypophysen von zwei Geschwistern mit identischer PROP1-Mutation, multiplem hypophysåren Hormonausfall, aber unterschiedlicher Hypophysenmorphologie
terdifferenzierung einzelner hypophysårer Zellen mæglicherweise nicht vollståndig unterbindet. Zudem ist die Expression des mutanten Proteins durch den Funktionsverlust nicht beeintråchtigt. Pit1 hingegen entfaltet seine Wirkung nicht nur als Entwicklungsfaktor wåhrend der Embryonalentwicklung der Hypophyse. Es stimuliert als Transkriptionsfaktor direkt die Synthese der hypophysåren Hormone GH, TSH und Prolaktin. Selbst wenn es vereinzelt zur Ausdifferenzierung somatotropher, laktotropher und thyreotropher Zellen kåme, stellt sich als Folge einer Pit1-Mutation primår ein vollståndiger Verlust der Hormonproduktion dieser Zellreihen ein. Der Phånotyp von Ames-Zwergmaus und PROP1-Patienten stimmt weitgehend çberein. Ein weiteres Merkmal bei Patienten mit PROP1-Mutationen war jedoch unerwartet. Neben ihren Ausfållen fçr GH, TSH, Prolaktin und Gonadotropinen
weisen sie mit zunehmendem Alter auch eine zunehmende Frequenz einer sekundåren Nebennierenrindeninsuffizienz auf (Agarwal et al. 2000; Lamesch et al. 2002; Kim et al. 2003). Aufgrund des Expressionsmusters von PROP1 wåhrend der Embryonalentwicklung schien eine Beteiligung der kortikotrophen Zellreihe zunåchst unwahrscheinlich. Dennoch wurde bei Patienten mit PROP1Gen-Defekten fast regelmåûig eine sekundåre Nebennierenrindeninsuffizienz beobachtet, die sich jedoch deutlich spåter manifestierte als die Insuffizienz der çbrigen Hormonachsen. Zum Teil fand sich diese Nebennierenrindeninsuffizienz erst im Erwachsenenalter, dann jedoch kam sie unerwartet und manifestierte sich zum Teil in schweren adrenalen Krisen (Lamesch et al. 2002) (Abb. 1.4.6). Ûber die Ursache dieses mit langer Latenz auftretenden Ausfalls der kortikotrophen Zellreihe kann man bislang nur spekulieren. Eine Vermu-
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tung ist, dass der Ausfall der kortikotrophen Zelllinien an den vollståndigen Funktionsverlust der çbrigen Hormon produzierenden Zellreihen des Hypophysenvorderlappens gekoppelt ist.
1.4.3.5.4 Morphologie der Hypophyse bei Patienten mit PIT1- und PROP1-Gen-Mutation Die Hypophysen der Patienten mit PIT1-Mutationen zeigen magnetresonanztomographisch einen Hypophysenhinterlappen, der in normaler Position zu finden ist (Tatsumi et al. 1992; Pfåffle et al. 1992; Ohta et al. 1992 a; Irie et al. 1995; PellegriniBouiller et al. 1996 b; Pernasetti et al. 1998; Vallette-Kasic et al. 2001 b). Andererseits findet sich ein auffållig kleiner Hypophysenvorderlappen, welcher wahrscheinlich vor allem bedingt ist durch die Hypoplasie bzw. Aplasie der somatotrophen Zelllinie. Bei der Mehrzahl der Patienten mit PROP1-Mutation findet sich ein åhnlicher Befund, jedoch zeigten bald magnetresonanztomographische Untersuchungen bei einigen der Patienten als Zufallsbefund auch eine deutliche Vergræûerung des Hypophysenvorderlappens (Mendonca et al. 1999; Fofanova et al. 2000; Voutetakis et al. 2004 a). Diese Vergræûerung ist vor allem wåhrend der Kindheit und der Adoleszenz nachweisbar. Sie zeigt jedoch eine spontane Regression (Riepe et al. 2001; Teinturier et al. 2002). Die Vergræûerung der Hypophyse ist nicht gekoppelt an das Vorhandensein bestimmter Mutationen innerhalb des PROP1-Gens. So wurden oft diskordante Befunde selbst bei Angehærigen einer Familie mit identischer PROP1-Mutation gefunden (Riepe et al. 2001) (Abb. 1.4.8). In der Mehrzahl der Fålle ist die Vergræûerung der Hypophyse relativ gering ausgeprågt, sie stellt somit keine Indikation zur operativen Intervention dar. In Einzelfållen jedoch fand sich die Hypophysenvergræûerung so ausgeprågt, dass eine Kompression der Sehnerven auftrat. Die histologischen Untersuchungen der operativ entfernten Tumorpråparate konnten jedoch die Genese dieser Gewebeformationen nicht klåren. Histologisch handelt es sich um undifferenziertes myxoides Gewebe. Durch Mutationen in PROP1 erfolgt eine unzureichende Repression von ¹frçhenª hypothalamohypophysåren Entwicklungsfaktoren wie LHX3 oder HESX1. Es låsst sich spekulieren, dass deren fortgesetzte Expression zur Proliferation undifferenzierten Gewebes Anlass geben kænnten. Andererseits ist hiermit die nur vorçbergehende Vergræûerung des Organs nicht zu erklåren, zudem werden diese morphologischen Auffålligkeiten im Tiermodell bei der Ames-Zwergmaus nicht beobachtet.
1.4.3.6 PIT1 Pit1 (OMIM 173110) wurde bei der Suche nach hypophysåren Transkriptionsfaktoren identifiziert, die in der Lage sind, die GH-Gen-Transkription zu modulieren (Ingraham et al. 1988). Neben seinen stimulierenden Eigenschaften am Promotor fçr das GH-Gen findet sich jedoch auch ein stimulierender Effekt am Prolaktingenpromoter (Mangalam et al. 1989) sowie am Promotor der b-Untereinheit fçr das TSH-Gen (Steinfelder et al. 1991). Neben diesen drei hypophysåren Zielgenen fanden sich jedoch auch Bindungsstellen dieses Transkriptionsfaktors im Promoter des Pit1-Gens selbst (Pfåffle et al. 1992) sowie im Gen des WachstumshormonReleasing-Hormon-Rezeptors (GHRH-R) (Petersenn et al. 1998). Die Zielsequenzen des Pit1 sind innerhalb des Genoms durch AT-reiche Sequenzabschnitte charakterisiert, welche alle einen gemeinsamen Sequenzabschnitt (TATNCAT) als Motiv aufweisen. Das Wachstumshormon enthålt insgesamt zwei dieser Sequenzmotive in seinem Promoter, wåhrend der Prolaktingenpromoter vier solcher Pit1-bindenden Stellen aufweist (Fox et al. 1990). Die Art der Bindung des Pit1-Faktors an seinen Zielsequenzen ist inzwischen durch verschiedene In-vitro-Experimente genau untersucht worden (Ingraham et al. 1990). Pit1 bildet Homodimere im Bereich der DNA-Doppelhelix aus und kann dann durch Interaktion mit weiteren Proteinen des Transkriptionsapparates die Aktivierung des Zielgens vornehmen.
1.4.3.6.1 Aufbau von PIT1 PIT1 ist ein 317 Aminosåuren langes Protein mit einem Molekulargewicht von 35 668 Da. Das menschliche Gen besteht aus sechs Exons, welche auf Chromosom 3 (3p11.2) codiert sind (Pfåffle et al. 1992) (Abb. 1.4.9). Untersuchungen zur Sequenzhomologie von Pit1 bei verschiedenen Spezies zeigen einen hohen Grad von Konservierung an, welcher im Bereich der DNA-bindenden Anteile des Proteins am meisten ausgeprågt ist. Nahe seinem C-terminalen Ende besitzt das Protein eine sog. Homæodomåne (Gehring 1987). N-terminal hiervon, nur durch wenige Aminosåuren getrennt, findet sich eine weitere Subdomåne, die zum Zeitpunkt der Identifizierung von Pit1 durch die hohe Homologie zu zwei weiteren, damals identifizierten Entwicklungsfaktoren gekennzeichnet war (Herr et al. 1988). Bei diesen Proteinen handelt es sich um Oct1 sowie Unc86, einen Transkriptionsfaktor, der in Caenorhabditis elegans identifiziert wurde. Das
a
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Abb. 1.4.9. Aufbau des humanen PIT1-Gens. PIT1 wird in sechs Exons codiert. C-terminal findet sich die Homæodomåne, zentral die fçr POU-Homæodomånproteine typische POU-spezifische Domåne. Am N-terminalen Ende liegt eine
sog. Transaktivierungsdomåne. Mutationen mit einem dominanten Vererbungsmodus sind dunkelblau, solche mit rezessivem Vererbungsmodus hellblau dargestellt. Einen sog. ¹Hotspotª stellt die dominant vererbte R271W-Mutation dar
Akronym aus den Namen der Faktoren Pit1, Oct1 und Unc86 verlieh daher dieser Region den Namen ¹POU-spezifischª. Mutationsanalysen sowie funktionelle Studien haben erwiesen, dass sich die POU-spezifische und die POU-Homæodomåne als der eigentlich DNA-bindende Abschnitt des Pit1Molekçls darstellt. Die Tertiårstruktur dieser DNAbindenden Domåne weist eine Abfolge sog. HelixMotive auf, welche fçr die Auffaltung dieser Proteindomåne entscheidend sind und welche den direkten Kontakt zu der DNA-Doppelhelix herstellen (Jacobson et al. 1997).
1.4.3.6.3 Tiermodelle zu PIT1-Defekten
1.4.3.6.2 Funktion des Pit1-Molekçls Die Funktion des Pit1-Molekçls beschrånkt sich nicht allein auf die Transaktivierung seiner Zielgene. Pit1 hat wie viele andere Transkriptionsfaktoren eine Schlçsselrolle bei der Spezifizierung und spåter der Proliferation von Zelllinien wåhrend der Embryogenese. So kommt es unter der Expression von Pit1 zur Differenzierung der somatotrophen, laktotrophen und thyreotrophen Zelllinien im Hypophysenvorderlappen (Simmons et al. 1990). Fehlt die Pit1-Expression wåhrend der Hypophysenentwicklung, so werden diese drei Zelllinien nicht oder nur unzureichend angelegt. Zudem ist die Funktion der drei Zelllinien durch das Fehlen dieses Transkriptionsfaktors nachhaltig gestært.
Anhand des Expressionsmusters von Pit1 in der Maushypophyse lieû sich annehmen, dass Måuse mit Pit1-Mutationen eine Fehlfunktion dieser drei Zelllinien aufwiesen. Zwei natçrlich beobachtete Zwergmausståmme (Snell und Jackson) weisen Verånderungen im Pit1-Gen auf (Li et al. 1990). Bei der Jackson-Maus (dwJ) liegt eine Deletion eines græûeren Anteils des Pit1-Gens vor, wohingegen die sog. Snell-Maus eine Punktmutation innerhalb des Pit1-Gens aufweist, welche jedoch zu einem Aminosåureaustausch innerhalb eines hochkonservierten Abschnitts der POU-Homædomåne fçhrt.
1.4.3.6.4 PIT1-Mutation beim Menschen Der Phånotyp, der aus Mutationen innerhalb des menschlichen PIT1-Gens resultiert, ist relativ konstant. Ein kompletter Wachstumshormonmangel ist kombiniert mit einer sekundåren Hypothyreose sowie einem eindeutigen Prolaktinmangel (Pfåffle et al. 1993) (Abb. 1.4.10). Die çbrigen Zelllinien des Hypophysenvorderlappens, d. h. die gonadotrophen und kortikotrophen Zelllinien, sind nicht beeintråchtigt. Die Patienten zeigen eine normale Fertilitåt, der Prolaktinmangel fållt bei jungen Mçttern mit einem PIT1-Gen-Defekt durch Laktationsstærungen auf (Pfåffle et al. 1996). Die Wachstumshormon- und Prolaktinwerte finden sich bei den Patienten sowohl basal als auch stimuliert stark erniedrigt bzw. im unteren Bereich der Nachweisgrenze moderner immunometrischer
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R. Pfåffle et al.
Abb. 1.4.10. a Wachstumsverlauf von zwei Geschwistern mit PIT1-Mutationen. Gutes Aufholwachstum bei frçhem Beginn der Substitutionstherapie mit Wachstumshormon (GH) und
Thyroxin (T4). Die Pubertåt tritt relativ spåt, aber spontan auf. b Relativ gering ausgeprågte Hypoplasie des Hypophysenvorderlappens bei beiden Patienten
Assays. Im Gegensatz hierzu finden sich håufig noch nachweisbare Serumspiegel fçr TSH, obgleich in allen bislang untersuchten Patientenfållen eine sekundåre Hypothyreose nachweisbar war (Pfåffle et al. 1997). Eine mægliche Erklårung fçr diese Restsekretion von TSH ist die Beobachtung aus dem Tiermodell, dass sich ein kleiner Anteil der thyreotrophen Zellen unabhångig von der PIT1Expression im Hypophysenvorderlappen entwickelt.
Hypothyreose zu so schweren perinatalen Krankheitsverlåufen, dass eine langwierige intensivmedizinische Betreuung der Patienten notwendig wurde (de Zegher et al. 1995). Andererseits gibt es Patienten, deren Perinatalperiode relativ unauffållig verlåuft und die erst nach Vollendung des ersten Lebensjahres aufgrund des zunehmenden Kleinwuchses auffallen (Pfåffle et al. 1992). Bei einem Teil der Patienten wurde daher zunåchst der Wachstumshormonmangel diagnostiziert und die sekundåre Hypothyreose erst unter einer GH-Substitutionstherapie manifest. Eine ausreichende Erklårung fçr die unterschiedlichen klinischen Verlåufe, welche vor allem die Manifestation der sekundåren Hypothyreose betreffen, gibt es noch nicht. Sie lassen sich auch nicht unterschiedlichen Mutationen innerhalb des PIT1- Gens zuordnen, denn Patienten mit einem identischen Genotyp zeigen unterschiedliche klinische Verlåufe.
1.4.3.6.5 Variabilitåt des Phånotyps bei PIT1-Mutation Alle Patienten mit PIT1-Mutationen zeigen einen Ausfall von Wachstumshormon, Prolaktin und TSH. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung jedoch, die bei der Mehrzahl der Patienten im Kleinkindesalter erfolgt, kann das klinische Bild etwas variieren. Bei einzelnen Patienten ist die sekundåre Hypothyreose bei Geburt bereits so ausgeprågt vorhanden (Pfåffle et al. 1993; Brown et al. 1998; Blankenstein et al. 2001), dass sie klinisch im Vordergrund steht und vor dem GH- und Prolaktinmangel diagnostiziert wird. In einzelnen Fållen fçhrte diese ausgeprågte
1.4.3.6.6 Vererbungsmodus von PIT1-Gen-Mutationen Die ersten Familien, bei denen PIT1-Gen-Mutationen beschrieben wurden, wiesen einen autosomal-
a rezessiven Vererbungsmodus fçr den multiplen hypophysåren Hormonausfall (MPHD) auf (Tatsumi et al. 1992; Pfåffle et al. 1992). Andere PIT1-GenMutationen folgen jedoch einem autosomal-dominanten Vererbungsmuster (Radovick et al. 1992; Cohen et al. 1995). Autosomal-rezessive PIT1-Gen-Mutationen Die meisten der bislang bekannten PIT1-Gen-Mutationen lassen sich innerhalb der DNA-Bindungsdomåne des Transkriptionsfaktors nachweisen (Pellegrini-Bouiller et al. 1996 a; Fofanova et al. 1997; Salemi et al. 2003). Diese werden ausnahmslos autosomal-rezessiv vererbt. Diese Tatsache erklårt sich vor allem daraus, dass Mutationen innerhalb der DNA-Bindungsdomåne mit hoher Wahrscheinlichkeit das Helix-Turn-Helix-Motiv veråndern und somit die DNA-Bindungsfåhigkeit des Transkriptionsfaktors an seine Zielgensequenzen beeintråchtigen. Bei Individuen, die heterozygot fçr solche Mutationen sind, ist das mutierte PIT1-Molekçl nicht in der Lage, mit dem WildtypPIT1-Molekçl um die DNA-Bindung zu konkurrieren. Heterozygote Personen mit diesen Mutationen zeigen daher keine Auffålligkeit ihrer Hypophysenentwicklung oder -funktion. Viele der beobachteten Mutationen lassen ihre Auswirkung relativ einfach voraussagen. NonsenseMutationen, die innerhalb der DNA-Bindungsdomåne zu einem Translationsabbruch fçhren, besitzen keine Mæglichkeit zur DNA-Bindung mehr. Punktmutationen innerhalb der DNA-Bindungsdomåne, die zu einem einfachen Aminosåureaustausch fçhren, erfordern jedoch eine sorgsame funktionelle Analyse (Abb. 1.4.9). Bei den meisten nachgewiesenen Mutationen wurde durch die Analyse der beobachteten Mutanten in vitro ein vollståndiger oder teilweiser Verlust der DNA-Bindungsfåhigkeit an den Zielsequenzen nachweisbar. Zudem låsst sich in sog. Reportergenassays der Verlust der transaktivierenden Eigenschaften von Pit1 nachweisen. Das Protein ist diesbezçglich ausfçhrlich untersucht (Pfåffle et al. 1992). Autosomal-dominante PIT1-Mutation Bald nach den ersten Publikationen çber PIT1-Mutationen bei Patienten mit einem multiplen hypophysåren Hormonausfall wurde von Radovick und Mitarbeitern der erste Patient beschrieben, bei dem lediglich eine heterozygote Mutation im PIT1-Gen nachweisbar war (Radovick et al. 1992). Sie fanden eine Mutation einer Base, welche den Austausch einer Aminosåure am C-terminalen Ende der Homæodomåne zur Folge hatte (R271 W)
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
(Abb. 1.4.9). Die Autoren konnten nachweisen, dass das mutierte PIT1-Molekçl seine DNA-Bindungsfåhigkeit beibehielt, innerhalb des Komplexes von Transkriptionsfaktoren am Zielgenpromotor jedoch zu einer verringerten Expression der Zielgene fçhrte. Dieser dominant-negative Effekt wurde durch eine sterische Behinderung des Transkriptionsapparates erklårt, welcher das mutante PIT1-Molekçl enthielt. Die R271W-Mutation hat sich inzwischen als ein Hotspot fçr Mutationen innerhalb des PIT1-Gens herausgestellt (Cohen et al. 1995). Auûerhalb dieser Region wurden jedoch noch weitere Mutationen innerhalb des PIT1-Molekçls mit einem dominant-negativen Effekt nachgewiesen (P14L) (Ohta et al. 1992 a).
1.4.3.7 PAX6 PAX6 (OMIM 607108) gehært zu den Homæodomånproteinen mit einer Paired-DNA-Bindungsdomåne und einer Paired-Homæodomåne. PAX6 ist wichtig fçr die Entwicklung des Auges, des ZNS, des Pankreas und der Hypophyse (Bentley et al. 1999; Kioussi et al. 1999; Spieler et al. 2004). In der Hypophyse findet sich PAX6 an der Grenze zwischen den dorsalen und ventralen Anteilen der Rathke-Tasche. Måuse mit einem Knock-out fçr Pax6 haben eine reduzierte Anzahl von Somatotrophen und Laktotrophen, zeigen aber gleichzeitig eine Hyperplasie der ventralen Thyreotrophen und Gonadotrophen (Kioussi et al. 1999).
1.4.3.8 SIX3 und SIX6 Six3 (OMIM 603714) und Six6 (OMIM 606326) stellen Homologe zu dem Drosophila-Homæoboxgen Sine Oculis dar. Sowohl Six3 als auch Six6 finden sich in der embryonalen Hypophyse und werden daher mit wichtigen Entwicklungsschritten dieses Organs in Zusammenhang gebracht (Oliver et al. 1995; Leppert et al. 1999). SIX3-Gen-Mutationen werden bei Patienten mit Formen von Holoproesenzephalie gefunden; dies weist auf eine wichtige Rolle von SIX3 auch bei der Entwicklung der vorderen Neuralplatte hin (Wallis et al. 1999). Die Expression von SIX6 beschrånkt sich auf den sich entwickelnden Hypothalamus, die Hypophyse, die Augen sowie den Sehnerv (Jean et al. 1999). Six6-Knock-out-Måuse haben Defekte an Retina und Sehnerv sowie hypoplastische Hypophysen (Li et al. 2002). Zusåtzlich konnten bei Patienten mit Mikrophthalmie und ei-
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100
R. Pfåffle et al.
ner gestærten Hypophysenentwicklung heterozygote Mutationen innerhalb des SIX6-Gens nachgewiesen werden (Gallardo et al. 2004).
1.4.3.9 HESX1 Das HESX1-Gen (OMIM 601802) codiert fçr ein weiteres Mitglied der Paired-Homæodomåne-Transkriptionsfaktoren. Es wird in der sich entwickelnden Neuralplatte und anschlieûend in der RathkeTasche exprimiert (Thomas et al. 2001; Hermesz et al. 2003). Bei der Maus wird HesX1 im Hypophysenvorderlappen bis Entwicklungstag 12 (e12) exprimiert. Hiernach låsst seine Expression in dem Maûe nach, wie sich die Hypophysenzellen funktionell differenzieren. Seine Expression ist ab Entwicklungstag 13.5 (e13.5) nicht mehr nachweisbar. Die Expression von HESX1 im Hypophysenvorderlappen erfordert die Expression von LHX3 in frçhen Entwicklungsstadien (Sheng et al. 1997). Die Expression von PROP1 hingegen scheint die Expression von HESX1 zurçckzudrången (Gage et al. 1996; Hermesz et al. 1996). Gezieltes Knock-out des HesX1-Gens bei der Maus fçhrte zu morphologischen Defekten im Mausembryo, die vom Entwicklungstag 9 (e9) an beobachtbar waren. Die Måuse zeigten eine auffållig verringerte Kopfgræûe, kraniofaziale Dysmorphien mit einer kurzen Nase und einer schweren Mikrophthalmie. Alle homozygoten Tiere waren betroffen, jedoch auch eine geringe Anzahl (1%) der heterozygoten Tiere (Dattani et al. 1998). Die sehr variablen Mittellliniendefekte im Bereich des Prosencephalons sowie die Abnahme der Græûe des Hypophysenvorderlappens bei den mutanten Måusen erinnerte an das Syndrom der septooptischen Dysplasie beim Menschen (De-Morsier-Syndrom; OMIM 182230). Das menschliche HESX1-Gen wurde auf dem Chromosom 3 p21.1±21.2 lokalisiert. Es umfasst 1,7 Kilobasen in vier codierenden Exons. Humanes HESX1 besteht aus 185 Aminosåuren, und es enthålt nahe dem Aminoterminus eine Homæodomåne, welche der Familie Engrailed und Goosecoid angehært. Die ersten Mutationen beim Menschen wurden bei einer Familie nachgewiesen, in der zwei Geschwister eine septooptische Dysplasie sowie eine Hypoplasie des Hypophysenvorderlappens mit Panhypopituitarismus aufwiesen (Dattani et al. 1998). Ursache war eine homozygote Missensmutation in der Homæobox von HESX1 bei den zwei betroffenen Geschwistern der Familie, bei der ein hoch-
konserviertes Arginin in Position 160 in ein Cystein umgewandelt war (R160C). Die heterozygoten Eltern dieser Familie sowie weitere heterozygote Mitglieder zeigten keine Auffålligkeiten. DNA-Bindungsexperimente konnten nachweisen, dass die Mutation zu einem vollståndigen DNA-Bindungsverlust fçhrt. Bei anschlieûenden umfangreichen Untersuchungen konnten vier weitere heterozygote Missensmutationen im HESX1-Gen bei Kindern mit einer sehr variablen Form eines Hypophysenvorderlappenausfalls und septooptischer Dysplasie nachgewiesen werden (S170L, T181A, Q6H, N125S) (Thomas et al. 2001). Die funktionellen Konsequenzen dieser scheinbar dominant-negativen Mutationen sind jedoch noch nicht vollståndig erforscht.
1.4.4 Weitere Transkriptionsfaktoren 1.4.4.1 SF1 ¹Steroidogenic factor 1ª (SF1, ¹fushi tarazu factorª, FTZF1) (OMIM 184757) ist beteiligt bei der embryonalen Entwicklung einer Reihe von endokrinen Geweben. Gezielte Mutationen innerhalb des SF1-Gens bei Måusen fçhren zum schnellen postnatalen Tod, wobei bei den Tieren eine Agenesie von Gonaden und Nebennieren auffållt. Zusåtzlich finden sich jedoch auch Defekte hypothalamischer Nuclei sowie das vollståndige Fehlen der gonadotrophen Zellen in der Hypophyse (Ingraham et al. 1994; Asa et al. 1996). Ein organspezifisches Knock-out des SF1-Gens in der Hypophyse von Måusen fçhrt zu einem hypogonadotrophen Hypogonadismus. Dies beståtigt die wichtige Rolle von SF1 fçr die embryonale Differenzierung der Gonadotrophen. Mutationen innerhalb des SF1-Gens beim Menschen fçhren zur primåren Nebennierenrindeninsuffizienz sowie einem sog. XY-Sex-Reversal bei persistierenden Mçllerschen Strukturen (Achermann et al. 2001).
1.4.4.2 TPIT TPit (T Box 19, TBX) (OMIM 604614), welches im Hyophysenmittel- und -vorderlappen exprimiert gefunden wird, gehært zu der Klasse der T-BoxProteine. Es findet sich vor allem in den Kortikotrophen und Melanotrophen (Lamolet et al. 2001). TPit trågt am POMC-Gen-Promotor synergistisch
a
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Tabelle 1.4.2. Muster der Hormonausfålle des Hypophysenvorderlappens sowie assoziierte Symptome bei humanen Mutationen hypophysårer Transkriptionsfaktoren Gen
POU1F1
PROP1
HESX1
LHX3
LHX4
SOX3
GH
´
´
(´)
´
´
´
´
´
´
TSH
´
´
(´)
PRL
´
´
(´)
LH/FSH
´
(´)
ACTH
(´)
ADH Hypophyse
(´)
´ ´
´ Hypoplasie des HVL oder ektoper HHL
(´) Hypolasie des HVL
Hypoplasie oder Hyperplasie des HVL
Auffålligkeiten Vererbung
´
rez, dom
rez
Hypoplasie des HVL oder ektoper HHL
Hypoplasie oder Hyperplasie des HVL
Variable Hypoplasie des HVL
SOD, Mittelliniendefekte
Kurzer Hals mit Rotationsdefizit
Verånderte Klein- (Mentale Retardierung) hirntonsillen
rez, dom
rez
dom
X-chrom
HVL: Hypophysenvorderlappen, HHL: Hypophysenhinterlappen, SOD: septooptische Dysplasie, rez = rezessiv, dom = dominant
mit Ptx zur Transaktivierung des Gens bei. Untersuchungen an TPit-Knock-out-Måusen zeigen, dass dieser Faktor wåhrend der Embryonalentwicklung eine komplexe Rolle sowohl bei der Festlegung der Identitåt (Spezifizierung) der spåter POMC exprimierenden Zelllinien als auch bei der Regulation der kortikotrophen Zellreihe spielt (Lamolet et al. 2004). TPit selbst scheint jedoch an den initialen Schritten zur Festlegung der kortikotrophen Zellreihe nicht selbst beteiligt zu sein, so wie dies fçr NeuroD1 nachgewiesen ist (Pulichino et al. 2003 b). Måuse mit Knock-out fçr das TPit-Gen zeigen nur sehr wenige ACTH-positive Zellen in ihren Hypophysenvorderlappen (Pulichino et al. 2003 a). Im Gegensatz hierzu finden sich bei den Måusen gonadotrophe und thyreotrophe Zelllinien im Hypophysenzwischenlappen, welche dort normalerweise nicht nachweisbar sind. Dies zeigt, dass TPit ein Repressor der gonadotrophen Differenzierung und dahingehend vermutlich ein Antagonist der SF1-Wirkung ist. Inzwischen wurden mehrere Mutationen innerhalb des TPIT-Gens beschrieben, welche zu einer isolierten Defizienz der kortikotrophen Zellreihe im Hypophysenvorderlappen fçhren (Atasay et al. 2004). Die Patienten fielen zumeist durch eine neonatale Hypoglykåmie mit ACTH-Mangel auf. Bei einem Teil der Patienten bestand ein Ikterus prolongatus, alle Patienten zeigten deutlich erniedrigte ACTH-Spiegel mit resultierendem Hypokortisolismus. Weitere hypophysåre Hormonmångel waren bei den Patienten nicht nachweisbar. Es fanden
sich Missensmutationen, Nonsensmutationen sowie jeweils eine Makro- und eine Mikrodeletion innerhalb des TPIT-Gens. Bislang lieû sich noch kein Hotspot fçr das Auftreten von TPIT-Mutationen identifizieren.
1.4.4.3 SOX3 SOX3 (OMIM 313430) ist Mitglied einer Familie von 20 Genen, denen eine enge Verbindung zum SRY-Gen gemeinsam ist. Von diesem leitet sich auch der Name SOX ¹SRY related homeoboxª ab. Die SOX-Gene besitzen eine hochkonservierte DNA-bindende Domåne, die sog. ¹high mobility groupª (HMG) mit einer Långe von 79 Aminosåuren (Collignon et al. 1996). SOX3 befindet sich auf dem X-Chromosom (Xq26.3) und besteht aus einem Exon mit einer Långe von etwa 2 Kb, welches ein Protein von 446 Aminosåuren codiert. Insbesondere Sox1, Sox2 SOX2 und SOX3 weisen hohe Homologien zum SRY-Gen auf, welches fçr die Geschlechtsdifferenzierung des månnlichen Embryos mitverantwortlich ist (Sinclair et al. 1990). Daher wurde ursprçnglich vermutet, SOX3 habe ebenfalls eine Funktion in der Geschlechtsdifferenzierung des Fetus (Graves 1998). Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass es zwar fçr die Funktion, nicht jedoch fçr die Differenzierung der månnlichen und weiblichen Gonaden wichtig ist (Weiss et al. 2003). Eine Expressionsaktivitåt von SOX3 findet sich nicht nur in den Gonaden, sondern auch im Ge-
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R. Pfåffle et al.
hirn bereits ab der frçhen Embryogenese (Wood u. Episkopou 1999). Måuse mit Knock-out fçr SOX3 zeigen schwere phånotypische Auswirkungen, wie kraniofaziale Missbildungen, Mittelliniendefekte, einen ausgeprågten Wachstumshormonmangel, einen månnlichen Hypogonadismus und eine erhæhte Letalitåt. Dennoch scheint auch hier der Phånotyp zu variieren (Rizzoti et al. 2004). Obwohl in der Hypophyse keine Expression von SOX3 nachgewiesen werden kann, zeigen Måuse mit SOX3-Mutationen eine hypoplastische Adenohypophyse mit Ausfall von GH, TSH und LH/FSH. Eine mægliche Erklårung hierfçr ist eine induktive Wirkung der neuroektodermalen Strukturen auf die Differenzierung der hypophysåren Zelllinien, vermittelt durch FGF8 und BMP4, die abhångig von SOX3 gebildet werden (Takuma et al. 1998). Mutationen beim Menschen wurden bereits bei Patienten mit X-chromosomal vererbter mentaler Retardierung und Wachstumshormonmangel beschrieben (Hol et al. 2000; Laumonnier et al. 2002). Turton et al. fanden kçrzlich zwei Geschwister mit einer 600 Kb groûen Duplikation im Bereich des SOX3-Gen-Lokus sowie drei Brçder mit einer Verlångerung der Polyalaninabfolge um sieben Alaninreste. Alle Patienten zeigten einen Kleinwuchs ohne mentale Retardierung mit Ausfållen von GH, TSH, LH/FSH und ACTH. Zudem fielen eine Hypoplasie der Adenohypophyse bei fehlendem Infundibulum, eine ektope Neurohypophyse und Mittelliniendefekte verschiedenen Ausmaûes auf. Funktionelle Analysen legten die Vermutung eines Dosiseffektes der Polyalaninsequenz nahe. Dies ist ein Phånomen, welches bereits bei mehreren anderen Genen beschrieben wurde (Albrecht et al. 2004). Albrecht et al. zeigten, dass Transkriptionsfaktoren mit einer Verlångerung der Polyalaninsequenz zur Bildung amorpher Aggregate auûerhalb des Zellkerns neigen und damit zum Funktionsverlust der betroffenen Zelle fçhren. Dieser Effekt ist umso græûer, je långer die Polyalaninsequenz wird.
1.4.5 Zusammenfassung Der Hypophysenvorderlappen als zentrales und integrierendes Organ fçr eine Reihe von vital wichtigen hormonellen Regelkreisen vereint mindestens fçnf verschieden differenzierte Zelllinien in unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Zelllinien entwickeln sich zunåchst aus einer gemeinsamen Vorlåufer-
zelllinie unter dem Einfluss von extrinsischen Signalpeptiden vor allem aus dem Hypothalamus. Spåter stehen sie unter der Kontrolle einer Kaskade sich wechselseitig regulierender hypophysår exprimierter Entwicklungsfaktoren. Diese folgen einem festen zeitlichen und råumlichen Expressionsmuster. Stærungen in diesem Netzwerk von Entwicklungsfaktoren fçhren zu bleibenden funktionellen Defekten der Hypophyse, die sich jedoch nur zum Teil aus dem Expressionsmuster dieser Faktoren erklåren lassen. Entwicklungsfaktoren, die zu einem relativ spåten Zeitpunkt der embryonalen Hypophysenentwicklung exprimiert werden und die eine Expression in der adulten Hypophyse zeigen, wie PIT1, weisen bei genetischen Defekten einen klar umrissenen Phånotyp auf. Der Ausfall der Zelllinien ist hierbei identisch mit dem embryonalen Expressionsmuster dieses Faktors. Betrifft eine Mutation einen Faktor, der die frçhen Entwicklungsschritte des Hypophysenvorderlappens begleitet, so sind die mæglichen Ausfallmuster deutlich variabler. Wåhrend Prop1-Mutationen einen noch relativ uniformen, aber in seiner Ausprågung variablen Ausfall des Hypophysenvorderlappens verursachen, kommt es bei Mutationen innerhalb der frçh exprimierten Transkriptionsfaktoren (HesX1 oder Lhx3 und Lhx4) zu sehr unterschiedlichen Ausprågungen des hypophysåren Hormonausfalls. Dieser kann zudem noch mit weiteren Entwicklungsauffålligkeiten assoziiert sein: septooptischer Dysplasie oder Mittelliniendefekten im Falle des HesX1 und Stærungen der Innervation der Nackenmuskulatur im Falle von Lhx3. Untersuchungen an murinen Knock-out-Modellen fçr hypophysåre Transkriptionsfaktoren liefern wichtige Hinweise auf die mæglichen Manifestationsformen von Mutationen innerhalb der entsprechenden Entwicklungsfaktoren beim Menschen. Identisch sind sie jedoch erwartungsgemåû oft nicht (Tabelle 1.4.3). Ist der Phånotyp der Prop1-Mutation bei der Ames-Maus geprågt durch einen Hypophysenvorderlappenausfall fçr GH, TSH und Prolaktin, so ist der entsprechende hormonelle Phånotyp beim Menschen ein kombinierter Hypophysenvorderlappenausfall fçr GH, TSH, Prolaktin und Gonadotropine, zudem kompliziert durch eine zusåtzliche, wenn auch sich erst spåt manifestierende Insuffizienz der kortikotrophen Zellreihe. Lhx3-Knock-out-Måuse zeigen einen so ausgeprågten Phånotyp, dass sie postnatal nicht lebensfåhig sind, wåhrend die beim Menschen beobachteten Formen einer LHX3-Mutation in den
a
1.4 Regulation der Entwicklung der Hypophyse
Tabelle 1.4.3. Vergleich der phånotypischen Auswirkungen von Mutationen hypophysårer Transkriptionsfaktoren zwischen Maus und Mensch. (Aus Dattani 2003) Gen
Genlocus
Maus/Mensch
Maus/Mensch Zelllinien
Pou1f1/POU1F1 16C/3p11 (bzw. Pit1/PIT1)
Phånotyp Maus
Phånotyp Mensch
Vererbungsmodus
Morphologie
(Zelllinien) Hormonausfålle
Morphologie
Maus/Mensch
Somato-, Lakto-, Thyreotrophe
Hypoplasie des HVL
GH, TSH, PRL
Hypoplasie des HVL
rez/rez,dom
Somato-, Lakto-, Thyreo-, Gonadotrophe
Hypoplasie des HVL
GH, TSH, PRL, LH/FSH, spåter ACTH
Hypoplasie oder rez/rez Vergræûerung
Prop1/PROP1
11B1/5q34
Hesx1/HESX1
14B/3p13.3
Lhx3/LHX3
2A3/9q34.3
Somato-, Lakto-, Thyreo-, Gonadotrophe, POMCZellen
Lhx4/LHX4
1G3/1q25.2
Milde Hypoplasie GH, TSH, ACTH MR-AuffålligSomato-, Lakto-, keiten Thyreo-, Gonado-, des HVL Kortikotrophe
Sox3/SOX3
XA5/Xq27.1
Gonadenentwick- Hypoplasie der GH, TSH, LH/ FSH, ACTH lung und -wachs- Rathke-Tasche, tum, Hypophysen- Mittelliniendefekte entwicklung
IGHD oder Anophthalmie, Mikrophthalmie, MPHD Mittelliniendefekte, Hypoplasie oder Aplasie des HVL
SOD, ektope Neu- rez/rez,dom rohypophyse
Hypoplasie der Rathke-Tasche
Hypoplasie oder rez/rez Hyperplasie des HVL, kurzer Hals mit Rotationsdefizit
GH, TSH, LH/FSH
rez/dom
/X-chromHypoplasie, rez, dom? Mittelliniendefekte, ektope Neurohypophyse
HVL = Hypophysenvorderlappen, SOD = septooptische Dysplasie, rez = rezessiv, dom = dominant.
meisten Fållen eine zwar schwere Form eines Hypopituitarismus aufweisen, in einzelnen Fållen findet sich jedoch eine klinisch eher milde Form eines Panhypopituitarismus. Schlieûlich manifestieren sich LHX4-Mutationen bei Måusen nur in der homozygoten Form, wåhrend sie beim Menschen bislang nur als heterozygote Mutationen nachweisbar waren. Dies alles weist darauf hin, dass die Untersuchungen im Tiermodell zwar unschåtzbar wertvolle Hinweise auf die Art und Funktion der an der Hypophysenregulation beteiligten Faktoren geben kænnen, ihre jeweilige Gewichtung aber sehr abhångig von der untersuchten Spezies sein kann. In-vitro-Funktionsanalysen der mutanten Transkriptionsfaktoren in Form von Reportergenassays mit bekannten Zielgenpromotoren kænnen die funktionellen Auswirkungen der beobachteten Mutationen untermauern. Das vollståndige Spektrum der beobachteten Symptome bleibt jedoch oft unerklårt, da die komplexen funktionellen Vernetzungen der Entwicklungsfaktoren untereinander nicht vollståndig bekannt ist.
Transkriptionsfaktoren stimulieren nicht nur die fçr die ausdifferenzierte Hypophysenvorderlappenzelle spezifischen Zielgene, sondern sie legen wie im Fall von HesX1 oder Lhx3 wåhrend der frçhen Embryonalphasen Entwicklungsschritte wie die definitive Ausformung der Rathke-Tasche induktiv fest. Verschiedene Mutationen innerhalb dieser Faktoren kænnen diese unterschiedlichen Teilfunktionen verschieden stark beeinflussen. Die Vorhersage eines spezifischen Phånotyps aus der Art und Lokalisation der Mutation fållt daher trotz Zuhilfenahme von In-vitro-Funktionsanalysen oft schwer. Zudem zeigen selbst Patienten mit identischer Mutation oft eine unterschiedlich starke Ausprågung ihres Phånotyps. Ursache hierfçr sind vermutlich modifizierende Faktoren, die die endgçltige Ausprågung festlegen. Zudem kænnen redundante Funktionen verwandter Faktoren Ausfålle zum Teil kompensieren (vgl. Lhx3 und Lhx4). Es scheint daher keine wirkliche Alternative zur systematischen und umfassenden Untersuchung dieser Faktoren bei Patienten mit angeborenen Formen eines Hypophysenvorderlappenausfalls zu
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R. Pfåffle et al.
geben, will man das vollståndige Funktionsspektrum dieser Entwicklungsfaktoren erfassen.
te klinische Beschreibung des Phånotyps eines Patienten mit einem Hypophysendefekt, der durch Mutationen von hypothalamischen und hypophysåren Transkiptionsfaktoren bedingt ist.
1.4.6 Ausblick Die molekulargenetische Untersuchung von hypophysåren Transkriptionsfaktoren bei Patienten mit einem Hypopituitarismus kann nicht nur çber den zu erwartenden Phånotyp bei den Patienten Aussagen machen. Neben dem Umfang des Hormonausfalls kænnen vor allem auch Aussagen çber die zu erwartenden morphologischen Verånderungen fçr den Patienten und Therapeuten hilfreich sein. So werden neben der zu erwarteten Hypoplasie auch tumorartige Vergræûerungen der Hypophyse bei deren Funktionsausfall beobachtet, die zu Fehlinterpretationen und damit falschen Therapieentscheidungen fçhren kænnen. Die molekulargenetische Untersuchung dieser Faktoren hat daher schon heute einen wichtigen und klinisch relevanten Stellenwert. Ein besseres Verståndnis der Funktionsweise von Entwicklungsfaktoren auf dem Weg von einem Konglomerat undifferenzierter Zellen zu einem komplexen, innerhalb unterschiedlicher Regelkreise funktionierenden Organ wie der Hypophyse hat zudem Modellcharakter fçr das Verståndnis der embryonalen Entwicklung von Organsystemen çberhaupt. So zeigt sich, dass oft die Untersuchung von Faktoren lohnt, die aufgrund ihres Expressionsmusters nicht unmittelbar an der Ausformung eines spezifischen Organs beteiligt sind. Des Weiteren ist bemerkenswert, dass sich genetische Stærungen mit Auswirkungen auf die frçhe Entwicklungsphase eines Organs nicht regelhaft schon bei Geburt als eine Erkrankung ausprågen mçssen. Zum Teil kænnen die resultierenden Krankheitsbilder klinisch einen scheinbar progressiven Verlauf annehmen, welcher das Augenmerk des Klinikers nicht primår auf eine genetische Ursache lenkt. Obwohl viele der Schlçsselfaktoren der embryonalen Entwicklung der Hypophyse identifiziert werden konnten und diese funktionell teils aufwendig charakterisiert worden sind, ist vermutlich das Netzwerk dieser Faktoren bislang jedoch nur in seinen Grundzçgen verstanden. Die Identifizierung und Charakterisierung weiterer Faktoren mit neuen molekulargenetischen Methoden ist daher ein wichtiger Aspekt bei der zukçnftigen Forschung auf diesem Gebiet. Genau so wichtig bleibt jedoch die umfassende und exak-
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107
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1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems Andreas Hoeflich, Harald Lahm und Eckhard Wolf
Inhaltsverzeichnis Antiapoptotische Effekte des IGF-1R . . . . . 120 Effekte der IGFBP auf die Apoptose . . . . . 121
1.5.4
Interaktionen des IGF-Systems mit anderen Wachstumsfaktoren . . . . Interaktion von IGF-1 und Ústrogenen Interaktion zwischen Tyrosinkinaserezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interferenz von IGF- und GH-Signalen Interaktion des IGF-1-Rezeptors mit Integrinen . . . . . . . . . . . . . . . Interaktion zwischen IGF-System und Zytokinen . . . . . . . . . . . . . . .
Komponenten des IGF-Systems . . . . . IGF-1 und -2 . . . . . . . . . . . . . . . . . IGF-1-Rezeptor . . . . . . . . . . . . . . . IGF-2/Mannose-6-Phosphat-Rezeptor . . IGF-Bindungs-Proteine . . . . . . . . . . . IGF-unabhångige Wirkungen der IGFBP
. . . . . .
109 109 110 111 111 112
1.5.2 1.5.2.1 1.5.2.2
Funktionale Wachstumsanalyse . . . . . . . Transgene Tiermodelle . . . . . . . . . . . . . Knock-out-Modelle . . . . . . . . . . . . . . .
113 113 115
1.5.3 1.5.3.1 1.5.3.2
Wachstumskontrolle durch das IGF-System Signalçbertragung durch den IGF-1-Rezeptor Wachstumskontrolle: Endokrine versus parakrine Regulation . . Kontrolle von Zellzahl und Zellgræûe . . . . Malignes Wachstum . . . . . . . . . . . . . . Regulation des Zellzyklus durch das IGF-System . . . . . . . . . . . . .
116 116
1.5.4.5
117 117 119
1.5.5
Altern und oxidativer Stress . . . . . . . . . 124
1.5.6
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 125
1.5.7
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
1.5.3.3 1.5.3.4 1.5.3.5
. . . . . .
1.5.3.6 1.5.3.7
1.5.1 1.5.1.1 1.5.1.2 1.5.1.3 1.5.1.4 1.5.1.4.1
119
1.5.1 Komponenten des IGF-Systems Das Insulin-like-growth-factor (IGF)-System besteht aus den Peptidhormonen IGF-1 und IGF-2, sechs hochaffinen IGF-Bindungsproteinen (IGFBP-1 bis -6) und zwei IGF-Rezeptoren (IGF-1-Rezeptor: IGF-1R und IGF-2/Mannose-6-Phosphat-Rezeptor: IGF-2R; Abb. 1.5.1). Der IGF-1R setzt sich aus zwei extrazellulåren und zwei membranståndigen Untereinheiten zusammen. Ihm wird eine grundlegende Beteiligung an der IGF-abhångigen Induktion mitogener und antiapoptotischer Signalkaskaden zugeschrieben (De Meyts u. Whittaker 2002). Der IGF-2R ist ein multifunktionaler Rezeptor, der unter anderem auch am Abbau von IGF-2 beteiligt ist und mit der Induktion von Zelldifferenzierung in Verbindung gebracht wird (Ghosh et al. 2003). Die IGFBP werden gewebespezifisch exprimiert und gelten als wichtige Modulatoren der lokalen Wirkungen der IGF (Firth u. Baxter 2002). Zusåtzlich induzieren die IGFBP aber auch IGF-unabhångige Effekte.
1.5.4.1 1.5.4.2 1.5.4.3 1.5.4.4
. . . 121 . . . 121 . . . 122 . . . 123 . . . 123 . . . 124
1.5.1.1 IGF-1 und -2 Die Peptidhormone IGF-1 (70 Aminosåuren) und IGF-2 (67 Aminosåuren) galten ursprçnglich als die Vermittler der Wachstumshormonwirkung, weswegen sie zuerst als Somatomedine bezeichnet wurden (Salmon u. Daughaday 1957). Diese Peptidhormone, die erst etwa 20 Jahre nach ihrer hypothetischen Vorhersage entdeckt wurden (Rinderknecht u. Humbel 1976), haben eine dem Insulin åhnliche Proteinstruktur und stimulieren åhnlich wie Insulin die Glukoseaufnahme in Fett- oder Muskelzellen (Rinderknecht u. Humbel 1978). Alle Aminosåuren, die im Insulinmolekçl zwischen verschiedenen Arten konserviert sind, finden sich auch in den IGF wieder (Ausnahme: Aminosåure 21 ist Asn im Insulin, aber Ala in den IGF). Beide Molekçle sind mittlerweile bei verschiedenen Spezies bekannt. Ûber die Artgrenzen hinweg ist ein groûer Teil der Aminosåuren im IGF-1 (54/70 = 77%) und IGF-2 (60/67 = 89,5%) bei Såugetieren konserviert (Rotwein 1991). Vor allem die KonserGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
110
A. Hoeflich et al.
Abb. 1.5.1. Das Insulin-likegrowth-factor (IGF)-System im Ûberblick. Das IGF-System besteht aus den Peptidhormonen IGF-1 und -2, sechs hoch affinen IGF-Bindungs-Proteinen (IGFBP-1 bis -6) und zwei IGFRezeptoren. Die Spezifitåt von Rezeptoren fçr einzelne IGFBP ist bislang noch nicht befriedigend aufgeklårt worden
vierung von Cystein- und Glycinresten fçhrt zu einer dreidimensionalen Struktur, die der des Insulins sehr åhnlich ist. Am C-terminalen Ende besitzen die IGF eine D-Domåne, die im Insulin fehlt. Nachdem in diesem Bereich die græûte Variabilitåt zwischen den Arten besteht, wird postuliert, dass von dieser Region keine wichtigen biologischen Funktionen induziert werden. Die IGF werden als Vorlåufermolekçle synthetisiert, aus denen die reifen Faktoren hervorgehen. Beim IGF-1 werden zwei unterschiedliche Vorlåufermolekçle synthetisiert, IGF-1a und IGF-1b. Sie unterscheiden sich dadurch, dass die C-terminale E-Region entweder durch Exon 4 oder 5 codiert wird (Rotwein et al. 1986). Durch Abspaltung des Signalpeptids und der E-Domåne wird das reife, biologisch aktive IGF-Molekçl freigesetzt. Im menschlichen Gehirn wurde eine IGF-1-Variante entdeckt, bei der die ersten drei N-terminalen Aminosåuren fehlen. Dieses des(1±3)IGF-1 hat im Vergleich zum normalen IGF-1-Molekçl eine drastisch reduzierte Affinitåt zu verschiedenen IGFBP (Sara et al. 1986). Auch fçr IGF-2 konnte eine gewebespezifisch exprimierte Variante nachgewiesen werden. In der menschlichen Leber wird ein IGF2-Molekçl synthetisiert, in dem die Aminosåure Ser29 durch ein Tetrapeptid (Arg-Leu-Pro-Gly) ersetzt ist (Jansen et al. 1985). Sehr wahrscheinlich entsteht diese Variante durch ein alternatives Splicing der pre-mRNA. Diese IGF-2-Variante, die eine etwa zwei- bis dreifach geringere Affinitåt zum IGF-IR hat, wurde auch aus dem Serum isoliert, wo sie bis zu einem Viertel des Gesamt-IGF-2 ausmachen kann. Zudem wurde in menschlichem Se-
rum ein 10 kDa groûes IGF-2-Molekçl nachgewiesen (Zumstein et al. 1985). Weitere hæhermolekulare IGF-2-Molekçle, die in verschiedenen Kærperflçssigkeiten nachgewiesen werden konnten, stellen wahrscheinlich nicht oder nur teilweise prozessierte Vorlåufermolekçle dar.
1.5.1.2 IGF-1-Rezeptor Der IGF-1-Rezeptor (IGF-1R) ist ein heterotetrameres Molekçl, das aus zwei a- (130 kDa) und zwei b-Untereinheiten (95 kDa) besteht und die Mehrzahl der biologischen Signale der IGF vermittelt (Lopaczynski et al. 1993). Die Liganden binden an die extrazellulåren a-Untereinheiten und initiieren çber eine Konformationsånderung die Autophosphorylierung verschiedener Tyrosinreste in der b-Untereinheit. Hierbei bindet IGF-1 im Vergleich zu IGF-2 mit etwa 3fach hæherer Affinitåt. Im Gegensatz zum IGF-2-Rezeptor bindet der IGF-1R auch Insulin, allerdings mit einer etwa 500fach geringeren Affinitåt als die beiden IGF (Jones u. Clemmons 1995). Eine Stimulation des Wachstums durch Insulin çber den IGF-1R ist deshalb nur durch supraphysiologische Konzentrationen (Mikrogrammbereich) mæglich. Die Struktur des IGF-1R ist der des Insulinrezeptors sehr åhnlich: Auch bei letzterem handelt es sich um ein Heterotetramer (a2b2) mit einer Tyrosinkinasedomåne in der b-Untereinheit. Es verwundert deshalb nicht, dass beide IGF auch mit dem Insulinrezeptor interagieren kænnen, allerdings mit deutlich geringerer Affinitåt als Insulin. Der IGF-1R wird ubi-
a quitår in Zellen exprimiert und nimmt eine sehr wichtige Stellung bei der Regulation des normalen Wachstums (Abschn. 1.5.2) sowie bei der malignen Transformation ein (Abschn. 1.5.3.4).
1.5.1.3 IGF-2/Mannose-6-Phosphat-Rezeptor Der IGF-2/Mannose-6-Phosphat-Rezeptor (IGF-2R) ist ein 230 kDa groûes multifunktionales Bindungsprotein, das an der Zelloberflåche vieler Zelltypen vorkommt und zwei Bindungsstellen fçr Mannose-6-Phosphat (M6P) besitzt. Ursprçnglich wurde der IGF-2R als monomeres Protein beschrieben, der IGF-2R kann aber unter bestimmten Umstånden auch dimerisieren (Byrd et al. 2000). Der IGF-2R bindet M6P tragende lysosomale Enzyme (Marzella u. Glaumann 1983), Urokinaserezeptor (uPAR), Proliferin, ¹transforming growth factor bª (TGF-b), Retinsåure und vermutlich auch Thyreoglobulin (Kreiling et al. 2003; Braulke 1999; Dennis u. Rifkin 1991). In verschiedenen Såugetierspezies, nicht jedoch bei Amphibien oder Vægeln, verfçgt der IGF-2R zusåtzlich çber eine hochaffine Bindungsstelle fçr IGF-2 (Oppenheimer u. Czech 1983; August et al. 1983; Tong et al. 1989; Canfield u. Kornfeld 1989; Clairmont u. Czech 1989). Bei Vægeln ist somit der IGF-1R der einzige Rezeptor fçr IGF-2. Die lysosomalen Enzyme und IGF-2 kænnen wechselseitig ihre jeweilige Affinitåt fçr den IGF-2R beeinflussen, und es wurde gezeigt, dass IGF-2 die Endozytose lysosomaler Enzyme hemmt (Mathieu et al. 1990; Kiess et al. 1989). In unterschiedlichen IGF-2-transfizierten Zelllinien wurden auch erhæhte Konzentrationen lysosomaler Enzyme im Ûberstand nachgewiesen (De Leon et al. 1996). Die Funktionen des IGF-2R bestehen einerseits im gerichteten Transport der lysosomalen Enzyme nach der Synthese im Golgi-Apparat zu den Lysosomen (Chen et al. 1997) bzw. aus dem extrazellulåren Raum çber Endozytose in das Zellinnere (Zhu et al. 2001; Puertollano et al. 2001; Kornfeld 1992), andererseits in der Kontrolle der extrazellulåren Konzentration von IGF-2, die ebenfalls durch Endozytose und Proteolyse in den Lysosomen bewerkstelligt wird (Oka et al. 1985; Kiess et al. 1987). Durch die Ausschaltung dieser Mechanismen wird der Riesenwuchs von igf2r-Knock-outMåusen mit erhæhten Serum-IGF-2-Konzentrationen erklårt (Abschn. 1.5.2.2). Der IGF-2R vermittelt in In-vitro-Modellen zusåtzlich auch die Aktivierung von latentem TGF-b (Dennis u. Rifkin 1991). In der Maus unterliegen der IGF-2R bzw. IGF-2 dem Imprinting und werden nur vom mçtterlichen
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
bzw. vom våterlichen Allel exprimiert (Wylie et al. 2003; Stoger et al. 1993; Wang et al. 1994; Birger et al. 1999; Polychronakos 1993). Interessanterweise ist das IGF-2R-Gen beim Menschen nicht imprintiert (Killian et al. 2001). Man vermutet, dass durch das Wechselspiel der jeweiligen Wachstumssignale das fætale Wachstum sehr genau reguliert werden kann. Eine Wechselwirkung zwischen G-Proteinen und einer zytoplasmatischen Domåne des IGF-2R wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. In fçnf zeitgleich publizierten Arbeiten wurde die Interaktion von GGA, einem Protein aus dem Golgi-Apparat, mit dem zytoplasmatischen Teil des IGF-2R beschrieben (exemplarisch: (Dell'Angelica u. Payne 2001; Puertollano et al. 2001). GGA bindet ARF (¹ADP-ribosylation factorª), das zu den G-Proteinen gehært. Somit ist bewiesen, dass der IGF-2R in der Tat mit G-Proteinen interagiert und diese Interaktion fçr das molekulare Targeting von lysosomalen Enzymen bedeutsam ist (Bonifacino 2004). Die Beteiligung von G-Proteinen bei der Signalçbertragung des IGF-2R ist allerdings bis heute unklar. Der IGF-2R ist darçber hinaus auch als Tumorsuppressor diskutiert worden, und eine reduzierte Expression von IGF-2R findet sich in verschiedenen Tumoren (De Souza et al. 1995; Hankins et al. 1996).
1.5.1.4 IGF-Bindungs-Proteine Die biologischen Wirkungen der IGF kænnen durch sechs hochaffine IGF-Bindungs-Proteine (IGFBP) in positiver oder negativer Weise moduliert werden (Firth u. Baxter 2002). Daneben wurden aber zusåtzlich IGF-unabhångige Wirkungen der IGFBP beschrieben. Die menschlichen IGFBP besitzen Molekulargewichte zwischen 24 kDa (IGFBP-4) und 40 kDa (IGFBP-3; im glykosylierten Zustand 43 kDa). Die dreidimensionale Struktur der IGFBP låsst sich aus der Aminosåuresequenz theoretisch vorhersagen. So lassen sich zwei durch eine Linkerregion getrennte globulåre terminale Domånen postulieren, die mæglicherweise sogar ein allen IGFBP gemeinsames IGF-Bindungsmotiv bilden. In der N- bzw. C-terminalen Domåne der sechs menschlichen IGFBP sind zehn bzw. sechs Cysteinreste konserviert, wåhrend im zentralen Bereich der IGFBP die Sequenz weder hoch konserviert noch reich an Cysteinresten ist. In verschiedenen Geweben und Kompartimenten werden definierte Muster an IGFBP exprimiert, und man geht davon aus, dass die IGFBP wichtige Determinanten fçr die gewebespezifischen Wir-
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A. Hoeflich et al.
kungen der IGF sind. Eine wichtige Funktion besteht darin, dass die IGFBP die Halbwertszeiten der IGF deutlich erhæhen. Wåhrend freies IGF im Serum eine Halbwertszeit von nur etwa 10 Minuten besitzt, betrågt diese im Komplex mit IGFBP 20±30 Minuten (Guler et al. 1989). IGFBP-3 und -5 assoziieren nach der Bindung von IGF zusåtzlich noch mit einer såurelabilen Untereinheit (ALS) zu 150 bzw. 130 kDa trimeren Komplexen (Martin u. Baxter 1986; Twigg et al. 1998). Im groûen Komplex gebundenes IGF besitzt mit 12±15 Stunden die långste Halbwertszeit. Die IGF kænnen unter diesen Bedingungen çber die Blutbahn im ganzen Kærper transportiert werden. Dadurch kænnen sie ihre Wirkung auch an einem anderen als dem Produktionsort entfalten, also endokrin wirken. Die Affinitåt der IGFBP fçr die IGF sowie deren biochemische Eigenschaften kænnen durch posttranslationale Modifikationen, z. B. durch Glykosylierung, Phosphorylierung oder Proteolyse individuell moduliert werden. Bei der proteolytischen Spaltung von IGFBP entstehen Fragmente mit verminderter Affinitåt fçr die IGF (Russo et al. 1999). Die IGF dissoziieren von diesen IGFBP-Fragmenten und kænnen çber den IGF-1R ihre Wirkung entfalten. Proteasen, wie z. B. Kallikrein in der Muttermilch, prostataspezifisches Antigen (PSA) im Seminalplasma, Matrixmetalloproteasen im Serum tråchtiger Ratten oder Cathepsine bei bestimmten pathologischen Prozessen spielen bei der Kontrolle der Bioverfçgbarkeit der IGF vermutlich wichtige Rollen. Fçr bestimmte IGFBP-Fragmente wie z. B. ein N-terminales IGFBP-5-Fragment wurden sogar IGF-unabhångige Effekte auf die Proliferation von Knochenzellen beschrieben (Andress et al. 1993). Von IGFBP-1, -3 und -5 sind auch phosphorylierte Formen bekannt (Hoeck u. Mukku 1994; Jones et al. 1993). Fçr IGFBP-3 wurde vermutet, dass die Phosphorylierung innerhalb der Zelle stattfindet, so dass bereits phosphorylierte Proteine sezerniert werden (Hoeck u. Mukku 1994). Die Phosphorylierung wirkt sich in einer Erhæhung der negativen Ladung aus und beeinflusst damit bestimmte biochemische Eigenschaften wie z. B. Affinitåt fçr IGF, Assoziation mit Zelloberflåchen oder Empfindlichkeit fçr proteolytische Spaltung. Fçr menschliches IGFBP-1, nicht aber fçr IGFBP-1 der Ratte, konnte gezeigt werden, dass es im phosphorylierten Zustand eine 6fach hæhere Affinitåt fçr IGF-1 besitzt (Jones et al. 1991). Interessanterweise wird in Såuglingen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht ein erhæhtes Verhåltnis von phosphoryliertem zu nichtphosphoryliertem IGFBP-1 gemessen, weshalb bestimmten
Phosphoisoformen von IGFBP-1 eine Rolle als Regulatoren des intrauterinen Wachstums zugeschrieben wurde (Kajantie 2003). IGFBP-3 bindet im phosphorylierten Zustand einerseits verstårkt an die Plasmamembran und besitzt auûerdem eine hæhere Affinitåt fçr IGF-1 (Mishra u. Murphy 2003). Dies kænnte einen Mechanismus darstellen, durch den IGF-1 in die Nåhe plasmamembranståndiger IGF-1R gebracht werden kann. Die intrazellulåre Phosphorylierung von IGFBP-3 wurde durch Blockierung der Proteinkinasen A und C gehemmt (Mishra u. Murphy 2003), was einen Hinweis darauf gibt, dass intrazellulåre Signalkaskaden an der Regulation von perizellulårem IGF-1 beteiligt sind. Allerdings gibt es auch gegenteilige Beobachtungen bezçglich der Affinitåt von phosphoryliertem IGFBP-3 fçr IGF-1 (Schedlich et al. 2003) bzw. fçr die Zellmembran (Coverley et al. 2000). Man kann deshalb vermuten, dass durch diese posttranslationale Modifikation zellspezifische Effekte von IGFBP ermæglicht werden. Die Phosphorylierung von IGFBP beeinflusst auch ihre biologische Halbwertszeit im Serum und in anderen biologischen Kompartimenten. IGFBP-1 ist z. B. im phosphorylierten Zustand resistenter gegençber proteolytischer Degradation. IGFBP-1 und IGFBP-3 bis -6 kænnen zusåtzlich noch in glykosylierter Form vorliegen (Conover et al. 1989; Conover u. Kiefer 1993; Bach et al. 1992). Die Funktion der Glykosylierung wurde ursprçnglich vor allem im Zusammenhang mit einem mæglichen Schutz vor proteolytischem Verdau untersucht. Hierbei hat sich gezeigt, dass Glykosylierung die Proteolyse von IGFBP-1 verringert (Conover 1991). Die Glykosylierung wirkt sich aber auch auf die Zellmembranbindung aus. Fçr IGFBP-3 und -6 konnte gezeigt werden, dass die Glykosylierung die Affinitåt der IGFBP fçr die Plasmamembran reduziert (Firth et al. 1999; Marinaro et al. 2000).
1.5.1.4.1 IGF-unabhångige Wirkungen der IGFBP Die IGFBP kænnen auf unterschiedliche Weisen an Zelloberflåchen binden. Hierbei sind vermutlich bestimmte Heparinbindungsdomånen von IGFBP-2, -3, -5 und -6 oder die RGD-Domånen von IGFBP-1 und -2 beteiligt (Parker et al. 1998; Fowlkes et al. 1997). IGFBP-1 interagiert çber seine RGD-Domåne mit a5b1-Integrinen und kann so die Zellproliferation und Zelladhåsion beeinflussen (Irving u. Lala 1995). IGFBP-2 ist vor allem in Tumorzellen oft deutlich erhæht, und eine aktive Beteiligung am malignen Wachstum wurde in verschiedenen Zellsyste-
a men dargestellt. Interessanterweise induziert IGFBP-2 die Expression von Genen, deren Produkte die Invasion von Tumorzellen færdern (Wang et al. 2003). Eines dieser Gene codiert fçr eine Matrixmetalloprotease (MMP-2), deren proteolytische Aktivitåt fçr das Durchbrechen der Basalmembran notwendig ist. Kçrzlich wurde ein neuartiges IGFBP-2-Bindungsprotein identifiziert und entsprechend seiner invasionshemmenden Eigenschaft als invasionsinhibitorisches Protein IIp45 benannt (Song et al. 2003). Mæglicherweise verhindert dieses Protein, dass sich IGFBP-2 an Integrine anlagert und so in das zellulåre Signaling eingreift. IGFBP-2 bindet aber auch an Proteoglykane (Russo et al. 1997) und avb3-Integrine (Pereira et al. 2004). Beide Rezeptoren sind relevant fçr die adhåsiven Eigenschaften der jeweiligen Zelle, dennoch ist die Konsequenz dieser Interaktion bislang ungeklårt. Interessanterweise kann IGFBP-2 sogar unter oxidativem Stress in den Zellkern translozieren, und man vermutet, dass IGFBP-2 im Zellkern stressadaptive Effekte ausçbt (Besnard et al. 2001). Fçr IGFBP-3 ist eine Vielzahl an IGF-unabhångigen Effekten beschrieben worden. So wurde z. B. fçr IGFBP-3, wie çbrigens auch fçr IGFBP-4 und -5, der TGF-b-V-Rezeptor als spezifischer Rezeptor postuliert (Leal et al. 1999). IGFBP-3 kann, wie auch IGFBP-5, in den Zellkern translozieren und dort eigene Effekte entfalten (Jaques et al. 1997). Auch in IGF-1R-defizienten Zellen wurden verschiedene IGF-unabhångige Effekte von IGFBP-3 bzw. IGFBP-3-Fragmenten beschrieben (Zadeh u. Binoux 1997; Lalou et al. 1996). Exogenes IGFBP-3 induziert die Apoptose durch einen IGF-unabhångigen Mechanismus, und es wurde gezeigt, dass die Expression von IGFBP-3 durch den Tumorsuppressor p53 induziert wird (Abschn. 1.5.3.7). In Brustkrebszellen wurde vermutet, dass IGFBP-3 die wachstumshemmenden Effekte von TGF-b1 oder Retinsåure vermittelt (Martin et al. 1992; Lippman et al. 1987). Fçr IGFBP-4 wurden bislang ausschlieûlich negative Effekte auf die Proliferation, Transformation und Invasion von Tumorzellen beschrieben (Ûbersicht: Zhou et al. 2003). IGFBP-4 kænnte in einem therapeutischen Kontext fçr die Behandlung von Tumoren interessant werden, weil neben negativen Effekten auf das IGF-abhångige Wachstum auch ein IGF-unabhångiger hemmender Effekt auf die Koloniebildung von Kolonkrebszellen in Methylzellulose beobachtet wurde (Diehl et al. 2004). Fçr IGFBP-5 wurde eine IGF-unabhångige Stimulation der Proliferation von Knochenzellen beschrieben (Andress 2001).
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
1.5.2 Funktionale Wachstumsanalyse 1.5.2.1 Transgene Tiermodelle Bislang konnten IGF-1 und -2 sowie allen IGFBP mit Hilfe transgener Tiermodelle spezifische Funktionen zugeordnet werden (Tabelle 1.5.1). IGF1-transgene Måuse weisen ab dem Alter von etwa 3 Wochen hæhere Gewichtszunahmen auf als ihre nichttransgenen Geschwister (Behringer et al. 1990). Am deutlichsten sind Muskeln, Gehirn, Niere und Pankreas von den Zunahmen betroffen. An IGF-1-transgenen Tiermodellen konnten aber auch protektive und hypertrophe Effekte vor allem in Muskelzellen nachgewiesen werden (Winn et al. 2002; Musaro et al. 2001). IGF-1 wird daher gegenwårtig in einem therapeutischen Kontext bei altersbedingtem Muskelschwund erærtert. Im Gegensatz dazu sind IGF-2-transgene Måuse nicht grundsåtzlich schwerer als ihre nichttransgenen Geschwister, und spezifische Effekte werden in Abhångigkeit vom Tiermodell in bestimmten Organen wie z. B. Nieren oder Nebennieren gefunden (Wolf et al. 1994, 1998). Ebenfalls modellabhångig wurde in einzelnen IGF-2-transgenen, nicht jedoch in IGF-1-transgenen Tiermodellen ein vermehrtes Auftreten von Tumoren festgestellt (Bates et al. 1995; Wolf et al. 1998). Daneben wurde eine ¹Signalwirkungª bei der Entstehung von Insulinomen im Pankreas von RIP-Tag-transgenen Måusen fçr IGF-2 postuliert (Christofori et al. 1994). Transgene Måuse, die IGF-2 in der glatten Muskulatur çberexprimierten, wiesen erhæhte Kærpergewichte und massiv verdickte Gefåûwånde auf, so dass eine zentrale Rolle fçr IGF-2 wåhrend der Arteriosklerose vermutet werden konnte (Zaina et al. 2002, 2003). Es existieren auch transgene Tiermodelle mit erhæhter Expression der verschiedenen IGF-Rezeptoren. So resultierte die lokale Expression des IGF-1R im Herzen von transgenen Måusen in vergræûerten Herzmuskelzellen und in einem erhæhten Herzgewicht (McMullen et al. 2004). Der hypertrophe Effekt des IGF-1R im Herzen war çber den PI3-Kinase-Weg blockierbar und wurde in einem therapeutischen Kontext bei Herzschwåche diskutiert. Bei der Ûberexpression einer læslichen Form des IGF-2R wurden in transgenen Måusen verminderte Organgewichte nachgewiesen (Zaina et al. 1998). In diesem Tiermodell konnte sogar ein IGF-unabhångiger Effekt des IGF-2R vermutet werden, weil das verminderte Organgewicht nicht durch zusåtzliches IGF-2 kompensiert werden konnte (Zaina u. Squire 1998).
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A. Hoeflich et al. Tabelle 1.5.1. Phånotypische Verånderungen in transgenen Tiermodellen mit erhæhter Expression von Komponenten des IGF-Systems. Nåhere Einzelheiten zu den Tiermodellen siehe Abschn. 1.5.2.1 (sIGF-2R: læsliche Form des IGF-2R) IGF-SystemKomponente
Effekt im Tiermodell
Referenz
IGF-1
Positive Effekte auf Kærpergewicht, Muskelmasse, Gehirn Hypertrophie und Regeneration von Muskelzellen
Behringer et al. 1990 Review: Winn et al. 2002
IGF-2
Positive Effekte auf Gewicht der Nieren, Nebennieren, Testes, Thymus, Haut Verdickte Gefåûwånde Positive Effekte auf Kærper- und Organgewichte Auftreten von Tumoren
Review: Wolf et al. 1998 Zaina et al. 2002 Zaina et al. 2003 Bates et al. 1995
IGF-1R
Vergræûerte Herzmuskelzellen
McMullen et al. 2004
sIGF-2R
Verminderte Organgewichte
Zaina et al. 1998
IGFBP-1
Reduzierte Kærper- und Organgewichte
Gay et al. 1997; D'Ercole et al. 1994 Rajkumar et al, 1996 a Rajkumar et al. 1996 b, c Wheatcroft et al. 2003
Verminderte Wurfgræûe Gestærte Glukosehomæostase Verminderter Blutdruck IGFBP-2 IGFBP-3
Reduzierte Kærper- und Organgewichte Verminderte Knochenvolumina Reduziertes Geburts- und Kærpergewicht, selektive Organomegalie, gestærte Glukosetoleranz, gestærte Involution der Milchdrçse
Hoeflich et al. 1999 Eckstein et al. 2002 Review: Silha u. Murphy 2002
IGFBP-4
Vermindertes Gewicht von Aorta, Magen und Harnblase, Muskelhypoplasie Wang et al. 1998 a Reduziertes Thymusgewicht Zhou et al. 2004 Reduzierte Kærper- und Organgewichte, gestærtes Knochenwachstum Zhang et al. 2003
IGFBP-5
Osteopenie Gestærte Involution der Milchdrçse Vermindertes Kærpergewicht, erhæhte perinatale Mortalitåt, reduzierte Wurfgræûe, gestærte Muskelentwicklung.
Devlin et al. 2002 Tonner et al. 2002 Salih et al. 2004
IGFBP-6
Vermindertes Kærpergewicht, gestærte Hirn-Entwicklung, massiv reduzierte Wurfgræûe
Bienvenue et al. 2004
IGFBP-transgene Måuse weisen bis auf wenige Ausnahmen einen wachstumsretardierten Phånotyp auf. IGFBP-1-transgene Måuse sind leichter als ihre nichttransgenen Wurfgeschwister und zeigen in Bezug auf Herz, Nieren und Gehirn deutliche Gewichtsverminderungen (Gay et al. 1997; D'Ercole et al. 1994). Die Wurfgræûe war in IGFBP-1transgenen Mauslinien negativ beeinflusst (Rajkumar et al. 1996a ). Im transgenen Tiermodell konnten fçr IGFBP-1 neben Effekten auf die Glukosehomæostase (Rajkumar et al. 1996 b, c) auch Effekte auf den Blutdruck (Wheatcroft et al. 2003) nachgewiesen werden. IGFBP-2-transgene Måuse weisen signifikante Verminderungen von Kærper- und Organgewichten auf. Insgesamt betrachtet war der Phånotyp von IGFBP-2-transgenen Måusen exakt umgekehrt im Vergleich zu IGF-1-transgenen Måusen (Hoeflich et al. 1999), weshalb IGFBP-2 als echter Antagonist der IGF-1-Wirkung gewertet wird. IGFBP-2 hat einen sehr deutlichen negativen Effekt auf das Kno-
chenwachstum (Eckstein et al. 2002). Wåhrend die Knochenlånge in IGFBP-2-transgenen Tieren nur proportional vermindert war, fanden sich drastisch reduzierte Knochenvolumina bzw. Knochenquerschnitte im Femur und in der Tibia. Hieraus wird eine geringe Beteiligung am Långenwachstum, aber eine markante Rolle fçr das periostale Knochenwachstum abgeleitet. Die Knochendichte erschien bei den IGFBP-2-transgenen Måusen erhæht, was allerdings nur auf die Volumenreduktion der untersuchten Knochen zurçckzufçhren war. Trotzdem gibt dieses Modell keinen Hinweis darauf, dass IGFBP-2 ursåchlich mit der Entstehung der Osteoporose in Verbindung stehen kænnte, was aus dem Befund erhæhter Serum-IGFBP-2-Konzentrationen in Patienten mit Osteoporose vermutet werden konnte. IGFBP-3-transgene Måuse zeigten in Abhångigkeit vom Tiermodell signifikante Kærpergewichtsverånderungen, erhæhte Gewichte von Herz, Leber und Milz, verminderte Wurfgræûe und gestærte Glukosetoleranz (Silha u. Murphy 2002).
a Die lokale Expression von IGFBP-4 in der glatten Muskulatur transgener Måuse resultierte in verminderten Gewichten von Aorta, Magen und Harnblase bei gleichzeitiger Muskelhypoplasie (Wang et al. 1998 a). In transgenen Måusen, die IGFBP-4 unter der Kontrolle des H-2Kb-Promotors exprimierten, fanden sich erhæhte IGFBP-4 Konzentrationen in der Milz, Niere, Lunge und im Thymus (Zhou et al. 2004). Eine Gewichtsreduktion wurde jedoch lediglich im Thymus nachgewiesen. Das verminderte Thymusgewicht war auf eine erhæhte Apoptoserate wie auch auf eine Hemmung der Zellproliferation durch die IGFBP-4-Ûberexpression zurçckzufçhren. Trotz der sehr klaren Effekte auf das Wachstum im Thymus konnte kein spezifischer Einfluss auf die Entwicklung von T-Zellen nachgewiesen werden. IGFBP-4 und IGFBP-5 sind die wichtigsten IGFBP im Knochenmetabolismus, und es wurde vermutet, dass beide antagonistische Funktionen ausçben, wobei IGFBP-4 einen negativen Einfluss ausçbt und IGFBP-5 Knochenwachstum stimuliert. Im transgenen Tiermodell konnte diese Rolle von IGFBP-4 (Zhang et al. 2003), nicht aber die von IGFBP-5 beståtigt werden (Devlin et al. 2002). In IGFBP-5-transgenen Måusen wurde vermindertes trabekulåres Knochenvolumen und eine gehemmte Aktivitåt und Funktion der Osteoblasten sowie eine Osteopenie nachgewiesen. Ein negativer Effekt von IGFBP-5 darf auch wåhrend der Involution der Milchdrçse vermutet werden, wo groûe Mengen an IGFBP-5 nachgewiesen wurden (Tonner et al. 1997). Diese Vermutung konnte im transgenen Tiermodell beståtigt werden (Tonner et al. 2002). In der Milchdrçse IGFBP-5-transgener Måuse wurden eine verzægerte Entwicklung, reduzierte Zellzahlen, erhæhte Caspase-3-Konzentrationen und verminderte Konzentrationen von BCL-2 und BCLX(L) gemessen. Somit konnte in diesem Modell eine aktive Beteiligung von IGFBP-5 wåhrend der Involution der Milchdrçse postuliert werden. In einem weiteren IGFBP-5-transgenen Tiermodell wurden negative Effekte auf Kærpergewicht, Wurfgræûe und Muskelentwicklung nachgewiesen (Salih et al. 2004). In IGFBP-6-transgenen Måusen mit erhæhter Transgenexpression im ZNS wurden erhæhte Serum-IGFBP-6-Konzentrationen gemessen (Bienvenu et al. 2004). In diesem Tiermodell konnte ein vermindertes Kærpergewicht, eine gestærte Hirnentwicklung sowie eine massiv reduzierte Wurfgræûe (bis 66%) festgestellt werden.
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
1.5.2.2 Knock-out-Modelle Die Funktionen von IGF und IGF-Rezeptoren fçr das Wachstum und die Entwicklung wurden in Knock-out-Måusen aufgeklårt (DeChiara et al. 1990; Baker et al. 1993; Liu et al. 1993). Igf1- und igf2Knock-out-Måuse weisen schwere Wachstumsdefizite auf, die schon vor der Geburt auftreten, und kommen mit 60% bzw. 40% vermindertem Kærpergewicht zur Welt. Die igf2-Knock-out-Måuse entwickeln sich nach der Geburt normal weiter, allerdings ohne das verminderte Gewicht aufzuholen. Damit wurde IGF-2 als fætaler Wachstumsfaktor identifiziert. Igf1-Knock-out-Måuse entwickeln sich nach der Geburt nur zægerlich und weisen eine hohe perinatale Sterblichkeit auf, ein Hinweis auf die Bedeutung von IGF-1 als prå- und postnataler Wachstumsfaktor. Igf1r-Knock-out-Måuse kommen ebenfalls mit starken Wachstumsdefiziten (45% des Kærpergewichtes von Kontrollen) zur Welt und sind nach der Geburt nicht lebensfåhig. Im Gegensatz dazu besitzen igf2r-Knock-out-Måuse ein erhæhtes Geburtsgewicht (etwa 135% der Kontrollen, vgl. Wang et al. 1994; Ludwig et al. 1996). Das erhæhte Geburtsgewicht in igf2r-Knock-out-Måusen wird dadurch erklårt, dass der IGF-2R den lysosomalen Abbau von IGF-2 vermittelt. Durch den fehlenden Abbau kommt es zu erhæhten Serum-IGF-2-Konzentrationen (Abschn. 1.5.1.3). Knock-out-Måuse, in denen das igf1-Gen und zusåtzlich das Growthhormone-Rezeptor-Gen (ghr) inaktiviert wurde (Lupu et al. 2001), wiesen weitaus ausgeprågtere Wachstumsdefizite auf als jeweils einfach defiziente Linien. Das Kærpergewicht betrug mit 5 g nur noch 17% von dem nichttransgener Geschwister. Damit war gezeigt, dass das postnatale Wachstum von zwei unabhångigen Signalkaskaden çber den IGF-1R und çber den GH-Rezeptor gleichzeitig stimuliert wird. Interessanterweise konnten die Funktionen der IGFBP durch den Knock-out-Ansatz nicht aufgeklårt werden. Dies ist wohl darauf zurçckzufçhren, dass in Einzel- oder Mehrfach-igfbp-Knockout-Experimenten die noch vorhandenen IGFBP deutlich hochreguliert wurden und aufgrund der funktionellen Redundanz der IGFBP kaum phånotypische Auswirkungen beobachtet werden konnten. Effekte auf das Wachstum wurden nur bei månnlichen igfbp2-Knock-out-Måusen beschrieben, die ein vermindertes Milzgewicht und ein erhæhtes Lebergewicht aufwiesen (Wood et al. 1993, 2000). Im Falle der IGFBP kænnte eine Analyse ihrer Funktionen in vivo wahrscheinlich nur durch die Etablierung von Mausmodellen erfolgen, in denen såmtliche Bindungsproteine inaktiviert sind.
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A. Hoeflich et al.
1.5.3 Wachstumskontrolle durch das IGF-System 1.5.3.1 Signalçbertragung durch den IGF-1-Rezeptor In einer aktuellen Arbeit konnte gezeigt werden, dass intrauterines und postnatales Wachstum beim Menschen durch die Expressionsrate des IGF-1R reguliert werden kann (Abuzzahab et al. 2003). Der IGF-1R aktiviert direkt drei verschiedene Signalkaskaden (Abb. 1.5.2), wobei mindestens fçnf unterschiedliche Proteinfamilien beteiligt sind (Frattali u. Pessin 1993; Wilden et al. 1989): 1. GRB-Proteine (¹growth factor receptor boundª) besitzen SH2(SRC-Homologie 2)- und SH3-Domånen. GRB2 bindet nicht direkt an den IGF-1R, sondern vermittelt Signale zwischen SHC (¹SH containingª), SOS (¹son of sevenlessª) und RAS (¹rat sarcomaª) und ist damit an der Kontrolle von Zellproliferation und Apoptose beteiligt (Sasaoka et al. 1994). Ver-
Abb. 1.5.2. IGF-1R-induzierte Signalkaskaden. IGF-1 und -2 kænnen çber den IGF-1-Rezeptor mindestens drei unterschiedliche Signalkaskaden aktivieren. Ûber den Mitogenaktivierten Proteinkinase(MAPK)-Weg werden vor allem mitogene Signale vermittelt, wåhrend çber den Phosphoinositol-3-Kinase(PI-3K)-Weg besonders das Ûberleben, die Lebenserwartung sowie die Zellgræûe kontrolliert werden. Ûber den p38/Jun-Kinase(JNK)-Signal-Weg kann unter chronischem oder akuten Stress der programmierte Zelltod (Apoptose) kontrolliert werden. Unterschiedliche IGF-1-Rezeptor-induzierte Signalkaskaden kontrollieren Zellzahl und Zellgræûe. Abkçrzungen: SHC: SH2-containing collagen-related protein, GRB2: growth factor receptor bound protein 2;
schiedene Spleiûvarianten von GRB10 treten direkt mit dem IGF-1R in Wechselwirkung und vermitteln Signale, die ebenfalls fçr die Zellproliferation relevant sind (Morrione et al. 1996). 2. SHC-Proteine enthalten eine SH2-Domåne sowie eine Bindungsstelle fçr andere SHC-Proteine. SHC-Proteine werden durch den aktivierten IGF-1R phosphoryliert und kænnen erst dann an GRB2 binden (Sasaoka et al. 1994). SHC kann in mehreren Spleiûvarianten vorkommen, die alle N-terminal eine Phosphotyrosin-Bindungsdomåne (PTB) tragen. 3. IRS-Proteine (Insulinrezeptorsubstrat) besitzen mehrere PTB- und PH(Pleckstrin-Homologie)Domånen sowie eine Reihe von Tyrosinresten, die mit den SH-Domånen interagieren kænnen. Bislang sind vier verschiedene IRS-Varianten bekannt (IRS-1 bis -4, Sun et al. 1995). IRS-1 und -2 treten mit bestimmten Regionen des IGF-1R in Wechselwirkung (He et al. 1996), wohingegen IRS-3 und -4 mit dem Insulinrezeptor interagieren. IRS-1 bis -4 binden eine Vielzahl unterschiedlicher Proteine und sind in die Re-
SOS: son of sevenless guanine nucleotide exchange factor, RAS: rat sarcoma oncogene, RAF: serine/threonine protein kinase, ERK: extracellular signal-regulated kinase, MEK: MAP/ERK-Kinase, IRS: insulin receptor substrate, SEK: stress activated protein kinase/ERK-Kinase (Synonym: JNKKinase), JNK: jun N-terminal kinase, PTEN: phosphatase and tensin homologue deleted on chromosome 10, PDK: phosphoinositide dependent kinase, p70S6K: small subunit ribosomal protein kinase, mTOR: mammalian target of rapamycin, PKB/Akt: Proteinkinase B, BAD: B-cell leukemia/lymphoma-2 (BCL-2) antagonist of death, FKHR: forkhead in rhabdomyosarcoma; GSK: Glykogensynthasekinase
a gulation von Wachstum und Stoffwechsel involviert. Irs1-Knock-out-Måuse sind stark wachstumsretardiert (Tamemoto et al. 1994), wåhrend irs2-Knock-out-Måuse einen Diabetes mellitus Typ 2 entwickeln (Kubota et al. 2000). 4. CRK(¹CT10 regulator of kinaseª)-Proteine kænnen çber ihre SH2- und SH3-Domånen an SOS oder IRS binden. CRK-II kann auch direkt an den IGF-1R binden. IGF-1 stimuliert die Phosphorylierung von CRK-II (Beitner-Johnson et al. 1996), welches dann die mitogene RAS-/Raf-/ mitogen aktivierte Proteinkinase(MAPK)-Kaskade aktiviert. 5. p85 ist die regulatorische Untereinheit der Phosphatidylinositol-3-Kinase und bindet sowohl an IGF-1R als auch an IRS-1 oder -2 (Lamothe et al. 1995).
1.5.3.2 Wachstumskontrolle: Endokrine versus parakrine Regulation Nach der ursprçnglichen ¹Somatomedinhypotheseª vermittelt das Wachstumshormon (GH) seine Wachstumseffekte nicht direkt, sondern stimuliert die Expression und Sekretion von IGF-1 in der Leber, welches dann als endokriner Wachstumsfaktor wirksam wird. Die ursprçngliche Hypothese wurde im Jahre 1957 formuliert (Salmon u. Daughaday 1957), wurde zwischenzeitlich aber mehrfach modifiziert (LeRoith et al. 2001; LeRoith 2003). Es wurde bald klar, dass IGF-1 nicht nur in der Leber gebildet wird und dass GH die Expression von IGF-1 in einer Reihe von Organen stimuliert (Isaksson et al. 1982). Hieraus ergab sich die erste Modifikation der originalen Somatomedinhypothese. Man war zwischenzeitlich der Auffassung, dass einerseits IGF-1 aus der Leber und andererseits lokal gebildetes IGF-1 endokrin bzw. autokrin/parakrin das Wachstum stimulieren kann. Zusåtzlich wurden auch IGF-unabhångige GH-Wirkungen nicht ausgeschlossen (Isaksson et al. 1987). Durch die Etablierung von transgenen Måusen, deren igf1-Gen in der Leber inaktiviert ist (Sjogren et al. 1999; Yakar et al. 1999), wurde bewiesen, dass die Leber die Hauptquelle fçr IGF-1 im Blutstrom ist. Die transgenen Måuse hatten deutlich verminderte Serum-IGF-1-Konzentrationen. Aber vollkommen unerwartet waren diese Måuse ebenso groû wie ihre nichttransgenen Geschwister. Somit schien das in der Leber synthetisierte IGF-1 keinen Effekt auf das Wachstum zu haben, womit die ursprçngliche Somatomedinhypothese widerlegt wåre. Die Måuse mit gewebespezifischem igf1-Knock-out in der Le-
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
ber wiesen vierfach erhæhte Seruminsulinkonzentrationen auf und entwickelten eine Insulinresistenz im Muskelgewebe. Daher wird vermutet, dass die IGF-1-Bildung der Leber in die Regulation des Stoffwechsels, nicht aber in die des Wachstums eingreift. Es muss allerdings angemerkt werden, dass im obigen Modell erhæhte Serum-GH-Konzentrationen und in einigen Geweben auch erhæhte IGF-1-Konzentrationen gemessen wurden, die die reduzierten Serum-IGF-1-Spiegel kompensieren kænnten. Die Ergebnisse aus diesem Tiermodell mçssen somit kritisch betrachtet werden. Fçr die funktionale Wachstumsanalyse eignen sich neben genetisch manipulierten Tiermodellen aber auch solche, die çber einen långeren Zeitraum (50±60 Generationen) durch divergente Selektion auf hohes oder niedriges Kærpergewicht etabliert wurden. In solchen divergent selektierten Tiermodellen låsst sich untersuchen, welche der grundsåtzlich mæglichen Regulationsprinzipien tatsåchlich bei unterschiedlichem Wachstum wirksam sind. Darçber hinaus kann durch den Vergleich von mehreren unabhångig voneinander etablierten divergent auf Wachstum selektierten Måuselinien ermittelt werden, ob jeweils gemeinsame Genexpressionsmuster mit hohem bzw. niedrigem Wachstum assoziiert sind oder ob es grundlegend verschiedene Genexpressionsmuster gibt, die mit dem Wachstum korreliert werden kænnen. In vier unabhångigen divergent wachstumsselektierten Mausmodellen waren hohe Serum-IGF-1-Konzentrationen mit hohem Kærperwachstum assoziiert (Hoeflich et al. 2004). Daher kann aus diesen Tiermodellen auf eine wichtige Funktion von endokrinem IGF-1 geschlossen werden.
1.5.3.3 Kontrolle von Zellzahl und Zellgræûe Wachstum wird durch die Kontrolle von Zellzahl und/oder Zellgræûe erreicht (Potter u. Xu 2001). Von entscheidender Bedeutung ist, dass Zellen zuerst wachsen, also ihre åuûeren Dimensionen vergræûern, bevor sie sich teilen (Conlon u. Raff 1999). Damit ist das Græûenwachstum in zweierlei Richtungen bedeutsam: Erstens schafft es die Voraussetzung fçr jegliche Entwicklung çberhaupt und steht noch vor der Zellteilung, und zweitens ist die Zellgræûe charakteristisch fçr einen bestimmten Zelltyp. Die fçr das Wachstum zentrale Rolle nimmt GH ein, weil GH das Wachstum direkt çber den eigenen GH-Rezeptor, aber auch indirekt çber IGF-1 und IGFBP beeinflusst. Eine ganze Reihe von wachstumsrelevanten Genen kon-
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trolliert die Expression von GH (prop1, pit1, ghrh, ghrhr). Mutationen in diesen Genen konnten bei verschiedenen wachstumsretardierten Mauslinien identifiziert werden (Ames-Maus: prop1, SnellMaus: pit1; Laron-Maus: ghr, lit/lit-Maus: ghrhr; siehe hierzu auch Kap. 1.4). Echte Wachstumseffekte werden zusåtzlich aber auch durch andere Gene, wie z. B. den Schilddrçsenhormonrezeptor a (thra) oder das High-mobility-group-Protein (hmgic), ausgeçbt. Viele andere Gene, deren Knock-out sich in Wachstumsdefiziten auswirkte, besitzen jedoch lediglich indirekte Effekte auf das Wachstum (Efstratiadis 1998). Wachstum wird zusåtzlich auch durch inhibitorische Faktoren kontrolliert (IGFBP, IGF-2R, SOCS-2, GRB10 oder p27KIP1). Bei den GH/IGF-induzierten Signalkaskaden unterscheidet man IGF-1R- und GH-Rezeptor-vermittelte Signalkaskaden. IGF-1R vermittelt den græûten Teil der IGF-Wirkungen. Nach der Ligandenbindung an die extrazellulåre a-Untereinheit wird çber eine Konformationsånderung eine Autophosphorylierung der b-Untereinheit innerhalb der Zelle induziert. Hiernach kænnen unterschiedliche Signalkaskaden in Gang gesetzt werden: der
Abb. 1.5.3. Die Kontrolle der Zellgræûe. Zellgræûen werden çber den Phosphoinositol-3-Kinase(PI-3K)-Weg sowohl durch Wachstumsfaktoren als auch durch den Ernåhrungszustand kontrolliert. Die trophischen Effekte der Wachstumsfaktoren IGF-1 und -2 bzw. Insulin werden çber den PI3K-Weg vermittelt. Hierbei kann AKT auch den Nåhrstoffsensor ¹mammalian target of rapamycinª (mTOR) direkt aktivieren, wodurch eine Konvergenz trophischer und metabolischer Signale erfolgt (Weitere Abkçrzungen: IRS: insulin receptor substrate, PTEN: phosphatase and tensin homologue deleted on chromosome 10, PDK: phosphoinositide dependent kinase, AKT/PKB: Proteinkinase B, p70S6K: small subunit ribosomal protein kinase, eIF-4 E: eukaryotic initiation factor 4E, 4E-BP1: eIF-4E binding protein. (Mod. nach Coelho u. Leevers 2000)
p44/42-MAPK-Weg, der p38-MAPK-Weg und der PI3-Kinase-Weg (Abb. 1.5.2). Fçr die MAPK-Wege wurden bislang ausschlieûlich Effekte auf die Zellzahl, nicht jedoch auf die Zellgræûe nachgewiesen. Fçr den PI3-Kinase-Weg wurden positive Effekte auf Zellzahl und Zellgræûe beschrieben (Coelho u. Leevers 2000). Im Einzelnen konnten den jeweiligen Komponenten des PI3-Kinase-Weges (IRS-1, PTEN, TSC1/TSC2, PI3-Kinase, PDK-1, AKT, mTOR, S6-Kinase, 4EBP) in unterschiedlichen Modellen spezifische Effekte auf die Zellgræûe zugewiesen werden (Abb. 1.5.3). Daneben kontrolliert aber auch der Ernåhrungszustand çber mTOR die Zellgræûe. Somit unterliegt das Græûenwachstum der multiplen Kontrolle durch Wachstumsfaktoren und das Nåhrstoffangebot. Ob den einzelnen Komponenten des PI3-Kinase-Weges eine alleinige Wirkung auf die Zellgræûe oder zusåtzlich auch auf die Zellzahl kommt, hångt sicherlich vom jeweiligen Zelltyp ab. So konnte z. B. in Zona-fasciculataZellen der Nebennierenrinde gezeigt werden, dass PDK-1 ausschlieûlich die Zellgræûe, nicht aber die Zellzahl kontrolliert (Lawlor et al. 2002). Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass in diesem Gewebe bei GH-çberexprimierenden transgenen Måusen sowohl Zellzahl als auch Zellgræûe erhæht war (Hoeflich et al. 2002). Interessanterweise konnte IGFBP-2 den Effekt von GH teilweise aufheben: In Måusen, die sowohl IGFBP-2 als auch GH çberexprimieren, wurde der durch GH induzierte hypertrophe Effekt, nicht aber der hyperplastische Phånotyp vollkommen aufgehoben. Das bedeutet, dass IGFBP-2 die Zellgræûe normalisierte, nicht aber die Zellzahl. Die Komponenten des PI3-Kinase-Weges und ihre Funktion fçr das Græûenwachstum sind in der Evolution hoch konserviert und lassen sich in Saccharomyces cerevisiae, Drosophila melanogaster oder Mus musculus nachweisen. Einzelne Gene, wie die S6-Kinase (S6k), steuern die Synthese von Proteinen aus dem Translationsapparat, womit die fçr das Wachstum notwendigen Syntheseleistungen garantiert werden. Ein besonderer Mechanismus wird fçr IRS-1 vermutet: IRS-1 transloziert nach IGF-1-Stimulation bzw. auch nach Bindung mit SV40-T-Antigen in den Zellkern (Baserga et al. 2003). Dort låsst es sich in den Nukleoli nachweisen, wo es an den ¹upstream binding factorª (UBF) bindet. UBF reguliert die RNA-Polymerase I, welche wiederum fçr die Synthese der rRNA und damit fçr das Wachstum unverzichtbar ist. Damit ist eine weitere Verbindung zwischen dem IGF-1R-Signal-Weg und dem Wachstum etabliert.
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1.5.3.4 Malignes Wachstum Ein wesentlicher Mechanismus der malignen Entartung besteht darin, dass sich eine Tumorzelle eigenståndig proliferativ aktivieren kann (autokrine Regulation). An der Etablierung eines solchen autokrinen Systems ist das IGF-System håufig beteiligt. Eine entscheidende Funktion kommt sicherlich dem IGF-1R zu. Sein onkogenes Potential låsst sich dabei auf drei Bereiche aufteilen: antiapoptotische, transformierende, und wachstumsstimulierende Eigenschaften (Baserga et al. 1997). Der antiapoptotische Effekt des IGF-1R beruht auf einer Regulation der Aktivitåt zentraler Elemente der Apoptose. Ûber den IGF-1R kann ein Signal ausgelæst werden, das indirekt die Aktivitåt der Caspase-3, einem Schlçsselenzym der Apoptose, hemmt (Wang et al. 1998 b). Umgekehrt hemmen Tumorsuppressorgene wie WT-1 und vor allem p53, die bekanntermaûen proapoptotische Eigenschaften besitzen, die Transkription des IGF-1R (Ohlsson et al. 1998). Der IGF-1R kann unter bestimmten Bedingungen eine Zelle transformieren, er stellt also ein potentielles Onkogen dar. Die Fåhigkeit, in semisolidem Medium (Methylzellulose, Softagar) zu wachsen, ist eine Eigenschaft, die ausschlieûlich transformierte Zellen besitzen. Durch Ûberexpression des IGF-1R konnten normale Fibroblasten ¹transformiertª werden: Sie bildeten Kolonien in Softagar und verursachten Tumoren in immundefizienten Tieren (Kaleko et al. 1990). Øhnliche Effekte lassen sich durch die konstitutive Aktivierung des IGF-1R erzeugen. Diese transformierenden Eigenschaften sind nicht auf das IGFSystem beschrånkt, sondern sie sind auch von anderen Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren bekannt. Allerdings geht die Rolle des IGF-1R çber die Transformation hinaus. Fibroblasten aus igf1r-Knock-out-Måusen sind resistent gegençber dem transformierenden Effekt viraler Proteine (SV40 T-Antigen), Onkogene (Ras) oder Wachstumsfaktoren (¹epidermal growth factorª, EGF; ¹platelet-derived growth factorª, PDGF; Sell et al. 1993; Coppola et al. 1994). Eine direkte Beteiligung IGF-1R-vermittelter Signale an transformierenden Ereignissen ergibt sich durch die nachgewiesene Interaktion von IRS-1- und SV40 T-Antigen. Weiterhin konnte durch spezifische Antisense-Strategien und die Expression dominant-negativer IGF1R-Konstrukte der transformierte Phånotyp revertiert werden (Burgaud et al. 1995; D'Ambrosio et al. 1996). Durch die Expression einer Kinase-defizienten IGF-1R-Variante konnte selbst in Gegenwart von intaktem IGF-1R in vitro und in vivo das
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
Tumorzellwachstum gehemmt werden (Kalebic et al. 1998). Diese Experimente zeigen deutlich, dass die Expression eines funktionellen IGF-1R zur Aufrechterhaltung des malignen Phånotyps nætig ist. Trotz dieser Bedeutung gibt es Situationen, in denen eine Transformation auch ohne einen funktionellen IGF-1R mæglich ist (Valentinis et al. 1997). Der IGF-1R ist ubiquitår auf fast jeder Zelle exprimiert, also auch auf Tumorzellen. Dadurch kænnen exogene IGF das Wachstum neoplastischer Zellen stimulieren. In vielen Fållen sind Tumorzellen allerdings von der exogenen Zufuhr der IGF unabhångig. Sie exprimieren endogen IGF-1 (z. B. Pankreas- und Lungenkrebszellen; Macaulay et al. 1990) oder IGF-2 (z. B. Kolonkarzinom- und Brustkrebszellen; Lahm et al. 1994). Durch die gleichzeitige Expression des IGF-1R kænnen maligne Zellen ihr Wachstum selbst stimulieren, ein Phånomen, das man als autokrine Stimulation bezeichnet.
1.5.3.5 Regulation des Zellzyklus durch das IGF-System Die Peptidhormone IGF-1 und -2 kænnen abhångig vom Zelltyp unterschiedliche Signalkaskaden aktivieren (Abschn. 1.5.3.1). Durch die Aktivierung bestimmter Signalkaskaden wird der Zellzyklus kontrolliert. Auch hierbei finden sich hoch spezifische Regulationsprinzipien durch IGF-1 bzw. IGF-2. Der Zellzyklus gliedert sich in vier unterschiedliche Phasen. Wåhrend der G1-Phase (Gap-Phase) findet vor allem die Synthese der Ribosomen statt, die fçr die enormen Syntheseleistungen wåhrend der Zellteilung notwendig sind. In nicht teilungsaktiven (quieszenten) Zellen kann die G1-Phase långer oder auf Dauer anhalten, in diesem Fall wird die G1-Phase auch als G0-Phase bezeichnet. Am Ende der G1-Phase ist die Zelle vorbereitet fçr die sich anschlieûende Synthesephase (S). Wåhrend der S-Phase findet die DNA-Synthese und die Chromosomenreplikation statt. Es folgt eine kurze Pause (G2-Phase), nach der die Mitose stattfindet (M-Phase). Der Ûbergang von der G1- zur S-Phase ist durch einen sog. Restriktionspunkt (R-Punkt) gekennzeichnet. Wenn dieser Punkt çberschritten ist, kann die Progression des Zellzyklus nicht mehr rçckgångig gemacht werden. Der G1/S-Ûbergang ist sowohl durch stimulatorische als auch durch inhibitorische Faktoren strikt kontrolliert. Das IGF-System spielt bei der Regulation des Zell-
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zyklus an unterschiedlichen Positionen eine wichtige Rolle (Ûbergang G0/G1, G1/S und G2/M). G0/G1-Ûbergang. Fçr die Synthese der Ribosomen ist die Aktivierung des ribosomalen Proteins S6 notwendig. Dieses Protein wird durch die p70S6-Kinase aktiviert. Es ist bekannt, dass IGF-1 çber den AKT-Signalweg die p70S6-Kinase aktivieren kann (Kuemmerle 2003). G1/S-Ûbergang. Hierbei ist zunåchst die Synthese von D-Cyclinen (Cyclin D1, D2, D3) notwendig, die mit CDK4/6 assoziieren. Der Cyclin-D-CDK4/ 6-Komplex hyperphosphoryliert das Retinoblastoma-Genprodukt (Rb). Die Hyperphosphorylierung von Rb wiederum resultiert in der Freisetzung des gebundenen Transkriptionsfaktors E2, der dann die Genexpression von Cyclin E induziert. Cyclin E bindet an CDK2, worauf der G1/S-Ûbergang erfolgen kann. Als hemmende Faktoren fçr den G1/SÛbergang der CDK-Inhibitoren (CDKI) wurden vier Mitlieder der INK4-Familie (p15, p16, p18 und p19) sowie drei Mitglieder der CIP/KIP-Familie (p21, p27 und p57) identifiziert. Die hemmende Wirkung dieser CDKI besteht darin, dass diese Proteine CDK2, -4 bzw. -6 binden und damit deren Assoziation mit den Cyclinen D bzw. -E verhindern. Interessanterweise wird gerade Cyclin D als erstes Glied der Aktivierungskaskade des G1/S-Ûbergangs durch IGF-1 in unterschiedlichen Zelltypen (Muskel-, Knochen- und Epithelzellen) induziert (Kuemmerle et al. 2004). Allerdings erfolgt die Aktivierung je nach Zelltyp çber den PI3-Kinase-Weg oder çber den MAPK-Weg. Als Mechanismus der Aktivierung wurden erhæhte Genexpression, erhæhte Translation bestehender mRNA-Transkripte, erhæhte Stabilitåt der Cyclin-D1-mRNA-Transkripte sowie nukleåre Translokation durch IGF-1 bzw. -2 beschrieben. Damit stehen fçr die Aktivierung des G1/S-Ûberganges unterschiedliche Ebenen zur Verfçgung. Die Cycline D1 und D2 werden unter der Kontrolle des Transkriptionsfaktors FKHR transkribiert (Ramaswamy et al. 2002). Weil FKHR selbst durch den PI3-Kinase-Weg reguliert wird, kann eine vollståndige Signalkaskade vom IGF-1R bis zur Expression von Cyclin D1 und D2 beschrieben werden. Neben dem positiven Einfluss auf die stimulatorischen Faktoren des G1/S-Ûbergangs wirken die IGF auch auf der Ebene der inhibitorischen CDKI. So wurde gezeigt, dass der IGF-induzierte AKTSignal-Weg dazu fçhrt, dass p27 via FKHR vermindert exprimiert bzw. nach vorangegangener
Phosphorylierung degradiert wird (Medema et al. 2000). Damit ist klar gezeigt, dass das IGF-System einen wichtigen Einfluss auf die Progression des Zellzyklus hat. S/G2-Ûbergang. Eine Beteiligung des IGF-Systems am Ûbergang in die S-Phase ist weit weniger gut belegt und basiert auf einzelnen Befunden. So wurde in Zellen aus igf-Knock-out-Måusen eine deutlich verlångerte G2-Phase und ein Einfluss von IGF-1 auf die Expression von Cyclin A und B nachgewiesen, die beim Ûbergang von S zu G2 sowie von G2 zu M eine Rolle spielen (Adesanya et al. 1999).
1.5.3.6 Antiapoptotische Effekte des IGF-1R Der programmierte Zelltod wird bei Serumentzug, der Verabreichung von Chemotherapeutika, bei massivem Stress durch Umweltfaktoren mit nachfolgenden DNA-Schåden, oder wenn sich eine Zelle vom Untergrund gelæst hat (Anoikis), eingeleitet. Es hat sich gezeigt, dass die Stimulation des IGF-1R sehr effizient den programmierten Zelltod verhindern kann. Der Mechanismus zum Ûberleben der jeweiligen Zellen ist weit weniger gut untersucht. Grundsåtzlich kænnen die antiapoptotischen Effekte durch unterschiedliche Signalkaskaden vermittelt werden. Neben dem MAPK-Weg und dem p38-MAPK-Weg (Galvan et al. 2003) ist vor allem der PI3-Kinase-Weg relevant. Interessanterweise kann BAD, ein proapoptotisches Mitglied der BCL-Familie, sowohl çber den PI3-Kinase-Weg als auch çber den MAPK-Weg phosphoryliert und damit inaktiviert werden (Gilmore et al. 2002). Diese Inaktivierung konnte in Brustkrebszellen durch Blockierung des EGF-Rezeptors verhindert werden, womit auch bei der Kontrolle der Apoptose funktionale Interaktionen existieren (Abschn. 1.5.4.2). Eine zentrale Rolle bei der Vermittlung antiapoptotischer Signale spielt AKT (Franke et al. 2003; Hutchinson et al. 2001; Nicholson u. Anderson 2002). AKT wird durch PDK-1 (innerhalb des PI3-Kinase-Weges), aber auch durch andere Proteine (ILK) aktiviert. AKT wiederum inaktiviert eine ganze Reihe proapoptotischer Molekçle (FKHR, Caspase 9, BAD, GSK-3b; Bai et al. 1999; Brunet et al. 1999). Auf der anderen Seite resultiert die Aktivierung von AKT in der verstårkten Expression von antiapoptotischen Proteinen (NF-jB, BCL-2, BCL-X; Leverrier et al. 1999; Heck et al. 1999). Interessanterweise vermittelt p21, ein klassisches
a Mitglied der CDK-Inhibitoren (Abschn. 1.5.3.5), auch antiapoptotische Effekte von IGF-1 (Dupont et al. 2003; Murray et al. 2003). Die Aktivierung von p21 durch IGF-1 und der daraus resultierende antiapoptotische Effekt werden çber den PI3-Kinase-Weg vermittelt (Murray et al. 2003). Ûber die Konsequenz der p21-Aktivierung mittels PI3-Kinase-Weg gibt es widersprçchliche Ergebnisse, und es gibt auch Berichte çber negative Effekte auf die Zellproliferation, die durch IGF-1/PI3-K/p21 vermittelt werden (Kodama et al. 2002). Durch die IGF-abhångige Aktivierung des p38-Wegs kann die Degradation des Tumorsuppressorgens p53 eingeleitet werden, womit ein weiterer Signalweg antiapoptotische Effekte von IGF-1 verarbeitet (HeronMilhavet u. LeRoith 2002). Die Rolle des c-JunN-terminale-Protein-Kinase(JNK)-abhångigen Signalwegs ist ambivalent, weil von JNK sowohl proapoptotische (Javelaud u. Besancon 2002) als auch antiapoptotische Signale (Hess et al. 2002) ausgehen. Somit ist es verståndlich, dass IGF-1 einerseits JNK-aktivierte proapoptotische Signale verhindern kann (Okubo et al. 1998) bzw. çber JNK antiapoptotische Effekte induziert. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass IGF-1-abhångige Signalkaskaden çber JNK auch apoptotische Wirkungen haben kænnten.
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
ne Kontrolle der pro- und antiapoptotischen Proteine BAD und Bax diskutiert (Rajah et al. 2002). Es gibt aber auûerdem eine ganze Reihe an mæglichen Mechanismen, durch die IGFBP-3 theoretisch in intrazellulåre Signalprozesse eingreifen kann. So wurde gezeigt, dass IGFBP-3 auûerhalb der Zelle mit dem TGF-b-V-Rezeptor (Leal et al. 1999) und innerhalb der Zelle mit dem nukleåren Retinsåurerezeptor (RXRa; Liu et al. 2000) oder mit dem Onkogen E7 interagieren (Mannhardt et al. 2000) kann; die Bedeutung dieser Interaktionen ist jedoch immer noch unklar.
1.5.4 Interaktionen des IGF-Systems mit anderen Wachstumsfaktoren Es wird immer klarer, dass die Wirkungen der unterschiedlichen Wachstumsfaktoren nicht isoliert betrachtet werden kænnen, sondern im Kontext der jeweiligen Zelle gesehen werden mçssen. Eine Zelle exprimiert neben dem IGF-1R gleichzeitig eine Vielzahl weiterer Rezeptoren fçr andere Wachstumsfaktoren und Zytokine. Die Signalwege besitzen in vielen Fållen Ûberlappungen mit denen des IGF-1R, so dass es zum ¹cross-talkª sowohl in der Signalkaskade als auch auf Rezeptorebene kommt.
1.5.3.7 Effekte der IGFBP auf die Apoptose Einzelne IGFBP kænnen ebenfalls Einfluss auf die Apoptose bzw. auf die Progression des Zellzyklus nehmen. Dieser Einfluss wird einerseits dadurch bewerkstelligt, dass durch die hohe Affinitåt zu den IGF die Aktivierung des IGF-1R gehemmt wird (Nickerson et al. 1997). Es konnte aber auch zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass einzelne IGFBP auch IGF-unabhångig den Zellzyklus kontrollieren kænnen. So wurden in einem Apoptosemodell differentielle Effekte der IGFBP nachgewiesen (Perks et al. 1999). Fçr einzelne IGFBP sind sowohl negative (IGFBP-4 und -5) als auch positive (IGFBP-3) Effekte auf die Apoptose beschrieben worden. Damit besitzen die IGFBP trotz ihrer hohen strukturellen Verwandtschaft auch hier spezifische regulatorische Funktionen. IGFBP-3 nimmt sicherlich bei der Induktion der Apoptose eine zentrale Stellung ein. So wurde dieses IGFBP als eines der Zielgene von p53 identifiziert (Buckbinder et al. 1995), und spåtere Arbeiten konnten eine wichtige Rolle von IGFBP-3 fçr die p53-vermittelte Apoptose nachweisen (Williams et al. 2000). Als mæglicher Angriffspunkt wurde ei-
1.5.4.1 Interaktion von IGF-1 und Ústrogenen Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass Ústrogene die Wirkungen des IGF-Systems verstårken (Hamelers et al. 2002). Die molekularen Grundlagen hierfçr liegen darin, dass Ústrogene einerseits Komponenten der IGF-abhångigen Signalkaskaden induzieren bzw. vermindern (erhæht: IGF-1R und IRS-1; vermindert: IGFBP). In der Folge ergeben sich synergistische Effekte zwischen beiden Wachstumsfaktoren auf der Ebene der Signaltransduktion (erhæhte Aktivierung von IRS-1 und Akt). Zusåtzlich wurde eine synergistische Interaktion zwischen IGF und Ústrogenen auf der Ebene des Zellzyklus in Brustkrebszellen beschrieben (Dupont et al. 2000). Wåhrend IGF-1 bei Brustkrebszellen die Translation von p27 negativ modulierte, hatte Ústradiol einen negativen Einfluss auf Promotorebene (Dupont u. LeRoith 2001). Ústradiol verstårkte zusåtzlich die Expression von Cyclin D1 und Cyclin E und die Inaktivierung von Rb. Die Stimulation durch beide Faktoren hatte eine stårkere Zellzyklusprogression zur Folge als mit einem Faktor
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alleine. Aus derartigen Interaktionen werden sich zukçnftig konditionale Effekte von Wachstumsfaktoren, wie z. B. geschlechtsspezifische Effekte, sicherlich besser verstehen lassen.
1.5.4.2 Interaktion zwischen Tyrosinkinaserezeptoren Interaktionen zwischen tyrosinkinasevermittelten Signalkaskaden sind trotz ihrer zum Teil engen Verwandtschaft bisher nur wenig untersucht worden. Dennoch kænnte die physiologische Bedeutung der Interaktion der verschiedenen tyrosinkinasevermittelten Signalkaskaden von enormer Bedeutung sein. Die Art der Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Tyrosinkinaserezeptoren ist sowohl physikalischer als auch funktionaler Natur. So wurden z. B. Hybridrezeptoren bestehend aus Untereinheiten des IGF-1R und Insulinrezeptors bzw. des Insulin-receptor-related-Rezeptors (IRR) beschrieben (Abb. 1.5.4). Darçber hinaus wurde nach IGF-1-Stimulation eine Interaktion zwischen IGF-1R und ERBB-2 (¹erythroblastic leukaemia viral oncogene homolog 2ª) beschrieben (Balana et al. 2001). ERBB-2 entfaltet in Assoziation mit verschiedenen EGF-Rezeptoren intrazellulåre Tyrosinkinaseaktivitåt. Nach Bindung von EGF an die extrazellulåre Bindungsdomåne werden intrazellulåre Tyrosinreste autophosphoryliert. Hierauf werden Signalkaskaden aktiviert, die auch durch IGF-1 reguliert werden (MAPK, PI3-Kinase). In Tumorzellen, aber auch in nicht transformierten Epithelzellen der Milchdrçse konnten funktionale Interaktionen zwischen dem EGF- und IGF-Signaling fest-
Abb. 1.5.4. Bildung von Hybridrezeptoren. Die Tyrosinkinasen IGF-1-Rezeptor, Insulinrezeptor und Insulinrezeptor-related-Rezeptor besitzen einen heterotetrameren Aufbau (ab)2. Bei der Assoziation der Untereinheiten (ab) unterschiedlicher Tyrosinkinaserezeptoren kænnen Rezeptorhybri-
gestellt werden. Fçr eine långerfristige Aktivierung der EGF-vermittelten Signale ist ein intakter IGF-1R notwendig (Chakravarti et al. 2002). Umgekehrt fçhrte eine Hemmung der EGF-Rezeptor(ErbB-1)-Tyrosinkinase auch dazu, dass der positive Effekt von IGF-1 auf die Ûberlebensrate von Zellen blockiert wurde (Gilmore et al. 2002). Durch beide Signalwege wird BAD, ein Protein mit proapoptotischen Funktionen der BCL-2-Familie phosphoryliert, allerdings an unterschiedlichen Serinresten. In beiden Fållen wird die Apoptose reduziert (Gilmore et al. 2002). Sowohl IGF-1 als auch EGF sind in der Lage, die Phosphorylierung von SHC zu stimulieren, das dadurch einen Komplex mit dem EGF-Rezeptor eingeht. Interessanterweise konnte eine Autophosphorylierung des EGFRezeptors auch durch Stimulation mit IGF-1 induziert werden. IGF-1 induziert hierbei die autokrine Freisetzung von membranståndigem HB-EGF (¹heparin-binding EGFª) durch Metalloproteasen (Roudabush et al. 2000). Auûerdem konnte gezeigt werden, dass der IGF-1R çber den MAPK-Weg direkt die Transkription von HB-EGF stimuliert, und zwar unabhångig vom EGF-Rezeptor (Mulligan et al. 2002). Ein letztes Beispiel soll die mehrdimensionale Vernetzung tyrosinkinasevermittelter Signale veranschaulichen: IGF-1 induziert die Genexpression und Sekretion von VEGF (¹vascular endothelial growth factorª) (Zelzer et al. 1998). Sezerniertes VEGF kann çber einen eigenen Rezeptor die Angiogenese und Zellmigration beeinflussen. Aus der besonderen Rolle, die das IGF-System bei der Kontrolle von VEGF spielt, leitet sich der Ansatz ab, durch Blockade des IGF-1R die Neovaskularisierung von Tumoren zu reduzieren. Es hat sich ge-
de mit definierten biochemischen Eigenschaften entstehen. Durch die verschiedenen Kombinationsmæglichkeiten kænnten zellspezifische Effekte der Peptidhormone IGF-1 und -2 oder Insulin vermittelt werden
a zeigt, dass in Brustkrebszellen çber eine mutierte Form des EGF-Rezeptors (EGFRvIII), bei der die Exons 2 bis 7 in-frame deletiert sind, die IGF-induzierte Genexpression von VEGF noch weiter gesteigert werden kann (Gray et al. 2003). Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, dass bei der Ausprågung eines malignen Phånotyps ein Wechselspiel von mehreren Tyrosinkinasen stattfinden kann.
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
MEK) aktiviert werden (VanderKuur et al. 1995). Daneben gibt es auch funktionelle Interaktionen zwischen GH und fokaler Adhåsionskinase (FAK; Zhu et al. 1998 b) sowie zwischen GH und c-SRC oder c-FYN (Protoonkogen-Tyrosin-Proteinkinase FYN) (Zhu et al. 1998a), die ebenfalls durch GH aktiviert werden kænnen.
1.5.4.3 Interferenz von IGF- und GH-Signalen
1.5.4.4 Interaktion des IGF-1-Rezeptors mit Integrinen
Eine Differenzierung GH-abhångiger Signale von IGF-abhångigen Signalen gestaltet sich schwierig, weil GH einen Teil seiner biologischen Effekte durch IGF-1 vermittelt. Zusåtzlich erschwert ist der Versuch GH-abhångige Effekte zu identifizieren dadurch, dass sich GH- und IGF-1-induzierte Signalkaskaden partiell çberlagern. Die klassischen GH-induzierten Signalkaskaden umfassen JanusKinasen (JAK2), STAT5 (¹signal transducer and activator of transcriptionª) und SOCS (¹suppressor of cytokine signalingª; Piwien-Pilipuk et al. 2002). Es ist aber bekannt, dass GH auch IRS-1 und IRS-2 aktiviert (Clemmons 2002) und damit indirekt den PI3-Kinase-Weg bzw. den MAPK-Weg aktivieren kann. Interessanterweise kann der MAPK-Weg auch direkt durch GH (çber SHCPhosphorylierung, GRB2, SOS, RAS, RAF und
Integrine werden durch die Interaktion mit der extrazellulåren Matrix aktiviert, wodurch spezifische Signalmolekçle wie die FAK oder die SRC-Kinase nach der Assoziation mit dem kurzen zytoplasmatischen Teil aktiviert werden (Giancotti u. Ruoslahti 1999). Interessanterweise kann FAK auch in einem IGF-abhångigen Mechanismus moduliert werden, in den die PI3-Kinase involviert ist (Guvakova u. Surmacz 1999). Weil die FAK fçr die Adhåsion und Migration von Zellen relevant ist, kann IGF-1 neben seinen zentralen Effekten auf den Zellzyklus durch die Interaktion mit dem IntegrinSignaling auch diese Aspekte des Wachstums beeinflussen. Sehr relevant scheint aber auch die Beeinflussung der IGF-1-R-abhångigen Signalkaskaden durch die Integrine zu sein. Diese Interaktion wird indirekt durch die Integrin-linked Kinase
Abb. 1.5.5. Transaktivierungsmechanismen unterschiedlicher Signalkaskaden. Die Dauer der Aktivierung des Mitogen-aktivierten Proteinkinase(MAPK)-Weges durch den IGF-1-Rezeptor kann durch eine integrinabhångige (hier: aVb3-Integrin) Tyrosinphosphatase (SRC homology 2 containing phosphatase = SHP-2) kontrolliert werden. Im weiteren Ver-
lauf kann es çber den Epidermal growth factor (EGF)-Rezeptor zu einer Verstårkung des MAPK-Weges kommen. Die Aktivierung des MAPK-Weges çber den EGF-Rezeptor kann einerseits çber verstårkte Expression des Liganden und andererseits çber die Freisetzung von membrangebundenem HB-EGF (heparin-binding EGF) erfolgen
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(ILK) çber den PI3-Kinase-Weg durch Phosphorylierung von AKT am Tyrosinrest 473 erreicht (Troussard et al. 2003). Fçr die volle Aktivierung von AKT ist jedoch eine weitere Phosphorylierung (Threonin 308) notwendig, und ein negativer Einfluss von PTEN auf die ILK-Effekte (Attwell et al. 2003) ist wahrscheinlich durch die Konvergenz der PI3-Kinase bzw. Integrin-Signalwege bei AKT zu erklåren. ILK beeinflusst zusåtzlich auch die Cyclin-D1-Expression und besitzt damit letztlich auch einen Einfluss auf den Zellzyklus (Radeva et al. 1997). Die Interaktion zwischen Integrinen und dem IGF-Signaling involviert mit dem Catenin-Signalweg auch noch weitere Signalketten: Durch den gemeinsamen inhibitorischen Einfluss auf die Glykogen-Synthase-Kinase-3 (GSK-3) wird b-Catenin vor der Degradation geschçtzt und transloziert in den Zellkern, wo es seine Zielgene aktivieren kann. Integrine rekrutieren zusåtzlich auch die Phosphatase-SHP-2 zum IGF-1R (Abb. 1.5.5), wodurch Integrine die Dauer der Tyrosinphosphorylierung am IGF-1R und damit die Intensitåt des IGF-1R-Signals modulieren kænnen (Maile et al. 2003).
1.5.4.5 Interaktion zwischen IGF-System und Zytokinen Eine enge Verbindung des IGF-1R-Signal-Weges besteht mit der IL-4- und IL-13-Signal-Kaskade. Die Phosphorylierung von IRS-1 konnte nicht nur durch IGF-1 oder IGF-2 induziert werden, sondern auch durch Stimulation mit IL-4 oder IL-13. Die dafçr nætigen Rezeptorkomplexe werden von vielen Zellen exprimiert. Untersuchungen an Kolonkarzinomzellen haben gezeigt, dass diese beiden Zytokine auf das Wachstum eine den IGF entgegen gesetzte Wirkung haben. Die Proliferation wird nach Stimulation mit IL-4 oder IL-13 stark gehemmt (Schnyder et al. 1996). Im phosphorylierten Zustand kann IRS-1 eine ganze Reihe weiterer Proteine çber seine SH2-Domåne binden. Das am besten charakterisierte ist p85, die regulatorische Untereinheit der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI-3-Kinase), einem Enzym, das bei durch Wachstumsfaktoren und Zytokinen gesteuerten Wachstums- und Differenzierungsprozessen oder bei dem durch Insulin stimulierten Glukosetransport eine Schlçsselrolle spielt. Interessanterweise konnte diese Interaktion in den Kolonkarzinomzelllinien nicht festgestellt werden. Offensichtlich verzweigen sich in diesem Fall die Signalwege von IGF-1/2 und IL-4/IL-13 bereits auf der Stufe von
IRS-1. Die Ûberexpression mutierter IGF-1R in Zellen ohne endogene IRS-Expression zeigt die enge Verbindung mit dem IL-4-Signal-Weg. Mutationen an Position 960 (IRS- und SHC-Bindungsstelle) sowie 1131 und 1135 (Hauptautophosphorylierungsstellen) hatten einen kompletten Verlust der Stimulationsfåhigkeit durch beide Faktoren zur Folge. Offensichtlich existieren weitere bisher noch unbekannte Signalwege. Bei diesen kænnten Interaktionen im ¹Basic-residue-stretch-Bereichª (Position 1293/1294) des IGF-1R eine Rolle spielen (Yam et al. 2001). Weiterhin scheint IL-1 verschiedene Komponenten des IGF-Systems beeinflussen zu kænnen. Die intravenæse Gabe von IL-1b hatte bei Ratten eine Reduktion der IGF-1-mRNA in der Leber und im Muskelgewebe zur Folge. Gleichzeitig konnten in beiden Geweben sowie im Plasma erhæhte IGFBP-1- und -2-Konzentrationen beobachtet werden. Dabei scheint die Hemmung der IGF-1-Expression in der Leber durch Glukokortikoide ausgelæst zu werden, wåhrend die Effekte im Muskel und auf die IGFBP durch andere Mechanismen gesteuert werden (Fan et al. 1996).
1.5.5 Altern und oxidativer Stress Der Mechanismus der Alterung und die ursåchlichen Gene sind bislang nur sehr unzureichend aufgeklårt (Hamet u. Tremblay 2003). Unter den wenigen Genen, die als ¹Alterungsgeneª identifiziert wurden, befinden sich bemerkenswert viele Vertreter des IGF-Systems bzw. IGF-abhångiger Signalkaskaden. Interessanterweise ist auch dieser Aspekt der IGF-vermittelten biologischen Effekte evolutionår hoch konserviert. Sowohl in Caenorhabditis elegans, in Drosophila melanogaster, in Saccharomyces cerevisiae, aber auch in der Maus wurden einzelnen orthologe Proteine identifiziert, die in die Kontrolle der Lebenserwartung involviert sind (Barbieri et al. 2003; Abb. 1.5.6). In Caenorhabditis elegans wurden fçr DAF-2 (ortholog zum Insulin-/IGF-1-Rezeptor), AGE-1 (ortholog zu einer Untereinheit der Pi3-K) und DAF-16 (ortholog zur FOXO-Genfamilie der Forkhead-Transpriptionsfaktoren) spezifische Effekte auf die Lebenserwartung nachgewiesen. In Drosophila melanogaster heiûen die orthologen Gene fçr die Kontrolle der Lebenserwartung INR (Insulinrezeptor) und CHICO (IRS-1). In Hefen wurde gezeigt, dass SCH9 die Lebenserwartung kontrolliert. SCH9 be-
a
Abb. 1.5.6. Die Kontrolle der Lebenserwartung ist evolutionår hoch konserviert. In der Maus (schwarz), in Caenorhabditis elegans (rot), in Drosophila melanogaster (blau) oder in Saccharomyces cerevisiae (grçn) wurden orthologe Proteine des Phosphoinositol-3-Kinase-Weges (PI3-K) identifziert, die fçr die Lebenserwartung relevant sind. Weitere Abkçrzungen: IGF: Insulin-like growth factor, Daf: Dauerformation, INR: Insulinrezeptor, IRS: insulin receptor substrate, CHICO: Drosophila homolog of IRS, P66Shc: SH2-containing collagen-related protein mit 66 kDa, AGE: ageing alteration, AKT: Proteinkinase B, SCH9: serine/threonine protein kinase, FKHR: forkhead in rhabdomyosarcoma
sitzt Øhnlichkeiten zu AKT1/AKT2, die wiederum durch IGF-1 reguliert werden. In der Maus wurde erst vor kurzem eine aktive Rolle des IGF-1R bei der Alterung nachgewiesen. Weil das absolute Fehlen von IGF-1R letal ist, wurden Måuse untersucht, in denen nur ein Allel des IGF-1R ausgeschaltet war. Diese Måuse, die durch verminderte IGF-1R-Konzentrationen charakterisiert waren, wurden wesentlich ålter als ihre Kontrollgeschwister (Holzenberger et al. 2003). Auch die in Abschn. 1.5.2.3 erwåhnten zwergwçchsigen Mausmodelle (Ames-, Snell-, Laron-, lit/lit-Måuse) zeigen bei verminderten Serum-IGF-1-Konzentrationen eine erhæhte Lebenserwartung. Somit kann fçr bestimmte IGF-1-abhångige Signalkaskaden eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Lebenserwartung angenommen werden. Die heterozygoten igf1r-Knock-out-Måuse besaûen zusåtzlich auch eine hæhere Resistenz gegençber oxidativem Stress. Dieser Befund passt sehr gut in das gegenwårtige Verståndnis, nach dem bei der Alterung der oxidative Stress zunimmt. Hierbei nimmt vermutlich p66Shc, eine Komponente intrazellulårer Signalkaskaden, eine wichtige Rolle ein. Måuse, deren p66Shc-Gene inaktiviert waren, wiesen eine erhæhte Lebenserwartung und erhæhte Resistenz gegençber oxidativem Stress auf (Napoli et al. 2003). Da p66Shc çber seine PTB-Domåne (siehe oben) neben dem IGF-1R auch an weitere
1.5 Molekulare Mechanismen der Wachstumswirkung des IGF-Systems
Tyrosinkinase-Rezeptoren (z. B. EGF-Rezeptor) binden kann, nimmt dieses Adaptorprotein sicherlich eine zentrale Rolle bei der intrazellulåren Verarbeitung extrazellulårer Signale ein. Interessanterweise resultiert die Aktivierung von p66Shc nicht in einer Aktivierung des MAPK-Weges, wie das nach der Bindung von p46Shc und p52Shc der Fall wåre, sondern fçhrt schlieûlich zu einer Inaktivierung von FKHR-Transkriptionsfaktoren (Purdom u. Chen 2003). Der Einfluss von p66Shc auf die Lebenserwartung und den oxidativen Stress wird also nach dem gegenwårtigen Wissensstand letztendlich durch FKHR vermittelt, das im aktiven (nicht phosphorylierten) Zustand die Lebensdauer von Zellen sowie den oxidativen Stress reduziert. Weil p66Shc bei einer Reihe unterschiedlicher Erkrankungen veråndert ist, wurde fçr dieses Adaptorprotein eine Schlçsselstellung bei der Kontrolle von Alterungsprozessen vermutet. Interessanterweise konnte soeben erst gezeigt werden, dass auch der Wnt-Signal-Weg in die Kontrolle von oxidativem Stress sowie der Lebenserwartung involviert ist (Essers et al. 2005). Man muss daher davon ausgehen, dass die Kontrolle der Lebenserwartung komplexer ist als bislang angenommen.
1.5.6 Zusammenfassung Das IGF-System spielt eine kritische Rolle bei der Kontrolle des normalen und malignen Wachstums. Durch die Synthese unterschiedlicher Komponenten des IGF-Systems (Peptidhormone, IGF-Bindungs-Proteine und Rezeptoren) durch eine einzelne Zelle wird die jeweilige Zelle proliferativ unabhångig vom Gesamtorganismus (auto- bzw. parakrine Regulation). Es ist ausfçhrlich dargestellt worden, dass solche autokrinen Mechanismen unter Beteiligung des IGF-Systems in einer Vielzahl maligner Systeme wirksam sind. Die Beeinflussung des Wachstums durch das IGF-System findet dabei auf unterschiedlichen Ebenen statt. Es kann sowohl die Teilungsaktivitåt als auch die Apoptoserate von Zellen reguliert werden. Ûber den PI3-Kinase-Weg kann das IGF-System aber auch die Græûe bzw. das Ûberleben von Zellen beeinflussen. Den IGFBP kommt eine besondere Bedeutung bei der Kontrolle der IGF-Wirkungen auf lokaler Ebene zu, daher gelten sie als gewebespezifische Modulatoren der IGF-Wirkungen. Zusåtzlich entfalten die IGFBP aber auch IGF-unabhångige Wirkungen, die
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bislang besonders im Zusammenhang mit malignem Wachstum gut belegt sind. Neben den etablierten Mechanismen der Signaltransduktion durch den IGF-1R existieren komplexe Interaktionen zwischen dem IGF-System und anderen Wachstumsfaktorsystemen. Durch diese Wechselwirkungen werden Effekte auf Zelladhåsion und Angiogenese oder auch geschlechtsspezifische Effekte ermæglicht. An die gezielte Nutzung spezifischer biologischer Wirkungen des IGF-Systems ist erst zu denken, wenn die komplexen Interaktionen unterschiedlicher signalverarbeitender Systeme quantitativ erfassbar sind. Dieses ist die groûe Herausforderung der nåchsten Jahre auch auf dem Gebiet der IGF-Forschung.
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems Klaus-Dieter Schlçter und Gçnter Ross
Inhaltsverzeichnis 1.6.1 1.6.1.1 1.6.1.2 1.6.1.2.1 1.6.1.2.2 1.6.1.2.3 1.6.1.2.4 1.6.1.3 1.6.1.3.1 1.6.1.3.2 1.6.1.3.3 1.6.1.3.4 1.6.1.4 1.6.1.5 1.6.2
Die Parathormon-Familie: Komponenten des PTH/PTHrP-Systems . . PTHrP: Historischer Abriss . . . . . . . . . . Expression, Freisetzung und molekularer Aufbau von PTHrP . . . . Molekularer Aufbau des Gens . . . . . . . . Regulation der Expression . . . . . . . . . . Regulation der Freisetzung . . . . . . . . . . Gewebsspezifische Expression . . . . . . . . Molekularer Aufbau und Wirkmechanismen der Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . PTH1-Rezeptor . . . . . . . . . . . . . . . . . PTH2-Rezeptor . . . . . . . . . . . . . . . . . PTH3-Rezeptor . . . . . . . . . . . . . . . . . C-terminaler PTH-Rezeptor und Rezeptoren fçr mittregionale Fragmente . . . . . . . . . Intrakrine Wirkungsweise des PTHrP . . . Transgene Tiermodelle . . . . . . . . . . . . . Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . .
133 133 134 134 135 135 136 137 137 139 139 139 140 141 141
1.6.1 Die Parathormon-Familie: Komponenten des PTH/PTHrP-Systems Im vorliegenden Kapitel werden intrakrine, autokrine und parakrine Wirkungen des PTH/PTHrP-Systems beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Peptidfamilie, der derzeit drei Peptide/Proteine zugerechnet werden. Dies sind das Hormon der Nebenschilddrçse, Parathormon (¹parathyroid hormoneª, PTH), das PTH-verwandte Protein (¹parathyroid hormone-related proteinª, PTHrP) und das Tuberoinfundibularpeptid bestehend aus 39 Aminosåuren (TIP39). Die Peptide dieser Familie haben zwar strukturelle Gemeinsamkeiten, çben aber im Kærper spezifische Funktionen aus. Ein groûer Unterschied zwischen dem namensgebenden Peptid der Familie, PTH, und den beiden strukturverwandten Proteinen PTHrP und TIP39 ist, dass PTHrP und TIP39 hauptsåchlich auto-, para- oder intrakrin wirken, wohingegen die PTH-Effekte vorwiegend endokriner Natur sind. Es versteht sich deshalb von allein, dass ein Beitrag çber parakrine und au-
1.6.2.1 1.6.2.2 1.6.2.3
PTH-assozierte Krankheitsformen . . . . . . 142 PTHrP-assozierte Krankheitsformen . . . . . 142 TIP39-assozierte Krankheitsformen . . . . . 143
1.6.3
Molekulare Grundlagen der PTHrP-assozierten Krankheitsbilder . . PTHrP-bildende Tumore . . . . . . . . . . . . Pulmonale Defekte . . . . . . . . . . . . . . . . Kardiovaskulåre Dysfunktionen . . . . . . . . Pråeklampsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuppenflechte . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankheitsauslæsende Mutationen des PTH/ PTHrP-Rezeptor-Gens . . . . . . . . . . . . . .
1.6.3.1 1.6.3.2 1.6.3.3 1.6.3.4 1.6.3.5 1.6.3.6
143 143 145 146 148 149 149
1.6.4
Therapeutische Ansåtze . . . . . . . . . . . . 151
1.6.5
Diagnostische Aspekte . . . . . . . . . . . . . 151
1.6.6
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
1.6.7
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
tokrine Wirkungen im Wesentlichen das PTHrP behandelt, welches nahezu ubiquitår exprimiert wird. Ûber TIP39, ein Neuropeptid, welches 1999 erstmals aus dem Hypothalamus von Rindern isoliert wurde, ist zur Zeit noch recht wenig bekannt. Es ist im zentralen Nervensystem an der Steuerung der hypothalamisch-hypophysalen Achse und an der Nozizeption beteiligt (Usdin et al. 2003). Des Weiteren wird es als lokaler Vasodilatator im Gefåûbett der Niere (Eichinger et al. 2002) und als Modulator der Kontraktilitåt des Herzens beschrieben (Ross et al. 2005). Da bisher wenig çber dieses neue Peptid bekannt ist und vor allem seine klinische Relevanz noch erforscht werden muss, wird im Weiteren auf TIP39 nicht ausfçhrlich eingegangen werden.
1.6.1.1 PTHrP: Historischer Abriss In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde erstmals eine Hyperkalzåmie beschrieben, welche bei Patienten im Zusammenhang mit TuGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
134
K.-D. Schlçter und G. Ross
morerkrankungen auftrat (Zondek et al. 1924; Gutman et al. 1936). Dieses Krankheitsbild, genannt maligne Hyperkalzåmie, ist eines der håufigsten endokrinen paraneoplastischen Syndrome. Etwa 40% aller auftretenden Hyperkalzåmien beruhen darauf (Meyer-Heim u. Ståubli 2002). Die maligne Hyperkalzåmie wurde ursprçnglich auf lokale osteolytische Prozesse zurçckgefçhrt, welche bei Knochenmetastasen durch osteoklastenaktivierende Zytokine ausgelæst werden (¹local osteolytic hypercalcaemiaª; LOH). Gegen diese Annahme sprachen allerdings das Auftreten von malignen Hyperkalzåmien auch bei Patienten, welche keine Knochenmetastasen ausgebildet hatten (Gellhorn u. Plimpton 1956), und das Verschwinden der Symptomatik nach Entfernung eines knochenfernen Primårtumors. Eine weitere Hypothese ging davon aus, dass dem Krankheitsbild der malignen Hyperkalzåmie ursåchlich ein ektoper Hyperparathyroidismus zugrunde liegt (Fuller 1941) und es sich bei dem humoralen Faktor um PTH handeln wçrde. Diese These wurde von Untersuchungen gestçtzt, bei welchen Extrakte aus den Tumoren, die mit maligner Hyperkalzåmie einhergehen, in einer PTH-sensitiven Zelllinie die biologischen Effekte des PTH imitierten (Stewart et al. 1983). Im selben Jahr wurde die Expression von PTHmRNA in Tumoren mit maligner Hyperkalzåmie untersucht. Es konnte jedoch keine PTH-Expression nachgewiesen werden (Simpson et al. 1983). Damit konnte eine Beteilung von PTH an der malignen Hyperkalzåmie ausgeschlossen werden. Im Jahre 1987 gelang es schlieûlich drei Arbeitsgruppen unabhångig voneinander, aus verschiedenen Tumorzelllinien ein Protein zu isolieren, welches die PTH-Effekte an Niere und Knochen zu imitieren vermochte (Burtis et al. 1987, Moseley et al. 1987, Strewler et al. 1987). Ursprçnglich wurden verschiedene Bezeichnungen fçr diese Proteine verwendet, wie ¹human adenylate cyclase-stimulating proteinª, ¹humoral hypercalcaemia of malignancy-(HHM)-factorª oder ¹parathyroid hormone-like protein (PTH-lP)ª. Seine Eigenschaften und die hohe strukturelle Homologie im N-terminalen Bereich des Proteins gegençber PTH fçhrten schlieûlich zu der heute verwendeten Namensgebung. Diese Peptide werden nunmehr als ¹parathyroid hormone-related proteinª (PTHrP) bezeichnet. Wir verwenden in diesem Kapitel die Bezeichnung PTHrP und schlagen vor, dies auch zur Vermeidung von Missverståndnissen in der deutschsprachigen Literatur so zu çbernehmen. Wie im Folgenden eingehender dargestellt, wird PTHrP zum Teil in Form von proteolytischen Teil-
peptiden mit biologischer Aktivitåt freigesetzt. Fçr das C-terminale Peptid (Aminosåuren: 107±139) wird auch das Synonym Osteostatin verwendet, aufgrund der stimulierenden Wirkung auf die Knochenresorption. Inzwischen konnten die Gene, die beim Menschen, der Ratte und der Maus fçr PTHrP kodieren, identifiziert werden (Hendy et al. 1988, 1990; Suva et al. 1989).
1.6.1.2 Expression, Freisetzung und molekularer Aufbau von PTHrP 1.6.1.2.1 Molekularer Aufbau des Gens PTH und PTHrP wirken beide kalziotrop aufgrund ihrer groûen strukturellen Homologie im N-terminalen Bereich. Trotz der strukturellen Øhnlichkeit sind beide Peptide ein Produkt verschiedener Gene, die auf unterschiedlichen Chromosomen lokalisiert sind. Bei allen bisher untersuchten Spezies besitzt das PTHrP-Gen (Mensch: kurzer Arm von Chromosom 12) eine wesentlich komplexere Struktur als das PTH-Gen (Mensch: kurzer Arm von Chromosom 11) (Abb. 1.6.1). Beide Gene scheinen phylogenetisch einen gemeinsamen Ursprung zu haben. Das PTHrPGen des Menschen besteht aus insgesamt neun verschiedenen Exons. Daraus ergibt sich die Mæglichkeit von bis zu zwælf unterschiedlichen Transkripten und von drei unterschiedlich groûen, initialen Translationsprodukten. Der endståndigen 3'-mRNARegion kann kein Translationsprodukt zugeordnet werden. Es wird vermutet, dass diese Region nicht translatiert wird, sondern fçr einen schnellen Abbau der mRNA sorgt, da in diesem Segment die Nukleotidsequenz ¹AUUUAª sehr håufig vorkommt. Diese Sequenz fçhrt bei anderen mRNA zu einem beschleunigten Abbau. Fçr die PTHrP-mRNA kann eine Halbwertszeit von 30 min bis zu 3 h angegeben werden. Diese groûe Zeitspanne kann dadurch erklårt werden, dass einige Faktoren, wie beispielsweise ¹transforming growth factor b1ª (TGF-b1), die Halbwertszeit der PTHrP-mRNA beeinflussen (Sellers et al. 2004 b). Das PTHrP-Gen beinhaltet drei unterschiedliche Promoterregionen (P1±P3). P1 und P3 besitzen TATA-Box-åhnliche Sequenzen, wåhrend es sich bei P2 um einen GC-reichen Promoter handelt (Southby et al. 1995; Richard et al. 2003). Eine strenge Korrelation zwischen dem verwendeten Promotor und der entstehenden PTHrP-Isoform scheint jedoch nicht zu existieren. Wahrscheinlich spielt hier die Rekrutierung verschiedener Transkriptionsfaktoren eine wichtigere Rolle als die Verwendung der unterschiedlichen Promotoren.
a
1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
Abb. 1.6.1. Aufbau des menschlichen PTHrP-Gens. Der komplexe Aufbnau des Gens enthålt 9 nichttranslatierte Abschnitte (Exons). Vor dem ersten Exon und nach dem zweiten und dritten Exon befinden sich drei Promotoren, die
unabhångig voneinander genutzt werden kænnen. Durch Splicen entstehen drei unterschiedlich lange Transkriptionsprodukte, die fçr unterschiedlich lange Peptidketten kodieren
1.6.1.2.2 Regulation der Expression
Tabelle 1.6.1. Endogene und exogene Regulation von PTHr
Die genaue Regulation der PTHrP-mRNA-Expression wird zur Zeit noch intensiv erforscht. In vielen Zellen scheint TGF-b1 daran beteiligt zu sein. In koronaren Endothelzellen reguliert TGF-b1 die Expression herab (Wenzel et al. 2001), dagegen wird die Expression in Keratinozyten, sich entwickelnden Chondrozyten oder beim Ovarialkarzinomen durch TGF-b1 heraufreguliert (Pateda et al. 2000; Werkmeister et al. 1998; Yasui et al. 1997). Wahrscheinlich spielt eine noch nicht im Detail charakterisierte Interaktion zwischen Transkriptionsfaktoren und der Verwendung der drei genannten Promotoren eine entscheidende Rolle. Neben TGF-b1 wurden weitere Regulationsmechanismen identifiziert, çber welche die Expression des PTHrP beeinflusst wird (Tabelle 1.6.1). Die Expression von PTHrP auf Proteinebene hångt allerdings nicht ausschlieûlich von der Transkription ab, sondern wird durch posttranslationelle Modifikationen beeinflusst. Dazu gehæren Glykosylierungen, Phosphorylierungen und proteolytische Spaltung.
1.6.1.2.3 Regulation der Freisetzung Die Freisetzung von PTHrP erfolgt gewebsspezifisch oder zellspezifisch und ist dabei entweder konstitutiv oder induzierbar. Konstitutiv wird es von einer Reihe von Zellen freigesetzt, beispielsweise von vaskulåren Glattmuskelzellen, Hepatozyten, Osteoblasten, Keratinozyten, Chondrozyten und renalen Tubuluszellen, um hier nur einige zu nennen. In neuroendokrinen Zellen, wie dem Pan-
Regulationsmechanismen Stimulatorisch Angiotensin II Kalzium cyclo-AMP Cycloheximid 1,25-Dihydoxyvitamin D3 Epidermal growth factor Ústrogen Interleukin-2 Prolaktin Mechanische Dehnung TGF-b1
Inhibitorisch TGF-b1
Referenz Pirola et al. 1993 Zajac et al. 1989; Hellmann et al. 1992; Tanaka et al. 2005 Chilco et al. 1998 Ikeda et al. 1990; Allinson u. Drucker 1992 Kremer et al. 1991 Heath et al. 1995 Casey et al. 1993; Groh et al. 2004 Ikeda et al. 1993 Thiede 1989 Schordan et al. 2004; Yamamoto et al. 1992 Pateda et al. 2000; Werkmeister et al., 1998; Yasui et al. 1997
Wenzel et al. 2001; Law et al. 1994 Testosteron Liu et al. 1993 Glukokortikoide Ikeda et al. 1989; Glatz et al. 1994 1,25-Dihydroxyvitamin D3 Ikeda et al. 1989 Medroxy-Progesteron-Acetat Kurebayashi et al 2003
135
136
K.-D. Schlçter und G. Ross
kreas, der Parathyroidea oder aber der Hypophyse, wird seine Freisetzung hauptsåchlich durch bestimmte Stimuli induziert. Aber auch in nichtneuroendokrinen Geweben kann seine Freisetzung induziert werden, beispielsweise in koronaren Endothelzellen, bei denen mechanische Stimuli oder ein Absinken des lokalen pO2 zu einer Freisetzung fçhren (Degenhardt et al. 2002; Schlçter et al. 2000).
1.6.1.2.4 Gewebsspezifische Expression Wie bereits oben erwåhnt, kann beim Menschen zwischen drei initialen Translationsprodukten unterschieden werden (Abb. 1.6.2), welche aus 139, 141 und 173 Aminosåuren bestehen. Welches dieser Produkte freigesetzt wird, ist gewebespezifisch und wird durch Beteiligung der drei Promotoren vermittelt. Bei der Ratte und der Maus existiert dagegen jeweils nur ein initiales Translationsprodukt (Ratte: 141 Aminosåuren; Maus: 139 Aminosåuren). Diese initialen PTHrP-Isoformen kænnen durch Mitglieder der Prohormon-Convertase-Familie in drei biologisch aktive Fragmente gespalten werden: Ein N-terminales PTHrP(1±36), ein mittregionales PTHrP(38±94) und ein C-terminales PTHrP(107±139). Einem weiterem Fragment (141± 173) konnte bisher keine biologische Wirkung zu-
Abb. 1.6.2. Aufbau des PTHrP-Proteins. Durch proteolytische Spaltung kænnen mindestens drei funktionelle Teilpeptide entstehen (N-, M- und C-terminale Peptide). Zwischen Aminosåure 88 und 106 findet sich die fçr die intrakrine Wir-
geordnet werden. Jedes der erwåhnten Fragmente besitzt unterschiedliche biologische Eigenschaften und agiert çber unterschiedliche Rezeptoren. Die Fragmente werden teilweise in glykosylierter Form sezerniert. Wåhrend die Expression von PTH nur fçr wenige Organe beschrieben ist, neben der primåren Bildungsorte Nebenschilddrçse auch Gehirn und Thymus (Gçnther et al. 2000), wird PTHrP nahezu ubiquitår exprimiert. Des Weiteren wird es nicht nur unter pathophysiologischen Bedingungen von malignen Zellen exprimiert und freigesetzt, sondern auch unter physiologischen Bedingungen von vielen Zellen. So spielt es eine groûe Rolle wåhrend der Embryonalentwicklung, ist aber auch an der Regulation von verschiedenen Prozessen im adulten Organismus beteiligt. Eine Ûbersicht gibt Tabelle 1.6.2. Von herausragender Bedeutung ist PTHrP fçr die Skelettentwicklung. PTHrP ist beteiligt an der Regulation von Proliferation und Differenzierung der Chondrozyten und auch an der Regulation der nachfolgenden Mineralisierung und dem Ersatz des Knorpels durch Knochengewebe, der sog. enchondralen Ossifikation (Kap. 5.1). Doch auch auûerhalb des Skelettsystems scheint PTHrP an der Regulation der Embryonalentwicklung vieler verschiedener Organe bzw. Organsysteme beteiligt zu sein, wie beispielsweise von Mam-
kung wichtige NLS-Sequenz. An Position 85 kann das Peptid phosphoryliert werden. Dies dient ebenfalls der intrazellulåren PTHrP-Verteilung
a
1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
Tabelle 1.6.2. Gewebsspezifische Wirkungsmechanismen des PTHrP Organ
Wirkung
Wirkmechanismus
Referenz
Knorpel
Differenzierung
Intrakrin
Knochen
Osteolyse
Parakrin
Haut/Haare Glatter Muskel
Differenzierung Relaxation
Autokrin/parakrin Autokrin/parakrin
Endothel Plazenta Herz(-muskel)
Apoptosetoleranz Wachstum Inotropie
Intrakrin Intrakrin Parakrin
Chung et al. 1998; Amizuka et al. 1996; Goomer et al. 2000; Lanske et al. 1998 Caverzasio u. Bonjour 1996; Cuthbertson et al. 1999; Ouyang et al. 2000; Philbrick et al 1998 Foley et al 1998; Thomson et al 2003 Nickols et al. 1989; Schordan et al. 2004; Francis et al. 2003; Williams et al. 1994; Thiede et al. 1991; Degenhardt et al. 2004; Stuart et al. 2000 Schorr et al. 2003 Wlodek et al. 2004 Jansen et al. 2003; Schlçter et al. 2000; Hara et al. 1997; Nickols et al. 1989
Brust/Laktation Niere Lunge Magen-Darm-Trakt Leber Pankreas Nebenschilddrçse Zentralnervensystem
Chronotropie Ca2+-Transport in die Milch Kalziumtransport Phosphattransport Renaler Blutfluss Surfactant-Bildung Differenzierung Motilitåt, Differenzierung Akut-Phase-Antwort Differenzierung PTH-Freisetzung ADH-Freisetzung Blutdruckregulation
Autokrin/endokrin Parakrin
van Houten et al. 2004; Lippuner et al. 1996 Esbrit et al. 2001
Autokrin/endokrin
Hastings et al. 2004
Autokrin
Ito u. Ohtsuru 1996; Cooper et al. 1991; Ye et al. 2001; Botella et al. 1994 Funk et al. 1997; Li et al. 1996 Zhang et al. 2003; Vasavada et al. 1998 Lewin et al 2000 Ono et al. 1997; Yamamoto et al 1997
Parakrin Parakrin Autokrin Autokrin
ma, Lunge, Zåhne, kardiovakulårem System oder Niere (Tucci et al. 1996; Aya et al. 1999; Dunbar u. Wylsolmerski 1999; Torday et al. 1998; MacLean et al. 2004; Calvi et al. 2004; Bui et al. 1993; Mekaapiruk et al. 2002; Lee et al. 1995). Rçckschlçsse auf die Bedeutung des PTHrP wåhrend der Embryonalentwicklung ergeben sich vor allen Dingen aus Untersuchungen an transgenen Tieren (Abschn. 1.6.1.5).
1.6.1.3 Molekularer Aufbau und Wirkmechanismen der Rezeptoren Bis heute sind drei PTH/PTHrP-Rezeptoren bekannt: der PTH1-Rezeptor (PTH1R), der PTH2-Rezeptor (PTH2R) und der PTH3-Rezeptor (PTH3R). Auûerdem gibt es Hinweise fçr die Existenz eines C-terminalen Rezeptors (CPTHR, Divieti et al. 2004). Bisher konnte allerdings noch kein Rezeptor fçr die mittregionalen Abschnitte identifiziert werden.
1.6.1.3.1 PTH1-Rezeptor Der PTH1-Rezeptor, auch als PTH/PTHrP-Rezeptor in der Literatur bezeichnet, wurde erstmals Anfang der 90er Jahre kloniert (Juppner et al. 1991). Sowohl PTH(1±34) als auch PTHrP(1±36) kænnen an diesen Rezeptor mit sehr hoher Affinitåt binden und diesen auch aktivieren. Die EC50 liegt fçr beide Substanzen im nanomolaren Bereich. Beide Peptide, PTH und PTHrP, weisen innerhalb der ersten 13 Aminosåuren eine sehr groûe Homologie auf, so sind 8 davon identisch. Die Regionen 15±34 zeigen nahezu keine Homologie in der Primårstruktur. Hier sind nur noch 3 Aminosåuren identisch. Trotzdem ist diese Region sehr wichtig, da sie die Bindungsdomåne fçr den PTH1R beinhaltet. In diesem Bereich besitzen beide Peptide eine amphiphile a-Helix mit einem hydrophoben Bereich. Dieser hydrophobe Bereich ist fçr eine Rezeptorbindung verantwortlich. Somit kann angenommen werden, dass beide Bindungsdomånen eine åhnliche Konformation besitzen (Caulfield et al.
137
138
K.-D. Schlçter und G. Ross
1990; Mannstadt et al. 1999). Das N-terminale Ende beider Peptide ist fçr die Aktivierung des Rezeptors entscheidend, so bindet beispielsweise das synthetische Peptid PTH(7±34) an den Rezeptor, aktiviert diesen jedoch nicht. N-terminal deletierte Teilpeptide des PTH oder PTHrP werden håufig als kompetitive Inhibitoren eingesetzt. Der PTH1-Rezeptor gehært zu einer Untergruppe G-Protein-gekoppelter, heptahelicaler Rezeptoren. Dieser Untergruppe, genannt Klasse-II-Rezeptoren, gehæren auch die Rezeptoren fçr Sekretin, Calcitonin, vasoaktives intestinales Peptid (VIP) und Glukagon an (Juppner et al. 1999). Die Expression des PTH1R ist in der Niere und im Knochen besonders hoch. In diesen Geweben vermittelt er den klassischen endokrinen PTH-Effekt, nåmlich die kalziotrope Wirkung. Des Weiteren wird der PTH1R aber auch in vielen anderen Organen exprimiert. Dort vermittelt er verschiedene Effekte, die durch lokal gebildetes PTHrP ausgelæst werden (Tabelle 1.6.2). Der PTH1R ist als Target fçr die Entwicklung neuer Pharmaka sehr interessant, da er an der Vermittlung einiger schwerer Krankheiten beteiligt ist, wie z. B. dem Hyperparathyroidismus, der malignen Hyperkalzåmie und der Osteoporose. Der PTH1R kann an unterschiedliche G-Proteine angekoppelt sein. So aktiviert er çber das GasProtein den Cyclo-AMP/Proteinkinase-A(cAMP/ PKA)-Signal-Weg und çber das Gq/11-Protein den PLC/PKC-Signal-Weg (Abb. 1.6.3). Die meisten bislang identifizierten Effekte, die durch eine Aktivierung des PTH1R ausgelæst werden, sind çber eine
Aktivierung des cAMP/PKA-Signal-Wegs vermittelt. Die Strukturfunktionsbeziehung zwischen Ligand und Rezeptor zeigt, dass die entscheidenden Aminosåuren fçr die Aktivierung an Position 2, 3 und 6 liegen. Die genaue Position fçr die Aktivierungssequenz fçr den Phospholipase-C/Proteinkinase-C(PLC/PKC)-Signal-Weg ist dagegen umstritten. So induziert beispielsweise das Tetrapeptid PTH(29±32) in verschiedenen Zelllinien den PKCSignal-Weg (Jouishomme et al. 1992). In diesem Abschnitt besitzen PTH und PTHrP zwar eine unterschiedliche Primårstruktur, aber eine åhnliche Sekundårstruktur. Demgegençber gibt es aber auch Untersuchungen, die zeigen, dass in der N-terminalen Region von PTH und PTHrP ebenfalls Sequenzen vorhanden sind, die den PLC/PKCSignal-Weg aktivieren kænnen (Takasu et al. 1999). Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Tetrapeptid 29±32 zwar den PKC-Signal-Weg aktiviert, hierbei die PKC jedoch nicht von der PLC, sondern von einer anderen Phospholipase aktiviert wird. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um Phospholipase D. Neben diesen Aktivierungsdomånen besitzt PTHrP weitere Sequenzen, welche die PKC aktivieren kænnen. So existiert zwischen der Aminosåure 107±111 eine weitere Aktivierungsdomåne. Ûber diese Domåne vermittelt beispielsweise das PTHrP-Peptid(107±139) eine Aktivierung der PKC, was eine Hemmung der Knochenresorption durch Osteoklasten zur Folge hat. Der Rezeptor, welcher diese Antwort vermittelt, konnte jedoch noch nicht identifiziert werden.
Abb. 1.6.3. Aufbau des PTH-Rezeptors vom Typ 1. Der Rezeptor kann çber unterschiedliche G-Proteine die Adenylylcyclase (AC) oder die Phospholipase C (PLC) aktvieren. Fçr die Bindung an den Rezeptor reichen die N-terminalen Sequenzabschnitte aus. Abkçrzungen: NH2: terminale Aminogruppe des Rezeptors, ATP: Adenosintriphosphat, cAMP: zyklisches Adenosinmonophosphat, PKA: Proteinkinase A, PIP2: Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphate, IP3: Inositol1,4,5-triphosphat, DAG: Diacylglycerol, COOH: terminale Carboxylgruppe des Rezeptors
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
Bei wiederholter Aktivierung des Rezeptors durch PTH oder PTHrP ist eine Desensitivierung des Rezeptors zu beobachten. Nach Anlagerung des Proteins b-Arrestin ist zuerst die Inaktivierung des Rezeptors mit anschlieûender Sequestierung und Internalisierung zu beobachten (Vilardaga et al. 2001). Fçr die Internalisierung selbst scheint auch eine Aktivierung des Rezeptors benætigt zu werden. Das bedeutet eine Aktivierung des PKCund des PKA-Signal-Wegs (Sneddon et al. 2004). Nicht in allen Zellen scheint eine Aktivierung des Rezeptors fçr die Endozytose des Rezeptors nætig zu sein. Des Weiteren weisen Ergebnisse mit dem synthetischen Teilpeptid PTH(1±31), welches beide Signalwege aktiviert, aber keine Internalisierung des Rezeptors induziert, daraufhin, dass Aktivierung und Internalisierung vollkommen unabhångig voneinander sein kænnen (Sneddon et al. 2004). Mæglicherweise kænnte diese Kontroverse dadurch aufgeklårt werden, dass der Vorgang zellspezifisch ist. So konnte gezeigt werden, dass PTH(7±34), welches an den Rezeptor zwar hochaffin bindet, diesen jedoch nicht aktiviert, zelltypabhångig eine Internalisierung induziert. Der Beginn der Internalisierung ist etwa 6±7 min nach Zugabe des Agonisten zu beobachten. Nach 15 min sind 50% aller Rezeptoren internalisiert.
1.6.1.3.2 PTH2-Rezeptor Der PTH2-Rezeptor wurde 1995 von der Arbeitsgruppe um Ted Usdin auf der Suche nach einem neuen Klasse-II-G-Protein-gekoppelten Rezeptor im Zentralnervensystem entdeckt. Dieser Rezeptor besitzt in seiner Primårstruktur eine 51%ige Homologie zu PTH1R. Wie auch PTH1R wird er in einer Vielzahl von Geweben bzw. Organen exprimiert (Usdin et al. 1996), wobei seine Expression im Zentralnervensystem besonders hoch ist. PTHrP kann an diesen Rezeptor weder binden noch ihn aktivieren. PTH kann zwar an den humanen PTH2-Rezeptor binden und diesen auch aktivieren, doch scheint sein natçrlicher Ligand TIP39 zu sein. Dafçr spricht, dass TIP39 die rezeptorvermittelte cAMP-Produktion wesentlich potenter stimulieren kann als PTH. Den PTH2-Rezeptor der Ratte vermag PTH sogar kaum zu aktivieren (Hoare et al. 1999). Des Weiteren wird der PTH2-Rezeptor im Zentralnervensystem in vielen Gebieten exprimiert, aufgrund der Blut-HirnSchranke ist dort allerdings kaum PTH zu finden. Auch dies gilt als Indiz dafçr, dass TIP39 der natçrliche Ligand des PTH2R ist. Studien zeigten, dass die Aminosåure an Position 5 fçr die Ligan-
denselektivitåt des humanen PTH2R sorgt. An dieser Position steht ein Histidin beim PTHrP, aber ein Isoleuzin beim PTH (Behar et al. 1996). TIP39 weist im Vergleich von PTH zu PTHrP eine wesentlich geringere Homologie in seiner Aminosåuresequenz zu diesen beiden Peptiden auf. So sind nur 5 Aminosåuren zwischen TIP39 und den Peptiden PTH(1±40) und PTHrP(1±39) identisch. Fçr diesen Rezeptor ist neben einer Stimulierung des cAMP-Signal-Wegs, auch ein rezeptorvermittelter Anstieg der zytoplasmatischen Ca2+-Konzentration und eine Aktivierung des PLC/PKC-Signal-Wegs beschrieben (Della Penna et al. 2003). Im Weiteren soll auf diesen Rezeptor nicht weiter eingegangen werden, da dieser nicht von PTHrP aktiviert werden kann und pathophysiologische Dysregulationen zur Zeit nicht bekannt sind. Fçr weiter gehende Informationen siehe Usdin et al. 2002.
1.6.1.3.3 PTH3-Rezeptor Ein dritter PTH-Rezeptor konnte bisher nur beim Zebrafisch nachgewiesen werden (Rubin u. Juppner 1999). Dieser Rezeptor besitzt eine 69%ige Homologie zu dem PTH1R des Zebrafisches. PTHrP kann çber den PTH3R den cAMP-Signal-Weg wesentlich potenter aktivieren als PTH. Eine Aktivierung des PLC-Signal-Wegs ist fçr den PTH3R bisher noch nicht beschrieben. Obwohl PTHrP an Zielzellen von Såugetieren spezifische Effekte ausçbt, die nicht von PTH imitiert werden kænnen, also ein ligandenspezifisches Profil zeigten, das dem des PTH3R entspricht, konnte eine Expression dieses Rezeptors in Såugetieren nie nachgewiesen werden.
1.6.1.3.4 C-terminaler PTH-Rezeptor und Rezeptoren fçr mittregionale Fragmente In Seren vieler verschiedener Spezies konnte man relativ hohe Konzentrationen von C-terminalen PTH-Fragmenten nachweisen, die jedoch nicht mit dem PTH1R interagieren. Fçr dieses C-terminale PTHrP-Peptid wird auch das Synonym Osteostatin verwandt. Osteostatin ist an der Regulation der osteoklastenvermittelten Knochenresorption beteiligt. Zur Bindung an den skelettalen CPTHR scheinen drei verschiedene Sequenzabschnitte von Bedeutung zu sein, die Aminosåurereste 25±27, 53+54 sowie 57,65+72 (Divieti et al. 2004). Diese Reste sind innerhalb der PTH-Sequenz der Såugetiere sehr stark konserviert. Neben diesem skelettalen CPTHR scheinen auch noch andere, eventuell organspezifische C-terminal-spezifische PTH-Rezep-
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toren zu existieren. Ûber den strukturellen Aufbau dieser Rezeptoren und ihre angekoppelten Signalwege ist bisher noch sehr wenig bekannt. In-vitroDaten lassen vermuten, dass innerhalb des Knochenstoffwechsels der klassische PTH1R und der CPTHR gegensåtzliche Wirkungen besitzen. Aufgrund des Vorkommens von biologisch aktiven mittregionalen PTHrP-Fragmenten kann vermutet werden, dass fçr diese Teilpeptide auch entsprechende Rezeptoren existieren, da diese Peptide nicht in der Lage sind, mit dem klassischen PTH1R zu interagieren. Beispielsweise scheinen mittregionale Peptide an der Regulation des Kalziumstoffwechsels des Fetus beteiligt zu sein (Care et al. 1990). Allerdings sind bisher noch keine Rezeptoren fçr dieses Fragment bekannt. Dies gilt auch fçr Rezeptoren, die Wirkungen des PTH/ PTHrP im zentralen Nervensystem vermitteln (Yamamoto et al. 1997).
1.6.1.4 Intrakrine Wirkungsweise des PTHrP Unter physiologischen Bedingungen ist kaum PTHrP im Blut nachweisbar (< 1,3 pmol/l). Eine
Ausnahme stellt die Laktationsphase dar, da wåhrend dieser auch hæhere PTHrP-Blutspiegel detektierbar sind. Ansonsten sind systemisch erhæhte PTHrP-Spiegel Anzeichen pathophysiologischer Ereignisse. Da, wie oben bereits erwåhnt, PTHrP als zirkulierendes Agens kaum eine Rolle spielt, entfaltet PTHrP seine rezeptorvermittelten Effekte hauptsåchlich durch eine lokal beschrånkte Freisetzung. Nach der Sekretion bindet PTHrP an den jeweiligen Rezeptor und aktiviert verschiedene Signalwege. Durch Internalisierung des Rezeptors gelangt PTHrP aber auch ins Zytosol und kann dann in den Kern transportiert werden (Abb. 1.6.4). Auch endogen gebildetes PTHrP kann ohne vorherige Sekretion eine intrakrine Wirkung entfalten. Innerhalb der letzten Dekade wurden biologische PTHrP-Wirkungen nachgewiesen, welche nicht çber einen Rezeptor an der Zelloberflåche vermittelt werden, sondern auf intrakrinen Mechanismen vermittelt durch eine Kerntranslokalisation des PTHrP beruhen. So konnte gezeigt werden, dass nukleåres PTHrP in Chondrozyten das Auftreten von Apoptose verzægert (Henderson et al. 1995). PTHrP besitzt zwei Kernlokalisationsse-
Abb. 1.6.4. Kernlokalisation von PTHrP in mikrovaskulåren Endothelzellen (gelbe Pfeile). In rot dargestellt die Immunreaktion mit einem PTHrP-Antikærper, in blau dargestellt die Kernanfårbung. In den unteren Bildern ist der Primårantikærper vor der Histochemie mit dem Liganden abgesåttigt worden. Dies dient dem Nachweis der Spezifitåt des Antikærpers
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
quenzen (¹nuclear localization sequenceª, NLS). Diese werden von den Aminosåureresten 88±91 und 89±106 gebildet (Henderson et al. 1995; Massfelder et al. 1997). Des Weiteren scheint die Phosphorylierung der Aminosåure Threonin an Position 85 fçr den NLS-vermittelten Transport sehr wichtig zu sein. Kçrzlich wurde ein rezeptorvermittelter Transport von PTHrP in den Zellkern, unter Bindung an spezielle Kernimportrezeptoren, sog. Importine, beschrieben. Hierbei scheint PTHrP hauptsåchlich an Importin-b1 zu binden. Fçr die Bindung sind die Aminosåureabschnitte 83±93 und 71±82 verantwortlich (Lam et al. 2002). Im Kern selbst kann PTHrP drei mægliche Zielmolekçle haben: RNA, DNA oder Proteine. Eine Bindung von PTHrP an die RNA wurde in vitro nachgewiesen (Aarts et al. 1999). Eventuell kænnte PTHrP hierbei als Transporter fçr mRNA ins Zytosol agieren. Aufgrund der groûen Homologie der NLS von PTHrP zu anderen Transkriptionsfaktoren, wie beispielsweise c-jun, c-fos oder p53, låsst sich vermuten, dass auch PTHrP die Mæglichkeit besitzt, direkt an die DNA zu binden und somit als Transkriptionsfaktor zu fungieren. Eine Bindung von PTHrP an nukleåre bzw. zytosolische Proteine zur Induzierung seiner zellulåren Effekte kann ebenso nicht ausgeschlossen werden. Verschiedene Studien deuten daraufhin, dass PTHrP durch seine nukleåre Funktion hauptsåchlich als Wachstumsfaktor, sowohl bei physiologischen als auch bei pathologischen Prozessen, fungiert oder die Apoptosetoleranz der Zellen modifiziert.
1.6.1.5 Transgene Tiermodelle Die zentrale Rolle des PTHrP und des PTH1R bei der Kalziumhomæostase und als Wachstumsregulator konnte durch eine Reihe von transgenen Tieren belegt werden. Homozygote PTHrP-knock-out Måuse (PTHrP±/±) versterben kurz nach der Geburt. Diese zeigten die Symptome einer Asphyxie und einer Stærung der enchondralen Ossifikation (Karaplis et al. 1994). Morphologisch weisen die Måuse einen verkleinerten Brustkorb mit verminderter Dehnbarkeit auf. Dies wird fçr das postnatale Versterben der Måuse verantwortlich gemacht. Des Weiteren weisen diese Knock-outs hypoplastische Lungen mit einer gestærten Lungenentwicklung sowie einer mangelnden Ausdifferenzierung der Alveolarepithelzellen vom Typ II auf und daraus resultierend eine mangelnde Surfactant-Sekretion (Rubin et al. 2004). Die frçhzeitige Mineralisierung und Ossifikation,
welche bei den PTHrP±/±-Måuse zu beobachten ist, scheinen auf einem verfrçhten Ûbergang der Chondrozyten vom proliferativen zum hypertrophen Stadium in den fetalen Wachstumsfugen zu beruhen. Des Weiteren weisen die PTHrP±/±Knock-outs eine gestærte Zahnentwicklung auf (Kitahara et al. 2004). Knock-out-Måuse fçr den PTH1R (PTH1R±/±) zeigen einen anderen Phånotyp als die bereits oben erwåhnten PTHrP±/±-Knock-outs. Der Phånotyp dieser Knock-outs ist vergleichbar mit dem Blomstrand-Syndrom (Abschn. 1.6.3.6). Der unterschiedliche Phånotyp von PTHrP±/±- und PTH1R±/±-Måusen kænnte darauf beruhen, dass bei den PTHrP±/±-Måusen PTH teilweise die Aufgaben von PTHrP çbernimmt (Lanske et al. 1999). Transgene Måuse, die entweder PTHrP oder aber PTH1R in den Glattmuskelzellen der Gefåûe çberexprimieren, sind hypotensiv und weisen eine gestærte Reaktion bei Applikation von Vasodilatoren auf (Maeda et al. 1999; Qian et al. 1999). Diese Untersuchungen zeigen, welche zentrale Rolle PTHrP bei der lokalen Tonusregulation im Gefåûsystem zu spielen scheint, da die Vielzahl von kærpereigenen Gegenregulationsmechanismen nicht in der Lage ist, bei diesen Tieren einen normalen Blutdruck einzustellen. Die transgenen Måuse dieser Zuchtlinie zeigten håufig sowohl Missbildungen im Bereich des Herzens als auch des Skelettsystems, des Weiteren zeichnen sie sich durch eine hohe Sterblichkeit post natum aus. Dies zeigt auf, welche Folgen eine Ûberexpression von PTHrP hat. Eine Ûberexpression sowohl von PTHrP als auch PTH1R ist auf jeden Fall letal, doppelt transgene Måuseembryonen sterben schon im Uterus und weisen Entwicklungsdefekte im Herz-Kreislauf-System auf (Qian et al. 1999). Transgene Måuse, die PTHrP im Bereich der Lunge çberexprimieren, zeigten extreme Missbildungen der Lunge. Bei diesen Tieren kam es zu Stærungen der Lungenentwicklung und zur Ausbildung von Zysten (Hastings et al. 2004).
1.6.2 Krankheitsbilder Im folgenden Abschnitt wird zunåchst ein kurzer Ûberblick çber die wichtigsten Krankheitsbilder gegeben, die auf molekularer und zellulårer Ebene ursåchlich durch Verånderungen in Expression, Freisetzung oder Wirkung von Peptiden der PTHFamilie beruhen.
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1.6.2.1 PTH-assozierte Krankheitsformen Primårer und sekundårer Hyperparathyroidismus sind Krankheitsbilder, die eine vermehrte Freisetzung von Parathormon (PTH) zeigen. Dabei handelt es sich in der Regel um klassische hormonelle Dysregulationen, also endokrine Fehlregulationen, die an dieser Stelle nicht nåher beschrieben werden sollen, weil es sich nicht um parakrine oder autokrine Wirkungen handelt. An dieser Stelle sei deshalb lediglich auf das Kap. 4 ¹Hyper- und Hypoparathyreoidismusª im Band ¹Molekularmedizinische Grundlagen von Endokrinopathienª verwiesen. Die endokrine Wirkung des PTH schlieût andererseits Interaktionen mit lokalen PTH/PTHrPWirkungen nicht aus und kann deshalb auch als Teil einer gestærten parakrinen oder autokrinen Regulation verstanden werden. Beim primåren Hyperparathyroidismus ist eine erhæhte Mortalitåt erkennbar, die vorwiegend kardiovaskulåre Ursachen hat (Hedbåck u. Odn 1998). Die Kausalanalyse çber mægliche Mechanismen, die beim primåren Hyperparathyroidismus zu erhæhter kardiovaskulårer Mortalitåt fçhren, ist im Detail unverstanden. Auffållig ist die Ausbildung von Myokardhypertrophien (Symons et al. 1985). Eine direkte hypertrophe Wirkung von PTH auf Herzmuskelzellen ist nachgewiesen worden und beruht auf einer Aktivierung der PKC (Schlçter und Piper 1992). Sie geht einher mit der Reexpression fetaler Proteine und åhnelt damit phånotypisch auf zellulårer Ebene der besser charakterisierten Hypertrophie, die durch die Wirkung der Katecholamine vermittelt wird. Es gibt Hinweise dafçr, dass nicht PTH selbst, sondern die hohen Kalziumspiegel kausal fçr die kardiovaskulåren Probleme verantwortlich sind (Hedbåck u. Odn 1995). Dann wçrde es sich um einen zumindest indirekt endokrinen Wirkmechanismus des PTH handeln. Im Sinne einer parakrinen oder autokrinen Wirkung kænnten Hyperparathyroidismen wirken, indem es zu einer Desensibilisierung des PTH1R an nichtklassischen Zielzellen kommt. Dies wçrde dann eine verånderte Ansprechbarkeit gegençber parakrin gebildetem PTHrP zur Folge haben. Insofern ist denkbar, dass Formen des Hyperparathyroidismus indirekt Einfluss nehmen auf die parakrine Regulation durch PTHrP. Eine direkte autokrine Rolle spielt das PTHrP offensichtlich bei Formen des sekundåren Hyperparathyroidismus. Da Zellen der Nebenschilddrçse neben PTH auch PTHrP exprimieren (Kitazawa et al. 2002), wurde eine funktionelle Relevanz der Koexpression des PTHrP postuliert. Die zuvor be-
schriebene Wachstumskontrolle der Zellen der Nebenschilddrçse durch PTHrP kænnte eine solche Rolle sein (Matsushita et al. 1999). In seltenen Fållen fanden sich erhæhte PTHSpiegel auch ohne Hyperparathyroidismus. In einem Fallbeispiel çber eine juvenile akute lymphatische Leukåmie wurde kçrzlich gezeigt, dass die Leukoblasten PTH freisetzen (Lankisch et al. 2004). Die PTHrP-Konzentrationen waren hingegen im Normbereich. Im Gegensatz zu erhæhten PTHrP-Konzentrationen war in diesem Fall das klinische Erscheinungsbild durch eine nur moderate Nierenfunktionsstærung charakterisiert. Øhnlich kann beim pathophysiologischen Erscheinungsbild des Pseudohypoparathyroidismus davon ausgegangen werden, dass hier autokrine/ parakrine Prozesse zumindest mitbeteiligt sind. Beim Pseudohypoparathyroidismus handelt es sich um Mutationen des postrezeptoriell wichtigen GasProteins, das fçr die Ûbertragung des initialen Signals in ein intrazellulåres Signal, in diesem Fall cAMP, verantwortlich ist (Patten et al. 1990). Obwohl grundsåtzlich verschiedene Signalkaskaden durch PTHrP in den Zielzellen aktiviert werden, handelt es sich bei den meisten zellulåren Prozessen um cAMP-abhångige Regulationen. Eine solche Verånderung im Gas-Protein greift deshalb in alle PTH1R-vermittelten Prozesse ein und beeinflusst auch alle parakrinen Wechselwirkungen.
1.6.2.2 PTHrP-assozierte Krankheitsformen PTHrP ist ein ubiquitår gebildetes Peptidhormon, das i. allg. als autokrin, parakrin oder intrakrin wirkender Transmitter angesehen wird, der im Plasma nicht oder nur in geringen Konzentrationen nachweisbar ist. Entsprechend seiner ubiquitåren Verbreitung kænnen Krankheiten, die auf Verånderungen im PTHrP-System beruhen, alle Organe betreffen und zeigen håufig lokal beschrånkte Symptome. PTHrP-assozierte Krankheitsbilder lassen sich grob in drei Formen unterteilen: · Krankheitsformen, bei denen es aufgrund einer konstitutiven Freisetzung von PTHrP aus Tumorzellen zu erheblichen systemischen Konzentrationen von PTHrP kommt. Dies betrifft besonders Formen des Brustkrebs und Lungentumoren, ist aber nicht auf diese Tumoren beschrånkt. · Krankheiten, bei denen die lokale Balance von PTHrP durch verånderte lokale Bildung des Peptids zu lokalen Defekten fçhrt. Beispiele sind pulmonale, kardiovaskulåre oder schwangerschaftsbedingte Verånderungen.
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
· Seltene genetisch bedingte Krankheiten, die auf Mutationen des PTH1R beruhen und die håufig mit erheblichen Entwicklungsstærungen der Knochenbildung einhergehen. Die molekularbiologischen und zellphysiologischen Grundlagen dieser Krankheitsformen werden im Folgenden eingehender beschrieben.
1.6.2.3 TIP39-assozierte Krankheitsformen Tuberoinfundibularpeptid mit 39 Aminosåuren (TIP39) wurde 1999 gereinigt und sequenziert (Usdin et al. 1999). Es gilt heute als spezifischer Ligand fçr den PTH2R. Die Expression von TIP39 und PTH2R im zentralen Nervensystem spricht fçr lokale Funktionen des Peptids im Zentralnervensystem. TIP39 und PTH2R scheinen bei Prozessen der Schmerzempfindung und der Regulation der Freisetzung einiger Neuropeptide beteiligt zu sein (Usdin et al. 2003). Allerdings låsst sich eine Expression von TIP39 und PTH2R auch in anderen Organen und dem Gefåûsystem nachweisen. Dieses Expressionsmuster spricht fçr weitere lokale Funktionen, die bislang nicht untersucht worden sind. Bislang sind auch keine Krankheitsbilder bekannt, die ursåchlich auf einen Defekt der TIP39-Expression oder Freisetzung beruhen. Dies gilt auch fçr Defekte des PTH2R. Dies liegt aber vermutlich in den bislang unzureichenden Erkenntnisstand, und es darf erwartet werden, dass in den nåchsten Jahren TIP39-vermittelte Krankheitsbilder identifiziert werden kænnen. Zum gegenwårtigen Stand sind spezifische Krankheitsbilder, die auf TIP39 beruhen, nicht bekannt.
1.6.3 Molekulare Grundlagen der PTHrP-assozierten Krankheitsbilder 1.6.3.1 PTHrP-bildende Tumore PTHrP wurde ursprçnglich erstmals aus Zellen schwammartiger Lungentumore isoliert. In der Tat finden sich in mehr als der Hålfte aller Lungentumore hohe Expressionen an PTHrP. Da das Peptid aus den Tumorzellen konstitutiv freigesetzt wird, ergeben sich hohe Plasmakonzentrationen an PTHrP. PTHrP ist dabei kausal fçr eine resultierende Hyperkalzåmie verantwortlich, die eine osteolytische Aktivitåt umfasst. Die Kausalbeziehung
zwischen PTHrP-produzierenden Tumoren, hohen Plasma-PTHrP-Konzentrationen und Hyperkalzåmie respektive verstårkter Knochenresorption kann als gesichert angesehen werden. In einer autokrinen Wirkungsweise trågt PTHrP auûerdem dazu bei, die Lungenkrebszellen gegen Apoptose zu schçtzen. Anders als dies in mikrovaskulåren Endothelzellen oder Zellen von Prostatatumoren der Fall ist, wird hierbei die antiapoptotische Wirkung des PTHrP durch eine rezeptorvermittelte Aktivierung der Adenylatcyclase bewirkt (Hastings et al. 2004). Die klinische Relevanz ist von erheblicher Tragweise, weil diese Zellen dadurch bestrahlungsresistent werden. Intrakrine, autokrine und parakrine Wirkungen des Peptidhormons eræffnen die Mæglichkeit, PTHrP auch als Target einer Tumorrepressorstrategie ins Auge zu fassen. Die intrakrine Wirkung von PTHrP kann generell als proliferationssteigernd und apoptosehemmend eingestuft werden. Sie bedarf einer Translokation des PTHrP in den Zellkern. Eine Hemmung der nukleåren Translokation kann deshalb das Wachstum der Tumoren deutlich reprimieren (Tovar-Sepulvedar u. Falzon 2002). Parakrine Wirkungen des PTHrP auf Wachstum und Apoptose sind vielschichtiger und hången primår von Zelltyp und Differenzierung ab. So kann exogenes PTHrP PC3-Prostata-Tumorzellen in seinem Wachstum stimulieren (Tovar-Sepulvedar u. Falzon 2002), wåhrend Brustkrebszelllinien durch mittregionale PTHrP-Peptide in ihrem Wachstum reprimiert werden (Luparello et al. 2001). Unabhångig von diesen zum Teil sehr heterogenen Antworten verschiedener Tumorzellen auf PTHrP kann eine hohe PTHrP-Konzentration im Plasma als Zeichen einer schlechten Prognose angesehen werden. Patienten mit hohen PTHrP-Spiegeln weisen auch hohe Kalziumkonzentrationen auf. Die Håufigkeit der Koinzidenz von Knochenmetastasen und hohen PTHrP-Konzentrationen betrågt dagegen nur etwa 50% (Blind et al. 1993). Hinsichtlich der Kausalitåt zwischen PTHrP and schlechter Prognose herrscht zur Zeit weitgehend Unklarheit. Tierexperimentell låsst sich eine Beteiligung von systemisch nachweisbarem PTHrP an der Knochenmetastasenbildung nachweisen (Miki et al. 2004; Burton et al. 2005). Hingegen zeigen 66% aller Patienten mit erhæhten Plasmawerten fçr PTHrP keine Knochenmetastasen. Dies kann entweder als Gegenargument einer zwingenden Kausalbeziehung von PTHrP und Metastasierung angesehen werden oder aber als Anzeichen dafçr, dass hohe PTHrP-Konzentrationen der Metastasenbildung vorangehen. Auch scheinen nur bestimmte
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Abb. 1.6.5. Rolle des PTHrP bei der osteolytischen Aktivitåt von Prostatakrebs und der Entstehung von Knochenmetastasen. Prostatakrebszellen bilden PTHrP, das çber die Blutbahn an Knochenzellen bindet und dort eine Osteoklastenaktivierung auslæst. Das fçhrt zu einer Erhæhung der Plasmakalziumkonzentration (maligne Hyperkalzåmie). Kalzium verstårkt die PTHrP-Bildung durch die Tumorzellen weiter und unterstçtzt die Metastasierung von Tumorzellen im Knochen
Varianten des PTHrP kausal fçr eine schådigende Wirkung in Frage zu kommen. Hier hinken die gesicherten experimentellen Befunden dem mæglichen Potential einer gezielten pharmakologischen Beeinflussung des PTHrP-Systems hinterher. Eine Kausalbeziehung zwischen Expression von PTHrP und Entstehung von Knochenmetastasen ist auch beim Prostatakrebs belegt. Der Tumor selbst produziert dabei neben einer Reihe von anderen Zytokinen auch PTHrP, das seinerseits die Entwicklung von osteoblastischen Metastasen færdert (Sugihara et al. 1998). Im Gegensatz zur Expression von IL-1a und IL-1b kann unter endokriner Therapie eine Reduktion der PTHrP-Bildung nicht erreicht werden. PTHrP wirkt nicht nur endokrin, indem es die Knochenmetastasierung unterstçtzt, sondern auch intrakrin. Dabei steigert es durch einen noch nicht genau identifizierten Mechanismus die Expression von IL-8 (Lehrer et al. 2004). Bei der Entstehung der Knochenmetastasen beim Prostatakrebs kommt dem Zytokin TGF-b eine dominierende Rolle zu, weil TGF-b die Expression und Sekretion von PTHrP in Prostatakrebszellen steigert (Sellers et al. 2004 a). In Form einer positiven Rçckkopplung fçhrt die Freisetzung von PTHrP zur Hyperkalzåmie (Abb.
1.6.5). Die Kalziumkonzentration wird çber einen spezifischen Rezeptor der Prostatakrebszellen gemessen. Hohe Kalziumkonzentrationen fçhren zur Transaktivierung des Heparin-Bindungs-EGF-Rezeptors (HB-EGF), der die Expression von PTHrP verstårkt (Yano et al. 2004). Andererseits unterliegt die PTHrP-Expression der negativen Kontrolle eines sekretorischen Proteins der Prostata (PSP-94), das die PTHrP-Bildung reduziert, die Kalziumkonzentrationen reduziert und die Ausbildung von Knochenmetastasen verzægert (Shukeir et al 2004). Synthetische Teilpeptide, welche die biologische Aktivitåt des PSP-94 imitieren, kænnten geeignet sein als neue Therapieformen fçr Patienten mit Prostatakrebs. Auch viele Formen des Brustkrebses gehen mit der Bildung von Knochenmetastasen einher. Das bedeutet die Aktivierung von Osteoklasten, die fçr einen fortschreitenden Knochenabbau sorgen. Dabei scheint PTHrP frçh in die Kausalkette einzugreifen. Tumorabhångig gebildetes PTHrP steigert die osteoblaståre IL-11-Bildung, die wiederum eine Zytokinkaskade aktiviert, an deren Endpunkt eine verstårkte Aktivitåt der Osteoklasten steht (Morgan et al. 2004). Unterstçtzt wird die Ausprågung von Knochenmetastasen auch durch die verstårkte Expression der proinvasiven Integrine a6 und b4 (Shen et al 2004). Diese wird direkt durch PTHrP als intrakrine Wirkung vermittelt, wobei eine Deletion der Kernerkennungssequenz (NLS) die Wirkung von PTHrP beseitigt. Exogenes PTHrP kann die Wirkung des endogenen PTHrP nicht imitieren. Es wird vermutet, dass die PTHrP-vermittelte Expression dieser proinvasiven Integrine wesentlich zur Metastasierung der Tumoren beitrågt. Schlieûlich lassen sich auch in einigen Gliatumoren unterschiedlich starke Expressionen an PTHrP nachweisen. Die Stårke der PTHrP-Expression scheint dabei mit einem geringeren Grad an Differenzierung dieser Zellen einherzugehen, was andererseits aggressivere Tumoren bedeutet. Folglich haben Patienten mit hohen PTHrP-Expression auch geringere progressionsfreie Zeiten und insgesamt eine kçrzere Ûberlebensrate (Pardo et al. 2004). Zusammenfassend låsst sich festhalten, dass verschiedene Tumorformen, die sich besonders bei Formen von Brustkrebs, Lungenkrebs oder Prostatakrebs finden lassen, erhebliche Mengen an PTHrP produzieren, die dann lokal parakrine Signalwege am Knochen modulieren und zu einer gesteigerten Osteoklastenaktivitåt, der Mobilisierung von Kalzium und letztendlich auch der Entstehung
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
von Knochenmetastasen beitragen. Insbesondere die Bildung PTHrP-produzierender Knochenmetastasen ist von groûer klinischer Relevanz. Unter der Standardtherapie von Brust- und Prostatakrebs kommt es nach wie vor zu einem Verlust der Knochenmasse. Ûber einen noch nicht vollståndig verstandenen Mechanismus fçhrt dies wiederum zu einer verstårkten Neigung der Knochenmetastasierung. Nachdem sich die Knochenmetastasen erst ausgebildet haben, sind die Patienten praktisch nicht mehr kurierbar (Mundy 2002). Eine frçhzeitige Unterdrçckung der PTHrP-Bildung als initiales Ereignis der Kausalkette ist deshalb von herausragendem Interesse. Die Applikation von neutralisierenden PTHrP-Antikærpern ist in der klinischen Erprobung (Chirgwin et al. 2004). Die hier angesprochenen PTHrP-produzierenden Tumoren stellen nur eine Auswahl besonders gut charakterisierter Tumoren dar. PTHrP-Bildung findet sich aber auch bei anderen Krebsformen, so am Pankreas (Grzseiak et al. 2004), an der Leber (Pun u. Tam 1995), in kardialen Chondrosarkomen (Kase et al. 2004) oder Tumoren des Gastrointestinaltraktes (Yoshizaki et al. 2004). In seltenen Fållen kænnen auch Blasentumore mit Hyperkalzåmie assoziiert sein und produzieren PTHrP (Chaudary et al. 2004). Die Rolle des PTHrP ist in diesen Fållen aber weniger klar definiert und beruht auf Spekulationen aufgrund der Expression von PTHrP oder des korrespondierenden PTH1R in solchen Zellen. Dagegen hångt die Proliferation von Zellen aus Nierenkarzinomen, die ebenfalls PTHrP produzieren, direkt von der lokalen PTHrP-Wirkung ab. Seine Expression wird gehemmt durch Aktivierung des Hippel-Lindau-Tumor-Repressorgens (Massfelder et al 2004).
1.6.3.2 Pulmonale Defekte PTHrP wird sowohl in der normalen als auch in der malignen Lunge konstitutiv exprimiert und beeinflusst Lungenreifung, Lungenfunktion und die pathophysiologischen Verånderungen bei Lungenerkrankungen und Lungenkrebs (zur Ûbersicht siehe Hastings 2004). PTHrP wird wåhrend der Embryonalentwicklung (7.±12. Woche) frçhzeitig in der Lunge exprimiert. Die Expression ist beschrånkt auf Epithelzellen, wåhrend der korrespondierende Rezeptor in den benachbarten mesenchylmalen Geweben exprimiert wird. Dieses Expressionsmuster weist bereits auf eine parakrine Rolle bei der Lungenentwicklung hin. In transgenen PTHrP-defizienten Måusen weist eine ver-
minderte oder fehlende Produktion von Surfactant-Proteinen auf die elementare Bedeutung des PTHrP fçr die Entwicklung einer funktionellen Lunge hin (Rubin et al. 2004). Umgekehrt konnte anhand tierexperimenteller Befunde gezeigt werden, dass es bei Ûberexpression des PTHrP wåhrend der Lungenreifung zur Zystenbildung kommt, åhnlich solchen, wie sie beim Menschen in Form der erworbenen zystischen adenomatoiden Fehlbildung vorliegen. Ob diese Krankheit in der Tat auf einer Ûberexpression von PTHrP beruht, ist bislang aber nicht gezeigt worden. Interessanterweise zeigen Måuse mit einer PTH1R-Ûberexpression keine vergleichbaren Symptome, was als Indiz dafçr gewertet werden kann, dass PTHrP intrakrin die Lungenreifung beeinflusst. Beim Erwachsen geht eine pulmonale Ûberexpression des PTHrP dagegen nicht mit pulmonalen Fehlfunktionen einher. Dies unterstreicht die Bedeutung des PTHrP fçr die Lungenreifung. Mangelnde oder fehlende Bildung von PTHrP wåhrend der Lungenreifung manifestiert sich in Missbildungen der fetalen Typ-II-Zell-Reifung. Diese Zellen besitzen keinen korrespondierenden Rezeptor, und das PTHrP wirkt entweder intrakrin, indem es das Wachstum der Typ-II-Zellen beeinflusst, oder parakrin, indem benachbarte Zellen zur Bildung von Surfactant-Vorlåufermolekçlen angeregt werden. Beide Prozesse sind bei mangelnder PTHrP-Bildung beeintråchtigt. Die Interaktion von PTHrP mit den benachbarten, PTH1R exprimierenden Zellen, vorwiegend Fibroblasten des subepithelialen Mesenchyms, weisen auf eine bidirektionale parakrine Achse zwischen fetalem Epithel und Mesenchym hin. So produziert die fetale Lunge bei Gabe von bioaktiven PTH-Peptiden vermehrt ungesåttigtes Phosphatidylcholin, das wichtigste Phospholipid der Surfactants (Abb. 1.6.6). Als mæglicher Mediator der Fibroblastenwirkung auf die Typ-II-Epithelzellen kann das adipozytenverwandte Protein (ADRP) und Leptin angesehen werden. In Anbetracht des bislang Gesagten erstaunt es nicht, dass niedrige tracheale PTHrP-Konzentrationen direkt assoziiert sind mit dem adulten respiratorischem Distress-Syndrom (ARDS) und niedriger Surfactant-Bildung, weil niedrige PTHrPSpiegel als Indikator fçr eine fehlende Typ-II-ZellFunktion angesehen werden kænnen. Ein ultimativer Beweis dafçr, dass ein Mangel an PTHrP nicht nur Indikator fçr die verminderte Typ-II-ZellFunktion ist, sondern auch kausal an seiner Entstehung beteiligt ist, liegt aber zur Zeit nicht vor. Die Fåhigkeit der Typ-II-Zellen der Lunge, PTHrP zu bilden, bleibt beim Erwachsenen erhal-
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Abb. 1.6.6. Rolle des PTHrP bei Reifung der Lunge und Lungendefekten des Erwachsenen. Wåhrend der Embryonalentwicklung bilden Epithelzellen vom Typ II PTHrP, aber exprimieren nicht den korrespondierenden Rezeptor. Durch parakrine Wechselwirkung werden die Nachbarzellen zur Bildung von Lipiden angeregt, die die Typ-II-Zellen zur Surfactant-Bildung anregen. Beim Erwachsenen exprimieren die Typ-II-Zellen auch den Rezeptor. Das freigesetzte PTHrP
unterstçtzt die Surfactant-Bildung und wirkt autokrin auf die Zelle zurçck, indem es die Proliferation hemmt (A). Bei Lungendefekten kann es zur verminderten Expression von PTHrP der Typ-II-Zellen kommen (B). Dies fçhrt zu einer verminderten Surfactant-Bildung, aber zur Aufhebung der Wachstumshemmung. Dadurch steigt die Zahl der Surfactant bildenden Zellen wieder an und damit mittelfristig auch die Konzentration an PTHrP
ten. Dieser Zelltyp stellt die Hauptquelle des pulmonalen PTHrP dar. Der wesentliche Unterschied besteht in der Expression des PTH1R in diesen Zellen, der in fetalen Typ-II-Zellen nicht exprimiert wird. Somit mçssen autokrine Mechanismen fçr die PTHrP-Wirkung berçcksichtigt werden. Die Zellen scheinen PTHrP konstitutiv freizusetzen, und PTHrP scheint das Wachstum der Typ-IIZellen zu reprimieren. Parallel dazu beeinflusst PTHrP die Apoptosesuszeptibilitåt der Zellen. Die pathophysiologische Relevanz dieser Befunde ist nicht abschlieûend geklårt. In tierexperimentellen Arbeiten konnte aber ein biphasischer Verlauf der lokalen PTHrP-Bildung gefunden werden. Wåhrend der Frçhphase verschiedener Lungendefekte sinkt die lokale PTHrP-Bildung. Im weiteren Verlauf steigt sie aber wieder deutlich an. Die Lunge kænnte in zweifacher Weise von einer solchen biphasischen Syntheserate profitieren. In der Frçhphase der Lungenschådigung trågt eine verminderte PTHrP-Produktion zur Steigerung der Typ-IIZell-Proliferation bei und somit zur Aktivitåtszunahme dieser Zellen (Abb. 1.6.6). Dadurch kann mehr Surfactant gebildet werden, d. h. die alveolåre
Oberflåchenspannung sinkt, und die Ventilation wird verbessert. In der Spåtphase kænnen, ausgelæst durch die jetzt wieder hæheren PTHrP-Spiegel, diese Zellen eliminiert werden und dem Wiederaufbau einer normalen Architektur Platz machen.
1.6.3.3 Kardiovaskulåre Dysfunktionen Ursprçnglich wurde eine Beteiligung von PTH oder PTHrP bei kardiovaskulåren Komplikationen vermutet, weil bei verschiedenen Formen des Hyperparathyroidismus kardiovaskulåre Komplikationen entstehen (Abschn. 1.6.2.1). Inzwischen ist klar geworden, dass die exzessive Konzentration an PTH hier PTH1R stimuliert, das normalerweise Teil einer parakrinen und intrakrinen Wirkung von PTHrP im kardiovaskulåren System ist. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: 1. Kardiovaskulåre Zellen exprimieren zumindest zum Teil PTH1R. 2. Die lokale PTHrP-Konzentration scheint eng an die Bedçrfnisse der lokalen Umgebung angepasst zu sein, Exzess oder Fehlen fçhrt zu sub-
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
stantiellen Verånderungen in der Aktivitåt kardiovaskulårer Zellen. Zu den Zellen, die unstrittig konstitutiv PTH1-Rezeptoren exprimieren, gehæren Zellen der glatten Muskulatur. Vom theoretischen Hintergrund aus gesehen, sind diese Zellen Ziel einer relaxierenden Wirkung des PTHrP. Die vielleicht direktesten Evidenzen fçr eine solche direkte Interaktion sind Untersuchungen an transgenen Måusen, die eine glattmuskelspezifische Ûberexpression des PTH1R tragen. Diese Tiere entwickeln einen Hypotonus. Hinsichtlich des Mechanismus, çber den PTHrP vasodilatierend wirkt, herrscht Uneinigkeit. An einigen Gefåûabschnitten scheinen endotheliale Komponenten die vasodilatierende Wirkung des PTHrP zu vermitteln oder zumindest zu unterstçtzen. Hinweise ergeben sich aus der NO-Abhångigkeit der dilatierenden Wirkung (Sutliff et al. 1999). Bemerkenswert ist der Befund, dass unter pathophysiologischen Bedingungen nicht hypo-, sondern hypertone Drçcke nachweisbar sind, beispielsweise beim Hyperparathyroidismus. Ein mæglicher Mechanismus kænnte eine Desensibilsierung des PTH1R sein. Dies wçrde umgekehrt bedeuten, dass unter physiologischen Bedingungen PTH oder PTHrP einen messbaren Beitrag zum Blutdruck leisten. Im klinischen Interesse stehen allerdings weniger die dilatierenden Eigenschaften des PTH und/ oder PTHrP. Im Vordergrund steht die Beobachtung, dass PTHrP als proinflammatorisches Peptid einen eigenståndigen Beitrag wåhrend arterosklerotischer Prozesse ausçben kænnte. PTHrP kann offenbar von inflammatorischen Zellen gebildet werden. Diese finden sich in der Kappenstruktur der Plaques. Von dort freigesetztes PTHrP stimuliert die Bildung des ¹monocyte chemoattractant protein 1ª (MCP-1) in Zellen der glatten Muskulatur, die wiederum Plaques destabilisieren (MartinVentura et al 2003). Neben den Makrophagen sind die Glattmuskelzellen selbst ein wesentlicher Bildungsort des PTHrP. Die Wirkung von PTHrP auf Zellen der glatten Muskulatur ist nicht beschrånkt auf die Induktion von MCP-1. PTHrP scheint das Wachstum der Zellen zu inhibieren und verhindert somit die Entstehung einer Neointima nach arterosklerotischen Låsionen (Ishikawa et al. 2000). Da hierbei die Expression in den Glattmuskelzellen selbst erheblich ansteigt, muss von einem autokrinen Prozess ausgegangen werden (Nakayama et al. 1994). Eine strenge Korrelation zwischen Schweregrad und Progression der Arterosklerose und dem Ausmaû der PTHrP-Expression spricht ebenfalls
fçr eine Kausalbeziehung. In arterosklerotischen Plaques scheint PTHrP einmal Plaques zu destabilisieren und andererseits die Neointimabildung zu blockieren. Die Gemeinsamkeiten zwischen inflammatorischen Eigenschaften des PTHrP und anderen inflammatorischen Peptiden hat zu der Vermutung gefçhrt, dass PTHrP auch bei rheumatischen Erkrankungen beteiligt sein kænnte (Funk et al. 2002). Im Gegensatz zu den Glattmuskelzellen exprimieren Gefåûendothelzellen keinen PTH1R (Rian et al. 1994). Sie sind aber andererseits ein wichtiger Bildungsort des Peptids. Direkte Wirkung auf die Endothelzelle entfaltet PTHrP in erster Linie durch eine intrakrine Wirkung. Diese versetzt die Endothelzelle in die Lage, eine hæhere Apoptosetoleranz zu entwickeln (Schorr et al. 2003). Mechanistisch ist dies durch eine verstårkte Expression von bcl-2, einem antiapoptotischen Gen, vermittelt. Wie PTHrP im Zellkern die Expression von Genen veråndert, vorzugsweise solchen, die in die Apoptosetoleranz der Zelle eingreifen, ist noch Gegenstand eingehender Untersuchungen. Eine verminderte Expression von PTHrP, wie sie sich beispielsweise im chronisch druckbelasteten Herzen wiederfindet, kænnte aber die Apoptosesuszeptibilitåt der Endothelzellen erhæhen und damit kausal ein erhæhtes Risiko fçr die Bildung von arterosklerotischen Plaques darstellen. Neben der intrakrinen Wirkung von PTHrP ist die parakrine Wirkung zu berçcksichtigen. PTHrP wird sowohl im Zellkulturexperiment als auch unter klinisch relevanten Bedingungen lokal und mechanosensitiv freigesetzt. Wie bereits weiter oben ausgefçhrt, wirkt PTHrP vasodilatierend. Das bedeutet, dass die mechanosensitive Freisetzung des PTHrP einen zusåtzlichen Mechanismus darstellt, çber den das Gefåû auf Drucksteigerung dilatierend reagieren kann. Eine solche mechanosensitive Freisetzung fand sich auch bei Patienten mit pulmonalem Hochdruck, die erhæhte PTHrP-Konzentrationen in Abhångigkeit von der Druckbelastung zeigten (Abb. 1.6.7). Keine solche druckinduzierte Freisetzung zeigen jedoch Kinder mit endothelialer Dysfunktion. Somit ist in Gefåûen mit endothelialer Dysfunktion nicht nur die NO-Bildung gestært, sondern auch die PTHrP-Freisetzung. Beides kann zur lokalen Perfusionsstærung beitragen. Als dritte wesentliche Zielzelle fçr PTH und/ oder PTHrP im kardiovaskulåren System muss schlieûlich die ventrikulåre Herzmuskelzelle angesehen werden. Auch hier ergaben sich historisch gesehen erste Hinweise aus der Wirkung von exzessiven PTH-Konzentrationen. Hyperparathyroi-
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Abb. 1.6.7. Plasmakonzentration des PTHrP in der Pulmonalarterie (PA) normiert auf die Konzentration in der A. femoralis (SA) in Abhångigkeit von der Druckbelastung in der Pulmonalstrombahn bei Kindern mit pulmonaler Hypertension. Zu erkennen ist eine lokale, durckabhångige Freisetzung des PTHrP
dismus geht håufig einher mit hypertrophem Zellwachstum des Herzmuskels und der Manifestation einer Myokardhypertrophie. Sowohl PTH als auch PTHrP vermag die Proteinsyntheseleistung der Herzmuskelzelle zu steigern (Schlçter u. Piper 1992; Schlçter et al. 1997). Auch wenn keine gesicherten klinischen Daten vorliegen, kann doch aus tierexperimentellen Untersuchungen hergeleitet werden, dass im chronisch druckbelasteten Herzen zunåchst die PTHrP-Konzentration lokal ansteigt, um dann langfristig zu fallen (Ogino et al. 2002). Die Koinzidenz aus wachstumsfærdernder Wirkung des PTHrP, verstårkter Expression des PTHrP bei Druckbelastung und Entstehung einer Myokardhypertrophie bei Hyperparathyroidismus indizieren eine Kausalitåt. Neben der wachstumsfærdernden Wirkung des PTHrP auf die Herzmuskelzelle greift das Peptid auch in den Kalziumhaushalt der Zelle ein. Historisch gesehen gilt die Kalziumeinlagerung in das Myokard des Hundeherzens nach Applikation von Extrakten der Nebenschilddrçse als eine der ersten beobachteten Wirkungen des PTH çberhaupt. Neben dem reinen Wachstum scheint auch die Funktion der Zelle durch PTHrP modifiziert zu werden.
1.6.3.4 Pråeklampsie Pråeklampsie ist eine Schwangerschaftskomplikation, die sowohl die Mutter als auch den Fetus betrifft. Etwa 5±10% aller Schwangeren sind davon betroffen. Typische Charakteristika sind mçtterlicher Bluthochdruck, Albuminurie, Údembildung und Wachstumsretardation des Fetus. Obwohl der Entstehungsmechanismus im Detail nicht vollståndig geklårt ist, herrscht doch Einigkeit darçber, dass dieses Krankheitsbild seinen Entstehungsursprung in einer fehlerhaften Plazentation wåhrend der ersten Phase der Schwangerschaft hat. Eine reduzierte Trophoblasteneinbettung und eine
hohe Apoptoserate dieser Zellen sind charakteristische zellulåre Defizite. In diesen Prozess scheinen intrakrine und parakrine Wirkungen des PTHrP kausal eingebettet zu sein. Der fetale Anteil der Plazenta stellt eine der Hauptquellen der endogenen PTHrP-Bildung dar, die sonst nur von Tumoren çbertroffen wird. Als Hauptbildungsort kann das Amnion angesehen werden. Die Konzentration an PTHrP in der Amnionflçssigkeit çbersteigt diejenige im fetalen oder maternalen Plasma um das mehr als Zehnfache (Farrugia et al. 2000). Die PTHrP-Konzentration im fetalen Plasma çbersteigt dabei diejenige des mçtterlichen Plasmas. PTHrP ist das wichtigste kalziotrope Hormon des Fæten. Die zellulåre Wirkung des PTHrP ist extrem gewebsspezifisch. Im Uterus reguliert PTHrP den Blutfluss und senkt den myometralen Tonus und verhindert so eine zu frçhe myometrale kontraktile Aktivitåt. Kurz vor der Geburt sinken die lokalen PTHrP-Konzentrationen und erlauben so einen Anstieg der kontraktilen Aktivitåt. Daneben sind die Rolle des PTHrP fçr den plazentalen Kalziumtransport und den Gefåûtonus der Plazenta gut charakterisiert. Eine besondere Bedeutung scheint dem PTHrP bei der Regulation der Trophoblasteneinwanderung und dem apoptotischen Abbau dieser Zellen zuzukommen. Wie oben beschrieben, beruht Pråeklampsie initial auf einer fehlerhaften Plazentation. Diese erfolgt durch die verstårkte Bildung von Matrixmetalloproteinasen (MMP). In diesem Zusammenhang ist es von Wichtigkeit, dass PTHrP die Expression von MMP-Isoformen in verschiedenen Zielzellen induzieren kann (Kawashima-Ohya et al. 1998; Uchida et al. 2001; Maioli et al. 2002). Obwohl eine Kausalbeziehung noch nicht eindeutig belegt werden konnte, ist es anzunehmen, dass eine solche hier wahrscheinlich vorliegt. Die Entwicklung und Differenzierung der Trophoblasten beruht auf einer ausgewogenen Balance zwischen Proliferation und Apoptose. PTHrP
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
scheint insbesondere die Apoptoseanfålligkeit verschiedener Zelltypen zu beeinflussen. Durch den Transfer des Peptids in den Zellkern hinein (intrakrine Wirkung) werden Chondrozyten, Endothelzellen und glatte Muskelzellen der Gefåûwand weniger anfållig gegençber Apoptose.
1.6.3.5 Schuppenflechte PTHrP ist ein integraler Bestandteil der normalen epidermalen Erneuerung, die fortwåhrend erfolgt. Diese besteht aus einer andauernden Proliferation von Keratinozyten auf der Basalmembran, die sich nachfolgend von der Basalmembran læsen und zu keratinbepackten sog. Korneozyten konvertieren. Aufgrund ihrer schnellen Proliferationsrate werden die sich ablæsenden Keratinozyten auch als TA(¹transit amplifierª)-Keratinozyten bezeichnet. Diese bilden einen untypischen und molekular bislang nicht identifizierten PTH/PTHrP-Rezeptor aus, der nicht an die Adenylatcyclase koppeln kann. Wenn die Zellen erst einmal aufhæren zu proliferieren und sich von der Basalmembran læsen, synthetisieren sie selbst PTHrP (Abb. 1.6.8). Induziert wird die Expression von PTHrP vermutlich durch Mitglieder der EGF-Familie (Cho et al. 2004). Vermutlich stellt diese PTHrP-Bildung ein Signal fçr die Anzahl suprabasaler Zellen dar, welches die Reifung und Proliferation der Keratinozyten auf der Basalmembran hemmt. PTH-Antagonisten, die auch die lokale PTHrP-Wirkung antagonisieren, stimulieren die epidermale Proliferati-
Abb. 1.6.8. Rolle des PTHrP bei der Epidermisdifferenzierung. Mit Ablæsen der Keratinozyten beginnen diese, den PTH1R zu exprimieren. Im Folgenden bilden diese Zellen viel Keratin und PTHrP, das in einer parakrinen Weise auf Zellen der unten liegenden Schichten rçckwirkt und wachstumshemmend wirkt. Fehlende PTHrP-Bildung trågt zur Wachstumsdysregulation und Differenzierungsfehlern bei
on (Holick et al. 1994). Fehlende PTHrP-Produktion dieser Zellen scheint ein Schlçsselereignis bei der Schuppenflechte zu sein. Øhnlich wie die Antagonisierung der PTHrP-Wirkung stært dies die regulåre Proliferation. Eine lokale Applikation von PTH normalisierte umgekehrt die Keratinozytenproliferation und erwies sich als sichere und effektive Behandlung der Schuppenflechte (Holick et al. 2003).
1.6.3.6 Krankheitsauslæsende Mutationen des PTH/PTHrP-Rezeptor-Gens Eine Reihe von seltenen genetisch vererbten Krankheiten beruht auf Mutationen des PTH1R. Dazu zåhlt das Jansen-Syndrom, eine seltene autosomal-dominant vererbte Krankheit, die auf einem konstitutiv aktiven PTH1R beruht. Im klinischen Erscheinungsbild dominiert die massive Kleinwçchsigkeit (Abb. 1.6.9 a). Ursåchlich scheint eine verzægerte Skelettreifung zu sein. Die biochemischen Laborbefunde åhneln denen des primåren Hyperparathyroidismus. Es lassen sich aber weder erhæhte PTH- noch PTHrP-Spiegel nachweisen. In 7 von 9 bekannten Fållen handelt es sich um eine Punktmutation des PTH1R an Position 223 (Histidin zu Arginin). Zwei weitere Punktmutationen des Rezeptors konnten an Position 410 und 458 festgestellt werden. Alle drei Mutationen fçhren zu einer konstitutiven Aktivierung des Rezeptors. Der molekulare Mechanismus, çber den es bei einer konstitutiven Stimulation des PTH1R zu einer Rei-
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Abb. 1.6.9 a, b. Auswirkung von PTH1R-Mutationen auf den Phånotyp. a 22-jåhrige Frau mit JansenSyndrom, einem konstitutiv aktiven PTH1R. b Totgeburt eines Kindes mit Blomstrand-Symptom, einer Mutation im PTH1R, die zur Inaktivierung des Rezeptors fçhrt. (Aus Schipani et al. 2003. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Wiley-Liss, Inc., einer Tochtergesellschaft der John Wily & Sons, Inc.)
fungsstærung im Skelettsystem kommt, konnte teilweise aufgeklårt werden. PTHrP steigert die Expression von bcl-2, einem antiapoptotischen Gen. Dies verzægert die Hypertrophie und den apoptotischen Abbau der Chondrozyten, bewirkt also eine generelle Verzægerung im Knochenaufbau (Amling et al. 1997). In transgenen Måusen konnte eine Verzægerung in der Skelettreifung durch Ûberexpression des PTHrP mittels Deletion des bcl-2 Gens verhindert werden und so die Kausalitåt belegt werden. Da es sich hierbei, anders als bei der ebenfalls PTHrP-vermittelten bcl-2-Expression in mikrovaskulåren Endothelzellen, um einen rezeptorvermittelten Prozess handelt, kann auch das strukturverwandte PTH åhnliche Symptome auslæsen (Harrington et al 2004). Eine weitere genetisch vererbte Krankheit liegt beim Blomstrand-Syndrom vor, eine rezessiv vererbte und letalen Erkrankung, die auf einer Inaktivierung des PTH1R beruht (Abb. 1.6.9 b). Diese Mutation wird autosomal-rezessiv vererbt. Drei verschiedene Formen des Rezeptordefekts konnten nachgewiesen werden. Im ersten Fall handelt es sich um eine 10 Aminosåuren umfassende Deletion in der fçnften Transmembrandomåne des Rezeptors. Verursacht wird dies durch eine Punktmutation, die ein alternatives Splicen der mRNA bewirkt. In diesem Fall zeigt der Rezeptor eine normale Expression an der Zelloberflåche, kann aber weder PTH noch PTHrP binden oder durch diese Liganden aktiviert werden. Im zweiten Fall konnte eine Punktmutation im N-terminalen Be-
reich des Rezeptors nachgewiesen werden. Dies fçhrt neben einem Rezeptor mit geringer Aktivitåt nach Ligandenbildung vor allen Dingen zu einer geringeren Expression an der Zelloberflåche. Als Drittes konnte eine weitere Deletionsmutante identifiziert werden, bei der es infolge einer Mutation im Exon EL2 zu einer Deletion der 5-, 6- und 7-Transmembranregion und des zytoplasmatischen Teils des Rezeptors kommt. Das Maû der Skelettdeformationen korreliert dabei eng mit dem Ausmaû der Mutation. Die Punktmutation im N-terminalen Bereich hat die geringste Ausprågung, die Deletion von drei Transmembranregionen die stårkste Ausprågung. Als dritte Form eines genetischen Defekts des Rezeptors wurden ursprçnglich Enchondromatosen beschrieben. Ûber die Beteiligung des PTH1R bei Enchondromatosen (auch Ollier-Krankheit oder Maffucci-Syndrom genannt) herrscht Uneinigkeit. Ursprçnglich wurde eine Mutation an Position 150, also im N-terminalen extrazellulåren Bereich des Rezeptors, fçr die verminderte Expression des Rezeptors an der Zelloberflåche verantwortlich gemacht. Rozeman und Mitarbeiter (2004) fanden in einem græûeren Patientenkollektiv aber weder eine Beståtigung fçr die ursprçnglich gefundene Mutation des Rezeptors noch andere alternative Mutationen, was gegen eine Kausalbeziehung spricht. Als vierte genetisch vererbte Krankheit, die auf einem Defekt des PTH1R beruht, kann das EikenSyndrom angesehen werden. Diese Erkrankung ist bislang nur bei einer einzigen Familie nachgewie-
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1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
sen worden und beruht auf einer Deletion im C-terminalen zytoplasmatischen Teil des Rezeptors (Duchatelet et al. 2005). In allen genannten Fållen liegt der Defekt auf der Ebene des PTH1R. Dies bedeutet, dass unabhångig von messbaren oder hohen systemischen PTHrP-Konzentrationen dem PTHrP eine wichtige und entscheidende Rolle in Wachstum und Regulation zukommt, die durch parakrine oder autokrine Wirkungen vermittelt wird. Da bislang keine genetischen Erkrankungen gefunden wurden, die auf eine Mutation im PTHrP-Gen beruhen, kann auch vermutet werden, dass solche Verånderungen wohl letal sind. Darçber hinaus bleibt festzustellen, dass Formen eines defekten PTH1R schwerwiegende Symptomatiken zeigen. Aus dem Fehlen von PTHrP-Mutationen und dem Nachweis von PTH1R-Mutationen kann man entweder folgern, dass einige Funktionen des PTHrP çber einen bislang nicht identifizierten Rezeptor vermittelt werden oder aber dass der Ausfall der intrakrinen rezeptorunabhångigen Wirkungen bei Fehlen des PTHrP schwerwiegender ist.
1.6.4 Therapeutische Ansåtze Eine Betrachtung der oben aufgefçhrten klinischen Erscheinungsformen, die sich entweder aus einer verminderten lokalen Verfçgbarkeit des PTHrP ergeben oder aus der massiv erhæhten Konzentration des PTHrP resultieren, låsst umgekehrt den Schluss zu, dass eine enge Balance zwischen PTHrP-Konzentration und -Wirkung notwendig ist. Hinsichtlich jener Fålle, in denen entweder die PTHrP-Produktion zu niedrig ist, z. B. bei der Pråeklampsie, ist es schwer, regional die PTHrPKonzentrationen zu normalisieren. Eine Ausnahme bildet die oben genannte Schuppenflechte, weil dort lokal von auûen auf die Haut aufgetragen PTH direkt appliziert werden kann (Holick et al. 2003). In den håufigen Fållen einer massiven Ûberproduktion des PTHrP mit systemisch relevanten Konzentrationen im Plasma ist andererseits aber eine Inhibierung der PTHrP-Wirkung durch Applikation von PTHrP-Antagonisten mæglich. Beispiele fçr einen viel versprechenden Ansatz finden sich durch Verwendung neutralisierender Antikærper. Hier konnte gezeigt werden, dass solche Antikærper in der Tat die PTHrP-Wirkung praktisch vollståndig unterdrçcken (Onuma et al. 2004; Miki et al. 2004). In vivo konnte gezeigt werden,
dass die Antikærper signifikant die Konzentration an ionisiertem Blutkalzium in Måusen senken, die einen PTHrP-produzierenden Tumor trugen. Øhnliche Ergebnisse mit neutralisierenden Antikærpern fanden sich auch in einem anderen Mausmodell mit Knochenmetastasenbildung. Vergleichbar vielversprechend scheinen Ansåtze zu sein, in denen statt PTHrP das distal dem PTHrP agierende IL-11 neutralisiert wird. Dies belegt eindrucksvoll, dass PTHrP çber die Induktion von IL-11 seine osteolytisches Potential entwickelt. Schlieûlich setzten neue, in der tierexperimentellen Phase befindliche Verfahren, auch oberhalb des PTHrP an. Prostatatumoren scheinen PTHrP primår durch die Wirkung eines prostatasekretorischen Proteins (PSP-40) zu entfalten, das wiederum die PTHrPExpression steigert. Dessen Wirkung låsst sich durch synthetische Peptide blockieren und somit die Wirkung des PTHrP bei der Knochenmetastasierung des Prostatakrebses einschrånken. Dabei besteht allerdings immer die Gefahr der Immunisierung gegen solche Peptide. Einen weiteren vielversprechenden Ansatz zur Reduktion der PTHrPExpression durch Tumoren zeigten Gallwitz und Mitarbeiter (2002) auf. Sie konnten im Tierexperiment zeigen, dass durch Gabe von Guanin-Nukleotid-Analoga die Expression von PTHrP spezifisch reprimiert wurde. Das PTHrP-Peptid exponiert antigene Oberflåchen, die teilweise zur Aktivierung von peptidspezifischen zytotoxischen T-Lymphozyten beitragen. So fanden Yao et al. (2005) in Patienten mit Prostatakrebs Immunglobuline (IgG), die reaktiv gegençber PTHrP(42±51) sind. Die peptidspezifische Aktivierung der zytotoxischen T-Lymphozyten fçhrt zu einer spezifischen Abwehr der Prostatakrebszellen. Eine spezifische Immuntherapie mittels solcher PTHrP-Teilpeptide kænnte ein vielversprechender neuer Ansatz sein, um Patienten mit Prostatakrebs zu behandeln und die Progression der Knochenmetastasierung zu unterdrçcken.
1.6.5 Diagnostische Aspekte Fçr die Diagnose stehen heute geeignete ELISAVerfahren zur Verfçgung, welche eine Bestimmung der Plasmakonzentrationen an PTHrP ermæglichen. Von Bedeutung ist dies im Hinblick auf die allgemein schlechte Prognose bei Tumorpatienten mit hohen PTHrP-Spiegeln. Neben der oben nåher erlåuterten Wechselwirkung des PTHrP fçr die
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K.-D. Schlçter und G. Ross Tabelle 1.6.3. Plasmaspiegel von PTHrP Nachweismethoden
Physiologisch/pathologisch
Plasmakonzentration
RIA gegen N-terminales PTHrP (1±34) RIA gegen mittregionales PTHrP (53±84) Immunoassay gegen Mittregionales PTHrP (38±64) RIA gegen N-terminales PTHrP (1±34)
Normbereich Maligne Hyperkalzåmie Normbereich Maligne Hyperkalzåmie Normbereich
<1,3 pmol/l 3,4 pmol/l 5±21 pmol/l 22±333 pmol/l 19,1 nmol/l
Blind et al. 1993 (eigene Bestimmung)
Normbereich
99,9 pmol/l
(eigene Bestimmung)
Metastasierung von Tumoren steht hier eine hohe PTHrP-Konzentration immer auch fçr eine hohe Tumoraktivitåt. Die normalen und niedrigen PTHrP-Konzentrationen (5±21 pmol/l) kænnen nach Blind et al. (1993) in Gegenwart von PTHrPbildenden Tumoren um mehr als das Zehnfache ansteigen (22±333 pmol/l). Die Bestimmung der PTHrP-Konzentrationen unterliegt keinem normalisierten Verfahren, so dass unterschiedliche Werte in der Literatur genannt werden. Dies hångt zum einen mit der Verwendung unterschiedlicher Antikærper zusammen und zum anderen mit dem Nachweis verschieden strukturierter Teilpeptide, die durch Glykosylierung in der Affinitåt gegençber Antikærpern zusåtzlich variieren. So konnten wir beispielsweise im Plasma von Kindern mit pulmonalem Hochdruck durch Verwendung zweier unterschiedlicher Primårantikærper, die gegen N-terminales PTHrP oder mittregionales PTHrP gerichtet waren, hæchst unterschiedliche Konzentrationen in ein und der selben Plasmaprobe bestimmen (Tabelle 1.6.3). Auch hångt die absolute Konzentration von der Referenzgræûe ab (synthetisches Teilpeptid, biologische Aktivitåt oder authentisches Peptid). Fçr Aussagen zur Verånderung der lokalen, parakrinen, autokrinen oder intrakrinen Wirkung von PTHrP sind diese Verfahren nicht geeignet.
1.6.6 Ausblick In den vergangenen Jahren konnte PTHrP als ubiquitår exprimiertes Peptid mit seinen zahlreichen intrakrinen, autokrinen und parakrinen Wirkungen unter physiologischen Bedingungen identifiziert werden. Dies umfasst praktisch alle Organe. Um die Bedeutung des PTHrP fçr die Entstehung verschiedenster Krankheitsformen zu verstehen,
Referenz Attia et al. 2003
bedarf es einer extensiven Erforschung der zellspezifischen Regulation der Expression, seines zellspezifischen Freisetzungsmechanismus und der Wirkungsweise des Peptids. Hier steht die Forschung leider noch ganz am Anfang. Von entscheidender Bedeutung wird dabei ein besseres Verståndnis der Rezeptoren und der Liganden-Rezeptor-Interaktion sein. Es ist bislang vællig unklar, ob ein Rezeptor verschieden ausgeprågte Ligandeninteraktionen eingeht oder ob andere bislang nicht identifizierte Rezeptoren, pleiotrope Wirkungsweisen des PTHrP vermitteln kænnen. Entsprechend vage sind derzeit alle Versuche, durch geeignete Rezeptorantagonisten therapeutisch einzugreifen.
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a
1.6 Intrakrine, parakrine und autokrine Funktionen des PTH/PTHrP-Systems
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157
158
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies Ulrike Pfaar, Eric Kçbler und Daniel Gygax
Inhaltsverzeichnis 1.7.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
1.7.2 1.7.2.1 1.7.2.2
. .
161 161
. . .
162 163 164
. . . . . .
167 168 168 169 170 171
1.7.2.4.1 1.7.2.4.2
Chemische Grundlagen . . . . . . . . . . . Rçckblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktive Sauerstoffspezies und oxidativer Stress . . . . . . . . . . . . . Reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies Reaktion von ROS mit Lipiden . . . . . . . Reaktionen von ROS mit DNA (DNA-Schåden) . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionen von ROS mit Polysacchariden Reaktionen von ROS mit Proteinen . . . . Antioxidanzien und Radikalfånger . . . . Endogene Antioxidanzien . . . . . . . . . . Exogene Antioxidanzien . . . . . . . . . . . Biomarker fçr oxidativen Stress sowie Nachweis und Messmethoden reaktiver Sauerstoffspezies . . . . . . . . . Biomarker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7.3 1.7.3.1 1.7.3.1.1 1.7.3.1.2 1.7.3.1.3 1.7.3.1.4 1.7.3.1.5 1.7.3.1.6
Enzymatische Grundlagen . . . . . . . . . Bildung von ROS . . . . . . . . . . . . . . . Mitochondriale Elektronentransportkette NADPH-Oxidase . . . . . . . . . . . . . . . . Myeloperoxidase . . . . . . . . . . . . . . . . Xanthinoxidase . . . . . . . . . . . . . . . . NADPH-Zytochrom-P450-Reduktase . . . CYP450-Monooxygenasen . . . . . . . . . .
1.7.2.2.1 1.7.2.2.2 1.7.2.2.3 1.7.2.2.4 1.7.2.2.5 1.7.2.3 1.7.2.3.1 1.7.2.3.2 1.7.2.4
1.7.3.1.7 1.7.3.1.8 1.7.3.2 1.7.3.2.1 1.7.3.2.2 1.7.3.2.3 1.7.4
. . .
173 174 175
. . . . . . . .
176 177 177 178 180 180 181 182
1.7.1 Einleitung Durch Atmen sind Mensch und Tier eng mit dem Úkosystem und seinen Kreislåufen fçr Sauerstoff und Kohlenstoff verbunden (Vester 1978; Klætzli 1980). Der molekulare Sauerstoff, den wir mit der Luft einatmen, ist reaktionstråge und daher fçr Lebewesen unschådlich. Wird er aber physikalisch oder chemisch aktiviert, entstehen daraus angeregte Sauerstoffmolekçle, wie Superoxidanionen, Hydroperoxylradikale, Peroxidanionen, Hydroxylradikale, um nur die Wichtigsten zu nennen, die als reaktive Sauerstoffspezies (¹reactive oxygen speciesª, ROS) oder auch Prooxidanzien bezeichnet werden. Biolo-
1.7.4.1 1.7.4.2 1.7.4.2.1 1.7.4.2.2 1.7.4.2.3 1.7.4.2.4 1.7.4.3 1.7.4.4 1.7.4.5
NO-Synthase . . . . . . . . . . . . . Cyclooxygenase und Lipoxygenase Inaktivierung von ROS . . . . . . . Superoxiddismutase . . . . . . . . . Katalase . . . . . . . . . . . . . . . . Glutathion-Peroxidase und Glutathion-Reduktase . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
183 184 185 185 186
. . . . . . 186
Para- und autokrine Mechanismen der ROS/ RNS-abhångigen Signalçbertragungswege . Ûbersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionen von ROS in Signalçbertragungsprozessen . . . . . . . Oxidation und Reduktion von Thiolgruppen (Bildungsweg 1) . . . . . . Peroxynitrierung (Bildungsweg 2) . . . . . . S-Nitrosylierung (Bildungsweg 3) . . . . . . . Addukte mit elektrophilen Lipidperoxidationsprodukten (Bildungsweg 4) . . . . . . . . Das Antioxidans-Paradox . . . . . . . . . . . . Kontrollmechanismen bei Redoxsignalçbertragungswegen . . . . . Klassifikation von Redoxsignalçbertragungswegen . . . . .
187 187 187 189 190 191 191 192 193 193
1.7.5
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
1.7.6
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
gische Systeme wie Menschen, Tiere und Pflanzen sind diesen zum Teil aggressiven Substanzen ausgesetzt. Zellen produzieren fortwåhrend als Teil oxidativer metabolischer Prozesse Radikale und reaktive Sauerstoffspezies. Die hohe Reaktivitåt und Instabilitåt dieser Spezies, die in aeroben Organismen zum græûten Teil in den Mitochondrien gebildet werden, stellen fçr Zellen eine betråchtliche Belastung dar. Diese Substanzen kænnen Lipide, Nukleinsåuren, Proteine und Kohlenhydrate schådigen (Berlett u. Stadtman 1997). Doch ROS sind nicht nur an schådigenden Prozessen im Organismus beteiligt, sondern sie wirken als Signalmolekçle und Mediatoren von zellulåren Vorgången, wie der Steuerung des Zellzyklus, der Zellproliferation und der ApopGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
160
U. Pfaar et al.
Abb. 1.7.1. ROS-Netzwerk in der Ûbersicht
tose. Bekannt ist auch, dass ROS das Wachstum von Zellen stimulieren oder hemmen und den Zelltod im Sinne einer Nekrose oder eines organisierten programmierten Zelltodes (Apoptose) auslæsen kænnen (Guo et al. 2004). Die Rolle der Mitochondrien als wichtigste Quelle von ROS erhålt çber die Bereitstellung von Energie hinaus eine zusåtzliche Bedeutung (Cadenas 2004). Des Weiteren sind ROS an der zellulåren Abwehr gegen Bakterien und anderen Mikroben beteiligt. Somit kænnen reaktive Sauerstoffspe-
zies durchaus als Teil eines Netzwerks zur Aufrechterhaltung der zellulåren Homæostase betrachtet werden (Hensley u. Floyd 2002). Die unterschiedlichsten exogenen und endogenen Faktoren kænnen Zellen unter Stress setzen. Neben hohen Konzentrationen von Metaboliten, Xenobiotika, sind es hormonerzeugte Signale, Verletzungen, Entzçndungen, Hitze, Bestrahlung, Sauerstoffmangel oder auch çbermåûige Muskelarbeit, die zum Stress beitragen (Bakonyi u. Rada 2004; Arnold u. Kadenbach 2003). Die Zelle antwortet
Abb. 1.7.2. Ungleichgewicht von pro- und antioxidativen Prozessen unter oxidoreduktiven Bedingungen
a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
auf den Stress mit der Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies. Die reaktiven Sauerstoffspezies entstehen durch Autooxidation z. B. von Katecholaminen, Flavinen und Ferrodoxinen (Del Maestro 1980) sowie durch eine Vielzahl von enzymatischen Reaktionen (Abb. 1.7.1). Unter physiologischen Bedingungen gelingt es der Zelle, der çbermåûigen Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies mit gezielten Maûnahmen entgegenzuwirken. Unter Beteiligung sowohl endogener enzymatischer Systeme wie z. B. der Superoxiddismutase, der Katalase oder der Glutathionperoxidase, als auch exogener nichtenzymatischer Antioxidanzien, wie z. B. Vitamin A, E und C oder auch Polyphenole, kænnen reaktive Sauerstoffspezies in weniger aggressive Substanzen umgewandelt werden. Antioxidative Prozesse kænnen sowohl Abfangreaktionen reaktiver Sauerstoffspezies (ROS-Scavenging) als auch pråventive Reaktionen, die die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies verhindern, oder auch Reparaturmechanismen schon geschådigter Systeme darstellen. Der oxidative oder besser oxidoreduktive Stress (Boelsterli 2003), die Akkumulation von reaktiven Sauerstoffspezies, ist daher Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen den ROS-bildenden (prooxidativen) und den ROS-inaktivierenden (antioxidativen) Prozessen (Abb. 1.7.2). Die Akkumulation von reaktiven Sauerstoffspezies steht daher im Zusammenhang mit der Pathophysiologie von zahlreichen Erkrankungen wie z. B. Diabetes (Piconi et al. 2003), Arteriosklerose (White et al. 1994), Hypertonie (Rathaus u. Bernheim 2002), Neoplasien, neurodegenerativen Erkrankungen aber auch dem Alterungsprozess generell (Ashok u. Ali 2003). ROS und oxidativer Stress spielen bei sehr unterschiedlichen Krankheiten eine wichtige Rolle, so beispielsweise bei chronischen und akuten Entzçndungen wie der rheumatoiden Arthritis, Eisen- und Kupferstoffwechselstærungen, Reperfusionsschåden, alkoholischen und anderen nutritiv-toxischen Leber- und Organschåden. Es sind die Bildungsgeschwindigkeiten und stationåren Konzentrationen der Sauerstoffspezies, die den Ûbergang von der physiologischen Redoxregulation zur pathophysiologischen Situation des oxidoreduktiven Stresses bestimmen (Daiber u. Ullrich 2002). Der Såugetierorganismus hat eine Vielzahl von Mechanismen entwickelt, um kurzfristig oder auch langfristig auf eine Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie) zu reagieren. Die hypoxieabhångige Regulation von Erythropoietin (EPO), des vaskulåren endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) und einer Vielzahl von anderen Proteinen geschieht auf der Ebene der Transkription. Unter Sauerstoffmangel
wird der durch Hypoxie induzierbare Transkriptionsfaktor (HIF-1) in den Zellkern transportiert, wo er als Dimer die Synthese von Genprodukten induziert, die den Stoffwechsel von Tumorzellen sicher stellen (ZagÕrska u. Dulak 2004). Beispielsweise sezernieren die Zellen von Leber und Niere als Antwort auf einen niedrigen Sauerstoffpartialdruck EPO, ein Hormon, das die Produktion der roten Blutkærperchen stimuliert (Goldberg et al. 1988). Hypoxie regt auch die Expression des VEGF in den Parenchymzellen vieler Gewebe an und fçhrt so zu einer gesteigerten Angiogenese (Levy et al. 1995; Chandel u. Schumacker 2000). Die Hypothese, dass bei intensiv betriebenem Sport çber gesteigerte Atmung und die damit verbunden erhæhte Sauerstoffaufnahme auch oxidoreduktiver Stress ausgelæst wird, wurde in den vergangenen Jahren durch verschiedene In-vitro- und In-vivo-Versuche im tierischen Organismus beståtigt (Leeuwenburgh et al. 1999). Alle lebenden Organismen unterliegen Alterungsprozessen. Diese Prozesse åuûern sich dadurch, dass physiologische Funktionen eingeschrånkt werden und bestimmte Erkrankungen vermehrt auftreten. Es gibt mehr und mehr Hinweise, die einen Zusammenhang zwischen dem oxidoreduktiven Stress, Krankheiten und dem Alterungsvorgang (Ashok u. Ali 2003) aufzeigen.
1.7.2 Chemische Grundlagen 1.7.2.1 Rçckblick Henry John Horstman Fenton (1854±1929) kænnte man als Entdecker der reaktiven Sauerstoffspezies in den chemischen Wissenschaften bezeichnen. Im Jahre 1876 veræffentlichte Fenton seine Beobachtung, dass eine Læsung von Eisen(II)sulfat in Gegenwart von geringen Mengen Weinsåure durch wenige Tropfen Wasserstoffperoxid einen violetten Farbumschlag erfåhrt (Fenton 1876, 1894, 1896). Doch diese chemische Reaktion blieb lange Zeit unverstanden. Bei der Fenton-Reaktion wird Wasserstoffperoxid durch Eisen(II) reduziert, und es entsteht ein hoch reaktives Hydroxylradikal: Fe2 H2 O2 ! Fe3 HO OH
1:1
Fritz Haber publizierte nur wenige Jahre nach Fentons Tod seine Arbeiten mit Willståtter und Weiss
161
162
U. Pfaar et al.
(Haber u. Willståtter 1931; Haber u. Weiss 1934). Der wesentliche Beitrag von Haber und Weiss war die Erkenntnis, dass das hoch reaktive Hydoxylradikal durch Reaktion von Superoxidanion und Wasserstoffperoxid gebildet wird. Die beiden Reaktionen (1.2) und (1.3) ergeben in Verbindung mit der Fenton-Reaktion (1.1) die unter dem Namen Haber-Weiss-Reaktion bekannte Reaktion (1.4) HO H2 O2 ! H2 O O2 H
1:2
Fe3 O2 ! Fe2 O2
1:3
O2 H2 O2
Fe ! O2 HO OH
1:4
Die unter (1.4) genannte Reaktion wurde als eisenkatalysierte Haber-Weiss-Reaktion oder auch als superoxidgesteuerte Fenton-Reaktion beschrieben. Nach Liochev und Fridovich (2002) sollte der Begriff ¹Fenton-katalysierte Haber-Weiss-Reaktionª (Koppenol 2001) nicht verwendet werden, da es eindeutig ist, dass die Haber-Weiss-Reaktion mit der Eisenkatalyse verbunden ist. Koppenol jedoch weist in seiner Veræffentlichung auf den wichtigen Beitrag von P. George hin, dass Eisen nicht nur zum Start, sondern auch zur Fortsetzung (Propagation) der Kettenreaktion von Bedeutung ist (Koppenol 2001). Die Arbeiten von Haber und Mitarbeitern hatten jedoch bis zur Entdeckung der zellulåren Bildung von Superoxidradikalen noch keine Bedeutung fçr die biochemischen Wissenschaften. Die durch Eisen katalysierte HaberWeiss-Reaktion, die zur Bildung hoch reaktiver Hydroxylradikale fçhrt, wurde spåter durch verschiedene Arbeitsgruppen in In-vitro-Experimenten beståtigt (Halliwell 1978; McCord u. Day 1978). Bis in die 50er Jahre schenkte man freien Radikalen und auch Antioxidanzien in den biochemischen Wissenschaften nur wenig Beachtung, wenn man von dem Inhibitor der Fettsåureoxidation, Vitamin E, als Konservierungszusatz von Lebensmitteln absieht (Mattill 1941). Chemiker hatten jedoch schon viele Jahre Erfahrungen auf dem Gebiet der Radikale çber Strahlung, Polymere und Verbrennung gewonnen. So gehærten Daniel Gilbert und Rebecca Gershman zu den Pionieren in den biochemischen Wissenschaften, die toxische Wirkungen erhæhter Sauerstoffspiegel von aeroben Organismen mit ionisierender Strahlung in Verbindung brachten und dies auf die Bildung von freien Radikalen zurçckfçhrten (Gilbert 2000). Im Jahre 1954 formulierten Rebecca Gershman und Daniel Gilbert die Hypothese, dass die meisten
schådigenden Wirkungen des Sauerstoffs durch freie Sauerstoffradikale erklårt werden kænnen. Historisch betrachtet ist die Veræffentlichung ihrer Arbeit die Geburtsstunde der ROS in der Biochemie (Gershman et al. 1954). Zwei Jahre spåter entwickelte Denham Harman die ¹Freie-RadikalTheorieª. Nach seiner Hypothese ist die hohe chemische Reaktivitåt freier Radikale ein Auslæser fçr Alterungsprozesse, die zur Schådigung makromolekularer Strukturen fçhrt (Harman 2001). Dieser ersten Idee folgten Untersuchungen auf verschiedenen Ebenen, z. B. enzymatische Reaktionen der Katalase, Studien, die den Einfluss von Antioxidanzien auf die Lebenserwartung prçften, sowie die Gewinnung von Erkenntnissen zur Entstehung von Krebs und Arteriosklerose. Viele Jahre vergingen, bis 1968 McCord und Fridovich mit der Entdeckung der Superoxiddismutase (SOD) einen Meilenstein des Entgiftungsprozesses radikalischer Sauerstoffspezies (McCord u. Fridovich 1969 a; McCord u. Fridovich 1969 b; Fridovich 1983) gefunden hatten: O2 O2 2H
SOD !O2 H2 O2
1:5
¹From jeans to genesª, mit diesem Wortspiel beschrieben Gutteridge und Halliwell im Jahre 2000 die Geschichte der freien Radikale und Antioxidanzien von den spåten 50er Jahren bis in die heutige Zeit. So wie sich das åuûere Erscheinungsbild des Wissenschaftlers wandelte vom Krawattentråger bis hin zum Forscher in Jeans, so ånderte sich auch die Radikal- und ROS-Forschung von klassischen chemischen und biochemischen Methoden bis zur routinemåûigen Anwendung von DNATechniken wie z. B. der rekombinanten DNA-Technologie (Gutteridge u. Halliwell 2000).
1.7.2.2 Reaktive Sauerstoffspezies und oxidativer Stress Reaktive Sauerstoffspezies (ROS, ¹reactive oxygen speciesª) werden fortlaufend im Kærper gebildet und durch antioxidative Abwehrmechanismen wieder entfernt. Oxidativer Stress entsteht in biologischen Systemen entweder durch eine erhæhte Exposition gegençber Oxidanzien oder eine erniedrigte antioxidative Kapazitåt. Dieses Ungleichgewicht (Abb. 1.7.2) manifestiert sich in einer erhæhten Konzentration an reaktiven Sauerstoffspezies, von denen die freien Radikale wegen ihrer groûen Reaktivitåt besondere Aufmerksamkeit ver-
a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Freie Radikale Elektronen besetzen innerhalb von Atomen und Molekçlen sog. Orbitale, in denen jeweils zwei Elektronen Platz finden. Normalerweise werden die Orbitale durch gepaarte Elektronen besetzt, deren Spins in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Besetzt jedoch ein einzelnes Elektron ein Orbital, so ist dieses ungepaart und wird als Radikal bezeichnet. Somit ist eine Spezies (Molekçl oder Ion), die ein oder mehrere ungepaarte Elektronen besitzt, ein Radikal. Spezies mit ungepaarten Elektronen sind weniger stabil und i. Allg. reaktiver als Nichtradikale. Auch molekularer Sauerstoff O2 ist ein Biradikal, da dieser çber zwei ungepaarte Elektronen verfçgt. Der von den humanen Zellen aufgenommene Sauerstoff wird unter Beteiligung des Zytochromoxidase-Komplexes in den Mitochondrien stufenweise zu Wasser reduziert (Abschn. 1.7.3.1.1). Berechnungen zufolge werden ungefåhr 5% des aufgenommenen molekularen Sauerstoffs in ROS umgewandelt (Cui et al. 2004). Tabelle 1.7.1. Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und Stickstoffspezies (RNS) mit radikalischen und nichtradikalischen Eigenschaften Radikalische ROS (RNS)
Nichtradikalische ROS (RNS)
HOO Hydroxyperoxylradikal HO Hydroxylradikal SuperoxidanionO± 2 radikal RO Alkoxylradikal ROO Peroxylradikal NO Stickstoffmonoxid
H2O2
Wasserstoffperoxid
1
Singulettsauerstoff Hypochlorsåure
O2 HOCl
O3 Ozon ONOO± Peroxynitrit
B
Addition an Doppelbindungen A j j C C A C C j ! j j
j
j
Das toxische Prinzip der reaktiven Sauerstoffspezies gegençber Zellen beruht auf der Reaktion von ROS mit zellulåren Komponenten wie Proteinen, Lipiden, Kohlenhydraten und DNA. ROS kænnen Radikale oder nichtradikalische Sauerstoffspezies sein (Tabelle 1.7.1).
Dimerisierung ! A A B
j
1.7.2.2.1 Reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies
Mægliche Reaktionen von Radikalen sind z.B.:
j
dienen. Neben den reaktiven Sauerstoffspezies gibt es auch reaktive Stickstoffspezies (RNS), denen eine åhnlich groûe Bedeutung zukommt (Dalle-Donne et al. 2005).
Wasserstofftransfer A R H ! A Elektronentransfer A B !
H R
A B
Wasserstoffperoxid (H2O2) Wasserstoffperoxid wird durch Oxidaseenzyme gebildet (Abschn. 1.7.3.1.2 und 1.7.3.1.4). Sehr toxische organische Peroxide kænnen durch zweifachen Elektronentransfer in Anwesenheit von molekularem Sauerstoff bei Verbindungen, die Doppelbindungen besitzen (z. B. ungesåttigte Fettsåuren), entstehen (Abschn. 1.7.2.2.2). Superoxidanion (O± 2 ) Superoxidanion ist ein Radikalanion, welches durch eine Vielzahl von biologischen Reaktionen gebildet werden kann. Von besonderer Bedeutung ist der sog. ¹leaky mitochondrial electron transferª (Absch. 1.7.3.1.1). Das Superoxidanion wird durch Leukozyten (Monozyten, Makrophagen und ¹polymorph nuclear leukocytesª [PMN]) freigesetzt und durch superoxiddismutasekatalysierte Dismutation zu H2O2 und O2 abgebaut. Das Superoxidanion ist ein Einelektronenprodukt des molekularen Sauerstoffs und in organischen Læsungsmitteln recht stabil und kann sogar ein Chloratom aus dem recht unreaktiven Tetrachlorkohlenstoff (CCl4) substituieren (Halliwell u. Gutteridge 1984). In wåssrigem Milieu ist das Superoxidanion nur wenig reaktiv und reagiert als Reduktionsmittel z. B. mit Zytochrom c oder Nitrotetrazolium Blau. Unter langsamer Dismutation, welche in zwei Schritten unter Bildung eines Hydroperoxylradikals verlåuft, werden Superoxidanionen in Wasserstoffperoxid und Sauerstoff çberfçhrt: O2 H !HO2
1:6
HO2 O2 H !H2 O2 O2
1:7
total O2 O2 2H !H2 O2 O2
1:8
163
164
U. Pfaar et al.
Durch die nur geringen H+-Ionen-Konzentrationen bei physiologischem pH ist die Geschwindigkeit der Dismutation des Superoxidanions erniedrigt. Trotz der relativ geringen Reaktivitåt des Superoxidanions im wåssrigen Milieu kann dieses Radikal recht groûe Schåden verursachen, so z. B. in vitro DNA und Polysaccharide fragmentieren, Bakterien und tierische Zellen abtæten und in vivo Entzçndungen und Údeme hervorrufen sowie den Zelltod auslæsen. Andererseits kann ein Mangel an Superoxidradikalanionen wie bei der chronischen Granulomatose (CGD: ¹chronic granulomatous diseaseª; Abschn. 1.7.3.1.2) zu schweren Infektionen fçhren, die die Lymphknoten, die Haut, Lunge und Leber betreffen (Tauber et al. 1983). Peroxylradikale (ROO) Peroxylradikale werden vor allem durch Lipidperoxidation erzeugt, aber auch durch Reaktion von Thiylradikalen mit molekularem Sauerstoff (Cui et al. 2004). Hydroxylradikale (HO) Hydroxylradikale werden durch metallkatalysierte Reaktionen von Superoxid und Wasserstoffperoxid gebildet, aber auch durch Strahlung oder Zerfall von Peroxynitrit. Diese åuûerst reaktive, aber ungeladene Spezies kann in freie Radikalkettenreaktionen involviert werden. Die sehr niedrige Halbwertszeit von 10±9 s bei 37 8C (Cui et al. 2004) erklårt die çberaus kurze Reichweite von OH-Radikalen von nur 15 â ausgehend von seinem Bildungsort bis zur Weiterreaktion mit einem anderen Molekçl. Hydroxylradikale, die zu den aggressivsten ROS-Vertretern zåhlen, læsen extensive Schådigungen an Proteinen, Nukleinsåuren und Lipiden aus. Die Peroxidation von mehrfach ungesåttigten Fettsåuren (PUFA: ¹poly-unsaturated fatty acidsª) wurde als einer der schwersten Angriffe auf die zellulåre Integritåt beschrieben (Cui et al. 2004). Stickstoffmonoxid (NO) Stickstoffmonoxid ist ein ungeladenes Radikal, welches aus Arginin durch Katalyse von NO-Synthase (NOS) gebildet wird (Abschn. 1.7.3.1.7):
Es werden physiologische Konzentrationen von 10±8 M erreicht. Dieses Radikal hat auch nçtzliche Eigenschaften, da es in vivo Peroxylradikale abfångt und somit die Lipidperoxidation inhibieren kann. In Anwesenheit von Superoxidanionen reagiert NO zu Peroxynitrit. Unter normalen physiologischen Bedingungen verhindert jedoch die Superoxiddismutase die Bildung des Peroxynitrits und erhålt das Gleichgewicht zwischen dem Superoxidanion und dem NO (Beckman u. Koppenol 1996; Rubbo et al. 1994). NO bindet an Håmeisen oder Thiolgruppen des Håmoglobins. Peroxynitrit (ONOO±) Peroxynitrit entsteht durch Reaktion von Stickstoffmonoxid mit Superoxidradikalen (Dimerisierung zweier Radikale): NO O2
!ONOO
1:9
Mit einer Reaktionsgeschwindigkeit von 2.0 ´ 1010 M±1 s±1 ist die Bildung von Peroxynitrit viel schneller als die Reaktion von Superoxidradikalen mit SOD (Aust u. Eveleigh 1999). Peroxynitrit ist ein relativ starkes und mit einer Halbwertszeit von ~1 s langlebiges Oxidans, welches zwei Konformere bildet: cis- und trans-ONOO±.
1.7.2.2.2 Reaktion von ROS mit Lipiden Die Reaktion von ROS mit Lipiden fçhrt u. a. zu einem oxidativen Abbau von Phospholipiden und Cholesterol und wird als Lipidperoxidation bezeichnet. Erste Arbeiten, die auf einen Zerstærungsprozess an Zellmembranen durch Lipidperoxidation hinweisen, stammen aus dem Jahre 1962 (Richardson et al. 1962). In weiteren Studien zahlreicher Arbeitsgruppen (Hochstein u. Ernster 1963; Recknagel u. Goshal 1966) wurden die Zusammenhånge zwischen der Bildung freier Radikale in Zellen und Geweben, die Lipidperoxidation als Basis fçr Toxizitåt und die damit verbundenen Schådigungen durch Reaktionen mit Nukleinsåuren, Nukleotiden, Proteinen und Polysacchariden
a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
belegt. Als Halliwell und Gutteridge im Jahre 1985 die erste Auflage ihres Lehrbuchs Free Radicals in Biology and Medicine publizierten, enthielt nur das Kapitel ¹Lipidperoxidationª einen Beitrag zur Messung biomolekularer Schådigungen durch freie Radikale (Gutteridge u. Halliwell 2000). Die Lipidperoxidation verlåuft nach dem Prinzip der radikalischen Kettenreaktion in drei Phasen: Kettenstart (Initiation) ? Kettenverlångerung (Propagation) ? Kettenabbruch Gutteridge (Gutteridge 1995) schlågt jedoch vor, nur den allerersten Schritt der Lipidperoxidation als Initiation (Kettenstart) zu bezeichnen, wohingegen der Zerfall der Peroxide eher als eine Stimulation oder Beschleunigung beschrieben werden kann: Kettenstart :
LH X !L XH
L O2 !LOO LOO LH !LOOH L 9 2LOO ! = nichtKettenabbruch : LOO L ! radikalische ; Substanzen L L ! (1.10) Kettenverlangerung :
Die Reaktion von Lipidperoxiden mit Fe(II) oder Cu(I) fçhrt zu Lipidalkoxylradikalen: LOOH Fe2 !LO Fe3 OH
1:11
Bei der Reaktion von Lipidperoxiden mit Cu(II) entstehen Lipidperoxylradikale (Burkitt 2001): LOOH Cu2 !LOO Cu H
Die Freie-Radikal-Kettenreaktion der Lipidperoxidation schreitet fort, bis zwei Lipidperoxylradikale aufeinander treffen oder ein Lipidradikal mit einem Lipidperoxylradikal zu einem zyklischen Peroxid reagiert (LOOL): LO2 LO2 !LOOL O2 LO2 L !LOOL
1:15
Wenn ROS, wie z. B. das Superoxidaninon oder das Hydroxylradikal, in der Nåhe der Zellmembran freigesetzt werden, so sind Membranphospholipide ihre Targets, wenn die antioxidativen Abwehrmechanismen unzureichend sind (Abschn. ¹Endogene Antioxidanzienª). Fettsåuren, die mehrere Doppelbindungen besitzen (PUFA), sind besonders anfållig fçr Peroxidationen, d. h. die Abstraktion von Wasserstoff (s. freie Radikale). Oxidative Abbauprodukte am Beispiel der Arachidonsåure (Abb. 1.7.3) sind z. B. Malondialdehyd (MDA), Acrolein (2-Propenal), F2-Isoprostan (F2-isoP) und 4-Hydroxynonenal (4-HNE). Wåhrend Prostaglandine enzymkatalysiert aus Fettsåurelipiden entstehen, werden isoPs durch eine Reihe von Radikalreaktionen gebildet. Der a, b-ungesåttigte Aldehyd 4-HNE gilt als eines der meist untersuchten Produkte der Lipidperoxidation. 4-HNE ist trotz seiner hohen Reaktivitåt relativ stabil und kann Signalçbermittlungen konzentrationsabhångig beeinflussen. Niedrige 4-HNE-Konzentrationen begçnstigen Proliferationen, wohingegen hæhere Konzen-
1:12
Sowohl Alkoxyl als auch Peroxylradikale stimulieren die Kettenreaktion der Lipidperoxidation unter Abstraktion eines Wasserstoffatoms. Ungesåttigte Fettsåuren besitzen immer Spuren von peroxidierten Fettsåuren. Katalytische Mengen von Eisenkomplexen stimulieren die Peroxidation durch Peroxidzerfall unter Bildung von Lipidalkoxyl (LO) und Lipidperoxylradikalen (LO2): 2LOOH
Fe-Komplex !LO LO2 H2 O
1:13
Aber auch Hydroxylradikale, welche durch die eisenkatalysierte Fenton-Reaktion gebildet werden, kænnen die Lipidperoxidation durch H-Abstraktion auslæsen: LH OH
Fe !L H2 O
1:14
Abb. 1.7.3. Oxidativer Stress und die Folgen der Lipidperoxidation. (Mod. nach Rahman et al. 2004)
165
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U. Pfaar et al.
Abb. 1.7.4. Reaktivitåt des 4-Hydroxy-2-trans-nonenal (4-HNE). Reaktion von 4-HNE mit Nukleinsåuren und Aminosåuren. (Mod. nach Schaur 2003)
trationen die Differenzierung und Apoptose induzieren (Yang et al. 2003). Sowohl die selenabhångigen Glutathionperoxidasen als auch die selenunabhångigen Glutathion-S-Transferasen der aKlasse reduzieren die Bildung von LOOH, und damit verringern sie den oxidativen Stress in der Lipidmembran und die Lipidperoxidation. 4-HNE ist ein hoch reaktives Elektrophil, welches mit nukleophilen Gruppen von Biomakromolekçlen zu Addukten reagieren kann. Michael-Addukte durch Reaktion mit Cystein-und Histidinresten sind recht stabil, wåhrend die Bildung von 4-HNE-Lysin-Addukten reversibel ist (Liu et al. 2003). Am Beispiel des 4-HNE låsst sich das reaktive Potential gegençber Nukleinsåuren und Aminosåuren als ¹sekundåre ROS-Reaktionª veranschaulichen (Abb. 1.7.4).
Neben den F2-IsoP wurden vor kurzem auch Lipidperoxidationsprodukte mit Isofuranstruktur entdeckt (IsoFs), die durch O2-Angriff von kohlenstoffzentrierten Radikalen im IsoP-Pathway entstehen, entweder çber Spaltung zyklischer Peroxide oder durch Hydrolyse von Epoxiden (Roberts u. Fessel 2004). Neuere Untersuchungen weisen auch auf das Mitwirken von Aluminium als Prooxidans der Lipidperoxidation hin. Im Tierexperiment konnten sowohl hæhere SOD- und Katalasespiegel als auch eine Zunahme von MDA und Lipidhydroperoxiden festgestellt werden. In Måusen nahm durch aluminiumangereichertes Futter die Lipidperoxidation im Gehirn signifikant zu (Exley 2004).
a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
1.7.2.2.3 Reaktionen von ROS mit DNA (DNA-Schåden) Oxidativ modifizierte DNA kann trotz endogener DNA-Reparaturmechanismen (BER: Basenexzisionsreparatur; JakÕbisiak et al. 2003) auftreten. Wåhrend die Lipidperoxidation und ihre Reaktionsmechanismen schon seit vielen Jahrzehnten im Zentrum biochemischer Studien stehen, sind die Erkenntnisse çber oxidative Prozesse der DNA noch vergleichsweise gering. Doch bedingt durch den Fortschritt der Analytik, vor allem auf dem Gebiet der Biomarker, gewinnt die Aufklårung von oxidativen DNA-Schåden zunehmend an Bedeutung. Reaktionen von Hydroxylradikalen mit DNA (H-Abstraktion, Addition und Elektronentransfer) verlaufen çber den Angriff an allen vier Basen oder an Desoxyribose unter Bildung von C-Radikalen. Hydroxylradikale addieren z. B. an der C5-C6-Doppelbindung von Pyrimidinen, abstrahieren Wasserstoff von Methylgruppen aus Thymin und addieren an Purinbasen in Position C4, C5 und C8 (Aust u. Eveleigh 1999). Eine oxidativ geschådigte Base kann durch eine spezifische DNA-Glykosylase erkannt werden und durch hydrolytische Spaltung aus dem Genom beseitigt werden. Die OGG1, ein 38±44-kDa-Protein, ist die Glykosylase, welche im Nukleus hauptsåchlich 7,8-Dihydro-8-oxoguanin (8-OxoG)-Låsionen repariert. Vor allem die mitochondriale DNA ist im Vergleich zur kernståndigen DNA aufgrund des fehlenden Schutzes durch Nukleosomen oxidativen Schåden ausgesetzt (Stevnsnera et al. 2002). Jedoch konnte in mitochondrialer DNA von Ratten und Måusen ebenfalls ein Reparaturmechanismus fçr 8-OxoG nachgewiesen werden. Darçber hinaus zeigte sich, dass die 8-OxoG-Bildung, also die oxidative Schådigung des Guanins, in der mitochondrialen DNA mit dem Alter der Ratten ansteigt. Gleichzeitig wurde je-
doch auch eine Aktivitåtssteigerung der mitochondrialen 8-OxoG-Glykosylase und der AP-Lyase festgestellt, im Gegensatz zur konstanten Kapazitåt im Nukleus. In Zukunft kænnten Alterungsprozesse anhand pråmaturer genetischer Alterungssyndrome wie z. B. des Cockayne-Syndroms untersucht werden, da sowohl in vitro als auch in vivo eine reduzierte Reparatur von 8-OxoG nachgewiesen wurde. Im Urin von Rauchern und Exrauchern zeigten LC-MS-Messungen signifikant hæhere Ausscheidungen von 5-OHmdU (5-Hydroxymethyl-2'-deoxyuridin) oder auch 8-Iso-prostaglandin F2a (IsopF2 a) im Vergleich zu Nichtrauchern (Harman et al. 2003). Darçber hinaus gibt es Anzeichen, dass die Ausscheidung von 8-Hydroxy-2'-deoxyguanosin (8OHdG aus DNA) and 8-Hydroxyguanosin (8-OxoG aus RNA) mit zunehmendem Alter der Raucher anwåchst, so dass diese beiden Nukleinsåurederivate als Biomarker fçr Langzeit-DNA-Schåden und/oder auch fçr oxidativen Stress dienen kænnten. Die oxidative Hydroxylierung von Guanin in Position C-8 ist die am håufigsten vorkommende und die am meisten mutagene Låsion in der nukleåren und der mitochondrialen DNA (Wu et al. 2004), die zur Mutagenese und Karzinogenese fçhren kann. Aufgrund der 8-Hydroxylierung des Guanins kann die Basenpaarung gestært werden oder auch ein Fehllesen der modifizierten Base auftreten. Das 8-Hydroxydeoxyguanosin (8OHdG), welches renal ausgeschieden wird, ist ein Biomarker des oxidativen Stresses. Dieser kann direkt im Urin, also nichtinvasiv, durch HPLC-MS oder ELISA quantitativ gemessen werden. Im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen wurden erhæhte Spiegel des 8-OHdG gefunden, z. B. bei artherosklerotischem Plaque, Diabetes, diabetischer Nephropathie und Retinopathie. Auch in Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom (SCLC: ¹small cell lung cancerª) wurde eine erhæhte
167
168
U. Pfaar et al.
renale Ausscheidung von 8-OHdG gefunden, ebenso wie in Arbeitern, die beruflich zu Benzol, Asbest, Gummi oder Azofarbstoffen exponiert waren (Kim et al. 2004). Oxidative DNA-Schådigung wird u. a. durch hoch reaktive Hydroxylradikale, welche aus der eisenkatalysierten Fenton-Reaktion freigesetzt werden, ausgelæst. In akut-lymphoblastischen TZellen 1301, wurde gezeigt, dass die durch H2O2 induzierte DNA-Schådigung durch Chelatisierung von Eisen (DFO: Desferrioxamin) verhindert wird. Wahrscheinlich verfçgen Lysosomen çber eine Quelle von redox-aktivem Eisen, so dass unter oxidativem Stress vermehrt Eisen vom Zellkern aufgenommen werden kann und folglich eine DNA-Schådigung induziert wird (Kurz et al. 2004).
1.7.2.2.4 Reaktionen von ROS mit Polysacchariden Die Hyaluronsåure ist ein lineares saures Polysaccharid, das wesentlicher Bestandteil des Bindegewebes und der Synovialflçssigkeit der Gelenke ist. In Anwesenheit von ROS kænnen Hyaluronsåuren zerstært werden. Versuche mit kultivierter menschlicher Haut weisen jedoch darauf hin, dass Metallionen diese Polysaccharide vor einem ROSinduzierten Abbau schçtzen kænnen (Agren et al. 1997; Balogh et al. 2003).
dung. Dabei werden die oxidierten Msrs durch Thioredoxin zur reduzierten Form regeneriert (Boschi-Muller et al. 2005). Methioninoxidation ist håufig mit dem Verlust der Proteinfunktion verbunden, was fçr Subtilisin, Ribonuklease, a-Chymotrypsin oder auch Peptidhormone beschrieben wurde. Der Anteil von oxidiertem Methionin in Proteinen wåchst mit zunehmendem Alter, bedingt durch verschiedene Faktoren wie z. B. zunehmende ROS-Bildung, Abnahme der antioxidativen Kapazitåt, eine Abnahme der proteolytischen Aktivitåt zum Abbau oxidierter Proteine und Reduktion von Enzymen wie z. B. Msrs und/oder Thioredoxinreduktase (Stadtman et al. 2005). Das Enzym Thioredoxinreduktase gehært zur Klasse der Proteindisulfidoxidoreduktasen und ist vergleichbar mit dem intrazellulår vorkommendem Tripeptid Glutathion, welches in reduzierter (GSH) und oxidierter Form (GSSG) vorkommt. Weiter lassen sich Thiolgruppen von Proteinen durch ROS, z. B. durch das Fenton-Reagens, oxidieren (Wang et al. 2004). So fçhrt eine milde SH-Oxidation des Cysteins in Proteinen (P-SH) zur relativ instabilen Sulfensåure (P-SOH). Diese kann weiter zur Sulfinsåure (P-SO2H) oder Sulfonsåure (P-SO3H) reagieren oder inter- oder intramolekulare Disulfide
1.7.2.2.5 Reaktionen von ROS mit Proteinen Proteine kænnen sowohl direkt durch reaktive Sauerstoffspezies als auch indirekt, z. B. durch Lipidperoxidationsprodukte, modifiziert werden. Thiole z. B. von Cystein reagieren mit Peroxynitrit (ONOO±) oder auch persalpetriger Såure (ONOOH) zu Disulfiden, Sulfen-, Sulfin- und Sulfonsåuren. Wåhrend des oxidativen Stresses kænnen sowohl reversible als auch irreversible Modifikationen an Proteinen eintreten (Abb. 1.7.5). Die Sulfoxidation des Methionins (Met-S-CH3) durch ROS zu asymmetrischen Methioninsulfoxiden (Met-(R)-SO-CH3 und Met-(S)-SO-CH3) ist ein bekanntes Beispiel. Jedoch kann die Methioninoxidation auch reversibel sein, da es Methioninsulfoxidereduktasen (Msr) gibt, die in Anwesenheit von NADPH oxidiertes Methionin zum Methionin reduzieren (Dalle-Donne et al. 2005). Diese Reaktion verlåuft stereospezifisch. Durch Katalyse der Methioninsulfoxidreduktase MsrA entsteht das S-Enantiomer, wåhrend MsrB, ein Selenoprotein, die Reduktion zum R-Enatiomer katalysiert (Moskovitz 2005). Die Reduktion der Sulfoxide zum Methionin verlåuft çber ein Sulfensåure-Intermediat unter Bildung einer intramonomeren Disulfid-Msrs-Bin-
Abb. 1.7.5. Modifikation von Proteinen durch direkte und indirekte Reaktion mit ROS. (Nach Giustarini et al. 2004)
a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
oder gemischte Proteindisulfide bilden (Dalle-Donne et al. 2005). Die Reaktion zu Cysteinsulfin- und Cysteinsulfonsåuren wurde bisher als irreversible Oxidation angesehen, jedoch haben neuere Studien gezeigt, dass die Bildung der Cysteinsulfinsåure in vivo reversibel sein kann (Wang et al. 2004). Aufgrund sterischer Hinderungen reagieren ProteinSH-Gruppen bevorzugt mit GSH, dessen Zellkonzentrationen von 0,5±10 mM recht hoch sind. Durch die Ausbildung von Disulfidbrçcken, kænnen Proteine vernetzt werden (¹cross-linkingª), und es entstehen Proteinaggregate. Die Reduktion gemischter Protein-Glutathion-Disulfide (P-S-S-G) wird durch Glutaredoxin ausgelæst, wåhrend interund intramolekulare Protein-Protein-Disulfide (P-S-S-P) durch Thioredoxin reduziert werden (Ghezzi u. Bonetto 2003). Die Carbonylierung von Proteinen (PCO) wird u. a. durch Reaktion von Aldehyden oder Ketonen (z. B. durch Reaktion mit 4-HNE, Acrolein [2-Propenal] oder MDA, welche durch Lipidperoxidation gebildet wurden, initiiert. Der direkte oxidative Angriff von ROS auf Lysin, Arginin, Prolin oder Threonin sowie die sekundåren Reaktionen, z. B. von Lipidperoxidationsprodukten, mit Cystein, Histidin oder Lysin fçhrt zur PCO-Bildung, d. h. zur Entstehung von Aldehyden und Ketonen. Im Vergleich zur Oxidation von Methionin- und Cysteinresten sind die PCO nicht nur ein Zeichen oxidativen Stresses, sondern auch ein Hinweis fçr Proteindysfunktionen (Dalle-Donne et al. 2003). Hydroxylradikale reagieren mit Phenylalanin zu ortho-Tyrosin, einer nichtnatçrlichen Aminosåure (Biondi et al. 2001). Durch Peroxidasen kænnen Tyrosylradikale zu o,o'-Dityrosin dimerisiert werden. Reaktion von Peroxynitrit mit Tyrosin fçhrt zu 3-Nitrotyrosin. In Ratten, die Schwimmtests unterzogen wurden, konnte eine 50%ige Zunahme von o-Tyrosin, m-Tyrosin und o,o'-di-Tyrosin in mitochondrialen Proteinen des Herzmuskels mittels GC-MS gefunden werden, wåhrend die zytosolischen Proteine des Herzmuskels keine Zunahme der Oxidation zeigten. Nach einer Erholungsphase der Versuchstiere wurden wieder die Normalwerte oxidativer Tyrosinderivate in den mitochondrialen Proteinen und auch die der renal eliminierten o,o'-Tyrosin-Werte erreicht. Daraus ergibt sich, dass die o,o'-Tyrosin-Ausscheidung im Urin zur nichtinvasiven Bestimmung des oxidativen Stresses dienen kann (Leeuwenburg et al. 1999).
1.7.2.3 Antioxidanzien und Radikalfånger Substanzen, die trotz niedriger Konzentrationen im Vergleich zu oxidierbaren Substraten (z. B. Lipiden, mehrfach ungesåttigten Fettsåuren, Kohlenhydraten, Proteinen oder auch DNA) entweder die oxidativen Prozesse verzægern oder sogar verhindern, werden als Antioxidanzien bezeichnet. Antioxidative Abwehrmechanismen sind durch vielfåltige Reaktionen charakterisiert wie z. B. Abfangmechanismen von reaktiven Sauerstoff- oder Stickstoffspezies oder die Inhibition der ROS-Bildung durch Bindung von Metallionen, die zur Katalyse der ROS-Entstehung beitragen. Antioxidanzien kænnen endogen auftreten (Tabelle 1.7.2), d. h. sie werden vom Organismus gebildet, aber auch von auûen dem Organismus zugefçhrt, z. B. durch Nahrungsaufnahme (National Academy of Sciences 2000). Antioxidanzien kænnen sowohl niedermolekulare Antioxidanzien (LMWA: ¹low molecular weight antioxidantsª) als auch hochmolekulare Antioxidanzien (HMWA: ¹high molecular weight antioxidantsª) sein. Zur Gruppe der HMWA gehæren · Metallionenchelatoren · Enzyme, z. B. Superoxiddismutase (MnSOD, CuZnSOD, FeSOD), Katalase (KAT), Glutathionperoxidase (GPx). Tabelle 1.7.2. Beispiele fçr endogene und exogene Antioxidanzien Endogene Antioxidanzien Bilirubin Thiole, z. B. Glutathion, Liponsåure, N-Acetylcystein
Ernåhrungsbedingte (exogene) Antioxidanzien
Vitamin C Vitamin E b-Carotine und Oxycarotenoide NADPH und NADH Lycopene and Lutein Ubichinon (Coenzym Q10) Polyphenole, z. B. Flavonoide (Flavone, Flavonole), Isoflavonoide and Proanthocyanidine Harnsåure Enzyme MnSOD-, CuZnSOD-, FeSOD-Superoxiddismutasen Fe-abhångige Katalase Se-abhångige Glutathionperoxidasen Metallbindende Proteine Albumin (Kupfer) Caeruloplasmin (Kupfer) Metallothionein (Kupfer) Ferritin (Eisen) Myoglobin (Eisen) Transferrin (Eisen)
169
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U. Pfaar et al.
1.7.2.3.1 Endogene Antioxidanzien Zur Abwehr oxidativer Angriffe verfçgt der Organismus çber zahlreiche antioxidative Systeme (Gutteridge 1995). Diese Abwehrmechanismen sind unterschiedlicher Natur, mit abfangenden oder reparierenden Eigenschaften, und sind sowohl intrazellulår als auch extrazellulår vorhanden (Halliwell u. Gutteridge 1990). Auch Zellmembranen kænnen aufgrund ihres speziellen Lipidaufbaus antioxidative Substanzen einlagern. Plasma besitzt ebenfalls ein antioxidatives Potential. Die antioxidative Kapazitåt (anteilsmåûig ausgedrçckt in %) im Plasma wurde fçr Proteine (10±28%; 800± 1000 lmol), Harnsåure (7±58%; 150±450 lmol), Ascorbinsåure (3±27%; 30±150 lmol) und Vitamin E (< 10%; 20±50 lmol) bestimmt (Yeum et al. 2004). Die klassischen enzymkatalysierten Reaktionen, welche reaktive Sauerstoffspezies involvieren, sind: O2 O2 2H 2H2 O2
SOD ! O2 H 2 O2
KAT ! O2 2H2 O
H2 O2 2GSH ROOH 2GSH
GPx ! 2H2 O GSSG GPx ! ROH H2 O GSSG
1:16
Diese Reaktionen werden detailliert im Abschn. 1.7.3.2 beschrieben. Bei den Metallionenchelatoren, Komplexbildner z. B. fçr Eisen oder auch fçr Kupfer, handelt es sich um Proteine, die Bindungs- und Transporteigenschaften fçr Metallionen besitzen. Caeruloplasmin (Cp) ist ein Plasmaprotein (Mr~160 000), welches 7 Kupferatome pro Molekçl binden kann und ca. 95% des zirkulierenden Kupfers bindet und bakterizide Eigenschaften besitzt. Auûerdem verfçgt Cp çber eine Ferro-Oxidase-Aktivitåt, welche wahrscheinlich den Transport und die Speicherung von Eisen unterstçtzt (Burkitt 2001). Transferrin (Mr ~90 000), ebenfalls ein Glykoprotein, bindet an zwei voneinander getrennten Bindungsstellen Fe3+Ionen. Albumin (Mr ~ 66 000), ein wasserlæsliches globulåres Protein, bindet Kupfer und etwas schwåcher auch Eisen. Ein Chelatbildner niedermolekularer Struktur ist Harnsåure, welche sowohl Kupferals auch Eisenionen bindet. Bei Patienten, die an Eisençberladung leiden, z. B. durch primåre Håmochromatose, Transfusionshåmosiderose oder Thalassåmie verursacht, wird wegen der çberschritte-
nen Kapazitåt der Speicherung und Detoxifikation durch Ferritin das freie Eisen nur noch schwach gebunden, in Zellen angereichert und steht somit zur Katalyse der Fenton-Reaktion zur Verfçgung. Therapeutisch wird der Eisenchelator Desferrioxamin (Mr 560.7) zur Bindung von Fe3+ eingesetzt. Auch fçr Aluminiumvergiftungen, z. B. durch chronische renale Dialyse verursacht, wird Desferrioxamin verwendet (Banner u. Woolf 2004). Zu den endogenen nichtenzymatischen Antioxidanzien gehæren u. a. Katecholamine, Thiole (z. B. Glutathion, N-Acetylcystein), L-Alanin, Håmproteine, Tetrahydropterine, Hydrochinone, Bilirubin, NADPH und NADH, Ubichinon (Coenzym Q10), Harnsåure und a-Ketosåuren. Glutathion (GSH) ist ein Tripeptid (L-c-Glutamyl-cysteinylglycin), welches mit einer niedrigen relativen Molmasse von 307 das wichtigste Nicht-Proteinthiol im Menschen, in der Tier- und Pflanzenwelt ist (Sies 1999). Die Hauptaufgabe des GSH ist die Entgiftung von Oxidanzien und elektrophilen Substanzen. Glutathionmangel trågt zum oxidativen Stress bei und wird mit zahlreichen Erkrankungen wie z. B. Alzheimer, Parkinson, Diabetes, Schlaganfall und Herzinfarkt in Verbindung gebracht (Liu et al. 2004). Das Mucolyticum N-Acetylcystein (NAC) ist ein ROS-Fånger und reagiert mit reaktiven Sauerstoffspezies wie H2O2 und OH. Das Antioxidans NAC kann Glutathionspiegel erhæhen, Autooxidation erfahren und als Reduktionsmittel dienen. Neue Studien mit NAC weisen jedoch auch auf mægliche Schådigung der DNA hin. Somit kænnte die Anwendung von NAC Risiken mit sich bringen, welche durch spezielle Toxizitåtsprçfungen abgeklårt werden mçssen (Zafarullah et al. 2003). Ein weiteres endogenes Antioxidans ist die Harnsåure, welche durch Abbau von RNA oder DNA entweder durch Apoptose oder Nekrose aus Guanin bzw. Adenin çber Xanthin gebildet wird. In der frçhen Phase des artherosklerotischen Prozesses wirkt Harnsåure im Blut als Antioxidans und der Serumspiegel dient als Maû fçr die antioxidative Kapazitåt (Hayden u. Tyagi 2004). Das ANAi-Akronym beschreibt die Zusammenhånge zwischen der Zunahme an Serumharnsåure mit der artherosklerotischen Plaquebildung: Apoptosis, Necrosis, Acidic artherosclerotic plaque, angiogenesis (beides durch Redoxstress induziert), Inflammation. Das Konzept des Antioxidans-Prooxidans-Harnsåure-Redox-Shuttles trågt zur Erklårung der besonderen Rolle der Harnsåure, wie diese vom Antioxidans zum Prooxidans wird, bei. Oxidativer Stress, der zur artherosklerotischen Plaquebildung fçhrt, wird durch Kupfer- und Eisenionen katalysiert.
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Abb. 1.7.6. Antioxidative Spezies, die extrazellulår, membranståndig und intrazellulår ROS entgegnen. EC: extrazellulår; SOD: Superoxiddismutase; GPx: Glutathionperoxidase; CytCox: Zytochrom-c-Oxidase
Folglich kænnte die Harnsåure neben dem C-reaktiven Protein als sensitiver Biomarker fçr Gefåûentzçndungen dienen (Hayden u. Tyagi 2004). Die antioxidative Eigenschaft der Aminosåure L-Alanin låsst sich durch die Stimulierung der enzymatischen Aktivitåt der Håmoxygenase-1 (HO-1) erklåren, welche mit einer starken Zunahme der Ferritinexpression verbunden ist (Grosser et al. 2004). Die Håmoxygenase (HO) reguliert die zellulåre Verfçgbarkeit von Håm. Es ist das erste geschwindigkeitsbestimmende Enzym beim Abbau von Håm. HO metabolisiert das prooxidative Håm zu Kohlenmonoxid, Fe3+ und Bilirubin. Zwei Isoformen der Håmoxygenase sind bekannt, das konstitutiv exprimierte Isoenzym HO-2 und das induzierbare Isoenzym HO-1. Die Induktion erfolgt durch Håm, Schwermetalle, UV-Licht, Lipopolysaccharide, Hitzeschockproteine (HSP: ¹heat shock proteinsª) und Hyperoxia, also Stimuli, die direkt oder indirekt ROS bilden kænnen. Mit verschiedenen Zellkultur- und Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass HO-1 gegen oxidoreduktiven Stress schçtzt. Die
Verarmung von zellulårem, reduziertem Glutathion dient als Signal fçr die Aktivierung der HO-1-Transkription. Signalmolekçle, wie mitogenaktivierte Proteinkinasen, Transkriptionsregulatoren wie das Aktivator-Protein-1, der NF-E2-related-Faktor-2, HIF-1 und Bach1 sowie die Enhancer-Regionen partizipieren in der Regulation der ho-1-Gene (Ohlmann et al. 2003). Die nichtenzymatischen Proteine Ferritin (Bindung von Eisen im Zytoplasma) und Caeruloplasmin (Bindung von Kupfer im Plasma) tragen ebenfalls zur antioxidativen Kapazitåt bei (Dalle-Donne et al. 2005). Auf zellulårer Ebene verfçgt der Organismus çber verschiedene Schutzmechanismen gegençber radikalischen Angriffen, und so findet man sowohl intrazellulår als auch membranståndig und extrazellulår Antioxidanzien (Abb. 1.7.6).
1.7.2.3.2 Exogene Antioxidanzien Exogene Antioxidanzien sind durch Nahrung zugefçhrte Antioxidanzien wie z. B. die lipophilen Vi-
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tamine b-Carotin und a-Tocopherol oder auch die sehr hydrophile L-Ascorbinsåure (= Vitamin C). a-Tocopherol gehært neben anderen Tocopherolen und Tocotrienolen zur Vitamin-E-Gruppe und ist der biologisch aktivste Vertreter. a-Tocopherol kann sowohl als Antioxidans als auch als Prooxidans wirken (Brigelius-Floh u. Traber 1999) und z. B. die Li-
Auch Vitamin C (Ascorbinsåure), ein essentieller Kofaktor fçr zahlreiche Enzyme, ist ein sehr wirksames Antioxidans, dass durch stufenweise Ûbertragung von zwei Elektronen auf reaktive Sauerstoffspezies selbst çber die Semihydroascorbinsåure zur Dehydroascorbinsåure (DHS, DHA: ¹dehydroascorbic acidª) oxidiert wird:
pidperoxidation auslæsen, was mit isoliertem LDL nachgewiesen wurde, doch Ascorbinsåure fångt das gebildete a-Tocopheroxyl-Radikal ab (Yeum et al. 2004). Am Modell transgener Måuse (TGFa/ c-myc), die schon im Alter von 6 Monaten hepatozellulåre Adenome (100%) und zu 27% hepatozellulåre Karzinome entwickeln, wurde gezeigt, dass sowohl im Stadium der Bildung als auch wåhrend der Entwicklung der Hepatokarzinogenese ein erheblicher Schutz durch Vitamin-E-ergånzte Nahrungszufuhr eintritt (Factor et al. 2000). Da dieses Tiermodell durch eine Ûberproduktion von reaktiven Sauerstoffspezies ± bedingt durch endogene metabolische Prozesse (Koexpression des c-myc-Protoonkogens und von TGF-a) ± und gleichzeitig auftretender Leberhyperplasie charakterisiert ist (Santoni-Rugiu et al. 1999; Sargent et al. 1996), låsst dieses In-vivo-Experiment einen direkten Einfluss des Antioxidans Vitamin E auf die Bildung von ROS erkennen. Vitamin E hat einen schçtzenden Einfluss gegençber ROS-induzierter DNA-Schådigung durch Inhibition der chromosomalen Abberration, Bildung von DNA-Addukten und der Mikronukleusbildung (Claycombe u. Meydani 2000). Darçber hinaus wurde auch eine durch Vitamin E initiierte inhibierende Wirkung auf die Lipidperoxidation und die Apoptose festgestellt. In einigen Humanstudien wird aber auch auf einen nichtrelevanten Einfluss von Vitamin E auf die erniedrigte DNA-Adduktbildung hingewiesen. Diese Widersprçche, die im Vergleich zu zahlreichen In-vitro-Studien beschrieben wurden, kænnten vielleicht auf eine ungençgend charakterisierte Population (Alter oder Gesundheitszustand) zurçckgefçhrt werden oder auch mit der Wahl nichtrelevanter Biomarker zusammenhången (Claycombe u. Meydani 2000).
Das Ascorbinsåureradikal (Semihydroascorbinsåure) ist relativ unreaktiv und kann somit hoch reaktive Radikale wie z. B. OH und NO2 reduzieren, aber auch nichtradikalische reaktive Sauerstoffspezies wie z. B. HOCl und Ozon abfangen (Halliwell 2001). Untersuchungen beståtigen, dass Vitamin C vergleichsweise mehr Wirkung gegençber der Lipidperoxidation (Messung von Isoprostan) als gegençber der oxidativen DNA-Schådigung zeigt. Jedoch låsst es sich bis heute noch nicht eindeutig beurteilen, ob Vitamin C einen schçtzenden Effekt auf die Genomstabilitåt hat und somit eine nahrungsergånzende Aufnahme von Vitamin C der Krebsbildung entgegenwirkt (Halliwell 2001). Neue Studien an Ratten weisen auf einen kardioprotektiven Effekt der Dehydroascorbinsåure (DHS) beim ischåmischen Herzen hin (Guaiquil et al. 2004). Primårkulturen von Rattenkardiomyozyten akkumulieren Vitamin C nach Inkubation mit Dehydroascorbinsåure, der oxidierten Form des Vitamin C, wohingegen die reduzierte Form nicht in die Zellen transportiert wird. Bei Verminderung des O2-Angebots wurde durch DHS der hypoxieinduzierte Zelltod und die ROS-Bildung inhibiert, nachgewiesen durch Reaktion mit dem Fluoreszenzagens 2',7'-Dichlorofluorescein-Diacetat. Wåhrend die Apoptose in Zellen, die einen Sauerstoffmangel aufweisen (Hypoxie), durch eine Aufregulierung des proapoptotischen Proteins Bax, die Freisetzung von Zytochrom c und die Aktivierung von Caspase-3 charakterisiert ist, wird nach Gabe von DHS die Aktivierung des proapoptotischen Proteins inhibiert und die Bildung der antiapoptotischen Proteine Bcl-2 und Bcl-x hochgeregelt. Auch in vivo zeigte eine intravenæse oder auch intraperitoneale Gabe von DHS an Sprague-Dawley-Ratten, sowohl vor als auch bis zu 2 h
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
nach einer Koronarokklusion, dass die Infarktgræûe (densitometrische Messungen von Herzschnitten) bis zu 62% verringert war im Vergleich zu unbehandelten Kontrolltieren (Guaiquil et al. 2004). Flavonoide und Isoflavonoide sind natçrliche polyphenolische Substanzen, die in der Pflanzenwelt weit verbreitet sind (Sojabohnen, Zitrusfrçchte, Øpfel, Brokkoli, grçner Tee etc.) und sowohl antioxidative Effekte besitzen als auch çber Radikalfångereigenschaften verfçgen. Seit vielen Jahren wird ihre pråventive Wirkung gegençber der Krebsbildung diskutiert. Klinische Versuche mit verschiedenen Flavonoiden beståtigen, dass diese Substanzen sowohl einen Effekt bezçglich der Chemopråvention der Krebsentstehung als auch in der Krebstherapie besitzen. Zahlreiche Mechanismen zur Identifizierung der Wirkungspotentiale von Flavonoiden wurden untersucht wie z. B.
hohe Sensitivitåt gegençber Sauerstoffschwankungen und reagieren auf Hypoxie mit Membrandepolarisation, Katecholaminfreisetzung und verstårkter Genexpression der Tyrosinhydroxylase (Sell 2001). PC12-Zellen, die mit Bleiacetat inkubiert wurden, zeigten eine verringerte Zellviabilitåt bei gleichzeitiger Zunahme des Ca2+-Spiegels, gefolgt von einer Akkumulation von ROS und einer Abnahme des mitochondrialen Membranpotentials (MMP) (Chen et al. 2003). Bei Anwesenheit von Teecatechinen (EC, EGC), vor allem aber den mit Gallussåure veresterten Catechinen ECG und EGCG, wurde die Zellviabilitåt signifikant erhæht, die intrazellulåren Ca2+- Spiegel und die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies erniedrigt bei gleichzeitig verbessertem MMP. Nicht nur Ascorbinsåure, sondern auch EGCG reduziert a-Tocopherol durch Hydridtransfer (Yeum et al. 2004):
Antiproliferation, Inaktivierung von Karzinogenen, Induktion von Apoptose, Inhibition der Angiogenese und die Ausschaltung des MDR (¹multi drug resistanceª)-Mechanismus (Ren et al. 2003). In verschiedenen Krebszelllinien zeigten u. a. Quercetin (Flavonol), Apigenin und Luteolin (Flavone) sowie Daidzein und Genistein (Isoflavone) signifikante Inhibitionen (Ren et al. 2003). Das erste semisynthetische Flavon Flavopiridol, das cyclinabhångige Kinasen (CDK: ¹cyclin dependent kinaseª) inhibiert, wurde in verschiedenen klinischen Studien getestet (Shapiro 2004). Oligomere Proanthocyanin-Komplexe (OPC: ¹oligomeric proanthocyanidin complexª), auch Procyanidine genannt, sind Hauptvorstufen der blau-violetten und roten Pflanzenpigmente und bekannt fçr ihre antioxidativen Aktivitåten, ihre Eigenschaft freie Radikale abzufangen und die Lipidperoxidation zu inhibieren (Fine 2000). PC12-Zellen (Tumorzelllinie aus dem Nebennierenmark der Ratte) besitzen eine
1.7.2.4 Biomarker fçr oxidativen Stress sowie Nachweis und Messmethoden reaktiver Sauerstoffspezies Der Nachweis von reaktiven Sauerstoffspezies wird zum einen durch die relativ geringen Konzentrationen und zum anderen durch die biologische Matrix erschwert. Aber auch die im Allgemeinen sehr groûe Reaktivitåt und/oder die zum Teil recht kurze Lebensdauer sind weitere Eigenschaften, welche bei der direkten Messung reaktiver Sauerstoffspezies zu beachten sind. Da jedoch ROS mit endogenen Molekçlen zu stabileren Reaktionsprodukten reagieren, kænnen diese Biomolekçle als Biomarker fçr die oxidativen Prozesse dienen. In den vergangenen Jahren suchten zahlreiche Arbeitsgruppen nach Techniken und Messmethoden, um die antioxidative Kapazitåt im Organismus, hauptsåchlich zur Messung im Plasma, zu bestimmen.
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1.7.2.4.1 Biomarker Biomarker, die Indikatoren des oxidativen Stresses sind, gewinnen zunehmend an Bedeutung, um Zusammenhånge zwischen pathologischen Verånderungen und dem Einfluss von ROS-initiierten Prozessen zu erklåren (Tabelle 1.7.3). Nach Dalle-Donne et al. (2005) sollten Biomarker des oxidativen Stresses frçhzeitig krankhafte Prozesse oder den Verlauf von Krankheiten anzeigen und folgende Eigenschaften besitzen: 1. zugånglich im Targetgewebe oder ein zuverlåssiges (valides) Surrogat sein, um quantitativ die oxidative Modifikation des Gewebes wiederzugeben, 2. spezifisch fçr die reaktive Spezies sein, 3. ein chemisch und biologisch stabiles Produkt sein, das nicht anfållig ist auf artifaktische Induktion, Oxidation oder Instabilitåt bedingt durch Lagerung, 4. durch einen Assay spezifisch, sensitiv und reproduzierbar sein, 5. ein Hauptprodukt der oxidativen Modifikation sein, das direkt mit dem Auslæser und/oder dem Fortschreiten einer Erkrankung verbunden ist,
6. repråsentativ fçr das Gleichgewicht zwischen der Bildung und der Clearance der oxidativen Schådigung sein, 7. unabhångig von åuûeren Faktoren (z. B. Nahrungsaufnahme) sein. Biomarker der Lipidperoxidation Malondialdehyd (MDA), seit vielen Jahren ein Standardbiomarker der Lipidperoxidation, kann aufgrund seiner Aldehydgruppe mit 2 Molekçlen Thiobarbitursåure (TBS) zu einem rosafarbenen Komplex reagieren, dessen Absorptionsmaximum bei 532 nm gemessen werden kann. Auch HPLCMessungen von MDA im Plasma nach Reaktion mit TBS wurden berichtet (Pucheu et al. 1995). 8-Iso-prostaglandin F2a (F2-isoP) und der durch b-Oxidation entstandene Metabolit F2-isoPM sind nichtinvasiv direkt im Urin mittels GC-MS messbar, ein ELISA-Assay zeigte dagegen nur eine geringe lineare Korrelation gegençber dem Goldstandard-GC-MS (Il'Yasova et al. 2004). Biomarker der DNA-Oxidation Zum Nachweis von 8-OHdG, einem der wichtigsten Biomarker der oxidativen DNA-Schådigung, diente frçher HPLC mit elektrochemischer Detek-
Tabelle 1.7.3. Biomarker des oxidativen Stresses und pathophysiologische Verånderungen Pathophysiologische Verånderung
ROS-induzierte Reaktionen und Biomarker
Referenz
Diabetes
Erhæhte Spiegel von Isoprostan, MDA und 8-OHdG in Plasma und Urin; Nitrotyrosin im Plasma Proteincarbonyle (PCO)
Piconi et al. 2003 Dalle-Donne et al. 2003
Katarakt
Erhæhte Konzentrationen von H2O2
Lawrenson 2003
Chronische Herzinsuffizienz
8-Isoprostan-F2a-Spiegel erhæht im Plasma und Perikardflçssigkeit; erhæhte Konzentrationen von MDA und erniedrigte Konzentrationen von GSH, Vitamin C und Vitamin E
Hamilton et al. 2004
Chronisches Nierenversagen (CRF: ¹chronic renal failureª)
Zunahme von PCO und Thioloxidation im Plasma, vorwiegend Dalle-Donne et al. 2003 Albumin
Parkinson-Syndrom (PD: ¹Parkinson's diseaseª)
Isofuranspiegel (IsoFs) in Substantia nigra erhæht
Roberts u. Fessel 2004
Alzheimer-Demenz (AD)
Erhæhte PCO-Konzentrationen in Hirnregionen, die vermehrt b-Amyloid-Plaques aufweisen
Dalle-Donne et al. 2003
Dalle-Donne et al. 2005 Amyotrophische Lateralsklerose Bei der genetisch bedingten Form treten Mutationen des (ALS) Cu/Zn-SOD(SOD-1)-Gens auf (mehr als 90 verschiedene Mutationen bekannt), die mit einer um 20±50% reduzierten Enzymaktivitåt verbunden sind; bei der sporadischen ALS sind die Spiegel von Cycloxygenase-2 im Rçckenmark erhæht Diabetische Nephropathie
Erhæhte Ausscheidung von 8-OHdG im Urin
Wu et al. 2004
Brustkrebs
Erhæhte Spiegel von 8-OHdG und 5-OHmdU in Tumor- und Blutzellen
Wu et al. 2004
Kolonadenom und Kolonkarzinom
Peroxynitritbildung
Aust u. Eveleigh 1999
a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
tion. Zur Unterscheidung von freiem und proteingebundenem 8-OHdG wurden die Proben vor und nach enzymatischer Spaltung mittels HPLC analysiert. Jedoch ermæglicht die Detektion çber Tandem-Massenspektrometrie die direkte Messung der 8-Hydroxybase, des Desoxynukleosids und des Ribonukleosids sowie ihrer entsprechenden nichtoxidierten Verbindungen. Zur Messung von 8-OHdG im Urin wurde auch ein ELISA-Assay entwickelt. Ein kommerzieller ELISA-Kit, unter Verwendung des monoklonalen Antikærpers N45.1 ist mittlerweile zur Bestimmung von 8-OHdG in Plasma, Serum, Gewebe und Urin erhåltlich (Wu et al. 2004). Biomarker der Protein-Oxidation Der oxidative Stress, der auf Proteine ausgeçbt wird, låsst sich indirekt çber den Spiegel an Glutathionylhåmoglobin bestimmen, da die direkte Messung von Glutathionylproteinen kaum mæglich ist (Giustarini et al. 2004). Weitere Biomarker des oxidativen Stresses sind Proteinmodifikationen, die vor allem Tyrosinreste betreffen. Jedoch sind die Gewebekonzentrationen meist sehr gering und nur durch Verwendung hoch empfindlicher Methoden messbar (Dalle-Donne et al. 2003). 3-Chlorotyrosin (3-Cl-Tyr), ein spezifischer Marker fçr die Proteinoxidation durch HOCl, und NO2-Tyrosin (NO2-Tyr) sind aufgrund ihrer groûen Stabilitåt gute Biomarker des oxidativen und nitrosativen Stresses. Da einige Proteine recht lange Halbwertszeiten besitzen, werden diese oxidativen ¹hitsª angereichert und stehen somit als åuûerst sensitive Marker in Zellen zur Verfçgung (Dalle-Donne et al. 2003). NO2-Tyr war einer der ersten Marker des oxidativen Stresses in Alzheimer-Demenz(AD)und ALS-Patienten (Dalle-Donne et al. 2005). Oxidative Reaktionen von Lysin-, Arginin-, Prolinund Threoninresten in Proteinen, die metallkatalysiert zur Bildung von Carbonylgruppen fçhren, lassen sich mit DNPH (2,4-Dinitrophenylhydrazin) derivatisieren und ihre stabilen Reaktionsprodukte entweder durch Spektrophotometrie oder Immunreaktion mit spezifischen primåren Antikærpern nachweisen (Mostertz u. Hecker 2003). Techniken wie die 2D-Gel-Elektrophorese und Massenspektroskopie ermæglichen es neuerdings, das Proteom von Geweben und Zellen zu untersuchen. Von besonderem Interesse sind die Verånderungen in der Proteinexpression in Abhångigkeit vom Redoxzustand einer Zelle. Durch Integration von Redox-Proteomics mit den funktionellen Daten aus biochemischen und physiologischen Untersuchungen sollen mægliche Zusammenhånge zwischen dem oxidoreduktiven Stress und Krankheiten
gefunden werden (Tabelle 1.7.3; Dalle-Donne et al. 2005; Thiede u. Rudel 2004; Lin et al. 2002). Das Gehirn ist z. B. sehr reich an mehrfach ungesåttigten Fettsåuren und bietet somit Angriffspunkte fçr ROS. Die Zerebrospinalflçssigkeit (CSF) enthålt Eisen- und Kupferkomplexe, die die Bildung von Hydroxylradikalen katalysieren kænnen. Eine Reihe der Plasmatransportproteine und Plasmabindungsproteine fçr niedermolekulare Ionen und Liganden, wie z. B. Caeruloplasmin, Transferrin, Transthyretin, Transcortin und andere, werden im Choroidplexusepithel lokal synthetisiert und direktional in die CSF sezerniert. Eine weitere Quelle der ROS-Bildung stellt der Arachidonsåuremetabolismus dar, stimuliert durch Glutamat-NMDA-Rezeptoren (N-methyl-D-aspartate), sowie die Oxidation von Dopamin durch Monoaminoxidase (Cui et al. 2004). Auch das Down-Syndrom (DS) ist mit zwei Chromosom-21-Genen, Superoxiddismutase-1 und Carbonylreduktase, betroffen, welche zu oxidativem Stress und neuraler Dysfunktion bei DS fçhren (Cui et al. 2004).
1.7.2.4.2 Radikale Da die meisten biologisch relevanten freien Radikale nur çber eine sehr kurze Halbwertszeit verfçgen, ist die Spin-trapping-Technik die Methode der Wahl, um kurzlebige Radikale durch Reaktion mit Spintraps in långerlebige Radikale, sog. Spin-Addukte, zu çberfçhren. Die Entwicklung einer neuen EPRMesstechnik (niederfrequente EPR-Instrumente) ermæglicht nun, direkt im lebenden Versuchstier Radikale zu bestimmen. Diese In-vivo-Spin-trapping-Technik bietet einige Vorteile (Liu et al. 1999b): 1. Nichtinvasive Technik, die freie Radikale direkt am Ort des Geschehens misst; 2. Artefaktbildung durch Ex-vivo-Probenvorbereitung reduziert; 3. Real-time-Messung der Bildung und des Zerfalls der Radikale; 4. Ûberprçfung von in vitro gefundenen radikalischen Prozessen; 5. quantitative Messungen von intermediåren Spezies. Freie Radikale und paramagnetische Spezies kænnen entweder direkt nachgewiesen werden (Semichinone, Nitroxide, Trityle) oder indirekt durch Spin-trapping z. B. von Radikalen (Superoxid, Hydroxyl oder Alkyl) unter Verwendung von Spintraps wie z. B. DMPO (5,5-Dimethyl-1-pyrrolin N-oxide) und PBN (4-Pyridyl-N-tert-butylnitron). Superoxidanionen kænnen mit groûer Empfind-
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lichkeit çber einen Luminol-Assay (Oxidation von Luminol) durch Freisetzung von Lichtquanten im Luminometer (LSC: ¹liquid scintillation counterª) gemessen werden (Hoang u. Pfefferkorn 1998). Auch die Verwendung von Lucigenin (LSC-Messung) zur Ex-vivo-Bestimmung von Superoxidradikalionen in humanen Blutgefåûen wurde beschrieben (Berry et al. 2000). Die antioxidative Kapazitåt durch Lipide (LDL) låsst sich durch Reaktion eines Radikalstarters, z. B. 2,2'-Azobis(2,4-dimethylvaleronitril) (AMVN) in Kombination mit Luminol als oxidierbares Substrat bestimmen (Yeum et al. 2004). Zur Bestimmung der antioxidativen Kapazitåt im Plasma wurde eine Methode (TEAC: ¹trolox equivalent antioxidant capacityª) entwickelt, die das Quenchen des ABTS-Radikalkations (2,2'-Azinobis(3-ethylbenzothiazolin-6-sulfonat) bei 734 nm nutzt (Yeum et al. 2004). Die Messung von Eisen(II), welches ein endogenes Reduktionsmittel im Plasma ist, wird durch Bildung eines Eisen-Tripyridyltriazin-Komplexes (FRAP assay: ¹ferric reducing ability of plasmaª) ermæglicht (Yeum et al. 2004). Zyklische Nitroxide wie z. B. Hydroxyl-TEMPO und Carboxyl-PROXYL sind sowohl durch eine Lebensdauer im wåssrigen als auch organischen Milieu charakterisiert, doch werden diese in vivo enzymkatalysiert zu Hydroxylaminen reduziert. Ein Beispiel fçr Ex-vivo-Messungen von ROS in Lebergewebe wurde im Jahre 2001 von Valgimigli et al. beschrieben. Eine neue EPR-Technik ermæglicht schnelle und reproduzierbare quantitative Messun-
Tabelle 1.7.4. Konzentrationen von ROS in Leberproben von 22 Patienten mit Hepatitis B, Hepatitis C oder einer nonviralen Lebererkrankung wurden im Vergleich zu Leberproben von 10 gesunden Kontrollpersonen mittels EPR-Technik gemessen. Hierfçr wurden Leberbiopsien von 2±3 mg bei 37 8C çber 5 min mit 1 mM Hydroxylamin-Agens in Anwesenheit eines Eisenchelators inkubiert und der ROS-Gehalt mittels EPR gemessen. (Aus Valgimigli et al. 2001) Gruppen
Molare Konzentration der ROS pro mg Leber Median
Kontrollen 1,8 ´ 10±11 Lebererkran- 3,2 ´ 10±9 kungen (total) Hepatitis B 5,8 ´ 10±10 Hepatitis C 2,7 ´ 10±9 Nonvirale Le- 9,8 ´ 10±9 bererkrankungen * Mann-Whitney-Test.
Kontrollen *
Bereich
gen des oxidativen Stressstatus (Tabelle 1.7.4). Verwendung eines hoch lipophilen Hydroxylaminderivates (Bis(1-hydroxy-2,2,6,6-tetramethyl-4-piperidinyl)-decandioat), welches aufgrund seiner hohen Lipophilie Membranen passiert, ermæglicht eine rasche Reaktion mit Radikalen, die am Geschehen des oxidativen Stresses beteiligt sind. Diese Technik wurde zur Untersuchung von Leberproben an Hepatitis erkrankter Patienten angewendet (Tabelle 1.7.4). Der Begriff ¹Snap-shot-EPRª wurde fçr die schnelle, quantitative und nichtinvasive Messung von ROS (O-Radikale wie z. B. das Superoxidradikalanion) im peripheren Blut von Sportlern im Vergleich zu Kontrollpersonen verwendet. Als Spin-trap diente das oben beschriebene Hydroxylaminderivat, welches nach Reaktion mit O-Radikalen als Nitroxid mittels EPR gemessen wurde (Paolini et al. 2003). Versuche in BALB/c-Måusen mit verschiedenen Nitron-spin-traps, die intraperitoneal appliziert wurden, zeigten, dass die In-vivo-Stabilitåt ein relativ geringes Problem ist, da nach 1 h noch ungefåhr 50% der verabreichten Spin-trap-Dosis fçr das Abfangen freier Radikale zur Verfçgung steht, jedoch die Absorption und die extensive Verteilung der Spin-traps entscheidend ist (Liu et al. 1999 b). Die zyklische Voltametrie-Methode (¹cyclic voltametry methodologyª, CV) zur Messung der totalen antioxidativen Kapazitåt von niedermolekularen Antioxidanzien (LMWA: ¹low molecular weight antioxidantsª) in Human- und Tierplasma sowie anderen Kærperflçssigkeiten oder homogenisiertem Gewebe wurde von Chevion et al. 1997 beschrieben. Bei der CV-Methode wird das reduktive Potential einer verabreichten Substanz, z. B. Vitamin C, gemessen. Da die meisten dieser Substanzen reduzierende Aktivitåten besitzen, werden ROS durch Elektronençbertragung reduziert und somit die Reaktivitåt der ROS herabgesetzt. Die zyklische Voltametrie wurde zur Bestimmung der totalen antioxidativen Kapazitåt von niedermolekularen Antioxidanzien in Plasma und anderen Kærperflçssigkeiten sowie Homogenaten von Tiergewebe (Chevion et al. 2000) oder auch von essbaren Pflanzen eingesetzt (Chevion u. Chevion 2000).
3 ´ 10±13±4,4 ´ 10±10 ± 1,9 ´ 10±10±2,6 ´ 10±8 p < 0,00001 4,7 ´ 10±10±1,8 ´ 10±9 p < 0,02 1,9 ´ 10±10±7,7 ´ 10±9 p < 0,0003 2,6 ´ 10±9±2,6 ´ 10±8 p < 0,005
1.7.3 Enzymatische Grundlagen In aeroben Organismen ist die Atmung die letzte Stufe eines Verbrennungsvorgangs, bei dem Kohlenhydrate, Proteine und Fette metabolisiert werden.
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Bei diesem Vorgang wird nicht nur chemische Energie erzeugt, sondern auch Wårme freigesetzt. Der molekulare Sauerstoff, als zentrales Substrat der Atmungskette, ist zwar ein starkes Oxidationsmittel, besitzt aber eine geringe Reaktivitåt. Die Umsetzung von molekularem Sauerstoff wird daher durch Enzyme unterstçtzt. Die Zytochromoxidase der Atmungskette verbraucht etwa 90% des gesamten von aeroben Organismen aufgenommenen Sauerstoffs. Die restlichen 10% werden von Enzymen wie der NADPH-Oxidase, der Xanthinoxidase und anderen verbraucht. Die oxidative Schådigung von biologischem Material durch das Biradikal molekularer Sauerstoff ist aber unbedeutend.
1.7.3.1 Bildung von ROS Reaktive Sauerstoffspezies entstehen aus unvollståndigen Reduktionen von O2 des zellulåren Metabolismus, wenn ein Sauerstoffmolekçl weniger als 4 Elektronen aufnimmt (Christen u. Jaussi 2004). Sie entstehen durch Autooxidation z. B. von Katecholaminen, Flavinen und Ferrodoxinen (Del Maestro 1980) oder unter Beteiligung der unterschiedlichsten Enzymsysteme, Xenobiotika und phagozytierenden Zellen. In Abb. 1.7.7 ist die enzymatische Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) dargestellt. Einen in der Natur einzigartigen Fall der Produktion reaktiver Sauerstoffspezies stellt der Bombardierkåfer (Brachinus explodens und Brachinus crepidans) aus der Familie der Laufkåfer (Carabidae) dar. Im Abdomen dieses Kåfers wird, katalysiert durch die Katalase aus H2O2, Sauerstoff freigesetzt, der dann mit Hydrochinon unter Mitwirkung von Per-
Abb. 1.7.7. Enzymvermittelte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS)
oxidase zum Chinon reagiert. Unter einem explosionsartigen Knall werden 100 8C heiûe Chinone aus dem Hinterleib ausgestoûen und Feinde des Kåfers somit abgewehrt (Schildknecht u. Holubek 1961).
1.7.3.1.1 Mitochondriale Elektronentransportkette Der græûte Teil der metabolischen Energie wird durch enzymkatalysierte Redoxreaktionen in den Mitochondrien bereitgestellt. Die Kapazitåt des aeroben Energiestoffwechsels ist abhångig von der oxidativen Phosphorylierung, die Teil der Atmungskette in der inneren Mitochondrienmembran ist (Abb. 1.7.8). Die mitochondriale Atmungskette besteht aus vier Enzymkomplexen, dem NADH-Dehydrogenase-Komplex (Komplex I), dem Succinat-Dehydrogenase-Komplex (Komplex II), dem Zytochrom-bc1Komplex (Komplex III) und dem Zytochrom-c-Oxidase-Komplex (Komplex IV). In der Atmungskette werden Elektronenpaare von NADH und FADH2 in einer Sequenz von Redoxstufen çber die Komplexe I, II, III und IV auf den molekularen Sauerstoff çbertragen. Die durch die Elektronenabgabe frei werdende Energie wird zur Errichtung eines Protonengradienten çber der inneren Mitochondrienmembran benætigt und der Abbau dieses Gradienten zur ATP-Erzeugung verwendet (ATP Synthase). Wåhrend der Elektronençbertragung an den vier Komplexen kann es durch unvollståndige Reduktion von Sauerstoff (ca. 1±3% des in den Mitochondrien umgesetzten Sauerstoffs) zur Entstehung von ROS kommen (Thannickal u. Fanburg 2000). Die mitochondriale Produktion der ROS erfolgt an zwei Stellen, nåmlich am Komplex I (NADH-Dehydrogenase) und am Komplex III (Zytochrom-bc1-Komplex). Bis zu 1% des mitochond-
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Abb. 1.7.8. ROS-Bildung in den Mitochondrien
rialen Elektronenflusses fçhrt vorwiegend zur Bildung von Superoxidanionen (Dalle-Donne et al. 2005). Die auf beiden Seiten der inneren Mitochondrienmembran gebildeten Superoxidanionen werden sehr effektiv çber die Superoxiddismutase und die Glutathionperoxidase zu Wasserstoffperoxid und Wasser umgewandelt. In den Mitochondrien werden ungefåhr 2 nmol Superoxidanionen pro Minute und mg Protein gebildet, was die Wichtigkeit als physiologische Quelle fçr die Bildung von ROS dokumentiert (Inoue et al. 2003).
1.7.3.1.2 NADPH-Oxidase Eines der wichtigsten Enzyme, das zur ROS-Bildung beitrågt, ist die NADPH-Oxidase (Mohazzab et al. 1994). Das Enzym wurde in phagozytierenden Zellen, wie den neutrophilen Granulozyten und den Makrophagen charakterisiert (Karnovsky et al. 1994; Jones u. Hancock 2000). Die granulozytåre NADPH-Oxidase dient der Abwehr von Mikroorganismen, Tumorzellen und anderen Zellen, die der menschliche Organismus beseitigen muss. Die zellulåre Antwort auf infektiæse Agenzien und andere Stimuli bewirkt einen raschen Verbrauch von Sauerstoff. Dieser Vorgang wird als ¹respirato-
ry burstª bezeichnet und stellt die wichtigste Quelle fçr die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies dar (Abb. 1.7.9). Fçr die Bildung verantwortlich ist die Aktivierung der NADPH-Oxidase, die aus einem Ruhezustand in den aktivierten Zustand çberfçhrt wird (Abb. 1.7.10). Dieses Enzym ist ein groûer Multienzymkomplex, der aus sechs verschiedenen Untereinheiten besteht (Groemping u. Rittinger 2005), die sich in Abhångigkeit eines Stimulus zum aktiven Komplex zusammenschlieûen und das Superoxidanion produzieren. Es ist wichtig, dass diese Aktivitåt råumlich und zeitlich auf das geschlossene Phagosom (Abb. 1.7.9) beschrånkt ist, damit sog. kollaterale Schåden des Wirtsgewebes vermieden werden (Groemping u. Rittinger 2005). In einer konzertierten Aktion von enzymatischen und chemischen Reaktionen werden die Mikroorganismen im Phagosom attackiert, was letztlich zur Lyse des invaginierten Organismus fçhrt. Der ganze Prozess dauert nur etwa 30±60 min. Defekte der NADPH-Oxidase fçhren zu fehlender oder stark verminderter Enzymaktivitåt und damit zu einer stark eingeschrånkten antimikrobiellen Wirkung der Granulozyten. Ein Beispiel dafçr ist die septische Granulomatose, eine angeborene Immunschwåche, bei der die Granulozyten
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Abb. 1.7.9. Schematische Darstellung der ROS-abhångigen Vorgånge, die zur Eliminierung eines Bakteriums durch Granulozyten fçhren. (1) Aktivierung der NADPH-Oxidase an der åuûeren Seite der Plasmamembran initiiert den ¹respiratory burstª mit der Bildung des Superoxidanions. Wåhrend der Phagozytose wird die Plasmamembran eingestçlpt, so dass das Superoxidanion in die Vakuole freigesetzt wird. (2) Die Superoxiddismutase katalysiert die Bildung von Wasserstoffperoxid. (3) Granula, die die Myeloperoxidase enthalten,
werden ins Phagosom sekretiert, und das Enzym unterstçtzt die Freisetzung von HOCl. (4) Das Hydroxylradikal kann çber die Fenton-Reaktion aus Wasserstoffperoxid gebildet werden. (5) Die induzierbare Stickstoffmonoxidsynthase kann Stickstoffmonoxid generieren. (6) Zusammen mit dem Superoxidanion kann das NO Peroxynitrit erzeugen. Das Resultat ist die Lyse des Bakteriums. (Adaptiert nach Marks et al. 2005)
Bakterien und Pilze nicht abwehren kænnen (Smith u. Mohideen 1991). Betroffene Kinder leiden immer wieder an Infektionen, die oft lebensbedrohlich werden. Die Lebenserwartung liegt zwischen 10 und 25 Jahren. Bei der septischen Granulomatose ist ein Gen auf dem X-Chromosom defekt, so dass fast ausschlieûlich Jungen betroffen sind. Der Gendefekt wird rezessiv vererbt. Insgesamt haben etwa 4±5 Personen/1 Million Menschen eine septische Granulomatose. Kænnen die Erreger nicht erfolgreich durch eine medikamentæse Behandlung abgetætet werden, versucht der Kærper, diese abzukapseln. Es folgt die Bildung von Gewebsknoten, den sog. Granulomen, die der Erkrankung den Namen gegeben haben. Heute kann den Betroffenen nur mit einer Knochenmarktransplantation geholfen werden. Die septische Granulomatose ist charakterisiert durch ungewæhnlich håufige und schwere bakterielle Infekte, die therapeutisch fast nicht zu beherrschen sind und die sogar von Keimen verursacht werden, die normalerweise nicht pathogen sind.
Die Bildung von H2O2, welches zur Biosynthese der Schilddrçsenhormone T3 und T4 erforderlich ist, wird durch eine Ca2+/NADPH-abhångige Oxidase katalysiert. Die Schilddrçsenhormone T3 und T4 regulieren den Metabolismus, die Gewebedifferenzierung und die Entwicklung des Menschen. Das Thyroidea stimulierende Hormon (THS) gelangt çber das Blut zu den Schilddrçsen und stimuliert die Aufnahme von Jod und die Synthese von T3 und T4. Der Einbau von Jod in T3 und T4 und deren Kopplung an das Thyroglobulin wird durch die Thyroperoxidase, die sich in der apikalen Plasmamembran von Thyrozyten befindet, katalysiert. Das Wasserstoffperoxid, das fçr die Jodierung gebraucht wird, wird durch Katalyse von ThOX1 und ThOX2 (Glykoproteine, die zur Familie der NADPHOxidasen gehæren) gebildet (Fortemaison et al. 2005). Diese sind Teil des H2O2-generierenden Systems und befinden sich ebenfalls in der apikalen Plasmamembran der Thyrozyten. Das H2O2-generierende System der Thyrozyten und das Superoxidanion produzierende System von Makrophagen
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Abb. 1.7.10. Schematische Darstellung der NADPH-Oxidase und ihre Aktivierung. Zwei NADPH-Oxidase-Untereinheiten p91phox und p22phox bilden das Flavozytochrom b558. Wåhrend des Aktivierungsprozesses werden verschiedene
zytosolische Proteinfaktoren zum aktiven NADPH-OxidaseKomplex zusammengefçgt. Die Phosphorylierung zum aktiven Komplex erfolgt durch die GTPase Rac und das Regulatorprotein GDI
und Leukozyten weist zahlreiche funktionale Analogien auf. Im Falle der Thyrozyten sind es die Proteine ThOX1 und ThOX2, und im Falle der Leukozyten sind es die Proteine gp67phox, gp47phox, gp91phox und rac. In beiden Zelltypen wird die H2O2-Bildung durch Ca2+ und Diacylglycerin aktiviert.
Myeloperoxidase sezerniert, die die Bildung von HOCl katalysiert. Das Hypochlorition weist eine stark antiseptische Wirkung auf. Nach myokardialer Ischåmie und Reperfusion kommt es zu vermehrter intravasaler Degranulation von neutrophilen Granulozyten und zur Freisetzung von MPO, die sich insbesondere entlang des Endothels der abhångigen arteriellen Gefåûabschnitte nachweisen låsst. MPO katalysiert in Gegenwart von H2O2 die Oxidation von NO. Die MPO-abhångige vaskulåre NO-Oxidation ist damit mæglicherweise ein wichtiger zusåtzlicher Pathomechanismus fçr die mikrovaskulåre Dysfunktion im Rahmen myokardialer Ischåmie und Reperfusion (Baldus et al. 2003).
1.7.3.1.3 Myeloperoxidase Die Myeloperoxidase (MPO) ist ein wichtiges Enzym, das hypochlorige Såure (HOCl) bildet und damit in den Granulozyten Teil der konzertierten Abwehr von Bakterien und anderen Eindringlingen ist. MPO gehært zur Peroxidase-Superfamilie (Arnhold 2004). Nach der Aktivierung neutrophiler Granulozyten, wird, wie in Abb. 1.7.9 dargestellt, eine Signalçbertragungskaskade angeschaltet, deren Ziel die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies ist. Die NADPH-Oxidase reduziert molekularen Sauerstoff zu Superoxidanionradikalen. Gleichzeitig wird bei Aktivierung der Granulozyten aus den Granula die
1.7.3.1.4 Xanthinoxidase Die Xanthinoxidoreduktasen (XOR) gehæren zur Familie der Molybdopterin-Enzyme. Sie sind Teil des Purinabbauweges und metabolisieren Hypoxanthin und Xanthin zu Harnsåure (Abb. 1.7.11). Die Genexpression der XOR wird durch den Sauerstoffpar-
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Abb. 1.7.11. Xanthinoxidase und ihre Aufgabe im Purinmetabolismus
tialdruck, Zytokine und Glukokortikoide reguliert. Das Enzym existiert in zwei Formen, der Xanthinoxidase (XO) und der Xanthindehydrogenase (XDH), die ihre Elektronen entweder auf den Sauerstoff oder auf NAD+ çbertragen. Die XDH weist eine hohe Affinitåt fçr NAD+ auf, aber nur eine geringe fçr Sauerstoff (Stirpe u. Della Corte 1969; Della Corte u. Stirpe 1972). In Såugetieren befindet sich das Enzym im Zytosol und Peroxisomen von Leberzellen und Zellen der Darmschleimhaut (Frederiks u. Vreeling-Sindelarova 2002). Die XDH ist ein Homodimer mit zwei unabhångigen aktiven Zentren und kann in Såugetieren einfach in die Xanthinoxidase çberfçhrt werden. In dieser Form ist NAD+ kein Substrat mehr fçr die XO, dafçr wird der molekulare Sauerstoff sehr effizient in das Superoxidanion und Wasserstoffperoxid çberfçhrt (Berry u. Hare 2003; Okamoto et al. 2003). Die Konvertierung der XDH in die XO erfolgt reversibel durch Bildung einer intramolekularen Disulfidbrçcke oder irreversibel durch Proteolyse (Nishino u. Nishino 1997). Hypoxanthin und Xanthin werden am Molybdån oxidiert und die Elektronen letztlich auf den Sauerstoff çbertragen, der im Verhåltnis von ca. 80 : 20 zu H2O2 und O±2 umgesetzt wird. Die wichtigste Funktion von XOR, die in den Membransystemen von Leberzellen der Ratte nachgewiesen wurde, ist nicht die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies, sondern die Bereitstellung von Harnsåure als Antioxidans (Frederiks u. Vreeling-Sindelarova 2002).
1.7.3.1.5 NADPH-Zytochrom-P450-Reduktase Die NADPH-Zytochrom-P450-Reduktase (CPR) ist Elektronendonor fçr eine Reihe von Oxygenasen,
die sich im endoplasmatischen Retikulum von eukaryotischen Zellen befinden. Dazu gehært die Familie der Zytochrom-P450-Enzyme, die in den Metabolismus von Xenobiotika und endogenen Steroid-Verbindungen involviert sind. Im mikrosomalen Zytochrom-P450-Metabolismus (Abb. 1.7.12) ist CPR oft das geschwindigkeitsbestimmende Enzym (Strobel et al. 1995; Kaminsky u. Guengerich 1985; Waxman et al. 1989; Cawley et al. 1995). CPR ist ein Flavoprotein, das die beiden Kofaktoren FAD und FMN enthålt und zudem auch Untereinheit der NO-Synthase ist. CPR trågt zur Bildung von ROS bei, z. B. durch die Oxidation von ungesåttigten Fettsåuren und durch die Bioaktivierung von Xenobiotika wie Thalidomid und Phenytoin (Sauer et al. 2001). CPR spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in metabolischen Prozessen, die P450-unabhångig sind, im sog. Redox-Cycling von Chinonen, Katecholen und Karzinogenen (Chesis et al. 1984; Bligh et al. 1990; Sawamura et al. 1996). Diese Prozesse sind ebenfalls mit der Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies verbunden und leisten mæglicherweise einen Beitrag zur zellulåren Adaption an den oxidoreduktiven Stress (Landriscina et al. 1988). Ausgehend von Cholesterin wird die Synthese von Steroiden und ihren Vorstufen durch Zytochrom-P450-Enzyme in den Mitochondrien und im glatten endosplasmatischen Retikulum in der Nebennierenrinde katalysiert. Die Synthese beginnt und endet in den Mitochondrien. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Steroidbiosynthese ist der Transport von Cholesterin durch die Membranen des Mitochondriums und die Katalyse der Seitenkettenmodifikation von Cholesterin durch Steroidhydroxylase CYP11A1. Die fçr diese und alle
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weiteren Steroidhydroxylierungen notwendigen Elektronen werden vom NADPH mit der Adrenodoxinreduktase und Adrenodoxin auf die ZytochromP450-Enyzme çbertragen, wo in Anwesenheit von molekularem Sauerstoff die Hydroxylierung erfolgt. Bei der Steroidhydroxylierung werden zwei Elektronen von NADPH auf den molekularen Sauerstoff çbertragen. Elektronentransfer und Steroidhydroxylierung sind gekoppelt. Wird aber nur ein Elektron auf den Sauerstoff çbertragen, so werden der Elektronentransfer und die Steroidhydroxylierung entkoppelt und es entsteht das Superoxidanion.
1.7.3.1.6 CYP450-Monooxygenasen Die Zytochrom-P450-Monooxygenasen (CYP450) der Såugetiere gehæren zu einer groûen Familie von Enzymen, die eine Håmgruppe enthalten, welche im aktiven Zentrum des Enzyms çber ein Håmthiolat gebunden ist. Diese Enzyme sind Teil des oxidativen Metabolismus einer Reihe von endogenen und exogenen lipophilen Verbindungen. Die CYP450 sind membrangebundene Enzyme und als solche im endoplasmatischen Retikulum der Zellen einer Reihe von Organen, wie Leber, Niere, Lunge, Hirn und Lymphozyten lokalisiert. Die Hauptfunktion dieser Monooxigenasen ist die Entgiftung von Arzneiwirkstoffen, Karzinogenen, Xenobiotika und kærpereigenen Verbindungen durch Hydroxylierung. Diese Enzyme kommen als Isoenzyme vor und zeichnen sich durch eine breite Substratspezifitåt aus. Bei der Monooxygenierung werden zwei Elektronen von der NADPH-P450-Reduktase auf das CYP450 transferiert (Abb. 1.7.12). Zuerst bindet der Wirkstoff an das Zytochrom P450, dessen Håm-
eisen sich in der Oxidationsstufe 3+ befindet. Durch das erste Elektron, das vom NADPH stammt, wird Fe3+ zu Fe2+ reduziert. Das Håmeisen (2+) wird oxygeniert. Das zweite Elektron wird unter Bildung eines O2-Radikals auf den Sauerstoff çbertragen. In einer internen Redoxreaktion entzieht das O2-Radikal dem Fe2+ ein Elektron, und durch Umlagerung entsteht die hydroxylierte Verbindung. Gleichzeitig entsteht Wasser, so dass freies Zytochrom P450 in der Fe3+- Form regeneriert wird. Das im endoplasmatischen Retikulum enthaltene Zytochrom P450 ist ebenfalls in der Lage ROS zu bilden. Zytochrom P450 reduziert molekularen Sauerstoff und bildet Superoxidanionen und Wasserstoffperoxid (Thannikal u. Fanburg 2000). P450-Enzyme katalysieren Reaktionen der Entgiftung sowohl endogener als auch exogener Substanzen. Das P450-Enzym CYP2E1 ist ein Beispiel fçr die metabolische Aktivierung inerter Molekçle zu Elektrophilen (Abb. 1.7.13). Diese reaktiven Molekçle kænnen als Initiatoren von toxischen, apoptotischen und sogar von karzinogenen Prozessen dienen. CYP2E1 ist durch Øthanol induzierbar, kann aber auch Øthanol als Substrat zu Acetaldehyd oxidieren. Typische Substrate des CYP2E1 sind aliphatische (z. B. Diethylether, Azoxymethan, Øthanol), aromatische (z. B. Benzol, Anilin) und halogenierte Kohlenwasserstoffe (z. B. Tetrachlorkohlenstoff, Chloroform). Das wohl am besten untersuchte Substrat ist das Pharmakon Acetaminophen (Paracetamol), welches entweder direkt durch Konjugation (Phase-2-Reaktion) zum Glukuronid oder zum Sulfat reagiert oder in Einelektronenschritten, katalysiert durch CYP2E1, zum elektophilen Iminochinon umgesetzt wird. Dieses re-
Abb. 1.7.12. Schematische Darstellung der Bildung von ROS durch den Enzymkomplex ZytochromP450-Reduktase und Monooxygenase. (R = endogene oder exogene Verbindung, wie Wirkstoffe)
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Abb. 1.7.13. Schematische Darstellung der durch das ZytochromP450-Enzym CYP2E1 katalysierten Reaktionen und Folgereaktionen. Substrate (R) fçr das CYP2E1 kænnen Kohlenwasserstoffe wie z. B. Benzol oder Toluol, Øthanol oder auch Pharmaka wie Acetaminophen sein. ROS (Wasserstoffperoxid und Superoxidradikalanionen). (Mod. nach Gonzalez 2005)
aktive Iminochinon kann mit Glutathion oder zellulåren Makromolekçlen wie Proteinen, DNA oder RNA Addukte bilden, welche zu hepatotoxischen Prozessen fçhren. Niedrige Glutathionspiegel oder erhæhte Øthanolspiegel (als Induktor des CYP2E1) erhæhen das Potential der Hepatotoxizitåt. Die Reaktion von CYP2E1 mit Øthanol als Substrat zu Acetaldehyd und 1-Hydroxyethylradikalen ist mit der Freisetzung von ROS (Wasserstoffperoxid und Superoxidradikalanionen), welche in Anwesenheit von NADPH aus molekularem Sauerstoff gebildet werden, verbunden. In einer von Hepatozyten abstammenden Zelllinie, die an CYP2E1 çberexpremiert ist, wurde durch oxidativen Stress, d. h. durch ROS, die Aktivierung einer Proteinkinase (MAPK: ¹mitogenactivated protein kinaseª) festgestellt (Gonzalez 2005). Die Zunahme an phosphorylierter extrazellulår signalregulierter Kinase 1/2 (ERK1/2: ¹extracellular signal-regulated kinaseª) fçhrt zur Genaktivierung und Modulation von Apoptose und Nekrose. Durch die Auslæsung von oxidativem Stress wird die ERK1/2-Phosphorylierung çber den EGFR/c-Raf-Signal-Ûbertragungsweg (EGFR: ¹epidermal growth factor receptorª) erhæht. In Abb.
1.7.13 werden die durch CYP2E1 ausgelæsten Reaktionen und Folgereaktionen dargestellt.
1.7.3.1.7 NO-Synthase Katalysatoren der zellulåren NO-Produktion sind die NO-Synthasen (NOS). Die Stickstoffmonoxidsynthase kommt in verschiedenen Isoformen und unterschiedlichen Geweben und Organen vor. Die Enzyme unterscheiden sich bezçglich ihrer zellulåren Expression und der molekularen Regulation. Beschrieben sind die endotheliale (eNOS), die neuronale (nNOS), die induzierbare (iNOS) und die mitochondriale (mtNOS) NO-Synthase. Die katalytische Effizienz der konstitutiven NOS ist viel geringer als diejenige der iNOS, die eine sog. ¹Highoutput-Kinetikª aufweist (Bredt u. Snyder 1990; Nathan u. Hibbs 1991). Nitrosativer Stress liegt vor, wenn bei einer Entzçndungsreaktion die induzierbare NOS lokal groûe Mengen des Stickstoffmonoxidradikals synthetisiert. Das Stickstoffmonoxidradikal ist relativ langlebig und nicht sehr reaktionsfreudig. NO-Synthasen katalysieren die Synthese von L-Citrullin und dem Stickstoffmonoxidradikal aus
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Abb. 1.7.14. Substratkompetition zwischen iNOS und Arginase. Eine Ûberexpression der Arginase-1 in psoriatischen Keratinozyten fçhrt zu einer Substratkompetition mit der iNOS um L-Arginin und limitiert die Synthese von NO; KAT: Katalase
L-Arginin und molekularem Sauerstoff. Das O2-Molekçl wird in dieser Reaktion am Håmeisen des Enzyms durch zwei Elektronen, die vom NADPH stammen, zum Eisen(IV)-Komplex aktiviert (Abb. 1.7.14). Als Kofaktoren sind an dieser Reaktion neben dem NADPH auch FMN/FAD und Tetrahydropterin (BH4) beteiligt (Daiber u. Ullrich 2002). Eine wichtige Zielgruppe von Molekçlen nach nitrosativem und auch nach oxidoreduktivem Stress sind Proteine, wie Transkriptionsfaktoren, die auf bestimmte Signale hin an spezifische DNAAbschnitte binden und die Transkription steuern. TH1-Zytokine induzieren die iNOS und reprimieren die Arginasen, wåhrend umgekehrt TH2-Zytokine die Arginasen induzieren und die iNOS-Expression hemmen. In der Entzçndungsreaktion erfolgt die iNOS- bzw. die Arginaseexpression sequenziell durch ein Umschalten von einer TH1- zu einer TH2-Reaktion. Ûberraschenderweise ist im entzçndlichen TH1-Milieu der Psoriasis die Arginase-1 çberexprimiert, begleitet von einer Koexpression der iNOS (Kræncke et al. 2002). L-Arginin kann also von psoriatischen Keratinozyten auf zwei verschiedenen Wegen metabolisiert werden, was zu einer Substratkompetition fçhrt.
1.7.3.1.8 Cyclooxygenase und Lipoxygenase Die Cyclooxygenase katalysiert den ersten Schritt in der Biosynthese von Prostaglandinen und Thromboxanen ausgehend von Arachidonsåure und zwei Molekçlen molekularem Sauerstoff. Es existieren zwei verschiedene Cyclooxygenasen, die als COX-1 und COX-2 bezeichnet werden. COX-1 ist ein konstitutives Isoenzym, das gewebe- und
zellspezifisch ist. COX-2 hingegen kann çber mehrere Signalçbertragungswege in Zusammenhang mit Schmerzbildung und Entzçndungen induziert werden (Brian et al. 2001). Die meisten nichtsteroidalen antiinflammatorischen Wirkstoffe, sog. NSAID wie das Aspirin, hemmen beide Isoformen. Es gibt Hinweise, dass wåhrend der COX-1-Katalyse und der anschlieûenden Peroxidasereaktion, dem zweiten Enzym der Prostaglandinbiosynthese, reaktive Sauerstoffspezies, wie das Superoxidanion und Wasserstoffperoxid, gebildet werden. Beide Spezies vermægen die COX-2-Synthese zu induzieren, was eine Erklårung fçr eine erhæhte COX2-Expression wåhrend Entzçndungsvorgången ist (Feng et al. 1995). In einer Studie konnte gezeigt werden, dass in menschlichen Makrophagen, COX-1 und COX-2 in die Bioaktivierung von NNitrosaminen des Nikotins zu mutagenen elektrophilen Intermediaten involviert sind. Die Aktivierung dieser Molekçle fçhrt zur Bildung von ROS (Rioux u. Castongy 2000). Die 5-Lipoxygenase (5-LO) katalysiert die zwei ersten Schritte der Biosynthese von Lipoxinen und den ersten Schritt der Biosynthese von Leukotrienen ausgehend von der Arachidonsåure. Das Enzym erleichtert die Inkorporation von Sauerstoffmolekçlen an Doppelbindungen der Arachidonsåure, was zur Bildung von Hydroperoxidgruppen fçhrt (Marks et al. 2005; Werz et al. 2000). Reaktive Sauerstoffspezies, die von Granulozyten gebildet wurden, kænnen die 5-LO von B-Lymphozyten aktivieren. Da Leukotriene einen Einfluss auf die Proliferation, Maturation und Aktivierung von B-Zellen haben, kann die ROS-Bildung und die Regulation der zellulåren 5-Lipoxygenaseaktivitåt in
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Abb. 1.7.15. Schematische Darstellung der Inaktivierung von ROS
B-Lymphozyten mit der Regulation der Immunantwort zusammenhången (Werz et al. 2000).
1.7.3.2 Inaktivierung von ROS Såugetierzellen besitzen eine Reihe ausgeklçgelter Abwehrmechanismen, um die reaktiven Sauerstoffspezies zu inaktivieren. Der metabolische Schlçsselschritt ist die enzymkatalysierte Umsetzung des Superoxidanions zu Wasserstoffperoxid durch die Superoxiddismutase (Abb. 1.7.15). Wasserstoffperoxid kann auf drei verschiedenen Wegen metabolisiert werden. Die Glutathionperoxidasen unterstçtzen die Umsetzung von Wasserstoffperoxid zu Wasser. Diese Reaktion erfordert Glutathion als Kosubstrat. Das molare Verhåltnis von oxidiertem zu reduziertem Glutathion sagt etwas çber den Redoxzustand der Zelle aus. In ruhenden Zellen ist die Glutathionkonzentration im millimolaren Bereich und damit in einem etwa 100fachen Ûberschuss zum oxidierten Glutathiondisulfid. Transiente Verschiebungen des Verhåltnisses zu Gunsten des Disulfids korrelieren mit der Bildung von gemischten Disulfiden (Klatt u. Lamas 2000). Die Konzentration von Glutathion in den unterschiedlichsten Geweben liegt im millimolaren Bereich, wåhrend die extrazellulåre Konzentration des Glutathions, das vorwiegend in der oxidierten Form vorliegt, wesentlich niedriger, nåmlich im mikromolaren Bereich liegt.
1.7.3.2.1 Superoxiddismutase Die Superoxiddismutase (SOD) katalysiert die erste Reaktion im Metabolismus der Inaktivierung von ROS. Das Enzym erleichtert die Disproportionierung von zwei Superoxidanionen zu Wasserstoffperoxid und molekularem Sauerstoff. Es existieren drei Isoenzyme. Die im Zytoplasma lokalisierte und die extrazellulåre Isoform enthalten je ein Kupfer- und Zinkion wåhrend das in den Mitochondrien lokalisierte Isoenzym ein Manganion enthålt. Das Superoxidanion ist in Abwesenheit der SOD relativ stabil, daher ist es wichtig, dass SOD dort lokalisiert ist, wo Superoxidanionen generiert werden (Inoue et al. 2003). Die intrazellulåre SOD wird durch das Gen SOD1 codiert. Defekte in diesem Gen, das sich auf dem Chromosom 21 befindet, werden bei etwa 10% der Patienten mit der amyotrophen Lateralsklerose in Verbindung (ALS) gebracht (Fukada et al. 2004). Es gibt Hinweise fçr einen Zusammenhang zwischen der ALS und ROS (Liu et al. 1999 a). Eine Superoxiddismutase-åhnliche Aktivitåt wird dem Kupfer bindenden Prionprotein zugeschrieben. Die normale Funktion des zellulåren Prionproteins (PrPc) ist noch nicht aufgeklårt. Es gibt aber Anhaltspunkte, dass PrPc bei der Kupferaufnahme (Kretzschmar et al. 2000), der Zelladhåsion (Schmitt-Ulms et al. 2001), der Signaltransduktion (Mouillet-Richard et al. 2000), aber auch bei ROS eine Rolle spielt. Es konnte gezeigt werden, dass Zellen, die PrPc-defizient sind, empfind-
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lich auf ROS reagieren und schneller in die Apoptose gehen als Wildtyp-Zellen. Dieser Effekt kann in den PrPc-defizienten Zellen, die auch eine reduzierte Superoxiddismutaseaktivitåt aufweisen, durch Vitamin E rçckgångig gemacht werden (Brown et al. 1997). Die experimentellen Daten lassen vermuten, dass das PrPc die Funktion eines Radikalfångers hat und als Sensormolekçl fçr den oxidoreduktiven Stress dient (Sauer et al. 2003).
1.7.3.2.2 Katalase Eines der Enzyme, die die Reduktion von Wasserstoffperoxid zu Wasser und molekularem Sauerstoff katalysieren kænnen, ist die Katalase (KAT). Die meisten Katalasen haben vier Untereinheiten, die in ihrer katalytischen Tasche ein Håm als Kofaktor beherbergen. Die Katalasen befinden sich hauptsåchlich in den Peroxisomen. Sie treten aber ebenfalls im Zytoplasma und der mikrosomalen Fraktion der Zellen auf. Die hæchsten Aktivitåten werden in den Zellen der Leber und der Niere gefunden, Geweben also mit einem hohen Anteil an Peroxisomen. In den Zellen des Immunsystems schçtzt die Katalase die Immunzelle gegen den ¹respiratory burstª.
1.7.3.2.3 Glutathion-Peroxidase und Glutathion-Reduktase Glutathion besteht aus den Aminosåuren Glutaminsåure, Cystein und Glycin (Abschn. 1.7.2.3). Neben seiner Fåhigkeit als Antioxidans, Radikale einzufangen, hat es eine groûe Bedeutung als Substrat fçr die beiden Enzyme Glutathion-Peroxidase und Glutathion-Reduktase. Beide Enzyme sind an der Inaktivierung von Wasserstoffperoxid beteiligt. Die Glutathion-Peroxidasen gehæren zu einer Familie von Enzymen, die das Halbmetall Selen enthalten. Die Enzyme befinden sich im Zytoplasma und in den Mitochondrien und katalysieren die Reduktion von Wasserstoffperoxid zu Wasser, von Lipidperoxiden zu Alkoholen und die Oxidation von GSH zum GSSG (Abb. 1.7.16). Die Glutathion-Reduktase ist eine NADP+/ NADPH-abhångige Oxidoreduktase, deren Aufgabe es ist, die hohe Konzentration an reduziertem Glutathion in der Zelle aufrecht zu erhalten. Mit der Glutathion-Reduktase wird das oxidierte Glutathion wieder regeneriert. Beide Enzyme zusammen bilden den sog. Glutathion-Redoxzyklus. NADPH, das die Reduktionsåquivalente zur Inaktivierung von Wasserstoffperoxid liefert, stammt aus dem Pentosephosphat-Metabolismus. Die glutathionvermittelte Inaktivierung von ROS ist ein universelles Prinzip, das in allen Zelltypen, auch den roten Blutkærperchen (Abb. 1.7.16), ablåuft und mægli-
Abb. 1.7.16. Glutathion-Redoxzyklus und ROS-verursachte Håmolyse
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
cherweise eine Erklårung fçr die weite Verbreitung des Pentosephosphat-Stoffwechselweges in vielen Zelltypen ist (Marks et al. 2005). Die roten Blutzellen brauchen den molekularen Sauerstoff weder fçr den Stoffwechsel noch fçr Phagozytose, sondern nur fçr den O2-Transport. Der hohe Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut und die hohe Konzentration an Håmoglobin, das das Eisenion enthålt, bewirkt, dass ROS kontinuierlich gebildet werden. Die Reduktion von Sauerstoff zu Superoxidanionen erfolgt bei der Oxidation von Håmoglobin zu Methåmoglobin (Ferrihåmoglobin), einem rostbraunen Håmoglobin, das den Sauerstoff weder binden noch transportieren kann. Denaturiertes Methåmoglobin bildet die Heinz-Innenkærper. In einer Haber-Weiss-Reaktion, katalysiert durch das Håm des Methåmoglobin, werden aus dem Superoxidanion und Wasserstoffperoxid Hydroxylradikale gebildet (Baynes u. Dominiczak 2005).
1.7.4 Para- und autokrine Mechanismen der ROS/RNS-abhångigen Signalçbertragungswege 1.7.4.1 Ûbersicht Reactive oxygen species (ROS) und Reactive nitrogen species (RNS) werden çblicherweise als zytotoxische und mutagene Substanzen betrachtet, die als Nebenprodukt des Metabolismus auftauchen und ausschlieûlich schådliche Wirkungen entfalten. ROS und RNS werden aber auch, wie in den vorherigen Abschnitten beschrieben, çber regulierte enzymatische Prozesse gebildet, was auf eine gezielte biologische Rolle schlieûen låsst. Ein wohlbekanntes Beispiel stellt das Enzym NADPH-Oxidase dar. Die Produktion freier Radikale bei Phagozyten zur Bekåmpfung bakterieller Infektionen ist seit långerer Zeit bekannt. Dabei wird angenommen, dass das O± 2 als Helfer im Zerstærungsprozess von bakteriellen Eindringlingen fungiert. Personen, denen auf Grund eines genetischen Defektes die katalytische Untereinheit der Oxidase fehlt, produzieren Phagozyten, die keinen sog. ¹oxidativen Burstª entfalten kænnen. Seit kurzem ist bekannt, dass Isoformen der NADPH-Oxidase in Membranen von fast allen Zellen existieren, was dahingehend interpretiert wird, dass Reactive oxygen species an intra- und interzellulåren Signalçbertragungsprozessen beteiligt sind und des-
halb neben den schådlichen Eigenschaften fçr den Organismus wertvoll und notwendig sind. Das gångige Paradigma von Signalçbertragungen beinhaltet die reversible Bindung eines Signals (in der Form eines Molekçls) an einen Rezeptor, der auf Grund dieser Bindung eine Kaskade von weiteren Proteinen aktiviert, was letztendlich zu der gewçnschten zellulåren Antwort fçhrt. Eine wichtige Eigenschaft dieser Signalçbertragungskaskaden ist die hohe Spezifitåt des eingehenden Signals auf die zellulåre Antwort, was die gångige Theorie mit der hohen strukturellen Spezifitåt in der Bindung zwischen Signalmolekçl und Rezeptor erklårt. Seit aber erkannt wurde, dass z. B. Stickoxide (NO) als Signalmolekçle fungieren kænnen, reicht diese Erklårung nicht mehr aus, und ein neues Gebiet, das ¹Redox cell signallingª ist Gegenstand intensiver Forschung geworden. Es beinhaltet die posttranslationale Modifikation von Proteinen mittels Redoxchemie. Das hat zu der Erkenntnis gefçhrt, dass der sog. oxidoreduktive Zustand der Zelle eine hohe regulative Funktion in verschiedenen Zelldifferenzierungprozessen und der Apoptose einnimmt. Ein Ungleichgewicht dieses Zustands kann zu chronischen Leiden wie Arteriosklerose, Krebs, Diabetes oder Neurodegeneration fçhren. Wie kænnen solche Ungleichgewichte entstehen? Am Beispiel von Diabetes wurden mægliche Zusammenhånge fçr die Entstehung eines Ûbermaûes an ROS durch Hyperglykåmie im menschlichen Kærper beschrieben (Vincent et al. 2004). Klinische Versuche mit Antioxidanzien sowie Resultate aus Tierversuchen und mit Zellkulturen legen den Schluss nahe, dass Hyperglykåmie zu oxidativem Stress in diabetischer Neuropathie fçhrt. Oxidativer Stress ist verbunden mit der Entstehung von Apoptose in Neuronen und Gliazellen und kænnte deshalb als eine einheitliche Erklårung fungieren fçr den Mechanismus, der zur Schådigung von Nervenzellen fçhrt. Eine schematische Darstellung der Zusammenhånge ist in Abb. 1.7.17 gezeigt. In den folgenden Abschnitten werden Beispiele von Signalçbertragungswegen auf molekularer Ebene beschrieben, in denen ROS/RNS eine zentrale Rolle spielen.
1.7.4.2 Reaktionen von ROS in Signalçbertragungsprozessen Die enzymatische Bildung von ROS ist in Abschn. 1.7.3.1 beschrieben worden. Es sei hier nur nochmals erwåhnt, dass die Bildung von ROS in biologischen Systemen enzymatisch stark kontrolliert
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U. Pfaar et al.
Abb. 1.7.17. Aktivierung von Signalçbertragungswegen durch Hyperglykåmie. Glukose ist Ausgangspunkt verschiedener metabolischer Wege, die zur Bildung von ROS fçhren
kænnen. (AGE: ¹advanced glycosylation end productsª, PAI-1: ¹plasminogen activator inhibitor protein 1ª; TGF-b: ¹transforming growth factor bª
Abb. 1.7.18. Die Bildung von primåren und sekundåren Redoxsignalçbertragungsmolekçlen. Die verschiedenen Bildungswege sind mit 1±4 nummeriert, die im Text in den Abschnitten 1.7.2.2.1 bis 1.7.2.2.4 beschrieben sind. MAPK: Mitogenaktivierte Proteinkinase, PPARc: ¹peroxisome proliferator-activated receptorª, AREs: ¹antioxidant responsive elementsª
vonstatten geht. Im Folgenden werden ROS/RNS betrachtet, die nicht in den Mitochondrien gebildet wurden. Das weitere ¹Schicksalª der gebildeten ROS/RNS als para- und autokrine Signalçbertragungsmolekçle ist sehr interessant. Es gibt Hinweise einerseits auf eine direkte Interaktion mit einem Rezeptor, wie z. B. NO mit Guanylatcyclase, und andererseits
auf eine Reaktion mit Molekçlen, die dann ihrerseits Signalçbertragungen initiieren kænnen. Abb. 1.7.18 zeigt zusammengefasst ausgewåhlte Reaktionspartner der ROS, und in Tabelle 1.7.5 sind Proteine aufgelistet, die Addukte mit ROS/RNS bilden. In den folgenden Abschnitten sind Beispiele fçr die Reaktion von ROS/RNS mit Proteinen zur Bildung von primåren und sekundåren Redoxsignal-
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Tabelle 1.7.5. ROS/RNS und deren modifizierte Zielmolekçle. (Nach Shiva et al. 2004) ROS/RNS
Modifizierung
Proteine
Referenz
NO
Nitrosylierung
Læsliche Guanylatcyclase Zytochrom-c-Oxidase
Denninger u. Marletta 1999 Cooper 2002
N2O3
S-Nitrosylierung
Håmoglobin Caspasen Albumin Glutathion NMDA-Rezeptor Ryanodinrezeptor Komplex I
Stamler et al. 1997 Kim et al. 2002 a Zhang u. Means 1996 Schrammel et al. 2003 Choi et al. 2000 Xu et al. 1998 Clementi et al. 1998
ONOOH
Nitrierung
MnSOD Zytochrom c Prostacyclinsynthase Tyrosinhydroxylase Ribonukleotide-Reduktase
MacMillan-Crow u. Thompson 1999 Cassina et al. 2000 Schmidt et al. 2003 Kuhn et al. 2002 Guittet et al. 2000
H2O2
Oxidation
Glyceraldehyd-3-Phosphat Protein-Tyrosin-Phosphatasen Calmodulin
Brodie u. Reed 1987 Denu u. Tanner 1998 Yao et al. 1996
çbertragungsmolekçlen beschrieben, welche in Abb. 1.7.18 als Bildungswege 1±4 veranschaulicht sind.
1.7.4.2.1 Oxidation und Reduktion von Thiolgruppen (Bildungsweg 1) Transkriptionsfaktor-Aktivierung am Beispiel von OxyR Eines der am besten charakterisierten Beispiele einer Redoxreaktion innerhalb einer zellulåren Signalçbertragung ist die Bildung und das Aufbrechen von Protein-Disulfid-Brçcken zwischen Cysteinresten. Die Oxidation von Thiolgruppen kann mittels Glutaredoxin oder Thioredoxin revertiert werden. Interessanterweise kænnen Cysteine aber noch auf mehrere andere Weisen durch ROS/RNS modifiziert werden. Ein gutes Beispiel dazu liefert der Transkriptionsfaktor OxyR, der auf Redox-
Abb. 1.7.19. Schematische Darstellung des Modells fçr die redoxvermittelte Signalçbertragung des OxyR-Transkriptionsfaktors. Die reduzierte Form (links) kann am Cystein verschieden modifiziert werden, abhångig vom Redoxzustand in der unmittelbaren Umgebung des Proteins. Die verschiedenen Modifizierungen fçhren zu verschiedenen Proteinkonformationen, die zu unterschiedlichen Aktivitåten des Transkriptionsfaktors fçhren
potentialånderungen reagiert (z. B. auf H2O2) und damit verschiedene Verteidigungsmechanismen gegen oxidativen Stress aktiviert. In einer Aufsehen erregenden Arbeit konnte gezeigt werden (Kim et al. 2002 b), dass die Modifikation eines einzigen Cysteins (von sechs Cysteinen total) in OxyR fçr die Aktivierung des Transkriptionsfaktors verantwortlich ist. Und zwar ist OxyR inaktiv, wenn das Cystein in reduziertem Zustand ist (RSH) und aktiv, wenn es oxidiert als Sulfensåurederivat (RSOH) oder nitrosyliert (RS-NO) oder glutathionyliert (RSSG) vorliegt. Verschiedene ROS/RNS-Molekçle sind fçr diese differentiellen Modifikationen verantwortlich. Weitere In-vitro-Studien legen den Schluss nahe, dass durch die differentielle Redoxmodifikation (durch unterschiedlichen oxidativen Stress) des einen Cysteins verschiedene funktionelle Antworten innerhalb der Zelle zu erwarten sind (Abb. 1.7.19).
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Dieses Beispiel zeigt, dass eine einfache Ein-/Ausschaltung eines Signals (OxyR) nicht reicht, um eine differenzierte zellulåre Antwort zu erhalten. Die Daten zeigen, dass Proteine nicht nur die Natur des Redoxstresses erkennen kænnen, sondern auch das Ausmaû, und dass auf Grund des Ausmaûes parakriner Redoxsignale eine differenzierte zellulåre Antwort mæglich ist. Im Gegensatz zu klassischen Signalçbertragungsprozessen, bei denen eine differenzierte Antwort auf Grund der Phosphorylierung von unterschiedlichen Aminosåuren geschieht, wird diese Differenzierung am Beispiel von OxyR durch unterschiedliche Redoxmodifikationen eines einzigen Cysteins gewåhrleistet. Es sollte hier jedoch betont werden, dass im Gegensatz zu obigem Beispiel auch einige im folgenden Abschnitt beschriebene Transkriptionsfaktoren durch Reduktion und nicht durch Oxidation aktiviert werden. Transkriptionsfaktor AP-1 Der Transkriptionsfaktor AP-1 wird durch ein Heterodimer bestehend aus den Onkogenen Jun und Fos oder durch eine Homodimerisierung von Jun gebildet. Die Aktivitåt von AP-1 wird çber den Redoxzustand der Zelle çber Cysteine in der DNAbindenden Region reguliert. Die Modifikation dieser Cysteine durch Substanzen wie N-Ethylmaleimid oder Diamid vermindern die Aktivitåt des Transkriptionsfaktors. Reduzierende Agenzien, z. B. Dithiothreitol (DTT) erhæhen dagegen die DNABindungsaktivitåt. Werden die Cysteine ersetzt durch die Aminosåure Serin, wird die DNA-Bindungsaktivitåt auch erhæht. Es konnte auch gezeigt werden, dass eine Mutation von Cystein zu Serin natçrlicherweise im Onkogen v-jun sowie auch in Fos auftritt und zu unkontrolliertem Zellwachstum fçhrt. Diese Entdeckungen fçhrten zum Postulat, dass die Redoxregulierung von AP-1 an der Tumorbildung beteiligt ist. Transkriptionsfaktor NFjB NFjB induziert die Genexpression zur Ûbermittlung von Immunantworten oder Stressreaktionen sowie Zellwachstum und das Ûberleben der Zelle. NFjB besteht aus zwei Untereinheiten, p50 und p65, die in der sog. Rel-Homologie-Domåne eine hohe Øhnlichkeit zum Protoonkogen Rel besitzen. Wie bei AP-1 wird die DNA-Bindungsaktivitåt von NFjB vermindert durch die Zugabe von N-Ethylmaleimid oder Diamid und erhæht durch Reduktion mittels DTT oder b-Mercaptoethanol. Die Oxidation des Cysteins in Position 62 (innerhalb der Rel-Homologie-Domåne) von p50 fçhrt zur Dime-
risierung çber Disulfidbrçckenbildung. Im Gegensatz zu AP-1 wird durch das Ersetzen dieses Cysteins durch Serin die DNA-Bindungsaktivitåt nicht erhæht, sondern vermindert, obwohl gezeigt werden konnte, dass die Redoxregulierung çber dieses Cystein geschieht. Weitere wichtige Transkriptionsfaktoren, die çber Redoxzustånde der Zelle reguliert werden, sind das Protoonkogen Myb sowie das Tumorsupressorprotein P53. Wie werden nun diese reduktionsabhångigen Transkriptionsfaktoren aktiviert? Die Zellen besitzten die Proteine Ref-1 und Thioredoxin (TRX), welche die Reduktion der Transkriptionsfaktoren katalysieren. Ref-1 reduziert nebst anderen z. B. AP-1 und NFjB. Thioredoxin reduziert NFjB (aber nicht AP-1). Da Ref-1 durch das NADPH-abhångige Thioredoxin regeneriert werden kann, ergibt sich eine theoretische zellulåre Redoxregulierungskaskade von NADPH çber TRX zu Ref-1 und schlieûlich zur Aktivierung von AP-1 (Abb. 1.7.20). Am Beispiel der Transkriptionsfaktoren AP-1 und NFjB konnte eine komplexe Regulierung beschrieben werden (Abb. 1.7.20). Signale von Wachstumsfaktoren oder dem Tumor-Nekrose-Faktor werden çber eine Kaskade von Rezeptoren und Kinasen an die Transkriptionsfaktoren AP-1 bzw. NFjB weitergeleitet, die dadurch aktiviert werden. Oxidanzien stimulieren einige der Faktoren dieser Signalçbertragungskaskade, haben aber gleichzeitig einen inhibierenden Effekt auf die Aktivitåt der Transkriptionsfaktoren. Umgekehrt haben Reduktionsmittel einen negativen Effekt auf das Signalçbertragungssystem, aber aktivieren die Transkriptionsfaktoren. Dadurch unterliegt das Signalçbertragungssystem inklusive der Transkriptionsfaktoren einer doppelten Redoxregulierung (Abb. 1.7.20).
1.7.4.2.2 Peroxynitrierung (Bildungsweg 2) Beispiel: Mechanischer Stress Die Interaktion von O± 2 - und NO-Molekçlen fçhrt zur Bildung von Peroxynitrit (ONOO±), welches aromatische Aminosåuren nitrieren kann, hauptsåchlich das Tyrosin. Obwohl Nitrotyrosin in Geweben gefunden werden konnte von Personen, die an arteriosklerotischen Låsionen, rheumatoider Arthritis oder der Alzheimer-Krankheit litten, konnte bisher noch keine Evidenz einer Beteiligung von Nitrotyrosin in Signalçbertragungen, die zu diesen pathologischen Zustånden fçhren, gezeigt werden. Im Gegensatz dazu kann dem Peroxynitrit wahrscheinlich eine wichtige Rolle in der Signalçbertragung als Antwort auf mechanischen
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
Abb. 1.7.20. Doppelte Redoxregulierung der Singalçbertragungswege zu den Transkriptionsfaktoren AP-1 und NFjB. Oxidations- und Reduktionsmittel haben gegenteilige Effekte auf die Aktivierung des Signalçbertragungsweges einerseits
und andererseits auf die DNA-Bindungsaktivitåt der Transkriptionsfaktoren AP-1 und NFjB. (Abkçrzungen: NGF: ¹nerve growth factorª, EGF: ¹epidermal growth factorª, TRX: Thioredoxin, Ref-1: Redoxfaktor 1
Stress auf das Endothel zugeordnet werden. Mechanischer Stress auf das Endothel als Stimulus fçhrt unter anderem zur Produktion von NO und ROS und auch zu einer antiarteriosklerotischen Antwort. Die Aktivierung der dazu fçhrenden Signalçbertragungswege nach mechanischem Stress auf das Endothel involviert neben anderen Molekçlen verschiedene mitogenaktivierte Proteinkinasen und auch die c-Jun-NH2-terminale Kinase. Es konnte gezeigt werden, dass nach Inhibierung der Bildung von NO und ROS die Aktivierung der c-Jun-Kinase nach mechanischem Stress auf das Endothel gehemmt wird, woraus zu schlieûen ist, dass NO und ROS essentielle Signalçbermittler innerhalb dieses Prozesses sind. Ob diese Signalçbermittlung çber die Bildung von Peroxynitrit geschieht, konnte noch nicht direkt gezeigt werden, ist aber sehr wahrscheinlich, da die exogene Zugabe von Peroxynitrit in einer Zellkulturuntersuchung die c-JunKinase aktivieren konnte (Go et al. 1999).
der Apoptose. Die Apoptose ist ein stark regulierter Prozess, bei dem eine sequentielle Aktivierung von Cysteinproteasen, besser bekannt als Caspasen, eine essentielle Rolle spielt. Die Cysteinproteasen besitzen eine redoxsensitive Cysteinaminosåure in ihrem katalytischen Zentrum. In mehreren Arbeiten konnte gezeigt werden, dass NO die Apoptose in bestimmten Zelltypen verhindert. Zusåtzlich konnte diese Inhibierung der apoptotischen Signalçbermittlungskaskade darauf zurçckgefçhrt werden, dass eine bestimmte Caspase im Signalçbertragungsprozess, die Caspase-8, durch S-Nitrosylierung in ihrer Funktion inhibiert wurde.
1.4.7.2.3 S-Nitrosylierung (Bildungsweg 3) Beispiel: Apoptose Neben der Reaktion mit O± 2 zur Bildung von Peroxynitrit, reagiert NO auch mit O2, was zur Bildung von Dinitrogentrioxid (N2O3) fçhrt. N2O3 modifiziert Thiole der Cysteinreste zu S-Nitrosothiolen. Diese sog. S-Nitrosylierung von Cysteinresten wirkt als Modulator von Signalçbertragungsprozessen bei
1.7.4.2.4 Addukte mit elektrophilen Lipidperoxidationsprodukten (Bildungsweg 4) Abgesehen von der direkten Beteiligung von ROS und RNS an Signalçbertragungsprozessen kænnen diese auch mit Biomolekçlen, wie z. B. den mehrfach ungesåttigten Fettsåuren, interagieren, die auch eine wichtige Rolle in der redoxbasierenden Signalçbertragung spielen. Die strukturell analogen Produkte aus der nichtenzymatischen Lipidperoxidation, d. h. durch ROS/RNS, wie auch der enzymatischen Lipidperoxidation, katalysiert durch Cyclooxygenasen und Lipoxygenasen (Abschn. 1.7.3.2.5), sind strukturell und chemisch den ROS/ RNS gar nicht verwandt. Interessant ist, dass bei
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der Bildung der Lipidperoxidationsprodukte ein Lipidperoxid in ein elektrophiles und hochreaktives Lipidmolekçl konvertiert wird. Ein gut untersuchtes Beispiel ist das Cyclopentenon-ProstaglandinMolekçl 15d-PGJ2, das als Zwischenprodukt nach der Reaktion von Cyclooxygenase mit der Arachidonsåure anfållt.
Tabelle 1.7.6. Signalmolekçle, die als Zielmolekçle von elektrophilen Lipidoxidationsmolekçlen fungieren Protein
Funktionelle Ønderung
Referenz
p50-Untereinheit von NFjB
Verhinderung der Bindung von NFjB an die DNA Aktivierung von H-RAS Freisetzung von Nrf2 Inaktivierung und Nichtfreisetzung von NFjB Sensor fçr oxidativen Stress
Cernuda-Morollon et al. 2001
H-Ras Keap-1 IjB-Kinase Thioredoxin
Dieses Molekçl ist bekannt durch seine Eigenschaften als Peroxysom-Proliferator-aktivierter-Rezeptor-c(PPARc)-Agonist, welcher beim Zellwachstum und der Glukosehomæostase eine Rolle spielt. Ansonsten kann er auch çber rezeptorunabhångige Mechanismen in verschiedenen Signalçbertragungswegen funktionieren. In den letzten Jahren konnte diese Aktivitåt dem 15d-PGJ2 und verwandten elektrophilen Cyclopentenonen zugeschrieben werden. Durch Reaktionen mit nukleophilen Zentren, speziell mit der Thiolgruppe von Cysteinresten, werden Addukte mit Proteinen gebildet. Tabelle 1.7.6 listet einige Beispiele von Proteinen auf, die Addukte mit Cyclopentenonen bilden. Die Reaktivitåt ist von sterischen Faktoren abhångig wie auch von der Art der das Cystein umgebenden Aminosåuren innerhalb der Polypeptidkette, die die Nukleophilie der Thiolgruppe beeinflusst. Die Adduktbildung beeinflusst sehr wahrscheinlich nicht nur Signalçbertragungskaskaden, sondern auch Enzymkatalysen, Kofaktorbindung oder Interaktionen mit anderen Proteinen. Es ist nicht çberraschend, dass die zellulåre Antwort auf oxidierte Lipide von der Konzentration der oxidierten Lipide und dem Ausmaû der Oxidation abhången. Ûberraschend ist aber, dass geringe Konzentrationen von oxidierten Lipiden oder moderat oxidierte Lipide nicht das Signal zur Apoptose sind, sondern eine adaptive Antwort auf erhæhten oxidativen Stress durch ROS/RNS initiieren kænnen. Dieser Prozess beinhaltet die transkriptionelle Regulation von bestimmten Antioxidansgenen, die z. B. fçr Enzyme innerhalb des Glutathionmetabolismus oder fçr die Håmoxygenase codieren. Eine solche adaptive Antwort auf oxidativen Stress konnte in einem Experiment gezeigt werden, in dem Endothelzellen zuerst mit einer
Oliva et al. 2003 Kobayashi u. Yamamoto 2005 Straus et al. 2000; Rossi et al. 2000 Shibata et al. 2003
nichttoxischen Konzentration an 15d-PGJ2 behandelt wurden. Danach wurden die Zellen zytotoxischen Konzentrationen von 4-Hydroxynonenal (4-HNE) ausgesetzt. Im Vergleich zu nicht mit 15d-PGJ2 vorbehandelten Zellen zeigten diese Endothelzellen eine stark verminderte Apoptose. Wie ist diese antiapoptotische Antwort mechanistisch zu erklåren? In den Promotor-Regionen der Antioxidansgene konnte eine Konsensussequenz identifiziert werden, die sog. ¹antioxidant responsive elementsª (ARE) binden kann. Elektrophile Lipide wie 15d-PGJ2 reagieren mit den Thiolgruppen von Cysteinen in Proteinen, die sich im Signalçbertragungsweg zur Aktivierung der ARE oberhalb dieser ¹responsive elementsª befinden. Das Protein Keap-1 (Tabelle 1.7.6) kann von 15d-PGJ2 an den Thiolgruppen modifiziert werden. Diese Modifikation fçhrt zu einer erleichterten Freisetzung des Nrf2-Proteins, welches daraufhin in den Zellkern wandert und dort an die Konsensussequenz der Antioxidansgene bindet und diese somit aktiviert (Tabelle 1.7.6 zeigt weitere molekulare Beispiele). Es ist anzunehmen, dass viele Proteine Addukte mit elektrophilen Lipiden bilden kænnen, man spricht dabei vom elektrophilen Subproteom. Die genaue Definition dieses Subproteoms ist eine Herausforderung fçr die Zukunft und wird die molekulare Basis zur Unterscheidung zwischen adaptiver und proapoptotischer Antwort von Zellen auf oxidierte Lipide liefern kænnen.
1.7.4.3 Das Antioxidans-Paradox Ein besonderes Merkmal im Prozess der Arteriosklerose ist die Endothelzellapoptose (Rossig et al.
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1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
2001). Zusammen mit der Annahme, dass oxidierte Lipide auch in geringen Konzentrationen zytotoxisch sind, wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine Therapie mit Antioxidanzien die Entstehung oder das Fortschreiten der Arteriosklerose verhindern kænnte. Studien zur Wirksamkeit von klinischen Antioxidanzien fçhrten aber zu unschlçssigen Resultaten, so dass die Hypothese nicht untermauert werden konnte (Blumberg 2002). Dies kann u. a. darauf zurçckzufçhren sein, dass nicht die richtige Konzentration an Antioxidanzien angewendet wurde, um einen pharmakologischen Effekt zu erzielen. Im Lichte der oben beschriebenen Erkenntnisse kænnte ein weiterer Grund darin liegen, dass geringe Mengen an oxidierten Lipiden einen zytoprotektiven Effekt haben, der durch Zugabe von Antioxidanzien vielleicht sogar vermindert wçrde. Ein weiteres Indiz fçr die Ambivalenz von oxidierten Lipiden ist bei Sportlern zu sehen. Kærperliches Training fçhrt zu gering erhæhten Mengen an oxidierten Lipiden und nachfolgend zu elektrophilen Substanzen. Es wird nun spekuliert, dass diese leicht erhæhten Mengen an oxidierten Lipiden zu einer adaptiven Antwort im Blutgefåûsystem fçhren und es damit vor schådlichem oxidativen Stress schçtzt. Eine Intensivierung des kærperlichen Trainings fçhrt tendenziell zur erhæhten endogenen Produktion von Antioxidanzien. Das konnte in einem Experiment nachgewiesen werden, in dem gezeigt wurde, dass das Low densitiy lipoprotein (LDL) von Personen, die çber långere Zeit ein Trainingsprogramm absolviert haben, weniger anfållig auf Oxidation ist als bei Personen, die kein Trainingsprogramm absolviert hatten (Shern-Brewer et al. 1998). Es kann also vermutet werden, dass die Aktivierung einer adaptiven Antwort durch die geringen Mengen an endogen produzierten oxidierten Lipiden zum gçnstigen Einfluss von kærperlicher Ertçchtigung auf das HerzKreislauf-System beitrågt. Ein gewisser basaler Tonus der Produktion von ROS/RNS und damit verbundener (milder) oxidativer Stress scheint fçr Lebensvorgånge aerober Organismen einschlieûlich des Menschen essentiell zu sein. Eine komplette antioxidative Therapie mit dem Ziel der Suppression der ROS-Produktion mçsste deshalb biologisch und therapeutisch als nicht sinnvoll anzusehen sein.
1.7.4.4 Kontrollmechanismen bei Redoxsignalçbertragungswegen Proteine, die ein ROS/RNS-Signal çbermitteln, mçssen fåhig sein, verschiedene Klassen von Mo-
lekçlen zu erkennen und eine Redoxmodifikation mit einer Ønderung in der Funktion zu koppeln. Da ROS/RNS auch Proteine inaktivieren kænnen, besteht ein veritables Dilemma, ob der Interaktion zwischen ROS/RNS und einem Protein eine Signalfunktion zuzuordnen ist oder in ihr eine pathologische Komponente zu interpretieren ist. Auch wenn in gewissen Beispielen ein Funktionszuwachs des Proteins durch die Interaktion mit ROS/RNS entsteht und ihm deshalb eine Rolle in der Signalçbertragung leicht zuzuordnen ist, ist es fçr die Zelle notwendig, dass eine Balance zwischen Aktivierung und Inhibierung des Proteins gefunden werden muss. Idealerweise sollte die Zuordnung einer Signalfunktion bei einer Reaktion zwischen ROS/RNS und einem Protein folgenden vier Kriterien unterworfen sein: 1. Limitierter Zugang von ROS/RNS zur Modifikationsstelle des Proteins. 2. Signalçbertragungen sollten unter biologisch relevanten Konzentration von ROS/RNS stattfinden kænnen. 3. Reaktivitåt des Proteins sollte durch die umgebenden Aminosåuren kontrolliert sein. 4. Die Reaktion zwischen ROS/RNS und dem Protein sollte sich in einer signifikanten Strukturånderung åuûern, die zu einem Funktionszuwachs oder Funktionsverminderung fçhrt. Nicht alle Proteine, die mit ROS/RNS reagieren, gençgen allen diesen Kriterien. Es ist z. B. schwierig zu zeigen, welche Konzentrationen an ROS/ RNS zur Aktivierung eines bestimmten Signalçbermittlungsweges nætig sind, da die Konzentrationen an ROS/RNS, von auûerhalb der Zelle zugefçhrt, viel hæher sein mçssen als die eigentliche Konzentration innerhalb der Zelle. Tabelle 1.7.6 zeigt einige Beispiele von redoxmodifizierten Proteinen aus der Literatur, denen eine Signalfunktion zugeordnet wird.
1.7.4.5 Klassifikation von Redoxsignalçbertragungswegen Die oben beschriebenen Redoxsignalçbertragungsprozesse kænnen in zwei Kategorien aufgeteilt werden. Die eine Kategorie beinhaltet das Modell in dem, am Beispiel von NO, das reaktive Molekçl im klassischen Sinn an ein Protein (im Falle von NO an den Rezeptor Guanylatcyclase) bindet, das das Signal çber eine Signalamplifikationskaskade weiterleitet. Die zweite Kategorie ist komplexer. Sie stçtzt sich auf das Modell, bei dem die Gesamt-
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U. Pfaar et al.
aktivitåt der Signalçbertragungswege (die durch ROS-unabhångige Molekçle aktiviert worden sind) durch die ROS moduliert werden kann, indem die Zahl der aktiven Signalçbertragungsmolekçle durch die Reaktion mit ROS veråndert wird. Als Beispiel dient hier die H2O2-abhångige Inaktivierung von Phosphatasen (Rhee et al. 2000). Bei diesem Mechanismus wird ein Schwellenwert fçr die Konzentration von ROS angenommen, von dem die Aktivitåt der Signalçbertragungswege abhångig ist. Der Mechanismus kann mit der Kontrolle der vaskulåren Funktion verglichen werden, bei der durch die gegenteiligen Aktivitåten von Vasodilatoren und Vasokonstriktoren der Blutfluss kontrolliert wird. Da die redoxabhångige Aktivierung oder Inaktivierung von Proteinen die Rekrutierung von Signalçbertragungsmolekçlen zu den Signalçbertragungsdomånen moduliert, kænnen diese beiden Mechanismen die Gesamtaktivitåt eines Signalçbertragungsweges kontrollieren. Diesem Phånomen, bei dem Proteine den Wechsel des Redoxzustands innerhalb der Zelle erkennen, ist in der Literatur die Bezeichnung ¹redox toneª gegeben worden (Brookes u. Darley-Usmar 2002).
1.7.5 Ausblick Das klassische Modell fçr die Signalçbermittlung ist die Aktivierung eines Rezeptors durch ein primåres Signalmolekçl, gefolgt von der Bildung eines Second messengers mit nachfolgender Aktivierung einer Kaskade, die letztendlich zu einer zellulåren Antwort fçhrt. Mit der Entdeckung gasfærmiger Signalsubstanzen wie O2, NO und CO und davon abgeleiteter Lipidperoxidationsprodukte als potentielle Ûbermittler von Signalen, musste das klassische Modell erweitert werden. Die primåre Signalçbermittlung erfolgt nicht nur durch Rezeptoren, sondern auch durch ROS/RNS bzw. durch Lipidperoxidationsprodukte posttranslationell verånderter Proteine, die die Population von Signalçbermittlungsmolekçlen regulieren und somit die Gesamtaktivitåt eines Signalçbertragungsweges kontrollieren kænnen. Eine groûe Anzahl von Publikationen gibt Hinweise fçr einen kausalen Zusammenhang von oxidativem Stress und der Entstehung von Krankheiten. Eine Herausforderung fçr die Zukunft ist daher die Identifikation von spezifischen Markern oder von einer Kombination von Markern, damit Krankheiten, die im Zusammenhang mit oxidativem Stress stehen, voraus-
gesagt werden kænnen. Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Oxidationsprodukte an zellulåren Signalçbertragungsprozessen håufig beteiligt sind, und somit wird eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Einflçssen von ROS/ RNS auf den Organismus notwendig. Eine systematische Vorgehensweise ist unabdingbar, und in diesem Zusammenhang sind die technischen Fortschritte in der Proteomanalytik von groûem Nutzen. Die Identifikation der durch ROS/RNS und durch Lipidperoxidationsprodukte modifizierten Target-Biomolekçle mittels Proteomanalyse ist ein erster Schritt dazu und wird in den nåchsten Jahren einige Fragen innerhalb dieses hæchst interessanten Gebietes der zellulåren Redoxchemie beantworten, aber sicher auch ganz neue Fragen aufwerfen.
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a
1.7 Molekulare Regulation der Bildung und Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies
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199
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation Hartmut Schlçter
Inhaltsverzeichnis 1.8.1 1.8.1.1 1.8.1.2 1.8.1.3 1.8.1.4 1.8.2 1.8.2.1 1.8.2.1.1 1.8.2.1.2 1.8.2.1.3 1.8.2.1.4 1.8.2.1.5 1.8.2.1.6 1.8.2.2
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Begriffs Alarmon . . . . . . . Chemische Struktur der Dinukleotid-Alarmone . . . . . . . . . . Geschichte der Entdeckung und Vorkommen der Dinukleotide . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese der Dinukleotide . . . . . . . . Alarmone ± Mediatoren der Stressantwort Dinukleotide als intrazellulåre Signalmolekçle zur Modulation der zellulåren Antwort auf Stress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrazellulåres Ap4A ist ein Signal fçr die Zellteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrazellulåre Alarmone sind an DNA-Reparatur-Prozessen beteiligt . . . . . . . . . . . . Intrazellulåre Diadenosine modulieren die Funktion des ATP-sensitiven Kaliumkanals (KATP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrazellulåre Dinukleotide modulieren die Aktivitåten verschiedener Enzyme . . . . . . Ap3A und Ap4A sind mit dem Tumorsuppressor FHIT assoziiert . . . . . . . . . . Induktion der Apoptose durch Ap4A . . . . Dinukleotide als extrazellulåre Alarm-Mediatoren . . . . . . . . . . . . . . .
201 202
1.8.2.2.1 Quellen der extrazellulåren Dinukleotide . . 207 1.8.2.2.2 Rezeptoren der extrazellulåren Alarmone . . 209
202
1.8.3 1.8.3.1
Metabolisierung der Alarmone . . . . . . . . 211 Stabilitåten der Dinukleotide im Blut . . . . 212
203 203
1.8.4
Ûberblick çber das Alarmon-System im Såugetier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
204
1.8.5 1.8.5.1 1.8.5.2
Physiologische Wirkung der Alarmone . . . Dinukleotide im Herz-Kreislauf-System . . . Modulation der Thrombozytenaggregation durch Diadenosine . . . . . . . . . . . . . . . . Stimulierende Wirkung der Dinukleotide auf die Regenerierung von Organen . . . . . Wachstumsstimulierende Wirkungen der Dinukleotide . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen der Dinukleotide auf den Glukosemetabolismus . . . . . . . . . Einflçsse der Dinukleotide auf Komponenten des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . .
204 204 205
1.8.5.3 1.8.5.4 1.8.5.5
205 206 206 207
1.8.5.6
213 213 214 214 214 214 215
1.8.6
Krankheitsassoziierte Gendefekte . . . . . . 215
1.8.7
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
207
1.8.1 Grundlagen Alarmone ± Alarm-Hormone ± umfassen eine Gruppe von Nukleotiden, die Dinukleosidpolyphosphate, auch Dinukleotide genannt, mit der Kurzformel NpxN (N: Nukleosid, p: Phosphat, x: Zahl der Phosphate) sowie das Nukleotid Guanosin-5'-diphosphat-3'-diphosphat (ppGpp). Alarmone versetzen Lebewesen in die Lage, auf sich veråndernde Umweltbedingungen angemessen reagieren und çberleben zu kænnen. Dinukleotide mçssen bereits in frçhen Zeiten der Evolutionsgeschichte eine wichtige Rolle als Alarmone gehabt haben, denn in prokaryotischen Lebewesen låsst sich ein Anstieg der intrazellulåren Konzentrationen verschiedener Dinukleotide nach der Konfrontation dieser Lebewesen mit verschiedenen Stressformen nachweisen.
Die Alarmon-Rolle der Dinukleotide ist im Laufe der Evolution bis zu den Såugetieren nicht nur erhalten geblieben, sondern wurde vielfach differenziert. Wåhrend der Entwicklungsgeschichte hat sich der Wirkungsbereich der Dinukleotide vom intrazellulåren Botenstoff zum extrazellulåren Mediator bis hin zur Funktion als Neurotransmitter weiter entwickelt. Im Laufe der Evolution ist die Zahl der Proteine, die mit den Dinukleotiden funktionell assoziiert sind, kontinuierlich angestiegen. Im Organismus der Såugetiere zåhlen eine Vielzahl unterschiedlicher Proteine zu dinukleotidassozierten Proteinen, angefangen von Enzymen, die an der Synthese der Dinukleotide beteiligt sind, çber membranståndige Rezeptoren, die die extrazellulåren Dinukleotide binden und infolge dessen intrazellulåre Signaltransduktionskaskaden aktivieren, bis hin zu spezifischen Dinukleotid metabolisierenden EnzyGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
202
H. Schlçter
men, die eine zeitliche Terminierung der extrazellulåren Wirkung der Dinukleotide gewåhrleisten. In der Physiologie der Såugetiere modulieren extrazellulåre Dinukleotide als humorale Faktoren und als Neurotransmitter Metabolismus-, Herz-Kreislaufund immunologische Funktionen. Sie çben in den verschiedenen Organen protektive und regenerierende Funktionen aus.
1.8.1.1 Definition des Begriffs Alarmon Der Begriff Alarmon setzt sich aus den Worten Alarm und Hormon zusammen. Alarmone regulieren zellulåre Prozesse, die Lebewesen auf Stressoren reagieren lassen und damit ihre Ûberlebenswahrscheinlichkeit erhæhen. Als Stress werden Ereignisse definiert, bei denen intrinsische oder extrinsische Kråfte (Stressoren) die dynamischen Gleichgewichte, die Homæostase, die der Organismus eines jeden Lebewesen anstrebt, bedrohen (Chrousos u. Gold 1988). Zu den extrinsischen Stressoren zåhlen physikalische Verånderungen, wie z. B. Temperaturånderungen, chemische Faktoren, Hunger sowie psychologische und psychosoziale Faktoren. In Zellen bzw. Organismen læsen Stressoren einen Alarm aus, der die Stressantwort in Gang setzt. Hierzu kænnen eine Reihe physiologischer Reaktionen zåhlen, die den Metabolismus, das Gleichgewicht der Ionen und der Osmose, den Såure-Base-Haushalt, das Herz-Kreislauf-System, Atmungsfunktionen oder das Immunsystem betreffen kænnen. Die physiologische Stressantwort bewirkt eine Anpassung der Zelle oder des Organismus an die verånderten Kråfte und sichert damit das Ûberleben des Individuums. Im Organismus hæherer Lebewesen wird die Stressantwort çber das zentrale Nervensystem eingeleitet, und unter Einbeziehung endokriner Systeme werden verschiedene Zielorgane aktiviert. Die physiologische Stressantwort ist mit der Mobilisierung von Energie verbunden, die das Lebewesen in die Lage versetzt, auf den Stressor zu reagieren. Hierzu gehæren die Mobilisierung und die erhæhte Bereitstellung von energiereichen Substraten und deren Umwandlung in Energie (Boulpaep 2003). Der Begriff Alarmon wurde das erste Mal 1975 von der Gruppe von Ames (Stephens et al. 1975) fçr das Mononukleotid Guanosin-5'-diphosphat3'-diphosphat (ppGpp) und dessen zentrale Rolle fçr die Steuerung der Reaktion von Salmonella typhimurium auf Aminosåurenmangel genutzt. Als Alarmon versetzt ppGpp Salmonella typhimurium im Falle eines Aminosåurenmangels in die Lage, die eigene Aminosåureproduktion in Gang zu setz-
ten, indem die Transkription der fçr die Produktion notwendigen Enzyme aktiviert wird. Die Gruppe um Ames erweiterte den Begriff der Alarmone 1983 auf die Gruppe der Dinukleotide, nachdem die Autoren eine Akkumulation von einigen Mitgliedern der Dinukleotide nach Hitze- sowie nach oxidativem Stress in Salmonella typhimurium beobachtet hatten (Lee et al. 1983). Bis heute wurde der Begriff Alarmon fast ausschlieûlich fçr ppGpp und die Dinukleotide benutzt. ppGpp konnte lange Zeit nur in Bakterien nachgewiesen werden (Chatterji u. Ojha 2001). Erst im Jahr 2004 gelang der Nachweis von ppGpp als Alarmon in verschiedenen Pflanzen (Takahashi et al. 2004) und damit erstmals in Eukaryoten. Es ist anzunehmen, dass ppGpp auch in anderen Eukaryoten und mæglicherweise auch in Såugetieren eine Rolle als Alarmon hat. Da hierçber bis heute keine Ergebnisse vorliegen, wird sich dieses Kapitel vorrangig mit den Dinukleotiden und ihrer Funktion als Alarmon beschåftigen.
1.8.1.2 Chemische Struktur der Dinukleotid-Alarmone Dinukleotide setzen sich aus zwei Ribonukleinsåure-Bausteinen zusammen, die çber ihre Phosphatgruppen miteinander verknçpft sind, so dass die Phosphatgruppen die beiden Nukleoside miteinander verbinden. Die Phosphatkette ist jeweils çber die 5'-Hydroxylgruppe mit den Ribosen der Nukleoside verknçpft (Abb. 1.8.1). Der offizielle chemische Name dieser Substanzklasse lautet Nukleosid(5')-oligophospho(5')nukleosid bzw. P1,Pn-bis(5'-nukleosidyl)oligophosphat nach der Nomenklatur der IUPAC-IUB-Komission. Ebenfalls gebråuchlich ist die Bezeichnung Dinukleotid.
Abb. 1.8.1. Chemische Struktur des Dinukleosidpolyphosphats (Dinukleotids) 5',5'-Adenosinguanosinpentaphosphat (Ap5G). NpxN: Allgemeine Formel der Dinukleotide
a Bisher sind Dinukleotide mit den Basen Adenin (A), Guanin (G), Cytidin (C) und Uracil (U) nachgewiesen (Garrison u. Barnes 1992). Im menschlichen Organismus sind Dinukleotide mit 2 Adeninen, Diadenosinpolyphosphate, auch kurz Diadenosine genannt (ApnA, p: Phosphatgruppe, n: Zahl der Phosphatgruppen), am håufigsten anzutreffen, gefolgt von Dinukleotiden mit Adenin und Guanin (ApnG) sowie 2 Guaninen (ApnG). In Hefezellen wurden neben Diadenosinpolyphosphaten Cp4U, Up4U, Gp4G, Cp4C, Gp4U und Gp4C identifiziert (Coste et al. 1987). Die Phosphatkettenzahl kann von zwei (Jankowski et al. 2001) bis sieben (Jankowski et al. 1999) variieren.
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
et al. 1991; Rodriguez del Castillo et al. 1988) und des Herzgewebes (Luo et al. 1999) gespeichert. Nach Aktivierung der entsprechenden Zellen werden die Dinukleotide aus diesen Geweben freigesetzt. Die Tatsache, dass Dinukleotide in allen bisher untersuchten Prokaryoten nachgewiesen werden konnten, hat zu der Hypothese gefçhrt, dass Dinukleotide bereits in frçhen Zeiten der Evolution wichtige physiologische Funktionen hatten, die bis heute beibehalten und weiter entwickelt wurden. Sawai et al. zeigten 1975 durch Simulation pråbiotischer Reaktionsverhåltnisse, dass Dinukleotide mæglicherweise schon vor Beginn des Lebens auf diesem Planeten als potentielle Biomolekçle existent waren (Sawai et al. 1975).
1.8.1.3 Geschichte der Entdeckung und Vorkommen der Dinukleotide
1.8.1.4 Biosynthese der Dinukleotide
Die ersten Dinukleotide wurden in den sechziger Jahren entdeckt. Finamore und Warner wiesen 1965 Diguanosintriphosphat (Gp3G) und Diguanosintetraphosphat (Gp4G) in Garnelen nach (Warner u. Finamore 1965). Zamecnik et al. beobachteten 1966 die Bildung von Ap4A in vitro, katalysiert durch eine Aminoacyl-tRNA-Synthetase (Zamecnik et al. 1966). Dinukleotide sind in Zellen von Prokaryoten (Plateau et al. 1981) bis hin zum Såugetier (Rapaport u. Zamecnik 1976) zu finden. Fçr die Existenz von Dinukleotiden in Pflanzen gab es zunåchst nur indirekte Hinweise. In Lupinen wurden Ap3A- und Ap4A-hydrolysierende Enzyme entdeckt (Jakubowski u. Guranowski 1983) und im gleichen Jahr Seryl-tRNA- und Phenylalanyl-tRNA-Synthetasen beschrieben, ebenfalls isoliert aus Lupinen, mit denen in vitro Ap4A und verwandte Substanzen hergestellt werden konnten (Jakubowski 1983). Im Såugetierorganismus gelang der Nachweis von Dinukleotiden erstmals 1976 in Leberzellen der Maus (Rapaport u. Zamecnik 1976). Der erste direkte Nachweis eines Dinukleotids, Ap4A, in menschlichen Zellen, in Thrombozyten, wurde 1982 von Flodgaard und Klenow (Flodgaard u. Klenow 1982) erbracht. 1983 wiesen Lçthje und Ogilvie Ap3A, ebenfalls in menschlichen Thrombozyten, nach (Lçthje u. Ogilvie 1983). Mittlerweile ist auch die Existenz von Ap5A und Ap6A (Schlçter et al. 1994) sowie ApnG und GpnG mit n = 2±6 in menschlichen Thrombozyten bekannt (Jankowski et al. 2001; Schlçter et al. 1998). Auch Ap7A kommt in menschlichen Thrombozyten vor (Jankowski et al. 1999). Dinukleotide sind nicht nur in den Granula der Thrombozyten pråsent, sondern auch in Granula der Nebenniere (Jankowski et al. 2003 a, b; Pintor
Bisher konnten von fçnf Enzymgruppen die Fåhigkeit nachgewiesen werden, in vitro Dinukleotide zu synthetisieren. Hierzu zåhlen die AminoacyltRNA-Synthetasen, Diadenosinpolyphosphat-Phosphorylasen, Guanylyltransferasen, Luciferase und die Acyl-CoA-Synthetase. Bereits 1966 berichteten Zamecnik et. al von der enzymatischen Synthese von Ap3A und Ap4A durch Lysyl-tRNA-Synthetase (Zamecnik et al. 1966). Aus dieser Gruppe der Aminoacyl-tRNA-Synthetasen sind weitere Vertreter beschrieben worden, die Dinukleotide synthetisieren kænnen. Hierzu zåhlen z. B. die Phenylalanyl-tRNA-Synthetase (Plateau et al. 1981), die Leucyl-tRNA-Synthetase (Nakajima et al. 1990) oder die Arginyl-tRNA-Synthetase (Hilderman 1983). Es sind jedoch auch einige AminoacyltRNA-Synthetasen bekannt, die Dinukleotide nicht synthetisieren. Bei der Synthese von Ap4A durch Aminoacyl-tRNA-Synthetasen wird çber den Komplex Enzym-Aminoacyl-AMP aktiviertes AMP (Adenosinmonophosphat) geliefert, dass mit ATP (Adenosintriphosphat) zu Ap4A reagiert (Goerlich et al. 1982). Bei dieser Reaktion handelt es sich um die Rçckreaktion des enzymgebundenen Aminoacyladenylats mit ATP anstatt mit Pyrophosphat (PPi). Die zweite Gruppe der Dinukleotid synthetisierenden Enzyme bilden die Guanylyltransferasen, erstmals von Warner et al. beschrieben (Warner et al. 1974; Warner u. Huang 1974). Zur dritten Gruppe zåhlt die Ap4A-a,b-Phosphorylase, die nicht nur Ap4A hydrolysieren, sondern auch synthetisieren kann. Auch in diesem Fall kann vermutet werden, dass ein intermediårer Enzym-Aminoacyl-AMP-Komplex als Donor von AMP fçr ATP fçr die Synthese von Ap4A dient
203
204
H. Schlçter
(Brevet et al. 1987). Phosphorylasen mit der Fåhigkeit Ap4A zu synthetisieren, wurden in Hefe (Brevet et al. 1987; Guranowski et al. 1988) und in Algen nachgewiesen (McLennan et al. 1994). Zur vierten Gruppe zåhlt die Luciferase (EC 1.13.12.7), die Ap4A und andere Dinukleotide herstellen kann. In diesem Fall wird die aktivierte Nukleotidylgruppe çber den Komplex aus dem Enzym und Luciferin-AMP geliefert (Guranowski et al. 1990). Die Synthese ist abhångig von der Gegenwart von Luciferin und divalenten Metallkationen wie Mg2+ (Sillero et al. 1991). Wie werden Dinukleotide mit einer Phosphatkettenzahl > 4 enzymatisch generiert? Zu dieser Frage liefern Ortiz et al. eine Antwort (Ortiz et al. 1993). Sie wiesen nach, dass die Luciferase in Gegenwart von ATP und anorganischen Polyphosphaten die Synthese von Adenosin-5'-polyphosphaten (mit pnA; n = 3±20) und Dinukleotiden (ApnA; n = 4±16) katalysiert. In Gegenwart von anorganischen Polyphosphaten mit 3 bzw. 4 Phosphatketten entstanden vorrangig p4A und Ap5A bzw. p5A und Ap6A. Die fçnfte Dinukleotid synthetisierende Gruppe von Enzymen bilden Acyl-CoA-Synthetasen. Von Fontes et al. wurde eine Acyl-CoA-Synthetase beschrieben, die in vitro Ap6A synthetisiert (Fontes et al. 1999). Es wird zur Zeit auch die Mæglichkeit diskutiert, dass Dinukleotide nicht nur enzymatisch-katalysiert synthetisiert werden, sondern sich unter bestimmten Reaktionsbedingungen spontan bilden. Geeignete Reaktionsbedingungen sind vermutlich in den Granula z. B. von Thrombozyten oder chromaffinen Granula der Nebenniere gegeben. In diesen Organellen sind hohe Konzentrationen von Mononukleotiden und biogenen Aminen zu finden. In Gegenwart von Mg2+-Ionen bilden sich Phosphoamidate, die die aktivierte Nukleotidylgruppe enthalten, welche mit den Mononukleotiden unter Bildung von Dinukleotiden reagieren (McLennan 2000).
1.8.2 Alarmone ± Mediatoren der Stressantwort Die Art der physiologischen Antwort eines Lebewesens auf Stress ist von seiner Entwicklungsstufe abhångig. In Einzellern konzentriert sich die Stressantwort auf das intrazellulåre Geschehen. Diese Rolle der Dinukleotide als Signalmolekçle der intrazellulåren Stressantwort ist in der Evolution bis zum Menschen erhalten geblieben.
1.8.2.1 Dinukleotide als intrazellulåre Signalmolekçle zur Modulation der zellulåren Antwort auf Stress Die Annahme, dass die Dinukleotide intrazellulåre Signalmolekçle zur Einleitung einer Stressantwort sind, geht auf die Beobachtung zurçck, dass die intrazellulåren Konzentrationen von Dinukleotiden nach Einwirken verschiedener Stressformen signifikant ansteigen. So wurden in Salmonella typhimurium erhæhte Konzentrationen von Ap3A, Ap4A, Ap3G, Ap4G und ApppGpp nach Exposition mit oxidierenden Agenzien gemessen (Bochner et al. 1984). In Bakterien binden Diadenosine an Proteine, die nach oxidativem Stress vermehrt exprimiert werden, wie die Hitzeschock-Proteine DnaK, GroEL, E89, C45 and C40 (Johnstone u. Farr 1991). In kultivierten Såugetierzellen wurden durch Hyperthermie, Ethanol, Cadmium und Arsenit ein Anstieg der intrazellulåren Konzentration von Ap4A induziert, wåhrend eine Exposition dieser Zellen mit Cyclohexamid, Cytosin, Arabinosid, Hydroharnstoff und ultravioletter Strahlung keinen Effekt auf die Ap4A-Konzentrationen hatte (Baker u. Jacobson 1986). Vero-Zellen zeigten nach Inkubation mit Cadmiumlæsungen einen Anstieg der Ap4A-Konzentration um einen Faktor von 30. Eine Infektion dieser Zellen mit dem Simian-Virus 40 oder dem Poliovirus induzierte nur einen zweifachen Anstieg der Ap4A-Konzentration, wåhrend eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 sogar eine Abnahme der Ap4A-Konzentration zur Folge hatte (Johnston et al. 1990). Diese Ergebnisse zeigen also, dass auf unterschiedliche Stressformen differenzierte Dinukleotidantworten zu beobachten sind.
1.8.2.1.1 Intrazellulåres Ap4A ist ein Signal fçr die Zellteilung Intrazellulåres Ap4A steht auf mehreren Ebenen in einem direkten Zusammenhang mit der Zellteilung. Die intrazellulåre Ap4A-Konzentration zeigt eine deutliche Abhångigkeit vom Proliferationsstatus der Zelle. Bereits 1976 wurde Ap4A als positiv pleiotroper Faktor von Rapaport und Zamecnik beschrieben. Die Gruppe beobachtete in Zellen der Måuseleber eine Abhångigkeit der intrazellulåren Ap4A-Konzentration von der Proliferationsgeschwindigkeit der Zellen. Je schneller die Zahl der Zellen sich verdoppelt, desto hæher ist die intrazellulåre Ap4A-Konzentration. Ein Arrest der wachsenden Zellen durch Entzug von Serum oder Aminosåuren hat eine 30- bis 50fache Abnahme der
a Ap4A-Konzentration zur Folge. Eine Inhibition der Proteinbiosynthese, aber auch eine Blockierung der DNA-Synthese senkt die Ap4A-Konzentration sogar um den Faktor 50±100. (Rapaport u. Zamecnik 1976). Øhnliche Beobachtungen wurden auch von Weinmann-Dorsch et al. berichtet. In Måuse- bzw. Hamsterzellen stieg die Ap4A-Konzentration mit einsetzender DNA-Synthese um das 10- bis 1000fache an (Weinmann-Dorsch et al. 1984). Evans et al. beobachteten einen Anstieg der intrazellulåren Ap4A-Konzentrationen parallel zum Anstieg der DNA-Synthese in T-Lymphozyten von Måusen nach Inkubation mit Interleukin-2 (Evans et al. 1990). Auch Nishimura et al. kommen zu der Schlussfolgerung, dass Ap4A ein intrazellulåres Signal fçr die Zellteilung darstellt. An Escherichia coli beobachtete die Gruppe, dass hohe Konzentrationen fçr die Initiation der Zellteilung verantwortlich sind (Nishimura et al. 1997). Durch Zufçhren von Ap4A in nichtproliferierende Zellen konnte die DNA-Synthese induziert werden (Zamecnik et al. 1982; Zourgui et al. 1984). Als Hinweis fçr eine direkte Beteiligung von Ap4A als intrazellulåres Signalmolekçl an der Induktion der DNA-Replikation kann die Beobachtung gewertet werden, dass Ap4A an ein Protein bindet, dass mit einem Multiproteinkomplex der replikativen DNAPolymerase-a assoziiert ist (Baxi et al. 1994; Rapaport et al. 1981). In vitro zeigte Ap4A die Funktion eines Primers in Gegenwart der DNA-Polymerase-a und eines Doppelstrang-DNA-Octamer-Templates (Zamecnik et al. 1982). Ein weiteres çberzeugendes Argument fçr eine steuernde Rolle von Ap4A bei der Zellproliferation lieferten Ingram und Barnes. In Schizosaccharomyces pombe, die eine Ap4A-Hydrolase çberexprimierte, wurden neben einer signifikant verminderten Ap4A-Konzentration auch eine deutlich verringerte Proliferation beobachtet (Ingram u. Barnes 2000). Die Korrelation zwischen der Zellproliferation und der damit verbundenen ansteigenden Ap4AKonzentrationen ist mæglicherweise mit der ansteigenden Proteinbiosynthese zu erklåren, mit der erhæhte Aktivitåten der Aminoacyl-tRNA-Synthetasen einhergehen. Wie bereits oben beschrieben (Abschn. 1.8.1.4) kænnen Dinukleotide von Aminoacyl-tRNA-Synthetasen synthetisiert werden. Erhæhte Aktivitåten der Aminoacyl-tRNA-Synthetasen sollten deshalb auch zu erhæhten Konzentrationen der Dinukleotide fçhren. Diese Hypothese wird von Brevet et al. durch die Beobachtung beståtigt, dass in Escherichia-coli-Zellen nach Ûberexpression von verschiedenen Aminoacyl-tRNASynthetasen signifikant erhæhte intrazellulåre
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
Ap4A-Konzentrationen gemessen werden konnten (Brevet et al. 1989).
1.8.2.1.2 Intrazellulåre Alarmone sind an DNA-Reparatur-Prozessen beteiligt Es erscheint folgerichtig, dass Dinukleotide als Alarmone auch an DNA-Reparatur-Prozessen beteiligt sind. Eine Reihe von Beobachtungen lassen vermuten, dass Ap4A die Replikation der DNA wåhrend der S-Phase nach Strangbrçchen der DNA verlangsamen, um Zeit fçr die DNA-Reparatur zu gewinnen. Ap4A bindet an Proteine, die mit der DNA-Polymerase-a assoziiert sind (Baril et al. 1983; Baxi et al. 1994; Grummt 1979; Rapaport et al. 1981). DNA-Strangbruch induzierende Agenzien erhæhen die intrazellulåre Konzentration von Ap4A (Baker u. Ames 1988; Gilson et al. 1988). Enzyme, wie die DNA-Ligase (Sillero u. Gçnther Sillero 2000) und Aminoacyl-tRNA-Synthetasen (Schimmel u. Wang 1999), die Ap4A synthetisieren kænnen, sind im Zellkern lokalisiert. Einzelstrangbrçche der DNA aktivieren die Poly-(ADP-ribose)Polymerase (de Murcia et al. 1994), die ihrerseits Ap4A Poly-(ADP)-ribosylieren kann (Yoshihara u. Tanaka 1981). Ap4A stimuliert in menschlichen Lymphozyten die ADP-Ribosylierung der Poly(ADP-ribose)-Polymerase (Surowy u. Berger 1983). Poly-(ADP)-ribosyliertes Ap4A schlieûlich inhibiert die DNA-Replikation (Baker et al. 1987). Die aufgelisteten Beobachtungen sprechen also dafçr, dass Ap4A ein Baustein der S-Phase-Komponenten darstellt, die als System zur Erkennung geschådigter DNA dienen und die Zellzyklusprogression im Falle von DNA-Schådigungen unterbrechen kænnen, um die DNA-Reparatur einleiten zu kænnen. Im Falle von schwerwiegenden Schådigungen der DNA und einer damit verbundenen långer anhaltenden Akkumulation von Ap4A in der Zelle wird die Apoptose ausgelæst (Vartanian et al. 1999).
1.8.2.1.3 Intrazellulåre Diadenosine modulieren die Funktion des ATP-sensitiven Kaliumkanals (KATP) Intrazellulåre Diadenosine (Ap3A bis Ap6A) inhibieren in åhnlichem Ausmaû wie ATP die ATPsensitiven Kaliumkanåle in kardialen Myozyten und in b-Zellen des Pankreas (Jovanovic et al. 1997). An rekombinant exprimierten KATP-Kanålen des Pankreas konnte gezeigt werden, dass die inhibitorische Wirkung durch direkte Bindung der Diadenosine an Untereinheiten des KATP-Kanals bewirkt wird (Jovanovic u. Jovanovic 2001).
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H. Schlçter
Inkubation der b-Zellen des Pankreas mit erhæhten Glukosekonzentrationen fçhrt zu einem deutlichen Anstieg der zytosolischen Diadenosinkonzentrationen, so dass hierdurch eine verstårkte Inhibition der KATP-Kanåle gegeben ist und eine Modulation der Insulinsekretion çber die Diadenosine vermutet werden kann (Ripoll et al. 1996). Im endogenen kardioprotektiven Signalsystem ist die Aktivierung des myokardialen KATP-Kanals ein wichtiges Element, das fçr ein Ûberleben der kardialen Zellen unter massivem metabolischen Stress sorgt (Terzic et al. 1995). Da unter ischåmischen Bedingungen ein Anstieg der intrazellulåren Diadenosinkonzentrationen beobachtet wurde, wird vermutet, dass çber die Bindung der Diadenosine an den KATP-Kanal die kardioprotektive Wirkung unterstçtzt wird (Jovanovic et al. 1998).
1.8.2.1.4 Intrazellulåre Dinukleotide modulieren die Aktivitåten verschiedener Enzyme Intrazellulåre Dinukleotide modulieren in vitro die Aktivitåten verschiedener Enzyme, insbesondere solcher, die an dem Purin- und Pyrimidin-Nukleotid-Metabolismus beteiligt sind (Gçnther Sillero u. Cameselle 1992; Marques et al. 1998). Zu diesen Enzymen zåhlen die Adenylatkinase (Purich u. Fromm 1972) sowie verschiedene Proteinkinasen (Leventhal u. Bertics 1991; Levy et al. 1983; Pype u. Slegers 1993). Nach wie vor herrscht jedoch noch Unklarheit, wie wichtig diese Effekte der Dinukleotide auf Enzymaktivitåten in vivo sind. Sollte Ap4A die Enzymaktivitåten der Kinasen tatsåchlich in vivo beeinflussen kænnen, so wåre bei einer erhæhten Akkumulation von Ap4A in der Zelle auch eine letale Wirkung aufgrund der Beeinflussung der Kinasen vorstellbar. Fçr die Existenz einer solchen Gefahr durch Ap4A spricht, dass eine Ap4A-Hydrolase zu den MutT-Motiv- oder auch Nudix-Proteinen zåhlt (Thorne et al. 1995). Diesen Proteinen wird die Rolle von ¹Hausreinigungsenzymenª zugesprochen (Bessman et al. 1996), die die Zelle vor zu hohen Konzentrationen potentiell toxischer Nukleotide schçtzen sollen. Neben dieser mæglichen schçtzenden Funktion wird vermutlich die Kontrolle der zytosolischen Ap4A-Konzentrationen im Vordergrund stehen.
1.8.2.1.5 Ap3A und Ap4A sind mit dem Tumorsuppressor FHIT assoziiert Eine der interessantesten Entdeckungen der letzten Jahre aus dem Bereich der Dinukleotide ist die Beobachtung, dass intrazellulåres Ap3A und Ap4A
mit dem Protein ¹fragile histidine triadª (FHIT) und seiner Funktion als Tumorsuppressor assoziiert sind (Ohta et al. 1996). FHIT besitzt eine Ap3A-Hydrolase-Aktivitåt (Barnes et al. 1996) und wird von dem Gen fhit codiert, dass auf der Position 3p14.2 des Chromosoms 3 lokalisiert ist (Ohta et al. 1996). Fhit befindet sich in dem Chromosomenbereich FRA3B, der die hæchste Fragilitåt von allen bekannten instabilen chromosomalen Positionen im menschlichen Genom aufweist. Deletionen in diesem Bereich sind mit einer Reihe von Tumoren assoziiert (Ishii et al. 2001; Pace et al. 2000). Fhit-Deletionen zåhlen zu den frçhesten und håufigsten genetischen Verånderungen in der Entwicklung von Tumoren, die sich in Organen bilden, die Umwelteinflçssen ausgesetzt sind, wie die Lungen (Sozzi et al. 1998). Die Reexpression von FHIT in fhit-defizienten Tumorzelllinien unterdrçckt die Tumoreigenschaften dieser Zellen durch Induktion der Apoptose (Roz et al. 2002). Die tumorsupprimierende Wirkung von FHIT ist nicht von der Ap3A-Hydrolase-Aktivitåt abhångig. Eine FHITMutante mit fehlender Ap3A-Hydrolase-Aktivitåt zeigte wie der Wildtyp eine tumorssuppremierende Wirkung (Siprashvili et al. 1997). Bis heute sind die genauen zellulåren Mechanismen, çber die FHIT seine Tumorsuppressorwirkung ausçbt, sowie der funktionelle Zusammenhang, der zwischen FHIT und den Dinukleotiden besteht, nicht genau geklårt. Mæglicherweise ist die Bindung von Diadenosinen an FHIT fçr die Tumorsuppressorwirkung von Bedeutung. FHIT bildet in Anwesenheit von 2 Molekçlen Ap3A ein Dimer. In dem FHIT-
Abb. 1.8.2. Mæglicher Mechanismus der Aktivierung und der Wirkung der Tumorsupressorfunktion von FHIT durch Ap3A bzw. Ap4A (hier nicht gezeigt, Ap4A entsteht, wenn anstelle von ADP ATP mit dem tRNA-Synthetase-a-a-AMP Komplex reagiert). tRNA-Synthetase-a-a-AMP: Komplex aus der tRNA-Synthetase und Aminoacyl-AMP (a-a-AMP). NIT: Nitrilase. (Mod. nach Brenner et al. 1999)
a
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
Ap3A-Komplex sind die Diadenosine so positioniert, dass die negativen Gruppen der Phosphatgruppen auf der Oberflåche pråsentiert werden (Pace et al. 1998). Ein Bindungspartner, mit dem FHIT-Ap3A mæglicherweise in Wechselwirkung tritt, ist das Protein Nitrilase (NIT). Pace et al. haben gezeigt, dass NIT als Tetramer einen Komplex mit 2 FHIT-Ap3A-Dimeren bildet (Pace et al. 2000). Eine proapoptotische enzymatische Wirkung wird fçr NIT von Brenner et al. postuliert (Brenner et al. 1999). Abb. 1.8.2 fasst zusammen, wie die Diadenosine in die Funktionen von FHIT als Tumorsuppressor eingebunden sein kænnten. Das humane Ubiquitin konjugierende Enzym 9 (hUBC9) ist ein weiteres Protein, dass eine hohe Affinitåt zu FHIT aufweist und mit diesem einen Komplex bilden kann (Shi et al. 2000). Da das UBC9 der Hefe an dem Abbau von Cyclinen der Sund M-Phase beteiligt ist, ist vorstellbar, dass das hUBC9 als Bestandteil des FHIT-Komplexes an der Tumorsuppression beteiligt ist. Ein weiteres Protein, dass einen Komplex mit FHIT eingehen kann, ist Tubulin (Chaudhuri et al. 1999). Da Tubulin eine wichtige Rolle in der Zellteilung und in der Zellproliferation spielt, kænnte Tubulin auch in vivo an der Tumorsupressorwirkung von FHIT funktionell beteiligt sein.
bzw. ATP, hatten keine Apoptose induzierende Wirkung (Vartanian et al. 1999). Die Rolle des Ap4A als Stimulator der Apoptose in Zellen kultivierter Zelllinien wird durch die Beobachtung unterstrichen, dass erhæhte intrazellulåre Ap4A-Konzentrationen einen signifikanten Abfall der Konzentrationen des Retinoblastomaproteins pRb und des BCL-2-Proteins bewirken (Vartanian et al. 2003). Erhæhte intrazellulåre Ap3A-Konzentrationen haben im Gegensatz zu Ap4A keine Apoptose induzierende Wirkung (Vartanian et al. 1997). Es wird jedoch vermutet, dass Ap3A ein intrazellulårer Mediator der Zelldifferenzierung sein kænnte, da die Zelldifferenzierung induzierenden Interferone IFN-a und IFN-c in Zellen der humanen HL60-Zell-Linie einen signifikanten Anstieg der Ap3A-Konzentrationen verursachen (Vartanian et al. 1996). Ein Anstieg der intrazellulåren Ap3AKonzentration um den Faktor 4±5 wurde auch nach der Inkubation von HL-60-Zellen mit einem Phorbolester (TPA) gemessen, die nach der Inkubation zu makrophagenåhnlichen Zellen differenzierten. Die intrazellulåren Konzentrationen von Ap4A wurden durch die Inkubation mit TPA nicht beeinflusst (Vartanian et al. 1997).
1.8.2.1.6 Induktion der Apoptose durch Ap4A
1.8.2.2 Dinukleotide als extrazellulåre Alarm-Mediatoren
Intrazellulåres Ap4A spielt eine Rolle bei der Unterdrçckung des Tumorwachstums durch Induktion der Apoptose, wie eine Reihe von Arbeiten von Vartanian und Mitarbeitern zeigen. Die Apoptose in humanen Zellen kann durch erhæhte intrazellulåre Konzentrationen von Ap4A ausgelæst werden. In Zellen der humanen HL60Zell-Linie geht eine DNA-Topoisomerase-II-Inhibitor-VP16-induzierte Apoptose mit einem Anstieg der intrazellulåren Konzentration von Ap4A einher (Vartanian et al. 1997). Der Anstieg der intrazellulåren Ap4A-Konzentration scheint nicht nur eine Begleiterscheinung der Apoptose induzierenden Wirkung des DNA-Topoisomerase-II-Inhibitors VP16 zu sein, sondern ein direkter Mediator der apoptotischen Wirkung, denn in kultivierten humanen HL60-, U937- und Jurkat-Zellen sowie in Zellen einer Måuse-Adenokarzinom-Zelllinie (VMRO-Zellen) konnte durch exogen zugefçhrtes Ap4A in Konzentrationen von 10 lM eine Apoptose ausgelæst werden. Fçr die Induktion der Apoptose ist die Pråsenz des intakten Ap4A notwendig, die Hydrolyseprodukte von Ap4A, nåmlich AMP
In Såugetieren sind verschiedene physiologische Ebenen, vom sensorischen Nervensystem çber das zentrale Nervensystem bis zu den Zielorganen und deren Zellen, in die Stressantwort eingebunden. Wåhrend der Evolution haben sich die Alarmone vom einfachen intrazellulåren Mediator in Einzellern zum extrazellulåren Alarm-Mediator in hæheren Lebewesen entwickelt. Die extrazellulåren Alarmone sind dabei in hæheren Organismen in ein komplexes physiologisches und biochemisches System eingebunden.
1.8.2.2.1 Quellen der extrazellulåren Dinukleotide Der menschliche Organismus reagiert auf einen Stressor, der die kærperliche Integritåt und die Homæostase bedroht, mit einer akuten und einer chronisch-adaptiven Stressantwort. Die Stressantwort beginnt mit einer durch das zentrale Nervensystem initiierten Aktivierung des sympathischen Nervensystems sowie einer Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-(HPA)Achse. Die çber die Aktivierung der HPA-Achse
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aus der Nebennierenrinde freigesetzten Kortikosteroide sorgen fçr eine långerfristige erhæhte Bereitstellung von Brennstoffen sowie eine långerfristige Erhæhung des Blutdrucks, wåhrend das Immunsystem durch die Wirkung von Kortisol supprimiert wird. Die durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems freigesetzten Transmitter versetzen den Kærper in die Lage, kurzfristig und schnell mit Flucht oder Kampf auf den Stressor zu reagieren. Hierfçr bewirken die Transmitter eine Erhæhung des Blutdrucks und des Herz-Zeit-MinutenVolumens, eine vermehrte Bereitstellung von Sauerstoff durch Erhæhung der Leistung der Atmung und fçhren zu einer erhæhten Bereitstellung von Energietrågern wie Glukose fçr die notwendige Muskelarbeit. Die sympathischen Neuronen induzieren durch Freisetzung ihrer Transmitter sofortige Reaktionen im Sekundenbereich und veranlassen die Freisetzung der Hormone des Nebennierenmarks in das Blut, die die mittelfristigen physiologischen Stressantworten im Minutenbereich auslæsen (Boulpaep 2003). Zu den Mediatoren der Stressantwort des sympathischen Nervensystems zåhlen die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin, das Nukleotid ATP und die Dinukleotide. ATP (Burnstock 1995; Westfall et al. 2002) gilt als Kotransmitter des Noradrenalins. Eine Reihe von Ergebnissen zeigen, dass die Dinukleotide auch als Kotransmitter der Katecholamine einzustufen sind. In der Nebenniere wurden die Dinukleotide Ap4A und Ap5A erstmals 1988 von Rodriguez del Castillo in den chromaffinen Granula des Rinds nachgewiesen (Rodriguez del Castillo et al. 1988). Durch Stimulation mit Carbachol werden die Dinukleotide aus ihren Speichern in der Nebenniere freigesetzt (Pintor et al. 1991). Auch nach Stimulation der Nebenniere mit Acetylcholin und Kalium wurde eine Freisetzung von Ap4A, zusammen mit ATP und den Katecholaminen gemessen (Castillo et al. 1992). Von Jankowski et al. (Jankowski et al. 2003 b) wurden Hinweise gesammelt, dass die Diadenosine Ap3A± Ap6A auch von den Nebennieren des Menschen in die Blutbahn sezerniert werden. Neben den Diadenosinen sind in den chromaffinen Granula des Nebennierenmarks auch die Dinukleotide Ap2A, Ap2G±Ap6G und Gp2G±Gp6G gespeichert (Jankowski et al. 2003 b). Seit der Identifizierung von Ap4A und Ap5A in Synaptosomen des Gehirns der Ratte gelten die Diadenosine auch als Neurotransmitter (Pintor et al. 1992). Auch der Nachweis von Ap4A und Ap5A in cholinergen synaptischen Vesikeln des Zitterro-
chens unterstçtzt diese Rolle (Zimmermann et al. 1993). Die Neurotransmitterfunktion der Diadenosine konnte durch verschiedene funktionelle Untersuchungen beståtigt werden. So wurden in Synaptosomen des Gehirns der Ratte nach Inkubation mit Ap4A und Ap5A erhæhte intrazellulåre Kalziumkonzentrationen gemessen (Pintor u. MirasPortugal 1995 a). Die Gruppe um Miras-Portugal und Pintor sammelte eine Reihe von Befunden, die fçr die Existenz von dinukleotidspezifischen Rezeptoren im Nervensystem sprechen (Pintor et al. 2000). Das Bild der Funktion der Dinukleotide als Neurotransmitter wird durch den Nachweis einer Reihe verschiedener membranståndiger Hydrolasen abgerundet, die fçr die Metabolisierung der extrazellulåren Dinukleotide an der Zelloberflåche der Nervenzellen zuståndig sind (Zimmermann u. Braun 1996). Zur Rolle der Dinukleotide als Neurotransmitter sind von der Gruppe um Miras-Portugal und Pintor eine Reihe von detaillierten Ûbersichtsartikeln veræffentlicht worden, die einen tieferen Einblick in dieses Thema gewåhren (Martin et al. 1998; Miras-Portugal et al. 1998; Miras-Portugal et al. 2003; Pintor u. Miras-Portugal 1995 b; Pintor u. Miras-Portugal 2000). Neben der funktionellen Einbindung der Dinukleotide als Alarmone in die Stressantwort des sympathischen Nervensystems mçssen die Dinukleotide auch als Alarmone der Thrombozyten betrachtet werden. Thrombozyten werden durch verletzungsbedingten Stress aktiviert und sezernieren daraufhin die Inhalte ihrer Granula, zu denen auch die Dinukleotide zåhlen (Abschn. 1.8.1.3), in das Blut ihrer Umgebung. Fçr den menschlichen Organismus, der Stresssituationen ausgesetzt ist, kænnen also drei Quellen genannt werden, aus denen die Alarmone in das Blut oder direkt auf die Zielzellen ausgeschçttet werden, nåmlich die Nebenniere, die Synapsen des sympathischen Nervensystems und die Thrombozyten. Als weitere Quelle fçr Dinukleotide mçssen die endokrinen Zellen des Herzgewebes erwåhnt werden (Luo et al. 1999, 2004). Hier ist bisher jedoch nicht klar, inwieweit die Sekretion der Dinukleotide aus den endokrinen Zellen des Herzgewebes in Abhångigkeit von Stressoren erfolgt. Es gibt Hinweise, dass die Dinukleotide im Plasma an ein Bindungsprotein gebunden sind (Jankowski et al. 2003a). Die Quelle dieses Proteins und seine Identitåt sind bisher noch nicht identifiziert.
a
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
1.8.2.2.2 Rezeptoren der extrazellulåren Alarmone Die Wirkung der extrazellulåren Dinukleotide kann çber eine Reihe verschiedener membranståndiger Rezeptoren erfolgen, die in die Klasse der purinergen Rezeptoren und in die dinukleotidspezifischen Rezeptoren unterteilt werden kann. Letztere konnten bis heute nicht kloniert, aber çber ihre Eigenschaften von den Purinozeptoren abgegrenzt werden (Jimenez et al. 2002; Pintor et al. 2000). Solange die dinukleotidspezifischen Rezeptoren nicht kloniert sind, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass dieser oder diese Rezeptoren zur Familie der purinergen Rezeptoren gehæren. Die purinergen Rezeptoren werden unterteilt in die Adenosinrezeptoren (auch P1-Rezeptoren genannt) und in die P2-Rezeptoren. Die P2-Rezeptoren werden unterteilt in die ionotropen P2X1-Rezeptoren, Rezeptoren, die gleichzeitig die Funktion eines Ionenkanals besitzen und diesen æffnen, sobald ein Ligand an den Rezeptor bindet, und in die metabotropen P2Y-Rezeptoren, die an G-Proteine gekoppelt sind. Sowohl von den P1- als auch von den P2-Rezeptoren sind eine Reihe von Subtypen bekannt. Wåhrend die P1-Rezeptoren vorrangig von Adenosin aktiviert werden, bevorzugen die P2-Rezeptoren in Abhångigkeit ihres Subtyps unterschiedliche Nukleotide, die in Tabelle 1.8.1 und 1.8.2 aufgelistet sind. Der ¹klassischeª endogene Ligand der P2X-Rezeptoren ist das ATP. Der P2Y1-Rezeptor wurde auch lange Zeit als der ADP-Rezeptor bezeichnet. Der P2Y2-Rezeptor und der P2Y4 Rezeptor wurden UTP-Rezeptoren genannt, P2Y6 galt als UDP-Rezeptor. Der durch
ADP stimulierte P2Y12-Rezeptor, der auf Thrombozyten zu finden ist und durch Clopidogrel inhibiert wird (Savi et al. 2001), hatte die Bezeichnung P2T. Einen ausfçhrlichen Einblick in das Gebiet der purinergen Rezeptoren wird in der Ûbersichtsarbeit von Ralevic und Burnstock gegeben (Ralevic u. Burnstock 1998). Die purinergen Rezeptoren sind ubiquitår verteilt und auf fast jeder Zelle im Såugetierorganismus anzutreffen. Infolgedessen çberrascht es nicht, dass diese Rezeptoren an der Regulation einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt sind, die das Herz-Kreislauf-System (Kunapuli u. Daniel 1998; Rongen et al. 1997), das Nervensystem (Bodin u. Burnstock 2001; Boehm 2003; Norenberg u. Illes 2000; Robertson et al. 2001), das Immunsystem (Di Virgilio et al. 2001; Dubyak 2003), gastrointestinale und Leberfunktionen (Bornstein et al. 2004; Roman u. Fitz 1999), Nierenfunktionen (Chan et al. 1998; Inscho 1996; Schwiebert 2001; Unwin et al. 2003), den Knochenmetabolismus (Bowler et al. 2001) und die Lungenfunktionen (Donnelly u. Rogers 2003) betreffen. Die angegebenen Literaturzitate weisen auf Ûbersichtsarbeiten der genannten Themenfelder hin. Um die Frage zu læsen, ob auch die Dinukleotide P2X- und P2Y-Rezeptoren stimulieren kænnen, wurde deren Wirkung an rekombinanten purinergen Rezeptoren geprçft. Die Dinukleotide sind tatsåchlich in der Lage, eine Reihe von rekombinaten P2-Rezeptoren zu aktivieren, zum Teil mit åhnlich hoher Potenz wie die ¹klassischenª Liganden, wie den Tabellen 1.8.1 und 1.8.2 zu entnehmen ist. In den Experimenten mit den rekombinanten P2X-
Tabelle 1.8.1. Aktivitåt der Dinukleotide an rekombinanten P2X-Rezeptoren Rezeptor Quelle der cDNA Aktivitåt der Agonisten (pEC50-Werte)
Referenz
P2X1
Mensch Ratte Ratte
ATP (7.25) > Ap4A (6.74) ³ Ap5A (6.56) > Ap6A (5.95) Ap4A (7.42) > ATP (6.50) > Ap6A (6.14) ³ Ap5A (6.05) ATP (6.22) ³ Ap6A (6.01) ³ Ap5A (5.82) ³ Ap6G (5.66) ³ Ap5G (5.64) >>GTP = Gp5G = Gp6G (inaktiv)
Bianchi et al. 1999 Wildman et al. 1999 Cinkilic et al. 2001
P2X2
Ratte Ratte
ATP (5.43) > Ap4A (4.82) ATP (4.73); Ap5A, Ap5G, Ap6A, Ap6G, GTP inaktiv
Pintor et al. 1996 Cinkilic et al. 2001
P2X3
Mensch Ratte
Bianchi et al. 1999 ATP (6.47) ³ Ap4A (6.30) ³ Ap5A (6.21) >>Ap6A (6.22) Ap4A (6.09) ³ Ap3A (6.00) ³ Ap5A (5.88) ³ Ap6A (5.79) >>ATP (5.74) Wildman et al. 1999
P2X4
Mensch Ratte Ratte
ATP (6.32) ³ Ap4A (6.20) >Ap5A (5.91) >>Ap6A (4.20) Ap4A (5.52 ) ³ ATP (5.38) >>Ap6A (< 4.30) ATP (5.47); Ap5A, Ap5G, Ap6A, Ap6G, GTP inaktiv
Bianchi et al. 1999 Wildman et al. 1999 Cinkilic et al. 2001
P2X7
Mensch
ATP (4.02), ApnAs inactive
Bianchi et al. 1999
P2X2/3
Ratte Ratte
ATP (6.30) > Ap4A (4.32) Ap5A (5.96) >> ATP (5.92)
Bianchi et al. 1999 Liu et al. 2001
P2X2/6
Ratte
ATP (4.49) >> Ap4A (< 3.00)
King et al. 2000
209
210
H. Schlçter Tabelle 1.8.2. Aktivitåt der Dinukleotide an rekombinanten P2Y-Rezeptoren Rezeptor Quelle der cDNA Aktivitåt der Agonisten (pEC50-Werte)
Referenz
P2Y1
Mensch Mensch Huhn Truthahn
ADP ADP ADP ADP
Patel et al. 2001 Schachter et al. 1996 Pintor et al. 1996 Schachter et al. 1996
P2Y2
Mensch Mensch Mensch
UTP (7.1) > Ap4A (6.7) > Ap6A (4.9) > Ap5A (4.6) > Ap3A (4.4) UTP (7.69) > ATP (7.09) > Ap4A (6.58) > Ap3A (< 5.00) UTP (6.85) ³ ATP (6.64) > Ap4A (6.14) > Ap3A (< 5.00)
Patel et al. 2001 Janssens et al. 1999 Lazarowski et al. 1995
P2Y4
Mensch Mensch Ratte Ratte
UTP (7.16), ApnAs inaktiv UTP (6.26), Ap4A inaktiv ATP (5.74) ³ UTP (5.58) ³ Ap4A (5.52) UTP (6.69) > ATP (6.29) > Ap4A (5.91)
Patel et al. 2001 Kennedy et al. 2000 Bogdanov et al. 1998 Kennedy et al. 2000
P2Y6
Mensch Ratte
UDP (7.06), ApnAs inaktiv UDP (8.23) > UTP (7.69), Ap4A inaktiv
Patel et al. 2001 Filippov et al. 1999
P2Y11
Mensch Mensch
ATP (4.4), ApnAs inaktiv ATP (4.19), ApnAs inaktiv
Patel et al. 2001 Communi et al. 1999
(7.7) > Ap3A (7.5) > Ap6A (5.1) > Ap2A (4.) > Ap4A (< 4) (6.59) > Ap4A (6.20) >> Ap2A (4.00) > Ap5A (< 3.00) (6.59) ³ ATP (6.48) Ap3A (6.43) >> Ap4A (< 4.00) (6.93) > Ap4A (6.13) >> Ap2A (4.00) > Ap5A (< 3.00)
P2Y12
Mensch
ADP (7.1) >> Ap4A (4.8)
Zhang et al. 2001
P2Y13
Mensch
ADP (6.71) £ Ap3A; Ap4A, Ap5A, Ap6A inaktiv
Marteau et al. 2003
P2Y14
Mensch
UDP-Glukose (6.98) > UDP-Galaktose (6.37), ApnAs inaktiv
Chambers et al. 2000
Rezeptor-Subtypen (Tabelle 1.8.1) læst Ap4A neben ATP die stårkste Wirkung an den Subtypen P2X1, P2X2, P2X3 und P2X4 aus. Der Unterschied in der Reihenfolge der Aktivitåt im Fall des P2X3-Rezeptors kann entweder speziesbedingt oder von den Expressionssystemen abhångig sein. P2X-Rezeptoren sind in der Membran als Trimere anzufinden (Nicke et al. 2003). Diese Trimere kænnen sich auch aus unterschiedlichen P2X-Subtypen zusammensetzen (Heterotrimere), die deutlich verånderte pharmakologische Eigenschaften im Vergleich zu Homotrimeren besitzen. An den P2X-Heterotrimeren P2X2/3 und P2X2/6 entwickelt Ap4A eine deutlich schwåchere Wirkung als ATP. Verschiedene rekombinante P2Y-Subtypen werden ebenfalls von den Dinukleotiden aktiviert (Tabelle 1.8.2). Hierzu zåhlen P2Y1, P2Y2 sowie P2Y13. Der rekombinante P2Y4-Rezeptor der Ratte wird auch durch Ap4A aktiviert, nicht jedoch der rekombinante P2Y4-Rezeptor des Menschen. Die Ergebnisse der Inkubationen der rekombinanten Rezeptoren mit den Dinukleotiden weichen zum Teil deutlich von den Ergebnissen ab, die in physiologischen Experimenten gewonnen wurden. So ist Ap5A, gefolgt von Ap6A, der stårkste Vasokonstriktor in den Gefåûen der isolierten, perfundierten Niere, Ap4A verursacht hingegen eine deutlich schwåchere Vasokonstriktion (van der Giet et al. 2001). Die Diskrepanz kann eine Reihe von Ursachen haben. Fçr die Expression rekombinanter Rezeptoren werden nach Mæglichkeit Expressions-
systeme benutzt, die keine eigenen purinergen Rezeptoren und keine Nukleotid hydrolysierenden Enzyme auf ihrer Oberflåche zeigen. An der Oberflåche von Zellen von isolierten Organen sowie von kultivierten Zellen sind meist mehrere unterschiedliche Subtypen purinerger Rezeptoren vertreten sowie eine Reihe von Ektohydrolasen. Letztere kænnen Dinukleotide zu Mononukleotiden abbauen, die ihrerseits die vorhandenen purinergen Rezeptoren aktivieren kænnen. Darçber hinaus vermitteln mæglicherweise weitere, bisher noch nicht identifizierte purinerge oder dinukleotidspezifische Rezeptoren die Wirkung der Dinukleotide. Dennoch bieten die Ergebnisse der Versuche mit rekombinanten Rezeptoren eine hilfreiche Grundlage zur Interpretation der Ergebnisse, die mit physiologischen Experimenten gewonnen werden. In Experimenten mit isolierten Organen sind håufig entgegengesetzte Wirkungen der Dinukleotide in Abhångigkeit ihrer Phosphatkettenzahl zu beobachten. So læsen Dinukleotide mit Phosphatkettenzahlen ³ 4 in den Gefåûen der isolierten perfundierten Niere eine Vasokonstriktion aus, wåhrend Dinukleotide mit Phosphatkettenzahlen < 4 eine Vasodilatation verursachen (van der Giet et al. 1997). Dieses Phånomen ist çber die Aktivierung unterschiedlicher purinerger Rezeptoren zu erklåren. Die vasokonstringierende Wirkung von Ap4A, Ap5A und Ap6A wird çber den P2X1-Rezeptor vermittelt, wåhrend die vasodilatierende Wirkung von Ap2A und Ap3A durch Aktivierung des
a
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
A2-Rezeptors zustande kommt (van der Giet et al. 1997). Nicht nur die Zahl der Phosphatgruppen, sondern auch die Basen haben einen Einfluss auf die Wirkung der Dinukleotide. Fçr die vasokonstriktorische Wirkung der Dinukleotide mit 5 oder 6 Phosphaten ist die Anwesenheit mindestens einer Adeningruppe erforderlich. Gp5G und Gp6G læsen keine Vasokonstriktion in den Gefåûen der isolierten perfundierten Niere aus (van der Giet et al. 2001). Diguanosine kænnen dennoch Funktionen glatter Gefåûmuskelzellen beeinflussen. Gp5G und Gp6G induzieren mit åhnlicher Wirksamkeit wie Ap5G und Ap6G eine wachstumsstimulierende Wirkung dieser Zellen (Schlçter et al. 1998). Diese Wirkung wird vermutlich çber P2Y-Subtypen vermittelt, ein endgçltiger Beweis steht zur Zeit noch aus. Øhnliche entgegengesetzte Wirkungen der Dinukleotide in Abhångigkeit der Phosphatkettenzahl wie in den Gefåûen der isolierten perfundierten Niere wurden auch in isolierten mesenterialen arteriellen Gefåûen beobachtet. Auch hier vasodilatieren kurzkettige Dinukleotide ApnA und ApnG mit der Phosphatkettenzahl < 4 die Gefåûe. Im Gegensatz zu den Gefåûen der Niere wird die Wirkung von Ap3A und Ap3G çber einen endothelzelllokalisierten P2Y1-åhnlichen Rezeptor ausgelæst. Langkettige Dinukleotide ApnA und ApnG mit der Phosphatkettenzahl ³ 4 vasokonstringieren die mesenterialen arteriellen Gefåûe çber einen P2X1åhnlichen Rezeptor (Lewis et al. 2000, Ralevic et al. 2001). Alarmone sind also zumindest zum Teil in das System der purinergen Kommunikation eingebunden und nutzen einen Teil der purinergen Rezeptoren fçr ihre Botschaften.
1.8.3 Metabolisierung der Alarmone Die kontrollierte funktionelle Inaktivierung durch gezielte enzymatische Metabolisierung ist, neben der kontrollierten Freisetzung in den extrazellulåren Raum und der Affinitåt zu einem Rezeptor, die dritte wichtige Eigenschaft, die eine Substanz als Hormon charakterisiert. Diese Eigenschaft trifft auch auf Dinukleotide zu. Dinukleotidhydrolasen finden sich in gelæster Form im Blutplasma (Lçthje u. Ogilvie 1987), als Ektohydrolasen auf den Oberflåchen von Zellen im extrazellulåren Raum (Mateo et al. 1997; Ramos et al. 1995; von Drygalski u. Ogilvie 2000) sowie im intrazellulåren Bereich (Hankin et al. 1995, 1997). Dinukleotide kænnen von verschiedenen Arten von Nukleotidasen hydrolysiert werden. Die Dinukleotid hydrolysierenden Enzyme kænnen grob in dinukleotidspezifische (Tabelle 1.8.3) und dinukleotidunspezifische Nukleotidasen unterschieden werden (Guranowski 2000). Letztere bauen nicht nur Dinukleotide, sondern auch Mononukleotide ab. Die dinukleotidspezifischen Dinukleosidtriphosphat-Hydrolasen sind sowohl in Prokaryoten als auch in Eukaryoten bis hin zum Menschen zu finden. Der mittlerweile prominenteste Vertreter dieser Hydrolasen ist das Protein FHIT. Die Entdeckung des Tumorsupressors FHIT (Ohta et al. 1996) hat die Betrachtung der evolutionsgeschichtlichen Aspekte dieses Proteins vorangetrieben. FHIT zeigt eine 69%ige Ûbereinstimmung mit der asymmetrisch spaltenden Ap4A-Hydrolase der Spalthefe Schizosaccharomyces pombe. Beide Enzyme gehæren der Familie der HIT(Histidine-triad)Proteine an. Die HIT-Familie enthålt zwei Øste, den FHIT-Protein-Ast, der nur bei Tieren und Pilzen vorkommt und eine DinukleotidhydrolaseFunktion besitzt, und den HINT(Histidine-triad nucleotide-binding)-Protein Ast, von dem Vertreter in allen zellulåren Lebensformen zu finden sind (Brenner et al. 1999). Der konservierte Bereich der
Tabelle 1.8.3. Ûbersicht çber die spezifischen Dinukleotid metabolisierenden Enzyme (N: Nukleosid, A: Adenosin, p: Phosphatgruppe, pi: anorganisches Phosphat). (Nach Guranowski 2000) Enzymklasse
EC-Nummer
katalysierte Reaktion
Dinukleosidtriphosphat-Hydrolasen PM Dinukleosidtetraphosphat-Hydrolasen (P)EM Diadenosinhexaphosphat-Hydrolasen Symmetrische Dinukleosidtetraphosphat-Hydrolasen Dinukleosidpolyphosphat-Phosphorylasen
EC EC EC EC EC
NpppN' + H2O ? ppN + pN' NppppN' + H2O ? pppN + pN' AppppppA + H2O ? ppppA + ppA NppppN + H2O ? ppN + ppN AppppA + *Pi ? + *ppA pppA
3.6.1.29 3.6.1.17 3.6.1.x 3.6.1.41 2.7.7.53
211
212
H. Schlçter
HIT-Superfamilie umfasst nur sechs Aminosåuren. Drei dieser sechs Aminosåuren sind Histidin. Das konservierte HIT-Motiv zeigt eine hohe Affinitåt zu Adenosin. Von asymmetrischen DinukleosidtetraphosphatHydrolasen, Mitglieder der Nudix- bzw. MutT-Protein-Familie, nahm man lange Zeit an, dass diese nur in Eukaryoten zu finden seien. 1999 wurde jedoch ein Mitglied dieser Hydrolasenfamilie in Bartonella bacilliformis (Cartwright et al. 1999) entdeckt, so dass auch fçr diese Hydrolasenfamilie der evolutionåre Bogen bis zu den Prokaryoten geschlagen werden kann. Die Diadenosinhexaphosphat-Hydrolasen sind in Eukaryoten in Saccharomyces cerevisiae (Cartwright u. McLennan 1999), in Schizosaccharomyces pombe (Ingram et al. 1999) und im menschlichen Organismus (Safrany et al. 1999) nachgewiesen worden. Symmetrische Dinukleosidtetraphosphat-Hydrolasen sind bisher nur in Prokaryoten und in Eukaryoten niederer evolutionsgeschichtlicher Entwicklungsstufen entdeckt worden (Guranowski 2000). Die dinukleotidspezifischen Dinukleosidpolyphosphat-Phosphorylasen sind ebenfalls noch nicht in Vertebraten nachgewiesen worden. Die Enzymklasse spaltet die Dinukleotide nicht çber den Einbau eines Wasser-, sondern eines Phosphatmolekçls (Guranowski 2000). Zu den Dinukleotid metabolisierenden unspezifischen Nukleotidasen zåhlen die Typ-I-Phosphodiesterasen (EC 3.1.4.1) und die Nukleotidpyrophosphatasen (EC 3.6.1.9). Die Typ-I-Phosphodiesterasen setzen aus Polynukleotiden 5'-Np, Nukleosidmonophosphate, frei. Diese Enzymgruppe ist nur dann in der Lage die 5'-Np-Gruppe abzuspalten, wenn das Substrat eine freie 3'-OH-Gruppe aufweist, was bei den Dinukleotiden der Fall ist. Typ-I-Phosphodiesterasen sind bereits in niederen Eukaryoten wie dem Schleimpilz Physarum polycephalum anzutreffen sowie in Vertebraten weit verbreitet (Guranowski 2000). Die Gruppe um Zimmermann hat zeigen kænnen, dass die Enzyme NPP1, NPP2, und NPP3, Mitglieder der EktoNukleotid-Pyrophosphatase/Phosphodiesterase (ENPP)-Familie (EC 3.1.4.1 und EC 3.6.1.9) als mægliche Kandidaten fçr die extrazellulåre Metabolisierung von Dinukleotiden in Frage kommen (Vollmayer et al. 2003). Die extrazellulåren Dinukleotide werden in Vertebraten durch zelloberflåchenlokalisierte sowie in Kærperflçssigkeiten gelæste Enzyme inaktiviert. Die dort vorherrschende hydrolytische Reaktion generiert aus ApnA die Mononukleotide AMP und Apn±1.
Es kann also zusammengefasst werden, dass vom Prokaryoten bis zum Menschen die Ausstattung zur Metabolisierung von Dinukleotiden im intra- und extrazellulåren Raum vorhanden ist. Die zunehmende Differenzierung der AlarmonFunktionen mit steigender Entwicklungsstufe der Organismen ist auch an der zunehmenden Vielfalt der Dinukleotid metabolisierenden Enzyme zu erkennen, was wiederum den evolutionsgeschichtlichen Werdegang widerspiegelt.
1.8.3.1 Stabilitåten der Dinukleotide im Blut Im Vergleich zu ATP besitzen die Diadenosine im menschlichen Blut eine deutlich hæhere Halbwertszeit. Wåhrend die Halbwertszeit von ATP im Sekundenbereich liegt, wurde von Ap4A eine Halbwertszeit von 17 min gemessen (Iwata et al. 1995). Ogilvie et al. ordnen den Diadenosinen deshalb eine mittel- bis langfristige Wirkung im Vergleich zu ATP zu (Ogilvie et al. 1996). Bei der Beurteilung der Halbwertszeiten der Dinukleotide im Organismus muss zusåtzlich auch der Expressionsstatus der Dinukleotid metabolisierenden Enzyme, insbesondere der Ektohydrolasen, mit berçcksichtigt werden. Versuche an Langendorff-Herz-Pråparationen haben gezeigt, dass die Gefåûe des myokardialen Gewebes schnell und effektiv Diadenosine aus der Perfusionslæsung aufnehmen, wobei bisher nicht geklårt wurde, ob die Diadenosine intakt oder nach Metabolisierung von den Zellen aufgenommen werden. Ein Abbau bis zum Adenosin und anschlieûende Aufnahme des Adenosins konnte jedoch weitgehend ausgeschlossen werden (Brandts et al. 1998). Dieses an einem perfundierten Organ gewonnene Ergebnis låsst vermuten, dass den Dinukleotiden vorrangig eine Bedeutung in der lokalen Regulation zukommt, da angenommen werden muss, dass die im Blut frei gelæsten Dinukleotide nicht nur von myokardialen Gefåûen, sondern auch von Gefåûen anderer Organe aufgenommen werden. In diesem Zusammenhang kænnte das im Blut zirkulierende Diadenosin bindende Protein eine wichtige Rolle spielen (Jankowski et al. 2003 a), das vermutlich eine Aufnahme der Diadenosine durch Zellen der Blutgefåûe verhindert und auf diese Weise eine Art zirkulierende Diadenosinquelle darstellt.
a
1.8.4 Ûberblick çber das Alarmon-System im Såugetier Im Såugetier teilt sich das Alarmon-System auf einen intra- und einen extrazellulåren Bereich auf (Abb. 1.8.3). Die Synthese (1) der Dinukleotide kænnte im Zytosol lokalisiert sein sowie in den Granula. Das extrazellulåre Alarmon-System umfasst nach den bisherigen Erkenntnissen folgende Komponenten: Hierzu gehært die Sekretion (2) der Dinukleotide nach Aktivierung der Dinukleotid speichernden Zellen wie der Thrombozyten, der chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks, vermutlich auch der sympathischen Varikositåten und endokriner kardialer Zellen. Im extrazellulåren Raum (3) treffen die Dinukleotide auf ein gewebespezifisches Muster von Rezeptoren. Zu den durch Dinukleotide aktivierbaren Rezeptoren zåhlen verschiedene Subtypen der purinergen P1-(Adenosin)-, P2X- und P2Y- sowie der dinukleotidspezifischen Rezeptoren (5). Die Zeitdauer der Aktivierung der Rezeptoren durch Dinukleotide wird durch die Anwesenheit der Dinukleotid metabolisierenden Enzyme (6) im extrazellulåren Raum moduliert, die sich sowohl in unmittelbarer Nåhe zu den Rezeptoren auf den Zelloberflåchen befinden als auch in freier Form im extrazellulåren Medium (7). Eine Besonderheit des Alarmon-Systems ist, dass die Metaboliten der Dinukleotide, die Mononukleotide (8), ebenfalls purinerge Rezeptoren (9) aktivieren kænnen. Die
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
Mononukleotide werden schlieûlich durch mononukleotidspezifische Enzyme inaktiviert (10). Die zu erwartenden Reaktionen der Zellen in dem Bereich, in dem die Alarmone in den extrazellulåren Raum sezerniert werden, ist also abhångig von · der Art und Zusammensetzung der Dinukleotide ± wie oben beschrieben, favorisieren die Dinukleotide in Abhångigkeit ihrer Phosphatkettenzahl und ihrer Basen unterschiedliche Subtypen der purinergen Rezeptoren ±, · dem Expressionsmuster der dinukleotidstimulierbaren Rezeptoren, · dem Expressionsmuster der extrazellulåren Hydrolasen und · der davon abhångenden Metaboliten, den Mononukleotiden, · dem Expressionsmuster der mononukleotidstimulierbaren Rezeptoren sowie · dem Expressionsmuster der Mononukleotid abbauenden Nukleotidasen. Durch die vielen verschiedenen Komponenten, die das extrazellulåre Alarmon-System enthålt, ist also eine groûe Signalvielfalt mæglich. Das intrazellulåre Alarmon-System beinhaltet nach bisherigem Kenntnisstand 1. neben den Enzymen wie den Aminoacyl-tRNASynthetasen, die vermutlich an der Synthese der Dinukleotide beteiligt sind, 2. Proteine als intrazellulåre Rezeptoren, die an der Replikation der DNA teilhaben, 3. Proteine, die in DNA-Reparatur-Prozessen involviert sind, 4. Proteine, die Tumorsuppressorfunktionen haben, wie das Protein FHIT, 5. Proteine, die an der Apoptose beteiligt sind und 6. Proteine, die am Ionentransport beteiligt sind. 7. Die intrazellulåren Dinukleotidkonzentrationen werden durch eine Reihe metabolisierender Enzyme kontrolliert.
1.8.5 Physiologische Wirkung der Alarmone 1.8.5.1 Dinukleotide im Herz-Kreislauf-System Abb. 1.8.3. Komponenten des extrazellulåren Kommunikationssystems der Dinukleotide. Die Dreiecke symbolisieren die verschiedenen Dinukleotid und Mononukleotid metabolisierenden gelæsten und membranståndigen Enzyme. P2D: Dinukleotidspezifischer Rezeptor, G: G-Proteine, Ado: Adenosin, aT: aktivierter Thrombozyt, ???: unbekannte Identitåt und Struktur des P2D-Rezeptors
Die Wirkungen der Dinukleotide auf die Gefåûe des Kreislaufsystems fallen sehr unterschiedlich aus und sind von dem Expressionsmuster der auf den Endothelzellen und den glatten Gefåûmuskelzellen exprimierten Rezeptoren und Nukleotidasen
213
214
H. Schlçter
abhångig. In den Gefåûen der isolierten perfundierten Niere bewirken Dinukleotide mit mindestens einer Adenosingruppe im Molekçl und einer Phosphatkettenzahl ³ 4 eine weitgehend çber P2X-Rezeptoren vermittelte Vasokonstriktion, wåhrend Dinukleotide mit mindestens einer Adenosingruppe im Molekçl und einer Phosphatkettenzahl < 4 çber den A2-Rezeptor eine Vasodilatation verursachen (van der Giet et al. 1997). In arteriellen Herzgefåûen des Schweins dagegen wurden nach Gaben von Ap4A und Ap5A Vasodilatationen beobachtet (Sumiyoshi et al. 1997). Am Herzen haben Diadenosine vorwiegend eine A1-Rezeptor-vermittelte negativ-chronotrope und negativ-inotrope Wirkung (Luo et al. 1999; Neumann et al. 1999; Vahlensieck et al. 1996). Intrazellulåren Diadenosinen wird eine kardioprotektive Rolle zugeschrieben, da sie den KATP-Kanal myokardialer Zellen inhibieren kænnen (Jovanovic et al. 1998).
1.8.5.2 Modulation der Thrombozytenaggregation durch Diadenosine Diadenosine, die durch Aktivierung der Thrombozyten aus den Granula sezerniert werden (Flodgaard u. Klenow 1982; Lçthje u. Ogilvie 1983; Schlçter et al. 1998, 1994), haben auch einen Einfluss auf die Thrombozytenaggregation. Ap3A stimuliert die Thrombozytenaggregation, wåhrend Diadenosine mit Phosphatkettenzahlen ³ 4 die Aggregation hemmen (Brossmer et al. 1975; Harrison u. Brossmer 1975; Jankowski et al. 1999). Lçthje et al. haben gezeigt, dass die stimulierende Wirkung von Ap3A auf die Hydrolyse von Ap3A zu ADP zurçckzufçhren ist (Lçthje et al. 1985). Wåhrend ADP sehr schnell aggregierend wirkt, færdert Ap3A, sozusagen als maskiertes ADP, die Aggregation çber einen långeren Zeitraum, da es erst zu ADP abgebaut werden muss (Lçthje et al. 1985). Die antithrombotische Wirkung von Ap4A setzt direkt an der ADP-vermittelten Thrombozytenaggregation an (Louie et al. 1988).
1.8.5.3 Stimulierende Wirkung der Dinukleotide auf die Regenerierung von Organen Diadenosine kænnen die Regenerierung von Organen færdern. Eine positive Korrelation der intrazellulåren Ap4A-Konzentrationen mit der regenerierenden Aktivitåt der Leber nach partieller Hepatektomie wurde erstmals von Yamaguchi et al. be-
richtet (Yamaguchi et al. 1985). In der regenerierenden Leber von jungen Måusen wurden nach partieller Hepatektomie um den Faktor 140% erhæhte Ap4A-Konzentrationen gemessen. In adulten Måusen lag der Faktor sogar bei 300% (Andersson u. Lewan 1988).
1.8.5.4 Wachstumsstimulierende Wirkungen der Dinukleotide Wachstumsstimulierende Wirkungen wurden nach Inkubation von Mesangialzellen der Ratte mit Ap5A und Ap6A beobachtet. Die wachstumsstimulierende Wirkung wurde von einem Anstieg der intrazellulåren freien Kalziumkonzentration begleitet. Zusåtzlich wird die wachstumsstimulierende Wirkung von PDGF von Ap5A und Ap6A potenziert (Heidenreich et al. 1995). Schulze-Lohoff et al. kamen zu sehr åhnlichen Ergebnissen und beobachteten, dass auch Ap3A und Ap4A eine wachstumsstimulierende Wirkung auf Mesangialzellen hat (Schulze-Lohoff et al. 1995). Dinukleotide stimulieren auch das Wachstum kultivierter glatter Gefåûmuskelzellen. Øhnlich wie bei den Mesangialzellen wurde auch bei den glatten Gefåûmuskelzellen eine Abhångigkeit der Wirksamkeit von der Zahl der Phosphatgruppen beobachtet. Die stårksten wachstumsstimulierenden Wirkungen haben die Dinukleotide Ap5G und Gp5G, gefolgt von Ap6G und Gp6G. Im Gegensatz zur wachstumsstimulierenden Wirkung haben die Diguanosine keine vasoaktive Wirkung. Diese Beobachtung låsst darauf schlieûen, dass fçr die wachstumsstimulierende Wirkung der Dinukleotide andere purinerge Rezeptoren beteiligt sind als an der vasoaktiven Wirkung (Schlçter et al. 1998).
1.8.5.5 Wirkungen der Dinukleotide auf den Glukosemetabolismus Eine Reihe von experimentellen Beobachtungen spricht auch fçr eine Einbindung der Diadenosine in die Steuerung des Glukosemetabolismus. Erste Hinweise wurden 1996 von Ripoll et al. gesammelt, die in den b-Zellen des Pankreas nach Stimulation mit Glukose einen Anstieg der Diadenosine um einen Faktor von 30 bis 70 nachweisen konnten. In den nach Stimulation mit Glukose resultierenden Konzentrationsbereichen inhibieren Ap3A und Ap4A in den b-Zellen den ATP-regulierten KATPKanal (Ripoll et al. 1996). Verspohl und Johannwille wiesen Rezeptoren an Ins-1-Zellen und Inselzel-
a len des Pankreas von Ratten nach, die die Diadenosine binden. In Perifusionsexperimenten mit Ins-1-Zellen bewirkten die Diadenosine eine Freisetzung von Insulin in Gegenwart von Glukose (Verspohl u. Johannwille 1998). Auch im perfundierten Pankreas der Ratte læst Ap4A eine kurzfristige Insulinsekretion aus, wåhrend Ap3A diese Wirkung nicht zeigte (Silvestre et al. 1999). Interessanterweise ist bei statischen Inkubationsexperimenten mit Diadenosinen eine Inhibition der Sekretion von Insulin zu beobachten (Verspohl u. Johannwille 1998). Die dosisabhångige inhibierende Wirkung von Ap4A in Gegenwart hoher Glukosekonzentrationen in den statischen Inkubationsexperimenten geht dabei nicht auf Metaboliten von Ap4A zurçck, sondern wird durch das intakte Ap4A vermittelt, wie mit hydrolysestabilen Ap4AAnaloga gezeigt werden konnte (Verspohl et al. 2003). In Leberzellen werden durch Diadenosine, åhnlich wie durch ATP, die glukagoninduzierten Anstiege des cAMP abgeschwåcht (Edgecombe et al. 1999; Keppens 1996). In Hepatozyten der Ratte wurden nach Inkubation mit Ap3A Oszillationen der intrazellulåren freien Kalziumkonzentration beobachtet, die von den ADP-induzierten Oszillationen nicht unterschieden werden konnten, wåhrend ATP und Ap4A ein deutlich anderes Muster der Oszillationen verursachten (Green et al. 1995). Aus diesen Beobachtungen kann geschlossen werden, dass an der Induktion der Oszillationen zwei unterschiedliche purinerge Rezeptoren beteiligt sind. In Gegenwart niedriger und normaler Glukosekonzentrationen wurde im perfundierten Pankreas der Ratte auch eine Ap4A-induzierte Glukagonfreisetzung gemessen (Silvestre et al. 1999). In Zellen des proximalen Tubulus wurde nach Inkubation mit Diadenosinen auch eine Induktion der Glukoneogenese beobachtet (Edgecombe et al. 1997). Die bisherigen Ergebnisse ergeben noch kein lçckenloses Bild çber die Beeinflussung des Glukosemetabolismus durch Dinukleotide, sie lassen aber bereits erkennen, dass die Dinukleotide auch in diesem Bereich insbesondere fçr die lokale Regulation eine wichtige Rolle spielen.
1.8.5.6 Einflçsse der Dinukleotide auf Komponenten des Immunsystems Fçr eine modulierende Rolle der Dinukleotide auf Funktionen des Immunsystems gibt es mittlerweile auch einige Hinweise.
1.8 Alarmone: Signalfaktoren in der lokalen Regulation
Nach Inkubation von murinen Lymphozyten mit dem Interleukin Il-2 stieg die intrazellulåre Ap4A-Konzentration gefolgt von einem Anstieg der DNA-Synthese (Evans et al. 1990). In neutrophilen Granulozyten wurde nach Inkubation dieser Zellen mit Ap3A und Ap4A eine Stimulation des ¹respiratory burstª, der Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies, beobachtet (Gasmi et al. 1994). In neutrophilen Granulozyten wird durch Inkubation mit Zytokinen, wie z. B. dem GranulozytenMakrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GMCSF), die Apoptose verzægert. Sowohl ATP als auch Ap3A und Ap4A haben eine åhnlich potente apoptoseverzægernde Wirkung wie GM-CSF. Eine kombinierte Inkubation der Neutrophilen mit GM-CSF und den Nukleotiden zeigt einen additiven Effekt auf die Verzægerung der Apoptose. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass von aktivierten Thrombozyten sezernierte Dinukleotide, in Kombination mit endothelzell- oder immunzellsezernierten Zytokinen, an der Regulation der Funktionen von Neutrophilen bei entzçndlichen Vorgången beteiligt sind (Gasmi et al. 1996). Diese Vermutung wird durch den Befund unterstçtzt, dass eine Inkubation von Neutrophilen mit Ap3A, Ap4A, Ap5A und Ap6A çber P2-Rezeptoren einen Anstieg der intrazellulåren Kalziumkonzentration bewirken (Gasmi et al. 1997). Es ist zu erwarten, dass zukçnftig noch eine Vielzahl von Ergebnissen çber die Rolle der Dinukleotide in der Modulation von immunologischen Funktionen gesammelt werden, denn viele der verschiedenen Zellen des Immunsystems sind mit purinergen Rezeptoren unterschiedlicher Zusammensetzung bestçckt, wie in verschiedenen Ûbersichtsarbeiten dargestellt (Dubyak 2000; Fredholm 1997; la Sala et al. 2003; Sitkovsky 1998).
1.8.6 Krankheitsassoziierte Gendefekte Eine wichtige Gruppe von Genen, die funktionell mit den Dinukleotiden zusammenhången, sind die der purinergen Rezeptoren. Untersuchungen an rekombinant exprimierten purinergen Rezeptoren haben gezeigt, dass Diadenosine die P2X-Subtypen P2X1, P2X2, P2X3 und P2X4 (Tabelle 1.8.1) sowie die P2Y-Subtypen P2Y1, P2Y2 und P2Y13 (Tabelle 1.8.2) aktivieren kænnen. Krankheitsassoziierte Gendefekte wurden bisher fçr den P2X1 (Oury et al. 2000) und den P2X7-Rezeptor berichtet, wobei
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H. Schlçter
Letzterer nur indirekt mit den Diadenosinen zusammenhångt, nåmlich mit dem Metaboliten ATP. Øhnliches gilt fçr den P2Y12-Rezeptor. Fçr den P2X1-Rezeptor ist ein Gendefekt beschrieben, der die Deletion eines Leucins betrifft. Diese Deletion kann in einer Sequenz von vier aufeinander folgenden Leucinen auftreten und die Leucine leu-351, leu-352, oder leu-353 betreffen. Die Leucine 351±354 sind in der zweiten transmembranalen Domåne des P2X1-Rezeptors lokalisiert. Patienten, die die entsprechenden Gendefekte tragen, zeigen eine Stærung in der ADP-induzierten Thrombozytenaggregation. Die Mutation bewirkt, dass sich der Kanal nach Stimulierung mit ADP oder ATP nicht mehr æffnen kann (Oury et al. 2000). Eine weitere Gruppe von Genen, die mit der Funktion der Alarmone assoziiert sind, sind solche, die Dinukleotid metabolisierende Proteine codieren. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Genstruktur und Tumorerkrankungen ist mittlerweile vielfach fçr die Ap3A-Hydrolase mit der Bezeichnung FHIT, einem Protein mit Tumorsupressorfunktion, nachgewiesen, obwohl bis heute nicht eindeutig geklårt ist, in welchem funktionellen Zusammenhang Tumorsupressorfunktion und Ap3AHydrolase-Aktivitåt stehen. Das fhit-Gen ist mit der Entstehung verschiedener Krebserkrankungen beim Menschen assoziiert, wie Magen-, Lungen-, Brust- und Leberkrebs. Hierbei besteht ein auffålliger Zusammenhang mit Karzinogenen, die aus der Umwelt stammen (Huebner u. Croce 2003). Der Locus des fhit-Gens wurde erstmals 1979 in Zusammenhang mit einem Tumor gebracht. Cohen et al. (Cohen et al. 1979) beobachteten eine konstitutionelle Translokation zwischen Chromosom 3 und 8 (t(3;8)(p14.2; q24.13)), die mit einem Klarzellkarzinom der Nieren assoziiert ist. Wang und Perkins (Wang u. Perkins 1984) konnten nachweisen, dass der Bruch des Chromosoms 3 an der Position 3p14.2 geschieht. Die Identifizierung des Gens fhit, welches den fragilen Locus FRA3B um die Position 3p14.2 çberspannt, gelang Ohta et al. (Ohta et al. 1996). In der Region FRA3B sind Chromosomenbrçche, verursacht durch die Einwirkung von Karzinogenen, besonders håufig zu beobachten. Fhit kann bereits in frçhen Stadien der Karzinogenese eine entscheidende Rolle spielen. Der Verlust der FHIT-Aktivitåt ist ein frçhes Ereignis in der Karzinogenese, die durch das Einwirken von chemischen Karzinogenen ausgelæst werden kann (Ishii et al. 2003). Bei Patienten mit hohem Alkohol- oder Tabakkonsum fand sich die Abber-
ration des fhit-Gens in einem signifikant hæheren Prozentsatz als bei diesbezçglich anamnestisch unauffålligen Patienten (Ho et al. 2002). DNA-Deletionen auf 3p14 verbunden mit einem verånderten fhit-Gen-Produkt wurden bereits von Pandis et al. sowohl in Brustkarzinomen als auch in Fibroadenomen detektiert (Pandis et al. 1997). Als Haupteffekt der gestærten Genexpression liegt mæglicherweise primår eine gesteigerte Zellproliferation vor. In dem Fall, in dem das fhit-Gen initial bei der Tumorentstehung betroffen ist, bewirkt die Abberation des fhit-Gens eine Reduktion des Proteins FHIT und infolge dessen eine verminderte Tumorsuppressorwirkung. Als Folge ist eine Expansion der Tumorzellen zu beobachten, gekennzeichnet durch erhæhtes Zellwachstum und verminderte Apoptose. Der Verlust der FHIT-Aktivitåt wurde aber auch bei Tumorarten beobachtet, bei denen das initiale Ereignis der Tumorentstehung nicht mit dem initialen Verlust der FHIT einhergeht, sondern eine andere Ursache hat (Ishii et al. 2003). Ein Verlust der FHIT-Funktion kann auch durch aberrante Methylierung entstehen, wie in Bronchial- und Mammakarzinomen håufig zu beobachten (Burbee et al. 2001). McLennan et al. vermuteten (McLennan et al. 1998), dass die menschliche Ap4A-Hydrolase, ein Mitglied der MutT- bzw. Nudix-Familie, in åhnlichen Zusammenhången steht wie FHIT. Die menschliche Ap4A-Hydrolase wird von dem Gen aph1 codiert (Thorne et al. 1995). Das Gen ist auf dem Chromosom 9p13 lokalisiert. McLennan et al. (McLennan et al. 1998) vermuten, dass dieses Gen eine Tumorsupressorfunktion åhnlich dem fhitGen haben kænnte. Da vermutlich eine nicht unerhebliche Zahl von Genen, die direkt mit der Funktion der Alarmone zusammenhången, noch nicht identifiziert sind, kann spekuliert werden, dass es zukçnftig gelingen wird, weitere Gendefekte zu lokalisieren, die mit den Alarmonen assoziiert sind.
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2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide Janine Prange-Kiel und Gabriele M. Rune
Inhaltsverzeichnis 2.1.1
Grundlagen der Neurosteroide . . . . . . .
2.1.2
2.1.2.2.4
Effekte von Neurosteroiden auf das Nervensystem . . . . . . . . . . . . . Progesteron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ústrogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ústrogene Effekte auf das cholinerge System Ústrogene Effekte auf das serotonerge System . . . . . . . . . . Ústrogene Effekte auf das dopaminerge System . . . . . . . . . Hippocampus . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3
Vermittlung von Neurosteroideffekten . . .
2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.2.1 2.1.2.2.2 2.1.2.2.3
225
2.1.4 2.1.4.1
226 226 228 229
2.1.4.2 2.1.4.3 2.1.4.4 2.1.4.5 2.1.4.6 2.1.4.7
Steroidsynthese im ZNS . . . . . . . . . Steroidogenic Acute Regulatory Protein (StAR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zytochrom P-450SCC . . . . . . . . . . . . Aromatase . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5a-Reduktase . . . . . . . . . . . . . . . . 3a-Hydroxysteroiddehydrogenase . . . . 17b-Hydroxysteroiddehydrogenase . . . Andere steroidogene Enzyme . . . . . .
2.1.5
Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 235
2.1.6
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
229 229 229 230
2.1.1 Grundlagen der Neurosteroide Hormone sind Botenstoffe, die von endokrinen Organen an die Blutbahn abgegeben werden und auf diese Weise ihr Zielgewebe erreichen, was wir als endokrine Sekretion bezeichnen. Die Regulation dieser Hormonproduktion und ihre Ausschçttung erfolgt çber Regelkreise, entweder direkt, wenn die endokrinen Zellen selbst die Regelgræûe messen (direkte Rçckkopplung) oder aber indirekt. Die Messfçhler liegen bei dieser indirekten Rçckkopplung auûerhalb der endokrinen Drçsen und melden ihre Information çber das Nervensystem an çbergeordnete Regulationszentren im Hypothalamus. Diese steuern dann die Aktivitåt der endokrinen Zellen der Adenohypophyse durch hypothalamische Steuerhormone. Steuerhormone der Adenohypophyse regulieren ihrerseits die Aktivitåt peripherer endokriner Drçsen. Diese hypothalamo-hypophysåre-glandulåre Achse wird in einigen Kapiteln dieses Buches ausfçhrlich behandelt. Hormone dienen der Kommunikation von Zellen des Organismus untereinander und benutzen die Kærperflçssigkeiten als Transportmedium. Wird der Transport çber die Blutbahn benætigt, um an die Zielzellen zu gelangen, sprechen wir von systemischen Hormonen. Abweichend von die-
. . . 231 . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
231 232 233 233 234 234 234
ser klassischen endokrinen Regulation kænnen Hormone ihre Zielzellen auch durch Diffusion erreichen. Wir sprechen dann von parakriner Regulation durch Gewebshormone. Als Gewebshormone im ZNS wirken z. B. Neurotrophine, Prostaglandine, Zytokine, Neuropeptide. Wirken sie auch auf die Hormon synthetisierenden Zellen selber, ist dieser Wirkmechanismus als autokrine Regulation definiert. Aber auch systemische Hormone, sehr håufig im Zusammenspiel mit Gewebshormonen, entfalten ihre Wirkung in vielen Organen in einer para- oder autokrinen Regulation. Wåhrend des gesamten Lebens ist das Gehirn ein wichtiges Zielorgan fçr systemische Hormone. Hormone beeinflussen die Entwicklung und das Wachstum des ZNS, die Differenzierung neuronaler und glialer Strukturen und regulieren zusammen mit anderen Faktoren zerebrale Leistungen wie Lernen und Gedåchtnis. Die Vorstellung, dass das ZNS nicht nur ein wichtiges Zielorgan fçr systemische Hormone, sondern auch ihr Syntheseort ist, stammt aus dem Jahr 1971, als Naftolin erstmals die Aktivitåt der Aromatase im ZNS beschrieb, eines Enzyms der Steroidbiosynthese, das fçr die Aromatisierung des Testosterons zum Ústradiol verantwortlich ist. Wir wissen heute, dass alle Hormone, die vornehmlich in den klassischen endokrinen Organen wie den Nebennieren, der Plazenta und den Gonaden synGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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J. Prange-Kiel und G. M. Rune
thetisiert werden, auch im Gehirn gebildet werden (Compagnone u. Mellon 2000; Stoffel-Wagner 2003; Sierra 2004). Wenn das Gehirn gleichzeitig Syntheseort und Zielorgan fçr Hormone ist, ist damit die Mæglichkeit einer parakrinen, wenn nicht sogar autokrinen Regulation gegeben. Auch im Gehirn sind para-/autokrine Effekte von systemischen Hormonen håufig das Produkt einer Interaktion mit Gewebshormonen, im Gehirn sehr håufig mit Neurotrophinen. Systemische Hormone, die im Gehirn para- und autokrin wirken, gehæren zu den Steroidhormonen und werden als Neurosteroide bezeichnet. Zu ihnen zåhlen die Sexualhormone, wie Ústrogen und Testosteron. Die Synthese von Glukokortikoiden und Mineralokortikoiden ist im Prinzip mæglich, aber bisher nicht direkt im Gehirn nachgewiesen. Dagegen kann die Synthese von Sexualhormonen wie Ústrogen und Progesteron im Gehirn als gesichert angenommen werden. Steroidhormone sind lipophil und gelangen durch Diffusion bzw. aktive Transportmechanismen durch die Plasmamembran der Zielzellen in deren Zytosol bzw. Zellkern. Sie binden an zytoplasmatische und nukleåre Rezeptorproteine. Zytoplasmatische Rezeptor-HormonKomplexe werden anschlieûend in den Zellkern transloziert und binden dort an hormonspezifische Promotorelemente von verschiedenen hormonresponsiven Genen. Dieser klassischen genomischen Wirkungsweise von Steroidhormonen, die in der Regel verzægerte Antworten von Stunden bis Tagen nach sich ziehen, stehen schnelle, sog. ¹nichtgenomischeª Effekte gegençber: z. B. kænnen im Gehirn einige Steroide direkt an neurotransmitterabhångige Ionenkanåle der Synapse binden und eine Antwort in Sekunden oder Millisekunden hervorrufen. Diese Steroide werden, unabhångig von ihrem Syntheseort als neuroaktive Steroide klassifiziert, im Gegensatz zu den neuroinaktiven Steroiden, die im Gehirn zwar synthetisiert werden, ihre nichtgenomische Wirkung aber in anderen Organen entfalten. Wie die Effekte im Gehirn von Hormonen aus peripheren Quellen von den Effekten von lokal produzierten Hormonen zu unterscheiden sind und ob es Wechselwirkungen zwischen den Syntheseorten gibt, ist abgesehen von der hypothalamohypophysåren Achse weitestgehend ungeklårt. Wie im Gehirn produzierte Steroide auf die hypothalamo-hypophysåre Achse wirken, ist ebenso unklar. Im vorliegenden Kapitel sollen die zerebrale Steroidsynthese und die extrahypothalamischen und extrahypophysåren Wirkungen dieser lokal gebildeten Steroide im ZNS beschrieben werden.
2.1.2 Effekte von Neurosteroiden auf das Nervensystem Von den aus der Literatur bekannten Effekten von Neurosteroiden sind am intensivsten die Wirkungen von Progesteron und Ústrogen beschrieben worden, so dass wir uns hier auf diese beiden Sexualhormone beschrånken.
2.1.2.1 Progesteron Erste Hinweise auf eine neuroprotektive Wirkung von Progesteron lieferte der Befund, dass weibliche Ratten sich nach einer traumatischen Gehirnverletzung besser erholen und weniger Údeme aufweisen als månnliche Ratten (Schumacher et al. 2004). Auch wiesen weibliche Tiere mit hohen Progesteronkonzentrationen im Serum (¹pseudopregnantª) nach einem zerebralen Gehirnschaden auffållig weniger Údeme auf, wenn sie mit Progesteron behandelt worden waren. Månnliche Tiere, mit Progesteron behandelt, bildeten im Gegensatz zu den unbehandelten månnlichen Tieren so gut wie keine Údeme nach dem Insult aus. Es lieûen sich eine Reduktion der Údeme nach Progesteronbehandlung und positive Effekte auf die neuronale Degeneration beobachten. Eine Verhaltensverschlechterung, wie sie nach einer Hirnkontusion typisch ist, lieû sich durch Progesteron aufhalten. Dieser Effekt war selbst dann noch nachweisbar, wenn die Behandlung mit Progesteron erst 24 Stunden nach dem Insult begonnen wurde. Øhnliche neuroprotektive Effekte von Progesteron sind nach Axiotomie, zerebraler Ischåmie und Verletzungen des Rçckenmarks beobachtet worden. Die unmittelbare Progesteronvorstufe Pregnenolon rief åhnliche Effekte hervor, wobei nicht klar ist, ob Pregnenolon innerhalb des ZNS zu Progesteron metabolisiert wird oder ob es direkt auf die Neurone wirkt. Eine direkte Wirkung von Pregnenolon ist insofern nicht auszuschlieûen, als neuste Untersuchungen gezeigt haben, dass es an das ¹microtubulin-associated protein 2ª (MAP2) in Dendriten binden kann und dort die MAP2-induzierte Tubulinorganisation beeinflussen kann (Murakami et al. 2000). Der neuroprotektive Effekt von Progesteron konnte in der Wobbler-Maus eindrucksvoll nachgewiesen werden. Die rezessive Mutation von Chromosom 11 in diesen Tieren fçhrt wåhrend der frçhen postnatalen Entwicklung zu einer Motoneurondegeneration im Rçckenmark und im Hirnstamm und ist damit ein wertvolles Tiermodell fçr das
a Studium von Motoneuronerkrankungen einschlieûlich der sog. amyotrophische Lateralsklerose. Die ersten Manifestationen dieser Erkrankung werden dabei in den ersten zwei bis drei Lebenswochen beobachtet. Eine Behandlung dieser Tiere mit Progesteron im Erwachsenenstadium fçr zwei Wochen fçhrt zu einer eindeutigen Verbesserung der Motoneurondegeneration, die sich nicht zuletzt auch in einer verringerten Vakuolisierung der Zellen selber und in einem besseren Erhalt der subzellulåren Strukturen, wie Mitochondrien und endoplasmatischem Reticulum, dokumentieren. Eine Progesteronbehandlung zog darçber hinaus eine hæhere Ûberlebensrate der Tiere nach sich und eine verbesserte Muskelkraft, die in aufwendigen Verhaltensexperimenten verifiziert wurde (Gonzalez Deniselle et al. 2002). Fçr die zugrunde liegenden Mechanismen werden verschiedene Erklårungen diskutiert. Unter anderem spekuliert man, dass Progesteron die Lipidoxidation und Zerstærung von Zellmembranen durch freie Radikale inhibiert (Roof et al. 2002). Es ist auch gezeigt worden, dass Progesteron, wie seine Metaboliten, eine Verringerung von neuronaler Erregbarkeit bewirkt, entweder weil es die Aktivitåt von Neurotransmitterrezeptoren beeinflusst oder weil es Neurone vor dem toxischen Zelltod, wie er nach Verletzungen auftritt, bewahrt. Diskutiert wird auch, ob Progesteron die Expression von spezifischen Genen (z. B. bdnf, DeNicola et al. 2003) in Neuronen und Gliazellen reguliert, die im Rahmen einer Verletzung hormonsensitiv werden. Festzuhalten ist, dass Progesteron sowohl direkt auf die Neurone als auch indirekt, vermittelt çber die Gliazellen, neuroprotektiv wirken kann. Es liegen zahlreiche Untersuchungen vor, dass verschiedene Astrozyten- und Motoneuronmarker durch Progesteron in ihrer Expression beeinflusst sind. Wiederholte Injektionen von Progesteron vermehren die Anzahl von GFAP-positiven Astrozyten sowohl in der grauen als auch in der weiûen Substanz, wenn man diese Tiere mit placebobehandelten Kontrollratten vergleicht. Eine solche Vermehrung der GFAP-positiven Astrozyten nach Progesteronbehandlung lieû sich auch im Falle von Rçckenmarksverletzungen beobachten. Darçber hinaus moduliert Progesteron die NADPH-Diaphorase-Expression in Astrozyten in unmittelbarer Nåhe eines Traumas, hingegen nicht in ruhenden Astrozyten. Die NADPH-Diaphorase ist ein histochemischer Marker fçr Nitritoxid-Synthetase (NOS), und eine gesteigerte NO-Synthese ist im Rahmen neuroprotektiver Geschehnisse vielfach nachgewiesen. Marker von spinalen Motoneuronen, z. B. Ace-
2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide
tylcholin-Acetyltransferase (ChAT), GAP 43 und die a3- und b1-Untereinheiten der NaK-ATPase sind auch nach Ústrogenbehandlung in ihrer Expression bei einer spinalen Rçckenmarksdurchtrennung veråndert. Im Falle der ChAT und NaKATPase fçhrt Progesteron zur Aufrechterhaltung ihrer Spiegel, die normalerweise nach spinaler Rçckenmarkdurchtrennung absinken. Denkbar wåre hier ein Einfluss von Ústrogen auf die Progesteronrezeptordichte. Auch hier kænnten die neuronalen Marker im Rahmen der Verletzung eine Sensibilitåt fçr Progesteron entwickelt haben, oder das Niveau der Expression bleibt dadurch erhalten, dass Progesteron auf die Lebensfåhigkeit von Motoneuronen positiv wirkt. In all diesen Experimenten wurde Progesteron von auûen verabreicht, mit anderen Worten, die beschriebenen Wirkungen sind die Wirkungen von exogen zugefçhrtem Progesteron. Die Effekte von lokal synthetisiertem Progesteron sind bislang nur in sehr wenigen Studien untersucht worden. Erste Beobachtungen, dass im Rahmen von zerebralen Verletzungen sowohl der Progesteronspiegel als auch der seiner reduzierten Metaboliten ansteigt, låsst vermuten, dass die lokale Synthese von Neurosteroiden, in diesem Falle von Progesteron, an den neuroprotektiven Mechanismen von Progesteron partizipieren. Zerebellåre Purkinje-Zellen exprimieren Zytochrom P-450SCC und 3b-HSD und haben damit offensichtlich die Kapazitåt, Progesteron lokal zu synthetisieren (Abschn. 2.1.4), insbesondere wåhrend der frçhen postnatalen Periode, mit anderen Worten wåhrend der kritischen Phase der zerebellåren Reifung. In vielen Fållen unterstçtzt Progesteron das dendritische Wachstum und die Synaptogenese von Purkinje-Zellen. Antigestagene, z. B. RU 486, kænnen diesen Effekt blockieren. Im Gegensatz zum Progesteron kann das Neurosteroid 3a,5a-TH-Progesteron solche Effekte an Purkinje-Zellen nicht hervorrufen. Dieser Metabolit kann direkt an den GABAA-Rezeptor binden und dadurch die Aktivitåt von Neuronen inhibieren (Abschn. 2.1.5). In-vitro-Versuche haben darçber hinaus ebenfalls gezeigt, dass in zerebellåren Schnittkulturen von neugeborenen Ratten die Inhibition der lokalen Progesteronsynthese durch den 3b-HSD-Inhibitor Trilostan zu einer Reduktion von dendritischen Spines fçhrt. In diesem Fall ist sogar davon auszugehen, dass Progesteron nicht nur parakrin, sondern auch in einem autokrinen Mechanismus lokal bei der Purkinje-ZellReifung wirkt. Progesteron ist ebenfalls an der Bildung der Myelinscheide beteiligt, die fçr eine schnelle und
227
228
J. Prange-Kiel und G. M. Rune
effiziente Weiterleitung von Aktionspotentialen nætig ist. Dies wurde initial bei regenerierenden peripheren Nerven beobachtet. Schwannsche periphere Gliazellen exprimieren 3b-HSD, und erhæhte Progesteronwerte im Kulturmedium wurden bei neuronaler Aktivitåt gemessen. Nach Låsion des Ischiasnervs traten parallel zur Erhæhung der 3b-HSD-mRNA-Expression auch eine verstårkte Expression der peripheren Myelinproteine (POund PMP22) auf. Diese Experimente lieferten den ersten Hinweis, dass lokal synthetisiertes Progesteron bei der Myelinisierung eine Rolle spielt. Umgekehrt wurde diese Myelinisierung verhindert, wenn nach der Låsion 3b-HSD durch Trilostan, dem oben schon erwåhnten Inhibitor der Progesteronsynthese, eingesetzt worden war (Koenig et al. 1995). In entsprechenden In-vitro-Kultur-Modellen konnte eine solche Vermehrung des Myelins als Antwort auf Progesteronbehandlung beståtigt werden. Auch in diesem Fall wird davon ausgegangen, dass Progesteron seine Wirkung autokrin entfaltet, entweder çber die Regulation des klassischen intrazellulåren Progesteronrezeptors oder durch den membrangebundenen GABAA-Rezeptor, die beide in Schwann-Zellen exprimiert werden (Jung-Testas et al. 1996; Melcangi et al. 1999; Magnaghi et al. 2001). Die Beobachtung, dass Progesteron die Myelinisierung im peripheren Nervensystem çber intrazellulåre Progesteronrezeptoren und çber GABAA-Rezeptoren reguliert, ist insofern bemerkenswert, als es zeigt, dass steroidale Wirkungen in Form einer verånderten Genexpression und çber eine Aktivierung von glialen Membran-Neurotransmitterrezeptoren den langsamen Prozess der Myelinisierung steuert. Zusåtzlich konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die progesteroninduzierte Myelinisierung durch Schwann-Zellen ebenfalls çber die Aktivierung des klassischen Progesteronrezptors funktioniert. Die Zugabe von Progesteron zu neuronalen Kulturen fçhrte zu einer Hochregulation des Progesteronrezeptors. Progesteron stimuliert ebenfalls die Myelinisierung von Oligodendrozyten im ZNS in einer organotypischen zerebellåren Kultur, wie kçrzlich gezeigt wurde (Ghoumari et al. 2003). Wird dem Medium Progesteron zugesetzt, ist die Myelinbildung in vitro sowohl von månnlichen als auch von weiblichen Tieren beschleunigt. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass diese Wirkung çber den klassischen Progesteronrezeptor zustande kommt, weil sie durch RU 486, einen spezifischen Progesteronrezeptorantagonisten, zu inhibieren war und darçber hinaus dieser Effekt in entsprechenden Progesteronrezeptor-KO-Måusen nicht zu beobachten war.
In diesen zerebellåren Explantkulturen beschleunigte auch das 3a,5a-TH-Progesteron çber die Aktivierung des GABAA-Rezeptors die Myelinisierung. Aus diesen Experimenten låsst sich jedoch nicht schlieûen, ob der 3a,5a-TH-Progesteron-Effekt çber eine Aktivierung von Neuronen oder çber eine Aktivierung von Gliazellen zustande kommt. Im Tierexperiment konnte weiterhin gezeigt werden, dass Progesteron und seine myelinisierenden Eigenschaften eine groûe Bedeutung fçr das alternde Nervensystem besitzen. Die Behandlung von alten Ratten inhibierte die altersabhångige Abnahme der Expression des peripheren Myelinproteins PO, wohingegen die Gabe von Androgen diesen Effekt nicht hatte. Die Mæglichkeit einer Myelinreparatur nimmt ebenfalls im Rahmen von Alterungsvorgången im ZNS ab. Auch hier fçhrte die subkutane Injektion von Progesteron bei alten Ratten zu einer langsamen Remyelinisierung nach einer toxininduzierten Demyelinisierung. Fçnf Wochen nach der gesetzten Låsion war die Anzahl der myelinisierten Axone bei Progesteronbehandlung signifikant erhæht.
2.1.2.2 Ústrogen Wie fçr das Progesteron sind neuroprotektive Effekte auch fçr Ústrogen beschrieben. Die meisten dieser Ergebnisse stammen aus In-vitro-Experimenten, in denen gezeigt werden konnte, dass Ústrogen die Ûberlebensrate von Zellen positiv beeinflusst, z. B. nach epileptischen Anfållen, das Neuritenwachstum beschleunigt und unter dem Einfluss von neurotoxischen Substanzen, wie z. B. hohen Dosen von Glutamat, neuroprotektiv wirkt. Interessant sind in diesem Zusammenhang Studien, die eine neuroprotektive Funktion von Ústrogen gegen b-Amyloid-Toxizitåt zeigen konnten (Behl 2005). b-Amyloid spielt bei der Alzheimerschen Erkrankung eine entscheidende Rolle. An dieser Stelle muss hinzugefçgt werden, dass in manchen dieser Studien Progesteron åhnliche Effekte hatte. Ein Mechanismus, der sehr spezifisch dem Ústrogen zuzuschreiben ist, ist die Regulation der bcl-2-Gene, die nachgewiesenermaûen den programmierten Zelltod (Apoptose) unterdrçcken, und es ist somit davon auszugehen, dass Ústrogen çber eine Genregulation Apoptose verhindern kann (Pike 1999).
a
2.1.2.2.1 Ústrogene Effekte auf das cholinerge System Das basale Vorderhirn enthålt cholinerge Neurone, die sowohl in den zerebralen Kortex als auch in den Hippocampus projizieren, wo sie eine entscheidende Rolle bei der Kognition spielen. Ústrogene Effekte auf das cholinerge System gehærten zu den ersten Studien çber gonadale Steroide und ihre Wirkung auf Hirnregionen, die keine reproduktionsbiologische Bedeutung besitzen (McEwen 2002). Die ChAT wird durch Ústrogen induziert und diese æstrogeninduzierte ChAT-Expression ist gefolgt von einem verstårkten Transport von Acetylcholin vom Zellkærper zu den Nervenendigungen, z. B. solchen, die im zerebralen Kortex oder im Hippocampus enden. Ovarektomie und die nachfolgende Abnahme der Wiederaufnahme des Acetylcholins und der ChAT-Aktivitåt lieû sich durch Ústrogenbehandlung verhindern. Des Weiteren zeigen Studien eine Abhångigkeit der c-Glutamatdecarboxylase(GAD)-mRNA-Expression vom genitalen Zyklus im basalen Vorderhirn der Ratte. GAD synthetisiert GABA, den wichtigsten inhibitorischen Transmitter im ZNS. Viele dieser Effekte konnten im månnlichen Gehirn nicht gefunden werden, was darauf hindeutet, dass die sexuelle Differenzierung des cholinergen Systems wåhrend der Entwicklung entweder frçher passiert oder aber die Aromatisierung von Testosteron zu Ústradiol nicht involviert ist. Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse eine sexuell differenzierte Organisation des cholinergen Systems im basalen Vorderhirn der Ratte, was sowohl die neuroanatomische Organisation als auch die Responsivitåt auf Ústradiol einschlieût. Im Zusammenhang mit Ústrogeneffekten auf das cholinerge System ist die regulatorische Rolle des ¹nerve growth factorª (NGF), der im Hippocampus synthetisiert wird und retrograd in das basale Vorderhirn transportiert wird, erwåhnenswert. Zum Beispiel kolokalisiert der Ústrogenrezeptor (ER) a mit dem NGFRezeptor in cholinergen Neuronen, und Ústrogenbehandlung steigert die trkA (NGF-Rezeptor)mRNA und gleichzeitig die ChAT-mRNA in diesem Hirnanteil (Singer et al. 1998).
2.1.2.2.2 Ústrogene Effekte auf das serotonerge System Das serotonerge System im Mittelhirn und im Hirnstamm projiziert unter anderem in den Hypothalamus, den Hippocampus und den Kortex. Ova-
2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide
rielle Steroide sind offensichtlich in der Lage, seine Aktivitåt zu beeinflussen, wobei die zugrunde liegenden Mechanismen nicht verstanden sind. Eine direkte Ústrogensensitivitåt von serotonergen Neuronen ist bislang am Besten an den Raphekernen untersucht. In Tierexperimenten wurde gezeigt, dass Ústrogene hier die Expression der Tryptophanhydroxylase, dem Serotonin synthetisierenden Enzym, erhæhen. Auf die Serotoninsynthese selbst haben Ústrogene jedoch nur in Kombination mit Progesteron Einfluss. Auch die Expression des ¹serotonin reuptake transportersª wird im Tiermodell von Ústrogen reguliert (McQueen et al. 1997). In Einklang mit diesem Befund steht die Tatsache, dass Ústrogene eine antidepressive Wirkung haben. Ûber das serotonerge System der medianen Raphe nimmt Ústrogen auch Einfluss auf die Synapsenbildung im Hippocampus, in den es çber mindestens zwei verschiedene Wege projiziert (Prange-Kiel et al. 2004). Es sind also eine Vielzahl von Mæglichkeiten bekannt, wie Ústrogene und Progesteron, vermittelt durch das serotonerge System, Kognition und Stimmung beeinflussen.
2.1.2.2.3 Ústrogene Effekte auf das dopaminerge System Dopaminerge Neurone befinden sich in verschiedenen Regionen des Hypothalamus und repråsentieren die interne Quelle fçr die dopaminerge Innervation sowohl des Hypothalamus als auch der pråoptischen Region. Ústrogen unterstçtzt nachgewiesenermaûen die Dopaminabgabe und beeinflusst motorische Aktivitåt. Im Striatum fçhrt eine Ovarektomie zu einer Abnahme der depolarisationsinduzierten Abgabe von Dopamin, wobei es bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Insgesamt ist ein sexueller Dimorphismus bei æstrogenen Effekten auf das dopaminerge System hervorzuheben (McEwen u. Alves 1999). Darçber hinaus ist von einer Fçlle von æstrogenen Effekten auf die Dopaminrezeptorexpression berichtet worden.
2.1.2.2.4 Hippocampus Am intensivsten und eindrucksvollsten sind æstrogene Effekte im Hippocampus beschrieben worden. In den 90er Jahren fanden Bruce McEwen und Mitarbeiter, dass die Behandlung von ovarektomierten Tieren mit Ústrogen zu einer Zunahme von dendritischen Spines an den apikalen Dendriten der CA1-Prinzipalneurone fçhrt (CA1 und CA3 sind spezifische Areale im Pyramidenzellband des Hippocampus). Spines repråsentieren den postsynapti-
229
230
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schen Teil einer Synapse, und ihre Neubildung låsst sich als Parameter fçr Synapsenbildung schlechthin benutzen. Somit wurde auch hier eine verstårkte Spinebildung als Indikator fçr eine Neuformation von Synapsen gesehen. Seit diesen initialen Experimenten sind viele Studien çber Ústrogen und Synapsenbildung publiziert worden. Der Effekt von Ústrogen auf Spinebildung war ausgesprochen spezifisch. Er war nur in der CA1-Region, nicht hingegen in der CA3-Region nachweisbar und betraf nur Spinesynapsen und nicht Schaftsynapsen. Zeitgleich zu den ersten Berichten çber æstrogeninduzierte Synapsenbildung erschienen auch erste Studien çber die Expression von Ústrogenrezeptoren (ER) im Hippocampus. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die ER-Expression im Hippocampus auf inhibierende, GABAerge Interneurone beschrånkt ist. Dieser Befund ist mittlerweile durch Folgeuntersuchungen widerlegt: Es ist von einem sehr viel weiter verbreiteten Vorkommen von beiden ER-Subtypen (ERa und ERb) im Hippocampus auszugehen (Rune et al. 2002). Dennoch war das Vorkommen des ERa in Interneuronen Hintergrund fçr eine ¹Disinhibitionstheorieª, weil gleichzeitig auch gezeigt werden konnte, dass Ústrogen die GAD-Expression, das GABA-synthetisierende Enzym, in Interneuronen herunterreguliert. Man ging davon aus, dass es durch eine Reduktion der Hemmung zu verstårkter Aktivitåt in den Prinzipalneuronen des Hippocampus kommt, die dann spineinduzierend wirkt. Auch hier muss angemerkt werden, dass diese Theorie sehr kontrovers diskutiert wird. Synergistisch mit dieser Theorie war allerdings der Befund, dass eine NMDA-Rezeptor-Blockade die æstrogeninduzierte Synaptogenese an dendritischen Spines blockieren kann. Die NMDA-Rezeptor-Dichte (der Rezeptor fçr den erregenden Transmitter Glutamat) in der CA1-Region war nach Ústrogenbehandlung erhæht, und es konnte gezeigt werden, dass insbesondere der NMDA-Rezeptor-Subtyp R1 auf mRNA-Ebene stårker exprimiert war (McEwen 2002). Trotz vieler, manchmal auch widersprçchlicher Ergebnisse, was den æstrogenen Effekt auf Synaptogenese betrifft, kann man zusammenfassend dennoch davon ausgehen, dass Ústrogen nicht nur auf die Struktur selbst, mit anderen Worten auf den postsynaptischen Spine und auf den pråsynaptischen Bouton, einen Einfluss hat, sondern darçber hinaus auch prå- und postsynaptische Proteine reguliert. Bei der Untersuchung æstrogeninduzierter Synapsenbildung konnten wir dabei nachweisen, dass diese Synapsenbildung para-, wenn nicht autokrin reguliert ist. In einem geeigneten in-vitro-System konnten wir zeigen, dass pyramidale Neurone
in der Lage sind, de novo Ústradiol zu synthetisieren. Eine pharmakologische (Aromataseinhibitor) als auch genetische (siRNA- gegen StAR-tranfizierte Zellen) Inhibition dieser Ústrogensynthese in den hippocampalen Neuronen hatte zur Folge, dass es zu einer Verminderung von Spinesynapsen im Hippocampus und einer entsprechenden Herunterregulation von synaptischen Proteinen kam. Dieser Effekt lieû sich wieder aufheben bei gleichzeitigem Einsatz des Aromatasehemmers in Kombination mit Ústradiol.
2.1.3 Vermittlung von Neurosteroideffekten Sowohl beim Ústrogen als auch beim Progesteron setzen die Effekte an den entsprechenden Zellen Rezeptoren voraus. Rezeptoren fçr beide Steroide sind im gesamten ZNS weit verbreitet, und zwar weiter verbreitet als die initialen Beschreibungen ihrer Expression vermuten lieûen. Sowohl beim ER als auch beim Progesteronrezeptor (PR) sind zwei Isoformen bekannt: im Falle des ER die Subtypen ERa und ERb, im Falle des PR die Subtypen hPRA und hPRB. Intrazellulåre PRs kommen im gesamten Gehirn und im Rçckenmark vor und sind sogar in peripheren Nerven nachweisbar. Eine hohe Expression findet sich in Gehirngebieten, die mit Reproduktion assoziiert sind, und in diesen Hirnregionen ist der PR nicht nur durch den eigenen Liganden, sondern auch durch Ústradiol induzierbar. In anderen Hirnregionen, z. B. zerebraler Kortex, Septum, Gyrus dentatus, Hippocampus, ist das Expressionsniveau niedriger, und der PR kann in diesen Regionen durch Ústradiol nicht induziert werden. Fçr beide Subtypen des ER ist die Diskussion çber ihr Vorkommen in den verschiedenen Hirnregionen sehr viel kontroverser. Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es bei der Vermittlung sowohl von Ústrogen- als auch von Progesteroneffekten nicht unbedingt dieses klassischen intrazellulåren Rezeptors bedarf (Klinge 2001; McEwen 2002; Schumacher et al. 2004). Insbesondere beim Progesteron sind einige Membran-Neurotransmitter-Rezeptoren als Targets fçr die modulatorischen Effekte von Progesteron identifiziert worden. Hier ist an erster Stelle der GABAA-Rezeptor zu nennen, aber auch der nikotinische Acetylcholinrezeptor. Weiterhin sind fçr beide Steroidhormone mægliche membrangebundene Effekte in der Diskussion, die Spekulationen çber einen membranståndigen Rezeptor initiiert
a haben. Auf diesem Hintergrund sind Progesteronund Ústrogeneffekte als sog. ¹rapid effectsª definiert worden, wo es nach Ligandstimulation innerhalb von Sekunden bis Minuten zu einer Antwort kommt. Diese ¹rapid effectsª, die mæglicherweise durch einen membranståndigen Rezeptor hervorgerufen werden (Revankar et al. 2005), sind den sog. langsamen genomischen der klassischen steroidrezeptorvermittelten Wirkung gegençbergestellt worden. Weiterhin kænnen beide Steroidhormone ihre Aktion çber Second-messenger-Systeme (z. B. cAMP oder das MAP-Kinase-System) entfalten und den Kalziummetabolismus beeinflussen.
2.1.4 Steroidsynthese im ZNS (Abb. 2.1.1) 2.1.4.1 Steroidogenic Acute Regulatory Protein (StAR) Eine Voraussetzung fçr Steroidogenese ist die Verfçgbarkeit von Cholesterol fçr das erste steroidogene Enzym P-450SCC. P-450SCC ist an der inneren mitochondrialen Membran lokalisiert, wohingegen das fçr die Steroidogenese vorgesehene Cholesterol an der åuûeren mitochondrialen Membran akkumuliert. Seine hydrophobe Natur verhindert, dass Cho-
2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide
lesterol von der åuûeren Membran in den intermembranæsen Raum frei diffundieren kann. Die hohe Rate von synthetisierten Steroiden nach hormoneller Stimulation wçrde sich ohne das Protein, das fçr den Transport von Cholesterol an die innere mitochondriale Membran verantwortlich ist, nicht erklåren lassen. Die Mechanismen, mit denen StAR diesen Transport mæglich macht, sind bislang noch nicht hinreichend geklårt (Sierra 2004). Nach hormoneller Stimulation wird StAR als ein 37-kDa-Pråprotein synthetisiert, welches in das Innere des Mitochondriums transportiert wird und danach in eine inaktive 30-kDa-Form transformiert wird, die in der mitochondrialen Matrix zu finden ist. Es gibt andere Proteine, wie den sog. peripheren Benzodiazepinrezeptor (PBR) und das Metastatic-lymphnode-64(MLN 64)-Protein, die ebenfalls fçr den Transport von Cholesterol in das Innere des Mitochondriums verantwortlich gemacht werden. Es finden sich Hinweise darauf, dass zumindest StAR und PBR in einer synergistischen Weise koordiniert sind. Im Gehirn wurde StAR sowohl auf der mRNAEbene nachgewiesen als auch durch entsprechende immunhistochemische Versuche auf der Proteinebene, gleichermaûen in humanem zerebralem Gewebe wie in dem von Maus oder Ratte. StAR-Expression ist sowohl in Neuronen als auch in Gliazellen pråsent. Innerhalb des Gehirns finden wir die hæchste Expression im Neokortex, im Thalamus, im Hippo-
Abb. 2.1.1. Biosynthese von Steroidhormonen. (Aus Mensah-Nyagan et al. 1999)
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campus und in den Purkinje-Zellen des Cerebellums (Sierra 2004). Die weit verbreitete Expression von StAR im Gehirn stimmt çberein mit der weit verbreiteten Expression von steroidogenen Enzymen im Gehirn generell. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Steroidbiosynthese nicht ein auf wenige Bereiche im Gehirn beschrånkter Vorgang, sondern ein eher generalisierter Prozess im gesamten Gehirn ist. Die meisten StAR exprimierenden Zellen im Gehirn sind Neurone. Erste Studien wiesen nach, dass StAR bevorzugt in hippocampalen Pyramidenzellen sowohl in vivo als auch in vitro vorkommt. Aber auch nachfolgende Studien konnten zeigen, dass StAR-Expression in Neuronen von vielen spezifischen Hirngebieten sowohl in der Maus als auch in der Ratte nachweisbar waren. Es stellte sich dabei heraus, dass StAR in vielen, aber nicht in allen Neuronen, mit der Expression von steroidogenen Enzymen kolokalisierte. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass ein organisierter Transport von Vorstufen fçr eine effektive Synthese von Steroiden in vielen Hirnarealen nætig ist. Es ist auch vorstellbar, dass eine Kollaboration zwischen Neuronen, Astrozyten und Oligodendrozyten die Steroidbiosynthese im Gehirn garantiert. Es finden sich Hinweise darauf, dass StAR bei der Neurogenese und beim Erhalt der zerebralen neuronalen Verschaltung nach Hirnverletzungen eine Rolle spielt. StAR wurde auch in mitotisch aktiven Zellen der subventrikulåren Zone, von der aus proliferierende Vorlåuferzellen zum Riechkolben hin migrieren, gefunden. Gleichermaûen war StAR pråsent in neuroepithelialen Zellen der frçhen postnatalen Entwicklung. Dies zusammengenommen weiût darauf hin, dass die lokale Produktion von Steroiden regulative Funktionen bei der Neurogenese hat. Neuroprotektive Wirkungen wurden von StAR ebenfalls beschrieben, z. B. zeigen Ratten, die mit Kainat, einem hochpotenten Neurotoxin, behandelt wurden, einen deutlichen Anstieg der StAR-Expression in Neuronen (Sierra 2004). Es ist davon auszugehen, dass eine Ûberexpression von StAR unmittelbar nach einem zerebralen Insult die erste Antwort auf eine primåre Neurodegeneration ist, um die Regulation und Produktion von neuroprotektiven Steroiden, wie z. B. Progesteron, Dihydroepiandrosteon (DHEA), Testosteron und Ústradiol zu induzieren. Darçber hinaus lieû sich auch nachweisen, dass StAR nicht nur einen signifikanten Effekt auf die neuronale Ûberlebensrate hat, sondern den Cholesterolmetabolismus im Gehirn, der fçr sich allein genommen auch noch neuroprotektiv ist, ebenfalls reguliert. So hat Cholesterol z. B. einen positiven Effekt auf synaptische Plastizi-
tåt. Cholesterol, synthetisiert in Gliazellen, unterstçtzt die Synapsenbildung. Auch in diesem Fall kann Cholesterol auf der einen Seite fçr die Aufrechterhaltung neu gebildeter Membranen im Zuge der Synaptogenese nætig sein, es kann aber auch seine neuroprotektiven Wirkungen dadurch entfalten, dass die Produktion steroidaler Metaboliten ansteigt. Damit stimmen auch Daten çberein, die zeigten, dass eine Aktivierung von NMDA-Rezeptoren und der nachfolgende Einstrom von Kalzium die Umwandlung von der 37-kDa-Form von StAR in die 30-kDa-Form induziert und damit zeigt, dass StAR in die Mitochondrien transportiert worden ist und dort Steroidogenese initiiert, was durch den nachfolgenden Anstieg von Pregnenolon substanziiert wurde. Diese Ergebnisse zeigen, dass neuronale Aktivitåt die Synthese von auto-/parakrinen Steroidneuromodulatoren, wie z. B. Progesteron und Ústrogen, durch StAR reguliert. StAR-Expression ist ebenfalls in Gliazellen gefunden worden, insbesondere in Astrozyten, was mit der Fåhigkeit der Astrozyten, Pregnenolon zu synthetisieren, çbereinstimmt. StAR wurde nicht gefunden in Oligodendrozyten, obwohl steroidogene Enzyme dort ebenfalls vorhanden sind. Kultivierte Schwann-Zellen exprimieren StAR, die weitergehenden steroidogenen Enzyme jedoch nur dann, wenn sie sich in einem myelinisierten Status befinden. Diese Befunde fçhrten zu der Hypothese, dass hauptsåchlich Astrozyten zur Produktion von Neurosteroiden beitragen, die dann ihrerseits die Differenzierung von Oligodendrozyten und die Myelinisierung peripherer Glia nach sich ziehen. Zusammengenommen låsst sich festhalten, dass StAR in spezifischen neuronalen Populationen weit verbreitet ist, aber auch in Gliazellen vorkommt. Das Gehirn selber reguliert die Menge von Cholesterol durch eine De-novo-Synthese, was durch zahlreiche Experimente belegt ist, da Cholesterol die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann (Mauch et al. 2001). Diese De-novo-CholesterolSynthese, zusammen mit der hohen Expression von StAR im Gehirn, weist darauf hin, dass wir beim Gehirn von einem unabhångigen steroidogen Organ ausgehen kænnen.
2.1.4.2 Zytochrom P-450SCC Die Expression von P-450SCC (Zytochrom P-450SCC, CYP11A1) induziert die De-novo-Synthese von Neurosteroiden, weil es als einziges Enzym die Metabolisierung der Steroidvorstufe Cholesterol zu Pregnenolon bewirkt. P-450SCC ist codiert durch
a ein einzelnes Gen auf Chromosom 15, dem cyp11a1-Gen. Sobald Pregnenolon aus Cholesterol synthetisiert ist, kann es weiter umgewandelt werden zu Progesteron oder anderen neuroaktiven Steroiden. Die entscheidende Rolle von P-450SCC im Gehirn ist aber wahrscheinlich die Regulation der Neurosteroidproduktion. Die Expression von cyp11a1-mRNA wurde im Gewebe untersucht, das vom temporalen und frontalen Neokortex und subkortikaler weiûer Substanz im Temporallappen stammte und im Hippocampus von Patienten mit therapieresistenter chronischer Temporallappenepilepsie. In diesen Hirngebieten konnten betråchtliche Mengen cyp11a1-mRNA gemessen werden, wobei allerdings zu sagen ist, dass die Rate ca. 200fach geringer ist als in der Nebenniere, die von allen endokrinen Drçsen die hæchste cyp11a1-Expression aufweist. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die cyp11a1-mRNA-Expression im menschlichen Gehirn somit vergleichbar ist mit jener, wie sie çber qualitative reverse TranskriptasePolymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) fçr die Ratte bestimmt worden ist (Mellon und Deschepper, 1993; Sanne u. Krueger 1995; Warner u. Gustafsson 1995). Im Menschen steigt die cyp11a1mRNA-Konzentration im Schlåfenlappen wåhrend der Kindheit bis hin zum Erwachsenenstadium kontinuierlich an (Watzka et al., 1999). Weiter ist im Temporallappen und im frontalen Neokortex wie auch im Hippocampus von Frauen die cyp11a1-Expression signifikant hæher als in vergleichbaren Strukturen des Mannes (Beyenburg et al. 1999). Ûber die relative Menge von cyp11a1mRNA im Gehirn von månnlichen und weiblichen Tieren ist wenig bekannt, aber qualitative Studien wiesen darauf hin, dass keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bestehen (Kohchi et al., 1998). Weiterhin demonstrierten In-situ-Hybridisierungsstudien und Zellkulturexperimente, dass im Rattenhirn die cyp11a1-Expression vornehmlich in der subkortikalen weiûen Substanz vorkommt. Diese Unterschiede zwischen Neokortex und subkortikaler Substanz konnten beim Menschen dagegen nicht nachgewiesen werden. In jedem Fall ist festzuhalten, dass im menschlichen Gehirn eine erhebliche Produktion von Pregnenolon vorliegt, was sich durch die Aktivitåt und Pråsenz der cyp11a1-mRNA nachweisen lieû. Obwohl die Produktion von Pregnenolon nachgewiesen wurde, ist çber seine funktionelle Bedeutung nichts bekannt.
2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide
2.1.4.3 Aromatase Zytochrom P-450Aromatase katalysiert die Umwandlung von Androgenen zu Ústrogenen in definierten Hirnarealen. Dieser Schritt wird vom Translationsprodukt des CYP19-Gens katalysiert, das bereits kloniert und sequenziert worden ist. Bislang ist im fetalen humanen Gehirn nur wenig Aromataseaktivitåt nachgewiesen worden. In den meisten Studien wurde Aromataseaktivitåt hauptsåchlich im temporalen und frontalen Gehirn nachgewiesen. Dabei stammte das Gewebe sowohl von adulten Kontrollpatienten als auch von Patienten mit Alzheimer-Erkrankung. Unabhångig vom Geschlecht und von der Erkrankung war dabei die temporale Aromataseaktivitåt signifikant hæher als die in frontalen Hirnregionen. Dieser Unterschied lieû sich ebenfalls verifizieren in Gewebe von erwachsenen Patienten, die eine chronisch resistente Epilepsie aufwiesen und neurochirurgisch behandelt wurden. Die Expression von Aromataseaktivitåt war ebenfalls im humanen Hippocampus und in der weiûen Substanz des Temporallappens nachweisbar. Auch in diesem Fall lieû sich ein Geschlechterunterschied nicht feststellen. Diese Aromataseaktivitåt konnte durch einen spezifischen Aromataseinhibitor dosisabhångig inhibiert werden. Im Vergleich zur Aromataseaktivitåt in der Plazenta ist die Aromataseaktivitåt im humanen Gehirn relativ gering (Steckelbroeck et al. 1998). Das Aktivitåtsniveau ist vergleichbar mit dem in humanem Fett- oder Hodengewebe. Im Vergleich von Neokortex mit subkortikaler weiûer Substanz war sowohl im Gewebe von Kindern als auch von Erwachsenen die Aromataseaktivitåt im zerebralen Neokortex hæher als in der subkortikalen weiûen Substanz (Steckelbroeck et al. 1998). Ein solcher Unterschied in der Expression von CYP19-mRNA lieû sich im menschlichen Temporallappen jedoch nicht nachweisen. In diesem Hirnareal war auffållig, dass die Konzentration im Gewebe von Kindern insgesamt deutlich niedriger war als in dem von Erwachsenen. An dieser Stelle sei noch erwåhnt, dass dieser Befund sich auf der Proteinebene nicht nachweisen lieû und auf diesem Hintergrund eine Regulation auf dem postranslationalen Niveau nicht auszuschlieûen ist.
2.1.4.4 5a-Reduktase In zahlreichen Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass Progesteron in kçrzester Zeit zu 5a-Dihydroprogesteron (5a-DHP) metabolisiert
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wird. Diesem Schritt folgt eine weitere Reduktion zum 3a,5a-Tetrahydroprogesteron (3a,5a-THP), ein weiteres hochpotentes Neurosteroid. Diese Schritte werden durch die 5a-Reduktase und die 3a-Hydroxysteroiddehydrogenase katalysiert. Im humanen Gewebe sind zwei Isoformen der 5a-Reduktase, die sich sowohl in ihrer Gewebeverteilung als auch in ihren biochemischen Charakteristika unterscheiden, gefunden worden. Auch die Responsivitåt auf spezifische Inhibitoren war dabei unterschiedlich. Obwohl die meisten physiologischen und biochemischen Untersuchungen çber 5a-Reduktase im Gehirn in Labornagern vorgenommen wurden, konnte gezeigt werden, dass 5a-Reduktase auch im humanen fetalen Gehirn exprimiert wird. Darçber hinaus finden sich Hinweise fçr eine Expression im Frontal- und Schlåfenlappen an Gehirnen von Erwachsenen. Von den zwei Isoformen wurde in erheblichem Umfang 5a-Reduktase-Typ-1-mRNA in humanem Gewebe von Patienten mit therapierefraktårer Epilepsie untersucht. Die Expression wurde dabei vornehmlich im temporalen Neokortex und in subkortikaler weiûer Substanz sowie auch im hippocampalen Gewebe gefunden. Die 5a-Reduktase-Typ-2-mRNA wurde nicht exprimiert. Andere Studien beståtigten, dass die 5a-ReduktaseTyp-1-mRNA im humanen Cerebellum, Hypothalamus und Brçcke post mortem nachweisbar war. Aufwendige Untersuchungen mit spezifischen Inhibitoren im temporalen Neokortex wiesen nach, dass in der Tat die 5a-Reduktase-Typ-1-Form dominante Expression im Gehirn zeigt (Stoffel-Wagner et al. 1998 b, 2000). Unterschiede zwischen månnlichem und weiblichem Gewebe lieûen sich nicht nachweisen, weder auf der mRNA- noch auf der Proteinebene. In der Ratte lieûen sich ebenfalls keine Geschlechtsunterschiede der Expression nachweisen.
2.1.4.5 3a-Hydroxysteroiddehydrogenase Fçr die 3a-Hydroxysteroiddehydrogenase (3a-HSD) existieren wenigstens drei Isoformen (Typ 1, 2, 3) und 20a-HSD. Alle drei humanen 3a-HSD und die humane 20a-HSD agieren sowohl als 3,17- und 20a-Keto-Steroidreduktasen als auch als 3,17- und 20a-Hydroxysteroiddehydrogenasen. Bislang konnten in humanem Gewebe von Epilepsiepatienten die Isoformen 2 und 3 im Hippocampus und im Schlåfenlappen nachgewiesen werden. In diesem Gewebe lieû sich ein Geschlechterunterschied nicht verifizieren. Die drei Isoformen 3a-HSD 2 und 3 und 20a-HSD sind insofern von besonderem Inte-
resse, als sie neuroaktive Tetrahydrosteroide produzieren, die eine Modulation des GABAA-Rezeptors hervorrufen kænnen (Penning et al. 2000).
2.1.4.6 17b-Hydroxysteroiddehydrogenase Von der 17b-Hydroxysteroiddehydrogenase (17bHSD) sind bislang sieben Isoenzyme bekannt (Kap. 6.1). Sie spielen eine Rolle in der Regulation und der biologischen Aktivitåt von Sexualhormonen und sind essentiell fçr die Biosynthese von Testosteron und Ústradiol aus ihren schwåcheren Vorlåuferstufen Androstendion und Ústron. Die Metabolisierung ist reversibel und kann eine Deaktivierung der entsprechenden Sexualhormone bedeuten. Die ubiquitåre Verteilung von 17b-HSD in peripherem Gewebe spiegelt die Bedeutung der 17b-HSD-Aktivitåt fçr den Erhalt des physiologischen Spiegels von Ústrogen und Testosteron wider. Die Expression von 17b-HSD im humanen Gehirn ist bereits vor 30 Jahren berichtet worden. Dennoch beschåftigten sich eigentlich nur wenige Studien mit diesem Enzym. 17b-HSD wurde im humanen fetalen Gehirn und beim Erwachsenen im Schlåfenlappen und im Hippocampus nachgewiesen. Substratspezifitåt, pH-Optima, Kofaktoren und kinetische Eigenschaften weisen darauf hin, dass wenigstens zwei Isoenzyme, nåmlich die aktivierende 17b-HSD 3 und die deaktivierende 17b-HSD 4 im menschlichen Gehirn vorkommen. Die Aktivitåt der 17b-HSD korrelierte dabei mit einer entsprechenden Expression auf mRNA-Ebene. Insgesamt ist dabei aber hervorzuheben, dass die Expression signifikant hæher in der weiûen Substanz als im zerebralen Neokortex war. Die dominante Expression von 17b-HSD in der weiûen Substanz legt nahe, dass Gliazellen bei der Biosynthese und Deaktivierung von Sexualsteroiden im Gehirn eine Rolle spielen.
2.1.4.7 Andere steroidogene Enzyme Weitere wichtige steroidogene Enzyme sind die 3b-Hydroxysteroiddehydrogenase (3b-HSD), Zytochrom P-450C17,21-Hydroxylase (Zytochrom P450C21), 11b-Hydroxylase (Zytochrom P-45011b) und Zytochrom P-450Aldosteronsynthetase (Zytochrom P-450Aldo). 3b-HSD katalysiert die Metabolisierung von D5±3b-Hydroxysteroiden in D4±3-Ketosteroide (z. B. Pregnenolon zu Progesteron). Zytochrom P-450C17 ist verantwortlich fçr die Umwandlung
a von C21-Steroiden (Pregnenolon, Progesteron) zu C19-Steroiden (Dehydroepiandosteron und Androstendion). C21-Hydroxylase wandelt Progesteron zu 11-Deoxykortikosteron sowie 17-Hydroxyprogesteron zu 11-Deoxykortisol um. Dieses sind Substrate fçr die Synthese adrenaler Steroide: Kortikosteron, Aldosteron und Kortisol. 11b-Hydroxylase (Zytochrom P-45011b) katalysiert die Umwandlung von Glukokortikoiden (Kortisol und Kortikosteron). Zytochrom P-450Aldo katalysiert die Bildung des Mineralkortikoids Aldosteron. C21-Hydroxylase-mRNA ist bislang nur in einer Studie çberzeugend im humanen Hippocampus nachgewiesen worden. Auch in dieser Studie war das Expressionsniveau ausgesprochen niedrig, so dass trotz der Expression auf mRNA-Ebene fraglich erscheint, ob hippocampales Gewebe gençgend C21-Hydroxylase-Aktivitåt besitzt, um neuroaktive Steroidkonzentrationen zu generieren, die eine physiologische oder pathophysiologische Bedeutung haben. mRNA von 3b-HSD 1 und 2 als auch P-45011b und Zytochrom P-450Aldo wurden weder im Temporallappen noch im Hippocampus gefunden. Dieser Befund kontrastiert mit Daten, die in Labornagern erhoben worden sind. 3b-HSD z. B. ist auf mRNAEbene und Proteinebene im Rattengehirn nachgewiesen worden. Bezçglich P-45011b sind die Ergebnisse bei Labornagern widersprçchlich. Dies gilt auch fçr die P-450C17-mRNA-Expression.
2.1.5 Klinische Bedeutung Die Pråsenz der steroidogenen Enzyme Zytochrom P450SCC, Aromatase, 5a-Reduktase, 3a-HSD und 17b-HSD im menschlichen Gehirn zeigt, dass neuroaktive Steroide im Gehirn gebildet werden und dort ihre Wirkung entfalten, selbst wenn bislang nicht in allen Aspekten die pathophysiologische Bedeutung geklårt ist. Steroidhormoneffekte sind typischerweise assoziiert mit der Genregulation çber intrazellulåre Steroidrezeptoren. Diese neuroendokrinen Effekte von Steroiden çber intrazellulåre Rezeptoren, die transkriptionell Verånderungen der Proteinsynthese nach sich ziehen, kommen in der Regel innerhalb von Stunden oder Tagen zustande. Zusåtzlich zu diesem klassischen Weg der Steroidwirkung kænnen Neurosteroide die neuronale Erregbarkeit veråndern, indem sie neurotransmitterregulierte Ionenkanåle, z. B. den GABAA, und den NMDA-Rezeptor modulieren. GABA, ein wichtiger inhibitorischer Neurotransmitter ent-
2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide
faltet seine schnelle Inhibition çber die Aktivierung von ligandkontollierten Chloridkanålen. Die Bindung von 3a-reduzierten Neurosteroiden an den GABAA-Rezeptor fçhrt ebenfalls zu einer Inhibition oder zu einer Potenzierung des inhibitorischen Effektes von GABA. Aus diesem Grund sind antikonvulsive, anåsthetische und anxiolytische Effekte von Neurosteroiden durch ihre Fåhigkeit, den GABAA-Rezeptor positiv zu modulieren, hervorgerufen. Auf der anderen Seite fçhrt die Inhibition der GABAA-Rezeptor-Funktion, die extensiv dokumentiert ist, zu einer erhæhten Anfallshåufigkeit im Rahmen von epileptischen Geschehen. Neurosteroidwirkungen sind ebenfalls beschrieben fçr die Inhibition von NMDA-Rezeptoren oder die Modulation anderer Rezeptoren, wie z. B. Serotonin- und Glycinrezeptoren. Zusammengenommen çben Neurosteroide sowohl genomische als auch nichtgenomische Effekte aus und regulieren damit neuronale Funktionen çber den Einfluss auf die Genexpression oder die Regulation von transmitterkontrollierten Ionenkanålen. Auf diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Aktionen von Neurosteroiden eine wichtige Rolle bei der Ausfçhrung von Hirnfunktionen besitzen. Die meisten der physiologischen Experimente und Verhaltensstudien sind naturgemåû an Labornagern ausgefçhrt worden, aber erste klinische Untersuchungen unterstçtzen und verifizieren die Ergebnisse, die im Tierexperiment gewonnen worden sind. Schon im Jahre 1941 ist die potentielle anåsthetische Wirkung von neuroaktiven Steroiden beschrieben worden. Dies hat sogar zur Entwicklung eines Steroidanåsthetikums gefçhrt, und lediglich die auftretenden Nebenwirkungen haben verhindert, dass die anåsthesierende Wirkung von Steroiden in der klinischen Routine Einzug gehalten hat. Die Frequenz von epileptischen Anfållen wåhrend des Menstruationszyklus ist geringer wåhrend der lutealen Phase, wenn die Serumkonzentration von Progesteron hoch ist, als in Phasen, wenn die gonadale Progesteronsynthese vergleichsweise gering ist. Es hat sich gezeigt, dass dies darauf zurçckzufçhren ist, dass der Metabolismus von Progesteron zu Allopregnenolon sich wåhrend des Zyklus åndert. Progesteron und 3a-reduzierte Neurosteroide haben hochpotente antikonvulsive Wirkungen. Folgerichtig stehen synthetische Derivate von neuroaktiven Steroiden im Fokus der Behandlung von epileptischen Frauen. Benzodiazepinåhnliche Effekte oder die Herunterregulation von Progesteron kænnten zu einer erhæhten Anfallshåufigkeit bei epileptischen Patienten fçhren. Sensitive
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J. Prange-Kiel und G. M. Rune
Assays, die es mæglich machen Neurosteroidkonzentrationen im zerebralen Liquor oder Blut zu messen, sind diagnostisch vielversprechend. So lieû sich nachweisen, dass reduziertes 3a,5b-THProgesteron im Plasma typisch war fçr Patienten mit schweren Depressionen. Damit çbereinstimmend konnte auch in klinischen Untersuchungen gezeigt werden, dass eine effektive, antidepressive Therapie begleitet wird von einem Anstieg dieses Neurosteroids. Auch unter physiologischen Situationen, bei denen es zu einer Verånderung der hormonellen Balance kommt, wie z. B. Schwangerschaft und Menstruationszyklus, kænnen neuroaktive Steroide eine Rolle spielen. Zum Beispiel ist der Anstieg des Fatigue-Syndroms wåhrend der Schwangerschaft mæglicherweise das Ergebnis von hæheren Konzentrationen von Progesteron und GABA-agonistischen 3a-reduzierten Neurosteroiden, wie z. B. 3a,5a-TH-Progesteron. Auf der anderen Seite kænnte eine schnelle Abnahme dieser Substanzen das pråmenstruelle Syndrom hervorrufen oder die Postpartum-Depression. Fluktuationen in den Konzentrationen von neuroaktiven Steroiden kænnten ebenfalls an der Entwicklung von psychiatrischen Stærungen beteiligt sein, wie sie fçr Frauen wåhrend der perimenstruellen Phase, der Schwangerschaft oder der Postpartum-Periode typisch sind. DHEA und seine sulfatierte Form DHEAS stellen die græûte Fraktion von zirkulierenden Steroidhormonen im Menschen dar. Ihre Konzentrationen nehmen im Alter und unter Stressbedingungen ab. Eine Hypothese zur Erklårung dieses Phånomens war, dass DHEA und DHEAS mæglicherweise neuroprotektive Funktionen haben, weil sowohl wåhrend des Alters als auch unter Stresskonditionen die neuronale Vulnerabilitåt zunimmt und damit Degenerationen nach sich ziehen kænnte (Arlt 2004). Die Funktion von DHEA und DHEAS ist in vivo im Hippocampus ausfçhrlich untersucht worden, selbst wenn die zugrunde liegenden Mechanismen nach wie vor unbekannt sind. Reduzierte DHEAS-Konzentrationen sind z. B. in AlzheimerPatienten und in dementen Patienten beschrieben worden. Selbst wenn erste therapeutische Ansåtze mit DHEA noch kein valides Ergebnis gebracht haben, kænnte es bei einer långeren Behandlung von solchen Patienten einen positiven Einfluss auf die progressive Entwicklung der Demenz nehmen.
2.1.6 Literatur Arlt W (2004) Dehydroepiandrostendione replacement therapy. Semin Reprod Med 22: 379±388 Behl C (2005) Oxidative stress in Alzheimer's disease: Implications for prevention and therapy. Subcell Biochem 38: 65±78 Beyenburg S, Stoffel-Wagner B, Watzka M et al. (1999) Expression of cytochrome P450scc mRNA in the hippocampus of patients with temporal lobe epilepsy. Neuroreport 10: 3067±3070 Compagnone NA, Mellon SH (2000) Neurosteroids: Biosynthesis and function of these novel neuromodulators. Front Neuroendocrinol 21: 1±56 De Nicola AF, Labombarda F, Gonzalez SL, Deniselle MCG, Guennoun R, Schumacher M (2003) Steroid effects on glial cells ± Detrimental or protective for spinal cord function? Ann NY Acad Sci 1007: 317±328 Ghoumari AM, Ibanez C, El-Etr M et al. (2003) Progesterone and its metabolites increase myelin basic protein expression in organotypic slice cultures of rat cerebellum. J Neurochem 86: 848±859 Gonzalez Deniselle MC, Lopez-Costa JJ, Saavedra JP et al. (2002) Progesterone neuroprotection in the Wobbler mouse, a genetic model of spinal cord motor neuron disease. Neurobiol Dis 11: 457±468 Jung-Testas I, Schumacher M, Robel P, Baulieu EE (1996) Demonstration of progesterone receptors in rat Schwann cells. J Steroid Biochem Mol Biol 58: 77±82 Klinge CM (2001) Estrogen receptor interaction with estrogen response elements. Nucleic Acids Res 29: 2905±2919 Koenig HL, Schumacher M, Ferzaz B et al. (1995) Progesterone Synthesis and Myelin Formation by Schwann-Cells. Science 268: 1500±1503 Kohchi C, Ukena K, Tsutsui K (1998) Age- and region-specific expressions of the messenger RNAs encoding for steroidogenic enzymes P450scc, P450c17 and 3 beta-HSD in the postnatal rat brain. Brain Res 801: 233±238 Kretz O, Fester L, Wehrenberg U et al. (2004) Hippocampal synapses depend on hippocampal estrogen synthesis. J Neurosci 24: 5913±5921 Magnaghi V, Cavarretta I, Galbiati M, Martini L, Melcangi RC (2001) Neuroactive steroids and peripheral myelin proteins. Brain Res Rev 37: 360±371 Mauch DH, Nagler K, Schumacher S, Goritz C, Muller EC, Otto A, Pfrieger FW (2001) CNS synaptogenesis promoted by glia-derived cholesterol. Science 294: 1354± 1357 McEwen BS (2002) Estrogen actions throughout the brain. Recent Prog Horm Res 57: 357±384 McEwen BS, Alves SE (1999) Estrogen actions in the central nervous system. Endocri Rev 20(3): 279±307 McQueen JK, Wilson H, Fink G (1997) Estradiol-17 beta increases serotonin transporter (SERT) mRNA levels and the density of SERT-binding sites in female rat brain. Brain Res Mol Brain Res 45: 13±23 Melcangi RC, Magnaghi V, Martini L (1999) Steroid metabolism and effects in central and peripheral glial cells. J Neurobiol 40: 471±483 Mellon S, Deschepper (1993) Neurosteroid biosynthesis: genes for adrenal steroidogenic enzymes are expressed in the brain. Brain Res 629: 283±292 Mensah-Nyagan AG, Do-Rego JL, Beaujean D, Luu-The V, Pelletier G, Vaudry H (1999) Neurosteroids: Expression
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2.1 Auto- und parakrine Regulation im ZNS: Neurosteroide system: neuroprotection and myelination. Growth Horm IGF Res 14: 18±33 Sierra A (2004) Neurosteroids: The StAR protein in the brain. J Neuroendocrinol 16: 787±793 Singer CA, McMillan PJ, Dobie DJ, Dorsa DM (1998) Effects of estrogen replacement on choline acetyltransferase and trkA-mRNA expression in basal forebrain of aged rats. Brain Res 789: 343±346 Steckelbroeck S, Heidrich DD, Stoffel-Wagner B, Hans VHJ, Schramm J, Bidlingmaier F, Klingmuller D (1999) Characterization of aromatase cytochrome P450 activity in the human temporal lobe. J Clin Endocrinol Metab 84: 2795±2801 Stoffel-Wagner B (2003) Neurosteroid biosynthesis in the human brain and its clinical implications. Ann NY Acad Sci 1007: 64±78 Stoffel-Wagner B, Watzka M, Steckelbroeck S, Schwaab R, Schramm J, Bidlingmaier F, Klingmuller D (1998 a) Expression of CYP19 (aromatase) mRNA in the human temporal lobe. Biochem Biophys Res Commun 244: 768±771 Stoffel-Wagner B, Watzka M, Steckelbroeck S et al. (1998 b) Expression of 5 alpha-reductase in the human temporal lobe of children and adults. J Clin Endocrinol Metab 83: 3636±3642 Stoffel-Wagner B, Beyenburg S, Watzka M et al. (2000) Expression of 5 alpha-reductase and 3 alpha-hydroxisteroid oxidoreductase in the hippocampus of patients with chronic temporal lobe epilepsy. Epilepsia 41: 140±147 Warner M, Gustafsson JA (1995) Cytochrome P450 in the brain: neuroendocrine functions. Front Neuroendocrinol 16: 224±236 Watzka M, Bidlingmaier F, Schramm J, Klingmuller D, Stoffel-Wagner B (1999) Sex- and age-specific differences in human brain CYP11A1 mRNA expression. J Neuroendocrinol 11: 901±905
237
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para- und autokrinen Hypophysenregulation durch Zytokine und Wachstumsfaktoren Ulrich Renner, Eduardo Arzt und Gçnter K. Stalla
Inhaltsverzeichnis 2.2.1
Auto-/parakrine Mechanismen im adulten Hypophysenvorderlappen und in Hypophysenadenomen . . . . . . . .
239
2.2.2
Insulin-Like Growth Factor-1: Endokriner oder auto-/parakriner Faktor der Hypophyse? 240
2.2.3
Follikulostellåre Hypophysenzelle: Ein auf parakrine Interaktion und Kommunikation spezialisierter Zelltyp? 242
2.2.4
Intrahypophysåre Wachstumsfaktoren/ Zytokine und ihre Rezeptoren im normalen Hypophysenvorderlappen und in Hypophysentumoren . . . . . . . . . 2.2.4.1 Epidermaler Wachstumsfaktor (EGF) und transformierender Wachstumsfaktor-a (TGF-a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2 Transforming-Growth-Factor-b-ProteinFamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.1 TGF-b-Isoformen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.2 Aktivin und Inhibin . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2.3 Bone Morphogenetic Protein (BMP) . . . .
2.2.4.3 2.2.4.4 2.2.4.5 2.2.4.5.1 2.2.4.5.2
Nervenwachstumsfaktor . . . . . Fibroblasten-Wachstumsfaktoren Gp130-Zytokin-Familie . . . . . . Interleukin-6 . . . . . . . . . . . . Leukaemia Inhibitory Factor . . .
2.2.5
Rolle der follikulostellåren Hypophysenzelle bei parakrinen Interaktionen . . . . . . . . . 249 Immun-endokrine Interaktionen . . . . . . . 250 FS-Zellen und Tumorprogression . . . . . . . 251
2.2.5.1 2.2.5.2 2.2.6
243
2.2.6.1
2.2.1 Auto-/parakrine Mechanismen im adulten Hypophysenvorderlappen und in Hypophysenadenomen Auto-/parakrine Mechanismen spielen nicht nur eine Rolle bei der prå- und postnatalen Hypophysenentwicklung (Kap. 1.4), sondern auch im adulten Hypophysenvorderlappen. Hypophysenzellen synthetisieren und sezernieren eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren und Zytokinen (Tabelle 2.2.1) und exprimieren zudem entsprechende Rezeptoren (Renner et al. 1996). Daraus wurde die Hypothese entwickelt, dass Hypophysenzellen nicht nur endokrin durch hypothalamische Faktoren (Releasingund Inhibiting-Hormone, Dopamin) und zirkulierende periphere Hormone (Ústrogene, Androgene, Glukokortikode, Schilddrçsenhormone) sowie den Wachstumsfaktor IGF-1 reguliert werden, sondern auch auto-/parakrin durch lokal produzierte Faktoren (Renner et al. 1996; Ray u. Melmed 1997). Es
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
247 247 248 248 249
Physiologische und pathophysiologische Angiogenese der Hypophyse . . . . . . . . . 252 Vaskulåre endotheliale Wachstumsfaktoren . 253
2.2.7
Ústrogenabhångiges intrahypophysåres Wachstumsfaktornetzwerk und seine Bedeutung fçr laktotrope Hyperplasie und Prolaktinomentwicklung . . . . . . . . . 254
2.2.8
Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . 256
2.2.9
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
243 244 244 245 246
. . . . .
wurde spekuliert, dass intrahypophysåre Faktoren fçr die Physiologie der Hypophyse von Bedeutung sein kænnten, indem sie modulierend auf extrahypophysår induzierte Effekte einwirken. Es gibt zunehmend Hinweise, dass die intrinsische Produktion von Wachstumsfaktoren durch extrahypophysåre Faktoren stimuliert oder inhibiert wird. Dies låsst vermuten, dass die Effekte extrahypophysårer Stimuli zumindest teilweise durch intrahypophysåre Faktoren vermittelt, verstårkt oder abgeschwåcht werden (Renner et al. 1996; Ray u. Melmed 1997). In Hypophysenadenomen beobachtet man oft eine verånderte Expression von Wachstumsfaktoren/Zytokinen und ihren Rezeptoren (Renner et al. 1996; Ray u. Melmed 1997; Arzt et al. 1999) (Tabelle 2.2.1 und 2.2.2) sowie eine Verånderung der Wirkmechanismen und der Funktion dieser Faktoren. Die meisten dieser intratumoralen Verånderungen dçrften keine kausale Rolle bei der Entwicklung von Hypophysenadenomen spielen. Allerdings kænnte die verånderte Expression und Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
240
U. Renner et al. Tabelle 2.2.1. Ûbersicht çber im Hypophysenvorderlappen und/oder in Hypophysentumoren synthetisierte, potentiell auto-/parakrin wirksame Faktoren Substanzgruppe
Substanz a
Neuropeptide
GHRH Somatostatin CRH TRH GnRH PACAP VIP Galanin Substanz P Neuropeptid Y
Wachstumsfaktoren
IGF-1, IGF-2 FGF-1 (aFGF), FGF-2 (bFGF) EGF TGF-a TGF-b1, -b2, -b3 Aktivin Inhibin BMP-4 NGF VEGF PDGF
Zytokine
IL-1, IL-1ra IL-2, IL-8 IL-6, IL-11 LIF CNTF
Sonstige
Endothelin-1, ET-3 Angiotensin Natriuretische Peptide Follistatin Choriongonadotropin Neurotensin Cholezystokinin
GHRH: Wachstumshormon-Releasing-Hormon, CRH: Kortikotropin-Releasing-Hormon, TRH: Thyreopin-ReleasingHormon, GnRH: Gonadotropin-Releasing-Hormon, PACAP: ¹pituitary adenylate cyclase activitating polypeptideª, VIP: ¹vasoactive intestinal polypeptideª, IGF: Insuline-like growth factor, FGF: Fibroblasten-Wachstumsfaktor, EGF: epidermaler Wachstumsfaktor, TGF: Transforming growth factor, BMP: Bone morphogenetic protein, NGF: Nervenwachstumsfaktor, VEGF: Vascular endothelial growth factor, PDGF: Platelet-derived growth factor, IL: Interleukin, LIF: Leukaemia inhibitory factor, CNTF: ziliarer neutroper Faktor.
Funktion zum einen zur exzessiven Hormonproduktion und damit zur Pathophysiologie von Hypophysenadenomen beitragen, zum anderen aber auch die Wachstumsregulation von Hypophysenadenomzellen und damit die Tumorprogression beeinflussen (Asa u. Ezzat 1998, 2002). Gemåû der in Kap. 1.1 aufgefçhrten Definition ist die erste Voraussetzung fçr das Vorliegen eines auto-/parakrinen Wirkmechanismus die Expressi-
on eines Faktors und seines Rezeptors in gleichen (autokrin) oder verschiedenen (parakrin) Hypophysenzellen. Der entsprechende Faktor muss auûerdem die Funktion und/oder das Wachstum von Hypophysenzellen beeinflussen kænnen, und er muss in biologisch wirksamen Konzentrationen produziert und sezerniert werden. Unter Umstånden kann die intrinsische Produktion durch extrahypophysåre Faktoren reguliert sein. Veråndern sich in Hypophysentumoren im Vergleich zur normalen Hypophyse Expression, Mechanismus bzw. Funktion der potentiell auto-/parakrin wirksamen intrahypohysåren Wachstumsfaktoren bzw. Zytokine (oder ihrer Rezeptoren), so kann dies auf eine Beteiligung an der Pathogenese und Pathophysiologie der Adenome hinweisen (Tabelle 2.2.2 und 2.2.3; Melmed 2003). Ûber lokale auto-/parakrine Mechanismen im Hypophysenhinterlappen ist fast nichts bekannt. Da die Neurohypophyse zudem funktionell dem Hypothalamus zuzuordnen ist, wird sie hier nicht weiter besprochen.
2.2.2 Insulin-Like Growth Factor 1: Endokriner oder auto-/parakriner Faktor der Hypophyse? Ein groûes Problem beim Nachweis und der Untersuchung auto-/parakriner Systeme in der Hypophyse ist die Tatsache, dass die meisten der potentiell auto-/parakrin wirksamen Faktoren die Hypophyse auch çber die Blutzirkulation erreichen. Selbst wenn in vitro auf Zellkulturebene gezeigt wurde, dass der entsprechende Faktor auto-/parakrin wirksam ist, ist es in vivo nicht mehr mæglich, zu unterscheiden, ob die vom entsprechenden Faktor in der Hypophyse ausgelæsten physiologischen oder pathophysiologischen Effekte endokrin oder auto-/parakrin induziert wurden. Als klassisches Beispiel fçr dieses Dilemma sei stellvertretend IGF-1 (Insulin-like growth factor 1) genannt, das durch GH (Wachstumshormon) vorwiegend aus Leber- und Muskelzellen freigesetzt wird, in betråchtlichen Konzentration im Blut zirkuliert und viele Effekte von GH in verschiedensten Zielzellen vermittelt (le Roith et al. 2001). Ûber einen Rçckkopplungsmechanismus supprimiert IGF-1 in der Hypophyse die Sekretion von GH çber IGF-1-Rezeptoren, die in somatotropen Hypophysenzellen lokalisiert sind. Es wurde gezeigt, dass somatotrope Zellen selbst auch IGF-1 produzieren (Bach u. Bondy 1992), was zu Spekulationen
a
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
Tabelle 2.2.2. Expression und Lokalisation der wichtigsten und im vorliegenden Kapitel behandelten Wachstumsfaktoren und Zytokine im Hypophysenvorderlappen und in Hypophysenadenomen Wachstumsfaktor/Zytokin
Expression in der Hypophyse Expression in Hypophysenadenomen
EGF TGF-a TGF-b1 TGF-b3 Activin Inhibin BMP-4 NGF FGF-2 IL-6
K, S, G, T K, S, G, T L, FS L, FS G G n.b. L FS, L FS
LIF VEGF-A
K, FS FS
Keine Ûberexpression in humanen Hypophysenadenomen Ûberexpression in Rattenprolaktinomen a Reduzierte Expression in Rattenprolaktinomen a Erhæhte Expression in Rattenprolaktinomen a Exprimiert in humanen inaktiven und gonadotropen Adenomen Exprimiert in humanen inaktiven und gonadotropen Adenomen Ûberexpression in Mausprolaktinomen b und humanen Prolaktinomen Reduzierte Expression in dopaminresistenten humanen Prolaktinomen Ûberexpression in Rattenprolaktinomen a Wird in den meisten humanen Hypophysenadenomen von Tumorzellen produziert Reduzierte Expression in humanen Prolaktinomen Ûberexpression in Rattenprolaktinomen a In humanen Adenomen von Tumorzellen produziert, aber nicht çberexprimiert
a
Ústradiolinduzierte Prolaktinome in Fischer-344-Ratten. Prolaktinome in Dopamin-D2-Rezeptor-knock-out-Måusen. EGF: epidermaler Wachstumsfaktor, TGF: Transforming growth factor, BMP: Bone morphogenetic protein, NGF: Nervenwachstumsfaktor, FGF: Fibroblasten-Wachstumsfaktor, IL: Interleukin, LIF: Leukaemia inhibitory factor, VEGF: Vascular endothelial growth factor, K: kortikotrope Zellen, FS: follikulostellåre Zellen, G: gonadotrope Zellen, L: laktotrope Zellen, S: somatotrope Zellen, T: thyreotrope Zellen, n.b.: nicht bekannt.
b
Tabelle 2.2.3. Ûbersicht çber Wachstumsfaktorrezeptoren, die fçr Pathogenese und Progression von Hypophysentumoren von Bedeutung sind Rezeptor
Expression und Funktion in Hypophysentumoren
Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor, Die Expression des EGF-Rezeptors korreliert mit der Aggressivitåt somatotroper EGFR und hormoninaktiver Hypophysenadenome ERBB-2 (Onkogenvariante des EGFR)
Die Membranexpression von ERBB-2 wurde bisher nur in einem kortikotropen Hypophysenkarzinom gefunden
Trunkierter ALK4-Aktivin-Rezeptor
Diese Variante des ALK4-Rezeptors, die Aktivin bindet, aber nicht dessen wachstumsinhibierenden Effekt vermittelt, wird vereinzelt in verschiedenen Hypophysenadenomtypen exprimiert
Nervenwachstums-Rezeptor p75NGFR
Der Rezeptor wird in Dopaminresistenten humanen Prolaktinomen nicht exprimiert. Die durch NGF-Behandlung induzierte Reexpression von p75NGFR macht Prolaktinome wieder sensitiv fçr eine Behandlung mit Dopaminagonisten
Trunkierter Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor 4, ptd-FGFR4
Spezifisch in Hypophysentumoren (verschiedene Adenomtypen) exprimierte, N-terminal verkçrzte Form des FGF-Rezeptors 4, die in transgenen Måusen Hypophysenadenome induzieren kann
çber die Existenz eines intrahypohysåren auto-/parakrin wirksamen ultrakurzen Feedbackmechanismus gefçhrt hat, der bei der Regulation der somatotropen Achse von physiologischer Bedeutung sein soll (Renner et al. 1996). Ob ein solches Regulationssystem tatsåchlich existiert, ob ultrakurze und endokrine IGF-1-Rçckkopplung in vivo gemeinsam die somatotrope Achse kontrollieren und ob bei einem
eventuellen Ausfall des endokrin vermittelten IGF1-Regelkreises der ultrakurze Feedbackmechanismus als eine Art Notfallkontrolle einspringt, ist derzeit noch reine Spekulation. Absolut unklar ist auch, ob das von somatotropen Hypophysenadenomzellen produzierte IGF-1 angesichts der bei Patienten mit Akromegalie exzessiv erhæhten IGF-1-Serumspiegel pathophysiologisch relevant ist.
241
242
U. Renner et al.
2.2.3 Follikulostellåre Hypophysenzelle: Ein auf parakrine Interaktion und Kommunikation spezialisierter Zelltyp? Neben den bekannten Hormon produzierenden Zelltypen gibt es im Hypophysenvorderlappen noch einen weiteren Zelltyp, die follikulostellåre Zelle (FS-Zelle). Dieser immer noch mysteriæse Zelltyp ist zwar schon 1953 im Vorderlappen entdeckt worden (Rinehart u. Farquhar 1953), seine Bedeutung und physiologische Funktion wird jedoch erst in jçngerer Zeit aufgrund des zunehmenden Interesses an hypophysåren parakrinen Interaktionen verstårkt untersucht (Allaerts et al. 1990; Inoue et al. 1999). FS-Zellen entwickeln sich nicht wie die endokrinen Zellen aus der RathkeTasche, sondern wandern, vermutlich nach Ausbildung des Infundibulums, in die embryonale Hypophyse ein. Die Ontogenese der FS-Zelle ist noch immer unklar, aber vermutlich handelt es sich um pituitzyten- oder astrozytenåhnliche Zellen (Inoue et al. 1999), wenngleich noch nicht ausgeschlossen ist, dass FS-Zellen dem lymphatisch-dendritischen Zelltyp angehæren (Allaerts et al. 1997). FS-Zellen haben eine sternfærmige Morphologie (Abb. 2.2.1 a) und sind, im Gegensatz zu endokrinen Zellen immunhistochemisch positiv fçr S100-Protein und GFAP (¹glial fibrillary acidic proteinª) (Inoue et al. 1999). In der adulten Hypophyse liegt der Anteil der FS-Zellen bei ca. 5±10%. Sie sind im Vorderlappen gleichmåûig verteilt und formen mit ihren langen Fortsåtzen ein zellulåres intrahypo-
a
physåres Netzwerk (Abb. 2.2.1 b), wobei FS-Zellen sowohl untereinander als auch mit endokrinen Zellen çber Gap-Junctions verbunden sind (Morand et al. 1996). FS-Zellen scheinen fçr endokrine Zellen Schutz- und Versorgungsfunktionen auszuçben (Inoue et al. 1999). Sie sind zudem zur Phagozytose fåhig und entfernen auf diese Weise apoptotische laktotrope Zellen im Anschluss an eine schwangerschafts- und laktationsassoziierte Hypophysenhyperplasie (s. oben; Aoki et al. 1996). FS-Zellen enthalten keine Hormone, produzieren aber eine Reihe von Wachstumsfaktoren/Zytokinen (Tabelle 2.2.2). Sie exprimieren eine Vielzahl von Rezeptoren fçr Wachstumsfaktoren, Zytokine, Endotoxine, hypothalamische Faktoren, hypohysåre und periphere Hormone (Inoue et al. 1999), çber die die entsprechenden Liganden die follikulostellåren Wachstumsfaktoren/Zytokine freisetzen. Interessanterweise wird nach der Aktivierung einer FS-Zelle çber die Freisetzung von Kalzium und unter Vermittlung von Gap-Junctions ein ganzes Cluster von FS-Zellen koaktiviert (Fauquier et al. 2001). Nach Ausschçttung von follikulostellåren Zytokinen kænnten dadurch ganze Gruppen von endokrinen Zellen parakrin beeinflusst werden. Es wird vermutet, dass FS-Zellen eine Schlçsselstellung bei intrahypophysåren, parakrinen Regulationsprozessen einnehmen, z. B. im Zusammenhang mit dem durch Ústrogene regulierten Wachstumsfaktornetzwerk oder bei immun-endokrinen Interaktionen; diese Aspekte werden spåter in separaten Abschnitten besprochen (Abschn. 2.2.5 und 2.2.7).
b Abb. 2.2.1 a, b. Morphologie der follikulostellåren (FS) Zelle und ihre Verteilung in der Hypophyse. a Zellkærper und strahlenfærmige Auslåufer von TtT/GF-Zellen, einer follikulostellåren Zelllinie aus der Maus (Immunfluoreszenz-Får-
bung gegen GFAP). b Verteilung von S-100-immunopositiven FS-Zellen in einer Rattenhypophyse. Neben kompakten Zellkærpern sind zwischen nicht angefårbten endokrinen Zellen auch dçnne Auslåufer von FS-Zellen sichtbar
a
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
2.2.4 Intrahypophysåre Wachstumsfaktoren/ Zytokine und ihre Rezeptoren im normalen Hypophysenvorderlappen und in Hypophysentumoren Im Folgenden sind fçr eine Reihe von Wachstumsfaktoren und Zytokinen mægliche auto-/parakrine Mechanismen und deren potentielle physiologische und pathophysiologische Bedeutung dargestellt (Tabelle 2.2.2 und 2.2.3). Nicht berçcksichtigt wurden dabei Faktoren, die zusammen mit ihren Rezeptoren in der Hypophyse zwar nachgewiesen wurden, deren Bedeutung fçr die Funktion und Proliferation von normalen und adenomatæsen Hypophysenzellen aber noch nicht oder nur unzureichend untersucht wurde, u. a. PDGF (Plateletderived growth factor), IGF-2, FGF1 (FibroblastenWachstumsfaktor) (Kirsch et al. 1997; Yokoyama et al. 1998).
2.2.4.1 Epidermaler Wachstumsfaktor (EGF) und transformierender Wachstumsfaktor-a (TGF-a) EGF (Epidermal growth factor) und TGF-a (Transforming growth factor-a) sind strukturell verschiedene Polypeptidwachstumsfaktoren, die jedoch an den gleichen Tyrosinkinase-Rezeptor (EGFR) binden, çber den ihre Effekte in einer Vielzahl von Zellen induziert werden. Der EGFR wird in der normalen Hypophyse in allen endokrinen Zellen exprimiert, am håufigsten in somatotropen und kortikotropen Zellen (Renner et al. 1996; Theodoropoulou et al. 2004). Beide Wachstumsfaktoren werden in der Hypophyse synthetisiert und wirken vorwiegend stimulierend auf die Hormonsekretion ein, auûerdem wirken beide Faktoren wachstumsstimulierend in endokrinen Hypophysenzellen (Renner et al. 1996; Ray u. Melmed 1997). Blockiert man in Måusen wåhrend der Embryonalentwicklung die durch den EGF-Rezeptor vermittelte Signaltransduktion gezielt in somatotropen Zellen, so entwickeln sich Zwergmåuse und eine Hypophysenhypoplasie. Dies weist darauf hin, dass der EGFR bzw. seine Liganden eine wichtige Rolle bei der embryonalen Hypophysenentwicklung spielen und fçr die volle Ausbildung der somatotropen Zellpopulation mitverantwortlich sind (Roh et al. 2001) (Kap. 1.4). Der EGFR ist in allen Hypophysenadenomtypen exprimiert; am håufigsten kommt er allerdings in kortikotropen Adenomen vor (Kontogeorgos et al.
1996; Theodoropoulou et al. 2004). In der Gruppe der somatotropen und hormoninaktiven Hypophysenadenome ist gezeigt worden, dass die EGFR-Expression mit der Aggressivitåt der Tumoren korreliert (LeRiche et al. 1996). Vom EGFR existieren verschiedene trunkierte Formen, die zum Teil konstitutiv aktiv sind und als Onkogene wirken. Die bekannteste und wichtigste onkogene Form des EGFR ist ERBB-2, die in verschiedenen, oft aggressiven Tumortypen exprimiert wird. In Hypophysenadenomen ist die Expression von ERBB-2 nicht von Bedeutung (Ezzat et al. 1997), lediglich in einem kortikotropen Hypophysenkarzinom (ein extrem seltener Hypophysentumortyp) mit einem hohen Proliferationsindex wurde eine Ûberexpression von ERBB-2 in den Tumorzellmembranen beschrieben (Nose-Alberti et al. 1998). TGF-a scheint auf auto-/parakrine Weise die Entwicklung von experimentellen laktotropen Hypophysentumoren in Nagetieren zu færdern (Finley u. Ramsdell 1994; McAndrew et al. 1995; Borgundvaag et al. 1992). Die gezielte Ûberexpression von TGF-a in laktotropen Zellen von weiblichen Måusen induziert çber das Stadium einer laktotropen Hyperplasie nachfolgend die Entwicklung von Prolaktinomen (McAndrew et al. 1995). Da in månnlichen Måusen TGF-a keine Prolaktinome induziert, sind an diesem Prozess vermutlich Ústrogene beteiligt. Diese Vermutung wird durch die Beobachtung gestçtzt, dass in Fischer-344-Ratten bei der æstradiolinduzierten Entwicklung von Prolaktinomen initial eine Ûberexpression von TGF-a in laktotropen Zellen beteiligt ist. Nach Behandlung mit dem Dopaminagonisten Bromocriptin kommt es in laktotropen Zellen von Fischer-344-Ratten zu keiner TGF-a-Ûberexpression, und die Prolaktinomentwicklung unterbleibt. Diese Befunde zeigen, dass TGF-a einer von mehreren Faktoren (Abschn. 2.2.5) ist, der bei der Entwicklung von Prolaktinomen eine Rolle spielen dçrfte. Die molekularen Mechanismen, çber die die Liganden des EGF-Rezeptors in Hypophysenzellen wirksam werden, sind noch weitgehend unbekannt, es scheint aber, dass dabei mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAP-Kinasen) von Bedeutung sind. In laktosomatotropen GH3-Hypophysen-Tumorzellen aktiviert der Dopaminagonist Bromocriptin den p38a-MAP-Kinase-Signal-Transduktionsweg und induziert so Apoptose in den Zellen (Kanasaki et al. 2000). Dagegen aktivieren Liganden des EGFR in diesen Zellen das p42/44-MAPKinase-Signal-System und kænnen dadurch die apoptotische Wirkung von Bromocriptin revertieren (Kanasaki et al. 2000). Verånderungen im Do-
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U. Renner et al.
paminrezeptor/EGFR-Verhåltnis wçrden sich demnach vor allem in Prolaktinomen auf die Tumorprogression und auf das Ansprechen dieser Adenome auf eine Therapie mit Dopaminagonisten auswirken.
2.2.4.2 Transforming-Growth-Factor-b-ProteinFamilie Unter den mehr als 30 Mitgliedern der TGF-b-Protein-Familie (Massague et al. 2000) sind TGF-b1, TGF-b2, TGF-b3, Aktivin, Inhibin, sowie Bone morphogenetic protein 2 und 4 (BMP-2, BMP-4) als Modulatoren der Entwicklung, Funktion und Proliferation von Adenohypophysenzellen identifiziert worden. Mit Ausnahme von Inhibin, fçr das noch kein eigener Rezeptor sicher nachgewiesen worden ist, wurden die Rezeptoren aller anderen Faktoren in Hypophysenzellen nachgewiesen. Da bis auf BMP-2 die oben genannten Faktoren ebenfalls im Vorderlappen oder in Adenomen exprimiert werden, ist die Voraussetzung fçr eine mægliche parakrine Wirkung gegeben. Die Mitglieder der TGF-b-Wachstumsfaktor-Familie binden an Heterodimere spezifischer Typ-1- und Typ-2-Rezeptoren, woraufhin rezeptorspezifische, sog. RSmad-Proteine (Smad1, Smad2, Smad3 u. a.) phosphoryliert werden. Die phosphorylierten R-SmadProteine bilden einen Komplex mit einem gemeinsamen Co-Smad-Protein (Smad4). Der R-Smad/CoSmad-Proteinkomplex wird in den Zellkern transportiert (Abb. 2.2.2), wo er mit unterschiedlichen DNA-Bindungsfaktoren, Koaktivatoren oder Repressorproteinen interagiert, was zur transkriptio-
nellen Aktivierung oder Repression einer Vielzahl unterschiedlichster Zielgene fçhrt (Massague et al. 2000).
2.2.4.2.1 TGF-b-Isoformen Die TGF-b-Isoformen (TGF-b1, -b2, -b3) wirken meist inhibierend auf die Funktion und Proliferation normaler Epithelzellen (aber auch anderen Zelltypen), wåhrend sie in Tumorzellen oft stimulierend aktiv sind. Die beiden TGF-b-Rezeptoren (TGF-bR1 und TGF-bR2), çber deren Heterodimerkomplexe TGF-b-Isoformen wirksam sind, wurden in der normalen Hypophyse in follikulostellåren (FS) und laktotropen Zellen nachgewiesen (Abb. 2.2.3; Hentges u. Sarkar 2001; Renner et al. 2002). In FS-Zellen ist zudem schon gezeigt worden, dass es nach Stimulation mit TGF-b-Isoformen zu einer Translokation des Smad-Protein-Komplexes in den Nukleus kommt (Abb. 2.2.4 a, b) (Renner et al. 2002). In Hypophysentumoren werden die Rezeptoren ebenfalls exprimiert, wobei hier die zellulåre Lokalisation noch nicht nåher untersucht wurde. Im normalen Hypophysenvorderlappen werden alle drei TGF-b-Isoformen in laktotropen und FSZellen gebildet (Abb. 2.2.3; Hentges u. Sarkar 2001; Renner et al. 2002). Wåhrend die Funktion von TGF-b2 kaum untersucht wurde, ist bekannt, dass TGF-b1 die Prolaktinproduktion und das Wachstum laktotroper Zellen inhibiert, wåhrend TGF-b3 die Proliferation laktotroper Zellen stimuliert, was indirekt çber eine Vergræûerung der laktotropen Zellpopulation auch zu einer erhæhten Prolaktinproduktion fçhrt (Hentges et al. 2000 b). Interessanterweise wird im Zuge der æstrogeninduzierten
Abb. 2.2.2. Schematische, stark vereinfachte Darstellung der durch TGF-b-Isoformen ausgelæsten Signalkaskade. Die Bindung von TGF-b an den Rezeptor TGF-bR1 induziert die Heterodimerisation mit TGF-bR2. Letzterer phosphoryliert TGF-bR1, dessen Phosphatgruppe dann auf das rezeptorspezifische Signalprotein Smad2 (hier dargestellt) oder Smad3 çbertragen wird. Diese bilden dann einen Komplex mit Smad4, einem unspezifischen Co-Smad-Protein. Der Komplex aus Smad-Proteinen induziert nach Translokation in den Nukleus die Aktivierung oder Repression unterschiedlichster Zielgene (siehe auch Text)
a
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
Abb. 2.2.3. Expression von TGF-b und TGF-b-Rezeptoren in der Hypophyse. Die mRNA der drei TGF-b-Isoformen (TGF-b1, -b2, -b3) und der beiden TGF-b-Rezeptoren wird
Prolaktinomentwicklung in Fischer-344-Ratten der TGF-b1-Gehalt in der Hypophyse herunterreguliert, wåhrend TGF-b3 hochreguliert wird (Pastorcic et al. 1995). Daraus wurde die Hypothese entwickelt, dass die æstradiolinduzierte Verschiebung des intrahypophysåren TGF-b1-/-b3-Verhåltnisses in Richtung des wachstumsstimulierenden TGF-b3 bei der Prolaktinomentwicklung beteiligt ist (Hentges u. Sarkar 2001). Es wurde zudem gezeigt, dass TGF-b3 die Produktion des basischen Fibroblastenwachstumsfaktors (bFGF, FGF2) steigert (Hentges et al. 2000a), der wiederum ebenfalls die Proliferation von laktotropen Zellen stimuliert und zudem ein angiogenetischer Wachstumsfaktor ist. TGF-b1 und TGF-b3 erhæhen auûerdem in FS-Zellen der Hypophyse die Freisetzung des angiogenetischen Faktors VEGF (Vascular endothelial growth factor) (Renner et al. 2002) (Abb. 2.2.4 c, d). Aufgrund all dieser Befunde wird spekuliert, dass die TGF-b-Isoformen die Entwicklung von Prolaktinomen begçnstigen, indem sie auto-/parakrin sowohl das Wachstum als auch die Neovaskularisation dieser Tumoren færdern.
2.2.4.2.2 Aktivin und Inhibin Aktivin stimuliert FSH, wåhrend Inhibin die FSHSekretion inhibiert (Weiss et al. 1993). Inhibin wird in Sertoli-Zellen des Hodens bzw. im Ovar gebildet und wirkt endokrin im Sinne einer negativen Rçckkopplung supprimierend auf die FSHSekretion. Aktivin wird vermutlich in gonadotropen Zellen der Hypophyse gebildet und stimuliert autokrin die FSH-Sekretion. Aktivin und Inhibin bestehen aus gemeinsamen Proteinuntereinheiten (a, bA, bB), wobei vom Inhibin zwei Varianten (a/bA- und a/bB-Heterodimere) und vom Aktivin drei Varianten (bA/bA- und bB/bB-Homodimere
sowohl in der follikulostellåren TtT/GF-Zelllinie (Spur 2) als auch in Hypophysen der Maus (Spur 3) exprimiert. Spur 1: Negativkontrollen
a
b
c
d Abb. 2.2.4 a±d. TGF-b induziert in follikulostellåren Hypophysenzellen die Smad2-Translokalisation und stimuliert die VEGF-Produktion. Bereits nach wenigen Minuten kommt es nach Stimulation von follikulostellåren TtT/GF-Zellen mit 1 nM TGF-b1 (a) oder TGF-b3 (b) zu einer Translokation des TGF-b-Signalproteins Smad2 in den Zellkern und einer Anhåufung des Smad2-Proteins in Kernextrakten. Nach 24-stçndiger Stimulation von TtT/GF-Zellen mit TGF-b1 (c) oder TGF-b3 (d) misst man einen starken, dosisabhångigen Anstieg der VEGF-Sekretion. co: unbehandelte Kontrollzellen
sowie bA/bB-Heterodimer) existieren (Massague et al. 2000). Die Effekte von Aktivin werden çber Rezeptorprotein-Heterodimere vermittelt, die aus ALK4 und ActIIRA oder ALK4 und ActIIRB (Massague et al. 2000) bestehen. Inhibin wirkt als Ge-
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U. Renner et al.
genspieler von Aktivin, indem es die Bindung von Aktivin an seine Rezeptoren und/oder deren intrazelluåre Signaltransduktion blockiert (Matzuk 2000). Ob es einen eigenståndigen Inhibinrezeptor gibt, ist noch nicht schlçssig geklårt. Aktivin wird in Hypophysentumoren gebildet und wirkt dort nicht stimulierend auf die FSH-Sekretion, sondern inhibiert die Proliferation von Hypophysentumorzellen, vor allem in gonadotropen und hormoninaktiven Adenomen, wobei ALK4 und die Smad2/3/ 4-Signal-Kaskade beteiligt sind (Massague et al. 2000; Danila et al. 2000). In einigen hormoninaktiven Adenomen wurde jedoch auch eine trunkierte Form der ALK4-Komponente des Rezeptorheterodimers gefunden. Diese trunkierte Form konkurriert mit dem ALK4-Wildtypprotein bei der Dimerisierung mit ActIIRA bzw. ActIIRB (Zhou et al. 2000). Rezeptorheterodimere, die die trunkierte Form von ALK4 enthalten, kænnen keine supprimierenden Effekte von Aktivin auf das Zellwachstum vermitteln. Dies kænnte bei der Entwicklung derjenigen hormoninaktiven Hypophysenadenome, die die mutierte ALK4-Rezeptor-Komponente exprimieren, eine wichtige Rolle spielen (Zhou et al. 2000). Ob der trunkierte ALK4 ein Onkogen repråsentiert und in den Adenomen, in denen er exprimiert wird, eine kausale Funktion bei der Pathogenese spielt, ist noch nicht geklårt. Die Wirkung von Aktivin wird nicht nur von Inhibin, sondern auch von Follistatin, inhibiert. Follistatin ist kein Mitglied der TGF-b-Protein-Familie, sondern repråsentiert ein Aktivin bindendes Protein, das intrahypophysår gebildet wird (Hashimoto et al. 1997), wobei nach neuesten Befunden im normalen Hypophysenvorderlappen vor allem FS-Zellen Follistatin produzieren (Bilezikjian et al. 2003). In einigen gonadotropen Hypophysentumoren wurde eine gegençber der normalen Hypophyse reduzierte Expression von Follistatin beschrieben. Dadurch stçnde mehr ungebundenes Aktivin fçr die Suppression des Tumorzellwachstums zur Verfçgung, was bei den entsprechenden Adenomen zu einer Verlangsamung der Tumorentwicklung fçhren wçrde (Penabad et al. 1996). Insgesamt weisen Stærungen bei der Expression von Follistatin, Inhibin, Aktivin und ALK4 in einigen gonadotropen und hormoninaktiven Hypophysenadenomen darauf hin, dass diese Faktoren çber verånderte auto-/parakrine Wirkmechanismen einen Einfluss auf die Entwicklung dieser Tumoren haben kænnten.
2.2.4.2.3 Bone Morphogenetic Protein (BMP) Unter den verschiedenen Bone-morphogeneticProteinen repråsentieren BMP-2 und BMP-4 wichtige Regulatoren der Embryonalentwicklung des Hypophysenvorderlappens. Sie wirken mit bei der Ausbildung der Rathke-Tasche (aus der sich die endokrinen Zellen entwickeln) und sind an der Kontrolle der Entwicklung der laktotropen Zellpopulation beteiligt (Treier et al. 1998; Scully u. Rosenfeld 2002) (siehe Kap. 1.1.3). Die Bedeutung der BMP-Formen in der adulten Hypophyse ist bisher noch nicht untersucht worden, aber vor kurzem wurde gezeigt, dass BMP-4 in laktotropen Tumoren von Dopamin-D2-Rezeptor-Knock-outMåusen und in humanen Prolaktinomen stark çberexprimiert wird (Paez-Pereda et al. 2003) (Abb. 2.2.5 a). In anderen humanen Hypophysentumortypen und im normalen Hypophysenvorderlappen wird BMP-4 deutlich geringer exprimiert. Da BMP-4 sich als ein Stimulator des Wachstums von laktosomatotropen GH3-Zellen erwies (PaezPereda et al. 2003) (Abb. 2.2.5 b), scheint BMP-4 ein spezifischer Progressionsfaktor fçr laktotrope Tumoren zu sein. Bei Untersuchungen von experi-
b
a Abb. 2.2.5 a, b. BMP-4-Expression und Funktion in Hypophysentumoren. a BMP-4-Protein wird in laktotropen Hypophysenadenomen stark çberexprimiert, wåhrend die Expression in anderen Tumoren deutlich geringer ausfållt und im normalen Hypophysenvorderlappen kaum nachweisbar ist. b Nach 72-stçndiger Stimulation von laktosomatotropen GH3-Hypophysentumorzellen mit BMP-4 beobachtet man einen dosisabhångigen Anstieg der Zellproliferation. LA: laktotrope Adenome, KA: kortikotrope Adenome, SA: somatotrope Adenome, IA: inaktive Adenome, HVL: Hypophysenvorderlappen
a
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
mentell induzierten GH3-Tumoren in Nacktmåusen konnte gezeigt werden, dass fçr den wachstumsstimulierenden Mechanismus von BMP-4 eine Interaktion von Smad1, Smad4 und dem Ústrogenrezeptor von Bedeutung ist (Paez-Pereda et al. 2003).
2.2.4.3 Nervenwachstumsfaktor Der Nervenwachstumsfaktor (NGF, Nerve growth factor) induziert nicht nur eine Vielzahl von Effekten in neuronalen Zellen, sondern beeinflusst çber seine beiden Rezeptoren trkA und p75NGFR auch die Funktion und das Wachstum neuroendokriner und endokriner Zellen. Im Hypophysenvorderlappen werden NGF, trkA und p75NGFR in laktotropen Zellen exprimiert, und es scheint, dass eine autokrine Schleife existiert, bei der NGF çber p75NGFR die Expression des Dopamin-D2-Rezeptors (D2R) kontrolliert und reguliert (Missale u. Spano 1998). In dopaminresponsiven Prolaktinomen, also laktotropen Tumoren, die auf eine Therapie mit Dopaminagonisten ansprechen, werden NGF, trkA, p75NGFR und D2R exprimiert (Missale et al. 1996). Dagegen fehlen in dopaminresistenten Prolaktinomen nicht nur D2-Rezeptoren, sondern auch NGF und p75NGFR (Missale et al. 1996). In vitro und im Tiermodell zeigte es sich, dass die Behandlung resistenter Prolaktinome mit NGF zu einer Reexpression von p75NGFR fçhrte und dass NGF çber diesen Rezeptor wieder die Produktion von D2R stimulieren konnte, wobei dabei die NGF-induzierte Aktivierung von NF-jB (nukleårer Faktor-kappaB) eine essentielle Rolle spielte (Fiorentini et al. 2002). Die dopaminresistenten laktotropen Tumorzellen wurden dadurch in einen dopaminresponsiven Status çberfçhrt, Wachstum und Prolaktinsekretion lieûen sich durch Dopaminagonisten supprimieren (Missale et al. 1993). Interessanterweise war nur eine kurzzeitige und vorçbergehende NGF-Behandlung notwendig, um diesen Prozess zu induzieren (Missale et al. 1993), so dass angenommen werden muss, dass durch die transiente NGF-Behandlung die oben genannte intrinsische autokrine Regulationsschleife in vorher resistenten Prolaktinomen wieder dauerhaft aktiviert wurde. Diese Befunde sind von auûerordentlicher klinischer Relevanz, wenngleich NGF selbst aus verschiedenen Grçnden (kaum wirksam wegen Bindung an Plasmaproteine, Induktion von starken Schmerzen, enorme Kosten) nicht fçr die Therapie dopaminresistenter Prolaktinome in Frage kommt. Es ist jedoch denkbar, dass in absehbarer Zeit einfacher strukturierte Pharmaka entwickelt werden,
die NGF-åhnliche Effekte in resistenten Prolaktinomzellen induzieren.
2.2.4.4 Fibroblasten-Wachstumsfaktoren Die Proteinfamilie der Fibroblast growth factors (FGF) besteht aus mehr als 20 Mitgliedern, die çber fçnf verschiedene Tyrosinkinase-Rezeptoren (FGFR1±FGFR5) wirksam sind (Galzie et al. 1997). FGF8 und FGF10 sind frçhe Determinanten der Hypophysenentwicklung wåhrend der Embryogenese (Treier et al. 1998) (Kap. 1.4). Im adulten Vorderlappen ist vor allem FGF2 (basischer FGF) von Bedeutung. FGF2 wurde in laktotropen Zellen und in FS-Zellen nachgewiesen (Ferrara et al. 1987; Hentges et al. 2000 a). In der normalen Hypophyse werden FGFR1, FGFR2 und FGFR3 exprimiert, wobei die Lokalisation der einzelnen Rezeptortypen noch unklar ist (Abbass et al. 1997). FGF2 ist nicht nur ein potenter angiogenetischer Faktor, sondern stimuliert auch die Prolaktinsynthese und -sekretion sowie das Wachstum von laktotropen Zellen (Renner et al. 1996). Bei æstradiolinduzierten Prolaktinomen in Fischer-344-Ratten wird FGF2 schon in einer frçhen Phase der Tumorentwicklung hochreguliert, so dass spekuliert wurde, dass FGF2 maûgeblich fçr die Steigerung der Prolaktinproduktion und des laktotropen Zellwachstums verantwortlich ist und darçber hinaus auch an der Neovaskularisation dieser experimentell induzierten Prolaktinome beteiligt ist (Heaney et al. 1999). Bei der Synthese des wachstumsstimulierenden FGF2 wird gleichzeitig die FGF2-Antisense-mRNA transkribiert und zur Produktion des Proteins GFG genutzt, das die Proliferation inhibiert und damit einen natçrlichen Gegenspieler von FGF2 darstellt (Asa et al. 2001). In der normalen Hypophyse sind die GFG-Spiegel hæher als die von FGF2, wåhrend das Gegenteil in Hypophysenadenomen gefunden wurde (Asa et al. 2001). In Letzteren wurden gegençber Normalhypophysen auch Verånderungen der Expression von FGFR1, FGFR2 und FGFR3 gefunden (Abbass et al. 1997), was zu Spekulationen gefçhrt hat, dass sowohl Verånderungen des FGF2/GfG-Verhåltnisses als auch der Rezeptorexpression fçr die Pathogenese von Hypophysentumoren von Bedeutung sind. Vor kurzem wurde mit ptd-FGFR4 eine trunkierte Form von FGFR4 gefunden, die bisher nur in Hypophysenadenomen nachgewiesen wurde (Abbass et al. 1997; Ezzat et al. 2002). Ptd-FGFR4 wird in 40% aller Hypophysenadenome unabhångig von Tu-
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U. Renner et al.
mortyp oder -phånotyp exprimiert (Ezzat et al. 2002). Der trunkierte Rezeptor enthålt die beiden intrazellulåren Kinasedomånen, wåhrend das Signalpeptid und die beiden ersten extrazellulåren IGåhnlichen Domånen fehlen (Abbass et al. 1997; Ezzat et al. 2002). Ptd-FGFR4 scheint eine onkogene Variante des FGFR4 darzustellen, da transgene Måuse, die ptd-FGFR4 in laktotropen Zellen exprimierten, Prolaktinome entwickelten, wåhrend sich in FGFR4-transfizierten Tieren keine Tumoren fanden (Ezzat et al. 2002; Low 2002). Verånderungen der FGF-Rezeptor-Expression und der FGF2-Produktion kænnten çber parakrine Mechanismen die Entwicklung und Progression von Hypophysentumoren begçnstigen. Die lokale hypophysåre Produktion von FGF2 scheint dabei so stark anzusteigen, dass auch im peripheren Blut ein erhæhter FGF2-Spiegel bei Patienten mit sporadischen oder MEN1-assoziierten Hypophysenadenomen gemessen wurde (Zimering et al. 1993; Ezzat et al. 1995), was von diagnostischer Bedeutung sein kænnte.
2.2.4.5 Gp130-Zytokin-Familie Die Gruppe der sog. gp130-Zytokine umfasst im Wesentlichen Interleukin-6 (IL-6), IL-11, den Leukåmie inhibierenden Faktor (LIF), den ziliaren neurotropen Faktor (CNTF), Onkostatin M (OSM) und Kardiotropin-1 (CT-1), die zum Teil an spezifische Rezeptoren binden, aber die alle fçr die zellulåre Signalinduktion das Protein gp130 benutzen (Arzt 2001). Die Bedeutung des Letzteren fçr die Entwicklung von Hypophysentumoren wird dadurch ersichtlich, dass vor kurzem gezeigt wurde, dass die funktionelle Suppression von gp130 in laktosomatotropen GH3-Hypophysentumor-Zellen mittels gp130-mRNA-Antisense dazu fçhrt, dass die GH3-Zellen ihr tumorigenes Potential einbçûen und in Nacktmåusen keine Tumoren mehr entwickeln kænnen (Castro et al. 2003; Abb. 2.2.6). Dies zeigt, dass eines oder mehrere gp130 Zytokine eine Rolle bei der Entwicklung von Hypophysentumoren spielen kænnen. Obwohl fast alle gp130-Zytokine und ihre Rezeptoren in der Hypophyse oder in Hypophysenadenomen entdeckt worden sind (Arzt 2001; Hanisch et al. 2000), wurde bisher fast nur die Bedeutung von IL-6 und LIF intensiv untersucht.
2.2.4.5.1 Interleukin-6 In der normalen Hypophyse wird IL-6 von follikulostellåren (FS-)Zellen gebildet und sezerniert
Abb. 2.2.6. Bedeutung des gp130-Proteins fçr die Entwicklung experimenteller Hypophysentumoren. Inijziert man laktosomatotrope GH3-Hypophysentumor-Zellen in die Flanken von Nacktmåusen, so entwickeln diese GH3-Wildtypzellen innerhalb von 4 Wochen groûe, dicht vaskularisierte, laktosomatotrope Tumoren. GH3-Zellen, die stabil mit einem gp130-Antisense-Genexpressionsvektor transfiziert wurden und in denen dadurch konstitutiv die Synthese von gp130 unterdrçckt wird, entwickeln keine oder nur sehr kleine Tumoren
(Renner et al. 1998). Es wird vermutet, dass intrahypophysåres IL-6 bei immun-endokrinen Interaktionen eine wichtige Rolle spielt (Abschn. 2.2.5). In ca. 70% der Hypophysenadenome wird ebenfalls IL-6 produziert. Da FS-Zellen in Tumoren selten vorkommen oder fehlen (Abschn. 2.2.5), wurden hier die Adenomzellen als Quelle fçr IL-6 identifiziert (Jones et al. 1994; Ueta et al. 1995). Intratumorales IL-6 ist vermutlich an der Pathophysiologie und Progression von Hypophysentumoren beteiligt. In etwa 70% der Hypophysenadenome sezernieren die Tumorzellen schon unter basalen Bedingungen relativ groûe Mengen an IL-6 (Jones et al. 1994; Paez Pereda et al. 2000; Thiele et al. 2003), so dass angenommen wird, dass die IL-6-Produktion in vielen Hypophysentumoren ein autonomer Prozess ist, wenngleich auch hier die IL-6-Produk-
a
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
tion z. B. durch Glukokortikoide stark inhibiert (Paez Pereda et al. 2000; Thiele et al. 2003) und in Prolaktinomzellen durch Ústradiol stimuliert werden kann (Onofri et al. 2004). Kçrzlich ist gezeigt worden, dass IL-6 in kortikotropen und somatotropen Adenomen die Sekretion von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) bzw. GH in vitro stimuliert (Paez Pereda et al. 2000; Thiele et al. 2003). Es ist daher anzunehmen, dass bei Vorliegen einer intrinsischen IL-6-Produktion in entsprechenden Adenomen intratumorales IL-6 çber parakrine Mechanismen zur exzessiven Produktion von ACTH und GH und damit zur Pathophysiologie dieser Tumoren beitrågt (Arzt et al. 1999; Paez Pereda et al. 2000; Thiele et al. 2003). Interessanterweise beeinflusst IL-6 auch in unterschiedlicher Weise die Proliferation von Hypophysenzellen. IL-6 inhibiert das Wachstum normaler endokriner Vorderlappenzellen (Arzt et al. 1993), reguliert in Hypophysenadenomen die Expression des wachstumsassoziierten Faktors c-fos (Paez Pereda et al. 1996) und stimuliert die Proliferation von Hypophysentumorzellen (Arzt et al. 1993; Sawada et al. 1995; Renner et al. 1997; Borg et al. 2003). Unklar ist, wie die unterschiedlichen Wachstumseffekte auf molekularer Ebene vermittelt werden. Da IL-6 aber verschiedene Signaltransduktionsprozesse wie die JAK/STATKaskade oder den MAP-Kinase-Signal-Transduktionsweg aktivieren kann oder Zytokinsignalinhibitoren wie SOCS-3 induziert (Arzt 2001), ist denkbar, dass IL-6 in normalen und adenomatæsen Hypophysenzellen unterschiedliche stimulierende oder inhibierende Signale induziert, die fçr die Stimulation bzw. Inhibition der Proliferation verantwortlich sind. Zusammengefasst sprechen die Befunde dafçr, dass in Hypophysentumoren produziertes IL-6 çber auto-/parakrine Mechanismen sowohl die Pathophysiologie als auch die Progression von Hypophysentumoren stimuliert.
2.2.4.5.2 Leukaemia Inhibitory Factor Øhnlich wie IL-6 ist auch der Leukåmie inhibierende Faktor (LIF) ein pleiotropes Zytokin, das unterschiedliche Effekte in der Hypophyse ausçbt. LIF ist ein potenter Stimulator der Propiomelanokortin(POMC-)Expression und der ACTH-Sekretion und ist çber den JAK/STAT-Signal-Transduktionsweg wirksam (Auernhammer u. Melmed 1999). Es spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren (HPA)-Achse bei Stress und Entzçndungen (Auernhammer u. Melmed 1999). Transgene Måuse, die LIF in der Hypophyse çberexprimieren, weisen
eine kortikotrope Hyperplasie auf, die mit einer Reduktion der Zellzahl und Funktion laktotroper und somatotroper Hypophysenzellen einhergeht (Yano et al. 1998). Diese Måuse zeigen Symptome eines Cushing-Syndroms (Yano et al. 1998). In humanen kortikotropen Adenomen ist allerdings keine Ûberexpession von LIF gefunden worden (Hanisch et al. 2000; Kontogeorgos et al. 2000). Vor kurzem ist dagegen gezeigt worden, dass LIF mæglicherweise eine Rolle fçr die Pathophysiologie von Prolaktinomen spielt. Dieser Tumortyp scheint als einziger kein LIF zu exprimieren (BenShlomo et al. 2003). Behandelt man laktotrope Zellkulturen mit LIF, so beobachtet man eine Suppression der Prolaktinsekretion, die interessanterweise nach Zugabe des Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonisten Sulpirid revertiert wird (Ben-Shlomo et al. 2003). Auf der Grundlage dieser Befunde wurde spekuliert, dass in einer normalen laktotropen Zelle LIF die Prolaktinsekretion çber eine Interaktion des gp130-Signal-Transduktionsweges mit dem D2-Rezeptor inhibiert. In Prolaktinomen geht dieser intrinsische, auto-/parakrine Mechanismus verloren, was eventuell zur exzessiven Prolaktinsekretion dieser Tumoren beitragen kænnte (Ben-Shlomo et al. 2003).
2.2.5 Rolle der follikulostellåren Hypophysenzelle bei parakrinen Interaktionen Wie bereits erwåhnt, wird vermutet, dass die FSZellen bei intrahypophysåren, parakrin vermittelten Prozessen eine wichtige Rolle spielen, da sie hypophysiotrop wirksame Substanzen sezernieren, deren Produktion wiederum durch zirkulierende, hypothalamische oder intrahypophysår gebildete Hormone und Zytokine beeinflusst wird. Nachfolgend sind nur einige potentiell parakrin relevante Mechanismen dargestellt. So scheinen FS-Zellen z. B. eine wichtige intrahypophysåre Zielzelle von PACAP (¹pituitary adenylate cyclase-activating polypeptideª) zu sein, einem zuerst im Hypothalamus identifizierten Peptid mit pleiotroper Wirkung, dessen Bedeutung fçr die Hypophyse immer noch nicht schlçssig geklårt ist (Vaudry et al. 2000). Es ist gezeigt worden, dass PACAP in vivo die Prolaktinsekretion stimuliert, in vitro dagegen im Monolayer-Zellkulturen ein schwacher Inhibitor der Prolaktinfreisetzung ist (Jarry et al. 1992). Fçr diese Diskrepanz ist vermutlich durch PACAP aus FS-Zellen in gro-
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ûen Mengen freigesetzes IL-6 verantwortlich (Renner et al. 1998), das in dreidimensionalen Hypophysen-Aggregatzellkulturen oder in intaktem Hypophysengewebe parakrin die Prolaktin-(PRL-)Sekretion stark stimuliert und die schwachen direkten inhibitorischen Effekte von PACAP auf die Prolaktinsekretion çberlagert (Benter et al. 1995). Die physiologische Bedeutung dieser divergenten Effekte von PACAP auf die Prolaktinsekretion ist unklar. Vor kurzem wurde der TSH-Rezeptor in FS-Zellen nachgewiesen (Prummel et al. 2000; Theodoropoulou et al. 2000), so dass çber eine Beteiligung von FS-Zellen bei ultrakurzen intrahypophysåren Feedbackmechanismen bei der HypophysenSchilddrçsen-Achse spekuliert wird, wenngleich zur Zeit nur wenige experimentelle Hinweise hierzu vorliegen (Brokken et al. 2005). FS-Zellen dçrften çber einen parakrinen Mechanismus auch modulierend auf die FSH-Sekretion gonadotroper Hypophysenzellen einwirken. FS-Zellen sind im Vorderlappen vermutlich die Hauptquelle fçr Follistatin (Danila et al. 2000; Bilezikjian et al. 2003), ein Protein, das Aktivin bindet und dadurch dessen stimulierende Wirkung auf die FSH-Sekretion unterdrçckt (Abschn. 2.2.4.2). Bei infektiæsen Prozessen vermehrt gebildete Zytokine wie IL-1 sind starke Stimulatoren der follikulostellåren Follistatinsekretion (Bilezikjian et al. 2003). Daher ist denkbar, dass bei der nach Infektionen/ Entzçndungen beobachteten Suppression der gona-
Abb. 2.2.7. Schematische, stark vereinfachte Darstellung der Mechanismen immun-endokriner Interaktionen. Dargestellt ist die nach einer Infektion/Entzçndung durch Lipopolysaccharide (LPS) gram-negativer Bakterien induzierte Interaktion des Monozyten/Makrophagensystems (via proinflammatorischer Zytokine TNF-a, IL-1, IL-6) mit der Hy-
dalen Hypophysenachse u. a. auch durch Zytokine in FS-Zellen stimuliertes Follistatin beteiligt ist.
2.2.5.1 Immun-endokrine Interaktionen Bei immun-endokrinen Interaktionen im Zusammenhang mit infektiæsen oder inflammatorischen Prozessen veråndert sich unter dem Einfluss des aktivierten Immunsystems das Endokrinum, welches dann seinerseits auf das Immunsystem zurçckwirkt. Dabei beeinflussen Zytokine aus Immunzellen die Produktion von Hormonen, die ihrerseits auf Funktion und Proliferation von Immunzellen einwirken (Arzt et al. 1999). Durch diese immun-endokrinen Interaktionen werden adaptive Prozesse induziert, die zum einen fçr das Immunsystem optimale Bedingungen zur Bekåmpfung von Infektionen/Entzçndungen schaffen und zum anderen dazu dienen, eine Ûberreaktion des Immunsystems, die im Extremfall zum septischen Schock fçhren kann, zu verhindern. Besonders gut untersucht ist in diesem Zusammenhang die Interaktion zwischen dem Immunsystem und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse; Chrousos 1995; Abb. 2.2.7). Bei infektiæsen bzw. entzçndlichen Erkrankungen kommt es unter der Wirkung bakterieller Endotoxine (u. a. Lipopolysaccharide, LPS) zu einem Anstieg von zirkulierendem TNF-a, IL-1 und IL-6. Diese Zytokine aktivieren die HPA-Achse auf allen drei Ebenen (Stimulation von hypothalamischem
pothalamus-Hypophysen-Nebennieren(HPA)-Achse des Endokrinums. Stimulierende Wirkungen sind grçn, inhibitorische Effekte rot dargestellt. Details siehe Text. HVL: Hypophysenvorderlappen, NN: Nebenniere, CRH: Kortikotropinreleasing-Hormon, ACTH: adrenokortikotropes Hormon
a
2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
Kortikotropin-releasing-Hormon [CRH], hypophysårem ACTH und adrenalen Glukokortikoiden), was zu einer Erhæhung der Konzentration zirkulierender Glukokortikoide fçhrt, die antiinflammatorisch wirken und den Organismus vor einer Ûberreaktion des Immunsystems schçtzen (Chrousos 1995). Bei den immun-endokrinen Interaktionen sind auf hypophysårer Ebene auch die FS-Zellen beteiligt (Herkenham 2005). Dabei aktivieren TNF-a und IL-1 sehr stark die Produktion von IL-6 in FSZellen (Renner et al. 1998). Kçrzlich ist zudem gezeigt worden, dass bakterielles LPS in diesen Zellen auch direkt die IL-6-Sekretion extrem stark stimulieren kann, da FS-Zellen den Toll-like-Rezeptor-4 (Tlr4) exprimieren, den Rezeptor fçr LPS (Lohrer et al. 2000; Abb. 2.2.8). Vergleichende Untersuchungen in Monolayer- und Aggregatzellkulturen ergaben, dass in beiden Systemen die IL-6-Sekretion stimuliert wurde, aber nur in dreidimensionalen Hypophysezellaggregaten LPS die ACTH-Sekretion erhæhte (Gloddek et al. 2001). Da diese LPS-induzierte Stimulation der ACTH-Sekretion durch einen neutralisierenden Antikærper gegen IL-6 blockiert werden konnte, vermittelt wohl IL-6 parakrin den stimulierenden Effekt von LPS auf die ACTH-Sekretion (Gloddek et al. 2001; Abb. 2.2.8). Bei infektiæsen Prozessen verstårkt vermutlich intrahypophysåres parakrin wirksames IL-6 die ACTH-Sekretion und damit die Aktivierung der HPA-Achse.
a b
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2.2.5.2 FS-Zellen und Tumorprogression Ob FS-Zellen fçr die Entwicklung von Hypophysentumoren von Bedeutung sind, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Wird eine geringe Zahl somatotroper MtT/S-Ratten-Tumorzellen in Nacktmåuse injziert, entwickeln sie nur nach gleichzeitiger Injektion von follikulostellåren TtT/GF-Zellen solide Tumoren (Koyama et al. 1995; Graciarena et al. 2004). Dies weist auf Interaktionen zwischen Tumorzellen und FS-Zellen bei der Entwicklung von Hypophysentumoren hin. FS-Zellen sind in humanen Hypophysenadenomen nicht oder nur in sehr geringen Mengen vorhanden (Hæfler et al. 1984; Marin et al. 1992; Ueta et al. 1995). Allerdings ist beschrieben worden, dass sich FS-Zellen an der Grenze zwischen normalem und adenomatæsem Hypophysengewebe anhåufen (Farnoud et al. 1994). In dieser sog. Transitionszone sind parakrine Interaktionen zwischen Tumorzellen und FS-Zellen denkbar (aber noch nicht experimentell nachgewiesen), die die Progression von Hypophysenadenomen beeinflussen kænnten.
e Abb. 2.2.8 a±e. LPS-induzierte und IL-6-vermittelte ACTH-Sekretion. Stimulation von follikulostellåren Zellen mit LPS fçhrt çber p38a-MAP-Kinase-Phosphorylierung (a) und IjB-Phosphorylierung (b) innerhalb von 60 min zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-jB (c), unter dessen Einfluss es zur Induktion der IL-6-Produktion und nachfolgend zu einem starken Anstieg der IL-6-Sekretion kommt (d). In Hypophysenzellaggregaten (e), nicht aber in Hypophysenmonolayer-Zellkulturen (hier nicht gezeigt) steigt die ACTHSekretion nach Stimulation mit LPS stark an. Die LPS-induzierte ACTH-Sekretion kann durch einen neutralisierenden IL-6-Antikærper blockiert werden, was darauf hinweist, dass LPS-induziertes intrahypophysåres IL-6 parakrin die ACTHFreisetzung vermittelt. LPS: bakterielles Lipopolysaccharid; ab: Antikærper
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2.2.6 Physiologische und pathophysiologische Angiogenese der Hypophyse Der Hypophysenvorderlappen wird von einem extrem dichten Kapillarnetz durchzogen, das nicht direkten arteriellen Ursprungs ist. Gefåûe der oberen Hypophysenarterie verzweigen im Bereich der Eminentia mediana zu einem dichten Geflecht von Kapillaren, die sich zu langen und kurzen venæsen Portalgefåûen vereinigen, die den Hypophysenstiel durchziehen, bevor sie sich im Vorderlappen erneut zu einem dichten Kapillarnetz verzweigen. Das hypothalamisch-hypophysåre Portalgefåûsystem ist notwendig fçr die funktionelle Kopplung von Hypothalamus und Hypophyse. Hypothalamische Faktoren werden im Bereich der Eminentia mediana ins Portalgefåûsystem abgegeben und erreichen in konzentrierter Form den Vorderlappen, wo sie çber stark fenestrierte Kapillaren rasch zu ihren Zielzellen diffundieren, aus denen auf umgekehrtem Weg die freigesetzten Hypophysenhormone schnell in die Blutbahn gelangen. Ûber die molekularen Mechanismen bei der Embryonalentwicklung des Portalgefåûsystems im Hypophysenvorderlappen ist fast nichts bekannt, allerdings dçrften hier, wie in anderen Organen auch, vornehmlich angiogenetische Prozesse eine Rolle spielen. Im Gegensatz zur Vaskulogenese, bei der Gefåûe de novo aus endothelialen Vorlåuferzel-
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len entstehen, entwickeln sich bei der Angiogenese neue Gefåûe durch Aussprossen aus bereits bestehenden Gefåûen (Carmeliet 2000). Der Prozess der Angiogenese ist eine im hæchsten Maûe zeitlich und råumlich koordinierte Abfolge zellulårer Interaktionen, die hauptsåchlich parakrin reguliert werden und bei denen u. a. an einem Gefåû zunåchst die endotheliale extrazellulåre Matrix ¹aufgeweichtª wird, die Proliferation der Endothelzellen lokal stimuliert wird, und die Migration der Endothelzellen unter Ausbildung tubulårer Strukturen in das neu mit Gefåûen zu versorgende Gewebeareal induziert wird (Carmeliet 2000). Im adulten Vorderlappen findet Angiogenese vermutlich im Zusammenhang mit der durch eine Schwangerschaft induzierten laktotropen Hyperplasie statt, bei der das Volumen der Hypophyse um mehr als 50% zunimmt (Abschn. 2.2.5). Bei der Vorderlappenvergræûerung wird vermutlich auch das hypophysåre Gefåûsystem angiogenetisch erweitert, allerdings gibt es hierzu kaum Untersuchungen. Im Zuge der Entwicklung von Hypophysenadenomen findet wie in allen soliden Tumoren eine pathophysiologische Angiogenese statt, die zur Tumor-Neovaskularisation fçhrt. Da die normale Hypophyse sehr stark vaskularisiert ist, weist das Hypophysentumorgewebe in der Regel eine geringere Gefåûdichte auf (Turner et al. 2000; Abb. 2.2.9). Die Neovaskularisation ist fçr das Wachstum der Adenome essentiell, da nur bis zu einem Durchmes-
b Abb. 2.2.9 a, b. Gefåûdichte in der normalen Hypophyse und in einem Hypophysenadenom. Immunhistochemische Untersuchungen bezçglich der Expression des Gefåûmarkers CD31 zeigen, dass der normale humane Hypophysenvorderlappen (a) ein wesentlich dichteres und besser organisiertes Gefåûsystem aufweist (dunkle Strukturen), als das hier ge-
zeigte Gewebe eines somatotropen Makroadenoms (b). Letzteres ist stellvertretend fçr ca. 40 von uns untersuchten hypophysåren Mikro- und Makroadenome gezeigt, die ebenfalls meist eine geringere Gefåûdichte als die normale Hypophyse aufwiesen
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2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
ser von maximal 1 mm eine Versorgung der Zellen mit Nåhrstoffen und Sauerstoff allein çber Diffusionsprozesse mæglich ist. Bei Hypophysentumoren hat die Neovaskularisation aber noch eine fatale Nebenwirkung: Durch angiogenetische Prozesse erhålt das Tumorgewebe direkte arterielle Zugånge und koppelt sich vom Portalgefåûsystem ab, so dass z. B. somatotrope und laktotrope Tumorzellen nicht mehr unter der endokrinen Kontrolle von inhibitorisch wirksamem Somatostatin oder Dopamin stehen (Elias u. Weiner 1984; Schechter et al. 1988). Es wird vermutet, dass dies dazu beitrågt, dass die entsprechenden Tumoren wachsen und ungehindert Hormone freisetzen kænnen. Nach systemischer Gabe langlebiger und potenter Somatostatinanaloga und Dopaminagonisten lassen sich dementsprechend Wachstum und Hormonsekretion dieser Tumoren effizient supprimieren, im Fall von Prolaktinomen kommt es nicht selten zur fast kompletten Regression der Tumoren und zur Normalisierung der Prolaktinspiegel. Bisher wurde noch nicht nåher untersucht, ob die Therapie mit Dopaminagonisten in Prolaktinomen zu einem aktiven Abbau des Tumorgefåûsystems fçhrt (dies wåre im Zusammenhang mit antiangiogenetischen Therapiestrategien pharmakologisch und klinisch hæchst interessant), oder ob die Gefåûe nach der Reduktion des Tumorvolumens passiv degradieren. Die bei weitem wichtigsten parakrin wirksamen angiogenetischen Faktoren sind FGF2 (Abschn. 2.2.4.4 und 2.2.7), die Mitglieder der VEGF-Protein-Familie (Abschn. 2.2.6.1) und die im Zusammenhang mit der Hypophyse noch kaum untersuchten Mitglieder der Familie der Platelet-derived growth factors (PDGF).
2.2.6.1 Vaskulåre endotheliale Wachstumsfaktoren Die Familie der vaskulåren endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF, Vascular endothelial growth factor) umfasst derzeit die fçnf VEGF-Formen VEGF-A bis VEGF-E sowie die Placenta-derived growth factors PlGF-1 bis PlGF-4 (Ferrara u. Davis-Smyth 1997). Die Faktoren wirken çber drei Tyrosinkinase-Rezeptoren, wobei VEGFR-1 und VEGFR-2 vorwiegend in Blutgefåûendothelzellen vorkommen, wåhrend VEGFR-3 çberwiegend im Lymphgefåûsystem exprimiert wird, zum Teil aber auch in stark fenestrierten Endothelzellen von Blutkapillaren. Von Bedeutung ist auch noch Neuropilin-1, ein Korezeptor ohne intrazellulåre Signaldomåne, der die Bindung von VEGF-A an den
VEGFR-2 begçnstigt (Ferrara u. Davis-Smyth 1997). Ûber VEGFR-1 und VEGFR-2 wirksames VEGF-A ist derzeit vermutlich der bedeutendste angiogenetische Faktor, der auûerdem auch noch die Permeabilitåt von Gefåûzellen stimuliert. Vom VEGF-A existieren vier Isoformen, von denen VEGF-A165 und VEGF-A121 diffusible und parakrin wirksame Faktoren darstellen, wåhrend VEGF-A189 und VEGF-A206 mit der extrazellulåren Matrix assoziiert sind (Ferrara u. Davis-Smyth 1997). VEGF-A wurde in der normalen Hypophyse nur in FS-Zellen nachgewiesen (Ferrara u. Henzel 1989), wohingegen in Hypophysenadenomen die Tumorzellen die Quelle von VEGF-A sind (Lohrer et al. 2001; Abb. 2.2.10 a). Die Sekretion von læslichen VEGF-A-Isoformen wurde in FS-Zellen von einer Reihe von Substanzen (u. a. IL-6, PACAP, TGF-a, TGF-b) stimuliert und durch Glukokortikoide inhibiert (Gloddek et al. 1999). Es wurde spekuliert (aber noch nicht nachgewiesen), dass durch Verånderungen der VEGF-A-Sekretion die Permeabilitåt der intrahypophysåren Kapillaren erhæht bzw. reduziert werden kænnte, was wiederum den Stoffaustausch zwischen Gefåûen und endokrinen Zellen beeinflussen wçrde. In Hypophysenadenomen wurde die Sekretion von VEGF-A durch die in FS-Zellen wirksamen Faktoren nur in einzelnen Tumoren beeinflusst; die VEGF-A-Produktion scheint hier ein weitgehend autonomer Prozess zu sein, der åhnlich wie in anderen soliden Tumoren durch andere Mechanismen oder Faktoren (z. B. Hypoxie, Onkogene) stimuliert wird. Lediglich die supprimierende Wirkung von Glukokortikoiden auf die VEGF-A-Produktion war auch in fast allen Adenomen zu beobachten, und TGF-a stimulierte in den meisten Tumoren die VEGF-Freisetzung (Abb. 2.2.10 b, c; Lohrer et al. 2001). In æstradiolinduzierten Prolaktinomen von Fischer344-Ratten, die eine auûergewæhnlich hohe Gefåûdichte aufweisen, wird nicht nur FGF2, sondern auch VEGF-A çberexprimiert, die gemeinsam fçr die Induktion der Neovaskularisation in diesen Tumoren verantwortlich sein dçrften (Banerjee et al. 1997; Heaney et al. 1999). Eine Stimulation der VEGF-A-Produktion durch Ústradiol wurde auch in humanen laktotropen und laktosomatotropen Adenomzellen gefunden (Onofri et al. 2004). Im Zusammenhang mit VEGF-Rezeptoren ist eine Ûberexpression von VEGFR-2-mRNA in humanen Hypophysenadenomen und in æstradiolinduzierten Prolaktinomen von Fischer-344-Ratten beschrieben worden, in Letzteren auch eine erhæhte Expression von Neuropilin-1 (Banerjee et al. 1997, 2000; McCabe et al. 2002).
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a Abb. 2.2.10 a±c. VEGF-Sekretion und -Regulation in Hypophysenadenomen. Hypophysenadenomzellen sezernieren in vitro unterschiedliche Mengen von VEGF ins Zellkulturmedium (a). Die Produktionsrate korrelierte dabei nicht mit klinischem Typ oder Phånotyp (Mikro-, Makroadenom, invasiv, nichtinvasiv u. a.) des Hypophysenadenoms. Das syn-
2.2.7 Ústrogenabhångiges intrahypophysåres Wachstumsfaktornetzwerk und seine Bedeutung fçr laktotrope Hyperplasie und Prolaktinomentwicklung Die lokale Produktion einer Vielzahl von Wachstumsfaktoren und Zytokinen innerhalb des Hypophysenvorderlappens hat zu Spekulationen und Hypothesen gefçhrt, dass ein intrahypophysåres Wachstumsfaktornetzwerk existiert, das eine wichtige Rolle fçr die Physiologie der Hypophyse spielt (Renner et al. 1996; Ray u. Melmed 1997; Arzt et al. 1999; Arzt 2001; Renner et al. 2004). Diese Idee wird durch Beobachtungen unterstçtzt, dass die intrahypophysåre Expression von Wachstumsfaktoren und ihren Rezeptoren ein dynamischer Prozess ist, der im Verlauf von Embryogenese, postnataler Entwicklung, Pubertåt, Menstruationszyklus, Schwangerschaft, Stress u. a. Fluktuationen aufweist. Diese Verånderungen intrinsischer Faktoren und ihrer Rezeptoren dçrften vermutlich lokale Anpassungsprozesse an Verånderungen der allgemeinen endokrinen Homæostase widerspiegeln. So wurde z. B. berichtet, dass sich wåhrend
c thetische Glukokortikoid Dexamethason ist ein potenter Inhibitor der tumoralen VEGF-Sekretion (3 Beispiele sind in b gezeigt), wåhrend TGF-a die VEGF-Freisetzung stimuliert (3 Beispiele in c). HI: hormoninaktives Adenom, S: somatotropes Adenom, K: kortikotropes Adenom
des Menstruationszyklus in weiblichen Ratten die FGF2-Expression in der Hypophyse åndert. Verantwortlich hierfçr ist vermutlich Ústradiol, denn der Anstieg und der Abfall des FGF2-Gehaltes folgt leicht verzægert der Fluktuation des Ústradiolserumspiegels; ungefåhr zum Zeitpunkt der Ovulation erreicht die intrahypophysåre FGF2-Expression ihr Maximum (Heaney et al. 2002). Ústradiol oder FGF2 oder die Kombination von beiden dçrften fçr die Verånderungen des hypophysåren Proliferationsindexes (PI) wåhrend des Zyklus verantwortlich sein, der im Bereich der Ovulationsphase am hæchsten und wåhrend der Menstruation am niedrigsten ist (Oishi et al. 1993; Yin u. Arita 2000). Die Beobachtung, dass laktotrope Zellen die çberwåltigende Mehrheit der Zellen mit einem erhæhtem PI darstellen, kænnte durch die Tatsache erklårt werden, dass Ústradiol und FGF2 potente Mitogene fçr laktotrope Zellen sind (Yin u. Arita 2000). Wåhrend des weiblichen Zyklus kænnte jedoch auch noch der intrahypophysåre Gehalt anderer æstradiolabhångiger Wachstumsfaktoren wie TGF-b1, TGF-b3, TGF-a, BMP-4, IL-6 und VEGF-A ansteigen oder abnehmen und dadurch zu Verånderungen der Funktion und des Wachstums laktotroper (und anderer) Hypophysenzellen beitragen
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2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
Abb. 2.2.11. Intrahypophysåre Wachstumsfaktorinteraktionen und deren Auswirkung auf Funktion und Wachstum von laktotropen und follikulostellåren Zellen sowie Gefåûzellen, dargestellt am Beispiel von bFGF (= FGF2) und TGF-
b-Isoformen. Details siehe Text (Abschn. 2.2.5), wo auch die æstrogeninduzierten Verånderungen der Produktion dieser Wachstumsfaktoren und deren (patho-)physiologische Konsequenzen beschrieben sind
(in Abb. 2.2.11 sind schematisch Interaktionen zwischen FGF2 und TGF-b-Isoformen dargestellt). Ústradiolinduzierte Verånderungen oben genannter intrahypophysårer Wachstumsfaktoren von laktotropen Zellen dçrften auch eine Rolle bei der Entwicklung der schwangerschaftsassoziierten, laktotropen Hyperplasie spielen, in deren Verlauf das Volumen des Vorderlappens um mehr als 50% zunimmt (Orgnero de Gaisan et al. 1993; Asa u. Ezzat 1998) und die auch noch bis zum Ende der Laktation andauert. Da sich unter den æstradiolstimulierten Faktoren mit FGF2 und VEGF-A zwei potente angiogenetische Faktoren befinden (Heaney et al. 2002), kommt es mæglicherweise im Zuge der hypophysåren Hyperplasie auch zu einer Neovaskularisation mittels Angiogenese; allerdings gibt es hierzu noch keine experimentellen Befunde. Zusammengenommen kænnte man aus diesen Befunden ableiten, dass es ein intrahypophysåres Netzwerk von Wachstumsfaktoren gibt, das auto-/ parakrin die laktotrope Zellpopulation reguliert. Das Netzwerk scheint dabei zumindest bei weiblichen Såugetieren unter æstrogener Kontrolle zu stehen. Physiologische Anstiege der Ústradiolkonzentration wåhrend des Zyklus oder einer Schwangerschaft fçhren direkt und çber oben genannte Verånderungen des Wachstumsfaktornetzwerks zu einer Steigerung des Wachstums laktotroper Zellen und zu einer laktotropen Hyperplasie. Es fçhren
jedoch weder die wiederkehrenden zyklusabhångigen Erhæhungen des PI laktotroper Zellen noch mehrmalige Schwangerschaften zu einer persistierenden Vergræûerung des Hypophysenvorderlappens. Dies weist auf intrahypophysåre Mechanismen hin, die der æstradiolinduzierten Vergræûerung der laktotropen Zellpopulation entgegenwirken. In hyperplastischen Hypophysen wurde nach Beendigung der Laktation eine verstårkte Apoptoseaktivitåt, insbesondere in laktotropen Zellen beobachtet (Orgnero de Gaisan et al. 1993; Aoki et al. 1996; Drewett et al. 1993). Wenngleich die Ursache der erhæhten Apoptoseaktivitåt noch unklar ist, hat sie zur Folge, dass die transient vergræûerte laktotrope Zellpopulation wieder verkleinert wird. Es ist aufgrund der oben aufgefçhrten Beobachtungen spekuliert worden, dass æstrogene Risikofaktoren fçr die Entwicklung humaner laktotroper Hypophysenadenome darstellen kænnten (Asa u. Ezzat 1998, 2002). Abgesehen von einer erhæhten Inzidenz von Mikroprolaktinomen bei Frauen spricht jedoch wenig fçr diese Hypothese (Asa u. Ezzat 1998). In Studien, in denen die Auswirkungen der Ústrogensubstitution bei postmenopausalen Frauen untersucht wurden, ist kein Anstieg der Prolaktinominzidenz beschrieben worden. Bei Patienten mit Mann-zu-Frau-Transexualitåt, die mit hohen Ústrogenkonzentrationen behandelt werden, findet man nur extrem selten ein Prolakti-
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nom (Gooren et al. 1988; Kovacs et al. 1994). Bei den meisten Rattenståmmen entwickeln weibliche Tiere nach Langzeitbehandlung mit Ústradiol zwar eine laktotrope Hyperplasie, jedoch meist keine Prolaktinome. Die Ausnahme bilden hier allerdings Fischer-344-Ratten, bei denen weibliche und månnliche Tiere nach Ústrogenbehandlung innerhalb weniger Wochen groûe Makroprolaktinome entwickeln (Heaney et al. 1999, 2002). Bei der Induktion dieser Tumoren kommt es zu einer Ûberexpression von FGF2, TGF-a, TGF-b3 und BMP-4, die alle Stimulatoren des Wachstums laktotroper Zellen sind, und zu einer Suppression von TGF-b1, das das Wachstum dieser Zellen inhibiert (Hentges u. Sarkar 2001; Paez-Pereda et al. 2003; Borgundvaag et al. 1992; Heaney et al. 1999, 2002). Ústradiol induziert auch die Ûberexpression von VEGF-A, das zusammen mit FGF2 die Neovaskularisation von Prolaktinomen in Fischer-344-Ratten stimulieren dçrfte. Allerdings weist die Beschrånkung der æstradiolinduzierten Prolaktinomentwicklung auf Fischer-344-Ratten darauf hin, dass dieser Rattenstamm noch eine unbekannte ± vermutlich genetische ± Verånderung (evtl. Tumorsuppressorverlust oder Onkogenexpression) aufweist, der ihn empfånglich fçr die Prolaktinomentwicklung unter Ústrogenbehandlung macht.
2.2.8 Zusammenfassung und Ausblick Es ist unbestritten, dass Funktion und Proliferation von Hypophysenzellen in erster Linie unter endokriner Kontrolle hypothalamischer und peripherer Faktoren stehen. Es zeichnet sich jedoch heute zunehmend ab, dass intrahypophysåre, parakrine Mechanismen fçr die embryonale Hypophysenentwicklung und fçr die Physiologie der adulten Hypophyse von Bedeutung sind und modulierend auf die durch externe Faktoren induzierten Verånderungen der Funktion und des Wachstums von Hypophysenzellen einwirken. Es gibt Hinweise, dass Stærungen parakriner Interaktionen wåhrend der hypophysåren Embryonalentwicklung bei angeborener Hypophyseninsuffizienz eine Rolle spielen. Ob intrahypophysåre Mechanismen fçr eine erworbene Hypophyseninsuffizienz im Erwachsenenalter oder fçr altersbedingte Verånderungen der Hypophysenfunktion von Bedeutung sind, ist noch nicht nåher untersucht worden. Um entsprechende Studien durchzufçhren und um die Bedeutung intrahypophysårer parakriner Interaktionen
besser darzustellen, werden in Zukunft verbesserte experimentelle Modelle notwendig sein, z. B. transgene Tiere mit hypophysenspezifischer Ûberexpression intrinsischer Wachstumsfaktoren bzw. deren Rezeptoren oder konditionale Knock-outTiermodelle, bei denen die intrahypophysåre Expression potentiell parakrin wirksamer Faktoren (bzw. deren Rezeptoren) spezifisch im Vorderlappen blockiert wird. Im Zusammenhang mit Hypophysenadenomen sind eine Reihe tumorassoziierter Verånderungen von Wachstumsfaktoren, ihrer Rezeptoren und ihrer Funktion beschrieben worden. Nur in wenigen Fållen sind verånderte, konstitutiv aktivierte Rezeptoren von Wachstumsfaktoren in Hypophysentumoren gefunden worden, die eine kausale Rolle bei der Entwicklung von Hypophysenadenomen spielen kænnten. Meist sind Verånderungen (Verlust eines inhibitorischen, parakrinen Regelkreises oder Ûberexpression stimulierender intrahypophysårer Faktoren) der intrinsischen Wachstumsfaktoren/Rezptoren eine Folge der tumoralen Transformation, tragen dann aber zum Teil in erheblichen Umfang zur Pathophysiologie und Progression von Hypophysentumoren bei. In experimentellen Modellen hat in vitro die Reexpression oder Zugabe inhibitorischer auto-/parakriner Regulationsfaktoren (z. B. NGF, LIF) bzw. die Blockade stimulierender intrinsischer Faktoren (z. B. gp130-Zytokine) das Tumorwachstum gestoppt und/oder die exzessive Hormonproduktion von Adenomzellen teilweise revertiert. Es ist daher denkbar, dass auf Grundlage dieser experimentellen Befunde langfristig therapeutische Konzepte fçr die Behandlung von Hypophysenadenomen entwickelt werden, die auf die Normalisierung gestærter, auto-/parakriner intratumoraler Regelmechanismen abzielen.
2.2.9 Literatur Abbass SA, Asa SL, Ezzat S (1997) Altered expression of fibroblast growth factor receptors in human pituitary adenomas. J Clin Endocrinol Metab 82: 1160±1166 Allaerts W, Carmeliet P, Denef C (1990) New perspectives in the function of pituitary folliculo-stellate cells. Mol Cell Endocrinol 71: 73±81 Allaerts W, Jeucken PHM, Debets R, Hoefakker S, Claassen E, Drexhage HA (1997) Heterogeneity of pituitary folliculo-stellate cells: Implications for IL-6 production and accessory function in vitro. J Neuroendocrinol 9: 43±53 Aoki A, de Gaisan EO, Pasolli HA, Torres AI (1996) Disposal of cell debris from surplus lactotrophs of pituitary gland. Exp Clin Endocrinol Diabetes 104: 256±262
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2.2 Molekulare und pathologische Aspekte der para-und autokrinen Hypophysenregulation
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2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation Burkhard Gæke, Jocelyn de Heer und Rçdiger Gæke
Inhaltsverzeichnis 2.3.1
Historischer Ûberblick . . . . . . . . . . . .
261
2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.2.1 2.3.2.2.2 2.3.2.2.3 2.3.2.3 2.3.2.3.1 2.3.2.3.2 2.3.2.3.3 2.3.2.3.4 2.3.2.3.5
Grundlagen der Regulation . . . . . . . . . . Definition der gastrointestinalen Hormone Hormonsynthese . . . . . . . . . . . . . . . . Prohormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Posttranslationale Modifikationen . . . . . . Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormonwirkung/Signaltransduktion . . . . Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effektorsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptordesensitivierung . . . . . . . . . . . Rezeptorinternalisation . . . . . . . . . . . . Hormoninaktivierung . . . . . . . . . . . . .
262 262 262 262 263 264 264 264 265 265 265 266
2.3.3
Methoden in der gastrointestinalen Endokrinologie . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1 Zellkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2 Organperfusion . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.3 Chromatographie . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.4 Radioimmunoassay (RIA)/Enzyme-Linked Immunoabsorbent Assay (ELISA) . . . . . 2.3.3.5 Immunhistochemie . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.6 In-situ-Hybridisierung . . . . . . . . . . . . 2.3.3.7 Peptidsequenzierung/MALDI . . . . . . . . 2.3.3.8 DNA-Klonierung . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.9 Peptidhormonsynthese . . . . . . . . . . . . 2.3.3.10 Transgene Tiermodelle . . . . . . . . . . . .
. . . .
266 267 267 267
. . . . . . .
267 268 268 269 269 270 270
2.3.4
Gastrointestinale, regulatorische Peptide (Hormone) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.1 Sekretin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.2 Gastrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.3 Cholezystokinin . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.4 Glukagon und verwandte Peptide . . . . . . 2.3.4.5 Glucose-Dependent Insulinotropic Polypeptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.6 Somatostatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.7 Pankreatisches Polypeptid, Neuropeptid Y und Peptid YY . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.8 Vasoaktives intestinales Peptid und verwandte Peptide . . . . . . . . . . . . 2.3.4.9 Bombesin/Gastrin-Releasing Peptide . . . . 2.3.4.10 Substanz P und andere Neurokinine . . . . 2.3.4.11 Ghrelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 2.3.5.1 2.3.5.2 2.3.5.3 2.3.5.4 2.3.5.5 2.3.5.6 2.3.6
2.3.1 Historischer Ûberblick Die gastrointestinale Endokrinologie beginnt zwischen 1902±1904 mit der Entdeckung des ¹Sekretinsª, das nicht nur als erstes Darmhormon, sondern als erstes Hormon çberhaupt beschrieben wurde (Bayliss u. Starling 1904). William Maddox Bayliss und Ernest Henry Starling fçhrten fçr bis dahin hypothetische Stoffe, die durch den Kærper zirkulieren und so Organfunktionen beeinflussen, den Hormonbegriff ein (Bayliss u. Starling 1902). Sekretin war fçr sie ein wichtiger Beleg fçr diese Annahme. Edkins entdeckte wenig spåter einen hormonellen Regulator der Magensåure und benannte ihn ¹Gas-
Beispiele fçr Regelkreise mit regulatorischen Peptiden als Mediatoren . . . . . . Regulation der Magensåuresekretion . . . Kontrolle von Trophik und Sekretion des exokrinen Pankreas . . . . . . . . . . . Enteroinsulinåre Achse . . . . . . . . . . . Konzept der ¹Ileumbremseª . . . . . . . . Gastrointestinale Hormone und Krebswachstum . . . . . . . . . . . . . Fazit zur Bedeutung des gastrointestinalen Hormonsystems .
. . . . .
271 271 272 273 274
. 276 . 276 . 278 . . . .
278 279 280 280
. . 282 . . 282 . . 282 . . 283 . . 283 . . 283 . . 284
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
trinª (Edkins 1906). Cholezystokinin wurde dann etwas spåter von Ivy als Kontraktor der Gallenblase beschrieben (Ivy u. Oldberg 1928). Bis in die 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde diesen drei Hormonen eine dominante Regulatorfunktion fçr die Verdauung zugeschrieben. Mit der Einfçhrung und explosionsartigen Entwicklung moderner Techniken wissen wir heute von zahlreichen gastrointestinalen Hormonen und ihren Wirkungen auf spezifische Rezeptoren, aber auch von Beispielen, bei denen unterschiedliche Peptidhormone auf das gleiche Rezeptorprotein einwirken (Rehfeld 1998 c; Ahlman u. Nilsson 2001). Mit dem raschen Voranschreiten der Peptidchemie wurden hochempfindliche Radioimmunoassays Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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B. Gæke et al.
zur Hormonmessung und chromatographische Verfahren bis hin zur Hochdruckflçssigkeitschromatographie zur Auftrennung, Sequenzierung und Synthese von Peptidhormonen verfçgbar. Immunzytochemische Techniken unter Einsatz von monoklonalen Antikærpern gestatteten die morphologische Charakterisierung von endokrinen Darmzellen auf lichtmikroskopischer bis zur elektronenmikroskopischen Ebene. Weniger als 10% der endokrinen Zellspezies des Darmes blieben so bisher unidentifiziert (Ahlmann u. Nilsson 2001). Der Darm ist mittlerweile als das komplexeste endokrine Organ im Såugerorganismus anerkannt, hinsichtlich der Anzahl endokriner Zellen und produzierter Hormone. Mit der Etablierung moderner molekularbiologischer Techniken wie der RNA/DNA-Isolierung und -Sequenzierung konnten primåre Translationsprodukte identifiziert werden, und mittels entsprechender Hybridisierungsprotokolle gelang die Identifizierung von Genen und ihrer RNA. Wir kennen heute mehr als 30 Peptidhormongene, die mehr als 100 bioaktive Peptide kodieren (Rehfeld 1998 c). Im Rahmen von neoplastischen Ûberproduktionssyndromen kommt es bei neuroendokrinen Tumoren zur verstårkten Ausschçttung von Darmhormonen, die eine charakteristische Symptomatik verursachen kann. Prohormone sind bekannt, ebenso bioaktive Fragmente, und kænnen bereits in Spuren in Geweben nachgewiesen werden. Zahlreiche Peptidhormonrezeptoren wurden kloniert, exprimiert und dienen modellhaft fçr Funktionsstudien oder zur Entwicklung von Rezeptoragonisten bzw. -antagonisten. Wir finden auch auûerhalb des Gastrointestinaltraktes eine weit verteilte Expression der Gene fçr gastrointestinale Hormone im Kærper. Deshalb sind diese Hormonmolekçle im Sinne peptiderger Signale von ganz grundlegendem physiologischen Interesse. Klassischerweise als Darmhormone erkannte Hormone kommen somit auch als metabolische Hormone, Wachstumsfaktoren, Neurotransmitter, Immunmodulatoren, Fertilitåtsfaktoren und anderes in Betracht (Walsh 1993; Makhlouf 1997; Aziz u. Thompson 1998). Die Komplexitåt des Systems hat sogar eine informationstheoretische Betrachtung provoziert, die regulatorische Peptide als ¹Worte einer biologischen Spracheª betrachtet (Mayer u. Baldi 1991). In der Folge werden die Grundlagen der Regulation gastrointestinaler Signalpeptide dargestellt, bahnbrechende Methoden zur Untersuchung des endokrinen Darms angefçhrt, die wichtigsten bzw. am besten untersuchten Peptidhormone vorgestellt, ausgewåhlte physiologische Regelkreise beschrieben und ein kurzer Ausblick auf die Relevanz von
gastrointestinalen Hormonen in Diagnostik und Therapie gegeben.
2.3.2 Grundlagen der Regulation 2.3.2.1 Definition der gastrointestinalen Hormone Gastrointestinale Hormone sind Botenstoffe, die von endokrinen Zellen des Magen-Darm-Traktes sezerniert werden und Funktionen des Pankreas und des Darms wie z. B. Zellproliferation, Motilitåt, Adsorption, Sekretion und Verdauung regulieren (Tabelle 2.3.1). Sie kænnen auf endokrinem, parakrinem und autokrinem Wege wirken. Zudem kænnen sie Nervenimpulse vermitteln, also neurokrin wirken.
2.3.2.2 Hormonsynthese 2.3.2.2.1 Prohormone Hormongene exprimieren håufig mehrere, biologisch aktive Peptide. Die Prozessierung von Prohormonen kann gewebespezifisch erfolgen, so dass aus einem Prohormon in verschiedenen Geweben unterschiedliche Peptide entstehen kænnen (Rehfeld 1998 c). Es existieren alternative Wege, wie aus einem Hormongen verschiedene biologisch aktive Peptide entstehen kænnen. Alternatives Splicing. Alternatives Splicing zu unterschiedlichen Transskripten eines Hormongens wurde åhnlich wie spåter fçr das Sekretingenprodukt erstmals am Calcitoningen demonstriert, aus dem verschiedene mRNA entstehen, die fçr Calcitonin oder ¹calcitonin gene-related peptideª (CGRP) kodieren (Amara et al. 1982; Rosenfeld et al. 1983). Interessanterweise weisen alle diese Peptide eine vergleichbare biologische Aktivitåt auf. Aus dem Tachykiningen enstehen gewebeabhångig zwei Preprotachykinin-mRNA (Nawa et al. 1984). Ein weiterer Mechanismus, der vermutlich zum Entstehen verschiedener mRNA aus einem Hormongen fçhrt, ist die Verwendung alternativer Transkriptionsstartstellen. Ein Prohormon ± eine biologisch aktive Sequenz. Hierbei existiert ein Prohormon, das eine biologisch aktive Sequenz enthålt. Wåhrend des Prozessierens entstehen jedoch verschiedene Varianten
a
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
Tabelle 2.3.1. Wirkungen gastrointestinaler Hormone Peptid
Zelltyp
Bevorzugter Syntheseort
Wirkung
Sekretin
S
Oberer Darm
Bikarbonat- und H2O-reiches Pankreassekret :, Magensåuresekretion ;
Gastrin
G
Antrum
Magensåuresekretion :, Zelldifferenzierung/-wachstum von Magen- und Darmmukosazellen :
CCK
I
Duodenum
Enzymreiches Pankreassekret :, Gallenblasenkontraktion :, Magenentleerung ;, Appetit ;
GLP-1
L
Unterer Darm, Hirn
GLP-2
L
Insulin :, Glukagon ;, Magenentleerung ;, Magensåure ;, Appetit ; Trophischer Effekt auf Magen- und Darmmukosa, Motilitåt oberer GI-Trakt ;, Magensåure ;
GIP
K
Duodenum, Jejunum
Insulin :, Glukagon :, Adipositas færdernd (?)
Somatostatin
D
GI-Trakt, Hirn
PP
PP
Pankreasinsel
Sekretion zahlreicher GI-Hormone und Neurotransmitter ;, Darmmotilitåt ;, Magensåure ;, Exokrines Pankreassekret ;, Gallenblasenkontraktion ;, Darmmotilitåt ;
NPY
Sympathische Neurone
Nahrungsaufnahme :
PYY
L/H
Darm/enterische Nerven
¹Ileal brakeª, Magenentleerung ;, Magensåure ;, Nahrungsaufnahme ;
VIP
Neurone
Darm, Nerven
Darmmotilitåt, Vasodilatation im Splanchnikus-Gebiet, intestinale Flçssigkeitssekretion :
Bombesin/GRP
In ZNS, fetaler Lunge und GI-Trakt
Magensåure :, Darmmotilitåt :, Nahrungsaufnahme ;
Substanz P
In sensorischen Nervenfasern
Modulation von Nozizeption und Inflammation
Ghrelin
Magen, Plazenta
Growth hormone :, Nahrungsaufnahme :
: stimuliert/gesteigert, ; inhibiert/reduziert/verzægert. CCK: Cholezystokinin, GLP: Glucagon-like peptide, GIP: Glucose-dependent insulinotropic polypeptide, PP: pankreatisches Poypeptid, NPY: Neuropeptid Y, PYY: Peptid YY, VIP: vasoaktives intestinales Peptid.
dieser aktiven Sequenz, die eine unterschiedliche Långe aufweisen. Beispiele hierfçr sind Somatostatin (-14 und -28), Cholezystokinin (-5, -8, -22, -33, -39, -58 und -83) sowie Gastrin (-6, -17, -34 und -71) (Rehfeld 1998 a).
2.3.2.2.2 Posttranslationale Modifikationen
Ein Prohormon ± mehrere biologisch aktive Sequenzen. Ein Hormongen codiert fçr ein Prohormon, das die Sequenzen verschiedener, håufig homologer Hormone enthålt. In einigen Fållen werden diese Prohormone gewebespezifisch prozessiert, so dass gewebeabhångig verschiedene aktive Peptide aus einem Prohormon hervorgehen. Zudem kænnen bereits die primåren Transkripte dieser Gene gewebespezifisch alternativ gespalten werden. Eines der bekanntesten Beispiele fçr ein Gen, das fçr ein Prohormon codiert, das multiple aktive Sequenzen enthålt und gewebespezifisch prozessiert wird, ist das Glukagongen (Bell et al. 1983; Heinrich et al. 1984). Proglukagon kommt in den a-Zellen des Pankreas und in den L-Zellen des Darms vor. Wåhrend im Pankreas Glukagon entsteht und das carboxyterminale Ende des Proglu-
Prohormone werden wåhrend ihres Transports vom rauhen endoplasmatischen Retikulum çber den Golgi-Apparat zu den sekretorischen Granula modifiziert, damit letztlich biologisch aktive Peptide freigesetzt werden kænnen. Posttranslationale Modifikationen kænnen gewebespezifisch erfolgen, so dass nicht nur verschiedene Peptide aus einem Prohormon entstehen kænnen, sondern diese auch weitere unterschiedliche Modifikationen, z. B. unterschiedliche Glykosylierungen, aufweisen kænnen. Prohormone werden durch Spaltung von Peptidbindungen und Aminosåurederivatisierungen modifiziert (Schwartz 1986). Bereits kotranslational und vor Beendigung der Translation des C-terminalen Endes im rauen endoplasmatischen Retikulum wird die N-terminale Signalsequenz abgespalten (Rehfeld u. Goetze 2003). Danach erfolgen Spaltun-
kagons nicht weiter aufgespalten wird, lassen sich in den L-Zellen Glucagon-like peptide(GLP-) 1 und GLP-2 nachweisen.
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gen durch Prohormonkonvertasen vor allem an dibasischen Positionen (Lys-Arg, Arg-Arg; seltener Arg-Lys, Lys-Lys), aber auch an mono-, tri- und tetrabasischen und anderen Stellen (Schwartz 1986; Bresnahan et al. 1990). Die nunmehr C-terminale basische Aminosåure wird durch die Carboxypeptidase E entfernt (Fricker et al. 1989). Die Carboxyamidierung kann eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung und Erhaltung der biologischen Aktivitåt von Peptiden spielen. Die Sequenz X-Gly-Arg/Lys-Arg/Lys repråsentiert eine Amidierungsstelle (Rehfeld u. Goetze 2003). Nach Spaltung des basischen Motivs erfolgt die Entfernung der C-terminalen basischen Aminosåure und die Hydrolysierung von Glycin durch die Peptidylglycin-a-amidierende Monooxygenase. C-terminale, aber auch N-terminale Modifikationen dienen håufig dem Schutz vor Carboxy- beziehungsweise Aminopeptidasen. Zahlreiche Aminosåurederivatisierungen sind bekannt (Rehfeld u. Goetze 2003). Dazu gehæren zum Beispiel Glykosylierung, Acetylierung, Acylierung, Cyclisierung, Phosphorylierung, Sulfatierung, Disulfidbrçckenbildung und Carboxyamidierung. Diese Derivatisierungen beeinflussen u. a. den intrazellulåren Proteintransport, den enzymatischen intra- und extrazellulåren Abbau und Protein-Protein-Interaktionen.
2.3.2.2.3 Sekretion Gastrointestinale Hormone werden auf verschiedenen Wegen freigesetzt (Abb. 2.3.1): a) Geeignete Stimuli fçhren zu einer Freisetzung von Hormonen aus sekretorischen Granula endokriner, in der gastrointestinalen Mukosa befindlicher Zellen in Umgebungskapillaren (endokrine Sekretion). b) Trophische Peptide binden nach ihrer Freisetzung an die Zellen, in denen sie synthetisiert wurden, und stimulieren deren Wachstum. Diese autokrine Sekretion scheint auch bei der Tumorentwicklung eine wichtige Rolle zu spielen (Sporn u. Roberts 1985). c) Neuronale Peptide werden aus synaptosomalen Vesikeln in den Nervenendigungen freigesetzt, um an Rezeptoren auf benachbarten Zellen zu binden (neurokrine Sekretion) (Rehfeld 1998 c). Mæglicherweise kænnen Peptide auch direkt in benachbarte Gefåûe sezerniert werden. d) Bei der parakrinen Sekretion transportieren Zellen peptidhaltige Granula çber zytoplasmatische Auslåufer zu benachbarten Zellen (Larsson 1980).
Abb. 2.3.1. Unterschiedliche Wege der Peptidhormonfreisetzung. Endokrin: Freisetzung von Hormonen in Umgebungskapillaren. Autokrin: Freisetzung von Hormonen, die auf die Zellen wirken, aus denen sie freigesetzt wurden. Neurokrin: Neuronale Peptide werden aus Nervenendigungen freigesetzt, um an Rezeptoren auf benachbarten Zellen zu binden. Parakrin: Zellen transportieren peptidhaltige Granula çber zytoplasmatische Auslåufer zu benachbarten Zellen
Es ist nicht auszuschlieûen, dass es sowohl bei der neurokrinen als auch bei der parakrinen Sekretion zu einem ¹Ûberlaufª kommt und parakrine Peptide so auch in die Zirkulation gelangen.
2.3.2.3 Hormonwirkung/Signaltransduktion 2.3.2.3.1 Rezeptoren Bei den Bindungsproteinen fçr gastrointestinale Peptide handelt es sich um in der Plasmamembran befindliche, G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) (Marinissen u. Gutkind 2001). GPCR bestehen aus einer N-terminalen, extrazellulåren Domåne, sieben transmembranåren Segmenten, drei extrazellulåren und drei intrazellulåren Schleifen sowie einem C-terminalen intrazellulårem Segment. Wåhrend die transmembranåren Segmente aus etwa 20±27 Aminosåuren bestehen, weisen die Schleifen (5±230 Aminosåuren) sowie die N- und C-Termini sehr unterschiedliche Lången (7±595
a Aminosåuren bzw. 12±359) auf, was auf unterschiedliche Strukturen und Funktionen hinweist. Die Regulation dieser Rezeptoren ist sehr komplex. Sie kænnen mit sich oder anderen Rezeptoren dimerisieren. GPCR kænnen internalisieren und desensitivieren. Sie haben die Fåhigkeit, ihre Konformation zu åndern und mit inaktiven Rezeptoren zu interagieren. Durch diese komplexen Mechanismen kænnen Peptide çber GPCR wahrscheinlich verschiedene Signalwege aktivieren und, abhångig vom Zelltyp, verschiedene physiologische Funktionen auslæsen.
2.3.2.3.2 Effektorsysteme Wichtige Botenstoffe (Second messengers) sind cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat), Ca2+, Inositoltriphosphat (IP3) und Diacylglycerol (DAG). Durch die cAMP-abhångige Proteinkinase A sowie die DAG-aktivierte Proteinkinase C werden Proteine an ihren Serin- und Threoninresten phosphoryliert. Zusåtzlich phosphorylieren membranassoziierte und intrazellulåre Tyrosinkinasen spezifische Tyrosinreste von Zielenzymen und regulatorischen Proteinen. Die Peptidwirkung wird in den meisten Fållen durch Interaktion des Ligand-Rezeptor-Komplexes mit membranassoziierten GTP (Guanosintriphosphat) bindenden Proteinen und Adenylatcyclase mediiert. Nach Bindung des GTP bindenden Proteins an den Rezeptor wird an der a-Untereinheit des G-Proteins GDP (Guanosindiphosphat) durch GTP ausgetauscht. Der GaGTP-Komplex bindet und aktiviert die Adenylatcyclase, was zur Produktion von cAMP und der Aktivierung der cAMP-abhångigen Proteinkinase A fçhrt (Marinissen u. Gutkind 2001). Ûber G-Proteine wird auch die membranståndige Phospholipase C-c (PLC-c) aktiviert. PLC-c hydrolysiert Phosphatidylinositolbisphosphat, wobei IP3 und DAG entstehen (Marinissen u. Gutkind 2001). Das zytosolische IP3 stimuliert die Entleerung intrazellulårer Ca2+-Speicher in das Zytosol, wodurch zahlreiche Enzyme aktiviert werden. DAG aktiviert die Proteinkinase C und æffnet Kalziumkanåle in der Plasmamembran. Die Proteinkinase C phosphoryliert Serin- und Threoninreste vieler Peptide und moduliert so ihre biologische Aktivitåt. Durch GPCR initiierte proliferative Effekte werden offenbar hauptsåchlich durch MAP-Kinasen (MAPK) vermittelt (Benali et al. 2000). Hierbei handelt es sich um eine Familie von Serin-Threonin-Kinasen, die durch Familienmitglieder aktiviert in den Kern wandern und dort Transkriptionsfaktoren phosphorylieren (Davis 1995). Dies
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
bewirkt eine Regulation bestimmter Zielgene, die das Wachstum beeinflussen. Hormone aktivieren letztlich p42- und p44-MAPK (Gutkind 1998). Zudem wirken GPCR auch çber den Jun-N-terminalKinase(JNK)-, p38-MAPK- und ERK5-Signal-Weg (Marinissen u. Gutkind 2001). JNK und MAPK sind strukturverwandt, werden aber çber verschiedene Mechanismen durch GPCR aktiviert.
2.3.2.3.3 Rezeptordesensitivierung Durch Desensitivierung kommt es zu einer raschen Verminderung der rezeptorvermittelten Signaltransduktion. Dies wird durch eine Phosphorylierung des Rezeptors durch Kinasen wie z. B. Proteinkinasen A (PKA) oder C (PKC) oder G-Protein-gekoppelte Rezeptorkinasen (GRK) bewirkt (Pitcher et al. 1998). Das GRK-b-Arrestin-System fçhrt zu einer homologen Desensitivierung, da nur der aktivierte, ligandengebundene Rezeptor phosphoryliert wird. Diese Phosphorylierung begçnstigt die Bindung von Arrestin an den Rezeptor, was zu einer sterischen Behinderung der Rezepor-G-Protein-Interaktion fçhrt (Pierce et al. 2002). Die durch PKA oder PKC bewirkte Phosphorylierung entkoppelt Rezeptoren direkt von ihren G-Proteinen. Im Sinne einer negativen Rçckkopplung kann dies eine homologe Desensitivierung bewirken. Allerdings kann auch eine heterologe Desensitivierung stattfinden, wenn die Aktivierung von PKA oder PKC durch den einen Rezeptor die Phosphorylierung eines anderen Rezeptors induziert (Pierce et al. 2002). Bei einigen Rezeptoren fçhrt eine PKA-mediierte Phosphorylierung zu einem Wechsel des Signalwegs: Statt mit der stimulatorischen a-G-Protein-Untereinheit reagiert der Rezeptor nun mit der inhibitorischen Untereinheit (Daaka et al. 1997). Rezeptorabbau sowie Regulation der Rezeptorgentranskription und -translation stellen weitere Mechanismen der Rezeptordesensitivierung dar.
2.3.2.3.4 Rezeptorinternalisation Die Bindung eines Liganden an einen Rezeptor kann zu dessen Umverteilung und Verschiebung in das Zellinnere fçhren. Dieser Prozess wird Internalisation genannt. Internalisierte Rezeptoren werden abgebaut oder kænnen wieder in die Plasmamembran rezykliert werden. Die Internalisation erfolgt entweder çber Membraneinstçlpungen, sog. Caveolae (Claing et al. 2000), oder b-Arrestin-vermittelt çber sog. ¹clathrin-coated pitsª (Goodman et al. 1996).
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2.3.2.3.5 Hormoninaktivierung Wåhrend die Synthese gastrointestinaler Peptide recht detailliert untersucht wurde, liegen zur Degradation freigesetzter Peptide weniger Daten vor. Sowohl Endo- als auch Exopeptidasen sind in den Abbau und die Deaktivierung gastrointestinaler Peptide involviert. Endopeptidasen · Endopeptidase 24.11 låsst sich in vielen Geweben nachweisen und spielt bei der Hydrolyse und Inaktivierung von Peptiden an der Zelloberflåche eine Rolle (Matsas et al. 1983). Innerhalb des Darmtrakts finden sich hæchste Konzentrationen des Enzyms auf den Bçrstensaummembranen der intestinalen Mukosazellen und geringere Konzentrationen auf den Basalmembranen (Danielsen et al. 1980). Endopeptidase 24.11 hydrolysiert bevorzugt N-terminale Peptidbindungen hydrophober Aminosåurereste wie z. B. Leuzin, Isoleuzin, Phenylalanin, Valin, Tryptophan und Tyrosin (Conlon 1993). · Endopeptidase 24.15 ist eine Metalloendopeptidase. Das Enzym wurde in plasmamembranangereicherten Fraktionen des Ileums sowie in synaptosomalen Fraktionen aus myenterischen, tiefen muskulåren und submukæsen Nervengeflechten nachgewiesen (Checler et al. 1987). Insgesamt ist die Konzentration dieses Enzyms jedoch erheblich geringer als die der Endopeptidase 24.11, so dass es vermutlich keine wesentliche Rolle bei der Inaktivierung von gastrointestinalen Peptiden spielt. · Endopeptidase 24.16 ist im Rattenileum nachgewiesen worden (Barelli et al. 1988). Ihre Bedeutung fçr die Prozessierung gastrointestinaler Hormone ist bisher nicht ausreichend untersucht. Exopeptidasen · Aminopeptidasen wirken synergistisch mit Endopeptidasen. Sie spielen insbesondere bei N-terminal nicht-substituierten Peptiden, bei denen die Entfernung der N-terminalen Aminosåure zu einem Verlust der biologischen Aktivitåt fçhrt, eine wichtige Rolle (Conlon 1993). Es wurden verschiedene membrangebundene Ektoenzyme wie z. B. Aminopeptidasen-N, -P, -A und -W identifiziert. Auf Bçrstensaummembranen lokalisiert weisen sie unterschiedliche Spezifitåten auf. Aminopeptidase P entfernt N-terminale Aminosåurereste, wenn die folgende
Aminosåure ein Prolin ist (X-P). Aminopeptidase A spaltet N-terminale Aspartat- und Glutamatreste. Aminopeptidase W entfernt bevorzugt N-terminale aromatische Reste. · Dipeptidylpeptidase IV (DPP-IV) befindet sich in hohen Konzentrationen im kryptischen Epithel der Dçnndarmmukosa (Gossrau 1979). Das Enzym entfernt Dipeptide vom N-Terminus, wenn sich an Position 2 ein Prolin (oder, weniger effizient, ein Alanin) befindet. DPP-IV findet sich auch auf Plasmamembranen des vaskulåren Endothels, was auf eine Rolle des Enzyms bei der Inaktivierung von Peptiden, die aus endokrinen Zellen oder enterischen Neuronen in die Zirkulation freigesetzt wurden, hinweist (Palmieri u. Ward 1983). Von besonderem Interesse ist die durch DPP-IV bedingte Inaktivierung von Glucagon-like peptide-1. DDP-IVHemmer kænnten zu erhæhten Spiegeln an endogenem GLP-1 fçhren und somit eine Rolle bei der Behandlung des Diabetes mellitus spielen (Holst 2003). · Peptidyl-Dipeptidase A kommt in vielen Geweben vor, wobei die mukosale Bçrstensaummembran des Darms hæchste Konzentrationen aufweist (Ward et al. 1980). Auch in Membranfraktionen der långs- und quergestreiften Muskulatur des Dçnndarms lieû sich Enzymaktivitåt nachweisen (Schåfer et al. 1986). Das Enzym entfernt Dipeptide vom C-Terminus, wobei die vorletzte Aminosåure kein Prolin und die letzte Aminosåure keine Asparagin- oder Glutaminsåure sein darf (Erdos u. Skidgel 1987). · Carboxypeptidasen-P und -N finden sich auf intestinalen und renalen Bçrstensaummembranen und entfernen C-terminale Aminosåuren, wenn die vorletzte Aminosåure ein Prolin ist bzw. wenn es sich um C-terminale basische Aminosåurereste handelt.
2.3.3 Methoden in der gastrointestinalen Endokrinologie Rasante Fortschritte in der gastrointestinalen Endokrinologie ergaben sich durch methodische Neuentwicklungen, die dann auch auf anderen Gebieten Anwendung fanden und oftmals bahnbrechende Fortschritte ermæglichten. In der Folge wird ein Ûberblick gegeben.
a
2.3.3.1 Zellkultur Unter Verwendung von Primårkulturen und Zelllinien, die tierischen oder menschlichen Geweben entstammen, lassen sich auûerhalb des Organismus Hormonexpression und -funktion unter verschiedensten experimentellen Bedingungen untersuchen. Die Zellen mçssen unter sterilen Bedingungen in einem kçnstlichen Milieu kultiviert werden, das an die In-vivo-Lebensbedingungen angepasst ist. Primårkulturen entstammen einem lebenden Organismus und weisen noch das dem Ursprungsgewebe typische Stoffwechselverhalten auf. Sie und ihre ersten Subkulturen weisen eine nur begrenzte Lebensdauer auf und sind sehr anspruchsvoll bezçglich des umgebenden Milieus. Permanente Zelllinien kænnen dagegen spontan oder durch Manipulation, z. B. durch Virusinfektion oder durch Hybridisierung mit Tumorzellen (HeLa-Zelllinie), unsterblich werden. Sie verlieren jedoch oft typische morphologische und biochemische Merkmale des Ausgangsgewebes (Wobus 2003).
2.3.3.2 Organperfusion Die Perfusion isolierter ex- oder in situ vorliegender Organe (z. B. Leber, Lunge, Niere, Bauchspeicheldrçse, Darm) erlaubt die Untersuchung des Sekretionsverhaltens von Hormonen unter definierten Bedingungen. Im Gegensatz zur Zellkultur bleiben die Zellen in ihrem natçrlichen Verband und sind çber den Blutkreislauf zu erreichen. Das Modell der Organperfusion ermæglicht daher eine ziemlich genaue Erfassung der vorliegenden Hormonkonzentrationen durch Zufuhr und Entnahme in engster Nachbarschaft zum Zielgewebe. Ein weiterer Vorteil ist die Beurteilung auch parakrin und neural mediierter Effekte beispielsweise durch elektrische Stimulation versorgender Nerven. Bereits 1966 wurde das isolierte Rattenpankreas zur Untersuchung der Insulinsekretion eingesetzt (Sussman et al. 1966), ein klassisches Modell der Organperfusion.
2.3.3.3 Chromatographie In Abhångigkeit von dem zugrunde liegenden Trennungsprinzip unterscheidet man verschiedene Chromatographieverfahren wie Gelfiltrations-, Ionenaustausch- oder Affinitåtschromatographie, die
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
auf der Græûe, der Nettoladung oder der Affinitåt der Proteine zu speziellen chemischen Gruppen oder Antikærpern basieren. Ein åuûerst effizientes und håufig angewandtes Verfahren speziell zur Trennung von Peptiden ist die Hochleistungs-/Hochdruckflçssigkeitschromatographie oder ¹high performance/pressure liquid chromatographyª (HPLC), bei der die Verteilung zwischen zwei flçssigen Phasen erfolgt, die sich durch ihre Wasserlæslichkeit unterscheiden. Neben einer Teilchengræûe von 5±10 lm in der stationåren Phase, an die stark hydrophobe langkettige Kohlenstoffderivate gebunden sind, werden Drçcke von çber 107 Pa angewandt. Die HPLC zeichnet sich durch eine besonders hohe Empfindlichkeit und Auflæsung auf und ermæglicht die Isolierung von Stoffmengen im Piko- und Femtogrammbereich (Regnier et al. 1983). Die Entwicklung der HPLC war zur Reinigung und Trennung von Peptiden aus Geweben und Kærperflçssigkeiten eine entscheidende Voraussetzung.
2.3.3.4 Radioimmunoassay (RIA)/Enzyme Linked Immunoabsorbent Assay (ELISA) Die Methode des Radioimmunoassays (RIA) wurde in den 50er Jahren von Rosalyn S. Yalow und Solomon A. Berson zum Nachweis von Insulin entwickelt und stellt eines der in der gastrointestinalen Endokrinologie am håufigsten eingesetzten Analyseverfahren dar. Yalow erhielt 1977 fçr diese Arbeiten den Nobelpreis fçr Physiologie und Medizin (Berson u. Yalow 1972). Mit einem RIA kann die Konzentration eines bekannten Hormons, das selbst in nur geringsten Mengen vorliegt, mit hoher Sensitivitåt bestimmt werden. Eine definierte radioaktiv markierte Menge des Hormons, ein sog. Tracer, wird der unbekannten, nicht markierten Menge zugefçgt. Nach Zugabe eines spezifischen Antikærpers (AK), der nur in limitierter Menge vorliegt und dieselbe Affinitåt zu markiertem und unmarkiertem Hormon aufweist, konkurrieren beide Substrate um die vorhandenen AK-Bindungsstellen. Nach entsprechender Inkubationszeit wird das çberschçssige Material entfernt und die Radioaktivitåt der verbliebenen AK-gebundenen Menge gemessen. Lag das unbekannte und nicht markierte Hormon initial in geringer Konzentration vor, so wird viel Tracer an den AK gebunden und eine hohe Radioaktivitåt messbar sein. Ist die Konzentration des unbekannten Hormons hoch gewesen, wird umgekehrt nur wenig Radioaktivitåt nachweisbar sein. Anhand ei-
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ner Standardkurve, die durch Messung der Radioaktivitåt in verschiedenen Proben mit bekanntem Verhåltnis von markiertem zu unmarkiertem Hormon gewonnen wurde, kann die genaue Konzentration bestimmt werden. Als radioaktiver Marker wird vielfach der c-Strahler I125 mit einer Halbwertszeit von 60 Tagen verwendet. Ebenfalls zu den immunologischen Nachweisverfahren gehært der Enzyme linked immunosorbent assay (ELISA), der auf der Verwendung eines Enzyms als Marker und einer festen Phase als Trennmittel beruht. Das gesuchte Antigen bindet hierbei an einen an einer Oberflåche fixierten AK und wird danach von einem enzymmarkierten Zweit-AK gebunden. Das Markerenzym katalysiert eine Reaktion, durch die z. B. ein kolorimetrisch messbarer Farbstoff entsteht, so dass die Hormonkonzentration dann proportional zur Farbintensitåt ist. Zum Nachweis von Rezeptoren werden hochaffine, selektive Liganden radioaktiv markiert und mit dem Zielgewebe inkubiert, so dass es zur Ausbildung eines Ligand-Rezeptor-Komplexes kommt. Nachdem gebundener und ungebundener Ligand getrennt wurden, kann aus dem Verhåltnis der beiden Konzentrationen die Rezeptordichte ermittelt werden.
2.3.3.5 Immunhistochemie Mittels Immunhistochemie lassen sich neben einzelnen Zelltypen (Eissele et al. 1992) (Abb. 2.3.2) auch Zellstrukturen wie zum Beispiel Hormonrezeptoren und spezifische Zellprodukte wie Peptide (Abb. 2.3.3) im Gewebe identifizieren und vi-
sualisieren. Hierzu werden Antikærper (AK) synthetisiert, die gegen zelltypische Epitope gerichtet sind. Damit die AK auch im Zellinneren gelegene Antigene erreichen kænnen, muss die Zellmembran vorher permeabilisiert werden. Entweder sind diese AK bereits fluorochrommarkiert (direkter Nachweis), oder es werden nach Inkubation und Entfernung des çberschçssigen Materials flourochrommarkierte Zweit-AK zugegeben, die gegen die nun antigengebundenen AK gerichtet sind (indirekter Nachweis). Durch Fluoreszenzmikroskopie wird die Verteilung der gesuchten Strukturen sichtbar gemacht. Die Immunzytochemie beschreibt den immunologischen Nachweis eines Antigens in einer Zellpråparation und beruht auf demselben Prinzip.
2.3.3.6 In-situ-Hybridisierung Sind die Aminosåuresequenz eines Peptides oder die entsprechende Gensequenz bekannt, låsst sich das Expressionsmuster in verschiedenen Geweben mittels In-situ-Hybridisierung nachweisen. Hierzu wird eine radioaktiv markierte RNA-Sonde durch Klonierung hergestellt, die komplementår zu der im Gewebe gesuchten mRNA-Sequenz ist. Als Marker wird håufig der gering energetische b-Strahler 35 S angewandt. Nach Anfertigung eines Gewebeschnittes wird dieser auf einem Objekttråger fixiert und mit der RNA-Sonde inkubiert. Liegt das gesuchte Peptid vor, hybridisiert die RNA-Sonde mit der korrespondierenden Sequenz. Durch Autoradiographie kann diese Bindung beispielsweise auf einem Ræntgenfilm, der durch die radioaktive Strahlung an spezifischen Stellen geschwårzt wird,
Abb. 2.3.2. Immunhistochemische Fårbung Proglukagon produzierender L-Zelle im humanen Ileum. Vergræûerung ´ 400
a
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
Abb. 2.3.3. Elektronenoptische Darstellung einer intestinalen L-Zelle des Ileums. Beachte die Akkumulation von Sekretgranula an der basalen, den Blutgefåûen zugewandten Seite der Zelle. Vergræûerung ´ 3700
oder mittels Dunkelfeldmikroskopie visualisiert werden. Die Expositionsdauer ist dabei umgekehrt proportional zur Genexpression (McDougall et al. 1972). Alternativ kann als Marker auch ein Fluoreszenzfarbstoff benutzt werden, der in einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht wird. Man spricht dann von Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung oder FISH.
2.3.3.7 Peptidsequenzierung/MALDI Nach Zellaufschluss, Zellfraktionierung und Aufreinigung des zu analysierenden Proteins bzw. Peptids entstehen Fragmente, die der Peptidsequenzierung zugefçhrt werden. Hierbei wird oft die Edman-Methode angewandt, die auf der schrittweisen Abtrennung einzelner Aminosåuren vom aminoterminalen Ende beruht. Die freie Aminosåure (AS) wird çber verschiedene Kopplungsreaktionen zu einem AS-Derivat umgewandelt, das sich chromatographisch identifizieren låsst. Das Restpeptid durchlåuft weitere Zyklen, wobei diese heutzutage automatisiert in Analysegeråten erfolgen, die nur wenige Pikomol des Ausgangsproteins benætigen. Eine der neueren Methoden zur Identifikation von Peptiden und deren Sequenz ist die Matrix-
unterstçtzte Laserdesorption/Ionisation (MALDI), die auf der massenspektrometrischen Bestimmung der Flugzeit ionisierter Molekçle in einem elektrostatischen Feld basiert. Die Massenspektrometrie beruht auf der Analyse der Molekçlmassen der bei einer Ionisation entstehenden Ionen und Zerfallsprodukte im Hochvakuum. Nach Laserinduktion werden sie von einer Matrix emittiert und treffen auf einem Detektor auf. Die zur Matrix gehærenden Kristalle werden ebenfalls ionisiert und tragen zur Ionisierung der zu untersuchenden Molekçle bei. Werden die zu analysierenden Molekçle entsprechend fragmentiert, ist eine Sequenzierung mittels MALDI mæglich. Durch den Vergleich der theoretischen Masse eines Peptides mit bekannter AS-Sequenz und der realen Masse kænnen Rçckschlçsse auf posttranslationale Modifikationen geschlossen werden. MALDI ist im Vergleich zur herkæmmlichen Edman-Methode empfindlicher und auch schneller, benætigt jedoch einen deutlich hæheren apparativen Aufwand.
2.3.3.8 DNA-Klonierung Die DNA-Klonierung dient der Vervielfåltigung von Gensequenzen. Sie stellt die Grundlage fçr weitere Methoden wie Sequenzanalyse und Synthese von Peptiden sowie Untersuchungen ihrer Ex-
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pressionsmuster dar. Die Klonierung kann in Zellen unter Verwendung von Vektoren (Plasmide, Bakteriophagen) oder als Polymerase-Kettenreaktion (PCR) erfolgen. Nach enzymatischer Restriktion und Ligation der Vektoren-DNA mit der zu amplifizierenden Sequenz wird das rekombinante DNA-Molekçl in das Genom der Wirtszellen eingeschleust (Transformation oder Transfektion). Durch im Rahmen des DNA-Transfers erworbene Antibiotikaresistenzen lassen sich die erfolgreich transformierten Zellen identifizieren und selektiv kultivieren. Um die Sequenz eines Genproduktes wie z. B. eines Peptidhormons zu ermitteln oder ein Peptid heterolog zu exprimieren, wird die mRNA einer das Genprodukt exprimierenden Zelle isoliert und mit Hilfe des in Retroviren vorkommenden Enzyms Reverse Transkriptase in eine komplementåre, sog. copy-DNA (cDNA) transskribiert, die analog einer genomischen DNA in Bakterienkultur kloniert werden kann. Die PCR erfolgt rein enzymatisch und zellunabhångig unter Anwendung einer hitzestabilen DNA-Polymerase. Sie stellt ein sehr genaues, schnelles und einfaches Verfahren dar, das jedoch im Vergleich zur In-vivo-Klonierung nur relativ kurze Sequenzen vervielfåltigen kann. Weiterhin mçssen zur Erstellung eines Primers, von dem die PCR ihren Ausgang nimmt, Informationen çber Teile der Zielsequenz bekannt sein.
2.3.3.9 Peptidhormonsynthese Nach Herstellung eines DNA-Klons kann die Synthese des codierten Peptides in vitro, in Bakterien, Hefen oder in eukaryontischen Zellen erfolgen. Håufig werden hierbei E.-coli-Ståmme verwendet, in die die entsprechenden Plasmide transformiert werden. Die Fremd-DNA weist dabei einen induzierbaren Promotor auf, der die selektive Aktivierung und Transkription des betreffenden Gens permanent oder zu einem bestimmten Zeitpunkt ermæglicht. Bei der Wahl des Expressionsvektors ist jedoch zu bedenken, dass Bakterien wie Escherichia coli zwar ein sehr einfaches System mit hoher Effizienz darstellen, jedoch fçr den eukaryontischen Organismus typische posttranslationale Modifikationen, die oft Vorraussetzung fçr die Bioaktivitåt eines Proteins bzw. Peptides sind, aufgrund fehlender Zellausstattung (endoplasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat) nicht erfolgen. Hierfçr muss stattdessen auf aufwendigere Wirtssysteme wie Hefen, Pilze oder Såugetierzellen zurçckgegriffen werden.
2.3.3.10 Transgene Tiermodelle Die Untersuchung physiologischer Zusammenhånge wie Regulation oder Wirkung von Peptidhormonen ist mittels einzelner, aus der Mukosa isolierter endokriner Zellen nur eingeschrånkt mæglich. Dieses wesentliche methodische Problem der gastrointestinalen Endokrinologie wird durch Verwendung genetisch manipulierter Tiere angegangen. Transgene Tiermodelle erlauben die Untersuchung von Genfunktion im Kontext des Organismus (Hanahan 1989). Die Einschleusung von Fremd-DNA in befruchtete Eizellen oder embyronale Stammzellen (ES) von Tieren ermæglicht die Untersuchung von Genexpression und Hormonfunktion unter In-vivo-Bedingungen. Weiterhin lassen sich fçr bestimmte Erkrankungen Tiermodelle entwickeln, an denen Pathophysiologie und Wirksamkeit neu entwickelter Therapeutika erforscht werden kænnen. Eine Methode hierzu ist die Injektion von kloniertem DNA-Material mit einer Mikropipette in den månnlichen Vorkern einer befruchteten Eizelle mit anschlieûender Implantation in den Uterus eines scheinschwangeren Weibchens. Da dieses Vorgehen aufwendig ist und fçr ein Versuchsdesign håufig eine hohe Anzahl von Tieren benætigt wird, werden embryonale Maus-Stammzellen bevorzugt, die nach Entnahme aus dem Embryo unkompliziert in Zellkultur gehalten und modifiziert werden kænnen. Der erfolgreiche DNA-Transfer kann durch Gewinnung von DNA aus dem Tierschwanz mittels Dot-blot oder Southern blot, durch Polymeraseketten-Reaktion oder Einbau eines Markergens, das beispielsweise eine bestimmte Antibiotikaresistenz oder fluoreszierende Eigenschaften verleiht, geprçft werden. Neben der Expression eines Genes in einem Gewebe, in dem es normalerweise nicht vorkommt, wurden bereits zu Beginn der 80er Jahre Methoden entwickelt, mit denen die Ûberexpression von Hormonen in Måusen induziert werden konnte. Im Rahmen des ¹gene targetingª kann durch homologe Rekombination die Sequenz eines vorher festgelegten Gens gezielt veråndert werden, wodurch sowohl ein Funktionsgewinn als auch ein Funktionsverlust erreicht werden kann. Verliert das Gen seine Aktivitåt, spricht man von einer Knock-outMutation, die Rçckschlçsse auf Funktion und Bedeutung des Gens fçr den Organismus zulåsst. Ein limitierender Faktor ist die ausgeprågte Redundanz mancher Gene die verhindert, dass die Inaktivierung eines einzelnen Gens Auswirkungen auf den Organismus hat, da verwandte Gene dessen
a Ausfall kompensieren kænnen. Dies erklårt wahrscheinlich zu beobachtende Diskrepanzen zwischen erwartetem und realem Phånotyp eines transgenen Tiermodells. Nicht immer ist der vollståndige Verlust eines Gens in allen Zellen mit dem Leben vereinbar, so dass Methoden entwickelt wurden, die nicht nur eine zell- und gewebespezifische, sondern auch eine entwicklungsspezifische Expression erlauben. Dazu wird ein bakterielles Enzym (Cre[¹causes recombinationª]-Rekombinase) eingesetzt, das in der Lage ist, die Rekombination zwischen zwei spezifischen Erkennungssequenzen (loxP, ¹locus of crossing overª) durchzufçhren und so zur Ausschaltung des zwischen den Sequenzen liegenden Bereiches fçhrt. Erzeugt man transgene Måuse, bei denen das zu inaktivierende Gen von loxP-Sequenzen eingerahmt ist, kænnen diese mit Måusen gekreuzt werden, die das Cre-Gen tragen. Da dem Cre-Gen ein spezifischer Promotor (Bindungsstelle fçr die RNA-Polymerase) vorangestellt ist, der nur in den gewçnschten Zelltypen und Geweben exprimiert wird, ist auch die Inaktivierung des gewçnschten Gens auf diese Zellen beschrånkt. Eine andere Technik bedient sich eines reversiblen tetrazyklininduzierbaren Transaktivatorsystems. Diese konditionalen Knock-out-Måuse erweitern das bisherige Spektrum der Anwendungsmæglichkeiten transgener Tiermodelle um zahlreiche Varianten (Brand et al. 1994).
2.3.4 Gastrointestinale regulatorische Peptide (Hormone) 2.3.4.1 Sekretin Sekretin, das klassische gastrointestinale Peptid, bildet mit den strukturverwandten Peptiden Glukagon, Glucagon-like peptide-1 (GLP-1), Glucagonlike peptide-2 (GLP-2), Glucose-dependent insulinotropic polypeptide (GIP) und Growth hormone releasing hormone (GHRH) die Sekretin/Glukagon-Familie. Im Gegensatz zu den meisten anderen gastrointestinalen Peptidhormonen existiert Sekretin beim Menschen nur in einer 27 Aminosåuren (AS) umfassenden Molekçlform (Mutt 1980). Vergleicht man die AS-Sequenz von humanem Sekretin mit anderen Spezies, zeigt sich eine hohe Konservierung insbesondere im Bereich des Aminoendes.
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
Sekretin wird von spezialisierten neuroendokrinen Zellen, den sog. S-Zellen, produziert, die in der Schleimhaut von Duodenum und proximalem Jejunum in hoher Konzentration lokalisiert sind (Mutt 1980). Der Sekretinrezeptor wurde 1991 als typischer G-Protein gekoppelter Rezeptor kloniert und ist eng mit den Rezeptoren der anderen Mitglieder der Sekretin/Glukagon-Familie verwandt (Ishihara et al. 1991). Er weist zahlreiche Serinund Threonin-AS-Reste auf, deren Phosphorylierung mit Rezeptordensibilisierung und -internalisierung einhergeht. Da die N-terminale Rezeptorregion wesentlich fçr Ligandenbindung und Rezeptoraktivierung ist, zeigt eine Missplice-Variante, bei der das dritte von insgesamt 13 Exons fålschlich aus dem Primårtranskript herausgeschnitten wird, eine deutlich herabgesetzte Rezeptoraktivitåt (Holtmann et al. 1995). Diese Rezeptorvariante wurde bei einem Patienten entdeckt, der trotz eines Gastrinoms einen falsch-negativen Sekretintest aufwies (Ding et al. 2002). Nach Sekretinbindung kommt es physiologisch zu einer Gs-Protein-vermittelten Erhæhung des cAMP- und des intrazellulåren Ca2+-Spiegels (Trimble et al. 1987). Der Sekretinrezeptor låsst sich auf den Epithelzellen der Gallen- und Pankreasgånge nachweisen, die nach Ligandenbindung ein alkalisches, bikarbonatreiches Sekret und H2O ausschçtten. Auûerdem wird er auf Azinuszellen des Pankreas, den Brunner-Drçsen des Duodenums, den Epithel- und glatten Muskelzellen des Magens und Darms sowie im Gehirn exprimiert. Neben Stimulation des exokrinen Pankreasanteils und Hemmung der Magensåure- und Gastrinsekretion verzægert Sekretin die Magenentleerung und hemmt die Darmmotilitåt. Weiterhin wirkt Sekretin am Pankreas trophisch und scheint wesentliche Bedeutung fçr die Differenzierung neuroendokriner Zellen im Gastrointestinal(GI)-Trakt zu besitzen (Rindi et al. 1999). Hauptstimulus fçr die Freisetzung von Sekretin ist das Vorhandensein von Magensåure im Dçnndarmlumen (Fahrenkrug u. Schaffalitzky de Muckadell 1977). Mit dem bikarbonatreichen Sekret der Bauchspeicheldrçse erhæht sich der intraluminale pH-Wert, und der eigentliche Sekretionsreiz fçr Sekretin entfållt. Wie fçr Cholezystokinin (CCK) konnte in der Ratte ein Regulationsmechanismus identifiziert werden, der auf der Sekretion eines ¹secretin-releasing peptideª basiert. Solange dieses im Darmlumen vorliegt, werden die S-Zellen zur Hormonsekretion angeregt. Durch Proteasen, die daraufhin mit dem Pankreassaft in das Darminnere gelangen, wird das Peptid degradiert und die Sekretin-
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freisetzung gestoppt (Jin et al 1994). Bislang konnte jedoch kein entsprechendes humanes Peptid isoliert werden. Sekretin sichert den Erhalt eines fçr die Wirksamkeit von Verdauungsenzymen und Gallensåuren optimalen Milieus. Ohne seinen pH-neutralisierenden Einfluss kåme es durch den sauren Mageninhalt zu Låsionen der Darmmukosa sowie zur Inaktivierung von Pankreasenzymen und Ausfållung von Gallensåuren.
2.3.4.2 Gastrin Das Gastringen liegt auf Chromosom 17 und kommt durch ko- und posttranslationale Modifikationen in zahlreichen Varianten vor. Nach enzymatischer Aufspaltung, Phosphorylierung, Sulfatierung und Amidierung gehen aus dem Ursprungsmolekçl Preprogastrin, das aus 101 AS besteht, neben Progastrin weitere unterschiedlich lange Gastrinvarianten (Gastrin-71, -52, -34, -17, -14, -6) hervor (Rehfeld 1998 c; Dockray et al. 2001). Abgesehen von Gastrin-34 und Gastrin-17 ist deren physiologische Relevanz im menschlichen Organismus noch nicht umfassend geklårt. Alle Gastrinvarianten weisen am amidierten Carboxylende eine fçr die biologische Aktivitåt essentielle Aminosåuresequenz bestehend aus Tryptophan, Methionin, Asparaginsåure und Phenylalanin auf. Beim Menschen findet sich Gastrin hauptsåchlich in der Schleimhaut des Antrums, wo es von spezialisierten endokrinen Zellen, den sog. G-Zellen sezerniert wird. Zu 95% handelt es sich hierbei um Gastrin-17, wåhrend im Plasma Gastrin-7 und Gastrin-34 gemeinsam vorherrschen (Rehfeld 1998 c). Daneben ist Gastrin ± allerdings in deutlich geringeren Konzentrationen ± auch in allen anderen Magenabschnitten, in Duodenum, Jejunum, Ileum und Pankreas, aber auch extraintestinal in Gehirn, Bronchialschleimhaut, Eierstæcken und Hoden nachzuweisen. Welchen biologischen Effekt Gastrin hier hat, ist noch ungeklårt. Die Klonierung des Gastrinrezeptors zeigte, dass eine enge Verwandtschaft mit den Cholezystokinin(CCK)-Rezeptoren besteht, die ebenfalls zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren zåhlen. Der Gastrinrezeptor ist identisch mit dem im Gehirn exprimierten CCK-2-Rezeptor und weist eine çber 50%ige Sequenzhomologie zu dem in Pankreas und Gallenblase lokalisierten CCK-1-Rezeptor auf (Kopin et al. 1992). Im Vergleich zu CCK ist jedoch die Affinitåt von Gastrin fçr den CCK-1-Rezeptor viel geringer.
Gastrin ist im Zusammenspiel mit Acetylcholin, Histamin und Somatostatin ein wichtiger Regulator der Magensåuresekretion. Die Magensåure wird von den in Korpus und Fundus gelegenen Beleg-/ Parietalzellen gebildet, die Rezeptoren fçr die eben genannten Peptide besitzen und so in ihrer Såureproduktion reguliert werden. Die Gastrinausschçttung hångt wesentlich von dem aktuell im Magenlumen vorherrschenden pH-Wert ab. Im Nçchternzustand oder bei hohen Magensåurespiegeln und dementsprechend saurem Milieu (niedriger pHWert) kommt es zu einer Hemmung der Gastrinsekretion, wåhrend ein stark alkalisches Milieu (hoher pH-Wert) zu einer Steigerung der Gastrinproduktion fçhrt. Neben der mechanischen Dehnung des Antrums durch Speisebrei fçhren insbesondere mit der Nahrung aufgenommene Peptide, aber auch Alkohol und Koffein zu einer gesteigerten Gastrinausschçttung. Auch Bombesin bzw. das diesem homologe, beim Menschen vorkommende Gastrin-related peptides (GRP) stimulieren die Gastrin- und damit Magensåuresekretion (Martinez u. Tache 2000). In transgenen Tiermodellen zeigte sich, dass Gastrin darçber hinaus eine wichtige Bedeutung fçr die Zelldifferenzierung der Magenschleimhaut besitzt (Wang u. Brand 1992). Gastrin- und gastrinrezeptordefiziente Måuse weisen im Vergleich zum Wildtyp weniger Belegzellen und Histamin produzierende enterochromaffine Zellen auf, so dass es zu einer permanenten Hypochlorhydrie kommt. Im Bereich des Kolons ist zudem die Proliferationsrate der Schleimhaut vermindert (Koh et al. 1997). Es wurde daher schon mehrfach ein Zusammenhang zwischen einer Hypergastrinåmie, wie sie beispielsweise bei chronisch-atrophischer Gastritis oder nach Einnahme såurehemmender Medikamente (H2-Rezeptorantagonisten, Protonenpumpeninhibitoren) vorkommt, und der Entwicklung von Kolon-, aber auch Pankreaskarzinomen und Karzinoiden kontrovers diskutiert (Thorburn et al. 1998; Wolfe et al. 2003). Exzessiv erhæhte Gastrinspiegel (Gastrin im Serum >1000 pg/ml) finden sich in seltenen Fållen im Rahmen des Zollinger-Ellison-Syndroms (Gastrinom), das zu Diarrhoen, Steatorrhoe und multiplen Geschwçren in Magen und Duodenum fçhrt. Das Gastrinanalogon Pentagastrin wird in der gastroenterologischen Funktionsdiagnostik zur Bestimmung der Magensåuresekretionskapazitåt angewandt. Des Weiteren werden Gastrinrezeptorantagonisten momentan in verschiedenen pharmakologischen Studien hinsichtlich ihrer Bedeutung fçr die Therapie gastrointestinaler Neoplasien so-
a
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
wie als Alternative zu den herkæmmlichen Såurehemmern evaluiert (Wolfe et al. 2003).
2.3.4.3 Cholezystokinin 1928 verabreichten Ivy und Oldberg Hunden intravenæs eine Læsung aus Darmextrakten und beobachteten danach eine Stimulation der Gallenblasenkontraktion (Ivy u. Oldberg 1928). 1943 berichteten Harper und Raper çber eine ebenfalls aus dem Darm gewonnene Substanz, der sie aufgrund ihrer Fåhigkeit, die Sekretion von enzymreichen Pankreassaft zu steigern, die Bezeichnung Pankreozymin gaben (Harper u. Raper 1943). Nachdem Methoden zur Isolierung und Klonierung verfçgbar wurden und sich zeigte, dass beide Effekte durch ein und dasselbe Hormon hervorgerufen wurden, erhielt es den Namen Cholezystokinin (CCK). CCK ist ein Peptidhormon, das beim Menschen von einem auf Chromosom 3 befindlichen Gen codiert wird (Takahashi et al. 1986). Nach posttranslationaler enzymatischer Prozessierung entstehen aus Pro-CCK, das 95 AS umfasst, verschieden groûe CCK-Molekçle, von CCK-83 bis zum kleinsten, CCK-4 (Liddle 2000). Beim Menschen stellt CCK-58 die håufigste im Darm vorkommende Molekçlform dar, daneben kommen gehåuft CCK-33 und -8 vor. Die sieben am amidierten Carboxylende gelegenen AS sind essentiell fçr die volle biologische Aktivitåt. Da bis zur AS-Position 5 Sequenzhomologie mit Gastrin besteht, binden CCK und Gastrin (Abb. 2.3.4) mit unterschiedlicher Affinitåt auch die Rezeptoren des jeweils anderen Hormons (Liddle 1994). Nicht nur die beiden Hormone CCK und Gastrin sind eng miteinander verwandt, sondern auch ihre Rezeptoren, die ihre Wirkungen çber G-Proteine vermitteln. Nach Entschlçsselung und Klonierung der Rezeptorstruktur zeigte sich, dass der Gastrin- und der CCK-2-Rezeptor identisch miteinander sind, obwohl sie von verschiedenen Genen codiert werden (Kopin et al. 1992). Der CCK2-/Gastrin-Rezeptor bindet CCK und Gastrin mit gleicher Affinitåt, wåhrend der CCK-1-Rezeptor,
Gastrin
Tyr ± Met ± Gly ± Trp ± Met ± Asp ± Phe
CCK
Ala ± Tyr ± Gly ± Trp ± Met ± Asp ± Phe
C-Terminus
Abb. 2.3.4. C-ferminale Sequenzhomologie von CCK und Gastrin mit kompletter Ûbereinstimmung von AS 1±5
der nur eine partielle Homologie zum Gastrinrezeptor aufweist, CCK bevorzugt bindet. Wåhrend der CCK-1-Rezeptor die biologischen Effekte im GI-Trakt mediiert, çberwiegt CCK-2 in Gehirn und als Gastrinrezeptor im Magen. CCK-1 wird daher auch als CCK-A(¹alimentaryª)- und CCK-2 als CCK-B(¹brainª)-Rezeptor bezeichnet. CCK wird von spezialisierten I-Zellen der Dçnndarmmukosa gebildet, die am dichtesten im Duodenum nachweisbar sind. Sie stehen in direktem Kontakt zum Darmlumen und sezernieren CCK, sobald Nahrungsbestandteile den Dçnndarm erreichen (Liddle 2000). Aminosåuren und insbesondere freie Fettsåuren mit einer Seitenkette, die långer als 12 Kohlenstoffatome ist, stellen einen starken Sekretionsstimulus dar. CCK fçhrt neben der Steigerung der Gallenblasenkontraktion und Sekretion von Gallenflçssigkeit zur Ausschçttung enzymreichen Pankreassekrets und zur Hemmung der Magenentleerung. Letzteres erfolgt çber Relaxierung des Magenfundus und Konstriktion des Pylorus. Daneben fungiert CCK im Nervensystem als Neurotransmitter, wo es in zahlreichen Gehirnabschnitten (Hippocampus, Striatum, Hypothalamus, Kortex) zu finden ist und mit der Regulation von Appetit und Såttigung, aber auch der Entstehung von Angststærungen und Schizophrenie in Zusammenhang gebracht wird (Fink et al. 1998). In den enterischen Plexus, im Nervus vagus und in Neuronen, die insbesondere die Langerhans-Inseln des Pankreas innervieren, låsst sich ebenfalls CCK nachweisen. Es steigert dort die Acetylcholinausschçttung, die Darmmotilitåt und die Sekretion von Insulin und Glukagon. Bisher ist nicht bekannt, çber welchen Signalweg CCK die Sekretion der Bauchspeicheldrçse im menschlichen Organismus stimuliert. Im Gegensatz zu Nagetieren, bei denen es nach Rezeptorbindung zu einer Erhæhung des intrazellulåren Kalziumanteils mit konsekutiver Hormonfreisetzung kommt, konnte der CCK-A-Rezeptor beim Menschen nicht im Pankreasgewebe nachgewiesen werden. Stattdessen wird vermutet, dass der Rezeptor auf afferenten Nerven exprimiert wird, die das Pankreas innervieren, und CCK somit indirekt die Sekretion induzieren kann (Ji et al. 2001). Pathologisch erniedrigte CCK-Spiegel werden gehåuft bei Patienten mit Zæliakie beobachtet. Infolge der Atrophie der Darmschleimhaut kommt es zum Untergang der I-Zellen und zu einer verminderten CCK-Sekretion, die durch die fehlende Stimulation durch nur unvollståndig verdaute Nahrungsbestandteile weiter eingeschrånkt wird (Deprez et al. 2002). Auch Bulimie-Patienten sezernie-
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ren postprandial zu wenig CCK, wobei es nach Therapie der Essstærung zur Normalisierung kommt (Geracioti u. Liddle 1988). CCK wird eine wesentliche Rolle in der Regulation von Appetit und Såttigungsgefçhl zugeschrieben, wobei die CCK-mediierte Hemmung der Nahrungsaufnahme vermutlich çber vagale Afferenzen erfolgt (Schwartz 2000). Bei Typ-2-Diabetikern lassen sich gelegentlich ebenfalls verminderte Hormonspiegel nachweisen (Buccheri et al. 2002). Inwieweit diese Beobachtung im Zusammenhang mit dem Einfluss von CCK auf die Insulin- und Glukagonausschçttung pathophysiologische Relevanz besitzt, ist unklar. Verschiedene Tumore wie Pankreas- und Bronchialkarzinome exprimieren CCK-Rezeptoren, ohne dass bislang ein direkter Zusammenhang zwischen CCK und Tumorinduktion demonstriert werden konnte (Smith et al. 1990). In der Klinik findet CCK bisher im Rahmen diagnostischer Verfahren Anwendung, die beispielsweise der Beurteilung der exokrinen Pankreasund Gallenblasenfunktion oder der Gewinnung von Pankreassekret zur zytologischen Untersuchung bei Tumorverdacht dienen.
2.3.4.4 Glukagon und verwandte Peptide Glukagon ist ein 29 AS groûes Peptid, das erstmals 1923 als eine dem Pankreas entstammende Substanz mit blutzuckersteigernden Eigenschaften beschrieben wurde (Kimball u. Murlin 1923). Aufgrund struktureller Verwandtschaft bilden Glukagon und sein Rezeptor unter anderem mit Sekretin, GIP und GHRH die Sekretin/Glukagon-Superfamilie (Mayo et al. 2003). Glukagon wird hauptsåchlich in den a-Zellen der Langerhans-Inseln synthetisiert, wo es als hormoneller Gegenspieler in enger Nachbarschaft zu den Insulin produzierenden b-Zellen ausgeschçttet wird. Daneben lieûen sich Glukagon und sein Rezeptor vermeintlich aber auch in L-Zellen der intestinalen Mukosa nachweisen (Unger et al. 1966). Erst spåter konnte gezeigt werden, dass dies in der gewebespezifischen posttranslationalen Prozessierung des Proglukagongens begrçndet ist, das nicht nur Glukagon, sondern auch andere Peptide wie Glucagonlike peptide-1 und -2 (GLP-1 und -2) codiert (Mojsov et al. 1986). Proglukagon ist ein aus 158 AS bestehendes Protein, aus dem in den a-Zellen des Pankreas neben Glukagon die beiden biologisch wahrscheinlich inaktiven Fragmente ¹glicentin-related pan-
creatic peptideª (GRPP) und ¹major-proglucagon fragmentª (MPF) hervorgehen (Fehmann et al. 1995). In der Darmschleimhaut wird Proglukagon an differenten Schnittstellen gespalten, so dass das gleiche Gen im Intestinum andere Peptide als im Pankreas codiert. Aus dem C-terminal lokalisierten MPF entstehen in den intestinalen L-Zellen GLP-1 und GLP-2, die eine hohe Sequenzhomologie zueinander und zu Glukagon aufweisen und so fçr die hohe glukagonåhnliche Immunoreaktivitåt im Intestinum verantwortlich sind (Bell et al. 1983). Daneben wird aus dem N-terminalen Teil von Proglukagon Glicentin freigesetzt, aus dem nach erneuter Spaltung GRPP und Oxyntomodulin hervorgehen, deren physiologische Bedeutung bisher jedoch unklar ist. Das initial 37 AS umfassende und metabolisch inaktive GLP-1 wird nochmals N-terminal gespalten und amidiert, so dass GLP-1(7±37) und GLP1(7±36)amid entstehen, die die eigentlich bioaktiven Peptide darstellen und sich nur in ihrer Plasmahalbwertszeit, nicht aber der Wirkung unterscheiden. Eine weitere N-terminale Verkçrzung des Peptides um nur eine AS fçhrt zum Verlust der biologischen Wirkung, da die Rezeptoraffinitåt herabgesetzt und die Signalvermittlung gestært werden (Parker et al. 1989). GLP-2 liegt nur in einer bioaktiven Variante vor, die aus 33 AS besteht. Daneben låsst sich im Plasma eine am N-terminalen Ende um 2 AS kçrzere Form, GLP-2(3±33) nachweisen, die das nach enzymatischer Spaltung durch Dipeptidylpeptidase IV (DPP-IV) entstehende Abbauprodukt von GLP-2 darstellt (Hartmann et al. 2000). Die Aminopeptidase DPP-IV erkennt auch GLP-1 als Substrat, da beide GLP an Position 2 die AS Alanin aufweisen, die neben Prolin als spezifische Erkennungsstelle fçr DPP-IV dient. Da dieses Enzym ubiquitår verbreitet ist und auch ein renaler Abbau stattfindet, liegt die Plasmahalbwertszeit beider GLP nur im Bereich von wenigen Minuten, wobei die von GLP-1 bei 1±2 Minuten und die von GLP-2 bei 5±7 Minuten liegt (Hansen et al. 1999). GLP-1 und -2 werden in spezialisierten neuroendokrinen Zellen der Dçnn- und Dickdarmschleimhaut, den L-Zellen, synthetisiert, die in von proximal nach distal zunehmender Dichte vorliegen (Eissele et al. 1992). Sie entfalten ihre Wirkungen çber selektive G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die unter physiologisch vorkommenden Bedingungen keine Affinitåt fçr das jeweils andere GLP aufweisen (Munroe et al. 1999; Mayo et al. 2003). Neben GLP-1(7±37) und GLP-1(7±36) amid bindet der GLP-1-Rezeptor (GLP-1R) die Agonisten
a Exendin-3 sowie -4 und den Antagonisten Exendin-(9±39) (Gæke et al. 1993). Exendine, aus dem Gift von Echsen gewonnen, sind nçtzliche Werkzeuge in der Erforschung der Physiologie von GLP-1 (Schirra et al. 1998; De Maturana et al. 2003). Der GLP-1-Rezeptor låsst sich im menschlichen Pankreas auf Insulin und Somatostatin sezernierenden Inselzellen nachweisen, daneben in ZNS, Magen, Herz, Lunge und Niere (Mayo et al. 2003). Der GLP-2-Rezeptor (GLP-2R) konnte in Magen, Dçnn- und Dickdarm sowie ZNS isoliert werden, wobei er insbesondere von enteroendokrinen Zellarten exprimiert wird. Beide GLP-Rezeptoren fçhren unter anderem çber Gs-Proteine zu einer Aktivierung der Adenylatcyclase mit Erhæhung des cAMP-Anteils und kænnen auch Apoptose beeinflussende Signalwege initiieren (Drucker 2003; Li et al. 2003). La Barre und Still schufen bereits 1930 den Begriff der ¹Inkretineª fçr bis dahin noch unbekannte intestinale Stoffe, deren Freisetzung durch Nahrungsbestandteile hervorgerufen wird und die die Senkung eines erhæhten Blutzuckerspiegels bewirken (La Barre u. Still 1930). Spåter zeigten McIntyre et al., dass es nach oraler Aufnahme von Glukose zu einer deutlich hæheren Insulinausschçttung kommt als nach intravenæser Verabreichung der gleichen Glukosemenge (McIntyre et al. 1964). Wåhrend Glukagon durch Stimulation der Glykogenolyse und Glukoneogenese den Blutzuckerspiegel erhæht und die Wirkung von Insulin abschwåcht, ist GLP-1 neben GIP als Tråger des sog. Inkretineffektes (Hansotani u. Drucker 2004) fçr die Mobilisierung von bis zu 60% der postprandial ausgeschçtteten Insulinmenge verantwortlich (Perley u. Kipnis 1967; Kolligs et al. 1995; Schirra u. Gæke 2005). Hauptstimulus fçr die Sekretion von GLP-1 ist das Vorhandensein von Nahrung im Darmlumen, und zwar insbesondere von Kohlenhydraten (Schirra et al. 1996). Da die GLP-1-Sekretion bereits 5±30 Minuten nach Nahrungsaufnahme beginnt, obwohl die GLP-1 sezernierenden L-Zellen in hæchster Dichte erst im distalen Ileum und Kolon zu finden sind, muss die GLP-1-Freisetzung neben der direkt substratvermittelten Ausschçttung noch durch weitere hormonelle und neurale Mechanismen reguliert werden (Damholt et al. 1999). In diesem Zusammenhang stehen die Beobachtungen, dass Somatostatin-28 die Freisetzung von GLP-1 und -2 hemmt und Patienten nach Vagotomie reduzierte GLP-1-Spiegel aufweisen (Rocca u. Brubaker 1999; Hansen et al. 2000). GLP-1 bewirkt die Potenzierung der glukoseabhångigen Insulinfreisetzung auf mehreren Ebe-
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
nen. Neben der direkten Bindung an GLP-1R exprimierende b-Zellen des Pankreas werden die Expression des Proinsulingens und die Biosynthese von Proinsulin induziert, die Replikation und Neogenese der b-Zellen gesteigert und deren Glukosesensitivitåt erhæht (Fehmann u. Habener 1992; Holz et al. 1993; Xu et al. 1999). Darçber hinaus supprimiert GLP-1 selbst im Nçchternzustand die Sekretion von Glukagon, wobei es bisher nicht gelungen ist, GLP-1R auf Glukagon produzierenden a-Zellen zu isolieren (Schirra et al. 1998). Es ist daher unklar, ob die Glukagon supprimierende Wirkung von GLP-1 direkt, çber Rezeptorinteraktion oder andere hormonelle oder neurale Faktoren vermittelt wird. GLP-1 inhibiert auûerdem die Motilitåt und Entleerung des Magens sowie die Sekretion von Magensåure und Pankreasenzymen (Schirra et al. 2000). Diese Effekte tragen zu einer verlangsamten Glukoseresorption bei und werden vermutlich durch Hemmung zentraler parasympathischer Einflçsse vermittelt (Wettergren et al. 1998). Daneben beeinflusst GLP-1 die Regulation von Appetit und Nahrungsaufnahme, eine Wirkung, die mæglicherweise çber die zahlreichen GLP-1-Rezeptoren im ZNS mediiert wird (Turton et al. 1996; Flint et al. 1998). Trotz seiner Homologie zu GLP-1 weist GLP-2 keine insulinotrope Wirkung auf und gehært nicht zu den Inkretinen. Neben Hemmung der Magenmotilitåt und der vagal induzierten Magensåuresekretion, Steigerung des intestinalen Hexosetransportes und Beeinflussung der Permeabilitåt çbt GLP-2 hauptsåchlich trophische Effekte auf die intestinale Mukosa von Dçnn- und Dickdarm aus (Drucker 2001). Diese basieren auf einer Steigerung der Zellproliferation und einer gleichzeitigen Verminderung der Apoptose der Enterozyten. Wie bei GLP-1 wird die Freisetzung von GLP-2 durch intraluminale Nåhrstoffe induziert, wobei neben Kohlenhydraten auch Fette stimulierend wirken (Xiao et al. 1999). GLP-2 ist vielleicht auch ein intestinaler Wachstumsfaktor beim Menschen. Zumindest wurden bei Patienten mit chronisch-entzçndlichen Darmerkrankungen (CED) erhæhte GLP-2-Spiegel gemessen (Xiao et al. 2000; Jeppesen et al. 2001). GLP-2 wird zur Therapie von Darmerkrankungen, die mit Affektionen der Schleimhaut einhergehen, wie z. B. CED und Kurzdarmsyndrom evaluiert (Lovshin u. Drucker 2000).
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B. Gæke et al.
2.3.4.5 Glucose-Dependent Insulinotropic Polypeptide Glucose-dependent insulinotropic polypeptide (GIP) ist ein aus 42 Aminosåuren bestehendes Peptidhormon, das zur Familie der Sekretin/GlukagonPeptide gehært (Fehmann et al. 1995). Wegen seiner im Tierexperiment hemmenden Wirkung auf die Magensåuresekretion wurde es zunåchst ¹gastric inhibitory polypeptideª genannt. Nachdem sich dieser Effekt beim Menschen jedoch nicht beståtigte und sich stattdessen eine kråftige Wirkung auf die Insulinsekretion zeigte, wurde die Bezeichnung Glucose-dependent insulinotropic polypeptide eingefçhrt (Fehmann et al. 1995). GIP geht aus einem 153 AS groûen Vorlåufer hervor, der im Gegensatz zu Proglukagon keine weiteren biologisch relevanten Peptide oder Fragmente codiert (Takeda et al. 1987). GIP wird von spezialisierten Zellen der Darmschleimhaut, den sog. K-Zellen, sezerniert und ebenso wie GLP-1 und -2 nach wenigen Minuten durch die DPP-IV abgebaut (Deacon et al. 1995, Abschn. 2.3.2.3.5). Die Ausschçttung von GIP wird vor allem durch das Vorhandensein von Fetten und Zuckern im Darmlumen induziert. GIP wirkt çber einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor, der nach Ligandenbindung zu einer Erhæhung des cAMP-Spiegels fçhrt. Nach GIP-Bindung konnten daneben die Aktivierung von verschiedenen intrazellulåren Signalwegen wie MAP-Kinase, Phospholipase A2, Phosphatidylinositol-3-kinase/ Proteinkinase B demonstriert werden (Trçmper et al. 2002; Mayo et al. 2003). Der GIP-Rezeptor wird auûer auf pankreatischen b-Zellen in Darm, Fettgewebe, Herz, Nebennierenrinde und Gehirn exprimiert (Usdin et al. 1993). GIP ist neben GLP-1 Hauptmediator des Inkretineffektes und fçhrt nach Rezeptorbindung zu einer signifikanten Steigerung der postprandialen Insulinausschçttung, wie bereits 1973 von Dupre und Mitarbeitern gezeigt wurde (Dupre et al. 1973; Lewis et al. 2000). Diese Ergebnisse lieûen sich unter Verwendung von GIP-Rezeptor-Antagonisten und GIPRezeptor-defizienten Knock-out-Måusen beståtigen, wobei die Tiere nach Glukosebelastung eine deutlich verminderte Glukosetoleranz aufwiesen (Tseng et al. 1996; Miyawaki et al. 1999). Ûberexpression einer dominant negativen GIP-Rezeptor-Variante læste bei transgenen Måusen schwere trophische Stærungen der pankreatischen b-Zellen mit manifestem Diabetes mellitus aus (Herbach et al. 2005). Werden GLP-1 und GIP in physiologischen Dosen gemeinsam infundiert, so addiert sich der in-
sulinotrope Effekt im Vergleich zur jeweiligen Einzelgabe (Nauck et al. 1993 a). Ûber diesen direkten Effekt hinaus verbessert GIP die Glukosetoleranz çber eine Stimulation der b-Zell-Proliferation (Trçmper et al. 2001). Wåhrend GIP im isolierten perfundierten Rattenpankreas die Freisetzung von Glukagon færdert, konnten diese Ergebnisse çber långere Zeit beim Menschen nicht reproduziert werden (Nauck et al. 1993 b). Erst kçrzlich konnten Meier et al. eine dosisabhångige Stimulation der Glukagonausschçttung bei gesunden Probanden nachweisen, die jedoch bei Hyperglykåmie verschwand (Meier et al. 2003). Entgegen der vermeintlich widersprçchlichen Effekte auf Insulinund Glukagonsekretion kænnte GIP demnach eine wesentliche Bedeutung fçr die Glukosehomæostase çbernehmen, indem es bei Hypoglykåmie die Glukagon-, bei Hyperglykåmie die Insulinfreisetzung induziert und so zu einer Nivellierung sowohl erhæhter als auch erniedrigter Blutzuckerspiegel beitrågt. GIP nimmt auch eine bedeutende Rolle im Lipidstoffwechsel ein, da es die Fettsåuresynthese und die insulinvermittelte Aufnahme von Fettsåuren in das Fettgewebe steigert. Des Weiteren sind GIP-Rezeptoren im Fettgewebe weit verbreitet, und Måuse mit einer Deletion des GIP-Rezeptors weisen trotz fettreicher Ernåhrung eine geringere Gewichtszunahme auf als Wildtyptiere (Miyawaki et al. 2002). Als Inkretinhormon wurde GIP hinsichtlich seiner Bedeutung in der Pathophysiologie und Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 evaluiert, wobei hier aber die insulinotrope Wirkung von GIP stark eingeschrånkt ist (Nauck et al. 1993b; Vilsboll et al. 2001). Vielleicht ist aber ein Einsatz von GIPAntagonisten in der Therapie der Adipositas sinnvoll.
2.3.4.6 Somatostatin Somatostatin wurde erstmals 1973 aus dem Hypothalamus von Schafen isoliert, wo es die Sekretion von somatotropem Hormon (STH) hemmt (Brazeau et al. 1973). Nach gewebespezifischer, posttranslationaler Prozessierung des 92 AS umfassenden Prohormons Prosomatostatin entstehen zwei bioaktive Formen, Somatostatin-14 und Somatostatin-28. Beide weisen am Carboxylende eine zyklische Struktur auf, die essentiell fçr die biologische Wirksamkeit ist und somit bei allen Somatostatinanaloga vorhanden ist (Chiba u. Yamada 1994).
a Somatostatin und seine Rezeptoren kænnen aus zahlreichen Geweben, insbesondere dem zentralen und peripheren Nervensystem isoliert werden. Ebenfalls håufig kommt es in Gastrointestinaltrakt und Pankreas vor, wo es in Neuronen der Plexus submucosus und myentericus und in sog. D-Zellen enthalten ist. In den Langerhans-Inseln des Pankreas liegen die D-Zellen in einem Geflecht aus Gefåû- und Nervenstrången in enger Nachbarschaft zu Insulin, Glukagon und pankreatisches Polypeptid produzierenden Zellen. Es wurden bisher fçnf Somatostatinrezeptor-Subtypen SSTR 1±5 kloniert, die nach Ligandenbindung zu einer G-Protein-vermittelten Hemmung der Adenylatcyclase fçhren, daneben aber auch Phospholipase C und A aktivieren (Patel et al. 1990). Die einzelnen SSTR unterscheiden sich nicht in ihrer Affinitåt zu Somatostatin-14 und -28, aber in Hinblick auf die verschiedenen Somatostatinanaloga (Lamberts et al. 1996). Eine eindeutige Zuordnung einzelner Subtypen zu spezifischen Zielgeweben ist nicht mæglich, da eine einzelne Zelle mehr als einen, teilweise sogar alle Rezeptortypen exprimieren kann und im Nervensystem alle SSTR nachweisbar sind (Raulf et al. 1994). Die Erforschung der durch Somatostatin hervorgerufenen physiologischen Wirkungen wird durch eine Reihe von Faktoren erschwert. Somatostatin wirkt çberwiegend parakrin. Es wird in zahlreichen Geweben in Folge verschiedenster Stimuli sezerniert, und in Gewebe und Plasma wird es innerhalb von wenigen Minuten durch Peptidasen abgebaut. Somatostatin ruft wie die meisten gastrointestinalen Peptide spezifische Wirkungen im Zusammenspiel mit einer Vielzahl von Kofaktoren hervor. In Magen-Darm-Trakt und Pankreas wird die Somatostatinausschçttung çber das vegetative Nervensystem reguliert, wobei sympathische Impulse hemmend, parasympathische stimulierend wirken. Erhæht sich die Plasmakonzentration von Kohlenhydraten, Amino- oder Fettsåuren, wird dies mit einer gesteigerten Somatostatinsekretion beantwortet. Im GI-Trakt werden daraufhin vor allem Prozesse gehemmt, die der Aufnahme und Verdauung von weiteren Nåhrstoffen dienen. Ein Beispiel fçr das komplexe Zusammenspiel von gastrointestinalen Peptiden, in dem Somatostatin eine zentrale Rolle einnimmt, stellt die Regulation der Magensåuresekretion dar. Hierbei reduziert Somatostatin indirekt die Magensåuresekretion, indem es durch direkte Einwirkung auf enterochromaffine Zellen die Sekretion von Histamin hemmt. Infolgedessen wird die Ausschçttung von
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
Gastrin vermindert, das der wesentliche Stimulator der Magensåure produzierenden Parietalzellen ist. Im Pankreas wird neben der exokrinen Sekretion u. a. auch die Freisetzung von Insulin und Glukagon herabgesetzt. Mæglicherweise liegt die physiologische Bedeutung dieser Effekte darin, den Kærper vor einem Nåhrstoffçberangebot zu schçtzen. Bis zur Entwicklung langwirksamer Analoga war der Einsatz von Somatostatin zu therapeutischen Zwecken aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit limitiert. Mit Octreotid (Wirkdauer 8 Stunden), Lanreotid (10±14 Tage) und ¹long acting releaseª (LAR) Octreotid (28 Tage) ergab sich die Mæglichkeit, das breite Wirkspektrum von Somatostatin auszunutzen. Es wird in der Behandlung von Úsophagusvarizenblutungen, sekretorischen Durchfallerkrankungen und in Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren (Kvols et al. 1986) eingesetzt. Die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie beruht auf der Verwendung von radioaktiv markiertem Octreotid, das eine besonders hohe Affinitåt fçr SSTR-2 und -5 besitzt. Neuroendokrine Tumore exprimieren in der Mehrzahl SSTR-2, so dass mit der Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie Tumorherde erfasst werden kænnen, die aufgrund ihrer Græûe dem Nachweis mit herkæmmlichen bildgebenden Verfahren entgehen (Baum u. Hofmann 2004). Die Bindung von markiertem Somatostatin bzw. Octreotid kann durch Verwendung von b-Emittern wie 90-Yttrium auch therapeutisch im Sinne einer lokalen Bestrahlung von Tumorzellen eingesetzt werden. Unter anderem çber Aktivierung des Enzyms Tyrosinphosphatase soll Somatostatin auch antiproliferative Wirkungen ausçben kænnen. In den bisher durchgefçhrten Studien konnte aber lediglich eine Konsolidierung bestehender Tumormassen demonstriert werden (Wynick et al. 1989). Handelt es sich um hormonaktive Tumore, kann durch Hemmung der Sekretion bei vielen Patienten eine deutliche Verbesserung der Lebensqualitåt erreicht werden, da Symptome wie Diarrhoen und Flush gemildert werden (Kvols et al. 1986). Diese Effekte sind jedoch oft zeitlich limitiert. Neben einer Down-Regulation der SSTR kommt es zu einer zunehmenden Selektion der nicht SSTR exprimierenden Tumorzellen, so dass die therapeutische Wirkung nachlåsst. Antiproliferative Wirkungen auf andere Malignome (hepatozellulåres Karzinom, Mammakarzinom) werden zur Zeit evaluiert.
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B. Gæke et al.
2.3.4.7 Pankreatisches Polypeptid, Neuropeptid Y und Peptid YY Das pankreatische Polypeptid (PP) wurde 1968 als vermeintliche Verunreinigung wåhrend Untersuchungen zur Isolierung und Charakterisierung von Hçhnerinsulin entdeckt (Kimmel et al. 1975). Nach Entschlçsselung seiner AS-Sequenz erfolgte die gezielte Suche nach chemisch verwandten Substanzen, die zwei weitere Mitglieder der PP-Familie hervorbrachte, Neuropeptid Y (NPY) und Peptid YY (PYY). Alle drei Peptide bestehen aus 36 AS und liegen in einer charakteristischen Haarnadelform vor, die auf dem Vorhandensein einer a-Helix, einer Polyprolin-Helix und eines amidierten Carboxylendes beruht (Larhammar 1996). Daneben weisen sie zahlreiche Tyrosinreste auf, denen NPY und PYY ihre Namen verdanken, da Tyrosin in der Einbuchstaben-Nomenklatur der Aminosåuren durch den Buchstaben ¹Yª codiert wird. Im Gegensatz zu PP und NPY kommt PYY im menschlichen Organismus in einer weiteren bioaktiven Variante vor, PYY3±36, bei der die ersten beiden aminoterminalen AS durch das Enzym Dipeptidylpeptidase IV (DPP-IV) abgespalten werden (Medeiros et al. 1994). Die PP produzierenden Zellen sind im Pankreas in enger Nachbarschaft zu den Insulin, Glukagon und Somatostatin produzierenden a-, b- und d-Zellen lokalisiert (Larsson et al. 1976). Als typisches Neuropeptid liegt NPY vorwiegend in den sympathischen Neuronen des zentralen und peripheren Nervensystems vor, wohingegen PYY in neuroendokrinen Zellen der Darmmukosa und im Plexus des enterischen Nervensystem vorkommt (Mannon u. Taylor 1994). PYY kann sowohl von sog. H-Zellen als auch gemeinsam mit Enteroglukagon von L-Zellen der Darmschleimhaut produziert werden (Mannon u. Taylor 1994). Die Mitglieder der PP-Familie entwickeln ihre biologischen Wirkungen çber fçnf eng miteinander verwandte Rezeptoren. Die Rezeptoren Y1±5 gehæren zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und wirken çber eine Hemmung der Adenylatcyclase sowie daneben çber Beeinflussung von Kalium- und Kalziumkanålen (Michel et al. 1998). Essen und Magendehnung fçhren zur Ausschçttung von PP, das daraufhin die Sekretion des exokrinen Pankreas, die Gallenblasenkontraktion und die Motilitåt des Darms hemmt. Die Freisetzung unterliegt dem Einfluss des N. vagus, da diese Effekte nach Ganglionblockade und Vagotomie nicht mehr nachweisbar sind (Mannon u. Taylor 1994).
NPY fungiert primår als Neurotransmitter und steigert die Nahrungsaufnahme (Hwa et al. 1999). Hierbei interagiert es eng mit Ghrelin, das die Expression von NPY steigert (Nakazato et al. 2001). Ûber den Y1-Rezeptor beeinflusst NPY daneben die glatte Muskulatur von Gefåûen und Darm (Hazelwood 1993). PYY wirkt der durch den N. vagus stimulierten Magensåuresekretion entgegen und verlangsamt Magenentleerung und Transitzeit der Nahrung. Weiterhin hemmt es die Nahrungsaufnahme, wobei PYY3±36, das postprandial im Plasma in hæherer Konzentration als PYY1±36 vorliegt, wirkungsvoller ist (Batterham u. Bloom 2003). Die PYYSekretion steigt proportional zum Kaloriengehalt einer Mahlzeit an, erreicht nach 90 Minuten einen Hæchstwert und normalisiert sich erst nach 6 Stunden (Batterham u. Bloom 2003). Da die PYY sezernierenden Zellen in hæchster Dichte erst in distal gelegenen Darmabschnitten wie Kolon und Rektum vorliegen, mçssen neben den im Darmlumen vorhandenen Gallensåuren und Nahrungsbestandteilen wie Fettsåuren auch andere humorale und neurale Faktoren die Freisetzung von PYY hervorrufen kænnen (Onaga et al. 2002). Hierbei werden insbesondere Gastrin, CCK und dem N. vagus eine wesentliche Bedeutung zugeschrieben. Zusammenfassend sind die Mitglieder der PPFamilie an der Regulation von Appetit und Nahrungsaufnahme beteiligt. Experimente mit transgenen Måusen, die PP çberexprimieren oder defizient fçr die verschiedenen Y-Rezeptoren sind, beståtigen dies (Pedrazzini et al. 1998; Ueno et al. 1999).
2.3.4.8 Vasoaktives intestinales Peptid und verwandte Peptide Im GI-Trakt nachweisbare Peptide kænnen auch in Neuronen vorliegen und gleichzeitig oder vorwiegend als Neuromodulatoren und Neurohormone wirken. Zu diesen zåhlt neben Bombesin/GRP auch das vasoaktive intestinale Peptid (VIP), das ein Mitglied der Sekretin/Glukagon-Familie ist (Sherwood et al. 2000). VIP besteht aus 28 AS und wird von einem 7 Exons umfassenden Gen codiert, aus dem darçber hinaus noch VIP-verwandte Peptide hervorgehen: ¹peptide histidine isoleucineª (PHI) und ¹peptide histidine methionineª (PHM). Es ist bekannt, dass alle drei Peptide gemeinsam sezerniert werden kænnen, wobei die biologische Relevanz dieser Beobachtung unklar ist (Holst et al. 1987). 1989 wur-
a de ¹pituitary adenylate cyclase-activating peptideª (PACAP) entdeckt, das in einer 38 und 27 AS groûen Variante vorkommt (PACAP-38 und -27) und eine Sequenzhomologie von 68% zu VIP aufweist. Vergleicht man die VIP-AS-Sequenzen verschiedener Spezies miteinander, so sind die von Schwein, Rind, Ratte und Hund mit der des Menschen identisch. Unterschiede zu anderen nah verwandten Tierarten beschrånken sich auf konservative ASAustausche mit nur geringfçgigen Verånderungen der biologischen Aktivitåt, so dass aufgrund dieser hochgradigen Konservierung von einer wesentlichen Bedeutung von VIP fçr den Organismus auszugehen ist (Sherwood et al. 2000). VIP vermittelt seine Wirkung çber zwei G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die PACAP mit gleicher Affinitåt binden und daher den Namen VCAP-1 und -2 erhielten (Harmar et al. 1998). Darçber hinaus existiert ein PACAP-spezifischer Rezeptor, PAC-1, an den VIP ebenso wie an die Rezeptoren der çbrigen Familienmitglieder mit nur geringer Affinitåt bindet. Nach Ligandenbindung kommt es çber Aktivierung von Gs-Proteinen zur Steigerung des cAMP-Spiegels, ein Vorgang der durch ebenfalls G-Protein-gekoppelte Rezeptorkinasen, die zur Phosphorylierung des Rezeptors fçhren, terminiert wird. Die Plasmakonzentration von VIP ist mit < 20 pmol/l gering und steigt auch postprandial nicht an (Dockray 1994 a, b). Durch Vagusstimulation wird VIP vermehrt ausgeschçttet und nach Freisetzung mit einer Halbwertszeit von weniger als 1 Minute rasch abgebaut (Dockray 1994 b). Die VIP-Rezeptoren lassen sich in fast allen Geweben des menschlichen Organismus nachweisen, besonders weitlåufig im zentralen und peripheren Nervensystem, wo sie mit verschiedensten Funktionen in Zusammenhang gebracht werden. Die Hauptwirkungen von VIP im GI-Trakt umfassen Vasodilation mit Erhæhung des Splanchnikus-Blutflusses, Relaxation glatter Muskulatur und Steigerung der intestinalen und pankreatischen Flçssigkeitssekretion. VIP besitzt einen bedeutenden Einfluss auf die Koordination der Darmmotilitåt und ist der wesentliche Botenstoff fçr die nichtadrenerge und nichtcholinerge Nervenimpulsçbertragung. Als inhibitorischer Neurotransmitter induziert es die kurzfristige Entspannung der einem tonischen Druck unterliegenden glatten Darmmuskulatur und ermæglicht so einen geordneten Transport der Nåhrstoffe. Ein Kofaktor ist hierbei Stickstoffmonoxid (NO), das håufig gemeinsam mit VIP freigesetzt wird (Murthy et al. 1995). Bei Erkrankungen wie Morbus Hirschsprung oder Achalasie, die mit
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
Motilitåtsstærungen im Úsophagus bzw. Dickdarm einhergehen, konnte ein Mangel an VIP in den entsprechenden Neuronen nachgewiesen werden. Es werden verschiedenste Einflçsse auf ZNS, Herz-Kreislauf-System, Atemwege, Immunsystem und Urogenitaltrakt beschrieben, wie etwa Muskelrelaxation und Freisetzung von Sekreten und Hormonen (Fahrenkrug 1993). So kann VIP abhångig vom vorherrschenden Blutzuckerniveau auch die Ausschçttung von Insulin und Glukagon induzieren (Sherwood et al. 2000). Klinische Bedeutung besitzt VIP im Rahmen des Verner-Morrison-Syndroms, das auch als pankreatische Cholera, Watery-diarrhea-hypokalemia-achlorhydria-Syndrom oder VIPom bezeichnet wird. Es beruht auf einem VIP sezernierenden (Inselzell-)Tumor, der mit profusen wåssrigen Durchfållen, Hypokaliåmie und Achlorhydrie assoziiert ist (Goulon et al. 1966).
2.3.4.9 Bombesin/Gastrin-Releasing Peptide Anfang der 70er Jahre isolierten Anastasi und Erspamer aus der Haut des Frosches Bombina Bombina das Peptid Bombesin (Anastasi et al. 1971). Bombesin ist ein 14 AS umfassendes Peptid, das auch im menschlichen Organismus in der Lage ist, die Sekretion von Gastrin und Magensåure zu stimulieren (Varner et al. 1981). Erst spåter wurden bei Såugetieren weitere Mitglieder der Gruppe der ¹bombesin-like peptidesª (BLP) entdeckt: ein 27-AS-Peptid, das nach seiner Hauptwirkung den Namen Gastrin-releasing peptide (GRP) erhielt und hohe Strukturverwandschaft zu Bombesin aufweist, daneben andere wie das 32 AS groûe Neuromedin B, das dem in Amphibien vorkommenden Ranatensin entspricht. GRP låsst sich im ZNS, der fetalen Lunge und im GI-Trakt nachweisen, wo es in Zellen und Nervenfasern vorkommt (Bunnett 1994). Diese Nervenfasern versorgen neben Plexus submucosus und myentericus und glatter Darmmuskulatur auch Azini und Gånge der Bauchspeicheldrçse, wo sie die Sekretion des exokrinen Pankreas stimulieren. Das Inselzellorgan hingegen ist nur spårlich innerviert. Nach Freisetzung wird GRP in kçrzester Zeit durch Peptidasen abgebaut (Bunnett 1994). BLP çben ihre Wirkung çber G-Protein-gekoppelte Rezeptoren aus, von denen bisher drei identifiziert werden konnten: der GRP-, Neuromedin-B- und Bombesin-Subtyp-3-Rezeptor. Nach GRP-Bindung an den Rezeptor und Aktivierung von Phospholipase C kommt es çber Bildung von Inositol-
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1,4,5-triphospat und Diacylglycerin zu einer Erhæhung des intrazellulåren Kalziumpools. Daneben werden der Mitogen-activated-protein-kinase (MAPK)-Signal-Weg und die Phosphorylierung verschiedener Proteinkinasen wie Tyrosinkinasen reguliert (Qu et al. 2003). Im GI-Trakt wirken BLP indirekt çber Freisetzung von zahlreichen anderen gastrointestinalen Hormonen (Gastrin, CCK, PP, Somatostatin, Insulin, Glukagon, VIP) çberwiegend stimulierend auf Magensåure-, exokrine Pankreas- und Darmsekretion, Darmmotilitåt und Kontraktilitåt glatter Muskulatur. Einige dieser Effekte werden zusåtzlich auch çber direkte Rezeptorinteraktion auf Zielzellen und çber Acetylcholin vermittelt. BLP unterliegen in ihrer Freisetzung auch vagalen Einflçssen, so dass die BLP-Wirkungen in einem åuûerst komplizierten Zusammenspiel auf verschiedenen Ebenen vermittelt werden (Bunnett 1994). BLP læsen verschiedene zentrale Effekte aus, die Essverhalten, Thermoregulation, Schmerzempfindung und Lernverhalten modulieren. Beim Menschen fçhren sowohl das endogen nicht vorkommende Bombesin als auch GRP zu einer deutlichen Hemmung der Nahrungsaufnahme, wobei noch nicht abschlieûend geklårt ist, ob es sich um einen CCK-mediierten oder einen direkten Effekt der BLP handelt. Zur Zeit untersuchen verschiedene Studien die mægliche Bedeutung der BLP in der Behandlung von Adipositas und Essstærungen. BLP wirken nicht oral. Sie hemmen die Nahrungsaufnahme nur etwa 15±30 Minuten (kurze Halbwertszeit), so dass nur stabile Analoga fçr die therapeutische Anwendbarkeit infrage kommen.
2.3.4.10 Substanz P und andere Neurokinine Die Neurokinine (Synonym: Tachykinine) stellen mit bisher çber 40 in verschiedensten Spezies identifizierten Vertretern eine der græûten Peptidfamilien dar (Severini et al. 2002). Im menschlichen Organismus spielen Substanz P, Neurokinin A und Neurokinin B die wichtigste Rolle. Erst 1970 konnte die damals aus Gehirn und Darm eines Pferdes gewonnene Substanz, die Kontraktionen der Darmschleimhaut und einen Abfall des Blutdruckes hervorrief, als Substanz P identifiziert werden (Chang u. Leeman 1970). Substanz P besteht aus 11 AS, wobei das ¹Pª in Ermangelung eines geeigneteren Namens fçr ¹powderª steht. Substanz P, Neurokinin A, das daneben in den Varianten Neurokinin K und Neuropeptid c existiert, und Neurokinin B gehen durch
gewebeabhångiges alternatives Splicing aus Preprotachykinin A und B hervor (Nawa et al. 1984). Alle drei weisen am Carboxylende ein fçr Neurokinine typisches und fçr die Bioaktivitåt essentielles Pentapeptid auf, das aus Phenylalanin, einer aromatischen (Tyrosin/Phenylalanin) oder hydrophoben AS (Valin/Isoleuzin), Glycin, Leuzin und Methionin besteht (Dockray 1994 a). Neurokinine sind an der Ûbertragung und Modulation von Nervenimpulsen beteiligt und sind im zentralen und peripheren Nervensystem weit verbreitet, wo sie gehåuft in sensorischen Nervenfasern vorliegen. Daneben ist insbesondere Substanz P auch in enteroendokrinen Zellen der Darmschleimhaut aufzufinden (Severini et al. 2002). Håufig liegen sie gemeinsam mit anderen Neurotransmittern wie Serotonin, Acetylcholin oder Enkephalin vor (Dockray 1994 a). Bisher konnten drei G-Protein-gekoppelte Rezeptoren identifiziert werden, wobei Substanz P bevorzugt NK-1, Neurokinin A NK-2 und Neurokinin B NK-3 bindet und mit geringerer Affinitåt jeweils auch die beiden anderen Rezeptoren aktiviert werden kænnen (Hershey u. Krause 1990). Nach Ligandenbindung kommt es Phospholipase-C-vermittelt zu einer Erhæhung des intrazellulåren Kalziumspiegels (Guard und Watson 1991). Neurokinine stimulieren die Sekretion von Speicheldrçsen, Pankreas und Darm (Figini et al. 1997; Holzer u. Holzer-Petsche 1997). Daneben werden sie mit der Auslæsung von Entzçndungsreaktionen und der Modulation einer Vielzahl von zentralen Prozessen wie Schmerzempfindung, Angst, Lernund Stressverhalten in Verbindung gebracht, die sie vermutlich durch Freisetzung anderer humoraler und neuraler Faktoren beeinflussen (Otsuka u. Yoshioka 1993; Cao et al. 2000). Im Intestinum von Patienten mit chronisch entzçndlichen Darmerkrankungen, aber auch in Karzinoidtumoren konnte eine gesteigerte Expression von Substanz P und seinen Rezeptoren beobachtet werden (Creutzfeldt 1996; Mantyh et al. 1988). Durch die Entwicklung von Neurokininantagonisten eræffnete sich ein potentieller therapeutischer Ansatz in der Therapie dieser Erkrankungen, vielleicht auch psychiatrischer Leiden wie affektiven Stærungen und Schizophrenie (Kramer et al. 1998).
2.3.4.11 Ghrelin Ghrelin wurde 1999 von Kojima und Kangawa identifiziert und ist der jçngste Vertreter der gas-
a trointestinalen Hormone (Kojima et al. 1999). Die Umstånde, die zu seiner Entdeckung fçhrten, sind ungewæhnlich, da bereits 20 Jahre vor seiner Isolierung synthetische Analoga zur Verfçgung standen, ohne dass man damals çberhaupt von der Existenz eines natçrlich vorkommenden Pendants oder eines spezifischen Rezeptors ausging. Den Namen Ghrelin, dessen erste Silbe auf das Wort ¹Wachstumª zurçckzufçhren ist, erhielt es aufgrund seiner strukturellen und funktionellen Verwandtschaft mit Growth hormone releasing hormone (GHRH) (Inui 2001). Wachstumshormon bzw. Growth hormone (GH) unterliegt einer pulsatilen Freisetzung aus der Hirnanhangsdrçse, die durch GHRH stimuliert und durch Somatostatin inhibiert wird (Frohman u. Jansson 1986). GHRH bindet dabei an GHRHRezeptoren, wåhrend Somatostatin an SSTR-2 und -5 bindet. Zur Therapie von Patienten mit Wachstumshormondefizienz oder Zustånden von Kachexie wurden synthetische Analoga von GHRH entwickelt, die als ¹growth hormone secretagoguesª (GHS) bezeichnet werden (Casanueva u. Dieguez 1999). Ein erster Vertreter dieser Stoffgruppe war GHRP-6, das die Freisetzung von GH zwar potent stimulierte, jedoch darçber hinaus im Vergleich zu GHRH eine Pharmakodynamik zeigte, die auf eine eigenståndige neue Substanz mit einem anderen, von GHRH differenten Wirkmechanismus schlieûen lieû (Bowers et al. 1984). Die gemeinsame Verabreichung von GHRH und GHRP-6 fçhrt nicht nur zur Addition, sondern Potenzierung der GHFreisetzung. Daneben lieû sich nach GHS-Applikation anstelle einer cAMP-Erhæhung wie nach GHRH-Gabe eine Erhæhung des intrazellulåren Kalziumanteils beobachten (Smith et al. 1997). Unter Verwendung radioaktiver Marker konnten Bindungsstellen in Hypothalamus und Hypophyse identifiziert werden, die spezifisch fçr GHS, aber nicht fçr GHRH oder Somatostatin waren (Smith et al. 1997). 1996 gelang es, den entsprechenden Rezeptor, GHS-R, zu klonieren, dessen natçrlicher endogener Ligand das 28 AS umfassende Ghrelin ist, das schlieûlich aus Magenextrakten isoliert wurde (Howard 1996; Kojima et al. 1999). Als erstes natçrlich vorkommendes Peptid weist Ghrelin N-terminal einen n-Octanoyl-Rest auf, der fçr Rezeptorbindung und -aktivierung essentiell zu sein scheint und als lipophile Struktur Bedeutung fçr die Ûberwindung der Blut-Hirn-Schranke besitzt (Bednarek et al. 2000). Durch alternatives Splicing geht aus dem Ghrelingen ein weiterer Ligand, des-Gln14-Ghrelin, hervor, der Ghrelin in Struktur und Wirkung entspricht (Hosoda et al.
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
2000). Ghrelin und sein Rezeptor GHS-R weisen strukturelle Øhnlichkeiten mit Motilin und dessen Rezeptor auf, so dass sie als Mitglieder einer gemeinsamen neuen Hormonfamilie gelten. Bei Motilin handelt es sich um ein 22 AS groûes gastrointestinales Peptidhormon, das von enterochromaffinen Zellen des Dçnndarms synthetisiert wird und die Kontraktion der glatten Muskulatur des Intestinums anregt (Del Rincon et al. 2001). Wåhrend Ghrelin vorwiegend im Magen von einer speziellen Subpopulation enteroendokriner Zellen synthetisiert wird, finden sich geringere Mengen in Hypophyse, Hypothalamus, Darm, Pankreas, Niere, Immunsystem, Genitaltrakt und Plazenta (Date 2000; Gnanapavan et al. 2002). Als Plazentahormon scheint es in die Differenzierung und Regulation von fetalen und embryonalen Wachstumsprozessen involviert zu sein. Neben den typischen GH-mediierten Effekten auf das Wachstum færdert Ghrelin åuûerst potent die Nahrungsaufnahme und fçhrt zu einer Zunahme des Kærpergewichtes in Ratten und Måusen (Inui 2001). Der Einfluss von Ghrelin auf die Sekretion von Insulin wird kontrovers diskutiert (Broglio et al. 2001; Saad et al. 2002; Caixas et al. 2002). Ghrelin steigert Prozesse, die eine fortgesetzte Nahrungszufuhr unterhalten sollen wie Magenkontraktion und -entleerung sowie Magensåuresekretion. Wåhrend Fasten zu einer Erhæhung der Ghrelinkonzentration im Blut fçhrt, kommt es durch Nahrungszufuhr zur Reduktion. Im Gegensatz zu anderen adipogenen Peptiden wie ¹agouti-related peptideª (AGRP) oder NPY wirkt Ghrelin sowohl peripher als auch zentral verabreicht. Die ghrelinvermittelte Steigerung der Nahrungsaufnahme wird durch Induktion der Genexpression von AGRP und NPY hervorgerufen, die zu den wirkungsvollsten Stimulatoren der Nahrungsaufnahme gehæren. Im Gegensatz dazu werden die die Nahrungszufuhr hemmenden Effekte von Leptin, das die Expression von AGRP und NPY inhibieren kann, durch Ghrelin aufgehoben (Nakazato et al. 2001). Die Beobachtung, dass adipæse Probanden wåhrend einer Fastenperiode verminderte Ghrelinspiegel aufweisen, eine derartige Adaptation jedoch im Rahmen von Krebserkrankungen oder chronischen Infektionen nicht erfolgt, deutet auf weitere Determinanten hin, die an der Energiehomæostase mitwirken (Tschæp et al. 2001). Neue Daten bringen Ghrelin mit kardiovaskulåren Funktionen, der Modulation des Immunsystems und der Entstehung von Neoplasien (durch Stimulation der GH-Sekretion) in Zusammenhang (Broglio et al. 2003).
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Ghrelin findet in der aktuellen Literatur groûe Beachtung, weil es wesentlich dazu beitrågt, die Kontrolle der GH-Sekretion und der Energiehomæostase zu verstehen (Murray et al. 2003; Spiegel et al. 2004). Es steigert die Nahrungsaufnahme und induziert Gewichtszunahme. Das kænnte eine therapeutische Option bei der Tumorkachexie eræffnen. Ghrelingaben senken den Blutdruck, wahrscheinlich durch eine Endothelin-1-antagonistische Wirkung, und verbessern die Linksherzfunktion, was einen therapeutischen Ansatz bei chronischer Herzinsuffizienz vorstellbar macht (Murray et al. 2003).
2.3.5 Beispiele fçr Regelkreise mit regulatorischen Peptiden als Mediatoren 2.3.5.1 Regulation der Magensåuresekretion Edkins postulierte bereits 1905, dass ein ¹chemischer Faktorª (Gastrin) die Magensåuresekretion anregt. Die Magensåuresekretion unterliegt tatsåchlich einer komplexen Regulation durch externe und interne (gastrische) Faktoren, die direkt oder indirekt die Såurefreisetzung stimulieren oder hemmen (Schmidt u. Bojko 1999). Die Magensåure wird von den in Korpus und Fundus gelegenen Beleg-/Parietalzellen gebildet, die Rezeptoren fçr verschiedene Peptide besitzen und so in ihrer Såureproduktion reguliert werden. Die wichtigsten Rezeptoren fçr die Regulation der Parietalzelle sind die Histaminrezeptoren H2, der CCK-B/Gastrin-Rezeptor, der Acetylcholinrezeptor und der Somatostatinrezeptor. Gastrin, besonders in Antrum und Duodenum in den G-Zellen gebildet, ist im Zusammenspiel mit Acetylcholin, Histamin und Somatostatin ein wichtiger Regulator der Magensåuresekretion. Die Gastrinausschçttung hångt wesentlich von dem jeweils im Magenlumen vorherrschenden pH-Wert ab. Im Nçchternzustand oder bei hohen Magensåurespiegeln und dementsprechend saurem Milieu (niedriger pH-Wert) kommt es zu einer Hemmung der Gastrinsekretion, wåhrend ein stark alkalisches Milieu (hoher pH-Wert) zu einer Steigerung der Gastrinproduktion fçhrt. Auch Bombesin bzw. das diesem homologe, beim Menschen vorkommende Gastrin-related peptide (GRP) stimulieren die Gastrin- und damit Magensåuresekretion (Martinez u. Tache 2000). Alle Faktoren, die in der Regulation der Magensåuresekretion wechselwirken, treffen sich an zwei, zentralen Zielen: dem antralen G/D-Zellsystem, durch dass
die Freisetzung des wichtigsten endokrinen Stimulators der Såuresekretion, Gastrin, erfolgt, und am ECL-/Parietalzell-/D-Zell-System, dem letztlich Såure freisetzenden Effektor (Schmidt u. Bojko 1999).
2.3.5.2 Kontrolle von Trophik und Sekretion des exokrinen Pankreas Die Zunahme von Inzidenz und Mortalitåt des Pankreaskarzinoms fçhrte auch zu intensiven Untersuchungen der Wirkung gastrointestinaler Peptide auf das exokrine Pankreaswachstum und die Proliferation von Pankreaszellen (Thomas et al. 2003). Gastrointestinale Peptide wie Gastrin, Sekretin und insbesonders CCK zeigten hier stimulierende Effekte auf die Pankreastrophik (Peterson et al. 1978; Solomon et al. 1983). Zur Untersuchung dieser Effekte wurden in vivo Injektionen mit Peptiden und auch Fçtterungsexperimente durchgefçhrt, die das nahrungsadaptierte Verhalten des Pankreas aufklåren sollten. So wurden experimentelle Modelle entwickelt, die nach In-vivo-Behandlung im anschlieûenden In-vitro-Experiment erlaubten, Pankreashypertrophie, die Regulation einzelner Verdauungsenzyme des Pankreas und auch Hyperplasie von exokrinen Pankreaszellen nachzuweisen. Durch den Einsatz des synthetischen Proteinaseinhibitors Camostat wurde so ein pharmakologisch definiertes Modell etabliert, dass dosisabhångig erlaubte, Hormonantworten vom endokrinen Darm auszulæsen, die dann gezielte trophische Effekte am exokrinen Pankreas von Nagern auslæsten (Gæke et al. 1986). Offensichtlich stimuliert die Hemmung der intraduodenalen Trypsinaktivitåt oder der Verlust von exokrinem Pankreasgewebe die endogene CCK-Freisetzung (Gæke et al. 1988). Der Organismus versucht, die proteoloytische Aktivitåt im Duodenum konstant zu halten. Durch die endogene CCK-Sekretion werden mehr Proteasen produziert und ins Duodenum sezerniert. Die Regulation der CCK-Sekretion erfolgt neben den im Darmlumen befindlichen Nahrungsbestandteilen çber einen negativen Feedbackmechanismus, der bei Nagern nachgewiesen wurde und auf der intraluminalen Sekretion eines CCKreleasing factor beruht (Spannagel et al. 1996). Der CCK-releasing factor ist ein Peptid, das die I-Zellen zur CCK-Freisetzung anregt und durch das daraufhin vom Pankreas ausgeschçttete Trypsin wieder inaktiviert wird. Diese nur sehr kurzfristige Wirkung verlångert sich jedoch, wenn
a Nahrungsbestandteile das Darmlumen erreichen und als zweites Substrat fçr Trypsin mit dem CCK-releasing factor konkurrieren. Bisher konnte kein entsprechendes Peptid im menschlichen Darm identifiziert werden, da aber der CCK-releasing factor in vitro auch humane Zellen zur CCKSekretion anregt, ist es mæglich, dass die Regulation im Menschen nach einem åhnlichen Prinzip erfolgt (Wang et al. 2002). Das Pankreas hypertrophiert aufgrund des gesteigerten Bedarfs. Dieser Feedbackmechanismus der exokrinen Pankreassekretion und auch -trophik vermittelt durch CCK war zwar im Tierexperiment, nicht aber beim Menschen nachzuweisen. CCK aktiviert in der exokrinen Pankreaszelle die MAPK-Kaskade, aktiviert ERK, JNK und die p38-MAPK, Signalwege mit hypothetischem Einfluss auf die Proliferation von exokrinen Pankreaszellen (Williams 2001).
2.3.5.3 Enteroinsulinåre Achse Die Existenz hormonaler Faktoren, im Dçnndarm gebildet und von dort sezerniert, die dann die Zuckerspiegel beeinflussen kænnen, wird seit langem diskutiert (Fehmann et al. 1995). Die funktionelle Verbindung zwischen Dçnndarm und endokrinem Pankreas wurde in den 60er Jahren bewiesen, nachdem die exakte radioimmunologische Bestimmung von Insulin im Plasma mæglich wurde (Perley u. Kipnis 1967). Klassische Experimente zeigten, dass die Insulinantwort nach oraler Glukosegabe kråftiger ist als nach intravenæser Applikation, obwohl die Glukoseplasmaspiegel identisch waren. Dieses Phånomen wurde als Inkretineffekt und der Verbund zwischen Darm und Pankreas als enteroinsulåre Achse bezeichnet (Fehmann et al. 1995). Ausschlaggebend fçr den Inkretineffekt sind Darmhormone, die im Dçnndarm gebildet und postprandial in die systemische Zirkulation freigesetzt werden, um dann an den B-Zellen des endokrinen Pankreas die glukoseinduzierte Insulinsekretion zu verstårken. Tatsåchlich lieû sich der Inkretineffekt nach oraler Glukoseeinnahme bei Normalpersonen quantifizieren. Er macht ungefåhr 20±60% der C-Peptid-Antwort nach Glukoseaufnahme aus und ist abhångig von der aufgenommenen Glukosemenge (Creutzfeldt u. Ebert 1985). Man geht heute davon aus, dass die enteroinsulåre Achse einen signifikanten Beitrag zur Regulation der postprandialen Insulinsekretion leistet (Creutzfeldt u. Nauck 1992; Schirra u. Gæke 2005). Neben GIP ist hier GLP-1 von wesentlicher physiologischer Bedeutung. GLP-1 stimuliert post-
2.3 Gastrointestinale Hormonsysteme und ihre Regulation
prandial und glukoseabhångig die Insulinsekretion, senkt die Glukagonplasmaspiegel ab, verzægert die Magenentleerung und hat mæglicherweise, neben einem zusåtzlichen Effekt auf die periphere Glukoseutilisation, zentralnervæse Wirkungen auf Appetit und Durst (Creutzfeldt u. Nauck 1992; Schirra u. Gæke 2005). Nachdem bekannt wurde, dass der Inkretineffekt bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 gestært ist und ein Mediator dieses Effektes, GLP-1, als potentielles Therapeutikum in Frage kommt, wurden die Bemçhungen zur weiteren Charakterisierung von GLP-1 als pathophysiologischer Faktor und therapeutischer Ansatz bei Diabetes mellitus Typ 2 intensiviert (Creutzfeldt u. Nauck 1992). Von aktuellem Interesse ist zudem, dass den Inkretinhormonen mæglicherweise eine trophische Wirkung auf das endokrine Pankreas zukommt und durch sie z. B. die b-Zell-Masse reguliert werden kann (Drucker 2003; Hardikar 2004). Fçr GLP-1 und seinen Agonisten Exendin-4 wird eine komplexe intrazellulåre Signalçbertragung beschrieben, die letztlich zur Stimulation der glukoseinduzierten Insulinsekretion fçhrt und eine Steigerung der Insulinbiosynthese bewirkt, die eine trophische Wirkung an den pankreatischen b-Zellen begleitet (Drucker 2003).
2.3.5.4 Konzept der ¹Ileumbremseª Die Beobachtung, dass nicht absorbierte Nahrungsbestandteile im Lumen des distalen Dçnndarms die Motilitåt des oberen Magendarmtraktes hemmen, hat das Konzept eines Mechanismus zur verbesserten Aufnahme von Nahrungsbestandteilen, Wasser und Elektrolyten durch negative Rçckkopplung induziert (Read et al. 1984; Spiller et al. 1984). PYY scheint ein wesentlicher Teil dieses negativen Feedbackmechanismus zu sein, der den GI-Trakt vor einer Ûberladung mit Nåhrstoffen schçtzen soll (Wen et al. 1995; Lloyd et al. 1996). In den PYY produzierenden L-Zellen des Dçnndarms entsteht auch GLP-1, dem ebenfalls eine wichtige Rolle in der ¹ileal brakeª zugeschrieben wird (Schirra u. Gæke 2005).
2.3.5.5 Gastrointestinale Hormone und Krebswachstum Gastrointestinale Signalpeptide kænnen die Proliferation von Zellen in Pankreas und Darm beeinflussen (Thomas et al. 2003). Am besten untersucht
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sind bisher Gastrin, CCK, Bombesin/GRP bzw. BLP, PYY, Neurotensin, GLP-2 und Somatostatin. Wåhrend fçr Somatostatin antiproliferative Wirkungen an Neoplasien erhofft werden, die Somatostatinrezeptoren exprimieren (Reubi 2003), werden allen anderen Peptiden eher proliferative, tumorbegçnstigende Wirkungen zugeschrieben. Deshalb wird versucht, durch Entwicklung spezifischer, hochwirksamer Antagonisten neue therapeutische Werkzeuge zu entwickeln (Thomas et al. 2003). In letzter Zeit werden vor allem die BLP in Zusammenhang mit Zellwachstum und Tumorentstehung gebracht, da sie und ihre Rezeptoren verstårkt in maligne verånderten Geweben exprimiert werden. BLP-Rezeptoren lassen sich in klein- und groûzelligen Bronchialkarzinomen, Karzinoiden, Brust-, Darm- und Prostatatumoren nachweisen und kænnen in vitro die Aktivierung von Wachstumsfaktoren wie c-fos, c-jun, c-myc und CREB (¹cAMP response element binding proteinª) færdern (Qu et al. 2003). Momentan wird die Bedeutung von BLP-Rezeptor-Antagonisten und BLPspezifischen Antikærpern in der onkologischen Therapie geprçft.
2.3.5.6 Fazit zur Bedeutung des gastrointestinalen Hormonsystems Gastrointestinale Peptide dienen dem Organismus als echte, zirkulierende Hormone, aber auch als Neurotransmitter, lokale Wachstumsfaktoren und parakrin in die Umgebung einwirkende Mediatoren. Der Gastrointestinaltrakt mit dem Pankreas verfçgt çber ein åuûerst komplexes Arsenal von multifunktionalen Regulatoren, die seinem diffusen endokrinen System entstammen. Weit verteilte Expression der Signalpeptidgene, gewebsspezifische posttranslationale Prozessierung von Prohormonen, Peptidspaltprodukte mit unterschiedlicher Wirkung, in Form und Signaltransduktion hochdifferenzierte Peptidrezeptoren sind essentielle Bestandteile dieses Regulationssystems, das erst mit der Einfçhrung molekularer Techniken detaillierter verstanden werden kann.
2.3.6 Literatur Adrian TE, Mitchenere P, Sagor G, Bloom SR (1982) Effect of pancreatic polypeptide on gallbladder pressure and hepatic bile secretion. Am J Physiol 243: G204±G207 Ahlman H, Nilsson O (2001) The gut as the largest endocrine organ in the body. Ann Oncology 12: S63±S68 Amara SG, Jonas V, Rosenfeld MG, Ong ES, Evans RM (1982) Alternative RNA processing in calcitonin gene expression generates mRNAs encoding different polypeptide products. Nature 298: 240±244 Anastasi A, Erspamer V, Bucchi M (1971) Isolation and structure of bombesin and alytensin, two analogues active peptides from the skin of the European amphibians Bombina and Alytes. Experientia 27: 166±167 Aziz Q, Thompson DG (1998) Brain-gut axis in health and disease. Gastroenterology 114: 559±578 Barelli H, Vincent JP, Checler F (1988) Peripheral inactivation of neurotensin. Isolation and characterization of a metallopeptidase from rat ileum. Eur J Biochem 175: 481±489 Batterham RL, Bloom SR (2003) The gut hormone peptide YY regulates appetite. Ann NY Acad Sci 994: 162±168 Baum RP, Hofmann M (2004) Nuklearmedizinische Diagnostik neuroendokriner Tumoren. Onkologe 10: 598±610 Bayliss WM, Starling EH (1902) The mechanism of pancreatic secretion. J Physiol 28: 325±353 Bayliss WM, Starling EH (1904) Croonian lecture. The chemical regulation of the secretory process. Proc R Soc 73: 310±332 Bednarek M, Feighner SD, Pong SS et al. (2000) Structurefunction studies on the new growth-hormone-releasing peptide, ghrelin: Minimal sequence of ghrelin necessary for activation of growth-hormone secretagogue receptor 1a. J Med Chem 43: 4370±4376 Bell GI, Sanchez Pescador R, Laybourn PJ, Najarian RC (1983) Exon duplication and divergence in the human preproglucagon gene. Nature 304: 368±371 Benali N, Cordelier P, Calise D et al. (2000) Inhibition of growth and metastatic progression of pancreatic carcinoma in hamster after somatostatin receptor subtype 2 (sst2) gene expression and administration of cytotoxic somatostatin analog AN-238. Proc Natl Acad Sci USA 97: 9180±9185 Berson SA, Yalow RS (1972) Radioimmunoassays in gastroenterology. Gastroenterology 62: 1061±1069 Bowers CY, Momany FA, Reynolds GA, Hong A (1984) On the in vitro and in vivo activity of a new synthetic hexapeptide that acts on the pituitary to specifically release growth-hormone. Endocrinol 114: 1537±1545 Brand SJ, Babyatsky M, Bachwich D, Tillotson L, Wang T (1994) Molecular approaches to the study of gut peptides. In: Walsh JH, Dockray GJ (eds) Gut peptides: Biochemistry and physiology. Raven Press, New York, pp 11±32 Brazeau P, Vale W, Burgus R, Ling N, Butcher M, Rivier J, Guillemin R (1973) Hypothalamic polypeptide that inhibits the secretion of immunoreactive pituitary growth hormone. Science 179: 77±79 Bresnahan PA, Leduc R, Thomas L et al. (1990) Human fur gene encodes a yeast KEX2-like endoprotease that cleaves pro-beta-NGF in vivo. J Cell Biol 111: 2851±2859 Broglio F, Arvat E, Benso A et al. (2001) Ghrelin, a natural GH scretagogue produced by the stomach, induces hyperglycaemia and reduces insulin secretion in humans. J Clin Endocrinol Metab 86: 5083±5086
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes Patricia Grabowski, Andreas P. Sutter und Hans Scherçbl
Inhaltsverzeichnis 2.4.1 2.4.2
Ûbersicht und Klassifikation gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumore .
291
Molekulargenetische Verånderungen bei GEP-NET . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.4.3.1 Somatostatine und Somatostatinanaloga in der Diagnostik und Therapie von GEP-NET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
292
2.4.5
Serotoninrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . 301
2.4.6 2.4.6.1 2.4.6.2
Monoamintransporter . . . . . . . . . . . . . 301 MIBG in der Diagnostik und Therapie von GEP-NET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Dopamintransporter . . . . . . . . . . . . . . . 303
2.4.7 2.4.7.1 2.4.7.2
Interferone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Interferon-a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Interferon-c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
2.4.8
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
2.4.9
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.4.3.4
Wachstumsfaktoren und ihre Rezeptoren EGF-Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . IGF-1 und IGF-1-Rezeptor . . . . . . . . . TGF-b1 und TGF-b1-Rezeptor I und II . . Vascular Endothelial Growth Factor . . . .
. . . . .
293 294 297 297 297
2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.4.3
Peptidhormonrezeptoren . . Gastrin Releasing Peptide . . Vasoactive Intestinal Peptide Somatostatinrezeptoren . . .
. . . .
297 298 299 299
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
2.4.1 Ûbersicht und Klassifikation gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumore Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumore (GEP-NET) stellen eine relativ seltene und sehr heterogene Tumorentitåt dar. Entsprechend der neuen WHO-Klassifikation werden sie in gut differenzierte endokrine Tumore (frçher als ¹Karzinoideª bezeichnet), gut differenzierte endokrine Karzinome (¹maligne Karzinoideª) und schlecht differenzierte endokrine Karzinome (¹undifferenzierte, kleinzellige Karzinomeª) eingeteilt. Die zur Einordnung entscheidenden Kriterien sind neben der Tumorgræûe, Morphologie der Tumorzellen, Angioinvasion, Anzahl der Mitosen und Erfassung des Proliferationsindexes (Ki-67-Expression) auch die Lokalisation der Primårtumors, die bereits 1963 von Williams und Sandler (Williams u. Sandler 1963) vorgeschlagen wurde und bis heute Gçltigkeit besitzt: ¹Foregut-Tumoreª finden sich im Bereich der embryonalen Vorderdarmanlage (Lunge, Bronchien, Speiseræhre, Magen, Bauchspeicheldrçse, Zwælffingerdarm); ¹Midgut-Tumoreª (Mitteldarm) betreffen
den restlichen Dçnndarm und Dickdarm bis zum mittleren Kolon transversum und ¹Hindgut-Tumoreª (Hinterdarm) sind im restlichen Kolon und Rektum lokalisiert. Bis zu 50% der GEP-NET setzen græûere Mengen von Peptidhormonen und biogenen Aminen ins Blut frei (sie sind ¹funktionell wirksamª) und bewirken dadurch die fçr diese Tumoren charakteristischen Hypersekretionssyndrome (z. B. Zollinger-Ellison-Syndrom, Hypoglykåmiesyndrom oder Karzinoidsyndrom). Je nach Art des freigesetzten Botenstoffes lassen sich funktionelle GEP-NET einteilen in Insulinome, Gastrinome, VIPome, Glukagonome etc. Hier spielt auch wieder die Primårlokalisation eine Rolle: Wåhrend Hinter- und Vorderdarmtumore nur sehr selten ein Karzinoidsyndrom aufweisen, ist das Karzinoidsyndrom fçr Mitteldarmtumore pathognomonisch. Dieses ist praktisch immer mit dem Vorhandensein von Lebermetastasen vergesellschaftet (Umgehung der hepatischen Metabolisierung der Sekretionsprodukte). Hinterdarmtumore sind fast durchweg hormoninaktiv/ nichtfunktionell. GEP-NET treten in der Mehrzahl der Fålle (> 90%) sporadisch auf. Bei Vorderdarmtumoren, vor allem des Zwælffingerdarms und der BauchGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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P. Grabowski et al.
speicheldrçse, kommt allerdings in 4±25% der Fålle eine familiåre Håufung im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN1) vor. Neben den gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren treten bei der familiåren autosomal-dominanten MEN1 Tumore/Adenome der Adenohypophyse, der Nebenschilddrçsen und der Nebennierenrinde auf. Molekulargenetische Grundlage dieser autosomal-dominanten Erbkrankheit ist eine Keimbahnmutation des Menin-Gens auf dem Chromosom 11q13 (Scherçbl et al. 2004 a, b).
2.4.2 Molekulargenetische Verånderungen bei GEP-NET Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine Reihe von Genen an der Molekularpathogenese von GEP-NET beteiligt sind (Abb. 2.4.1). Die Deletion des Menin-Gens bei vererbbaren Formen der multiplen endokrinen Neoplasie ist schon erwåhnt worden, aber auch bei den viel håufigeren sporadischen neuroendokrinen Tumoren ist dieses Gen von Bedeutung, z. B. durch Verlust der Heterozygotie oder einer somatischen Deletion. Der Verlust des 11q-Allels ist z. T. auch bei Tumoren gefunden worden, die nicht dem Vorderdarm entstammen (D'Adda et al. 2002). Bei neuroendokrinen Tumoren der Lunge treten andere Allelverluste (insbesondere 3p, 5q, 9p, 10q und 13q [Onuki et al. 1999]) auf als bei den restlichen GEP-NET (Verlust insbesondere von 18q, 16q und 4p [Kytola et al. 2001]). Dieser Befund unterstreicht die vermutete unterschiedliche Molekularpathogenese dieser beiden Subgruppen von neuroendokrinen Tumoren. Welche Gene von den beobachteten Allelverlusten betroffen sind, ist bei Weitem nicht geklårt. In einer Studie von Lællgen (Lællgen et al. 2001) zeigte sich z. B., dass das Smad4/DPC4-Gen auf Chromosom 18q21, das eine Rolle bei anderen Tumorentitåten spielt, bei neuroendokrinen Tumoren des Midgut nicht mutiert war. Auch das p53-Gen, das in den meisten menschlichen Tumoren mutiert ist, spielt fçr die Karzinogenese von GEP-NET keine Rolle. Mæglicherweise ist die p53-Mutation ein Ereignis, das nur eine Untergruppe der neuroendokrinen Tumore betrifft: In einer Studie von Leotlela (Leotlela et al. 2003) war bei neuroendokrinen Tumoren der Lunge die p53-Mutation und der 5p21-Verlust mit aggressiverem Tumorwachstum und kçrzerem Ûberleben assoziiert; auch Dacic (Dacic et al. 2002) fand eine p53-Mutation in allen
untersuchten undifferenzierten neuroendokrinen Karzinomen der Lunge und des Magen-DarmTrakts. In eigenen Untersuchungen konnten wir eine p53-Mutation aber nur bei einem von neun undifferenzierten neuroendokrinen kolorektalen Karzinomen nachweisen (P. Grabowski, persænliche Mitteilung). Der k-ras-Signal-Weg spielt bei çber 90% der pankreatischen nichtendokrinen Karzinome eine Rolle. Bei GEP-NET wurden k-ras-Mutationen sporadisch gefunden (Ebert et al. 1998), scheinen aber fçr die Molekularpathogenese nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dies gilt auch fçr die undifferenzierten neuroendokrinen Karzinome (Dacic et al. 2002). Andere Onkogene, wie z. B. c-myc, n-myc, n-ras, fos, c- jun, src, c-erbB2 oder HER2/NEU sind, im Gegensatz zu ihrer Bedeutung bei der Karzinogenese nichtneuroendokriner Tumore, fçr die Molekularpathogenese von GEP-NET vermutlich von geringerer Bedeutung (Ûbersicht bei Calender 2000). Allerdings wurde in einer anderen Studie eine verånderte Expression von Onkogenen wie c-myc, c-erb-B2 und c-jun bei GEPNET gefunden (Wang et al. 1997). Derzeit ist aber unklar, welche Rolle diese Onkogene in der Karzinogenese bzw. Tumorprogression spielen. Der insbesondere bei kolorektalen Karzinomen gut untersuchte Wnt/b-Catenin-Signal-Weg ist mæglicherweise bei GEP-NET von Bedeutung. Fujimori (Fujimori et al. 2001) konnte an einem Kollektiv von 72 GEP-NET eine Akkumulation des b-CateninProteins in 79%, Mutationen im b-Catenin-Gen in 37,5% sowie eine Mutation im APC-Gen (1,4%) nachweisen. Weiterhin wird der Hochregulation von Apoptosegenen wie bcl-2 oder der Deregulation von Adhåsionsmolekçlen wie CD44 eine Bedeutung als prognostische Marker bei pankreatischen und bronchialen neuroendokrinen Tumoren zugeschrieben (Granberg et al. 2000). Mæglicherweise sind diese Adhåsionsmolekçle eher in einem spåteren Stadium der Metastasierung von Bedeutung. Fçr die initiale Transformation und Proliferation neuroendokriner Tumorzellen scheinen andere Faktoren eine Rolle zu spielen. In diesem Zusammenhang sind die Cycline und cyclinabhångigen Kinasen, die verschiedene Phasen des Zellzyklus regulieren, und die Rolle ihrer Inhibitoren, wie z. B. p15, p16, p27 und p21 als Tumorsuppressorgene kçrzlich auch in GEP-NET untersucht worden. So beobachtete Canavese (Canavese et al. 2001) eine hohe Expression von p27 und eine niedrige p21-Expression bei gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren. p27 ist mæglicherweise ein wichtiger Inhibitor der Zellproliferation von GEP-NET; dementsprechend fand sich bei undiffe-
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
renzierten neuroendokrinen Karzinomen nur eine sehr niedrige p27-Expression. Die Rolle des Tumorsuppressorgens p16 (auf Chromosom 9p21) ist unklar. In einer Studie von Muscarella (Muscarella et al. 1998) an Gastrinomen und nichtfunktionellen neuroendokrinen Tumoren des Pankreas war p16 in 90% der Fålle durch Methylierung oder Deletion inaktiviert. Allerdings zeigte schon die Folgestudie von Serrano (Serrano et al. 2000) eine Hypermethylierung der p16-Promoter-Region nur bei 52% der dort untersuchten Gastrinome. Lubomierski (Lubomierski et al. 2001) konnte in ihrer Studie die Inaktivierung und den Verlust der CDKN2 A/p16-Expression beståtigen, allerdings nur in kleinen intestinalen neuroendokrinen Tumoren und Pankreastumoren, nicht jedoch in Gastrinomen oder Insulinomen. In einer anderen Studie von Moore (Moore et al. 2001) war das p16-Gen çberhaupt nur bei einem Tumor (einem
Abb. 2.4.1. Ûbersicht çber die Ereignisse und Faktoren, die fçr die Initiation, Progression und Metastasierung von neuroendokrinen Tumoren eine Rolle spielen. Im Zuge der malignen Transformation neuroendokriner Zellen kommt es zur Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen und zur Aktivierung von Onkogenen. Ûber Wachstumsfaktorrezeptorsignalwege wird die Tumorzellproliferation induziert. Der Ver-
Insulinom) mutiert, wåhrend alle anderen, hauptsåchlich nichtfunktionellen Pankreastumore çberhaupt keine genetische Verånderung aufwiesen. Die Autoren schlossen aus diesen Ergebnissen, dass die beschriebenen p16-Verånderungen auf funktionelle neuroendokrine Tumore beschrånkt sind.
2.4.3 Wachstumsfaktoren und ihre Rezeptoren Wachstumsfaktoren und Zytokine spielen eine wichtige Rolle bei der Wachstumsregulation neuroendokriner Tumore. So konnte die Produktion und Freisetzung von Fibroblast growth factor (FGF) a und b, Transforming growth factor (TGF) a und b, Platelet derived growth factor (PDGF) und Insulinlike growth factor-1 (IGF-1) bei den meisten GEP-
lust der Zelladhåsion verleiht den Tumorzellen die Fåhigkeit der Metastasierung. EGF: epidermaler Wachstumsfaktor, IGF: Insulin-like growth factor, TGF: Transforming growth factor, bFGF: basischer Fibroblasten-Wachstumsfaktor, PDGF: Platelet-derived growth factor, VEGF: vaskulårer endothelialer Wachstumsfaktor. (Mod. nach Calender 2000)
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P. Grabowski et al.
NET nachgewiesen werden (Ûbersicht bei Úberg 1994). Im Falle von IGF-1- und EGF(Epidermal growth factor)-Rezeptoren (IGF- 1R, EGFR) konnte eine autokrine Wachstumsstimulation gezeigt werden (Shimizu et al. 2000). Interessanterweise wurde eine hohe Expression von TGF-a- sowie von EGFRezeptoren bei midgut-neuroendokrinen Tumoren nachgewiesen (Nilsson et al. 1995). Die Expression von Wachstumsfaktorrezeptoren in GEP-NET ist heterogen. Funktionelle GEP-NET exprimieren håufiger und mehr Wachstumsfaktorrezeptoren als nichtfunktionelle GEP-NET.
2.4.3.1 EGF-Rezeptoren Therapeutisch ist besonders der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) von Interesse. Der EGFR ist Teil einer Unterfamilie von vier eng verwandten Rezeptoren: EGFR (ErbB-1), HER-2/neu (ErbB-2), HER-3 (ErbB-3) und HER-4 (ErbB-4) (Abb. 2.4.2). Die Hauptwirkung des EGF-Rezeptors auf das Wachstum und die Proliferation von Tumorzellen wird çber die MAP-Kinase-Signal-Kaskade vermittelt (Mendelsohn 2002). Eine schematische Ûbersicht çber diesen Signalweg gibt Abb. 2.4.3.
Verschiedene Arbeiten belegen, dass EGFR in neuroendokrinen Tumoren exprimiert werden. Fçr GEP-NET konnte ebenfalls die Expression von EGFR belegt werden (Úberg 1994; Shimizu et al. 2000). EGFR tragen zu den Wachstumscharakteristika von neuroendokrinen Tumoren bei (Nilsson et al. 1995). Fçr die gesteigerte Aktivierung des EGFR im Tumor gibt es eine Reihe von Ursachen, die in Abb. 2.4.4 dargestellt sind. Diese sind neben der Ûberexpression des Rezeptors selbst auch ein erhæhtes Ligandenvorkommen (z. B. TGF-a oder EGF), eine Transaktivierung durch Heterodimerisierung, z. B. duch den IGF-R, oder eine Expression konstitutiv aktiver EGFR-Mutanten (z. B. Variante 3). In einer Vielzahl von Tumoren korreliert die EGFR-(Ûber-)Expression mit dem Erkrankungsstadium, verkçrztem Ûberleben, der Entwicklung von Metastasen und der Tumordifferenzierung (Baselga 2002). Ferner konnte eine antiapoptotische und zellzyklusmodulatorische Wirkung von EGFR in verschiedenen Tumoren gezeigt werden. EGFR werden auûerdem fçr ein vermindertes Therapieansprechen sowie die Ausbildung von Resistenzen gegençber zytotoxischen Therapeutika verantwortlich gemacht (Meyers et al. 1988). Daher sind EGFR attraktive Zielmolekçle fçr innovative Behandlungsstrategien bei gastroenteropankreati-
Abb. 2.4.2. Ûbersicht çber die EGF-Rezeptor-Familie und ihre Liganden. EGF: epidermaler Wachstumsfaktor, TGF: ¹transforming growth factorª, EGFR: epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor, NRG: ¹nerve-related growth factorª
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
Abb. 2.4.3. Schematische Ûbersicht çber die EGFR-vermittelte Signaltransduktion und Tumorprogression. Nach Ligandenbindung (EGF, TGF-a) bilden EGFR Homodimere und/ oder Heterodimere. Die Rezeptordimerisierung fçhrt zur
Aktivierung der EGFR-Tyrosinkinase, die eine zentrale Rolle in der rezeptorvermittelten Signaltransduktion, Zellteilung und Zelltransformation spielt. (Aus Baselga 2002)
Abb. 2.4.4. Ûbersicht çber die Ursachen der erhæhten EGFR-Aktivierung im Tumor
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P. Grabowski et al.
Abb. 2.4.5. Ûbersicht çber die Strategien zur Inhibition des EGFR-Signalweges
schen neuroendokrinen Tumorerkrankungen. Die Hemmung von EGFR und ihrer spezifischen Tyrosinkinase(TK)-Aktivitåt wird als sehr vielversprechender Ansatz fçr innovative Therapiestrategien in der Krebsbehandlung angesehen (Arteaga 2002). Hierzu werden Rezeptorantagonisten, Antikærper und vor allem spezifische Inhibitoren der EGFRTK eingesetzt (Abb. 2.4.5). Gegenwårtig sind verschiedene EGFR-TK-Inhibitoren in der spåten klinischen Testung. Gefitinib (ZD1839), ist ein spezifischer EGFR-TK-Inhibitor, der kçrzlich als erste Substanz aus der Gruppe der Rezeptortyrosinkinase-Inhibitoren als Therapeutikum zur Behandlung fortgeschrittener, nichtkleinzelliger Lungenkarzinome in Japan und USA zugelassen worden ist. Diese Substanz befindet sich gegenwårtig in der klinischen Erprobung fçr verschiedene weitere Tumorentitåten (Baselga et al. 2002; Herbst, 2002; Cohen et al. 2003). Der oral verfçgbare und reversibel inhibierende Arzneistoff ist hochspezifisch fçr die EGFR-TK und besitzt fast keine Aktivitåt gegen andere TK und verschiedene Serin/Threonin-Kinasen (Wakeling et al. 1996). Antineoplastische Eigenschaften von Gefitinib sind bereits bei einer Vielzahl humaner Krebserkrankungen gezeigt worden. Bei einzelnen Tumormodellen konnte eine apoptoseinduzierende Wirkung von Gefitinib beobachtet werden (Ciardiello et al. 2000; Huang et al. 2002; Campiglio et al. 2004). Hinsichtlich zellzyklusregulierender und antiproliferativer Funktionen von Gefitinib ist beschrieben, dass die Hauptwirkung auf der Inhibition der EGFR-TK-induzierten Aktivierung der MAP (¹mitogen-activated proteinª)-Kinase-Signal-Kaskade beruht (Mendelsohn 2002), die u. a. zu Zellzyklusarretierung am G1/S-Kontrollpunkt fçhrt
(Huang et al. 2002). Die bislang postulierte Ausschlieûlichkeit der MAPK-Inhibition fçr die antiproliferative Wirkung von Gefitinib wird allerdings durch neuere Studien relativiert (Campiglio et al. 2004). In vitro bewirkte die kontinuierliche Applikation von Gefitinib eine zeit- und dosisabhångige Wachstumshemmung bei GEP-NET. Sowohl die Induktion von Apoptose als auch die Arretierung des Zellzyklus in der G0/G1-Phase trug zu den antineoplastischen Effekten von Gefitinib bei neuroendokrinen Tumorzellen bei. Nach Inkubation mit Gefitinib, welches zur Induktion von Zellzyklusarrest und Apoptose fçhrte, wurde eine deutliche Ûberexpression von apoptosefærdernden Genen wie Caspase-4, ¹programmed cell death 2ª, Bad und Harakiri sowie eine Suppression zellzyklusstimulierender Cycline und Kinasen (Cyclin H, Cyclin E1, ERK1, ¹CDC-like kinase 3ª, ¹cyclin-dependent kinase 10ª) festgestellt. Gleichzeitig wurde PCNA (¹proliferating cell nuclear antigenª), das an DNAReplikation und -Reparatur beteiligt ist, supprimiert. Gadd153, das sowohl fçr Apoptoseinduktion als auch fçr Zellzyklusarretierung in der G0/G1Phase bedeutsam ist, wurde çberexprimiert. Diese Befunde korrelieren mit dem beschriebenen Zellzyklusarrest von neuroendokrinen Tumorzellen in der G0/G1-Phase des Zellzyklus. Die ¹extracellular signal-regulated kinaseª (ERK) und die p38MAPKinase vermitteln bekanntermaûen die Effekte von Wachstumsfaktoren. Bei GEP-NET fçhrte die EGFRTK-Inhibition mit Gefitinib zu einer dosis- und zeitabhångigen Dephosphorylierung der mitogen und antiapoptotisch wirksamen ERK-1/2-MAPK. Dagegen wurde die Phosphorylierung der stressaktivierten Kinase p38MAPK nicht durch EGFR-TK-Inhibition beeinflusst (Hæpfner et al. 2003).
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
2.4.3.2 IGF-1 und IGF-1-Rezeptor Weiterhin exprimieren GEP-NET IGF-1 und seinen Rezeptor, den IGF-1-Rezeptor (IGF-1R) (Nilsson et al. 1992). IGF-1 ist ein 70 Aminosåuren langes Peptid, das eng verwandt ist mit Insulin. Es bindet an IGF-Rezeptoren, die eine intrinsische Tyrosinkinaseaktivitåt besitzen. Nach Bindung an den IGF-1R stimuliert IGF-1 die Zellzyklusprogression und das Wachstum von Tumorzellen (Baserga 1995). Zusåtzlich werden IGF-1 und IGF-1R mit der mehrstufigen Karzinogenese in Verbindung gebracht: Die Ûberexpression des IGF-1R oder seines Liganden IGF-1 bewirkt abnormales Wachstum, Zelltransformation, Hemmung der Apoptose, und spontane Tumorbildung in transgenen Måusen (Bol et al. 1997). IGF-1 stimuliert sowohl das Wachstum als auch die Hormonsekretion inklusive der IGF-1-Freisetzung von GEP-NET. Diese Wirkung kommt çber eine Aktivierung der PI3-Kinase, ERK und p70s6k zustande sowie çber die Induktion der CyclinD1-Expression und die Suppression des Zellzyklusinhibitors p27kip1. IGF-1 besitzt also eine wichtige Bedeutung fçr die Regulation des autonomen Wachstums und des Sekretionsverhaltens von GEP-NET und stellt ein vielversprechendes neues Zielprotein fçr die Behandlung sowohl der Hypersekretionssyndrome als auch des Tumorwachstums dar. Interessanterweise konnte kçrzlich gezeigt werden, dass IGF-1R in der Lage ist, die EGFR-TK zu transaktivieren und somit IGF seine mitogene Wirkung zumindest teilweise çber den EGFR-Signal-Weg vermittelt (Ahmad et al. 2004). Durch die Konvergenz von EGFR- und IGFR-Signal-Wegen kænnte die Hemmung der EGFR-TK somit auch IGF-stimuliertes Tumorwachstum zumindest partiell hemmen. Dadurch erweitert sich der mægliche Einsatz von EGFR-TKInhibitoren (EGFR-TKI) auf jene Tumoren, bei denen das IGF/IGFR-System eine Rolle bei Tumorwachstum und -metastasierung spielt.
2.4.3.3 TGF-b1 und TGF-b1-Rezeptor I und II Auch Transforming growth factor (TGF) b1 und seine Rezeptoren TGF-b1-RI und II sind fçr die Wachstumskontrolle von GEP-NET von Bedeutung. TGF-b1 entfaltet seine Wirkung nach der Bindung an TGFb-RI und II mit nachfolgender Phosphorylierung der Rezeptoren; daraufhin erfolgt eine Komplexbildung der rezeptorassoziierten Proteine Smad-2, -3 und -4. Diese translozieren in den Zellkern, wo sie als Transkriptionsfaktoren mit TGF-
b-responsiven Promotoren interagieren. Eine zentrale biologische Antwort auf die TGF-b1-Stimulation ist eine Wachstumsinhibition durch einen Zellzyklusarrest in der G0/G1-Phase. TGF-b1 sowie auch seine Rezeptoren werden in zwei Dritteln der GEP-NET exprimiert (Wimmel et al. 2003). Die Behandlung mit TGF-b1 fçhrte bei neuroendokrinen Tumorzelllinien zu einer deutlichen Wachstumsinhibition. Zudem wurde eine Erniedrigung der c-myc-Expression und eine Induktion der p21WAFExpression beobachtet. Weiterhin konnten die Autoren zeigen, dass der wachstumsregulierende Effekt von TGF-b1, der beispielsweise bei kolorektalen Karzinomen verloren gegangen ist, bei GEPNET-Zell-Linien erhalten geblieben ist. Mæglicherweise trågt die intakte para- und autokrine Wachstumsinhibition durch TGF-b1 zu dem in der Regel langsameren Wachstum von GEP-NET bei.
2.4.3.4 Vascular Endothelial Growth Factor Ein anderer vielversprechender Wachstumsfaktor ist der ¹vascular endothelial growth factorª (VEGF), der mit der Tumorprogression in Verbindung gebracht wird. Bei kolorektalen Karzinomen hat die spezifische Blockade von VEGF kçrzlich Beachtung gefunden, weil dieses neue Therapieprinzip selbst bei weit fortgeschrittenen metastasierten Tumoren noch eine Tumorkontrolle ermæglicht hat (Fernando u. Hurwitz 2003). VEGF wurde auch bei 48 neuroendokrinen (davon 28 Midgut) Tumoren nachgewiesen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaû: Wåhrend knapp 80% der MidgutNET VEGF exprimierten, galt dies nur fçr 25% der pankreatischen NET (Terris et al. 1998). In Mausmodellen konnte ein inhibierender Effekt eines VEGF-Antikærpers auf die Tumorprogression gezeigt werden: Nur 2 von 19 mit dem Antikærper behandelten Måuse entwickelten Lebermetastasen, dagegen nahezu alle unbehandelten Måuse (Konno et al. 1998). Die Bedeutung von VEGF und seinen Rezeptoren fçr die autokrine und parakrine Wachstumsregulation ist Gegenstand der derzeitigen Forschung bei GEP-NET.
2.4.4 Peptidhormonrezeptoren Zusåtzlich zu den Wachstumsfaktoren exprimieren neuroendokrine Tumore eine Vielzahl von Peptidhormonen. Zu den ca. 30 verschiedenen Peptiden
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P. Grabowski et al.
und Aminen, die von neuroendokrinen Tumorzellen sezerniert werden, gehæren Kinine, Substanz P, Somatostatin, Glukagon, Sekretin, Gastrin, Bombesin, Cholezystokinin (CCK) und ¹vasoactive intestinal peptideª (VIP) (Reubi 2003). Man nimmt an, dass sie autokrin und parakrin das Sekretionsund Wachstumsverhalten von GEP-NET modulieren. Sie sind deshalb Gegenstand intensiver Forschung. Regulatorische Peptide entfalten ihre Wirkung çber spezifische membrangebundene Rezeptoren, die fast ausnahmslos zur Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gehæren. Diese kænnen, zumeist nach Aktivierung durch Heterodimerisierung, intrazellulåre Effektorsysteme beeinflussen. In diesem Zusammenhang scheint der MAPKinase-Pathway, der bei der Zellproliferation und Apoptose eine Rolle spielt, wichtig zu sein. Die Tatsache, dass viele Tumoren sowohl das jeweilige regulatorische Peptid als auch dessen Rezeptor in groûen Mengen exprimieren, eræffnet neue Ansåtze sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie. Es wird angenommen, dass Neuropeptide das GEP-NET-Tumorwachstum çber einen autokrinen Feedbackmechanismus steuern (Moody et al. 2003). Eingehend beschrieben wurden derartige Regulationsschleifen bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen (GRP/GRP-Rezeptor; Cuttitta et al. 1985), Phåochromozytomen (Somatostatin/Somatostatin-Rezeptor; Reubi et al. 2000), Ewing-Sarkomen (Neurotensin/Neurotensin-Rezeptor; Reubi et al. 1999) und Neuroblastomen (VIP/VIP-Rezeptor; O'Dorisio et al. 1992). Die mangelnde Verfçgbarkeit von stabil kultivierbaren Tumorzelllinien war allerdings lange Zeit der limitierende Faktor fçr Studien çber die spezifische Funktion der bei GEP-NET exprimierten Rezeptoren. Einige Peptide,
die relevant fçr Diagnostik und Therapie von GEPNET erscheinen, werden im Folgenden beschrieben (Tabelle 2.4.1).
2.4.4.1 Gastrin Releasing Peptide Bereits 1984 konnte die Produktion von ¹gastrin releasing peptideª (GRP), einem Såugetierhomolog von Bombesin, immunhistochemisch an sieben von zehn intestinalen neuroendokrinen Tumoren und vier von fçnf Appendix-NET nachgewiesen werden (Bostwick et al. 1984). GRP besteht aus 27 Aminosåuren und hat eine Reihe von Funktionen, u. a. die Stimulation der Gastrinausschçttung aus den antralen G-Zellen, Modulation der gastroenteropankreatischen Motilitåt und Stimulation der pankreatischen exokrinen Sekretion. Fçr die onkologische Forschung interessant wird es durch seine mitogenen, wachstumsfærdernden Effekte sowohl auf gesundes Gewebe als auch auf Tumorzellen. So scheint es ein wichtiger auto- und parakriner Wachstumsfaktor fçr undifferenzierte Karzinome der Lunge zu sein (Cuttitta et al. 1985). In einer Studie von Scott (Scott et al. 2004) an 26 GEP-NET konnte die GRP-Expression in 9 von 19 Tumoren, die Expression des GRP-Rezeptors in 22 von 26 Tumoren nachgewiesen werden. Allerdings exprimierte nur ein Drittel der Tumore sowohl den Rezeptor als auch den Liganden. Welche klinische Bedeutung die Koexpression von GRP und seines Rezeptors bei GEP-NET haben kann, ist nicht geklårt. In einer Studie mit Patienten mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen lebten interessanterweise die Patienten, deren Tumore GRP/GRP-Rezeptorpositiv waren, långer als Patienten mit GRP/GRP-
Tabelle 2.4.1. Ûbersicht çber Charakteristika ausgewåhlter Peptide. (Mod. nach Reubi 2003) Peptid
Anzahl der AS
Rezeptoren (inkl. Subtypen)
Effekte auf Tumorwachstum
Somatostatin
14 oder 28
;
VIP PACAP CCK Gastrin GRP Neurotensin Substanz P GLP-1
28 27 oder 38 8, 33, 39, oder 58 19 oder 34 27 13 11 36
SSTR1, SSTR2A, SSTR2b; SSTR3, SSTR4, SSTR5 VPAC1, VPAC2 PAC1 CCK1, CCK2 CCK2 BB2 (GPR-R) NTR1, NTR2, NTR3 NK1, NK2, NK3 GLP-1R
: : : : : : : ?
VIP: vasoaktives intestinales Peptid, PACAP: ¹pituitary adenylate cyclase activating peptideª, CCK: Cholezystokinin, GRP: ¹gastrin-releasing peptideª, GLP: ¹glucagon-like peptideª, VPAC: ¹vasoactive intestinal peptide/pituitary adenylate cyclaseactivating polypeptide receptorsª, BB: Bombesin, NTR: Neurotensinrezeptor, NK: Neurokinin.
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
negativen Tumoren (Toi-Scott et al. 1996). GRP wird in ersten klinischen Studien als Radioligand in der Diagnostik und Radiotherapie von Mammaund Prostatakarzinomen eingesetzt (Van de et al. 2000). Auch gibt es erste Ûberlegungen, GRP-Rezeptor-Antagonisten fçr die Langzeittherapie bei Krebspatienten einzusetzen (Schally et al. 2001).
2.4.4.2 Vasoactive Intestinal Peptide Vasoactive intestinal peptide (VIP) ist ein 28 Aminosåuren groûes Neuropeptid, das im Dçnndarm vorkommt. Es ist ein Mitglied der sekretinåhnlichen Peptide (Ulrich et al. 1998). Zusammen mit dem ¹pituitary adenylate cyclase activating peptideª (PACAP), einem strukturåhnlichen Peptid, ist es einer der wichtigsten Neurotransmitter des Gastrointestinaltraktes. VIP/PACAP stimuliert vorwiegend die Adenylatcyclasektivitåt (Harmar et al. 1998). VIP/PACAP-Rezeptoren finden sich nicht nur im Gehirn, sondern auch in vielen epithelialen Geweben (Reubi 2000). Die Ûberexpression von VIP-Rezeptoren wurde sowohl bei verschiedenen gastroenteropankreatischen Adenokarzinomen wie kolorektalen, Magen- und Pankreaskarzinomen als auch in vielen differenzierten neuroendokrinen Tumoren mittels [123I]-VIP-Rezeptor-Szintigraphie nachgewiesen (Virgolini et al. 2000). Mæglicherweise gibt es sogar eine ¹cross-competitionª zwischen Somatostatin und VIP auf Rezeptorebene, so dass VIP-Liganden Somatostatinrezeptor exprimierende Tumore erkennen und umgekehrt (Virgolini et al. 1994). Diese Ergebnisse konnten allerdings in einer kçrzlich publizierten Multicenterstudie weder in vitro noch in vivo beståtigt werden (Hannon et al. 2001). In der Tat weist die kleine Zahl publizierter Studien auf die Schwierigkeiten hin, die mit der VIP-Rezeptor-Szintigraphie bestehen. So wurde die Sensitivitåt und Spezifitåt der VIPRezeptor-Szintigraphie bei soliden gastroenteropankreatischen Tumoren und undiffererenzierten neuroendokrinen Tumoren in einer Studie von Hessenius (Hessenius et al. 2000) als gering eingeschåtzt; offensichtlich war die VIP-Rezeptor-Expression in gesundem Gewebe hæher als im Tumorgewebe. Fçr die Routinediagnostik wird dieses Verfahren daher nicht verwendet. Auch fçr die Therapie neuroendokriner Tumorerkrankungen ist die Bedeutung von VIP-Rezeptoren umstritten: Obwohl frçhere Studien darauf hindeuteten, dass VIP das Wachstum und die Differenzierung von Tumorzellen regulieren kann (Pincus et al. 1990), stehen bisher fçr die klinische Anwendung keine
spezifischen synthetischen Agonisten fçr VIP-1und/oder VIP-2-Rezeptor-Subtypen zur Verfçgung. Allerdings weist eine kçrzlich erschienene Arbeit darauf hin, dass VIP-Rezeptor-Antagonisten, wie z. B. VIPhydrid, nicht nur das Zellwachstum in vitro und in vivo hemmen kænnen, sondern mæglicherweise auch die Zytotoxizitåt von Chemotherapeutika potenzieren. Dieser Ansatz erscheint vielversprechend, da VIP-Rezeptor-Antagonisten weniger Effekte auf normales Gewebe haben, wo VIP parakrin wirkt, als auf Tumorgewebe, wo VIP ein autokriner Wachstumsfaktor ist (Moody et al. 2003). Zusåtzlich zu den oben genannten Peptiden gibt es eine Vielzahl von Peptiden und Rezeptoren, die ebenfalls fçr die Diagnostik und Therapie von GEP-NET interessant sein kænnten, da sie von diesen exprimiert werden. Teilweise haben diese Peptide als Radioliganden ihrer Rezeptoren bereits in der Diagnostik anderer Tumorentitåten Bedeutung erlangt, wie z. B. die Systeme Cholezystokinin/Cholezystokininrezeptoren in medullåren Schilddrçsenkarzinomen (Blaker et al. 2002), Neurotensin/ Neurotensinrezeptoren in duktalen Pankreaskarzinomen (Buchegger et al. 2003) oder SubstanzP/Neurokinin-1-Rezeptor in Glioblastomen (Hennig et al., 1995). Fçr andere Peptide wie Neuropeptid Y, Calcitonin, ¹glucagon-like-peptide-1ª (GLP-1) oder Endothelin liegen ausschlieûlich tierexperimentelle Daten vor.
2.4.4.3 Somatostatinrezeptoren Im Gegensatz hierzu gibt es eine Vielzahl von Studien zu Somatostatin und seinen Rezeptoren bei GEP-NET. Somatostatin wurde im Jahre 1973 erstmals beschrieben (Brazeau et al. 1973). Seitdem hat das Wissen um seine Bedeutung fçr die Neurotransmission, als ein Inhibitor von endo- und exokrinen Sekretionsprozessen, und seine vasokonstriktorischen und immunmodulatorischen Eigenschaften deutlich zugenommen. Die verschiedenen biologischen Effekte von Somatostatin werden durch eine Familie von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, die Somatostatinrezeptoren (SSTR), vermittelt. Gegenwårtig sind fçnf verschiedene SST-Subtypen des Menschen kloniert und charakterisiert (SSTR1±SSTR5). Obwohl die verschiedenen SSTRSubtypen zu 40±60% strukturell homolog sind, vermittelt jeder von ihnen verschiedene biologische Effekte von Somatostatin. Beispielsweise regulieren SSTR2 und SSTR5 die Freisetzung von
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P. Grabowski et al.
Abb. 2.4.6. Schematische Ûbersicht çber die Wirkungsweise von Somatostatin. Je nach Zelltyp sind die fçnf Somatostatinrezeptoren (SSTR) an eine Vielzahl von Signaltransduktionswegen gekoppelt, wie z. B. Adenylat- und Guanylatcyc-
lase, Phospholipase A2 und C, K+- und Ca2+-Kanåle, Na+-H+-Austauscher, Src, ERK1/2, p38-MAPKinase, und Tyrosinphosphatasen. (Aus Patel 1999)
Wachstumsfaktoren, und SSTR5 scheint wichtig zu sein fçr die Steuerung der Insulin- und mæglicherweise auch der Glukagonfreisetzung. Weiterhin sind SSTR-aktivierte Signalwege auch an der Hemmung von Proliferation und der Induktion von Apoptose beteiligt: SSTR3 und auch SSTR2 kænnen Apoptose induzieren, und SSTR1, SSTR4 und SSTR5 inhibieren den Zellzyklus (Abb. 2.4.6).
eine dramatische Erhæhung der Eliminationshalbwertszeit. Das hauptsåchlich SSTR2-spezifische, langwirksame Somatostatinanalogon Octreotid verbessert bei den meisten (70±90%) Patienten mit metastasierten GEP-NET die klinischen Hypersekretionssyndrome. Die kalziumvermittelte Hormonfreisetzung hångt vom Kalziumeinstrom durch spannungsabhångige Kalziumkanåle ab. Somatostatine hemmen sowohl die cAMP-abhångige als auch die kalziumabhångige Hormonfreisetzung (Scherçbl et al. 1993). Neben der Kontrolle der Hypersekretionssyndrome wird bei einem bis zwei Drittel der GEPNET-Patienten eine Stabilisierung des Tumorwachstums wåhrend der Therapie mit Somatostatinanaloga beobachtet (Arnold et al. 2000). Die Akzeptanz der Somatostatinanaloga durch die Patienten nahm weiter zu durch die Entwicklung von Depotformulierungen. Radioaktiv markiertes Octreotid wird erfolgreich bei der SSTR-Radiotherapie eingesetzt. Ein weiterer tumorzellspezifischer Ansatz zur Therapie von GEP-NET besteht in der Applikation eines mit einem Anthracyclin gekoppelten Somatostatinderivats (Szepeshazi et al. 2001). Allerdings ist, im Gegensatz zu ihrer Verwendung bei der symptomatischen Behandlung, die Bedeutung der Somatostatinanaloga fçr die antineoplastische Therapie von GEP-NET noch nicht endgçltig geklårt. In vitro wurde beobachtet, dass Somatostatinanaloga einen G0/G1-Zellzyklus-Arrest in Hypo-
2.4.4.3.1 Somatostatine und Somatostatinanaloga in der Diagnostik und Therapie von GEP-NET Die molekulare Grundlage fçr die Applikation von SSTR-Liganden bei Patienten mit (funktionellen) gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren beruht auf der Expression von Somatostatinrezeptoren, die mit Hilfe von radioaktiv markierten Somatostatinanaloga szintigraphisch nachgewiesen werden kænnen. Die meisten GEP-NET zeigen eine starke Expression von SSTR1, -2, -3 und -5, die homogen und dicht çber das Tumorgewebe verteilt sind (Kulaksiz et al. 2002). Somatostatin selbst kann aufgrund seiner kurzen Plasmahalbwertszeit nicht therapeutisch eingesetzt werden. Daher wurden langwirksame Somatostatinanaloga wie Octreotid oder Lanreotid entwickelt. Die verbesserte Stabilitåt gegen proteolytische Degradation, zusammen mit einer verringerten hepatischen Clearance, bewirkte
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
physentumorzellen (Cheung u. Boyages 1995) und einen G2/M-Arrest und Apoptose in Mammakarzinomzellen induzieren (Pagliacci et al. 1991). Weiterhin wurde eine Hemmung der MAPK-Aktivierung und der Zellproliferation in Neuroblastomund Small-cell-lung-carcinoma(SCLC)-Zell-Linien beschrieben (Cattaneo et al. 1996). Die molekularen Mechanismen, die zur Wachstumsinhibition fçhren, umfassen eine Stimulation der Tyrosinphosphataseaktivitåt, die zu einer Hemmung Tyrosinkinase-Rezeptor-vermittelter Wachstumssignale fçhrt (Lopez et al. 1997). In Ûbereinstimmung damit berichteten Lahlou et al. von einer Hemmung der wachstumsfaktorinduzierten Zellproliferation. Die Aktivierung der ERK2 und eine p27-Ûberexpression fçhren zu Zellzyklusarrest von SSTR2 exprimierenden CHO-Zellen (Lahlou et al. 2003). Somatostatin hemmt den PI3K-Signal-Weg und fçhrt zur verstårkten Expression von p21 und p27, welches wiederum zur Hemmung der pRbPhosphorylierung und der Cyclin-E-cdk2-Komplex-Aktivitåt fçhrt (Charland et al. 2001). Die Hemmung der auto- und parakrinen Sekretion von Wachstumsfaktoren durch Somatostatin stellt einen weiteren, indirekten Mechanismus dar. Da nur ein Teil der Patienten auf eine Therapie mit langwirksamen Somatostatinanaloga wie Octreotid ansprechen, kænnte die Entwicklung und Anwendung neuer, subtypspezifischer Analoga mit hoher Affinitåt und Spezifitåt wichtig sein fçr die zukçnftige Behandlung somatostatinrezeptorpositiver neuroendokriner Tumore. Wåhrend die bekannten Somatostatinanaloga Octreotid und Lanreotid mit hoher Affinitåt an SSTR2 und -5 binden und dadurch die sekretorische und proliferative Aktivitåt des neuroendokrinen Tumors hemmen, ist SOM-230 ein neuartiges Somatostatinanalogon mit einer erhæhten Bindungsfåhigkeit an vier der fçnf bekannten SSTR. Fçr SSTR1 und -5 beispielsweise liegt eine 30±40fach hæhere Bindungsaffinitåt, verglichen mit Octreotid, vor. Ob SOM-320 die Hypersekretionssyndrome bei Patienten, die auf Octreotid oder Lanreotid nicht ansprechen, effektiver kontrollieren kann, ist Gegenstand einer laufenden klinischen Studie.
2.4.5 Serotoninrezeptoren 95% des kærpereigenen Serotonins befindet sich im Gastrointestinaltrakt, wobei die enterochromaffinen (EC-)Zellen die Hauptmenge des Serotonins
enthalten. Diese Zellen kænnen Serotonin synthetisieren, in sekretorischen Vesikeln speichern und kalziumabhångig sezernieren. An der Sekretion sind eine Reihe stimulatorischer Rezeptoren (muscarinerge und nikotinerge Rezeptoren sowie der 5-Hydroxytryptamin[5-HT3]-Rezeptor) und inhibitorischer Rezeptoren (c-Aminobuttersåure[GABA]A- und -B-Rezeptor; 5-Hydroxytryptamin-4-[5HT4]-Rezeptor) beteiligt (Racke et al. 1996). Serotonin ist als Neurotransmitter nicht nur im ZNS, sondern auch im enteralen Nervensystem (ENS) von Bedeutung und wirkt als parakrines Signalmolekçl zentral an der Modulation gastrointestinaler Motilitåt, Sekretion und Sensibilitåt mit. Aus diesem Grund werden Serotoninantagonisten bei funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen eingesetzt. Fçr die onkologische Forschung sind Serotonin und seine Rezeptoren ebenfalls von Interesse. Ishizuka (Ishizuka et al. 1992) konnte an BON-Zellen, einer pankreatischen neuroendokrinen Tumorzelllinie, nachweisen, dass Serotonin durch rezeptorvermittelte Inhibition der Produktion von zyklischem AMP als autokriner Wachstumsfaktor wirkt. Vice versa verhinderte der experimentelle Serotoninantagonist SDZ 21±009 den mitogenen Effekt von Serotonin. Dieselbe Arbeitsgruppe fand, dass das Wachstum von BON-Zellen zumindest teilweise auch durch die gegensåtzlichen rezeptorvermittelten autokrinen Aktionen von Serotonin und TGF-b1 vermittelt werden (Ishizuka et al. 1993).
2.4.6 Monoamintransporter Neuroendokrine gastroenteropankreatische Tumoren gehæren zur Familie der APUD(¹amine precursor uptake and decarboxylationª)-Tumore, d. h. sie haben die Fåhigkeit, Monoamine wie 5-Hydroxytryptophan (5-HTP), Noradrenalin und 3,4-Dihydroxyphenylalanin (DOPA) aufzunehmen und zu decarboxylieren. Die aromatische L-AminosåureDecarboxylase decarboxyliert dabei 5-HTP zu Serotonin und DOPA zu Dopamin. In einem Teil der Tumore wird Dopamin zu Noradrenalin hydroxyliert und Noradrenalin zu Adrenalin methyliert. Die Monoamine (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin) werden çber zwei Transportersysteme aufgenommen und konzentriert. Transporter der Plasmamembran sind hierbei spezifisch fçr die verschiedenen Transmitter; es gibt also einen Dopamintransporter (DOT), einen Noradrenalintrans-
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P. Grabowski et al.
porter (NET) und einen Serotonintransporter (SERT). Diese Monoaminplasmamembrantransporter gehæren zusammen mit den Plasmamembrantransportern fçr GABA, Glycin und Cholin zu einer Familie von zwælfmal die Plasmamembran durchziehenden Proteinen, deren Aktivitåt vom Natriumgradienten und damit indirekt von der Na+/K+-ATPase abhångt (Olivier et al. 2000). Nach der Aufnahme ins Zytosol werden die Monoamine çber eine zweite Transportergruppe in sekretorischen Vesikeln gespeichert. Bei diesen sekretorischen Vesikeln handelt es sich çberwiegend um elektronendichte groûe Vesikel (¹large dense core vesiclesª; LDCV). Die Aktivitåt der vesikulåren Transporter hångt von einem aus dem Vesikellumen ins Zytosol gerichteten Protonengradienten ab, der von einer vakuolåren ATPase aufgebaut wird (Johnson 1988). Aus dem Zytoplasma der neuroendokrinen Tumorzelle werden Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin çber vesikelmembranståndige Transporter (vesikulåre Monoamintransporter: VMAT1 und -2) in das Lumen der sekretorischen Vesikel aufgenommen (Abb. 2.4.7). Wåhrend die VMAT fçr die vesikulåre Anreicherung und die Speicherung der ins Zytosol gelangten Monoamine entscheidend sind, kænnte die unterschiedliche Ausstattung der Plasmamembran mit spezifischen Monoamintransportern die Basis fçr eine diagnostische und therapeutische Spezifitåt bei neuroendokrinen Tumoren darstellen.
Abb. 2.4.7. Schematische Darstellung der Monoaminaufnahme in neuroendokrine Tumorzellen. Monoamine werden çber plasmamembranåre Monoamintransporter ins Zytosol aufgenommen. Anschlieûend werden sie mittels vesikulårer Monoamintransporter (VMAT) in ¹large dense core vesiclesª (LDCV) oder ¹small synaptic vesiclesª (SSV) angereichert
2.4.6.1 MIBG in der Diagnostik und Therapie von GEP-NET Die Spezifitåt und Exklusivitåt der Monoaminaufnahme bietet den faszinierenden Ansatz einer tumorzellspezifischen Therapie von noradrenalintransporterpositiven GEP-NET. 131I-Metaiodobenzylguanidin (131I-MIBG), ein Strukturanalogon von Noradrenalin, wird selektiv von neuroendokrinen Tumoren, die den Noradrenalintransporter exprimieren, aufgenommen und ermæglicht dadurch eine szintigraphische Lokalisationsdiagnostik der Tumoren. Die 131I-MIBG-Szintigraphie ist ein seit langem etabliertes nuklearmedizinisches Verfahren, das eine spezifische Darstellung von 60±85% der Karzinoidtumoren ermæglicht. Die hochdosierte Applikation von 131I-MIBG wurde fçr eine tumorzellspezifische Radiotherapie vorgeschlagen (Zuetenhorst et al. 1999). Monoamine wirken bei nicht ausreichender vesikulårer Speicherung zytotoxisch. So induzierte auch nichtradioaktiv markiertes MIBG in klinischen Studien eine Tumorzellnekrose (Smets et al. 1988) und wurde erfolgreich in der palliativen Therapie von GEP-NET eingesetzt. Bei rund 60% der Patienten, die zuvor auf eine Somatostatin- bzw. Interferon-a-Therapie nicht angesprochen hatten (Therapieversager), konnte mit MIBG eine Palliation des Tumorleidens erreicht werden (Taal et al. 1996). In vitro hemmte MIBG dosisabhångig das Wachstum NET-exprimierender GEP-NET und induzierte eine mitochondrienabhångige Apoptose. Auch zytotoxische Effekte wurden beobachtet. Diese phånotypischen Verånderungen wurden von transkriptionellen Effekten begleitet; so kam es zur Induktion von Stressantwort- und Apoptosegenen. In NET-negativen Zellen dagegen zeigte MIBG keine Wirkung, welches die NET-Spezifitåt seiner Wirkung belegt (Hæpfner et al. 2002). Es wird vermutet, dass dieser Therapieansatz vorwiegend fçr funktionelle neuroendokrine Tumoren mit intaktem Sekretionsund Speicherapparat geeignet ist. Allgemein kænnte eine vergleichende Untersuchung der funktionellen Expression der einzelnen Monoamintransporter mit Hilfe der bereits heute verfçgbaren bildgebenden Verfahren die zellbiologische Basis fçr eine individualisierte, tumorzellspezifische Therapiestrategie bilden.
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
2.4.6.2 Dopamintransporter Die 18F-DOPA-Positronen-Emissionstomographie (DOPA-PET) ist ein neuartiges diagnostisches Verfahren zur Detektion von GEP-NET mit beeindruckender Sensitivitåt (Hoegerle et al. 2001). Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass eine Aufnahme von 18 F-DOPA çber den plasmamembranståndigen Dopamintransporter die Basis fçr die Visualisierung der neuroendokrinen Tumorzellen darstellt, wie Untersuchungen an Zelllinien mit nichtfunktionellem Dopamintransporter gezeigt haben (Lemmer et al. 2002).
2.4.7 Interferone 2.4.7.1 Interferon-a Neben Somatostatinanaloga wird Interferon(IFN)-a zur Kontrolle der Hypersekretionssyndrome funktioneller GEP-NET eingesetzt. Seine Wirkung beruht auf der Unterdrçckung der Hormonsynthese durch transkriptionelle Hemmung. Manche Studien berichten zusåtzlich von einer Hemmung der Tumorprogression, die entweder zu einer Stabilisierung des Tumorwachstums (¹stable diseaseª) oder in manchen Fållen zu einer partiellen Tumorremission fçhrt (Úberg 1992). Leider zeigt eine signifikante Fraktion von GEP-NET unter IFNa-Therapie aber keine Wachstumsinhibition. Daher bleibt die klinische Relevanz der antiproliferativen Effekte von IFN-a umstritten. Die antineoplastische Wirkung von IFN-a wird nicht nur durch eine direkte antiproliferative Wir-
Abb. 2.4.8. Schematische Ûbersicht çber die Interferon-a/b/c-Signal-Transduktion. Die Bindung von Interferonen an ihre Rezeptoren fçhrt zur Dimerisierung der Rezeptoruntereinheiten und initiiert dadurch die schnelle Autophosphorylierung rezeptorassoziierter Tyrosinkinasen. Diese aktivieren wiederum Stat-Transkriptionsfaktoren, die Verånderungen der Genexpression induzieren, die letztendlich zu den biologischen Effekten von IFN-a fçhren. JAK: Janus-Tyrosinkinase, STAT: ¹signal transducer and activator of transcriptionª, IRF: ¹interferon-regulatory factorª. (Mod. nach Kalvakolanu 2003)
kung erklårt, sondern es werden auch indirekte Mechanismen verantwortlich gemacht, u. a. eine Hemmung der Tumorangiogenese und eine immunmodulierende Wirkung çber die Hochregulation von MHC-I-Antigenen (Grander et al. 1997). Auûerdem hemmt IFN-a die Bildung von Wachstumsfaktoren und -rezeptoren. Die molekularen Mechanismen, die die antiproliferativen Effekte von IFN-a bei GEP-NET vermitteln, sind in Arbeiten von Zhou (Zhou et al. 1998) und Detjen (Detjen et al. 2000) beschrieben. Die Bindung von IFN-a an seinen Rezeptor auf der Plasmamembran fçhrt zur Dimerisierung der Rezeptoruntereinheiten und initiiert dadurch die schnelle Autophosphorylierung der rezeptorassoziierten Janus-Tyrosinkinasen JAK1 und -2. Die aktivierten JAK phosphorylieren und aktivieren wiederum latent zytosolische Mitglieder der StatTranskriptionsfaktor-Familie, die nach ihrer dualen Funktion als ¹signal transducers and activators of transcriptionª benannt sind. Die aktivierten Stat-1 und -2 assoziieren dann mit einem 48 kD groûen Protein zu multimeren Komplexen, die ¹IFN-stimulated gene factor 3ª (ISGF3) genannt werden. Diese translozieren in den Kern, wo sie Verånderungen der Genexpression induzieren, die letztendlich zu den biologischen Effekten von IFN-a fçhren (Abb. 2.4.8). Eine Behandlung mit IFN-a verlångert die Zellverdopplungszeiten, aber selbst bei hohen (1000 IU/ml) Konzentrationen bewirkt es keinen Zellzyklusarrest und keine Apoptoseinduktion in neuroendokrinen Tumorzellen. IFN-a verlangsamt den Zellzyklus, indem es die Progression durch die S-Phase und in die G2/M-Phase verzægert. Dies ist darauf zurçckzufçhren, dass die Tumorzellen ent-
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weder die DNA-Replikation nicht abschlieûen oder nicht in die G2/M-Phase çbergehen kænnen. Diese Effekte werden mæglicherweise durch eine Inhibition der Cyclin-B-Expression verursacht, die in einer reduzierten Aktivitåt der Cell-division-cycle2(CDC2)-Kinase, die die Mitose induziert, resultiert (Detjen et al. 2000). Weiterhin fçhrt eine IFNa-Behandlung zur Induktion der ¹double-stranded RNA-dependent protein kinaseª (PKR, p68), die mit der antiproliferativen Wirkung von IFN-a in Verbindung gebracht wird. Die PKR-Induktion korreliert mit dem Ansprechen auf eine IFNa-Therapie und mit dem 5-Jahres-Ûberleben und ist daher als Marker zur Vorhersage eines Therapieerfolgs geeignet. Von klinischem Nutzen ist die Akkumulation der Zellen in der S-Phase, da diese die Mæglichkeit der Chemosensitivierung bietet, wenn man IFN-a mit einer konventionellen Chemotherapie kombiniert.
2.4.7.2 Interferon-c Auch die antineoplastische Wirksamkeit von Interferon-c wurde an neuroendokrinen Tumoren untersucht. Der Ansatz stçtzt sich darauf, dass die Aktivitåt der Tryptophan abbauenden Indolamin2,3-dioxygenase durch IFN-c mehr als durch andere Interferone (a, b) gesteigert wird. IFN-c induziert in vitro eine deutliche Steigerung des Tryptophanmetabolismus, welche zu Wachstumshemmung und Tumornekrose fçhrt. Diese Beobachtungen lassen auf der Grundlage der speziellen Hormonbiologie neuroendokriner Tumoren eine mægliche antineoplastische Wirkung vermuten. Jedoch sind auch direkte antiproliferative Effekte beteiligt (Takikawa et al. 1988). Die Mechanismen, die zur IFN-c-induzierten Wachstumshemmung fçhren, reichen von Zellzyklusarretierung und Apoptose bis zu Zytotoxizitåt (Hoshiya et al. 2003; Burke et al. 1999). Die IFN-c-induzierte Wachstumshemmung neuroendokriner Tumorzellen beruht auf der Induktion von Zellzyklusarrest in der S-Phase (Hæpfner et al. 2004), åhnlich wie in Glioblastomen (Kominsky et al. 1998). Die Akkumulation der Zellen in der S-Phase kænnte von groûem Nutzen fçr die Entwicklung von Kombinationstherapien sein, da Antimetaboliten wie 5-Fluoruracil mit der DNA-Synthese interferieren, die in dieser Phase stattfindet. Neben der Zellzyklusarretierung bewirkt IFN-c auch eine caspasenabhångige Apoptoseinduktion in neuroendokrinen Tumorzellen unter Beteiligung einer Induktion des ¹interferon-regulatory factorª
(IRF)-1. Bei hæheren Konzentrationen (500 IU/ml) wirkt IFN-c auch zytotoxisch. In nichtneuroendokrinen Tumorzellen wurden sowohl indirekte Mechanismen, wie eine Zunahme der Tumornekrosefaktor-a-Sensitivitåt (Kim et al. 2002) oder eine Hochregulation der CD95-Rezeptor-Expression (Nagata 1998), aber auch direkte Mechanismen, wie die Aktivierung von Caspasen, beschrieben (Detjen et al. 2001). Wåhrend die Toxizitåt von IFN-c mit der von IFN-a vergleichbar ist, wurde in einer Phase-II-Studie eine deutlich geringere Antitumorwirkung von IFN-c festgestellt (Stuart et al. 2004).
2.4.8 Ausblick Die molekulare Karzinogenese von GEP-NET ist bisher noch unzureichend verstanden. Die Bedeutung einer Vielzahl von bekannten Onkogenen und Tumorsuppressorgenen wurde intensiv untersucht, jedoch ohne bislang eine entscheidende Rolle an der Entstehung und Progression von GEP-NET nachweisen zu kænnen. Damit zusammenhångend waren bislang keine verlåsslichen prognostischen Marker zur Vorhersage des Ûberlebens oder des Therapieerfolgs verfçgbar. Jedoch konnte kçrzlich gezeigt werden, dass nukleåres Survivin, ein antiapoptotisches Protein aus der Familie der ¹inhibitors of apoptosisª (IAP), in einem Teil der GEPNET exprimiert wird. Seine nukleåre Expression im Tumor ist mit einem geringeren 5-Jahres-Ûberleben und einer schlechten Prognose assoziiert (Grabowski et al. 2005). Die nukleåre Survivin-Expression scheint wåhrend der Tumorprogression von GEP-NET hochreguliert zu sein. Zukçnftig kænnte daher die Bestimmung des nukleåren Survivins zur Individualisierung der Antitumortherapie bei GEP-NET herangezogen werden. Die objektiven Ansprechraten einer Mono- oder Polychemotherapie sind bei gut differenzierten Karzinoidtumoren mit < 30% gering; eine Verlångerung der Ûberlebenszeit oder eine Verbesserung der Lebensqualitåt sind hier bislang nicht belegt. Daher ist die Entwicklung neuer Therapiestrategien mit akzeptablem Nebenwirkungsprofil zur Behandlung (metastasierter) GEP-NET von entscheidender Bedeutung. Die effektive Kontrolle der klinischen Hypersekretionssyndrome durch Somatostatinanaloga und auch Interferon-a ist bestens belegt. Die antiproliferativen Effekte der Somatostatinanaloga und Interferone wurden in vitro auf
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2.4 Molekulare Regulation neuroendokriner Tumoren des Gastrointestinaltraktes
molekularer Ebene weitgehend entschlçsselt, jedoch verliefen die klinischen Studien recht unterschiedlich, so dass ihre antiproliferative klinische Effektivitåt umstritten bleibt. Eine weitere Option stellen EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren dar, die bereits erfolgreich zur Therapie des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms eingesetzt werden. Zur Wirksamkeit des EGFR-TKI Gefitinib bei GEP-NET gibt es bislang ausschlieûlich in vitro Daten, jedoch sind klinische Studien bereits iniitiert worden. Dieser Ansatz ist aufgrund der autokrinen Wachstumsstimulation von GEP-NET durch EGFR und die EGFR-TK transaktivierenden IGFR vielversprechend. Eine weitere, sehr elegante Mæglichkeit ist die tumorzellspezifische Induktion zytotoxischer Effekte durch Monoaminanaloga wie MIBG, die sich jedoch auf die GEP-NET beschrånkt, die den entsprechenden Monoamintransporter exprimieren. Die Heterogenitåt von GEP-NET macht die Erstellung von Gen- und Proteinexpressionsprofilen zur Individualisierung der Therapie sinnvoll: Das Expressionsprofil von Wachstumsfaktoren und -rezeptoren, von Somatostatinrezeptorsubtypen und Monoamintransportern kænnte in Zukunft zur Auswahl des individuell geeignetsten Therapeutikums herangezogen werden. Die therapeutische Anwendung von Biotherapeutika (Somatostatinen und Interferonen) ist vor allem bei funktionell aktiven GEP-NET indiziert. Zwar ist durch Biotherapeutika bei der Mehrzahl der GEP-NET-Patienten eine gute Kontrolle des Karzinoidsyndroms mæglich, jedoch sind ± trotz groûer Anstrengungen ± die Mæglichkeiten zur pharmakologischen Kontrolle des Tumorwachstums bislang unzureichend. Die innovativen Therapieansåtze der nahen Zukunft basieren auf einer Modulation von WachstumsfaktorrezeptorSignalwegen, der tumorzellspezifischen, rezeptorvermittelten Radio- oder Chemotherapie und der spezifischen Aufnahme zytotoxischer Monoaminanaloga. Zur Individualisierung der Therapie sollte schon zum Zeitpunkt der Diagnose eine bessere prognostische Einschåtzung der Patienten durch vielversprechende Biomarker wie nukleåres Survivin erfolgen. Hierdurch wird in der Zukunft eine risikoadaptierte, individuelle Therapie mæglich werden.
2.4.9 Literatur Ahmad T, Farnie G, Bundred NJ, Anderson NG (2004) The mitogenic action of insulin-like growth factor I in normal human mammary epithelial cells requires the epidermal growth factor receptor tyrosine kinase. J Biol Chem 279: 1713±1719 Arnold R, Simon B, Wied M (2000) Treatment of neuroendocrine GEP tumours with somatostatin analogues: A review. Digestion 62 Suppl 1: 84±91 Arteaga CL (2002) Epidermal growth factor receptor dependence in human tumors: more than just expression? Oncologist 7 Suppl 4: 31±39 Baselga J (2002) Why the epidermal growth factor receptor? The rationale for cancer therapy. Oncologist 7 Suppl 4: 2±8 Baselga J, Rischin D, Ranson M et al. (2002) Phase I safety, pharmacokinetic, and pharmacodynamic trial of ZD1839, a selective oral epidermal growth factor receptor tyrosine kinase inhibitor, in patients with five selected solid tumor types. J Clin Oncol 20: 4292±4302 Baserga R (1995) The insulin-like growth factor I receptor: A key to tumor growth? Cancer Res 55: 249±252 Blaker M, Weerth A de, Tometten M et al. (2002) Expression of the cholecystokinin 2-receptor in normal human thyroid gland and medullary thyroid carcinoma. Eur J Endocrinol 146: 89±96 Bol DK, Kiguchi K, Gimenez-Conti I, Rupp T, DiGiovanni J (1997) Overexpression of insulin-like growth factor-1 induces hyperplasia, dermal abnormalities, and spontaneous tumor formation in transgenic mice. Oncogene 14: 1725±1734 Bostwick DG, Roth KA, Barchas JD, Bensch KG (1984) Gastrin-releasing peptide immunoreactivity in intestinal carcinoids. Am J Clin Pathol 82: 428±431 Boyd M, Cunningham SH, Brown MM, Mairs RJ, Wheldon TE (1999) Noradrenaline transporter gene transfer for radiation cell kill by 131I meta-iodobenzylguanidine. Gene Ther 6: 1147±1152 Brazeau P, Vale W, Burgus R, Ling N, Butcher M, Rivier J, Guillemin R (1973) Hypothalamic polypeptide that inhibits the secretion of immunoreactive pituitary growth hormone. Science 179: 77±79 Buchegger F, Bonvin F, Kosinski M et al. (2003) Radiolabeled neurotensin analog, 99mTc-NT-XI, evaluated in ductal pancreatic adenocarcinoma patients. J Nucl Med 44: 1649±1654 Burke F, Smith PD, Crompton MR, Upton C, Balkwill FR (1999) Cytotoxic response of ovarian cancer cell lines to IFN-gamma is associated with sustained induction of IRF-1 and p21 mRNA. Br J Cancer 80: 1236±1244 Calender A (2000) Molecular genetics of neuroendocrine tumors. Digestion 62 Suppl 1: 3±18 Campiglio M, Locatelli A, Olgiati C et al. (2004) Inhibition of proliferation and induction of apoptosis in breast cancer cells by the epidermal growth factor receptor (EGFR) tyrosine kinase inhibitor ZD1839 (`Iressa') is independent of EGFR expression level. J Cell Physiol 198: 259±268 Canavese G, Azzoni C, Pizzi S et al. (2001) p27: A potential main inhibitor of cell proliferation in digestive endocrine tumors but not a marker of benign behavior. Hum Pathol 32: 1094±1101 Cattaneo MG, Amoroso D, Gussoni G, Sanguini AM, Vicentini LM (1996) A somatostatin analogue inhibits MAP ki-
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2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms: Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren Gçnter Schneider und Roland M. Schmid
Inhaltsverzeichnis 2.5.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
. . . . . . . .
309 310
. . . . . . . .
311 312
2.5.2 ErbB/HER-Rezeptor-Liganden-System 2.5.2.1 EGF-Rezeptor-System . . . . . . . . . . . 2.5.2.2 TGF-a-Maus: Genetisch definiertes Mausmodell des Pankreaskarzinoms . 2.5.2.3 ErbB-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Von der chronischen Entzçndung zum Karzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3.1 Chemotherapieresistenz von Pankreaskarzinomzellen durch Interleukin-1
2.5.4 TGF-b-Resistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2.5.4.1 TGF-b-Signal-Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2.5.4.2 TGF-b-Resistenz: Charakteristikum des Pankreaskarzinoms . . . . . . . . . . . . . . 315
312
2.5.5 Angioneogenese: Der autokrine VEGF-Loop 316 2.5.5.1 VEGF und seine Rezeptoren . . . . . . . . . . . 316 2.5.5.2 Molekulare Regulation von VEGF-A durch Hypoxie . . . . . . . . . . . 316 2.5.5.3 Angiogenese des Pankreaskarzinoms . . . . . 317
313
2.5.6
2.5.3
2.5.1 Einleitung Zellen komplexer Organismen sind kontinuierlich externen und internen Signalen ausgesetzt, deren korrekte Interpretation und Integration essentiell fçr die Aufrechterhaltung der zellulåren Homæostase und das Ûberleben des Gesamtorganismus sind. Die Karzinogenese ist Ausdruck einer fundamentalen Stærung dieser Signalinterpretation, und Integration und fçhrt zu Proliferation, Apoptoseresistenz und Ûberwindung der zellulåren Seneszenz. Ein Charakteristikum solider Tumore ist die im Allgemeinen schlechte Prognose, die nicht zuletzt durch die Aktivierung multipler, per se onkogener Programme bedingt ist. So wird jeder fçnfte tumorassozierte Todesfall durch das duktale Adenokarzinom des Pankreas verursacht. Das Verståndnis der molekularen Karzinogenese hat sich in den letzten Jahren durch die Verwendung neuer molekularbiologischer Methoden zwar gebessert, klinisch bleibt die Therapie, mit einem 5-JahresÛberleben unter 5%, jedoch unbefriedigend (Jemal et al. 2002). Neben der sequentiellen Akquisition definierter genetischer Verånderungen, spielen epigenetische Verånderungen im Laufe der Karzinogenese des duktalen Pankreaskarzinoms eine entscheidende Rolle (Schneider u. Schmid 2003). Die
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Korrelation der morphologischen Verånderungen, den pankreatischen intraepithelialen Neoplasien (PanIN 1±3), mit den sequentiell auftretenden konstitutiv-genetischen und induzierbar-epigenetischen Verånderungen fçhrte zur Beschreibung eines Progressionsmodells des Pankreaskarzinoms (Hruban et al. 2000). Hier soll der Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren auf die Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms beschrieben werden, durch deren Modulation ein Beitrag zur Verbesserung der bislang inadåquaten Therapie erwartet werden darf.
2.5.2 ErbB/HER-Rezeptor-Liganden-System 1981 wurde von dem spåteren Nobelpreistråger Stanley Cohen und seinen Mitarbeitern der Rezeptor fçr den epidermalen Wachstumsfaktor (EGF) als erste Rezeptor-Tyrosinkinase biochemisch beschrieben (Chinkers u. Cohen 1981; Cohen et al. 1982). Spåtere Arbeiten zeigten die Homologie des onkogenen Geflçgelerythroblastose-Retrovirusesv-erbB-Genproduktes mit dem EGF-Rezeptor (EGFR) und etablierten damit einen Zusammenhang zwischen Wachstumskontrolle und TumorGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
310
G. Schneider und R. M. Schmid
entstehung (Downward et al. 1984). Zur EGF-Rezeptor-Familie gehæren vier Rezeptoren, nåmlich der EGF-Rezeptor (HER-1/ErbB-1), ErbB-2 (HER2/Neu), ErbB-3 (HER-3) und ErbB-4 (HER-4) (Burgess et al. 2003). Diese Rezeptoren, mit Ausnahme des ErbB-2-Rezeptors, werden mit unterschiedlichen Affinitåten von den EGF-åhnlichen peptidischen Wachstumsfaktoren gebunden. Die Mitglieder dieser Wachstumsfaktorenfamilie, wie EGF, TGF-a (¹transforming growth factor aª), Amphiregulin, Betacellulin, das heparinbindende EGF, Epiregulin und Neuroreguline, werden als transmembrane Proteine synthetisiert und nach Proteolyse ihrer Ektodomåne zu læslichen Wachstumsfaktoren (Massague u. Pandiella 1993). Die Bindung der Wachstumsfaktoren an die Rezeptoren aktiviert durch Rezeptor-Homo- oder -Heterodimerisierung Signalwege, die zum Eintritt der responsiven Zelle in den Zellzyklus fçhren (Holbro u. Hynes 2004). Der Beitrag der EGF-Rezeptor-Familie zur Karzinogenese solider Tumoren sowie deren therapeutisches Potential ist in der Literatur hinreichend belegt (de Bono u. Rowinsky 2002; Holbro et al. 2003; Roskoski 2004).
2.5.2.1 EGF-Rezeptor-System Der EGF-Rezeptor (EGFR) ist ein 170 kD groûes Glykoprotein mit einer N-terminal extrazellulåren Ligandbindungsdomåne, einer hydrophoben transmembranæsen Helix und einer zytoplasmatischen Kinasedomåne und wird vor allem von EGF, TGF-a, Amphiregulin, Betacellulin, dem heparinbindendem EGF und Epiregulin gebunden (Holbro u. Hynes 2004). Nach Lingandbindung an den Rezeptor kommt es zur Rezeptordimerisierung und
Autophosphorylierung. Die intrazellulåren Signalwege nach EGF-Rezeptor-Aktivierung sind sehr komplex. Die autophosphorylierten Tyrosinreste des Rezeptors bilden Bindungsstellen fçr Adaptermolekçle, die ihrerseits multiple Signalwege aktivieren (Yarden u. Sliwkowski 2001). Klassische EGFR-aktivierte Signalmolekçle und Kaskaden sind die Proteinkinase C-c1 (PKC-c1) der RAS/ RAF/MEK/MAPK-Weg, die Phosphatidylinositol3-Kinase (PI3K) und AKT, die stressaktivierten Proteinkinasen JNK1 und JNK2 sowie der JAKSTAT-Signal-Weg (Holbro u. Hynes 2004; Yarden u. Sliwkowski 2001) (Abb. 2.5.1). Die Ûberexpression oder die Aktivierung des EGFR stellt eine håufige Verånderung solider Tumore dar. Auch im humanen Pankreaskarzinom werden die Liganden des EGFR, wie EGF und TGF-a sowie der Rezeptor selbst, çberexprimiert (Barton et al. 1991; Korc et al. 1992). Eine Ûberexpression des Rezeptors konnte in bis zu 90% der Pankreaskarzinome demonstriert werden (Lemoine et al. 1992). Die konkordante Ûberexpression der Liganden mit dem Rezeptor legt einen autokrinen Mechanismus dieses Liganden/Rezeptor-Systems in Bezug auf die Pathogenese des Pankreaskarzinoms nahe. Dies wird auch durch die Beobachtung unterstçtzt, dass sich Pankreaskarzinome, in denen sowohl eine Ûberexpression der EGF-Rezeptor-Liganden wie auch eine Ûberexpression des Rezeptors selbst vorliegen, durch einen aggressiven klinischen Verlauf auszeichnen (Yamanaka et al. 1993). Weiterhin findet sich eine Ûberexpression des Rezeptors signifikant håufiger in Metastasen (Ozawa et al. 2001). Die Signalwege des EGFR in Pankreaskarzinomzellen werden jedoch nicht vollståndig verstanden. Klar ist jedoch, dass der EGFR-abhångige Signal-
Abb. 2.5.1. Schematische Darstellung des EGF-Signal-Wegs. EGF: epidermaler Wachstumsfakotr, TGF: ¹transforming growth factorª, FAK: ¹focal adhesion kinaseª, PI3K: Phosphatidylinositol-3-Kinase, AKT: ¹v-akt murine thymoma viral oncogene homologª, RAS/ RAF: ¹rat sorcoma viral oncogene homolog/raf proto-oncogene serine/threonine protein kinaseª
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2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms
weg in Pankreaskarzinomzellen mitogen wirkt (Ebert et al. 1994; Kobrin et al. 1994). Das EGFRSignal wird dabei durch Cyclin D1 integriert und in eine Zellzyklusprogression umgesetzt (Poch et al. 2001). Die im Pankreaskarzinom vorliegende Ûberexpression von Cyclin D1 ist zum Groûteil durch transkriptionelle Aktivierung des CyclinD1-Gens bedingt (Gansauge et al. 1997). Da die Transfektion eines dominant-negativen EGFR in Pankreaskarzinomzellen zu einer deutlichen Verminderung der IjB-induzierenden Kinase (IKK) fçhrt und Cyclin D1 ein gut charakterisiertes Target der Nukleårer-Faktor-jB(NF-jB)-Familie ist, scheint çber diesen Signalweg die mitogene Wirkung von EGF auf Pankreaskarzinomzellen erklårt zu sein (Karin et al. 2002; Liptay et al. 2003). Neben der NF-jB-Familie sind unterhalb des EGFR auch die Mitglieder der AP-1-Familie in Pankreaskarzinomzellen zu finden. Diese werden çber einen RAS/MEK1/ERK1/ERK2-abhångigen Signalweg aktiviert (Seufferlein et al. 1999). Die Demonstration der Wirksamkeit einer EGFRezeptor-Blockade in vitro und in Xenotransplantationsmodellen in vivo fçhrte zur ersten klinischen Anwendung dieser Therapiestrategie (Pino et al. 2004; Xiong u. Abbruzzese 2002).
2.5.2.2 TGF-a-Maus: Genetisch definiertes Mausmodell des Pankreaskarzinoms Obwohl fundamentale Unterschiede bezçglich der Tumorgenese humaner und muriner Tumoren bestehen, sind doch viele Konzepte der humanen Karzinogenese von genetisch definierten Mausmodellen abgeleitet (Rangarajan u. Weinberg 2003). Das erste Tumormodell des Pankreaskarzinoms, das sowohl den duktalen Phånotyp als auch ± weitgehend ± die genetischen und epigenetischen Verånderungen des humanen Pankreaskarzinoms widerspiegelt, stellt die TGF-a-Maus dar (Greten et al. 2001). In diesen Måusen wird der EGFR-Ligand TGF-a unter der Kontrolle des Azinus-Zell-spezifischen Elastasepromoters im Pankreas çberexprimiert (Sandgren et al. 1990). Diese Måuse entwickeln nach einer langen Latenzperiode ein invasiv wachsendes und metastasierendes Pankreaskarzinom mit duktalem Phånotyp (Wagner et al. 2001, 1998). Interessanterweise entstehen die Tumore çber pråmaligne Vorstufen, den tubulåren Komplexen, so dass auch hier in Analogie zum humanen Tumor von einer schrittweisen Tumorprogression ausgegangen werden kann. So låsst
sich bereits in diesen Vorlåuferlåsionen, als Ausdruck der transgenen Ûberexpression von TGF-a, eine konstitutive Aktivierung von Ras nachweisen (Wagner et al. 2001). Zusåtzlich zu der Aktivierung von Ras ist in den pråmalignen Låsionen der EGFR çberexprimiert, so dass ± wie in der humanen Pathologie ± von einem autokrinen Loop auszugehen ist (Wagner et al. 1998). In den tubulåren Komplexen wird das TGF-a/EGFR-Signal durch Ras und die mitogen aktivierbaren Serin-Threonin-Kinasen Erk1 und 2 weitergeleitet und im Cyclin-D1-Promoter integriert. Das in den tubulåren Komplexen çberexprimierte Cyclin D1, das auch im humanen Pankreaskarzinom in bis zu 80% der Fålle çberexprimiert wird, fçhrt zusammen mit seinem katalytischen Partner, der cyclinabhångigen Proteinkinase CDK4, zum Eintritt und zur Progression in die G1-Phase des Zellzyklus (Gansauge et al. 1997). Im Vergleich zur deutlichen Expression von Cyclin D1 ist jedoch der Eintritt in die S-Phase des Zellzyklus, gemessen an der PCNA(¹proliferating cell nuclear antigenª)-positiven Zellfraktion, unverhåltnismåûig niedrig, so dass von einem funktionierenden G1-Phase-Checkpoint auszugehen ist (Wagner et al. 2001). Der Tumorsuppressor p53 reguliert neben G2-Phase und Apoptose auch einen G1-Phase-Checkpoint. Aktiviert wird p53 nicht nur durch DNA-Schåden, sondern auch durch onkogenen Stress. In den pråmalignen Vorlåuferlåsionen låsst sich frçhzeitig eine nukleåre Akkumulation und damit Aktivierung von p53 nachweisen (Wagner et al. 1998). Weiterhin ist die Expression des p53-Target-Gens PanCDK-Inhibitor p21Cip erhæht, womit sich in diesem Tiermodell ein proliferationsfærdernder Cyclin-D1/CDK4/Rb-Weg und p53/p21Cip-abhångiger Wachstumskontrollweg gegençberstehen (Serrano et al. 1997). Wird der p53-abhångige Wachstumskontrollweg durch Kreuzung der TGF-a-Maus in einen p53-negativen genetischen Hintergrund gestært, so findet sich eine deutliche Akzeleration der pankreatischen Karzinogenese, in dem die Hochregulation von p21Cip unterbleibt (Wagner et al. 2001). Dies unterstreicht die Notwendigkeit multipler genetischer wie epigenetischer Fehlregulationen zur Etablierung eines vollståndigen onkogenen Phånotyps und erklårt zumindest teilweise die Beobachtung von asymptomatischen K-RASMutationen in humanen Pankreasepithelzellen (Furuya et al. 1997). Neben den klassichen EGFR-aktivierten Transkriptionsfaktoren wie AP-1, STAT und NF-jB, konnte in der TGF-a-Maus auch der Beitrag der Notch-Transkriptionsfaktor-Familie charakterisiert
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werden. Notch hat hierbei eine tumorinitiierende Funktion, indem es zur Proliferation undifferenzierter Vorlåuferzellen beitrågt (Miyamoto et al. 2003). Zwar sind mittlerweile genetisch definierte Mausmodelle des Pankreaskarzinoms charakterisiert worden, die in ihrem genetischen, morphologischen und biochemischen Verhalten dem humanen Karzinom weitestgehend åhneln, doch unterstreicht die TGF-a-transgene Maus den Beitrag des autokrinen TGFa/EGFR-Loops bezçglich der Tumorentstehung (Aguirre et al. 2003; Hingorani et al. 2003).
2.5.2.3 ErbB-2 Das ErbB-2-Gen ist auf Chromosom 17 lokalisiert und codiert fçr eine 185 kD groûe Rezeptor-Tyrosinkinase (Yarden u. Sliwkowski 2001). Das Onkogen ErbB-2 unterscheidet sich von den anderen EGFR-Familienmitgliedern in zweierlei Hinsicht: 1. Fçr ErbB-2 existieren keine bekannten Liganden, so dass dieser Rezeptor als Korezeptor oder Heterodimerisierungspartner fçr ErbB-1, ErbB-3 und ErbB-4 fungiert. 2. Im Gegensatz zu anderen EGFR-Familienmitgliedern fçhrt die alleinige Ûberexpression von ErbB-2 zur malignen Transformation (GrausPorta et al. 1997; Yarden u. Sliwkowski 2001). Hieraus låsst sich ableiten, dass der ErbB-2-Rezeptor eine konstitutive, ligandunabhångige Eigenaktivitåt aufweist, die ab einem bestimmten Schwellenwert hinlånglich fçr eine onkogene Transformation ist. Dies wird besonders deutlich in der Karzinogenese des Mammakarzinoms, fçr das es seit 1998 mit Herceptin eine auf ErbB-2 basierende molekulare Therapie gibt (Slamon et al. 2001). Hier findet sich eine Ûberexpression des Rezeptors in 30% der Fålle, bedingt durch Genamplifikation und verstårkte Promoteraktivitåt, die mit einer schlechten klinischen Prognose vergesellschaftet ist (Dickson u. Lippman 1995; Gullick et al. 1991; King et al. 1985; Paterson et al. 1991). Dementsprechend fçhrt im Tiermodell die Expression von ErbB-2 zu einer schnellen, Cyclin-D1-abhångigen Tumorinduktion (Dankort u. Muller 2000; Sutherland u. Musgrove 2002). Die ErbB-2-Ûberexpression gehært auch zu den frçhen molekularen Verånderungen in der Karzinogenese des Pankreaskarzinoms. So låsst sich bereits in den frçhesten morphologischen Verånderungen, den PanIN-1A-Låsionen, in 50±80% der untersuchten Fålle eine verstårkte Expression von
ErbB-2 nachweisen (Apple et al. 1999; Day et al. 1996). Der Einfluss von ErbB-2 auf die Karzinogenese des Pankreaskarzinoms ist bisher unklar. So wurde in einer Studie die ErbB-2-Ûberexpression mit einer schlechten Prognose korreliert (Lei et al. 1995). Diese konnte jedoch in anderen Studien nicht reproduziert werden (Koka et al. 2002). Auch die molekularen Mechanismen der Karzinogenese, nachgeschaltet der Aktivierung des ErbB-2-Rezeptors, sind nicht eingehend untersucht. Zwar fçhrt Herceptin in vitro und in vivo zu einer Hemmung der Proliferation von Pankreaskarzinomzellen, die klinische Anwendbarkeit kann aber noch nicht abschlieûend beurteilt werden (Buchler et al. 2001). Ein wichtiger Signalweg, der in einem Teil der Pankreaskarzinome durch ErbB-2 aktiviert wird, ist der AKT-Signal-Weg, der ein genetisches Ûberlebensprogramm reguliert. Die Aktivierung dieses Signalweges in nur zwei Dritteln der Pankreaskarzinome kænnte die Ursache fçr die uneinheitliche Wirksamkeit von Herceptin erklåren (Schlieman et al. 2003). Im Gegensatz zur Brustdrçse, in der die Ûberexpression von ErbB-2 zur malignen Transformation fçhrt, zeigt sich in einem Mausmodell, in dem der ErbB-2-Rezeptor unter der Kontrolle des Elastasepromoters Azinus-Zell-spezifisch çberexprimiert wird, keine maligne Transformation. Der Phånotyp dieser Maus zeichnet sich durch ein lymphozytåres pankreatisches Infiltrat aus, das hauptsåchlich aus CD4-positiven T-Zellen besteht, und durch die erhæhte Expression von Chemokinen und deren Rezeptoren, wie MCP-1, MIP-1a, CCR1, CCR3 und CXCR4, erklårt werden kann. Trotz erhæhter Ras-abhångiger Cyclin-D1-Expression findet sich in diesem Modell keine Proliferation. Stattdessen zeigt sich ein antionkogenes Programm, in dem es zur Aktivierung von p53 und p16INK4a kommt (Algçl, persænliche Mitteilung). Dies demonstriert zum einem die multifaktorielle Genese der pankreatischen Karzinogenese und zum anderem die Gewebeabhångigkeit onkogener Programme.
2.5.3 Von der chronischen Entzçndung zum Karzinom Rudolf Virchow beschrieb 1863 Leukozyten in neoplastisch veråndertem Gewebe und stellte damit eine Verbindung zwischen chronischer Inflammation und Tumorentstehung her. Fçr eine Viel-
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2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms
zahl solider Tumore wurde ein Bezug zu entzçndlichen Erkrankungen hergestellt. Im Bereich des Gastrointestinaltraktes besteht so beispielhaft ein klarer Zusammenhang zwischen chronisch entzçndlicher Darmerkrankung und kolorektalem Karzinom, zwischen chronischer Heliobacter-pylori-Infektion und Magenkarzinom sowie zwischen chronischer viraler Hepatitis und hepatozellulårem Karzinom. Ein konsistenter Risikofaktor des duktalen Adenokarzinoms des Pankreas ist die chronische Pankreatitis, wobei die chronische Pankreatitis ein Mikromileu schafft, das die Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung eines Pankreaskarzinoms erhæht (Whitcomb u. Pogue-Geile, 2002). Die chronische Pankreatitis fçhrt hier einerseits çber die Induktion kontinuierlicher Regenerationsprozesse zu einem dauerhaften Proliferationsreiz, andererseits çber die Bildung von DNA-schådigenden Molekçlen zu genetischen Schåden (Farrow u. Evers 2002). Wichtige Mediatoren der Pankreatitis, die im Zusammenspiel mit reaktiven Sauerstoffverbindungen eine Entzçndung unterhalten, sind Zytokine wie Interleukin-1 (IL-1), TNF-a, IL-6 und IL-8. Interessanterweise sind einige dieser Zytokine auch im Pankreaskarzinom çberexprimiert (Shi et al. 2001). Die Entzçndungs-Karzinom-Kaskade ist auch dahingehend interessant, dass eine singulåre Transkriptionsfaktorfamilie, die NF-jB-Familie, essentielle Schritte der Inflammation wie auch der Karzinogenese reguliert (Algul et al. 2002; Ghosh et al. 1998).
2.5.3.1 Chemotherapieresistenz von Pankreaskarzinomzellen durch Interleukin-1 Das IL-1-System besteht aus zwei Agonisten, IL-1a und IL-1b, einem Rezeptorantagonisten, IL-1Ra, und zwei unterschiedlichen IL-1-Rezeptoren, IL-1R Typ I und Typ II (Dinarello 1997). Das IL-1-System spielt eine wichtige Rolle in der Regulation der angeborenen Immunitåt. Ein gestærte IL-1-Regulation ist ursåchlich an der Pathogenese chronischer entzçndlicher Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis beteiligt (Arend 2002). Beide Zytokine werden als Vorlåufermolekçle synthetisiert. Wåhrend der IL-1a-Vorlåufer biologisch aktiv ist, muss der IL-1b-Pråkursor durch das ¹IL-1b converting enzymeª (ICE oder Caspase-1) an der Zellmembran gespalten werden (Dinarello 1997). IL-1 aktiviert çber den IL-1R Typ I seinen spezifischen Signalweg, wohingegen der
IL-1R Typ II ein ¹decoy receptorª ist, der in der Plasmamembran oder nach ¹sheddingª in der læslichen Phase die Bindung von IL-1 an den IL-1R Typ I verhindert (Colotta et al. 1994). Nach Ligandenbindung an den IL-1R Typ I kommt es zur Bindung des Rezeptors an ein zweites Protein, ¹IL-1R accessory proteinª (IL-1R AcP), und zur Aktivierung einer spezifischen Signalkaskade (Greenfeder et al. 1995). Dieser Signalweg mçndet schlieûlich in die Aktivierung der Transkriptionsfaktoren AP-1 und NF-jB (Arend 2002). Eine Rolle fçr IL-1b als Wachstumsfaktor konnte in akuter myeloischer Leukåmie (AML) und chronischer myeloischer Leukåmie (CML) demonstriert werden (Estrov et al. 1991; Tao et al. 2000; Wetzler et al. 1994). In soliden Tumoren wurde sowohl eine das Wachstum inhibierende wie auch færdernde Funktion von IL-1 beschrieben. So fçhrt das IL-1-System zu einer Reduktion der Proliferation von Prostatakarzinomzellen, hepatozellulåren Karzinomzellen und Glioblastomzellen (Hsieh u. Chiao 1995; Oelmann et al. 1997; Yamada et al. 1999). In der Pathogenese des Pankreaskarzinoms wird sowohl dem IL-1a als auch dem IL-1b eine wichtige Rolle zugeschrieben. IL-1 wird hier vor allem in metastasierenden Zellen exprimiert. Fçr IL-1a wurde in Pankreaskarzinomzellen die Regulation von Integrinen, z. B. a6b1-Integrin, beschrieben. Da Integrine wichtige Mediatoren von Invasion und Metastasierung sind, wurde dem IL-1a eine Rolle in diesem Prozess zugeschrieben (Sawai et al. 2003). Wichtiger, da von therapeutischer Relevanz, ist die molekulare Charakterisierung der IL1-abhångigen Chemotherapieresistenz von Pankreaskarzinomzellen, die sowohl fçr IL-1a als auch fçr IL-1b beschrieben wurde. Zentraler Mediator dieser IL-1-abhångigen Chemotherapieresistenz ist der Transkriptionsfaktor NF-jB, der in Pankreaskarzinomzellen konstitutiv aktiviert ist (Liptay et al. 2003; Wang et al. 1999). NF-jB reguliert çber die Aktivierung von Bcl-xL (B-Zell-Leukåmie-xLProtein), XIAP (¹X-linked inhibitor of apoptosis proteinª), cIAP1 und cIAP2 antiapoptotische Programme und trågt damit zur Chemotherapieresistenz des Pankreaskarzinoms bei (Karin et al. 2002). Autokrin produziertes IL-1a fçhrt nun çber den IL-1R Typ I zur Aktivierung von NF-jB (Niu et al. 2004). Ein åhnlicher Mechanismus wurde fçr IL-1b gezeigt. Zusåtzlich wurde hier ein Synergismus zwischen klassischen Chemotherapeutika und einer IL-1b-Blockade in vitro und in vivo gezeigt (Arlt et al. 2002; Muerkoster et al. 2004 a). Die autokrine IL-1b-Sekretion scheint dabei çber ein
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komplexes, NO-abhångiges Zusammenspiel zwischen Tumor und Stroma zustande zu kommen (Muerkoster et al. 2004 b).
2.5.4 TGF-b-Resistenz TGF-b gehært zu einer Familie konservierter Peptide, die unter physiologischen Bedingungen die Zelldifferenzierung moduliert, die Proliferation hemmt und Apoptose induziert (Derynck u. Zhang, 2003; ten Dijke u. Hill 2004). Aufgrund struktureller Eigenschaften wird diese Familie in die TGF-b-, Aktivin- und Bone-morphogeneticprotein(BMP)-Subfamilien unterteilt. Eine Stærung des TGF-b-Signal-Wegs konnte in vielen soliden Tumoren nachgewiesen werden (Massague 1998). Hierbei wird håufig eine Tumorsuppressorfunktion dieses Signalwegs in frçhen Stadien der Karzinogenese beschrieben sowie eine Færderung der Tumorprogression in spåten Stadien (Akhurst u. Derynck 2001; Massague et al. 2000).
2.5.4.1 TGF-b-Signal-Weg TGF-b induziert einen linearen Signalweg ausgehend von den Rezeptor-Serin-/Threonin-Kinasen des TGF-b-Rezeptors 1 (Typ-1-Rezeptor) und des TGF-b-Rezeptors 2 (Typ-2-Rezeptor) zu den intrazellulåren Effektoren, den Transkriptionfaktoren der Smad-Familie (Derynck u. Zhang 2003). Die Bindung von TGF-b an seine Rezeptoren fçhrt zur Ausbildung eines heteromeren Komplexes, in dem der konstitutiv aktive Typ-2-Rezeptor den Typ1-Rezeptor innerhalb der juxtamembranæsen GSDomåne phosphoryliert. Die aktivierte Typ-1-Rezeptor-Kinase fçhrt dann zur Weiterleitung des Signals durch Phosphorylierung der rezeptorregulierten Smads (Smad1, Smad2, Smad3, Smad5 and Smad8) innerhalb des SxS-Motivs im C-Terminus dieser Proteine (ten Dijke u. Hill 2004). Die TGF-b-aktivierten rezeptorregulierten Smads, Smad2 und Smad3, bilden anschlieûend heteromere Komplexe mit dem Ko-Smad Smad4 und translozieren in den Zellkern. Im Zellkern regulieren die heteromeren Komplexe im Zusammenspiel mit anderen Transkriptionsfaktoren, Koaktivatoren und Korepressoren ein zelltypspezifisches genetisches Programm (Abb. 2.5.2).
Abb. 2.5.2. Schematische Darstellung des TGF-b-Signal-Wegs
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2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms
Hinsichtlich der Tumorentstehung und der wachstumsinhibierenden Funktion des TGF-b-Signal-Wegs ist die Regulation der CDK-Inhibitoren p15Inc4b, p21Cip und die Repression von c-myc von entscheidender Bedeutung (Massague et al. 2000). Negativ wird das TGF-b-Signal durch die inhibitorischen Smads (Smad6 und Smad7) reguliert. Diese inhibitorischen Smads konkurrieren mit den rezeptorregulierten Smads um die Bindung an den aktivierten Typ-1-Rezeptor und hemmen somit die C-terminale Phosphorylierung der rezeptorregulierten Smads. Weiterhin rekrutieren die inhibitorischen Smads E3-Ubiquitin-Ligasen, die zum Abbau des Typ-1-Rezeptors und damit zur Terminierung des TGF-b-Signals fçhren (Shi u. Massague 2003).
2.5.4.2 TGF-b-Resistenz: Charakteristikum des Pankreaskarzinoms Smad4 (MADH4/DPC4) wurde initial vom humanen Chromosom 18 als Tumorsuppressor fçr das Pankreaskarzinom kloniert (Hahn et al. 1996). Tatsåchlich stellt das Pankreaskarzinom den Tumor dar, in dem eine Stærung des TGF-b-Signal-Wegs am håufigsten auftritt. Werden Mutationen der TGF-b-Rezeptoren mit einbezogen, so finden sich Stærungen in diesem Signalweg in çber 80% der untersuchten Karzinome (Goggins et al. 1998; Hahn et al. 1998, 1996; Jonson et al. 1999; Villanueva et al. 1998). Fçr den MADH4-Genlocus konnte ein Verlust der Heterozygositåt bei çber 90% der Pankreaskarzinome demonstriert werden (Hahn et al. 1996; Jonson et al. 1999). Einen vollståndigen Verlust der Smad4-Expression, durch biallelische Inaktivierung, durch homozygote Deletion oder Missense- und Nonsense-Mutation des zweiten Allels findet sich bei 50% der Pankreaskarzinome (Hahn et al. 1998, 1996; Schutte et al. 1996). Mutationen im Smad4-Gen treten dabei zu einem spåten Zeitpunkt der Karzinogenese auf (PanIN3-Låsionen) und sind mit einem hochgradig aggressiven biologischen Verhalten und einer schlechten Prognose vergesellschaftet (Tascilar et al. 2001; Wilentz et al. 2000). Damit ist Smad 4 ein wichtiger Tumorsuppressor in der spåten Karzinogenese des Pankreaskarzinoms und erklårt zumindest teilweise die TGF-b-Resistenz des Pankreaskarzinoms. Auf molekularer Ebene ist Smad4 in Pankreaskarzinomzellen an der Regulation des cyclinabhångigen Kinaseinhibitors p21Cip beteiligt und erklårt damit die aufgehobene antiproliferative Wirkung von TGF-b in Smad4-negativen Zellen
(Chiao et al. 1999; Grau et al. 1997). Neuere Daten zeigen zudem, dass nach Deletion von Smad4 der TGF-b-Signal-Weg eine das invasive Wachstum færdernde Funktion in Pankreaskarzinomzellen aufweist. Hierbei scheint der TGF-b-Signal-Weg çber autokrin sezerniertes TGF-b aktiviert zu werden, wodurch die immunhistochemische Beobachtung einer TGF-b-Ûberexpression im Pankreaskarzinom erklårt wird (Ellenrieder et al. 2001a; Friess et al. 1993; Subramanian et al. 2004). Zielgene des TGF-b-Signal-Wegs, die am Prozess der Invasion von Pankreaskarzinomzellen beteiligt sind, wurden mit der Matrixmetalloproteinase MMP-2 und Genen des Urokinase-Plasminogen aktivierenden Systems charakterisiert (Ellenrieder et al. 2001b). Hiermit scheint auch im Pankreaskarzinom eine duale Rolle des TGF-b-Signal-Wegs zu exsistieren: Tumorsupression in frçhen Stadien der Karzinogenese, Tumorpromotion in spåten Stadien. Neben den direkten Mutationen von Smad4 wird der TGF-b-Signal-Weg in Pankreaskarzinomzellen durch weitere Mechanismen negativ beeinflusst. Hierbei spielt die Regulation des TGF-b-Signal-Wegs durch den Ras-Signal-Weg eine entscheidende Rolle, wobei der Ras-Signal-Weg durch Mutationen des K-Ras-Onkogens in allen Pankreaskarzinomzellen aktiviert ist (Schneider u. Schmid 2003). Ein negativer Einfluss von onkogenen Ras auf den TGF-b-Signal-Weg konnte dabei auf der Ebene des TGF-b-Rezeptors, der herunterreguliert wird, auf der Ebene transkriptionell aktiver SmadKomplexe oder der Hochregulation inhibitorischer Smads, wie Smad7, beschrieben werden (Calonge u. Massague 1999; Kretzschmar et al. 1999; Zhao u. Buick 1995). Beide Inhibitor-Smads (Smad6 und Smad7) sind zudem im Pankreaskarzinom çberexprimiert (Kleeff et al. 1999 a, c). Ein neuer Mechanismus des Zusammenspiels zwischen dem G1-Phase-regulierenden CyclinD1/CDK4/Rb-Weg und dem antiproliferativen Effekt von Smad3 konnte kçrzlich molekular charakterisiert werden. Hierbei wird Smad3 direkt durch die CDK4 phosphoryliert. Diese Phosphorylierung fçhrt zu einer Abnahme der transkriptionellen Smad3-Aktivitåt, zu einer veringerten p15Inc4b-Expression und einer vermehrten c-myc-Expression (Matsuura et al. 2004). Dieser Weg, den wachstumsinhibierenden Smad-Effekt zu umgehen, kænnte auch in Pankreaskarzinomzellen existieren, da in diesem Karzinom ein dysregulierter CyclinD1/CDK4/Rb-Weg vorliegt und TGF-b in Pankreaskarzinomzellen unabhångig von Smad4 die nukleåre Lokalisation von Smad2 und Smad3 induziert (Ijichi et al. 2004; Rozenblum et al. 1997).
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2.5.5 Angioneogenese: Der autokrine VEGF-Loop Das Ûberleben von epithelialen Zellen wird durch eine spezifische Gewebsarchitektur und ein definiertes hormonelles Milieu sichergestellt. Dieses fein abgestimmte Mikromilieu geht im Prozess der malignen Transformation verloren, und spåtestens im Stadium der Invasion und Metastasierung muss eine Karzinomzelle Eigenschaften erworben haben, die es ihr ermæglichen, in einer fçr sie feindlichen Umgebung zu çberleben (Hanahan u. Weinberg 2000). Aufgrund der verminderten Tumorvaskularisation ist die Hypoxie ein maûgeblicher Faktor fçr das Ûberleben einer Tumorzelle, wobei die Hypoxie u.a. çber die Induktion von Angioneogenese zum Zellçberleben beitrågt. Ein wichtiger autokriner Loop ist hierbei durch die durch Hypoxie induzierbare Expression des ¹vascular endothelial growth factorª (VEGF), charakterisiert.
VEGF-A aktiviert zwei verwandte Tyrosinkinase-Rezeptoren VEGFR-1 (flt1) und VEGFR-2 (flk1/ KDR), wobei der mitogene Effekt von VEGF-A auf Epithelzellen hauptsåchlich durch VEGFR-2 vermittelt wird (Cross et al. 2003; Shibuya 2001). Ein dritter VEGF-Rezeptor, VEGFR-3 (flt4) wird auf lymphatischen Gefåûen exprimiert und durch VEGF-C aktiviert (Kukk et al. 1996). Obwohl VEGF-A den VEGFR-1 mit hoher Affinitåt bindet, verursacht die VEGF-A-Bindung nur eine zweifache Erhæhung der Rezeptorkinaseaktivitåt. Der VEGFR-2 wird von VEGF-A mit einer deutlich niedrigeren Affinitåt gebunden. Trotzdem werden viele biologische Effekte, wie Proliferation, Antiapoptose, Migration und vaskulåre Permeabilitåtserhæhung çber diesen Rezeptor vermittelt. Intrazellulår wird hierbei das Rezeptorsignal çber einen PKC/RAS-, MAPK- (ERK1 und ERK2) und einen PI3K/AKT-Signal-Weg weitergegeben (Cross et al. 2003).
2.5.5.1 VEGF und seine Rezeptoren
2.5.5.2 Molekulare Regulation von VEGF-A durch Hypoxie
VEGF bezeichnet eine Gruppe von fçnf homodimeren Glykoproteinen, die an zumindest drei verschiedene Rezeptor-Tyrosinkinasen binden. VEGFA existiert in vier verschiedenen Isoformen, die durch alternatives Spleiûen entstehen. Die unterschiedlichen Isoformen des VEGF-A unterscheiden sich dabei in ihrer Fåhigkeit, an bestimmte Bestandteile der extrazellulåren Matrix wie Heparansulfat zu binden (Houck et al. 1991; Park et al. 1993). Zusåtzlich zu VEGF-A wurden die VEGF B, C, D und der Plazentawachstumsfaktor PIGF beschrieben (Jussila u. Alitalo 2002).
Der molekulare Signalweg, durch den die Hypoxie in Tumorzellen VEGF-A und damit Tumorprogression induziert, wurde eingehend charakterisiert. Zentraler Spieler in diesem System ist der durch Hypoxie induzierbare Transkriptionsfaktor HIF1 (Paul et al. 2004) (Abb. 2.5.3). HIF1 besteht aus der hypoxierregulierten Untereinheit HIF1-a und der konstitutiv exprimierten Untereinheit HIF1-b (¹arylhydrocarbon rezeptor nuclear translocatorª, ARNT) (Semenza 2001). Unter hypoxischen Zustånden bindet HIF1 an die Promotoren von Hypoxie induzierbaren Genen und aktiviert diese.
Abb. 2.5.3. Induktion des VEGFA-Gens durch Hypoxie. HIF: ¹hypoxia inducible factorª, VHL: Von-HippelLindau
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2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms
Hierbei stellt VEGF-A einen Prototyp HIF1-regulierter Gene dar (Forsythe et al. 1996). Unter Normoxie bindet HIF1-a an den Von-Hippel-Lindau(VHL)-Tumor-Suppressor. Diese Interaktion fçhrt zur Ubiquitinierung und zum Abbau von HIF1-a çber das 26S-Proteasom (Cockman et al. 2000; Kamura et al. 2000; Ohh et al. 2000; Tanimoto et al. 2000). Mutationen im VHL-Tumor-Suppressor korrelieren mit der Expression HIF1-abhångiger Gene und finden sich im Nierenzellkarzinom und in Håmangioblastomen (Maxwell et al. 1999; Stebbins et al. 1999). Die Interaktion zwischen dem VHL-Genprodukt und HIF1-a wird hierbei stringent durch posttranslationale Modifikationen reguliert. Erst die Hydroxylierung von HIF1-a in seiner sauerstoffabhångigen Abbaudomåne an den Prolinresten Prolin402 und Prolin564 in der Anwesenheit von Sauerstoff, Eisen und 2-Oxoglutarat durch die HIFProlin-Hydroxylase HPH1-3 låsst eine Bindung an VHL zu (Bruick u. McKnight 2001; Epstein et al. 2001; Metzen et al. 2003). Unter hypoxischen Bedingungen unterbleiben die beschriebenen Modifikationen. Das stabilisierte HIF1-a transloziert in den Kern, in dem es mit HIF1-b an die HypoxieResponse-Elemente HIF-abhångiger Gene bindet (Paul et al. 2004). Die Ûberexpression von HIF1-a wurde fçr eine Reihe von soliden Tumoren, darunter auch das Pankreaskarzinom, demonstriert (Talks et al. 2000; Zhong et al. 1999). Die Expression von VEGF-A ist nicht allein von HIF1 abhångig, sondern wird auch durch onkogenes K-RAS (mutiertes p53), FGF2 (¹fibroblast growth factor 2'' und TGF-b reguliert (Blancher et al. 2001; Meadows et al. 2001; Okada et al. 1998; Yu et al. 2002). Auf transkriptioneller Ebene wurde die Regulation des VEGF-A-Promoters durch die Transkriptionsfaktoren STAT3 und SP1 gezeigt (Shi et al. 2001; Wei et al. 2003).
2.5.5.3 Angiogenese des Pankreaskarzinoms Trotz der Tatsache, dass das Pankreaskarzinom nicht zu den stark vaskularisierten Tumoren gehært, finden sich in diesem Tumor fokale Endothelzellproliferationen. Dementsprechend wurde in einigen Studien eine Korrelation zwischen Gefåûdichte, VEGF-A-Expression und Tumorprogression beschrieben (Ikeda et al. 1999; Itakura et al. 1997; Seo et al. 2000). Dazu wurden Studien zur Angiogenese im Pankreaskarzinom durch die Expression multipler Wachstumsfaktoren, die per se angiogen sind, wie EGF, TGF-a, HGF (¹hepatocyte growth factorª), FGF1, FGF2, FGF5 und PDGF-b (¹platelet-
derived growth factor bª), durchgefçhrt. Da Pankreaskarzinomzellen biologisch aktives VEGF-A sezernieren, VEGFR-1 und VEGFR-2 exprimieren, sich in vitro durch VEGF-A die Proliferation steigern låsst und sich die mitogene Wirkung von mit Pankreaskarzinomzellen konditioniertem Medium auf vaskulåren Endothelzellen durch die Zugabe eines Anti-VEGF-A-Antikærpers inhibieren låsst, ist trotzdem von einer entscheidenden Rolle von VEGF-A auf die Angiogenese des Pankreaskarzinoms auszugehen (Hotz et al. 2001; Itakura et al. 2000; Luo et al. 2001; von Marschall et al. 2000). Die Wirksamkeit einer gegen das VEGF-System gerichteten Therapie unterstçtzt diese Annahme (Korc 2003). Trotzdem existieren alternative/synergistische Angioneogenesewege im Pankreaskarzinom. So fçhrt die Hemmung des EGF-Rezeptors zu einer Suppression der pankreatischen Tumorangiogenese (Bruns et al. 2000). Auch werden die proangiogenen Chemokine wie Mip3a und IL-8 im Pankreaskarzinom çberexprimiert, und die Expression eines læslichen TGF-b RII, der die Angiogenese færdert, zeigt die Komplexitåt der Angioneogenese (Kleeff et al. 1999 b; Le et al. 2000; Rowland-Goldsmith et al. 2001, 2002; Shi et al. 1999).
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2.5 Para- und autokrine Aspekte der Pathogenese des duktalen Pankreaskarzinoms
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2.6 Stærungen der neuro-, immunound endokrinen Regulation in der Nebenniere Holger S. Willenberg, Ilias Vrezas und Stefan R. Bornstein
Inhaltsverzeichnis 2.6.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
2.6.2
Adrenales Stresssystem . . . . . . . . . . . . .
323
2.6.3
Die Nebenniere als funktionelle Einheit . . .
324
2.6.10 Wie erreichen adrenomedullåre Faktoren die Nebennierenrinde? . . . . . . . . . . . . . . 328
2.6.4
Innervation der Nebenniere . . . . . . . . . .
324
2.6.11 Klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 329
2.6.5
Vaskulåre Zellfaktoren . . . . . . . . . . . . . .
326
2.6.12 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
2.6.6
Adrenomedullin . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
2.6.13 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
2.6.7
Intraadrenales CRH/ACTH-System . . . . . .
326
2.6.8
Immunzellen und Zytokine in der Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . .
327
2.6.1 Einleitung Drçsen von Såugetieren besitzen die einzigartige Eigenschaft, diverse endokrin aktive Zelltypen, die unterschiedlichen Keimblåttern entstammen, in einem Organ zu vereinen. So existieren im Pankreas neuroendokrine und exokrine Zellen innerhalb einer Organkapsel und in der Schilddrçse neben follikulåren Schilddrçsenhormon produzierenden Zellen einzelne neuroendokrine C-Zellen, welche Calcitonin sezernieren. Ein anderes typisches Beispiel fçr diese phylogenetische Entwicklung bei Såugern ist das Zusammentreffen von aus dem Mesoderm hervorgegangenen Steroidhormon produzierenden Zellen mit neuroektodermalen Katecholamine produzierenden Zellen in der Nebenniere. Die Hormone beider Gewebe, Steroide und Katecholamine, welche von der Nebenniere produziert und sezerniert werden, spielen eine entscheidende Rolle in der Regulation des arteriellen Blutdrucks, des Energiehaushalts, der Fettgewebe, der Insulinsekretion, des Knochenstoffwechsels und des Immunsystems. Obwohl auf diese Weise der sympathoadrenale und der humorale Schenkel (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse) des Stresssystems in ein gemeinsames Erfolgsorgan inserieren, wurden
2.6.9
Adrenomedullår-adrenokortikale Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
fundamentale Prinzipien der Physiologie, Pharmakologie und Endokrinologie bisher getrennt und unabhångig voneinander betrachtet, wahrscheinlich basierend auf einem individuellen Verståndnis der Regulation dieser hormonellen Systeme. Den offensichtlichen zellulåren und funktionellen Interaktionen dieser beiden endokrinen Systeme innerhalb der Nebenniere wurde ursprçnglich wenig Beachtung geschenkt. Nicht zuletzt durch die Entwicklungen in der Stammzellbiologie und in der Transplantationsmedizin rçckt die Rolle der zellulåren Interaktionen und Kommunikation beider Gewebe mehr und mehr in den Vordergrund.
2.6.2 Adrenales Stresssystem Eine intakte Stressantwort des Organismus auf Herausforderungen durch die Umwelt ist fçr das Ûberleben und die Mæglichkeit des Organismus, sich mit diversen Krankheiten auseinander zu setzen, erforderlich (Chrousos 1995; Bornstein et al. 1998). Die zwei endokrinen Schenkel des Stresssystems, die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und das sympathoadrenomeGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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H. S. Willenberg et al.
Abb. 2.6.1. Wechselwirkungen des Stresssystems mit dem Immunsystem. Der Hauptregulator des Stresssystems CRH aktiviert Neurone des sympathoadrenalen Schenkels, die çber das Nebennierenmark zur Katecholaminfreisetzung fçhren. Auûerdem fçhrt CRH zusammen mit Vasopressin zur Synthese von Proopiomelanocortin, aus dem ACTH durch alternatives Splicing abgespalten und sezerniert wird. ACTH steigert die Synthese von Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Androgenen in der Nebennierenrinde.
Einerseits bedingen Glukokortikoide die Synthese von Katecholaminen, andererseits bedingen Katecholamine die Synthese von Glukokortikoiden. Das Immunsystem nimmt çber die Bildung der Zytokine Interleukin-1 und Interleukin-6 auf einer zentralen Ebene Einfluss auf die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse und auf der peripheren Ebene. Auch der direkte Kontakt zwischen HLAidentischen Lymphozyten und adrenokortikalen Zellen fçhrt zur Synthese von Steroiden
dullåre System, konvergieren in der Peripherie und nutzen dasselbe Effektororgan: die Nebenniere (Abb. 2.6.1). Diverse Untersuchungen mit Zellund Kokultursystemen, in-vitro-Perfusion, transgene Tierstudien und klinische Studien konnten den zellulåren ¹Crosstalkª zwischen den beiden endokrinen Systemen der Nebenniere besser charakterisieren (Bornstein et al. 1998). Ein intrinsisches zellulåres und molekulares intraadrenales Netzwerk ist fçr die intakte Nebennierenfunktion und damit fçr die adåquate Reaktion auf externe Stimuli erforderlich (Ehrhart-Bornstein et al. 1998).
Nebennierenrinde und -mark dçrfen nicht als funktionell unabhångig betrachtet werden. Chromaffine und adrenokortikale Zellen sind auch topographisch nicht scharf getrennt, wie in der Vergangenheit postuliert wurde (Orth et al. 1992). Chromaffine Zellen wurden in allen Zonen der Nebennierenrinde gefunden, sowohl als einzelne versprengte Zellen als auch als Zellnester (Gallo-Payet et al. 1987; Bornstein et al. 1991). Auch das Nebennierenmark ist mit einzelnen Zellen adrenokortikalen Ursprungs durchsetzt. Nebennierenrindenzellen bilden dort Ansammlungen (Zellinseln), kænnen aber auch Kontakt zur Nebennierenrinde aufweisen (Bornstein et al. 1994). Die benachbarte anatomische Lage chromaffiner und kortikaler Nebennierenzellen bildet die Grundlage potentieller Interaktionen und parakriner Regulationsmechanismen zwischen den zwei Zellsystemen (Abb. 2.6.2, 2.6.3).
2.6.3 Die Nebenniere als funktionelle Einheit Ontogenetisch und funktionell besteht die Nebenniere aus zwei distinkten Einheiten, der Nebennierenrinde und dem Nebennierenmark. Das hypophysåre Polypeptid ACTH (adrenokortikotropes Hormon) und Angiotensin II interagieren mit der Nebennierenrinde und wirken modifizierend auf die Glukokortikoid-, Androgen- und Mineralokortikoid-Biosynthese ein. Eingekapselt durch die Nebennierenrinde dienen die chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks als Produktionsståtte der Katecholamine.
2.6.4 Innervation der Nebenniere Sowohl die Nebennierenrinde als auch das Nebennierenmark werden efferent innerviert. Dabei gibt es Erkenntnisse darçber, dass Nervenendigungen direkten Kontakt zu Steroidhormon produzierenden Zellen der Nebennierenrinde aufnehmen (Vin-
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2.6 Stærungen der neuro-, immuno- und endokrinen Regulation in der Nebenniere
Abb. 2.6.2. Immunhistochemie. Chromaffine Zellen (rot) befinden sich zwischen den Zellen der Zona reticularis und in der Zona glomerulosa unter der Nebennierenrindenkapsel. Die Zellen wurden mit einem Antikærper gegen die Tyrosinhydroxylase markiert. (20fache Vergræûerung)
Abb. 2.6.3. Doppelimmunhistochemie. Das Bild zeigt das Vorkommen von Nebennierenrindenzellen im Nebennierenmark. Die chromaffinen Zellen (rot) wurden mit einem Antikærper gegen Synaptophysin markiert und die Rindenzellen (braun) mit einem Antikærper gegen das Zytochrom 17a-Hydroxylase. (40fache Vergræûerung)
son et al. 1994; Toth u. Hinson 1995), beispielsweise durch den Nachweis von vesikelgefçllten Nervenendigungen, welche in direktem Kontakt zur Zona fasciculata stehen (Dorovini-Zis u. Zis 1991). Der Nachweis von Baro- und Chemorezeptoren innerhalb der Nebenniere zeigt, dass wahrscheinlich auch eine afferente Innervation besteht (Niijima u. Winter 1967, 1968). Einige der adrenokortikalen Funktionen werden durch die adrenale Innervation beeinflusst. Beispielsweise fçhrt eine einseitige Adrenalektomie kompensatorisch zur kontralateralen Nebennierenhypertrophie, die durch eine adrenale afferente und efferente Innervation vermittelt werden (Dallman et al. 1977).
Daneben ist bekannt, dass eine chronische Stimulation durch Proopiomelanocortin (POMC) zur Hypertrophie der Nebennierenrinde fçhrt. Da ACTH die Proliferation adrenokortikaler Zellen in vitro hemmt, scheinen N-terminale Fragmente des POMC-Peptids die Proliferation zu vermitteln, wobei eine nebennierenrindenspezifische Protease das POMC-Peptid so spalten kann, dass andere Peptide neben ACTH aus dem Proopiomelanocortin enststehen, die die Proliferation von Nebennierenrindengewebe vermitteln (Estivariz et al. 1982; Fassnacht et al. 2003).
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H. S. Willenberg et al.
2.6.5 Vaskulåre Zellfaktoren Die Anordnung adrenokortikaler Zellen innerhalb der Nebennierenrinde ist derart, dass fast jede einzelne dieser Zellen direkten Kontakt zu Endothelzellen verfçgt. Die Sekretionsprodukte der Endothelzellen kænnen direkten Einfluss auf die Funktion der Nebenniere ausçben, wie z. B. Endothelin-1, welches die Aldosteronsekretion stimuliert (Hinson et al. 1991). Endothelin wirkt çber zwei Rezeptorsubtypen, ETA- und ETB-Rezeptoren (Davenport et al. 1996). Zusåtzlich zu seiner Wirkung auf die Aldosteronsekretion ist Endothelin-1 in der Lage, vermittelt durch den ETB-Rezeptor, auch die Glukokortikoidsynthese und das Wachstum von Nebennierenzellen zu stimulieren (Belloni et al. 1994).
2.6.6 Adrenomedullin Adrenomedullin, ein Peptid aus der CalcitoninGruppe, wurde 1993 aus einem Phåochromozytom isoliert (Kitamura et al. 1993). Auûer Adrenomedullin werden dieser Peptidgruppe neben Calcitonin noch zwei Formen des ¹calcitonin-gene-related peptideª (aCGRP und bCGRP) und das Amylin zugeordnet (Muff et al. 1995). Eine der wichtigsten Rollen des Adrenomedullins ist wahrscheinlich die parakrine Kontrolle des vaskulåren, insbesondere des mikrovaskulåren Tonus (Chu et al. 2001). Die Wirkungen des Adrenomedullins auf das Gefåûsystem werden çber cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) oder NO (Stickstoffmonoxid) vermittelt (Samson 1999). Parallel zu seinen potenten vasodilatatorischen Eigenschaften ist Adrenomedullin auch in die Angiogenese involviert (Nikitenko et al. 2002). Klinische Zustånde, die mit erhæhten Adrenomedullinkonzentrationen im Plasma einhergehen, sind beispielsweise septischer Schock, Myokardinfarkt, Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie (Hinson et al. 2000). Daneben gibt es eine Untersuchung, die Adrenomedullin als Marker fçr eine adenomatæse Proliferation von Nebenschilddrçsen sieht und fand, dass Adrenomedullin bei Patienten mit primårem Hyperparathyreoidismus erhæht war (Letizia et al. 2003). Maligne Zellen kænnen Adrenomedullin sezernieren und die entsprechenden Rezeptoren exprimieren (Miller et al. 1996). Auûerdem beeinflusst Adrenomedullin das Wachstum von Fibroblasten (Hinson et al. 2000).
Adrenomedullin wurde in Nebennieren vor allem in der Aldosteron sezernierenden Zona glomerulosa beschrieben (Kapas u. Hinson 2002). Neuere Daten zeigen auûerdem, dass Adrenomedullin im Wasser- und Elektrolythaushalt (Cao et al. 2003) und in der Proliferation der Zona-glomerulosa-Zellen eine Rolle spielt (Rossi et al 2003).
2.6.7 Intraadrenales CRH/ACTH-System Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse reguliert und steuert die Glukokortikoidsekretion durch CRH (Kortikotropin-releasing-Hormon) und ACTH. CRH çbt aber auch einen direkten Einfluss auf die adrenokortikale Steroidbiosynthese aus. Beim Menschen fçhrte sowohl die Insulinhypoglykåmie als auch die CRH-Applikation zu einer Stimulation der Kortisolsekretion, wobei das Verhåltnis zwischen Kortisol- und ACTH-Erhæhung græûer nach Stimulation mit CRH als mit Insulin war, entsprechend einer relativ hæheren Kortisol- als ACTH-Sekretion, was auf einen direkten Effekt von CRH auf die Nebenniere hindeutet oder auf einen stimulierenden Effekt, der çber andere steroidogene Faktoren vermittelt wird (Azar et al. 1992). Ob ein direkter Einfluss von CRH auf die adrenokortikale Steroidbiosynthese besteht, ist noch ungeklårt. So haben Zellkulturexperimente ergeben, dass CRH keine Wirkung auf adulte isolierte adrenokortikale Zellen ausçbt (van Oers et al. 1992), jedoch die Synthese von DHEA (Dehydroepiandrosteron) in fetalen Nebennierenrindenzellen steigert (Smith et al 1998). Hierbei werden P450-Enzyme der Steroidbiosynthese çber den Proteinkinase-C-Weg aktiviert, der genaue Mechanismus der CRH-Wirkung auf die adrenokortikale Glukokortikoidbiosynthese ist aber noch nicht klar. Indirekte Wirkmechanismen spielen wahrscheinlich eine ebenso groûe Rolle. So stimuliert CRH im Nebennierenmark ACTH, welches als parakriner Mediator der adrenokortikalen CRH-Wirkung dienen kænnte (Fehm et al. 1988). Hierbei sind vermutlich die chromaffinen Zellen, die çber CRH-Rezeptoren angesprochen werden, beteiligt (Willenberg et al. 2000).
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2.6 Stærungen der neuro-, immuno- und endokrinen Regulation in der Nebenniere
2.6.8 Immunzellen und Zytokine in der Nebenniere Das Immunsystem interagiert durch Stimulation der CRH- und ACTH-Sekretion direkt mit der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (Chrousos 1995; Besedovsky u. del Rey 1996). Systemische Konzentrationen von Zytokinen sind nicht hoch genug, um einen signifikanten Einfluss auf die adrenale Funktion ausçben zu kænnen. Sowohl Nebennierenzellen als auch intraadrenal lokalisierte Immunzellen sind aber in der Lage, Zytokine zu produzieren, welche Einfluss auf die Nebennierenfunktion haben. Humane Nebennierenzellen stellen selbst eine Quelle der Synthese von Zytokinen dar. Sie kænnen mRNA und Protein von Interleukin-1 (IL-1), Interleukin-6 (IL-6) und TNF-a (Tumor-Nekrose-Faktor a) exprimieren, wobei die Zytokine hauptsåchlich in den steroidogenen Zellen der Zona reticularis gefunden wurden (Gonzlez-Hernndez et al. 1994, 1995). In der Nebenniere vorhandene Immunzellen kænnen ebenfalls durch die Produktion von Zytokinen Einfluss auf die adrenale Funktion nehmen. Makrophagen produzieren diverse Zytokine (IL-1, IL-6, TNF-a) und Peptide (vasoaktives intestinales Peptid, VIP), die stimulierend oder inhibierend die adrenokortikale Funktion beeinflussen (Dinarello 1992; Ottaway 1991). Lymphozyten sind auch in der Lage, extrahypophysåre ACTH-åhnliche Substanzen zu sezernieren (Woloski et al. 1985), wobei deren systemische Konzentrationen wahrscheinlich nicht hoch genug sind, um einen signifikanten Einfluss auf die adrenale Steroidogenese auszuçben. Die Interleukine IL-1 (Kapcala et al. 1996; Willenberg et al. 1998), IL-2 (Tominaga et al. 1991) und IL-6 (Mastorakos et al. 1993) fçhren zu einer Stimulation der Steroidogenese. Andere Zytokine, wie TNF-a oder Interferon-c (Ilvesmaki et al. 1993), beeinflussen das adrenale Wachstum und/ oder inhibieren die Steroidbiosynthese. Interessanterweise gibt es neben der zytokinvermittelten Regulation adrenaler Zellen auch eine durch den direkten Zellkontakt vermittelte immunoendokrine Interaktion, die gerade bei Inflammation, Immunsuppression und in der Tumorgenese eine Rolle spielen kann (Wolkersdærfer et al. 1999). Der genaue Mechanismus ist jedoch noch nicht bekannt. Neuere Studien haben gezeigt, dass Nebennierenrindenzellen die fçr die unspezifische (angeborene oder ¹innateª) Immunantwort wichtigen Toll-likeRezeptoren exprimieren. Eine Belastung des Organismus mit Bakterientoxinen, z. B. bei Sepsis, fçhrt
deshalb zu einer direkten Steigerung der adrenalen Steroidbiosynthese (Bornstein et al. 2004).
2.6.9 Adrenomedullår-adrenokortikale Interaktionen Die Nebennierenrinde wird einerseits durch hypophysår sezerniertes ACTH reguliert, andererseits aber auch parakrin durch das Nebennierenmark (Ehrhart-Bornstein et al. 1998) (Abb. 2.6.1). Die adrenomedullåren sekretorischen Produkte, Adrenalin und Noradrenalin, stimulieren die Steroidbiosynthese in situ in perfundierten Nebennieren (Bornstein et al. 1990 b) und in vitro in der Primårkultur bei adrenokortikalen Zellen (Haidan et al. 1998), indem die Transkription von Genen, die fçr verschiedene steroidogene Faktoren und Enzyme codieren, gefærdert wird (Ehrhart-Bornstein et al. 1998). Diese kann mit Substanzen, die a-Adrenorezeptoren blocken, gehemmt werden. Somit stimulieren Katecholamine und Neuropeptide, welche von chromaffinen Zellen in græûeren Mengen freigesetzt werden, auf parakrine Weise die adrenokortikale Steroidogenese und sind wahrscheinlich fçr den græûten beobachteten Anteil der Aktivierung der Nebennierenrinde mittels des Nervus splanchnicus verantwortlich (Abb. 2.6.4). Nebennierenmarkzellen kænnen diverse Neuropeptide, wie z. B. Enkephaline, Neuropeptid Y, Neurotensin, Substanz P, Somatostatin und VIP produzieren und sezernieren (Ehrhart-Bornstein et al. 1998). In der normalen humanen Nebenniere haben Katecholamine einen weniger signifikanten Effekt auf die adrenale Steroidogenese. Andererseits werden durch das Nebennierenmark verschiedene Neuropeptide produziert (z. B. VIP, atriales natriuretisches Peptid [ANP], Vasopressin), welche in der Lage sind, die adrenokortikale Steroidogenese zu regulieren. Das Nebennierenmark und intraadrenale Immunzellen sind auch Produktionsståtten von extrahypothalamischem CRH und von extrahypophysårem ACTH. Somit kænnte lokal produziertes ACTH, mæglicherweise stimuliert durch lokal sezerniertes CRH, die adrenale Kortisolproduktion ohne die Mitwirkung hypophysåren ACTH stimulieren. Dennoch spielt lokal produziertes ACTH eine nur untergeordnete Rolle in der Regulation der basalen Kortisolsekretion in kortikochromaffinen Zellkokulturen (Willenberg et al. 2000). In-vitro-Untersuchungen mit Kokulturen boviner adrenomedullårer und adrenokortikaler Zellen lie-
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H. S. Willenberg et al.
Abb. 2.6.4. Das durch CRH in der Hypophyse freigesetzte ACTH bindet an seinen G-Protein-gekoppelten Rezeptor (MC2R) und fçhrt çber die Adenylatcyclase zur Bildung von cAMP und Aktivierung der Proteinkinase A. Daraufhin wird die Synthese von Glukokortikoiden angeschaltet. Andererseits aktiviert CRH Neurone des sympathoadrenalen Systems, die eine Quelle von Neuropeptiden sind und zur Synthese von Katecholaminen fçhren. Katecholamine steigern die Synthese von Glukokortikoiden çber die Bindung an a1-Rezeptoren (a1AR). CRH kann zusåtzlich çber seine Rezeptoren (CRH-1R) an die Nebennierenzellen binden und reguliert zum einen die Katecholaminsynthese in chromaffinen Zellen und zum anderen die Androgensynthese, vor allem in fetalem Nebennierenrindengewebe. Auch sesshafte
Immunzellen wie Makrophagen sind in der Lage, Interleukin-6 (IL-6) zu produzieren. Die Bindung von IL-6 an seinen Rezeptor gp80 in Nebennierenrindenzellen fçhrt zur Homodimerisierung von gp130-Molekçlen. Dieser Vorgang bewirkt eine Aktivierung von Januskinasen (JAK) mit Phosphorylierung der gp130-Molekçle und somit zur Rekrutierung von STAT (¹signal transducers and activators of transcriptionª), welche als Transkriptionsfaktoren agieren kænnen (parakrine Wirkung). Das gebildete Kortisol hemmt die Zytokinproduktion in den Immunzellen. Da IL-6 auch in Nebennierenrindenzellen gebildet wird, kann es nach der Sekretion an seine Rezeptoren auf den Nebennierenrindenzellen selbst wieder binden (autokriner Mechanismus)
ferten Ergebnisse, welche die parakrine Regulation adrenokortikaler Zellen durch chromaffine Zellen aufzeigten. Adrenomedullåre und adrenokortikale Zellen waren in diesen Kokulturen durch semipermeable Membranen getrennt. Es konnte gezeigt werden, dass die chromaffinen Zellen Faktoren sezernierten, welche potente Stimulatoren der adrenalen Steroidogenese waren (Haidan et al. 1998).
ginnend die gesamte Nebennierenrinde durchziehen kænnen. Andere wiederum bilden kleine Zellinseln aus oder sind als vereinzelte Zellen in der Nebennierenrinde versprengt, insbesondere in der Zona fasciculata und reticularis. In der Zona glomerulosa werden chromaffine Zellen im Bereich der subkapsulåren Region aufgefunden, wo sie Zellnester bilden (Bornstein et al. 1991). Die Pråsenz adrenomedullårer chromaffiner Zellen innerhalb der Nebennierenrinde kænnte durch die embryonale Entwicklung der Nebenniere erklårt werden. Humane chromaffine Vorlåuferzellen beginnen in der sechsten Woche der Embryonalentwicklung, das adrenale Primordium zu infiltrieren (Ehrhart-Bornstein et al. 1997). In der Nebennierenrinde lokalisierte chromaffine Zellen kænnten mæglicherweise ihre Migration in Richtung auf die zukçnftige Medulla unterbrochen haben, bevor sie das Zentrum der Drçse erreichten. Andererseits sind einige adrenokortikale Zellen im Nebennierenmark lokalisiert, so dass angenommen werden kann, dass diese Zellen von der subkapsulåren Region nach zentral gewandert sind, mæglicherweise auch entlang der durch die Gefåûeinsprossung gebahnten Wege. Auûerdem wurden Akkumulationen adrenokortikaler Zellen
2.6.10 Wie erreichen adrenomedullåre Faktoren die Nebennierenrinde? Die klassische Auffassung çber die Anatomie der Nebenniere geht von einer strikten Unterteilung des Organs in einen åuûeren Steroidhormon produzierenden Kortex und eine zentrale Medulla aus. Tatsåchlich sind jedoch Nebennierenmark und Nebennierenrinde stark miteinander verflochten (Bornstein et al. 1991). Adrenomedullåre chromaffine Zellen sind innerhalb aller adrenokortikalen Zonen versprengt. Einige formen sogar såulenartige Strukturen, welche vom Nebennierenmark be-
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2.6 Stærungen der neuro-, immuno- und endokrinen Regulation in der Nebenniere
innerhalb des Nebennierenmarks beschrieben, die zum Teil auch Verbindungen zur Nebennierenrinde aufrecht erhalten. In einigen Fållen zeigte das Nebennierenmark ein besonders starkes Ausmaû versprengter kortikaler Zellen, wobei diese Zellen in humanen Nebennieren aus Zellen aller drei adrenokortikalen Schichten bestanden (Bornstein et al. 1994). Ultrastrukturanalysen der Kontaktbereiche in allen drei adrenokortikalen Zonen zeigten, dass adrenokortikale und adrenomedullåre Zellen nicht durch Bindegewebe getrennt waren. Diese enge Verbindung zwischen den zwei Zelltypen bildet die Grundlage zur Ausçbung para- und juxtakriner Interaktionen (Ehrhart-Bornstein et al. 1998). Zusåtzlich zu einer direkten parakrinen Aktion sind einige sekretorische Produkte adrenomedullårer Zellen in der Lage, mittels der interstitiellen Flçssigkeit und der Lymphe, die Nebennierenrinde zu erreichen, wie Untersuchungen an Nebennieren von Katzen zeigten. Kleine Molekçle, wie z. B. Katecholamine, scheinen direkt in Gefåûe einzutreten und auf entferntere adrenokortikale Zellen einzuwirken. Græûere Molekçle, wie z. B. Neuropeptide und Proteine, kænnten in die Lymphe gelangen und darçber adrenokortikale Zellen erreichen (Fehm et al. 1988). Untersuchungen an hypophysektomierten Patienten und an Tiermodellen zeigten, dass die adrenokortikale Funktion auch in Abwesenheit von hypophysårem ACTH stimuliert werden kann (Bornstein et al. 1990 a). Intraadrenale Interaktionen und die trophe Wirkung anderer Peptide, wie z. B. von Zytokinen oder Neuropeptiden, kænnten fçr diese residuale adrenokortikale Funktion verantwortlich sein.
2.6.11 Klinische Bedeutung Eine Stærung der Zell-Zell-Kommunikation innerhalb der Nebenniere und der Nebenniere mit an ihrer Regulation beteiligten Organen hat eine Bedeutung in der Pathophysiologie, sowohl bei klassischen Erkrankungen der Nebenniere als auch bei entzçndlichen, metabolischen und zentralen Stærungen. Somit kænnen gestærte Interaktionen zwischen den endokrinen Schenkeln des Stresssystems in der Nebenniere weit reichende klinische Konsequenzen haben. Basierend auf unseren Beobachtungen, dass 21-Hydroxylase(cyp21)-defiziente Måuse substanzielle Verånderungen in der Entwicklung
und Funktion des Nebennierenmarks zusåtzlich zur Dysfunktion der Nebennierenrinde zeigten (Bornstein et al. 1999 b), wurde in unserer Arbeitsgruppe die Funktion des Nebennierenmarks bei Patienten mit adrenogenitalem Syndrom (AGS) aufgrund eines CYP21-Gen-Defektes analysiert. Trotz adåquater Substitution mit Glukokortikoiden zeigten 40 der Patienten mit AGS eine Stærung der Katecholaminbiosynthese. Ebenso hatten Patienten mit einem Morbus Addison eine erniedrigte Ausscheidung von Katecholaminen im Urin. Die Analyse von Nebennieren dreier Patienten mit AGS zeigte eine fehlende Zonierung und Verminderung in der Anzahl von sekretorischen Granula in den chromaffinen Zellen (Merke et al. 2000). Interessanterweise zeigte sich dabei keine kompensatorische Steigerung der Noradrenalinsekretion, wie dies bei Patienten mit bilateraler Adrenalektomie beobachtet wurde. Hieraus låsst sich schlieûen, dass eine intakte adrenokortikale Funktion nicht nur fçr die Induktion spezifischer Enzyme der Katecholaminbiosynthese wichtig ist, sondern dass auch eine generalisierte Stærung der Katecholaminbiosynthese infolge einer Missbildung des Nebennierenmarks die Folge dieser kongenitalen Erkrankung ist. Dieses Phånomen steht im Einklang mit der klinischen Beobachtung, dass Patienten mit besonders niedrigen Katecholaminkonzentrationen im Plasma håufig mit hypotensiven Ereignissen konfrontiert werden. Dies wçrde bedeuten, dass eine Dysfunktion des Nebennierenmarks von Patienten mit CYP21-Defekt eine wichtige Rolle beim plætzlichen Auftreten von kardiovaskulåren Komplikationen bei adrenalen Krisen spielt. Untersuchungen an cyp21-defizienten Måusen haben gezeigt, dass eine Stærung sowohl der Nebennierenrinde als auch des Nebenierenmarks mit Hilfe der adenoviralen Gentherapie mit dem humanen CYP21-Gen im Gegensatz zur konventionellen Substitutionstherapie wieder rçckgångig gemacht werden konnte (Tajima et al. 1999). Damit wird die Bedeutung der lokalen Interaktionen zwischen den beiden endokrinen Stresssystemen in der Nebenniere auch in vivo transparent. Hieraus kann geschlossen werden, dass adrenokortikale Erkrankungen, wie z. B. der Morbus Addison oder die kongenitale Nebennierenhyperplasie, mit einer schwerwiegenden Stærung der Funktion der adrenalen chromaffinen Zellfunktion, der Katecholaminbiosynthese und der kardiovaskulåren Stabilitåt assoziiert sind (Glasow et al. 1996; Merke et al. 2000). Zellulåre Interaktionen zwischen Nebennierenrinde und -mark haben besondere Bedeutung in pa-
329
330
H. S. Willenberg et al.
thologischen Verånderungen innerhalb der Nebennierenrinde. Oft scheinen adrenokortikale Adenome aus innerhalb des Nebennierenmarks lokalisierten kortikalen Inseln hervorzugehen. Inwieweit hier die parakrine Kontrolle verloren gegangen ist oder andere Mechanismen gestært sind, ist noch unklar. Gelegentlich liegt der Fehler auch innerhalb der Zellen des Nebennierenmarks. Bei ektoper (Ûber-) Produktion von Peptiden, die kortikotroph oder steroidogen wirken, wie z. B. ACTH oder Vasopressin, kann hier ein ACTH-abhångiges Cushing-Syndrom entstehen. Nebennierenmarktumore wie Phåochromozytome kænnen solche Eigenschaften erwerben und vor allem Peptide wie ACTH ektop synthetisieren und sezernieren (Vrezas et al. 2003). Wie es zu dieser klinisch beobachteten Stærung kommt, ist jedoch nicht bekannt. Die Øtiopathogenese des ACTH-unabhångigen Cushing-Syndroms ist ebenfalls noch in weiten Strecken ungeklårt. Mutationen in Proteinen, welche mit der Signaltransduktion, mit der Steroidbiosynthese oder mit lokalen Mechanismen der Zellregeneration und/oder mit Tumorsuppressorgenen interferieren, wurden diskutiert (Bornstein et al. 1999 a). Mutationen, die verschiedene Komponenten der Signaltransduktion des Proteinkinase-A-Wegs betreffen, kænnen zur gesteigerten Steroidbiosynthese oder/und zur Tumorgenese fçhren. Der Verlust der Heterozygotie ist, wenn die Allele des MC2-(ACTH)-Rezeptors betroffen sind, mit der Malignitåt adrenaler Karzinome assoziiert (Reincke et al. 1997). Aktivierende Mutationen spielen bei adrenalen Hormonexzesssyndromen jedoch keine Rolle (Bornstein et al. 1999 a). Gut charakterisiert sind die aktivierenden Mutationen im Gsa-Protein bei McCune-Albright-Syndrom oder die inaktivierenden Mutationen im PRKAR1A-Gen, die zu Hyperkortisolismus und adrenaler Tumorgenese fçhren. Auch andere G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wurden identifiziert, die bei ektoper Expression oder eutoper Ûberexpression Anschluss an den cAMP/Proteinkinase-A-Signal-Transduktionsweg gewinnen kænnen und Hormonexzesssyndrome und Tumorentstehung bedingen: GIP(gastrisches inhibirendes Polypeptid)-Rezeptor, Vasopressinrezeptor, b1-Adrenorezeptor, LH/hCG(luteinisierendes Hormon/humanes Choriongonadotropin)-Rezeptor, Prolaktinrezeptor, Serotoninrezeptor und der Thyreoid-stimulierendes-Hormon-(TSH)Rezeptor (Ûbersicht in Lacroix et al. 2001). Bei diesen Fållen steht die Steroidogenese unter einem hormonellen oder neuropeptidergen Stimulus, der dem direkten negativen Feedback durch Glukokortikoide nicht mehr unterliegt.
Mæglicherweise sind weitere Sekretionsprodukte des Nebennierenmarks bei pathologischen Verånderungen innerhalb der Nebennierenrinde involviert. Stærungen des Nebennierenmarks und des neuroendokrin-adrenokortikalen Systems, insbesondere die aberrante oder verstårkte Expression von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren auf adrenokortikalen Zellen, sind an der adrenalen Tumorgenese, der Entstehung des Cushing-Syndroms und des subklinischen Hyperkortisolismus beteiligt (Lacroix et al. 2001). Aber auch Zytokine wie IL-1 oder TNF-a, die ihre Wirkungen çber mitogenaktivierte Protein(MAP)-Kinasen entfalten und Transkriptionsfaktoren wie NF-jB oder AP-1 aktivieren, sind in der Lage, Proliferation und Steroidbiosynthese von der physiologischen Kontrolle zu entkoppeln, wenn ihre Rezeptoren çberexprimiert werden (Willenberg et al. 1998). Die klinische Bedeutung des Crosstalks zwischen Nebennierenmark und Nebennierenrinde reicht jedoch weit çber das Gebiet der adrenalen Erkrankungen hinaus. Die Langzeitgabe von Glukokortikoiden fçhrt çber die Suppression der CRH- und ACTH-Synthese zur Inaktivitåt der Nebennierenrinde und niedrigen intraadrenalen Kortisolspiegeln, dem ein signifikanter Abfall der adrenomedullåren Katecholaminproduktion folgt. Dies sollte insbesondere bei Patienten mit Sepsis, Asthma bronchiale und Autoimmunerkrankungen, beachtet werden, wo eine intakte und koordinierte Wirkung beider Hormone von Belang ist (Galon et al. 2002; Bornstein und Briegel 2003). Zahlreiche Zytokinantagonisten, CRH-Rezeptor-Antagonisten, Adipozytokine und Neuropeptide, welche modulierend sowohl auf die Funktion der HypothalamusHypophysen-Nebennieren-Achse als auch auf das autonome Nervensystem einwirken, sind in pråund klinischen Studien bereits fçr diverse Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Vaskulitis, Depression und Adipositas im Einsatz. Obwohl die Transplantation parathyreoidalen Gewebes bereits erfolgreich durchgefçhrt wurde, ist die Transplantation adrenokortikalen Gewebes problematisch. Es konnte gezeigt werden, dass adrenale Zellen nach subkutaner Transplantation in der Lage waren, sowohl Kortisol als auch Aldosteron zu sezernieren. Dennoch ist im Mausmodell die Transplantation von Nebennierenrindenzellen unter die Nierenkapsel erfolgreicher als unter die Haut. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Verlust der råumlichen Beziehung zwischen adrenalen Zellen und der adrenalen Zellschichten (Zonen) ein groûes Problem bei der Transplantation adrenalen Gewebes
a
2.6 Stærungen der neuro-, immuno- und endokrinen Regulation in der Nebenniere
ist, was von entscheidender Bedeutung fçr die Regulation der endokrinen Funktion sein kænnte. Die Kenntnis der zellulåren Wechselwirkungen und der funktionellen Zusammenhånge zwischen adrenokortikalen und adrenomedullåren zellulåren und molekularen Zellsystemen ist daher von groûer Relevanz zur Beurteilung eines weiten Spektrums von Erkrankungen in der klinischen Medizin.
2.6.12 Zusammenfassung Innerhalb der Nebenniere besteht eine enge zellulåre Interaktion des adrenokortikalen und chromaffinen Zellsystems, wobei Stærungen der Nebennierenrinde die Funktion des Nebennierenmarks beeintråchtigen und umgekehrt. Die intakte Kommunikation der beiden Systeme innerhalb der Nebenniere, aber auch die Wechselwirkung mit dem Gefåû- und Immunsystem, ist Voraussetzung fçr eine gute Funktion des gesamten Stresssystems. Auûerdem trågt ein Ungleichgewicht dieser bidirektionalen Wechselwirkung zur Entstehung oder Verschlechterung einer Vielzahl pathologischer Zustånde und Krankheitsbilder bei bzw. kann auch deren Folge sein.
2.6.13 Literatur Azar ST, Turner A, Melby JC (1992) Corticotropin-independent effect of ovine corticotropin-releasing hormone on cortisol release in man. Am J Med Sci 303: 217±221 Belloni AS, Rossi GP, Zanin L, Prayer-Galetti T, Pessina AC, Nussdorfer GG (1994) In vitro autoradiographic demonstration of endothelin-1 binding sites in the human adrenal cortex. Biomed Res 15: 95±99 Besedovsky HO, del Rey A (1996) Immune-neuro-endocrine interactions: facts and hypotheses. Endocr Rev 17: 64±102 Bornstein SR, Briegel J (2003) A new role for glucocorticoids in septic shock: balancing the immune response. Am J Respir Crit Care Med 167(4): 485±486 Bornstein SR, Ehrhart M, Scherbaum WA, Pfeiffer EF (1990 a) Adrenocortical atrophy of hypophysectomized rats can be reduced by corticotropin-releasing hormone (CRH). Cell Tissue Res 260(1): 161±166 Bornstein SR, Ehrhart-Bornstein M, Scherbaum WA, Pfeiffer EF, Holst JJ (1990 b) Effects of splanchnic nerve stimulation on the adrenal cortex may be mediated by chromaffin cells in a paracrine manner. Endocrinology 127(2): 900±906 Bornstein SR, Ehrhart-Bornstein M, Usadel H, Bæckmann M, Scherbaum WA (1991) Morphological evidence for a close interaction of chromaffin cells with cortical cells within the adrenal gland. Cell Tissue Res 265: 1±9 Bornstein SR, Gonzlez-Hernndez JA, Ehrhart-Bornstein M, Adler G, Scherbaum WA (1994) Intimate contact of chro-
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3.1 Kardiovaskulåres Remodeling Johann Bauersachs und Georg Ertl
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
3.1.3.1 Endothelin und kardiovaskulåres Remodeling
3.1.2 Angiotensin-Aldosteron-System . . . . . . . . 3.1.2.1 Kardiovaskulåres Angiotensin-System und Remodeling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Kardiovaskulåre Aldosteronbildung und -wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3 Aldosteron und kardiovaskulåres Remodeling
337
3.1.4 Stickstoffmonoxid . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 3.1.4.1 Kardiale NO-Bildung und -Wirkung . . . . . . 344 3.1.4.2 NO und kardiovaskulåres Remodeling . . . . . 346
338 340
Endothelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
3.1.1
3.1.3
337
3.1.1 Einleitung Der Begriff kardiales Remodeling (Pfeffer u. Braunwald 1990) beschreibt die Umbauprozesse des Herzens unter pathophysiologischen Bedingungen nach einem Myokardinfarkt oder bei anderen Erkrankungen, die zur Herzinsuffizienz fçhren kænnen. Wåhrend es in der Frçhphase nach Myokardinfarkt zur Nekrose des ischåmischen Myokards mit konsekutiver Narbenbildung kommt, treten im Langzeitverlauf bei nicht direkt vom Infarkt betroffenem Myokard Verånderungen auf, die zunåchst als Heilungs- und Anpassungsvorgånge aufzufassen sind (Ertl et al. 1998; Jessup 2003). Die Ausdçnnung und Dilatation der infarzierten Myokardwand kann frçh (Tage bis Wochen) in der Postinfarktphase zur Infarktexpansion fçhren; das spåte Remodeling (Monate bis Jahre) wird verursacht durch eine strukturelle Umgestaltung des çberlebenden Myokards, welche durch Myozytenhypertrophie, interstitielle Fibrose, apoptotischen Kardiomyozytenverlust sowie Dilatation and Verformung der Herzkammer charakterisiert ist (Sutton u. Sharpe 2000). Ønderungen der Kollagenmatrix fçhren zu gestærter Relaxation, zur Arrhythmieneigung und zur progressiven diastolischen und systolischen Dysfunktion (Sutton u. Sharpe 2000; Weber 1997).
342
347
3.1.5
Vaskulåres Remodeling bei Herzinsuffizienz
3.1.6
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
Das kardiale Remodeling ist von græûter klinischer Bedeutung, da klar gezeigt wurde, dass eine linksventrikulåre Dilatation als nichtinvasives Maû des linksventrikulåren Remodelings auch bei asymptomatischen Patienten nach Myokardinfarkt mit der Entwicklung einer chronischen Linksherzinsuffizienz, dem Auftreten von Herzrhythmusstærungen und dem vorzeitigen, håufig plætzlichen Herztod verbunden ist (Abb. 3.1.1) (Cohn et al. 2000; Gaudron et al. 2001). Øhnliche Umbauprozesse wie nach Myokardinfarkt sind bei der Herzinsuffizienz nichtischåmischer Genese zu beobachten, beispielsweise bei dilatativer Kardiomyopathie oder beim Ûbergang von hypertensiv bedingter Herzhypertrophie zur Herzinsuffizienz (Hoshijima u. Chien 2002). Diese Entwicklung ist von håmodynamischen und neurohumoralen Verånderungen sowie progredienten morphologischen Verånderungen des Herzens charakterisiert, welche in enger Beziehung zueinander stehen. Zu den håmodynamischen Verånderungen gehæren eine Zunahme des linksventrikulåren Fçllungsdrucks, eine Abnahme der globalen Ejektionsfraktion sowie eine Zunahme des systemischen Gefåûwiderstandes. Der Begriff der neurohumoralen Aktivierung beschreibt die bei Herzinsuffizienz auftretende Stimulation endokriner bzw. neuroendokriner Sekretion, aber auch para- bzw. autokriner Prozesse, welche entscheidend zur Progression Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
336
J. Bauersachs und G. Ertl
Abb. 3.1.1 Einfluss der linksventrikulåren Dilatation auf das Ûberleben nach Myokardinfarkt. Patienten, welche nach einem Herzinfarkt eine Erweiterung der linken Herzkammer ausbilden, haben eine signifikant reduzierte Ûberlebensrate im Vergleich zu Patienten ohne Dilatation
Abb. 3.1.2. Circulus vitiosus des linksventrikulåren (LV) Remodelings. Durch die reduzierte Auswurfleistung des Herzens nach einer Schådigung kommt es zur Aktivierung neurohumoraler Systeme, die am Herzen selbst zu einer Ønderung des Genexpressionsmusters und Reaktivierung embryonaler Gene fçhrt. Exemplarisch sind einzelne der Gene
genannt. (ANF: atrialer natriuretischer Faktor, CaATPase: sarkoplasmatische Kalzium-ATPase). Charakteristisch fçr die resultierenden Umbauprozesse am Herzen sind die Hypertrophie und Fibrose des çberlebenden Myokards sowie eine Dilatation des linken Ventrikels, die zur weiteren Verminderung der Auswurfleistung fçhren
der Herzinsuffizienz beitragen. Insbesondere ist die neurohumorale Aktivierung charakterisiert durch erhæhte Plasmakonzentrationen von Katecholaminen, natriuretischen Peptiden, Vasopressin, Angiotensin sowie Endothelin. Wåhrend lange davon ausgegangen wurde, dass das Herz im Rahmen des Remodelings das Zielorgan dieser systemisch freigesetzten neurohumoralen Mediatoren ist, zeigen jçngere Ergebnisse, dass auch eine lokale Aktivierung kardialer neurohumoraler Systeme an Strukturverånderungen des Herzens beteiligt ist (Abb. 3.1.2). Im Folgenden werden verschiedene Aspekte autokriner und parakriner Mechanismen des kardio-
vaskulåren Remodelings beschrieben, die zum progredienten Remodeling beitragen. Da im Myokard verschiedene Zelltypen, insbesondere Kardiomyozyten und Kardiofibroblasten, aber auch Endothelzellen und glatte Muskelzellen der Gefåûe in engster Verbindung zueinander stehen, ist die Dissektion der molekularen Mechanismen, welche das kardiale Remodeling steuern, åuûerst schwierig. Hinzu kommt, dass die molekulare Steuerung dieser Prozesse zeitabhångig ist, dass also bestimmte Gene und ihre Produkte nur passager von Bedeutung sind (siehe auch Hoshijima u. Chien 2002). Klar ist jedoch, dass es beim kardialen Remodeling zu einer Reaktivierung fætaler Genexpressionsmuster
a kommt, die eine entscheidende Rolle fçr die maladaptiven Mechanismen spielt (vgl. folgende Ûbersicht). Hierbei sind sowohl zytoskeletale Proteine wie b-MHC (¹myosin heavy chainª), als auch sezernierte Proteine wie BNP (¹B-type natriuretic peptideª) betroffen, welche z. B. nach einem Myokardinfarkt im linken Ventrikel verstårkt exprimiert werden (Fraccarollo et al. 2002 a, 2003). Darçber hinaus werden auch fætale Muster im Metabolismus wichtiger Proteine reaktiviert, z. B. wird die Kreatinkinase MB und BB verstårkt exprimiert (Laser et al. 1996; Neubauer et al. 1998). Ønderung des Genexpressionsmusters beim kardialen Remodeling (Auswahl) Hochregulation · Sezernierte Proteine: ± ANF (atrialer natriuretischer Faktor) ± BNP (B-type natriuretic peptide) ± Angiotensin ± ACE (Angiotensinkonversionsenzym) ± Aldosteronsynthase ± Endothelin ± TGF-b (¹transforming growth factorª) ± TNF-a (Tumor-Nekrose-Faktor) · Zytoskeletale/Matrixproteine: ± b-MHC (¹myosin heavy chainª) ± Troponin C ± ¹Skeletal a-actinª ± ¹Smooth muscle a-actinª ± Kollagen ± MMP (Matrixmetalloproteinasen) · Metabolismus: ± Kreatinkinase MB, BB ± Anaerobe LDH(Laktatdehydrogenase)Isoenzyme ± Superoxiddismutase 2 · Signaling: ± Angiotensin(AT1)-Rezeptor ± Mineralokortikoidrezeptor ± Endothelinrezeptor ± HSP 70 (¹heat shock proteinª) ± Adenylylcyclase VII Herunterregulation · SERCA2 (sarkoplasmatische Kalzium-ATPase) · Phospholamban · Mitochondriale Kreatinkinase · Ryanodinerezeptor
3.1 Kardiovaskulåres Remodeling
3.1.2 Angiotensin-Aldosteron-System Neben der systemischen Aktivierung des ReninAngiotensin-Aldosteron-Systems zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass bei kardiovaskulåren Erkrankungen wie Hypertonie, Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz das Herz und die Gefåûe nicht nur Ziel der erhæhten Angiotensin- und Aldosteronplasmaspiegel sind, sondern auch selbst Angiotensin und Aldosteron generieren kænnen (Delcayre u. Silvestre 1999; Dzau et al. 2002). Die Bedeutung des gewebeståndigen Angiotensinsystems mit Synthese und auto-/parakriner Wirkung von Angiotensin in Herz und Gefåûen durch in diesem Gewebe exprimiertes Angiotensin-converting-Enzym (ACE) ist schon seit långerem bekannt. Da die (patho)physiologischen Grundlagen sowie seine Rolle fçr das kardiovaskulåre Remodeling kçrzlich in einem Ûbersichtsartikel gewçrdigt wurden (Dzau et al. 2002), wird im Folgenden vor allem auf die auto-/parakrine Wirkung von Aldosteron im kardiovaskulåren System eingegangen.
3.1.2.1 Kardiovaskulåres Angiotensin-System und Remodeling Die Zink-Metallopeptidase ACE spaltet Angiotensin I zu dem starken Vasokonstriktor Angiotensin II. Darçber hinaus inaktiviert ACE den Vasodilatator Bradykinin. Wåhrend ursprçnglich die ACEAktivitåt im Plasma gemessen wurde, ist das ACE primår auf dem Endothel aller Blutgefåûe exprimiert, wobei die Lungen als entscheidender Teil des zirkulierenden Angiotensinsystems angesehen werden (Ng u. Vane 1968). Darçber hinaus ist das ACE auch im nichtendothelialen Parenchym verschiedener Organe wie Niere und Herz exprimiert. Die Bedeutung des gewebeståndigen ACE im Vergleich zum plasmatischen ACE wurde in mutanten Mausmodellen demonstriert (Bernstein 1998). Bei Fehlen des Gewebe-ACE haben diese Tiere eine Hypotension. Im Herzen ist die lokale Expression des ACE unter physiologischen Bedingungen gering, steigt jedoch nach kardialer Schådigung und insbesondere nach Myokardinfarkt stark an (Hirsch et al. 1991; Schunkert et al. 1990), wobei die erhæhte Wandspannung der entscheidende Stimulus der Induktion zu sein scheint. Wåhrend das ACE unter physiologischen Bedingungen vor allem im Endothel der kleineren Arterien und Arteriolen zu finden ist, erfolgt im Rahmen des kardialen Remode-
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lings auch eine Induktion in Kardiomyozyten und Fibroblasten (Falkenhahn et al. 1995). Ein autokriner Mechanismus der Angiotensinsekretion nach ACE-Induktion in Kardiomyozyten scheint auch bei der Hypertrophieentwicklung eine Rolle zu spielen (Sadoshima et al. 1993). Darçber hinaus wird ACE auch in einwandernden inflammatorischen Zellen wie Makrophagen nach kardialer Schådigung exprimiert, welche so zu den angiotensinvermittelten Effekten beitragen. Angiotensin II stimuliert die kardiale Hypertrophie sowohl in vivo als auch in isolierten Kardiomyozyten (Baker u. Aceto 1990). Dass die effizientere Hemmung des Gewebe-ACE mit einer besseren Hypertrophiepråvention verbunden war, gibt einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung des lokalen ACE (Ruzicka u. Lefnen 1995). Angiotensin II ist auûerdem ein potenter Stimulus der kardialen Fibrose, es ist mitogen in kardialen Fibroblasten (Schorb et al. 1993), welche nach Myokardinfarkt eine erhæhte Expression des AngiotensinTyp-1-Rezeptor(AT1)-Rezeptors aufweisen (Staufenberger et al. 2001). Zum negativen Effekt des ACE auf das kardiale Remodeling tragen auch die vaskulåren Effekte bei, insbesondere wird die endotheliale Funktion der kardialen wie auch der peripheren Gefåûe durch Angiotensin-II-stimulierte Superoxidbildung und damit reduzierte NO-Bioverfçgbarkeit (s. unten) beeintråchtigt (Bauersachs et al. 1999; Mulder et al. 1996; Schåfer et al. 2004). Zahlreiche experimentelle und klinische Studien zeigten eine positive Beeinflussung des linksventrikulåren Remodelings nach Myokardinfarkt und eine Verbesserung der Ûberlebensrate durch ACEHemmer (Pfeffer et al. 1985; Pfeffer et al. 1992). Wåhrend ursprçnglich die vasodilatierende Komponente der ACE-Hemmung im Vordergrund stand, zeigten experimentelle Studien nach aortaler Konstriktion, dass die direkte Beeinflussung des kardialen ACE essentiell fçr antihypertrophe/ antifibrotische Effekte ist (Weinberg et al. 1994). Ein weiterer Beleg fçr die Bedeutung des lokalen ACE ergibt sich aus Studien, die eine Verbesserung des Ûberlebens nur bei Patienten zeigten, bei denen unter ACE-Hemmung das Remodeling und insbesondere die Dilatation des linken Ventrikels verhindert wird (Ertl et al. 1996; St John Sutton et al. 1994). ACE-Hemmung verbessert darçber hinaus die Endothel- und Endokardfunktion im Herzen, was zur positiven Beeinflussung von kardialem Remodeling und Funktion beitrågt (Qi et al. 1999).
3.1.2.2 Kardiovaskulåre Aldosteronbildung und -wirkung Das Mineralokortikoid Aldosteron wird produziert in der Zona glomerulosa der Nebenniere, stimuliert durch Angiotensin II, Adrenokortikotropin und Kalium. Aldosteron wirkt hauptsåchlich in Epithelzellen der Nephrone der Nieren. Zirkulierendes Aldosteron diffundiert çber die Plasmamembran und bindet am inaktiven zytoplasmatischen Mineralokortikoidrezeptor. Nach Bindung transloziert der ligandenaktivierte Mineralokortikoidrezeptor in den Kern, und induziert die Expression der sog. ¹serum and glucocorticoid inducible kinaseª (sgk) (Chen et al. 1999). Die Induktion der Proteinexpression verschiedener Gene fçhrt dann zur Kaliumausscheidung und Absorption von Na+-Ionen (und konsekutiv Wasser) durch epitheliale Natriumkånåle (Bhargava et al. 2001). Neuere Studien zeigen, dass Mineralokortikoidrezeptoren nicht nur in Epithelzellen vorhanden sind, sondern auch im Gehirn (Gomez-Sanchez et al. 1997), den Blutgefåûen und dem Herzen (Abb. 3.1.3). Im Gefåûsystem konnten Mineralokortikoidrezeptoren in Endothel- und glatten Muskelzellen lokalisiert werden (Lombes et al. 1992), im Herzen wurde der Mineralokortikoidrezeptor in Myozyten, Endothelzellen und Fibroblasten beschrieben (Kayes-Wandover u. White 2000; Lombes et al. 1995, 1992; Stockand u. Meszaros 2003). In Zielgeweben der Mineralokortikoide werden Glukokortikoide (Kortisol and Kortikosteron), die potentielle Liganden fçr den Mineralokortikoidrezeptor sind und die in viel hæheren Konzentrationen als Aldosteron zirkulieren, rasch durch die 11b-Hydroxysteroiddehydrogenase-2 zu den inaktiven Metaboliten Kortison and 11-Dehydrokortikosteron konvertiert. Dies erst ermæglicht eine spezifische Aldosteronwirkung am Mineralokortikoidrezeptor. Die simultane Expression des Mineralokortikoidrezeptors und der 11b-Hydroxysteroiddehydrogenase-2 im menschlichen Herzen macht eine spezifische kardiale Aldosteronwirkung wahrscheinlich (Kayes-Wandover u. White 2000; Lombes et al. 1995; Slight et al. 1996). In nichtepithelialen Zellen scheinen Glukokortikoide auûerdem eher als Antagonisten am Mineralokortikoidrezeptor zu wirken. Dies wurde kçrzlich an transgenen Måusen beståtigt, welche die 11b-Hydroxysteroiddehydrogenase-2 in Kardiomyozyten çberexprimieren (Qin et al. 2003). Diese Tiere zeigten eine exzessive Herzhypertrophie und -fibrose sowie eine Herzinsuffizienz, welche durch den selektiven Mineralokortikoidrezeptorantagonisten Eplerenon
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3.1 Kardiovaskulåres Remodeling
Abb. 3.1.3. Regulation der Aldosteronsynthese und -wirkung. Angiotensin II (Ang II) und Kalium (K+) fçhren zur Erhæhung der intrazellulåren Kalzium(Ca2+)-Konzentration, wåhrend ACTH cAMP erhæht. Phosphorylierung von CREB (¹cAMP response element-binding proteinª) fçhrt zur Bindung an CRE (¹cAMP response elementª) und zur Aktivierung der Expression des Aldosteronsynthase-Gens. Freigesetztes Aldosteron bindet in der Zielzelle an den intrazellulåren Mineralokortikoidrezeptor (MR), welcher daraufhin in den Kern transloziert und nach Bindung an HRE (¹hormone response elementª) die Expression der Aldosteron-induzierten Gene steuert. Kortikosteron kann ebenfalls den MR binden und aktivieren. Die Spezifitåt der Zielzelle fçr Aldosteron ergibt sich aus der Expression der 11b-Hydroxysteroiddehydrogenase-2 (11b-HSD2), welche Glukokortikoide in nicht MRaktivierende Metabolite umwandelt. Weitere Abkçrzungen: Em: Membranpotential, PKA: Proteinkinase A, IP3: Inositoltriphosphat; CaMK: Calmodulinkinase. (Mod. nach Delcayre et al. 2000)
verhindert werden konnte. Daher scheint in Kardiomyozyten eine Entfernung der ståndigen hemmenden Wirkung der Glukokortikoide am Mineralokortikoidrezeptor eine Aktivierung durch Aldosteron zu ermæglichen. Neben dem Mineralokortikoidrezeptor werden auch die Enzyme der Aldosteronbiosynthese in extraadrenalen Geweben wie Gefåûwand (Hatakeyama et al. 1994) und Myokard exprimiert (KayesWandover u. White 2000; Silvestre et al. 1998). Dies ermæglicht die kardiovaskulåre De-novo-Produktion von Aldosteron, welches dann in einer auto-/parakrinen Weise zur Wirkung kommen kann. Die humane Gefåûwand exprimiert CYP11B1 (11b-Hydroxylase, welche den letzten Schritt der Glukokortikoidsynthese katalysiert) und CYP11B2 (Aldosteronsynthase, das Schlçsselenzym der Aldosteronbiosynthese) (Takeda et al. 1996). Die vaskulåre Aldosteronsynthese unter pathophysiologischen Bedingungen ist assoziiert mit endothelialer Dysfunktion and oxidativem Stress (Bauersachs et al. 2002 b; Schåfer et al. 2003; Schmidt et al. 2003; Struthers 2002). Auûerdem trågt die vaskulåre Al-
dosteronbildung zur Ausbildung einer Gefåûhypertrophie und Hypertonie bei Ratten bei (Takeda et al. 1997). Die Genexpression von CYP11B2, CYP11B1 und die Produktion von Aldosteron, Kortikosteron und ihrem Vorlåufer Deoxykortikosteron wurde im Rattenherzen nachgewiesen unter der Regulation durch Angiotensin II, Adrenokortikotropin und Kalium wie in der Nebennierenrinde (Silvestre et al. 1998). Erhæhte Spiegel von Aldosteron, der CYP11B2-GenExpression und der Aldosteronsynthaseaktivitåt in Herzen von hypertensiven Ratten (¹stroke-prone hypertensive ratsª) weisen darauf hin, dass die lokale Synthese von Aldosteron eine wichtige Rolle fçr die Regulation der kardialen Funktion und der Hypertrophie bei Hypertonie spielt (Takeda et al. 2000). Nach Myokardinfarkt bei der Ratte waren die myokardiale Aldosteronbildung und die CYP11B2-Expression stark erhæht (Silvestre et al. 1999). Eigene Studien bei Ratten mit långer zurçckliegendem groûem Myokardinfarkt zeigten, dass neben CYP11B2 auch die myokardiale Expression des Mineralokortikoidrezeptors deutlich anstieg (Abb.
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Abb. 3.1.4 a, b. Myokardiale Expression der Aldosteronsynthase und des Mineralokortikoidrezeptors nach Myokardinfarkt. Nach Koronarligatur an der Ratte mit resultierendem chronischem groûem bzw. extensivem Myokardinfarkt war die mRNA-Expression der Aldosteronsynthase (CYP11B2) (a) bzw. des Mineralokortikoidrezeptors (MR) (b) im linken Ventrikel signifikant erhæht im Vergleich zu sham-operierten Tieren
3.1.4 a, b) (Christ et al. 2000). Bei Patienten mit Herzinsuffizienz sind die CYP11B2-Expression und die Aldosteronsynthese ebenfalls hochreguliert (Yoshimura et al. 2002; Young et al. 2001). Erhæhte Aldosteronspiegel in der groûen Herzvene in Abhångigkeit vom Schweregrad der Herzinsuffizienz wurden beschrieben (Mizuno et al. 2001). Die Korrelation zwischen kardialer Aldosteronbildung und Aktivitåt des kardialen ACE sowie die Suppression der kardialen Aldosteronbildung durch ACE-Hemmer legen eine Abhångigkeit der Aldosteronbildung im Herzen von kardialen Angiotensinspiegeln nahe (Mizuno et al. 2002).
3.1.2.3 Aldosteron und kardiovaskulåres Remodeling Lokal gebildetes und/oder zirkulierendes Aldosteron stimuliert die kardiale Fibrose entweder durch einen direkten Effekt auf den Mineralokortikoidrezeptor, oder indirekt durch Interferenz mit AT1-Rezeptoren mit erhæhter Ansprechbarkeit der AT1-Rezeptoren auf Angiotensin II. Sowohl AT1Rezeptor-Blockade als auch Mineralokortikoidrezeptorantagonisten reduzierten den Kollagengehalt und die Kollagenexpression im nichtinfarzierten Myokard nach Infarkt (Fraccarollo et al. 2003; Silvestre et al. 1999). Die zellulåren Mechanismen der aldosteronvermittelten Fibrose sind jedoch noch nicht geklårt. Berichte çber aldosteroninduzierte Kollagensynthese in isolierten Fibroblasten des Rattenherzens sind widersprçchlich (Brilla et al. 1994; Fullerton u. Funder 1994; Kohler et al. 1996; Zhou et al. 1996). Mæglicherweise stimuliert Aldosteron die Proliferation kardialer Myofibroblasten durch mineralokortikoidrezeptorabhångige Aktivierung von MAP(¹mitogen activated proteinª)-Kinasen (Stockand u. Meszaros 2003). In kultivierten Kardiomyozyten erhæhte Aldosteron dosisabhångig die Expression des ACE (Harada et al. 2001; Wang et al. 2002).
Die Reduktion der altersbedingten kardialen und vaskulåren Fibrose bei Ratten, bei denen ACEHemmer nur geringfçgige Wirkung zeigten, durch Behandlung mit Spironolacton legt eine entscheidende Rolle von Aldosteron fçr die Akkumulation extrazellulårer Matrix und die arterielle Steifigkeit nahe (Lacolley et al. 2001). Diese Effekte konnten auch in adrenalektomierten Tieren nachgewiesen werden, was darauf hinweist, dass tatsåchlich die extraadrenale, kardiovaskulåre Aldosteronproduktion von Bedeutung ist. Neben der Fibrose fçhrt Aldosteron auch zur Myokardhypertrophie und -dilatation: Aldosteronblockade hemmte die Hypertrophie bei herzinsuffizienten Hunden (Suzuki et al. 2002) und bei hypertensiven Ratten (Takeda et al. 2000). Transgene Måuse mit Ûberexpression des Aldosteronrezeptors zeigten eine dilatative Kardiomyopathie (Le Menuet et al. 2001). Bei transgenen Ratten mit Expression des humanen Gens fçr Renin and Angiotensinogen reduzierte ein Aldosteronantagonist wie ein AT1-Rezeptor-Blocker die kardiale Hypertrophie und Fibrose, was darauf hinweist, dass der Angiotensin-II-induzierte Endorganschaden zumindest teilweise aldosteronvermittelt ist (Fiebeler et al. 2001). Eine erhæhte AT1-Rezeptor-Expression (Robert et al. 1999) und Kalzineurinaktivitåt (Takeda et al. 2002) scheinen zur mineralokortikoidinduzierten Hypertrophie beizutragen. Kalzineurin wird durch intrazellulåre Kalziumerhæhung und/oder durch Proteolyse aktiviert und vermittelt Hypertrophie im Herz und der Gefåûwand. Das spåte kardiale Remodeling nach Myokardinfarkt ist geprågt durch Myozytenhypertrophie, interstitielle Fibrose, apoptotischen Verlust von Kardiomyozyten und Dilatation des Ventrikels (Sutton u. Sharpe 2000). Bei Ratten reduzierte eine Aldosteronrezeptorblockade nach Myokardinfarkt die reaktive Fibrose und Hypertrophie, und verbesserte die diastolische Funktion und den linksventrikulåren Fçllungsdruck (Abb. 3.1.5) (Delyani et al. 2001; Fraccarollo et al. 2003; Silvestre et al.
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3.1 Kardiovaskulåres Remodeling
Abb. 3.1.5. Aldosteronblockade nach Myokardinfarkt. Bei Ratten mit Herzinsuffizienz (CHF) nach einem groûen Myokardinfarkt ist das linksventrikulåre Volumen (gemessen in vivo mittels Conductance-Katheter, links) und die Kollagenexpression im çberlebenden Myokard (rechts) in den Placebo(P)-behandelten Tieren signifikant erhæht. Behandlung mit dem selektiven Aldosteronantagonisten Eplerenon (E) bzw. einem ACE-Hemmer (Trandolapril, T) reduzierte das Volumen, wobei die Kombinationstherapie (E + T) additive
Effekte hatte. Oben abgebildet sind typische histologische Schnitte, die von links nach rechts zeigen: Narbenbildung bei chronischem groûen Herzinfarkt mit Erweiterung des linken Ventrikels und Hypertrophie des Restmyokards unter Placebobehandlung, Verbesserung der Verånderungen unter Monotherapie mit Eplerenon bzw. Trandolapril, nahezu vollståndige Verhinderung der linksventrikulåren Dilatation unter Kombinationstherapie (ganz rechts)
1999). Dies war verbunden mit reduzierter Expression von Kollagen und fetalen Genen wie b-MHC (¹myosin heavy chainª) und ANF (atrialer natriuretischer Faktor) (Fraccarollo et al. 2003). Auûerdem normalisierte der selektive Aldosteronantagonist Eplerenon die reduzierte Expression der SERCA2-ATPase (¹sarcoplasmic-reticulum calcium ATPaseª) (Fraccarollo et al. 2003), welche vermutlich eine entscheidende Verbindung zwischen dem aktivierten Angiotensin/Aldosteron-System auf der einen und der kontraktilen Dysfunktion, dem linksventrikulåren Remodeling und der progressiven Herzinsuffizienz auf der anderen Seite darstellt (del Monte et al. 2001). Auch bei Patienten mit frischem Myokardinfarkt verbessert eine einmonatige Behandlung mit Spironolacton das linksventrikulåre Remodeling (Hayashi et al. 2003). In der EPHESUS-Studie reduzierte die selektive Aldosteronblockade mit Eplerenon zusåtzlich zur Standardtherapie bei Patienten mit frischem Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz signifikant die Gesamtmortalitåt (Pitt et al. 2003). Ein wichtiger Mechanismus der Aldosteronblockade beim Patienten scheint auch die Hemmung der exzessiven Kollagensynthese zu sein: Bei Behandlung mit Spironolacton zeigte sich der græûte Nutzen in
Subgruppen mit dem hæchsten Kollagenumsatz (Tsutamoto et al. 2001; Zannad et al. 2000). Die Fibrosereduktion vermindert auch das Auftreten ventrikulårer Arrhythmien (Cittadini et al. 2003; Pitt 2003). Neben den antifibrotischen Effekten verbessern Mineralokortikoidantagonisten die Endothelfunktion und Bioverfçgbarkeit des aus dem Endothel freigesetzen Stickstoffmonoxids (NO) (Kap. 3.1.4; Bauersachs et al. 2002 b; Farquharson u. Struthers 2000; Schafer et al. 2003). Bei Ratten nach Myokardinfarkt bewirkte die Zugabe von Eplerenon zur ACE-Hemmung insbesondere eine erhæhte Phosphorylierung der myokardialen eNOS, was mit einer erhæhten NO-Bildung einhergeht (Fraccarollo et al. 2003).
3.1.3 Endothelin Die Endotheline-1, -2, -3 und -4 werden aus dem sog. ¹Big-Endothelinª durch das Endothelin-Konversionsenzym (ECE) gebildet. Big-Endothelin ist das Produkt einer Spaltung des Prå-pro-Endothelins. Endothelin wurde 1988 als einer der potentes-
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ten Vasokonstriktoren beschrieben (Yanagisawa et al. 1988). Endothelin wird aus Endothelzellen freigesetzt und ist essentiell fçr die normale embryonale Entwicklung (Kurihara et al. 1995). Die Endothelinbildung wird reguliert durch Zytokine, Hormone and verschiedene vasoaktive Substanzen. Endothelin-1 ist die vorherrschende Isoform im kardiovaskulåren System. Beim Menschen wurden zwei unterschiedliche Endothelinrezeptoren identifiziert, die sog. ETAund ETB-Rezeptoren (Masaki et al. 1991). Die meisten bekannten Effekte sind durch den ETA-Rezeptor vermittelt. Neben vasokonstriktorischen und positiv inotropen Effekten wurde eine Rolle von Endothelin fçr die Wachstumsregulation verschiedener kardiovaskulårer Zellen identifiziert einschlieûlich der Wachstumsstimulation kardialer Fibroblasten (Fujisaki et al. 1995; Piacentini et al. 2000). Dass Endothelin auch von Fibroblasten sezerniert wird und die myokardiale Funktion reguliert, legt eine auto-/parakrine Wirkung von Endothelin zwischen Fibroblasten, Myozyten, Endothelund glatten Muskelzellen im Myokard nahe (Suzuki et al. 1997).
3.1.3.1 Endothelin und kardiovaskulåres Remodeling Bei der Ratte ist nach Myokardinfarkt die myokardiale Expression von Prå-pro-Endothelin-1, Gewebe-Endothelin und Endothelinrezeptoren deutlich erhæht (Abb. 3.1.6 a, b). Dies låsst sich auch in anderen Modellen der Herzinsuffizienz wie salzsensitive Hypertonie, aortale Konstriktion und genetisch bedingte Kardiomyopathie nachweisen (Fraccarollo et al. 1997; Iwanaga et al. 1998; Iwanaga et al. 2001; Sakai et al. 1996 b; Yamauchi-Kohno et al. 1999). Kçrzlich wurde durch konditionale, kardiomyozytenspezifische Ûberexpression in transgenen Måusen der Nachweis gefçhrt, dass die lokale Bildung von Endothelin im Herz autokrin/parakrin zu einer erhæhten Expression inflammatorischer Zytokine und zu einer Kardiomyopathie fçhrt (Yang et al. 2004). Die Behandlung mit einem ACE-Hemmer oder einem Endothelinantagonisten hemmte den Anstieg von Gewebe-Endothelin und Endothelinrezeptoren (Fraccarollo et al. 1997; Qi et al. 2001). Der Hypoxie-induzierbare Faktor (HIF) 1-a scheint ein potentieller Aktivator des Endothelinsystems bei Ratten mit Myokardinfarkt und bei kardiomyopathischen Hamstern zu sein (Kakinuma et al. 2001). Die Expression von Endothelin wurde auch
Abb. 3.1.6 a, b. Endothelin-Spiegel im Myokard nach Herzinfarkt. Bei Ratten mit chronischem Myokardinfarkt nach Koronarligatur wurden die Spiegel von Endothelin 2 im çberlebenden linksventrikulåren (a) bzw. im rechtsventrikulåren Myokard (b) bestimmt im Vergleich mit sham-operierten Tieren. Die Tiere wurden entweder mit Placebo oder mit dem Endothelinantagonisten Bosentan behandelt. * P < 0,05 vs. sham-operierte Tiere, { P < 0,05 vs. placebobehandelte Ratten mit vergleichbarer Infarktgræûe
in gesundem und insuffizientem menschlichem Myokardgewebe gezeigt (Wei et al. 1994). ETAund ETB-Rezeptoren wurden in menschlichem Myokard nachgewiesen; die relative Expression des ETA-Rezeptors bei Herzinsuffizienz scheint erhæht zu sein (Zolk et al. 1999). Die funktionelle Kopplung des ETA-Rezeptors ist bei Herzinsuffizienz erhalten und resultiert in einer Inositolphosphat-Bildung im menschlichen linksventrikulåren Myokard (Ponicke et al. 1998). Die erhæhte Gewebekonzentration von Gewebe-Endothelin-1 im Myokard herzinsuffizienter Patienten ist vermutlich auf eine reduzierte Clearance zurçckzufçhren, da die Pråpro-Endothelin-Expression und die ECE-Aktivitåt unveråndert im Vergleich zu gesunden Kontrollen waren (Zolk et al. 1999).
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3.1 Kardiovaskulåres Remodeling
Abb. 3.1.7 a±c. Effekt von ACE-Hemmung und Endothelinantagonismus auf die molekularen Ønderungen im Myokard nach Herzinfarkt. a Verhåltnis der skeletalen zur kardialen a-Actin- und b von b- zu a-MHC(¹myosin heavy chainª)mRNA im rechten Ventrikel (RV) von sham-operierten Ratten und Ratten mit Herzinsuffizienz (CHF) nach groûem Myokardinfarkt. c Expression von ANF (atrialer natriureti-
scher Faktor). Die Tiere wurden behandelt entweder mit Placebo (P), mit einem selektiven Endothelin ETA-Rezeptor-Antagonisten (LU), mit dem ACE-Hemmer Trandolapril (T) oder kombinierter ETA- und ACE-Hemmung (LU+T). # P < 0,05, * P < 0,001 vs. Sham; { P < 0,05, z P < 0,01 vs. P CHF; § P < 0,05 vs. T CHF
Die intravenæse Gabe von Bosentan, einem nichtselektiven ETA- und -B-Rezeptor-Antagonisten, reduzierte den systemischen Gefåûwiderstand und verbesserte die linksventrikulåre Funktion bei Hunden mit chronischer Herzinsuffizienz nach sequentieller intrakoronarer Mikroembolisation (Shimoyama et al. 1996). In der ersten chronischen Behandlungsstudie mit einem Endothelinantagonisten bei experimenteller Herzinsuffizienz wurde der selektive ETA-Rezeptor-Antagonist BQ-123 vom 10. Tag nach Myokardinfarkt bei Ratten fçr 12 Wochen appliziert (Sakai et al. 1996 a). Dies fçhrte zu einer ausgeprågten Verbesserung des Ûberlebens und der linksventrikulåren Funktion sowie zu einer Verminderung des Remodelings und der kardialen Fçllungsdrçcke. Øhnlich positive Effekte wurden beobachtet durch Behandlung mit dem nichtselektiven ETA- und -B-Rezeptor-Antagonis-
ten Bosentan (Fraccarollo et al. 1997; Mulder et al. 1997). Bei Kaninchen mit tachykardieinduzierter Herzinsuffizienz verminderte eine chronische ETAund -B-Rezeptor-Blockade auûerdem die sympathische Nervenaktivitåt (Liu et al. 2001). Eine selektive ETA-Rezeptor-Blockade verhinderte auch die linksventrikulåre Hypertrophie und Dysfunktion bei salzsensitiver experimenteller Hypertonie (Rothermund et al. 2002). ET-Rezeptor-Antagonisten reduzierten darçber hinaus molekulare Verånderungen des insuffizienten linken und rechten Ventrikels (Fraccarollo et al. 1997; Miyauchi et al. 2000). Additive Effekte auf systemische and kardiale håmodynamische Parameter wurden unter Behandlung mit einem ETA-Rezeptor-Antagonisten zusåtzlich zur Standardtherapie mit einem ACEHemmer beobachtet (Bauersachs et al. 2002 a;
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Fraccarollo et al. 2002 a; Mulder et al. 2002). Bei Ratten mit extensiven Myokardinfarkten zeigten wir auûerdem insbesondere im rechten Ventrikel additive Verbesserungen der fçr die Entwicklung der kardialen Dysfunktion charakteristischen kardialen Fibrose und der fetalen Genexpression (Abb. 3.1.7 a±c) (Fraccarollo et al. 2002 a). Im Gegensatz zu diesen positiven Ergebnissen wurden jedoch auch vor allem bei frçhem Therapiebeginn mit Endothelinantagonisten nach Myokardinfarkt negative Effekte auf das linksventrikulåre Remodeling mit Aggravierung der linksventrikulåren Dilatation beobachtet (Fraccarollo et al. 2002 b; Hu et al. 1998; Nguyen et al. 1998, 2001). Eine mægliche Erklårung hierfçr kænnte eine Expansion der Narbe durch fehlenden Kollageneinbau in der frçhen Postinfarktphase sein, wobei die Aktivierung myokardialer Gewebemetalloproteinasen eine wichtige Rolle zu spielen scheint (Fraccarollo et al. 2002 b). Zusammengenommen legen die Befunde nahe, dass Endothelin mit einer auto-/parakrinen Aktivierung myokardialer ETA-Rezeptoren eine direkte Rolle fçr das linksventrikulåre Remodeling und die Progression der Herzinsuffizienz spielt. Trotz Erfolg versprechender Kurzzeitstudien bei Patienten wurden jedoch die hohen Erwartungen, die in die Endothelinantagonisten gesetzt wurden, nicht erfçllt. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz fçhrte die chronische Behandlung nicht zu einer Verbesserung der Mortalitåt oder Morbiditåt. Mægliche Ursachen kænnten hierfçr die Interferenz mit der Infarktheilung, aber auch eine verstårkte Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems durch Endothelinrezeptorblockade sein (Schirger et al. 2004).
3.1.4 Stickstoffmonoxid Das ursprçnglich als Vasodilatator beschriebene Stickstoffmonoxid (NO) stellt nicht nur einen entscheidenden Regulator der vaskulåren Homæostase dar. Das aus dem Endothel der peripheren Gefåûe freigesetzte NO hat çber seine Effekte bei der Blutdruckregulation und Nachlast entscheidenden Einfluss auf das Herz unter physiologischen wie auch pathophysiologischen Bedingungen. Darçber hinaus wurde jedoch in den letzten Jahren klar, dass NO auch in einer auto-/parakrinen Weise die kardiale Funktion und das linksventrikulåre Remodeling beeinflusst (Massion et al. 2003; Mungrue et al. 2002; Paulus et al. 2001; Wollert u. Drexler 2002).
3.1.4.1 Kardiale NO-Bildung und -Wirkung Die unterschiedlich regulierten und in unterschiedlichen Zellen exprimierten Isoformen von NO-Synthasen (induzierbare [i]NOS, endotheliale [e]NOS, neuronale [n]NOS), welche jeweils unter pathophysiologischen Bedingungen separaten Regulationsmechanismen unterliegen, bedingen eine åuûerst komplexe Situation am Herzen (Abb. 3.1.8). Die vaskulåren Effekte von NO umfassen die Regulation des koronariellen Gefåûtonus, der Thrombogenitåt durch Hemmung der Thrombozytenaktivierung, der kapillåren Permeabilitåt sowie proliferativer und inflammatorischer Prozesse. Auûerdem reguliert NO entscheidend die Angiogenese (Massion et al. 2003). Die nichtvaskulåren Effekte von NO schlieûen verschiedene Aspekte der myokardialen Kontraktilitåt ein, z. B. die Feinregulation der Exzitations-Kontraktions-Kopplung, die Modulation des autonomen kardialen Nervensystems sowie die mitochondriale Respiration. Diese vielfåltigen Funktionen von NO in der kardialen Physiologie und Pathophysiologie werden durch eine strikte transkriptionelle und posttranskriptionelle Regulation der NO-Synthasen unterstçtzt (Li et al. 2002). Die Phosphorylierung der eNOS wie auch ihre Interaktion mit verschiedenen Proteinen (¹heat-shock proteinª, Caveolin) fçhrt zu einer spezifischen zeitlichen und råumlichen Beschrånkung der NO-Bildung auch in subzellulåren Kompartimenten. Durch Studien an isolierten Kardiomyozyten und in Herzen von Knock-out-Måusen fçr die verschiedenen Isoformen der NO-Synthasen konnte gezeigt werden, dass kardiomyozytår gebildetes NO das myokardiale Kalzium-Handling und die Kontraktilitåt reguliert (Ashley et al. 2002; Sears et al. 2003). Insbesondere wurde eine subzellulåre Lokalisation verschiedener NOS-Isoformen mit unterschiedlichen Funktionen fçr die Kontraktilitåt korreliert (Barouch et al. 2002). Beispielsweise ist die nNOS involviert in die frequenzabhångige Kopplung von Exzitation und Kontraktion (Khan et al. 2003). So kann die råumliche Kompartimentalisierung innerhalb der Kardiomyozyten auch fçr gegensåtzliche Wirkungen von NO verantwortlich sein (Champion et al. 2003). Darçber hinaus kann auch eine unterschiedliche zellulåre Herkunft von NO differentielle Wirkungen bedingen: In Kardiomyozyten exprimierte iNOS reguliert die Kontraktilitåt auf b-adrenerge Stimulation bei Sepsis, wåhrend die iNOS der eingewanderten Neutrophilen im Herzen essentiell fçr die Schådigung von Kardiomyozyten verantwortlich ist (Poon et al. 2003).
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Abb. 3.1.8. Auto- bzw. parakrine Effekte von NO im Kardiomyozyten. NO wird in Endothelzellen (EC), in Varikositåten des sympathischen Nervensystems (OrthoS), in postganglionåren parasympathischen Fasern (ParaS) bzw. in Kardiomyozyten selbst gebildet durch die endotheliale NO-Synthase (eNOS), neuronale NO-Synthase (nNOS) bzw. durch die induzierbare NO-Synthase (iNOS). Aktivierung von b1-Adrenozeptoren stimuliert die Adenylatcyclase (AC) und fçhrt zur Proteinkinase-A(PKA)-abhångigen Phosphorylierung von spannungsabhångigen Kalziumkanålen (ICa,L), Ryanodinrezeptoren (RyR2), und Phospholamban (PLN) sowie zur Aktivierung der sarcoplasmatischen Ca2+-ATPase (SERCA). Dies erzeugt positiv-inotrope Effekte, wåhrend die Phosphorylierung von Troponin I (TnI) lusitrope Effekte vermittelt. Die Modulation der b-adrenergen Mechanismen durch NO ist dargestellt: cGMP-abhångig werden die cAMP-Spiegel durch Beeinflussung von Phosphodiesterasen reguliert. Pro-
teinkinase-G(PKG)-vermittelt wird der Kalziumeinstrom reduziert, was zu einer Hemmung b-adrenerger Effekte fçhrt. PKG kann auch TnI phosphorylieren, wodurch kardiale Myofilamente gegençber Kalzium desensitiviert werden. NO wird im Kardiomyozyten gebildet von eNOS nach Stimulation muskarinerger M2-Rezeptoren bzw. b3-adrenerger Rezeptoren oder von iNOS nach Stimulation mit inflammatorischen Zytokinen. Durch die nNOS gebildetes NO hemmt spezifisch den Kalziumeinstrom durch L-Typ-Kalzium-Kanåle. NO aus sympathischen bzw. parasympathischen Nerven reduziert die Noradrenalinfreisetzung und potenziert die Acetylcholinfreisetzung, was antiadrenerg wirkt. Im Gegensatz hierzu kann eNOS in bestimmter subzellulårer Lokalisation die Exzitations-Kontraktions-Kopplung positiv regulieren, insbesondere bei Dehnung des Kardiomyozyten (weiûer Pfeil). (Mod. nach Massion et al. 2003)
Die Wirkungen von NO werden zum einen çber die seit langem bekannte Aktivierung der læslichen Guanylatcyclase vermittelt (Færstermann et al. 1986), welche zu einem Anstieg des zyklischen
Guanosinmonophosphats (cGMP) fçhrt. Darçber hinaus wird die Aktivitåt verschiedener Proteine durch die Bildung von Nitrosothioladdukten moduliert.
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3.1.4.2 NO und kardiovaskulåres Remodeling Die Rolle von NO fçr das kardiovaskulåre Remodeling nach Myokardinfarkt wurde mittels verschiedener Ansåtze untersucht. In eigenen Studien fçhrte bei Ratten nach groûem Myokardinfarkt die frçhe Gabe des nichtselektiven NOS-Inhibitors L-Nitro-Arginin-Methylester (L-NAME) zu einer Verschlechterung der pulmonalen Stauung, weiteren Erhæhung des linksventrikulåren enddiastolischen Drucks, Reduktion der systolischen Funktion und des arteriellen Drucks und zu einer erhæhten Plasmarenin-Aktivitåt. Diese Effekte wurden nicht durch den Blutdruckanstieg nach NOSHemmung verursacht, da sie bei gleichzeitiger Gabe des Vasodilatators Hydralazin zur Normalisierung des Blutdrucks ebenso beobachtet wurden. Diese Daten legten nahe, dass die NO-Bildung in der akuten Infarktphase die kardiale Funktion stabilisiert, wobei weniger die arterielle Vasodilatation als auto-/parakrine kardiale Effekte eine Rolle zu spielen scheinen. Aufgrund der nichtselektiven Hemmung der drei Isoformen der NO-Synthasen war es durch diese Experimente nicht mæglich, die Rolle der verschiedenen NO-Synthasen zu evaluieren. Eine bessere Dissektion der Bedeutung einzelner Isoformen wurde durch die Verwendung von Knock-out-Måusen mæglich, wobei auch bei diesen Modellen der Einfluss auf das kardiale Remodeling durch auto-/parakrine kardiale Effekte nicht von anderen Wirkungen z. B. auf Gefåûtonusregulation bzw. autonome Nervenfunktion sicher unterschieden werden kann. Die entscheidende Rolle der eNOS fçr das linksventrikulåre Remodeling nach Myokardinfarkt wurde bei eNOS-knock-out-Måusen untersucht, welche eine exzessive linksventrikulåre Dysfunktion, Hypertrophie und Dilatation zeigten (Scherrer-Crosbie et al. 2001). Dies ist konsistent mit bekannten wachstumshemmenden Effekten von NO in isolierten Kardiomyozyten und Fibroblasten (Calderone et al. 1998). Doppel-knock-out-Måuse fçr eNOS und das Apolipoprotein-E zeigten auûerdem eine beschleunigte Arterioskleroseentwicklung, vermehrte Aneurysmabildung und Herzinfarkte bei den eNOS-defizienten Tieren (Kuhlencordt et al. 2001 b). Diese Effekte sind nicht durch den erhæhten Blutdruck bei den eNOS-knock-outMåusen zu erklåren (Huang et al. 1995), da auch bei Langzeitbehandlung mit Hydralazin zur Normalisierung des Blutdrucks die Unterschiede zum Wildtyptier in Bezug auf linksventrikulåres Remodeling und Arterioskleroseentwicklung erhalten
blieben (Chen et al. 2001; Scherrer-Crosbie et al. 2001). Eine blutdruckunabhångige Herzhypertrophie wurde auch in nNOS-knock-out-Måusen beobachtet, welche im Gegensatz zu den eNOSknock-out-Måusen keine Hypertonie entwickeln, so dass auto-/parakrine Wirkungen von NO am Herzen bestimmend zu sein scheinen (Champion et al. 2003). In eNOS-knock-out-Måusen scheint zudem ein Teil der fehlenden endothelialen NOSynthese durch die nNOS kompensiert zu werden (Huang et al. 2002; Morishita et al. 2002), wåhrend Doppel-knock-out-Måuse fçr eNOS und nNOS eine Aggravierung des linksventrikulåren Remodelings mit erhæhter Steifigkeit des Ventrikels und einer erhæhten Mortalitåt zeigten (Barouch et al. 2003). Ein weiterer Hinweis fçr eine protektive Rolle der eNOS beim kardiovaskulåren Remodeling ergab sich bei transgenen Måusen mit mehrfacher Ûberexpression des humanen eNOS-Gens. Nach Myokardinfarkt waren bei diesen Tieren das Ûberleben und die linksventrikulåre systolische Funktion hochsignifikant verbessert. Auûerdem kam es nur bei den Wildtyptieren zu einem Lungenædem (Jones et al. 2003). Die oben beschriebenen Einflçsse der Lokalisation der NO-Bildung auf die kardiovaskulåre Funktion spiegeln sich auch in ihrem Einfluss auf das Remodeling wider: Gegençber den positiven Effekten der eNOS-vermittelten NO-Bildung stehen negative Effekte der iNOS-vermittelten NO-Generierung. So waren bei iNOS-knock-out-Måusen nach Myokardinfarkt linksventrikulåres Remodeling und Funktion verbessert (Sam et al. 2001). Auch bei Doppel-knock-out-Måusen fçr iNOS und das Apolipoprotein-E zeigte sich eine reduzierte Arterioskleroseentwicklung (Kuhlencordt et al. 2001 a). Dies war mit einem reduzierten oxidativen Stress bei Doppel-knock-out-Måusen fçr iNOS und das Apolipoprotein-E verbunden (Kuhlencordt et al. 2001 a). Oxidativer Stress fçhrt zu einer Inaktivierung von NO durch reaktive Sauerstoffradikale, wobei vor allem die NADPH-Oxidase im Herzen und in der Gefåûwand verantwortlich gemacht wird (Bauersachs et al. 1999; Champion et al. 2003; Griendling et al. 2000; Heymes et al. 2003). Die Bildung von Peroxynitrit aus NO und Superoxidanion fçhrt vermutlich auch zu der sog. Entkopplung der eNOS, welche zur Folge hat, dass die eNOS unter bestimmten pathophysiologischen Bedingungen anstatt NO den Gegenspieler Superoxidanion generieren kann (Hink et al. 2001). Die Bedeutung des oxidativen Stresses fçr das linksventrikulåre und vaskulåre Remodeling nach Myokardinfarkt wurde zum einen nahe gelegt
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Abb. 3.1.9. Rolle des NO/SuperoxidGleichgewichts fçr das linksventrikulåre Remodeling. Eine endotheliale Dysfunktion sowie reduzierte Bioverfçgbarkeit von NO bei erhæhter Bildung freier Sauerstoffradikale wie Superoxidanion (O2±) trågt zum progressiven linksventrikulåren (LV) Remodeling bei. Hierbei sind sowohl vaskulåre Effekte (Vasokonstriktion, erhæhter peripherer Widerstand) als auch kardiale Effekte (Fibrose, Hypertrophie) beteiligt
durch Messung einer erhæhten Konzentration freier Sauerstoffradikale im Myokard, zum anderen durch die Verhinderung des negativen Remodelings durch Behandlung mit Antioxidanzien (Sia et al. 2002). Eigene Studien an Ratten nach Myokardinfarkt zeigten, dass eine Behandlung mit hohen Dosierungen des antioxidativen Vitamin E die endotheliale Dysfunktion verhinderte und zu einer erhæhten NO-Bioverfçgbarkeit fçhrte (Bauersachs et al. 2001). Die Freisetzung von NO scheint auch fçr die Effekte verschiedener gut evaluierter Therapieansåtze zur Beeinflussung des linksventrikulåren Remodelings und der Progression der Herzinsuffizienz eine bedeutende Rolle zu spielen. So war bei eNOSknock-out-Måusen der positive Effekt einer Therapie mit ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten auf das linksventrikulåre Remodeling stark abgeschwåcht (Liu et al. 2002), so dass ein Anstieg der kardialen eNOS-Aktivitåt auch zu den kardioprotektiven Wirkungen dieser Pharmaka beizutragen scheint (Abb. 3.1.9). Ebenso kann die vaskulåre NO-Bioverfçgbarkeit bei Patienten mit Herzinsuffizienz durch das antioxidative Vitamin C wie auch durch ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten gesteigert und die endotheliale Dysfunktion korrigiert werden (Hornig et al. 1998, 2001). Die Therapie mit Aldosteronantagonisten (Kap. 3.1.2.2) zusåtzlich zur ACE-Hemmer-Therapie verbessert die Endothelfunktion und Bioverfçgbarkeit von NO (Bauersachs et al. 2002 b; Farquharson u. Struthers 2000; Schafer et al. 2003). Bei Ratten nach Myokardinfarkt bewirkte die Zugabe des selektiven Aldosteronantagonisten Eplerenon zur ACE-Hemmung insbesondere eine gesteigerte Phosphorylierung der myokardialen eNOS, was mit einer erhæhten NO-Bildung einhergeht (Fraccarollo et al. 2003).
Auch kærperliches Training ist in der Lage, vermutlich çber eine Korrektur der reduzierten eNOS-Expression bei Herzinsuffizienz (Smith et al. 1996) bzw. durch Steigerung der antioxidativen Kapazitåt mit erhæhter NO-Bioverfçgbarkeit positive Effekte auf die Endothelfunktion und das linksventrikulåre Remodeling zu entfalten (Hambrecht et al. 1998, 2000; Sessa et al. 1994).
3.1.5 Vaskulåres Remodeling bei Herzinsuffizienz Bei der Herzinsuffizienz kommt es zu vor allem funktionellen, aber auch strukturellen Stærungen der Gefåûwand sowohl im Koronarsystem als auch in der Peripherie (Drexler u. Lu 1992; Kubo et al. 1991). Schon lange vor der Identifizierung des Endothels als entscheidendem Regulator des Gefåûtonus wurde eine reduzierte vasodilatatorische Funktion bei Patienten mit Herzinsuffizienz gezeigt (Zelis et al. 1968). Insbesondere die reduzierte endothelabhångige Vasodilatation der Koronararterien trågt zusammen mit dem fibrotischen Umbau der Gefåûwand zur reduzierten myokardialen Perfusion und weiteren Verschlechterung der Ventrikelfunktion bei. Eine reduzierte Vasodilatation und verstårkter kontraktiler Status peripherer Gefåûe verursacht einen hæheren systemischen Gefåûwiderstand und fçhrt zusammen mit der Steifigkeit der Leitungsgefåûe zu einer erhæhten Nachlast. Dies verursacht eine vermehrte Belastung des ohnehin geschådigten Herzmuskels und trågt zur Progression der Herzinsuffizienz bei. Neuere Studien zeigen auch mittels Kernspintomografie am Rattenmodell des chronischen Myokardinfarkts ein
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mikrovaskulåres Remodeling auf Kapillarebene, welches vermutlich zum Myokardremodeling beitrågt (Waller et al. 2001). Erst kçrzlich konnte ein sehr enger Bezug zwischen geschådigten Kardiomyozyten und Gefåûspasmen im Herzen bei Kardiomyopathie (Sarkoglykan-Defizienz) gezeigt werden. Die Restitution nur des kardiomyozytåren Sarkoglykans verhinderte die fokalen Låsionen im Herz und auch die Vasospasmen, somit wurde zum ersten Mal bewiesen, dass das eng gekoppelte parakrine Signaling von Kardiomyozyten und glatten Muskelzellen pathophysiologische Bedeutung hat (Wheeler et al. 2004). Die funktionellen und strukturellen Verånderungen der peripheren Gefåûe bei Patienten mit Herzinsuffizienz tragen zur limitierten kærperlichen Belastbarkeit bei. Mittlerweile geht man davon aus, dass die Verbesserung der endothelabhångigen Dilatation auch eine entscheidende Rolle fçr die Verbesserung der Leistungsfåhigkeit durch kærperliches Training spielt (Hambrecht et al. 1998). Training erhæht die vaskulåre NO-Bioverfçgbarkeit weniger durch eine Steigerung der eNOS-Expression als durch eine erhæhte eNOS-Aktivitåt durch Phosphorylierung sowie durch eine erhæhte Expression antioxidativer Enzyme (Ennezat et al. 2001; Hambrecht et al. 2003). Die positive Beeinflussung auch der Mortalitåt bei Herzinsuffizienz durch kærperliches Training wurde kçrzlich in einer Metaanalyse der zahlreichen kleineren Studien nahegelegt (Piepoli et al. 2004).
3.1.6 Literatur Ashley EA, Sears CE, Bryant SM et al. (2002) Cardiac nitric oxide synthase 1 regulates basal and beta-adrenergic contractility in murine ventricular myocytes. Circulation 105: 3011±3016 Baker KM, Aceto JF (1990) Angiotensin II stimulation of protein synthesis and cell growth in chick heart cells. Am J Physiol 259: H610±618 Barouch LA, Harrison RW, Skaf MW et al. (2002) Nitric oxide regulates the heart by spatial confinement of nitric oxide synthase isoforms. Nature 416: 337±339 Barouch LA, Cappola TP, Harrison RW, Crone JK, Rodriguez ER, Burnett AL, Hare, JM (2003) Combined loss of neuronal and endothelial nitric oxide synthase causes premature mortality and age-related hypertrophic cardiac remodeling in mice. J Mol Cell Cardiol 35: 637±644 Bauersachs J, Bouloumi A, Fraccarollo D, Hu K, Busse R, Ertl G (1999) Endothelial dysfunction in chronic myocardial infarction despite increased vascular endothelial nitric oxide synthase and soluble guanylyl cyclase expression: role of enhanced vascular superoxide production. Circulation 100: 292±298
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren Jçrgen Schnermann und Hayo Castrop
Inhaltsverzeichnis
. . . .
355 355
3.2.2.3.3 Luminale NaCl-Konzentration und NO-Bildung in der Macula densa . . . . 3.2.2.4 Prostanoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.4.1 Cyclooxygenase- und Lipoxygenase-Produkte 3.2.2.4.2 Zytochrom-P450-Produkte . . . . . . . . . . .
. .
355
3.2.3
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. . . .
355 356 357 359
. .
359
. . . . .
360 360 361 361 361
3.2.3.1 3.2.3.1.1 3.2.3.1.2 3.2.3.1.3 3.2.3.1.4 3.2.3.2 3.2.3.2.1 3.2.3.2.2 3.2.3.2.3 3.2.3.3
MD-vermittelte sekretorische Aktivitåt: Reninfreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostaglandine . . . . . . . . . . . . . . . . . . Expression von COX-2 in der Macula densa Regulation der COX-2-Expression . . . . . . Regulation der PGE2-Synthese . . . . . . . . Prostaglandine und Reninsekretion . . . . . Stickstoffmonoxid . . . . . . . . . . . . . . . . nNOS Expression in der MD . . . . . . . . . NO und Reninsekretion . . . . . . . . . . . . . NO und MD-abhångige Reninsekretion . . . Adenosin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.4
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
3.2.5
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
3.2.1
Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2
MD-vermittelte Vasoaktivitåt: Tubuloglomerulårer Feedback . . . . . . Adenosin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Expression von Adenosinrezeptoren in der afferenten Ateriole . . . . . . . . . Adenosininduzierte Vasokonstriktion der afferenten Ateriole . . . . . . . . . . . Adenosin und TGF-Antwort . . . . . . . Ursprung des extrazellulåren Adenosins ATP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Expression von ATP-Rezeptoren in der afferenten Arteriole . . . . . . . . ATP-induzierte Vasokonstriktion der afferenten Arteriole . . . . . . . . . . ATP und TGF-Antwort . . . . . . . . . . . Stickstoffmonoxid . . . . . . . . . . . . . . Neuronale NOS in Macula-densa-Zellen NO und TGF-Antwort . . . . . . . . . . .
3.2.2.1 3.2.2.1.1 3.2.2.1.2 3.2.2.1.3 3.2.2.1.4 3.2.2.2 3.2.2.2.1 3.2.2.2.2 3.2.2.2.3 3.2.2.3 3.2.2.3.1 3.2.2.3.2
. . . . .
353
362 362 362 363 364 364 364 364 365 365 366 366 366 368 368
3.2.1 Hintergrund Zwischen dem Beginn des distalen Tubulus und dem glomerulåren Gefåûpol aller daraufhin untersuchten Såugetiernieren findet sich eine enge strukturelle Verbindung, die als juxtaglomerulårer Apparat (JGA) bezeichnet wird (Abb. 3.2.1). Der JGA ist ein Zellkonglomerat, das aus epithelialen, interstitiellen und glatten Muskelzellen besteht. Die epithelialen Zellen des JGA, wegen ihrer relativ hohen Kerndichte Macula-densa(MD)-Zellen genannt, liegen am Ende des aufsteigenden Schenkels der Henle-Schleife kurz vor dem Ûbergang in das Epithel des distalen Tubulus. Der an die MD-Zellen angrenzende Raum wird von den interstitiellen Zellen des extraglomerulåren Mesangiums ausgefçllt, deren Feinstruktur den Mesangialzellen innerhalb des Glomerulus gleicht. Die Besonderheit dieses extraglomerulåren Mesangialfelds besteht darin, dass es keine Blutkapillaren, Lymphgefåûe oder Nervenendigungen enthålt. Der vaskulåre Be-
Abb. 3.2.1. Schematische Darstellung eines juxtaglomerulåren Apparats am glomerulåren Gefåûpol einer Såugetierniere. MD: Macula densa; AA: afferente Arteriole; EA: efferente Arteriole; GZ: granulierte Zellen; EGM: extraglomerulåres Mesangium; die Pfeile in der afferenten und efferenten Arteriole zeigen die Stræmungsrichtung an. (Mod. nach Kriz u. Kaissling 2000)
Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
354
J. Schnermann und H. Castrop
Abb. 3.2.2. a Beziehung zwischen der Cl-Konzentration and der Macula densa und der Ønderung des Einzelnephronfiltrats. Na kann in dieser Reaktion durch andere kleine monovalente Kationen ersetzt werden. Der Abfall des Einzelnephronfiltrats ist das Resultat einer Widerstandserhæhung in der afferenten Arteriole und ist damit ein Maû der Vasokonstriktion dieses Gefåûes. Das graue Viereck gibt den Bereich
der normalen Cl-Konzentrationen an. (Mod. nach Schnermann et al. 1976). b Beziehung zwischen der Cl-Konzentration an der Macula densa und der Reninsekretion in einer Ex-vivo-Pråparation des juxtaglomerulåren Apparats. Wie bei der vaskulåren Antwort sind Ønderungen im Cl notwendig, wåhrend Na ersetzt werden kann. (Mod. nach He et al. 1995 a)
standteil des JGA ist die glatte Muskulatur der glomerulåren Arteriolen mit glatten Muskelzellen und den Renin bildenden granulierten Zellen. Es ist allgemein akzeptiert, dass die strukturelle Koppelung zwischen dem distalen Tubulus und den afferenten Arteriolen am Nierengefåûpol eine funktionelle Verbindung ermæglicht, die ihren Ausdruck in einer Ønderung des arteriolåren Gefåûtonus einerseits und der Reninsekretion andererseits findet (Schnermann u. Briggs 2000). Beide Antworten werden durch Ønderungen der NaClKonzentration im Macula-densa-Segment des Nephrons ausgelæst, wobei ein Anstieg der NaClKonzentration zur Vasokonstriktion und zur Hemmung der Reninfreisetzung fçhrt, wåhrend ein Abfall der luminalen NaCl-Konzentration die gegenteiligen Effekte zur Folge hat (Abb. 3.2.2). Die vaskulåre Reaktion wird meistens als Ønderung des glomerulåren Kapillardrucks oder des Einzelnephronfiltrats in vivo bestimmt, und sie wird im Allgemeinen als tubuloglomerulårer Feedback-Mechanismus (TGF) bezeichnet. Die Funktion des TGF besteht in einer Stabilisierung der NaCl-Konzentration im Bereich der Macula densa und damit der Salz- und Flçssigkeitsbeladung der stromabwårts gelegenen Abschnitte des distalen Nephrons. Dieser Effekt dient letztlich der Stabilisierung der Salzausscheidung, indem er das distale Nephron gegen den Einfluss relativ hochfrequenter Ønderungen im Filtrat und in der proximalen Flçssigkeitsresorption abschirmt. Der zweite Endpunkt, der durch die NaCl-Konzentration im MD-Segment
gesteuert wird, ist die Reninsekretion. Die sog. Macula-densa-Kontrolle der Reninsekretion ist einer der wesentlichen Steuerungswege fçr das Plasmarenin. Er gewinnt vermutlich dann an Relevanz, wenn der TGF-Mechanismus çber långere Zeit nicht in der Lage ist, die NaCl-Konzentration im Bereich der MD-Zellen konstant zu halten. Da die MD-Zellen keine morphologische Kopplung an Mesangial- oder Muskelzellen in der Form von Nexus (Gap-Junctions) aufweisen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Distanz zwischen den MD-Zellen und den Effektorzellen in der afferenten Arteriolenwand durch parakrine Transmitter çberbrçckt wird. Parakrine Mediatoren MD-induzierter Effekte sollten in ihrer Konzentration im juxtaglomerulåren Interstitium von der luminalen NaCl-Konzentration abhångig sein, ohne dass sie notwendigerweise in den MD-Zellen selbst generiert und von ihnen freigesetzt werden mçssen. Um schnelle und lokal begrenzte Antworten auszulæsen, sollte der Mediator eine kurze biologische Halbwertszeit besitzen. Eine Reihe von extrazellulåren Mediatoren und Modulatoren der MD-induzierten lokalen Reaktionen ist diskutiert und intensiv beforscht worden. Das besondere Interesse galt dabei Adenosin, Adenosintriphosphat (ATP), Stickstoffmonoxid (NO) und Prostanoiden, insgesamt Substanzen mit kurzer Halbwertszeit und anerkannter parakriner Aktivitåt. Fçr alle diese Substanzen kann es als gesichert angesehen werden, dass sie im JGA synthetisiert und abgebaut werden kænnen, und alle Fak-
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
toren sind entweder vasoaktiv oder haben einen direkten Effekt auf die Reninsekretion. Die folgende Diskussion parakriner Faktoren im JGA ist daher auf die Rolle dieser vier Faktoren beschrånkt.
3.2.2 MD-vermittelte Vasoaktivitåt: Tubuloglomerulårer Feedback 3.2.2.1 Adenosin 3.2.2.1.1 Expression von Adenosinrezeptoren in der afferenten Arteriole Die Effekte des extrazellulåren Adenosins werden durch vier verschiedene G-Protein-gekoppelte Membranrezeptoren vermittelt, die in der Klasse der P1-Purinorezeptoren zusammengefasst und als A1-, A2a-, A2b- und A3-Adenosin-Rezeptoren bezeichnet werden. Durch Vermittlung der A1-AdenosinRezeptoren (A1AR) kommt es zur Vasokonstriktion, wåhrend Aktivierung der in der Vaskulatur viel håufigeren A2-Adenosin-Rezeptoren eine Relaxation auslæst. Da die TGF-Antwort auf erhæhtes NaCl mit groûer Wahrscheinlichkeit durch die Freisetzung einer Vasokonstriktorsubstanz verursacht wird, kommt vor allem der A1-Adenosin-Rezeptor als Vermittler eines Adenosineffekts in Frage. Mittels In-situ-Hybridisierung wurde die A1AR-mRNA in der afferenten Arteriole und zusåtzlich in Sammelrohren des åuûeren und inneren Nierenmarks lokalisiert (Weaver u. Reppert 1992). Diese Lokalisation konnte mit RT-PCR (reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) von RNA aus mikrodissezierten Nephronabschnitten beståtigt werden, wobei mit dieser im Vergleich zur In-situ-Hybridisierung sensitiveren Methode eine mRNA-Expression der A1AR auch in der kortikalen und medullåren Henle-Schleife, in den absteigenden Vasa recta der åuûeren Medulla sowie mit schwacher Expression auch im proximalen Tubulus nachweisbar war (Kreisberg et al. 1997; Yamaguchi et al. 1995). Der klassische Membrantransduktionsmechanismus der A1AR-Aktivierung durch Adenosin besteht in einer Inhibierung der Adenylatcyclase, die zu einem Abfall des intrazellulåren Spiegels von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) fçhrt (Londos et al. 1980; Palmer u. Stiles 1997). Zusåtzlich jedoch kommt es als Resultat der Gi-Protein-Aktivierung zu einer Stimulation der Phospholipase C und zu einem Anstieg des intrazellulåren Ca2+-Spiegels (Hansen et al. 2003). In glatten Gefåûmuskelzellen fçhrt
dies zu einer Erhæhung des Gefåûtonus, die durch Aktivierung spannungsabhångiger Kalziumkanåle aufrechterhalten wird. Neben dem A1A-Rezeptor werden auch die beiden Subtypen des A2-Adenosin-Rezeptors, A2aAR und A2bAR, in der Niere exprimiert. Ihre genaue Verteilung entlang des renalen Gefåûbaums und ihre Lokalisation in endothelialen oder glatten Muskelzellen ist jedoch unklar. Funktionelle Studien lassen vermuten, dass zumindest einer der beiden A2AR-Subtypen, vermutlich A2aAR, in der afferenten und efferenten Arteriole exprimiert wird (Nishiyama et al. 2001 a).
3.2.2.1.2 Adenosininduzierte Vasokonstriktion der afferenten Arteriole Eine Reihe von direkten Untersuchungen hat gezeigt, dass exogenes Adenosin in einem Konzentrationsbereich von 10±8 bis 10±5 M eine persistierende Konstriktion der afferenten Arteriolen auslæst (Hansen et al. 2003; Holz u. Steinhausen 1987; Joyner et al. 1988; Nishiyama et al. 2001 a; Osswald et al. 1978; Weihprecht et al. 1992). Diese Reaktion ist mit einer Reduktion des glomerulåren Blutflusses des betreffenden Nephrons verbunden (Osswald et al. 1978). Untersuchungen mit spezifischen A1AR-Agonisten wie Cyclohexyladenosin (CHA) oder Cyclopentyladenosin (CPA) haben beståtigt, dass der vasokonstriktorische Effekt von Adenosin in der afferenten Arteriole durch den A1A-Rezeptor vermittelt wird (Dietrich et al. 1991; Holz u. Steinhausen 1987; Weihprecht et al. 1992). Die kritische Rolle der A1A-Rezeptoren in der adenosinvermittelten Vasokonstriktion wird besonders dadurch erhårtet, dass Adenosin keine Vasokonstriktion in afferenten Arteriolen von A1AR-Knock-out-Måusen hervorruft (Hansen et al. 2003). Die vasokonstriktorische Potenz von Adenosin ist sowohl von der Lokalisation der afferenten Arteriolen im Nierenkortex als auch von der Lage der einzelnen Gefåûmuskelzellen in der afferenten Arteriole abhångig: Adenosin fçhrt in gleicher Konzentration in superfiziellen afferenten Arteriolen zu einer ausgeprågteren Vasokonstriktion als in juxtamedullåren afferenten Arteriolen (Hansen et al. 2003; Nishiyama et al. 2001 a; Weihprecht et al. 1992). Entlang der superfiziell gelegenen afferenten Arteriolen ist die Sensitivitåt fçr Adenosin am deutlichsten im am weitesten distal gelegenen, unmittelbar dem Glomerulus benachbarten Abschnitt (Hansen et al. 2003; Holz u. Steinhausen 1987; Weihprecht et al. 1992). Es ist unklar, ob diese lokalen Unterschiede entlang der afferenten Arteriole durch eine besonders hohe Dichte an A1A-Rezep-
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toren in der Nåhe des Glomerulus oder durch ein im Vergleich zu mehr proximalen Abschnitten hæheres A1AR/A2AR-Verhåltnis begrçndet ist. Die juxtamedullåren afferenten Arteriolen scheinen in hæherem Maûe A2-Rezeptoren zu exprimieren, da hier Adenosin nach Blockade der A1A-Rezeptoren vasodilatorisch wirkt (Nishiyama et al. 2001 a). Die durch A1AR verursachte konstriktorische Antwort der juxtamedullåren afferenten Arteriolen scheint daher zum Teil durch gleichzeitige Aktivierung von A2-Rezeptoren zumindest teilweise kompensiert zu werden. In den glomerulusnahen Regionen der superfiziellen afferenten Arteriolen dagegen fçhren auch relativ hohe Adenosinkonzentrationen zu einer Vasokonstriktion, was durch ein Fehlen von A2-Rezeptoren in diesem Abschnitt des Gefåûes erklårt werden kænnte (Weihprecht et al. 1992). Neuere Untersuchungen an isoliert perfundierten afferenten Arteriolen der Maus haben gezeigt, dass Adenosin eine Vasokonstriktion nur dann verursacht, wenn es dem åuûeren Medium zugesetzt wird. Die ausschlieûliche Anwesenheit von Adenosin im Lumen der Arteriolen hatte dagegen kaum einen Effekt auf den Gefåûtonus (Hansen et al. 2005). Diese Befunde lassen vermuten, dass A1AR in glatten Gefåûmuskelzellen in der Regel vom Interstitium aus erreicht werden. Es ist denkbar, dass luminales Adenosin mit A1AR oder A2AR in Endothelzellen interagiert und dass diese Interaktion zur Freisetzung von Stickstoffmonoxid fçhrt (Hansen et al. 2005; Okamura et al. 1992). In åhnlicher Weise fçhrt in der doppelt perfundierten isolierten JGAPråparation Adenosin in einer Konzentration von 10 nM in der Badlæsung zu einer verstårkten TGF-
Adenosin erfçllt durch die Lokalisation und Signaltransduktion der A1A-Rezeptoren, die nach Aktivierung zu einer Erhæhung des Tonus der afferenten Arteriole fçhren, wesentliche Voraussetzungen, um als Mediator der TGF-Antwort in Frage zu kommen. Die ¹klassischeª Methode zur Bestimmung der TGF-Antwort besteht in einer Messung des Einzelnephronfiltrats oder des sog. Stop-flowDrucks, eines Maûes des glomerulåren Kapillardrucks, bei Perfusion der Henle-Schleife mit variierenden Flussraten (Abb. 3.2.3). Diese Variationen der Stromstårke werden çbersetzt in Variationen der NaCl-Konzentration im Macula-densa-Bereich des Tubulus (Abb. 3.2.2). Erste Hinweise fçr eine Rolle des Adenosins ergaben sich aus dem Befund, dass die luminale Applikation von Methylxanthinderivaten wie Theophyllin oder 3-Isobutyl-1-Methylxanthin, unspezifische Antagonisten der Adenosinrezeptoren, eine reversible und dosisabhångige Hemmung der TGF-Antwort verursachte (Schnermann et al. 1977). Obwohl dieser Befund mehrfach beståtigt wurde, ist seine Beweiskraft limitiert durch
Abb. 3.2.3. a Beziehung zwischen der Perfusionsrate und dem Einzelnephronfiltrat in der Rattenniere. Die Perfusionsrate ist die Flussrate, mit der einzelne Henle-Schleifen vom endproximalen Tubulus aus durchstræmt werden. (Mod. nach Briggs et al. 1984). b Beziehung zwischen der Perfusionsrate und
dem tubulåren Stop-flow-Druck. Der Stop-flow-Druck ist ein indirektes Maû des glomerulåren Kapillardrucks; seine Ønderungen sind gleich denen des Kapillardrucks, wenn die Filtration durch die tubulåre Druckerhæhung zum Stillstand gekommen ist. (Mod. nach Schnermann et al. 1973)
Antwort, wåhrend eine bis 100fach hæhere Konzentration im luminalen Perfusat ohne Wirkung war (Ren et al. 2002). Fçr einen parakrinen Mediator der TGF-Antwort, der in den Macula-densa-Zellen oder in anderen Zellen des JGA gebildet wird, ist ein pråferentieller Zugang zu den Rezeptoren von der interstitiellen Seite des Gefåûes ideal, da sein Effekt damit von eventuellen Ønderungen in der Plasmakonzentration unabhångig wird.
3.2.2.1.3 Adenosin und TGF-Antwort
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
die Tatsache, dass Methylxanthine auch die cAMPPhosphodiesterasen hemmen und damit eine Erhæhung des cAMP-Spiegels in glatten Gefåûmuskelzellen verursachen kænnten (Bell 1985; Franco et al. 1989; Osswald et al. 1982). Spåtere Mikropunktionsversuche mit den spezifischen A1AR-Antagonisten 1,3-Dipropyl-8-Cyclopentylxanthin (DPCPX), KW3902 oder CVT-124 haben allerdings die hemmende Wirkung einer A1AR-Blockade auf die TGF-Antwort voll beståtigt (Kawabata et al. 1998; Schnermann et al. 1990; Wilcox et al. 1999). Schlieûlich verhinderte die Anwesenheit von FK838, eines chemisch distinkten A1AR-Hemmstoffs, die Konstriktion der afferenten Arteriolen, die durch Erhæhung der luminalen NaCl-Konzentration in einem In-vitro-Pråparat des JGA ausgelæst werden kann (Ren et al. 2002). Die TGF-Antwort und die durch Adenosin ausgelæste Konstriktion der afferenten Arteriolen wird durch gleichzeitige Aktivierung von Angiotensin-II-Rezeptoren in synergistischer Weise verstårkt. Auf diesen charakteristischen Aspekt der Funktion der Adenosinrezeptoren, der kçrzlich im Detail diskutiert worden ist, wird hier nicht weiter eingegangen (Schnermann u. Levine 2003). Mit der Verfçgbarkeit von Måusen mit genetischer Inaktivierung der A1A-Rezeptoren durch homologe Rekombination in Stammzellen ergab sich ein zusåtzlicher Ansatz, um den Effekt eines A1ARFunktionsverlusts auf die TGF-Antwort zu testen. In zwei unabhångigen Studien zeigte sich, dass die TGF-Antwort auf eine Erhæhung der NaCl-Konzentration im MD-Bereich des Nephrons in den A1ARKnock-out-Måusen vollståndig aufgehoben war (Brown et al. 2001; Sun et al. 2001). Diese Ergebnisse zeigen, dass der A1A-Rezeptor und Adenosin als sein natçrlicher Ligand unverzichtbare Komponenten der Macula-densa-abhångigen TGF-Antwort sind. Sie stehen im Einklang mit der Vermutung einer Mediatoren-Rolle des Adenosins im TGF. Dieses Konzept wurde weiter gestçtzt durch Versuche, in denen der Effekt einer konstant gehaltenen Adenosinkonzentration auf den TGF untersucht wurde. Prinzip des Versuchs ist eine Blockade der endogenen Adenosinbildung mit Hilfe des 5'-NukleotidaseInhibitors MADP, der effizient die TGF-Antwort hemmt, und gleichzeitiger exogener Gabe von CHA, um eine konstante Aktivierung der A1A-Rezeptoren, entsprechend einer konstanten Adenosinkonzentration, zu erreichen (Thomson et al. 2000). Trotz der Gabe von CHA konnte unter MADP die TGF-Antwort nicht wiederhergestellt werden (Thomson et al. 2000). Die alleinige Pråsenz von Adenosin ist demnach nicht ausreichend, um eine normale NaCl-abhångige TGF-Antwort sicherzustel-
len. Dieses Ergebnis unterstçtzt die Hypothese, dass es sich bei Adenosin in der Tat um einen Mediator des TGF handelt. Neben einer direkten Blockade der A1A-Rezeptoren wurde auch der Einfluss von Interventionen auf den TGF untersucht, die die interstitielle Adenosinkonzentration in vorhersagbarer Weise modulieren. So wurde eine verstårkte TGF-Antwort sowohl in der Anwesenheit von Dipyridamol, das die zellulåre Aufnahme von Nukleosiden hemmt, als auch unter dem Einfluss des Adenosindesaminase-Inhibitors Erythrohydroxynonyladenin gefunden. Andererseits lieû sich das Ausmaû der TGF-Antwort durch Agenzien reduzieren, die die interstitielle Adenosinkonzentration vermindern, entweder durch beschleunigten Abbau, wie das Enzym Adenosindesaminase, oder durch verminderte Bildung, wie den Ekto-5'-Nukleotidase-Inhibitor a,b-Methylen-ADP (MADP) (Osswald et al. 1982; Thomson et al. 2000). Eine Aufhebung der TGF-induzierten Vasokonstriktion durch MADP wurde kçrzlich auch in vitro beobachtet (Ren et al. 2003). Schlieûlich haben jçngste Untersuchungen an Ekto-5'-Nukleotidase-Knock-out-Måusen die kritische Rolle einer extrazellulåren Adenosinbildung unter Vermittlung dieses Enzyms dadurch beståtigt, dass volle TGFAntworten in diesen Tieren nicht oder nur vorçbergehend auslæsbar waren (Castrop et al. 2004 a).
3.2.2.1.4 Ursprung des extrazellulåren Adenosins Macula densa Adenosin wurde erstmals von Osswald et al. im Gewebe normoxischer Nieren nachgewiesen (Osswald et al. 1977). Die Gewebskonzentration von 5 nM/g Feuchtgewebe erfordert die Annahme, dass Adenosin zu einem betråchtlichen Ausmaû in gebundener Form im Gewebe vorliegt. Die freien Adenosinkonzentrationen im renalen Interstitium sind mittels der Mikrodialysemethode gemessen worden. Sie liegen beim Hund und bei der Ratte in einem Bereich von 60 bis 200 nM im Kortex und von 160 bis 210 nM in der Medulla, Konzentrationen, die ausreichend sind fçr eine Aktivierung der Adenosinrezeptoren (Baranowski u. Westenfelder 1994; Nishiyama et al. 1999, 2001 b; Osswald et al. 1977; Siragy u. Linden 1996; Zou et al. 1999). Als mittlere interstitielle Spiegel sagen sie jedoch wenig çber die lokalen Konzentrationen im JGA und seine Ønderungen aus. Da die TGF-Antwort in der Regel auf ein einzelnes Nephron beschrånkt ist, muss man annehmen, dass sich die Adenosinkonzentration wåhrend der TGF-Antwort in einem Bereich åndert, der groû genug ist, um
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(¹equilibrative nucleoside transporterª), die als Nukleosidaustauscher arbeiten, und CNT (¹concentrative nucleoside transportersª), die im Kotransport mit Natrium in der Regel die Aufnahme von Nukleosiden in Epithelzellen vermitteln (Cass et al. 1998). ENT1 und ENT2 sowie CNT1, CNT2 und CNT3 werden in der Niere exprimiert, aber ihre Gegenwart in Macula-densa-Zellen ist unbekannt (Williams et al. 1989).
Abb. 3.2.4. Schema der Wege zur Anreicherung von Adenosin im extrazellulåren Raum: Freisetzung von intrazellulår gebildetem Adenosin durch Nukleosidtransporter, Bildung von Adenosin im extrazellulåren Raum aus freigesetztem Adenosintriphosphat (ATP), und Bildung von Adenosin im extrazellulåren Raum aus freigesetztem zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP). PP: Pyrophosphat
zu einer effizienten Modulation des Tonus der afferenten Arteriole zu fçhren, zum anderen aber nicht zu wesentlichen Konzentrationsschwankungen im Interstitium benachbarter Nephrone beitrågt. Der genaue Ort der Adenosinsynthese im JGA konnte bislang nicht eindeutig geklårt werden. Die wesentlichen biochemischen Wege zur Bildung von extrazellulårem Adenosin sind in Abb. 3.2.4 schematisch zusammengefasst. Eine der Mæglichkeiten besteht darin, dass Adenosin innerhalb der Macula-densa-Zellen gebildet wird und dass seine Bildungsrate von der NaCl-TransportAktivitåt und damit vom zellulåren Energiebedarf direkt abhångig ist (Osswald et al. 1982). Das als Folge des erhæhten ATP-Abbaus vermehrt gebildete AMP kænnte dann als Substrat fçr zytosolische Nukleotidasen dienen. Zwei Isoformen der zytosolischen 5'-Nukleotidase (cN-IA und cN-IB), die beide durch Adenosindiphosphat (ADP) aktiviert werden und AMP als Substrat bevorzugen, wurden kçrzlich kloniert (Hunsucker et al. 2000; SalaNewby u. Newby 2001; Sala-Newby et al. 1999). Ob Macula-densa-Zellen diese Enzyme exprimieren, ist nicht mit Sicherheit bekannt, aber cN-IB-mRNA war in einer Macula-densa-Zell-Linie der Maus (MMDD1) nachweisbar, und ein Enzym mit åhnlichen Eigenschaften wurde in Macula-densa-Zellen immunzytochemisch gefunden (Walker et al. 1995). Intrazellulår gebildetes Adenosin kænnte dann çber Nukleosidtransporter die Zelle verlassen. Die derzeit bekannten Nukleosidtransporter lassen sich in zwei Klassen unterteilen: ENT
Extrazellulåre Adenosinbildung Neben einer intrazellulåren Bildung von Adenosin in den Macula-densa-Zellen kænnte das Nukleosid auch im extrazellulåren Mesangium aus freigesetztem ATP oder cAMP gebildet werden (Abb. 3.2.4). Eine Freisetzung von ATP durch epitheliale und nichtepitheliale Zellen in der Niere ist eindeutig nachgewiesen worden (Schwiebert u. Kishore 2001). Die ATP-Konzentrationen im renalen Interstitium, gemessen mit der Mikrodialysemethode, betragen etwa 5 nM, und sie sind damit deutlich niedriger als die des Adenosins (Nishiyama et al. 2000). Es ist allerdings denkbar, dass wesentlich hæhere lokale Konzentrationen im relativ isolierten Bereich des juxtaglomerulåren Interstitiums vorliegen. Kçrzlich durchgefçhrte Versuche im isoliert perfundierten JGA des Kaninchens haben eine Freisetzung von ATP çber die basolaterale Membran der Macula densa wahrscheinlich gemacht (Bell et al. 2003 b). In diesen Versuchen wurden einzelne PC12-Phåochromozytom-Zellen nahe an der basolateralen Membran der Macula-densa-Zellen positioniert. Bei Erhæhung der luminalen NaCl-Konzentration kam es zu einem Einwårtsstrom in den PC12-Sensorzellen, der dem durch ATP ausgelæsten Strom glich. In Fura-2-beladenen PC12-Zellen fand sich unter diesen Bedingungen ein Anstieg der intrazellulåren Ca-Konzentration, die durch Suramin hemmbar und damit vermutlich durch P2-Rezeptoren vermittelt war (Bell et al. 2003 b). Die geschåtzte Freisetzungsrate von ATP bei erhæhter luminaler NaCl-Konzentration war groû genug, um extrazellulåre ATP-Konzentrationen an der Membran im Bereich von 10 lM zu erreichen (Bell et al. 2003 b). Die extrazellulåre Hydrolyse von ATP und anderen Nukleotiden wird durch eine Reihe von membrangebundenen extrazellulåren Enzymen katalysiert, die als Ektonukleotidasen oder Ekto-ATPPhosphohydrolasen zusammengefasst werden. Ektonukleotidasen sind kalzium- oder magnesiumabhångige Enzyme, die die Hydrolyse von Purinund Pyrimidinnukleosidtri- und -diphosphaten katalysieren. Im Gegensatz zu intrazellulåren ATPa-
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
sen werden Ektonukleotidasen durch Ouabain nicht gehemmt, was ihre Unterscheidung in Aktivitåtsassays erleichtert. Eine Ektonukleotidase mit bevorzugter Hydrolyse von ATP und mehrere Mitglieder einer Familie von Ekto-ATP-Diphosphohydrolasen, die ATP und ADP mit annåhernd gleicher Affinitåt abbauen, sind auf molekularer Ebene identifiziert worden (Kegel et al. 1997; Wang u. Guidotti 1996). Die Expression von Ektonukleotidasen findet sich in fast allen Organen, einschlieûlich in der Niere, wo die Hydrolase NTPDase I (oder CD39) in den Mikrovilli des Bçrstensaums und in den Nierengefåûen nachgewiesen wurde (Sandoval et al. 1996). Die Halbwertszeiten fçr den enzymatischen Abbau von ATP kænnen wesentlich kçrzer als 1 min sein, so dass es in Geweben mit gleichzeitiger Expression von P1- und P2-Rezeptoren schwierig sein kann, zu entscheiden, ob ein biologischer Effekt durch ATP oder Adenosin verursacht ist (Cunha et al. 1998). Die Bildung von Adenosin aus 5'AMP wird durch eine membranståndige Ekto-5'-Nukleotidase vermittelt, die identisch ist mit dem Lymphozytenantigen CD73 (Resta u. Thompson 1997). Die Niere hat eine relativ hohe Expression des Enzyms, und es findet sich auf zellulårer Ebene in Tubuli, Fibroblasten und Mesangialzellen. Nach Versuchen an dissezierten Tubulussegmenten ist 5'-Nukleotidase-Aktivitåt in allen Tubulusabschnitten nachweisbar, mit besonderer Pråvalenz im proximalen Tubulus (Wu et al. 1999). Eine Regulation der lokalen Adenosinkonzentration durch Ønderungen in der 5'-Nukleotidase-Aktivitåt ist denkbar. In OK-Zellen und in Nierenhomogenaten wird die Enzymaktivitåt durch NO-Donoren wie Na-Nitroprussid gehemmt (Siegfried et al. 1996). Dieser Effekt ist unabhångig von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) und vermutlich durch Protein-S-Nitrosylierung verursacht. Umgekehrt erhæhen freie Sauerstoffradikale und Hemmer der Superoxiddismutase die Aktivitåt der 5'-Nukleotidase in Nierenhomogenaten und fçhren damit zu erhæhten Adenosinspiegeln (Chen et al. 2001). Es ist daher denkbar, dass die vasokonstriktorischen Effekte einer Hemmung der NO-Synthasen oder freier O2-Radikale nicht nur durch Verminderung von NO, sondern auch durch Erhæhung von Adenosin mitbestimmt werden. Schlieûlich ist ein extrazellulårer Bildungsweg fçr Adenosin in der Niere beschrieben worden, in dem die sukzessive Katalyse von freigesetztem cAMP durch Ekto-Phosphodiesterasen und 5'-Nukleotidase zur Synthese von 5'AMP und Adenosin fçhrt (Jackson u. Dubey 2001). In Kulturen pråglo-
merulårer glatter Gefåûmuskelzellen und in pråglomerulåren Arteriolen erzeugt die Gabe von cAMP einen deutlichen Anstieg der Adenosinkonzentration (Jackson u. Mi 2000; Jackson et al. 1997). Isoproterenol hatte einen åhnlichen Effekt, was auf eine rezeptorvermittelte Erhæhung der zytosolischen cAMP-Spiegel als Voraussetzung fçr eine erhæhte cAMP-Freisetzung hinweist. Eine Hemmung der Ekto-Phosphodiesterasen reduziert das Ausmaû der Adenosinerhæhung durch cAMP oder Isoproterenol (Jackson u. Mi 2000). Welche Rolle der cAMP/Adenosin-Synthese-Weg in der juxtaglomerulåren Regulation des afferenten Gefåûtonus und der Reninsekretion spielt, ist gegenwårtig unbekannt.
3.2.2.2 ATP 3.2.2.2.1 Expression von ATP-Rezeptoren in der afferenten Arteriole Obwohl die Aufrechterhaltung hoher ATP-Konzentrationen fçr die zellulåre Energiebereitstellung von entscheidender Bedeutung ist, kann kein Zweifel daran bestehen, dass ATP daneben zu einem kleinen Anteil die meisten Zellen çber im Einzelnen unklare Permeationswege verlassen kann (Ralevic u. Burnstock 1998). In seiner Funktion als extrazellulårer Transmitter interagiert ATP mit zwei strukturell und funktionell unterschiedlichen Klassen von P2-Purinorezeptoren, P2X- und P2Y-Rezeptoren (Ralevic u. Burnstock 1998). P2X-Rezeptoren sind unselektive Kationenkanåle mit Ca2+Leitfåhigkeit, die durch Bindung von ATP aktiviert werden. P2Y-Rezeptoren dagegen sind G-Proteingekoppelte Rezeptoren mit sieben Transmembranregionen, deren intrazellulåre Effekte typischerweise durch Aktivierung des Phospholipase-C/Phosphoinositol-Wegs transduziert werden. Mindestens sieben Mitglieder der P2X- und fçnf Mitglieder der P2Y-Familie sind molekular identifiziert worden. In der Niere sind Mitglieder der beiden P2Rezeptor-Familien in nahezu allen tubulåren Segmenten sowie in den renalen Gefåûen lokalisiert worden (Chan et al. 1998). Im Hinblick auf den TGF ist der Befund von Relevanz, dass P2X1-Rezeptoren in Interlobulararterien und afferenten Arteriolen, aber nicht im Glomerulus oder in efferenten Arteriolen nachweisbar sind (Chan et al. 1998). Ob P2X1 dabei in Endothel- oder glatten Muskelzellen lokalisiert ist, ist unklar.
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J. Schnermann und H. Castrop
3.2.2.2.2 ATP-induzierte Vasokonstriktion der afferenten Arteriole Der Effekt einer intravenæsen ATP-Infusion auf den gesamten renalen Gefåûwiderstand wird çberwiegend durch P2Y-Rezeptoren in Endothelzellen bestimmt, die çber eine Ca-abhångige Aktivierung der endothelialen NO-Synthase eine endothelabhångige Vasodilatation auslæsen. Erreicht ATP das Gefåû jedoch von der interstitiellen Seite aus, so kommt es in der Regel zu einer Vasokonstriktion, die durch P2X-Rezeptoren in glatten Gefåûmuskelzellen vermittelt wird (Burnstock u. Kennedy 1986). In afferenten Arteriolen eines In-vitro-Pråparats juxtamedullårer Nephrone und in isoliert perfundierten afferenten Arteriolen verursacht ATP eine anhaltende Vasokonstriktion, wenn es der Badlæsung in Konzentrationen çber 10±6 M zugesetzt wird (Inscho et al. 1992; Weihprecht et al. 1992). Die Konstriktion der A. arcuata und A. interlobularis dagegen war transient und benætigte hæhere ATP-Konzentrationen (Inscho et al. 1992). ATP låsst sich in diesen Experimenten durch spezifische P2X-Rezeptor-Agonisten wie a,b-MethylenATP oder b,c-Methylen-ATP ersetzen (Inscho et al. 1992; Weihprecht et al. 1992). P2Y-Agonisten wie UTP oder ATP-c-S fçhren von der interstitiellen Seite aus ebenfalls zu einer starken Vasokonstriktion, wåhrend sie intravaskulår appliziert eine Dilatation auslæsen (Churchill u. Ellis 1993; Eltze u. Ullrich 1996; Inscho et al. 1998). Danach sind P2Y-Rezeptoren sowohl in Endothelzellen als auch in glatten Muskelzellen der afferenten Arteriole vorhanden. Die durch P2X-Rezeptoren bedingte, ATP-abhångige Vasokonstriktion wird durch einen Ca2+-Einstrom initiiert und anschlieûend durch Aktivierung spannungsabhångiger Kalziumkanåle vom L-Typ aufrechterhalten (Inscho et al. 1995).
3.2.2.2.3 ATP und TGF-Antwort Eindeutige Hinweise fçr eine kritische Rolle von ATP in der TGF-induzierten Vasokonstriktion fehlen bislang. Die verfçgbaren P2-Rezeptor-Antagonisten Suramin, Pyridoxalphosphat-6-azophenyl2',4'-disulfonsåure (PPADS) und ¹Reactive Blue 2ª (RB2) sind auf ihre Wirkung auf den TGF in vivo bislang nicht untersucht worden. In der doppelt perfundierten JGA-Pråparation hatte Suramin keinen Effekt auf die durch erhæhtes NaCl an der Macula densa ausgelæste Vasokonstriktion der afferenten Arteriole (Ren et al. 2003). Aufgrund der nachgewiesenen Expression von P2X1-Rezeptoren in afferenten Arteriolen ist vermutet worden, dass
ein eventueller Effekt von ATP durch diesen Rezeptortyp vermittelt werden kænnte. Erste Versuche in P2X1-Knock-out-Måusen haben allerdings keine signifikante Verminderung der maximalen TGF-Antwort im Vergleich zu normalen Måusen gezeigt (unveræffentlichte Versuche mit E. Inscho and R. Evans). Eine Mikroinfusion von ATP oder b,c-Methylen-ATP in peritubulåre Kapillaren der Ratte fçhrte zu einer 80±85%igen Hemmung der maximalen TGF-Antwort (Mitchell u. Navar 1993). Diese Beobachtung ist so gedeutet worden, dass das im Rahmen der TGF-Reaktion gebildete endogene ATP wegen der Såttigung der P2-Rezeptoren mit exogenen Liganden keine freien Bindungsstellen findet. Andererseits sind P2X1-Rezeptoren dafçr bekannt, dass sie durch ihre Liganden schnell desensitiviert werden (Buell et al. 1996). Darçber hinaus kann ATP auch die Effekte anderer Agonisten durch heterologe Desensitivierung beeinflussen (Cha et al. 1998). Es ist daher denkbar, dass die fehlende TGF-Antwort nach långerer Verabreichung von ATP durch heterologe Desensitivierung der fçr die TGF-bedingte Vasokonstriktion verantwortlichen Rezeptoren verursacht wird. Im Gegensatz zur TGF-Antwort ist eine Beteiligung von ATP an der Autoregulation des Widerstands der afferenten Arteriolen relativ gut belegt. In einer isoliert perfundierten Pråparation, in der die vaskulåre Reaktion individueller afferenter Arteriolen juxtamedullårer Nephrone direkt beobachtet werden kann, war die durch Perfusionsdruckerhæhungen ausgelæste Vasokonstriktion in Anwesenheit des P2-Rezeptor-Antagonisten Suramin oder der P2X-Rezeptor-Inhibitoren PPADS und NF279 deutlich vermindert (Inscho et al. 1996, 2003). Die Abwesenheit einer druckinduzierten Vasokonstriktion in einer von P2X1-Knock-out-Måusen stammenden åhnlichen Pråparation unterstreicht die Beteiligung dieses Rezeptors und damit von ATP an der autoregulativen Widerstandsånderung (Inscho et al. 2003). Es ist allerdings gut dokumentiert, dass die Autoregulation des renalen Blutflusses und der glomerulåren Filtration nicht nur durch den TGF-Mechanismus bedingt ist, sondern dass eine inhårente myogene Antwort der Gefåûe auf Schwankungen des Perfusionsdrucks eine mindestens ebenso groûe Rolle spielt. Da die Evidenz fçr einen eindeutigen Einfluss von ATP auf den TGF fehlt, ist es eher wahrscheinlich, dass ATP zur myogenen Antwort der renalen Widerstandsgefåûe beitrågt. Seine Freisetzung bei erhæhtem Perfusionsdruck kænnte vom endothelialen Schergrad bestimmt sein, eine Græûe, die direkt
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
vom arteriellen Perfusionsdruck abhångt und deren Erhæhung in verschiedenen Zelltypen zur ATPFreisetzung fçhrt (Bodin u. Burnstock 2001; Milner et al. 1990).
3.2.2.3 Stickstoffmonoxid 3.2.2.3.1 Neuronale NOS in Macula-densa-Zellen Der auffallende Befund, dass Macula-densa-Zellen regelmåûig eine hohe Expression der neuronalen Isoform der NO-Synthase (nNOS) zeigen, hat von Beginn an die Vermutung nahe gelegt, dass NO im Bereich des JGA generiert wird und als starker Vasodilatator eine Rolle in der TGF-Antwort spielen kænnte. In der Nierenrinde çbertrifft die nNOSExpression in MD-Zellen die in allen anderen Tubulussegmenten bei weitem, so dass man nNOS als nahezu MD-spezifisches Markierungsgen betrachten kann (Bachmann u. Mundel 1994; Mundel et al. 1992; Singh et al. 1996; Wilcox et al. 1992). Immunzytochemische und funktionelle Evidenz fçr die Anwesenheit der zytosolischen Guanylatcyclase als ¹NOª-Rezeptor ist in den glatten Muskelzellen der afferenten Arteriole vorhanden, so dass NO çber eine Erhæhung der intrazellulåren cGMPKonzentration zu einer Vasodilatation fçhren kann (Theilig et al. 2001; Wang et al. 2003 a).
3.2.2.3.2 NO und TGF-Antwort Mehrere Versuchsreihen haben gezeigt, dass die luminale oder peritubulåre Applikation von unspezifischen NOS-Inhibitoren die vaskulåre Antwort auf maximale MD-Stimulierung deutlich erhæht (Braam u. Koomans 1995; Ito u. Ren 1993; Thorup u. Persson 1994; Wilcox et al. 1992). Ein vaskulårer Effekt der NOS-Hemmer war nicht zu beobachten, wenn die MD-Signal-Ûbertragung durch Furosemid blockiert war oder wenn L-NMMA (L-NGmonomethyl-arginin) peritubulår infundiert wurde ohne gleichzeitige Auslæsung einer TGF-Reaktion (Wilcox et al. 1992). Danach scheint die durch NO modifizierte Dilatation im JGA-Bereich spezifisch an das MD-Signal gekoppelt und nicht nur auf einen unspezifischen Hintergrundeffekt zurçckzufçhren zu sein. Vergleichbare Beobachtungen wurden auch mit relativ nNOS-spezifischen Inhibitoren wie 7-Nitroindazol gemacht, was ebenfalls auf eine spezifische Rolle MD-abhångiger NO-Produktion hindeutet (Thorup u. Persson 1996). Zusåtzliche Versuche haben gezeigt, dass NO-Wirkungen auf den glomerulåren Kapillardruck oder das Ein-
zelnephronfiltrat nicht nur bei maximaler Stimulation nachweisbar sind, sondern dass sie im gesamten Perfusionsbereich vorhanden sind (Thorup u. Persson 1994; Vallon u. Thomson 1995). In nNOSKnock-out-Måusen fanden sich keine markanten Unterschiede in der Antwort des Kapillardrucks auf Schleifenperfusion im Vergleich zu Wildtypen, aber das Einzelnephronfiltrat war signifikant niedriger und stieg bei einer akuten Verminderung der Schleifenperfusion deutlich an (Vallon et al. 2001). Die Effizienz, mit der das TGF-System Ønderungen in der endproximalen Stromstårke kompensiert, war nach NOS-Hemmung erhæht (Vallon u. Thomson 1995). Insgesamt zeigen diese Versuche, dass die Anwesenheit von NO die Græûe der vaskulåren TGF-Antwort im gesamten Perfusionsbereich dåmpft. Ûber welchen Mechanismus von der Macula densa freigesetztes NO die TGF-Antwort beeinflusst, ist nicht endgçltig geklårt. Da NO gut diffusibel ist, ist es denkbar, dass eine direkte Interaktion mit den glatten Muskelzellen der afferenten Arteriolen die TGF-abhångige Konstriktion vermindert. Die biologische Halbwertszeit in Abwesenheit von Håmoglobin ist ausreichend, um die Distanz zwischen der MD und der Arteriole durch Diffusion zu çberbrçcken. Kçrzlich wurde der Befund mitgeteilt, dass das Superoxiddismutase-Mimetikum Tempol die TGF-Antwort leicht vermindert (Wilcox u. Welch 2000). Diese Beobachtung deutet auf eine Verminderung der bioaktiven NO-Menge durch freie Sauerstoffradikale hin. Die Bildung dieser NO abbauenden reaktiven Molekçle kænnte durch NADPH-Oxidase erfolgen, deren Anwesenheit in MD-Zellen immunzytochemisch gezeigt worden ist (Chabrashvili et al. 2002). Der Effekt von Tempol auf die TGF-Antwort war in spontan hypertensiven Ratten erhæht, was durch eine erhæhte Bildung von Sauerstoffradikalen und damit durch eine Verminderung von NO erklårt werden kænnte (Welch et al. 2000). Obwohl es nahe liegt, den Effekt von NO in den Effektorzellen des TGF zu lokalisieren, ist es zusåtzlich oder als Alternative auch denkbar, dass NO die TGF-Antwort auf der Ebene der MD-Zellen modifiziert. In der Tat wurde in der isoliert perfundierten TAL (¹thick ascending limb of Henleª)/MD-Pråparation gefunden, dass die luminale Verabreichung des Guanylatcyclase-Hemmers LY83583 oder des G-ProteinKinase-Hemmers KT5823 die TGF-Antwort erhæhte, wåhrend die Anwesenheit dieser Substanzen im vaskulåren Perfusat keinen Effekt hatte (Ren et al. 2000). Der cGMP-abhångige Mechanismus in MD-Zellen ist unklar, aber er kænnte in ei-
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ner autokrinen und parakrinen Hemmung der NaCl-Aufnahme bestehen, wobei die Bildung von NO sowohl in MD- als auch in TAL-Zellen erfolgen kænnte (Ortiz u. Garvin 2001; Wang et al. 2002). Eine Steigerung der Transportaktivitåt des Na-, K-, 2Cl-Kotransporters (NKCC2) in MD-Zellen durch den nNOS-Hemmer 7-Nitroindazol, gemessen als initialer Anstieg der intrazellulåren Na-Konzentration, wurde kçrzlich mitgeteilt (Kovacs et al. 2003).
3.2.2.3.3 Luminale NaCl-Konzentration und NO-Bildung in der Macula densa Die kritische Frage, ob eine Ønderung der luminalen NaCl-Konzentration zu Ønderungen der NOBildung fçhrt, ist kçrzlich mit Hilfe NO-bindender Diaminofluorescein-Substanzen (DAF-AM DA, DAF-AM) untersucht worden. In zwei unabhångigen Studien fand sich ein Anstieg sowohl der MDståndigen wie auch der extrazellulåren Fluoreszenz, wenn die luminale NaCl erhæht wurde (Kovacs et al. 2003; Liu et al. 2002). In beiden Versuchsserien war dieser Anstieg durch 7-Nitroindazol unterdrçckbar und damit anscheinend durch nNOS vermittelt. Der erforderliche NaCl-Konzentrationsschritt lag zwischen 35 und 135 mM, bzw. zwischen 60 und 150 mM, so dass man schlieûen muss, dass nur eine Erhæhung der NaCl-Konzentration auf weit supraphysiologische Werte die NOBildung messbar steigert. Diese Schlussfolgerung wçrde bedeuten, dass die durch NO-Inhibitoren erzeugte graduelle Erhæhung der TGF-Antwort im gesamten Perfusionsbereich durch die Hemmung der basalen und nicht der durch die luminale NaCl-Konzentration regulierten NO-Produktion zustande kommt. Auf der anderen Seite haben direkte Mikropunktionsmessungen von NO mit einer Kohlenstofffaserelektrode gezeigt, dass die NOMenge und die NO-Konzentration im distalen Tubulus unter Perfusion der Henle-Schleife mit Furosemid signifikant anstieg (Levine et al. 2004). Dieser NO-Anstieg war unabhångig von gleichzeitigen Ønderungen in der tubulåren Flussrate und deutet damit auf eine erhæhte NO-Bildung bei Hemmung des NKCC2-abhångigen NaCl-Transports hin. Wie die Autoren vermuten, ist dieser Befund nicht notwendigerweise im Konflikt mit der gegenteiligen Beobachtung in MD-Zellen, da es sich um eine Ønderung der NO-Bildung in TAL-Zellen handeln kænnte, in denen eNOS-Aktivitåt funktionell nachgewiesen wurde (Plato et al. 2000). Wegen der çberwiegenden Anzahl von TAL- im Vergleich zu MD-Zellen ist es wahrscheinlich, dass die NO-Ge-
samtemission in der Henle-Schleife und damit die NO-Menge im distalen Tubulus von der NO-Produktion im TAL-Segment abhångt. Der Mechanismus, çber den eine Variation der tubulåren NaCl-Konzentration zu einer Modulation der nNOS-Aktivitåt fçhrt, ist nicht abschlieûend geklårt. Mæglicherweise fçhrt eine Aktivierung des NKCC2-abhångigen NaCl-Transports zu einer Erhæhung der intrazellulåren Ca-Konzentration der Macula densa und damit zu einer Aktivierung der Ca-abhångigen nNOS-Enzym-Aktivitåt. Der Anstieg des zytosolischen Kalziums bei erhæhtem NaCl-Transport kænnte durch eine Aktivierung des Na/Ca-Austauschers oder durch eine Úffnung von spannungsabhångigen Ca-Kanålen bedingt sein (Peti-Peterdi u. Bell 1999). In anderen Studien jedoch konnte keine Ønderung der intrazellulåren Ca-Konzentration bei erhæhter luminaler NaClKonzentration beobachtet werden (Salomonsson et al. 1991). Zudem erfolgte die nNOS-Aktivierung bei erhæhtem luminalen NaCl auch in Ca-freiem Medium (Liu et al. 2002). Eine andere Erklårung fçr die Steigerung der nNOS-Aktivitåt kænnte in der pH-Abhångigkeit der NOS-Enzym-Aktivitåt bestehen, deren pH-Optimum im leicht alkalischen Bereich, etwa bei pH 8, liegt (Yaqoob et al. 1996). Eine deutliche Alkalinisierung der MD-Zellen bei erhæhtem luminalen NaCl-Angebot ist als Folge einer gesteigerten Na/H-Austausch-Aktivitåt beobachtet worden (Fowler et al. 1995). Im Einklang mit dieser Mæglichkeit ist gezeigt worden, dass Dimethylamilorid die TGF-Antwort erhæht und dass in Anwesenheit dieses Na/H-Austausch-Hemmers ein spezifischer nNOS-Blocker keinen zusåtzlichen Effekt auf die TGF-Reaktion hat (Wang et al. 2003 b).
3.2.2.4 Prostanoide 3.2.2.4.1 Cyclooxygenaseund Lipoxygenase-Produkte Die Anwesenheit von Lipoxygenase und Zytochrom-P450-Enzymen sowie beider Cyclooxygenase-Isoformen in der juxtaglomerulåren Region steht im Einklang mit der Mæglichkeit, dass Metabolite der Arachidonsåure als parakrine Faktoren im JGA in Frage kommen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die intravenæse oder luminale Gabe von Indomethacin oder Meclofenamat die maximale TGF-Antwort hemmt (Morsing u. Persson 1992; Schnermann et al. 1979; Welch u. Wilcox 1988). Unter der Annahme, dass der Effekt dieser antiinflammatorischen Stoffe durch Inhibition der Cyclo-
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
oxygenasen zustande kommt, mçsste es sich bei dem aktiven Arachidonsåureprodukt um ein vasokonstriktorisches Prostaglandin handeln. In der Tat ist gezeigt worden, dass die luminale Applikation von Arachidonsåure einen Abfall des glomerulåren Kapillardrucks und damit vermutlich einen Vasokonstriktoreffekt auslæst (Franco et al. 1988). Thromboxan ist ein Prostanoid, das eine ausgeprågte Vasokonstriktion afferenter Arteriolen hervorruft (Schnackenberg et al. 2000). Eine Verminderung der TGF-Reaktion durch intravenæse Applikation von Hemmern der Thromboxanrezeptoren oder der Thromboxansynthase ist beschrieben worden (Morsing et al. 1989; Welch u. Wilcox 1988, 1990). Die Abwesenheit eines åhnlichen Befunds in einer vergleichbaren Studie und normale TGF-Antworten in Thromboxanrezeptor-Knockout-Måusen sprechen allerdings gegen eine generelle Rolle von Thromboxan als Modulator der TGF-Antwort (Franco et al. 1988; Schnermann et al. 2000). Vermutlich ist die Thromboxansynthese unter normalen Bedingungen nicht immer gençgend hoch, um eine eindeutige Modulierung des afferenten Gefåûtonus auszulæsen. Im Gegensatz zu dem hemmenden Effekt von Indomethacin auf die TGF-Antwort ist kçrzlich in juxtamedullåren afferenten Arteriolen beobachtet worden, dass der COX-2-Hemmer NS-398 die durch Acetazolamid ausgelæste Vasokonstriktion verstårkt, was als Ausdruck der Bildung eines dilatierenden Prostaglandins bei TGF-Aktivierung interpretiert wurde (Ichihara et al. 1998). Da eine Carboanhydrasehemmung durch Acetazolamid zu einer selektiven Erhæhung der NaHCO3-Konzentration im Maculadensa-Bereich fçhrt, wåhrend die NaCl-Konzentration abfållt, ist es nicht sicher, dass die tubulåre Flusserhæhung nach Acetazolamid gleichzusetzen ist mit der durch tubulåre NaCl-Perfusion bedingten Flusserhæhung (DuBose u. Luci 1983; Persson u. Wright 1982). Eine Verstårkung des vasokonstriktorischen Effekts von Angiotensin II durch ein Lipoxygenaseprodukt ist in afferenten Arteriolen beobachtet worden (Imig u. Deichmann 1997), aber eine Hemmung des Lipoxygenasewegs mit Nordihydroguaiatinsåure hatte keine Wirkung auf die TGF-Antwort (Franco et al. 1988).
chrome P450 4A2, 4A3, und 4A8 ist in Glomeruli und den meisten Tubulussegmenten gefunden worden, wåhrend pråglomerulåre Arteriolen nur die 4A2-Isoform exprimieren (Ito et al. 1998). Mit Hilfe eines polyklonalen Antikærpers gegen Zytochrom-P450-4A-Isoenzyme war eine Expression in Glomeruli und pråglomerulåren Arteriolen nachweisbar (Ito et al. 1998). Luminale Applikation von 17-ODYA und Clotrimazol, zwei Hemmern von Zytochrom-P450-Enzymen, fçhrte nach långerer Perfusion einzelner Henle-Schleifen zur Hemmung der TGF-Antwort; dieser Effekt konnte durch die Gabe von exogenem 20-HETE çberwunden werden (Zou et al. 1994). Zusammen mit dem Fehlen eines direkten Hinweises fçr eine Bildung von 20-HETE in MD-Zellen spricht diese letztere Beobachtung gegen eine Rolle von 20-HETE als Vermittler der TGF-Antwort, sondern sie låsst eher einen permissiven Effekt vermuten. Worin dieser Effekt bestehen kænnte ist unklar, aber es ist denkbar, dass 20-HETE als Folge einer Einwirkung von Adenosin in den afferenten Gefåûmuskelzellen gebildet wird und dass es in die intrazellulåre Transduktion des Adenosinsignals eingeschaltet ist (Harder et al. 1997). Wie in Abb. 3.2.5 schematisch zusammengefasst, fçhrt eine Erhæhung der luminalen NaClund KCl-Konzentrationen zu einer Ønderung der Funktion der Macula-densa-Zellen, die sich in Ønderungen der intrazellulåren Ionenkonzentratio-
3.2.2.4.2 Zytochrom-P450-Produkte Das Zytochrom-P450-Produkt 20-HETE (¹20-hydroxyeicosatetraenoic acidª) ist ein Arachidonsåuremetabolit, der in afferenten Arteriolen generiert wird und in diesen Gefåûen eine Vasokonstriktion auslæst (Roman 2002). Die mRNA fçr die Zyto-
Abb. 3.2.5. Schematische Zusammenfassung der wesentlichen parakrinen Faktoren, die zur Vasokonstriktion bei einem Anstieg der luminalen NaCl- und KCl-Konzentrationen beitragen (vgl. Ûbersicht in Bell et al. 2003 a). NKCC2: Na-, K-, Cl-Kotransporter; ROMK: Kaliumkanal (¹renal outer medullary K channelª); PLC: Phospholipase C
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nen, des Zellvolumens und der Membranspannung manifestiert (eine neuere Ûbersicht çber die in diesem Kapitel nicht diskutierten Einzelheiten des Ionentransports in Macula-densa-Zellen findet sich bei Bell et al. 2003 a). Dadurch kommt es zur Freisetzung von ATP und unter Vermittlung der Ekto5'-Nukleotidase zur Generation von Adenosin im juxtaglomulåren Interstitium. Die Interaktion von Adenosin mit A1-Adenosin-Rezeptoren verursacht eine lokale Vasokonstriktion. Angiotensin II, Thromboxan und 20-HETE verstårken diese Antwort, und NO schwåcht sie ab.
pression von COX-2 in der MD von Primaten und Menschen fraglich, wobei es unklar ist, ob diese Speziesunterschiede quantitativer oder qualitativer Art sind (Khan et al. 1998; Komhoff et al. 1997; Nantel et al. 1999). Die Bildung von Prostaglandin E2 (PGE2) wird von einer PGE2-Synthase mit entweder mikrosomaler oder zytosolischer Lokalisation katalysiert (Murakami et al. 2002). Wåhrend initiale Versuche, die PGE2-Synthase-mRNA in MD-Zellen mit Hilfe der RT-PCR nachzuweisen, negativ waren, haben kçrzlich immunzytologische Beobachtungen die Anwesenheit der mikrosomalen PGE2-Synthase-Isoform in MD-Zellen der Ratte und des Kaninchens belegt (Campean et al. 2003; Fuson et al. 2003; Vitzthum et al. 2002).
3.2.3 MD-vermittelte sekretorische Aktivitåt: Reninfreisetzung
3.2.3.1.2 Regulation der COX-2-Expression
3.2.3.1 Prostaglandine
Das Ausmaû der COX-2-Expression in den MDZellen zeigt Variationen, die denen der NO-Synthase und des Renins åhneln. Der Befund, dass die COX-2-Expression bei chronischer Bumetanid-Behandlung und bei Patienten mit Bartter-Syndrom ansteigt, deutet auf einen Zusammenhang zwischen der COX-2-Expression und dem NKCC2-abhångigen NaCl-Transport hin (Castrop et al. 2001; Kammerl et al. 2001 a; Komhoff et al. 2000; Mann et al. 2001). Der Anstieg der MD-COX-2 unter Ernåhrung mit kochsalzarmer Diåt oder bei Nierenarterienstenose kænnte mit einer verminderten distalen NaCl-Konzentration und damit ebenfalls mit einer reduzierten NaCl-Transport-Rate einhergehen (Harris et al. 1994; Hartner et al. 2003; Jensen u. Kurtz 1997; Wang et al. 1999; Yang et al. 1998). Eine kochsalzarme Diåt erhæht nicht nur die COX2-Expression in MD-Zellen, sondern auch die der PGE2-Synthase (Campean et al. 2003). Eine gesteigerte Expression der mikrosomalen PGE2-Synthase fand sich auch in der MD von Patienten mit Bartter-Syndrom (Komhoff et al. 2003). Es ist unwahrscheinlich, dass die Stimulierung der COX-2-Expression durch eine Erhæhung des Angiotensin-II-Spiegels verursacht wird, da Angiotensin II die COX-2-Expression in MD-Zellen eher hemmt. Starke Erhæhungen der MD-ståndigen COX-2-Expression finden sich daher unter der Gabe von ACE-Hemmern und in Nieren von AT1-Rezeptor- und Angiotensinogen-Knock-out-Måusen (Castrop et al. 2001; Cheng et al. 1999; Wolf et al. 1999). Dieser Befund ist auffållig, da Angiotensin II in anderen Zelltypen, besonders in glatten Muskelzellen, die COX-2-Expression und vermutlich die Prostaglandinbildung stimuliert (Hu et al. 2002).
3.2.3.1.1 Expression von COX-2 in der Macula densa Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2) katalysieren die Oxygenation und Peroxidation von Arachidonsåure mit dem Resultat der Bildung von Endoperoxiden (PGH2). Die anschlieûende Modifizierung von PGH2 durch eine Reihe von spezifischen Enzymen fçhrt zur Bildung des biologisch aktiven Spektrums von Prostaglandinen. Eine Beteiligung von Prostaglandinen an der Regulation der Reninsekretion ist durch frçhe Versuche, in denen Arachidonsåure stimulierende und Indomethacin hemmende Effekte auslæste, nahe gelegt worden (Larsson et al. 1974). Eine Stimulierung der Reninfreisetzung wird mit græûter Regelmåûigkeit durch Prostaglandine der E- und I-Serie ausgelæst (Jensen et al. 1996). Der Nachweis einer konstitutiven Expression von COX-2, der typischerweise induzierten Isoform von COX, in Macula-densa-Zellen der Ratte initiierte ein wachsendes Interesse an der Frage, ob die Prostaglandinfreisetzung eine kritische Rolle in der MD-abhångigen Reninsekretion spielen kænnte (Harris et al. 1994). Immunzytologische Evidenz zeigt in der Regel, dass die Expression von COX-2 zwischen individuellen MD-Zellen relativ stark variiert und dass COX-2-positive Zellen auch auûerhalb der eigentlichen MD im Bereich des umgebenden TAL-Segments vorkommen (Cheng et al. 1999; Mangat et al. 1997; Theilig et al. 2002; Vio et al. 1997). Im Gegensatz zu den Befunden in der Ratte und im Kaninchen ist die Ex-
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
3.2.3.1.3 Regulation der PGE2-Synthese Die Annahme, dass COX-2 in MD-Zellen zur Freisetzung von PGE2 fçhrt und dass eine Erniedrigung der luminalen NaCl-Konzentration diese Freisetzung stimuliert, ist kçrzlich direkt demonstriert worden. In diesen Versuchen wurden HEK293-Zellen ± die mit dem EP1-Rezeptor fçr PGE2 stabil transfiziert wurden und die daher auf PGE2-Gabe mit einer Erhæhung der intrazellulåren Ca-Konzentration antworteten ± als Sensoren fçr PGE2 benutzt. In einer isolierten TAL/MD-Pråparation von salzarm ernåhrten Kaninchen fand sich nach Positionierung einer solchen, mit Fura-2 beladenen Zelle nahe an der basolateralen Membran der MD eine graduelle Erhæhung der Ca-Konzentration, wenn die luminale NaCl-Konzentration stufenweise gesenkt wurde (Peti-Peterdi et al. 2002). Der gleiche Effekt lieû sich mit Furosemid erzielen. Die Erhæhung des Ca-Spiegels war zellspezifisch, da die Positionierung der Sensorzellen an einer TAL-Zelle keinen Effekt auf die Ca-Konzentration ausçbte (Peti-Peterdi et al. 2002). Die græûte Ønderung der als Ca-Erhæhung gemessenen PGE2Freisetzung fand sich in dem NaCl-Konzentrationsbereich zwischen 20 und 40 mM, dem gleichen Bereich, in dem frçhere Versuche in einer åhnlichen Pråparation die stårkste Ønderung der Reninfreisetzung gezeigt hatten (He et al. 1995 a). Der intrazellulåre Signalweg, çber den eine Erniedrigung der extrazellulåren NaCl-Konzentration zur Stimulierung der COX-2- und der Prostaglandinbildung fçhrt, ist in Zellkulturen der MD und des TAL untersucht worden (Cheng et al. 2000; Yang et al. 2000 b). In beiden Zelllinien fçhrte eine Erniedrigung der NaCl-Konzentration des Mediums zu einer unmittelbaren und dosisabhångigen Erhæhung der PGE2-Freisetzung, die fast vollståndig durch den COX-2-Hemmer NS-398 hemmbar war. Dieser Effekt erfolgte, bevor eine Ønderung der COX-2-Expression gefunden wurde, was auf eine Erhæhung der COX-2-Enzym-Aktivitåt und/oder auf eine Aktivierung der Phospholipase A2 (PLA2) und erhæhte Bereitstellung von Arachidonsåure hindeutet. Die Anwesenheit von PLA2 in MD-Zellen und ihre Regulierung durch extrazellulåres Kalzium ist kçrzlich gezeigt worden (Mangat et al. 1997). Mit zeitlicher Verzægerung stieg sowohl in MD- wie in TAL-Zellen auch die COX-2-Expression an, wenn die NaCl-Konzentration im Medium gesenkt wurde (Cheng et al. 2000; Yang et al. 2000 b). Ionensubstitutionsversuche identifizierten eine Erniedrigung der Cl-Konzentration als das extrazellulåre Signal fçr die Stimulierung der COX-
2-Expression. Dieser Befund erinnert an die ClAbhångigkeit der Reninsekretion, die zuvor in einer anderen Pråparation gezeigt worden war (Lorenz et al. 1991). Die intrazellulåre Signalkette, die zu einer Stimulierung der COX-2-Aktivitåt und -Expression fçhrt, schlieût eine unmittelbare Phosphorylierung der p38- und ERK1/2-Kinasen ein. Die MAP-Kinase-Abhångigkeit der COX-2-Regulation wird deutlich durch den hemmenden Einfluss der Kinaseinhibitoren SB 203580 und PD 98059. Die Aktivierung der MAP-Kinasen fçhrt sowohl zur Aktivierung der COX-2-Transkription als auch zur Erhæhung der COX-2-mRNA-Stabilitåt (Cheng u. Harris 2002).
3.2.3.1.4 Prostaglandine und Reninsekretion Untersuchungen in der isoliert perfundierten TAL/ JGA-Pråparation des Kaninchens haben ergeben, dass eine akute und unspezifische COX-Hemmung durch Flurbiprofen und Flufenaminsåure den Anstieg der Reninsekretion bei Erniedrigung der luminalen NaCl-Konzentration komplett blockiert (Greenberg et al. 1993). Der gleiche Effekt wurde
Abb. 3.2.6. Schematische Zusammenfassung der wesentlichen parakrinen Faktoren, die zur Erhæhung der Reninsekretion bei einem Abfall der luminalen NaCl- und KCl-Konzentrationen beitragen. Stickstoffmonoxid (NO), unabhångig von seinem Entstehungsort, ist fçr die Aktion des vermittelnden Prostaglandins notwendig. GZ: granulierte Zelle; NKCC2: Na-, K-, Cl-Kotransporter; ROMK: Kaliumkanal (¹renal outer medullary K channelª); MAPK: mitogen aktivierte Proteinkinasen; PDE III: Phosphodiesterase III
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in einer spåteren Studie mit dem spezifischen COX-2-Inhibitor NS-398 beobachtet, wåhrend Hemmung von COX-1 mit Valerylsalicylat die Ønderung der Reninfreisetzung nicht beeinflusste (Traynor et al. 1999). Da die Reninsekretion in dieser Pråparation nicht durch sympathische Transmitter oder durch den Barorezeptor reguliert werden kann, deuten diese Befunde auf eine kritische Beteiligung von COX-2 an der MD-abhångigen Reninsekretion hin (Abb. 3.2.6). Im Gegensatz zu diesen Ex-vivo-Versuchen sind die Hinweise fçr eine Rolle von COX-2 oder Prostaglandinen in der MD-Regulation der Reninsekretion, die aus In-vivo-Studien resultieren, weniger eindeutig. In einem Hundemodell, in dem die Einflçsse des sympathischen Nervensystems und des Barorezeptors durch Denervierung und Gabe von Papaverin ausgeschaltet wurden, lieû sich die durch Aortenkonstriktion ausgelæste Steigerung der Reninfreisetzung durch Indomethacin oder Meclofenamat verhindern (Olson et al. 1980). Ebenso wurde die Stimulierung der Reninfreisetzung durch Furosemid oder eine kochsalzarme Ernåhrung durch Indomethacin oder durch den COX-2-spezifischen Hemmer Rofecoxib vermindert (Bailie et al. 1976; Francisco et al. 1982; Kammerl et al. 2001 a; Schricker et al. 1995). Rofecoxib war auch in der Lage, die gesteigerte Harnausscheidung von Prostaglandinen und die erhæhten Plasmareninspiegel in Patienten mit Bartter-Syndrom zu normalisieren sowie die typische Natriurese und Diurese zu vermindern (Reinalter et al. 2002). Die basalen Werte fçr die Expression der ReninmRNA, die Plasmareninkonzentration und die juxtaglomerulåre Reninenzymaktivitåt sind deutlich vermindert in COX-2-Knock-out-Måusen, und die stimulierenden Effekte einer kochsalzarmen Diåt und von Hemmern des Angiotensin I konvertierenden Enzyms sind stark abgeschwåcht (Cheng et al. 2001; Yang et al. 2000 a). Wåhrend Versuche mit COX-2-Inhibitoren ursprçnglich einen hemmenden Effekt auf die Reninexpression gezeigt haben (Harding et al. 1997; Harris 2003), haben Untersuchungen mit den COX-2-spezifischen Blockern Rofecoxib oder Celecoxib die Vermutung, dass Prostaglandine generiert durch COX-2 fçr die Hochregulierung des Reninsystems durch eine kochsalzarme Diåt verantwortlich sind, nicht beståtigt (Hocherl et al. 2001, 2002; Kammerl et al. 2001 b). Es ist anzumerken, dass der Anteil der Reninsekretion, der spezifisch durch die Macula densa reguliert wird, in In-vivo-Versuchen nur schwer von den anderen reninregulierenden Einflçssen abzugrenzen ist. So ist es unwahrscheinlich, dass die Effekte einer
kochsalzarmen Diåt auf die Reninsekretion ausschlieûlich durch die Macula densa vermittelt werden.
3.2.3.2 Stickstoffmonoxid 3.2.3.2.1 nNOS Expression in der MD Die Mæglichkeit, dass NO an der Regulation der Reninfreisetzung durch den MD-Mechanismus beteiligt ist, ergibt sich aus der Lokalisation des nNOS-Enzyms in der MD, aber besonders daraus, dass sich die Expression von nNOS in diesen Zellen und die Reninexpression in granulierten Zellen auffallend parallel verhalten. Ein Anstieg in der nNOS-Expression in MD-Zellen fand sich z. B. in salzarm ernåhrten Ratten, nach Verabreichung von Furosemid und nach Nierenarteriendrosselung: experimentellen Bedingungen, in denen eine Stimulierung des Reninsystems vielfach beschrieben worden ist (Bosse et al. 1995; Murakami et al. 1997; Schricker et al. 1996; Singh et al. 1996; Tojo et al. 1995). Aufgrund welcher Mechanismen es unter diesen Bedingungen zur Stimulierung der nNOS-Expression kommt, ist nicht geklårt. Ein verminderter NaCl-Transport der Macula densa kænnte ein gemeinsamer Faktor in allen diesen Situationen sein. Wie in Abschn. 3.2.2.3.3 ausgefçhrt, ist es allerdings eher wahrscheinlich, dass ein gesteigerter NaCl-Transport die nNOS-Aktivitåt in den MD-Zellen erhæht. Dass sich die nNOS-Expression in MD-Zellen bei chronisch vermindertem NaCl-Transport anders verhålt als die nNOSAktivitåt bei akuten NaCl-Ønderungen, ist denkbar. Es ist auch mæglich, dass die Regulation der Reninexpression von NO abhångt, das nicht in der MD durch nNOS, sondern in anderen Zellen und durch andere NOS-Isoenzyme produziert wird. Auf den Befund, dass Furosemid die NO-Produktion im Verlauf der Henle-Schleife steigert, ist hingewiesen worden (Levine et al. 2004).
3.2.3.2.2 NO und Reninsekretion Der Effekt von NO auf die Reninsekretion wird dadurch kompliziert, dass sowohl stimulierende als auch hemmende Regulationswege existieren und dass es oft unklar ist, welcher Effekt die dominierende Rolle spielt (Abb. 3.2.7). In Primårkulturen granulierter Zellen verursachen die NO-Donoren Natriumnitroprussid oder Sin-1 eine prompte und dosisabhångige Hemmung der Reninfreisetzung, die von einem Anstieg der zellulåren cGMP-Spiegel
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
Abb. 3.2.7. Schematische Darstellung der hemmenden und færdernden Effekte von NO auf die Reninexpression und Reninsekretion. Solide Pfeile indizieren direkte oder positive Effekte und unterbrochene Pfeile hemmende Effekte (z. B. cGMP hemmt PDE III). cGK I/II: zyklische GMP-abhångige Kinase I/II; PKA: Proteinkinase A
begleitet wird (Greenberg et al. 1995; Schricker u. Kurtz 1993). Die Tatsache, dass dieser Effekt durch Methylenblau gehemmt werden konnte, deutet auf eine Rolle der cGMP-abhångigen cG-Kinase hin (Greenberg et al. 1995; Schricker u. Kurtz 1993). Frçhere Versuche haben gezeigt, dass das atriale natriuretische Peptid, das auch zur Erhæhung der cGMP-Spiegel fçhrt, gleichfalls die Reninsekretion hemmt (Henrich et al. 1988; Kurtz et al. 1986). Eine Hemmung der Reninfreisetzung durch NO ist auch in Nierenschnitten gezeigt worden, ebenso wie das Gegenteil, eine Stimulierung durch NOSHemmer (Beierwaltes u. Carretero 1992; Vidal et al. 1988). Darçber hinaus verursachte 8-BromocGMP in der isoliert perfundierten Niere eine Reduktion der durch Isoproterenol oder Bumetanid vermittelten Steigerung der Reninfreisetzung (Kurtz et al. 1998 a; Wagner et al. 1998). Die hemmende Wirkung von cGMP auf die Reninfreisetzung ist vermutlich eine direkte Konsequenz der Aktivierung der cGMP-abhångigen Kinasen (cGK). Zwei cGK-Isoformen sind identifiziert worden, und beide, cGK I und cGK II, sind in granulierten Zellen gefunden worden (Gambaryan et al. 1996, 1998). Die direkte Aktivierung von cGK durch 8-Para-Chlorophenylthio-cGMP fçhrte in der isoliert perfundierten Niere und in dissezierten afferenten Arteriolen zur Hemmung der durch Isoproterenol oder Forskolin stimulierten Reninsekretion, und diese Hemmung konnte durch einen cGKHemmer çberwunden werden (Gambaryan et al. 1998). Nach adenovirusvermittelter Transfektion von granulierten Zellen entweder mit cGK I oder
cGK II war der hemmende Einfluss eines cGK-Aktivators auf die durch Forskolin stimulierte Reninfreisetzung verstårkt (Gambaryan et al. 1998). Die Beobachtung, dass 8-Bromo-cGMP die basale und durch Forskolin stimulierte Reninsekretion in granulierten Zellen von cGK-I-Knock-out-Måusen reduzierte, aber dass es keinen Effekt in Zellen von cGK-II±/±-Måusen hatte, deutet auf einen spezifischen Effekt der cGK-II-Isoform hin (Wagner et al. 1998). Stimulierende Effekte von NO auf die Reninsekretion sind in einer Reihe von verschiedenen Bedingungen beobachtet worden. Wåhrend der initiale Effekt von NO in isolierten granulierten Zellen in einer Hemmung der Reninfreisetzung bestand, fand sich nach einer Inkubationszeit von mehr als 5 Stunden ein deutlicher Anstieg der Reninsekretion und der Renin-mRNA-Expression (Della Bruna et al. 1995; Schricker u. Kurtz 1993). In der isoliert perfundierten JGA-Pråparation fçhrte die Gabe von L-Arginin wåhrend einer Perfusion mit niedriger luminaler NaCl-Konzentration zu einer weiteren Steigerung der Reninsekretion (He et al. 1995 b). Der wahrscheinlichste Mechanismus fçr den sekretionssteigernden Effekt von NO ist eine Aktivierung des cAMP/Proteinkinase-A(PKA)-Signalwegs, wobei diese Aktivierung das Resultat einer Hemmung der cGMP-empfindlichen Phosphodiesterase III (PDE III) sein kænnte (Harrison et al. 1986). Bereits vor einiger Zeit wurde mitgeteilt, dass der PDE-III-Hemmer Milrinon die basale und durch Isoproterenol stimulierte Reninsekretion in wachen Kaninchen stimuliert (Chiu u. Reid 1996). In neueren Versuchen in der isoliert perfundierten Niere fçhrte Natriumnitroprussid zur gesteigerten Reninsekretion, und dieser Effekt wurde durch den Proteinkinase-A-Hemmer Rp8-cAMPS abgeschwåcht (Kurtz et al. 1998 a). Da im Gegensatz zu Natriumnitroprussid membranpermeable cGMP-Analoge die Reninsekretion hemmten, scheint die Stimulation der Reninsekretion durch NO eindeutig durch den ProteinkinaseA-Weg und nicht durch G-Kinasen vermittelt zu werden (Kurtz et al. 1998 a). Die Hypothese, dass eine cGMP-abhångige Hemmung der PDE III die Ursache fçr die erhæhten cAMP-Spiegel ist, wird durch die Beobachtung erhårtet, dass Milrinon und Trequinsin, zwei Inhibitoren dieses Enzyms, die Reninsekretion steigerten und dass ein spezifischer Guanylatcyclase-Hemmer den stimulatorischen Effekt von NO-Donoren verhinderte (Kurtz et al. 1998 b). Ein Anstieg des zyklischen AMP durch Trequinsin und eine Steigerung der Reninsekretion, die durch PKA-Inhibition aufgehoben
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wurde, ist in isolierten granulierten Zellen gezeigt worden (Friis et al. 2002). Eine Hemmung der Phosphodiesterase IV, die vornehmlich cGMP abbaut, fçhrt ebenfalls zur Steigerung der Reninsekretion (Sayago u. Beierwaltes 2001). Dieser Effekt konnte durch 7-Nitroindazol vermindert werden, was auf eine Beteiligung von nNOS in der Bereitstellung von cGMP hindeutet. Basierend auf diesen Daten kann man postulieren, dass NO die Reninsekretion dadurch stimuliert, dass es guanylatcyclaseabhångig cGMP generiert, das dann durch PDEIII-Hemmung zur Erhæhung des cAMP-Spiegels und zur Aktivierung der Proteinkinase A fçhrt.
3.2.3.2.3 NO und MD-abhångige Reninsekretion Ob NO eine Rolle in der MD-Kontrolle der Reninsekretion spielt, ist nicht mit Sicherheit geklårt. Ein direkter Hinweis fçr eine solche Rolle fand sich in Versuchen in der isoliert perfundierten JGA-Pråparation, in der die luminale Anwesenheit des NOS-Inhibitors Nitro-L-Arginin die Stimulierung der Reninsekretion durch einen Abfall in der luminalen NaCl-Konzentration weitgehend verhinderte (He et al. 1995 b). Unter der Annahme, dass Schleifendiuretika ihren stimulierenden Effekt auf die Reninsekretion im Wesentlichen çber den MDMechanismus ausçben, ist der Einfluss von NOSInhibitoren auf die Wirkung dieser Diuretika mehrfach untersucht worden. In dissezierten renalen Gefåûpråparationen verhinderte die NOS-Hemmung den Anstieg der Reninfreisetzung nach Vorbehandlung mit Furosemid (Chatziantoniou et al. 1996). Ein åhnlicher Befund ergab sich in Versuchen in vivo, in denen NOS-Hemmer die durch Furosemid erzeugte Steigerung der Reninsekretion verminderten (Beierwaltes 1995; Reid u. Chou 1995; Schricker et al. 1995). Wåhrend diese Ergebnisse das Konzept einer Beteiligung von NO am MD-Mechanismus der Reninsekretion beståtigen, ist es unklar, ob es sich dabei um einen spezifischen vermittelnden Effekt des durch die MDnNOS-erzeugten NO handelt, oder ob die Anwesenheit von NO nætig ist, um die Wirkung des mediierenden Faktors zu ermæglichen. Neuere Versuche haben gezeigt, dass die durch Furosemid ausgelæste Reninsekretion in nNOS-Knock-outMåusen weitgehend erhalten war (Castrop et al. 2004 b). Das gleiche Ergebnis fand sich in eNOSKnock-out-Måusen, aber die zusåtzliche Gabe von L-NAME (L-Nitro-Arginin-Methylester) fçhrte zur Aufhebung des reninsteigernden Effekts von Furosemid. In isoliert perfundierten Nieren von nNOSoder eNOS-Knock-out-Måusen war die basale Re-
ninsekretion deutlich niedriger als in Nieren von Wildtypen, aber die Steigerung der Reninfreisetzung durch Furosemid blieb erhalten. Im Gegensatz zur selektiven Ausschaltung einzelner NOSIsoformen fçhrte eine generelle Hemmung von NOS zur Aufhebung des Furosemideffekts auf die Reninsekretion. Schlieûlich lieû sich durch Gabe eines NO-Donors der durch L-NAME verursachte Verlust der Reaktion auf Furosemid rçckgångig machen (Castrop et al. 2004 b). Diese Versuche machen es unwahrscheinlich, dass NO generiert durch nNOS in MD-Zellen eine spezifische mediierende Rolle in der MD-Kontrolle der Reninsekretion spielt. Andererseits scheint die Anwesenheit von NO im juxtaglomerulåren Interstitium nætig zu sein, um den Effekt des wahren Mediators zu ermæglichen. Der Mechanismus fçr diesen permissiven Effekt von NO ist unklar, aber es ist denkbar, dass eine cGMP-abhångige Hemmung der PDE III den Anstieg der zellulåren cAMP-Spiegel durch einen Gs-gekoppelten Mediator beschleunigt und damit die Effizienz dieses Regulationswegs erhæht. Ein solcher Prozess wåre unabhångig vom Ursprungsort von NO und von der NOS-Isoform, die fçr die NO-Bildung verantwortlich ist.
3.2.3.3 Adenosin Wåhrend Adenosin wie oben ausgefçhrt eine kritische Rolle in der MD-abhångigen vasomotorischen Reaktion spielt, ist seine Beteiligung an der MDRegulation der Reninsekretion weniger klar. Immerhin verursacht Adenosin im Konzentrationsbereich zwischen 10±10 und 10±6 M eine dosisabhångige Hemmung der Reninsekretion in isolierten Zellen und in Nierenschnitten (Churchill u. Churchill 1985; Kurtz et al. 1988). In Studien mit rezeptorspezifischen Antagonisten zeigte sich, dass dieser hemmende Einfluss durch den A1-Typ des Adenosinrezeptors (A1AR) vermittelt wird (Albinus et al. 1998; Churchill u. Churchill 1985). Die zellulåren Signale, die diesen hemmenden Effekt vermitteln, kænnten in einer Senkung des cAMPSpiegels, in einer Erhæhung des intrazellulåren Kalziums oder in einer Erhæhung der cGMP-Konzentration bestehen. Die Beobachtung, dass A1AR-spezifische Inhibitoren wie DPCPX eine Stimulierung der Reninfreisetzung verursachen, deutet auf eine tonische Hemmung des Reninsystems durch endogenes Adenosin hin (Jackson 1991; Kuan et al. 1989, 1990). Dieser Befund steht im Einklang mit der Mæglichkeit, dass die Hemmung der Reninsekreti-
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
on bei Steigerung der luminalen NaCl-Konzentration durch Adenosin bedingt sein kænnte. Ein hemmender Einfluss der MD auf die Reninsekretion zeigte sich in nichtperfundierten afferenten Arteriolen, in denen die Reninfreisetzung in Anwesenheit der MD niedriger war als nach Entfernung der MD und in denen dieser Unterschied durch Gabe von Theophyllin aufgehoben werden konnte (Itoh u. Carretero 1985). In der isoliert perfundierten TAL/JGA-Pråparation verursachte die Gabe des selektiven A1AR-Hemmers DPCPX eine Verminderung des durch NaCl ausgelæsten Abfalls der Reninsekretion, ohne diesen Effekt jedoch vællig zu blockieren (Weihprecht et al. 1990). Dieser Hinweis auf eine Beteiligung von A1AR-Rezeptoren in der MD-Kontrolle der Reninsekretion steht in scheinbarem Gegensatz zu der Beobachtung, dass der stimulierende Effekt von Bumetanid in isoliert perfundierten Nieren von A1AR-Knock-out-Måusen im Wesentlichen unveråndert war (Schweda et al. 2003). Da mit Bumetanid nur eine Abnahme des NaCl-Transports auf die Reninsekretion getestet wurde, sind diese beiden Befunde in Einklang zu bringen unter der Annahme, dass Adenosin nur fçr die Hemmung der Reninfreisetzung bei erhæhter NaCl-Konzentration, nicht aber fçr die Stimulierung bei reduzierter NaCl-Konzentration verantwortlich ist.
kontrolliert zudem die Reninfreisetzung und damit die Angiotensinkonzentration im Plasma, die sowohl direkt als auch indirekt wesentlich zur Regulation der tubulåren Resorption von NaCl beitrågt. Die Informationsçbertragung auf der Ebene des JGA zwischen den epithelialen Macula-densa-Zellen und den glatten Muskelzellen und granulierten Zellen der afferenten Arteriolen erfolgt durch die Freisetzung von parakrinen Faktoren. Die Bildungsrate dieser Ûbertrågerstoffe hångt direkt von der Zusammensetzung der tubulåren Flçssigkeit und ihrem Einfluss auf den Funktionszustand der Macula-densa-Zellen ab. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass unter diesen parakrinen Faktoren Adenosin und ATP eine entscheidende Rolle bei der Auslæsung der vaskulåren Reaktion spielen, wåhrend Prostaglandine und Stickstoffmonoxid in der lokalen Regulation der Reninfreisetzung von kritischer Bedeutung sind. Die kurzlebige Natur aller dieser Substanzen ermæglicht eine autonome Regulation auf der Ebene des einzelnen Nephrons und eine ausreichend hohe Reaktionsgeschwindigkeit. Es ist denkbar, dass durch ein verbessertes Verståndnis der çbermittelnden Substanzen und ihrer Rezeptoren die Regulation des Filtrats und die Reninsekretion durch den JGA beeinflussbar werden und dass sich damit ein therapeutischer Ansatz zur Behandlung von Stærungen des Salz-Wasser-Haushalts eræffnet.
3.2.4 Ausblick Ein bemerkenswerter Aspekt der Harnbildung in der Såugetierniere ist das offensichtliche Missverhåltnis zwischen der glomerulåren Filtrationsrate und der Ausscheidung von Wasser und zahlreichen begleitenden Elektrolyten. Um z. B. die tågliche Aufnahme von 2±3 g NaCl durch Ausscheidung im Harn zu bilanzieren, wird eine mehr als 100fach hæhere NaCl-Menge in die Nierentubuli filtriert. Die Erreichung der NaCl-Bilanz ist daher kritisch von einer pråzisen Abstimmung zwischen glomerulårer Filtration und tubulårer Reabsorption abhångig. Die Funktion des juxtaglomerulåren Apparats der Niere ist als Teil dieser fçr die Homæostase der Kærperflçssigkeit kritischen Filtrations-Resorptions-Anpassung zu verstehen. Indem Informationen çber die Zusammensetzung des tubulåren Harns im distalen Tubulus zur Regulation der Filtratgræûe benutzt werden, kann das Filtrat an die jeweiligen Resorptionsbedingungen angeglichen werden. Die distale Harnzusammensetzung
3.2.5 Literatur Albinus M, Finkbeiner E, Sosath B, Osswald H (1998) Isolated superfused juxtaglomerular cells from rat kidney: A model for study of renin secretion. Am J Physiol 275: F991±997 Bachmann S, Mundel P (1994) Nitric oxide in the kidney: Synthesis, localization, and function. Am J Kidney Dis 24: 112±129 Bailie MD, Crosslan K, Hook JB (1976) Natriuretic effect of furosemide after inhibition of prostaglandin synthetase. J Pharmacol Exp Ther 199: 469±476 Baranowski RL, Westenfelder C (1994) Estimation of renal interstitial adenosine and purine metabolites by microdialysis. Am J Physiol 267: F174±182 Beierwaltes WH (1995) Selective neuronal nitric oxide synthase inhibition blocks furosemide- stimulated renin secretion in vivo. Am J Physiol Renal Physiol 269: F134± 139 Beierwaltes WH, Carretero OA (1992) Nonprostanoid endothelium-derived factors inhibit renin release. Hypertension 19: II68±73 Bell PD (1985) Cyclic AMP-calcium interaction in the transmission of tubuloglomerular feedback signals. Kidney Int 28: 728±732
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3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
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a
3.2 Regulation vasomotorischer und sekretorischer Aktivitåt im juxtaglomerulåren Apparat der Niere durch parakrine Faktoren
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375
3.3 Regulationsmechanismen des Renin-AngiotensinSystems im kardiovaskulåren System Markus Clemenz, Ulrike Muscha Steckelings und Thomas Unger
Inhaltsverzeichnis 3.3.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
3.3.2
Geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . .
378
3.3.3
Komponenten des Renin-Angiotensin-Systems . . . . . . . Angiotensinogen . . . . . . . . . . . . . . . . Renin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angiotensin Converting Enzyme . . . . . . . Synthese und Metabolismus der Angiotensinpeptide . . . . . . . . . . . . Angiotensin-Typ-1-Rezeptor . . . . . . . . . Lokalisation des AT1-Rezeptors im Gewebe Regulation der AT1-Rezeptor-Expression . . AT1-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktion Funktionelle Bedeutung des AT1-Rezeptors Angiotensin-Typ-2-Rezeptor . . . . . . . . . Lokalisation des AT2-Rezeptors im Gewebe Regulation der AT2-Rezeptor-Expression . . AT2-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktion Funktionelle Bedeutung des AT2-Rezeptors
3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.3.3 3.3.3.4 3.3.3.5 3.3.3.5.1 3.3.3.5.2 3.3.3.5.3 3.3.3.5.4 3.3.3.6 3.3.3.6.1 3.3.3.6.2 3.3.3.6.3 3.3.3.6.4 3.3.4 3.3.4.1 3.3.4.2 3.3.4.3 3.3.4.4 3.3.4.5 3.3.5
Wirkungen von Angiotensin II auf Herz und Kreislauf . . . . . . . . . Angiotensin-II-Rezeptoren im Herzen und in den Gefåûen . . . . . . . . . . . Angiotensin II und das kardiovaskulåre Kontinuum . Angiotensin II und Hypertonie . . . . Atherosklerose und endotheliale Dysfunktion . . . . . Linksventrikulåre Hypertrophie . . . .
380 380 380 381 382 382 383 384 384 385 387 387 387 388 389
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Klinische Bedeutung der Inhibition des Renin-Angiotensin-Systems fçr kardiovaskulåre Erkrankungen . . . . .
394
3.3.1 Einleitung Es ist heute erwiesen, dass kardiovaskulåre Ereignisse wie Schlaganfall und Myokardinfarkt in direkter Beziehung zu erhæhtem Blutdruck stehen. Hypertoniebedingte strukturelle und funktionelle Verånderungen in Endorganen erhæhen das Risiko, einen Schlaganfall bzw. Infarkt zu erleiden. Das Renin-Angiotensin-System (RAS) spielt bei vielen
3.3.5.1 Studien mit ACE-Inhibitoren . . . . . . . . . 3.3.5.1.1 ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz . . . . . . 3.3.5.1.2 ACE-Hemmer bei kardiovaskulåren Hochrisikopatienten . 3.3.5.1.3 ACE-Hemmer bei koronarer Herzkrankheit 3.3.5.1.4 ACE-Hemmer bei diabetischer und nichtdiabetischer Nephropathie . . . . . 3.3.5.2 Studien mit AT1-Rezeptor-Antagonisten . . . 3.3.5.2.1 AT1-Antagonisten zur Pråvention von Langzeitfolgen bei Hypertonie . . . . . . 3.3.5.2.2 AT1-Antagonisten bei Herzinsuffizienz . . . 3.3.5.2.3 AT1-Antagonisten bei diabetischer und nichtdiabetischer Nephropathie . . . . . 3.3.5.3 Studien mit ACE-Inhibitoren und AT1-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . 3.3.5.3.1 ACE-Hemmer plus AT1-Antagonisten bei Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5.3.2 ACE-Hemmer plus AT1-Antagonisten bei kardiovaskulåren Hochrisikopatienten . 3.3.5.3.3 ACE-Hemmer plus AT1-Antagonisten nach Myokardinfarkt . . . . . . . . . . . . . .
395 395 395 395 395 395 396 396 396 397 397 397 398
3.3.6
Genetik des Renin-Angiotensin-Systems und Auswirkungen auf das Herz-KreislaufSystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
3.3.7
Neue Indikationen: Kardiovaskulåre Therapien verbessern Diabetespråvalenz . . 400
3.3.8
Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
3.3.9
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
dieser Prozesse eine wichtige Rolle und hat eine Schlçsselstellung bei der Regulation der kardiovaskulåren Homæostase. Das RAS ist phylogenetisch gesehen eines der åltesten Hormonsysteme und hat sich wåhrend der gesamten Evolution erhalten (Nishimura 2004). Es stellt eine Kaskade enzymatischer Reaktionen dar, wobei vom Vorlåufermolekçl Angiotensinogen durch das Enzym Renin das Angiotensin I (Ang I) abgespalten wird, welches dann durch das AngioGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
378
M. Clemenz et al.
Abb. 3.3.1. Ûberblick çber das Renin-Angiotensin-System: Neben dem Hauptweg der Ang-II-Bildung çber Renin und ACE, ausgehend vom Angiotensinogen, wird Ang II auch unabhångig von ACE gebildet. ACE katabolisiert auch das vasodilatative Bradykinin. ACE: Angiotensin converting enzyme; ANG I: Angiotensin I; ANG II: Angiotensin II; AT1: Angiotensin-Typ1-Rezeptor; AT2: Angiotensin-Typ-2-Rezeptor. (Aus Unger 2002)
tensin converting enzyme (ACE) zum Haupteffektor Angiotensin II (Ang II) hydrolisiert wird (Montani u. Van Vliet 2004) (Abb. 3.3.1). Auûer bei der Regulation des Blutdrucks und der Flçssigkeitshomæostase spielt (Ang II) eine wichtige Rolle bei Prozessen wie Zellwachstum, Gehirn- und Herzfunktion, Atherothrombose, Entzçndung und Apoptose. Ang II bindet an spezifische Rezeptoren, von denen mehrere Subtypen existieren. Das wissenschaftliche Interesse richtet sich bisher im Wesentlichen auf zwei, in Funktion und Struktur sehr unterschiedliche Angiotensinrezeptor-Subtypen: AT1 und AT2. Beide wurden kloniert und sequenziert. Obwohl beide Rezeptoren zur Familie der ¹SiebenTransmembrandomånen-Rezeptorenª gehæren, haben sie nur 34% Homologie und eine åuûerst heterogene Verteilung im peripheren Gewebe (de Gasparo et al. 2000). Die meisten Spezies besitzen nur ein autosomales Gen fçr den AT1-Rezeptor, lediglich bei Nagetieren existieren zwei Rezeptoren (AT1A und AT1B), die von zwei verschiedenen Genen codiert werden (de Gasparo et al. 2000). Die Entwicklung von spezifischen, nichtpeptidischen Antagonisten fçr den AT1-Rezeptor fçhrte zu groûen Fortschritten bei der Erforschung der Physiologie, Pharmakologie und therapeutischen Beeinflussung des RAS (Regitz-Zagrosek u. Unger 2003). AT1-Rezeptor-Antagonisten blockieren selektiv den fçr die kardiovaskulåre Homæostase essentiellen AT1-Rezeptor. Ein weiterer pharmakologischer Ansatz zur Blockierung des RAS ist die Hemmung des Schlçsselenzyms ACE durch sog. ACE-Hemmer. ACE-Hemmer verhindern die Umwandlung von Ang I zu dem Effektorhormon Ang II.
3.3.2 Geschichtlicher Hintergrund Die Geschichte des Renin-Angiotensin-Systems in der modernen Medizin begann im Jahre 1733 mit der ersten blutigen Druckmessung in der Carotis eines Pferdes (de Gasparo et al. 2000). Im Laufe der Jahre konnte die Blutdruckmessung weiter verbessert werden: 1872 benutzte Mahomed zur Aufzeichnung des Blutdrucks einen einfachen Pulsschreiber. Er beschrieb Hypertonie und ventrikulåre Hypertrophie bei Patienten mit und ohne Nierenerkrankung (de Gasparo et al. 2000). Die Entwicklung des technischen Know-hows zur Blutdruckmessung inspirierte zahlreiche Wissenschaftler zu Untersuchungen zum Thema der Blutdruckregulation. Hier wurde der erste Meilenstein 1897 von Robert Tigerstedt gesetzt. Der finnische Professor am Stockholmer Karolinska-Institut und sein Student Per Bergman zerrieben frische Kaninchenniere in physiologischer Kochsalzlæsung, injizierten den Extrakt einem gesunden Kaninchen und beobachteten einen deutlichen Blutdruckanstieg. Sie benannten ihre neu entdeckte blutdrucksteigernde Substanz nach ihrer Herkunft ¹Reninª (Tigerstedt u. Bergman 1898). Jahrzehnte spåter etablierte die Gruppe um Goldblatt das erste, bis heute verwendete Modell fçr experimentellen Bluthochdruck. Durch die kçnstliche Stenosierung der Nierenarterie eines Hundes mittels Silberclip aktivierte Goldblatt das renale RAS (das zu diesem Zeitpunkt in seiner Gesamtheit nicht bekannt war) und induzierte so einen Blutdruckanstieg (Goldblatt et al. 1934). Dieses Modell wurde von vielen Forschergruppen fçr ihre Untersuchungen zur Hypertonie aufgegriffen ± so auch von der argentinischen Gruppe um Bernardo Houssay und spåter Eduardo Braun-Menndez am Physiologischen Institut der School of Medicine der Univer-
a
3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
Tabelle 3.3.1. Aminosåuresequenzen des menschlichen Angiotensin II, seiner Vorlåufer und seiner Metaboliten. (Aus de Gasparo et al. 2000) ±
1
2
3
4
5
6
7
8
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10
11
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Angiotensinogen Ang I Ang II Ang III Ang IV Angiotensin 1±7
Asp Asp Asp ± ± Asp
Arg Arg Arg Arg ± Arg
Val Val Val Val Val Val
Tyr Tyr Tyr Tyr Tyr Tyr
Ile Ile Ile Ile Ile Ile
His His His His His His
Pro Pro Pro Pro Pro Pro
Phe Phe Phe Phe Phe ±
His His ± ± ± ±
Leu Leu ± ± ± ±
Leu ± ± ± ± ±
Val ± ± ± ± ±
Tyr ± ± ± ± ±
Ser ± ± ± ± ±
sitåt von Buenos Aires und von der amerikanischen Gruppe unter der Leitung von Irvine Page in den Forschungslaboratorien von Eli Lilly in Indianapolis. Beiden Gruppen gelang etwa zeitgleich die Entdeckung, dass die eigentliche, blutdrucksteigernde Substanz nicht das Renin selbst ist, sondern dass das Renin die Abspaltung eines Peptids (Ang I, bzw. nach einer weiteren Spaltung Ang II) von seinem Vorlåufermolekçl (Angiotensinogen) katalysiert und dass erst dieses Peptid blutdrucksteigernd wirkt. Die Gruppe um Braun-Menndez isolierte dieses gefåûverengende Peptid aus venæsem Blut einer ischåmischen Niere eines Goldblatt-Hundes und taufte sie ¹Hypertensinª (Braun-Menndez et al. 1940). Die gleiche Substanz fanden Page und Helmer nach Injektion von Renin in gesunde Tiere, nannten sie jedoch ¹Angiotoninª. Spåter isolierten sie eine sog. ¹Renin aktivierendeª Substanz, die sich dann als ¹Reninsubstratª bzw. Angiotensinogen herausstellte (Page u. Helmer 1940). Es wurde bald deutlich, dass ¹Hypertensinª und ¹Angiotoninª identisch sind. Heutzutage ist die Bezeichnung fçr dieses Oktapeptid ¹Angiotensin IIª (de Gasparo et al. 2000). Anlåsslich des 25. Geburtstages von Goldblatts bahnbrechendem Experiment organisierte die Universitåt von Michigan 1957 in Ann Arbor eine Konferenz çber ¹Grundlegende Mechanismen der arteriellen Hypertonieª. Dort verståndigten sich Braun-Menendez und Page auf eine einheitliche Nomenklatur fçr die einzelnen Komponenten des enzymatischen Systems. Der Name der letztlich aktiven Komponente wurde aus den beiden Ursprungsbezeichnungen neu gebildet: ¹Angiotensinª. In gleicher Weise wurde das ¹Reninsubstratª als ¹Angiotensinogenª bezeichnet, und die Enzyme, die das Peptid spalten, erhielten die Bezeichnung ¹Angiotensinasenª (Braun-Menndez u. Page 1958). In den darauf folgenden Jahren wurden die verschiedenen Komponenten des Renin-AngiotensinSystems (RAS) weiter untersucht und charakteri-
siert, und es wurden weitere Angiotensin-Peptide unterschiedlicher Långe entdeckt, die mehr oder weniger biologisch aktiv sind (Angiotensin I, III, IV, Ang 1±7; Tabelle 3.3.1) (de Gasparo et al. 2000). 1987 schlug eine Delegation der American Heart Association (AHA), der World Health Organization (WHO) und der International Society of Hypertension (ISH) vor, Angiotensin mit Ang abzukçrzen und Angiotensin I als Referenz fçr die Nummerierung der Aminosåuren (AS) heranzuziehen (Dzau et al. 1987). Ang II ist ein Peptidhormon, das an membranståndige Rezeptoren bindet, die im Zellinneren eine charakteristische Antwortkaskade anstoûen kænnen. Wirkungsvergleiche zwischen Ang I, II, III und synthetischen Agonisten und Antagonisten zeigten unterschiedliche Rezeptoraffinitåten und Wirkstårken, die zum Teil gewebs- und speziesspezifisch variierten. Daher vermutete man die Existenz verschiedener Ang-II-Rezeptor-Subtypen (de Gasparo et al. 2000). Es dauerte allerdings bis Ende der 80er Jahre, bis die richtigen ¹pharmakologischen Werkzeugeª, nåmlich hochselektive Liganden (Losartan fçr den AT1-Rezeptor, PD123319 und CGP42112 fçr den AT2-Rezeptor) zur Verfçgung standen, um in vielen Geweben zunåchst zwei Rezeptorsubtypen nachzuweisen. Die Identifizierung und Charakterisierung der beiden Rezeptorsubtypen gelang in drei unterschiedlichen Laboratorien gleichzeitig und unabhångig voneinander, was zu einer anfånglich uneinheitlichen Nomenklatur fçhrte: der Losartan bindende Rezeptor wurde 1, B oder a genannt, der CGP42112 bzw. PD123319 bindende mit 2, A oder b bezeichnet (de Gasparo et al. 2000). 1991 einigte man sich schlieûlich auf eine einheitliche Nomenklatur: der Rezeptor, der mit hæchster Affinitåt Losartan bindet, wird als AT1-Rezeptor bezeichnet, derjenige Rezeptor, der mit hæchster Affinitåt PD123319/CGP42112 bindet, wird als AT2-Rezeptor bezeichnet (de Gasparo et al. 2000).
379
380
M. Clemenz et al.
Abb. 3.3.2. Wirkungen und Feedbackschleife des systemischen Renin-Angiotensin-Systems. In der Niere gebildetes Renin spaltet von in der Leber synthetisiertem Angiotensinogen Ang I ab, welches durch ACE zu Ang II katabolisiert wird. Ang II fçhrt im Gefåûbett zur Vasokonstriktion, in der Nebenniere zur Aldosteronfreisetzung und in der Niere
3.3.3 Komponenten des Renin-Angiotensin-Systems Die enzymatische Kaskade des Renin-AngiotensinSystems beginnt mit der Abspaltung des Dekapeptids Angiotensin I (Ang I) von Angiotensinogen durch das Enzym Renin. Das Angiotensin converting enzyme (ACE) verkçrzt Ang I um weitere zwei Aminosåuren, und es entsteht das Oktapeptid Angiotensin II (Ang II). Ang II bindet an spezifische Rezeptoren, wobei die Subtypen 1 und 2 (AT1, AT2) zum heutigen Zeitpunkt am besten charakterisiert sind (Abb. 3.3.2). Durch weitere Angiotensinasen werden von Ang II weitere Aminosåuren abgespalten, und es entstehen Ang III, Ang IV und Angiotensin 1±7 (Tabelle 3.3.1), die eigene, wenn auch zum Teil schwache biologische Wirkungen haben.
3.3.3.1 Angiotensinogen Angiotensinogen ist ein glykosyliertes a2-PlasmaGlobulin mit einem Molekulargewicht von 54 bis 60 kDa und das einzig bekannte Substrat fçr Renin. Es existiert ein Vorlåufermolekçl, das Pråangiotensinogen, durch das nach Abspaltung von 24 Aminosåuren das eigentliche Angiotensinogen entsteht, das aus 452 Aminosåuren besteht (RegitzZagrosek u. Unger 2003). Es existieren Hinweise
zur Natriumretention. Der dadurch gestiegene Blutdruck mindert die Reninausschçttung im Sinne eines negativen Feedbacks. ACE: Angiotensin converting enzyme; AT1: Angiotensin-Typ-1-Rezeptor; tPA: ¹tissue plasminogen activatorª. (Aus Oliverio u. Coffman 1997)
auf einen Zusammenhang zwischen dem Angiotensinogen-Gen und familiårem Bluthochdruck (Jeunemaitre et al. 1992). Die Synthese von Angiotensinogen findet hauptsåchlich in der Leber statt, obwohl mRNA und Protein auch in Gehirn, Herz, Niere, Nebenniere, Eierstæcken, Hoden und Haut nachweisbar sind. Glukokortikoide, Ústrogene, Schilddrçsenhormone, Ang II und bilaterale Nephrektomie stimulieren die Angiotensinogenproduktion und -freisetzung (Regitz-Zagrosek u. Unger 2003).
3.3.3.2 Renin Renin (EC 3.4.23.15) ist der Familie der Aspartylproteasen zuzuordnen und zeigt bezçglich Sequenz und Struktur Homologien zu den anderen Mitgliedern dieser Familie. Das Molekulargewicht betrågt bei den unterschiedlichen Spezies zwischen 37 kDa und 42 kDa. In der dreidimensionalen Struktur bilden zwei Polypeptidketten zwei Segmente, die ± durch eine Disulfidbrçcke verbunden ± das aktive Zentrum des Enzyms bilden. Fçr Renin ist nur Angiotensinogen als endogenes Substrat bekannt, welches bei neutralem pH am effizientesten umgesetzt wird. Die Klonierung und Sequenzierung hat ergeben, dass Mensch und Ratte nur ein Gen fçr Renin haben, bei der Maus konnten Ren-1 und Ren-2 identifiziert werden. Das Produkt des Gens ist ein Pråprorenin (340 AS), welches zu Prorenin (80% des Gesamtrenins, enzyma-
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
tisch inaktiv, 57 kDa) umgewandelt wird. Dieses wird in den Granula des juxtaglomerulåren Apparates gebildet, gespeichert und durch Kçhlung, Azidifikation oder renale Ischåmie in Renin çberfçhrt. Die Nieren sezernieren 10-mal mehr Prorenin als Renin, wodurch im Plasma Prorenin gegençber Renin eindeutig çberwiegt. In extrarenalen Geweben wird Prorenin ausschlieûlich in sehr geringen Mengen freigesetzt. Die Freisetzung von Renin wird durch intrahepatische, sympathische und humorale Mechanismen geregelt. Vasokonstriktoren wie z. B. das Ang II selber und Volumenexpansion der Extrazellularflçssigkeit hemmen die Reninfreisetzung im Sinne eines negativen Feedbacks. Vor kurzem wurde ein funktioneller Rezeptor fçr eine Aspartylprotease beschrieben und kloniert: Der Rezeptor besteht aus 350 Aminosåuren, hat eine Transmembrandomåne und weist keine Homologien zu bekannten membranståndigen Rezeptoren auf (Nguyen et al. 2002). Spezifitåt besteht fçr Renin und Prorenin. Die mRNA des (Pro)Reninrezeptors ist in Herz, Gehirn und Plazenta besonders hoch exprimiert, in Leber und Niere geringer. Mittels Immunfluoreszenzstudien konnte der Rezeptor auf der Zelloberflåche humaner Mesangiumzellen, auf glatten Gefåûmuskelzellen humaner Koronar- und Nierenarterien und in der reifen humanen Plazenta (dort kolokalisiert mit Renin) nachgewiesen werden. Es gibt aber auch Hinweise auf eine zusåtzliche intrazellulåre Rezeptorlokalisation. Interessant ist die duale Funktion des Rezeptors: Zum einen låsst sich der Rezeptor als ein Kofaktor des (Pro)Renins charakterisieren; denn Angiotensinogen wird von dem gebundenen Renin 4±5fach effizienter zu Angiotensin I hydrolisiert. Prorenin, das in Læsung keine signifikante katalytische Aktivitåt bezçglich Angiotensinogen besitzt, kann nach Bindung an den Rezeptor die Enzymaktivitåt auf das Niveau von gelæstem Renin steigern. Zum anderen ist der (Pro)Reninrezeptor in der Lage, eine ligandenabhångige, intrazellulåre Signaltransduktionskaskade in Gang zu setzen. Nach Bindung von Renin oder Prorenin wird der Rezeptor an intrazellulåren Serin- und Tyrosinresten phosphoryliert, und die mitogen aktivierten Proteinkinasen (MAPK) ERK1 und ERK2 werden aktiviert (Nguyen et al. 2003).
3.3.3.3 Angiotensin Converting Enzyme Angiotensin converting enzyme (ACE) (EC 3.4.15.1) ist eine Dipeptidylcarboxypeptidase mit einem Molekulargewicht von 150 kDa, die durch
Abspaltung des Dipeptids Histidyl-Leucin- (HisLeu-) Ang I in Ang II umwandelt. ACE ist ein unspezifisches Enzym, das auch das LH-ReleasingHormon (LHRH), die b-Kette des Insulins, Substanz P, Enkephaline und das Bradykinin abbauen kann. Sein Gen konnte aus Lunge und Hoden kloniert und die Nukleotidsequenz bestimmt werden (Regitz-Zagrosek u. Unger 2003). Bei spontan hypertensiven Ratten (¹stroke-prone spontaneously hypertensive ratsª, SHRSP) wurde eine Korrelation zwischen der Hypertonie und dem Abschnitt auf Chromosom 10, der das ACE-Gen enthålt, nachgewiesen. Zu Schlaganfållen neigende, spontan hypertensive Ratten sind ein gutes Modell fçr den primåren Bluthochdruck des Menschen. Um Gene zu finden, die dieses quantitative Merkmal kontrollieren, wurden SHRSP-Ratten mit einem normotensiven Stamm gekreuzt und eine ¹Quantitative-trait-locus(QTL)-Analyseª durchgefçhrt. Bei der QTL-Analyse wird das ganze Genom mit genetischen Markern versehen und zunåchst ein Zusammenhang zwischen einem Genabschnitt und einem quantitativen Phånotyp hergestellt und dann auf das korrelierende Gen eingeengt. Hierbei wurde mit hoher Signifikanz das Gen Bp1 (¹blood pressure 1ª) identifiziert, das einen starken Effekt auf den Blutdruck ausçbt und sich auf Chromosom 10 in unmittelbarer Nåhe des Angiotensin konvertierenden Enzyms befindet (Jacob et al. 1991). Klinische Studien konnten aber nie zweifelsfrei untermauern, dass dieser Sachverhalt auch auf die Hypertonie bei Menschen çbertragbar ist. Lediglich ein Zusammenhang zwischen einem erhæhten Herzinfarktrisiko und einer spezifischen Mutation des ACE-Gens konnte belegt werden (Cambien et al. 1992). Der Ort, an dem ACE hauptsåchlich entsteht und wirkt, ist das Gefåûendothel. Der Nachweis gelang aber auch in der Nebennierenrinde und im Nebennierenmark, in den Epithelzellen der Nieren, auf dem Bçrstensaum der proximalen Tubuli, in Mitral- und Trikuspidalklappen des Rattenherzens, in der Haut, in bestimmten Hirnregionen und in den Gonaden. ACE ist ein Enzym mit zwei aktiven Zentren, einem C-terminalen und einem N-terminalen. Lediglich das testikulåre ACE besitzt nur einen C-terminalen Katalysepunkt. Die wichtigsten endogenen Substrate, Angiotensin I und Bradykinin, werden von beiden Katalysepunkten gleichermaûen metabolisiert. Das Hoden-ACE kænnte bei der Spermatogenese und bei der Spermienfunktion eine Rolle spielen, da es in hohen Konzentrationen sowohl in den Spermien als auch in den Keimzellen der Hoden vorkommt (Regitz-Zagrosek u. Unger 2003).
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Im Jahr 2000 wurde erstmals ein zweites, humanes Angiotensin converting enzyme beschrieben, das ACE2 bzw. das ¹angiotensin-converting enzyme homologueª, ACEH (Tipnis et al. 2000; Donoghue et al. 2000). Es handelt sich um eine humane Zinkmetalloprotease mit einer Ûbereinstimmung von 40±42% zum humanen ACE. Die genomische Analyse låsst vermuten, dass beide Gene durch Duplikation entstanden sind. Die chromosomale Lage von ACEH ist Xp22, und die Sequenzanalyse ergibt 18 Exons, von denen die ersten 17 in ihrer Græûe denen des bekannten humanen ACE deutlich åhneln. Die errechnete Proteinsequenz hat 805 Aminosåuren und enthålt eine einzige Zink bindende HEXXH-Domåne als Metalloprotease, einen transmembranåren Ankerbereich und ein 17 Aminosåuren langes Signalpeptid. Das mRNA-Transkript hat ca. 3400 Basenpaare und wird vor allem im Herzen, in der Niere, in Gefåûen und im Hoden exprimiert. Bei der Hydrolyse der Angiotensine arbeitet das ACEH einzig als Carboxypeptidase und kann Angiotensin I (zu Ang 1±9), Angiotensin II, des-Arg-Bradykinin und Neurotensin hydrolisieren. Natives Bradykinin, Hip-His-Leu und 15 weitere getestete, hormonell aktive Peptide kænnen nicht gespalten werden. ACEH kann durch EDTA blockiert werden, jedoch nicht durch die klassischen ACE-Hemmer Captopril, Enalapril und Lisinopril. Seit Anfang 2004 ist bekannt, dass ACE auch ein Signaltransduktionsmolekçl ist (Kohlstedt et al. 2004). Die Gruppe fand heraus, dass der am Carboxyende gelegene Serinrest in Position 1270 von der Proteinkinase CK2 phosphoryliert wird. Dies ist bedeutsam fçr die Freisetzung von ACE aus der Zellmembran (Kohlstedt et al. 2004). Ramipril, Perindopril, Bradykinin, jedoch nicht Angiotensin I, verstårken die Aktivitåt von CK2 und die Phosphorylierung von Serin 1270. Koimmunopråzipitationsstudien zeigten, dass ACE auûer mit CK2 auch mit den Kinasen c-Jun N-terminale Kinase (JNK) und MAP-Kinase-Kinase 7 (MKK7) eine Bindung eingehen kann. JNK wird durch Behandlung mit ACE-Hemmern oder Bradykinin aktiviert und fçhrt zu einer Akkumulation von phosphoryliertem c-Jun (AP-1) im Nukleus, was nach Bindung auf der CRE/TRE-Sequenz in der ACEPromoter-Region zur Transkriptionsaktivierung von ACE fçhrt (Eyries et al. 2002). Mæglicherweise gibt es also einen zweiten natçrlichen Signaltransduktionsweg fçr Bradykinin, unabhångig vom klassischen Bradykininrezeptor.
3.3.3.4 Synthese und Metabolismus der Angiotensinpeptide Der Hauptweg der Ang-II-Bildung verlåuft çber die Spaltung von Ang I durch ACE. ACE-unabhångige Wege der Ang-II-Synthese wurden mehrfach beschrieben. In diesen Fållen erfolgt die Spaltung des Vorlåuferenzyms z. B. durch Gewebe-Plasminogen-Aktivator (¹tissue-plasminogen-activatorª, tPA), Cathepsin G und Tonin, die Ang II direkt vom Angiotensinogen abspalten, oder çber Chymase, Cathepsin G und chymostatinsensitives Ang II bildendes Enzym, die Ang I zu Ang II hydrolysieren (Johnston u. Risvanis 1997). Von besonderer Bedeutung scheint die Chymase zu sein, die im menschlichen Herzen und in der Gefåûwand beschrieben wurde und die hochspezifisch Angiotensin II generiert. Auch die Abspaltung von Ang I vom Angiotensinogen kann unabhångig von Renin erfolgen. In Lysosomen sind saure und neutrale Proteinasen beschrieben worden, die Angiotensinogen reninunabhångig spalten (Tonnesen et al. 1982). Es scheint also, dass eine ganze Reihe von Endopeptidasen, Aminopeptidasen und Carboxypeptidasen beim Stoffwechsel der Angiotensinpeptide involviert sind.
3.3.3.5 Angiotensin-Typ-1-Rezeptor AT1-Rezeptoren konnten in folgenden Spezies kloniert und sequenziert werden: Ratte, Rind, Maus, Kaninchen, Mensch, Schwein, Hund, Truthahn und Frosch (de Gasparo et al. 2000). Die Rezeptoren der Nichtsåugetiere sind zu 60% identisch mit denen der Såugetiere. Der humane AT1-Rezeptor hat 359 AS, und sein Gen befindet sich auf Chromosom 3q. Die AT1-Rezeptoren der Ratte und der Maus haben ebenfalls 359 AS. Im Gegensatz zum Menschen existieren bei Ratte und Maus zwei Subtypen des AT1-Rezeptors, AT1A und AT1B, deren Gene sich bei der Ratte auf den Chromosomen 17 und 2 und bei der Maus auf den Chromosomen 13 und 3 befinden. Der AT1-Rezeptor ist ein klassischer, 7-transmembranårer, G-Protein-gekoppelter Rezeptor (Abb. 3.3.3). In den weiteren Signalkaskaden spielen die Phospholipasen A, C und D, Inositolphosphate, Kalziumkanåle und mehrere Serin/Threonin- und Tyrosinkinasen eine Rolle (de Gasparo et al. 2000). AT1 wird in Organen und Geweben exprimiert, die an der Regulation des Blutdrucks und des
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
Flçssigkeits- und Elektrolythaushalts beteiligt sind. Nahezu alle der bekannten Wirkungen von Ang II auf die Blutdruck- und Osmoregulation werden dem AT1-Rezeptor zugeschrieben (Kaschina u. Unger 2003; Abb. 3.3.6). Schon seit einem frçhen Zeitpunkt in der menschlichen Evolution spielen diese Wirkungen auf den Blutdruck und auf den Elektrolythaushalt eine physiologische und lebenswichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Organperfusion im Falle eines akuten Volumenverlustes. Heutzutage, in der modernen Zivilisation, kommen die pathophysiologischen Folgen einer AT1-Aktivierung an kardiovaskulåren Endorganen im Rahmen von Zivilisationskrankheiten hinzu.
3.3.3.5.1 Lokalisation des AT1-Rezeptors im Gewebe AT1A und AT1B werden in der adulten Ratte in zahlreichen Geweben wie Nieren, Nebennieren, Leber, Gehirn, Hypophyse, Hoden, Lunge, Herz, Aorta und Fettgewebe exprimiert (de Gasparo et al. 2000). In den meisten Geweben ist der AT1A-Rezeptor die dominierende Isoform. Nur in den Nebennieren und der Hypophyse çberwiegt der AT1B-Rezeptor-Subtyp. Glatte Gefåûmuskelzellen exprimieren ebenfalls AT1A-Rezeptoren in hoher Dichte und sind ein beliebtes Modell fçr In-vitroRezeptor-Studien. Fçr humane Gewebe stellt sich die Situation folgendermaûen dar: In Gefåûen ist der AT1-Rezeptor besonders in glatten Muskelzellen und Endothelzellen pråsent, in geringem Maûe auch in der Adventitia (de Gasparo et al. 2000). In-situ-Hybridisierungen an der Niere haben interlobulåre Arterien und das umgebende fibræse Gewebe sowie schwåcher die Glomeruli und kortikalen Tubuli als den Ort der stårksten mRNA-Konzentration von AT1 ausgewiesen (Matsubara et al. 1998). Neuere
Abb. 3.3.3. Die Struktur des AT1-Rezeptors mit 7 Transmembranregionen und Koppelung zum G-Protein. Der C-Terminus befindet sich intrazellulår, der N-Terminus extrazellulår. Wichtige Wirkungen wie Gefåûverengung und Wachstum werden durch Signaltransduktion çber das G-Protein vermittelt. Die extrazellulåren Schleifen bilden die Bindungsdomåne fçr den natçrlichen Liganden, Ang II oder fçr nichtpeptiderge Rezeptorantagonisten. (Aus Unger 2002)
pharmakologische und ¹Gene-targeting-Untersuchungenª haben gezeigt, dass das RAS essentiell ist fçr die Entwicklung der Niere und des Urogenitaltrakts der Såugetiere (Miyazaki u. Ichikawa 2001). In der normalen humanen Nebenniere ist der AT1-Rezeptor hauptsåchlich in der Zona glomerulosa lokalisiert. Bei Kortisol und Aldosteron produzierenden Adenomen der Nebenniere wird der AT1-Rezeptor verstårkt exprimiert (Schubert et al. 2001). AT1-Rezeptoren lassen sich in humanem Endometrium nachweisen (Ahmed et al. 1995). Wåhrend der Schwangerschaft finden sich AT1-Rezeptoren im Zyto-, Synzytio- und extravillæsen Trophoblast sowie in Blutgefåûen der plazentåren Villi (Li et al. 1998). Bei Frauen mit Hypertonie im Rahmen einer Pråeklampsie ist eine verstårkte Heterodimerisierung des AT1-Rezeptors mit dem Bradykinin-Typ-2(B2)-Rezeptor zu beobachten, was mæglicherweise zur Ang-II-Hypersensitivitåt bei der Pråeklampsie beitrågt (Abdalla et al. 2001). In der Lunge des Menschen lassen sich AT1-Rezeptoren auf mRNA- und Proteinlevel in glatten Gefåûmuskelzellen, Makrophagen und im subepithelialen Stroma (dort wahrscheinlich in Fibroblasten) der Atemwege nachweisen (de Gasparo et al. 2000). Bei Patienten mit chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung ist das Verhåltnis von AT1zu AT2-Rezeptoren um das Fçnf- bis Sechsfache erhæht. Bindungsstudien ergaben, dass AT1-Rezeptoren sich auf Sternzellen der menschlichen Leber befinden. Bei chronischen Lebererkrankungen sind die Sternzellen aktiviert und zirkulierende Ang-II-Level håufig erhæht. Aktivierte Sternzellen exprimieren in vivo und in Kultur die Komponenten des RAS und synthetisieren Ang II. Ang II hat bei aktivierten Sternzellen kontraktile und mitogene
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Funktionen und kænnte beim ¹Tissue Remodelingª der Leber eine Rolle spielen (Bataller et al. 2000, 2003). Auch die menschliche Haut ist in der Lage, Ang II zu synthetisieren, und verschiedene kutane Zelltypen exprimieren AT1- und AT2-Rezeptoren (Steckelings et al. 2004). Im Bereich kutaner Wunden ist die Rezeptorexpression verstårkt (Steckelings et al. 2005). Die Aufklårung mæglicher Funktionen von Ang II bei der kutanen Wundheilung steht allerdings erst am Beginn. Geringe Expressionslevel des AT1-Rezeptors wurden in ¹burst-forming unit erythroid-derived cellsª (BFU-E), Vorlåuferzellen der roten Blutkærperchen, entdeckt (Gupta et al. 2000). Nach Transplantation nimmt die Dichte an AT1-Rezeptoren auf diesen Zellen zu, was eine pathophysiologische Bedeutung bei der Erythrozytose nach Transplantation haben kænnte. Im Såugergehirn sind AT1-Rezeptoren in verschiedenen spezifischen Hirnarealen deutlich exprimiert und an zentralen Regulationsmechanismen beteiligt. Fçr Details siehe die Ûbersichtsarbeiten von Allen et al. (2000) und Hæhle et al. (1995).
3.3.3.5.2 Regulation der AT1-Rezeptor-Expression Der AT1-Rezeptor wird çber zellulåre und molekulare Mechanismen dynamisch reguliert, die jedoch noch nicht vollståndig verstanden werden. Eine Regulation wird sowohl auf transkriptioneller als auch auf posttranskriptioneller Ebene diskutiert. Angiotensin II selber vermindert die Expression seines Rezeptors in verschiedenen Zelltypen, wie z. B. in glatten Gefåûmuskelzellen oder Mesangiumzellen. Mehrere andere Stimuli regulieren ebenfalls die AT1-Rezeptor-Expression: Glukokortikoide, insulinåhnlicher Wachstumsfaktor (¹insulin-like growth factorª, IGF-1), Progesteron und epidermaler Wachstumsfaktor stimulieren die AT1-RezeptorExpression; Mineralokortikoide, all-trans-Retinsåure, Ústrogen und Stickstoffmonoxid (NO) reduzieren sie. In Gefåûen unterliegt der AT1-Rezeptor der negativen Regulation durch Noradrenalin, ein Effekt, der zumindest zum Teil durch Aktivierung des a1-Adrenozeptors vermittelt wird (Kaschina u. Unger 2003). Die Expression und Regulation des AT1-Rezeptors hångt auûerdem von pathophysiologischen Bedingungen ab: Bei månnlichen Wistar-Ratten fçhren gesenkte Natriumwerte zu einer verstårkten Expression von AT1A und AT1B in der Nebenniere, wohingegen bei renovaskulårer Hypertonie bei ge-
steigerter Plasmareninaktivitåt eine verminderte AT1-Expression (AT1B minus 50% und AT1A unveråndert) festzustellen ist (Llorens-Cortes et al. 1994). Nach Herzinfarkt ist AT1A, nicht jedoch AT1B, im infarzierten und angrenzenden nichtinfarzierten Herzmuskel vermehrt exprimiert (Nio et al. 1995). Nach bilateraler Nephrektomie bei Ratten ist die Expression des AT1-Rezeptors in der Nebenniere vermindert, wird aber durch nachfolgende Ang-II-Infusion wieder hochreguliert (Iwai u. Inagami 1992). Low-density-lipoprotein(LDL)-Cholesterin fçhrt bei glatten Gefåûmuskelzellen in Kultur und bei hypercholesterinåmischen Kaninchen zu einer deutlich erhæhten AT1-Rezeptor-Expression. Auch beim Menschen reguliert ein hypercholesterinåmischer Metabolismus AT1-Rezeptoren herauf, was eine Erklårung fçr die Assoziation von Bluthochdruck und Hypercholesterinåmie sein kænnte (Strehlow et al. 2000). Wåhrend einer Sepsis kommt es wahrscheinlich durch inflammatorische Zytokine und NO zu einer allgemeinen Expressionsverminderung von AT1Rezeptoren. Dies erklårt das schlechte Ansprechen des Blutdrucks und der Aldosteronproduktion auf Ang II bei Sepsis und kænnte zum charakteristischen Bild des septischen Schocks beitragen (Bucher et al. 2001). Einen mæglichen Schritt in Richtung der Aufklårung der Mechanismen der AT1-Rezeptor-Regulation erbrachten Experimente mittels Yeast-twohybrid-Screening, bei denen mehrere Proteine gefunden wurden, die eine intrazellulåre Assoziation mit dem AT1-Rezeptor aufweisen. Zumindest eines dieser Proteine, das ¹Typ-1-Angiotensin-II-Rezeptor-assoziierte Proteinª (ARAP1), scheint eine Rolle zu spielen beim Recycling des AT1-Rezeptors vom Zellinneren zur Plasmamembran (Guo et al. 2003).
3.3.3.5.3 AT1-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktion AT1-Rezeptoren sind an mehrere Signaltransduktionsprozesse gekoppelt, die zu unterschiedlichen biologischen Wirkungen fçhren. Der Rezeptor gehært zur Familie der 7-transmembranåren, G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, deren Signalwege heute græûtenteils aufgeklårt sind (Touyz u. Schiffrin 2000; Blume et al. 1999). Die Aktivierung der Phospholipase C (PLC) çber G-Proteine fçhrt zur Hydrolyse von Phosphatidylinositol. Hierdurch werden Inositoltriphosphat (IP3) und Diacylglycerol (DAG) gebildet, welche in
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
der Zelle akkumulieren. IP3 bewirkt eine Zunahme des intrazellulåren Kalziums, und dies fçhrt zur Kontraktion glatter Gefåûmuskelzellen und zur Aldosteronsekretion aus der Nebennierenrinde. Die Aktivierung der Proteinkinase C (PKC) durch DAG fçhrt zur Phosphorylierung von Schlçsselproteinen des Zellwachstums und der Gefåûkontraktion. Auûerdem çbt Ang II seine Wirkungen çber Aktivierung von Tyrosinkinasen aus, die wiederum viele in der Kaskade spåter gelegene Proteine phosphorylieren, z. B. Proteine in der ras/raf/mitogen-aktivierten Proteinkinase-(MAPK)-Kaskade oder Proteine, die bei der Translokation der MAPK in den Nukleus beteiligt sind. Die meisten Signalwege mit Beteiligung von MAPK wurden mit Zellwachstum, Apoptose, Differenzierung, Transformation und Gefåûkontraktion in Zusammenhang gebracht (Touyz u. Schiffrin 2000). Øhnlich wie bei den Zytokinen kann Ang II çber den AT1-Rezeptor den JAK-STAT-Signal-Weg aktivieren. Dies wurde zuerst in neonatalen Herzfibroblasten und in transfizierten CHO-Zellen gesehen (Bhat et al. 1994). Auûerdem konnte gezeigt werden, dass AT1 den JAK-STAT-Signal-Weg des ischåmischen und/oder hypertrophen Herzens aktivieren kann (Mascareno u. Siddiqui 2000). Mehrere Protoonkogene wie c-fos, c-jun, c-myc, egr-1, VL-30 und der Protoonkogen/Aktivator-Protein-1-Komplex werden unter anderem vom JAK-STAT-SignalWeg angesprochen (Touyz u. Schiffrin 2000). Protoonkogene wirken als Transkriptionsfaktoren, und ihre Ang-II-induzierte gesteigerte Expression læst die vermehrte Transkription von Wachstumsfaktoren (¹platelet-derived growth factorª, PDGF; ¹epidermal growth factorª, EGF; ¹transforming growth factor bª, TGF-b; ¹insulin-like growth factor 1ª, IGF-1; ¹basic fibroblast growth factorª, bFGF; ¹platelet-activating factorª, PAF), von vasokonstriktorischen Substanzen wie Endothelin-1 (ET-1), von Adhåsionsmolekçlen (¹intercellular adhesion molecule 1ª, ICAM-1, ¹vascular cell adhesion molecule 1ª, VCAM-1; E-selectin), von Integrinen und von Tumor-Nekrose-Faktor a (TNF-a) aus (Kaschina u. Unger 2003). Auf diese Weise beeinflusst Ang II zellulåres Wachstum, Adhåsion, Migration, interzellulåre Matrixablagerung und adaptive Prozesse bei Atherosklerose und Herz- und Gefåûremodeling. In glatten Gefåûmuskelzellen und Endothelzellen stimuliert Ang II çber den AT1-Rezeptor die Freisetzung von Arachidonsåure aus Phospholipiden der Zellmembran (Bonventre 1992; Pueyo et al. 1996; Freeman et al. 1998). Die Arachidonsåuren werden zu Eicosanoiden umgewandelt, die ± mæglicherweise durch Beeinflussung von redoxsen-
sitiven Signalwegen ± eine Wirkung auf Mechanismen der Blutdruck- und Wachstumsregulation in Gefåûen und Niere haben (Dulin et al. 1998). Ein interessanter Aspekt der AT1-vermittelten Ang-II-Wirkung ist die verstårkte Produktion von reaktiven Sauerstoffmolekçlen (¹reactive oxygen speciesª, ROS) (Thannickal u. Fanburg 2000). Ang II aktiviert z. B. in glatten Gefåûmuskelzellen die NADH/NADPH-abhångige Entstehung von Superoxidanionen. Wirkungen von Ang II, die zumindest zum Teil vom ROS-System vermittelt werden, sind: Vasokonstriktion, Hypertrophie glatter Gefåûmuskelzellen, Induktion des IGF-1-Rezeptors, von Interleukin-6 und VCAM-1, Beeinflussung von Zell-Zell-Interaktionen und Atherosklerose (Kaschina u. Unger 2003; Rajagopalan et al. 1996).
3.3.3.5.4 Funktionelle Bedeutung des AT1-Rezeptors Die klassischen Funktionen von AT1 sind: generalisierte Vasokonstriktion, Zellwachstum in den Gefåûen und im linken Herzventrikel, Aldosteronfreisetzung aus der Nebennierenrinde und hæhere Natriumabsorption im proximalen Nierentubulus sowie Erhæhung von Herzfrequenz und Kontraktilitåt durch Noradrenalinfreisetzung von sympathischen Nervenendigungen (Unger 2000; Abb. 3.3.4). Um die Funktion der einzelnen Rezeptoren zu studieren, wurden Måuse generiert, deren Gene fçr den AT1A- bzw. AT1B-Rezeptor gezielt auf beiden Allelen (homozygot, ±/±) in allen Zellen ausgeschaltet wurden. Entsprechend dem betroffenen Rezeptor und der Zygotie werden die Måuse Agtr1a±/± bzw. Agtr1b±/± genannt. Beide Måuseståmme sind durch normales in utero und verkçrzes postnatales Ûberleben gekennzeichnet (Ito et al. 1995). Nach der Geburt ist ihre Gewichtszunahme sehr gering, der Blutdruck ist ausgeprågt gesenkt, und die Nierenmorphologie ist abnormal. Die Abwesenheit von AT1A wird von AT1B teilweise kompensiert und umgekehrt (Oliverio et al. 1997). Ûber den auf glatten Gefåûmuskelzellen lokalisierten AT1-Rezeptor bewirkt Ang II die Kontraktion pråkapillårer Arteriolen und in geringerem Maûe postkapillårer Venolen. Die Gefåûverengung ist am stårksten in der Niere, dagegen in Gehirn, Lunge und Skelettmuskulatur deutlich schwåcher ausgeprågt. Fçr diese Wirkung kann sowohl im Kreislauf zirkulierendes als auch lokal produziertes Ang II verantwortlich sein (Laragh 1987). Ang II wirkt auf glatte Gefåûmuskelzellen mitogen und bewirkt çber die Produktion von Wachstumsfaktoren die Synthese von extrazellulårer Mat-
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Abb. 3.3.4. Hauptsignalwege und -effekte des isolierten Angiotensin-II-aktivierten AT1-Rezeptors. AT1: Angiotensin-Typ1-Rezeptor; IP3: Inositoltriphosphat; Ca2+: doppelt positiv geladenes Kalziumion; PLA2: Phospholipase A2; H2O: Wasser; NS: Nervensystem; JAK: Januskinase; STAT: ¹signal transducers and activators of transcriptionª; JNK: c-Jun-N-termi-
nale Kinase; ERK: ¹extracellular signal-regulated kinaseª; PKC: Proteinkinase C; ECM: extrazellulåre Matrix; NAD(P)H: Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat; ROS: ¹reactive oxygen speciesª; LOX-1: ¹low density lipoprotein oxidized receptor 1ª; PAI-1: Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1; LDL: ¹low density lipoproteinª. (Aus Kaschina u. Unger 2003)
rix. Es gibt Hinweise fçr eine Beteiligung des AT1-Rezeptors bei der Herzhypertrophie, bei kardialen Umbauvorgången und bei der Abstimmung der Matrixproduktion durch Herzfibroblasten. In Tiermodellen konnte mit AT1-Antagonisten der Beginn der Herzhypertrophie verhindert (TokiokaAkagi et al. 2001; Sanada et al. 2001) und bei Hypertoniepatienten teilweise rçckgångig gemacht werden (Malmqvist et al. 2001). Ang II stimuliert die Synthese verschiedener extrazellulårer Matrix(ECM-) Komponenten wie Proteoglykane, Fibronektin, Kollagen Typ 1, Glykosaminoglykane, Tenascin und Chondroitin-/Dermatansulphate, die u. a. am kardialen und renalen Remodeling beteiligt sind (Sasamura et al. 2001; Fischer et al. 2001). Ang II spielt auch bei der Entwicklung der Atherosklerose eine Rolle. Glatte Gefåûmuskelzellen produzieren MCP-1 (¹monocyte chemoattractant protein 1ª) und VCAM-1 und rekrutieren damit Monozyten und Makrophagen, die wiederum an der Schaumzellbildung beteiligt sind. Der von Ang II ausgelæste oxidative Stress vermindert NO, das fçr seine gefåûprotektiven Eigenschaften bekannt ist. Weiterhin vermittelt der AT1-Rezeptor die beschleunigte Oxidation von LDL und die beschleunigte Expression des Lectin-like-Rezeptors (LOX-1). In diesen Zusammenhang passen Experimente, die zeigen, dass Losartan an Affen, die eine stark cholesterinhaltige Diåt bekamen, die Fettstreifen an der Aorta um bis zu 50% reduzierte (Strawn et al. 2000). Ang II verstårkt adrenerge Stimuli durch erhæhte Freisetzung von Noradrenalin aus den termina-
len sympathischen Nervenendigungen und durch verbessertes Ansprechen der Gefåûe auf Noradrenalin. Der Effekt auf die Noradrenalinfreisetzung kommt durch pråsynaptische AT1-Rezeptoren zustande (Balt et al. 2001). Die Blockade dieser Rezeptoren mit AT1-Antagonisten bzw. ein vermindertes Angebot an Ang II vor Ort durch ACEHemmer dçrfte zu den therapeutischen Vorteilen von mit dem RAS interferierenden Pharmaka bei Krankheiten mit pathologisch aktiviertem sympathischen System, wie z. B. kongestiver Herzinsuffizienz und Bluthochdruck, beitragen (Kawai et al. 2000). Der AT1-Rezeptor scheint auch einen Einfluss auf die Erregungsçberleitung im Herzen zu haben. Kardiale Ûberexpression von AT1-Rezeptoren bei Måusen fçhrt u. a. zu Bradykardie und Ûberleitungsstærungen (Hein et al. 1997). Bei Ratten konnten AT1-Rezeptor-Blocker in vivo das Auftreten von Reperfusionsarrhythmien nach Koronarokklusion signifikant senken (Yahiro et al. 2003). Das Renin-Angiotensin-System spielt nicht zuletzt bei der Pathophysiologie der Thrombose eine Rolle: Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 (PAI-1) wird via AT1 durch Ang II stimuliert (Nakamura et al. 2000), Blutplåttchen werden sensitiviert und Superoxidradikale, die freies Stickstoffmonoxid vermindern und Gewebefaktor (¹tissue factorª) induzieren, werden synthetisiert. Dementsprechend beeinflussen AT1-Blocker die Plåttchenfunktion (Brown u. Vaughan 2000), reduzieren die PAI-1Expression (Chen et al. 2000) und verbessern fibri-
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
nolytische Plasmaparameter z. B. bei Herzinsuffizienzpatienten (Goodfield et al. 1999).
3.3.3.6 Angiotensin-Typ-2-Rezeptor Die Sequenz des AT2-Rezeptors ist nur zu 34% homolog mit der des AT1-Rezeptors. Der AT2-Rezeptor besteht aus 363 AS, sein Gen befindet sich auf dem X-Chromosom bei q22±q23 (Hein et al. 1995 a). Das AT2-Gen besteht aus drei Exons, wovon das dritte Exon die gesamten codierenden Sequenzen enthålt (Mukoyama et al. 1993; Kambayashi et al. 1993 a). Lokalisation des Gens und Molekçlgræûe des Proteins sind bei Mensch, Maus und Ratte identisch, die AS-Sequenz von Maus und Ratte zeigt jeweils eine ca. 92%ige Ûbereinstimmung mit der des humanen AT2-Rezeptors. Der AT2-Rezeptor ist wie der AT1-Rezeptor ein 7-transmembranåres Glykoprotein (Chung et al. 1996). Die Signalwege des AT2-Rezeptors sind weniger gut bekannt, jedoch gibt es Grund zur Annahme, dass Serin- und Tyrosinphosphatasen, Phospholipase A2, Stickstoffmonoxid (NO) und zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) beteiligt sind (de Gasparo et al. 2000).
3.3.3.6.1 Lokalisation des AT2-Rezeptors im Gewebe Wåhrend der Fetalentwicklung sind AT2-Rezeptoren in hoher Dichte in allen Geweben vorhanden (Tsutsumi u. Saavedra 1991), postnatal nimmt die Rezeptordichte aber stark ab, und in adultem Gewebe çberwiegt deutlich der AT1-Rezeptor. Im adulten Organismus sind AT2-Rezeptoren im Uterus, in bestimmten Hirnarealen, Herz (Koronararterien, Kardiomyozyten, Ventrikelmyokard), Myometrium, Ovar, in mesenchymalen Geweben, Lungen, Haut, Nieren und Nebennieren exprimiert (Tsutsumi u. Saavedra 1991; Timmermans et al. 1993; Unger et al. 1996, 1998). Allerdings scheint es beim Erwachsenen unter bestimmten pathologischen Bedingungen zu einer dramatischen Reexpression von AT2Rezeptoren zu kommen; so z. B. bei kongestiver Herzinsuffizienz, bei Niereninsuffizienz (Chung u. Unger 1998), bei Hautverletzungen (Steckelings et al. 2005), bei Gefåûverletzungen (Nakajima et al. 1995), bei Reparaturvorgången nach Herzinfarkt (Nio et al. 1995; Zhu et al. 2000), bei Verletzungen des Nervensystems wie Ischåmie (Makino et al. 1996), bei Gehirnlåsionen (Viswanathan et al. 1994) und bei Durchtrennung des N. ischiadicus (Gallinat et al. 1998) bzw. des N. opticus (Lucius et al. 1998). Das Expressionsmuster des AT2-Rezeptors mit feta-
ler Dominanz und Heraufregulation in pathologischen Situationen weist darauf hin, dass diese Rezeptoren sowohl bei Entwicklungs-, Proliferationsund Differenzierungsprozessen als auch bei adaptiven und ¹Remodeling-Prozessenª (Angiogenese, Apoptose) von Bedeutung sein kænnten. All die genannten Effekte wirken den trophischen, durch AT1-Rezeptoren vermittelten Antworten entgegen (de Gasparo et al. 2000; Unger et al. 1998).
3.3.3.6.2 Regulation der AT2-Rezeptor-Expression Frçhe Studien mit Bindungsassays zeigten, dass die Expression des AT2-Rezeptors in vitro der Regulation durch Wachstumsfaktoren und dem Grad der Zellkonfluenz unterliegt, wobei in letzterem Fall die Expression in konfluenten, kontaktinhibierten Zellen am stårksten ist (Dudley et al. 1991; Dudley u. Summerfeldt 1993). Eine Reihe weiterer Untersuchungen erbrachte, dass Entzug von Serum und Zugabe von Insulin, insulinåhnlichem Wachstumsfaktor (IGF-1), Interferon-c (IFN-c) oder Interleukin-b (IL-b) die Expression von AT2-Rezeptoren in Zellen unterschiedlichen Ursprungs stimuliert (Kambayashi et al. 1996; Horiuchi et al. 2000). Hingegen konnten Serum, Lysophosphatsåure, Phorbolester, Glukokortikoide und Wachstumsfaktoren wie PDGF, NGF (¹nerve growth factorª), EGF und bFGF die AT2-Expression vermindern (Kambayashi et al. 1993 b; Ichiki et al. 1995 a). Die Interferon regulierenden Faktoren 1 und 2 (IRF-1 und -2), Transkriptionsfaktoren die u. a. durch Interferon-c, im Falle von IRF-1 aber auch durch andere Zytokine induziert werden, scheinen gegensåtzliche Wirkungen auf die AT2-RezeptorExpression zu haben: Wåhrend IRF-2 in proliferierenden und konfluenten R3T3-Fibroblasten die Zahl der AT2-Rezeptoren vermindert, verstårkt IRF-1 die AT2-Expression, allerdings nur in konfluenten Zellen (Horiuchi et al. 1995). In der Promotorregion des AT2-Rezeptors konnten Konsensussequenzen identifiziert werden, die bei der Regulation der Rezeptorexpression involviert sein kænnten. So finden sich mehrere IRF-BindungsStellen zwischen den Positionen ±453 und ±225 des 5'-Endes. An Position ±126 bis ±117 befindet sich eine ¹insulin response sequenceª (IRS). AP-1-, C/EBP-, NF/IL-6-Bindungs-Stellen haben einen hemmenden Einfluss auf die Promotoraktivitåt und sind mæglicherweise am supprimierenden Effekt der insulinunabhångigen Wachstumsfaktoren und des IL-1b beteiligt (Ichiki et al. 1995 a). Neben den oben geschilderten transkriptionalen Regulationsmechanismen scheint der AT2-Rezeptor
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auch einer besonderen Art von posttranskriptionaler Regulation zu unterliegen, indem der Abbau des Rezeptors durch Besetzung des Rezeptors mit einem Liganden (Agonist oder Antagonist) verlangsamt wird (Csikos et al. 1998). Die zum einen stark gewebsspezifische und zum anderen auf sehr niedrigem Niveau weit verbreitete und dazu in pathologischen Situationen lokal stark induzierbare Expression von AT2 weist auf sehr komplexe Mechanismen der Rezeptorregulation hin, die mit groûer Wahrscheinlichkeit çber das oben Beschriebene hinausgehen.
3.3.3.6.3 AT2-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktion Die Aufklårung der Signaltransduktion des AT2Rezeptors ist immer noch Gegenstand intensiver Forschungen. Auch wenn der Rezeptor grundlegende strukturelle Merkmale von 7-transmembranåren Rezeptoren aufweist, fehlen klassische, funktionelle Eigenschaften, die diese Rezeptorklasse im Allgemeinen aufweist. Ungewæhnlich ist beispielsweise, dass der AT2-Rezeptor einige seiner Wirkungen ohne Aktivierung von G-Proteinen vermittelt ± und auch in den Fållen, in denen eine G-Protein-Kopplung nachgewiesen werden konnte, ist diese eher untypischer Natur: In neuronalen Zellen ist die Stimulation auswårts gerichteter K+-Stræme abhångig von der Aktivierung von GiaProteinen, und auch im Fetus sind AT2-Rezeptoren an Gia-Proteine (Gia2 und Gia3) gekoppelt, wobei jedoch die funktionelle Bedeutung dieser Interaktion noch ungeklårt ist (Kang et al. 1994; Zhang u. Pratt 1996). Ein Hauptmerkmal des AT2-Signal-Wegs scheint die Aktivierung von Phosphatasen zu sein (Bottari et al. 1992; Nouet u. Nahmias 2000). Bislang konnten drei spezifische Phosphatasen identifiziert werden, die durch Stimulation des AT2-Rezeptors aktiviert werden: die Serin/Threonin-Phosphatase PP2A (Protein-Phosphatase 2A), die Tyrosin-Phosphatase SHP-1 (¹SH2-domain containing phosphatase 1ª) und die Tyrosin/Threonin-Phosphatase MKP-1 (mitogenaktivierte Proteinkinase-Phosphatase 1) (Nouet u. Nahmias 2000). Es ist anzunehmen, dass die verschiedenen, durch den AT2-Rezeptor aktivierten Phosphatasen durch Dephosphorylierung an verschiedenen Punkten der entsprechenden Signaltransduktionskaskaden der Wirkung von Wachstumsfaktoren und auch des AT1-Rezeptors entgegenwirken kænnen. Ein derartiger ¹Crosstalkª konnte von verschiedenen Gruppen fçr die extrazellulår signal-
regulierten Kinasen 1/2 (¹extracellular signal-regulated kinaseª, ERK1/2) gezeigt werden (Horiuchi et al. 1997; Bedecs et al. 1997; Huang et al. 1996; Fischer et al. 1998; Akishita et al. 1999), aber auch fçr die JAK/STAT-Kaskade und fçr die direkte Dephosphorylierung von Tyrosinkinase-Rezeptoren. Der Einfluss des AT2-Rezeptors auf die Aktivitåt der MAP-Kinase scheint stark von dem biologischen Programm der Zelle, in das der AT2-Rezeptor eingebunden ist, sowie von Zelltyp und definierten Rahmenbedingungen, abzuhången. So fçhrt in PC12W-Zellen (einer Zelllinie, die ausschlieûlich AT2-Rezeptoren und keine AT1-Rezeptoren exprimiert) die Stimulation mit Ang II in differenzierungsfreundlicher Umgebung zu einer vorçbergehenden Aktivierung der MAP-Kinasen ERK1 und ERK2. Werden die Zellen jedoch mit Ang II und NGF kostimuliert, so bewirkt Ang II eine Hemmung der NGF-induzierten ERK1/ERK2Aktivierung (Stroth et al. 2000). Als ein weiterer wichtiger Signaltransduktionsmechanismus fçr den AT2-Rezeptor kristallisiert sich das NO/cGMP-System heraus. Eine AT2-Rezeptor-gekoppelte Erhæhung der NO-Freisetzung konnte insbesondere in vaskulårem (Endothelzellen aus boviner Aorta in vitro, koronare Mikrogefåûe und groûe Koronarien des Hundes, isoliert perfundierte, renale Arterien der Ratte) und neuronalem (PC12W- und NG-108±15-Zellen in vitro) Gewebe beobachtet werden (Wiemer et al. 1993; Saito et al. 1996; Seyedi et al. 1995; Thorup et al. 1998; Zhao et al. 2003; Cote et al. 1998; Gendron et al. 2002). In vaskulårem Gewebe scheint die erhæhte NO-Konzentration ± wie nach anderen Stimuli auch ± eine Vasodilatation auszulæsen, in neuronalem Gewebe scheint sie an Differenzierungsprozessen und neuronaler Aussprossung beteiligt zu sein. In vielen Geweben hångt der AT2-Rezeptor-vermittelte NO-Anstieg offensichtlich von der Freisetzung endogenen Bradykinins ab. Hinweise hierauf erbrachten Studien, in denen der çber den AT2Rezeptor ausgelæste, NO-abhångige cGMP-Anstieg durch Blockade von Bradykininrezeptoren verhindert werden konnte (Siragy u. Carey 1997; Gohlke et al. 1998). Darçber hinaus sind in AT2-Rezeptordefizienten Måusen sowohl die basalen als auch die Ang-II-induzierten cGMP- und Bradykininlevel erniedrigt (Siragy et al. 1999). Der AT2-Rezeptorvermittelte NO-Anstieg scheint aber nicht durchgehend in allen Geweben bradykininabhångig zu sein, da z. B. in PC12W-Zellen und in Uterusarterien der Ratte die Blockade von Bradykininrezeptoren keine Ønderung der Ang-II-induzierten bzw.
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
NO-induzierten cGMP-Level hervorruft (Zhao et al. 2003; Hannan et al. 2003). Øhnlich wie fçr den AT1-Rezeptor wurde in jçngster Zeit auch fçr den AT2-Rezeptor ein sog. ¹Binding-Proteinª isoliert (Nouet et al. 2004; Wruck et al. 2005). Die beiden bisher zu diesem Protein verfassten Publikationen beleuchten die Eigenschaften des Proteins von unterschiedlichen Blickwinkeln, kommen aber zu einer åhnlichen Schlussfolgerung. Nouet und Koautoren berichten, dass das Binding-Protein (ATAP) zu einer Aktivitåtsminderung von Proteinkinasen (ERK1/2) fçhrt und zwar in derselben Weise wie der AT2-Rezeptor. Fçr diesen ATAP-Effekt ist die Expression von AT2-Rezeptoren in derselben Zelle notwendig. Die Bindung von Ang II an diese AT2-Rezeptoren verstårkt den Effekt, ist aber nicht unbedingt notwendig, um den Effekt auszulæsen. Es ist noch unklar, wie ATAP die Hemmung der Kinasen bewirkt. Nouet und Koautoren schlieûen zwar einige Mechanismen aus, kænnen çber den eigentlich zugrunde liegenden Mechanismus aber nur spekulieren. Eine ihrer Theorien besagt, dass ATAP ± åhnlich wie das AT1-Rezeptor-bindende Protein ARAP1 ± an der Regulation der Rezeptorexpression beteiligt ist oder eine Art intrazellulåre, ligandenunabhångige Aktivierung des Rezeptors bewirkt. Fçr eine expressionsverstårkende Wirkung des AT2-Rezeptor-Binding-Proteins auf den Rezeptor sprechen auch eigene Arbeiten (Nomenklatur hier: ¹ATBP50ª fçr ¹AT2-receptor-binding-protein of 50 kDaª), die auûerdem eine proliferationshemmende Wirkung sehen, wie sie auch vom AT2-Rezeptor bekannt ist (Wruck et al. 2005). Weitere AT2-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktionsmechanismen umfassen u. a. die Synthese von Ceramiden (Gallinat et al. 1999; Lehtonen et al. 1999). Diese intrazellulåren Signaltransduktionslipide sind wahrscheinlich çber die Aktivierung von Caspase-3 an proapoptotischen Prozessen beteiligt. Auch das Zinkfinger-Protein Zfhep ist vermutlich in seiner Eigenschaft als Transkriptionsfaktor an der Vermittlung der differenzierungsfærdernden und proapoptotischen Wirkungen des AT2-Rezeptors beteiligt (Stoll et al. 2002). In isolierten Kardiomyozyten soll die Freisetzung von Arachidonsåuren an der AT2-vermittelten Regulation des intrazellulåren pH-Wertes çber Aktivierung des Na+/HCO±-Symporter-Systems (NBC) beteiligt sein (Kohout u. Rogers 1995). Damit sind inzwischen drei AT2-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktionsmechanismen umfassend charakterisiert und in ihrer Bedeutung unumstritten:
1. die Aktivierung von Phosphatasen, 2. die Aktivierung des NO/cGMP-Systems und 3. die Stimulation von Phospholipase A2 mit nachfolgender Freisetzung von Arachidonsåure. Im Falle aller weiteren vorgeschlagenen Secondmessenger-Systeme wird hinsichtlich des Gesamtzusammenhangs und der funktionellen Relevanz noch die abschlieûende Klårung erwartet.
3.3.3.6.4 Funktionelle Bedeutung des AT2-Rezeptors Ein bedeutender experimenteller Ansatz zur Aufklårung der Funktionen des AT2-Rezeptors war die Erzeugung von AT2-Rezeptor-Knock-out-Måusen (AT2R±/±-Måuse), d. h. von Måusen mit einer gezielten Deletion des den AT2-Rezeptor codierenden Gens. Im Vergleich zu Wildtyp-Måusen mit gleichem genetischen Hintergrund fielen AT2R±/±Måuse auf durch abnorm gesteigertes Trinkverhalten nach Wasserentzug, eine erniedrigte Schmerzschwelle, eingeschrånktes exploratives Verhalten, erhæhte Kærpertemperatur, geringgradig erhæhten spontanen Blutdruck und stårkeren Blutdruckanstieg nach Ang-II-Gabe, erniedrigte Basalspiegel renalen Bradykinins und geringere NO-Produktion, eine gesteigerte Rate urogenitaler Fehlbildungen und eine erhæhte Neigung zu Nierenerkrankungen (Siragy et al. 1999; Ichiki et al. 1995 b). Auf zellulårer Ebene wirkt der AT2-Rezeptor proliferationshemmend und Apoptose induzierend (Abb. 3.3.5). Der antiproliferative Effekt des AT2Rezeptors wurde erstmals von Stoll und Koautoren in koronaren Endothelzellen in vitro beobachtet (Stoll et al. 1995). Eine Reihe weiterer Studien konnte diesen Effekt in diversen Zellkulturmodellen beståtigen, so z. B. in NG-108±15-Zellen, PC12W-Zellen, R3T3-Zellen und Mesangiumzellen der Niere (Meffert et al. 1996). Weitere eigene Ergebnisse sprechen dafçr, dass der AT2-Rezeptor die Inhibition von Wachstum sowie das Remodeling von makrovaskulårer extrazellulårer Matrix durch Stimulation der Thrombospondin-1-Expression in Endothelzellen bewerkstelligt (Fischer et al. 2001). Entsprechende In-vivo-Versuche zeigten z. B., dass die Ûberexpression von AT2-Rezeptoren in ballonkathetergeschådigten Karotiden von Ratten die Bildung von Neointima beeintråchtigte (Nakajima et al. 1995) oder dass der AT2-Rezeptor bei der mikrovaskulåren Angiogenese im M. cremaster der Ratte antiangiogenetisch wirkt (Kaschina u. Unger 2003). Der çber den AT2-Rezeptor gefærderte Stillstand der Zellteilung bzw. des Zellzyklus ist Vorausset-
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Abb. 3.3.5. Hauptsignalwege und -effekte des isolierten Angiotensin-II-aktivierten AT2-Rezeptors. AT2: Angiotensin-Typ2-Rezeptor; ERK: ¹extracellular signalregulated kinaseª; NO: Stickstoffmonoxid; cGMP: zyklisches Guanosinmonophosphat; Bcl-2: B-Zell-Leukåmie-2-Protein. (Aus Regitz-Zagrosek u. Unger 2003)
zung fçr die nachfolgende Zelldifferenzierung (Meffert et al. 1996; Stroth et al. 1998) und ± unter adåquaten Bedingungen ± Apoptose. Intrazellulåre Modifikationen des Zytoskeletts kænnten ein Mechanismus der AT2-Rezeptor-induzierten Zelldifferenzierung sein (Stroth et al. 1998). Die AT2-Rezeptor-vermittelte Apoptose konnte inzwischen in zahlreichen Zellkulturmodellen gezeigt werden, so in PC12W- und R3T3-Zellen (Stoll et al. 1995; Meffert et al. 1996; Yamada et al. 1996; Gallinat et al. 1999), in Granulosazellen des Rattenovars (Tanaka et al. 1995), in dermalen Fibroblasten des Mausembryos (Li et al. 1998), in Endothelzellen des Menschen (Dimmeler et al. 1997), in neuronalen Primårkulturen aus Gehirnen neugeborener Ratten (Shenoy et al. 1999) und in fetalen Zellen der humanen Nebenniere (Chamoux et al. 1999). Eine interessante Studie zeigte, dass zumindest in einigen Zelltypen die Ûberexpression von AT2-Rezeptoren alleine, ohne Ligandenbindung, gençgt, um Apoptose auszulæsen (Miura u. Karnik 2000). Inwieweit diese Hypothese Allgemeingçltigkeit besitzt, muss noch geklårt werden. Sie hat jedenfalls durch die Entdeckung der AT2Rezeptor-Bindungsproteine (Abschn. ¹AT2-Rezeptor-gekoppelte Signaltransduktionª), die an der Steuerung der Rezeptorexpression beteiligt sein kænnten, wieder an Aktualitåt gewonnen. Die AT2-Rezeptor-vermittelte Apoptose konnte indirekt auch in vivo nachgewiesen werden. So wurde z. B. in einer Studie, wåhrend AT1-Blockade (çber den AT2-Rezeptor), jedoch nicht wåhrend ACE-Inhibition, eine Abnahme der Gefåûmasse durch gesteigerte Apoptose glatter Gefåûmuskelzellen gesehen (Tea et al. 2000). Im kardiovaskulåren System spielt der AT2-Rezeptor wahrscheinlich vor allem in pathophysiologischen Situationen wie Herzinsuffizienz oder
Herzinfarkt eine Rolle, in denen auch eine verstårkte Expression des Rezeptors zu verzeichnen ist. Wåhrend z. B. in normalen Kardiomyozyten der Ratte nur auf etwa 10% der Zellen AT2-Rezeptoren nachweisbar sind, steigt der Anteil der AT2-Rezeptor-positiven Zellen bis zum Tag 5 nach Infarkt bis auf 50% (Busche et al. 2000). Zhu et al. konnten bei Ratten die hæchsten AT2-RezeptormRNA-Werte bereits 24 Stunden nach dem Infarktgeschehen feststellen (Zhu et al. 2000). Auch andere Gruppen beobachteten eine zeitabhångige Zunahme von AT2- und auch AT1-Rezeptoren in der ersten Woche nach Infarkt bei Ratten (Nio et al. 1995). Einen ersten Hinweis darauf, dass diese Ûberexpression auch funktionelle Bedeutung haben kænnte, geben Versuche, bei denen die Rezeptordefizienz bei AT±/± 2 -Måusen fçr eine erhæhte Sterberate und eine erhæhte Rate an Herzinsuffizienz nach experimentellem Infarkt verantwortlich zu sein scheint (Adachi et al. 2003). Die Expression des AT2-Rezeptors bei Herzinsuffizienz ist weniger klar. Wåhrend eine Studie eine Ûberexpression bei Herzinsuffizienz mit interstitieller Fibrose sah (Tsutsumi et al. 1998), wurde in einer anderen Studie eine verminderte Expression gemessen (Matsumoto et al. 2000). Mæglicherweise spiegeln diese zunåchst widersprçchlichen Ergebnisse eine Zellspezifitåt der Rezeptorregulation wider, da in der ersten Studie die Ûberexpression in kardialen Fibroblasten, in der zweiten Studie die verminderte Expression in Kardiomyozyten gesehen wurde. Widersprçchlich sind auch die Daten çber die Rolle des AT2-Rezeptors bei der linksventrikulåren Hypertrophie. Wåhrend einerseits gezeigt wurde, dass die Blockade des AT2-Rezeptors die hypertrophe Wirkung von Ang II am Ventrikel verstårkt (Bartunek et al. 1999), berichtete eine andere
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
Abb. 3.3.6. Wenn man die Angiotensin-II-Typ-1- und Typ-2Rezeptoren isoliert betrachtet, indem man jeweils den anderen Rezeptor blockiert, sind die Wirkungen von Ang II teilweise entgegengesetzt. Dies bildet die Grundlage fçr eine Behandlung mit AT1-Blockern. Physiologischerweise hångt der Gesamteffekt vom Verhåltnis der beiden Rezeptoren, vom Crosstalk mit anderen Signalkaskaden und von Umgebungsvariablen ab. ANG II: Angiotensin II; AT1: Angiotensin-Typ-1-Rezeptor; AT2, AT2R: Angiotensin-Typ-2-Rezeptor; PD 123177: 1-(4-amino-3-methylphenyl)methyl-5-diphenylacetyl-4,5,6,7-tetrahydro-1H-imidazo(4,5-c)pyridine-6-carboxylic acid-2HCl ± experimenteller spezifischer AT2-Anta-
gonist; PD 123319: Ditrifluoroacetatsalz ± experimenteller spezifischer AT2-Antagonist; IP3: Inositoltriphosphat; Ca2+: doppelt positiv geladenes Kalziumion; JAK: Januskinase; STAT: ¹signal transducers and activators of transcriptionª; PKC: Proteinkinase C; DAG: Diacylglycerol; PLC: Phospholipase C; MAPK: Ras/Raf/Mitogen-aktivierte Proteinkinase; Gbc: b- und c-Untereinheit eines G-Proteins; Gas: stimulatorische a-Untereinheit eines G-Proteins; ATIP: ¹Ang II AT2 receptorinteracting proteinª = ATBP: ¹AT2R binding proteinª; ErbB-3: ¹v-erb-b2 erythroblastic leukemia viral oncogene homolog 3 (avian)ª; PLZF: ¹promyelocytic leukemia zinc finger proteinª; SHP1: ¹SH2 domain-containing phosphatase 1ª
Gruppe, dass durch Deletion des AT2-RezeptorGens (AT±/± 2 -Måuse) die reaktive kardiale Hypertrophie bei Hypertonie verhindert wurde (Senbonmatsu et al. 2000). Bei der Blutdruckregulation scheint dem AT2Rezeptor die Rolle eines Modulators zuzukommen. AT±/± 2 -Måuse haben einen leicht erhæhten Blutdruck, begleitet von einer leicht verminderten Natriumausscheidung; die Abweichung des mittleren arteriellen Drucks fållt aber kaum ins Gewicht (Siragy et al. 1999). Infundiert man diesen Måusen allerdings Ang II, so ist die resultierende Blutdrucksteigerung ausgeprågter, ¹ungebremsterª als in AT+/+ 2 -Kontrolltieren (Hein et al. 1995 b). Auch bei pharmakologischer Rezeptorblockade ist erkennbar, dass bei Ang-II-induziertem Bluthochdruck eine AT1-Blockade den Druck normalisiert, wåhrend eine AT2-Blockade den Druck weiter steigen låsst (Siragy u. Carey 1999). Zusammenfassend låsst sich sagen, dass der AT2-Rezeptor verschiedene physiologische und pathophysiologische Prozesse moduliert. Es scheint so, als ob AT2 in vielen Fållen einen gegenregulato-
rischen Effekt gegençber AT1-Effekten hat (Abb. 3.3.6). Auf funktioneller Ebene (Unger 1999) und auf der des intrazellulåren Signalwegs (Carey et al. 2000; Sadoshima 2000; Nouet et al. 2000) scheint es einen negativen Crosstalk zwischen AT2 und AT1 zu geben. Neue Erkenntnisse zu protektiven Wirkungen des AT2-Rezeptors kænnten daher in Zukunft zu neuen Therapiekonzepten fçhren.
3.3.4 Wirkungen von Angiotensin II auf Herz und Kreislauf 3.3.4.1 Angiotensin-II-Rezeptoren im Herzen und in den Gefåûen In Herz und Gefåûen erwachsener Såuger çberwiegen bei weitem die AT1-Rezeptoren, AT2-Rezeptoren sind nur gering exprimiert. Untersuchungen mittels Einzelzell-RT-PCR (¹single-cell reverse transcriptase (RT) polymerase chain reactionª
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(PCR)) ergaben beispielsweise, dass ungefåhr 40% der reifen Kardiomyozyten von Ratten AT1-Rezeptoren exprimieren, jedoch nur auf ungefåhr 10% der Zellen AT2-Rezeptoren zu finden sind (Busche et al. 2000). Bei physiologischen Prozessen wie Herzaktion und Blutdruckregulation ist nach heutigem Stand der Erkenntnisse der AT1-Rezeptor der ¹aktiveª Rezeptor, der z. B. positiv inotrope und chronotrope Wirkkomponenten am Herzen besitzt und an den Gefåûen vasokonstriktorisch wirkt. Der AT2Rezeptor scheint eher die Rolle eines Modulators zu spielen durch seine oftmals dem AT1-Rezeptor entgegengesetzten Wirkungen, die z. B. in pathophysiologischen Situationen durch die verstårkte AT2-Rezeptor-Expression stårker zum Tragen kommen. Die Bedeutung des RAS bei kardiovaskulåren Erkrankungen und die Rolle der verschiedenen Rezeptorsubtypen wird im Folgenden anhand der verschiedenen Hauptkrankheitsbilder erlåutert.
3.3.4.2 Angiotensin II und das kardiovaskulåre Kontinuum Diejenigen kardiovaskulåren Erkrankungen mit hæchster Inzidenz, nåmlich Bluthochdruck, Atherosklerose, Herzinfarkt und Herzinsuffizienz stehen in kausalem, åtiopathogenetischem Zusammenhang, den man auch als ¹kardiovaskulåres Kontinuumª bezeichnet (Abb. 3.3.7). Der Bluthochdruck gehært zusammen mit Hyperlipidåmie und Diabetes mellitus zu den wichtigsten Risiko-
faktoren fçr die Entstehung einer Atherosklerose. Die zunehmende atherosklerotische Verengung der Koronarien manifestiert sich als Koronare Herzerkrankung mit Herzmuskelischåmien, die ¹akuteª Bildung eines Thrombus auf der Grundlage eines atherotischen Plaques kann zum Verschluss einer Koronararterie und damit zur Angina pectoris oder im schlimmsten Fall zum Herzinfarkt mit Untergang von Myokard fçhren. Im Falle eines Infarkts ist die Frçhphase håufig gekennzeichnet durch lebensbedrohliche Rhythmusstærungen und unter Umstånden durch akutes Herzversagen als Folge von groûflåchigem Gewebeuntergang. Ûberlebt der Patient die akute Phase, so kommt es in spåteren Phasen zu Umbauvorgången (Remodeling) im Bereich der Myokardnarbe. Die kontraktilen Eigenschaften des Myokards gehen im Bereich der Narbe verloren; bei græûeren Narben kann es zu einer Wandschwåche und dilatativen Verånderungen kommen. Beides trågt zu einem Funktionsverlust des Myokards mit eingeschrånkter Kontraktionskraft bei, die schlieûlich bis zur terminalen Herzinsuffizienz fçhren kann. Angiotensin II ist an der physiologischen Regulation der zugrunde liegenden kardiovaskulåren Mechanismen maûgeblich beteiligt. Im Falle einer Ûberstimulation des RAS mit erhæhten Ang-IISpiegeln im Plasma und/oder im Gewebe verstårkt Ang II auf allen genannten Ebenen die Progression dieses Kontinuums und zwar in aller Regel çber den AT1-Rezeptor. Dies ist Grundlage fçr den therapeutischen Einsatz von Pharmaka, die das RAS hemmen (ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Antagonisten).
Abb. 3.3.7. Zu jedem Zeitpunkt der Spirale, die auch als kardiovaskulåres Kontinuum bezeichnet wird, wirkt Angiotensin II bis hin zur irreversiblen, finalen Herzerkrankung distinkt und hochspezifisch: Das Erreichen der jeweils nåchsten Stufe wird beschleunigt, und die Symptomatik wird verschlimmert. ANG II: Angiotensin II; HT: Hypertonie; LDL: ¹low density lipoproteinª; DM: Diabetes mellitus; LVH: linksventrikulåre Hypertrophie; KHK: koronare Herzkrankheit. (Aus Unger 2002)
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
3.3.4.3 Angiotensin II und Hypertonie Das im Blutkreislauf zirkulierende endokrine Renin-Angiotensin-System ist allgemein bekannt dafçr, die Natrium-, Volumen- und Herz-KreislaufHomæostase zu regulieren und aufrecht zu erhalten (Lavoie u. Sigmund 2003). Angiotensin II fçhrt sowohl direkt als auch indirekt durch Stimulation des AT1-Rezeptors im Gefåûsystem, durch Steigerung des Sympathikotonus und durch Vasopressinfreisetzung zur Vasokonstriktion. Die arterielle Vasokonstriktion fçhrt zu erhæhtem peripheren Widerstand und damit zur Hypertonie. Angiotensin II bewirkt weiterhin direkt çber Stimulation renaler AT1-Rezeptoren im proximalen Tubulus bzw. indirekt durch erhæhte Produktion und Freisetzung von Aldosteron aus der Zona glomerulosa der Nebenniere eine Erhæhung der renalen Natrium- und Wasserreabsorption und damit ebenfalls eine Blutdrucksteigerung (Regitz-Zagrosek u. Unger 2003).
Abb. 3.3.8. Bluthochdruck fçhrt u. a. çber Scherkråfte und verdickte Gefåûwånde direkt zur Entstehung und Progression von Atherosklerose. Vom Bluthochdruck ausgehende Endothelverletzungen kænnen die Atherosklerose çber Verånderung des Redoxpotentials, des Lipidmetabolismus und der Expression regulierender Gene verstårken
Abb. 3.3.9. Angiotensin II, gebunden an den AT1-Rezeptor, fçhrt zum einen durch Modulation mehrerer zellulårer und molekularer Faktoren, zum anderen direkt çber Funktionsstærung des Endothels zu Atherosklerose. ANG II: Angiotensin II; AT1: Angiotensin-Typ-1-Rezeptor; LDL: ¹low density lipoproteinª
3.3.4.4 Atherosklerose und endotheliale Dysfunktion Die Entstehung der Atherosklerose wird durch Bluthochdruck begçnstigt und beschleunigt (Kannel 1993; Abb. 3.3.8). Die mitogenen Effekte von Angiotensin II auf glatte Gefåûmuskelzellen und die vermehrt auftretenden Scherkråfte durch hæheren Gefåûdurchfluss verursachen Umbauvorgånge in der Gefåûwand. Dies åuûert sich in einer Verminderung des Gefåûlumens und in einer Zunahme der Mediadicke. Erhæhter Blutdruck und Angiotensin II kænnen den Vorgang der atheromatæsen Plaquebildung auch durch Stærung der normalen Endothelfunktion beschleunigen (Abb. 3.3.9). Dabei spielen verschiedene koinzidente Mechanismen eine Rolle. So ist die Expression von Genen veråndert, die fçr verschiedene Zytokine, Wachstumsfaktoren und Adhåsionsmolekçle codieren, was direkt zu einem atherogenen Phånotyp beitrågt (Kim u. Iwao
393
394
M. Clemenz et al.
2000). Ang II veråndert weiterhin den Redoxstatus von Endothelzellen. Dadurch treten vermehrt freie Sauerstoffradikale auf. Die reaktiven Sauerstoffmolekçle inaktivieren endotheliales Stickstoffmonoxid (NO) und haben vielfåltige Wirkungen auf die Gefåûe. Dies kænnte den Beginn, den Unterhalt und/oder die Destabilisierung von atherosklerotischen Låsionen mitveranlassen (Berry et al. 2001). Indem man diese Effekte von Ang II blockiert, versucht man, die Funktionseinbuûe des Endothels rçckgångig zu machen und ein normales Verhåltnis von Ang II und Stickstoffmonoxid wiederherzustellen. Rajagopalan et al. befassten sich 1996 experimentell mit diesem Zusammenhang zwischen endothelialer Dysfunktion auf der einen Seite und Ang II, Hypertonie und vermehrt wirkenden Superoxidanionen (·O±2) auf der anderen Seite. Bei ihren Experimenten zeigte sich, dass eine durch Ang II hervorgerufene Hypertonie zu einer Verdoppelung der Produktion von ·O±2 in den Gefåûen von Ratten fçhrte. Solche Beeintråchtigungen des Redoxpotentials und die damit einhergehende, verminderte Gefåûdilatation wurden jedoch ± trotz vergleichbaren Blutdruckanstiegs ± nicht nach Infusion von Noradrenalin beobachtet. Diese Tatsachen gehen mit der Theorie einher, dass hoher Blutdruck per se noch kein Stimulus fçr gesteigerte Sauerstoffradikalproduktion ist. Die Ang-II-induzierte Sauerstoffradikalproduktion in den Gefåûen und die gestærte Gefåûrelaxation lieûen sich durch Koinfusion des spezifischen AT1-RezeptorAntagonisten Losartan wieder normalisieren (Rajagopalan et al. 1996). Auch in einem Affenmodell fçr Atherogenese konnte gezeigt werden, dass Losartan ± verabreicht in Dosen, die den Blutdruck nicht veråndern ± die Bildung von Fettablagerungen signifikant reduzierte, die Verdickung der Koronargefåûwand verhinderte und andere atherogene Prozesse positiv beeinflusste (Strawn et al. 2000). Der Signalweg, durch den AT1-Rezeptor-Blocker die Funktion der Gefåûwand zu verbessern vermægen, wurde in SP-SHR-Ratten (¹stroke prone-spontaneously hypertensive ratsª) untersucht (Gohlke et al. 1996, 1998). Die Behandlung der Tiere mit Losartan prånatal und im Alter von bis zu 20 Wochen verhinderte die Entwicklung eines Hypertonus und einer linksventrikulåren Hypertrophie. Begleitet wurden diese Effekte von einer 5fachen Zunahme des cGMP-Gehaltes der Aorta (Gohlke et al. 1996). Diese Zunahme låsst sich folgendermaûen erklåren: Zum einen steigen die Plasma- und Gewebsspiegel von Ang II an, weil durch die AT1-Rezeptor-Blockade mit Losartan auch die ne-
gative Feedbackschleife zur Reninfreisetzung unterbrochen wird (Campbell et al. 1995). Zum anderen bindet durch die Blockade der AT1-Rezeptoren das zirkulierende Ang II verstårkt an den freien AT2-Rezeptor und stimuliert damit die Produktion von cGMP und NO in der Gefåûwand (Abb. 3.3.5 und Abb. 3.3.6).
3.3.4.5 Linksventrikulåre Hypertrophie Es ist heutzutage unumstritten, dass Bluthochdruck und erhæhte håmodynamische Belastung maûgebliche pathophysiologische Determinanten fçr die Entwicklung einer linksventrikulåren Hypertrophie darstellen (Devereux et al. 1983). Zahlreiche experimentelle Studien hierzu haben eine Reihe neurohumoraler und direkt trophischer Faktoren identifiziert, die bei der Øtiopathogenese der linksventrikulåren Hypertrophie eine Rolle spielen. Hierzu gehært auch Angiotensin II (Laks et al. 1973; Trimarco et al. 1985; Sadoshima et al. 1993). So konnte z. B. durch Langzeitbehandlung von SP-SHR mit Candesartan-Cilexetil in Dosen von 1 mg/kg bzw. 10 mg/kg das Gewicht des linken Ventrikels signifikant verringert werden (Inada et al. 1997). Interessanterweise war das Gewicht der linken Herzkammer bei den mit 10 mg/kg hæher dosierten Tieren geringer als bei den normotensiven Kontrolltieren. Eine Reduktion der Herzhypertrophie wurde auch in Versuchen mit Telmisartan bzw. Losartan bei TGR(m-REN2)27-hypertensivtransgenen Ratten bzw. spontan hypertensiven Ratten beobachtet (Bæhm et al. 1996; Gohlke et al. 1996).
3.3.5 Klinische Bedeutung der Inhibition des Renin-Angiotensin-Systems fçr kardiovaskulåre Erkrankungen Wie im Vorangehenden dargestellt, spielt Angiotensin II eine entscheidende Rolle bei der Ereignisfolge, die das kardiovaskulåre Kontinuum ausmacht. Daher erscheint es logisch, therapeutische Ansåtze zu entwickeln, mit denen man das Kontinuum zu durchbrechen vermag, mit dem Ziel, die kardiovaskulåre Gesamtmorbiditåt und -mortalitåt zu senken: ACE-Hemmer inhibieren das Angiotensin converting enzyme und damit die Bildung von Ang II, AT1-Rezeptor-Antagonisten blockieren die Wirkung von Ang II am AT1-Rezeptor.
a
3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
3.3.5.1 Studien mit ACE-Inhibitoren Zahlreiche Studien haben die blutdrucksenkende Wirksamkeit verschiedener ACE-Hemmer eindrucksvoll belegt; und auch beim Problempatienten mit zusåtzlichen metabolischen Erkrankungen, insbesondere mit Diabetes mellitus, sind ACEHemmer wegen ihrer metabolischen Neutralitåt bzw. sogar vorteilhaften Eigenschaften ein Therapeutikum der ersten Wahl (Goebel et al. 2004).
3.3.5.1.1 ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz Eine der ersten Studien, die die Vorteile einer Therapie mit ACE-Hemmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz zeigen konnten und in deren Folge ACE-Hemmer dann zum Standardtherapeutikum bei dieser Indikation wurden, war die ¹Cooperative North Scandinavian Survival Studyª (CONSENSUS-I). Hier konnte die Mortalitåt bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz nach einjåhriger Behandlung mit dem ACE-Hemmer Enalapril um 31% (P = 0,001) gesenkt werden (CONSENSUS Trial Study Group 1987; Warner u. Perry 2002; Yusuf et al. 2000).
3.3.5.1.2 ACE-Hemmer bei kardiovaskulåren Hochrisikopatienten Eine neuere bedeutende Studie, die ¹Heart Outcomes Prevention Evaluation studyª (HOPE) zeigte, dass nach hochdosierter Behandlung von 9297 Patienten mit 10 mg Ramipril pro Tag das Risiko, den primåren Endpunkt zu erreichen (kardiovaskulåre Todesfålle, nichttædliche Herzinfarkte und Rate der Schlaganfålle), um 22% (P < 0,001) gesenkt war. Einschlusskriterium fçr diese Studie war ein hohes kardiovaskulåres Risiko (in vielen Fållen Diabetes mellitus), jedoch waren Herzinsuffizienz bzw. verminderte linksventrikulåre Auswurffraktion ein Ausschlusskriterium (Lonn et al. 2001; Mathew et al. 2001; Collins et al. 1990; Turnbull et al. 2003; Staessen et al. 2001; McKelvie et al. 1999).
4,2 Jahren 20% (P = 0,0003) weniger Patienten den primåren Endpunkt (kardiovaskulårer Tod, Myokardinfarkt oder Herzstillstand) als in der Kontrollgruppe. Nach den Ergebnissen der EUROPAStudie muss die Einbeziehung von ACE-Hemmern bei der Behandlung der koronoren Herzerkrankung wieder neu çberdacht werden.
3.3.5.1.4 ACE-Hemmer bei diabetischer und nichtdiabetischer Nephropathie In groûen kontrollierten klinischen Langzeitstudien haben die ACE-Hemmer, vor allem Captopril und Ramipril, ihre nephroprotektiven Effekte bei Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus unter Beweis gestellt. In einer Studie mit çber 400 Patienten, die an fortgeschrittener diabetischer Nephropathie litten, verringerte Captopril im Vergleich mit Placebo das Risiko des Fortschreitens der diabetischen Nephropathie um die Hålfte (Lewis et al. 1993). In der MICRO-HOPE-Studie konnte an Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus mit kardiovaskulårer Erkrankung und mit oder ohne Mikroalbuminurie gezeigt werden, dass Ramipril die Entwicklung der diabetischen Nephropathie und diabetische Komplikationen verringert (Heart Outcomes Prevention Evaluation Study Investigators 2000; Gerstein 2002).
3.3.5.2 Studien mit AT1-Rezeptor-Antagonisten Bezçglich ihrer blutdrucksenkenden Wirksamkeit kænnen die AT1-Rezeptor-Antagonisten (Losartan, Valsartan, Irbesartan, Candesartan-Cilexitil, Telmisartan, Eprosartan, Olmesartan) (Abb. 3.3.10) mit Tabelle 3.3.2. Unterschiedliche pharmakologische Wirkungen von ACE-Inhibitoren und AT1-Rezeptor-Antagonisten und potentielle Gesamteffekte einer Kombination beider Wirkstoffgruppen. (Aus Unger 2002) ACEAT1Inhibitor RezeptorAntagonist
ACE-Inhibitor und AT1RezeptorAntagonist
AT1-Stimulation
;
;;
;;
AT2-Stimulation
;
::
:
Plasma-ReninAktivitåt
:
:
:
Angiotensin-II-Spiegel ;
:
=/:
Bradykinin-Spiegel
=
:
3.3.5.1.3 ACE-Hemmer bei koronarer Herzkrankheit Die EUROPA-Studie untersuchte unter Einschluss von 13655 Patienten einen mæglichen positiven Effekt von ACE-Hemmern (8 mg Perindopril pro Tag) bei der Behandlung einer koronaren Herzkrankheit (Fox u. EUROPA study Investigators 2003). In der Perindopril-Gruppe erreichten nach
:
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M. Clemenz et al.
Abb. 3.3.10. Chemische Strukturen der nichtpeptidergen AT1-Rezeptor-Blocker. BPT: Biphenyltetrazol; CV-2961: AT1Rezeptorblocker (2-Butyl-4-chloro-1(2-nitrobenzyl) Imidazol-5-Essigsåure). (Aus Regitz-Zagrosek u. Unger 2003)
den ACE-Hemmern, b-Blockern, Kalziumantagonisten und dem Diuretikum Hydrochlorothiazid verglichen werden. Aktuelle Studien unter Einschluss von AT1-Rezeptor-Antagonisten beschåftigen sich mehrheitlich entweder mit der Frage, ob diese Substanzgruppe neben der reinen Blutdrucksenkung die Langzeitfolgeschåden der Hypertonie gleichartig oder gçnstiger beeinflusst als andere Antihypertensiva, oder ob AT1-Rezeptor-Antagonisten ± åhnlich wie ACE-Hemmer ± auch fçr andere Indikationen wie Herzinsuffizienz oder diabetische und nichtdiabetische Nephropathien eingesetzt werden sollten (Tabelle 3.3.2).
3.3.5.2.1 AT1-Antagonisten zur Pråvention von Langzeitfolgen bei Hypertonie Eine der bisher græûten und bedeutendsten Studien, die die Frage nach der Beeinflussung der Langzeitfolgen des Bluthochdrucks zum Thema hatte, ist die ¹Losartan Intervention For End point reduction in hypertension studyª (LIFE). Eingeschlossen in die Studie waren 9193 Patienten mit Bluthochdruck und linksventrikulårer Hypertrophie, die eine antihypertensive Therapie entweder auf Grundlage eines AT1-Rezeptor-Antagonisten (Losartan) oder auf Grundlage eines b-Blockers (Atenolol) erhielten. Der kombinierte primåre Endpunkt (kardiovaskulårer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) trat bei 508 Patienten der LosartanGruppe und bei 588 Patienten der Atenolol-Gruppe auf, was einer 15%igen Reduktion des relativen
Gesamtrisikos durch Losartan entsprach (P = 0,009) (Dahlof et al. 2002; Lindholm et al. 2002).
3.3.5.2.2 AT1-Antagonisten bei Herzinsuffizienz Die ¹Candesartan in Heart Failure ± Assessment of Reduction in Mortality and Morbidityª Studie (CHARM) untersuchte die Wirksamkeit von AT1Rezeptor-Antagonisten bei Herzinsuffizienz an insgesamt 7601 Patienten und war aufgeteilt in Seitenarme: · Auf die ¹CHARM-Added-Studieª wird in Abschn. 3.3.5.3 eingegangen. · Die ¹CHARM-Preserved-Studieª (¹left ventricular ejection fractionª (LVEF) > 40%, keine Unterscheidung nach ACE-Hemmer-Einnahme) konnte keinen Vorteil von Candesartan çber Placebo zeigen. · Die ¹CHARM-Alternative-Studieª, in der die herzinsuffizienten Patienten (LVEF £ 40% und ACE-Hemmer-Intoleranz) Candesartan oder Placebo erhielten, erbrachte, dass Candesartan das relative Risiko, den primåren Endpunkt (kardiovaskulårer Tod oder Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz) zu erreichen, um 23% gegençber Placebo senkte (Granger et al. 2003).
3.3.5.2.3 AT1-Antagonisten bei diabetischer und nichtdiabetischer Nephropathie Was die nephroprotektive Wirkung von AT1-Rezeptor-Antagonisten betrifft, liegen bisher Daten placebokontrollierter Langzeitstudien fçr den Ef-
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
fekt von Losartan und Irbesartan bei Typ-2-Diabetikern mit diabetischer Nephropathie vor. In der RENAAL-Studie (Losartan, 1513 Patienten) (Brenner et al. 2001) und in der IDNT-Studie (Irbesartan, 1715 Patienten) (Lewis et al. 2001) konnten die Sartane unabhångig von der Blutdrucksenkung eine signifikante Risikoreduktion fçr den primåren Endpunkt (Verdoppelung der Ausgangs-Serumkreatininkonzentration, Entwicklung von Nierenversagen, Gesamtmortalitåt) im Vergleich zu Placebo erzielen (Losartan: 16% (NNT: 28), Irbesartan: 20% (NNT: 15)). Somit sind gegenwårtig die AT1-Rezeptor-Antagonisten Losartan und Irbesartan bei der Behandlung hypertoner Patienten mit diabetischer Nephropathie (Typ-2-Diabetes) als den ACE-Hemmern zumindest gleichwertig anzusehen. Die Ergebnisse entsprechender Studien mit AT1-Rezeptor-Antagonisten bei nichtdiabetischer Nephropathie bzw. Nephropathie bei Typ-1-Diabetes stehen noch aus.
Um die Hypothese zu çberprçfen, ob ein ACE-Inhibitor kombiniert mit einem AT1-Rezeptor-Antagonisten (Tabelle 3.3.2) kardiovaskulåre Krankheiten und Todesfålle bei Hochrisikopatienten mit Herzinsuffizienz oder anderen Herzerkrankungen effizienter verhindern kann als die Einzelsubstanzen alleine, wurden mehrere Studien begonnen.
tienten mit kongestiver Herzinsuffizienz hin (McMurray et al. 2003). Die Frage, ob die zusåtzliche Administration des AT1-Antagonisten Candesartan bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulårer systolischer Funktion, die bereits optimale Dosierungen eines ACE-Hemmers erhalten, einen zusåtzlichen klinischen Benefit bringt, beantwortete die ¹Candesartan in Heart Failure ± Assessment of Reduction in Mortality and Morbidity (CHARM) Added Studyª. Hier wurden 2548 Patienten (LVEF £ 40%), die bereits auf einen ACE-Hemmer eingestellt waren, auf zwei Gruppen verteilt (ACE-Inhibitor plus Candesartan oder Placebo). Die primåren Endpunkte HerzKreislauf-Tod und Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz waren in der Gruppe ACE-Hemmer plus Candesartan signifikant um 16% bzw. 17% reduziert (McMurray et al. 2003). Fçr die ¹Valsartan Heart Failureª Studie (ValHeFT) wurden 5010 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz rekrutiert. Sie erhielten zusåtzlich zu ihrer konventionellen Therapie bis zu 2-mal 160 mg Valsartan am Tag bzw. Placebo. Valsartan verbesserte die klinische Symptomatik und reduzierte das Erreichen des kombinierten primåren Endpunktes fçr Mortalitåt und Morbiditåt um 13%. Da 93% der Patienten einen ACE-Hemmer einnahmen, zeigte die Studie eine leichte, aber signifikante Ûberlegenheit der Kombinationsbehandlung von ACE-Hemmer plus Valsartan verglichen mit ACE-Hemmer allein (Cohn et al. 2001).
3.3.5.3.1 ACE-Hemmer plus AT1-Antagonisten bei Herzinsuffizienz
3.3.5.3.2 ACE-Hemmer plus AT1-Antagonisten bei kardiovaskulåren Hochrisikopatienten
Die ¹Randomized Evaluation of Strategies for Left Ventricular Dysfunction Studyª (RESOLVD) verglich zum ersten Mal die Wirkung einer Kombination aus AT1-Rezeptor-Blocker (Candesartan) und ACE-Hemmer (Enalapril) auf Surrogatparameter bei 768 Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz. Die Patienten wurden 43 Wochen lang mit entweder Enalapril oder Candesartan oder Enalapril plus Candesartan behandelt. Verglichen mit den Monotherapien wurden bei Patienten mit Kombinationstherapie eine signifikant stårkere Blutdrucksenkung, kleinere Kammervolumina und eine vergræûerte Ejektionsfraktion beobachtet. Obwohl die Ergebnisse der RESOLVD-Pilotstudie nicht vællig unanfechtbar sind, weisen sie auf einen Vorsprung der Kombination ACE-Hemmer plus AT1-Antagonist bei der Behandlung von Pa-
Die ¹Ongoing Telmisartan Alone and in Combination with Ramipril Global Endpointª Studie (ONTARGET, låuft bis Ende 2007) ist eine internationale, doppelblinde Multizentrumstudie mit einer weiteren, parallel laufenden Studie, der ¹Telmisartan Randomized Asessment Study in AngiotensinConverting Enzyme Inhibitor Intolerant Patients with Cardiovascular Diseaseª (TRANSCEND, endet Herbst 2008) (Teo et al. 2004). Bei diesen Studien soll untersucht werden, ob die Kombination von AT1-Antagonist (Telmisartan) plus ACE-Hemmer (Ramipril) den kombinierten Endpunkt der Studie (kardiovaskulårer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz) bei kardiovaskulåren Hochrisikopatienten effektiver reduzieren kann als jeweils eine der Einzelsubstanzen (plus Placebo).
3.3.5.3 Studien mit ACE-Inhibitoren und AT1-Antagonisten
397
398
M. Clemenz et al.
3.3.5.3.3 ACE-Hemmer plus AT1-Antagonisten nach Myokardinfarkt Die Mortalitåt und akute Herzkreislauferkrankungen wie z. B. Infarkt wurden in der ¹Valsartan In Acute Myocardial Infarctionª Studie (VALIANT) wåhrend 25 Monaten nach einem Herzinfarkt beobachtet. Dazu wurden 14 703 Patienten 0,5±10 Tage nach akutem Myokardinfarkt rekrutiert und nach drei Behandlungsstrategien randomisiert: Captopril 3-mal 50 mg, Valsartan 2-mal 160 mg oder Captopril 3-mal 50 mg plus Valsartan 2-mal 80 mg. Hier zeigte sich Valsartan genauso effektiv wie Captopril. Die Kombination Captopril plus Valsartan war der Einzelbehandlung nicht çberlegen; diese Medikation musste wegen Nebenwirkungen sogar håufiger abgesetzt werden (Pfeffer et al. 2003 a).
3.3.6 Genetik des Renin-Angiotensin-Systems und Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System Vællig neue, in ihren Konsequenzen noch nicht abschåtzbare Aspekte ergeben sich aus neuen Entwicklungen der kardiovaskulåren Genetik, die auch das Renin-Angiotensin-System betreffen. In fast allen menschlichen Genen existieren sog. Polymorphismen. Dies sind håufig auftretende Varianten in der Erbsubstanz DNA, die allein nicht krankheitsverursachend sind. Sie kænnen in einem einfachen Austausch eines Nukleotids in der DNA bestehen (¹single nucleotide polymorphismª, SNP, Aussprache ¹snipª), oder in der Insertion oder Deletion græûerer Abschnitte. Polymorphismen kænnen an jeder Stelle des Genoms auftreten: in Exons (dort kænnen SNPs die codierte Aminosåure veråndern oder unveråndert lassen), Introns, nichtcodierenden regulatorischen Regionen (5'UTR (¹untranslated regionª) oder 3'UTR) und in Regionen zwischen einzelnen Genen inklusive Promoter- und Enhancer-Regionen. SNPs werden stabil vererbt und finden sich in einer Population mit einer Frequenz von çber 1%. Ihre Dichte ist mit 0,5±3 pro 1000 Basenpaaren sehr hoch, und eher selten kænnen SNPs auch den Phånotyp eines Individuums veråndern (Cusi et al. 2003). Wåhrend es augenscheinlich ist, dass eine verånderte Aminosåurensequenz die Funktion eines Proteins beeinflusst, ist es aber ebenso der Fall, dass SNPs, die die ursprçngliche Aminosåure unveråndert lassen, intronisch oder auûerhalb des
Gens gelegen sind, die Funktion des Proteins veråndern oder zu einem unterschiedlichen Phånotyp fçhren. Der Grund hierfçr mag in einer Alteration der mRNA-Stabilitåt, des Splicens oder der Expressionsstårke (wenn in UTR bzw. Promotersequenz gelegen) liegen oder in der strikten Koppelung mit einem anderen, funktionellen Polymorphismus. Polymorphismen kænnen also funktionslos (stumm) sein oder aber die Funktion eines Gens, und damit die Aktivitåt von Stoffwechselvorgången, veråndern. Diese meist nur geringfçgigen Verånderungen kænnen dazu fçhren, dass ein Tråger eines solchen Polymorphismus auf bestimmte Umweltreize etwas stårker oder schwåcher als ein anderer reagiert. Umweltreize kænnen in der Ernåhrung liegen, in der Salz-, Glukose- oder Lipidbelastung, in Lebensgewohnheiten, im Blutdruck. Dazu gehæren auch myokardiale Durchblutungsstærungen, Training oder Medikamenteneinnahme. Medikamente, die auf einen Stoffwechselweg treffen, in dem sich bestimmte Polymorphismen finden, fçhren bei den Trågern dieser Polymorphismen zu anderen ± stårkeren oder schwåcheren ± Reaktionen als bei ¹Normalpersonenª, d. h. solchen, die den Polymorphismus nicht besitzen. Dies ist die Grundlage der neuen Forschungsrichtung Pharmakogenetik. Polymorphismen finden sich auch in den Genen des RAS. Polymorphismen im RAS kænnen dazu fçhren, dass ihre Tråger auf vasokonstriktorische Reize oder auf Hypertrophiereize anders ansprechen als ¹Normalpersonenª. In den letzten 15 Jahren wurde eine Vielzahl von Polymorphismen im RAS entdeckt, die meisten jedoch ohne dass bisher ein Nachweis fçr eine funktionelle Relevanz gelang. Zu den wenigen relevanten Polymorphismen im Bereich des RAS sind eine Vielzahl von Studien und Publikationen erschienen, mit einer nicht unerheblichen Anzahl von widersprçchlichen Ergebnissen. Die am meisten studierten Genvarianten sind eine Insertion bzw. Deletion (I/D) von 287 Aminosåuren im Angiotensin-converting-enzyme-Gen, der Methionin/ Threonin-Polymorphismus an Aminosåure 235 (M235T) des reifen Angiotensinogenproteins und der Adenin/Cytosin-SNP an Base 1166 (A1166C) in der 3'UTR des Angiotensin-AT1-Rezeptors. In allen Studien konsistent waren lediglich erhæhte ACE-Spiegel in Trågern des ACE-D-Allels und erhæhte Angiotensinogenspiegel bei Trågern der Angiotensinogen-T235-Variante (Danser u. Schunkert 2000). Der I/D-Polymorphismus des ACE-Gens ist definiert durch die Pråsenz (Insertion, I) oder Absenz
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3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
(Deletion, D) einer 287-Basen-Sequenz im Intron 16 des Gens. Das Insert enthålt eine Sequenz, die einem Silencer åhnelt, was eine Erklårung fçr die 25% bzw. 50% hæheren ACE-Spiegel bei Trågern der heterozygoten I/D- bzw. homozygoten D/D-Variante sein kænnte, verglichen mit der homozygoten Insertion des Silencers (I/I). Hæhere ACE-Spiegel beim D-Allel wurden sowohl im Plasma als auch im Gewebe beobachtet, jeweils ohne Beeintråchtigung der enzymatischen Aktivitåt. Die Umsetzung von Ang I zu Ang II erfolgt nach einer Kinetik erster Ordnung (membrangebundenes ACE), selbst bei 10 000facher Erhæhung des Ang-I-Angebots (Danser u. Schunkert 2000). Obwohl es sehr viele Studien gibt, die versuchen, Assoziationen zwischen dem I/D-Polymorphismus und kardiovaskulåren Krankheiten herzustellen, ist die Frage, ob bei Vorliegen des D/D-Allels auch tatsåchlich mehr Ang II vorliegt, immer noch nicht hinreichend geklårt. Es scheint eher so zu sein, dass erhæhte ACE-Spiegel unter physiologischen Bedingungen zu keiner Erhæhung des Ang-II-PlasmaSpiegels fçhren. Die Folgen erhæhter ACE-Spiegel fçr das Bradykinin-System sind ebenfalls noch nicht aufgeklårt. Studien, bei denen Ang I infundiert wurde, konnten eine verstårkte Konversion von Ang I zu Ang II beim D/D-Allel nicht eindeutig zeigen, ebenfalls gibt es keine Unterschiede bei den Plasmaspiegeln aller Komponenten des RAS bei den verschiedenen Genotypen. Mehrere klinische Studien wurden durchgefçhrt, um unterschiedliche Effekte bei den verschiedenen Allelen nach Blockade des RAS zu sehen. Es zeigte sich, dass die Studien ganz unterschiedlich ausfielen, je nach Gesundheitszustand, Ethnizitåt, Natriumaufnahme, Behandlungsdauer, Dosierung und Komedikation bei der Studienpopulation. Die genaue molekulare Funktion dieses Allels ist also noch unklar, trotzdem wurde vielfach versucht, Assoziationen des I/D-Polymorphismus mit klinischen Zustånden herzustellen. Eine Metaanalyse weist auf eine 10%ige Risikosteigerung fçr einen Herzinfarkt bei Trågern des D/D-Allels hin, und weitere Studien zeigen ein fçr Månner 1,6fach erhæhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Die Insertion (I/I) hingegen geht mit besonderer kærperlicher Leistungsfåhigkeit oder Trainierbarkeit einher. Sie fand sich bei 7 von 8 Himalaya-Bezwingern (Williams et al. 2000). In Untersuchungen an Rekruten konnte gezeigt werden, dass Personen ohne diese Insertion auf Training mit verstårkter Myokardhypertrophie reagieren. Diese Befunde sprechen also eher dafçr, dass der Polymorphismus eine Funktion besitzt und die Myokardhyper-
trophie beeinflusst. Dies ist zumindest ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung des RAS bei der Pathogenese der Myokardhypertrophie. Die Myokardhypertrophie unter Belastung wird darçber hinaus auch von einem Polymorphismus im nahe verwandten Bradykinin-System beeinflusst. Eine Insertion von 9 Aminosåuren im Bradykinin-2-Rezeptor (B2BKR) beeinflusst die Aktivitåt des Bradykinin-Systems im Sinne einer stårkeren Expression des Rezeptors. Fehlt diese Insertion, reagiert das Herz mit verstårkter Hypertrophie auf Training. Dieser Polymorphismus wirkt mit dem im ACE-Gen synergistisch. Wenn bei beiden Genen keine Insertion auftritt, reichen geringere Stimuli zur Ausbildung einer ausgeprågteren Myokardhypertrophie aus (Brull et al. 2001). Dies weist auf die enge Verwandtschaft dieser Systeme hin. Der Angiotensinogen-M235T-Polymorphismus besteht aus einer Miss-Sense-Mutation in Exon 2 des Gens und bewirkt einen Aminosåurenaustausch von Methionin zu Threonin an Position 235 des Angiotensinogenproteins. Eng verbunden mit dieser Varianz ist ein weiterer Polymorphismus im Angiotensinogen-Gen: An Basenposition ±6 (sechs Nukleotide stromaufwårts von der Stelle des Transkriptionsbeginns) im Promoter wird die Base Guanin durch Adenin ausgetauscht, wodurch die Interaktion von mindestens einem Transkriptionsfaktor mit dem Angiotensinogenpromoter veråndert wird. Dies kænnte die basale Transkriptionsrate des Gens beeinflussen und erklårt wahrscheinlich, warum Homozygote fçr das T235-Allel 10± 20% hæhere Angiotensinogenplasmaspiegel haben als M235-Homozygote. Dies beeinflusst jedoch nicht den Plasma-Ang-II-Spiegel, mæglicherweise ist hier die Reninfreisetzung der Niere kompensatorisch verringert (Danser u. Schunkert 2000). Der AT1-Rezeptor-A1166C-Polymorphismus ist in der 3'UTR des Gens gelegen. Der genaue molekulare Wirkmechanismus ist græûtenteils unbekannt. Die AT1-Rezeptor-Bindung von AUF1 (¹AU-rich element RNA binding protein 1ª, 37 kDa, ¹heterogeneous nuclear ribonucleoprotein Dª, HNRPD), das durch Bindung an AU-haltige Regionen in der 3'UTR des AT1-Rezeptors dessen mRNA-Stabilitåt veråndert, wird durch den Polymorphismus nicht veråndert. Ebenso konnte ein Zusammenhang zwischen dem AT1-Rezeptor-C1166-Allel und verånderter Dichte und Funktion des AT1-Rezeptors bisher nicht çberzeugend dargestellt werden. Es wurden keine vom Genotyp dieses Polymorphismus abhångigen Verånderungen im Ang-II-Plasma-Spiegel beobachtet. Klinische Studien konnten bezçglich des
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C/C-Allels keinen Hinweis auf verstårkte Ansprechbarkeit des AT1-Rezeptors auf Ang II erbringen. Lediglich konnte bei Trågern des C/C-Allels, nicht jedoch bei den A/A- und A/C-Allelen, in distalen Koronararterien eine verstårkte Vasokonstriktion nach Stimulation des adrenergen a-Rezeptors oder des Serotoninrezeptors beobachtet werden. Dies konnte in vitro beståtigt werden, der molekulare Mechanismus hierfçr ist jedoch noch unbekannt (Danser u. Schunkert 2000). Schlieûlich mçssen die verantwortlichen Polymorphismen nicht unbedingt direkt das RAS betreffen, sie kænnen auch in Enzymen des Stoffwechsels lokalisiert sein, die Medikamente oder kærpereigene Stoffe abbauen. Hier konnten in den letzten Jahren in pharmakogenetischen Untersuchungen zahlreiche wichtige Polymorphismen, vor allem in P450, dem zentralen Arzneimittel metabolisierenden Zytochromsystem, nachgewiesen werden. Zum Beispiel erkrankt ein Tråger des C/C-Allels des 344T/C-Polymorphismus in der Aldosteronsynthase (synonym: CYP11B2, P450aldo, Steroid 18-Hydroxylase) håufiger an Hypertonie als ein Tråger des T/T- und C/T-Allels (Tsukada et al. 2002). Die genaue Kenntnis dieser Polymorphismen kænnte es ermæglichen, einen abweichenden Stoffwechsel bei bestimmten Patienten und damit teilweise die Wirkung bestimmter Medikamente vorauszusagen. Diese genetischen und pharmakogenetischen Befunde finden bislang noch kaum praktische Anwendung. Wenn genetische Tests jedoch so kostengçnstig werden, dass eine Vielzahl von Polymorphismen bei der Untersuchung eines Patienten getestet werden kænnen und wenn die Komplexitåt interagierender Polymorphismen in Datenbanken und Rechenmodellen erfassbar wird, wird es mæglich sein, individuelle Risikoprofile nicht nur auf der Basis konventioneller, sondern auch genetischer Risikofaktoren zu erstellen. Damit kænnte man dann fçr alle Patienten auch eine individuell optimierte Therapie anbieten. Im Moment scheint dies aufgrund der Komplexitåt des Systems und der Vielzahl interagierender Faktoren allerdings nicht in Reichweite zu sein. Da solche Entwicklungen jedoch erhebliche Konsequenzen fçr das Gesundheitssystem und den Umgang mit Gesundheit und Krankheit nach sich ziehen kænnen, sollten sie çberlegt und diskutiert werden, bevor die wissenschaftlichen Entwicklungen abgeschlossen sind.
3.3.7 Neue Indikationen: Kardiovaskulåre Therapien verbessern Diabetespråvalenz Hypertonie und Diabetes mellitus gehen mit einem erhæhten Risiko kardiovaskulårer und renaler Erkrankungen einher. Patienten mit Diabetes haben auûerdem eine deutlich hæhere Hypertoniepråvalenz als die Allgemeinbevælkerung (Ruilope 2003), und die Kombination von Diabetes und Hypertonie erhæht Morbiditåt und Mortalitåt noch zusåtzlich. Eine Nierenerkrankung im Endstadium ist am håufigsten durch Diabetes verursacht. Hypertoniker mit Typ-2-Diabetes haben aber nicht nur ein erhæhtes kardiovaskulåres Risiko, sie profitieren auch mehr als nichtdiabetische Hypertoniepatienten von der Blutdrucksenkung. Seit 1999 sind elf groûe Studien zur Therapie von Herz-Kreislauf-Krankheiten ausgewertet worden. Es zeigte sich, dass Thiaziddiuretika und b-Blocker, die håufig bei Herz-Kreislauf-Patienten eingesetzt werden, vermehrt mit einer verschlechterten oder zumindest unverånderten Insulinsensitivitåt assoziiert sind (Pepine u. Cooper-Dehoff 2004). ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Blocker und Kalziumantagonisten kænnen dagegen die Insulinsensitivitåt und den Glukosestoffwechsel verbessern. Die ¹Heart Outcomes Prevention Evaluation Studyª (HOPE) zeigte bei Patienten mit hohem Risiko fçr kardiovaskulåre Krankheiten eine deutlich geringere Diabetesinzidenz unter der Therapie mit dem ACE-Hemmer Ramipril verglichen mit Placebo (3,6% versus 5,4% nach 4,5 Jahren; Yusuf et al. 2000). Bei der ¹Losartan Intervention For Endpoint reduction in hypertension studyª (LIFE) war das Neuauftreten von Diabetes mellitus bei den mit dem AT1-Antagonisten Losartan behandelten Patienten im Vergleich zu den mit dem b-Blocker Atenolol behandelten um 25% reduziert bei im Wesentlichen identischer Blutdrucksenkung (Dahlof et al. 2002). Beim ¹Antihypertensive and LipidLowering Treatment to Prevent Heart Attack Trialª (ALLHAT) entwickelten von 21 294 Patienten mit Bluthochdruck 9,8% der Amlodipin-Gruppe (Kalziumantagonist), 8,1% der Lisinopril-Gruppe (ACE-Hemmer), aber 11,6% der ChlorthalidonGruppe (Diuretikum) einen Diabetes mellitus (ALLHAT Officers and Coordinators for the ALLHAT Collaborative Research Group 2002). In der ¹Candesartan in Heart Failure Assessment of Reduction in Mortality and Morbidityª (CHARM-) Studie wurde im Beobachtungszeitraum unter 5439 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz bei 7,4% der Placebo-Gruppe, jedoch nur bei 6% der
a
3.3 Regulationsmechanismen des Renin-Angiotensin-Systems im kardiovaskulåren System
Candesartan-Behandelten (AT1-Antagonist) ein Diabetes mellitus erstmals diagnostiziert (Pfeffer et al. 2003 b). Eine Reihe groûer klinischer Studien hat also Hinweise darauf erbracht, dass ACE-Inhibitoren und AT1-Antagonisten ± im Gegensatz zu anderen Antihypertensiva ± in der Lage sind, die Inzidenz des Typ-2-Diabetes zu senken. In den meisten dieser Studien war dieser Effekt signifikant. Der Ûbersichtsartikel von Pepine und Cooper-DeHoff (2004) listet die entsprechenden Ergebnisse einer Reihe dieser Studien auf, macht aber auch auf die Schwierigkeit der Vergleichbarkeit dieser Studienergebnisse aufmerksam. Die molekularen und zellulåren Mechanismen, die der verbesserten Insulinresistenz und der Pråvention neuer Diabeteserkrankungen zugrunde liegen, sind noch græûtenteils unbekannt. Ein mæglicher Wirkmechanismus der AT1-Antagonisten kænnte die Aktivierung des nukleåren Hormonrezeptors ¹peroxisome proliferator-activated receptor cª (PPAR-c) sein. PPAR-c spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation der Insulinsensitivitåt, und zwar im Sinne eines transkriptionellen Regulators multipler Gene, die in den Glukoseund Lipidmetabolismus involviert sind, wodurch eine diabetische Stoffwechsellage verbessert werden kann. Dieser Mechanismus konnte in jçngster Zeit von unserer (Schupp et al. 2004) und einer weiteren Gruppe (Benson et al. 2004) fçr ausgewåhlte AT1-Antagonisten (Telmisartan, Irbesartan, in hohen Dosen auch Losartan) gezeigt werden.
3.3.8 Schlussfolgerung Das Renin-Angiotensin-System (RAS) spielt durch schnelle Effekte auf das Gefåûsystem und auf die Niere eine herausragende Rolle bei der håmodynamischen Homæostase. Darçber hinaus hat das RAS in verschiedenen Geweben auch chronische Effekte, die integraler Bestandteil vieler (patho-)physiologischer Mechanismen sind, welche bei der Regulation von Entzçndungsvorgången und zellulårem Wachstum, bei Fibrose, Hypertrophie oder Remodeling-Vorgången involviert sind. Eine chronische Aktivierung des RAS und in der Folge die oben genannten chronischen Effekte werden als ein Hauptgrund fçr die Entstehung fortschreitender Funktionsstærungen von Endorganen begriffen. Dies fçhrte zur Entwicklung von Pharmaka, die in der Lage sind, die Wirkungen
von Ang II zu hemmen und der entsprechenden Symptomatik entgegenzuwirken. Zu diesen Pharmaka gehæren die seit langem in der kardiovaskulåren Therapie etablierten ACE-Hemmer und seit einigen Jahren auch die hochselektiven AT1-Rezeptor-Antagonisten. Obwohl schon seit Jahrzehnten bekannt und therapeutisch genutzt, bietet das Renin-Angiotensin-System auch heute noch neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Potenzial fçr neue therapeutische Anwendungen. Die mægliche Nutzung des gewebeprotektiven Effekts des AT2-Rezeptors ist ein Beispiel, die Entdeckung des Reninrezeptors und seine pharmakologische Blockade ein weiteres. Und auch damit ist das letzte Kapitel in der Geschichte des Renin-Angiotensin-Systems sicher noch nicht geschrieben.
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms Antje Bættner, Jçrgen Kratzsch, Annette G. Beck-Sickinger, Michael Stumvoll und Wieland Kiess
Inhaltsverzeichnis 4.1.1 4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.1.3 4.1.1.4
Grundlagen der Adipositas Epidemiologie . . . . . . . . Øtiologie . . . . . . . . . . . Genetische Faktoren . . . . Metabolisches Syndrom . .
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411 412 412 412 413
4.1.2 4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.2.4
. . . .
413 413 414 414
4.1.2.5 4.1.2.6 4.1.2.7
Regulation des Energiehaushalts . . . . . Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energieverbrauch . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Thermogenese . . . . . . . Evolutionåre Anpassung des Energiehaushalts an Umweltfaktoren . . . . . . . . . . . Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes . . . Mechanismen der Insulinresistenz . . . . . AMP-aktivierte Proteinkinase . . . . . . .
. . . .
416 417 417 419
4.1.3 4.1.3.1 4.1.3.2 4.1.3.3 4.1.3.4 4.1.3.5 4.1.3.6 4.1.3.6.1
Fettgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plastizitåt des Fettgewebes . . . . . . . . Differenzierung von Adipozyten . . . . . Regulation der Adipogenese . . . . . . . PPAR-c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metabolische Funktion des Fettgewebes Freie Fettsåuren . . . . . . . . . . . . . . . FFA aus der Nahrung . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
420 420 421 423 423 424 425 425
. . . . . . . .
4.1.1 Grundlagen der Adipositas Adipositas ist heute eines der dominierenden Gesundheitsprobleme in den westlichen Industrienationen. Dies ist einerseits bedingt durch die auûerordentlich hohe Pråvalenz der Adipositas und deren rasch zunehmende Inzidenz. Andererseits ist die Risikoassoziation von Adipositas mit metabolischen Verånderungen (u. a. Hyperlipidåmie, Insulinresistenz) und damit zusammenhångenden Folgeerkrankungen (Diabetes mellitus, kardiovaskulåre Erkrankungen) sowie einer erhæhten Mortalitåt bedeutend. Zur Aufrechterhaltung des Kærpergewichts und der Energiehomæostase existiert ein fein reguliertes System, welches das Kærpergewicht normalerweise innerhalb einer geringen Schwankungsbreite konstant hålt. Dysregulation, Maladaptationen und
4.1.4
Endokrine und parakrine Funktion des Fettgewebes . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1 Leptin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.2 Resistin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.3 Adiponectin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.4 Adipsin und ASP . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.5 TNF-a und andere Zytokine . . . . . . . . . . 4.1.4.6 IGF-1 und Bindungsproteine . . . . . . . . . . 4.1.4.7 Steroide: Ústrogene, Androgene, Kortisol, Renin-Angiotensin-System . . . . . 4.1.4.7.1 Schlçsselenzyme der Steroidogenese . . . . . 4.1.4.7.2 Lokale Effekte von Ústrogenen und Androgenen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.7.3 Renin-Angiotensin-System . . . . . . . . . . . 4.1.4.8 Komplementsystem und Gerinnungssystem 4.1.5
426 427 430 431 433 433 434 434 435 435 436 436
4.1.5.2 4.1.5.3
Spezielle autokrine und parakrine Regulationsmechanismen im Fettgewebe Faktoren mit Wirkung auf Proliferation und Differenzierung . . . . . . . . . . . . . Metabolische Interaktionen . . . . . . . . Endokrine Interaktionen . . . . . . . . . .
4.1.6
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
4.1.5.1
. . 436 . . 436 . . 437 . . 437
genetische Defekte in diesem System fçhren zu Stærungen der Regulation des Kærpergewichts bis hin zur morbiden Adipositas. Genetische Ursachen und exogene Faktoren (¹life-styleª) spielen hierbei gleichermaûen eine Rolle. Betroffene Individuen haben ein vielfach erhæhtes Risiko, an den Folgeerkrankungen der Adipositas, wie Herz-KreislaufErkrankungen, Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstærungen, zusammengefasst als metabolisches Syndrom bezeichnet, und Krebs oder orthopådischen Problemen zu erkranken. Nach neuen Erkenntnissen nimmt das Fettgewebe selbst eine zentrale Stellung nicht nur in der Regulation von Metabolismus und Energiehaushalt ein, sondern ist auch an der Pathogenese adipositasassoziierter Folgeerkrankungen essentiell beteiligt. Neben seiner Funktion als Energiespeicher synthetisiert und sezerniert das Fettgewebe eine Vielzahl von Signalmolekçlen, çber die es lokal auto- und Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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A. Bættner et al.
parakrin sowie systemisch endokrin in das komplexe Regulationssystem der Energiehomæostase eingreift und die Entwicklung von Folgeerscheinungen des metabolischen Syndroms direkt beeinflusst. In diesem Kapitel sollen zunåchst grundlegende Mechanismen der Regulation des Energiehaushalts verdeutlicht werden mit besonderem Schwerpunkt auf der Rolle des Fettgewebes fçr den Metabolismus. Die Interaktion zwischen Fettgewebe und metabolischen Prozessen wird anhand der wichtigsten vom Fettgewebe sezernierten Faktoren verdeutlicht.
4.1.1.1 Epidemiologie In den letzten Jahren zeigte sich ein explosionsartiger Anstieg der Pråvalenz der Adipositas. In den westlichen Industrienationen sind mittlerweile bis zu zwei Drittel der Menschen adipæs (Cottam 2004). In engem Zusammenhang mit dieser Zunahme der Pråvalenz und des Ausmaûes der Adipositas steigt auch die Pråvalenz von adipositasassoziierten Erkrankungen stark an (The Lancet 2004), die in den USA mittlerweile fçr 300 000 Todesfålle pro Jahr verantwortlich sind (Allison et al. 1999). Der Grad der Adipositas, ab dem eine akute oder chronische Erhæhung der Morbiditåt entsteht, beruht auf der individuellen Disposition. Die klinische Einordnung wird anhand des adipositasassoziierten Risikos fçr Folgeerkrankungen getroffen, deren Inzidenz ab einem Bodymass-Index (BMI) von 25 kg/m2 exponentiell ansteigt. Das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, liegt bei einem BMI von > 40 kg/m2 bei çber 90% (Must et al. 1999). Damit erlangt Adipositas eine enorme gesundheitspolitische Relevanz. In den letzten Jahren sind weit reichende wissenschaftliche Anstrengungen unternommen worden, die molekularen Mechanismen der Adipositas und assoziierter Folgeerkrankungen aufzuklåren.
4.1.1.2 Øtiologie Adipositas resultiert aus einem anhaltenden Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr (in Form der Nahrungsaufnahme) und Energieverbrauch. Eine Vielzahl von Faktoren greift in dieses System ein. Der Einfluss exogener Faktoren wie mangelnde Bewegung (mangelnde physische Fitness und die Zunahme von bewegungsarmen Beschåftigungen im Alltag) oder Fehlernåhrung (zu fettreiche Nahrungsmittel, håufige Zwischenmahlzeiten (Naschen)) auf die Entstehung einer Adipositas ist unbestritten.
Abb. 4.1.1. Øtiologie der Adipositas. Ist die Energiezufuhr dem Energieverbrauch gegençber dauerhaft erhæht, erfolgt eine zunehmende Energiespeicherung, und letztendlich resultiert daraus Adipositas. Neben dieser Imbalance beeinflussen exogene und genetische Faktoren auf vielen Ebenen die Regulation des Energiehaushalts und tragen zur Prådisposition eines Individuums zur Adipositas bei
Das Verståndnis der Regulation von Kærpergewicht und Kærperfettmasse durch die Interaktion von genetischer Prådisposition und Umweltfaktoren wird nunmehr erweitert auf die speziellen Gene und Faktoren, die bei diesen Pathomechanismen eine Rolle spielen (Friedman 2003). Diese Faktoren sind zum groûen Teil kritische Komponenten von Regulationskreisen des Energiehaushalts (Abb. 4.1.1).
4.1.1.3 Genetische Faktoren Das Kærpergewicht ist zum groûen Teil genetisch determiniert, weitaus mehr als z. B. Kærpergræûe oder Erkrankungen wie Schizophrenie oder Brustkrebs (Allison et al. 1996; Stunkard et al. 1990). Die interindividuelle Variabilitåt beruht zum groûen Teil auf genetischer Prådisposition, die intraindividuelle Variabilitåt des Kærpergewichts durch Wirken von Umweltfaktoren wird hierbei nur auf 5±10 kg geschåtzt (Friedman 2004). Fundierte Beweise fçr diese genetische Prådisposition kommen aus Zwillings- und Adoptionsstudien, die den Anteil einer genetischen Beeinflussung der Adipositas auf 70±80% bestimmten (Allison et al. 1996; Stunkard et al. 1990). Im Vergleich zu Zwillingsstudien zeigen Adoptions- und Familienstudien ebenfalls einen starken, aber deutlich geringeren Einfluss der genetischen Veranlagung auf das Kærpergewicht. Insgesamt wird das Kærpergewicht und entsprechend die Kærperfettmasse zu çber 50% durch genetische Prådisposition bestimmt (Hebebrand et al. 2001). Umweltfaktoren beeinflussen das Kærpergewicht und den Kærperfettgehalt auf dieser genetischen Grundlage.
a
4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Tabelle 4.1.1. Beispiele monogen bedingter Adipositas Gen
Referenz
MC4R POMC Leptin
Vaisse et al. 1996 Krude et al. 1998 Montague et al. 1997; Strobel et al. 1998 Clement et al. 1998 Jackson et al. 1997 Ristow et al. 1998
Leptinrezeptor Prohormonconvertase 1 PPAR-c
Monogenetische Verånderungen als Ursache der Adipositas sind bislang nur in wenigen Fållen beschrieben und fçhren in der Regel zu Extremformen der Adipositas mit frçhzeitiger Krankheitsmanifestation (Tabelle 4.1.1). Viele dieser monogen bedingten Adipositasformen sind auf Defekte in den zentralen Regulationsmechanismen des Energiehaushalts zurçckzufçhren und verursachen nicht direkt Adipositas, sondern stæren die physiologische Kontrolle der Nahrungsaufnahme. Dies fçhrt zu einer erhæhten Neigung der Fettspeicherung unter entsprechenden Umweltbedingungen. Insgesamt stellen monogen bedingte Formen der Adipositas einen Anteil von weniger als 5% der Patienten mit frçhkindlicher Adipositas dar, die meisten davon mit Defekten des MC4-Rezeptors (Hinney et al. 2003). In çber 95% der Fålle von Adipositas handelt es sich um eine polygene Prådisposition, bei der die genetische Variation u. a. auch die Empfindlichkeit gegençber adipogenen Umweltfaktoren bestimmt. In der Vergangenheit sind eine Vielzahl von Assoziations- und Linkage-Studien mit teilweise widersprçchlichen Ergebnissen zum Zusammenhang des Vorliegens bestimmter Polymorphismen in einzelnen Adipositaskandidatengenen und klinischen Adipositasparametern durchgefçhrt worden (mehr als 250 Gene, Marker und chromosomale Regionen) (Perusse et al. 2000). In genomweiten Analysen verschiedener Populationen und ethnischer Rassen konnten Bereiche auf den Chromosomen 2, 5, 10, 11 und 20 identifiziert werden, die mit Adipositas assoziiert sind (Clement et al. 2002). Obwohl somit von einer starken genetischen Komponente der Prådisposition fçr Adipositas auszugehen ist, sind die såkularen Trends nicht unmittelbar zu erklåren. Da sich die genetische Information einer Population innerhalb einer Generation nicht wesentlich åndert, mçssen exogene Umweltfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Es ist jedoch zu berçcksichtigen, dass diese Umweltfaktoren nach der ¹Thrifty-genotype-Hypotheseª vor
einem genetischen Hintergrund wirken, der eine besondere Empfindlichkeit fçr die Entwicklung einer Adipositas darstellt (Neel 1999) (Abschn. 4.1.2.4). Auch kumulative Effekte von Polymorphismen, die bei einer polygenen Øtiologie wahrscheinlich sind, sowie epigenetische Phånomene wie eine Ønderung der Methylierungsmuster von spezifischen Genen, die das Risiko fçr Adipositas erhæhen, kænnen eine Rolle spielen. Die genetische Prådisposition wirkt sich somit letztendlich als Wirkung aller Genvarianten eines Individuums auf Energiezufuhr, -aufnahme und -verbrauch aus. Genetische Faktoren nehmen auch Einfluss auf Art und Schweregrad der Folgestærungen.
4.1.1.4 Metabolisches Syndrom Mit zunehmendem Grad der Adipositas steigt das Risiko fçr Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes und kardiovaskulåre Erkrankungen exponentiell an. Die Konstellation von Adipositas, Hyperinsulinåmie bzw. Typ-2-Diabetes, arterielle Hypertension und Dyslipidåmie wird als metabolisches Syndrom bezeichnet. Wenig bekannt sind die molekularen Mechanismen, welche çber eine Vermehrung an Kærperfettmasse zu der erhæhten Pråvalenz von Typ-2-Diabetes und kardiovaskulåren Erkrankungen beitragen. Ein besonders enger Zusammenhang besteht zwischen Adipositas und der Entwicklung von Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes, wobei auch hier das Risiko insbesondere in den hohen BMI-Bereichen exponentiell ansteigt. Die Insulinresistenz wurde frçhzeitig als ein gemeinsamer Pathomechanismus in diesem Symptomenkomplex postuliert (Reaven 1988).
4.1.2 Regulation des Energiehaushalts 4.1.2.1 Regulation Der Energiehaushalt wird durch ein physiologisches System reguliert, dessen Hauptfunktion es ist, die Kærperhomæostase aufrechtzuerhalten und die Energiespeicher dem unterschiedlichen Nahrungsangebot bzw. den Erfordernissen der Energiebereitstellung anzupassen. Dieses System hat sowohl afferente Signale als auch efferente Effektormechanismen. Der afferente Schenkel dieses
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Systems projiziert auf die Ebene des Hypothalamus, wo die Signale integriert und efferente Effektormechanismen reguliert werden. Diese efferenten Signale steuern die Nahrungsaufnahme, den Grad des Energieverbrauchs, einschlieûlich der basalen und aktivitåtsinduzierten Energieverbrennung, die Wirkung von endokrinen Faktoren wie Insulin und Glukokortikoiden. Einige dieser Faktoren wirken weiterhin auf andere physiologische Systeme des Kærpers wie Reproduktion oder Wachstum, die ebenfalls mit dem nutritiven Status assoziiert sind (Flier 2004). Somit besteht ein komplexes Regelsystem, in dem Energiezufuhr, Energieverbrauch sowie Kærpergewicht und Kærperzusammensetzung ståndig direkt und indirekt in einem dynamischen Prozess interagieren (Maffeis u. Schutz 2004). Verånderungen von Kærpergewicht oder Kærperzusammensetzung nach einer chronisch positiven oder negativen Energiebilanz fçhren zu einer kompensatorischen Zunahme der Energieabgabe, die einer weiteren Gewichtszunahme entgegenwirkt (Weyer et al. 2000). Imbalancen zwischen Nahrungsaufnahme und Energieverbrauch fçhren zu Ønderungen in der Speicherung von Energiesubstraten, vor allem von Fett. Liegt die Energiezufuhr in Form von Nahrungsaufnahme çber einen långeren Zeitraum çber dem Energieverbrauch, resultiert Adipositas. Zum Beispiel fçhrt die Aufnahme von 5% çberschçssiger Kalorien in einem Jahr zu einer Anreicherung von 5 kg Fettgewebe (Rosenbaum et al. 1997). Ein minimales Ungleichgewicht zwischen Gesamtenergiezufuhr und -verbrauch kann zu einem geringen Energieçberschuss und schlieûlich zur Akkumulation von Kærperfett fçhren. Zentrale hypothalamische Zentren des Hirnstamms interpretieren eine verminderte Zufuhr von Energiesubstraten als Bedrohung fçr das Ûberleben des Organismus, insbesondere wenn ein Zustand des Ûbergewichts çber einen langen Zeitraum vorhanden sind. Um die Kærperhomæstase aufrechtzuerhalten, werden Gegenregulationsmechanismen initiiert, die zu einem verminderten Energieverbrauch fçhren. Dies åuûert sich mit Kåltegefçhl, Lethargie und starkem Hungergefçhl, das letztendlich fast immer zu vermehrter Nahrungsaufnahme fçhrt (Ristow u. Tschæp 2004). Ist die Anpassung des Energieverbrauchs an die Energiezufuhr inadåquat, resultiert eine zunehmende Speicherung von Kærperfett und letztendlich Adipositas.
4.1.2.2 Energieverbrauch Bei der Oxidation von Nåhrstoffen und deren Metaboliten wird Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) als Substrat generiert, welches entweder fçr die Aufrechterhaltung der Kærperfunktionen verbraucht oder fçr die Synthese von Energiespeichersubstraten verwendet wird. Der gesamte tågliche Energieverbrauch ist die Summe aus drei Komponenten. 1. Der Grundumsatz resultiert aus der Energie, die benætigt und verbraucht wird, um basale physiologische Zellfunktionen unter Ruhebedingungen aufrechtzuerhalten. Dies entspricht etwa 70% des Gesamtenergieverbrauchs. Je hæher die fettfreie Kærpermasse eines Individuums ist, um so hæher ist der Grundumsatz. Die Fettmasse hat eine niedrigere metabolische Aktivitåt. Da diese jedoch durch die Verstoffwechselung von Fettsåuren in Fettzellen bedingt ist, liefert das Fettgewebe insgesamt quantitativ einen signifikanten Beitrag zum metabolischen Grundumsatz, gerade bei adipæsen Individuen. 2. Der Energieverbrauch durch Muskelarbeit und kærperliche Aktivitåt, einschlieûlich spontanen Muskelkontraktionen und isometrischer Muskelaktivitåt z. B. zur Haltungsbewahrung, entspricht 20% des Gesamtverbrauchs. Der Energieverbrauch fçr die kærperliche Aktivitåt wird zum Teil durch das Kærpergewicht bestimmt, d. h. mit steigendem Kærpergewicht steigt der Energieverbrauch fçr kærperliche Aktivitåt. 3. Ein Teil der Energie (10%) wird durch sog. adaptive Thermogenese, d. h. Wårmeproduktion als Antwort auf Nahrungszufuhr oder Aufrechterhaltung der Kærpertemperatur bei Umgebungstemperaturånderungen, verbraucht. Der thermogene Effekt der Nahrung wird durch die Menge und Art der zugefçhrten Nåhrstoffe bestimmt. Hierbei wird Energie hauptsåchlich fçr Absorption, Transport, Metabolisierung und Umwandlung der aufgenommenen Nåhrstoffe in speicherfåhige Substrate benætigt.
4.1.2.3 Regulation der Thermogenese Fçr die Thermogenese ist eine Entkopplung der ATP generierenden Oxidation von Energietrågern von der Bereitstellung fçr biologische Prozesse erforderlich. Diese Mechanismen sind insbesondere bei Nagern gut untersucht: Hier erfolgt die Entkopplung an der inneren Mitochondrienmembran
a
4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Abb. 4.1.2. Thermogenese. Die mit der Nahrung aufgenommenen Nåhrstoffe werden in Energiesubstrate umgewandelt, die zur Bereitstellung von Energie in Form von ATP durch die protonenabhångig ATP-Synthetase in der inneren Mitochondrienmembran eingesetzt werden. Diese Energie wird entweder verbraucht oder gespeichert (z. B. Verbrauch in der Lipogenese). Ûber UCP-Proteine wird ein Protonenleck ins
Innere der Mitochondrienmembran generiert, was zur Freisetzung von Energie in Form von Wårme fçhrt. Verschiedene endokrine Faktoren und Transkriptionsfaktoren stimulieren diesen Prozess. SNS: sympathisches Nervensystem; PPAR: ¹peroxisome proliferator-activated receptorª; PGC-1: PPAR-c-Koaktivator 1; ADP: Adenosindiphosphat; ATP: Adenosintriphosphat; UCP: ¹uncoupling proteinª
çber spezielle Proteine, die UCP (¹uncoupling proteinsª) im braunen Fettgewebe. Die Funktion dieser Proteine besteht in einer Entkopplung der Atmungskette von der ATP-Synthese çber die Verminderung des Protonengradienten çber der inneren Mitochondrienmembran und damit Umwandlung der entstehenden Energie in Wårme (Abb. 4.1.2). UCP-1 war das erste identifizierte Uncoupling-Protein, welches ausschlieûlich im braunen Fettgewebe exprimiert wird. Sowohl Energieçberschuss wie auch Kålte bewirken eine adaptive Aktivierung des sympathischen Nervensystems, um den Energieumsatz zu steigern. Die Regulation, d. h. Steigerung der Thermogenese bei Kålte, erfolgt insbesondere çber b3-Adrenorezeptoren und das sympathische Nervensystem. Hierfçr scheint auch die Pråsenz von Triiodothyronin (T3) von Bedeutung zu sein, das die Wirkung von Noradrenalin am Rezeptor sowie die folgende Aktivierung von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) permissiv beeinflusst (Silva 1995). Ein ausreichender lokaler T3-Spiegel von wird durch das Enzym 5'-Deiodinase Typ II gewåhrleistet, welches T4 in das aktive T3 umwandelt (Silva 1995). Im braunen Fettgewebe stimulieren adrenerge Signale auch die Bildung von Mitochondrien und die Entkopplung der ATP-Synthese vom oxidativem Metabolismus. In Nagern trågt vor allem das braune Fettgewebe zur Aufrechterhaltung der Kærpertemperatur bei.
Der erwachsene Mensch besitzt jedoch nur noch relativ wenig braunes Fettgewebe, und Wårme wird vor allem auch im Skelettmuskel produziert. Neben UCP-1 wurden weitere UCP identifiziert mit unterschiedlichem Expressionsmuster in den Organen. UCP-2 wird in vielen Geweben, u. a. im weiûen Fettgewebe exprimiert, wohingegen UCP-3 hauptsåchlich im Skelettmuskel zu finden ist (Dalgaard u. Pedersen 2001). Neben der Thermogenese scheint beim Menschen die Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung von der ATP-Synthese einen Schutzmechanismus vor der Entwicklung von freien Radikalen darzustellen (Dalgaard u. Pedersen 2001). Insbesondere mit Hilfe von Tiermodellen wurden mehrere Faktoren identifiziert, die in diesem Entkopplungsprozess eine Rolle spielen und zu erhæhtem Energieverbrauch und in der Folge zu einer Resistenz gegençber der Entwicklung von Adipositas trotz deutlich erhæhter Nahrungsaufnahme fçhren. Eine Hemmung der Fettsåuresynthese oder -speicherung fçhrt offenbar zu einer gesteigerten Fettsåureoxidation und letztlich zu einem schlankeren Phånotyp. Hierbei sind die Enzyme des Intermediårmetabolismus der Fettsåuresynthese von Bedeutung, wie Acetyl-CoA-Carboxylase 2 (ACC-2), Diacylglycerol-Acetyl-Transferase (DGAT) (Smith et al. 2000) und Stearoyl-CoA-Desaturase 1 (SCD-1) (Cohen u. Friedman 2004). Teilweise interagieren die Systeme untereinander. Zum Beispiel hemmt Leptin die SCD-1-Expression
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und erhæht damit zum Teil direkt den Energieumsatz (Cohen u. Friedman 2004). Weitere Proteine, die bei dieser Energiebereitstellung eine Rolle spielen, sind PGC-1, ein Koaktivator-Protein in braunen Fettzellen, welches die Biogenese der Mitochondrien und die zellulåren Mechanismen der Energieverbrennung stimuliert (Puigserver et al. 1998), und PPAR-d, ein nukleårer Transkriptionsfaktor, der die Fettoxidation und den Energieverbrauch stimuliert (Wang et al. 2003).
4.1.2.4 Evolutionåre Anpassung des Energiehaushalts an Umweltfaktoren Evolutionår gesehen stellte eine Energiedefizienz eine græûere Bedrohung fçr das Ûberleben des Individuums dar als ein Ûberangebot an verfçgbarer Energie. Entsprechend ist das System gegençber Energiedefizienz robuster als gegençber einem Energieçberschuss organisiert (Ahima et al. 1996). Redundante und effiziente Mechanismen der Energiespeicherung ermæglichten das Ûberleben in Situationen von Nahrungsknappheit, und die Evolution wçrde erwartungsgemåû diese ¹thrifty genesª positiv selektionieren (Neel 1999). Dennoch gibt es in diesem System Regulationsmechanismen, die einer vermehrten Speicherung an Fett und der Entstehung von Adipositas entgegenwirken. Diese Mechanismen wirken çber eine Hemmung des Ap-
Abb. 4.1.3. Evolutionåre Anpassung des Energiehaushalts an Umweltfaktoren. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Nahrungsangebot und Energiespeicherung bzw. -verbrauch. Die Art des Zusammenhangs ist durch die genetische Prådisposition mitbestimmt. In der Evolution hatten Individuen eine Ûberlebensvorteil, die bei gutem Nahrungsangebot viel
petits und der Nahrungsaufnahme einerseits und çber einen gesteigerten Energieverbrauch andererseits. Dabei werden teilweise dieselben Effektormechanismen rekrutiert, die eine Energiedefizienz signalisieren. Dies ermæglicht die schnelle Anpassung des Regulationssystems an aktuelle Verånderungen von Umweltfaktoren. Nur ein Teil der Individuen ist jedoch in der Lage, das Kærpergewicht unter exakt denselben Umweltbedingungen konstant zu halten. Diese unterschiedliche Prådisposition wird durch ein Netzwerk interagierender spezifischer Gene und Genprodukte determiniert. Die Regelkreise, die çber eine verminderte Nahrungsaufnahme bzw. erhæhten Energieverbrauch den Adipositas færdernden Umweltbedingungen entgegenwirken, sind jedoch insgesamt weniger robust ausgebildet, als dass sie die Entwicklung von Adipositas und ihren Folgen zu verhindern kænnten (Flier 1998). Heute bewirken moderne ¹Life-style-Faktorenª mit bequemem und reichlichem Angebot an Nahrungsmitteln, die damit verbundene Zunahme der Nahrungsmenge und deren Energiegehalt bei deutlich verminderter kærperlicher Aktivitåt bei dieser genetischen Prådisposition eine vermehrte Energiespeicherung in Form von Fett und damit eine Gewichtszunahme und Adipositas. Die heutigen modernen Ernåhrungs- und Lebensgewohnheiten treffen somit auf eine genetische Ausstattung, die hierfçr primår nicht geschaffen ist (Abb. 4.1.3).
Energie speichern konnten (rot), gegençber Individuen, die einen græûeren Anteil der aufgenommenen Energie umsetzten (grçn). Diese ehemals vorteilhafte Konstellation fçhrt unter den heutigen Bedingungen des Nahrungsçberangebots zu çberproportionaler Energiespeicherung und Adipositas
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
4.1.2.5 Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes Insulinresistenz bedeutet eine gestærte biologische Antwort und Wirksamkeit auf endogen oder exogen erhæhte Insulinkonzentrationen. Sie manifestiert sich çber eine verminderte insulininduzierte Glukoseaufnahme in die Zelle im Muskel und Fettgewebe, eine gestærte Hemmung der hepatischen Glukoseproduktion und Ausscheidung sowie eine Regulationsstærung der Lipolyse im Fettgewebe. Die Insulinsensitivitåt wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, wie Alter, Kærpergewicht oder kærperliche Aktivitåt und Muskelarbeit, zum groûen Teil auch durch genetische Prådisposition. So zeigen z. B. normalgewichtige Verwandte ersten Grades von Patienten mit Typ-2-Diabetes Anzeichen einer Insulinresistenz, bevor sie Adipositas und Glukosestoffwechselstærungen entwickeln (Groop 2000). Insulinresistenz ist eng assoziiert mit Adipositas und geht der Entwicklung des Typ2-Diabetes voraus (Lillioja et al. 1988). Die verminderte biologische Wirksamkeit des Insulins an der Zelle wird zunåchst noch durch eine kompensatorisch vermehrte Insulinsekretion ausgeglichen. Es entsteht ein Zustand der Hyperinsulinåmie bei zunåchst noch normalen Blutglukosespiegeln. Dies wird einerseits erreicht durch eine kompensatorische Hyperplasie der pankreatischen b-Zell-Masse und andererseits durch eine vermehrte Expression der regulatorischen Enzyme der Insulinsynthese wie Hexokinase in der b-Zelle. Daraus resultiert eine vermehrte Insulinsekretion
çber eine weite Spanne von Glukosekonzentrationen. Die zeitliche Dynamik der Insulinsekretion ist zunåchst nicht beeintråchtigt, jedoch die Amplitude der postprandialen Insulinausschçttung erhæht. Die kompensatorische Fåhigkeit der pankreatischen b-Zelle bestimmt, wie lange die peripheren Blutglukosespiegel im Normbereich gehalten werden kænnen.
4.1.2.6 Mechanismen der Insulinresistenz Insulinresistenz bedeutet, dass die biologische Antwort einer bestimmten Insulinkonzentration niedriger als erwartet ausfållt. Kærpergewicht und speziell der Kærperfettgehalt stellen einen wichtigen prådisponierenden Faktor fçr Insulinresistenz dar, und es besteht eine enge Assoziation zwischen dem Kærperfettgehalt und Insulinsensitivitåt çber eine weite Spanne von schlanken bis morbidadipæsen Patienten (Hu et al. 2001). Im Sinne einer klassischen Hormonresistenz ist bei Insulinresistenz die Signalvermittlung an und in der Zelle gestært. Pathophysiologisch ist Typ2-Diabetes gekennzeichnet durch eine Insulinresistenz der Zielorgane, d. h. insbesondere der Unfåhigkeit des Insulins am Muskel und Fettgewebe die Glukoseaufnahme zu stimulieren und die Glukoneogenese in der Leber zu hemmen (Abb. 4.1.4). Hyperinsulinåmie fçhrt çber eine Down-Regulation des Insulinrezeptors durch den Agonisten und çber eine Desensitisierung der Post-Rezeptor-Sig-
Abb. 4.1.4. Zusammenhang zwischen Adipositas und Insulinresistenz ± Rolle von sezernierten Faktoren des Fettgewebes. (Nach Stumvoll et al. 2005)
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Abb. 4.1.5. Intermediårmetabolismus der Acetyl-CoA. Der Schlçsselschritt der Fettsåureoxidation ist die Aufnahme der Fettsåuren in die Mitochondrien durch die CPT-1 (1). Dieses Shuttle wird durch Malonyl-CoA allosterisch gehemmt (2). Malonyl-CoA entsteht aus Acetyl-CoA durch die ACC (3). Eine verminderte Malonyl-CoA-Produktion fçhrt damit zur Erhæhung der Fettsåureoxidation und Energiemetabolismus. Die SCD-1 wandelt mehrfach gesåttigte Fettsåuren in ein-
fach gesåttigte Fettsåuren um (4), die ihrerseits die Enzymaktivitåt der ACC allosterisch hemmen. Aus einfach gesåttigten Fettsåuren werden çber die DGAT Triglyceride synthetisiert und gespeichert (5). CPT-1: Carnitin-Palmitoyl-Transferase 1; ACC: Acetyl-CoA-Carboxylase; SCD-1: Stearoyl-CoADesaturase 1; DGAT: Diacylglycerol-Acetyl-Transferase; GLUT4: Glukosetransporter 4; LPL: Lipoprotein-Lipase; HSL: hormonsensitive Lipase; VLDL: ¹very low density lipoproteinª
naltransduktionsmechanismen zu Insulinresistenz. Diese erfolgt çber eine verminderte Expression und Aktivitåt von Schlçsselmolekçlen der Signaltransduktion, wie z. B. die Kinaseaktivitåt des Insulinrezeptors selbst, der ¹insulin response sequence 1ª (IRS1) oder der PI3-Kinase und der Proteinkinase B (Akt). Beim gesunden Menschen wird der Hauptanteil des postprandialen Glukoseanstiegs im Skelettmuskel in Form von Glykogen gespeichert. Bei Patienten mit Insulinresistenz ist die insulininduzierte Glukoseaufnahme in den Muskel gestært. Hier besteht eine verminderte Glykogensyntheserate und -speicherung im Skelettmuskel (Del Prato et al. 1993). Bei relativ erhæhtem Zufluss von Glukose in die glykolytischen Wege anstatt der Glykogensynthese entsteht konsekutiv mehr Acetyl-CoA, welches durch die ACC in Malonyl-CoA umgewandelt wird. Malonyl-CoA hat seinerseits einen ausgeprågt hemmenden Einfluss auf die Carnitin-Palmitoyl-Transferase 1 (CPT-1), einem wichtigen Regulator der Fettsåureoxidation (Abb. 4.1.5). Neben dem Glukosestoffwechsel ist auch der Lipidstoffwechsel gestært. Die erhæhte Lipolyserate bei Adipositas fçhrt zu einer erhæhten Konzentra-
tion an FFA im Plasma und damit zum erhæhten Angebot an freien Fettsåuren (FFA) am Muskel. Durch Ønderungen in der Aktivitåt von Transportproteinen (FABP, ¹fatty acid binding proteinª) ist der Transport von FFA in die Zelle erleichtert. Zudem spielen auch intrazellulåre Prozesse des Fettsåuremetabolismus eine Rolle. Insbesondere ist der Transport von FFA vom Zytoplasma in die Mitochondrien çber die CPT-1, wo sie der b-Oxidation zugefçhrt werden, gestært. Diesem Transportshuttle, der CPT-1, kommt somit eine zentrale Rolle in der Regulation der Oxidation freier Fettsåuren zu. Ist der Transport der langkettigen Fettsåuren in die Mitochondrien gehemmt, reichern sie im Zytoplasma an und werden zu Diacylglycerolen und weiter zu Triglyceriden umgewandelt. Sie fçhren ihrerseits çber eine Beeinflussung der Proteinkinasen direkt zu Insulinresistenz am Muskel (Abb. 4.1.5). Die vermehrte Triglyceridspeicherung vor allem im viszeralen Fettgewebe fçhrt zur Hypertrophie der Adipozyten, die selbst resistent fçr die insulinsupprimierte Lipolyse sind. Dies fçhrt weiterhin zu erhæhten FFA- und Glycerolspiegeln, die die Insulinresistenz in Muskel und Leber verstårken. Zudem wird auch vermehrt Fett ektop in Nicht-Adi-
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Abb. 4.1.6. Rolle und Funktion der AMP-Kinase. ATP: Adenosintriphosphat; SNS: sympathisches Nervensystem; PPAR-c: ¹peroxisome proliferator-activated receptor cª; C/EBP: ¹CCAAT/enhancer binding proteinª; GLUT: Glukosetransporter; ACC: Acetyl-CoA-Carboxylase; GPAT: Glycerol3-Phosphat-Acyltransferase HMGR: HMG-CoA-Reduktase; HSL: hormonsensitive Lipase; MCD: Malonyl-CoADecarboxylase
pozyten gespeichert. Zum Beispiel besteht zwischen dem (erhæhten) intramuskulåren Fettgehalt und Insulinresistenz eine enge Korrelation auch beim Menschen (Perseghin et al. 1999). Dieses als ¹Lipotoxizitåts-Hypotheseª bezeichnete Phånomen besagt, dass die Akkumulation von Triglyceriden und freien Fettsåuren in Muskel und Leber zu Insulinresistenz der Organe fçhrt (Unger u. Orci 2000). Die Akkumulation von Triglyceriden bei Patienten mit Insulinresistenz beruht auf einem Missverhåltnis der Aufnahme (erhæht) und Oxidation (vermindert) von FFA im Muskel.
4.1.2.7 AMP-aktivierte Proteinkinase Adipositas resultiert aus einem Ungleichgewicht von Energieaufnahme und Energieverbrauch, bei dem der kalorische Exzess in Form von Triglyceriden im Fettgewebe gespeichert wird und akkumuliert. Daraus ergibt sich, dass der Steuerung der metabolischen Prozesse zwischen katabolen und anabolen Prozessen eine groûe Bedeutung zukommt. In den letzten Jahren wurde die 5'AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) als einer der zentralen Regulatoren in diesem Prozess identifiziert. Viele metabolische Regulatoren, Einflussfaktoren aus dem Fettgewebe, z. B. Leptin und Adiponectin, oder auch synthetische Komponenten, wie Metformin oder die Glitazone, bewirken eine Verbesserung der Insulinsensitivitåt çber die Aktivierung der AMPK (Kemp et al. 2003).
AMPK wird unter den physiologischen Bedingungen eines Energiedefizits aktiviert. Ein Energiedefizit wird in der Zelle durch eine vermehrte Produktion von AMP in Relation zu ATP, dem Hauptenergietråger fçr zellulåre Prozesse, reflektiert. Zustånde zellulåren Stresses, die entweder zu einer gestærten Synthese von ATP (z. B. Hypoxie, Ischåmie, Hypoglykåmie), oder zu einem vermehrten Verbrauch fçhren (z. B. Muskelarbeit), fçhren zur Aktivierung der AMPK. Die Aktivierung der AMPK erfolgt dabei zum einen direkt çber eine allosterische Interaktion mit AMP-Substrat sowie çber die Gq-Rezeptor-vermittelte Aktivierung der Proteinkinase C (Kishi et al. 2000) (Abb. 4.1.6). Die Hauptfunktion der AMPK ist das Umschalten des Intermediårmetabolismus von ATP verbrauchenden anabolen Prozessen wie Lipid-, Kohlenhydrat- und Proteinsynthese auf ATP generierende katabole Prozesse (Hardie 2003). Diese Wirkungen der AMPK werden zum einen çber direkte Phosphorylierung von Regulatorproteinen und -enzymen erreicht, zum anderen indirekt çber eine Beeinflussung der Genexpression. Die Aktivierung der AMPK fçhrt zu einer Hemmung der Fettsåure-, Cholesterol- und Proteinsynthese. AMPK phosphoryliert die ACC und hemmt deren Aktivierung durch Zitrat, was zu einer verminderten Produktion von Malonyl-CoA fçhrt. Auûerdem færdert die AMPK die Degradation von Malonyl-CoA, indem sie die Malonyl-CoA-Decarboxylase (MCD) aktiviert. Diese Verminderung von Malonyl-CoA, dem wichtigsten Inhibitor der
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CPT-1, fçhrt zur Enthemmung der CPT-1 und bewirkt letztlich eine gesteigerte Fettsåureoxidation und Energieverbrauch (Abb. 4.1.5). Ebenso ist die Triglyceridsynthese und Speicherung vermindert durch Einfluss auf die Zielenzyme des Lipidmetabolismus wie HMG-CoA-Reduktase (HMGR), hormonsensitive Lipase (HSL), ACC, Glycerol-3-phosphat-Acyltransferase (GPAT) und MCD (Kemp et al. 2003). Die Glukoseaufnahme am Muskel trågt zu 70% zur Glukoseverwertung bei. Diese ist deutlich vermindert bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die AMPK spielt auch hier eine wichtige Rolle, indem sie die Expression und Translokation des Glukosetransporters GLUT4 an der Zelloberflåche (auch im Fettgewebe) stimuliert und die folgende intrazellulåre Glukoseoxidation in den Mitochondrien initiiert (Rutter et al. 2003; Zong et al. 2002). Wichtige Transkriptionsfaktoren der Adipogenese werden hingegen gehemmt, wie ¹sterol regulatory element binding protein 1 cª (SREBC1c), ¹CCAAT/ enhancer binding protein aª (C/EBP- a) oder ¹peroxisome proliferator-activated receptor cª (PPAR-c) (Hardie 2003). Neben den peripheren Effekten in der Regulation des Intermediårmetabolismus scheint die Aktivitåt der AMPK auch ein Regulator der Nahrungsaufnahme im Hypothalamus zu sein. Eine verminderte Aktivitåt wurde bei Nagern nach Nahrungsaufnahme, Glukose- oder Insulingabe gefunden (Ruderman et al. 2003). Viele Erkenntnisse zur physiologischen Rolle der AMPK stammen aus Experimenten mit dem AMP-Analogon AICAR. In tierexperimentellen Studien an Modellen mit Typ-2-Diabetes und metabolischem Syndrom fçhrte die Aktivierung der AMPK zu einer verminderten Nahrungsaufnahme und zu verminderter Adipositas durch erhæhten Energieumsatz. Es resultierte insgesamt eine deutlichen Verbesserung des Phånotyps des metabolischen Syndroms (Iglesias et al. 2002, Song et al. 2002). In ihrer zentralen Stellung als Regulator im Intermediårmetabolismus ist die AMPK auch Ziel von metabolischen Regulatoren und den Adipozytokinen Leptin und Adiponectin. Die akute und chronische Gabe von Leptin fçhrte zu einer erhæhten AMPK-Aktivitåt im Skelettmuskel çber direkte Wirkung von Leptin und indirekt çber eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems (Minokoshi et al. 2004). Auch die protektiven und positiven Effekte von Adiponectin auf die Verbesserung der Insulinresistenz sind zumindest zum Teil çber eine Aktivierung der AMPK erklårbar.
Eine direkte Aktivierung der AMPK wurde in mehreren Studien in Muskel, Leber- und Fettzellen gezeigt (Tomas et al. 2002; Wu et al. 2003; Yamauchi et al. 2002). Die Aktivierung der AMPK in Skelettmuskel und Leber und die folgende Stimulation der Phosphorylierung der ACC und der b-Oxidation der Fettsåuren stellen einen Mechanismus der positiven Beeinflussung des Metabolismus durch Adiponectin dar (Abschn. 4.1.4.3). Auch fçr pharmakologische Substanzen, wie Metformin oder Rosiglitazon, die erfolgreich in der Therapie des Typ-2-Diabetes zur Verbesserung der Insulinsensitivitåt eingesetzt werden, ist eine Aktivierung der AMPK gezeigt worden (Fryer et al. 2002; Zhou et al. 2001). Insgesamt fçhrt eine Aktivierung der AMPK also zu metabolischen Verånderungen, die sich gçnstig fçr Patienten mit Typ-2-Diabetes auswirken, wie gesteigerte Glukoseaufnahme und -metabolismus im Muskel und anderen Geweben, einer verminderten Glukoseproduktion in der Leber und einer verminderten Synthese und gesteigerten Oxidation der Fettsåuren (Hardie 2003). In der Bilanz erfolgt somit eine Senkung der Blutzuckerspiegel und Glukoseproduktion sowie eine Verschiebung des Lipidmetabolismus weg von Energiespeicherung in Form von Fett hin zu Energieverbrauch durch b-Oxidation. Eine Dysregulation der AMPK hingegen fçhrt zu schweren Verånderungen der Energiebilanz. Eine verminderte Aktivitåt der AMPK z. B. hat eine vermehrte Lipidspeicherung zur Folge, die als Energiereserven fçr Zeiten der Nahrungsknappheit dienen. Unter der heutigen Bedingung des konstanten Energieçberangebots (in der westlichen Welt) fçhrt diese Konstellation der bevorzugten Lipidspeicherung jedoch zu Adipositas und assoziierten Folgeerkrankungen. Dies kænnte eines der molekularen Korrelate der ¹Thrifty-gene-Hypotheseª sein, die das bessere Ûberleben der Individuen mit einer hæheren Fåhigkeit, Energie als Fett zu speichern, beinhaltet (Neel 1999).
4.1.3 Fettgewebe 4.1.3.1 Plastizitåt des Fettgewebes Auf der Ebene des Fettgewebes resultiert Adipositas sowohl aus einer Hyperplasie als auch aus einer Hypertrophie der Adipozyten. Im Vergleich zu schlanken Erwachsenen haben adipæse Patienten
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
eine etwa vierfach erhæhte Anzahl an Adipozyten, die etwa doppelt so groû sind wie beim Schlanken (Hirsch u. Knittle 1970). Im Kindesalter zeigen sich dynamische Verånderungen des Kærperfettanteils in bestimmten Wachstums- und Entwicklungsphasen. Insbesondere im Såuglingsalter und im pråpubertårem Alter geht eine deutliche Zunahme der Fettmasse dem folgenden Wachstumsschub und weiteren kærperlichen Verånderungen voraus. Zum Zeitpunkt der Geburt betrågt der Fettanteil etwa 16% und steigt bis zum Ende des ersten Lebensjahres auf ein Maximum bis fast ein Drittel an (etwa 28%). Dieser Anstieg der Kærperfettmasse ist insbesondere durch Zunahme des weiûen subkutanen Fettgewebes bedingt. Zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr, also der pråpubertårem oder frçhpubertåren Phase, kommt es zu einem erneuten physiologischen Anstieg der Kærperfettmasse (Wabitsch u. Fischer-Posovszky 2004). Wåhrend der Pubertåt entwickeln sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede des Kærperfettgehalts und des Fettverteilungsmusters und einhergehend damit auch die endokrine Funktion des Fettgewebes (Bættner et al. 2004). Die Græûenzunahme eines Gewebes kann aus Hyperplasie und/oder Hypertrophie resultieren. Nach der klassischen Vorstellung wurde die Anzahl der Adipozyten bereits im frçhen Kindesalter determiniert, und eine Zunahme des Fettgewebes erfolgte nach dieser Hypothese nahezu ausschlieûlich çber eine zunehmende Hypertrophie, d. h. vermehrte Lipideinlagerung in die Adipozyten mit entsprechender Volumenzunahme (Knittle et al. 1979). Nach neueren Erkenntnissen ist jedoch klar, dass das Fettgewebe nicht nur aus hoch spezialisierten Fett speichernden reifen Fettzellen besteht, sondern darçber hinaus eine heterogene Population weiterer Zellarten, insbesondere Fibroblasten, Mastzellen, Endothelzellen und vor allem auch mesenchymale Stammzellen und Pråadipozyten enthålt (Ailhaud et al. 1992). Solche mesenchymalen Stammzellen konnten aus menschlichem Fettgewebe isoliert werden und in Abhångigkeit von den zugegebenen zelllinienspezifischen Induktionsfaktoren experimentell in adipogene, chondrogene, myogene und osteogene Zellen differenziert werden (Zuk et al. 2001). Daneben sind im adultem Fettgewebe auch Pråadipozyten enthalten, die bereits fçr die adipogene Differenzierung determiniert sind (Gregoire 2001). Diese Pråadipozyten erhalten ihre Fåhigkeit, in reife Adipozyten zu differenzieren çber die gesamte Lebensspanne des Individuums. Demzufolge resultiert eine Zunahme der Fettmasse auch im Erwachsenenalter nicht nur aus
der Hypertrophie, sondern ebenso aus einer Hyperplasie durch die Rekrutierung und Differenzierung von Pråadipozyten (Gregoire 2001). Eine Abnahme der Fettmasse kann ebenso çber eine Verminderung des Volumens der Adipozyten erfolgen und zugleich çber eine Reduktion der Adipozytenzahl durch Dedifferenzierung oder Apoptose (Fischer-Posovszky et al. 2004; Prins u. O'Rahilly 1997). Mit zunehmender Alterung der reifen Adipozyten åndert sich die funktionelle und endokrine Aktivitåt erneut. Øltere Adipozyten zeigten eine zunehmende Insulinresistenz und eine Verschlechterung all ihrer metabolischen und endokrinen Eigenschaften bis auf die Fåhigkeit, Triglyceride zu speichern, die erhalten blieb (Yu u. Zhu 2003). Diese Plastizitåt des Fettgewebes ist von auûerordentlichem Interesse fçr das Verståndnis der pathogenetischen Rolle des Fettgewebes im Zusammenhang mit Adipositas und Insulinresistenz, da sich nicht nur die Zahl und Morphologie der Adipozyten åndert, sondern einhergehend damit auch ihre biologischen, physiologischen und molekularen Eigenschaften.
4.1.3.2 Differenzierung von Adipozyten Die Zunahme des weiûen Fettgewebes bis ins Erwachsenenalter resultiert demnach aus der Volumenzunahme bestehender Adipozyten sowie aus der Zunahme der Anzahl der Adipozyten durch Differenzierung von pluripotenten mesenchymalen Stammzellen zu Pråadipozyten und weiter zu reifen Adipozyten. Ûber die frçhen Stufen der Determinierung und Differenzierung von pluripotenten mesenchymalen Stammzellen hin zu Pråadipozyten ist noch relativ wenig bekannt. Die zellulåren und molekularen Prozesse der Differenzierung von fibroblastenartigen Pråadipozyten hin zu reifen Adipozyten sind hingegen gut charakterisiert. Die meisten dieser Erkenntnisse stammen aus Zellkulturmodellen von permanenten Pråadipozytenzelllinien oder Primårkulturen von Pråadipozyten (Gregoire et al. 1998), die sich experimentell unter Zugabe verschiedener Hormone und synthetischer Faktoren in reife Adipozyten induzieren lassen. Zunåchst ist fçr die Differenzierung ein Wachstumsarrest notwendig. Dieser wird in Zelllinien wie in Primårkulturen normalerweise durch Kontaktinhibierung der Pråadipozyten induziert. Auf molekularer Ebene scheinen die Transkriptionsfaktoren C/EBP-a und PPAR-c eine Rolle zu spielen. Nach diesem ersten Schritt des Wachstumsarrests
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benætigen die Pråadipozyten eine Kombination von mitogenen und adipogenen Signalen zur weiteren Differenzierung und fçr die progressive Akquisition der morphologischen, biochemischen und molekularen Eigenschaften von reifen Adipozyten. Eine Standardkombination von supraphysiologischer Insulinkonzentration, Dexamethason, und dem Phosphodiesterase-Inhibitor Isobuthylmethylxanthin (IBMX) ist fçr die Adipozytendifferenzierung mediiert çber Insulin/IGF-1 (¹insulinlike growth factor 1ª), Glukokortikoide und cAMPabhångige Signalwege notwendig. Der Phase des Wachstumsarrests folgt eine Phase der klonalen Expansion mit mindestens einer DNA-Replikationsphase und Zellteilung. Dieser Schritt scheint jedoch nicht bei allen Zellkulturmodellen notwendig zu sein (Entenmann u. Hauner 1996). Die ersten Anzeichen der Differenzierung zeigen sich morphologisch an einer Abrundung der Zellform vom lang gestreckten Fibroblasten hin zu groûen runden oder polyklonalen Zellen, teilweise mit kleinen Einschlçssen. Diese morphologischen Erscheinungen werden von Verånderungen der extrazellulåren Matrix und des Zytoskeletts begleitet. Die proteolytische Degradation von Komponenten der extrazellulåren Matrix durch die Plasminogenkaskade der Pråadipozyten scheint dabei ebenso eine Rolle zu spielen wie die Expression von regulatorischen Proteinen wie ENC-1 (¹Drosophilia kelch-related
actin-binding proteinª), welches sich mit Actin-Filamenten zusammenlagert und damit die Zellform beeinflussen kann. Die Expression von Actin und Tubulin sinkt. Wåhrend des Differenzierungsprozesses åndert sich das morphologische Erscheinungsbild: Lang gestreckte, schmale (fibroblastenåhnliche) Pråadipozyten runden sich ab oder nehmen eine polygonale Form an und lagern dann zunehmend Lipidtræpfchen ein. Diese Lipidvakuolen nehmen bis zum reifen Adipozyten an Zahl und Græûe zu (Abb. 4.1.7). Auf molekularer Ebene ist die Differenzierung der Adipozyten durch eine sequentielle kaskadenartige Aktivierung von Transkriptionsfaktoren und Signalmolekçlen geprågt. Im frçhen Stadium der Determinierung von mesenchymalen Stammzellen zu Pråadipozyten spielen Signalmolekçle der WNT(¹wingless typeª)- und der BMP(¹bone morphogenetic proteinsª)-Familie eine wichtige Rolle. Die weitere Differenzierung des Pråadipozyten erfolgt çber die sequentielle Aktivierung spezifischer Transkriptionsfaktoren. Von besonderer Bedeutung sind die Faktoren der C/EBP(¹CCAAT/enhancer binding proteinª)-Familie und die PPAR(¹peroxisome proliferator-activated receptorª)-Trankriptionsfaktoren. Zunåchst werden in der frçhen Phase nach Inkubation mit dem Induktionscocktail die Tran-
Abb. 4.1.7. Adipogenese. PPAR-c: ¹peroxisome proliferator-activated receptor cª; C/EBP: ¹CCAAT/enhancer binding proteinª; FABP: ¹fatty acid binding proteinª
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
skriptionsfaktoren C/EBP-b und C/EBP-d transient induziert, die wiederum die Expression von PPAR-c, einem zentralen Faktor und Regulator der Adipogenese, induzieren. Diese Induktion erfolgt wahrscheinlich direkt durch Bindung der C/EBP an den PPAR-c-Promoter. PPAR-c ist ein adipozytenspezifischer Transkriptionsfaktor, der in geringen Mengen von Pråadipozyten exprimiert wird und dann um ein Vielfaches in der Differenzierung ansteigt. Der Aktivierung von PPAR-c geht auûerdem die Aktivierung von PPAR-d voraus. PPAR-c seinerseits induziert weitere Transkriptionsfaktoren wie C/EBP-a sowie auch adipozytenspezifische Faktoren wie z. B. die Adipozytokine. Der Anstieg von E/EBP-a erfolgt zeitgleich mit dem Abfall der C/EBP-b- und C/EBP-d-Expression und geht der Expression der adipozytenspezifischen Gene voraus. In der terminalen Phase der Differenzierung fçhrt die Aktivierung der Transkriptionskaskade zu einer Erhæhung der mRNA-Expression, Proteinmengen und Aktivitåt der adipozytenspezifischen Proteine. Enzyme der Triacylglycerolsynthese (ATP-Zitrat-Lyase, ACC, SCD-1, Glycerol-3-Phosphat-Dehydrogenase (GPDH), Fettsåuresynthetase) steigen um das Zehn- bis Hundertfache an. Ebenso steigen aP2 (¹fatty acid binding protein 2ª), Glukosetransporter und auch sekretorisch-endokrine Faktoren der Adipozyten an (Abb. 4.1.7). Die Anzahl der Insulinrezeptoren und die Insulinsensitivitåt scheinen hingegen abzunehmen.
4.1.3.3 Regulation der Adipogenese Dieser komplizierte Prozess der Adipozytendifferenzierung unterliegt einer engen Regulation und Steuerung durch eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren çber intrakrine, autokrine und endokrine Mechanismen. Viele der Faktoren wirken çber eine Beeinflussung der zentralen Transkriptionsfaktoren PPAR-c und C/EBP-a. Zum Teil wird die Adipogenese durch positive Feedback-Mechanismen aufrechterhalten. Das von PPAR-c induzierte C/EBP-a wirkt çber ein solch positives Feedback auf PPAR-c. Die Synthese eines Liganden fçr den ¹orphan receptorª PPAR-c durch die differenzierenden Pråadipozyten ist ein weiterer Schlçsselschritt in der Induktionskaskade, der genaue Ligand ist jedoch noch unbekannt. Eine Rolle scheint hierbei der ADD1/SREBP-1c(¹adipocyte determination and differentiation factor 1ª/¹sterol regulatory element binding protein 1cª)-Transkriptionsfaktor zu spielen, der auch an der Transkrip-
Tabelle 4.1.2. Endokrine Regulatoren der Adipogenese Stimulation
Hemmung
IGF-1/Insulin Glukokortikoide IBMX, cAMP PGD2 GH
TGF-b IFN-c, Il-1, TNF-a Kollagen, Fibronectin, Integrine PGF2a TPA
IGF-1: ¹insulin-like growth factor 1ª; IBMX: Isobuthylmethylxanthin; cAMP: zyklisches Adenosinmonophosphat; PGD2: Prostaglandin D2; GH: Wachstumshormon; TGF-b: ¹transforming growth factor bª; IFN-c: Interferon c; Il-1: Interleukin-1; TNF-a: Tumor-Nekrose-Faktor a; PGF2a: Prostaglandin F2a; TPA: ¹tissue plasminogen activatorª.
tion von Lebergenen, Lipidmetabolismus und Adipozytendifferenzierung eine beteiligt ist. Einige Faktoren haben eine wichtige Funktion in der Steuerung der Adipozytendifferenzierung, werden jedoch im Verlauf der Differenzierung herunterreguliert. Zu diesen Faktoren zåhlen GATA-2 und GATA-3, die ausschlieûlich in weiûen Pråadipozyten exprimiert werden und deren Expression in der weiteren Differenzierung sinkt. Eine konstitutive Expression von GATA-2 und GATA-3 hemmt die Differenzierung, wahrscheinlich çber eine Suppression der Promotoraktivitåt von PPAR-c. Der Transkriptionsfaktor CREB (¹cAMP response element binding proteinª), und weitere Molekçle wie Pref-1 oder die WNT scheinen einen hemmenden Einfluss auf die Adipozytendifferenzierung zu haben. Der Differenzierungsprozess ist in vitro und aller Wahrscheinlichkeit nach auch in vivo von verschiedenen endokrinen und parakrinen Faktoren abhångig. Insulin, IGF-1, Glukokortikoide und Triiodthyronin scheinen in physiologischen Konzentrationen eine wichtige Voraussetzung fçr die Differenzierung von Adipozyten darzustellen. Verschiedene Zytokine, wie TGF-b (¹transforming growth factor bª, FGF (¹fibroblast growth factorª) oder PDGF (¹platelet-derived growth factorª), die zum Teil von im Fettgewebe existenten Immunzellen oder von (Prå-)Adipzoyten selbst gebildet werden, scheinen hingegen einen hemmenden Effekt auf die Adipozytendifferenzierung zu haben (Tabelle 4.1.2).
4.1.3.4 PPAR-c PPAR-c ist kein Sekretionsprodukt der Adipozyten, spielt jedoch eine bedeutende Rolle als Transkriptionsfaktor in der Adipozytendifferenzierung und
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in der Regulation von endokrinen und metabolischen Funktionen im Fettgewebe und ist somit Vorraussetzung fçr die Aufrechterhaltung der normalen Adipozytenfunktion (Rosen et al. 2000). Die Wirkungen von PPAR-c beeinflussen nahezu alle Aspekte der reifen differenzierten Fettzelle, mit morphologischen Verånderungen, Lipidakkumulation sowie Erhaltung und Verbesserung der Insulinsensitivitåt. Die Aktivierung von PPAR-c, das hauptsåchlich in Adipozyten exprimiert wird, bewirkt eine verbesserte Fåhigkeit, Lipide zu speichern und vermindert damit die Lipotoxizitåt in Leber und Muskel (Abschn. 4.1.2.6) (Evans et al. 2004). Diese Wirkungen werden durch eine Genaktivierung fçr Faktoren der Lipogenese und Lipidspeicherung, wie aP2, CD36 (Lipoproteinrezeptor) sowie Transportproteine und Enzyme erreicht. Die Aktivierung dieses Weges verschiebt den steigenden Triglyceridgehalt zum Fettgewebe und vermindert damit den Gehalt an freien Fettsåuren und Triglyceriden in der Zirkulation, der Leber und im Muskel und verbessert somit die Insulinsensitivtåt. Zudem beeinflussen PPAR-c-Agonisten die Expression von Signalmolekçlen des Fettgewebes und kænnen somit auch entfernte Gewebe erreichen. Zum Beispiel fçhrt PPAR-c-Aktivierung zu einer Hemmung von TNF-a und Resistin, welche die Insulinresistenz eher færdern. Andererseits wird die Produktion von Adiponectin stimuliert, das eine ausgesprochen positive Wirkung auf die Insulinsensitivitåt hat (Evans et al. 2004). PPAR-c gehært als sog. ¹orphan receptorª zu den nukleåren Hormonrezeptoren, fçr die kein endogener Ligand bekannt ist. Zur Wirkungsvermittlung muss PPAR-c mit dem Retinoid X-Rezeptor (RXR) heterodimerisieren, um an DNA binden zu kænnen und seine transkriptorische Aktivitåt zu entfalten. Hier aktiviert PPAR-c die Promotoren und beeinflusst die Expression vieler fettzellspezifischer Gene wie aP2 und Enzyme wie der PhosphoenolpyruvatCarboxykinase (PEPCK), fçr die spezifische Bindungsstellen fçr PPAR-c identifiziert worden sind. Starke synthetische Agonisten von PPAR-c stellen die Gruppe der Thiazolidindione dar. Diese klinisch eingesetzten Insulin-Sensitizer binden und aktivieren PPAR-c. Als endogene Liganden werden freie Fettsåuren (Linolsåure) und auch Abkæmmlinge der Prostaglandine wie PGJ2 diskutiert. Die Bindungskonstante fçr diese ¹Ligandenª liegt jedoch deutlich niedriger unter der, wie sie fçr andere nukleåre Hormonrezeptoren bekannt ist. Måuse und Menschen mit aktivierenden Mutationen des PPAR-c zeigen als weiteres Beispiel aus
der Natur eine verbesserte Insulinsensitivitåt mit oder ohne zugrunde liegende Adipositas. Im Bereich der Liganden bindenden Domåne wurden mehrere Mutationen identifiziert, die die kristalline Struktur des Transkriptionsfaktors stabilisieren, welche fçr die Transaktivierung verantwortlich ist (Barroso et al. 1999). Ein håufiger Polymorphismus mit Aminosåureaustausch (Pro12Al a) im PPAR-c-Gen wurde hingegen mit Typ-2-Diabetes assoziiert. Tråger dieses Polymorphismus zeigen eine deutlich hæhere Insulinresistenz (Stumvoll u. Haring 2002 b). Zudem gibt es Hinweise fçr eine Interaktion dieses Polymorphismus mit freien Fettsåuren und damit einer Interaktion von genetischen Loci mit nahrungsassoziierten Faktoren. Ein weiteres Mitglied dieser Gruppe nukleårer Rezeptoren, PPAR-d, ist nahezu ubiquitår in allen Geweben verbreitet und wirkt insbesondere als ein Hauptregulator der Fettoxidation. Im Muskel steigert PPAR-d die Fettsåureoxidation und den Energieverbrauch. Im Tiermodell fçhrte die Behandlung mit PPAR-d-Agonisten çber eine vermehrte Lipidoxidation zu einer verbesserten Insulinsensitivitåt bei fettreicher Diåt (Wang et al. 2003). Diese Fåhigkeit von PPAR-d zur Aktivierung der Thermogenese und der Steigerung des Energieverbrauchs eræffnet mæglicherweise ein neues Potential fçr pharmakologische Interventionen (Evans et al. 2004).
4.1.3.5 Metabolische Funktion des Fettgewebes Eine der Hauptfunktionen des Fettgewebes ist die Speicherung von Energiesubstraten in Form von Triglyceriden und deren Freisetzung in Situationen des Energiebedarfs. Im Vergleich zur engen und pråzisen Steuerung der Protein- und Kohlenhydratbilanz ist die Regulation des Fettmetabolismus weitaus dynamischer. Der Kærper hat nur eine relativ kleine Speicherkapazitåt fçr Kohlenhydrate in Form von Glykogen, und die Glukosespiegel im Blut mçssen innerhalb enger Grenzen konstant gehalten werden. Demgegençber steht eine nahezu unbegrenzte Speicherfåhigkeit des Kærpers fçr Fett (Maffeis u. Schutz 2004). Die Lipogenese als de-novo-Synthese aus Glukose stellt vergleichsweise nur einen geringen Beitrag zum Triglyceridanteil in den Adipozyten dar. Der weitaus græûere Anteil stammt aus Plasmatriglyceriden in Form von Chylomikronen und VLDL (¹very low density lipoproteinª)-Partikeln. Deren Aufnahme in die Fettzelle erfolgt çber die Lipoprotein-Lipase (LPL), dem Schlçsselenzym fçr die Tri-
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
glyceridaufnahme. Im Blut zirkulierende, an Albumin gebundene FFA stellen eine weitere Quelle fçr die Lipidaufnahme in den Adipozyten dar. Diese werden direkt und LPL-unabhångig in die Fettzelle aufgenommen. Im Gegensatz zur Kohlenhydratzufuhr beeinflusst eine erhæhte Fettzufuhr mit der Nahrung die Fettverwertung, also Oxidation, kaum. Fçr eine Bereitstellung der Energiereserven aus dem Fettgewebe ist die Hydrolyse der Triglyceride durch die hormonsensitive Lipase in freie Fettsåuren (Lipolyse) notwendig (Abb. 4.1.5). Unter Ruhebedingungen çbersteigt die Freisetzung von FFA aus dem Fettgewebe ins Plasma die Rate der Fettsåureoxidation. Bei Adipositas finden sich erhæhte Konzentrationen an FFA im Plasma. Dieser Ûberschuss an FFA fçhrt zu vermehrter hepatischer Aufnahme der FFA, zur erhæhten Triglyceridsynthese und erhæhten Konzentrationen an VLDL im Plasma. Zudem werden Triglyceride vermehrt ektop in Geweben, wie z. B. im Muskel, gespeichert. Diese ektope Lipidspeicherung ist deutlich mit Insulinresistenz assoziiert. Insulin ist der wichtigste hormonelle Faktor, der die anabolen Funktionen im Fettgewebe stimuliert. Insulin stimuliert die Aktivitåt der LPL und somit die Triglyceridaufnahme in die Zelle und wirkt zusåtzlich direkt lipogen çber eine Hemmung der Lipolyse, Stimulation der Differenzierung von Adipozyten und gesteigerte Glukoseaufnahme in die Zelle. Katecholamine stimulieren die Lipolyse und sind der wichtigste Gegenspieler von Insulin.
4.1.3.6 Freie Fettsåuren Freie Fettsåuren stellen eine wichtige Energiequelle fçr den Menschen dar, insbesondere unter Fastenbedingungen. Die meisten Gewebe sind in der Lage, FFA zur Energiegewinnung in CO2 und H2O zu oxidieren. Freie Fettsåuren sind das Hauptenergiesubstrat fçr einige Organe, wie z. B. den Herzmuskel, der 60±70% seines Energiebedarfs aus der Oxidation freier Fettsåuren deckt (Wanders 2003). In der Leber kænnen auûerdem aus den Produkten der b-Oxidation Acetyl-CoA und Ketonkærper synthetisiert werden, die wiederum fçr andere Organe wie das Hirn eine wichtige Energiequelle darstellen. FFA sind jedoch nicht nur metabolisches Substrat und Energietråger, sondern çben auch direkte zellulåre Wirkungen in peripheren Organen aus. So kommt den freien Fettsåuren auch eine wichtige Rolle in der Entstehung der Insulinresistenz zu.
Die freien Fettsåuren stimulieren zum einen direkt die Insulinfreisetzung, fçhren zur Hyperinsulinåmie und hemmen hepatische Insulin-Clearance. Zum anderen wirken sie der Insulinwirkung in der Leber durch Steigerung der Glukoneogenese und durch Inhibierung der Aufnahme und Oxidation von Glukose an Muskelzellen entgegen. Mechanistisch scheint hier die vermehrte Bildung von Acetyl-CoA aus Fettsåuren, welches sekundår die Enzymaktivitåt der Glukoseoxidation hemmt, eine Rolle zu spielen. Sie konkurrieren mit Glukose um oxidative Kapazitåten in der Muskelzelle. In der Leber wird nach der Oxidation der FFA die Glukoneogenese direkt stimuliert.
4.1.3.6.1 FFA aus der Nahrung Bei der Entwicklung von Adipositas und Insulinresistenz spielen eine Vielzahl von Genprodukten, einschlieûlich auch Proteinen der Lipidsynthese und Oxidation, Thermogenese und Zelldifferenzierung eine Rolle. Die Regulation dieser Genprodukte erfolgt çber die Interaktion mit Umweltfaktoren, darunter insbesondere Nahrungsmittelfaktoren und Nåhrstoffe. In diesem Zusammenhang ist z. B. der Anteil an bestimmten Fettsåuren der Nahrungsfette von Bedeutung. Insbesondere mehrfach ungesåttigte Fettsåuren beeinflussen hormonelle Signaltransduktionswege çber eine Verånderung der Lipidkomposition von Membranen (Broadway u. Saggerson 1997) und greifen auch direkt in die molekularen Mechanismen des Intermediårmetabolismus ein (Clarke et al. 2003). Die diåtetische Aufnahme von n-3- und n-6-Fettsåuren hemmt die hepatische de-novo-Biosynthese von Fettsåuren, die Triglyceridsynthese und Sekretion und stimuliert andererseits die Oxidation von Fettsåuren im Muskel. Zusåtzlich verbessern mehrfach ungesåttigte Fettsåuren die Insulinsensitivitåt durch eine Steigerung des nichtoxidativen Glukosemetabolismus (Clarke 2001). Die zugrunde liegenden Mechanismen beinhalten eine direkte Reduktion der hepatischen Aktivitåt von glykolytischen und lipogenetischen Enzymen. Zunåchst mçssen freie Fettsåuren aus dem Blutplasma in die Zellen aufgenommen werden. Dies geschieht sehr wahrscheinlich mit Hilfe von Transportproteinen. Die FAT (¹fatty acid transporterª)/CD36 spielt wahrscheinlich die bedeutendste Rolle fçr diese Translokation der freien Fettsåuren (Glatz u. Storch 2001). Innerhalb der Zelle werden die FFA mittels spezieller Transportproteine wie den FABP zum Ort ihrer Wirkung oder Verstoffwechselung transportiert.
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Mehrfach ungesåttigte Fettsåuren steigern die Expression der mitochondrialen CPT-1 (CarnitinPalmitoyltransferase-1) und der peroxisomalen Acyl-CoA-Oxidase çber eine Verminderung von Malonyl-CoA, dem Hauptregulator von CPT-1, und eine Reduktion der Sensitivitåt der CPT-1 gegençber ihrem Hauptregulator (Wilson et al. 1990) (Abb. 4.1.5). Die CPT-1 ist ein Schlçsselenzym in der Regulation der Fettsåureoxidation. Sie ist verantwortlich fçr den Transport von langkettigen Fettsåuren aus dem Zytoplasma in das Innere des Mitochondriums und damit fçr die Zufçhrung der Fettsåuren zur b-Oxidation. Sie steht unter der strengen Kontrolle von Malonyl-CoA, welches einen ausgeprågt hemmenden Effekt auf die Expression und Aktivitåt der CPT-1 hat. Zusåtzlich zu dieser akuten Regulation spielen chronische Regulationsvorgånge vermittelt çber PPAR-a eine Rolle fçr die Aktivitåt dieses Enzyms. Damit regulieren mehrfach ungesåttigte Fettsåuren den hepatischen Lipidmetabolismus auf drei Ebenen: 1. Genexpression und Enzymaktivitåt, 2. Malonyl-CoA-Synthese und 3. Verånderungen der Membraneigenschaften/Fluiditåt (Clarke et al. 2003). Hinzu kommen Mechanismen, çber welche die Fettsåuren genomische Mechanismen beeinflussen. Sie kænnen direkt mit dem nukleåren Transkriptionsfaktor PPAR-a interagieren, der wiederum die Expression verschiedener Gene des Lipidtransports, der Lipidoxidation und Thermogenese induziert und andererseits die insulinkontrollierte Expression von lipogenetischen Enzymen wie der Fettsåuresynthetase (FAS) çber Regulatorproteine der SREBP (¹sterol regulatory element binding protein 1ª) hemmt (Clarke et al. 2003).
4.1.4 Endokrine und parakrine Funktion des Fettgewebes In den letzten Jahren hat sich die klassische Sichtweise vom Fettgewebe als reinem Energiespeicherorgan grundlegend gewandelt. Das Fettgewebe produziert eine Vielzahl von Hormonen, Zytokinen und bioaktiven Peptiden. Diese Adipozytokine genannten Botenstoffe beeinflussen lokal çber autound parakrine Wirkungen sowie systemisch (endokrin) direkt oder indirekt metabolische, inflammatorische und endokrine Prozesse (Kershaw u. Flier 2004). Inzwischen sind mehr als 100 Sekretionsprodukte identifiziert worden (Abb. 4.1.8). Einigen der neu entdeckten Faktoren wird als direkter molekularer ¹Linkª zwischen dem Fettgewebe und den Folgeerscheinungen der Adipositas, insbesondere der Insulinresistenz und kardiovaskulåren Erkrankungen, eine wichtige pathogenetische Bedeutung zugeschrieben (Havel 2002). Diese Faktoren beeinflussen sowohl die Insulinsekretion als auch die Insulinsensitivitåt und tragen damit unter experimentellen und klinischen Bedingungen zur Diabetesentstehung bei. Hinweise dafçr stammen unter anderem aus Kokulturexperimenten mit Fettzellen und Muskelzellen, die zeigten, dass Sekretionsprodukte der Adipozyten die intrazellulåre Insulinsignalçbertragung stæren (Dietze et al. 2002). Andere vom Fettgewebe sezernierte Faktoren sind z. B. Steroidhormone (Glukokortikoide und Sexualhormone), Peptidhormone bzw. deren Vorstufen (Angiotensinogen), Faktoren der Komplementbzw. Gerinnungskaskade (Adipsin, PlasminogenAktivator-Inhibitor PAI-1), proinflammatorische Zytokine (TNF-a, TGF-b, IL-6, IL-6R) (Abb. 4.1.4) sowie Metabolite und Regulatoren des Lipidmetabolismus (freie Fettsåuren, Lipoprotein-Lipase, Apolipoprotein E).
Abb. 4.1.8. Schematische Ûbersicht çber die endokrine Funktion des Fettgewebes. IGF: ¹insulin-like growth factorª; IGFBP: ¹insulin-like growth factor binding proteinª; VLDL: ¹very low density lipoproteinª; TAG: Triacylglycerole; FFA: freie Fettsåuren; IL: Interleukin; TNF: Tumor-Nekrose-Faktor; TGF: ¹transforming growth factorª; PA2: Plasminogen-Aktivator 2; PAI: Plasminogen-Aktivator-Inhibitor
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Wåhrend einige dieser Faktoren wohl hauptsåchlich auto- bzw. parakrin wirken, erreichen andere im Kreislauf zirkulierend (z. B. Adiponectin, Leptin) hohe Konzentrationen und kænnen damit weit reichende und spezifische biologische Wirkungen auf periphere Organe wie Muskel, Pankreas, Leber und Hirn ausçben (Ahima u. Flier 2000; Mohamed-Ali et al. 1998). Die Serumspiegel vieler dieser Adipozytokine zeigen eine enge Assoziation zur Kærperfettmasse und sind entsprechend bei Adipositas veråndert. Zusåtzlich zu diesen efferenten Signalen exprimiert das Fettgewebe viele Rezeptoren. Ûber diese kænnen afferente Signale aus klassischen Hormonsystemen wie auch dem zentralen und peripheren Nervensystem die metabolischen und endokrinen Funktionen des Fettgewebes beeinflussen. Durch dieses interaktive Netzwerk ist das Fettgewebe in die Steuerung einer Vielzahl von biologischen Prozessen integriert, einschlieûlich des Energiemetabolismus, neuroendokriner Funktionen und Immunfunktionen. Diese wichtige endokrine Funktion des Fettgewebes wird durch die adversen metabolischen Konsequenzen von sowohl Exzess wie auch Defizienz von Fettgewebe unterstrichen. Eine Vermehrung an Fettgewebe fçhrt zu Insulinresistenz, Hyperglykåmie, Dyslipidåmie, Hypertension, prothrombotischer bzw. proinflammatorischer Prådisposition, kurz zum metabolischen Syndrom. Eine Defizienz an Fettgewebe kann andererseits einen ganz åhnlichen Phånotyp sowohl beim Menschen als auch im Tiermodell hervorrufen (Kershaw u. Flier 2004). Insgesamt ist das Fettgewebe ein sehr dynamisches Gewebe, das çber seine sezernierten Faktoren ståndig mit anderen Geweben des Kærpers kommuniziert, und somit direkten Anteil an der Regulation von Stoffwechsel und Energiehaushalt und letztlich an der Entwicklung von Folgeerkrankungen der Adipositas hat.
4.1.4.1 Leptin Die Entdeckung von Leptin als vermutliches ¹Antiobesity-Hormonª leitete eine neue Øra der Erforschung molekularer Mechanismen von Adipositas ein (Zhang et al. 1994). Leptin wurde initial als ein vom Fettgewebe sezernierter Faktor gesehen, dessen primåre Funktion in der Hemmung der Nahrungsaufnahme und einer Erhæhung des Energieverbrauchs bestand. Es wurde damit als adipostatisches Signal und potenter Regulator des Kærpergewichts gesehen, der der Entwicklung von Adiposi-
tas entgegenwirkt (Halaas et al. 1995; Pelleymounter et al. 1995). Daher stammt der Name Leptin vom griechischen Wort ¹leptosª = schlank. Leptin ist ein Protein mit einem Molekulargewicht von 16 kDa und einer 4-Helix-Bçndel-Struktur, die innerhalb der Såugerspezies hoch konserviert ist (Zhang et al. 1994). Es liegt im Plasma in einer freien und in einer an seinen læslichen Rezeptor gebundenen Form vor (Lammert et al. 2001; Sinha et al. 1996). Leptin wird vorwiegend vom weiûen Fettgewebe gebildet (Friedman u. Halaas 1998). Die Leptinspiegel im Serum sind eng mit der Kærperfettmasse assoziiert und entsprechend bei Adipositas sowohl im Tiermodell als auch beim Menschen erhæht (Himms-Hagen 1999). Die Sekretion von Leptin erfolgt nach einem pulsatilen zirkadianen Muster mit dem Maximum in der Nacht (Licinio et al. 1997). In ersten Experimenten wurde gefunden, dass genetische Tiermodelle mit absoluter Leptindefizienz (ob/ob-Måuse) (Chen et al. 1996) bzw. Leptininsensitivitåt basierend auf einer Mutation des Leptinrezeptors (db/db-Måuse) (Chua et al. 1996) eine deutliche Hyperphagie und verminderten Energieumsatz mit morbider Adipositas aufweisen. Andererseits fçhrt eine exogene Zufuhr von Leptin çber eine Hemmung der Nahrungsaufnahme und Steigerung des Energieumsatzes zu einer Verminderung des Kærpergewichts bei adipæsen Måusen (Halaas et al. 1995). Die Wirkungen von Leptin werden çber die Aktivierung der Leptinrezeptoren vermittelt (Abb. 4.1.9). Die trunkierten kurzen Isoformen des Leptinrezeptors, denen die intrazellulåre Domaine fehlt, sind nahezu ubiquitår im Organismus verbreitet (Friedman 1998; Hoggard et al. 1997). Die lange und funktionelle Form kommt hauptsåchlich in verschiedenen Regionen des Hirns, insbesondere im Hypothalamus, im limbischen System und in den Kapillarendothelien vor, wurde jedoch auch in vielen peripheren Organen identifiziert (Hoggard et al. 1997; Tartaglia 1997). Ûber seinen weit verbreiteten Rezeptor çbt Leptin vielfåltige Wirkungen auf unterschiedlichste Funktionen des Organismus aus. Das Wirkungsspektrum geht weit çber die ursprçnglich beschriebene Reduktion des Kærpergewichts durch Hemmung der Nahrungsaufnahme und Erhæhung des Energieumsatzes hinaus (Wauters et al. 2000). Im zentralen Nervensystem reguliert Leptin appetitregulierende Proteine wie Neuropeptid Y (NPY), Melanozyten stimulierendes Hormon (MSH), Agouti-related-Protein, Proopiomelanocortin (POMC), ¹cocaine-amphetamine regulated transcriptª (CART) und Kortikotropin-releasing-Hormon
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Abb. 4.1.9. Signaltransduktion des Leptinrezeptors çber den JAK-STAT-Signal-Weg. Von den verschiedenen Rezeptorisoformen des Leptinrezeptors scheint nur die lange Form funktionell zu sein und Signaltransduktion zu vermitteln. Bindung von Leptin an seinen Rezeptor induziert die Dimerisierung und aktiviert die assoziierte Januskinase (JAK), welche die Phosphorylierung von Tyrosinresten an der zyto-
plasmatischen Domåne des Rezeptors induziert. Hierdurch entstehen Phosphotyrosin-Docking-Stellen fçr die STAT-Proteine. Die phosphorylierten STAT-Proteine dissoziieren vom Rezeptor und bilden ihrerseits Homodimere, die in den Nukleus transportiert werden, um dort an ¹STAT-responsive elementsª zu binden und die Gentranskription zu aktivieren
(CRH) (Ahima et al. 2000). Auch die Aktivitåt anderer endokriner Achsen (Pralong u. Gaillard 2001) wie der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren(HPA)-Achse (Glasow et al. 1998), Wachstumshormon, Insulin und auch die Aktivitåt des sympathoadrenalen Systems wird durch Leptin (Campfield et al. 1996) beeinflusst. Leptin scheint eine wichtige Rolle in der Pubertåtsinduktion und der Regulation der Gonadenachse zu spielen (Kiess et al. 1998) und greift in Prozesse der Immunfunktion (Loffreda et al. 1998), Håmatopoese (Bennett et al. 1996), Angiogenese (Bouloumie et al. 1998) und Zellproliferation (Cottam 2004) ein (Himms-Hagen 1999; Housknecht et al. 1998). Metabolische Effekte wurden fçr den Glukosestoffwechsel und den Lipidstoffwechsel beschrieben (Rohner-Jeanrenaud 1999). Die Insulinsensitivitåt wie auch die Insulinsekretion selbst werden durch Leptin negativ beeinflusst. Eine Hemmung der Glykogensynthese und Aktivierung der Glykolyse kænnte zusåtzlich zu einer blutzuckersteigernden Wirkung beitragen. Im Fettgewebe hemmt Leptin als autokriner Faktor die Glukoseaufnahme in die Zelle und die Lipogenese, wohingegen es die Lipolyse stimuliert (Cawthorne et al. 1998;
Frçhbeck et al. 1997; Wang et al. 1999). Leptin greift somit auch direkt in die Regulation metabolischer Prozesse ein. Die eigene Synthese wird im Sinne einer Feedback-Hemmung supprimiert (Zhang et al. 1997) (Abb. 4.1.10) Angesichts dieses breiten Spektrums an Wirkungen, die mehr oder minder mit der Steuerung des Kærpergewichts in Zusammenhang stehen, ist die Regulation von Leptin selbst von entscheidender Bedeutung. Eine Stærung der leptingesteuerten Balance des Kærpergewichts kann zur Entwicklung einer Adipositas beitragen (Ioffe et al. 1998). Als Adipozytokin unterliegt es komplexen regulatorischen Einflçssen endokriner, metabolischer und parakriner Faktoren (Considine 2001). Zum Beispiel wirken Insulin, Glukokortikoide, TNF-a, Ústrogen u. a. stimulierend, wohingegen Katecholamine, Androgene oder PPAR-c-Agonisten hemmende Einflçsse ausçben (Abb. 4.1.10). Die biologischen Wirkungen von Leptin auf die Regulation der Energiehomæostase sind insbesondere im Tiermodell gut dokumentiert. Obwohl initial als Anti-obesity-Hormon klassifiziert, gibt es nun zunehmend Erkenntnisse, dass die biologische Hauptfunktion von Leptin jedoch eher als Signal
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Abb. 4.1.10. Regulation und Wirkungen von Leptin. TNF: Tumor-Nekrose-Faktor; C/EBP: ¹CCAAT/enhancer binding proteinª; FFA: freie Fettsåuren; SNS: sympathisches Nervensystem; AMPK: AMP-aktivierte Proteinkinase; TG: Triglyceride
in der Adaptation an Energiedefizienz als an Exzess besteht (Flier 1998). Der Leptinspiegel fållt bei verminderter Nahrungsaufnahme und Gewichtsreduktion rapide ab. Dieser Abfall ist mit adaptiven physiologischen Prozessen wie einer fasteninduzierten Erhæhung des Appetits und vermindertem Energieverbrauch assoziiert. Entsprechend sind die physiologischen Auswirkungen erniedrigter Leptinspiegel weitaus ausgeprågter im Vergleich zum supraphysiologischen Konzentrationsbereich. Die Dosis-Wirkungs-Kurve zeigt die hæchste Sensitivitåt im Bereich niedriger supprimierter und normaler Leptinkonzentrationen und nicht im Bereich supraphysiologischer Leptinkonzentrationen (Havel 2004). Eine Verminderung des Leptinspiegels, z. B. bei Gewichtsreduktionsmaûnahmen, fçhrt somit zu einer erhæhten Leptinsensitivitåt. Dies kann zur Initiierung des Hungergefçhls, einem verminderten metabolischen Grundumsatz und letztendlich einer erneuten Gewichtszunahme fçhren (Havel 2004). Die Erhæhung des Leptinspiegels durch endogene Hyperleptinåmie bei Adipositas (Considine et al. 1996 b) oder nach Behandlungsversuchen mit exogenem Leptin (Heymsfield et al. 1999) zeigten vergleichsweise geringere Effekte auf die Regulationssysteme von Kærpergewicht und Energiehaushalt. Hyperleptinåmie fçhrte somit auch nicht zur erhofften Verminderung der Adipositas, ganz im Sinne einer klassischen Leptinresistenz. Es gibt derzeit verschiedene Hypothesen çber die Mechanismen dieser Leptinresistenz. Unter der Annahme, dass der Hauptwirkort von Leptin zentral im Hypothalamus liegt, kann die Wirkungsvermittlung von Leptin durch einen verminderten Ûbertritt von Leptin durch die Blut-Hirn-Schranke
gestært sein. Auch durch eine gestærte Signaltransduktion am Leptinrezeptor bzw. der nachgeschalteten Signaltransduktionswege und deren Regulatoren kann die Leptinsensitivitåt negativ beeinflusst werden. Darçber hinaus konnte im Zellmodell gezeigt werden, dass ein deutlicher molarer Ûberschuss an læslichem Leptinrezeptor (sOB-R) die Wirkung von Leptin signifikant vermindern kann (Yang et al. 2004; Zastrow et al. 2003). Derartig erhæhte molare sOB-R/Leptin-Verhåltnisse wurden bisher bei Zustånden mit hohem Energiebedarf wie in der Neonatalperiode (Kratzsch et al. 2005), bei Manifestation des Diabetes mellitus (Kratzsch et al. 2004) und Anorexia nervosa im peripheren Blut beobachtet. Aus teleologischer Sicht kænnte ein Ûberschuss der læslichen Rezeptorisoform unter Bedingungen des Energiemangels zur Hemmung der Leptinwirkung und damit zur Kompensation eines unerwçnschten Energieverbrauchs beitragen. Die exakten molekularen Mechanismen der Leptinresistenz sind jedoch noch unbekannt. Die pathophysiologische Relevanz des Leptin/ Leptinrezeptor-Systems auch beim Menschen wird beståtigt durch Untersuchungen an Patienten mit monogen bedingter Leptindefizienz (Montague et al. 1997) oder Mutation im Gen des Leptinrezeptors (Clement et al. 1998). Der Phånotyp dieser Patienten ist, åhnlich wie bei den Tiermodellen, charakterisiert durch extreme Adipositas bedingt durch Hyperphagie, resultierende Hyperinsulinåmie, hypothalamischen Hypogonadismus und gestærte puberale Entwicklung und ist im Fall der Leptindefizienz durch Substitution von Leptin remittierbar (Farooqi et al. 1999). Niedrig dosierte Leptinsubstitution hat auch positive Effekte in der Verbesserung der Insulinsensi-
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tivitåt und Verminderung der Hyperlipidåmie bei Patienten mit Lipodystrophie (Oral et al. 2002). Diese positiven Auswirkungen beinhalteten auch eine verminderte Triglyceridanreicherung in der Leber und einen verminderten intramyozellulåren Lipidgehalt. Die Verbesserung der Insulinresistenz wird direkt und indirekt çber neuronale Aktivierung der muskulåren AMP-Kinase vermittelt (Minokoshi et al. 2004). Neben der relevanten Rolle von Leptin in Situationen mit Nahrungsdefizienz gibt es weitere Hinweise auf wichtige Funktionen auch beim Menschen. Leptin scheint nicht nur direkte Wirkungen auf Neurone in Kerngebieten des Hypothalamus auszuçben, sondern spielt nach neueren Erkenntnissen bereits eine wichtige Rolle als trophischer Faktor fçr die Ausbildung und Migration dieser Neurone spezifisch im Nucleus arcuatus und paraventricularis (Bouret et al. 2004). Auûerdem scheint Leptin fçr die Ausbildung der Synapsen in diesen Kerngebieten wichtig zu sein (Pinto et al. 2004). Somit ergibt sich ein weiterer Mechanismus, wie Leptin wåhrend der Fetal- und Neonatalperiode die Entwicklung hypothalamischer Strukturen beeinflusst und damit die Nahrungsaufnahme und den Energiemetabolismus im spåteren Leben im Sinne einer perinatalen Programmierung moduliert (Dætsch et al. 2004). Auch fçr die Entwicklung und Aufrechterhaltung weiterer hypothalamisch-hypophysårer endokriner Achsen wie der Reproduktionsachse ist Leptin beim Menschen von Bedeutung. Eine Substitution von Leptin bei Patientinnen mit hypothalamischer Amenorrhoe fçhrte beispielsweise zur Verbesserung der endokrinen Stærungen von Gonaden-, TSH- und Wachstumshormonachse (Welt et al. 2004). Leptin hat somit diverse endokrine Funktionen, die sich nicht nur auf eine Regulation der Nahrungsaufnahme und des Energieverbrauchs beschrånken, sondern auch die direkte Steuerung metabolischer Vorgånge einschlieûen.
4.1.4.2 Resistin Die Entdeckung von Resistin als adipozytensezerniertem Faktor mit Wirkung auf die Insulinsensitivitåt weckte erneut Hoffnung, einen weiteren pathogenetischen Mechanismus in der Sequenz Adipozyt-Adipositas-Insulinresistenz gefunden zu haben. Die Erstbeschreibung bei der Maus zeigte Resistin als cysteinreiches 12,5-kD-Peptid, das nahezu ausschlieûlich von Adipozyten im Zusammenhang
mit der Differenzierung exprimiert und sezerniert wird. Die Serumspiegel waren in verschiedenen Tiermodellen mit Adipositas erhæht. Die Administration von Resistin an normale Tiere fçhrte zu einer verschlechterten Glukosehomæostase und Insulinsensitivitåt, wohingegen die Gabe von neutralisierendem Antiserum diese Effekte rçckgångig machte (Steppan et al. 2001). Von anderen Gruppen wurde eine Rolle von Resistin als Feedback-Inhibitor der Adipogenese (Kim et al. 2001) und im Zusammenhang mit Entzçndungen (Holcomb et al. 2000) beschrieben. Die viel versprechenden Anfangsdaten aus den Tiermodellen lieûen sich jedoch nicht einheitlich beståtigen. In mehreren Studien wurden sowohl erhæhte als auch erniedrigte Serumspiegel von Resistin bei Adipositas beschrieben (Steppan u. Lazar 2004), und ebenso widersprçchlich bleiben bislang die Befunde zur Wirkung von Resistin auf die Insulinsensitivitåt und den Glukosemetabolismus (Steppan u. Lazar 2004). Hinsichtlich der Regulation waren die Studien ebenfalls uneinheitlich. Es wurden stimulierende, hemmende oder keine Effekte von Insulin, Glukokortikoiden, Glukose, Thiazolidinen oder Thyroxin beschrieben (Steppan u. Lazar 2004). Beim Menschen scheint die Biologie komplett unterschiedlich im Vergleich zum Tiermodell zu sein (Stumvoll u. Håring 2002 a), obwohl Sequenzhomologien von çber 64% auf mRNA-Ebene und knapp 60% auf Aminosåuresequenz bestehen (Steppan u. Lazar 2004). Im Unterschied zur Maus ist Resistin im menschlichen Fettgewebe kaum nachzuweisen, wohingegen hohe Expressionsraten im Knochenmark und im zirkulierenden Monozyten/Makrophagen-System zu finden sind (Patel et al. 2003), niedriger in Plazenta und pankreatischen Inselzellen (Minn et al. 2003). Einige genetische Studien zeigten einen Zusammenhang von Polymorphismen im Promoter und in den UTRSequenzen des Resistin-Gens mit Typ-2-Diabetes und Insulinsensitivitåt (Tan et al. 2003), andere konnten diese Assoziationen nicht beståtigen (Steppan u. Lazar 2004). Vielversprechender sind die Befunde im Zusammenhang mit inflammatorischen Prozessen und Proliferation von Endothelzellen bei der Atherogenese. Resistin scheint ein potenter Aktivator von Endothelzellen zu sein, indem es z. B. die Expression von Endothelin-1 (Verma et al. 2003) und Adhåsionsmolekçlen (Kawanami et al. 2004) stimuliert, die Expression von TNF-a-Rezeptor hingegen hemmt. Somit kænnte Resistin eine mechanistische Rolle in der Pathogenese von kardiovaskulåren Erkrankungen spielen.
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Insgesamt scheint die Funktion von Resistin in der Pathogenese von Adipositas und Insulinresistenz nicht geklårt. Immer wieder werden jedoch Zusammenhånge von Resistin mit Adipositas und Insulinresistenz in klinischen, genetischen oder experimentellen Studien beschrieben (Zhang et al. 2003).
Im Vergleich zu Leptin und Resistin spielt Adiponectin eine ausgeprågt protektive Rolle in der Pathogenese adipositasassoziierter Erkrankungen und des metabolischen Syndroms. Adiponectin wurde zeitgleich von mehreren Gruppen entdeckt und trågt deshalb verschiedene Synonyme wie GBP28 (¹gelatine binding protein 28ª) (Nakano et al. 1996), ACRP (¹adipocyte complement-related proteinª) (Hu et al. 1996) und AdipoQ (Scherer et al. 1995). Strukturell gehært es zur Kollagen-Superfamilie und hat groûe Øhnlichkeit mit TNF-a. Das Protein mit einem Molekulargewicht von 30 kD besteht aus einer kollagenartigen Domåne, die wichtig fçr den Aufbau der Sekundår- und Tertiårstruktur ist, sowie aus einer globulåren Domåne, die fçr die Wirkungsvermittlung verantwortlich ist. Durch Oligomerisierung bilden sich zunåchst Trimere, die sich weiter zu Oligomeren zusammenlagern, so dass eine hochmolekulare Fraktion entsteht, die auch im Serum detektierbar ist. Welche molekulare Form die græûte biologische Wirksamkeit besitzt, ist noch
nicht vollståndig geklårt und auch abhångig vom Gewebe und Rezeptorisotyp. Wichtig scheint jedoch sowohl die globulåre Domåne zu sein wie auch die Oligomerisierung und Stabilisierung der Oligomere durch Disulfidbrçcken (Chandran et al. 2003). Adiponectin wird ausschlieûlich von reifen Adipozyten exprimiert mit ansteigender Expression wåhrend der Adipogenese (Kærner et al. 2005) (Abb. 4.1.11) und liegt in ungewæhnlich hohen Konzentrationen im Serum vor. Bei Adipositas, Insulinresistenz, Diabetes und auch bei kardiovaskulåren Erkrankungen sind die Adiponectinspiegel im Serum erniedrigt (Hotta et al. 2000). Diese Verminderung von Adiponectin scheint den entsprechenden Erkrankungen sogar vorauszugehen (Yamamoto et al. 2004), und erniedrigte Adiponectinspiegel wurden als prådiktiver Faktor fçr die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und kardiovaskulåren Erkrankungen identifiziert (Spranger et al. 2003). Månner zeigen niedrigere Adiponectinspiegel als Frauen. Dieser Dimorphismus entwickelt sich wåhrend der Pubertåt, wobei insbesondere Androgene eine wichtige Rolle spielen (Bættner et al. 2004). Nicht zuletzt zeigt Adiponectin eine starke negative Korrelation mit Parametern der Insulinresistenz, Hyperinsulinåmie, Triglyceriden und LDL-Cholesterol, wohingegen HDL-Cholesterol positiv assoziiert ist (Matsuzawa et al. 2004). Dies wird durch eine Reihe genetischer Studien weiter beståtigt, die eine Assoziation zwischen Polymorphismen im Adiponectin-Gen und Insulinresistenz,
Abb. 4.1.11. Spezifische Adiponectinexpression von reifen Adipozyten. Der Graph (links) zeigt eine steigende Expression von Adiponectin-mRNA im Verlauf der Differenzierung beginnend ab Tag 4. Pråadipozyten exprimieren kein Adipo-
nectin. Rechts die immunhistochemische Anfårbung von Adiponectin in differenzierten Adipozyten (rote Fårbung in Zellen mit Lipidvakuolen), wohingegen undifferenzierte Zellen keine Fårbung aufweisen
4.1.4.3 Adiponectin
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Typ-2-Diabetes oder kardiovaskulåren Erkrankungen zeigen (Stumvoll et al. 2002; Vasseur et al. 2003). Insgesamt zeigen diese klinisch-epidemiologischen Studien çbereinstimmend, dass Adiponectin bei Adipositas erniedrigt ist und dass verminderte Adiponectinspiegel auch nach Korrektur der Kærperfettmasse mit einem erhæhten Risiko fçr Typ-2-Diabetes und kardiovaskulåre Erkrankungen einhergehen. In Tiermodellen mit Adiponectindefizienz zeigten sich ausgeprågte atherogene Verånderungen der Gefåûwand sowie eine nahrungsinduzierte Insulinresistenz (Kubota et al. 2002), die sich durch Substitution von Adiponectin besserte (Maeda et al. 2002). Eine Ûberexpression von Adiponectin in apo-E-defizienten Måusen fçhrte hingegen zu einer deutlichen Verminderung der Bildung atherosklerotischer Plaques und in ob/ob-Måusen zu einer Verbesserung der Insulinresistenz (Yamauchi et al. 2003 c). Durch experimentelle Studien konnten einige der Mechanismen dieser protektiven Wirkungen von Adiponectin aufgeklårt werden. Adiponectin unterdrçckt die Proliferation und Aktivierung von Immunzellen, vermindert die Expression inflammatorischer Zytokine wie TNF-a,
supprimiert die Expression von Adhåsionsmolekçlen und çbt antiproliferative Wirkungen auf Muskelzellen aus. Es beeinflusst inflammatorische Prozesse an der Gefåûwand dergestalt, dass die Entwicklung atherosklerotischer Plaques gehemmt wird (Goldstein u. Scalia 2004). In Experimenten mit adipæsen Ratten verminderte Adiponectin die hepatische Glukoseproduktion durch Hemmung der Enzyme der Glukoneogenese und bewirkte eine Reduktion der Blutglukosespiegel in normalen und diabetischen Tieren (Berg et al. 2001). Die Verbesserung der Blutglukosespiegel erfolgt jedoch ohne Beeinflussung der Nahrungsaufnahme (Fruebis et al. 2001). Neben seiner positiven Effekte auf das Kærpergewicht bewirkt Adiponectin aber vor allem eine deutliche Verbesserung der Insulinresistenz (Yamauchi et al. 2003 a). Die Wirkungen von Adiponectin werden çber zwei Rezeptoren vermittelt, die der Klasse der 7-transmembranåren Rezeptoren angehæren, jedoch nicht die klassischen Eigenschaften von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren zeigen (Yamauchi et al. 2003 b). Diese Rezeptoren wurden zunåchst vor allem auf Muskelzellen (Typ 1) und Leberzellen (Typ 2) beschrieben, offensichtlich sind
Abb. 4.1.12. Adiponectinrezeptorvermittelte intrazellulåre Wirkungen. Verschiedene molekulare Formen von Adiponectin vermitteln ihre Wirkung çber zellmembranståndige Heptahelix-Rezeptoren. In der Folge kommt es zu Regulation verschiedener metabolischer Prozesse çber Rekrutierung verschiedener intrazellulårer Signalwege. Ein zentraler Mechanismus scheint die Aktivierung der AMP-Kinase (AMPK) zu sein, çber die dann die ACC gehemmt wird, was zur vermehrten Expression von CPT-1 fçhrt und damit die b-Oxidation im Mitochondrium stimuliert. Indirekt scheint der Adiponectinrezeptor çber noch unbekannte Signale mit der Signaltransduktion des Insulinrezeptors zu interagieren und so die Insulinsensitivitåt zu verbessern. Ûber die Stimula-
tion von PPAR-a wird die Genexpression der Fettsåure metabolisierenden Enzyme reguliert und letztendlich die Triglyceridsynthese gehemmt. Ûber Stimulation der p38-MAPKinase wird z. B. die Expression des Glukosetransporters GLUT4 stimuliert und damit die Glukoseaufnahme verbessert. Welche Molekçle oder Mechanismen die Signalantwort vom Adiponectinrezeptor zu diesen nachgeschalteten Signalwegen vermitteln, ist noch weitgehend unbekannt. GLUT: Glukosetransporter; p38-MAPK: p38-MAP-Kinase; AMPK: AMP-Kinase; IRS: ¹insulin response sequenceª; PI3K: PI3-Kinase; PPAR: ¹peroxisome proliferator-activated receptorª; ACC: Acetyl-CoA-Carboxylase
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
sie jedoch nahezu ubiquitår exprimiert. Im Muskel interagiert der Adiponectinrezeptor 1 (AdipoR1) mit dem Insulinrezeptor, aktiviert die Tyrosinkinase des Insulinrezeptors und fçhrt somit zu einer verstårkten Insulinsignalwirkung bzw. Insulinsensitivitåt. Eine verminderte Tyrosinphosphorylierung des Insulinrezeptors im Muskel ist mit erniedrigten Adiponectinspiegeln assoziiert. Ûber eine verstårkte Expression des Glukosetransporters GLUT4 wird zusåtzlich die Glukoseaufnahme in die Zelle erleichtert. Dieser Mechanismus sowie die Ûbermittlung antiproliferativer Signale laufen hauptsåchlich çber p38-MAP-Kinase-Signal-Wege. Øhnlich wie beim Leptin stellt die AMP-Kinase ein zentrales Signalmolekçl dar, çber das zellulåre metabolische Prozesse reguliert werden. So bewirkt die Aktivierung der AMP-Kinase die Expression von PPAR-a und damit eine vermehrte Genexpression der Enzyme der Fettsåureoxidation. Ûber die AMP-Kinase wird auûerdem die Synthese von Malonyl-CoA gehemmt, welches als endogener Inhibitor der CPT-1 und damit der Fettsåureoxidation in den Mitochondrien wirkt (Gil-Campos et al. 2004) (Abb. 4.1.12). Insgesamt belegen klinische, genetische und Assoziationsstudien, tierexperimentelle und In-vitroUntersuchungen çbereinstimmend und eindrucksvoll die protektiven Eigenschaften von Adiponectin auf die Entwicklung eines metabolischen Syndroms. Ûber eine gesteigerte Fettsåureoxidation und Glukoseaufnahme bei verminderter Glukoneogenese sowie direkte Interaktion mit Insulinsignalwegen wird eine Verbesserung des Glukosestoffwechsels, der Dyslipidåmie und der Insulinsensibilitåt bewirkt. Durch Hemmung der Proliferation und Supprimierung der entzçndlichen Reaktion an der Gefåûwand çbt Adiponectin seine protektiven Wirkungen auf die Entstehung einer Atherosklerose aus. Mit der Aufklårung der Regulationsmechanismen der Adiponectinexpression, insbesondere der hemmenden Einflçsse, sowie mit pharmakologischen Studien zur Substitution von Adiponectin steht Adiponectin im Mittelpunkt zukçnftiger Interventionsstrategien des adipositasassoziierten metabolischen Syndroms.
4.1.4.4 Adipsin und ASP Das ASP (¹acylation stimulating proteinª) ist ein Hormon, welches aus dem Komplementfaktor C3 çber eine Interaktion mit Adipsin entsteht. Es bindet an einen orphan-G-Protein-gekoppelten Rezeptor (C5L2) (Kalant et al. 2003). ASP-Spiegel sind
bei adipæsen Personen in Proportion zur Kærperfettmasse erhæht und fallen unter Fastenbedingungen ab (Havel 2004). ASP stimuliert die Glukoseaufnahme çber eine gesteigerte Expression der Glukosetransporter GLUT4 an der Zellmembran, erhæht die Aktivitåt der DGAT und der HSL und fçhrt somit zu einer vermehrten Synthese und Speicherung von Triglyceriden im Fettgewebe (Cianflone et al. 1999). Tiermodelle mit defizientem C3-ASP-System zeigen aber entsprechend nicht nur eine Verminderung der postprandialen ¹LipidClearanceª, sondern auûerdem einen verminderten Kærperfettgehalt und Resistenz gegençber Adipositas trotz einer um 30% erhæhten Nahrungsaufnahme, wahrscheinlich durch erhæhten Energieverbrauch (Murray et al. 2000). Zusåtzlich zu diesen anabolen parakrinen Wirkungen im Fettgewebe stimuliert ASP die Insulinfreisetzung aus Inselzellen direkt (Havel 2004).
4.1.4.5 TNF-a und andere Zytokine TNF-a gehært zu den erstentdeckten sezernierten Faktoren des Fettgewebes. Die Expression und Sekretion von TNF-a im Fettgewebe ist bei Adipositas erhæht und korreliert positiv mit Insulinresistenz (Hotamisligil et al. 1993). Auch die Serumkonzentrationen sind bei Adipositas mit enger Korrelation zur Fettmasse erhæht. Insgesamt sind die zirkulierenden Konzentrationen von TNF-a jedoch sehr niedrig, so dass vom Fettgewebe synthetisiertes TNF-a eher auto- und parakrine als systemische endokrine Wirkungen vermittelt. Die pathogenetische Rolle von TNF-a in der Entstehung der Insulinresistenz wurde erstmals an genetisch bedingt adipæsen Tiermodellen gezeigt, die vermehrt TNF-a exprimieren. Die assoziierte Insulinresistenz war durch Neutralisierung der TNFa-Spiegel mittels eines Antikærpers remittierbar (Hotamisligil et al. 1993). TNF-a beeinflusst die Genexpression in metabolisch wichtigen Geweben wie Leber und Fettgewebe (Ruan et al. 2002). Im Fettgewebe supprimiert TNF-a die Gene der Aufnahme und Speicherung von Fettsåuren und Glukose und hemmt die Expression der Transkriptionsfaktoren der Adipogenese, Lipogenese sowie auch verschiedener sezernierter Faktoren wie z. B. des Adiponectins. In der Leber supprimiert TNF-a die Expression von Genen, die an Glukoseaufnahme und -Metabolismus sowie an der Fettsåureoxidation beteiligt sind. Es stimuliert die de-novo-Synthese von Cholesterol und freien Fettsåuren. Auûerdem interferiert
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TNF-a mit Insulinsignalwegen, indem es die Phosphorylierung von IRS1 und IRS2 aktiviert und diese somit nicht mehr durch Insulin aktiviert werden kænnen. Indirekt trågt TNF-a çber eine Erhæhung der FFA im Plasma zur Insulinresistenz bei. TNF-a wirkt auûerdem lokal antagonistisch zum Insulin, indem es die GLUT4-Expression und damit die Glukoseaufnahme in die Zelle hemmt, und die Lipolyse stimuliert. Auf die Adipogenese hat TNF-a ebenfalls einen hemmenden Einfluss, so dass dieses Zytokin Bestandteil einer Art Feedback-Regulation sein kænnte. Mechanistisch beruht die assoziierte Insulinresistenz wahrscheinlich auf einer direkten Interaktion mit Signaltransduktionsmechanismen des Insulinrezeptors. Die Kinaseaktivitåt des Insulinrezeptors und die IRS-Phosphorylierung sowie die Aktivitåt von ¹Down-stream-Effektormolekçlenª sind vermindert (Hotamisligil u. Spiegelman 1994). Ebenso zeigen Tiermodelle mit TNF-a-Defizienz eine erhæhte Kinaseaktivitåt des Insulinrezeptors und eine verbesserte Insulinsensitivitåt (Miles et al. 1997). Neben TNF-a werden eine Vielzahl weiterer Zytokine vom Fettgewebe produziert, wie Il-6, Il-1, TGF-b, Il-4, Il-8, Il-18, M-CSF (¹macrophage colony-stimulating factorª), MIF (Makrophagen inhibierender Faktor), MIP (¹macrophage-inflammatory proteinª) etc. Viele dieser Zytokine erreichen keine endokrin wirksamen Konzentrationen. Fçr einige hingegen wurden bedeutsame lokale und periphere Wirkungen beschrieben. Das Interleukin Il-6 und sein Rezeptor werden ebenfalls in græûeren Mengen vom Fettgewebe produziert und erreichen Konzentrationen, die peripher wirksam sein kænnen. Sowohl die Expression im Fettgewebe wie auch die Plasmaspiegel von Il-6 korrelieren positiv mit Adipositas, Glukosetoleranzstærung und Insulinresistenz. Die periphere Administration von Il-6 induziert Hyperlipidåmie, Hyperglykåmie und Insulinresistenz in Tiermodellen und beim Menschen. Die negative Auswirkung auf die Insulinsensitivitåt erfolgt çber eine Expressionshemmung von Molekçlen der Signaltransduktionskaskade und Stimulation von ¹suppressor of cytokine signaling 3ª (SOCS-3), welches die Degradation von Signalinduktoren induziert. Auch die Adipogenese und die Expression von Adiponectin werden durch Il-6 direkt gehemmt. Als Hauptinduktor fçr die Synthese von C-reaktivem Protein (CRP) in der Leber kann Il-6 zu den erhæhten CRP-Spiegeln bei Adipositas beitragen. Zudem sind proatherosklerotische Wirkungen von
Il-6 auf die Aggregation von Thrombozyten und die Synthese von Adhåsionsmolekçlen an Endothelzellen bekannt. Insgesamt bestehen offenbar enge Wechselwirkungen zwischen Immunsystem und Fettgewebe. Durch die Produktion einer Vielzahl von Zytokinen und anderen Immunmediatoren kann das Fettgewebe zum proinflammatorischen Status bei Adipositas direkt beitragen und insbesondere Einfluss auf atherogene und inflammatorische Prozesse an der Gefåûwand haben, somit direkt Parameter des metabolischen Syndroms beeinflussen.
4.1.4.6 IGF-1 und Bindungsproteine Das IGF-1/IGFBP-3-System wird zu den Faktoren gerechnet, die insbesondere einen auto- und parakrinen Einfluss im Fettgewebe haben. Die IGF1-Expression und Sekretion verzehnfacht sich im Verlauf der Differenzierung von Adipozyten und erreicht Dimensionen nahe denen der in der Leber produzierten Wachstumsfaktoren. Da sich die Konzentration von IGFBP-3 hingegen ¹nurª verdoppelt, resultiert eine græûere Menge von freiem IGF-1, das lokal im Gewebe wirksam werden kann. Eine der Hauptfunktionen von IGF-1 fçr das Fettgewebe ist die Induktion und Stimulation von Proliferation und Differenzierung von Pråadipozyten. Klassische para- und autokrine Wirkmechanismen sind fçr IGF-1 in Pråadipozyten und Adipozyten nachgewiesen worden (Abschn. 4.1.4.9).
4.1.4.7 Steroide: Ústrogene, Androgene, Kortisol, Renin-Angiotensin-System Das Fettgewebe ist neben der Nebenniere das græûte Reservoir fçr Steroidhormone im Kærper (Hauner u. Wabitsch 2004). Es ist die Hauptquelle der Ústrogene beim Mann und in der Postmenopause bei der Frau. Die Konzentrationen an Sexualsteroiden erreichen hohe lokale Konzentrationen und kænnen damit autokrine biologische Effekte ausçben (Simpson 2000). Der lokale Steroidgehalt im Fettgewebe eines erwachsenen Menschen wird 40±400fach hæher geschåtzt als zirkulierende Plasmakonzentrationen (Deslypere et al. 1985). Diese Steroide werden im Fettgewebe oder dessen Stromafraktion durch die Expression von 13 Enzymen der Steroidogenese aus im Plasma zirkulierenden Substraten synthetisiert oder metabolisiert und spielen eine Rolle in der Pathogenese des metabolischen Syndroms (Belanger et al. 2002).
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
Tabelle 4.1.3. Steroidenzyme im Fettgewebe Enzym Aromatase
Substrat
Androstendion Testosteron 11b-HSD (Typ 1) Kortikosteron 17b-HSD Ústron Androstendion 17a-Hydroxylase Progesteron 5a-Reduktase Testosteron
Produkt Ústron Ústradiol Kortisol Ústradiol Testosteron 17a-OH-Progesteron Dihydrotestosteron
Wie bei anderen Fettgewebsfaktoren zeigt auch die Konzentration der lokalen Steroide einen Bezug zur Kærperfettmasse, jedoch spielt auch die Verteilung der Kærperfettmasse eine Rolle (Kissebah u. Krakower 1994).
4.1.4.7.1 Schlçsselenzyme der Steroidogenese Der Metabolismus und die Synthese von Steroiden im Fettgewebe ist geprågt durch die Aktivitåt von Schlçsselenzymen der Steroidogenese (Tabelle 4.1.3). Fettgewebsaromatase Durch die P450-Fettgewebsaromatase werden zirkulierende Androgene (Androstendion, Testosteron) in Ústrogene (Ústron, Ústradiol) umgewandelt. Die Aromatase wird vornehmlich von Stromazellen und Pråadipozyten exprimiert. Die Konversionsrate von Androgenen in Ústrogene steigt mit dem Lebensalter und dem Grad der Adipositas (Bulun u. Simpson 1994). Das klinische Korrelat dieser Umwandlung ist die ¹Feminisierungª von adipæsen Jungen oder Månnern, die eine (Pseudo)gynåkomastie entwickeln. Patienten mit Mutationen in der Fettgewebsaromatase entwickeln abdominelle Adipositas, Insulinresistenz, und Dyslipidåmie (Morishima et al. 1995). 17b-HSD Ústron ist ein deutlich schwåcher wirksames Ústrogen als Ústradiol. Die Expression von 17b-Hydroxysteroiddehydrogenase (17b-HSD) im Fettgewebe fçhrt zur Umwandlung von Ústron in Ústradiol bzw. von Androstendion in Testosteron (Folkerd u. James 1982). Sie sind das Substrat fçr die Fettgewebsaromatase und die Umwandlung in biologisch aktives Ústradiol. Dieses Enzym kann auch Kortikosteron in das aktivere Kortisol umsetzen. Diese Umwandlung wird mit der Zunahme an Fettgewebsmasse jedoch von der 11b-HSD çbernommen, die im Gegensatz zur 17b-HSD hauptsåchlich von reifen Adipozyten exprimiert wird.
11b-HSD (Typ 1) Ein weiteres wichtiges Enzym des Steroidmetabolismus ist die 11b-Hydroxysteroiddehydrogenase (11b-HSD), die zirkulierendes Kortison in biologisch wirksameres Kortisol metabolisiert. Mit der Zunahme an Fettgewebe steigt somit biologisch aktives Kortisol, was zum milden Hyperkortisolismus bei adipæsen Patienten beitragen kann. Experimentelle Tiermodelle mit erhæhter Expression der 11b-HSD im Fettgewebe zeigten phånotypisch eindrucksvoll Insulinresistenz und Diabetes mellitus. Da Kortisol auch ein wichtiger Faktor in der Adipogenese ist, kann die lokale Expression der 11b-HSD zur Lipogenese in der Differenzierung von Adipozyten beitragen. Weitere Enzyme Verschiedene andere Enzyme wurden im Fettgewebe identifiziert und tragen zum Steroidmetabolismus bei, wie die 5a-Reduktase, die Testosteron in die vielfach wirksamere Form des Dihydrotestosterons (DHT) umwandelt, oder 17a-Hydroxylase, ein Enzym fçr die initialen Schritte der Steroidbiosynthese (Belanger et al. 2002).
4.1.4.7.2 Lokale Effekte von Ústrogenen und Androgenen Im Fettgewebe und in der Leber werden sowohl Androgen- als auch Ústrogenrezeptoren exprimiert (Pedersen et al. 1996). Auf der Ebene der Adipozyten beeinflussen Androgene wahrscheinlich direkt die Lipidfreisetzung und die Lipidaufnahme çber spezifische Rezeptoren. Testosteron bewirkt eine vermehrte Expression von b-Adrenorezeptoren im Fettgewebe, çber welche die Lipolyse und damit die Freisetzung von freien Fettsåuren stimuliert werden kann (Xu et al. 1991). Testosteron hemmt auch die Aktivitåt der LPL und damit die Aufnahme von Lipiden in die Adipozyten. Testosteronsubstitution bei Månnern fçhrt ebenfalls zum erhæhten Lipid-Turnover (Marin et al. 1995). Øhnlich wie Androgene kann Ústradiol direkt die Lipidaufnahme çber eine Hemmung der LPL vermindern und andererseits eine Lipidmobilisierung çber die Stimulation der Lipolyse bewirken. Oophorektomie vermindert die Lipolyse im Fettgewebe (Darimont et al. 1997), und exogene Zufuhr von Ústrogenen vermindert die Fettsåuresynthese und erhæht die Lipolyse (Hansen et al. 1980). Der erhæhte Pool an freien Fettsåuren im portalen Kreislauf fçhrt zu verminderter hepatischer Insulinsensitivitåt und Dyslipidåmie.
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4.1.4.7.3 Renin-Angiotensin-System Nicht zuletzt kænnen im Fettgewebe die komplette Kaskade des Renin-Angiotensinogen-AldosteronSystems (RAS) sowie die entsprechenden Rezeptoren synthetisiert werden (Engeli et al. 2003). Diese unterliegen offenbar auch einer eigenståndigen Regulation, da z. B. die Expression von Angiotensinogen einen deutlichen Bezug zur Fettmasse und Fettzellgræûe hat. Ûber die Sekretion von biologisch wirksamem Angiotensinogen II kann das Fettgewebe in die Entstehung der Hypertonie und anderer Folgeerscheinungen direkt eingreifen. Angiotensin II erhæht den Gefåûtonus, stimuliert die Aldosteronsekretion aus der Nebenniere, stimuliert die Natrium- und Wasserrçckresorption in der Niere und fçhrt çber diese Mechanismen zur Erhæhung des Blutdruckes. Angiotensin II færdert auch Adipozytenwachstum und -differenzierung çber eine Stimulation der Lipogenese und Einfluss auf die Prostaglandinsynthese. Endokrine oder parakrine Faktoren aus dem Fettgewebe sind auch an der Regulation der Mineralokortikoidbiosynthese in der Nebenniere beteiligt, wie in Kokulturexperimenten gezeigt werden konnte (EhrhartBornstein et al. 2003). An weiteren direkten Wirkungen an der Zelle sind eine verminderte insulinstimulierte Glukoseaufnahme in die Zelle und eine gesteigerter Glukoneogenese und Glykogenolyse in der Leber durch Angiotensin II sowie die Stimulation der Expression proinflammatorischer Zytokine wie Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 (PAI-1) oder Il-6 bekannt. Entsprechend zeigen Måuse mit einer Ûberexpression von Angiotensinogen im Fettgewebe neben einem erhæhten Blutdruck eine erhæhte Fettmasse. Auch beim Menschen zeigen die Komponenten des RAS eine positive Korrelation mit Adipositas. Somit kænnen die Komponenten des RAS aus dem Fettgewebe eine autokrine, parakrine und endokrine Rolle in der Pathogenese von Adipositas und metabolischem Syndrom spielen (Engeli et al. 2003).
4.1.4.8 Komplementsystem und Gerinnungssystem Das Fettgewebe exprimiert mehrere Komplementfaktoren und auch Regulatoren des Gleichgewichts von Koagulation und Fibrinolyse. Einer der wichtigsten Inhibitoren der Fibrinolyse, PlasminogenAktivator-Inhibitor 1, wird in groûen Mengen von Adipozyten sezerniert. PAI-1 hemmt die TPA(¹tissue plasminogen activatorª)-induzierte Plasmino-
genaktivierung und scheint somit ein eigenståndiger Risikofaktor fçr thrombembolische Komplikationen zu sein. Die Plasma-PAI-1-Spiegel sind bei Adipositas und Insulinresistenz erhæht und zeigen eine positive Korrelation mit Parametern des metabolischen Syndroms (Juhan-Vague et al. 2003).
4.1.5 Spezielle autokrine und parakrine Regulationsmechanismen im Fettgewebe Funktionelle Aspekte des Fettgewebes werden nicht nur durch humorale metabolische Faktoren und Hormone reguliert, sondern auch durch Sekretionsprodukte des Fettgewebes selbst. Diese Sekretionsprodukte wirken insbesondere auf Proliferation und Adipogenese, teilweise auch auf metabolische Funktion des Fettgewebes und erlangen damit pathophysiologische Relevanz in der Entstehung von adipositasassoziierten Erkrankungen. Erste Hinweise auf parakrine Kontrollmechanismen entstammen In-vivo-Studien, die zeigten, das fettzellkonditionierte Medien die Proliferation von Pråadipozyten stimulieren (Lau et al. 1990) und dieser Effekt bei Adipozytenkulturen von adipæsen Patienten ausgeprågter erscheint als bei schlanken Menschen (Considine et al. 1996 a).
4.1.5.1 Faktoren mit Wirkung auf Proliferation und Differenzierung IGF-1 IGF-1 ist ein bekannter wichtiger trophischer Faktor fçr die Entwicklung des Fettgewebes. Der IGF1-Rezeptor wird auf Adipozyten exprimiert, und IGF-1 bewirkt çber diesen Rezeptor eine Stimulation der Pråadipozytenproliferation (Nougues et al. 1993). Auf der anderen Seite schçtzt IGF-1 die Adipozyten vor Apoptose çber die Aufrechterhaltung der Expression antiapoptotischer Proteine, wie Bcl-x (Fischer-Posovszky et al. 2004). Auch die IGF-Bindungs-Proteine sind von Bedeutung, da sie nicht nur den Transport und die Bioverfçgbarkeit von IGF-1 regulieren, sondern auch selbst als unabhångige Wachstumsfaktoren wirken kænnen (Rechler 1997). Insbesondere IGFBP-2 wird auch selbst von den Adipozyten exprimiert und sezerniert (Boney et al. 1994).
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4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
TGF-b Verschiedene Isoformen von TGF-b werden konstitutiv von Adipozyten-Pråkursorzellen exprimiert (Burt et al. 1992). In-vitro-Studien geben Hinweise, dass TGF-b im Fettgewebe als lokal produziertes Mitogen fungiert, das die Adipozytendifferenzierung hemmt. Diese Blockierung kænnte zum Teil çber eine Hemmung von Wachstumsfaktoren wie IGF-1 mediiert sein (Richardson et al. 1992). TNF-a Die Expression von TNF-a ist bei adipæsen Patienten erhæht (Hotamisligil et al. 1995), und auch der spezifische Rezeptor wird im Fettgewebe exprimiert (Hube et al. 1999). TNF-a scheint als lokaler Faktor negative Effekte auf die Adipozytendifferenzierung zu haben (Hube u. Hauner 1999). TNF-a scheint die Pråadipozytenzahl zu mindern und sowohl frçhe als auch spåte Stadien der Adipozytendifferenzierung zu hemmen (Warne 2003). Ûber TNFRezeptoren wird zudem die Apoptose von Adipozyten aktiviert (Fischer-Posovszky et al. 2004). Angiotensin II Nahezu alle Elemente der RAAS-Kaskade werden von Pråadipozyten exprimiert, inklusive der Angiotensin-II-Rezeptoren (Schling et al. 1999). Es ist damit anzunehmen, dass lokale autokrine und parakrine Interaktionen erfolgen. Die genaue Natur dieser Wirkungen ist jedoch bislang unklar. Ein proliferativer Effekt von Angiotensinogen auf Pråadipozyten, wie er z. B. fçr Endothelzellen oder Fibroblasten bekannt ist (Su et al. 1998), konnte im Fettgewebe bislang nicht bewiesen werden. Leptin Leptin, als klassisches Adipozytokin, kann indirekt çber parakrine Mechanismen ebenfalls die Expansion des Fettgewebes beeinflussen. Leptin stimuliert die Proliferation verschiedener Zellarten, insbesondere auch von Endothelzellen und stimuliert damit in vivo und in vitro die Angiogenese (Hausman et al. 2001).
4.1.5.2 Metabolische Interaktionen Leptin und Adiponectin Leptin, das erste klassiche Adipozytokin, greift in auto- und parakriner Weise in die metabolische Funktion reifer Adipozyten ein. Insbesondere werden verschiedene metabolische Wirkungen von Insulin an der Fettzelle gehemmt, wie der Glukosetransport, die Lipogenese und Hemmung der Lipo-
lyse oder die Aktivierung der Proteinsynthese (Muller et al. 1997). Insbesondere hæhere Leptinkonzentrationen, wie sie bei Adipositas zu finden sind, fçhrten auch direkt zu Verminderung der Insulinwirkung, z. B. çber verånderte Insulinrezeptorphosphorylierung oder Aktivitåt der MAP-Kinasen (Perez et al. 2004). Dies kann zur Pathophysiologie der Insulinresistenz bei Adipositas beitragen. Ûber direkte metabolische Wirkungen von Adiponectin im Fettgewebe gibt es wenige direkte Studien. Aus den bekannten Daten zur Wirkungsweise von Adiponectin, wie Verbesserung der Insulinsensitivitåt, Glukoseutilisation und Lipidmetabolismus låsst sich jedoch vermuten, dass auch Adiponectin direkt mit verschiedenen Adipozytenfunktionen interagiert. Im Knochen blockierte Adiponectin die Adipozytendifferenzierung und hemmte die Proliferation der Pråadipozyten im Sinne eines autokrinen Feedback-Loops (Yokota et al. 2002). TNF-a TNF-a interagiert auch mit metabolischen Funktionen der Fettzelle. So wird die Expression der Lipoprotein-Lipase und von FFA-Transportern, mæglicherweise auch von Enzymen der Lipogenese gehemmt (Warne 2003). Ûber eine Stimulation der hormonsensitiven Lipase wird die Lipolyse hingegen gesteigert. Diese Effekte scheinen çber die Tranksriptionsfaktoren C/EBP und PPAR-c mediiert zu werden (Zhang et al. 1996). Die insulinstimulierte Glukoseaufnahme wird çber die verminderte Expression von GLUT4 reguliert. Insgesamt zielen diese metabolischen Effekte auf eine Verschiebung der metabolischen Aktivitåt der Adipozyten weg von Triglyceridspeicherung und damit von Lipidakkumulation und Fettgewebsmasse (Sethi u. Hotamisligil 1999). Zudem hat TNF-a einen hemmenden Effekt auf die Leptinexpression. Ûber eine Interaktion mit der Insulin(rezeptor)-Signaltransduktionskaskade wirkt TNF-a andererseits verstårkend auf die Insulinresistenz von Adipozyten. Andere Zytokine, wie Il-6 und Il-1b scheinen ebenfalls die LPL-Aktivitåt zu hemmen, diese Effekte sind aber weniger gut charakterisiert (Hardardottir et al. 1994).
4.1.5.3 Endokrine Interaktionen Einige dieser Zytokine und Adipozytokine scheinen dabei auch lokal zu interagieren, so dass die Regulation der Adipozytenfunktion einem ganzen Netzwerk von interagierenden autokrinen und parakrinen Mediatoren unterliegt. So hemmt TNF-a
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signifikant die Expression und Sekretion von Leptin. Als weiteres Zytokin hat Il-6 einen regulatorischen Einfluss auf die Expression von adipozytenspezifischen Genen, wie Adiponectin, aP2 oder PPAR-c (Sopasakis et al. 2004). Auch Angiotensin II wirkt direkt hemmend auf die Leptinfreisetzung von Adipozyten (Cassis et al. 2004). Die Aktivitåt der 11b-HSD Typ 1a wird ebenfalls lokal durch Zytokine reguliert. TNF-a, Il-1b, Leptin und PPAR-c-Agonisten stimulieren die Expression, wohingegen IGF-1 einen hemmenden Effekt hat. Diese auto- bzw. parakrine Regulation erscheint gewebsspezifisch und kænnte eine Rolle in der Pathologie des lokalen Steroidmetabolismus im Fettgewebe spielen (Tomlinson et al. 2001).
4.1.6 Literatur Ahima RS, Flier JS (2000) Adipose tissue as an endocrine organ. Trends Endocrinol Metab 11: 327±332 Ahima RS, Prabakaran D, Mantzoros C, Qu D, Lowell B, Maratos-Flier E, Flier JS (1996) Role of leptin in the neuroendocrine response to fasting. Nature 382: 250±252 Ahima RS, Saper CB, Flier JS, Elmquist JK (2000) Leptin regulation of neuroendocrine systems. Front Neuroendocrinol 21: 263±307 Ailhaud G, Grimaldi P, Negrel R (1992) Cellular and molecular aspects of adipose tissue development. Annu Rev Nutr 12: 207±233 Allison DB, Kaprio J, Korkeila M, Koskenvuo M, Neale MC, Hayakawa K (1996) The heritability of body mass index among an international sample of monozygotic twins reared apart. Int J Obes Relat Metab Disord 20: 501±506 Allison DB, Fontaine KR, Manson JE, Stevens J, VanItallie TB (1999) Annual deaths attributable to obesity in the United States. JAMA 282: 1530±1538 Barroso I, Gurnell M, Crowley VE et al. (1999) Dominant negative mutations in human PPARgamma associated with severe insulin resistance, diabetes mellitus and hypertension. Nature 402: 880±883 Belanger C, Luu-The V, Dupont P, Tchernof A (2002) Adipose tissue intracrinology: potential importance of local androgen/estrogen metabolism in the regulation of adiposity. Horm Metab Res 34: 737±745 Bennett BD, Solar GP, Yuan JQ, Mathias J, Thomas GR, Matthews W (1996) A role for leptin and its cognate receptor in hematopoiesis. Curr Biol 6: 1170±1180 Berg AH, Combs TP, Du X, Brownlee M, Scherer PE (2001) The adipocyte-secreted protein Acrp30 enhances hepatic insulin action. Nat Med 7: 947±953 Boney CM, Moats-Staats BM, Stiles AD, D'Ercole AJ (1994) Expression of insulin-like growth factor-I (IGF-I) and IGF-binding proteins during adipogenesis. Endocrinology 135: 1863±1868 Bættner A, Kratzsch J, Mçller G et al. (2004) Gender differences of adiponectin levels develop during the progression of puberty and are related to serum androgen levels. J Clin Endocrinol Metab 89: 4053±4061
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a
4.1 Rolle von endokrinen und metabolischen Faktoren des Fettgewebes in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms
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443
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie Joachim Spranger, Uta Wegewitz und Andreas F. H. Pfeiffer
Inhaltsverzeichnis 4.2.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
445
4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2
Klinisches Bild und Epidemiologie . . . . . Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
445 445 447
4.2.3 4.2.3.1 4.2.3.2 4.2.3.2.1 4.2.3.2.2
Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . Intrazellulåre Signalwege . . . . . . Parakrine Faktoren . . . . . . . . . . Vascular Endothelial Growth Factor Fibroblast Growth Factor . . . . . .
447 447 448 449 449
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
4.2.3.2.3 Insulin-Like-Growth-Factor-System . . . . . . 450 4.2.3.2.4 Pigment Epithelium Derived Factor . . . . . 450 4.2.3.2.5 Transforming Growth Factor b . . . . . . . . 451 4.2.4 4.2.4.1 4.2.4.2 4.2.4.2.1 4.2.4.2.2
Therapieoptionen . . . . . . . . . Klassische Therapie . . . . . . . . Experimentelle Therapieoptionen Somatostatinanaloga . . . . . . . . Lokale Therapien . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
4.2.5
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
4.2.1 Einleitung
4.2.2 Klinisches Bild und Epidemiologie
Die diabetische Retinopathie ist neben der Makuladegeneration eine der håufigsten Erblindungsursachen in Industrienationen. Sie ist durch zunehmende Verånderungen des retinalen Gefåûsystems mit den Charakteristika einer verminderten retinalen Perfusion, einer erhæhten Gefåûpermeabilitåt und pathologischen intraokularen Proliferationen von fehlerhaften Gefåûen gekennzeichnet. Insbesondere die Komplikationen im Rahmen der gesteigerten Gefåûpermeabilitåt und Gefåûneubildungen der Netzhaut kænnen zu schwersten Sehstærungen bis hin zur Erblindung fçhren. Eine gute Kontrolle des Blutzuckers und eines håufig begleitenden arteriellen Hypertonus sowie eine rechtzeitige Laserkoagulation sind gesicherte therapeutische Optionen. Ein Groûteil der Erblindungen im Rahmen einer diabetischen Retinopathie wåre durch einen konsequenten Einsatz der existierenden Therapieoptionen vermeidbar (Aiello et al. 1998). In diesem Kapitel soll die Pathogenese und insbesondere die Bedeutung von parakrinen Faktoren bei der Entstehung der diabetischen Retinopathie herausgearbeitet und die darauf basierenden neuen Therapiemæglichkeiten dargestellt werden.
4.2.2.1 Klinisches Bild
. . . . .
. . . . .
451 451 452 453 453
Im Vergleich zum gesunden Augenhintergrund wird zwischen nichtproliferativer (NPDR, Abb. 4.2.1) und proliferativer diabetischer Retinopathie (PDR, Abb. 4.2.2) unterschieden. Die nichtproliferative Retinopathie wird je nach Vorhandensein spezifischer morphologischer Verånderungen als mild, moderat oder schwer klassifiziert. Diese Einteilung ist von prognostischer Bedeutung. Ungefåhr 45% der Patienten mit schwerer nichtproliferativer Retinopathie entwickeln innerhalb eines Jahres und 70% innerhalb der nåchsten 5 Jahre eine proliferative Retinopathie. Bei Patienten mit milder NPDR ist das entsprechende Risiko deutlich geringer. Von diesen Patienten bekommen 1% innerhalb eines Jahres und ca. 16% innerhalb von 5 Jahren eine proliferative diabetische Retinopathie (Aiello et al. 1998). Wåhrend die milde NPDR durch kleine Gefåûaussackungen, genannt Mikroaneurysmen, charakterisiert ist, kommen bei der moderaten Form bereits einzelne intraretinale Blutungen sowie perlschnurartige Venenwandverånderungen als Zeichen der schon deutlich gestærten Gefåûarchitektur und Funktion hinzu. Bei der schweren NPDR finden sich zahlreiche Mikroaneurysmen, intraretinale Blutungen in vier QuadranGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
446
J. Spranger et al.
Abb. 4.2.2. Patient mit Diabetes mellitus. Papillenproliferation bei proliferativer diabetischer Retinopathie. Wenn keine Glaskærperblutungen oder Netzhautablæsungen entstehen, kænnen die Proliferationen lange Zeit asymptomatisch sein. (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. H. Heimann, Augenklinik der Charit-Universitåtsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin)
Abb. 4.2.1 a, b. Fundus eines Patienten mit milder nichtproliferativer diabetischer Retinopathie. a Konventionelle Funduskopie, b Fluoreszenzangiographie. Vereinzelt punkt- und streifenfærmige retinale Blutungen und Cotton-wool-Herde. (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. H. Heimann, Augenklinik der Charit-Universitåtsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin)
ten oder perlschnurartige Venen in zwei Quadranten oder sog. intraretinale mikrovaskulåre Anomalien in einem Quadranten (4-2-1-Regel). Die Prognose der proliferativen Retinopathie wird im Wesentlichen durch Lokalisation und Schwere der vorhandenen Verånderungen bestimmt. Papillenproliferationen, ausgeprågte Gefåûproliferationen und Glaskærpereinblutungen sind Risikomarker fçr einen Visusverlust. 25% der Patienten mit derartigen Verånderungen haben innerhalb der nåchsten 2 Jahre einen weitgehenden Visusverlust im Vergleich zu 7% der Patienten mit kleinen, peripheren Neovaskularisationen (Aiello et al. 1998). Der schwere Verlauf einer proliferativen diabetischen Retinopathie mit Gefåûneubildungen im Bereich der Augenvorderkammer wird als Rubeosis iridis bezeichnet. Dieses sehr
schmerzhafte Sekundårglaukom kann letztlich håufig nur noch durch eine Enukleation des betroffenen Auges beherrscht werden. Bei der diabetischen Makulopathie werden das sog. fokale und diffuse Makulaædem und die ischåmische Makulopathie unterschieden. Diese Unterscheidung ist von therapeutischer Bedeutung, da das fokale und mæglicherweise auch das diffuse Makulaædem durch eine Lasertherapie verbessert werden kænnen, wåhrend die Laserkoagulation bei der ischåmischen Makulopathie kontraindiziert ist und zu einer gravierenden Verschlechterung des Visus fçhren kann. Das fokale Makulaædem ist durch umschriebene Údemzonen kombiniert mit intraretinalen Blutungen und harten Exsudaten gekennzeichnet, wåhrend das diffuse Makulaædem durch ein Údem und harte Exsudate im Bereich des gesamten hinteren Augenpols charakterisiert ist. Es kommt zu einer massiven Stærung der BlutRetina-Schranke mit deutlicher Visusverschlechterung. Die ischåmische Makulopathie ist durch massive Perfusionsausfålle im Bereich der Fovea gekennzeichnet. Die Diagnose ist fçhrend durch eine Fluoreszenzangiographie zu stellen und mit einer schlechten Prognose bezçglich des Visus assoziiert.
a
4.2.2.2 Epidemiologie Insgesamt sind in Deutschland ca. 6 Millionen Menschen an einem Diabetes mellitus erkrankt, wobei ein erheblicher Teil (> 50%) dieser Menschen nichts von seiner Erkrankung weiû. Der græûte Teil der Patienten mit diabetischer Retinopathie leidet an einem Typ-2-Diabetes, was allerdings allein darin begrçndet ist, dass der Typ2-Diabetes insgesamt sehr viel håufiger ist als ein Typ-1-Diabetes. Entsprechend der sehr hohen Pråvalenz von Patienten mit vorliegendem, aber bislang nicht identifiziertem Typ-2-Diabetes liegt bei ca. 36% der Patienten mit Typ-2-Diabetes bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine diabetische Retinopathie vor (UKPDS-Group 1998 a). Bis zu 30% der Patienten mit Typ-2-Diabetes entwickeln nach 15- bis 20-jåhriger Diabetesdauer eine proliferative diabetische Retinopathie (Klein et al. 1984). Ein klinisch signifikantes Makulaædem findet sich bei ca. 25% der Patienten nach 15-jåhriger Diabetesdauer. Das Risiko zu erblinden ist fçr einen Patienten mit Diabetes mellitus etwa 5fach hæher als in der nichtdiabetischen Bevælkerung. Aufgrund eines Diabetes mellitus erblinden in Deutschland derzeit insgesamt ca. 1700 Patienten pro Jahr. Obwohl bezçglich der Øtiologie Gemeinsamkeiten zwischen Nephropathie und Retinopathie bestehen, zeigen klinische und epidemiologische Daten, dass zumindest im Detail erhebliche Unterschiede in der Pathogenese bestehen dçrften. Trotzdem stehen diese Komplikationen insoweit im Verhåltnis zueinander, als dass das Auftreten der einen Komplikation als Risikofaktor fçr das Auftreten der jeweils anderen Komplikation gewertet werden muss. So haben Patienten mit bestehender diabetischer Nephropathie in ca. 90% der Fålle auch eine diabetische Retinopathie, und Patienten mit Mikroalbuminurie haben in ca. 5% der Fålle gleichzeitig eine proliferative diabetische Retinopathie (Gall et al. 1991). Eine neu aufgetretene Proteinurie gilt als erheblicher Risikofaktor fçr die Entstehung einer proliferativen diabetischen Retinopathie. Es ist daher dringend erforderlich, einen Patienten mit diabetischer Nephropathie, und insbesondere mit neu aufgetretener Proteinurie, augenårztlich betreuen zu lassen.
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie
4.2.3 Pathogenese Gesicherte pathogenetische Faktoren fçr die diabetische Retinopathie sind die chronische Hyperglykåmie und der arterielle Hypertonus (UKPDSGroup 1998 a, b). Ein hoher systolischer Blutdruck wurde insbesondere mit der Entstehung der Retinopathie assoziiert, wåhrend ein hoher diastolischer Blutdruck das Risiko fçr eine Progression einer bestehenden Retinopathie erhæht.
4.2.3.1 Intrazellulåre Signalwege Infolge der chronischen Erhæhung des Blutzuckers kommt es zu spezifischen biochemischen Verånderungen. Derzeit werden im Wesentlichen fçnf Hypothesen diskutiert, wie ein hoher Blutzucker mit der Entstehung einer diabetischen Retinopathie verknçpft sein kænnte (Abb. 4.2.3). Gesteigerter Flux im Polyol-Signalweg. Bei dauerhafter Hyperglykåmie wird Glukose durch die Aldosereduktase zu Sorbitol reduziert. Im Weiteren wird Sorbitol durch die Sorbitoldehydrogenase zu Fruktose oxidiert, wobei NAD+ zu NADH reduziert wird (Brownlee 2001). Ein durch die erhæhten Sorbitolkonzentrationen verursachter verstårkter osmotischer Stress soll zu osmotischen Gefåûschåden fçhren, NO in Endothelzellen vermindern, das zellulåre Redoxgleichgewicht verschieben und auf diesem Wege Gefåûkomplikationen verursachen (Sheetz u. King 2002).
Chronische Hypergykåmie ; Spezifische biochemische Verånderungen: Advanced glycation endproducts Aktivierung der Proteinkinase C Oxidativer Stress ; Verånderte Expression von Wachstumsfaktoren Vascular endothelial growth factor Pigment epithelium derived factor Insulin-like growth factor Transforming growth factor b ; Funktionelle und strukturelle Gefåûverånderungen Retinale Neovaskularisation Abb. 4.2.3. Schematische Darstellung der Pathogenese der diabetischen Retinopathie
447
448
J. Spranger et al.
Advanced Glycation End Products (AGE). Bei einem erhæhten Glukosespiegel kommt es zur verstårkten nichtenzymatischen Reaktion zwischen Glukose und Aminogruppen von Proteinen, Lipiden und DNA. In der Summe bilden sich im Rahmen einer Amadori-Reaktion stabile Glykierungsprodukte, genannt Advanced glycation end products (AGE) (Brownlee et al. 1988). Diese kænnen an einen spezifischen Rezeptor binden (RAGE) und auf diesem Wege eine Kaskade von unterschiedlichsten Reaktionen in verschiedenen Geweben auslæsen. So kommt es zu einer vermehrten Produktion von oxidativen Spezies, einer Aktivierung des AMPK(AMP-activated protein kinase)-Signal-Weges und verånderten Expressionsmustern von diversen Zytokinen wie TNF-a (Transforming growth factor a) oder Endothelin-1 (Brownlee et al. 1988; Brownlee 2001; Singh et al. 2001). Aktivierung der Proteinkinase C (PKC). Ein intrazellulårer Glukoseanstieg kann çber eine vermehrte Synthese von Diacylglycerol zu einer Aktivierung der PKC-b fçhren (Frank 2002). Diese PKC-Aktivierung ist erneut mit einer komplexen intrazellulåren Antwort verbunden, wobei insbesondere eine vermehrte Generierung von oxidativen Substraten eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Als Endstrecke sind verschiedene Zytokine wie TGF-b oder Vascular endothelial growth factor (VEGF) differentiell reguliert (Koya et al. 1997; Williams et al. 1997). Eine Vielzahl von Studien konnte zeigen, dass eine spezifische Hemmung der PKC-b in Tiermodellen zu einem verminderten Auftreten der diabetischen Retinopathie fçhrt (Aiello et al. 1997; Bursell et al. 1997; Way et al. 2001). Studien am Menschen blieben bislang allerdings noch ohne eindeutiges Ergebnis (Milton et al. 2003; Campochiaro 2004). Hexosamin-Signalweg. Im Rahmen einer Glukoseçberladung kommt es zur vermehrten Bildung von Fruktose-6-Phosphat, welches verstårkt in den Hexosamin-Signalweg eintreten kann. Dies fçhrt zu einer Akkumulation von UDP-N-acetylglukosamin, welches wiederum als Substrat fçr die Glykosylierung von Transkriptionsfaktoren wie Sp-1 dient. Im Ergebnis werden zirkulierende Faktoren wie PAI-1 oder auch Zytokine wie TGF-b in ihrer Expression veråndert und vermitteln dadurch die Entstehung mikrovaskulårer Komplikationen (Brownlee 2001). Oxidativer Stress. Dass eine vermehrte Akkumulation von oxidativen Substraten an der Entstehung
von diabetischen Komplikationen beteiligt ist, wird bereits seit langem diskutiert (Sheetz and King 2002). Interessanterweise wurde kçrzlich gezeigt, dass die oben genannten Signalwege alle durch eine Verminderung des oxidativen Stresses in Endothelzellen positiv beeinflusst werden kænnen. Insbesondere die Produktion von Superoxid scheint eine zentrale Rolle zu spielen. Eine Hemmung der mitochondrialen Produktion von Superoxid war assoziiert mit einer verminderten Aktivierung der PKC, vermindertem Auftreten von AGE sowie einem verminderten Flux in den Polyol- und Hexosamin-Signalweg (Nishikawa et al. 2000).
4.2.3.2 Parakrine Faktoren Aufgrund der anatomischen Besonderheiten des Auges wie der sehr fein balancierten Gefåûsituation und der Blut-Retina-Schranke, die physiologischerweise einen Ûbertritt von Substanzen aus der Zirkulation in das Auge weitgehend verhindert, ergeben sich hinsichtlich der Entstehung einer Retinopathie deutliche Unterschiede im Vergleich zur diabetischen Nephropathie. Initial kommt es zu einer nachhaltigen Stærung der Blut-Retina-Schranke und zu einem Kapillarverlust, was einen relativen Sauerstoffmangel der Retina zur Folge hat. Dies fçhrt zu einer retinalen Gegenregulation und zur Bildung von angiogenen Wachstumsfaktoren, insbesondere Vascular endothelial growth factor (VEGF) (Aiello et al. 1994), und zum entsprechenden Verlust antiangiogener Wachstumsfaktoren, wie z. B. Pigment epithelium derived factor (PEDF) (Spranger et al. 2001), der normalerweise in relativ hohen Konzentrationen im Auge vorliegt. Gleichzeitig treten aus der Zirkulation vermehrt Insulin-like growth factor 1 und 2 çber, die die Ausbildung neuer Gefåûe zusåtzlich færdern (Spranger et al. 2000 a). Weitere Faktoren wie Hepatocyte growth factor oder Endothelin-1 werden ebenfalls differentiell reguliert und sind vermutlich auch an der Entstehung der diabetischen Retinopathie beteiligt. Durch diese Verschiebung der normalerweise sehr ausgeglichenen Balance zwischen angiogenen und antiangiogenen Wachstumsfaktoren kommt es letztlich zur Gefåûproliferation mit einem massiv erhæhten Blutungsrisiko und der Gefahr einer Netzhautablæsung mit schwerwiegendem Visusverlust (Schema siehe Abb. 4.2.4). Die Regulation von zentralen parakrinen Faktoren wird im Folgenden genauer dargestellt.
a
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie
Abb. 4.2.4. Schematische Darstellung der Entstehung von retinalen Proliferationen: Im Rahmen einer retinalen Hypoxie kommt es zu einer Imbalance zwischen angiogenen und antiangiogenen Faktoren zugunsten der angiogenen Zytokine wie z. B. VEGF. PEDF: Pigment epithelium derived factor; VEGF: Vascular endothelial growth factor
4.2.3.2.1 Vascular Endothelial Growth Factor
4.2.3.2.2 Fibroblast Growth Factor
VEGF stimuliert die Proliferation von Endothelzellen und læst in vivo eine Angiogenese aus (Ferrara 1999). Zusåtzlich fçhrt VEGF zu einer massiven Steigerung der Durchlåssigkeit von Kapillaren, wobei die Wirksamkeit ca. 1000fach stårker ist als die von Histamin. In Anwesenheit von VEGF kommt es zum Abbau der Basalmembran von Blutgefåûen und zu einer verstårkten Migration von Endothelzellen (Witmer et al. 2003). Dies geht mit einer gesteigerten Expression von Matrixmetalloproteasen einher, die dann am Abbau der Basalmembran und des umgebenden Gewebes beteiligt sind. Der wesentliche Regulator der VEGF-Expression ist eine Gewebshypoxie (Shweiki et al. 1992; Witmer et al. 2003). Hierunter kommt es zu einer gesteigerten Verfçgbarkeit des ¹hypoxia-inducible factor 1aª (HNF-1a), der an den VEGF-Promotor bindet und die Transkription dadurch steigert (Witmer et al. 2003). Im Auge wird VEGF vermutlich von verschiedenen Zellen exprimiert, wobei die Hauptsynthese in den retinalen Endothelzellen stattfinden dçrfte. Unter hypoxischen Bedingungen werden sowohl im Tiermodell als auch beim Menschen erhæhte Spiegel von VEGF im Auge gefunden (Aiello et al. 1994; Spranger et al. 2000 b). Die zentrale Bedeutung von VEGF bei proliferativen Augenerkrankungen zeigen vor allem Studien mit Antagonisten des VEGF-Systems. So konnte sowohl durch gentherapeutische Hemmung der intraokularen VEGF-Expression als auch durch VEGF-Rezeptor-Antagonisten die Proliferation von Gefåûen in hypoxischen Tiermodellen unterdrçckt werden (Aiello et al. 1995; Robinson et al. 1996; Bainbridge et al. 2002). Einige VEGF-Antagonisten werden derzeit in klinischen Studien untersucht, was in Abschn. 4.2.4 ausfçhrlicher geschildert wird.
Die Fibroblast-growth-factor(FGF)-Familie besteht aus mehreren Wachstumsfaktoren, die sich durch eine 30±50%ige Sequenzhomologie auf Aminosåureebene, zwei hochkonservierte Cysteinbereiche sowie eine spezifische Bindung an definierte extrazellulåre Rezeptoren auszeichnen. FGF sind pluripotente Wachstumsfaktoren, die an den verschiedenen Aspekten der Zellproliferation und -differenzierung sowohl beim physiologischen, als auch beim malignen Wachstum beteiligt sind (Hearn 1991). Sowohl acidic FGF (aFGF) als auch basic FGF (bFGF) wirken angioneogenetisch im CAM(Chorio-Allantois-Membran)- und CorneaBioassay (Shing et al. 1985). Sie stimulieren die Ausbildung von Granulationsgewebe und das Einwachsen weit dilatierter Blutgefåûe in Polyvinylschwåmme, die Ratten zuvor implantiert wurden (Davidson et al. 1985). Die genannten In-vivo-Eigenschaften korrelieren sehr gut mit den Ergebnissen bisheriger In-vitro-Versuche (Thomas 1987). bFGF wirkt mitogen und chemotaktisch auf Endothelzellen, es stimuliert die Synthese von Kollagenase und Proteinasen durch Endothelzellen und induziert in einem dreidimensionalen Kollagengel die Ausbildung gefåûåhnlicher Ræhren durch kapillåre Endothelzellen (Montesano et al. 1986). Schon 1980 wurde in Retinaextrakten ein Wachstumsfaktor mit mitogener Wirkung auf endotheliale Zellen beschrieben, damals ¹retina-derived growth factorª (RDGF) genannt (Glaser et al. 1980). Wenig spåter konnte gezeigt werden, dass dieses Protein mit bFGF identisch ist und von endothelialen Zellen produziert werden kann (Baird et al. 1985 a, b; Bensaid et al. 1989). Erhæhte Glukosekonzentrationen bewirken andererseits in bovinen Endothelzellen eine nichtenzymatische Glyko-
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sylierung von bFGF, reduzieren dadurch dessen Affinitåt zu Heparin und vermindern damit die Aktivitåt von bFGF (Giardino et al. 1994). Patienten mit diabetischer Retinopathie haben hohe Konzentrationen an aFGF in pråretinalen Membranen und an bFGF in der Basalmembran von neugebildeten Kapillaren (Fredj-Reygrobellet et al. 1991; Hanneken et al. 1991). Im Glaskærper von Diabetespatienten wurden erhæhte bFGF-Konzentrationen gegençber Kontrollen beschrieben (Baird et al. 1985 a, b; Sivalingam et al. 1990). Ob die geschilderten Verånderungen diabetesspezifisch oder primår auf die retinale Hypoxie im Rahmen der proliferativen diabetischen Retinopathie zurçckzufçhren sind, ist bislang nicht abschlieûend geklårt. Sharp spekulierte schon Mitte der 90er Jahre, dass bei der Entstehung einer proliferativen diabetischen Retinopathie sogar eine insgesamt reduzierte FGF-Aktivitåt vorliegen kænnte und dass dieser Verlust fçr den Untergang von Perizyten und kapillåren Endothelzellen bei der proliferativen diabetischen Retinopathie bedeutsam ist (Sharp 1995).
4.2.3.2.3 Insulin-Like-Growth-Factor-System Eine mæglicherweise VEGF-vermittelte Permeabilitåtssteigerung retinaler Gefåûe scheint ein wichtiger pathogenetischer Fator zu sein, da es hierdurch zu einem gesteigerten Influx von Plasmafaktoren kommen kann. Insbesondere kænnen hierdurch vermehrt angiogene Wachstumsfaktoren wie IGF-1 in den Glaskærper diffundieren und auf diesem Wege retinale Proliferationen verursachen (Spranger et al. 2000 a). IGF-1 ist ein angiogener Faktor, der wiederum selbst die VEGF-Expression beeinflussen kann. Nur ein kleiner Teil des IGF-1 ist frei zirkulierend, der Groûteil ist jedoch an sog. IGF-Bindungs-Proteine gebunden, von denen derzeit sechs bekannt sind. Hinweise, dass das IGFSystem eine wichtige Rolle bei der Entstehung der proliferativen diabetischen Retinopathie spielt, ergaben sich bereits 1953 durch einen Fallbericht, in dem von einer Patientin mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus 1 und fortgeschrittener diabetischer Retinopathie berichtet wurde, bei der es nach einer postpartalen Infarzierung der Hypophyse zu einer deutlichen Besserung der retinalen Situation kam (Poulsen 1953). In der Folge konnte gezeigt werden, dass sich eine Hypophysektomie positiv auf eine proliferative diabetische Retinopathie auswirkt. Dies beståtigte sich auch in einer Langzeitbeobachtung bei çber 100 Patienten (Sharp et al. 1987). Zusåtzlich beobachtete man,
dass niedrige Spiegel des Effektorhormones IGF-1, z. B. bei Laron-Zwergen, zu einer verringerten Inzidenz von proliferativer Retinopathie bei Patienten mit Diabetes mellitus fçhrt (Merimee 1990). Interessanterweise kommt es im Rahmen einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung bei schlecht eingestellten Diabetespatienten zu einer Verschlechterung der Retinopathie, bevor auch diese sich stabilisiert oder sogar verbessert (DCCT-Research Group 1993). Diese Verschlechterung geht mit initial erhæhten systemischen IGF1-Spiegeln konform (Hyer et al. 1989 b). Eine Senkung der systemischen IGF-1-Spiegel stellt damit einen durchaus vielversprechenden therapeutischen Ansatz dar. In tierexperimentellen Studien konnte sowohl durch Blockade des IGF-1-Rezeptors als auch durch Somatostatinanaloga ein positiver Effekt gezeigt werden (Smith et al. 1997, 1999). Klinische Studien sind allerdings zum Teil widersprçchlich. So konnte in der Mehrzahl der Studien eher kein Zusammenhang zwischen zirkulierenden IGF-1-Spiegeln und dem Ausmaû der Retinopathie gefunden werden. Auch zwischen zirkulierenden IGF-1-Spiegeln und freiem IGF-1 im Auge wurde keine direkte Korrelation gefunden. Neben der Diffusion von zirkulierendem IGF-1 ins Auge gibt es zusåtzlich auch im Auge selbst eine IGF-1-Expression, die jedoch bei Diabetespatienten vermutlich nur marginal zu den intraokulåren Gesamtspiegeln beitrågt. Aufgrund der frçhen klinischen Daten, wonach es nach Hypophysektomie zu einer Verbesserung einer diabetischen Retinopathie kommen kann und die Beteiligung der Wachstumshormon(GH)-IGF-1-Achse hierbei sehr wahrscheinlich ist, wurde eine Vielzahl von klinischen Studien mit Somatostatinanaloga durchgefçhrt. Diese werden in Abschn. 4.2.4.2.1 ausfçhrlicher besprochen (siehe auch Tabelle 4.2.1).
4.2.3.2.4 Pigment Epithelium Derived Factor PEDF ist der stårkste derzeit bekannte antiangiogene Faktor im Auge (Dawson et al. 1999). Neben der antiangiogenen Wirkung konnte gezeigt werden, dass PEDF neuroprotektiv wirkt, weiterhin scheint es eine wichtige Rolle bei der Differenzierung der Netzhaut zu spielen. PEDF wird im Auge çberwiegend durch retinale Pigmentzellen synthetisiert. Es hemmt die Gefåûneubildung durch eine FAS-abhångige Apoptose-Induktion, wåhrend die neuroprotektiven Effekte scheinbar eher durch eine PEDF-induzierte Aktivierung des nukleåren Faktors jB (NF-jB) vermittelt werden (Stellmach et al. 2001). Auch die Expression von PEDF wird ver-
a mutlich çberwiegend durch den intraokularen Sauerstoffdruck gesteuert, wobei es im Rahmen einer Hypoxie zu einem Verlust von PEDF kommt, was dann konsequenterweise die Entstehung von Gefåûproliferationen færdert. Bei tierexperimentellen Studien wurde gezeigt, dass im ROP-Modell (¹retinopathy of prematuryª) Gefåûproliferationen durch systemische oder lokale Applikation von PEDF weitgehend unterdrçckt werden kænnen, nachdem diese im Rahmen der vorher induzierten Hypoxie vermindert waren (Dawson et al. 1999; Stellmach et al. 2001). Beim Menschen konnten bei Patienten mit proliferativer diabetischer Retinopathie erniedrigte PEDF-Spiegel nachgewiesen werden, wobei Patienten mit Background-Retinopathie scheinbar unverånderte PEDF-Spiegel haben (Spranger et al. 2001). In einer prospektiven Studie wurde ein erniedrigter PEDF-Spiegel im Vorderkammerwasser als Risikofaktor fçr das Auftreten einer proliferativen diabetischen Retinopathie identifiziert (Boehm et al. 2003). Aufgrund seiner effizienten antiangiogenen Eigenschaften wird die systemische oder lokale Applikation von PEDF als Therapeutikum derzeit untersucht.
4.2.3.2.5 Transforming Growth Factor b Durch einen Influx von Protease-Inhibitoren aus dem Serum in den Glaskærper kann es zu einer verminderten Aktivierung von Angioneogenese-Inhibitoren kommen. Ein derartiger Mechanismus kænnte bezçglich des Wachstumsfaktors Transforming growth factor b (TGF-b) eine Rolle spielen (Pfeiffer et al. 1997). Es sind verschiedene Subtypen von TGF-b bekannt, die eine 70±80%ige Homologie der Aminosåuresequenz besitzen. Weitere Mitglieder der TGF-b-Superfamilie sind Aktivine, Inhibine und ¹bone morphogenic proteinsª (BMP), die allerdings eine insgesamt niedrigere Sequenzhomologie von 30±40% zeigen. Alle TGF-b-Subtypen werden als Teil eines långeren Pråkursors synthetisiert und in einer latenten biologisch inaktiven Form sezerniert. Im Pråkursor befindet sich C-terminal das eigentliche, biologisch aktive TGF-b, wåhrend das N-terminale Stçck des Pråkursors das 40 kDa schwere ¹TGF-b latency associated peptidª (TGF-b-LAP) bildet. TGF-b kann enzymatisch durch Proteasen wie Plasmin, Cathepsin D (Lyons et al. 1990), verschiedene Glykosidasen (Miyazono u. Heldin 1989) sowie chemisch durch Azidifizierung, Alkalinisierung oder Hitze aus L-TGF-b freigesetzt und damit aktiviert werden (Pircher et al. 1984; Brown et al. 1990). Obwohl viele Aktivierungsmæglichkeiten bekannt
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie
sind, ist bis heute nicht klar, welcher Mechanismus in vivo relevant ist. Fçr die Lokalisierung und Regulation der Effekte von TGF-b ist der Vorgang der Aktivierung aber zweifelsohne von zentraler Bedeutung. Funktionell bedeutsam scheint die Beobachtung zu sein, dass eine Kokultur von Endothelzellen mit glatten Muskelzellen oder Perizyten zu einer Aktivierung des von den Endothelzellen sezernierten latenten TGF-b fçhrt (Antonelli-Orlidge et al. 1989; Sato and Rifkin 1989). Ein vergleichbarer Steuermechanismus in vivo wird diskutiert. Die beobachteten Effekte sind unabhångig von der Herkunft der endothelialen Zellen. Aortale und kapillåre Endothelzellen haben ein vergleichbares Reaktionsmuster, wobei TGF-b1 eine 100fach hæhere Aktivitåt als TGF-b2 zeigte (Jennings et al. 1988). Patienten mit proliferativer diabetischer Retinopathie haben tatsåchlich eine hochsignifikant verminderte Glaskærperkonzentration von aktivem TGF-b. Latente TGF-b-Spiegel zeigten keine Verånderungen zur Kontrollgruppe, so dass vermutlich eine postsekretorische Regulation vorliegt. Ein wesentlicher Aktivator von latentem TGF-b ist Plasmin. Der Einstrom von Protease-Inhibitoren wie a2-Antiplasmin verursacht eine irreversible Hemmung der intraokularen Plasminaktivitåt und reduziert dadurch die Aktivierung des endothelialen Antimitogens TGF-b (Pfeiffer et al. 1997; Spranger et al. 1999). Eine verminderte Konzentration an aktivem TGF-b kænnte die Stimulation einer retinalen Angioneogenese direkt durch eine verminderte Hemmung der Endothelzellproliferation, oder indirekt durch eine Disinhibition der FGF-Aktivitåt verursachen.
4.2.4 Therapieoptionen 4.2.4.1 Klassische Therapie Wie auch bei der diabetischen Nephropathie ist die wirksamste Pråvention der diabetischen Retinopathie durch eine normnahe Einstellung des Blutzuckers und des Blutdrucks zu erreichen. Eine Verbesserung des HbA1c um 2% fçhrte bei Patienten mit Typ-1-Diabetes zu einer Reduktion der Retinopathie-Inzidenz um 76%. Die Progression einer bestehenden Retinopathie kann durch Intensivierung der Blutzuckereinstellung um 54% vermindert werden (DCCT-ResearchGroup 1993). Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes fçhrte eine Senkung um 0,9% zu einer Reduktion der Pro-
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gression einer bestehenden Retinopathie um 21%, wobei bei çber 30% der Patienten mit Typ-2-Diabetes bereits eine Retinopathie zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bestand (UKPDS-Group 1998 a). Zumindest bei Typ-1-Diabetes-Patienten kann es durch eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung zu einer vorçbergehenden Progression der Retinopathie kommen. Der Patient muss daher gerade in der Phase der Blutzuckerintensivierung engmaschig augenårztlich betreut werden, gegebenenfalls sollte frçhzeitig eine begleitende augenårztliche Therapie eingeleitet werden. Diese sog. ¹frçhe Verschlechterungª ist keinesfalls ein Grund fçr die Unterlassung der Blutzuckerverbesserung. Es gibt derzeit keinen eindeutigen Hinweis, dass die Geschwindigkeit der Blutzuckersenkung zu diesem Phånomen beitrågt, d. h. dass eine langsame Blutzuckersenkung eine frçhe Verschlechterung verhindern kann (DCCT-Research Group 1998). Unbestritten kann aber langfristig eine verbesserte Blutzuckereinstellung sowohl bei Patienten mit Typ-1-Diabetes als auch bei Patienten mit Typ2-Diabetes mellitus das Auftreten einer Retinopathie reduzieren bzw. das Fortschreiten einer bestehenden Retinopathie verhindern. Bei Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes wird durch die Verbesserung der Blutdruckeinstellung eine verminderte Progression der diabetischen Retinopathie erreicht. So konnte bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durch eine Absenkung des Blutdrucks von 154/87 auf 144/82 die Progression einer bestehenden Retinopathie um 34% und eine Visusverschlechterung um 47% vermindert werden. Die Progression der diabetischen Retinopathie ist abhångig vom Blutdruck, sie ist jedoch unabhångig davon, ob der Blutdruck durch b-Blocker oder ACE-Hemmer gesenkt wird. Beide besitzen die gleiche Wirksamkeit bezçglich der Verhinderung einer diabetischen Retinopathie. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes haben ACE-Hemmer mæglicherweise einen spezifischen Effekt bei der Verhinderung einer Retinopathie (Chaturvedi et al. 1998). Ob dieser Effekt allerdings tatsåchlich unabhångig von der Blutdrucksenkung besteht, ist derzeit noch nicht abschlieûend geklårt. Anhand der vorliegenden Studienlage ist zumindest bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ohnehin davon auszugehen, dass zur normnahen Blutdruckeinstellung die Anwendung von durchschnittlich mehr als drei unterschiedlichen antihypertensiven Substanzklassen notwendig ist (UKPDS-Group 1998 b). Fçr alle weiteren konservativen Behandlungsoptionen ist derzeit kein eindeutiger Nutzen bezçglich der Entstehung der diabetischen Retino-
pathie nachgewiesen. Selbstverståndlich widerspricht dies nicht dem Einsatz von beispielsweise speziellen Diåten, Lipidsenkern oder Aspirin, deren Indikation sich beim Diabetespatienten aber aus der Grundkrankheit oder anderen Komplikationen wie Nephropathie oder Koronarsklerose ableitet. Weitere gesicherte Therapien der diabetischen Retinopathie sind speziell ophthalmologische Verfahren wie die retinale Laserkoagulation, die u. a. durch die Freisetzung antiangiogener Substanzen wirkt (Spranger et al. 2000 b), und die Netzhautchirurgie. Beide Verfahren haben abhångig vom Stadium der Erkrankung klare Indikationsgebiete und sind, korrekt durchgefçhrt, mit einem eindeutigen Nutzen fçr den Patienten verbunden.
4.2.4.2 Experimentelle Therapieoptionen Neuere Therapieversuche beinhalten Antioxidanzien, Hemmstoffe der PKC, des Polyol-Signalweges und von AGE. Eine Zusammenfassung der augenblicklich diskutierten Therapieoptionen ist in der folgenden Ûbersicht dargestellt. Therapien, die auf der Beeinflussung parakriner Faktoren basieren, werden im Folgenden ausfçhrlicher beschrieben.
Therapieansåtze zur Behandlung von proliferativen Augenkrankheiten Standardtherapien ± Stoffwechselkontrolle ± Retinale Photokoagulation ± Vitrektomie Experimentelle Ansåtze Systemische Therapien Hemmung der Aldosereduktase ± Sorbinil ± Tolrestat ± Epalrestat ± Fidarestat Hemmung der Proteinglykosylierung ± Aminoguanidin ± Pyridoxamin Antioxidanzien ± Vitamin A ± Vitamin C ± Vitamin E Hemmung der Proteinkinase C ± LY333531 ± LY379196 ± PKC 412
a Hemmung der Wachstumshormon-IGF-1-Achse Somatostatinanaloga: ± Octreotid ± Somatulin Blockade der Wachstumshormonrezeptoren: ± Pegvisomant Lokale Therapien Hemmung des VEGF ± rhuFab VEGF ± EYE001 Steroidverbindungen ± Triamcinolon-Acetonid ± Fluocinolon-Acetonid ± Anecortave-Acetat Gentherapie Ûbertragung von Transgenen durch rekombinante virale Vektoren: ± VEGF-Antagonisten ± PEDF Stammzelltherapie Einsatz von endothelialen Stammzellen, die mit antiangiogenen Molekçlen transfiziert sind ± T2-TrpRS
4.2.4.2.1 Somatostatinanaloga Somatostatin wurde 1960 erstmalig als Inhibitor der GH-Sekretion identifiziert (Boehm u. Lustig 2002). Aus der Vorstellung heraus, dass GH und IGF-1 bei der Entstehung der proliferativen diabetischen Retinopathie eine Rolle spielen, wurden Somatostatinanaloga schon relativ frçhzeitig als mægliche Therapeutika bei dieser Erkrankung diskutiert. Da Somatostatin eine kurze Halbwertszeit (HWZ) von 1,5±3 Minuten hat, wåre eine dauerhafte Infusion notwendig, um damit einen therapeutischen Effekt zu erzielen. Im Gegensatz dazu haben die derzeitigen Somatostatinanaloga eine långere HWZ (Boehm u. Lustig 2002; Grant u. Caballero 2002). Wåhrend das natçrlich vorkommende Somatostatin alle Somatostatinrezeptoren gleichermaûen aktivieren kann, binden die synthetischen Analoga mit unterschiedlicher Aktivitåt an die derzeit bekannten fçnf Rezeptoren. Die meisten Studien, die eine Wirkung auf retinale Neovaskularisation untersuchten, haben Analoga benutzt, die eine hohe Affinitåt zu Somatostatinrezeptor 2 (SSTR2), weniger zu SSTR3 und SSTR5 besitzen, da die Supprimierung des Wachstumshormons græûtenteils durch den SSTR2 vermittelt wird (Yang et al. 1998; Garcia de la Torre et al. 2002). Die am håufigsten benutzte Substanz ist Octreotid (alternativ SMS 201±995 oder Sandostatin (Nov-
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie
artis)). Ein Ûberblick çber die bislang publizierten klinischen Studien bezçglich Somatostatinanaloga und Retinopathie ist in Tabelle 4.2.1 dargestellt. In der Mehrzahl der Studien konnte ein positiver Effekt von Somatostatinanaloga gezeigt werden, insbesondere bei Patienten mit einem hohen Risiko fçr eine proliferative diabetische Retinopathie. In frçhen Stadien einer Background-Retinopathie konnte allerdings kein positiver Effekt gefunden werden. Dem muss entgegengehalten werden, dass Nebenwirkungen der Therapie, insbesondere abdominelle Beschwerden, nicht selten sind und dass die Therapie ausgesprochen teuer ist. Damit ist die Anwendung dieser Therapieform derzeit deutlich eingeschrånkt. Ein sinnvolles Anwendungsgebiet kænnten allerdings Patienten mit einem hohen PDR-Risiko sein, die anderweitig austherapiert sind. Insbesondere bei Patienten mit schlecht eingestelltem Blutzucker kommt es im Rahmen der initialen Verbesserung des Blutzuckers zu einem IGF-1-Anstieg und parallel dazu håufig zu einer Verschlechterung der Retinopathie. In diesem Zeitfenster kænnte eine Therapie mit Somatostatinanaloga ausgesprochen sinnvoll sein. Derzeit liegt eine Studie mit einem Antagonisten des GH-Rezeptors (Pegvisomant) vor. Innerhalb eines Untersuchungszeitraumes von 12 Wochen kam es zu keiner signifikanten Verbesserung einer diabetischen Retinopathie, obwohl die IGF1-Spiegel abgesenkt werden konnten (Growth Hormone Antagonist For Proliferative Diabetic Retinopathy Study Group 2001).
4.2.4.2.2 Lokale Therapien Eine systemische Applikation von Pharmazeutika ist immer auch mit dem Problem verbunden, dass dieses Arzneimittel die Blut-Retina-Schranke çberwinden muss (Grant u. Caballero 2002). Insbesondere antiangiogene Therapeutika sind problematisch, da gerade bei Diabetespatienten in anderen Bereichen, wie z. B. bei der koronaren Herzkrankheit oder bei der peripheren Verschlusskrankheit, die Ausbildung von Kollateralgefåûen ausdrçcklich erwçnscht ist (Bainbridge et al. 2003). Umgekehrt ist das Auge ein relativ abgeschlossenes Organ und bietet damit per se gute Mæglichkeiten einer lokalen Therapie, sei es durch lokale Injektion oder durch lokale Gentherapie (Bainbridge et al. 2003; Borras 2003; Reich u. Bennett 2003). Erste Versuche hierzu basieren im Wesentlichen auf der Beeinflussung parakriner Faktoren wie VEGF oder PEDF. So konnte in einem Tiermodell gezeigt werden, dass die lokale Applikation von humanisiertem
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J. Spranger et al. Tabelle 4.2.1. Klinische Studien zur Behandlung der Retinopathie mit Somatostatinanaloga Autoren
Probanden
Intervention
Ergebnisse
Lee et al. 1988, Fallstudie
1 Patient mit Typ1-Diabetes und proliferativer Retinopathie
50 lg Octreotid, 3 Monate lang 3-mal tåglich injiziert
Erniedrigte GH- und IGF-1-Spiegel Vollståndige Resorption der Håmorrhagien sowie Reduktion der Mikroaneurysmen
Hyer et al. 1989 a
( a) 50±500 lg Octreotid, 8±20 Wochen 9 Patienten mit lang 3-mal tåglich subkutan injiziert Typ-1-Diabetes, 6 normale Kontrollen ( b) 500 lg/Tag Octreotid, 3 Tage bis 16 Wochen lang durch kontinuierliche subkutane Infusion appliziert
Shumak et al. 6 Patienten mit 1990, Fallstudie Typ-1-Diabetes und nichtproliferativer Retinopathie
Kirkegaard et al. 1990
( a) 50 lg Octreotid, 2-mal tåglich subkutane Injektion bei 3 Patienten ( b) 50 lg Octreotid, 3-mal tåglich subkutane Injektion bei 2 Patienten (c) 4±8 lg/h Octreotid, kontinuierliche subkutane Infusion bei einem Patienten
Beginnend mit 50 lg Octreotid, steigend 20 Patienten mit Typ-1-Diabetes und bis zu 400 lg/Tag, 12 Monate lang konmilder Retinopathie, tinuierliche subkutane Infusion 11(7) Behandelte, 9(7) Kontrollen
1500 lg/Tag Somatulin (BIM23014), McCombe et al. 17 Patienten mit 1991 Typ-1-Diabetes und 3 Monate lang kontinuierliche subkutane PDR, 11(8) Behan- Infusion delte, 6 Kontrollen
( a) Keine Unterdrçckung der GH-Spiegel, Verbesserung des Visus bei 3 von 4 Patienten ( b) Verminderung der GH-Spiegel, keine Verånderung des Visus bei 5 Patienten, Verbesserung bei einem Patienten, keine Progression der pråproliferativen diabetischen Retinopathie (1 Patient) (a+ b) Reduktion der Serum IGF-1-Spiegel, keine Verbesserung hinsichtlich intraretinaler Blutungen (a±c) Verminderung der GH-Spiegel Verbesserter Visus Bei 4 Patienten blieb der Grad der Retinopathie unveråndert, bei 2 Patienten besserte er sich Serum-GH- und IGF-1-Spiegel waren etwas erniedrigt, vor allem tagsçber Bei einem Patienten Verbesserung der Augenmorphologie, unveråndert bei den anderen Tagsçber Unterdrçckung der GH-Spiegel, Reduktion der IGF-1-Spiegel Keine Verånderung des Visus, klinische und angiographische Verbesserung bei 2 Patienten, kein Effekt bei 6 Patienten
Mallet et al. 1992
400 lg/Tag Octreotid, 6±20 Monate lang 4 Patienten mit Typ-1-Diabetes und kontinuierliche subkutane Infusion Langzeit-PDR
Kuijpers et al. 1998, Fallstudie
1 Patient mit idiopathisch zystoiden Makulaædemen
Grant et al. 2000
200±5000 lg/Tag Octreotid, 15 Monate 23 Patienten mit lang subkutane Injektionen 4-mal tåglich Typ-1/2-Diabetes und schwerer NPDR oder kontinuierliche subkutane Infusion bzw. frçher PDR, 11 Behandelte und 12(11) Kontrollen
Signifikante Unterdrçckung der Serum IGF-1-Spiegel Geringere Progression der Retinopathie mit Octreotid, verminderte Notwendigkeit einer Photokoagulation
Boehm et al. 2001
300 lg/Tag Octreotid, 3 Jahre lang 18 Patienten mit subkutane Injektion Typ-1/2-Diabetes und fortgeschrittener PDR, 9 Behandelte und 9 Kontrollen
Unverånderter Visus Vermindertes Risiko von Glaskærpereinblutungen, verminderte Notwendigkeit eines operativen Eingriffs, verminderte Neovaskularisation
100 lg Octreotid 3-mal tåglich, 10 Wochen lang subkutan injiziert, eine Pause von 2 Wochen, 100 lg Octreotid einmal tåglich, 3 Monate lang subkutan injiziert, eine zweite Pause von 4 Wochen, anschlieûend Wiederaufnahme der Octreotid-Behandlung
Partielle Verminderung der GH- und IGF-1-Spiegel, jedoch Resistenz nach 6 Monaten Bei 2 Patienten Stillstand der PDR, bei 2 weiteren Regression der PDR, Verbesserung des Visus Nach 6 Wochen Verbesserung des Visus, danach keine weitere Verbesserung, in jeder Behandlungspause erneute Verschlechterung des Visus, Verminderung von Makulaædemen wåhrend der Behandlung mit Octreotid und Wiederauftreten nach Beendigung der Therapie
a VEGF-Antikærper das Auftreten einer choroidalen Neovakularisation verhindern kann (Krzystolik et al. 2002). Diese Substanz wird derzeit in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit altersabhångiger Makuladegeneration untersucht. Etwas fortgeschrittener ist bereits die Entwicklung eines antiVEGF-pegylierten Aptamers (EYE001, Macugen). Auch bei diesem wurde zunåchst tierexperimentell die Wirksamkeit nachgewiesen (EYETECH Study Group 2002). In einer Phase-II-Studie konnte bei Patienten mit AMD eine weitere Verschlechterung des Visus verhindert werden, bei einigen Patienten kam es sogar zur Verbesserung des Visus (EYETECH Study Group 2003). Diese Substanz wird bezçglich der altersabhångigen Makuladegeneration (AMD) derzeit in einer Phase-III-Studie getestet. Eine Phase-II-Studie bezçglich der Indikation des diabetischen Makulaædems wird demnåchst beendet. Aufgrund der lokalen Abgeschlossenheit des Augeninnenraumes stellt das Auge auch ein denkbares Ziel fçr gentherapeutische Eingriffe dar, die derzeit in Tiermodellen ausgiebig getestet werden. Momentan werden verschiedene Vektoren untersucht, wobei eine systemische Applikation derzeit noch nicht mæglich ist, so dass die Vektorkonstrukte bislang çber eine lokale Injektion bzw. einen chirurgischen Eingriff in das Auge eingebracht werden. Bislang sind çberwiegend Transgene untersucht worden, die die Balance zwischen den vermuteten Hauptfaktoren PEDF und VEGF positiv, d. h. im Sinne einer Proliferationshemmung, beeinflussen. Zum einen wurden dementsprechend Konstrukte untersucht, die zu einer Hemmung des VEGF-Systems fçhren. So konnte durch lokalen Gentransfer des læslichen VEGF-Rezeptors flt-1 in einem Mausmodell das Auftreten von Gefåûneubildungen verhindert werden (Bainbridge et al. 2002). Diese Ergebnisse wurden in einem weiteren Rattenmodell beståtigt (Lai et al. 2002). Konkordant mit der Theorie, dass das Verhåltnis von PEDF zu VEGF eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von retinalen Gefåûneubildungen spielt, konnte von Mori und Mitarbeitern gezeigt werden, dass eine adenoviral induzierte Ûberexpression von PEDF das Auftreten einer zuvor induzierten choroidalen Angiogenese vermindern kann. In zwei weiteren Modellen einer retinalen Gefåûneubildung (ROP und VEGF-induziert) wurde ebenfalls ein positiver Effekt auf retinale Proliferationen nachgewiesen (Mori et al. 2001 a, b, 2002 a, b). Insbesondere die Ergebnisse von Mori sind mittlerweile auch von anderen Arbeitsgruppen unabhångig beståtigt worden (Raisler et al. 2002).
4.2 Parakrine Faktoren bei der diabetischen Retinopathie
Weitere gentherapeutisch bereits erfolgreich untersuchte Faktoren sind unter anderem Angiostatin (Lai et al. 2001; Raisler et al. 2002), Endostatin (Mori et al. 2001 a), und Metalloproteinase-2 (Murata et al. 2000). Eine Phase-I-Studie bezçglich Sicherheit und Vertråglichkeit wird derzeit bei Patienten mit AMD mit einem adenoviralen Vektor durchgefçhrt, der zu einer Ûberexpression von PEDF fçhren soll (Rasmussen et al. 2001). Trotz dieser eindrucksvollen tierexperimentellen Erfolge und ersten humanen Studien sind sicherlich weitere Studien hinsichtlich Vektortoxizitåt, Effizienz und auch Steuerbarkeit der Vektoren notwendig, bevor diese Strategien auf breiter Front am Menschen eingesetzt werden kænnen. Obwohl diese potentiellen Therapieoptionen bestehen, ist festzuhalten, dass bei konsequenter Anwendung der vorliegenden gesicherten Verfahren eine Erblindung von Patienten mit Diabetes mellitus weitgehend verhindert werden kænnte. Die enge Kooperation zwischen Diabetologen und Ophthalmologen ist in der Betreuung diabetischer Patienten von zentraler Bedeutung. Nur durch sie kann verhindert werden, dass es beim einzelnen Patienten zu einem ernsthaften Visusverlust bzw. zur Erblindung mit allen sozialen Konsequenzen kommt.
4.2.5 Literatur Aiello LP, Avery RL, Arigg PG et al. (1994) Vascular endothelial growth factor in ocular fluid of patients with diabetic retinopathy and other retinal disorders. N Engl J Med 331: 1480±1487 Aiello LP, Pierce EA, Foley ED et al. (1995) Suppression of retinal neovascularization in vivo by inhibition of vascular endothelial growth factor (VEGF) using soluble VEGF-receptor chimeric proteins. Proc Natl Acad Sci USA 92: 10457±10461 Aiello LP, Bursell SE, Clermont A et al. (1997) Vascular endothelial growth factor-induced retinal permeability is mediated by protein kinase C in vivo and suppressed by an orally effective beta-isoform-selective inhibitor. Diabetes 46: 1473±1480 Aiello LP, Gardner TW, King GL et al. (1998) Diabetic retinopathy. Diabetes Care 21(1): 143±156 Antonelli-Orlidge A, Saunders KB, Smith SR and D'Amore PA (1989) An activated form of transforming growth factor beta is produced by cocultures of endothelial cells and pericytes. Proc Natl Acad Sci USA 86(12): 4544±4548 Bainbridge JW, Mistry A, De Alwis M et al. (2002) Inhibition of retinal neovascularisation by gene transfer of soluble VEGF receptor sFlt-1. Gene Ther 9(5): 320±326
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5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme Andrea Vortkamp
Inhaltsverzeichnis 5.1.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
461
5.1.2
Prozess der endochondralen Ossifikation .
462
5.1.3
Signalsysteme zur Steuerung der Proliferation und Differenzierung von Chondrozyten . . . . . . . . . . . . . . . Ihh/PTHrP-Signale . . . . . . . . . . . . . . . Ihh-Signal-Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Proliferation . . . . . . . . . Regulation der hypertrophen Differenzierung . . . . . . Regulation der Ossifikation . . . . . . . . . . Mutationen des Ihh/PTHrP-Systems im Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BMP-Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Chondrozytendifferenzierung durch BMP-Signale . . . . . . . . . . . . . . . Interaktion mit dem Ihh/PTHrP-System . . Mutationen des BMP-Signal-Systems im Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . FGF-Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.3.1 5.1.3.1.1 5.1.3.1.2 5.1.3.1.3 5.1.3.1.4 5.1.3.1.5 5.1.3.2 5.1.3.2.1 5.1.3.2.2 5.1.3.2.3 5.1.3.3
463 463 463 464 465 465 466 466 466 467 468 468
5.1.1 Einleitung Das Skelett der Vertebraten stellt ein komplexes Organsystem dar, welches vielfåltige Funktionen im Leben des Organismus erfçllt. So dient es als Stçtze des Kærpers und dem Schutz wichtiger innerer Organe; zudem bildet es ein Reservoir fçr die håmatopoetischen und mesenchymalen Stammzellen. Fehlbildungen des Skelettsystems gehæren zu den håufigsten Merkmalen genetisch bedingter Erkrankungen des Menschen. Sie sind meistens mit Einschrånkungen der Bewegungsfreiheit und erheblichen Schmerzen verbunden und kænnen im Extremfall letal sein. Neben den genetisch bedingten Erkrankungen erlangen heutzutage auch erworbene Skeletterkrankungen eine immer græûere Bedeutung in der Medizin, da die Verlångerung der menschlichen Lebensspanne zu einem gehåuften Auftreten altersbedingter Knochenerkrankungen wie der Osteopo-
5.1.3.3.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung durch FGF-Signale . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.3.2 Mutationen des FGF-Signal-Wegs im Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.3.3 Interaktion von FGF-Signalen mit anderen Signalsystemen . . . . . . . . . . 5.1.3.4 CNP-Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.5 Wnt-Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Transkriptionsfaktoren . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.1 Sox9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.1.1 Sox9 und die Kondensation der Skelettelemente . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.1.2 Sox9-Mutationen im Menschen . . . . . . . . 5.1.4.2 Runx2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.2.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung durch Runx2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.2.2 Runx2-Mutationen im Menschen . . . . . . .
468 469 470 470 471 471 472 472 472 473 473 473
5.1.5
Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . 473
5.1.6
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474
rose, der Osteoarthrose oder der rheumatischen Osteoarthritis fçhrt. Die Identifizierung von Genen, die menschliche Fehlbildungen des Skelettsystems bewirken, trågt einen betråchtlichen Anteil zum Verståndnis der Entwicklung des Skeletts bei. Mutationen in Genen, die fçr die Differenzierung der Knochen essentiell sind, kænnen in einer extremen Verånderung der Knochenstruktur resultieren. Das kann zu einer erhæhten Fragilitåt der Knochen fçhren oder aber zu schwachen, verformten und stark verkçrzten Skelettelementen, wie in den zahlreichen Chondrodysplasien. Differenzierungsstærungen kænnen auûerdem zu Græûenverånderungen des gesamten Skeletts fçhren und in verschiedenen Kleinwuchsformen resultieren, wie in der Achondroplasie, der håufigsten Form genetisch bedingten Kleinwuchses des Menschen. Um die Pathogenese von sowohl angeborenen als auch erworbenen Knochenerkrankungen auf molekularer Ebene zu verstehen, ist es notwendig, Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
462
A. Vortkamp
die Kontrollsysteme zu identifizieren, die eine geordnete Knochendifferenzierung regulieren. Erst ein Verståndnis dieser Kontrollsysteme wird es erlauben, der Schådigung des Gewebes durch die Aktivierung spezifischer kærpereigener Reparaturmechanismen entgegenzuwirken. In hæheren Vertebraten existieren zwei Prozesse, durch die Knochen wåhrend der Embryonalentwicklung angelegt werden: die desmale und die endochondrale Ossifikation. Wåhrend der desmalen Ossifikation differenzieren mesenchymale Vorlåuferzellen direkt zu Knochenmatrix produzierenden Osteoblasten. Durch diesen Prozess werden die Schådelknochen und Teile der Gesichtsknochen angelegt. Die Knochen des axialen und appendikularen Skeletts sowie die meisten Gesichtsknochen werden dagegen durch die endochondrale Ossifikation gebildet. Dabei handelt es sich um einen mehrstufigen Prozess, bei dem die spåteren Knochen zunåchst als knorpelige Elemente angelegt werden. Diese Knorpelanlagen werden spåter sukzessive durch Knochen ersetzt.
5.1.2 Prozess der endochondralen Ossifikation Der erste Schritt der endochondralen Ossifikation wåhrend der Embryonalentwicklung besteht in der Kondensation von mesenchymalen Zellen, die gleichzeitig zu Chondrozyten differenzieren. Diese bilden die knorpeligen Skelettanlagen, welche als Vorlage der spåteren Knochen dienen. Die Chondrozyten produzieren die charakteristischen Proteoglukane des Knorpelgewebes, wie Kollagen Typ II, Typ IX und Typ XI, und Aggrekan. Gleichzeitig differenzieren Zellen im Auûenbereich der Kondensationen zu fibroblastenåhnlichen Zellen, die den Knorpel als flache Zellschicht, das Perichondrium, umgeben und nach auûen begrenzen. Von beiden Zellpopulationen, den perichondrialen Zellen und den Chondrozyten der Knorpelanlagen, werden Signalmolekçle produziert, welche die Differenzierung der Knorpel-/Knochenanlage çber einen parakrinen Mechanismus steuern. Das Wachstum der Knorpelanlage erfolgt zunåchst durch die Proliferation der Chondrozyten. Im Zentrum der Knorpelelemente beginnt zu einem spåteren Zeitpunkt ein Differenzierungsprozess, der çber mehrere Stufen zur Ausbildung der hypertrophen Chondrozyten (Blasenknorpel) fçhrt. Hypertrophe Chondrozyten stellen die Proliferation ein und fçhren ein ausgeprågtes Græûenwachstum durch. Auûerdem veråndern sie die Zusammensetzung ihrer extrazellulåren Matrix.
So exprimieren sie verstårkt Kollagen Typ X, welches eine Mineralisierung der extrazellulåren Matrix durch die Einlagerung von Kalzium und Phosphat ermæglicht. Gleichzeitig differenzieren Zellen des Perichondriums, welche die hypertrophe Region flankieren, zu Knochenmatrix produzierenden Osteoblasten. So entsteht das sog. Periosteum, welches den hypertrophen Knorpel als eine Manschette aus Knochen umgibt. Die terminal differenzierten, hypertrophen Chondrozyten durchlaufen den programmierten Zelltod (Apoptose) und werden schlieûlich durch Knochengewebe ersetzt. Dazu wandern zunåchst Blutgefåûe aus dem Periosteum in die Region des hypertrophen Knorpels ein. Mit der Vaskularisierung gelangen Osteoblasten (Knochenmatrix aufbauende Zellen) und Osteoklasten (Knorpel- und Knochenmatrix abbauende Zellen) in die hypertrophe Region. Chondroklasten, die einen Knorpelsubstanz abbauenden Subtyp der Osteoklasten darstellen, sind hauptsåchlich fçr die Degradation der hypertrophen Knorpelmatrix verantwortlich. Die Osteoblasten ersetzen dann Teile des hypertrophen Knorpels durch Knochengewebe. Im Inneren des spåteren Knochens bildet sich das Knochenmark, in welches die håmatopoetischen Stammzellen einwandern (Abb. 5.1.1 und 5.1.2) (Erlebacher et al. 1995; Hinchcliffe u. Johnson 1980; Karsenty u. Wagner 2002). Die endochondrale Ossifikation ist nicht nur ein embryonaler Prozess. Auch postnatal wird das Långenwachstum der Knochen durch die Proliferation und Differenzierung der Chondrozyten gewåhrleistet, wohingegen ausdifferenziertes Knochengewebe kein signifikantes Långenwachstum durchfçhrt. Nach der Geburt entwickeln sich beim Menschen sekundåre Ossifikationszentren in den distalen Bereichen der Knorpel-/Knochenanlagen, so dass der Wachstumsknorpel auf schmale Bereiche, die Wachstumsfugen (Epiphysenfuge), zwischen den primåren und den sekundåren Ossifikationsbereichen beschrånkt wird. Erst gegen Ende der Pubertåt, wenn die Knochen ausgewachsen sind, wird die Proliferation der Chondrozyten eingestellt, und die Wachstumsfugen verknæchern. Darçber hinaus wird der Prozess der endochondralen Ossifikation im adulten Organismus wåhrend der Reparatur von Knochenfrakturen reaktiviert (Bolander 1992; Sandberg et al. 1993). Alle Untersuchungen deuten darauf hin, dass sowohl die postnatale Chondrozytendifferenzierung in den Wachstumsfugen als auch die Frakturheilung den gleichen Regulationsprinzipien unterliegen wie die embryonale endochondrale Ossifikation (Ferguson et al. 1999; Vortkamp et al. 1998).
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5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme
Abb. 5.1.1. Endochondrale Ossifikation. Mesenchymale Zellen kondensieren und differenzieren zu Chondrozyten, welche knorpelige Anlagen der Skelettelemente bilden. Parallel bildet sich an der Auûenseite der Knorpelanlage das Perichondrium (violett). Vom Zentrum der Knorpelanlage differenzieren die Chondrozyten in einem mehrstufigen Prozess zu pråhypertrophen (rot), hypertrophen (hellblau) und
schlieûlich zu terminal hypertrophen Chondrozyten (dunkelblau). Parallel differenzieren Zellen im Perichondrium zu Osteoblasten, welche eine Manschette aus Knochen (hellorange) um die hypertrophen Chondrozyten bilden. Blutgefåûe wandern spåter in die hypertrophe Region ein. Die mitgefçhrten Osteoblasten und Osteoklasten ersetzen den Knorpel durch Knochen und Knochenmark (orange)
stellen der Wachstumsprozesse. Dagegen resultiert eine Zunahme der Proliferation oder eine Verlangsamung des Differenzierungsprozesses in einer Expansion der knorpeligen Anteile und so in einer verminderten Ossifikation und weniger stabilen Knochen. Die Mechanismen, welche die Balance zwischen Proliferation und hypertropher Differenzierung der Chondrozyten steuern, sind somit von groûer Bedeutung fçr das Verståndnis der Knochenbildung auf molekularer Ebene. Sie sollen Hauptgegenstand dieses Kapitels sein. Abb. 5.1.2. Organisation der embryonalen Wachstumszone
Die Proliferation der Chondrozyten ist hauptverantwortlich fçr das Långenwachstum endochondraler Knochen. Daneben trågt auch die hypertrophe Differenzierung der Chondrozyten durch die Volumenvergræûerung betråchtlich zur Streckung der Skelettelemente bei. Da durch die hypertrophe Differenzierung ståndig Chondrozyten dem proliferierenden Pool entzogen werden, mçssen beide Prozesse einer sorgfåltigen Kontrolle unterliegen. Eine verringerte Proliferationsrate oder eine beschleunigte Differenzierung fçhrt zu einer Verringerung des proliferierenden Chondrozytenpools und somit zu einem vorzeitigen Ein-
5.1.3 Signalsysteme zur Steuerung der Proliferation und Differenzierung von Chondrozyten 5.1.3.1 Ihh/PTHrP-Signale 5.1.3.1.1 Ihh-Signal-Weg Der sezernierte Signalfaktor ¹Indian hedgehogª (Ihh) gehært zu einer evolutionår hoch konservierten Genfamilie, die von Drosophila bis zu den Vertebraten die Differenzierung und Musterbildung einer Vielzahl unterschiedlicher Organe reguliert (McMahon et al. 2003). In Mensch und Maus exis-
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Abb. 5.1.4. Das Ihh/PTHrP-Signal-System. Ihh (rot), welches in den pråhypertrophen Chondrozyten exprimiert wird, induziert die Expression von PTHrP (gelb) in der periartikulåren Region. PTHrP inhibiert das Einsetzen der hypertrophen Differenzierung. Ihh induziert auûerdem die Chondrozytenproliferation und den Ossifikationsprozess (orange) durch PTHrP-unabhångige Mechanismen Abb. 5.1.3. Der Ihh-Signal-Weg in der Zelle. Das Ihh-Signal (rot) wird çber einen Rezeptorkomplex bestehend aus dem 12-Transmembranprotein Ptch (blau) und den 7-Transmembranprotein Smo (grçn) in die Zelle weitergeleitet. In Abwesenheit von Ihh wird Smo von Ptch inhibiert. Durch die Bindung von Ihh an Ptch wird diese Inhibierung aufgehoben und das Signal çber eine mehrstufige Signalkaskade in der Zelle weitergeleitet. Die Transkriptionsfaktoren der Gli-Familie (pink) werden in Abwesenheit von Ihh-Signalen in eine Repressorform umgewandelt. Ihh-Signale verhindern die Spaltung der Gli-Proteine und stabilisieren damit die Aktivatorformen der Transkriptionsfaktoren. Bekannte Zielgene des Ihh-Signalweges sind Ptch und Gli1. Beide werden durch Ihh-Signale aktiviert und in Abwesenheit des Signals reprimiert
tieren drei Hedgehog-Gene: ¹Sonic hedgehogª (Shh), ¹Desert hedgehogª (Dhh) und ¹Indian hedgehogª (Ihh). Von diesen wird nur Ihh in der knorpeligen Skelettanlage exprimiert. Ihh ist eines der Schlçsselsignale der endochondralen Ossifikation. Es reguliert sowohl die Proliferation und hypertrophe Differenzierung der Chondrozyten als auch die anschlieûende Ossifikation und koordiniert so die verschiedenen Schritte der Knochenbildung. Im Verlauf der endochondralen Ossifikation wird Ihh erst nach Abschluss des Kondensationsprozesses in den frçhen hypertrophen (pråhypertrophen) Chondrozyten im Zentrum der Knorpelanlage exprimiert. Wåhrend des gesamten Differenzierungsprozesses, auch nach der Ausbildung der hypertrophen Chondrozyten und des primåren Ossifikationszentrums, findet man die Expression von Ihh in den pråhypertrophen Chondrozyten (Abb. 5.1.4) (Ferguson et al. 1999; Vortkamp et al. 1998). Wie alle Hedgehog-Signale wird Ihh von einem Rezeptorkomplex, bestehend aus dem 12-Trans-
membran-Protein Patched (Ptch) und dem 7-Transmembran-G-Protein-gekoppelten Rezeptor Smoothened (Smo), gebunden. Ptch inhibiert in Abwesenheit von Ihh-Signalen Smo. Nach der Bindung von Ihh an Ptch wird die Inhibition von Smo aufgehoben. Ûber eine mehrstufige Signaltransduktionskaskade werden schlieûlich Transkriptionsfaktoren der Gli-Gen-Familie aktiviert, die das Ihh-Signal in die Regulation von ± noch weitgehend unbekannten ± Zielgenen umsetzen (Abb. 5.1.3) (Lum u. Beachy 2004). Es sind bisher drei Gli-Gene, Gli1, Gli2 und Gli3, identifiziert worden, die Ihh-abhångig Aktivator- oder Repressorfunktionen ausçben. Wåhrend Smo ubiquitår exprimiert wird, werden Ptch und Gli1 in Abwesenheit von Ihh-Signalen nur in sehr geringen Mengen exprimiert. Interessanterweise wird die Expression beider Gene in Zellen, die ein Hedgehog-Signal empfangen, stark heraufreguliert. Beide Gene sind somit nicht nur fçr die Signaltransduktion notwendig, sondern bilden auch direkte Zielgene des Ihh-Signal-Wegs. Ihre Expression kennzeichnen somit Zellen, die auf ein Ihh-Signal in der Knochenanlage reagieren.
5.1.3.1.2 Regulation der Proliferation Da Ihh erst in den bereits gebildeten Knorpelkondensationen exprimiert wird, hat der Verlust von Ihh keinen Einfluss auf deren ursprçngliche Græûe. Nach Abschluss des Kondensationsprozesses fçhrt der Verlust von Ihh jedoch zu einer Inhibition der Chondrozytenproliferation, so dass die Knorpelanlagen der spåteren Skelettelemente stark verkçrzt
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5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme
sind. In åhnlicher Weise fçhrt der Verlust des Rezeptors Smo in den Knorpelanlagen zu einer verminderten Proliferationsrate, wåhrend die Ûberexpression von Ihh oder die konstitutive Aktivierung von Smo die Chondrozytenproliferation induziert (Abb. 5.1.4) (Long et al. 2001; Minina et al. 2001).
5.1.3.1.3 Regulation der hypertrophen Differenzierung Neben der Chondrozytenproliferation spielt Ihh eine entscheidende Rolle in der Regulation der hypertrophen Differenzierung. Dabei organisiert Ihh das Einsetzen dieses Differenzierungsprozesses. In dieser Funktion interagiert Ihh mit einem zweiten sezernierten Molekçl, dem ¹Parathyroid hormone-related Proteinª (PTHrP; Ptlhl, Mouse Genome Informatics), welches das Einsetzen der hypertrophen Differenzierung steuert. Pthlh wird in den periartikulåren Chondrozyten exprimiert und signalisiert çber seinen Rezeptor, den Pth/PTHrP-Rezeptor 1 (Pthr1), der schwach in proliferierenden und stark in frçhen hypertrophen Chondrozyten exprimiert wird. Pthr1 gehært zu den G-Protein-gekoppelten 7-Transmembran-Rezeptoren, die nach Aktivierung das Signal çber verschiedene sekundåre Botenstoffe weiterleiten (Gether 2000; Guo et al. 2002). Der Verlust eines der beiden Gene, PTHrP oder Pthr1, fçhrt zu einem beschleunigten Einsetzen der hypertrophen Differenzierung, so dass die Zone der proliferierenden Chondrozyten deutlich reduziert wird (Abb. 5.1.4) (Amizuka et al. 1994; Karaplis et al. 1994; Lanske et al. 1996). Dagegen fçhrt die Ûberexpression von PTHrP oder eines konstitutiv aktivierten Pthr1 zu einem verzægerten Einsetzen der hypertrophen Differenzierung und somit zu einer verlångerten Zone der proliferierenden Chondrozyten (Schipani et al. 1997; Weir et al. 1996). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Ihh-Signale aus den pråhypertrophen Chondrozyten die Expression von PTHrP in der periartikulåren Region regulieren. Der Verlust von Ihh fçhrt zu einer Reduktion der PTHrP-Expression und damit zu einem beschleunigten Einsetzen der hypertrophen Differenzierung, wåhrend die Ûberexpression von Ihh die Expression von PTHrP verstårkt und so das Einsetzen der hypertrophen Differenzierung verzægert. In PTHrP- oder Pthr1- defizienten Mausmutanten hat Ihh keinen Einfluss auf die hypertrophe Differenzierung, so dass das PTHrP-Signal die eigentlich regulierende Funktion ausçbt (Lanske et al. 1996; Vortkamp et al. 1996). Wird in einer Zelle Pthr1 aktiviert, so erfolgt die Verzægerung der Differenzie-
rung zellautonom, d. h. unabhångig vom Differenzierungsgrad der Nachbarzellen. Das wurde in eleganten Experimenten nachgewiesen, in denen Pthr1 in einzelnen Zellen in chimåren Måusen deletiert wurde: Der Verlust des Rezeptors fçhrt zu einem beschleunigten Einsetzen der hypertrophen Differenzierung in allen mutierten Zellen, wåhrend Wildtyp-Zellen das normale Differenzierungsprogramm durchfçhren (Chung et al. 1998). Da Ihh selbst ein Marker der frçhen hypertrophen Zellen ist, verhindert die Ûberexpression von Ihh oder PTHrP die Differenzierung des Ihh exprimierenden Zelltyps. Es handelt sich bei dem Ihh/ PTHrP-System also um einen negativen ¹FeedbackLoopª (negativer Rçckkopplungskreis) (Lanske et al. 1996; Vortkamp et al. 1996). Allgemein wird angenommen, dass die Stårke der Ihh-Expression die Anzahl der Chondrozyten bestimmt, die in den Differenzierungsprozess eintreten. Auûerdem reguliert das Ihh/PTHrP-System den Abstand der hypertrophen Zone vom Gelenk und damit den Pool an proliferierenden Chondrozyten (Long et al. 2001; St-Jacques et al. 1999; Vortkamp et al. 1996). Interessanterweise resultiert der Verlust von Ihh in einer stårkeren Verkçrzung der Skelettelemente als der Verlust von PTHrP oder seines Rezeptors Pthr1. Daraus kann geschlossen werden, dass Ihh die Chondrozytenproliferation unabhångig von PTHrP reguliert. Dies konnte durch die Ûberexpression eines konstitutiv aktivierten Pthr1 in einer Ihh-defizienten Mausmutante beståtigt werden: Der aktivierte Pthr1 konnte zwar die in Ihhdefizienten Mutanten stark beschleunigte Differenzierung verzægern, nicht aber die reduzierte Proliferationsrate erhæhen (Karp et al. 2000).
5.1.3.1.4 Regulation der Ossifikation Die Untersuchung von Ihh-defizienten Mauslinien zeigte weiterhin, dass in diesen Tieren keine Ossifikation der endochondralen Knochen stattfindet, wåhrend desmale Knochen normal angelegt werden (St-Jacques et al. 1999). Da die Differenzierung desmaler Knochen auch ohne Ihh-Signale mæglich ist, liegt die Vermutung nahe, dass Ihh nicht fçr die Differenzierung der Osteoblasten selbst notwendig ist, sondern eher ein den Ossifikationsprozess induzierendes Signal darstellt. Dies wird durch die Untersuchung transgener Måuse beståtigt, in denen der Rezeptor Smo in einem Teil der Zellen im Perichondrium/Periosteum deletiert wurde. In Zellen, die kein Ihh-Signal empfangen kænnen, findet keine Ossifikation statt. Die Differenzierung von Osteoblasten ist dagegen in flan-
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kierende Zellpopulationen verschoben, in denen der Rezeptor nicht deletiert wurde (Long et al. 2004). Somit wird nicht nur die Differenzierung der Chondrozyten durch Ihh kontrolliert, sondern auch die Ossifikation mit der hypertrophen Differenzierung gekoppelt (Abb. 5.1.4).
5.1.3.1.5 Mutationen des Ihh/PTHrP-Systems im Menschen Schon 1995 konnte gezeigt werden, dass Mutationen im PTHR1 zur metaphysåren Chondrodysplasie vom Typ Jansen fçhren (OMIM 156400; Schipani et al. 1995). Tråger dieser genetisch bedingten Erkrankung zeigen neben zahlreichen anderen Defekten einen Minderwuchs und erweiterte Wachstumszonen. Die zugrunde liegenden Mutationen fçhren zu einer konstitutiven Aktivierung des PTHR1. Die Einfçhrung eines, eine solche Mutation tragenden Rezeptors in die Chondrozyten eines transgenen Mausmodells resultierte in einer stark verzægerten hypertrophen Differenzierung und damit in einer Verlångerung der Zone proliferierender Chondrozyten. Dieses Mausmodell hat wesentlich zur Aufklårung der Funktion des PTHrP-Signal-Systems wåhrend der Chondrozytendifferenzierung beigetragen (Schipani et al. 1997). Da Pthr1 auch als Rezeptor des Parathyroidhormons (PTH) fungiert und eine essentielle Funktion in der endokrin gesteuerten Knochenhomæostase spielt, sind Tråger dieser Mutation auûerdem durch weitere Knochendefekte gekennzeichnet. Im Gegensatz zu aktivierenden Mutationen fçhren inaktivierende Mutationen des PTHR1 im Menschen zum Blomstrand-Chondrodysplasie-Syndrom (OMIM 215045), einer neonatalen Skelettdysplasie, die sich entsprechend der beschriebenen Funktion von PTHR1 in der Knochenanlage durch eine erhæhte Knochendichte, eine beschleunigte Skelettdifferenzierung und extremen Kleinwuchs auszeichnet (Jobert et al. 1998; Karaplis et al. 1998). Mutationen in Ihh sind kçrzlich in zwei Brachydaktylie-Syndromen, der autosomal-dominanten Brachydaktylie Typ 1A (OMIM 600762) und der autosomal-rezessiven acrocapitofemoralen Dysplasie (OMIM 607778), identifiziert worden (Gao et al. 2001; Hellemans et al. 2003). Neben einer Brachydaktylie sind Tråger beider Mutationen durch Kleinwuchs charakterisiert. Da es sich bei den zugrunde liegenden Mutationen um ¹Missense-Mutationenª handelt, die zum Austausch einzelner Aminosåuren fçhren, kann man davon ausgehen, dass beide Syndrome durch einen Aktivitåtsverlust von Ihh hervorgerufen werden.
5.1.3.2 BMP-Signale 5.1.3.2.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung durch BMP-Signale ¹Bone morphogenetic proteinsª (BMP) und ¹growth differentiation factorsª (GDF) bilden eine stetig wachsende Familie von sezernierten Wachstumsfaktoren, die zur groûen Gruppe der ¹transforming growth factorsª (TGF) gehæren. Es sind bisher etwa 20 BMP-Gene bekannt, die in einem komplexen Muster wåhrend der Embryonalentwicklung exprimiert werden. BMP-Signale werden çber einen heteromeren Komplex von Typ-I- und Typ-II-Serin-Threonin-Kinase-Rezeptoren çbertragen, welcher Transkriptionsfaktoren der Smad-Familie aktiviert (Massague 2000). BMP wurden ursprçnglich auf Grund ihrer Fåhigkeit identifiziert, nach Injektion in Rattenmuskeln die Differenzierung endochondraler Knochen zu induzieren (Wozney 1992). Ferner konnte gezeigt werden, dass eine Ûberexpression von BMP oder aktivierten BMP-Rezeptoren zu einer Expansion der knorpeligen Knochenanlagen fçhrt (Duprez et al. 1996; Zou et al. 1997). Mehrere BMP-Gene werden in der sich entwickelnden Knorpelanlage exprimiert, wie z. B. Bmp6 und Bmp2 in hypertrophen und Bmp7 in proliferierenden Chondrozyten. Bmp2, Bmp3, Bmp4, Bmp5 und Bmp7 sind darçber hinaus im Perichondrium exprimiert. Gdf 5, Gdf6 und Gdf7 sind spezifisch in der Region der zukçnftigen Gelenke exprimiert (Minina et al. 2005; Pathi et al. 1999). Die Expression der BMP-Rezeptoren (BMPR) ist schwer zu ermitteln, da sie in der Regel sehr schwach exprimiert werden. In den frçhen Kondensationen wird BmprIB exprimiert, BmprII und BmprIA findet man in hypertrophen Chondrozyten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zusåtzlich weitere Rezeptoren der TGF-b-Superfamilie in der Knorpelanlage exprimiert werden und BMP-Signale weiterleiten. Sowohl die çberlappende Expression der BMP-Gene als auch die schwache Expression ihrer Rezeptoren machen eine Interpretation ihrer Wechselwirkungen schwierig. Darçber hinaus sind die Deletionen einzelner BMP-Gene, wie z. B. Bmp2 und Bmp4 letal wåhrend der Gastrulation (Winnier et al. 1995; Zhang u. Bradley 1996), wåhrend die Deletion anderer nur in schwachen Defekten der Chondrozytendifferenzierung resultiert. So fçhrt die Inaktivierung von Bmp5 in der ¹Short-ear-Mutanteª der Maus oder der Verlust von Bmp7 nur zu einer leichten
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5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme
Verkçrzung einzelner Knorpelanlagen. Øhnlich fçhren Mutationen in Gdf5 (Mausmutante ¹Brachypodismª) oder dem Bmpr1 zur Verkçrzung einzelner Skelettelemente und zum Verlust von Fingergelenken (Brachydaktylien) (Baur et al. 2000; Dudley et al. 1995; King et al. 1994; Kingsley et al. 1992; Yi et al. 2000). Die detaillierte Aufklårung der Funktion und Wirkung von BMP-Signalen in der Knorpeldifferenzierung erfordert daher eine gezielte Deletion von mehreren BMP-Genen und/oder ihrer Rezeptoren in spezifischen Regionen der Knorpelanlage. Neben den BMP sind mehrere BMP-Antagonisten in der Knorpelanlage exprimiert: Noggin in proliferierenden Chondrozyten, Chordin in der Gelenkregion und Follistatin in einer Subpopulation der proliferierenden Chondrozyten (Minina et al. 2005; Pathi et al. 1999). Eine Inaktivierung von Noggin fçhrt zu einer Expansion der Knochenanlagen, wåhrend die Ûberexpression von Noggin bereits die Ausbildung der Knorpelkondensationen im Hçhnerembryo inhibiert (Brunet et al. 1998; Capdevila u. Johnson 1998; Pizette u. Niswander 2000). Die Funktion von BMP-Genen ist in Chondrozytenkulturen intensiv untersucht worden. Allgemein aktivieren BMP-Signale die Proliferation und hypertrophe Differenzierung von Chondrozyten in Zellkulturen (Enomoto-Iwamoto et al. 1998). Untersuchungen in Kulturen embryonaler Extremitåtenanlagen, in denen der Gewebeverband der Chondrozyten und somit die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Zelltypen erhalten bleiben, konnten die proliferationsinduzierende Funktion der BMP beståtigen. Dagegen inhibieren BMP-Signale in diesen Extremitåtenkulturen die hypertrophe Differenzierung der Chondrozyten, und zwar sowohl deren Einsetzen als auch den eigentlichen Differenzierungsprozess. Eine Inhibition der BMPSignale durch den Antagonisten Noggin beschleunigt dementsprechend beide Aspekte des Differenzierungsprozesses (Minina et al. 2001). Ebenso konnte in transgenen Måusen durch die Ûberexpression eines aktivierten Bmp-Rezeptors die Expression von Ihh induziert und die hypertrophe Differenzierung inhibiert werden (Zhang et al. 2003). Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Zellkulturexperimente scheinen BMP in vivo daher eine eher inhibierende Rolle wåhrend der hypertrophen Differenzierung zu spielen.
5.1.3.2.2 Interaktion mit dem Ihh/PTHrP-System Das Signalsystem der BMP interagiert auf komplexe Weise mit dem Ihh/PTHrP-System. Zum einen
fçhrt die Ûberexpression von Ihh in Chondrozytenkulturen oder in der Knorpelanlage des Hçhnerembryos zur Aktivierung von Bmp2 und Bmp4 (Enomoto-Iwamoto et al. 1998; Pathi et al., 1999), zum anderen regulieren BMP-Signale die Expression von Ihh. Die Interaktion beider Systeme ist in Extremitåtenkulturen untersucht worden. Es konnte gezeigt werden, dass BMP-Signale die Chondrozytenproliferation parallel zur oben beschriebenen Aktivierung durch Ihh induzieren. Beide Signalfaktoren sind also notwendig, um die Chondrozytenproliferation aufrecht zu erhalten. Die Inhibition nur eines der beiden Signalwege fçhrt dagegen zu einer massiven Reduktion der Proliferationsrate (Minina et al. 2001). Die Regulation der hypertrophen Differenzierung durch BMP-Signale kann in zwei Schritte gegliedert werden: dem zuvor diskutierten Ihh-abhångigen Einsetzen der hypertrophen Differenzierung und dem eigentlichen Differenzierungsprozess in terminal hypertrophe Chondrozyten. Wåhrend der Embryonalentwicklung werden beide Prozesse durch BMP-Signale verzægert: Die Aktivierung des BMP-Signal-Systems fçhrt zu einer erhæhten Ihh-Expression, wodurch das Einsetzen des Differenzierungsprozesses sekundår inhibiert wird. Das konnte sowohl durch die Behandlung von Knorpelanlagen in Organkulturen mit BMP2 als auch durch die Ûberexpression eines konstitutiv aktivierten BMP-Rezeptors gezeigt werden. Umgekehrt fçhrt die Ûberexpression von Noggin zu einer reduzierten Ihh-Expression und damit zu einem beschleunigten Einsetzen des Differenzierungsprozesses (Minina et al. 2001; Zhang et al. 2003). Im Unterschied zum Einsetzen der hypertrophen Differenzierung scheint die Kontrolle des eigentlichen Differenzierungsprozesses von pråhypertrophen zu terminal hypertrophen Chondrozyten unabhångig von Ihh zu erfolgen (Minina et al., 2001). Ob BMP-Signale eine direkte Rolle in der Kontrolle dieses Differenzierungsschrittes spielen oder diese çber sekundåre, bisher nicht identifizierte Faktoren ausgeçbt wird, ist bislang ungeklårt. Insgesamt kontrollieren BMP-Signale also mindestens drei Schritte der Chondrozytendifferenzierung (Abb. 5.1.5). Eine mægliche Funktion des BMP-Signal-Systems liegt in der Koordination der verschiedenen Differenzierungsschritte, die eine Verånderung der Græûe von Skelettelementen im Verlaufe der Evolution erlaubt, ohne die Balance der einzelnen Differenzierungsschritte zu unterbrechen (Minina et al. 2001): Wenn die PTHrP-Konzentration den Abstand zwischen dem Gelenk und
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Abb. 5.1.5. Das BMP-Signal-System. BMP-Signale regulieren die Chondrozytenproliferation parallel zu Ihh. Sie induzieren die Expression von Ihh (rot) und inhibieren damit indirekt die Expression von PTHrP (gelb) und das Einsetzen der hypertrophen Differenzierung. Ferner inhibieren sie die Differenzierung terminal hypertropher Chondrozyten (dunkelblau) unabhångig von Ihh-Signalen
den hypertrophen Chondrozyten definiert, bewirkt eine reduzierte Proliferationsrate ± z. B. durch verringerte BMP-Signale ± einen långeren Aufenthalt der Chondrozyten in dieser Zone. Dieses wçrde zu einem verspåteten Einsetzen der hypertrophen Differenzierung in Relation zur allgemeinen Entwicklung des Embryos fçhren. Die gleichzeitige Reduktion der Ihh-Expression (und indirekt der PTHrPExpression) erlaubt dagegen ein Einsetzen der hypertrophen Differenzierung in geringerem Abstand von der Gelenkregion. So kænnen bei verringerter Proliferation in der entwicklungsbiologisch gleichen Zeitspanne kçrzere Knochen entstehen. Øhnlich kænnte auch die Regulation des hypertrophen Differenzierungsprozesses dazu dienen, diesen an die reduzierte Proliferationsrate anzupassen.
5.1.3.2.3 Mutationen des BMP-Signal-Systems im Menschen Unterschiedliche Skelettfehlbildungen des Menschen werden durch Stærungen des BMP-SignalSystems hervorgerufen. Mutationen in GDF5 fçhren zu der rezessiv vererbten Chondrodysplasie vom Typ Grebe (OMIN 200700; Thomas et al., 1997) und zur acromelischen Chondrodysplasie vom Hunter-Thompson-Typ (OMIN 210250; Thomas et al. 1996). Beide Syndrome sind durch auffållig verkçrzte Knochen der Extremitåten gekennzeichnet. Dabei weisen Tråger des Grebe-Typ-Syndroms eine stårkere Verkçrzung der Knochen auf als Tråger von Hunter-Thompson-Mutationen. Ûbereinstimmend handelt es sich bei Grebe-TypMutationen um dominant-negative Mutationen,
wåhrend Hunter-Thompson-Mutationen Nullmutationen sind. Die Verkçrzung der Knochenelemente in beiden Syndromen weist auf die Bedeutung von GDF-5-Signalen in der Knochenentwicklung hin. Interessanterweise zeigen menschliche Tråger von GDF-5-Mutationen einen stårkeren Phånotyp als das entsprechende Mausmodell ¹Brachypodismª. Dies ist mæglicherweise auf die unterschiedlichen Wachstumsanforderungen in beiden Organismen zurçckzufçhren. Mutationen in NOGGIN fçhren zum autosomaldominant vererbten proximalen SymphalangismusSyndrom (SYM), welches durch die Fusion von Fingerknochen gekennzeichnet ist. Andere Mutationen in NOGGIN resultieren im ebenfalls autosomal-dominanten ¹Multiple Synostosis Syndromeª (SYS), welches durch die Fusion mehrerer Gelenke gekennzeichnet ist (OMIN 185800). Auch hier kænnen die unterschiedlichen Phånotypen durch verschiedene Mutationen erklårt werden. SYM1- Mutationen fçhren zu einer reduzierten Sekretion des NOGGIN-Proteins, wåhrend SYNS-Mutationen die Sekretion vollståndig blockieren (Gong et al. 1999). Die Frage, ob der Verlust von aktivem NOGGIN die Gelenkbildung primår inhibiert oder ob Stærungen in der Chondrozytenentwicklung sekundår zum Verlust der Gelenke fçhren, ist weitgehend ungelæst. Da die Knochenelemente der Finger aus einer einzelnen Knorpelkondensation gebildet werden, die nach dem Erreichen einer bestimmten Græûe sekundår in einzelne durch Gelenke separierte Fingerelemente unterteilt werden, kann eine zu geringe Proliferationsrate oder das Fehlen induzierender Faktoren die Bildung von Gelenken inhibieren. Auûerdem kænnen Gelenke auch sekundår durch eine Ûberproliferation der Chondrozyten in den zunåchst geteilten Kondensationen verloren gehen. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die molekularen Ursachen solcher Pathologien im Detail zu verstehen.
5.1.3.3 FGF-Signale 5.1.3.3.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung durch FGF-Signale Wie die BMP bilden auch die Fibroblast growth factors (FGF) eine immer noch wachsende Familie von Wachstumsfaktoren. 22 unterschiedliche FGFGene sind bis heute identifiziert worden. FGF signalisieren çber Transmembran-Tyrosin-Kinase-Re-
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zeptoren, die vermutlich unterschiedliche Transkriptionsfaktoren und Zellzyklusgene regulieren (Ornitz u. Marie 2002). Mehre FGF und mindestens drei FGF-Rezeptoren (FGFR), Fgfr1, Fgfr2 und Fgfr3, werden wåhrend der Entwicklung der Knochenanlage exprimiert und besitzen mit hoher Wahrscheinlichkeit redundante Funktionen. Am besten untersucht ist der Fgfr3, welcher in proliferierenden und frçhen hypertrophen Chondrozyten exprimiert ist. Fgfr2 ist in proliferierenden und terminal hypertrophen Chondrozyten sowie in Osteoblasten exprimiert, wåhrend Fgfr1 in den periartikulåren und hypertrophen Chondrozyten und in Osteoblasten exprimiert wird. Von den FGF sind Fgf2 und Fgf9 in proliferierenden Chondrozyten und Fgf7, Fgf8, Fgf12, Fgf17 und Fgf18 im umgebenden Perichondrium exprimiert (Ornitz u. Marie 2002; Minina 2005). Øhnlich wie die BMP regulieren auch die FGF mehrere Schritte der Chondrozytendifferenzierung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Geweben des Organismus, in denen FGF-Signale die Proliferation induzieren, çben sie auf die Proliferation von Chondrozyten eine eindeutig hemmende Wirkung aus. Mausmutanten, in denen der Fgfr3 deletiert wurde, weisen eine erhæhte Chondrozytenproliferation auf (Colvin et al. 1996; Deng et al. 1996), wåhrend die Aktivierung dieses Rezeptors zu einer Reduktion der Proliferationsrate fçhrt (Naski et al. 1998). Dabei handelt es sich um einen zellautonomen Effekt, der nicht durch spezifische Eigenschaften des Fgfr3 hervorgerufen wird, sondern durch den Differenzierungszustand der Zelle determiniert wird. Ebenso ruft ein chimårer Rezeptor, welcher ein Fusionsprodukt aus der extrazellulåren Domåne des Fgfr3 und der intrazellulåren Domåne des normalerweise aktivierend wirkenden Fgfr1 ist, eine Reduktion der Proliferation in Chondrozyten hervor (Wang et al. 2001). Die Regulation der Proliferationsrate erfolgt zum Teil durch die Aktivierung des JAK-STAT(Janus kinase signal transducer and activator of transcription 1)Transkriptionsfaktoren-Komplexes. Es konnte gezeigt werden, dass die Deletion von Stat1 den hemmenden Effekt von FGF-Signalen auf die Chondrozytenproliferation aufhebt (Sahni et al. 1999, 2001). Neuere Untersuchungen zeigten ferner, dass eine Aktivierung der MAPK(¹mitogen activated protein kinaseª)-Kaskade an der Regulation der hypertrophen Differenzierung beteiligt ist (Murakami et al. 2004). Neben der Chondrozytenproliferation spielen FGF-Signale eine bedeutende Rolle in der Regulation der hypertrophen Differenzierung. Wåhrend ei-
ne Deletion des Fgfr3 zur Verlångerung der hypertrophen Region fçhrt, resultiert die Aktivierung dieses Rezeptors in einer verkçrzten Zone hypertropher Chondrozyten. Eine solche Verkçrzung kann theoretisch durch einen verzægerten Differenzierungsprozess oder durch einen beschleunigten Abbau hypertrophen Knorpels erfolgen. Die Behandlung von Extremitåten in Organkulturen mit Fgf2 ergab, dass die Differenzierung in terminal hypertrophe Chondrozyten durch FGF-Signale beschleunigt wird. Da diese direkt durch Knochen ersetzt werden, ist die hypertrophe Region insgesamt verkçrzt (Minina et al. 2002). Genexpressionsstudien, in denen die Expressionsprofile von Chondrozyten, die mit Fgf2 behandelt wurden, mit denen von unbehandelten Chondrozyten verglichen wurden, deuten ebenfalls auf eine Aktivierung des Differenzierungsprozesses hin. Neben negativen Regulatoren des Zellzyklus wurden in diesen Studien Gene, die in terminal hypertrophen Chondrozyten exprimiert werden, durch die Aktivierung des FGF-Signal-Systems induziert (Dailey et al. 2003). Obgleich, wie oben beschrieben, zahlreiche FGF-Gene wåhrend der Entwicklung der Knorpelanlage exprimiert werden, fçhrt die Deletion von Fgf2, Fgf8 oder Fgf17 in der Knorpel-/Knochenanlage nicht zu einer verånderten Knochendifferenzierung (Ornitz u. Marie 2002). Das låsst auf eine starke Redundanz dieser Faktoren schlieûen. Nur die Deletion von Fgf18 in der Maus fçhrt zu einem eindeutigen Knorpel/Knochenphånotyp (Liu et al. 2002; Ohbayashi et al. 2002). Wie der Verlust des Fgfr3 fçhrt die Deletion von Fgf18 zu einer erhæhten Chondrozytenproliferation und einer vergræûerten hypertrophen Zone, so dass Fgf18 als Ligand des Fgfr3 in der Knorpel-/Knochenanlage angesehen werden kann. Interessanterweise zeigen Fgf18-defiziente Mutanten einen stårkeren Phånotyp als Fgfr3-defiziente, da sie zusåtzlich durch eine verzægerte Ossifikation gekennzeichnet sind. Es ist daher anzunehmen, dass Fgf18 auch den Fgfr1 und den Fgfr2 aktiviert. Beide werden in den Osteoblasten des sich entwickelnden Knochens exprimiert. Ûbereinstimmend fçhrt die gewebespezifische Deletion von Fgfr2 in der Knorpel- und Knochenanlage ebenfalls zu einer Beeintråchtigung des Ossifikationsprozesses (Yu et al. 2003).
5.1.3.3.2 Mutationen des FGF-Signal-Wegs im Menschen Mutationen im Fgfr3-Gen, welche zu einer konstitutiven Aktivierung dieses Rezeptors fçhren, sind bereits 1994 als Ursache fçr Achondroplasie
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(OMIM 100800) identifiziert worden (Rousseau et al. 1994; Shiang et al. 1994). Achondroplasie ist mit einer Frequenz von 1 : 10 000 die håufigste Form des angeborenen Kleinwuchses beim Menschen. In den folgenden Jahren konnte gezeigt werden, dass zwei andere Kleinwuchsformen, die Hypochondroplasie (OMIM 146000) und die thanatophore Dysplasie (OMIM 187600), ebenfalls durch Mutationen im Fgfr3-Gen entstehen: Der Hypochondroplasie liegen Mutationen zugrunde, die zu einer schwachen Aktivierung des Rezeptors fçhren. Hypochondroplasie-Patienten weisen dementsprechend eine relativ schwache Form des Kleinwuchses auf (Bellus et al. 1995). Die thanatophore Dysplasie ist perinatal letal und durch eine ausgeprågte Verkçrzung endochondraler Knochen, besonders der Gliedmaûen, gekennzeichnet. Biochemische Untersuchungen zeigten, dass die verursachenden Mutationen zu einer maximalen Aktivierung des Fgfr3 fçhren (Naski et al. 1996; Tavormina et al. 1995). Die Identifikation dieser Mutationen hat wesentlich zur Analyse der Funktion von FGF-Signalen wåhrend der Knochenentwicklung beigetragen. Fçr unterschiedliche humane Mutationen sind Mausmodelle generiert worden, die entsprechend den menschlichen Syndromen unterschiedliche Grade der Kleinwçchsigkeit zeigen (Chen et al. 1999, 2001; Iwata et al. 2000, 2001; Li et al. 1999; Naski et al. 1998; Segev et al. 2000).
5.1.3.3.3 Interaktion von FGF-Signalen mit anderen Signalsystemen Øhnlich wie die BMP interagieren auch FGF-Signale mit dem Ihh/PTHrP-System. In Extremitåtenkulturen konnte gezeigt werden, dass Fgf- und Ihh-Signale eine antagonistische Funktion auf die Proliferation der Chondrozyten ausçben, wobei die Ihh-Signale aktivierend und die FGF-Signale inhibierend wirken. Das durch FGF-Signale beschleunigte Einsetzen der hypertrophen Differenzierung erfolgt çber die Reduktion der Ihh-Expression und kann durch die Gabe von PTHrP oder die Ûberexpression von Ihh aufgehoben werden. Die Differenzierung terminal hypertropher Chondrozyten wird durch FGF-Signale unabhångig von Ihh-Signalen aktiviert (Abb. 5.1.6) (Minina et al. 2002). Interessanterweise hat die Aktivierung von FGFSignalen eine åhnliche Konsequenz auf die Differenzierung der Chondrozyten wie die Inhibition von BMP-Signalen. Um die epistatische Beziehung der beiden Signalwege zu testen, wurden Extremitåtenkulturen von Wildtyp-Måusen gleichzeitig mit Fgf2 und Bmp2 behandelt. Der daraus resultierende, in-
Abb. 5.1.6. Das FGF-Signal-System. FGF-Signale sind negative Regulatoren der Chondrozytenproliferation und wirken parallel zu Ihh. Sie inhibieren die Expression von Ihh (rot) und damit indirekt die Expression von PTHrP (gelb). Dadurch beschleunigen sie das Einsetzen der hypertrophen Differenzierung. Ferner aktivieren FGF-Signale die Differenzierung terminal hypertropher Chondrozyten (dunkelblau) unabhångig von Ihh-Signalen. Insgesamt wirken FGF-Signale antagonistisch zu den BMP-Signalen
termediåre Phånotyp låsst darauf schlieûen, dass beide Signalsysteme parallel zueinander agieren. Dabei çben sie eine antagonistische Funktion aus. Da BMP-Signale einer Aktivierung des FGF-Signal-Wegs entgegenwirken, sollte eine Behandlung mit BMP-Protein den Achondroplasie-Phånotyp, der durch Aktivierung des FGF-Signal-Systems hervorgerufen wird, aufheben. Um dies zu testen, wurden Extremitåten des Mausmodells fçr Achondroplasie in Kultur genommen und mit Bmp2 behandelt. Es zeigte sich eine signifikante Erhæhung der bei Achondroplasie reduzierten Proliferationsrate sowie eine Ausdehnung der verkçrzten hypertrophen Zone. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Aktivierung des BMP-Signal-Systems zu einer gezielten Verbesserung der Kærpergræûe in Achondroplasie-Trågern fçhren kænnte (Minina et al. 2002).
5.1.3.4 CNP-Signale ¹C-type natriuretic peptideª (CNP) gehært zu einer kleinen Gruppe von Wachstumsfaktoren, der Natriuretic-peptide-Familie, die ihr Signal çber Rezeptoren mit Guanyl-Cyclase-B(CNP-GC-B)-Aktivitåt çbertragen. CNP wird neben anderen Organen stark in proliferierenden Chondrozyten exprimiert. Die Inaktivierung von CNP, seines Rezeptors NPR-B (¹natriuretic peptide receptor Bª) oder von einem Downstream-Mediator, der cGMP-abhångigen Proteinkinase II, in der Maus fçhrt zu aus-
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5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme
geprågtem Kleinwuchs (Bartels et al. 2004; Chusho et al. 2001; Pfeifer et al. 1996). Die endochondralen Knochen sind durch verkçrzte Zonen proliferierender und hypertropher Chondrozyten charakterisiert und weisen eine groûe Øhnlichkeit mit denen des Achondroplasie-Mausmodells auf. Eine Aktivierung des CNP-GC-B-Systems fçhrt dagegen zu einer Expansion der proliferierenden und hypertrophen Chondrozyten, åhnlich wie der Verlust des Fgfr3 (Suda et al. 1998). Eine Interaktion von beiden Signalsystemen wurde durch die Ûberexpression von CNP in einem Mausmodell fçr Achondroplasie (Naski et al., 1998) nachgewiesen (Yasoda et al., 1998). In diesen transgenen Tieren fçhrt die Ûberexpression von CNP zu einer Ausdehnung der in der Achondroplasie verkçrzten, proliferierenden und hypertrophen Zonen. So bildet das CNP-Signal-System einen weiteren Ansatzpunkt fçr die Entwicklung gezielter Therapien fçr FGF-bedingte Kleinwuchsformen (Yasoda et al. 2004).
5.1.3.5 Wnt-Signale Wnt-Wachstumsfaktoren bilden ebenfalls eine stetig wachsende Familie, welche çber 7-Transmembran-Rezeptoren der Frizzled-Familie ihr Signal in die Zelle çbertragen. Wnt-Signale werden intrazellulår durch b-Catenin weitergeleitet, welches Wntabhångig in den Kern transportiert wird und dort in einem Komplex mit dem Transkriptionsfaktor TCF/Lef Zielgene reguliert (Bienz u. Clevers 2003; Moon et al. 2004). Neben diesem sog. kanonischen Signalweg existieren zwei weniger gut untersuchte Ûbertragungsmechanismen, der ¹Planar-polaritySignalwegª und ein Signalweg, der zu einer intrazellulåren Anreicherung von Kalzium fçhrt (Pandur et al. 2002). In der Knorpel-/Knochenanlage werden Wnt4 und Wnt14 in den periartikulåren Chondrozyten der Gelenkregion exprimiert, wåhrend Wnt5a und Wnt5b im Perichondrium/Periosteum und in frçhen hypertrophen Chondrozyten exprimiert werden. Die Expression der Rezeptoren ist dagegen wenig untersucht. b-Catenin wird stark im Periosteum und in hypertrophen Chondrozyten exprimiert (Hartmann u. Tabin 2000, 2001; Yang 2003; Yang et al. 2003). Die Ûberexpression von Wnt4 oder einer aktivierenden Form von b-Catenin in der Knorpelanlage von Hçhnerembryonen fçhrt zu einer beschleunigten hypertrophen Differenzierung (Hartmann u. Tabin 2000). Ûbereinstimmend resultiert die knorpelspezifische Deletion von b-Catenin in
Mausembryonen oder die Ûberexpression eines dominant-negativen Rezeptors in Hçhnerembryonen in einer verzægerten hypertrophen Differenzierung (Akiyama et al. 2004; Hartmann u. Tabin 2000). Die hypertrophe Differenzierung der Chondrozyten scheint daher durch den kanonischen Wnt-Signal-Weg reguliert zu werden, und Wnt4 ist ein wahrscheinlicher Aktivator dieses Signalweges. Die Deletion von Wnt5a in der Maus fçhrt dagegen zu einer stark verzægerten hypertrophen Differenzierung. Da sich dieser Phånotyp deutlich von dem durch einen Verlust von b-Catenin induzierten unterscheidet, wirkt Wnt5a offensichtlich çber einen der anderen Signaltranduktionsmechanismen. Man nimmt an, dass Wnt5a auf die frçhen proliferierenden Chondrozyten einwirkt und deren weitere Differenzierung verhindert (Yang et al. 2003). Ein weiteres Mitglied der Wnt-Familie, Wnt14, ist in der sich entwickelnden Gelenkregion exprimiert und scheint ein wichtiger Regulator der Gelenkbildung zu sein. Die Ûberexpression von Wnt14 in der Knorpelanlage des Hçhnerembryos fçhrt zu einer Fragmentierung der Knorpelkondensationen. In den Bereichen, in denen die Knorpelanlagen unterbrochen sind, werden statt der chondrozytentypischen Gene Marker der Gelenkentwicklung wie Kollagen Typ III, Gdf-5 oder Autotaxin exprimiert. Wnt14 scheint daher eine wichtige induzierende Rolle bei der Entstehung der Gelenke zu spielen (Hartmann u. Tabin 2001). Zusammenfassend låsst sich sagen, dass die Funktion von Wnt-Signalen wåhrend der Knorpelentwicklung noch intensiver Untersuchung bedarf, bevor mit die Analyse ihrer Interaktion mit anderen Signalwegen begonnen werden kann.
5.1.4 Transkriptionsfaktoren Obgleich der Schwerpunkt dieses Kapitels auf der Funktion von Wachstumsfaktoren wåhrend der Chondrozytendifferenzierung liegt, soll im Folgenden kurz auf zwei Transkriptionsfaktoren eingegangen werden, die von fundamentaler Bedeutung fçr die Knorpeldifferenzierung sind, bisher aber nicht mit einzelnen Signalsystemen in Verbindung gebracht wurden.
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5.1.4.1 Sox9 5.1.4.1.1 Sox9 und die Kondensation der Skelettelemente Der erste Schritt der Knorpelbildung ist die Kondensation von mesenchymalen Zellen und deren Differenzierung zu Chondrozyten. Ein wichtiges Schlçsselmolekçl, welches diesen Schritt reguliert, ist der Transkriptionsfaktor Sox9. Sox9 gehært zur Familie der ¹High-mobility-groupª(HMG-box)Transkriptionsfaktoren. In der frçhen Knorpelanlage ist Sox9 eines der ersten Gene, welches von den kondensierenden Chondrozyten exprimiert wird. Promotorstudien zeigten, dass Sox9 die Expression chondrozytenspezifischer Markergene, wie Kollagen Typ II, Kollagen Typ XI oder Aggrecan, induziert (Bell et al. 1997; Bridgewater et al. 1998; Lefebvre et al. 1997; Sekiya et al. 2000). Die Expression von Sox9 bleibt in den proliferierenden Chondrozyten bestehen und wird erst in hypertrophen Chondrozyten abgeschaltet (Ng et al. 1997; Zhao et al. 1997). Die Deletion von Sox9 ist bereits im heterozygoten Zustand letal, so dass es lange Zeit schwierig war, die Auswirkungen einer Deletion von Sox9 zu untersuchen. Erst die Herstellung von chimåren Mausembryonen, in denen Wildtypzellen mit Sox9-defizienten Zellen gemischt vorlagen, ergab, dass die Sox9-negativen Zellen nicht zu Chondrozyten differenzieren kænnen (Bi et al. 1999). Dieses Ergebnis wurde durch die gewebespezifische Deletion von Sox9 beståtigt: Eine Deletion von Sox9 in den Gliedmaûenanlagen der Maus, vor Kondensation der Chondrozyten initiiert wird, fçhrt zu einem Verlust aller Knorpelkondensationen, und auch frçheste Chondrozytenmarker werden nicht exprimiert (Akiyama et al. 2002). Die Deletion von Sox9 in den Knorpelkondensationen, also zu einem spåteren Zeitpunkt des Differenzierungsprogramms, zeigte, dass Sox9 auch fçr die Aufrechterhaltung des chondrogenen Zelltyps und fçr die spåteren Differenzierungsschritte essentiell ist. Eine ¹spåteª Deletion von Sox9 unter dem Kollagen-Typ-II-Promotor fçhrt zu einem Verlust der Expression von Sox5 und Sox6, zwei weiteren Mitgliedern der HMG-Box-Familie von Transkriptionsfaktoren, die ebenfalls essentiell fçr die Differenzierung der Chondrozyten sind (Akiyama et al. 2002). Beide werden çberlappend mit Sox9 in den Knorpelkondensationen und proliferierenden Chondrozyten exprimiert (Lefebvre et al. 1998). Wåhrend der Verlust eines dieser beiden Gene nur einen milden Phånotyp produziert, resultiert der Verlust von sowohl Sox5 als
auch Sox6 in starken Chondrodysplasien, in denen die Chondrozyten zwar kondensieren, jedoch die weiteren Differenzierungsschritte gestært sind (Smits et al. 2001). Dieser Phånotyp åhnelt stark dem durch den Verlust von Sox9 hervorgerufenem. Das låsst darauf schlieûen, dass Sox9 fçr die Induktion der Chondrozytenkondensation und fçr die ersten Differenzierungsschritte notwendig ist, aber alle drei Gene zur weiteren Differenzierung benætigt werden. Interessanterweise ist die Proliferation in Sox5/Sox6- doppelt-defizienten Mutanten stark reduziert, wåhrend Differenzierungsmarker verstårkt exprimiert werden. Øhnlich fçhrt auch die heterozygote Deletion von Sox9 zu einer beschleunigten hypertrophen Differenzierung. Die Funktion von Sox5, Sox6 und Sox9 scheint somit in der Aufrechterhaltung der Proliferation und der Inhibition der hypertrophen Differenzierung zu liegen (Akiyama et al. 2002). Obgleich diese Ergebnisse wichtige Einblicke in die ersten Differenzierungsschritte geben, ist bis heute weitgehend ungeklårt, welche Signale die Kondensation der Knorpelanlagen in bestimmten Regionen des Embryos determinieren und die Sox9-Expression in den kondensierenden Zellen induzieren. Es gibt Hinweise darauf, dass BMPSignale notwendig sind, da diese, wie oben beschrieben, endochondrale Knochenbildung im Muskelgewebe induzieren kænnen (Wozney 1992). Im Gegensatz dazu verhindert die Ûberexpression von Noggin die Kondensation und Differenzierung von Chondrozyten einschlieûlich der Expression von Sox9 (Capdevila u. Johnson 1998; Pizette u. Niswander 2000). Ferner ist zu vermuten, dass auch andere Signalwege wie die der FGF, der TGF-b und der Wnt, wichtig fçr den Kondensationsprozess sind.
5.1.4.1.2 Sox9-Mutationen im Menschen Heterozygote Mutationen von Sox9 fçhren beim Menschen zur Campomelen-Dysplasie (CD; OMIN 1194290; Foster et al. 1994; Wagner et al. 1994). CD ist durch eine reduzierte Kærpergræûe, einen verkleinerten Thorax mit einer reduzierten Anzahl von Rippen und stark deformierten Knochen charakterisiert. Øhnlich wie die heterozygote Mutation in der Maus ist CD aufgrund von Respirationsproblemen perinatal letal.
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5.1.4.2 Runx2 5.1.4.2.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung durch Runx2 RUNX2 (bisher Cbfa1) gehært zur Gruppe der Paired-box-Transkriptionsfaktoren und ist zunåchst als ein Hauptregulator der Knochendifferenzierung beschrieben worden. Måuse, in denen RUNX2 deletiert wurde, entwickeln keine Osteoblasten und bilden so weder endochondrale noch desmale Knochen (Ducy et al. 1997; Komori et al. 1997; Otto et al. 1997). Intensivere Untersuchungen von Runx2- Mutanten zeigten jedoch, dass Runx2 auûerdem eine wichtige Funktion in der Chondrozytendifferenzierung spielt. Runx2 ist zunåchst stark in der spåten Chondrozytenkondensation exprimiert, danach schwach in proliferierenden Chondrozyten und spåter wieder verstårkt in pråhypertrophen und hypertrophen Chondrozyten (Inada et al. 1999; Kim et al. 1999). Daneben findet man eine starke Expression in den sich differenzierenden Osteoblasten im Periosteum und in der ossifizierenden Region der Knochenanlage. In den Knorpelanlagen von Runx2-defizienten Måusen ist die Zone der hypertrophen Chondrozyten stark reduziert oder fehlt vollståndig. Die Ûberexpression von Runx2 fçhrt dagegen zu einer beschleunigten hypertrophen Differenzierung in endochondralen Knochen und kann sogar die hypertrophe Differenzierung in Chondrozyten induzieren, die normalerweise nicht hypertroph werden, wie z. B. in den Chondrozyten der Trachea (Takeda et al. 2001; Ueta et al. 2001). Interessanterweise inhibiert die Deletion von Runx2 die Differenzierung von hypertrophen Chondrozyten in verschiedenen Skelettelementen unterschiedlich stark. So weist z. B. der Humerus von Runx2-defizienten Mutanten keine hypertrophen Chondrozyten auf, wohingegen in Ulna und Radius alle Stadien hypertropher Chondrozyten zu finden sind, wenn auch in verminderter Anzahl. Kçrzlich wurde ein weiteres Mitglied der RunxGenfamilie, Runx3, gleichzeitig mit Runx2 in der Knochenanlage deletiert. Obgleich ein Verlust von Runx3 allein zu keinem Knochenphånotyp fçhrt, sind Doppelmutanten fçr beide Transkriptionsfaktoren durch den Verlust aller hypertropher und pråhypertropher Chondrozyten gekennzeichnet (Yoshida et al. 2004). Runx3 ist çberlappend mit Runx2 in hypertrophen Chondrozyten exprimiert, so dass von einer Redundanz der beiden Faktoren ausgegangen werden kann.
Da sowohl die Osteoblasten- als auch die Chondrozytendifferenzierung durch den Verlust von Runx2 und Runx3 inhibiert wird, scheinen diese Transkriptionsfaktoren allgemein fçr die Initiation und Aufrechthaltung der Differenzierung beider Zelltypen verantwortlich zu sein.
5.1.4.2.2 Runx2-Mutationen im Menschen Die heterozygote Mutation von RUNX2 im Menschen fçhrt zur cleidocranialen Dysplasie, einer autosomal-dominanten Stærung der Knochenbildung (OMIN 119600). Die Tråger sind durch das Fehlen des medialen Teils des Schlçsselbeins (Clavicula) gekennzeichnet (Mundlos et al. 1997). Homozygote Tråger von RUNX2-Mutationen sind bisher nicht identifiziert worden.
5.1.5 Zusammenfassung und Ausblick Dieses Kapitel fasst die wichtigsten heute bekannten, vorwiegend para- und autokrinen Regulationsmechanismen der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumszone endochondraler Knochen zusammen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Vielzahl weiterer Signalwege und Transkriptionsfaktoren eine bedeutende Rolle in diesem Kontrollsystem spielen. Auch endokrine Faktoren, wie das Wachstumshormon (Somatotropin), die nicht Gegenstand dieses Kapitels sind, spielen eine wichtige Rolle in der Steuerung dieses Prozesses. Des Weiteren ist zu bemerken, dass selbst die hier beschriebenen Mechanismen nur unvollståndig verstanden sind. Die groûe Anzahl der neueren Publikationen macht jedoch die rasante Geschwindigkeit deutlich, mit der diese Differenzierungsprozesse in den letzten Jahren entschlçsselt wurden. Es ist daher zu erwarten, dass die Aufklårung dieser Regulationsprozesse auch in den kommenden Jahren intensive Fortschritte machen wird. Wie eingangs erwåhnt, ist ein Verståndnis der molekularen Grundlagen des Differenzierungsprozesses die Voraussetzung, um Erkrankungen des Skelettsystems zu verstehen. Dabei stellt die Identifizierung der verursachenden Gene nur einen ersten Schritt dar, um die Pathogenese von Entwicklungsstærungen aufzuklåren. Es zeigt sich zunehmend, dass ein tieferes Verståndnis der molekularen Ursachen die Einordnung des identifizierten Gens in ein çbergeordnetes Kontrollnetzwerk voraussetzt. Wie am Beispiel des FGF-Signal-Wegs
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aufgezeigt, eræffnet die Kenntnis der Interaktionen eines Genproduktes mit anderen Signalsystemen die Mæglichkeit, nicht nur das defekte Gen selbst als Therapietarget zu wåhlen, sondern durch die Manipulation der interagierenden Signalsysteme den Fehlbildungen und Gewebeschådigungen entgegenzuwirken. Die Identifizierung der embryonalen Prozesse ist nicht nur fçr die genetisch bedingten Entwicklungsstærungen von Bedeutung. Auch fçr die altersbedingten oder erworbenen Skeletterkrankungen ist die Kenntnis der Regulationsprinzipien, die zur Ausbildung eines bestimmten Gewebetyps fçhren, essentiell. Die heute zunehmend im Fokus der Medizin stehenden Stammzell- und Gewebeersatztherapien erfordern zunåchst die Entwicklung von Techniken zur Isolation und Vermehrung undifferenzierter Zellen. Da davon auszugehen ist, dass in vielen adulten Geweben die Mechanismen zur Differenzierung eines bestimmten Gewebes nicht mehr aktiv sind, ist die Reaktivierung des embryonalen Programms eine Mæglichkeit, um geschådigte Gewebe, wie z. B. den Gelenkknorpel, gezielt in vivo oder in vitro aus undifferenzierten Zellen zu regenerieren.
5.1.6 Literatur Akiyama H, Chaboissier MC, Martin JF, Schedl A, Crombrugghe de B (2002) The transcription factor Sox9 has essential roles in successive steps of the chondrocyte differentiation pathway and is required for expression of Sox5 and Sox6. Genes Dev 16: 2813±2828 Akiyama H, Lyons JP, Mori-Akiyama Yet al. (2004) Interactions between Sox9 and beta-catenin control chondrocyte differentiation. Genes Dev 18: 1072±1087 Amizuka N, Warshawsky H, Henderson JE, Goltzman D, Karaplis AC (1994) Parathyroid hormone-related peptidedepleted mice show abnormal epiphyseal cartilage development and altered endochondral bone formation. J Cell Biol 126: 1611±1623 Bartels CF, Bukulmez H, Padayatti P et al. (2004) Mutations in the transmembrane natriuretic peptide receptor NPRB impair skeletal growth and cause acromesomelic dysplasia, type Maroteaux. Am J Hum Genet 75: 27±34 Baur ST, Mai JJ, Dymecki SM (2000) Combinatorial signaling through BMP receptor IB and GDF5: shaping of the distal mouse limb and the genetics of distal limb diversity. Development 127: 605±619 Bell DM, Leung KK, Wheatley SC et al. (1997) Sox9 directly regulates the type-II collagen gene. Nat Genet 16: 174± 178 Bellus GA, McIntosh I, Smith EA et al. (1995) A recurrent mutation in the tyrosine kinase domain of fibroblast growth factor receptor 3 causes hypochondroplasia. Nat Genet 10: 357±359
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5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme
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a
5.1 Regulation der Chondrozytendifferenzierung in der Wachstumsfuge: Parakrine Signalsysteme
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Yoshida CA, Yamamoto H, Fujita T et al. (2004) Runx2 and Runx3 are essential for chondrocyte maturation, and Runx2 regulates limb growth through induction of Indian hedgehog. Genes Dev 18: 952±963 Yu K, Xu J, Liu Z et al. (2003) Conditional inactivation of FGF receptor 2 reveals an essential role for FGF signaling in the regulation of osteoblast function and bone growth. Development 130: 3063±3074 Zhang D, Schwarz EM, Rosier RN, Zuscik MJ, Puzas JE, O'Keefe RJ (2003) ALK2 functions as a BMP type I receptor and induces Indian hedgehog in chondrocytes during skeletal development. J Bone Miner Res 18: 1593± 1604 Zhang H, Bradley A (1996) Mice deficient for BMP2 are nonviable and have defects in amnion/chorion and cardiac development. Development 122: 2977±2986 Zhao Q, Eberspaecher H, Lefebvre V et al. (1997) Parallel expression of Sox9 and Col2a1 in cells undergoing chondrogenesis. Sox9 directly regulates the type-II collagen gene. Sox9 binds DNA, activates transcription, and coexpresses with type II collagen during chondrogenesis in the mouse. Dev Dyn 209: 377±386 Zou H, Wieser R, Massague J, Niswander L (1997) Distinct roles of type I bone morphogenetic protein receptors in the formation and differentiation of cartilage. Genes Dev 11: 2191±2203
477
5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel Lorenz C. Hofbauer und Michael Schoppet
Inhaltsverzeichnis 5.2.1
Zellbiologie und Funktion von Osteoklasten 479
5.2.2 5.2.2.1 5.2.2.2
Gen- und Proteinstruktur . . . . . . . . . Osteoprotegerin . . . . . . . . . . . . . . . Receptor Activator of Nuclear Factor jB Ligand . . . . . . . Receptor Activator of Nuclear Factor jB
5.2.2.3
. . . .
480 480
. . . .
481 482
5.2.3
Expression und Funktion des OPG/RANKL/ RANK-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . 482
5.2.4
RANKL und OPG als Mediatoren des Knochenumsatzes . . . . . . . . . . . . .
Modulation der RANKLund OPG-Produktion . . . . . 5.2.5.1 Zytokine . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.2 Wachstumsfaktoren . . . . . . . 5.2.5.3 Parathormon . . . . . . . . . . . 5.2.5.4 Vitamine . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.5 Glukokortikoide . . . . . . . . . 5.2.5.6 Ústrogene und Phytoæstrogene 5.2.5.6.1 17b-Ústradiol . . . . . . . . . . 5.2.5.6.2 Genistein . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.7 Leptin . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.8 Medikamente . . . . . . . . . . . 5.2.5.8.1 Immunsuppressiva . . . . . . .
484
5.2.5
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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485 485 485 486 486 487 487 487 487 487 488 488
5.2.1 Zellbiologie und Funktion von Osteoklasten Knochen stellt eine spezialisierte Form von Bindegewebe dar, das durch trajektorielle Bauweise eine ausgeprågte Rigiditåt mit einem hohen Grad an Elastizitåt vereint. Es bildet die strukturelle Grundlage fçr die Fortbewegung und den Schutz vitaler Organe von Vertebraten und ist das græûte Kalzium- und Phosphatreservoir. Knochen wird kontinuierlich durch einen koordinierten Prozess aus osteoklastårer Resorption und osteoblastårer Produktion erneuert, was zu einem dynamischen Gleichgewicht unter Beibehaltung der strukturellen Integritåt fçhrt (Manolagas 2000; Roodman 1996). Unter physiologischen Bedingungen werden die durch Osteoklasten verursachten Resorptionslaku-
5.2.5.8.2 Bisphosphonate . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 5.2.5.8.3 Raloxifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 5.2.5.9 Konvergenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 489 5.2.6
In-vivo-Effekte im Tiermodell . . . . . . . . 489
5.2.7 5.2.7.1 5.2.7.1.1 5.2.7.1.2 5.2.7.1.3 5.2.7.1.4 5.2.7.2 5.2.7.3 5.2.7.4 5.2.7.5 5.2.7.6
Bedeutung bei metabolischen Knochenerkrankungen . . . . . . . . . Osteoporoseformen . . . . . . . . . . . Postmenopausale Osteoporose . . . . . Glukokortikoidinduzierte Osteoporose Posttransplantationsosteoporose . . . Immobilisierungsosteoporose . . . . . Multiples Myelom . . . . . . . . . . . . Knochenmetastasen . . . . . . . . . . . Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . Hereditåre Knochenerkrankungen . . Sonstige Knochenerkrankungen . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
490 490 491 491 491 492 492 493 494 495 496
5.2.8 5.2.8.1 5.2.8.2 5.2.8.3
Extraskeletale Effekte . . . Immunologische Effekte . Vaskulåre Effekte . . . . . . Endokrinologische Effekte
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
496 496 497 498
5.2.9
Therapeutische Implikationen . . . . . . . . 499
5.2.10
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
nen von Osteoblastenvorlåuferstufen ausgekleidet, die nach ihrer Differenzierung extrazellulåre Matrix deponieren, aus welcher nach Mineralisierung biomechanisch vollwertiges Knochengewebe entsteht (Manolagas 2000). Die permanente und kontrollierte Knochenresorption ist essentiell fçr das Långenwachstum sowie den Aufbau (Modeling) und Umbau (Remodeling) des Knochens. Einer unphysiologisch gesteigerten Knochenresorption aufgrund einer gesteigerten Osteoklastenaktivitåt wird eine zentrale Bedeutung bei verschiedenen metabolischen Knochenerkrankungen (Osteoporose, Morbus Paget, osteolytische Knochenmetastasen, rheumatoide Arthritis) zugeschrieben (Teitelbaum 2000), und die Hemmung dieses Prozesses ist ein effektives und klinisch relevantes Therapieprinzip (Rodan u. Martin 2000).
Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
480
L. C. Hofbauer und M. Schoppet
Abb. 5.2.1. Entwicklungsphasen eines Osteoklasten. Schematische Darstellung der einzelnen Prozesse und mæglicher regulierender Determinanten
Im Gegensatz zu Osteoblasten, die von mesenchymalen pluripotenten Stammzellen abstammen (Ducy et al. 2000 b), leiten sich Osteoklasten von einer monozytår-makrophagozytåren Vorlåuferstufe ab (Teitelbaum 2000). Unter der Kontrolle zahlreicher Zytokine (¹macrophage colony-stimulating factorª (M-CSF), Interleukin(IL)-1, IL-6, Tumor necrosis factor (TNF) a) und Hormone (Parathormon, Vitamin D, Glukokortikoide) sowie durch sequentielle Aktivierung verschiedener Transkriptionsfaktoren (c-src, c-fos) kommt es zum ¹Commitmentª, dem Verlust der Pluripotenz und zur Bildung von Osteoklastenvorlåuferstufen, die sukzessiv durch Differenzierung, Fusion und Aktivierung zu voll funktionsfåhigen, multinukleåren Osteoklasten ausreifen (Abb. 5.2.1) (Manolagas u. Jilka 1995; Roodman 1996). Obwohl die Bedeutung von Osteoklasten als Mediatorzellen fçr die Entstehung zahlreicher Knochenerkrankungen mittlerweile gut definiert ist, waren essenzielle Aspekte der Osteoklastenzellbiologie wie die Differenzierung und Aktivierung, die Regulation dieser Prozesse durch Zytokine und Hormone sowie die zell- und molekularbiologischen Interaktionen mit Osteoblasten bis vor kurzem weitgehend unbekannt. Die Identifizierung und Charakterisierung von Receptor activator of nuclear factor (NF) jB ligand (RANKL) (Anderson et al. 1997; Lacey et al. 1998; Wong et al. 1997 a; Yasuda et al. 1998 b), seines Rezeptors Receptor activator of nuclear factor jB (RANK) (Anderson et al. 1997; Hsu et al. 1999; Nakagawa et al. 1998) und seines Rezeptorantagonisten Osteoprotegerin (OPG) (Simonet et al. 1997; Yasuda et al. 1998 a) haben zu einem neuen molekularen lokal regulierten Konzept der Zellbiologie von Osteoklasten und des Knochenstoffwechsels gefçhrt, in welchem diese drei Komponenten eine essenzielle Bedeutung einnehmen (Hofbauer et al. 2000; Suda et al. 1999).
5.2.2 Gen- und Proteinstruktur 5.2.2.1 Osteoprotegerin Osteoprotegerin (OPG) (Simonet et al. 1997) und ¹osteoclastogenesis inhibitory factorª (OCIF) (Tsuda et al. 1997; Yasuda et al. 1998 a) wurden 1997 von zwei unabhångigen Gruppen als sezernierte Mitglieder der TNF-Rezeptor(TNFR)-Familie identifiziert und nach ihren Wirkungen benannt. Andere Arbeitsgruppen haben diese Ergebnisse beståtigt und das Protein ¹TNF receptor-related molecule-1ª (TR1) (Kwon et al. 1998; Tan et al. 1997) bzw. ¹follicular dendritic cell receptor-1ª (FDCR-1) (Yun et al. 1998) benannt. Zur Vereinheitlichung der Nomenklatur soll kçnftig die Bezeichnung OPG verwendet werden (American Society for Bone and Mineral Research President's Committee on Nomenclature 2000). Das OPG-Gen von Maus (Mizuno et al. 1998 a) und Mensch (Morinaga et al. 1998) wurde kloniert und sequenziert, wobei das menschliche OPG-Gen 5 Exons enthålt, die sich çber 29 Kilobasen (kb) des Chromosoms 8q23±24 verteilen (Hilton et al. 2001). Die humane OPG-mRNA liegt vor allem als 2,9 kb lange Form vor, wobei zwei gering exprimierte 4,2 kb und 6,5 kb lange Formen als Folge einer partiellen oder kompletten Duplikation von Intron 2 existieren (Morinaga et al. 1998). Im OPG-GenPromoter wurden Bindungsstellen fçr Transforming-growth-factor(TGF)-b-aktivierte Transkriptionsfaktoren (Thirunavukkarasu et al. 2001) und den osteoblaståren Transkriptionsfaktor cbfa-1 nachgewiesen (Thirunavukkarasu et al. 2000). Das OPG-Gen codiert ein sezerniertes basisches Glykoprotein von 401 Aminosåuren ohne Transmembranregion, das entweder als monomere (60 kDa) oder ± nach Bildung einer Disulfidbrçcke ± als homodimere Form (120 kDa) von åhnlicher
a
5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
Abb. 5.2.2. Struktur und Funktion von Osteoprotegerin (OPG). OPG-Domånen und ihre biochemischen und funktionellen Eigenschaften. NH2: Aminoterminus; COOH: Carb-
oxyterminus; SP: Signalpeptid; DDH: Death-domain-homologe Region; SH: Sulfhydrylgruppe von Cystein
biologischer Aktivitåt vorliegen kann (Merewether et al. 2000; Tomoyasu et al. 1998; Yamaguchi et al. 1998). OPG weist eine hohe Sequenzhomologie zu anderen TNFR wie TNFR-2 und CD40 auf und besitzt ein Signalpeptid von 21 Aminosåuren sowie insgesamt 7 strukturelle Domånen, denen spezifische Funktionen zugeordnet werden kænnen (Simonet et al. 1997) (Abb. 5.2.2). Die N-terminalen Domånen 1±4 enthalten fçr TNFR-Mitglieder charakteristische cysteinreiche Domånen und sind fçr die Bindung von RANKL verantwortlich (Simonet et al. 1997; Yamaguchi et al. 1998; Yasuda et al. 1998 a). Die Domånen 5 und 6 besitzen ¹Death-domain-homologe Regionenª, die nach Fusion mit einer transmembranæsen Domåne in vitro apoptosefærdernde und zytotoxische Effekte haben kænnen und auch bei anderen Mitgliedern der TNFRFamilie vorkommen (Simonet et al. 1997). Die C-terminale Domåne 7 enthålt neben einer Heparin bindenden Domåne auch einen Cysteinrest an Position 400, der durch Ausbildung einer Disulfidbrçcke eine Dimerisierung ermæglicht (Abb. 5.2.2) (Merewether et al. 2000; Simonet et al. 1997; Tomoyasu et al. 1998; Yamaguchi et al. 1998).
Das humane RANKL-Gen ist auf Chromosom 13q14 lokalisiert, und die RANKL-mRNA ist infolge unterschiedlicher Polyadenylierungssignale zwischen 2,2 und 2,4 kb lang (Anderson et al. 1997; Wong et al. 1997 a). Das RANKL-Gen der Maus enthålt 5 Exons, die çber 40 kb des Måuse-Genoms verteilt sind (Kodaira et al. 1999). Im RANKL-GenPromoter sind Bindungsstellen fçr Vitamin-D- und Glukokortikoidrezeptoren (Kitazawa et al. 1999; Kodaira et al. 1999) sowie fçr den osteoblaståren Transkriptionsfaktor cbfa-1 enthalten (Gao et al. 1998). Das humane RANKL-Gen codiert ein membranståndiges Protein von 317 Aminosåuren mit einem Molekulargewicht von 38 kDa und hoher Sequenzhomologie zu anderen TNF-Liganden wie TRAIL, CD40-Ligand und Fas-Ligand (Anderson et al. 1997; Lacey et al. 1998; Wong et al. 1997 a). Die extrazellulåren Domånen ordnen sich in ihrer Quartårstruktur als Homotrimere an (Kong et al. 2000). Aus dieser zellulåren RANKL-Form entstehen nach proteolytischer Spaltung an den Aminosåuren 140 oder 145 durch die TNF-a-convertingenzyme-like(TACE)-Protease kçrzere Ektodomånvarianten (Lum et al. 1999). Darçber hinaus wurden in aktivierten T-Lymphozyten (Kong et al. 1999 b) und einer Plattenepithelkarzinom-Zelllinie (Nagai et al. 2000) auch primår sezernierte RANKL-Formen beschrieben. In murinen Zellen existieren drei RANKL-Isoformen: die klassische RANKL-Form (RANKL-1) mit 316 Aminosåuren, RANKL-2, die sich von RANKL-1 durch eine kçrzere Intrazellulårdomåne unterscheidet (287 Aminosåuren) und vor allem innerhalb des endoplasmatischen Retikulums lokalisiert ist, sowie RANKL-3, eine læsliche Form ohne Transmembranregion von 199 Aminosåuren (Ikeda et al. 2001). Die Analyse der Kristallstruktur des murinen RANKL beståtigte die Quartårstruktur von drei RANKL-Ektodomånen als Homotrimer und identifizierte die fçr die RANKL-RANK-Interaktionen verantwortlichen Aminosåuren (Lam et al. 2001).
5.2.2.2 Receptor Activator of Nuclear Factor jB Ligand ¹Osteoprotegerin ligandª (OPGL; Lacey et al. 1998) und ¹osteoclast differentiation factorª (ODF; Yasuda et al. 1998 b) wurden 1998 als spezifische Liganden von OPG identifiziert. Eine Sequenzanalyse ergab, dass ein identisches Protein bereits 1997 von zwei anderen Arbeitsgruppen als wichtiges Zytokin des Immunsystems unter den Bezeichnungen Receptor activator of nuclear factor jB ligand (RANKL; Anderson et al. 1997) bzw. ¹TNF-related activation-induced cytokineª (TRANCE; Wong et al. 1997 a) beschrieben worden war. Kçnftig soll der Begriff RANKL verwendet werden (American Society for Bone and Mineral Research President's Committee on Nomenclature 2000).
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5.2.2.3 Receptor Activator of Nuclear Factor jB Receptor activator of nuclear factor-jB (RANK) wurde als Rezeptor zusammen mit seinem spezifischen Liganden (RANKL) erstmals 1997 beschrieben und nach Nuclear factor jB (NF-jB), einem seiner intrazellulåren Zielgene, benannt (Anderson et al. 1997). In der Osteologie wurde RANK erstmals 1998 beschrieben (Nakagawa et al. 1998), wobei spåter auch der Begriff ¹osteoclast differentiation and activation receptorª (ODAR) eingefçhrt wurde (Hsu et al. 1999). Eine Konsensuskommission empfahl den Begriff RANK (American Society for Bone and Mineral Research President's Committee on Nomenclature 2000). Das humane RANK-Gen ist auf Chromosom 18q22.1 lokalisiert (Anderson et al. 1997). Die humane RANK-mRNA ist 4,5 kb lang, die der Maus 5,5 kb (Anderson et al. 1997; Nakagawa et al. 1998). Neben diesen Hauptformen gibt es aufgrund unterschiedlicher Polyadenylierungssignale weitere humane RANK-mRNA-Formen von 3,0, 3,5 und 5,5 kb (Anderson et al. 1997). Verschiedene heterozygote Insertionsmutationen in Exon 1 wurden bei einigen Patienten mit hereditåren Knochenerkrankungen (familiåre expansive Osteolyse) beschrieben, die zu einer konstitutiven Aktivierung von RANK fçhren (Hughes et al. 2000). Im Gegensatz zu RANKL und OPG wurden im RANKGen-Promoter bislang keine Bindungsstellen fçr osteotrope Mediatoren identifiziert. Das humane RANK-Gen codiert fçr ein membranståndiges Polypeptid von 616 Aminosåuren und besitzt eine hohe Sequenzhomologie zu CD27 und CD40 (Anderson et al. 1997). RANK enthålt ein Signalpeptid (28 Aminosåuren), eine N-terminale extrazellulåre Liganden bindende Domåne (184 Aminosåuren), eine Transmembranregion (21 Aminosåuren) und eine lange C-terminale intrazellulåre Domåne (383 Aminosåuren), die fçr die Signaltransduktion erforderlich ist (Anderson et al. 1997). Die extrazellulåren Domånen von RANK enthalten wie OPG die fçr TNFR charakteristischen cysteinreichen Domånen (Anderson et al. 1997; Simonet et al. 1997). Die durch RANK-Aktivierung initiierte Signalkaskade ist komplex und bislang nur in Grundzçgen bekannt (Ross 2000) (Abb. 5.2.3). Nach der Bindung von RANKL an RANK werden Adaptormolekçle wie ¹TNFR-associated factorsª (TRAF) und c-src rekrutiert, von denen vor allem TRAF-6 eine zentrale Rolle spielt (Darnay et al. 1998, 1999; Galibert et al. 1998). Die weiteren Signalwege distal von TRAF-6 umfassen die Stimulation der
Abb. 5.2.3. Signaltransduktion von Receptor activator of NFjB (RANK) in Osteoklasten. Nach Bindung von RANKL und RANK stimuliert der aktivierte Rezeptor zusammen mit verschiedenen TRAF (¹tumor necrosis factor receptor-associated factorsª) einschlieûlich TRAF-6 die c-jun-N-terminale Kinase (JNK), Nuclear factor (NF-)jB und die Serin-ThreoninKinase PKB/Akt
c-Jun-N-terminalen Kinase und die Aktivierung von NF-jB, die jeweils die Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten stimulieren (Darnay et al. 1998, 1999; Galibert et al. 1998; Matsuo et al. 2000; Wong et al. 1997 b, 1998). In einem dritten Signalweg kooperieren TRAF-6 und c-src und aktivieren auf diese Weise die Serin-Threonin-Kinase Akt/PKB, die antiapoptotische Signale vermittelt und eine Umorganisation des osteoklaståren Zytoskeletts bewirkt (Ross 2000; Wong et al. 1999 b).
5.2.3 Expression und Funktion des OPG/RANKL/RANK-Systems Verschiedene skeletale Zellen (mesenchymale Stammzellen, Osteoblasten, Osteoklasten, Periostzellen und Chondrozyten) exprimieren RANKL (Anderson et al. 1997; Kartsogiannis et al. 1999; Lacey et al. 1998; Wong et al. 1997 a; Yasuda et al. 1998 b). Zu den nichtskeletalen Zellen mit nachgewiesener RANKL-Expression zåhlen Endothelzellen (Collin-Osdoby et al. 2001), T-Lymphozyten (Josien et al. 1999; Kong et al. 1999 b), mesenchymale und epitheliale Zellen des Zahnhalteapparats (Rani u. MacDougall 2000) und verschiedene Tumorzellen, wie Myelomzellen (Heider et al. 2003), Plattenepithelkarzinomzellen (Nagai et al. 2000) und Prostatakarzinomzellen (Zhang et al. 2001). Die Gewebeexpression von RANKL ist daher vor allem im Knochen und Knochenmark, in lympha-
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
Abb. 5.2.4. Bedeutung von RANKL, RANK und OPG bei der Regulation von Osteoklasten. RANKL wird von osteoblaståren Zellen produziert und stimuliert durch Aktivierung seines spezifischen Rezeptors RANK wichtige Osteoklastenfunktionen. Diese Effekte werden durch den læslichen Re-
zeptorantagonisten OPG antagonisiert und durch andere Zytokine (IL: Interleukin; TNF: Tumor necrosis factor) moduliert. M-CSF: ¹macrophage colony-stimulating factorª; c-fms: Rezeptor fçr M-CSF
tischen Organen und osteotropen Malignomen am hæchsten (Anderson et al. 1997; Kartsogiannis et al. 1999; Lacey et al. 1998; Wong et al. 1997 a; Yasuda et al. 1998 b; Xu et al. 2000; Zhang et al. 2001). OPG wird von zahlreichen normalen und malignen Zelltypen innerhalb des Knochen-Knochenmark-Kompartiments von der osteoblaståren Zellreihe produziert (Kwon et al. 1998; Simonet et al. 1997; Tan et al. 1997; Tsuda et al. 1997; Yasuda et al. 1998 a; Yun et al. 1998). Zu den Geweben starker OPG-Expression zåhlen ferner der Zahnhalteapparat (Rani und MacDougall 2000; Sakata et al. 1999; Shiba et al. 2000), die Wand groûer Arterien (Simonet et al. 1997) und die Schilddrçse (Hofbauer et al. 2002). RANK-Protein ist vor allem auf Osteoklasten, dendritischen Zellen (DC), B- und T-Lymphozyten und Fibroblasten lokalisiert. Zu den Geweben stårkster RANK-Expression zåhlen das Knochenund Knorpel- sowie das lymphatische Gewebe (Anderson et al. 1997; Green u. Flavell 1999; Hsu et al. 1999; Myers et al. 1999; Nakagawa et al. 1998). RANKL reguliert nach Bindung und Aktivierung von RANK eine Vielzahl osteoklastårer Zellfunktionen (Lacey et al. 1998; Yasuda et al. 1998 b). Das initiale ¹Commitmentª, der Verlust der Pluri-
potenz monozytår-makrophagozytårer Vorlåuferzellen, erfolgt unter der Kontrolle von M-CSF und unabhångig von RANKL (Yamane et al. 2000). Såmtliche nachfolgenden Osteoklastenfunktionen werden jedoch von RANKL und OPG in agonistisch-antagonistischer Weise moduliert (Hofbauer et al. 2000; Suda et al. 1999) (Abb. 5.2.4). In Anwesenheit permissiver Konzentrationen von M-CSF stellt RANKL das fçr die Differenzierung von Osteoklastenvorlåuferstufen (Osteoklastogenese) notwendige und hinreichende Zytokin dar (Jimi et al. 1999 b; Matsuzaki et al. 1998; Miyamoto et al. 1998; Quinn et al. 1998; Udagawa et al. 1999; Xu et al. 2000). Als Marker fçr die durch RANKL gesteigerte Osteoklastendifferenzierung dienen die Expression von Tartrat-resistenter saurer Phosphatase (TRAP), Cathepsin K, b3-Integrin sowie Calcitonin- und Vitronektin-Rezeptoren (Faust et al. 1999; Lacey et al. 1998; Yasuda et al. 1998 b). RANKL stimuliert ferner das Ûberleben und die Fusion von Pråosteoklasten sowie die Aktivierung reifer Osteoklasten (Burgess et al. 1999; Fuller et al. 1998; Jimi et al. 1999 b; Xu et al. 2000) und deren Adhårenz an Knochengewebe (O'Brien et al. 2000) (Abb. 5.2.4). Die Lebensspanne funktionsfåhiger Osteoklasten wird durch Hemmung der Osteoklastenapoptose infolge einer Aktivierung der SerinThreonin-Kinase Akt/PKB verlångert, so dass hie-
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raus eine gesteigerte Resorptionsleistung des einzelnen Osteoklasten resultiert (Lacey et al. 2000). Einige Zytokine (TGF-b, Prostaglandin E2) kooperieren mit RANKL und verstårken dessen Invitro-Effekte (Fox et al. 2000 b; Kaneda et al. 2000; Sells Galvin et al. 1999; Wani et al. 1999). OPG wirkt als kompetitiver Rezeptorantagonist, indem es beide RANKL-Formen (zellståndige und læsliche Form) bindet und neutralisiert (Lacey et al. 1998; Yasuda et al. 1998 b) und so die Differenzierung und Fusion von Osteoklastenvorlåuferstufen hemmt (Kwon et al. 1998; Lacey et al. 1998; Tsuda et al. 1997), die Aktivierung reifer Osteoklasten unterdrçckt (Hakeda et al. 1998) und die Apoptose von Osteoklasten færdert (Akatsu et al. 1998 a) (Abb. 5.2.4). OPG neutralisiert in analoger Weise die biologische Wirkung von ¹TNF-related apoptosis-inducing ligandª (TRAIL), der nach Bindung spezifischer Rezeptoren Apoptose induzieren kann (Emery et al. 1998).
5.2.4 RANKL und OPG als Mediatoren des Knochenumsatzes RANKL und OPG werden von verschiedenen humanen osteoblaståren Zellsystemen exprimiert (Hofbauer et al. 1998, 1999 c) und modulieren die Osteoklastogenese (Gori et al. 2000; Hofbauer et al. 1999 b; Deyama et al. 2000; Nagai u. Sato 1999; Quinn et al. 2000; Udagawa et al. 2000). Die Tatsache, dass innerhalb des Knochensystems produziertes OPG græûtenteils osteoblastårer Herkunft ist und auch RANKL çberwiegend von osteoblaståren Zellen exprimiert wird, deutet auf eine wichtige Rolle von osteoblaståren Zellen fçr die Differenzierung und Aktivierung osteoklastårer Zellen hin. Verschiedene Untersuchungen deuten darauf hin, dass RANKL identisch mit dem seit langem propagierten osteoblaståren Osteoklasten aktivierenden Faktor (OAF) sein kænnte, dessen Wirkung durch OPG antagonisiert wird (Roodman 1996; Suda et al. 1992). Die OAF-Hypothese beruht auf der Beobachtung, dass die Differenzierung von Osteoklasten in vitro durch von mesenchymalen Stammzellen konditioniertes Medium oder durch Kokulturen mit mesenchymalen Stammzellen induziert wird (Suda et al. 1995). Wåhrend das erste Phånomen Folge der Produktion von læslichem RANKL und des Transfers mit dem konditionierten Medium sein kænnte, ist das zweite Phånomen plausibel auf die Expression der zellulåren
RANKL-Form durch mesenchymale Stammzellen zurçckzufçhren (Suda et al. 1999). Die stårkere Induktion der Osteoklastogenese durch Kokulturen im Vergleich zum Mediumtransfer beruht auf der hæheren Potenz der zellulåren RANKL-Form (Lacey et al. 1998). Diese Befunde deuten darauf hin, dass RANKL und OPG die molekularen Bindeglieder zwischen osteoblastårer Knochenbildung und osteoklastårer Knochenresorption im Rahmen des kontrollierten Umbaus des Skeletts darstellen. Die osteoblaståre Expression von RANKL und OPG ist eine Funktion der Osteoblastendifferenzierung und eng mit der osteoklastogenetischen Kompetenz, der Fåhigkeit, die Differenzierung von Osteoklasten zu induzieren, korreliert (Gori et al. 2000; Hofbauer et al. 1998, 1999 b, c). Wåhrend die RANKL-Expression in Osteoblasten als Funktion der Differenzierung abnimmt, steigt die OPG-Produktion invers dazu an (Abb. 5.2.5). Als Folge davon nimmt auch der RANKL/OPG-Quotient sowie die osteoklastogenetische Kompetenz von Osteoblasten im Rahmen ihrer Differenzierung ab (Gori et al. 2000; Hofbauer et al. 1999 b; Deyama et al. 2000; Nagai u. Sato, 1999; Quinn et al. 2000; Udagawa et al. 2000). Viele der in Abb. 5.2.5 dargestellten osteotropen Substanzen wie BMP-2 (Hofbauer et al. 1998), 1,25(OH)2-Vitamin D3 (Hofbauer et al. 1998), Leptin (Burguera et al. 2001), Rapamycin (Hofbauer et al. 2001a; Ogawa et al. 1998), Bisphosphonate (Viereck et al. 2002 a) und der Agonist des ¹peroxisome proliferator-activated receptor (PPAR-)cª (Mbalaviele et al. 2000) fçhren çber eine Steigerung der osteoblaståren Differen-
Abb. 5.2.5. Konvergenz von Zytokinen und Wachstumsfaktoren auf RANKL und OPG. Regulationsmuster der osteoblaståren RANKL- und OPG-Expression durch Interleukine (IL), Tumor necrosis factor (TNF-) a, Prostaglandin (PG) E2, Transforming growth factor (TGF-) b, Bone morphogenetic protein (BMP-) 2 und Interferon (IFN) c. Eine Pfeilspitze entspricht einer Stimulation, eine Kugel einer Hemmung (* Steigerung nur im murinen System)
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
zierung zur Reduktion der RANKL-Expression und/oder zur Stimulation der OPG-Produktion. Der Nachweis von Bindungsstellen fçr den im Rahmen der Osteoblastendifferenzierung induzierten osteoblaståren Transkriptionsfaktor cbfa-1 im Genpromoter von OPG (Thirunavukkarasu et al. 2000) und von RANKL (Gao et al. 1998) stellt die mægliche molekularbiologische Basis fçr die Kopplung der Osteoblasten- an die Osteoklastendifferenzierung çber RANKL und OPG dar.
5.2.5 Modulation der RANKL- und OPG-Produktion 5.2.5.1 Zytokine Untersuchungen an verschiedenen Osteoblastensystemen belegen, dass die proinflammatorischen Zytokine IL-1b und TNF-a die RANKL-Expression induzieren kænnen (Hofbauer et al. 1999 c; Nakashima et al. 2000). Zu den weiteren Stimulatoren von RANKL in osteoblaståren Zellen gehæren auch die proresorptiven Zytokine IL-11 und IL-17 (Nakashima et al. 2000). In T-Zellen wird RANKL durch IL-7 (Weitzmann et al. 2000) und IL-17 (Kotake et al. 1999) induziert, wåhrend die Ûberexpression von IL-4 çber eine verringerte Produktion von IL-17 die RANKL-Expression hemmt (Lubberts et al. 2000). Neben den indirekten und durch eine gesteigerte RANKL-Produktion vermittelten Effekten dieser Zytokine wurden fçr IL-1b und TNF-a auch RANKL-unabhångige direkte Mechanismen ihrer stimulierenden Wirkung auf die Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten beschrieben (Azuma et al. 2000; Fox et al. 2000 a; Jimi et al. 1999 a; Kobayashi et al. 1999). Neben RANKL induzieren IL-1a und -b sowie TNF-a und -b auch die Produktion von OPG in osteoblaståren Zellen (Bråndstræm et al. 1998 b, 2001; Hofbauer et al. 1998, 1999 c; Vidal et al. 1998 b), wobei der relative Anstieg von RANKL und OPG innerhalb eines Zellsystems quantitativ vergleichbar ist (Hofbauer et al. 1999 c). Die gleichsinnige Regulation des Liganden (RANKL) und des Rezeptorantagonisten (OPG) innerhalb eines potenten Zytokinsystems stellt ein bekanntes biologisches Prinzip dar und wurde auch fçr das IL-1- und das TNF-a-System beschrieben, wodurch offensichtlich unerwçnschte biologische Effekte der bereits in geringen Konzentrationen åuûerst potenten Zytokine begrenzt und feinreguliert werden sollen (Abb.
Abb. 5.2.6. RANKL- und OPG-Expression als Funktion der Differenzierung von Osteoblasten. RANKL und OPG werden von Zellen der osteoblaståren Zelllinie (mesenchymale Stammzellen, Pråosteoblasten und Osteoblasten) gebildet, wobei die RANKL-Expression negativ und die OPG-Expression positiv mit der osteoblaståren Differenzierung korreliert. Aufgrund dieser Regulation nimmt der RANKL/OPGQuotient und die osteoklastogenetische Kompetenz osteoblastårer Zellen als Funktion ihrer Differenzierung ab, was als Verringerung der Græûe und Zellkernzahl der Osteoklasten dargestellt ist. Wåhrend Dexamethason (DEX), b-Glycerinphosphat (b-GP) und Ascorbinsåure (AA) die Differenzierung mesenchymaler Stammzellen steigern, fçhren Bone morphogenetic protein 2 (BMP-2), Vitamin D (D3), Leptin und Rapamycin (RAPA) zur gesteigerten Differenzierung von Pråosteoblasten. Alle diese Faktoren reduzieren durch ihre stimulierende Wirkung auf die Osteoblastendifferenzierung den RANKL/OPG-Quotienten
5.2.6). Andere Zytokine wie IL-13, IL-18 und Interferon(IFN)-c steigern die OPG-Expression osteoblastårer Zellen ebenfalls (Makiishi-Shimobayashi et al. 2001; Nakashima et al. 2000). Entzçndungsmediatoren wie Prostaglandin E2 (PGE2) entfalten ihre proresorptive Wirkung durch die gleichzeitige Hemmung der OPG-Sekretion (Bråndstræm et al. 1998 a, 2001) und die Steigerung der RANKL-Produktion (Okada et al. 2000; Tsukii et al. 1998) und kooperieren mit RANKL im Rahmen der Osteoklastogenese (Wani et al. 1999).
5.2.5.2 Wachstumsfaktoren Wåhrend TGF-b bislang als mæglicher antiresorptiver Mediator von Sexualhormonen diskutiert wird (Spelsberg et al. 1999), sind Vertreter der eng mit TGF-b verwandten Bone morphogenetic proteins (BMP) vor allem fçr ihre essenzielle Rolle bei der Embryogenese und Differenzierung mesenchymaler Stammzellen bekannt (Yamaguchi et al. 2000).
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In verschiedenen Untersuchungen war TGF-b imstande, RANKL zu hemmen und OPG zu induzieren und auf diese Weise die Osteoklastogenese zu bremsen (Murakami et al. 1998; Takai et al. 1998). Auch der gçnstige Effekt biomechanischer Impulse auf die Apoptose von Osteoklasten scheint çber eine vermehrte Produktion von TGF-b und OPG vermittelt zu werden (Kobayashi et al. 2000). Die OPG-Regulation durch TGF-b wird çber TGF-b-aktivierte Bindungsstellen von Transkriptionsfaktoren im OPG-Gen-Promoter vermittelt (Thirunavukkarasu et al. 2001). TGF-b kann aber auch durch direkte Kooperation mit RANKL (Fox et al. 2000b; Kaneda et al. 2000; Sells Galvin et al. 1999) und RANKL-unabhångige Signalwege die Osteoklastogenese modulieren (Quinn et al. 2001). BMP-2 induziert in fætalen Osteoblasten die Genexpression und Proteinsekretion von OPG (Hofbauer et al. 1998), wobei hierfçr eine transkriptionelle Regulation verantwortlich sein dçrfte (Wan et al. 2001). Da BMP-2 ein essenzieller Wachstumsfaktor fçr die Differenzierung zum osteoblaståren Phånotyp ist (Gori et al. 1999; Hofbauer et al. 1998), ist der stimulierende Effekt von BMP-2 auf die osteoblaståre OPG-Produktion vermutlich Folge einer gesteigerten Osteoblastendifferenzierung. Interessanterweise induziert BMP-2 in murinen mesenchymalen Stammzellen und Osteoblasten ebenfalls die Genexpression von RANKL (Koide et al. 1999). Weitere Wachstumsfaktoren und Peptidhormone, die als Modulatoren der skeletalen RANKL- und OPG-Produktion identifiziert wurden, umfassen Aktivin A (Fuller et al. 2000), Hedgehog und Indian hedgehog (Akiyama H et al. 1999; Ito et al. 1999), ¹basic fibroblast growth factorª (bFGF) (Nakagawa et al. 1999 a, b), Melatonin (Koyama et al. 2002) und Wachstumshormon (Ueland et al. 2002).
5.2.5.3 Parathormon Parathormon (PTH) kann durch Stimulation seines auf Osteoblasten exprimierten Rezeptors gleichzeitig RANKL induzieren, OPG hemmen und dadurch in vitro die Osteoklastogenese færdern (Horwood et al. 1998; Itoh et al. 2000; Kanzawa et al. 2000; Lee u. Lorenzo 1999; Tsukii et al. 1998). Die Steigerung des RANKL/OPG-Quotienten ist dabei von der Aktivierung der Proteinkinase A und nachgeschalteter Signalwege abhångig (Bråndstræm et al. 2001; Fu et al. 2002 a; Halladay et al. 2001; Kondo et al. 2002; Lee u. Lorenzo 2002). Auch in vivo konnte die Hemmung der skeletalen
OPG-Produktion durch Anwendung von (1±38)PTH belegt werden (Oniya et al. 2000). Eine mægliche molekulare Grundlage fçr die biphasischen Effekte von PTH auf den Knochenstoffwechsel (katabole Effekte bei kontinuierlicher, anabole Effekte bei intermittierender Applikation) konnte kçrzlich in einer Untersuchung charakterisiert werden. Wåhrend die kontinuierliche PTH-Gabe den RANKL/OPG-Quotienten um das bis zu 25fache steigert und dadurch die Osteoklastogenese færdert, kam es unter intermittierender PTH-Gabe bei Måusen zu einer gesteigerten Osteoblastendifferenzierung mit Erhæhung der mRNA fçr Insulinlike growth factor 1, eines anabolen skeletalen Wachstumsfaktors (Locklin et al. 2003). Humane Daten liegen zu dieser Fragestellung bislang nicht vor.
5.2.5.4 Vitamine Das 1,25(OH)2-Vitamin-D3-Hormon ist fçr eine normale Osteoblastendifferenzierung und eine regelrechte Mineralisierung der extrazellulåren Matrix erforderlich. Untersuchungen an humanen Osteoblasten belegen, dass 1,25(OH)2-Vitamin D3 die OPG-Gen-Expression und -Protein-Sekretion steigert und dass der gçnstige Einfluss von 1,25(OH)2Vitamin D3 beim Menschen mæglicherweise çber einen parakrinen OPG-Mechanismus vermittelt wird (Hofbauer et al. 1998). Dagegen çbt 1,25(OH)2-Vitamin D3 in murinen mesenchymalen Stammzellen und Osteoblasten eine entgegengesetzte Regulation auf das RANKL/OPG-System aus, indem es RANKL induziert, OPG hemmt und auf diese Weise die Osteoklastogenese steigert (Horwood et al. 1998; Tsukii et al. 1998). Bindungsstellen fçr 1,25(OH)2-Vitamin-D3-Rezeptoren im murinen RANKL-Gen-Promoter (Kitazawa et al. 1999; Kodaira et al. 1999), die bislang im humanen RANKL-Gen nicht beståtigt wurden, stellen mæglicherweise die molekulare Grundlage dieser Speziesdifferenz dar. Neben 1,25(OH)2-Vitamin D3 færdert auch Vitamin C (Ascorbinsåure) durch Induktion von RANKL in murinen mesenchymalen Stammzellen die Osteoklastogenese (Otsuka et al. 2000), wåhrend Vitamin K in einer mesenchymalen Stammzelllinie durch gleichzeitige Hemmung der Adipozyten- und Færderung der Osteoblastendifferenzierung die OPG-Produktion steigerte, die RANKLExpression hemmte und damit die Osteoklastogenese unterdrçckte (Koshihara et al. 2003; Takeuchi et al. 2000).
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
5.2.5.5 Glukokortikoide Die negativen Effekte einer systemischen Glukokortikoidtherapie oder eines endogenen Glukokortikoidexzesses auf das Skelettsystem sind seit langem bekannt und werden çber eine Vielzahl skeletaler und extraskeletaler Mechanismen vermittelt (Canalis 1996). Verschiedene In-vitro-Studien belegen inzwischen eindeutig, dass das osteoblaståre RANKL/OPG-System ebenfalls von Glukokortikoiden beeinflusst wird (Bråndstræm et al. 2001; Hofbauer et al. 1999 b; Vidal et al. 1998 a). Der RANKL/OPG-Quotient stieg durch entgegengesetzte Regulation beider Komponenten nach Glukokortikoidexposition deutlich an und war mit einer gesteigerten osteoklastogenetischen Kompetenz assoziiert. Der Anstieg der RANKL-Gen-Expression ist auf im RANKL-Gen-Promoter lokalisierte Bindungsstellen fçr Glukokortikoidrezeptoren zurçckzufçhren (Kitazawa et al. 1999; Kodaira et al. 1999). Fçr den OPG-Gen-Promoter liegen noch keine gesicherten Daten vor, obwohl auch angesichts des transkriptionellen Mechanismus der glukokortikoidinduzierten Hemmung der OPG-Expression (Hofbauer et al. 1999 b) eine Regulation çber Bindungsstellen fçr Glukokortikoidrezeptoren wahrscheinlich ist. Neben der Steigerung der Osteoklastogenese durch Erhæhung des RANKL/OPGQuotienten fçhren Glukokortikoide zu einer beschleunigten Apoptose von Osteoblasten und damit zu einer gleichzeitigen Hemmung der Knochenbildungsrate (Weinstein et al. 1998), woraus der unmittelbar nach Beginn einer systemischen Glukokortikoidtherapie einsetzende rasche und schwere Verlust an Knochensubstanz resultiert.
5.2.5.6 Ústrogene und Phytoæstrogene 5.2.5.6.1 17b-Ústradiol Die positiven antiresorptiven Effekte von Ústrogenen auf das Skelettsystem werden çber die Ústrogenrezeptoren (ER-a und -b) vermittelt, die in Osteoblasten und Osteoklasten lokalisiert sind und zu einer Suppression proresorptiver Zytokine und einer Induktion antiresorptiver Zytokine fçhren (Spelsberg et al. 1999; Turner et al. 1994). In unabhångigen Untersuchungen konnte bei einer mit ER-a-transfizierten humanen Osteoblastenzelllinie (hFOB/ER-9) (Hofbauer et al. 1999 a; Chen et al. 2002) und einer murinen mesenchymalen Stammzelllinie (ST-2) (Saika et al. 2001) belegt werden,
dass die osteoblaståre OPG-Produktion çber einen transkriptionellen Mechanismus durch 17b-Ústradiol induziert wird. Durch die Verwendung von ST-2-Zellen, die mit dem ER-b transfiziert worden waren, lieûen sich keine derartigen Effekte erzielen (Saika et al. 2001), was fçr eine ER-a-vermittelte OPG-Stimulation durch 17b-Ústradiol spricht. Die Analyse månnlicher Knock-out-Måuse, denen entweder ER-a, ER-b oder beide ER fehlten, zeigte eine Erhæhung des OPG/RANKL-mRNA-Quotienten im Wirbelkærper bei ER-a- und ER-a/ER-b-Knockout-Måusen, nicht aber bei ER-b-Knock-out-Måusen, was die Regulation des RANKL/OPG-Systems çber den ER-a beståtigt (Lindberg et al. 2001). Zudem modulieren Ústrogene auch den Rezeptor RANK, wodurch die RANK-Empfindlichkeit gegençber RANKL durch Hemmung der c-jun-N-terminalen Kinase herabgesetzt wird (Shevde et al. 2000; Srivastava et al. 2001).
5.2.5.6.2 Genistein Auch Phytoæstrogene wie Genistein haben sich in mehreren Studien als potente Regulatoren des osteoblaståren RANKL/OPG-Systems erwiesen, wobei die OPG-Gen-Expression und -Protein-Sekretion in undifferenzierten und differenzierten Osteoblasten durch Aktivierung des ER-a gesteigert (Chen et al. 2002, 2003; Viereck et al. 2002 b; Yamagishi et al. 2001) und die RANKL-Gen-Expression gehemmt wird (Yamagishi et al. 2001). Dadurch kommt es zu einer signifikanten Hemmung der Osteoklastogenese, die zum Teil Folge der Hemmung der Topoisomerase II durch Genistein ist (Yamagishi et al. 2001). Da Genistein allerdings bevorzugt an ER-b bindet und dieser ER-Subtyp in Osteoblasten insgesamt geringer exprimiert ist, dçrften weitere Mechanismen an den skeletalen Effekten dieser Substanz beteiligt sein. Aufgrund der betråchtlichen Nebenwirkungen synthetischer Ústrogene (Women's-Health-Initiative-Studie, Rossouw et al. 2002) ist die Charakterisierung der skeletalen (und vaskulåren) Effekte von Genistein und anderer Phytoæstrogene Gegenstand aktueller experimenteller und klinischer Studien (Glazier u. Bowman 2001).
5.2.5.7 Leptin Mesenchymale Stammzellen besitzen die Fåhigkeit, unter geeigneten Bedingungen zu Chondrozyten, Myozyten, Osteoblasten und Adipozyten zu differenzieren (Pittenger et al. 1999). Da Leptin ein von
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reifen Adipozyten sezerniertes pleiotropes Hormon ist (Considine et al. 1996) und mesenchymale Stammzellen Leptinrezeptoren besitzen (Thomas et al. 1999 b), bot sich eine Untersuchung von Leptineffekten auf das RANKL/OPG-System von Osteoblasten an. Leptin senkt in verschiedenen Zellmodellen den RANKL/OPG-Quotienten durch entgegengesetzte Modulation beider Komponenten und hemmt dadurch die Osteoklastogenese (Burguera et al. 2001; Holloway et al. 2002). Die biologische Relevanz dieser In-vitro-Befunde wird durch die protektive Wirkung einer Leptintherapie auf den Knochenstoffwechsel ovariektomierter Versuchstiere belegt, wobei sich als wesentlicher histomorphometrischer Befund eine Hemmung der Osteoklastogenese ergibt (Burguera et al. 2001). Neben den peripheren Wirkmechanismen existieren auch zentrale Ansatzpunkte fçr die Wirkung von Leptin, welche çber hypothalamische Leptinrezeptoren vermittelt werden. Eine Leptinbehandlung hemmt die Knochenbildungsrate bei Måusen, wåhrend Måuse ohne Leptin (ob/ob-Måuse) oder ohne funktionsfåhige Leptinrezeptoren (db/dbMåuse) eine deutliche Zunahme der Knochenbildungsrate aufweisen (Ducy et al. 2000 a). Aufgrund dieser In-vitro-Befunde und der diskutierten Effekte im Tiermodell kænnte von Adipozyten sezerniertes Leptin die parakrine Verbindung von Adipozyten und Osteoblasten darstellen und çber die Regulation des RANKL/OPG-Systems fçr die positive Korrelation zwischen Fett- und Knochenmasse verantwortlich sein.
5.2.5.8 Medikamente 5.2.5.8.1 Immunsuppressiva Verschiedene klinisch gångige Immunsuppressiva wie Cyclosporin A, Rapamycin und Tacrolimus (FK-506) steigern den RANKL/OPG-Quotienten durch Erhæhung der RANKL-mRNA-Expression und gleichzeitige Hemmung der OPG-Gen-Expression und -Protein-Sekretion (Hofbauer et al. 2001 a). Vor allem undifferenzierte mesenchymale Stammzellen scheinen besonders empfindlich fçr die Nebenwirkungen von Immunsuppressiva zu sein. Sie stellen vermutlich die skeletalen Zielzellen dieser Substanzen dar, wåhrend differenzierte Osteoblasten relativ resistent gegençber den negativen Effekten dieser Immunsuppressiva sind (Hofbauer et al. 2001 a).
5.2.5.8.2 Bisphosphonate Aufgrund der potenten antiresorptiven Wirkung von Bisphosphonaten, ihres osteoklaståren Wirkmechanismus und bereits definierter osteoklastårer Zielgene und intrazellulårer Signalkaskaden (Reszka et al. 1999) wurde die Hypothese, dass Bisphosphonate ihre positiven skeletalen Effekte auch çber Osteoblasten vermitteln kænnten, bislang kaum evaluiert. Aufgrund der Modulation von Proliferation, Differenzierung, Expression osteoblastårer Matrixproteine und Zytokine und der Apoptose von Osteoblasten (Giuliani et al. 1998; Klein et al. 1998; Plotkin et al. 1999; Reinholz et al. 2000; Tokuda et al. 1998) wurde vermutet, dass Osteoblasten indirekt zur antiresorptiven Wirkung von Bisphosphonaten beitragen kænnen (Sahni et al. 1993; Vitte et al. 1996). Untersuchungen mit Pamidronat und Zoledronat an einem humanen Osteoblastensystem (Viereck et al. 2002 a) sowie mit Clodronat und Pamidronat an einer klonalen Osteosarkomzelllinie der Ratte (UMR 106±01) (Mackie et al. 2001) deuten auf eine moderate Steigerung der OPG-Produktion durch Bisphosphonate hin. Die Stimulation von OPG durch Pamidronat und Zoledronat kompensierte die negativen Effekte von Glukokortikoiden, und Zoledronat war entsprechend seiner hæheren Potenz im Vergleich zu Pamidronat bereits in geringeren Dosierungen effektiv (Viereck et al. 2002 a). In der UMR-106±01-Zelllinie reduzierten Clodronat und Pamidronat zudem die RANKLmRNA-Spiegel. In einem Kalvaria-Autotransplantations-Modell steigerte eine Therapie mit Pamidronat und Clodronat bei Ratten die OPG-mRNA-Expression (Myoung et al. 2001), wåhrend die RANKL-Gen-Expression nicht untersucht wurde. Da Bisphosphonate die Differenzierung von Osteoblasten ± gemessen an der Produktion extrazellulårer Matrixkomponenten (Kollagen I) und der Expression osteoblastenspezifischer Enzyme (alkalische Phosphatase) ± færdern (Reinholz et al. 2000; Viereck et al. 2002 a), kænnten die Effekte der Bisphosphonate auf das RANKL/OPG-System teilweise çber eine gesteigerte Osteoblastendifferenzierung vermittelt werden (Abb. 5.2.5).
5.2.5.8.3 Raloxifen Zwei unabhångige Untersuchungen belegten kçrzlich, dass auch der selektive Ústrogenrezeptormodulator (SERM) Raloxifen den RANKL/OPG-Quotienten senken kann (Cheung et al. 2003; Viereck et al. 2003). In primåren humanen Osteoblasten-
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
zellkulturen kam es in beiden Untersuchungen zu einer Steigerung der OPG-Gen-Expression und -Protein-Sekretion, wåhrend eine Hemmung von RANKL nur in einer der beiden Untersuchungen (Cheung et al. 2003) nachzuweisen war. Neben der Regulation des RANKL/OPG-Zytokin-Systems hemmte eine Raloxifen-Exposition zudem die Expression verschiedener anderer proinflammatorischer Zytokine, die ihrerseits RANKL steigern kænnen (Cheung et al. 2003; Viereck et al. 2003). Als mæglicher Mechanismus wird eine ER-a-vermittelte, gesteigerte Differenzierung der Osteoblasten vermutet (Viereck et al. 2003).
toren (Hormone, Zytokine, Medikamente) mit lokal beeinflussten Zellsystemen und Signalsubstanzen.
5.2.6 In-vivo-Effekte im Tiermodell
Nach der Charakterisierung von RANKL und OPG als osteoblaståre Genprodukte, die in ihrer Expression an die Osteoblastogenese gekoppelt sind und mæglicherweise die molekulare parakrine Verbindung zwischen Osteoblastogenese und Osteoklastogenese darstellen, konnte die Regulation dieser beiden Zytokine durch eine Vielzahl osteotroper Substanzen nachgewiesen werden. Zusammenfassend ergibt sich ein komplexes und fein reguliertes Zytokinnetzwerk der Osteoklastenzellbiologie, das von einer Vielzahl an Zytokinen, Wachstumsfaktoren, Peptidhormonen, Steroidhormonen sowie Medikamenten moduliert wird und als dessen distale Mediatoren RANKL und OPG fungieren (Abb. 5.2.7). Dieses lokal aktive System stellt ein Musterbeispiel des parakrinen Regulationsprinzips dar und ermæglicht eine adaptionsfåhige plastische Regulation durch enge Verbindung systemischer Fak-
Die zentrale Bedeutung von RANKL, RANK und OPG fçr die Osteoklastenzellbiologie und den Knochenstoffwechsel ist durch die Charakterisierung von transgenen Måusen und Knock-out-Måusen sowie durch Applikation einzelner Komponenten dieses Zytokinsystems in vivo eindrucksvoll belegt. Die transgene Ûberexpression fçhrt wie die parenterale Gabe von OPG zu einer Osteopetrose (generalisiert erhæhte Knochenmasse), deren zellbiologisches Korrelat das komplette Fehlen funktionsfåhiger Osteoklasten ist (Simonet et al. 1997). Eine Therapie mit OPG in Form parenteraler Injektionen des rekombinanten Proteins (Simonet et al. 1997) oder eines adenoviralen Expressionsvektors (Bolon et al. 2001) konnte erfolgreich zur Pråvention des Knochenverlustes nach Ovariektomie eingesetzt werden. Das Fehlen von OPG hingegen ist, wie zwei Analysen von OPG±/±-Måusen belegen (Bucay et al. 1998; Mizuno et al. 1998 b), durch eine schwere juvenile Form der Osteoporose infolge einer massiv erhæhten Zahl und Aktivitåt von Osteoklasten sowie çberraschenderweise durch eine Kalzifizierung groûer Arterien charakterisiert. In vivo fçhrt die parenterale Gabe von RANKL zu einer schweren Osteoporose mit raschem Knochenverlust und letaler Hyperkalzåmie infolge einer gesteigerten Differenzierung und Aktivierung
Abb. 5.2.7. Konvergenzmodell: RANKL und OPG als distale Effektorzytokine. Osteotrope Faktoren, Medikamente, Vitamine, biomechanische Faktoren und Alterungsvorgånge konvergieren auf der Ebene der RANKL- und OPG-Regulation. Die Balance zwischen RANKL und OPG bestimmt die Gleichgewichtslage der Knochenresorption durch Modula-
tion der Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten, wobei ein Ûberwiegen der RANKL-Effekte zu einer Zunahme der Knochenresorption (dargestellt an der Græûe und Zellkernzahl eines Osteoklasten), ein Ûberwiegen der OPGEffekte hingegen zu einer Hemmung der Knochenresorption fçhrt
5.2.5.9 Konvergenzmodell
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L. C. Hofbauer und M. Schoppet
von Osteoklasten (Lacey et al. 1998; Xu et al. 2000). Im Gegensatz dazu weisen RANKL±/±-Måuse infolge des kompletten Fehlens von Osteoklasten eine Osteopetrose sowie verschiedene immunologische Defekte (Lymphknotenagenesie, Thymushypoplasie, gestærte Differenzierung von T- und B-Zellen) auf (Kong et al. 1999 a). RANK±/±-Måuse weisen einen åhnlichen Phånotyp auf wie RANKL±/±Måuse mit Osteopetrose, verzægerter Zahneruption und Lymphknotenagenesie (Dougall et al. 1999; Li et al. 2000). Die parenterale Anwendung einer læslichen hemmenden Form von RANK oder hemmender RANK-Antikærper und die transgene Ûberexpression der læslichen RANK-Form in Måusen hemmte die Osteoklastenfunktionen in vivo, wåhrend die Applikation stimulierender RANKAntikærper die Osteoklastenfunktionen steigerte (Hsu et al. 1999; Nakagawa et al. 1998). Diese Daten belegen, dass der RANKL/OPG-Quotient positiv mit der Resorptionsfunktion von Osteoklasten und invers mit der Knochenmasse korreliert ist. Die parenterale Behandlung von Måusen mit OPG (10 mg/kg/Tag çber 7 Tage s.c.) steigerte die Knochenmasse auf das Dreifache (Simonet et al. 1997). Nachfolgende Studien belegten die antiresorptiven und hypokalzåmischen Effekte von OPGInjektionen (Akatsu et al. 1998 b; Tomoyasu et al. 1998). Die parenterale Applikation von OPG war auûerdem imstande, eine gesteigerte Knochenresorption sowie einen Knochenmasseverlust in Tiermodellen mit metabolischen Knochenerkrankungen komplett zu verhindern. Dazu zåhlte das Ovariektomie-Modell der Ratte (Simonet et al. 1997), die Behandlung mit proresorptiven Zytokinen oder Hormonen wie IL-1b, TNF-a, PTH, PTH-related peptide (PTHrP), 1,25(OH)2-Vitamin D3 (Morony et al. 1999), RANKL (Lacey et al. 1998) und ein Parathyreoidektomie-Thyreoidektomie-Modell mit anschlieûender PTH- oder 1,25(OH)2- Vitamin-D3-Intoxikation (Yamamoto et al. 1998). Der erfolgreiche Einsatz eines adenoviralen OPG-Vektors zur Pråvention des Knochenverlustes nach Ovariektomie kænnte die Grundlage fçr kçnftige gentherapeutische Ansåtze darstellen (Bolon et al. 2001). Auch die negativen Auswirkungen einer Immobilisierung auf die Knochenbilanz konnten im Tiermodell durch die parenterale Anwendung von OPG abgemildert werden (Bateman et al. 2000, 2001). In åhnlicher Weise konnten auch die immunvermittelten Knochenlåsionen der rheumatoiden Arthritis wie Usuren, Erosionen und Osteoporose im Tiermodell durch Neutralisierung des von aktivierten T-Zellen gebildeten RANKL mit Hilfe von OPG wirksam verhindert werden (Kong et al. 1999 b).
Diese positiven Befunde bei benignen Knochenerkrankungen fçhrten zur Evaluierung von OPG bei Knochenmetastasen oder tumorassoziierter Hyperkalzåmie. In diesen Untersuchungen korrigierte OPG rasch, substanziell und anhaltend die Hyperkalzåmie, ohne dabei wesentliche Nebenwirkungen aufzuweisen (Akatsu et al. 1998 b; Capparelli et al. 2000; Lacey et al. 1998). Durch die Anwendung von OPG war es auch mæglich, in Tiermodellen mit Mamma- und Kolonkarzinomen die ossåre Metastasierung zu verhindern oder eine etablierte Skelettmetastasierung wirksam zu unterdrçcken (Morony et al. 2001).
5.2.7 Bedeutung bei metabolischen Knochenerkrankungen 5.2.7.1 Osteoporoseformen Die Identifizierung und Charakterisierung der fçr die Osteoklastenbiologie essentiellen Zytokine RANKL und OPG haben zu einem fundamentalen Wandel im molekularen Verståndnis des Knochenstoffwechsels und der Pathogenese zahlreicher metabolischer Knochenerkrankungen gefçhrt (vgl. folgende Ûbersicht) (Hofbauer u. Heufelder 2000). Stærungen des RANKL/OPG-Systems wurden vor allem bei einer Reihe von Knochenerkrankungen beschrieben, die mit einer gesteigerten Osteoklastenaktivitåt und Knochenresorption assoziiert sind. Unterschiedliche Osteoporoseformen wie die postmenopausale, die glukokortikoidinduzierte, die Posttransplantations- und die Immobilisationsosteoporose konnten in vitro oder in vivo auf einen erhæhten RANKL/OPG-Quotienten oder eine erhæhte Sensitivitåt des auf Osteoklasten lokalisierten RANK gegençber RANKL zurçckgefçhrt werden. Die Bedeutung des OPG/RANKL/RANK-Systems fçr die Entstehung dieser Osteoporoseformen wird im Folgenden auf der Basis von In-vitro-Untersuchungen, tierexperimentellen und klinischepidemiologischen Studien diskutiert.
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
Metabolische Knochenerkrankungen mit Beteiligung des RANKL/OPG-Systems · Osteoporoseformen ± Postmenopausale Osteoporose ± Glukokortikoidinduzierte Osteoporose ± Posttransplantationsosteoporose ± Immobilisationsosteoporose · Hyperparathyreoidismus · Morbus Paget · Rheumatoide Arthritis · Periodontitis · Osteotrope Tumoren/Metastasen ± Riesenzelltumor ± Plasmozytom ± Metastasiertes Mammakarzinom ± Metastasiertes Prostatakarzinom ± Metastasiertes Neuroblastom ± Osteosarkom · Hereditåre Knochenerkrankungen ± Familiåre expansive Osteolyse ± Expansive skeletale Hyperphosphatasie ± Idiopathische Hyperphosphatasie (juveniler Morbus Paget)
5.2.7.1.1 Postmenopausale Osteoporose Die RANKL-Expression auf Knochenmarkstromazellen und Lymphozyten ist bei Frauen nach der Menopause gegençber Frauen vor der Menopause oder postmenopausalen Frauen mit Ústrogenersatztherapie zwei- bis dreifach gesteigert und korreliert negativ mit den 17b-Ústradiol-Serumspiegeln und positiv mit biochemischen Knochenresorptionsmarkern (Eghbali-Fatourechi et al. 2003). Eine Analyse bei 180 Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose zeigte, dass die OPGSerumkonzentrationen positiv mit den 17b-Ústradiol-Serumspiegeln und der Knochendichte (gesamter Kærper, gesamte Hçfte, Oberschenkelhals) und negativ mit den biochemischen Markern des Knochenstoffwechsels korrelierten (Rogers et al. 2002). Die Serumkonzentrationen von OPG und 17b-Ústradiol waren sowohl in Untersuchungen an Frauen (Khosla et al. 2002) und Månnern (Szulc et al. 2001) positiv korreliert. Zwei andere Studien an Frauen mit postmenopausaler Osteoporose berichteten allerdings eine negative Korrelation zwischen den Serumkonzentrationen von OPG und der Knochendichte (Khosla et al. 2002; Yano et al. 1999) und deuteten dies als mæglichen Kompensationsund Schutzmechanismus gegen weiteren Knochenverlust.
Zwei Polymorphismen im Promotorbereich des OPG-Gens (209 G ? A und 245 T ? G) waren bei slowenischen Frauen mit postmenopausaler Osteoporose invers mit der Knochendichte an der Lendenwirbelsåule korreliert (Arko et al. 2002). Eine dånische Studie zeigte zudem, dass die OPG-GenPolymorphismen 163 A ? G und 245 T ? G håufiger bei Patienten mit osteoporotischen Wirbelkærperfrakturen vorkamen (Langdahl et al. 2002). Allerdings gibt es auch negative Untersuchungen in anderen Kohorten, in denen keine eindeutige Beziehung eines bestimmten OPG-Genotyps mit der Knochendichte, dem Frakturstatus oder biochemischen Markern des Knochenstoffwechsels nachzuweisen war (Bråndstræm et al. 2004; Ohmori et al. 2002; Wynne et al. 2002).
5.2.7.1.2 Glukokortikoidinduzierte Osteoporose Wåhrend einer systemischen Glukokortikoidtherapie kommt es typischerweise zu einem Abfall der OPG-Serumkonzentrationen. Eine systemische Glukokortikoidtherapie senkte bei Patienten mit Nierenerkrankungen neben den Osteokalzin- auch die OPG-Serumspiegel um etwa 30% (Sasaki et al. 2001). Eine åhnliche Studie ergab bei 13 Patienten mit chronischer Glomerulonephritis unter einer 6-monatigen Glukokortikoidtherapie (durchschnittliche Tagesdosis: 33 mg Prednisolon) eine verminderte Knochendichte der Lendenwirbelsåule, erniedrigte OPG-Serumkonzentrationen und erhæhte Knochenresorptionsmarker (Sasaki et al. 2002). Bei 25 Patienten mit floridem Morbus Crohn kam es unter einer 3-monatigen Glukokortikoidtherapie (durchschnittliche Tagesdosis: 60 mg Prednisolon) zu einer transienten Hemmung der Serumkonzentrationen von Osteokalzin und OPG nach 2 Wochen (von Tirpitz et al. 2003). Hingegen lagen die OPG-Serumkonzentrationen bei 34 Patienten mit Cushing-Syndrom um 24% hæher als bei Gesunden und korrelierten positiv mit den Kortisolserumkonzentrationen (Ueland et al. 2001), was eine Folge der langbestehenden Verånderungen des Knochenstoffwechsels beim CushingSyndrom sein dçrfte.
5.2.7.1.3 Posttransplantationsosteoporose Nierentransplantierte Patienten unter Cyclosporin-A- und Glukokortikoid-Therapie hatten 2 und 4 Wochen nach der Transplantation deutlich niedrigere OPG-Serumspiegel, die Kreatinin-Clearance stieg in diesem Zeitraum hingegen an (Sato et al. 2001). Eine åhnliche Studie konnte keinen Unter-
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schied der OPG- (und læslichen RANKL-) Serumspiegel bei 48 Nierentransplantierten im Vergleich zu 25 gesunden Kontrollpersonen finden, obwohl die Transplantationsgruppe deutlich erhæhte biochemische Marker des Knochenstoffwechsels aufwies (Malyszko et al. 2003). Bei 15 Lebertransplantierten waren die OPG-Serumspiegel im Bereich gesunder Kontrollpersonen und unterschieden sich nicht zwischen Lebertransplantierten mit und ohne Osteoporose (Fahrleitner et al. 2002). Allerdings korrelierten die OPG-Serumspiegel positiv mit den Serumkonzentrationen von Knochenresorptionsund -formationsmarkern, Parathormon und Kreatinin (Fahrleitner et al. 2002). Eine Studie von 57 herztransplantierten Patienten zeigte eine unabhångige positive Korrelation der OPG-Serumspiegel mit der Knochendichte am Oberschenkelhalsknochen, was auf OPG-Serumspiegel als einzigen positiven Prådiktor einer vorhandenen Wirbelkærperfraktur hinweist (Fahrleitner et al. 2003).
5.2.7.1.4 Immobilisierungsosteoporose Unter biomechanischer Belastung kommt es bei primåren Knochenmarkstromazellen der Maus zu einer Suppression der RANKL-mRNA-Spiegel um 40% und einer Halbierung der Osteoklastogenese (Rubin et al. 2000). Die Hemmung der RANKL-Expression beruht auf der Aktivierung des ERK1/2MAP-Kinase-Signal-Wegs (Rubin et al. 2002, 2003). Eine Druckbelastung der Ratten-Maxilla steigerte zudem die OPG- und Transforming-growth-factorb1-mRNA-Spiegel und induzierte die Osteoklastenapoptose (Kobayashi et al. 2000). Zusammenfassend fçhrt biomechanische Belastung durch Hemmung von RANKL und Steigerung von OPG zu einem erniedrigten RANKL/OPG-Quotienten, wåhrend das Fehlen dieser mechanischen Belastung in Phasen långerer Immobilisierung diesen Quotienten steigern kænnte.
5.2.7.2 Multiples Myelom Osteolysen, schwere Hyperkalzåmieepisoden und pathologische Frakturen sind beim multiplen Myelom Ausdruck der Interaktion von Myelomzellen mit Zellen des Knochen- und Knochenmarkkompartiments (Sezer et al. 2003). Myelomzellen weisen im Gegensatz zu Plasmazellen von Gesunden eine positive Immunreaktivitåt fçr RANKL auf, und die RANKL-Immunreaktivitåt ist positiv mit der Zahl osteolytischer Låsionen korreliert (Heider et al. 2003). Allerdings ist die Diskussion einer di-
rekten RANKL-Expression von Myelomzellen kontrovers. Verschiedene Untersuchungen konnten eine RANKL-Expression auf primåren Myelomzellen von Patienten (Heider et al. 2003; Sezer et al. 2002 a, b) und einer murinen Myelomzelllinie (5T2MM) nachweisen (Croucher et al. 2001). In anderen Untersuchungen, die çberwiegend Myelomzelllinien untersuchten, blieb dieser Nachweis jedoch aus (Giuliani et al. 2001; Pearse et al. 2001; Roux et al. 2002). Myelomzellen sind imstande, durch Sekretion von Dickkopf-1 (DKK-1) (Tian et al. 2003), eines Inhibitors der Osteoblastendifferenzierung (Abb. 5.2.5), zu einer verminderten Osteoblastenbildung und infolge des Differenzierungsarrests zu einem erhæhten RANKL/OPG-Quotienten zu fçhren (Abb. 5.2.8). Dies steigert die Osteoklastogenese und fçhrt zur weiteren Progression osteolytischer Låsionen, insbesondere in unmittelbarer Nachbarschaft von Plasmazellinfiltraten (Giuliani et al. 2001; Pearse et al. 2001; Roux et al. 2002). Diese RANKL-abhångigen Prozesse kænnen durch RANK-Fc-Antikærper spezifisch gehemmt werden (Pearse et al. 2001). OPG wird von Myelomzellen nicht produziert (Giuliani et al. 2001), die Hemmung der OPG-Produktion osteoblastårer Zellen innerhalb des Knochenmarkkompartiments ist vermutlich ebenfalls Folge eines Arrests der Osteoblastendifferenzierung (Giuliani et al. 2001; Pearse et al. 2001). Allerdings exprimieren Myelomzellen das Proteoglykan Syndecan-1 (CD138), welches die Heparin bindende Domåne des OPG-Molekçls (Abb. 5.2.2) binden und OPG sequestrieren kann. Nach der Aufnahme des OPG-Proteins erfolgt eine lysosomale Degradierung mit einer Kinetik von 1 ng/h/ 106 Myelomzellen (Standal et al. 2002). Vor allem dieser posttranslationale Mechanismus dçrfte die deutlich erniedrigten lokalen und systemischen OPG-Konzentrationen bei Patienten mit multiplem Myelom erklåren (Lipton et al. 2002; Seidel et al. 2001; Standal et al. 2002). Die verschiedenen Mechanismen der Myelom-Osteoklasten-Interaktionen sind in Abb. 5.2.8 zusammengefasst. Auf der Grundlage dieser Befunde erscheint die Blockade von RANKL als Erfolg versprechender Therapieansatz. In einem murinen Xenograft-Modell, in dem die humane Myelomzelllinie ARH-77 injiziert wurde, verhinderte die intravenæse Gabe von RANK-Fc (Fusionsprotein aus murinem RANK und humanem Immunglobulin G) nach 6 Wochen die Entwicklung osteolytischer Låsionen und reduzierte die Knochenresorptionsmarker (Pearse et al. 2001). Nach 7-wæchiger Therapie wiesen 80% der Kontrolltiere, aber keines aus der RANK-
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
Abb. 5.2.8. Interaktionen von Myelomzellen mit dem RANKL/OPG-Zytokinsystem. Myelomzellen exprimieren RANKL und kænnen dadurch Osteoklasten direkt aktivieren. Durch Sekretion von Dickkopf-1 (DKK-1) hemmen Myelomzellen die Osteoblastendifferenzierung. Dies fçhrt zu einem relativen Ûberschuss unreifer Stromazellen, die im Vergleich zu reifen Osteoblasten eine hohe RANKLExpression und eine relativ niedrige OPG-Sekretion aufweisen. Durch Expression von Syndecan-1 kænnen Myelomzellen zudem OPG sequestrieren und lysosomal degradieren. Infolge des dadurch erhæhten RANKL/OPG-Quotienten wird die Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten und damit die Knochenresorption gesteigert, wåhrend die Knochenbildung durch Hemmung der Osteoblastendifferenzierung gesenkt wird. Aus diesem Missverhåltnis ergibt sich ein ausgeprågter Knochenverlust
Fc-Gruppe Låhmungserscheinungen an den Hinterbeinen auf. In einem zweiten Xenograft-Modell, bei dem primåre Myelomzellen eines Patienten transplantiert wurden, wurde durch eine RANKFc-Therapie die Knochenresorption gehemmt und die Zahl der Osteoklasten deutlich erniedrigt (Pearse et al. 2001). Die Effekte von RANK-Fc bezçglich der Hemmung der Osteoklastenzahl (±50%) und der Suppression der Paraproteinåmie (±80%) sind vergleichbar mit denen des Bisphosphonats Zoledronat. Einen åhnlichen Ansatz verfolgten Croucher et al., die in einem murinen MyelomModell (5T2MM-Zellen) mit OPG-Fc (Fusionsprotein aus humanem OPG und humanem Immunglobulin G) behandelten (Croucher et al. 2001). Verglichen mit der Placebogruppe wies die OPG-FcGruppe bei dieser relativ hoch dosierten Therapie nur 6 bzw. 13% der osteolytischen Låsionen an der Tibia bzw. am Femur auf, der Knochenverlust nach 5T2MM-Injektion wurde verhindert, die Knochendichte stieg sogar an, und Osteoklasten fehlten komplett (Croucher et al. 2001). Auch ein gentherapeutischer Ansatz mit einem lentiviralen Vektor zur Expression von OPG-Fc verlief åhnlich erfolgreich und ergab eine Verringerung der Paraplegierate (39% vs. 84% bei der Kontrolle), der Osteolysen (17% vs. 78%) und ein verlångertes Ûberleben (37 Tage vs. 32 Tage) (Doran et al. 2002). Diese Befunde dienten als wissenschaftliche Grundlage zur Durchfçhrung einer klinischen Studie mit OPG-Fc-Protein an Patienten mit multiplem Myelom (Body et al. 2003).
5.2.7.3 Knochenmetastasen Zelllinien aus Mammakarzinomen, die håufig osteolytische Metastasen und eine humorale Hyperkalzåmie verursachen, hemmen çber eine exzessive Produktion von ¹parathormone-related peptideª (PTHrP) die Produktion von OPG und steigern die Expression von RANKL (Chikatsu et al. 2000; Guise, 2000; Thomas et al. 1999 a). Infolge des gesteigerten RANKL/OPG-Quotienten kommt es zur lokal vermehrten osteoklaståren Differenzierung und Aktivierung sowie einer Hemmung der Apoptose von Osteoklasten mit der Folge lokaler Osteolysen und systemischer Hyperkalzåmie. Auch Prostatakarzinomzellen exprimieren RANKL- und OPG-mRNA (Brown et al. 2001 a; Lin et al. 2001), wobei die konstitutive Genexpression in malignen Prostatazellen etwa vierfach hæher als die normaler Prostatazellen ist (Brown et al. 2001 a). Nach Xenotransplantation waren die RANKL-mRNA-Spiegel bei der Verwendung von PC-3-Zellen (die osteolytische Metastasen bilden) deutlich hæher als die von LnCaP-Zellen (die bevorzugt osteoblastische Metastasen bilden) (Brown et al. 2001 a). Fçr Prostatakarzinomzellen scheint OPG ein wichtiger antiapoptotischer Ûberlebensfaktor zu sein (Holen et al. 2002). Patienten mit skeletal metastasiertem Prostatakarzinom wiesen im Vergleich zu Patienten mit anderen Prostataerkrankungen (einschlieûlich lokalisierter Prostatakarzinome) deutlich erhæhte OPG-Serumkonzentrationen auf (Brown et al. 2001 b; Jung et al. 2001). Die pathogenetische Bedeutung des RANKL/ OPG-Systems und die mægliche therapeutische An-
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wendung von OPG bei der Genese von Knochenmetastasen durch Prostatakarzinomzellen wurde tierexperimentell belegt. Durch eine gleichzeitige Gabe von OPG konnte nach Injektion von Prostatakarzinomzellen in die Tibia die Differenzierung von Osteoklasten und die Ausbildung osteolytischer Låsionen komplett verhindert werden (Zhang et al. 2001). Øhnlich protektive Effekte und eine Verringerung der Tumorlast konnten auch in einem Xenotransplantationsmodell eines ossår metastasierten Prostatakarzinoms bei immundefekten Måusen belegt werden (Yonou et al. 2003). Ferner konnte die Bedeutung von RANKL fçr die Skelettmetastasierung des ebenfalls osteotropen Neuroblastoms im Tiermodell gezeigt werden. Neuroblastomzellen fçhrten çber eine gesteigerte RANKL-Expression zur Differenzierung von Osteoklasten am Ort osteolytischer Låsionen, und die stimulierenden Effekte von Neuroblastomzellen auf Osteoklasten wurden durch einen OPG-Expressionsvektor blockiert (Michigami et al. 2001). Die Bedeutung von RANKL fçr die primåre Tumorgenese ist bislang nicht geklårt, wenngleich RANKL als antiapoptotischer Faktor fçr das Brustdrçsenepithel identifiziert worden ist (Fata et al. 2000). Die Klonierung einer primår sezernierten RANKL-Form aus einer PlattenepithelkarzinomZelllinie, deren Primårtumor eine schwere Hyperkalzåmie verursacht hatte (Nagai et al. 2000), sowie der Nachweis der posttranslationell læslichen RANKL-Form in Prostatakarzinomzellen (Zhang et al. 2001) deuten darauf hin, dass RANKL auch fernab seiner Produktion biologische Wirkungen entfalten kann und somit ein plausibler Kandidat fçr die tumorassoziierte humorale Hyperkalzåmie ist. Die Ûberexpression von RANKL auf Zellen bei adulter T-Zell-Leukåmie konnte als mæglicher Mechanismus der bei dieser Erkrankung typischerweise vorhandenen Hyperkalzåmie identifiziert werden (Nosaka et al. 2002). Aufgrund der elementaren Funktion von RANKL bei der Entwicklung von Knochenmetastasen, Osteolysen, humoraler Hyperkalzåmie, pathologischen Frakturen und tumorassoziierten Knochenschmerzen stellt die Blockade von RANKL durch OPG oder eine læsliche, neutralisierende RANK-Form ein neues, kausal orientiertes therapeutisches Prinzip bei onkologischen Erkrankungen in Aussicht (Hofbauer et al. 2001 b; Roodman, 2001). Experimentell konnte dies im Tiermodell in mehreren Therapiestudien bei humoraler Hyperkalzåmie (Capparelli et al. 2000; Oyajobi et al. 2001), osteolytischer Knochendestruktion (Honore et al. 2000; Morony et al. 2001), tumorassoziierten
Knochenschmerzen (Honore et al. 2000; Luger et al. 2001) und der Pråvention einer skeletalen Metastasierung von Primårtumoren (Morony et al. 2001) belegt werden.
5.2.7.4 Rheumatoide Arthritis RANKL und OPG stellen ein Bindeglied zwischen dem Immunsystem und dem Knochenstoffwechsel dar, insbesondere bei der Pathogenese der skeletalen Manifestationen der rheumatoiden Arthritis (Usuren, Erosionen, periartikulåre und systemische Osteoporose) (Goldring u. Gravallese 2000; Hofbauer u. Heufelder 2001). In vitro oder in Tiermodellen der rheumatoiden Arthritis (kollageninduzierte Arthritis, Adjuvans-Arthritis) produzierten aktivierte T-Zellen, Synovialfibroblasten und mesenchymale Stammzellen entzçndeter Areale hohe Konzentrationen an RANKL und aktivierten direkt çber eine Stimulation von RANK die Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten (Gravallese et al. 2000; Horwood et al. 1999; Itonaga et al. 2000; Kong et al. 1999 b; Kotake et al. 2001; Romas et al. 2000; Takayanagi et al. 2000 a, b; Weitzmann et al. 2001). Øhnliche Befunde lassen sich auch bei der rheumatoiden Arthritis des Menschen erheben (Kotake et al. 2001). IL-17 gilt als potenter Stimulator der RANKLExpression in Lymphozyten (Kotake et al. 1999), wåhrend im Tiermodell die Ûberexpression von IL-4 sowohl die Produktion von IL-17 und RANKL als auch die Entwicklung von Knochenerosionen hemmte (Lubberts et al. 2000). Eine Ûberexpression von IL-17 bei der kollageninduzierten Arthritis fçhrt zu einer gesteigerten Expression von RANKL und RANK, einer Erhæhung des RANKL/OPGQuotienten und einer gesteigerten Knochenresorption, die durch die Gabe von OPG gemildert werden konnte (Lubberts et al. 2003). Øhnliche positive Effekte mit einer Hemmung der RANKL-Expression und der Knochenresorption waren auch nach Gabe eines neutralisierenden Anti-IL-17-Antikærpers zu beobachten (Lubberts et al. 2004). Dies spricht fçr eine funktionelle Zytokinsequenz aus IL-4 ? IL-17 ? RANKL, wobei IL-4 ein proximales antiresorptives Signal und IL-17 ein distales proresorptives Signal darstellt, die auf RANKL, RANK und OPG als Mediatoren konvergieren. Von aktivierten T-Zellen produziertes IL-7 ist ein weiterer Stimulator der RANKL-Expression und induziert im Tiermodell einen ausgeprågten Knochenverlust (Toraldo et al. 2003).
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
In kleineren Untersuchungen konnte im Synovialgewebe bei Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis und ankylosierender Spondylitis (Morbus Bechterew) immunhistologisch eine erhæhte RANKL-Expression in inflammatorischen Arealen nachgewiesen werden (Crotti et al. 2002), wåhrend immunhistochemisch bei rheumatoider Arthritis die Expression von OPG erniedrigt war (Haynes et al. 2003). Im Serum von Patienten mit rheumatoider Arthritis waren allerdings die Spiegel von læslichem RANKL und OPG gegençber einem gesunden Kontrollkollektiv erhæht, mæglicherweise infolge einer gleichzeitigen Erhæhung anderer proinflammatorischer Zytokine (IL-1, TNF-a), die zu den stårksten endogenen Stimulatoren der OPGProduktion zåhlen (Ziolkowska et al. 2002). Im Gegensatz zu gesunden Kontrollpersonen blieb der altersabhångige Anstieg der OPG-Serumspiegel bei Patienten mit rheumatoider Arthritis aus. Die antiinflammatorische Therapie mit monoklonalen TNFa-Antikærpern (Infliximab) in Kombination mit Methotrexat normalisierte die erhæhten RANKL- und OPG-Spiegel (Ziolkowska et al. 2002). Diese zellbiologischen, immunologischen und tierexperimentellen Arbeiten begrçndeten das Konzept der rheumatoiden Arthritis als einer immunologisch vermittelten Erkrankung, deren skeletale Manifestationen durch eine çbermåûige Aktivierung der Knochenresorption infolge eines lokal erhæhten RANKL/OPG-Quotienten verursacht werden. Die Normalisierung des RANKL/OPGQuotienten durch Anwendung eines OPG-Fc-Fusionsproteins verhinderte diese Knochenlåsionen bei der Adjuvans-Arthritis, einem Tiermodell der rheumatoiden Arthritis, ohne den Immunprozess zu beeinflussen (Kong et al. 1999 b). Eine Untersuchung an einem (durch transgene Ûberexpression von TNF-a-induzierten) murinen Arthritismodell ergab, dass eine kombinierte Zytokinblockade durch monoklonale TNF-a-Antikærper (Infliximab), IL-1-Rezeptorantagonist (Anakinra) zur Blockade von IL-1 oder durch ein OPG-Fc-Fusionsprotein (zur RANKL-Blockade) sowohl den Entzçndungsprozess (IL-1- bzw. TNF-a-Blockade) als auch die Knochenresorption (TNF-a- bzw. RANKL-Blockade) deutlich hemmen kann (Zwerina et al. 2004). Mæglicherweise werden kçnftig kombinierte oder sequentielle Strategien der Zytokinblockade (einschlieûlich der RANKL-Blockade) bei der rheumatoiden Arthritis auch klinisch untersucht. Andere entzçndliche Arthritiden mit nachgewiesenen Stærungen des RANKL/OPG-Systems umfassen die ankylosierende Spondylitis (Morbus
Bechterew) (Crotti et al. 2002; Grisar et al. 2002), die Psoriasis-Arthritis (Ritchlin et al. 2003) und die durch Streptococcus pyogenes induzierte septische Arthritis (Sakurai et al. 2003). In analoger Weise wurde anhand eines tierexperimentellen Infektionsmodells mit Actinobacillus actinomycetes comitans, dem bakteriellen Erreger der menschlichen Periodontitis, nachgewiesen, dass die RANKL-Expression von T-Zellen im entzçndeten Zahnhalteapparat deutlich ansteigt und zur Osteoklastenaktivierung sowie Knochenresorption mit Verlust des Zahnhalteapparats und der Zåhne fçhrt (Teng et al. 2000). Diese Verånderungen kænnen durch Anwendung eines OPGFc-Fusionsproteins verhindert werden, ohne dass der Entzçndungsprozess beeinflusst wird (Teng et al. 2000).
5.2.7.5 Hereditåre Knochenerkrankungen Durch die Klonierung und Genanalyse der Gene fçr RANKL, RANK und OPG konnten kçrzlich die Grundlagen einiger hereditårer Skeletterkrankungen identifiziert werden. Ursache der autosomal-dominanten familiåren expansiven Osteolyse (FEO) sind konstitutiv aktivierende RANK-Mutationen (infolge einer 18-Basenpaar-Tandemduplikation, 84dup18) in der fçr das Signalpeptid codierenden Sequenz des RANKGens, die zu einer ligandenunabhångigen exzessiven Aktivierung der nachgeschalteten Signalkaskaden (Abb. 5.2.3) fçhren (Hughes et al. 2000). Dadurch treten osteolytische Areale wåhrend des frçhen Erwachsenenalters vorwiegend in den groûen Ræhrenknochen auf. Auch die expansive skeletale Hyperphosphatasie (ESH), eine autosomal-dominante Erkrankung, die zu ausgedehnten Hyperostosen, passagerer Hyperkalzåmie, Taubheit im Kindesalter und vorzeitigem Zahnverlust, jedoch keinen Osteolysen fçhrt, ist Folge einer Mutation in der fçr das Signalpeptid codierenden Sequenz des RANK-Gens, wobei im Gegensatz zur FEO (84dup18) bei der ESH eine Tandemduplikation von 15 Basenpaaren besteht (84dup15) (Whyte u. Hughes 2002). Molekulargenetische Ursache der autosomal-rezessiven idiopathischen Hyperphosphatasie (IH), einer auch als juveniler Morbus Paget (JPD) bezeichneten Knochenerkrankung, sind Mutationen im OPG-Gen (Cundy et al. 2002; Whyte et al. 2002). Diese sehr variable Erkrankung ist durch einen exzessiv gesteigerten Knochenumsatz, Osteopenie, Frakturen und zunehmende Skelettdeformi-
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tåten bereits im Kindesalter charakterisiert. Eine systematische Untersuchung wies mittlerweile verschiedene Mutationen innerhalb des OPG-Gens und eine variable Genotyp-Phånotyp-Beziehung nach (Chong et al. 2003). Eine Deletion des gesamten OPG-Gens fçhrt zum Fehlen des OPG-Proteins mit exzessiv gesteigerten RANKL-Spiegeln und einem schweren, håufig letalen Krankheitsbild (Chong et al. 2003; Whyte et al. 2002). MissenseMutationen oder Deletionen in den Exons 2 oder 3 fçhren meist zu einer geånderten Primårsequenz im Bereich der cysteinreichen Domånen (Abb. 5.2.2), beeinflussen die Tertiårstruktur des OPGProteins und sind mit reduzierten RANKL-Bindungseigenschaften des verånderten OPG-Proteins assoziiert (Chong et al. 2003; Cundy et al. 2002). Diese Mutationen kænnen zu schwer- oder mittelgradigen Manifestationen fçhren. Dagegen sind Mutationen im Exon 5 des OPG-Gens meist mit einer normalen RANKL-Bindungsdomåne, aber mit verånderter Heparinbindung oder verkçrzter Halbwertszeit assoziiert, und Patienten mit diesen Mutationen weisen lediglich einen milden Krankheitsverlauf auf (Chong et al. 2003).
5.2.7.6 Sonstige Knochenerkrankungen Bei der sporadischen Form des Morbus Paget, einer viral getriggerten Erkrankung mit unkontrollierter, lokal gesteigerter Knochenresorption, wurde in betroffenen Regionen eine gesteigerte Produktion von RANKL auf mesenchymalen Stammzellen sowie eine hæhere Sensitivitåt von Osteoklasten-Vorlåuferzellen gegençber RANKL nachgewiesen (Menaa et al. 2000 a, b; Neale et al. 2000). Patienten mit Morbus Paget (n = 31) wiesen gegençber gesunden Personen deutlich erhæhte OPGSerumspiegel auf, die unter antiresorptiver Therapie mit dem Bisphosphonat Tiludronat absinken, wåhrend sich die RANKL-Serumspiegel und der RANKL/OPG-Quotient nicht signifikant åndern (Alvarez et al. 2003). Bei 20 Patienten, die sich aufgrund eines primåren Hyperparathyreoidismus einer Parathyreoidektomie unterzogen, waren die OPG-Serumspiegel vor der Operation nicht mit den PTH-Serumspiegeln korreliert und ånderten sich 12 Monate nach der Operation nicht wesentlich, wåhrend in diesem Zeitraum die Knochenumsatzparameter zurçckgingen und die Knochendichte anstieg (Stilgren et al. 2003). Eine ungarische Arbeitsgruppe untersuchte das OPG/RANKL-System bei verschiedenen hepatoge-
nen Osteopathien. Unter 21 Patienten mit Morbus Wilson, einer hereditåren Kupferspeicherkrankheit mit variablen Lebererkrankungen, wiesen 43% der Patienten eine Osteoporose auf, und die biochemischen Marker des Knochenstoffwechsels und die OPG-Serumspiegel waren gegençber einer gesunden Kontrollgruppe deutlich erhæht (Hegedus et al. 2002). Auch Patientinnen mit primår biliårer Zirrhose wiesen gegençber gesunden gleichaltrigen Frauen deutlich erhæhte OPG- und leicht erniedrigte RANKL-Serumspiegel auf (Szalay et al. 2003).
5.2.8 Extraskeletale Effekte 5.2.8.1 Immunologische Effekte Neben den vielfåltigen Effekten im Bereich des Knochenstoffwechsels modulieren RANKL, RANK und OPG Immunantworten, Lymphozytenausreifung und die Organogenese des Immunsystems (Kong et al. 2000; Wong et al. 1999 a). Noch ehe RANKL als Ligand fçr RANK und OPG charakterisiert worden war (Lacey et al. 1998; Yasuda et al. 1998 b), hatten zwei immunologische Arbeitsgruppen RANKL bzw. ¹TNF-related activation-induced cytokineª (TRANCE) als ein von aktivierten T-Zellen produziertes, immunmodulatorisches Zytokin identifiziert (Anderson et al. 1997; Wong et al. 1997 a). Die lokale Aktivierung von T-Zellen mit entsprechender RANKL-Sekretion im Rahmen von inflammatorischen oder autoimmunen Erkrankungen wie Arthritiden oder entzçndlichen Darmerkrankungen im Tiermodell liefert eine Erklårung der Verknçpfung von Immunsystem und Knochenstoffwechsel auf molekularer Ebene (Kong et al. 1999 b; Ashcroft et al. 2003). Dendritische Zellen (DC) stellen die potentesten Antigen pråsentierenden Zellen des menschlichen Immunsystems dar und exprimieren wie Osteoklasten den Rezeptor RANK (Anderson et al. 1997). Seine Aktivierung durch RANKL hemmt çber eine gesteigerte Bcl-xL-Expression Apoptose und steigert dadurch die Lebensspanne von DC (Anderson et al. 1997; Josien et al. 2000; Lum et al. 1999; Wong et al. 1997 a). Die Aktivierung von RANK auf DC geht mit einer gesteigerten Expression von CD40, einer vermehrten Produktion proinflammatorischer und T-Zell-aktivierender Zytokine (IL-6, IL-11, IL-12 und IL-15) und einer verstårkten Cluster-Bildung einher (Josien et al. 1999;
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
Kong et al. 2000). Obwohl RANK auf mukosaassoziierten oder peripheren DC gleich stark exprimiert wird, kommt es nach RANKL-Stimulation zu unterschiedlichen Sekretionsprofilen von Zytokinen in DC je nach anatomischer Lokalisation (Williamson et al. 2002). OPG blockiert die immunologischen Effekte von RANKL durch Neutralisierung (Kong et al. 2000; Wong et al. 1999 a) und wird durch DC und BLymphozyten exprimiert, wobei die Stimulation von CD40 eine Induktion von OPG bewirkt (Yun et al. 1998). Die Bedeutung von OPG fçr das Immunsystem konnte weiterhin durch Charakterisierung von OPG±/±-Måusen gezeigt werden; OPG reguliert die Ausreifung von B-Lymphozyten und ist bei der Stimulation von T-Zellen durch DC und bei der Entwicklung einer effizienten Antikærperantwort involviert (Yun et al. 2001; Stolina et al. 2003). Weitere Mitglieder der TNF-Liganden- und -Rezeptoren-Familie spielen eine wichtige Rolle bei Aktivierung, Differenzierung und Apoptose von Immunzellen. Tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand (TRAIL), ein TNF-Ligand wie TNF-a oder Fas-Ligand, induziert Apoptose çber Bindung der TRAIL-Rezeptoren DR4 und DR5 (Degli-Esposti 1999). TRAIL kann wiederum durch OPG gebunden werden, so dass OPG åhnlich wie DcR1 und DcR2 als læslicher Rezeptorantagonist fçr TRAIL wirkt, was in vitro entweder TRAIL-induzierte Apoptose inhibiert oder die antiosteoklaståre Wirkung von OPG hemmt (Emery et al. 1998). Neben den Ergebnissen in vitro deuten In-vivoDaten auf eine elementare Rolle von RANKL und RANK fçr die Organogenese des Immunsystems hin. RANKL±/±-Måuse (Kong et al. 1999 a) weisen ebenso wie RANK±/±-Måuse (Dougall et al. 1999; Li et al. 2000) schwere Immundefekte mit Anomalien der Thymozyten- und B-Lymphozyten-Entwicklung, eine Stærung der Produktion von Zytokinen wie IL-2, IL-4, IL-5, IL-6 oder IFN-c und eine verminderte Aktivierung von T-Zellen durch DC auf. Phånotypisch zeigt sich bei den RANKL±/±- und RANK±/±-Måusen neben einer schweren Osteopetrose eine Hypoplasie von Thymus und Peyer'schen Plaques und eine Agenesie von Lymphknoten bei normal strukturierter, jedoch infolge der durch Osteopetrose gesteigerten extramedullåren Håmatopoese vergræûerten Milz (Dougall et al. 1999; Kong et al. 1999 a; Li et al. 2000). Diese Befunde unterstreichen, dass die Entwicklung von Lymphknoten und Peyer'schen Plaques genetisch nicht gekoppelt ist.
Die Regulation von DC-Funktionen durch RANKL und OPG zur Herstellung von DC-Vakzinen fçr die Immuntherapie von Malignomen und zur Modulation von Immunantworten in vivo ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. So konnte gezeigt werden, dass die Koexpression von RANK/ RANKL auf DC, die nach Transfektion mit einem Adenovirus-Vektor ein Tumorantigen exprimierten, zu einer gesteigerten Reaktion von tumorantigenspezifischen zytotoxischen T-Zellen fçhrte (Wiethe et al. 2003).
5.2.8.2 Vaskulåre Effekte Erste Hinweise auf vaskulåre Effekte des RANKL/ OPG-Systems ergaben sich aus dem Phånotyp von OPG±/±-Måusen, deren Aorta und Nierenarterien çberraschenderweise bei der Mehrzahl der Tiere eine massive Kalzifizierung der Media und Subintima und eine erhæhte Inzidenz von Aneurysmata aufwiesen (Bucay et al. 1998). Wåhrend eine parenterale Gabe von rekombinantem OPG keinen Effekt auf die Gefåûkalzifizierungen zeigte, konnten diese Verkalkungen bei OPG±/±-Måusen, bei denen ein OPG-Transgen wåhrend der Gestationsphase exprimiert wurde, verhindert werden (Min et al. 2000). Tierexperimentell låsst sich eine durch Warfarin- oder 1,25(OH)2-Vitamin-D3-Intoxikation induzierte Gefåûkalzifizierung durch gleichzeitige parenterale Anwendung von OPG effektiv verhindern (Price et al. 2001). Innerhalb des Gefåûsystems gehært die Media groûer Arterien zu den Geweben stårkster OPG-Gen-Expression (Simonet et al. 1997), weshalb fçr OPG eine protektive Wirkung gegen Kalzifizierungsprozesse im vaskulåren System vermutet wird (Schoppet et al. 2002). Im Gefåûsystem wird OPG von glatten Muskelzellen (Hofbauer et al. 2001 a; Fu et al. 2002 b) und Endothelzellen (Malyankar et al. 2000; Collin-Osdoby et al. 2001) sezerniert und in seiner Produktion von verschiedenen Faktoren moduliert. Auf Endothelzellen wirkt OPG als autokriner, antiapoptotischer Ûberlebensfaktor und wird nach Ligierung von avb3-Integrin durch Osteopontin vermehrt produziert (Malyankar et al. 2000), was zur Integritåt der Gefåûwand beitragen kann. Sowohl RANKL als auch RANK werden von Endothelzellen gebildet (Collin-Osdoby et al. 2001; Kim et al. 2003), und RANKL hat in vitro antiapoptotische und angiogenetische Wirkung auf Endothelzellen (Kim et al. 2003; Kim et al. 2002). Die immunhistochemische Analyse humaner atherosklerotischer Gefåûwånde ergab einen kon-
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stitutiven Nachweis von RANKL- und OPG-Protein in normalen Gefåûwånden und in frçhen Låsionen (Dhore et al. 2001). In fortgeschrittenen Stadien findet sich OPG an der Grenze zu knæchernen Strukturen der Gefåûwand, wåhrend RANKL nur in der die kalzifizierenden Låsionen umgebenden extrazellulåren Matrix zu finden war (Dhore et al. 2001). Eine andere Studie beschrieb in der Gefåûwand von OPG±/±-Måusen RANKL- und auch RANK-mRNA-Transkripte in verkalkten Gefåûarealen, die bei Wildtyp-Måusen nicht zu finden waren (Min et al. 2000). In einer klinisch-epidemiologischen Untersuchung einer prospektiven Kohorte von 490 Frauen çber 65 Jahre lagen die Serumkonzentrationen von OPG bei Patientinnen mit Diabetes mellitus um 30% hæher als bei gleichaltrigen Nichtdiabetikerinnen und waren positiv mit der kardiovaskulåren Mortalitåt korreliert (Browner et al. 2001). Eine Subanalyse ergab sogar ein auf das Vierfache gesteigertes relatives Risiko der kardiovaskulåren Mortalitåt bei Patientinnen innerhalb der hæchsten OPG-Quintile (Browner et al. 2001). In Analogie zu diesen Befunden lassen sich auch erhæhte OPGSerumspiegel bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung in Abhångigkeit vom Schweregrad der vaskulåren Verånderungen nachweisen, was als gegenregulatorischer, wenngleich insuffizienter Mechanismus des gefåûprotektiven OPG diskutiert wird (Jono et al. 2002; Schoppet et al. 2003). Eine andere Untersuchung zeigte, dass in der Gefåûwand glatte Muskelzellen konstitutiv die potentiell protektiven und kalzifikationshemmenden Proteine wie Matrix-GLA-Protein oder OPG exprimieren, diese Expression aber im Verlauf von Gefåûkalzifizierungsprozessen zugunsten der Expression osteoblastårer Proteine wie alkalischer Phosphatase oder Osteokalzin verschoben wird (Tyson et al. 2003). Wåhrend eine Reihe von Polymorphismen des OPG-Gens charakterisiert und deren Korrelation mit Osteoporose untersucht wurde (Arko et al. 2002; Langdahl et al. 2002; Ohmori et al. 2002; Wynne et al. 2002), konnte bisher nur ein Polymorphismus im Bereich des OPG-Promoters (950 T ? C) mit Frçhindikatoren der Atherosklerose (Intima-Media-Dicke der Arteria carotis) korreliert werden (Bråndstræm et al. 2002), von dem interessanterweise kein Einfluss auf den Knochenstoffwechsel bekannt ist. Im Gefåûsystem scheint nach diesen Befunden somit das RANKL/OPG-System eine wichtige Rolle als parakrine Verbindung zwischen Knochenstoffwechsel und vaskulårem System zu spielen. Eine
gestærte Balance dieser beiden Komponenten kænnte das molekulare Korrelat der klinischen Koinzidenz von Osteoporose und vaskulårer Kalzifizierung vor allem bei postmenopausalen Frauen und ålteren Månnern darstellen (Hofbauer u. Schoppet 2001; Tintut u. Demer 2001).
5.2.8.3 Endokrinologische Effekte RANKL spielt ebenfalls eine essentielle Rolle bei der Entwicklung und Funktion der Brustdrçse (Fata et al. 2000). RANKL±/±- und RANK±/±-Måuse bilden wåhrend der Schwangerschaft keine funktionsfåhige laktierende Brustdrçse aus, was zum Verhungern des Nachwuchses fçhrt. Dieser Phånotyp ist Folge eines hohen Bedarfs des Brçstdrçsenepithels an RANKL, welcher als antiapoptotischer Ûberlebens- und Proliferationsfaktor fungiert (Fata et al. 2000). Da das wåhrend der Schwangerschaft erhæhte Sexualhormon Progesteron die RANKLExpression im Brustgewebe induziert, wurde die Hypothese aufgestellt, dass RANKL durch Færderung von Knochenresorption und Laktation eine zentrale Rolle fçr den Mineraltransfer vom Skelett der Mutter auf das des Fæten spielt (Fata et al. 2000). Auch die Funktion und Immunmodulation der Schilddrçse wird offenbar durch RANKL und OPG kontrolliert (Hofbauer et al. 2002). Schilddrçsengewebe weist im direkten Vergleich mit anderen Geweben eine starke OPG-Gen-Expression auf, wåhrend RANKL nur gering exprimiert wird. Als Produzenten von RANKL und OPG konnten follikulåre Schilddrçsenzellen identifiziert werden. Analog zu anderen Zelltypen werden RANKL und OPG in follikulåren Schilddrçsenzellen (XTC) durch die proinflammatorischen Zytokine IL-1b und TNF-a induziert. Die Sekretion von OPG wird in XTC durch IL-1b um mehr als das 30fache gesteigert. Als mægliche Zielzellen fçr die biologischen Effekte von RANKL und OPG kommen innerhalb der Schilddrçse vor allem Antigen pråsentierende DC in Frage. Konditioniertes Medium von XTC-Zellen, welches aufgrund einer Stimulation mit IL-1b massiv erhæhte OPG-Konzentrationen enthielt, konnte eine durch RANKL-induzierte CD40-Expression (ein Oberflåchenmarker von DC) sowie eine Cluster-Bildung von DC hemmen. Schilddrçsenresektate von Patienten mit Morbus Basedow, in denen IL-1b und TNF-a çberexprimiert sind, wiesen im Vergleich zu anderen benignen Schilddrçsenerkrankungen deutlich gesteigerte OPG-mRNA-Spiegel auf. Diese Befunde deuten auf eine mægliche
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
parakrine Rolle von RANKL und OPG bei der Kommunikation zwischen follikulåren Schilddrçsenzellen und Immunzellen, insbesondere bei der Pathogenese von Immunthyreopathien wie dem Morbus Basedow hin.
5.2.9 Therapeutische Implikationen Unmittelbar nach der Entdeckung und Charakterisierung von RANKL, RANK und OPG wurden deren therapeutisches Potential in verschiedenen tierexperimentellen Erkrankungen des Skelettsystems evaluiert. Zur Pråvention der postmenopausalen Osteoporose existieren verschiedene Ansåtze (OPG-IgG-Fusionsprotein, adenoviraler Vektor zur Ûberexpression von OPG), auch in Kombination mit PTH (Bolon et al. 2001; Kostenuik et al. 2001; Simonet et al. 1997). In Tiermodellen des multiplen Myeloms gibt es verschiedene Ansåtze zur RANKL-Blockade wie die Anwendung eines RANK-Fc- oder OPG-Fc-Fusionsproteins oder die Verwendung eines lentiviralen Vektors zur Ûberexpression von OPG-Fc (Croucher et al. 2001; Doran et al. 2002; Pearse et al. 2001). Andere Tiermodelle, bei der die erhæhte Knochenresorption durch RANKL-Blockade erfolgreich verhindert wurde, umfassen verschiedene ossåre Metastasierungsmodelle (Honore et al. 2000; Luger et al. 2001; Morony et al. 2001), humorale Hyperkalzåmieformen (Capparelli et al. 2000; Oyajobi et al. 2001), die Adjuvans-Arthritis, ein Modell der rheumatoiden Arthritis (Kong et al. 1999 b), die Periodontitis (Teng et al. 2000), die Immobilisierungsosteoporose (Bateman et al. 2000, 2001; Mochizuki et al. 2002) und die alkoholinduzierte Osteoporose (Zhang et al. 2002). Auf der Grundlage der zell- und tumorbiologischen Konzepte und der eindrucksvollen tierexperimentellen Studien wurden klinische Studien zur RANKL-Blockade (mittels eines OPG-Fc-Fusionsproteins) an Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose (Bekker et al. 2001) und Patienten oder Patientinnen mit osteolytischen Låsionen beim multiplen Myelom oder bei Mammakarzinom (Body et al. 2003) durchgefçhrt. In der Studie zur postmenopausalen Osteoporose wurden 52 Frauen in randomisierter, doppelblinder, placebokontrollierter Weise mit unterschiedlichen Dosierungen des OPG-Fc-Fusionsproteins (maximal bis 3 mg/kg als einmalige Gabe) behandelt. Die biochemischen Marker der Kno-
chenresorption (Desoxypyridinolin: ±80% an Tag 5) und -formation (Osteokalzin: ±20% an Tag 29) konnten deutlich reduziert werden, die Therapie wurde gut vertragen und war ± abgesehen von einer transienten, asymptomatischen Hypokalzåmie mit passagerem PTH-Anstieg ± frei von Nebenwirkungen (Bekker et al. 2001). Andere klinische Endpunkte wie die Auswirkung auf die Knochendichte oder die Frakturreduktion wurden in dieser Kurzzeitstudie nicht untersucht. Die Untersuchung zu Knochenmetastasen wurde als randomisierte, doppelblinde, kontrollierte Dosiseskalationsstudie (maximal bis 3 mg/kg als einmalige Gabe) an 28 Patientinnen und Patienten mit multiplem Myelom und 26 Patientinnen mit Mammakarzinom und radiologisch nachgewiesenen osteolytischen Metastasen durchgefçhrt (Body et al. 2003). Dabei erhielten die Patienten entweder das OPG-Fc-Fusionsprotein (s. c.) oder das Bisphosphonat Pamidronat (90 mg i. v.) und wurden fçr insgesamt 56 Tage nachbeobachtet. Das OPGFc-Fusionsprotein fçhrte zu einer dosisabhångigen raschen Reduktion des biochemischen Markers der Knochenresorption (Kollagen-N-Telopeptid), war abgesehen von einer milden, asymptomatischen Hypokalzåmie frei von unerwçnschten Nebenwirkungen und wurde gut toleriert. Die Reduktion der Knochenresorptionsmarker entsprach etwa der einer Pamidronat-Therapie. Aufgrund des kausalen Wirkmechanismus und der tierexperimentellen und klinischen Befunde kænnte die gezielte RANKL-Blockade durch Applikation von OPG oder OPG-åhnlichen Molekçlen, durch die Gabe von RANK- oder RANKL-Antikærpern oder durch Substanzen, welche die endogene OPG-Produktion steigern (Onyia et al. 2004), die RANKL-Expression unterdrçcken oder die RANKSignal-Kaskade modulieren (Cheng et al. 2004), eine wichtige Bereicherung des therapeutischen Repertoires bei der Therapie der Osteoporose und anderer metabolischer Knochenerkrankungen darstellen.
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
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5.2 Bedeutung von RANK-Ligand und Osteoprotegerin fçr den Knochenstoffwechsel
bits osteoclastogenesis in vitro. Endocrinology 139: 1329±1337 Yasuda H, Shima N, Nakagawa N et al. (1998 b) Osteoclast differentiation factor is a ligand for osteoprotegerin/osteoclastogenesis-inhibitory factor and is identical to TRANCE/RANKL. Proc Natl Acad Sci USA 95: 3597±3602 Yonou H, Kanomata N, Goya M et al. (2003) Osteoprotegerin/osteoclastogenesis inhibitory factor decreases human prostate cancer burden in human adult bone implanted into nonobese diabetic/severe combined immunodeficient mice. Cancer Res 63: 2096±2102 Yun TJ, Chaudhary PM, Shu GL et al. (1998) OPG/FDCR-1, a TNF receptor family member, is expressed in lymphoid cells and is up-regulated by ligating CD40. J Immunol 161: 6113±6121 Yun TJ, Tallquist MD, Aicher A et al. (2001) Osteoprotegerin, a crucial regulator of bone metabolism, also regulates B cell development and function. J Immunol 166: 1482± 1491
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5.3 Regulation der Hautfunktion Anton Luger und Thomas A. Luger
Inhaltsverzeichnis 5.3.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.1.1 5.3.2.1.2 5.3.2.2 5.3.2.2.1 5.3.2.2.2 5.3.2.2.3 5.3.2.2.4 5.3.2.3 5.3.2.3.1 5.3.2.3.2 5.3.2.4 5.3.2.5 5.3.2.6
Aufbau und Funktion der Haut Epidermis . . . . . . . . . . . . . . Keratinozyten . . . . . . . . . . . Andere Zellen der Epidermis . . Hautanhangsgebilde . . . . . . . Någel . . . . . . . . . . . . . . . . . Haare . . . . . . . . . . . . . . . . Talgdrçsen . . . . . . . . . . . . . Schweiûdrçsen . . . . . . . . . . . Dermis . . . . . . . . . . . . . . . Kollagen . . . . . . . . . . . . . . . Dermale Zellen . . . . . . . . . . Gefåûsysteme der Haut . . . . . Nerven der Haut . . . . . . . . . Subkutis . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . .
511 511 512 513 515 516 516 516 517 518 518 518 519 519 520 520
5.3.3
Komponenten der HypothalamusHypophysen-Nebennieren-Achse . . . . . . . 520
5.3.4 5.3.4.1 5.3.4.2
Sexualsteroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 Ústrogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 Androgene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526
5.3.5
Komponenten der HypothalamusHypophysen-Schilddrçsen-Achse . . . . . . . 529
5.3.6
Wachstumshormon und Insulin-Like Growth Factor 1 . . . . . . 531
5.3.7
Prolaktin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
5.3.8
Parathormon-Related Protein . . . . . . . . . 534
5.3.9
Vitamin D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
5.3.10
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
5.3.11
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
5.3.1 Einleitung
5.3.2 Aufbau und Funktion der Haut
Die Haut ist das græûte Organ des Menschen und erfçllt als Grenzorgan zur Umwelt zahlreiche wichtige Aufgaben. Unter anderem ist die Haut in der Lage, verschiedene Hormone zu produzieren, und zahlreiche Zellen der Haut kænnen spezifische Hormonrezeptoren exprimieren und somit auf lokal oder systemisch gebildete Hormone reagieren. Erkrankungen endokriner Organe bewirken håufig auch Hautverånderungen, die in manchen Fållen diagnostisch richtungweisend sein kænnen (Luger u. Bæhm 2005). Dieses Kapitel befasst sich zunåchst mit dem Aufbau und den Besonderheiten des Hautorgans, um anschlieûend die regulatorische Rolle der einzelnen Hormonsysteme im Rahmen von physiologischen und pathologischen Vorgången zu beleuchten.
Der Aufbau der Haut ist komplex und besteht aus drei Schichten: Epidermis (Oberhaut), Dermis (Lederhaut) und Subkutis (Abb. 5.3.1). Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Haut sind die Hautanhangsgebilde: Haare, Någel, Talg- und Schweiûdrçsen. Dicke sowie Dichte von Hautanhangsgebilden, Gefåûen und Nerven sind in Abhångigkeit der Hautregion sehr unterschiedlich ausgebildet. Die Funktionen der Haut als Kontakt-, Schutz-, und Sinnesorgan sind åuûerst komplex. Die Barrierefunktion ist fçr den Stoffaustausch zwischen Organismus und Umwelt verantwortlich. Sie verhindert einerseits das Eindringen kærperfremder Substanzen und andererseits das Austrocknen des Organismus. Die Hornschicht der Epidermis, das Fasergeflecht der Dermis und das subkutane Fettgewebe bilden gemeinsam einen mechanischen Schutz vor stumpfen Traumen. Die Erzeugung von Melanin durch Melanozyten der Epidermis ist fçr den Schutz vor UV-Licht verantwortlich. Haare, Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
512
A. Luger und T. A. Luger
Abb. 5.3.1. Aufbau der normalen Haut. (Aus Geras AJ 1990, Dermatology ± A medical artist interpretation, Wiedergabe mit Einverståndnis der Novartis AG)
subkutanes Fettgewebe, der Gefåûplexus und die Schweiûdrçsen stellen Elemente der zentral gesteuerten Thermoregulation zum Schutz gegen Hitze und Kålte dar. Die Haut ist auch ein komplexes ¹Immunorganª, welches sowohl Komponenten der angeborenen Abwehr wie z. B. antimikrobielle Peptide und ¹Toll-like-Rezeptorenª als auch såmtliche Komponenten fçr eine effiziente adaptive Immunantwort beherbergt. Auch Sinnesfunktionen der Haut sind wichtige Elemente der Kommunikation mit der Umwelt sowie zum Schutz gegen potentielle Eindringlinge. Alle diese Aufgaben sind eng miteinander sowie mit dem lokalen und systemischen Hormonsystem verbunden. Informationsaustausch der Systeme untereinander gewåhrleistet eine optimale Reaktion der Haut und des Organismus auf Verånderung der Umwelt und trågt damit wesentlich zur Erhaltung der Homæostase bei.
5.3.2.1 Epidermis Die Epidermis ist ein Plattenepithel, welches hauptsåchlich aus Keratinozyten besteht und an der Grenze zur Dermis auf einer Basalmembran sitzt (Abb. 5.3.2). Weitere zellulåre Bestandteile der Epidermis sind Langerhans-Zellen, Melanozyten und Merkel-Zellen. Die Grenze zwischen Epidermis und Dermis verlåuft sågezahnartig und wird als dermoepidermale Junktionszone bezeichnet. Die Epidermis ist aus 4 horizontalen Zelllagen aufgebaut. Die einlagige Basalzellschicht (Stratum basale) besteht aus zylindrischen Zellen, welche direkt auf der Basalmembran sitzen. Darçber liegt die aus 2±5 Zelllagen aufgebaute Stachelzellschicht (Stratum spinosum). Danach folgt die 1- bis 3-lagige Kærnerschicht (Stratum granulosum), deren Charakteristikum die basophilen Keratohyalinkær-
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5.3 Regulation der Hautfunktion
Abb. 5.3.2. Histologie der normalen Epidermis. M: Melanozyt; LZ: LangerhansZelle
ner (Vorlåufer der Keratinmatrix) sind. Im Rahmen von Differenzierungsvorgången kommt es hier zum Verschwinden der Zellkerne und Zellorganellen, sowie zur Entstehung einer Lipidsubstanz im Interzellulårraum. Auf Grund von Verhornung entsteht die oberste Schicht, die aus 10±20 Zelllagen kernloser, von einer ¹cornified envelopeª umhçllten, Korneozyten bestehende Hornschicht (Stratum corneum) (Chu et al. 2003).
5.3.2.1.1 Keratinozyten Die Keratinozyten sind durch einen charakteristischen strukturellen Aufbau, bestehend aus zytoplasmatischen Filamenten (Zytoskelett) und Keratinfilamenten (Tonofilamente), gekennzeichnet. Der epidermale Interzellularraum enthålt Glykosaminoglykane sowie Oberflåchenmolekçle von Keratinozyten und ist bis in die Hæhe des Stratum granulosum auch fçr hæhermolekulare Stoffe durchlåssig (Kimyai-Asadi et al. 2003). Die dermoepidermale Junktionszone ist eine komplex aufgebaute Grenzflåche zwischen Epidermis und Dermis (Basalmembranzone). Die basalen Keratinozyten erneuern sich kontinuierlich, wobei ein Gleichgewicht zwischen Mitosen und terminaler Differenzierung bzw. Apoptose besteht. Allerdings sind nur wenige klonogene Stammzellen, die selbst der terminalen Differenzierung nicht unterliegen, zur unlimitierten Zellteilung fåhig. Die Mitosefåhigkeit im Stratum spinosum ist nur unter pathologischen Bedingungen (Psoriasis, Wundheilung) gegeben und geht im Stratum granulosum verloren. Nor-
malerweise befindet sich ein Keratinozyt im Durchschnitt etwa einen Monat in der Epidermis (Kimyai-Asadi et al. 2003). Die im Normalfall einem Gleichgewicht unterliegende Keratinozytenproliferation reagiert auf unterschiedliche Reize (Verletzung, Wårme, UV, chemische oder entzçndliche Reize) mit einem Anstieg der Mitoserate. Das klinische Zeichen einer epidermalen Hyperproliferation ist die Schuppenbildung. Die an åuûere Reize angepasste Proliferation der Keratinozyten ist letztlich noch nicht vællig geklårt. Das Netzwerk von Zytokinen und anderen Mediatoren dçrfte bei dieser Regulation eine entscheidende Rolle spielen. Demnach sind Faktoren wie Interleukin-1 (IL-1), IL-6, ¹epidermal growth factorª (EGF), ¹transforming growth factor aª (TGF-a), ¹fibroblast growth factorª (FGF) und ¹keratinocyte growth factorª (KGF) wachstumsfærdernd, wåhrend Tumor-Nekrose-Faktor a (TNF-a) proliferationshemmend wirkt. Aufgrund von entzçndlichen Prozessen oder genetischen Einflçssen ist bei vielen Hauterkrankungen wie z. B. Psoriasis, Ichthyosen oder Ekzemerkrankungen eine erhæhte Proliferationståtigkeit der Epidermis gegeben (Chu et al. 2003). Eine wichtige Rolle im Rahmen der epidermalen Homæostase spielt die Apoptose, der programmierte Zelltod, welcher durch Kontaktverlust, Zellschrumpfung, Kernkondensation sowie Fragmentierung der Zelle charakterisiert ist. Die so entstehenden ¹apoptotischen Kærperchenª werden phagozytiert und eliminiert. Die Mechanismen der Apoptose unterliegen einer åuûerst komplexen Re-
513
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A. Luger und T. A. Luger
gulation, wobei supprimierende Gene (bcl-2), induzierende Gene (bcl-x), Zytokine (TGF, TNF-a), Rezeptoren (Fas), Proteasen (¹caspase-1/interleukin-converting enzymeª, ICE) und Transkriptionsfaktoren (nukleårer Faktor jB, NFjB) eine entscheidende Rolle spielen. Auch Regulationsgene des Zellzyklus, insbesondere c-myc, c-fos und p53, sind eng mit der Apoptose verknçpft. Die Apoptose der Epidermis manifestiert sich durch Apoptosekærperchen (¹cytoid bodiesª, ¹colloid bodiesª, dyskeratotische Zellen, ¹sunburn cellsª etc.), die in geringer Zahl auch in normaler Haut vorhanden, bei manchen Krankheiten aber deutlich vermehrt sind. Demnach finden sich bei hyperproliferativen Prozessen wenig apoptotische Kærperchen (z. B. Psoriasis), bei schnell proliferierenden, aber langsam wachsenden Tumoren hingegen viele (z. B. Basaliom). Auch die Induktion der Katagenphase am Haarfollikel ist apoptosebedingt. Auûerdem bewirken Medikamente (Retinoide, Zytostatika) sowie die Photo- und Radiotherapie eine Induktion der Apoptose (Chu et al. 2003). Die Umwandlung lebender Keratinozyten in der Hornschicht verlåuft innerhalb weniger Stunden. Dabei kommt es zur Synthese von Keratinfilamentproteinen, Filagrinen, des Cornified envelope und des Barrierelipids. Die Keratinfilamente werden aus den unlæslichen Zytokeratinen, den hauptsåchlichen epidermalen Strukturproteinen, in Form von Dimeren aufgebaut. Zumindest 30 verschiedene solcher Zytokeratine sind bekannt. Punktmutationen in Zytokeratingenen wurden als Ursache verschiedener Genodermatosen identifiziert. Im oberen Stratum spinosum erfolgt die Synthese des Cornified envelope durch Quervernetzung von verschiedenen Proteinen (Loricrin, Keratolinin, Pancornuline). Diese ist resistent gegen chemische Keratolytika (Alkalien, Detergenzien, reduzierende Substanzen) und organische Læsungsmittel, nicht aber gegen proteolytische Enzyme. Dem Cornified envelope auûen angelagert befindet sich eine ceramidreiche Lipidmembran (¹covalently bound envelopeª). Zur Synthese des Barrierelipids werden vorwiegend Phospholipide in den Interzellularraum sezerniert und anschlieûend enzymatisch in hydrophobe Metaboliten (Ceramide, Cholesterin, freie Fettsåuren), das eigentliche ¹Barrierelipidª, umgewandelt. Anschlieûend wird dieses zu Lipidlamellen remodelliert, um den Interzellularraum wasserdicht abzuschlieûen. Die nun fertige Hornschicht besteht somit aus durch das Cornified envelope starren, mit Keratin gefçllten Elementen, die mit Lipid untereinander verbunden sind und deren wichtigste Aufgabe die Barrierefunktion ist.
Eine Schådigung der Barrierefunktion kann in der darunter liegenden Epidermis DNS-Synthese, Lipidsynthese sowie die Sekretion von Zytokinen und Wachstumsfaktoren bewirken (Elias et al. 2003). In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass Keratinozyten auch in der Lage sind, eine Vielzahl von Mediatoren zu sezernieren, die Wachstum und insbesondere entzçndliche und immunologische Vorgånge regulieren kænnen. Demnach produzieren Keratinozyten nach Stimulierung durch exogene oder endogene Noxen Zytokine, Chemokine und Wachstumsfaktoren sowie deren Rezeptoren, Arachidonsåurederivate, antimikrobielle Peptide, Adhåsionsmolekçle, Major-histocompatibility-complex(MHC)-Antigene, ¹Toll-likeRezeptorenª und verschiedene Enzyme (Kollagenase, Proteasen, Plasminogen-Aktivator) sowie proteaseaktivierte Rezeptoren (PAR). Auûerdem kænnen Keratinozyten verschiedene Hormone produzieren, auf die in den folgenden Abschnitten detailliert eingegangen wird (Steinhoff et al. 2004). Die Freisetzung sowie die Exprimierung dieser Signale erfolgt praktisch nur nach Stimulierung durch exogene (Mikroben, chemische oder physikalische Einflçsse) oder endogene Auslæser im Rahmen von entzçndlichen Vorgången. Sie stellen wichtige Komponenten der angeborenen natçrlichen Abwehr (antimikrobielle Peptide, Toll-likeRezeptoren, proinflammatorische Zytokine, Neuropeptide) dar, sind aber auch entscheidende Regulatoren der erworbenen spezifischen Immunantwort. Demnach beeinflussen epidermale Zytokine wie IL-1, TNF-a und Granulozyten-MakrophagenKolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF) die Reifung von dendritischen Zellen (DZ) in der Dermis und Epidermis (Langerhans-Zellen, LZ), wåhrend verschiedene epidermale Chemokine fçr die Migration der LZ in die regionalen Lymphknoten verantwortlich sind. Bei massiver Freisetzung z. B. im Rahmen einer Sonnenbrandreaktion gelangen epidermale Zytokine (IL-1, IL-6, TNF-a) auch in die Zirkulation und bewirken systemische Effekte wie Fieber und die Produktion von Akutphaseproteinen. Eine weitere Rolle von Zytokinen wie IL-1 und TNF-a ist die Wachstumsstimulation von Fibroblasten im Rahmen der Wundheilung. Chemokine spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Pathogenese verschiedener entzçndlicher Dermatosen. Zum Beispiel ist das erst kçrzlich identifizierte CCL-27 von entscheidender Bedeutung fçr die Einwanderung von hautspezifischen T-Zellen, welche den epidermalen Homing-Rezeptor CLA (¹cutaneous lymphoid antigenª) exprimieren. TGF-a stimuliert die Proliferation von Keratinozyten,
a wåhrend TGF-b ein potenter Inhibitor der epidermalen Proliferation ist. Auûerdem wirkt TGF-b auch als Chemotaxin fçr Neutrophile, Monozyten sowie Langerhans-Zell-Vorlåufer und hemmt die T-Zell-Proliferation (Steinhoff et al. 2004). Der in der Epidermis erst kçrzlich identifizierte proteaseaktivierte Rezeptor PAR2 wird durch Proteasen wie z. B. Mastzell-Tryptase, aber auch durch mikrobielle Enzyme aktiviert und bewirkt an Keratinozyten die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und Chemokinen. An Nerven kommt es nach PAR2-Aktivierung zur Freisetzung von Neuropeptiden wie Substanz P (SP) und ¹calcitonin gene regulated peptideª (CGRP). Demnach dçrfte Expression und Aktivierung dieser Rezeptoren und die daraus resultierende Produktion von Entzçndungsmediatoren eine bedeutende Rolle bei der Regulierung von Entzçndungsreaktionen haben (Steinhoff et al. 2004).
5.3.2.1.2 Andere Zellen der Epidermis Neben Keratinozyten, die etwa 90% der Epidermalzellen darstellen, beherbergt die Epidermis noch Melanozyten, Langerhans-Zellen und MerkelZellen. Melanozyten sind dendritische Zellen neuroektodermaler Abkunft, welche im Stratum basale der Epidermis bzw. des Haarfollikels liegen und das Pigment Melanin in Antwort auf physiologische und pathologische Stimuli (insbesondere UVLicht) sezernieren. Sie bewirken die Pigmentierung der Haut durch Transfer von Melanosomen in die benachbarten Keratinozyten. Melanin entsteht als Polymerisationsprodukt der Aminosåure Tyrosin, absorbiert Licht aller Wellenlången und bindet freie Radikale. Man unterscheidet zwischen dem schwarzen Eumelanin und dem roten Phåomelanin, deren Mischung fçr die individuellen Hautund Haarfarben hauptverantwortlich ist. Die Melanozyten haften an der Basalmembran von Epidermis und Haarfollikel. Jeder Melanozyt besitzt 10±20 Dendriten und steht mit etwa 30 Keratinozyten in Kontakt (¹epidermale Melanineinheitª). Die Zahl der Melanozyten schwankt zwischen 1000 und 2000/mm2 Hautoberflåche. Am dichtesten stehen sie in den belichteten und den physiologisch dunkler pigmentierten Regionen (Genitoanalbereich, Areola mammae). Melanozyten vermehren sich sehr langsam und wandern nur langsam nach Gewebszerstærung ein (Halaban et al. 2003). Zahl, Græûe und Form der Melanosomen sind genetisch determiniert: Ethnisch dunkelhåutige Personen haben mehr, ovalere und græûere Melanosomen als Kaukasier, wobei die Zahl von Mela-
5.3 Regulation der Hautfunktion
nozyten gleich ist. Im Gegensatz zu den Melanozyten der Haut geben extrakutane Melanozyten (z. B. der Retina) und auch dermale Nåvuszellen kein Pigment ab. Die Melanosomen liegen im Zytoplasma der Keratinozyten entweder einzeln (bei ethnisch dunkler Haut) oder zu mehreren in Form von Melanosomenkomplexen (bei Kaukasiern) vor. Der Verteilungsmodus ist von Bedeutung, da die Dispersion und Absorption von Licht durch wenige groûe Melanosomenkomplexe geringer ist als durch viele einzeln liegende Melanosomen. Die Haut erscheint im letzteren Fall daher dunkler. Melanosomenkomplexe verschmelzen mit Lysosomen, um den Zugang fçr jene Enzyme zu gewåhren, die fçr den Melaninabbau erforderlich sind. Das Melanin ist in den unteren Zelllagen der Epidermis am dichtesten. Der Melaninabbau ist bei Weiûen im oberen Stratum spinosum abgeschlossen; bei Afrikanern sind Melaninreste noch im Stratum corneum nachweisbar (Fitzpatrick u. Ortonne 2003). Schutz vor UV-Licht ist die wichtigste Funktion des Melanins. Bei UV-Exposition wird in Melanozyten zunåchst die Tyrosinase hochreguliert, worauf die Melaninsynthese beginnt. Die Zahl der Melanosomen steigt an, sie wandern in die an Anzahl zunehmenden Dendriten ein, und der Pigmenttransfer wird intensiviert, wodurch nach einigen Tagen eine Bråunung eintritt. Gleichzeitig kommt es zu einer vermehrten Proliferation der Melanozyten. Bei der Bråunung ist auch der Positionswechsel der Pigmentgranula im Zytoplasma von Bedeutung, welcher durch Hormone (Melanozyten stimulierendes Hormon [MSH], Epinephrin, Melatonin) und andere Wirkstoffe ausgelæst wird. Demnach ist die Bråunung bei Dispersion dunkel, wåhrend sie bei zentraler Aggregation hell ist. Im Gegensatz zur Maus sprechen humane Melanozyten nur wenig auf MSH an (Morbus Addison). Eine gewisse aktivierende Wirkung besitzen Androgene und Gestagene sowie Neuropeptide, Entzçndungsmediatoren und der bFGF (Fitzpatrick u. Ortonne 2003). Nach Beendigung der UV-Exposition fållt die Aktivitåt der Melanozyten langsam (çber Wochen) auf das Normalmaû zurçck (Halaban 2003). Langerhans-Zellen sind suprabasale dendritische Zellen der Epidermis, die eine zentrale Rolle im ¹Immunorganª Haut spielen. Elektronenmikroskopisch sind sie durch typische zytoplasmatische, tennisschlågerartige Zellorganellen gekennzeichnet (Langerhans-Zell-, auch Birbeck-Granula), deren Funktion mit rezeptorspezifischen Endozytosevorgången assoziiert ist. Langerhans-Zellen stammen
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aus dem Knochenmark und gehæren der myeloischen Zellreihe an. Sie exprimieren MHC-KlasseII-Antigen und sind als Antigen pråsentierende Zellen von entscheidender Bedeutung. LangerhansZellen entsprechen immunologisch unreifen dendritischen Zellen, welche darauf spezialisiert sind, ruhende Helfer-T-Lymphozyten zu stimulieren und somit eine primåre T-Zell-abhångige Immunantwort einzuleiten. Demnach spielen LangerhansZellen eine wichtige Rolle bei Immunreaktionen wie z. B. Kontaktsensibilisierung oder Transplantatabstoûungsreaktion. Die Langerhans-Zellen verlassen nach dem Kontakt mit Antigen (Allergen) und dem darauf folgenden Reifungsprozess die Epidermis und wandern çber die afferenten Lymphgefåûe in den Lymphknoten. Dort aktivieren sie als reife, immunologisch hochaktive dendritische Zellen ± T-Helfer(Th)-Zellen ± den passenden antigenspezifischen Rezeptor und leiten die Immunantwort ein (z. B. gegen Kontaktallergene, Tumorantigene, virale Antigene). Die Funktion, Reifung und Migration von Langerhans-Zellen wird durch zahlreiche Faktoren wie z. B. Zytokine, Chemokine, Neuropeptide, Hormone (Kortikosteroide, a-MSH) und UVBestrahlung reguliert. Langerhans-Zellen sind auch im Rahmen der Pathogenese verschiedener Erkrankungen von Bedeutung. Sie kænnen vom Human immunodeficiency virus (HIV) befallen werden und stellen mæglicherweise ein Erregerreservoir dar (Stingl et al. 2003). In der Dermis kann man zwei Zelltypen mit dendritischer Morphologie unterscheiden. Einerseits finden sich immunstimulatorische, migratorische dermale dendritische Zellen, die den Langerhans-Zellen der Epidermis analog sind, aber keine Langerhans-Zell-Granula enthalten. Diese Art dendritischer Zellen ist bei bestimmten Hautkrankheiten wie der atopischen Dermatitis und der Psoriasis vulgaris vermehrt und spielt wahrscheinlich bei deren Pathogenese eine Rolle. Der zweite, davon unabhångige Zelltyp sind die sog. Faktor-XIIIa-positiven dermalen dendritischen Zellen. Diese sind durch die Expression von Gerinnungsfaktor XIIIa (Fibrin stabilisierender Faktor) charakterisiert und werden derzeit als spezielle Gewebemakrophagen betrachtet (Stingl et al. 2003). Sie sind bei bestimmten entzçndlichen Hautkrankheiten wie auch bei bestimmten Tumoren vermehrt (z. B. Histiozytom). Merkel-Zellen sind einzeln oder als Aggregate (¹Haarscheibeª) im Stratum basale gelegene neuroendokrine Zellen (Mechanorezeptoren), welche durch eine Synapse mit afferenten Typ-1-Nervenfasern verbunden sind. Sie stammen von Keratinozy-
ten-Stammzellen ab und sind unregelmåûig çber die gesamte Haut und hautnahen Schleimhåute verteilt (5±100/mm2). Besonders dicht sind sie an den Akren, Lippen und Gaumen sowie an lichtexponierten Hautarealen. Ultrastrukturell sind Merkel-Zellen durch Tonofilamente, Desmosomen und charakteristische sekretorische Granula gekennzeichnet. Merkelzellen produzieren ¹nerve growth factorª (NGF) und eine Reihe von Neuropeptiden (Substanz P, vasoaktives intestinales Polypeptid) (Chu et al. 2003). In der Epidermis befinden sich auch unter normalen Bedingungen wenige Lymphozyten vom Memory-Helfer-T-Zell-Typ, die durch die Expression eines hautspezifischen Oberflåchenmarkers CLA (¹cutaneous lymphocyte antigenª) charakterisiert sind (Stingl et al. 2003).
5.3.2.2 Hautanhangsgebilde 5.3.2.2.1 Någel Die Någel sind Keratinplatten, die den dorsalen Anteil der Finger- und Zehenkuppen schçtzen und die Greiffunktion unterstçtzen. Die leicht konvexe Nagelplatte ist mit dem Nagelbett verbacken und endet distal im freien Nagelrand. Die Dermis des Nagelbettes ist gefåûreich und fest mit dem Periost der distalen Phalanx verbunden. Die Verhornung verlåuft, åhnlich wie bei den Haaren, unter Desintegration der Kerne und Kondensation des Zytoplasmas. Die Nagelplatte ist aus kernlosen, mit Hilfe einer Lipidsubstanz fest verbackenen Korneozyten aufgebaut. Die Nagelsubstanz besteht fast zur Gånze aus Zytokeratinen in einer cystinreichen Matrix. Der Nagel wåchst nach distal aus, wobei die Geschwindigkeit des Nagelwachstums individuell und auch zwischen den Någeln eines Individuums unterschiedlich ist. Die durchschnittliche Dauer bis zur kompletten Erneuerung eines Fingernagels ist etwa 6 Monate, die eines Fuûnagels etwa 12 Monate (Tosti u. Piraccini 2003).
5.3.2.2.2 Haare Die Behaarung des Kærpers ist entsprechend der genetischen Determination verschieden stark entwickelt. Die Beschaffenheit der Haare (Durchmesser, Långe, Kråuselung), deren mechanische Eigenschaften, Wachstumsrate, Dauer und Phasenverteilung des Haarzyklus, Pigmentierung sowie Dichte der Haarfollikel sind regional sehr unterschiedlich. Nur die Kopf- und Bartbehaarung besteht aus Lang-(Terminal-)Haaren, wåhrend die Kærperhaut
a mit kurzen, dçnnen und marklosen Vellus-(Lanugo-)Haaren bedeckt ist. Ferner findet man Kråuselhaare (Achsel- und Schamhaare: Hirci und Pubes) und Borstenhaare (Nase: Vibrissae; Ohren: Tragi; Augen: Zilien und Superzilien). Handflåchen und Fuûsohlen sowie einzelne Bezirke der Haut um Orifizien sind unbehaart. Die Achse des Follikels ist in einem Winkel von etwa 70 Grad geneigt. Da diese Neigung groûflåchig gleichsinnig ist, kommen Streichungsrichtungen und auch Wirbel zustande. Die Gesamtzahl der Haarfollikel am Kapilitium betrågt etwa 100 000 (Lavker et al. 2003). Der Haarschaft befindet sich im Haarfollikel, welcher aus der Haarwurzelscheide und dem Haarbulbus, der Matrix von Haar und Haarwurzelscheide, aufgebaut ist (Abb. 5.3.1). Der untere Teil des Haarfollikels (unterhalb des sog. ¹Wulstesª, Ansatzpunkt des M. arrector pili) ist einem Zykluswechsel unterworfen. Der oberste Teil des Haarfollikels ist trichterfærmig erweitert (¹Infundibulumª). In diesen mçnden die Talg- und die apokrine Drçse. Der Haarschaft besteht aus dem Kortex (Keratinfilamente) mit einem zentralen lufthaltigen Hohlraum (Medulla; nur bei Langhaaren). Auûen ist der Haarschaft zum Schutz von einer einschichtigen Lage von Hornzellen (Kutikula) umgeben. Die Haarwurzel besitzt im inneren Anteil ebenfalls eine Kutikula und daran anschlieûend die innere (mit der Huxley- und Henle-Schicht) sowie die åuûere Haarwurzelscheide. Die åuûere Haarwurzelscheide ist in ihrem oberen Anteil ein permanenter Strukturanteil des Haarfollikels, wåhrend die innere nur in der Wachstumsphase vorhanden und somit variabel ist. Der Haarbulbus besteht aus einem epithelialen Anteil, der den dermalen Anteil, die Papille, umwælbt. Im epithelialen Teil befinden sich undifferenzierte Keratinozyten sowie einige Melanozyten. Diese Keratinozyten differenzieren in die åuûere oder innere Haarwurzelscheide sowie den Haarschaft und fçhren nach der Verhornung zur Bildung des Haares. Der dermale Teil besteht aus Fibroblasten in einer extrazellulåren Matrix. Diese Fibroblasten induzieren durch geeignete Signale den Beginn und die einzelnen Phasen des Haarzyklus. Der Haarfollikel ist reich an sensorischen und autonomen Nerven und besitzt einen eigenen Gefåûplexus, der parallel zu den Zyklusphasen auf- und abgebaut wird (Lavker et al. 2003). Der Lebenszyklus eines Haares (Haarzyklus) besteht aus der Anagen- (Wachstums-), der Katagen(Rçckbildungs-) und der Telogen- (Ruhe-)Phase. In der Telogenphase læst sich die Verankerung des Haares im Follikel, wodurch der physiologische Haarausfall (ca. 100 Kopfhaare/Tag) bedingt ist.
5.3 Regulation der Hautfunktion
Die Phasen des Haarzyklus verlaufen beim Menschen asynchron. Die Dauer der einzelnen Phasen ist je nach Haartyp verschieden, wobei die Långe des Haares von der Dauer der Anagenphase bestimmt wird. Beim Kopfhaar dauert die Anagenphase etwa 3 Jahre, die Katagenphase 3 Wochen, die Telogenphase 3 Monate (Lavker et al. 2003). Zu Beginn der Katagenphase im Anagenfollikel wird die Melanogenese beendet, und gleichzeitig schrumpft die dermale Papille. Die Zellzahl der ehemaligen Matrix vermindert sich durch terminale Differenzierung und Apoptose bis zum Verschwinden. Das Kolbenhaar wandert langsam nach auûen und zieht die åuûere Wurzelscheide mit der geschrumpften dermalen Papille mit sich. Das nur mehr locker verankerte Haar ist zum Ausfallen bestimmt, und somit ist die Telogenphase erreicht. Der Beginn der nåchsten Anagenphase beginnt mit der Aktivierung von Stammzellen, die in der åuûeren Haarwurzelscheide in der Region des ¹Wulstesª vermutet werden. Diese Zellen wachsen gemeinsam mit der dermalen Papille wieder in die Tiefe. Die dermale Papille lagert wieder extrazellulåre Matrix ein, çber ihr organisiert sich eine neue Matrix, neue Haarwurzelscheiden und Kortex werden gebildet. Der Ablauf des Haarzyklus wird durch eine intrinsische ¹Haarzyklusuhrª reguliert sowie auch durch extrinsische Signale wie z. B. Hormone, Zytokine, Neuropeptide u. a. mitbeeinflusst (Lavker et al. 2003).
5.3.2.2.3 Talgdrçsen Talgdrçsen sind, mit Ausnahme der wenigen sog. freien Talgdrçsen der Genitalien und der Mundschleimhaut in das Infundibulum des Haarfollikels mçndende holokrine Drçsen. Die wichtigste Funktion besteht in der die Haare fettenden und antimikrobiellen Wirkung. Die Græûe und Zahl der Talgdrçsen ist sehr verschieden, wobei sie an den seborrhoischen Arealen (Kopfhaut, Gesicht, Brust) viellappig und hypertroph, an den Extremitåten einlappig und klein sind (Thiboutot u. Strauss 2003). Die Talgdrçsen bestehen aus einer peripheren Lage von undifferenzierten Matrixzellen, die gegen das Zentrum zunehmend von Fettvakuolen durchsetzt werden. Durch Konfluenz der Vakuolen und Auflæsung der Membranen entsteht die homogene Talgmasse. Die Talgproduktion ist von der Græûe und Aktivitåt der Talgdrçsen, dem Alter sowie von individuellen und regionalen Faktoren abhångig. Nach der Geburt ist die Talgdrçsenaktivitåt hoch, sinkt im Kleinkindesalter, steigt mit Beginn der Pubertåt wieder an und wird im Laufe
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des Alterungsprozesses wieder rçcklåufig. Androgene beschleunigen das Wachstum der Talgdrçsen und die Talgproduktion, wåhrend Retinoide sowie Hunger und Wundheilung hemmend wirken. Die Talgmasse besteht hauptsåchlich aus Wachsestern und verschiedenen Triglyceriden, welche durch Esterasen von in der Haut residenten Korynebakterien in freie Fettsåuren gespalten werden und somit das saure Milieu der Hautoberflåche bewirken. Das fçr den Talg charakteristische Lipid ist Squalen, ein Terpenoid und Vorstufe des Cholesterins (Thiboutot u. Strauss 2003).
5.3.2.2.4 Schweiûdrçsen Man unterscheidet zwei unterschiedliche Typen von Schweiûdrçsen: die çber den gesamten Kærper verteilten, von Haarfollikeln unabhångigen und cholinerg innervierten ekkrinen Schweiûdrçsen sowie die vor allem genital und axillår lokalisierten, in Haarfollikel mçndenden und adrenerg innervierten apokrinen Drçsen. Die Græûe und Dichte der ekkrinen Schweiûdrçsen ist regional und individuell verschieden, wobei an den Handflåchen und Fuûsohlen die meisten zu finden sind. Die Schweiûdrçse besteht aus dem geknåuelten sekretorischen Endstçck (an der Dermis-SubkutisGrenze) und dem Ausfçhrungsgang. Die Funktion der Schweiûdrçsen wird durch nichtmyelinisierte sympathische C-Fasern reguliert, wobei der wichtigste Neurotransmitter Acetylcholin ist. Die Freisetzung der Transmitter erfolgt durch direkte oder indirekte Stimulierung des Temperaturzentrums im Hypothalamus und lokal wahrscheinlich çber wårmeempfindliche Vanilloidrezeptoren (Goldsmith 2003). Apokrine Schweiûdrçsen entwickeln sich erst im Rahmen der hormonellen Umstellung in der Pubertåt und produzieren Duftstoffe mit (bei Tieren) pheromonartiger Wirkung. Sie sind den Milchdrçsen, den Moll-Drçsen des Augenlides und den Zeruminaldrçsen des åuûeren Gehærganges åhnlich. Wie die ekkrinen Schweiûdrçsen bestehen sie aus einem gewundenen sekretorischen Endstçck und einem gestreckten Ausfçhrungsgang, der im Bereich des Infundibulums in den Haarfollikel mçndet. Die apokrinen Drçsen werden von adrenergen sympathischen Nerven versorgt (Goldsmith 2003).
5.3.2.3 Dermis Die Dermis ist ein elastisches, reiûfestes Gewebe, welches die Haut versorgenden Gefåûe und Nerven
beherbergt. Sie besteht aus lose miteinander vernetzten Kollagenfaserbçndeln und elastischen Fasern. Die Kollagenfasern sind in der oberen Dermis (Stratum papillare) lockerer gewebt als in der tiefen Dermis (Stratum reticulare), wåhrend die elastischen Fasern einen umgekehrten Verteilungstyp zeigen. Fasern und gelartige Grundsubstanz aus Proteoglykanen bilden die sog. ¹extrazellulåre Matrixª, in welche zellulåre Bestandteile wie Fibroblasten, Mastzellen u. a. eingebettet sind. Die Grundsubstanz besteht aus einem Gemisch von Proteoglykanen und Glykosaminoglykanen, welche die Hauptkomponente der Bindegewebsmatrix, integrierender Bestandteil der Basalmembranen und der Zelloberflåchen darstellen. Wichtigste Vertreter sind Hyaluronsåure, Dermatansulfat, Chrondroitin-6- und -4-sulfat (Basalmembran) und Heparansulfat (Basalmembran, Zelloberflåchen) (Chu et al. 2003). Die Proteoglykane der Haut werden vor allem von Fibroblasten synthetisiert. Der relativ schnelle Abbau erfolgt durch die Hyaluronidase bzw. lysosomale Glukosidasen und Sulfatasen. Hyaluronidase (¹spreading factorª) kommt auch in manchen Insektengiften und Bakterien (Vibrio cholerae) vor und bewirkt durch den Abbau der Hyaluronsåure eine schnellere Ausbreitung von Substanzen im Bindegewebe (Gallo u. Trowbridge 2003). Die Funktion der extrazellulåren Matrix besteht in der Speicherung von Flçssigkeit, der Erhaltung des Gleichgewichts im Wasser- und Salzhaushalt sowie der Filterwirkung gegen anionische Substanzen (Basalmembran). Darçber hinaus besitzt sie eine wichtige Rolle bei Zell-Zell- und ZellMatrix-Interaktionen, Wundheilung und Zellmigration.
5.3.2.3.1 Kollagen Kollagene sind in allen Organen des Kærpers vorkommende fibrillåre Proteine, welche einerseits primåres extrazellulåres Stçtz- und Strukturprotein und andererseits den Hauptbestandteil der Basalmembranen darstellen. Sie werden durch Fibroblasten synthetisiert (Uitto et al. 2003). Die einzelnen Kollagenmolekçle sind aus je drei in Form einer Tripelhelix angeordneten a-Polypeptidketten aufgebaut, welche vorwiegend aus den Aminosåuren Glycin, Prolin, Hydroxyprolin, Lysin und Hydroxylysin bestehen. Die Regulation der Kollagenproduktion erfolgt sowohl auf transkriptioneller als auch auf translationeller Ebene sowie durch beschleunigten Abbau. Zum Beispiel regulieren Wachstumsfaktoren wie TGF-b oder auch Retinoide die Kollagensynthese çber die Promotoraktivi-
a tåt. Kortikosteroide sind starke Inhibitoren der Kollagensynthese, wåhrend Interferon-c (IFN-c) die çberschieûende Kollagenproduktion bei Keloiden oder Sklerose hemmt. Auch a-MSH kann zumindest im Tiermodell eine durch TGF-b induzierte Kollagensynthese hemmen (Uitto et al. 2003, Bæhm et al. 2004). Die Regulation des Kollagenabbaus durch Kollagenasen ist ein åuûerst komplexes Geschehen. Demnach wird die Transkription von Kollagenasen durch verschiedene Zytokine (IL-1, TNF-a, ¹platelet-derived growth factorª [PDGF], EGF) sowie Onkogene induziert und durch andere Faktoren (TGF-b, IFN-c, Kortikosteroide) gehemmt. Im Gewebe kænnen die Inhibitoren TIMP-1 (¹tissue inhibitor of metalloprotease 1ª) und -2 die zur Tumorinvasion und Metastasierung erforderliche Aktivierung von Kollagenasen sowie die schon aktive interstitielle Kollagenase hemmen (Seltzer u. Eisen 2003).
5.3.2.3.2 Dermale Zellen In der Dermis befinden sich neben den Fibroblasten auch Mastzellen, die bereits erwåhnten dendritischen Zellen sowie unter normalen Umstånden auch einige wenige Lymphozyten und Granulozyten. Mastzellen machen ca. 2±5% der dermalen Zellpopulation aus und sind in der Haut vorwiegend um Gefåûe, Nerven und Hautanhangsgebilde angereichert. Es handelt sich dabei um groûe, polygonale, rundkernige und mit reichlichen zytoplasmatischen Granula versehene Zellen. Die Mastzellen stammen von pluripotenten håmatopoetischen Stammzellen im Knochenmark mit enger Verwandtschaft zur Monozyten-Makrophagen-Linie ab. Sie gelangen çber die Blutbahn in die Haut und reifen hier unter dem Einfluss von Mediatoren (IL-3, Stammzellfaktor). Die Mitoserate von Mastzellen in der Haut ist sehr gering, die Rekrutierung erfolgt çber Vorlåuferzellen aus dem Blut. Die Mastzellen sind wichtige Effektorzellen bei Entzçndungs- und Immunreaktionen, welche u. a. durch die Exprimierung von ImmunglobulinE(IgE)-Membranrezeptoren (FceR) charakterisiert sind. Sie produzieren zahlreiche Mediatoren, welche entweder pråformiert in den Granula vorliegen (Histamin, Tryptase, Chymase, TNF-a, Heparin) oder de novo synthetisiert werden (Prostaglandin D2, Leukotriene LTC4, LTD4 und LTE4, Zytokine u. a.). Demnach ist eine der wichtigsten Funktionen von Mastzellen die Freisetzung dieser Mediatoren. Diese wird bei Immunreaktionen vom Sofort-Typ durch Vernetzung zweier an die Fce-
5.3 Regulation der Hautfunktion
Rezeptoren gebundener IgE-Molekçle (¹bridgingª) sowie unspezifisch auch durch andere Stimuli ausgelæst. Dies kænnen mechanische Reize, pharmakologische Stimuli (Histaminliberatoren), bakterielle und andere Toxine, Hitze, Kålte sowie verschiedene Mediatoren (Neuropeptide, C3a und C5a, Zytokine) sein. Adrenalin hemmt die Degranulation, wåhrend Acetylcholin diese færdert. Nach der Degranulation sind die Mastzellen fçr einige Stunden refraktår (Steinhoff et al. 2004). Die Mediatorfreisetzung fçhrt zu Vasodilatation, erhæhter Gefåûpermeabilitåt, Pruritus und Kontraktion glatter Muskelfasern (Bronchokonstriktion). Die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, Chemokinen und Leukotrienen ist bei Enzçndungreaktionen von entscheidender Bedeutung. Insbesondere die Freisetzung von TNF-a spielt bei der Entstehung von Kontaktallergien eine entscheidende Rolle. Mastzellmediatoren sind auch bei der Melanogenese, Wundheilung, Angiogenese und Fibrose (TGF-b) von Bedeutung (Steinhoff et al. 2004).
5.3.2.4 Gefåûsysteme der Haut Das Blutgefåûsystem der Haut besteht aus aus der Tiefe perforierenden Arterien und Venen sowie dem mikrovaskulåren Gefåûnetz, welches in einen oberflåchlichen und einen tiefen Plexus organisiert ist. Dazwischen verlaufen vertikale Verbindungsgefåûe, die auch den eigenen Plexus der Haarfollikel und Schweiûdrçsen versorgen. Vom oberflåchlichen Plexus verlaufen vertikale Kapillarschleifen in die Papillenspitzen. Die zufçhrenden Arterien versorgen jeweils kreisrunde Hautbezirke von einigen Zentimetern Durchmesser, in deren Randbereich die Sauerstoffsåttigung des kapillaren Blutes geringer ist. Unter Normalbedingungen nicht erkennbar, treten diese Randbereiche bei Stræmungsverlangsamung als Livedo reticularis bzw. racemosa in Erscheinung. Die Dichte der Gefåûversorgung dient der Anpassung an innere oder åuûere Bedingungen, wobei die Durchblutung der Haut bei Bedarf (Hitze, Fieber, Erythrodermie) auf das 10±20fache gesteigert werden kann (Chu et al. 2003; Petzelbauer et al. 2003). Die Lymphgefåûe der Haut kommunizieren mit den Lymphspalten der papillåren Dermis, haben græûere Lumina als Blutkapillaren und besitzen Klappen. Sie bilden ebenfalls einen oberflåchlichen und einen tiefen Plexus, der durch abfçhrende Lymphgefåûe in die groûen Lymphbahnen mçndet. Der Flçssigkeitstransport in den Lymphgefåûen erfolgt passiv durch Ønderungen des Gewebedrucks
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bei Muskelarbeit und durch den arteriellen Puls (Chu et al. 2003). In der Haut spielen die mikrovaskulåren Endothelzellen (EC) bei jeglichen entzçndlichen Vorgången, im Gerinnungs- und fibrinolytischen Geschehen sowie bei Angiogenese, Tumorwachstum und Metastasierung eine entscheidende Rolle. Sie bilden mit benachbarten Zellen (Perizyten, glatte Muskelzellen, Makrophagen, Mastzellen, T-Lymphozyten, dermale dendritische Zellen) eine funktionelle Einheit (¹mikrovaskulåre Einheitª). Charakteristisch fçr EC sind mikropinozytotische Vesikel und die Weibel-Palade-Kærperchen, in denen der von Willebrand-Faktor und das Adhåsionsmolekçl P-Selektin gespeichert vorliegen (Petzelbauer et al. 2003).
5.3.2.5 Nerven der Haut Das Nervensystem der Haut dient der Wahrnehmung åuûerer Reize und deren Weiterleitung in das Zentralnervensystem (afferente sensorische Nerven) sowie der Innervierung von Blutgefåûen, Haarfollikeln und Schweiûdrçsen (efferente autonome Fasern). Eine weitere wichtige Funktion ist die Freisetzung von Neuropeptiden, welche auch als Entzçndungsmediatoren eine wichtige Rolle spielen und als Teil des angeborenen unspezifischen Abwehrsystems betrachtet werden (neurogene Entzçndung). Sensorische Nerven der Haut sind Aufzweigungen der peripheren Fortsåtze des ersten afferenten Neurons (dorsales Spinalganglion). Man unterscheidet einerseits myelinisierte A-Fasern und andererseits die weit håufigeren marklosen C-Fasern, welche beide frei oder in spezifischen Sinnesrezeptoren enden kænnen. Freie A-Faser-Endigungen finden sich dicht, geflechtartig angeordnet um die Haarfollikel und mit plattenartigen Auslåufern (Pinkus-Haarscheibe) unterhalb der Merkel-Zellen. Mit A-Fasern verbundene spezifische Sinnesrezeptoren sind die vornehmlich in der papillåren Dermis der Handflåchen und Fuûsohlen gelegenen Meissner-Tastkærperchen und Pacini-Kærperchen. Sinnesrezeptoren sind vor allem freie Nervenendigungen langsam leitender C- und Ad-Fasern, welche als Vermittler der Schmerz-, Juck-, Hitze-, Kålte- und Druckempfindung fungieren. Sie sind in der Dermis der gesamten Kærperoberflåche zu finden. Eine Zuordnung der verschiedenen sensorischen Qualitåten zu anatomisch definierten Nervenendigungen ist nur bedingt mæglich. Die autonomen efferenten Nerven der Haut versorgen die
græûeren Blutgefåûe, arteriovenæsen Anastomosen, ekkrinen Schweiûdrçsen sowie die Mm. arrectores pilorum (Legat et al. 2003). Neuropeptide sind in zentralen und peripheren Neuronen enthalten, werden zusåtzlich zu den klassischen Neurotransmittern bei der Depolarisation freigesetzt und kænnen die Impulsçbertragung modulieren. Die Freisetzung von Neuropeptiden kann auch çber die Aktivierung von neuronalen proteaseaktivierten Rezeptoren (PAR2) durch Enzyme wie z. B. Tryptase erfolgen. Neuropeptide kænnen durch Modulierung der Funktion von praktisch allen am entzçndlichen Geschehen beteiligten Zellen entscheidend in Immunantwort und Entzçndung eingreifen und sind auch fçr den Axonreflex mitverantwortlich. Neuropeptide werden in Ganglienzellen, aber auch in verschiedenen anderen Zellen der Haut synthetisiert. Die wichtigsten Vertreter sind Tachykinine wie Substanz P (SP) und Neurokinin A (NKA), vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP), CGRP und Neuropeptid Y (Legat et al. 2003).
5.3.2.6 Subkutis Die Subkutis besteht aus låppchenartig aufgebautem Fettgewebe, dessen bindegewebige Septen mit der Dermis in Verbindung stehen. Die Septen sind die Tråger der Gefåû- und Nervenversorgung und bilden das straffe Grundgerçst der Fettlåppchen. Die Funktionen des subkutanen Fettgewebes sind Wårmeisolierung, mechanisches Schutzpolster und Energiespeicher (Chu et al. 2003).
5.3.3 Komponenten der HypothalamusHypophysen-Nebennieren-Achse Nahezu alle Komponenten der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren(HPA)-Achse, eines der beiden wesentlichen Systeme der zur Erhaltung der Homæostase erforderlichen Stressantwort (Chrousos et al. 1987), sind in der Haut zu finden und offenbar auch wesentlich an der Koordination ihrer Funktionen beteiligt (Abb. 5.3.3). mRNA und Protein sowohl von Kortikotropinreleasing-Hormon (CRH), dem hypothalamischen 41-Aminosåuren-Peptid, das die Freisetzung von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) aus den kortikotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens stimuliert, als auch von dessen Rezeptor
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5.3 Regulation der Hautfunktion
Abb. 5.3.3. Die HPA-Achse in der Haut. Physiologische und pathophysiologische Vorgånge in der Haut werden durch POMC-Peptide beeinflusst. POMC: Proopiomelanocortin; CRH: Kortikotropin-releasing-Hormon; ACTH: adrenokortikotropes Hormon; MSH: Melanozyten stimulierendes Hor-
mon; CRH-R: CRH-Rezeptor; MC-1R: Melanocortin-1-Rezeptor; NF-jB: nukleårer Faktor jB; STAT: ¹signal transducer and activator of transcriptionª; IL: Interleukin; HSP: ¹heat shock proteinª
(CRH-R) sind in der Haut nachweisbar (Slominski et al. 2001). In der menschlichen Haut ist vorwiegend der CRH-R Typ 1 (CRH-R1) exprimiert und zwar die CRH-R1a-Isoform in nahezu allen Zellpopulationen der Epidermis, Dermis und Subkutis. CRH-R2 ist hingegen nur in Haarfollikelkeratinozyten, Papillafibroblasten und Sebozyten der Talgdrçsen zu finden und zwar ebenfalls in der a-Isoform (Slominski et al. 2001; Zouboulis et al. 2002). Im Gegensatz dazu konnten bei der Maus CRH-R2-mRNA und Protein in allen Zellkompartimenten der Haut und auch in Kulturen normaler und maligner Melanozyten lokalisiert werden. Die Funktionalitåt der CRH-Rezeptoren in der Haut wird durch zahlreiche Befunde erhårtet. So zeigten Mitsuma et al., dass CRH durch Bindung an den CRH-R1 in HSC-2-Zellen, einer humanen Keratinozyten-Zelllinie, die Produktion von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) durch Ak-
tivierung der Adenylatcyclase steigert und die Proliferation von Keratinozyten stimuliert (Mitsuma et al. 2001). Im konfokalen Lasermikroskop konnte weiterhin ein Anstieg des intrazellulåren Kalziums in Melanozyten und Keratinozyten nach Stimulation durch CRH und des verwandten Peptids Urocortin in Konzentrationen ab 10±13 M demonstriert werden (Wiesner et al. 2003). Der Nachweis, dass CRH an menschlichen Sebozyten die Produktion von Lipiden steigert und zu einer Hochregulierung der 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase/D5±4Isomerase-mRNA fçhrt, kann als weiterer Hinweis dafçr gewertet werden, dass die HPA-Achse auch an der Regulation der Hautfunktion z. B. bei der Entwicklung von Akne, Seborrhoe, androgenetischer Alopezie, Hautalterung, Xerosis und anderen Erkrankungen mit verånderter Lipidproduktion durch Sebozyten beteiligt ist (Zouboulis et al. 2002). In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass
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die CRH-R1- und CRH-R2-mRNA-Expression durch Testosteron herabreguliert wird und Wachstumshormon (GH) zu einem Wechsel von CRHR1- zu CRH-R2-mRNA-Expression fçhrt (Zouboulis et al. 2002). Neben CRH konnte aber auch ein weiteres Peptid dieser Familie, nåmlich Urocortin, das eine 45%ige Homologie zu CRH hat, in der Haut identifiziert werden. Urocortin II stellt einen weiteren Liganden des CRH-R, und zwar vorwiegend CRHR2, dar (Maier et al. 2003). Das Urocortin-II-Gen war sowohl bei Menschen als auch Måusen in der Haut nachweisbar und zwar in normalen Melanozyten und Keratinozyten, dermalen Fibroblasten, subkutanem Fettgewebe sowie Zellen von Spinaliomen und Melanomen (Slominski et al. 2000 a). Sowohl in Zellkulturen als auch in Extrakten von humaner und muriner Haut konnte auch die Produktion von Urocortin nachgewiesen werden (Slominski et al. 2000 a). Die unterschiedliche Expression von CRH-R1 und CRH-R2 bei Menschen und Måusen kænnte als Ausdruck der unterschiedlichen Funktionen der Haut bei den beiden Spezies gewertet werden. Beim Menschen kænnten CRH-R1 und CRH-BP åhnlich wie im zentralen hypothalamisch-hypophysåren System in die Stressantwort auf Umweltnoxen wie Licht und Temperaturschwankungen eingebunden sein, die bei Måusen durch den Schutz ihres Felles keine entsprechende Rolle spielen. Dafçr spricht auch die Beobachtung, dass UVBestrahlung das Spektrum der CRH-R1-Isoformen in der Haut von Menschen und Måusen åndert (Pisarchik u. Slominski 2001). Die Lokalisation von CRH-R2 vorwiegend an den Adnexen spricht fçr eine Funktion dieses Rezeptors beim Haarwachstum, die bei Menschen und Måusen von Bedeutung sein kænnte (Slominski et al. 2004). CRHBindungsprotein (CRH-BP) modifiziert die biologischen Wirkungen von CRH. CRH-BP-mRNA war beim Menschen in dermalen Fibroblasten und subkutanen Fettzellen sowie Melanomzellen nachweisbar, in der Haut von Måusen jedoch çberhaupt nicht (Slominski et al. 2004). Auch das Proopiomelanocortin(POMC)-Gen ist in der Haut exprimiert, und POMC-Peptide werden in der Haut produziert (Thody et al. 1983, Schauer et al. 1994, Bæhm u. Luger 2000). Die POMC-mRNA-Expression ist in epidermalen Keratinozyten, Melanozyten, dermalen mikrovaskulåren Endothelzellen, dermalen Fibroblasten und Papillenzellen nachgewiesen worden (Bæhm u. Luger 2000; Can et al. 1998). Die fçr die Prozessierung von POMC verantwortlichen Prohormonkonver-
tasen (PC), die zur phylogenetisch konservierten Subtilisin-Kexin-Familie gehæren, sind ebenfalls in der Haut vorhanden. Sowohl PC1, welche POMC in ACTH, als auch PC2, welche zusammen mit dem Kofaktor und Chaperon 7B2 die Synthese von a-MSH katalysiert, konnten in vitro und in vivo in verschiedenen Hautzelltypen nachgewiesen werden (Slominski et al. 2000 c). In jçngster Zeit sind auûerdem weitere Mitglieder der Subtilisin-Kexin-Familie identifiziert worden, die POMC prozessieren (Seidah et al. 1999). Zu ihnen gehæren PACE4 und Furinkonvertase, die ebenfalls in der Haut nachgewiesen werden konnten. Durch reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) konnte gezeigt werden, dass CRH, CRH-R und POMC in der basalen Schicht der Epidermis sowie in Haarfollikeln und Talgdrçsen vorhanden sind und deren Expression bei entzçndlichen Låsionen (wie z. B. Psoriasis) verstårkt erfolgt (Kono et al. 2001). Die Koexpression von CRH, CRH-R und POMC-Peptiden und die Aktivierung durch einen inflammatorischen Prozess spricht dafçr, dass eine Stressaktivierung vergleichbar jener der HPA-Achse in auto- oder parakriner Weise auch in der Haut stattfinden kænnte. Spaltprodukte von POMC wie ACTH, a-MSH und b-Endorphin sind vielfach in die Regulation der Hautfunktion involviert. Schon lange ist bekannt, dass ACTH und a-MSH die Pigmentbildung und Talgsekretion regulieren (Lerner u. McGuire 1964). Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere a-MSH auch eine wichtige Rolle als Modulator von Entzçndungs- und Immunreaktionen spielt (Luger et al. 2003). Demnach unterdrçckt a-MSH die fçr die Entstehung einer Entzçndungsreaktion essentielle Produktion von chemotaktischen Faktoren (IL-8) sowie die Expression von Adhåsionsmolekçlen an Gefåûendothelzellen und bewirkt eine dosisabhångige Histaminfreisetzung an isolierten humanen Mastzellen (Scholzen et al. 2003; Grçtzkau et al. 2000). Auûerdem hemmt a-MSH die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, IL-6, TNF-a) und die Expression von fçr die Einleitung einer Immunantwort wichtigen kostimulatorischen Molekçlen auf Antigen pråsentierenden dendritischen Zellen (Luger et al. 2003). Ersten tierexperimentellen Untersuchungen zur Folge ist a-MSH somit in der Lage, eine Immuntoleranz zu bewirken (Grabbe et al. 1996). Daher ist der zukçnftige Einsatz von a-MSH bzw. trunkierter MSH-Peptide fçr die Behandlung von entzçndlichen Erkrankungen, Allergien sowie Autoimmunerkrankungen denkbar. Im Tierversuch
a wurde a-MSH und das C-terminale Tripeptid KPV bereits erfolgreich zur Behandlung von Kontaktallergien und allergischem Asthma eingesetzt (Grabbe et al. 1996; Raap et al. 2003). Erste Untersuchungen beim Menschen haben gezeigt, dass die lokale Anwendung einer a-MSH-haltigen Salbe die Entwicklung einer Kontaktallergie verhindern kann (Abb. 5.3.4) (Slominski et al. 2000c). Untersuchungen an humanen dermalen Fibroblasten in vitro sowie in vivo haben auch ergeben, dass a-MSH durch Hemmung der TGF-b1-induzierten Kollagensynthese die Bildung der extrazellulåren Matrix beeinflussen kann (Bæhm et al. 2004). Die vielfåltigen Wirkungen von a-MSH in der Haut werden vermutlich hauptsåchlich çber den Melanocortin-1-Rezeptor (MC-1R) vermittelt. Expression von MC-1R konnte an epidermalen Zellen (Keratinozyten, Melanozyten, Langerhans-Zellen), dermalen Zellen (Endothelzellen, Fibroblasten, dendritischen Zellen) sowie Zellen der Hautanhangsgebilde (Sebozyten) durch RT-PCR und immunhistochemisch nachgewiesen werden (Bæhm u. Luger 2000; Bæhm et al. 2002). Einen bedeutenden Einfluss auf die Expression von MC-1R und die Produktion von POMC-Peptiden in der Haut besitzt UV-Licht. Nach Bestrahlung mit UV-Licht kommt es zu einer signifikanten Stimulierung der a-MSH-Freisetzung und MC-1R-Expression in Melanozyten, Keratinozyten und Langerhans-Zellen (Abb. 5.3.5), wodurch einerseits die UV-bedingte Pigmentierung und andererseits auch die nach UV-Bestrahlung beobachtete und auch therapeutisch genutzte Immunsuppression erklårt werden kann (Schiller et al. 2004). Einige Untersuchungen sprechen auch dafçr, dass entzçndungsmodulierende Effekte von a-MSH çber den auch an Monozyten und Makrophagen exprimierten MC-3R vermittelt werden (Getting et al. 2001). Ûber den Nachweis weiterer MC-Rezeptoren in der Haut, insbesondere des MC-5R, liegen bisher widersprçchliche Ergebnisse vor. Das positive Ergebnis einer Gruppe (Thiboutot et al. 2000) konnte in einer weiteren Untersuchung nicht beståtigt werden (Bæhm et al. 2002). Im Mausmodell fçhrt die Deletion von MC-5R zu einer verminderten Lipidsynthese durch Sebozyten (Chen et al. 1997). MC-4R konnte neben dem zentralen Nervensystem auch an dermalen Papillenzellen nachgewiesen werden (Bæhm et al. 2004). Im Gegensatz dazu ist MC-2R bisher nur in adrenokortikalen Zellen gefunden worden. In epidermalen Melanozyten- und Keratinozytenkulturen konnte weiterhin durch RT-PCR und immunhistochemisch der Nachweis von b-Endor-
5.3 Regulation der Hautfunktion
Abb. 5.3.4. Einfluss von a-MSH-Salbe auf die Auslæsung eines Kontaktekzems durch Nickelsulfat
phin-/l-Opiat-Rezeptoren geliefert werden (Kauser et al. 2003) sowie durch Immunelektronenmikroskopie die Kolokalisation von b-Endorphin-Rezeptor und l-Opiat-Rezeptor vorwiegend an Melanosomen in frçhen Stadien der Melanogenese. Die Funktionalitåt dieses Rezeptors konnte ebenfalls dokumentiert werden: b-Endorphin induziert in vitro die Melanogenese, Dendrizitåt und Proliferation von Melanozyten (Kauser et al. 2003). Die Bedeutung von a-MSH und seinem Rezeptor fçr die Pigmentierung des Menschen wird durch mehrere in-vivo-Befunde belegt. MC-1R-defiziente Måuse sind nicht mehr in der Lage, Eumelanin zu synthetisieren und besitzen daher ein gelbes Fell (Robbins et al. 1993). Beim Menschen fçhren bestimmte Variationen im MC-1R-Gen, besonders Arg151Cys, Arg160Trp und Asp294His Arg151Cys, zu einem hellen Hauttyp (Fitzpatrick Typ I) und zu einer roten Haarfarbe (Ha u. Ress 2001). Dies beruht wie bei den MC-1R-defizienten Måusen auf einer Verschiebung der Melaninsynthese in Richtung Phåomelanogenese. Schlieûlich beschrieben Krude et al. zwei Patienten mit funktionellen Null-Mutationen des POMC-Gens. Die befallenen Kinder zeichneten sich durch Adipositas, Nebenniereninsuffizienz und eine rote Haar-
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Abb. 5.3.5 a, b. Effekt von UVB auf die Produktion von a-MSH in kultivierten humanen Keratinozyten. Immunhistologie mit einem a-MSH-spezifischen Antikærper. a Unbehandelt, b nach UVB (20 mJ/cm2)
farbe aus (Krude et al. 1998). Ob bestimmte MC1R-Varianten eine kausale Rolle bei der Pathogenese des nichtfamiliåren Melanoms spielen, ist unklar. Ebenso unklar ist, welche exakte Rolle a-MSH bei der Vitiligo spielt, da hier widersprçchliche Ergebnisse bezçglich der in-situ-Expression von a-MSH vorliegen (Slominski et al. 2000 c; Bæhm u. Luger 2000).
5.3.4 Sexualsteroide 5.3.4.1 Ústrogene Die Haut ist ein wichtiges æstrogenempfindliches Organ. Ústrogene sind an der Regulation von Hautalterung, Pigmentierung, Haarwachstum und Talgproduktion beteiligt, wobei das Zusammenwirken mit Androgenen von groûer Bedeutung ist (Thornton et al. 2003 a). Ústrogenwirkungen in
der Haut werden çber spezifische Rezeptoren vermittelt, die Haut verfçgt aber auch çber Enzyme, die aus inaktiven adrenalen Vorstufen aktive Steroide synthetisieren kænnen (Thornton 2002). Der Ústrogenrezeptor gehært zur Superfamilie der nukleåren Rezeptoren. Offenbar bestehen aber neben den klassischen genomischen Effekten von Ústrogenen auch rasche, çber Membranrezeptoren vermittelte, die innerhalb von Sekunden Adenylatcyclase, ¹mitogen-activated protein kinaseª (MAPK) und andere Signaltransduktionskaskaden aktivieren (Levin 2002). Bisher sind zwei Ústrogenrezeptoren bekannt: ER-a und ER-b, die von unterschiedlichen Genen an unterschiedlichen Chromosomen codiert werden. Sie weisen eine etwa 60%ige Homologie in der Liganden bindenden Domåne und eine sehr åhnliche Affinitåt fçr die meisten natçrlichen und synthetischen Ústrogene auf. Hinsichtlich ihrer Gewebsverteilung bestehen aber groûe Unterschiede (Taylor u. Al-Azzawi 2000), wenngleich in manchen Geweben sowohl
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5.3 Regulation der Hautfunktion
Sexualsteroide ± Synthese und Metabolismus in der Haut
Abb. 5.3.6. Sexualsteroide ± Synthese und Metabolismus in der Haut. DHEA: Dehydroepiandrosteron; P450scc: Cholesterin-Desmolase; 3b-HSD: 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase;
P450c17: 17a-Hydroxylase; 17b-HSD: 17b-HydroxysteroidDehydrogenase; 5a-R: 5a-Reduktase; P450arom: Aromatase
ER-a als auch ER-b exprimiert sind und gezeigt wurde, dass beide Rezeptoren auch heterodimerisieren kænnen. In der Haut çberwiegt der Ústrogenrezeptor b (ER-b). Die Dichte der Rezeptoren variiert in verschiedenen Kærperregionen stark und ist etwa im Gesicht wesentlich hæher als im Bereich des Stammes (Hasselquist et al. 1980; Thornton et al. 2003 a, b). Sowohl bei Frauen als auch bei Månnern ist immunhistochemisch eine starke Anreicherung in Keratinozyten des Stratum basale und Stratum spinosum nachzuweisen, im Stratum granulosum ist diese schwåcher, und im Stratum corneum fehlt sie gånzlich (Thornton et al. 2003 a). Ebenso zeigen dermale Fibroblasten eine starke Expression von ER-b, aber auch die mesenchymalen und epithelialen Komponenten der Haarfollikel sowie der åuûeren Haarwurzelscheide, wohingegen ER-a dort nicht nachweisbar ist (Thornton et al. 2003 a). In den Talgdrçsen sind sowohl ER-a als auch ER-b stark exprimiert, in den Schweiûdrçsen dominiert dagegen wiederum ER-b-Expression (Thornton et al. 2003 b). Es entfalten aber nicht nur in ¹klassischen Organenª wie den Ovarien synthetisierte Ústrogene an der Haut ihre Wirkung. Ústrogene werden in der Haut auch durch dort vorhandene Enzyme aus adrenalen und testikulåren Vorstufen gebildet (Abb. 5.3.6, rechter Teil). Demnach wird Testosteron durch die Aromatase, die in Hautfibroblasten, Haarfolliken und Talgdrçsen exprimiert ist, zu Ústradiol umgewandelt (Nelson et al. 2001). Bei postmenopausalen Frauen stellt dies neben dem Fettgewebe die Hauptquelle des peripheren Ústrogens dar, das sowohl in der Haut para- und intrakrine Wirkungen entfaltet als auch systemisch (endokrin) wirkt und maûgeblich an der Verlang-
samung des Knochenabbaus beteiligt ist. Auch die Steroid-Sulfatase, 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3b-HSD), 17b-HSD und 5a-Reduktase sind in der Haut, und zwar vorwiegend in den Haarfollikeln, zu finden. Ústrogene verlångern die Wachstumsphase von Kopfhaaren durch Steigerung der Zellproliferationsrate und Verzægerung des Ûbergangs von der Anagen- in die Telogenphase (Itami et al. 1991). Die Bedeutung der Ústrogene fçr den Haarwuchs ist komplex und einerseits vom Haartyp, andererseits auch von der Wechselwirkung mit anderen Faktoren abhångig. So hemmt Ústrogen das Haarwachstum in Organkulturen von Haarfolikeln, stimuliert aber die Proliferation von Keratinozyten der åuûeren Haarwurzelscheide und Papillenzellen (Thornton 2002). Verschiedene klinische Beobachtungen haben gezeigt, dass Ústrogene das Wachstum von Achsel- und Schambehaarung stimulieren. Demnach kann systemische oder auch nur lokale Behandlung mit æstrogenhaltigen Pråparaten zu einem vermehrten Wachstum der Kråuselhaare fçhren. Ústrogene scheinen aber nur bei Existenz eines funktionsfåhigen Androgenrezeptors einen Einfluss auf das Wachstum der Sexualbehaarung zu haben, da bei Patienten mit kompletter testikulårer Feminisierung und inaktiven Androgenrezeptoren Ústrogene alleine wirkungslos sind (Thornton 2002). Darçber hinaus beeinflussen Ústrogene auch die Funktion von Talgdrçsen und hemmen in vitro die Lipogenese sowie in vivo die Talgproduktion (Guy et al. 1996; Giltay u. Gooren 2000; Thornton 2002). Die Bedeutung von Ústrogenen fçr die Haut wird durch deren Verånderung bei postmenopausalen Frauen mit Reduktion des Kollagengehaltes (bis zu 30% in den ersten 5 Jahren nach der Me-
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A. Luger und T. A. Luger
nopause), Verminderung des Glykosaminoglykanund damit des Wassergehaltes und Hautturgors sowie Abnahme der Hautdicke und der Vaskularisation verdeutlicht (Brincat 2000). Die Reduktion des Kollagengehalts kann sowohl durch topische als auch systemische Verabreichung von Ústrogenen teilweise rçckgångig gemacht werden. Ústrogenen kommt auch bei der kutanen Wundheilung eine entscheidende Rolle zu, insbesondere in der initialen Phase, die durch eine Entzçndungsreaktion mit Rekrutierung von Leukozyten und Makrophagen (die ebenfalls çber Ústrogenrezeptoren verfçgen) gekennzeichnet ist (Calvin 2000). Bei Ústrogenmangel scheint diese initiale Entzçndungsreaktion çberschieûend zu sein und damit den weiteren Wundheilungsprozess zu behindern. Zugrunde liegender Mechanismus fçr diese Effekte kænnte die inhibierende Wirkung von Ústrogenen auf den ¹macrophage migration inhibitory factorª (MIF) sein. MIF wird u. a. von T-Lymphozyten, Monozyten, Endothelzellen und Keratinozyten produziert und wirkt proinflammatorisch. In Tierversuchen und in vitro konnte gezeigt werden, dass bei Ústrogenmangel die MIF-Produktion erhæht ist (Ashcroft et al. 2003). Ústrogene kænnten also durch lokale Unterdrçckung von MIF die Wundheilung beschleunigen und das therapeutische Armamentarium bei altersbedingten Stærungen derselben bereichern (Ashcroft et al. 2003). Ústrogene haben offenbar auch eine protektive Wirkung hinsichtlich der Bildung sowohl von Druck- als auch von venæsen Ulzera, wie in einer groûen Studie an postmenopausalen Frauen gezeigt werden konnte. Frauen, die eine Hormonersatztherapie erhielten, hatten ein um 30±40% geringeres Risiko, ein Ulkus zu entwickeln als solche, die keine Ústrogene verabreicht bekamen (Margolis et al. 2002). Ústrogene beeinflussen auch die Hautpigmentierung. Schon lange ist eine Zunahme der Pigmentierung wåhrend der Schwangerschaft, pråmenstruell und durch manche orale Kontrazeptiva bekannt. Bezçglich der Beeinflussung der Prognose bei Melanom durch Ústrogene liegen widersprçchliche Berichte vor. Die Beobachtung, dass es bei Frauen wåhrend der Schwangerschaft håufig zu einer Besserung und in der Menopause oft zu einer Verschlechterung einer Psoriasis kommt, legte einen Zusammenhang mit Serumkonzentrationen von Ústrogenen nahe (Boyd et al. 1996). Als mæglicher Mechanismus kænnte die Beobachtung herangezogen werden, dass Ústradiol die Produktion eines durch Interferon induzierten Proteins (IP-10) inhibiert, das T-Helferzellen anzieht (Kanda u. Watanabe 2003) und Lymphozyten in psoriatischen
Låsionen vorwiegend T-Helferzellen sind. Auûerdem bewirkt Ústrogen eine Hemmung der Produktion von T1-Zytokinen (IL-2, IFN-c) sowie eine Induktion von T2-Zytokinen, insbesondere IL-10, welches in klinischen Studien erfolgreich zur Behandlung der Psoriasis eingesetzt wurde (Angele et al. 2001). In seltenen Fållen wurde bei Frauen pråmenstruell, post partum oder nach Einnahme von progesteron- oder æstrogenhaltigen Pråparaten das Auftreten von urtikariellen oder figurierten Exanthemen beobachtet. Obwohl die Ursache dieser als Progesteron- bzw. Ústrogendermatitis bezeichneten Krankheitsbilder unklar ist, kænnen die Hauterscheinungen durch intradermale Applikation des jeweiligen Hormons ausgelæst werden. Auûerdem sind beide Krankheitsformen mit Tamoxifen gut behandelbar (Kumar u. Georgouras 1999; Halevy et al. 2002).
5.3.4.2 Androgene Die Bedeutung der Androgene fçr die Haut und ihre Anhangsgebilde manifestiert sich eindrucksvoll durch die Verånderungen bei Pubertåtsbeginn von Knaben sowie bei gegengeschlechtlicher Hormontherapie bei der Behandlung von Frau-MannTranssexuellen (Giltay u. Gooren 2000). Androgene sind fçr Haarwachstum, Talgproduktion und Schweiûsekretion essentiell, aber auch fçr Erkrankungen der Haut wie seborrhoisches Ekzem, Akne, Hirsutismus und androgenetische Alopezie verantwortlich. Wie bereits in Abschn. 5.3.4.1 ausgefçhrt, verfçgt die Haut neben Androgenrezeptoren (AR), die wie die ER zur Superfamilie der nukleåren Rezeptoren gehæren, auch çber Enzyme, die Androgene metabolisieren (Kaufman 1996). Darçber hinaus kann die Haut Androgene aber auch de novo aus Cholesterin bilden (Abb. 5.3.6) (Thiboutot et al. 2003 a). Immunhistochemisch ist der AR in zahlreichen Zellen der Haut und ihrer Anhangsgebilde nachweisbar: Sebozyten, dermalen Papillenzellen der Haarfollikel der Anagen- und Telogenphase, Keratinozyten der Haarfollikel sowie Talgdrçsen, Epithelzellen der apokrinen Drçsen und Schweiûdrçsen, epidermalen Keratinozyten und auch dermalen Fibroblasten (Choudry et al. 1992; Liang et al. 1993). Die Expression des AR ist in Sebozyten (65% der Zellen bei Månnern und 29% bei Frauen positiv) und dermalen Papillen (58% der Zellen bei Månnern und 20% bei Frauen positiv) geschlechtsspezifisch unterschiedlich (Choudry et al. 1991). Im Gegensatz dazu hat das Alter bei Er-
a wachsenen keinen Einfluss auf die AR-Expression. Dermale Papillenzellen von Haarfollikeln aus der Frontalregion (die zu Haarverlust und Glatzenbildung neigt) zeigen aber eine stårkere AR-Expression als solche der Okzipitalregion (Hibberts et al. 1998). Insgesamt passen die Daten zur Verteilung des AR gut zu den bekannten Wirkungen der Androgene an der Haut. Durch RT-PCR konnte ARmRNA auch in dermalen Papillen von Bart- sowie Axillarhaaren und auch von Okzipitalhaaren nachgewiesen werden, wobei die AR-Expression im Axillarbereich am stårksten und bei Frauen und Månnern vergleichbar war (Ando et al. 1999). Die biologische Aktivitåt von Testosteron auf die Haut wird zum Groûteil çber 5a-Dihydro-Testosteron (5a-DHT), zu dem es durch die 5a-Reduktase (5aR) konvertiert wird und das nicht durch die Aromatase zu Ústradiol umgewandelt werden kann, vermittelt (Chen et al. 1996). Testosteron und 5a-DHT binden beide an den AR, wobei 5a-DHT aber die græûere Affinitåt aufweist. In vitro konnte in Kulturen humaner Sebozyten aus dem Gesichtsbereich sowohl durch 5a-DHT als auch durch Testosteron eine dosisabhångige Stimulierung der Proliferation erzielt werden, wobei der Effekt von 5a-DHT deutlich stårker als jener von Testosteron (Akamatsu et al. 1992) und durch Spironolacton hemmbar war (Akamatsu et al. 1993). Auûerdem wurde gezeigt, dass Sebozyten aus dem Beinbereich nur durch 5a-DHT stimulierbar waren und der Effekt bei gleicher Dosis geringer als bei Sebozyten aus dem Gesichtsbereich war. Es existieren zwei Isoenzyme der 5aR mit etwa 50% Homologie der Aminosåurensequenz. Typ-15aR (5aR1) ist vorwiegend in der Haut und zwar hauptsåchlich in den Talgdrçsen lokalisiert, wåhrend 5aR2 vorwiegend in der Prostata und Haut des Genitalbereichs zu finden ist (Luu-The et al. 1994). Durch RT-PCR konnten aber sowohl 5aR1und 5aR2-mRNA in dermalen Papillarzellen nachgewiesen werden (Ando et al. 1999), 5aR1-mRNA dabei in allen Teilen des Haarfollikels, 5aR2mRNA aber nur in den mesenchymalen Teilen wie dermale Papille und Bindegewebe (Asada et al. 2001). Fçr die Bedeutung des 5aR2 bei der androgenetischen Alopezie spricht, dass ein selektiver Hemmer dieses Enzyms ± Finasterid ± nicht nur bei der Behandlung der Prostatahyperplasie, sondern auch des månnlichen Haarverlustes erfolgreich eingesetzt werden kann (Leyden et al. 1999). Die vorwiegend adrenal produzierten Steroide Dehydroepiandrosteron (DHEA), DHEA-Sulfat (DHEA-S) und Androstendion stellen wichtige
5.3 Regulation der Hautfunktion
Vorstufen der in peripheren Geweben synthetisierten Ústrogene und Androgene dar. In der Haut sind, wie in Abschn. 5.3.4.1 ausgefçhrt, neben 5aR noch weitere Enzyme der Steroidsynthese wie 3b-, 17b- und 3a-HSD exprimiert, die die relativ schwach wirksamen adrenalen Androgene in das stårker wirksame Testosteron und 5a-DHT umwandeln (Abb. 5.3.6) (Kaufman et al. 1996; Ando et al. 1999; Alonso u. Rosenfield 2003). Im Gegensatz zur Nebenniere ist in der Haut vorwiegend Typ-1-3b-HSD zu finden, und zwar hauptsåchlich in den Talgdrçsen (Labrie et al. 2000). Von den sieben bekannten Isoformen der 17b-HSD, die sowohl in der Androgen- als auch in der Ústrogensynthese eine wichtige Rolle spielen, ist in der Haut vorwiegend Typ-5-17b-HSD zu finden, und zwar in allen epidermalen Zellen auûer jenen des Stratum corneum sowie auch in hoher Konzentration im Kortex der Haarfollikel (Labrie et al. 2000). Neben der Metabolisierung von vorwiegend adrenalen Vorstufen von Sexualsteroiden zu potenten Androgenen kann die Haut aber ebenso wie die Nebennieren und die Gonaden Steroide de novo aus Cholesterin synthetisieren (Abb. 5.3.6). Expression und Aktivitåt des zur Zytochrom-P450Enzym-Superfamilie gehærenden ¹side chain cleavage enzymeª (P450scc) und des ¹steroidogenic acute regulatory proteinª (StAR), die die Translokation von Cholesterin in die Mitochondrialmembran bzw. den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Steroidsynthese, nåmlich die Abspaltung der Seitenkette von Cholesterin bewirken, sind in der Haut nachweisbar. So entsteht Pregnenolon, das durch die ebenfalls zur ZytochromP-450-Enzym-Superfamilie gehærende 17-a-Hydroxylase zu 17-OH-Pregnenolon, der Vorstufe von DHEA, umgewandelt wird. Diesen letzten Schritt katalysiert die 17,20-Lyase, deren Expression und Aktivitåt ebenso wie die aller çbrigen erwåhnten Enzyme der Steroidgenese in Talgdrçsen nachgewiesen werden konnte (Thiboutot et al. 2003 a). Die physiologische bzw. pathophysiologische Bedeutung dieser Befunde kann zum gegenwårtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschåtzt werden. Androgene beeinflussen das Haarwachstum in Abhångigkeit der Hautregion und des Alters sehr unterschiedlich (Alonso et al. 2003). Die wåhrend der Pubertåt steigenden Androgenkonzentrationen fçhren in Regionen der Sexualbehaarung zu einer Ønderung des Haarwachstums von dçnnen, feinen, geraden Haaren zu dunklen, dicken und gewundenen, wohingegen Talgdrçsen anderer Kærperpartien (z. B. obere Gesichtshålfte und Oberkærper)
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A. Luger und T. A. Luger
Abb. 5.3.7. Akne papulo-pustulosa
Abb. 5.3.8. Akne papulo-pustulosa
mit einer massiven Steigerung der Talgproduktion reagieren, was håufig zum Auftreten von Akne fçhrt (Abb. 5.3.7 und 5.3.8). Bei Akne vulgaris ist Steroid-Sulfatase-Immunreaktivitåt in betroffenen Hautarealen, und zwar insbesondere in infiltrierenden Monozyten, wesentlich stårker nachweisbar als in nicht betroffenen. An den meisten çbrigen
Kærperregionen sind jedoch keine wesentlichen Verånderungen zu bemerken. Androgenexzess im Rahmen eines polyzystischen Ovar-Syndroms ist bei Frauen die håufigste Ursache von Hirsutismus (çber 80%), viel seltener sind dafçr Androgen produzierende Tumore (0,2%) oder verschiedene Formen der kongenitalen adrenalen Hyperplasie verantwortlich (Azziz et al. 2004) (Abb. 5.3.9). Daneben kann Hirsutismus auch auf periphere Ûberempfindlichkeit fçr Androgene (idiopathischer Hirsutismus, etwa 5%) zurçckzufçhren sein. Eine Untersuchung wies bei Frauen mit Hirsutismus eine vermehrte Expression von Typ-2-17b-HSD in Haarfollikel-Keratinozyten ± vergleichbar mit jener bei Månnern ± nach, mit Ûberwiegen von potenteren Androgenen (Oliveira et al. 2003). Gleichzeitig sind Androgene aber auch fçr Haarverlust in genetisch prådisponierten Personen verantwortlich (Alonso et al. 2003). Embryonales Patterning scheint fçr das unterschiedliche Ansprechen von Haarfollikeln und Talgdrçsen verschiedener Hautregionen auf Androgene verantwortlich zu sein. Die androgenetische Alopezie ist durch exzessive lokale Konversion von Testosteron zu 5a-DHT und damit verbunden kontinuierlicher Verkleinerung von androgenempfindlichen Haarfollikeln gekennzeichnet. Dafçr scheint eine gesteigerte Aktivitåt der 5a-Reduktase und 17b-HSD gekoppelt mit verminderter Aktivitåt der Aromatase und Ûberexpression von Androgenrezeptoren verantwortlich zu sein (Kaufmann 1996). Spiegelbildlich zu den positiven Effekten von Ústrogenen auf die Wundheilung gibt es starke Hinweise darauf, dass Androgene die Wundheilung
a
5.3 Regulation der Hautfunktion
Abb. 5.3.9. Hirsutismus
beeintråchtigen (Ashcroft u. Mills 2002). Tierexperimentell konnte diese Beobachtung dadurch beståtigt werden, dass Kastration von månnlichen Måusen die Wundheilung beschleunigt. Dies ist offenbar auf eine Abschwåchung der Entzçndungsantwort, welche durch proteolytischen Abbau von Kollagen und Fibronektin die Wundheilung behindert, zurçckzufçhren, was wiederum Folge einer Hemmung der TNF-a-Expression von Makrophagen sein kænnte (Ashcroft u. Mills 2002). Eine Beschleunigung der Wundheilung und Hemmung der TNF-a-Expression in Makrophagen konnte auch durch AR-Blockade mittels Flutamid erzielt werden (Ashcroft u. Mills 2002).
5.3.5 Komponenten der HypothalamusHypophysen-Schilddrçsen-Achse Hormone und Rezeptoren aller Ebenen der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrçsen-Achse (HPTAchse) sind auch lokal in der Haut zu finden. Diese Tatsache und Verånderungen der Haut bei Ûber- und Unterfunktion der Schilddrçse sprechen fçr eine Kommunikation dieser beiden Systeme, die eine wesentliche Rolle bei der Erhaltung der Homæostase einnehmen. Durch RT-PCR konnte die Expression des Thyrotropin-releasing-Hormon(TRH)-Gens in normaler Haut, Zellkulturen neonataler Keratinozyten, dermalen und Follikelfibroblasten sowie vier Melanomzelllinien nachgewiesen werden (Slominski et al. 2002). Im Gegensatz dazu war in derselben Untersuchungsreihe das TRH-Rezeptor(TRH-R)-Gen
in normaler Haut çberhaupt nicht und nur in zwei Melanomzelllinien sowie in aus Biopsiematerial stammenden Basaliomzellen exprimiert. Diese Befunde sprechen dafçr, dass auto- und parakrinen Wirkungsmechanismen von TRH und TRH-R in der Haut des Menschen keine wesentliche Rolle zukommt und in der Haut produziertes TRH seine Wirkung mæglicherweise in anderen Organen entfalten kænnte. Dies ist bei anderen Arten, z. B. den Amphibien, der Fall, bei denen in der Haut hergestelltes TRH die hypophysåre Produktion von Prolaktin und a-MSH reguliert (Vaudry et al. 1999). Die Expression der b-Untereinheit von Thyreoidea stimulierendem Hormon (TSH-b) konnte durch RT-PCR in Zellkulturen von epidermalen und Haarfollikelkeratinozyten, Haarfollikelmelanozyten sowie Spinaliomen und zwei Melanomzelllinien gefunden werden, nicht aber in normalen Hautbiopsien (Slominski et al. 2002). Dies spricht gegen eine konstitutive Expression von TSH in der Haut und fçr eine Expression als Reaktion auf verschiedenartige Stimuli. Die TSH-R-Gen-Expression war hingegen sowohl in normaler Haut als auch in Basaliomen nachweisbar sowie in Zellkulturen neonataler, epidermaler und Haarfollikelkeratinozyten, epidermaler Melanozyten, Haut- und Haarfollikelfibroblasten und weiteres in verschiedenen Melanomzelllinien (Rapoport et al. 2000; Stadlmayr et al. 1997; Slominski et al. 2002). Die Funktionalitåt des TSH-R in der Haut konnte durch Stimulation der cAMP-Produktion nach Zugabe von TSH in physiologischer Konzentration (1 mE/mL) oder Anti-TSH-R-Antikærper nachgewiesen werden (Slominski et al. 2000). Ebenso waren in den Zel-
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len, die den TSH-R exprimierten, auch Thyroglobulin und Natrium-Iodid-Symporter(NIS)-Gene exprimiert. Da sowohl Thyroglobulin als auch NIS durch TSH reguliert werden, kann dieser Befund als weiterer Hinweis fçr die Funktionalitåt des TSH-R in der Haut gewertet werden. In der Haut wurden auch beide Isoformen des Schilddrçsenhormonrezeptors, TRa und TRb, die eine hochgradige Homologie aufweisen und zur Superfamilie der nukleåren Hormonrezeptoren gehæren, durch RT-PCR und immunhistochemisch nachgewiesen (Billoni et al. 2000). Von den beiden Isoformen çberwog TRb bei weitem und fand sich in nahezu allen Zellschichten der Epidermis mit Ausnahme des Stratum corneum und in allen Bereichen des Haarfollikels mit Ausnahme der inneren Haarscheide und der Haarfaser sowie auch in Matrixzellen. Die funktionelle Rolle des TR wurde in einem Organkultursystem des menschlichen Haarfollikels nachgewiesen. Triiodthyronin (T3) in physiologischen Konzentrationen (10±12 M) erhæhte die Lebensdauer von Haarfollikeln, wobei dieser Effekt auf einen sehr engen Konzentrationsbereich beschrånkt war. Auch die Enzyme, die Thyroxin (T4) und T3 abbauen, die Deiodasen Typ 1, 2 und 3 (D1, D2, D3) finden sich in der Haut. D1 und D2 katalysieren die Deiodierung von T4 zu T3, wohingegen D3 sowohl T4 als auch T3 zu inaktiven Metaboliten abbaut. D2 und D3 ist sowohl in normaler Haut (mit Ausnahme von Melanozyten) als auch in Hauttumoren (Basaliom und Spinaliom) sowie verschiedenen Zelllinien nachweisbar (Slominski et al. 2002; Santini et al. 2003). Unterschiede in der Expression der Gene fçr D2 und D3 kænnen als Hinweis fçr eine distinkte Metabolisierung der Schilddrçsenhormone in unterschiedlichen Hautabschnitten interpretiert werden, wobei die funktionelle Bedeutung dieses Befundes vorerst aber noch unklar bleibt. Bei der Ratte ist der zeitliche Ablauf der Expression der Deiodasen in verschiedenen Geweben unterschiedlich (Bates et al. 1999). Die Expression von D3 çberwiegt in den meisten Geweben in der fetalen Entwicklungsphase und nimmt danach ab, wåhrend die Aktivitåt von D1 und D2 nach der Geburt ansteigt. In der Haut hingegen nimmt die D2-Expression nach der Geburt ab und die D3-Expression zu. Dass die Phase einer hohen D2-Aktivitåt in der spåten Gestationsphase mit der kritischen Periode der Differenzierung der Haut als Barriere unmittelbar vor der Geburt zusammenfållt, kænnte als Hinweis fçr die Bedeutung von T3 bei diesem Prozess sprechen. Der Nachweis von D1, D2 und D3 in der Haut erklårt auch die
bereits vor långerer Zeit nachgewiesene Fåhigkeit von kultivierten epidermalen Keratinozyten, T4 zu T3 und T3 zu T2 zu deiodieren (Kaplan et al. 1988). Aufgrund der oben angefçhrten Befunde ist es nicht weiter erstaunlich, dass Stærungen der Schilddrçsenfunktion sich an der Haut und ihren Anhangsgebilden manifestieren (Thiboutot 1995). Interessanterweise treten manche Symptome aber sowohl bei Schilddrçsençber- als auch -unterfunktion auf, wie z. B. Haarverlust und Myxædem. Dies kænnte auf den oben in vitro beschriebenen, sehr engen ¹therapeutischenª Bereich von T3 zurçckzufçhren sein. Andere Symptome wie die warme, feuchte Haut von Patienten mit Hyperthyreose sind bei Patienten mit Hypothyreose, die eine trockene, kalte Haut und spræde Fingernågel aufweisen, deutlich unterschiedlich. Der TSH-R wurde an dermalen Fibroblasten von Patienten mit Myxædem nachgewiesen (Stadlmayr et al. 1997; Rapaport et al. 2000). Die Tatsache, dass auch in nicht von Myxædem befallener Haut TSH-R exprimiert war, fçhrte zur Hypothese, dass primår nicht ortsabhångige Zelleigenschaften die Entwicklung eines Myxædems verursachen, sondern lokale physikalische Faktoren wie Údem oder Trauma vor dem Hintergrund einer oft subklinischen Bindegewebsentzçndung (Rapaport et al. 2000). Schilddrçsenunterfunktion verursacht auch Verånderungen der Haarqualitåt mit gesteigerter Telogenrate und diffusem Haarausfall, wohingegen eine T4-Substitutionstherapie das normale Verhåltnis von Haaren in der Anagen- und Telogenphase wiederherstellt (Deplewski u. Rosenfeld 2000). Bei Måusen und Ratten konnten auch Effekte von topischer Verabreichung von Trijodthyronin nachgewiesen werden (Safer et al. 2001). T3 bewirkte eine eindrucksvolle Zunahme der Dicke sowohl von Dermis als auch Epidermis sowie der Anzahl und Långe der Haare (Abb. 5.3.10). Da aber auch die systemischen T3-Konzentrationen anstiegen, war eine Differenzierung topischer und systemischer T3-Wirkung nicht mæglich. Entgegengesetzte Effekte wurden jedoch bei intraperitonealer Verabreichung von T3 registriert (Safer et al. 2003), ebenso bei Kokultur von Keratinozyten mit Fibroblasten, die bei Kultur isolierter Keratinozyten nicht zu sehen war. Deshalb wurde eine T3-Stimulierung der Produktion von inhibierenden Faktoren durch Hautfibroblasten postuliert. An menschlicher Haut konnte gezeigt werden, dass nach topischer Verabreichung von T4 nur 10% diese unveråndert passieren kænnen und bei intakter Haut keine systemischen Wirkungen auftreten (Santini et al. 2003). Im Gegensatz dazu kam es zu einem Anstieg der
a
a
b Abb. 5.3.10 a, b. Topische Verabreichung von T3 stimuliert Haarwuchs bei der SKH-1 haarlosen Maus a vor, b nach Behandlung. (Aus Safer et al. 2001) (Wiedergabe mit Einverståndnis von Mary Ann Liebert, Inc.)
rT3- Konzentrationen, was als weiterer Beweis fçr D3- Aktivitåt in der Haut gelten kann. Auch ¹thyroid transcription factor 2ª (TTF2), ein Mitglied der Forkhead/winged-helix-Familie von Transkriptionsfaktoren, der die Expression von Thyreoglobulin und Schilddrçsen-Peroxydase reguliert, ist in der Haut und zwar der åuûeren Haarscheide nachweisbar (Sequeira et al. 2003). Die funktionelle Bedeutung dieses Transkriptionsfaktors in der Haut ist nicht klar, seine Bedeutung wird aber dadurch unterstrichen, dass das Fehlen des TTF2-Gens nicht nur zur Agenesie der Schilddçse fçhrt, sondern auch zu in Spitzen abstehenden Haaren.
5.3.6 Wachstumshormon und Insulin-Like Growth Factor 1 Untersuchungen von morphologischen Verånderungen der Haut bei Wachstumshormon(GH)Mangel und GH-Ûberschuss (Akromegalie) beståtigen den Einfluss des GH-Insulin-like-growthfactor-1(IGF-1)-Systems auf die Haut (Lange et al. 2001). Patienten mit GH-Defizienz haben eine
5.3 Regulation der Hautfunktion
dçnnere Epidermis und verminderte Græûe der exokrinen Schweiûdrçsen, wohingegen akromegale Patienten eine dicke, membranåhnliche Bindegewebeschicht unter der Epidermis aufweisen (Abb. 5.3.11). Darçber hinaus wurde eine verminderte Permeabilitåt und Dichte von Hautkapillaren bei Patienten mit GH-Mangel beschrieben, die durch GH-Substitution normalisiert werden konnte (Oomen et al. 2002). Auch der Nachweis von GH-Rezeptor (GHR) und GH-Bindungsprotein (GHBP), das dem extrazellulåren Anteil des GHR entspricht, sowohl in der Epidermis als auch in der Dermis, spricht fçr eine Beteiligung von GH an der Regulation der Hautfunktion (Edmondson et al. 2003). GHR und GHBP sind in allen Abschnitten der Epidermis inklusive Hautanhangsgebilden wie Schweiûdrçsen und Haarfollikeln, aber auch in Melanozyten exprimiert (Oakes et al. 1992). Die Funktion von GHR und GHBP in der Epidermis ist noch unklar, GH fçhrt in vitro nicht zu einer Proliferation von Keratinozyten, wohingegen die Melanozytenproliferation stimuliert werden kann, wenn dem Nåhrmedium gleichzeitig ¹basic fibroblast growth factorª (bFGF) und/oder IGF-1 zugegeben wird (Edmonson et al. 1999). IGF-1 induziert aber auch ohne GH und FGF eine dosisabhångige Stimulation von Melanozytenwachstum sowie die Sekretion von IGFBP (¹IGF-binding proteinª). In der Dermis kænnen GHR und GHBP immunhistochemisch in Fibroblasten, Papillen der Haarfollikel, Schwann-Zellen, Skelettmuskelzellen, Adipozyten und Endothelzellen sowie der Media der glatten Muskulatur von Arterien nachgewiesen werden (Lincoln et al. 1998; Edmondson et al. 2003). Auch an neoplastischen Zellen der Haut ist GHR immunhistochemisch nachweisbar, bei benignen Tumoren wie Basaliomen, junktionalen, Compound- und dysplastischen Naevi allerdings nicht bei allen untersuchten Geweben (Lincoln et al. 1998). Im Gegensatz dazu war GHR in allen untersuchten Melanomen exprimiert. Da weiterhin auch GH-mRNA mittels RT-PCR in dermalen Fibroblastenkulturen nachgewiesen werden konnte (Palmetshofer et al. 1995), sind auto- und/oder parakrine Wirkungen der GH-IGF-1-Achse in der Haut anzunehmen. GH kann an GHR von Fibroblasten binden und den JAK-STAT-Signalweg aktivieren, womit der Nachweis fçr die Funktionalitåt des GHR in der Haut erbracht ist (Freeth et al. 1998). Dies wird auch durch den Befund erhårtet, dass GH zu einer Steigerung der IGFBP-3-mRNA-Expression und Peptidsekretion in Hautfibroblasten von gesunden Personen fçhrt, nicht aber bei Pa-
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Abb. 5.3.11 a±f. Hautbiopsien einer Kontrollperson (a, d), eines Patienten mit GH-Mangel (b, e) und eines Patienten mit Akromegalie (c, f). 20fache (a±c) und 50fache (d±f) Ver-
græûerung. (Aus Lange 2001) (Wiedergabe mit Einverståndnis der Society of the European Journal of Endocrinology)
tienten mit Laron-Syndrom, die meist aufgrund eines GHR-Defekts GH-resistent sind (Freeth et al. 1997). Dermale Fibroblasten und Melanozyten, nicht aber Keratinozyten, weisen auch eine Expression von IGF-1-mRNA und -Protein auf, wobei diese offenbar altersabhångig abnimmt und bei alten Zellen ganz fehlt (Ferber et al. 1993; Rudman et al. 1997; Tavakkol et al. 1999). IGF-1 und dessen Rezeptor (IGF-1R) sind fçr das Ûberleben von Haut in Organkultur unbedingt erforderlich (Tavakkol et al. 1999). IGF-1R wird sowohl in dermalen Fibroblasten als auch Keratinozyten exprimiert (Rudman et al. 1997; Desnoyers et al. 2001). Obwohl die IGF-1R-Expression im Alter nicht abnimmt, stimuliert IGF-1 in vitro nur die DNA-Synthese und Proliferation von jungen Fibroblasten (Sell et al. 1993). An weiteren Bestandteilen der GH-IGF1-Achse konnte auch die Produktion von IGF-Bin-
dungsproteinen durch Hautfibroblasten und deren Stimulierung durch IGF-1 nachgewiesen werden (Martin u. Baxter 1990). IGFBP-3 konnte auch in interstitieller Flçssigkeit von kçnstlich erzeugten Hautblasen (durch Anlegen eines Unterdrucks an der Haut von gesunden Probanden) gefunden werden, wenngleich die Konzentrationen deutlich geringer waren als im Serum (Xu et al. 1995). Die Bedeutung des IGF-Systems fçr die Homæostase der Haut wird durch den Phånotyp von IGF-1R-Knock-out(KO)-Måusen verdeutlicht (Liu et al. 1993). Diese haben eine dçnne durchsichtige Haut (besonders betroffen ist das Stratum spinosum) und eine Reduktion der Anzahl und Dicke der Haarfollikel. Auch Akt1/Akt2-doppelt-KOMåuse, bei denen die Signaltransduktion von Wachstumsfaktoren und damit auch von IGF-1 gestært ist, zeigen einen sehr åhnlichen Phånotyp wie IGF-1R-KO-Måuse (Peng et al. 2003).
a Ein Befund, dessen Wertigkeit derzeit noch nicht genau beurteilt werden kann, ist der Nachweis von Ghrelin-mRNA in der Haut (Gnanapavan et al. 2002). Ghrelin, ein 28-Aminosåuren-Peptid, ist der natçrliche Ligand des GH-Sekretagog-Rezeptors (GHS-R) mit starker GH stimulierender und appetitanregender Wirkung. Im Gegensatz zum Peptid war die mRNA des aktiven Ghrelinrezeptors vom Typ 1a in der Haut nicht nachweisbar, sondern nur jene des Typ-1b-GHS-R, dessen Funktion noch unbekannt ist. Die Psoriasis ist eine genetisch bedingte entzçndliche Erkrankung der Haut, die durch eine Immundeviation in Richtung von IL-2 und IFN-c produzierenden T1-Lymphozyten sowie eine gesteigerte Proliferation und gestærte Differenzierung von Keratinozyten gekennzeichnet ist. Bei Patienten mit Psoriasis enthålt interstitielle Flçssigkeit an betroffenen Hautstellen hæhere Konzentrationen von IGF-2 (aber nicht IGF-1) sowie von IGFBP-3 als an gesunden Hautpartien und scheint darçber hinaus auch lokal einen IGFBP-3-Proteasen-Inhibitor zu produzieren (Xu et al. 1996). Auch die IGF-1R-Expression ist gesteigert (Edmondson et al. 2003). Weiterhin zeigen Keratinozyten von Patienten mit Psoriasis eine erhæhte proliferative Antwort auf IGF-1 (Ristow 1993). Durch IGF-1R-antisense-Oligonukleotide konnte in vitro eine Herunterregulierung von IGF-1-mRNA, IGF-1-Protein und IGF-1-RezeptorZahl an der humanen Keratinozytenzelllinie HaCaT gefunden werden (Wraight et al. 2000). Ebenso war bei Inhibierung der IGF-1-Rezeptoren durch Antisense-Oligonukleotide eine Normalisierung der hyperplastischen Haut von psoriatischen Låsionen, die in athymische Måuse transplantiert worden waren, zu beobachten (Wraight et al. 2000). Keratinozyten, die das Human-Papilloma-Virus(HPV)-Gen E7 exprimieren, sind in der Lage, IGFBP-3 proteolytisch zu spalten und kænnten so dazu beitragen, dass Keratinozyten hæheren Konzentrationen des potenten Mitogens IGF-1 ausgesetzt sind und damit stårker proliferieren (Mannhardt et al. 2000). Die Bedeutung von IGF-1 bei der Entstehung von Papillomen und Spinaliomen konnte in transgenen Måusen mit Ûberexpression von IGF-1 in der basalen Schicht der Epidermis gezeigt werden (DiGiovanni et al. 2000). Bei diesen Måusen war die UV-Licht-induzierte epidermale Apoptose unterdrçckt, und es traten darçber hinaus auch Papillome und Spinaliome infolge von Aufregulierung von mitogenen Signalwegen stark gehåuft auf. Es gibt auch Berichte çber rascheres Wachstum von melanozytåren Naevi bei GH-defizienten Kin-
5.3 Regulation der Hautfunktion
dern, die mit Wachstumshormon behandelt wurden (Bourguignon et al. 1993). Im Gegensatz dazu konnte eine deutlich græûere Studie an 90 Kindern mit GH-Mangel keinen Zusammenhang zwischen GH-Therapie und Zahl sowie Dichte von melanozytåren Naevi finden (Zvulunov et al. 1997). Allerdings konnten GHR und GHBP immunhistochemisch in melanozytåren Låsionen inklusive Melanomen sowie Melanomzelllinien nachgewiesen werden (Lincoln et al. 1998). Darçber hinaus wurde IGF-1 auch mit der Entstehung zahlreicher anderer Karzinome in Zusammenhang gebracht. In epidemiologischen Studien wurde bei Personen mit im oberen Normalbereich gelegenen IGF-1-Serumkonzentrationen eine erhæhte Pråvalenz von Prostata-, Kolon-, Bronchial- und Mammakarzinomen im Vergleich zu Personen, die IGF-1-Spiegel im unteren Normalbereich hatten, beschrieben (Chan et al. 1998; Palmqvist et al. 2002; Yu et al. 1999; Hankinson et al. 1998). Es muss aber auch hier festgestellt werden, dass andere Untersuchungen diesen Zusammenhang nicht beståtigen konnten (Finne et al. 2000; Paterson et al. 2000; Lukanova et al. 2001; Toniolo et al. 2000). Auch fçr niedrige Serumkonzentrationen von IGFBP-3, das den çberwiegenden Teil von IGF-1 bindet und infolgedessen zu einem hæheren Anteil von freiem IGF-1 fçhrt, wurde eine erhæhte Karzinompråvalenz berichtet. IGF-IR konnte auch in melanozytåren Naevi und Melanomen nachgewiesen werden (siehe oben). Umgekehrt fçhrt Blockierung des IGF-1-Signals durch antisense-cDNA-Plasmide oder Oligonukleotide zu einer Hemmung der Proliferation von humanen Melanomzelllinien und von Melanomen, die in athymische Måuse transplantiert wurden (Resnicoff et al. 1994). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nach derzeitiger Befundlage die Meinung vorherrscht, dass IGF-1 und IGF-1R beim Menschen zwar nicht direkt an der Entstehung von Tumoren beteiligt sind, deren Wachstum aber færdern. Die Expression von IGF-1 und IGF-2 ist auch in Hautwunden gesteigert (Gartner et al. 1992), und systemische GH-Therapie beschleunigt die Wundheilung (Herndon et al. 1995). Eine mægliche Erklårung bietet eine neuere Studie, die zeigte, dass IGF-1 (und auch TGF-a) bei Hautverletzung die Expression von Peptiden und Polypeptiden (¹human cationic antimicrobial protein 18/LL-37ª, ¹human b-defensin 3ª, ¹neutrophil gelatinase associated lipocalinª, ¹secretory leukocyte protease inhibitorª) stimuliert, die die Regenerierung des Hautgewebes færdern, bis die Barriere gegen die Umwelt wiederhergestellt ist (Sorensen et al. 2003). Auch
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A. Luger und T. A. Luger
die Bildung von Keloiden, die eine çberschieûende Reaktion mit Proliferation von dermalen Fibroblasten und Ûberproduktion von extrazellulårer Matrix darstellt, wird durch IGF-1, dessen Rezeptor in Keloiden çberexprimiert ist, in Kombination mit TGF-b gefærdert (Daian et al. 2003).
5.3.7 Prolaktin Bisher konnte weder Prolaktin (PRL) noch dessen Rezeptor (PRLR) in menschlicher Haut nachgewiesen werden (Slominski et al. 2000 b). Dies ist deshalb erstaunlich, weil Hyperprolaktinåmie mit Hirsutismus, androgenetischer Alopezie und Akne in Zusammenhang gebracht worden ist. Als mæglicher Mechanismus wurde die Stimulation der adrenalen Androgenproduktion durch Prolaktin angesehen (Glickman et al. 1982). Allerdings gibt es auch einen Bericht, wonach PRL die Proliferation menschlicher Vorhaut-Fibroblasten in Kultur stimuliert, wobei in Bindungsstudien auch eine Bindungsstelle fçr Prolaktin beschrieben worden ist (Girolomoni et al. 1993). Bei der Maus hingegen konnten sowohl Prolaktin als auch der Prolaktinrezeptor immunhistochemisch und durch RT-PCR in der Haut nachgewiesen werden (Foitzik et al. 2003). Die Expression von PRL und PRL-R ist dabei auf das Haarfollikelepithel beschrånkt und zeigt eine starke Abhångigkeit vom Haarzyklus: In der Telogenphase war es in Keratinozyten der åuûeren Haarwurzelscheide nachweisbar, in der Anagenphase auch in der entstehenden inneren Haarwurzelscheide, hingegen in der Katagenphase wiederum in der åuûeren. PRL induzierte darçber hinaus eine Herunterregulierung der Proliferation und den Ûbergang von Haarfollikeln von der Anagen- in die Katagenphase. Die genetische Deletion des PRL-R fçhrt bei Måusen zu einer Verkçrzung der Telogenphase sowie zu einem verfrçhten Ûbergang in die Anagenphase (Craven et al. 2001). Diese Daten stçtzen die Hypothese, dass PRL bei der Maus einen direkten inhibitorischen Effekt auf Haarfollikel hat.
5.3.8 Parathormon-Related Protein In den letzten zwei Jahrzehnten ist deutlich geworden, dass ¹Parathormon-related proteinª (PTHrP) einen wichtigen Bestandteil der Kommunikation
zwischen Zellen der Dermis und Epidermis bildet und in die Regulierung des Haarfollikelzyklus involviert ist (Thomson et al. 2003). PTHrP weist eine starke Homologie zum N-terminalen Teil von PTH auf und wurde zuerst als jenes Protein identifiziert, das fçr das paraneoplastische Syndrom der Hyperkalzåmie verantwortlich ist. Bereits 1985, zu einem Zeitpunkt als die Aminosåurensequenz von PTHrP noch nicht bekannt war, konnte gezeigt werden, dass Ûberstånde von Keratinozytenkulturen von menschlicher neonataler Vorhaut die cAMP-Produktion einer Osteosarkomzelllinie stimulieren und dieser Effekt durch kompetitive Inhibitoren von PTH, aber nicht durch Zugabe von PTH-Antiserum in das Inkubationsmedium blockiert werden kann (Merendino et al. 1986). Die weitere Charakterisierung der fçr diesen Effekt verantwortlichen Substanz zeigte, dass es sich um ein Molekçl mit einem hæheren Molekulargewicht als PTH handelt, das auch sonst Ûbereinstimmung mit dem humoralen Faktor zeigt, der fçr die malignomassoziierte Hyperkalzåmie (also PTHrP) verantwortlich ist. Der Nachweis von PTHrP in der Haut gelang bald danach immunhistochemisch (Moseley et al. 1991). Die PTHrP-Expression konnte weiterhin durch RT-PCR in Melanozytenzelllinien sowie immunhistochemisch in Biopsien von melanozytåren Naevi, Melanomen und deren Metastasen gezeigt werden, wobei die PTHrP-Expression in den Metastasen deutlich geringer ausgeprågt war als in den Primårtumoren (Kageshita et al. 2003). Serum-PTHrP-Konzentrationen waren bei den untersuchten Melanompatienten aber nicht erhæht, PTHrP war auch nicht in den Ûberstånden von Tumorzellkulturen, sondern nur in deren Lysaten messbar. In einer anderen Studie konnte hingegen gezeigt werden, dass humane Keratinozytenkulturen drei Isoformen von PTHrP-mRNA exprimieren, diese durch Vitamin D3 dosisabhångig supprimierbar ist und parallel dazu die PTHrP-Konzentration im Kulturmedium abnimmt (Sharpe et al. 1998). Die Effekte von PTHrP werden in klassischen Zielorganen wie dem Knochen oder der Niere durch den Typ-1-PTH-R (PTH-1R) vermittelt, der zur Klasse II der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gehært. Nach Bindung eines Liganden wird dieser phosphoryliert und rasch internalisiert, der Ligand/Rezeptor-Komplex bindet Gs- und Gq-Proteine und fçhrt zu einer Steigerung von cAMP, Inositol-Triphosphat und intrazellulårem freien Kalzium (Abou-Samra et al. 1992). PTH/PTHrPRezeptor-Expression konnte durch Northern blott-
a ing und RT-PCR in Kulturen von Hautfibroblasten gezeigt werden (Hanafin et al. 1995). Die Funktionalitåt dieses Rezeptors wurde ebenfalls durch cAMP-Anstieg nach PTH-Zugabe dokumentiert. Im Gegensatz dazu konnte ein funktioneller PTH-1R in Keratinozyten beim Menschen noch nicht nachgewiesen werden (Hanafin et al. 1995; Sharpe et al. 1998); eine kçrzlich veræffentlichte Studie zeigte dies jedoch bei Keratinozyten neugeborener Ratten durch RT-PCR, Immunhistochemie und Western blotting (Errazahi et al. 2003). In letztgenannter Untersuchung konnte auch die Funktionalitåt dieses Rezeptors nachgewiesen werden: PTHrP bewirkte in Konzentrationen von 10±12±10±9 M eine Proliferation der Keratinozyten, die durch PTH-1R-Antikærper und PTH/PTHrPRezeptor-Antagonisten aufzuheben war. In Hautfibroblasten-Kulturen bewirkte PTHrP allerdings eine Hemmung der Proliferation, wohingegen die Kollagensynthese unbeeinflusst blieb (Maioli et al. 2002). Dieser Befund wird auch durch die Beobachtung in humanen Keratinozyten-Kulturen gestçtzt, wonach die PTH-Agonisten PTH(1±34) sowie PTHrP(1±34) die Proliferation hemmen und dieser inhibierende Effekt durch den PTH/PTHrPAntagonisten PTH(7±34) aufzuheben war (Holick et al. 1994). Bei Ratten konnte çberdies gezeigt werden, dass PTHrP in Fibroblasten die Proteinkinase-C(PKC)-Aktivitåt steigert und die PKA-Aktivitåt vermindert, wohingegen die PKA- und PKCAktivitåt in dermalen Papillen unbeeinflusst blieb (Thomson et al. 2003). In dermalen Papillenzellen bewirkte PTHrP allerdings auch eine verminderte Produktion eines nicht nåher charakterisierten Proteins von 50 kD. Øhnlich wie fçr andere Hormone wie z. B. GH, die den Ûbergang von der Anagen- in die Katagenphase regulieren, konnte auch fçr PTHrP und PTH-1R eine zyklusabhångige Expression in Haarfollikeln von Måusen gefunden werden (Cho et al. 2003). Ûberexpression von PTHrP fçhrte zu einer Verkçrzung der Haare um 30±40%, was offenbar auf einen verfrçhten Eintritt in die Katagenphase zurçckzufçhren war. Juhlin et al. beschrieben erstmals das Fehlen von PTHrP in von Psoriasis befallener Haut (Juhlin et al. 1992) und bemerkten, dass topische Verabreichung von Calcitriol die Expression von PTHrP wiederherstellte. Maioli et al. zeigten dann, wie oben schon ausgefçhrt, dass PTHrP die Proliferation von menschlichen Hautfibroblasten hemmt und die Aktivitåt des Enzyms Matrixmetalloprotease-2 (MMP-2) steigert, welches den Abbau extrazellulårer Matrix reguliert (Maioli et al. 2002).
5.3 Regulation der Hautfunktion
In letzter Zeit konnte darçber hinaus ein positiver Therapieeffekt von topisch verabreichtem PTH(1±34) bei therapieresistenter Psoriasis nachgewiesen werden (Holick u. Chimeh 2003). In Tierversuchen konnten auch çberzeugende Hinweise dafçr gefunden werden, dass die Antagonisten PTH(7±34) und PTHrP(7±34) sowie der Agonist PTH(1±34) in Zukunft eine therapeutische Option fçr den durch Chemotherapie verursachten Haarverlust darstellen kænnten. Demnach dçrften PTH(1±34) und PTHrP(7±34) wåhrend der Chemotherapie die Akzeleration des Haarzyklus stoppen und damit die Empfindlichkeit fçr Chemotherapeutika erniedrigen sowie nach Abschluss der Therapie den Haarzyklus und damit das Nachwachsen der Haare beschleunigen (Peters et al. 2001).
5.3.9 Vitamin D Calcitriol (Vitamin D3, 1,25[OH]2D3) wird in mehreren Zwischenschritten in der Haut unter dem Einfluss von ultraviolettem Licht der Wellenlånge 290±310 nm (UVB) aus 7-Dehydrocholesterol gebildet und danach in der Leber und der Niere zum biologisch aktiven Metaboliten Calcitriol hydroxyliert. 1,25(OH)2D3 entfaltet seine Wirkung çber einen Rezeptor (VDR), der zur Superfamilie der nukleåren Rezeptoren gehært. Neben den bekannten Effekten auf Osteoblasten und Osteoklasten reguliert 1,25(OH)2D3 auch in zahlreichen anderen Zellen wie z. B. Keratinozyten die Expression von Wachstumsfaktoren, die Synthese von Zytokinen sowie die Expression von Rezeptoren und moduliert dadurch deren Wachstum und Differenzierung (Tabelle 5.3.1) (Gurlek et al. 2002). VDR ist auch im Haarfollikel in epidermalen Keratinozyten und dermalen Papillenzellen exprimiert, und zwar vermehrt in der spåten Anagenphase sowie Katagenphase, die durch geringere Proliferation und gesteigerte Differenzierung gekennzeichnet sind (Gurlek et al. 2002). Die Bedeutung von 1,25(OH)2D3 fçr das Haarwachstum wird durch die Tatsache unterstrichen, dass VDR-KOMåuse eine Alopezie entwickeln. Zahlreiche in-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht nur Vitamin-D-Metaboliten wie Calcitriol, sondern auch dessen Derivate Calcipotriol (26,27-cyclo-Vitamin D3, Calcipotriene, MC903) und Tacalcitol (1,24-Dihydroxycholecalciferol) die Differenzierung von Keratinozyten færdern und gleichzeitig deren Proliferation hemmen.
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A. Luger und T. A. Luger Tabelle 5.3.1. Einfluss von Vitamin D3 auf Synthese und Signaling von Wachstumsfaktoren und Zytokinen in epidermalen Keratinozyten. (Nach Gurlek et al. 2002) Faktor
Vitamin-D3-Effekt
Biologischer Effekt
EGF TGF-b PDGF IL-1a IL-6 IL-8 TNF-a
Gesteigerte Rezeptorexpression Gesteigerte Synthese Gesteigerte Synthese Verminderte Synthese Verminderte Synthese Verminderte Synthese, verminderte Rezeptor-Expression Gesteigerte Synthese
Gesteigerte Proliferation Verminderte Proliferation Beschleunigte Wundheilung Verminderte Entzçndungsreaktion Verminderte Entzçndungsreaktion Verminderte Proliferation Gesteigerte Differenzierung
EGF: ¹epidermal growth factorª; TGF: ¹transforming growth factorª; PDGF: ¹platelet-derived growth factorª; IL: Interleukin; TNF: Tumor-Nekrose-Faktor
a
b
Abb. 5.3.12 a, b. Psoriasis vor (a) und 4 Monate nach (b) Behandlung mit Calcipotriol-Salbe und UVB
Auûerdem sind auch Vitamin-D3-Derivate immunmodulierend wirksam, indem sie die Funktion und Differenzierung von DZ hemmen sowie die Produktion von T1-Zytokinen unterdrçcken und die Bildung von IL-10 stimulieren (Kragballe 2000). Da Hauterkrankungen wie die Psoriasis durch eine vermehrte Keratinozytenproliferation in Verbindung mit einer dominierenden T1-Immunantwort charakterisiert sind, war es nahe liegend, die Wirksamkeit von Vitamin-D3-Derivaten bei der Behandlung dieser Erkrankungen zu untersuchen. Der sehr gute therapeutische Effekt der topischen Applikation von Calcipotriol und Tacalcitol bei Patienten mit Psoriasis konnte in zahlreichen klinischen Studien beståtigt werden (Abb. 5.3.12). Die Wirksamkeit ist der von mittelstarken topischen Kortikosteroiden vergleichbar, ohne dass typische Steroidnebenwirkungen wie Hautatrophie, Striae und bei ausgedehnter Langzeitanwendung auch Systemwirkungen befçrchtet werden mçssen. Ein weiterer Vorteil der topischen Therapie mit Vita-
min-D3-Derivaten besteht in der Mæglichkeit, diese mit allen anderen antipsoriatischen Behandlungen wie z. B. Kortikosteroiden, UVB, PUVA (Psoralen + ultraviolettes Licht A), Cyclosporin A zu kombinieren, wobei einerseits eine Potenzierung der Wirkung und andererseits auf Grund der Dosisreduktion eine Verringerung der Nebenwirkungen erreicht werden kann. Das potentielle Risiko einer Hyperkalzåmie nach groûflåchiger Anwendung von Vitamin-D-Pråparaten ist relativ gering, da insbesondere die beiden zur Behandlung der Psoriasis weltweit zugelassenen Pråparate Calcipotriol und Tacalcitol in Bezug auf den Kalziumstoffwechsel 100±200fach schwåcher aktiv sind. Andere Hauterkrankungen, bei denen çber einen erfolgreichen Einsatz von Vitamin-D3-Pråparaten berichtet wurde, sind Verhornungsstærungen (Ichthyosen) sowie die zirkumskripte und systemische Sklerodermie (Kragballe 2000). Es gibt auch Hinweise dafçr, dass 1,25(OH)2D3 in pharmakologischen Dosen einen photoprotekti-
a ven Effekt ausçbt, der zum Schutz gegen die UVBinduzierte Hautkarzinogenese genutzt werden kænnte (de Haes et al. 2003). Schon vor langer Zeit wurde beobachtet, dass Melanomzellen Rezeptoren fçr 1,25(OH)2D3 aufweisen und deren Proliferation durch 1,25(OH)2D3 gehemmt wird. In neueren Studien konnte sowohl bei Basaliomen als auch Spinaliomen eine vermehrte Expression von VDR und Enzymen der Vitamin-D-Synthese und des Metabolismus nachgewiesen werden (Reichrath et al. 2004; Mitschele et al. 2004). In Kulturen der Spinaliom-Zelllinien SCL-1 und SCL-2 konnte darçber hinaus die Zellproliferation durch Calcitriol gehemmt werden (Reichrath et al. 2004). Vitamin-D-Derivate kænnten daher in Zukunft eine therapeutische Option bei der Therapie von Hauttumoren darstellen.
5.3.10 Ausblick Zusammenfassend låsst sich sagen, dass die Haut fçr den Organismus nicht nur Barriere-, Schutzund Sinnesfunktionen çbernimmt, sondern darçber hinaus auch ein endokrin hæchst aktives Organ darstellt. Die Zahl der in der Haut nachgewiesenen Hormone und deren Rezeptoren steigt mit jedem Jahr. Die Haut ist ebenso ein Zielorgan systemischer Hormone, Hormone werden in der Haut aber auch de novo synthetisiert. Die Hormone und die Hormonrezeptoren der Haut stehen dabei in enger Kommunikation mit dem Immun- und Nervensystem und tragen auf diese Weise zur Erhaltung der Homæostase bei. Endokrine Dysfunktionen manifestieren sich meist sehr deutlich an der Haut und stellen gelegentlich das Leitsymptom dar. Zahlreiche Erkrankungen der Haut sind auf hormonelle Stærungen zurçckzufçhren, und umgekehrt nehmen Hormone bzw. deren Derivate einen stetig wachsenden Raum bei der Therapie von Hauterkrankungen ein. Hier sind zum einen POMC-Derivate zu erwåhnen, von denen in Zukunft eine zunehmende Bedeutung bei der Behandlung von entzçndlichen, allergischen und Autoimmunerkrankungen der Haut zu erwarten ist. Sexualsteroide, Wachstumshormon und Insulinlike growth factor 1 sind in den Prozess der Wundheilung involviert; inwiefern dies auch in der Therapie Niederschlag finden wird, låsst sich gegenwårtig aber nur schwer abschåtzen. Dies trifft auch fçr GH und IGF-1 bezçglich ihrer das Wachstum von Neoplasien begçnstigenden Rolle zu. Im
5.3 Regulation der Hautfunktion
Gegensatz dazu haben Vitamin-D3-Derivate schon einen festen Platz bei der Therapie der Psoriasis, ihr Einsatz bei der Therapie von Ichthyosen, Sklerodermie und Neoplasien der Haut wird gegenwårtig noch evaluiert.
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6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone Jerzy Adamski
Inhaltsverzeichnis 6.1.1 Definition der Steroide als Hormone 6.1.1.1 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1.2 Synthese und Wirkungsorte der Steroidhormone . . . . . . . . . . 6.1.1.3 Wirkungsmechanismus . . . . . . . . 6.1.1.4 Spezifitåt der Steroidhormone . . . . 6.1.2 6.1.3 6.1.3.1 6.1.3.2 6.1.3.3 6.1.3.4 6.1.3.5 6.1.3.6 6.1.4 6.1.4.1 6.1.4.2 6.1.4.3
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6.1.5
. . . . . . . . . . . . . . .
545 546 547
6.1.5.1
Modulation der Bindungsfåhigkeit der Steroidhormone an ihre Rezeptoren . . Komplexe Wege zu biologisch aktiven Steroiden . . . . Gonadale versus lokale Synthese beim Menschen . . . . . . . . . . . . . . Progesteron . . . . . . . . . . . . . . . . . Kortikoide . . . . . . . . . . . . . . . . . Androgene . . . . . . . . . . . . . . . . . Ústrogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen der vielfachen Enzymausstattung fçr die Hormonwirkung .
6.1.5.7
Erkrankungen, die aufgrund von Stærungen der Steroidaktivierung und -inaktivierung entstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5a-Reduktase: Inkompletter Pseudohermaphroditismus und polyzystisches Ovar-Syndrom . . . . . . . 11b-HSD: Adipositas und apparentes Mineralokortikoidexzess-Syndrom . . . . . . . Allgemeine Bedeutung der 17b-HSD fçr die Entstehung von menschlichen multifaktoriellen Krankheiten . . . . . . . . . . 17b-HSD-3-Defizienz und Pseudohermaphroditismus . . . . . . . . . 17b-HSD-4: D-bifunktionale Proteindefizienz und Stiff-Man-Syndrom . . . . . . . . . . . . . Steroidsulfatase: Ichthyosis, plazentare Steroidsulfatase-Defizienz . . . . . . Uridindiphosphat-5'-Glukuronosyltransferasen
550
6.1.6
Strukturelle Merkmale der 11b- und 17b-HSD 553
550 550 550 551
6.1.7 6.1.7.1 6.1.7.2 6.1.7.3
Resçmee und Ausblick . . . . . . . . . . Neue steroidmetabolisierende Enzyme Entwicklung von Inhibitoren . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.8
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
6.1.5.2 547
. . . .
548
. . . . .
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548 548 548 548 550
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. . . . .
Andere Wege der Steroidmetabolisierung Hydroxylierung . . . . . . . . . . . . . . . . Sulfatierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glukuronierung . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
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6.1.1 Definition der Steroide als Hormone
6.1.5.3 6.1.5.4 6.1.5.5 6.1.5.6
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551 551 551 552 553 553 553 553 554 554 555 556
6.1.1.2 Synthese und Wirkungsorte der Steroidhormone
6.1.1.1 Nomenklatur Unter Hormonen versteht man chemische Signalstoffe, die nach einer Synthese in spezialisierten Zellen in ihren Zielorganen physiologische, biochemische und genomische Regulationsfunktionen ausçben. Steroidhormone sind lipophile Stoffe, die sich aus einem Cyclopentanoperhydrophenanthren ableiten, in dem drei sechsgliedrige und ein fçnfgliedriger Kohlenstoffring kondensiert sind. Die Benennung der Ringe sowie die Nummerierung der Kohlenstoffatome ist in Abb. 6.1.1 dargestellt.
Die Synthese der aktiven Steroidhormone und ihrer Vorstufen erfolgt in endokrinen Geweben. Im Gegensatz zu anderen Hormonen, wie z. B. Peptiden, werden die Steroide nicht in den sekretorischen Granulen gespeichert. Deswegen spielt die Sekretion bei der extrazellulåren Abgabe der Steroide keine Rolle. Die Steroide werden durch das Blut zu ihren Zielorten transportiert. Die Konzentrationen im Blut reichen von 10±9±10±12 M. Der Transport erfolgt gebunden an verschiedene Proteine, wie Albumin, SHBG (¹sex hormon binding globulinª) oder CBG (¹cortisol binding globulinª). Ganten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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J. Adamski
Abb. 6.1.1 a, b. Struktur der Steroide am Beispiel des 17a- Hydroxypregnenolons. a Benennung der Ringe mit Nummerierung der Kohlenstoffatome. Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen 5 und 6 im Ring B werden mit D5 abgekçrzt, Doppelbindungen zwischen den C-Atomen 4 und 5 mit D4. Die relativen Positionen der Methyl- oder Hydroxygruppen çber oder unter der Planarebene des Molekçls werden entsprechend mit fettgedruckten Linien (¹b-Konfigurationª, siehe Position 3) bzw. mit gestrichelten Linien (¹a-Konfigurationª, siehe Position 17) dargestellt. b Dreidimensionale Darstellung des 17a-Hydroxypregnenolons. Aufsicht (links) und Seitenansicht (rechts). Hydroxygruppen sind rot gefårbt
(autokrine Wirkung) oder bereits innerhalb der Synthesezellen (intrakrine Wirkung) çbermitteln (Kuhn-Velten 2000; Labrie et al. 2000; Simpson 2003). Die vier Wirkungsmechanismen der Steroidhormone sind in Abb. 6.1.2 aufgefçhrt. Eine klassisch endokrine Funktion zeigen die Gonaden und die Nebennierenrinde (NNR); parakrine, autokrine oder intrakrine Prozesse werden in Leber, Niere, Lunge, Uterusepithel, Prostata, Gehirn oder Haut beobachtet.
6.1.1.3 Wirkungsmechanismus
Abb. 6.1.2. Varianten der Hormonwirkung
Steroide kænnen in freier sowie in konjugierter Form, d. h. als Sulfate oder Glukuronide, vorliegen. Nur nichtkonjugierte Steroide kænnen ihre biologische Funktion ausçben. Neben der beschriebenen klassischen endokrinen Wirkung gibt es die Mæglichkeit, dass Steroide Signale auf benachbarte Zellen (parakrine Wirkung), auf die Synthesezellen
Steroide kænnen die Zellmembranen passiv (z. B. durch Diffusion) durchqueren (Abb. 6.1.3). In der Zielzelle kann die biologische Wirkung der Steroidhormone durch verschiedene Enzyme, wie Oxidoreduktasen, Monooxygenasen, Transferasen oder Hydrolasen moduliert werden. Inaktive Transportformen werden dadurch aktiviert bzw. aktive Steroide inaktiviert (Penning 2003). Aktive Steroide binden spezifisch an intrazellulåre Steroidrezeptoren, die danach dimerisieren (CarsonJurica et al. 1990; Lange 2003). Die Steroidrezeptoren binden auch Proteine im Zytosol, wie z. B. Hitzeschockproteine, Kinasen oder Zytoskelettelemente. Komplexe, bestehend aus steroidbeladenen Rezeptoren und Transkriptionsfaktoren, binden an die DNA, wodurch Modulation der Transkription und so Proteinsynthese bewirkt werden. Durch die
a
6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
6.1.1.4 Spezifitåt der Steroidhormone Aus Abb. 6.1.3 ist ersichtlich, dass die Gewebespezifitåt der Hormone durch zwei Faktoren erreicht wird: 1. das Vorhandensein des Rezeptors und 2. das Vorhandensein der modifizierenden Enzyme. Ohne Rezeptor werden die Hormone im Zielgewebe nicht erkannt. Der lokale Metabolismus der Hormone kann eine protektive Wirkung gegen unspezifische, aber hochkonzentrierte Steroide ausçben oder kann bewirken, dass aktive Steroide im Zielgewebe in nur niedrigen Konzentrationen auftreten. Abb. 6.1.3. Wirkungsprinzip der Steroidhormone. Einige Steroide (S) werden durch Enzyme (E) modifiziert, so dass entsprechende Rezeptoren (R) keine Bindung an diese Steroide zeigen. Andere Steroide kænnen erst nach einer intrazellulåren Aktivierung an die Rezeptoren binden. Rezeptoren im Komplex mit Transkriptionsfaktoren (TF) aktivieren die RNA-Transkription, die wiederum Proteinsynthese sowie eine Verånderung der Zellfunktion bewirkt
Funktionalitåt der neu synthetisierten Proteine oder durch die Reduzierung ihrer Expression werden Parameter wie Proliferation und Differenzierung der Zielzellen veråndert (Li u. O'Malley 2003; McKenna u. O'Malley 2002).
Abb. 6.1.4. Ûbersicht der Aktivierung und Inaktivierung von Steroiden. Die fçr die biologische Wirkung entscheidenden Positionen am Steroidgerçst sind nummeriert, die Orte der enzymatischen Modulationen sind farbig unterlegt. 3b-HSDiso: 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase/ Isomerase; 5a-Red: 5a-Reduktase; 11b-, 17b- oder 20a-HSD: 11b- oder 17b- oder 20a-Hydroxysteroid-Dehydrogenase
6.1.2 Modulation der Bindungsfåhigkeit der Steroidhormone an ihre Rezeptoren Die Bindungsaffinitåt von Steroiden an ihre Rezeptoren wird vor allem durch das Vorhandensein von Keto- bzw. Hydroxygruppen reguliert. Eine besonders groûe Rolle in der Steroidmodulation spielen verschiedene Oxidoreduktasen (Abb. 6.1.4). Aktives Progesteron entsteht aus Pregnenolon nach Oxidation der Position 3 durch eine 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase. Gleichzeitig katalysiert
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das Enzym eine D5/D4-Isomerisierung in den Ringen A und B. Testosteron bindet bereits an den Androgenrezeptor, aber seine Affinitåt kann mit Hilfe der Reduktion durch eine 5a-Reduktase in Position 5 erhæht werden. Die meisten inaktiven Steroide, wie Kortison, Ústron oder Androstendion, tragen in Position 11 oder 17 eine Ketogruppe. Eine Ausnahme stellt hier das 20a-Hydroxyprogesteron dar, das in der Position 20 eine Hydroxygruppe aufweist. Bei Kortison, Ústron oder Androstendion bewirken 11b- bzw. 17b-HydroxysteroidDehydrogenasen durch Reduktion von Ketogruppen zu Hydroxygruppen eine Umwandlung zu aktiven Hormonen. Inaktives 20a-Hydroxyprogesteron wird durch eine 20a-Hydroxysteroid-Dehydrogenase zu aktivem Progesteron oxidiert (Penning 2003).
6.1.3 Komplexe Wege zu biologisch aktiven Steroiden 6.1.3.1 Gonadale versus lokale Synthese beim Menschen Aktive Steroidhormone und ihre Vorstufen entstehen meistens in den Gonaden oder in der Nebennierenrinde (NNR) aus Cholesterin (Payne u. Hales 2004). Neben Oxidoreduktasen sind an der Synthese von Steroiden mehrere Zytochrom-P450abhångige Monooxygenasen beteiligt. Nicht selten haben die Enzyme çberlappende Substratspezifitåten bzw. existieren in mehreren Isoformen; z. B. sind mindestens neun Typen von 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen, je zwei Typen von 5a-Reduktasen und 11b-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen sowie Dutzende von Monooxygenasen bekannt. Abb. 6.1.5 zeigt, dass einige aktive Steroide auf verschiedenen Wegen entstehen kænnen. Analysen der Gewebeverteilung verschiedener Enzyme der Steroidbiosynthese (RNA und Aktivitåt) haben in den letzten Jahren eine neue Interpretation der endokrinologischen Prozesse erforderlich gemacht. Wie schon in Abschn. 6.1.1.2 beschrieben, spielt neben der effektiven klassischen Steroidsynthese in den Gonaden und in der NNR auch die lokale Steroidsynthese in einer Reihe von peripheren Organen und Geweben eine groûe Rolle. Es fållt auch auf, dass selbst wenn einige steroidogene Enzyme ubiquitår vorhanden sind, verschiedene Gewebe deutliche Pråferenzen in der Aktivierung und Inaktivierung von Steroidhormo-
nen besitzen (Hansis et al. 1998; Husen et al. 2003; Ivell et al. 2003; Martel et al. 1992).
6.1.3.2 Progesteron Die Konzentration von Progesteron (P4) wird durch die 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase/Isomerase bzw. durch die 20a-Hydroxysteroid-Dehydrogenase reguliert. Orte des Progesteronstoffwechsels sind neben den Gonaden und der NNR auch Prostata, Uterusepithelium, Plazenta und Gehirn (Wiebe u. Lewis 2003; Zhang et al. 2000). Progestagene sind auch gute Substrate der 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen (17b-HSD) (Penning et al. 2000). 20a-Hydroxyprogesteron wird durch 17bHSD Typ 2 (Wu et al. 1993) zu P4 aktiviert. Eine Inaktivierung von P4 kann durch die 20a-Hydroxysteroid-Oxidase-Aktivitåten der ubiquitåren Enzyme 17b-HSD-5 und -7 erreicht werden (Dufort et al. 1999; Harkonen et al. 2003).
6.1.3.3 Kortikoide Die Redoxreaktionen an Position 11 erfolgen durch die 11b-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen Typ 1 und Typ 2. Die bidirektionale 11b-HSD-1 ist stark in der Leber exprimiert und an der Synthese des Kortisols (F) beteiligt (Michael et al. 2003; Morris et al. 2003). Die unidirektionale 11b-HSD-2 hat eher eine gewebespezifische Steroidwirkung. In der Niere wird Aldosteron durch den Mineralokortikoidrezeptor gebunden. Letzterer kann jedoch durch die etwa 1000fach hæhere Konzentration von Kortisol blockiert werden. Die 11b-HSD-2 çbt in der Niere eine protektive Aktivitåt aus, indem sie Kortisol zu Kortison (E) inaktiviert (Abschn. 6.1.5.2).
6.1.3.4 Androgene Das månnliche Sexualhormon Testosteron (T) kann çber den D4-Weg (via D4-Androstendion) oder den D5-Weg (via Dehydroepiandrosteron, DHEA) entstehen. Der letztere Weg hat besonders in peripheren Geweben wie Haut (Haarfollikel), Leber und Gehirn eine groûe Bedeutung. Die Umwandlung von DHEA zu D5-Androsten3b,17b-diol (D5-AED) katalysieren die 17b-HSD-1 und -5. Die Umkehrreaktion wird von 17b-HSD-2 und -4 durchgefçhrt (Peltoketo et al. 1999 a). Interessant ist, dass D5-AED æstrogene Wirkung zeigt (Huggins et al. 1954). Ein anderes Androgen,
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6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
Abb. 6.1.5. Ûberblick çber die wichtigsten Wege der Steroidaktivierung und -inaktivierung. Biologisch aktive Steroide sind grçn unterlegt. Einige Reaktionen sind nur in eine Richtung mæglich, z. B. die der 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase/Isomerase oder die der Zytochrom-P450-abhångigen Enzyme. Steroide: C: Cholesterin; P5: Pregnenolon; P4: Progesteron; 20a-OH-P: 20a-Hydroxyprogesteron; E: Kortison; F: Kortisol; 17a-OH-P5: 17a-Hydroxypregnenolon; 17a-OHP4: 17a-Hydroxyprogesteron; S: 11-Desoxykortisol; DHEA: Dehydroepiandrosteron; D4-AED: D4-Androstendion; E1:
Ústron; E2: Ústradiol; 7a-OHE1: 7a-Hydroxyestron; E3: Ústriol; D5-AED: D5-Androsten-3b,17b-diol; T: Testosteron; A-diol: Androstan-3a,17b-diol; DHT: Dihydrotestosteron; 2-OH-E2: 2-Hydroxyestradiol; A: Androsteron; 5a-AAD: Androstandion. Enzyme: 3b-HSD/Iso: 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase/Isomerase; 11b- oder 17b- oder 20a-HSD: 11boder 17b- oder 20a-Hydroxysteroid-Dehydrogenase; 5a-Red: 5a-Reduktase; Monooxygenasen sind mit P450cN abgekçrzt, wobei N fçr entsprechendes Kohlenstoffatom der Hydroxylierung steht; Aro: Aromatase (ebenfalls ein P450-Enzym)
5a-Androstan-3a,17b-diol, bindet sogar an den Ústradiolrezeptor b und reguliert das Wachstum in der Prostata (Weihua et al. 2002). Die unidirektionale 3b-Dehydrogenase/D5-D4-Isomerase setzt DHEA zu D4-Androstendion und D5-AED zu Testosteron um (Thomas et al. 1989). Ein weiteres, viel bedeutsameres Enzym der Testosteronbiosynthese, das die Synthese von Testosteron aus
D4-Androstendion katalysiert, ist die hodenspezifische 17b-HSD-3 (Geissler et al. 1994). Auch im Gehirn und in Knochenzellen ist eine solche D4-Androstendion-Aktivierung nachgewiesen worden (Steckelbroeck et al. 2003). Unklar bleibt noch, ob noch andere 17b-HSD, wie z. B. Typ 5, bei der Testosteronsynthese eine bedeutsame Rolle spielen (Dufort et al. 1999; Lin et al. 1997).
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J. Adamski
Dihydrotestosteron (DHT) ist ca. dreimal aktiver als Testosteron und entsteht nach Umwandlung des Testosterons durch eine 5a-Reduktase. Auch andere inaktive Androgenvorstufen des DHT, wie Androstan-3a,17b-diol, Androsteron oder Androstandion zirkulieren im Blut. In den Zielgeweben (z. B. in der Haut oder Prostata) werden diese durch 3a-HSD, 3b-Dehydrogenase/D5-D4-Isomerase und 17b-HSD-5 aktiviert (Labrie et al. 2000). Etwa 50% des DHT entsteht peripher.
6.1.3.5 Ústrogene Auch das weibliche Sexualhormon Ústradiol (E2) kann aus zwei androgenen Vorlåufern entstehen, durch Aromatisierung des A-Rings des Testosterons oder durch Aromatisierung des A-Rings des D4-Androstendions, gefolgt von einer Reduktion an der Position 17 des Zwischenprodukts Ústron (Labrie et al. 1994). Die Aktivierung von Ústron zu Ústradiol kann durch 17b-HSD-1, -5 und -7 erfolgen. Die Verteilung der beteiligten Enzyme ermæglicht die Ústradiolsynthese nicht nur im Ovar, sondern auch in der Plazenta, im Brustgewebe, im Uterusepithel und im Gehirn (Mindnich et al. 2004; Peltoketo et al. 1996, 1999 b). Die Inaktivierung des Ústradiols katalysieren die Enzyme 17b-HSD-2, -4, -8 und -10. Sie sind in groûen Mengen exprimiert im Brust- und Uterusepithel und in geringeren Mengen in fast allen Geweben. Fçr die Inaktivierung und Aktivierung des Ústradiols sind jedoch 17b-HSD-1 und -2 die wichtigsten Enzyme (Tærn et al. 2003).
6.1.3.6 Konsequenzen der vielfachen Enzymausstattung fçr die Hormonwirkung Eine Zelle, die Ústradiol- und Androgenrezeptoren (ER bzw. AR) exprimiert, kann aufgrund ihrer enzymatischen Ausstattung mit dem gleichen endokrin verfçgbaren Hormonen, z. B. mit Testosteron, unterschiedliche Reaktionen zeigen. Testosteron bindet an den AR. Enthålt die Zelle 5a-Reduktase, so kann das DHT mit seiner hæheren Affinitåt zum AR einen noch stårkeren androgenen Effekt bewirken. Werden in der gleichen Zelle die Enzyme Aromatase und 17b-HSD-1 exprimiert, so kann Testosteron in Ústradiol umgewandelt werden, das durch Bindung an den ER auch æstrogene Effekte hervorruft (Clark et al. 1992).
6.1.4 Andere Wege der Steroidmetabolisierung 6.1.4.1 Hydroxylierung Mehrere Zytochrom-P450-abhångige Monooxygenasen beteiligen sich am Metabolismus der Steroide. Enzyme wie P450scc (¹side chain cleavageª), verschiedene Hydroxylasen (P450c17, P450c21, P450c11) oder die P450-Aromatase katalysieren Schritte der Steroidbiosynthese. Steroide sind lipophile Molekçle ohne nennenswerte Læslichkeit in Wasser. Die Ausscheidung der Steroide wird durch zusåtzliche Hydroxylierungen des Steroidgerçsts begçnstigt. Hier sind weitere Monooxygenasen aktiv, die Hydroxylierungen an den Positionen 2, 4, 6a/b, 7a/b oder 16a durchfçhren. Als Substrate fçr solche Reaktionen dienen vor allem Androgene und Ústrogene (Abb. 6.1.4). Die Hydroxylierungen erfolgen meist in der Leber. Allerdings sind dabei auch weitere Organe beteiligt: Die Katecholæstrogene 2- oder 4-Hydroxyæstron werden im Gehirn gebildet, die Hydroxylierungen an Position 6 oder 7 wurden auch im Uterusepithel nachgewiesen. Ústriol (16a-Hydroxyæstradiol, E3) wird in relativ hohen Konzentrationen wåhrend der Schwangerschaft synthetisiert, seine Rolle beim Menschen ist jedoch nicht geklårt. Die plazentare Synthese des Ústriols erfolgt aus Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEA-S), das aus der fetalen Nebennierenrinde (NNR) ausgeschçttet wird.
6.1.4.2 Sulfatierung Die Hydroxylierung eines Steroids ist die Voraussetzung fçr weitere metabolische Prozesse (Abb. 6.1.5). Sulfotransferasen (ST) kænnen Steroide, die eine Hydroxylgruppe in der Position 3 aufweisen, zu Sulfatderivaten umwandeln. Diese Reaktionen werden durch Enzyme einer groûen Genfamilie der zytosolischen Sulfotransferasen katalysiert (Yoshinari et al. 2001). Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEA-S), D5-Androstendiolsulfat (D5-AED-S), Ústradiolsulfat (E2-S) und Ústronsulfat (E1-S) stellen als Speicherformen wichtige Vorlåufer der lokalen Steroidbiosynthese dar. Sie werden in der Nebenniere, Leber, Plazenta, Prostata und im Hoden gebildet und zirkulieren in hohen Konzentrationen im Blut (z. B. DHEA-S mit bis zu 10 lM). Die Sulfotransferasen sind auch im gastrointestinalen Trakt vorhanden, wo sie unter Einbeziehung der Mikroflora die Sulfatierung verschiedener Ste-
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6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
roide und Phenole katalysieren (Chen et al. 2003). Die Sulfate kænnen gewebespezifisch durch Sulfatasen (STS) zu freien Steroiden hydrolysiert werden. Diese sind dann systemisch oder lokal bei beiden Geschlechtern verfçgbar.
6.1.4.3 Glukuronierung Durch die Bindung an Glukuronsåure werden 3-, 4- oder 17-hydroxylierte Steroide wasserlæslich (Abb. 6.1.6). Diese Glukuronierung erfolgt durch Uridindiphosphat-5'-Glukuronosyltransferasen (UGT), hauptsåchlich in der Leber, aber auch in gastrointestinalen Organen, der Haut oder der Prostata (Belanger et al. 2003). Die glukuronierten Steroide sind als Hormone inaktiv. Beim Menschen sind ca. 18 UGT-Isoformen bekannt. Fçr die Konjugation der Ústrogene und Katecholæstrogene sind die UTG der Genfamilie 1A (1A3 und 1A9) verantwortlich. Androgene werden durch verschiedene Mitglieder der UTG1A- und UTG2B-Genfamilie metabolisiert. Die Glukuronierung an Position 17 katalysieren UTG2B15 und UTG2B17. b-Glukuronidasen (b-G) kænnen die konjugierten Steroide durch Hydrolyse freisetzen.
6.1.5 Erkrankungen, die aufgrund von Stærungen der Steroidaktivierung und -inaktivierung entstehen 6.1.5.1 5a-Reduktase: Inkompletter Pseudohermaphroditismus und polyzystisches Ovar-Syndrom Zwei Isoformen der 5a-Reduktase, Typ 1 und Typ 2, sind bekannt. Die Enzyme werden durch die Gene SRD5A1 (Chromosom 5p15) und SRD5A2 (Chromosom 2p23) codiert. Mehrere Mutationen der 5a-Reduktase Typ 2 (Online Mendelian Inheritance in Man, OMIM #607306) sind beschrieben und fçhren dazu, dass die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron gar nicht oder nur in geringerem Maûe stattfindet (Andersson et al. 1991). Verluste in der Expression der 5a-Reduktase 2 werden durch Typ 1 nicht kompensiert. Die betroffenen Patienten haben normale Testosteronwerte, zeigen jedoch einen weiblichen Phånotyp mit Hypospadie (Fehlbildung der Harnræhre). Sie werden als Mådchen aufgezogen, meist tritt die månnliche Identitåt im Laufe der Pubertåt zum Vorschein. Die Patienten kænnen fertil sein (Nordenskjold u. Ivarsson 1998). Eine erhæhte Aktivitåt der 5a-Reduktase in Theca- und Granulosazellen wird im polyzystischen Ovar-Syndrom (PCOS) beobachtet (Jakimiuk et al. 1999). Mehrere 5a-reduzierte Androgene (Abb. 6.1.5) kænnten bei der Pathogenese des PCOS eine Rolle spielen.
6.1.5.2 11b-HSD: Adipositas und apparentes Mineralokortikoidexzess-Syndrom
Abb. 6.1.6. Sulfatierung und Glukuronierung von Steroiden. Steroidsulfotransferasen (STs) sulfatieren die 3-Hydroxylgruppen von Steroiden unter Verwendung des Ûbertrågermolekçls PAPS (3'-Phosphoadenosin-5'-Phosphosulfat). Steroidsulfatasen (STSs) spalten die Sulfatreste hydrolytisch ab. Glukuronsåurereste werden von Glukuronyldiphosphat-Uridin durch UDP-Glukuronyl-Transferasen (UGTs) auf Hydroxylgruppen an Position 3 oder 17 der Steroide çbertragen. Die Hydrolyse von Glukuroniden katalysieren b-Glukuronidasen (b-G). DHEA: Dehydroepiandrosteron; DHEA-S: Dehydroepiandrosteronsulfat; DHT: Dihydrotestosteron; DHT-G: Dihydrotestosteronglukuronid
Die Redoxreaktionen an Position 11 werden durch die 11b-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen Typ 1 (HSD11B1-Gen, Chromosom 1q32-q41) und Typ 2 (HSD11B2-Gen, Chromosom 16q22) katalysiert. 11b-HSD Typ 1 synthetisiert Kortisol in der Leber, kann jedoch Glukokortikoide durch lokale Wirkung zusåtzlich in Adipozyten aktivieren. Transgene 11b-HSD-1-Måuse (Ûberproduktion von 11b-HSD-1) entwickeln Ûbergewicht und eine Adipositas (Masuzaki et al. 2001). Dagegen hat eine 11b-HSD-1-Maus-Null-Mutante (gånzliches Fehlen von 11b-HSD-1) niedrige Lipidprofile, eine gute Insulinwirkung und einen atheroprotektiven Phånotyp (Morton et al. 2001). Die Aktivitåt der 11b-HSD-2 kann durch Mutationen (OMIM #218030) im HSD11B2-Gen (Chro-
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mosom 16q22) oder durch inhibitorische Wirkung von Glyzyrrhetinsåure (vorhanden z. B. in Lakritze) vermindert werden. Dadurch wird der Mineralokortikoidrezeptor mit Kortisol çberflutet, und Aldosteron kann die Natriumhomæostase in der Niere nicht mehr regulieren (Obeyesekere et al. 1995; Stewart et al. 1987). Es kommt bei betroffenen Menschen zu hohem Blutdruck, Hypokaliåmie und niedriger Reninaktivitåt im Plasma. Weitere Informationen darçber sind bei Tomlinson (Tomlinson et al. 2004) nachzulesen.
6.1.5.3 Allgemeine Bedeutung der 17b-HSD fçr die Entstehung von menschlichen multifaktoriellen Krankheiten Bei einer Anzahl weiterer multifaktorieller Erkrankungen, wie etwa Krebs und neuronalen Krankheiten, spielen Androgene und Ústrogene eine wichtige Rolle. Eine mit Steroidhormonen in Verbindung stehende Karzinogenese hat ihre Ursache in beschleunigtem Zellwachstum und einer folgenden Anhåufung zufålliger genetischer Fehler (Henderson u. Feigelson 2000). Es wird angenommen, dass die Entstehung von Darm-, Brust-, Gebårmutter- und Prostatakrebs einerseits durch den Verlust von oxidativer Aktivitåt und andererseits durch den Anstieg reduktiver Aktivitåt gegençber Ústrogenen und Androgenen gefærdert wird (Vihko et al. 2002). In Darmkrebsgewebe oder -zelllinien wurde eine niedrigere oxidative Aktivitåt (niedrigerer Umsatz von Ústradiol zu Ústron) beobachtet (English et al. 1999, 2000; Oduwole et al. 2002). Diese Aktivitåt kænnte von den 17b-HSD-2, -4, -8 und -10 stammen. Es wurde festgestellt, dass sowohl 17b-HSD-2 als auch 17b-HSD-4 in Darmkrebstumoren herunterreguliert waren, und wie erwartet korrelierte in Darmkrebszelllinien das Wachstum invers zur Ústradioloxidation. Bei Funktionsstærungen der menschlichen Brust ist 17b-HSD-1 in proliferativen Erkrankungen ohne Atypie, in atypischer duktaler Hyperplasie sowie in In-situ- und invasiven duktalen Karzinomen stark exprimiert. Zusåtzlich war 17b-HSD-2 bisher in keiner der Låsionen detektierbar. Auûerdem war die Koexpression von 17b-HSD-1 mit dem Ústrogenrezeptorstatus in invasiven Duktalkarzinomfållen positiv korreliert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Brustkarzinome effektiv Ústron zu Ústradiol aktivieren kænnen und somit eine æstrogene Wirkung mittels Ústrogenrezeptor auf Tumorzellen ausçben (Gunnarsson et al. 2001; Mi-
yoshi et al. 2001; Suzuki et al. 2002; Vihko et al. 2002). Mehrere Prostatakrebszelllinien exprimieren zahlreiche Formen von 17b-HSD. Allerdings scheint 17b-HSD-2 entweder verloren gegangen oder aber herunterreguliert zu sein (Castagnetta et al. 1997; Elo et al. 1996). Es wurde postuliert, dass die Hochregulation reduktiver 17b-HSD, wie z. B. 17b-HSD-5 und -7, mit einem beschleunigten Wachstum von Prostatazellen zusammenfållt (Dufort et al. 1999; Harkonen et al. 2003; Tærn et al. 2003; Vihko et al. 2002). Die Rolle von 17b-HSD in der Pathogenese der Endometriose, einer æstrogenabhångigen Stærung, ist immer noch unklar (Bulun et al. 2002; Gurates und Bulun 2003). Insbesondere der Verlust der 17b-HSD-2-Expression kænnte die Unfåhigkeit ektopischen Gewebes reflektieren, sich gegen die proliferative Wirkung von Steroiden zu schçtzen. Alle Formen der 17b-HSD konnten in verschiedenen Teilen des Gehirns identifiziert werden (Steckelbroeck et al. 1999, 2003; Stoffel-Wagner 2001; Stoffel-Wagner et al. 1999). Obgleich viele Steroide eine etablierte, neuroprotektive Rolle besitzen, sind deren genaue Mechanismen bislang noch unbekannt (Behl 2002). Es existieren einige Verånderungen im Steroidmetabolismus, die mit neuronalen Erkrankungen assoziiert werden. Oxidative 17b-HSD-Aktivitåt in menschlichen Meningeomen ist erklårbar mit einer Hochregulation von 17bHSD-2-mRNA (Carsol et al. 1996), wohingegen die Expressionen und Aktivitåten der 17b-HSD-1±4, vorkommend in anterioren Hypophysenadenomen, nicht korrelieren (Green et al. 1999). Der Grund hierfçr kænnte im Vorhandensein anderer Formen von 17b-HSD liegen, die in diese Studie nicht mit eingeschlossen waren. In Studien zur AlzheimerKrankheit wurde 17b-HSD-10 anhand seiner zwei Fåhigkeiten, Bindung an das b-Amyloid-Peptid und Umsatz von Steroidhormonen, beschrieben (He et al. 1999; Yan et al. 1997). Es wurde vermutet, dass hohe Spiegel des Enzyms die Steroidhormonhomæostase in den Synapsen zerstæren und so zum Synapsenverlust im Hippocampus des Mausmodells von Alzheimer beitragen kænnten (He et al. 2002). Es bleibt auch unklar, wie der erhæhte Metabolismus von Dehydroepiandrosteron zu D5-Androsten-3b,17b-diol (D5-AED), mittels 17b-HSD-1- oder -5-Aktivitåt, zur Wirkung von Steroiden im alternden Gehirn beitrågt (Weill-Engerer et al. 2003).
a
6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
6.1.5.4 17b-HSD-3-Defizienz und Pseudohermaphroditismus
6.1.5.6 Steroidsulfatase: Ichthyosis, plazentare Steroidsulfatase-Defizienz
17b-HSD Typ 3 wird durch das HSD17B3-Gen (Chromosom 9q22) codiert. Einige Punktmutationen und Splice-Mutationen inaktivieren die 17bHSD-3 (Geissler et al. 1994). Die håufigste inaktivierende Mutation ist R80Q (Rosler et al. 1996). Der Phånotyp der 17b-HSD-3-Defizienz (OMIM #605573) åhnelt dem der 5a-Reduktase-Typ-2-Defizienz. Beide Gruppen von Patienten haben innere Genitalorgane und einen weiblichen Kærperbau. Jedoch ist im Fall der 17b-HSD-3-Defizienz der Testosteronspiegel sehr niedrig. Die Testosteronkonzentration steigt in der Pubertåt, mæglicherweise aufgrund von 17b-HSD-Typ-5-Aktivitåt (Mindnich et al. 2004). Die månnlichen Patienten sind infertil und entwickeln eine Gynåkomastie. Frauen mit Mutationen im HSD17B3-Gen bleiben asymptomatisch (Boehmer et al. 1999; Mendonca et al. 1999; Rosler et al. 1996).
Deletionen im STS-Gen (Chromosom Xp22.32) verursachen etwa 85% der bekannten menschlichen Mutationen der Steroidsulfatase. Die 3b-Steroidsulfatase-Defizienz (OMIM #308100) wurde zuerst in der Plazenta entdeckt (Castano Suarez et al. 1997; Francis 1994). Die Defizienz zeichnet sich durch niedrige Ústriolkonzentrationen im Plasma und Urin, eine Verlångerung der Schwangerschaft und eine hohe Frequenz von Totgeburten aus. Die lebend geborenen Kinder sind zuerst unauffållig, entwickeln aber dann eine Ichthyosis (Fischschuppenkrankheit). Fçr die Pathogenese der Erkrankung und Vererbung der STS-Mutationen spielt die Lyonisierung (Inaktivierung eines der beiden XChromosomen) eine groûe Rolle (Shapiro et al. 1989). Als biochemische Ursache wird bei Ichthyosis eine Akkumulation von Cholesterinsulfat angesehen. Diese Erkrankung wird von Hypogonadismus begleitet (Traupe et al. 1984). Die ¹ScrufyMausª zeigt den gleichen Phånotyp und stellt ein Tiermodell fçr die Untersuchungen des STS-Gens dar (Means et al. 2000).
6.1.5.5 17b-HSD-4: D-bifunktionale Proteindefizienz und Stiff-Man-Syndrom Mutationen im HSD17B4-Gen (Chromosom 5q23), codierend fçr 17b-HSD-4 (¹D-bifunctional proteinª, ¹multifunctional protein 2ª), verursachen Stærungen in der b-Oxidation der Fettsåuren, der Gallensåuresynthese und der Steroidinaktivierung (OMIM #601860). Die Patienten entwickeln eine muskulåre Hypotonie, faziale Dysmorphien, eine psychomotorische Entwicklungsverzægerung, Defekte der neuronalen Migration sowie eine Demyelinisierung und sterben innerhalb des ersten Lebensjahres. Die erste identifizierte Mutation, G16S, liegt in der Kofaktorbindungsdomåne und inaktiviert das Enzym (van Grunsven et al. 1998). Die Null-Mutante des HSD17B4-Gens in der Maus ist im Gegensatz zu den menschlichen Mutanten çberlebensfåhig und stellt damit ein interessantes Tiermodell fçr die Pathogenese dar (Baes et al. 2000). Antikærper gegen 17b-HSD-4 treten bei einer nicht lethalen Autoimmunerkrankung, dem Stiff-Man-Syndrom (OMIM #184850) auf, die mit unkontrollierten Zuckungen einhergeht (Dinkel et al. 2002).
6.1.5.7 Uridindiphosphat-5'Glukuronosyltransferasen Eine niedrigere Effizienz in der Glukuronierung von DHT, bewirkt durch das UGT2B15-Allel D85Y (Chromosom 4q13), ist mit einem erhæhten Auftreten von Prostatakarzinomen assoziiert (MacLeod et al. 2000). Die Bedeutung weiterer mutierter UGT2B-Enzyme in der Entwicklung von Hirsutismus, Akne oder Alopecia wird ebenfalls vermutet (Belanger et al. 2003). Bei Steroidkonjugierung und Dekonjugierungsprozessen wird eine Modulierung durch Xenobiotika oder Phytoæstrogene entweder in der Leber oder in der gastrointestinalen Mikroflora beobachtet (Kiang et al. 2005; Mesia-Vela u. Kauffman 2003; Stott et al. 2004).
6.1.6 Strukturelle Merkmale der 11b- und 17b-HSD Kinetische Untersuchungen lieûen bereits auf die Existenz mehrerer 11b- und 17b-HSD schlieûen; spåter wurden sie molekularbiologisch kloniert (Blomquist 1995; Michael et al. 1997). Die meisten
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Abb. 6.1.7. Modell einer 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase. Das Homologiemodell der 17b-HSD-7 wurde anhand der Øhnlichkeit zu kristallisierten SDR berechnet (Marijanovic et al. 2003). Strukturmerkmale: b-Faltblatt (blau), a-Helix (rot), Kofaktor NADPH (rosa), Substrat Ústron (grçn). Konservierte Aminosåuremotive (Tabelle 6.1.1) sind aufgelistet
der 11b- und 17b-HSD sind Mitglieder der SDRGenfamilie (¹short chain dehydrogenase/reductaseª). Eine Ausnahme bildet die 17b-HSD-5, die zur AKR-Genfamilie (Aldoketo-Reduktase) gehært. Alle HSD verwenden Nicotinamidadenin-Phosphat-Nukleotide (NAD[P][H]) als Kofaktoren. SDR bilden multimere Enzymkomplexe (Masse des Monomers ca. 30 kDa) und transferieren das proS-Hydridion zwischen Kofaktor und Steroid. AKR hingegen sind monomer (ca. 37 kDa) und transferieren das pro-R-Hydridion (Penning 2003). Die strukturellen Merkmale der Enzyme aus der SDR-Genfamilie beschrånken sich auf einige stark konservierte Motive ± der Grad der Sequenzidentitåt innerhalb der Genfamilie ist ansonsten mit 15±30% verhåltnismåûig niedrig. Dagegen zeigt sich in der Konformation eine sehr åhnliche Architektur: SDR-Monomere weisen eine Ein-Domånen-Struktur mit charakteristischem a/b-Faltungsmuster auf (Abb. 6.1.7). SDR-Monomere bestehen aus etwa 250 Aminosåuren und enthalten die katalytische Triade aus Serin (S), Lysin (K) und Tyrosin (Y) im aktiven Zentrum (Motiv: YxxSK, x = beliebige Aminosåure). Weitere Charakteristika sind ein NNAG-Motiv und ein PG-Motiv zur Strukturstabilisierung sowie das Kofaktor-Bindungsstellen-Motiv GxxxGxG (Tabelle 6.1.1). Wie andere nukleotidbindende Enzyme weisen auch SDR eine Rossmann-Faltung auf, ein bab-Motiv (Oppermann et al. 2001, 2003). Die genannten Sequenzmotive sind fçr die Identifizierung neuer, noch nicht charakterisierter SDR-Gene in sequenzierten Genomen von groûer Bedeutung.
Tabelle 6.1.1. Konservierte Aminosåuremotive in den 17bHydroxysteroid-Dehydrogenasen Sequenzmotiv
a
Position a Sekundårstruktur
GxxxGxG
13±19
NNAG
86±89
N GxxxxxxS
111 131±138
YxxSK
151±155
PG
183±184
Funktion
Turn zwischen Kofaktor-BindebA und bB stelle Ende von bD Strukturstabilisierung aE Katalyse bE Stabilisierung des katalytischen Komplexes aF Aktives Zentrum, Katalyse Turn nach aF Strukturstabilisierung
Aminosåureposition in humaner 17b-HSD-1.
6.1.7 Resçmee und Ausblick 6.1.7.1 Neue steroidmetabolisierende Enzyme Nach Vollendung der Sequenzierung des menschlichen Genoms kænnen nun neue steroidmetabolisierende Enzyme mit Hilfe bioinformatischer Analysen annotiert (identifiziert und beschrieben) werden. Beim Menschen werden z. B. insgesamt etwa 70 SDR-Gene (dazu gehæren auch 11b- und 17b-HSD) erwartet (Oppermann et al. 2003). Øhnlich den ¹orphan nuclear receptorsª wurden auch ¹orphan enzymesª identifiziert. Diese zeigen kon-
a
6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
servierte Motive der Aminsoåuresequenz der SDRGenfamilie, wurden jedoch noch nicht enzymatisch charakterisiert: z. B. ¹orphan short-chain dehydrogenase/reductaseª (SDR-O) (Chen et al. 2002), ¹prostate short-chain dehydrogenase/reductase 1ª (PSDR1) (Lin et al. 2001) oder ¹hydroxysteroid dehydrogenase-like 1 und -2ª (HSDL1 und 2) (Dai et al. 2003; Huang et al. 2001).
6.1.7.2 Entwicklung von Inhibitoren Eine lokale Aktivierung der Steroide, z. B. im Brustepithel oder der Prostata, kann zu einer effektiven parakrinen oder intrakrinen Stimulation des Zellwachstums und im Weiteren zur Krebsentwicklung fçhren. Bei einer solchen Indikation wåre die Anwendung enzymspezifischer Inhibitoren sehr er-
a
Abb. 6.1.8 a, b. Struktur der humanen 17b-HSD-1. a Monomerstruktur, Sekundårstrukturmerkmale und Substrate sind farbig unterlegt: b-Faltblatt (dunkelblau), a-Helix (rot), Schlaufen (¹turnsª, weiû), Kofaktor NADPH (rosa), Substrat Ústron (grçn). b Unmittelbare Umgebung des Kofaktors und des Substrates. Aminosåurereste, die in weniger als 2 â Abstand vorkommen, sind benannt, und ihre chemischen Merkmale sind farbig unterlegt. Die Aminosåuren des katalytischen Motivs Y, S und K sind nummeriert. Die Oberflåchen des Kofaktors und des Substrats sind halbdurchsichtig dargestellt
b
wçnscht. Als Ausgangssubstanzen fçr die Entwicklung solcher Enzymhemmer werden beispielsweise die Gerçste der nativen Substrate verwendet. So wurde z. B. Finasterid (ein Androgenderivat) als 5a-Reduktase-Hemmer zur Behandlung von Karzinomen und Hyperplasien der Prostata etabliert (Fleshner u. Trachtenberg 1993; McConnell et al. 2003). Bei der Entwicklung von Krebstherapien oder Hormontherapie im Klimakterium wurden auch Phytoæstrogene einbezogen. Diese sind pflanzliche Substanzen, die eine æstrogenåhnliche Wirkung bei Tieren und Menschen verursachen. Die hemmende Wirkung der Phytoæstrogene auf steroidmetabolisierende Enzyme ist gut dokumentiert (Deluca et al. 2005). Ihre Anwendung in den Therapien ist jedoch umstritten, da viele Nebenwirkungen oder gar keine Vorteile beobachtet wurden (Cross et al. 2004; Nandur et al. 2004; Nikander et al. 2004; Wuttke et al. 2003).
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Fçr die Entwicklung von Inhibitoren sind Kenntnisse çber die 3D-Strukturen der Zielenzyme vorteilhaft. Mehrere menschliche steroidmetabolisierende Enzyme wurden bereits kristallisiert (z. B. 3b-HSD-1, 20a-HSD, 17b-HSD-1, Sulfotransferase 2B1b) (Couture et al. 2003; Lee et al. 2003; Thomas et al. 2001; Zhu et al. 1993) und kænnen zum Homologie-Modeling verwendet werden. In Abb. 6.1.8 ist die Struktur der 17b-HSD-1 (Breton et al. 1996) zusammen mit dem Kofaktor NADPH und dem Substrat Ústron gezeigt. Durch die Analyse rekombinanter Mutanten wurden Aminosåuren bestimmt, die fçr die Positionierung des Kofaktors und des Substrates im aktiven Zentrum eine Rolle spielen. Durch molekulare Modellierung ist es jetzt mæglich, verschiedene Substrate zu berechnen, die in dem Enzym affine und spezifische Wechselwirkungen mit wichtigen Aminosåuren eingehen und dadurch kompetitiv eine Umsetzung von nativen Substraten verhindern kænnen. Als Beispiel einer solchen Entwicklung wird in Abb. 6.1.9 das Thiahexanamidderivat des Ústrons, eines Inhibitors der 17b-HSD-1, gezeigt (Poirier et al. 1998; Tremblay et al. 1999).
Einige Inhibitoren der 11b- oder 17b-HSD werden zur Zeit klinisch getestet. Ein wichtiges Kriterium bei der Entwicklung neuer Inhibitoren von Steroid metabolisierenden Enzymen ist ihre Wirkung auf Steroidrezeptoren. Eine Bindung der Hemmstoffe an Steroidrezeptoren und damit eine Signalleitung (Hormonwirkung) sollte mæglichst nicht vorhanden sein (Poirier 2003).
Abb. 6.1.9. Beispiel eines 17b-HSD-1-Inhibitors. Die chemischen Formeln und entsprechenden 3D-Strukturen des Ústrons und des 6b-(N-Butyl,N-Methyl-Thiahexanamid)-
Ústrons sind dargestellt. Die Ringe A, C und D sind identisch und dienen der Erkennung und Positionierung des Inhibitors
6.1.7.3 Perspektiven Die Steroidbiosynthese hat in den letzten Jahren ein neues Verståndnis der endokrinologischen Prozesse gefærdert. Neben der systemischen gonadalen Steroidsynthese spielt die lokale Steroidsynthese und der Abbau in peripheren Geweben eine groûe Rolle. Selbst wenn einige steroidogene Enzyme ubiquitår vorhanden sind, haben verschiedene Gewebe deutliche Pråferenzen in der Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone. Danksagung. Meinen Mitarbeiterinnen Dr. Gabriele Mæller, Dr. Dominga Deluca, Dr. Cornelia Prehn,
a
6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
Dr. Rebekka Mindnich und Brigitte Keller bin ich fçr fruchtbare Diskussionen und die Hilfe bei der Verbesserung des Manuskriptes zu groûem Dank verpflichtet. Frau PD Dr. Anita Muntau danke ich fçr umfangreiche medizinische Konsultationen. Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesministerium fçr Forschung und Bildung unterstçtzt.
6.1.8 Literatur Andersson S, Berman DM, Jenkins EP, Russell DW (1991) Deletion of steroid 5 alpha-reductase 2 gene in male pseudohermaphroditism. Nature 354: 159±161 Baes M, Huyghe S, Carmeliet P, Declercq PE, Collen D, Mannaerts GP, Van Veldhoven PP (2000) Inactivation of the peroxisomal multifunctional protein-2 in mice impedes the degradation of not only 2-methyl-branched fatty acids and bile acid intermediates but also of very long chain fatty acids. J Biol Chem 275: 16329±16336 Behl C (2002) Oestrogen as a neuroprotective hormone. Nat Rev Neurosci 3: 433±442 Belanger A, Pelletier G, Labrie F, Barbier O, Chouinard S (2003) Inactivation of androgens by UDP-glucuronosyltransferase enzymes in humans. Trends Endocrinol Metab 14: 473±479 Blomquist CH (1995) Kinetic analysis of enzymic activities: prediction of multiple forms of 17 beta-hydroxysteroid dehydrogenase. J Steroid Biochem Mol Biol 55: 515±524 Boehmer AL, Brinkmann AO, Sandkuijl LA et al. (1999) 17Beta-hydroxysteroid dehydrogenase-3 deficiency: diagnosis, phenotypic variability, population genetics, and worldwide distribution of ancient and de novo mutations. J Clin Endocrinol Metab 84: 4713±4721 Breton R, Housset D, Mazza C, Fontecilla-Camps JC (1996) The structure of a complex of human 17beta-hydroxysteroid dehydrogenase with estradiol and NADP+ identifies two principal targets for the design of inhibitors. Structure 4: 905±915 Bulun SE, Gurates B, Fang Z et al. (2002) Mechanisms of excessive estrogen formation in endometriosis. J Reprod Immunol 55: 21±33 Carsol JL, Adamski J, Guirou O, Gerard H, Martin PM, Launoit Y de (1996) 17 beta-Hydroxysteroid dehydrogenase activity correlates with the type-2 17 beta-hydroxysteroid dehydrogenase mRNA abundance in human meningioma tumors. Neuroendocrinology 64: 70±78 Carson-Jurica MA, Schrader WT, O'Malley BW (1990) Steroid receptor family: structure and functions. Endocr Rev 11: 201±220 Castagnetta LA, Carruba G, Traina A et al. (1997) Expression of different 17beta-hydroxysteroid dehydrogenase types and their activities in human prostate cancer cells. Endocrinology 138: 4876±4882 Castano Suarez E, Segurado Rodriguez A, Guerra Tapia A, Simon de las Heras R, Lopez-Rios F, Coll Rosell MJ (1997) Ichthyosis: the skin manifestation of multiple sulfatase deficiency. Pediatr Dermatol 14: 369±372 Chen G, Zhang D, Jing N, Yin S, Falany CN, RadominskaPandya A (2003) Human gastrointestinal sulfotransfer-
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6.1 Lokale Aktivierung und Inaktivierung der Steroidhormone, insbesondere der Sexualhormone
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene Hubertus Jarry
Inhaltsverzeichnis 6.2.1
6.2.2 6.2.2.1 6.2.2.2 6.2.2.2.1 6.2.2.2.2 6.2.2.2.3 6.2.2.3 6.2.3 6.2.3.1 6.2.3.1.1
Grundsåtzliche Betrachtungen zur auto- und parakrinen Regulation der gonadotropen Achse . . . . . . . . . . . Auto- und parakrine Kontrolle des hypothalamischen GnRH-Pulsgenerators Autokrine Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators durch GnRH . . Parakrine Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators durch Gliazellen Transforming Growth Factor b . . . . . . . . Transforming Growth Factor a . . . . . . . . Zyklusabhångige Expression von Transforming Growth Factor im Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . Auto-/parakrine Effekte von Inhibin/Aktivin und Follistatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auto- und parakrine Kontrolle der gonadotropen Zellen . . . . . . . . . . . Luteinisierendes Hormon . . . . . . . . . . . Pituitary Adenylate Cyclase Activating Peptide
561 562 563 563 564 564 564 565 566 567 568
6.2.1 Grundsåtzliche Betrachtungen zur auto- und parakrinen Regulation der gonadotropen Achse Die Aktivitåt der Gonaden wird primår durch endokrin wirkende Hormone innerhalb des Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Systems reguliert. Die an der ¹gonadotropen Achseª beteiligten Organe sind in beiden Geschlechtern das Gehirn, insbesondere der Hypothalamus (Sekretion des Neuropeptids Gonadotropin-Releasinghormon, GnRH), die Adenohypophyse (Ausschçttung der Gonadotropine luteinisierendes Hormon [LH] und Follikel stimulierendes Hormon [FSH]) sowie die Ovarien oder Testis (Freisetzung von Ústradiol und Progesteron bzw. Testosteron). Die Interaktion dieser Organe in Form einer negativen endokrinen Rçckkopplung wird durch die gonadalen Steroide gewåhrleistet. In weiblichen Såugetieren bewirken zusåtzlich immer noch weitgehend unbekannte Mechanismen durch eine kurzzeitige positive Rçckkopplung von Ústradiol
6.2.3.2 Follikel stimulierendes Hormon . . . . . . . . 6.2.3.2.1 Biochemie des Inhibin-Aktivin-FollistatinSystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.2.2 Direkte Regulation von FSH-Sekretion durch Inhibin/Aktivin und Follistatin . . . . 6.2.3.2.3 Expression von Aktivinrezeptoren in der Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.2.4 Expression von Inhibinrezeptoren in der Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.2.5 Regulation der Expression des GnRH-Rezeptors durch Inhibin/Aktivin und Follistatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.2.6 Parakrine Regulation der a-Untereinheit . . 6.2.3.3 Parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion wåhrend der Pubertåt . . . . . . . . 6.2.3.4 Parakrine Regulation der GZ in månnlichen Primaten . . . . . . . . . . . .
569 569 570 571 571 572 573 573 574
6.2.4
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
6.2.5
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
auf den Hypothalamus (vermehrte GnRH-Freisetzung) und die Adenohypophyse (erhæhte Expression und Sensitivitåt des GnRH-Rezeptors) den pråovulatorischen Gonadotropinpeak. Auf jeder der drei genannten Ebenen erfolgt nicht nur eine endokrin vermittelte Regulation der Biosynthese und Sekretion von Hormonen sowie der Kontrolle der Rezeptorexpression und -sensitivitåt, sondern auch auto- und parakrine Mechanismen scheinen die Aktivitåt der gonadotropen Achse zu modulieren. Diese Relativierung des physiologischen Stellenwertes der lokalen Regulationssysteme beruht auf zwei Tatsachen: 1. Zur Zeit sind keine klinisch relevanten pathophysiologischen Prozesse innerhalb dieser Achse bekannt, die kausal auf einer gestærten autobzw. parakrinen Regulation beruhen (eine mægliche Ausnahme kænnte die Tumorgenese in der Adenohypophyse sein, siehe hierzu Kap. 2.2), 2. Experimentelle In-vivo-Studien oder gar klinische Versuche mit Primaten/Menschen sind entweder prinzipiell unmæglich oder nur in EinzelGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
562
H. Jarry
fållen mæglich, da auto- und parakrine Faktoren definitionsgemåû nur in den interstitiellen Raum sezerniert werden und somit nicht in der peripheren Zirkulation gemessen werden kænnen. Um Aussagen çber die In-vivo-Sekretion lokal freigesetzter, regulatorisch aktiver Substanzen treffen zu kænnen, mçssen diese Stoffe fçr eine Analyse direkt im Gewebeverband gesammelt werden. Eine geeignete Methode ist die In-vivo-Mikrodialyse, die zuerst zur Analyse der Sekretionsdynamik von Neurotransmittern im ZNS angewendet wurde (Ungerstedt 1991). Eine Modifikation dieser Technik konnte im Tierexperiment zur Mikrodialyse von Nebennieren in der Ratte (Jarry et al. 1985), porciner ovarieller Follikel (Jarry et al. 1990) und boviner Corpora lutea verwendet werden (Acosta et al. 2000). Somit ist eine Differenzierung zwischen endo- und auto-/parakrinen Regulationsmechanismen nur in wenigen Organen mæglich. Fçr die im Fokus dieses Kapitels stehende Hypophyse sind solche In-vivo-Versuche noch nicht beschrieben worden, so dass als zentrale Methode zum Studium auto- und parakriner Prozesse die In-vitro-Zell- oder Organkultur angewendet wird. Sicherlich werden in Zukunft konditionelle, organspezifische Knock-out-Måuse ein bedeutendes experimentelles Modell werden, um durch zeitlich gesteuerte Elimination auto-/parakriner Faktoren oder deren Rezeptoren ihren physiologischen Stellenwert fçr die Regulation der Gonadotropinsekretion zu definieren. Ein erstes Beispiel sind transgene Måuse mit ablatierten gonadotropen Zellen (GZ). Erwartungsgemåû befinden sich diese Tiere aufgrund fehlender LH- und FSH-Produktion in einem hypogonadalen, subfertilen Zustand (Kendall et al. 1991). Mit verbesserten Verfahren konnte kçrzlich gezeigt werden, dass durch die Ablation der GZ die embryonale Entwicklung der Prolaktin produzierenden laktotropen Zellen unterdrçckt werden kann (Seuntjens et al. 1999; Vankelecom et al. 2003). Daraus ist zu folgern, dass 1. die GZ essentielle parakrine Faktoren fçr Entwicklung (und wahrscheinlich fçr die Funktion) anderer endokriner Zelltypen der Adenohypophyse freisetzen und 2. gestærte parakrine Prozesse in der Adenohypophyse mæglicherweise pathophysiologische Bedeutung haben kænnten. Im Folgenden sollen die auto- und parakrinen Mechanismen auf zwei Ebenen der gonadotropen Achse dargestellt werden, nåmlich dem Hypothalamus und der Adenohypophyse. In Kap. 6.3 wird
separat die lokale Regulation der Gonadenfunktion betrachtet.
6.2.2 Auto- und parakrine Kontrolle des hypothalamischen GnRH-Pulsgenerators Prinzipiell ist in allen Såugetieren die endokrine Funktion der kompletten gonadotropen Achse und die Gameten-Produktion/-Reifung von der pulsatilen Sekretion des Neuropeptids GnRH aus dem mediobasalen Hypothalamus in die portalen Gefåûe des Hypophysenstiels abhångig. Die GnRHNeuronen sind in ein komplexes Netzwerk von Neuronen integriert, die eine groûe Vielzahl von Neurotransmittern, -peptiden, Zytokinen und Wachstumsfaktoren freisetzen, welche die GnRHBiosynthese und -Sekretion modulieren. Dieses Netzwerk, das von einem der Pioniere der neuroendokrinen Forschung als ¹GnRH-Pulsgeneratorª bezeichnet wurde (Knobil 1990), garantiert die synchrone Aktivitåt der GnRH-Neurone, die zur pulsatilen GnRH-Freisetzung fçhrt. Nur eine pråzis eingehaltene, von Spezies zu Spezies geringfçgig variierende GnRH-Pulsfrequenz ermæglicht eine ausreichende Gonadotropinsekretion. Auf den GnRH-Pulsgenerator werden vielfåltige interne Signale (z. B. intrinsische Rhythmen, metabolischer Zustand, hormonelles Milieu) und externe, aus der Umwelt stammende Einflçsse (Stress, Licht und Temperatur) vermittelt. Diese zahlreichen neuronal vermittelten Einflçsse sind nicht Gegenstand dieses Kapitels, da trotz einer Zell-zu-Zell-Kommunikation innerhalb des neuronalen Netzwerkes des GnRH-Pulsgenerators die nervale Nachrichtenvermittlung als eigene Entitåt definiert ist. Anhand der Regulation des GnRH-Neurons durch Produkte nichtneuronaler Zellen (Astrozyten) und insbesondere durch das von den GnRHNeuronen selbst freigesetzte GnRH, wird deutlich, dass die Definition auto-/parakriner Mechanismen im Falle von Neuronen unscharf, ja willkçrlich ist. Die seit langem bekannte und gut dokumentierte Kontrolle der Sekretion eines Neurotransmitters aus einem Neuron durch pråsynaptische Autorezeptoren erfçllt prinzipiell die drei grundlegenden Anforderungen an ein autokrines System, i. e. lokale Synthese/Sekretion eines Informationstrågers, die Pråsenz eines spezifischen Rezeptors und eine signalabhångige biologische Wirkung an der den Transmitter freisetzenden Zelle. Trotzdem werden neuronale Autorezeptoren in der Literatur nur
a
6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
im Kontext einer neuronalen Kommunikation betrachtet. Fçr das Verståndnis der gonadotropen Achse ist aber die Autoregulation des GnRH-Neurons durch sein eigenes sekretorisches Produkt, GnRH, essentiell und wird im Folgenden als autokrine Regulation betrachtet.
6.2.2.1 Autokrine Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators durch GnRH Das Dekapeptid GnRH wird nicht nur als Neurohormon in der Eminentia mediana in die portalen Gefåûe des Hypophysenstiels freigesetzt, sondern auch, aus wahrscheinlich rekurrenten Axonkollateralen, als autokrin wirkendes Peptid. Diese auch als ¹Ultrashort-Feedbackª bezeichnete Kontrolle der GnRH-Sekretion setzt die Expression hypothalamischer GnRH-Rezeptoren voraus, die in Nagern und Primaten nachgewiesen ist (Thind u. Goldsmith 1988; Leranth et al. 1985). Erste funktionelle Hinweise auf die autokrine Regulation des GnRH-Pulsgenerators durch GnRH ergaben Versuche mit intrazerebroventrikulåren Injektionen von GnRH oder GnRH-Agonisten in ovarektomierten weiblichen Ratten. Die Applikation des Peptides in das Ventrikelsystem des Gehirns bewirkte eine ausgeprågte Senkung der Serum-LH-Spiegel (DePaolo et al. 1987). In vitro superfundierte Hypothalamusfragmente von Ratten sezernieren deutlich weniger GnRH, wenn sie mit dem GnRH-Agonisten Buserelin akut inkubiert werden. Werden Ratten mit diesem Agonisten vorbehandelt, so ist die GnRH-Sekretion der aus diesen Tieren gewonnenen Hypothalamusfragmente ebenfalls reduziert (Feleder et al. 1996). Diese Befunde kænnen als autokrine Regulation interpretiert werden, jedoch kænnte die Inhibition der GnRH, respektive der Gonadotropinsekretion, auch durch GnRH-rezeptive Interneurone des GnRHPulsgenerators verursacht werden, d. h. eine autokrine Regulation erfolgt nicht. Eine autokrine Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators wurde mit der Entwicklung immortalisierter GnRH-Neurone aber zweifelsfrei bewiesen. Durch gerichtete Tumorgenese mit einem Konstrukt aus dem GnRH-Promotor und dem SV-40-Virus-T-Antigen gelang es, Zellen zu generieren (GT1±7-Zellen), die nahezu vollståndig die zell- und molekularbiologischen Eigenschaften von normalen GnRHNeuronen besitzen (Mellon et al. 1990). Dieser Meilenstein neuroendokrinologischer Forschung fçhrte dazu, dass die autokrine Kontrolle des GnRH-Neurons durch GnRH bewiesen werden konnte. Aus
den zahlreichen Publikationen mit den GT1±7-Zellen sollen exemplarisch Folgende genannt werden: · GnRH erhæht die intrazellulåre Kalziumkonzentration (Van Goor et al. 2000), ein Effekt, der kçrzlich fçr Wildtyp-GnRH-Neurone aus Rattenembryonen beståtigt werden konnte (Martinez-Fuentes et al. 2004). · Die Inkubation mit einem GnRH-Agonisten erhæht die GnRH-Sekretion der GT1-Zellen, wåhrend die GnRH-Gen-Expression durch Agonistenbehandlung reduziert wird (Martinez-Fuentes et al. 2004; Cho et al. 1997). · Das molekularbiologische Korrelat der autokrinen Kontrolle des GnRH-Neurons ist die Expression des GnRH-Rezeptors. Mittels reverser Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) konnte die mRNA dieses Rezeptors in GT1±7-Zellen nachgewiesen werden. Immunohistochemische Analysen in Kombination mit Radioligandenbindungsstudien demonstrierten die Expression eines funktionellen GnRH-Rezeptors auf Proteinebene (Krsmanovic et al. 2000). Damit belegen sowohl die In-vivo- als auch In-vitro-Befunde eine autokrine Kontrolle des GnRHPulsgenerators auf der Ebene der GnRH-Gen-Expression, -Sekretion und Signaltransduktion und der Expression und Funktionalitåt des GnRH-Rezeptors. Fçr den Primaten bzw. den Menschen gibt es bis heute keine analoge Studien im ZNS. Die Wahrscheinlichkeit einer autokrinen Kontrolle des GnRHNeurons im Primatengehirn ist aber hoch, da z. B. im humanen Ovar, in Placenta, Uterus und Prostata ein autokrines GnRH-System funktionell aktiv ist (fçr eine Ûbersicht siehe Cheng u. Leung 2004).
6.2.2.2 Parakrine Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators durch Gliazellen Wåhrend der letzten 10 Jahre haben sich die Hinweise verstårkt, dass GnRH-Neurone nicht nur durch synaptische Kontakte in ihrer Aktivitåt reguliert werden, sondern auch durch Faktoren, insbesondere Wachstumsfaktoren und Prostaglandin E2, die von Glia- und Endothelzellen freigesetzt werden. Gliazellen sind die håufigsten Zellen im ZNS mit einem Verhåltnis 9 : 1 zu den Neuronen. Die Gliazellen des ZNS kænnen in zwei groûe Untergruppen geteilt werden: Makroglia (Astrozyten, Oligodendrozyten und ependymale Zellen) sowie die Mikroglia (Makrophagen des ZNS). Insbesondere die Astrozyten, die ihren Namen ihrer sternfærmigen Morphologie verdanken, sind fçr
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die parakrine Interaktion mit den GnRH-Neuronen von Relevanz. Traditionell wurden die Astrozyten als Struktur bildende Zellen im ZNS angesehen, weniger als regulatorisch aktive Zellen. Dieses Bild hat sich in jçngerer Zeit, als diese Zellen als sekretorisch und metabolisch aktiv erkannt wurden, erheblich gewandelt. Im Folgenden soll die Rolle der Astrozyten hinsichtlich ihrer wichtigsten sekretorischen Produkte, den Transforminggrowth-Faktoren, fçr die parakrine Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators zusammengefasst werden.
6.2.2.2.1 Transforming Growth Factor b Die Kenntnisse der parakrinen Kontrolle des GnRH-Pulsgenerators durch gliale Faktoren stammen aus Kokulturexperimenten von hypothalamischen Typ-1-Astrozyten und GT1-Zellen (Melcangi et al. 1995, 1997). In diesen Kokulturen ist die GnRH-Sekretion gegençber Monokulturen von GT1-Zellen deutlich erhæht. Der Nachweis, dass dieser stimulierende Effekt durch einen parakrinen Faktor verursacht wird, wurde dadurch erbracht, dass Medium, in dem ausschlieûlich Typ-1-Astrozyten fçr 24 Stunden kultiviert wurden (sog. ¹konditioniertesª Medium), den gleichen stimulatorischen Effekt auf die GnRH-Sekretion hervorruft, wie in der Kokultur von Astrozyten und GnRHNeuronen beobachtet. Der oder die unbekannten Stoffe in dem konditionierten Medium stimulierten die GnRH-Sekretion in einer Dosis-/Zeit-abhångigen Weise (Buchanan et al. 2000). Dieser Effekt ist nicht fçr hypothalamische Astrozyten spezifisch, da auch konditioniertes Medium aus Kulturen kortikaler Astrozyten die GnRH-Sekretion stimulierte. Erste Hinweise, dass dieser parakrine Faktor ein Wachstumsfaktor sein kænnte, lieferten Versuche, in denen die Kokulturen der Glia- und GT1-Zellen mit einem Antikærper gegen Transforming growth factor b1 (TGF-b1) inkubiert wurden, was zur signifikanten Reduktion der GnRH-Sekretion fçhrte. Der stimulatorische Effekt des konditionierten Astrozytenmediums auf die GnRH-Sekretion konnte auch durch Inkubation der GT1-Zellen mit TGF-b1 hervorgerufen werden. In einem Dosisbereich, der dem TGF-b1-Gehalt des konditionierten Mediums aus Astrozytenkulturen entspricht, wurde die GnRH-Sekretion stimuliert (Melcangi et al. 1995). Der stimulatorische Effekt von TGF-b1 auf die Aktivitåt der GnRH-Neurone wird auch auf der transkriptionellen Ebene realisiert, da der Wachstumsfaktor die mRNA-Spiegel des Releasinghormons erhæht (Galbiati et al. 1996). Ein parakriner Einfluss der Astrozyten via TGF-b setzt die Expression
eines entsprechenden spezifischen Rezeptors in den GnRH-Neuronen voraus. In vitro konnten in GT1-Zellen beide Subtypen des TGF-b-Rezeptors, I und II, mittels RT-PCR und Western blot detektiert werden, wåhrend in vivo bisher nur die Kolokalisation des TGF-b-Typ-I-Rezeptors mit GnRH demonstriert wurde (Prevot et al. 2000).
6.2.2.2.2 Transforming Growth Factor a Ein weiterer fçr die parakrine Kontrolle des GnRHPulsgenerators relevanter Wachstumsfaktor ist Transforming growth factor a (TGF-a), der ebenfalls in Astrozyten gebildet wird. Dieser Wachstumsfaktor gehært zur Epidermal-growth-factor(EGF)-Superfamilie. TGF-a hat keinen bekannten eigenen spezifischen Rezeptor. Das Polypeptid ist aufgrund der strukturellen Øhnlichkeit aber ein Ligand fçr den EGF-Rezeptor. Da EGF-Rezeptoren in den Astrozyten, nicht aber in GnRH-Neuronen exprimiert werden, muss der Wachstumsfaktor also indirekt die GnRH-Sekretion çber die Stimulation eines weiteren glialen Faktors beeinflussen, d. h. per autokriner Wirkung kænnte TGF-a aus den Astrozyten einen Faktor freisetzen, der in Folge dann parakrin auf die GnRH-Neurone wirkt. Dieser putative, von Astrozyten abstammende parakrine Faktor wurde als Prostaglandin E2 (PGE2) identifiziert (Ma et al. 1997). Dieses Arachidonsåurederivat ist seit langem als Stimulator der GnRH-Sekretion bekannt (Ojeda et al. 1981). Die These, dass PGE2 der Mediator der TGF-a- Wirkung auf die GnRH-Neurone ist, wird durch die Beobachtungen unterstrichen, dass dieser Wachstumsfaktor in vitro die PGE2-Sekretion hypothalamischer Astrozyten stimuliert und die pharmakologische Hemmung der PGE2-Synthese den Effekt des konditionierten Mediums aufhebt (Ma et al. 1997).
6.2.2.2.3 Zyklusabhångige Expression von Transforming Growth Factor im Hypothalamus In weiblichen Wirbeltieren veråndert sich die Aktivitåt der GnRH-Neurone wåhrend des Sexualzyklus, bedingt durch das wechselnde Milieu der ovariellen Steroide. Periovulatorisch ist die GnRHExpression und -Sekretion maximal. In der Ratte ist diese Phase der Proæstrus-Tag. Die primåren endokrinen Modulatoren der Aktivitåt der GnRHNeurone sind zweifellos gonadale Steroide, insbesondere Ústradiol (E2). Da es bis heute strittig ist, ob GnRH-Neurone einen funktionellen Ústrogenrezeptor (ER) exprimieren, ist die augenblickliche
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
Sichtweise, dass æstrogenrezeptive GABA-Neurone innerhalb des GnRH-Pulsgenerator-Netzwerkes die Hæhe der E2-Spiegel an dieses System vermitteln (Flçgge et al. 1986). Ein zweiter ¹Ústrogensensorª sind Gliazellen. In vitro exprimieren astrogliale Zellen beide Formen des ER, wåhrend in vivo in hypothalamischer Glia bisher nur die Expression von ER-a beschrieben wurde (Buchanan et al. 2000; Langub u. Watson 1992). An der Erzeugung der GnRH-Pulse sind die Steroide nicht beteiligt, sie beeinflussen aber indirekt çber die æstrogenrezeptiven GABA-Neurone und wahrscheinlich auch çber æstrogenrezeptive Gliazellen die Amplitude und Frequenz dieser Pulse (Melcangi et al. 2001). Die Expression von ER in den Gliazellen legt eine zyklusabhångige Expression der genannten parakrinen Faktoren nahe. Eine solche Verånderung ist in der Ratte fçr die hypothalamische Expression von TGF-b1 beschrieben worden: Am Vormittag des Proæstrus-Tages ist die Expression von TGF-b1 signifikant gegençber den anderen Phasen des Ústruszyklus erhæht (Galbiati et al. 2001). Dagegen ist im Hypothalamus TGF-a am frçhen Nachmittag des Proæstrus-Tages maximal exprimiert (Ma et al. 1994). Diese Verlaufsmuster stehen mit den Effekten dieser Wachstumsfaktoren auf die Aktivitåt von GT1-Zellen im Einklang. Die maximale Expression der TGF erfolgt vor dem pråovulatorischen Gonadotropin-Peak, i. e. die Synthese und Sekretion beider Wachstumsfaktoren aktiviert parakrin die GnRH-Neurone. Die Verånderung der hypothalamischen TGF-Expression im Zyklus kænnte, muss aber nicht allein auf einem Einfluss von E2 beruhen. Einen eindeutigen Beweis fçr eine alleinige Kontrolle der Expression dieser hypothalamischen parakrinen Faktoren durch E2 lieferten Experimente mit ovariektomierten Ratten. Die Substitution von E2 induzierte in solchen Ratten eine maximale hypothalamische Expression bereits 8 Stunden nach Applikation des Steroides, so dass eine steroidabhångige Expression der TGF in Astrozyten erfolgt (Melcangi et al. 2002).
6.2.2.3 Auto-/parakrine Effekte von Inhibin/Aktivin und Follistatin Eine Ûbersicht zur Biochemie von Inhibin/Aktivin und Follistatin und ihrer Rezeptoren findet sich in Abschn. 6.2.3 und in Kap. 2.2. Die Inhibin-a- und die Inhibin-/Aktivin-bA- und -bB-Untereinheiten sind auf RNA- und Proteinebene in verschiedenen Arealen des Gehirns, inklusive des Hypothalamus, gefunden worden. Fçr die bA-Unter-
einheit immunhistochemisch positive Nervenfasern stehen in enger råumlicher Assoziation mit GnRHNeuronen, so dass eine Neuron-Neuron-Interaktion anzunehmen ist (MacConell et al. 1998). Eine autokrine Regulation des GnRH-Pulsgenerators durch Inhibin/Aktivin ist wahrscheinlich, da in vitro humane GnRH-Neurone die bA-Untereinheit exprimieren und Aktivin A sezernieren (Florio et al. 2000). Die murinen GT1- Zellen exprimieren ActRI, ActRIB, und ActRII, d. h. weitere fçr eine autokrine Regulation essentielle Komponenten werden von GnRH-Neuronen gebildet. Das dritte Element einer autokrinen Regulation, nåmlich die Beeinflussung der zellulåren Aktivitåt durch den freigesetzten Faktor, ist in vitro nachgewiesen worden, i. e. Aktivin stimuliert in GT1-Zellen und in Hypothalamusexplantaten die GnRH-Expression und -Sekretion (MacConnell et al. 1999; Calogero et al. 1998). Versuche mit ActRII-Knock-out-Måusen zeigten, dass trotz der In-vitro-Effekte von Aktivin auf die GnRHSekretion in diesen Tieren keine Verånderungen der hypothalamischen GnRH-Synthese zu beobachten war (Kumar et al. 2003). Die profunde Reduktion der FSH-Biosynthese in diesen Knock-out-Måusen, die auch in der Hypophyse keinen funktionellen ActRII mehr exprimieren kænnen, unterstreicht die Bedeutung der lokalen Regulation der gonadotropen Zellen durch Aktivin. Auch Follistatin exprimierende Zellen, deren Identitåt noch nicht geklårt ist, konnten im Hypothalamus von Ratten nachgewiesen werden. Diese Zellen stehen ebenfalls in enger Assoziation mit GnRH-Neuronen, so dass eine Kontrolle der GnRH-Synthese durch Follistatin via Inaktivierung von Aktivin, analog den hypophysåren Mechanismen dieser beiden Peptide, mæglich ist (MacConnell et al. 1998). Experimentelle Befunde hierzu sind aber zur Zeit noch nicht verfçgbar. Der GnRH-Pulsgenerator wird somit in einer ultrakurzen Rçckkopplung durch autokrin wirkendes, von den GnRH-Neuronen freigesetztes Aktivin reguliert. Die vorliegenden Befunde zeigen, dass Aktivin zwar nicht kausal an der Erzeugung der GnRH-Pulse beteiligt ist, es aber zu vermuten ist, dass dieser autokrine Faktor die GnRH-Pulsfrequenz und/oder Amplitude moduliert. Neben der neuronalen Regulation ist damit die parakrine Interaktion zwischen GnRH-Neuronen und hypothalamischen Gliazellen ein wichtiger Kontrollmechanismus fçr die Aktivitåt des GnRHPulsgenerators (Abb. 6.2.1). Durch die steroidabhångige Sekretion von Wachstumsfaktoren aus Gliazellen ist eine nichtneuronale, zyklusabhångige Regulation der GnRH-Sekretion realisiert.
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Abb. 6.2.1. Neuronale und parakrine Regulation des GnRHNeurons. Ústrogenrezeptive GABAerge Neurone vermitteln die Hæhe der peripheren E2-Spiegel an den GnRH-Pulsgenerator. Noch nicht nåher definierte Zellen (Neurone) exprimieren die Inhibin-a- und die Inhibin/Aktivin-b-Untereinheiten. Follistatin exprimierende Zellen stehen ebenfalls in enger råumlicher Assoziation mit GnRH-Neuronen. Ústrogenrezeptive Astrozyten sezernieren den autokrinen Faktor TGF-a, welches den parakrinen Faktor PGE2 freisetzt, der die GnRH-Neurone stimuliert. Einen ebenfalls positiven parakrinen Effekt ruft TGF-b hervor. AZ: Astrozyt; GABA: c-Aminobuttersåure; E2: Ústrogenrezeptiv; PGE: Prostaglandin E2; TGF-a,b: Transforming growth factor a,b; PV: portale Gefåûe; GnRH: Gonadotropin-Releasinghormon
6.2.3 Auto- und parakrine Kontrolle der gonadotropen Zellen Der Anteil der gonadotropen Zellen (GZ) an der Gesamtpopulation der adenohypophysåren Zellen betrågt 5±15%. Dieser Prozentsatz ist speziesabhångig und kann, wie fçr die Ratte nachgewiesen, im Sexualzyklus variieren (Childs et al. 1983). Die Schwankungen des prozentualen Anteiles werden durch den endokrinen Einfluss von Ústradiol induziert. Die GZ sezernieren die beiden Gonadotropine LH und FSH. Die weitaus çberwiegende Zahl der GZ sezerniert sowohl LH als auch FSH (Childs 1997). Beide Peptidhormone bestehen aus zwei Untereinheiten (a und b), wobei die a-Untereinheit auch Bestandteil des Thyreoidea stimulierenden Hormones (TSH) und des Choriongonadotropin (CG) ist. Die Hormonspezifitåt der Gonadotropine ist daher auf der b-Untereinheit codiert. Die beiden Untereinheiten sind nicht kovalent miteinander verknçpft und weisen komplexe Seitenketten aus Zuckermolekçlen auf, die fçr die Bioaktivitåt entscheidend sind (Wilson et al. 1990).
Die Græûe der LHb-Untereinheit ist 121, die der FSHb-Untereinheit 117 Aminosåuren. GnRH ist das prinzipielle regulatorische Prinzip fçr die GZ. Der komplexe Einfluss des hypothalamischen Peptides zeigt sich in DNA-Array-Analysen, in denen mehr als 200 Gene identifiziert wurden, die in GZ durch diesen Releasingfaktor beeinflusst werden (Kakar et al. 2003). Trotz dieses wesentlichen Einflusses von GnRH ist als gesichert zu betrachten, dass die Funktion der GZ nicht ausschlieûlich durch das hypothalamische Peptid kontrolliert wird, sondern auch durch Substanzen, die von den GZ selbst oder sie umgebenden Zellen sezerniert werden. Eine Zusammenstellung solcher Faktoren ist in Tabelle 6.2.1 aufgefçhrt. Bei der Auswahl der in der Literatur als putativ auto-/parakrin wirkenden Faktoren wurde das Schwergewicht auf solche Stoffe gelegt, die in der Hypophyse von Primaten oder Såugetieren (Ratten/Måusen) produziert werden und entweder in vivo oder in vitro mit Hypophysenzellkulturen dieser Spezies Effekte auf die Gonadotropinsynthese und -sekretion zeigten. Die in der Literatur beschriebenen Daten aus Untersuchungen mit Fischen, Amphibien oder Vægeln haben aufgrund ihrer phylogenetischen Differenz zu Primaten/Menschen hier daher keine Berçcksichtigung gefunden. Prinzipiell kænnen die in Tabelle 6.2.1 aufgefçhrten auto-/parakrinen Faktoren çber drei Mechanismen die Gonadotropinsekretion modulieren: · Sie wirken per se direkt auf die Hormonsynthese und/oder -sekretion, · sie modulieren die Wirkung von GnRH, · sie beeinflussen die Expression des GnRH-Rezeptors. Ûberwiegend wurden diese Faktoren entweder durch die Expression/Pråsenz ihrer Rezeptoren in GZ oder durch ihre Wirkung auf die sekretorische Aktivitåt der GZ in vitro entdeckt. Mittels Immunhistochemie oder RT-PCR konnte die Expression der in Tabelle 6.2.1 genannten Stoffe in der Adenohypophyse nachgewiesen werden, so dass die drei Kriterien fçr eine auto-/parakrine Wirkung (Effekt, Rezeptor, lokale Produktion) erfçllt sind. Welche physiologische/pathophysiologische Bedeutung diese in Tabelle 6.2.1 aufgefçhrten Stoffe besitzen, ist bis heute de facto, bis auf die Ausnahme des Aktivin-Follistatin-Inhibin-Systems, das eine zentrale Rolle fçr die selektive Sekretion von LH und FSH besitzt, unbekannt.
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
Tabelle 6.2.1. Hypophysåre Faktoren, die im Menschen oder der Ratte einen Einfluss auf die Gonadotropinsynthese/-sekretion besitzen Faktor/Peptid
Wirkung
Peptide Aktivin CNP Endothelin-3 EGF Follistatin
Produzierender Referenz Zelltyp
Stimulation der FSH-Expression/-Sekretion G, S, T Stimulation der LH-Sekretion G Stimulation der LH- und FSH-Sekretion G Erhæhte Sensitivitåt des GnRH-Rezeptors G, L, S, C, T Reduktion der Sensitivitåt des GnRH-Rezeptors G, FS Reduktion der FSH-Expression/-Sekretion Galanin Reduktion der GnRH-stimulierten LH- und FSH-Sekretion L, S, T GnRH Erhaltung der Sensitivitåt des GnRH-Rezeptors und der G basalen LH-Sekretion Inhibin Reduktion der FSH-Expression/-Sekretion G, FS IL-6 Reduktion der basalen Gonadotropinsekretion FS NPY Stimulation der LH-Sekretion L Oxytocin Stimulation der LH-Sekretion L PACAP Stimulation der LH-Sekretion G, FS SP Stimulation der basalen LH-Sekretion S, T Reduktion der GnRH-stimulierten Gonadotropinfreisetzung Andere Faktoren Adenosin Reduktion der LH- und FSH-Sekretion Alle ATP Stimulation der LH-Sekretion Alle NO Stimulation der LH-Sekretion G, FS
Bilezikjian et al. 2004 McArdle et al. 1993 Stojilkovic et al. 1992 Leblanc et al. 1997 Besecke et al. 1996 Todd et al. 1998 Krsmanovic et al. 2000 Bilezikjian et al. 2004 Spangelo et al. 1989 O'Conner et al. 1993 Evans et al. 1995 Culler u. Paschall 1991 Shamgochian u. Leeman 1992 Debeljuk u. Bartke 1994 Picanco-Diniz et al. 1999 Tomic et al. 1996 Ceccatelli et al. 1993
G: gonadotrope Zelle; S: somatotrope Zelle; T: thyreotrope Zelle; C: kortikotrope Zelle; L: laktotrope Zelle; FS: follikulostellare Zelle; CNP: ¹C-type natriuretic peptideª; EGF: ¹epidermal growth factorª; GnRH: Gonadotropin-Releasinghormon; IL-6: Interleukin-6; NPY: Neuropeptid Y; PACAP: ¹pituitary adenylate cyclase activating peptideª; SP: Substanz P; ATP: Adenosintriphosphat; NO: Nitrit-Oxidase.
6.2.3.1 Luteinisierendes Hormon Historisch betrachtet ist im Bereich Reproduktionsbiologie und -medizin die erste parakrine Interaktion innerhalb der hypothalamo-hypophysiogonadalen Achse in der Adenohypophyse beschrieben worden. In bahnbrechenden Studien konnte Denef zeigen, dass eine Zell-zu-Zell-Interaktion, vermittelt çber einen lokal produzierten Faktor, unbedingte Voraussetzung fçr den Prolaktin stimulierenden Effekt von GnRH ist. Wurden die Hypophysenzellen in herkæmmlicher Weise als ¹Monolayer-Kulturenª mit GnRH inkubiert, erhæhte sich erwartungsgemåû die LH-Sekretion, ohne dass die Prolaktinfreisetzung durch GnRH beeinflusst wurde. Wurden die Zellen dagegen durch gleichmåûiges Schçtteln zu ¹Aggregatenª vereinigt, so wurde in dieser dreidimensionalen Ansammlung von Zellen, die in einem engen råumlichen Kontakt miteinander stehen, nun auch die Prolaktinsekretion durch GnRH stimuliert. Es wurde postuliert, dass GnRH zusåtzlich zur Stimulation der LH-Ausschçttung die Sekretion eines parakrinen Faktors hervorruft, der wiederum an den laktotropen Zellen die Prolaktinfreisetzung steigert
(Denef u. Andries 1983; Vankelecom u. Denef 1997). Obwohl kontrovers diskutiert wird, ob dieser Effekt von physiologischer Bedeutung ist, da in vivo in keiner Såugetierspezies gleichzeitige Pulse von LH und Prolaktin nachweisbar sind, waren diese Studien der Beginn der Forschung zur parakrinen Regulation der Hypophyse. Wie in Tabelle 6.2.1 dargestellt, sind mehrere Peptide als lokale Regulatoren der LH-Sekretion vorgeschlagen worden. Im Gegensatz zur autound parakrinen FSH-Sekretion (Abschn. 6.2.3.2) konnte aber bis heute çber das Stadium experimenteller Evidenz hinaus fçr keinen dieser Faktoren eine essentielle auto- oder parakrine Funktion fçr die LH-Expression/-Synthese oder -Sekretion nachgewiesen werden, d. h. ein dem Inhibin/ Aktivin/Follistatin analoges, physiologisch gesichert relevantes, intrahypophysåres Peptidsystem ist fçr die LH-Synthese/-Sekretion nicht bekannt. Eine Ûbersicht zu den experimentellen Daten fçr die (çberwiegend) hypothalamischen Peptide mit einem Einfluss auf die GZ findet sich bei Evans (1999) und Schwartz (2000).
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6.2.3.1.1 Pituitary Adenylate Cyclase Activating Peptide Als ein Beispiel fçr ein lokal in der Hypophyse produziertes Peptid, das die LH-Sekretion beeinflusst, soll ¹pituitary adenylate cyclase activating peptideª (PACAP) vorgestellt werden. Das groûe Interesse an diesem Peptid ist in der Suche nach weiteren hypothalamischen Releasingfaktoren begrçndet, denn bis heute ist z. B. das physiologische Prolaktin-Releasinghormon unbekannt. Ferner wurde aus den initialen Studien zur hypothalamischen Kontrolle der Gonadotropinsekretion ein spezifischer FSH-Releasingfaktor postuliert, um Situationen zu erklåren, in denen die FSH- und LHFreisetzung divergieren (McCann et al. 1967). Auf der Suche nach solchen neuen Releasingfaktoren isolierte 1989 die Arbeitsgruppe von Arimura ein hypothalamisches Peptid, das in Hypophysenzellkulturen die Produktion von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) stimulierte, worauf der Name PACAP beruht (Miyata et al. 1989). Mit Hilfe von Einzelzell-RT-PCR konnte die Expression von PACAP in den GZ nachgewiesen werden (Radleff-Schlimme et al. 1998). Als zweiter PACAP produzierender Zelltyp in der Hypophyse sind die folliculostellaren (FS-) Zellen identifiziert worden (Jin et al. 2001). Diese nicht endokrin, aber parakrin aktiven Zellen sind selbst PACAP-rezeptiv, und çber einen autokrinen Stimulus setzt PACAP Interleukin-6 (IL-6) aus den FS-Zellen frei. Dieses Zytokin reduziert die basale LH-Sekretion (Spangelo et al. 1989). Ein Effekt von PACAP auf die FSH-Sekretion ist kçrzlich von Katayama et al. (2000) berichtet worden, indem das Peptid die Aktivin-Follistatin-Interaktion moduliert. PACAP-Rezeptoren werden de facto von allen Hypophysenzellen exprimiert (Vigh et al. 1993), was auf eine vielfåltige Wirkung des Peptides hinweist (Abb. 6.2.2). In vitro und in vivo steigert PACAP in Ratten die LH-Sekretion, was auf einer unmittelbaren Wirkung an den GZ beruht, wie durch Messung der intrazellulåren Kalziumkonzentration in individuellen GZ nachgewiesen werden konnte (Perrin et al. 1993). Weitere Signaltransduktionsmechanismen von PACAP sind in aT3-Zellen untersucht worden. Diese GnRH-rezeptive Zelle wurde durch gezielte Tumorgenese erzeugt und sezerniert die a-Untereinheit des LH. Die intrazellulåre Signaltransduktion entspricht weitgehend derjenigen von maturen GZ (Horn et al. 1991). Vermittelt çber den PACAP/VIP-Rezeptor (PVR1) stimuliert PACAP die cAMP- und Inositoltriphosphat(IP3)-Produktion, was zu einer vermehrten Sekretion der
Abb. 6.2.2. GZ setzen das Peptid Pituitary adenylate cyclase activating polypeptide (PACAP) frei, das per se als autokriner Faktor die Gonadotropinsekretion erhæht. Zusåtzlich wirkt PACAP synergistisch mit GnRH. Eine parakrine Kontrolle der GZ durch PACAP erfolgt durch die Interaktion mit den FS-Zellen. Das Peptid stimuliert die Freisetzung von IL-6, das in einer negativen Rçckkopplung parakrin die LHSekretion reduziert. GZ: gonadotrope Zelle; FS: follikulostellare Zelle; IL-6: Interleukin-6; GnRH: Gonadotropin-Releasinghormon; LH: luteinisierendes Hormon; FSH: Follikel stimulierendes Hormon
a-Untereinheit fçhrt. PACAP wirkt in diesen Zellen synergistisch mit GnRH und amplifiziert die GnRH-induzierte IP3-Akkumulation (Schomerus et al. 1994). Andererseits reduziert eine Vorbehandlung von aT3-Zellen mit GnRH den Effekt von PACAP auf die intrazellulåre Kalziumkonzentration analog der Desensibilisierung des GnRH-Rezeptors durch repetitive Stimulation mit GnRH (McArdle et al. 1996). Ergebnisse fçr den Effekt von PACAP auf die LH-Sekretion von Primaten oder Menschen sind bisher noch nicht berichtet worden. Lediglich in einer Studie mit humanen Gonadotrophinomen konnte eine direkte stimulatorische Wirkung von PACAP auf die LH-FSH-Sekretion dieser Tumorzellen beobachtet werden (Petersen et al. 1996). Zusammenfassend ist PACAP ein Beispiel fçr ein hypophysåres Peptid, das unter experimentellen Bedingungen direkt autokrin die LH-Sekretion beeinflussen kann. Der Stellenwert dieses Einflusses wird dann zu beurteilen sein, wenn hypophysenspezifische PACAP- oder PACAP-Rezeptor-Knockout-Måuse zur Verfçgung stehen. Auf heutigem Wissensstand basierend kann keinem der bisher in der Literatur beschriebenen hypophysåren Faktoren eine entscheidende Rolle fçr die auto-/parakrine Kontrolle der LH-Sekretion zugeordnet werden. Da aber die selektive Zerstærung der GZ zur Entwicklungs- und Funktions-
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
stærung anderer endokriner Zellen der Adenohypophyse fçhrt (Vankelecom et al. 2003), ist davon auszugehen, dass auch die Funktion der GZ hinsichtlich der LH-Sekretion durch noch zu identifizierende auto- und parakrine Faktoren moduliert wird.
6.2.3.2 Follikel stimulierendes Hormon Follikel stimulierendes Hormon (FSH) ist das prinzipielle Hormon, das die Follikelgenese in der Frau und die Spermatogenese im Mann kontrolliert. Seit der Entdeckung von GnRH besteht ein genereller Konsens darin, dass dieses Dekapeptid die Freisetzung von LH und FSH neuroendokrin reguliert. Trotz dieser gemeinsamen Stimulation gibt es endokrine Situationen, in denen offenbar eine selektive Kontrolle der Sekretion der beiden Gonadotropine erfolgt (z. B. perimenopausaler Anstieg der FSH-Sekretion, Suppression der LH-Spiegel durch gonadale Steroide und GnRH-Analoga). Bereits 1979 konnten Sheridan et al. zeigen, dass Hypophysenfragmente in vitro weiterhin deutlich nachweisbare Mengen von FSH und der den Gonadotropinen und TSH gemeinsamen a-Hormon-Untereinheit freisetzen, wåhrend die LH-Sekretion unter diesen Bedingungen praktisch zum Erliegen kommt. Damit war bewiesen, dass die FSH-Synthese/-Sekretion offensichtlich nicht strikt von GnRH abhångig ist. Die komplexe endokrine, und wie heute bekannt, auto- und parakrine Kontrolle der Synthese dieses Gonadotropins, wird zudem durch ein Experiment aus dem Jahr 1932 verdeutlicht: Cullagh und Gual konnten nachweisen, dass die Bildung der ¹Kastrationszellenª in den Hypophysen månnlicher Ratten durch einen wåssrigen Extrakt aus den Hoden verhindert werden konnte. Da gonadale Steroide nicht wasserlæslich sind, musste dieser Extrakt ein hydrophiles Molekçl enthalten, welches die morphologischen Effekte der Orchidektomie in der Hypophyse kompensieren kann. Diese Beobachtung war der Ausgangspunkt fçr die These einer gonadalen, aber nichtsteroidalen, peptidergen Kontrolle der FSH-Sekretion. Trotz 50 Jahre intensiver Forschung gelang es erst 1988, die Struktur dieses Proteohormons aufzuklåren, das den sinnvollen Namen Inhibin erhielt (De Jong 1988). Allerdings wurde Inhibin nicht aus dem Hoden, sondern aus ovarieller Follikelflçssigkeit isoliert. Kurz darauf wurden zwei weitere Peptide identifiziert, die ebenfalls selektiv die FSH-Sekretion regulieren. Diese Peptide wur-
den Follistatin und Aktivin genannt (Vale et al. 1986; Robertson et al. 1987). Im Folgenden soll die Regulation der sekretorischen Aktivitåt der GZ durch diese drei Proteohormone vorgestellt werden.
6.2.3.2.1 Biochemie des Inhibin-Aktivin-Follistatin-Systems Das Peptidhormon Inhibin besteht aus einer allen Isoformen gemeinsamen a-Untereinheit, die Dimere mit entweder bA- oder bB-Untereinheiten bildet, die so zum Inhibin A (abA) oder Inhibin B (abB) fçhren. Die a-Untereinheit ist çber eine Disulfidbrçcke kovalent mit einer der beiden Unterformen der b-Untereinheit verknçpft. Abhångig vom Grad der Glykosylierung betrågt das Molekulargewicht des maturen Inhibins 32±34 kDa. In der Hypophyse von Primaten wird die Variante Inhibin A (bA), wenn auch in sehr geringen Mengen, exprimiert (Schlatt et al. 1991). Beide Varianten des Inhibins sind Mitglieder der Transforming-growth-factorSuperfamilie. Kurz nach der Isolierung von Inhibin und seiner Charakterisierung als selektives FSH supprimierendes Prinzip wurde, wiederum aus ovarieller Follikelflçssigkeit, ein strukturell sehr åhnliches Protein isoliert, das nur aus b-Untereinheiten besteht und die Eigenschaft besitzt, die FSH-Sekretion und -Expression zu stimulieren (Vale et al. 1986; Weiss et al. 1993). Daher wurde dieses gonadale Protein Aktivin genannt. Bis heute sind 5 b-Untereinheiten (bA±bE) identifiziert worden (Bilezikjian et al. 2004). Drei Dimerformen sind bekannt: Aktivin A (bAbA), Aktivin B (bBbB) und Aktivin AB (bAbB) (Gregory u. Kaiser 2004). Aktivin A und B stehen als humane rekombinante Proteine zur Verfçgung, und die çberwiegende Zahl der in der Literatur beschriebenen Invitro-Studien sind mit diesen Pråparaten durchgefçhrt worden. Hinsichtlich ihrer Potenz, in vitro FSH freizusetzen, bestehen keine Differenzen zwischen Aktivin A und B. Besondere physiologische Relevanz scheint aber Aktivin B zu besitzen, da in vitro ein Antiserum gegen dieses Peptid die FSHSekretion vermindert und seine eigene und die Expression von Follistatin, eines dritten, fçr die FSHSekretion relevanten hypophysåren Proteins reduziert (Corrigan et al. 1991; Bilezikjan et al. 1996). In der Hypophyse der Ratte und des Rhesus-Affens wird mehr bB- als bA-Untereinheit exprimiert (Attardi et al. 1992). In der menschlichen Hypophyse konnte durch Immunhistochemie die Expression beider b-Untereinheiten in GZ nachgewiesen werden, was wiederum eine physiologische Funktion von Aktivin als autokrinem Regulator
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der Gonadotropinsekretion unterstreicht (Uccella et al. 2000). Strukturell vællig anders aufgebaut ist ein weiteres autokrines FSH-regulatorisches Prinzip, das Follistatin. Dieses Protein wurde, ebenfalls wie Inhibin und Aktivin, erstmals aus ovarieller Follikelflçssigkeit isoliert (Esch et al. 1987). Follistatin ist ein cysteinreiches, glykosyliertes einstrångiges Peptid, das als hochaffines Aktivinbindungsprotein fungiert (Nakamura et al. 1990). Alle endokrinen Zellen der Hypophyse sowie die FS-Zellen exprimieren dieses Protein (Lee et al. 1993). Follistatin besitzt drei homologe 10-Cystein-Domånen (Follistatindomånen 1±3), die an einen 63 Aminosåuren langen N-Terminus angehångt sind. Dieser N-Terminus und die Domånen 1 und 2 sind essentiell fçr die Bioaktivitåt von Follistatin und die Bindungskapazitåt fçr Aktivin. Follistatin bindet an die C-terminale Domåne des Aktivins, eine Region, die fçr die Interaktion des Aktivins mit dem Aktivinrezeptor ActRII entscheidend ist (Keutmann et al. 2004). Sowohl auf transkriptioneller (In-situ-Hybridisierung, RT-PCR) als auch translationeller (Immunhistochemie) Ebene ist in den GZ der Rattenhypophyse erstmals die lokale Produktion von Inhibin-a- und Inhibin-/Aktivin-b-Untereinheiten nachgewiesen worden (Attardi et al. 1992; Bilezikjan et al. 2004). Diese Untereinheiten werden gemeinsam mit FSH und LH in den sekretorischen Granula der GZ gespeichert. Eine Ovariektomie fçhrt in Ratten zu einem Anstieg der mRNA-Spiegel fçr Inhibin a und Aktivin-/Inhibin-b-Untereinheiten. Die Expression von Aktivin-/Inhibin-b-Untereinheiten ist auch in den Hypophysen anderer Spezies, inklusive Primaten und Menschen, nachgewiesen worden. Ob im Menschen bzw. im Affen auch die Inhibin-a-Untereinheit in der Hypophyse gebildet wird, ist noch nicht eindeutig geklårt, da bisher nur in einer Studie eine schwache Expression dieser Untereinheit nachgewiesen werden konnte (Schlatt et al. 1991). Dagegen ist, unabhångig von der betrachteten Spezies, die hypophysåre Expression von Follistatin problemlos nachzuweisen. Neben den GZ exprimieren die follikulostellaren Zellen dieses Protein (Kaiser et al. 1992). Die differentielle Regulation von FSH und LH durch das lokale Aktivin-Follistatin-System wurde erstmals in Langzeitkulturen von Hypophysenzellen deutlich. Ohne Zugabe von GnRH ist die LHSekretion sehr niedrig, wåhrend die FSH-Synthese auf wesentlich hæherem Niveau erhalten bleibt. Gibt man zu solchen Kulturen einen immun-neutralisierenden Antikærper gegen Aktivin B, wird die
FSH-Gen-Expression reduziert (Corrigan et al. 1991). Der stimulatorische Effekt von Aktivin resultiert dabei aus einer erhæhten Zahl der Transkripte, einer Verlångerung der FSH-mRNA-Halbwertszeit und der erhæhten Expression des Aktivinrezeptors (Weiss et al. 1995; Dalkin et al. 1996). Inhibin, Aktivin und Follistatin beeinflussen auf hypophysårer Ebene die FSH-Synthese/-Sekretion durch zwei grundlegende Mechanismen: · direkte Wirkung von Aktivin auf die FSH-Sekretion der GZ und Modulation dieser Wirkung durch Inhibin und Follistatin; · indirekte Wirkung durch Modulation der Promotoraktivitåt des GnRH-Rezeptor(GnRH-R)Gens, der Zahl der GnRH-R in der Zellmembran der GZ und deren Sensitivitåt.
6.2.3.2.2 Direkte Regulation von FSH-Sekretion durch Inhibin/Aktivin und Follistatin Erste In-vitro-Studien zur Wirkung von Inhibin/ Aktivin auf die Gonadotropinsekretion wurden mit primåren Zellkulturen aus Rattenhypophysen durchgefçhrt. Diese Versuche belegten erstmals, dass humanes rekombinantes Aktivin A keinen Effekt auf die LH-Ausschçttung besitzt, dagegen aber sowohl die FSH-Sekretion als auch die Expression von FSHb stimuliert (Weiss et al. 1993). Durch Inhibin oder Follistatin konnten in solchen Versuchen die mRNA-Spiegel von FSHb auf praktisch nicht messbare Level reduziert werden (Carroll et al. 1989). Wie bereits diskutiert, sind In-vivo-Studien zu auto-/parakrinen Mechanismen, abgesehen von speziellen Anwendungen der Mikrodialyse in peripheren Organen wie Nebenniere und Corpus luteum, nicht monokausal interpretierbar, da bei systemischer Gabe der Testsubstanz mæglicherweise die Zielparameter nicht nur durch die Substanz per se, sondern auch durch nicht definierbare stærende Effekte beeinflusst wird. Trotz dieser generellen Einschrånkung sind In-vivo-Studien mit Inhibin durchgefçhrt worden. Ratten, denen intravenæs porcine, Inhibin enthaltende Follikelflçssigkeit appliziert wurde, reagierten mit einer signifikanten Abnahme der FSH-Spiegel (Jones et al. 1985). Die hohe Selektivitåt der Regulation der FSH-Sekretion durch Inhibin belegt ein anderer experimenteller In-vivo-Ansatz, die Infusion eines neutralisierenden Antiserums gegen Inhibin. In diesem Experiment kam es zu einer deutlichen Steigerung der FSH-Spiegel, ohne dass Verånderungen der LH-Sekretion zu beobachten waren
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
(Rivier et al. 1986). Beide Ansåtze beweisen zwar nicht einen hypophysåren parakrinen Effekt des Inhibins, sie beståtigen aber unter In-vivo-Bedingungen die aus Zellkulturen bekannte, selektive FSH supprimierende Wirkung des Peptids. Analog zu den Zellkulturstudien war die inhibininduzierte Suppression der FSH-Sekretion auch in den tierexperimentellen Versuchen von einer deutlichen Reduktion der FSHb-Expression begleitet. Die mRNA-Spiegel der a-Untereinheit und von LHb blieben unveråndert (Dalkin et al. 1993). Die FSH-stimulatorische Wirkung von Aktivin ist in vivo erstmals von Schwall et al. (1989) in immaturen intakten Ratten demonstriert worden. Entfållt der Einfluss gonadaler Steroide durch Ovariektomie, ist die Wirkung systemisch applizierten, humanen rekombinanten Aktivins auf die FSH-Sekretion deutlich verringert. Wie in Zellkultur nachgewiesen, ist die aktivininduzierte Stimulation der FSH-Sekretion in vivo ebenfalls mit einem Effekt auf transkriptioneller Ebene verbunden, i. e. die FSHb-Expression ist erhæht (Carroll et al. 1991). In pråpubertåren månnlichen Affen konnte der in Ratten beobachtete FSH-stimulierende Effekt von Aktivin beståtigt werden. Wurden gleichzeitig Aktivin und Follistatin systemisch appliziert, war dieser Effekt reduziert (Meriggiola et al. 1994).
6.2.3.2.3 Expression von Aktivinrezeptoren in der Hypophyse Aktivin ist ein Mitglied der TGF-Superfamilie. Wie fçr diese Wachstumsfaktoren charakteristisch, wird auch die Aktivin-Signaltransduktion çber eine membranståndige Serin-Threonin-Proteinkinase initiiert. Zunåchst bindet Aktivin an den AktivinTyp-II-Rezeptor, der in den zwei Subformen ActRII und ActRIIb existiert. Auch der Aktivin-TypI-Rezeptor existiert in zwei Unterformen, nåmlich ActRI und ActRIb, wobei die Letztere offensichtlich eine græûere Relevanz fçr die Signaltransduktion von Aktivin hat. Die C-terminale Domåne von Aktivin ist fçr die Interaktion mit dem Typ-II-Aktivin-Rezeptor essentiell. Nach Bindung von Aktivin an ActRII bildet dieser Liganden-Rezeptor-Komplex ein Heterodimer mit ActRI, welches nach Phosphorylierung die nachgeschaltete Signaltransduktionskette auslæst. An der Signaltransduktion sind Smad2, -3 und -4 beteiligt, wobei noch unbekannte Koaktivatoren die Spezifitåt des Aktivinsignals in den GZ vermitteln (Massague u. Chen 2000). Details dieser Signaltransduktionskaskade sind in den Ûbersichtsartikeln von Ethier und Findlay (2001) sowie Phillips und Woodruff (2004) zu
finden. ActRII ist der håufigste Subtyp des Aktivinrezeptors und ist diffus çber die gesamte Adenohypophyse verteilt, wobei die Unterform ActRIIb in den GZ exprimiert wird (Wilson u. Handa 1998). Die essentielle Rolle von ActRII unterstreichen Studien mit Knock-out-Måusen dieses Rezeptors, da diese Deletion mit einer profunden Reduktion der FSH-Biosynthese assoziiert ist (Kumar et al. 2003).
6.2.3.2.4 Expression von Inhibinrezeptoren in der Hypophyse Obwohl eine Regulation der FSH-Sekretion durch gonadales und in der Hypophyse lokal produziertes Inhibin auûer Frage steht, ist der Nachweis von Inhibinrezeptoren in der Hypophyse noch nicht zweifelsfrei gelungen. Daher wird auch der Mechanismus der Inhibinwirkung in der Literatur kontrovers diskutiert. Die b-Untereinheit ist gemeinsamer Bestandteil des Inhibin- und Aktivinmolekçls. Die Verfçgbarkeit der b-Untereinheiten zur Bildung des homodimeren Aktivins kann durch die Dimerisierung der a- und b-Untereinheit zum Heterodimer Inhibin reguliert werden. Die Menge des Aktivins kann auf diese Weise effizient kontrolliert werden, was zur Reduktion der FSH-Sekretion fçhrt. Da die Freisetzung von komplett prozessiertem Inhibinprotein aus Hypophysenzellen noch nicht nachgewiesen ist, kænnte dieser Mechanismus, i. e. die Verfçgbarkeit der b-Untereinheit, einen Aspekt der Inhibinwirkung in der Hypophyse darstellen (Gregory u. Kaiser 2004). Darçber hinaus bindet Inhibin direkt an ActRII, læst aber im Gegensatz zu Aktivin nicht die Komplexbildung mit ActRI aus. Somit ist Inhibin ein kompetitiver Inhibitor des Aktivins fçr ActRII, wodurch eine weitere Regulationsmæglichkeit auf die aktivinstimulierte FSH-Sekretion gegeben sein kænnte. Ob dieser Mechanismus eine biologische Signifikanz besitzt, ist zumindest fraglich, da Inhibin mit wesentlich geringerer Affinitåt als Aktivin an ActRII bindet (Bilezikjian et al. 2004). Die Suche nach einem Inhibinrezeptor hat zwei Molekçle als Kandidaten identifiziert. Dies ist zum einen der TGF-b-Typ-III-Rezeptor (auch als Betaglykan bezeichnet) und das Inhibinbindungsprotein InhBP. Betaglykan wird sowohl in normalen GZ als auch in LbT2-Zellen exprimiert. Die Zelllinie LbT2 ist durch gezielte Tumorgenese erzeugt worden, indem der Ratten-LHb-Promotor vor das SV-T-Antigen kloniert wurde, so dass eine Expression des immortalisierenden T-Proteins nur in den GZ der Hypophyse erfolgt (Thomas et al. 1996). Diese Tumorzelle hat zahlreiche Eigenschaften ei-
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ner adulten differenzierten GZ inklusive der Expression der Aktivinrezeptoren ActRII, ActRIIb und ActRIb sowie der Inhibin-a- und der Inhibin-/ Aktivin-bB-Untereinheiten. Daher eignet sich diese Zelle fçr zell- und molekularbiologische Untersuchungen der selektiven Regulation der Gonadotropinsynthese/-sekretion durch Inhibin/Aktivin. Mit dieser Zelllinie konnte durch Koimmunpråzipitation nachgewiesen werden, dass Betaglykan nach Bindung von Inhibin einen Komplex mit ActRII bildet (Ethier et al. 2002). Es ist daher vorgeschlagen worden, dass Betaglykan als ein Inhibinkorezeptor fungiert, der die Bindung von Inhibin an ActRII erhæht und somit die Interaktion von Aktivin mit diesem Rezeptor und damit assoziiert die Stimulation der FSH-Sekretion verhindert (Cook et al. 2004). Die Effizienz dieses Mechanismus zeigt sich daran, dass selbst hohe Mengen von Aktivin nur einen Teil der Komplexbildung von Inhibin/ Betaglykan/ActRII verhindern kænnen. Untersuchungen zur Expression von Betaglykan in der Hypophyse von Ratten ergaben, dass die Spiegel der Betaglykan-mRNA çber den gesamten Ústruszyklus konstant blieben. Damit besteht also keine Korrelation der Expression dieses putativen Inhibinrezeptors mit der zyklusabhångigen FSHSynthese/-Sekretion. Daraus wurde gefolgert, dass die Regulation der lokalen Inhibinsynthese bzw. der Verfçgbarkeit der b-Untereinheit als Dimerisierungspartner fçr die Bildung von entweder Inhibin oder Aktivin und nicht die Expression des Inhibinrezeptors Betaglykan der Mechanismus der lokalen Kontrolle der FSH-Sekretion ist (Bernard u. Woodruff 2001). In der Rattenhypophyse kænnen zwei Transkripte des InhBP nachgewiesen werden. In Analogie zu Betaglykan bildet InhBP einen Komplex mit dem Aktivinrezeptor, allerdings mit Subtyp ActRI. Dies fçhrte zur Hypothese, dass InhBP die Aktivin-Signaltransduktionskaskade dadurch unterbricht, dass die aktivininduzierte ActRI-/ActRII-Dimerisierung verhindert wird (Cook et al. 2004). Neue Studien mit transgenen Måusen, die nicht mehr InhBP exprimieren kænnen, ergaben aber, dass die Tiere fertil sind und keine nennenswerte Verånderungen der FSH-Synthese und -Sekretion aufweisen (Bernard et al. 2003). Da diese Knock-out-Måuse eine normale Expression des Betaglykans haben, ist die Schlussfolgerung nahe liegend, dass von den beiden als Inhibinrezeptoren vorgeschlagenen Proteinen Betaglykan das physiologisch relevantere Molekçl ist. Betaglykan-Knock-out-Måuse versterben in utero, was die fundamentale Rolle dieses Rezeptors unterstreicht (Stenvers et al. 2003).
6.2.3.2.5 Regulation der Expression des GnRH-Rezeptors durch Inhibin/Aktivin und Follistatin Eine wesentliche Determinante der Gonadotropinsekretion ist die Anzahl der GnRH-Rezeptoren in den GZ. Der GnRH-R besitzt als ein typischer G-Protein-gekoppelter Rezeptor sieben Transmembrandomånen und stimuliert nach Bindung des GnRH die Synthese und Freisetzung beider Gonadotropine. Beide Prozesse, Synthese und Freisetzung von LH und FSH, sind strikt abhångig von der Frequenz der pulsatilen GnRH-Sekretion aus dem Hypothalamus. Ebenso wird die Expression des GnRH-R, die Anzahl der Rezeptoren und deren Sensitivitåt durch die repetitive Exposition der GZ zu GnRH kontrolliert. Einzelheiten dieser neuroendokrinen Regulation der GnRH-R-Synthese und der durch GnRH induzierten Signaltransduktionskaskaden finden sich in Ûbersichtsarbeiten von McArdle et al. (2002) und Millar et al. (2004). Neben den direkten Effekten von Inhibin/Aktivin und Follistatin auf die FSH-Sekretion beeinflussen diese Proteine die Expression des GnRH-R. Aktivin erhæht die Synthese des GnRH-R, ein Effekt, der sowohl durch Inhibin als auch Follistatin antagonisiert werden kann (Duval et al. 1999). Die GnRH-R-Promotor-Aktivierung erfolgt fçr GnRH çber eine Konsensus-AP1-Bindungsstelle und eine Sequenz, die als ¹sequence underlying responsiveness to GnRHª (SURG-1) bezeichnet wird (Norwitz et al. 1999). Die positive Wirkung von Aktivin auf die GnRHR-Expression wird çber ein Smad-Bindungselement, das sowohl Smad3 als auch Smad4 binden kann, vermittelt. Mutationen in dieser Sequenz fçhren vom partiellen bis kompletten Verlust der aktivininduzierten Stimulation der GnRH-R-Promotor-Aktivitåt, was belegt, dass keine weiteren Bereiche des Promotors in die Vermittlung des Aktivinsignals involviert sind. Der stimulatorische Effekt von GnRH bleibt davon unbeeinflusst. Es ist daher zu folgern, dass die transkriptionelle Aktivitåt des GnRHR-Gens unter einer dualen Kontrolle durch das hypothalamische Neurohormon GnRH und durch den hypophysåren auto-/parakrinen Faktor Aktivin steht (Norwitz et al. 2002). Da die Expression des GnRH-R mit den mRNA-Spiegeln der a- und LH-/ FSHb-Untereinheiten korreliert, kænnte Aktivin auf diese Weise nicht nur die FSH-Synthese/-Sekretion beeinflussen, sondern auch via Stimulation der GnRH-R-Expression die Synthese von LH erhæhen. Somit wåre Aktivin nicht mehr als selektiver hypophysårer FSH-Releasingfaktor einzustufen, da dieser Faktor indirekt auch die LH-Freisetzung reguliert.
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
Aufgrund seiner Rolle als kompetitiver Inhibitor der Aktivin-Signaltransduktion ist es plausibel, dass Inhibin die Expression des GnRH-R negativ reguliert. Der experimentelle Beweis dieser Annahme ist in vitro mit Rattenhypophysenzellen gelungen. Unter basalen Bedingungen veråndert Inhibin die GnRH-R-Expression nur marginal, wåhrend die GnRH-stimulierte Expression des Rezeptors durch Inhibin signifikant reduziert wird (Braden et al. 1990). Auch Follistatin ist ein negativer Regulator der GnRH-R-Expression, wobei diese Wirkung bereits unter basalen Bedingungen zu beobachten ist, was im Umkehrschluss wiederum beweist, dass auto-/parakrin freigesetztes Aktivin die GnRH-R-Promotor-Aktivitåt erhæht (Duval et al. 1999). Die molekularen Mechanismen der inhibitorischen Wirkung von Follistatin auf die basale GnRH-R-Expression sind noch nicht bekannt, aber es ist wahrscheinlich, dass die Smad-vermittelte Signaltransduktion reduziert wird.
6.2.3.2.6 Parakrine Regulation der a-Untereinheit GZ und die thyreotrophen Zellen sowie die Plazenta exprimieren die den Hormonen LH, FSH und TSH gemeinsame a-Untereinheit. In Hypophysenzellkulturen erfolgt die Sekretion dieses Glykoproteins auch in Abwesenheit von GnRH. Warum die basale Synthese konstant hoch ist, ist bis heute unverstanden. Der Promotor des Gens der a-Untereinheit enthålt zahlreiche regulatorische Sequenzen, darunter ein repetitives ¹cAMP response elementª, eine GATA-Konsensus- und eine SF-1-Sequenz (Maurer et al. 1999). Trotz der oben dargestellten fundamentalen Bedeutung von Aktivin und Follistatin auf die FSH-Synthese haben beide parakrine Faktoren keinen Einfluss auf die Expression der a-Untereinheit (Carroll et al. 1989). Offenbar sind hierfçr Faktoren, die zu einer Steigerung der cAMP-Produktion fçhren, relevant. Erwartungsgemåû stimulieren daher GnRH und Thyreotropin-Releasinghormon (TRH) die Expression der a-Untereinheit. Paradigmatisch fçr intrahypophysåre Peptide, die zur Steigerung der Aktivitåt der Adenylatcyclase fçhren, sei PACAP genannt. Ûber einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor, der die Proteinkinase A aktiviert, erhæht PACAP die Transkription der a-Untereinheit (Fowkes et al. 2001).
6.2.3.3 Parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion wåhrend der Pubertåt Die Hæhe und der Rhythmus der Gonadotropinsekretion ist vom Lebensalter abhångig. In beiden Geschlechtern ist neonatal fçr kurze Zeit die LHund FSH-Sekretion hoch, sinkt aber danach rasch ab. Peripubertår steigen die Gonadotropinspiegel wieder an. Wåhrend der reproduktiven Lebensphase der Frau unterliegt die Gonadotropinsekretion im Sexualzyklus einem Rhythmus von 28 Tagen, der durch das pråovulatorische Maximum der LHund FSH-Ausschçttung charakterisiert ist. Wåhrend im Mann die Gonadotropinsekretion wåhrend des gesamtem adulten Lebensalters nahezu unveråndert bleibt, steigt die LH- und FSH-Sekretion in der Frau im Klimakterium deutlich an. Ob parakrine Regelmechanismen in der Hypophyse oder im Hypothalamus an der vermehrten Gonadotropinsekretion in der perimenopausalen Lebensphase beteiligt sind, ist unbekannt. Dagegen sind parakrin modulierende Prozesse in der Hypophyse an dem peripubertåren Anstieg der LH- und FSHSekretion beteiligt. Die Pubertåt wird aus heutiger Sicht als die Reaktivierung des GnRH-Pulsgenerators verstanden (Grumbach 2002). Die pulsatile GnRH-Sekretion des Hypothalamus fçhrt zur gesteigerten Sekretion der Gonadotropine aus der Hypophyse. Hierbei ist ein Geschlechtsunterschied zu beobachten: In weiblichen Organismen (untersucht wurden primår Nager und Primaten) werden beide Gonadotropine in annåhernd gleichem Ausmaû vermehrt sezerniert, wåhrend in månnlichen Organismen eine differentielle Regulation der FSH- und LHAusschçttung wåhrend der peripubertåren Lebensphase zu beobachten ist. Aufgrund der kurzen Lebensspanne werden tierexperimentelle Studien zur Physiologie der Pubertåt hauptsåchlich in Ratten vorgenommen. Zwischen Lebenstag 20 und 30 kommt es in månnlichen Ratten zu einem massiven Anstieg der FSH-Sekretion, wåhrend die LHSekretion im Verhåltnis dazu nur moderat erhæht ist. Untersucht man dieses Phånomen auf transkriptioneller Ebene, so ist eine deutliche Differenz in der Expression der b-Untereinheiten von FSH und LH zu beobachten. Bemerkenswert ist der zur FSHb-Untereinheit parallel verlaufende Anstieg der GnRH-Rezeptor-mRNA, was die Aktivierung der pulsatilen GnRH-Ausschçttung widerspiegelt (Zapatero-Caballero 2003). Eine Studie von Moore et al. (2003) beschreibt den peripubertåren Zeitverlauf der hypophysåren Follistatin- und FSHb-Expression. Die mRNA-Spie-
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gel der kurzen Variante von Follistatin, des Follistatin-288, verhalten sich in månnlichen Ratten wåhrend der Lebenstage 20±30 reziprok zur FSHSekretion, i. e. der Anstieg und die spåtere Abnahme der FSH-Synthese ist mit einer inversen signifikanten Abnahme bzw. einem Anstieg der Follistatin-mRNA assoziiert. Somit ist fçr die månnliche Ratte zu postulieren, dass die peripubertåre Differenz der Gonadotropinsekretion aus einer parakrinen Steuerung durch Aktivin/Follistatin resultiert. Beide Peptide beeinflussen direkt und selektiv die GnRH-stimulierte FSHb-Expression.
6.2.3.4 Parakrine Regulation der GZ in månnlichen Primaten Das Studium parakriner Prozesse in Primaten/Menschen in vivo ist, wie einleitend dargestellt, bis auf wenige Ausnahmen mit Mikrodialysesonden nur in sehr begrenztem Umfang mæglich. Dies trifft insbesondere fçr das experimentelle Studium parakriner Prozesse in der Hypophyse zu, deren anatomische Lage einen Zugang ohne extreme Beeintråchtigung des Versuchstieres unmæglich macht. Daher gibt es nur wenige In-vivo-Versuche, mit Ratten mittels Mikrodialyse intrahypophysår Proben zu sammeln (Dluzen u. Ramirez 1988; Schaefer et al. 1994). In diesen Experimenten wurden aber keine parakrinen Prozesse untersucht, sondern die Sekretionsdynamik von GnRH gemessen. Daher kann bis heute die physiologische Relevanz intrahypophysår gebildeter Stoffe çberwiegend nur aufgrund von Zellkulturen eingestuft werden. Dies gilt insbesondere fçr Primaten bzw. den Menschen. Sichtet man die entsprechende vorliegende Literatur, so wurden Studien in Primaten/ Menschen ± in vitro und ex vivo ± nahezu ausschlieûlich mit månnlichen Primaten durchgefçhrt. Dies ist auf den modulierenden Einfluss des zyklisch wechselnden Sexualsteroidmilieus in weiblichen Primaten zurçckzufçhren. Prinzipiell ergaben diese Studien eine weitgehende Analogie zu Befunden aus Ratten, so dass die genannten Ergebnisse aus Nagern mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Menschen çbertragbar sind. Im Fokus der vorliegenden Befunde mit månnlichen Primaten steht wieder das hypophysåre Aktivin-FollistatinInhibin-System. Die FSHb-Expression und die FSH-Sekretion in Kulturen von Hypophysenzellen aus adulten Rhesusaffen und menschlichen Aborten wird durch Aktivin stimuliert, ein Effekt, der auch fçr die GnRH-Rezeptor-Expression zu beobachten ist (Blu-
menfeld u. Ritter 2001; McLachlan et al. 1989). Einen ersten Hinweis auf die Inhibition der FSHSynthese durch Follistatin im Primaten lieferte die Studie von Kawakami et al. (2002). Ohne Zugabe von GnRH nimmt die FSH-Sekretion in Kulturen von Affenhypophysenzellen deutlich ab, wenn diese mit FS-Zellen angereichert sind. Da, analog zu Nagern, auch im Primaten FS-Zellen Follistatin produzieren, wurde dieser Effekt als indirekter Beweis fçr eine parakrine Inhibition der FSH-Sekretion durch dieses Peptid im Primaten interpretiert. Das hypophysåre Aktivin-Follistatin-System ist offensichtlich auch fçr den gegençber Ratten im Primaten wesentlich ausgeprågteren Postkastrationsanstieg von FSH verantwortlich. In der orchidektomierten Ratte steigen die Serumspiegel des FSH etwa 4fach, in langzeitorchidektomierten Affen dagegen etwa 40fach und im Menschen sogar bis zu 100fach an (Attardi et al. 1992). Analoge Verånderungen wurden auch fçr die FSHb-mRNASpiegel in der Ratte und im Affen berichtet. Diese Speziesdifferenz beruht offenbar auf einer unterschiedlichen Sensitivitåt der Expression von Follistatin auf die fehlende gonadale Steroidsekretion. In der Ratte steigt sowohl die FSHb- als auch die Follistatinexpression nach der Orchidektomie an, aber in einem unterschiedlichen Ausmaû, woraus im Nettoeffekt eine nur moderate Erhæhung der FSH-Synthese resultiert. Im Gegensatz hierzu konnte bisher in Affen kein Postkastrationsanstieg der Follistatin-mRNA gezeigt werden. Dies legt den Schluss nahe, dass die fehlende Suppression durch Follistatin die alleinige Ursache fçr die massive Erhæhung der Expression und Sekretion von FSH im orchidektomierten Affen ist (Winters et al. 2001).
6.2.4 Fazit Auf beiden betrachteten Ebenen der gonadotropen Achse, dem Hypothalamus und der Hypophyse, beeinflussen auto- und parakrine Prozesse die Synthese/Sekretion des neuroendokrinen Releasinghormons GnRH und der Gonadotropine LH und FSH. Wåhrend fçr die lokale Kontrolle der LHSynthese/-Sekretion die physiologische/pathophysiologische Bedeutung der hier vorgestellten Faktoren (Tabelle 6.2.1) noch nicht eindeutig zugeordnet werden kann, ist die fundamentale Rolle des hypophysåren Inhibin-Aktivin-Follistatin-Systems fçr die FSH-Synthese/-Sekretion bewiesen.
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6.2 Auto- und parakrine Regulation der Gonadotropinsekretion auf hypothalamischer und hypophysårer Ebene
Abb. 6.2.3. Durch vier Mechanismen wird die FSH-Sekretion lokal reguliert: I. Aktivin stimuliert nach Bindung/Komplexbildung mit ActRII und I direkt die Expression von FSHb. Gleichzeitig wird die Expression des GnRH-Rezeptors gesteigert, wodurch die Stimulation der FSHb-Expression verstårkt wird. Indirekt stimuliert Aktivin durch die erhæhten GnRH-Rezeptor-mRNA-Spiegel auch die LH-Sekretion. II. Inhibin und sein Korepressor Betaglykan binden an ActRII, wodurch die Dimerisierung beider Act-Subtypen verhindert und die Aktivierung der Smad-Kaskade unterbunden wird.
Die Funktionen von Inhibin als lokaler Regulator der FSH-Synthese/-Sekretion sind: · die Verhinderung der Bindung des autokrin stimulierenden Faktors Aktivin an ActRII und die Komplexbildung dieses Rezeptors mit ActRI; · nach Bindung an Betaglykan die Interaktion dieses Rezeptors mit ActRI; · die Bildung des Heterodimers, was die Komplexierung der b-Untereinheiten verringert (Abb. 6.2.3). Diese drei Wirkungen des Inhibins verhindern die Aktivierung der Smad-Kaskade und damit verbunden die Stimulation der FSHb-Promotor-Aktivitåt. Gemeinsam ist Follistatin und Inhibin die Antagonisierung der stimulierenden Wirkung von Aktivin.
III. Die Inhibin-a-Untereinheit verhindert durch Heterodimerisierung die b/b-Homodimerisierung zu Aktivin, woraus eine negative Regulation der FSH-Sekretion resultiert. IV. Follistatin komplexiert das mature Aktivinmolekçl, was wiederum eine Stimulation der FSHb-Expression/-Sekretion verhindert. ActRI, II: Aktivinrezeptor Typ I/II; a (rot), b (grçn): Inhibin-, Aktin-Untereinheiten; Beta-Gly: Betaglykan; GnRH-R: GnRH-Rezeptor; FSHb: b-Untereinheit des Follikel stimulierenden Hormons; LHb: b-Untereinheit des luteinisierenden Hormons
6.2.5 Literatur Acosta TJ, Ozawa T, Kobayashi S et al. (2000) Periovulatory changes in the local release of vasoactive peptides, prostaglandin F2alpha, and steroid hormones from bovine mature follicles in vivo. Biol Reprod 63: 1253±1261 Attardi B, Marshall GR, Zorub DS, Winters SJ, Miklos J, Plant TM (1992) Effects of orchidectomy on gonadotropin and inhibin subunit messenger ribonucleic acids in the pituitary of the rhesus monkey (Macaca mulatta). Endocrinology 130: 1238±1244 Bernard DJ, Woodruff TK (2001) Inhibin binding protein in rats: alternative transcripts and regulation in the pituitary across the estrous cycle. Mol Endocrinol 15: 654± 667 Bernard DJ, Burns KH, Haupt B, Matzuk MM, Woodruff TK (2003) Normal reproductive function in InhBP/p120-deficient mice. Mol Cell Biol 23: 4882±4891 Besecke LM, Guendner MJ, Schneyer AL, Bauer DA, Jameson JL, Weiss J (1996) Gonadotropin-releasing hormone regulates follicle-stimulating hormone-beta gene expression through an activin/follistatin autocrine or paracrine loop. Endocrinology 137: 3667±3673 Bilezikjian LM, Corrigan AZ, Blount AL, Vale WW (1996) Pituitary follistatin and inhibin subunit messenger ribonucleic acid levels are differentially regulated by local and hormonal factors. Endocrinology 137: 4277±4284
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6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion Torsten Schæneberg
Inhaltsverzeichnis 6.3.1 6.3.2
Allgemeine Einfçhrung in die Regulation der Gonadenfunktion . . . . . . . . . . . . .
6.3.2.2.5
Hormon/Transmitter-Rezeptor-Systeme der gonadalen Funktionsregulation . . . . Glykoproteinhormone und ihre Rezeptoren Glykoproteinhormone . . . . . . . . . . . . . Globale Struktur der Glykoproteinhormonrezeptoren . . . . . Signaltransduktion der Glykoproteinhormonrezeptoren . . . . . Nichtgonadotrope Hormone und ihre Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . Inhibine, Aktivine und ihre Rezeptoren . . Follistatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bone Morphogenetic Proteins . . . . . . . . Steroide als Regulatoren der Gonadenfunktion . . . . . . . . . . . . . Weitere Regulatoren der Gonadenfunktion
6.3.3 6.3.3.1
Molekulare Regulation der Ovarialfunktion Molekulare Regulation der Follikelreifung .
6.3.2.1 6.3.2.1.1 6.3.2.1.2 6.3.2.1.3 6.3.2.2 6.3.2.2.1 6.3.2.2.2 6.3.2.2.3 6.3.2.2.4
6.3.3.2
Endo-, auto- und parakrine Regulation der Ovulation und Luteinisierung . . . . . . 592
6.3.4 6.3.4.1
Molekulare Regulation der Hodenfunktion 594 Molekulare Regulation der Leydig-Zell-Funktion . . . . . . . . . . . . 594 Molekulare Regulation der Spermiogenese . 595
581 582 582 583 584
6.3.4.2 6.3.5 6.3.5.1
585 587 587 589 589 590 591 592 592
6.3.1 Allgemeine Einfçhrung in die Regulation der Gonadenfunktion Die Reproduktion der meisten Spezies hångt von der individuellen Fåhigkeit ab, funktionell differenzierte Gameten zu bilden. Beim Menschen und bei anderen Såugetieren sind die Gonaden fçr die Produktion von Spermien und Eizellen sowie fçr die Synthese verschiedener Hormone verantwortlich. Die Kontrolle beider Funktionen unterliegt maûgeblich einem zentralnervæs gesteuerten Regelkreis (Abb. 6.3.1). In einem klassisch-endokrinen Feedback-Mechanismus werden aus der Hypophyse zwei Glykoproteinhormone, das luteinisierende Hormon (LH) und das Follikel stimulierende Hormon (FSH), freigesetzt, die an ihren peripheren Zielzellen in den Gonaden eine Fçlle von biologischen Funktionen steuern. Hauptangriffspunkte fçr das LH sind die Granulosa- und Theca-Zellen des Ovars und die Leydig-Zellen im Hoden. FSH hingehen wirkt
6.3.5.2 6.3.5.3 6.3.5.4
Stærungen gonadaler Regelkreise . . . . . . Allgemeine Betrachtungen von Fehlfunktionen in Hormon/Transmitter-Rezeptor-Systemen Genetisch bedingte Verånderungen im GnRH und dem GnRH-Rezeptor . . . . . Genetisch bedingte Verånderungen im LH und dem LH-Rezeptor . . . . . . . . . Genetisch bedingte Verånderungen im FSH und FSH-Rezeptor . . . . . . . . . . .
596 596 597 598 599
6.3.6
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599
6.3.7
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600
hauptsåchlich an den ovariellen Granulosa-Zellen und testikulåren Sertoli-Zellen (Xu et al. 1995; Misrahi et al. 1996; Liu et al. 1998). Die Sekretion von LH und FSH erfolgt aus den gonadotropen Zellen der Adenohypophyse und wird durch das Gonadotropin-Releasinghormon (GnRH) gesteuert. GnRH ist ein Dekapeptid, das im Hypothalamus synthetisiert wird und çber das hypothalamisch-hypophysåre Portalsystem an die Adenohypophyse gelangt. Nach Bindung an den GnRH-Rezeptor erfolgt eine Freisetzung der Gonadotropine LH und FSH aus dem Hypophysenvorderlappen. GnRH wird pulsatil freigesetzt, wobei die Frequenz des GnRH-Pulses beim adulten Mann sehr konstant ist (0,5±1 Puls/h), bei der adulten Frau jedoch in Abhångigkeit von der Zyklusphase variiert (Hayes u. Crowley 1998). Die pulsatile Stimulation der Adenohypophyse fçhrt zu einer ebenfalls pulsatilen Ausschçttung der Gonadotropine. Verschiedene gonadale Hormone wie Testosteron, Ústradiol und Inhibin B, die der direkten Kontrolle von LH und FSH unterliegen, inhibieGanten/Ruckpaul (Hrsg.) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstærungen ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
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deutung im Prozess der Regulation der Gonadenfunktion nicht unerheblich ist. Die kontinuierliche Erweiterung des hypothalamisch/hypophysår-gonadalen Regelkreises um neue Komponenten reflektiert die Komplexitåt der Regulation der Gonadenfunktion. Sie ermæglicht jedoch auch einen zunehmenden Verståndnisgewinn çber die molekularen Mechanismen von krankheitsrelevanten Fehlfunktionen und ihrer therapeutischen Beeinflussung.
6.3.2 Hormon/Transmitter-Rezeptor-Systeme der gonadalen Funktionsregulation
Abb. 6.3.1. Klassischer hypothalamisch-hypophysårer-gonadaler Regelkreis. Die gonadalen Funktionen werden durch die adenohypophysåren Glykoproteinhormone FSH und LH reguliert. Diese beiden Glykoproteinhormone werden durch hypothalamisches GnRH freigesetzt. Targetzelle des FSH im Hoden sind die Sertoli-Zellen und im Ovar die GranulosaZellen. LH hingegen stimuliert Rezeptoren auf testikulåren Leydig-Zellen und Theca- sowie Granulosa-Zellen des Ovars. Sertoli- und Granulosa-Zellen bilden Inhibin, das die Freisetzung von FSH aus der Adenohypophyse hemmt. Die in den Gonaden gebildeten Sexualsteroide Testosteron und Ústradiol wirken primår negativ rçckkoppelnd auf die Hypophyse und den Hypothalamus, jedoch sind auch induzierende Eigenschaften auf die Glykoproteinhormonfreisetzung beschrieben worden
ren die Gonadotropinfreisetzung aus der Adenohypophyse und schlieûen so den Regelkreis. Diese durch klassisch endokrinologische Methoden wie Plasmaspiegelbestimmung von Hormonen und Suppressionstests gewonnenen Ergebnisse werden heute durch verschiedenste molekular- und zellbiologische Techniken ergånzt. Letztere Methoden erlauben die Analyse der Feinregulation der Gonadenfunktion auf zellulårer und sogar subzellulårer Ebene. Ziel der Ausfçhrungen dieses Kapitels ist es, neue Kenntnisse aus der molekularen Endokrinologie in den bekannten Regelkreis zu projizieren und diesen um neue Komponenten zu erweitern. Hierzu gehæren eine Reihe von neuen, vor allem para- und autokrinen Rezeptor/Transmitter-Systemen, deren Be-
Hormon/Transmitter-Rezeptor-Systeme bilden die Basis fçr die abgestimmte Kommunikation von spezialisierten Zellpopulationen innerhalb der Gonaden, aber auch zwischen den verschiedenen Organen des hypothalamisch/hypophysår-gonadalen Regelkreises. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich den molekularen Grundlagen der wesentlichen Hormon/Transmitter-Rezeptor-Systeme gonadaler Regelkreise. Dabei sollen vor allem funktionsrelevante und strukturelle Aspekte der zellulåren Signaltransduktion einzelner Komponenten im Vordergrund stehen.
6.3.2.1 Glykoproteinhormone und ihre Rezeptoren FSH, LH und das plazentare Choriongonadotropin (CG) sind die zentralen Hormone des Reproduktionssystems und essentiell fçr die Entwicklung und Funktion der Gonaden. Beide Hormone werden in den gonadotropen Zellen der Adenohypophyse gebildet und nach GnRH-Stimulation freigesetzt. Beide Hormone realisieren ihre Wirkung an den Gonaden çber Rezeptoren der Familie der G-Proteingekoppelten Rezeptoren (GPCR). Die Glykoproteinhormone LH, FSH, CG und das an der Schilddrçse wirkende Thyroidea stimulierende Hormon (TSH) zeigen eine hohe strukturelle Verwandtschaft und sind die Produkte eines langen Prozesses einer Hormon/Rezeptor-Koevolution sowie von Genduplikationen. Auch die GPCR fçr Glykoproteinhormone sind aus Genduplikationen hervorgegangen und teilen viele strukturelle und funktionelle Merkmale (Heckert et al. 1992). Glykoproteinhormone und ihre Rezeptoren existieren seit çber 450 Millionen Jahren. Davon zeugt die Existenz von FSH und LH und ihren Rezeptoren in Knochen-
a fischen (Hellqvist et al. 2004). Das plazentare CG ist ein evolutionår gesehen relativ junges Glykoproteinhormon und wurde bisher nur in Pferden und Primaten nachgewiesen (Leigh u. Stewart 1990). Der strukturelle Aufbau und die Funktion sowohl der Glykoproteinhormone als auch ihrer Rezeptoren låsst sich in åhnlicher Weise auch in anderen Liganden-Rezeptor-Systemen wieder finden. Deshalb soll nachfolgend exemplarisch auf diese nåher eingegangen werden.
6.3.2.1.1 Glykoproteinhormone LH, CG, FSH und TSH bilden die Gruppe der Glykoproteinhormone. Allen gemeinsam ist eine heterodimere Struktur aus je einer nichtkovalent verbundenen a- und b-Untereinheit. Letztere ist fçr das jeweilige Hormon spezifisch (Pierce u. Parsons 1981). Die isolierten Untereinheiten haben keine offensichtliche biologische Funktion. Nur die Heterodimere sind biologisch aktiv, wobei die b-Unter-
Abb. 6.3.2. Struktur des humanen Choriogonadotropins. Alle Gonadotropine besitzen eine heterodimere Struktur aus je einer nichtkovalent verbundenen a-Untereinheit (blau) und b-Untereinheit (grau). Hier dargestellt ist die Kristallstruktur der hCG (Lapthorn et al. 1994). Jede Untereinheit besitzt mehrere Cysteinreste (rot) in ihrer Primårstruktur (unten
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
einheit die Rezeptorspezifitåt determiniert. So aktiviert beispielsweise das humane CG (hCG) nicht den FSH-Rezeptor. LH und das in der Plazenta gebildete CG binden beide an den LH-Rezeptor, CG jedoch mit einer hæheren Affinitåt. Die b-Untereinheit des CG ist durch eine Genduplikation aus der b-Untereinheit des LH hervorgegangen und besitzt carboxyterminal eine Kettenverlångerung. Dieser Strukturunterschied erhæht die Stabilitåt und damit die Halbwertszeit des CG. Die Spezifitåt der Glykoproteinhormone zu ihren Rezeptoren scheint jedoch konzentrationsabhångig zu sein. So stimulieren extrem hohe Konzentrationen von hCG, wie sie z. B. unter Umstånden in der Schwangerschaft auftreten kænnten, den humanen TSH-Rezeptor zumindest partiell. Die Gestationshyperthyreose ist wahrscheinlich auf eine Kombination aus einer assoziiert auftretenden Mutation des TSH-Rezeptors und einem hohen hCG-Spiegel zurçckzufçhren (Smits et al. 2002). Die Identifikation der cDNA fçr die humane a-Untereinheit gelang 1979 durch Fiddes und Mit-
rechts). Diese bilden Disulfidbrçcken aus, die die Polypeptidkette in charakteristischer Weise strukturiert (rechts unten und oben). Dieses als Cysteinknoten bezeichnete Strukturmotiv ist in vielen Proteinen verbreitet und findet sich z. B. auch in Proteinen der TGF-b-Familie
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arbeiter und wenig spåter auch die Klonierung der b-Untereinheit (Fiddes u. Goodman 1979; Boorstein et al. 1982). Ein weiterer bedeutender Meilenstein im Verståndnis von Struktur und Funktion der Glykoproteinhormone war die Aufklårung der hCG-Struktur mittels Ræntgenkristallographie (Lapthorn et al. 1994; Wu et al. 1994) (Abb. 6.3.2). Die Analysen zeigten in beiden Untereinheiten ein sog. Cysteinknoten-Motiv, das auch in anderen Proteinen wie z. B. im Willebrand-Faktor oder TGF-b (¹transforming growth factor bª) zu finden ist (Isaacs 1995; Vitt et al. 2001). In einem Cysteinknoten-Motiv fixieren drei intramolekulare Disulfidbrçcken die Polypeptidkette der a- und b-Untereinheiten in einer definierten biologisch aktiven Konformation (Abb. 6.3.2). Kçrzlich gelang auch die Aufklårung der Kristallstruktur des humanen FSH (Fox et al. 2001). Ein detaillierter Strukturvergleich mit den kristallographischen Daten des hCG ergab vor allem Unterschiede in der Konformation einiger Schleifen der b-Untereinheit. Die Autoren leiten daraus hormondeterminierte Spezifitåtsunterschiede ab (Dias u. Van Roey 2001). Wie bereits oben erwåhnt, ist die a-Untereinheit in allen Glykoproteinhormonen identisch und hat eine Långe von 92 Aminosåuren. Im Gegensatz dazu variieren die b-Untereinheiten zwischen den Hormonen in Struktur und Långe (111±145 Aminosåuren in den humanen Glykoproteinhormonen). Die a- und b-Untereinheiten von Glykoproteinhormonen enthalten, wie es der Name schon vermuten låsst, Kohlenhydratseitenketten, die einen beachtlichen Anteil der Molmasse (20±40%) ausmachen (Hearn u. Gomme 2000). Verschiedene biologische Funktionen wie Proteinfaltung, Proteinstabilitåt, Affinitåt zum Rezeptor und die biologische Aktivitåt werden durch die Zuckerreste determiniert. So haben z. B. die N-Glykosylierungen der a-Untereinheit keinen Einfluss auf die Bindungseigenschaften des LH oder FSH zu ihren Rezeptoren. Das Fehlen dieser Glykosylierungen reduziert jedoch die biologische Aktivitåt dieser beiden Gonadotropine massiv (Flack et al. 1994). Fçr FSH sind Isoformen beschrieben, die sich hinsichtlich ihrer biologischen Aktivitåt sowie immunologischen und physikochemischen Eigenschaften unterscheiden. Auch Unterschiede in der Sekretionsregulation durch Ústradiol und Inhibin legen eine physiologische Relevanz einzelner FSHVarianten nahe (McNeilly et al. 2003).
6.3.2.1.2 Globale Struktur der Glykoproteinhormonrezeptoren Die Zielrezeptoren fçr Glykoproteinhormone sind Mitglieder der sog. Rhodopsin-åhnlichen GPCR oder GPCR der Familie A. GPCR sind polytope Membranproteine, d. h. mehrere Transmembrandomånen (TMD) sind an der Verankerung des Proteins in der Plasmamembran beteiligt. Im Falle der GPCR sind sieben TMD durch drei intra- und drei extrazellulåre Schleifen miteinander verbunden (Abb. 6.3.3). Der Aminoterminus (N-Terminus) befindet sich auûerhalb der Zelle, der Carboxyterminus (C-Terminus) ist innerhalb der Zelle lokalisiert. Innerhalb der Familie der Rhodopsin-åhnlichen GPCR werden Rezeptoren zusammengefasst, die gleiche strukturelle Merkmale besitzen. Dazu zåhlen verschiedene Aminosåuremotive wie z. B. das Asp-Arg-Tyr-Motiv der dritten TMD und das Asn-Pro-X-X-Tyr-Motiv in der 7. TMD (Schæneberg et al. 2002). Glykoproteinhormonrezeptoren nehmen innerhalb der Rhodopsin-åhnlichen GPCR eine strukturelle Sonderstellung ein, da der N-Terminus eine ausgesprochen groûe extrazellulåre Domåne bildet. Kçrzlich konnte die Kristallstruktur der FSH-Rezeptor-Ektodomåne mit gebundenem Glykoproteinhormon aufgeklårt werden (Fan u. Hendrickson 2005). Diese Ektodomåne baut sich aus leucinreichen repetitiven Elementen (¹leucin-rich repeatsª, LRR) auf. Multiple LRR finden sich auch in zahlreichen anderen Proteinen (Kobe u. Kajava 2001) und ordnen sich in einer hufeisenfærmigen Struktur an (Abb. 6.3.3). Die Ektodomåne des LHund FSH-Rezeptors baut sich aus neun dieser LRR auf, die çber eine Scharnierregion mit dem transmembranåren Rezeptorbereich verbunden sind. Eine Signalsequenz am N-Terminus gewåhrleistet eine korrekte luminale Translokation der Ektodomåne und wird nach erfolgter Translokation im endoplasmatischen Retikulum (ER) abgespalten. Die Ektodomåne von Glykoproteinhormonrezeptoren ist stark glykosyliert und durch verschiedene Disulfidbrçcken strukturell stabilisiert. Die pragmatische Unterteilung von Glykoproteinhormonrezeptoren in eine Ekto- und eine Transmembrandomåne låsst sich auch funktionell stçtzen. Verschiedene Studien mit LH- und FSHRezeptoren zeigten, dass die isolierte Ektodomåne zum hochaffinen Binden des Hormons ausreichend ist (Schmidt et al. 2001). Der modulare Charakter des Rezeptoraufbaus zeigt sich auch im transmembranåren Bereich. So kænnen aktivierende Mutationen (Abschn. 6.2.5.3) im transmembra-
a
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
Abb. 6.3.3. Struktur eines Glykoproteinhormonrezeptors. Glykoproteinhormonrezeptoren gehæren zur Familie A der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Sieben transmembranåre Domånen (TMD) durchspannen die Plasmamembran, wobei der N-Terminus auûerhalb und der C-Terminus innerhalb der Zelle liegt. Der Transmembrananker und seine intrazellulåre Oberflåche gewåhrleisten durch hormoninduzierte Strukturverånderungen die Signaltransduktion in das Innere der Zelle. Gerade die zytosolisch orientierten Schleifen und TMD-Abschnitte sind an der Interaktion mit dem G-Protein beteiligt. Glykoproteinhormonrezeptoren besitzen einen fçr die Familie A ungewæhnlich groûen N-Terminus. Dieser be-
steht aus leucinreichen Domånen (LRR), die sich hufeisenfærmig anordnen. An die Ektodomåne bindet das Glykoproteinhormon. Derzeit herrscht noch Unklarheit darçber, ob das Hormon durch direkte oder indirekte Wechselwirkung mit dem Transmembrananker die Rezeptoraktivierung realisiert (Sangkuhl et al. 2002). Auf der Basis von Kristallstrukturen des Membranankers (Palczewski et al. 2000) und der Struktur einer LRR-Domåne (Kobe u. Deisenhofer 1993) kann ein Modell eines Glykoproteinhormonrezeptors generiert werden. Rechts dargestellt ist ein Modell des LH-Rezeptors mit seinem Hormon
nåren Bereich des LH-Rezeptors eine Signaltransduktion induzieren, auch wenn die Ektodomåne deletiert ist (Sangkuhl et al. 2002). Vællig offen jedoch ist die Frage, wie die Bindung des Hormons an der Ektodomåne eine Strukturverånderung im transmembranåren Bereich hervorruft. Aktivierungsmodelle, die von einer direkten Interaktion von Hormon und TMD-Anker ausgehen, werden zunehmend in Frage gestellt (Sangkuhl et al. 2002; Smits et al. 2003). Interessanterweise kænnen neben dem Hormon auch Antikærper (Ludgate u. Vassart 1995) und Mutationen in der Ektodomåne (Grçters et al. 1998) die Glykoproteinhormonrezeptoren aktivieren. Auf der Basis dieser Daten wurden neue Aktivierungsmodelle entwickelt, bei denen z. B. die Ektodomåne den TMD-Anker in einer inaktiven Konformation hålt oder nach Hormonbindung eine intramolekulare, agonistische Struktur freigelegt wird und den TMD-Anker aktiviert (Sangkuhl et al. 2002). Ûber einen åhnlichen Mechanismus signalisiert z. B. der GPCR fçr Thrombin (Coughlin 2000).
6.3.2.1.3 Signaltransduktion der Glykoproteinhormonrezeptoren Wie die meisten GPCR realisieren die Glykoproteinhormonrezeptoren ihre transmembranåre Signaltransduktion çber verschiedene G-Protein-Familien (Gudermann et al. 1997). So koppeln alle Glykoproteinhormonrezeptoren an das Gs/Adenylylcyclase-System (Abb. 6.3.4). Eine Rezeptoraktivierung fçhrt damit zu einer intrazellulåren cAMP-Erhæhung. Zusåtzlich zu diesem Signalweg wurde z. B. fçr den LH-Rezeptor eine Aktivierung der Phospholipase-C/Inositoltriphosphat(PLC/IP3)Signalkaskade beschrieben (Gudermann et al. 1992). Die Angaben zur Aktivierung der Phospholipase-C/IP3-Signalkaskade durch den FSH-Rezeptor sind widersprçchlich (Minegishi et al. 1997; Schulz et al. 1999) und deuten auf eine eher untergeordnete Rolle dieses Signaltransduktionswegs bei der Signalçbertragung des FSH-Rezeptors hin. Ein Endpunkt vieler Signaltransduktionswege auch der G-Protein-vermittelten Signaltransduktion von Glykoproteinhormonrezeptoren ist die Transkriptionsregulation von verschiedensten Genen. Wie oben beschrieben, verlåuft eine Signalkaskade
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Abb. 6.3.4. Signaltransduktion des LH-Rezeptors. Die Aktivierung des LH-Rezeptors (LH-R) fçhrt zu einem Austausch von Guanosin-Diphosphat (GDP) und Guanosin-Triphosphat (GTP) an der a-Untereinheit des Gs-Proteins. In der GTP-beladenen Form dissoziiert das G-Protein in die a-Untereinheit und den b/c-Komplex. Die Gas-Untereinheit stimuliert Adenylylcyclasen, die Adenosintriphosphat (ATP) zu zyklischem
Adenosinmonophosphat (cAMP) zyklisieren. Die GTPaseAktivitåt der Gas-Untereinheit hydrolysiert GTP zu GDP und reassoziiert mit dem b/c-Komplex. Die Proteinkinase A (PKA) wird durch cAMP aktiviert und kann so den Transkriptionsfaktor C/EBP (¹CCAAT/enhancer binding proteinª) phosphorylieren. Dieser initiiert die Transkription von ¹steroidogenic acute regulatory proteinª (StAR)-mRNA
von Gonadotropinrezeptoren çber eine Gs-ProteinStimulation zu einer Aktivierung von Adenylylcyclasen mit nachfolgender Erhæhung von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP). Eine cAMP-abhångige Proteinkinase (PKA) wird dadurch aktiviert
und phosphoryliert dann Transkriptionsfaktoren wie C/EBP (¹CCAAT/enhancer binding proteinª) und SF-1 (¹steroidogenic factor-1ª) (Abb. 6.3.4). Transkriptionsfaktoren binden meist an Promotoren von verschiedenen Genen und kænnen de-
a ren Expression erhæhen oder vermindern. Das Resultat kann eine komplexe Verånderung des zellulåren mRNA-Expressionsprofils sein. Vor allem die Mikroarray-Technologie eræffnet die Mæglichkeit, die Transkriptionsregulation auf Hormonstimuli nahezu genomweit zu studieren. Eine Untersuchung an immortalisierten Granulosazellen zeigte nach FSHStimulation erwartungsgemåû (Abschn. 6.3.2.2) einen Anstieg der Transkription von Elementen des Steroidmetabolismus wie des StAR (¹steroidogenic acute regulatory proteinª), des Zytochroms P450scc und der Adrenodoxin-Reduktase (Sasson et al. 2003). Zusåtzlich zu bekannten Komponenten der FSH-induzierten zellulåren Antwort waren 11 weitere Gene wie z. B. Protein-Tyrosinphosphatasen und ein Neuropeptid-Y-Rezeptor hochreguliert. Auch das Abschalten bzw. eine Expressionsverminderung kann die Folge einer FSH-Rezeptor-Stimulation sein. So wurde z. B. die Reduktion der Expression des Chemokins CX3 C und seines Rezeptors beobachtet (Sasson et al. 2003). Neben den klassischen G-Protein-vermittelten Signaltransduktionswegen mehren sich fçr viele GPCR alternative, nicht-G-Protein-vermittelte Mæglichkeiten der Signalçbertragung. Die intrazellulåre Oberflåche von GPCR, insbesondere der C-terminale Rezeptoranteil und die intrazellulåren Schleifen bieten vielfåltige Mæglichkeiten der Interaktion mit Proteinen des Zytosols. Durch die Rekrutierung unterschiedlicher intrazellulårer Partner kænnen auch andere nicht-G-Protein-abhångige Signalwege wie z. B. alternative Wege zur Ca2+Freisetzung, Interaktionen mit anderen Membranproteinen und dem Zytoskelett moduliert und aktiviert werden (siehe Ûbersichtsartikel McDonald u. Lefkowitz 2001; Miller u. Lefkowitz 2001; Vazquez-Prado et al. 2003). Auch im Falle der FSH- und LH-Rezeptoren wurde çber verschiedene Screening-Ansåtze gezielt nach neuen intrazellulåren Interaktionspartnern gesucht. So interagiert Calnexin, ein Chaperon, direkt mit Glykoproteinhormonrezeptoren (Rozell et al. 1998). Auch c-Jun-Koaktivator und Ubiquitin assoziieren mit dem FSH-Rezeptor (Li et al. 2000; Cohen et al. 2003). Diese beteiligten Partner legen eine Funktion bei der assistierten Proteinfaltung und bei der Rezeptordesensitisierung nahe. Die physiologische Relevanz der Expressionsverånderung verschiedener bisher noch nicht mit der Gonadenfunktion in Verbindung gebrachter Gene oder die Identifizierung neuer Wechselwirkungen zwischen Proteinen ist græûtenteils jedoch unklar. Sie initialisieren jedoch weitere Studien mit neuen konzeptionellen Richtungen.
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
Nach Aktivierung eines GPCR wird dieser durch verschiedene pharmakodynamische Prozesse wieder inaktiviert. LH- und FSH-Rezeptoren werden phosphoryliert und Arrestin-abhångig internalisiert (Min et al. 2002). Dabei sind die Rezeptoren in endosomalen Membranen lokalisiert. Die in den Endosomen befindlichen Rezeptoren kænnen dann zur Plasmamembran rezyklisiert oder abgebaut werden (Munshi et al. 2005).
6.3.2.2 Nichtgonadotrope Hormone und ihre Rezeptoren Neben den klassischen gonadotropen Hormonen wie LH, hCG und FSH sind eine Reihe weiterer Glykoproteine, Peptide, Zytokine und Transmitter an der Regulation der Gonadenfunktion beteiligt. Viele dieser Faktoren haben vor allem para- und autokrine Funktionen und modulieren die Effekte der gonadotropen Hormone. Dieser Abschnitt widmet sich einigen dieser Faktoren und erlåutert ihre molekularen Wirkmechanismen. Die Vielzahl dieser Faktoren macht es jedoch unmæglich, alle im Detail zu erlåutern. Bereits vor 70 Jahren wurde eines dieser nichtgonadotropen Hormone postuliert. Kastrationsexperimente veranlassten McCullagh in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Existenz eines Hormons vorherzusagen, das die Ausschçttung gonadotroper Hormone aus der Hypophyse inhibiert (McCullagh 1932). Mit der Entdeckung des Inhibins konnte diese Hypothese beståtigt werden.
6.3.2.2.1 Inhibine, Aktivine und ihre Rezeptoren Die FSH-Biosynthese und -Freisetzung unterliegt einer strengen Kontrolle eines primår aus den Testes isolierten wasserlæslichen Proteinhormons (de Jong 1988). Nahezu zeitgleich mit der Isolation und Reinigung des als Inhibin bezeichneten Hormons (Rivier et al. 1985) gelang es einer Gruppe um Peter Seeburg, die cDNA eines Inhibins zu identifizieren (Mason et al. 1985). Inhibin wird in den Granulosa-Zellen des Ovars und in den Sertoli-Zellen des Testis gebildet (de Kretser et al. 2002). Inhibin ist ein heterodimeres Glykoprotein mit einer Molmasse von ca. 31 kDa, das zur Gruppe der TGF-b-Familie gehært. Es besteht wie die gonadotropen Glykoproteinhormone aus einer a-Untereinheit und einer b-Untereinheit. Bisher wurden zwei Inhibine, Inhibin A und Inhibin B, identifiziert, wobei die b-Untereinheit die Inhibin-
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Abb. 6.3.5. Signaltransduktion der Aktivine. Aktivine und andere Mitglieder der TGF-b-Familie aktivieren Membranrezeptoren der Familie der transmembranåren Serin/Threonin-Kinasen. Nach Bindung des Agonisten an einen der beiden Rezeptoren phosphoryliert die Kinaseaktivitåt des TypII-Rezeptors die Glycin/Serin-reiche (GS-) Domåne des TypI-Rezeptors. Der Typ-I-Rezeptor aktiviert Proteine der Smad-Familie (Smad2, Smad3). Der Komplex aus Smad2
und Smad3 (R-Smad) dissoziiert vom Membranrezeptor und transloziert nach Interaktion mit Smad4 in den Zellkern. Dort werden durch den aktivierenden Smad-Komplex verschiedene Kofaktoren rekrutiert und die Transkription verschiedener Gene initialisiert. Follistatin ist ein funktioneller Antagonist fçr Aktivine, da es diese durch Komplexbildung an der Interaktion mit den Membranrezeptoren hindert
form determiniert (a : bA und a : bB). Im Zuge der Reinigung von Inhibin wurden auch Dimere gefunden, die nur aus b-Untereinheiten bestehen (bA : b A, bB : bB und bA : bB). Sie wurden spåter als Aktivine bezeichnet (Ling et al. 1986; Vale et al. 1986). Die a- und b-Untereinheiten gehen aus Pråkursorproteinen hervor. Innerhalb der Homo- oder Heterodimere sind die Untereinheiten durch Disulfidbrçcken miteinander verbunden (Mason et al. 1986). Wie die meisten Mitglieder der TGF-b-Familie besitzen auch die Untereinheiten der Inhibine und Aktivine mindestens sechs konservierte Cysteinreste, die ei-
nen intramolekularen Cysteinknoten bilden (Schlunegger u. Grçtter 1992; Daopin et al. 1992). Die Mitglieder der TGF-b-Familie realisieren ihre Signaltransduktion çber Membranrezeptoren, die zur Familie der transmembranåren Serin/ Threonin-Kinasen gehæren. Diese Rezeptoren besitzen eine extrazellulåre Ligandenbindungsdomåne und eine intrazellulåre Kinasedomåne. Beide sind durch eine einzelne TMD miteinander verbunden. Grundsåtzlich lassen sich hierbei zwei Rezeptortypen, Typ-I-Rezeptor und Typ-II-Rezeptor, unterscheiden (Massagu 1998).
a Eine Vielzahl von Studien deutet auf ein kooperatives Aktivierungsmodell hin, in dem nach Bindung des Agonisten an einen der beiden Rezeptoren eine Kinaseaktivitåt des Typ-II-Rezeptors die Phosphorylierung der Glycin/Serin-reichen (GS-) Domåne des Typ-I-Rezeptors bewirkt (Attisano et al. 1996). Nach der Phosphorylierung des Typ-I- Rezeptors aktiviert dieser nachgeschaltete intrazellulåre Signaltransduktionswege (Abb. 6.3.5). Die Proteine der Smad-Familie sind bisher die einzigen identifizierten Substrate fçr Typ-I-Rezeptor-Serin/ Threonin-Kinasen. Der Aktivin-Rezeptor-Komplex aktiviert den Smad-Signal-Transduktionsweg durch Interaktion und Phosphorylierung von Smad2 und Smad3 (R-Smad). Die Phosphorylierung von R-Smad fçhrt zu einer Dissoziation vom AktivinRezeptor-Komplex und zu einer Kotranslokation mit Smad4 in den Zellkern. Dort werden durch den aktivierenden Smad-Komplex verschiedene Transkriptionsfaktoren wie z. B. c-Jun rekrutiert (Zhang et al. 1998). Im Gegensatz zur Signaltransduktion der Aktivine ist sowohl çber die Struktur des Inhibinrezeptors als auch çber die Inhibin-induzierte Signaltransduktion sehr wenig bekannt. Die bisher vergeblichen Versuche der Identifizierung eines spezifischen Inhibinrezeptors gaben Anlass fçr verschiedene Modelle der molekularen Funktion der Inhibine. Wie oben erwåhnt, sind die b-Untereinheiten von Aktivinen und Inhibinen identisch. Diese Tatsache låsst vermuten, dass die Inhibine ihre biologische Wirkung çber eine Kompetition bei der Aktivinassemblierung oder bei der Bindung am Aktivinrezeptor entfalten (Bernard et al. 2001). Es gibt jedoch auch Hinweise auf die Existenz eines spezifischen Inhibinrezeptors. Vor allem Radioligand-Bindungsstudien stçtzen diese Annahme. So wurden putative Inhibinrezeptoren wie z. B. das ¹inhibin binding proteinª (InhBP) und das Betaglykan identifiziert (Bernard u. Woodruff 2001). Die Studien der letzten Jahre favorisieren ein Szenario, in dem Inhibin am Betaglykan bindet und dadurch seine Affinitåt zum Aktivinrezeptor erhæht wird. Damit wåre die biologische Wirkung des Inhibins vornehmlich durch die Unterbrechung der Aktivinsignalkaskade zu erklåren (Chapman u. Woodruff 2003).
6.3.2.2.2 Follistatin Eine weitere Fraktion bei der Reinigung von Inhibin aus Follikelflçssigkeit enthielt ein monomeres 35kDa-Protein (Ueno et al. 1987). Die physiologische Signifikanz des als Follistatin bezeichneten Proteins wurde klar, als eine direkte Interaktion von Follista-
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
tin und Aktivin gezeigt werden konnte (Nakamura et al. 1990). Mit Entdeckung des Follistatins konnte ein wichtiger parakriner Regelkreis fçr die Gonadenfunktion geschlossen werden (Abb. 6.3.1). Follistatin wird in den Granulosa-Zellen gebildet und existiert in drei verschiedenen Isoformen, die durch alternatives Splicing und Proteolyse entstehen (Shimasaki et al. 1988; Sugino et al. 1993). Follistatin wird jedoch nicht nur in den Gonaden gebildet, sondern findet sich håufig in Begleitung von Aktivinen auch in vielen anderen Geweben (de Kretser et al. 2002). Follistatin hat eine Bindungsstelle fçr die b-Untereinheiten des Aktivins. Ein Aktivinmolekçl hingegen kann zwei Follistatinmolekçle binden (Abb. 6.3.5). Die Bindung zwischen Aktivin und Follistatin ist hochaffin, so dass der Komplex aus beiden nahezu nicht dissoziiert und lysosomal abgebaut wird. Obwohl Inhibine ebenfalls eine b-Untereinheit enthalten und Follistatin an ihnen binden kann, inhibiert Follistatin die biologische Aktivitåt von Inhibinen anscheinend nicht (Shimonaka et al. 1991). Neben der Interaktion mit Aktivin und Inhibin sind weitere Follistatinkomplexe bekannt. So kann Follistatin die Wirkung von verschiedenen BMP (¹bone morphogenetic proteinsª) und Myostatin, einem weiteren Vertreter der TGF-b-Familie, antagonisieren (Yamashita et al. 1995; Lee u. McPherron 2001).
6.3.2.2.3 Bone Morphogenetic Proteins BMP und ihre Rezeptoren bilden eine weitere Gruppe von parakrinen Regulatoren, die in den Gonaden eine wesentliche Rolle beim Keimzellwachstum und in der Keimzelldifferenzierung spielen. Auch die BMP gehæren zur groûen Gruppe von TGF-b-Proteinen, bestehen wie die meisten dieser Gruppe aus zwei Untereinheiten und zeigen die bekannte Struktur eines intramolekularen Cysteinknoten-Motivs. Primår wurden die BMP aufgrund der Eigenschaft isoliert, dass sie in vivo die Bildung von ektopen Knochen und Knorpelbildung induzieren kænnen (Urist 1965). Bis heute sind mehr als 30 verschiedene BMP identifiziert worden, die in unterschiedlichsten Geweben regulatorisch in die Morphogenese eingreifen. An der gonadalen Morphogenese und Keimzellentwicklung sind ebenfalls verschiedene BMP beteiligt. Hierzu gehæren BMP-4, BMP-6, BMP-7 und BMP-15 (Knight u. Glister 2003). BMP signalisieren wie Aktivine çber transmembranåre Rezeptoren der Serin/Threonin-Kinase-Familie (Balemans u. van Hul 2002). Auch hier mçssen zwei Typen von Re-
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zeptor-Serin/Threonin-Kinasen rekrutiert werden, die dann die Komponenten des Smad-Signalwegs aktivieren (Abb. 6.3.5). Die Funktion der BMP-Signaltransduktion kann sowohl durch extrazellulåre als auch durch transmembranåre/interzellulåre Komponenten moduliert werden. Zu den extrazellulåren Regulatoren und funktionellen Antagonisten zåhlen das Noggin, das Chordin und das schon oben erwåhnte Follistatin. Noggin und Chordin binden bevorzugt BMP-2 und BMP-4, Follistatin interagiert neben Aktivinen mit BMP-7 (Balemans u. van Hul 2002). Die transmembranåre Signaltransduktion kann auch durch die Expression von sog. Pseudo-BMP-Rezeptoren moduliert werden. Dabei handelt es sich um einen TypI-Rezeptor (BAMBI), der zwar den Liganden binden kann, jedoch keine intrazellulåre Serin/ThreoninKinasen-Domåne enthålt (Onichtchouk et al. 1999).
6.3.2.2.4 Steroide als Regulatoren der Gonadenfunktion Neben der Produktion von reifen Keimzellen ist die Steroidogenese eine weitere wichtige Aufgabe der Gonaden. Die synthetisierten und freigesetzten Sexualsteroide haben zusåtzlich zu den systemischen Wirkungen verschiedenste Funktionen in der paraund autokrinen Regulation der Gonadenfunktion. Die Synthese und Freisetzung der Sexualsteroide unterliegt einer direkten Kontrolle von zahlreichen Hormonen und Transmittern, unter ihnen die bereits genannten Gonadotropine und Proteine der TGF-b-Familie sowie auch Insulin, ¹insulin-like growth factor 1ª (IGF-1) und Tumor-Nekrose-Faktor a (TNF-a) (Wood u. Strauss 2002). Gonadotropine realisieren ihre steroidogene Wirkung çber den klassischen Gs/AdenylylcyclaseSignalweg. Das gebildete cAMP ist ein Aktivator der PKA, die ihrerseits C/EBP und SF-1 phosphoryliert (Christenson et al. 1999). Diese Faktoren potenzieren die Promotoraktivitåt und Expression von StAR (Abb. 6.3.4), das eine effiziente Translokation von Cholesterol in die Mitochondrien bewirkt (Christenson u. Strauss 2001). Aber auch andere Hormon-Rezeptor-Systeme sind in die Steroidogenese involviert. So gibt es Hinweise, dass Insulin und IGF-1 çber Rekrutierung von Komponenten der MAP-Kinase- und PI3-Kinase-Signalwege die Steroidsynthese in den Gonaden beeinflussen (Munir et al. 2004). Nach erfolgter Translokation des Cholesterols an die innere Mitochondrienmembran wird dieses durch das mitochondriale Zytochrom P450scc in Pregnenolon umgewandelt. Weitere Derivatisie-
rungsschritte, z. B. die Umwandlung des Progesterons in Androgene, erfolgen zum Teil zellspezifisch (Theca-Zellen des wachsenden Follikels). Die Androgene Androstendion und Testosteron werden dann durch die Granulosa-Zellen aufgenommen und mit Hilfe der Aromatase P450arom zu Ústrogen bzw. 17b-Ústradiol umgesetzt. Die LH-induzierte Steroidsynthese in den Leydig-Zellen des Testis fçhrt vor allem zum Testosteron und Dihydrotestosteron. Die gebildeten Androgene besitzen auch autokrine und parakrine Wirkungen auf z. B. Leydig- und Sertoli-Zellen. Im Normalfall ist der testikulåre Testosteronspiegel 40fach hæher als im Serum. Fçr eine lokale Wirkung von Testosteron sprechen Untersuchungen an Ratten, die nach einer Blockade der LH-Ausschçttung durch GnRH-Antagonisten und der dadurch fehlenden Testosteronproduktion eine verminderte Proliferation von Leydig-Zellen aufwiesen. Die Gabe von Testosteron konnte diesem Effekt vollståndig entgegenwirken (Misro et al. 1993). Im Menschen hingegen scheint die lokal-gonadale Funktion von Sexualsteroiden weniger relevant zu sein, da androgeninsensitive Patienten mit einem normalen bis erhæhten Testosteronspiegel håufiger sogar hyperplastische Leydig-Zellen haben und die Testosteronproduktion androgeninsensitiver mesenchymaler Testeszellen normal ist (Chemes et al. 1992). Auch Funktionen von Sertoli-Zellen, z. B. die Sekretion von Transportflçssigkeit fçr die Spermien, sind androgenabhångig (Sharpe 1997). Im Gegensatz dazu sind Ústrogene direkte Inhibitoren der Leydig-Zell-Entwicklung und es scheint, dass der biologische Nettoeffekt von Ústradiol in den Testes die Inhibition der Androgenbildung ist (Abney 1999). Aber auch die Wirkung von Ústrogenen ist fçr die månnliche Fertilitåt essentiell. So fçhrt z. B. die Inaktivierung des Ústrogenrezeptor-a zu Stærungen der Spermiogenese, da dieser Rezeptor an der Regulation der Reabsorption von Flçssigkeit im Rete testis beteiligt ist, die von den SertoliZellen freigesetzt wird (Hess et al. 1997). Die Signaltransduktion von Sexualsteroidhormonen wird çber Proteine der Familie der nukleåren Rezeptoren realisiert. Hierbei handelt es sich um intrazellulåre Rezeptoren. Diese Familie umfasst Rezeptoren fçr weitere Steroide, Vitamin D, die Schilddrçsenhormone und die Retinsåure. Wie viele nukleåre Rezeptoren signalisieren auch die Sexualsteroidhormonrezeptoren als dimerer Komplex und bestehen aus verschiedenen strukturellen Domånen. Neben der Ligandenbindungsdomåne sind die DNA-Bindungsdomåne und eine Domåne fçr die Interaktion im Dimer von einer hohen
a
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
funktionellen Relevanz (Ruff et al. 2000). Nach Ligandenbindung und Dimerisierung der Rezeptoren erfolgt eine Translokation des Hormon-RezeptorKomplexes vom Zytosol in den Zellkern. Ûber seine DNA-Bindungsdomånen, die je ein klassisches Zinkfingermotiv enthalten, erfolgt die Interaktion mit einer spezifischen Sequenzenabfolge (palindromische Sequenz fçr die Bindung von Transkriptionsfaktoren) in Promotorbereichen verschiedenster Gene. In Abhångigkeit vom Promotor und weiteren Kofaktoren kann die Transkription des entsprechenden Gens aktiviert oder inhibiert werden.
6.3.2.2.5 Weitere Regulatoren der Gonadenfunktion Es ist sicher unmæglich, hier alle an der Regulation der Gonadenfunktion beteiligten Hormon- und Transmittersysteme in aller Ausfçhrlichkeit zu nennen, die bisher nicht erwåhnt wurden. Gerade die Anzahl von autokrinen und parakrinen Regulatoren der Gonadenfunktion ist stetig steigend. Tabelle 6.3.1 fasst die wesentlichen Faktoren mit ihren molekularen Angriffspunkten zusammen. Fçr alle diese auto- und parakrinen Hormon- und Transmittersysteme wurde die physiologische Relevanz in der gonadalen Funktionsregulation in Gen-Knock-outStudien zumindest im Mausmodell belegt. Fçr einige Hormone, die ihre primåre Wirkung an der hypothalamisch-hypophysåren Achse entfalten, werden zunehmend auch Hinweise auf eine direkte gonadale Wirkung beschrieben. Seit lan-
gem ist bekannt, dass Leptin durch einen direkten hypothalamisch-hypophysåren Angriff die Freisetzung von LH und FSH reguliert. Måuse, die fçr Leptin (ob/ob-Måuse) oder den Leptinrezeptor (db/db-Måuse) defizient sind, haben einen hypogonadotropen Hypogonadismus (HHG) und sind infertil (Swerdloff et al. 1976; Chua et al. 1996). Neben den bekannten Produktions- und Wirkorten von Leptin mehren sich auch Beweise auf eine direkte inhibierende Wirkung an den Gonaden. Leptin und Leptinrezeptoren sind sowohl im Ovar als auch im Hoden exprimiert und unterliegen einer Regulation z. B. durch die Gonadotropine (Zamorano et al. 1997; Matsuoka et al. 1999; Tena-Sempere et al. 2001; Ryan et al. 2003). Eine Reihe weiterer Peptidhormone und Transmitter und ihre Rezeptoren wie z. B. Angiotensin, Vasopressin und Endothelin wurden mit verschiedenen Funktionen der Gonaden in Verbindung gebracht. Knock-out-Experimente der Hormonvorstufen oder/und Rezeptoren in Måusen haben bisher jedoch keine Hinweise auf eine gestærte Gonadenfunktion ergeben (Karasinska et al. 2003; Offermanns 2000). Da in den meisten Fållen eine permanente, d. h. wåhrend der gesamten Ontogenese bestehende Geninaktivierung vorlag, kænnen Kompensationsmechanismen eine mægliche Beteiligung dieser Hormonsysteme maskieren. Eine konditionale Geninaktivierung, d. h. zeitlich und ærtlich begrenzte Gendefizienz, kænnte in zukçnftigen Mausmodellen die Relevanz von solchen Kandidatengenen spezifischer adressieren.
Tabelle 6.3.1. Auto- und parakrine Ligand/Rezeptor-Systeme der Gonaden. Verschiedene Faktoren und Rezeptorsysteme sind in die auto- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion involviert. Die Tabelle fasst Faktoren und ihre Rezeptoren/Bindungsproteine zusammen, die bei Funktionsverlust im Mausmodell oder Patienten einen gonadalen Phånotyp aufweisen Auto- oder parakriner Faktor Spezifischer Rezeptor
Quelle
Aktivin Inhibin IGF-1 AMH PDGF Insl3 Relaxin VIP/PACAP Prostaglandin E2 TNF-a Prolaktin GDNF Ústrogen
Matzuk et al. 1995 Matzuk et al. 1992 Baker et al. 1996 Mishina et al. 1996 Gnessi et al. 2000 Nef u. Parada 1999; Kumagai et al. 2002 Krajnc-Franken et al. 2004 Asnicar et al. 2002; Shintani et al. 2002 Kennedy et al. 1999 Roby et al. 1999; Hizaki et al. 1999 Bole-Feysot et al. 1998 Paratcha et al. 2003 Lubahn et al. 1993; Hess et al. 1997; Krege et al. 1998
Aktivinrezeptor Typ II (S/TKR) Bisher kein spezifischer Rezeptor gefunden IGF-Rezeptor (S/TKR) TGF-like Rezeptor (RTK) PDGF-Rezeptor (RTK) LGR8 (GPCR) LGR7 (GPCR) PACAP-Rezeptoren (GPCR) EP2-Rezeptor (GPCR) Typ-1-TNF-Rezeptor (CKR) Prolaktinrezeptor (CKR) N-CAM Ústrogenrezeptor (nukleårer Rezeptor)
IGF-1: ¹insulin-like growth factor 1ª; AMH: Anti-Mçllerian-Hormon; PDGF: ¹platelet-derived growth factorª; Insl3: ¹insulinlike hormoneª; VIP: vasoaktives intestinales Peptid; PACAP: ¹pituitary adenylate cyclase activating peptideª; TNF-a: TumorNekrose-Faktor a; GDNF: ¹glial cell line-derived neurotrophic factorª; GPCR: G-Protein-gekoppelter Rezeptor; S/TKR: Serin/ Threonin-Kinase-Rezeptor; RTK: Rezeptor-Tyrosin-Kinase; CKR: Zytokinrezeptor; N-CAM: ¹neural cell adhesion moleculeª.
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6.3.3 Molekulare Regulation der Ovarialfunktion Das Wachstum und die Differenzierung der ovariellen Follikel erfordert eine Expression von spezifischen Genen in den Theca- und Granulosa-Zellen sowie den Oozyten. Die zeitliche Koordination dieser Programme wird von verschiedenen endokrinen Regelkreisen gewåhrleistet. Neben systemischen Mechanismen existiert eine Vielzahl von lokalen Signalen, die zwischen den Gameten und den somatischen Zellen die Feinabstimmung realisieren. Zyklisches AMP ist einer der wesentlichen intrazellulåren Mediatoren in der gonadotropen Regulation. Jedoch låsst sich die komplexe Reaktion in den verschiedenen Phasen der Follikelreifung und -differenzierung nicht allein auf diesen einen Signaltransduktionsweg zurçckfçhren. Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten Regulationsmechanismen in den verschiedenen Phasen der Follikulogenese und der endokrinen Funktion des Ovars im Hinblick auf den Einfluss der klassischen Gonadotropine und anderer Regulatoren.
6.3.3.1 Molekulare Regulation der Follikelreifung Die Follikulogenese in Såugern kann prinzipiell in zwei Perioden unterteilt werden: die gonadotropinunabhångige (pråantrale) und gonadotropinabhångige (antrale) Periode. Als Antwort auf die zyklische hypophysåre Gonadotropinfreisetzung interagieren die verschiedenen follikulåren Kompartimente in einer hochintegrierten Form, so dass die Steroidsynthese und die Bildung einer fertilisierbaren Eizelle gewåhrleistet wird. Dieser zyklische Prozess ist weiterhin gekennzeichnet durch die Selektion und Dominanz einiger weniger Follikel, die im Zuge der frçhen antralen Phase FSH-sensitiv werden und in ihrer weiteren Entwicklung von Gonadotropinen abhången. Eine zentrale Frage im zyklischen Prozess der Follikulogenese ist die nach den Faktoren, die determinieren, welche Follikel in die Follikulogenese eintreten und welche nicht. Wesentliche Fortschritte zur Klårung dieser Frage gelangen durch die Analyse von Follikelflçssigkeiten bzw. der Expressionsprofile zu den verschiedenen Follikelentwicklungsphasen. Gerade in der pråantralen Phase wird die Follikulogenese durch eine Vielzahl von auto- und parakrinen Faktoren moduliert (Abb. 6.3.6). Dazu gehæren Wachstumsfaktoren wie der EGF (¹epidermal growth factorª), IGF, GDF-9 (¹growth differentiation factor 9ª), TGF-b, die BMP, Aktivine, Inhibine und das Folli-
statin (Lin et al. 2003). In der initialen Phase der Follikulogenese dominiert die Expression von Inhibin, und alle Follikel zeigen åhnliche Ústradiolspiegel. Im weiteren Verlauf nimmt der Inhibingehalt im dominanten Follikel gegençber den supprimierten Follikeln deutlich ab. Aktivine sind prådominant in den supprimierten Follikeln exprimiert. In den dominanten Follikeln (antrale Phase) findet man eine Zunahme von FSH- und LH-Rezeptoren sowie von Ústradiol (Roche 1996). Der erhæhte Ústradiolgehalt von reifen Follikeln wird çber einen parakrinen Regulationsmechanismus erklårt, bei dem durch Stimulation der LH-Rezeptoren auf Theca-Zellen die Androgensynthese erhæht wird (Abb. 6.3.6). Die Androgene wiederum werden durch die Granulosa-Zellen aufgenommen und mittels Aromataseaktivitåt in Ústradiol umgewandelt. Sowohl FSH als auch IGF-1 stimulieren die Aromataseaktivitåt in den Granulosa-Zellen. Nur ein geringer Teil der angelegten Follikel wird wåhrend des Lebens in die Follikulogenese eintreten, und auch nur wenige dieser Follikel differenzieren zu einer fertilen Eizelle. Dieser Prozess der Selektion eines Follikels muss mit einer Differenzierungsunterdrçckung anderer Follikel in der Follikulogenese einschlieûlich ihrer Atresie einhergehen. Auch die Follikelatresie wird durch verschiedene auto- und parakrine Mediatoren bedingt. Neben dem Entzug von Wachstumsfaktoren (¹death by neglectª) sind spezifische Apoptose induzierende Faktoren wie z. B. TNF-a und TRAIL (¹tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligandª) am Untergang von Follikeln beteiligt (Johnson 2003). Nach Aktivierung solcher Zytokinrezeptoren kommt es zu einer Rekrutierung von Caspasen mit nachfolgender zellulårer Proteolyse, Chromatinkondensation und DNA-Degradation (klassischer ¹cell death pathwayª) (Hu 2003). Das Ûberleben und Reifen eines einzigen Follikels in der Follikulogenese kann jedoch auch als Resultat von Mechanismen betrachtet werden, die einer Apoptoseinduktion entgegenwirken. Zu diesen antiapoptotischen Signalmechanismen gehært vor allem die çber die Gonadotropine vermittelte Aktivierung der cAMP/PKA-Kaskade. Auch der Signaltransduktion von IGF-1 werden solche antiapoptotischen Eigenschaften zugeschrieben (Johnson 2003).
6.3.3.2 Endo-, auto- und parakrine Regulation der Ovulation und Luteinisierung Wie auch schon bei der Follikelreifung spielen FSH und LH eine wesentliche Rolle bei der Auslæsung
a
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
Abb. 6.3.6. Auto- und parakrine Regulation im heranreifenden Follikel. Die Differenzierung und Entwicklung eines Follikels wird durch vielfåltige para- und autokrine Regelkreise zwischen den Theca- und Granulosa-Zellen und dem Oozyt sichergestellt. Diese lokalen Regelkreise unterliegen der Kontrolle des hypothalamisch-hypophysåren Regulationssystems (Abb. 6.3.1) durch die Gonadotropine. Die follikulår freige-
setzten Transmitter, Mediatoren und Hormone beeinflussen das Wachstum benachbarter Follikel und realisieren die Rçckkopplung zum hypothalamisch-hypophysåren Steuerzentrum. Blau: Stimulation; rot: Inhibition; LH: luteinisierendes Hormon; IGF-1: ¹insulin-like growth factor 1ª; FSH: Follikel stimulierendes Hormon; TGF-b: ¹transforming growth factor bª; BMP: ¹bone morphogenetic proteinª
der Ovulation und nachfolgenden Luteinisierung. Vor allem eine kurzzeitig hohe Stimulation des LHRezeptors in Granulosa-Zellen scheint durch die nachfolgende transiente Expression verschiedener Gene wesentlich zur Auslæsung der Ovulation beizutragen (Richards 1994). Zu diesen Genen gehæren der Progesteronrezeptor (Park u. Mayo 1991) und Enzyme der Prostaglandinsynthese, wie z. B. die Prostaglandin-Endoperoxidsynthase-2 und die Cyclooxygenase 2 (Richards 1994). Die physiologische Relevanz von Progesteron und Prostaglandinen im Prozess des ¹timingª der Ovulation ist unbestritten. Zahlreiche Untersuchungen mit Antagonisten fçr diese Mediatoren sowie Studien an Måusen mit fehlendem Progesteronrezeptor oder fehlender Prostaglandin-Endoperoxidsynthase-2 belegen ihre Funk-
tion (Lydon et al. 1995; Dinchuk et al. 1995; Morham et al. 1995). Auch die Regulationskette zwischen der LH-Rezeptor-induzierten cAMP-Erhæhung und einer gesteigerten Progesteronrezeptorexpression konnte teilweise aufgeklårt werden. So besitzt der Promotor des Progesteronrezeptors eine putative C/EBP-Bindungssequenz (Kraus et al. 1993). Es darf jedoch nicht unerwåhnt bleiben, dass einige Details der Progesteronrezeptorexpression immer noch ungeklårt sind. So findet man eine LH-Rezeptor-abhångige Progesteronrezeptorexpression in Granulosa-Zellen nur in der pråovulatorischen Phase. FSHoder Forskolin-Stimulation vor diesem Zeitpunkt fçhren nicht zu einer Transkription des Progesteronrezeptors (Clemens et al. 1998). Es scheinen also noch zusåtzliche Faktoren fçr die pråovulatorische
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Progesteronrezeptorexpression notwendig zu sein. Auch der Promotor der Prostaglandin-Endoperoxidsynthase-2 wird durch eine C/EBP-Bindungssequenz reguliert (Sirois u. Richards 1993). Aber auch bei diesem wichtigen Enzym der Prostaglandinsynthese sind die genauen Ablåufe der pråovulatorischen Expressionsinduktion noch nicht im Detail gelæst. Die Expression des Progesteronrezeptors und der Prostaglandin-Endoperoxidsynthase-2 in Granulosa-Zellen impliziert eine entscheidende Rolle von Progesteron und Prostaglandinen in der Auslæsung der Ovulation. Diese Mediatoren scheinen auch die Funktion von Stromazellen des Ovars wie z. B. Fibroblasten und Endothelzellen zu modulieren und an der Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten mitzuwirken. Dieser Prozess wird als Remodeling bezeichnet und bereitet die Ovulation vor. Er geht mit der Aktivierung zahlreicher Proteasen wie Metalloproteasen, Kollagenasen und Kallikrein einher (Richards et al. 1998). Kallikrein setzt aus Kininogenen bioaktive Kinine (Bradykinin) frei, die ihrerseits çber Membranrezeptoren z. B. auf Endothelzellen eine Vasodilatation und erhæhte vaskulåre Permeabilitåt verursachen (Hellberg et al. 1991). Die kombinierte und zeitlich abgestimmte lokale Wirkung von Enzymen und Transmittern initiiert die Ovulation. Nach der Ovulation erfolgt die Phase der Luteinisierung des Follikels. Dabei verliert er seine bisherige Struktur. In den Aufbau des Gelbkærpers werden Theca- und Granulosa-Zellen mit einbezogen. Innerhalb von 7 Stunden transformieren Theca- und Granulosa-Zellen zu Zellen des Gelbkærpers und werden dabei im Hinblick auf ihre Proteinexpression neu programmiert. Zusåtzlich erfolgt eine Vaskularisierung und Septierung des Gelbkærpers. Eine wesentliche Aufgabe des Gelbkærpers ist die Biosynthese von Progesteron. Im Menschen werden tåglich 10±40 mg Progesteron aus dem Gelbkærper freigesetzt. Die Progesteronsynthese unterliegt hauptsåchlich der Regulation durch LH (cAMPPKA-C/EBP-Weg), aber auch durch Oxytocin, Prostaglandin F2a (PLC-b/IP3-Weg) und Prolaktin (JAKSTAT-Signalweg) (Richards et al. 1998). Zum prådominanten Expressionsmuster von Lutealzellen gehæren nun unter anderem das StAR, die 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, das Zytochrom P450scc und das a2-Makroglobulin. Das a2-Makroglobulin wiederum ist ein effizienter Bindungspartner fçr Inhibine, Zytokine und Wachstumsfaktoren (Mather 1996) sowie ein effizienter Serinproteaseinhibitor (Dajee et al. 1998) und spielt beim Remodeling des Gelbkærpers in der lutealen Phase eine wichtige
Rolle. Neben den hypophysåren Hormonen scheinen auch lokale Faktoren wåhrend der Luteinisierung und Lutealphase eine Rolle zu spielen. Zu diesen Faktoren zåhlen das Endothelin-1, Wachstumsfaktoren wie IGF-1 und EGF, aber auch Progesteron selber. So gibt es verschiedene Hinweise, dass Progesteron seine eigene Freisetzung aus dem Gelbkærper mit einem positiven Feedback-Mechanismus reguliert (Murphy 2000).
6.3.4 Molekulare Regulation der Hodenfunktion In Analogie zum Ovar sind in das Wachstum, die Differenzierung und Funktion der Testes verschiedene endokrine, para- und autokrine Regulationsmechanismen involviert. Auch hier haben vor allem Knock-out- und Ûberexpressionsexperimente in Måusen neue und wesentliche Beitråge zum molekularen Verståndnis der gonadalen Funktionen erbracht. Der etablierte hypothalamisch-hypophysår-testikulåre Regelkreis wurde durch zusåtzliche Faktoren wie z. B. Prolaktin, Wachstumshormon (GH) und das auch lokal gebildete IGF-1 erweitert. Wie im Ovar steuern para- und autokrine Mechanismen die Apoptose von Leydig-Zellen und Zellen der Spermatogenese. Die klinische Relevanz des Verståndnisses dieser Prozesse liegt nahe und findet ihre Anwendung in der Andrologie und Reproduktionsmedizin.
6.3.4.1 Molekulare Regulation der Leydig-Zell-Funktion Eine wesentliche Aufgabe der Leydig-Zellen ist die Produktion von Testosteron aus Cholesterol. Verschiedene Hydrolasen, Reduktasen und Isomerasen sind an diesem Prozess beteiligt. In Såugern rekrutiert sich die Leydig-Zell-Funktion aus zwei Generationen dieser hochspezialisierten gonadalen Zellen. Die erste Generation von Leydig-Zellen entwickelt sich in der Fetalzeit und realisiert die Maskulinisierung des Fetus (Mendis-Handagama u. Ariyaratne 2001). Ein Groûteil dieser fetalen Zellen wird postnatal eliminiert und nur ein geringer, aber konstanter Anteil persistiert bis ins Erwachsenenalter. Die zweite Generation von Leydig-Zellen bildet sich wåhrend der Pubertåt und gewåhrleistet die Bildung von Testosteron und die Aufrechterhaltung der Reproduktionsfåhigkeit. Die Entwicklung
a von Leydig-Zellen erfolgt çber mesenchymale Zellen und Progenitorzellen bis hin zu reifen LeydigZellen. Diese Differenzierung wird durch eine Vielzahl von Faktoren eingeleitet. Neben dem LH und seinem Rezeptor markieren vor allem Enzyme der Steroidsynthese (3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, 3b-HSD) die Entwicklungsstadien. Mesenchymale Zellen exprimieren keinen LHRezeptor und sind insensitiv gegençber Gonadotropinen. Dies unterstçtzen Befunde an GnRH-defizienten Måusen und Måusen mit einem LH-Rezeptor-Defekt. Beide Knock-out-Måuse besitzen Leydig-Zellen, jedoch wenig differenziert und in geringerer Zahl (O'Shaughnessy u. Sheffield 1990; Zhang et al. 2003). Es konnte auch gezeigt werden, dass trotz Inaktivierung des LH-Rezeptors und geringer intratestikulårer Testosteronspiegel die Spermatogenese zumindest in Måusen nicht komplett erloschen ist (Zhang et al. 2003). Frçhere Studien an hypophysektomierten Nagern implizierten auch spezifische Effekte des FSH an der Testosteronproduktion der Testes. Neuere Untersuchungen mit sehr reinem oder rekombinantem FSH widerlegten diese Befunde und zeigten, dass FSH keine Bedeutung in der Regulation der Leydig-Zell-Funktion hat (Mendis-Handagama u. Ariyaratne 2001). Die Relevanz von Androgenen bei der LeydigZell-Differenzierung ist experimentell gut belegt. Verschiedene Studien zeigten, dass die Differenzierung von unreifen adulten zu reifen Leydig-Zellen von Dihydrotestosteron abhångig ist und diese Zellen hohe Spiegel an Androgenrezeptor enthalten (Bremner et al. 1994; Shan et al. 1995). Diese Daten werden durch den Phånotyp einer Mauslinie gestçtzt, die einen defekten Androgenrezeptor (Tfm) trågt. Diese Tiere entwickeln eine testikulåre Feminisierung mit einer gestærten Leydig-Zell-Differenzierung (Murphy et al. 1994). Im Gegensatz zu Androgenen sind Ústrogene starke Inhibitoren der Leydig-Zell-Entwicklung. Bereits eine einmalige Applikation von Ústradiol in 5 Tage alten Ratten inhibiert die Leydig-Zell-Entwicklung (Abney 1999). Ein bisher unerwåhnter Faktor, das ¹AntiMçllerian Hormonª (AMH) oder ¹Mçllerian-inhibiting factorª (MIF), ist ein Mitglied der Familie der TNF-b-Zytokine. AMH bindet an den Typ-IIAMH-Rezeptor und induziert die Regression des Mçllerschen Gangs in der Fetogenese (Mishina et al. 1996). AMH wird in immaturen Sertoli-Zellen gebildet, findet sich aber kaum noch in postnatalem Hodengewebe (Behringer et al. 1994). Zusåtzlich scheint das AMH aber auch in testikulåre Prozesse involviert zu sein. So gibt es Hinweise darauf, dass der AMH-Rezeptor auf den Leydig-Zel-
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
len exprimiert ist und eine AMH-Ûberstimulation zu Differenzierungsstærungen der Leydig-Zellen fçhren kann (Racine et al. 1998). Øhnlich wie im Ovar bilden Wachstumsfaktoren wie IGF-1, ¹platelet-derived growth factorª (PDGF), TGF-a und TGF-b weitere Gruppen von para- und autokrinen Regulatoren der Leydig-ZellFunktion. Verschiedene Untersuchungen zeigten die Kofaktorfunktion von z. B. IGF-1 bei der LHinduzierten Steroidogenese (Mendis-Handagama u. Ariyaratne 2001; Habert et al. 2001).
6.3.4.2 Molekulare Regulation der Spermiogenese Bereits in der 6. Gestationswoche kænnen SertoliZellen morphologisch im menschlichen Hodengewebe abgegrenzt werden. Die erste Leydig-Zell-Population formiert sich in der 8. Gestationswoche. Schon in dieser frçhen Phase ist die Spermiogenese eng mit der Funktion beider Zelltypen verbunden, und gerade moderne Methodiken der transgenen Technologie zeigen die Komplexitåt der Wechselwirkungen beider Zellformen auf. Es ist in diesem Rahmen unmæglich, umfassend auf alle zellulåren Komponenten einzugehen, die direkt oder indirekt die Regulation der Spermiogenese beeinflussen. So fçhrt die Defizienz einer Vielzahl von Komponenten der intrazellulåren Signaltransduktion (Escalier et al. 2003; Takahashi et al. 2002; Hellsten et al. 2001), Transportern (Oishi et al. 2004) und Zell-Zell-Kontaktmolekçlen (Roscoe et al. 2001) zu meist isolierten Spermiogenesedefekten. Zahlreiche murine Geninaktivierungs- und Ûberexpressionsmodelle von Faktoren und Rezeptoren mit potentiell auto- oder parakriner Funktion haben zum Teil unerwartet vællig neue Faktoren im Prozess der Spermiogenese aufgedeckt. So zeigte z. B. die Inaktivierung und Ûberexpression von GDNF (¹glial cell line-derived neurotrophic factorª), dass dieser in Sertoli-Zellen produzierte Faktor essentiell fçr die Differenzierung und Reifung von unreifen Spermien ist (Meng et al. 2000). Im Gegensatz dazu hatte die Geninaktivierung von bekannten Regulatoren oder Targetproteinen keinen oder nur kaum einen Effekt auf als etabliert geltende Regelkreise (Venables u. Cooke 2000). So geht z. B. die Inaktivierung des auf Sertoli-Zellen exprimierten FSH-Rezeptors bei der Maus und beim Menschen zwar mit einer Reduktion des Hodenvolumens und einer reduzierten Spermienzahl, aber nicht mit Infertilitåt einher (Abel et al. 2000; Tapanainen et al. 1997).
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Øhnlich wie im Ovar ist der Verlust von Keimzellen durch Apoptose ein essentieller Bestandteil der Keimzellentwicklung. Die Spermiogenese ist gekennzeichnet durch verschiedene morphologische und molekulare Verånderungen, die die Apoptose als wichtigen Teil der Reifung von Spermien hervorheben. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass apoptotische Signalmechanismen fçr die sukzessive Reduktion des Zytoplasmas in den heranreifenden Spermatozoen rekrutiert werden (Cagan 2003). Verschiedenste parakrine Signale determinieren das Schicksal heranreifender Spermatozoen. Zu diesen Signalen gehæren SCF (¹stem cell factorª), LIF (¹leukemia inhibitory factorª) und Dhh (Desert Hedgehog), aber auch Gonadotropine und Testosteron. LIF-Rezeptoren sind an der Zelloberflåche von primordialen Keimzellen exprimiert (Cheng et al. 1994), und deren Ûberleben bei Anwesenheit von LIF wurde in der Zellkultur beståtigt (De Felici u. Dolci 1991; De Miguel et al. 1996). Jedoch bleibt die Frage der In-vivo-Relevanz von LIF offen, da LIF-defiziente Måuse fertil sind (Stewart et al. 1992). Ein klassisches Apoptosesignal fçr Spermatiden ist eine Ústrogenbehandlung oder ein Entzug von Androgenen. Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch unklar (Print u. Loveland 2000). Auch TGF-b kann Apoptose von Gonozyten induzieren (Olaso et al. 1998).
6.3.5 Stærungen gonadaler Regelkreise Die vorangegangenen Abschnitte haben in Grundzçgen die hohe Komplexitåt der systemischen und lokalen endokrinen Regulation der Gonadenfunktion beschrieben. Die vielseitige Vernetzung der einzelnen Regelkreise impliziert, dass bereits die Auslenkung einer Komponente zu massiven Stærungen benachbarter Signalwege fçhren kann. Der nachfolgende Ûberblick wird sich aufgrund der Fçlle von Ursachen fçr Stærungen der Regulation der gonadalen Funktion (Tabelle 6.3.1) auf vor allem genetisch bedingte Verånderungen von Komponenten hypophysår-gonadaler Regelkreise beschrånken.
6.3.5.1 Allgemeine Betrachtungen von Fehlfunktionen in Hormon/Transmitter-Rezeptor-Systemen Die Grundbausteine eines jeden hormonellen Regelkreises sind der Agonist (Hormon) und sein
Rezeptor. Prinzipiell kænnen Stærungen eines Regelkreises sowohl den Agonisten als auch den Rezeptor betreffen. Mutationsbedingte Verånderungen kænnen beide Komponenten funktionell gesehen aktivieren oder inaktivieren. Basis fçr einen Funktionsverlust des Proteohormons kænnen Strukturverånderungen im Sinne eines Affinitåtsverlusts zum Rezeptor z. B. durch eine Missense-Mutation oder gar der komplette Genverlust durch eine genomische Deletion sein. Aber auch inaktivierende Mutationen im Promotorbereich, in Splice-Erkennungsorten oder in anderen regulatorischen Bereichen des Hormongens kænnen die Ursache fçr einen partiellen oder totalen Funktionsausfall des Hormons bilden. Verånderungen des Hormons, die zu einer Verstårkung der Funktion fçhren, sind weit seltener. So kænnen Mutationen die Affinitåt eines Peptidhormons zum Rezeptor erhæhen oder dessen Halbwertszeit verlångern (Szkudlinski et al. 1996; Walker et al. 1990). Auch Mutationen von Hormon abbauenden Enzymen kænnen die Halbwertszeit veråndern. Beispielsweise erfolgt die Kontrolle des Abbaus von LH durch den Man/GalNAc-4-SO4-Rezeptor, der LH çber bestimmte Zuckerreste bindet. Die In-
a
b Abb. 6.3.7 a, b. Rezeptorgleichgewicht. a Rezeptoren befinden sich in einem Gleichgewicht zwischen inaktiver (R) und aktiver (R*) Rezeptorkonformation. Sowohl Agonisten als auch aktivierende Mutationen verschieben dieses Gleichgewicht zur aktiven Konformation. Dementgegen verlagern inverse Agonisten (z. B. b-Blocker, Atropin) das Gleichgewicht zum inaktiven Zustand. Antagonisten hingegen binden am Rezeptor, kænnen somit auch Agonisten oder inverse Agonisten verdrången, veråndern jedoch die Lage des bestehenden Gleichgewichtes nicht. b Die meisten GPCR aktivieren mehr als einen Signalweg. Man nimmt an, dass der Rezeptor fçr die Interaktion mit verschiedenen G-Proteinen (z. B. Gs, Gq) unterschiedliche aktive Konformationen (R*, R**) einnimmt. Ein Agonist (A) verschiebt den Rezeptor in die jeweiligen aktiven Zustånde und bewirkt damit eine effiziente Kopplung an eines der G-Proteine
a
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
aktivierung des Man/GalNAc-4-SO4-Rezeptors fçhrt zu einer verlångerten Halbwertszeit des LH und kann so Fertilitåtsstærungen bedingen (Mi et al. 2002). Auch sind Mutationen in Suppressorbereichen des Promotors denkbar, die ebenfalls eine relative Erhæhung der wirksamen Hormonkonzentration bewirken wçrden. Auch bei den Hormonrezeptoren sind Inaktivierungen und Aktivierungen beschrieben worden. Die meisten Rezeptormolekçle liegen in einem Gleichgewicht zwischen der aktiven und inaktiven Konformation vor (Abb. 6.3.7). Die Lage dieses Gleichgewichtes ist eine individuelle Eigenschaft eines jeden Rezeptortyps. Prinzipiell verschieben Agonisten dieses Gleichgewicht in Richtung der aktiven Konformation, sog. inverse Agonisten verschieben es in die inaktive Konformation (Seifert u. Wenzel-Seifert 2002). Auch strukturelle Verånderungen des Rezeptormolekçls kænnen diese Wirkungen auf die Lage des Gleichgewichtes ausçben. Man unterscheidet demzufolge aktivierende und inaktivierende Mutationen (Schæneberg et al. 2002).
6.3.5.2 Genetisch bedingte Verånderungen im GnRH und dem GnRH-Rezeptor Dem in Abb. 6.3.1 aufgezeigten systemischen Regelkreis folgend ist die pulsatile Sekretion von FSH und LH untrennbar mit der Funktion der hypothalamisch-hypophysåren Achse verbunden. Das Dekapeptid GnRH und sein Rezeptor nehmen in diesem Regelkreis eine Schlçsselstellung ein. Zur Vollståndigkeit soll hier kurz auf genetisch bedingte Ursachen der Dysfunktion des GnRH/GnRH-Rezeptor-Systems eingegangen werden. Mutationen von Genen, die in die wåhrend der Entwicklung stattfindende Migration von GnRH freisetzenden Neuronen (KAL-Gen) oder in die Prozessierung von GnRH (PC1-Gen) involviert sind, fçhren zum hypogonadotropen Hypogonadismus (HHG) (Franco et al. 1991; Jackson et al. 1997). Zusåtzlich wurden weitere Gene (DAX-1, SF-1) identifiziert, deren Deletion eine Stærung der Ontogenese der Adenohypophyse und damit der pubertåren Entwicklung bewirken (Mullis 2001; Achermann et al. 2001). Der Verlust von GnRH mçsste zwangslåufig zu einem HHG fçhren. Bisher wurden jedoch noch keine pathogenen Mutationen im GnRH-Gen des
Tabelle 6.3.2. Erkrankungen durch Mutationen im GnRH und in Gonadotropinen und ihren Rezeptoren Phånotyp Frau
Phånotyp Mann
Quelle
GnRH-Rezeptor Inaktivierung
Primåre Amenorrhoe
Hypogonadotroper Hypogonadismus (verzægerte Pubertåt, Oligospermie)
de Roux et al. 1997; de Roux u. Milgrom 2001
LH-b-Untereinheit Inaktivierung
Assoziation mit Infertilitåt
Infertilitåt, niedriger Testosteronspiegel, Fehlen der LeydigZellen, Arrest der Spermiogenese
Weiss et al. 1992; Liao et al. 2002
Hormon/Rezeptor funktionelle Konsequenz bei Mutation
LH/hCG-Rezeptor Inaktivierung Aktivierung FSH-b-Untereinheit Inaktivierung FSH-Rezeptor Inaktivierung
Normale Pubertåt, primåre oder Pseudohermaphroditismus, Mikropenis, Hypospadie sekundåre Amenorrhoe, keine Ovulation Kein Phånotyp Pseudopubertas praecox, Leydig-Zell-Tumor
Kremer et al. 1995; Toledo et al. 1996; Latronico et al. 1996 Shenker et al. 1993
Normale Adrenarche, keine Azoospermie Menarche und Telarche, infertil
Layman et al. 1997; Phillip et al. 1998
Hypergonadotrope Ovarialdys- Geringeres Hodenvolumen, genesie, primåre oder sekundåre Oligospermie, aber fertil Amenorrhoe, Follikelreifungsdefekt
Aittomaki et al. 1995; Tapanainen et al. 1997
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Menschen beschrieben. In der Maus verursacht eine 33.5-kb-Deletion, die das GnRH-Gen trunkiert, erwartungsgemåû einen HHG-Phånotyp (Mason et al. 1986). Im Gegensatz zum Fehlen von Mutationen im GnRH wurden im humanen GnRH-Rezeptor bis heute çber ein Dutzend inaktivierende Mutationen gefunden, die zu einem HHG fçhren (de Roux u. Milgrom 2001) (Tabelle 6.3.2). In der Regel imponieren diese Rezeptordefekte als GnRH-Resistenz und beruhen auf Stærungen der Agonistbindung, der Zelloberflåchenexpression oder der Signaltransduktion des mutierten GnRH-Rezeptors. Der Funktionsverlust muss nicht immer komplett sein. So fçhrte die pulsatile Applikation von GnRH zu einer Ovulation bei einer Frau mit HHG, der durch Mutationen im GnRH-Rezeptor verursacht war (Seminara et al. 2000).
6.3.5.3 Genetisch bedingte Verånderungen im LH und dem LH-Rezeptor Da Mutationen in den Gonadotropinen und ihren Rezeptoren direkt die Fertilitåt einer Spezies beeinflussen, unterliegen diese einem sehr direkten natçrlichen Selektionsdruck und sind daher erwartungsgemåû sehr selten. Der Ausfall der a-Untereinheit der Glykoproteinhormone håtte dabei die schwersten Folgen, da diese Bestandteil aller hypophysåren Glykoproteinhormone ist. Das Fehlen der a-Untereinheit der Glykoproteinhormone fçhrt in der Maus zu einem Hypogonadismus. Neben dem reproduktiven Defekt zeigt die Maus eine Hypothyreose und Kleinwuchs (Kendall et al. 1995). Ein åhnlicher Phånotyp ist beim Menschen nicht zu erwarten, da zusåtzlich der Verlust der hCG-Funktion eine embryonale Letalitåt bedingen wçrde. Embryonales hCG ist beim Menschen bereits im ersten Trimenon der Schwangerschaft fçr die Weiterentwicklung notwendig. Bisher wurde nur eine somatische Missense-Mutation in der ektopisch exprimierten a-Untereinheit des hCG in einem Patienten mit einem undifferenzierten Karzinom in der Femoralregion beschrieben (Nishimura et al. 1986). Mutationen in den b-Untereinheiten von Glykoproteinhormonen sind hingegen mehrfach identifiziert worden (Tabelle 6.3.2). So fçhrt die homozygote Missense-Mutation Glu54Arg in der LH-b-Untereinheit beim Mann zu Infertilitåt und geringem Testosteronspiegel sowie zu einem Fehlen der Leydig-Zellen und einem Arrest der Spermiogenese (Weiss et al. 1992).
Genetische Defekte des LH-Rezeptors kænnen geschlechtsspezifisch verschiedene klinische Erscheinungsbilder hervorrufen. Kongenitale aktivierende Mutationen des LH-Rezeptors fçhren bei Knaben zu einer meist schweren Form einer Pseudopubertas praecox, der Testikotoxikose (Shenker et al. 1993; Kremer et al. 1993). Bis heute sind çber ein Dutzend aktivierende Mutationen im LH-Rezeptor identifiziert worden. Die meisten Missense-Mutationen liegen im Bereich der Transmembrandomånen (Shenker 2002). Man vermutet, dass die durch die Mutationen hervorgerufenen strukturellen Verånderungen intramolekulare Wechselwirkungen aufheben, die fçr die Stabilisierung des Rezeptors in der inaktiven Konformation wichtig sind (Schulz et al. 2000). Die agonistunabhångige Aktivierung des mutierten Rezeptors fçhrt zu einer permanenten Stimulation des Gs/AdenylylcyclaseSignalwegs. Die damit verbundene Erhæhung des intrazellulåren cAMP bewirkt letztendlich eine vermehrte Bildung von Testosteron. Die ungeregelte Androgenbildung fçhrt dann zum Phånotyp der Pubertas praecox mit ihren bekannten Sekundårfolgen wie z. B. dem frçhzeitigen Verschluss der Epiphysenfugen und auch der Entstehung von Hodentumoren (Martin et al. 1998). Bei der Testikotoxikose handelt es sich um eine dominant vererbte Erkrankung. Interessanterweise zeigen weibliche Mutationstråger keinen klinischen Phånotyp. Eine Erklårung dafçr ist, dass die Funktion und Expression des LH-Rezeptors in den Theca-Zellen direkt und/oder parakrin von der Aktivierung des FSH-Rezeptors abhångt. Weiterhin wird angenommen, dass der LH-Rezeptor pråpubertår nicht in den Theca- und Granulosa-Zellen exprimiert wird. Es ist jedoch nicht geklårt, warum in Phasen der Expression kein Hyperandrogenismus bei betroffenen Frauen besteht. Eine weitere Hypothese basiert auf der Tatsache, dass Mutationen in GPCR zu Rezeptorfehlfaltungen und damit håufig zu einem verminderten Transport zur Plasmamembran fçhren. Auch viele aktivierende Mutationen in Glykoproteinhormonrezeptoren sind wesentlich schlechter auf der Zelloberflåche exprimiert. Ursache hierfçr ist die Induktion der Degradation von fehlgefalteten Rezeptoren durch sog. Chaperone, die zum Teil auch zur Familie der Hitzeschockproteine gehæren (Houry 2001; Young et al. 2003). Letztere werden bei hæheren Temperaturen verstårkt gebildet und sorgen fçr die Erkennung und die korrekte Rçckfaltung durch Hitze denaturierter Proteine. Nicht mehr durch Chaperone rçckfaltbare Proteine werden von diesen als fehlgefaltet erkannt und dem Abbau (Degradation)
a zugefçgt. Die Hodentemperatur ist aufgrund seiner extraabdominalen Lage deutlich geringer als die der Ovarien. Folglich kænnte die verminderte Expression und Funktion solcher Chaperone die Ursache dafçr sein, dass im Hoden ein hæherer Prozentsatz an mutierten und damit inkorrekt gefalteten LH-Rezeptoren an die Zelloberflåche gelangt. Es gibt verlåssliche experimentelle Daten, die diese Hypothese stçtzen und zeigen, dass die Anzahl (und damit die konstitutive Aktivitåt) von daueraktiven LH-Rezeptoren bei geringerer Temperatur zunimmt (Jaquette u. Segaloff 1997). Aktivierende Mutationen im LH-Rezeptor kænnen auch somatisch auftreten. In Untersuchungen der molekularen Ursachen fçr die Entstehung eines Leydig-Zell-Tumors wurde eine aktivierende Mutation (Asp578His) im LH-Rezeptor identifiziert (Liu et al. 1999). Interessanterweise fçhrt diese Mutation zu einer extrem starken Aktivierung beider Signalwege des LH-Rezeptors (Abschn. 6.3.2.1). Bisher wurden çber 20 partiell oder komplett inaktivierende Mutationen im LH-Rezeptor identifiziert. In Abhångigkeit von der funktionellen Relevanz der Mutation wird ein breites phånotypisches Spektrum beim Mann beobachtet. Es erstreckt sich von einem kompletten Verlust der Maskulinisierung (46,XY Pseudohermaphroditismus) çber milde Formen der Untervirilisierung bis zur Ausbildung eines Mikropenis oder einer Hypospadie (Themmen u. Huhtaniemi 2000). Månner mit einem kompletten Rezeptordefekt haben ein weibliches åuûeres Genitale, geringe Testosteron-, aber hohe LH-Spiegel und fehlende sekundåre Geschlechtsmerkmale. Da in der Fetalperiode das Testosteron fehlt, sind die Organe, die sich vom Wolff 'schen Gang ableiten (Epididymidis, Ductus deferens und ejaculatorius), nicht angelegt. Es fehlt jedoch auch ein Uterus, da die Sertoli-Zellen weiterhin das AMH gebildet haben (Abschn. 6.3.4.1). Frauen mit einer Inaktivierung des LH-Rezeptors haben einen milderen Phånotyp mit normaler Pubertåt, jedoch primårer oder sekundårer Amenorrhoe. Die Histologie von Ovarialbiopsien zeigt alle Stadien der Follikulogenese bis hin zum antralen Follikel. Jedoch finden sich keine pråovulatorischen Follikel und keine Gelbkærper (Toledo et al. 1996).
6.3 Endo- und parakrine Regulation der Gonadenfunktion
6.3.5.4 Genetisch bedingte Verånderungen im FSH und FSH-Rezeptor Bis heute wurden nur wenige Mutationen in der b-Untereinheit des FSH beschrieben (Matthews et al. 1993; Layman et al. 1997, 2002). Die betroffenen Frauen hatten eine normale Adrenarche, jedoch keine Menarche und Telarche, zeigten eine primåre Amenorrhoe und waren infertil. Die Behandlung mit FSH fçhrte zu einer vollståndigen Fertilitåt und auch Schwangerschaften (Huhtaniemi 2002). Interessant sind zwei Fålle von FSH-Inaktivierungen beim Mann. In beiden Fållen wurde eine Azoospermie nachgewiesen (Layman et al. 1997; Phillip et al. 1998). Die offensichtliche Diskrepanz zum Phånotyp der FSH-Rezeptor-Defizienz (siehe unten) låsst Fragen çber zusåtzliche Funktionen des FSH ungelæst. Inaktivierende Mutationen im FSH-Rezeptor sind ebenfalls sehr selten. Betroffene Frauen zeigen eine hypergonadotrope Ovarialdysgenesie mit primårer oder frçh einsetzender sekundårer Amenorrhoe (Aittomaki et al. 1995). Die Follikel entwickeln sich bis zum antralen Stadium. Homozygote Inaktivierungen des FSH-Rezeptors wurden auch bei Månnern beschrieben. Neben einer Verminderung des Hodenvolumens war eine Reduktion der Spermienzahl, aber keine Azoospermie zu beobachten. Einige Månner mit einem FSH-Rezeptordefekt hatten eigene Nachkommen (Tapanainen et al. 1997). Aktivierende Mutationen im FSH-Rezeptor kænnen in vitro prinzipiell generiert werden (Tao et al. 2002), jedoch wurden bisher keine klinisch relevanten aktivierenden Mutationen identifiziert.
6.3.6 Ausblick Das klassische Bild der Regulation gonadaler Funktionen unterliegt derzeit einer erstaunlichen Erweiterung im Hinblick auf neue Komponenten und deren komplexes Wechselspiel. Wesentliche Motoren innerhalb dieses Prozesses sind neue Methoden der Molekularbiologie wie die gezielte Ablation von Genen und die genomweite Analyse der mRNA- und Proteinexpression in den Zellen der Gonaden mittels Array-Technologien. Wir stehen derzeit am Ûbergang vom deskriptiven Erfassen der beteiligten Komponenten zum mechanistischen Verstehen der molekularen Zusammenhånge. Gen-Knock-out-Experimente haben eindrucksvoll die Relevanz zum Teil bis dato unbekannter,
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meist auto- oder parakriner Faktoren offen gelegt. Dies darf jedoch nicht davon ablenken, dass unter dem Eindruck eines prominenten nichtgonadalen Phånotyps die Relevanz einer Gendefizienz auf die gonadale Funktion unerfasst bleibt. Nicht immer muss eine Gendefizienz mit einem kompletten Fertilitåtsverlust einhergehen, so dass die Reevaluation vieler Mausmodelle mit spezifischem Blick auf gonadale Funktionen erfolgen muss. In anderen Fållen verhindert der pråadulte Tod von transgenen Mauslinien die Analyse des Gendefektes auf die Fertilitåt. Gerade Aspekte der zeitlichen und ærtlichen Koordination von Signalen werden ein wesentlicher Forschungsgegenstand in der Zukunft sein. So ermæglicht die konditionale Geninaktivierung eine Charakterisierung zu einem definierten Zeitpunkt in einem gewçnschten Gewebe oder sogar in einer ausgewåhlten Zellpopulation. Auch die gezielte Inaktivierung nur einer Funktion eines Proteins unter Beibehalt anderer Eigenschaften, z. B. durch eine Punktmutation in nur einer funktionellen Domåne, wird uns in Zukunft neue Einblicke in das komplexe Netzwerk der gonadalen Signaltransduktion ermæglichen. Die Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte haben nicht nur zum mechanistischen Verståndnis der gonadalen Funktionsregulation beigetragen, sondern bildeten eine essentielle Basis zum Verståndnis pathophysiologischer Prozesse. Vor allem der Ausblick auf neue Angriffspunkte fçr eine reversible Kontrazeption treiben diesen Prozess weiter voran. Das Wissen aus Tiermodellen und die molekulargenetische Analyse von Patienten ermæglichen schon heute eine dezidiertere Diagnostik und Diagnosestellung. Es bleibt zu hoffen, dass sich hieraus neue und ursachengerechte Therapiestrategien fçr Patienten mit Fertilitåtsstærungen und Tumoren der Keimdrçsen entwickeln lassen.
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605
Sachverzeichnis
A A1-Adenosin-Rezeptor (A1AR) 355 A1AR(A1-Adenosin-Rezeptor)Maus 355 A2-Adenosin-Rezeptor 355 ACE (Angiotensin-convertingEnzym) 337, 371±376, 380, 384, 386, 388±395 ± Gewebe- 337 ± Hemmer 343 Achalasie 279 Achlorhydrie 279 Achondroplasie 461, 469, 470 AcRI 565 ACTH (adrenokortikotropes Hormon) 324, ActRIB 565 ActRII 565 Acylation stimulating protein, siehe Proteine ADD1/SREBP-1c 423 Adenohypophyse 82 Adenosin 354, 368 Adenosintriphosphat (ATP) 354 Adenylatcyclase 265, 355 Adhåsionsmolekçl 292 Adiponectin 431, 437 ± Rezeptoren 432 ± Struktur 431 ± Wirkungen 432 Adipositas 276, 412 ± Øtiologie 412 ± Epidemiologie 412 ± monogen bedingte 413 Adipozyten 421 ± Differenzierung 421, 436 ± Proliferation 436 Adipozytokin 426 Adipsin 433 Adrenales Stresssystem, siehe Stresssystem Adrenalin 327 Adrenogenitales Syndrom, siehe AGS Adrenokortikale Zellen 324 Adrenokortikotropes Hormon, siehe ACTH Adrenomedullin 326 Aggregat 567 Agonist 596 ± inverser 596 AGS (adrenogenitales Syndrom) 329 Akne 521, 526, 528
AKT 120, 310 Aktivin 314, 587 ± A 569 ± AB 569 ± B 569 Aktivinbindungsprotein, siehe Proteine Albumin 170 Aldoketo-Reduktase 554 Aldosteron 337 ± antagonist 340 ± rezeptorblockade 340 ± synthase 339 Alopezie, androgenetische 521, 526 ALS 175 Alterungsgen 124 Alzheimer-Demenz 175 Alzheimersche Erkrankung 228 Ames-Zwergmaus 95 AMH (Anti-Mçllerian Hormon) 595 Amine precursor uptake and decarboxylation)-Tumor, siehe APUDTumor Aminopeptidase 266 Aminosåurederivatisierung 264 AMP-aktivierte Proteinkinase, siehe AMPK Amphiregulin 310 AMPK (AMP-aktivierte Proteinkinase) 419 Amyloid b 228 ANAi-Akronym 170 Androgen 324, 434, 526, 548, 590 ± Effekte 435 Angiogenese 126, 448 Angiotensin 336 ± I 371±376, 393 ± II 324, 363, 371±380, 382±389, 393, 395, 437 Angiotensin-converting-Enzym, siehe ACE Angiotensinogen II 436 Angiotensin-Typ-1-Rezeptor, siehe AT1 Angiotensin-Typ-2-Rezeptor, siehe AT2 Angst 280 Antagonist 596 Anti-Mçllerian Hormon, siehe AMH Antioxidans-Paradox 192 Antioxidans-Prooxidans-HarnsåureRedox-Shuttle 170 Antioxidant responsive element 192 Antioxidanzien 169 Antioxidativer Prozess 160, 161
Antiproliferation 284 Antrale Phase 592 ± Familie 311 AP-1 376, 381 Apolipoprotein-E 346 Apoptose 116, 121, 228, 296, 497 Apoptosegen 292 Appetit 273±275, 278, 283 APUD(amine precursor uptake and decarboxylation)-Tumor 301 ± 3,4-Dihydroxyphenylalanin (DOPA) 301 ± 5-Hydroxytrytophan (5-HTP) 301 ± large dense core vesicle (LDCV) 302 ± Noradrenalin 301 Arachidonsåure 165, 184, 364 Aromatase 225, 233, 435 Arteriole, afferente 353 Arthritis 494 Ascorbinsåure 172 ASP (acylation stimulating protein), siehe Proteine Aspartylprotease 374 Astrozyten 563 AT1 371±373, 376±395 AT2 371±373, 377, 380±386, 388, 389, 395 Øthanol 182 Athyreose 60, 67, 73, 75 Atmungskette 415 Autoimmunerkrankung 553 Autokrine Wirkung 546 Autoregulation 360 D-5-AED-S (-5-Androstendiolsulfat) 550 D-5-Androstendiolsulfat, siehe -5-AED-S B BAD 122 Bamforth-Syndrom 73 Barter-Syndrom 364 Basaliom 537 Basic fibroblast growth factor, siehe bFGF BCL-2, siehe Proteine Bcl-xL, siehe Proteine Betacellulin 310 Betaglykan 571
608
Sachverzeichnis bFGF (basic fibroblast growth factor) 379, 381 BFU-E (burst-forming unit erythroidderived cell) 377 Bindungsprotein, siehe auch Proteine 434 Biomarker 173 Bisphosphonate 484 Blomstrand-ChondrodysplasieSyndrom 466 Blomstrand-Syndrom 150 Blutdruck 282 Blutzuckerspiegel 276 BMP (bone morphogenetic protein) 314, 466, 468, 485, 589 ± Rezeptor 466 ± Signal 472 Bombardierkåfer 176 Bombesin 272, 278, 279 Bombesin/GRP 278, 279 Bone morphogenetic protein, siehe BMP Brachydaktylie 466 ± Syndrom 466 Bradykinin 375, 376, Typ-2(B2) 377, 382, 383, 389, 393 ± 2-Rezeptor B2BKR 393 Branchiogenes Organ 63 Bronchialkarzinom 284 Bulimie 274 Burst-forming unit erythroid-derived cell, siehe BFU-E C C/EBP (CCAAT/enhancer binding protein) 381, 422 ± a 421 b-Catenin 471 Cadherin 66 ± E- 66 ± N- 66 ± 1 73 Caeruloplasmin 170 Calcipotriol 535 Calcitonin 59, 63 Calcitoningen, siehe Gene Calcitriol 535 Camostat 282 cAMP response element binding protein, siehe CREB CAP-450-Monooxygenase 182 Carboxyamidierung 264 Carboxypeptidase ± N 266 ± P 266 Carnitin-Palmitoyltransferase-1 426 Caspase-1 313 Caspase-3-Konzentration 115 Catenin 124 Cathepsin 112 ± G 376 Caveolae 265 CBG (cortisol binding globulin) 545
CCAAT/enhancer binding protein, siehe C/EBP CCK 273, 282, ± Pro- 273 ± releasing factor 282 ± 1-Rezeptor 273 ± 2-/Gastrin-Rezeptor 273 CCR1 312 CCR3 312 CD36 425 CDK4 311 CDK-Inhibitor p21 311 c-fos, siehe Gene CG (Choriogonadotropin) 583 cG-Kinase 367 cGMP (zyklisches Guanosinmonophosphat) 381, 382±384, 388 cGMP-abhångige Kinase 367 Chemokin 312 Cholezystokinin 273 Chondrodysplasie 461, 465, 472, 468 Chondroitinsulfat 379 Chondrozyten, hypertrophe 462, 466, 469 Chordin 589 Choreoathetose 75 Choriogonadotropin, siehe CG Choriogonadotropin, humanes, siehe hCG CHO-Zellen 379 Chromatographie 267 Chromaffine Zellen, siehe Zellen Chymase 376 Chymostatinsensitives Angiotensin II bildendes Enzym 376 CIAP1 313 CIAP2 313 CIP/KIP-Familie 120 Clathrin-coated pit 265 c-jun, siehe Gene c-myc, siehe Gene COX-2 363 C-Peptid-Antwort 283 Cre(causes recombination)Rekombinase 271 CREB (cAMP response element binding protein) 359, 423 CRH (Kortikotropin-releasingHormon) 324, 520 ± Rezeptor 521 Cross-talk 121 Cushing-Syndrom 330 CXCR4 312 Cyclin 292 ± D1 120, 311 ± D2 120 Cyclinabhångige Kinase 292 Cyclohexyladenosin 355 Cyclooxygenase 184, 364 Cyclopentenon-ProstaglandinMolekçl 15d-PGJ2 192 Cysteinknoten 583 Cysteinreiche Domåne 481 C-Zellen, siehe Zellen
D DAG (Diacylglycerol) 378, 385 Darmerkrankung, chronisch entzçndliche 275, 280 Darmmotilitåt 279 DC (dendritische Zellen) 483 Death-domain-homologe Region 481 Dehydroepiandrosteronsulfat, siehe DHEA-S De-Morsier-Syndrom 100 Dendritische Spines 227, 229 Dendritische Zellen, siehe DC Depression 236 Dermetansulfat 379 Dermis 511 Desensitivierung 265 Desert Hedgehog, siehe Dhh Desferrioxamin 170 DHEA 236 DHEA-S (Dehydroepiandrosteronsulfat) 236, 550 Dhh (Desert Hedgehog) 596 7,8-Dihydro-8-oxoguanin 167 Diabetes mellitus 26, 42, 46, 49, 187, 446 ± Typ 2 283 Diacylglycerol, siehe DAG Dickkopf ±1 491 Dihydrotestosteron 590 Dilatation 335 Dipeptidylpeptidase, siehe DPP DNA ± Klonierung 269 ± Oxidation 174 ± Schåden 166 18 F-DOPA-PET(Positronen-Emissiontomographie) 303 Dopaminerges System 229 Dopamintransporter, siehe DOT Dosiseffekt 102, 102 DOT (Dopamintransporter) 301 Down-Syndrom 175 DPP-IV (Dipeptidylpeptidase) 274, 278, 266 Ductus thyroglossus 63 Durchfall 279 Durchfallerkrankung 277 Durst 283 Dysplasie, septooptische 100 E ECM 379 Edman-Methode 269 EGF (Epidermal-growth-factor) 309, 310, 379, 381, 564, 592 ± heparinbindend 310 EGFR (epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor) 123, 294 ± Bad 296 ± Caspase-4 296 ± EGFR-TK-Inhibitor 296 ± Gadd 153 ± Harakiri 296
a ± Heterodimerisierung 294 ± Mutant 294 ± PCNA 296 ± programmed cell death 2 296 egr-1, siehe Gene Einzelzell-RT-PCR 568 Ekto-5'-Nukleotidase 357 ELISA (enzyme linked immunosorbent assay) 268 ± Assay 174 Embryonale Differenzierung 82 b-Endorphin 523 Endokrin 117, 426 Endokrine Funktion 546 Endometriose 552 Endopeptidase ± 24.11 266 ± 24.15 266 ± 24.16 266 Endostyl 64 Endothel 337 Endothelin 341 ± 1 379 ± Antagonist 342 ± Rezeptor 342 Endothelzellen, siehe Zellen Energiehaushalt, Regulation 413 Energieverbrauch 414 Enkephalin 375 Enterozyt 275 Entwicklungsverzægerung 553 Entzçndungsreaktion 280 Enzyme linked immunosorbent assay, siehe ELISA Epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor, siehe EGFR Epidermis 511, 512 Epileptischer Anfall 228 Epiphysenfuge 463 Epiregulin 310 Eplerenon 338 ERBB(erythroblastic leukaemia viral oncogene homolog)-2 122 ErbB-1 310 ErbB-2 310 ErbB-3 310 ErbB-4 310 ERK 380, 384 ERK1 311, 375, 382 ERK2 311, 375, 382 E-selectin 379 Essverhalten 280 ES-Zellen, siehe Zellen Exendin-(9±39) 275 Exendin-3 275 Exendin-4 275 Eyal 71, 73 F FAK 123 Fatigue-Syndrom 236 Fatty acid transporter 425 Faziale Dysmorphie 553 Fenton, Henry John Horstman 161
Sachverzeichnis Fettgewebe 426 ± Plastizitåt 420 Fettsåure ± freie 425 ± Oxidation 426 ± Synthese 276, 415 FFA 425 FGF (fibroblast growth factor) 70, 76, 425, 468, 472 ± a 293 ± b 293 Fgf10 73 FGFR(Rezeptor) 468 FGFR2 70, 73 FGF-Signal 473 Fibroblast growth factor, siehe FGF Fibronektin 379 Fibrose 335 FKHR 125 Flavonoid 172 Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung 269 Follikel stimulierendes Hormon, siehe FSH Follikelreifung 592 Follikulogenese 592 Follikulostellare Zellen, siehe Zellen Follistatin 466, 569, 589 Foramen caecum 63 FOXE1 67, 73, 74 Freies Radikal, siehe Radikal FSH (Follikel stimulierendes Hormon) 561, 581, 583, 599 ± Rezeptor 599 Furosemid 366 G Gallenblasenkontraktion 273, 278 Gastric inhibitory polypeptide 276 Gastrin 272, 279, 282 ± Varianten 272 Gastrinom 272, 291 Gastrinrezeptor 272 Gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumor, siehe GEP-NET Gastrointestinaltrakt 277 GATA-2 423 GC-MS 174 GDNF (glial cell line-derived neurotrophic factor) 595 Gefåûkalzifizierung 497 Gefåûwand 347 Gefåûwiderstand 335, 347 Gene ± BMP 466 ± Calcitonin- 262 ± c-fos 379 ± c-jun 376, 379 ± c-myc 88, 315, 379 ± Cyclin D2 88 ± cyp11a1 233 ± CYP19 233 ± egr-1 379 ± FGF- 468
± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ±
Glukagon- 263 HESX1 100 HHEX 69, 71, 73 Hox 70 Ihh (Indian hedgehog) 463, 467 LHX3 88, 89, 90, 91 LHX4 91 Pax2 71, 72 Pax2.1 73 Pax4 39, 40, 42, 45, 47, 50 Pax6 39, 41, 42, 48, 99 PAX8 69, 71, 72, 75 Pdx1 29, 30, 33, 37, 39, 42, 47, 48, 49, 50 ± PIT1 96 ± ± Funktion 97 ± ± Mutation 97 ± ± Phånotyp 97 ± ± Tiermodelle 97 ± ± Vererbungsmodus 98 ± Proinsulin- 275 ± PROP1 92, 93, 94 ± PTX1 86 ± PTX2 86, BMP4 86 ± SF1 100 ± Shh 463 ± SIX3 99 ± SIX6 99 ± Sonic Hedgehog (SHH) 86 ± SOX3 101 ± SRY 101 ± Tachykinin- 262 ± TPIT 100 Genetische Prådisposition 412 Genistein 487 Genomische Wirkungsweise 226 GEP-NET (gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumor) 291 ± APC-Gen 292 ± bcl-2 292 ± b-Catenin-Gen 292 ± CD44 292 ± c-erbB2 292 ± c-jun 292 ± c-myc 292 ± Foregut-Tumor 291 ± fos 292 ± Hindgut-Tumor 291 ± k-ras 292 ± Midgut-Tumor 291 ± n-myc 292 ± n-ras 292 ± p15 292 ± p53-Gen 292 ± Smad-2 297 ± Smad-3 297 ± Smad-4 297 ± Smad4/DPC4-Gen 292 ± src 292 ± b16 292 ± b21 292 ± b27 292 ± Wnt/b-Catenin-Signal 292 GH/IGF-induzierte Signalkaskade 118 Ghrelin 278, 280, 281
609
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Sachverzeichnis Gilbert, Daniel 162 GIP (glucose-dependent insulinotropic polypeptide) 276, 283 Gi-Protein 355 Glial cell line-derived neurotrophic factor, siehe GDNF Gliazellen, siehe Zellen Glicentin-related pancreatic peptide 274 Glomerulus 353 GLP-1 283 ± (7±36) amid 275 ± (7±37) amid 275 ± Rezeptor 275 Glucagonlike peptide-1 274 Glucagonlike peptide-2 274 Glucose-dependent insulinotropic polypeptide, siehe GIP Glukagon 274 Glukagongen, siehe Gene Glukagonom 291 Glukokortikoid 324, 480 Glukosetoleranz 276 Glukuronosyltransferase 551 Glutathion 170 Glutathion-Peroxidase 186 Glutathion-Reduktase 186 Glykoproteinhormon 581, 582, 583, 598 ± Rezeptor 584, 585 Glykosylierung 112 Glyzyrrhetinsåure 552 GnRH (Gonadotropin-Releasinghormon) 561, 597 ± Pulsgenerator 562 ± Rezeptor 566 Gonadotrope Zellen, siehe Zellen Gonadotropin-Releasinghormon, siehe GnRH GPCR 584 G-Protein 376, 377, 378, 382, 385, 465 ± gekoppelter Rezeptor 264, 298 Granulomatose, septische 178 Granulosa-Zellen 582 GRB-Protein 116 Growth hormone secretagogues 281 GRP 278, 279, 298 GRP/GRP-Rezeptor 298 Grundumsatz 414 GS/Adenylylcyclase-System 585 GT1±7-Zellen 563 Guanosintriphosphat 265 Guanylatcyclase 361, 367 H Haare 516 Haarfollikel 517, 530, 535 Haarverlust 527, 528, 530 Haber u. Weiss 161 Haber u. Willståtter 161 Haber, Fritz 161 Harnsåure 170, 181 Hautalterung 521
Hautfunktion 511 Hautpigmentierung 526 Hb9 30, 31, 33, 41 hCG (humanes Choriogonadotropin) 583 20-HETE 363 Hedgehog 69 ± Gen 463 ± Protein 31, 41 Hemithyroidea 60 Hepatitis 176 Hepatozellulåres Karzinom 277 HER-1 Herceptin 312 Herzinsuffizienz 335 Herzmuskel 347 Herzrhythmusstærungen 335 HHG (hypogonadotroper Hypogonadismus) 597 HIF1 316 ± a 316 ± b 316 High-mobility-group (HMG-box) 471 Hippocampale Pyramidenzellen 232 Hippocampus 229 Hirsutismus 526, 528 HO-1-Transkription 171 Hochleistungs-/Hochdruckflçssigkeitschromatographie 267 Holoprosenzephalie 86 Homologie-Modeling 556 Homæodomåne 92 ± Paired- 92 ± POU- 92 Homæostase 159 Hormon 261 Hormonexzesssyndrom 330 Hoxa3 70, 73 Hoxb3 70 Hoxd3 70 Hox-Gen, siehe Gene Hybridrezeptor 122 Hydroxylase 550 ± 11 b 234, 548 ± 21 329 5-Hydroxymethyl-2'-deoxyuridin 167 8-Hydroxy-2'-deoxyguanosin 167 4-Hydroxynonenal (4-HNE) 165 5-Hydroxytryptamin(5-HT3)Rezeptor 301 5-Hydroxytryptamin-4(5-HT4)Rezeptor 301 Hydroxylradikal 163 Hydroxysteroiddehydrogenase (HSD) 435 ± 3a 234 ± 3b 234 ± 11b 435, 548 ± 17b 234, 435 Hyperkalzåmie 145 ± maligne 134 Hypermethylierung 293 Hyperparathyroidismus 142 ± primårer 142 ± sekundårer 142
Hyperthyreotropinåmie 74 Hypertonie, arterielle 326 Hypertrophie 336 Hypochlorhydrie 272 Hypogonadismus 553 ± sekundårer 93 Hypogonadotroper Hypogonadismus, siehe HHG Hypokaliåmie 279 Hypophysårer Kleinwuchs 82 Hypophysårer Transkriptionsfaktor 81, 87 Hypophyse 81, 324 ± Anatomie 82 ± Embryologie 83 ± Entwicklung 81, 88 ± Morphologie 91, 96 Hypothalamus 276, 324, 561 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse 520, 323, 326, 330 Hypothalamus-HypophysenSchilddrçsen-Achse 529 Hypothyreose 59 Hypotonie, muskulåre 553 I ICAM-1 379 ICE 313 Ichthyosis 553 IFN-a 303 ± double-stranded RNA-dependent protein kinase (PKR, p68) 304 ± IFN-stimulated gene factor 3 (ISGF3) 303 ± JAK1 (Janus-Tyrosinkinase) 303 ± JAK2 303 ± MHC-I-Antigen 303 ± signal transducers and activators of transcription 303 ± Stat-1 303 ± Stat-2 303 IFN-c 304, 384 ± CD95-Rezeptor-Expression 304 ± Tumornekrosefaktor-a-Sensitivitåt 304 IGF(insulin-like growth factor)-1 110, 293, 378, 381, 434, 436, 531, 590 IGF-1R(Rezeptor) 110, 297, 379 ± ERK 297 ± p70s6k 297 ± PI3-Kinase 297 ± System 109 Igf1r-Knock-out-Maus 125 IGF-2 110, 113 IGF-Bindungs-Protein 111 IGFBP-2 436 Igfbp2-Knock-out-Maus 115 IGFBP-4 115 IGFBP-5 115 IGF-unabhångige Wirkung 112 Ihh/PTHrP-System 467, 470 IIp45 113 IKK (IeB-induzierende Kinase) 311 IL(Interleukin)-1 313
a IL-1R 313 ± accessory protein 313 ± Typ I 313 ± Typ II 313 IL-1Ra 313 IL-1a 313 IL-1b 313, 381, 485 ± convertine enzyme 313 IL-6 313, 379, 381, 434, 568 IL-8 313 Ileal brake 283 Immunhistochemie 268 Immunsuppressiva 488 Immunzytochemie 268 Imprinting 111 Indian hedgehog, siehe Gene Indomethacin 362 Inhibin 569, 587 Inhibinbindungsprotein (InhBP) 571 Inhibinkorezeptor 572 Inhibinrezeptor 589 Inhibitor 556 ± enzymspezifischer 555 INK4-Familie 120 Inkretin 275 Inkretineffekt 276, 283 Inkretinhormon 276 Inositoltriphosphat, siehe IP In-situ-Hybridisierung 268 Insulin 274, 283 Insulin response sequence, siehe IRS Insulin-like-growth-factor, siehe IGF Insulinom 291 Insulinresistenz 417 ± Mechanismen 417 Insulinsekretion, postprandiale 283 Integrin 112, 113, 124, 313 ± a6b1- 313 ± Signaling 123 Interferon regulierender Faktor, siehe IRF Interleukin, siehe IL Internalisation 265 Intrakrine Wirkung 546 In-vitro-Versuch 161 In-vivo-Versuch 161 IP(Inositoltriphosphat)3 378 IP3 380, 385 IRF(Interferon regulierender Faktor)-1 381 IRF-2 381 IRS (insulin response sequence) 381 ± Protein 116 Isl1 31, 33, 38, 41, 42, 48, 49 Isoflavonoid 172 Isoprostan-F2 165 IeB-induzierende Kinase, siehe IKK J JAK (Janus-Kinase) 379, 380, 382, 385, 469 JAK-STAT 310 Jansen-Syndrom 149
Sachverzeichnis JNK 116, 121, 376, 380 ± 1 310 ± 2 310 Junveniler Morbus Paget, siehe Morbus Paget Juxtaglomerulårer Apparat 353 K Kardiomyozyt 338 Karzinogenese 552 Karzinoid 272, 284 Karzinoidtumor 280 Karzinom, adrenales 330 Kastrationszellen, siehe Zellen Katalase 186 Katecholamin 323, 327 Keratinozyten 513 Knochen 479 ± Dichte 114 ± Metabolismus 115 ± Metastasen 145, 493 ± Resorption 479 Knock-out-Maus 562 Knock-out-Modell 115 Kollagen 341 ± Typ 1 379 Kolonkarzinom 272 Komplementsystem 436 Konditioniertes Medium 564 Kærpergewicht 114, 281 Kortikoid 548 Kortikotropin-releasing-Hormon, siehe CRH Kortisol 434 Kurzdarmsyndrom 275 L L-Alanin 170 Langerhans-Insel 25, 40, 47, 48 Langerhans-Zellen, siehe Zellen Lanreotid 277 Laserkoagulation 445 Lateralsklerose, amyotrophe 185, 227 Lebenserwartung 124 ± erhæhte 125 Leber 117 Leptin 427, 437, 484, 591 ± Regulation 428 ± Resistenz 429 ± Rezeptor 427 ± Substitution 429 ± Wirkungen 427 Lernverhalten 280 Leucin-rich repeats, siehe LRR Leukaemia inhibitory factor, siehe LIF Leydig-Zellen, siehe Zellen LH (luteinisierendes Hormon) 561, 581, 583, 598 ± Rezeptor 598 LHRH (LH-Releasing-Hormon) 375 LIF (leukaemia inhibitory factor) 596 Lim-Domåne 88
Lipasi, hormonsensitive 425 Lipidperoxidation 164, 174, 191 Lipidstoffwechsel 276 Lipogenese 424 Lipoprotein-Lipase 424 Lipotoxizitåts-Hypothese 419 Lipoxygenase 184 Lobus pyramidalis 63 LOX-1 380 LRR (Leucin-rich repeats) 584 Luteinisierendes Hormon, siehe LH Luteinisierung 594 Lysophosphatsåure 381 Lysosomales Enzym 111 LbT2-Zellen, siehe Zellen M Macula-densa 353 MADH4/DPC4 315 Magen 281 ± dehnung 278 ± entleerung 273, 275 ± kontraktion 281 ± såure 272, 279 ± sekretion 275, 277, 281, 282 Major-proglucagon fragment 274 Makulopathie 446 MALDI (Matrix-unterstçtzte Laserdesorption/Ionisation) 269 Malonyl-CoA 419 Mammakarzinom 277 MAPK (mitogen aktivierte Proteinkinase) 116, 122, 265, 310, 365, 375, 378, 385 ± Kaskade 283 ± Signal-Kaskade 294 Matrixmetalloprotease 112 Matrixmetalloproteinase( MMP)-2 315 Matrix-unterstçtzte Laserdesorption/ Ionisation, siehe MALDI Maus 551 ± Null-Mutante 551 McCord u. Fridovich 162 McCune-Albright-Syndrom 330 MCP-1 312 Mehrfach-igfpb-Knock-out-Experiment 115 MEK 310 Melanocortin-1-Rezeptor, siehe MC-1R 523 Melanom 533, 534 Melanozyten 515 Membrangebundener Effekt 230 MEN1 (multiple endokrine Neoplasie Typ 1) 291 ± Menin-Gen 292 Merkel-Zellen 515 131 I-Metaiodobenzylguanidin, siehe 131 I-MIBG Metabolisches Syndrom 413 Metallionenchelator 170 Metalloprotease 122 Methioninsulfoxidreduktase 168
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Sachverzeichnis Methylxanthin 356 131 I-MIBG (Metaiodobenzylguanidin) 302 Mikrodialyse 562 Mikrophthalmie 100 Milchdrçse 115 Milrinon 367 Mineralokortikoid 324 ± rezeptor 338 ± -antagonist 338 MIP-1a 312 Mitochondriale Elektronentransportkette 177 Mitogen aktivierte Proteinkinase, siehe MAPK Mittelliniendefekt 100 MKP-1 382 Monolayer-Kultur 567 Monooxygenase 548, 550 Morbus Addison 329 Morbus Hirschsprung 279 Morbus Paget, juveniler 495 bab-Motiv 554 a-MSH 522 Multienzymkomplex 178 Multifunktionaler Rezeptor 109 Multiple endokrine Neoplasie Typ 1, siehe MEN1 Multiples Myelom 492 Myeloperoxidase 180 Myokardinfakrt 335 Myxædematæses Koma 59 N N-Acetylcystein 170 NAD(P)H 380 NADPH 379 ± Oxidase 178 ± Zytochrom-P450-Reduktase 181 Naevus, melanozytårer 533, 534 Nahrung, thermogener Effekt 414 Nahrungsaufnahme 275, 278, 280, 281 Na-Nitroprussid 359 NBC 383 Nebennieren 323, 548 ± hyperplasie, kongenitale 329 ± mark 324 ± zellentransplantation 330 Nebennierenrinde 395 Nebennierenrindeninsuffizienz, sekundåre 95 Nebenschilddrçse (Parathyroidea) 63 Nerve growth factor, siehe NGF NET (Noradrenalintransporter) 302 Neunauge 63, 64 Neuralleiste 63, 70 Neurohumorale Aktivierung 335 Neurokinin 280, A 280, B 280, K 280 Neuropeptid-c 278, 280 Neuroregulin 310 Neurotensin/NeurotensinRezeptor 298
Neurotransmitter, inhibitorischer 279 Neurotrophin 226 NG-108±15-Zellen, siehe Zellen NGF (nerve growth factor) 381 Ngn3 (Neurogenin) 36, 40, 50 Nitrosylierung-Sj 191 Nicht-genomischer Effekt 226 NKX2.1 67, 68, 71, 73, 75 NNR, siehe Nebennierenrinde NO (Stickstoffmonoxid) 164, 279, 338, 344, 354, 378, 380±384, 387, 388 ± Synthase 183, 361 Noggin 589 Noradrenalin 327 Noradrenalintransporter, siehe NET Nukleårer-Faktor-eB(NF-eB)familie 311 Nukleosidtransporter 358 Nukleotidase, zytosolische 358 O OAF (Osteoklasten aktivierender Faktor) 484 Octreotid 277 OMIM 465, 468, 469, 472, 473 Onkogen 119, 292 OPG (Osteoprotegerin) 480 Organgewicht 114 Organperfusion 267 Úsophagusvarizenblutung 277 Ossifikation 461 ± desmale 461 ± endochondrale 461, 462 Osteoblast 479 Osteoklast 479 Osteoklasten aktivierender Faktor, siehe OAF Osteoklastogenese 483 Osteolyse, familiåre expansive 482 Osteopetrose 489 Osteoporose 114, 489 Osteoprotegerin, siehe OPG Ústradiol 225 Ústradiolsulfat (E2-S) 550 Ústrogen 121, 434, 524, 550, 590 ± Rezeptor 230, 524, 564 Ústronsulfat (E1-S) 550 Ústruszyklus 572 Ovulation 593 Oxidoreduktase 547 Oxyntomodulin 274 P p15Inc4b 315 P16INK4a 312 p21 121 p21Cip 315 P2-Rezeptor-Antagonist 360 P2X-Rezeptor 359 p38-MAPK-Weg 120 P450-Aromatase 550 P450scc(side chain cleavage) 550
p53 113, 119, 311 p66Shc 125 PACAP (pituitary adenylate cyclase activating peptide) 279, 299, 568 PAF (platelet-activating factor) 379 PAI(Plasminogen-Aktivator-Inhibitor)-1 380, 436 Paired-Homæodomåne, siehe Homæodomåne PanIN 1±3 (Pankreatische intraepitheliale Neoplasie) 309 Pankreas 273, 277 ± exokrine Sekretion 278, 279, 283 ± Enzymsekretion 275 ± gang 271 ± hypertrophie 282 ± Karzinom 272, 282, 309 ± saft, enzymreicher 273 Pankreatische intraepitheliale Neoplasie, siehe PanIN Pankreatisches Polypeptid, siehe PP Paracetamol 182 Parakrine Regulation 117 Parakrine Wirkung 546 Parathormon 486 ± related protein 534 Parathyroid hormone-related Protein (PTHrP) 465 Parathyroidea 63 PC12W-Zellen 382, 383 PCO-Bildung 169 PCOS (polyzystisches Ovar-Syndrom) 551 PCR (Polymerase-Kettenreaktion) 270 PDGF (platelet-derived growth factor) 293, 379, 381 PDX1 44, 45 Pentagastrin 272 Peptid YY 278 Peptide histidine isoleucine 278 Peptide histidine methionine 278 Peptidhormon 297 ± Bombesin 298 ± Cholezystokinin 298 ± Gastrin 298 ± Glukagon 298 ± Kinin 298 ± Sekretin 298 ± Somatostatin 298 ± Substanz P 298 ± Synthese 270 ± vasoactive intestinal peptide (VIP) 298 Peptidsequenzierung 269 Peptidyl-Dipeptidase A 266 Perichondrium 462, 465, 466, 468, 471 Periodontitis 495 Periosteum 462, 465, 471, 472 Peroxisome proliferator-activated receptor, siehe PPAR Peroxylradikal 163 Peroxynitrierung 190 Peroxynitrit 164 Peter-Anomalie 88
a PGC-1 416 PGE2, siehe Prostaglandin E2 ± Synthase 364 Phåochromozytom 330 Phosphodiesterase III 367 Phosphatidylinositol-3-Kinase, siehe PI3-K Phospholipase A 377 ± A2 365, 381, 383 ± C 377, 378, 385 ± D 377 Phosphorylierung 112 PH-Wert 282 Phytoæstrogen 553, 555 PI3K (Phosphatidylinositol-3Kinase) 117, 122, 125, 310 ± Weg 118 PIGF (Plazentawachstumsfaktor) 316 Pituitary adenylate cyclase activating peptide, siehe PACAP PKC, siehe Proteinkinase PLA2 380 Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, siehe PAI Platelet-activating factor, siehe PAF Platelet-derived growth factor, siehe PDGF Plazentahormon 281 Plazentawachstumsfaktor, siehe PIGF PLC, siehe Phospholipase Polymerase-Kettenreaktion, siehe PCR Polysaccharid 167 Polyzystisches Ovar-Syndrom, siehe PCOS POMC (Proopiomelanocortin) 325, 522 Posttranslationale Modifikation 112 POU-Homæodomåne, siehe Homæodomåne PP (pankreatisches Polypeptid) 278 PPAR (peroxisome proliferatoractivated receptor) 422 ± c 421, 423 ± d 416, 424 Pråadipozyten 421 Pråantrale Phase 592 Pråeklampsie 148 Pregnenolon 233 Primat 574 Primordium, adrenales 328 Prionprotein 185 Proapoptose 119 Progesteron 226, 548 Progesteronrezeptor 230 Proglukagon 274 Prohormonkonvertase 263 Proinsulingen, siehe Gene Prolaktin 534, 567 Proopiomelanocortin, siehe POMC Proæstrus-Tag 564 Prooxidativer Prozess 160, 161 Prosomatostatin 276 Prostaglandin 363 ± E2 (PGE2) 364, 564 Prostaglandinbiosynthese 184 Prostatakarzinom 553
Sachverzeichnis Proteine, siehe auch BMP 168 ± 7-Transmembran-G- 464 ± acylation stimulating protein 433 ± Aktivinbindungsprotein 530 ± BCL-2 122, 384 ± Bcl-xL 313 ± patched (Ptch) 464 ± smoothened (Smo) 464 Proteinkinase A 265 Proteinkinase C 265378, 380 ± c1 310 Protein-Oxidation 175 Proteolyse 112 Protonenpumpeninhibitor 272 Pseudohermaphroditismus 553 Psoriasis 533, 535, 536 PTH 466 P1-Purinorezeptor 355 Pubertåt 573 R R3T3-Zellen, siehe Zellen Radikal 163, 175 ± fånger 169 ± freies 162 Radioimmunoassay, siehe RIA RAF 310 Raloxifen 488 Ranatensin 279 RANK 480 RANKL 480 ± Antikærper 499 RAS 310 Rathke-Tasche 83 5a-Reduktase 233, 527, 551 H2-Rezeptorantagonist 272 Reactive oxygen species, siehe ROS Reaktive Stickstoffspezies, siehe RNS Redox-Cycling 181 Relaxation 279 Remodeling 335 Renin 353 ± Angiotensin-AldosteronSystem 337 ± Angiotensin-System 434, 436 Resistin 430 Retinopathie 445 Retinsåure 66 Rezeptorgleichgewicht 596 RIA (Radioimmunoassay) 267 Rieger-Syndrom 88 Riesenwuchs 111 RNS (reaktive Stickstoffspezies) 162 ± abhångiger Signalçbertragungsweg 187 ± nichtradikalische 163 ± radikalische 163 ROS (reactive oxygen species) 159, 379 ± abhångiger Signalçbertragungsweg 187 ± Inaktivierung 185 ± nichtradikalische 163 ± radikalische 163
Rossmann-Faltung 554 Rçckkopplungsschleife, negative 465 S Såttigung 273 Sauerstoffradikal 347, 359 SCF (stem cell factor) 596 Schilddrçse 59, 498 ± Ektopie 67 ± Hormon (Tetraiodthyronin) 59, 179 Schizophrenie 273, 280 Schmerz 280 Schweiûdrçsen 518 Schweiûsekretion 526 SDR-Monomer 554 Seborrhoe 521 Seborrhoisches Ekzem 526 Second messenger 265 Secretin-releasing peptide 271 Sekretin 261, 271, 282 ± /Glukagon-Superfamilie 274 Sekretion 264 ± autokrine 264 ± endokrine 264 ± neurokrine 264 ± parakrine 264 Serin/Threoninkinase 377 ± Rezeptor ± Typ 1 466 ± Typ 2 466 Serin/Threonin-Phosphatase PP2A 382 Serin-Threonin-Proteinkinase 571 Serotonerges System 229 Serotonin 301 ± (EC)-Zellen 301 Serotonintransporter, siehe SERT SERT (Serotonintransporter) 302 Sexualsteroid 524 SH2-Domåne 117 SH3-Domåne 117 SHBG (sex hormon binding globulin) 545 SHC-Protein 116 Short chain dehydrogenase/ reductase 554 Signalçbertragung 116 Single nucleotide polymorphism, siehe SNP Single-cell reverse transcriptase (RT) polymerase chain reaction (PCR) 385 Smad1 314 Smad2 314, 571 Smad3 314, 571 Smad4 314, 571 Smad5 314 Smad8 314 Smad-Familie 314, 466, 588 Smad-Kaskade 575 SNP (single nucleotide polymorphism) 392 Somatomedin 109
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Sachverzeichnis Somatomedinhypothese 117 Somatostatin 276, 277, 299 ± 14 276 ± 28 276 Somatostatin/Somatostatin-Rezeptor 298 Somatostatinrezeptor, siehe SSTR Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie 277 Spermiogenese 595 Spinaliom 537 Spin-trapping-Technik 175 Spironolacton 340 Splicing, alternatives 262 SSTR (Somatostatinrezeptor) 299 ± Lanreotid 300, ± Octreotid 300 ± Subtypen 1±5 275, 299 SOM-230 301 Stammzellen, mesenchymale 482 StAR (steroidogenic acute regulatory protein) 231, 586 STAT 311, 379, 380, 382, 385, 469 Stem cell factor, siehe SCF Steroid 323, 434, 545, 590 ± Aktivierung 547 ± Biosynthese 225 ± Definition 545 ± hydroxylase 181 ± Inaktivierung 547 ± Nomenklatur 545 ± Wirkungsprinzip 547 Steroidogenese 330, 435 Steroidogenic acute regulatory protein, siehe StAR Steroidsulfatase-Defizienz 553 Stickstoffmonoxid, siehe NO Stiff-Man-Syndrom 553 Stress ± oxidativer 346 ± oxidoreduktiver 160 ± System, adrenales 323 ± verhalten 280 Struma 74 STS (Sulfatase) 551 Subkutis 511 Substanz P 280, P 375 Sulfatase, siehe STS Sulfotransferase 550 Superoxidanion 163 Superoxiddismutase 185 Suramin 360 Survivin 304 Synapse 229 Syndecan-1 492 S-Zellen, siehe Zellen T T/epb 68 Tacalcitol 535 Tachykinin 280 Tachykiningen, siehe Gene Talgdrçsen 517, 527 Talgproduktion 526
Tandem-Massenspektrometrie 174 Tenascin 379 Testikotoxikose 598 Testosteron 225, 590 Tetraiodthyronin 59 TGF(transforming growth factor)-a 293, 564 TGF-b 69, 293, 314, 379, 436, 472 ± Familie 588 ± Rezeptor I 564 ± Rezeptor II 564 ± Rezeptor III 571 ± Rezeptor V 113, 121 TGF-Superfamilie 466, 571 TGF-b1 564 TGR(m-REN2)27-hypertensivtransgene Ratte 388 Theca-Zellen 582 Theophyllin 356 Thermogener Effekt der Nahrung 414 Thermogenese 414 Thermoregulation 280 Thiazolidindion 424 Thrifty genes 416 Thrombospondin-1 383 Thromboxan 363 Thyreoidea stimulierendes Hormon 529 Thyreotropin 74 Thyreozyten 59 Thyroglobulin 64 Thyrotropin-releasing-Hormon, siehe TRH Thyroxin 59, 530 Tiermodell ± divergent selektiertes 117 ± transgenes 113, 270 Tissue plasminogen activator, siehe TPA Titf1 68 TNF-related apoptosis-inducing ligand, siehe TRAIL TNF-a 313, 379, 433, 437, 485, 590 a-Tocopherol 171 Tonin 376 TPA (tissue plasminogen activator) 374, 376 TRAIL (TNF-related apoptosis-inducing ligand) 484 Transferrin 170 Transformation 119 Transforming growth factor, siehe TGF Transforming growth factor b1, siehe TGF- b1 Transgen 551 Transkriptionsfaktor 184 ± AP-1 190 ± hypophysårer, siehe hypophysårer Transkriptionsfaktor ± NFeB 190 ± OxyR 189 TRH (Thyrotropin-releasing-Hormon) 529, 573 Trypsinaktivitåt 282 TSH 73, 74, 573, 583
TSHR 73, 74 Ttf1 68 TTF2 67 Tubuloglomerulåres Feedback 354 Tumor 284 ± Brust- 284 ± Darm- 284 ± genese, adrenale 330 ± kachexie 282 ± neuroendokriner 277 ± Prostata- 284 ± suppressorgen 292 Turn-Helix-Motiv 92 Tyrosinkinase 265, 377, 378, 382 ± domåne 110 Tyrosinphosphatase 381, 382 U UCP (uncoupling proteins) 415 Ultimobranchialkærper 63, 69, 70, 71 Ultrashort-Feedback 563 Urocortin 522 Urokinase-Plasminogen 315 UV-Licht 515 V Vagotomie 275 Vascular endothelial growth factor, siehe VEGF Vasoactive intestinal peptide, siehe VIP Vasodilation 279 VCAM-1 379, 380 VEGF (Vascular endothelial growth factor) 122, 297, 316 VEGF-A 316 VEGF-B 316 VEGF-C 316 VEGF-D 316 VEGFR-1 (flt1) 316 VEGFR-2 316 VEGFR-3 (flt4) 316 Verner-Morrison-Syndrom 279 Vesikulårer Monoamintransporter, siehe VMAT VIP (vasoactive intestinal peptide) 278, 279, 299 ± Calcitonin 299 ± Endothelin 299 ± glucagon-like-peptide-1 (GLP-1) 299 ± Neuropeptid Y 299 ± ± Rezeptor 279 (123I)-VIP-Rezeptor-Szintigraphie 299 VIP/VIP-Rezeptor 298 VIPom 279, 291 Vitamin D 480, 535 VMAT(Vesikulårer Monoamintransporter)1 302 VMAT2 302 Voltametrie-Methode, zyklische 176 Von-Hippel-Lindau-(VHL)-TumorSuppressor 317
a W Wachstum 281 ± malignes 119 Wachstumsanalyse, funktionale 113 Wachstumsfaktor 468, 470, 471 ± intestinaler 275 Wachstumshormon 281, 531 ± Defizienz 281 Wachstumskontrolle 116 Wasserstoffperoxid 163 Western blot 564 Wnt-Signal 471, 472 Wnt-Wachstumsfaktor 471 WT-1 119 Wundheilung 526, 528, 533 Wurfgræsse 115 X Xanthinoxidase 180 Xenobiotika 553 XIAP 313 XY-Sex-Reversal 100
Sachverzeichnis Z Zebrafisch 65, 71 Zelladhåsion 126 Zellen 83 ± AT3- 568± C- 59, 63, 71 ± chromaffine 324 ± D- 277 ± Endothel- 497 ± enterochromaffine 272 ± ES- 46, 48 ± Follikulostellar- 83, 568 ± g- 272 ± Glia- 563 ± gonadotrope 83, 566 ± I- 273 ± K- 276 ± Kastrations- 569 ± kortikotrophe 83 ± L- 274 ± laktotrophe 83 ± Langerhans- 515 ± Leydig- 582, 594 ± LbT2- 571 ± Neogenese 275
± ± ± ± ± ± ±
NG-108±15- 382, 383 R3T3- 381, 383 Replikation 275 S- 271 somatotrophe 83 a- 274 b- 25, 34, 37±39, 41, 42, 44, 46, 47, 50, 275, 283 Zellgræsse 116 ± Kontrolle 117 Zellkultur 267 Zellzahl 116 ± Kontrolle 117 Zellzyklus 119, 296 Zæliakie 273 Zona-fasciculata-Zelle der Nebennierenrinde 118 Zwillingsstudie 412 Zyklisches Guanosinmonophosphat, siehe cGMP Zytochrom ± P-450Aldosteronsynthetase 234 ± P-450C17,21-Hydroxylase 234 ± P-450scc 232 Zytokin 124
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