Ulrich Dilthey · Anette Brandenburg (Hrsg.) Montage hybrider Mikrosysteme
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Ulrich Dilthey · Anette Brandenburg (Hrsg.) Montage hybrider Mikrosysteme
Ulrich Dilthey · Anette Brandenburg (Hrsg.)
Montage hybrider Mikrosysteme Handhabungs- und Fügetechniken für die Klein- und Mittelserienfertigung
Mit 134 Abbildungen
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Professor Dr.-Ing. Ulrich Dilthey Dr.-Ing. Anette Brandenburg RWTH Aachen Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik Pontstraße 49 52062 Aachen
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
ISBN 3-540-23706-2 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Verviefältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in The Netherlands Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Umschlaggestaltung: medionet AG, Berlin Satz: Digitale Druckvorlage der Herausgeber Herstellung: medionet AG, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort
Während heute die Fertigung monolithisch aufgebauter Mikrosysteme auf eine Produktionstechnologie zurückgreifen kann, die dank der enormen Entwicklungen in der Mikroelektronik schon längst Industriereife erlangt hat, ist die Montage hybrid aufgebauter Mikrosysteme lediglich im Einzelfall industrietauglich. So existieren beispielsweise für sehr große Stückzahlen einige automatisierte, sehr spezifische Fertigungsanlagen. Die Klein- und Mittelserienfertigung benötigt geeignete Montagekonzepte, damit elektrische, optische, mechanische, fluidische oder biegeschlaffe Bauteilkomponenten magaziniert, transportiert, bereitgestellt, gegriffen, bearbeitet und geprüft werden können. Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 1997 geförderte Sonderforschungsbereich 440 „Montage hybrider Mikrosysteme“ (SFB 440) hat sich in diesem Zusammenhang den besonderen Herausforderungen der Handhabung, der Fügeverfahren und der Prozessbeobachtung gewidmet. Nicht die individuelle Entwicklung des Mikrosystems selbst steht dabei im Mittelpunkt, vielmehr eine breitgefächerte Montageund Fügetechnik zu seiner Fertigung. Das inhaltliche Konzept des Buches ist in hohem Maße an die Arbeiten des SFB 440 angelehnt und daher in seiner höchsten Gliederungsebene gemäß seiner Projektbereiche strukturiert. Diese sind Handhabung und Justage, Fügeverfahren und Prozesskontrolle. Der Projektbereich „Werkstoffe“ wurde innerhalb des Kapitels Fügeverfahren behandelt, da Werkstoffaspekte in erster Linie im Zusammenhang mit den Fügeverfahren eine Rolle spielen. Dieses Buch richtet sich sowohl an den interessierten Studierenden mit Schwerpunkt Mikrosystemtechnik als auch an den Ingenieur, der im Bereich der Fertigung hybrider Mikrosysteme teils Antworten auf Fragestellungen bezüglich der auf den Mikrobereich adaptierten bekannten Verfahren, teils neu begehbare Lösungsansätze für die Montage dieser Systeme sucht. Schon aufgrund seines begrenzten Umfangs kann das Buch nur einen komprimierten Überblick der erläuterten Verfahren geben. Am Ende
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Vorwort
eines jeden Kapitels erhält der Leser die Möglichkeit sich mit weiterführender oder vertiefender Literatur zu beschäftigen. Das vorliegende Buch entstand unter der Mitwirkung folgender am Sonderforschungsbereich 440 beteiligter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter der redaktionellen Leitung von Herrn Dipl.-Ing. Gregor Smolka: Dr.-Ing. Kerstin Bobzin, WW Dipl.-Ing. Lüdger Bosse, ILT Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher, IPT Dipl.-Ing. Sascha Driessen, WZL Dipl.-Ing. Bastian Engelmann, WZL Dipl.-Ing. Anja Erdle, WW Dipl.-Ing. Stefania Ferrara, WW Dr.-Ing. Arnold Gillner, ILT Prof. Dr.-Ing. Edmund Haberstroh, IKV Dipl.-Ing. Reiner Lützeler, IKV Prof. Dr. techn. Erich Lugscheider, WW Dipl.-Ing. Michael Maes, WW Prof. Dr.-Ing. Walter Michaeli, IKV Prof. Dr. rer. nat. Wilfried Mokwa, IWE Dr.-Ing. Alexander Olowinsky; ILT Dipl.-Ing. Dirk Opfermann, IKV Dipl.-Ing. Christian Peschke, IPT Prof. Dr.-Ing.Tilo Pfeifer, WZL Prof. Dr. rer. nat. Reinhart Poprawe, ILT Dipl.-Ing. Fahri Sari, ILT Dipl.-Ing. Markus Schleser, ISF Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt, WZL Dipl.-Ing. Gerd Spanier, IWE Dipl.-Ing. Gregor Smolka, ISF Dr.-Ing. Michael Wild, ILT Dipl.-Ing. Friedrich Wolf, IPT Besonderer Dank gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ohne deren wohl wollende finanzielle Unterstützung die Erstellung dieses Buches nicht möglich gewesen wäre. Aachen, im Februar 2005
Ulrich Dilthey Anette Brandenburg
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung................................................................................................. 1 2 Handhabung und Justage ...................................................................... 5 2.1 Greifer und Montagemaschinen ....................................................... 7 2.1.1 Einleitung .................................................................................. 7 2.1.2 Prozesssicherheit in der Mikromontage..................................... 8 2.1.3 Handhabungssysteme zur automatisierten Mikromontage ...... 15 2.1.4 Zusammenfassung ................................................................... 19 Literatur ............................................................................................ 20 2.2 Passive Justage für die Montage..................................................... 21 2.2.1 Einleitung ................................................................................ 21 2.2.2 Stand der Technik.................................................................... 22 2.2.3 Theoretische Analyse passiver Justagestrukturen ................... 23 2.2.4 Experimentelle Analyse passiver Justagestrukturen................ 29 2.2.5 Zusammenfassung ................................................................... 34 Literatur ............................................................................................ 35 2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen .............................................................................. 39 2.3.1 Einführung und Motivation ..................................................... 39 2.3.2 Angewandte Methoden............................................................ 41 2.3.3 Ergebnisse................................................................................ 46 2.3.4 Diskussion und Ausblick ......................................................... 49 Literatur ............................................................................................ 50 2.4 Aktive Laserstrahljustage ............................................................... 53 2.4.1 Laserstrahlumformen von Mikrostrukturen............................. 53 Literatur ............................................................................................ 56 3 Fügeverfahren ....................................................................................... 57 3.1 Weichaktivlöten.............................................................................. 59 3.1.1 Einleitung ................................................................................ 59
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Inhaltsverzeichnis
3.1.2 Entwicklung............................................................................. 60 Literatur ............................................................................................ 64 3.2 Transient Liquid Phase Bonding .................................................... 65 3.2.1 Grundlagen .............................................................................. 65 3.2.2 Abscheidung mittels PVD-Verfahren und Fügung mittels Laser- und Elektronenstrahl ............................................................. 69 Literatur ............................................................................................ 76 3.3 Laserstrahl-Löten............................................................................ 79 3.3.1 Stand der Technik.................................................................... 79 3.3.2 Laserstrahl-Weichlöten eines keramischen Schaltungsträgers.............................................................................. 84 Literatur ............................................................................................ 89 3.4 Laserstrahlbonden........................................................................... 91 3.4.1 Waferbonden – Stand der Technik .................................... 91 3.4.2 Laserstrahlbonden von Silizium und Glas ......................... 91 3.4.3 Mikrostrukturelle Charakterisierung ....................................... 94 3.4.4 Technologische und mechanische Eigenschaften.................... 95 3.4.5 Thermisch geregelte Prozessführung....................................... 99 3.4.6 Potentiale des Laserstrahlbondverfahrens........................ 101 Literatur .......................................................................................... 102 3.5 Laserstrahlmikroschweißen .......................................................... 103 3.5.1 Laserstrahlschweißen von Metallen ...................................... 103 3.5.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen ................................ 112 Literatur .......................................................................................... 121 3.6 Elektronenstrahl-Schweißen ......................................................... 123 3.6.1 Einleitung .............................................................................. 123 3.6.2 Technologie ........................................................................... 124 3.6.3 Strahlführungsprinzipien ....................................................... 129 3.6.4 Verfahrensablauf ................................................................... 130 3.6.5 Fügebeispiele......................................................................... 131 3.6.6 Ausblick................................................................................. 136 Literatur .......................................................................................... 136 3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen ....................................... 137 3.7.1 Energieumsetzung beim Ultraschallschweißen ..................... 138 3.7.2 Maschinentechnik.................................................................. 139 3.7.3 Verfahrensvarianten............................................................... 140 3.7.4 Einflussfaktoren auf den Ultraschallschweißprozess ............ 141 3.7.5 Ultraschallschweißgerechte Konstruktion der Fügeteile ....... 141 3.7.6 Anforderungen an eine Maschinentechnik für die Mikrotechnik....................................................................... 143 3.7.7 Entwicklung eines Maschinenkonzeptes ............................... 143 3.7.8 Entwicklung einer geeigneten Probekörpergeometrie........... 145
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3.7.9 Experimentelle Untersuchungen und Prozessanalyse............ 146 Literatur .......................................................................................... 147 3.8 Mikro-Montagespritzgießen ......................................................... 149 3.8.1 Verfahrensbeschreibung ........................................................ 149 3.8.2 Bauteilbeispiele ..................................................................... 154 3.8.3 Untersuchung der Verbundfestigkeit..................................... 156 3.8.4 Ausblick................................................................................. 158 Literatur .......................................................................................... 158 3.9 Mikrokleben.................................................................................. 161 3.9.1 Einleitung .............................................................................. 161 3.9.2 Klebstoffe .............................................................................. 162 3.9.3 Prozesstechnik ....................................................................... 167 Literatur .......................................................................................... 172 4 Prozesskontrolle .................................................................................. 173 4.1 Offline-Verfahren ......................................................................... 175 4.1.1 Einführung in die Laserscanning-Mikroskopie ..................... 176 4.1.3 Mehransichtenmethode.......................................................... 184 4.2 Inline-Verfahren ........................................................................... 187 4.2.1 Bildverarbeitung .................................................................... 187 4.2.2 Faser-Optik ............................................................................ 196 4.2.3 Pyrometrie ............................................................................. 207 Literatur .......................................................................................... 217
1 Einleitung
Der hohe Stellenwert der Mikrosystemtechnik in der heutigen Gesellschaft ist nicht mehr zu „übersehen“. Wegen ihrer geringen Baugröße begegnen wir Mikrosystemen tagtäglich meist ohne sie allerdings direkt wahrzunehmen. Sie verbergen sich in zahlreichen makroskopischen Produkten unseres täglichen Lebens wie Tintenstrahldruckern, Mobiltelefonen, CDSpielern oder Automobilen. Nahezu unsichtbar und von vielen unbemerkt übernehmen Mikrosysteme unter anderem in der Kommunikationstechnik, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Umwelttechnik, der Chemie und Pharmazie, der Energietechnik, der Logistik, der Haus- und Gebäudetechnik, im Automobilbau und in der Medizintechnik wichtige Aufgaben. Der hohe innovative Charakter von Mikrosystemen ist nicht alleine auf ihre geringen Baugrößen zurückzuführen. Es ist vielmehr die hohe funktionale Integrationsdichte auf geringstem Raum, die sie für eine Implementierung in ein makroskopisches Produkt so auszeichnet. In einem Mikrosystem sind häufig mechanische, elektronische, optische und fluidische Teilkomponenten integriert, die auch möglicherweise aus verschiedenen Materialien wie Keramik, Glas, Kunststoff oder Metall bestehen. Das zentrale Merkmal eines Mikrosystems ist somit sein systemischer Charakter. Mikrosysteme sind raum- und gewichtssparend sowie kosten- und ressourcenschonend. Ihren Ursprung hat die Mikrosystemtechnik in der Mikroelektronik. Die technische Entwicklung verlief dort so, dass die Anzahl der auf einem Baustein vereinigten elektronischen Funktionen stetig zunahm. Dies war möglich, weil im Zuge der immer hochwertigeren Mikrostrukturierung die Schaffung von Bereichen unterschiedlicher Leitfähigkeit auf der Halbleiteroberfläche und sogar bis in tiefere Schichten des Werkstoffs gelang. So ließen sich Transistoren, Dioden, Widerstände, Kondensatoren und Leiterbahnen zu winzigen aber komplexen elektronischen Schaltungen vereinigen. Mit der Weiterentwicklung der Mikrostrukturierungstechnik konnten Strukturen bis weit unter die Grenze des optisch Sichtbaren verkleinert werden. Computer mit enormen Rechen- und Speicherleistungen gehören zu den spektakulärsten Technikentwicklungen in der Mikroelektronik. Im Zuge der gereiften mikroelektronischen Fertigungsverfahren wurden auf Siliziumbasis Mikrosysteme mit elektronischen und teils mechanischen
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1 Einleitung
Funktionen hergestellt. Der Wunsch nach einer noch stärkeren Integration in Form fluidischer oder optischer Komponenten machte schnell deutlich, dass auf alleiniger Basis der Siliziumtechnologie, solch hybride Mikrosysteme nicht fertigbar sind. Gerade im Bereich der Optik und der Analytik müssen mikroelektronische Bauteilkomponenten in größere Strukturen eingefügt oder mit weiteren mechanischen Strukturen verbunden werden, z. B. Linsen, Strahlteiler, Fluidleiter, Ventile etc. Beispiele solch hybrider Mikrosysteme sind u.a. Elektrooptische Wandler für die Wandlung elektrischer Signale in Lichtimpulse oder Mikroreaktoren mit einem hohen Integrationsgrad miniaturisierter Komponenten wie Mischer, Filter, Wärmeübertrager, Extraktoren, Katalysatoren, Pumpen etc. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zur automatisierten Montage hybrider Bauteile der Mikrosystemtechnik. Erst durch die sichere Beherrschung der Montagetechnologie können wirtschaftlich Mikrosysteme in der erforderlichen Stückzahl produziert werden. Außerdem wird deutlich, dass die Zukunft den hochintegrierten intelligenten Mikrosystemen (z.B.: lab-on-chip, microtherapy, microrobotic systems,...) gehört. Neben den traditionell in Massenproduktionen gefertigten Bauteilen (Festplattenköpfe, Beschleunigungssensoren) nimmt auch der Bedarf an Mikrosystemen zu, die in kleinen Losgrößen hergestellt werden und für spezielle Anwendungsfälle angepasst werden müssen (chemische / biologische Sensoren, etc.). Mikrosysteme der Zukunft besitzen eine hohe Integrationsdichte und vereinen eine größere Anzahl von Funktionen. Zum einen werden diese Systeme einen bestimmten Anteil von elektronischen Komponenten aufweisen, die eine Signalumsetzung vornehmen. Zum anderen werden sie aus leitenden oder trennenden Komponenten bestehen, die Licht, Gas oder flüssige Medien leiten, teilen, verdichten o. ä. Außerdem müssen diese Komponenten in geeigneter Weise auf Trägerstrukturen oder in Gehäuse integriert werden. Manuelle Techniken scheiden aus, wenn diese Mikrosysteme in mittlerer bis höherer Stückzahl hergestellt werden sollen oder eine hohe Präzision gefordert ist. Jedoch auch in der Einzelteilfertigung wird die Produktion durch Maßnahmen der Prozessüberwachung, mikrosystemgerechten Handhabung und adäquater Fügeverfahren sowie eine Modularisierung und Standardisierung von Komponenten qualitativ verbessert. Dadurch kann insbesondere der Zugang für kleine und mittlere Unternehmen zur Mikrosystemtechnik mit fertigungsnahen Konzepten verbessert werden. Bisher liegt jedoch relativ wenig Know-how für die Montage von hybriden Mikrosystemen vor. Das Wissen aus der Siliziumtechnologie lässt sich nur teilweise verwenden, da die Produktion von hybriden Bauteilen nicht immer auf Waferebene möglich ist. Produktionsverfahren aus dem Makro-
1 Einleitung
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bereich erweisen sich oft als völlig unzureichend, da spezielle Probleme, hervorgerufen durch veränderte Randbedingungen aufgrund der geringen Abmessungen der Bauteile, nicht berücksichtigt sind. Aus diesem Grunde bedarf es für hybrid aufgebaute Mikrosysteme einer geeigneten Montagetechnik, die sich gerade diesen veränderten Randbedingungen des Mikrobereiches stellt. Dies betrifft nicht nur das eigentliche Verbinden von Mikrokomponenten, obwohl den Fügetechniken eine zentrale Bedeutung im Montageprozess beigemessen wird. Der Fügevorgang als solcher ist ohne eine bauteilangepasste Handhabung sowie eine hochpräzise Prozesskontrolle unvollständig, da die Einhaltung der vorgegebenen Toleranzen von der Qualität des gesamten Montageprozesses abhängig ist. Daher werden die im Rahmen dieses Buches vorgestellten Verfahren mit der übergeordneten Zielsetzung behandelt, die entsprechenden Technologien, ihre Anwendungspotenziale aber auch ihre Grenzen hinsichtlich des Einsatzes bei der Montage hybrider Mikrosysteme aufzuzeigen, um dem potenziellen Anwender vorhandene Möglichkeiten aufzuzeigen, ihm neue Wege zu eröffnen oder ihm hinsichtlich einer individuellen Montageaufgabe Entscheidungen zu erleichtern.
2 Handhabung und Justage
Gerade die automatisierte und exakte Handhabung sowie die hochpräzise aktive bzw. passive Positionierung und Justage von Mikrobauteilen spielen neben eventuell notwendigen Fügeprozessen bei der Montage hybrider Mikrosysteme eine entscheidende Rolle. Aufgrund der sehr geringen Abmessungen der zu montierenden Mikrobauteile und den häufig geforderten Montagegenauigkeiten im Submikrometerbereich können bereits entwikkelte Konzepte aus dem Bereich der makroskopischen Montage nicht auf die Montage hybrider Mikrosysteme übertragen werden. Daher werden im ersten Teil des vorliegenden Handbuchs „Montage hybrider Mikrosysteme“ neue Konzepte und Lösungen aufgezeigt, um eine definierte und automatisierte Montage hybrider Mikrosysteme durch eine hochpräzise Handhabung sowie eine aktive bzw. passive Justage von Mikrobauteilen zu gewährleisten. Um die grundlegenden physikalischen Einflüsse bei der Montage hybrider Mikrobauteile zu analysieren, werden im ersten Kapitel „Greifer und Montagemaschinen“ zunächst Strategien zur Minimierung von Adhäsionseffekten bei Greifvorgängen beschrieben sowie die Ergebnisse der Untersuchungen zur Handhabung biegeschlaffer Bauteile dargestellt. Aus dem Bereich der Maschinentechnik für die Mikromontage werden im Anschluss die am Fraunhofer IPT entwickelten mechanischen Mikrogreifer sowie ein 7-Achs-Positioniersystem mit integrierter automatisierter Greiferbackenwechselstation vorgestellt. Vor dem Hintergrund einer hochpräzisen und dennoch kostengünstigen Justage von Mikrobauteilen werden im Kapitel „Passive Justage für die Montage“ zunächst die Ergebnisse der theoretischen Analyse passiver Justagestrukturen mit Hilfe einer mathematischen Modellbildung mit dem Fokus auf der Justage zylinderförmiger Mikrobauteile vorgestellt. Zur Validierung des mathematischen Modells werden die Ergebnisse der durchgeführten experimentellen Untersuchungen zur passiven Justage von Glasfasern in v-nutenförmigen passiven Justagestrukturen beschrieben und analysiert. Zur Herstellung hybrider Mikrosysteme wird im Gegensatz zu monolithisch integrierten Mikrosystemen eine gemeinsame Systemplattform benötigt. Die darauf zu integrierenden Elemente sind häufig nur im Gesamt-
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2 Handhabe und Justage
aufbau vollständig und spezifikationsgerecht zu prüfen. Damit bei Ausfall eines Elementes nicht das ganze Mikrosystem ausgetauscht werden muss, werden im Kapitel „Passive Justage für die Prüfung“ temporäre Kontaktelemente entwickelt und analysiert. Diese integrierten Justagestrukturen sorgen zusätzlich für die notwendige hohe Präzision bei der Montage der Mikrokomponenten. Ergänzend wird im letzten Kapitel „Aktive Justage durch Laserstrahlbiegen“ die aktive Justage von Mikrobauteilen durch Laserstrahlmikroumformen vorgestellt. Bei diesem Verfahren ermöglichen bauteilintegrierte Justagestrukturen durch gezieltes Beaufschlagen mit Energie durch den Laserstrahl eine submikrometergenaue Endpositionierung bei kostengünstiger mechanischer Vormontage.
2.1 Greifer und Montagemaschinen C. Brecher und C. Peschke Fraunhofer-Insitut für Produktionstechnologie IPT, Aachen
2.1.1 Einleitung Die Miniaturisierung mikrotechnischer Produkte, wie beispielsweise Sensoren für moderne Automobile, medizintechnische Instrumente für minimalinvasive und dadurch patientenschonende Operationen oder optische Bauelemente für eine Datenübertragung mit hohen Bitraten, schreitet immer weiter voran (Okajima u. Hirotsu 1997). In der Herstellung dieser Produkte kommt dem Prozess der „Mikromontage“ eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung zu, da er bis zu 80% der gesamten anfallenden Produktionskosten ausmachen kann (Koelemaijer Chollet u. Jacot 1999). Jeder Montagevorgang ist neben dem Fügeprozess durch die Vorgänge der definierten Handhabung, der exakten Positionierung und der Justage gekennzeichnet. Aufgrund von Abmessungen der Bauteile von bis zu wenigen hundertstel Millimeter oder auch den häufig auftretenden Positionierund Montagetoleranzen unterhalb weniger Mikrometer lassen sich Konzepte aus der makroskopischen Handhabung nicht anwenden (Weck u. Peschke 2004). Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, neue gerätespezifische aber auch prozessspezifische Lösungswege aufzuzeigen, mit denen eine wirtschaftliche, definierte und insbesondere auch prozesssichere Montage hybrider Mikrosysteme gewährleistet werden kann. Im Rahmen des Teilprojekts „Greifer und Montagemaschinen“ des SFB 440 wurden neuartige flexible und kostengünstige Handhabungssysteme entwickelt und grundlegend hinsichtlich ihrer erzielbaren Handhabungsgenauigkeiten untersucht. Darüber hinaus wurden Strategien zur Erhöhung der Prozesssicherheit insbesondere bei der Handhabung von Komponenten mit Abmessungen im Mikrometerbereich entwickelt und erfolgreich umgesetzt. In dem folgenden Beitrag werden die wichtigsten Forschungsergebnisse zur Erhöhung der Prozesssicherheit in der Mikromontage, zu automatisier-
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C. Brecher und C. Peschke
barer Greiferentwicklung und zu flexibler Montage Anlagentechnik vorgestellt. 2.1.2 Prozesssicherheit in der Mikromontage Minimierung von Adhäsionseffekten
Ab einer kritischen, minimalen Objektgröße reicht die Gewichtskraft in der Mikromontage nicht mehr aus, um die Adhäsionskräfte zwischen Greifer und Objekt zu überwinden. Dies kann dazu führen, dass sich gefasste Objekte beim Öffnen eines Greifers nicht mehr von den Greiferbacken lösen sondern haften bleiben, was den gesamten Montagevorgang gefährdet. Allgemein wird unter Adhäsion die Kraftwirkung an den Grenzflächen zwischen Körpern aus gleichen oder unterschiedlichen Stoffen verstanden (Moore 1983). In der Regel sind mehrere Ursachen gleichzeitig für die Adhäsion verantwortlich (Suchentrunk 1991). Einer allgemeinen Einteilung zufolge werden mechanische Haftkräfte, elektrostatische Kräfte, Vander-Waals-Kräfte und bei Anwesenheit von Flüssigkeitsfilmen zwischen den Haftpartnern auch noch Kapillarkräfte und Wasserstoffbrücken unterschieden (Comyn 1997; Okajima u. Hirotsu 1997; Suchentrunk 1991; Weck u. Peschke 2004). Zur Untersuchung dieses in der Mikromontage negativen Effekts hat das Fraunhofer IPT in grundlegenden Untersuchungen gezielt einzelne sich auf die Adhäsionskräfte auswirkende Faktoren ausgeschlossen. Als Versuchsumgebung wurde zum Einen das am Fraunhofer IPT befindliche Großkammer-Rasterelektronenmikroskop (GK-REM) eingesetzt, in dem sich durch das vorhandene Vakuum atmosphärische Einflüsse wie z.B. die Luftfeuchtigkeit ausschließen lassen. Darüber hinaus konnte hier der Einfluss elektrostatischer Aufladung auf die Adhäsionskräfte von Mikromontageobjekten durch den gezielten Einsatz des Elektronenstrahls betrachtet werden. Zum Anderen wurden Untersuchungen in einer Klimakammer durchgeführt, in der die Auswirkungen der Luftfeuchtigkeit (kapillare Haltekräfte) im Zusammenhang mit variierten Oberflächenrauhigkeiten (mechanische Verklammerung zwischen Greifer und Greifobjekt) der Greiferbacken überprüft werden konnten. Die Handhabungsversuche im GK-REM haben gezeigt, dass die Ausbildung elektrostatischer Haftkräfte durch eine Kontaktpotenzialdifferenz zweier Festkörper eine vergleichsweise untergeordnete Rolle im Vergleich zu weiteren adhäsionsbeeinflussenden Effekten spielt. Sehr viel bedeutsamer ist in der Praxis die Auswirkung elektrostatischer Kräfte durch Restladungen auf Handhabungsobjekten bzw. durch deren direkte Aufladung (Abb. 2.1-1).
2.1 Greifer und Montagemaschinen
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Gerade bei nicht oder schlecht leitenden Handhabungsobjekten wurden in den Versuchen sehr starke Aufladungen beobachtet, deren Folgen über ein bloßes Anhaften hinausgingen. Unerwünschte Bewegungen über mehrere Millimeter hinweg traten auf – je nach Polarität anziehender oder abstoßender Art. Wurden Greifer und Handhabungsobjekt leitfähig ausgeführt sowie geerdet, konnte dagegen ein solches Verhalten kaum festgestellt werden, da die vorhandenen Ladungen abfließen konnten. In den Versuchen in der Klimakammer unter Variation der Luftfeuchte und der Greiferbackenrauheit wurde festgestellt, dass der Einfluss auf die Adhäsion stark durch kapillare Haftkräfte dominiert wird. Im Sinne der Minimierung von Adhäsionserscheinungen sollte daher eine möglichst geringe Luftfeuchtigkeit gewählt werden.
Abb. 2.1-1. Methoden zur Minimierung der Adhäsionsneigung
Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die Kombination der Oberflächenrauheiten von Greiferbacke und Handhabungsobjekt einen weiteren entscheidenden Parameter darstellt. Vor allem die Ausprägung von mechanischer Verklammerung und Van-der-Waals-Kräften wird hierdurch bestimmt. Diese Ursachen für Adhäsionskräfte stehen im Gegensatz zueinander, da die mechanische Verklammerung durch Verbesserung der Oberflächengüte minimiert wird, die Van-der-Waals-Kräfte jedoch aufgrund der sich hierbei erhöhenden Berührfläche ansteigen. Vor diesem Hintergrund muss ein Optimum ihrer Oberflächenrauheit gefunden werden, um das Minimum aus dem Zusammenspiel der beiden oben genannten Adhäsionsursachen zu finden. Zudem sollten die Greiferbacken zur Minimie-
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rung der mechanischen Verklammerung aus einem möglichst harten Werkstoff bestehen. Auch sind hierbei die auf das Bauteil einwirkende Greifkraft gering zu halten. Elektrostatische Anziehungskräfte lassen sich bei elektrisch leitfähigen und geerdeten Greifwerkzeugen weitgehend vermeiden. Dies gilt um so mehr, wenn auch die Handhabungsobjekte leitfähig sind. Aus diesen Gründen wird empfohlen, die Montage unter Reinraumbedingungen durchzuführen, da hier eine kontrollierte Feuchtigkeitsumgebung sowie eine Minimierung von Oberflächenverschmutzung gegeben ist. Hierbei sind elektrische oder magnetische Felder grundsätzlich zu vermeiden. Abb. 2.1-1 fasst die Empfehlungen zusammen. Strategien zur Überwindung von Adhäsion
Insbesondere bei der Handhabung von Bauteilen mit Abmaßen von wenigen Mikrometern ist die im vorigen Kapitel beschriebene Minimierung der Adhäsionsneigung häufig nicht ausreichend. Es müssen Strategien zur Überwindung dieser entwickelt werden. Im Falle von Sauggreifern ist nach erfolgter Bauteilpositionierung ein kurzer Druckstoß am effektivsten (Weck u. Petersen 2001). Zur Überwindung von Adhäsionskräften in mechanische Greifern wurden am Fraunhofer IPT vier Methoden bzw. Strategien untersucht: Das „Ablegen mit Adhäsionskräften“, das „Ablegen unter Zuhilfenahme eines Fügeprozesses“, das „Ablegen durch Abstreifen“ sowie das „schwingungsunterstützte Ablegen“. In der ersten Methode „Ablegen mit Adhäsionskräften“ werden die Adhäsionskräfte zwischen dem zu montierenden Mikrobauteil und dem Substrat zur Überwindung der Adhäsionskraft zwischen Bauteil und Greifer eingesetzt. Diese Strategie ist allerdings mit Schwierigkeiten behaftet, da zum Einen gewährleistet sein muss, dass die Adhäsionskraft zwischen Bauteil und Substrat größer ist als diejenige zwischen Bauteil und Greifer. Zum Anderen ist es sehr schwierig, Adhäsionskräfte definiert zu erzeugen und gezielt einzusetzen. Beim „Ablegen unter Zuhilfenahme eines Fügeprozess“ wird das Bauteil in Position gehalten und im gegriffenen Zustand z.B. mittels Mikrolöten oder Mikrokleben gefügt. Hier muss ähnlich wie bei der ersten Methode gewährleistet sein, dass die Fügekraft höher ist als die Adhäsionskraft zwischen Greifer und Bauteil. Diese Ablegestrategie hat sich in Versuchen als eine sehr reproduzierbare und sichere Möglichkeit zur Überwindung von Adhäsion erwiesen. In der dritten Methode werden die Adhäsionskräfte zwischen Bauteil und Greifer aufgebrochen, indem das Bauteil relativ zur Greiferbacke bewegt wird. Zur Durchführung dieser Relativbewegung muss der Greifer nach dem Positioniervorgang und sichergestelltem Kontakt zwischen dem abzulegenden Bauteil und dem Substrat geöffnet werden und in Bauteilrichtung um wenige Mikro-
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meter weiter verfahren werden. In Versuchen wurde bestätigt, dass mit dieser Methode die Adhäsionskräfte zuverlässig überwunden werden können und sich somit Mikrobauteile prozesssicher ablegen lassen. Allerdings kann der Absteifvorgang z.B. zu einer Rotation eines zylindrischen oder kugelförmigen Bauteils führen, wodurch das Bauteil in der Montageposition im Bereich weniger Mikrometer dejustiert werden kann. Vor diesem Hintergrund ist das „Ablegen durch Abstreifen“ nicht zur Montage von Bauteilen mit Positioniergenauigkeiten unterhalb von zehn Mikrometern zu empfehlen. Zuletzt wurde am Fraunhofer IPT das „schwingungsunterstütze Ablegen“ untersucht. Hierfür wurde ein Schwingungsmodul entwickelt, welches zwischen Greifer und Positioniersystem angebracht wird (Abb. 2.1-2).
Abb. 2.1-2. Schwingungsmodul zur Überwindung von Adhäsionskräften
Mit Hilfe dieses Moduls kann der eingesetzte Greifer mit Frequenzen bis 1000 Hz bei einer maximalen Amplitude von 15 µm in Greiferrichtung beaufschlagt werden. Nach dem Öffnen der Greiferbacken und gleichzeitiger hochfrequenter Bewegung des Greifers werden die Adhäsionskräfte in
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dieser Methode durch die Trägheitskräfte des Mikrobauteils überwunden. Als am besten geeignet erwiesen sich Sinusschwingungen von 500 – 1000 Hz bei einer Amplitude von 15 µm. Abb. 2.1-2 zeigt das Schwingungsmodul sowie eine mit dieser Methode aufgebaute Pyramide aus Mikrokugeln mit einem mittleren Durchmesser von 90 µm. Dieses Montagebeispiel beweist, dass mit dieser Methode Bauteile im Mikrometerbereich definiert und darüber hinaus auch sehr sanft abgelegt werden können. Erhöhung der Handhabungsgenauigkeiten in Greifersystemen
Im Bereich der Montage hybrider mikrooptischer Systeme der Telekommunikation, wie beispielsweise Schalter oder Leistungsverzweiger, werden häufig Montagetoleranzen unterhalb eines Mikrometers gefordert. Justageabweichungen von 100 nm z.B. zwischen optischen Bauelementen und Glasfasern können schon zu deutlichen Verlusten beim Einkoppeln von Licht in die Glasfasern führen. Vor diesem Hintergrund wurden am Fraunhofer IPT grundlegende Untersuchen zur Optimierung von Greifergeometrien, Greifermaterialien und Greifparametern insbesondere zur Handhabung biegeschlaffer Mikrobauteile wie Glasfasern durchgeführt. Ziel war es, eine möglichst hohe reproduzierbare und wiederholbare Positioniergenauigkeit beim Greifen dieser hochempfindlicher Mikrobauteile zu erreichen.
Abb. 2.1-3. Prüfstand zur Untersuchung mechanischer Greiftechnik
Zur Versuchsdurchführung wurde ein Prüfstand aufgebaut, in dem das zu untersuchende Wirksystem (Greiferbacken) einfach und schnell ausgetauscht werden konnte. Als Zustellachse für die bewegte Greiferbacke wurde ein schrittmotorgetriebenener Hubtisch mit einer minimalen Schrittweite von 0,1 µm eingesetzt. Als Messsystem wurde ein telezentrisches Objektiv mit 20-facher Vergrößerung in Kombination mit einer
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hochauflösenden CCD-Kamera eingesetzt (Abb. 2.1-3). Durch die Kalibrierung des Messaufbaus mit Hilfe eines Heidenhain Normals wurde die exakte Kantenlänge eines Pixels und somit die Messauflösung des Messaufbaus von 0,236 µm ermittelt. Die Implementierung der Bildverarbeitungs- und Messalgorithmen ist innerhalb des Software-Pakets WIT 8.0 durchgeführt, welches die Interpolation zwischen Pixeln und somit eine weitere Verbesserung der Auflösung ermöglicht. Mit Hilfe des Kalibriernormals wurde somit eine Verbesserung der Auflösung um den Faktor 3 bestimmt. In Versuchsreihen wurde das Positionierverhalten von entmantelten Single-Mode Fasern mit einer Länge von 15 mm in mechanischen Greifern untersucht. Hierzu wurden die Greiferstruktur, die Greiferbackenmaterialien sowie die Greifkraft variiert. Die Position des Bauteils wurde mit Hilfe von Algorithmen erfasst, die den relativen Abstand des Fasermittelpunkts während eines Greifvorgangs zu einem festen Referenzwert bestimmten. Als Greifermaterialien wurden Kupfer, Aluminium, Messing und PMMA eingesetzt. Diese Materialauswahl wurde unter den Aspekten „unterschiedliche Härte“ und „Zerspanbarkeit mit Diamantwerkzeugen“ getroffen. Um eine definierte Drei-Punkt-Berührung während des Greifprozess zu gewährleisten, wurde als Greiferbackenpaarung jeweils eine Vstrukturierte und eine plane Greiferbacke eingesetzt. Der Öffnungswinkel wurde zwischen 60° und 120° variiert.
Abb. 2.1-4. Positionierung von Glasfasern in Greifern unterschiedlicher Materialien
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C. Brecher und C. Peschke
In den Versuchen konnte ein hoher Einfluss der Greifermaterialien auf die Positionierung der Glasfaser in der Greifstruktur nachgewiesen werden. Abb. 2.1-4 stellt die Hüllkurven (maximale und minimale Abweichungen) der gegriffenen Glasfaser relativ zu dem Referenzwert in Messing- und PMMA-Greifern mit einem Öffnungswinkel der V-Nut von 120° dar. Es ist zu erkennen, dass die Wiederholbarkeit der Faserposition im Messing-Greifer insbesondere bei niedrigen Greifkräften (<1 N) deutlich besser ist als bei Einsatz eines PMMA-Greifers. Im Messing-Greifer erfolgt die Positionierung der Glasfaser beim Zustellen unter geringem Kraftanstieg (ca. 0,2 N) bis zu einem Punkt, an dem ein fester Kontakt zwischen Faser und Greifer festgestellt werden kann. Ab diesem Punkt kann mit dem Messsystem keine Positionsänderung der Faser relativ zur Greiferstruktur festgestellt werden. Als einzige erkennbare Messgröße im weiteren Verlauf der Positionierkurve ab einer Greifkraft von 0,2 N ist der Einfluss der Gesamtsteifigkeit des Aufbaus zu erkennen. Allgemein kann festgehalten werden, dass sich eine wiederholbare Faserposition im Messing-Greifer bei Greifkräften größer als 0,2 N in den Versuchen unter 0,5 µm einstellt. Im Falle von PMMA-Greifern variierte die Faserposition bis zum Erreichen der maximalen Greifkraft noch sehr stark. Zur Erklärung des variierenden Positionierverhaltens in unterschiedlichen Greifermaterialien wurde das Reibverhalten experimentell zu jeder der eingesetzten Materialpaarungen Glasfaser zu Greifermaterial bestimmt. Es ergaben sich hierbei Reibwerte zwischen Glasfaser und Greifermaterial von 0,13 bei Messing, von 0,14 bei Aluminium, von 0,19 bei Kupfer und 0,37 bei PMMA. Dies bedeutet, dass die Reibwerte direkt in Korrelation mit dem Positionierverhalten stehen und vor Auswahl eines Greiferwerkstoffs bestimmt werden müssen. Zu beachten ist, dass die Reibwerte neben den Einflüssen aus dem Material selbst auch stark von der Bearbeitbarkeit und somit von den erzielbaren Oberflächengüten abhängt. Anzustreben sind bei der Auswahl von Greifermaterialien, wie in den Versuchen bestätigt werden konnte, Reibwerte unter 0,14. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass bei Betrachtung der untersuchten Greifermaterialien die Greifer aus Messing die geringsten Reibwerte und somit die beste wiederholbare Positionierung von Glasfasern ermöglichen. Im Vergleich dazu konnte mit AluminiumGreifern eine reproduzierbare Positionierung von 2 µm ab einer Greifkraft von 0,5 N erzielt werden. Beim Einsatz von Kupfer-Greifern wurde ein konvergierender Verlauf der reproduzierten Positionierung von 4 µm bei einer Greifkraft von 0,5 N auf 0,5 µm bei einer Greifkraft von 2 N festgestellt. Bei der Untersuchung des Einflusses der Greiferbackengeometrie wurde der Öffnungswinkel der eingesetzten V-Nuten bis auf 60° verkleinert. Hier
2.1 Greifer und Montagemaschinen
15
konnte bei Kupfer-, Aluminium- und PMMA-Greifern eine deutliche Verbesserung des Positionierverhaltens festgestellt werden. Dieses Verhalten ist darauf zurückzuführen, dass der Reibeinfluss bei einer Erhöhung der Flankensteilheit der V-Nuten stetig geringer wird. Der oben beschriebene materialabhängige Effekt war in diesen Untersuchungen gleichermaßen festzustellen. Somit wiesen Greifer aus PMMA auch bei verkleinerten VNuten-Öffnungswinkeln das schlechteste und Messing-Greifer das beste wiederholbare Positionierverhalten auf. Bei Messing-Greifern konnte allerdings aufgrund des schon sehr guten wiederholbaren Positionierverhaltens beim Einsatz von 120°-V-Nuten keine Verbesserung bei einer weiteren Verkleinerung des V-Nuten-Winkels nachgewiesen werden. 2.1.3 Handhabungssysteme zur automatisierten Mikromontage Mechanisches Greifersystem „Endogrip 3“
Neben der Schaffung von günstigen Prozessvoraussetzungen ist eine geeignete und insbesondere flexible Handhabungstechnik notwendig (Weck u. Peschke 2004). Vor diesem Hintergrund wurden am Fraunhofer IPT automatisierbare Greifersysteme entwickelt und untersucht. Im Rahmen des SFB 440 wurde ein mechanischer Greifer „Endogrip 3“ entwickelt, der auf unterschiedliche Aufgaben in der Mikromontage mit geringem Arbeitsaufwand angepasst werden kann (Abb. 2.1-5). Die Greiferpinzetten werden über zwei Piezo-Aktoren angetrieben, deren Auslenkung durch ein Getriebe aus spielfreien Festkörpergelenken übersetzt wird. Damit wird eine maximale Greifweite von etwa 1 mm bei einer Greifkraft von 0,3 N ermöglicht. Durch die Verwendung von Festkörpergelenken werden geschmierte und mit Abrieb behaftete Lagerstellen vermieden. Ein Betrieb im Reinraum oder auch im Vakuum ist daher möglich.
Abb. 2.1-5. Endogrip 3 mit DMS auf Piezoaktorik zur Greifkraftüberwachung
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C. Brecher und C. Peschke
Die Greifbacken des „Endogrip3“ sind automatisch wechselbar und können je nach Montageaufgabe angepasst werden. Sie sind dazu paarweise als pinzettenartiger Einsatz ausgeführt, der im Greifer exakt positioniert und gehalten wird. Damit ist es möglich, die Greiferbacken spezifisch für den jeweiligen Anwendungsfall auszuführen und bei Bedarf oder bei Beschädigung zu wechseln. Der Greifergrundkörper einschließlich der vergleichsweise teuren Aktorik und evtl. vorhandener Sensorik muss so nur einmal investiert werden. Der Greifer kann bei Bedarf mit Sensoren bestückt werden. So ist beispielsweise eine Greifkrafterfassung mittels Dehnungsmessstreifen integriert (Abb. 2.1-5). Eine attraktive Möglichkeit zur Prozessüberwachung ist zudem durch eine zentrische Bohrung in der Längsachse des Greifers gegeben. In dieser Bohrung wird am Fraunhofer IPT ein Endoskop erfolgreich zur optischen Kontrolle von Montagevorgängen eingesetzt. Auch besteht die Möglichkeit, anstelle des Endoskops alternative Sensoren (z.B. ein Sensor zur Erfassung des Abstands von Greiferpinzette zu Handhabungsobjekt) in die Bohrung einzubringen. Schnittstellentechnik für Greifersysteme
Eine vereinheitlichte Schnittstelle ist in einer modularisierten Handhabungstechnik unausweichlich. Mit Hilfe eines derartigen Systems kann ein schnelles und definiertes Austauschen von unterschiedlichsten Greifern an einem Handhabungssystem erfolgen. Ein DIN-Normenausschuss hat sich unter Mitwirkung des Fraunhofer IPT mit der Frage einer genormten Schnittstellentechnologie für Mikrogreifer beschäftigt und Anforderungen bezüglich Geometrie, Kinematik sowie Energie festgelegt. Zum Beispiel ist hierbei die Übertragung von Leistung im Bereich von 24 – 1000 V bei einer maximalen Stromstärke von 1,2 A, die Übertragung pneumatischer Drücken von 0,1 bis 8 bar oder auch die Übertragung von fluidischen Medien zu gewährleisten. Nach den Vorgaben des Ausschusses wurde die modulare Schnittstelle für Mikrogreifersysteme in diesem Teilprojekt entwickelt und aufgebaut. Unterschiedliche bestehende Greifer, wie z.B. der mechanische Greifer „Endogrip3“, wurden zudem auf das Konzept angepasst. Die genaue Beschreibung der Schnittstelle ist in der Norm DIN32565 „Fertigungsmittel für Mikrosysteme – Anforderungen an die Schnittstellen zwischen Endeffektor und Handhabungsgerät“ zusammengefasst. Darüber hinaus ist die Schnittstelle so ausgeführt, dass unterschiedlichste Elemente wie z.B. Kraftmesseinrichtungen, die nicht in dem Greifer selbst integriert wurden, modular zwischengeschaltet werden können. Dieser modulare Aufbau der Schnittstelle erleichtert somit nicht nur das
2.1 Greifer und Montagemaschinen
17
Wechseln von Greifersystemen sondern auch das Erweitern des Systems um neu zu integrierende Komponenten. Flexibles Montagesystem für die Mikromontage
Eine flexible Montage von hybriden Mikrosystemen kann nur mit Hilfe eines modular aufgebauten Positioniersystems durchgeführt werden, auf das verschiedene Greifersysteme, wie z.B. das vorgestellte Greifersystem „Endogrip3“, aufgesetzt werden können. Hierzu hat das Fraunhofer IPT ein 7Achs-Positionier-System entwickelt, welches ohne einen großen Arbeitsaufwand an gegebene Montageaufgaben angepasst werden kann (Abb. 2.1-6).
Abb. 2.1-6. Positioniersystem zur Montage hybrider Mikrosysteme
Um einen kostengünstigen Aufbau realisieren zu können, wurde eine Kombination aus kommerziell erhältlichen Einzelachsen in kartesischer Anordnung eingesetzt. Die Stapelung zu vieler Achsen ist hierbei vermieden worden, da sich deren Ungenauigkeiten addieren. Bei besonderen Anforderungen oder Montageaufgaben besteht die Möglichkeit, das System mit wenigen Handgriffen leicht zu verändern, um z.B. den Montageraum zu vergrößern. Die Bewegungseinrichtung ist in Portalbauweise mit Tisch und aufgesetztem Querträger ausgeführt. Beide Elemente sind aus Granit gefertigt, der aufgrund seiner günstigen Dämpfungseigenschaften sowie
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C. Brecher und C. Peschke
der geringen und gleichmäßigen Wärmeausdehnung für präzise arbeitende Maschinensysteme gut geeignet ist. Der Tisch ruht dabei auf einem Gestell, dessen justierbare Stellfüße die Nivellierung des gesamten Systems gestatten. Die translatorischen Achsen x, y und z sind mit Kreuzrollenführungen ausgestattet. Der Antrieb erfolgt über Kugelgewindetriebe. Zur Positionsmessung sind in allen translatorischen Achsen inkrementale Linearmaßstäbe integriert. Die rotatorischen Achsen b, c und f werden über Schneckentriebe angetrieben. Für die b-Achse gelten dabei die höchsten Anforderungen an die Genauigkeit, da sich Fehler bei der Orientierung des Greifers über den Hebel der w-Achse verstärken. Auf ihrem Umfang ist daher ein inkrementaler Linearmaßstab zur Messung der Orientierung angebracht. In c und f übernehmen Positionsgeber auf der Motorwelle diese Aufgabe. Der Antrieb erfolgt bei allen Achsen über Gleichstrommotoren. In diesem Aufbau wird eine Wiederholgenauigkeit in jeder Achse von ±0,5 µm bzw. ±0,001° erzielt. Automatisierbare Greiferbacken-Wechselstation
Zur Durchführung automatisierter Mikromontagevorgänge wurde zudem eine in dieses Positioniersystem integrierbare Greifbacken-Wechselstation entwickelt, mit der ein automatisierter Austausch von Pinzetten des Greifers „Endogrip 3“ ermöglicht wird.
Abb. 2.1-7. Greiferbackenwechselstation für „Endogrip 3“
In Abb. 2.1-7 wird die Ausführung der Pinzettenaufnahme sowie deren Integration in das Handhabungssystem dargestellt. Die Arretierung der Pinzette im Greifer und auch in dem Pinzettenmagazin wird durch einen bistabilen mechanischen Taster, wie sie in ähnlicher Ausführung in den meisten Kugelschreibern vorkommen, gewährleistet. Zu ihrer Betätigung ist somit die bei einem Wechsel ohnehin erforderliche Bewegung des Grei-
2.1 Greifer und Montagemaschinen
19
fers in Richtung seiner Längsachse ausreichend. Zusätzliche Antriebe oder Aktoren zum Austausch von Pinzetteneinsätzen sind deshalb nicht erforderlich. Um fehlerhafte Wechsel erkennen zu können, sind sowohl in den Greifer als auch in das Magazin elektrische Kontakte integriert, die jeweils nur nach einem korrekten Wechsel schalten. Darüber hinaus ist es mit diesen Kontakten möglich, das Vorhandensein eines Pinzetteneinsatzes im Greifer oder an einem bestimmten Platz innerhalb des Magazins zu erkennen. Hieraus ergibt sich ein Kollisionsschutz, da verhindert werden kann, dass der Greifer einen Pinzetteneinsatz in einem bereits belegten Magazinplatz abzulegen versucht. Wird mittels der Kontakte ein Fehler erkannt, so kann diese Information genutzt werden, um das laufende Programm der Bewegungseinrichtung zu unterbrechen. Fehler in der Montage sowie Beschädigungen an Greifer und Bauteilen lassen sich dadurch vermeiden. 2.1.4 Zusammenfassung Im Rahmen von Forschungstätigkeiten des Fraunhofer IPT wurden grundlegende Untersuchungen zur Erhöhung der Prozesssicherheit in der Mikromontage durchgeführt. Die Beherrschung der im Mikrobereich wirksamen Adhäsionskräfte sind hierbei Voraussetzungen für die kostengünstige, sichere und präzise Mikromontage. Aus diesem Grund wurden Methoden zur Minimierung sowie Strategien zur Überwindung von Adhäsionskräften entwickelt. So lassen sich Adhäsionskräfte z.B. durch Maßnahmen wie geringe Luftfeuchtigkeit am Montageort oder auch angepasste Oberflächenrauheiten an den Greiferbacken deutlich reduzieren oder mit Hilfe eines Schwingungsmoduls, welches zwischen Greifer und Positioniersystem angebracht ist, überwinden. Diese Methoden und Strategien konnten in Versuchsreihen erfolgreich an Mikrobauteilen getestet werden. Darüber hinaus wurden innerhalb dieser Veröffentlichung Ergebnisse aus grundlegenden Untersuchungen zur Handhabung biegeschlaffer Glasfasern vorgestellt. Insbesondere bei der Montage derartiger mikrooptischer Komponenten werden häufig Positioniergenauigkeiten im unteren Mikrometer- oder sogar Sub-Mikrometerbereich gefordert. Vor diesem Hintergrund wurden am Fraunhofer IPT die Einflüsse von Greifermaterialien und Greiferstrukturen auf die wiederholbare Positionierung von Glasfasern in Greifern untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Positionierverlauf der Glasfaser in dem Greifer, der den geringsten Reibwert zwischen Glasfaser und Greifer aufweist, am günstigsten ist. Bei Betrachtung der Greifermaterialien Messing, Kupfer, Aluminium und PMMA zeichnete sich mit Diamantwerkzeugen bearbeitetes Messing als am besten geeignet
20
C. Brecher und C. Peschke
aus. Zudem ergab sich in den Untersuchungen zu variierten Greiferbackenstrukturen, dass sich bei einer Verkleinerung des Öffnungswinkels der eingesetzten V-Nuten-Struktur im Greifer deutliche Verbesserungen in der Positionierung erzielen lassen. Bei Messing-Greifern konnte dieser Effekt aufgrund des schon sehr guten wiederholbaren Positionierverhaltens beim Einsatz von 120°-V-Nuten nicht nachgewiesen werden. Neben der Erhöhung der Prozesssicherheit beim Ablegen und der Optimierung der Prozessgenauigkeit beim Handhaben von Mikrobauteilen ist für die Montage hybrider Mikrosysteme die flexible Gestaltung der Handhabungstechnik ein wichtiger Aspekt. Hierzu wurde am Fraunhofer IPT ein modular erweiterbares Positioniersystem mit bis zu sieben Achsen konzipiert und aufgebaut. Auf diesem System wurde zudem eine speziell entwickelte Greiferbackenwechselstation integriert, die ein automatisiertes Wechseln der Greifwerkzeuge ermöglicht. Zur Erhöhung der Prozesssicherheit beim Montieren wurde in das mechanische Greifersystem „Endogrip 3“ ein Endoskop zur optischen Kontrolle des Montageobjekts sowie Dehnungsmessstreifen zur Überwachung der Greifkräfte integriert. Letztendlich wurde eine Plattform geschaffen, mit deren Hilfe durch die Kombination geeigneter Prozessüberwachung und Fügetechnik eine Automatisierung von unterschiedlichsten Mikromontagevorgängen ermöglicht wird. Literatur Comyn K (1997) Adhesion science. Cambridge, Großbritannien: The Royal Society of Chemistry Koelemaijer Chollet S, Jacot J (1999) Cost efficient assembly of microsystems. mst-news 1:30-32 Moore W. J (1983) Phys. Chemie. Aufl 3, de Gruyter, Berlin Okajima T, Hirotsu S (1997) Study of shear force between glass microprobe and mica surface under controlled humidity. Applied Physics Letters. 71. Jg., 4:545-547 Petersen B (2003) Flexible Handhabungstechnik für die automatisierte Mikromontage. Dissertation, RWTH Aachen Suchentrunk R (1991) Kunststoff-Metallisierung. Saulgau: Leuze Van Brussel H, Peirs J, Reynaerts D, Delchambre A, Reinhart G, Roth N, Weck M, Zussman E (2000) Assembly of Microsystems. In: Annals of the CIRP. 49. Jg., No 2, pp 451-472 Weck M, Peschke C (2004) Equimpent technology for flexible and automated micro assembly. In: Microsystem Technologies, Publisher: Springer-Verlag Heidelberg, Issue: Volume 10, Number 3 Weck M, Petersen B (2001) Adhesion Problems during Handling of Micro Parts – Vibration Assisted Release of Objects. euspen 2nd International Conference (vol. 1), Turin, Italien, 27.-31. Mai. Bedford, Großbritannien: euspen, 148-15
2.2 Passive Justage für die Montage C. Brecher und F. Wolf Fraunhofer-Insitut für Produktionstechnologie IPT, Aachen
2.2.1 Einleitung Die Montage hybrider Mikrosysteme unterscheidet sich von der konventionellen Montage makroskopischer Produkte durch die Größe der zu montierenden Bauteile und den daraus resultierenden mikrospezifischen Besonderheiten während des Montageprozesses wie beispielsweise Adhäsionsphänomenen bei gleichzeitig höchsten Anforderungen an die Justagegenauigkeit (Petersen 2003). Bedingt durch einen ständig steigenden Integrationsgrad mikrotechnischer Produkte wachsen daher diese Anforderungen sowohl an die Fertigungs- und Montagegenauigkeiten einzelner Komponenten als auch an die zur Produktion hybrider Mikrosysteme eingesetzte Maschinen- und Handhabungstechnik (Weck u. Peschke 2003 – Weck u. Petersen 2001, Weck et al. 1997a, Weck et al. 1997b, Weule et al. 2004). Um hohe Justagegenauigkeiten bei der Montage von Mikrobauteilen und Komponenten hybrider Mikrosysteme zu erzielen, werden nach dem aktuellen Stand der Technik häufig aktive, durch Algorithmen gestützte Montageprozesse eingesetzt (Heuer et al. 2004, Höhn 1999, Pokar 2004, Rockland 1995, Schmitte et al. 1994, Weule et al. 2002, Weule et al. 2004). Aktive Montageprozesse sind aber gerade bei hohen Produktionsstückzahlen durch einen hohen Aufwand an Zeit und Kosten gekennzeichnet (Koelemeijer Chollet u. Jacot 1999, Wiechers et al. 2003). Um Bauteile und Komponenten hybrider Mikrosysteme ohne aufwändige und teure aktive Montageprozesse möglichst kostengünstig justieren zu können, werden mehr und mehr ultrapräzise passive Justagestrukturen zur hochgenauen Ausrichtung von Mikrobauteilen eingesetzt (NN 2004,Trezza et al. 2003). Bei der passiven Justage von Mikrobauteilen durch montageunterstützende mechanische Strukturen gibt es allerdings eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf die erreichbare Positioniergenauigkeit während des Produktionsprozesses. Daher steht die Analyse der gesamten aus dem Fer-
22
C. Brecher und F. Wolf
tigungs- und Montageprozess hybrider Mikrosysteme resultierenden Toleranzkette im Fokus dieses Kapitels. Neben der makroskopischen Geometrie der Justagestrukturen haben ebenfalls maschinen- und prozessseitige Einflüsse während der Herstellung der Justagestrukturen sowie die Toleranzen der zu justierenden Bauteile entscheidenden Einfluss auf die erreichbare Justagegenauigkeit. Gerade die Ultrapräzisionsbearbeitungsverfahren mit monokristallinen Diamantwerkzeugen wie beispielsweise Fly-Cutting (Einzahnfräsen), Hobeln oder Diamantdrehen (Brecher et al. 2004, Klocke et al. 1996, Weck u. Day 2001 – Weck u. Klocke 2001, Weck et al. 2001) sowie die Präzisionsbearbeitungsverfahren (Hesselbach u. Raatz 2002, Weck u. Vos 1995) wie z.B. das Mikrofräsen oder die Mikrosenkerosion eignen sich aufgrund der erreichbaren extrem hohen Fertigungsgenauigkeiten sehr gut zur Herstellung passiver Justagestrukturen. Im Unterschied zu lithographischen Herstellungsprozessen für passive Justagestrukturen lassen sich mit Hilfe der Ultrapräzisionszerspanung mit monokristallinen Diamantwerkzeugen kostengünstig prototypische dreidimensionale Justagestrukturen erzeugen. Im Bereich der Mikrosystemtechnik werden dagegen teure Masken benötigt, wodurch sich diese Verfahren lediglich für die Produktion großer Stückzahlen eignen. Allerdings sind die erreichbaren Fertigungsgenauigkeiten bei der lithographischen Herstellung passiver Justagestrukturen nach dem aktuellen Stand der Technik höher als bei der Fertigung der Strukturen durch die Ultrapräzisionszerspanung. 2.2.2 Stand der Technik Nach dem aktuellen Stand der Technik gibt es verschiedene Ansätze zur passiven Justage von Mikrobauteilen, wobei die verwendeten Justagestrukturen aufgrund der höheren Fertigungsgenauigkeit mikrosystemtechnischer Fertigungsprozesse in den meisten Fällen durch lithographische Verfahren hergestellt werden (Menz u. Mohr 1997). Die Fertigungsgenauigkeiten bei lithographischen Prozessen liegen im allgemeinen unter 100 nm, wogegen die erreichbare Präzision bei der Herstellung passiver Justagestrukturen durch Ultrapräzisionszerspanung mit Hilfe monokristalliner Diamantwerkzeuge zwar ebenfalls im Submikrometerbereich liegt, aber maximal einige 100 nm beträgt. Für die passive Justage zylinderförmiger Bauteile wie beispielsweise Lichtwellenleiter aus Quarzglas für die optische Datenübertragung sind bereits eine Vielzahl an Entwicklungen, Produkten und Patenten bekannt. Häufig werden Grundkörper aus Silizium verwendet, in welche v-nutenförmige Strukturen durch anisotropes Formätzen eingebracht werden
2.2 Passive Justage für die Montage
23
(Bönsch et al. 1998, Kappelt et al. 1997, Klockenbrink et al. 1994). Allerdings lassen sich durch die Vorzugsrichtung des Siliziumeinkristalls beim Ätzen nur Rillen in Längsrichtung und keine anderen geometrischen Formen erzeugen, wobei die Geometrie der Justagestrukturen an die ätzbaren Siliziumkristallflächen angepasst werden muss. Daher entstehen bereits bei geringer Dejustage der Siliziumrohlinge relativ zu den Kristallachsen Toleranzen, die für viele Anwendungen unzureichend sind. 2.2.3 Theoretische Analyse passiver Justagestrukturen Um eine theoretische Analyse und Auslegung passiver Justagestrukturen für mikrotechnische Bauteile und Komponenten mit Hilfe einer grundlagenorientierten mathematischen Modellbildung durchführen zu können, werden am Fraunhofer IPT im Rahmen der Forschungsarbeiten im Teilprojekt A7 „Montageunterstützende mechanische Strukturen zur passiven Justage von Mikrobauteilen“ des SFB 440 „Montage hybrider Mikrosysteme“ anstelle der realen geometrischen Gestalt der zu justierenden Bauteile die vereinfachten Bauteilgrundgeometrien Zylinder, Quader und Kugel untersucht, um grundlegende und allgemeingültige Aussagen für die passive Ausrichtung einer Vielzahl von Mikrobauteilen ableiten zu können, welche sich dann auf komplexere Mikrokomponenten übertragen lassen. Im Folgenden wird die theoretische, mathematische Analyse passiver Justagestrukturen beispielhaft anhand der Justage zylinderförmiger Bauteile vorgestellt. Tabelle 2.2-1 zeigt beispielhaft die im Rahmen der theoretischen Analyse untersuchten geometrischen Strukturen zur passiven Justage zylinderförmiger Bauteile. Im anschließenden Kapitel wird schließlich auf die experimentelle Analyse passiver Justagestrukturen eingegangen. Die in Tabelle 2.2-1 dargestellte Auswahl an Justagestrukturen ist auf unterschiedliche Fertigungs- und Montageprozesse zurückzuführen. Die in der ersten Zeile dargestellten Halbstrukturen werden durch Symmetriehälften regelmäßiger Polygone (n-Ecken) mit gerader Eckenanzahl beschrieben. Diese Halbstrukturen lassen sich prozessbedingt besonders gut mit Hilfe der Ultrapräzisionszerspanung mit monokristallinen Diamantwerkzeugen beispielsweise im Fly-Cutting- oder Hobelverfahren herstellen, indem mit einer geometrisch bestimmten Werkzeugschneide lineare Geometrien gefertigt werden. Monokristalline Diamantwerkzeuge lassen sich durch spezielle Läppverfahren mit hoher Präzision im Submikrometerbereich mit einfachen Schneidkantengeometrien wie Kreisbögen oder Facetten herstellen. Bei Radiuswerkzeugen lassen sich Radiuswelligkeiten < 1 µm herstellen. Die minimalen Winkeltoleranzen bei spitzen Werkzeugen sowie Facettenwerkzeugen liegen unter 2 arcmin.
24
C. Brecher und F. Wolf
Tabelle 2.2-1. Systematische geometrische Analyse passiver Justagestrukturen für zylindrische Bauteile Halbstrukturen: - offen - regelmäßige Vielecke
0,5 x
Vollstrukturen: - geschlossen - regelmäßige Vielecke Lagerung zwischen Spitzen: - regelmäßige Anordnung der Spitzen über Umfang Lagerung zwischen Kreisen: - regelmäßige Anordnung der Kreise über Umfang
Æ Eckenanzahl n
4
6
8
10
3
4
5
6
3
4
5
6
Æ Eckenanzahl n
3
4
5 5
6
Æ Eckenanzahl n
Æ Eckenanzahl n
Die Verrundungen der Werkzeugschneidenkanten liegen dabei im atomaren Bereich. Dadurch lassen sich Justagestrukturen mit Formgenauigkeiten von < 0,5 µm auf einer Fläche von 10 x 10 mm2 mit Oberflächenrauhigkeiten von < 10 nm Ra herstellen. Die im zweiten Abschnitt von Tabelle 2.2-1 dargestellten Vollstrukturen lassen sich geometrisch durch geschlossene regelmäßige Polygone beschreiben. Derartige Vollstrukturen bis hin zu Strukturgrößen von einigen wenigen Mikrometern können beispielsweise durch das Fügen von zwei durch Ultrapräzisionszerspanung hergestellten Halbstrukturen gefertigt werden. Zur Herstellung noch kleinerer Strukturen bietet sich beispielsweise das LIGA-Verfahren an. Mit Hilfe dieses Verfahrens ist es möglich, Justagestrukturen zum Einstecken zylinderförmiger Bauteile mit Strukturgrößen < 10 µm, Aspektverhältnissen bis zu 300:1, Oberflächenrauheiten von 20 nm Ra und senkrechten Seitenwänden herzustellen. Spitzenförmige passive Justagestrukturen mit einer regelmäßigen Anordnung der Justageelemente über dem Umfang, welche in Tabelle 2.2-1 schematisch in der dritten Zeile dargestellt sind, werden häufig in Form von Mikrofedern zur selbstzentrierenden passiven Justage zylindrischer Bauteile verwendet. Diese Strukturen lassen sich beispielsweise in Tiefätzverfahren (ASE, DRIE oder Deep RIE) von Silizium herstellen (Menz u. Mohr 1997). Diese Verfahren basieren auf einem alternierenden Ätzen und Passivieren der zu erzeugenden Justagestrukturen und ermöglichen eine dreidimensionale Strukturierung von Silizium mit einer Vielzahl von Freiheitsgraden.
2.2 Passive Justage für die Montage
25
b
R
a
a
b
ε
Umax,h ε
a
R2
a
ax,s
b
Um
ax,k
s
b)/2 (a+
Umax,k
b
Um
ax,v
s
Um
Umax,s
R
Umax,h R
Umax,v
R
Die Lagerung zwischen Kreisen (Tabelle 2.2-1, unten) mit einer regelmäßigen Anordnung der Justageelemente über dem Umfang tritt bei direkter Justage mehrerer zylinderförmiger Bauteile auf. Der Vorteil dieser direkten Justage zylinderförmiger Bauteile ist die hohe Packungsdichte der zu justierenden Bauteile. Allerdings summieren sich die Fertigungsungenauigkeiten der einzelnen Bauteile auf, wodurch sich diese Justagestrategie lediglich für eine geringe Anzahl zu justierender zylinderförmiger Mikrobauteile eignet. Da in der Realität sowohl die zu justierenden Mikrobauteile als auch die passiven Justagestrukturen Toleranzen aufweisen und je nach verwendetem Fertigungsverfahren mehr oder weniger von der gewünschten Sollgeometrie abweichen, wird im Folgenden ein Toleranzmodell eingeführt, um die toleranzbehaftete Geometrie der Mikrobauteile sowie der Justagestrukturen zu beschreiben. Im Falle der hier betrachteten zylindrischen Mikrobauteile mit einem Radius R wurden in Anlehnung an die DIN ISO 1101 (NN 1985) allgemeine Bauteiltoleranzfeldbreiten der Mikrozylinder (a) und der passiven Justagestrukturen (b) angenommen (Abb. 2.2-1).
Abb. 2.2-1. Mathematische Ermittlung der Toleranzfelder bei der Justage zylindrischer Mikrobauteile in passiven Justagestrukturen
Mit Hilfe einer mathematischen Modellbildung lässt sich nun die Geometrie der Toleranzfelder sowie die theoretisch maximal mögliche Dejustage der zu justierenden zylindrischen Mikrobauteile für geometrisch unterschiedliche Justagestrukturen herleiten. Für die vier untersuchten schematisierten Justagestrukturen wurden mit Hilfe geometrischer Analysen die in der unteren Bildhälfte der Abb. 2.2-1 vergrößert dargestellten Toleranzfelder ermittelt, welche die Gesamtheit aller möglichen Verlage-
26
C. Brecher und F. Wolf
rungen der Mittelachsen der zylinderförmigen Mikrobauteile repräsentieren. Wie Abb. 2.2-1 zeigt, beträgt die maximale Verlagerung der Zylindermittelachsen bei der passiven Justage in offenen Halbstrukturen Umax,h, in geschlossen Vollstrukturen Umax,v, zwischen Spitzen Umax,s und zwischen Kreisen Umax,k. Bei der passiven Ausrichtung zylinderförmiger Mikrobauteile in offenen und geschlossen regelmäßigen Polygonstrukturen lassen sich die resultierenden Toleranzfelder mit Hilfe der Seitenlänge s sowie dem Eckenwinkel ε beschreiben. Das resultierende Toleranzfeld bei der passiven Ausrichtung zylinderförmiger Mikrobauteile in regelmäßigen Polygonstrukturen mit n Ecken ist ebenfalls ein regelmäßiges Vieleck mit n Ecken. Für den Fall der passiven Justage zylinderförmiger Mikrobauteile in regelmäßig polygonförmigen offenen Halbstrukturen gerader Eckenanzahl entsteht ein Toleranzfeld, welches in der unteren Hälfte aus einer regelmäßigen Polygonhälfte gleicher Eckenanzahl n und in der oberen Hälfte aus einer halben Raute beschrieben werden kann. Bei der passiven Justage zwischen Spitzen sowie zwischen Kreisen mit dem Radius R2 entstehen komplexere sternförmige Toleranzfelder, auf deren exakte geometrische Form hier nicht näher eingegangen werden soll. Exemplarisch ist im Folgenden die Formel zur Ermittlung der maximalen Abweichung des Zylindermittelpunkts bei der passiven Justage zwischen Kreisen dargestellt (Gl. 2.2-1). In diesem Fall ist die maximale Abweichung des Zylindermittelpunkts Umax,k eine Funktion der Toleranzfeldbreiten des zylinderförmigen Mikrobauteils a und der Justagestruktur b, des Zylinderradius R, der Radien der Justagestrukturen R2 sowie der Anzahl der kreisförmigen Justageelemente. U max, k
§ § § (2n − 4)π ¨ ¨ (R + R2 ) ⋅ cos¨ 4n § a + b ·· § (2n − 4)π · § ¨ −1 ¨ © = (R + R2 ) ⋅ sin ¨ ¸ ¸¸ ⋅ sin ¨ cos ¨ ¸ − ¨¨ (R + R2 ) − ¨ 4n §a +b· ¹ © © 2 ¹¹ © ¨¨ (R + R2 ) − ¨ ¨ ¸ © 2 ¹ © ©
· ·· ¸¸ ¹¸ ¸ ¸ ¹¹
(2.2-1)
In der folgenden Abb. 2.2-2 ist die maximale Abweichung der Zylindermittelpunkte für die unterschiedlichen passiven Justagestrukturen in Abhängigkeit der Anzahl der Ecken bzw. Justageelemente n dargestellt. Dabei wurde die Toleranzfeldbreite der zylindrischen Bauteile a sowie die Toleranzfeldbreite der Justagestrukturen b gleich eins gesetzt. Für den Zylinderradius R und den Radius der kreisförmigen Justagestrukturen R2 wurde der Wert zehn angenommen. Als weitere Randbedingung gilt für die folgenden Berechnungen, dass bei der passiven Justage in geschlossenen Strukturen keine Presspassungen zulässig sind.
2.2 Passive Justage für die Montage
27
Abb. 2.2-2 ist weiterhin zu entnehmen, dass sich bei der passiven Justage in geschlossenen Justagestrukturen bei zunehmender Anzahl an Ecken bzw. Justageelementen n die maximal mögliche Abweichung Umax der Zylindermittelachse vom Sollwert reduziert. Durch eine Grenzwertbetrachtung lässt sich zudem zeigen, dass der Wert für Umax sowohl bei der passiven Justage in geschlossenen Polygonstrukturen als auch zwischen Spitzen und Kreisen asymptotisch gegen die Summe der Toleranzfeldbreiten a+b läuft.
M aximale Abweichung Umax *
3,5
3,0
Umax,s 2,5
2,0
1,5
Umax,h
1,0
Umax,k 0,5
Umax,v
*) normierter Wert bezogen auf die Summe der Toleranzfeldbreiten a+b
0,0 3
4
5
6
7
8
9
10
Anzahl Ecken n
Abb. 2.2-2. Abweichungen der Zylindermittelachsen Umax über der Eckenanzahl n
Generell ist festzustellen, dass die maximal mögliche Abweichung der Zylinderachse Umax bei der passiven Justage in geschlossenen regelmäßig polygonförmigen Vollstrukturen geringer ist als bei der passiven Justage zwischen Spitzen und Kreisen. Bei der passiven Justage in offenen regelmäßig polygonförmigen Halbstrukturen steigt der Wert für Umax dagegen mit zunehmender Eckenanzahl n an. Allerdings strebt er auch in diesem Fall gegen einen Grenzwert, da sich ein zu justierendes zylinderförmiges Bauteil, welches größer ist als die zu justierende Justagestruktur, an zwei Punkten aufstützen kann. Der sich in diesem Fall einstellende Grenzwert lässt sich für den vorliegenden Fall zu 4,47*(a+b) bestimmen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die passive Justage von zylinderförmigen Mikrobauteilen in konkaven Justageelementen eine präzisere Justage ermöglicht als in konvexen Strukturen. Allerdings ist in Hinblick auf eine fertigungsgerechte Konstruktion der passiven Justagestrukturen immer ein Kompromiss zwischen der erreichbaren Justagegenauig-
28
C. Brecher und F. Wolf
keit und einer aus fertigungstechnischen Gesichtspunkten günstigen Herstellbarkeit der Strukturen einzugehen. Die im nachfolgenden Kapitel „Experimentelle Analyse passiver Justagestrukturen“ beschriebenen experimentellen Untersuchungen zur Justage zylinderförmiger Mikrobauteile in passiven Justagestrukturen fokussieren daher auf die passive Justage von Glasfasern in v-nutenförmigen Justagestrukturen als einem Spezialfall der Justage in offenen, regelmäßig polygonförmigen Halbstrukturen, da sich derartige v-nutenförmige Strukturen mit Formgenauigkeiten im unteren Mikrometerbereich und sogar im Submikrometerbereich durch Ultrapräzisionszerspanung mit Hilfe monokristalliner Diamantwerkzeuge herstellen lassen und darüber hinaus im Gegensatz zu passiven Justagestrukturen mit einer höheren Anzahl an Ecken bzw. Justageelementen n eine statisch bestimmte Lagerung zylinderförmiger Bauteile ermöglichen.
Umax,y
Umax,x b
R
a
R
a
Umax,y
α2 Umax,x
b
α1
y x
Abb. 2.2-3. Theoretische Analyse der Toleranzfelder bei der passiven Justage zylindrischer Mikrobauteile in V-Nuten
Daher wurde zunächst die theoretische Positioniergenauigkeit (Abb. 2.2-3) von Glasfasern in v-nutenförmigen passiven Justagestrukturen in Bezug auf die Toleranzfeldbreiten der Glasfasern und der Justagestrukturen mit Hilfe mathematischer Modellbildung hergeleitet. Dazu wurden ebenfalls allgemeine Bauteiltoleranzfeldbreiten der Glasfasern (a) und der Justagestrukturen (b) nach DIN ISO 1101 (NN 1985) angenommen. Dabei ergibt sich bei der Ausrichtung von Glasfasern in v-nutenförmigen Justagestrukturen eine maximale Abweichung der Mittelachsen der Glasfasern in horizontaler Richtung von U max, x =
a+b 2 ⋅ cos(α / 2)
(2.2-2)
2.2 Passive Justage für die Montage
29
und eine maximale Abweichung der Mittelachsen der Glasfasern in vertikaler Richtung von U max, y =
a+b . 2 ⋅ sin(α / 2)
(2.2-3)
Für V-Nuten mit einem Öffnungswinkel von 90° ist die maximale horizontale Abweichung (Umax,x) gleich der maximalen vertikalen Abweichung (Umax,y) der Mittelachsen der Glasfasern. Es gilt: U max, x = U max, y =
(a + b ) ⋅
(2.2-4)
2
2
Daraus resultiert in V-Nuten mit spitzen Öffnungswinkeln eine theoretisch höhere Positioniergenauigkeit der Glasfasern in horizontaler Richtung als in vertikaler Richtung. Bei stumpfen Öffnungswinkeln ist entsprechend die vertikale Positioniergenauigkeit höher. Allerdings nimmt die theoretische Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Glasfasermittelachsen zu den Rändern und speziell zu den Ecken der Toleranzfelder stark ab, da diese Bereiche für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Glasfasermittelachsen nur bei seltenen Paarungen von Glasfasern und Justagestrukturen mit großen Toleranzen auftreten. Die Positionen im Inneren der Toleranzfelder können hingegen durch eine Vielzahl unterschiedlicher Paarungen zwischen Glasfasern und Justagestrukturen erreicht werden. Nimmt man nun eine vom Hersteller der Glasfasern angegebene Toleranzfeldbreite von 3 µm und eine Toleranzfeldbreite der mit Hilfe der Ultrapräzisionszerspanung hergestellten Justagestrukturen von 0,5 µm an, ergeben sich für die theoretischen Fehlpositionierungen der Glasfasermittelachsen in V-Nuten mit Öffnungswinkeln von 60°, 90° und 120° die in Tabelle 2.2-2 zusammengestellten Werte. Tabelle 2.2-2. Maximale Positionsabweichungen der Glasfasermittelachsen bei der Ausrichtung von Glasfasern in passiven Justagestrukturen Umax,x [µm] Umax,y [µm]
60° 2,0 3,5
90° 2,5 2,5
120° 3,5 2,0
2.2.4 Experimentelle Analyse passiver Justagestrukturen Für die Versuche wurden durch Mikrofräsen in Fünfseitenbearbeitung hergestellte Probekörper aus Aluminium durch ultrapräzise Diamantzerspa-
30
C. Brecher und F. Wolf
nung mit monokristallinen Diamantwerkzeugen mit 40 V-Nuten unterschiedlicher Öffnungswinkel (60°, 90°, 120°) mit einem Abstand von 250 µm strukturiert. Die Enden der zu montierenden Glasfasern wurden zunächst entmantelt und senkrecht zur Mittelachse abgelängt, um exakt definierte Faserendflächen zu erhalten. Die Glasfasern wurden manuell mit Hilfe eines Stereomikroskops grob vorjustiert und durch eine hochpräzise mikrogefräste Spannvorrichtung (Abb. 2.2-4) in die Justagestrukturen gedrückt. Die Glasfasern wurden dabei gegen einen ultrapräzise diamantgedrehten Anschlag montiert, um zu gewährleisten, dass die Faserendflächen in der gleichen Ebene wie die Endfläche der Justagestruktur liegen. Um dabei die Durchmessertoleranzen der Glasfasern auszugleichen und alle 40 Fasern mit gleicher Kraft in die V-Nuten zu drücken, wurde der Spannblock mit einer 100 µm dicken elastischen Latexschicht versehen. Spannklotz mit Latexschicht
Glasfasern
Telezentrisches Messobjektiv
Spannvorrichtung
Passive Justagestruktur
Abb. 2.2-4. Messung der relativen Positioniergenauigkeit der Glasfasern in passiven Justagestrukturen mittels Bildverarbeitung
Die Messung der relativen Positioniergenauigkeit der Glasfasern in den passiven Justagestrukturen wurde mit Hilfe eines hochauflösenden Bildverarbeitungssystems (Demant et al. 1998, Jähne 1989) durchgeführt. Um über dem gesamten Messbereich des Bildverarbeitungssystems einen exakt definierten Abbildungsmaßstab zu gewährleisten, wurde für die Messungen ein telezentrisches Messobjektiv (Hentschel u. Wendelstein 2002) der Firma Sill Optics mit einer 10-fachen Vergrößerung verwendet. In Kombination mit einer hochauflösenden CCD-Kamera der Firma JAI mit 1392 x 1040 Bildpunkten und einer Framegrabber-Karte der Firma
2.2 Passive Justage für die Montage
31
PC2Vision wurde eine maximale Auflösung des Bildverarbeitungssystems von ca. 0,5 µm erreicht. Durch eine Kalibrierung des gesamten Messaufbaus mit Hilfe eines Normals der Firma Heidenhain wurde die exakte Größe eines Pixels zu 0,4717 µm ermittelt. Zur Vermessung der Glasfasermittelachsen wurde dabei nicht die gesamte Glasfaser ausgeleuchtet, sondern lediglich der Glasfaserkern, da sich dieser deutlich schärfer abbilden lässt als die gesamte Glasfaser. Um die Kerne der Glasfasern mit einem möglichst hohen Kontrast zur Umgebung abbilden zu können, wurde über die freien Glasfaserenden Kaltlicht eingekoppelt. Die Ermittlung der Mittelpunkte wurde durch geeignete Algorithmen mit Hilfe der Bildverarbeitungssoftware WiT 8.0 (Coreco Imaging, Inc.) durchgeführt. Dazu wurde das monochromatische Ausgangsbild zunächst binarisiert, um die Kanten der Faserkerne detektieren und zu Linien reduzieren zu können. Die kreisförmigen Linienzüge konnten dann zu Kreisen approximiert werden, um schließlich die Mittelpunkte der Faserkerne zu ermitteln. Bedingt durch die für die hochgenaue Messung benötigte hohe Auflösung von 0,5 µm pro Pixel reduzierte sich der Messbereich des Bildverarbeitungssystems auf eine Fläche von 491 x 657 µm. Aus diesem Grund ließen sich bei einer Messung lediglich zwei Glasfasern gleichzeitig abbilden. Daher wurde die fertig montierte Spannvorrichtung mit Hilfe eines ultrapräzisen Positioniersystems der Firma Newport mit einer absoluten Positioniergenauigkeit der Achsen von 0,1 µm gegenüber dem telezentrischen Messobjektiv verfahren, um so das gesamte Glasfaserarray Schritt für Schritt vermessen zu können.
200 µm
Abb. 2.2-5. REM-Aufnahme passiv justierter Glasfasern (Vergrößerung: 100x)
Parallel zu den Messungen mit Hilfe des Bildverarbeitungssystems wurden die in den Justagestrukturen fertig montierten Glasfasern ebenfalls im Rasterelektronenmikroskop des Fraunhofer IPT untersucht, um die Ausrichtung der Glasfasern in den Justagestrukturen zu analysieren. Bei bis zu 500-facher Vergrößerung lassen sich eventuell vorhandene Spalte zwi-
32
C. Brecher und F. Wolf
schen Glasfasern und Justagestruktur, welche auf eine zu niedrige Anpresskraft zurückzuführen sind, eindeutig identifizieren. Die durchgeführten REM-Analysen zeigten allerdings, dass die durch eine elastische Latexschicht in die V-Nuten gedrückten Glasfasern alle den gewünschten direkten Kontakt zur Justagestruktur hatten. Abb. 2.2-5 zeigt in einer REMAufnahme mit 100-facher Vergrößerung einen Ausschnitt aus dem eindimensionalen Glasfaserarray. Zur Auswertungen der mit Hilfe des Bildverarbeitungssystems durchgeführten Messungen werden zunächst die jeweiligen Gaußverteilungen sowie die Standardabweichungen der xy-Messwertepaare der Mittelpunktspositionen der Glasfaserkerne (σx, σy) für die x- und y-Richtung getrennt ermittelt. Mit Hilfe der Standardabweichungen σx und σy lässt sich schließlich die dreidimensionale Gaußverteilung der Faserkernmittelpunkte mit P ( x, y ) =
§ x2 y 2 ·¸ 1 ⋅ exp¨ − − ¨ 2 ⋅σ 2 2 ⋅σ 2 ¸ 2 ⋅ π ⋅ σ xσ y x y ¹ ©
(2.2-5)
ermitteln. Abb. 2.2-6 zeigt exemplarisch die dreidimensionale Gaußverteilung der Glasfaserkernmittelpunkte in der Schnittebene der Fasern bei der passiven Justage in V-Nut-Strukturen mit einem Öffnungswinkel von 90°. Im abgebildeten Graphen lassen sich auf der z-Achse die Werte der Häufigkeitsdichte der Mittelpunktpositionen der Glasfaserkerne über den auf der x- und y-Achse aufgetragenen Abweichungen der Glasfaserkernmittelpunkte vom Sollwert ablesen. Man erkennt, dass über 99 % der Faserkernmittelpunkte der Glasfasern mit einem maximalen Fehler von +/- 5 µm positioniert wurden. Die maximalen Positionierfehler von 99 % der Glasfasern in passiven Justagestrukturen mit einem Öffnungswinkel von 120° betragen +/- 4 µm, bei einem Öffnungswinkel von 60° +/- 3 µm. Die erreichten Positioniergenauigkeiten der Glasfaserkernmittelpunkte liegen über den nach aktuellem Stand der Technik erreichbaren Positioniergenauigkeiten bei der passiven Justage in lithographisch hergestellten Justagestrukturen. Als Einflussfaktoren sind zunächst die maschinen- und prozessseitig bedingten geometrischen Fertigungstoleranzen der v-nutenförmigen Justagestrukturen zu nennen. Die aus der Maschinengenauigkeit der für die Fertigung der Justagestrukturen verwendeten Ultrapräzisionsmaschine resultierende absolute Fertigungsgenauigkeit der Abstände der 40 V-Nuten zueinander liegt dabei unter 0,1 µm auf der Länge von 10 mm.
2.2 Passive Justage für die Montage
33
0,08 0,06 0,04 -10
y [µm] -5
-10
0,02 -5
-5
x [µm]
0 -5 5 y [µm] 10
5
5 5
10 x [µm]
Abb. 2.2-6. Relative Positioniergenauigkeit von Glasfasern in v-nutförmigen passiven Justagestrukturen (Öffnungswinkel: 90°)
Der Fehler der Öffnungswinkel der V-Nuten liegt dabei unter 2 arcmin, da sich der weiter oben genannte Winkelfehler des für die Fertigung der passiven Justagestrukturen verwendeten Diamantwerkzeugs auf die gefertigten V-Nuten überträgt. Die gesamte Formgenauigkeit der gefertigten passiven Justagestrukturen liegt dementsprechend unter 0,5 µm auf einer Fläche von 10 x 10 mm2. Die Toleranz der Außendurchmesser der Glasfasern selbst beträgt 3 µm und die Exzentrizität des Glasfaserkerns in Bezug zum Außendurchmesser der Faser 1 µm. Darüber hinaus spielen ebenfalls Verschmutzungen der Bauteile und Messunsicherheiten des verwendeten Bildverarbeitungssystems eine entscheidende Rolle bei der experimentellen Ermittlung der Messwerte. Die experimentellen Ergebnisse spiegeln zudem nicht genau die im Rahmen der geometrischen Analyse hergeleiteten Zusammenhänge zwischen dem Öffnungswinkel der V-Nuten und der Größe und Form der resultierenden Toleranzfelder der Faserkernmittelpunkte wieder. Dieser Effekt ist dadurch zu erklären, dass den theoretisch hergeleiteten Toleranzfeldern eine Gaußsche Normalverteilung überlagert ist, die sich ebenfalls in den experimentellen Ergebnissen wiederspiegelt. Darüber hinaus ergeben sich aufgrund der durch das Herstellungsverfahren der Glasfasern bedingten geringen Rundheitsfehler der Glasfasern bei gleichzeitig relativ großen Schwankungen der Faserdurchmesser von 3 µm größere Abweichungen der Positionen der Fasermittelpunkte in y- als in x-Richtung, da die Varia-
34
C. Brecher und F. Wolf
tion der Faserdurchmesser bei angenommener idealer Rundheit der Glasfasern lediglich Einfluss auf die Positioniergenauigkeiten der Glasfasermittelpunkte in y-Richtung hat. Die gemessenen Werte liegen dabei allerdings im Bereich theoretisch hergeleiteten. Die im Vergleich zur theoretischen Analyse geringfügig größeren gemessenen Werte sind auf die im Folgenden dokumentierten Einflüsse zurückzuführen. Den größten Einfluss auf die realen Positioniergenauigkeiten der Faserkernmittelpunkte haben Verunreinigungen der Justagestrukturen sowie der Glasfasern wie beispielsweise Reste des Coatings oder atmosphärischer Staub. Ebenfalls hat die mit Hilfe des Bildverarbeitungssystems erreichbare Messgenauigkeit einen Einfluss auf das Messergebnis. Das verwendete System verfügt auf dem gesamten Bildbereich über eine Auflösung von 0,5 µm. Durch die bei einer Messung softwareseitig durchgeführte Interpolation zwischen einzelnen Pixeln erreicht man allerdings eine theoretische Verbesserung der Auflösung um den Faktor Zehn, wodurch Messungen bis in einen Auflösungsbereich von 0,1 µm durchgeführt werden können. Messfehler entstehen beispielsweise durch Streulicht, welches die genaue Abbildung der Kontur der Faserkerne verhindert. Auch durch die Interpolation der Kreiskontur der Faserkerne sowie der Kreismittelpunkte entstehen Messfehler. Dabei spielt auch die Wahl des Schwellwerts des Binarisierungsfilters eine Rolle. Einen eher geringen Einfluss auf das Messergebnis hat die Genauigkeit des zur Messung verwendeten Positioniersystems der Firma Newport, da die absolute Positioniergenauigkeit der verwendeten Linearachse im Bereich < 100 nm liegt. 2.2.5 Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die erreichten Justagegenauigkeiten bei der passiven Ausrichtung von zylindrischen Bauteilen in mit Hilfe der Diamantzerspanung hergestellten passiven Justagestrukturen nicht so hoch sind wie bei der Justage in lithographisch hergestellten Strukturen. Allerdings liegen sie in derselben Größenordnung, wodurch sich mit Hilfe der Ultrapräzisionszerspanung hergestellte passive Justagestrukturen für die Produktion von Prototypen oder Kleinserien eignen. Gerade durch eine weitere Optimierung der Reinigungsverfahren der entmantelten Glasfasern vor der Montage sowie der verwendeten Messtechnik lassen sich die ermittelten Positionierfehler der Glasfaserkernmittelpunkte noch weiter verringern. Bei der passiven Justage von Glasfasern in v-nutenförmigen Strukturen ließ sich in den Versuchen bei der Justage von je 40 Fasern in einem eindimensionalen Faserarray bereits eine Positionierge-
2.2 Passive Justage für die Montage
35
nauigkeit der Glasfasern untereinander von +/- 3 µm bei der Ausrichtung in V-Nuten mit einem Öffnungswinkel von 60° ermitteln. Dabei lassen sich allerdings die im Rahmen der theoretischen Analyse der passiven Justage hergeleiteten Zusammenhänge nicht unmittelbar auf reale Justagevorgänge übertragen. Die in Versuchsreihen ermittelten Positioniergenauigkeiten liegen geringfügig über den theoretisch ermittelten. Die geringe Differenz zwischen theoretischer Auslegung und experimenteller Untersuchung ist neben Verunreinigungen von Glasfasern und Justagestrukturen auf Messunsicherheiten des Bildverarbeitungssystems zurückzuführen. Die Ergebnisse zeigen allerdings, dass die passive Ausrichtung von Glasfasern in durch Ultrapräzisionszerspanung hergestellte Justagestrukturen bis zu einer Genauigkeit von +/- 3 µm möglich ist und anstelle einer aktiven Justage eingesetzt werden kann. Daher ist die vorgestellte passive Justage beispielsweise für die Ausrichtung von Multi-Mode-Glasfasern geeignet. Literatur Bönsch P, Wüllner D, Schrimpf T, Schlachetzki A, Lacmann R (1998) Ultrasmooth V-grooves in InP by two-step wet chemical etching, J. Electrochem. Soc. 145, pp 1273-1276 Brecher C, Wenzel C, Wolf F (2004) Großflächige Mikrostrukturierung optischer Oberflächen, Photonik 5, S 48-51 Demant C, Streicher B, Waszkewitz A (1998) Industrielle Bildverarbeitung, Springer Hentschel K, Wendelstein M (2002) Telezentrische Objektive für die industrielle Bildverarbeitung, Stemmer Hesselbach J, Raatz A (Hrsg.) (2002) mikroPRO, Untersuchung zum internationalen Stand der Produktionstechnik. Schriftenreihe des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (iwf) der TU Braunschweig, Vulkan-Verlag, Essen Heuer K, Hesselbach J, Berndt M, Tutsch R (2004) Sensorgeführtes Montagesystem für die Mikromontage. In: Robotik 2004, VDI-Berichte Nr. 1841, ISBN 3-18-091841-1, München, 17.-18. Juni 2004, S 39-46 Höhn M (1999) Sensorbasierte Werkzeuge für die Mikromontage. In: Automatisierte Mikromontage. Handhaben und Positionieren von Mikrobauteilen. (Reihe: Seminarberichte des IWB, TU München, Bd. 44), München Jähne B (1989) Digitale Bildverarbeitung, Springer Kappelt M, Türck V, Stier O, Bimberg D, Cerva H, Stenkamp D, Veit P, Hempel T, Christen J (1997) Properties of ternary In(Al, Ga)As layers grown on InP V-grooves by MOCVD for the fabrication of quantum wire structures, Proc. EW MOVPE VII, Berlin, p E5 Klocke F, Weck M, Fischer S, Zamel S (1996) Ultrapräzisionsbearbeitung und Fertigung von Mikrokomponenten, IDR 4
36
C. Brecher und F. Wolf
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2.2 Passive Justage für die Montage
37
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2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen W. Mokwa und G. Spanier Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik, Lehrstuhl 1, RWTH-Aachen
2.3.1 Einführung und Motivation In den letzten Jahren wurden zunehmend neue Mikrosysteme, vor allem auf der Basis der Siliziumtechnologie, entwickelt. Hierbei haben sich zwei unterschiedliche Ansätze herausgebildet. Bei der monolithischen Integration werden komplette Systeme auf Basis der Silizium-Technologie hergestellt. Im Gegensatz dazu werden bei der hybriden Integration die Komponenten eines Systems einzeln hergestellt und anschließend zu einem Gesamtsystem gefügt. Die Entwicklung eines monolithisch integrierten Mikrosystems erfordert für jede Designvariante eine komplette Neuentwicklung des Herstellungsmaskensatzes. Dies ist mit hohen Investitionen verbunden. Bei hybriden Systemen müssen dagegen nur einzelne Komponenten überarbeitet werden (Bartelink 1996). Ein Beispiel für die konsequente Umsetzung des hybriden Ansatzes ist das Multi-Chip-Modul (MCM). Hier werden Komponenten unterschiedlichster Herstellungsprozesse kombiniert und hoch integriert auf ein gemeinsames Substrat gefügt. Dabei kommen sowohl mechanische, optische als auch elektronische Komponenten zum Einsatz. Bei entsprechender Modularität kann hier von einem mikrosystemtechnischen Baukasten gesprochen werden. Monolithisch integrierte Systeme weisen im Vergleich meistens die höhere Leistungsfähigkeit und bei hohen Stückzahlen auch den geringeren Preis auf. Bei kleinen oder mittleren Stückzahlen ist das hybride System die bessere Alternative. Abb. 2.3-1 zeigt eine modularisierte elektrooptische Systemplattform als Beispiel für ein hybrides System. Auf einem MCM -Substrat sind mehrere Chips mit Hilfe der Flip-Chip-Technologie montiert. Das MCM wurde in diesem Fall mit Hilfe von Draht-Bondverbindungen mit dem Gehäuse verbunden.
40
W. Mokwa und G. Spanier
Bei hybriden Mikrosystemen, in denen ungehäuste Komponenten verwendet werden, ist es schwierig zu gewährleisten, dass alle Komponenten ihre Spezifikationen erfüllen. Ein 100 %-Test der unverkapselten Komponenten ist sehr aufwendig, wirtschaftlich kaum vertretbar und oft nicht möglich. Dieses Problem wird in der Mikroelektronik als Known-GoodDie (KGD) Problem bezeichnet.
Abb. 2.3-1. Modularisierte elektrooptische Mikrosystemplattform, (Tewksbury u. Hornak 1995)
Bei steigender Anzahl integrierter Bauteile im MCM nimmt das KGDProblem noch weiter zu (Krüger 2004). Als Future Trend wurde auf der National Technology Roadmap for Semiconductors (NTRS) 94 das Composite IC Konzept vorgestellt. Hierbei ist der Aufbau auf einer Systemplattform vorgesehen, wobei die einzelnen Komponenten zunächst temporär kontaktiert und nach erfolgreichem Test permanent verbunden werden. Die Testbarkeit während der Montage kann demnach als einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg hybrider Mikrosysteme angesehen werden (Krüger 2001). Im Rahmen des Teilbereichs A5 des SFB 440 wurden Systemplattformkonzepte für die Montage hybrider Mikrosysteme entwickelt, mit denen Lösungsmöglichkeiten für diese Hürde in der breiten Umsetzung hybrider Mikrosysteme geschaffen wurden. Schlüsselkomponente sind hierbei Mikrofedern. Die Mikrofedern stellen die Schnittstelle zwischen dem Einzelmodul und der Montageplattform dar. Somit werden temporäre Verbindungen zum Prüfen der Spezifikationen in der Gesamtschaltung ermöglicht. Auf der Mikrofeder zusätzlich aufgebrachte ellipsenförmige Selbstjustagestrukturen ermöglichen die Kompensation einer möglichen
2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen
41
Fehlpositionierung des zu montierenden Bauteils relativ zur Systemplattform. 2.3.2 Angewandte Methoden Composite IC Konzept und Mikrofederstrukturen
Das Composite IC Konzept ist ein Lösungsansatz für das KGD Problem bei der Entwicklung von Multi-Chip-Modulen. Die einzelnen Komponenten werden auf der Plattform zunächst nur temporär verbunden. Nach erfolgreicher 100%-Prüfung des Gesamtsystems können die Komponenten bei Bestehen des Tests auf der Plattform endgültig gefügt werden. Defekte Bauteile können im Verlauf der Prüfung ausgetauscht werden (Bartelink 1995, 1998). Im Rahmen dieser Arbeit wurden Mikrofedern zur Umsetzung dieses Konzepts eingesetzt. Sie befinden sich auf dem Substrat an den Kontaktstellen zu den einzelnen Komponenten. Die Systemkomponenten können so temporär aufgebaut und das Gesamtsystem getestet werden. Erst nach erfolgreichem Test erfolgt das dauerhafte Verbinden (Krüger 1999,2000). Die mechanischen Vorteile einer Feder werden hierbei ausgenutzt. Die Mikrofedern kompensieren thermische Verschiebungen, die durch Wärmeentwicklung in der MST-Komponente entstehen können, sowie mechanische Verschiebungen durch die Montage. Ungleiche Kontaktdrücke der Mikrofedern, bedingt durch unterschiedliche Höhen der Kontaktflächen des Mikrobauteils, werden ausgeglichen (NJIT 1999). Simulation der Mikrofeder für die mechanische Optimierung. Die Finite-Elemente-Methode (FEM) ermöglicht die Berechnung der Mikrofederdesigns, die von den kombinierten Beanspruchungen durch Biegung, Torsion und Zug belastet sind. Alle Simulationen wurden mit dem FEMTool ANSYS® 5.7 ausgeführt. Bei der Simulation wurde linearelastisches Verhalten, ohne plastische Deformation, vorausgesetzt. Ziel der Simulation ist es eine Kontaktkraft von 20mN sicherzustellen bei gleichzeitig notwendigerweise rein elastischer Verformung der Federstruktur. Dazu wurde eine Verformung von 50µm vorausgesetzt und die notwendige Federdicke iterativ bestimmt. Für Design A ergibt sich eine Schichtdicke von 8,84 µm und für Design B eine Dicke von 8,49 µm.
42
W. Mokwa und G. Spanier
Abb. 2.3-2. Simulation der Spannungsverteilung über die Mikrokontaktfedern Design A und B bei einer Auslenkung von 50 µm und einer Federkraft von 20 mN (Leuerer 2000) – a) Design A. b) Design B
Abb. 2.3-3. Simulation der Spannungsverteilung über die Mikrokontaktfedern Design C und D bei einer Auslenkung von 50 µm und einer Federkraft von 20 mN (Leuerer 2000) – a) Design C. b) Design D
Die beiden Designs C und D unterscheiden sich lediglich durch den Winkel, den der Schraubenfederabschnitt einschließt. Für Design C beträgt die Federdicke 6,12 µm und für Design D 8,58 µm. Zur Ermittlung der Eignung in Bezug auf die plastische Verformung dient die Von Mises Vergleichsspannung. In Abb. 2.3-2 und 2.3-3 werden in den Designs A, B und C bereits sehr große Spannungen >1500 MPa sichtbar. Ist der Volumenanteil dieser Spannungseinträge entsprechend groß kommt es zur plastischen Verformung. Design D weist eine sehr homogene Spannungsverteilung auf.
2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen
43
Simulation der Federkennlinien und Bewertung. In Abb. 2.3-4a ist die Kontaktkraft über der Auslenkung aufgetragen. Die Designs A, B und D zeigen weitestgehend einen linearen Verlauf der Federsteifigkeit auf. Im Gegensatz dazu steigt die Federsteifigkeit von Design C bei zunehmender Auslenkung stark an, was den Anforderungen an den Kennlinienverlauf widerspricht.
Abb. 2.3-4. Simulationsergebnisse der Federkennlinien der unterschiedlichen Federdesigns A, B, C und D bei einer Federdicke von 8 µm. a) die Kraft über der Auslenkung. b) der maximal auftretenden mechanischen Spannung über der Auslenkung
In Abb. 2.3-4b ist der Verlauf der maximal in der Struktur auftretenden von Mises Vergleichsspannung aufgetragen, wobei die Kurve bei Design D am günstigsten und bei Design C am ungünstigsten verläuft. Im Weiteren soll daher vor allem auf Design D eingegangen werden. Realisierung von Justagestrukturen
Die präzise Ausrichtung des Bauteils zum Substrat ist zum Erreichen einer guten Kontaktqualität notwendig. Dies kann durch passive Justagestrukturen unterstützt werden. Eine passive Justage wurde durch die Verwendung kugelförmiger Flip-Chip-Bumps erreicht, die auf der Mikrofeder ein muldenförmiges Gegenstück vorfinden. Eine elliptische Struktur bietet zumindest in einer Richtung eine deutlich erhöhte Toleranz gegen Fehljustage. Durch die Verwendung modifizierter Kontaktelemente entsprechend Abb. 2.3-5 ergibt sich eine höhere Toleranz in mehrere Richtungen und damit eine insgesamt größere Selbstjustierungsfläche. Zusätzlich reduziert sich die Berührung zwischen Bump
44
W. Mokwa und G. Spanier
und Kontaktelement in der Endposition auf drei bis vier Punktberührungen. Damit steht die höchste Flächenpressung zwischen dem Bump und dem Kontaktelement bei gleicher Kontaktkraft zur Verfügung.
Abb. 2.3-5. Geometrien der untersuchten Kontaktelemente
Herstellung der Mikrostrukturen
Für die Herstellung der Mikrofedern und der Kontaktelemente sollen nur Standardverfahren der Halbleiter- und Mikrosystemtechnik zum Einsatz kommen. Dazu zählen Lithografie, Mikrogalvanik, Mikroätztechnik, Metallisierung mittels Elektronenstrahlverdampfer und Sputterprozesse. Das Handling der Strukturen und das Einbinden in bestehende Herstellungsprozesse wird durch die Prozessierung auf handelsüblichen 4 Zoll Siliziumwafern sehr stark vereinfacht. Das Einbinden in eine kommerzielle Fertigungslinie wird dann durch Anpassen auf die ggf. größeren Waferabmessungen erreicht. Im ersten Schritt werden die Wafer mit einer Galvanikstartschicht, genannt Platingbase, im Elektronenstrahlverdampfer beschichtet. Die Platingbase besteht aus zwei Metallisierungslagen aus Titan und Gold. Titan dient hierbei als Haftvermittler, Gold als Startschicht für die Galvanik. Gold eignet sich hierbei besonders, da es von den folgenden Prozessschritten nicht angegriffen wird und einen hervorragenden Leiter für die Galvanik zur Verfügung stellt (Fritz 2000). Anschließend wird in der Lithografie Fotolack aufgeschleudert. Mittels Kontaktbelichter und Entwicklungsbad werden die Strukturen für die Stützstrukturen der Mikrofedern festgelegt. Die Stützstrukturen legen mit
2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen
45
ihrer Höhe die maximale Auslenkung der Federn fest. Der Fotolack muss daher mindestens die Höhe der vorzusehenden Stützstrukturen aufweisen. In die entstandenen Öffnungen im Fotolack wird dann mittels Mikrogalvanik Nickel für die Stützstrukturen abgeschieden (Abb. 2.3-6a). Der Fotolack wird daraufhin entfernt. Der gesamte Wafer wird mit Kupfer soweit übergalvanisiert, dass zwischen den Nickelstrukturen Kupfer in mindestens gleicher Höhe aufgewachsen ist. Das Kupfer dient hier als Opferschicht. Es dient zusätzlich als Galvanikstartschicht für die Mikrofedern als auch als Planarisierungsschicht für die Lithografie der Federstrukturen (Abb. 2.3-6b). Der anschließende Planarisierungsschritt lässt eine glatte Oberfläche entstehen auf der ein weiterer Lithografieschritt die Strukturen der Federn auf den Stützstrukturen festlegt. Die Federstrukturen werden aufgrund des deutlich erweiterten elastischen Bereichs aus Nickel-Wolfram erstellt (Abb. 2.3-7c). Durch das Ätzen der Kupferopferschicht werden die Federstrukturen freigelegt und können nun erstmals getestet oder eingesetzt werden (Abb. 2.3-7d).
Abb. 2.3-6. Herstellungsschritte der Mikrofedern
46
W. Mokwa und G. Spanier
Abb. 2.3-7. Herstellungsschritte der Mikrofedern
2.3.3 Ergebnisse Federstrukturen
Messung der Mikrofederkennlinien. Für die Bestimmung der Federkennlinien der Kontaktelemente wurde ein Messstand aufgebaut, mit dem die Kontaktkraft mit ausreichender Auflösung bestimmt werden kann und gleichzeitig die eingeprägte Auslenkung der Feder aus NickelWolframlegierung in definierten kleinen Schritten vorgegeben werden kann (Abb. 2.3-8). Da der Messaufbau neben der Bestimmung der Federkennlinien auch zur Bestimmung des Kontaktwiderstands in Abhängigkeit der Kontaktkraft eingesetzt werden sollte, wurde bei der Konstruktion auf eine gute Zugänglichkeit der Proben zur elektrischen Kontaktierung geachtet. Die Messergebnisse zeigen, dass die real vermessenen Federn sich gegenüber der Simulation geringfügig steifer verhalten. Dieser Effekt wird mit abnehmender Größe der Federn deutlich stärker. Eine Erklärung für dieses Phänomen sind Herstellungstoleranzen im UV-Tiefenlithographieprozess. Bei den hergestellten Mikrokontaktfedern wurde eine Kantensteilheit von 86° bis 87° beobachtet. Dies führt zu einer Aufweitung der galvanisch abgeschiedenen Strukturen. Im gezeigten Fall sind durch den
2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen
47
Geometriefehler der Stützstrukturen die Auflagepunkte der Federstruktur um ca. 5 µm verschoben.
Abb. 2.3-8. Messergebnisse an Federstrukturen (aus NiW) des Designs D
Messung des elektrischen Kontaktwiderstands. Allgemein definieren sich die Aufgaben eines elektrischen Kontakts zu: • Stromkreise zu öffnen und zu schließen • in geschlossenem Zustand elektrische Energie möglichst verlustfrei, bzw. Informationen weitgehend verzerrungsfrei zu übertragen (Keil 2002) Zur Untersuchung der Abhängigkeit des Kontaktwiderstands von der Kontaktkraft wurde ein einzelner Kontakt betrachtet. Als Testkontakt wurde unter Inertgas eine Lotkugel aus eutektischer Gold-Zinn Legierung (Au80Sn20) erzeugt (Abb. 2.3-9). Der Durchmesser der Kugel entsprach mit ca. 100 µm dem eines typischen Flip-Chip-Bumps.
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W. Mokwa und G. Spanier
Abb. 2.3-9. Au80Sn20 Prüfspitze mit einem Spitzenradius von 50 µm auf einem elliptischen Kontaktelement
Durch Einprägen mechanischer Schwingungen während der Montage kann der Reibwert deutlich reduziert werden. Die Reduktion des Reibwerts zwischen metallischen Oberflächen durch Schallwellen wurde bereits 1959 experimentell nachgewiesen (Fridman u. Levesque 1959).
Abb. 2.3-10. Abhängigkeit des Kontaktwiderstands von der Kontaktkraft für den Kontakt zwischen einer 100 µm Lotkugel und unterschiedlichen Kontaktelementen
2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen
49
Es fällt auf, dass sich die Widerstandswerte bei allen drei Kontaktstrukturen schon bei Kontaktkräften im Bereich von 5 mN relativ stabil im Bereich unter 1 Ω bewegen. Die Messungen zeigen, dass der angestrebte Kontaktkraftbereich von 10 bis 20 mN pro Kontakt für eine sichere Kontaktierung von Au80Sn20 Lot-Bumps auf den vorgestellten Kontaktelementen ausreichend ist (Abb. 2.3-10, Tabelle 2.3-1). Der gemessene Kontaktwiderstand liegt mit Werten um 400 mΩ um etwa eine Größenordnung höher als Werte, die von verschiedenen Gruppen für Mikrorelaiskontakte bestimmt wurde (Schimkat et al. 1996, Scheerer 2000). Diese relativ hohen Werte lassen sich durch den spezifischen Widerstand des Au80Sn20 Lotmaterials erklären, der zu ρ = 1,99.10-5 Ω.cm bestimmt wurde. Kontaktwerkstoffe, die für trockene Stromkreise in der Relaistechnik üblich sind, beispielsweise Gold (ρ = 2,2.10-6 Ω.cm), weisen einen deutlich geringeren spezifischen Widerstand auf. Tabelle 2.3-1. Messwerte mit Standardabweichung bei ausgewählten Kontaktkräften Lotkugel auf
Kontaktwiderstand [Ω] bei Kontaktkraft 5 mN
10 mN
15 mN
20 mN
Vergoldete Nickelfläche
3,10 +/0,38
0,64 +/0,26
0,44 +/0,09
0,38 +/0,02
Kontaktelement 1
0,86 +/0,21
0,43 +/0,06
0,39 +/0,03
0,38 +/0,03
Kontaktelement 2
0,42 +/0,11
0,38 +/0,05
0,36 +/0,02
0,35 +/0,01
Kontaktelement 3
0,52 +/0,06
0,39 +/0,02
0,36 +/0,01
0,36 +/0,01
2.3.4 Diskussion und Ausblick Zur rechtzeitigen Erkennung defekter oder falsch montierter Komponenten wurde ein temporäres Montagekonzept auf der Systemplattform entwickelt. Vor der entgültigen Verbindung werden alle Bauteile temporär montiert und getestet. Wenn sich einzelne Bauteile während des Tests als fehlerhaft erweisen, werden nur die defekten Teile ausgetauscht und das System erneut getestet. Erst nach einem erfolgreichen Funktionstest werden alle Bauteile endgültig verbunden.
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W. Mokwa und G. Spanier
Für die Realisierung der temporären Verbindung wurden am IWE-1 verschiedene Mikrofedern entwickelt. Die Mikrofedern werden als temporäre Verbindungen auf der Plattform angeordnet. Durch Andrücken der Komponenenten können die Systeme getestet werden und nach dem Testen beispielsweise durch einen Reflowprozess permanent verbunden werden. Das KGD Problem wird behoben und hybride Systeme können in großer Stückzahl kostengünstig und mit hoher Zuverlässigkeit produziert werden. Die zunehmende Miniaturisierung hybrider Mikrosysteme stellt steigende Anforderungen an die Präzision der Montage- und Fügevorrichtungen. Zusätzliche Investitionen werden benötigt, weil das alte Montagesystem nicht mehr die geforderte Toleranz erfüllen kann. Damit werden die gesamten Herstellungskosten stark belastet. Als Lösungsmöglichkeit wurde ein Konzept zur Selbstjustage erarbeitet. Ein Mikrobauteil wird mit einer gewissen Toleranz zunächst positioniert und dann über die Justagestruktur fein justiert. Die Justagetoleranz wird von den beiden mechanisch berührenden Bauteilgeometrien entschieden. Diese Idee könnte die weitere Nutzung von vorhandenen Montagemaschinen ermöglichen. Der Montageaufwand kann durch die Selbstjustage erleichtert und beschleunigt werden. Literatur Bartelink D.J. (1995) A Proposed Holistic Approach to Chip, Test and Assembly Technologies for MCMs. In Proc. 1995 IEEE Multi-Chip Conf., Santa Cruz, CA Bartelink D.J. (1996) SCR White Paper on Integrated Systems. Dissertation Bartelink D.J. (1998) A Proposed Holistic Approach to On-Chip, Off-Chip, Test and Package Interconnections, Characterization and Metrology for ULSI Technology 1998 International Conference DIN, EN und 12384 (1999) Bestimmung der Federbiegegrenze von Bändern. Deutsches Institut für Normung Fritz T., Krüger C., Mokwa W., Schnakenberg U. (2000) Mechanische Charakterisierung galvanisch abgeschiedener Nickelstrukturen für die Mikrosystemtechnik, Tech. Dig. 22. Ulmer Gespräche: Innovative Mehrkomponentensysteme, Eugen G. Leutze Verlag, Bad Saulgaul, Germany, ISBN 3-87480-1640, pp. 139-143 (2000) und Galvanotechnik 91 pp.2894-2898 Fridman, H. und Levesque, P. (1959) Reduction of Static Friction by Sonic Vibrations. Journal of Applied Physics, Bd. 30, S. 1572–1575 Fritz T., Leuerer T., Krüger C., Mokwa W., Schnakenberg U.(2000) Mechanical Properties of Electroplated Nickel, Techn. Dig. Micro Materials Micro Mat 2000, 3rd International Conference and Exhibition, Berlin, Germany, April 17-19 (2000), S.752-755. Dresden: ddp goldenbogen
2.3 Passive Justage zur Prüfung und Kontaktierung von Mikrosystemen
51
Keil, A., Merl, W., Vinaricky, E., Schröder, K.-H. und Weiser (2002) J. Elektrische Kontakte, Werkstoffe und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Krüger C., Bartelink D.J., Fritz T., Leuerer T., Mokwa W., Schnakenberg U., Micro-Springs for Temporary Chip Connections, Sensors and Actuators 85 S.371376 (2000) Krüger C., Bartelink D.J., Fritz T., Leuerer T., Ullerich S., Mokwa W. and Schnakenberg U. (1999) Electroplated Micro-Springs for Demountable Chip Connections. Eurosensors XIII, Den Haag (1999), pp. 139,140 Krüger C., Mokwa W. (2001) Systemgerechte Gestaltung von Montageschnittstellen in hybriden Mikrosystemen, 5. Chemnitzer Fachtagung Mikromechanik & Mikroelektronik, 23./24. Okt. 2001, Chemnitz, ISBN 3-00-008201-8, pp. 215220 Krüger C. (2004) Entwicklung temporärer Kontaktelemente für die Mikrosystemtechnik, Dissertation, Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik 1, Prof. Dr. rer. nat. W. Mokwa, Aachen, Shaker Verlag Leuerer T., Krüger C., Fritz T., Mokwa W., Schnakenberg U. (2000) Design Optimization for Electroplated Micro-Springs, Techn. Dig. Micro Materials Micro Mat 2000, 3rd International Conference and Exhibition, Berlin, Germany, April 17-19 (2000), S.767-770 Meissner, M. und Schorcht, H.-J. (1997) Metallfedern. Springer-Verlag, Berlin Micron Technologies Inc. (1996) Method for Forming Contact Pins for Semiconductor Dice and Interconnects, WO 9614659 National Technology Roadmap for Semiconductors, San Jose, CA Semiconductor research Association, 1994, p. 63 New Jersey Institute of Technology (1999) Micromachined Element and Method of Fabrication Thereof, WO 9918445 Scheerer, W. (2000) Elektrisches Kontaktverhalten mikromechanischer Schaltelemente. S. 6–7. HSG Izfm Ergebnisse und Leistungen 2000 Schimkat J., Gevatter H-J., Kisewetter L. (1996) Gold-Nickel Contacts for Silicon-Microrelays, F&M 104 Tai, Y.-C. und Muller, R. (1990) Frictional Study of IC-processed Micromotors. Sensors and Actuators, Bd. A21-A23, S.180 Tewksbury S. K. and Hornak L. A. (1995) Optical Interconnects for Emerging High Performance Electronic Modules, Mikroelectronic Systems Research Center, Dept. of Electrical and Computer Engineering, West Verginia Uni. Verification Manual, VM 26, ANSYS Handbook. SAS IP, Inc., 1996
2.4 Aktive Laserstrahljustage R. Poprawe, A. Gillner, A. Olowinsky, L. Bosse Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen
In der Regel gehen heutige Montagekonzepte für Mikrosysteme davon aus, dass die erforderliche Genauigkeit der Bauteile in bezug auf ihre Position zueinander durch den Montageautomaten d.h. schon während der Zuführung des einzelnen Bauteils erzielt wird. Hierdurch verringern sich zwar die Fertigungstoleranzen der Bauteile, aber die erforderlichen Genauigkeiten der Positionierungssysteme steigen in gleichem Maße an. Für viele Anwendungen ist jedoch die erzielbare Genauigkeit der Positionierungssysteme nicht präzise genug. Somit ist für eine exakte Endpositionierung der Bauteile ein zusätzlicher Justageschritt zwingend notwendig. Eine Möglichkeit der aktiven Justage bietet das Prinzip des Laserstrahlumformens. Das Umformen mit Laserstrahlung ist geprägt durch eine komplizierte Wechselwirkung zwischen thermischen, metallurgischen und mechanischen Mechanismen (Olowinsky 2003). Es unterscheidet sich deutlich vom mechanischen Umformen, da die Ausbildung der inneren Spannungs- und Verformungsfelder nicht auf äußere Kräfte, sondern auf den Effekt der thermischen Dehnung zurückzuführen ist. Durch die gezielte Zufuhr von Laserstrahlenergie wird ein räumlich begrenztes, instationäres Temperaturfeld im Werkstück induziert. Entsprechend der Temperaturverteilung im direkten Umfeld der Laserstrahl-Wechselwirkungszone wird eine lokal und zeitlich variierende Volumenausdehnung erzeugt. Die Behinderung der Ausdehnung führt zu Eigenspannungen im Werkstoff. Diese überschreiten die Fließgrenze des Werkstoffs und führen zu einer plastischen Verformung. Nach der Abkühlung erfolgt aufgrund von thermo-mechanischen Vorgängen die endgültige Formgebung des Werkstücks. 2.4.1 Laserstrahlumformen von Mikrostrukturen Die durch die toleranzbehafteten Greif- und Fügeprozesse bedingten Ungenauigkeiten in der Positionierung mikrotechnischer Komponenten lassen sich gegebenenfalls durch einen nachgeschalteten Justageschritt kompen-
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R. Poprawe et al.
sieren. Hierfür bietet sich das berührungslose Laserstrahlmikroumformen an. Grundsätzlich lassen sich zwei Verfahren des Umformens unterscheiden: • Beim In-Plane-Verfahren werden laserinduzierte thermische Spannungen in plastische Verformungen umgesetzt, die zu einer Formänderung in der Bauteilebene führen (Stauchmechanismus). Dieses Verfahren wird bereits industriell für die Justage von Audioköpfen erfolgreich eingesetzt (0). • Das eigentliche Biegen erfolgt bei der Verwendung des TemperaturGradienten-Mechanismus. Der Prozeßablauf ist in Abb. 2.4-1 schematisch dargestellt (0).
Abb. 2.4-1. Schematische Darstellung des Temperatur-Gradienten-Mechanismus
Am Beispiel der Justage einer Mikrolinse (Demonstrator Hochleistungsdiodenlaser) werden die Einsatzmöglichkeiten des Laserstrahlumformens mit dem Stauchmechanismus demonstriert. Als Aktuator wird eine galvanisch abgeschiedene Fachwerkstruktur (Abb. 2.4-2, links) eingesetzt. Der Fachwerkaktuator stellt die Grundzelle für den Aufbau komplexer Justagestrukturen dar. Die unterschiedlichen Bewegungsmöglichkeiten lassen sich den unterschiedlichen Bestrahlungspunkten zuordnen (Abb. 2.4-2, rechts):
2.4 Aktive Laserstrahljustage
55
1. Die Bestrahlung von Punkt a erzeugt eine Verschiebung der rechten Seite in positiver Y-Richtung, weil die Diagonalstrebe gestaucht wird. 2. Werden die Punkte b und c gleichzeitig bearbeitet, verkürzen sich die obere und untere Seite. Durch die Diagonalstrebe wird die Verschiebung in negativer x-Richtung behindert und es kommt zu einer Verschiebung der rechten Seite in negativer y-Richtung. 3. Durch gleichzeitige Bestrahlung aller Punkte a, b und c erfolgt eine Verkürzung des Aktuators. 4. Eine Winkeländerung α an der rechten Seite wird durch die gleichzeitige Bearbeitung von a und c, wie in dargestellt oder alternativ a und b für die Drehung in die andere Richtung, erreicht. +y
-y
y
-x
α
3
4
b a
c x
y
x 1
2
Abb. 2.4-2. (links) Galvanisch hergestellte Justagestruktur – Fachwerkaktuator (rechts) Unterschiedliche Bewegungsmöglichkeiten des Fachwerkaktuators
Aufgrund der sehr guten Strahlqualität von Faserlasern (M2 ≈ 1) lassen sich sehr kleine Fokusgeometrien realisieren, die wiederum prädestiniert für die Justage von Mikrostrukturen sind. Die Laserstrahlung des Faserlasers (maximale Leistung 9 W) wird innerhalb eines Lichtwellenleiters mit einem Kerndurchmesser von 10 µm und einer Länge von 12 m erzeugt. Die letzten 2 m dieses Lichtwellenleiters sind aus dem Gehäuse zur Bearbeitungsoptik mit integrierter visueller Prozessüberwachung geführt (Abb. 2.4-3, links). Der Durchmesser der Laserstrahlung im Fokus beträgt 2wf = 16 µm und die Intensitätsverteilung entspricht einem Gaußprofil (Henning et al. 2000). Der Faserlaser eignet sich für sehr kleine Bauteile, wie dünne Folien, die entlang einer Linie unter Zuhilfenahme des Temperatur-GradientenMechanismus gebogen werden sollen. Bei einer Verfahrgeschwindigkeit von 50 mm s-1 nimmt der Biegewinkel mit steigender Bestrahlungsleistung nahezu linear zu. In Abb. 2.4-3 (rechts) ist der Biegewinkel über die Laserleistung aufgetragen.
56
R. Poprawe et al.
Die maximal zu bearbeitende Materialdicke ist durch die geringe Energie begrenzt. Durch längere Bestrahlungsdauern bzw. langsamere Verfahrbewegungen kann dieser Umstand nur zum Teil korrigiert werden, da die Wärmeverluste durch Wärmeleitung in das Bauteil mit dem Energieeintrag durch die Laserstrahlung in einen Gleichgewichtszustand kommen. Andererseits besteht durch die hohe Intensität von bis zu 107 W cm-2 die Gefahr der Materialverdampfung. Somit können die thermischen Ausdehnungen nicht mehr in plastische Stauchungen umgewandelt werden und der Wirkungsgrad des Umformens reduziert sich erheblich. 10 9
Linienscan
Biegewinkel [mrad]
8 7 6 5 4 3 2 1 0 0
2
4
6
8
10
12
Laser-Stellgröße [W]
Abb. 2.4-3. (links) Bearbeitungskopf mit integrierter visueller Prozessüberwachung; (rechts) Gemessener Biegewinkel in Abhängigkeit der Laser-Stellgröße
Literatur Henning T, Bosse L, Büchel U, Olowinsky A, Poprawe R (2000) Die Optik bringt den Strahl in Form, F&M Feinwerktechnik Mikrotechnik Mikroelektronik, Carl Hanser Verlag, Jahrgang 108, Heft 10. Hoving W (2000) High-precision micro-assembly using laser-adjustment“, Proceedings Laser in der Elektronikproduktion und Feinwerktechnik LEF 2000 Erlangen, Meisenbach Verlag, Bamberg Ollier B (1999) Untersuchungen zur flexiblen Blechumformung mit Laserstrahlung, Dissertation RWTH Aachen Olowinsky A (2003) Laserstrahlmikroumformen – neues Justageverfahren in der Mikrotechnik, Dissertation RWTH Aachen
3 Fügeverfahren
Heute spielen Mikrosysteme eine wesentliche Rolle in zahlreichen Gebieten der Technologie und der Wissenschaft, wie z. B. in der Elektronik, in der Energietechnik, in der Kommunikationstechnik, in der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbau, in der Chemie und Biologie, in der Pharmazie und Medizin. In diesem Rahmen gewinnen hybride Bauweisen zunehmend an Bedeutung, d.h. Mikrostrukturen, bei denen verschiedene Materialien, häufig mit unterschiedlichen Funktionen, in einem System miteinander verbunden sind. Für diese Mikrostrukturen bildet die Fügetechnik eine zentrale Rolle, da sie es ermöglicht, hybride Mikrokomponenten, die bei der Herstellung technologisch nicht kompatibel sind, zu verbinden. In Abhängigkeit von der Anwendung muss die Fügetechnologie unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Beispiele hierfür sind thermische bzw. mechanische Eigenschaften sowie die Vakuumbeständigkeit der Verbindung im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnologie, die Biokompatibilität der Bauteile im Bereich der Medizintechnik und Thermowechselbeständigkeit für Mikrokomponenten auf dem Gebiet der Energie- und Elektroniktechnik. Wichtige Fügeaufgaben bestehen darüber hinaus im Bereich der Mikroelektronik in der Chipmontage und -kontaktierung. Ein wesentlicher Anspruch an das Fügeverfahren besteht auch in einer niedrigen Prozesstemperatur, damit die Mikrostrukturen während des Fügeprozesses nicht geschädigt werden. In der Mehrzahl aller Fälle reicht es nicht einfach aus, die im Makrobereich verwendeten Verfahren auf die Größenordnungen der Mikrosystemtechnik herunter zu skalieren. Nicht vorhandene Anlagentechnik im benötigten unteren Leistungsbereich einerseits und die besonderen Bedingungen und Größeneffekte des Mikrobereiches andererseits machen eine systematische Grundlagenforschung rund um die Fügeprozesse unerlässlich. Zu diesen Verfahren gehören die Laserstrahltechniken, das Elektronenstrahlfügen, das Ultraschallschweißen von Kunststoffen, das Montagespritzgießen, das Kleben sowie die Lötprozesse Weichaktivlöten und TLP-Bonden.
3.1 Weichaktivlöten E. Lugscheider und S. Ferrara Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften, RWTH Aachen
3.1.1 Einleitung Neben den gängigen Lötprozessen in der Mikrosystemtechnologie hat sich ein innovatives Lötverfahren als besonders interessant erwiesen: das Weichaktivlöten (Smith 2001; Lugscheider u. Ferrara 2004). Zielsetzung dieses Verfahrens ist es, artungleiche Werkstoffe in der Mikrotechnik stoffschlüssig zu fügen und hybride Mikrostrukturen zu realisieren. Hierbei wurde besondere Aufmerksamkeit auf die Löttemperatur gerichtet, da zu hohe Prozesstemperaturen für zahlreiche Anwendungen in der Mikrotechnik von Nachteil sind. In der Makrotechnologie werden Aktivlötprozesse erfolgreich zum Verbinden keramischer Werkstoffe untereinander bzw. an metallische Werkstoffe eingesetzt. Um die Benetzung der nicht metallischen Substrate zu ermöglichen, muss allerdings das Aktivlötverfahren mit Prozesstemperaturen von mindestens 850 °C und Schutzgasoder Hochvakuumatmosphäre durchgeführt werden. Im Gegensatz dazu kann man durch das Weichaktivlöten, das in der Mikrotechnik angewendet wird, in einem Temperaturbereich von 200 – 450 °C metallische und nichtmetallische Werkstoffe benetzen. Aufgrund der niedrigen Prozesstemperaturen wird darüber hinaus das Auftreten thermisch induzierter Spannungen wegen der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der hybriden Mikrobauteile vermieden (Hillen et al. 1998). Mittels des Weichaktivlötens ist es möglich, artgleiche, artfremde oder schwer benetzbare Werkstoffe wie Glas, Silizium oder Keramik miteinander bzw. an metallische Werkstoffe zu fügen. Die Problematik der Beschränkungen hinsichtlich der zu fügenden Grundwerkstoffe, die häufig bei anderen Fügeverfahren in der Mikrotechnologie auftritt, entfällt deshalb bei diesem Lötprozess. Von großer Bedeutung bei diesem innovativen Fügeverfahren sind auch die kurzen Prozesszeiten sowie die Durchführung des Lötverfahrens an Luft, d.h. ohne Vakuum bzw. Schutzatmosphäre, und ohne Verwendung von Flussmittel. Beim konventionellen Weichlöten
60
E. Lugscheider und S. Ferrara
kommt dagegen üblicherweise Flussmittel zum Einsatz, das die Oxidhäute von der metallischen Oberfläche entfernt und deren Bildung während des Lötprozesses verhindert. Nach dem Weichlötprozess muss das Flussmittel entfernt werden, da es korrosiv wirken kann. Beim Weichaktivlöten hingegen tritt prinzipbedingt kein Problem hinsichtlich möglicher korrosiver Flussmittelreste in der Lötverbindung und Einsatz umweltschädlicher Reinigungsmittel auf. Im Bereich der Mikroelektronik spielt heutzutage die Zusammensetzung der für die Fügeaufgaben verwendeten Lotlegierungen eine große Rolle, da gefährliche Stoffe wie Blei, Cadmium, Quecksilber bzw. sechswertiges Chrom nach der Richtlinie WEEE der Europäischen Kommission ab 1.1.2006 ersetzt werden müssen (Komm. Europ. Gem. 2001). Weichaktivlote enthalten keine gefährlichen Stoffe nach der o.g. Richtlinie und können problemlos für die Herstellung elektrischer sowie elektronischer Mikrobauteile eingesetzt werden. 3.1.2 Entwicklung Nach der Einteilung der Lötverfahren in der DIN 8505-2 ist das Weichlöten ein Fügeprozess, der mittels Lotwerkstoffen mit einer Liquidustemperatur niedriger als 450 °C, d.h. Weichloten, durchgeführt wird. Die Weichaktivlote, die beim Weichaktivlötprozess eingesetzt werden, stellen eine weitere Gruppe der Weichlote dar, da diese metallischen Legierungen in geringen Mengen aktive Elemente wie Titan, Zirkonium, Hafnium, enthalten. Dank der aktiven Elemente sind die Weichaktivlote in der Lage, nicht metallische Werkstoffe wie Keramik, Silizium und sogar Glas zu benetzen und daher hybride Bauteile fügen zu können. Um eine Benetzung der Fügefläche zu erzielen, muss der Weichaktivlötprozess mit Hilfe von Ultraschall oder in besonderen Fällen durch Reibung der Fügeflächen durchgeführt werden (Hillen et al. 2000; Lugscheider u. Aulerich 2001). Vielversprechende Ansatzpunkte für die Herstellung von Weichaktivlotlegierungen sind Systeme auf Sn-Ag-Ti-Basis: Das Eutektikum Sn-Ag hat eine niedrige Schmelztemperatur von 221 °C und wurde mit dem gut geeigneten Aktivelement Titanium dotiert. Der Ti-Anteil betrug stets 1-4 Gew.-% wie bei den üblichen Aktivlotlegierungen. Anteile von 1, 3 und 5 Gew.-% von den seltenen Erden Cerium, Praseodymium oder Neodymium und von Gallium wurden einlegiert, um die Benetzungsfähigkeit der Lote zu verbessern (Chen et al. 2003; Yu et al. 2004). Zur Klärung der für die Mikrosysteme so günstigen Eigenschaften der Weichaktivlote wurden umfangreiche Untersuchungen zum Benetzungsund Fügemechanismus durchgeführt. Die Frage war, ob es sich um einen
3.1 Weichaktivlöten
61
Diffusionsprozess, eine mechanische Verklammerung oder einen anderen Mechanismus handelt. Zu diesem Zweck wurde die ElektronenEnergieverlustspektroskopie (EELS-Analyse) verwendet. Die ersten Untersuchungen konzentrierten sich auf die Benetzung eines SiliziumSubstrats durch das Weichaktivlot Sn91,8Ag4Ti4Ga0,1Ce0,1 (Abb. 3.1-1).
Abb. 3.1-1. EELS-Aufnahme der Fügezone Weichaktivlot/Silizium
Ziel der Untersuchungen war es, das Vorhanden sein von Titanoxiden bzw. Titansiliziden auf der Fügefläche und damit das Auftreten einer Reaktionszone zwischen Silizium und Weichaktivlot nachzuweisen. Die gemessenen Spektren konnten die zu erwartenden Titanverbindungen nicht nachweisen, aus diesem Grunde wurde die Hypothese einer möglichen chemischen Reaktion an der Fügefläche ausgeschlossen. Um die durch EELS-Messungen erhaltenen Ergebnisse zu bestätigen, wurden weitere binäre und ternäre Weichaktivlotsysteme auf Zinn-, ZinnSilber- bzw. Zinn-Kupfer-Basis hergestellt, die sowohl Titan als auch verschiedene seltene Erden als Aktivelemente enthalten. Bei Löttemperatur bestehen alle untersuchten Weichaktivlote aus zwei Phasen, d.h. einer flüssigen Matrix und verschiedenen festen intermetallischen Phasen. Die Einbringung von Ultraschall bzw. Reibung ermöglicht die Entfernung der Oxidschicht von der Fügefläche durch die intermetallischen, harten Phasen.
62
E. Lugscheider und S. Ferrara
Eine entscheidende Rolle spielen in diesem Prozess drei unterschiedliche Parameter: Der Phasenanteil, die Härte und die Form der intermetallischen Phasen im Lot. Zur Bestätigung der ersten EELS-Messungen konnte auch bei diesen Untersuchungen keine Reaktionszone zwischen nicht metallischem Grundwerkstoff und Weichaktivlot nachgewiesen werden. Daher beruhen der Benetzungs- und der Fügemechanismus beim Weichaktivlötprozess auf einem Bindungsmechanismus, der auf die Aktivierung der Fügeflächen mittels Ultraschall oder Reibung zurückzuführen ist. Eine schematische Darstellung des Fügemechanismus der Weichaktivlote ist im Abb. 3.1-2 abgebildet (Lugscheider u. Ferrara 2003).
Abb. 3.1-2. Schema des Fügemechanismus der Weichaktivlote
Beispiele von Weichaktivlotverbindungen zwischen metallischen bzw. nicht metallischen Substraten werden in den Abb. 3.1-3 und 3.1-4 dargestellt. Die verwendeten Weichaktivlote sind die Legierungen SnAg4Ti0,1Ga0,1Ce, SnCu2Ti und SnAg2Ti. In Abb. 3.1-3a ist ein Lötverbund mit dem Weichaktivlot SnAg2Ti abgebildet. Der Grundwerkstoff ist hierbei Kupfer. Deutlich zu erkennen ist eine sehr dünne Reaktionszone am Übergang Kupfer/Weichaktivlot, die sich aufgrund der metallischen Natur des Substrats gebildet hat. Diese Schicht ist wegen der sehr kurzen Lötzeit und der niedrigen Löttemperatur nur wenige Mikrometer gewachsen. Im Gegensatz dazu wurde keine Reaktionsschicht durch mikroskopische Analyse in Abb. 3.1-3b nachgewiesen, da als Grundwerkstoff Glas verwendet wurde. Diese zweite Lötverbindung wurde mit dem Weichaktivlot SnCu2Ti hergestellt. Wie deutlich von den
3.1 Weichaktivlöten
63
mikroskopischen Aufnahmen erkennbar ist, sind beide Lötverbindungen poren- und fehlerfrei. In Abb. 3.1-4a ist ein Lotverbund zwischen Silizium und dem Weichaktivlot SnAg2Ti dargestellt. Durch das Weichaktivlöten kann auch ein schwer lötbarer Werkstoff wie Silizium gefügt werden. Wie schon beim Fügen von Glas ist auch beim Silizium der Mangel einer Reaktionszone zwischen Grund- und Lotwerkstoff zu beobachten. Eine Lötverbindung zwischen Silizium und Glas, die durch das Weichaktivlot SnAg4Ti0,1Ga0,1Ce, hergestellt wurde, ist in Abb. 3.1-4b dargestellt. Beide Lötverbunde in Abb. 3.1-4 zeigen keine Poren bzw. Fehlstellen.
Abb. 3.1-3. a) Lötverbindung Cu / SnAg2Ti / Cu; b) Lötverbindung Glas / SnCu2Ti / Glas. Löttemperatur: 260 °C, Ultraschallfrequenz: 60 kHz
Abb. 3.1-4. a) Lötverbindung Si / SnAg2Ti / Si b) Lötverbindung Si / SnAg4Ti0,1Ga0,1Ce / Glas. Löttemperatur: 260 °C, Ultraschallfrequenz: 60 kHz
64
E. Lugscheider und S. Ferrara
Literatur Chen Z, Shi Y, Xia Z, Yan Y (2003) Properties of lead-free SnAgCu containing minute amounts of rare earth. Journal of Electronic Materials vol 32, 4 : 235243 Hillen F, Rass I, Smith R (1998) Neue Möglichkeiten zum flußmittelfreien Löten schwer fügbarer Werkstoffe. DVS-Berichte 192 : 226-228 Hillen F, Pickart-Castillo D, Rass IJ, Lugscheider E (2000) Lotlegierungen und Lötverfahren zum flussmittelfreien Löten schwer benetzbarer Werkstoffe. Schweissen & Schneiden Bd 52, 8 : 454-460 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in elektrischen und elektronischen Geräten, KOM (2001) 316 endgültig, 6.6.2001, Brüssel Lugscheider E, Aulerich M (2001) Lötverfahren zum Fügen von Bauteilen in der Mikrosystemtechnik. DVS-Berichte 212 : 269-271 Lugscheider E, Ferrara S (2003) Fortschritte und Entwicklungen bei den TLP- und Weichaktivloten. In: Degischer HP (Hrsg) Tagungsband 14. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde. Wiley-VCH, Weinheim, S 726-731 Lugscheider E, Ferrara S (2004) Characterisation and Optimisation of Innovative Solders for Transient Liquid Phase Bonding and Active Soldering. Advanced Engineering Materials vol 6, 3 : 160-163 Smith RW (2001) Active solder joining of metals, ceramics and composites. Welding Journal vol 8, 10 : 30-35 Yu DQ, Zhao J, Wang L (2004) Improvement on the microstructure stability, mechanical and wetting properties of Sn-Ag-Cu lead-free solder with the addition of rare earth elements. Journal of Alloys and Compounds vol 376, 1-2 : 170-175
3.2 Transient Liquid Phase Bonding K. Bobzin3, L. Bosse1, A. Brandenburg2, U. Dilthey2, A. Erdle3, S. Ferrara3, E. Lugscheider3, M. Maes3, R. Poprawe1, G. Smolka2 1
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen 3 Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften, RWTH Aachen 2
3.2.1 Grundlagen Einleitung
In der Makrosystemtechnik findet das Transient Liquid Phase Bonding zu meist Anwendung im Bereich des Fügens von wärmebeständigen Nickelund Titanlegierungen, Verbundwerkstoffen, Halbleitern sowie intermetallischen Materialien wie Titanaluminiden und Nickelaluminiden (Butts et al. 2002; Payton et al. 2003). Um die Vorteile dieses Fügeverfahrens auch im Mikrobereich zu nutzen, wurde es von der Makrotechnik in die Mikrotechnologie übertragen und den besonderen Anforderungen der Mikrostrukturen angepasst. Neue Fügewerkstoffpaarungen, die für die Durchführung der TLP-Prozesse notwendig sind, wurden entwickelt und entsprechend der spezifischen Mikrofügeaufgaben modifiziert und optimiert. Die bedeutensten Vorteile des in die Mikrotechnologie transferierten TLP-Bonding Prozesses sind (Jacobson u. Humpston 1992; Lugscheider et al. 2004): • niedrige Löttemperatur, die mögliche Beschädigungen in Mikrobauteilen vermeidet und thermisch induzierte Spannungen bei hybriden Fügungen abbaut • keine Begrenzung hinsichtlich der zu fügenden Grundwerkstoffe aufgrund der Beschichtung der Fügewerkstoffe auf die Substrate durch Abscheidungsprozesse • Möglichkeit, unterschiedliche Eigenschaftskombinationen in einer einzelnen Mikrostruktur zu realisieren • Einsatz bleifreier Lotwerkstoffe • Vermeiden von Flussmittel
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• höhere Wiederaufschmelztemperatur der Lötverbindung im Vergleich zur Löttemperatur dank der Bildung hochschmelzender intermetallischer Phasen Entwicklung
Beim Transient Liquid Phase Bonding besteht die Fügeverbindung aus einer dünnen Schicht einer oder mehrerer intermetallischer Phasen, die eine höhere Wiederaufschmelztemperatur im Vergleich zur Fügetemperatur besitzen. Wie im Schema in Abb.3.2-1 skizziert, benötigt dieses Fügeverfahren zwei Fügewerkstoffe, die in Form von dünnen Schichten aufeinander in der Fügestelle liegen. Wie im folgenden Abschnitt detailliert erläutert wird, können die Schichten durch gängige Beschichtungsverfahren wie PVD auf die Fügeflächen aufgebracht werden. Der Lötprozess wird bei einer Fügetemperatur durchgeführt, die zwischen den Schmelztemperaturen der beiden Fügewerkstoffe liegt.
Abb. 3.2-1. Prinzipieller Ablauf des TLP-Bonding
Wenn das TLP-System auf die Fügetemperatur erwärmt wird, schmilzt daher der niedrigschmelzende Fügewerkstoff auf, benetzt die Fügefläche des Grundwerkstoffs und füllt die Lötspalte aus. Der hochschmelzende Fügewerkstoff, der sich in festem Zustand befindet, diffundiert in die Schmelze. Durch Diffusionsvorgänge wird in der flüssigen Phase und im Feststoff eine Konzentrationsveränderung verursacht. Diese führt zu isothermen Erstarrungen von intermetallischen Phasen, die eine Wiede-
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raufschmelztemperatur höher als die Fügetemperatur besitzen. Während des Fügeprozesses ist die Aufbringung eines gewissen Drucks auf die Fügefläche notwendig, um die zu fügenden Oberflächen in engen Kontakt zu bringen und die Diffusionsvorgänge zu ermöglichen bzw. zu beschleunigen (Bartels et al. 1992). Die Art und der Anteil der unterschiedlichen intermetallischen Phasen in der Lötverbindung werden durch die Variation der Schichtdicken der hoch- und niedrigschmelzenden Fügewerkstoffe sowie durch die Prozessparameter beeinflusst. Eine abschließende Wärmebehandlung kann durch einen Homogenisierungsprozess die Festigkeit des Lötverbundes steigern.
Abb. 3.2-2. Das Cu-Sn-Diagramm als Beispiel eines TLP-Bonding-Systems
Als Beispiel des Fügemechanismus der TLP-Lotsysteme wird in Abb. 3.2-2 das Cu-Sn-System dargestellt. Der Lötprozess wird bei einer Fügetemperatur von 270 °C durchgeführt und kann entlang der Pfeile im Phasendiagramm verfolgt werden. Bei der gewählten Prozesstemperatur schmilzt das Zinn auf, da es eine Schmelztemperatur von 232 °C besitzt. Das feste Kupfer diffundiert in die Schmelze, die immer weiter an Sn verarmt. Diese Diffusionsvorgänge führen zur Bildung unterschiedlicher intermetallischer Phasen. Obwohl sich die η- und die ε-Phase (Abb. 3.2-2) gleichzeitig bilden, ist die Wachstumsgeschwindigkeit der η-Phase deutlich höher als die der ε-Phase. Die η-Phase Cu6Sn wächst in Form halbkugelformiger Kalotten und die ε-Phase Cu3Sn in Form eines schmalen Saums an der Grenzfläche Kupfer/Zinn (Bader et al. 1990). Beide intermetallische Phasen erstarren isotherm und zeigen eine Wiederaufschmelztemperatur, die deutlich höher als die Fügetemperatur ist. Bei der Entwicklung von Fügewerkstoffsystemen für die TLP-Techno-
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logie stand die Suche nach geeigneten Legierungspaarungen im Vordergrund. Aussichtsreiche Ansatzpunkte stellen beispielsweise die Elemente Kupfer, Silber und Gold als hochschmelzende Komponenten dar. Für die Herstellung des niedrigschmelzenden Fügewerkstoffes eines TLP-Lotsystems werden Elemente wie Zinn, Wismut oder Indium sowie deren Legierungen, die eine niedrige Schmelztemperatur besitzen, in Betracht gezogen. In Abb. 3.2-3a ist der Querschliff eines Au-Sn-Au TLP-Lotsystems abgebildet. Während des TLP-Prozesses diffundiert das Gold sehr schnell in die Zwischenräume und entlang der Korngrenzen ins Zinn (Matijasevic et al. 1993). Die sich bildenden Phasen bestehen im wesentlichen aus AuSn (Phase δ) bzw. AuSn4 (Phase η) und später aus AuSn2 (Phase ε) und Au5Sn (Phase ζ’). Die Korngrenze spielt hierbei eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Diffusionsvorgänge, d.h. je kleiner das Zinn-Korn ist, desto größer die Diffusionsgeschwindigkeit. Da abgesputterte Schichten i.d.R. amorph und nicht kristallin sind, laufen die Diffusionsprozesse bei abgesputterten Schichten wesentlich zügiger ab. Um einen breiteren Temperaturbereich beim Fügen von Bauteilen abdecken zu können, wurden die binären TLP-Lotsysteme um niedrigschmelzendere ternäre und quaternäre erweitert. In Abb. 3.2-3b ist ein Cu-InSnBiCu TLP-Lotsystem dargestellt. Die Schmelztemperatur des niedrigschmelzenden Fügewerkstoffes Sn17In26Bi57 beträgt 78 °C und der Lötprozess wurde bei einer Temperatur von 150 °C durchgeführt. Unterschiedliche quaternäre CuInSnBi-intermetallische Phasen haben sich in der Lötverbindung gebildet.
Abb. 3.2-3. a) Au-Sn-Au TLP-System, Löttemperatur: 270 °C, Lötzeit: 60 min; b) Cu-InSnBi-Cu TLP-System, Löttemperatur: 150 °C, Lötzeit: 30 min
In Abb. 3.2-4a ist ein TLP-Lotsystem dargestellt, das Kupfer als hochschmelzende Komponente und die Legierung BiIn2 als niedrigschmelzen-
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den Fügewerkstoff verwendet (Lugscheider u. Ferrara 2004). Die Schmelztemperatur dieser Legierung beträgt 89 °C. Die Lötverbindung wurde bei einer Löttemperatur von 130 °C hergestellt. Aufgrund der niedrigen Löttemperatur findet dieses TLP-System Anwendung in der Fertigung von Fügeverbindungen für Bauteile im Bereich der Elektronik und der Elektrotechnik. In Abb. 3.2-4b wurde das Cu-BiIn2-Cu-Lotsystem für das Fügen der Kupfer-Platten einer Wärmesenke für einen Diodenlaser verwendet.
Abb. 3.2-4. a) Cu-BiIn2-Cu TLP-System; b) Wärmesenke aus Cu-BiIn2-Folien. Löttemperatur: 130 °C, Lötzeit: 30 min
3.2.2 Abscheidung mittels PVD-Verfahren und Fügung mittels Laser- und Elektronenstrahl Einleitung
Wie bereits in den Grundlagen zum Transient Liquid Phase Bonding erwähnt, können die Lotschichten durch gängige Beschichtungsverfahren auf die Fügepartner aufgebracht werden. Die Vorteile der Lotapplikation mittels Physical-Vapour-Deposition (PVD)-Verfahren gegenüber herkömmlichen Lotapplikationen und anderen Beschichtungsverfahren wird im Folgenden kurz erläutert. In der konventionellen Löttechnik stehen unterschiedliche Applikationsformen zur Verfügung: Folien, Pulver, Drähte sowie daraus abgeleitete Formen wie Pasten, Stanzformen und Ringe.Der Einsatz von Lötfolien ist bei reinen Elementen nur durch die Walzfähigkeit des Metalls beschränkt. Bei mehrkomponentigen Lotsystemen kann bei der konventionellen Herstellung durch Walzen die gleichmäßige Verteilung aller Legierungselemente nicht unbedingt gewährleistet werden. Als Prozessalternative steht
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hierfür das sog. Melt-Spin-Verfahren zur Verfügung – bei steigendem finanziellen Aufwand können mit Hilfe dieses Prozesses Folien mit amorphem Strukturaufbau hergestellt werden. Insgesamt kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass jede Legierung als Folie bereitgestellt werden kann. Ähnliches gilt für die Herstellung von Drähten: Auch hier müssen die Legierungen eine gewisse Duktilität aufweisen, damit die Produktion gelingt. Die Herstellung von Pulver ist prinzipiell mit jeder Legierung möglich, diese werden häufig mit einem Binder zu einer Paste verarbeitet. Bei der Verwendung von Lotpasten muss die enthaltene Bindermasse jedoch rückstandslos ausgebrannt werden können, insbesondere muss die Möglichkeit gegeben werden, dass die entstehenden Gase nicht in der Fügezone verbleiben und als Poren die Lötnaht schwächen (Schmoor 2001). Eine weitere Anforderung für einen konstant qualitativ hochwertigen Prozess ist das Auftragen von schnell trocknenden und gut haftenden dünnen Schichten (Schmoor 2001). Für strukturiertes Auftragen sind hier Druckschablonen oder sprühfähige Suspensionen nötig (Hielscher 1994). Beschichtungsverfahren, die in der Mikrosystemtechnik angewendet werden sind Galvanisieren, Chemical-Vapour-deposition (CVD)- und PVD-Beschichtungen. Durch Galvanisierung können reinelementige metallische Schichten abgeschieden werden. Bei nicht leitenden Grundwerkstoffen ist allerdings eine Metallisierung erforderlich (Hülsenberg 1997; Kanigicherla 1998). Die Abscheidungen von Legierungen mit homogener und vorgegebener Zusammensetzung ist aufgrund der Badchemie schwierig (Gust 1989; Menz 1993). Die CVD-Abscheidung (Chemical Vapour Deposition) wird für die Vorprozessierung von Silizum-Wafern genutzt. Dabei herrschen im Normalfall Prozesstemperaturen von 500°C bis 1200°C. Mit plasmaunterstützten CVD-Verfahren (PE-CVD) können die Temperaturen so weit gesenkt werden, dass die Abscheidung von metallischen Schichten z.B.: Aluminium möglich ist (Gui 1999). Die PVD-Technik (Physical Vapour Deposition) gliedert sich im Wesentlichen in die Verfahren des Verdampfens und der Zerstäubung. Bei der Verdampfung wird nochmals in die Art der Energieeinbringung (Lichtbogen, Elektronenstrahl, Laser) unterteilt. Diese Verdampfungsverfahren werden aufgrund der Prozesstemperaturen bevorzugt für die Abscheidung von hochschmelzenden Werkstoffen verwendet. Im Bereich der Lotabscheidung kommt das Lichtbogenverdampfen (AIP-PVD)-Verfahren für Hartlotwerkstoffe in Betracht, die zum flußmittelfreiem Löten von Aluminiumlegierungen und hochlegierten Stählen eingesetzt werden (Möhwald 1996; Steffens 1995; Wielage 1997). Für die Abscheidung von niedrigschmelzenden Werkstoffen ist das Magnetron-Sputter (MS)-PVD-Verfahren prädestiniert. Hierbei wird das
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Beschichtungsmaterial über einen Ionenbeschuss eines Inertgases zerstäubt. Durch die geringe Temperaturbelastung von Substrat und Target ist es möglich temperatursensible Werkstoffe wie z.B. Kunststoffe zu beschichten. Durch den Einsatz der Pulstechnologie kann die Temperaturbelastung der zu beschichtenden Werkstoffe und der abzuscheidenden Materialien ein weiteres Mal gesenkt werden. Die Lotabscheidung mittels PVD-Verfahren hat gegenüber den o. g. Verfahren folgende Vorteile: Durch den Einsatz von Sputter- und Pulstechnik ist es möglich, die Lotschichten direkt auf nichtleitende Oberflächen aufzubringen. Weiterhin ist die Abscheidung von mehrkomponentigen, sowie niedrigschmelzenden Lotschichten mit homogenen Zusammensetzungen möglich. Es werden gut haftende dünne Schichten ohne Schädigung des Grundwerkstoffes abgeschieden. Durch entsprechendeMaskierungsarten können komplexe Strukturen abgebildet werden. Zudem entstehen keine toxischen oder schädlichen Nebenprodukte, die aufwendig und teurer entsorgt werden müssen. Die PVD-Technologie ist geeignet, Lotwerkstoffsysteme für das Weichaktivlöten und das TLP Bonden lokal und unter Anpassung der spezifischen Eigenschaften auf den Substratwerkstoffen, die für die Mikrosystemtechnik relevant sind, abzuscheiden. Bei der Aufbringung durch PVD Verfahren müssen verschiedene Randbedingungen eingehalten werden, die hier kurz dargestellt werden. Damit während der Lötung ein guter Kontakt der Fügepartner vorliegt, müssen die abgeschiedenen Lotschichten über eine ebene Oberfläche verfügen. Eine weitere Grundvoraussetzung ist, dass die Schichten eine gute Haftung untereinander und zum Substrat aufweisen. Die Dicken der abgeschiedenen Systeme müssen zusätzlich an das Fügeproblem angepasst sein. Beim TLP-Bonden ist eine hohe chemische Reinheit der Lotkomponenten gefordert. Weiterhin sollte die Schichtstruktur homogen und feinkristallin oder besser noch amorph sein, was aufgrund der niedrigen Schmelztemperaturen eine Herausforderung ist. Damit ein temperaturfester Lötverbund entsteht, muss bei der Abscheidung eine Legierungsbildung bzw. Bildung intermetallischer Phasen unbedingt vermieden werden. Magnetron Sputter PVD-Verfahren
Die Niedertemperaturlotsysteme werden mittels Magnetron Sputter (MS)PVD-Verfahren abgeschieden. Bei diesem Verfahren wird die Schichtabscheidung auf dem Substrat durch Kondensation eines aus Atomen, Molekülen oder Clustern bestehenden, physikalisch erzeugten Dampfes realisiert. Der Prozess des Schichtabscheidens lässt sich dabei in drei Phasen unterteilen: die Teilchenerzeugung, der Transport der Teilchen zum Sub-
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strat und die Kondensation der Teilchen auf dem Substrat. Bei dem eingesetzten Verfahren wird das Vakuum auch zur Teilchenerzeugung benutzt. Zu diesem Zweck wird ein hochenergetisches Argonplasma vor dem Target gezündet. Die erzeugten Argonionen werden in Richtung Target beschleunigt und schlagen dort aufgrund ihrer hohen kinetischen Energie Atome oder Moleküle aus der Targetoberfläche. Das Magnetron erzeugt ein Magnetfeld und eine Elektronenfalle und erhöht somit die Ionenausbeute. Die herausgeschlagenen Teilchen scheiden sich auf dem Substrat als homogene Schicht ab. Wird bei der Beschichtung nur das Prozeßgas verwendet, scheidet sich das Targetmaterial als reine Schicht ab. Wird im Prozeß zusätzlich ein Reaktivgas wie z.B. N2, CH4, O2, verwendet, scheidet sich auf dem Substrat eine Verbindung aus Targetmaterial und Reaktivgas ab. Ein Vorteil des Sputterprozesses ist die universelle Anwendbarkeit, da das Targetmaterial durch Impulsübertragung zerstäubt wird. Durch die Anlegung einer hochfrequenten Spannung können auch nichtleitende Materialien wie z.B. Keramiken abgeschieden werden. Das Sputterverfahren hat einen geringeren Ionisationsgrad als das AIP-Verfahren, aus dem eine geringe thermische Belastung der Substrate resultiert. Daher sind auch Beschichtung von thermisch empfindlichen Materialien, z.B. Kunststoffen möglich. Eine weitere Besonderheit der Sputter-Verfahren ist, dass durch Umpolen der Elektroden der gleiche Prozess zur Reinigung des Substrats, das sogenannte Ionenätzen, ausgenutzt wird. Die Argonionen werden nun auf die Substratoberfläche beschleunigt und schlagen dort Atome aus der Oberfläche. Je nach Prozessdauer werden dadurch einige Atomlagen des Substrats abgetragen, was zu einer guten Oberflächenreinigung und aktivierung des Substrates führt. Diese Aktivierung führt bei dem nachfolgenden Abscheideprozess zu einer herausragenden Schichthaftung. Mit den Sputter-Verfahren lassen sich somit nahezu alle metallischen und keramische Schichten abscheiden. Magnetron-Sputter Lotabscheidung
Für die TLP-Lotwerkstoffabscheidung wurden MS-Beschichtungsprozesse erarbeitet, um Kupfer-, Zinn- und Indiumschichten unter Berücksichtigung der geforderten TLP-Schichteigenschaften auf den Werkstoffen Silizium, Glas, Kupfer, Nickel und GaAs abzuscheiden. Die Prozessparameter Prozessgasdruck und Substrattemperatur stellten sich hierbei als wichtigste Einflussfaktoren für die Schichtstrukturausbildung dar (Lugscheider1998, 2001a, 2001b). Für die binären Transient-Liquid-Phase-(TLP)-Systeme Cu-Sn und Cu-In wurden Beschichtungsroutinen bzgl. gezielter Tempera-
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turführung und reduzierten Schichtdicken entwickelt. Um die Substrate während der Beschichtung auf einer definierten Temperatur zu halten, wurde in die Beschichtungsanlage eine Substratemperiereinheit intergriert. Mit Hilfe dieser können die Substrate aktiv gekühlt werden. Der erreichbare Temperaturbereich liegt bei –40°C bis +200°C. Für die Indiumkomponente stellte sich der Temperaturbereich von –15°C bis +20°C als geeigneter Abscheidebereich heraus. Die In-Lote die in diesem Temperaturbereich abgeschieden wurden, zeigen eine amorphe Schichtstruktur und weisen eine gute Löteignung auf (Lugscheider 2003). Die Fügeverbindungen zeigen eine vollständige Umwandlung des Cu-In-Lotsystems in intermetallische Phasen. Mit einer aktiven Substratkühlung sind amorphe Lotstrukturen abscheidbar, die die Löteignung positiv beeinflussen. In Abb. 3.2-5 ist einerseits die Bruchstruktur eines abgeschiedenen Cu-InTLP-Lotsystems dargestellt und andererseits ein Lötverbund von Kupferplatten.
Abb. 3.2-5. Bruchstruktur (links) und Lötnaht (rechts) eines mittels MS-PVDVerfahren abgeschiedenen Cu-In-TLP-Lotsystems
Um die Löttemperaturen weiterhin zu erniedrigen, wurden ternäre TLPSysteme entwickelt. Da bei diesen Systemen, wie z.B. Cu-SnIn, die Schmelztemperatur sehr niedrig ist, muss die Targettemperatur angepasst sein. Durch die Abscheidung mit gepulsten Leistungsversorgungen kann die Targettemperatur niedrig gehalten werden. Die mittels gepulster Leistungsversorgung und aktiver Substratkühlung abgeschiedenen Cu-SnInTLP-Systeme zeigen eine kristalline Schichtstruktur mit amorphen Anteilen (Abb. 3.2-6 links). Die Untersuchung der Löteignung dieser Schichten ergab eine gute Löteignung und mittels EDX-Untersuchungen (energiedispersive Röntgenmessung) konnte eine vollständige Umwandlung in intermetallische Phasen ermittelt werden. (Abb. 3.2-6 rechts) (Lugscheider 2004).
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Abb. 3.2-6. Bruchstruktur (links) und Lötnaht (rechts) eines mittels MS-PVDVerfahren abgeschiedenen Cu-SnIn-TLP-Lotsystems
Fügeprozess mit Laser- und Elektronenstrahl
Neben dem Löten im Vakuumofen wurden die abgeschiedenen Lotsysteme auch mittels Laser- und Elektronenstrahl gefügt. Im Folgenden werden beide Verfahren hier kurz dargestellt.
Pyrometrische Sensorik Temperaturbereich: > 150° C
Fasergeführter Diodenlaser optische Leistung: > 70 W
Linsensystem Fokusgeometrie: Länge: 9...23 mm Breite: 0,5 / 1,0 mm
Vakuum-Greifer adaptiert an Bauteilgeometrie
Abb. 3.2-7. Greif- und Fügesystem mit integrierter pyrometrischer Sensorik
Beim Laserstrahllöten setzt sich der experimentelle Aufbau aus einer fasergeführten Laserstrahlquelle, einem applikationsspezifischen Bearbeitungskopf mit integrierter pyrometrischer Sensorik (Abb. 3.2-7), einer Probenaufnahme mit integrierter Drucksensorik, einem kraftgesteuerten
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Handhabungssystem und einer zentralen Steuerungseinheit (Personal Computer) zusammen. Als Strahlquelle wird ein fasergeführter Hochleistungsdiodenlaser mit einer maximalen Ausgangsleistung von 80 W im Dauerstrichbetrieb eingesetzt. Um das Wachsen der η- und ε-Phase im Kupfer-Zinn-Verbund nachzuweisen, werden die Proben gelötet und anschließend präpariert. Dazu werden die Proben in einer Kunststoffmasse kalt eingebettet, quergeschliffen und poliert. Zur Visualisierung der Querschliffe und Schichtdicken wird ein Lichtmikroskop mit einer maximal 1000-fachen Vergrößerung verwendet. In Abb. 3.2-8 sind exemplarisch die Schichtstrukturen von drei bei konstanter Prozesstemperatur und variabler Bestrahlungsdauer gelöteten Saphir-Proben dargestellt. Als TLP-System fungiert Kupfer-Zinn-Kupfer. Saphir
ε-Phase
Kupfer
η-Phase
10 µm
10 µm
120 s
210 s
10 µm
300 s
Abb. 3.2-8. Schichtaufbau laserstrahl-gelöteter Saphir-Proben bei konstanter Prozesstemperatur und variabler Bestrahlungsdauer.
Neben der hervorragenden Eignung des Elektronenstrahls als Schweißwerkzeug (s. Kap. 3.6) kann dieser auch als Wärmequelle für den TLPLötprozess eingesetzt werden. Gerade wenn es um das Fügen gut wärmeleitender Werkstoffe geht, kann unter Verwendung von auf die Bauteilkomponenten applizierten TLP-Loten eine flächige Verbindung oder die Ausbildung intermetallischer Phasen auf Bauteiloberflächen direkt mit dem Elektronestrahl realisiert werden. Die dabei zum Einsatz kommende Anlagentechnologie ist ein konventionelles Rasterelektronenmikroskop (REM), welches sich im Aufbau und in seinen technischen Besonderheiten nicht von dem zum Schweißen unterscheidet. Die wesentlichen Vorteile der Wärmequelle Elektronenstrahl gegenüber Wärmequellen wie Laserstrahl, Stromimpuls, heißer, gesättigter Dampf oder IR-Strahlung sind die gezielte lokale Energieeinbringung, die gute Manipulation des Strahls aufgrund der nahezu masselosen Elektronen sowie eine schnelle Einstellung des gewünschten Temperaturprofils über die Strahlparameter (Dilthey 2001). Ferner steht aufgrund der angewandten Prozesstechnologie,
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die im Vakuum stattfindet, ein Reinraum höchster „Klasse“ zur Verfügung. Bisherige Ergebnisse liegen zum flächigen Verbinden von Kupfer- und Aluminiumfolien einer Materialdicke zwischen 5 und 10 µm vor, Abb. 3.2-9. Die zur Anwendung kommenden TLP-Lotsysteme sind zum einen CuSn als auch InSn. Im Falle der Verbindung von Kupfer kann auf die hochschmelzende Kupferkomponente des Lotsystems verzichtet werden. Die Abtragrate der Lote beträgt zwischen 1 und 3 µm. Eine gezielte Parametrierung des Prozesses durchwärmt den oberen der beiden Fügepartner infolge einer zeilenförmigen Ablenkung des Elektronenstrahls auf eine TLP-Fügetemperatur von 200 bis 280°C (Menz 1993). Die erforderliche effektive Strahlleistung beträgt dabei 1,5 W.
Abb. 3.2-9. EB-TLP-Löten: Verfahrensprinzip (links), bearbeitete Kupferfolie (rechts)
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3.3 Laserstrahl-Löten R. Poprawe, A. Gillner, L. Bosse Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen
3.3.1 Stand der Technik Das Laserstrahllöten zählt neben dem Lichtstrahl- und dem Elektronenstrahllöten zur Gruppe der Lötverfahren, die Strahlung als Energieträger nutzen (DIN 8505 1979). Im direkten Vergleich zu anderen konventionellen Selektivlötverfahren zeichnet sich das Laserstrahllöten vorrangig durch eine berührungslose, zeitlich und räumlich gut steuerbare Energiezufuhr aus. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften ist das Laserstrahllöten als Lötverfahren prädestiniert für Fügeaufgaben, die ein hohes Maß an Miniaturisierung und hohe Anforderungen hinsichtlich thermischer oder mechanischer Belastungen aufweisen. Zu den besonderen Vorzügen laserstrahlgelöteter Verbindungen zählen das sehr feinkristalline Mikrogefüge und die geringe Ausbildung an Intermetallischen Phasen in Bereich der Legierungszone. Grundsätzlich ist das Laserstrahllöten durch eine kurzzeitige und lokale Energieeinbringung über Oberflächenabsorption in der Fügezone und nachfolgende Wärmeleitungs- und Grenzflächenprozesse gekennzeichnet. Der Fügeprozess wird dabei sowohl durch die Eigenschaften der Strahlquelle, durch die gewählten Prozessparameter als auch durch die thermophysikalischen Eigenschaften der Fügepartner bestimmt. Erste Untersuchungsergebnisse zum Löten mit Laserstrahlung sind bereits im Jahr 1974 von Bohmann C. F. in einem Fachaufsatz veröffentlicht worden (Bohmann 1974). Im Rahmen dieser experimentellen Untersuchungen wird ein kontinuierlich emittierender CO2-Laser als Strahlquelle zum selektiven Kontaktieren von Elektronikkomponenten eingesetzt. Schon in diesem frühen Stadium der Laserstrahl-Löttechnik wird von Bohmann C. F. die heute offenkundigen Prozesseinflussgrößen wie Strahlungsleistung, Bestrahlungsdauer oder Geometrie der Laserstrahl-Wechselwirkungszone in Relation zur Verbindungsqualität diskutiert. Obwohl weltweit in verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsgruppen an einer industriellen Umsetzung des Verfahrens gearbeitet wurde (Burns u. Zyetz
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1981; Chang 1986), konnte sich der CO2-Laser als löttechnisches Fügewerkzeug trotz der guten Automatisierbarkeit nicht etablieren. Gegen den Einsatz eines CO2-Lasersystems als Strahlquelle für Lötapplikationen sprechen verschiedene technologische und wirtschaftliche Aspekte. Beispielsweise weisen die in der Elektronikproduktion überwiegend eingesetzten Substratmaterialien bei der Emissionswellenlänge eines CO2Lasers (λ = 10600 nm) einen Absorptionsgrad von über 90 Prozent auf, wohingegen das diffuse Reflexionsvermögen einer Zinn-Blei-Legierung bei gleicher Wellenlänge ungefähr 74 Prozent beträgt (Meyer 1989). Aufgrund dieser Tatsache ist das Risiko von Verbrennungen oder partieller Karbonisierung des bestrahlten Schaltungsträgermaterials durch Primäroder Streustrahlung sehr hoch. Abgesehen von diesen verfahrensspezifischen Beeinträchtigungen sind auch die Investitions- und Betriebskosten, der Wartungsaufwand und die Abmessungen der Strahlquelle im Vergleich zu technologischen Alternativen nicht von Vorteil. Mitte der achtziger Jahre sind erstmals auch Nd:YAG-Lasersysteme als Strahlquellen für Lötapplikationen eingesetzt worden (Vanzetti u. Dusoomian 1986; Meyer u. Klimt 1987) Im direkten Vergleich zu C02-Lasern zeichnen sich die im nahen Infrarotbereich emittierenden Nd:YAGLasersysteme (λ = 1064 nm) durch verschiedene Faktoren aus. Abgesehen von der kleineren Bauform ermöglicht die kürze Emissionswellenlänge eine flexiblere und auch kostengünstigere Strahlführung und –formung. Beispielsweise kann bei Verwendung von Nd:YAG-Lasern die Strahlführung durch Lichtwellenleiter erfolgen und die optischen Komponenten zur Strahlformung müssen nicht zwingend aus langwellig transmissiven Materialien wie Germanium, Zinkselenid oder Cadmiumtellurid, sondern können aus kostengünstigeren optischen Gläsern gefertigt werden. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Tatsache, dass metallische Werkstoffe im nahen Infraroten einen höheren Absorptionsgrad aufweisen, wodurch eine effizientere und sichere Prozessführung im Allgemeinen möglich ist. Das Hauptanwendungsgebiet von Laserstahl-Lötsystemen auf Basis von Nd:YAG-Lasern sind elektrische und mechanische Verbindungen aus Fertigungsbereichen, die ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erfordern. In diesem Zusammenhang sind Präzisionsanwendungen aus dem zivilen Umfeld der Computer-, Automobil-, der Luft- und Weltraumtechnik, aber auch Applikationen aus dem Bereich der Wehrtechnik zu nennen (Keeler 1987; Meyer 1989). Aufgrund der hohen Investitions- und Betriebskosten kann sich das Laserstrahllöten mit Festkörperlasern jedoch nur in Nischenanwendungen gegen konkurrierende Selektivlötverfahren durchsetzen. Erst seit der Entwicklung von Hochleistungsdiodenlasern steigt die industrielle Bedeutung des Laserstrahllötens kontinuierlich an. Diodenlaser sind durch ihren einfachen Aufbau, ihren hohen elektrischen Wirkungs-
3.3 Laserstrahl-Löten
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grad und ihre kompakte Bauform wie geschaffen für den vielfältigen Einsatz in der industriellen Fertigung. In Verbindung mit ihrer Wartungsfreiheit, der einfachen Handhabung und einer langen Lebensdauer erfüllen Diodenlaser in hohem Maße die Anforderungen der Industrie für einen wirtschaftlichen Einsatz des Strahlwerkzeugs Laser (Haag u. Brandner 2000). In Tabelle 3.3-1 sind in einer Übersicht relevante Eigenschaften von Laserstrahlquellen für Lötanwendungen gegenübergestellt. Tabelle 3.3-1. Vergleich von Laserstrahlquellen für Lötanwendungen
Dimensionen (Verhältnis) elektro-optische Effizienz Emissionswellenlänge Lebensdauer Wartung Investition/Leistung Strahlführung (LWL)
Diodenlaser
Nd:YAGLaser
CO2-Laser
1 40–50 % 800–1000 nm >10000 h wartungsarm 10–50 €/W möglich
100 3–17 % 1064 nm einige 1000 h 200-500 h 50–100 €/W möglich
1000 10–15 % 10600 nm ca. 10000 h ca. alle 500 h 10–50 €/W nicht möglich
Obwohl die Strahlqualität momentan verfügbarer Hochleistungsdiodenlasersysteme noch nicht an die konventioneller Strahlquellen heranreicht, zeigen sich Diodenlaser hinsichtlich eines flexiblen Einsatzes durchaus überlegen. Ausschlaggebendens Kriterium ist dabei der Größenunterschied zwischen den einzelnen Lasersystemen. Die strahlerzeugende Einheit eines Diodenlasers ist etwa um den Faktor 100 kleiner als die Resonatoranordnung eines Nd:YAG-Lasers gleicher Leistung. Beim CO2-Laser ist der Unterschied sogar noch gravierender (Faktor 1000). Verantwortlich für die geringe Systemgröße ist einerseits die Kompaktheit der Halbleiterelemente und andererseits erlaubt einer höherer Wirkungsgrad den Einsatz leistungsschwächerer Peripheriegeräte. Die kompakteren Versorgungsgeräte erfordern eine geringere Stellfläche und erhöhen die Mobilität der gesamten Strahlquelle. In letzter Konsequenz ermöglichen die geringen Abmessungen eine Integration der Strahlquelle direkt in die Fertigungszelle. Auch in Hinblick auf die ökonomischen Aspekte erweisen sich moderne Hochleistungsdiodenlaser als echte Alternative zu Nd:YAG- und CO2Strahlquellen. Die Investitionskosten in Relation zur optischen Leistung bewegen sich je nach Ausführung noch im unteren Bereich der in Wettbewerb stehenden Strahlquellen. Durch ihren epiktaktischen Aufbau bieten Diodenlaser jedoch das Potential für eine kostengünstige Massenfertigung. Demzufolge sagen Zukunftsprognosen eine Senkung des Barrenpreises voraus, so dass folglich auch mit Preisvorteilen von Hochleistungsdiodenlasern gegenüber anderen Strahlquellen zu rechnen ist Laser (Haag u. Brandner 2000). Mit einem elektrischen Wirkungsgrad von annähernd
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50 Prozent arbeiten Diodenlaser ungleich effizienter als Nd:YAG- (<17 %) und CO2- (<15 %) Lasersysteme. Diese höhere Effizienz wirkt sich sowohl auf die elektrische Leistungsaufnahme als auch auf die benötigte Kühlleistung und somit direkt auch auf die Betriebskosten aus. Aufgrund fehlender verschleißbehafteter Systemkomponenten arbeiten Diodenlaser nahezu wartungsfrei. Kommerziell sind von verschiedenen Strahlquellenherstellern oder Systemlieferanten eine Reihe von applikationsspezifischen Lösungen erhältlich. Grundsätzlich beruhen alle diese Lösungen auf einer möglichst flexiblen Strahlführung und –formung, die einerseits durch den Einsatz von Galvanometer-Scannersystemen oder andererseits durch Mehrachssysteme, die entweder die gesamte Strahlquelle oder bei fasergeführten Systemen die Bearbeitungsoptik bewegen, sichergestellt wird. In Abb. 3.3-1 sind eine Produktionszelle und ein Bearbeitungskopf auf Basis eines Galvanometerscanners abgebildet.
Abb. 3.3-1. Systemlösung zum Laserstrahl-Weichlöten auf Basis eines Galvanometer-Scannersystem: Fertigungszelle (links) und Laserstrahl-Bearbeitungskopf (rechts)
Die Anwendungsgebiete des selektiven Laserstrahllötens unter Verwendung von Hochleistungsdiodenlasern sind sehr vielschichtig und nicht grundsätzlich auf einen Zweig der produzierenden Industrie festgelegt. Ein Schwerpunkt der industriellen Applikationen liegt jedoch derzeit im Bereich der Elektro- bzw. Elektronikfertigung und insbesondere im Bereich der Automobilzulieferindustrie. Zu den industriellen Anwendungen zählen das separate Bestücken kritischer Funktionsgruppen, das Löten von Durchsteckverbindungen, das Anlöten von Kabellitzen, das Weich- und Hartlö-
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ten mikroelektronischer oder –mechanischer Komponenten und die Kabelkonfektionierung. In Abb. 3.3-2 sind exemplarisch verschiedene laserstrahlgelötete Produkte dargestellt. Für die Herstellung dieser Produkte ist explizit der Laserstrahl-Lötprozess als Fertigungsverfahren qualifiziert und in die Produktion integriert.
1 mm Abb. 3.3-2. (oben, links) Elektrische Kontaktierung einer Hochleistungsleuchtdiode; (oben, rechts) Erzeugung einer elektromechanischen Verbindung innerhalb eines Einspritzventils, (unten, links) Bestückung von Flip-Chips auf flexible Schaltungsträger; (unten, rechts) Chip-Montage im Rahmen der Herstellung von Smart Cards
Als vorrangiges Argument gegen den Einsatz der Lasertechnologie beim Selektivlöten werden, abgesehen von dem Gefährdungspotential durch Laserstrahlung, häufig auch die hohen Anforderungen an die gleichbleibende Qualität der Fügepartner angeführt. Eine wesentliche Vorraussetzung für eine erfolgreiche Lötung ist die Konstanz der materialspezifischen und der geometrischen Charakteristika, da die Strahlungsenergie im Normalfall unabhängig von den vorliegenden Rahmenbedingungen stetig und reproduzierbar in die Fügezone eingebracht wird.
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Aufgrund dieser Tatsache wird nahezu seit der ersten Stunde der Laserstrahl-Löttechnik mit unterschiedlichen Prozessüberwachungsstrategien das Ziel verfolgt, die Prozessenergie abgesehen von der Quantität und der räumlichen Verteilung auch zeitlich individuell angepasst an die jeweiligen Vorgänge in der Fügezone einzubringen (s. Kapitel 4.2.3). Durch eine Rückkopplung prozessrelevanter Informationen ergeben sich somit nicht nur neue Möglichkeiten hinsichtlich der löttechnischen Prozessführung, sondern die prinzipiell realisierbare in situ Anpassung der räumlichen und zeitlichen Energiedichte stellt ein Alleinstellungsmerkmal der LaserstrahlLöttechnologie im Vergleich zu anderen Selektivlötverfahren dar. 3.3.2 Laserstrahl-Weichlöten eines keramischen Schaltungsträgers Bei der konkreten Fügeaufgabe handelt es sich um die elektrische Kontaktierung von sieben Gehäuseanschlüssen (Abb. 3.3-3). Kunststoff-Gehäuse
Keramik-Substrat Gehäuseanschluss
Abb. 3.3-3. Mikroelektronisches Modul in Dickschicht-Technik
Das verwendete Schaltungsträgermaterial ist ein handelsüblicher keramischer Werkstoff auf Aluminiumoxid-Basis. Die in Dickschicht-Technik aufgebrachten Leiterbahnen und Kontaktierungsflächen des Schaltungsträgers bestehen aus einer Silber-Palladium-Legierung. Für die Kontaktierung der elektronischen Komponenten wird eine hochschmelzende Lotlegierung eingesetzt. Der keramische Schaltungsträger ist mit einem wärmeleitenden Silikon- bzw. Epoxidkleber auf einen Aluminium-Kühlkörper aufgeklebt. Dieser Werkstoffverbund aus keramischem Schaltungsträger und Alumi-
3.3 Laserstrahl-Löten
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nium-Kühlkörper wird mittels ultraschallgestütztem Nieten in einem Kunststoff-Gehäuse befestigt (Abb. 3.3-4). Kunststoff-Gehäuse Laserstrahlung Gehäuseanschluss Lotdepot
Keramik-Substrat Aluminium-Kühlkörper
Kontaktierung
1,0 mm
2,0 mm
Abb. 3.3-4. Schematische Darstellung der Fügeanordnung im Schnitt
Tabelle 3.3-2. Materialien und Dimensionen Produkt Materialien und Dimensionen Gehäuseanschluss Lotdepot
Flussmittel
Keramik-Substrat
Kühlkörper Kunststoff-Gehäuse
Mikroelektronisches Modul (Dickschicht-Technik) Cu 97,5%, Fe 2,3%, P 0,03 %, Zn 0,12%, 1,0 mm (b) x 0,3 mm (d) Sn10Pb88Ag2 2,0 mm (l) x 2,0 mm (b) x 0,2 mm (d), Solidus- / Liquidus-Temperatur 268 °C / 290 °C Adipin-Säure (1,5%), HOOC-(CH2)4-COOH Schmelzpunkt 153 °C, Siedepunkt >300 °C Säurewert 768 94 % nominal Al2O3 (Aluminiumoxid) 25 mm (l) x 25 mm (b) x 0,5 mm (d) Leiterbahnen und Kontaktierungsflächen Ag-Pd 2 mm (l) x 2mm (b) x 0,030 mm (d) AA 3003-H14 (Aluminium) PBT-GF30 (Polybutylenterephthalate mit 30 % Glasfaser)
Aufgrund des späteren Einsatzes innerhalb des Motorraums eines Kraftfahrzeugs sind die ausgewählten Materialien und ihre Geometrien in Hinblick auf die besonderen thermischen Anforderungen ausgelegt. Die gerin-
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ge Wärmestromabfuhr im Motorraum, die thermische Beeinflussung durch benachbarte elektrische und mechanische Module (Lichtmaschine, Motor) und auch die erzeugte Eigenwärme macht einen thermisch optimierten Aufbau zwingend erforderlich. Diese thermischen Eigenschaften garantieren zwar auf der einen Seite die volle Funktionalität selbst unter extremsten Bedingungen, aber auf der anderen Seite bestimmen sie im wesentlichen die Rahmenbedingungen des Lötprozesses. In Tabelle 3.3-2 sind die verwendeten Materialien und Dimensionen der einzelne Komponenten zusammengestellt.
Abb. 3.3-5. Simulierte Momentanaufnahme der resultierenden Temperaturverteilung in der Fügezone am Ende der Bestrahlung in der Draufsicht (links) und im Querschnitt (rechts); Prozessparameter: optische Leistung 80 W, Fokus-Ø 800 µm, Bestrahlungsdauer 1 s
Durch den Einsatz einer kommerziellen FEM-Simulationssoftware1 und einer dreidimensionalen Modellbeschreibung wird das charakteristische thermische Verhalten des mikroelektrischen Moduls präzise und realitätstreu beschrieben. Das thermische Modell umfasst nicht nur die Leistungsdichteverteilung einer realen Strahlquelle und die spezifischen Dimensionen und Materialien der Einzelkomponenten, sondern berücksichtigt darüber hinaus auch die zeitliche Entwicklung, die bei einem schnellen Laserprozess besonders wichtig ist. In Abb. 3.3.-5 ist eine simulierte zeitdiskrete Temperaturverteilung der Fügeanordnung am Ende der Energiezufuhr in der Draufsicht (links) und im Querschnitt (rechts) dargestellt. Die 1
Marc Mentat MSC Software Corporation Marc Nonlinear Finite Element Solver with Parallel Processing Mentat Graphical User Interface to the Marc Nonlinear Finite Element Solver
3.3 Laserstrahl-Löten
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resultierende Temperaturverteilung hebt nicht nur die räumlich lokale Energieeinbringung mittels Laserstrahlung hervor, sondern verdeutlicht ferner auch die Ausbildung thermischer Gradienten in der Fügezone. Aufgrund der produktspezifischen Gegebenheiten ist ein lokal selektives Erwärmen mit kurzzeitiger Energiezufuhr zwingend erforderlich. Abgesehen von einer hohen Produktionsrate muss trotz der hohen Wärmeleitung in den Gehäuseanschluss und über den keramischen Schaltungsträger in den Kühlkörper ein Aufschmelzen des Lotdepots und eine ausreichende Benetzung des Gehäuseanschlusses unter Produktionsbedingungen jederzeit sichergestellt sein. Die zeitliche Abfolge, die Menge und die Art und Weise der Energiezufuhr muss einerseits auf die thermischen und andererseits auf die geometrischen Randbedingungen jeder einzelnen Kontaktierung abgestimmt sein. Das Auftreten von Beschädigungen am keramischen Schaltungsträger (Mikrorisse), an den aufgedruckten Strukturen in Dickschicht-Technik oder an den diskreten Bauelementen durch eingebrachte Strahlungsenergie, ist von vorneherein auszuschließen. Darüber hinaus darf die Wahl des Leistung-Zeit-Profils weder ein partielles Verdampfen des Lotwerkstoffs noch eine thermische Zerstörung der galvanisch aufgebrachten Anschlussmetallisierung verursachen. Der entscheidende Prozess in Bezug auf die Prozessführung ist die Wärmeleitung in und der Wärmeübergang zwischen den einzelnen Fügepartnern. Aus diesen beiden thermophysikalischen Vorgängen resultiert in letzter Konsequenz die Temperaturverteilung in der Fügezone. Die Gestalt und Ausprägung der Temperaturverteilung wird somit abgesehen von der räum- und zeitlichen Form der Energiezufuhr und den physikalischen Eigenschaften der einzelnen Fügepartner auch durch den thermischen Kontakt zwischen dem Gehäuseanschluss und dem Lotdepot bestimmt. Die zugeführte Strahlungsenergie wird auf der Oberseite des Gehäuseanschlusses zu einem Teil absorbiert und über Wärmeleitungsvorgänge in den Anschluss abgeführt. Die Ausbildung einer Temperaturverteilung mit Ursprung auf der Oberseite des Gehäuseanschlusses hat zur Folge, dass es zuerst zu einem Schmelzen der galvanisch aufgebrachten Anschlussmetallisierung kommt. Die kontinuierliche Erhöhung der Temperatur in der Fügezone führt in der weiteren zeitlichen Abfolge zu einem partiellen Aufschmelzen des massiven Lotdepots. Der Phasenübergang des Lotwerkstoffs von fest nach flüssig bedingt grundsätzlich eine Volumenvergrößerung des Lotdepots. Die aufgrund dieser Tatsache induzierten Ausgleichsvorgänge der Ober- und Grenzflächenspannungen resultieren in einer Gestaltänderung des flüssigen Lotwerkstoffs. Verstärkt werden diese Ausgleichsvorgänge noch durch den Umstand, dass der Gehäuseanschluss infolge der gewählten Form unter Vorspannung (Davis u. Henritzy 1984)
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steht und das flüssige Lot kontinuierlich aus dem Fügespalt verdrängt. Im Einklang zu den vorherrschenden Oberflächen- und Grenzflächenspannungen erfolgt eine räumlich in Phasen unterteilte Benetzung des Gehäuseanschlusses. Die kontinuierliche Energiezufuhr in Kombination mit dem sich einstellenden Gleichgewichtszustand der Oberflächen- und Grenzflächenenergien führen zu einem stabilen Benetzungszustand. Grundsätzlich kann zu diesem Zeitpunkt der Lötprozess beendet werden, da eine weitere Energiedeponierung zu keiner Verbesserung des Benetzungsgrades führt. Für die Qualitätsbeurteilung der Lötverbindung werden normalerweise im Rahmen einer visuellen Kontrolle die Ausbildung der Lotmenisken an den Kanten der Fügepartner sowie die vollständige Benetzung der Kontaktierungsfläche bestimmt (Abb. 3.3-6, links). Quantitativ werden die Steighöhe des Lotwerkstoffs an Ferse bzw. Zehe und der Benetzungswinkel vermessen. In Abb. 3.3-6 (rechts) ist eine lichtmikroskopische Aufnahme einer quergeschliffenen, laserstrahlgelöteten Verbindung dargestellt. Aufgrund der höheren Abkühlungsgeschwindigkeit weist das mittels Laserstrahlung umgeschmolzene Lot im Vergleich zum ursprünglichen Lotgefüge des Festlotdepots eine deutlich feinkörnigere Gefügestruktur auf. Anhand dieses Unterschieds in der Gefügestruktur ist die thermische Einwirkzone der Strahlungsenergie direkt zu erkennen. Ein vollständiges Umschmelzen des Lotdepots ist nicht erwünscht, da das Risiko einer Feststofflösung bzw. der Bildung von Intermetallischen Phasen (Diffusion) im Grenzbereich zwischen Lotwerkstoff und Kontaktierungsfläche besteht (Ghosh 1998). Darüber hinaus soll die Energiezufuhr im Hinblick auf eine minimale thermische Belastung des Schaltungsträgers (Mikrorisse) prozesstechnisch optimiert werden.
Abb. 3.3-6 (links) Zwei laserstrahlgelöteten Kontaktierungen in der Draufsicht und (rechts) Lichtmikroskopische Aufnahme einer quergeschliffenen Verbindung
3.3 Laserstrahl-Löten
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Durch den Einsatz kostengünstiger Diodenlasersysteme ist das Laserstrahl-Weichlöten unter ökonomischen Aspekten wettbewerbsfähig zu den industriell etablierten Verfahren. Mit der zusätzlichen Option, die essentielle Teilprozesse innerhalb der Fügezone online mittels intelligenter Sensoren zu steuern, ist das Löten mit Laserstrahlung hervorragend für die automatisierte Fertigung geeignet (Bosse et al. 2003). Literatur Bohmann CF (1974) The Laser and Microsoldering. SME Technical Paper No 10: AD74-810 Bosse L, Koglin A, Olowinsky A, Kolauch V, Nover M (2003) Laser Beam Soldering – An Attractive Alternative to Conventional Soldering Techniques. In: Laser and Applications in Science and Technology, Proceedings of SPIE, San Jose (USA) S 473-480 Burns F, Zyetz C (1981) Laser Microsoldering. Electronic Packaging & Production Chang DU (1986) Experimental Investigation of Laser Beam Soldering. Welding Journal, Bd 65 Heft 10, S 33-41 Davis D, Henritzy C (1984) Interconnection Construction to Thick Film Substrate, Patent US 4470648 DIN 8505 Teil 1 (1979) Löten: Allgemeines, Begriffe. Deutsches Institut für Normung e. V. Beuth Verlag Berlin Ghosh G (1998) Diffusion and Phase Transformations During Interfacial Reaction Between Lead-Tin Solders and Palladium. Journal of Electronic Materials, Bd 27 Heft 11 S 1154-1160 Haag M, Brandner M (2000) Diodenlaser- innovatives Werkzeug für die Produktion. Proceedings LaserOpto, Bd 3 Keeler R (1987) Lasers for High-Reliability Soldering – For soldering military, computer, and other high-rel products lasers surpass mass-soldering methods. Electronic Packaging & Production Bd 27 Heft 10 Meyer FG (1989) Laserlöten unter besonderer Berücksichtigung der SMTechnologie und des Lötens an schwer zugänglichen Stellen. DVS-Verlag Düsseldorf, Bd 122 S 70-71 Meyer FG, Klimt BH (1987) Laser Soldering of Surface Mounted Devices. Proceedings of SPIE, Bd 744 S 8-90 Vanzetti R, Dustoomian AS (1986) Intelligence comes to Laser Soldering. Electronics, Ausgabe: Juli, S 75-77
3.4 Laserstrahlbonden R. Poprawe, A. Gillner, F. Sari, M. J. Wild Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen
3.4.1 Waferbonden – Stand der Technik In hybriden Mikrosystemen werden Sensoren, Aktoren und optische Komponenten aus Einzelkomponenten unterschiedlicher Materialien in ein Gesamtsystem integriert. Hierzu werden Verbindungstechniken für eine Vielzahl artungleicher Werkstoffkombinationen benötigt (SFB440 2003). Häufig bestehen diese Mikrosysteme aus einem Silizium-Grundkörper, der meist auch elektronische Schaltungskomponenten enthält, und aufgesetzten weiteren Elementen, die dem Packaging aber auch der Funktion des Gesamtsystems dienen. Die Verbindung von Siliziumwafern z.B. in mechanisch-elektrischen Mikrosystemen (MEMS) oder in „Silicon on Insulator“ (SOI) erfolgt dabei in der Regel über flächige Fügeverfahren wie das „Silizium Direkt Bonden“ und das „Anodische Bonden“. Diese Verfahren weisen eine hohe thermische Belastung und eine geringe Flexibilität hinsichtlich der Fügegeometrie auf. Als Alternative zu den in der Mikrosystemtechnik konventionell eingesetzten flächigen Verfahren wie das Silicon Direct Bonding, Anodisches, Eutektisches und Glas-Frit Bonden, Niedertemperaturbonden und Bonden mit Zwischenschichten, bietet der Laser durch die exakte Kontrolle der Energiedeposition eine Minimierung der Wärmeeinflusszone und des damit verbundenen Verzugs (SFB440 2003). 3.4.2 Laserstrahlbonden von Silizium und Glas Das allgemeine Prinzip des Laserstrahlbondverfahrens beruht auf dem sogenannten Durchstrahl- oder Transmissionsfügen, wie es vom Laserstrahlfügen von Kunststoffen bekannt ist (Abb. 3.4-1). Dabei werden die Fügeteile – von welchen mindestens eines für die eingesetzte Laserstrahlung transparent, das andere jedoch absorbierend ist – aufeinander gelegt und
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aneinander gepresst. Der Laserstrahl wird nun durch das transparente Fügeteil hindurch auf die Oberfläche des absorbierenden Fügeteils fokussiert. Der Hauptteil der Energie des Laserstrahls wird in der Kontaktebene der Fügeteile in Wärme umgesetzt und die Kontaktstelle gezielt erwärmt (Wild 2002). Das physikalische Prinzip dieser Fügeverfahren basiert auf der Nutzung von Adhäsionskräften und der Bildung chemischer Verbindungen an der Fügestelle. Um hohe Adhäsionskräfte zu erzielen, müssen die Oberflächen der Fügepartner von hoher Güte sein (SFB440 2003).
Abb. 3.4-1. Prinzipielle Darstellung des Laserstrahlbondverfahrens (F = Kraft)
Im Gegensatz zu den flächigen Bondverfahren erlaubt das Laserstrahlbonden eine selektive Verbindung der Silizium-Glas-Bauteile mit Fügegeometrien << 1 mm. Dies kann insbesondere dort interessant sein, wo einzelne Bauelemente auf bereits vorprozessierte Si-Wafer aufgebracht werden müssen. Sind auch bei flächigen Wafer-Verbindungen die eigentlichen Fügeflächen im Verhältnis zur Gesamtfläche gering bemessen, so kann durch die hohe Geschwindigkeit des Laserstrahlbondens dieses neue Verfahren den ansonsten eingesetzten Verfahren ebenbürtig sein. Neben dem primären Ziel der Oberflächenreinigung zur Entfernung von organischen und metallischen Kontaminationen, ist die Erzeugung von definierten und reproduzierbaren Oberflächenzuständen (Oberflächenaktivierung) ein wichtiges Kriterium für das Waferbonden (Wild 2002). Silizium hat bei Raumtemperatur eine natürliche, wenige Nanometer dicke Oxidschicht. Diese Schicht reagiert mit der umgebenden Luftfeuchtigkeit und bildet Silanolgruppen (Si-OH) (Tong et al. 1999). Es ist möglich durch geeignete nasschemische Verfahren diese Oxidschicht zu entfernen um nachträglich eine gezielte und reproduzierbare Oxidschicht zu bilden. In der Halbleiterindustrie hat sich als nasschemisches Reinigungsverfahren das RCA-Verfahren auf Wasserstoffperoxidbasis nach Kern etabliert. Mit diesem Verfahren ist es möglich, sowohl hydrophile als auch hydrophobe O-
3.4 Laserstrahlbonden
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berflächenzustände zu erzeugen. Ein hydrophiler Oberflächenzustand kann nach Kern, in zwei Schritten erzeugt werden (Tabelle 3.4-1) (Kern 1993). Tabelle 3.4-1. Standardreinigung nach Kern (Kern 1993) Prozedur SC 1 SC 2
Chemikalien NH4OH : H2O2 : DI H2O HCl : H2O2 : DI H2O
Volumenverhältnis Temperatur 1 : 1 : 5 bis 1 : 2 : 7 75 °C – 85 °C 1 : 1 : 6 bis 1 : 2 : 8 75 °C – 85 °C
Dauer 10-20 min. 10-20 min.
Für die Herstellung von hydrophoben Oberflächen werden die Proben zwischen SC1 und SC2 mit Flusssäure (HF) behandelt. Die Oberflächenbehandlung von Glas mit wässrigen Lösungen bewirkt eine Auslaugung und Auflösung in der Randschicht des Glases. Untersuchungen am Silikatglas Typ Corning 7059 zeigen, dass nach einer RCA Reinigung eine ca. 50 nm dicke Oberflächenschicht erzeugt wird, in der im wesentlichen nur Silizium und Sauerstoff enthalten sind. Erst hinter dieser Schicht konnten weitere Glasbestandteile nachgewiesen werden wie z.B. Bor, dessen Fehlen auf eine SiOx Oberfläche verweist, auf der gebondet wird (Cheng et al. 2001). Thermochemische Vorgänge beim Bondprozess
Durch die Vorbehandlung mit RCA-Verfahren erhält die Siliziumoberfläche eine chemisch gebundene Oxidschicht mit kovalent gebundenen Wasserstoffatomen (Tong et al. 1999). Diese reagieren wiederum mit Wasser und bilden an der Oberfläche Silanol-Gruppen (Si-OH) (Tong et al. 1999) wodurch die Ober- fläche hydrophil wird. Die Silanol-Gruppen sind mit einigen Monolagen adsorbiertem Wasser bedeckt, welches für die Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Siliziumoberflächen sorgt (Wild 2002). Werden bei Raumtemperatur zwei solche Siliziumoberflächen in Kontakt gebracht, haften sie durch die Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen an der Grenzfläche (Wild 2002). Diese Haftung wird in der Literatur als Raumtemperatur- bzw. Prebonden definiert. Vorgänge zur Bildung von hochfesten Bondverbindungen sind temperaturabhängig und können in vier Bereiche eingeteilt werden (Tong et al. 1999). Der Reaktionsmechanismus in den einzelnen Temperaturstufen von der hydrophilen Oberfläche mit adsorbiertem Wasser bis zu den vollständig durch Sauerstoffbrücken verbundenen Wafern ist schematisch in Abb. 3.4-2 wiedergegeben (Tong et al. 1999) und zeigt zudem den abnehmenden Spalt zwischen den eigentlichen Festkörperoberflächen durch die Eliminierung von Grenzflächenwasser (Tong et al. 1999).
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R. Poprawe et al.
Abb. 3.4-2. Grenzflächenreaktion beim Waferbonden hydrophiler Siliziumwafer in Abhängigkeit von der Auslagerungstemperatur (Tong et al. 1999)
3.4.3 Mikrostrukturelle Charakterisierung Infrarotspektroskopie
Aus den Ergebnissen einer Infrarotspektroskopie kann für die hydrophil gebondeten Wafer geschlossen werden, dass sich analog zum Waferbonden Wasser und Silanolgruppen in der Grenzfläche befinden und Träger der chemischen Bindung zwischen den Oberflächen sind (SFB440 2003; Wild 2002). Diese Analyse zeigt, dass die organischen CH2 und CH3 Gruppen als Reste der Vorbehandlung bzw. Reinigung der Wafer zu finden sind (Milekhin et al. 1999). Rasterelektronenmikroskopie
Die Untersuchungen mittels Rasterelektronenmikroskopie zeigen, dass sich bei optimaler Bondtemperatur eine glatte Grenzfläche zwischen Glas und Silizium ausbildet (Abb. 3.4-3a). Bei zu hohen Leistungen und entsprechend hohen Temperaturen schmilzt das Silizium, was an der Welligkeit der Grenzfläche im Querschliff erkennbar ist (Abb. 3.4-3b). Da das Glas bei Temperaturen über der Schmelztemperatur von Silizium ebenfalls
3.4 Laserstrahlbonden
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schmelzflüssig ist, kommt es zu einer mechanischen Verzahnung, wenn auch nicht zur Durchmischung der Schmelzen (SFB440 2003; Wild 2002).
Abb. 3.4-3. REM Querschliff (a) Silizium (unten) und Glas, Grenzschicht mit glattem Interface (b) raue Interface (Wild 2002)
3.4.4 Technologische und mechanische Eigenschaften1 Gaspermeation
Als primäres Kriterium für die Qualität einer stoffschlüssigen Verbindung, wie sie beim Laserstrahlbonden entsteht, kann unabhängig von der mechanischen Festigkeit, die Dichtheit gegen die Penetration von Flüssigkeiten und Gasen herangezogen werden. Als gängigste Testmethode zur Detektion von Gasleckagen in Vakuumanlagen wird der sogenannte HeliumLecktest eingesetzt.
Abb. 3.4-4. Schematische Darstellung der Aufsicht und des Querschnittes der Proben für die Untersuchung auf Gaspermeation (Wild 2002)
1 Teile dieses Kapitels wurden der Dissertation Wild M J (2002) Lokal selektives Bonden von Silizium und Glas mit Laser, erschienen am Shaker Verlag, Aachen entnommen
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Für den Helium-Lecktest wurde eine Prüfgeometrie verwendet, wie sie in Abb. 3.4-4 wiedergegeben ist. Die Probe wird mit der Siliziumseite auf einen Vakuumflansch geklebt, der eine Bohrung enthält und an den Lecktester angeschlossen wird. Damit liegt die gebondete Zone zwischen dem Vakuum und der Heliumatmosphäre. Die Ergebnisse können der Tabelle 3.4-2 entnommen werden. Tabelle 3.4-2. Leckraten von LB-Proben bestimmt mit Helium-Leckdetektor (Wild 2002) Probe
Leckrate gegen Argon Leckrate gegen He[mbar⋅l⋅s-1] lium [mbar⋅l⋅s-1]
Blindprobe Silizium geklebt Blindprobe Silizium mit Loch geklebt und Glasdeckel ohne Bondung Bond-Proben (hydrophil, 33 W, 1,67 mm/s) Bond-Proben (hydrophil, 33 W, 1,67 mm/s) mit Rissen im Glas
1,0⋅10-9 8,0⋅10-8
1,2⋅10-9 1,5⋅10-4
3,0⋅10-9 4,5⋅10-9
3,1⋅10-9 5,0⋅10-6
Berstdrucktest
Wie mit Hilfe des Helium-Lecktestes gezeigt, wird mit dem Laserstrahlbonden eine hermetisch dichte Verbindung hergestellt. Die Festigkeit dieser Verbindungen kann mit einem Berstdrucktest ermittelt werden. Die dafür gewählte Probenform und Messanordnung ist in Abb. 3.4-5 dargestellt.
Abb. 3.4-5. (a) Schematische Darstellung des Querschnitts der Messanordnung für den Berstdrucktest (Wild 2002) (b) Histogramm der Häufigkeitsverteilung des Versagens von Berstdruckproben (Wild 2002)
3.4 Laserstrahlbonden
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Der Gaszustrom wurde so eingestellt, dass der Druck im Prüfraum linear mit einer Rate von etwa 125 kPa/s bis zum Versagen der Probe anstieg. Dabei wurde der Druck im Prüfraum durch einen Drucksensor mit einer Genauigkeit von 0,1 % und einer Frequenz von 10 Hz gemessen (SFB440 2003). Die Messwerte wurden als Druck-Zeit-Wertepaare abgelegt. Wie aus Abb. 3.4-5b zu ersehen ist, ergeben sich Berstdrucke von 2.5 – 4.5 MPa. Die Streuung entspricht dem statistischen Bruchverhalten spröder Werkstoffe, wie es Silizium und Glas sind. Mikro-Chevron-Test
In Anlehnung an den ASTM-Chevron-Test wurde ein adaptierter MikroChevron-Test (MCT) für gebondete Wafer entworfen (Bagdahn et al. 1999). Die schematische Aufbau mit dem Spalt entlang dessen die Rissausbreitung verlaufen soll und die Form der Chevron-Proben ist in Abb. 3.4-6 wiedergegeben.
Abb. 3.4-6. (a) Schematische Darstellung einer Chevron-Probe zur Messung der Bruchzähigkeit (Wild 2002) (b) Foto von Chevronprobe mit Länge a0 = 3 mm (Dachspitzenabstand) und Probenlänge W = 10 mm (Wild 2002)
Hierzu werden die Proben im schraffierten Bereich in einer 4-PunktBiegeanordnung mit einer steigenden Zugbelastung beansprucht, so dass beim Überschreiten einer kritischen Belastung ein Riss an der Spitze des dreieckig gestalteten Probenbereiches entsteht. Das spontane Brechen der gesamten Probe wird dadurch verhindert, dass die Rissfront mit wachsen-
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dem Rissfortschritt immer breiter wird. Eine weitere Steigerung der aufgebrachten Zugbelastung führt zu einer kontinuierlichen Rissverlängerung bis eine kritische Risslänge erreicht ist. An dieser Stelle beschleunigt sich das Risswachstum und die Probe bricht vollends durch. Für den Mikro-Chevron-Test wurden vor dem Bonden durch anisotropes Ätzen Chevronstrukturen auf einen 525 µm dicken (100) orientierten Siliziumwafer aufgebracht. Je ein Silizium- und Glas-Chip wurden zueinander ausgerichtet und mit einem Druck von 10 MPa aufeinander gepresst. Die flächige Bondung erfolgt mit dem Laser. Damit die Rissausbreitung nicht mit einer ausgezeichneten Richtung der Bondbahn zusammenfällt, wurde ein Grätenmuster parallel zu den Kanten der Chevronspitze gewählt. Der in Abb. 3.4-7 zu beobachtende Abfall der gemessenen Maximalkraft Fmax mit zunehmendem Länge a0 (1; 3; 5 mm) und damit auch α0 (α0 = a0 / W) ist primär auf die Geometrieabhängigkeit der MCT-Proben zurückzuführen. Das bedeutet, dass die in Abb. 3.4-7 gezeigte Probengeometrie bei gleicher Grenzflächenenergie aufgrund des zunehmenden α0 bei einem kleineren Fmax versagen. Gleichzeitig wird jedoch bei konstantem Vorschubgeschwindigkeit vL die Bearbeitungszeit von a0 = 1 mm nach a0 = 5 mm kürzer und damit die Aufheizung der gesamten Probe geringer also die Bondtemperatur und damit die Festigkeit kleiner.
Abb. 3.4-7. Bruchkraft von MCT-Proben; gebondet mit PL = 27,2 W und Verfahrgeschwindigkeit vL = 2 mm/s in Abhängigkeit von α0 für Probensätze mit a0 = 1 mm, a0 = 3 mm, a0 = 5 mm (Wild 2002)
3.4 Laserstrahlbonden
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3.4.5 Thermisch geregelte Prozessführung Das Fügen von komplizierten Geometrien auf engstem Raum ist mit hoher thermische Belastung für die Bauteile verbunden. Bei Prozessführungen mit konstanter Laserleistung können Überhitzungen an der Fügezone auftreten. Diese führen zu lokalen Aufschmelzungen. Beim Bonden solcher Geometrien ist einerseits wichtig, das lokale Temperaturniveau der Fügezone aufrecht zu erhalten und andererseits eine thermische Überhitzung an der Bondfront zu vermeiden. Die Umsetzung dieser Anforderungen kann mit thermisch geregelter Prozessführung realisiert werden. Somit kann mit Hilfe einer pyrometrischen Sensorik (Abb. 3.4-8) und dem Einsatz eines Regelkreises die Temperatur an der Fügefront erfasst, bewertet und die Laserleistung entsprechend nachgeregelt werden.
Abb. 3.4-8. Pyrometrische Sensorik
Abb. 3.4-9. (a) Prozessführung mit konstanter Laserleistung (b) Prozessführung mit thermische Regelung
Wie bereits oben geschildert, kann bei Prozessführungen mit konstanter Laserleistung ein Übergang von Bondung zu Schmelznahtbildung erfolgen. Diese erfolgt insbesondere durch den Wärmestau an der Fügefront
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und durch die Gesamterwärmung des Bauteils. Nach Überschreiten der kritischen Bondtemperatur findet ein Sprung von einer Bondnaht zu einer Schmelznaht statt (Abb. 3.4-9a). Die Bildung der Schmelznaht kann wie in Abb. 3.4-9b durch den Einsatz einer thermischen Prozessführung vermieden werden.
Abb. 3.4-10. Verlauf Pyrometersignal und Laserleistung in Abhängigkeit der Prozessdauer; Stellwert PL = 20 W, Vorschubgeschwindigkeit vL = 100 mm/min
Abb. 3.4-11. Verlauf Pyrometersignal und Laserleistung in Abhängigkeit der Prozessdauer, Stellwert UP = 1,55 V, Vorschubgeschwindigkeit vL = 100 mm/min
3.4 Laserstrahlbonden
101
Die Diagramme in Abb. 3.4-10 und Abb. 3.4-11 zeigen für die Proben aus Abb. 3.4-9 die aufgenommenen Pyrometersignal- und Laserleistung in Abhängigkeit der Prozessdauer wobei die verbesserte Prozessführung durch den Einsatz des Pyrometers zu erkennen ist. 3.4.6 Potentiale des Laserstrahlbondverfahrens Das Laserstrahlbondverfahren verspricht ein hohes Potential hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten im Packaging mikrosystemtechnischer Baugruppen. Durch die Übertragung des Verfahrens auf Waferlevel für das Bonden von Silizium/Silizium z.B. in mechanisch-elektrischen Mikrosystemen (MEMS) oder von Silizium/Glas als Bestandteil einer Bondstation kann es zum Fixieren und zum selektiven Fügen eingesetzt werden. Ebenso besteht die Möglichkeit die Bondausbeute zu erhöhen. Im Anschluss an die konventionellen, flächigen Bondverfahren können Fehlbondungen korrigiert werden. Weiterhin kann das Laserstrahlbondverfahren nach dem Einsatz von gängigen Bondverfahren auf Waferlevel zu lokalen Festigkeitssteigerungen eingesetzt werden. In der Mikrooptik lassen sich mit dem Laserstrahlbonden 3-Dimensionale Baugruppen aus Glas auf einen Siliziumträger realisieren (Abb. 3.4-12).
Abb. 3.4-12. Modell Wellenlängendemultiplexer, einzelne Bauteile wie Lichtfaser, Linse und Spiegeln durch Laserstrahlbondverfahren fixierbar
Das Versiegeln von Mikrokavitäten z.B. in der Bioanalytik und Medizin (Abb. 3.4-13a) oder das Versiegeln von empfindlichen Sensoren auf Siliziumleiterbahnen (Abb. 3.4-13b) sind andere Beispiele zum Einsatz des Verfahrens.
102
R. Poprawe et al.
Abb. 3.4-13. (a) Mikrostrukturierte Siliziumkavität (5x5 mm²) für den Einsatz in der Bioanalytik und (b) Silizium-Sensor in Glaskavität
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Verfahren auf andere Materialsysteme zu übertragen und komplexere hybride Mikrosysteme zu fügen. So erlaubt die richtige Wahl der Laserwellenlänge bzw. der Bestrahlungsparameter gepaart mit einer prozessangepassten Materialwahl das Fügen von z.B. Glas/Metall, Glas/Keramik oder aber auch Saphir/Keramik. Literatur Bagdahn J, Plössl A, Wiemer M, Petzold M (1999), Measurement of the Local Strength Distribution of Directly Bonded Silicon Wafers Using the MicroChevron-Test, 5th Int. Symp. On Semiconductor Waferbonding, Oct. 17-22, Honolulu Hawaii Cheng S C, Pantano C G, Kalkan A K, Bae S H, Fonash S J (2001) TEM characterisation of an interfacial layer between silicon and glass, Phys. Chem. Glasses 41: 136-139 Kern W (1993) Handbook of Semiconductor Wafer Cleaning Technology. Noyes Publications, Park Ridge, New Jersey Milekhin A, Friedrich M, Hiller K, Wiemer M, Gessner T, Zahn D R T (1999), Infrared study of Si surfaces and buried interfaces, J. Vac. Sci. Technol. 17: 1733-37 SFB 440 Sonderforschungsbereich Montage hybrider Mikrosysteme, Arbeits- und Ergebnisbericht, 2. HJ 2000 / 2001 / 2002 / 1. HJ 2003 Tong Q Y, Gösele U (1999) Semiconductor Wafer Bonding. Verlag WileyInterscience Publication, New York, Chichester, Weinheim Wild M J (2002) Lokal selektives Bonden von silizium und Glas mit Laser. Shaker Verlag, Aachen
3.5 Laserstrahlmikroschweißen A. Gillner2, E. Haberstroh1, W. Michaeli1, R. Poprawe2 1 2
Institut für Kunststoffverarbeitung IKV, RWTH Aachen Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen
3.5.1 Laserstrahlschweißen von Metallen Einführung
Mikroschweißen mit Laserstrahlung ist ein vielseitiges und flexibles Fertigungsverfahren, welches seit geraumer Zeit in industriellen Applikationen Anwendung findet. Beispielsweise werden an Elektronenstrahlquellen für Bildschirme bereits seit den späten 70er Jahren Punktschweißungen mit Nd:YAG-Lasern durchgeführt. Ein solches Produkt beinhaltet bis zu 150 Laserschweißpunkte. Das ergibt bis zu 15 Millionen Schweißpunkte pro Tag in einer entsprechenden Produktionslinie. In vielen weiteren Branchen befindet sich das Mikroschweißen mit Laserstrahlung zur Zeit in der industriellen Einführung. So sollen in der Uhrenindustrie Verbindungen zwischen Zahnrädern und Wellen eines Uhrwerks nicht mehr als Presssitz sondern als stoffschlüssige Verbindung ausgeführt werden. In der Automobilbranche werden heute Sensoren, Relais und Steuergeräte für Insassenschutz und Fahrerassistenzsysteme bevorzugt direkt an mechanische Aggregate montiert, so dass die Komponenten starken Schüttelbelastungen und hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Die Fügestellen in diesen Systemen müssen auch solchen Belastungen mit einer hohen Lebensdauer und minimalen Ausfallwahrscheinlichkeit standhalten, da sie Bestandteil sicherheitsrelevanter Bauteile sind. Da eine Vielzahl von Verbindungen mit unterschiedlichen Geometrien und unterschiedlicher Zugänglichkeit benötigt wird, kann nur ein Fügeverfahren wirtschaftlich arbeiten, das diesen Anforderungen bei einer geringen Zykluszeit gerecht wird, ohne dass die Produktqualität dadurch reduziert wird. Alternative Fügeverfahren stoßen hierbei schnell an ihre Grenzen (Tabelle 3.5.1). Der Fügeprozess beim Mikroschweißen mit Laserstrahlung ist berührungslos, d. h. es gibt keine Abnutzung von Werkzeugen im Prozess. Des weiteren ist die Bearbeitungszeit in der Regel kürzer als bei anderen Füge-
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W. Michaeli et al.
verfahren. Der eigentliche Fügeprozess kann je nach Applikation in wenigen Millisekunden beendet sein, wobei die gesamte Taktzeit von der Materialzu- und -abfuhr sowie von den Spezifikationen der Laserstrahlquelle begrenzt wird. Tabelle 3.5-1. Alternative Fügeverfahren Fügeverfahren Kleben Verstemmen & Bördeln Widerstandsschweißen Löten
Nachteil gegenüber dem Laserstrahlschweißen aufwändige Oberflächenvorbehandlung Werkzeugverschleiß beidseitige Zugänglichkeit beim Fügen erforderlich eingeschränkte Warmfestigkeit
Auch die Flexibilität ist höher als bei anderen Fügeverfahren: Bauteilgeometrie, Material (–kombination) können ohne weiteres gewechselt werden, da die Energieeinbringung gut steuerbar ist und die Leistungsbzw. Energiedichten in einem breiten Spektrum an die Fügeaufgabe angepasst werden können. Sowohl Schweißpunkte als auch Nähte können mit Laserstrahlung erzeugt werden. Eine Prozesssicherung ist online durch die Überwachung des Fügeprozesses selbst oder offline durch die Untersuchung der Fügestelle nach dem Schweißen möglich. Wichtig ist ein flächiger Kontakt zwischen den Fügepartnern. Bewährt haben sich die in Abb. 3.5-1 dargestellten vier Stoßgeometrien:
T-Stoß
Eckstoß
Überlappstoß
Stumpfstoß
Abb. 3.5-1. Stoßgeometrien beim Mikroschweißen
Liegt zwischen den Fügepartnern ein Punkt- oder Linienkontakt vor, sollte ein anderes Mikrofügeverfahren für die Aufgabe genutzt werden. Verfahrenstechnik und Ergebnisse
Die Strahlquelle, die zur Zeit überwiegend zum industriellen Einsatz kommt ist der gepulste, blitzlampengepumpte Nd:YAG-Laser. Seine Wel-
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
105
lenlänge von λ=1064 nm wird von allen gängigen Werkstoffen im Prozentbereich absorbiert. Typische Daten kommerziell erhältlicher Laserstrahlquellen sind in Tabelle 3.5-2 aufgeführt. Tabelle 3.5-2. Typische Leistungsdaten gepulster Nd:YAG-Laserstrahlquellen Mittlere Leistung
[W]
10
-
500
Pulsleistung maximal Pulsenergie Pulsdauer Strahlqualität Fokusdurchmesser Faserdurchmesser
[kW] [J] [ms] [mm mrad] [µm] [µm]
1 1 0,1 8 50 100
-
8 50 50 25 600 600
Gepulste, blitzlampengepumpte Nd:YAG-Laser bieten gegenüber kontinuierlich emittierenden Lasern (cw-Lasern) einige Vorteile: • • • • • •
Hohe maximale Pulsleistung bei moderater mittlerer Leistung Bessere Strahlqualität Günstigerer Anschaffungspreis und geringere Betriebskosten Geringerer Kühlbedarf Kürzere Anstiegszeiten der Pulsflanken Möglichkeit zur Pulsformung
Die Möglichkeit zur Faserführung, welche für Nd:YAG-Laserstrahlung besteht, ist in vielen industriellen Applikationen ein wichtiger Aspekt. Durch Faserführung kann eine räumliche Trennung zwischen Laserstrahlquelle und Bearbeitungsstation erreicht werden. Des weiteren ist es möglich, durch Faserweichen mehrere Bearbeitungsstationen simultan („Energy Sharing“) oder sequentiell („Time Sharing“) mit einer Laserstrahlquelle zu versorgen. Auf diese Weise kann die Laserstrahlquelle effizient genutzt werden. Wird ein möglichst kleiner Strahldurchmesser bzw. eine besonders gute Strahlqualität benötigt, werden auch Freistrahlsysteme eingesetzt. Eine Gauß’sche Intensitätsverteilung, wie sie in Freistrahlsystemen gegeben ist, ist jedoch nicht für alle Schweißapplikationen geeignet. Im Bereich der Strahlachse führen die hohe Intensitäten zu hohen Temperaturen und damit zur Bildung einer Dampfkapillare, welche in das Werkstück eindringt. Bei hochreflektierenden Materialien wie z.B. Kupferwerkstoffen kann jedoch gerade dieser Effekt gewünscht sein, um ein sicheres Einkoppeln der Laserstrahlung in das Werkstück zu gewährleisten. Freistrahlsysteme sind des
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W. Michaeli et al.
Weiteren unempfindlicher gegen rückreflektierte Laserstrahlung als fasergeführte Systeme. Die Einsatzmöglichkeiten von Diodenlasern, diodengepumpten Scheiben- und Slablasern sowie Faserlasern sind Gegenstand aktueller Forschung. Die Strahlpositionierung erfolgt beim Laserstrahlmikroschweißen entweder durch Bewegung des Werkstücks über einen xyz-Koordinatentisch (Abb. 3.5-2 links) oder durch Bewegung des Laserstrahls über einen Galvanometer Scanner (Abb. 3.5-2 rechts).
Abb. 3.5-2. Positionierung der Laserstrahlung beim Mikroschweißen
Wird ein Koordinatentisch verwendet, so kommt zur Strahlformung eine feststehende Bearbeitungsoptik zum Einsatz. Bei Verwendung eines Galvanometerscanners ist das Werkstück in der Regel im Scanfeld fixiert. Der Laserstrahl wird dann mit Hilfe von Umlenkspiegeln auf dem Werkstück positioniert. Das Fokussierobjektiv ist bei Galvanometerscannern als Planfeldlinse (f-Theta-Linse) ausgeführt. Dies bewirkt, dass der Fokus an allen Strahlpositionen immer in der Bearbeitungsebene liegt. In den für das Laserstrahlmikroschweißen typischen Applikationen sind Drähte und Bleche von wenigen 10 µm bis 1 mm Stärke zu verschweißen. Die Dimension des Strahldurchmesser ist dabei im Bereich der zu verschweißenden Materialdicke. In einigen Anwendungen ist der Strahldurchmesser sogar größer. Eine weitere Besonderheit ist, dass in einigen Fällen auch Bauteile in bestehenden Gehäusen verschweißt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass umliegende Teile aus Kunststoff oder andere empfindliche Bauteile nicht durch Laserstrahlung oder Wärme beschädigt werden. Die Werkstoffe sind in der Regel Stähle und unbeschichtete und beschichtete Kupferwerkstoffe (Tabelle 3.5-3).
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
107
Tabelle 3.5-3. Werkstoffdaten X5CrNi18 10 CuNi3Si1Mg CuZn37 Dichte ρ Wärmeleitfähigkeit k
[g/cm³] 7,93 [W/cm*K] 0,163
Elektrische Leitfähigkeitσ [1/Ω*cm] Spezifische Wärmekapazität cp [J/g*K] [1/K] Ausdehnungskoeffizient αT [°C] Schmelztemperatur Tm Verdampfungstemperatur Tv [°C] Absorption bei 1064 nm [%] Elastizitätsgrenze Rmax [N/cm²]
8,82 1,90
8,44 1,20
0,14⋅105 0,545
1,2⋅105 0,385
1,65⋅105 0,385
18⋅10-6 1400-1455 3000 35
17,6⋅10-6 1075-1095 2500 5
19⋅10-6 902-920 1900 10
1,95⋅104
6⋅104
2⋅104
Oft sind auch Werkstoffkombinationen wie Stahl-Kupfer oder StahlMessing zu verschweißen. Häufig entscheidet dabei die Stoßgeometrie, ob und wie die Bauteile verschweißt werden können. Da bei jeder Fügeaufgabe die Bauteile in Form, Abmessung und Werkstoff verschieden sind, muss die Wärmeleitung für den jeweiligen Einzelfall betrachtet werden. Bleche mit einer Dicke von weniger als 0,5 mm können in der Regel nicht als halbunendliche Körper betrachtet werden. Somit kommt es beim Schweißen oft zu einem Wärmestau an der Rückseite. Weiterhin beeinflusst die Wärmeableitung in umliegende Bauteile und Spannvorrichtung das Schweißergebnis erheblich. In der Mikrotechnik werden typischerweise drei verschiedene Arten der Verbindung eingesetzt: Punktschweißen, Pulsnahtschweißen und kontinuierliches Nahtschweißen. Punktschweißen. Punktschweißen wird eingesetzt, wenn nur ein geringer Anbindungsquerschnitt zwischen den Fügepartnern gefordert oder kein Platz für Nahtschweißungen vorhanden ist. Der Durchmesser des Schweißpunkts auf der Oberfläche beträgt je nach Strahldurchmesser, Werkstoff und Leistung 100-800 µm. Der Punktschweißprozess lässt sich in die Prozessphasen Erwärmen, Aufschmelzen, Schmelzbaddynamik und Abkühlen unterteilen. Diese Prozessphasen werden bei jeder Punktschweißung durchlaufen. Je nach Intensität wird zwischen der Schmelzbaddynamik und dem Abkühlen noch ein Teil des Werkstoffs verdampft. Durch eine an den Prozessphasen orientierte Pulsformung kann die Intensität dem Prozessstadium angepasst werden (Abb. 3.5-3).
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W. Michaeli et al.
Intensiät
Intensiät
Zeit
Zeit
Abb. 3.5-3. Typische Pulsform für das Punktschweißen
Bei einigen Werkstoffen ist es von Vorteil, das Bauteil vorzuwärmen, was durch die in Abb. 3.5-3 links dargestellte Pulsform erreicht wird. Andere Werkstoffe wiederum benötigen eine hohe Anfangsintensität, um bestehende Oxidschichten aufzubrechen und anschließend in die Schmelze einzukoppeln (Abb. 3.5-3 rechts). Aus metallurgischen Gründen kann es sinnvoll sein, die Fügezone noch nachzuwärmen, was durch die in beiden Pulsformen dargestellte Leistungsreduzierung am Pulsende geschieht. Typische Pulsdauern für das Punktschweißen liegen im Bereich von 3 bis 15 ms. Beim reinen Wärmeleitungsschweißen beträgt die Einschweißtiefe etwa den halben Durchmesser des Schweißpunktes auf der Oberfläche. Bei entsprechend größerer Intensität kommt es zur Verdampfung des Werkstoffs und zur Ausbildung einer Dampfkapillaren, welche in das Werkstück eindringt. Durch den auf diese Weise erzeugten Tiefschweißeffekt wird die Einschweißtiefe deutlich erhöht. Aufgrund der komplexen Verhältnisse in Geometrie und Wärmeleitung ist beim Mikroschweißen eine Unterscheidung zwischen reinem Wärmeleitungsschweißen und reinem Tiefschweißen jedoch kaum möglich. Eine besondere Bedeutung kommt beim Punktschweißen der Qualitätssicherung zu. Kann aus Platzgründen nur ein Schweißpunkt gesetzt werden, multipliziert sich die Ausfallwahrscheinlichkeit für eine Baugruppe mit der Anzahl der Schweißpunkte. Ist die Ausfallwahrscheinlichkeit für einem Schweißpunkt 0,1%, liegt sie bei einer Baugruppe mit 50 Schweißpunkten bereits bei 5 %. Deshalb ist es sinnvoll, geeignete Prozessüberwachungssysteme in den Schweißprozess zu integrieren. Hierfür kommen Photo-optische, thermische und akustische Messungen in Frage. Abb. 3.5-4 zeigt zwei typische Anwendungen für das Punktschweißen.
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
109
Abb. 3.5-4. Typische Anwendungen für das Punktschweißen
In Abb. 3.5-4 links zeigt eine REM-Aufnahme einer Punktschweißung bei einem Durchflusssensor. Hier wurde ein Platindraht mit einem Durchmesser von 12,7 µm auf einen Stift bestehend aus CuBe2 aufgeschweißt. Erschwerend bei solchen Anwendungen ist, dass die Fügepartner sehr unterschiedliche geometrische Abmessung aufweisen. So kann der dünnere Fügepartner bereits zerstört sein, bevor der dickere Aufschmelzungen aufweist. In Abb. 3.5-4 rechts ist ein Schweißpunkt auf verzinntem Kupfer der Dicke 0,3 mm zu sehen. Um den eigentlichen Schweißpunkt ist eine deutliche Gefügeänderung der Zinnschicht zu sehen. Pulsnahtschweißen. Beim Pulsnahtschweißen wird die Naht durch aufeinanderfolgende Einzelpulse erzeugt. Die Nahtlänge ist damit beliebig skalierbar. Der Energieeintrag in das Werkstück ist jedoch sehr groß, da für jeden einzelnen Schweißpunkt alle Prozessschritte des Punktschweißens durchlaufen werden. Dies kann zu Verzug oder thermischer Schädigung des Werkstücks führen. Abb. 3.5-5 zeigt den verschweißten Deckel des Batteriegehäuses eines Herzschrittmachers.
Abb. 3.5-5. Typische Anwendungen für das Pulsnahtschweißen /LASAG
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W. Michaeli et al.
Wichtige Prozessparameter beim Pulsnahtschweißen sind neben Pulsleistung und -dauer die Pulsfolgefrequenz und der Vorschub. Beide zusammen bestimmen, mit dem Strahldurchmesser, den Überlapp der einzelnen Schweißpunkte. Dieser liegt typischerweise, wie auch beim Abtragen üblich, bei ca. 60%. Kontinuierliches Nahtschweißen. Zum kontinuierlichen Nahtschweißen werden in der Mikrotechnik selten cw-Laser eingesetzt, da diese in der Regel einen zu großen Strahldurchmesser aufweisen. Der Einsatz eines gepulsten Festkörperlasers bietet auch für das kontinuierliche Nahtschweißen deutliche Vorteile. Eine entsprechende Prozessführung kann mit der SHADOW®Schweißtechnik (Stepless High Speed Accurate and Discrete One Pulse Welding) erreicht werden. Die Schweißnähte, welche in der Regel nur wenige Millimeter lang sind, werden bei dieser Schweißtechnik mit einem einzelnen Laserpuls von bis zu 50 ms Dauer erzeugt. Die Schweißgeschwindigkeit liegt dabei typischerweise zwischen 10 und 50 m/min. Aufgrund der kurzen Prozesszeiten und der hohen Schweißgeschwindigkeiten stellt die SHADOW®-Technik hohe Anforderungen die Werkstück- bzw. Strahlpositionierung. Um reproduzierbare Schweißergebnisse zu erhalten ist insbesondere die Synchronisation des Handlingsystems, mit dessen Hilfe der Vorschub erzeugt wird, mit der Laserstrahlquelle notwendig. Aus diesem Grund kommen nur Laserstrahlquellen mit Echtzeitschnittstellen für die SHADOW®-Technik in Frage. Als Handlingsystem sind Verfahrtische aufgrund ihrer begrenzten Dynamik nur bedingt geeignet. Die besten Ergebnisse werden mit Galvanometerscannern erzielt, mit deren Hilfe der Strahl während der Dauer des Laserpulses über das stehende Werkstück bewegt wird. Die Schweißgeschwindigkeit sollte bei der SHADOW®-Technik möglichst groß gewählt werden, da mit zunehmender Schweißgeschwindigkeit aufgrund geringerer Schmelzbadüberhitzung weniger Schweißporen auftreten. Des weiteren sinkt die Energieeinbringung ins Werkstück aufgrund der geringeren Wärmeleitungsverluste. Die Schweißgeschwindigkeit kann jedoch nicht unbegrenzt gesteigert werden. Wie beim Tiefschweißen von dickeren Blechen tritt auch bei der SHADOW®-Technik Humping auf. Kleinere Strahlradien führen dabei zu geringeren Schmelzströmgeschwindigkeiten, so dass die Grenzgeschwindigkeit für Humping zu größeren Geschwindigkeiten verschoben wird. Abb. 3.5-6 links zeigt eine mögliche Anwendung für das kontinuierliche Nahtschweißen. Hier wurde ein dreiteiliges Zwischenrad einer Uhr verschweißt.
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
111
Abb. 3.5-6. Typische Anwendungen für das Nahtschweißen
Abb. 3.5-6 rechts zeigt einen Querschliff durch eine mit der SHADOW®-Technik erzeugte Schweißnaht. In diesem Fall wurde ein Edelstahl- (oben) mit einem Messingblech (unten) im Überlappstoß verschweißt. Die Laserstrahlung wurde dabei in den Edelstahl eingekoppelt. Aufgrund der guten Wärmeleitfähigkeit von Messing wurde der Edelstahl während des Schweißprozesses stark gekühlt. Dies erklärt die Form der Schweißnaht. Intensiät
Intensiät
Zeit
Zeit
®
Abb. 3.5-7. Typische Pulsformen für die SHADOW -Technik
Zu berücksichtigen ist, dass Nahtanfang und –ende räumlich eng zusammenliegen und bei kurzen Nähte einen nicht unerheblichen Anteil an der Schweißnahtlänge haben. Deshalb ist auch hier eine Pulsformung auf jeden Fall sinnvoll. Für hochreflektierende Werkstoffe wie z.B. Kupfer bietet sich eine Pulsform mit einer Leistungsüberhöhung am Pulsbeginn an, um ein sicheres Einkoppeln der Laserstrahlung zu gewährleisten (Abb. 3.5-7 rechts). Bei Werkstoffen, die einen geringeren Reflektionsgrad
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W. Michaeli et al.
aufweisen, kann eine Pulsform mit einer kontinuierlichen Leistungssteigerung am Pulsbeginn gewählt werden, um Spritzerbildung zu vermeiden (Abb. 3.5-7 links). Der Energieeintrag ist insgesamt geringer als beim Pulsnahtschweißen, da weniger Aufheiz- und Abkühlvorgänge vorliegen. Dadurch sinkt die Gefahr von Verzug. Ein Grossteil der Energie wird in die flüssige Phase eingekoppelt. Die Schweißnähte werden dadurch gleichmäßiger und es entsteht in der Regel weniger Verschmutzung. Voraussetzungen und Verfahrensgrenzen
Soll das Laserstrahlmikroschweißen als Fügeverfahren zum Einsatz kommen, so muss grundsätzlich geprüft werden, ob die jeweilige Fügeaufgabe dafür geeignet ist. Kantenversatz im Stumpfstoß oder Fügespalte im allgemeinen führen zu Randkerben, die die Festigkeit der Verbindung reduzieren. Ein Übermäßig starker Nahteinfall kann ebenfalls Folge eines Fügespalts sein. Ein weiterer Einflussfaktor ist der Oberflächenzustand der zu fügenden Bauteile. Oberflächenverunreinigungen wie Fette oder Öle aus vorangegangenen Fertigungsschritten führen zu einer veränderten Absorption mit verändertem Schweißergebnis. Auch die Gefahr der Porenbildung steigt. Reproduzierbare Spannbedingungen sind ebenfalls absolute Voraussetzung für reproduzierbare Schweißergebnisse. Die thermische Masse und die Bauteile sind so klein, dass Unterschiede in Lage, Fügespalte oder Spannkraft oft nicht kompensiert werden können. Des weiteren hat die Lage des Fokus zur Oberfläche einen entscheidenden Einfluss auf das Schweißergebnis. Eine Defokussierung durch Fehlplatzierung des Bauteils führt in erster Näherung zu einer Verbreiterung der Naht. Da sich aber auch die Intensitätsverteilung ändert, kann es zu stark veränderten Schweißergebnissen kommen. Letztendlich kann auch der Betriebszustand der Laserstrahlquelle die Schweißergebnisse beeinflussen. Wird der Laser an der oberen oder unteren Leistungsgrenze betrieben, kann sich die Leistung, Intensitätsverteilung oder Pulsform von Puls zu Puls stark ändern. Dies resultiert in unregelmäßigen Schweißpunkten bzw. –nähten. 3.5.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen Das Schweißen von Kunststoffen ist ein stoffschlüssiger Fügeprozess, bei dem die Verbindung auf molekularer Ebene zu Stande kommt. Um eine Verbindung zu ermöglichen, müssen die zu verschweißenden Thermoplas-
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
113
te in der Fügezone im schmelzeflüssigen Zustand vorliegen. Nur dadurch kann eine intermolekulare Diffusion zu einer Verschlaufung von Molekülketten führen (Michaeli 1999; Hänsch 2001; Ehrenstein 2004). Das Laserstrahlschweißen ist im Vergleich zu anderen Verfahren (z.B. Ultraschallschweißen, Heizelementschweißen) erst seit einigen Jahren in der Industrie etabliert. Es sind grundsätzlich zwei verschiedene Verfahrensvarianten zu unterscheiden (Klein 2001; Korte 19989). Das Laserstumpfschweißen ist aufgrund des mehrstufigen Verfahrensablaufes dem Heizelementschweißen sehr ähnlich. Es lässt sich ebenso in die Erwärm-, die Umstell- und die Fügephase unterteilen (Korte 1998). Beim Laserstumpfschweißen wird lediglich die Erwärmung über ein Lasersystem realisiert. Aufgrund fehlender Verfahrensvorteile wird es bisher für das Schweißen von Kunststoffmikrobauteilen nicht eingesetzt. Aus diesem Grund wird auf eine detaillierte Darstellung verzichtet. Das Laserdurchstrahlschweißen ist demgegenüber das weitaus innovativere Verfahren, das durch seine spezifischen Eigenschaften aufgrund des Erwärmungsprinzips und der vielfältigen Verfahrensvarianten eine Reihe von Anforderungen an zu schweißende Mikrobauteile erfüllen kann (Hänsch 2001; Klein 2001; Korte 1998; Schulz 2002). Prinzip des Laserdurchstrahlschweißens
Das Laserdurchstrahlschweißen ist im Gegensatz zum Laserstumpf– schweißen ein einstufiger Prozess, bei dem die Erwärmung des Kunststoffes und der Fügevorgang parallel ablaufen (Klein 2001; Schulz 2002). Bereits vor der Energieeinbringung werden die Fügepartner in der gewünschten Endlage positioniert und der Fügedruck aufgebracht (Klein 2001). Beim Laserdurchstrahlschweißen werden unterschiedliche optische Eigenschaften der Fügepartner gezielt ausgenutzt. Während das zu durchstrahlende Bauteil einen hohen Transmissionsgrad aufweist, muss der andere Fügepartner einen hohen Absorptionsgrad besitzen. Diese Eigenschaften beziehen sich auf die Wellenlänge λ der verwendeten Laserquelle (Klein 2001; Korte 1998; Schulz 2002). Der Prozessablauf ist in Abb. 3.5-8 schematisch dargestellt. Der Fügepartner 1, der für das Laserlicht transparent ist, wird vom Laserstrahl ohne nennenswerte Erwärmung durchstrahlt. Erst im Fügepartner 2, der einen hohen Absorptionsgrad im Bereich der Wellenlänge des Laserlichtes aufweist, wird der Laserstrahl in einer dünnen, oberflächennahen Schicht vollständig absorbiert. Dort findet eine Transformation von elektromagnetischer Energie in Wärmeenergie statt (Russek 2003). Dadurch entsteht eine Schmelzeschicht in der Fügezone des absorbierenden Fügepartners 2. Aufgrund von Wärmeleitungsprozessen werden die tieferen Schich-
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W. Michaeli et al.
ten des Fügepartners 2 sowie der Fügepartner 1 im Bereich der Fügezone plastifiziert (Schulz 2002). Der Fügepartner 1 wird demnach ausschließlich indirekt erwärmt.
Abb. 3.5-8. Prinzip des Laserdurchstrahlschweißens
Der Fügedruck wird von außen durch die Fügevorrichtung aufgebracht. Er wird benötigt, um eine möglichst spaltfreie Berührung der Bauteile in der gesamten Fügefläche zu erzielen. Dies ist bei komplexen Bauteilen, die sich aufgrund von Schwindung und Verzug durch den Fertigungsprozess an den Toleranzgrenzen der Bauteilabmessungen befinden, ein wichtiger Aspekt. Spalte zwischen den Fügepartnern beeinträchtigen die Wärmeleitung, so dass ein Aufschmelzen des transparenten Fügepartners verhindert wird (Haberstroh 2002; Russek 2003). Weiterhin ist der Fügedruck für die Ausbildung einer guten intermolekularen Verbindung der beiden Fügepartner erforderlich. Wie bei allen Schweißverfahren, muss auch beim Laserdurchstrahlschweißen der Fügedruck in der Abkühlphase aufrecht erhalten werden, um der Volumenkontraktion des Kunststoffes entgegen zu wirken. Auf diese Weise können Fehlstellen in Form von Lunkern, die die Schweißnahtqualität beeinträchtigen, vermieden werden (Hänsch 2001; Klein 2001; Korte 1998; Michaeli 1999; Schulz 2002). Bei den Laserquellen, die für das Laserdurchstrahlschweißen eingesetzt werden können, handelt es sich um Festkörperlaser (Neodym: YttriumAluminium-Granat, Nd:YAG, λ = 1064 nm) oder Hochleistungsdiodenlaser (HDL, λ = 808 – 980 nm) (Klein 2001; Korte 1998; Schulz 2002).
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
115
Sowohl Nd:YAG- als auch HDL emittieren monochromatische Strahlung im Nahen-Infrarot (NIR)-Bereich. In diesem Wellenlängenbereich (λ = 800 nm bis λ = 1100 nm) weisen nahezu alle naturfarbenen und unverstärkten Thermoplaste einen hohen Transmissionsgrad auf (Hänsch 2001; Klein 2001; Schulz 2002). Somit ist die Hauptbedingung in Bezug auf die optischen Eigenschaften des transparenten Fügepartners erfüllt. Für den absorbierenden Fügepartner müssen Laser absorbierende Pigmente zugesetzt werden. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine Rußpigmentierung, die über einen sehr weiten Wellenlängenbereich Strahlung absorbiert (Klein 2001; Korte 1998; Schulz 2002). Daraus resultiert jedoch eine für das menschliche Auge schwarze Farbe dieser Bauteile. Darüber hinaus existieren so genannte Infrarot-Absorber (IR-Absorber), die lediglich in einem engen Wellenlängenbereich des NIR einen hohen Absorptionsgrad besitzen. Diese IR-Absorber sind teilweise für das menschliche Auge farblos oder weisen eine nicht-schwarze Farbe auf. Durch die Verwendung von IR-Absorbern können auch nicht-schwarze Bauteile mit Laserstrahlung geschweißt werden. Unabhängig von den unten beschriebenen Verfahrensvarianten besitzt das Laserdurchstrahlschweißen folgende Eigenschaften und Vorteile gegenüber anderen Schweißverfahren für Kunststoffe, die dieses Verfahren für den Einsatz in der Mikrotechnik qualifizieren (Klein 2001; Korte 1998; Russek 2003; Schulz 2002): • • • • • • • • • •
berührungslose Energieeinbringung keine mechanische Belastung der Fügepartner durch den Energieeintrag keine schwingende Belastung der Fügepartner geringe Wärmeeinflusszone durch lokal begrenzten Energieeintrag keine thermische Belastung empfindlicher Bauteilbereiche keine Oberflächenmarkierungen durch den Schweißprozess große Designfreiheit der zu schweißenden Bauteile gute Automatisierbarkeit und Integrierbarkeit in Serienfertigungen Schweißen von vormontierten Bauteilen möglich gutes äußeres Erscheinungsbild für Nähte in Sichtbereichen
Demgegenüber stehen jedoch auch einige Limitationen (Russek 2003): • • • •
Fügepartner müssen unterschiedliche optische Eigenschaften besitzen Laser absorbierende Pigmentierung muss verwendet werden möglichst spaltfreies Berühren der Fügepartner ist notwendig Schweißnaht muss vom Laserstrahl erreichbar sein
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Der Laserdurchstrahlschweißprozess, die daraus resultierende Schweißnahtmorphologie, die mechanischen Schweißnahteigenschaften sowie das äußere Erscheinungsbild der Schweißnaht werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Sowohl Veränderungen der Materialeigenschaften, der verwendeten Parameter des Schweißprozesses als auch der zu schweißenden Geometrie haben Auswirkungen auf die Schweißnahtqualität. Unter Beachtung dieser werkstoff-, geometrie- und prozessspezifischen Zusammenhänge lässt sich eine Anwendung mit reproduzierbaren Schweißnahteigenschaften in eine industrielle Fertigung integrieren. Verfahrensvarianten
Grundsätzlich lassen sich vier verschiedene Verfahrensvarianten unterscheiden, die alle prinzipiell für den Einsatz in der Mikrotechnik geeignet sind. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale liegen in der Art der Energieeinbringung sowie der Strahlformung. Die Auswahl einer Variante ist von mehreren Kriterien abhängig, die von Anwendung zu Anwendung priorisiert werden müssen. Dabei sind die Komplexität der Fügenahtgeometrie (2D oder 3D), die zu fertigende Stückzahl, die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel sowie die Anforderungen an die Schweißnahteigenschaften von großer Bedeutung. Im Folgenden werden die Grundzüge des Kontur-, des Simultan- und des Quasi-Simultanschweißens sowie der Maskentechnik vorgestellt. Für weiterführende Informationen sei auf die jeweils angegebene Literatur verwiesen. Das Konturschweißen ist die zurzeit am weitesten verbreitete Variante des Laserdurchstrahlschweißens (Hänsch 2001). Hier wird ein auf die Fügezone fokussierter Laserstrahl mit Hilfe einer Verfahreinheit über die Fügenaht geführt (Abb. 3.5-9), wobei in der Regel ein einmaliges Abfahren ausreicht, um hohe Schweißnahtqualitäten zu erzielen. Die dabei verwendeten Verfahreinheiten müssen in der Lage sein, die Bewegung des Lasers mit konstanter Geschwindigkeit durchzuführen. Hier eignen sich besonders mehrachsige Robotersysteme, die zudem die größtmögliche Bewegungsfreiheit gewährleisten, so dass mit dem Konturschweißen komplexe und dreidimensionale Fügenahtgeometrien realisiert werden können.
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
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Abb. 3.5-9. Prinzip des Konturschweißens
Im Vergleich zu anderen Verfahrensvarianten (Simultanschweißen, Quasi-Simultanschweißen) bildet sich beim Konturschweißen kein nennenswerter Fügeweg aus, weil lediglich sequenziell eine Schmelze vorliegt. Daher ist die Forderung nach geringen Spalten zwischen den zu fügenden Bauteilen bei dieser Variante des Laserdurchstrahlschweißens besonders wichtig. Es hat sich gezeigt, dass lediglich ein Spalt von maximal 100 µm zwischen den Fügeteilen zulässig ist, so dass schon bei der Herstellung der zu schweißenden Bauteile die Einhaltung enger Toleranzen notwendig ist. Die Schweißzeit ergibt sich beim Konturschweißen aus der Länge der Schweißnaht, der Laserleistung und der Verfahrgeschwindigkeit des Lasers. Die verwendete Laserleistung sowie die Verfahrgeschwindigkeit sind vom zu schweißenden Material (teilkristallin, amorph), von der Pigmentierung (Absorptionseigenschaften, Pigmentkonzentration) sowie von der Geometrie der Bauteile abhängig (durchstrahlte Dicke). Die für das Konturschweißen eingesetzten Lasersysteme weisen in der Regel eine maximale Ausgangsleistung von PL < 200 W auf. Die Laserintensität, die sich aus der Laserleistung und der Fokusfläche ergibt, ist in Kombination mit der Einstrahlzeit die für die Erwärmung des Kunststoffes entscheidende laserseitige Größe. Typische Fokusdurchmesser, die beim Konturschweißen von Mikrobauteilen verwendet werden, liegen in einem Bereich DF > 200 µm. Für das Konturschweißen können sowohl Nd:YAG- als auch Hochleistungsdiodenlaser (HDL) eingesetzt werden, wobei eine Faserkopplung
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des Laserstrahls häufig angestrebt wird, da sie die Flexibilität der Verfahrbewegung zusätzlich erhöht. Beim Simultanschweißen erfolgt das Aufschmelzen der gesamten Nahtkontur gleichzeitig. In der Regel wird ein System aus mehreren Hochleistungsdiodenlasern so angeordnet, dass die komplette Nahtkontur simultan bestrahlt wird (Abb. 3.5-10). Die Fokusse der einzelnen Laserstrahlen bilden dabei den Gesamtfokus, der auf die Fügenahtgeometrie angepasst ist. Während des Schweißprozesses erfolgt keine Relativbewegung zwischen dem Lasersystem und dem Bauteil, da beide ortsfest positioniert sind. Die Erwärmung erfolgt durch einen oder mehrere Laserpulse simultan, so dass in der Fügezone an jeder Stelle gleichzeitig Schmelze vorliegt. Voraussetzung für eine homogene Ausbildung der Schweißnahtmorphologie und damit für gute Schweißnahteigenschaften ist eine homogene Intensitätsverteilung in den verwendeten Einzel-Laserstrahlen.
Abb. 3.5-10. Prinzip des Simultanschweißens
Im Vergleich zum Konturschweißen können beim Simultanschweißen extrem kurze Schweißzeiten (tSchw. < 1s) realisiert werden. Deshalb ist dieses Verfahren für die Serienfertigung hoher Stückzahlen sehr interessant. Nachteilig ist die Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Fügenahtgeometrie, da zurzeit die Geometrie nahezu auf Konturen mit geraden Linien beschränkt ist (Hänsch 2001; Klein 2001; Russek 2003; Schulz 2002). Eine Variante des Laserdurchstrahlschweißens, die ebenfalls häufig für komplexere Schweißnahtkonturen eingesetzt wird, ist das QuasiSimultanschweißen. Hier wird der Laserstrahl durch nahezu frei program-
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
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mierbare Scannerspiegel mit einer hohen Geschwindigkeit (z.B. 10 m/s) entlang der Fügenaht geführt. Durch die hohe Geschwindigkeit kann die Fügefläche mehrmals innerhalb einer Sekunde (z.B. 40/s) abgefahren werden, wodurch die gesamte Fügefläche nahezu zeitgleich (quasi simultan) erwärmt und plastifiziert wird (Abb. 3.5-11). Beide Fügepartner werden dabei unter Druck gehalten. Dieses Verfahren ist flexibel einsetzbar und es können in begrenztem Umfang auch Bauteile mit dreidimensionalem Fügenahtverlauf geschweißt werden. Da es sich im Prinzip um ein Konturschweißen handelt, können die Vorteile dieses Verfahrens und die des Simultanschweißens gleichermaßen genutzt werden.
Abb. 3.5-11. Prinzip des Quasi-Simultanschweißens
Beim Quasi-Simultanschweißen kann sich ein Fügeweg ausbilden, so dass wie beim Simultanschweißen Ungleichmäßigkeiten in der Fügefläche abgeschmolzen oder größere Spalte überbrückt werden können. Für dieses Verfahren werden teilweise HDL, jedoch überwiegend Nd:YAG-Laser mit kreisförmiger Fokusgeometrie verwendet. Auch hier sind die Laserleistungen material und geometrieabhängig. Schweißanlagen, die HDL verwenden, weisen Strahldurchmesser von DF > 300 µm auf. Bei Nd:YAG-Lasern liegen sie bei DF > 20 µm. Die Lasersysteme für das Quasisimultanschweißen verfügen aufgrund der hohen Verfahrgeschwindigkeiten über maximale Laserleistungen in einem Bereich PL > 200 W.
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Aufgrund der von einem Punkt des Scannersystems ausgehenden Strahlung liegen am Kunststoffbauteil in den seltensten Fällen ideale, d.h. senkrechte Einstrahlverhältnisse vor, was bei der Auslegung einer Verbindung berücksichtigt werden muss. Ein Verfahren, das eine alternative Strahlformung verwendet und auf diese Weise komplexe, jedoch zweidimensionale Fügenahtstrukturen realisieren kann, ist die Maskentechnik. Hier wird in den Strahlengang eines linienförmigen Laserstrahls eine Maske positioniert (Abb. 3.5-12). Diese enthält an die Fügenahtstruktur angepasste Aussparungen, durch die die Laserstrahlung hindurchtreten kann (Chen 2000; Kocheny u. Zybko 2002). In den anderen Bereichen wird der Strahl reflektiert. Auf diese Weise wird demnach beim Überfahren der Maske mit dem Laserstrahl in der Fügezone nur dort eine Schweißung ermöglicht, wo die Maske Aussparungen aufweist (Chen 2000). Der Einsatz der Masken erlaubt es, feine Schweißnähte sehr exakt anzubringen. Es können Schweißnahtbreiten von bnaht = 100 µm erzielt werden, so dass dieses Verfahren für die Mikrotechnik ein besonders großes Potenzial besitzt (Chen u. Hinz 1999; Chen 2000). Die Maskentechnik bietet darüber hinaus die Möglichkeit, vielfältige Schweißnahtstrukturen herzustellen. An einem Bauteil lassen sich in einem Arbeitsgang gerade und gekrümmte Schweißnähte unterschiedlicher Breite erzeugen sowie flächige Bereiche schweißen (Chen u. Hinz 1999; Chen 2000).
Abb. 3.5-12. Prinzip der Maskentechnik
3.5 Laserstrahlmikroschweißen
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Für die Maskentechnik werden ausschließlich HDL mit in der Regel linienförmigen Strahlabmessungen (z.B. l x b = 20 x 1 mm2) eingesetzt. Um eine zufriedenstellende Übertragung der Maskengeometrie in die Fügezone zu gewährleisten, muss die Laserstrahlung, bevor sie auf die Maske trifft, kollimiert bzw. parallelisiert werden. Darüber hinaus wird eine homogene, möglichst gleichmäßige Intensitätsverteilung im Laserstrahl gefordert (Chen 2000). In Maskenschweißanlagen werden HDL mit maximalen Ausgangsleistungen in einem Bereich PL < 200 W (Russek 2003) eingesetzt. Die eingesetzten Masken können z.B. durch Laserschneiden aus dünnem Blech hergestellt oder mit fotolithografischen Methoden auf chrombeschichteten Glasscheiben gefertigt werden. Die fotolithografisch hergestellten Chrommasken weisen dabei eine größere Flexibilität bezüglich der Geometrie und eine größere Genauigkeit auf (Chen 2000). Literatur Beck M (1996) Modellierung des Lasertiefschweißens. B.G. Teubnerverlag Stuttgart 1996 Chen JW, Hinz O (1999) Masken für kleines Feines. Laser-Praxis 5: S 26-31 Chen JW (2000) Mit der Maske in die Mikrowelt. TAE-Aktuell 12: S 2-4 Dilthey U (2000) Laserstrahlschweißen: Prozesse, Werkstoffe, Fertigung und Prüfung. DVS-Verlag Düsseldorf Dorn L (1992) Schweißen und Löten mit Festkörperlasern. Springer Verlag Berlin Ehrenstein G (2004) Handbuch Kunststoff-Verbindungstechnik. Carl Hanser Verlag: München Glasmacher M (1998) Mikroschweißen mit Laserstrahlung. Meisenbach Verlag Bamberg Haberstroh E. (2002) Weiterentwicklung des Laserstrahlschweiß–verfahrens und Prozessanalyse zum Fügen von Polymer-Bauteilen mit dreidimensionaler Fügeebene, Abschlussbericht zum AiF-Forschungsvorhaben Nr. 12510 N, RWTH Aachen Hänsch D (2001) Die optischen Eigenschaften von Polymeren und ihre Bedeutung für das Durchstrahlschweißen mit Diodenlaser. Dissertation, RheinischWestfälische Technische Hochschule Aachen Herziger G u. Loosen P (1993) Werkstoffbearbeitung mit Laserstrahlung. Carl Hanser Verlag München, Wien Klein H (2001) Laserschweißen in der Mikrotechnik. Dissertation, RheinischWestfälische Technische Hochschule Aachen Korte J (1998) Laserschweißen von Thermoplasten. Dissertation, Universität - GH Paderborn Kocheny SA, Zybko J (2002) Three Approaches in Utilizing High Power Diode Laser to join Thermoplastics. Society of Plastics Engineers (SPE), Proceed-
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3.6 Elektronenstrahl-Schweißen U. Dilthey, A. Brandenburg, G. Smolka Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen
3.6.1 Einleitung Die Elektronenstrahltechnik blickt auf eine nunmehr über 50-jährige Tradition zurück. Ihr Erfolg ist hauptsächlich dem Schweißen im Dickblechbereich und dem Verbinden von Sondermetallen und Werkstoffkombinationen zuzuschreiben. Bisherige Versuche, das Verfahren zum Fügen von Kleinstbauteilen von nur wenigen Mikrometern einzusetzen, wurde aus vielerlei Gründen verworfen. Der wesentliche technologische Aspekt ist die für diese Größenordnung nicht ausgelegte Anlagentechnik. Minimal realisierbare Strahlleistungen von 100 W sind in etwa um den Faktor 10 zu hoch und kleinste auf 100 µm bis 200 µm fokussierbare Strahldurchmesser bewegen sich im Bereich der Bauteilgeometrie und sind somit immer noch viel zu groß. Wie durchgeführte Berechnungen gezeigt haben, erscheint der Ansatz, ein Rasterelektronenstrahlmikroskop (REM) als Schweißwerkzeug zu nutzen, vielversprechender. Eine maximale Beschleunigungsspannung von 30 kV und ein Sondenstrom von 200 µA führen rein rechnerisch zu einer maximalen Strahlleistung im Strahlerzeuger von 6 W. Leistungsverluste infolge Abschirmung durch Blenden und Streuung in der Strahlsäule reduzieren diese jedoch bis auf ca. 3 bis 4 W am Werkstück (Dilthey et al. 2000a). Gemessene Strahldurchmesser im Fokus zwischen 10 µm und 20 µm kommen der Forderung nach entsprechend schmalen Schweißnähten nach. Dieses Maschinenkonzept besitzt zudem einen ganz anderen wesentlichen Vorteil: Die Technologie vereint in einer Anlage zwei Basisfunktionen: Beobachten und Schweißen. Der beim Schweißen eingesetzte Elektronenstrahl entspricht dem Fluss elektrisch negativ geladener Elementarteilchen. Diese emittieren üblicherweise aus einer elektrisch geheizten Kathode und werden zwischen dieser Kathode und einer räumlich gegenüber liegenden Anode auf Geschwindigkeiten zwischen 1/3 und 2/3 der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.
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Fokussierende elektromagnetische Linsensysteme bündeln alle Elektronen auf einen extrem geringen Durchmesser – den Fokus. Elektromagnetische Ablenkspulen bewegen den Elektronenstrahl gezielt aus seiner senkrechten Achse heraus. Beim Aufprall auf metallische Werkstücke werden die Elektronen auf kürzester Strecke abgebremst und geben ihre Bewegungsenergie größtenteils in Form von Wärme ab. Eine Relativbewegung zwischen dem Werkstücke und dem Strahl führt dann zu einer linienartigen Schweißraupe. Je nach Leistungsdichte des Strahlflecks wird das Elektronenstrahlschweißen in das Wärmeleitungsschweißen und das Schweißen mit Dampfkapillare – der so genannte Tiefschweiß-Effekt – eingeteilt. Gerade das Schweißen infolge der Ausbildung eines Dampfkanals ermöglicht die für diese Technologie so markanten tiefen und schmalen Schweißnähte, die unter den Schweißverfahren in dieser Form konkurrenzlos sind. Die Elektronenstrahltechnologie zeichnet sich insbesondere durch folgende verfahrenstechnische Vorteile aus (Schultz 2000): • Schweiß- und Analyseoperationen in einer Anlage integriert, • trägheitsloses dynamisches Ablenken des Elektronenstrahles in beliebigen Frequenzen, Formen und Richtungen, • extrem hohe Leistungsdichte bis 107 W/cm2 möglich, • über den sehr kleinen Strahldurchmesser selektiv lokal eingebrachte Wärmemenge, • Schweißen im Hochvakuum, daher kein Schutz vor oxidierender Umgebung und Verunreinigung notwendig, • zahlreiche Prozessvarianten aufgrund der flexiblen Steuerungsmöglichkeiten des Elektronenstrahls. 3.6.2 Technologie Modifikationen
Der konventionelle Aufbau einer REM-Elektronenstrahlsäule mit zwei Kondensorlinsen, einer Objektivlinse und einer Reihe von Blenden reduziert die Strahlleistung und verkleinert den Strahlfleck über das zum Schweißen erforderliche Maß hinaus. Die oben angegebenen Werte für die effektive Strahlleistung und den Fokusdurchmesser können daher nur dann erzielt werden, wenn das REM bestimmten technischen Veränderungen unterzogen wird. Diese betreffen folgende Gesichtspunkte: • Reversible Elimination der 2. Kondensorlinse • Reversible Vergrößerung des Aperturblenden-Durchmessers oder Elimination der Aperturblende
3.6 Elektronenstrahl-Schweißen
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• Auslegung der Kathodenheizung und der Kathode auf stärkere Ausheizung • Erhöhung der Verkleinerungsfaktoren der beiden elektromagnetischen Linsen Die beiden erst genannten Aspekte sind in Abb. 3.6-1, die neben des genutzten REM den Strahlengang der Schweißanlage in den beiden Betriebszuständen „Beobachten“ und „Schweißen“ schematisch darstellt, angedeutet. Da beide Funktionen genutzt werden sollen, müssen die Modifikationen reversibel sein. Das Ausschalten der 2. Kondensorlinse bewirkt neben der höheren Strahlleistung zusätzlich die Verschiebung der Brennweite der 1. Kondensorlinse. Dies führt dazu, dass eine schweißgerechte Abbildung des Strahlflecks nur dann möglich ist, wenn ein Brennweitenabgleich von Kondensorlinse und Objektivlinse über die entsprechenden Steuerströme vorgenommen wird. Zur Erzielung eines größeren Strahldurchmessers und höherer Strahlströme müssen die beiden letzt genannten Modifikationen durchgeführt werden.
Abb. 3.6-1. Vereinfachter Strahlengang im Analyse- und im Schweißbetrieb
In Tabelle 3.6-1 sind die wichtigsten technischen Spezifikationen des am ISF für den Schweißbetrieb modifizierten REM DSM 962 der Fa. Carl Zeiss SMT AG zusammengefasst. Wesentlich für die effektive Strahlleistung sind die Größen Beschleunigungsspannung und Strahlstrom, wobei die für den Prozess so entscheidende kinetische Energie der Elektronen über die Beschleunigungsspannung aufgenommen wird. Diese sollte den minimalen Wert von 30 kV nicht unterschreiten. Eine Kompensation durch den Emissionsstrom bei niedrigeren Beschleunigungsspannungen ist kaum möglich.
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Tabelle 3.6-1. Technische Spezifikationen des DSM 962 im Schweißbetrieb Kathodenwerkstoff Kathodentyp Heizstrom IHeiz für Kathodenausheizung Beschleunigungsspannung UB Emissionsstrom IEm max. effektive Strahlleistung Steuerstrom der 1. Kondensorlinse IK1 Steuerstrom der Objektivlinse IObj
Wolfram Haarnadelkathode 3,2 A – 3,8 A (IHeiz = f(IEm)) 30 kV 0 – 200 µA 6W 230 mA – 290 mA 900 mA – 1600 mA (IObj = f(IK1))
Peripheriegeräte
5-Achs-Positionierer. In der schweißtechnischen Praxis müssen Mikrobauteile in verschiedenen Anordnungen zueinander gefügt werden. Die Güte einer Schweißverbindung ist neben der Fügestellenvorbereitung stark abhängig von der Zustellgenauigkeit der zu fügenden Komponenten. So führt beispielsweise eine nur sehr geringe Winkelabweichung zweier im IStoß zu verschweißenden Komponenten zu einem Spalt, der durch den sehr kleinen Strahldurchmesser von einigen wenigen Mikrometern nicht mehr kompensiert werden kann. In Folge dessen kommt es zu Fehlverbindungen. Da die hochpräzise Zustellung aufgrund der geringen Größe der zu fügenden Komponenten erst in der Bearbeitungskammer des REM erfolgen kann, gestatten zwei voneinander unabhängige Koordinatensysteme zum einen eine Relativbewegung der zu fügenden Komponenten zueinander und zum anderen die Positionierung des Fügebereiches zum Elektronenstrahl. Auch ein nachträgliches Korrigieren der Bauteillage ohne erneuter Entnahme der Komponenten aus der Präparatkammer ist so möglich. Zu diesem Zwecke sind im Präparatkammer-Inneren neben den bereits vorhandenen fünf Präparattisch-Achsen fünf weitere motorisierte Achsen integriert. Bei dieser Verstelleinrichtung handelt es sich um 3 Linearversteller und 2 Kippachsen. Die Vakuumtauglichkeit der Komponenten erlaubt die Aufrechterhaltung des für den Schweißprozess notwendigen Vakuums und einen zuverlässigen Betrieb der Motoren. Des weiteren ist es durch Selbsthemmung der Getriebe möglich, nach Erreichen einer gewünschten Position die Steuerung auszuschalten, wodurch der Elektronenstrahl von elektromagnetischen Feldern unbeeinflusst bleibt.
3.6 Elektronenstrahl-Schweißen
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Abb. 3.6-2. 5-Achs-Positionierer – links: Schema; rechts: integriert im REM
Das System ist so aufgebaut, dass eine Fügekomponente durch den 5Achs-Positionierer unabhängig von der zweiten Fügekomponente bewegt werden kann, Abb.3.6-2. Durch die zusätzliche Drehachse des REMMakrotisches ΘZ besitzt diese Komponente somit 6 Freiheitsgrade. Zusätzlich kann der gesamte Aufbau zur Achse des Elektronenstrahls über den Makrotisch des REM ausgerichtet werden. Hier stehen dem Benutzer in lateraler Richtung jeweils 70 mm Verfahrweg zur Verfügung, wodurch eine hohe Flexibilität in der Position der auszuführenden Schweißnaht und in der Bauteilgröße gewährleistet ist. Die Feinjustage findet über den Positionierer statt und ermöglicht auch hierbei ausgehend von einer Mittelposition der lateralen Achsen einen Verfahrweg von +/- 6,25 mm bei einer minimalen Schrittweite von 0,11 µm. Der Kippversteller ermöglicht zusätzlich Neigungen in zwei Achsen, um bspw. eine bestimmte Andruckkraft zu realisieren oder um ungenaue Winkelpositionen auszugleichen. Beide Koordinatensysteme stellen somit ein für die Realisierung komplexerer Schweißaufgaben flexibles wie notwendiges Positionier- und Handhabungssystem dar. Funktionsgenerator. Der wesentliche Vorteil der Elektronenstrahltechnik – seine Schnelligkeit – kommt erst durch die Anbindung eines Funktionsgenerators zum Zuge. Diese Hardwarekomponente generiert aus digitalen Daten Analogsignale zur Strahlablenkung. Im Gegensatz zum Funktionsumfang des REM sind diese Signale vom Anwender frei programmierbar und die dadurch generierten Ablenkbewegungen somit beliebig. Das Schweißen mehrerer vorfixierter in lateraler Richtung beliebig geformter Komponenten kann dadurch zeitsparend realisiert werden. Der Elektronenstrahl kann beispielsweise beim Schweißen elektrischer Kontaktierungen nahezu zeitverlustfrei von Kontaktierung zu Kontaktierung verfahren werden. Wird der Elektronenstrahl schnell genug von Punkt zu Punkt verfahren, entsteht der Eindruck einer gleichzeitigen
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Punkt verfahren, entsteht der Eindruck einer gleichzeitigen Bearbeitung mehrerer Fügestellen. Kreisnähte können auf diese Weise thermisch schonend durch paralleles Schweißen mehrerer Kreissegmente realisiert werden. Dies führt im allgemeinen zu geringerem Verzug. Ein Effekt, der mit Abnahme der Bauteildicke zunehmend interessanter wird. Darüber hinaus gestattet eine besondere Art der Strahlablenkung durch den Funktionsgenerator das Einbringen kleinster Gravuren – Bilder, Schriftzeichen, Strukturen -, die mit dem menschlichen Auge nicht mehr sichtbar sind.
Abb. 3.6-3. Prinzip der Figurerzeugung im Funktionsgenerator
Die generierten Analogsignale werden entsprechend der X- und YAchse separiert und den beiden Ablenkspulen zugewiesen. Diese setzen sich aus einer in den X-/Y-Amplituden und in Schweißrichtung gedrehten (vektorisierten) Pendelfigur sowie einem additiv überlagerten DC-Offset zusammen. Zusätzlich zur X-/Y-Modulation existiert parallel ein separater Z-Kanal-Generator, der zur Ansteuerung einer dynamischen Linse (Fokusverschiebung) oder zur Ansteuerung des Emissionsstromes (Leistungssteuerung) verwendet wird. Im ersten Fall lässt sich die Strahlintensität
3.6 Elektronenstrahl-Schweißen
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durch ein Auffächern des Strahlquerschnittes verändern. Im zweiten Fall kann gezielt während des Verfahrens die Leistung an die Schweißaufgabe angepasst werden. Der Signalfluss bei der Figurerzeugung ist in Abb. 3.6-3 dargestellt. Die Speicheraufteilung zwischen den Generatoren sowie die programmierte Anzahl von Figurpunkten ist beliebig. Die Auflösung pro Kanal beträgt 16 bit. Daraus ergibt sich eine größt mögliche 2-Kanal X-/YAblenkfigur von 100.000 Punkten oder z.B. 100 unterschiedliche Figuren á 1.000 Punkte. Für den praktischen Einsatz im Mikrobereich empfiehlt sich die Ablenkung des Elektronenstrahls mit Hilfe des Funktionsgenerators für die Programmierung von Verfahrwegen, die Strahlteilung oder die Strahloszillation. 3.6.3 Strahlführungsprinzipien Für den Anwender besteht in der schweißtechnischen Praxis die Möglichkeit, zwischen mehreren Verfahrensprinzipien zu wählen, Abb. 3.6-4. Sie unterscheiden sich im wesentlichen in der Art der Strahlführung auf dem Substrat. Während beim Single Scan der Elektronenstrahl mit fester Schweißgeschwindigkeit einmalig über den zu schweißenden Bereich geführt wird, erfolgt im Modus Multiple Scan ein Pendeln des Strahls über einen beliebigen Zeitraum mit vorgewählter Ablenkfrequenz. Die Wahl einer der beiden Varianten hängt von der Fügeaufgabe selbst ab. Der Single Scan eignet sich gut für das Fügen von Folien mit geringerer Wärmeleitung. Dieser Modus führt zu sehr sauberen, scharf begrenzten Nahträndern ohne Schweißnahtkerben. Der Schweißbetrieb im Multiple Scan bietet sich immer dann an, wenn der Energieeintrag fein dosiert erfolgen muss. Dies ist beispielsweise bei sehr dünnen Folien der Fall, so dass über den Faktor Zeit die Energiemenge gesteuert wird. Die Nähte sind hierbei ungleichmäßiger mit Neigung zur Ober- und Unternahtüberhöhung (Dilthey et al. 2000b). Eine weitere Variante der Energieeinkopplung ist ein Abscannen eines größeren Substratbereiches in lateraler Ebene. Dies wird ausgenutzt, um den Elektronenstrahl als Wärmequelle für einen Lötprozess zu nutzen. Hierzu werden in einem ersten Schritt auf die zu fügenden Mikrokomponenten speziell entwickelte niedrig schmelzende Lotwerkstoffsysteme appliziert. Die thermische Beeinflussung dieser Werkstoffe durch den Elektronenstrahl führt innerhalb der Lotwerkstoffe zur Ausbildung intermetallischer Phasen, wodurch es zu einer Verbindung der Fügekomponenten kommt. Gerade Werkstoffe mit guter Wärmeleitfähigkeit oder
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nicht metallische Werkstoffe können unter bestimmten Voraussetzungen durch das Mikroelektronenstrahllöten gefügt werden (Dilthey et al. 2001).
Abb. 3.6-4. Möglichkeiten der Elektronenstrahlführung
3.6.4 Verfahrensablauf Abb. 3.6-5 veranschaulicht den Verfahrensablauf beim Schweißprozess: Zunächst werden die Fügepartner relativ zueinander justiert. Hierfür stehen die beiden Koordinatensysteme innerhalb der Arbeitskammer zur Verfügung. In einem zweiten Schritt wird der Elektronenstrahl auf die Fügestelle positioniert. Hiernach können nun alle für den Schweißprozess notwendigen Einstellungen vorgenommen werden. Nun erfolgt die eigentliche Schweißoperation, wobei keine Online-Prozessbeobachtung möglich ist, beispielsweise über ein Kamerasystem. Vor dem eigentlichen Aktivieren der Strahlleistung wird noch die Aperturblende aus dem Strahlengang herausgedreht, wodurch nun die Bearbeitungsstelle der vollen Leistung des Elektronenstrahls ausgesetzt ist. Durch das Betätigen der Taste für den Linescan beginnt die Strahlablenkung entlang des gewählten Verfahrweges. Der Schweißvorgang läuft nun im Hintergrund ab. Beim Erreichen der Endposition schaltet die Steuerung den Strahl automatisch ab. Die Aperturblende ist wieder in den Strahlengang hineinzudrehen und das System in den TV-Modus des REM zu schalten Nach Beendigung dieses Ablaufs kann die Fügestelle einer Analyse oder Vermessung unterzogen werden. Alle Schweißabläufe entsprechen in der Praxis dieser Schrittfolge.
3.6 Elektronenstrahl-Schweißen
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Abb. 3.6-5. Verfahrensablauf beim Mikroelektronenstrahlschweißen
3.6.5 Fügebeispiele Erfolgreich durchgeführte Schweißverbindungen können bisher Bauteilen in Form von Drähten und Folien attestiert werden. In erster Linie bieten sich aufgrund verfahrenstechnischer Aspekte metallische Mikrobauteile zum Schweißen mit dem Elektronenstrahl an. Allerdings konnte nachgewiesen werden, dass es auch im Bereich der Kunststoffe durchaus möglich ist, den Elektronenstrahl als Fügewerkzeug einzusetzen. Schweißen von Drähten
Kleinst dimensionierte Drahtverbindungen in der Mikrosystemtechnik haben ihr bevorzugtes Anwendungsfeld im Bereich elektrischer Signalübertragung mikroelektronischer Baukomponenten. Die Realisierung der elektrischen Signalübertragung erfolgt hierbei über die Verbindungsstelle eines Bondpads und eines feinen Drahtes. Daneben existieren eine Reihe Anwendungsfälle außerhalb des Bereiches der Mikroelektronik, bei denen entweder Drähte miteinander oder an größer dimensionierte Trägerbauteile gefügt werden müssen. Dazu gehören beispielsweise Thermoelemente oder Durchflusssensoren aus dem Bereich der Medizintechnik.
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In Abb. 3.6-6 sind einige Beispiele für das Verbinden metallischer Drähte dargestellt. Besonderes Augenmerk muss dabei der Anordnung der zu verbindenden Drähte zueinander beigemessen werden.
Abb. 3.6-6. Möglichkeiten der Bauteilanordnung bei Drahtverbindungen
Müssen die beiden zu fügenden Drähte in axialer Anordnung geschweißt werden, ist darauf zu achten, dass eine gegenseitige Abstützung der Drahtenden eine gewisse Vorspannung gewährleistet. Bei dieser überdeckenden Anordnung kommt es bei sonst gleichen Bedingungen aufgrund des aufeinander gerichteten Kraftvektors zu einem gemeinsamen Schmelzbad, welches zur Fügezone erstarrt. Wird der Draht nicht unter Vorspannung zueinander positioniert, kommt es zu keiner Verbindung der Drähte. Aufgrund der hohen Oberflächenspannung nimmt das schmelzflüssige Metall beider Drähte aufgrund des dann niedrigviskosen Verhaltens extrem schnell die energetisch günstige Form einer Kugel an und weicht, noch bevor es zur Erstarrung kommen kann, beidseitig zurück. Die parallele Anordnung der zu verschweißenden Drähte stellt bessere Voraussetzungen für einen Erstarrungvorgang in einer gemeinsamen Schmelzzone dar. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass die Drahtenden dicht genug aneinander angeordnet sind. Mit einer relativ kurzen Schweißzeit von 2–3s im Multiple Scan lassen sich die Drahtspitzen aufschmelzen. Infolge der nahezu spaltfreien Anordnung der Drähte erlangen die separaten Schmelzen rasch einen gegenüber dem Drahtdurchmesser größeren Kugeldurchmesser, was nach Überwinden der Grenzflächen-
3.6 Elektronenstrahl-Schweißen
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spannung zum Ineinanderfließen der beiden vereinzelten Schmelzen zu einer gemeinsamen Schmelze führt. Eine weitere prinzipiell denkbare Anordnung ist die der gekreuzten Drähte. Die Vorspannung entsteht hier infolge des gemeinsamen Auflagepunktes im Fügebereich.. Werden die beiden Drähte über eine längere Zeitspanne bei höherer Leistung geschweißt, führt dies zu einem Aufschmelzen beider Drähte mit Zurückweichen aller vier Drahtenden. Eine hohe aber nur kurzzeitige Energieabgabe dagegen führt zu einem positiven Schweißergebnis. Diese Schlussfolgerung wird in den meisten Schweißversuchen bestätigt. Garant für eine erfolgreiche Verbindung ist auch hier die Spaltfreiheit der übereinander liegenden Drähte (Smolka 2001). Schweißen von Folien
Folien werden in der Mikrosystemtechnik derzeit als Trennmembrane zur Trennung unterschiedlicher Medien sowie zur Kapselung von Mikrosystemen (Sensoren und Aktoren) gegenüber ihrer Umgebung eingesetzt. Typische Werkstoffe solcher Einsatzbereiche sind austenitische Stähle, Nickel oder Aluminium. In ersten Schweißversuchen mit diesen Werkstoffen zeigen sich die Möglichkeiten aber auch Grenzen, die in erster Linie der Leistungsklasse der modifizierten Anlage als dem Verfahrensprinzip zuzuschreiben sind. In Abb. 3.6-7 sind Schweißbeispiele unterschiedlicher metallischer aber auch Kunststofffolien dokumentiert. Die Ergebnisse eines Einschweißversuches in Aluminium ist in Abb. 3.6-7 oben links dargestellt. Aluminium ist ein Werkstoff mit guten Wärmeleitungseigenschaften. Es bildet mit dem in der Umgebung vorhandenen Sauerstoff hoch schmelzende Oxide wie Al2O3, die eine schützende Haut um den Grundwerkstoff darstellen. Diese müssen durch zusätzlichen Energieaufwand zunächst einmal aufgebrochen werden. Zudem besitzt Aluminium einen geringen Anteil an rückgestreuten Elektronen beim senkrechten Einfall des Elektronenstrahls und demnach eine höhere nutzbare Strahlenergie. In der Summe erweist sich Aluminium als ein Metall mit schlechter Schweißeignung. Erfolgversprechend erscheint ein Energieeintrag im Multiple Scan mit einem Elektronenstrahl hoher Leistungsdichte. Auf diese Art gelingt es, die Oxidhaut aufzubrechen und den Werkstoff lokal zu erschmelzen. Soll Nickelfolie verschweißt werden, ist es aus schweißtechnischer Sicht sinnvoll auf eine Nickel/Chrom-Folie auszuweichen. Diese besitzt im Verhältnis zu Reinnickel eine bessere Schweißeignung. Bei gleicher Bauteildicke bedarf es eines viel geringeren Energiebedarfs zur Erzielung gleicher Schweißnahteigenschaften. Die effektive Strahlleistung wurde um
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über 50 % reduziert. Eine Leistung von weniger als 1 W genügt zur Durchschweißung einer 25 µm dünnen Ni/Cr-Folie, deren Zusammensetzung 80:20 beträgt. Die so geschweißten Nähte zeichnen sich durch einen scharf begrenzten Naht-Randbereich und die ebenfalls beim austenitischen Stahl beobachtete dendritische Struktur aus.
Abb. 3.6-7. Schweißbeispiele an Folienbauteilen
Ein Beispiel für das Verbinden zweier Folien ist in der Abb. 3.6-7 unten rechts dokumentiert. Die zu verschweißenden Folien bestehen aus dem kaltgewalzten Federstahl Ck 101 mit einer Foliendicke von jeweils 30 µm. Diese Schweißaufgabe zeigt eindrucksvoll, welche besonderen Anforde-
3.6 Elektronenstrahl-Schweißen
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rungen im Mikrobereich an den Schweißprozess gestellt werden. Vielversprechend erscheint das Schweißen in Form einer Kehlnaht am Überlappstoß. Die optimalen Schweißparameter bewegen sich hier nicht innerhalb so sehr enger Prozessgrenzen wie beispielsweise bei der I-Naht im Überlappstoß. Beim Verlassen dieser Grenzen kommt es zum Verdampfen einer oder beider Folien oder lediglich zum Anschmelzen der oberen Folie. Gut zu erkennen ist die schuppenartige Oberflächenstruktur der Schmelzraupe einer erfolgreich verschweißten Verbindung, die durch das Zusammenfließen des Werkstoffs hinter dem Elektronenstrahl verursacht wird. Die Hauptproblematik beim Verschweißen von Folien liegt im Verhalten der kleinvolumigen Schmelzen. Diese neigen aufgrund der hohen Oberflächenspannung, sich sehr rasch zusammenzuziehen und an den kälteren nicht erschmolzenen Kanten der Folien zu erstarren. Dieser Effekt wird zudem verstärkt, wenn zwischen den Fügepartnern Spalte vorliegen. Dies ist üblicherweise beim I-Stoß der Fall. Auch wenn die Folien vor der Schweißung nahezu spaltfrei zueinander justiert sind, kommt es häufig zu einem Auseinanderklaffen während des Schweißvorgangs. Diesbezüglich bessere Voraussetzungen bietet der Überlappstoß. Auch hier muss allerdings darauf geachtet werden, dass zwischen den aufeinander liegenden Folien über die gesamte Schweißlänge Berührung der Komponenten gewährleistet ist. Ein möglicher Lösungsansatz besteht in der Entwicklung geeigneter Einspannkonzepte, die eine permanente Kontaktierung der Fügepartner garantieren. Eine andere Möglichkeit besteht möglicherweise in einer Vergrößerung des Schmelzbades. Hierzu kann unter Zuhilfenahme des Funktionsgenerators der aktive Strahldurchmesser über eine Strahlpendelung normal zur Schweißrichtung oder mit einer Figurüberlagerung aufgeweitet werden. Üblicherweise werden Kunststoffe nicht mit dem Elektronenstrahl verschweißt, da der Elektronenfluss aufgrund der fehlenden elektrischen Leitfähigkeit der Kunststoffe behindert wird. Es kommt zu Aufladungserscheinungen, Verdampfen des Kunststoffes und möglicherweise zu unkontrollierten Entladungsvorgängen, die schließlich zum Überschlag im Strahlerzeuger führen können. Ein Beschichten des Werkstoffs im PVDVerfahren mit leitfähigen Partikeln wie beispielsweise Gold und das Schweißen bei sehr geringen Strahlleistungen wie sie in einer REMSchweißanlage vorliegen, führt bei einigen Kunststoffen durchaus zum gewünschten Ergebnis. Solch ein positives Beispiel ist Polyethylen. Gut zu erkennen ist die schuppige Struktur der Schweißnaht, welche eine schaumartige Konsistenz vermuten läßt. Der Kunststoff dehnt sich unter der enormen Wärmeeinkopplung explosionsartig aus, wodurch sich ein Teil der für den Verarbeitungsprozess im Kunststoff enthaltenen Zusatzstoffe verflüchtigt (Smolka 2001).
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3.6.6 Ausblick Die sehr guten Ergebnisse beim Einsatz des Elektronenstrahls zum Fügen von Mikrokomponenten zeigen die Vielseitigkeit dieses Werkzeugs, wird es in einer für den Schweißbetrieb modifizierten REM-Umgebung angewendet. Gleichzeitig eröffnen sich neue Fragestellungen, die zum Grundverständnis des Verfahrens beitragen, aber auch solche, die dem Elektronenstrahlschweißen eine breitere industrielle Anwendung ermöglichen. Das Prozessverständnis rund um das im Mikrobereich eingesetzte Elektronenstrahlschweißen und die Erweiterung der Anlagentechnik sollten daher durch weitere Forschungsschwerpunkte im Bereich der Strahl-MaterieWechselwirkung, der Temperaturmessung und der Integration der Bildverarbeitung zur Steuerung des Schweißprozesses verbessert werden. Unter dem Aspekt der industrienahen Forschung muss ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt auf das Schweißen beliebiger Schweißnahtgeometrien gesetzt werden. Die Realisierung einer entsprechenden Steuerung für die Strahlablenkung und die Beherrschung der geeigneten Wärmeführung sind hier die wichtigsten Herausforderungen. Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht vor allem im Zusammenhang mit dem Schweißen von Foliengeometrien. Hierbei muss verstärkt der Aspekt der Einspann- und Fixiermöglichkeiten von zu schweißenden Mikrobauteilen behandelt werden. Literatur Dilthey U, Brandenburg A, Möller M, Smolka G (2000a) Joining of miniature components. Welding & Cutting, Vol. 52, 7:E143–E148 Dilthey U, Brandenburg A, Möller M, Smolka G (2000b) Assembly of Microparts. In: Proceedings of Materials Week 2000, Int. Congress on Advanced Materials, Munich Dilthey U, Smolka G, Lugscheider E, Lake M (2001) Electron-Beam-induced phase generation at solder systems applied with high-performance cathode sputting. VTE, Vol. 13, 1:E9–E15 Schultz H (2000) Elektronenstrahlschweißen. DVS-Verlag, Düsseldorf Smolka G, Dilthey U (2001) Mikroelektronenstrahlschweißen. In: Dilthey U (Hrsg) Statuskolloquium „SFB 440 – Montage hybrider Mikrosysteme“. Shaker, Aachen, S 57-70
3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen E. Haberstroh und R. Lützeler Institut für Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen
Das Ultraschallschweißen ist ein Fügeverfahren für thermoplastische Kunststoffbauteile, das häufig in der Fertigung von kleinen bis mittelgroßen Bauteilen eingesetzt wird. Die Grundlagen zum Ultraschallschweißen wurden Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre entwickelt, so dass es seit den sechziger Jahren in der Serienfertigung von Kunststoffartikeln eingesetzt wird. Charakteristische Merkmale sind die sehr kurzen Zykluszeiten im Bereich von 0,1 bis 1,0 Sekunden und die sehr kurzen Haltezeiten von 0,1 bis 2 Sekunden, die sich aufgrund der geringen Mengen aufgeschmolzenen Materials im Nahtbereich ergeben. Beim Ultraschallschweißen werden hochfrequente mechanische Schwingungen verwendet, um den Werkstoff in der Fügezone durch Dissipation mechanischer Schwingungsenergie aufzuschmelzen und unter Aufbringung eines Fügedrucks die Verbindung herzustellen (2). Das Ultraschallschweißen ist aufgrund der kurzen Zykluszeit besonders für den Einsatz in der Serienproduktion geeignet, wenn hohe Stückzahlen gefertigt werden sollen. Das Verfahren ist auf Bauteile mit kleiner bis mittlerer Größe beschränkt, da physikalisch begründete Restriktionen bei der maximalen Größe der Schweißwerkzeuge zu beachten sind (Haberstroh 2001). Die maximale Schweißnahtlänge beträgt dabei ca. 300 mm. Werden die Fügeflächen bzw. die Schweißnahtlänge zu groß, kann eine gleichmäßige Schwingung der Sonotrode und somit eine gleichmäßige Energieeinkopplung nicht mehr gewährleistet werden. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass das Ultraschallschweißen auch ein großes Potenzial für das Fügen von Mikrobauteilen besitzt (NN 2003). Wo die Grenzen dieses Verfahrens in Bezug auf die Abmessungen der zu schweißenden Bauteile liegen, ist derzeit noch nicht vollständig geklärt.
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E. Haberstroh und R. Lützeler
3.7.1 Energieumsetzung beim Ultraschallschweißen Erste grundlegende Untersuchungen zur Energieumsetzung beim Ultraschallschweißen wurden an Stabgeometrien durchgeführt (Potente 1971). Die Länge dieser Stäbe lag dabei im Bereich der Wellenlänge des Schalls in den entsprechenden Werkstoffen. Durch Reflexion der eingeleiteten longitudinalen Schallwellen an schallharten bzw. schallweichen Abschlüssen bilden sich durch Überlagerung stehende Wellen aus (Abb. 3.7-1). Die Bereiche maximaler Erwärmung befinden sich da, wo die akustische Wechselspannung ihre Maxima hat. Dort sollte prinzipiell die Fügeebene liegen. Dies ist an Praxisbauteilen in der Regel nicht möglich, so dass anstatt ebener Fügeflächen ein Fügepartner mit einer V-förmigen Zunge, einem sogenannten Energierichtungsgeber (Abb. 3.7-2) oder mit einer rechteckförmigen Quetschnaht versehen wird. Diese Querschnittsverengung in der Fügeebene führt zu einer Schallfeldverschiebung bzw. zu einer erhöhten mechanischen Wechselspannung und damit zu einer erhöhten Energieumsetzung und einem definierten Aufschmelzen der Fügepartner in der Fügeebene (Potente 1971).
Abb. 3.7-1. Grundlagen bei der Erwärmung von Kunststoffen mit Ultraschall
Zusätzlich zu den longitudinalen Wellen treten transversale Schwingungen auf. Die Ursache sind Biegeschwingungen der Sonotrode senkrecht zur Erregerrichtung, die auf Asymmetrien in der Massenverteilung sowie in der Krafteinleitung in die Sonotrode zurückzuführen sind. Diese transversalen Schwingungen verursachen zwischen den Fügeteilen eine Relativbewegung und damit eine Grenzflächenreibung, die auch bei höchsten Anpresskräften vorhanden ist (Potente 1971).
3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen
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Abb. 3.7-2. Prinzip des Ultraschallschweißens
3.7.2 Maschinentechnik Ein Ultraschallschweißmaschine besteht aus folgenden, wesentlichen Komponenten: Ultraschallgenerator, Ultraschallwandler (Konverter), Transformationsstück (Booster), Schweißwerkzeug (Sonotrode), Amboss sowie einer Schweißpresse zur Erzeugung der statischen Schweißkraft (Abb. 3.7-3) (NN 1992a).
Abb. 3.7-3. Schematische Darstellung einer US-Schweißmaschine
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E. Haberstroh und R. Lützeler
Der Ultraschallgenerator formt die niederfrequente elektrische Wechselspannung des Wechselstromnetzes (50 Hz) in elektrische Wechselspannung des Ultraschallbereichs um. Die verwendeten Betriebsfrequenzen liegen zwischen 20 und 70 kHz. Danach setzt der Schallwandler (Konverter) die hochfrequente elektrische Wechselspannung über ein piezoelektrisches Bauelement in mechanische Schwingungen der gleichen Frequenz um. Mit Hilfe des Transformationsstückes kann der Amplitudenbereich der Schwingung auf die jeweilige Aufgabenstellung angepasst werden (NN 1992a). Die Sonotrode hat die Aufgabe, die Ultraschallschwingung auf die beiden Fügepartner zu übertragen. Dabei treten Schwingungen mit Amplituden im Bereich von 10 bis 80 µm auf. Darüber hinaus hat die Sonotrode die Aufgabe die Schweißkraft auf die Fügepartner bzw. in die Fügeebene zu übertragen. Der Amboss übernimmt die Aufgabe des schallharten Abschlusses und ist somit für die Reflexion der Schallwellen verantwortlich. Er besteht aus einer massiven Metall- meist Stahlplatte, die mit Bohrungen zur Aufnahme der Fügevorrichtung versehen ist. Die Fügevorrichtung ist eine auf die Geometrie der Bauteile abgestimmte Bauteilaufnahme, die ein reproduzierbares Einlegen und eine Fixierung der Fügepartner gewährleistet. Sie sollte so ausgeführt sein, dass eine Bewegung der Fügeteile nicht mehr stattfinden kann. Darüber hinaus wird die Fügevorrichtung zur genauen Positionierung bzw. Zentrierung zur Sonotrode genutzt. 3.7.3 Verfahrensvarianten Da die Wärme beim Ultraschallschweißen durch Dissipation mechanischer Schwingungsenergie entsteht, muss der zu schweißende Werkstoff zum einen die Fähigkeit besitzen, die mechanische Energie bis in die Fügeebene zu leiten und zum anderen die Schwingungen ausreichend dämpfen zu können. Man unterscheidet entsprechend drei Verfahrensvarianten beim Ultraschallschweißen (Potente 2004): • Fernfeldschweißen (indirektes Schweißen) mit Abständen zwischen Sonotrodenankopplungsfläche und Fügeebene größer 6 mm • Nahfeldschweißen (direktes Schweißen) mit Abständen zwischen Sonotrodenankopplungsfläche und Fügeebene kleiner 6 mm • Folienschweißen, das prinzipiell zum Nahfeldschweißen gezählt wird Im Fernfeld sind nur solche Werkstoffe schweißbar, die ein ausreichendes Schallleitungsvermögen besitzen. Zur Erzielung eines gezielten Auf-
3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen
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schmelzens in der Fügeebene werden immer lokale Querschnittsreduzierungen in Form von Energierichtungsgebern oder Quetschnähten vorgesehen. 3.7.4 Einflussfaktoren auf den Ultraschallschweißprozess Die erzielbare Qualität wird von folgenden Faktoren und Schweißparametern beeinflusst (NN 1992b): • • • • • • • • • • • •
Art des Werkstoffes Konstruktion des Fügeteils Lage und Ausbildung der Fügeflächen Anordnung der Energierichtungsgeber bzw. der Quetschnaht Ankopplung der Sonotrode Positionierung und Passungsspiel zwischen Ober- und Unterteil Lage im Aufnahmewerkzeug Amplitude Generatorleistung Anpresskraft Schweiß- und Haltezeit Ultraschall-Einschaltpunkt (gedämpftes oder freischwingendes Aufsetzen der Sonotrode)
3.7.5 Ultraschallschweißgerechte Konstruktion der Fügeteile Bei der Konstruktion der Fügeteile sind bereits in einer frühen Phase die Eigenschaften des Ultraschallschweißens zu berücksichtigen. Nur durch eine prozessgerechte Konstruktion bzw. Auslegung der Fügeteile kann eine Fügeaufgabe mit Hilfe des Ultraschallschweißens erfolgreich gelöst werden. Während der geometrischen Gestaltung der Fügeteile sind alle Kanten und Ecken genügend auszurunden, weil zu scharfe Übergänge beim Ultraschallschweißen zu Rissen und Bauteilzerstörung führen können. Zusätzlich sind die Fügeteile mit formsteifen Wandungen auszuführen, da der Fügedruck sonst zum Knicken der Wände führen kann (NN 1992b). Zur Erzielung einer definierten Energieumsetzung sind Energierichtungsgeber (ERG) bzw. Quetschnähte vorzusehen. Die Form und Größe der ERG ist in bestimmten Grenzen frei wählbar. Man unterscheidet, wie in Abb. 3.7-4 dargestellt ist, folgende Grundformen (NN 1992b):
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• Kegel- bzw. noppenförmige ERG • Dachförmige ERG • Kantenberührung bei Einfach- und Doppelquetschnähten
Abb. 3.7-4. Grundformen von Energierichtungsgebern bzw. Quetschnähten
Die Fügefläche sollte sowohl möglichst senkrecht zur Sonotrodenachse als auch parallel zur Sonotrodenstirnfläche angeordnet sein und in einer Ebene liegen. Die günstigste Schalleinleitung ergibt sich, wenn die Sonotrode direkt über der Fügefläche einkoppelt. Es ist eine dem Fügeteil angepasste, möglichst ebene und ausreichend groß bemessene Fläche vorzusehen. Bei zu klein bemessenen Flächen wird die Einleitung des Ultraschalls vermindert. Beschädigungen der Ankoppelfläche sind die Folge (NN 1992b). Die Entfernung der Sonotrodenankopplungsfläche zur Fügefläche sollte möglichst gering sein, weil das Nahfeldschweißen in der Regel dem Fernfeldschweißen vorzuziehen ist. Fügeoberteil und –unterteil sind so zu zentrieren, dass sie beim Schweißen ihre Position beibehalten. Die üblichen Zentriermöglichkeiten sind (NN 1992b): • • • •
durch die Geometrie der Fügeflächen, durch Zapfen und Bohrung, durch das Aufnahmewerkzeug, mittels Zentrierung durch Sonotrode und Aufnahmewerkzeug.
Dabei ist zu beachten, dass das Oberteil beim Ultraschallschweißen frei einsinken kann. Kanten, Rippen oder Stege dürfen das Oberteil bei der Einsinkbewegung nicht abfangen (NN 1992b).
3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen
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3.7.6 Anforderungen an eine Maschinentechnik für die Mikrotechnik Die Mikrotechnik stellt aufgrund der geringen Bauteil- bzw. Fügeflächenabmessungen eine Reihe von Anforderungen, die die Schweißmaschine und der Fügeprozess erfüllen müssen. Die wichtigsten Anforderungen können wie folgt formuliert werden: • Mit dem Fügeverfahren bzw. der Schweißmaschine muss eine ausreichende Energieeinkopplung in die zu fügenden Bauteile möglich sein. • Mit dem Schweißverfahren müssen kleine Fügeflächen (< 1 mm2) realisierbar sein. • Die Abmessungen der geschweißten Bauteile müssen im Bereich der vorgegebenen Toleranzen liegen. (Positioniergenauigkeit ± 5 µm) • Die Reproduzierbarkeit des Fügeprozesses muss sehr hoch sein. • Der beim Schweißen von Kunststoffen auftretende Schweißnahtaustrieb sollte so gering wie möglich sein. • Die mechanische Belastung der Fügeteile während des Schweißprozesses sollte aufgrund der geringen Robustheit der Fügeteile so gering wie möglich sein. • Die Maschine sollte über eine Steuerung verfügen, die einen reproduzierbaren Schweißprozess gewährleistet. Da die zur Zeit erhältlichen Ultraschallschweißmaschinen die Anforderungen an die Genauigkeit bzw. eine exakte Kraftaufbringung nicht gewährleisten können, wurde am IKV eine aus ausgewählten Elementen zusammengestellte Anlage aufgebaut. Dabei wird durch geeignete Einzelkomponenten eine größtmögliche Anpassung an die Anforderungen der Mikrotechnik gewährleistet. 3.7.7 Entwicklung eines Maschinenkonzeptes Die aufzubauende Anlage besteht aus einzelnen Komponenten. Diese modulare Bauweise hat den Vorteil, dass einzelne Anlagenteile leicht ausgetauscht werden können, um den Ansprüchen zukünftiger Untersuchungen des Ultraschallschweißen von Kunststoffmikrobauteilen gerecht zu werden. Das Maschinengestell hat die Aufgabe, alle anderen wesentlichen Komponenten (bis auf den Generator) aufzunehmen und muss so ausgeführt sein, dass ein fester Stand und eine ausreichende Formsteifigkeit gewährleistet wird. Der Generator muss elektrische Schwingungen einer geeigneten Frequenz erzeugen und sollte über eine ausreichende Leistungsabgabe
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verfügen. Die Verfahreinheit hat die Aufgabe, die Schwingeinheit während des Schweißprozesses reproduzierbar zu bewegen (Bild 3.7.5). Darüber hinaus soll über die Verfahreinheit die Aufbringung der Schweißkraft realisiert werden. Die Schwingeinheit wird an die Verfahreinheit montiert und hat die Aufgabe, die Ultraschallschwingungen in die Kunststoffbauteile einzuleiten. Der Amboss bildet die schallharte Gegenplatte, so dass die Ultraschallschwingungen reflektiert werden und ein Schweißprozess zustande kommen kann. Zusätzlich wird auf dem Amboss die Fügevorrichtung montiert, die für die Aufnahme der Probekörper zuständig ist. Mit Hilfe geeigneter Sensoren zur Kraft-, Weg- und Beschleunigungsmessung werden die entsprechenden Prozessgrößen erfasst und für eine Analyse zur Verfügung gestellt. Zur Aufnahme der Komponenten wird das Maschinengestell einer bereits vorhandenen Ultraschallschweißmaschine verwendet, so dass ein fester Stand und eine ausreichende Steifigkeit gegeben sind. Die Frequenz der Ultraschallschwingung ist einer der wichtigsten Aspekte bei der erfolgreichen Modifikation des Schweißprozesses für den Mikrobereich. Um die Belastung der Bauteile im Schweißprozess zu reduzieren, wird eine Schweißfrequenz von 40 kHz gewählt, da mit dieser im Vergleich zu Standardschweißfrequenzen bei 20 kHz geringere Amplituden notwendig sind, um nahezu die gleiche Energie in die Kunststoffbauteile einzubringen. Mit der Reduzierung der Amplitude wird ebenfalls die Belastung der Bauteile bei jedem Schwingungswechsel gemindert.
Abb. 3.7-5. Ultraschallschweißanlage für Mikrobauteile
Um eine exakte Bewegung der Schwingeinheit zu gewährleisten, wird eine servoelektrische Verfahreinheit ausgewählt. Sie verfügt über einen
3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen
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Verfahrbereich von 100 mm mit einer Reproduziergenauigkeit der Verfahrbewegung von ± 1 µm und wird über eine im Lieferumfang enthaltene Software gesteuert. An die Verfahreinheit wird über eine Aufnahme die Schwingeinheit montiert, wobei die Sonotrode in ihrem Schwingverhalten an die unten beschriebene Probenkörpergeometrie angepasst ist (Abb. 3.7-5). Darüber hinaus wird eine auf die Probengeometrie angepasste Fügevorrichtung konstruiert, die eine feste und reproduzierbare Fixierung der Probekörper gewährleistet. Diese Vorrichtung wird auf einem bereits vorhandenen Amboss montiert. 3.7.8 Entwicklung einer geeigneten Probekörpergeometrie Bei der Probeköpergeometrie für Grundlagenuntersuchungen handelt es sich um einen aus einer Grundplatte hervorstehenden Zapfen (Abb. 3.7-6). Dieser Zapfen weist am unteren Ende einen Durchmesser von 1 mm auf, so dass eine Fügefläche von 0,785 mm2 entsteht. Beide Fügepartner sind in ihren geometrischen Abmessungen identisch ausgeführt.
Abb. 3.7-6. Probengeometrie (Oberteil mit Energierichtungsgeber)
Zur Erzielung einer definierten Energieumsetzung befindet sich jedoch an einem der beiden Fügepartner ein Energierichtungsgeber (ERG) in Form einer Spitze mit einem Winkel von 90°. Um eine Zentrierung der Fügepartner zu gewährleisten, besitzt der andere Fügepartner eine Kerbe, in die der ERG eintauchen kann. Der geringe Abstand der Sonotrodenankopplungsfläche zur Fügefläche von 3,5 mm gewährleistet, dass ausreichend Ultraschallenergie in die Fügezone eingebracht werden kann. Mit
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Hilfe eines geeigneten Spritzgießwerkzeuges können die Probekörper reproduzierbar und in großen Stückzahlen gefertigt werden. Dabei werden beide Fügepartner in einem Zyklus hergestellt. Neben der Berücksichtung der ultraschall- und spritzgießspezifischen Besonderheiten sind die Fügepartner so konstruiert, dass die Schweißnahtfestigkeit auf der am IKV vorhanden Mikrozugprüfmaschine ermittelt werden kann. 3.7.9 Experimentelle Untersuchungen und Prozessanalyse In ersten experimentellen Untersuchungen wurden Probekörper aus Polypropylen (PP) und Polyoxymethylen (POM) mit Hilfe der aufgebauten Anlage geschweißt. Die Ergebnisse für PP sind dabei nicht zufriedenstellend ausgefallen. Aufgrund des hohen Dämpfungsvermögens des PP bedingt durch seine geringe Steifigkeit ist es nicht möglich, ausreichend Energie in die Fügezone einzubringen. Es kann keine Schmelzebildung nachgewiesen werden, so dass kein stoffschlüssiger Verbund der Fügepartner erreicht wird. Die eingebrachte Energie wird an der Ankopplungsfläche zwischen Sonotrode und oberen Bauteil in Wärme umgewandelt. Dadurch entstehen erhebliche Markierungen auf der Stirnfläche des Kunststoffbauteils. Wesentlich bessere Ergebnisse lieferten Probekörper aus POM. Über einen weiten Bereich der eingebrachten Energie kann ein Schweißprozess der Fügepartner erreicht werden. Allerdings bereitet die Positionierung der Probekörper zueinander einige Schwierigkeiten, so dass ein deutlicher Versatz zwischen den zu schweißenden Zapfen auftrat. Aus diesem Grund wurde die Fügevorrichtung um eine Positionierungshilfe erweitert. Dieses zweiteilige Bauteil wird vor dem Einlegen der Bauteile in die Fügevorrichtung zwischen den beiden Fügepartner platziert. Dabei bewirkt eine Bohrung, die an den Durchmesser des Zapfens angepasst ist, eine Zentrierung und Führung der Bauteile. Auf diese Weise kann der Versatz der Bauteile reduziert werden. Nach dem Schweißprozess kann die Positionierungshilfe ohne Beschädigung der Fügepartner entfernt werden. Durch den Einsatz der Positionierungshilfe können die Schweißergebnisse wesentlich verbessert werden (Abb. 3.7-7). Deutlich zu erkennen ist, dass ein stoffschlüssiger Verbund entstanden ist, ohne die Kunststoffbauteile zu beschädigen. Darüber hinaus ist kein Versatz der Bauteile zueinander aufgetreten. Jedoch konnte eine Schweißwulstbildung nachgewiesen werden, die beim Schweißen von Kunststoffen nur zum Teil vermeidbar ist. Sie ist von der eingebrachten Energie und der Fügekraft abhängig, die sich wiederum erheblich auf die Schweißnahtfestigkeit auswirken. Ein Kompromiss zwi-
3.7 Ultraschallschweißen von Kunststoffen
147
schen der erreichbaren Schweißnahtfestigkeit und der Schweißwulstbildung ist unumgänglich.
Abb. 3.7-7. Mit Ultraschall geschweißtes Mikrobauteil
Literatur Haberstroh E (2001) Fügen und Umformen von Kunststoffen, Vorlesungsskript an der RWTH-Aachen Haberstroh E, Klein H, Schulz J (2000) Kunststoffschweißen – Teil 2: Industrielle Serienfertigung. Schweißen & Schneiden: 52: 272-276 Michaeli W (1999) Einführung in die Kunststoffverarbeitung. Carl Hanser, München N.N. (2003) Montage hybrider Mikrosysteme. Arbeits- und Ergebnisbericht des Sonderforschungsbereiches SFB 440 der DFG Teilprojekt B7 N.N. (1992) Ultraschallfügen von Formteilen und Halbzeugen aus thermoplastischen Kunststoffen in der Serienfertigung, Maschinen und Geräte, Funktionsbeschreibung und Anforderungen. Richtlinie des Deutschen Verbandes für Schweiße und verwandte Verfahren, DVS 2216-1 N.N. Ultraschallfügen von Formteilen und Halbzeugen aus thermoplastischen Kunststoffen in der Serienfertigung, Ultraschall, Verfahren und Merkmale. Richtlinie des Deutschen Verbandes für Schweiße und verwandte Verfahren, DVS 2216-2
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E. Haberstroh und R. Lützeler
Potente H (1971) Untersuchungen zur Schweißbarkeit thermoplastischer Kunststoffe mit Ultraschall. Dissertation Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Potente H (2004) Fügen von Kunststoffen. Carl Hanser, München
3.8 Mikro-Montagespritzgießen W. Michaeli und D. Opfermann Institut für Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen
Als eines der wichtigsten Verarbeitungsverfahren für Kunststoffe hat sich das Spritzgießen durch standardisierte Prozessabläufe, einen hohen Automatisierungsgrad und kurze Zykluszeiten etabliert. Das Mikrospritzgießen als stark wachsende Technologie ermöglicht die kostengünstige Herstellung von komplexen Mikrobauteilen mit hoher Funktionsintegration in großen Stückzahlen. Während die Fertigungsprozesse für mikrotechnische Komponenten zum großen Teil beherrscht oder zumindest beherrschbar sind, bildet die Montage dieser Komponenten zu hybriden Systemen ein Nadelöhr bei der industriellen Umsetzung. Die Montage von Mikrosystemen selbst besitzt einen sehr hohen Wertschöpfungsanteil, und ihre Bedeutung steigt mit zunehmender Komplexität und fortschreitender Miniaturisierung der Systeme (Ziegmann 2002). 3.8.1 Verfahrensbeschreibung Aufgrund der steigenden Komplexität von Montagevorgängen in der Mikrosystemtechnik liegt die Idee nahe, das Mikrospritzgießen zur Herstellung und zur Montage hybrider Mikrosysteme einzusetzen. Hierbei kann in einem Verarbeitungsschritt ein Verbund aus mehreren thermoplastischen Kunststoffen oder auch der Verbund von thermoplastischem Kunststoff mit Mikroteilen aus einem anderen Werkstoff, z.B. Metall, Silizium, Glas oder Keramik, hergestellt werden. Die Tatsache, dass zum Erstellen des Verbundes nur ein Verarbeitungsschritt nötig ist, rechtfertigt seine Existenz neben anderen Verfahren, wie dem Kleben, dem Löten, dem Schweißen oder dem Bonden. Das Verbundspritzgießen als vergleichbares Verfahren in der Makrowelt ist bei der Herstellung makroskopischer Bauteile schon etabliert und ist bereits Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen (Brinkmann 1996). Die Kenngrößen, die dabei ermittelt werden, lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf das Verfahren der Montage hybrider Mikrostrukturen übertragen. Viele
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W. Michaeli und D. Opfermann
wesentliche Einflussfaktoren können aufgrund der sehr kleinen Abmessungen und der für die Mikrosystemtechnik geltenden Besonderheiten nicht aus dem Makro- in den Mikrobereich übertragen werden. So werden zum Beispiel die Oberflächen/Volumen-Verhältnisse mit zunehmender Miniaturisierung immer größer. Die Strukturabmessungen bewegen sich teilweise in ähnlichen Größenordnungen wie herkömmliche Oberflächenrauheiten und der morphologische Schichtaufbau eines Mikrospritzgießbauteils unterscheidet sich unter Umständen deutlich vom makroskopischen Bauteil. Außerdem bekommen werkzeugtechnische Problemstellungen eine enorme Bedeutung. Der numerischen Simulation, die im makroskopischen Bereich etabliert ist, sind mikrotechnische Dimensionen gerade hinsichtlich der Fließvorgänge häufig nicht zugänglich. Allen Varianten des Mikro-Montagespritzgießens ist gemeinsam, dass durch die Integration des Fügeprozesses in die Bauteilgenerierung ein hohes Rationalisierungspotenzial durch Einsparung zusätzlicher Handhabungs- und Fügeprozesse besteht. Dies stellt den Mehrwert dieses Verfahrens dar. Exemplarisch lässt sich das anhand der Adaption einer Mikrolinse an einem Bildleiter erläutern (Abb. 3.8-1).
Faser konfektionieren
Linse fertigen
Linse und Faser positionieren und ausrichten
Hülse konfektionieren ggf. vorbehandeln und positionieren
Fügen (Kleben, Löten o.ä.)
Herkömmliche Fertigungskette
Faser konfektionieren
Faser ins WZ einlegen
Umspritzen
Montagespritzgießen
Abb. 3.8-1. Vergleich einer herkömmlichen Fertigungskette mit dem MikroMontagespritzgießen am Beispiel eines Lichtwellenleiters mit Mikrolinse
Ein solches Bauteil kann zum Beispiel als Optik in einem Endoskop eingesetzt werden. Bei dieser Fügeaufgabe muss eine sphärische Linse in einem definierten Abstand zur polierten Faserstirnfläche positioniert, die beiden Komponenten müssen ausgerichtet und dann mit Hilfe einer weite-
3.8 Mikro-Montagespritzgießen
151
ren Komponente gefügt werden. Hierfür ist eine Vielzahl von Prozessschritten notwendig, die sich durch den Einsatz des Mikro-Montagespritzgießens deutlich reduzieren lässt. Bei der Gegenüberstellung der Verfahrensabläufe wird das Potential des Mikro-Montagespritzgießens deutlich (Abb. 3.8-1). Neben der reinen Anzahl der Verfahrensschritte, die eingespart werden, entfällt auch eine zusätzliches Bauteil, in diesem Fall die Hülse, und eine zusätzlicher Werkstoff, wie er beim Löten oder Kleben zum Einsatz kommt. Besonders augenscheinlich ist das Potenzial des Verfahrens bei der Fertigung von Arrays mit mehreren in einen Prozessschritt integrierten Fügevorgängen. Durch diese Parallelisierung in Form von mehreren Kavitäten im Spritzgießwerkzeug lässt sich der Vorteil des Mikro-Montagespritzgießens besser nutzen (Ziegmann 2002). Das nach dem Prinzip des Mikro-Montagespritzgießen gefertigte Demonstatorbauteil Linse mit Lichtleiter ist in Abb. 3.8-2 abgebildet.
Abb. 3.8-2. Lichtleiter mit Mikrolinse (im Mikro-Montagespritzgießen hergestellt)
Aus den bisher angestellten Betrachtungen ergibt sich die folgerichtige Idee, das Mikrospritzgießen in verschiedenen Varianten für die Herstellung von hybriden Mikrostrukturen zu nutzen. Hierbei können die vielfäl-
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W. Michaeli und D. Opfermann
tigen Vorteile des Spritzgießens und insbesondere der beschriebenen Mehrkomponentenverfahren auf die wirtschaftliche Fertigung von qualitativ hochwertigen Mikrosystemen in mittleren bis großen Stückzahlen übertragen werden. 2. Komponente
Anschlusselement
1. Komponente
Hart/WeichKombinationen
Bewegliche Strukturen
Lichtleitfaser
weiche Dichtung hartes Formteil
Linse Gehäuse
optische Systeme
Gehäuse
durch Lösekern erzeugter Hohlraum Hohlstrukturen in Lösekerntechnik
elektrisch kontaktiertes Einlegeteil elektrisch funktionale Systeme
Abb. 3.8-3. Mögliche Verfahrensvarianten des Mikro-Montagespritzgießens
Die einfache Verfahrensidee lässt sich nun in vielfältigen Varianten ähnlich den makroskopischen Verfahren umsetzen (Michaeli et al. 2001; Michaeli u. Ziegmann 2001). In Abb. 3.8-3 sind einige der verschiedenen Möglichkeiten abgebildet. Sie unterscheiden sich z.B. hinsichtlich der Werkstoffeigenschaften, der Prozessfolge, der geometrischen Randbedingungen und vor allem der Funktionalität. So können bewegliche Strukturen z.B. über ein 2K-Verfahren mit unverträglichen Werkstoffpaarungen oder aber durch Mikro-Filmscharniere erzeugt werden. Hart/Weich-Verbunde sind immer dort interessant, wo eine definierte Abdichtung erzielt werden soll. Strukturen für die Mikrofluidik oder Hohlräume können durch Lösekerntechnik erzeugt und gleichzeitig funktionelle Einlegeteile eingebracht werden. Optische Lichtleitfasern werden direkt mit einer Positionierstruktur versehen oder mit einer Abbildungsoptik kombiniert. Ebenso können mikroelektronische Komponenten in ein spritzgegossenes System integriert und direkt mit einer Kontaktierungsvorrichtung versehen werden. Das Spritzgießwerkzeug und die Position der eingebauten Sensorik sind in Abb. 3.8-4 zu sehen. Bei dem benutzten Versuchswerkzeug handelt es
3.8 Mikro-Montagespritzgießen
153
sich um ein Backenwerkzeug der Firma HASCO, Lüdenscheid, das über einen entnehmbaren Formeinsatz verfügt. Dieser Formeinsatz ist über seine konische Form und einen Führungsbolzen im Werkzeug definiert positioniert. Der entnehmbare Formeinsatz hat den Vorteil, dass Entformen und Beschicken mit Einlegeteilen außerhalb des Werkzeugs erfolgen kann. Schließseite
Düsenseite
Öltemperierung
Sensorik Vakuumanschluss Heißkanal entnehmbare Kavität
Abb. 3.8-4. Aufbau des Versuchswerkzeugs
Zur Prozessüberwachung ist in der oberen Backe des Werkzeugs ein Einsatz mit mehreren Sensoren integriert ist. Der Werkzeuginnendruck wird hier mit Hilfe eines Druckaufnehmers gemessen. Der Druckaufnehmer nimmt den Druck am Angussverteiler auf. Eine Messung direkt an Mikrostruktur oder -bauteil ist aufgrund der Abmessungen und Bauräume nicht möglich ist. Außerdem sind die durch den Druckaufnehmer entstehenden Abdrücke auf den Mikrobauteile und –strukturen besonders störend. Die Temperatur in der oberen Backe, die im Wesentlichen stationär ist, wird mit Hilfe eines Thermofühlers nahe der Kavitätsoberfläche gemessen. Ein weiterer Thermofühler gleicher Art ist im Inneren des in der unteren Backe angeordneten Auswerfers platziert und reicht bis unmittelbar an den Kavitätsbereich heran. Mit diesem kann neben der stationären Temperatur auch der Temperatursprung bei einem variothermen Prozess bestimmt werden.
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W. Michaeli und D. Opfermann
Zur Übermittlung von optischen Informationen, zum Beispiel über das Umströmen von Einlegeteilen, ist das Werkzeug mit einem Sichteinsatz aus Glas und einer endoskopischen Übertragungseinheit versehen. Der Glaseinsatz ist zentrisch über der Mikrokavität angeordnet und ermöglicht so die Beobachtung vielfältiger Strömungsvorgänge. Das Bild wird über ein starres Endoskop an eine CCD-Kamera übertragen. Aufgrund der teilweise sehr hohen Werkzeugtemperaturen ist es notwendig, das eingesetzte Endoskop mit Druckluft zu kühlen, um die Kamera und die optische Komponenten Kamera vor thermischen Schäden zu schützen. Das aufgezeichnete Bild wird an einen Bildverarbeitungsrechner weitergegeben, in dem es zunächst abgelegt wird und später analysiert werden kann. Die Gesamtheit der mit dieser Sensorik erfassbaren Daten ermöglicht eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Prozessvarianten. Somit ist es möglich, anhand der beobachteten und aufgezeichneten Prozessparameter eine Korrelation mit den sich ergebenden Bauteileigenschaften vorzunehmen (Ziegmann 2002; Michaeli u. Opfermann 2004). 3.8.2 Bauteilbeispiele Mögliche Anwendungen für das Mikro-Montagespritzgießen finden sich in den vielfältigen Feldern der Mikrosystemtechnik und den damit verknüpften Montageaufgaben. Beispielhaft ist hier ein Mikromischer aufgeführt. Der beschriebene Mikromischer ist ein Demonstratorbauteil des Sonderforschungsbereichs 440, zu dem auch die hier beschriebenen Untersuchungen gehören.
Abb. 3.8-5. Mikromischerdeckel mit umspritzten Kapillaren (∅ = 400 µm), schematischer Umbau des Mikromischers (rechts)
3.8 Mikro-Montagespritzgießen
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Die Voraussetzung für eine optimale Durchmischung der beiden Fluidströme gewährleisten Mischstrukturen, die feiner sind als die Diffusionswege der durchströmenden Fluide. Der Mikromischer besteht aus vier verschiedenen Bauelementen (Abb. 3.8-5): Einer Siliziumplatte mit den geätzten Mischerstrukturen, zwei Glasplatten als Deckel, von denen eine mit Präzisionsbohrungen versehen ist, und drei Kapillaren. Die beiden Glasplatten und die Siliziumplatte bilden einen Sandwichverbund. Die in der Mitte liegende Siliziumplatte wird nach unten von der ersten Glasplatte abgedichtet. Nach oben ermöglicht die zweite Glasplatte mit ihren passgenauen Bohrungen den Anschluss an die Glaskapillaren. Über sie erfolgt die Einbringung der zu mischenden Flüssigkeiten und die Abführung der gemischten Flüssigkeit. Die obere Glasplatte kann durch ein Kunststoffbauteil ersetzt werden. Durch das Mikro-Montagespritzgießen können die drei Kapillaren direkt bei der Herstellung des Deckels integriert werden (Abb. 3.8-5). Ein zusätzlicher Fügeschritt entfällt. Anhand einer anderen Teststruktur werden die Einflussgrößen beim Spritzgießen beweglicher Mehrkomponententeile untersucht. Aufgrund der hohen Aussagekraft bei einfachen geometrischen Randbedingungen wird ein Scharniergelenk ausgewählt (Abb. 3.8-6).
Abb. 3.8-6. Mikrogelenk und REM-Aufnahme der Grenzfläche
Die ersten beweglichen Strukturen werden mit einer Kombination aus POM Hostaform C 52021 (Ticona) und PMMA VQ 101 S (Röhm) realisiert. Obwohl die Schmelzetemperaturen dieser Werkstoffe im gleichen
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Bereich liegen, werden hiermit gute Ergebnisse hinsichtlich der Funktionalität erzielt. Die Aufnahme zeigt die Grenzfläche des Bauteils nach dem Spritzgießprozess. Zwar bildet sich hier die für den funkenerosiven Fertigungsprozess der Kavität charakteristische Rauigkeit an den Bauteiloberflächen ab. Die Grenzfläche ist jedoch definiert ausgebildet und weist einen gleichmäßigen Verlauf auf. Die REM-Aufnahme zeigt eine Grenzfläche nach Auslenkung des Scharniergelenks. An der PMMA-Komponente wird eine durch die Auslenkung mechanisch beeinflusste Zone mit einer Breite von ca. 10 µm sichtbar, die zum einen durch die Unrundheit des Vorspritzlings und zum anderen durch die Reibung zwischen den Komponenten hervorgerufen werden kann. Auf jeden Fall ist die Funktionalität der Struktur bei dieser Konstellation gewährleistet. Einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung der Grenzfläche und damit die Funktionalität des Bauteils hat neben der Werkstoffkombination auch die Reihenfolge der Verarbeitung. Dieser Sachverhalt lässt sich anhand der in Abb. 3.8-7 dargestellten Schnitte durch die Funktionsstruktur erläutern. Die Werkstoffkombination besteht in diesem Fall aus den teilkristallinen Werkstoffen POM Hostaform C 52021 (Ticona) und sPS Schulatec GF30 (Schulman).
Abb. 3.8-7. Einfluss der Verarbeitungsreihenfolge
3.8.3 Untersuchung der Verbundfestigkeit Um die Vorteile des Mikro-Montagespritzgießen nutzen zu können, muss die Verbundfestigkeit des erzeugten Systems bekannt sein. Das Mikro-
3.8 Mikro-Montagespritzgießen
157
Montagespritzgießen konkurriert hier mit Verfahren wie dem Kleben, dem Löten und dem Bonden. Um einen Vergleich der Verfahren zu ermöglichen und Vor- und Nachteile abwägen zu können, müssen die erzielbaren Verbundfestigkeiten bekannt sein. Um die Verbundfestigkeit der hybrider Prüfkörper zu testen, erscheint eine Versuchsanordnung nach dem Prinzip des Pull-Out-Tests vielversprechend (Abb. 3.8-8). Bei dieser Anordnung ist das Einlegeteil eine zylindrische Faser oder ein Draht, die bzw. der im Spritzgießprozess mit einem ringförmigen Kunststoffteil umspritzt wird. Um bei dieser Probengeometrie die Haftung zwischen Einlegeteil und Kunststoff zu untersuchen, wird auf einer Zugprüfmaschine mit entsprechend empfindlicher Kraftmessdose die Faser oder der Draht aus dem ringförmigen Kunststoffelement herausgezogen und die dazu benötigte Kraft über dem Weg gemessen (Michaeli et al. 2004). Die Vorteile einer solchen Anordnung sind neben der Vermeidung einer formschlüssigen Verbindung bei gleichzeitiger Ausbildung einer kraftschlüssigen Verbindung die einfache Entformung des hybriden Formteils aus der Kavität und die Berücksichtigung von Einflussgrößen wie der Schwindung. Allerdings hat eine solche Versuchsanordnung auch Nachteile. So liegt in der Fügeebene ein undefinierter Spannungszustand vor, so dass aus den Messwerten keine direkte Bildung von Kennwerten möglich ist.
Abb. 3.8-8. Schema des Pull-Out-Tests
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3.8.4 Ausblick Prinzipiell ist die Funktionsfähigkeit des Mikro-Montagespritzgießens als Fügeverfahren nachgewiesen. Bei dem bis jetzt hauptsächlich untersuchten Verbunden handelt es sich um metallische Einlegeteile, die mit Thermoplasten umspritzt werden. Die Auswertung der durchgeführten Versuche hat gezeigt, dass im Rahmen der möglichen Parametervariationen kein grundsätzlicher Einfluss der Herstellbedingungen auf die resultierende Verbundfestigkeit besteht. Der Einfluss der Streuung verdeutlich erneut die Problematik der Mikrotechnik. Hier spielen Effekte eine Rolle, die im makroskopischen Bereich leicht vernachlässigt werden können oder gar nicht messbar sind. Daher ist in weitergehenden Untersuchungen ein anderer Weg angedacht. Da die Haftung mit den Vorgängen in der Grenzfläche zusammenhängt, besteht die Möglichkeit, die Grenzfläche zu modifizieren. Die kann zum einen mechanisch in Form einer definierten Oberflächenrauheit des Einlegeteils geschehen oder auch chemisch durch das Aufbringen von Haftvermittlern. Um die Möglichkeit des Umspritzens weiterer Materialien der Mikrotechnik zu untersuchen, werden ähnliche Versuche auch mit Einlegeteilen aus Silizium, Glas und Keramik angestrebt. Literatur Brinkmann S (1996) Verbesserte Vorhersage der Verbundfestigkeit von 2Komponenten-Spritzgießbauteilen. Dissertation, RWTH Aachen Michaeli W, Haberstroh E, Gärtner R, Lützeler R, Schulz J, Wehr H, Ziegmann C (2002) Mikrotechnik – Neue Anwendungsfelder, Maschinen- und Verfahrenstechnik. 21. Internationales Kunststofftechnisches Kolloquium, Aachen Michaeli W; Haberstroh E; Schmachtenberg E; Lützeler R; Opfermann D; Kuhlmann K; Tüchert C (2004) Verbinden von Kunststoffteilen. 22. Internationales Kunststofftechnisches Kolloquium, Aachen Michaeli W, Rogalla A, Ziegmann C, Klein H (1998) Montage hybrider Mikrosysteme. VDI-Z 140 (1-2):50-52 Michaeli W, Rogalla A, Ziegmann C (2000) Processing technologies for the injection moulding of hybrid microstructures. Macromol. Mater. Eng. 279:42-45 Michaeli W, Rogalla A, Ziegmann C (2001) Micro Assembly Injection Molding of Hybrid Microstructures. Journal of Polymer Engineering 21 (2/3):99-109 Michaeli W, Ziegmann C (2001) Micro Assembly Injection Molding – Mold and Processing Technologies. Proceedings ANTEC (Annual Technical Conference), SPE, Dallas Michaeli W, Ziegmann C (2001) Micro Assembly Injection Moulding for the Generation of Hybrid Microstructures. Proceedings Micro System Technologies, Düsseldorf
3.8 Mikro-Montagespritzgießen
159
Michaeli W, Ziegmann C (2003) Micro assembly injection moulding for the generation of hybrid microstructures. Microsystem Technologies 9:427-430 Michaeli W, Opfermann D (2004) Festigkeitsuntersuchungen beim MikroMontagespritzgießen. Plastverarbeiter 55 (10):150-152 Opfermann D (2004) Micro injection moulding – micro assembly injection moulding. (Vortrag im Rahmen von Vision Online “Precision and Micro Engineering –In the Application”. Aachen, 11.–15.10.2004) Ziegmann C (2002) Kunststofftechnische Prozesse für die Mikromontage. Dissertation, RWTH Aachen
3.9 Mikrokleben U. Dilthey, A. Brandenburg, M. Schleser Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik der RWTH Aachen
3.9.1 Einleitung Die Marktentwicklung für Mikrosysteme wurde in der Vergangenheit vor allem durch monolithisch aufgebaute Systeme auf Siliziumbasis aus dem Bereich der Informationstechnologie geprägt. Das Bestreben, immer komplexere Funktionen in immer höheren Integrationsdichten zu realisieren, verlangt jedoch zunehmend nach Mikrosystemen die verschiedene mechanische, optische, fluidische und elektronische Komponenten auf einer gemeinsamen Trägerstruktur kombinieren. Solche hybriden Mikrosysteme, beispielsweise Lab-on-Chip-Systeme aus dem Bereich der Biotechnologie oder elektooptische Bauteile aus dem Bereich der Informationstechnologie, können verschiedenste Komponenten wie Mischer, Pumpen, Filter, Linsen, Motoren oder Getriebe enthalten. Aus diesem Grund sind neben den Fertigungstechnologien zur Herstellung der miniaturisierten Bauteile geeignete Montagekonzepte von besonderer Bedeutung. Die hier zur Anwendung kommenden Fügeverfahren müssen flexibel an verschiedene Seriengrößen, Werkstoffe, Geometrien und technologische Anforderungen angepasst werden können. In diesem Zusammenhang stellt das Mikrokleben ein Verfahren mit vielen Vorteilen dar und ist in einigen Fällen die einzige Möglichkeit artungleiche Werkstoffe miteinander zu verbinden. Unter Kleben versteht man das Herstellen einer dauerhaften stoffschlüssigen Verbindung zwischen zwei Fügeteilen durch Adhäsion (Grenzflächenhaftung) und Kohäsion (innere Festigkeit). Besonders vorteilhaft ist hierbei die Möglichkeit unterschiedlichste Werkstoffe und Geometrien wärmearm miteinander zu verbinden. Im Mikrobereich werden von der Klebschicht neben der mechanischen Befestigung häufig noch Zusatzfunktionen erfüllt, wie das Leiten bzw. Trennen von Licht, Elektrizität, Wärme und Fluiden. Im Vergleich mit konkurrierenden Fügeverfahren wie dem Mikroschweißen und -löten oder dem Bonden wirken sich die begrenzte
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Alterungs- und Wärmebeständigkeit sowie die Kriechneigung der Klebschicht nachteilig aus. Im Folgenden soll ein Überblick über die Eigenschaften wichtiger Klebstoffe für den Mikrobereich und die Besonderheiten in der Prozesskette des Mikroklebens gegeben werden. 3.9.2 Klebstoffe Grundsätzlich können im Mikrobereich die gleichen monomeren und polymeren Grundstoffe wie im Makrobereich eingesetzt werden. Die Anforderungen, die dabei an die Klebstoffe gestellt werden, ergeben sich direkt aus dem konkreten Anwendungsfall. Sie sind im Wesentlichen durch die Fügeteilwerkstoffe, die geometrische Gestaltung, die Art und Höhe der auftretenden Beanspruchungen und die geforderten Funktionalitäten bestimmt. Die in Abb. 3.9-1 dargestellten Eigenschaften des Klebstoffs bzw. der Klebschicht bilden dabei wichtige Entscheidungskriterien.
Abb. 3.9-1. Typische Kriterien zur Auswahl geeigneter Klebstoffsysteme
3.9 Mikrokleben
163
Allgemein gilt, dass im Mikrobereich das große Verhältnis von Oberfläche zu Volumen zum Entweichen leichtflüchtiger Bestandteile aus der Klebschicht führen und die Klebstoffzusammensetzung maßgeblich verändern kann. Dieser Effekt wird unter stark gekrümmten Oberflächen verstärkt. Daneben hat die große Oberfläche kleiner Klebstoffvolumina eine erhöhte Empfindlichkeit gegen Nebenreaktionen mit der Umgebung, z.B. die Inhibierung der Härtungsreaktion durch Atmosphärenbestandteile, zur Folge. Für Anwendungen in der Mikrosystemtechnik kommen vorwiegend Reaktionsklebstoffe auf Epoxidharz-, Acrylat-, Silikon- und Polyimidbasis zum Einsatz. Hierbei wird zwischen ungefüllten und gefüllten Klebstoffen unterschieden. Füllstoffe
Gefüllte Klebstoffe bestehen aus den gleichen Grundstoffen wie ungefüllte Systeme und weisen daher qualitativ das gleiche Werkstoffverhalten auf. Sie enthalten zusätzlich Partikel, die das Eigenschaftsprofil der Klebschicht gezielt beeinflussen. Durch die Zugabe von ca. 70 M% Silizumoxidpartikel in einen Epoxidharzgrundstoff kann der E-Modul beispielsweise von 3 auf 20 Gpa erhöht und der thermische Ausdehnungskoeffizient von 30 ppm/K auf 15 ppm/K verringert werden (Fischer 2000). Die Zugabe von 70 M% Al2O3 erhöht die Wärmeleitfähigkeit von 0,4 auf 2,0 W/mK und 60-80 M% Ag-, Ni-, Au-Flakes verringern die Leitfähigkeit der abgebundenen Klebschicht auf Werte unter 10-5 ȍcm. Gefüllte Klebstoffe sind in jedem Fall ordnungsgemäß zu Lagern, da sonst die Gefahr steigt, dass sich Partikel aneinander anlagern. Dieser Vorgang wird durch erhöhte Temperaturen verstärkt. Beim Dosiervorgang wirken z.T. hohe Scherkräfte auf den Klebstoff, die ein Separieren von Matrix und Füllstoffen zur Folge haben können. In diesem Fall ist der Dosiervolumenstrom anzupassen. Mit kleiner werdenden Klebfugengeometrien, können Füllstoffe zu nicht reproduzierbaren Klebergebnissen führen, da ihre Abmessungen z.T. in der gleichen Größenordnung wie die der Klebschicht liegen. Auf der Basis aktueller Forschungsarbeiten finden in diesem Zusammenhang zunehmend nanoskalige Füllstoffe Anwendung in den Klebstoffformulierungen (Frisch 2003). Epoxide
Klebstoffsysteme auf der Basis von Epoxidharz bilden die größte und technisch wichtigste Gruppe. Die Abbindereaktion verläuft nach der Polyaddition und hat vergleichsweise geringe Schwindungen zur Folge. Die ausgebildeten Klebschichten gehören zur Gruppe der Duromere. Sie wei-
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sen hohe Festigkeiten, ausgezeichnete Adhäsionseigenschaften auf verschiedensten Werkstoffen sowie eine hohe Temperatur- und Alterungsbeständigkeit auf. Auf Epoxidharzbasis können Klebstoffe mit unterschiedlichen Aushärtemechanismen formuliert werden. Man unterscheidet warm- und kalthärtende 2-Komponenten-Klebstoffe bei denen die Abbindereaktion des Harzes durch Zugabe einer zweiten Komponente, meist einem aminischen Härter, eingeleitet und durch Wärme unterstützt wird. Vorraussetzung für die vollständige Aushärtung der Klebschicht ist, insbesondere bei den geringen Klebstoffmengen im Mikrobereich, das exakte Mischen von Harz und Härter im stöchiometrischen Verhältnis. Daneben existieren 1-komponentige Systeme, die unter Einfluss von Temperatur oder UV-Licht aushärten. Solche Systeme liegen bereits fertiggemischt vor. Sie sind unkritisch gegen Mischungsfehler, weisen jedoch erhöhte Anforderungen an die Lagerbedingungen auf, um eine vorzeitige Aushärtereaktion zu verhindern. Warmhärtende Klebstoffe müssen bei niedrigen Temperaturen, z.T. bis zu –40 °C, gelagert werden. UVhärtende Klebstoffe sind in jedem Fall unter Ausschluss von Licht zu lagern. Bei ordnungsgemäßer Lagerung liegt die Haltbarkeit 1komponentiger Systeme üblicherweise im Bereich von 6 bis 12 Monaten, die von 2-komponentigen Systemen bei 12 Monaten oder darüber. Typische Zugscherfestigkeiten liegen für kalthärtende Systeme zwischen 10 und 30 MPa für warmhärtende Systeme zwischen 25 und 60 MPa. Die Festigkeiten hängen neben der chemischen Basis des Klebstoffs von den spezifischen Aushärtebedingungen ab. Insbesondere die Temperatur beeinflusst den Vernetzungsgrad maßgeblich. Kalthärtende Systeme werden bei Temperaturen zwischen 10 und 50 °C verarbeitet und zur Steigerung der Festigkeit ggf. bei Temperaturen oberhalb 50 °C nachgehärtet. Die Härtungstemperaturen von warmhärtenden Klebstoffen liegen im Bereich 60 – 180 °C. Grundsätzlich gilt, je höher die Härtungstemperatur, desto kürzer die Abbindedauer (wenige Minuten bis 24 Stunden) und desto höher der Vernetzungsgrad. Dies hat neben höheren Klebschichtfestigkeiten auch höhere Alterungsbeständigkeiten und kürzere Abbindezeiten sowie bei ungefüllten Systemen höhere elektrische Widerstände und geringere thermische Leitfähigkeiten zur Folge. Mit zunehmendem Vernetzungsgrad besteht jedoch die Gefahr einer Versprödung der Klebschicht, was insbesondere bei flexiblen Fügeteilen oder unterschiedlichen Temperaturausdehnungen zu Problemen führen kann. Im Mikrobereich können der Härtungsverlauf und die resultierenden Klebschichteigenschaften mit kleiner werdenden Klebstoffmengen aufgrund des zunehmenden Verhältnisses von Oberfläche zu Volumen negativ beeinflusst werden. Die vergleichsweise geringe Reaktionsenthalpie dünner Schichten kann eine verlangsamte Härtung zur Folge haben. Dieser
3.9 Mikrokleben
165
Effekt kann i.d.R. durch eine entsprechende Erhöhung der Aushärtetemperatur ausgeglichen werden. Bei aminisch härtenden Epoxiden besteht die Gefahr einer Inhibierung der Reaktion durch Anlagerung von Kohlendioxid an den Härter. In diesem Fall empfiehlt sich ein schnelles Fügen nach dem Klebstoffauftrag und ein Abbinden unter erhöhter Temperatur (> 60 °C) oder Schutzgasatmosphäre (Hennemann 1999). UV-härtende Epoxide weisen eine Abhängigkeit des Härtungsverlaufs von der Luftfeuchtigkeit auf. Aufgrund von Nebenreaktionen führen hohe Luftfeuchtigkeiten zu geringeren Aushärtungsgeschwindigkeiten und Klebschichthärten (Hennemann 1999). Typische Abbindezeiten für UV-härtende Systeme liegen bei einigen Minuten, notwendige Handlingfestigkeiten werden oft bereits nach wenigen Sekunden erreicht. Einige Epoxidharzklebstoffe enthalten geringe Mengen Chlor. Unter Einwirkung von Luftfeuchtigkeit besteht die Gefahr einer Bildung von Salzsäure und daraus resultierender Korrosion. Für den Mikrobereich existieren daher Harze mit besonders hohem Reinheitsgrad. Acrylate
Acrylatklebstoffe besitzen insbesondere im Bereich einkomponentiger UV-härtender Systeme eine gewisse Bedeutung. Die Abbindung erfolgt nach dem Mechanismus der Polymerisation. Die ausgehärteten Klebschichten gehören zur Gruppe der Thermoplaste. Acrylate weisen einen ähnlichen Brechungsindex wie Glas auf. Sie besitzen eine hohe Transparenz und sind daher gut geeignet für optische Anwendungen, wie das Verkleben von Linsen. Durch geeignete Formulierungen können hohe Elastizitäten und Reißdehnungen bis zu 300 % realisiert werden. Aufgrund der guten physiologischen Eigenschaften stellen Acrylate z.Z. den Hauptteil der in Medizin- und Biotechnologie verwendeten Klebstoffe dar. Zahlreiche Klebstoffe sind gemäß USP XXIII Class VI zertifiziert. Während bei Glas-Glas-Klebungen oder Glas-Al-Klebungen Scherfestigkeiten im Bereich 25-30 MPa realisiert werden können, zeigen Acrylate auch auf verschiedenen unpolaren Kunststoffoberflächen gute Haftungseigenschaften. Auf PP- und PE-Oberflächen werden Scherfestigkeiten von ca. 6 MPa erreicht. Der Verlauf der Härtungsreaktion hängt von der Bestrahlungsintensität, der Klebgeometrie und der umgebenden Atmosphäre ab. Mit zunehmender Strahlungsintensität steigt die Aushärtegeschwindigkeit, allerdings ändern sich auch die Netzwerkstruktur des Polymers und damit die Klebschichteigenschaften. Dies bedingt im Einzelfall empirische Untersuchungen zur Ermittlung optimaler Aushärtebedingungen. Die Strahlungsintensitäten von Handstrahlern betragen üblicherweise 10 80 mW/cm², leistungsfähige Flächenstrahler liegen im Bereich von 150 -
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400 mW/cm² und mit Hilfe fokussierter Punktstrahler können auf kleinen Flächen Intensitäten von 2000 - 10000 mW/cm² realisiert werden. Grundsätzlich sollte das Emissionsspektrum der Strahlungsquelle auf das Absorptionsspektrum des Photoinitiators im Klebstoff abgestimmt sein. Aufgrund optischer Effekte steigt die Härtungsgeschwindigkeit mit zunehmender Krümmung der Tropfen, folglich erfordern Klebschichten im Vergleich zu Einzeltropfen vergleichsweise hohe Strahlungsdauern. Ein wichtiger Aspekt beim Abbinden von UV-härtenden Acrylaten ist die Inhibierung der Härtungsreaktion durch Atmosphärenbestandteile, vor allem durch Sauerstoff. Sie kann klebrige Oberflächen und bei kleinen Mengen unvollständig ausgehärtete Klebschichten und zur Folge haben. In diesen Fällen kann unter Schutzgas eine vollständige Härtung erreicht werden. Typische Acrylatklebstoffe weisen oft einen vergleichsweise hohen Dampfdruck auf, der zum Verdampfen leicht flüchtiger Bestandteile führt. Dieser Effekt wird unter stark gekrümmten Oberflächen verstärkt und kann im Mikrobereich eine signifikante Änderung der Klebstoffzusammensetzung zur Folge haben (Dilthey 2001). Silikone
Klebstoffe auf Silikonbasis nehmen eine Zwischenstellung zwischen organischen und anorganischen Klebstoffen ein. Die ausgehärteten Klebschichten gehören zur Gruppe der Elastomere. Sie sind vergleichsweise elastisch und daher gut geeignet um Zwangsverformungen auszugleichen, beispielsweise bei der Verbindung von Werkstoffen mit stark unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten. Sie sind außerdem Wärmeund Chemikalienbeständig und weisen einen hohen Reinheitsgrad bezüglich elektrisch oder chemisch aktiver Ionen auf. Silikonklebstoffe enthalten in der Regel keine zersetzbaren oder physiologisch problematischen Bestandteile. Die Aushärtung von 1-komponentigen Systemen (RTV-1) erfolgt durch Luftfeuchtigkeit, die rel. Feuchten sollte dazu mindestens 50 % betragen. Die Aushärtegeschwindigkeit liegt im Bereich einiger Stunden, sie kann durch erhöhte Luftfeuchtigkeit bei gleichzeitig erhöhter Temperatur gesteigert werden. 2-komponentige Systeme (RTV-2) bestehen aus den Komponenten Kautschuk und Härter. Die Härtungszeiten betragen ebenso wie die Topfzeiten wenige Minuten. In beiden Fällen handelt es sich um Polykondensationsklebstoffe. Hierbei ist zu beachten, dass die bei der Reaktion entstehenden niedermolekularen Spaltprodukte aus der Klebfuge abgeführt werden müssen. Daneben existieren auch 2-kompentige System, die nach dem Mechanismus der Polyaddition aushärten. Die Reaktionsgeschwindigkeit lässt sich in diesem Fall durch Temperaturerhöhung beschleunigen. Aufgrund ihrer geringen Zugscherfestigkeiten im Bereich von
3.9 Mikrokleben
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1 - 4 MPa sind Silikonklebstoffe für strukturell beanspruchte Klebungen von untergeordneter Bedeutung. Polyimide
Polyimidklebstoffe werden im Bereich temperaturbeständiger Klebungen eingesetzt. Die Abbindung erfolgt nach dem Mechanismus der Polykondensation. Die obere Grenze des Temperatureinsatzbereiches von Polyimidklebstoffen liegt bei ca. 320 °C. Sie weisen Scherfestigkeiten im Bereich von 20 - 50 MPa auf, sowie hohe Steifigkeiten bei geringer Dehnung. Sie sind außerdem beständig gegen Lösungsmittel, Fette und Öle, werden jedoch von starken Säuren und Laugen, kochendem Wasser und Oxidationsmitteln angegriffen (Orthmann 1995). Die aufwendige Härtung unter Druck und hohen Temperaturen über 200 °C ist als wesentlicher Nachteil von Polyimiden zu nennen und stellt für zahlreiche Anwendungen ein Ausschlusskriterium dar. 3.9.3 Prozesstechnik Fügen und Fixieren
Bei der Übertragung vom Makro- in den Mikrobereich ergeben sich, neben den beschrieben Unterschieden bei Verarbeitung und Aushärtung der geringen Mengen unterschiedlicher Klebstoffe, wesentlich erhöhte Anforderungen an die Handhabungsgenauigkeiten beim Fügen und Fixieren. Die geometrische Genauigkeit und die Steifigkeit bzw. Aufsetzkraft des Systems bestimmen die Gleichmäßigkeit und Dicke der Klebschichtdicke, sowie das Ausbreitungsverhalten des Klebstoffs. Typische Schichtdicken liegen im Mikrobereich zwischen 1 und 20 µm. Üblicherweise kommen für das Handling der Bauteile Pick & Place Systeme zum Einsatz, die Genauigkeiten im µm-Bereich aufweisen. Die Reproduzierbarkeit und Handhabungsgenauigkeit kann durch geeignete Justagestrukturen erhöht werden, Abb. 3.9-2. Positionskritische Klebungen bleiben i.d.R. fixiert bis der Klebstoff vollständig bzw. nahezu vollständig Abgebunden ist.
Abb. 3.9-2. Passive Erhöhung der Maßgenauigkeit durch Einsatz von Spacern
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U. Dilthey et al.
Oberflächenbehandlung
Beim Kleben kommt der Oberflächenbehandlung eine besondere Bedeutung zu. Gereinigte, entfettete und homogene Fügeteiloberflächen sind die Voraussetzung für einen gleichmäßigen Benetzungszustand und die Ausbildung ausreichender Haftungskräfte zwischen Klebstoff und Grundwerkstoff. Die für die Adhäsion verantwortlichen Bindungskräfte weisen Reichweiten im Subnanometer-Bereich auf. Technische Oberflächen weisen auch bei Feinstbearbeitung Rautiefen von mehr als 25 nm auf (Eigler 1996), so dass mit niedrigviskosen Klebstoffen häufig verbesserte Benetzungszustände und eine erhöhte wirksame Oberfläche verbunden sind. Das Säubern und Entfetten der Oberflächen verlangt besondere Sorgfalt, da auch vermeintlich gereinigte Oberflächen noch Adsorbatschichten aufweisen können, die lokal die Benetzungsfähigkeit ändern. Im Mikrobereich führt dies aufgrund der naturgemäß kleinen Abmessungen zu ungleichmäßiger Klebstoffausbreitung und verminderten Haftfestigkeiten, Abb. 3.9-3.
Abb. 3.9-3. Scherfestigkeiten auf verschieden gereinigten Oberflächen (links), Ethanol-gereinigtes Glassubstrat (rechts)
Dosier- bzw. Applikationstechnik
Für die Dosierung und Applikation definierter minimaler Klebstoffmengen haben sich aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Klebstoffarten und Anforderungen verschiedene Dosiertechniken am Markt etabliert. Man unterscheidet flächige Auftragsverfahren wie den Sieb- oder Schablonendruck und punktförmige Auftragsverfahren wie die Pin-Transfertechnik oder die verschiedenen Dispenstechniken mit denen auch ein linienförmiger Klebstoffauftrag realisiert werden kann. Wichtige Eigenschaften der genannten Verfahren werden im Folgenden dargelegt. Sieb- und Schablonendruck. Beim Siebdruck wird der Klebstoff mit Hilfe eines Rakels durch ein Sieb gedrückt, das Aussparungen in Form der gewünschten Auftragsgeometrie aufweist. Das Sieb ist in der Regel aus
3.9 Mikrokleben
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Stahl oder Nylon gefertigt und wird bei der Bewegung des Rakels elastisch auf die Substratoberfläche gedrückt. Das Auftragergebnis ist durch die rheologischen Eigenschaften des Kebstoffs, Rakeldruck und -geschwindigkeit sowie Siebgeometrie und -werkstoff bestimmt. Die Siebunterseiten sind z.T. beschichtet um ein Fadenziehen des Klebstoffes bei der elastischen Rückfederung des Siebes zu verhindern. Der Schablonendruck weist ein ähnliches Verfahrensprinzip auf wie der Siebdruck. Hier wird der Klebstoff mithilfe eines Rakels durch ein Metallblech gedrückt, das Öffnungen in Form der gewünschten Auftragsgeometrie aufweist. Mit dem Schablonendruck lassen sich im Vergleich größere Druckschichtdicken realisieren. Beide Technologien sind nur für Anwendungen auf ebenen Flächen geeignet, z.B. dem Auftrag elektrisch leitender Klebstoffe auf Leiterplatten. Pin-Transfer-Technik. Bei der Pin-Transfer-Technik wird der hohl oder massiv ausgeführte Stempel zunächst in ein Klebstoff-Reservoir getaucht. Anschließend wird ein Teil des adhäsiv anhaftendenden Klebstoffs berührend auf ein Substrat übertragen. Das Verfahren ist durch einen einfachen und preiswerten Aufbau gekennzeichnet, der sich gut parallelisieren lässt, Abb. 3.9-4. Es eignet sich für einen großen Viskositätsbereich (100 mPas – 100000 mPas) bei gleichzeitig breitem Volumenspektrum. Dies schließt auch gefüllte Klebstoffe ein. Die Pin-Transfer-Technik ist jedoch äußerst unflexibel im Hinblick auf die Änderung des applizierten Volumens und der Auftragsgeometrie. Zudem weist das Verfahren vergleichsweise schlechte Volumengenauigkeiten, geringe Reproduzierbarkeiten und hohe Nebenzeiten auf.
Abb. 3.9-4. Pin-Transfertechnik
Dispens-Techniken. Die Dispens-Techniken weisen gegenüber der PinTransfer-Technik und dem Sieb- bzw. Schablonendruck erhebliche Vorteile hinsichtlich der Flexibilität auf. Mit den verschiedenen DispensTechniken lassen sich nahezu beliebige punkt- und linienförmige Auftraggeometrien realisieren. Die einzelnen Tropfen bzw. Linien können dabei
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im Hinblick auf Volumen und Geometrie über einen großen Bereich variiert werden. Typische Auftragvolumina reichen vom µl- bis weit in den Subnanoliterbereich. Es kommen verschiedene Dosiersysteme zum Einsatz, die sich in berührende und berührungslose Systeme unterscheiden lassen, Abb. 3.9-5.
Abb. 3.9-5. Berührende und Berührungslose Mikrodosierung
Bei den berührenden Dispens-Techniken wird mit Hilfe einer Fördereinrichtung Klebstoff an einer Kapillare bereitgestellt und anschließend berührend auf das Substrat übertragen. Das Auftragvolumen hängt dabei maßgeblich von den Eigenschaften des Klebstoffs, der Kapillare und der Substratoberfläche ab (Dilthey 2001). Die berührenden Verfahren sind durch einen einfachen und vergleichsweise preiswerten Aufbau gekennzeichnet. Sie weisen Vorteile bei der Applikation kleinster Klebstoffvolumina bei gleichzeitig großem Viskositätsbereich auf. Die Fördereinrichtungen arbeiten nach verschiedenen Verdrängungsprinzipien. Am häufigsten werden dabei Kolben-, Schrauben-, Peristaltik- oder DruckluftSysteme eingesetzt. Abb. 3.9-6 zeigt einen am ISF entwickelten Kolbendosierer mit dem sich Klebstoffvolumina von wenigen Pikolitern dosieren lassen (Dilthey 2004).
3.9 Mikrokleben
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Abb. 3.9-6. Mikrokolbendosierer (links) und Dosierbeispiel (rechts)
Beispiele für berührungslose Dosiersysteme sind der Piezotropfendosierer und der Ventildosierer. Die Piezodosierer exisiteren in verschiedenen Bauformen und arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie Tintendrucker. Eine für die Klebstoffapplikation etablierte Bauform weist beispielsweise einen Piezoaktor auf, der ein mit Klebstoff gefülltes Glasröhrchen umschließt. Der Piezoaktor wird über die Parameter Spannung, Pulsdauer und Frequenz angesteuert und kontrahiert. Infolge des Druckimpulses wird der Klebstoff aus der Düse geschossen. Die Einzeltropfen liegen im Volumenbereich zwischen 30 und 500 pl. Größere Volumina können durch das mehrfache Dosieren von Einzeltropfen mit bis zu 2000 Hz realisiert werden. Der Volumenfehler liegt dabei unter 1 %. Nachteilig wirken sich die häufigen Fehler bei Prozessunterbrechung und der eingeschränkte Viskositätsbereich aus. Grundsätzlich lassen sich nur ungefüllte, niedrigviskose Flüssigkeiten mit Viskositäten unter 20 mPas dosieren. Mittels beheizter Düse kann dieser Bereich auf maximal 20 - 10000 mPas erweitert werden. Ventildosierer arbeiten üblicherweise mit piezogetriebenen schnell schaltendenden Nadelventilen, die ein unter Druck stehendes Klebstoffreservoir freigeben. Mit modernen beheizten Dosiersystemen können niedrigviskose Klebstoffe mit Viskositäten von 70 mPas bis hin zu thixotropen Klebstoffen mit Viskositäten über 150000 mPas dosiert werden. Die minimalen Klebstoffmengen der Einzeltropfen liegen zwischen 2 und 100 nl, wobei i.d.R. niedrige Viskositäten mit kleinen Einzeltropfen korrespondieren. Es können bis zu 150 Einzeltropfen pro Sekunde dosiert werden. Vergleicht man berührende und berührungslose Dosiersysteme, haben letztere ihre Grenzen beim Dosieren kleinster Mengen und hoher Viskositäten. Im Gegensatz zu den berührenden Systemen fällt jedoch der Absetzvorgang weg. Sie können daher wesentlich flexibler eingesetzt werden und arbeiten weitgehend unabhängig vom Substrat.
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Literatur Dilthey U, Brandenburg A, Möller M (2001) Study of factors influencing the microdosing of unfilled adhesives. Journal of Micromechanics and Microengineering, Vol. 11:474-480 Dilthey U, Brandenburg A, Schleser M (2004) Dispensing and application of unfilled adhesives in the mirco range. Welding & Cutting, Vol. 3, 4:250–254 Eigler H, Beyer W (1996) Moderne Produktionsprozesse der Elektrotechnik, Elektronik und Mikrosystemtechnik: Entwurf – Optimierung – Technologietransfer. expert-Verlag, Rennigen-Malmsheim Fischer W-J (2000) Mikrosystemtechnik. Vogel, Würzburg Frisch F (2003) Nanotechnologie beflügelt die Klebtechnik. Adhäsion. 47 Jg. 4:16-19 Hennemann O-D (1999) Möglichkeiten und klebstoffspezifische Systemgrenzen von Mikroklebverbindungen mit nichtgefüllten Klebstoffen. Abschlussbericht AiF 11.000N1, IFAM Bremen Möller M (2001) Mikroapplikation von ungefüllten Klebstoffen zum Kleben in der Mikrosystemtechnik. Dissertation, RWTH Aachen Orthmann K (1995) Kleben in der Elektronik. expert-Verlag, Mannheim
4 Prozesskontrolle
Bei der Prozesskontrolle wird zwischen Inline-Kontrollverfahren und Offline-Qualitätsprüfverfahren unterschieden. Beide Methoden sind innerhalb des Montageprozesses auf Basis eines ganzheitlichen Qualitätsdenkens implementiert, siehe Abb. 4-1 (Pfeifer 2001a). In Stufe 1 wird direkt am Prozess kontinuierlich oder prozessintermittierend (Inline) gemessen. Speziell werden hierfür CCD- oder CMOS-Kameras, Miniatur-Endoskope und faseroptische Sensoren sowie pyrometrische Verfahren verwendet. Die gewonnenen Daten werden zur Prozessregelung genutzt. Die klassische Post-Prozess-Messtechnik (Stufe 2 – Offline) wird in Form der statistischen Prozesskontrolle (SPC) zur Überwachung an sich fähiger Prozesse genutzt. Eingesetzte Verfahren sind hierbei die konventionelle optische Mikroskopie, die konfokale Mikroskopie, die Rasterelektronenmikroskopie, die Rasterkraftmikroskopie, die Weißlichtinterferometrie und die taktile Rauhheitsmessung. Stufe 2
Mikromontage
Post-Prozess-Messtechnik
Offline
Fügen Positionieren Handhaben
Messen Überwachen Prüfen
Stufe 1 In-Prozess-Messtechnik Inline CCD/CMOS-Kameras Endoskope Faseroptische Sensoren Pyrometrie ...
Optische Lichtmikroskopie Konfokale Mikroskopie Rasterelektronenmikroskopie Rasterkraftmikroskopie Weißlichtinterferometrie Tastschnittgerät ...
Abb. 4-1. Qualitätsregelkreise der 1. und 2. Stufe zur Inline-Visualisierung und – regelung und Qualitätsprüfung
174 4 Prozesskontrolle
Im vorliegenden Kapitel wird auf beide Bereiche der Prozesskontrolle – inline und offline – besonders im Hinblick auf den Einsatz in der Mikrosystemtechnik bzw. der Mikromontage eingegangen. Dabei werden verschiedene besonders in diesem Umfeld eingesetzte Verfahren beschrieben und anhand von Anwendungsbeispielen erläutert.
4.1 Offline-Verfahren T. Pfeifer, R. Schmitt, S. Driessen, B. Engelmann Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre, RWTH Aachen
Offline-Verfahren werden in der Mikrosystemtechnik für die klassische Post-Prozess-Messtechnik eingesetzt. Im Gegensatz zur Inlinemesstechnik messen Offline-Verfahren nicht prozessintermittierend. Sie sind somit ungeeignet, um zeitkritische Positionierungs- und Handhabungsvorgänge zu überwachen und zu steuern. M Vi es V su sz er Fl Al A K al ex b l ei br o e nt bil isi t f ei ib Ma ge e d u M ür tu le Fo te r u om Z re u e n A M r ss Aq ng rd er n v g h ng uf ial e e u d a s er lö un tri st on o v su a sc ör h on sd bla isi es un ng bh he un Str er A H ate uf tion Ve gs r is s int n un äng n F gsf ukt ka t a un fah d o re u pe er in d ta r i M ges rm ies ren ktv sch dig uto Ve ens lo e es m it e g n r d sb Ver n m Ver ars rhä eid ale ati arb am r s e u l er fa ö fa t M ei hr gli hr ellb tnis ng For ierb itun ar Ge ch en ch en a se en m ar g kt wic r htu ng Verfahren 5 4 4 3 3 3 2 2 2 1 1 Konfokale Mikroskopie Mikrostreifenprojektion Photogrammetrie Autofokusverfahren Rasterelektronenmikroskopie Fasertaster Laserlichtschnittsensor Interferometrie Optische Lichtmikroskopie Chromatischer Sensor Tastschnittgerät Rastersondenmikroskopie
Legende Vollständig Weitgehend Teilweise Ansatzweise Nicht Erfüllungsgrad 87 % 83 % 82 % 80 % 77 % 77 % 76 % 75 % 73 % 73 % 59 % 52 %
Abb. 4.1-1. Analyse der Messverfahren für den Einsatz in der Mikromontage
Offline Messverfahren dienen zur Kontrolle des Prozessergebnisses der vorangegangen Prozessschritte. Die aufgenommenen Messgrößen können zwar zur Regelung von Prozessen herangezogen werden, die eigentliche Regelung des Prozesses kann aber nicht mehr unmittelbar erfolgen. Ein
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T. Pfeifer et al.
Hilfsmittel zur Regelung von Prozessen mittels Offlinemessverfahren ist die statistische Prozesskontrolle (SPC) z.B. durch Shewart-Regelkarten (Pfeifer 2001a). Die Anzahl verfügbarer Offlinemessverfahren übersteigt den sinnvollen Umfang eines Handbuches für die Montage hybrider Mikrosysteme. Abb. 4.1-1 vergleicht bekannte Messverfahren auf Ihre Eignung für den Einsatz der Mikromontage. Die konfokale Mikroskopie weist unter allen Verfahren dabei den höchsten Erfüllungsgrad auf. Gegenstand dieses Kapitels soll folglich nur die konfokale Mikroskopie sein. (Dussler 2003) 4.1.1 Einführung in die Laserscanning-Mikroskopie Das grundsätzliche Problem bei konventionellen Mikroskopen besteht darin, dass sich jedem scharfen Bild eines bestimmten Höhenschnittes im Objekt auch noch die Lichtverteilung der anderen, allerdings unscharf abgebildeten Höhenschnittebenen immer überlagern. Diese werden zwar nicht erkannt, aber sie reduzieren die Bildqualität der scharf abgebildeten Höhenschnittebene, indem sie beispielsweise den Bildkontrast verringern. Um dieses Problem zu umgehen, wurde versucht, die Lichtanteile aus anderen Höhenschnittebenen durch Blenden aus dem Bild zu unterdrücken (Abb. 4.1-2). Die konfokale Blende vor dem Photodetektor ist so angebracht, dass nur Licht aus der scharf abgebildeten Objektebene zum Detektor gelangt. Das Licht von anderen höher oder tiefer liegenden Objektpunkten wird dahingegen durch die Blende stark reduziert und überlagert sich daher kaum noch mit dem scharf abgebildeten Bild. Dies wird das konfokale Prinzip genannt. Anstelle einer Weißlichtquelle werden konfokale Mikroskope in der Regel mit Laserlichtquellen ausgestattet. Laser eignen sich vor allem durch die hohe Lichtleistung besonders gut für die konfokale Mikroskopie, da raue Oberflächen oder steile Flanken noch genügend Licht reflektieren und die konfokale Blende viel Licht aus benachbarten Ebenen unterdrückt. Das vom Laser bereitgestellte monochromatische Licht bietet zudem den Vorteil eines höheren Auflösungsvermögens. Ebenso werden chromatische Abbildungsfehler vermieden. Insbesondere bei biomedizinischen Anwendungen bietet eine Kombination von Aufnahmen mit Lasern unterschiedlicher Wellenlängen mehr Flexibilität bei der Analyse von z.B. Zellen (Sheppard u. Shotton 1997a).
4.1 Offline-Verfahren
177
Lichtquelle Detektor Linse
Halbdurchlässiger Spiegel Konfokale Blende Linse
Objekt
Abb. 4.1-2. Strahlengang eines konfokalen Mikroskops (nach Pfeifer 2001a)
Die Konsequenz einer konfokalen Blende ist allerdings, dass nicht mehr die gesamte Oberfläche gleichzeitig betrachtet werden kann. Es handelt sich vielmehr bei dem vorgestellten Verfahren um eine punktuelle Abbildung. Zur Erzeugung eines flächigen Bildes muss die Objektoberfläche abgescannt werden. Dies kann zum einen durch Verschieben des Objektes oder durch Abrastern der Oberfläche durch die Lichtquelle erfolgen. In diesem Fall wird der abgebildete Lichtpunkt sehr schnell Punkt für Punkt und Zeile für Zeile über das Objekt bewegt (Lichtmann 1994). Eine häufig genutzte Möglichkeit durch Parallelverarbeitung die flächige Messung von Objekten zu beschleunigen, ist die Erzeugung eines Lichtpunktrasters mittels einer sog. Nipkow-Scheibe. Dabei handelt es sich um eine sehr dünne Kupferscheibe, in der auf spiralförmigen Bahnen Löcher mit ca. 30-50 Mikrometern Durchmesser angeordnet sind. Als Objektiv wird ein normales Mikroskop-Objektiv verwendet. Das Bildverarbeitungssystem nimmt mit einer festen Frequenz Bilder der Oberfläche auf, die durch die rotierende Nipkow-Scheibe betrachtet wird. Mikrolinsenraster sowie DMD-Chips stellen weitere Möglichkeiten dar, ein solches regelmäßiges Raster an Lichtpunkten zu erzeugen (Bitte 2002), (Schick u. Neubauer 2002). Ein weiterer Vorteil des konfokalen Prinzips ist die Bestimmung der dritten Koordinate räumlicher Strukturen. Dabei werden das Objekt oder
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T. Pfeifer et al.
die Optik in der Höhe z.B. durch Piezoelemente oder Servomotoren geringförmig verfahren und erneut abgetastet. Durch Übereinanderlegen dieser Schichtaufnahmen ergibt sich somit die dreidimensionale Struktur des Objektes. Die Ermittlung der Höheninformation gestaltet sich jedoch sehr zeitintensiv da der Laser schrittweise in unterschiedlichen Höhen fokussiert werden muss. Eine Beschleunigung der Höhenfokussierung ist bereits von einigen Herstellern z.B. über einen in einem Magnetfeld oszillierenden Spiegel realisiert worden (Schick 1999). Wie bei konventionellen Lichtmikroskopen ist die Auflösung und der Messbereich einer Optik über physikalische Gesetzmäßigkeiten miteinander verbunden. Dies bedeutet, dass bei Auswahl eines Objektivs mit Festlegung der Auflösung der Messbereich ebenfalls festgelegt ist. Weitere wichtige Einflussgrößen auf die Auflösung sind die Wellenlänge der emittierenden Lichtquelle, der Brechungsindex des Immersionsmediums und der Durchmesser der konfokalen Blende. 4.1.2 Angepasste Oberflächeninterpolation
Die Interpolation der Oberfläche in den aufgenommenen Messdaten ist zentrales Element in der Messwerterfassung des konfokalen Mikroskops. Um die 3D-Topographie eines Messobjekts mit einem konfokalen Mikroskop zu gewinnen, werden von der Probe Schichten aufgenommen. Für jeden Punkt der Scannebene wird ein Intensitätsmesswert am Detektor ermittelt. Der Wert der gemessenen Intensität hängt davon ab, wie weit der Objektpunkt in der Vertikalen von der jeweiligen Fokusebene entfernt ist. Die größte Intensität wird erreicht, wenn der Laser direkt auf die Oberfläche fokussiert wird. In diesem Fall wirkt die Oberfläche wie ein Spiegel und erzeugt eine maximale Lichtintensität auf dem Detektor. Die gemessene Intensität der Ebenen ober- oder unterhalb der Oberfläche nimmt mit Entfernung von der Oberfläche ab. Es zeigt sich ein symmetrischer Verlauf der gemessenen Intensität über der Höhe z. Die Lage des Intensitätsmaximums der Messreihe eines Punktes erlaubt also Rückschlüsse auf dessen tatsächliche Höhenposition. Abb. 4.1-3 zeigt einen solchen theoretischen Intensitätsverlauf zusammen mit der Kurve einer entsprechenden Messung.
4.1 Offline-Verfahren
179
Abb. 4.1-3. Theoretischer und gemessener Intensitätsverlauf in Abhängigkeit von der Höhe bei einer NA = 0,7 und einer Wellenlänge von 488 nm
Um die Lage des Intensitätsmaximums und damit die genaue Z-Position eines Oberflächenpunktes möglichst genau zu bestimmen, lassen sich unterschiedliche Auswerteverfahren verwenden. Je nachdem wie der Anwender den Schichtabstand der einzelnen Scanebenen festlegt, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Intensitätsmaximum zwischen den aufgenommenen Ebenen liegt. Um jedoch den genauen Höhenwert eines Oberflächenpunktes zu ermitteln, der durch das Intensitätsmaximum repräsentiert wird, muss folglich eine Interpolation im gemessenen Intensitätsverlauf durchgeführt werden.
Abb. 4.1-4. Auswertung der Intensitätshöhenverteilung nach dem Verfahren zur parabolischen Anpassung
180
T. Pfeifer et al.
Im Zusammenhang mit der Analyse der Intensitäts-Höhenbeziehung wurden bisher häufig lediglich das Maximumverfahren und das Verfahren zur parabolischen Anpassung diskutiert (Sheppard u. Shotton 1997b). Beim Maximumverfahren wird der Maximalwert der Intensitäten jedes Punktes bestimmt. Der zugehörige Höhenwert wird ohne weitere Auswertung als tatsächliche Höhe angenommen und gespeichert. Beim Verfahren zur parabolischen Anpassung wird die ideale Kurve in der direkten Umgebung ihres Maximums angenähert. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass in diesem Betrachtungsbereich eine Parabel dem theoretischen Verlauf ausreichend gut folgt (Abb. 4.1-4). Die weiteren Verfahren sind für die Maximumbestimmung geläufig, allerdings ist der Einfluss der Verfahren und deren Auswirkungen auf die Oberflächeninterpolation erst vor kurzem intensiv untersucht worden (Dussler 2003).
Abb. 4.1-5. Oberflächentopographie einer Wellenstruktur aus Polycarbonatspritzguss durch sechs verschiedene Oberflächeninterpolationsverfahren ermittelt
4.1 Offline-Verfahren
181
Folgende Verfahren sind bekannt: Maximumverfahren Verfahren zur parabolischen Anpassung Schwerpunktverfahren Quadratisches Schwerpunktverfahren Flankenschnittpunktverfahren Verfahren zur Anpassung an eine Gaußverteilung Abb. 4.1-5 zeigt die Oberflächentopographie einer Wellenstruktur aus Polycarbonatspritzguss, die mit den verschiedenen Interpolationsverfahren gewonnen wurden.
Maximumverfahren
Parabolischen Anpassung
Schwerpunktverfahren
Quadratisches Schwerpunktverfahren
Flankenschnittpunktverfahren
Anpassung an eine Gaußverteilung
Tabelle 4.1-1. Vergleich der Oberflächeninterpolationsverfahren
Schwach reflektierend
{
{
{
{
-
{
Stark reflektierend
{
{
-
{
--
{
Stark verrauscht
-
+
+
+
{
+
Schräge Flächen
-
+
+
++
{
+
Komplexe Geometrien
-
+
{
{
{
{
Kanten
-
{
{
+
-
{
Grenzflächen + -+ ++ -++ ausgezeichnet, + gut, { befriedigend, - ausreichend, -- schlecht
{
Unterschiede zwischen den Oberflächeninterpolationsverfahren zeigen sich besonders bei verschiedenen Anwendungen bzw. Problemfällen. In Tabelle 4.1-1 werden sieben typische Kriterien, die im Bauteilspektrum der Mikrosystemtechnik auftreten, den Oberflächeninterpolationsverfahren unter Berücksichtigung der subjektiven Interpolationsergebnisse gegenübergestellt. Als Kriterien wurden berücksichtigt:
182
T. Pfeifer et al.
schwach oder stark reflektierende Proben, verrauschte Aufnahmen (d. h. die Messdaten können durch hohe Verstärkungen am Photomultiplier verfälscht werden), schräge Flächen (d. h. Ebenen, die eine starke Neigung zum Strahlengang des Lasers besitzen), komplexe Geometrien (d. h. verschiedene Eigenschaften vereinen sich in einem Objekt wie z.B. unterschiedliches Reflexionsverhalten), Kanten oder Grenzflächen. Unter Grenzflächen werden dabei Oberflächen verstanden, die sich im oberen oder unteren Bereich des vertikalen Messbereichs befinden. Die genannten Verfahren lassen sich jedoch im Gegensatz zur subjektivgeprägten Beurteilung im vorangegangenen Abschnitt auch objektiv vergleichen. Exemplarisch wird im Folgenden aufgezeigt, wie sich das Verfahren zur parabolischen Anpassung mit dem Schwerpunktverfahren vergleichen lässt. Beim Schwerpunkt-Verfahren erfolgt die Auswertung und Anpassung von Höhenwerten an den realen Verlauf im Gegensatz zum Verfahren zur parabolischen Anpassung mit Hilfe der Fläche unterhalb der gemessenen Intensitätskurve. Diese Fläche kann nicht durch Integration bestimmt werden, sondern wird nur durch Messwerte angenähert. Die resultierenden rechteckigen Einzelflächen ergeben dann aufsummiert die Näherung der Gesamtfläche unter dem Intensitätsverlauf wie in Abb. 4.1-6 gezeigt. Da die Intensität idealerweise symmetrisch zur Ordinate des Maximums verläuft, entspricht die Z-Koordinate des Gesamtflächenschwerpunkts auch der realen Höhenposition. Der Gesamtflächenschwerpunkt bezüglich der z-Achse berechnet sich dann aus den Schwerpunkten der Einzelflächen.
Abb. 4.1-6. Auswertung der Intensitätshöhenverteilung nach dem Schwerpunktverfahren
4.1 Offline-Verfahren
183
Die Genauigkeit aller Auswerteverfahren hängt wesentlich vom Abstand bzw. von der Anzahl der einzelnen Aufnahmeebenen im Verhältnis zum eingesetzten Objektiv ab. Es bietet sich daher an, die beschriebenen mathematischen Verfahren zu simulieren. Zu diesem Zweck werden die einzelnen Algorithmen zur Oberflächeninterpolation mit variierten Abständen, unterschiedlichen Objektivparametern (z.B. unterschiedlichen numerischen Aperturen) und mathematisch idealen Intensitätsverteilungen simuliert. Anschließend lassen sich die einzelnen Verfahren bezüglich ihrer mittleren Messabweichung vergleichen. Abb. 4.1-7 zeigt den Vergleich zwischen Parabel- und Schwerpunktverfahren bei einer numerischen Apertur NA=0,15. Beide Kurven zeigen den Zusammenhang zwischen dem Abstand der einzelnen Scanebenen („ZStep“) und der mittleren Messabweichung. Die mittlere Messabweichung ergibt sich dabei aus der Differenz zwischen der idealen Intensitätsverteilung und dem jeweiligen Interpolationsergebnis des simulierten Verfahrens.
Abb. 4.1-7. Vergleich von Parabel- und Schwerpunktverfahren
Mittels der dargestellten Untersuchungen ist ein Abwägen zwischen Messdauer und Messgenauigkeit in Abhängigkeit vom jeweiligen Interpolationsverfahren möglich. Sollen viele eng aneinander liegende Schichten aufgenommen werden (Z-Step < 8,15 µm), bietet sich im direkten Vergleich nach Abb. 4.1-7 das Parabelverfahren an. Ab einem Schichtabstand von 8,15 µm weist das Schwerpunktverfahren dann geringere Abweichungen auf. Der schwingungsförmige Charakter des Schwerpunktverfahrens lässt einen weiteren Schluss zu: Bei Wahl dieses Interpolationsverfahrens kön-
184
T. Pfeifer et al.
nen schon geringe Unterschiede bei der Z-Stepfestlegung die Qualität der Ergebnisse verschlechtern. Werden die dargestellten Ergebnisse für mehrere Interpolationsverfahren in der Bediensoftware eines LSM hinterlegt, lässt sich die Qualität der Messungen für den Anwender unbemerkt unter Berücksichtigung des Z-Steps über die Wahl des optimalen Interpolationsverfahrens verbessern. 4.1.3 Mehransichtenmethode Betrachtet der Mensch ein komplexes Bauteil, wird er, um alle geometrischen Informationen visuell zu erfassen, das Bauteil aus verschiedenen Blickrichtungen ansehen. Diese Vorgehensweise des Menschen wird bei der Mehransichtenaufnahme auf die 3D-Formerfassung von Mikrobauteilen durch das LSM übernommen, um so auch komplexe 3D-Geometrien oder Hinterschneidungen bei Mikrobauteilen visualisieren zu können (Dussler u. Pfeifer 2001). Dabei wird das Objekt zuerst in verschiedene Stellungen mit einem mehrachsigen Positioniersystem gekippt und gedreht. Die Anzahl der unterschiedlichen Ansichten ist von der Komplexität des aufzunehmenden Bauteils abhängig. In jeder Ansicht wird ein Bildstapel mit dem LSM aufgenommen. Danach werden die einzelnen Bildstapel anhand der Drehund Kippwinkel virtuell in den Ausgangszustand zurückgedreht und anschließend zu einem Gesamtmodell des zu untersuchenden Objekts zusammengesetzt. Abb. 4.1-8 zeigt die Vorgehensweise der Mehransichtenaufnahme am Beispiel eines Würfels. Jede Aktorik positioniert nur mit einer gewissen Unsicherheit. Ein einfaches mathematisches Zurückdrehen der Daten in die Ursprungsposition mittels Euler’scher Drehmatrix um den von der Steuerung der Aktorik ausgegebenen Winkel und Wegstrecken würde folglich die resultierenden Ergebnisdaten verfälschen. Nachdem die Einzelaufnahmen mit den Informationen der Aktoriksteuerung in einem ersten Schritt zurückgedreht werden, lassen sich anschließend die translatorischen und rotatorischen Restabweichungen z.B. mit einem „Iterative Closest Point“ Algorithmus (ICPAlgorithmus) und einem vorgegebenen Genauigkeitsziel korrigieren. Die Geschwindigkeit des ICP-Algorithmus ist in hohem Maß abhängig von der vorliegenden Datenmenge und der Genauigkeitsvorgabe (Zacher 2004).
4.1 Offline-Verfahren Bildaquisition mehrere Aufnahmen unter verschiedenen Winkeln, je nach Geometrie und Probe Z
185
Aufnahme 1
Aufnahme 2
Aufnahme 3
Aufnahme n
LSM
LSM
LSM
LSM
Y X
Zurückdrehen
Y
Y X
X
den Ausgangszustand wieder herstellen
Zusammensetzen der Daten
+ + + + Abb. 4.1-8. Vorgehensweise zur Visualisierung komplexer Mikrobauteile bei der Mehransichtenaufnahme
Als nachfolgendes Beispiel soll ein Quader aus Siliziumoxid dienen. Der Quader ist ca. 3 mm breit, 2 mm tief und 1 mm hoch. Die für eine komplette Formerfassung notwendigen Merkmale sind durch die Zahl der zu visualisierenden Oberflächen festgelegt. Beim Quader sind dies die vier Seitenwände und die obere Stirnseite. Diese können durch zwei Aufnahmen erfasst werden, in dem der Quader jeweils um 30° gekippt und mit dem LSM visualisiert wird. Abb. 4.1-9 zeigt die beiden gekippten Auf-
186
T. Pfeifer et al.
nahmen des Quaders. Die Höheninformationen werden im Bild durch Grauwerte dargestellt. 0 µm
0 µm
200 µm
200 µm
400 µm
400 µm
600 µm
600 µm
800 µm
800 µm
1000 µm
1000 µm
1200 µm
1200 µm
1400 µm
1400 µm
Abb. 4.1-9. Siliziumoxid-Quader um ± 30° gekippt
m
3m
3m
1 mm
1 mm
m
Abb. 4.1-10 zeigt die aus beiden Aufnahmen zusammengesetzte 3DPunktwolke des Siliziumoxid-Quaders und im Vergleich dazu eine Aufnahme nach dem herkömmlichen Prinzip. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass Informationen über die Seitenwände nicht zu visualisieren sind.
4 mm
2 mm
Abb. 4.1-10. Zusammengeführte 3D-Topograhien des Siliziumoxid-Quaders zu einer 3D Punktwolke (links) – Aufnahme des Siliziumoxid-Quaders mit herkömmlicher Aufnahmetechnik (rechts)
4.2 Inline-Verfahren L. Bosse1, S. Driessen2, B. Engelmann2, A. Gillner1, R. Poprawe1, T. Pfeifer2, R. Schmitt2 1 2
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre, RWTH Aachen
Um die Marktfähigkeit mikrosystemtechnischer Produkte zu gewährleisten, ist es sinnvoll, Standardelemente in großen Stückzahlen und geringen Taktzeiten zu fertigen und diese zu individuellen Einzelprodukten zu montieren. Dadurch können Herstellungskosten gering gehalten werden. Geringe Bauteilgrößen sowie die daraus folgenden hohen Genauigkeiten erfordern für die Montage und deren Überwachung Seh- und Handhabungshilfen. Gleichzeitig ist dies mit hohem Zeitaufwand und großer Beanspruchung des Menschen verbunden. Aus diesen Gründen ist eine Automatisierung der Mikromontage- und der Messtechnik anzustreben (Hankes 1998). Eine automatisierte Montage muss in vielen Fällen prozessintermittierend nachgeregelt werden. Grund ist die geringe Wiederholgenauigkeit vieler Handhabungsgeräte. Große Stückzahlen und geringe Taktzeiten erfordern zudem eine schnelle Prozessüberwachung. Bei der Montage hybrider Mikrosysteme haben sich u.a. die kamerabasierte 2D-Bildverarbeitung, faseroptische Sensoren und pyrometrische Verfahren als geeignet erwiesen, diese Anforderungen zu erfüllen. In den folgenden Kapiteln werden diese Techniken detailliert dargestellt. 4.2.1 Bildverarbeitung Bildverarbeitung zählt heute in vielen Bereichen der industriellen Fertigung zu einer der wichtigsten Technologien zur Qualitätsprüfung. Die Bildverarbeitung bietet dabei gegenüber klassischen Messgeräten der Mikrosystemtechnik, wie z.B. dem Weißlichtinterferometer und dem konfokalen Laserscanning-Mikroskop folgende Vorteile: Geringer Kalibrieraufwand Geringe Arbeitsabstände und hohe Auflösungen realisierbar
188
T. Pfeifer et al.
Geringe gegenseitige Beeinflussung der Komponenten bei komplexen Systemen Einfache Integration Schnelle Durchführung der Messung Der Begriff „Bildverarbeitung“ (BV) beschreibt grundsätzlich eine - in der Regel automatische - Messdatenverarbeitung. Die Messdaten sind in diesem Fall Kamerabilder, welche je nach Kameratyp 1-dimensional (bei einer Zeilenkamera) oder 2-dimensional (bei Matrixkameras) sein können. Wie bereits diese Unterscheidung zeigt, ist neben den Auswertealgorithmen bei der Bildverarbeitung auch ein Grundwissen über die Systeme, welche zur Bildaufnahme verwendet werden, erforderlich. Abb. 4.2-1 zeigt die Stufen von der Bildaufnahme bis zur Bildverarbeitung. Das Messobjekt wird mit einer Kamera und geeigneter Optik aufgenommen. Die Kamera liefert das Bild als analoges Signal an die Framegrabber-Karte, die es digitalisiert und damit eine Bildverarbeitung mit dem Computer ermöglicht. Zur Gewinnung eines für die Bildverarbeitung geeigneten Bildes ist die Beleuchtung der Aufnahmeszene zentral.
Abb. 4.2-1. Stufen der Bildverarbeitung mit notwendigen Komponenten
Bei allen Vorteilen bleibt ein Bildverarbeitungssystem immer ein auf den speziellen Anwendungsfall angepasstes komplexes System. Die Konzeption eines Bildverarbeitungssystems erfordert eine genaue Abstimmung der Komponenten sowohl untereinander als auch in Bezug auf das zu messende Objekt. Ziel muss es sein, ein optimales Bild durch ein abgestimmtes Zusammenspiel aller Komponenten zu erreichen. Es stehen zwar ma-
4.2 Inline-Verfahren
189
thematische Methoden zur Bildverbesserung zur Verfügung. Diese sollten jedoch lediglich zur Optimierung des Bildes angewendet und nicht im Vorfeld zum Ausgleich von z.B. mangelhafter Beleuchtung verwendet werden. Bei der Auswahl von Systemkomponenten der Bildverarbeitung (Kamera, Beleuchtung, Optik, Framegrabber) sind zum einen die Aufgabenstellung, zum anderen Randbedingungen der Prüfung wie z.B. Auswertegeschwindigkeit, erforderliche Bildauflösung aber auch Randbedingungen und Störungen am Prüfort von Bedeutung. Im Folgenden werden sowohl die zum Verständnis notwendigen technischen Grundlagen gängiger BV-Komponenten erläutert, als auch die Grundlagen der automatischen Bildauswertung vorgestellt. Speziell für die messtechnische Untersuchung von Mikrosystemen ist die richtige Auslegung der Bildverarbeitungssysteme entscheidend. Zu einem Bildverarbeitungssystem gehören Komponenten für die Bereiche Bildaufnahme, Bildaufbereitung und -übertragung sowie für die eigentliche Bildverarbeitung (Abb. 4.2-1). Der genaue Aufbau von Bildverarbeitungssystemen hängt stark von den Anforderungen an diese Systeme ab. Solche Anforderungen können z.B. Echtzeitfähigkeit oder Flexibilität des BV-Systems sein (Pfeifer 2001a). Bei nahezu allen Bildverarbeitungsaufgaben stellt die Beleuchtung ein wichtiges Element des Bildverarbeitungssystems dar. Die unterschiedliche Wirkungsweise von Beleuchtungseinrichtungen wird durch das Praxisbeispiel der minimalinvasiven Punktionsnadel am Ende dieses Kapitels vorgestellt. Die Auswahl der richtigen Optik ist neben der Beleuchtung ebenfalls ein qualitätsbestimmender Faktor für die Ergebnisse bei der Prüfung von Mikrosystemen mit Bildverarbeitung. Eine grundsätzliche Unterscheidung der Optiken kann hinsichtlich der Abbildungseigenschaften vorgenommen werden. Hierbei unterscheidet man die Zentralprojektion von der telezentrischen Abbildung (Pfeifer 2001a). Telezentrische Optiken werden für hochgenaue Messaufgaben verwendet. Diese Objektive zeichnen sich dadurch aus, dass sich bei einer leichten Defokussierung eines Bildes der Abbildungsmaßstab nicht ändert. Bei der Verwendung von telezentrischen Objektiven ist zu beachten, dass durch die Verwendung von sog. Abstandshülsen, die Telezentrieeigenschaft verloren geht. Dadurch kann der Abstand von Objektiv und Kamerachip vergrößert werden, was für Nahaufnahmen mit starker Vergrößerung erforderlich ist. Das heutzutage gängigste Bildaufnahmemedium ist die sogenannte Matrix-CCD-Kamera. Für die Bauteilprüfung weisen Matrixkameras zahlreiche Vorteile gegenüber Zeilenkameras auf. Durch die Erfassung eines Vollbildes ist das Kamerabild intuitiv verständlich. Das Bildfeld kann da-
190
T. Pfeifer et al.
her auch von geringer qualifiziertem Personal einfach eingestellt und die Kamera verhältnismäßig leicht konfiguriert werden, da das Ergebnis online am Kamerabild überprüft werden kann. Um ein Bild verarbeiten zu können, muss es im Bildverarbeitungsrechner digital vorliegen. Dies bedeutet, dass das analoge Kamerabild in jedem Fall digitalisiert werden muss. Dabei muss das Kamerabild auf schnellstem Wege, unverändert und unbeschädigt übertragen werden (Gailer 2004). Die digitale Wandlung des Signals kann dabei in der Kamera direkt oder auf einer Framegrabberkarte erfolgen. Die Signalwandlung in der Kamera reduziert den apparativen Aufwand im Bildverarbeitungsrechner. Im speziellen Fall von Firewire bzw. IEEE1394 und USB ist ein Anschluss bereits bei handelsüblichen PCs verfügbar. Bildverarbeitungssysteme basierend diesen digitalen Kameras sind daher schnell und preiswert aufbaubar. Im industriellen Einsatz bei schneller prozessintermittierender Überwachung spielt jedoch die Datenübertragungsrate eine große Rolle. Neben den herkömmlichen analogen Kameras mit Analogframegrabbern wurden spezielle industrietaugliche Schnittstellen entwickelt wie z.B. LVDS und CameraLink. Im Gegensatz zu den oben genannten USB-Schnittstellen gibt es für diese Schnittstellenkonzepte industriell erprobte Stecker- und Kabelführungskonzepte. Zur Verarbeitung der aufgenommenen Bilder bietet sich dem Anwender eine Vielzahl unterschiedlicher Softwarekonzepte. Die zur Verfügung stehenden Werkzeuge unterscheiden sich in Flexibilität, Komplexität und Erlernbarkeit. Größte Flexibilität bieten Softwarebibliotheken, die direkt für die Verwendung in bekannten Programmiersprachen wie Visual Basic oder C++ vorgesehen sind. Für unerfahrene Programmierer ist der Einstieg in diese Bibliotheken jedoch oft mühsam. Ähnliche Flexibilität aber eine vereinfachte Programmiersprache bietet z.B. die MATLAB Imageprocessing-Toolbox. Eine graphische Programmierung ist z.B. über die Software WiT von Coreco möglich. Eine weitere Möglichkeit zur Bildverarbeitung stellen Softwarepakete dar, die umfangreiche Analysefunktionen im gewohnten maus- und tastaturbasierten Bedienungsstandard zur Verfügung stellen. Diese Softwarepakete besitzen zumeist eine einfache Skriptsprache zur Automatisierung von Auswertungsabläufen. Beispiel
Im folgenden Anwendungsbeispiel sollen Teilaspekte der oben beschriebenen Vorgehensweisen vertieft werden. Das Beispiel der minimalinvasi-
4.2 Inline-Verfahren
191
ven Punktionsnadel geht insbesondere auf die Auswahl geeigneter Lichtquellen und die einzelnen Schritte zur Bildverarbeitung ein. Die kohlenstofffaserverstärkte Punktionsnadel wird in der Medizin für die minimalinvasive Chirurgie verwendet, um einer Traumatisierung der behandelten Gewebestrukturen entgegenzuwirken. Da die Nadel aus keinen ferromagnetischen Werkstoffen besteht, ist die Punktionsnadel besonders für chirurgische Eingriffe in einem Magnetresonanz-Tomographen geeignet. Integrierte Arbeitskanäle erlauben beim medizinischen Eingriff die Beleuchtung mittels Faserbündeln, Operation durch z.B. Laseroptiken oder schlicht die Medikation (Abb. 4.2-2). In der Nadel sind damit alle für den Eingriff notwendigen chirurgischen Funktionen integriert, da Instrumentenwechsel und anschließende Orientierung im Operationsfeld sehr zeitaufwendig sind und damit bei unerwarteten Blutungen erhöhtes Risiko für den Patienten besteht (Holler u. Trapp 1993).
Abb. 4.2-2. Punktionsvorgang unter Bildgebung im Magnetresonanz-Tomographen (links, Quelle: Institut für Mikrotherapie), Prinzipskizze einer Punktionsnadel (rechts, Quelle: Fraunhofer IPT)
Für einen Fügevorgang von Funktionsmodulen an die Nadel, wie z.B. Ankopplungsmodule für Fasern, müssen Montagemerkmale erfasst werden. Die Stirnseite der Nadel weist als geometrische Anhaltspunkte sowohl den Kreis ihrer äußeren Kontur als auch die Kreise der inneren Konturen der Arbeitskanäle auf. Mittels Bildverarbeitung sollen die jeweiligen Mittelpunkte und Radien der oben genannten Kreise bestimmt werden. Bevor aber mit der Verarbeitung der Bilddaten begonnen werden kann, muss eine geeignet Lichtquelle ausgewählt werden. Die Auswahl einer geeigneten Beleuchtung ist eine anspruchsvolle Aufgabe bei der Entwicklung eines Bildverarbeitungssystems, da der Beleuchtungsaufbau für eine konkrete Anwendung im Allgemeinen auf der Basis von Experimenten erfolgen muss (Demant et al. 1998). Es ist daher kaum möglich, auf allgemeine Richtlinien zurückzugreifen. Grundkenntnisse verschiedener Beleuchtungstechniken erleichtern jedoch das experimentelle Vorgehen.
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T. Pfeifer et al.
Im Rahmen des Beispiels werden nicht alle Beleuchtungsarten und deren unterschiedliche Handhabung vorgestellt. (Demant et al. 1998) bietet zu diesem Zweck eine geeignete Einführung in die Thematik. Für das vorliegende Beispiel wurden drei kostengünstige LEDLichtquellen ausgewählt: LED-Ringlicht mit planer Abstrahlfläche, LED-Ringlicht mit kuppelförmiger Abstrahlfläche großer Leuchtstärke, LED-Dunkelfeldbeleuchtung. Das Ringlicht von Büchner besteht aus zwei konzentrisch in planer Abstrahlrichtung angeordneten LED-Ringen. Mit einem regelbaren Netzteil lässt sich die Lichtstärke regeln. Abb. 4.2-3 zeigt das LED-Ringlicht und das mit ihm aufgenommene Bild. Die Ausleuchtung ist ausreichend stark, jedoch wird der ungleichmäßig bearbeitete linke, untere Bereich der Schnittfläche etwas stärker hervorgehoben als der Rest. Außen abstehende Fasern bleiben unsichtbar und auch die Arbeitskanäle werden ohne Tiefenwirkung scharf abgebildet, was für die Interpolation der Konturen von großem Vorteil ist.
Abb. 4.2-3. LED-Ringlicht von Büchner (links), Bildaufnahme der Punktionsnadel mit dieser Lichtquelle (rechts)
Abb. 4.2-4 links zeigt ein LED-Ringlicht der Firma CCS. Durch die kuppelförmige Anordnung und dichte Packung der leuchtstarken 3 mm LEDs bietet dieses Ringlicht sehr gute und homogene Lichtausbeute im Zentrum des Lichtspots. Abb. 4.2-4 rechts zeigt das mit diesem Ringlicht aufgenommene Bild. Die Ausleuchtung ist gleichmäßig und nahezu schattenfrei. Wie bei dem zuvor beschriebenen LED-Ringlicht wird der linke, untere Bereich stärker hervorgehoben. Aufgrund von Reflexionserscheinungen durch die große Leuchtstärke an der rauen Oberfläche wirkt das Bild nicht scharf. Die Konturen, insbesondere die des Arbeitskanals rechts oben, sind durch Reflexionen der Fasern außerhalb der Bildebene verwischt. Abhilfe
4.2 Inline-Verfahren
193
gegen diese Mängel schafft eine Reduzierung der Versorgungsspannung, da eine geringere Leuchtstärke mit einer Abnahme der Reflexionen einhergeht.
Abb. 4.2-4. Kuppelförmiges LED-Ringlicht von CCS (links), Bildaufnahme der Punktionsnadel mit dieser Lichtquelle (rechts)
Als weiteres Beispiel wurde ein LED-Ringlicht der Firma CCS in Dunkelfeldanordnung gewählt. Es ist aus einem Ring aus LEDs aufgebaut, die in einem 80°-Winkel auf das Zentrum des Ringes ausgerichtet sind, wo sich auch das Messobjekt befindet. Abb. 4.2-5 zeigt die Dunkelfeldbeleuchtung und das mit ihr aufgenommene Bild. Wie zu erwarten, zeigt sich hier keine homogene Ausleuchtung, einzelne Fasern und Unebenheiten erscheinen heller. Die Konturen der Arbeitskanäle werden durch sehr helle Reflexionen aus dem Inneren der Punktionsnadel verfälscht.
Abb. 4.2-5. LED-Dunkelfeldbeleuchtung von CCS (links), Bildaufnahme der Punktionsnadel mit dieser Lichtquelle (rechts)
Obwohl in allen Beleuchtungen LEDs eingesetzt werden, zeigen sich im Vergleich große Qualitätsunterschiede in den unterschiedlichen Testaufnahmen. Für die nun durchzuführende Bildverarbeitung werden im Fol-
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T. Pfeifer et al.
genden das LED-Ringlicht mit planer Abstrahlfläche und eine telezentrische Optik an einer analogen CCD-Kamera zur Bildaufnahme eingesetzt. Bis zur erfolgreichen Merkmalsextraktion aus einem Bild muss eine Kette von Operationen durchlaufen werden. Nach (Jähne 1989) müssen die Schritte Bildaufnahme, Bildrestauration, Segmentierung und Merkmalextraktion durchlaufen werden, bis gemessene Merkmale ausgewertet d. h. klassifiziert werden können. Abb. 4.2-6 zeigt die für Messung der Montagemerkmale der Punktionsnadel notwendigen Operationen.
Abb. 4.2-6. Bildverarbeitungsschritte zur Erkennung der Montagemerkmale der Punktionsnadel
Durch die Physik der Bildgewinnung und Digitalisierung entstehen in der Regel Fehler, die mit Bildverbesserungs- und Bildrestaurationsverfahren wenigstens teilweise rückgängig gemacht werden können (Wahl 1989). Zu diesen Fehlern zählen beispielsweise verrauschte Signale durch mangelnde elektromagnetische Abschirmung der Datenkabel oder ohmsche Verluste bei Übertragung des analogen Signals. Um Störbildpunkte und andere Ausreißer wie etwa vereinzelte stark ausgeleuchtete Fasern der Punktionsnadel zu eliminieren, wird nach der Bildaufnahme ein MedianFilter verwendet. Er gehört zu den nichtlinearen Filtern und bedient sich statistischer Methoden. Der große Vorteil gegenüber anderen Filtern, wie beispielsweise linearen Tiefpassfiltern, besteht darin, dass er nicht zu Kantenunschärfen führt (Demant et al. 1998). So bleiben die Konturen auch nach der Filterung kontrastreich erhalten. Die Arbeitsweise des Median-
4.2 Inline-Verfahren
195
Filters wird durch seinen Filterkern bestimmt (Jähne 1989). Dieser bestimmt sowohl das Feld der Nachbarpunkte, das für die Berechnung des einzelnen Bildpunkts mit berücksichtigt wird, als auch seine Arbeitsrichtung, mit der gezielt vertikale oder horizontale Störungen beseitigt werden können. Im vorliegenden Beispiel wird der Filterkern so gewählt, dass er die jeweiligen Nachbarpunkte einbezieht und ohne Vorzugsrichtung arbeitet. Nach der Filterung mittels Median wird eine Kontrastnormierung des Bildes durchgeführt. Im Zuge einer Kontrastnormierung wird das Grauwerthistogramm auf den vollen verfügbaren Grauwertebereich von 256 Graustufen gestreckt. Dunkle Flächen, in diesem Fall der Hintergrund, werden durch diese Normierung dunkler, helle Flächen, in diesem Fall das aufgenommene Objekt, werden insgesamt heller dargestellt. In den nachfolgenden Verarbeitungsschritten lässt sich das so aufbereitete Bild sehr viel einfacher segmentieren. Die sich nun anschließende Segmentierung dient dazu, interessierende Bereiche des Bildes hervorzuheben und von den übrigen Bildteilen zu trennen. Dadurch wird das Bild sowohl für den menschlichen Betrachter besser interpretierbar als auch für eine maschinelle Extraktion von Merkmalen vorbereitet. Die Bildelemente, die Informationen bezüglich der Geometrie der Punktionsnadel beinhalten, müssen aus der Bildszene isoliert werden. Die Segmentierung wird daher so durchgeführt, dass nur noch die Konturen der Punktionsnadel dargestellt werden. Die Strategie ist so ausgelegt, dass zunächst ein Binärbild aus dem zuvor aufbereiteten Bild erzeugt wird (Binarisierung oder auch Thresholding) und anschließend mittels bekanntem Sobelfilter die Kanten hervorgehoben werden. Mittels Skelettfilter werden die gefundenen Kanten ausgedünnt, so dass die gefundenen Konturlinien nur noch die Breite von einem Pixel aufweisen. Während der Merkmalsextraktion werden aus dem vorverarbeiteten Bild diskrete Werte gewonnen, auf deren Grundlage eine Aussage bezüglich des Messobjekts getroffen wird (Klassifikation). Die zu messenden Merkmale sind im vorliegenden Fall die Durchmesser und Mittelpunktskoordinaten des Außenkreises der Punktionsnadel sowie der Innenkreise der Arbeitskanäle. Aus den Konturlinien werden in einem nächsten Schritt zusammenhängende Linien („Blobs“) extrahiert. Diese Blobs bilden dann die Basis für den Kreisinterpolationsalgorithmus (Circlefitting). In der Fertigungsmesstechnik bedeutet Klassifizieren, festzustellen, ob ein bestimmtes Merkmal innerhalb fest gesetzter Toleranzen liegt oder nicht (Pfeifer 2004a). Im vorliegenden Beispiel ist rein die Lagebestimmung der Arbeitskanäle der Punktionsnadel von Interesse, d.h. nach Extraktion der Geometriemerkmale wird keine Klassifikation durchgeführt, sie sei hier aber der Vollständigkeit halber aufgeführt.
196
T. Pfeifer et al.
4.2.2 Faser-Optik Wie vorher beschrieben wurde, geschieht die Prozessüberwachung in der Mikromontage heute überwiegend mit Kamerasystemen in Verbindung mit Bildverarbeitung. Um aber die notwendigen Vergrößerungen erreichen zu können, müssen zum einen sehr hoch auflösende Objektive verwendet werden, die zum anderen sehr nah an den Prozess herangebracht werden müssen. Da aber die Mikromontage in einem äußerst beengten Umfeld stattfindet (Pfeifer et al. 2003), ist hierfür meist kein Platz vorhanden. Aktuelle Trends in der Herstellung von Mikrobauteilen und Mikrosystemen gehen dahin, die entsprechenden Produktionseinrichtungen, anders als bisher, auch entsprechend klein auszuführen. Spätestens dann sind auch die Massen der für die Prozessüberwachung verwendeten Objektive und Kameras nicht mehr zu vernachlässigende Größen. Aus diesen Gründen sind in vielen Fällen alternative Möglichkeiten der Sensorintegration in die Mikromontage nötig. Eine Möglichkeit der Realisierung solch flexibler Sensorsysteme liegt im Einsatz von faseroptischen Sensoren (Pfeifer et al. 2004). Die Vorteile der faseroptischen Sensoren sind vielfältig (Bröcher 2000). Sie sind robust gegenüber Umwelteinflüssen wie Temperatur oder Strahlung und durch Ausnutzen verschiedener physikalischer Effekte beinahe universell einsetzbar. Hinsichtlich der Mikromontage allerdings sind ihre größten Vorteile der geringe Platzbedarf und die große Flexibilität. Daher werden im Folgenden zunächst Grundlagen über faseroptische Sensoren sowie anschließend einige Anwendungsbeispiele dargestellt. Grundlagen faseroptischer Sensoren
Die Strahlenoptik geht davon aus, dass Licht sich geradlinig und mit einer definierten Geschwindigkeit ausbreitet. Die Lichtgeschwindigkeit c0 beträgt im Vakuum:
c0 = 299792458
m s
(4.2-1)
In Materie breitet sich Licht langsamer aus. Der Quotient aus der Lichtgeschwindigkeit c0 im Vakuum und der Lichtgeschwindigkeit c in Materie ist charakteristisch für die Materie und wird als deren Brechungsindex oder Brechzahl n bezeichnet.
n=
c0 c
(4.2-2)
4.2 Inline-Verfahren
197
An der Grenzschicht zweier Materialien mit unterschiedlichem Brechungsindex wird ein Lichtstrahl gebrochen (Abb. 4.2-7).
Abb. 4.2-7. Lichtbrechung an einer Grenzschicht mit unterschiedlichem Brechungsindex
Den Zusammenhang zwischen Einfallswinkel α und Brechungswinkel α’ fand der holländische Mathematiker Snellius im Jahr 1620. Das nach ihm benannte Brechungsgesetz lautet:
n sin α = n'sin α ' = konst .
(4.2-3)
In Gleichung 4.2-3 ist n der Brechungsindex des optisch dichteren Mediums und n’ der Brechungsindex des optisch dünneren Mediums. Die konstanten Terme werden auch als numerische Apertur NA bezeichnet:
NA = n sin α
(4.2-4)
Das Brechungsgesetz kann also auch so formuliert werden, dass bei der Brechung eines Lichtstrahls seine numerische Apertur erhalten bleibt. Wird wie in Abb. 4.2-7 davon ausgegangen, dass der Lichtstrahl von einem optisch dichteren auf ein optisch dünneres Medium trifft, so existiert neben dem vom Lot weg gebrochenen Lichtstrahl auch noch ein reflektierter Strahl. Hierbei gilt eine weitere Gesetzmäßigkeit der Optik: Der Einfallswinkel ist gleich dem Ausfallwinkel des reflektierten Strahls. Mit zunehmendem Einfallswinkel α vergrößert sich auch der Brechungswinkel α’ gemäß Gleichung 4.2-3, bis er im Grenzfall die 90° erreicht. In diesem Fall gibt es keinen gebrochenen Strahl mehr, sondern nur noch einen reflektierten Strahl. Der Lichtstrahl wird an der Grenzschicht der beiden
198
T. Pfeifer et al.
Medien total reflektiert. Der Einfallswinkel, bei dem dieser Zustand eintritt, wird Grenzwinkel der Totalreflexion αT genannt.
sin α T =
n' n
(4.2-5)
Die Lichtleitung in Lichtwellenleitern beruht auf diesem Prinzip der Totalreflexion. Ein Lichtleiter besteht im wesentlichen aus einem Kern, der einen höheren Brechungsindex besitzt als der den Kern umgebende Mantel (Bild 4.2-8).
Abb. 4.2-8. Schematischer Aufbau eines Lichtwellenleiters
Das Licht wird im Kern der Faser geführt, solange die Strahlen den Grenzwinkel der Totalreflexion nicht unterschreiten. Trifft ein Lichtstrahl unter dem Winkel ϑ0 auf die Stirnfläche des Lichtwellenleiters, so wird er zum Lot hin gebrochen und fällt unter dem Winkel 90°-ϑ1 auf die Grenzschicht von Kern und Mantel. Er wird dort nur dann total reflektiert, wenn gilt:
sin(90° − ϑ1 ) ≥
n2 n1
(4.2-6)
Mit den trigonometrischen Beziehungen
sin 2 α + cos2 α = 1
(4.2-7)
4.2 Inline-Verfahren
sin(α ± β ) = sin α cos β ± cosα sin β
199
(4.2-8)
ergibt sich unter Verwendung der Gleichungen 4.2-3, 4.2-4, 4.2-5 und der Randbedingung, dass der Brechungsindex des die Faser umgebenden Mediums zu eins gesetzt wird (Brechungsindex von Luft nL = 1,0003), folgende Abhängigkeit der numerischen Apertur von den Brechungsindices des Lichtwellenleiters.
NA = n12 − n22
(4.2-9)
Die numerische Apertur ist eine charakteristische Größe der Faser. Sie gibt an, unter welchem maximalen Winkel noch Licht in den Lichtwellenleiter eingekoppelt werden kann (Bröcher 2000). Lichtwellenleiter
Die in den Grundlagen beschriebenen Eigenschaften werden bei der Lichtleitung durch einen Lichtwellenleiter (LWL) ausgenutzt. Die Bezeichnung Lichtwellenleiter beschreibt zwar am besten die Eigenschaften, jedoch werden in der Literatur häufig auch die Begriffe Faseroptik, Glasfaser oder einfach nur Faser benutzt. Wird der Aufbau der Faser betrachtet, so wird zwischen Stufenindexund Gradientenindexfaser unterschieden. Bei der Stufenindexfaser hat der Kern in der gesamten Querschnittsfläche einen konstanten Brechungsindex. Im Gegensatz dazu nimmt bei der Gradientenindexfaser der Brechungsindex nach außen hin kontinuierlich ab (Abb. 4.2-9). Auf diese Weise wird der Lichtstrahl kontinuierlich gekrümmt (Bröcher, B. 2000). Der Vorteil der Gradientenindexfaser liegt darin, dass kurze Lichtpulse, die unter verschiedenen Winkeln in die Faser eingekoppelt werden, nahezu die gleiche Laufzeit haben, da das Licht im Randbereich des Kerns nach Gleichung 4.2-2 eine höhere Geschwindigkeit hat als ein Lichtstrahl, der durch die Mitte läuft. Bei den Stufenindexfasern tritt dagegen aufgrund der unterschiedlichen Laufzeit von Mittelstrahl und äußeren Strahlen eine Verbreiterung eines Lichtpulses auf, die sogenannte Dispersion. Je geringer die Dispersion ist, desto größer ist die Übertragungsbandbreite des Lichtwellenleiters. Deshalb werden Gradientenindexfasern vorwiegend in der Nachrichtentechnik eingesetzt.
200
T. Pfeifer et al.
Abb. 4.2-9. Brechungsindexverlauf bei Stufen- und Gradientenindexfaser
Intrinsische faseroptische Sensoren
Der Messwertaufnehmer bei intrinsischen faseroptischen Sensoren ist der Lichtwellenleiter selbst. Es gibt verschiedene Effekte, die Einfluss auf das Übertragungsverhalten einer Glasfaser nehmen können. Durch geschickte Ausnutzung dieser Effekte lassen sich kombiniert mit angepassten Auswerteeinheiten hochempfindliche Sensoren konstruieren. Nachfolgend sollen anhand einiger Beispiele die Funktionsweise und die Anwendungsfelder erläutert werden. So kann beispielsweise ein Druck-, Kraft- oder Wegsensor aufgebaut werden, indem die Faser aufgrund dieser Effekte mehr oder weniger stark gekrümmt wird (Abb. 4.2-10) (Gerhard, E 1995). Andererseits können auch nicht mechanische Größen, wie z.B. radioaktive Strahlung mit solchen Sensoren detektiert werden. In solchen Fällen ist oft eine Abhängigkeit der Brechungsindices von der Messgröße gegeben. Beispielsweise wird der Mantel mit Blei dotiert, so dass sich der Brechungsindex und damit auch das Übertragungsverhalten der Faser in Abhängigkeit der radioaktiven Strahlung verändert (Gerhard 1995).
4.2 Inline-Verfahren
201
Abb. 4.2-10. Intrinsischer Sensor, der die Abhängigkeit der Intensität von der Durchbiegung ausnutzt
Extrinsische faseroptische Sensoren
Der Lichtwellenleiter dient beim extrinsischen faseroptischen Sensor nur zur Signalübertragung. Das Messprinzip sieht in der Regel so aus, dass eine erste Faser das Licht zum Ort der Messung führt. Dort werden die Eigenschaften des Lichts durch einen Wandler infolge der Einwirkung der Messgröße verändert. Dieses veränderte Licht wird über eine zweite Faser der Auswerteeinheit (Fotodiode, CCD-Kamera o.ä.) zugeführt (Abb. 4.2-11). Je nach Wandlerprinzip reicht auch eine einzelne Faser aus, um das eingestrahlte und reflektierte Licht zu führen. Bei interferometrischen Messprinzipien wird kohärentes Licht eingekoppelt. Der Wandler verändert die Phasenlage des Lichts, so dass der reflektierte Strahl mit dem ankommenden Strahl interferiert. Hier ist also nur eine einzelne Faser erforderlich, um die Interferenz herbeizuführen. Die hin- und rücklaufenden Lichtwellen werden mit sogenannten Y-Kopplern voneinander getrennt, so dass eine Auswertung der rückläufigen Welle möglich wird. Als Wandler werden mechanische Systeme wie Membranen oder Cantilever, aber auch bio-chemische Substanzen eingesetzt. Diese Substanzen werden in halbdurchlässigen Membranen an der Spitze des Sensors gehalten und reagieren im Idealfall katalytisch mit dem Testmedium (Abb. 4.2-12) (Gerhard 1995).
202
T. Pfeifer et al.
Messgröße
I(0)
Ir (0) Wandler I : Intensität des hinlaufenden Lichtes Ir : Intensität des rücklaufenden Lichtes Abb. 4.2-11. Schematischer Aufbau eines extrinsischen Sensors
Durch Farb- und/oder Reflexionsänderungen des Indikators kann so beispielsweise Blutzucker, Blutalkohol und vieles mehr bestimmt werden (Pfeifer 2001a). Messgröße
Permeable Membran I(0) Ir (0,M)
Indikator M: Messgröße Abb. 4.2-12. Biochemischer Sensor
Wandler
4.2 Inline-Verfahren
203
Bildgebende faseroptische Sensoren
Bildgebende faseroptische Sensoren stellen aufgrund ihres Aufbaus eine eigene Klasse innerhalb der faseroptischen Sensoren dar. Den Meisten wird dieser Sensortyp infolge seines Hauptanwendungsgebietes in der Medizin besser als Endoskop bekannt sein. Im Jahre 1954 hatten Ärzte erstmals die Idee, mehrere Lichtwellenleiter zu geordneten Bündeln, sogenannten Bildleitern, zusammenzufassen (Reling 1988). In einem Bildleiter überträgt jede dieser Fasern einen Bildpunkt, wobei zu beachten ist, dass die relative Position der einzelnen Fasern in dem Bündel gleich bleiben muss, da sonst kein Bild zu erkennen ist (Abb. 4.2-13). Heute bestehen Endoskope aus bis zu 50.000 Einzelfasern und können somit Bilder mit einer Auflösung von bis zu 50.000 Punkten übertragen. Dies lässt sich für die Prozessüberwachung in der Mikrosystemtechnik nutzen. Da die in diesem Bereich verwendeten Bauteile Ausdehnungen von etwa 1 mm aufweisen, können sie mit einem solchen Endoskop mit einer optische Auflösung von etwa 50 µm aufgenommen werden. Dadurch wird deutlich, dass flexible Endoskope prinzipiell für die Form- und Lageerkennung von Mikrobauteilen geeignet sind.
Abb. 4.2-13. Aufbau eines Bildleiters
Faseroptisches Streifenprojektionssystem
Aus den genannten Gründen wurde mit dem Ziel, ein möglichst flexibles System zur Form- und Lageerkennung von Mikrobauteilen zu entwickeln, eine Kombination aus Streifenprojektionsverfahren und der Endoskopie ausgewählt. In Abb. 4.2-14 ist dieses Prinzip dargestellt.
204
T. Pfeifer et al.
Lichtleiter
Mini ROT
Flexibles Endoskop
Abbildungsoptik
Greifer
Mikroobjekt
Kamera
Flexibles Endoskop
ON OFF
Beleuchtung
Streifenmuster
Bildauswertung
Abb. 4.2-14. Prinzip des faseroptischen Streifenprojektionssystems
Mit einem Mini-Streifenprojektor (MiniRot) wird eine Sequenz von Streifen generiert, die auf den Eingang eines Endoskops abgebildet wird. Dieses Endoskop dient zur Übertragung des Streifenmusters auf das Mikrobauteil. Es kann, wie in Abb. 4.2-14 dargestellt, in einen Fügegreifer zur Handhabung und Positionierung von Mikrobauteilen integriert werden. Mit einem zweiten Endoskop wird unter einem Winkel das verzerrte Bild des Streifenmusters aufgenommen und an ein Bildverarbeitungssystem übertragen. Aus der Art der Verzerrung der Streifen kann dann mit Hilfe der Triangulation die Form und Lage des Mikrobauteils bestimmt werden. Dabei können die Generierung des Streifenmusters und die Bildauswertung neben der Montagestation erfolgen, während das System dennoch direkt am Prozess arbeitet. Die Realisierung der Projektionseinheit ist in Abb. 4.2-15 zu sehen. Die vom MiniRot generierten Streifen werden mit Hilfe eines Mikroskop Objektivs auf den Durchmesser eines flexiblen Endoskops mit 30.000 Pixeln verkleinert.
4.2 Inline-Verfahren
205
Abb. 4.2-15. Projektionseinheit
Über dieses Endoskop werden die Streifenmuster dann auf das zu untersuchende Bauteil projiziert (Abb. 4.2-16). Zu sehen ist ein Mikrozahnrad mit einem Durchmesser von etwa 2 mm, auf das die drei unterschiedlichen Streifenbreiten (S1, S2, S3) des MiniRot projiziert wurden.
Abb. 4.2-16. Projiziertes Streifenmuster in drei verschiedenen Breiten
206
T. Pfeifer et al.
Faseroptischer Abstandssensor
Um hochgenaue Messungen im Mikrometerbereich durchführen zu können, stehen verschiedene optische Verfahren zur Verfügung. Im Zusammenhang mit der Mikrosystemtechnik und den vorher beschriebenen Anforderungen bzgl. vorhandenem Bauraum und geforderter Flexibilität ist besonders die Weißlichtinterferometrie zu nennen. Von Vorteil ist bei diesem Prinzip, dass die Möglichkeit zur Signalübertragung mittels Lichtwellenleiter (LWL) gegeben ist. Dies erleichtert eine Miniaturisierung wesentlich. Darüber hinaus ist eine räumliche Trennung von Auswerteeinheit und Sensorkopf realisierbar. Ein weiterer Vorteil liegt im Verfahren selber. Die Weißlichtinterferometrie liefert absolute Entfernungswerte und ist nahezu oberflächenunabhängig. Mit dem hier beschriebenen faseroptischen Anstandssensor wird das Messen in schmalen Bohrungen und Kavitäten möglich. Der Nutzen für den Anwender besteht also darin, dass ihm ein hochgenaues optisches Messsystem mit einem miniaturisierten Sensorkopf zur Verfügung gestellt wird. Dadurch werden Messaufgaben lösbar, die bisher nicht oder nur mit erheblichem Mehraufwand durchführbar sind.
Abb. 4.2-17. Schematischer Aufbau des faseroptischen Abstandssensors
4.2 Inline-Verfahren
207
Über einen Lichtwellenleiter und einen Koppler wird das Licht einer kurzkohärenten Lichtquelle zum Messkopf übertragen (Abb. 4.2-17). Der Messkopf hat zum einen die Aufgabe, das Licht auszukoppeln (Messwelle) und zum anderen die Aufgabe eine Referenzwelle zu erzeugen. Dies wird durch eine Teilreflexion an der Austrittsfläche erreicht. Die beiden Wellen werden dann über den Lichtwellenleiter zurück übertragen und treffen um die Strecke des doppelten Messabstands versetzt in der Auswerteeinheit ein. Diese ist als Michelson-Interferometer aufgebaut und hat die Aufgabe die beiden Laufzeitunterschiede der Wellen auszugleichen und zur Interferenz zu bringen. Dazu dient ein eigens entwickelter Stufenspiegel, der einen kontinuierlichen Abgleich der Lichtwellen über den Messbereich ermöglicht. Die entstehenden Interferenzen können direkt mit einer Kamera ausgelesen werden. Der Messbereich ist dabei begrenzt durch das Design des Stufenspiegels anpassbar. So ergeben mehr Stufen bei gleichem Anstellwinkel und gleicher Stufenhöhe einen größeren Messbereich. Das System besitzt einen Stufenspiegel mit 10 Stufen à 100 µm Stufenhöhe und wurde in optischer Oberflächenqualität auf einer Ultrapräzisionsmaschine gefertigt. Das ergibt einen Messbereich von 500 µm. Der Messabstand beträgt 1 mm und die Messfrequenz geht mit der Auslesefrequenz der Kamera einher. Dies bedeutet, dass je nach verwendeter Kameratechnik und Auslesestrategie die Messfrequenz weiter gesteigert werden kann. Wie erwähnt, kann durch die Verwendung von Lichtwellenleitern eine starke Miniaturisierung der Sensorik erreicht werden. Allerdings müssen die Glasfasern aufgrund ihrer Empfindlichkeit durch Einbettung in Führungshülsen geschützt werden. Die Verwendung von CFK-Röhrchen erweist sich hier als optimal. Aufgrund des Aufbaus dieser Röhrchen ist die hohe Maßhaltigkeit einerseits sowie die entsprechende Flexibilität und Steifigkeit andererseits gewährleistet. So sind auch Sensorschaftlängen von 200 mm noch problemlos realisierbar. 4.2.3 Pyrometrie Physikalische Grundlagen zur berührungslosen Temperaturmessung
Bei allen Fertigungsprozessen, bei denen thermische Energie zur Bearbeitung eines Werkstoffs eingesetzt wird, ist die physikalische Größe Temperatur von grundlegender Bedeutung. Sowohl die Erfassung als auch ihre Auswertung spielt daher im Bereich der Laserstrahl-Materialbearbeitung eine wesentliche Rolle. Um wesentliche Vorzüge der Materialbearbeitung mit Laserstrahlung, zum Beispiel die hohe Flexibilität und die prinzipiell
208
T. Pfeifer et al.
masselose Energieeinbringung nicht einzuschränken, bietet sich zur Bestimmung der Prozesstemperatur das Verfahren der Pyrometrie an. Pyrometrische Sensoren nutzen unabhängig von der Form der Erwärmung zur Bestimmung der Temperatur die von einem Messobjekt emittierende thermische Strahlung. blau violett
grün
gelb rot
Optische Strahlung
Röntgenstrahlen
Ultraviolett
GammaStrahlen
10-5
10-4
Mikro- und Radiowellen
Infrarot Thermische Strahlung
10-3
10-3
10-2
10-1
1
10
102
103
104
Wellenlänge λ [µm]
Abb. 4.2-18. Spektrum elektromagnetischer Strahlung
Als physikalische Grundlage für dieses Messverfahren dient die Gesetzmäßigkeit, dass jeder gasförmige, flüssige oder feste Körper mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes thermische Strahlung emittiert. Abb. 4.2-18 zeigt einen Teil des Spektrums elektromagnetischer Strahlung und definiert den Wellenlängenbereich thermischer Strahlung. Besondere Bedeutung für dieses Messverfahren besitzt der sogenannte Schwarze Strahler, dessen Strahlungsemission ausschließlich von seiner Temperatur abhängt. Die spektrale Strahldichte eines Schwarzen Strahlers ist somit für alle Wellenlängen größer oder gleich der spektralen Strahldichte eines beliebigen Temperaturstrahlers gleicher Temperatur. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaft werden Schwarze Strahler in der Regel als Referenz herangezogen. Technisch wird ein solches Kalibrierungsnormal durch einen gleichmäßig beheizten Hohlraum realisiert, der im Vergleich zu seinen übrigen Abmessungen eine kleine Öffnung aufweist. Hierbei wird vorausgesetzt, dass die spektrale Strahldichte der Hohlraumstrahlung nur abhängig von der Wellenlänge und der Temperatur, nicht aber von der Ausbreitungsrichtung, der Geometrie und Struktur sowie der chemischen Zusammensetzung der Hohlraumwände (DeWitt u. Nutter 1988).
4.2 Inline-Verfahren
209
Für die spektrale Strahldichte Lλ,S eines Schwarzen Strahlers gilt das bereits im Jahre 1900 von Planck M. formulierte Strahlungsgesetz (Vogel 1995). Als wesentliche Grundlage für dieses Gesetz dient die Annahme, dass Strahlung nicht kontinuierlich, sondern in diskreten Quanten ausgesendet wird:
Lλ ,S (λ , T ) =
2 h c02
λ5
(4.2-10)
1 h c0
e
λkT
−1
mit λ: Wellenlänge T: absolute Temperatur h: Planck’sches Wirkungsquantum c0: Lichtgeschwindigkeit im Vakuum k: Boltzmann-Konstante
In Abb. 4.2-19 sind die Isothermen der spektralen Strahldichten verschieden temperierter Schwarzer Strahler in einem doppeltlogarithmischen Maßstab aufgetragen. 1x108
spektrale Strahldichte Lλ,S [Wm2µm-1sr-1]
1x107
5800K
6
1x10
3000K
1x105
λmaxT = 2897,7 µmK
1x104 3
1x10
700K
1x102 473K 300K
1x101 1x100 1x10-1 1x10-2
77K
1x10-3 1x10-4 0,1
1,0
10,0
100,0
Wellenlänge λ [µm]
Abb. 4.2-19. Isothermen der spektrale Strahldichten verschieden temperierter Schwarzer Strahler
210
T. Pfeifer et al.
Dieser graphischen Darstellung sind vorrangig die folgenden wesentlichen Punkte zu entnehmen: • Die Maxima der Verteilungskurven verschieben sich mit abnehmender Temperatur zu größeren Wellenlängen hin und • die Flächen unter den einzelnen Verteilungskurven nehmen bei fallender Temperatur ab. Das Verhältnis der spektralen Strahldichte eines realen Strahlers Lλ bezogen auf die eines Schwarzen Strahlers gleicher Temperatur Lλ,S beschreibt das Strahlungsgesetz von G. Kirchhoff. Dieses Gesetz definiert gleichzeitig den spektralen Emissionsgrad ελ:
ε λ (λ , T , ϕ , θ ) =
Lλ (λ , T , ϕ ,θ ) ≤1 Lλ ,S (λ , T )
(4.2-11)
mit ϕ: Azimutwinkel θ: Zenitwinkel
Hierbei ist besonders zu beachten, dass die spektrale Strahldichte eines realen Körpers sich nicht nur in der spektralen Verteilung von der eines Schwarzen Strahlers unterscheidet, sondern dass ferner auch die räumliche Abstrahlungscharakteristik nicht isotrop diffus ist. Die quantitative Größe des spektralen Emissionsgrades ist unter Berücksichtigung aller Abhängigkeiten und Randbedingungen für die wenigsten Materialien bekannt. Daher wird im Rahmen pyrometrischer Temperaturmessungen zur Beschreibung thermischer Vorgänge häufig eine Ersatzgröße eingeführt wie beispielsweise die Farb-, Pseudo-, Strahldichte- oder Verhältnistemperatur (DeWitt u. Nutter 1988; Mester 1995; Pauly u. Engel 1999; Vogel 1995). Diese rein technische Größe charakterisiert keine absolute Temperatur, sondern stellt lediglich eine referenzierbare, in erster Linie elektrische Ausgangsgröße einer pyrometrischen Sensorik dar. Da dieses grundsätzliche Problem der Pyrometrie hier nicht gelöst werden soll, ist auch hier mit dem Begriff der Temperaturmessung immer die Erfassung und Bestimmung einer relativen, auf thermischen Vorgängen beruhenden Ersatzgröße gemeint. Strahlungsfluss vom Messobjekt zum Detektor
Bei Ausbreitung thermischer Strahlung wird Energie transportiert, die von Detektoren erfasst und in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Das resultierende elektrische Signal am Ausgang eines Detektors wird mit Hilfe einer elektronischen Schaltung aufbereitet und im Sinne der Weiter-
4.2 Inline-Verfahren
211
verarbeitung konditioniert. Idealerweise sind die eingesetzten Detektoren unendlich empfindlich für eine diskrete Wellenlänge und wandeln verlustfrei den detektierten infinitesimalen Strahlungsfluss in ein zur spektralen Strahlungsdichte proportionales elektrisches Signal um. In Abb. 4.2-20 ist die spezifische Detektivität verschiedener Detektorprinzipien und -materialen in Abhängigkeit von der Wellenlänge und der Betriebstemperatur aufgetragen. 10
14
Ge (77K) pv Ge (196K) pv 10
InGaAs (300K) pv
13
PbS (196K) pc
Detektivität D* [cm Hz1/2 W-1]
Ex.InGaAs (223k) pv
Ex.InGaAs (253K) pv
1012
Ex.InGaAs (300K) pv Ge (300K) pv
theoretische Grenze photovoltaischer Detektoren theoretische Grenze photokonduktiver Detektoren
InAs (77K) pv InAs (196K) pv
1011 InSb (77K) pv
1010
HgCdTe (213K) pc
PbS (77K) pv
PbS (300K) pv
HgCdTe (77K) pc
HgCdTe (77K) pv GeAu (77K) pc
10
9
PbSe (196K) pv
Thermoelemente u. -säulen (300K) PbSe (77K) pc
PbSe (300K) pv 108
1
2
pyroelektrische Detektoren (300K)
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Bolometer (300K)
13
14
15
16
17
18
Wellenlänge λ [µm]
Abb. 4.2-20. Spezifische Detektivität verschiedener Detektorprinzipien und – materialien in Abhängigkeit von der Wellenlänge und Betriebstemperatur (pv: photovoltaisch, pc: photokonduktiv) (Hamamtsu Photonics 2001)
∞
S D = ³ Rλ ,D (λ ) Φ λ ,D (λ ) d λ
(4.2-12)
0
Die spektrale Empfindlichkeit realer Detektoren ist jedoch begrenzt und umfasst immer einen endlichen Bereich des optischen Spektrums. Aufgrund dieser Tatsache ist das elektrische Ausgangssignal SD durch Integration des Produktes aus erfasstem, spektralem Strahlungsfluss Φλ,D und detektorspezifischer, spektraler Empfindlichkeit Rλ,D in den Grenzen des Detektionsbereich bestimmt (DeWitt u. Nutter 1988):
212
T. Pfeifer et al.
Der effektive, d.h. der durch Sensoren detektierbare Strahlungsfluss wird in der Praxis von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Grundlegend wird die Größe des Strahlungsflusses durch die material- und formspezifischen Eigenschaften und ferner direkt durch die Temperaturverteilung des thermischen Strahlers bestimmt. Darüber hinaus begrenzen geometrische und optische Randbedingungen des Meßsystems den effektiven Strahlungsfluss. Zu den geometrischen Beschränkungen zählen einerseits die Abmessungen der aktiven Wechselwirkungszone des Detektors und die Größe der durch das Messsystem berücksichtigten Emissionsfläche des Temperaturstrahlers und andererseits die räumliche Anordnung der Detektions- und Emissionsfläche relativ zueinander. Zusätzliche optische Komponenten zur Führung der thermischen Strahlung bzw. zur Abbildung der Emissionsfläche auf die Wechselwirkungszone des Detektors beschränken aufgrund ihrer technischen Ausführung und materialspezifischen, optischen Eigenschaften darüber hinaus den effektiven Strahlungsfluss. Der Strahlungsfluss, der von einem Messobjekt in Richtung eines Detektors abgestrahlt wird, ist definiert als:
Φ λ , D (λ ) =
³ ³ ε λ (λ , T ,ϕ ,θ ) Lλ
,S
(λ , T ) dΩ M dAM ,n
(4.2-13)
Ω M AM ,n
Hierbei ist AM,n die Fläche, die durch Projektion der Messfläche AM in eine zur optischen Achse rechtwinkligen Ebene entsteht. ΩM ist der spezifische Raumwinkel, der aus der Raumwinkel definierenden Apertur resultiert (Abb. 4.2-21). z
Strahlungsfluss
Φ
θ0 projizierte Fläche
dAM,n = dAM cosθ0
dΩΜ
y
dAM x
ϕ
Abb. 4.2-21. Geometrische Definition der projizierten Messfläche AM,n und des Raumwinkels ΩM
4.2 Inline-Verfahren
213
In der Praxis werden, insbesondere bei Applikationen mit geringen Abmessungen, optische Systeme zur Abbildung eingesetzt. Hierbei handelt es sich üblicherweise um Linsen- oder Spiegelobjektive. Werden die Einflüsse der verwendeten optischen Materialien auf die Strahlformung weiterhin vernachlässigt, die Transmissionseigenschaften der optischen Komponenten aber pauschal berücksichtigt, gilt für den effektiven Strahlungsfluss:
Φλ ,D =
³ ³ τ (λ ) ε λ (λ , T , ϕ ,θ ) Lλ
,S
(λ , T ) dΩ M dAM , n
(4.2-14)
Ω M AM ,n
mit τ: Transmissionsgrad der optischen Komponenten Technische Anwendungsgebiete
Die Pyrometrie ist aus der industriellen Fertigung und der Prozesssteuerung nicht mehr wegzudenken. Abgesehen von der Berührungslosigkeit zeichnen sich pyrometrische Sensoren durch eine hohe Signalantwortgeschwindigkeit und durch eine absolute Rückwirkungsfreiheit im Bezug auf das Messobjekt aus. Pyrometrische Sensoren ermöglichen die Temperaturbestimmung bei schwer zugänglichen oder spannungsführenden Messobjekten, bei aggressiven Materialien und auch bei Messobjekten, die eine schlechte Wärmableitung, geringe Wärmekapazität oder eine geringe Masse besitzen (IMPAC 2004). Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften ist die Temperaturbestimmung auf Basis pyrometrischer Sensoren prädestiniert für die Montage hybrider Mikrosysteme. In Kombination mit den ebenfalls berührungslos agierenden Laserstrahl-Fertigungsverfahren steigern pyrometrische Prozessüberwachungseinrichtungen die Zuverlässigkeit und stellen unter Produktionsbedingungen die geforderte Qualität sicher. In Abb. 4.2-22 oben ist eine industrielle Anwendung aus dem Bereich des Laserstrahl-Schweißens von Polymeren dargestellt. Sowohl im Rahmen der Prozessentwicklung als auch während der Serienfertigung werden die Ausgangssignale der pyrometrischen Sensorik genutzt (Abb. 4.2-22 unten), um den Fügeprozess zu optimieren und die erforderliche Produktqualität zu gewährleisten.
214
T. Pfeifer et al.
Abb. 4.2-22. (oben) Keyless Go Smart Card (unten) exemplarisches Ausgangsignal einer pyrometrischen Sensorik beim Kunststoffschweißen eines Fahrberechtigungssystem (Treusch u. Pütz 1998)
Abgesehen von der grundlegenden Entwicklung und Überwachung sind auch geregelte Fertigungsprozesse auf Grundlage pyrometrischer Sensoren realisierbar. In Abb. 4.2-23 oben ist ein Produkt der Automobil-Zulieferindustrie abgebildet (s. Kapitel 3.3). Durch einen geregelten LaserstrahlLötprozess werden die Gehäuseanschlusskontaktierungen erzeugt. Die technische Realisierung eines entsprechenden Regelkreises erfordert abgesehen vom theoretischen Grundverständnis auch praktischen Kenntnisse in Hinblick auf die individuellen, applikationsspezifischen Vorgänge in der Fügezone. Durch Korrelationen zwischen zeitsynchron aufgezeichneten Hochgeschwindigkeitsvideoaufnahmen und signifikanten Änderungen im Signalverlauf der pyrometrischen Sensorik können relevante Prozesssta-
4.2 Inline-Verfahren
215
dien während der Gehäuseanschlusskontaktierung identifiziert werden (Abb. 4.2-23 unten). Dieses zusätzlichen Informationen können im Sinne einer vollautomatischen Produktion genutzt werden, den Prozessablauf zeitlich zu optimieren und ferner die erforderliche Prozessenergie individuell angepasst an die vorliegenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen einzubringen. Kunststoff-Gehäuse
Keramik-Substrat
Pyrometersignal [V]
Gehäuseanschluss
3,0
2,5
F
D E
2,0
1,5
C B
1,0
A
0,5
0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
Bestrahlungsdauer [s]
A Verdampfen flüchtiger Bestandteile des D Austreten einer Gasblase aus dem flüsFlussmittels sigen Lotdepot B Aufschmelzen der galvanischen Metal- E Ende des Benetzungsvorgangs lisierung des Gehäuseanschlusses C Aufschmelzen des Lotdepots und par- F Rekristallisationspunkt tielles Benetzen des Gehäuseanschlusses
Abb. 4.2-23. (oben) Mikroelektronisches Modul in Dickschicht-Technik (unten) Ausgangssignal der pyrometrischen Sensorik beim Laserstrahl-Weichlöten eines Gehäuseanschlusses unter Angabe charakteristischer Prozessstadien
Unter Berücksichtigung der ermittelten kontaktspezifischen SignalAmplituden und charakteristischen Prozesszeiten können individuelle
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T. Pfeifer et al.
SOLL-Signale generiert werden. In Abb. 4.2-24 ist schematisch ein SOLLSignalverlauf für die spezifizierte Fügeaufgabe abgebildet. Das gewählte Profil lässt sich auf die folgenden Überlegungen zurückführen:
Pyrometer-SOLL-Signal
• Das Signal-Niveau A stellt räumlich begrenzt ein einheitliches „thermisches“ Niveau sicher. Fertigungsbedingte Schwankungen der Produkttemperatur können auf diese Weise zuverlässig ausgeglichen werden. • Die Festlegung des Signalanstiegs muss unter dem Gesichtspunkt der maximalen Temperaturschockbeständigkeit der Produkte erfolgen. • Das Signal-Niveau B entspricht im Minimalfall der Signalamplitude am Ende der Benetzung (Löttemperatur). • Die Breite des Niveau B muss wenigstens dem prozesstechnisch optimierten Zeitintervall des Schmelz- und Benetzungsvorgangs entsprechen (Haltezeit, ∆tCE).
∆t CE
Niveau B UE
Niveau A
k0
k1
k2
Stützwerte
kn
Bestrahlungsdauer
Abb. 4.2-24. Schematische Darstellung eines diskretisierten SOLL-Signalprofils unter Berücksichtigung kontaktspezifischer Anforderungen
Die grundsätzliche Funktion eines geschlossenen Regelkreises lässt sich am einfachsten durch die Gegenüberstellung des festgelegten SOLL-Signalverlaufs und einer endlichen Anzahl an zugehörigen IST-Signalverläufen demonstrieren (Abb. 4.2-25). Durch die gezielte Rückkopplung relevanter Prozessinformationen durch pyrometrische Sensoren ist auf der einen Seite eine zeitoptimierte Prozessführung und auf der anderen Seite eine prozessspezifische Energiezufuhr realisierbar. Somit stellen pyrometrische Überwachungseinrichtungen ein wichtiges Werkzeug im Sinne einer zuverlässigen und ökonomischen Produktion dar.
4.2 Inline-Verfahren
PyrometerSOLL- / IST-Signal [V]
k0
k1
k2
k3
k4
k5
k6
217
zeitdiskrete Stützwerte k8 k9 k10 k7
2,0 1,8
SOLL-Signal IST-Signal
1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 0
50
100
150
200
250
300
Zeit [ms]
Abb. 4.2-25. Graphische Darstellung des definierten SOLL-Signals und vier korrespondierender IST-Signalverläufe. Der geschlossene Regelkreis weist eine Totzeit von ungefähr 15 ms auf
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